Emissionshandel und Beihilfenrecht: Eine Analyse der EG-beihilfenrechtlichen Zulässigkeit einer entgeltfreien Zuteilung von Emissionszertifikaten durch die Mitgliedstaaten in Umsetzung der Richtlinie 2003/87/EG [1 ed.] 9783428530489, 9783428130481

René A. Pfromm untersucht die beihilfenrechtliche Zulässigkeit einer entgeltfreien Zuteilung von Emissionszertifikaten d

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Emissionshandel und Beihilfenrecht: Eine Analyse der EG-beihilfenrechtlichen Zulässigkeit einer entgeltfreien Zuteilung von Emissionszertifikaten durch die Mitgliedstaaten in Umsetzung der Richtlinie 2003/87/EG [1 ed.]
 9783428530489, 9783428130481

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Schriften zum Europäischen Recht Band 150

Emissionshandel und Beihilfenrecht Eine Analyse der EG-beihilfenrechtlichen Zulässigkeit einer entgeltfreien Zuteilung von Emissionszertifikaten durch die Mitgliedstaaten in Umsetzung der Richtlinie 2003 / 87 / EG

Von René A. Pfromm

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

RENÉ A. PFROMM

Emissionshandel und Beihilfenrecht

Schriften zum Europäischen Recht Herausgegeben von

Siegfried Magiera · Detlef Merten Matthias Niedobitek · Karl-Peter Sommermann

Band 150

Emissionshandel und Beihilfenrecht Eine Analyse der EG-beihilfenrechtlichen Zulässigkeit einer entgeltfreien Zuteilung von Emissionszertifikaten durch die Mitgliedstaaten in Umsetzung der Richtlinie 2003 / 87 / EG

Von René A. Pfromm

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn hat diese Arbeit im Sommersemester 2008 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

D5 Alle Rechte vorbehalten # 2010 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0937-6305 ISBN 978-3-428-13048-1 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2008 von der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn als Dissertation angenommen. Gesetzgebung, Rechtsprechung und Literatur sind bis Juni 2009 berücksichtigt. Großer Dank gebührt zunächst meinem Doktorvater und akademischen Lehrer, Herrn Prof. Dr. Christian Koenig, als dessen Wissenschaftlicher Mitarbeiter ich am Zentrum für Europäische Integrationsforschung der Universität Bonn (ZEI) tätig war. Er hat das Thema dieser Arbeit angeregt sowie deren Entstehung mit wertvollen Hinweisen begleitet. Herrn Privatdozent Dr. Thilo Rensmann danke ich für die Erstellung des Zweitgutachtens. Besonders herzlich danken möchte ich Herrn Prof. Dr. Andreas Haratsch und Herrn RiAG Jens-Daniel Braun, die durch ihre kritische Lektüre der Arbeit, wertvolle Hinweise sowie die Diskussion von Einzelaspekten so manchen Gedanken haben deutlicher werden lassen. Danken möchte ich auch meinen früheren Kolleginnen und Kollegen am ZEI für den regelmäßigen anregenden und die Arbeitsfreude fördernden Diskurs. Die Erstellung dieser Arbeit wurde durch ein Graduiertenstipendium der Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. ideell und finanziell gefördert. Für eine großzügige Förderung der Veröffentlichung danke ich zudem der Felix Porsch-Johannes DenkStiftung e.V. Den Herausgebern der Schriften zum Europäischen Recht sei für die Aufnahme der Arbeit in die Schriftenreihe gedankt. Mein persönlicher Dank gilt Frau Katja M. Niehnus sowie Herrn Dr. Kay E. Winkler für ihre langjährige Freundschaft, viele kritische Diskussionen zum Thema dieser Arbeit und stete Ermunterung. Ganz besonders danke ich schließlich meinen Eltern für ihre stete Unterstützung. Bonn, im Juni 2009

René A. Pfromm

Inhaltsübersicht A. Die Zuteilung von Emissionszertifikaten als beihilfenrechtliches Problem . . . . . .

19

I. Gegenstand der Abhandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19

II. Gang und Ziel der Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

38

B. Die Kommissionslogik bei der beihilfenrechtlichen Bewertung der mitgliedstaatlichen Zertifikatzuteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

40

I. Beihilfenrechtliche Bewertung mitgliedstaatlicher Handelssysteme durch die Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

40

II. Beihilfenrechtliche Kommissionsbewertung der mitgliedstaatlichen Zertifikatzuteilung im gemeinschaftsweiten Handelssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

56

III. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

84

C. Beihilfenrechtliche Bewertung einer entgeltfreien Zertifikatzuteilung durch die Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

87

I. Vorliegen einer Beihilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

88

II. Genehmigungsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 III. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 D. Schlussfolgerung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 I. Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 II. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211

Inhaltsverzeichnis A. Die Zuteilung von Emissionszertifikaten als beihilfenrechtliches Problem . . . . . .

19

I. Gegenstand der Abhandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19

1. Der Emissionshandel als „neues“ Instrument des Umweltrechts . . . . . . . . . . . . .

20

a) Schwächen eines rein ordnungsrechtlichen Ansatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

20

b) Der umweltökonomische Hintergrund einer Flexibilisierung des Ordnungsrechts durch ökonomische Anreizmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

22

c) Das Konzept handelbarer Emissionszertifikate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

25

d) Die verteilungsökonomische Bedeutung der Zertifikatzuteilung . . . . . . . . .

27

2. Der gemeinschaftsweite Emissionshandel gemäß der Richtlinie 2003 / 87 / EG

28

3. Die entgeltfreie Zertifikatzuteilung als beihilfenrechtliches Problem . . . . . . . .

34

II. Gang und Ziel der Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

38

B. Die Kommissionslogik bei der beihilfenrechtlichen Bewertung der mitgliedstaatlichen Zertifikatzuteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

40

I. Beihilfenrechtliche Bewertung mitgliedstaatlicher Handelssysteme durch die Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

40

1. Dänemark: Der CO2-Handel im Elektrizitätssektor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

41

a) Darstellung des Handelssystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

41

b) Beihilfenrechtliche Bewertung durch die Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

42

(1) Beihilfentatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

42

(2) Genehmigungsfähigkeit der Beihilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

42

2. Vereinigtes Königreich: Das freiwillige Emissions Trading Scheme . . . . . . . . .

44

a) Darstellung des Handelssystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

44

b) Beihilfenrechtliche Bewertung durch die Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

45

(1) Beihilfentatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

45

(2) Genehmigungsfähigkeit der Beihilfenmaßnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

46

3. Belgien: Das flämische Handelssystem für Grünstromzertifikate . . . . . . . . . . . .

48

a) Darstellung des Handelssystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

48

b) Beihilfenrechtliche Bewertung durch die Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

49

10

Inhaltsverzeichnis 4. Niederlande: Der NOx-Handel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

51

a) Darstellung des Handelssystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

51

b) Beihilfenrechtliche Bewertung durch die Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

52

(1) Beihilfentatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

52

(2) Genehmigungsfähigkeit der Beihilfenmaßnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

54

5. Zwischenergebnis: Die Kommissionspraxis bezüglich der mitgliedstaatlichen Handelssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

55

II. Beihilfenrechtliche Kommissionsbewertung der mitgliedstaatlichen Zertifikatzuteilung im gemeinschaftsweiten Handelssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

56

1. Grünbuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

57

2. Richtlinienvorschläge und weiteres Gesetzgebungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . .

60

3. Non-Paper vom 01. 04. 2003 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

61

4. Richtlinie 2003 / 87 / EG vom 13. 10. 2003 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

62

5. Mitteilung zur Anwendung der Anhang III-Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

64

6. Schreiben der Generaldirektionen Umwelt und Wettbewerb an Dänemark . . .

65

7. Bewertung der nationalen Allokationspläne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

67

a) Äußerungen der Kommission zur ersten Handelsperiode . . . . . . . . . . . . . . . .

67

b) Äußerungen der Kommission zur zweiten Handelsperiode . . . . . . . . . . . . . . .

69

c) Maßstäbe der Kommissionsbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

71

8. Bislang keine beihilfenrechtliche Kommissionsentscheidung . . . . . . . . . . . . . . .

72

a) Grundsatz: Dualismus der Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

72

(1) Verfahren gemäß Art. 9 Abs. 3 EHRL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

72

(2) Verfahren gemäß Art. 88 Abs. 3 EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

73

(3) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

74

b) Keine förmliche Notifizierung gemäß Art. 88 Abs. 3 EG . . . . . . . . . . . . . . . .

77

c) Pflicht zur Verfahrenseröffnung ex officio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

78

d) Keine Offensichtlichkeit des Beihilfenausschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

79

e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

80

9. Beihilfenrechtliche Notifizierungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

80

a) Keine Befreiung durch die Richtlinie 2003 / 87 / EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

81

b) Keine Befreiung wegen Kapitel F des Gemeinschaftsrahmens für staatliche Umweltschutzbeihilfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

83

c) Keine Befreiung durch das Schreiben der Kommission vom 17. 03. 2004

83

Inhaltsverzeichnis

11

d) Keine Befreiung wegen Offensichtlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

84

e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

84

III. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

84

C. Beihilfenrechtliche Bewertung einer entgeltfreien Zertifikatzuteilung durch die Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

87

I. Vorliegen einer Beihilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

88

1. Dem Mitgliedstaat zuzurechnende Maßnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

89

a) Bloße Umsetzung einer gemeinschaftsrechtlichen Vorgabe . . . . . . . . . . . . . .

89

(1) Richtlinienumsetzung grundsätzlich durch die Mitgliedstaaten . . . . . .

90

(2) Keine Übertragbarkeit der „Deutsche Bahn“-Rechtsprechung . . . . . . . (a) Keine Aussagen zur Zurechenbarkeitsfrage in „Braathens Sverige“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Keine Übertragbarkeit wegen unterschiedlicher Sachverhalte . . . .

93 93 94

(3) Normhierarchische Gründe (Vorrang des Primärrechts) . . . . . . . . . . . . .

96

(4) Auslegung der Richtlinie 2003 / 87 / EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Grammatikalische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Systematische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Teleologische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Auslegungsergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

98 98 98 99 99

(5) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

99

b) Art. 249 Abs. 3 EG als Ausnahmevorschrift zu Art. 87 Abs. 1 EG . . . . . . . 100 2. Begünstigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 a) Gewährung eines geldwerten Vorteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 (1) Kein Begünstigungsausschluss wegen Systemimmanenz . . . . . . . . . . . . 104 (2) Kein Begünstigungsausschluss wegen Belastungscharakters des Zertifikathandels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 (a) Zusätzliche Kostenbelastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 (b) Entzug des Rechts zur unlimitierten Emission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 (3) Kein Begünstigungsausschluss bei bedarfsgerechter Zertifikatzuteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 (4) Kein Begünstigungsausschluss wegen gemeinschaftsweiten Zertifikathandels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 (5) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 b) Kein angemessenes Leistungs- / Gegenleistungsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . 110 c) Kriterien der „Altmark Trans“-Rechtsprechung nicht erfüllt . . . . . . . . . . . . . 114 (1) Keine Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse . . . 115 (2) Keine Betrauung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117

12

Inhaltsverzeichnis (3) Weitere Kriterien ebenfalls nicht erfüllt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 (4) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 d) Exkurs: Ausklammerung von Zertifikatpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 3. Staatlich oder aus staatlichen Mitteln gewährt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 a) Staatlichkeit der Mittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 b) Belastung öffentlicher Haushalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 (1) Die „PreussenElektra“-Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 (2) Keine Vergleichbarkeit der Sachverhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 (3) Belastung öffentlicher Haushalte durch Einnahmeverzicht . . . . . . . . . . 124 (4) Grundsätzliche Möglichkeit einer entgeltlichen Zertifikatzuteilung . . 125 (5) Gegenargumente und Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Typischerweise keine Erhebung von Abgaben auf Emissionen . . . (b) Nur Schaffung der Voraussetzungen für einen Markt . . . . . . . . . . . . (c) Kein Zwang zur entgeltlichen Vergabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Verzichtsleistung nur fiktiv . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (e) Vergleichbarkeit mit Erlaubnissen und Konzessionen . . . . . . . . . . . . (f) Lenkungsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

132 132 134 135 136 138 139

(6) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 4. Bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 5. Verfälschung des Wettbewerbs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 a) Relevanter Markt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 b) Wettbewerbsverfälschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 6. Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . 150 a) Handelsbeeinträchtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 b) De-minimis-Beihilfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 7. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 II. Genehmigungsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 1. Genehmigungsfähigkeit gemäß Art. 87 Abs. 3 lit. b) EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 a) Gemeinschaftsrahmen für staatliche Umweltschutzbeihilfen . . . . . . . . . . . . . 156 b) Wichtiges Vorhaben von gemeinsamem europäischen Interesse . . . . . . . . . . 160

Inhaltsverzeichnis c) Erforderlichkeit der entgeltfreien Zertifikatzuteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Ökologische Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Umweltökonomische Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Beihilfenrechtliche Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

13 161 162 162 166 167

d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 2. Art. 87 Abs. 3 lit. c) EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 a) Genehmigungsvoraussetzungen des Kapitel F des Gemeinschaftsrahmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 b) Genehmigungsvoraussetzungen der Ziffer 72 des Gemeinschaftsrahmens 170 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 3. Art. 87 Abs. 3 lit. e) EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 4. Art. 88 Abs. 2 UAbs. 3 EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 5. Art. 86 Abs. 2 EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 6. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 III. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 D. Schlussfolgerung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 I. Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 1. Ergebnis der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 2. Folgen des Ergebnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 a) Auswirkungen auf die Zertifikatempfänger und ihre Wettbewerber . . . . . . 181 b) Reaktionsmöglichkeiten der Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 c) Handlungsoptionen der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 d) Exkurs: Rückforderung der Beihilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 II. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 III. Schlussbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 1. Leitlinien für staatliche Umweltschutzbeihilfen 2008 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 2. Konsolidierte Richtlinie 2003 / 87 / EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 3. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211

Abkürzungsverzeichnis a.A.

anderer Ansicht

a. a. O.

am angegebenen Ort

ABl.EG

Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften

ABl.EU

Amtsblatt der Europäischen Union

Abs.

Absatz

AGE

Arbeitsgruppe Emissionshandel zur Bekämpfung des Treibhauseffekts

Art. / Artt.

Artikel

Aufl.

Auflage

Bd.

Band

BImSchG

Bundesimmissionsschutzgesetz

BT-Drs.

Drucksachen des Deutschen Bundestags

BVerfG

Bundesverfassungsgericht

BVerfGE

Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts

BVerwG

Bundesverwaltungsgericht

bzw.

beziehungsweise

CDM

Clean Development Mechanism

CPN

Competition Policy Newsletter (Zeitschrift)

CO2

Kohlendioxid

CO2-QuotenG

Dänisches Gesetz über die Quotierung von CO2-Emissionen in der Elektrizitätsproduktion

DB

Der Betrieb (Zeitschrift)

ders.

derselbe

dies.

dieselbe(n)

DÖV

Die Öffentliche Verwaltung (Zeitschrift)

DVBl.

Deutsches Verwaltungsblatt (Zeitschrift)

ebd.

ebenda

EG

Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft in der nach dem 01. 05. 1999 geltenden Fassung

EGV

Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft in der vor dem 01. 05. 1999 geltenden Fassung

16

Abku¨rzungsverzeichnis

EHRL

Richtlinie 2003 / 87 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 2003 über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft und zur Änderung der Richtlinie 96 / 61 / EG des Rates, ABl.EU 2003 L 275 / 32.

elni Review

Review of the Environmental Law Network International (Zeitschrift)

EStAL

European State Aid Law Quaterly (Zeitschrift)

et

Energiewirtschaftliche Tagesfragen (Zeitschrift)

etc.

et cetera

EU

Europäische Union / Vertrag über die Europäische Union

EuG

Gericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften

EuGH

Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften

EurUP

Europäische Zeitschrift für Umwelt- und Planungsrecht

EuZW

Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht

EWS

Europäisches Wirtschafts- & Steuerrecht (Zeitschrift)

f.

folgend(e)

ff.

fortfolgend(e)

Fn.

Fußnote

FS

Festschrift

g

Gramm

GA

Generalanwalt / Generalanwältin

GJ

Gigajoule

Hrsg.

Herausgeber

ILM

International Legal Materials

IR

Infrastruktur Recht (Zeitschrift)

i.V. m.

in Verbindung mit

IVU-RL

Richtlinie 96 / 61 / EG des Rates vom 24. 09. 1996 über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung, ABl.EG 1996 L 257 / 26.

JI

Joint Implementation

JZ

Juristenzeitung (Zeitschrift)

Kap.

Kapitel

KP

Kyoto Protokoll

KWG

Gesetz über das Kreditwesen

KWK

Kraft-Wärme-Kopplung

lit.

Buchstabe

LKV

Landes- und Kommunalverwaltung (Zeitschrift)

MW

Megawatt

Abku¨rzungsverzeichnis

17

MWh

Megawattstunde

m.w. N.

mit weiteren Nachweisen

NAP

Nationaler Zuteilungsplan

NJW

Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift)

n.n.v.

Noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht

NOx

Stickstoffoxid

Nr.

Nummer

NuR

Natur und Recht (Zeitschrift)

NVwZ

Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht

NZBau

Neue Zeitschrift für Bau- und Vergaberecht

PJ

Petajoule

PSR

Performance Standard Rate

RdE

Recht der Energiewirtschaft (Zeitschrift)

Rn.

Randnummer

Rs.

Rechtssache

Rz.

Randziffer

S.

Seite(n)

SächsVBl.

Sächsische Verwaltungsblätter (Zeitschrift)

sic!

Zeitschrift für Immaterialgüter-, Informations- und Wettbewerbsrecht

Slg.

Sammlung der Rechtsprechung des EuGH und des EuG

SRU

Sachverständigenrat für Umweltfragen

st. Rspr.

ständige Rechtsprechung

TEHG

Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz

Tz.

Teilziffer

u.a.

und andere / unter anderem

UPR

Umwelt- und Planungsrecht (Zeitschrift)

v.

vom / versus

verb. Rs.

verbundene Rechtssachen

VerfVO

Verordnung (EG) Nr. 659 / 1999 des Rates v. 22. 03. 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 93 des EG-Vertrags, ABl.EG 1999 L 83 / 1.

VerwArch

Verwaltungsarchiv (Zeitschrift)

vgl.

vergleiche

VO

Verordnung

WM

Wertpapiermitteilungen – Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht

Wp

Wirtschaftsprüfung (Zeitschrift)

WuW

Wirtschaft und Wettbewerb (Zeitschrift)

18

Abku¨rzungsverzeichnis

z. B.

zum Beispiel

ZBB

Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft

ZHR

Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht

Ziff.

Ziffer(n)

ZNER

Zeitschrift für Neues Energierecht

ZUR

Zeitschrift für Umweltrecht

ZWeR

Zeitschrift für Wettbewerbsrecht

A. Die Zuteilung von Emissionszertifikaten als beihilfenrechtliches Problem Zum 1. Januar 2005 wurde in der Europäischen Union (EU) durch die Richtlinie 2003 / 87 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 2003 über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft und zur Änderung der Richtlinie 96 / 61 / EG des Rates1 (EHRL) ein gemeinschaftsweites Emissionshandelssystem eingeführt. In dessen Rahmen benötigen die von der Richtlinie erfassten Anlagenbetreiber für bestimmte Treibhausgasemissionen sowohl eine Genehmigung zur Treibhausgasemission als auch eine der tatsächlichen Höhe ihrer Emissionen entsprechende Anzahl von Zertifikaten. Diese Zertifikate werden in den ersten beiden Handelsperioden – auf der Grundlage früherer Emissionen sowie gekürzt um einen bestimmten jährlich steigenden Faktor – entgeltfrei oder überwiegend entgeltfrei durch die Mitgliedstaaten zugeteilt und sind frei handelbar. Diese entgeltfreie oder überwiegend entgeltfreie Zertifikatzuteilung durch die Mitgliedstaaten wirft die Frage nach ihrer EG-beihilfenrechtlichen Zulässigkeit auf. Denn gemäß Art. 87 Abs. 1 EG sind staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen und im EG-Vertrag nicht etwas anderes bestimmt ist. Der Frage nach der beihilfenrechtlichen Zulässigkeit einer solchen entgeltfreien Zertifikatallokation durch die Mitgliedstaaten – die sich über den Bereich der Emissionszertifikate hinaus zukünftig auch in vergleichbaren Zertifikatsystemen stellen wird – widmet sich die vorliegende Arbeit. Einleitend sind dabei in diesem Kapitel zunächst der Gegenstand der Abhandlung zu konkretisieren (unter I.) sowie Gang und Ziel der Darstellung zu erläutern (unter II.).

I. Gegenstand der Abhandlung Die beihilfenrechtliche Bewertung der entgeltfreien oder überwiegend entgeltfreien Zertifikatzuteilung durch die Mitgliedstaaten setzt das Verständnis des umweltökonomischen Systemansatzes von Zertifikatsystemen voraus. Als Grundlage 1 Richtlinie 2003 / 87 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 2003 über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft und zur Änderung der Richtlinie 96 / 61 / EG des Rates, ABl.EU 2003 L 275 / 32.

20

A. Emissionszertifikate als beihilfenrechtliches Problem

für die beihilfenrechtliche Bewertung der Zertifikatzuteilung ist daher im Folgenden zunächst der umweltökonomische Hintergrund der Zertifikathandelssysteme herauszuarbeiten (unter 1.). Hierauf aufbauend ist in einem zweiten Schritt die konkrete Ausgestaltung des EU-Emissionshandels und der Zuteilungsvorgaben darzustellen (unter 2.). Dies führt schließlich zu einer Konkretisierung der beihilfenrechtlichen Fragestellung und einer Eingrenzung des Gegenstands dieser Arbeit (unter 3.).

1. Der Emissionshandel als „neues“ Instrument des Umweltrechts Das umweltregulatorische Instrument eines Zertifikatsystems zur Emissionsreduzierung ist in der umweltökonomischen Literatur bereits seit langem erforscht und etabliert, im bislang überwiegend ordnungsrechtlich geprägten Umweltrecht der EU und ihrer Mitgliedstaaten dagegen verhältnismäßig neu. Der umweltökonomische Ansatz versucht dabei, den Schwächen eines rein ordnungsrechtlichen Ansatzes durch eine Flexibilisierung mittels Schaffung ökonomischer Anreizmechanismen, wie etwa handelbarer Zertifikate, zu begegnen.

a) Schwächen eines rein ordnungsrechtlichen Ansatzes Der Klimaschutz und die Bekämpfung des Treibhauseffekts gehören zu den seit einigen Jahren intensiv diskutierten Themenbereichen im internationalen Umweltschutz.2 Die bisherigen klimapolitischen Bemühungen um die Reduzierung von Treibhausgasemissionen setzten insbesondere auf das Instrument ordnungsrechtlicher Vorschriften. Diese versuchen ein zielkonformes Verhalten – und damit die positive Dynamisierung des Umweltschutzes – insbesondere durch Effizienzstandards, Emissionshöchstgrenzen und bestimmte, über den „Stand der Technik“ variabel definierte technische Anforderungen zu erreichen.3 Nach dem Grenzwertmodell werden ökologische Fortschritte durch die Möglichkeit einer hoheitlichen Ahndung der Nichteinhaltung zunehmend strenger festgesetzter Grenzwerte für Umweltbeeinträchtigungen erzielt.4 In dem komplexen, durch multikausale Wirkungszusammenhänge geprägten Bereich des Umweltschutzes stößt der rein ord2 Knopp / Hoffmann, EWS 2004, 201 (201 f.). Zum Klimaschutz allgemein siehe m. w. N. Sachverständigenrat für Umweltfragen, Umweltgutachten 2002, S. 210 ff.; Kerth, Emissionshandel, S. 36 ff.; Kloepfer, Umweltrecht, § 17; Zimmer, Emissionsrechtehandel, S. 19 ff. 3 So enthält das deutsche Recht etwa in § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG die Verpflichtung der Betreiber emittierender Anlagen, schädliche Umwelteinwirkungen zu vermeiden sowie die nach dem Stand der Technik mögliche Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen zu treffen (sog. Vorsorgegebot). § 5 Abs. 1 S. 2 – 4 BImSchG passen die Anforderungen des § 5 Abs. 1 S. 1 BImSchG nunmehr im Hinblick auf die Anforderungen an die Begrenzung von Treibhausgasemissionen an das Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz an. 4 Hendler, in: FS Götz, S. 157.

I. Gegenstand der Abhandlung

21

nungsrechtliche Ansatz jedoch an seine Grenzen. Zwar ist ein ordnungsrechtlicher Rahmen zur Sicherung eines ökologischen Mindeststandards unentbehrlich.5 Ordnungsrechtliche Emissionshöchstgrenzen alleine sind für die Verwirklichung des Verursacher- und Vorsorgeprinzips6 jedoch unzureichend. Die ordnungsrechtliche Auflagenpolitik gilt insbesondere wegen der für die Emissionsreduktionen aufzuwendenden Kosten als ineffizient und veranlasst die betroffenen Emittenten allenfalls zur Einhaltung der ordnungsrechtlichen Auflagen.7 Mangels Entscheidungsspielraums der Emittenten sind ordnungsrechtliche Maßnahmen durch einen eher statischen Charakter mit höheren volkswirtschaftlichen Kosten und geringeren Innovationsanreizen geprägt.8 Statt Anreize für eine zusätzliche Emissionsvermeidung zu schaffen, bestehen vielmehr ökonomische Anreize zur Ausschöpfung des Zulässigkeitsrahmens, da die Investitionen zugunsten ökologischer Verbesserungen – aufgrund der damit verbundenen höheren Produktionskosten – mit möglichen Wettbewerbsnachteilen verbunden sind.9 Zudem leidet der ordnungsrechtliche Ansatz einer Dynamisierung des Umweltschutzes nach dem jeweiligen Stand der Technik10 unter einem systemimmanenten Informations-, Umsetzungs- und Vollzugsdefizit: Denn die Durchsetzung der ordnungsrechtlichen Vorgaben ist in besonderem Maße angewiesen auf detaillierte und rechtzeitige Informationen über die Grundlagen des Standes der Technik bzw. der besten verfügbaren Technik, über die jedoch in erster Linie der zu kontrollierende Adressat der ordnungsrechtlichen Verpflichtung selbst verfügt.11 Die Anpassung der Grenzwerte an die wissenschaftliche und technische Entwicklung ist mit einer Verzögerung verbunden, die zu einer Diskrepanz zwischen möglichem und tatsächlichem Umweltschutzniveau führt.12 Insgesamt ist die Wirkung des ordnungsrechtlichen Ansatzes somit auf die reaktive Anpassung an die Normsetzung beschränkt, ohne die aktive Vorsorge zu fördern. Als Ergänzung des ordnungsrechtlichen Rahmens sind daher in jüngerer Hendler, in: FS Götz, S. 157 m. w. N. Vorsorgeprinzip bezeichnet das Gebot, trotz fehlender Gewissheit bezüglich Art, Ausmaß oder Eintrittswahrscheinlichkeit möglicher Umweltschäden vorbeugende Maßnahmen zur Vermeidung derartiger Schäden zu treffen (vgl. etwa im deutschen Recht § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG, hierzu Fn. 3); das Verursacherprinzip bezeichnet die Zurechnung der Kosten für die Beseitigung einer Umweltverschmutzung an den Verursacher (polluter pays principle; vgl. auch die Definition in Ziff. 6 des Gemeinschaftsrahmens für staatliche Umweltschutzbeihilfen, ABl.EG 2001 C 37 / 3) und ist gemäß Art. 174 Abs. 2 UAbs. 1 EG der Grundsatz der gemeinschaftlichen Umweltpolitik. 7 Endres, in: Endres / Rehbinder / Schwarze, Umweltzertifikate, S. 1 (3). 8 Koch / Wieneke, DVBl. 2001, 1085 (1094); Meyer / Ströbele, in: Rengeling, Klimaschutz, S. 57 (63 f.); Beckmann / Fisahn, ZUR 2009, 299 (300 f.). 9 Hendler, in: FS Götz, S. 157 (158). 10 Zu den Begriffen der „besten verfügbaren Technik“ und des „Standes der Technik“ im Umweltrecht siehe Knopp / Heinze, UPR 2004, 212 ff. 11 Endres, DÖV 1998, 184. An anderer Stelle spricht dieser auch vom „Schweigekartell der Oberingenieure“, siehe Endres, Umweltökonomie, S. 158. 12 Hendler, in: FS Götz, S. 157 (158). 5 6

22

A. Emissionszertifikate als beihilfenrechtliches Problem

Zeit insbesondere Selbstverpflichtungen der Wirtschaft13 sowie ökonomische Instrumente14 zur Flexibilisierung des Ordnungsrechts angeregt worden.15 b) Der umweltökonomische Hintergrund einer Flexibilisierung des Ordnungsrechts durch ökonomische Anreizmechanismen Nach umweltökonomischem Verständnis16 liegt die Ursache des Umweltproblems darin, dass die Betreiber umweltbelastender Aktivitäten bei ihren Aktivitäten die von ihnen bei Dritten verursachten Kosten nicht berücksichtigen. Denn im Rahmen des ordnungsrechtlichen Ansatzes können Umweltgüter bis zur ordnungsrechtlichen Höchstgrenze ohne Zahlung von kostendeckenden bzw. kostenindizierenden Preisen belastet werden.17 Der dem Einzelnen zufließende Vorteil der Nutzung und des Verbrauchs von Umweltgütern und Ressourcen hat somit keinen marktmäßig zu ermittelnden Preis und taucht in der einzelwirtschaftlichen Kostenrechnung nicht auf, wodurch eine Übernutzung der natürlichen Ressourcen sowie Umweltschädigungen durch wirtschaftliche Fehlsteuerung bedingt werden. Um eine im Sinne der Wohlfahrtsökonomie optimale und effiziente Umweltnutzung zu schaffen, im Rahmen derer die Inanspruchnahme der knappen Ressource „Umwelt“ so in den Prozess allokativer Entscheidungen eingebunden wird, dass höherwertige Umweltnutzungen nicht durch geringwertige verdrängt und gleichwertige nicht mit überhöhten Kosten verbunden werden,18 sind nach umweltökonomischer Auffassung drei Grundbedingungen zu erfüllen.19 So müssen bei 13 Zur Selbstverpflichtung der Industrie und zu Umweltvereinbarungen vgl. etwa Di Fabio, JZ 1997, 969; Fluck / Schmitt, VerwArch. 89 (1998) 220 ff. m. w. N.; umfassend zu Selbstverpflichtungen auch Frenz, Selbstverpflichtung. 14 Zum Spannungsverhältnis von Emissionshandel und ordnungsrechtlichem Immissionsschutz ausführlich Appel, in: FS Schmidt, S. 775 (783 ff.). 15 Hierzu etwa Schmidt-Preuß, in: Dolde (Hrsg.), Umweltrecht im Wandel, S. 309 (312 ff.). 16 Vgl. zur Umweltökonomie insbesondere Endres, Umweltökonomie; Cansier, Umweltökonomie; Feess, Umweltökonomie; Gawel / Lübbe-Wolf, Umweltordnungsrecht; Kloepfer, Umweltrecht; Wicke, in: Rengeling, Handbuch Umweltrecht, § 5; Voßkuhle, in: Hendler / Marburger / Reinhard / Schröder, Energierecht, S. 159 (162 ff.) sowie die Nachweise ebd. in Fn. 10. 17 Koenig, DÖV 1996, 943. Zu den wirtschaftstheoretischen Grundlagen und der Internalisierung externer Effekte als Leitbild der Umweltpolitik siehe Endres, Umweltökonomie, S. 6 ff. 18 Die Existenz von Umweltproblemen stört die Fähigkeit des Marktmechanismus, auch unter günstigsten Bedingungen sozial optimale Ergebnisse hervorzubringen, so dass ein Marktversagen vorliegt, vgl. Endres, Umweltökonomie, S. 19. 19 Voßkuhle, in: Hendler / Marburger / Reinhard / Schröder, Energierecht, S. 159 (163). Zu den wohlfahrtsökonomischen Vorteilen marktwirtschaftlicher Zuteilung siehe auch Martini, in: Bungenbach, 44. AssÖR, S. 249 ff.

I. Gegenstand der Abhandlung

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der Nutzung von Umweltressourcen erstens die durch externe Effekte20 verursachten sozialen Zusatzkosten dem Verursacher angelastet, also internalisiert21 werden. Zweitens müssen Spielräume in der Rechtsordnung geschaffen werden, damit insbesondere die individuelle betriebswirtschaftliche Kostenstruktur von Umweltnutzungen im Hinblick auf die jeweils anfallenden Vermeidungskosten Berücksichtigung finden kann (Flexibilisierung). Und drittens muss schließlich ein individueller wirtschaftlicher Anreiz bestehen, Umweltnutzungen zu minimieren (Marktelement). Dieses Konzept der Internalisierung externer Effekte stellt den Versuch dar, das durch externe Effekte verlorene Wohlfahrtsoptimum des Marktsystems durch eine optimale Ressourcenallokation wiederherzustellen, indem die bislang von der Allgemeinheit getragenen unkompensierten Auswirkungen der Umweltnutzungen und Umweltbelastungen monetarisiert und den Verursachern angelastet werden.22 Denn bei erfolgreicher Internalisierung berücksichtigt der Verursacher bei seinen Allokationsentscheidungen nicht nur die internen, sondern auch die bis dahin externen, in summa mithin die sozialen Kosten. Zum Erreichen einer solchen Internalisierung setzt der umweltökonomische Ansatz nicht auf ordnungsrechtliche Geund Verbote, sondern auf den Preis als geeignetes Mittel zur optimalen Ressourcenallokation. Die Ergänzung des ordnungsrechtlichen Instrumentariums um ökonomische Instrumente ermöglicht es, den Umweltnutzungen letztlich einen Preis zuzuweisen, wodurch diese – anders als eine primär ordnungsrechtlich geprägte Umweltpolitik – zur Stimulierung eines finanziellen Eigeninteresses des Einzelnen an der Erhaltung der Umwelt beitragen. Ökonomische Instrumente zur umweltrechtlichen Steuerung müssen folglich einen ökonomischen Anreiz für das erwünschte Verhalten über die ordnungsrechtlichen Vorgaben hinaus schaffen.23 Als Strategie zur Steigerung der Effizienz des Umweltrechts wird daher zunehmend die Erweiterung der ordnungsrechtlichen Primärsteuerung um ökonomische Anreizmechanismen diskutiert.24 20 Externe Effekte (bzw. Externalitäten) bezeichnen die unkompensierten Auswirkungen ökonomischer Entscheidungen auf unbeteiligte Dritte, worin volkswirtschaftlich ein Marktversagen liegt, vgl. Mankiw / Taylor, Volkswirtschaftslehre, S. 229 ff. Sind die Effekte schädigend, werden diese als negative externe Effekte oder als externe Kosten bezeichnet, sind sie begünstigend, werden sie als positive externe Effekte oder als externer Nutzen bezeichnet. 21 Internalisierung bedeutet die Einbeziehung sozialer (durch externe Effekte verursachter) Zusatzkosten bzw. sozialen Zusatznutzens in das Wirtschaftlichkeitskalkül des Verursachers, um die durch das Marktversagen entstandenen Ineffizienzen zu minimieren und so das Wohlfahrtsoptimum zu erreichen. 22 Vgl. hierzu instruktiv etwa Mankiw / Taylor, Volkswirtschaftslehre, S. 229 ff. 23 Hendler, in: FS Götz, S. 157 (159). 24 Vgl. zur Diskussion über Effizienzsteigerungen in der Umweltpolitik durch einen Instrumentenmix etwa Hansjürgens, in: Gawel / Lübbe-Wolf, Umweltordnungsrecht, S. 251 ff. Eine Ökonomisierung der Rechtsordnung liegt dabei durchaus im Trend, vgl. etwa Schneider, Die Verwaltung 34 (2001) 317 ff.; Voßkuhle, Die Verwaltung 34 (2001) 347 ff. Zum Verhältnis des Emissionsrechtehandels zu einem ordnungsrechtlichen Ansatz vgl. etwa Rengeling,

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A. Emissionszertifikate als beihilfenrechtliches Problem

Im Mittelpunkt standen dabei bislang Abgabensysteme.25 Zusammen mit Auflagen und Zertifikatlösungen zählen Abgaben, die in zahlreichen Varianten diskutiert werden, zu den standardorientierten Instrumenten. Diese unterscheiden sich von den traditionellen (schadensorientierten) Strategien zur Internalisierung externer Effekte26 dadurch, dass mit ihnen keine Wiederherstellung der von den externen Effekten gestörten Pareto-Optimalität27 des Konkurrenzgleichgewichts – und streng genommen keine Internalisierung externer Effekte – erreicht, sondern „lediglich“ die kostenminimierende Realisierung einer exogen festgelegten aggregierten Emissionsreduktion („Standard“) angestrebt wird. Während im System der Umweltabgaben Preise für einzelne Umweltbeeinträchtigungen festgelegt werden und die Gesamtmenge der Umweltbeeinträchtigung variabel ist (sog. Preisfixierung), wird bei Zertifikatsystemen die Gesamtmenge der Umweltbeeinträchtigungen festgelegt und die Preise der Einheiten bleiben – als Grundlage für die ökonomische Kalkulation der Wirtschaftsakteure – variabel (sog. Mengenfixierung).28 Wenngleich im Rahmen einer Beurteilung nach Effizienz, dynamischer Anreizwirkung und ökologischer Treffsicherheit29 keines der standardorientierten InstruDVBl. 2000, 1725 (1728 f.); Koch / Wieneke, in: Rengeling, Klimaschutz, S. 99 (114 ff.); dies., DVBl. 2001, 1085 (1092 ff.); Frenz, RdE 2003, 32; Mager, DÖV 2004, 561; Kloepfer, Umweltrecht, § 5 Rn. 178 ff. 25 Hendler, NuR 2000, 663; ders., in: FS Götz, S. 157 (160) m.w. N.; zur Rspr. in Deutschland vgl. etwa BVerfGE 93, 319 – Wasserentnahmeentgelt; BVerfGE 98, 83 – Landesabfallabgaben; BVerfGE 98, 106 – Kommunale Verpackungssteuer; BVerfGE 102, 99 – Lizenzentgelt für Sonderabfallbeseitigung; BVerfG, NVwZ 2004, 846 – Ökosteuer; BVerwGE 74, 308 – Ausgleichsabgabe; BVerwGE 81, 220 – Naturschutzrechtliche Ausgleichsabgabe. 26 Dies sind insbesondere die eigentumsrechtliche Verhandlungslösung nach Coase und der haftungsrechtliche Ansatz sowie die Steuerlösung nach Pigou, vgl. Coase, Journal of Law and Economics 3 (1960), S. 1 ff.; Pigou, Economics of Welfare, S. 1 ff.; sowie Endres, Umweltökonomie, S. 33 ff., 108 ff. Beide Theorien leiden in ihrer reinen Form jedoch unter erheblichen Umsetzungsschwierigkeiten. So berücksichtigt etwa Coase ausdrücklich keine Transaktionskosten, geht von nur zwei Beteiligten aus und zeigt Schwächen bei der Berücksichtigung der Verhandlungspositionen (Gefahr eines bilateralen Monopols, asymmetrische Informationsverteilung, „Gefangenen-Dilemma“); der haftungsrechtliche Ansatz leidet unter den Problemen der Kausalitätsfeststellung sowie der Monetarisierung des Schadens und wird durch die Existenz von Haftungsbegrenzungen und Versicherungen der Verursacher externer Effekte geschwächt; die Pigou-Steuer schließlich erfordert einen hohen Informationsgrad der steuersetzenden Stelle bezüglich der Grenzschadens- und Grenzvermeidungskosten und ist mit starker Unsicherheit und Diskontinuität für die betroffenen Unternehmen verbunden. Vgl. zu den Schwächen vertiefend etwa Endres, Umweltökonomie, S. 41 ff. 27 Nach dem in der ökonomischen Theorie überwiegend verwendeten Kriterium der Pareto-Optimalität ist ein Zustand dann volkswirtschaftlich optimal, wenn es nicht mehr möglich ist, durch eine Änderung dieses Zustands auch nur ein Mitglied der Ökonomie besser zu stellen, ohne dass ein anderes Mitglied schlechter gestellt würde, vgl. Endres, Umweltökonomie, S. 10. 28 Hendler, in: FS Götz, S. 157 (161). 29 Dabei bezeichnen Effizienz die Fähigkeit eines Instruments, den vorgegebenen Emissionszielwert mit minimalen (Emissionsvermeidungs-)Kosten zu erreichen, dynamische Anreizwirkung die Fähigkeit eines Instruments, umwelttechnischen Fortschritt zu induzieren

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mente alle Alternativen dominiert, so dass grundsätzlich eine kombinierte Anwendung empfehlenswert ist, sprechen im Vergleich zu Auflagen und Abgaben prima facie insbesondere eine höhere Effizienz, eine hohe ökologische Treffsicherheit und eine hohe dynamische Anreizwirkung für die Zertifikatlösung.30 c) Das Konzept handelbarer Emissionszertifikate Das Konzept handelbarer Emissionszertifikate nutzt die Effizienzfunktion des Marktes zur Bewältigung von Umweltproblemen und geht zurück auf die Arbeiten von J. H. Dales und T. D. Crocker in den 1960er Jahren.31 Das System des Emissionshandels basiert auf der Festsetzung einer Mengenbegrenzung für bestimmte Emissionen durch den Staat. In diesem Umfang werden „Nutzungsberechtigungen“ (Zertifikate) in räumlich-zeitlicher, quantitativer und qualitativer Hinsicht spezifiziert, verbrieft und als handelbare Rechtstitel ausgegeben.32 Ein Zertifikat ist demnach die verbriefte Genehmigung einer bestimmten Umweltbelastung. Die mengenmäßige Beschränkung der zulässigen Umweltnutzung und ihre Kostenpflichtigkeit zwingen die Emittenten, externe Handlungsfolgen der konkreten Umweltnutzung zu berücksichtigen. Der sich einstellende Marktpreis bringt die Knappheit des nachgefragten Gutes zum Ausdruck. Vor dem Hintergrund der je nach Anlage unterschiedlich hohen individuellen Vermeidungskosten wird sich dieser Marktpreis unter Marktbedingungen an den geringsten Vermeidungskosten orientieren, weil zu diesen Kosten Emissionseinsparungen ökonomisch am sinnvollsten sind und realisiert werden. Nach dem so genannten Coase-Theorem können Märkte das Problem der Externalitäten lösen und Ressourcen effizient aufteilen, wenn die Marktteilnehmer über die Ressourcenallokation verhandeln und Rechte ohne Kosten tauschen können.33 Übertragen auf Emissionen bedeutet dies, dass Umweltverschmutzungen dort unterbleiben, wo sie mit den geringsten Grenzvermeidungskosten verbunden sind. Steigt der Marktpreis der Verschmutzungsrechte, etwa wegen des Markteintritts neuer Emittenten, wegen produktionsbedingund ökologische Treffsicherheit die Fähigkeit des Instruments, das vorgegebene Zielniveau exakt zu erreichen. Vgl. hierzu vertiefend Endres, Umweltökonomie, S. 121. 30 Vgl. zur Beurteilung der Instrumente ausführlich Endres, Umweltökonomie, S. 123 ff., 142 ff.; Feess, Umweltökonomie, S. 126 f.; Zimmer, Emissionsrechtehandel, S. 84 ff. 31 Dales, Pollution, Property and Prices; Crocker, in: Wolozin, The Economics of Air Pollution, S. 61 (65 ff.). Teilweise wird die Zertifikatlösung auch als Kombination des PropertyRights-Approach nach Coase mit dem Standard-Preis-Ansatz nach Baumol / Oates, Swedish Journal of Economics 73 (1971) S. 42 ff., betrachtet, vgl. etwa Voßkuhle, in: Hendler / Marburger / Reinhard / Schröder, Energierecht, S. 159 (163); oder direkt auf Coase zurückgeführt, so Koenig, DÖV 1996, 943 (945). Zur Diskussion um Lizenzsysteme siehe die Nachweise bei Rehbinder, in: Endres / Rehbinder / Schwarze, Umweltzertifikate, S. 92 (Fn. 1). Zum umweltökonomischen Grundmodell des Emissionsrechtehandels instruktiv auch Martini, Verteilungslenkung, S. 758 ff. 32 Hierzu auch Sparwasser / Engel / Voßkuhle, Umweltrecht, § 2 Rn. 121 ff. 33 Mankiw / Taylor, Volkswirtschaftslehre, S. 229 ff., 238 f.

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A. Emissionszertifikate als beihilfenrechtliches Problem

ter Emissionssteigerungen bestehender Emittenten oder wegen einer staatlichen Verringerung der ausgegebenen Gesamtzertifikatmenge, haben die Betreiber in Anbetracht ihrer individuellen Vermeidungskosten die Wahl, entweder ihren Ausstoß des umweltverschmutzenden Stoffes im erforderlichen Maß zu reduzieren oder entsprechend benötigte Zertifikate auf dem Markt zu erwerben. Damit steigt zugleich der Anreiz, neue Wege zu einer Emissionsreduktion zu suchen, um dadurch entweder Rechte auf dem Markt verkaufen zu können oder aber zumindest nicht neue Rechte erwerben zu müssen. Hierin liegt der verhaltenssteuernde Anreiz des Zertifikatsystems für emissionsmindernde Innovationen. Mittels der Marktmechanismen wird die begrenzte Zertifikatmenge wirtschaftlich effizient und ökologisch treffsicher verteilt,34 und ein dynamischer Anreiz geschaffen, durch Mengenanpassung und technischen Fortschritt Emissionen zu reduzieren und Vermeidungskosten zu senken. Hierdurch sinken die gesellschaftlichen Kosten der Emissionsvermeidung. Zugleich kann der Staat durch die Anzahl der ausgegebenen Nutzungsrechte die Gesamtemissionshöhe zielgenau steuern und über die Definition der jeweiligen Gesamtzertifikatmenge eines Handelszeitraums regulierend eingreifen. Da der Zertifikathandel die festgelegte Gesamtemissionsmenge nicht verändert, wird auch das umweltpolitische Ziel nicht ausgehöhlt.35 Stattdessen wird das kostengünstige Erreichen des Gesamtziels bei vergleichsweise geringen administrativen Kosten ermöglicht, da sich der Staat auf die Verteilung der Zertifikate, die Kontrolle der Emissionsnachweise und die Löschung der verbrauchten Zertifikate beschränken kann. Somit erfüllen Zertifikatsysteme die umweltökonomischen Grundbedingungen für eine wohlfahrtsökonomisch optimale und effiziente Umweltnutzung: Durch den Marktpreis der Zertifikate, der sich an den Vermeidungskosten und der Nachfrage orientiert, kommt es zu einer Internalisierung der externen Effekte. Zugleich wird durch die Möglichkeit des Zertifikaterwerbs das Ordnungsrecht mit seinen strengen Emissionshöchstgrenzen flexibilisiert, so dass Emissionsreduktionen dort vollzogen werden, wo sie mit den geringsten Grenzvermeidungskosten verbunden sind. Hierin liegt der individuelle wirtschaftliche Anreiz zur Emissionsreduzierung.

34 Zu den sich daraus ergebenen Anforderungen an die Ausgestaltung des Handelssystems vgl. etwa Hansjürgens / Gagelmann, et 2004, 234 (235 ff.). Wollte der Staat ein ähnlich effizientes Ergebnis durch Umweltstandards erreichen, müsste er für jeden Anlagenbetreiber eine individuelle, kostenminimale Vermeidungsquote festlegen, was ihn vor erhebliche Informationsprobleme und einen unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand stellen würde, vgl. Sachverständigenrat für Umweltfragen, Mitteilung 11 / 2006, S. 4. 35 Unter Klimaschutzaspekten ist dabei unerheblich, wo die (nicht toxischen) Treibhausgasemissionen durch das Emissionshandelssystem vermieden werden, vgl. etwa Rusche, in: Sánchez-Rydelski, EC State Aid Regime, S. 349 (350).

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d) Die verteilungsökonomische Bedeutung der Zertifikatzuteilung Neben die Begrenzung der Emissionsmenge tritt die Frage nach der Ausgestaltung der Zertifikatzuteilung an die Emittenten. Diese stellt in politischer, wirtschaftlicher und rechtlicher Hinsicht eine komplexe Herausforderung bei der Implementierung des Handelssystems dar.36 Der im Rahmen des Zertifikatsystems künstlich geschaffene Mangel muss gerecht an die Marktteilnehmer verteilt werden, um zum einen seine ökonomische Anreizwirkung zur Emissionsvermeidung zu erfüllen, und um zum anderen Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden. Die Zuteilung der Zertifikate kann dabei grundsätzlich entgeltlich oder unentgeltlich erfolgen. Im Rahmen von Hybridmodellen können entgeltliche und unentgeltliche Zuteilungsformen auch beliebig miteinander kombiniert werden. Im Rahmen einer entgeltlichen Zuteilung kommen die Abgabe gegen ein festes Entgelt oder ein Auktionsverfahren37, bei dem die Unternehmen auf regelmäßig stattfindenden Auktionen Zertifikate ersteigern können,38 in Betracht. Ziel einer entgeltlichen Abgabe ist die Erzielung eines den Knappheitswert der Zertifikate abbildenden (regelmäßig den durchschnittlichen Grenzvermeidungskosten entsprechenden) Preises. Angesichts der Informationsasymmetrie im Hinblick auf die individuellen Grenzvermeidungskosten der Marktteilnehmer, drohen bei der Vergabe gegen ein festes Entgelt Fehlallokationen, da der Staat die Grenzvermeidungskosten der Emittenten mangels Kenntnis nicht abbilden kann. Anders ist dies bei der entgeltlichen Zuteilung im Wege einer Auktion, da hierbei der Knappheitswert der Zertifikate durch den Gleichgewichtspreis abgebildet und somit eine hohe Allokationseffizienz erzielt wird.39 Zugleich verhindert die Zuteilung mittels Auktion auf Seiten der Emittenten Mitnahmegewinne (sog. windfall-profits) und ermöglicht sowohl Alt- als auch Neuemittenten einen diskriminierungsfreien Zugang zu Zertifikaten. Schließlich sendet das Auktionsverfahren ein erstes Preissignal und dient so als Preisfindungsverfahren für die Marktphase. Entgeltliche Zuteilungsformen belasten jedoch zunächst die Liquidität (cashflow) der Emittenten. Demgegenüber 36 Schweer / Ludwig, DVBl. 2004, 932 (933), sprechen hinsichtlich des Zuteilungsplans von „größter einzel- und gesamtwirtschaftlicher Bedeutung“ mit „weit in die Zukunft reichenden, vermutlich nicht korrigierbaren Auswirkungen“. Siehe auch Foundation for International Environmental Law and Development, Scoping Paper I, S. 7. 37 Zur grundsätzlichen Zulässigkeit von staatlichen Versteigerungen knapper Güter am Beispiel der UMTS-Vergabe vgl. Kämmerer, NVwZ 2002, 161 ff.; Martini, in: Bungenbach, 44. AssÖR, S. 249 ff. 38 Nach Bader, Europäische Treibhauspolitik, S. 252, spiegelt sich in der Form der Zuteilung auch eine Zuweisung des Rechts wider: Die entgeltfreie Vergabe basiert demnach auf dem Gedanken, dass das Recht zur Emission ex ante beim Emittenten liegt und lediglich in Lizenzen verbrieft wird, während das Auktionsverfahren von einem grundsätzlich beim Staat bzw. der Gesellschaft liegenden Eigentumsrecht an der Umwelt ausgeht, das der Emittent erst entgeltpflichtig erwerben muss. 39 Zum Zusammenspiel von Auktionen und Sekundärmärkten für Emissionsberechtigungen siehe auch Ockenfels, et 2009, 70.

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A. Emissionszertifikate als beihilfenrechtliches Problem

kommt es bei entgeltfreier Zuteilung zu einem Verteilungskampf und intensivem Lobbyismus, um Mitnahmegewinne zu maximieren.40 Entgeltfreie Vergabeformen können etwa an bisherige Emissionen in einem bestimmten Referenzzeitraum (etwa historische Emissions- oder Produktionsmengen) oder an einem technischen Vergleichsmaßstab (benchmark) ausgerichtet werden. Benchmark-Zuteilungen erfordern dabei aufwendige und kostenintensive Effizienzvergleiche, um das benchmark zu definieren. Die entgeltfreie Zuteilung auf Grundlage der Emissionsmenge in einem bestimmten Referenzzeitraum und gekürzt um den jeweiligen Erfüllungsfaktor erfordert im Vergleich zum benchmarking-Verfahren einen geringeren administrativen Aufwand. Entgeltfreie Zuteilungen werfen jedoch die Frage nach ihrer beihilfenrechtlichen Zulässigkeit auf.

2. Der gemeinschaftsweite Emissionshandel gemäß der Richtlinie 2003 / 87 / EG Den Ausgangspunkt der wiederauflebenden Diskussion um das System eines Handels mit Emissionszertifikaten als Mittel zu einer effizienten Reduzierung von Emissionen auf EG-Ebene bildete die Verabschiedung des Kyoto-Protokolls41 zur UN-Klimaschutzrahmenkonvention42 im Jahre 1997.43 Zwar stellt das Kyoto-Protokoll den Vertragsparteien grundsätzlich frei, wie sie ihre Reduktionsverpflichtungen erfüllen. Der Handel mit Emissionszertifikaten, der als einer von drei so genannten flexiblen Mechanismen „ergänzend“ zu nationalen Maßnahmen zur Emissionsreduktion herangezogen werden kann,44 wird jedoch gemeinhin als Schlüssel40 Sachverständigenrat für Umweltfragen, Mitteilung 11 / 2006, S. 3 f., 13; Rusche, in: Sánchez-Rydelski, EC State Aid Regime, S. 349 (351). Zu den Auswirkungen des „Gefangenendilemmas“ auf die Zertifikatzuteilung siehe etwa Kurkowski, NYU Environmental Law Journal 14 (2006), S. 698 (716 ff.). 41 Kyoto-Protocol to the United Nations Framework Convention on Climate Change, ILM 38 (1998), S. 38 ff. Für den deutschen (gemäß Art. 25 Kyoto-Protokoll jedoch nicht authentischen) Text s. BGBl. 2002 II, S. 966 ff. Zur Entwicklung des Klimaschutzrechts auf internationaler Ebene vgl. m. w. N. die Darstellungen bei Zimmer, Emissionsrechtehandel, S. 31 ff.; Heselhaus, in: Lange, Nachhaltigkeit, S. 173 ff.; Giesberts / Hilf, Handel mit Emissionszertifikaten, S. 23 ff. Zum Kyoto-Protokoll s. auch Sach / Reese, ZUR 2002, 65; Graichen / Harders, ZUR 2002, 73; Marr / Oberthür, NuR 2002, 573; Heintschel von Heinegg, in: Rengeling, Handbuch Umweltrecht, § 23 Rn. 49a; Koch / Verheyen, NuR 1999, 1 (3 ff.); Koch / Wienecke, DVBl. 2001, 1085 ff.; Ehrmann, EurUP 2006, 37 ff. 42 Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen vom 09. 05. 1992 über Klimaänderungen, ILM 31 (1992), S. 849 ff. Das Rahmenübereinkommen selbst sieht keine konkreten Reduktionspflichten für Treibhausgasemissionen vor, sondern stellt lediglich den völkerrechtlichen Rahmen für künftige verbindliche Abkommen der Vertragsparteien auf. Zum Rahmenübereinkommen s. insbes. auch Dolzer, in: FS Bernhardt, S. 957 ff.; Bail / Marr / Oberthür, in: Rengeling, Handbuch Umweltrecht, § 56; Bail, EuZW 1998, 457 ff. 43 Instruktiv zu Klimawandel und Kyoto-Protokoll Kloepfer, Umweltrecht, § 17 Rn. 1 ff. 44 Art. 17 i.V. m. Art. 6 Abs. 1 lit. d) KP, Koch / Wieneke, DVBl. 2001, 1085 (1086).

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element einer kosteneffizienten Emissionsverringerung betrachtet.45 In der Folge des Kyoto-Prozesses wurde der Handel mit Emissionszertifikaten auch in der Europäischen Gemeinschaft46 zunehmend von der umweltpolitischen47 und umweltrechtlichen48 Diskussion aufgegriffen und zur Erfüllung der Kyoto-Verpflichtungen der Europäischen Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten gesehen, ihre Treibhausgasemissionen gegenüber dem Stand von 1990 um 8 % zu senken.49 Durch die Verabschiedung der Richtlinie 2003 / 87 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 2003 über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft und zur Änderung der Richtlinie 96 / 61 / EG des Rates wurde zum 1. Januar 2005 – unabhängig von dem Inkrafttreten des Kyoto-Protokolls50 und diesem zeitlich vorgelagert51 – ein eigenes Emissionshandelssystem in der Europäischen Gemeinschaft eingeführt.52 Die45 Das zunehmende Interesse an marktorientierten Regulierungsinstrumenten fällt dabei zeitlich zusammen mit dem Anstieg der regulatorischen Kosten-Nutzen-Analyse und wiederholten Beschwerden der Industrie über Regulierungslasten, vgl. Rusche, in: Sánchez-Rydelski, EC State Aid Regime, S. 349. 46 In den USA wurde bereits im Jahre 1990 ein SO -Handel auf Bundesebene unter dem x Clean Air Act eingeführt, sowie auf Bundesstaatenebene durch das RECLAIM-Programm in Kalifornien. Vgl. hierzu etwa Rusche, in: Sánchez-Rydelski, EC State Aid Regime, S. 349. Siehe auch Öko-Institut / DIW, Gutachten Instrumentenvergleich, S. 18 ff. 47 Vgl. etwa Kommission, Grünbuch zum Handel mit Treibhausgasemissionen in der Europäischen Union v. 08. 03. 2000, KOM (2000) 87 endg.; dies., Europäisches Programm zur Klimaänderung, KOM (2000) 88; dies., Sechstes Aktionsprogramm der Europäischen Gemeinschaft für die Umwelt „Umwelt 2010: Unsere Zukunft liegt in unserer Hand“, KOM (2001), 31. Für einen Überblick über die EG-Umweltschutzinstrumentarien und zur Entstehungsgeschichte des EG-Emissionsrechtehandelssystems s. Kerth, Emissionshandel, S. 110 ff., 157 ff. m.w. N. 48 Mit dem Grünbuch setzte auch im rechtswissenschaftlichen Schrifttum eine umfangreiche und kontrovers geführte Diskussion ein, die den weiteren Gesetzgebungsprozess minutiös begleitete. Gleichwohl ist die Diskussion über Zertifikatlösungen und andere marktwirtschaftliche Konzepte nicht neu und wurde bereits in den 1980er Jahren geführt, vgl. etwa m. w. N. Rebentisch, in: FS Kutscheidt, S. 185 ff. Voßkuhle, in: Hendler / Marburger / Reinhard / Schröder, Energierecht, S. 159 (160 f.), und Sparwasser / Engel / Voßkuhle, Umweltrecht, § 2 Rn. 124, sprechen daher von einer „Renaissance der Zertifikatidee“. 49 Dies gilt für die 15 Mitgliedstaaten bei Vertragsschluss, während die neuen Mitgliedstaaten eigene Reduktionsziele vereinbart haben. Die EG trat der UN-Klimaschutzrahmenkonvention mit dem Beschluss 94 / 69 / EG, ABl.EG 1994 L 33 / 11 bei. Die Verpflichtung der EG aus dem Kyoto-Protokoll wurde durch die sogenannte Lastenteilungsvereinbarung (burden sharing agreement) auf die Mitgliedstaaten verteilt, vgl. Rat, Ratsdokument 9702 / 98, ENV 299 v. 19. 06. 1998, enthalten in Art. 2 Abs. 2 i.V. m. Anlage II der Entscheidung Nr. 2002 / 358 / EG des Rates, ABl.EG 2002 L 130 / 1. 50 Das Kyoto-Protokoll ist gemäß seines Art. 25 zum 16. 02. 2005 in Kraft getreten. 51 Gemäß Art. 3 Abs. 1 KP beginnt der internationale Handel erst im Jahre 2008. 52 Hierzu etwa Kloepfer, Umweltrecht, § 17 Rn. 85 ff. Die Einführung des Emissionshandelssystems als solchem ist auch mit den europäischen Grundrechten der Betreiber vereinbar, vgl. BVerfG, Beschluss v. 13. 03. 2007, NVwZ 2007, 937; BVerwG, Urteil v. 30. 06. 2005, NVwZ 2005, 1178; Belgischer Schiedshof, Urteil v. 07. 06. 2006, Urteil-Nummer 92 / 2006,

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ses basiert auf der Verpflichtung, dass von der Richtlinie erfasste Anlagenbetreiber für bestimmte Treibhausgasemissionen eine Genehmigung sowie eine der Höhe ihrer Emissionen entsprechende Anzahl von Zertifikaten benötigen. Diese Zertifikate erlauben den Ausstoß einer bestimmten Menge von Treibhausgasen und müssen jährlich in Höhe der Vorjahresemissionen zur Löschung vorgelegt werden. Die Gemeinschaft hat sich damit für den cap and trade-Ansatz entschieden, im Rahmen dessen den Unternehmen eine bestimmte Anzahl von Emissionszertifikaten zugeteilt wird (cap), die diese sodann für eigene Emissionen verwenden oder mit ihnen, bei Senkung eigener Emissionen, handeln können (trade).53 Da die Unternehmen nur in Höhe vorlegbarer Zertifikate Treibhausgase emittieren dürfen, müssen sie entweder ihre Emissionen reduzieren oder fehlende Zertifikate hinzukaufen, etwa von Unternehmen, die ihre eigenen Emissionen reduziert haben. Die Richtlinie sieht zunächst eine dreijährige Handelsperiode (2005 – 2007) und sodann, entsprechend den Handelszeiträumen des Kyoto-Protokolls, fünfjährige Handelsperioden (2008 – 2012 etc.) vor.54 Während unter den Begriff der Treibhausgase neben Kohlendioxid (CO2) auch Methan (CH4), Distickstoffoxid (N2O), teilhalogenierte Fluorkohlenwasserstoffe (H-FKW / HFC), Schwefelhexafluorid (SF6) und perfluorierte Kohlenwasserstoffe (FKW / PFC) fallen, erstreckt sich der Emissionsrechtehandel gemäß Anhang I EHRL derzeit nur auf Kohlendioxid-Emissionen. Ab der zweiten Handelsperiode können die Mitgliedstaaten den Handel mit Emissionszertifikaten auf nicht in Anhang I EHRL aufgeführte Tätigkeiten, Anlagen und Treibhausgase ausweiten, sofern die Einbeziehung solcher Tätigkeiten, Anlagen und Treibhausgase von der Kommission nach dem in Art. 23 Abs. 2 EHRL genannten Verfahren unter Berücksichtigung aller einschlägigen Kriterien, insbesondere der Auswirkungen auf den Binnenmarkt, möglicher Wettbewerbsverzerrungen, der Umweltwirksamkeit der Regelung und der Zuverlässigkeit des vorgesehenen Überwachungs- und Berichterstattungsverfahrens, gebilligt wird (Art. 24 EHRL). Eine derartige Ausweitung ist derzeit indes in keinem Mitgliedstaat geplant. Die genehmigungspflichtigen Tätigkeitskategorien bestimmen sich nach Anhang I EHRL. Danach unterliegen der Genehmigungspflicht des Art. 4 EHRL mit Anm. Winter, ZUR 2006, 416 ff. Die zuvor vereinzelt vertretene Gegenauffassung kann somit als überholt gelten. Wie insbesondere die deutschen Entscheidungen zeigen, kommt eine Überprüfung der Einführung des Emissionshandelssystems an nationalen Grundrechten nach der „Solange II“-Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Urteil v. 22. 10. 1986, BVerfGE 73, 339 – Solange II) nicht mehr in Betracht. Demgegenüber prüft der Belgische Schiedsgerichtshof die Unterwerfung der Betreiber unter das Emissionshandelssystem am Maßstab des belgischen Verfassungsrechts, kritisch hierzu indes Winter, ZUR 2006, 419. 53 Zu dem daneben bestehenden baseline-and-credit-Ansatz, bei dem erst für die Übererfüllung eines zuvor festgelegten Emissionsreduktionsziels (baseline) handelbare Zertifikate vergeben werden (credit), vgl. etwa das britische Emissions Trading Scheme, unten unter B. I. 2. Zu den verschiedenen Ausgestaltungsmöglichkeiten der Zertifikatlösung s. auch Voßkuhle, in: Hendler / Marburger / Reinhard / Schröder, Energierecht, S. 159 (164 ff.). 54 Art. 10 EHRL.

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kohlendioxid-emittierende Produktionsvorgänge aus den Bereichen der Energieumwandlung / -umformung, der Eisenmetallerzeugung / -verarbeitung, der mineralverarbeitenden Industrie sowie Industrieanlagen zur Herstellung von Zellstoff, Papier und Pappe. Anlagen oder Anlagenteile, die für Zwecke der Forschung, Entwicklung und Prüfung neuer Produkte und Verfahren genutzt werden, fallen nicht unter die Richtlinie.55 Die Genehmigungen beziehen sich auf eine oder mehrere von demselben Betreiber an demselben Standort betriebene Anlagen und sind, neben Informations-, Überwachungs- und Berichterstattungsauflagen, insbesondere mit der Verpflichtung verbunden, jährlich Emissionszertifikate in Höhe der Gesamtemissionen der genehmigten Anlage abzugeben.56 Die Emissionszertifikate sind frei handelbar. Diese Übertragbarkeit gilt sowohl im Hinblick auf natürliche und juristische Personen innerhalb der Europäischen Gemeinschaft als auch zwischen Personen innerhalb der Europäischen Gemeinschaft und Personen in Drittländern, in denen diese Zertifikate nach dem Verfahren des Art. 25 EHRL anerkannt werden.57 Kann ein Betreiber nicht genügend Zertifikate zur Löschung vorlegen, sind ihm Sanktionen wegen Emissionsüberschreitung aufzuerlegen.58 Die Festlegung der mitgliedstaatlichen Zuteilungen erfolgt in zwei Schritten. In einem ersten Schritt erstellen die Mitgliedstaaten für jede Handelsperiode nationale Zuteilungspläne, die zu veröffentlichen59 und der Kommission sowie den Mit55 Für einen Überblick über die im Einzelnen unter diese Bereiche fallenden Produktionsvorgänge siehe Ziff. 2 Anhang I EHRL. Die Frage, ob die Beschränkung des Emissionshandels auf den Stahlsektor im Hinblick auf die nicht unter den Emissionshandel fallende Aluminium- und Plastikhersteller mit dem Diskriminierungsverbot vereinbar ist, ist derzeit Gegenstand eines Vorlageverfahrens vor dem EuGH, vgl. Rs. C-127 / 07, Arcelor Atlantique et Lorraine SA u. a., ABl.EU 2007 C 117 / 8. Zur Einbeziehung des Verkehrssektors in den Emissionshandel vgl. etwa Michaelis, ZUR 2006, 449 ff. 56 Zum Anlagenbegriff im deutschen Recht Frenz, NVwZ 2006, 1095 ff.; Marr / Wolke, NVwZ 2006, 1102 (1102 f.). 57 Art. 12 Abs. 1 EHRL. Art. 25 EHRL regelt die Verknüpfung des EG-Emissionsrechtehandels mit anderen Systemen für den Handel mit Treibhausgasemissionen. Danach sollte mit Drittländern, die in Anhang B des Kyoto-Protokolls aufgeführt sind, im Hinblick auf die gegenseitige Anerkennung der Zertifikate ein Abkommen gemäß Art. 300 EG geschlossen werden. Zur Verknüpfung projektbezogener Mechanismen mit dem EG-Emissionsrechtehandel siehe auch Richtlinie 2004 / 101 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. 10. 2004 zur Änderung der Richtlinie 2003 / 87 / EG über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikatenin der Gemeinschaft im Sinne der projektbezogenen Mechanismen des Kyoto-Protokolls, ABl.EU 2004 L 338 / 18; sowie Erling, et 2004, 400 m.w. N. 58 In der ersten Handelsperiode beträgt die Sanktion A 40 je Tonne Kohlendioxidäquivalent, ab der zweiten Handelsperiode A 100 (Art. 16 Abs. 3 und 4 EHRL). Die Zahlung der Sanktion entbindet den Betreiber nicht von der Verpflichtung, Zertifikate in Höhe der Emissionsüberschreitung abzugeben, wenn er die Zertifikate für das folgende Kalenderjahr abgibt (Art. 16 Abs. 3 S. 3, Abs. 4 S. 2 EHRL). Zudem sind die Namen der Betreiber, die gegen die Verpflichtung zur Abgabe einer ausreichenden Anzahl von Zertifikaten verstoßen, zu veröffentlichen (Art. 16 Abs. 2 EHRL).

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A. Emissionszertifikate als beihilfenrechtliches Problem

gliedstaaten zu übermitteln sind.60 In einem zweiten Schritt treffen die Mitgliedstaaten auf der Grundlage der nationalen Zuteilungspläne sodann die anlagenbezogenen Zuteilungsentscheidungen für den entsprechenden Handelszeitraum (Art. 11 Abs. 1 S. 1 EHRL).61 Bei der Erstellung der Zuteilungspläne wird festgelegt, wie die Gesamtemissionsmenge auf die verschiedenen Sektoren (Makroebene) und die unter die Zertifikatpflicht fallenden Anlagen (Mikroebene) zu verteilen ist. Auf der Makroebene wird zunächst nach dem top down-Ansatz62 die nationale Gesamtemissionsmenge der jeweiligen Handelsperiode unter Berücksichtigung der im Kyoto-Protokoll und der EG-Lastenteilungsvereinbarung übernommenen Reduktionspflicht bestimmt und auf die von der Emissionshandelsrichtlinie erfassten Sektoren verteilt (vgl. Art. 9 Abs. 1 S. 1 EHRL).63 Diese Makrosektoren sind Energiewirtschaft, Industrie, Gewerbe, Handel und Dienstleistungen sowie Verkehr und Haushalte, wobei in den Makroansatz auch die nicht unter die Zertifikatepflicht fallenden Sektoren einbezogen werden, um sicherzustellen, dass das nationale Gesamtemissionsbudget nicht überschritten wird. Auf der Mikroebene wird die im Makroplan festgestellte Sektorenmenge sodann nach dem bottom up-Ansatz64 auf die einzelnen Anlagen verteilt und festgelegt, 59 Zur Beteiligung der Öffentlichkeit vor einer Entscheidung über die Zertifikatzuteilung, wie diese Ziff. 9 Anhang III EHRL fordert, vgl. etwa Jendros´ka, elni Review 2004, 7. Besondere Bedeutung erlangt die Öffentlichkeitsbeteiligung angesichts der Schwierigkeiten im Bereich des Rechtsschutzes, vgl. etwa Giesberts, Emissionszertifikatehandel (ohne Seitenangaben). 60 Die nationalen Zuteilungspläne sind mindestens 18 Monate vor Beginn der betreffenden Handelsperiode zu veröffentlichen und der Kommission sowie den übrigen Mitgliedstaaten zu übermitteln (Art. 9 Abs. 1 UAbs. 2 S. 2 EHRL). Kritisch zur Kürze dieser Frist etwa Schweer / Ludwig, DVBl. 2004, 932. 61 Diese Entscheidung ist auf der Grundlage des gemäß Art. 9 EHRL aufgestellten nationalen Zuteilungsplans im Einklang mit Art. 10 EHRL und unter angemessener Berücksichtigung der Bemerkungen der Öffentlichkeit mindestens drei Monate vor Beginn der ersten bzw. zwölf Monate vor Beginn jeder weiteren Handelsperiode zu treffen (Art. 11 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 2 EHRL). 62 Der top down-Ansatz bezeichnet eine Betrachtung des gesamten Handelssystems „von oben“ (im Gegensatz zu einer anlagenbezogenen Betrachtung), um so den Anteil der unter die Emissionsrechtehandels-Richtlinie fallenden Emissionsanteil zu bestimmen, vgl. zu den Methoden mit einem Beispiel Kommission, Generaldirektion Umwelt, Non-Paper 2nd meeting of Working 3 Monitoring Mechanism Committee „The EU Emissions Trading Scheme: How to develop a National Allocation Plan“ v. 01. 04. 2003, S. 4. 63 Zu den Anreizen einer Überallokation durch die Mitgliedstaaten zugunsten nationaler Anlagen im Rahmen der cap-Festlegung vgl. Kurkowski, NYU Environmental Law Journal 14 (2006), S. 698 (716). 64 Der bottom up-Ansatz bezeichnet die Erstellung einer Liste der unter die Richtlinie fallenden Anlagen sowie ihrer historischen, gegenwärtigen und erwarteten Emissionen, vgl. Kommission, Generaldirektion Umwelt, Non-Paper 2nd meeting of Working 3 Monitoring Mechanism Committee „The EU Emissions Trading Scheme: How to develop a National Allocation Plan“ v. 01. 04. 2003, S. 7 f. mit Hinweisen zur Konsolidierung der Ergebnisse des top down- und des bottom up-Ansatzes.

I. Gegenstand der Abhandlung

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nach welchen Methoden, Regeln und Kriterien (insbesondere dem Erfüllungsfaktor65) die Zuteilung der Zertifikate vorgenommen wird, so dass sich hieraus die konkrete Zertifikatmenge für die einzelnen Anlagen ergibt. Die Kommission kann diesen ihr notifizierten Zuteilungsplan innerhalb von drei Monaten nach Übermittlung ganz oder teilweise ablehnen, sofern er mit den Vorgaben der Emissionshandelsrichtlinie unvereinbar ist. Die Anforderungen an die nationalen Zuteilungspläne werden insbesondere durch Art. 10 EHRL und die in Anhang III EHRL aufgeführten Kriterien konkretisiert. Dabei sind gemäß Art. 10 EHRL in der ersten Handelsperiode (2005 – 2007) mindestens 95% und in der zweiten Handelsperiode (2008 – 2012) mindestens 90% der Emissionszertifikate von den Mitgliedstaaten entgeltfrei zuzuteilen.66 In der ersten Handelsperiode haben Dänemark, Irland und Ungarn von der Möglichkeit einer Versteigerung von 5% der Zertifikate Gebrauch gemacht.67 In der zweiten Handelsperiode beabsichtigen mehrere Mitgliedstaaten eine Versteigerung von bis zu 10% der nationalen Zertifikatmenge; vereinzelt wird auch eine Abgabe gegen ein festes Entgelt in Betracht gezogen.68 Anhang III EHRL enthält zudem verschiedene Kriterien, die bei der Erstellung des nationalen Zuteilungsplans zu berücksichtigen sind. Diese Kriterien betreffen insbesondere die Einhaltung der mitgliedstaatlichen Emissionshöchstgrenzen un65 Der Erfüllungsfaktor ist der Minderungsfaktor im Mikroplan, der sich aus dem Verhältnis des Gesamtemissionsbudgets des Makroplans zur Summe der im Mikroplan ermittelten jeweiligen Emissionsdaten der erfassten Anlagen und unter Berücksichtigung der Sonderzuteilungen und Zuteilungsreserven errechnet. Bei gleichbleibenden Emissionen müsste ein Anlagenbetreiber folglich Zertifikate in Höhe dieses Faktors hinzukaufen oder Emissionen in dieser Höhe einsparen. Vgl. Schweer / Ludwig, DVBl. 2004, 932 (938). 66 Zur Zulässigkeit einer Gebührenerhebung bei der Zertifikatzuteilung vgl. etwa Erling / Ahlhaus, NVwZ 2006, 254 ff. m. w. N.; Marr / Wolke, NVwZ 2006, 1102 (1104); Frenz, ZUR 2006, 393 (397); Fuhr, IR 2006, 2 (4 f.). 67 Vgl. Kommission, Wettbewerbsbericht 2004, Rn. 518; Ockenfels, et 2009, 70 (74). Nach Renner-Loquenz, CPN 2005, 16 (17), planten zudem einige Mitgliedstaaten die Versteigerung nicht zugeteilter Zertifikate aus Reservebeständen bzw. geringe Versteigerungen zur Deckung der adinistrativen Zuteilungskosten. 68 Kommission, Mitteilung an den Rat und das Europäische Parlament über die Bewertung der nationalen Pläne für die Zuteilung von Zertifikaten für Treibhausgasemissionen im zweiten Zeitraum des EU-Emissionshandelssystems mit Bezug auf die Entscheidungen der Kommission über die nationalen Zuteilungspläne Deutschlands, Griechenlands, Irlands, Lettlands, Litauens, Luxemburgs, Maltas, der Slowakei, Schwedens und des Vereinigten Königreichs gemäß der Richtlinie 2003 / 87 / EG, KOM (2006) 725 endg. So sind Versteigerungen etwa vorgesehen in Dänemark, Ungarn, Litauen und Irland. Auch Deutschland plant eine Versteigerung aus der Reserve zur Systemkostenrefinanzierung, vgl. § 5 Abs. 3 ZuG 2012 (siehe hierzu auch unten unter Fn. 653) und ab dem Jahr 2010 von 8,8%, vgl. § 19 ZuG 2012. Der Sachverständigenrat für Umweltfragen fordert für die Handelsperiode 2008 – 2012 die Versteigerung von 10% und danach die Versteigerung sämtlicher Zertifikate, vgl. Sachverständigenrat für Umweltfragen, Stellungnahme 11 / 2006, S. 13. Auch die High Level Group on Competitiveness, Energy and the Environment befürwortet grundsätzlich Versteigerungen, vgl. HLG, First Report, S. 9 (dort Fn. 3).

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A. Emissionszertifikate als beihilfenrechtliches Problem

ter Berücksichtigung der verschiedenen Makrosektoren, der Entscheidungen 2002 / 358 / EG, 93 / 389 / EWG und des Kyoto-Protokolls69 sowie das Erfordernis von Angaben in den nationalen Zuteilungsplänen darüber, wie neue Marktteilnehmer sich am Gemeinschaftssystem in dem betreffenden Mitgliedstaat beteiligen können,70 wie saubere und energieeffiziente Technologien berücksichtigt werden71 und wie so genannten Vorleistungen72 Rechnung getragen wird.73 Anhang III EHRL betont ausdrücklich, dass der Zuteilungsplan mit den übrigen rechtlichen und politischen Instrumenten der Gemeinschaft in Einklang stehen muss74 und gemäß den Anforderungen des Vertrags, insbesondere der Artikel 87 und 88 EG, Unternehmen oder Sektoren nicht in einer Weise unterschiedlich behandeln darf, dass bestimmte Unternehmen oder Tätigkeiten ungerechtfertigt bevorzugt werden.75

3. Die entgeltfreie Zertifikatzuteilung als beihilfenrechtliches Problem Erfolgt die Zuteilung der Emissionszertifikate ganz oder teilweise entgeltfrei oder zu einem festgesetzten Entgelt, stellt sich die Frage nach der Vereinbarkeit dieser Zuteilungsregeln mit dem Beihilfenrecht. Das Beihilfenrecht schützt den Wettbewerb innerhalb des Binnenmarktes vor Verfälschung und korrespondiert mit dem sich aus den Artt. 2, 3 lit. g) EG ergebenen gemeinschaftlichen Auftrag, die harmonische und ausgewogene Entwicklung des gemeinschaftlichen Wirtschaftslebens zu fördern. Ziel des Beihilfenrechts ist die Verhinderung von Wettbewerbsverzerrungen durch staatliche Leistungen an bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige, soweit diese dadurch im Gegensatz zu ihren Wettbewerbern Kosten sparen und zu besseren Preisen anbieten können. Gemäß Art. 87 Abs. 1 EG sind daher staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen und den Handel zwischen den MitZiffern 1 und 2 Anhang III EHRL. Ziffer 6 Anhang III EHRL. 71 Ziffer 8 Anhang III EHRL. 72 Vorleistungen (engl. early action) bezeichnen frühzeitige, vor Einführung des Emissionshandels durchgeführte Emissionsminderungen insbesondere durch technische Modernisierung einer Anlage. In Deutschland sieht § 12 Abs. 1 ZutG 2007 vor, dass Betreiber für nach einem bestimmten Stichtag beendete Modernisierungsmaßnahmen eine erhöhte Zertifikatzuteilung erhalten (Erfüllungsfaktor 1). 73 Ziffer 7 Anhang III EHRL. Ob Vorleistungen berücksichtigt werden, steht den Mitgliedstaaten indes frei. Vorleistungen können auch als Element von Benchmarks der besten verfügbaren Technologien im Rahmen der nationalen Zuteilungspläne berücksichtigt werden. 74 Ziffer 4 Anhang III EHRL. Ein als Ergebnis von neuen rechtlichen Anforderungen unvermeidbarer Emissionsanstieg sollte berücksichtigt werden. 75 Ziffer 5 Anhang III EHRL. 69 70

I. Gegenstand der Abhandlung

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gliedstaaten beeinträchtigen, mit dem Gemeinsamen Markt grundsätzlich unvereinbar. „Hüterin“ des Beihilfenrechts ist die Kommission, die im Rahmen der Beihilfenkontrolle gemäß Art. 88 EG das gemeinschaftsrechtliche Beihilfenregime direkt überwacht (gemeinschaftsunmittelbarer Vollzug) und auf der Grundlage des Art. 88 EG alleine, insbesondere ohne Mitwirkung des Europäischen Parlaments oder des Rates, gegen mitgliedstaatliche Beihilfen vorgehen kann. Gelangt die Kommission im Rahmen ihrer Prüfung zu dem Ergebnis, dass eine Beihilfe vorliegt, überprüft sie deren Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt. In den Fällen des Art. 87 Abs. 2 EG muss sie, in den Fällen des Art. 87 Abs. 3 EG kann sie eine Beihilfe als (ausnahmsweise) mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar genehmigen. Das primärrechtliche Beihilfenrechtsregime wird auch von der Richtlinie 2003 / 87 / EG ausdrücklich aufgegriffen. Gemäß Art. 9 Abs. 1 EHRL ist der nationale Zuteilungsplan auf objektive und transparente Kriterien zu stützen, einschließlich der in Anhang III EHRL genannten Kriterien. Ziffer 4 Anhang III EHRL verlangt, dass der Zuteilungsplan mit den übrigen rechtlichen und politischen Instrumenten der Gemeinschaft in Einklang stehen muss. Ziffer 5 Anhang III EHRL betont ausdrücklich, dass der nationale Zuteilungsplan gemäß den Anforderungen des Vertrags, insbesondere Artt. 87, 88 EG, Unternehmen oder Sektoren nicht in einer Weise unterschiedlich behandeln darf, dass bestimmte Unternehmen oder Tätigkeiten ungerechtfertigt bevorzugt werden. Gemäß Art. 11 Abs. 3 S. 1 EHRL müssen die mitgliedstaatlichen Zuteilungsentscheidungen im Einklang mit dem EG-Vertrag, insbesondere im Einklang mit Artt. 87, 88 EG stehen. Aussagen zu dem rechtsdogmatischen Verhältnis der vorgegebenen Entgeltfreiheit der Zertifikatzuteilung durch den sekundärrechtlichen Art. 10 EHRL zu dem primärrechtlichen Beihilfenrechtsregime der Artt. 87, 88 EG enthält die Richtlinie 2003 / 87 / EG nicht. Die Frage nach der beihilfenrechtlichen Zulässigkeit einer entgeltfreien Zuteilung der Emissionszertifikate ist dabei nicht neu. Obwohl sich jedoch bereits in den ersten Kommissionsdokumenten zur Einführung eines gemeinschaftsweiten Emissionshandels sowie in beihilfenrechtlichen Kommissionsentscheidungen zu nationalen Handelssystemen Hinweise auf die beihilfenrechtliche Problematik finden76 und diese Problematik auch in Teilen der Literatur frühzeitig gesehen wurde,77 hat eine Auseinandersetzung mit der beihilfenrechtlichen Zulässigkeit einer entgeltfreien Zuteilung gleichwohl erst spät eingesetzt.78 Eine umfassende und 76 Kommission, Grünbuch zum Handel mit Treibhausgasemissionen in der Europäischen Union v. 08. 03. 2000, KOM (2000) 87 endg., S. 20 f. mit der Präferenz einer Versteigerung. Vgl. ausführlich zu den beihilfenrechtlichen Äußerungen der Kommission im Gesetzgebungsverfahren unten unter B. II. 1. Zu den Beihilfenentscheidungen der Kommission bezüglich der nationalen Handelssysteme in Dänemark, Großbritannien und den Niederlanden siehe unten unter B. I. 77 Vgl. etwa Rehbinder / Schmalholz, UPR 2002, 1 (3); Voßkuhle, in: Hendler / Marburger / Reinhard / Schröder, Energierecht, S. 159 (180 ff.); Giesberts / Hilf, Handel mit Emissionszertifikaten, S. 93 ff. 78 Ausführlich zuerst Koenig / Braun / Pfromm, ZWeR 2003, 152 ff. sowie Pfromm, sic! 2003, 537 ff. Die FIELD-Studie aus dem Jahre 1999 ist demgegenüber nicht sehr tiefgehend,

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A. Emissionszertifikate als beihilfenrechtliches Problem

vertiefte Analyse der beihilfenrechtlichen Zulässigkeit der entgeltfreien Zertifikatzuteilung ist bis heute nicht erfolgt. Auch im Schrifttum zu Fragen des mitgliedstaatlichen Rechtsschutzes gegen die nationalen Zuteilungspläne sind Beihilfenaspekte bislang weitgehend nicht thematisiert worden.79 Soweit die beihilfenrechtliche Zulässigkeit der entgeltfreien oder überwiegend entgeltfreien Zertifikatzuteilung Gegenstand juristischer Abhandlungen war80 und nicht offen gelassen wurde,81 unterscheiden sich die Ergebnisse erheblich. Während teilweise bereits die Anwendbarkeit des Beihilfenregimes82 oder das Vorliegen einer Begünstigung verneint wird,83 stellen andere auf die fehlende Beeinträchtigung staatlicher Mittel,84 die fehlende Selektivität85 oder eine fehlende Wettbewerbsverfälschung86 ab. Foundation for International Environmental Law and Development, Scoping Paper I, S. 8 ff. In der Folge Frenz, ZHR 2003, 459 ff.; Schweer / Ludwig, RdE 2004, 153 ff.; Stewing, Emissionshandel; Reuter / Kindereit, DVBl. 2004, 537; Döring / Ewringmann, ZfU 2004, 27 ff.; Merola / Crichlow, World Competition 2004, 25 ff.; Lorenz, EStAL 2004, 399 ff.; Marr, EurUP 2004, 10 (19 f.); Pfromm / Dodel, EurUP 2004, 209 ff.; Frenz, EurUP 2004, 190 ff.; Koenig / Pfromm, EurUP 2004, 196 ff.; Burgi, in: FS Götz, S. 173 ff. Siehe auch Ehricke, Kurzgutachten Emissionszertifikatehandel. 79 So zum deutschen Recht etwa bei Giesberts / Hilf, EurUP 2004, 21 ff.; Schweer / Ludwig, DVBl. 2004, 932 (935 ff.); dies., ZNER 2004, 148 (150 ff.); Streck / Binnewies, DB 2004, 1116 ff.; Kobes, NVwZ 2004, 513 ff.; Ellinghaus / Ebsen, et 2004, 277 ff.; Spieth / Röder-Persson, et 2003, 390 ff.; anders indes Pfromm / Dodel, EurUP 2004, 209 ff.; Shirvani, NVwZ 2005, 868 (872 f.). 80 Nicht angesprochen wird die beihilfenrechtliche Zulässigkeit etwa bei Zimmer, Emissionshandel, und Mehrbrey / Reuter, Emissionshandel. 81 Sudmann / Fisahn, UPR 2004, 414 (418 f.); Hohenstein, EWS 2002, 511 (516). RennerLoquenz, CPN 2005, 16, gibt lediglich die Kommissionspraxis wieder. 82 Arndt / Fischer, Kurzgutachten Bahnstromerzeugung, S. 15; Brattig, Emissionszertifikate, S. 251, 339; Reuter / Kindereit, DVBl. 2004, 537 (539). Demgegenüber bejahend Kerth, Emissionshandel, S. 264; Schweer / Ludwig, RdE 2004, 153 (155); Rusche, in: Sánchez-Rydelski, EC State Aid Regime, S. 349 (375). Weishaar, Emissions Trading System and State Aid, S. 17, sieht den Beihilfentatbestand zumindest bezüglich der Zertifikatmenge als erfüllt an, die trotz Versteigerungsmöglichkeit entgeltfrei vergeben wird, verneint jedoch den Beihilfencharakter bezüglich der aufgrund der Richtlinienvorgabe entgeltfrei zugeteilten Zertifikate. Martini / Gebauer, ZUR 2007, 225 (228), bejahen die Beihilfenkonformität ohne nähere Begründung für den Fall, dass die entgeltfreie Zertifikatzuteilung das Äquivalent verfassungsrechtlich zwingender Bestandsschutzinteressen ist. 83 Frenz, ZHR 167 (2003), 459 (461 ff.); ders., TEHG, § 9 TEHG Rn. 14, 147; ders., RdE 2007, 65 (69); Weinreich, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht, § 9 TEHG Rn. 7; Reimann, EWS 2004, 160 (163); Reuter / Busch, EuZW 2004, 39 (43); Reuter / Kindereit, DVBl. 2004, 537 (540 f.); teilweise so auch Schweer / von Hammerstein, TEHG, § 9 TEHG Rn. 66 ff.; Schweer / Ludwig, RdE 2004, 153 (155 ff.) zur Zuteilung an sich; wohl auch Rehbinder / Schmalholz, UPR 2002, 1 (4); Giesberts / Hilf, Handel mit Emissionszertifikaten, S. 95. Demgegenüber bejahend Foundation for International Environmental Law and Development, Scoping Paper I, S. 8; Kerth, Emissionshandel, S. 263 f.; Marr, EurUP 2004, 10 (19), Stewing, Emissionshandel, S. 26; Rusche, in: Sánchez-Rydelski, EC State Aid Regime, S. 349 (375 ff.); generell zu Emissionshandelssystemen so auch Könings, CPN 2003, 77 (78). 84 Burgi, in: FS Götz, S. 173 (183 ff.); Burgi / Lange, ZHR 170 (2006), S. 539 (546 f.); Frenz, ZHR 167 (2003) 459 (464 f.); Weinreich, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht, § 9

I. Gegenstand der Abhandlung

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Wieder andere gehen von der Genehmigungsfähigkeit aus,87 während teilweise auch diese verneint und das Vorliegen einer nicht genehmigungsfähigen Beihilfe angenommen wird.88 Die Kommission hat sich bislang weder eindeutig noch verbindlich zu der Frage der beihilfenrechtlichen Zulässigkeit geäußert, vielmehr schwanken ihre Äußerungen zwischen einer Bejahung und einer Verneinung der Beihilfenrechtskonformität.89 Die beihilfenrechtliche Bewertung der entgeltfreien Zertifikatzuteilung kann somit als noch ungeklärt bezeichnet werden. Dass die Fragestellung auch von praktischer Relevanz ist, zeigt sich schließlich in der Klage der Energie Baden-Württemberg AG gegen die Kommission vor dem Europäischen Gericht erster Instanz, der die beihilfenrechtliche Zulässigkeit von Teilen des deutschen Zuteilungsplans für die erste Handelsperiode zugrunde lag.90 Hier setzt die vorliegende Arbeit an und untersucht, inwieweit die überwiegend bzw. vollständig entgeltfreie Zuteilung der Emissionszertifikate durch die Mitgliedstaaten, wie sie durch Art. 10 EHRL vorgegeben wird, diesen zurechenbar ist. In diesem Zusammenhang stellt sich insbesondere die – über den Emissionshandel hinausgehende und auch für zukünftige vergleichbare Handelssysteme relevante – Frage nach dem Verhältnis des primärrechtlichen Beihilfenverbots in Art. 87 Abs. 1 EG zu dem sekundärrechtlichen Gebot einer überwiegend bzw. vollständig entgeltfreien Zuteilung der Emissionszertifikate durch die Mitgliedstaaten in Art. 10 EHRL. Wird eine solche Zurechenbarkeit bejaht, stellt sich sodann die Frage der Vereinbarkeit der überwiegend bzw. vollständig entgeltfreien Zuteilung der Emissionszertifikate durch die Mitgliedstaaten mit dem Beihilfenrecht. Erfüllt die entgeltfreie TEHG Rn. 8; Marr, EurUP 2004, 10 (19 f.); Reuter / Busch, EuZW 2004, 39 (43); Reuter / Kindereit, DVBl. 2004, 537 (541 f.); Shirvani, NVwZ 2005, 868 (872 f.). Demgegenüber bejahend Kerth, Emissionshandel, S. 265; Schweer / Ludwig, RdE 2004, 153 (158); Rusche, in: Sánchez-Rydelski, EC State Aid Regime, S. 349 (380); generell zu Emissionshandelssystemen so auch Könings, CPN 2003, 77 (78). 85 Merola / Crichlow, World Competition 2004, 25 (39 ff.). Bejahend Foundation for International Environmental Law and Development, Scoping Paper I, S. 8; Kerth, Emissionshandel, S. 265; Schweer / Ludwig, RdE 2004, 153 (158); Stewing, Emissionshandel, S. 32; Rusche, in: Sánchez-Rydelski, EC State Aid Regime, S. 349 (380). 86 Reuter / Kindereit, DVBl. 2004, 537 (542 f.). Bejahend indes Kerth, Emissionshandel, S. 265; Schweer / Ludwig, RdE 2004, 153 (158); Stewing, Emissionshandel, S. 37 f.; Rusche, in: Sánchez-Rydelski, EC State Aid Regime, S. 349 (380). 87 Merola / Crichlow, World Competition 2004, 25 (43 ff.); Weishaar, Emissions Trading System and State Aid, S. 22 f.; offengelassen bei Schweer / Ludwig, RdE 2004, 153 (159). 88 Koenig / Braun / Pfromm, ZWeR 2003, 152 (161 ff.); Pfromm, sic! 2003, 537 (539 ff.); Koenig / Pfromm, EurUP 2004, 196 (198 ff.); Pfromm / Dodel, EurUP 2004, 209; Schlemmermeier / Schwintowski, ZNER 2006, 195 (198); Johnston, Climate Policy 6 (2006), S. 115 ff. 89 Vgl. hierzu ausführlich unten unter B. 90 EuG, Rs. T-387 / 04, EnBW Energie Baden-Württemberg / Kommission, Slg. 2007, II-1195. Die Klage wurde mit Beschluss vom 30. 04. 2007 jedoch als unzulässig abgewiesen, vgl. ABl.EU 2007 C 140 / 23.

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A. Emissionszertifikate als beihilfenrechtliches Problem

Zertifikatzuteilung durch die Mitgliedstaaten die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 87 Abs. 1 EG, ist das Vorliegen einer grundsätzlich mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbaren Beihilfe im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG zu bejahen. Die Mitgliedstaaten sind dann verpflichtet, ihre nationalen Zuteilungspläne der Kommission in dem Verfahren gemäß Art. 88 Abs. 3 EG und der Verfahrensverordnung in Beihilfensachen Nr. 659 / 1999 zu notifizieren. Die Kommission muss gemäß Art. 87 Abs. 2 EG bzw. kann gemäß Art. 87 Abs. 3 EG eine Beihilfenmaßnahme als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar genehmigen. Weder eine beihilfenrechtliche Notifizierung noch eine den Anforderungen des Art. 88 EG genügende beihilfenrechtliche Genehmigung sind jedoch bisher erfolgt.

II. Gang und Ziel der Darstellung Vor dem Hintergrund des in diesem Kapitel dargestellten umweltökonomischen Systemansatzes, der Grundlagen des gemeinschaftsweiten Handelssystems nach der Richtlinie 2003 / 87 / EG sowie des beihilfenrechtlichen Problemaufrisses ist im Rahmen dieser Arbeit die in Art. 10 EHRL vorgesehene entgeltfreie oder überwiegend entgeltfreie Zertifikatzuteilung durch die Mitgliedstaaten einer umfassenden beihilfenrechtlichen Prüfung zu unterziehen. In Kapitel B. ist in einem ersten Teil zunächst die bisherige beihilfenrechtliche Genehmigungspraxis der Kommission im Hinblick auf Handelssysteme zu analysieren. Die Kommission war bereits vor Inkrafttreten der Richtlinie 2003 / 87 / EG in verschiedenen beihilfenrechtlichen Notifizierungsverfahren mit der beihilfenrechtlichen Prüfung von mitgliedstaatlichen Emissionshandels- und Zertifikatmodellen befasst. So notifizierten Dänemark, das Vereinigte Königreich und die Niederlande ihre zum Teil freiwilligen, zum Teil pflichtigen Handelssysteme. Die Kommission gelangte in allen drei Verfahren zur Bejahung einer Beihilfe, genehmigte diese jedoch über Art. 87 Abs. 3 EG. Im Fall des flämischen Handels mit Grünstromzertifikaten lehnte die Kommission demgegenüber bereits den Tatbestand des Art. 87 Abs. 1 EG ab. Zwar lässt sich die Entscheidungspraxis zu rein mitgliedstaatlichen Handelssystemen nicht ohne weiteres auf ein gemeinschaftsweites Handelssystem übertragen. Der Prüfungsansatz im Hinblick auf die mitgliedstaatlichen Handelssysteme, deren Notifizierung zeitgleich zum Gesetzgebungsverfahren der Richtlinie 2003 / 87 / EG erfolgte, vermag jedoch einen Ausgangspunkt für die weitere Beihilfenrechtsprüfung zu schaffen. In einem zweiten Teil sind sodann die bisherigen Äußerungen der Kommission zur beihilfenrechtlichen Bewertung eines gemeinschaftsweiten Emissionshandelssystems zu untersuchen und die Frage zu klären, ob und inwieweit die Kommission bislang Aussagen zur Beihilfenrechtskonformität einer entgeltfreien oder überwiegend entgeltfreien Zertifikatzuteilung durch die Mitgliedstaaten getroffen hat. In diesem Zusammenhang stellt sich zudem die Frage nach dem Verhältnis bzw. dem Zusammenwirken des in der Emissionshandelsrichtlinie vorgesehenen Vorlagever-

II. Gang und Ziel der Darstellung

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fahrens nach Art. 9 EHRL und dem primärrechtlichen, in der Emissionshandelsrichtlinie ebenfalls ausdrücklich erwähnten, beihilfenrechtlichen Notifizierungsverfahren nach Art. 88 EG. Exkursartig ist dabei unter Berücksichtigung der jüngsten Rechtsprechung des Europäischen Gerichts erster Instanz auch zu untersuchen, ob im Rahmen des Vorlageverfahrens der nationalen Zuteilungspläne gemäß Art. 9 EHRL von der Kommission die Beihilfenrechtskonformität einer entgeltfreien Zertifikatzuteilung durch die Mitgliedstaaten geprüft worden ist. Auf der Grundlage dieser Kommissionspraxis wird schließlich die Kommissionslogik der bisherigen beihilfenrechtlichen Bewertung von Emissionshandelssystemen herausgearbeitet. In Kapitel C. ist sodann die entgeltfreie oder überwiegend entgeltfreie Zertifikatzuteilung durch die Mitgliedstaaten, wie sie in Art. 10 EHRL vorgesehen ist, auf ihre Vereinbarkeit mit den Beihilfenregelungen des EG-Vertrages zu untersuchen. Dieser Abschnitt bildet den Hauptteil der vorliegenden Abhandlung. Hierbei ist zunächst zu klären, ob eine durch die Richtlinie vorgegebene entgeltfreie oder überwiegend entgeltfreie Zertifikatzuteilung überhaupt dem jeweiligen Mitgliedstaat zurechenbar ist, oder ob der Beihilfentatbestand bereits mangels mitgliedstaatlicher Veranlassung ausscheidet. In diesem Zusammenhang sind vor dem Hintergrund des gemeinschaftsrechtlichen Geltungsvorrangs des Primärrechts über das Sekundärrecht auch die – in ihrer rechtsdogmatischen Ordnungsrelevanz höchst unklaren – Verweise der Richtlinie 2003 / 87 / EG auf die primärrechtlichen Beihilfenvorschriften zu untersuchen. Soweit eine mitgliedstaatliche Zurechenbarkeit zu bejahen sein wird, ist im Rahmen der Tatbestandsprüfung gemäß Art. 87 Abs. 1 EG insbesondere der Frage nachzugehen, ob die entgeltfreie oder überwiegend entgeltfreie Zertifikatzuteilung eine Begünstigung der Zertifikatempfänger darstellt und ob diese Begünstigung aus staatlichen Mitteln stammt. Dabei wird auch zu untersuchen sein, inwieweit das Beihilfenregime die Besonderheiten des umweltregulatorischen Zertifikatsystems zu berücksichtigen vermag. Im Falle des Vorliegens einer Beihilfe wird sodann zu untersuchen sein, ob eine etwaige Beihilfe gemäß Art. 87 Abs. 2 EG zu genehmigen ist oder als ausnahmsweise mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar gemäß Art. 87 Abs. 3 EG von der Kommission genehmigt werden könnte. In Kapitel D. sind schließlich die Ergebnisse und Schlussfolgerungen der Arbeit zusammenzufassen. Hierbei werden die Auswirkungen des Ergebnisses auf die Zertifikatempfänger, ihre Wettbewerber und die Mitgliedstaaten kursorisch dargestellt sowie die Handlungsoptionen der Kommission aufgezeigt. Exkursartig ist dabei auf die Kriterien der Rückforderung von Beihilfen einzugehen. Die Arbeit schließt mit einem Ausblick auf die zukünftige Ausgestaltung der Zertifikatzuteilung durch die Mitgliedstaaten im Rahmen des gemeinschaftsweiten Emissionshandels. In einer Schlussbemerkung werden die den gemeinschaftsweiten Emissionshandel betreffenden Inhalte der neuen Leitlinien für staatliche Umweltschutzbeihilfen sowie die Inhalte der insbesondere im Hinblick auf die Entgeltlichkeit der Zertifikatzuteilung ab der dritten Handelsperiode 2013 geänderten Richtlinie 2003 / 87 / EG dargestellt.

B. Die Kommissionslogik bei der beihilfenrechtlichen Bewertung der mitgliedstaatlichen Zertifikatzuteilung Vor der Einführung des gemeinschaftsweiten Emissionshandelssystems führten bereits einige Mitgliedstaaten nationale Emissionshandelssysteme ein. Diese Systeme wurden gemäß Art. 88 Abs. 3 EG notifiziert und von der Kommission nach beihilfenrechtlicher Prüfung genehmigt. Zudem wurden beihilfenrechliche Aspekte einer mitgliedstaatlichen Zertifikatzuteilung auch im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zur Richtlinie 2003 / 87 / EG sowie bei der Genehmigung der nationalen Zuteilungspläne im Rahmen des gemeinschaftsweiten Handelssystems von der Kommission diskutiert. Auf dieser Grundlage ist im Folgenden die Kommissionslogik bei der beihilfenrechtlichen Bewertung von rein mitgliedstaatlichen Zertifikathandelssystemen und bezüglich der mitgliedstaatlichen Zertifikatzuteilung im Rahmen des gemeinschaftsweiten Handelssystems herauszuarbeiten. In einem ersten Schritt werden dazu die bisherigen Kommissionsentscheidungen zur beihilfenrechtlichen Zulässigkeit der rein mitgliedstaatlichen Handelssysteme untersucht (unter I.), bevor in einem zweiten Schritt die Äußerungen der Kommission zur Beihilfenrechtskonformität der entgeltfreien oder überwiegend entgeltfreien Zertifikatzuteilung durch die Mitgliedstaaten in dem gemeinschaftsweiten Handelssystem sowie die rechtsdogmatisch höchst unklaren Verweise der Richtlinie 2003 / 87 / EG auf die primärrechtlichen Beihilfenvorschriften analysiert werden (unter II.). Dabei ist insbesondere zu klären, ob eine beihilfenrechtliche Genehmigung der notifizierten nationalen Zuteilungspläne bislang erfolgt ist. In einem dritten Schritt ist sodann die Kommissionslogik als Ausgangspunkt der nachfolgenden beihilfenrechtlichen Bewertung einer entgeltfreien oder überwiegend entgeltfreien Zertifikatzuteilung durch die Mitgliedstaaten herauszuarbeiten (unter III.).

I. Beihilfenrechtliche Bewertung mitgliedstaatlicher Handelssysteme durch die Kommission Vor Beginn des gemeinschaftsweiten Handels wurden der Kommission vier mitgliedstaatliche Handelssysteme gemäß Art. 88 Abs. 3 EG notifiziert: das dänische Emissionshandelssystem für CO2-Emissionen im Elektrizitätssektor (dazu unter 1.), das britische multisektorale CO2-Handelssystem (dazu unter 2.), das flämische Handelssystem für Grünstromzertifikate (dazu unter 3.) sowie das niederländische Emissionshandelssystem für NOx (dazu unter 4.).91

I. Beihilfenrechtliche Bewertung mitgliedstaatlicher Handelssysteme

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1. Dänemark: Der CO2-Handel im Elektrizitätssektor a) Darstellung des Handelssystems Das dänische Handelssystem für CO2-Emissionen im Elektrizitätssektor 92 bestand von 2001 bis 2004.93 Im Rahmen dieses Handelssystems wurden die CO2-Emissionen der dänischen Elektrizitätsproduzenten quotiert. Die Teilnahme an dem Handelssystem war grundsätzlich für alle auf dem dänischen Markt tätigen Stromproduzenten mit jährlichen Emissionen von über 100.000 t CO2-Äquivalent zwingend.94 Basierend auf jährlich sinkenden Emissionsobergrenzen wurde den unter das Handelssystem fallenden Stromproduzenten jährlich eine ihrem Anteil an den Gesamtemissionen des Sektors entsprechende Anzahl Zertifikate entgeltfrei und auf Basis der mittleren Emissionen der Jahre 1994 bis 1998 zugeteilt.95 Zertifikate konnten gehandelt und unter bestimmten Voraussetzungen auch für die Verwendung im Folgejahr gespart werden.96 Jährlich war eine den tatsächlichen Emissionen entsprechende Anzahl von Zertifikaten zur Löschung vorzulegen, wobei bei nicht hinreichender Zertifikatvorlage eine Geldstrafe in Höhe von 40 Dänischen Kronen (ca. A 5,40) pro überschrittener Tonne CO2-Emission drohte.97 91 Andere Handelssysteme wie beispielsweise das schwedische Grünstromzertifikatesystem (vgl. hierzu von La Chevallerie, et 2004, 380) wurden demgegenüber nicht notifiziert. 92 Vgl. Gesetz über die Quotierung von CO -Emissionen in der Elektrizitätsproduktion 2 (CO2-QuotenG): Lov nr 376 om CO2-kvoter for elproduktion af 02 / 06 / 1999, abrufbar unter: http://www.retsinfo.dk / _GETDOC_ / ACCN / A19990037630-regl; sowie in englischer Fassung (nicht autorisierte Übersetzung): http://www.ens.dk / graphics / Publikationer / Laws / ActOnCO2QuotaForElectricityProduction.pdf. 93 In Dänemark existierte zwar seit dem Jahre 1991 auch ein Zertifikatsystem für NO x und SO2, dessen Zertifikate waren jedoch nicht handelbar, vgl. Gesetzesentwurf „Bill no. 235 on CO2 Quotas for Electricity Production“, S. 7; sowie Executive Order no. 885 of 18. 12. 1991 on limitation of emission of sulphur dioxide and nitrogen oxides from power plants as amended by Executive Order no. 321 of 04. 06. 1998, beide abrufbar unter http:// www.retsinfo.dk. 94 Aufgrund dieses Schwellenwerts nahmen von etwa 500 Produzenten nur acht Unternehmen am Emissionshandel teil, dennoch wurden mehr als 90% der CO2-Emissionen im Bereich der Elektrizitätsproduktion erfasst, vgl. Giesberts / Hilf, Handel mit Emissionszertifikaten, S. 91; Pedersen, Danish CO2 cap&trade scheme, S. 1. Produzenten, die ausschließlich CO2-neutral bzw. ganz ohne CO2-Emissionen operierten (etwa Windenergie, Wasserkraft, Biomasse etc.) bzw. deren CO2-Emissionen unter dem Schwellenwert von 100.000 t CO2-Emissionen pro Jahr lagen und deren CO2-Ausstoß ausschließlich aus einer auf KraftWärme-Kopplung (KWK) ausgerichteten Produktionstechnik stammte, waren von der Zertifikatpflicht befreit, sofern sie hauptsächlich zur Deckung einer Wärmenachfrage betrieben wurden und die Elektrizitätsproduktion in direktem Zusammenhang mit der Wärmeproduktion stand (§§ 1 Abs. 3, 4 CO2-QuotenG). Die befreiten Unternehmen unterlagen jedoch weiterhin den anderen Pflichten des CO2-QuotenG (etwa §§ 8 f., 11, 14 f. CO2-QuotenG). 95 § 3 Abs. 3 CO -QuotenG. 2 96 §§ 5 Abs. 4, 6 Abs. 1 CO -QuotenG. Zum Handelsvolumen vgl. Pedersen, Danish CO 2 2 cap&trade scheme, S. 5. Um eine hinreichende Liquidität an Emissionszertifikaten zu gewährleisten, wurde die Möglichkeit des Sparens von Zertifikaten durch die Vorgabe von Einsparungsgrenzen eingeschränkt, vgl. § 5 Abs. 3 CO2-QuotenG.

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b) Beihilfenrechtliche Bewertung durch die Kommission (1) Beihilfentatbestand Im Rahmen ihrer beihilfenrechtlichen Bewertung98 stellte die Kommission fest, dass die Zertifikatempfänger vom Staat entgeltfrei einen handelbaren immateriellen Vermögensgegenstand (intangible asset) erhielten. Durch die entgeltfreie Zuteilung entgingen dem Staat Einkünfte, die er bei entgeltlicher Zuteilung hätte erzielen können. Da nur der Elektrizitätssektor von dieser Maßnahme betroffen sei, werde auch das Bestimmtheitskriterium erfüllt. Im Hinblick auf das Erfordernis einer Wettbewerbsbeeinträchtigung drohe zwar eine solche angesichts der diskriminierungsfreien Markteintrittsmöglichkeiten nicht auf dem dänischen Markt. Allerdings bestehe wegen des nicht unerheblichen Elektrizitätshandels zwischen den Mitgliedstaaten die Möglichkeit einer Verzerrung des Wettbewerbs zwischen den Elektrizitätserzeugern in Dänemark und jenen in Mitgliedstaaten, die bisher noch keine (handelbaren) CO2-Emissionszertifikate eingeführt haben, da ein Unternehmen, das seine Emissionszertifikate verkaufe, diese Einnahmen zu einer Verbesserung seiner Wettbewerbsstellung nutzen könne. Wenngleich eine solche Wettbewerbsverzerrung durch die zunächst erforderliche Emissionsreduzierung und die Begrenzung des Zertifikatwerts durch die Höhe der Geldbuße gemindert werde, seien eine Wettbewerbsverzerrung zwischen den Stromerzeugern in Dänemark und in anderen Mitgliedstaaten sowie eine Beeinträchtigung des Stromhandels zwischen den Mitgliedstaaten möglich. Angesichts dessen stelle die entgeltfreie Zuteilung der CO2-Zertifikate eine Beihilfe im Sinne des Art. 87 Abs. 1 EG dar. (2) Genehmigungsfähigkeit der Beihilfe Im Rahmen der Genehmigungsprüfung beurteilte die Kommission das dänische CO2-Quotenmodell direkt anhand von Art. 87 Abs. 3 lit. c) EG, da der als Prüfungsmaßstab eigentlich zugrunde zu legende Gemeinschaftsrahmen für staatliche Umweltschutzbeihilfen 99 neue Formen staatlicher Beihilfen, wie etwa handelbare 97 Gemessen an den tatsächlichen Reduktionskosten wird die Höhe dieser Sanktionszahlung als niedrig bewertet, jedoch mit dem Fehlen von Emissionshandelssystemen für den Elektrizitätssektor in den Anrainerstaaten und die durch höhere Sanktionszahlung drohende Wettbewerbsverzerrung erklärt, vgl. Pedersen, Danish CO2 cap&trade scheme, S. 6; Giesberts / Hilf, Handel mit Emissionszertifikaten, S. 93. Pedersen, RECIEL 2000, 223 (225), zitiert Studien, wonach die Kosten für die Reduktion etwa US-$ 0 – 30 je Tonne betragen. 98 Kommission, Beihilfenentscheidung N 653 / 99 v. 12. 04. 2000, Dänemark (CO -kvoter), 2 S. 5. Die Kommission bestätigte diese Bewertung im Oktober 2003 in ihrer Genehmigungsentscheidung zur Verlängerung des dänischen CO2-Handelssystems. Da das System in seiner bisherigen Form weitergeführt werde, war die Kommission der Auffassung, dass auch das Emissionsrechtehandelssystem für das Jahr 2004 eine staatliche Beihilfe nach Art. 87 Abs. 1 EG darstelle, vgl. Kommission, Beihilfenentscheidung N 223 / 2003 v. 31. 10. 2003, Dänemark (Forlœngelse af den danske CO2-kvoteordning). 99 Kommission, Gemeinschaftsrahmen für staatliche Umweltschutzbeihilfen, ABl.EG 1994 C 72 / 3. Dieser wurde im Jahre 2001 durch einen neuen Gemeinschaftsrahmen für staatliche

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Emissionszertifikate, nicht erfasse. Bei ihrer Prüfung berücksichtigte die Kommission zum einen, dass der zeitlich begrenzte und für Anpassungen an zukünftige europäische oder internationale Entwicklungen auf dem Gebiet des Emissionshandels offene100 dänische CO2-Zertifikatehandel die Vorbereitung auf den gemeinschaftsweiten Emissionshandel ermögliche und eine Modellfunktion übernehme.101 Zum anderen berücksichtigte die Kommission die zu erwartenden positiven Wirkungen des dänischen CO2-Quotenmodells für den Umweltschutz, da der Handel mit den Zertifikaten voraussetze, dass verkaufsbereite Emittenten Reduktionsleistungen erbringen, die über die – bereits erheblichen Schadstoffreduktionen implizierende – staatliche Quote hinausgehen. Diese Erbringung zusätzlicher, über die im Rahmen des Gesetzes vorhergesehenen Einsparungen hinausgehenden Emissionsreduktionen könne als eine Gegenleistung im Sinne des Gemeinschaftsrahmens für staatliche Umweltschutzbeihilfen 102 betrachtet werden und somit eine Ausnahme nach Art. 87 Abs. 3 lit. c) EG rechtfertigen. Auf dieser Grundlage erklärte die Kommission das dänische CO2-Emissionshandelssystem gemäß Art. 87 Abs. 3 lit. c) EG für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar.103

Umweltschutzbeihilfen ersetzt, ABl.EG 2001 C 37 / 3. Gemeinschaftsrahmen und Leitlinien typisieren die Abwägungskriterien und Prüfungsparameter der Kommission bei Ausübung ihres Ermessens im Rahmen von Art. 87 Abs. 3 EG und schaffen so Transparenz, unter welchen Voraussetzungen die Kommission Beihilfen zugunsten des Umweltschutzes für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar hält, vgl. Koenig / Kühling / Ritter, Beihilfenrecht, Rn. 202 f.; Repplinger-Hach, in: Heidenhain, Beihilfenrecht, § 17 Rn. 148. Im Einzelnen hierzu unten unter C. II. 1. 100 § 12 CO -QuotenG erlaubte etwa die Teilnahme an den sogenannten flexiblen Mecha2 nismen des Kyoto-Protokolls. 101 Nur wenig mehr als einen Monat vor ihrer Entscheidung zum dänischen Handelssystem hatte die Kommission ihr Grünbuch zum Handel mit Treibhausgasemissionen veröffentlicht, vgl. Kommission, Grünbuch zum Handel mit Treibhausgasemissionen in der Europäischen Union v. 08. 03. 2000, KOM (2000) 87 endg. 102 Der Gemeinschaftsrahmen für Umweltschutzbeihilfen 2001 enthält jedoch keine Regelungen zu „Gegenleistungen“, so dass diese Feststellung der Kommission missverständlich ist. Gemeint ist wohl, dass eine Leistung seitens der teilnehmenden Unternehmen, die den Umweltschutz im Sinne der ratio des Gemeinschaftsrahmens für staatliche Umweltschutzbeihilfen fördert, als Gegenleistung im Sinne der Leistungs- / Gegenleistungsrechnung (im Rahmen des Tatbestandsmerkmals der Begünstigung) betrachtet werden könne. Danach kann eine angemessene Gegenleistung (Kompensation) den beihilfenrechtlichen Begünstigungscharakter einer Vorteilsgewährung ausschließen, vgl. Koenig / Kühling / Ritter, Beihilfenrecht, Rn. 71. Näher hierzu unten unter C. I. 2. a) (2). 103 Kommission, Beihilfenentscheidung N 653 / 99 v. 12. 04. 2000, Dänemark (CO -kvo2 ter). In ihrer Folgeentscheidung bestätigte die Kommission diese Genehmigung auch für die Fortführung des Handelssystems im Jahre 2004, vgl. Kommission, Beihilfenentscheidung N 223 / 2003 v. 31. 10. 2003, Dänemark (Forlœngelse af den danske CO2-kvoteordning).

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2. Vereinigtes Königreich: Das freiwillige Emissions Trading Scheme a) Darstellung des Handelssystems Das britische Emissions Trading Scheme bestand von 2002 bis 2006.104 Es war als freiwilliges, allen treibhausgasemittierenden Unternehmen offen stehendes Handelssystem ausgestaltet und sah als Gegenleistung für die Teilnahme am Emissionshandel und die Übernahme von Reduktionsverpflichtungen staatliche Anreizzahlungen bzw. Steuerermäßigungen vor. Das System unterschied direkte Teilnehmer (direct participants) sowie Klimasteuerteilnehmer (climate change levy agreement participants). Direkte Teilnehmer mussten zunächst die einzubeziehenden Emissionen sowie, auf der Grundlage ihrer durchschnittlichen Emissionen in den Jahren 1998 – 2000, absolute Emissionsminderungsziele selbst festlegen105 und konnten direkte Anreizzahlungen erhalten.106 Klimasteuerteilnehmer waren Unternehmen energieintensiver Branchen, die im Rahmen von Klimasteuervereinbarungen spezielle Emissionsminderungsziele aushandelten und eine bis zu 80%-ige Ermäßigung der Klimasteuer erhalten konnten. Emissionszertifikate im Emissions Trading Scheme verbrieften das Recht, eine Tonne CO2-Äquivalent zu emittieren. Die Zertifikate waren handelbar und konnten für spätere Erfüllungszeiträume gespart werden. Die Zuteilung der Zertifikate war abhängig von dem jeweiligen Teilnahmestatus. Direkte Teilnehmer erhielten Zertifikate auf der Grundlage des klassischen cap-and-trade-Systems entsprechend der jeweils eingegangenen Reduktionsverpflichtungen entgeltfrei zu Beginn eines Erfüllungszeitraums und mussten jährlich eine ihren Reduktionszielen des Vorjahrs entsprechende Anzahl von Zertifikaten zur Löschung abgeben. Unternehmen mit Klimasteuervereinbarungen erhielten ihre Zertifikate nach dem baseline-and-credit-Ansatz am Ende eines Erfüllungszeitraums, wenn das jeweilige Unternehmen seine Verpflichtung übererfüllt hatte. Jeweils drei Monate nach Ablauf des jeweiligen Erfüllungszeitraums mussten diese ihr vereinbartes Reduktionsziel (gegebenenfalls durch Zukauf weiterer Zertifikate) erreichen. 104 Vgl. zum britischen Emissions Trading Scheme insbesondere Schuhmann, EurUP 2004, 30; Lübbe-Wolf, et 2001, 342; Corino / Jones / Hawkes, EuZW 2002, 165 (168 f.); Spieth, Emissionshandel, S. 92 ff. 105 Sie sind damit in der Lage, die betriebswirtschaftlich günstigste Minderungsverpflichtung einzugehen. Kritisch zur Festlegung der Reduktionsziele durch die Unternehmen selbst Lübbe-Wolf, et 2001, 342 ff. 106 Diese Anreizzahlungen wurden im Rahmen einer inversen Auktion (descendingclock-auction) versteigert. Der Auktionator legt so lange abnehmende Subventionsbeträge für eine eingesparte Tonne CO2-Äquivalent fest, bis die Summe aller für diesen Betrag gebotenen Emissionsminderungen multipliziert mit dem Subventionsbetrag pro Tonne CO2-Äquivalent unter den zur Verfügung gestellten Gesamtsubventionsbetrag fällt. Hieraus ergeben sich dann die Minderungsverpflichtungen für die in der Auktion berücksichtigten Unternehmen sowie die dafür gewährten Subventionsbeträge für die Jahre 2002 – 2006. Die Auszahlung der Subventionsbeträge erfolgte jährlich an jene Unternehmen, die ihr Emissionsziel erreicht hatten.

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Die Effektivität des Emissions Trading Scheme sowie dessen Umweltnutzen wurden durch einen umfangreichen Sanktionsmechanismus sichergestellt. Direkten Teilnehmern, die ihre jährlichen Reduktionsziele nicht erreichen, wurden Subventionen nicht ausgezahlt und die Zertifikatzuteilung für das Folgejahr gekürzt. Darüber hinaus war für jede das individuelle Reduktionsziel übersteigende emittierte Tonne CO2-Äquivalent eine Geldstrafe zu zahlen. Sollte zum Ende des Jahres 2006 festgestellt werden, dass ein direkter Teilnehmer sein Gesamtreduktionsziel für den Zeitraum 2002 – 2006 nicht erfüllt hat, musste der Gesamtbetrag der bis dahin gezahlten Subventionen zurückerstattet werden. Unternehmen mit Klimasteuervereinbarungen verloren bei Nichterreichen ihrer Reduktionsziele die 80%-ige Steuerermäßigung. b) Beihilfenrechtliche Bewertung durch die Kommission (1) Beihilfentatbestand Die Kommission unterschied zwischen der Anreizgewährung und dem Handelsmechanismus. Die Anreizgewährung beurteilte die Kommission, ebenso wie die britische Regierung, als Beihilfe gemäß Art. 87 Abs. 1 EG.107 Im Rahmen der Anreizgewährung erhielten Unternehmen, die am Handelssystem teilnehmen und bestimmte Emissionsreduktionsziele erreichen, eine Zuwendung aus staatlichen Mitteln, die den Wettbewerb zwischen diesen Unternehmen und ihren Wettbewerbern verfälschen könnte und potenziell den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtige. Hinsichtlich des Handelsmechanismus stellte die Kommission – entgegen der Auffassung der britischen Regierung108 – darauf ab, dass der Staat eine begrenzte Anzahl handelbarer Emissionsberechtigungen entgeltfrei an die direkten Teilnehmer zuteile. Der entstehende Markt sei ein Zeichen für den Wert des zugeteilten Gutes, das als Vorteil für die Zertifikatempfänger betrachtet werden müsse. An dieser beihilfenrechtlichen Begünstigung änderten auch etwaige Ausgaben für Emissionsreduktionen nichts, jedoch könnten solche als positives Element im Rahmen der Genehmigungsprüfung berücksichtigt werden. Hinsichtlich der weiteren 107 Vgl. zum Folgenden: Kommission, Beihilfenentscheidung N 416 / 2001 v. 28. 11. 2001, Vereinigtes Königreich (Emissions Trading Scheme). Diese Entscheidung wurde ergänzt durch die Beihilfenentscheidungen N 104 / A / 2002 v. 01. 03. 2002, Vereinigtes Königreich (Emissions Trading Scheme) und die Beihilfenentscheidung N 104 / B / 2002 v. 12. 03. 2002, Vereinigtes Königreich (Emissions Trading Scheme). 108 Diese verneinte den Beihilfencharakter der entgeltfreien Zertifikatzuteilung bzw. ging von deren Genehmigungsfähigkeit gemäß Art. 87 Abs. 3 lit. b) oder lit. c) EG aus, vgl. Kommission, Beihilfenentscheidung N 416 / 2001 v. 28. 11. 2001, Vereinigtes Königreich (Emissions Trading Scheme), S. 8 f. Nach Auffassung der britischen Regierung gewährte der Staat keinen Vorteil, sondern erleichterte nur die Schaffung eines Marktes, zudem seien die Zertifikate keine Begünstigung für die Unternehmen, da diese vor Zertifikatzuteilung erst Emissionsreduktionen nachweisen und vor einem Verkauf der Zertifikate Kosten für weitere Emissionsreduktionen aufwenden müssten.

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B. Kommissionslogik bei der Bewertung der Zertifikatzuteilung

Tatbestandsmerkmale des Art. 87 Abs. 1 EG entschied die Kommission, dass dem Staat durch die entgeltfreie Zuteilung der Zertifikate Einnahmen entgingen, die durch eine Versteigerung der Emissionsberechtigungen im Rahmen eines verpflichtenden Systems hätten erzielt werden können. Der Möglichkeit einer Einnahmenerzielung stünden auch der freiwillige Charakter des Systems und eine potentielle größere Akzeptanz des Handelssystems bei den Unternehmen nicht entgegen. Die Begünstigung verfälsche den Wettbewerb zwischen Unternehmen, da die Erlöse aus dem Verkauf der Berechtigungen nur den teilnehmenden Unternehmen zugute kämen, während konkurrierende Unternehmen keinen Zugang zu einem solchen System hätten. Dies könne den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen. Die Kommission gelangte daher zu dem Ergebnis, dass auch der Handelsmechanismus eine staatliche Beihilfe im Sinne des Art. 87 Abs. 1 EG darstelle.109 (2) Genehmigungsfähigkeit der Beihilfenmaßnahme Im Rahmen der Genehmigungsprüfung beurteilte die Kommission das Emissions Trading Scheme zunächst am Maßstab des Art. 87 Abs. 3 lit. b) EG. Nach dieser Vorschrift können Beihilfen zur Förderung der Erfüllung wichtiger Projekte von gemeinsamem europäischen Interesse oder zur Behebung einer beträchtlichen Störung im Wirtschaftsleben eines Mitgliedstaates als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar angesehen werden. Zwar besage Randziffer 73 des Gemeinschaftsrahmens für staatliche Umweltschutzbeihilfen 110, dass Beihilfen zur Förderung der Erfüllung wichtiger Projekte von gemeinsamem europäischen Interesse, die eine umweltpolitische Priorität genießen und oft vorteilhafte Auswirkungen über die Grenzen der betroffenen Mitgliedstaaten hinaus haben, grundsätzlich im Rahmen von Art. 87 Abs. 3 lit. b) EG genehmigt werden könnten. Allerdings müsse eine solche Beihilfe für den Fortschritt eines spezifischen, klar abgegrenzten und qualitativ hochwertigen Projekts notwendig sein und das Projekt einen beispielhaften sowie klar identifizierbaren Beitrag zum gemeinsamen europäischen Interesse leisten. Vor diesem Hintergrund erkannte die Kommission zwar an, dass die Bekämpfung des Klimawandels eine Priorität in der Umweltpolitik der Europäischen Union habe und der Emissionshandel ein wichtiges Element sei, um die von den Mitgliedstaaten eingegangenen Zielvorgaben zu erreichen. Das britische Handelssystem unterscheide sich jedoch in verschiedener Hinsicht zum Teil erheblich von den im Kommissionsvorschlag einer Richtlinie für ein gemeinschaftsweites Emissionshandelssystem entwickelten Kriterien, die das breitere europäische Interesse widerspiegelten. So habe die britische Regierung bestimmte Systement109 Rusche, in: Sánchez-Rydelski, EC State Aid Regime, S. 349 (354 f.) zitiert auch die (unveröffentlichte) Beihilfenentscheidung N 123 / 2000, Vereinigtes Königreich (Climate Change Levy). 110 Kommission, Gemeinschaftsrahmen für staatliche Umweltschutzbeihilfen, ABl.EG 2001 C 37 / 3.

I. Beihilfenrechtliche Bewertung mitgliedstaatlicher Handelssysteme

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scheidungen getroffen (insbesondere den freiwilligen Charakter des Systems, die Anreizgewährung, die Auswahl des Teilnehmerkreises einschließlich der besonderen Behandlung von strom- und wärmeproduzierenden Anlagen), die zwar nationalen Bedürfnissen, nicht aber den Bedürfnissen eines gemeinschaftsweiten Handelssystems gerecht würden. Insbesondere sei ein freiwilliges Handelssystem nicht mit der Gemeinschaftsgesetzgebung zur Einführung eines verpflichtenden Handelssystems vereinbar und könne so zu einer nicht mit dem Gemeinschaftsrecht zu vereinbarenden staatlichen Beihilfe führen. Hierdurch sei die Übertragbarkeit der Erfahrungen aus dem britischen System eingeschränkt. Ohne grundsätzlich auszuschließen, dass Handelssysteme als Projekte im gemeinsamen europäischen Interesse betrachtet werden könnten, lehnte die Kommission eine Genehmigung des Emissions Trading Scheme nach Art. 87 Abs. 3 lit. b) EG ab.111 In einem zweiten Schritt prüfte die Kommission sodann die Genehmigungsfähigkeit der Maßnahme gemäß Art. 87 Abs. 3 lit. c) EG.112 Nach dieser Vorschrift können Beihilfen zur Förderung der Entwicklung gewisser Wirtschaftszweige oder Wirtschaftsgebiete als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar angesehen werden, soweit sie die Handelsbedingungen nicht in einer dem gemeinsamen Interesse zuwiderlaufenden Weise verändern. Hierfür zog sie zunächst Kapitel F (Politik, Maßnahmen und Instrumente zur Verringerung von Treibhausgasen) des Gemeinschaftsrahmens für staatliche Umweltschutzbeihilfen heran. Dabei berücksichtigte die Kommission insbesondere den multisektoralen Charakter des Handelssystems sowie den Umstand, dass in Ermangelung von Gemeinschaftsvorgaben im Bereich des Emissionshandels jeder Mitgliedstaat die Politik, Maßnahmen und Instrumente formulieren könne, die er zur Einhaltung der Zielvorgaben des Kyoto-Protokolls einführen möchte. Der Emissionshandel sei ein wesentliches, wettbewerbsorientiertes Instrument zur Erreichung der Kyoto-Ziele und die Initiative des Vereinigten Königreichs eine zusätzliche Anstrengung, bevor Regelungen auf Gemeinschaftsebene eingeführt würden. Trotz aller Unterschiede in der Ausgestaltung werde das britische System zum Nutzen späterer Initiativen wertvolle Einblicke in das Funktionieren eines Emissionshandelsmarktes bieten. Das System belohne Unternehmen, die bestehende Emissionsstandards übererfüllten, und erreiche so einen Nettoumweltnutzen. Während es in einem wie von der Kommission vorgeschlagenen verpflichtenden System keine Notwendigkeit für eine Anreizgewährung gebe, mache die britische Entscheidung für ein freiwilliges System eine Anreizgewährung notwendig, um eine möglichst breite Teilnahme seitens der Unternehmen sicherzustellen. Durch das mit der Anreizgewährung verbundene Bietverfahren ziele das Emissions Trading Scheme auf eine größtmögliche Emissionsverringerung. Im Hinblick auf die entgeltfreie Zuteilung der Berechtigungen berücksichtigte die Kommission, dass die teilnehmenden Unternehmen ihre Reduktionsziele über111 Kommission, Beihilfenentscheidung N 416 / 2001 v. 28. 11. 2001, Vereinigtes Königreich (Emissions Trading Scheme), S. 10. 112 Kommission, Beihilfenentscheidung N 416 / 2001 v. 28. 11. 2001, Vereinigtes Königreich (Emissions Trading Scheme), S. 10 ff.

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B. Kommissionslogik bei der Bewertung der Zertifikatzuteilung

erfüllen müssten, um überhaupt die entgeltfrei zugeteilten Berechtigungen verkaufen zu können. Dies könne als Gegenleistung im Sinne des Gemeinschaftsrahmens für staatliche Umweltschutzbeihilfen betrachtet werden.113 Obgleich die Ausgestaltung des Emissions Trading Scheme nicht der von der Kommission favorisierten Form entspreche und erhebliche Unterschiede zu dem von der Kommission vorgeschlagenen gemeinschaftsweiten Handelssystem bestünden, berücksichtigte die Kommission, dass das System einen wertvollen Beitrag zur Umweltpolitik der Gemeinschaft leiste, während die Handelsbedingungen nicht in einem dem gemeinsamen Interesse entgegenstehenden Maße beeinträchtigt würden. Die Kommission genehmigte die Beihilfe daher gemäß Art. 87 Abs. 3 lit. c) EG als mit dem Gemeinsamen Markt ausnahmsweise vereinbar.114 3. Belgien: Das flämische Handelssystem für Grünstromzertifikate a) Darstellung des Handelssystems Das flämische Handelssystem für Grünstromzertifikate wurde 1999 eingeführt und ist weiterhin in Kraft.115 Durch das Handelssystem sollte der Anteil erneuerbarer Energien und der Kraft-Wärme-Kopplung an der Gesamtelektrizitätsproduktion in Flandern gesteigert und hierdurch zugleich ein Beitrag zur Erreichung der Kyoto-Ziele sowie des für das Jahr 2010 vorgesehenen Anteils erneuerbarer Energien in Höhe von 12% an der europäischen Gesamtelektrizitätsproduktion geleistet werden. Das Handelssystem sieht vor, dass Stromproduzenten für aus erneuerbaren Energien oder im Wege der Kraft-Wärme-Kopplung gewonnene Elektrizität Grünstromzertifikate erhalten. Zugleich werden die flämischen Netzbetreiber und Elektrizitätsversorger116 verpflichtet, jährlich eine bestimmte Anzahl von Grünstromzertifikaten von den Produzenten zu erwerben. Mit der Einführung des Grünstromzertifikatsystems wurde somit neben dem traditionellen Elektrizitätsmarkt ein eigenständiger Markt für Grünstromzertifikate geschaffen. Damit können die Grünstromerzeuger ihre Elektrizität auf dem traditionellen Elektrizitätsmarkt und 113 Siehe zu „Gegenleistungen“ im Sinne des Gemeinschaftsrahmens für staatliche Umweltschutzbeihilfen 2001 bereits oben unter Fn. 102. 114 Kommission, Beihilfenentscheidung N 416 / 2001 v. 28. 11. 2001, Vereinigtes Königreich (Emissions Trading Scheme), S. 12. 115 Vgl. Gesetz über einen belgischen Elektrizitätsmarkt, ,Loi relative à l’organisation du marché de l’électricité‘ vom 29. 04. 1999, abrufbar unter: http://mineco.fgov.be / energy / markets_ liberalisation / CREG_fr.htm. Die Region Flandern ist in ihren Grenzen für die Gesetzgebung im Bereich des Transports und der Elektrizitätsverteilung bis 70 kV ebenso wie für die Sicherstellung einer rationellen Energieverwendung und der Förderung umweltfreundlicher Energieproduktion zuständig, vgl. Kommission, Beihilfenentscheidung N 550 / 2000 v. 25. 07. 2001, Belgien (Certificats verts dans le secteur de l’électricité). 116 Das vorgeschlagene System erstreckt sich nicht auf die gesamte in Flandern verkaufte Elektrizität. Einige Großabnehmer von Elektrizität sind direkt an das Hochspannungsnetz angeschlossen, das nicht in die Regelungskompetenz Flanderns, sondern in diejenige des Bundes fällt.

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den ökologischen (grünen) Wert des Stroms anhand der Grünstromzertifikate auf einem gesonderten Markt verkaufen, um hierdurch die Mehrkosten der Produktion von Grünstrom auszugleichen. Verfügen die Lieferanten am Ende eines Jahres nicht über eine ausreichende Anzahl an Grünstromzertifikaten, müssen sie ein Bußgeld zahlen.117 Das Handelssystem ermöglicht den Grünstromerzeugern den Ausgleich zusätzlicher Produktionskosten und schafft im Falle steigender Zertifikatpreise einen Anreiz für weitere Investitionen im Grünstrombereich. b) Beihilfenrechtliche Bewertung durch die Kommission Die Kommission stellte in ihrer Bewertung zunächst fest, dass die durch die Region Flandern den Netzbetreibern und Elektrizitätsversorgern auferlegte Verpflichtung, jährlich eine bestimmte Anzahl Grünstromzertifikate erwerben zu müssen, den Grünstromproduzenten eine zusätzliche Einnahmequelle zur Deckung eines Teils ihrer Produktionskosten verschaffe und damit einen beihilfenrechtlichen Vorteil gewähre. Die Grünstromproduzenten stellten zudem eine bestimmte Gruppe von Stromerzeugern dar, die auch am innergemeinschaftlichen Handel teilnähmen. Damit führe das Handelssystem zu einer Stärkung der Wettbewerbsposition dieser Grünstromerzeuger, wodurch der Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigt würde. Die Kommission prüfte sodann, ob die Begünstigung vom Staat gewährt werde. Dabei stellte die Kommission fest, dass die staatliche Verpflichtung der Netzbetreiber und Elektrizitätsversorger, eine bestimmte Anzahl Grünstromzertifikate erwerben zu müssen, der Pflicht zur Abnahme von Grünstrom zu Mindestpreisen, wie sie dem Urteil des EuGH in der Rechtssache „PreussenElektra“118 zugrunde lag, vergleichbar sei. In dieser Rechtssache hatte der EuGH entschieden, dass die Regelung eines Mitgliedstaats, durch die private Elektrizitätsversorgungsunternehmen verpflichtet werden, den in ihrem Versorgungsgebiet erzeugten Strom aus erneuerbaren Energiequellen zu (über dem tatsächlichen wirtschaftlichen Wert dieses Stroms liegenden) Mindestpreisen abzunehmen, keine staatliche Beihilfe darstelle.119 Denn die staatliche Verpflichtung führe nicht zu einer unmittelbaren oder mittelbaren Übertragung staatlicher Mittel auf die Erzeugerunternehmen.120 Die Verpflichtung, eine bestimmte Anzahl von Grünstromzertifikaten erwerben zu 117 Hierdurch sollen sie zum einen bewegt werden, Grünstromzertifikate zu kaufen, andererseits soll ihnen für den Fall einer exzessiven Verteuerung der Zertifikate auf dem erst entstehenden Markt eine Ausweichmöglichkeit gegeben werden. Der Ertrag aus den Bußgeldern fließt dem Fonds zugunsten erneuerbarer Energien zu, der Projekte auf dem Gebiet der nachhaltigen Energien fördert, vgl. Kommission, Beihilfenentscheidung N 550 / 2000 v. 25. 07. 2001, Belgien (Certificats verts dans le secteur de l’électricité), S. 5. 118 EuGH, Urteil v. 13. 03. 2001, Rs. C-379 / 98, PreussenElektra AG / Schleswag AG u. a., Slg. 2001, I-2099. 119 EuGH, Urteil v. 13. 03. 2001, Rs. C-379 / 98, PreussenElektra AG / Schleswag AG u. a., Slg. 2001, I-2099 (Rn. 58). 120 EuGH, Urteil v. 13. 03. 2001, Rs. C-379 / 98, PreussenElektra AG / Schleswag AG u. a., Slg. 2001, I-2099 (Rn. 59).

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müssen, ist nach Auffassung der Kommission mit der Verpflichtung zur Abnahme von Elektrizität aus erneuerbaren Energieträgern zu Mindestpreisen („offenbar“) vergleichbar.121 Die Begünstigung erfolge daher nicht durch staatliche Mittel. Die Staatlichkeit der Maßnahme folge auch nicht durch die entgeltfreie Abgabe der Grünstromzertifikate an die Grünstromerzeuger. Zwar könnten diese Zertifikate auf einem entstehenden Markt an die Netzbetreiber und Elektrizitätsversorger verkauft werden, so dass der Staat den Grünstromerzeugern ein werthaltiges Gut zur Verfügung stelle. Durch die entgeltfreie Abgabe der Grünstromzertifikate entgingen dem Staat aber keine potenziellen Einnahmen. Denn der Staat vergebe den Erzeugerunternehmen nur eine offizielle Bestätigung über eine tatsächlich produzierte Menge an Grünstrom. Da auch im Rahmen des Verkaufs der Grünstromzertifikate zwischen Produzent und Abnehmer auf dem entstehenden Markt keine staatliche Begünstigung vorliege, könne das Tatbestandsmerkmal der staatlichen Mittel nur noch durch den Fonds der Strafgelder erfüllt werden, dessen Mittel zur Förderung der Grünstromerzeugung eingesetzt werden sollen. Da die konkrete Ausgestaltung des Fonds Gegenstand eines eigenen (späteren) Notifizierungsverfahrens war, verneinte die Kommission – „en principe“ – das Vorliegen einer Beihilfe im Sinne des Art. 87 Abs. 1 EG sowohl hinsichtlich der entgeltfreien Abgabe der Grünstromzertifikate als auch bezüglich der Verpflichtung, jährlich eine bestimmte Anzahl Grünstromzertifikate zu erwerben.122 Trotz dieses Ergebnisses prüfte die Kommission hilfsweise auch die potentielle Genehmigungsfähigkeit der Maßnahme.123 Hierfür zog sie die Randziffern 61 und 62 des Gemeinschaftsrahmens für staatliche Umweltschutzbeihilfen 124 heran, wonach Marktmechanismen, wie etwa Grünstromzertifikatsysteme, durch die den Erzeugern erneuerbarer Energie für die von ihnen erzeugte Energie indirekt eine garantierte Nachfrage zu einem über dem Marktpreis für konventionelle Energie liegenden Abnahmepreis zugute kommt, unter bestimmten Voraussetzungen von der Kommission genehmigt werden können. Dies sei der Fall, wenn die Förderung un121 So heißt es in der Entscheidung: „Il semble que l’obligation d’acheter une quantité donnée de certificats verts soit comparable à l’obligation d’acheter de l’électricité produite à partir de sources d’énergie renouvables à un prix minimum“ (Hervorhebung durch den Verfasser), Kommission, Beihilfenentscheidung N 550 / 2000 v. 25. 07. 2001, Belgien (Certificats verts dans le secteur de l’électricité), S. 6. 122 Zu dem gleichen Ergebnis gelangte die Kommission auch in vergleichbaren Verfahren, vgl. etwa Kommission, Beihilfenentscheidung N 504 / 2000 v. 28. 11. 2001, Vereinigtes Königreich (Renewables Obligation and Capital Grants for Renewable Technologies), S. 12; Kommission, Beihilfenentscheidung N 415 / A / 2001 v. 28. 11. 2001, Belgien (Projet d’arrêté du Gouvernement wallon relatif à la promotion de l’électricité verte – Aspect concernant le dispositif de certificats verts), S. 5; Kommission, Beihilfenentscheidung N 14 / 2002 v. 02. 08. 2002, Belgien (Régime fédéral belge de soutien aux énergies renouvelables), S. 3 f. 123 Kommission, Beihilfenentscheidung N 550 / 2000 v. 25. 07. 2001, Belgien (Certificats verts dans le secteur de l’électricité), S. 7 f. 124 Kommission, Gemeinschaftsrahmen für staatliche Umweltschutzbeihilfen, ABl.EG 2001 C 37 / 3.

I. Beihilfenrechtliche Bewertung mitgliedstaatlicher Handelssysteme

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erlässlich ist, um die Rentabilität der betreffenden erneuerbaren Energieträger zu gewährleisten, die Förderung insgesamt zu keinem überhöhten Ausgleich zugunsten der erneuerbaren Energieträger führt und die Erzeuger nicht davon abhält, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern, sowie auf eine Dauer von höchstens zehn Jahren beschränkt ist. Diese Voraussetzungen betrachtete die Kommission im Falle des belgischen Handelssystems als erfüllt, so dass bei Bejahung des Beihilfencharakters deren Genehmigungsfähigkeit vorläge. 4. Niederlande: Der NOx-Handel Die Beihilfenentscheidung N 35 / 2003 zum niederländischen Handelssystem für Stickstoffoxid (NOx)-Emissionen125 ist die jüngste Kommissionsentscheidung zur beihilfenrechtlichen Vereinbarkeit eines rein nationalen Emissionshandelssystems und zugleich die letzte Entscheidung vor Beginn des gemeinschaftsweiten Handelssystems auf Grundlage der Richtlinie 2003 / 87 / EG. Die Kommission hatte dabei das System eines dynamischen (relativen) Emissionsstandards zu bewerten, das von dem System absoluter Emissionsstandards (wie etwa im dänischen System) abweicht. a) Darstellung des Handelssystems Das zum 01. 01. 2005 – parallel zum gemeinschaftsweiten Emissionshandel – eingeführte niederländische NOx-Handelssystem dient der Umsetzung der Richtlinie 2001 / 81 / EG über nationale Emissionshöchstmengen für bestimmte Luftschadstoffe126 und gilt für große industrielle Anlagen mit einer installierten thermischen Gesamtnennleistung von über 20 MW.127 Grundlage des niederländischen Handelssystems ist eine anlagenspezifische (relative) Emissionshöchstgrenze, die sich aus dem Produkt des anlagenspezifischen Energieverbrauchs multipliziert mit einem anlageneinheitlichen NOx-Emissionsstandard ergibt.128 Die Einhaltung des Emissionsstandards ist für die betreffenden Unternehmen zwingend, die Teilnahme an dem Handelssystem jedoch freiwillig. Neuen Markt125 Kommission, Beihilfenentscheidung N 35 / 2003 v. 24. 06. 2003, Niederlande (Systeem van verhandelbare emissierechten voor NOx). 126 Richtlinie 2001 / 81 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. 10. 2001 über nationale Emissionshöchstmengen für bestimmte Luftschadstoffe, ABl.EG 2001 L 309 / 22. 127 Dies entspricht etwa 250 Anlagen verschiedener Sektoren, die im Jahre 2000 zusammen 90 Kilotonnen NOx emittiert haben. 128 Vgl. zum Folgenden Kommission, Beihilfenentscheidung N 35 / 2003 v. 24. 06. 2003, Niederlande (Systeem van verhandelbare emissierechten voor NOx), S. 2 ff. Der anlageneinheitliche Emissionsstandard (performance standard rate) ist dabei das Ergebnis aus dem absoluten Emissionsziel für Großanlagen im Jahre 2010 (55 Kilotonnen) dividiert durch den geschätzten Energieverbrauch der Großanlagen im Jahre 2010 (1100 PJ). Hieraus ergibt sich die maximal zulässige NOx-Emissionshöhe je Energieeinheit im Produktionsprozess

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B. Kommissionslogik bei der Bewertung der Zertifikatzuteilung

teilnehmern steht das Handelssystem offen, da diese nicht wie in cap-and-tradeSystemen vor Inbetriebnahme ihrer Anlage Emissionszertifikate erwerben, sondern nur den Emissionsstandard einhalten müssen. Reduziert ein Anlagenbetreiber die NOx-Emissionen unter die anlagenspezifische Emissionshöchstgrenze, so kann er die nicht benutzten NOx-Zertifikate verkaufen oder sparen.129 Übersteigen die jährlichen Emissionen einer Anlage diese anlagenspezifische Emissionshöchstgrenze, so muss der Anlagenbetreiber NOx-Zertifikate zukaufen bzw. sein Emissionskontingent des darauf folgenden Jahres belasten.130 Liegen die tatsächlichen Emissionen einer Anlage über der Summe der anlagenspezifischen Emissionshöchstgrenze zuzüglich der hinzu gekauften oder aus dem Anlagenkontingent des Folgejahres vorgezogenen NOx-Zertifikate, muss der Anlagenbetreiber eine Strafe zahlen. b) Beihilfenrechtliche Bewertung durch die Kommission (1) Beihilfentatbestand Ausgangspunkt der Kommissionsprüfung war zunächst die Frage, ob überhaupt eine vom Staat gewährte Begünstigung vorliege. Auf der Grundlage ihrer bisherigen Entscheidungspraxis zu verschiedenen Arten von handelbaren Emissions- und Verschmutzungsrechten unterscheidet die Kommission dabei zwei Typen von Zertifikatsystemen:131 Habe der Staat eine Wahlmöglichkeit, die Zertifikate auch entgeltlich (etwa durch Verkauf oder Versteigerung) abzugeben, da sie für den Emp(50g / GJ). Dieser Wert multipliziert mit dem anlagenspezifischen Energieverbrauch ergibt die anlagenspezifische Emissionshöchstgrenze. Für die Jahre 2005 – 2010 haben die niederländischen Behörden einen Degressionsplan entworfen, der den anlageneinheitlichen Emissionsstandard allmählich absenkt. Sollte es bedingt durch das Wirtschaftswachstum zu einem Anstieg der absoluten Emissionen über die prognostizierten Mengen kommen, wollten die niederländischen Behörden den anlageneinheitlichen Emissionsstandard flexibel so anpassen, dass die Zielvorgabe im Jahre 2010 erreicht wird, vgl. Kommission, ebd., S. 5. 129 Um Spekulationen zu verhindern, sieht das Handelssystem eine Verkaufsobergrenze vor („verkopplafond“), wonach ein Anlagenbetreiber nicht mehr NOx-Zertifikate verkaufen darf als in Höhe der maximalen Reduktionsmenge, die er unter Berücksichtigung der Emissionsnorm verwirklichen kann, Kommission, Beihilfenentscheidung N 35 / 2003 v. 24. 06. 2003, Niederlande (Systeem van verhandelbare emissierechten voor NOx), S. 8. 130 Bestehende Emissionsgrenzwerte, etwa solche aus der Richtlinie 2001 / 80 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. 10. 2001 zur Begrenzung von Schadstoffemissionen von Großfeuerungsanlagen in die Luft (ABl.EG 2001 L 309 / 1), der Richtlinie 2000 / 76 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 04. 12. 2000 über die Verbrennung von Abfällen (ABl.EG 2000 L 332 / 91) oder der Richtlinie 96 / 61 / EG des Rates vom 24. 09. 1996 über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung (ABl.EG 1996 L 257 / 26), können durch NOx-Zertifikate nicht umgangen werden, vgl. Kommission, Beihilfenentscheidung N 35 / 2003 v. 24. 06. 2003, Niederlande (Systeem van verhandelbare emissierechten voor NOx), S. 7 f. 131 Zum Folgenden siehe Kommission, Beihilfenentscheidung N 35 / 2003 v. 24. 06. 2003, Niederlande (Systeem van verhandelbare emissierechten voor NOx), S. 8 ff.

I. Beihilfenrechtliche Bewertung mitgliedstaatlicher Handelssysteme

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fänger in seinem Verhältnis zum Staat einen Wert (etwa ein direktes Emissionsrecht) darstellen, so entgingen dem Staat bei entgeltfreier Zuteilung grundsätzlich mögliche Einnahmen (so etwa im Rahmen des dänischen oder britischen Emissionsrechtehandels).132 Da die in diesen Systemen zugeteilten handelbaren Zertifikate einem Emittenten das Recht zu bestimmten Emissionen gewähren, hätte der jeweilige Mitgliedstaat diese Zertifikate auch entgeltlich vergeben können, so dass hierdurch das Tatbestandsmerkmal „staatlich oder aus staatlichen Mitteln“ erfüllt werde. Demgegenüber verneint die Kommission einen Verlust staatlicher Mittel – und damit das Tatbestandsmerkmal „staatlich oder aus staatlichen Mitteln“ – bei Systemen, in denen ein Zertifikat (lediglich) als autorisierter Nachweis einer bestimmten Produktionsform dient und für den Empfänger in seinem Verhältnis zum Staat keinen Wert darstellt (wie etwa in dem belgischen System für Grünstromzertifikate133). Die Kommission stellte fest, dass die handelbaren NOx-Zertifikate im niederländischen System weder eine direkte Genehmigung oder Berechtigung (rechtstreeks vergunningen of rechten, zoals bij andere emissieregelingen) darstellten, noch dass sie ausschließlich ein amtlicher Nachweis seien. Dem stehe auch nicht entgegen, dass der dem System zugrunde liegende Maßstab der Performance Standard Rate ein relativer Emissionsleistungsindikator sei und gerade keine absolut zugestandene Emissionsmenge darstelle. Nach Auffassung der Kommission müsse ein Anlagenbetreiber bei Überschreiten der anlagenspezifischen Emissionsgrenze NOx-Zertifikate auf dem Markt erwerben bzw. aus seinem Kontingent des darauf folgenden Jahres vorziehen, um das Bußgeld wegen Überschreitens der Emissionsgrenze zu umgehen. Da die handelbaren NOx-Zertifikate damit direkt zur Erfüllung der vom Staat auferlegten Emissionsgrenze beitrügen, sei das niederländische System vielmehr einer direkten Zuteilung von Emissionsberechtigungen vergleichbar. Da die niederländischen Behörden grundsätzlich die Möglichkeit hätten, die Zertifikate für die umweltschädliche Emission von NOx auch zu verkaufen oder zu versteigern, entgingen dem Staat bei entgeltfreier Allokation Einnahmen. Daher sei das Tatbestandsmerkmal „staatlich oder aus staatlichen Mitteln“ erfüllt. Die Kommission bejahte das Vorliegen einer Begünstigung, da die Unternehmen, wenn die Kosten für die Reduktionsmaßnahmen geringer als der Zertifikatpreis auf dem Markt seien, durch die NOx-Zertifikate über zusätzliche Einnahmen zur Deckung ihrer Produktionskosten verfügten. Die NOx-Zertifikate repräsentierten dabei nicht nur einen Wert im geschäftlichen Austausch mit anderen Marktteilnehmern, sondern wegen ihrer Übertragbarkeit in künftige Jahre auch für die Empfänger selbst. Dem Begünstigungscharakter stehe auch nicht entgegen, dass ein Unternehmen Ausgaben tätigen müsse, um von den handelbaren Emissions- oder Verschmutzungszertifikaten Gebrauch machen zu können. Wie in ihren Entschei132 133

Siehe hierzu oben S. 42 und S. 45. Siehe hierzu oben unter S. 49 ff.

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B. Kommissionslogik bei der Bewertung der Zertifikatzuteilung

dungen zum dänischen und britischen Emissionshandel stellte die Kommission auch in ihrer Entscheidung zum niederländischen Handelssystem fest, dass der entstehende Markt für den Zertifikatehandel ein Zeichen für den Wert der Emissionszertifikate sei. Die hierfür erforderliche Reduktion der Emissionen könne jedoch als ein positives Element in die beihilfenrechtliche Beurteilung der Genehmigungsfähigkeit einfließen. Im Hinblick auf die Selektivität der Maßnahme stellte die Kommission darauf ab, dass nur bestimmte Unternehmen – nur große industrielle Anlagen mit einer Gesamtwärmekapazität von über 20 MW – unter das Handelsregime fallen.134 Schließlich bejahte die Kommission auch eine (zumindest drohende) Wettbewerbsund Handelsbeeinträchtigung, da die betroffene Gruppe großer industrieller Unternehmen auch im Handelsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten aktiv sei. Werde die Marktposition dieser Unternehmen durch die NOx-Zertifikate gestärkt, könnte dies zu einer Veränderung der Marktbedingungen und damit zu einer Beeinträchtigung des Handelsverkehrs führen. Auf dieser Grundlage gelangte die Kommission zu der Schlussfolgerung, dass die notifizierte Regelung eine staatliche Beihilfe im Sinne des Art. 87 Abs. 1 EG darstellt. (2) Genehmigungsfähigkeit der Beihilfenmaßnahme Da der Gemeinschaftsrahmen für staatliche Umweltschutzbeihilfen keine klaren Kriterien für den Emissionshandel im Bereich der konventionellen Luftverunreinigung enthalte, zog die Kommission im Rahmen ihrer Genehmigungsprüfung direkt Art. 87 Abs. 3 EG heran.135 In ihrer Bewertung hob die Kommission hervor, dass die Reduktion von luftverunreinigenden Stoffen wie NOx ein vorrangiges Ziel der EG-Umweltpolitik sei.136 So lange kein gemeinschaftsweiter NOx-Emissionshandel eingeführt worden sei, stehe es (unbeschadet des Rechts der Kommission, eine solche Politik zu initiieren) jedem Mitgliedstaat frei, die Maßnahmen und Instrumente zu definieren, mit denen er die Zielsetzung der Richtlinie 2001 / 81 / EG erreicht. Vor diesem Hintergrund stelle die niederländische Initiative eine zusätzliche Anstrengung dar, die einer gemeinschaftlichen Regelung zuvorkomme. Das niederländische Handelssystem sei innerhalb der EG das erste System eines multisektoralen Emissionshandels im Bereich der konventionellen Luftverschmutzung und werde daher, zum Vorteil etwaiger späterer Initiativen auf nationaler Ebene oder auf Gemeinschaftsebene, wertvolle Einsichten in die Funktionsweise eines NOx-Emissionshandels verschaffen. Die notifizierte Maßnahme belohne Unternehmen, die über bestehende Standards hinausgingen und dadurch einen tatsächlichen Vorteil für die Umwelt erreichten. Um von dem potentiellen Vorteil aus den 134 Hier und im Folgenden: Kommission, Beihilfenentscheidung N 35 / 2003 v. 24. 06. 2003, Niederlande (Systeem van verhandelbare emissierechten voor NOx), S. 10. 135 Vgl. hierzu Könings, CPN 2003, 77 (79). 136 Zum Folgenden vgl. Kommission, Beihilfenentscheidung N 35 / 2003 v. 24. 06. 2003, Niederlande (Systeem van verhandelbare emissierechten voor NOx), S. 10 ff.

I. Beihilfenrechtliche Bewertung mitgliedstaatlicher Handelssysteme

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entgeltfrei zugeteilten NOx-Zertifikaten zu profitieren, müssten die teilnehmenden Unternehmen ihre anlagenspezifischen Emissionsbegrenzungen übererfüllen. Dies könne als Gegenleistung im Sinne des Gemeinschaftsrahmens für staatliche Umweltschutzbeihilfen angesehen werden.137 Damit kommt die Kommission zu der Schlussfolgerung, dass die Regelung einen wertvollen Beitrag zur gemeinschaftlichen Umweltpolitik liefere, ohne dass die Bedingungen, unter denen der Handelsverkehr stattfindet, dadurch so verändert würden, dass die gemeinschaftlichen Anliegen darunter leiden müssten. Sie genehmigte das Handelssystem daher gemäß Art. 87 Abs. 3 lit. c) EG als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar. Die Kommission hob jedoch hervor, dass sie das dem gemeinschaftsweiten Emissionshandel zugrunde liegende cap-and-trade-System dem niederländischen Ansatz vor dem Hintergrund der unsicheren Umweltfolgen eines dynamic cap-Systems und den im Verhältnis zu einem cap-and-trade-System höheren Erfüllungs- und Verwaltungskosten vorziehe.

5. Zwischenergebnis: Die Kommissionspraxis bezüglich der mitgliedstaatlichen Handelssysteme Die vor Beginn des gemeinschaftsweiten Emissionshandels ergangenen Entscheidungen der Kommission zur beihilfenrechtlichen Zulässigkeit nationaler Emissionshandelssysteme sind hinsichtlich ihrer beihilfenrechtlichen Bewertung weitgehend einheitlich. Danach stellt sich die Kommissionslogik in der Bewertung rein mitgliedstaatlicher Zertifikatsysteme wie folgt dar: Die Kommission bejaht das Vorliegen einer beihilfenrechtlichen Begünstigung, wenn ein Mitgliedsstaat bestimmten Unternehmen entgeltfrei Zertifikate zuteilt, die diese auf einem (gegebenenfalls noch entstehenden) Zertifikatmarkt handeln können. Denn durch die damit möglichen zusätzlichen Einnahmen erhielten die Zertifikatempfänger einen Vorteil, an dem auch vorgelagerte, für einen Zertifikatverkauf erforderliche, Reduktionskosten nichts änderten. Nach Auffassung der Kommission ist das Tatbestandsmerkmal „staatlich oder aus staatlichen Mitteln“ immer dann erfüllt, wenn dem Mitgliedstaat durch die entgeltfreie Zertifikatvergabe Einnahmen entgehen. Dabei entgehen dem Mitgliedstaat Einnahmen immer dann, wenn er die Zertifikate auch hätte entgeltlich abgeben können. Eine entgeltliche Abgabe hält die Kommission für möglich, wenn die Zertifikate für den Empfänger in dessen Verhältnis zum Staat einen Wert (etwa ein direktes Emissionsrecht) darstellen. Demgegenüber entgehen dem Staat keine potentiellen Einkünfte, wenn die Zertifikate lediglich ein staatlicher Nachweis einer bestimmten Produktionsform sind. 137 Siehe hierzu auch Könings, CPN 2003, 77 (79). Siehe zu „Gegenleistungen“ im Sinne des Gemeinschaftsrahmens für staatliche Umweltschutzbeihilfen 2001 bereits oben unter Fn. 102. Die Genehmigung der Maßnahme erfolgte ohne Bezugnahme auf den Gemeinschaftsrahmen auschließlich gemäß Art. 87 Abs. 3 EG.

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B. Kommissionslogik bei der Bewertung der Zertifikatzuteilung

Die Begünstigung nur bestimmter Unternehmen bejaht die Kommission unter den Gesichtspunkten eines jeweils nur nationalen Handelssystems, des Bestehens bestimmter Schwellenwerte für die Teilnahme an den Handelssystemen oder der Freiwilligkeit einer Teilnahme. Wenn der Verkaufserlös der Zertifikate zur Verbesserung der Wettbewerbsstellung der am Handel beteiligten Unternehmen genutzt werden kann und nur diesen zugute kommt, nimmt die Kommission auch das Vorliegen einer Wettbewerbsbeeinträchtigung an. Dem stehen nach Auffassung der Kommission auch nicht das Erfordernis vorangegangener Emissionsreduktionen oder die Begrenzung des Zertifikatwerts durch die Höhe des jeweiligen Bußgelds entgegen. Das Vorliegen einer potentiellen Handelsbeeinträchtigung bejaht die Kommission, wenn die Teilnehmer des Handelssystems auch innergemeinschaftlichen Handel betreiben. Die Kommission gelangte daher in ihren Entscheidungen zu den Handelssystemen in Dänemark, im Vereinigten Königreich und in den Niederlanden zur Annahme einer Beihilfe gemäß Art. 87 Abs. 1 EG. Demgegenüber verneinte die Kommission in ihrer Entscheidung zum flämischen Handelssystem für Grünstromzertifikate das Vorliegen einer Beihilfe, da den Zertifikaten lediglich der Charakter eines staatlichen Nachweises einer bestimmten Produktionsform zukomme, so dass im Ergebnis keine staatlichen Mittel betroffen seien. Im Hinblick auf die Genehmigungsfähigkeit der Beihilfenmaßnahmen schließt die Kommission die Möglichkeit einer Genehmigung zur Förderung wichtiger Vorhaben von gemeinsamem europäischen Interesse gemäß Art. 87 Abs. 3 lit. b) EG zwar nicht aus. Dennoch genehmigte sie bislang nationale Handelssysteme ausschließlich auf der Grundlage von Art. 87 Abs. 3 lit. c) EG. Den Gemeinschaftsrahmen für staatliche Umweltschutzbeihilfen legt die Kommission ihren Genehmigungsentscheidungen mangels klarer Genehmigungskriterien nicht zugrunde, zieht jedoch dessen ratio bei der Bewertung gemäß Art. 87 Abs. 3 lit. c) EG heran. Hierbei berücksichtigt sie neben dem Nettoumweltnutzen der Reduktionsziele und der Beispielfunktion für ein gemeinschaftsweites Handelssystem insbesondere auch, dass ein Verkauf von Zertifikaten nur möglich ist, wenn Emittenten ihre Reduktionsverpflichtungen übererfüllten, und erblickt in dieser Übererfüllung eine Gegenleistung für die Begünstigung.

II. Beihilfenrechtliche Kommissionsbewertung der mitgliedstaatlichen Zertifikatzuteilung im gemeinschaftsweiten Handelssystem Nachdem die Kommission bereits im Jahre 1999 mit der Frage der Beihilfenrechtskonformität des dänischen Zertifikatsystems befasst war, wurde die Zulässigkeit einer entgeltfreien Zertifikatzuteilung auch im Gesetzgebungsverfahren zur Richtlinie 2003 / 87 / EG zur Einführung eines gemeinschaftsweiten Handelssystems verschiedentlich thematisiert. In ihrer beihilfenrechtlichen Bewertung der – in der Richtlinie 2003 / 87 / EG vorgesehenen – entgeltfreien Zertifikatzuteilung

II. Kommissionsbewertung im gemeinschaftsweiten Handelssystem

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durch die Mitgliedstaaten schwankt die Kommission indes erheblich. Nachfolgend sind die verschiedenen Äußerungen der Kommission in ihrem Grünbuch (unter 1.), in dem Richtlinienvorschlag und weiteren Gesetzgebungsverfahren (unter 2.), in ihrem Non-Paper vom 01. 04. 2003 (unter 3.), der finalen Richtlinienfassung vom 13. 10. 2003 (unter 4.), der Mitteilung zur Anwendung der Anhang III-Kriterien (unter 5.), dem Schreiben an den ständigen Vertreter Dänemarks bei der EU (unter 6.) sowie schließlich in der Bewertung der nationalen Allokationspläne (unter 7.) zu untersuchen. Im Rahmen eines Exkurses ist zudem herauszuarbeiten, ob die von der Kommission im Verfahren nach Art. 9 Abs. 3 EHRL getroffenen Entscheidungen eine beihilfenrechtliche Genehmigung der mitgliedstaatlichen Zuteilungspläne darstellen (unter 8.). 1. Grünbuch Bereits in ihrem Grünbuch zum Handel mit Treibhausgasemissionsberechtigungen vom 8. März 2000 verwies die Kommission im Zusammenhang mit der Zertifikatzuteilung auf die Möglichkeit von Wettbewerbsbeeinträchtigungen durch die Begünstigung bestimmter Bereiche oder Unternehmen.138 Dabei identifizierte die Kommission zunächst unter der Überschrift „Allgemeiner Ansatz“ beihilfenrechtliche Bedenken im Falle von durch die Mitgliedstaaten festzusetzenden Allokationsmengen und des Ausschlusses bestimmter Sektoren durch einzelne Mitgliedstaaten. So stellte die Kommission fest:139 „Die Art und Weise der Zuweisung hat keinen Einfluß auf die Umweltwirksamkeit. Trotzdem steht zu erwarten, daß sich die Verhandlungen über die Zuweisung von Emissionsanteilen nicht einfach gestalten werden. Unter dem Druck divergierender Interessen könnten einige Mitgliedstaaten in bestimmten Bereichen (und / oder bei bestimmten Unternehmen) ein aktiveres Vorgehen als anderswo wünschen. So könnten sie zum Beispiel darauf hinwir138 Kommission, Grünbuch zum Handel mit Treibhausgasemissionen in der Europäischen Union v. 08. 03. 2000, KOM (2000) 87 endg. Siehe insbesondere S. 20 f. Dem lag eine von der Kommission in Auftrag gegebene Studie der Foundation for International Environmental Law and Development (FIELD) aus dem Jahre 1999 zugrunde (Foundation for International Environmental Law and Development, Scoping Paper I, S. 8), in der es u. a. hieß: „The allocation of emission allowances to undertakings may lead to an increase in a firm’s assets if the firm’s costs of obtaining emission allowances are lower than the increase of its assets by the allocation of the allowances. This may especially be the case if allocation is made by means of allocating allowances on the basis of ,grandfathering‘ and without charge“ sowie „The allocation of allowances to a limited category of players (such as one particular sector) may favour this category over others excluded from the trading sector. This may especially be the case if the players in the excluded sectors are subject to other measures, which involve substantially higher direct costs, such as high energy or emission taxation“. Das Scoping Paper gelangt zu dem Ergebnis: „In order to generate legal certainty it would be advisable to elaborate the state aid guidelines in order to provide more specific guidance on the compatibility between the ETS and state aid rules. As the Commission guidelines on state aid are currently under review, it would be useful for revisions to cater for the potential state aid implications of an ETS“ (ebd., S. 10). 139 Hervorhebungen durch den Verfasser.

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B. Kommissionslogik bei der Bewertung der Zertifikatzuteilung ken, bestimmte Bereiche vom Erbringen eines Beitrags zum gemeinsamen Ziel auszunehmen oder aber diesen Bereichen wenig anspruchsvolle Ziele zu setzen. Dies könnte dann für Konkurrenzunternehmen in anderen Mitgliedstaaten Anlaß zur Beschwerde sein. Nach dem Gemeinschaftsrecht könnten solche Fragen unter die bestehenden Bestimmungen über staatliche Beihilfen und unter die Binnenmarktvorschriften fallen, da sie im wesentlichen eine potentiell wettbewerbsverzerrende Unterstützung bestimmter Bereiche oder Unternehmen betreffen. Die Kommission muß die ihr laut EG-Vertrag übertragenen Aufgaben der Gewährleistung eines lauteren Wettbewerbs und der Niederlassungsfreiheit im Binnenmarkt erfüllen. Die Kommission könnte sich mit solchen Fällen ad hoc befassen – wie das im Fall des in Dänemark zur Anwendung kommenden Systems für den Emissionshandel derzeit geschieht – bzw. ihre Kriterien in einem Grundsatzdokument zum Ausdruck bringen. Der Handlungsbedarf und das Wesen eines solchen Eingriffs werden jedoch in hohem Maße von der letztlich gewählten Alternative abhängen. Sollte sich die Gemeinschaft auf die Höhe der Emissionsmengen für die am Handel beteiligten Bereiche in jedem Mitgliedstaat einigen können, würden möglicherweise zu Verzerrungen führende Zuteilungen für einzelne Bereiche oder Unternehmen weitestgehend begrenzt. Die geltenden Leitlinien für staatliche Beihilfen für die Umwelt dürften ausreichen, um zu prüfen, ob die Emissionsanteile den Unternehmen im Einklang mit dem EG-Wettbewerbsrecht zugeteilt wurden.“140

Die Kommission erkannte folglich die potentiellen beihilfenrechtlichen Implikationen bei je nach Mitgliedstaat unterschiedlichen Zuteilungsmengen und bejahte das Erfordernis einer beihilfenrechtlichen Überprüfung. Die Kommission hielt dabei insbesondere die nicht auf Gemeinschaftsebene getroffene Festlegung der Zuteilungsmengen für die jeweiligen unter den Emissionshandel fallenden Sektoren und Bereiche für beihilfenrechtlich bedenklich, während sie für den Fall einer solchen Festlegung der Emissionsmengen auf Gemeinschaftsebene wettbewerbsrechtliche Bedenken als weitgehend begrenzt erachtete.141 Hinsichtlich der Beihilfenrechtsprüfung der mitgliedstaatlichen Zertifikatzuteilung sah die Kommission eine Überprüfung der Zuteilungspläne anhand der Leitlinien für staatliche Umweltschutzbeihilfen vor. Zwar zog die Kommission in ihrer beihilfenrechtlichen Prüfung des dänischen Zertifikatsystems ein Jahr später den Gemeinschaftsrahmen für Umweltschutzbeihilfen mit der Begründung nicht heran, dass dieser neue Formen der Beihilfengewährung, wie das zu beurteilende Zertifikatsystem, nicht erfasse.142 Die Äußerung der Kommission in ihrem Grünbuch zeigt jedoch, dass sie den Gemeinschaftsrahmen für staatliche Umweltschutzbeihilfen als ausreichend erachte, um die Beihilfenrechtskompatibilität der Zertifikatzuteilung zu „prüfen“, dass die Kommission 140 Kommission, Grünbuch zum Handel mit Treibhausgasemissionen in der Europäischen Union v. 08. 03. 2000, KOM (2000) 87 endg., S. 20. 141 Die Richtlinie 2003 / 87 / EG enthält zwar eine Festlegung der unter das gemeinschaftsweite Emissionsrechtehandelsregime fallenden Sektoren und Bereiche, jedoch keine Festlegung der jeweiligen Emissionshöchstgrenzen. 142 Vgl. oben unter B. I. 1. b) (2).

II. Kommissionsbewertung im gemeinschaftsweiten Handelssystem

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auch bei einer Einigung auf die Höhe der Emissionsmengen für die am Handel beteiligten Bereiche in jedem Mitgliedstaat zumindest potentiell von dem Vorliegen einer Beihilfe ausging. Dies zeigt sich auch in den weiteren Ausführungen in dem Grünbuch. Unter der Überschrift „Zentrale Probleme“ identifizierte die Kommission als weitere grundlegende Frage im Rahmen der beihilfenrechtlichen Bewertung ausdrücklich die Methode der Zertifikatzuteilung: 143 „Eine weitere grundlegende Frage zur Einschätzung durch die Kommission wird die Methode der Zuteilung betreffen. Im Grunde gibt es zwei Möglichkeiten: die Versteigerung oder die unentgeltliche Zuteilung. [ . . . ] Technisch gesehen sind regelmäßige Versteigerungen vorzuziehen, da sie allen Unternehmen eine gleiche und faire Chance auf den transparenten Erwerb der gewünschten Emissionsanteile bieten würden. Bei der Versteigerung findet das Verursacherprinzip Anwendung. Die von den Regierungen erwirtschafteten Erträge könnten auf vielerlei Weise zurückgeführt werden, wobei sich der Gesamtertragseffekt auch als neutral erweisen kann oder die Erträge zur Förderung von auf Energieeffizienz gerichteten Investitionen, von Forschung und Entwicklung bzw. staatlichen Investitionen in andere Programme zur Minderung von Treibhausgasemissionen verwendet werden. Die Versteigerung erspart die schwierige und politisch heikle Entscheidung darüber, welche Menge jedem in das Handelssystem einbezogenen Unternehmen zustehen soll. Die oben angesprochenen komplizierten Fragen hinsichtlich staatlicher Beihilfen und Wettbewerb wären damit größtenteils vom Tisch. Die Versteigerung würde auch neuen Marktteilnehmern faire Bedingungen sichern, da ihnen die gleiche Möglichkeit wie den bereits bestehenden Firmen gegeben wäre, die benötigten Emissionsanteile zu erwerben. [ . . . ]“144

Diese Ausführungen zeigen, dass der Kommission die beihilfenrechtliche Komponente einer entgeltfreien Zertifikatzuteilung bewusst war.145 Wenngleich die Äußerung der Kommission im Kontext der starken Lobbyaktivitäten für eine entgeltfreie Zertifikatzuteilung zu sehen ist, kommt die beihilfenrechtliche Vorzugswürdigkeit einer Versteigerung klar zum Ausdruck. Ausdrücklich wies die Kommission darauf hin, dass bei der entgeltfreien Zuteilung ein Wert unentgeltlich zugeteilt werde, und sah die Versteigerung der Zertifikate bei Rückführung der Erträge als beihilfenrechtlich vorzugswürdig an, da dies „komplizierte Fragen“

143 Kommission, Grünbuch zum Handel mit Treibhausgasemissionen in der Europäischen Union v. 08. 03. 2000, KOM (2000) 87 endg., S. 21 (Hervorhebungen durch den Verfasser). Der Standpunkt der Kommission wird vom Berichterstatter des Ausschusses für Wirtschaft und Währung im Europäischen Parlament geteilt, vgl. Europäisches Parlament, Report on the Commission’s XXXI Report on Competition Policy 2001 v. 10. 10. 2002, S. 11: „[ . . . ] allocating quotas of emission rights free of charge on the grounds of ,aquired rights‘ is, by definition, a form of state aid aimed at existing undertakings, and is completely incompatible with the underlying policy. It would be better auctioning such quotas and simultaneously assist all undertakings to limit their pollution emissions.“ 144 Kommission, Grünbuch zum Handel mit Treibhausgasemissionen in der Europäischen Union v. 08. 03. 2000, KOM (2000) 87 endg., S. 21. 145 Zu den Reaktionen der Mitgliedstaaten auf die beihilfenrechtlichen Aussagen des Grünbuchs vgl. Rusche, in: Sánchez-Rydelski, EC State Aid Regime, S. 349 (364).

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B. Kommissionslogik bei der Bewertung der Zertifikatzuteilung

hinsichtlich der Beihilfenkonformität einer entgeltfreien Zertifikatzuteilung sowie im Hinblick auf neue Marktteilnehmer löse.146

2. Richtlinienvorschläge und weiteres Gesetzgebungsverfahren In Art. 10 Abs. 1 ihres Richtlinienvorschlags vom 23. Oktober 2001147 sah die Kommission sodann jedoch – „zum Schutz des Binnenmarktes“ – eine entgeltfreie Zuteilung der Zertifikate für die erste Handelsperiode 2005 bis 2007 vor. So könnten je nach Mitgliedstaat unterschiedliche (entgeltliche oder entgeltfreie) Zuteilungsformen verhindert und die Schwierigkeit umgangen werden, von den Teilnehmern Gebühren für die Zuteilung zu verlangen, da der Preis der Berechtigungen noch unbekannt sei.148 In der Begründung des Richtlinienvorschlags betonte die Kommission den Ausnahmecharakter der entgeltfreien Zuteilung für die Anfangsphase und sah zum 30. 06. 2006 eine Prüfung vor, welche harmonisierte Zuteilungsmethode zukünftig vorzugswürdig sei.149 Von den noch im Grünbuch geäußerten beihilfenrechtlichen Bedenken befreite sich die Kommission in ihrem Richtlinienvorschlag insoweit, als dass sie von einer Versteigerungslösung vorerst abrückte. Für spätere Handelsperioden neigte die Kommission demgegenüber weiterhin zu einer entgeltlichen Zuteilungsausgestaltung, wie sich in dem Überprüfungsvorbehalt sowie dem Hinweis auf den Ausnahmecharakter der entgeltfreien Zuteilung in der ersten Handelsperiode zeigt. Eine beihilfenrechtliche Notifizierung der nationalen Zuteilungspläne gemäß Art. 88 EG verlangte die Kommission in ihrem Richtlinienvorschlag nur für den Fall, dass ein Zuteilungsplan staatliche Beihilfen vorsehe.150 146 Kommission, Grünbuch zum Handel mit Treibhausgasemissionen in der Europäischen Union v. 08. 03. 2000, KOM (2000) 87 endg., S. 21. 147 Kommission, Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionsberechtigungen in der Gemeinschaft und zur Änderung der Richtlinie 96 / 61 / EG des Rates, KOM (2001) 581 endg. vom 23. 10. 2001, ABl.EG 2002 L 75 / 31. 148 Kommission, Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionsberechtigungen in der Gemeinschaft und zur Änderung der Richtlinie 96 / 61 / EG des Rates, KOM (2001) 581 endg. vom 23. 10. 2001, ABl.EG 2002 L 75 / 31, S. 11 f. 149 Kommission, Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionsberechtigungen in der Gemeinschaft und zur Änderung der Richtlinie 96 / 61 / EG des Rates, KOM (2001) 581 endg. vom 23. 10. 2001, ABl.EG 2002 L 75 / 31, S. 3, 6, 11, 12. 150 Kommission, Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionsberechtigungen in der Gemeinschaft und zur Änderung der Richtlinie 96 / 61 / EG des Rates, KOM (2001) 581 endg. vom 23. 10. 2001, ABl.EG 2002 L 75 / 31, S. 12 f.: „Sieht ein nationaler Zuteilungsplan jedoch staatliche Beihilfen im Sinne von Art. 87 EG-Vertrag vor, so ist der Plan der Kommission gemäß Art. 88 vorzulegen.“

II. Kommissionsbewertung im gemeinschaftsweiten Handelssystem

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Der ausdrückliche Hinweis auf den Ausnahmecharakter der entgeltfreien Zuteilung sowie die geplante Überprüfung nach der zukünftig vorzugswürdigeren harmonisierten Zuteilungsmethode deuten darauf hin, dass die Kommission von einer Genehmigungsfähigkeit der entgeltfreien Zuteilung in der ersten Handelsperiode ausging, wenngleich sich eine ausdrückliche beihilfenrechtliche Bewertung in der Begründung nicht findet. Im weiteren Gesetzgebungsverfahren kam der beihilfenrechtlichen Bewertung einer entgeltfreien Zertifikatzuteilung als solcher keine Bedeutung mehr zu, vielmehr verschob sich die Diskussion auf die Höhe des Zertifikatanteils, den die Mitgliedstaaten auch entgeltlich abgeben können sollten.151

3. Non-Paper vom 01. 04. 2003 Zunehmende Bedeutung erlangte die beihilfenrechtliche Zulässigkeit demgegenüber erneut bei der Vorbereitung und Bewertung der nationalen Zuteilungspläne durch die Kommission. Im April 2003 stellte die Generaldirektion Umwelt in einem Non-Paper des Monitoring Mechanism Committee zur Aufstellung der nationalen Zuteilungspläne fest:152 „Member States draw up a National Allocation Plan, that is a statement of how they intend to allocate allowances to individual operators, and the plan is notified to the Commission. Furthermore it needs to be published at the latest upon notification in order to allow the 151 Vgl. hierzu Europäisches Parlament, Standpunkt des Europäischen Parlaments festgelegt in erster Lesung am 10. 10. 2002 im Hinblick auf den Erlass der Richtlinie 2002 / . . . / EG des Europäischen Parlaments und des Rates über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionsberechtigungen in der Gemeinschaft und zur Änderung der Richtlinie 96 / 61 / EG des Rates, ABl.EG 2003 C 279E / 96; Kommission, Geänderter Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionsberechtigungen in der Gemeinschaft und zur Änderung der Richtlinie 96 / 61 / EG des Rates, KOM (2002) 680 endg. vom 27. 11. 2002; Rat, Gemeinsamer Standpunkt (EG) Nr. 28 / 2003 im Hinblick auf den Erlass der Richtlinie 2003 /. . . / EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom . . . über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft und zur Änderung der Richtlinie 96 / 61 / EG des Rates, ABl.EG 2003 C 125E / 72; Europäisches Parlament, Standpunkt des Europäischen Parlaments festgelegt in zweiter Lesung am 02. 07. 2003 im Hinblick auf den Erlass der Richtlinie 2003 /. . . / EG des Europäischen Parlaments und des Rates über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft und zur Änderung der Richtlinie 96 / 61 / EG des Rates, ABl.EU 2004 C 74E / 642; Kommission, Stellungnahme gemäß Artikel 251 Absatz 2 dritter Unterabsatz Buchstabe c) EG-Vertrag zu den Abänderungen des Europäischen Parlaments am gemeinsamen Standpunkt des Rates zum Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionsberechtigungen in der Europäischen Gemeinschaft und zur Änderung der Ratsrichtlinie 96 / 61 / EG. Zu Änderungsmöglichkeiten im Rahmen der zweiten Lesung des Europäischen Parlaments siehe auch Pfromm, sic! 2003, 537 (539 ff.). 152 Kommission, Generaldirektion Umwelt, Non-Paper 2nd meeting of Working 3 Monitoring Mechanism Committee „The EU Emissions Trading Scheme: How to develop a National Allocation Plan“ v. 01. 04. 2003, S. 1 f. (Hervorhebungen durch den Verfasser).

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B. Kommissionslogik bei der Bewertung der Zertifikatzuteilung general public to express comments prior to a decision being taken on allocating the allowances. Within three months the Commission can reject a plan, and ask for changes to be made. National Allocation Plans will constitute state aid under Article 87(1) EC and will therefore have to be notified to the Commission for assessment under state aid rules. Competition policy procedural rules will apply in this respect. The Commission intends to take at the same time the two decisions legally required on the Plan as regards the assessment as required in the common position and the state aid assessment. In a subsequent step, the Member State has to take its final decision on how to allocate the allowances. [ . . . ]“

Diese Äußerung zeigt ausdrücklich, dass die Generaldirektion Umwelt die Entscheidung der Mitgliedstaaten bezüglich der Zertifikatzuteilung an Unternehmen („to allocate allowances to individual operators“) als gemäß Art. 88 EG zu notifizierende Beihilfe einstufte und von zwei Entscheidungen – neben der Entscheidung gemäß Art. 9 Abs. 3 EHRL auch eine eigenständige beihilfenrechtliche Entscheidung („the two decisions legally required“) – ausging. In diesem Non-Paper wird zum ersten Mal im Gesetzgebungsverfahren zur Richtlinie 2003 / 87 / EG der beihilfenrechtliche Charakter der Zertifikatzuteilung ausdrücklich und ohne Einschränkungen hervorgehoben. Angesichts der Bezeichnung des Dokuments als Non-Paper ist dessen Bedeutung jedoch nur eingeschränkt. Wenngleich dem Non-Paper teilweise die Qualität einer leitlinienvergleichbaren Selbstbindung zugesprochen wird,153 erscheint eine derart weitgehende Bindungswirkung angesichts der ausdrücklichen Bezeichnung des Dokuments als ,Non-Paper‘ fraglich, zumal es sich lediglich um ein Dokument einer Arbeitsgruppe handelt. Gleichwohl hält die Kommission dieses Dokument auf ihrer Internetseite weiterhin „zur Unterstützung der Mitgliedstaaten bei der Aufstellung der nationalen Zuteilungspläne“ bereit.154 4. Richtlinie 2003 / 87 / EG vom 13. 10. 2003 In der finalen Richtlinienfassung vom 13. Oktober 2003 entschied sich die Kommission gleichwohl zu einer – beihilfenrechtlich höchst unklaren – Ausgestaltung der Zuteilungsregeln. So heißt es zunächst in den Erwägungsgründen: „(7) Gemeinschaftsvorschriften für die Zuteilung der Zertifikate durch die Mitgliedstaaten sind notwendig, um die Integrität des Binnenmarktes zu erhalten und Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden. [ . . . ] (23) Der Emissionszertifikatehandel sollte Teil eines umfassenden und kohärenten Politikund Maßnahmenpakets sein, das auf Ebene der Mitgliedstaaten und der Gemeinschaft durchgeführt wird. Unbeschadet der Anwendung der Artikel 87 und 88 des Vertrags können die Mitgliedstaaten bei Tätigkeiten, die unter das Gemeinschaftssystem fallen, die Auswirkungen von ordnungs- und steuerpolitischen sowie sonstigen Maßnahmen prüfen, 153 154

So Ehricke, EWS 2004, 155 (157). Vgl. http: // ec.europa.eu / environment / climat / pdf / 030401nonpaper.pdf.

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die auf die gleichen Ziele gerichtet sind. Bei der Überprüfung der Richtlinie sollte berücksichtigt werden, in welchem Umfang diese Ziele erreicht wurden.“

Die Aufstellung der nationalen Zuteilungspläne ist sodann in Art. 9 EHRL geregelt: „(1) Die Mitgliedstaaten stellen für jeden in Artikel 11 Absätze 1 und 2 genannten Zeitraum einen nationalen Plan auf, aus dem hervorgeht, wie viele Zertifikate sie insgesamt für diesen Zeitraum zuzuteilen beabsichtigen und wie sie die Zertifikate zuzuteilen gedenken. Dieser Plan ist auf objektive und transparente Kriterien zu stützen, einschließlich der in Anhang III genannten Kriterien, wobei die Bemerkungen der Öffentlichkeit angemessen zu berücksichtigen sind. Die Kommission erarbeitet unbeschadet des Vertrags bis spätestens 31. Dezember 2003 eine Anleitung zur Anwendung der in Anhang III aufgeführten Kriterien. Für den in Artikel 11 Absatz 1 genannten Zeitraum wird der Plan spätestens am 31. März 2004 veröffentlicht und der Kommission und den übrigen Mitgliedstaaten übermittelt. Für die folgenden Zeiträume werden die Pläne mindestens achtzehn Monate vor Beginn des betreffenden Zeitraums veröffentlicht und der Kommission und den übrigen Mitgliedstaaten übermittelt. (2) Die nationalen Zuteilungspläne werden in dem in Artikel 23 Absatz 1 genannten Ausschuss erörtert. (3) Innerhalb von drei Monaten nach Übermittlung eines nationalen Zuteilungsplans durch einen Mitgliedstaat gemäß Absatz 1 kann die Kommission den Plan oder einen Teil davon ablehnen, wenn er mit den in Anhang III aufgeführten Kriterien oder mit Artikel 10 unvereinbar ist. Der Mitgliedstaat trifft eine Entscheidung nach Artikel 11 Absatz 1 oder 2 nur dann, wenn Änderungsvorschläge von der Kommission akzeptiert werden. Ablehnende Entscheidungen sind von der Kommission zu begründen.“

Art. 10 EHRL regelt die entgeltfreie Zuteilung: „Für den am 1. Januar 2005 beginnenden Dreijahreszeitraum teilen die Mitgliedstaaten mindestens 95 % der Zertifikate kostenlos zu. Für den am 1. Januar 2008 beginnenden Fünfjahreszeitraum teilen die Mitgliedstaaten mindestens 90 % der Zertifikate kostenlos zu.“

Art. 11 EHRL regelt schließlich die Zuteilung und Vergabe der Zertifikate: „(1) Für den am 1. Januar 2005 beginnenden Dreijahreszeitraum entscheidet jeder Mitgliedstaat über die Gesamtzahl der Zertifikate, die er für diesen Zeitraum zuteilen wird, sowie über die Zuteilung der Zertifikate an die Betreiber der einzelnen Anlagen. Diese Entscheidung wird mindestens drei Monate vor Beginn des Zeitraums getroffen, und zwar auf der Grundlage des gemäß Artikel 9 aufgestellten nationalen Zuteilungsplans, im Einklang mit Artikel 10 und unter angemessener Berücksichtigung der Bemerkungen der Öffentlichkeit. (2) Für den am 1. Januar 2008 beginnenden Fünfjahreszeitraum und jeden folgenden Fünfjahreszeitaum entscheidet jeder Mitgliedstaat über die Gesamtzahl der Zertifikate, die er für diesen Zeitraum zuteilen wird, und leitet das Verfahren für die Zuteilung dieser Zertifikate an die Betreiber der einzelnen Anlagen ein. Diese Entscheidung wird mindestens zwölf Monate vor Beginn des betreffenden Zeitraums getroffen, und zwar auf der Grundlage des gemäß Artikel 9 aufgestellten nationalen Zuteilungsplans des Mitgliedstaats, im

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B. Kommissionslogik bei der Bewertung der Zertifikatzuteilung Einklang mit Artikel 10 und unter angemessener Berücksichtigung der Bemerkungen der Öffentlichkeit. (3) Entscheidungen gemäß Absatz 1 oder 2 müssen im Einklang mit dem Vertrag, insbesondere mit den Artikeln 87 und 88, stehen. Bei der Entscheidung über die Zuteilung berücksichtigen die Mitgliedstaaten die Notwendigkeit, neuen Marktteilnehmern den Zugang zu Zertifikaten zu eröffnen. (4) Die zuständige Behörde vergibt einen Teil der Gesamtmenge der Zertifikate bis zum 28. Februar jeden Jahres des in Absatz 1 oder 2 genannten Zeitraums.“

In Anhang III EHRL heißt es schließlich im Rahmen der Kriterien für die nationalen Zuteilungspläne gemäß Artt. 9, 22 und 30 EHRL: „(4) Der Plan muss mit den übrigen rechtlichen und politischen Instrumenten der Gemeinschaft in Einklang stehen. [ . . . ] (5) Gemäß den Anforderungen des Vertrags, insbesondere der Artikel 87 und 88, darf der Plan Unternehmen oder Sektoren nicht in einer Weise unterschiedlich behandeln, dass bestimmte Unternehmen oder Tätigkeiten ungerechtfertigt bevorzugt werden.“

Art. 9 Abs. 1 i.V. m. Kriterium 5 Anhang III EHRL lässt darauf schließen, dass die beihilfenrechtlichen Vorschriften der Artt. 87, 88 EG auf die von den Mitgliedstaaten zu erstellenden Zuteilungspläne Anwendung finden. Gemäß Art. 11 Abs. 3 EHRL sind die beihilfenrechtlichen Regelungen der Artt. 87, 88 EG auch bei der – durch die Mitgliedstaaten erfolgenden – Zertifikatzuteilung und Zertifikatvergabe zu berücksichtigen. Demgegenüber bleibt das Verhältnis von Art. 10 EHRL zu Artt. 87, 88 EG offen. 5. Mitteilung zur Anwendung der Anhang III-Kriterien In ihrem Entwurf einer Mitteilung zur Unterstützung der Mitgliedstaaten bei der Anwendung der in Anhang III EHRL aufgelisteten Kriterien führte die Kommission im November 2003 noch aus: „The EU emissions trading scheme is limited to installations at which an activity listed in Annex I to the Directive is carried out. The owners of these particular installations may be favoured through the allocation of allowances for free. This would distort or would threaten to distort competition and would affect trade between Member States to the extent that the installations covered by the directive are owned by undertakings active in a market in which there is such trade. The Commission cannot at this stage exclude that, depending on the choices that the Member State makes within its discretion, a national allocation plan may contain an element of State aid. The provisions that the Commission will apply when assessing the compatibility of State aid contained in a national allocation plan are based on the same general principles as all State aid rules. [ . . . ] If the Commission doubts that a national allocation plan fulfils the requirements for compatibility, it will initiate the appropriate State aid procedure in accordance with [the Procedural Regulation].

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Where a national allocation plan contains (an element of) State aid, it is subject to the notification requirement in Article 88(3) of the Treaty.“155

In diesem Mitteilungsentwurf widmete die Kommission der beihilfenrechtlichen Bewertung insgesamt vierzehn Abschnitte.156 Anknüpfungspunkte der beihilfenrechtlichen Ausführungen waren dabei insbesondere die entgeltfreie Zertifikatzuteilung als solche sowie von den Mitgliedstaaten in ihren nationalen Zuteilungsplänen zugrunde gelegte unterschiedliche Allokationsformeln. In den weiteren Ausführungen stellte die Kommission ausschließlich auf die Allokationsformeln in den Zuteilungsplänen ab und empfahl zur Einhaltung der Anforderungen in Ziffer 5 Anhang III EHRL, dass die Mitgliedstaaten weitestgehend eine einheitliche Allokationsformel zugrunde legen. Die Finalversion ihrer Mitteilung vom 07. 01. 2004 zur Unterstützung der Mitgliedstaaten bei der Anwendung der in Anhang III EHRL aufgelisteten Kriterien beschränkte sich jedoch sodann im Hinblick auf die beihilfenrechtliche Bewertung auf die Feststellung, dass „die üblichen Bestimmungen für staatliche Beihilfen“ gelten.157 6. Schreiben der Generaldirektionen Umwelt und Wettbewerb an Dänemark Im März 2004 äußerten sich die Generaldirektionen Umwelt und Wettbewerb in einem gemeinsamen Schreiben zur Beihilfenproblematik.158 In diesem Schreiben benennt die Kommission vier Beispielsfälle, in denen ihrer Ansicht nach der Beihilfentatbestand erfüllt ist:159 „Even though the circumstances under which the EU emissions trading scheme has to be assessed are different from those under which the national schemes were assessed, the Commission is of the opinion that the National Allocation Plans may contain elements which distort competition and constitute state aid. Where a Member State, for example, allocates more allowances to undertakings than needed to cover their projected emissions during the relevant period, these undertakings 155 Kommission, Entwurf v. 10. 11. 2003 einer Mitteilung über Hinweise zur Unterstützung der Mitgliedstaaten bei der Anwendung der in Anhang III der Richtlinie 2003 / 87 / EG [ . . . ] aufgelisteten Kriterien sowie über die Bedingungen für den Nachweis höherer Gewalt (unveröffentlicht), Rn. 57 – 61. 156 Kommission (Fn. 155), Rn. 52 – 66. 157 Kommission, Mitteilung v. 07. 01. 2004 über Hinweise zur Unterstützung der Mitgliedstaaten bei der Anwendung der in Anhang III der Richtlinie 2003 / 87 / EG [ . . . ] aufgelisteten Kriterien sowie über die Bedingungen für den Nachweis höherer Gewalt, KOM (2003) 830 endg., Rn. 47. 158 Siehe hierzu auch Renner-Loquenz, CPN 2005, 16 (17). Zur beihilfenrechtlichen Bedeutung von Verwaltungsschreiben siehe etwa Ludwigs, EWS 2007, 7 (9 f.). 159 Kommission, Schreiben der Generaldirektoren der GD Umwelt und GD Wettbewerb vom 17. 03. 2004 an den Ständigen Vertreter des Königreichs Dänemark bei der Europäischen Union, HNV C2PV / amh / D(2004)420149, Subject: State Aid and National Allocation Plans (unveröffentlicht).

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B. Kommissionslogik bei der Bewertung der Zertifikatzuteilung have the possibility to sell surplus allowances and retain the proceeds from the sale. This advantage to the undertakings could seriously distort competition and since there would be no link to an economic or environmental counterpart, it would, in principle, be considered an incompatible state aid by the Commission. [ . . . ] Where a Member State over-estimates emission reductions from non-trading sectors or where it grants allowances generously because it intends to purchase Kyoto Protocol ,Assigned Amount Units‘ or credits from Joint Implementation or the Clean Development Mechanism later on to cover its emissions, this may also give undertakings which benefit from this assistance an undue economic advantage compared to their competitors in other Member States, which could seriously distort competition. [ . . . ] Turning now to State aid issues that may arise even in cases where National Allocation Plans comprise no over-allocation as described above. Article 10 of the Directive requires Member States to allocate at least 95% of the allowances free of charge. State aid will always be involved if a Member State decides to allocate more than 95 % of allowances free of charge for the period 2005 – 2007, thereby foregoing public revenue. State aid will furthermore be involved if a Member State decides to issue allowances for the second period in respect of allowances cancelled at the end of the first period due to them not having been used, in accordance with Article 13(2) second subparagraph of the Directive (,banking‘). This is because, in the second period, the Member States would issue allowances for free when it could otherwise have sold, and thereby obtained revenue from, an equivalent number of Kyoto Protocol ,Assigned Amount Units‘. The Commission will not request formal notification of the National Allocation Plans under Art. 88(3) of the EC-Treaty for the period from 2005 until 2007. However, in view of the potentially serious distortions of competition, the Commission will carefully examine the National Allocation Plans once Member States notify them to the Commission under the emission trading Directive. [ . . . ]“

Die Kommission unterscheidet demnach in beihilfenrechtlicher Hinsicht Fälle spezifischer Überallokation einerseits sowie die entgeltfreie Zuteilung als solche andererseits. Die Fälle systemunabhängiger Überallokation bedurften eigentlich keiner gesonderten Erwähnung, da sich deren Beihilfencharakter bereits aus allgemeinen Beihilfengrundsätzen ergibt. Relevant sind jedoch die Ausführungen der Generaldirektoren zu der beihilfenrechtlichen Bewertung der durch die Richtlinie 2003 / 87 / EG vorgegebenen Entgeltlichkeit der Zertifikate. Denn nach Auffassung der Generaldirektoren liegt eine Beihilfe insbesondere immer dann vor, wenn mehr als 95% der Zertifikate entgeltfrei zugeteilt werden. Inwieweit auch die gemäß Art. 10 EHRL zwingend entgeltfrei zuzuteilenden Zertifikate eine Beihilfe darstellen, lassen die Generaldirektoren in diesem Schreiben zwar offen. Der Beihilfencharakter einer entgeltfreien Zertifikatzuteilung, sofern diese durch den Mitgliedstaat veranlasst wird, wird jedoch grundsätzlich anerkannt.160

160 Daher ist zweifelhaft, ob diesem Schreiben – wie teilweise angenommen, vgl. etwa Renner-Loquenz, CPN 2005, 16 (18) – tatsächlich eine beihilfenrechtsausschließende Bedeutung in potentiellen Verfahren gegen nationale Zuteilungspläne zukommen kann.

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7. Bewertung der nationalen Allokationspläne a) Äußerungen der Kommission zur ersten Handelsperiode Anfang Juli 2004 schloss die Kommission die Bewertung der ersten acht notifizierten Zuteilungspläne ab. In sieben ihrer Entscheidungen erhob die Kommission einheitlich keine beihilfenrechtlichen Bedenken: „Aufgrund der von dem Mitgliedstaat vorgelegten Informationen geht die Kommission davon aus, dass etwaige Beihilfen wahrscheinlich mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar sein werden, wenn sie in Einklang mit Artikel 88 Absatz 3 EG-Vertrag bewertet werden.“161

In ihrer Entscheidung zum dänischen Zuteilungsplan162 führte die Kommission aus: „The Commission has assessed whether the plan unduly favours certain undertakings or activities contrary to the requirements of the Treaty. On the basis of the information provided by the Member State, the Commission considers at this stage that the measure confers a selective advantage to certain undertakings which has the potential to distort competition and affect intra Community trade. The measure at this stage however does not appear to be imputable to the Member State and to entail the use of State resources to the extent that 5% of allowances are sold at market conditions and banking is not allowed.“

Ihre Entscheidungspraxis zu den ersten acht Zuteilungsplänen fasste die Kommission in ihrer Mitteilung an den Rat und das Europäische Parlament betreffend die Kommissionsentscheidungen über die ersten acht notifizierten Zuteilungspläne wie folgt zusammen: „Auf der Grundlage der von den Mitgliedstaaten übermittelten Angaben kommt die Kommission zu dem Schluss, dass die Maßnahmen bestimmten Unternehmen einen selektiven Vorteil verschaffen, was Wettbewerbsverzerrungen und eine Beeinträchtigung des innergemeinschaftlichen Handels zur Folge haben könnte. Auch sind bestimmte Maßnahmen staatlicher Natur und mit der Verwendung staatlicher Mittel verbunden, zumal über 95 % der Zertifikate kostenlos vergeben werden. Zwar kann die Kommission zum jetzigen Zeitpunkt nicht ausschließen, dass bestimmte Pläne staatliche Beihilfen im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG beinhalten, doch stehen etwaige im Rahmen der Pläne gewährte Beihilfen (ausgenommen den Fall, dass ein Plan im Widerspruch zu Kriterium 1 steht und abgelehnt wird) mit den übergeordneten Umweltzielen der Richtlinie, die in den Kriterien 1 und 2 161 So die deutsche Fassung, vgl. Kommission, Entscheidung v. 07. 07. 2004 über den nationalen Plan zur Zuteilung von Zertifikaten für Treibhausgasemissionen, der von Deutschland gemäß der Richtlinie 2003 / 87 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates übermittelt wurde, Ziffer 9. Die Entscheidungen bezüglich der Zuteilungspläne des Vereinigten Königreichs, Irlands, der Niederlande, Österreichs, Sloweniens und Schwedens enthalten entsprechende Formulierungen. Die Entscheidungen sind abrufbar unter http: // ec.europa.eu / environment / climat / emission_plans.htm. 162 Kommission, Decision of 7 July 2004 concerning the national allocation plan for the allocation of greenhouse gas emission allowances notified by Denmark in accordance with Directive 2003 / 87 / EC of the European Parliament and of the Council, Ziff. 6.

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B. Kommissionslogik bei der Bewertung der Zertifikatzuteilung von Anhang III der Richtlinie 2003 / 87 / EG zum Ausdruck kommen, in Einklang und sind zu ihrer Erreichung wohl erforderlich. Für die Begünstigten besteht trotzdem noch ein Anreiz für die Verbesserung ihrer Umweltleistungen. Jede etwaige Ungleichbehandlung wurde von den Mitgliedstaaten objektiv und transparent begründet.“163

Die weiteren nationalen Zuteilungspläne untersuchte die Kommission zwischen Oktober 2004 und Juni 2005.164 Dabei stellte sie in vierzehn Fällen erneut fest, dass sie aufgrund der ihr von den Mitgliedstaaten vorgelegten Informationen davon ausgehe, dass etwaige Beihilfen wahrscheinlich mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar sein würden, wenn sie in Einklang mit Art. 88 Abs. 3 EG bewertet würden. Dem lässt sich entnehmen, dass eine solche Beihilfenprüfung im vorliegenden Fall gerade nicht erfolgt ist. Eine ausführlichere beihilfenrechtliche Bewertung erfolgte bezüglich der Zuteilungspläne Frankreichs und Polens. Im Rahmen ihrer Prüfung des französischen165 und polnischen166 Zuteilungsplans führte die Kommission gleich lautend aus: „The Commission considers that the allocation of allowances free of charge to certain activities confers a selective economic advantage to undertakings which has the potential to distort competition and affect intra Community trade. The allocation of allowances for free also appears to be imputable to the Member State and to entail the use of State resources to the extent that more than 95% of allowances are given for free and banking of allowances from the first to the second period is allowed. The Commission therefore at this stage cannot exclude that the plan implies state aid pursuant to Article 87(1) of the Treaty.“

In ihrer Entscheidung zum polnischen Zuteilungsplan führt die Kommission weiter aus: „On the basis of information provided by Poland, the Commission at this stage cannot consider with certainty that any potential aid granted under the national allocation plan is consistent with and is necessary to achieve the overall environmental objective of Directive 163 Kommission, Mitteilung v. 07. 07. 2004 an den Rat und an das Europäische Parlament zu den Entscheidungen der Kommission vom 07. 07. 2004 über die nationalen Pläne für die Zuteilung von Zertifikaten für Treibhausgasemissionen, die von Dänemark, Deutschland, Irland, den Niederlanden, Österreich, Slowenien, Schweden und dem Vereinigten Königreich gemäß der Richtlinie 2003 / 87 / EG mitgeteilt wurden, KOM (2004) 500 endg., S. 7. Ähnlich ist die Formulierung in den einzelnen nationalen Genehmigungsentscheidungen. 164 Vgl. die Kommissionsentscheidungen vom 20. 10. 2004 zu den Zuteilungsplänen Belgiens, Estlands, Finnlands, Frankreichs, Lettlands, Luxemburgs, Portugals und der Slovakischen Republik; vom 27. 12. 2004 zu den Zuteilungsplänen Zyperns, Ungarns, Litauens, Maltas und Spaniens; vom 08. 03. 2005 zum Zuteilungsplan Polens; vom 12. 04. 2005 zum Zuteilungsplan Tschechiens; vom 25. 05. 2005 zum Zuteilungsplan Italiens sowie vom 20. 06. 2005 zum Zuteilungsplan Griechenlands. Abrufbar unter http: // ec.europa.eu / environment / climat / emission_plans.htm. 165 Kommission, Decision of 20. 10. 2004 concerning the national allocation plan for the allocation of greenhouse gas emission allowances notified by France in accordance with Directive 2003 / 87 / EC of the European Parliament and of the Council, Ziff. 5. 166 Kommission, Decision of 08. 03. 2005 concerning the national allocation plan for the allocation of greenhouse gas emission allowances notofied by Poland in acordance with Directive 2003 / 87 / EC of the European Parliament and of the Council, Ziff. 9.

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2003 / 87 / EC. Non-compliance with criterion 2 fundamentally jeopardises the overall environmental objective of the emission trading scheme. The Commission considers that in such a case the environmental benefit of any aid included in the allowances is not sufficient to outweigh the distortion of competition referred to above. The Commission notes in particular that an allocation exceeding projected emissions will not require beneficiaries to deliver an environmental counterpart for the benefit they receive. The Commission at this stage therefore cannot exclude that any aid involved would be found incompatible with the common market should it be assessed in accordance with Article 88(3) of the Treaty.“167

Diese Äußerung lässt erkennen, dass Maßstab für die Annahme einer vermutlichen Genehmigungsfähigkeit einer entgeltfreien Zertifikatzuteilung die Vereinbarkeit dieser Beihilfenmaßnahmen mit der Richtlinie 2003 / 87 / EG, deren Umweltnutzen sowie ihre Notwendigkeit zur Erreichung der Umweltziele der Richtlinie war. b) Äußerungen der Kommission zur zweiten Handelsperiode Umfangreicher waren die Ausführungen der Kommission zu beihilfenrechtlichen Aspekten im Rahmen ihrer Entscheidungen zu den nationalen Zuteilungsplänen für die zweite Handelsperiode. So heißt es in der Entscheidung zum deutschen Zuteilungsplan 2008 sowie entsprechend in fast allen anderen Entscheidungen168: „Die Kommission prüfte ferner gemäß dem Kriterium 5 des Anhangs III der Richtlinie, ob der deutsche Zuteilungsplan mit den Bestimmungen des EG-Vertrages, insbesondere den Artikeln 87 und 88, vereinbar ist. Nach Einschätzung der Kommission verschafft die Zu167 Kommission, Decision of 08. 03. 2005 concerning the national allocation plan for the allocation of greenhouse gas emission allowances notofied by Poland in acordance with Directive 2003 / 87 / EC of the European Parliament and of the Council, Ziff. 9. Hervorhebung durch den Verfasser. 168 Vgl. etwa die Entscheidungen der Kommission vom 02. 04. 2007 zum österreichischen Zuteilungsplan (Rn. 9); vom 16. 01. 2007 zum belgischen Zuteilungsplan (Rn. 19); vom 26. 02. 2007 zum spanischen Zuteilungsplan (Rn. 7); vom 29. 11. 2006 zum schwedischen Zuteilungsplan (Rn. 15); vom 16. 01. 2007 zum niederländischen Zuteilungsplan (Rn. 19); vom 26. 03. 2007 zum tschechischen Zuteilungsplan (Rn. 16); vom 04. 05. 2007 zum estnischen Zuteilungsplan (Rn. 18); vom 04. 06. 2007 zum finnischen Zuteilungsplan (Rn. 19); vom 29. 11. 2006 zum griechischen Zuteilungsplan (Rn. 18); vom 16. 04. 2007 zum ungarischen Zuteilungsplan (Rn. 17); vom 15. 05. 2007 zum italienischen Zuteilungsplan (Rn. 8); vom 29. 11. 2006 zum lettischen Zuteilungsplan (Rn. 15); vom 29. 11. 2006 zum litauischen Zuteilungsplan (Rn. 21); vom 29. 11. 2006 zum luxemburgischen Zuteilungsplan (Rn. 16); vom 29. 11. 2006 zum slovakischen Zuteilungsplan (Rn. 15); mit ähnlicher Formulierung so auch die Entscheidungen vom 29. 11. 2006 zum maltesischen Zuteilungsplan (Rn. 15); vom 26. 03. 2007 zum polnischen Zuteilungsplan (Rn. 19); vom 26. 03. 2007 zum französischen Zuteilungsplan (Rn. 6). Ohne nähere Begründung sah die Kommission diese Bedenken im Rahmen des slowenischen Zuteilungsplans als ausgeräumt an, vgl. Entscheidung vom 05. 02. 2007 zum slowenischen Zuteilungsplan (Rn. 5). Sämtliche Entscheidungen sind abrufbar unter http: // ec.europa.eu / environment / climat / 2nd_phase_ep.htm.

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B. Kommissionslogik bei der Bewertung der Zertifikatzuteilung teilung kostenloser Zertifikate für bestimmte Tätigkeiten manchen Unternehmen einen selektiven wirtschaftlichen Vorteil, der zu Wettbewerbsverzerrungen führen und den innergemeinschaftlichen Handel beeinträchtigen könnte. Auch dürfte es sich bei der Vergabe kostenloser Zertifikate um eine staatliche Maßnahme handeln, bei der staatliche Mittel insofern vergeben werden, als über 90 % der Zertifikate kostenlos sind. Die Annahme, dass es sich bei der kostenlosen Zuteilung um staatliche Maßnahmen und staatliche Mittel handelt, wird im zweiten Handelszeitraum weiter gestärkt, da die ab dem Jahr 2008 vorgesehene Beteiligung an dem internationalen Emissionshandel und an anderen flexiblen Mechanismen, an der gemeinsamen Projektdurchführung und am Mechanismus für eine umweltverträgliche Entwicklung die Mitgliedstaaten in die Lage versetzt, durch weitere Entscheidungen nach eigenem Ermessen auf ihre Hauhaltsmittel und die Zahl der Industrie zugewiesenen Zertifikate einzuwirken. Da namentlich alle Zuteilungen vom Anbeginn des zweiten Handelszeitraums an durch zugeteilte Mengen (AAU) abgedeckt sein müssen, die zwischen den Vertragsparteien handelbar sind, wird durch jede Zuteilung direkt die Zahl der zugeteilten Mengeneinheiten, die der Mitgliedstaat anderen Vertragsparteien verkaufen kann, reduziert bzw. die Notwendigkeit, solche zugeteilten Mengen zu erwerben, vergrößert. Die Kommission geht im jetzigen Stadium daher davon aus, dass hier eine staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG-Vertrag vorliegen könnte. Auf der Grundlage der von Deutschland vorgelegten Informationen kann die Kommission derzeit nicht mit Sicherheit sagen, ob etwaige Beihilfen im Rahmen dieses nationalen Zuteilungsplans mit dem allgemeinen Umweltziel der Richtlinie vereinbar und zu dessen Erreichung erforderlich sind. Ein Verstoß gegen die Kriterien 1, 2 und 3 gefährdet grundsätzlich das allgemeine Umweltziel des Emissionshandelssystems. Die Kommission befürchtet, dass in diesem Fall der Umweltnutzen möglicher Beihilfen bei Zuteilung der Zertifikate keinen angemessenen Ausgleich für die oben angesprochene Wettbewerbsverzerrung darstellen könnte. Die Kommission stellt vor allem fest, dass eine die prognostizierten Emissionen übersteigende Zuteilung die Begünstigten nicht vor die Notwendigkeit stellt, eine ausreichende ökologische Gegenleistung zu erbringen. Die Kommission kann im jetzigen Stadium daher nicht ausschließen, dass vorliegende Beihilfen bei einer Würdigung gemäß Artikel 87 und 88 EG-Vertrag für mit dem Binnenmarkt unvereinbar befunden werden.“169

Neben diesen Erwägungen zur entgeltfreien Zertifikatzuteilung als solcher ging die Kommission zudem auf die Vereinbarkeit individueller mitgliedstaatlicher Sonderzuteilungskonstellationen (etwa Zuteilungsgarantien, die Verwendung unterschiedlicher Erfüllungsfaktoren, Sonderzuteilungen für Kohlekraftwerke etc.) mit dem beihilfenrechtlichen Kriterium 5 Anhang III EHRL ein.170 Im Hinblick auf 169 Kommission, Entscheidung vom 29. 11. 2006 über den nationalen Plan zur Zuteilung von Treibhausgasemissionszertifikaten, den Deutschland gemäß der Richtlinie 2003 / 87 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates übermittelt hat, Rn. 19 (Hervorhebungen durch den Verfasser). 170 Hierunter fallen etwa Zuteilungsgarantien im deutschen Zuteilungsplan (Fn. 169, Rn. 20 – 23); die Verwendung unterschiedlicher Erfüllungsfaktoren und die Berücksichtigung des jeweiligen Emissionsreduktionspotentials der Anlagen im österreichischen Zuteilungsplan (Fn. 168, Rn. 10 f.); die Verwendung individueller Emissionsschätzungen im belgischen (Fn. 168, Rn. 20) und schwedischen (Fn. 168, Rn. 16) Zuteilungsplan, die Zuteilungsregeln für Kohlekraftwerke im spanischen Zuteilungsplan (Fn. 168, Rn. 8 – 9); die Reserven für neue Marktteilnehmer im Zement- und Kraftwerkssektor sowie im Bereich KWK-Anlagen im irischen Zuteilungsplan (Fn. 168, Rn. 13); die Zuteilungsregeln für den Energiegewinnungssek-

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diese Sonderzuteilungskonstellationen wies die Kommission darauf hin, dass diese von den jeweiligen Mitgliedstaaten gemäß dem Verfahren des Art. 88 EG förmlich zu notifizieren seien. Zudem ging die Kommission davon aus, dass die Beihilfenmaßnahmen „bei einer Prüfung gemäß Artt. 87, 88 EG für mit dem Binnenmarkt unvereinbar befunden werden dürften“,171 sofern die von der Kommission angesprochenen beihilfenrechtsrelevanten Ungleichbehandlungen nicht unterlassen würden.172 Als individuelle mitgliedstaatliche Überallokationen bedürfen diese Beihilfenmaßnahmen im Rahmen der vorliegenden Untersuchung, die sich auf die Beihilfenkonformität einer (allgemeinen) entgeltfreien Zertifikatzuteilung als solcher beschränkt, jedoch keiner näheren Untersuchung, da sie nicht systemimmanent sind. c) Maßstäbe der Kommissionsbewertung Die beihilfenrechtlichen Äußerungen der Kommission in ihren Entscheidungen gemäß Art. 9 Abs. 3 EHRL zu den mitgliedstaatlichen Zuteilungsplänen der ersten und zweiten Handelsperiode können dahingehend zusammengefasst werden, dass die Kommission die entgeltfreie Zertifikatzuteilung grundsätzlich als wirtschaftlichen Vorteil für bestimmte Unternehmen betrachtet, der geeignet ist, den Wettbewerb zu verfälschen und den innergemeinschaftlichen Handel zu beeinträchtigen. Bezüglich der gemäß Art. 10 EHRL zwingend entgeltfrei zuzuteilenden 95% bzw. 90% der Zertifikate ist die Begünstigung nach Kommissionsauffassung jedoch nicht den Mitgliedstaaten zurechenbar und erfüllt nach Kommissionsansicht nicht das Tatbestandsmerkmal „staatlich oder aus staatlichen Mitteln“. Soweit mehr als 95% bzw. 90% der Zertifikate entgeltfrei zugeteilt werden, betrachtet die Kommission die entgeltfreie Zertifikatzuteilung demgegenüber als dem Mitgliedstaat zurechenbar und als Begünstigung aus staatlichen Mitteln. Sofern danach eine Beihilfenmaßnahme gegeben ist, nimmt die Kommission jedoch eine Genehmigungsfähigkeit an, da diese im Rahmen der nationalen Zuteilungspläne gewährten Beihilfen mit den Vorgaben der Richtlinie 2003 / 87 / EG vereinbar seien, mit den übergeordneten Umweltzielen der Richtlinie (Ziffern 1 bis 3 Anhang III EHRL) in Einklang stünden und zu ihrer Erreichung wohl erforderlich seien. Vor diesem Hintergrund sind die beiden ausschlaggebenden Merkmale der beihilfenrechtlichen Bewertung der Kommission in ihren Entscheidungen gemäß tor und für Kohlekraftwerke im spanischen Zuteilungsplan (Fn. 168, Rn. 8 f.); die geplanten Zuteilungen gemäß Art. 13 Abs. 2 EHRL, der geplante early action-Bonus und die Zuteilungssystematik im polnischen Zuteilungsplan (Fn. 168, Rn. 20 ff.). 171 Kommission, Entscheidung vom 29. 11. 2006 über den nationalen Plan zur Zuteilung von Treibhausgasemissionszertifikaten, den Deutschland gemäß der Richtlinie 2003 / 87 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates übermittelt hat, Rn. 26. 172 Kommission, Entscheidung vom 29. 11. 2006 über den nationalen Plan zur Zuteilung von Treibhausgasemissionszertifikaten, den Deutschland gemäß der Richtlinie 2003 / 87 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates übermittelt hat, Rn. 25.

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B. Kommissionslogik bei der Bewertung der Zertifikatzuteilung

Art. 9 Abs. 3 EHRL zum einen die staatliche Zurechenbarkeit der durch Art. 10 EHRL vorgeschriebenen zwingend entgeltfreien Zertifikatzuteilung sowie zum anderen die Genehmigungsfähigkeit der als Beihilfenmaßnahme bewerteten entgeltfreien Zertifikatzuteilung wegen ihres Umweltnutzens. 8. Bislang keine beihilfenrechtliche Kommissionsentscheidung Damit stellt sich die Frage, ob in den Entscheidungen der Kommission im Rahmen des Verfahrens gemäß Art. 9 Abs. 3 EHRL eine beihilfenrechtliche Genehmigungsentscheidung gemäß Art. 88 Abs. 3 EG i.V. m. der Verfahrensverordnung Nr. 659 / 1999 gesehen werden kann. a) Grundsatz: Dualismus der Verfahren Eine Bewertung der bisher ergangenen Entscheidungen der Kommission unter beihilfenrechtlichen Gesichtspunkten erfordert zunächst eine Abgrenzung der Verfahren gemäß Art. 9 Abs. 3 EHRL und gemäß Art. 88 Abs. 3 EG. (1) Verfahren gemäß Art. 9 Abs. 3 EHRL Die Richtlinie 2003 / 87 / EG sieht in Art. 9 Abs. 3 EHRL ein Prüfungsverfahren vor, wonach die Kommission nationale Zuteilungspläne am Maßstab der Zuteilungskriterien der Richtlinie zu überprüfen hat und sie diese im Falle eines Widerspruchs zu den Anforderungen der Richtlinie innerhalb von drei Monaten ganz oder teilweise ablehnen kann.173 Die Zuteilungsentscheidung der Mitgliedstaaten sowie die Vergabe der Zertifikate dürfen nur erfolgen, wenn die Kommission den notifizierten Zuteilungsplan nicht ablehnt.174 Erhebt die Kommission innerhalb der Dreimonatsfrist keine Einwände, kann der Mitgliedstaat den Zuteilungsplan in der notifizierten Form umsetzen.175 Aus der Ablehnungsbefugnis gemäß Art. 9 Abs. 3 EHRL ergibt sich keine absolute Handlungspflicht der Kommission. Zwar ist diese verpflichtet, die ihr notifizierten Zuteilungspläne auf deren Vereinbarkeit mit Art. 10 EHRL und den Kriterien des Anhangs III EHRL zu überprüfen.176 Aus dem Wortlaut des Art. 9 Abs. 3 173 Art. 9 Abs. 3 EHRL. Rusche, in: Sánchez-Rydelski, EC State Aid Regime, S. 349 (352), sieht hierin die Grundlage für eine formale Genehmigungsentscheidung durch die Kommission. Dem steht jedoch der Wortlaut entgegen („[ . . .] kann die Kommission den Plan oder einen Teil davon ablehnen, wenn [ . . . ]). Zutreffend auch Frenz, DVBl. 2006, 728 (730): Kommission besitzt nur Ablehnungsmöglichkeit und unterliegt keiner Pflicht dazu. 174 Art. 9 Abs. 3 Satz 2 EHRL. 175 EuG, Urteil v. 23. 11. 2005, Rs. T-178 / 05, Vereinigtes Königreich / Kommission, Slg. 2005, II-4807 (Rn. 55). 176 Vgl. entsprechend EuGH, Urteil v. 21. 11. 1991, Rs. C-269 / 90, Technische Universität München, Slg. 1991, I-5469 (Rn. 14); EuG, Urteil v. 11. 09. 2002, Rs. T-13 / 99, Pfizer Ani-

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EHRL („kann ablehnen“) ergibt sich jedoch ein gewisses Ermessen der Kommission, das mit dem Ermessen der Kommission im Vertragsverletzungsverfahren gemäß Art. 226 EG vergleichbar ist und von dem sie – ohne Einschränkung ihrer allgemeinen und keiner Ausschlussfrist unterliegenden Überwachungsfrist gemäß Artt. 211, 226 EG – nicht Gebrauch machen muss.177 Die nationalen Zuteilungspläne für die erste Handelsperiode waren bis spätestens zum 31. 03. 2004, die Zuteilungspläne für die zweite Handelsperiode bis spätestens zum 30. 06. 2006 zu veröffentlichen und der Kommission sowie den anderen Mitgliedstaaten vorzulegen.178 Die der Kommission übermittelten Zuteilungspläne werden in dem in Art. 23 Abs. 1 EHRL genannten Ausschuss179 erörtert und von der Kommission auf ihre Vereinbarkeit mit den Zuteilungskriterien des Anhangs III EHRL sowie mit Art. 10 EHRL überprüft. Prüfungsgegenstand des Verfahrens nach Art. 9 EHRL ist damit im Rahmen des Anhangs III EHRL180 auch das Beihilfenrecht. Denn gemäß der Kriterien 4 und 5 Anhang III EHRL muss der nationale Zuteilungsplan auch „mit den übrigen rechtlichen und politischen Instrumenten der Gemeinschaft in Einklang stehen“ und darf „[g]emäß den Anforderungen des Vertrages, insbesondere der Artikel 87 und 88, [ . . . ] Unternehmen oder Sektoren nicht in einer Weise unterschiedlich behandeln, dass bestimmte Unternehmen oder Tätigkeiten ungerechtfertigt bevorzugt werden“. (2) Verfahren gemäß Art. 88 Abs. 3 EG Das Beihilfenregime des EG-Vertrags sieht vor, dass eine Beihilfe vor ihrer Genehmigung durch die Kommission nicht gewährt werden darf und dass bereits gewährte Beihilfen im Falle ihrer Nichtgenehmigung durch die Kommission zurückzufordern sind. Im Rahmen des beihilfenrechtlichen Prüfverfahrens ist die Kommission gemäß Art. 4 Abs. 5 VerfVO zunächst verpflichtet, notifizierte Beihilfenvorhaben innerhalb von zwei Monaten einer vorläufigen Prüfung zu unterziehen. Die vorläufige Prüfung endet mit einer Entscheidung, in der die Kommission entweder feststellen muss, dass die notifizierte Maßnahme keine Beihilfe darstellt oder dass gegen die Vereinbarkeit der Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt keine Einwände bestehen (Art. 4 Abs. 2, 3 VerfVO). Obwohl die Vorprüfung nur kursorischer Natur ist, kann die Kommission ihre Prüfung nur dann ohne Eröffnung des mal Health / Rat, Slg. 2002, II-3305 (Rn. 171); EuG, Urteil v. 11. 09. 2002, Rs. T-70 / 99, Alpharma / Rat, Slg. 2002, II-3495 (Rn. 182); sowie ausdrücklich EuG, Beschluss v. 30. 04. 2007, Rs. T-387 / 04, EnBW Energie Baden-Württemberg / Kommission, Slg. 2007, II-1195 (Rn. 106). 177 EuG, Beschluss v. 30. 04. 2007, Rs. T-387 / 04, EnBW Energie Baden-Württemberg / Kommission, Slg. 2007, II-1195 (Rn. 106). 178 Art. 9 Abs. 1 S. 4, 5 EHRL. 179 Gemäß Art. 23 Abs. 1 EHRL handelt es sich hierbei um den in Art. 8 der Entscheidung 93 / 389 / EWG eingesetzten Ausschuss. 180 Siehe zu diesem bereits oben unter A. I. 2.

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B. Kommissionslogik bei der Bewertung der Zertifikatzuteilung

formalen (Haupt-)Prüfverfahrens abschließen, wenn sie in einer begründeten Entscheidung darlegen kann, dass die angemeldete Maßnahme den Beihilfentatbestand nicht erfüllt oder offensichtlich mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar ist. Die Vorprüfung erfordert damit eine eingehende Prüfungstiefe, wenn die angemeldete Maßnahme ohne Hauptprüfung genehmigt werden soll. Denn die – in einem solchen Fall abschließende – Entscheidung gemäß Art. 4 Abs. 2, 3 VerfVO muss in einer vernünftige Zweifel ausschließenden Weise darlegen, dass die Beihilfe den Tatbestand des Art. 87 Abs. 1 EG nicht erfüllt oder keine Bedenken an ihrer Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt aufkommen lässt.181 Die Kommission darf die Überprüfung aber nur dann mit dem vorläufigen Verfahren beenden, wenn sie von der Vertragskonformität der Maßnahme überzeugt ist.182 Hat die Kommission nicht alle Zweifel hinsichtlich der Beurteilung der Vertragskonformität des Vorhabens ausräumen können, ist sie – ohne dass ihr insofern ein Ermessen zukommt183 – verpflichtet, das förmliche Prüfverfahren zu eröffnen.184 (3) Bewertung Angesichts des unterschiedlichen Prüfungsumfangs handelt es sich somit bei den Verfahren gemäß Art. 9 Abs. 3 EHRL und Art. 88 Abs. 3 EG um jeweils eigenständige Prüfverfahren. Während die positive Entscheidung im Verfahren gemäß Art. 88 Abs. 3 EG eine Abweichung von dem allgemeinen Beihilfenverbot und der Vermutung der grundsätzlichen Rechtswidrigkeit darstellt, soll das Verfahren nach Art. 9 Abs. 3 EHRL nur das reibungslose Funktionieren des Emissionshandels und die Einhaltung bestimmter Anforderungen sicherstellen, ohne dass hierin ein Genehmigungscharakter liegt.185 Mit einer Genehmigungsentscheidung gemäß Art. 88 Abs. 3 S. 3 EG wird ausdrücklich die Rechtmäßigkeit der angemelSinnaeve, in: Heidenhain, Beihilfenrecht, § 33 Rn. 23. EuGH, Urteil v. 02. 04. 1998, Rs. C-367 / 95P, Sytraval, Slg. 1998, I-1719 (Rn. 39); EuGH, Urteil v. 20. 03. 1984, Rs. 84 / 82, Deutschland / Kommission, Slg. 1984, 1451 (Rn. 13). 183 EuGH, Urteil v. 20. 03. 1984, Rs. 84 / 82, Deutschland / Kommission, Slg. 1984, 1451 (Rn. 13); EuGH, Urteil v. 19. 05. 1993, Rs. C-198 / 91, William Cook plc / Kommission, Slg. 1993, I-2487 (Rn. 29); EuGH, Urteil v. 15. 06. 1993, Rs. C-225 / 91, Matra SA / Kommission, Slg. 1993, I-3203 (Rn. 33); EuGH, Urteil v. 03. 05. 2001, Rs. C-204 / 97, Portugal / Kommission, Slg. 2001, I-3175 (Rn. 33); EuG, Urteil v. 18. 09. 1995, Rs. T-49 / 93, Société Internationale de Diffusion et d’Edition (SIDE) / Kommission, Slg. 1995, II-2501 (Rn. 58); EuG, Urteil v. 15. 09. 1998, Rs. T-95 / 96, Gestevisíon Telecinco SA / Kommission, Slg. 1998, II-3407 (Rn. 52); EuG, Urteil v. 03. 06. 1999, Rs. T-17 / 96, Télévision française 1 SA (TF1) / Kommission, Slg. 1999, II-1757 (Rn. 74); EuG, Urteil v. 10. 05. 2000, Rs. T-46 / 97, SIC-Sociedade Independente de Comunicação SA / Kommission, Slg. 2000, II-2125 (Rn. 91); EuG, Urteil v. 15. 03. 2001, Rs. T-73 / 98, Société Chimique Prayon-Rupel SA / Kommission, Slg. 2001, II-867 (Rn. 42 ff.). 184 Art. 4 Abs. 4 VerfVO. 185 EuG, Beschluss v. 30. 04. 2007, Rs. T-387 / 04, EnBW Energie Baden-Württemberg / Kommission, Slg. 2007, II-1195 (Rn. 112). 181 182

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deten Beihilfe anerkannt, die ohne eine genehmigende Vereinbarkeitsentscheidung wegen des allgemeinen Beihilfenverbots grundsätzlich rechtswidrig ist und nicht gewährt werden darf.186 Demgegenüber liegt dem Verfahren gemäß Art. 9 Abs. 3 EHRL die Annahme der grundsätzlichen Rechtmäßigkeit des Zuteilungsplans und eines vorläufigen Durchführungsverbots187 zugrunde, wobei die Kommission nur eingreift, sofern der Zuteilungsplan mit den Anforderungen des Art. 10 EHRL und des Anhangs III EHRL nicht übereinstimmt. Der Kommissionsentscheidung kommt im Rahmen des EHRL-Verfahrens dabei gerade kein Genehmigungscharakter zu.188 Die Verpflichtung gemäß Art. 9 Abs. 3 EHRL unterscheidet sich folglich wesentlich von der primärrechtlichen Pflicht gemäß Art. 88 Abs. 3 EG und ist von dieser rechtlich unabhängig.189 Ist durch die entgeltfreie Zertifikatzuteilung der Beihilfentatbestand erfüllt, muss der Mitgliedstaat neben dem Verfahren des Art. 9 Abs. 3 EHRL daher auch ein beihilfenrechtliches Notifizierungsverfahren gemäß Art. 88 Abs. 3 EG einleiten190 und grundsätzlich beide Verfahren durchführen.191 Hiervon ist auch die Kommission wiederholt ausgegangen.192 Artt. 4 Abs. 2 und Abs. 3, 7 Abs. 2 und Abs. 3 VerfVO. Für die in Art. 9 Abs. 3 EHRL vorgesehene dreimonatige Prüfphase der Kommission. 188 EuG, Beschluss v. 30. 04. 2007, Rs. T-387 / 04, EnBW Energie Baden-Württemberg / Kommission, Slg. 2007, II-1195 (Rn. 115). 189 EuG, Beschluss v. 30. 04. 2007, Rs. T-387 / 04, EnBW Energie Baden-Württemberg / Kommission, Slg. 2007, II-1195 (Rn. 133). 190 Zustimmend Merola / Crichlow, World Competition 2004, 25 (28). Vgl. auch die Begründung des Richtlinienvorschlags, Kommission, Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionsberechtigungen in der Gemeinschaft und zur Änderung der Richtlinie 96 / 61 / EG des Rates, KOM (2001) 581 endg. vom 23. 10. 2001, ABl.EG 2002 L 75 / 31, S. 12 f. (Rn. 13). 191 Zu dem sich daraus ergebenden Fristenproblem vgl. bereits Pfromm / Dodel, EurUP 2004, 209 (212 f.). Denn während das Verfahren gemäß Art. 9 Abs. 3 EHRL eine Dreimonatsfrist vorsieht, ist das Vorverfahren gemäß Art. 88 EG innerhalb von zwei Monaten abzuschließen. Die Kommission plante ursprünglich, die beiden Entscheidungen gleichzeitig zu treffen, vgl. Kommission, Generaldirektion Umwelt, Non-Paper 2nd meeting of Working 3 Monitoring Mechanism Committee „The EU Emissions Trading Scheme: How to develop a National Allocation Plan“ v. 01. 04. 2003, S. 2. Nachdem sie das damit einhergehende Fristenproblem erkannt hatte, bemühte sie sich zunächst um eine Anpassung der Dreimonatsfrist des Art. 9 Abs. 3 EHRL an die Zweimonatsfrist des Vorprüfverfahrens nach Art. 4 Abs. 5 S. 1 VerfVO und empfahl – rechtlich wegen Art. 249 EG und im Hinblick auf Wettbewerberrechte jedoch äußerst bedenklich – den Mitgliedstaaten in ihrem Entwurf v. 10. 11. 2003 einer Mitteilung über Hinweise zur Unterstützung der Mitgliedstaaten bei der Anwendung der in Anhang III der Richtlinie 2003 / 87 / EG [ . . . ] aufgelisteten Kriterien sowie über die Bedingungen für den Nachweis höherer Gewalt, ihr ausdrücklich drei (statt zwei) Monate Zeit zu geben, die Entscheidung zum Abschluss des beihilfenrechtlichen Vorprüfverfahrens zu treffen, oder die beihilfenrechtliche Notifizierung erst einen Monat nach der Übermittlung des Nationalen Zuteilungsplans an die Kommission nach Art. 11 Abs. 1 EHRL vorzunehmen. 192 So stellt sie in ihrem Non-Paper fest: „National Allocation Plans will constitute state aid under Article 87 (1) EC and will therefore have to be notified to the Commission for assessment under state aid rules. Competition policy procedural rules will apply in this 186 187

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B. Kommissionslogik bei der Bewertung der Zertifikatzuteilung

Eine Verzahnung der beiden Verfahren ist zwar grundsätzlich möglich. So muss die Kommission „aus Gründen der Kohärenz“ mögliche Unstimmigkeiten bei der Anwendung verschiedener gemeinschaftsrechtlicher Bestimmungen vermeiden und das Beihilfenrecht kann Prüfungsmaßstab in anderen Kommissionsverfahren sein. Staatliche Maßnahmen, die mit anderen gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften vereinbar sind, sind danach immer auch an den Artt. 87 ff. EG zu messen.193 Daher wird teilweise vorgeschlagen, die Beihilfenkontrolle in das Verfahren gemäß Art. 9 Abs. 3 EHRL zu integrieren und auf ein gesondertes beihilfenrechtliches Notifizierungsverfahren zu verzichten, um durch eine solche routinemäßige und integrierte Überprüfung aller Zuteilungspläne auf ihre beihilfenrechtliche Vereinbarkeit die Genehmigung der Zuteilungspläne wesentlich effizienter zu gestalten.194 Eine derartige materiell-rechtliche Verzahnung der beiden Prüfebenen, die auch kommissionsintern in unterschiedlichen Aufgabenbereichen liegen,195 im Rahmen des Verfahrens gemäß Art. 9 Abs. 3 EHRL kann jedoch nur auf Grundlage eines auf Art. 89 EG gestützten Rechtsaktes erfolgen und müsste im Umfang der Prüfung gemäß Art. 88 Abs. 3 EG i.V. m. der Verfahrensverordnung Nr. 659 / 99 in Beihilfensachen entsprechen.196 An diesen Voraussetzungen fehlt es hier jedoch.197 Somit hat die Kommission zwar im Verfahren gemäß Art. 9 Abs. 3 EHRL die Zuteilungspläne auf Grundlage der Kriterien 4 und 5 Anhang III EHRL im Wege einer Vorprüfung auf beihilfenrechtliche Aspekte hin zu überprüfen und kann einen Zuteilungsplan im Fall des Widerspruchs zu den Artt. 87, 88 EG ablehnen. Gleichwohl ersetzt eine Entscheidung gemäß Art. 9 Abs. 3 EHRL, auch wenn sie beihilfenrechtliche Äußerungen enthält, noch nicht das beihilfenrechtliche Vorverrespect“, vgl. Kommission, Generaldirektion Umwelt, Non-Paper 2nd meeting of Working 3 Monitoring Mechanism Committee „The EU Emissions Trading Scheme: How to develop a National Allocation Plan“ v. 01. 04. 2003, S. 1 f. Diese Auffassung findet sich auch, wenngleich in eingeschränkter Form, in dem Entwurf einer Kommissionsmitteilung zur Unterstützung der Mitgliedstaaten bei der Anwendung der in Anhang III EHRL aufgelisteten Kriterien: „Where a national allocation plan contains (an element of) State aid, it is subject to the notification requirement in Article 88(3) of the Treaty“, vgl. Kommission, Entwurf v. 10. 11. 2003 einer Mitteilung über Hinweise zur Unterstützung der Mitgliedstaaten bei der Anwendung der in Anhang III der Richtlinie 2003 / 87 / EG [ . . . ] aufgelisteten Kriterien sowie über die Bedingungen für den Nachweis höherer Gewalt, Rn. 61. 193 Vgl. hierzu m.w. N. bereits Koenig / Braun / Pfromm, ZWeR 2003, 152 (184). 194 Kerth, Emissionshandel, S. 267 f., nach der die Mitgliedstaaten dann „also keine Überlegungen anstellen [müssten], ob ihre Zuteilung überhaupt Beihilfen enthält und ob somit eine Notifizierung nach Art. 88 Abs. 3 EG erforderlich ist“. 195 Während der Emissionshandel im Aufgabenbereich der Generaldirektion Umwelt liegt, befasst sich mit Fragen der beihilfenrechtlichen Vereinbarkeit die Generaldirektion Wettbewerb. Möglich ist schließlich auch, dass sich eine sektorspezifische Generaldirektion wie etwa die GD TREN mit der beihilfenrechtlichen Bewertung zu befassen hat. 196 So auch Schweer / Ludwig, RdE 2004, 153 (162). 197 Alternativ könnte die Kommission auch auf die Durchführung eines Vorverfahrens gemäß Art. 88 Abs. 3 EG hinwirken und die entsprechenden Fristen dahingehend anpassen, dass beide Entscheidungen zeitgleich getroffen werden.

II. Kommissionsbewertung im gemeinschaftsweiten Handelssystem

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fahren gemäß Art. 88 Abs. 3 EG. Insofern ist Kriterium 5 Anhang III EHRL nur Ausdruck des gefestigten gemeinschaftsrechtlichen Grundsatzes, wonach Maßnahmen des abgeleiteten Rechts so durchzuführen sind, dass sie keine primärrechtlichen Vorgaben verletzen.198 Diese Verpflichtung zur Beachtung des Gemeinschaftsrechts bedeutet jedoch nicht, dass im Rahmen der Prüfung gemäß Art. 9 Abs. 3 EHRL ein Verfahren unter Beachtung sämtlicher einschlägiger verfahrensrechtlicher und materiell-rechtlicher Bestimmungen, wie etwa der Verfahrensverordnung Nr. 659 / 1999, zu führen ist, sondern zwingt die Kommission nur zur Vornahme einer beihilfenrechtlichen prima facie-Beurteilung.199 Diese Feststellung betrifft indes nur das Verfahren gemäß Art. 9 Abs. 3 EHRL: Weder steht sie einer anders lautenden förmlichen Beihilfenentscheidung entgegen, noch befreit sie von der formalen Beihilfenprüfung durch die Kommission. Eine beihilfenrechtliche Entscheidung hat die Kommission im Rahmen der ersten Handelsperiode nicht getroffen.200 Dementsprechend heißt es auch im Wettbewerbsbericht 2004: „524. Erwähnt werden sollte auch, dass die Kommission bislang alle NZP einer Beurteilung anhand der EHS-Richtlinie unterzogen hat, um offenkundige Probleme mit möglicherweise unvereinbaren staatlichen Beihilfen aufzudecken. Zu keinem nationalen Zuteilungsplan hat die Kommission bisher eine förmliche Beihilfeentscheidung getroffen.“201

b) Keine förmliche Notifizierung gemäß Art. 88 Abs. 3 EG Eine formelle beihilfenrechtliche Notifizierung der mitgliedstaatlichen Zuteilungspläne gemäß Art. 88 Abs. 3 EG ist bislang nicht erfolgt.202 Anhaltspunkte dafür, dass die Notifizierung der mitgliedstaatlichen Zuteilungspläne gemäß Art. 9 Abs. 1 UAbs. 2 EHRL zugleich eine beihilfenrechtliche Notifizierung gemäß Art. 88 Abs. 3 EG darstellen sollte,203 bestehen nicht. Dabei verlangt die Recht198 EuG, Beschluss v. 30. 04. 2007, Rs. T-387 / 04, EnBW Energie Baden-Württemberg / Kommission, Slg. 2007, II-1195 (Rn. 135). 199 EuG, Beschluss v. 30. 04. 2007, Rs. T-387 / 04, EnBW Energie Baden-Württemberg / Kommission, Slg. 2007, II-1195 (Rn. 135). 200 So auch Renner-Loquenz, CPN 2005, 16 (18). Dabei dürften insbesondere drei Beweggründe ausschlaggebend gewesen sein: Zum einen das Risiko der Kassation durch EuGH / EuG mangels hinreichender Begründung i. S. v. Art. 253 EG. Zweitens die Aufrechterhaltung der Prüfungsoption im Falle einer Beschwerde durch Wettbewerber. Sowie drittens der erhebliche Zeitdruck bei der Prüfung der Zuteilungspläne, die durch Eröffnung eines förmlichen Beihilfenprüfverfahrens in Frage gestellt worden wäre. Siehe hierzu auch Rusche, in: Sánchez-Rydelski, EC State Aid Regime, S. 349 (373). 201 Kommission, Wettbewerbsbericht 2004, Rn. 524. 202 So auch Schlemmermeier / Schwintowski, ZNER 2006, 195 (198). 203 Zur grundsätzlichen Zulässigkeit einer solchen Verbindung vgl. EuG, Beschluss v. 30. 04. 2007, Rs. T-387 / 04, EnBW Energie Baden-Württemberg / Kommission, Slg. 2007, II-1195 (Rn. 132).

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B. Kommissionslogik bei der Bewertung der Zertifikatzuteilung

sprechung, dass die Anmeldung als solche erkennbar ist und einen Verweis auf Art. 88 Abs. 3 EG oder auf Art. 2 VerfVO enthält und dem Generalsekretariat vorgelegt wird;204 hierfür hat die Kommission ein eigenes Formular erstellt, das bei Anmeldungen zu verwenden ist.205 Auch die Kommission geht – wie ihre wiederholten Hinweise zeigen206 – davon aus, dass eine beihilfenrechtliche Notifizierung bislang nicht erfolgt ist.207

c) Pflicht zur Verfahrenseröffnung ex officio Im Hinblick auf nicht notifizierte Beihilfenmaßnahmen muss die Kommission gemäß Art. 10 Abs. 1 VerfVO alle Informationen gleich welcher Herkunft unverzüglich prüfen und, sofern die Informationen auf möglicherweise rechtswidrige Beihilfen hindeuten, den betreffenden Mitgliedstaat um Auskunft zu ersuchen.208 Diese Prüfungspflicht ist sehr weit. Besteht Anlass zu Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit einer Maßnahme mit dem Gemeinsamen Markt, bestehen beihilfenrechtliche Beurteilungsschwierigkeiten oder bestätigt die Prüfung der vorliegenden Informationen, dass möglicherweise eine rechtswidrige Beihilfe vorliegt, so muss die Kommission das Verfahren wie bei angemeldeten Beihilfenmaßnahmen weiterführen und das förmliche (Haupt-)Prüfverfahren ex officio einleiten.209 Dabei kann die Kommission eine Prüfung grundsätzlich nicht – etwa wegen mangelnden Gemeinschaftsinteresses – vorzeitig einstellen. Eine derartige Einstellung ist nur zulässig, sofern die Maßnahme offensichtlich den Beihilfentatbestand des Art. 87 Abs. 1 EG nicht erfüllt.210

204 EuG, Urteil v. 15. 09. 1998, verb. Rs. T-126 / 96 u. a., BFM und EFIM / Kommission, Slg. 1998, II-3437 (Rn. 47). 205 Anhang I der Verordnung (EG) Nr. 794 / 2004 der Kommission v. 21. 04. 2004 zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 659 / 1999 des Rates über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 93 des EG-Vertrags, ABl.EU 2004 L 140 / 1. Vgl. hierzu Knaul / Flores, in: Faull / Nikpay, The EC Law of Competition, 16.307 ff. 206 So verwendet sie in ihrer Entscheidung gemäß Art. 9 Abs. 3 EHRL zum ersten deutschen Zuteilungsplan die Formulierung „wenn sie [die etwaigen Beihilfen] in Einklang mit Art. 88 Abs. 3 EG bewertet werden“ (vgl. den Nachweis oben in Fn. 161) und in ihrer Entscheidung zum zweiten Zuteilungsplan die Formulierung „Die Kommission kann im jetzigen Stadium daher nicht ausschließen, dass vorliegende Beihilfen bei einer Würdigung gemäß Artikel 87 und 88 EG-Vertrag für mit dem Binnenmarkt unvereinbar befunden werden“ (vgl. den Nachweis in Fn. 169). Die Formulierungen in den Entscheidungen zu den anderen Zuteilungsplänen lauten entsprechend (vgl. oben unter B. II. 6.). 207 So auch Rusche, in: Sánchez-Rydelski, EC State Aid Regime, S. 349 (373). 208 Sinnaeve, in: Heidenhain, Beihilfenrecht, § 34 Rn. 3. 209 Vgl. etwa GA Tesauro, Schlussanträge zu EuGH, Rs. C-198 / 91, Cook / Kommission, Slg. 1993, I-2487 (Rn. 32); EuG, Urteil v. 15. 09. 1998, Rs. T-95 / 96, Gestevisión Telecinco / Kommission, Slg. 1998, II-3407 (Rn. 54 f., 71 ff.) m.w. N. 210 Sinnaeve, in: Heidenhain, Beihilfenrecht, § 34 Rn. 4.

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d) Keine Offensichtlichkeit des Beihilfenausschlusses Somit ist fraglich, ob die Eröffnung eines förmlichen Beihilfenprüfverfahrens durch die Kommission wegen offensichtlichen Nichtvorliegens oder offensichtlicher Genehmigungsfähigkeit der Beihilfenmaßnahme ausscheidet. Jedoch verneint selbst die Kommission in ihren bisherigen Entscheidungen und Äußerungen das Vorliegen einer Beihilfe keineswegs als offensichtlich. So weist die Kommission in ihrem Schreiben vom 07. 03. 2004 ausdrücklich auf das Vorliegen einer Beihilfe bei entgeltfreier Zuteilung von mehr als 95% der Zertifikate hin.211 Zudem stellt sie in ihrer Mitteilung vom 07. 07. 2004 an den Rat und das Europäische Parlament betreffend die Kommissionsentscheidungen über die ersten acht notifizierten Zuteilungspläne fest: „Zwar kann die Kommission zum jetzigen Zeitpunkt nicht ausschließen, dass bestimmte Pläne staatliche Beihilfen im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG beinhalten, doch stehen etwaige im Rahmen der Pläne gewährte Beihilfen (ausgenommen den Fall, dass ein Plan im Widerspruch zu Kriterium 1 steht und abgelehnt wird) mit den übergeordneten Umweltzielen der Richtlinie, die in den Kriterien 1 und 2 von Anhang III der Richtlinie 2003 / 87 / EG zum Ausdruck kommen, in Einklang und sind zu ihrer Erreichung wohl erforderlich.“ 212

Dabei ist nach Ansicht der Kommission auch die Genehmigungsfähigkeit derartiger Beihilfen, falls sie beihilfenrechtlich notifiziert werden sollten, keinesfalls offensichtlich. So heißt es in Erwägungsgrund 9 der Kommissionsentscheidung vom 07. 07. 2004 betreffend den deutschen Zuteilungsplan: „Aufgrund der von dem Mitgliedstaat vorgelegten Informationen geht die Kommission davon aus, dass etwaige Beihilfen wahrscheinlich mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar sein werden, wenn sie in Einklang mit Artikel 88 Absatz 3 EG-Vertrag bewertet werden.“ 213

Lassen sich beihilfenrechtliche Bedenken jedoch nicht als offensichtlich unbegründet verwerfen, besteht die Pflicht zur Eröffnung eines beihilfenrechtlichen Prüfverfahrens ex officio gemäß Art. 88 Abs. 3 EG i.V. m. Art. 10 Abs. 1 der Verfahrensverordnung Nr. 659 / 1999 fort. 211 Kommission, Schreiben der Generaldirektionen Umwelt und Wettbewerb v. 17. 03. 2004 an den dänischen Vertreter bei der EU, HNV C2PV / amh / D(2004)420149: „State aid will always be involved if a Member State decides to allocate more than 95% of allowances free of charge for the period 2005 – 2007, thereby foregoing public revenue.“ 212 Kommission, Mitteilung vom 07. 07. 2004 an den Rat und an das Europäische Parlament zu den Entscheidungen der Kommission vom 07. 07. 2004 über die nationalen Pläne für die Zuteilung von Zertifikaten für Treibhausgasemissionen, die von Dänemark, Deutschland, Irland, den Niederlanden, Österreich, Slowenien, Schweden und dem Vereinigten Königreich gemäß der Richtlinie 2003 / 87 / EG mitgeteilt wurden, KOM (2004) 500 endg., S. 7. Hervorhebungen durch den Verfasser. 213 Kommission, Entscheidung v. 07. 07. 2004 über den nationalen Plan zur Zuteilung von Zertifikaten für Treibhausgasemissionen, der von Deutschland gemäß der Richtlinie 2003 / 87 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates übermittelt wurde. Hervorhebung durch den Verfasser.

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e) Zwischenergebnis Die bisherigen Entscheidungen der Kommission sind rein formal nur auf Art. 9 Abs. 3 EHRL gestützt und nicht auf Artt. 87 f. EG i.V. m. der Verfahrensverordnung Nr. 659 / 1999.214 Eine andere beihilfenrechtliche Bewertung folgt auch nicht unabhängig von der formellen Bezeichnung oder Form der Kommissionsentscheidungen bei deren Beurteilung anhand objektiver Kriterien:215 Eine implizite beihilfenrechtliche Genehmigung im Verfahren gemäß Art. 9 Abs. 3 EHRL scheidet aus, da der Kommission im Rahmen von Art. 9 Abs. 3 EHRL keine beihilfenrechtliche Genehmigungskompetenz gewährt wird. Insbesondere ist die Richtlinie 2003 / 87 / EG nicht auf Artt. 88 Abs. 2, 87 Abs. 3 lit. e), 89 EG gestützt und vermag folglich die Anforderungen von Art. 88 EG i.V. m. der Verfahrensverordnung Nr. 659 / 1999 nicht einzuschränken. Ist der Beihilfentatbestand durch die Zertifikatzuteilung erfüllt, ist neben dem Verfahren gemäß Art. 9 Abs. 3 EHRL somit auch ein separates beihilfenrechtliches Prüfungsverfahren gemäß Art. 88 Abs. 3 EG einzuleiten. Denn weder ist ein Tatbestandsausschluss noch die Genehmigungsfähigkeit einer solchen Beihilfe offensichtlich. Die Entscheidungen der Kommission vom 07. 07. 2004 zeigen, dass die Kommission noch keine abschließende beihilfenrechtliche Einschätzung vorgenommen hat. So wird in ihren Formulierungen deutlich, dass sie weder das Vorliegen einer Beihilfe völlig ausschließen noch die Genehmigungsfähigkeit der Maßnahme abschließend feststellen kann. Da die Genehmigungsfähigkeit voraussetzt, dass die fragliche Maßnahme zur Erreichung eines der in Art. 87 Abs. 3 EG genannten Ziele geeignet und erforderlich ist,216 reicht die Einschätzung der Kommission, dass eine Maßnahme „wohl“ erforderlich ist, für die Offensichtlichkeit ihrer Beihilfenrechtskonformität nicht aus. Fehlt es indes an der Überzeugung der Kommission von der Beihilfenrechtskonformität einer Maßnahme, so hat sie ein Beihilfenprüfverfahren ex officio einzuleiten. Somit bestand sowohl in der ersten als auch der zweiten Handelsperiode grundsätzlich die Pflicht zur Eröffnung eines beihilfenrechtlichen Prüfverfahrens ex officio. Diese Pflicht verletzt die Kommission durch ihre beihilfenrechtliche Untätigkeit bereits seit Übermittlung der mitgliedstaatlichen Zuteilungspläne für die erste Handelsperiode. 9. Beihilfenrechtliche Notifizierungspflicht Beihilfenmaßnahmen sind vor ihrer Einführung grundsätzlich der Kommission gemäß Art. 88 Abs. 3 EG i.V. m. der Verfahrensverordnung Nr. 659 / 1999 förmlich 214 So auch EuG, Beschluss v. 30. 04. 2007, Rs. T-387 / 04, EnBW Energie Baden-Württemberg / Kommission, Slg. 2007, II-1195 (Rn. 100). 215 Vgl. hierzu EuGH, Urteil v. 11. 11. 1981, Rs. 60 / 81, IBM / Kommission, Slg. 1981, 2639 (Rn. 9); EuG, Urteil v. 24. 03. 1994, Rs. T-3 / 93, Air France / Kommission, Slg. 1994, II-121 (Rn. 43, 51). 216 Vgl. bereits Koenig / Braun / Pfromm, ZWeR 2003, 152 (182 f.).

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zu notifizieren. Die Anmeldepflicht umfasst nach herrschender Meinung nur solche Maßnahmen, die alle Tatbestandsmerkmale des Art. 87 Abs. 1 EG erfüllen. Bestehen Zweifel, ob eine Maßnahme tatsächlich unter Art. 87 Abs. 1 EG fällt, ist die Notifizierung zwar aus Gründen der Rechtssicherheit und wegen der Rückforderungsgefahr im Falle einer Fehleinschätzung zu empfehlen, indes ist sie nicht zwingend.217 Sowohl die Äußerungen der Kommission im Gesetzgebungsverfahren zur Richtlinie 2003 / 87 / EG als auch ihre Äußerungen im Rahmen der Prüfverfahren gemäß Art. 9 Abs. 3 EHRL zur ersten und zweiten Handelsperiode deuten jedoch – für die Mitgliedstaaten erkennbar und über einen bloßen Verdacht hinausgehend – auf das Vorliegen einer Beihilfenmaßnahme i. S. v. Art. 87 Abs. 1 EG hin.218 Da die Zulässigkeit von Beihilfenmaßnahmen eine Genehmigung durch die Kommission voraussetzt – anders als etwa die kartellrechtliche Bewertung im Rahmen von Art. 81 Abs. 3 EG i.V. m. Verordnung Nr. 1 / 2003219 –, ist die Frage der potentiellen Genehmigungsfähigkeit einer Beihilfenmaßnahme im Hinblick auf die Notifizierungspflicht irrelevant. Die nationalen Zuteilungspläne sind daher grundsätzlich zu notifizieren. Ist ein solches Beihilfenprüfverfahren der Kommission – wie vorliegend bezüglich der entgeltfreien Zertifikatzuteilung durch die Mitgliedstaaten – noch nicht eingeleitet und ist die Beihilfenmaßnahme – wie vorliegend – auch noch nicht notifiziert worden, besteht für die Mitgliedsstaaten daher grundsätzlich die Pflicht zur förmlichen Notifizierung. Eine Befreiung von der beihilfenrechtlichen Notifizierungspflicht könnte jedoch in Betracht kommen, wenn diese durch die Richtlinie 2003 / 87 / EG oder in sonstiger Weise beseitigt worden ist oder der Ausschluss des Beihilfentatbestands offensichtlich wäre. a) Keine Befreiung durch die Richtlinie 2003 / 87 / EG Grundsätzlich können die primärrechtlichen Beihilfenregelungen zwar durch Sekundärrecht eingeschränkt werden.220 Voraussetzung hierfür – und entsprechende allgemeine Praxis des Rates – ist jedoch, dass der entsprechende Sekundärrechtsakt in solchen Fällen (zumindest auch) auf Artt. 88 Abs. 2, 87 Abs. 3 lit. e), 89 EG gestützt wird. Dies ist im Falle der Richtlinie 2003 / 87 / EG, deren Rechtsgrundlage allein Art. 175 Abs. 1 EG ist,221 indes nicht der Fall. Damit haben der 217 Vgl. hierzu von Wallenberg, in: Grabitz / Hilf, Recht der EU, Art. 88 Rn. 12; Mederer, in: Schröter / Jakob / Mederer, EG-Wettbewerbsrecht, Art. 88 Rn. 10; Bär-Bouyssière, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 88 Rn. 3; Sinnaeve, in: Heidenhain, Beihilfenrecht, § 33 Rn. 2; Koenig / Kühling / Ritter, Beihilfenrecht, Rn. 373 (dort Fn. 29). 218 Vgl. hierzu oben unter B. II. 1.-6. 219 Verordnung (EG) Nr. 1 / 2003 des Rates v. 16. 12. 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln, ABl.EG 2003 L 1 / 1. 220 Vgl. ausführlich zum innergemeinschaftlichen Geltungsvorrang des Primärrechts vor dem Sekundärrecht sowie der Einschränkung des Beihilfenrechtsregimes durch einen Sekundärrechtsakt unten unter C. I. 1.

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B. Kommissionslogik bei der Bewertung der Zertifikatzuteilung

Rat und das Europäische Parlament zu erkennen gegeben, dass eine Ausnahme vom allgemeinen Beihilfenverbot nicht beabsichtigt war, zumal die Beihilfenrechtsproblematik einer entgeltfreien Zertifikatzuteilung im Vorfeld der Richtlinienverabschiedung bereits bekannt war und sich explizite Bezugnahmen auf die primärrechtlichen Beihilfenvorschriften sowohl in den Artt. 9 ff. EHRL als auch in Anhang III EHRL finden. Die Richtlinie 2003 / 87 / EG stellt somit keine lex specialis zum primärrechtlichen Beihilfenregime dar, durch welche die Regelungen der Richtlinie – einschließlich der Vorgabe einer jedenfalls weitgehend entgeltfreien Zertifikatzuteilung in Art. 10 EHRL – von dessen grundsätzlicher Geltung und dessen Anforderungen ausgenommen werden. Auch das Europäische Gericht erster Instanz erkennt an, dass die Richtlinie 2003 / 87 / EG, insbesondere Kriterium 5 Anhang III EHRL, selbst von der Möglichkeit eines Konflikts zwischen den Bestimmungen eines nationalen Zuteilungsplans und dem Beihilfenrecht ausgeht und der Kommission deshalb vorschreibt, dies im Rahmen des Prüfverfahrens nach Art. 9 Abs. 3 EHRL zu berücksichtigen.222 In diesem Sinn hat das Gericht entschieden, dass weder die Richtlinie 2003 / 87 / EG, die nur auf Art. 175 EG und nicht auf Art. 89 EG gestützt ist, noch in diesem Zusammenhang erlassene, rechtlich nicht bindende Maßnahmen den Geltungsbereich und die praktische Wirksamkeit der Vorschriften über die Kontrolle staatlicher Beihilfen wirksam einschränken können.223 In Ermangelung einer einschlägigen Rechtsgrundlage könne die Richtlinie 2003 / 87 / EG keine lex specialis darstellen, die im Rahmen des Prüfverfahrens nach Art. 9 Abs. 3 EHRL die Kontrolle staatlicher Beihilfen erlaube; ebenso wenig könne die Richtlinie, sofern eine Anmeldung bestimmter Regeln der nationalen Zuteilungspläne nach Beihilfenrecht erforderlich sei, eine Abweichung vom Durchführungsverbot des Art. 88 Abs. 3 Satz 3 EG erlauben.224 Dieser Bewertung stehe auch nicht entgegen, dass nach Kriterium 5 Anhang III EHRL die Artt. 87, 88 EG auch bei der Umsetzung der nationalen Zuteilungspläne zu beachten seien, da dieses Kriterium Ausdruck des gefestigten Grundsatzes des Gemeinschaftsrechts sei, wonach Maßnahmen des abgeleiteten Rechts so durchzuführen sind, dass sie weder die Vertragsbestimmungen noch sonstige Bestimmungen des Primärrechts wie die allgemeinen Rechts221 Präambel der Richtlinie 2003 / 87 / EG. Wegen des starken Binnenmarktbezugs des Emissionshandels, der einen neuen Markt schafft, stellt sich die Frage, ob die Richtlinie nicht zumindest auch auf Art. 95 EG hätte gestützt werden müssen, vgl. EuGH, Urteil v. 11. 06. 1991, Rs. C-300 / 89, Titandioxid, Slg. 1991, I-2867 (Rn. 10); Schweer / Ludwig, RdE 2004, 153 (162). 222 EuG, Beschluss v. 30. 04. 2007, Rs. T-387 / 04, EnBW Energie Baden-Württemberg / Kommission, Slg. 2007, II-1195 (Rn. 132). 223 EuG, Beschluss v. 30. 04. 2007, Rs. T-387 / 04, EnBW Energie Baden-Württemberg / Kommission, Slg. 2007, II-1195 (Rn. 134); EuGH, Urteil v. 12. 11. 1992, verb. Rs. C-134 / 91 u. a., Kerafina und Vioktimatiki, Slg. 1992, I-5699 (Rn. 20); EuG, Urteil v. 27. 09. 2000, Rs. T-184 / 97, BP Chemicals / Kommission, Slg. 2000, II-3145 (Rn. 55). 224 EuG, Beschluss v. 30. 04. 2007, Rs. T-387 / 04, EnBW Energie Baden-Württemberg / Kommission, Slg. 2007, II-1195 (Rn. 134).

II. Kommissionsbewertung im gemeinschaftsweiten Handelssystem

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grundsätze oder die Grundrechte verletzen. Diese allgemeine Verpflichtung zur Beachtung des Gemeinschaftsrechts zwinge die Kommission daher, im Rahmen der Anwendung der Richtlinie 2003 / 87 / EG jedenfalls eine prima facie-Beurteilung der beihilfenrechtlichen Zulässigkeit vorzunehmen.225 Eine Befreiung von den Anforderungen des primärrechtlichen Beihilfenregimes durch die Richtlinie 2003 / 87 / EG scheidet somit aus. b) Keine Befreiung wegen Kapitel F des Gemeinschaftsrahmens für staatliche Umweltschutzbeihilfen Teilweise wird vertreten, dass eine beihilfenrechtliche Notifizierung der nationalen Zuteilungspläne wegen der Regelung in Kapitel F des Gemeinschaftsrahmens für staatliche Umweltschutzbeihilfen nicht erforderlich sei.226 Diese Auffassung verkennt indes, dass Kapitel F des Gemeinschaftsrahmens für staatliche Umweltschutzbeihilfen gerade keine einschlägigen Vorgaben enthält. Zudem sieht der Gemeinschaftsrahmen gemäß Ziffer 79 ausdrücklich keine Einschränkung der Verpflichtung der Mitgliedstaaten vor, Beihilfenmaßnahmen der Kommission im Verfahren gemäß Art. 88 Abs. 3 EG zu notifizieren. Der Gemeinschaftsrahmen enthält insofern nur diejenigen Erwägungen und Parameter, die von der Kommission im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung gemäß Art. 87 Abs. 3 EG zugrunde gelegt werden.227 Eine Befreiung von der Notifizierungspflicht aus diesem Grunde scheidet daher ebenfalls aus. c) Keine Befreiung durch das Schreiben der Kommission vom 17. 03. 2004 Die Notifizierungspflicht entfällt auch nicht wegen eines Verzichts seitens der Kommission. Wohl vor dem Hintergrund eines unsicheren eigenen Standpunkts in der beihilfenrechtlichen Bewertung der mitgliedstaatlichen Zertifikatzuteilung kündigte die Kommission in einem gemeinsamen Schreiben der Generaldirektionen Umwelt und Wettbewerb im März 2004 zwar die gründliche beihilfenrechtliche Prüfung der Zuteilungspläne an, verlangte indes keine förmliche Notifizierung gemäß Art. 88 Abs. 3 EG: „The Commission will not request formal notification of the National Allocation Plans under Article 88(3) of the EC Treaty for the period from 2005 until 2007. However, in view of the potentially serious distortions of competition, the Commission will carefully examine the National Allocation Plans once Member States notify them to the Commis225 EuG, Beschluss v. 30. 04. 2007, Rs. T-387 / 04, EnBW Energie Baden-Württemberg / Kommission, Slg. 2007, II-1195 (Rn. 135). 226 Döring / Ewringmann, ZfU 2004, 27 (37 f.). 227 Siehe auch Kommission, Gemeinschaftsrahmen für staatliche Umweltschutzbeihilfen, ABl.EG 2001 C 37 / 3, Ziff. 80.

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B. Kommissionslogik bei der Bewertung der Zertifikatzuteilung sion under the emission trading Directive. [ . . . ] If the Commission sees the serious risk of such distortion, it will not hesitate to take action insofar and to the furthest possible extent that state aid rules allow.“228

Hierin liegt indes keine zulässige Befreiung von dem beihilfenrechtlichen Notifizierungsverfahren. Denn die Kommission wird durch die Richtlinie 2003 / 87 / EG nicht ermächtigt, den Geltungsbereich und die praktische Wirksamkeit des Beihilfenprüfverfahrens einzuschränken229 oder auf Verfahrensschritte des beihilfenrechtlichen Prüfverfahrens in Art. 88 EG i.V. m. der Verfahrensverordnung Nr. 659 / 1999 zu verzichten. Das Schreiben der Kommission vom 17. 03. 2004 stellt somit eine rechtlich nicht bindende Äußerung dar, die an der grundsätzlichen Verpflichtung der Mitgliedstaaten, jede beabsichtigte Einführung von Beihilfen gemäß Art. 88 Abs. 3 Satz 1 EG zu notifizieren, nicht zu ändern vermag.230 d) Keine Befreiung wegen Offensichtlichkeit Schließlich kann – wie bereits dargelegt231 – der Beihilfencharakter der Maßnahme auch nicht offensichtlich ausgeschlossen werden,232 da selbst die Kommission das Vorliegen einer Beihilfe keineswegs als offensichtlich verneint. e) Zwischenergebnis Die Mitgliedstaaten sind grundsätzlich zur Notifizierung von Beihilfenmaßnahmen gemäß Art. 88 Abs. 3 EG i.V. m. der Verfahrensverordnung Nr. 659 / 1999 verpflichtet. Eine Befreiung von dieser beihilfenrechtlichen Notifizierungspflicht kommt vorliegend weder auf Grundlage der Richtlinie 2003 / 87 / EG oder des Gemeinschaftsrahmens für staatliche Umweltschutzbeihilfen noch wegen eines Notifizierungsverzichts seitens der Kommission oder wegen Offensichtlichkeit des Nichtvorliegens einer Beihilfe in Betracht. III. Ergebnisse Die bisherigen Äußerungen der Kommission zur beihilfenrechtlichen Bewertung der Zertifikatzuteilung in Handelssystemen für Emissionszertifikate sind nicht ein228 Kommission, Schreiben der Generaldirektionen Umwelt und Wettbewerb v. 17. 03. 2004 an den dänischen Vertreter bei der EU, HNV C2PV / amh / D(2004)420149, S. 3. 229 EuG, Beschluss v. 30. 04. 2007, Rs. T-387 / 04, EnBW Energie Baden-Württemberg / Kommission, Slg. 2007, II-1195 (Rn. 134); siehe auch entsprechend EuGH, Urteil v. 12. 11. 1992, verb. Rs. C-134 / 91 u. a., Kerafina und Vioktimatiki, Slg. 1992, I-5699 (Rn. 20); EuG, Urteil v. 27. 09. 2000, Rs. T-184 / 97, BP Chemicals / Kommission, Slg. 2000, II-3145 (Rn. 55). 230 Siehe hierzu auch Lorenz, EStAL 2004, 399 (404). 231 Hierzu oben unter B. II. 7. 232 Zur Befreiung von der Notifizierungspflicht m.w. N. Koenig / Kühling / Ritter, EG-Beihilfenrecht, Rn. 373.

III. Ergebnisse

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heitlich. Anders als bei der beihilfenrechtlichen Bewertung der rein mitgliedstaatlichen Handelssysteme schwankt die Kommission bei ihrer beihilfenrechtlichen Bewertung einer entgeltfreien Zertifikatzuteilung durch die Mitgliedstaaten im Rahmen des gemeinschaftsweiten Handelssystems. Im Rahmen der Untersuchung der Kommissionsäußerungen konnten Eckpunkte der Kommissionslogik jedoch identifiziert und herausgearbeitet werden. Auf der Grundlage der Beihilfenentscheidungen zu den nationalen Handelssystemen und der Äußerungen der Kommission im Gesetzgebungsverfahren zur Richtlinie 2003 / 87 / EG sowie im Vorfeld der Erstellung und bei der Bewertung der mitgliedstaatlichen Zuteilungspläne der ersten und zweiten Handelsperiode stellt sich die Kommissionslogik bei der beihilfenrechtlichen Bewertung der Zertifikatzuteilung in Handelssystemen für Emissionszertifikate zusammengefasst wie folgt dar: Der entgeltfreien Zuteilung handelbarer Zertifikate kommt nach Ansicht der Kommission grundsätzlich ein Begünstigungscharakter zu, wobei gerade der neu entstehende Markt ein Indiz für den Wert der entgeltfrei vergebenen Zertifikate ist. Dass dem Verkauf der zugeteilten Zertifikate durch ein Unternehmen unter Umständen kostenintensive Maßnahmen zur Reduktion der eigenen Emissionen vorausgehen werden, steht der Bewertung als Begünstigung nicht entgegen. Dies folgt bereits aus der Erwägung, dass ein Verkauf der Zertifikate nur dann betriebswirtschaftlich sinnvoll ist, wenn die Kosten für die Emissionsreduktion geringer sind als der Gewinn aus dem Zertifikatverkauf. Die Begünstigung erfolgt bei der entgeltfreien Zertifikatzuteilung nach Auffassung der Kommission dann aus staatlichen Mitteln, wenn die Zertifikate für den Empfänger in dessen Verhältnis zum Staat einen Wert (etwa ein direktes Emissionsrecht) darstellen und folglich vom Staat auch entgeltlich abgeben werden können, so dass dem Staat durch die entgeltfreie Zuteilung potenzielle Einkünfte entgehen. Da nach Auffassung der Kommission bestimmten Unternehmen ein selektiver Vorteil verschafft wird, der auch Wettbewerbsverzerrungen und eine Beeinträchtigung des innergemeinschaftlichen Handels zur Folge haben kann, sind nach der Kommissionslogik auch diese Tatbestandsmerkmale des Art. 87 Abs. 1 EG erfüllt. Differenzierend – rechtsdogmatisch jedoch höchst unklar – betrachtet die Kommission die staatliche Zurechenbarkeit einer solchen Begünstigung. So ist die Beihilfenmaßnahme nach Auffassung der Kommission dem Staat zuzurechnen (und damit stets eine Beihilfe), wenn dieser mehr als 95% bzw. 90% der Zertifikate entgeltfrei abgibt. Eine nicht dem Mitgliedstaat zurechenbare Begünstigung sieht sie demgegenüber in der gemäß Art. 10 EHRL zwingend entgeltfreien Zuteilung von 95% bzw. 90 % der Zertifikate. Während die Kommission das Beihilfenrecht der Artt. 87 f. EG grundsätzlich anzuwenden scheint, entzieht sie die gemäß der sekundärrechtlichen – nicht auf Artt. 88 Abs. 2, 87 Abs. 3 lit. e) oder 89 EG gestützten – Vorschrift des Art. 10 EHRL entgeltfrei zuzuteilende Zertifikatmenge dem primärrechtlichen Beihilfenregime der Artt. 87 f. EG. Hinsichtlich der Genehmigungsfähigkeit einer entgeltfreien Zertifikatzuteilung stellt die Kommission bei der Bewertung des gemeinschaftsweiten Handelssystems

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B. Kommissionslogik bei der Bewertung der Zertifikatzuteilung

auf die in den Kriterien 1 und 2 Anhang III EHRL zum Ausdruck kommenden, der Emissionshandelsrichtlinie übergeordneten Umweltziele ab und betrachtet die entgeltfreie Zuteilung (von mehr als 95 % bzw. 90 %) der Zertifikate als zur Erreichung dieser Umweltziele „wohl erforderlich“. Dabei geht die Kommission davon aus, dass einem Verkauf der Zertifikate Emissionsreduktionen seitens der verkaufenden Unternehmen vorausgehen, die als hinreichende ökologische Gegenleistung im Sinne des Gemeinschaftsrahmens für staatliche Umweltschutzbeihilfen betrachtet werden können. Während die Kommission in ihrem Richtlinienvorschlag vom 23. 10. 2001 noch ausdrücklich den Ausnahmecharakter einer entgeltfreien Zertifikatzuteilung in der Anfangsphase betonte, griff sie diesen Hinweis im weiteren Gesetzgebungs- und Genehmigungsverfahren nicht mehr auf. Eine abschließende beihilfenrechtliche Bewertung hat die Kommission indes bislang noch nicht vorgenommen. Die beihilfenrechtlichen Äußerungen der Kommission in ihren Entscheidungen gemäß Art. 9 Abs. 3 EHRL genügen den beihilfenverfahrensrechtlichen Anforderungen des Art. 88 EG in Verbindung mit der Verfahrensverordnung Nr. 659 / 1999 nicht, so dass bislang keine – weder positive noch negative – beihilfenrechtliche Entscheidung der Kommission vorliegt.

C. Beihilfenrechtliche Bewertung einer entgeltfreien Zertifikatzuteilung durch die Mitgliedstaaten Wie im vorangegangenen Kapitel gezeigt, ist die beihilfenrechtliche Bewertung einer entgeltfreien Zertifikatzuteilung im gemeinschaftsweiten Handelssystem bislang nicht geklärt. Die entsprechenden Regelungen in der Richtlinie 2003 / 87 / EG sind beihilfenrechtlich und rechtsdogmatisch höchst unklar. Auch sind die mitgliedstaatlichen Zuteilungspläne beihilfenrechtlich nicht von der Kommission genehmigt worden. Vielmehr schwankte die Kommission in ihren Bewertungen und umging eine klare beihilfenrechtliche Festlegung. In dem folgenden Abschnitt ist daher zu untersuchen, inwieweit eine entgeltfreie Zertifikatzuteilung durch die Mitgliedstaaten den Beihilfentatbestand des Art. 87 EG erfüllt. Die nachfolgende Prüfung legt dabei zugrunde, dass ein Mitgliedstaat die Vorgabe des Art. 10 EHRL dergestalt umsetzt, dass er mindestens 90% der Zertifikate in der zweiten Handelsperiode entgeltfrei zuteilt.233 Derartige mitgliedstaatliche Zuteilungen sind am Maßstab der Artt. 87 ff. EG zu prüfen. Das Beihilfenregime des EG-Vertrags ist als präventives Verbot mit Genehmigungsvorbehalt234 ausgestaltet. Beihilfenmaßnahmen sind gemäß Art. 87 Abs. 1 233 So lautet etwa in Deutschland der geplante § 16 S. 1 ZutG 2012: „Von der zuständigen Behörde nach den §§ 6 – 9 zugeteilte Berechtigungen sind kostenlos.“ Gemäß §§ 19 – 21 ZutG 2012 werden 40 Mio. Berechtigungen, dies entspricht unter 10 % der Gesamtzertifikatemenge, über die Handelsplätze für Zertifikate bzw. ab dem Jahre 2010 im Rahmen einer Versteigerung entgeltlich abgegeben. Soweit auf nationale Normen oder die Praxis in einem Mitgliedstaat Bezug zu nehmen ist, wird im Folgenden Deutschland als Beispiel herangezogen. 234 Koenig / Kühling / Ritter, Beihilfenrecht, Rn. 3. Mederer, in: von der Groeben / Schwarze, EU-Kommentar, Art. 87 Rn. 2, spricht bei Neubeihilfen demgegenüber von „Verbot mit Erlaubnisvorbehalt“. Diese Terminologie erinnert an die im deutschen Verwaltungsrecht verwendeten Begriffe des „präventiven Verbots mit Erlaubnisvorbehalt“ und des „repressiven Verbots mit Befreiungsvorbehalt“. Während ersterer für grundsätzlich erlaubte Tätigkeiten verwendet wird, die nur zwecks präventiver ordnungsbehördlicher Überprüfung einem Genehmigungserfordernis unterliegen (wie etwa eine Baugenehmigung nach den Landesbauordnungen), bezeichnet der zweite Begriff diejenigen Tätigkeiten, die grundsätzlich untersagt sind und nur ausnahmsweise erlaubt sein sollen (so etwa das Verbot von Autorennen auf öffentlichen Straßen gemäß § 29 Abs. 1 StVO mit der Dispensmöglichkeit gemäß § 46 Abs. 2 StVO). Zum Ganzen ausführlich Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 9 Rn. 51 ff. m.w. N. Der hier verwendete Begriff greift dieses Regel-Ausnahme-Verhältnis nicht auf: Ob eine Tätigkeit grundsätzlich erlaubt oder verboten ist, bestimmt sich allein durch Auslegung der zugrundeliegenden Normen. Beihilfen sind nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Art. 87 Abs. 1 EG grundsätzlich verboten, so dass nach der deutschen Verwaltungsrechtsterminologie ein repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt vorliegt.

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C. Beihilfenrechtliche Bewertung entgeltfreier Zertifikatzuteilung

EG grundsätzlich verboten. Die Kommission kann jedoch, sofern nicht bereits Legalausnahmen im Sinne von Art. 87 Abs. 2 EG vorliegen, bestimmte Beihilfenmaßnahmen gemäß Art. 87 Abs. 3 EG als ausnahmsweise mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar genehmigen. Im Folgenden ist daher zu untersuchen, ob eine entgeltfreie Zertifikatzuteilung durch die Mitgliedstaaten den Beihilfentatbestand des Art. 87 Abs. 1 EG erfüllt (unter I.) und ob, im Falle der Bejahung des Beihilfentatbestands, diese Beihilfenmaßnahme mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar oder genehmigungsfähig ist (unter II.). I. Vorliegen einer Beihilfe Art. 87 Abs. 1 EG erklärt staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen. Da die Vorschrift Entscheidungen betrifft, mit denen Mitgliedstaaten ihre eigenen wirtschafts- und sozialpolitischen Ziele verfolgen, indem sie bestimmten Unternehmen einseitig aus eigenem Recht Mittel zur Verfügung stellen oder Vorteile einräumen, die der Verwirklichung der nationalen wirtschafts- und sozialpolitischen Ziele dienen sollen,235 muss eine Begünstigung, um als Beihilfenmaßnahme im Sinne des Art. 87 Abs. 1 EG eingestuft werden zu können, überhaupt einem Mitgliedstaat zuzurechnen sein.236 Die Voraussetzung der mitgliedstaatlichen Zurechenbarkeit unterscheidet sich damit von dem Tatbestandsmerkmal der Gewährung aus staatlichen Mitteln; beide Voraussetzungen müssen kumulativ gegeben sein.237 Zunächst ist daher zu untersuchen, ob die entgeltfreie Zertifikatzuteilung durch die Mitgliedstaaten überhaupt dem Beihilfenbegriff des Art. 87 Abs. 1 EG unterfällt, oder ob diese – als mitgliedstaatliche Umsetzung der Vorgabe des Art. 10 EHRL – einen den Mitgliedstaaten nicht zurechenbaren Rechtsakt der Gemeinschaft darstellt (unter 1.). Sofern die mitgliedstaatliche Zurechenbarkeit zu bejahen ist, sind im Anschluss daran die weiteren Tatbestandsmerkmale der Begünstigung (unter 2.), der Staatlichkeit der Mittel (unter 3.), der Selektivität (unter 4.), der Wettbewerbsverfälschung (unter 5.) sowie schließlich der Handelsbeeinträchtigung (unter 6.) zu prüfen. 235 EuGH, Urteil v. 27. 03. 1980, Rs. 61 / 79, Amministrazione delle finanze dello Stato / Denkavit italiana Srl, Slg. 1980, 1205 (Rn. 31). 236 EuGH, Urteil v. 16. 05. 2002, Rs. C-482 / 99, Frankreich / Kommission, Slg. 2002, I-4397 (Rn. 24 m.w. N.). Hierzu vertiefend sogleich im Fließtext. 237 EuGH, Urteil v. 16. 05. 2002, Rs. C-482 / 99, Frankreich / Kommission, Slg. 2002, I-4397 (Rn. 24); EuG, Urteil v. 05. 04. 2006, Rs. T-351 / 02, Deutsche Bahn AG / Kommission, Slg. 2006, II-1047. Anders Schütte, in: Sánchez-Rydelski, EC State Aid Regime, S. 23 (47), der die Zurechenbarkeit im Rahmen des Tatbestandsmerkmals „staatlich oder aus staatlichen Mitteln“ prüft.

I. Vorliegen einer Beihilfe

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1. Dem Mitgliedstaat zuzurechnende Maßnahme Art. 87 Abs. 1 EG verlangt grundsätzlich das Vorliegen einer mitgliedstaatlichen Maßnahme, da Art. 87 EG von den Mitgliedstaaten ausgehende Verfälschungen des innergemeinschaftlichen Wettbewerbs verhindern soll. Die entgeltfreie Zuteilung der Emissionszertifikate könnte daher einer Beihilfenprüfung nach Art. 87 Abs. 1 EG dann nicht zugänglich sein, wenn sie keine mitgliedstaatliche Maßnahme darstellt. a) Bloße Umsetzung einer gemeinschaftsrechtlichen Vorgabe Bedenken gegen eine mitgliedstaatliche Zurechenbarkeit der entgeltfreien Zertifikatzuteilung könnten zunächst bestehen, da die entgeltfreie Zuteilung von 95 % bzw. 90% der Zertifikate den Mitgliedstaaten durch Art. 10 EHRL klar, genau und unbedingt vorgeschrieben wird und daher als gemeinschaftsrechtlich veranlasst und dem Regime der Artt. 87, 88 EG entzogen betrachtet werden könnte. Da die entgeltfreie Zuteilung gemeinschaftsrechtlich vorgegeben wird und eine grundsätzliche Pflicht der Mitgliedstaaten zur Richtlinienumsetzung besteht, könnte es an einer mitgliedstaatlichen Veranlassung und Zurechenbarkeit gerade fehlen.238 In diesem Sinne hat das Europäische Gericht erster Instanz entschieden, dass mit der mitgliedstaatlichen Umsetzung der von Art. 8 Abs. 1 lit. b) der Richtlinie 92 / 81 / EWG239 vorgegebenen Befreiung von Kerosin für die gewerbliche Luftfahrt von der Verbrauchssteuer die Mitgliedstaaten eine klare und genaue Gemeinschaftsbestimmung ausführen und dabei lediglich entsprechend ihren Verpflichtungen aus dem EG-Vertrag nachkommen.240 Die deutsche Regelung des § 4 Abs. 1 Nr. 3 lit. a) MinöStG, durch welche die klare und genaue Verpflichtung der Richtlinienbestimmung des Art. 8 Abs. 1 lit. b) der Richtlinie 92 / 81 / EWG – nämlich Kraftstoff, der für die gewerbliche Luftfahrt verwendet wird, nicht der harmonisierten Verbrauchssteuer zu unterwerfen – umgesetzt werde, sei daher nicht dem Mit238 Ehricke, Kurzgutachten Emissionszertifikatehandel, S. 13; Leidinger, in: Elspas / Salje / Stewing, Praxishandbuch, Kap. 48 Rn. 75. Für den Bereich prozessbedingter Emissionen ebenfalls auf die sich aus der Richtlinie 2003 / 87 / EG ergebene Rechtspflicht abstellend Reuter / Kindereit, DVBl. 2004, 537 (539), sowie Brattig, Emissionszertifikate, S. 339, mit Verweis auf die Zielsetzung der Richtlinie. Ähnlich auch Merola / Crichlow, World Competition 2004, 25 (35, 40). Weishaar, Emissions Trading System and State Aid, S. 17, sieht den Beihilfentatbestand aufgrund der Richtlinienvorgabe bezüglich 95% der Zertifikate als nicht erfüllt an, bejaht ihn jedoch bezüglich der 5% der Zertifikate, die trotz Versteigerungsmöglichkeit entgeltfrei abgegeben werden; ebenso Martini, Verteilungslenkung, S. 789. 239 Richtlinie 92 / 81 / EWG des Rates v. 19. 10. 1992 zur Harmonisierung der Struktur der Verbrauchssteuern auf Mineralöle, ABl.EG 1992 L 316 / 12. Die Richtlinie wurde durch die Richtlinie 2003 / 96 / EG des Rates v. 27. 10. 2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom, ABl.EG 2003 L 283 / 51, mit Wirkung ab 31. 12. 2003 aufgehoben. 240 EuG, Urteil v. 05. 04. 2006, Rs. T-351 / 02, Deutsche Bahn AG / Kommission, Slg. 2006, II-1047 (Rn. 102).

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C. Beihilfenrechtliche Bewertung entgeltfreier Zertifikatzuteilung

gliedstaat zuzurechnen, sondern auf einen Rechtsakt des Gemeinschaftsgesetzgebers zurückzuführen.241 Diese Auffassung vermag im Hinblick auf die Umsetzung von Art. 10 EHRL durch die Mitgliedstaaten jedoch nicht zu überzeugen: (1) Richtlinienumsetzung grundsätzlich durch die Mitgliedstaaten Zur Aufteilung der Aufgaben und Zuständigkeiten zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten bei der Umsetzung einer Richtlinie im Bereich Umwelt bestimmt Art. 249 Abs. 3 EG: „Die Richtlinie ist für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet wird, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich, überlässt jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel.“ Richtlinien sind folglich zwar für die Mitgliedstaaten zwingende Normen, dienen jedoch – anders als Verordnungen – lediglich der Rechtsangleichung und sind gemäß Art. 249 EG nur hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich.242 Hierzu hat der Gerichtshof festgestellt, dass einerseits die Handlungsfreiheit der Mitgliedstaaten bei der Wahl der für die Erreichung dieses Ziels geeigneten Formen und Mittel grundsätzlich unbeschränkt bleibt, sofern in einer Richtlinie die Form und die Mittel für die Erreichung eines bestimmten Ziels nicht vorgegeben sind, und andererseits die Mitgliedstaaten im Rahmen der ihnen durch Art. 249 Abs. 3 EG zuerkannten Freiheit zur Wahl derjenigen Formen und Mittel verpflichtet sind, die für die Gewährleistung der praktischen Wirksamkeit der Richtlinien am geeignetsten sind.243 Eine solche Richtlinienvorgabe von Form und Mittel ist indes in der Richtlinie 2003 / 87 / EG sowie der Regelung des Art. 10 EHRL aufgrund deren nicht abschließenden Normcharakters – grundsätzlich mögliche Ausweitung der Zertifikatpflicht durch Mitgliedstaaten, entgeltfreie Zuteilung von „mindestens“ 90% bzw. 95% – nicht zu sehen. Mit der Pflicht der Mitgliedstaaten zur Umsetzung korrespondiert der gemeinschaftsrechtliche Grundsatz, dass sich Verpflichtungen und Rechte für die betroffenen Rechtssubjekte allein aus dem mitgliedstaatlichen Umsetzungsakt ergeben.244 Die Zielvorgabe der Richtlinie wird folglich erst durch einen mitgliedstaatlichen 241 EuG, Urteil v. 05. 04. 2006, Rs. T-351 / 02, Deutsche Bahn AG / Kommission, Slg. 2006, II-1047 (Rn. 102). 242 Rusche, in: Sánchez-Rydelski, EC State Aid Regime, S. 349 (375), sieht bereits hierin ein Argument für die Zurechenbarkeit: „[ . . . ] that a directive has to leave Member States an important degree of discretion with respect to transposing it“ (Hervorhebung durch Verfasser). 243 Vgl. EuGH, Urteil v. 08. 09. 2005, Rs. C-40 / 04, Yonemoto, Slg. 2005, I-7755 (Rn. 58 m.w. N.); EuG, Urteil v. 07. 11. 2007, Rs. T-374 / 04, Deutschland / Kommission, Slg. 2007, II-4431 (Rn. 78). 244 EuG, Urteil v. 27. 06. 2000, verb. Rs. T-172 / 98 u. a., Salamander AG u. a. / Europäisches Parlament und Rat, Slg. 2000, II-2487 (Rn. 65); EuGH, Urteil v. 17. 10. 1991, Rs. C-58 / 89, Kommission / Deutschland, Slg. 1991, I-4983 (Rn. 13).

I. Vorliegen einer Beihilfe

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Umsetzungsakt, dessen Form und Umfang dem mitgliedstaatlichen Gesetzgeber überlassen ist, verbindlich in die nationale Rechtsordnung transferiert.245 Dies gilt auch dann, wenn eine Richtlinie zur unmittelbaren Anwendung geeignete Vorschriften enthält.246 Ausnahmen von dem Prinzip der bloß mittelbaren Wirkung von Richtlinien sind nur ausnahmsweise und unter bestimmten Voraussetzungen im Falle einer unterbliebenen oder fehlerhaften Umsetzung durch einen Mitgliedstaat anerkannt.247 Dabei reicht ein hoher Detailgrad bzw. eine hohe Regelungsintensität zur Verneinung einer mitgliedstaatlichen Umsetzung nicht aus. Ein auf Grundlage einer Richtlinie von der gesetzgebenden Körperschaft eines Mitgliedstaats erlassenes Gesetz ist auch dann als ein (möglicherweise gemeinschaftsrechtswidriger) Rechtsakt des nationalen Gesetzgebers anzusehen, wenn die Richtlinie einen hohen Detailgrad bzw. eine hohe Regelungsintensität aufweist,248 das Gesetz speziell zur Durchführung einer Richtlinie erlassen wurde,249 oder die mitgliedstaatliche Vor245 Streinz, Europarecht, Rn. 433, spricht daher von „gestufter Verbindlichkeit“ als Kennzeichen der Richtlinie im Vergleich zur Verordnung. Vgl. auch BVerfG, Beschluss v. 13. 03. 2007, NVwZ 2007, 937 (938): „[ . . . ] auch zwingende Vorgaben einer Richtlinie, der nach der Rechtsprechung des EuGH keine unmittelbare Wirkung zukommt, müssen nach Art. 249 Abs. 3 EG vom Mitgliedstaat umgesetzt werden“. 246 EuGH, Urteil v. 25. 07. 1991, Rs. C-208 / 90, Theresa Emmot / Minister for Social Welfare and Attorney General, Slg. 1991, I-4269 (Rn. 21); EuGH, Urteil v. 11. 08. 1995 Rs. C-433 / 93, Kommission / Deutschland, Slg. 1995, I-2303 (Rn. 24); Streinz, Europarecht, Rn. 436. 247 Ständige Rspr. seit EuGH, Urteil v. 04. 12. 1974, Rs. 41 / 74, van Duyn, Slg. 1974, 1337 (Rn. 12), aufbauend auf EuGH, Urteil v. 06. 10. 1970, Rs. 9 / 70, Franz Grad / Finanzamt Traunstein (Leberpfennig), Slg. 1970, 825 (Rn. 5 ff.). Die unmittelbare Wirkung einer Richtlinie setzt voraus, dass (1) die Richtlinie hinreichend genau bestimmt und unbedingt ist, dass daraus Rechte abgeleitet werden können; dass (2) die Umsetzungsfrist abgelaufen ist und dass (3) die Umsetzung nicht oder nicht vollständig erfolgte. Die unmittelbare Wirkung beschränkt sich auf eine Wirkung zu Gunsten des Bürgers, dem durch diese subjektive Rechte eingeräumt werden sollen; vgl. hierzu EuGH, Urteil v. 08. 10. 1987, Rs. 80 / 86, Kolpinghuis Nijmegen, Slg. 1987, 3969 (Rn. 8 ff.). Zur unmittelbaren rein objektiven Richtlinienwirkung siehe EuGH, Urteil v. 02. 05. 1996, Rs. C-18 / 94, Barbara Hopkins / National Power, Slg. 1996, I-2281 (Rn. 28 f.). Seit dem Urteil des EuGH v. 19. 11. 1991, verb. Rs. C-6 / 90 u. a., Francovich u. a., Slg. 1991, I-5357, kann die nicht rechtzeitige Umsetzung einer Richtlinie auch Schadenersatzansprüche von Einzelpersonen begründen, die durch diese Verletzung des Gemeinschaftsrechts entstehen. Zu allem auch Haratsch / Koenig / Pechstein, Europarecht, Rn. 339 ff.; Herdegen, Europarecht, Rn. 44 ff.; Streinz, Europarecht, Rn. 444 ff. 248 Hierzu etwa Di Fabio, NJW 1990, 947 (951); Breuer, NVwZ 2004, 520 (521 f.), der auch darauf hinweist, dass die Richtlinie ein unvollkommener und unvollendeter Rechtsakt sei. Vgl. auch die Richtlinie 2000 / 84 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. 01. 2001 zur Regelung der Sommerzeit, ABl.EG 2001 L 31 / 21. 249 Der EuGH spricht insofern von der „Anwendung des nationalen Rechts“, vgl. EuGH, Urteil v. 08. 10. 1987, Rs. 80 / 86, Kolpinghuis Nijmegen, Slg. 1987, 3969 (Rn. 12); EuGH, Urteil v. 12. 10. 1993, Rs. C-37 / 92, José Vancker and André Lesage and SA Baudoux combustibles, Slg. 1993, I-4947 (Rn. 7). Dieser Beurteilung steht auch nicht die Rechtsprechung in Deutschland entgegen, die seit dem „Solange II“-Urteil des Bundesverfassungsgerichts

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C. Beihilfenrechtliche Bewertung entgeltfreier Zertifikatzuteilung

schrift einer Regelung des Sekundärrechts entspricht bzw. diese ohne jegliche mitgliedstaatliche Ermessensausübung umsetzt.250 Für das Vorliegen eines mitgliedstaatlichen Rechtsaktes spricht dabei auch, dass Art. 10 EHRL die entgeltfreie Zuteilung von „mindestens“ 95% bzw. 90% der Zertifikate vorsieht und damit den Mitgliedstaaten einen Ermessensspielraum hinsichtlich der Höhe der entgeltfreien Zuteilung überlässt. So hat das Europäische Gericht erster Instanz im Hinblick auf Art. 10 EHRL und die Kontrollbefugnis der Kommission nach Art. 9 Abs. 3 EHRL ausdrücklich festgestellt, dass der Mitgliedstaat für die Umsetzung dieser Richtlinie über einen gewissen Spielraum verfügt und die Kommission daher zu der Nachprüfung ermächtigt sei, ob die Maßnahmen des Mitgliedstaats mit den Kriterien des Anhang III EHRL und den Bestimmungen des Art. 10 EHRL im Einklang stehen.251 An anderer Stelle weist das Gericht erster Instanz darauf hin, dass der Kommission im Hinblick auf die Überprüfung der nationalen Zuteilungspläne nicht über eine allgemeine Genehmigungsbefugnis, sondern lediglich über inhaltlich und zeitlich eingeschränkte Kontroll- und Ablehnungsrechte – im Hinblick auf die Vereinbarkeit der mitgliedstaatlichen Zuteilungspläne mit den Anhang III-Kriterien und Art. 10 EHRL – verfüge.252 Diesen Feststellungen ist zu entnehmen, dass auch das Gericht erster Instanz von einer mitgliedstaatlichen Umsetzung und Zurechenbarkeit ausgeht, wobei dieser mitgliedstaatliche Umsetzungsakt sodann von der Kommission auf seine Vereinbarkeit mit den Richtlinienvorgaben überprüft wird. Eine Differenzierung der mitgliedstaatlichen Zurechenbarkeit im Verhältnis der durch Art. 10 EHRL vorgegebenen entgeltfreien Zertifikatzuteilung (mindestens 90% bzw. 95%) würde schließlich die mit erheblicher Rechtsunsicherheit verbundene Folgeproblematik aufwerfen, die beihilfeninfizierten Zertifikate und Zertifikatempfänger zu bestimmen. Dabei würde sich zum einen die Frage stellen, welche Zertifikate mitgliedstaatlich zurechenbar und „beihilfeninfiziert“ vergeben und möglicherweise zurückgefordert werden können. Zum anderen ist angesichts des (Urteil v. 22. 10. 1986, BVerfGE 73, 339 – Solange II; hierzu Di Fabio, NJW 1990, 947) nur noch diejenigen Europarecht umsetzenden Rechtsakte anhand deutscher Grundrechte überprüft, für deren Inhalte dem deutschen Gesetzgeber ein substantieller Umsetzungsspielraum verbleibt, vgl. BVerfG, Urteil v. 18. 07. 2005, BVerfGE 113, 273 – Europäischer Haftbefehl; BVerwG, Urteil v. 30. 06. 2005, NVwZ 2005, 1178 – Zulässigkeit des Emissionshandelssystems. Denn der (Über-)Prüfungsmaßstab eines Rechtsaktes – sei er gemeinschaftsrechtlich oder nationalrechtlich determiniert – lässt keinen zwingenden Schluss darauf zu, wem der zu überprüfende Rechtsakt zuzurechnen ist. Soweit ersichtlich stellt die deutsche Rechtsprechung auch gar nicht in Frage, dass die nationalen Rechtsakte vollumfänglich dem deutschen Gesetzgeber zuzurechnen sind. 250 EuGH, Urteil v. 28. 04. 1998, Rs. C-158 / 96, Raymond Kohll / Union des caisses de maladie, Slg. 1998, I-1931 (Rn. 25). 251 EuG, Urteil v. 07. 11. 2007, Rs. T-374 / 04, Deutschland / Kommission, Slg. 2007, II-4431 (Rn. 80). 252 EuG, Beschluss v. 30. 04. 2007, Rs. T-387 / 04, EnBW Energie Baden-Württemberg AG / Kommission, Slg. 2007, II-1195 (Rn. 104 f.).

I. Vorliegen einer Beihilfe

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Wortlauts „mindestens“ ebenfalls unklar, in welchem Umfang die entgeltfreie Zuteilung nicht den Mitgliedstaaten zurechenbar sein soll. Doch selbst wenn – entgegen dem Wortlaut des Art. 10 EHRL – ein solches Ermessen hinsichtlich der 95% bzw. 90 % der Zertifikate zu verneinen wäre, stünde dies der staatlichen Zurechenbarkeit des Umsetzungsaktes nicht entgegen. Denn nach der gefestigten Rechtsprechung des Gerichtshofs hat auch das Nichtbestehen eines Ermessensspielraums keinen Einfluss auf die Einordnung eines mitgliedstaatlichen Umsetzungsakts als nationalen Rechtakt.253 Kommt dem Mitgliedstaat bei der nationalen Umsetzung einer Richtlinienvorgabe kein Ermessen zu, ist die mitgliedstaatliche Umsetzung gleichwohl ein dem jeweiligen Mitgliedstaat zurechenbarer Rechtsakt. Die Umsetzung der Richtlinienvorgabe in Art. 10 EHRL stellt folglich nach allgemeinen europarechtlichen Grundsätzen – und unabhängig von der Annahme eines Umsetzungsermessens des nationalen Gesetzgebers – einen mitgliedstaatlichen Rechtsakt dar, der diesem auch zurechenbar ist.254 (2) Keine Übertragbarkeit der „Deutsche Bahn“-Rechtsprechung Dem stehen weder das Urteil in der Rechtssache „Deutsche Bahn AG / Kommission“255 noch das ebenfalls zur Verbrauchssteuerbefreiung von Kerosin ergangene Urteil in der Rechtssache „Braathens Sverige“256 entgegen. Denn zum einen enthält das Urteil „Braathens Sverige“ gar keine Aussage zu der hier in Frage stehenden Zurechenbarkeitskonstellation. Zum anderen ist der diesen beiden Urteilen zugrunde liegende gemeinsame Sachverhalt nicht mit der Zertifikatzuteilung im Rahmen des gemeinschaftsweiten Emissionshandelssystems vergleichbar. (a) Keine Aussagen zur Zurechenbarkeitsfrage in „Braathens Sverige“ Dem Urteil in der Rechtssache „Braathens Sverige“ lag die Vorlagefrage zugrunde, ob Art. 8 Abs. 1 lit. b) der Richtlinie 92 / 81 / EWG unmittelbare Wirkung zukomme. Der Gerichtshof entschied, dass die Richtlinienbestimmung so klar, genau und unbedingt sei, dass sie dem Einzelnen das Recht verleihe, sich vor den 253 EuGH, Urteil v. 14. 07. 1994, Rs. C-91 / 92, Faccini Dori, Slg. 1994, I-3325 (Rn. 26); EuGH, Urteil v. 13. 11. 1990, Rs. C-106 / 89, Marleasing SA / Comercial Internacional de Alimentacion SA, Slg. 1990, I-4135 (Rn. 8); EuGH, Urteil v. 16. 12. 1993, Rs. C-334 / 92, Wagner Miret, Slg. 1993, I-6911 (Rn. 20). 254 So im Ergebnis auch Jungnickel / Dulce, NVwZ 2009, 623 (624). 255 EuG, Urteil v. 05. 04. 2006, Rs. T-351 / 02, Deutsche Bahn AG / Kommission, Slg. 2006, II-1047. 256 EuGH, Urteil v. 10. 06. 1999, Rs. C-346 / 97, Braathens Sverige AB / Riksskatteverket, Slg. 1999, I-3419. Zur Frage der Erhebung einer alternativen indirekten Abgabe auf Kerosin für den gewerblichen Inlandsflugverkehr siehe auch EuGH, Urteil v. 25. 09. 2003, Rs. C-437 / 01, Kommission / Italien, Slg. 2003, I-9861.

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C. Beihilfenrechtliche Bewertung entgeltfreier Zertifikatzuteilung

nationalen Gerichten auf sie zu berufen, um sich einer mit ihr unvereinbaren nationalen Regelung zu widersetzen.257 Das Urteil befasst sich folglich ausschließlich mit der Vereinbarkeit des nationalen Rechts mit den Bestimmungen der Richtlinie 92 / 81 / EWG. Es beschränkt sich dabei auf die Anwendung des Grundsatzes zum normhierarchischen Vorrang von Richtlinien der Gemeinschaft vor nationalen Rechtsvorschriften und bestätigt, dass ein Mitgliedstaat bei der Umsetzung einer Richtlinie an deren Ziele gebunden ist und keine entgegenstehenden Maßnahmen ergreifen darf. Diese Aussage ist jedoch von der Frage der Zurechenbarkeit der Umsetzungsnorm zu unterscheiden. Zu den hier relevanten Fragen, ob es sich zum einen bei auf einer Richtlinie beruhenden nationalen Umsetzungsakten um mitgliedstaatliche oder gemeinschaftliche Maßnahmen handelt, und wie sich zum anderen ein Widerspruch einer nationalen Umsetzungsnorm zu den beihilfenrechtlichen Vorschriften des EG-Vertrages auswirkt, enthält die Entscheidung keine Aussagen; die Rechtsnatur der nationalen Rechtsakte zur Umsetzung von Art. 8 Abs. 1 lit. b) der Richtlinie 92 / 81 / EWG als mitgliedstaatliche Maßnahmen wurde von dem Urteil nicht in Frage gestellt. (b) Keine Übertragbarkeit wegen unterschiedlicher Sachverhalte Eine solche Aussage zur Zurechenbarkeit der Umsetzungsnorm trifft zwar das Urteil in der Rechtssache „Deutsche Bahn AG / Kommission“. In diesem hat das Gericht Art. 87 EG für auf § 4 Abs. 1 Nr. 3 lit. a) MinöStG unanwendbar erklärt, da Deutschland durch diese nationale Vorschrift (entsprechend seiner Verpflichtung aus dem EG-Vertrag) die klare, genaue und auf einen Rechtsakt des Gemeinschaftsrechtsgebers zurückzuführende Verpflichtung des Art. 8 Abs. 1 lit. b) der Richtlinie 92 / 81 / EWG umgesetzt habe.258 Diese Bewertung ist jedoch auf die Zurechenbarkeit der Umsetzung von Art. 10 EHRL nicht übertragbar. So ist zum einen Art. 10 EHRL durch die Vorgabe einer entgeltfreien Zuteilung von „mindestens“ 95% bzw. 90% der Zertifikate nicht vergleichbar bestimmt und unbedingt wie die Regelung des Art. 8 Abs. 1 lit. b) der Richtlinie 92 / 81 / EWG. Zum anderen unterscheidet sich auch Art. 93 EG i.V. m. Art. 14 EG als Rechtsgrundlage der Richtlinie 92 / 81 / EWG in Regelungsumfang und Harmonisierungsratio von Art. 175 Abs. 1 EG als Rechtsgrundlage der Richtlinie 2003 / 87 / EG. Diese Nichtübertragbarkeit der Rechtsprechung in „Deutsche Bahn AG / Kommission“ zeigt auch der zeitlich nachgelagerte Beschluss des Gerichts erster Instanz in der Rechtssache „EnBW Energie Baden-Württemberg / Kommission“. In 257 EuGH, Urteil v. 10. 06. 1999, Rs. C-346 / 97, Braathens Sverige AB / Riksskatteverket, Slg. 1999, I-3419 (Rn. 31 f.). 258 EuG, Urteil v. 05. 04. 2006, Rs. T-351 / 02, Deutsche Bahn AG / Kommission, Slg. 2006, II-1047 (Rn. 102, 104). Zur Bedeutung dieses Urteils für die Einbeziehung des Luftverkehrs in den Emissionshandel, vgl. Koch / Kahle, NVwZ 2006, 1006 (1011).

I. Vorliegen einer Beihilfe

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diesem weist das Gericht ausdrücklich darauf hin, dass die Richtlinie 2003 / 87 / EG nicht „den Geltungsbereich und die praktische Wirksamkeit der Vorschriften über die Kontrolle staatlicher Beihilfen wirksam einschränken“ könne.259 Zudem weist das Gericht auf Kriterium 5 Anhang III EHRL hin, wonach die Artt. 87, 88 EG auch im Rahmen der Umsetzung des nationalen Zuteilungsplans zu beachten seien, und dass es „Ausdruck eines gefestigten Grundsatzes des Gemeinschaftsrechts [sei], wonach Maßnahmen des abgeleiteten Rechts so durchzuführen [seien], dass sie weder die Vertragsbestimmungen noch sonstige Bestimmungen des Primärrechts wie die allgemeinen Rechtsgrundsätze oder die Grundrechte verletzen.“260 Schließlich scheint auch die Kommission im Rahmen der Überprüfung der nationalen Zuteilungspläne für die zweite Handelsperiode von der mitgliedstaatlichen Zurechenbarkeit auszugehen. So heißt es etwa in der Entscheidung gemäß Art. 9 Abs. 3 EHRL zu dem deutschen Zuteilungsplan: „[ . . . ] Auch dürfte es sich bei der Vergabe kostenloser Zertifikate um eine staatliche Maßnahme handeln, bei der staatliche Mittel insofern vergeben werden, als über 90% der Zertifikate kostenlos sind. Die Annahme, dass es sich bei der kostenlosen Zuteilung um staatliche Maßnahmen und staatliche Mittel handelt, wird im zweiten Handelszeitraum weiter gestärkt, da die ab dem Jahr 2008 vorgesehene Beteiligung an dem internationalen Emissionshandel und an anderen flexiblen Mechanismen, an der gemeinsamen Projektdurchführung und am Mechanismus für eine umweltverträgliche Entwicklung die Mitgliedstaaten in die Lage versetzt, durch weitere Entscheidungen nach eigenem Ermessen auf ihre Haushaltsmittel und die Zahl der Industrie zugewiesenen Zertifikate einzuwirken. Da namentlich alle Zuteilungen vom Anbeginn des zweiten Handelszeitraums an durch zugeteilte Mengen (AAU) abgedeckt sein müssen, die zwischen den Vertragsparteien handelbar sind, wird durch jede Zuteilung direkt die Zahl der zugeteilten Mengeneinheiten, die der Mitgliedstaat anderen Vertragsparteien verkaufen kann, reduziert bzw. die Notwendigkeit, solche zugeteilten Mengen zu erwerben, vergrößert. Die Kommission geht im jetzigen Stadium daher davon aus, dass hier eine staatliche Beihilfen im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG-Vertrag vorliegen könnte. [ . . . ]“261

Die Rechtsprechung der Gemeinschaftsgerichte zur fehlenden mitgliedstaatlichen Zurechenbarkeit des § 4 Abs. 1 Nr. 3 lit. a) MinöStG steht einer Zurechenbarkeit der Umsetzung von Art. 10 EHRL – und damit der Anwendbarkeit des Beihilfenrechts auf den mitgliedstaatlichen Umsetzungsakt – im Ergebnis daher nicht entgegen. 259 EuG, Beschluss v. 30. 04. 2007, Rs. T-387 / 04, EnBW Energie Baden-Württemberg AG / Kommission, Slg. 2007, II-1195 (Rn. 134); mit Verweis auf EuGH, Urteil v. 12. 11. 1992, verb. Rs. C-134 / 91 u. a., Kerafina und Vioktimatiki, Slg. 1992, I-5699 (Rn. 20); EuG, Urteil v. 27. 09. 2000, Rs. T-184 / 97, BP Chemicals / Kommission, Slg. 2000, II-3145 (Rn. 55). 260 EuG, Beschluss v. 30. 04. 2007, Rs. T-387 / 04, EnBW Energie Baden-Württemberg AG / Kommission, Slg. 2007, II-1195 (Rn. 135). 261 Kommission, Entscheidung vom 29. 11. 2006 über den nationalen Plan zur Zuteilung von Treibhausgasemissionszertifikaten, den Deutschland gemäß der Richtlinie 2003 / 87 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates übermittelt hat, Rn. 19 (Hervorhebungen durch den Verfasser).

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C. Beihilfenrechtliche Bewertung entgeltfreier Zertifikatzuteilung

(3) Normhierarchische Gründe (Vorrang des Primärrechts) Gegen einen Ausschluss der beihilfenrechtlichen Überprüfbarkeit des mitgliedstaatlichen Umsetzungsakts spricht zudem der allgemein anerkannte Grundsatz vom Vorrang des Primärrechts vor dem Sekundärrecht.262 Die Gemeinschaft kann gemäß Art. 5 EG nur innerhalb der Grenzen der ihr im EG-Vertrag zugewiesenen Befugnisse und gesetzten Ziele tätig werden und ihre Organe dürfen gemäß den Artt. 7, 249 EG nur nach Maßgabe der ihnen im Vertrag zugewiesenen Befugnisse handeln. Kommt es zu einem Konflikt zwischen Sekundär- und Primärrecht und führt auch eine primärrechtskonforme Auslegung des Sekundärrechts nicht zu einer Aufhebung des Widerspruchs, kann die entsprechende Norm des Sekundärrechts gemäß Artt. 230, 234, 241 EG vom Europäischen Gerichtshof für nichtig oder nicht anwendbar erklärt werden.263 Innergemeinschaftlich kommt dem Primärrecht gegenüber dem Sekundärrecht folglich ein Geltungsvorrang zu; das normhierarchisch höhere Primärrecht ist Prüfungs- und Geltungsmaßstab für die Rechtmäßigkeit des gesamten Sekundärrechts.264 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist eine nationale Maßnahme auch dann an den Vorschriften des EG-Vertrags zu messen, wenn sie auf einer Regelung des Sekundärrechts beruht oder sogar ohne jegliche Ausübung eines Ermessensspielraums seitens des mitgliedstaatlichen Gesetzgebers umgesetzt wurde.265 An anderer Stelle hat der Gerichtshof festgestellt, dass die Vorschriften des Primärrechts „Grundlage, Rahmen und Grenzen“ des Sekundärrechts sind.266 Auch Generalanwalt Lenz hat mit Blick auf die Beihilfenvorschriften des EG-Vertrages darauf hingewiesen, dass Richtlinien im Einklang mit den Beihilfennormen des EGVertrages auszulegen seien. Denn ein Widerspruch einer Richtlinienbestimmung zu den Beihilfenvorschriften würde die Gültigkeit der Richtlinie selbst in Frage stellen, da es den Gemeinschaftsorganen verwehrt sei, Rechtsnormen zu erlassen, die im Widerspruch zu Vertragsbestimmungen stehen oder auch nur deren praktische Wirksamkeit beeinträchtigen.267 262 Bievert, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 249 EG Rn. 9; Ruffert, in: Calliess / Ruffert, EU- / EG-Vertrag, Art. 249 EG Rn. 9. Siehe auch EuGH, Urteil v. 29. 06. 1988, Rs. C-300 / 86, Luc van Landschoot / NV Mera, Slg. 1988, 3443 (Rn. 9, 22); EuGH, Urteil v. 05. 07. 1967, Rs. 1 / 67, Chiechelski / Caisse régionale de securitée sociale du Centre, Slg. 1967, 2035 (2050). 263 Bievert, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 249 EG Rn. 8; EuGH, Urteil v. 29. 06. 1988, Rs. C-300 / 86, Luc van Landschoot / NV Mera, Slg. 1988, 3443 (Rn. 22); EuGH, Urteil v. 21. 03. 1991, Rs. C-314 / 89, Siegfried Rauh / Hauptzollamt Nürnberg-Fürth, Slg. 1991, I-1647 (Rn. 17); EuGH, Urteil v. 27. 01. 1994, Rs. C-98 / 91, A. A. Herbrink / Minister van Landbouw, Slg. 1994, I-223 (Rn. 9). 264 Haratsch / Koenig / Pechstein, Europarecht, Rn. 322; Bleckmann, Europarecht, Rn. 526 f. 265 EuGH, Urteil v. 28. 04. 1998, Rs. C-158 / 96, Raymond Kohll / Union des caisses de maladie, Slg. 1998, I-1931 (Rn. 25). 266 EuGH, Urteil v. 05. 10. 1978, Rs. 26 / 78, Institut national d’assurance maladie-invalidité and Union nationale des fédérations mutualistes neutres / Antonio Viola, Slg. 1978, 1771 (Rn. 9).

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Folglich ist die Tatsache, dass ein Mitgliedstaat zur Umsetzung einer Richtlinie verpflichtet ist, für die Frage der Gemeinschaftsrechtskonformität sowohl der Richtlinie als auch der darauf beruhenden nationalen Umsetzungsvorschrift irrelevant. Dem steht die Gültigkeitsvermutung für – auch fehlerhafte – Rechtsakte der Gemeinschaftsorgane268 nicht entgegen, da diese nur den Bestand der Richtlinie bis zu einer entsprechenden Entscheidung des Gerichtshofs betrifft, nicht indes die vorliegend relevante Frage der Zurechenbarkeit des mitgliedstaatlichen Umsetzungsaktes. Hierfür spricht insbesondere auch, dass anderenfalls eine Aushöhlung des Beihilfenrechts droht, da ein Primärrechtsverstoß durch den Umsetzungsakt mangels beihilfenrechtlicher Angreifbarkeit bestehen bliebe, selbst wenn die Richtlinienvorgabe wegen eines Primärrechtsverstoßes unwirksam ist.269 Demnach ist die mitgliedstaatliche Umsetzung der Vorgabe in Art. 10 EHRL vollumfänglich am Primärrecht des EG-Vertrages zu überprüfen.270 Eine Beschränkung dergestalt, Artt. 87, 88 EG nur insoweit anzuwenden, wie den Mitgliedstaaten ein Umsetzungsspielraum bei der Zertifikatzuteilung verbleibt – also bezüglich bis zu 5 % bzw. 10% der zuzuteilenden Zertifikate –, kommt ebenfalls nicht in Betracht. Denn eine solche Anwendungsbegrenzung käme – neben der Unklarheit bezüglich des tatsächlichen Umfangs dieser Anwendungsbegrenzung („mindestens“) – einer unzulässigen Derogation des primärrechtlichen Beihilfenrechtsregimes durch Sekundärrecht gleich. Denn könnte der Anwendungsbereich des Art. 87 Abs. 1 EG durch beliebige Sekundärrechtsakte ausgeschlossen werden, wäre die primärrechtliche Regelung der Artt. 87 Abs. 3 267

Schlussanträge des GA Lenz, EuGH, Rs. 52 / 84, Kommission / Belgien, Slg. 1986, 89

(99). 268 Siehe zur Gültigkeitsvermutung etwa Ruffert, in: Calliess / Ruffert, EU- / EG-Vertrag, Art. 249 EGV Rn. 14 ff.; Biervert, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 230 EG Rn. 16. 269 Zudem drohte eine Umgehung des Beihilfenverbots, wenn durch beliebige Richtlinienvorgaben faktisch das Beihilfenregime ausgeschlossen werden könnte. Hierzu bereits Koenig / Pfromm, EurUP 2004, 196 (198); dem folgend Jungnickel / Dulce, NVwZ 2009, 623 (624). 270 A.A. Stewing, RdE 2007, 217 (223 f.), der den Konflikt im Ergebnis dahingehend auflöst, dass die EHRL das primärrechtliche Beihilfenrecht hinsichtlich seiner tatbestandlichen Voraussetzungen außer Kraft setze, so dass der Nachweis einer staatlichen Begünstigung, einer Handelsbeeinträchtigung sowie einer Wettbewerbsverfälschung entbehrlich seien und die Ermessensausübung der Kommission im Prüfungsverfahren nach der EHRL auf die Einhaltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes reduziert sei. Eine solche „geringfügige Anpassung der materiellen und formellen Anforderungen des vertraglichen Beihilferechts“ müsse „[i]m Sinne eines ,Erst-Recht-Schlusses‘ [zulässig sein], soweit sie sich im Rahmen der Ausgestaltungskompetenz des Art. 89 EGV beweg[e]“. Gemeinschaftsrechtsdogmatisch überzeugt diese Herleitung indes nicht. Artt. 87 ff. EG sind einer gemeinschaftsautonomen Vertragsergänzung bzw. –anpassung (wie etwa Artt. 213 Abs. 2, 225a EG) ebenso wenig zugänglich wie einer Lückenschließung und Kompetenzabrundung (wie etwa Art. 308 EG). Einer „Anpassung“ des primärrechtlichen Beihilfenregimes durch Sekundärrecht stehen vielmehr die Normhierarchie und die mit einer derartigen „Anpassung“ verbundene Umgehungsgefahr entgegen.

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C. Beihilfenrechtliche Bewertung entgeltfreier Zertifikatzuteilung

lit. e), 89 EG, wonach der Rat auf Vorschlag der Kommission Art. 87 Abs. 3 EG um weitere Befreiungstatbestände ergänzen kann, weitgehend bedeutungslos.271 (4) Auslegung der Richtlinie 2003 / 87 / EG Die Anwendbarkeit der beihilfenrechtlichen Vorschriften auf die mitgliedstaatliche Umsetzung der Richtlinienvorgaben ergibt sich schließlich auch aus einer grammatikalischen, systematischen und teleologischen Auslegung der Richtlinie 2003 / 87 / EG. (a) Grammatikalische Auslegung Kriterium 4 S. 1 Anhang III EHRL bestimmt, dass der nationale Zuteilungsplan „mit den übrigen rechtlichen und politischen Instrumenten der Gemeinschaft in Einklang stehen“ muss. Gemäß Kriterium 5 Anhang III EHRL darf ein nationaler Zuteilungsplan „[g]emäß den Anforderungen des Vertrages, insbesondere der Artikel 87 und 88, [ . . . ] Unternehmen oder Sektoren nicht in einer Weise unterschiedlich behandeln, dass bestimmte Unternehmen oder Tätigkeiten ungerechtfertigt bevorzugt werden.“ Aus diesem Wortlaut ergibt sich, dass nationale Zuteilungspläne – in denen gerade auch Regelungen zur Entgeltlichkeit der Zuteilung getroffen werden – auch an den allgemeinen Wettbewerbsvorschriften und insbesondere an dem Beihilfenrecht zu messen sind. (b) Systematische Auslegung Die Richtlinie 2003 / 87 / EG ist ausdrücklich nur auf die Vorschrift des Art. 175 Abs. 1 EG, nicht aber auch auf Artt. 87 ff. EG, gestützt. Unabhängig von der Frage, ob Art. 87 Abs. 3 lit. e) EG und Art. 88 Abs. 2 EG eine Befreiung von den beihilfenrechtlichen Vorschriften des EG-Vertrages möglicherweise gestattet hätten,272 wurde durch die Richtlinie 2003 / 87 / EG eine solche vom Rat nicht erteilt. Es entspricht allgemeiner Praxis des Rates, Richtlinien und Verordnungen auch auf Art. 87 Abs. 3 lit. e) EG oder Art. 88 Abs. 2 EG zu stützen, wenn die Anwendung von Art. 87 Abs. 1 EG ausgeschlossen werden soll.273 Ein solcher Hinweis findet sich weder in der Richtlinie 2003 / 87 / EG noch in ihren Entwurfsfassungen und Vgl. hierzu auch Schweer / Ludwig, RdE 2004, 153 (155). Vgl. hierzu ausführlich unten unter C. II. 273 Vgl. etwa Verordnung (EG) Nr. 1540 / 98 des Rates vom 29. 06. 1998 zur Neuregelung der Beihilfen für den Schiffbau, ABl.EG 1998 L 202 / 1 (gestützt auf Art. 92 Abs. 3 lit. e EGV und gleichzeitig auf Art. 94 EGV); Verordnung (EG) Nr. 1407 / 2002 des Rates vom 23. 07. 2002 über staatliche Beihilfen für den Steinkohlenbergbau, ABl.EG 2002 L 205 / 1 (gestützt auf Artt. 87 Abs. 3 lit. e, 89 EG); Richtlinie 87 / 167 / EWG des Rates v. 26. 01. 1987 über Beihilfen für den Schiffbau, ABl.EG 1987 L 69 / 55; Richtlinie 90 / 684 / EWG des Rates v. 21. 12. 1990 über Beihilfen für den Schiffbau, ABl.EG 1990 L 380 / 27 (jeweils gestützt auf Artt. 92 Abs. 3 lit. d, 113 EGV). 271 272

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wurde auch im Rahmen der Beratungen von Rat und Parlament im Gesetzgebungsverfahren nicht thematisiert, obwohl die Beihilfenproblematik einer entgeltfreien Zuteilung bereits seit dem zuvor erschienenen Grünbuch bekannt war. Durch die ausdrücklichen Verweise auf die Anwendbarkeit der Beihilfenvorschriften haben der Rat und das Parlament vielmehr klar zu erkennen gegeben, dass eine Ausnahme vom allgemeinen Beihilfenverbot nicht beabsichtigt war. (c) Teleologische Auslegung Die Anwendbarkeit des Beihilfenrechts auch auf die nationale Umsetzung wird auch durch eine teleologische, an den Zielen des EG-Vertrages und dem effet utile orientierte Auslegung von Art. 10 EHRL gestützt. Als Gemeinschaftsvorschrift für die Zuteilung der Zertifikate dient Art. 10 EHRL, ausweislich des Erwägungsgrundes 7 EHRL, der Erhaltung der Integrität des Binnenmarktes und der Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen. Wettbewerbsverzerrungen, etwa durch die Gewährung staatlicher Beihilfen im Wege einer entgeltfreien Zertifikatzuteilung, sind daher mit dem Sinn und Zweck der Richtlinie nicht vereinbar. Dem entsprechen auch die ausdrücklichen Verweise auf die beihilfenrechtlichen Vorschriften in den Kriterien 4 und 5 Anhang III EHRL. Hinweise darauf, warum eine entgeltfreie Zertifikatzuteilung der Erhaltung der Integrität des Binnenmarktes dient und Wettbewerbsverzerrungen vermeidet oder notwendig ist, sind in den Erwägungsgründen der Richtlinie nicht enthalten. Die Grenze jeder Zuteilung sind daher die allgemeinen Vorschriften zum Schutz des Wettbewerbs. Auch eine teleologische Auslegung spricht daher für eine Anwendbarkeit der Wettbewerbsvorschriften des EG-Vertrages unter Einschluss von Art. 87 EG auf die mitgliedstaatlichen Umsetzungsakte zu Art. 10 EHRL. (d) Auslegungsergebnis Die grammatikalische, systematische und teleologische Auslegung des Art. 10 EHRL und der Richtlinie 2003 / 87 / EG stützen die Anwendbarkeit des Beihilfenrechts auf die mitgliedstaatlichen Maßnahmen zur Umsetzung des Art. 10 EHRL. (5) Zwischenergebnis Da die Entscheidung über die Unentgeltlichkeit der Zertifikatzuteilung im Rahmen der Richtlinienumsetzung trotz der Vorgabe des Art. 10 EHRL durch die Mitgliedstaaten erfolgt und die Richtlinie 2003 / 87 / EG das Beihilfenregime nicht auszuschließen vermag, sind die nationalen Umsetzungsnormen zu Art. 10 EHRL im Ergebnis den Mitgliedstaaten zuzurechnen und unterliegen damit, wie auch die den Mitgliedstaaten überlassene Zuteilungsform für die verbleibenden 5% bzw. 10% der Zertifikate, vollumfänglich dem primärrechtlichen Beihilfenregime.274

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C. Beihilfenrechtliche Bewertung entgeltfreier Zertifikatzuteilung

b) Art. 249 Abs. 3 EG als Ausnahmevorschrift zu Art. 87 Abs. 1 EG Ehricke ist der Ansicht, dass Art. 249 Abs. 3 EG eine Ausnahmevorschrift zu Art. 87 Abs. 1 EG darstellen und als unter die Einschränkung des Art. 87 Abs. 1 EG („soweit in diesem Vertrag nicht etwas anderes bestimmt ist“) fallend betrachtet werden könne.275 Anderenfalls drohe der unlösbare Konflikt, dass ein Mitgliedstaat entweder die Richtlinie ordnungsgemäß umsetze und damit den Beihilfentatbestand verwirkliche oder den Beihilfentatbestand nicht erfülle, dafür aber wegen nicht ordnungsgemäßer Umsetzung einer Richtlinie gegen EG-Recht verstoße. Gemeinhin werden unter den Vorschriften, die das Beihilfenverbot des Art. 87 Abs. 1 EG einschränken oder aufheben, die Artt. 36 S. 1, 73, 296 Abs. 1 lit. b) EG verstanden.276 In diesen Normen wird die Einschränkung des Beihilfenverbots dabei explizit geregelt. So bestimmt etwa Art. 36 S. 1 EG, dass die Wettbewerbsregeln auf die Produktion und den Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen nur insoweit Anwendung finden, als der Rat dies unter Berücksichtigung der Ziele der gemeinsamen Agrarpolitik im Sinne des Art. 33 EG bestimmt. Nach Art. 73 EG sind staatliche Beihilfen, „die den Erfordernissen der Koordinierung des Verkehrs oder der Abgeltung bestimmter, mit dem Begriff des öffentlichen Dienstes zusammenhängender Leistungen entsprechen“, mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar. Auf der Grundlage von Art. 296 Abs. 1 lit. b) EG erklärte die Kommission schließlich Art. 87 Abs. 1 EG für nicht anwendbar auf Beihilfen an ein Unternehmen, das im Bau von Kriegsschiffen tätig war.277 Demgegenüber regelt Art. 249 UAbs. 3 EG allein, dass eine Richtlinie für jeden Mitgliedstaat, an den sich gerichtet wird, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich ist, dem Mitgliedstaat jedoch die Wahl der Umsetzungsform und der Umsetzungsmittel überlasse. Eine ausdrückliche Einschränkung des Beihilfenverbots enthält Art. 249 UAbs. 3 EG folglich gerade nicht. Gründe dafür, Art. 249 UAbs. 3 EG ebenfalls als eine den Art. 87 EG einschränkende Norm zu verstehen, sind auch nicht ersichtlich. Insbesondere wären in einem solchen Falle sämtliche auf eine Richtlinie zurückzuführenden mitgliedstaatlichen Maßnahmen bereits tatbestandlich vom Beihilfenregime ausgenommen und der Beihilfenkontrolle entzogen. Hierdurch würde das Beihilfenregime jedoch in weiten Teilen seines Anwendungsbereichs benommen.278 274 Im Ergebnis so auch Merola / Crichlow, World Competition 2004, 25 (37); Ehricke, Kurzgutachten Emissionszertifikatehandel, S. 22 f.; Stewing, Emissionshandel, S. 28 („kollektiver Verzicht“); Kerth, Emissionshandel, S. 265. 275 Ehricke, Kurzgutachten Emissionszertifikatehandel, S. 14. 276 Heidenhain, in: Heidenhain, Beihilfenrecht, § 3 Rn. 23 f.; Koenig / Kühling / Ritter, Beihilfenrecht, Rn. 22, jedoch ohne Hinweis auf Art. 296 Abs. 1 lit. b) EG. 277 Kommission, Beihilfenentscheidung v. 17. 03. 1999, Luerssen, ABl.EG 1999 L 301 / 8. 278 Rusche, in: Sánchez-Rydelski, EC State Aid Regime, S. 349 (375), hält dem entgegen, dass die Kommission Beihilfen als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklären könne, so dass eine Richtlinienumsetzung, durch die Beihilfen gewährt werden, lediglich bedeute,

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Im Übrigen verweist auch der Wortlaut der Richtlinie 2003 / 87 / EG ausdrücklich auf die Anwendbarkeit der Beihilfenvorschrift und die Überprüfbarkeit der Regelungen der Richtlinie anhand der beihilfenrechtlichen Vorschriften des EG-Vertrages. So sehen die Ziffern 4, 5 Anhang III EHRL vor, dass der nationale Zuteilungsplan „mit den übrigen rechtlichen und politischen Instrumenten der Gemeinschaft in Einklang stehen“ muss und „gemäß den Anforderungen des Vertrags, insbesondere der Artikel 87 und 88, [ . . . ] Unternehmen oder Sektoren nicht in einer Weise unterschiedlich behandeln [darf], dass bestimmte Unternehmen oder Tätigkeiten ungerechtfertigt bevorzugt werden“. Die Berücksichtigung der beihilfenrechtlichen Anforderungen wird von Art. 11 Abs. 3 EHRL auch für die Zuteilung an sich dahingehend aufgegriffen, dass Zuteilung und Vergabe der Zertifikate „im Einklang mit dem Vertrag, insbesondere den Artikeln 87 und 88“ stehen müssen.279 Enthält die Richtlinie 2003 / 87 / EG das Gebot zur Einhaltung der (primärrechtlichen) beihilfenrechtlichen Vorgaben des Vertrages aber an verschiedenen Stellen und setzt die Richtlinie selbst die Anwendbarkeit des Beihilfenrechts voraus, kann sie das Beihilfenregime weder direkt noch über Art. 249 UAbs. 3 EG derogieren wollen. Dies gilt umso mehr aufgrund der Diskussionen im Gesetzgebungsverfahren über das Verhältnis der Richtlinienvorgaben zum Beihilfenrecht, was zeigt, dass die Hinweise auf das Beihilfenrecht nicht ohne Grund, sondern als Ergebnis einer Auseinandersetzung mit den angesprochenen Rechtsfragen aufgenommen wurden.280 Schließlich stünden den Mitgliedstaaten durchaus Reaktionsmöglichkeiten zur Auflösung des Konflikts zwischen Umsetzungspflicht und drohender Primärrechtswidrigkeit des Umsetzungsaktes zur Verfügung281. Im Ergebnis überzeugt dieses Argument Ehrickes daher nicht.282 2. Begünstigung Der Beihilfentatbestand des Art. 87 Abs. 1 EG setzt die auf einer staatlichen Maßnahme beruhende Gewährung einer Begünstigung an ein oder mehrere Unterdass der Mitgliedstaat die entsprechende Beihilfenmaßnahme vor ihrem Inkrafttreten der Kommission zu notifizieren habe. Dieser Ansatz übersieht indes, dass Ehrickes Argument auf die primärrechtliche Ebene zielt und bereits auf dieser den Beihilfentatbestand auszuschließen versucht. Notifizierung und Genehmigungsfähigkeit betreffen jedoch nur tatbestandliche Beihilfen. 279 Der Auffassung von Kerth, Emissionshandel, S. 210, dass sich Kriterium 5 Anhang III EHRL nur auf Art. 11 EHRL bezieht und sich damit auf die tatsächliche Zuteilungsentscheidung beschränkt, steht der Wortlaut des Art. 9 Abs. 1 EHRL entgegen, wonach der nationale Zuteilungsplan die „in Anhang III genannten Kriterien“ (und damit auch Kriterium 5 Anhang III EHRL) zu berücksichtigen hat. 280 Zur Diskussion über die Problematik im Gesetzgebungsverfahren siehe bereits oben unter B. II. 1 und 2. 281 Hierzu ausführlich unten unter D. I. 3. 282 Im Ergebnis so auch Rusche, in: Sánchez-Rydelski, EC State Aid Regime, S. 349 (375).

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nehmen oder Produktionszweige voraus. Unter Begünstigung ist dabei die Gewährung eines wie auch immer gearteten geldwerten Vorteils zu verstehen, dem keine angemessene Gegenleistung gegenübersteht und die der Empfänger unter normalen Marktbedingungen nicht erhalten hätte.283 Um die Umgehung des Art. 87 Abs. 1 EG zu verhindern, ist eine weite Auslegung des Leistungsbegriffs geboten.284 Wie sich aus dem Wortlaut („durch die Begünstigung“, „by favouring“) ergibt, ist die Intention der staatlichen Maßnahme dabei unerheblich, sondern allein auf die Wirkung der Leistung abzustellen.285 Welche Gestalt der Vorteil annimmt, spielt dabei keine Rolle, so dass sowohl die Zuführung von Geldmitteln als auch die gänzliche oder teilweise Befreiung von finanziellen Lasten (wie etwa Steuern und Abgaben) einen Vorteil darstellen. Ein Mitgliedstaat kann somit nicht nur durch positives Tun, sondern grundsätzlich auch durch ein Unterlassen einem Unternehmen oder Produktionszweig einen Vorteil zuführen.286 Liegt keine Begünstigung eines Unternehmens vor, ist Art. 87 Abs. 1 EG nicht anwendbar.287 Es stellt sich daher die Frage, ob die entgeltfreie Zuteilung der Emissionszertifikate den Zuteilungsempfängern einen wirtschaftlichen Vorteil verschafft und somit eine Begünstigung darstellt.

283 EuGH, Urteil v. 11. 07. 1996, Rs. C-39 / 94, Syndicat français de l’Express international (SFEI) u. a. / La Poste u. a., Slg. 1996, I-3547 (Rn. 60); EuGH, Urteil v. 29. 04. 1999, Rs. C-342 / 96, Spanien / Kommission („Tubacex“), Slg. 1999, I-2459 (Rn. 41); EuGH, Urteil v. 29. 06. 1999, Rs. C-256 / 97, Déménagements-Manutention Transport SA (DMT), Slg. 1999, I-3913 (Rn. 22); EuG, Urteil v. 10. 05. 2000, Rs. T-46 / 97, Sociedade Independente de Comunicação SA / Kommission, Slg. 2000, II-2125 (Rn. 78); EuG, Urteil v. 13. 06. 2000, verb. Rs. T-204 / 97 u. a., EPAC-Empresa para a Agroalimentação e Cereais, SA / Kommission, Slg. 2000, II-2267 (Rn. 66); EuG, Urteil v. 14. 12. 2000, Rs. T-613 / 97, Union française de l’express (UFEX), DHL International SA, Federal express international (France) SNC and CRIE SA / Kommission, Slg. 2000, II-4055 (Rn. 69 ff.). Siehe auch Heidenhain, in: Heidenhain, Beihilfenrecht, § 4 Rn. 2; Koenig / Kühling / Ritter, Beihilfenrecht, Rn. 67 ff., Koenig / Kühling, NJW 2000, 1065 (1066); Mederer / van Ysendyck, in: von der Groeben / Schwarze, EU-Kommentar, Art. 87 Rn. 5 f. 284 Koenig / Kühling / Ritter, Beihilfenrecht, Rn. 67; Cremer, in: Calliess / Ruffert, EU- / EG-Vertrag, Art. 87 EGV Rn. 7; Bär-Bouyssiere, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 87 EG Rn. 22. 285 EuGH, Urteil v. 02. 07. 1974, Rs. 173 / 73, Italien / Kommission, Slg. 1974, 709 (Rn. 13); EuGH, Urteil v. 24. 02. 1987, Rs. 310 / 85, Deufil GmbH & Co. KG / Kommission, Slg. 1987, 901 (Rn. 8); Koenig / Braun / Lekar, EuZW 1998, 5 (7); Koenig / Kühling, NJW 2000, 1065 (1066); siehe zu diesem sog. effects-based-test auch Schütte, in: Sánchez-Rydelski, EC State Aid Regime, S. 23 (26). 286 EuGH, Urteil v. 12. 10. 2000, Rs. C-480 / 98, Spanien / Kommission, Slg. 2000, I-8777 (Rn. 18 – 21); Bär-Bouyssiere, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 87 EG Rn. 27; Frenz, EuZW 1999, 616; Koenig / Kühling / Ritter, Beihilfenrecht, Rn. 68. 287 EuG, Urteil v. 18. 09. 1995, Rs. T-471 / 93, Tiercé Ladbroke SA / Kommission, Slg. 1995, II-2537 (Rn. 54).

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a) Gewährung eines geldwerten Vorteils Emissionszertifikate stellen als ein auf dem Zertifikatmarkt handelbares Gut288 einen wirtschaftlichen Wert und ein vermögenswertes Recht dar, das den Unternehmen entgeltfrei zugeteilt wird.289 Zwar ist die Entgeltfreiheit der Zuteilung als solche allenfalls Indiz einer Begünstigung; jedoch erhält die entgeltfreie Zuteilung einen Begünstigungscharakter dann, wenn den Zertifikaten aufgrund der Nachfrage ein realisierbarer Handelswert zukommt.290 Dies ist der Fall bei Emissionszertifikaten, die seit ihrer Einführung zu Börsenpreisen von weitgehend zwischen A 5,00 und A 20,00 je Zertifikat gehandelt wurden.291 Überwiegend wird in der entgeltfreien Zuteilung der Emissionszertifikate daher die Gewährung eines geldwerten Vorteils gesehen, wenn die Zertifikate unter ihrem Marktpreis – insbesondere entgeltfrei – vergeben werden.292 288 Die Zertifikatmärkte können dabei als Indiz für den Wert der Zertifikate betrachtet werden, vgl. Kommission, oben unter B. I. Zur Handelbarkeit und deren privatrechtlicher Dimension siehe Burgi / Lange, ZHR 170 (2006), S. 539 (555 ff.); Wagner, ZBB 2003, 409; Streck / Binnewies, DB 2004, 1116 (1118 f.); Sommer, WM 2006, 2029 ff. Zu der Frage, ob Emissionszertifikate Wertpapiere im Sinne des Kreditwesengesetzes sind, vgl. auch Wallat, et 2003, 180; Sommer, et 2003, 186; Stratigakis / Hasenkamp, elni Review 2004, 42; Zenke / Brocke, IR 2004, 28 (31); Klein / Völker-Lehmkuhl, DB 2004, 332 (334). Aus ökonomischer Sicht Hansjügens / Gagelmann, et 2004, 234 (237). Für den Bereich der Bilanzierung im deutschen Recht s. etwa Klein / Völker-Lehmkuhl, DB 2004, 332 (333); Streck / Binnewies, DB 2004, 1116 (1119 f.). 289 So auch Leidinger, in: Elspas / Salje / Stewing, Praxishandbuch Emissionshandel, Kap. 48 Rn. 70; Burgi, in: FS Götz, S. 173 (184). 290 Stewing, Emissionshandel, S. 29; Martini, Verteilungslenkung, S. 788: „Die Zertifikate haben einen Geldwert, der ihren Knappheitswert widerspiegelt“. Siehe hierzu auch die Kommissionspraxis bei der Bewertung mitgliedstaatlicher Zertifikatsysteme (oben unter B. I.). 291 Vgl. etwa die Preisentwicklung an der Leipziger Energiebörse European Energy Exchange, http://www.eex.com / de / Marktinformation / Emissionsberechtigungen / EU%20 Emission%20Allowances%20Chart%20%7C%20Spotmarkt / spot-eua-chart /. Dabei führten Informationen über den tatsächlichen Bedarf im Verhältnis zu der zugeteilten Zertifikatmenge an den noch illiquiden Märkten zu einem signifikanten Preisverfall, da der Markt die Verfügbarkeit von Zertifikaten unterschätzt hatte, vgl. etwa Rettberg, Preisverfall am Markt für CO2-Emissionsrechte, Handelsblatt v. 28. 04. – 01. 05. 2006, S. 29. Jedoch nimmt die Preisvolatilität mit zunehmender Transparenz bezüglich Bedarf und Verfügbarkeit, stärkerem Handel und geringeren Zuteilungsmengen ab, vgl. etwa HLG, First Report, S. 7. Die Zertifikatpreise für die zweite Handelsperiode bewegen sich derzeit bei um die A 15,00. 292 Koenig / Braun / Pfromm, ZWeR 2003, 152 (174 ff.); Foundation for International Environmental Law and Development, Scoping Paper I, S. 8; Kerth, Emissionshandel, S. 263 f.; Ehricke, Kurzgutachten Emissionszertifikatehandel, S. 23; Marr, EurUP 2004, 10 (19): „Die kostenlose Zuteilung an Betreiber ist unproblematisch als wirtschaftlicher Vorteil i. S. des Art. 87 Abs. 1 EG einzuordnen“; Stewing, Emissionshandel, S. 29; Peeters, elni 2004, 12 (15): „In fact, each Member State has to decide on dividing ,money‘ among its industries“; Sachverständigenrat für Umweltfragen, Mitteilung 11 / 2006, S. 4, 10: Die entgeltfreie Zertifikatzuteilung stelle den Transfer signifikanter Vermögenswerte und reiner Mitnahmegewinne dar, was bei freiem Handel wie eine von der aktuellen Produktionsmenge unabhängige Pauschalsubventionierung wirke und eine bilanzwirksame Erhöhung des Unternehmensund Anlagenwertes darstelle; Jungnickel / Dulce, NVwZ 2009, 623 (624). Wegen der Aus-

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C. Beihilfenrechtliche Bewertung entgeltfreier Zertifikatzuteilung

(1) Kein Begünstigungsausschluss wegen Systemimmanenz Gegen die Annahme einer Begünstigungswirkung wird teilweise eingewandt, dass die entgeltfreie Zertifikatzuteilung einen notwendigen Systembestandteil des von der Emissionshandelsrichtlinie vorgezeichneten Umweltschutzkonzeptes darstelle und die entgeltfreie Zertifikatzuteilung dem Beihilfenrecht nicht isoliert zugänglich sei, da eine entgeltfreie Zertifikatzuteilung Voraussetzung für das Funktionieren des Emissionshandelssystems sei, das die Genehmigungen als marktfähige Lizenzen ausgestalte.293 Mit diesem Argument wird auf die Rechtsprechung zur Begünstigung eines Unternehmens aufgrund einer unterschiedlichen steuerlichen oder sonstigen Belastung rekurriert, wonach eine Begünstigung zu verneinen ist, sofern die ungleiche Belastung ein notwendiger Bestandteil der Regelung eines Sachbereichs und „durch die Natur oder den inneren Aufbau des Systems gerechtfertigt“ ist.294 Als solches handelt es sich indes um eine Frage der Bestimmtheit der Beihilfe.295 Im Übrigen sprechen – wie gezeigt296 – auch die gemeinschaftsweite Geltung des Handelssystems und sein Zustandekommen im Rahmen eines EG-Gesetzgebungsverfahrens297 nicht für eine die Beihilfenprüfung ausschließende „Systemimmanenz“. (2) Kein Begünstigungsausschluss wegen Belastungscharakters des Zertifikathandels Gegen die Annahme einer Begünstigungswirkung wird des Weiteren eingewandt, dass in der Einführung des Emissionshandels schon seinem Wesen nach kein Vor-, sondern ein (belastender) Nachteil liege. (a) Zusätzliche Kostenbelastung So wird zum einen vertreten, die betroffenen Unternehmen würden durch die Kosten des Zertifikatsystems belastet.298 Denn mit Einführung des Zertifikathangleichsfunktion der Emissionsreduktionen gegen eine Begünstigung, Weinreich, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht, § 9 TEHG Rn. 7. 293 Arndt / Fischer, Kurzgutachten Bahnstromerzeugung, S. 15 f.; Arndt / Fischer, et 2003, 704 (707); ähnlich Döring / Ewringmann, ZfU 2004, 29 (41). 294 EuGH, Urteil v. 22. 11. 2001, Rs. C-53 / 00, Ferring, Slg. 2001, I-9067 (Rn. 17); EuGH, Urteil v. 09. 12. 1997, Rs. C-353 / 95P, Tiercé Ladbroke / Kommission, Slg. 1997, I-7007 (Rn. 33 ff.); EuGH, Urteil v. 17. 06. 1999, Rs. C-75 / 97, Belgien / Kommission (Maribel I), Slg. 1999, I-3671 (Rn 33 f.); EuGH, Urteil v. 02. 07. 1974, Rs. 173 / 73, Italien / Kommission, Slg. 1974, 709 (Rn. 33, 35); EuG, Urteil v. 27. 01. 1998, Rs. T-67 / 94, Ladbroke Racing / Kommission, Slg. 1998, II-1 (Rn. 74 ff.); EuG, Urteil v. 29. 09. 2000, Rs. T-55 / 99, CETM / Kommission, Slg. 2000, II-3207 (Rn. 52 ff.). 295 Ausführlich hierzu daher unten unter C. I. 4. 296 Vgl. bereits oben unter C. I. 1. 297 So aber Merola / Crichlow, World Competition 2004, 25 (35), die nur bei diskriminierenden Einzelentscheidungen der Mitgliedstaaten einen Vorteil annehmen.

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dels seien die mit der Emission von Treibhausgasen verbundenen Zuwachskosten der Zertifikatpreise als variable Kostenkomponente zu den variablen Betriebskosten der Anlagenbetreiber zu addieren. Da die Zertifikate handelbar seien und einen Marktwert besitzen, führe der mit der Nichtreduktion von Emissionen verbundene Verzicht auf den grundsätzlich möglichen Verkauf der Zertifikate zu Opportunitätskosten, die in die Produktionskosten einzubeziehen seien, wodurch sich der Anteil der variablen anlagenspezifischen Emissionskosten – angesichts der entstehenden Opportunitätskosten auch bei entgeltfreier Zuteilung und Eigenverbrauch – mit steigenden Zertifikatpreisen erhöhe.299 Dem ist zwar insoweit zuzustimmen, als dass sich die Produktionskosten gemäß der Kostentheorie nicht nach historisch gezahlten oder nicht gezahlten Kosten bestimmen, sondern durch die Beschaffungskosten auf den Faktormärkten. Dabei wurde durch die Einführung des Emissionshandels ein neuer Faktormarkt für Treibhausgasemissionen geschaffen, so dass diese nunmehr einen knappen Produktionsfaktor darstellen.300 Auch ist die Weitergabe von Marktpreisen auch für entgeltfrei zugeteilte Zertifikate durchaus ökonomisch richtig, da in dem Marktwert ein neues, vom Emissionshandel gesetztes Knappheitssignal liegt.301 Beihilfenrechtlicher Bezugspunkt muss aber die entgeltfreie Zuteilung der Zertifikate sein. Denn zum einen entstehen die Opportunitätskosten erst in dem Moment, in dem die Zertifikate zugeteilt sind. Zum anderen verliert die Gewährung eines gegenleistungslosen geldwerten Vorteils ihren Begünstigungscharakter nicht dadurch, dass dieser in der Bilanz oder als Produktfaktor erscheint. Verglichen zum Erwerb der Zertifikate im Wege der Versteigerung ersparen sich die Emittenten Aufwendungen, die sie – ökonomisch zutreffend – als Opportunitätskosten weitergeben können.302 Dies zeigt sich etwa in den Zusatzgewinnen der Stromerzeuger, die ihren 298 Reuter / Kindereit, DVBl. 2004, 537 (540); Arndt / Fischer, Kurzgutachten Bahnstromerzeugung, S. 16. 299 Feess, Umweltökonomie, S. 126; Zander / Merten, et 2004, 58 (59). Vgl. schon Kommission, Grünbuch zum Handel mit Treibhausgasemissionen in der Europäischen Union v. 08. 03. 2000, KOM (2000) 87 endg., S. 23. 300 Sachverständigenrat für Umweltfragen, Mitteilung 11 / 2006, S. 5, mit Hinweis auf die Entscheidungsalternativen des Emittenten, entweder die Zertifikate selbst zur Produktion weiterer Produktionseinheiten zu verwenden, oder sie am Markt zu verkaufen. Da die Verwendung für die Produktion den Verzicht auf den Verkaufserlös am Markt bedeutet, entstehen Opportunitätskosten in Höhe des entgangenen Verkaufserlöses, so dass die Zertifikate mit dem jeweiligen Marktpreis als Faktorkosten anzusetzen sind. Vgl. hierzu auch Hellwig, WuW 2006, 1092. 301 Dies steht einer Angreifbarkeit der Einpreisung aus anderen Gründen nicht entgegen, vgl. etwa Frenz, WuW 2006, 737 ff.; Markert, ZNER 2006, 119 ff.; sowie die Abmahnung des Bundeskartellamts (Fn. 303). 302 Zum Opportunitätskostenprinzip und der Überwälzung von Zertifikatskosten siehe Friederiszick / Röller, WuW 2008, 929 (931 ff.). Siehe auch Bauer / Zink, et 2005, 574 (577); Säcker, et 2005, 691. Ein gesetzliches Verbot dieser Weitergabe der Opportunitätskosten kommt nicht in Betracht, da es das Instrument des Emissionshandels ad absurdum führen würde, siehe auch Sachverständigenrat für Umweltfragen, Mitteilung 11 / 2006, S. 5.

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C. Beihilfenrechtliche Bewertung entgeltfreier Zertifikatzuteilung

Abnehmern auch die entgeltfrei zugeteilten Zertifikate zum jeweils aktuellen Marktpreis in Rechnung stellen.303 Zum anderen verlagert diese Argumentation den beihilfenrechtlichen Prüfungsmaßstab. Zwar entstehen durch den Eigenverbrauch von Zertifikaten Opportunitätskosten im Hinblick auf die Möglichkeit eines alternativen Verkaufs der Zertifikate. Diese sind jedoch für die Frage, ob die entgeltfreie Zertifikatzuteilung die Gewährung eines geldwerten Vorteils darstellt, irrelevant. Denn Bezugspunkt der beihilfenrechtlichen Begünstigungsprüfung ist der Zuteilungsmoment. Erfolgte die Vergabe der Zertifikate entgeltlich, müssten die Betreiber für den Erwerb Kosten aufwenden. In der entgeltfreien Zertifikatzuteilung ist beihilfenrechtlich somit ein „Opportunitätserlös“ im Hinblick auf die Alternative einer entgeltlichen Zertifikatvergabe zu sehen, da Kosten erspart werden, die bei entgeltlicher Zertifikatvergabe angefallen wären.304 Im Ergebnis steht die Belastungsargumentation der Annahme eines beihilfenrechtlichen Vorteils folglich nicht entgegen.

303 Schlemmermeier / Schwintowski, ZNER 2006, 195 ff.; Stratmann, Strombranche macht Front gegen Glos, Handelsblatt v. 02.-05. 06. 2006, S. 4. Vor diesem Hintergrund mahnte auch das Bundeskartellamt im Dezember 2006 verschiedene (marktbeherrschende) Stromversorgungsunternehmen kartellrechtlich wegen überhöhter Strompreise ab, da im Jahre 2005 in den Industriestrompreisen ein zu hoher Prozentsatz des im Strompreis anteilig enthaltenen CO2-Zertifikatwerts überwälzt worden seien, vgl. Bundeskartellamt, Pressemitteilung vom 20. 12. 2006, abrufbar unter http://www.bundeskartellamt.de / wDeutsch / archiv / Pressemeld Archiv / 2006 / 2006_12_20.php. Dabei untersuchte das Bundeskartellamt den auf die Überwälzung von emissionshandelsbedingten Opportunitätskosten entfallenden Preisumfang. Dabei ergab zwar eine Vergleichsbetrachtung mit anderen, am europäischen Emissionshandel teilnehmenden Industrien, dass die Wettbewerbsbedingungen auf anderen Märkten eine Überwälzung der entgeltfrei zugeteilten Zertifikate nicht erlauben. Dies gelte insbesondere nicht nur für Branchen, die im weltweiten Wettbewerb mit nicht am Emissionshandel teilnehmenden Wettbewerbern stehen, sondern auch für Branchen wie beispielsweise den Mineralöl-, Zement-, Kalk- oder Zuckermarkt, in denen deutsche Unternehmen mit ebenfalls am Zertifikatehandel beteiligten nationalen oder europäischen Wettbewerbern konkurrieren. Unabhängig von dieser Vergleichsbetrachtung mit anderen Industrien ergab die Prüfung des Amtes jedoch auch, dass aus stromwirtschaftlichen und emissionsrechtlichen Gründen lediglich für eine geringe Anzahl der zugeteilten Zertifikate tatsächlich eine alternative Verwendungsmöglichkeit bestand. Nur insoweit entginge den Betreibern indes ein monetärer Nutzen, wenn der Wert der Zertifikate nicht einkalkuliert werde. Hierin zeigt sich, dass eine zumindest partielle Einpreisung des Marktwertes der entgeltfrei zugeteilten Zertifikate trotz hohen Wettbewerbs in der Praxis erfolgt und auch erfolgen darf. Das Bundeskartellamt gestattet den marktbeherrschenden Anbietern im Ergebnis eine Weitergabe von bis zu 25% des in dem Strompreis enthaltenen Zertifikatwertes. Siehe zum Vorwurf des Bundeskartellamts und zur Überwälzung der Opportunitätskosten von CO2-Zertifikaten unter ökonomischen Gesichtspunkten Friederiszick / Röller, WuW 2008, 929, und Radov / Klevnas, Energy Regulation Insights, Issue 31; zu Zusatzgewinnen der Stromerzeuger auch Beckmann / Fisahn, ZUR 2009, 299 (305). 304 So auch Hellwig, WuW 2006, 1092: Die entgeltfrei zugeteilten Zertifikate hätten der Stromwirtschaft erhebliche zusätzliche Gewinne beschert.

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(b) Entzug des Rechts zur unlimitierten Emission Andere vertreten, dass durch die Einführung des Emissionshandels das zuvor bestehende Recht zur grundsätzlich unlimitierten Emission (bis zu einer etwaigen ordnungsrechtlichen Höchstgrenze) entzogen und nur kontingentiert sowie verknüpft mit bestimmten Pflichten zurückgegeben werde,305 so dass hierdurch sowohl Produktion als auch Marktchancen der Betreiber erheblich beeinträchtigt würden.306 Ein solches Recht zur unlimitierten Emission hat indes auch vor Einführung des Emissionshandels nicht bestanden.307 So sieht die Richtlinie 96 / 61 / EG über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung308 (IVU-RL) für bestimmte Anlagen eine Genehmigungspflicht vor.309 Diese IVUGenehmigung enthält gemäß Art. 9 Abs. 3 S. 1 IVU-RL Emissionsgrenzwerte für diejenigen Schadstoffe, die von der betreffenden Anlage unter Berücksichtigung der Art der Schadstoffe und der Gefahr einer Verlagerung der Verschmutzung von einem Medium auf ein anderes (Wasser, Luft, Boden) in relevanter Menge emittiert werden können. Nach Art. 9 Abs. 4 S. 1 IVU-RL sind diese Emissionsgrenzwerte auf die besten verfügbaren Techniken zu stützen. Diese Verpflichtung zur Vorsorge nach dem Stand der Technik gilt für jede einzelne von der Richtlinie erfasste Anlage und betrifft auch Treibhausgasemissionen.310 Hierin liegt zwar keine absolute Emissionshöchstgrenze, wie diese durch das Zertifikatsystem geschaffen wird. Der Ansatz der besten verfügbaren Techniken gebietet indes auch ohne Einführung eines Emissionshandelssystems eine entsprechende (emissionsverringernde) Modernisierung der Anlagen. Die Zertifikate bieten für die dem Emissionshandelsregime unterliegenden Unternehmen damit sogar einen Vorteil im Hinblick auf die Emissionshöhe, da durch Art. 26 EHRL auch die Regelung des Art. 9 Abs. 3 IVU-RL geändert wurde. Gemäß dem geänderten Art. 9 Abs. 3 UAbs. 3 IVU-RL darf eine Genehmigung nunmehr keine Emissionsgrenzwerte für direkte Emissionen eines Gases enthalten, wenn die Treibhausgas305 Burgi, in: FS Götz, S. 173 (175), weist zum deutschen Recht darauf hin, dass der Entzug der Befugnis zur Nutzung des Umweltmediums Luft aus dem verfassungsrechtlich geschützten Anlageneigentum eine Freiheitsbeschränkung gegenüber den Anlagenbetreibern darstelle. 306 Reuter / Kindereit, DVBl. 2004, 537 (540); Hösch, in: Hendler / Marburger, Jahrbuch Umweltrecht, S. 130 f. Nach Reimann, EWS 2004, 160 (163), ist der marktwirtschaftliche Regelungsrahmen indes neutral und nicht belastend. Gegen einen Belastungscharakter auch Frenz, ZHR 167 (2003), 459 (459, 461 f.). 307 Hierzu bereits Koenig / Braun / Pfromm, ZWeR 2003, 152 (162 ff.). 308 Richtlinie 96 / 61 / EG des Rates vom 24. 09. 1996 über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung, ABl.EG 1996 L 257 / 26. 309 Art. 4 und 5 i.V. m. Anhang I IVU-RL. 310 Sachverständigenrat für Umweltfragen, Umweltgutachten 2002, Tz. 486. Anhang III IVU-RL enthält ein Verzeichnis der wichtigsten Schadstoffe, deren Berücksichtigung festgeschrieben ist, sofern sie für die Festlegung der Emissionsgrenzwerte von Bedeutung ist.

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C. Beihilfenrechtliche Bewertung entgeltfreier Zertifikatzuteilung

emissionen im Zusammenhang mit einer Tätigkeit der Anlage in Anhang I EHRL aufgeführt sind, es sei denn, dies ist zur Verhinderung erheblicher lokaler Umweltverschmutzungen erforderlich. Die dem Emissionshandelsregime unterliegenden Anlagen unterfallen damit hinsichtlich der vom Emissionshandel umfassten Treibhausgase in der Regel nicht den IVU-Emissionsgrenzwerten nach dem Stand der Technik. Gemäß dem ebenfalls durch Art. 26 EHRL eingefügten Art. 9 Abs. 3 UAbs. 4 IVU-RL steht es den Mitgliedstaaten frei, für die Tätigkeiten nach Anhang I EHRL keine – eigentlich gemäß Anhang IV IVU-RL erforderlichen – Energieeffizienzanforderungen in Bezug auf Verbrennungseinheiten oder andere Einheiten, die am Standort CO2 ausstoßen, festzulegen. Bildlich gesprochen erhalten die dem Emissionshandelsregime unterliegenden Anlagen damit einen „Schutzschirm“ gegen die genannten behördlichen Anordnungen nach der IVURL, solange „keine erhebliche lokale Umweltverschmutzung bewirkt“ wird.311 Diese Wirkung erhöht somit den wirtschaftlichen Nutzen der Zertifikate für die am Emissionshandel teilnehmenden Anlagenbetreiber.312 (3) Kein Begünstigungsausschluss bei bedarfsgerechter Zertifikatzuteilung Teilweise wird das Vorliegen einer Begünstigung für den Fall einer bedarfsgerechten Zuteilung verneint,313 wobei wohl angenommen wird, dass nur in einer den Bedarf überschreitenden Zertifikatzuteilung eine Begünstigung gesehen werden kann. Diese Auffassung übersieht indes, dass auch bei bedarfsgerechter Zuteilung eine Einpreisung des jeweiligen Marktwerts in die Produktpreise grundsätzlich möglich ist.314 Zudem können die Zertifikate auch bei bedarfsgerechter Zuteilung unabhängig von einer tatsächlichen Emissionsreduktion gehandelt werden, wodurch die Unternehmen zwischenzeitliche spekulative Gewinne erzielen können. Diese Möglichkeit der Zwischengewinne wird durch die Besonderheit des Zuteilungssystems geschaffen, Emissionszertifikate zu Beginn eines Jahres auszugeben, die Rückgabe aber erst ein Jahr später zu verlangen:315 Die – für die Dauer der (gesamten) jeweiligen Handelsperiode gültigen – Zertifikate werden bis zum 28. Februar eines Jahres an die Betreiber zugeteilt. Bis zum 30. April eines jeden Sachverständigenrat für Umweltfragen, Umweltgutachten 2002, Tz. 487. Die Befreiung von diesen ordnungsrechtlichen Regulierungslasten stellt allerdings nicht den unmittelbaren Anknüpfungspunkt für die Prüfung des Begünstigungsmerkmals dar, denn in der Befreiung selbst liegt zwar eine Begünstigung der betreffenden Unternehmen, doch fehlt es insoweit am Tatbestandsmerkmal „staatlich oder aus staatlichen Mitteln“; vgl. generell zur Begünstigung durch Ausnahmen von Umweltbestimmungen Bleckmann / Koch, in: FS Carl Heymanns Verlag, S. 305 ff. Jedoch erhöht die Befreiung faktisch den Wert der in der entgeltfreien Zertifikatzuteilung liegenden (und damit eine staatliche Leistung darstellenden) Begünstigung. 313 AGE, Endbericht, S. 19. 314 Siehe hierzu bereits oben unter C. I. 2. a) (2). 315 Vgl. die Regelung der Artt. 11 Abs. 4, 12 Abs. 3 EHRL. 311 312

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Jahres müssen die Betreiber für jede unter die Emissionshandelsrichtlinie fallende Anlage Zertifikate in Höhe der (nach Art. 15 i.V. m. Anhang V EHRL geprüften) Gesamtemissionen der Anlage im vorhergehenden Kalenderjahr zur Löschung abgeben. Wegen dieser Zeitspanne verfügen die Unternehmen unabhängig von einer tatsächlichen Emissionsreduktion über die Zertifikate wie über ein zinsloses Darlehen.316 Die Gewährung eines Darlehens, das unter Marktbedingungen überhaupt nicht gewährt worden wäre, ist in vollem Umfang eine Beihilfe.317 Der geldwerte Vorteil entfällt folglich auch bei bedarfsgerechter Zuteilung nicht, sondern liegt jedenfalls in dem Wert, den die Zertifikate bei Beginn des Handels – und sofort realisierbar – haben. (4) Kein Begünstigungsausschluss wegen gemeinschaftsweiten Zertifikathandels Die Begünstigungswirkung scheidet schließlich auch nicht wegen der gemeinschaftsweiten Einführung des Zertifikathandels aus. So wird argumentiert, die gemeinschaftsweite Einführung zur Umsetzung einer Gemeinschaftspolitik und zur Förderung umweltfreundlicher Technologien durch Schaffung eines Zertifikatmarktes nehme der entgeltfreien Zertifikatzuteilung an sich den Charakter einer Beihilfe.318 Vielmehr hänge die Begünstigungswirkung von der jeweiligen mitgliedstaatlichen Umsetzung des Gemeinschaftssystems, der Einhaltung objektiver und nicht diskriminierender Kriterien sowie der jeweiligen Zertifikatzuteilung ab.319 Diese Auffassung trennt jedoch nicht hinreichend präzise zwischen den verschiedenen Tatbestandsmerkmalen des Art. 87 EG. Die gemeinschaftsweite Einführung des Zertifikatsystems ist eine Frage der mitgliedstaatlichen Zurechenbarkeit und der Selektivität der Beihilfenmaßnahme, nicht jedoch der Begünstigungswirkung. Die Ziele der Maßnahme sind eine Frage der Genehmigungsfähigkeit gemäß Art. 87 Abs. 3 EG. Den Begünstigungscharakter vermögen diese Argumente indes nicht auszuschließen.320 316 So können etwa Unternehmen in Deutschland – die gemäß Punkt C. 3.1.4. des nationalen Allokationsplans für die Bundesrepublik Deutschland 2005 – 2007 vom 31. 03. 2004, abrufbar unter http: // www.bmu.de / emissionshandel, ihre Zertifikate in drei gleichen Tranchen jährlich zum 28. 02. erhalten sollen, während der Pflicht zur Abgabe einer den eigenen CO2-Emissionen im Vorjahr entsprechenden Anzahl von Zertifikaten erst zum 30. 04. des Folgejahres nachgekommen werden muss – Rechte für das vergangene Jahr aus dem laufenden Jahr ausleihen. Damit erhalten sie eine gesamte Jahrestranche an Zertifikaten gewissermaßen als Kredit auf drei Jahre, den sie wirtschaftlich nutzen können, ohne dass dem für sich genommen die Notwendigkeit der Vermeidung von CO2-Emissionen gegenüber stünde. 317 EuGH, Urteil v. 05. 10. 2000, Rs. 288 / 96, Deutschland / Kommission, Slg. 2000, I-8237 (Rn. 42). 318 Merola / Crichlow, World Competition 2004, 25 (35). 319 Merola / Crichlow, World Competition 2004, 25 (35 f.). 320 So bejahen auch Merola / Crichlow, World Competition 2004, 25 (36), die Begünstigungswirkung bei einer Zertifikatzuteilung von über 95 % bzw. 90 %.

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C. Beihilfenrechtliche Bewertung entgeltfreier Zertifikatzuteilung

(5) Zwischenergebnis Die entgeltfreie Zuteilung der Zertifikate stellt folglich die Gewährung eines geldwerten Vorteils dar, da die Unternehmen vom Staat entgeltfrei ein Recht erhalten, das sie auf dem Zertifikatmarkt verkaufen, wie ein zinsfreies Darlehen für Spekulationsgeschäfte nutzen oder durch Einpreisung in ihre Produktionskosten auch im Falle des Eigenverbrauchs realisieren können.321 b) Kein angemessenes Leistungs- / Gegenleistungsverhältnis Eine Begünstigung im Sinne des Art. 87 Abs. 1 EG liegt allerdings dann nicht vor, wenn der staatlichen Maßnahme eine solche marktgerechte Gegenleistung des Empfängers gegenübersteht, durch die ein angemessenes Leistungs- / Gegenleistungsverhältnis entsteht.322 Hierbei ist keine synallagmatische Verknüpfung erforderlich, sondern vielmehr eine wirtschaftliche Gesamtbetrachtung vor dem Hintergrund normaler Marktbedingungen zugrunde zu legen.323 Zur Bestimmung des Leistungs- / Gegenleistungsverhältnisses zieht die Kommission, soweit ein transparenter Markt besteht, den Marktpreis des gewährten Vorteils heran. Fehlt es an einem solchen, spricht eine Vermutung gegen eine Begünstigung, wenn die Höhe der Gegenleistung in einem „objektiven Verfahren“, etwa einem offenen Bietverfahren oder auf der Grundlage eines objektiven Wertgutachtens durch unabhängige Sachverständige, bestimmt worden ist.324 Angesichts des Handels mit Zertifikaten ist für die Berechnung des Leistungswertes folglich der Marktpreis der jeweils entgeltfrei zugeteilten Zertifikate heranzuziehen. Zur Überprüfung der Angemessenheit von Leistung und Gegenleistung wird in einem zweiten Schritt üblicherweise der so genannte „market economy investor“-Test herangezogen.325 Danach wird das Vorliegen einer Beihilfe verneint, 321 Vgl. auch EuG, Urteil v. 10. 04. 2008, Rs. T-233 / 04, Niederlande / Kommission, Slg. 2008, II-591 (Rn. 63 – 78), wonach die Emissionsgutschriften in dem niederländischen NOxEmissionshandelssystem einen Vorteil im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG darstellen. 322 Heidenhain, in: Heidenhain, Beihilfenrecht, § 4 Rn. 2; Mederer, in: Schröter / Jakob / Mederer, EG-Wettbewerbsrecht, Art. 87 Rn. 6; Koenig / Braun / Lekar, EuZW 1998, 5 (8); Koenig / Kühling, NJW 2000, 1065 (1066). 323 Koenig / Kühling / Ritter, Beihilfenrecht, Rn. 71. 324 Koenig / Kühling / Ritter, Beihilfenrecht, Rn. 72 f.; zur Kommissionslogik vgl. Koenig / Pfromm, SächsVBl. 2003, 281; zum Ausschreibungsverfahren Koenig / Pfromm, NZBau 2004, 375 (377 ff.); zum integralen Wertgutachten Koenig / Pfromm / Hentschel, WPg 2005, 1166. 325 Siehe dazu etwa EuGH, Urteil v. 10. 07. 1986, Rs. 40 / 85, Belgien / Kommission, Slg. 1986, 2321 (Rn. 13); EuGH, Urteil v. 21. 03. 1990, Rs. 142 / 87, Belgien / Kommission („Tubemeuse“), Slg. 1990, I-959 (Rn. 26 ff.); EuGH, Urteil v. 21. 03. 1991, Rs. C-305 / 89, Italien / Kommission („Alfa Romeo“), Slg. 1991, I-1603 (Rn. 17 ff.); EuGH, Urteil v. 21. 03. 1991, Rs. C-303 / 88, Italien / Kommission („ENI-Lanerossi“), Slg. 1991, I-1433 (Rn. 18 ff.); EuGH, Urteil v. 14. 09. 1994, verb. Rs. C-278 / 92 u. a., Spanien / Kommission („Hytasa“), Slg. 1994, I-4103 (Rn. 21 ff.); EuGH, Urteil v. 16. 05. 2000, Rs. C-482 / 99,

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wenn eine staatliche Kapitalzuführung an ein Unternehmen von einem unter normalen Marktbedingungen handelnden umsichtigen privaten Investor zu denselben oder vergleichbaren Bedingungen vorgenommen worden wäre. Ähnlich wie im Bereich der Besteuerung326 lässt sich für die Zuteilung der Emissionszertifikate jedoch kein eigener Markt feststellen, da es insofern an der Vergleichbarkeit staatlichen Handelns mit dem Handeln eines privaten Investors fehlt. Zur Beurteilung der Frage, ob Leistung und Gegenleistung einander entsprechen, kann daher nicht auf den „market economy investor“-Test zurückgegriffen werden. Die Angemessenheit des Leistungs- / Gegenleistungsverhältnisses im Sinne hypothetischer normaler Marktbedingungen ist in solchen Fällen anhand objektiver und nachprüfbarer Kriterien zu überprüfen.327 Als Gegenleistung werden teilweise diejenigen Kosten begriffen, die einem Unternehmen entstehen, wenn es seine Emissionen (über den anwendbaren Erfüllungsfaktor hinaus) auf eigene Kosten und eigenes unternehmerisches Risiko reduziert, um die dann überschüssigen Emissionszertifikate handeln zu können.328 Diese Investition sei die marktmäßige Gegenleistung für den Erlös, der aus dem Verkauf der hierdurch freigesetzten Zertifikate erwirtschaftet werde.329 Doch nicht jede Emissionsreduktion seitens eines Unternehmens ist zwingend mit Kosten verbunden,330 zumal die Umstellung auf eine weniger emissionsintensive Produktionsweise häufig zu Effizienzgewinnen führt, also gerade zu geringeren Kosten pro Produkteinheit.331 Unabhängig davon dienen die Kosten eines Unternehmens zur Emissionsreduktion einzig diesem Unternehmen, das für sich einen wirtschaftliFrankreich / Kommission („Stardust Marine“), Slg. 2002, I-4397 (Rn. 70). Hierzu auch Schütte, in: Sánchez-Rydelski, EC State Aid Regime, S. 23 (30). 326 Schön, in: Koenig / Roth / Schön, Fragen des EG-Beihilfenrechts, S. 106 (117); Koenig / Kühling / Ritter, Beihilfenrecht, Rn. 75. 327 EuGH, Urteil v. 03. 07. 2003, verb. Rs. C-83 / 01 u. a., Chronopost u. a. / Kommission, Slg. 2003, I-6993 (Rn. 38); Koenig / Kühling / Ritter, Beihilfenrecht, Rn. 75. 328 Giesberts / Hilf, Handel mit Emissionszertifikaten, S. 95; Reuter / Busch, EuZW 2004, 43; wohl auch AGE, Endbericht, S. 19. So auch der Vortrag der Regierung des Vereinigten Königreichs im Verfahren zum britischen Emissionshandelssystem, vgl. Kommission, Beihilfenentscheidung N 416 / 2001, S. 9, dem jedoch das Erreichen eines Schwellenwerts vorgeschaltet war. 329 Schweer / Ludwig, RdE 2004, 153 (155 f.). Der Marktpreis der Zertifikate entspreche damit dem Preis für die Übernahme entsprechender Vermeidungspflichten. Erhielten Unternehmen Zertifikate entgeltfrei zugeteilt, könnten sie diese nur gegen marktgerechte Übernahme einer Vermeidungspflicht zu Geld machen. 330 So bereits Koenig / Braun / Pfromm, ZWeR 2003, 152 (164); zustimmend Kerth, Emissionshandel, S. 264, und Brattig, Emissionszertifikate, S. 341. Siehe auch den Ansatz der Kommission in ihren Entscheidungen zu den nationalen Handelssystemen, in denen sie etwaige Kosten im Rahmen der Genehmigungsfähigkeit, nicht jedoch als Kompensationsleistung, berücksichtigt, vgl. oben unter B. I. 331 Vgl. nur Porter / van der Linde, Harvard Business Review, September / October 1995, S. 120 ff.; Jänicke / Kunig / Stitzel, Umweltpolitik, S. 286 (397 f.), beide mit Beispielen aus der Praxis, sowie Bader, Europäische Treibhauspolitik, S. 272.

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chen Vorteil darin sieht, dass die Maßnahmen zur Emissionsreduktion günstiger sind als das bloße Halten und der Eigenverbrauch der zugeteilten Emissionszertifikate.332 Zu einem Verkauf überschüssiger Emissionszertifikate kommt es nur dann, wenn sich das Unternehmen hiervon einen wirtschaftlichen Vorteil verspricht. Das Emissionshandelssystem schafft zwar einen Anreiz zur Emissionsreduzierung, setzt indes gerade nicht voraus, dass diesem Anreiz durch die Unternehmen nachgekommen wird.333 Dabei ist zu berücksichtigen, dass in dem gemeinschaftsweiten Emissionshandelssystem – im Gegensatz etwa zum britischen Emissions Trading Scheme – das Erreichen einer Emissionsreduktion gerade nicht erforderlich ist, so dass nicht bereits hierin eine Gegenleistung für die Teilnahme gesehen werden kann. Im Übrigen ist in der Rechtsprechung des Gerichtshofes anerkannt, dass eine Maßnahme grundsätzlich nicht deshalb ihren Begünstigungs- und damit letztlich ihren Beihilfencharakter verliert, weil der Beihilfenempfänger eine bestimmte Handlung als Bedingung der staatlichen Unterstützung vornehmen muss.334 Dieser dogmatische Ansatz lässt sich auch hier verwenden: Eine Begünstigung scheidet nicht deshalb aus, weil das Unternehmen unter Umständen Kosten aufwenden muss, um aus den entgeltfrei zugeteilten Emissionszertifikaten „Geld zu machen“.335 Denn die Begünstigungswirkung tritt auch dann ein, wenn ein Unternehmen die ihm zugeteilten Emissionszertifikate selbst verwendet. Schließlich ist eine Begünstigung auch unabhängig von einem Verkauf durch die (aus der darlehensähnlichen Zuteilung resultierende) Möglichkeit der Erzielung zwischenzeitlicher Gewinne gegeben. Es ließe sich zwar unter Weiterentwicklung des Kostenarguments erwägen, die aus der erhofften Emissionsreduktion resultierenden geringeren Umweltverschmutzungen als Vorteil für den leistungsgewährenden Mitgliedstaat und damit als Gegenleistung anzusehen. Abzustellen wäre dabei nicht auf etwaige, den Unternehmen durch Emissionsreduktionen entstehende Kosten, sondern auf den Vorteil, der dem Mitgliedstaat durch die Emissionsreduktionen zukommt.336 Doch auch dieser 332 In diesem Sinne bereits Koenig / Braun / Pfromm, ZWeR 2003, 152 (164); so auch Rusche, in: Sánchez-Rydelski, EC State Aid Regime, S. 349 (376 f.). 333 Ähnlich Sachverständigenrat für Umweltfragen, Mitteilung 11 / 2006, S. 12. 334 Vgl. EuGH, Urteil v. 05. 10. 1999, Rs. C-251 / 97, Frankreich / Kommission, Slg. 1999, I-6639 (Rn. 39 – 47). In dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatten die betroffenen Unternehmen mit dem Staat sog. Rahmenabkommen geschlossen, in denen sich die Unternehmen bestimmter Branchen zur Erhaltung von Arbeitsplätzen und zur Einstellung Jugendlicher verpflichteten. Als Gegenleistung kamen diese Unternehmen in den Genuss einer degressiven Kürzung der Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung. Der EuGH hatte keinerlei Bedenken bezüglich der Einordnung der degressiven Kürzung als Beihilfe. 335 Zudem ist zweifelhaft, ob die aufzuwendenden Kosten als solche überhaupt eine Kompensationsleistung darstellen. Denn die Zuteilung der Zertifikate erfolgt nicht im Hinblick auf die den Unternehmen entstehenden Kosten einer Reduktion, sondern mit dem Ziel einer Emissionsreduzierung. Hierzu sogleich im Fließtext.

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Perspektivenwechsel verbessert das Argument im Ergebnis nicht: Zum einen setzt es voraus, dass Emissionsreduktionen tatsächlich zustande kommen. Genau dies verlangt das Emissionshandelsregime aber gerade nicht. Die bloße Expektanz von Emissionsreduzierungen reicht indes als „Gegenleistung“ nicht aus. Zudem ist zweifelhaft, ob die Gesamtemissionsmenge durch den Zertifikathandel auch über die schrittweise reduzierten Emissionshöchstmengen hinaus gemindert wird. Schließlich ist mehr als zweifelhaft, ob Leistung und Gegenleistung in diesem Fall als ein wirtschaftlich aufeinander bezogenes Geben und Nehmen verstanden werden können: Zwischen Leistung und Gegenleistung muss zwar kein synallagmatisches Verhältnis bestehen. Gleichwohl muss die Gegenleistung aber bei wirtschaftlicher Gesamtbetrachtung berücksichtigungsfähig sein.337 Der Umfang der berücksichtigungsfähigen Gegenleistungen ist bislang nicht eindeutig bestimmt.338 Eine vergleichbare Problematik besteht im Hinblick auf freiwillige Selbstverpflichtungserklärungen. So hat etwa die deutsche Industrie im Rahmen der ökologischen Steuerreform eine freiwillige Selbstverpflichtungserklärung zur Reduzierung des Energieverbrauchs als Ausgleich für privilegierende Steuertatbestände zugunsten bestimmter energieintensiver Branchen abgegeben.339 Da Art. 87 Abs. 1 EG auch die Begünstigung bestimmter Produktionszweige umfasst, kommt zwar grundsätzlich auch eine kollektive Gegenleistung eines ganzen Produktionszweigs in Betracht. Schwierig gestalten sich indes die Beurteilung der Angemessenheit der Selbstverpflichtungserklärung im Verhältnis zu den erlangten Steuervergünstigungen und die Nachweisbarkeit einer vollständigen Kompensation, weshalb der Begünstigungsausschluss überwiegend nicht gelingen wird.340 Näher liegt insofern eine Berücksichtigung der Selbstverpflichtungserklärungen im Rahmen der Genehmigungsfähigkeitsprüfung gemäß Art. 87 Abs. 3 EG.341 Aus 336 Dabei könnte sowohl auf die Emissionsreduktion bei einem konkreten Unternehmen als auch auf die Reduktion der Gesamtemissionsmenge abgestellt werden. Ökologisch sinnvoll ist als Bezugspunkt jedoch nur die Gesamtemissionsmenge. 337 Vgl. dazu bereits Koenig / Braun / Lekar, EuZW 1998, 5 (9); vgl. ferner Koenig, EuZW 1995, 595 (600); Koenig / Kühling / Ritter, Beihilfenrecht, Rn. 71; Kühling, RdE 2001, 93 (94 f.). 338 Koenig / Kühling / Ritter, Beihilfenrecht, Rn. 79. Diese weisen auch darauf hin, dass die Kommission es abgelehnt hat, regionalökonomische Rentabilitätseffekte (etwa Abgabenmehreinnahmen) als Gegenleistung für der Fluggesellschaft Ryanair auf dem Flughafen Charleroi gewährte Landegebührenermäßigungen als Gegenleistung zu berücksichtigen, vgl. Kommission, Entscheidung v. 12. 02. 2004 über die Vorteilsgewährung seitens der Region Wallonien und des Flughafenbetreibers Brussels South Charleroi Airport zugunsten des Luftfahrtunternehmens Ryanair bei dessen Niederlassung in Charleroi, ABl.EU 2004 L 137 / 1 (Ziff. 142 ff.). 339 Kühling, RdE 2003, 93. Siehe zu Selbstverpflichtungen auch Di Fabio, JZ 1997, 969; Frenz, Selbstverpflichtung; Fluck / Schmitt, VerwArch. 89 (1998) 220. 340 Koenig / Kühling / Ritter, Beihilfenrecht, Rn. 79. 341 Dahingehend auch Kommission, Beihilfenentscheidung NN 47 / 99 v. 03. 05. 1999, Deutschland (Gesetz zum Einstieg in die Ökologische Steuerreform), S. 9; siehe auch Kommission, Gemeinschaftsrahmen für staatliche Umweltschutzbeihilfen, ABl.EG 2001 C 37 / 3, Ziffer 51; ferner Kühling, RdE 2001, 93 (94 f.).

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diesem Grunde muss auch die Berücksichtigung etwaiger in Folge des Zertifikathandels erzielter Emissionsreduktionen und der daraus resultierenden geringeren Umweltverschmutzungen als Kompensation einer entgeltfreien Zertifikatzuteilung scheitern. Somit fehlt es auch in dieser Konstellation an einer beihilfenrechtlich berücksichtigungsfähigen Gegenleistung. c) Kriterien der „Altmark Trans“-Rechtsprechung nicht erfüllt Fraglich ist schließlich, ob die vom EuGH in der Rechtssache „Altmark Trans“342 aufgestellten Kriterien erfüllt sind, wonach eine staatliche Maßnahme bereits tatbestandlich keine Beihilfe im Sinne des Art. 87 Abs. 1 EG ist, wenn sie zum Ausgleich von Nachteilen in Folge der Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse gewährt wird, mit denen ein Unternehmen betraut ist.343 Der EuGH verlangt insofern, dass kumulativ (1) eine tatsächliche Betrauung mit klar definierten Gemeinwohlpflichten erfolgen muss (Transparenz des Betrauungsaktes); dass (2) die Parameter, anhand derer der Ausgleich berechnet wird, zuvor objektiv und transparent festzulegen sind (Transparenz und Objektivität der Ausgleichsparameter); dass (3) der Ausgleich auf die Höhe der Kostendeckung beschränkt ist (Nettomehrkosten-Prinzip) und dass (4), wenn die Kompensationszahlung nicht im Rahmen eines vergaberechtlichen Ausschreibungsverfahrens vergeben wird, als Kostenvergleichsmaßstab ein durchschnittliches, gut geführtes Unternehmen zugrunde gelegt wird (objektiver Kostenmaßstab).344 Vor diesem Hintergrund könnte im Falle des Emissionshandels die Betrauung eines bestimmten unter das Emissionshandelsregime fallenden Sektors mit Dienst342 EuGH, Urteil v. 24. 07. 2003, Rs. C-280 / 00, Altmark Trans GmbH u. a., Slg. 2003, I-7747. Siehe auch EuGH, Urteil v. 22. 11. 2001, Rs. C-53 / 00, Ferring SA / Agence centrale des organismes de sécurité sociale (ACOSS), Slg. 2001, I-9067; EuGH, Urteil v. 07. 02. 1985, Rs. 240 / 83, Procureur de la République / Association de Défense de Bruleurs d’Huiles Usages (ADBHU), Slg. 1985, 531. 343 Ein Verständnis dieser Rechtsprechung als teleologische Reduktion des Tatbestands von Art. 87 Abs. 1 EG entspricht dem Verständnis der herrschenden Meinung, siehe Koenig / Kühling / Ritter, Beihilfenrecht, Rn. 82; Knaul / Flores, in: Faull / Nikpay, The EC Law of Competition, 16.236; Ronellenfitsch, VerwArch 2004, 425 (439 f.); Kämmerer, NVwZ 2004, 28 ff. Ausführlich zum Streit zwischen Tatbestands- und Rechtfertigungslösung siehe auch Kube, EuR 2004, 230 (231 ff.), sowie, jedoch vor Erlass des Urteils in der Rechtssache „Altmark Trans“, Montag / Leibenath, in: Heidenhain, Beihilfenrecht, § 30 Rn. 69 ff. Der Vorteil der Tatbestandsreduktion liegt in der Verfahrensbeschleunigung durch das Entfallen der Notifizierungspflicht. Andererseits wird das Einschätzungsrisiko bzgl. des Vorliegens der für eine Tatbestandsausnahme nach „Altmark Trans“ nötigen Voraussetzungen auf den privaten Zuwendungsempfänger verlagert. Die Gegenauffassung sieht daher in den genannten Kriterien nur eine Rechtfertigungsmöglichkeit für die Beihilfe gemäß Art. 86 Abs. 2 EG. Dies führt dazu, dass die Verfahrensanforderungen an eine Beihilfengewährung, also insbesondere die Notifizierungspflicht gemäß Art. 88 Abs. 3 EG, auch hier gelten. 344 EuGH, Urteil v. 24. 07. 2003, Rs. C-280 / 00, Altmark Trans GmbH u. a., Slg. 2003, I-7747 (Rn. 88 – 93). Siehe hierzu auch Koenig, BB 2003, 2185.

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leistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse darin gesehen werden, dass der Sektor durch die Zuteilung einer geringeren Menge von Emissionszertifikaten, als er benötigt, zur Vermeidung von Emissionen verpflichtet wird. Dann müsste jedoch insbesondere die Vermeidung von Emissionen in Höhe der zu gering zugeteilten Menge an Zertifikaten auch eine hinreichend bestimmte gemeinwirtschaftliche Verpflichtung darstellen und eine Betrauung der dem Emissionshandelssystem unterliegenden Unternehmen mit dieser vorliegen. Wie im Folgenden gezeigt wird, ist beides nicht der Fall. (1) Keine Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse Was eine gemeinwirtschaftliche Verpflichtung im Sinne der EuGH-Rechtsprechung in der Rechtssache „Altmark Trans“ darstellt, wird in Parallele zu den in Art. 86 Abs. 2 EG genannten Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse bestimmt.345 Die Mitgliedstaaten verfügen über die Einschätzungsprärogative, was unter diesen autonomen Begriff des Gemeinschaftsrechts fällt. Auf Gemeinschaftsebene wird insoweit lediglich eine Missbrauchskontrolle vorgenommen.346 Dabei wird unter Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse üblicherweise jegliches marktbezogene Tätigwerden von Unternehmen verstanden, das im Interesse der Allgemeinheit erbracht und daher von den Mitgliedstaaten mit besonderen Gemeinwohlverpflichtungen (etwa Universaldienstverpflichtungen) verbunden wird.347 Dabei ist auf die Erbringung spezifischer Aufgaben abzustellen, die über die Pflichten sonstiger im relevanten Markt tätiger Unternehmen hinausgehen, und nicht auf die bloße Zugehörigkeit zu einer bestimmten Branche.348 Daher ist zweifelhaft, ob Emissionsreduzierungen überhaupt eine marktbezogene Tätigkeit im Sinne des Art. 86 Abs. 2 S. 1 EG – und damit der „Altmark Trans“-Kriterien – darstellen. Denn anders als bei den klassischen Daseinsvorsorgeleistungen und Universaldienstverpflichtungen dient die EmissionsKoenig / Kühling / Ritter, Beihilfenrecht, Rn. 86. Kommission, Mitteilung zu Leistungen der Daseinsvorsorge in Europa, ABl.EG 2001 C 17 / 4 (Ziff. 22); Koenig / Kühling / Ritter, Beihilfenrecht, Rn. 33; Kühling, in: Hrbek / Nettesheim, EU und Daseinsvorsorge, S. 138 (141). Implizit so auch EuGH, Urteil v. 21. 09. 1999, Rs. C-67 / 96, Albany International / Stichting Bedrijspensioenfonds Textielindustrie, Slg. 1999, I-5751 (Rn. 107). 347 Koenig / Kühling / Ritter, Beihilfenrecht, Rn. 30 f.; Koenig / Kühling / Scholz, in: Koenig / Kühling / Theobald, Infrastrukturförderung, Kap. 1, Rn. 95 ff.; Knaul / Flores, in: Faull / Nikpay, The EC Law of competition, 16.211 ff.; Haratsch / Koenig / Pechstein, Europarecht, Rn. 1097 ff.; van Ysendyck, in: von der Groeben / Schwarze, EU-Kommentar, Nach Art. 87 EG III Rn. 6 ff.; Hochbaum / Klotz, in: von der Groeben / Schwarze, EU-Kommentar, Art. 86 Rn. 58 ff.; Kommission, Mitteilung zu Leistungen der Daseinsvorsorge in Europa, ABl.EG 2001 C 17 / 4 (Anhang II). Nach dem ausdrücklichen Wortlaut der Kommissionsmitteilung sind „insbesondere Verkehrs-, Energieversorgungs- und Telekommunikationsdienste“ gemeint. 348 Koenig / Kühling / Ritter, Beihilfenrecht, Rn. 34; v. Burchard, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 86 EGV Rn. 66. 345 346

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reduzierung dem abstrakten Interesse der Allgemeinheit an einem hohen Umweltschutzniveau,349 sie stellt jedoch keine Dienstleistung bzw. Erbringung einer spezifischen Aufgabe gegenüber einzelnen Verbrauchern dar.350 Die vorliegend untersuchte Konstellation ähnelt damit der Differenzierung zwischen der externen Erbringung des Dienstleistungsprodukts und den betriebsinternen Besonderheiten bei dessen Herstellung. Da die Erfüllung besonderer Aufgaben in der Dienstleistung und der Art ihres Angebots (etwa einer flächendeckenden Versorgung mit Telekommunikationsdienstleistungen351) zu sehen ist und nicht in den Besonderheiten der Produktionsgegebenheiten, werden solche von Art. 86 Abs. 2 S. 1 EG nicht umfasst.352 Die Reduzierung von Emissionen ist insofern betriebswirtschaftlichen Input-Faktoren (wie Arbeitsbedingungen, Lohnniveau oder erhöhte Ausbildungsbereitschaft) vergleichbar. Denn auch diese haben zwar Auswirkungen über die Produktionsbedingungen hinaus, stellen jedoch keine Erbringung unternehmensexterner Dienstleistungen dar. Dies entspricht der Konstellation der Emissionsreduzierung, die als betriebsinterne „Besonderheit“ des Herstellungsprozesses neben das eigentliche externe Dienstleistungsprodukt tritt. Doch selbst wenn die Reduzierung von Emissionen abweichend von der hier vertretenen Ansicht als grundsätzlich geeignete Leistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse angesehen wird, fehlt es an einer Verpflichtung, diese Leistung tatsächlich zu erbringen.353 Denn das Emissionshandelssystem begrenzt zwar durch die periodisch sinkenden Emissionshöchstgrenzen die Gesamtemissionen in der Gemeinschaft, es beinhaltet indes gerade nicht die Pflicht einzelner Unternehmen oder Sektoren zur tatsächlichen Vermeidung von Emissionen. Durch die Möglichkeit des Handels der Zertifikate wird lediglich ein Anreiz zur Reduktion geschaffen, während einzelne Emittenten, ein ganzer Sektor oder auch alle der Richtlinie 2003 / 87 / EG unterfallenden Unternehmen eines Mitgliedstaats insgesamt durch den – auch grenzüberschreitend und auch außerhalb der Gemeinschaft möglichen – Erwerb von Zertifikaten ihre Emissionsmenge beibehalten oder gar steigern können. Somit fehlt es von vornherein an der Verpflichtung, eine in ihrem Umfang genau bestimmte Leistung zu erbringen. 349 Kommission, Mitteilung zu Leistungen der Daseinsvorsorge in Europa, ABl.EG 2001 C 17 / 4 (Ziff. 10). 350 Traditionell werden jedoch nur solche Tätigkeiten unter den Begriff der Leistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse gefasst, die in der Erbringung einer Leistung gegenüber Privatpersonen bestehen und für deren Erbringung der Markt allein eventuell nicht ausreichend Anreiz bietet, vgl. Kommission, Mitteilung zu Leistungen der Daseinsvorsorge in Europa, ABl.EG 2001 C 17 / 4 (Ziff. 8 ff., 14 und die Beispiele in Anhang II). 351 Siehe etwa EuGH, Urteil v. 13. 12. 1991, Rs. C-18 / 88, GB-InnO-BM, Slg. 1991, I-5941 (Rn. 16). 352 Koenig / Kühling / Ritter, Beihilfenrecht, Rn. 37; differenzierend Fehling, in: Schwarze, Daseinsvorsorge, S. 195 (203 f.). 353 Zu dieser Anforderung etwa Whish, Competition Law, S. 234.

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Im Ergebnis scheitert die Anwendung der „Altmark Trans“-Kriterien auf Emissionsreduzierungen somit bereits an dem Fehlen einer Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse. (2) Keine Betrauung Auch eine Betrauung der betroffenen Unternehmen liegt nicht vor.354 Während der Gerichtshof zunächst strenge Anforderungen an den Akt der Betrauung stellte,355 betont er zwar neuerdings, dass der Betrauungsakt nicht in einer Rechtsvorschrift niedergelegt sein muss.356 Vielmehr könne auch eine öffentlich-rechtliche Konzession ausreichen, insbesondere wenn diese erteilt wird, um die dem Unternehmen durch Gesetz auferlegte Verpflichtungen zu konkretisieren.357 Die Kommission hat darüber hinaus festgestellt, dass auch Verträge für eine Betrauung genügen können.358 Insofern könnte eine Betrauung nicht nur im Hinblick auf die einzelnen Zuteilungsempfänger und die einzelnen der Richtlinie 2003 / 87 / EG unterfallenden Sektoren, sondern unter Umständen auch in dem Zertifikatsystem als solchem gesehen werden. Ziel des Tatbestandsmerkmals der Betrauung ist es indes, die Sonderaufgabe klar zu formulieren und durch einen sichtbaren Akt eindeutig auf ein Unternehmen zu übertragen.359 Aus Gründen der Rechtssicherheit und Transparenz ist daher zum einen eine präzise Benennung des Unternehmens erforderlich, dem die Wahrnehmung einer bestimmten Gemeinwohlaufgabe übertragen wird. Zum anderen muss der Betrauungsakt die im Einzelnen übertragenen Gemeinwohlverpflichtungen definieren, um so eine Beurteilung der Angemessenheit der für die Erbringung der Gemeinwohlverpflichtung gewährten Ausgleichszahlung zu ermöglichen.360 Wenngleich eine solche mitgliedstaatliche Betrauung der Unternehmen, die unter Anhang I EHRL fallen, im Einzelfall grundsätzlich denkbar wäre, ist eine sol354 Zum Erfordernis der Betrauung und der Bestimmtheit der zu erbringenden Leistung siehe EuGH, Urteil v. 24. 07. 2003, Rs. C-280 / 00, Altmark Trans GmbH u. a., Slg. 2003, I-7747 (Rn. 89); Koenig / Kühling / Scholz, in: Koenig / Kühling / Theobald, Infrastrukturförderung, Kap. 1, Rn. 98 f. 355 EuGH, Urteil v. 14. 07. 1981, Rs. 172 / 80, Gerhard Züchner / Bayerische Vereinsbank AG, Slg. 1981, 2021 (Rn. 7); EuGH, Urteil v. 02. 03. 1983, Rs. 7 / 82, Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten mbH (GVL) / Kommission, Slg. 1983, 483 (Rn. 29 ff.). 356 EuGH, Urteil v. 21. 10. 1997, Rs. C-159 / 94, Kommission / Frankreich, Slg. 1997, I-5815 (Rn. 66). 357 EuGH, Urteil v. 27. 04. 1997, Rs. C-393 / 92, Gemeente Almelo u. a. / NV Energiebedriijf Ijsselmij, Slg. 1994, I-1477 (Rn. 47); EuGH, Urteil v. 23. 10. 1997, Rs. C-159 / 94, Kommission / Frankreich, Slg. 1997, I-5815 (Rn. 66). 358 Kommission, Mitteilung zu Leistungen der Daseinsvorsorge in Europa, ABl.EG 2001 C 17 / 4 (Ziff. 22). 359 Koenig / Kühling, ZHR 166 (2002), 656 (673). 360 Koenig / Kühling / Ritter, Beihilfenrecht, Rn. 86; EuGH, Urteil v. 24. 07. 2003, Rs. C-280 / 00, Altmark Trans GmbH u. a., Slg. 2003, I-7747 (Rn. 89, 95).

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che in den nationalen Zuteilungsplänen nicht ersichtlich.361 An dieser Stelle ist zudem daran zu erinnern, dass aufgrund der bestehenden Möglichkeit, zusätzliche Zertifikate zu erwerben, weder für ein einzelnes Unternehmen oder einen Sektor noch für alle dem Emissionshandelssystem unterfallenden Unternehmen des jeweiligen Mitgliedstaats insgesamt überhaupt eine Pflicht zur tatsächlichen Emissionsreduzierung besteht oder normiert ist, da nur eine Gesamtemissionshöchstgrenze festgelegt wird. (3) Weitere Kriterien ebenfalls nicht erfüllt Auch an dem Vorliegen der anderen „Altmark Trans“-Kriterien – Transparenz und Objektivität der Ausgleichsparameter; Nettomehrkostenprinzip; objektiver Kostenmaßstab – fehlt es: So ist eine Festsetzung und Offenlegung der Parameter, anhand derer die zu gewährenden Ausgleichszahlungen berechnet werden, durch eine unabhängige Instanz und vor Gewährung der Ausgleichszahlung, soweit ersichtlich, nicht erfolgt. Die entgeltfreie Zuteilung von Zertifikaten im Rahmen der nationalen Zuteilungspläne enthält zudem keinerlei Mechanismen, die verhindern, dass die Unternehmen durch (spekulativen) Handel mit den Zertifikaten oder deren Einpreisung mehr Einnahmen erzielen, als sie an Kosten für die angestrebte Emissionsreduktion in ihrem Sektor aufwenden müssen. Derartige Mechanismen oder Regeln bestehen auch nicht im Hinblick auf die Einpreisung der entgeltfrei zugeteilten Zertifikate. Die Einhaltung des Kostendeckungsprinzips ist somit ebenfalls nicht gewährleistet. Schließlich findet auch weder eine vergaberechtliche Ausschreibung der Zertifikatzuteilung statt noch wird bei der Zertifikatzuteilung ein objektiver Kostenmaßstab eines durchschnittlichen, gut geführten Unternehmens zur Bestimmung der Zuteilungsmenge auf die jeweiligen Unternehmen herangezogen. Dies dürfte selbst theoretisch gar nicht möglich sein: Da die Kosten der Emissionsreduzierung bei jedem Unternehmen von dessen spezifischer Produktionsmethode und der jeweiligen Anlage abhängen und somit eine Informationsasymmetrie im Hinblick auf die individuellen Grenzvermeidungskosten besteht, ist ein Abstellen auf ein „durchschnittliches“ Unternehmen kaum möglich.362 (4) Zwischenergebnis Die vom EuGH in der Rechtssache „Altmark Trans“ aufgestellten Kriterien sind im Falle des Emissionsrechtehandels allesamt nicht erfüllt, so dass ein Tatbe361 Auch die Liste des Anhang I EHRL erfüllt – unabhängig von der Frage, ob eine Betrauung auch durch Gemeinschaftsrechtsakt erfolgen kann (was wohl zweifelhaft ist) – die an einen Betrauungsakt zu stellenden Anforderungen hinsichtlich der Benennung der durch das jeweilige Unternehmen zu erfüllenden Aufgaben nicht. 362 Dies war im zugrundeliegenden „Altmark Trans“-Urteil des EuGH anders: Hier ging es darum, dass die Altmark Trans GmbH Zuschüsse der öffentlichen Hand für die Aufrechterhaltung eines flächendeckenden Omnibusliniennetzes in einem deutschen Landkreis erhielt. Die Zuschüsse dienten dem Defizitausgleich für die nicht rentabel zu betreibenden Netzteile.

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standsausschluss der entgeltfreien Zertifikatzuteilung durch die Mitgliedstaaten nicht in Betracht kommt. d) Exkurs: Ausklammerung von Zertifikatpflicht Frenz sieht in der Ausklammerung bestimmter Wirtschaftszweige und Emittenten aus dem Zertifikatsystem eine beihilfenrechtliche Begünstigung.363 Denn durch die Ausklammerung von der Zertifikatpflicht würden die nicht unter die Zertifikatpflicht fallenden Unternehmen dadurch finanziell entlastet werden, dass sie keine Aufwendungen für die Erfüllung der normativen Pflicht zur Emissionsreduzierung hätten.364 Diese Auffassung rekurriert auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, wonach staatliche Maßnahmen, welche die Belastung vermindern, die ein Unternehmen normalerweise zu tragen hätte und die somit einer Leistungsgewährung gleichstehen (Belastungsverminderung), ebenfalls eine Begünstigung darstellen, sofern die Entlastung des Unternehmens nicht durch „die Natur oder den inneren Aufbau“ des jeweiligen Bereichs gerechtfertigt ist.365 Diese Argumentation übersieht jedoch, dass auch die nicht unter die Zertifikatpflicht fallenden Unternehmen in der nationalen Gesamtemissionsmenge berücksichtigt werden und weiterhin den ordnungsrechtlichen Vorgaben, wie etwa der Emissionsreduzierung nach dem Stand der Technik, unterliegen. Zudem stellt die Zertifikatpflicht bei entgeltfreier Zertifikatzuteilung gerade keine finanzielle Belastung der betroffenen Unternehmen dar, sondern bietet vielmehr die Möglichkeit zur Gewinnerzielung durch spekulative Zwischengeschäfte, die Einpreisung der entgeltfrei zugeteilten Zertifikate und (bei Abgabe einer entsprechenden Zertifikatanzahl) die Überschreitung bisheriger ordnungsrechtlicher Emissionshöchstgrenzen. Eine systemwidrige Ausklammerung von einer Belastung, die den beihilfenrechtlichen Begünstigungstatbestand erfüllen könnte, liegt damit im Falle einer entgeltfreien Zertifikatzuteilung im Ergebnis nicht vor.

363 Frenz, ZHR 167 (2003), 459 (462); ders., EurUP 2004, 190 (191); siehe auch ders., Handbuch, Rn. 536. 364 So Frenz, ZHR 167 (2003), 459 (462); ders., EurUP 2004, 190 (191). 365 So die von der st. Rspr. seit EuGH, Urteil v. 23. 02. 1961, Rs. 30 / 59, De Gezamenlijke Steenkolenmijnen in Limburg / Hohe Behörde der EGKS, Slg. 1961, 3 (43), verwandte Formel. Ferner EuGH, Urteil v. 15. 03. 1994, Rs. C-387 / 92, Banco Exterior de España SA / Ayunamiento de Valencia, Slg. 1994, I-877 (Rn. 13); EuGH, Urteil v. 11. 07. 1996, Rs. C-39 / 94, Syndicat français de l’Express international (SFEI) u. a. / La Poste u. a., Slg. 1996, I-3547 (Rn. 58); EuGH, Urteil v. 17. 06. 1999, Rs. C-75 / 97, Belgien / Kommission („Maribel I“), Slg. 1999, I-3671 (Rn. 23); EuGH, Urteil v. 29. 06. 1999, Rs. C-256 / 97, Déménagements-Manutention Transport SA (DMT), Slg. 1999, I-3913 (Rn. 22); EuGH, Urteil v. 07. 03. 2002, Rs. C-310 / 99, Italien / Kommission, Slg. 2002, I-2289 (Rn. 51); EuG, Urteil v. 13. 06. 2000, verb. Rs. T-204 / 97 u. a., EPAC-Empresa para a Agroalimentação e Cereais, SA / Kommission, Slg. 2000, II-2267 (Rn. 65); EuG, Urteil v. 14. 12. 2000, Rs. T-613 / 97, Union française de l’express (UFEX), DHL International SA, Federal express international (France) SNC and CRIE SA / Kommission, Slg. 2000, II-4055 (Rn. 65).

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e) Zwischenergebnis Sowohl die zwingend entgeltfreie Zuteilung von 95% bzw. 90 % der Zertifikate als auch die entgeltfreie Zuteilung der nach Art. 10 EHRL nicht zwingend entgeltfrei zuzuteilenden Zertifikate stellen grundsätzlich beihilfenrechtliche Begünstigungen dar. Denn die Zertifikate stellen ein auf dem Zertifikatmarkt handelbares Gut und damit einen Vermögensgegenstand dar, der den Unternehmen entgeltfrei zugeteilt wird. Beihilfenrechtlicher Anknüpfungspunkt ist insofern ausschließlich die Gewährung eines geldwerten Vorteils, da die Zertifikate unabhängig von einer tatsächlichen Emissionsreduktion handelbar sind, die Zertifikatzuteilung die Erzielung (zwischenzeitlicher) spekulativer Gewinne ermöglicht und der Marktpreis der Zertifikate trotz entgeltfreier Zuteilung in die Produktpreise eingepreist werden kann. Dieser Vorteilsgewährung steht keine angemessene Gegenleistung gegenüber, da das Emissionshandelssystem zwar einen Anreiz zur Emissionsreduzierung schafft, eine solche aber – über die im Wege der Gesamtzertifikatmenge festgelegte Emissionshöchstgrenze hinaus – gerade nicht voraussetzt. Vielmehr sind die Zertifikate auch ohne tatsächliche Emissionsreduktion handelbar und eine Begünstigungswirkung ist auch im Falle des Eigenverbrauchs denkbar. Schließlich scheidet auch eine Übertragung der „Altmark Trans“-Rechtsprechung aus, da die „Altmark Trans“-Kriterien nach hier vertretener Auffassung allesamt nicht erfüllt sind. Im Ergebnis ist das Vorliegen einer Begünstigung der unter das Zertifikathandelssystem fallenden Unternehmen in Form der entgeltfreien Zertifikatzuteilung mangels angemessenen Leistungs- / Gegenleistungsverhältnisses daher grundsätzlich bezüglich sämtlicher entgeltfrei zugeteilten Zertifikate zu bejahen.366 Aus diesem Grund ist auch der Begünstigungscharakter einer Ausklammerung von der Zertifikatpflicht zu verneinen.

3. Staatlich oder aus staatlichen Mitteln gewährt Weiteres Tatbestandsmerkmal des Beihilfenbegriffs ist das Erfordernis, dass die Begünstigung „staatlich oder aus staatlichen Mitteln“ gewährt wird. Dabei setzt das Tatbestandsmerkmal zweierlei voraus: Zum einen muss die Begünstigung unmittelbar durch staatliche Stellen oder über vom Staat benannte öffentliche oder private Einrichtungen gewährt werden, zum anderen muss es durch die Vorteilsgewährung zu einer aktuellen oder potentiellen Mittelbelastung im öffentlichen Haushalt367 kommen. 366 Nach Lorenz, EStAL 2004, 399 (401) gilt dies zumindest dann, wenn mehr als 95% der Zertifikate entgeltfrei zugeteilt werden, da es sonst zu einem Wettlauf um die ersten 95 % der Zertifikate komme. 367 Hierbei handelt es sich um ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal, vgl. hierzu sogleich unter C. I. 3. b). Siehe hierzu auch Soltész, EuZW 1998, 747 ff.

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a) Staatlichkeit der Mittel Aus der Unterscheidung „staatlich“ oder „aus staatlichen Mitteln“ wird deutlich, dass nicht nur die unmittelbar vom Staat gewährten Begünstigungen (erste Variante) in den Anwendungsbereich des Beihilfenregimes fallen, sondern auch solche einem Unternehmen oder Produktionszweig gewährten Begünstigungen einzubeziehen sind, die über eine vom Staat benannte oder errichtete öffentliche oder private Einrichtung gewährt werden (zweite Variante).368 Da die Zuteilung der Emissionszertifikate auf der Grundlage der nationalen Zuteilungspläne durch den Staat selbst oder eine von ihm gegründete Zertifikatstelle erfolgt, kann die Vergabe des Vorteils jedoch eindeutig den Mitgliedstaaten zugerechnet werden, so dass dieses Tatbestandsmerkmal grundsätzlich erfüllt ist. b) Belastung öffentlicher Haushalte Seit dem Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache „PreussenElektra“ erfordert das Tatbestandsmerkmal der Staatlichkeit der Mittel zudem, dass durch die Begünstigung eine Belastung öffentlicher Haushalte erfolgen muss.369 Die Belastung öffentlicher Haushalte tritt als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal neben die Staatlichkeit der Mittel.370 (1) Die „PreussenElektra“-Rechtsprechung Gegenstand der Rechtssache „PreussenElektra“ war das deutsche Stromeinspeisungsgesetz 1990.371 Dieses verpflichtete private Energieversorgungsunternehmen, den in ihrem Versorgungsgebiet erzeugten Strom aus erneuerbaren Energien zu über dem Marktpreis liegenden Mindestpreisen abzunehmen. Die Erzeuger erneu368 EuGH, Urteil v. 07. 05. 1998, verb. Rs. C-52 / 97 u. a., Epifanio Viscido, Mauro Scandella u. a. und Massimiliano Terragnolo u. a. / Ente Poste Italiane, Slg. 1998, I-2629 (Rn. 13); EuG, Urteil v. 12. 12. 1996, Rs. T-358 / 94, Compagnie nationale Air France / Kommission, Slg. 1996, II-2109 (Rn. 55 ff.). 369 EuGH, Urteil v. 13. 03. 2001, Rs. C-379 / 98, PreussenElektra AG / Schleswag AG u. a., Slg. 2001, I-2099. Ebenso EuGH, Urteil v. 15. 07. 2004, Rs. C-345 / 02, Pearle BV, Hans Prijs Optiek Franchise BV, Rinck Opticiëns BV / Hoofdbedrijfschap Ambachten, Slg. 2004, I-7139 (Rn. 34). EuGH, Urteil v. 20. 11. 2003, Rs. C-126 / 01, Ministre de l’économie, des finances et de l’industrie / GEMO SA, Slg. 2003, I-13769 (Rn. 22 f.); EuG, Urteil v. 06. 03. 2003, Rs. T-228 / 99, Westdeutsche Landesbank Girozentrale u. a. / Kommission u. a., Slg. 2003, II-435 (Rn. 178 ff.). 370 Soltész, EuZW 1998, 747 (751 ff.). 371 Gesetz über die Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energien in das öffentliche Netz (StromeinspeisungsG) vom 07. 12. 1990, BGBl. 1990 I, S. 2633. Vgl. auch §§ 3 – 8 des nachfolgenden Gesetzes über den Vorrang erneuerbarer Energien (Erneuerbare-Energien-Gesetz, EEG) vom 29. 03. 2000, BGBl. 2000 I, S. 305; sowie §§ 3 und 4 des Gesetzes zum Schutz der Stromversorgung aus Kraft-Wärme-Kopplung (Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz, KWKG) vom 12. 05. 2000, BGBl. 2000 I, S. 703.

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erbarer Energien wurden folglich nicht aus Mitteln der öffentlichen Hand, sondern aus den Mitteln privater Unternehmer finanziell gefördert. Der Gerichtshof verneinte unter Hinweis auf sein Urteil in der Rechtssache „Van Tiggele“372, jedoch ohne auf seine bisherige Rechtsprechung zur Staatlichkeit der Mittel einzugehen, das Vorliegen einer staatlichen Beihilfe. Nach Auffassung des Gerichtshofs führt die gesetzliche Verpflichtung zur Abnahme des Stroms zu überhöhten Preisen zu keiner „unmittelbaren oder mittelbaren Übertragung staatlicher Mittel auf die Unternehmen, die diesen Strom erzeugen“. Dieser Auffassung des Gerichtshofs folgt mittlerweile auch die Kommissionspraxis.373 Demnach fallen nur solche Maßnahmen in den Anwendungsbereich des Beihilfenregimes, die zu einer aktuellen oder potentiellen Mittelbelastung öffentlicher Haushalte führen.374 Hierbei kann es sich sowohl um positive Geld- oder Sachleistungen handeln, als auch um eine Belastungsverminderung bei den Beihilfenempfängern bei ganz oder teilweisem Verzicht des Staates auf sonst dem Staatshaushalt zufließende Mittel. Das Tatbestandsmerkmal ist demgegenüber nicht erfüllt, wenn nur die Begünstigungswirkung auf staatliches Handeln zurückzuführen ist, die finanziellen Lasten aber allein Private tragen.375 Folglich ist nach der „PreussenElektra“-Rechtsprechung der Beihilfentatbestand nur dann erfüllt, wenn die entgeltfreie Zuteilung der Zertifikate auch zu Lasten öffentlicher Haushalte geht.376 Vor diesem 372 EuGH, Urteil v. 24. 01. 1978, Rs. 82 / 77, Staatsanwaltschaft des Königreichs der Niederlande / Jacobus Philippus van Tiggele, Slg. 1978, 25. 373 Kommission, Beihilfenentscheidung NN 27 / 2000 v. 22. 05. 2002, Deutschland (Erneuerbare-Energien-Gesetz); Kommission, Beihilfenentscheidung NN 68 / 2000 v. 22. 05. 2002, Deutschland (Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz), S. 3. Siehe auch Kommission, Beihilfenentscheidung N 504 / 2000 v. 28. 11. 2001, Vereinigtes Königreich (Renewable Obligations and Capital Grants for Renewable Technologies); Kommission, Beihilfenentscheidung N 550 / 2000 v. 25. 07. 2001, Belgien (Certificats verts dans le secteur de l’électricité); Kommission, Beihilfenentscheidung N 661 / 99 v. 27. 02. 2002, Vereinigtes Königreich (Competitive Transition Charge), Rn. 23, 28. 374 So etwa auch Cremer, in: Calliess / Ruffert, EU- / EG-Vertrag, Art. 87 EGV Rn. 11; Mederer, in: von der Groeben / Thiesing / Ehlermann, EU- / EG-Vertrag, Art. 92 EGV Rn. 16; Koenig / Kühling, in: Streinz, EUV / EGV Kommentar, Art. 87 EGV Rn. 44; speziell zum Zertifikatsystem Ehricke, EWS 2002, 301 (302). 375 Koenig / Kühling / Ritter, Beihilfenrecht, Rn. 162; Cremer, in: Calliess / Ruffert, EU- / EG-Vertrag, Art. 87 EGV Rn. 10; Koenig / Kühling, in: Streinz, EUV / EGV Kommentar, Art. 87 EGV Rn. 44 ff. 376 Der „PreussenElektra“-Rechtsprechung ist jedoch entgegenzuhalten, dass nach der bisherigen Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Staatlichkeit der Mittel – wonach grundsätzlich alle Mittel privater oder öffentlicher Einrichtungen, auf deren Vergabe der Staat einen bestimmenden Einfluss ausüben kann, unabhängig von ihrer Herkunft unter das Tatbestandsmerkmal fallen – auch die Mittel privater Unternehmen, auf die der Staat durch Gesetz zugreift, als staatliche Mittel anzusehen sind. Dabei hat sich der EuGH mit seiner vorhergehenden Rechtsprechung zur Staatlichkeit der Mittel (vgl. etwa EuGH, Urteil v. 02. 02. 1988, verb. Rs. 67 / 85 u. a., van der Kooy / Kommission, Slg. 1988, 219; EuG, Urteil v. 12. 12. 1996, Rs. T-358 / 94, Air France / Kommission, Slg. 1996, II-2109) nicht auseinandergesetzt und diese noch nicht einmal erwähnt. Insbesondere führt die „PreussenElektra“-Rechtsprechung

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Hintergrund wird eine Belastung öffentlicher Haushalte im Fall der entgeltfreien Zertifikatzuteilung durch die Mitgliedstaaten überwiegend verneint.377 (2) Keine Vergleichbarkeit der Sachverhalte Gegen eine Übertragung der „PreussenElektra“-Rechtsprechung auf den Emissionshandel spricht jedoch, dass die zugrunde liegenden Sachverhalte nicht vergleichbar sind. Anders als im Rahmen der Förderung von Strom aus erneuerbaren Energien durch Festsetzung eines über dem Marktpreis liegenden Mindestpreises werden durch die Einführung des Emissionshandels und im Rahmen der Zertifikatzuteilung nicht Private gesetzlich verpflichtet, eigene Mittel direkt an ein begünstigtes Unternehmen zu übertragen. Zwar ermöglicht der Staat durch die Handelbarkeit der Zertifikate einen Zertifikathandel zwischen Privaten. Hinsichtlich der hier in Frage stehenden beihilfenrechtlichen Bewertung einer entgeltfreien Zertifikatzuteilung durch die Mitgliedstaaten ist jedoch allein auf die Zertifikatzuteilung abzustellen. Im Rahmen der Zertifikatzuteilung wird eine Übertragung von Mitteln Privater auf Private jedoch gerade nicht erzwungen und es kommt auch nicht zu einer solchen. Vielmehr gestaltet der jeweilige Mitgliedstaat mit der Einrichtung des Emissionshandels das „Recht auf Emission“ als einen vom Staat – in Form der Zertifikate – zu verteilenden Wert aus.378 Dieser Wert ist somit – anders als in der jedoch zu unannehmbaren Unterschieden in der Bewertung oft auswechselbarer Formen staatlicher Maßnahmen, wie etwa parafiskalischer Abgaben oder Steuern. Dies zeigt sich etwa in der nachfolgenden Kommissionspraxis, in der die durch EEG und KWKG auferlegte Verpflichtung zur Abnahme von Strom aus erneuerbaren Energien zu über den Marktpreisen liegenden Mindestpreisen nicht als staatliche Beihilfe angesehen wurde (vgl. Kommission, Beihilfenentscheidung NN 27 / 2000 v. 22. 05. 2002, Deutschland: Erneuerbare-Energien-Gesetz; Kommission, Beihilfenentscheidung NN 68 / 2000 v. 22. 05. 2002, Deutschland: Kraft-WärmeKopplungsgesetz), während die Kommission Leistungen von Energieversorgungsunernehmen zur Förderung des Stroms aus erneuerbaren Energien an staatlich eingerichtete Fonds als staatliche Beihilfe bewertete (Kommission, Beihilfenentscheidung N 504 / 2000 v. 28. 11. 2001, Vereinigtes Königreich: Renewable Obligations and Capital Grants for Renewable Technologies; Kommission, Beihilfenentscheidung N 550 / 2000 v. 25. 07. 2001, Belgien: Certificats verts dans le secteur de l’électricité). Im Ergebnis führt die „PreussenElektra“-Rechtsprechung daher dazu, dass es letztlich in der Hand der Mitgliedstaaten ist, ob durch eine entsprechende Wahl und Ausgestaltung einer Fördermaßnahme Beihilfenwirkungen erzielt werden. Vgl. zu diesen Aspekten umfassend Heidenhain, in: Heidenhain, Beihilfenrecht, § 4 Rn. 30 – 32. 377 Arndt / Fischer, Kurzgutachten Bahnstromerzeugung, S. 16 f.; Arndt / Fischer, et 2003, 704 (707) ohne weitere Erläuterung; Marr, EurUP 2004, 10 (19); Ehricke, Kurzgutachten Emissionszertifikatehandel, S. 23; wohl auch Frenz, ZHR 167 (2003), 459 (464); Reuter / Busch, EuZW 2004, 39 (43); Voßkuhle, in: Hendler / Marburger / Reinhard / Schröder, Energierecht, S. 159 (181); im Ergebnis auch Rusche, in: Sánchez-Rydelski, EC State Aid Regime, S. 349 (377 ff.). Brattig, Emissionszertifikate, S. 342, vertritt zudem die Auffassung, dass der Staat bei entgeltfreier Zuteilung in Folge höherer Gewinne bei den Zuteilungsempfängern höhere Staatseinnahmen erziele. 378 Zur grundsätzlichen Zulässigkeit der Einführung eines Emissionshandelssystems als eine verhältnismäßige – und daher zulässige – Inhalts- und Schrankenbestimmung des gemeinschaftsrechtlichen Eigentumsgrundrechts siehe bereits oben unter Fn. 52.

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dem „PreussenElektra“-Urteil zugrunde liegenden Konstellation – dem Staat zugeordnet, so dass eine entgeltfreie Zuteilung der Zertifikate die Übertragung staatlicher Mittel darstellt. (3) Belastung öffentlicher Haushalte durch Einnahmeverzicht Auch der Verzicht des Staates auf die Ausübung eines ihm zustehenden Rechts und damit auf potentielle Einnahmen kann eine Belastung öffentlicher Haushalte darstellen.379 Denn eine Belastung öffentlicher Haushalte erfolgt nicht nur bei einer positiven Leistungsgewährung, sondern grundsätzlich auch bei einer Belastungsverminderung, wie etwa im Falle einer Verschonung von Steuern oder Abgaben oder des Verzichts auf eine Gegenleistung.380 Insofern ist ein Einnahmeverzicht seitens des Staates anzunehmen, wenn sich der Staat einer Einnahme begibt, auf die er an sich einen Anspruch hätte. Übertragen auf die entgeltfreie Zertifikatzuteilung ist daher von einer Belastung des öffentlichen Haushalts auszugehen, wenn dem Staat durch die unentgeltliche Zuteilung der Zertifikate grundsätzlich mögliche Einnahmen aus der entgeltlichen Abgabe dieses Rechts entgehen.381 Dies entspricht auch der Kommissionspraxis zu mitgliedstaatlichen Zertifikatsystemen. So hat die Kommission in der Bewertung der ihr notifizierten Handelssysteme das Tatbestandsmerkmal immer dann als erfüllt betrachtet, wenn der Staat das jeweilige Zertifikat auch hätte entgeltlich abgeben können, wobei dies wiederum immer dann der Fall sei, wenn die Zertifikate für den Empfänger in dessen Verhältnis zum Staat einen Wert (etwa ein direktes Emissionsrecht) darstellten und nicht nur ein staatlicher Nachweis einer bestimmten Produktionsform (wie etwa im belgischen Grünstromsystem) seien.382 Eine Belastung öffentlicher Haushalte ist vorliegend 379 EuGH, Urteil v. 11. 07. 1996, Rs. C-39 / 94, Syndicat français de l’Express international (SFEI) u. a. / La Poste u. a., Slg. 1996, I-3547 (Rn. 59); EuGH, Urteil v. 29. 06. 1999, Rs. C-256 / 97, Déménagements-Manutention Transport SA (DMT), Slg. 1998, I-3913 (Rn. 30). Zustimmend auch Merola / Crichlow, World Competition 2004, 25 (37). 380 EuGH, Urteil v. 15. 03. 1994, Rs. C-387 / 92, Banco de Credito Industrial SA / Ayuntamiento de Valencia, Slg. 1994, I-877 (Rn. 14); EuGH, Urteil v. 19. 09. 2000, Rs. C-156 / 98, Deutschland / Kommission, Slg. 2000, I-6857 (Rn. 26 ff.); Mederer / Triantafyllou, in: Schröter / Jakob / Mederer, EG-Wettbewerbsrecht, Art. 87 Rn. 27 f.; Frenz, DVBl. 2001, 673 (681); Soltész / Makowski, EuZW 2003, 73 (77). Siehe auch Kommission, Mitteilung über die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf Maßnahmen im Bereich der direkten Unternehmensbesteuerung, ABl.EG 1998 C 384 / 3, Tz. 10; Kommission, Entscheidung 2003 / 192 / EG v. 20. 12. 2001, Guipúzcoa, ABl.EG 2003 L 77 / 1, Tz. 58 f. 381 Koenig / Braun / Pfromm, ZWeR 2003, 152 (166); dem folgend Kerth, Emissionshandel, S. 265, Martini, Verteilungslenkung, S. 788, und Jungnickel / Dulce, NVwZ 2009, 623 (625). Zustimmend auch Stewing, Emissionshandel, S. 27 ff.; a. A. Marr, EurUP 2004, 10 (19). Brattig, Emissionszertifikate, S. 251 f., prüft die „Preisbildung für die Zertifikate auf dem Markt“. Diese Preisbildung kann aber schwerlich beihilfenrechtlicher Anknüpfungspunkt sein und lässt als solche dem Staat keine finanzielle Einbuße entstehen. 382 Vgl. im Einzelnen oben unter B. I.

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daher anzunehmen, wenn die Mitgliedstaaten die Zertifikate auch entgeltlich hätten abgeben können. (4) Grundsätzliche Möglichkeit einer entgeltlichen Zertifikatzuteilung Den Mitgliedstaaten steht es im Rahmen der verfassungs- und gemeinschaftsrechtlichen Grenzen grundsätzlich frei, für umweltbelastende Aktivitäten ein Entgelt zu verlangen und ein solches für bestimmte Bereiche neu einzuführen.383 Auch die Ausgestaltung der jeweiligen Systeme steht den Mitgliedstaaten je nach Zielrichtung der Maßnahme im Rahmen der verfassungs- und gemeinschaftsrechtlichen Grenzen frei. Insofern können die Mitgliedstaaten etwa eine Abgabepflicht oder Steuern für die Nutzung bestimmter Güter oder die Belastung der Umwelt einführen. Zwar besteht in den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen kein geschlossenes und harmonisches System der Umweltabgaben, diese werden jedoch in Art. 175 Abs. 2 EG (Vorschriften überwiegend steuerlicher Art) erwähnt und im sekundären Gemeinschaftsrecht sowie im mitgliedstaatlichen Recht strukturiert.384 Aus umweltökonomischer Sicht können Umweltabgaben nach ihrer Funktion, den Belastungsgründen und den jeweiligen Schutzmedien unterschieden werden: Im Rahmen von Umweltnutzungsabgaben385 werden Verursacher finanziell belastet, soweit sie ein Umweltmedium für individuelle Zwecke in Anspruch nehmen. Umweltnutzungsabgaben führen dazu, dass Naturressourcen wie Luft und Wasser, die bislang als keinem Rechtssubjekt zustehendes Allgemeingut galten, kommerzialisiert werden und der Ertrag der Abgabe dem allgemeinen Haushalt zugute kommt bzw. fonds- oder zweckgebunden ist.386 Umweltausgleichsabgaben387 verfolgen demgegenüber einen Kompensationszweck und gleichen die vom Verursacher hervorgerufene Umweltbelastung an anderer Stelle wieder aus. Umweltlenkungsabgaben388 wirken allein finanziell auf den Verursacher ein und überlassen Siehe hierzu sogleich im Fließtext und Fn. 391. Kirchhof, in: Rengeling, Handbuch Umweltrecht, § 38 Rn. 5. Die deutsche Rechtsordnung kennt eine stattliche Anzahl von Umweltabgaben, vgl. die Überblicke bei Ramsauer, in: Koch, Umweltrecht, § 3 Rn. 99 ff.; Hendler, NuR 2000, 661 (663 ff.); Kirchhof, in: Rengeling, Handbuch Umweltrecht, § 38 Rn. 81 ff. Auch in anderen Mitgliedstaaten finden sich vergleichbare Vorschriften, vgl. die Angaben bei Kommission, Mitteilung über Umweltsteuern und -gebühren im Binnenmarkt, Anhang 1, ABl.EG 1997 C 224 / 6; Kirchhof, in: Rengeling, Handbuch Umweltrecht, § 38 Rn. 114 ff. m. w. N. (dort Fn. 310); Bell / Ball, Environmental Law, S. 367 f. 385 Etwa Wasserentnahmeentgelte, wie bspw. jene gemäß §§ 17a ff. WasserG-BW, §§ 47 ff. WasserG-Nds., § 13 WasserG-Berlin. 386 Kirchhof, in: Rengeling, Handbuch Umweltrecht, § 38 Rn. 6. 387 Etwa die von den Ländern in ihren Naturschutzgesetzen auf Grundlage des § 19 BNatSchG eingeführten Ausgleichsabgaben wie bspw. § 5 Abs. 3, 4 NatSchG-NW, § 11 Abs. 3 S. 4, Abs. 5 und 6 NatSchG-BW, § 6a Abs. 3 S. 2 – 7 BayNatSchG. 388 Etwa die je nach Schwefelgehalt des Energieträgers variierenden Mineralölsteuersätze, vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 1 EnergieStG. 383 384

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C. Beihilfenrechtliche Bewertung entgeltfreier Zertifikatzuteilung

ihm die Wahl zwischen abgabenpflichtiger Umweltbelastung oder abgabenfreier Umweltschonung. Umweltfinanzierungsabgaben bemessen sich schließlich nicht nach den externen Kosten der Ressourcennutzung, sondern allein nach dem Finanzierungsbedarf für Umweltschutzvorhaben. Die Zertifikate im Emissionshandelssystem sind mit (Umweltnutzungs-)Abgaben im Hinblick auf die ökologische Zielerreichung durch den Einsatz ökonomischer Elemente vergleichbar. Zwar wird durch die Zertifikate kein konkreter Preis für die Umweltnutzung festgesetzt, sondern dieser im Rahmen einer mengenmäßigen Obergrenze der Preisbildung auf dem Markt überlassen. Zertifikate kommerzialisieren Umweltmedien jedoch ebenso wie Abgaben. Den Mitgliedstaaten steht es daher grundsätzlich frei, auch die zur CO2-Emission berechtigenden Zertifikate, ähnlich der Umweltnutzungsabgabe, entgeltlich abzugeben. Dies ist vorliegend jedoch nur dann der Fall, wenn – konkret – eine entgeltliche Ausgestaltung der Emissionszertifikatvergabe auch den durch höherrangiges Recht gesetzten Grenzen genügt. Dies wird neuerdings verschiedentlich unter nationalverfassungsrechtlichen Gesichtspunkten bezweifelt.389 In Deutschland wird insbesondere die Vereinbarkeit einer entgeltlichen Zertifikatvergabe – sei es im Rahmen einer Versteigerung oder durch eine Zuteilung zu Festpreisen – mit der grundgesetzlichen Finanzverfassung390 und den Grundrechten aus Artt. 14 Abs. 1 S. 1, 12 Abs. 1, 3 Abs. 1 GG bestritten.391 389 Siehe zur Diskussion in Deutschland etwa Rebentisch, NVwZ 2006, 747 ff.; Martini / Gebauer, ZUR 2007, 225 ff.; Burgi / Selmer, Verfassungswidrigkeit einer entgeltlichen Zuteilung. 390 Zu den Vorgaben der Finanzverfassung des Grundgesetzes für Versteigerungen knapper Ressourcen Kämmerer, NVwZ 2002, 161 (162), der im Ergebnis keine durchgreifenden Hinderungsgründe gegen eine Versteigerung sieht. A. A. indes Burgi / Selmer, Verfassungswidrigkeit einer entgeltlichen Zuteilung, S. 15 ff. 391 Insbesondere Burgi / Selmer, Verfassungswidrigkeit einer entgeltlichen Zuteilung; Rebentisch, NVwZ 2006, 747 (750). Für einen Überblick über die verfassungsrechtlichen Bedenken siehe Weinreich / Marr, NJW 2005, 1078 (1079 f.). Insbesondere die Annahme eines unverhältnismäßigen Grundrechtseingriffs wegen unmittelbar aus Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG abgeleiteten Bestandsschutzes ist nach hier vertretener Auffassung auch nach nationalem Recht zweifelhaft. Dies folgt schon unmittelbar aus der seit dem „Nassauskiesungsurteil“ des BVerfG geltenden Eigentumsdogmatik, die auf Eingriffsebene allein zwischen Inhalts- und Schrankenbestimmungen und Enteignungen differenziert. Wenn – was bereits zweifelhaft ist – die bisher bestehende Möglichkeit der Anlagenbetreiber kostenfrei zu emitieren als unter Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG fallende Eigentumsposition angesehen wird, gilt: Eine richtigerweise als Güterbeschaffungsvorgang zu verstehende Enteignung im Sinne einer vollständigen oder teilweisen Entziehung konkreter Rechtspositionen zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben (hierzu Epping, Grundrechte, Rn. 448 m.w. N.) scheidet bereits deshalb aus, weil die Möglichkeit zur Emission durch die zukünftige Kostenpflicht unberührt bleibt. Dass dies zukünftig nur gegen Entgelt für die Zertifikate möglich ist, stellt daher lediglich eine Ausgestaltung der zukünftigen Eigentumsordnung im Sinne einer Inhalts- und Schrankenbestimmung gemäß Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG dar. Sofern diese verfassungsgemäß, d. h. insbesondere verhältnismäßig, erlassen wird, ist der damit verbundene Eingriff in Art. 14 GG gerechtfertigt und verfassungsgemäß; Epping, Grundrechte, Rn. 458 ff. Einen über die einfachgesetzliche Aus-

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Während die Einführung des Emissionshandelssystems als solchem als gemeinschaftsrechtlich durch die Richtlinie 2003 / 87 / EG verbindlich vorgegebene Maßnahme nicht an den Vorgaben des nationalen Verfassungsrechts überprüfbar ist,392 wird in der Literatur teilweise davon ausgegangen, dass die den Mitgliedstaaten obliegende Entscheidung über eine (teilweise) entgeltliche Zuteilung der Zertifikate an den nationalen Grundrechten und sonstigem Verfassungsrecht zu überprüfen ist.393 Dies mag aus nationaler Perspektive zwar grundsätzlich zutreffen. Für die hier interessierende beihilfenrechtliche Bewertung kann es für die Frage der Zulässigkeit einer entgeltlichen Ausgestaltung, die Voraussetzung für die Annahme eines Verzichts des jeweiligen Mitgliedstaates auf potentiell zu erzielende Einnahmen ist, indes nicht auf die etwaigen entgegenstehenden Vorgaben des nationalen Rechts ankommen. Dies ergibt sich bereits aus der normhierarchischen Überlegung, dass aufgrund des absolut, das heißt auch bezüglich nationalen Verfassungsrechts,394 geltenden Anwendungsvorrangs des Gemeinschaftsrechts jede ihm widersprechende nationale Norm unangewendet bleiben muss. Für die Überprüfung der Zulässigkeit einer entgeltlichen Ausgestaltung der Zertifikatvergabe im Rahmen der Prüfung einer Belastung öffentlicher Haushalte durch den Verzicht auf Einnahmen kann es somit allein auf deren gemeinschaftsrechtliche Zulässigkeit ankommen. Art. 87 EG kann nicht etwa durch die Vorgaben nationalen (Verfassungs-)Rechts ausgelegt werden.395 Die Richtigkeit dieses Ansatzes lässt sich auch mit einem Verweis auf die Folgen einer etwaigen entgegenstehenden Ansicht aufzeigen: Wäre das beihilfenrechtliche Tatbestandsmerkmal der Belastung öffentlicher Haushalte zu verneinen, wenn eine nationale (Verfassungs-)Norm einer entgeltlichen Abgabe entgegenstünde, hätten es die Mitgliedstaaten in der Hand, die Reichweite des gemeinschaftsrechtlichen Beihilfenverbots durch eine nationale Rechtsänderung zu definieren; dies widerspräche der ratio des Beihilfenrechts. gestaltung hinausgehenden verfassungsunmittelbaren Bestandschutz gibt es daher nicht mehr, vgl. BVerfGE 58, 300 (336) – Nassauskiesung: „Aus der Gesamtheit der verfassungsmäßigen Gesetze, die den Inhalt des Eigentums bestimmen, ergeben sich somit Gegenstand und Umfang des durch Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG gewährleisteten Bestandschutzes [ . . . ].“ 392 BVerfG, Beschluss v. 13. 03. 2007, NVwZ 2007, 937; BVerwG, Urteil v. 30. 06. 2005, NVwZ 2005, 1178; hierzu auch Frenz, ZUR 2006, 393 (395); ders., UPR 2008, 8; Becker, NVwZ 2006, 782 ff.; Günther / Schnutenhaus, NVwZ 2007, 1140 (1143). 393 Burgi / Selmer, Verfassungswidrigkeit einer entgeltlichen Zuteilung, S. 4 f.; Körner / von Schweinitz, in: Körner / Vierhaus, TEHG, § 18 ZutG Rn. 6; davon ausgehend auch Rebentisch, NVwZ 2006, 747 ff. Nationales Recht und Gemeinschaftsrecht parallel prüfend Frenz, TEHG, § 9 TEHG Rn. 83 ff. 394 EuGH, Urteil v. 15. 07. 1964, Rs. 6 / 64, Costa / ENEL, Slg. 1964, 1251 (1269); EuGH, Urteil v. 17. 12. 1970, Rs. 11 / 70, Internationale Handelsgesellschaft, Slg. 1970, 1125 (Rn. 3 f.). 395 Insbesondere prüft auch der EuGH nicht etwa nationales Recht im Rahmen seiner Beurteilung einer Maßnahme als Beihilfe.

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Geprüft werden muss deshalb, ob insbesondere die europäischen Grundrechte einer entgeltlichen Zertifikatzuteilung entgegenstehen.396 Nur dann wäre eine entgeltliche Zuteilung im Rahmen der beihilfenrechtlichen Prüfung als unzulässig anzusehen, so dass dann in einem Verzicht auf die entgeltliche Ausgestaltung kein Verzicht auf erzielbare Einnahmen läge; eine Belastung öffentlicher Haushalte schiede dann aus. Auf europäischer Ebene sind die Eigentums- und Berufsfreiheit als sich aus der Europäischen Menschenrechtskonvention und den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten ergebende Grundrechte anerkannt.397 Während sich eine entgeltliche Zertifikatzuteilung in Bezug auf bestehende Anlagen als Beeinträchtigung des Anlageneigentums darstellen kann, wird in Bezug auf Neuanlagen vor allem das Grundrecht der Berufsausübungsfreiheit berührt.398 Beide Grundrechte sind also bei der Frage der Zulässigkeit einer entgeltlichen Ausgestaltung zu prüfen. Der Eingriffscharakter der entgeltlichen Ausgestaltung folgt für die Betreiber von Neuanlagen unmittelbar daraus, dass ein Betrieb der Anlage nur unter finanziellen Aufwendungen für den Erwerb der Zertifikate möglich ist.399 Eine Berufsausübungsbeschränkung liegt damit vor.400 Das Eigentumsgrundrecht der Betreiber von Altanlagen umfasst grundsätzlich alle von der Rechtsordnung einem privaten Rechtsträger zugeordnete Rechte und Güter sowie die diesbezügliche Nutzungs- und Verfügungsfreiheit.401 Ob es sich bei der Befugnis zur Emission von Treibhausgasen um ein solches einem privaten Rechtsträger zugeordnetes Recht handelt, erscheint durchaus zweifelhaft.402 Zu be396 So auch Koenig / Ernst / Hasenkamp, RdE 2009, 73 (77). Siehe auch Martini, Verteilungslenkung, S. 771 ff. 397 EuGH, Urteil v. 14. 05. 1974, Rs. 4 / 73, Nold / Kommission, Slg. 1974, 491 (Rn. 13); EuGH, Urteil v. 13. 12. 1979, Rs. 44 / 79, Hauer / Rheinland-Pfalz, Slg. 1979, 3727 (Rn. 15 ff., 23 ff.); EuGH, Urteil v. 11. 07. 1989, Rs. 265 / 87, Schräder, Slg. 1989, 2237 (2268 f.); EuGH, Urteil v. 21. 02. 2001, verb. Rs. C-143 / 88 u. a., Zuckerfabrik Süderdithmarschen und Zuckerfabrik Soest, Slg. 1991, I-415 (552); EuGH, Urteil v. 05. 10. 1994, Rs. C-280 / 93, Deutschland / Rat (Bananen), Slg. 1994, I-4973 (Rn. 77 ff.). Zur Herleitung der Gemeinschaftsgrundrechte und dem Schutzbereich des gemeinschaftsrechtlichen Eigentumsgrundrechts Schmidt-Preuß, EuR 2006, 463 (466 f.); Winkler, Missbräuchliche Gestaltung von Infrastrukturen, S. 95 ff. 398 So differenzierend auch Rebentisch, NVwZ 2006, 747 (749). Indes führt auch die Anwendung der Berufsfreiheit auf die Altanlagenbetreiber zu keinem anderen Ergebnis. 399 Für Art. 12 Abs. 1 GG so Rebentisch, NVwZ 2006, 747 (750). 400 Davon gehen auch Koenig / Ernst / Hasenkamp, RdE 2009, 73 (77) aus. 401 BVerwG, Urteil v. 30. 06. 2005, NVwZ 2005, 1178 (1181 f. m.w. N.). Zum Schutzbereich des gemeinschaftsrechtlichen Eigentumsgrundrechts ausführlich Schmidt-Preuß, EuR 2006, 463 (465 ff.). 402 So gehen etwa Körner / von Schweinitz, in: Körner / Vierhaus, TEHG, § 18 ZutG Rn. 38, davon aus, dass seit Einführung des Emissionshandelssystems die Luft – jedenfalls bezüglich der Emission von unter die Richtlinie 2003 / 87 / EG fallenden Treibhausgasen – als öffentliches Gut anzusehen ist. Ablehnend auch BVerwG, Urteil v. 30. 06. 2005, NVwZ 2005, 1178 (1181 f. m.w. N.).

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achten ist jedoch, dass es sich bei der Möglichkeit Treibhausgase zu emittieren um eine Folge des Eigentums an einer (immissionsschutzrechtlich genehmigten) Anlage handelt. Die Verpflichtung zum Erwerb der Zertifikate gegen Entgelt verändert somit jedenfalls den Inhalt des unstreitig dem Eigentumsgrundrecht unterfallenden Anlageneigentums und stellt sich somit als Inhalts- und Schrankenbestimmung dar.403 Sowohl die für Neuanlagen vorliegende Berufsausübungsregelung als auch die für Altanlagenbesitzer festgestellte Inhalts- und Schrankenbestimmung ihres Eigentums sind nur dann gerechtfertigt, wenn sie insbesondere dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügen. Eine entgeltliche Zertifikatzuteilung verfolgte neben dem Klimaschutz auch das Ziel einer dem umweltrechtlichen und europarechtlich in Art. 174 Abs. 2 EG niedergelegten Verursacherprinzip entsprechenden Belastungsverteilung. Beides sind legitime Ziele,404 zu deren Förderung die entgeltliche Zertifikatzuteilung grundsätzlich geeignet ist.405 Die entgeltliche Zuteilung ist auch erforderlich, insbesondere ist kein milderes Mittel ersichtlich, dass die Erforderlichkeit der entgeltlichen Zuteilung ausschließen könnte. Soweit vorgebracht wird, die entgeltfreie Zuteilung der Zertifikate sei als gleich geeignetes milderes Mittel anzusehen,406 stehen dem verschiedene Erwägungen entgegen: Hinsichtlich der zu erreichenden Klimaschutzziele unter Wahrung des Verursacherprinzips ist eine entgeltliche Zuteilung vorzugswürdig, da diese im Gegensatz zu einer entgeltfreien Zuteilung eine uneingeschränkte Anwendung des Verursacherprinzips und eine vollständige Internalisierung der Umweltkosten ermöglicht.407 Zudem ist eine entgeltfreie Zuteilung im Hinblick auf die Zielerreichung nicht sachlich gleichwertig, da diese den Lenkungszweck nur mit geringerer Wahrscheinlichkeit erreicht als eine Zuteilung durch Versteige403 Vgl. zum deutschen Recht Martini / Gebauer, ZUR 2007, 225 (229 f.); Körner, in: Körner / Vierhaus, TEHG, § 7 ZutG Rn. 32; BVerwG, Urteil v. 30. 06. 2005, NVwZ 2005, 1178 (1182); Rebentisch, NVwZ 2006, 747 (749); wohl auch Frenz, TEHG, § 9 TEHG Rn. 49 ff. 404 Siehe zur Berücksichtigung der Treibhausgasreduktion als Element der eigentumsrechtlichen Gemeinwohlprüfung im nationalen Verfassungsrecht auch Schmidt-Preuß, NJW 2000, 1525 (1526 f.). 405 Für das nationale Verfassungsrecht so auch Mehrbrey, Verfassungsrechtliche Grenzen, S. 103. Dass der EuGH sich im Rahmen der Geeignetheitsprüfung auf eine reine Evidenzkontrolle beschränkt, betont Schmidt-Preuß, EuR 2006, 463 (470). 406 So wohl Burgi / Selmer, Verfassungswidrigkeit einer entgeltlichen Zuteilung, S. 65. 407 Sachverständigenrat für Umweltfragen, Mitteilung 11 / 2006, S. 13, wonach ein effizientes System nur durch eine Versteigerung oder durch die Abkehr von regelmäßigen Zuteilungen erreicht werden kann. Vgl. hierzu auch ausführlich unten unter C. II. 1. c) (2). Eine entgeltliche Zuteilung ist zudem unter wettbewerbsrechtlichen Aspekten, wie sie etwa in Art. 3 lit. g) EG statuiert werden, vorzugswürdig, vgl. hierzu unten unter C. II. 1. c) (3). Die Richtlinie 2003 / 87 / EG selbst zielt auf eine kosteneffiziente und wirtschaftlich effiziente Verringerung der Umweltbelastung. Dem trägt die Versteigerung der Zertifikate besser Rechnung als eine entgeltfreie Zertifikatzuteilung, vgl. Martini, Verteilungslenkung, S. 783 ff., der zu Recht auch die Bedeutung der Versteigerungsausgestaltung betont.

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rung.408 Denn bei einer Versteigerung erwerben die Marktteilnehmer die Zertifikate nachfrageabhängig, so dass sich ein Preis für die Zertifikate bereits frühzeitig bilden kann, während sich die Preisbildung bei einer entgeltfreien Zuteilung erst langsamer und später vollzieht.409 Die entgeltfreie Zuteilung stellt insofern bereits mangels gleicher Eignung zur Wahrung des Verursacherprinzips kein milderes Mittel dar. Auch ist die ökologische Effizienz eines entgeltlichen Systems der Zertifikatzuteilung im Wege einer Versteigerung höher als im Fall einer entgeltfreien Zuteilung, so dass diese auch bezüglich des Klimaschutzziels nicht als gleich geeignet gelten und somit die Erforderlichkeit einer entgeltlichen Zuteilung nicht ausschließen kann. Zwar ist die Gesamtmenge der ausgegebenen Zertifikate in beiden Systemen durch das jeweilige cap vorgegeben und somit auf den ersten Blick der Nutzen für den Klimaschutz identisch. Dieser bestünde so vereinfacht betrachtet allein in derjenigen Menge an eingesparten Emissionen, die ohne Festlegung des cap in einem Mitgliedstaat entstanden wären. Berücksichtigt werden muss im Rahmen einer Beurteilung des Nutzens für den Klimaschutz aber, dass die entgeltliche Zertifikatzuteilung im Wege einer Versteigerung gänzlich andere Innovationsanreize schafft als eine entgeltfreie Zuteilung. Der Vorteil von versteigerten Zertifikaten gegenüber entgeltfrei zugeteilten Zertifikaten liegt darin, dass jene beim Innovator, das heißt dem Entwickler einer neuen Vermeidungstechnologie, zu Kosteneinsparungen führen, die über die bloßen Vermeidungskostenvorteile der neuen Erfindung hinausgehen.410 Diese Vermeidungskostenvorteile wären jedoch das Maximum der im Wege einer entgeltfreien Zertifikatzuteilung durch den Einsatz neuer Technologien erreichbaren Vorteile. Der Anreiz zur Entwicklung und Umsetzung fortschrittlicher Vermeidungstechnologien fällt somit bei versteigerten Zertifikaten auf Grund der beim Emittenten erreichbaren größeren Kosteneinsparungen höher aus als bei entgeltfrei zugeteilten Zertifikaten.411 Bereits in der vermehrten Entwicklung von Vermeidungstechnologien liegt ein eigener Beitrag zum Klimaschutz, der über diejenigen Klimaschutzeffekte hinausgeht, die im Rahmen einer entgeltfreien Zuteilung erreichbar wären.412 Diese Erwägung wird schließlich auch dadurch bestätigt, dass bei entgeltfreier Zuteilung auf Basis historischer Emissionen sogar ein Anreiz besteht, Innovationen zu verschieben, um höhere Zuteilungen zu erhalten.413 408 So verlangt etwa das BVerfG im nationalen Recht, dass die sachliche Gleichwertigkeit zur Zielerreichung bei dem als Alternative vorgeschlagenen geringeren Eingriff in jeder Hinsicht eindeutig feststeht, vgl. BVerfGE 25, 1 (19 f.); 30, 292 (319). 409 Mehrbrey, Verfassungsrechtliche Grenzen, S. 104 f. 410 Bader, Europäische Treibhauspolitik, S. 257. 411 Bader, Europäische Treibhauspolitik, S. 257. 412 Dabei ist darauf hinzuweisen, dass bei Wahl und Ausgestaltung einer bestimmten Maßnahme grundsätzlich ein weiter Einschätzungsspielraum des nationalen Gesetzgebers besteht, vgl. etwa Frenz, TEHG, § 9 TEHG Rn. 55; Schmidt-Preuß, EuR 2006, 463 (470). 413 Cramton / Kerr, Energy Policy 30 (2002), S. 333 (342).

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Die Angemessenheit im engeren Sinne wird vom EuGH kaum geprüft, so dass die Anforderungen, die auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene hieran zu stellen sind, bereits unklar sind.414 Selbst wenn jedoch die aus dem deutschen Recht bekannten strengen Anforderungen an die Angemessenheit im engeren Sinn gestellt werden, ist eine grundsätzliche Unverhältnismäßigkeit der entgeltlichen Ausgestaltung der Zertifikatzuteilung nicht ersichtlich.415 Im Rahmen der Angemessenheit im engeren Sinne muss grundsätzlich eine Abwägung der kollidierenden Rechte und Rechtsgüter stattfinden. Im vorliegenden Fall kollidiert das Eigentumsrecht der Anlagenbetreiber mit dem Allgemeininteresse, den fortschreitenden Klimawandel effizient und schnell aufzuhalten und hierfür eine maximale Innovationsbereitschaft der Verursacher auszulösen. Zwar muss die Umgestaltung der Eigentumsordnung insbesondere den begründeten Vertrauensschutz der Altanlagenbetreiber berücksichtigen.416 Als Instrumente stehen hierfür grundsätzlich Übergangs-, Ausnahme- und Befreiungsvorschriften zur Verfügung. Wie bereits im Rahmen der Erforderlichkeit dargelegt, entsteht jedoch eine maximale Innovationsbereitschaft der Unternehmen zur Emissionsreduktion nur im Rahmen eines Versteigerungsverfahrens. Für die Abwägung der kollidierenden Rechtsgüter fällt hier entscheidend ins Gewicht, dass das Zeitfenster zur Verhinderung eines unumkehrbaren Klimawandels derart eng bemessen ist,417 dass eine Berücksichtigung des Vertrauensschutzes der Anlagenbetreiber bis zu der vorgeschlagenen Grenze der Vollamortisation der Anlagen418 ein Aufhalten des Klimawandels unmöglich macht. Zugespitzt formu414 Siehe nur Frenz, TEHG, § 9 TEHG Rn. 55 m.w. N.; kritisch deshalb Schmidt-Preuß, EuR 2006, 463 (470 ff.). 415 Im Folgenden wird ausschließlich die Angemessenheit im engeren Sinne hinsichtlich der Einschränkung der Eigentumsfreiheit der Altanlagenbetreiber geprüft. Die Verhältnismäßigkeitsprüfung des Eingriffs in die Berufsfreiheit der Neuanlagenbetreiber führt indes zu keinem anderen Ergebnis, da mangels Eingreifens von Vertrauensschutzerwägungen an diese tendenziell geringere Anforderungen zu stellen sind. 416 Dass dieser Bestandteil des Eigentumsrechts sein kann betonen Schmidt-Preuß, EuR 2006, 463 (465); Koenig / Ernst / Hasenkamp, RdE 2009, 73 (80); Winkler, Missbräuchliche Gestaltung von Infrastrukturen, S. 99; sowie grundlegend Frenz, EuR 2008, 468 ff. 417 Die Bedeutung des Zeitfaktors beim Vorgehen gegen den Klimawandel wird deutlich in der Feststellung des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderung, der eine Minderung der globalen energiebedingten CO2-Emissionen bis 2050 um etwa 45 – 60% gegenüber 1990 für erforderlich hält, um die Klimaerwärmung zu stoppen, vgl. WBGU, Sondergutachten Klimaschutzstrategien, S. 2. Der Sachverständigenrat für Umweltfragen konkretisiert dies dahingehend, dass zur Vermeidung einer gefährlichen Störung des Weltklimas die Treibhausgasemissionen in den Industriestaaten bis 2050 um 80% gegenüber den Werten von 1990 gesenkt werdern müssen, vgl. Sachverständigenrat für Umweltfragen, Mitteilung 11 / 2006, S. 5; siehe auch Hentrich / Matschoss / Michaelis, EurUP 2006, 144 (146). Hierbei ist jedoch zu beachten, dass die Abschätzung der Klimasensitivität mit einer großen Unsicherheit verbunden ist, die eine noch stärkere Emissionsreduktion erfordern kann. 418 Enders, LKV 2007, 193 (198). Frenz, RdE 2007, 65 (71), spricht beispielsweise von Investitionszyklen von 30 Jahren in der Energie- und Rohstoffwirtschaft. Dass ein solcher Zeitraum nicht nehr abgewartet werden kann, um den Klimawandel aufzuhalten, ergibt sich aus den in Fn. 417 genannten Studien.

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liert: Eine Berücksichtigung des Vertrauensschutzes führte hier dazu, dass das kollidierende Gut des Aufhaltens des Klimawandels möglicherweise dauerhaft vereitelt wird. Aufgrund der bestehenden staatlichen Einschätzungsprärogative erscheint in dieser besonderen Konstellation, in der bei Berücksichtigung des einen Rechtsguts (hier des Eigentumsrechts) die unwiederbringliche Preisgabe des anderen (hier des effektiven Klimaschutzes) droht, ein Zurücktreten des Vertrauens der Anlagenbetreiber in ihre Möglichkeit zur entgeltfreien Emission nicht unverhältnismäßig.419 Dies gilt umso mehr, wenn folgende Erwägung einbezogen wird: Unabhängig von der Frage, ob der Vertrauensschutz der Altanlagenbetreiber nicht bereits durch die öffentliche Diskussion im Vorfeld und seit der Einführung des Emissionshandelssystems eingeschränkt wurde, führte die entgeltliche Zertifikatzuteilung jedenfalls nicht dazu, dass ein sinnvoller und rentabler Anlagenbetrieb gänzlich unmöglich gemacht würde.420 Eine Amortisation der Anlagen bleibt demnach möglich, wird jedoch zeitlich ausgedehnt.421 Im Ergebnis steht im Rahmen der Angemessenheitsprüfung auch der Vertrauensschutz der Altanlagenbetreiber einer Rechtfertigung des Eingriffs in die betroffenen Grundrechte nicht entgegen. Auch unter grundrechtlichen Gesichtspunkten besteht also für die Mitgliedstaaten die Möglichkeit, die Zertifikatzuteilung entgeltlich auszugestalten.422 In diesem Verzicht kann eine Belastung öffentlicher Haushalte gesehen werden. (5) Gegenargumente und Stellungnahme Die Annahme eines solchen Verzichts seitens des Staates durch die Unentgeltlichkeit der Zertifikatzuteilung sieht sich verschiedenen Gegenargumenten ausgesetzt. (a) Typischerweise keine Erhebung von Abgaben auf Emissionen Reuter / Kindereit wenden gegen das Vorliegen eines Verzichts (und damit der Belastung des öffentlichen Haushalts) ein, dass zumindest in Deutschland bei der 419 Für die Verhältnismäßigkeit des sofortigen Übergangs von der entgeltfreien Zuteilung zur Vollversteigerung ebenso Koenig / Ernst / Hasenkamp, RdE 2009, 73 (78). 420 Zu diesem Gebot im Rahmen von Art. 14 Abs. 1 GG Martini / Gebauer, ZUR 2007, 225 (229 f.). 421 Dies gilt insbesondere für die Unternehmen, welche die Kosten für den Zertifikaterwerb weitergeben können – wie dies etwa die signifikanten Mitnahmegewinne der deutschen Stromerzeuger aus der entgeltfreien Zertifikatzuteilung zeigen, hierzu bereits oben unter C. I. 2. a) (2) (a). Vgl. auch Körner, in: Körner / Vierhaus, TEHG, § 7 ZutG Rn. 49. 422 So auch grundsätzlich – mit gewissen Einschränkungen für nicht amortisierte Anlagen – Enders, LKV 2007, 193 (196) zur Zulässigkeit nach deutschen Grundrechten: „Selbst gegen eine Versteigerung sämtlicher Emissionsberechtigungen [ . . . ] ließe sich verfassungsrechtlich nichts einwenden“. Die Vereinbarkeit einer Vollversteigerung mit europäischen Grundrechten bejahen auch Koenig / Ernst / Hasenkamp, RdE 2009, 73 (77 ff.).

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Zuteilung vergleichbarer Nutzungsrechte typischerweise keine finanzielle Gegenleistung erhoben werde und es für die Entlassung von Schadstoffen in Luft oder Boden keine solchen Abgaben gebe.423 Dies gelte auch dort, wo nicht nur der Umfang der Emissionen anlagenbezogen nach dem Stand der Technik reduziert werden soll, sondern auch dort, wo absolute Gesamtmengenziele für Deutschland insgesamt verfolgt werden.424 Zwar war die Emission von Luftschadstoffen in Deutschland bislang tatsächlich entgeltfrei. Vergleichsmaßstab kann aber nur die Frage sein, ob der Staat vergleichbare Umweltbelastungen an finanzielle Belastungen der Verursacher knüpfen könnte. Dies ist etwa im deutschen Wasserrecht durch die Wiedereinführung425 einer Wasserentnahmeabgabe für die Entnahme von Grund- und Oberflächenwasser (so genannter Wasserpfennig) in mehreren Bundesländern erfolgt.426 Das Bundesverfassungsgericht hat die Wasserentnahmeentgelte in Hessen und Baden-Württemberg entgegen der bis dahin überwiegenden Literaturauffassung427 als mit dem Grundgesetz vereinbar erklärt.428 Auch in den meisten anderen Mitgliedstaaten, 423 Schweer / Ludwig, RdE 2004, 153 (156); Reuter / Kindereit, DVBl. 2004, 537 (542), im Zusammenhang mit prozessbedingten Emissionen. 424 Reuter / Kindereit, DVBl. 2004, 537 (542). 425 Vgl. die Ausführungen zum Wasserregal als lange Zeit üblichem Regelungsinstrument und zur Beibehaltung der Wasserentnahmeentgelte in Bayern und Baden in BVerfGE 93, 319 (340) – Wasserpfennig m. w. N. 426 Vgl. etwa zum Wasserpfennig für Oberflächen- und Grundwasser §§ 17a ff. WasserGBW; §§ 40 ff. WasserG-Bdbg; §§ 1 ff. des Bremer Gesetzes über die Erhebung einer Wasserentnahmegebühr; §§ 16 ff. WasserG-MV; §§ 47 ff. Nds.-WasserG; § 23 SächsWasserG; § 47 SaAnhWasserG. Vgl. zum Wasserpfennig zur Entnahme von Grundwasser: § 13a BerlWasserG; §§ 1 ff. GrundwasserabgabenG-SH; §§ 1 ff. GrundwassergebührenG-HH. 427 Vgl. die Nachweise bei Murswiek, NVwZ 1996, 417 (418), wobei die verfassungsrechliche Zulässigkeit von Murswiek, NuR 1994, 170 (173 ff.) und Hendler, NuR 1989, 22 (27) im Sinne einer zulässigen Benutzungs- bzw. Ressourcennutzungsgebühr bereits im Vorfeld der Entscheidung vertreten wurde. Die Entscheidung des BVerfG begrüßend auch Heimlich, DÖV 1997, 996. 428 BVerfGE 93, 319 (338 ff.) – Wasserpfennig: Die Nutzung des Wassers unterliege in Deutschland seit langem einer öffentlich-rechtlichen Regelung, wobei die Nutzung von Gewässern gemäß § 2 WHG grundsätzlich einer Erlaubnis oder Bewilligung bedürfe, auf deren Erteilung jedoch kein Anspruch bestehe. Neben verwaltungsrechtlichen Ge- und Verboten komme, insbesondere bei nicht ausreichender Wirksamkeit des ordnungsrechtlichen Instrumentariums, dabei auch eine Verhaltenslenkung durch die Erhebung von Abgaben in Betracht, um einen Anreiz zum sparsamen Einsatz dieser natürlichen Ressource und zur Verbesserung der technischen Möglichkeiten hierfür zu schaffen. Dabei komme dem Wasserpfennig neben einer Lenkungsfunktion auch die Funktion als Vorteilsabschöpfungsabgabe zu. Knappe natürliche Ressourcen, wie etwa Wasser, seien Güter der Allgemeinheit. Werde Einzelnen die Nutzung einer solchen, der Bewirtschaftung unterliegenden Ressource, eröffnet, werde ihnen die Teilhabe an einem Gut der Allgemeinheit verschafft und sie erhielten einen Sondervorteil gegenüber all denjenigen, die das betreffende Gut nicht oder nicht in gleichem Umfang nutzen dürfen, weshalb die ganz oder teilweise Abschöpfung dieses Vorteils gerechtfertigt sei. Mit den Wasserentnahmeentgelten werde eine Abgabe für eine individuell zurechenbare öffentliche Leistung, nämlich die Eröffnung der Möglichkeit der Wasserentnahme, erhoben

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insbesondere in den skandinavischen Ländern und den Niederlanden, ist die Belastung luftschädigender Substanzen und Emissionen ebenfalls mit Abgaben belegt, wobei nicht das Medium insgesamt geschützt, sondern Einzelsubstanzen (etwa Kohlendioxyd, Schwefel, Stickstoff, FCKW, Halone) belastet werden. In den skandinavischen Mitgliedstaaten finden sich zudem Energiesteuern und Abgaben zum Schutz von Boden und Gewässern vor Pestiziden, Waschmittelsubstanzen, Pflanzenschutzmitteln oder Kunstdünger.429 Auf dieser Grundlage überzeugt der Verweis auf die bisherige Entgeltfreiheit von Treibhausgasemissionen nicht als Argument gegen einen Verzicht des Staates auf grundsätzlich mögliche Einnahmen und damit eine Belastung des öffentlichen Haushalts. (b) Nur Schaffung der Voraussetzungen für einen Markt Ehricke verneint die Übertragung staatlicher Mittel mit dem Argument, dass der Staat lediglich die Voraussetzungen für einen Markt schaffe.430 Reuter / Busch stellen darauf ab, dass die Zertifikate ihren Wert erst durch die Möglichkeit des Handels erhielten, so dass etwaige Gewinne der begünstigten Unternehmen nicht aus dem Staatshaushalt herrührten, sondern das Resultat marktwirtschaftlicher Prozesse seien.431 Zwar ist dem zu konzedieren, dass die Mitgliedstaaten tatsächlich erst einen Markt für den Zertifikathandel schaffen, indem sie die Zertifikate handelbar ausgestalten. Dieser Handel ist dabei ein systemimmanenter Bestandteil eines ökolound der in der Eröffnung der Nutzungsmöglichkeit liegende Vorteil nach seinem tatsächlichen (nicht rechtlichen) Umfang abgeschöpft. Verfassungsrechtlich legitimierender Erhebungszweck des Wasserentnahmeentgelts, der diesen Belastungszweck trägt, ist die Abschöpfung des Sondervorteils, der in der Nutzung des öffentlichen Umweltguts Wasser liegt und den der Staat dem Abgabenschuldner geleistet hat, wobei als Bemessungsmaßstab die Menge des entnommenen Wassers zugrunde zu legen ist. Die staatliche Leistung des Sondervorteils, der entgeltpflichtig ausgestaltet wird, liegt folglich in der rechtlichen Zulassung der Ressourcennutzung in dem Sinne, dass der Staat sie nicht verhindert, obwohl er dazu in seiner Rolle als Sachwalter der Allgemeinheit über Art und Umfang der Ressourcennutzung rechtlich in der Lage wäre, woran ihn auch zeitlich vorgelagert erteilte bestandsgeschützte Genehmigungen nicht hindern, da auch diese auf einer vom Staat verschafften Nutzungsmöglichkeit beruhen. Schließlich hob das Bundesverfassungsgericht hervor, dass die Erhebung eines Wasserentnahmeentgelts auch nicht gesetzlich, insbesondere nicht durch die Nichtregelung derartiger Abgaben ausgeschlossen sei. Die ratio dieser Rechtsprechung lässt sich auch auf den Bereich der Luftreinhaltung übertragen, da auch hier im Hinblick auf Treibhausgasemissionen neuerdings ein Bewirtschaftungssystem angenommen wird, vgl. Körner, in: Körner / Vierhaus, TEHG, § 7 ZutG Rn. 32; Enders, LKV 2007, 193 (194 ff.), der auf den Paradigmenwechsel von Ordnungsrecht zu Bewirtschaftungssystem durch die Einführung des Emissionshandels und insbesondere auch auf die Abschöpfungsfunktion einer entgeltlichen Ausgestaltung des Emissionshandels hinweist: Der Staat trete insofern als „Treuhänder des Gemeininteresses“ auf. 429 Kirchhof, in: Rengeling, Handbuch Umweltrecht, § 38 Rn. 115. 430 Ehricke, Kurzgutachten Emissionszertifikatehandel, S. 23. 431 Reuter / Busch, EuZW 2003, 39 (43).

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gisch sinnvollen Zertifikatsystems, da Emissionsreduktionen durch den Handel der Zertifikate dort gefördert und umgesetzt werden, wo sie am kostengünstigsten sind. Gegen das Argument von Ehricke und Reuter / Busch spricht jedoch, dass beihilfenrechtlicher Anknüpfungspunkt nicht die Schaffung des Marktes an sich oder die Zahlung des Marktpreises der Zertifikate durch andere Unternehmen an Börsen oder anderen Handelsplätzen ist, sondern – diesem Handel vorgelagert – die entgeltfreie Zuteilung der Zertifikate durch die Mitgliedstaaten.432 Die Unentgeltlichkeit dieser Zuteilung ist im System des Emissionshandels gerade nicht systemimmanent, keine Voraussetzung für das Funktionieren des Zertifikathandels und für den ökologischen Erfolg des Systems auch nicht erforderlich. Zudem liegt der Wert der Zertifikate (marktpreisunabhängig) in dem Recht des Zertifikateigentümers gegenüber dem Staat, eine bestimmte Menge CO2-Äquivalent zu emittieren, während die Emission von CO2 ohne Vorlage derartiger Zertifikate untersagt ist, so dass es nicht auf die Zahlung des Marktpreises durch andere Unternehmen ankommt. Entscheidend ist vielmehr der staatliche Verzicht auf die Versteigerung der Zertifikate oder deren Abgabe zu einem marktmäßigen Entgelt. (c) Kein Zwang zur entgeltlichen Vergabe Gegen die Annahme eines solchen Verzichts – und damit einer Belastung öffentlicher Haushalte – wird zudem vertreten, dass aus dem Recht des Staates, Umweltnutzungen unter bestimmten Voraussetzungen nur gegen Entgelt zuzulassen, nicht der allgemeine Grundsatz folge, dass der Staat dieses in der Regel wahrnehmen müsse.433 Der Verzicht auf Einnahmen erfülle das Tatbestandsmerkmal nur dann, wenn dem Staat ohne die entgeltfreie Zuteilung zwangsläufig ein Entgelt für das Emissionsrecht zufließen würde.434 Aufgrund der Neuartigkeit des Zertifikatsystems als Instrument des Umweltrechts ist jedoch systemgelöst auf die bloße Möglichkeit der Einnahmenerzielung abzustellen. Im Rahmen der beihilfenrechtlichen Würdigung kann nicht entscheidend sein, ob der Staat vor der Einführung schon belastet hat, denn gerade auch die Ausgestaltung eines neu eingeführten Systems muss mit Art. 87 EG vereinbar sein. Da es den Mitgliedstaaten im Rahmen der verfassungs- und gemeinschaftsrechtlichen Grenzen grundsätzlich freisteht, für umweltbelastende Aktivitäten eine Abgabenpflicht einzuführen und so durch eine entgeltliche Vergabe der Emissionszertifikate Einnahmen zu erzielen, muss Vergleichsmaßstab für die Staatlichkeit der Mittel die Frage sein, ob der Mitgliedstaat die unter das Handelssystem fallenSo auch Rusche, in: Sánchez-Rydelski, EC State Aid Regime, S. 349 (380). Schweer / Ludwig, RdE 2004, 153 (156). Diesen folgend Leidinger, in: Elspas / Salje / Stewing, Praxishandbuch Emissionshandel, Kap. 48 Rn. 76; Martini, Verteilungslenkung, S. 788. 434 Weinreich, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht, § 9 TEHG Rn. 8; Marr, EurUP 2004, 10 (20), der einen solchen Zufluss mit Verweis auf das TEHG ablehnt. 432 433

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den Unternehmen belasten könnte.435 Da den Zertifikaten im gemeinschaftsweiten Handelssystem ein Wert in Form eines direkten Rechts gegenüber dem Staat auf Emission jeweils einer Tonne CO2 zukommt, hätte der Staat dieses auch entgeltlich abgeben können, so dass die entgeltfreie Zuteilung einen Verzicht des Mitgliedstaats auf die Erzielung von Einnahmen darstellt.436 Dies hat auch die Kommission in ihren Entscheidungen zu den nationalen Handelssystemen anerkannt. Ferner wurde von Rat und Parlament in der Endfassung der Richtlinie 2003 / 87 / EG die Möglichkeit, 5% bzw. 10% der Zertifikate entgeltlich abgeben zu können, berücksichtigt; hierin zeigt sich der Verzichtscharakter im Falle einer unentgeltlichen Zuteilung.437 (d) Verzichtsleistung nur fiktiv Teilweise wird gegen eine Belastung öffentlicher Haushalte angeführt, dass der Staatshaushalt nur dann belastet werde, wenn die Forderungen, auf die der Staat verzichtet, rechtlich begründet sind und nicht lediglich fiktiv bestehen.438 Verzichtsleistungen gegenüber Unternehmen seien jedoch dann nicht mehr möglich, wenn der Mitgliedstaat in Umsetzung der Richtlinie 2003 / 87 / EG die entgeltfreie Zertifikatzuteilung festschreibe und dadurch von vornherein die Entstehung von Forderungen und die Möglichkeit eines späteren Verzichts ausschließe.439 Dies gelte auch bezüglich der entgeltfreien Zertifikatzuteilung von mehr als 95% bzw. 90% der Zertifikate, zumal es sich hierbei auch nur um einen ganz kleinen Teil der 435 Merola / Crichlow, World Competition 2004, 25 (35), weisen darauf hin, dass es den Mitgliedstaaten jederzeit möglich wäre, auch im Rahmen des ordnungsrechtlichen Systems eine Absenkung der zulässigen Emissionshöchstgrenze vorzunehmen und ordnungsrechtlich durchzusetzen. 436 Kerth, Emissionshandel, S. 265. Der Einnahmeverzicht besteht im Vergleich zu (vorherigen) Staatseinnahmen aus Steuern oder einer entgeltlichen Abgabe, da die entgeltfreie Abgabe dahingehend zu interpretieren sei, dass die Emittenten den Wert der Auktionserlöse entgeltfrei erhalten, vgl. das Zitat von Welch bei Woerdman, European Carbon Trading, S. 8. 437 Dabei ist die Frage, ob der Staat eine Vermögenseinbuße gegenüber dem status quo ante erleidet, unerheblich, da das Beihilfenrecht nicht dem Schutz des Staatshaushalts dient, vgl. Schweer / Ludwig, RdE 2004, 153 (158). Daher ist auch der Ansatz von Brattig, Emissionszertifikate, S. 342, abzulehnen, wonach dem Marktwert der Zertifikate noch kein für die Wertbildung der Zertifikate letztlich entscheidender realer Wert einer Emissionsreduktion gegenüberstehe, so dass die Preisbildung und damit auch die finanziellen Einbußen hoheitlicher Stellen noch nicht im Einzelnen vorhersehbar seien. 438 Burgi, in: FS Götz, S. 173 (186). Ihm folgend Leidinger, in: Elspas / Salje / Stewing, Praxishandbuch Emissionshandel, Kap. 48 Rn. 74. Ähnlich auch Brattig, Emissionszertifikate, S. 342; Burgi, in: FS Götz, S. 173 (185); Ehricke, Kurzgutachten Emissionszertifikatehandel, S. 23 f.; Leidinger, in: Elspas / Salje / Stewing, Praxishandbuch Emissionshandel, Kap. 48 Rn. 71 f.: Ein Abfluss finanzieller Mittel aus dem Staatshaushalt finde durch die Zertifikatzuteilung nicht statt, da die Zertifikate vor ihrer Zuteilung als bloße virtuelle Positionen ohne marktwirtschaftlichen Wert durch den Staat vorgehalten worden seien, ohne im Staatshaushalt aufzutauchen. 439 Burgi, in: FS Götz, S. 173 (186). Ihm folgend Leidinger, in: Elspas / Salje / Stewing, Praxishandbuch Emissionshandel, Kap. 48 Rn. 74.

I. Vorliegen einer Beihilfe

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Zuteilung handele.440 Insbesondere stelle die Gemeinschaft mit ihrer Festlegung der zwingend entgeltfreien Zertifikatzuteilung den Mitgliedstaaten auch keine Vermögenswerte zur Verfügung, da die Zuteilung für die Gemeinschaft ebenso vermögensmäßig neutral sei wie für die Mitgliedstaaten. 441 Denn wäre der bloße Verzicht auf die Realisierung angeblicher fiskalischer Erwerbschancen ausreichend, so müsste auch das Unterlassen einer jeden europarechtlich statthaften Steuererhöhung oder Steuereinführung als staatliche Beihilfe qualifiziert werden.442 Burgi sieht in der Verzichtsargumentation und dem Vergleich zu Umweltabgaben eine „Verschiebung des Vergleichsmaßstabs in benachbarte Rechtsgebiete“, die abzulehnen sei, da es für eine solche keine Anhaltspunkte in der Rechtsprechung des EuGH gebe und der Realbereich des Staatshaushalts zugunsten einer fiktiven Betrachtungsweise verlassen werde.443 Die erforderliche Betrachtungsweise setze vielmehr als Bezugsgröße etwaiger Wettbewerbsverfälschungen einen bestimmten Wettbewerb voraus und dürfe folglich keinen Vergleich mit der Situation in ganz anderen Märkten und Wettbewerbsstrukturen zugrunde legen. Selbst wenn jedoch ein solcher Vergleichsmaßstab mit der Abgabenpflicht bei Nutzung bestimmter Umweltgüter statthaft wäre, sei ein Einnahmeverzicht zu verneinen. Denn die herangezogenen Rechtsgebiete seien dadurch gekennzeichnet, dass es dort um die Nutzung öffentlicher, vom Staat bewirtschafteter Sachen im Sondergebrauch gehe. Gegen das Argument, der Staat schließe durch die Umsetzung von Art. 10 EHRL die Möglichkeit eines späteren Verzichts aus, spricht jedoch, dass gerade diese – autonome und dem Mitgliedstaat zurechenbare444 – Entscheidung beihilfenrechtlich in Frage steht. Die Höhe des Zertifikatanteils, auf dessen entgeltliche Vergabe der Staat verzichtet, ist im Rahmen der Prüfung einer Belastung öffentlicher Haushalte irrelevant.445 Nicht zu überzeugen vermag auch das Argument, dass die hier vertretene Auffassung zum Umfang der Belastungsverminderung dazu führe, dass jede unterlassene, jedoch europarechtlich grundsätzlich statthafte Steuererhöhung oder Steuereinführung als staatliche Beihilfe zu qualifizieren sei. Denn dieser Ansatz verschiebt den Vergleichsmaßstab. Würde ein Mitgliedstaat eine Steuer einführen und, wie im Emissionshandel, bestimmte, aber nicht alle, grundsätzlich Steuerpflichtigen von der Steuer befreien, läge hierin sehr wohl ein Verzicht und die Belastung öffentlicher Haushalte. Der Verweis auf das Unterlas440 Burgi, in: FS Götz, S. 173 (186). Ähnlich auch Kerth, Emissionshandel, S. 263 (dort Fn. 1355). 441 Burgi, in: FS Götz, S. 173 (186). Ihm folgend Leidinger, in: Elspas / Salje / Stewing, Praxishandbuch Emissionshandel, Kap. 48 Rn. 75. 442 Burgi, in: FS Götz, S. 173 (186 f.). Ihm folgend Leidinger, in: Elspas / Salje / Stewing, Praxishandbuch Emissionshandel, Kap. 48 Rn. 75. 443 Burgi, in: FS Götz, S. 173 (187). 444 Vgl. hierzu bereits oben unter C. I. 1. 445 Siehe hierzu im Rahmen des De-minimis-Schwellenwerts unten unter C. I. 6. b).

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C. Beihilfenrechtliche Bewertung entgeltfreier Zertifikatzuteilung

sen einer Steuereinführung oder -erhöhung wäre mit dem Unterlassen einer Einführung des Emissionshandels als solchem vergleichbar, nicht indes mit dessen Ausgestaltung im Hinblick auf die Entgeltlichkeit der Vergabe. Daher liegt in dem Vergleich mit Umweltabgaben entgegen Burgi gerade keine Verschiebung des Vergleichsmaßstabs in benachbarte Vergleichsmärkte, die andere Wettbewerbsstrukturen aufweisen. Angesichts der Ähnlichkeit von Zertifikaten und Umweltabgaben in ihrem auf die tatsächliche Umweltbelastung abstellenden Preisansatz, der sich allerdings im Hinblick auf den jeweiligen Preisfindungsmechanismus unterscheidet, und den ähnlichen Regelungsmaterien ist eine Vergleichbarkeit angesichts eines grundsätzlich gleichen „Markts“ und gleicher „Wettbewerbsstruktur“ gegeben. Beihilfenrechtlich ist dabei die nationalrechtliche Ausgestaltung eines Bereichs als staatlich bewirtschaftete Sache im Sondergebrauch unerheblich.446 Die Emission von Treibhausgasen hätte anstelle der Einführung eines Zertifikatsystems auch mit einer Umweltnutzungsabgabe belegt werden können. (e) Vergleichbarkeit mit Erlaubnissen und Konzessionen Burgi ist schließlich der Ansicht, die Zertifikatzuteilung sei mit der Erteilung von Erlaubnissen und Konzessionen zu vergleichen, wobei der Staat in beiden Fällen eine positive, wirtschaftlich relevante Leistung an Unternehmen ermögliche, die diese ihrerseits nutzten, um daraus weitere wirtschaftliche Werte zu generieren, ohne dass dem ein Vermögensabfluss beim Staat gegenüberstehe.447 Der Staat verwalte folglich die Zertifikate wie auch Erlaubnisse und Konzessionen im Interesse und zugunsten der Unternehmen. Hiergegen spricht jedoch, dass die Zertifikate gerade nicht mit bloßen Genehmigungen oder Zulassungen448 vergleichbar sind. Auch das Emissionshandelssystem stellt in den Artt. 4 – 6 EHRL ein Genehmigungserfordernis für eine Teilnahme am Handelssystem auf. Während die Genehmigungen auf die Überwachung der jeweiligen Anlagenemissionen zielen, verbriefen die Zertifikate jedoch das Recht auf eine bestimmte Emissionsmenge. Genehmigungen und Emissionsberechtigungen (Zertifikate) sind folglich zu unterscheiden. Hierin liegt gerade die Neuartigkeit des Zertifikatsystems, wobei entscheidendes Abgrenzungskriterium die Handelbarkeit der Zertifikate ist. Der Vergleich der Zertifikate mit ordnungsrechtlichen Erlaubnissen, Genehmigungen oder Konzessionen kann angesichts der Börsentauglichkeit der Zertifikate und der mangelnden oder nur eingeschränkten Handelbarkeit der Genehmigungen und Konzessionen folglich nicht überzeugen. 446 Auch lässt sich entgegen Burgi davon ausgehen, dass die Einführung des Emissionshandels gerade ein staatliches Bewirtschaftungssystem geschaffen hat, vgl. Körner, in: Körner / Vierhaus, TEHG, § 7 ZutG Rn. 32; Enders, LKV 2007, 193 (194 ff.). 447 Burgi, in: FS Götz, S. 173 (185). Ihm folgend Leidinger, in: Elspas / Salje / Stewing, Praxishandbuch Emissionshandel, Kap. 48 Rn. 71 f. 448 Etwa nach § 4 Abs. 1 S. 1 des deutschen BImSchG, § 7 Abs. 1 S. 1 AtomG oder § 12a S. 1 ChemG.

I. Vorliegen einer Beihilfe

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(f) Lenkungsfunktion Reuter / Kindereit vertreten, dass die Erhebung eines Nutzungsentgelts eine Lenkungsfunktion habe, die Lenkungsfunktion der Richtlinie 2003 / 87 / EG indes nicht in der Steuerung der Nachfrage über den Preis für die Zertifikate liege. Da der Staat die Nutzung der Luft nur über eine (gleichsam ordnungsrechtliche) Obergrenze steuere, finde jede weitere Lenkung nur am und durch den Markt statt.449 Die Lenkungsfunktion ist jedoch keine zwingende Voraussetzung für die Erhebung eines Nutzungsentgelts und damit die Belastung staatlicher Mittel im Falle der entgeltfreien Zuteilung. Entgelte für die Nutzung von Umweltressourcen können zwar auch eine Lenkungsfunktion beinhalten. Diese ist indes nicht zwingendes Element, sondern tritt neben den Ausgleichs- und Abschöpfungscharakter des Entgelts, zumal der Lenkungszweck allein nicht rechtfertigend für die Erhebung von Entgelten wirken kann.450 (6) Zwischenergebnis Das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal der Belastung des öffentlichen Haushalts wird im Falle der entgeltfreien Zertifikatzuteilung durch die Mitgliedstaaten erfüllt, da die Zertifikate von den Mitgliedstaaten auch entgeltlich hätten abgegeben werden können. Denn dem Staat steht es grundsätzlich frei, für umweltbelastende Aktivitäten ein Entgelt in Form einer Umweltabgabe oder einer entgeltlichen Zertifikatvergabe zu verlangen. Die hiergegen vertretenen Argumente vermögen im Ergebnis nicht zu überzeugen. Verzichtet der Staat auf eine entgeltliche Vergabe und damit auf grundsätzlich mögliche Einnahmen, so stellt dies eine Belastung des öffentlichen Haushalts dar. Diese Wertung entspricht der Kommissionspraxis zu den mitgliedstaatlichen Handelssystemen. Dem steht auch die Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache „PreussenElektra“ nicht entgegen. Denn unabhängig von der grundsätzlichen Kritik an dieser Rechtsprechung, ist jedenfalls der zugrunde liegende Sachverhalt nicht mit der entgeltfreien Zertifikatzuteilung im Rahmen des Emissionshandels vergleichbar. Denn der Staat verpflichtet im Hinblick auf die Zertifikatzuteilung nicht Private zur Übertragung privater Mittel an andere Private, sondern gestaltet das „Recht auf Emission“ als einen vom Staat zu vergebenen Wert aus. c) Zwischenergebnis Die entgeltfreie Zuteilung der Zertifikate erfüllt auch das Tatbestandsmerkmal „staatlich oder aus staatlichen Mitteln“. Zum einen ist die Zuteilung der durch staatlichen Rechtsakt geschaffenen und durch einen staatlich aufgestellten Zuteilungsplan aus einem staatlichen Kontingent zugeteilten Zertifikate eine staatliche 449 450

Reuter / Kindereit, DVBl. 2004, 537 (542). Heimlich, DÖV 1997, 996 (998).

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C. Beihilfenrechtliche Bewertung entgeltfreier Zertifikatzuteilung

Maßnahme des jeweiligen Mitgliedstaats. Zum anderen werden auch staatliche Mittel übertragen und staatliche Haushalte belastet. Denn durch die entgeltfreie Zuteilung der auf dem Markt frei handelbaren und gegenüber dem Staat ein direktes Recht auf Emission gewährenden Zertifikate entgehen dem Staat grundsätzlich mögliche Einnahmen, wie er sie durch Abgaben etwa für die Umweltnutzung oder die Abschöpfung von Sondervorteilen in verschiedenen anderen Umweltbereichen bereits erzielt. Entscheidend ist dabei nicht, ob der Staat für eine konkrete Umweltnutzung bereits vor Einführung eines Zertifikatsystems ein Entgelt verlangt hat, sondern ob er ein solches grundsätzlich verlangen könnte. Dabei stehen einer entgeltlichen Zuteilung insbesondere auch keine (Gemeinschafts-)Grundrechte der Anlagenbetreiber entgegen.

4. Bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige Mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar sind nur Beihilfen, die auf eine Begünstigung „bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige“ gerichtet sind.451 Denn staatliche Mittel, die eine wirtschaftliche Begünstigung von Unternehmen bewirken, können den Wettbewerb zwischen Unternehmen nur dann verfälschen, wenn sie nach der Konzeption der Regelung oder durch ihre tatsächliche Anwendung bestimmten Unternehmen einen Vorteil einräumen, der diese im Wettbewerb mit anderen Unternehmen begünstigt. Allgemeine staatliche Maßnahmen, die alle Unternehmen eines Mitgliedstaates gleichermaßen begünstigen, ändern zwar die Rahmenbedingungen des Wettbewerbs, führen jedoch nicht zu einer Verfälschung des Wettbewerbs.452 Das Kriterium der Bestimmtheit (Selektivität) ist damit das entscheidende Tatbestandsmerkmal, um staatliche Fördermaßnahmen, die unterschiedslos der gesamten Wirtschaft zugute kommen, von „spezifischen“ Maßnahmen zu unterscheiden und dem Beihilfenregime zu entziehen.453 451 Während der Begriff des „Unternehmens“ – vom Recht der Mitgliedstaaten unabhängig und wie im Rahmen des EG-Kartellrechts – jede wirtschaftlich tätig werdende Einheit, unabhängig von ihrer Rechtsform oder ihrer Finanzierungsart, umfasst, sollen mit der weit auszulegenden Tatbestandsalternative „Produktionszweige“ solche Beihilfen erfasst werden, die allen in einem bestimmten wirtschaftlichen Bereich tätigen Unternehmen (Wirtschaftszweig) zugute kommen. So für Artt. 81, 82 EG: EuGH, Urteil v. 23. 04. 1991, Rs. C-41 / 90, Klaus Höfner und Fritz Elser / Macroton GmbH, Slg. 1991, I-1979 (Rn. 21); EuGH, Urteil v. 17. 02. 1993, verb. Rs. C-159 / 91 u. a., Christian Poucet / Assurances Générales de France and Caisse Mutuelle Régionale du Languedoc-Roussillon, Slg. 1993, I-637 (Rn. 17); EuGH, Urteil v. 19. 01. 1994, Rs. C-364 / 92, SAT Fluggesellschaft mbH / Eurocontrol, Slg. 1994, I-43 (Rn. 18). Siehe auch Koenig / Kühling, in Streinz, EUV / EGV Kommentar, Art. 87 EG Rn. 48. 452 Heidenhain, in Heidenhain, Beihilfenrecht, § 4 Rn. 48; Schütte, in: Sánchez-Rydelski, EC State Aid Regime, S. 23 (34). 453 Koenig / Kühling, in Streinz, EUV / EGV Kommentar, Art. 87 Rn. 49; Koenig / Kühling / Ritter, Beihilfenrecht, Rn. 171; Kühling, RdE 2001, 93 (98); Mederer, in: von der Groeben / Schwarze, EU-Kommentar, Art. 87 Rn. 36.

I. Vorliegen einer Beihilfe

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Diese Unterscheidung wird an der Kommissionspraxis bei der beihilfenrechtlichen Bewertung von öffentlichen Maßnahmen der Infrastrukturförderung deutlich.454 So verneint die Kommission im Hinblick auf die Errichtung und den Betrieb von Infrastrukturprojekten in rein öffentlicher Hand (etwa bei Bau und Betrieb von öffentlichen Straßen, städtischen Kläranlagen oder Mülldeponien) das Vorliegen des beihilfenrechtlichen Tatbestandsmerkmals der Bestimmtheit dann, wenn die Infrastrukturprojekte allen Marktteilnehmern zugute kommen, mithin durch fehlende Nutzungsexklusivität gekennzeichnet sind.455 Zu einer anderen beihilfenrechtlichen Bewertung gelangt die Kommission indes dann, wenn eine diskriminierungsfreie Nutzungsmöglichkeit aller vorhandenen und künftigen Marktteilnehmer nicht tatsächlich gewährleistet wird,456 etwa wenn eine allgemeine Infrastrukturmaßnahme faktisch auf die Begünstigung eines einzelnen Unternehmens hinausläuft, da sie nur von diesem genutzt werden kann oder den speziellen Bedürfnissen nur dieses Unternehmens Rechnung trägt.457 Liegt eine solche benutzerspezifische Infrastruktur vor, muss das nutzende Unternehmen für die Benutzung der öffentlich geförderten Infrastruktur ein angemessenes Entgelt – etwa in Form eines marktüblichen Miet- oder Pachtzinses – zahlen, damit für das benutzende Unternehmen der selektive Vorteil entfällt.458 Im Hinblick auf Beihilfenregelungen bejaht der EuGH das Vorliegen des Bestimmtheitskriteriums, wenn durch die Konzeption der Beihilfenregelung oder durch ihre tatsächliche Anwendung bestimmte Unternehmen im Vergleich zu ande454 Diese Kommissionspraxis wird im Grundsatz auch vom EuGH gebilligt, vgl. etwa EuGH, Urteil v. 15. 06. 1993, Rs. C-225 / 91, Matra, Slg. 1993, I-2303 (Rn. 29). 455 Vgl. zur beihilfenrechtlichen Kommissionslogik bezüglich allgemeiner Infrastrukturmaßnahmen etwa Koenig / Pfromm, NZBau 2004, 375 (376 ff.); Koenig / Pfromm, SächsVBl. 2003, 281 (281 ff.); Koenig / Kühling / Scholz, in: Koenig / Kühling / Theobald, Infrastrukturförderung, Kap. 1, Rn. 21 ff., jeweils m.w. N. 456 Koenig / Kühling / Ritter, Beihilfenrecht, Rn. 172, sprechen insofern von Entitäten, die durch eine polyvalente Verwendbarkeit und eine fehlende Nutzungsexklusivität gekennzeichnet sind und damit allen vorhandenen und künftigen Unternehmen diskriminierungsfrei zu gleichen Bedingungen zur Verfügung stehen. Siehe zur Abgrenzung allgemeiner und spezifischer Infrastrukturmaßnahmen auch Koenig / Kühling / Scholz, in: Koenig / Kühling / Theobald, Infrastrukturförderung, Kap. 1, Rn. 21 ff.; Koenig / Kühling, DÖV 2001, 881. 457 So etwa im Fall Kimberly Clark Industries, in dem zur alleinigen Ansiedlung des Unternehmens eigens ein Industriegebiet nach den besonderen Bedürfnissen des Papierherstellers in unmittelbarer Nähe eines Flusses erschlossen wurde, um auf diese Weise dessen notwendige Versorgung mit großen Mengen qualitativ guten Nutzwassers und die entsprechende Ableitung des Abwassers zu ermöglichen, vgl. Kommission, Entscheidung v. 12. 07. 2000, Kimberly Clark Industries, ABl.EG 2002 L 12 / 1 (Rn. 191 ff.). Siehe zu einem ähnlichen Sachverhalt auch Kommission, Entscheidung v. 19. 07. 2000, Lenzing Lyocell, ABl.EG 2001 L 38 / 33 (Rn. 18), in der es um einen vom österreichischen Bundesland Burgenland finanzierten Bahnanschluss ging, der tatsächlich nur von Lenzing Lyocell genutzt werden konnte. 458 Zur Frage des kostendeckenden Zugangs zu Infrastruktureinrichtungen siehe etwa Koenig / Scholz, EuZW 2003, 133 (135). Zur differenzierten Betrachtung bei Public Private Partnership – Konstruktionen siehe etwa Koenig / Pfromm, NZBau 2004, 375 (376 ff.); Koenig / Pfromm, SächsVBl. 2003, 281 (281 ff.) jeweils m.w. N.

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C. Beihilfenrechtliche Bewertung entgeltfreier Zertifikatzuteilung

ren Unternehmen, deren Lage mit dem Regelungsziel der betreffenden Beihilfenregelung vergleichbar ist, tatsächlich oder potentiell begünstigt werden.459 Demgegenüber verneint der EuGH die Bestimmtheit, wenn die Differenzierung zwischen Unternehmen aus dem Wesen und dem Ziel einer Lastenregelung folgt.460 Während die Kommission das Bestimmtheitskriterium im Hinblick auf das Emissionshandelssystem als solches in ihrer Entscheidungspraxis zu den mitgliedstaatlichen Handelssystemen und in ihren Äußerungen zu dem gemeinschaftsweiten Handelssystem als erfüllt betrachtet,461 lehnen dies Teile der Literatur ab.462 So wird vertreten, dass die Beschränkung der Richtlinie auf nur bestimmte Unternehmen nicht das Tatbestandsmerkmal der Bestimmtheit erfülle, da die Beschränkung systematisch und auf objektiven ökonomischen Überlegungen beruhe, mithin nicht selektiv, sondern neutral sei.463 Denn durch den Zuteilungsplan würden alle Wettbewerber auf dem Markt (etwa die gesamte Energiewirtschaft) gleichermaßen von einer staatlichen Maßnahme betroffen, so dass keine selektive Begünstigung vorliege. Diese Auffassung vermag indes nicht zu überzeugen. Denn auch die Einräumung wirtschaftlicher Vorteile, die den Unternehmen zahlreicher Wirtschaftszweige gleichermaßen gewährt werden, kann eine spezifische Maßnahme darstellen, sofern bestimmte Unternehmen ausgeschlossen werden.464 Die Beschränkung der entgeltfreien Zertifikatzuteilung auf die in Anhang I EHRL aufgelisteten Produktionsvorgänge bestimmter industrieller Emittenten 465 und – durch die Vorgabe von Schwellenwerten – nur auf besonders energieintensive Produktionsvorgänge von Großunternehmen lässt andere CO2-emittierenden Anlagen, Branchen und 459 EuGH, Urteil v. 13. 02. 2003, Rs. C-409 / 00, Spanien / Kommission, Slg. 2003, I-1487 Rn. 47 m.w. N.; siehe hierzu auch Koenig / Kühling / Ritter, Beihilfenrecht, Rn. 173. 460 EuGH, Urteil v. 13. 02. 2003, Rs. C-409 / 00, Spanien / Kommission, Slg. 2003, I-1487 Rn. 52. 461 So die Kommission in den Genehmigungen der nationalen Handelssysteme (vgl. oben unter B. I.) sowie in ihren Genehmigungsentscheidungen zu den nationalen Zuteilungsplänen (vgl. oben unter B. II.). 462 Merola / Crichlow, World Competition 2004, 25 (39 f.); Lorenz, EStAL 2004, 399 (401); Reimann, EWS 2004, 160 (163); Ehricke, Kurzgutachten Emissionszertifikatehandel, S. 12. 463 Lorenz, EStAL 2004, 399 (401). Dahingehend wohl auch Reimann, EWS 2004, 160 (163). 464 EuGH, Urteil v. 17. 06. 1999, Rs. C-75 / 97, Belgien / Kommission (Maribel I), Slg. 1999, I-3671 (Rn. 23 ff., 30 ff.); EuGH, Urteil v. 08. 11. 2001, Rs. C-143 / 99, AdriaWien Pipeline, Slg. 2001, I-8365 (Rn. 42 ff.). Dabei reicht es auch aus, dass staatliche Maßnahmen die Voraussetzungen einer wirtschaftlichen Begünstigung zwar nur allgemein umschreiben, ohne die begünstigten Unternehmen zu nennen, falls diese tatsächlich nur bestimmte Unternehmen begünstigen, vgl. Heidenhain, in: Heidenhain, Beihilfenrecht, § 4 Rn. 55. 465 Emittenten aus den Bereichen Energiewirtschaft, Eisenmetallerzeugung und -verarbeitung, mineralverarbeitende Industrie, ferner Industrieanlagen zur Herstellung von Zellstoff aus Holz und anderen Faserstoffen sowie von Erzeugnissen aus Papier und Pappe.

I. Vorliegen einer Beihilfe

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Sektoren unberücksichtigt.466 So wird etwa ein Braunkohlekraftwerk als Verbrennungsanlage im Bereich Energiewirtschaft bei entgeltfreier Zertifikatzuteilung gegenüber einem Unternehmen begünstigt, das Strom aus Erdgas oder Solarenergie gewinnt und damit nicht unter die Richtlinie fällt. Ebenfalls umfasst wird die Stahlindustrie, während der Chemiesektor sowie der Kunststoff- und Aluminiumsektor nicht umfasst werden.467 Folglich wird die in der entgeltfreien Zertifikatzuteilung liegende Begünstigung nur bestimmten Branchen und bestimmten Unternehmen zuteil, so dass diese Beschränkung das Bestimmtheitskriterium erfüllt.468 Zwar hat der Gerichtshof auf bestimmte selektive Maßnahmen, insbesondere in den Bereichen des Steuer- und Sozialversicherungsrechts, Art. 87 Abs. 1 EG nicht angewendet, so weit die Maßnahmen „durch die Natur oder den inneren Aufbau“ oder „das Wesen und die Struktur“ des Sachbereichs gerechtfertigt sind und systemimmanente Begünstigungen darstellen.469 Doch weder das System des Emissionshandels als solches noch Gründe des Umweltschutzes erfordern die Beschränkung auf bestimmte Produktionszweige oder Sektoren.470 Aus sowohl ökologischer 466 Eine unterschiedliche Behandlung des Stahlsektors gegenüber dem Chemiesektor und dem Sektor der Nichteisenmetalle (Kunstoff- und Aluminiumsektor) bejaht auch der Gerichtshof, sieht diese im Hinblick auf eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes jedoch für einen Übergangszeitraum als gerechtfertigt an. Vgl. EuGH, Urteil v. 16. 12. 2008, Rs. C-127 / 07, Société Arcelor Atlantique et Lorraine u. a. / Frankreich, n. n. v., Rn. 38. 467 EuGH, Urteil v. 16. 12. 2008, Rs. C-127 / 07, Société Arcelor Atlantique et Lorraine u. a. / Frankreich, n. n. v., Rn. 27 ff. 468 So auch Schweer / Ludwig, RdE 2004, 152 (158); im Ergebnis auch Rusche, in: Sánchez-Rydelski, EC State Aid Regime, S. 349 (377). Dies erkennt letztlich auch Ehricke an, der in der Umsetzung der Teilnahmebeschränkung auf Unternehmen nur bestimmter Größenordnung sowie nur solcher aus bestimmten Sektoren und Industrien die Möglichkeit von Begünstigungen bestimmter im Wettbewerb stehender Branchen sieht, den Beihilfencharakter der Maßnahme aber aufgrund der gemeinschaftsrechtlichen Vorgabe dieser Begünstigung im Ergebnis verneint, vgl. Ehricke, Kurzgutachten Emissionszertifikatehandel, S. 12. Die Vorgaben in einer Richtlinie können das Kriterium der Bestimmtheit jedoch nicht per se ausschließen, vgl. bereits oben unter C. I. 1. 469 EuGH, Urteil v. 02. 07. 1974, Rs. 173 / 73, Italien / Kommission, Slg. 1974, 709 (Rn. 33 / 35); EuGH, Urteil v. 17. 06. 1999, Rs. C-75 / 97, Belgien / Kommission („Maribel I“), Slg. 1999, I-3671 (Rn. 32 ff.); EuGH, Urteil v. 05. 10. 1999, Rs. C-251 / 97, Frankreich / Kommission, Slg. 1999, I-6639 (Rn. 36); EuGH, Urteil v. 08. 11. 2001, Rs. C-143 / 99, AdriaWien Pipeline GmbH, Wietersdorfer & Peggauer Zementwerke GmbH / Finanzlandesdirektion für Kärnten, Slg. 2001, I-8365 (Rn. 42 ff.); EuG, Urteil v. 29. 09. 2000, Rs. T-55 / 99, Confederación Española de Transporte de Mercancías (CETM) / Kommission, Slg. 2000, II-3207 (Rn. 52 ff.); EuG, Urteil v. 06. 03. 2002, Rs. T-92 / 00 u. a., Territorio Histórico de Álava – Diputación Foral de Álava, Ramondín SA, Ramondín Cápsulas SA / Kommission, Slg. 2002, II-1385 (Rn. 55 ff.). Siehe hierzu auch Kliemann, in: Sánchez-Rydelski, EC State Aid Regime, S. 315 (321 ff.). 470 Jungnickel / Dulce, NVwZ 2009, 623 (625) verneinen einen mitgliedstaatlichen Handlungsspielraum für die Ausweitung der Zertifikatpflicht aufgrund der Vorgabe des Anhang I EHRL, übersehen dabei jedoch, dass die Mitgliedstaaten weitere Produktionszweige und Sektoren einbeziehen könnten und dass Gründe des Umweltschutzes gerade keine Beschränkung auf bestimmte Produktionszweige oder Sektoren erfordern.

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C. Beihilfenrechtliche Bewertung entgeltfreier Zertifikatzuteilung

als auch umweltökonomischer Sicht ist vielmehr die Einbeziehung aller Sektoren wünschenswert. Die Beschränkung des gemeinschaftsweiten Emissionshandels ist angesichts der Begünstigungswirkung einer entgeltfreien Zertifikatzuteilung auch keineswegs wettbewerbsrechtlich neutral. Dies hat bereits der Normgeber gesehen. So sieht die Richtlinie 2003 / 87 / EG die Möglichkeit der Einbeziehung weiterer Produktionszweige und Sektoren in das Handelssystem sehr wohl vor, allerdings erst ab dem Jahre 2008 (Art. 24 Abs. 1 EHRL).471 Die zeitliche Einschränkung der Richtlinie vermag den Bestimmtheitscharakter eines mitgliedstaatlichen Umsetzungsakts indes nicht auszuschließen.472 Beschränkt sich ein Mitgliedstaat auf die in Anhang I EHRL aufgeführten Tätigkeiten oder teilt er Zertifikate lediglich einigen, nicht aber allen treibhausgasemittierenden Produktionszweigen zu,473 ist das Bestimmtheitskriterium durch die Beschränkung der unter den Zertifikathandel fallenden Tätigkeiten bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige erfüllt.474 Eine derartige Ausweitung der unter das Handelssystem fallenden Produktionszweige und Sektoren, durch welche die Selektivität der Maßnahme entfiele, ist in den ersten beiden Handelsperioden in keinem Mitgliedstaat erfolgt.

5. Verfälschung des Wettbewerbs Eine staatliche Vorteilsgewährung stellt nur dann eine Beihilfe im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG dar, wenn sie den Wettbewerb verfälscht oder zu verfälschen droht. Das Tatbestandsmerkmal dient dem Ziel der Wettbewerbsregeln des EGVertrags, ein System zu errichten, das den Wettbewerb innerhalb des Gemeinsamen Marktes vor Verfälschungen schützt (Art. 3 Abs. 1 lit. g EG).475 Dieses Merkmal ist erfüllt, wenn mit der staatlichen Vorteilsgewährung tatsächlich oder potentiell in ein bestehendes oder möglicherweise entstehendes Wettbewerbsverhältnis zwischen Unternehmen oder Produktionszweigen eingegriffen und damit 471 Einzig die Einbeziehung der Tätigkeiten, die in Anhang I EHRL aufgeführt sind, bei denen aber die dort vorgesehenen Kapazitätsgrenzen nicht erreicht werden, ist den Mitgliedstaaten bereits ab dem Jahre 2005 erlaubt (vgl. Art. 24 Abs. 1 UAbs. 2 EHRL). Siehe auch Erwägungsgrund 15 EHRL. 472 Vgl. insofern bereits oben unter C. I. 2. 473 Im Rahmen der Diskussion des Grünbuchs der Kommission hat die schwedische Regierung ein alle Sektoren einschließendes System befürwortet, vgl. Ministry of Industry, Employment and Communications, Comments on the Commission Green Paper on greenhouse gas emission trading within the European Union, COM (2000) 87, S. 2 f., abrufbar unter http://ec.europa.eu / environment / docum / 0087_en.htm (unter: Comments from governmental organisations). Vgl. auch Krämer, in: Rengeling, Klimaschutz durch Emissionshandel, S. 1 (20); Sachverständigenrat für Umweltfragen, Umweltgutachten 2002, Tz. 478. 474 So auch Foundation for International Environmental Law and Development, Scoping Paper I, S. 8. 475 Zur verbundenen Prüfung von Wettbewerbsverfälschung und Handelsbeeinträchtigung durch den Gerichtshof siehe die Nachweise bei Heidenhain, in: Heidenhain, Beihilfenrecht, § 4 Rn. 60.

I. Vorliegen einer Beihilfe

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der Ablauf des Wettbewerbs verändert wird.476 Erforderlich ist, dass Unternehmen oder Produktionszweige einen wirtschaftlichen Vorteil erhalten, den sie unter marktkonformen Voraussetzungen nicht erhielten, und dadurch die Marktbedingungen der Wettbewerber verändert werden. Ziel der Beihilfenkontrolle ist die Beurteilung der durch die staatliche Zuwendung hervorgerufenen Verfälschung des Wettbewerbs. In der Rechtsprechung wurde bislang eine genaue Bestimmung der betroffenen Märkte sowie eine Marktanalyse wie im Bereich des EG-Kartellrechts überwiegend ebenso wenig verlangt wie die Feststellung einer tatsächlichen Wettbewerbsbeeinträchtigung. 477 Vielmehr sei ausreichend, „dass die Kommission nachweist, dass die betreffenden Beihilfen geeignet sind, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen, und den Wettbewerb zu verfälschen drohen, ohne dass es erforderlich wäre, den Markt abzugrenzen und seine Struktur und die hieraus folgenden Wettbewerbsbeziehungen zu prüfen“.478 Der Feststellung einer tatsächlichen Wettbewerbsbeeinträchtigung bedürfe es insbesondere dann nicht, wenn eine Beihilfe ohne vorherige Notifizierung gewährt werde, da anderenfalls die Mitgliedstaaten, die Beihilfen unter Verletzung der Notifizierungspflicht des Art. 88 Abs. 3 EG gewähren, zum Nachteil derjenigen begünstigt würden, die Beihilfen bereits notifiziert haben.479 Nach dieser Auffassung muss die Kommission zwar den „Nachweis“ einer zumindest drohenden Wettbewerbsbeeinträchtigung erbringen, jedoch reicht hierfür eine summarische Darlegung der Wettbewerbsverhältnisse sowie eine plausible Begründung der tatsächlichen oder drohenden Wettbewerbsverfälschung aus.480 476 EuGH, Urteil v. 17. 09. 1980, Rs. 730 / 79, Philip Morris Holland BV / Kommission, Slg. 1980, 2671 (Rn. 5 – 13); Mederer, in: von der Groeben / Schwarze, EU-Kommentar, Art. 87 Rn. 42. 477 EuGH, Urteil v. 17. 09. 1980, Rs. 730 / 79, Philip Morris Holland BV / Kommission, Slg. 1980, 2671 (Rn. 9 – 12); EuGH, Urteil v. 13. 03. 1985, verb. Rs. 296 / 82 u. a., Königreich der Niederlande und Leeuwarder Papierwarenfabriek BV / Kommission, Slg. 1985, 809 (Rn. 24); EuG, Urteil v. 13. 06. 200, verb. Rs. T-204 / 97 u. a., EPAC – Empresa para a Agroalimentação e Cereais, SA / Kommission, Slg. 2000, II-2267 (Rn. 85); EuG, Urteil v. 04. 04. 2001, Rs. T-288 / 97, Regione Friuli Venezia Giulia / Kommission, Slg. 2001, II-1169 (Rn. 47 ff.); EuG, Urteil v. 15. 06. 200, verb. Rs. T-298 / 97 u. a., Alzetta Mauro u. a. / Kommission, Slg. 2000, II-2319 (Rn. 77 ff.); EuG, Urteil v. 29. 09. 2000, Rs. T-55 / 99, Confederación Española de Transporte de Mercancías (CETM) / Kommission, Slg. 2000, II-3207 (Rn. 102). 478 EuG, Urteil v. 15. 06. 200, verb. Rs. T-298 / 97 u. a., Alzetta Mauro u. a. / Kommission, Slg. 2000, II-2319 (Rn. 95). 479 EuG, Urteil v. 30. 01. 2002, Rs. T-35 / 99, Keller / Kommission, Slg. 2002, II-261 (Rn. 85); EuGH, Urteil v. 14. 02. 1990, Rs. C-301 / 87, Frankrich / Kommission (Boussac saint Frères), Slg. 1990, I-307 (Rn. 33); EuG, Urteil v. 06. 03. 2002, verb. Rs. T-92 / 00 u. a., Territorio Histórico / Kommission, Slg. 2002, II-1385 (Rn. 77); EuG, Urteil v. 29. 09. 2000, Rs. T-55 / 99, CETM / Kommission, Slg. 2000, II-3207 (Rn. 103); EuG, Urteil v. 15. 06. 2000, verb. Rs. T-298 / 97 u. a., Alzetta Mauro / Kommission, Slg. 2000, II-2267; EuG, Urteil v. 13. 06. 2000, verb. Rs. T-204 / 97 u. a., EPAC / Kommission, Slg. 2000, II-2267 (Rn. 85). 480 Heidenhain, in: Heidenhain, Beihilfenrecht, § 4 Rn. 61.

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C. Beihilfenrechtliche Bewertung entgeltfreier Zertifikatzuteilung

Demgegenüber hat das Gericht erster Instanz in einer jüngeren Entscheidung eine Kommissionsentscheidung für nichtig erklärt, weil die Kommission den Anforderungen einer präzisen Marktabgrenzung nicht gerecht wurde.481 Das Gericht erster Instanz prüfte dabei den betroffenen Markt, die Austauschbarkeit der Produkte sowie die Auswirkungen der Beihilfe auf den Markt. Für das Erfordernis einer solchen präzisen Marktabgrenzung spricht dabei zum einen, dass auf Grundlage dieser Marktabgrenzung anschließend auch das Ausmaß der Wettbewerbsverfälschung ermittelt wird.482 Zum anderen entsprechen höhere Anforderungen an die Ermittlung der sachlichen und räumlichen Wettbewerbskräfte, denen sich die beteiligten Unternehmen ausgesetzt sehen, der ratio des „more economic approach“ in der gemeinschaftsrechtlichen Beihilfenkontrolle. Dabei kommt der Marktdefinition vor allem die Aufgabe zu, die von einer Beihilfe betroffenen Märkte zu identifizieren und damit die Grundlage für die Bewertung der ökonomischen Effekte einer Beihilfenmaßnahme zu schaffen.483 Im Folgenden sind daher die Anforderungen an die Bestimmung der relevanten Märkte sowie an die Annahme einer Wettbewerbsverfälschung durch eine staatliche Maßnahme darzustellen. a) Relevanter Markt Im Rahmen der erforderlichen Marktabgrenzung ist zur Feststellung der Wettbewerbsverfälschung zunächst zu klären, in welchen Märkten oder Marktsegmenten die durch eine Beihilfenmaßnahme begünstigten Unternehmen tätig sind.484 In räumlicher Hinsicht ist dabei dasjenige Gebiet umfasst, in dem die beteiligten Unternehmen die relevanten Produkte oder Dienstleistungen anbieten, in dem die Wettbewerbsbedingungen hinreichend homogen sind und das sich von den benachbarten Gebieten durch spürbar unterschiedliche Wettbewerbsbedingungen unterscheidet.485 Dabei reicht aus, dass eine Wettbewerbsverfälschung zwischen Marktteilnehmern eines Mitgliedstaates eintritt oder einzutreten droht; eine Wettbewerbsverfälschung des gesamten Gemeinsamen Marktes oder wesentlicher Teile 481 EuG, Urteil v. 28. 02. 2002, Rs. T-155 / 98, Société Internationale de Diffusion et d’Edition (SIDE) / Kommission, Frankreich, Slg. 2002, II-1179 (Rn. 56 ff.). Siehe hierzu auch Nowak, in: Marauhn / Heselhaus, Staatliche Förderung für regionale Produkte, S. 208 f. Eine Marktabgrenzung in räumlich und sachlicher Hinsicht verlangen auch Teile der Literatur, vgl. etwa Koenig / Kühling / Ritter, Beihilfenrecht, Rn. 179; Koenig / Kühling, in: Streinz, EUV / EGV Kommentar, Art. 87 EG Rn. 53; Koenig, Verteilungslenkung, S. 20 ff.; Cremer, in: Calliess / Ruffert, EU- / EG-Vertrag, Art. 87 Rn. 12 f.; Mederer, in: Schröter / Jakob / Mederer, EG-Wettbewerbsrecht, Art. 87 EG Rn. 42. 482 Koenig / Kühling / Ritter, Beihilfenrecht, Rn. 179. 483 Friederiszick, Marktabgrenzung und Marktmacht, S. 4 (dort Fn. 8). 484 Näher dazu Koenig, Verteilungslenkung, S. 20. 485 Kommission, Bekanntmachung über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft, ABl.EG 1997 C 372 / 5.

I. Vorliegen einer Beihilfe

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davon ist nicht erforderlich.486 Der sachlich relevante Markt bestimmt sich nach dem Bedarfsmarktkonzept danach, ob die betroffenen Produkte oder Dienstleistungen von der Nachfragerseite hinsichtlich ihrer Eigenschaften, Preise und ihres Verwendungszwecks als funktional austauschbar oder substituierbar angesehen werden.487 Hinsichtlich des Emissionshandels richtet sich das zu untersuchende Marktsegment dabei nach Anhang I EHRL, der die unter das Emissionszertifikateregime fallenden Tätigkeiten auflistet. Angesichts der Vielzahl der betroffenen Märkte kann eine konkrete Abgrenzung der jeweils betroffenen relevanten Märkte in der vorliegenden Untersuchung zwar nicht erfolgen. Der Gang der einzelfallabhängigen Prüfung sei jedoch an dem Beispiel eines unter die Richtlinie 2003 / 87 / EG fallenden Braunkohlekraftwerks und der Stromerzeugung durch Braunkohleverbrennung exemplarisch dargestellt:488 Abnehmer der im Rahmen der Stromerzeugung durch Braunkohleverbrennung gewonnenen Elektrizität sind üblicherweise Übertragungs- und Verteilernetzbetreiber sowie gegebenenfalls Industrieunternehmen und Stadtwerke, die im Wettbewerb mit anderen Stromproduzenten im Inund zunehmend auch im Ausland stehen. Da Strom außer durch Braunkohleverbrennung auch mittels des Einsatzes von Kernenergie, Erdgas und Steinkohle sowie der so genannten erneuerbaren Energiequellen (Solarenergie, Wasser- und Windkraft etc.)489 erzeugt werden kann, besteht Wettbewerb insofern zwischen der (durch die Zertifikatzuteilung begünstigten) Anbietergruppe der Braunkohlekraftwerke auf dem Marktsegment Braunkohlestrom gegenüber den nicht begünstigten (CO2-emissionsarmen oder CO2-emissionsfreien, nicht unter die Richtlinie 2003 / 87 / EG fallenden) Anbietern auf dem Marktsegment Kernenergie-, Erdgasund Ökostrom. Nachfragern steht der Wechsel zwischen diesen Stromarten frei, so dass eine Substituierbarkeit des durch Braunkohleverbrennung gewonnenen Stroms unter Berücksichtigung des Preises und der mengenmäßigen Verfügbarkeit vor allem mit Kernenergie, Erdgas und Steinkohle, daneben in zunehmendem Maße auch mit Strom aus den erneuerbaren Energieträgern besteht. Da Braunkohlekraftwerke ihren produzierten Strom insofern auch problemlos bisherigen Kunden anderer Stromproduzenten anbieten können, während diese Kunden problemlos zum Braunkohlestrom wechseln können, wäre der sachlich relevante Markt der gesamte Markt der Stromerzeugung. Angesichts der Einführung eines 486 Mederer, in: von der Groeben / Schwarze, EU-Kommentar, Art. 87 EGV Rn. 42 m.w. N.; Koenig / Kühling / Ritter, Beihilfenrecht, Rn. 179. 487 Kommission, Bekanntmachung über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft, ABl.EG 1997 C 372 / 5, Ziff. 7. 488 Zu diesem Beispiel, das sich wegen der nicht unter den Zertifikatehandel fallenden Wettbewerbern anbietet, vgl. bereits Koenig / Braun / Pfromm, ZWeR 2003, 152 (173 f.). 489 Vgl. die Definition des Begriffes „erneuerbarer Energiequellen“ in Art. 2 lit. a) Richtlinie 2001 / 77 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 27. 9. 2001 zur Förderung der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen im Elektrizitätsbinnenmarkt, ABl.EG 2001 L 283 / 33.

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C. Beihilfenrechtliche Bewertung entgeltfreier Zertifikatzuteilung

Emissionshandels im gesamten Gemeinsamen Markt und der zunehmend transnationalen Natur der Energiemärkte ist als relevanter räumlicher Markt490 die gesamte Gemeinschaft zugrunde zu legen, wobei jedoch eine potentielle Wettbewerbsverfälschung zwischen Marktteilnehmern innerhalb eines Mitgliedstaates bereits ausreichend ist. b) Wettbewerbsverfälschung Ist der relevante sachliche und räumliche Markt bestimmt worden, ist in einem zweiten Schritt darzustellen, inwieweit eine Wettbewerbsverfälschung durch die staatliche Maßnahme zumindest potentiell hervorgerufen wird. Eine Wettbewerbsverfälschung ist dann anzunehmen, wenn einzelne Unternehmen auf dem so definierten relevanten Markt gegenüber tatsächlichen oder potentiellen Wettbewerbern begünstigt werden.491 Dieses Tatbestandsmerkmal wird im Rahmen der beihilfenrechtlichen Beurteilung einer entgeltfreien Zertifikatzuteilung durch die Mitgliedstaaten weitgehend als unproblematisch gegeben betrachtet.492 Auch die Kommission sah, ohne bislang im Einzelnen vertieft auf die betroffenen relevanten Märkte oder Art und Umfang der Wettbewerbsverzerrung eingegangen zu sein, in der Bewertung der mitgliedstaatlichen Handelssysteme493 eine zumindest potentielle Wettbewerbsverfälschung als unproblematisch gegeben an. Da der Verkaufserlös der Zertifikate von den am Handel beteiligten Unternehmen zur Verbesserung ihrer Wettbewerbsstellung genutzt werden könne494 und nur diesen zugute käme, während konkurrierende Unternehmen keinen Zugang zu einem solchen System hätten,495 sei eine Wettbewerbsbeeinträchtigung zu bejahen. Auch in dem Schreiben der Generaldirektionen Umwelt und Wettbewerb vom 17. 03. 2004496 wurde eine Wettbewerbsverzerrung nicht ausgeschlossen.497 In ihrer Mitteilung an den Rat zur Genehmigung der ersten nationalen Zuteilungspläne beschränkte sich die Kommission auf die bloße Feststellung, dass die Gewährung eines Vorteils im Rahmen der Zertifikatzuteilung geeignet sei, den Wettbewerb zu verfälschen.498 490 Vgl. hierzu etwa Kommission, Multisektoraler Regionalbeihilferahmen für große Investitionsvorhaben, ABl.EG 1998 C 107 / 7, Ziffer 7.6.; Koenig, Verteilungslenkung, S. 20 f. 491 Koenig / Kühling / Ritter, Beihilfenrecht, Rn. 180. 492 Schweer / Ludwig, RdE 2004, 152 (158); Rusche, in: Sánchez-Rydelski, EC State Aid Regime, S. 349 (381). Im Ergebnis so auch Stewing, Emissionshandel, S. 32. 493 Siehe oben unter B. I. 494 Siehe oben unter B. I. 1. b) (1) zum dänischen Handelssystem sowie unter B. I. 4. b) (1) zum niederländischen Handelssystem. 495 Siehe oben unter B. I. 2. b) (1) zum britischen Handelssystem. 496 Kommission, Schreiben der Generaldirektionen Umwelt und Wettbewerb v. 17. 03. 2004 an den dänischen Vertreter bei der EU, HNV C2PV / amh / D(2004)420149. 497 Siehe oben unter B. II. 2. 498 Siehe oben unter B. II. 2.

I. Vorliegen einer Beihilfe

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Eine Wettbewerbsverfälschung ist daher zum einen im Verhältnis der unter das Zertifikatsystem fallenden Unternehmen zu den nicht unter das Handelssystem fallenden Unternehmen gegeben, da aufgrund dieser Unterscheidung nicht alle konkurrierenden Unternehmen Zertifikate entgeltfrei erhalten. Die entgeltfreie Zuteilung von handelbaren Emissionszertifikaten benachteiligt die nicht unter den Emissionshandel fallenden Anlagen und Produktionszweige, da diesen die Begünstigungseffekte entgeltfrei zugeteilter Zertifikate499 – spekulative Gewinne; windfall profits durch Einpreisung; Gewinne durch Verkauf – verwehrt sind.500 Vor diesem Hintergrund ist auch die Beihilfenmaßnahme in der soeben dargestellten Beispielskonstellation selektiv, da CO2-emissionsarme oder CO2-emissionsfreie, nicht unter die Richtlinie 2003 / 87 / EG fallende Anbieter auf dem Marktsegment Kernenergie-, Erdgas- und Ökostrom keine Zertifikate erhalten. Zum anderen droht eine Wettbewerbsverfälschung auch im Verhältnis der am Handelssystem teilnehmenden Anlagenbetreiber zu neuen Marktteilnehmern, wenn letztere nicht hinreichend Zertifikate zugeteilt bekommen und hierdurch Markteintrittsschranken entstehen. Die Vorgaben der Richtlinie 2003 / 87 / EG sind hierbei nicht hinreichend klar: So sieht Art. 11 Abs. 3 EHRL zwar vor, dass die Mitgliedstaaten bei ihren Zuteilungsentscheidungen die Notwendigkeit berücksichtigen müssen, neuen Marktteilnehmern den Zugang zu Zertifikaten zu ermöglichen. Und gemäß Ziffer 6 Anhang III EHRL muss auch der Zuteilungsplan Angaben dazu enthalten, wie neue Marktteilnehmer sich am Gemeinschaftssystem in dem betreffenden Mitgliedstaat beteiligen können; genaue Vorgaben enthält die Richtlinie jedoch nicht. Eine Wettbewerbsverfälschung erscheint daher zumindest möglich, wenn neue Marktteilnehmer nicht eine hinreichende Anzahl von Zertifikaten erhalten, etwa weil die mitgliedstaatliche Reserve zu gering und das Gesamtemissionsbudget bereits ausgeschöpft ist.501 In Folge dessen müssten neue Marktteilnehmer die benötigten Zertifikate auf dem Markt erwerben und würden durch direkte Ausgaben – mit der Folge erhöhter Markteintrittsbarrieren – benachteiligt. Die Kommission steht dieser Konstellation ambivalent gegenüber: Zwar erkennt sie die Notwendigkeit einer hinreichenden Zertifikatausstattung der neuen Marktteilnehmer an, gleichwohl betrachtet sie die Interessen der neuen Marktteilnehmer als gewahrt, soweit diese Zertifikate auf dem Markt erwerben können.502 Müssen neue Marktteilnehmer Zertifikate aber erst zum Marktpreis erwerben, entsteht ihHierzu etwa Beckmann / Fisahn, ZUR 2009, 299 (305). Dabei stellt die Befreiung von der Zertifikatpflicht gerade keine Begünstigung dar, sondern vielmehr eine Belastung, da den nicht unter den Zertifikathandel fallenden Unternehmen die sich aus der entgeltfreien Zuteilung ergebenen Vorteile entgehen, vgl. bereits oben unter C. I. 2. c). 501 Weishaar, Emissions Trading System and State Aid, S. 19. 502 Kommission, Mitteilung v. 07. 01. 2004 über Hinweise zur Unterstützung der Mitgliedstaaten bei der Anwendung der in Anhang III der Richtlinie 2003 / 87 / EG [ . . . ] aufgelisteten Kriterien sowie über die Bedingungen für den Nachweis höherer Gewalt, KOM (2003) 830 endg., S. 12. 499 500

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C. Beihilfenrechtliche Bewertung entgeltfreier Zertifikatzuteilung

nen hierdurch im Hinblick auf die Produktionskosten wirtschaftlich ein Wettbewerbsnachteil.503 c) Zwischenergebnis Im Falle einer entgeltfreien Zertifikatzuteilung ist eine zumindest potentielle Wettbewerbsverfälschung anzunehmen, sofern bestimmten Unternehmen und Branchen eine Zertifikatzuteilung generell vorenthalten ist oder neuen Marktteilnehmern der Marktzutritt durch die Ausgestaltung der Zertifikatzuteilung erschwert wird. 6. Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten Das Tatbestandsmerkmal der Handelsbeeinträchtigung zwischen den Mitgliedstaaten („Zwischenstaatlichkeitsklausel)“ grenzt den Geltungsbereich des Gemeinschaftsrechts von rein mitgliedstaatlichen Sachverhalten ab, die sich ausschließlich auf den Wettbewerb innerhalb eines Mitgliedstaates auswirken oder unter eine Erheblichkeitsschwelle fallen. a) Handelsbeeinträchtigung Das Tatbestandsmerkmal der Handelsbeeinträchtigung kann bereits dann bejaht werden, wenn durch einen fiskalischen Vorteil zugunsten eines bestimmten Unternehmens zukünftige Auswirkungen auf den zwischenstaatlichen Handel als möglich erscheinen.504 Angesichts der zunehmenden Verflechtung der Märkte wurde dieses Tatbestandsmerkmal bisher nur bei rein lokalen Wirtschaftstätigkeiten ausgeschlossen.505 Nach der Rechtsprechung der Gemeinschaftsgerichte ist bei der Prüfung dieses Tatbestandsmerkmals ausreichend, die Eignung einer Maßnahme zur Handels503 Weishaar, Emissions Trading System and State Aid, S. 19. Die Möglichkeit einer Wettbewerbsverfälschung besteht schließlich auch dann, wenn die Zertifikatausstattung neuer Marktteilnehmer geringer ist als die mögliche Zuteilungsmenge an bereits am Handelssystem teilnehmende Anlagenbetreiber. So sieht etwa der niederländische Zuteilungsplan für die erste Handelsperiode vor, dass neue Marktteilnehmer Zertifikate bis zur Höhe der tatsächlich benötigten Emissionsmenge erhalten, während Anlagenbetreiber, die bereits am Handelssystem teilnehmen, Zertifikate in Höhe von bis zu 10% über ihren tatsächlichen Emissionen erhalten können, vgl. Niederländischer Zuteilungsplan für die Handelsperiode 2005 – 2007 vom 16. 04. 2004, S. 27, abrufbar unter http: // ec.europa.eu / environment / climat / first_ phase_ep.htm, und Weishaar, a. a. O. 504 EuGH, Urteil v. 17. 09. 1980, Rs. 730 / 79, Philip Morris Holland BV / Kommission, Slg. 1980, 2671 (Rn. 11); Koenig / Kühling / Ritter, Beihilfenrecht, Rn. 181; Mederer / Strohschneider, in: von der Groeben / Schwarze, EU-Kommentar, Art. 87 Rn. 48 f. 505 So Kommission, Beihilfenentscheidung N 258 / 00 v. 12. 01. 2001, Deutschland (Freizeitbad Dorsten), Ziff. 3.

I. Vorliegen einer Beihilfe

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beeinträchtigung nachzuweisen.506 Faktisch folgert die Rechtsprechung damit aus der Begünstigung eines Unternehmens und dessen verstärkter Wettbewerbsfähigkeit auf die Beeinträchtigung des innergemeinschaftlichen Handels.507 Zudem hat der EuGH in ständiger Rechtsprechung Grundsätze aufgestellt, die im Ergebnis unwiderlegbaren Vermutungen gleichkommen. Danach muss der innergemeinschaftliche Handel, wenn eine von einem Mitgliedstaat gewährte Beihilfe die Stellung eines Unternehmens gegenüber anderen Wettbewerbern im innergemeinschaftlichen Handel verstärkt, als von der Beihilfe beeinflusst erachtet werden.508 Demnach muss das begünstigte Unternehmen nicht selbst am innergemeinschaftlichen Handel teilnehmen, da durch eine Beihilfe die inländische Erzeugung beibehalten oder erhöht werden könnte, so dass sich die Chancen anderer Marktteilnehmer auf Ausführung ihrer Erzeugnisse in den Markt des begünstigten Unternehmens verringern.509 Nach ständiger Rechtsprechung reicht folglich die Feststellung aus, dass das begünstigte Unternehmen auf einem Markt tätig ist, der unmittelbar oder mittelbar durch die Ein- oder Ausfuhr von Waren gekennzeichnet ist.510 Im Hinblick auf die mitgliedstaatlichen Handelssysteme sah die Kommission die Möglichkeit einer Handelsbeeinträchtigung als gegeben an, da die beteiligten Unternehmen auch am innergemeinschaftlichen Handel beteiligt seien.511 Auch in 506 EuG, Urteil v. 04. 04. 2001, Rs. T-288 / 97, Regione Friuli Venezia Giulia / Kommission, Slg. 2001, II-1169 (Rn. 47 ff.); EuG, Urteil v. 15. 06. 2000, verb. Rs. T-298 / 97 u. a., Alzetta Mauro u. a. / Kommission, Slg. 2000, II-2319 (Rn. 76 ff., 95); EuG, Urteil v. 29. 09. 2000, Rs. T-55 / 99, Confederación Española de Transporte de Mercancías (CETM) / Kommission, Slg. 2000, II-3207 (Rn. 102); EuG, Urteil v. 30. 04. 1998, Rs. T-214 / 95, Het Vlaamse Gewest / Kommission, Slg. 1998, II-717 (Rn. 67). 507 Heidenhain, in: Heidenhain, Beihilfenrecht, § 4 Rn. 69, mit Verweis auf EuG, Urteil v. 29. 09. 2000, Rs. T-55 / 99, Confederación Española de Transporte de Mercancías (CETM) / Kommission, Slg. 2000, II-3207 (Rn. 101), wodurch auf die Ausführungen in den Rn. 76 – 79 dieses Urteils verwiesen wird, welche die von der Kommission vorgebrachte Begründung referieren. 508 EuGH, Urteil v. 14. 09. 1994, verb. Rs. C-278 / 92 u. a., Spanien / Kommission („Hytasa“), Slg. 1994, I-4103 (Rn. 40); EuGH, Urteil v. 17. 09. 1980, Rs. 730 / 79, Philip Morris Holland BV / Kommission, Slg. 1980, 2671 (Rn. 11); EuG, Urteil v. 04. 04. 2001, Rs. T-288 / 97, Regione Friuli Venezia Giulia / Kommission, Slg. 2001, II-1169 (Rn. 41); EuG, Urteil v. 15. 06. 2000, verb. Rs. T-298 / 97 u. a., Alzetta Mauro u. a. / Kommission, Slg. 2000, II-2319 (Rn. 84); EuG, Urteil v. 29. 09. 2000, Rs. T-55 / 99, Confederación Española de Transporte de Mercancías (CETM) / Kommission, Slg. 2000, II-3207 (Rn. 86); EuGH, Urteil v. 07. 03. 2002, Rs. C-310 / 99, Italien / Kommission, Slg. 2002, I-2289 (Rn. 84); EuGH, Urteil v. 19. 09. 2000, Rs. C-156 / 98, Deutschland / Kommission, 2000, I-6857 (Rn. 33). 509 EuGH, Urteil v. 14. 09. 1994, verb. Rs. C-278 / 92 u. a., Spanien / Kommission („Hytasa“), Slg. 1994, I-4103 (Rn. 40); EuG, Urteil v. 04. 04. 2001, Rs. T-288 / 97, Regione Friuli Venezia Giulia / Kommission, Slg. 2001, II-1169 (Rn. 51); EuG, Urteil v. 29. 09. 2000, Rs. T-55 / 99, Confederación Española de Transporte de Mercancías (CETM) / Kommission, Slg. 2000, II-3207 (Rn. 86); EuG, Urteil v. 15. 06. 2000, verb. Rs. T-298 / 97 u. a., Alzetta Mauro u. a. / Kommission, Slg. 2000, II-2319 (Rn. 91). 510 Heidenhain, in: Heidenhain, Beihilfenrecht, § 4 Rn. 71. 511 Vgl. oben unter B. I.

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C. Beihilfenrechtliche Bewertung entgeltfreier Zertifikatzuteilung

ihren Mitteilungen an den Rat kam sie zu dem Ergebnis, dass die Zertifikatvergabe eine Beeinträchtigung des innergemeinschaftlichen Handels zur Folge haben könnte.512 In der Literatur wird das Vorliegen des Tatbestandsmerkmals der Handelsbeeinträchtigung überwiegend bejaht.513 Dieser Auffassung ist angesichts der zunehmenden transnationalen Verknüpfungen der unter das Handelssystem fallenden Bereiche und des Wertes der entgeltfrei zugeteilten Zertifikate zuzustimmen. b) De-minimis-Beihilfen Die Begünstigung aus der entgeltfreien Zertifikatzuteilung kann jedoch nach der De-minimis-Verordnung der Kommission514 unbeachtlich sein. Nach dieser sind De-minimis-Beihilfen geringfügige, an bestimmte Unternehmen gewährte und unterhalb bestimmter Schwellenwerte liegende Beihilfen, die als nicht dem Beihilfentatbestand unterfallend gelten und von der Notifizierungspflicht freigestellt sind.515 Die De-minimis-Regelung beruht auf der Annahme der Kommission, dass Beihilfen in den der Verordnung unterfallenden Sektoren,516 deren Beträge die Deminimis-Schwelle nicht überschreiten, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten nicht beeinträchtigen. 517 Eine De-minimis-Beihilfe liegt vor, wenn die Summe der einem Unternehmen über den fließenden Zeitraum von drei Steuerjahren gewährten Beihilfen den Betrag von A 200.000 nicht übersteigt.518 Das Beihilfenäquivalent errechnet sich dabei aus der Differenz zwischen dem Marktwert der tatsächVgl. oben unter B. II. Ehricke, Kurzgutachten Emissionszertifikatehandel, S. 28; Foundation for International Environmental Law and Development, Scoping Paper I, S. 9; Kerth, Emissionshandel, S. 265; Rusche, in: Sánchez-Rydelski, EC State Aid Regime, S. 349 (381); Schweer / Ludwig, RdE 2004, 152 (158); Stewing, Emissionshandel, S. 33 514 Verordnung (EG) Nr. 1998 / 2006 der Kommission vom 15. 12. 2006 über die Anwendung der Artikel 87 und 88 EG-Vertrag auf „De-minimis“-Beihilfen, ABl.EU 2006 L 379 / 5. Diese Verordnung gilt seit dem 01. 01. 2007, findet jedoch auf Beihilfen, die die Voraussetzungen der bis Ende 2006 geltenden Verordnung (EG) Nr. 69 / 2001 der Kommission vom 12. 01. 2001 über die die Anwendung der Artikel 87 und 88 EG-Vertrag auf „De-minimis“-Beihilfen, ABl.EG 2001 L 10 / 30, erfüllen, erst nach dem 01. 07. 2007 Anwendung, vgl. die Übergangsvorschrift des Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1998 / 2006. Vgl. zur Rechtslage unter der Verordnung (EG) Nr. 69 / 2001 im Einzelnen auch Repplinger-Hach, in: Heidenhain, Beihilfenrecht, § 5 Rn. 10. 515 Koenig / Kühling / Ritter, Beihilfenrecht, Rn. 183. 516 Vom Anwendungsbereich ausgenommen sind gemäß Art. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1998 / 2006 (Fn. 514) etwa die Landwirtschaft, die Fischerei, Ausfuhrbeihilfen und Beihilfen an Unternehmen in Schwierigkeiten, sowie Beihilfen an Unternehmen, die im Steinkohlenbergbau gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1407 / 2002 über staatliche Beihilfen für den Steinkohlenbergbau tätig sind. 517 Repplinger-Hach, in: Heidenhain, Beihilfenrecht, § 5 Rn. 1. 518 Art. 2 Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 1998 / 2006 (Fn. 514). Nach der Vorgängerregelung betrug der De-minimis-Schwellenwert A 100.000 in drei Jahren, vgl. Art. 2 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 69 / 2001 (Fn. 514). 512 513

I. Vorliegen einer Beihilfe

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lich erbrachten Leistung zum Zeitpunkt der Beihilfengewährung und dem Marktwert der tatsächlich erhaltenen Gegenleistung.519 Im Hinblick auf die entgeltfreie Zuteilung der Emissionszertifikate520 ist bei der Berechnung der Beihilfenhöhe insofern der Marktpreis der Zertifikate im Zeitpunkt der Zuteilung zugrunde zu legen. Dem steht nach hier vertretener Auffassung keine angemessene Gegenleistung gegenüber.521 Vor diesem Hintergrund fallen je nach Höhe der zugeteilten Zertifikate und zugrunde zu legender De-minimis-Schwelle einige Zuteilungen aufgrund ihrer geringfügigen Höhe unter die De-minimis-Freistellung und erfüllen den Beihilfentatbestand des Art. 87 Abs. 1 EG nicht. Wird jedoch die De-minimis-Schwelle durch die mitgliedstaatliche Zertifikatzuteilung überschritten, gilt auch das Zwischenstaatlichkeitskriterium als erfüllt. Hierbei ist der Marktpreis der Zertifikate zum jeweiligen Zuteilungstermin zugrunde zu legen. Dieser schwankte seit Einführung des Emissionshandels weitgehend zwischen A 5,00 und A 20,00.522 Bei Zugrundelegung eines Marktpreises von A 15,00 je Zertifikat ist damit nach dem 01. 07. 2007523 eine Zertifikatzuteilung über 13.334 Zertifikaten je Anlage in drei Jahren zum Erreichen der De-minimis-Schwelle erforderlich, bei Zugrundelegung eines durchschnittlichen Marktpreises von A 10,00 eine Zertifikatzuteilung von über 20.001 Zertifikaten in drei Jahren.524 Damit ist in der überwiegenden Zahl der Zuteilungen von dem Vorliegen einer die De-minimis-Schwelle übersteigenden Beihilfe auszugehen,525 Auswirkungen auf den zwischenstaatlichen Handel sind damit zumindest möglich, so dass das Zwischenstaatlichkeitskriterium erfüllt ist.

519 EuG, Urteil v. 30. 04. 1998, Rs. T-16 / 96, Cityflyer Express, Slg. 1998, II-757 (Rn. 52 f.); zur Berechnung bei Darlehen siehe Kommission, Unternehmensmitteilung, Zweiter Teil, C.V., Ziff. 41. 520 Die Anwendung der De-minimis-Regel scheidet dabei auch nicht deswegen aus, weil die Richtlinie 2003 / 87 / EG die Prüfung der Artt. 87, 88 EG ausdrücklich vorsieht, so aber Stewing, Emissionshandel, S. 33. Denn die De-minimis-Ausnahme ist Teil der Beihilfendogmatik des Art. 87 EG. 521 Siehe bereits oben unter C. I. 2. a) (2). 522 Vgl. etwa zur Preisentwicklung etwa die Übersicht auf der Homepage der Leipziger Energiebörse European Energy Exchange, http: // www.eex.com / de / Marktinformation / Emis sionsberechtigungen / EU%20Emission%20Allowances%20Chart%20%7C%20Spotmarkt /spoteua-chart /. Die Zertifikatpreise für die zweite Handelsperiode bewegen sich derzeit um die A 13 – 15. Siehe auch bereits oben unter Fn. 291. 523 Angesichts des geringeren Schwellenwertes bis zum 30. 06. 2007 ist bei den diesem Datum vorangegangen Zuteilungen eine geringere Zuteilungshöhe für das Überschreiten des De-minimis-Schwellenwertes ausreichend. 524 Eine gemeinschaftsweite Übersicht der jährlichen anlagenbezogenen Zertifikatzuteilungen findet sich auf der Homepage des Community Transaction Log, vgl. http: // ec.europa. eu / environment / ets / welcome.do. 525 Zustimmend zur Überschreitung der Schwellenwerte Kerth, Emissionshandel, S. 265, Stewing, Emissionshandel, S. 33.

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C. Beihilfenrechtliche Bewertung entgeltfreier Zertifikatzuteilung

c) Zwischenergebnis Sofern einem Anlagenbetreiber Zertifikate im Marktwert von über A 200.000 in drei Steuerjahren zugeteilt werden, ist eine zumindest potentielle Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten zu bejahen. 7. Zwischenergebnis Die Zuteilungsentscheidungen der Mitgliedstaaten unterliegen unabhängig von der Vorgabe des Art. 10 EHRL vollumfänglich dem primärrechtlichen Beihilfenregime der Artt. 87, 88 EG, da die Umsetzung der Richtlinie den Mitgliedstaaten zuzurechnen ist und die Richtlinie 2003 / 87 / EG das Beihilfenregime nicht derogiert. Dabei stellen sowohl die mitgliedstaatliche Zuteilung der gemäß Art. 10 EHRL entgeltfrei zuzuteilenden Zertifikate als auch die Zuteilung der nicht zwingend entgeltfrei zuzuteilenden Zertifikate eine beihilfenrechtliche Begünstigung dar. Denn die Zertifikate sind auch ohne tatsächliche Emissionsreduktionen handelbar und können auch im Falle des Eigenverbrauchs und trotz entgeltfreier Initialallokation den Abnehmern zum jeweils aktuellen Marktpreis berechnet werden. Da die Mitgliedstaaten die Emissionszertifikate, die den Empfängern in deren Verhältnis zum Staat ein direktes (Emissions-)Recht gewähren, auch hätten entgeltlich zuteilen können, sind durch diesen Verzicht auf grundsätzlich mögliche Einnahmen auch staatliche Mittel betroffen. Durch die Beschränkung der teilnehmenden Unternehmen und Produktionszweige wird das Selektivitätskriterium erfüllt. Durch die entgeltfreie Zertifikatzuteilung sowie die Begrenzung des Zertifikatsystems auf bestimmte Unternehmen und Branchen ist auch eine (zumindest potentielle) Wettbewerbsverfälschung anzunehmen. Angesichts der zunehmenden transnationalen Verknüpfungen der unter das Handelssystem fallenden Bereiche und des Wertes der entgeltfrei zugeteilten Zertifikate ist schließlich auch das Tatbestandsmerkmal einer zumindest potentiellen Handelsbeeinträchtigung zwischen den Mitgliedstaaten zu bejahen. Sofern durch die entgeltfreie Zertifikatzuteilung auch der De-minimis-Schwellenwert überschritten wird, ist der Beihilfentatbestand im Sinne des Art. 87 Abs. 1 EG demnach erfüllt. II. Genehmigungsfähigkeit Das Beihilfenrecht enthält kein absolutes und unbedingtes Beihilfenverbot, sondern ist als präventives Verbot mit Genehmigungsvorbehalt ausgestaltet.526 Dem 526 EuGH, Urteil v. 22. 03. 1977, Rs. 78 / 76, Steinike und Weinlig / Deutschland, Slg. 1977, 595 (Rn. 8); EuGH, Urteil v. 14. 02. 1990, Rs. C-301 / 87, Frankreich / Kommission („Boussac“), Slg. 1990, I-307 (Rn. 15); EuGH, Urteil v. 27. 10. 1993, Rs. C-72 / 92, Firma Herbert Scharbatke GmbH / Deutschland, Slg. 1993, I-5509 (Rn. 19); EuGH, Urteil v. 11. 07. 1996, Rs. C-39 / 94, Syndicat français de l’Express international (SFEI) u. a. / La Poste u. a., Slg. 1996, I-3547 (Rn. 36). Siehe hierzu auch oben unter Fn. 234.

II. Genehmigungsfa¨higkeit

155

Grundsatz der Unvereinbarkeit von Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt in Art. 87 Abs. 1 EG folgen in Art. 87 Abs. 2 und Abs. 3 EG Ausnahmetatbestände. Ist in einem ersten Schritt die Tatbestandsmäßigkeit einer (Beihilfen-)Maßnahme gemäß Art. 87 Abs. 1 EG festgestellt worden, ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob diese Beihilfenmaßnahme unter den Voraussetzungen der Ausnahmetatbestände als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar eingestuft werden kann.527 Während unter die Legalausnahmen des Art. 87 Abs. 2 EG fallende schadensbeseitigende und nachteilsausgleichende Beihilfen528 per se mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar sind,529 eröffnen die Ausnahmeklauseln des Art. 87 Abs. 3 EG der Kommission ein weites Ermessen. Angesichts der geringen praktischen Bedeutung der Legalausnahmen in Art. 87 Abs. 2 EG, stellen die Ermessenstatbestände des Art. 87 Abs. 3 EG das eigentliche Gegengewicht zum weit reichenden Beihilfenverbot des Art. 87 Abs. 1 EG dar. Die Genehmigungstatbestände in Art. 87 Abs. 3 EG sind dadurch gekennzeichnet, dass die Kommission die positiven Auswirkungen der Beihilfe (nationales Interesse) und die negativen Auswirkungen auf die Handelsbedingungen und die Aufrechterhaltung eines unverfälschten Wettbewerbs (Gemeinschaftsinteresse) gegen einander abzuwägen hat.530 Während Art. 87 Abs. 3 lit. b) EG Beihilfen zur Förderung wichtiger Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse oder zur Behebung einer beträchtlichen Störung im Wirtschaftsleben eines Mitgliedstaats für genehmigungsfähig erklärt, betrifft Art. 87 Abs. 3 lit. c) EG Beihilfenmaßnahmen zur Förderung der Entwicklung gewisser Wirtschaftszweige oder Wirtschaftsgebiete und erklärt diese für genehmigungsfähig, soweit sie die Handelsbedingungen nicht in einer dem gemeinsamen Interesse zuwiderlaufenden Weise veränKoenig / Kühling / Ritter, Beihilfenrecht, Rn. 187. Die schadens- und nachteilsausgleichenden Beihilfen dienen dem Ausgleich eng umrissener und restriktiv auszulegender sozialer Umstände oder außergewöhnlicher Schadensereignisse. So fallen etwa unter den Begriff der Beihilfen sozialer Art an einzelne Verbraucher gemäß Art. 87 Abs. 2 lit. a) EG Heizmittel-, Kleidungs- oder Lebensmittelzuwendungen an sozial oder wirtschaftlich schwache Bevölkerungsgruppen, durch die bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige begünstigt werden. Beihilfen bei außergewöhnlichen Ereignissen und Naturkatastrophen gemäß Art. 87 Abs. 2 lit. b) EG umfassen etwa Beihilfen bei schweren inneren Unruhen oder großen Industrieunglücken. Beihilfen zum Ausgleich der durch die Teilung Deutschlands verursachten wirtschaftlichen Nachteile gemäß Art. 87 Abs. 2 lit. c) EG müssen dem Ausgleich von Nachteilen dienen, die direkt kausal durch die Teilung Deutschlands verursacht wurden. Vgl. zu Art. 87 Abs. 2 EG vertiefend Koenig / Kühling / Ritter, Beihilfenrecht, Rn. 190 ff.; Heidenhain, in: Heidenhain, Beihilfenrecht, §§ 10 – 13; Mederer, in: von der Groeben / Schwarze, EU-Kommentar, Art. 87 Rn. 123 ff. 529 Die Kommission prüft in diesen Fällen nur noch, ob die Maßnahme den tatsächlich notwendigen Ausgleichsbetrag übersteigt, vgl. Schütte, in: Sánchez-Rydelski, EC State Aid Regime, S. 23 (25). 530 EuGH, Urteil v. 17. 09. 1980, Rs. 730 / 79, Philip Morris Holland BV / Kommission, Slg. 1980, 2671 (Rn. 24 ff.); EuG, Urteil v. 04. 04. 2001, Rs. T-288 / 97, Regione Friuli Venezia Giulia / Kommission, Slg. 2001, II-1169 (Rn. 74); Mederer, in: von der Groeben / Schwarze, EU-Kommentar, Art. 87 Rn. 144 ff.; Jestaedt, in: Heidenhain, Beihilfenrecht, § 14 Rn. 4. 527 528

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C. Beihilfenrechtliche Bewertung entgeltfreier Zertifikatzuteilung

dern.531 Art. 87 Abs. 3 lit. e) EG erklärt schließlich sonstige Arten von Beihilfen für genehmigungsfähig, die der Rat durch eine Entscheidung mit qualifizierter Mehrheit auf Vorschlag der Kommission bestimmt hat. Daneben bestehen die sachgebietsübergreifende Ausnahmebestimmung des Art. 86 Abs. 2 EG für Maßnahmen zur Erfüllung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse sowie der Ausnahmetatbestand des Art. 88 Abs. 2 UAbs. 3 EG für bestimmte, durch einstimmige Entscheidungen des Rates als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärte Beihilfenmaßnahmen. Im Folgenden ist daher zu untersuchen, inwieweit die den Tatbestand des Art. 87 Abs. 1 EG erfüllende mitgliedstaatliche entgeltfreie Zertifikatzuteilung von der Kommission genehmigt werden könnte bzw. unter einen der speziellen Ausnahmetatbestände fällt. Dabei ist zunächst die Genehmigungsfähigkeit gemäß Art. 87 Abs. 3 lit. b) alt. 1 EG (unter 1.) und gemäß Art. 87 Abs. 3 lit. c) EG (unter 2.) zu untersuchen, bevor der Genehmigungstatbestand des Art. 87 Abs. 3 lit. e) EG (unter 3.) sowie die speziellen Ausnahmetatbestände des Art. 88 Abs. 2 UAbs. 3 EG (unter 4.) und des Art. 86 Abs. 2 EG (unter 5.) zu prüfen sind.

1. Genehmigungsfähigkeit gemäß Art. 87 Abs. 3 lit. b) EG Gemäß Art. 87 Abs. 3 lit. b) alt. 1 EG sind Beihilfen zur Förderung wichtiger Vorhaben von gemeinsamem europäischen Interesse genehmigungsfähig. Die Genehmigungsanforderungen des Art. 87 Abs. 3 lit. b) EG werden dabei durch den Gemeinschaftsrahmen für staatliche Umweltschutzbeihilfen konkretisiert. Gemäß dessen Ziffer 73 kommt die Genehmigung einer Umweltschutzbeihilfe gemäß Art. 87 Abs. 3 lit. b) EG in Betracht, sofern die betreffende Beihilfenmaßnahme der Verwirklichung eines konkreten, genau festgelegten und hochwertigen Vorhabens im gemeinsamen europäischen Interesse dient und für die Verwirklichung dieses Interesses erforderlich ist.

a) Gemeinschaftsrahmen für staatliche Umweltschutzbeihilfen Das ihr im Rahmen der Genehmigungstatbestände gemäß Art. 87 Abs. 3 EG zustehende Ermessen hat die Kommission nach Maßgabe von wirtschaftlichen und sozialen, auf die Gemeinschaft als Ganzes bezogenen Wertungen auszuüben.532 531 Die – hier nicht anwendbaren – Genehmigungstatbestände des Art. 87 Abs. 3 lit. a) und lit. d) EG betreffen Beihilfen zur Förderung erheblich unterentwickelter Gebiete sowie Beihilfen zur Kulturförderung. Siehe hierzu etwa Koenig / Kühling / Ritter, Beihilfenrecht, Rn. 317 ff., 336. 532 EuGH, Urteil v. 17. 09. 1980, Rs. 730 / 79, Philip Morris Holland BV / Kommission, Slg. 1980, 2671 (Rn. 24); EuGH, Urteil v. 24. 02. 1987, Rs. 310 / 85, Deufil GmbH u. Co. KG / Kommission, Slg. 1987, 901 (Rn. 18); EuGH, Urteil v. 14. 02. 1990, Rs. 301 / 87, Frank-

II. Genehmigungsfa¨higkeit

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Dabei ist die Kommission in ihrer Ermessensausübung an das gesamte primäre und sekundäre Gemeinschaftsrecht gebunden,533 jedoch verbleibt ihr bei der Gewichtung der in die Abwägung einzustellenden Gesichtspunkte ein weiter Ermessensspielraum.534 Die Gemeinschaftsgerichte überprüfen lediglich, ob die Vorschriften über das Verfahren eingehalten wurden, die Begründung in sich schlüssig ist, die Tatsachen richtig ermittelt sind und keine offensichtlichen Fehler bei der Beurteilung sowie kein Ermessensfehlgebrauch vorliegen.535 Dabei wird insbesondere bei komplexen wirtschaftlichen Sachverhalten der Prüfungsumfang von den Gemeinschaftsrichtern stark zurückgenommen.536 Der sich aus diesem weiten Ermessensspielraum der Kommission ergebenden Unwägbarkeit bezüglich zukünftiger Entscheidungen begegnet die Kommission in verschiedenen Bereichen durch Leitlinien und Gemeinschaftsrahmen.537 In diesen erläutert sie die Prüfungsparameter und die Grundsätze ihrer Ermessensanwenreich / Kommission („Boussac“), Slg. 1990, I-307 (Rn. 49); EuGH, Urteil v. 15. 06. 1993, Rs. C-225 / 91, Matra SA / Kommission, Slg. 1993, I-3202 (Rn. 24); EuGH, Urteil v. 15. 05. 1997, Rs. C-278 / 95P, Siemens SA / Kommission, Slg. 1997, I-2507 (Rn. 35); EuGH, Urteil v. 15. 05. 1997, Rs. C-355 / 95P Textilwerke Deggendorf GmbH (TWD) / Kommission, Slg. 1997, I-2549 (Rn. 26); vgl. auch Kommission, Entscheidung v. 18. 07. 2001, Deutschland (Automobilmanufaktur Dresden GmbH), ABl.EG 2002 L 48 / 25 Ziff. 27, mit dem zusätzlichen Hinweis, dass alle Ausnahmen nach Art. 87 Abs. 3 EG eng auszulegen sind. 533 Zum Bereich der Ermessensbeschränkungen m.w. N. auch Jestaedt / Schweda, in: Heidenhain, Beihilfenrecht, § 14 Rn. 4. 534 Im Rahmen ihres Ermessens ist die Kommission freilich nicht befugt, den Mitgliedstaaten Freistellungen von sonstigen Bestimmungen zu gewähren, die sich nicht auf Art. 87 Abs. 1 EG beziehen; vgl. EuGH, Urteil v. 12. 11. 1992, verb. Rs. C-134 / 91 u. a., KerafinaKeramische- und Finanz-Holding AG und Vioktimatiki AEVE / Griechenland und Organismos Oikonomikis Anasygkrotissis Epicheirisseon AE, Slg. 1992, I-5699 (Rn. 20); EuG, Urteil v. 27. 09. 2000, Rs. T-184 / 97, BP Chemicals Ltd / Kommission, Slg. 2000, II-3145 (Rn. 55). 535 EuGH, Urteil v. 14. 03. 1973, Rs. 57 / 72, Westzucker GmbH / Einfuhr- und Vorratsstelle für Zucker, Slg. 1973, 321 (Rn. 14); EuGH, Urteil v. 18. 03. 1975, Rs. 78 / 74, Deuka, Deutsche Kraftfutter GmbH, B. J. Stolp / Einfuhr- und Vorratsstelle für Getreide und Futtermittel, Slg. 1975, 421 (Rn. 9); EuGH, Urteil v. 26. 09. 2000, Rs. C-351 / 98, Spanien / Kommission, Slg. 2002, I-8031 (Rn. 74); EuG, Urteil v. 12. 12. 1996, Rs. T-380 / 94, Association internationale des utilisateurs de fils de filaments artificiels et synthétiques et de soie naturelle (AIUFFASS) und Apparel, Knitting & Textiles Alliance (AKT) / Komission, Slg. 1996, II-2169 (Rn. 56); EuG, Urteil v. 27. 01. 1998, Rs. T-67 / 94, Ladbroke Racing Ltd / Kommission, Slg. 1998, II-1 (Rn. 5); EuG, Urteil v. 05. 11. 1997, Rs. T-149 / 95, Etablissements J. Richard Ducros / Kommission, Slg. 1997, II-2031 (Rn. 63). 536 Siehe exemplarisch EuG, Urteil v. 12. 12. 2000, Rs. T-296 / 97, Alitalia – Linee aeree italiane SpA / Kommission, Slg. 2000, II-3871 (Rn. 105); ferner Cremer, in: Calliess / Ruffert, EU- / EG-Vertrag, Art. 87 EGV Rn. 26. Strenger indes EuG, Urteil v. 28. 02. 2000, Rs. T-155 / 98, Société Internationale de Diffusion et d’Edition (SIDE) / Kommission, Frankreich, Slg. 2002, II-3871 (Rn. 56 ff.); zustimmend Koenig / Kühling / Ritter, Beihilfenrecht, Rn. 202. 537 Im Gegensatz zu Leitlinien und Gemeinschaftsrahmen, die sich auf die Ermessenstatbestände des Art. 87 Abs. 3 EG beziehen, betreffen Mitteilungen grundsätzlich den Grundtatbestand des Art. 87 Abs. 1 EG.

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C. Beihilfenrechtliche Bewertung entgeltfreier Zertifikatzuteilung

dung, typisiert so die Abwägungsvorgänge für die jeweiligen Bereiche und trägt damit in einem gewissen Maß zur Vorhersehbarkeit ihrer Entscheidungen bei. Die Äußerungen der Kommission in Gemeinschaftsrahmen und Leitlinien entfalten für diese grundsätzlich eine Bindungswirkung (Selbstbindung der Kommission).538 Fällt eine Beihilfenmaßnahme in den Anwendungsbereich eines solchen Rechtsrahmens, hat sich die Kommission im Hinblick auf die Genehmigungserfordernisse an die von ihr im jeweiligen Rechtsrahmen aufgestellten Kriterien zu halten, während außerhalb des Anwendungsbereichs eine unmittelbar auf die Ausnahmetatbestände des Art. 87 Abs. 3 EG gestützte Genehmigung möglich ist.539 Für Beihilfen zur Gewährleistung des Umweltschutzes in allen dem EG-Vertrag unterliegenden Sektoren hat die Kommission den bis Endes des Jahres 2007 geltenden Gemeinschaftsrahmen für staatliche Umweltschutzbeihilfen verabschiedet.540 Dieser Gemeinschaftsrahmen legt dar, inwieweit und unter welchen Bedingungen staatliche Beihilfen für den Umweltschutz und die nachhaltige Entwicklung notwendig sein können, ohne unzumutbare Auswirkungen auf den Wettbewerb und das Wirtschaftswachstum zu haben und wie die Kommission ihr Ermessen bei der Genehmigung von Umweltbeihilfen auszuüben beabsichtigt.541 Entsprechend der Zielsetzung der Artt. 6, 174 Abs. 2 UAbs. 1 EG dient der Gemeinschaftsrahmen für staatliche Umweltschutzbeihilfen der Integration der Ziele des Umweltschutzes und der Handlungsvorgaben des Art. 174 Abs. 2 UAbs. 1 EG in die Beihilfenpolitik sowie der Herstellung eines Gleichgewichts zwischen der Umwelt- und der Wettbewerbspolitik. Die Politik der Kommission im Bereich der Kontrolle staatlicher Umweltschutzbeihilfen muss somit einem doppelten Erfordernis gerecht werden: Zum einen muss sie gewährleisten, dass der Marktwettbewerb 538 Vertiefend Jestaedt / Schweda, in: Heidenhain, Beihilfenrecht, § 14 Rn. 10 ff., 44 ff.; Repplinger-Hach, in: Heidenhain, Beihilfenrecht, § 17 Rn. 148; Mederer, in: Schröter / Jakob / Mederer, EG-Wettbewerbsrecht, Art. 87 Rn. 152 ff.; Koenig / Kühling / Ritter, Beihilfenrecht, Rn. 6, 202 ff.; Mederer, in: von der Groeben / Schwarze, EU-Kommentar, Art. 87 Rn. 150 f.; Kreuschitz / Rawlinson, in: Lenz / Borchardt, EU- / EG-Vertrag, Art. 87 Rn. 51 m. w. N. 539 EuGH, Urteil v. 14. 09. 1994, verb. Rs. C-278 / 92 u. a., Spanien / Kommission („Hytasa“), Slg. 1994, I-4103 (Rn. 57); Koenig / Kühling / Ritter, Beihilfenrecht, Rn. 214. 540 Kommission, Gemeinschaftsrahmen für staatliche Umweltschutzbeihilfen, ABl.EG 2001 C 37 / 3. Bis zum 31. 12. 2000 galt der Gemeinschaftsrahmen für staatliche Umweltschutzbeihilfen von 1994, ABl.EG 1994 C 72 / 3, dessen Gültigkeit wiederholt verlängert wurde, vgl. etwa ABl.EG 2000 C 14 / 8 und ABl.EG 2000 C 184 / 25. Zum Anwendungsbereich des Umweltschutzrahmens siehe dessen Ziffer 7. Wie die französische („encadrement“) und englische („guidelines“) Fassung des Umweltschutzrahmens zeigen, misst die Kommission selbst der begrifflichen Differenzierung zwischen Leitlinien und Gemeinschaftsrahmen keine Bedeutung zu. Vgl. hierzu auch Repplinger-Hach, in: Heidenhain, Beihilfenrecht, § 17 Rn. 148; zur Entwicklungsgeschichte des Gemeinschaftsrahmens und der Kommissionslogik bezüglich Umweltschutzbeihilfen siehe Kliemann, in: Sánchez-Rydelski, EC State Aid Regime, S. 315 (315 ff., 326 ff.). 541 Kommission, Gemeinschaftsrahmen für staatliche Umweltschutzbeihilfen, ABl.EG 2001 C 37 / 3, Ziff. 5 und Fn. 10.

II. Genehmigungsfa¨higkeit

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funktioniert und gleichzeitig der Binnenmarkt vollendet und die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen verstärkt werden. Zum anderen muss sie gewährleisten, dass bei der Festlegung und Durchführung der Wettbewerbspolitik – insbesondere im Hinblick auf die Förderung einer nachhaltigen Entwicklung – die Umweltschutzerfordernisse berücksichtigt werden.542 Der Gemeinschaftsrahmen für staatliche Umweltschutzbeihilfen beruht auf dem durch Art. 174 Abs. 2 UAbs. 1 EG als Grundsatz der gemeinschaftlichen Umweltpolitik etablierten Verursacherprinzip. Der Begriff des Verursacherprinzips bezeichnet den Grundsatz, dass die Kosten für die Bekämpfung einer Umweltverschmutzung demjenigen zuzurechnen sind, der die Umwelt direkt oder indirekt belastet oder eine Voraussetzung für die Umweltbelastung schafft.543 Vorrangiges Ziel der Gemeinschaft ist dabei die Internalisierung der Umweltkosten. Internalisierung der Kosten bezeichnet die Berücksichtigung sämtlicher mit dem Umweltschutz zusammenhängender Kosten in den Produktionskosten.544 Beihilfenmaßnahmen zum Ausgleich mangelnder Internalisierung von Umweltkosten, die ohne Anreizeffekt lediglich auf die Einhaltung bestehender oder neuer technischer Gemeinschaftsnormen abzielen, sind daher in der Logik des Gemeinschaftsrahmens für staatliche Umweltschutzbeihilfen grundsätzlich nicht genehmigungsfähig, da die langfristige Berücksichtigung der Umwelterfordernisse Preiswahrheit und Preisklarheit sowie die völlige Internalisierung der Umweltschutzkosten voraussetzt.545 Demgegenüber können insbesondere solche Beihilfen genehmigt werden, die – ohne der Internalisierung der Kosten entgegenzuwirken – den Zielen des Umweltschutzes dienen, die Prinzipien der gemeinschaftlichen Umweltschutzpolitik (insbesondere das Verursacherprinzip) beachten sowie Handel und Wettbewerb zwischen den Mitgliedstaaten nicht in unzumutbarer Weise beeinträchtigen.546 Die Kommission macht die Genehmigung künftiger Beihilfenregelungen im Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrahmens von der Befolgung der durch den Gemeinschaftsrahmen aufgestellten Anforderungen abhängig.547 Gemäß Ziffer 73 des Gemeinschaftsrahmens können Beihilfen zur Förderung wichtiger Vorhaben von gemeinsamem europäischen Interesse, die vorrangig Umweltschutzziele verfolgen und deren positive Auswirkungen häufig über die Grenzen der beteiligten 542 Kommission, Gemeinschaftsrahmen für staatliche Umweltschutzbeihilfen, ABl.EG 2001 C 37 / 3, Kap. C; Kliemann, in: Sánchez-Rydelski, EC State Aid Regime, S. 315 (330). 543 Zum Verursacherprinzip siehe auch Rat, Empfehlung vom 03. 03. 1975 über die Kostenzurechnung und die Intervention der öffentlichen Hand bei Umweltschutzmaßnahmen, ABl.EG 1975 L 194 / 1. 544 Kommission, Gemeinschaftsrahmen für staatliche Umweltschutzbeihilfen, ABl.EG 2001 C 37 / 3, Ziff. 6. 545 Kommission, Gemeinschaftsrahmen für staatliche Umweltschutzbeihilfen, ABl.EG 2001 C 37 / 3, Ziff. 20. 546 Siehe auch Repplinger-Hach, in: Heidenhain, Beihilfenrecht, § 17 Rn. 151. 547 Kommission, Gemeinschaftsrahmen für staatliche Umweltschutzbeihilfen, ABl.EG 2001 C 37 / 3, Ziff. 80.

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C. Beihilfenrechtliche Bewertung entgeltfreier Zertifikatzuteilung

Mitgliedstaaten hinausgehen, aufgrund der Ausnahme des Art. 87 Abs. 3 lit. b) EG genehmigt werden. Voraussetzung hierfür ist, dass die zu gewährende Beihilfe für die Verwirklichung eines konkreten, genau festgelegten und hochwertigen Vorhabens erforderlich ist und dass dieses Vorhaben einen im gemeinsamen europäischen Interesse liegenden beispielhaften und klar erkennbaren Beitrag leistet.548 b) Wichtiges Vorhaben von gemeinsamem europäischen Interesse Die durch den Emissionshandel bezweckte Reduktion von Treibhausgasemissionen zur Verhinderung fortschreitender Treibhauseffekte muss zunächst ein konkretes, genau festgelegtes und hochwertiges Vorhaben von gemeinsamem europäischen Interesse darstellen. Zwar ist der Begriff des wichtigen Vorhabens von gemeinsamem europäischen Interesse weder im EG-Vertrag definiert, noch ergibt sich eine abschließende Definition aus der Rechtsprechung der Gemeinschaftsgerichte oder der Entscheidungspraxis der Kommission. Seinen Ausdruck findet das gemeinsame europäische Interesse nach allgemeiner Auffassung jedoch in den Zielen der Gemeinschaft, die zum einen unmittelbar aus Art. 2 EG, zum anderen aber auch aus anderen Vorschriften des Vertrages, aus dem Sekundärrecht sowie aus politischen Programmen folgen.549 Daneben werden dem Begriff der Ziele der Gemeinschaft auch zwischenstaatliche Vorhaben und einzelstaatliche Maßnahmen zugerechnet, an deren Durchführung die Gemeinschaft oder mehrere Mitgliedstaaten ein unmittelbares Interesse haben.550 Das Ziel des gemeinschaftsweiten Emissionshandels, die effektive Reduzierung anthropogener Treibhausgasemissionen unter möglichst geringer Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Entwicklung und Beschäftigungslage, stellt folglich als eines der wichtigsten Ziele der gemeinschaftlichen Umweltpolitik ein solches konkretes, genau festgelegtes und hochwer548 Dabei kann die Kommission im Rahmen einer Genehmigung gemäß Art. 87 Abs. 3 lit. b) EG höhere Beihilfensätze genehmigen als im Wege einer Genehmigung gemäß Art. 87 Abs. 3 lit. c) EG, vgl. Kommission, Gemeinschaftsrahmen für staatliche Umweltschutzbeihilfen, ABl.EG 2001 C 37 / 3, Ziff. 73. Zugleich wäre im Rahmen einer Genehmigung gemäß Art. 87 Abs. 3 lit. b) EG eine genaue Überprüfung des Verhältnisses von Beihilfenmaßnahme und Gegenleistung nicht erforderlich, da es insoweit – im Gegensatz zu Art. 87 Abs. 3 lit. c) EG – primär auf die qualitativen Aspekte der speziellen Anforderungen des Art. 87 Abs. 3 lit. b) EG i.V. m. Ziff. 73 des Umweltschutzrahmens ankommt. 549 Bär-Bouyssière, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 87 Rn. 54; Jestaedt, in: Heidenhain, Beihilfenrecht, § 16 Rn. 3; Knaul / Flores, in: Faull / Nikpay, The EC Law of Competition, 16.92; Mederer, in: von der Groeben / Schwarze, EU-Kommentar, Art. 87 Rn. 187 ff. 550 Jestaedt, in: Heidenhain, Beihilfenrecht, § 16 Rn. 3; Bär-Bouyssière, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 87 EGV Rn. 54; Mederer, in: von der Groeben / Schwarze, EU-Kommentar, Art. 87 Rn. 188. Ein zusammenfassender Katalog der Anforderungskriterien der Kommission findet sich bei Kommission, Entscheidung v. 06. 06. 2001, Iveco, ABl.EG 2001 L 292 / 58 (Ziff. 20 m. w. N.). Siehe auch EuGH, Urteil v. 17. 09. 1980, Rs. 730 / 79, Philip Morris Holland BV / Kommission, Slg. 1980, 2671 (Rn. 25); EuGH, Urteil v. 08. 03. 1988, verb. Rs. 62 / 87 u. a., Exécutif régional wallon und SA Glaverbel / Kommission, Slg. 1988, 1573 (Rn. 22 f.).

II. Genehmigungsfa¨higkeit

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tiges Vorhaben von gemeinsamem europäischen Interesse dar und ist ein wichtiges Element auf dem Wege zur Erreichung der Reduktionsverpflichtungen aus dem Kyoto-Protokoll.551 Vor diesem Hintergrund schloss auch die Kommission in ihrer Entscheidung zum britischen Handelssystem eine Genehmigungsfähigkeit gemäß Art. 87 Abs. 3 lit. b) EG ausdrücklich nicht aus.552 Auch in Teilen der Literatur wird eine Genehmigungsfähigkeit gemäß Art. 87 Abs. 3 lit. b) EG angenommen.553 c) Erforderlichkeit der entgeltfreien Zertifikatzuteilung Die Genehmigung einer Beihilfen gemäß Art. 87 Abs. 3 EG erfordert jedoch ein zweistufiges Prüfungsverfahren, wobei die Kommission ihr Rechtsfolgeermessen nur dann betätigen darf (2. Stufe), wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen einer der Genehmigungstatbestände vollständig erfüllt sind (1. Stufe).554 Die Genehmigungsfähigkeit einer Beihilfenmaßnahme setzt aber nicht nur voraus, dass die Beihilfengewährung der Verwirklichung eines der in den Ausnahmebestimmungen von Art. 87 Abs. 3 lit. a) – d) EG genannten Ziele dient (Zielverwirklichung), sondern dass diese zudem notwendig im Sinne einer Kausalbeziehung zur Förderung eines dieser Ziele ist.555 Notwendig bedeutet dabei Offensichtlichkeit, dass ohne die Beihilfe die geförderte Maßnahme nicht oder nicht ausreichend oder nur mit unannehmbaren Nebenwirkungen durchgeführt würde, die dem Gemeinschaftsinteresse abträglich wären.556 Die Genehmigung der entgeltfreien Zuteilung gemäß Art. 87 Abs. 3 lit. b) EG kommt somit nur dann in Betracht, wenn die entgeltfreie Zertifikatzuteilung für die Verwirklichung des Vorhabens auch erforderlich ist. 551 Erwägungsgründe 4 und 5 der Richtlinie 2003 / 87 / EG. Siehe auch Kommission, Beihilfenentscheidung N 416 / 2001 v. 28. 11. 2001, Vereinigtes Königreich (Emissions Trading Scheme). Vgl. insbesondere auch Europäisches Parlament, Sechstes Aktionsprogramm der Europäischen Gemeinschaft für die Umwelt „Umwelt 2010: Unsere Zukunft liegt in unserer Hand“, KOM (2001), 31, S. 24. Zum Umweltschutz als Ziel im Rahmen von Art. 87 Abs. 3 lit. b) EG Mederer, in: von der Groeben / Schwarze, EU-Kommentar, Art. 87 Rn. 189. 552 Kommission, Beihilfenentscheidung N 416 / 2001 v. 28. 11. 2001, Vereinigtes Königreich (Emissions Trading Scheme). Im Ergebnis genehmigte die Kommission die dieser Entscheidung zugrunde liegende Beihilfenmaßnahme gleichwohl – aufgrund der im Verhältnis zu dem Richtlinienvorschlag der Kommission unterschiedlichen Ausgestaltung des britischen Handelssystems – gemäß Art. 87 Abs. 3 lit. c) EG, vgl. im Einzelnen oben unter B. I. 2. 553 Merola / Crichlow, World Competition 2004, 25 (47). 554 Cremer, in: Calliess / Ruffert, EU- / EG-Vertrag, Art. 87 Rn. 24. 555 EuGH, Urteil v. 21. 05. 1980, Rs. 73 / 79, Kommission / Italien („sovraprezzo“), Slg. 1980, 1533 (Rn. 11); EuGH, Urteil v. 17. 09. 1980, Rs. 730 / 79, Philip Morris Holland BV / Kommission, Slg. 1980, 2671 (Rn. 16 f.); Mederer, in: Schröter / Jakob / Mederer, Art. 87 Rn. 148; ders., in: von der Groeben / Schwarze, EU-Kommentar, Art. 87 Rn. 147 f.; Merola / Crichlow, World Competition 2004, 25 (45); Kreuschitz / Rawlinson, in: Lenz / Borchardt, EU- / EG-Vertrag, Art. 87 Rn. 50. 556 Mederer, in: von der Groeben / Schwarze, EU-Kommentar, Art. 87 Rn. 148 m. w. N. zur Kommissionspraxis.

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C. Beihilfenrechtliche Bewertung entgeltfreier Zertifikatzuteilung

Dies stellt auch Ziffer 73 des Gemeinschaftsrahmens für staatliche Umweltschutzbeihilfen klar. Bezugspunkt der Erfolgsaussichten ist dabei die Erreichung des ökologischen Ziels, denn nur dieses legitimiert die Inanspruchnahme der Genehmigung gemäß Art. 87 Abs. 3 lit. b) EG i.V. m. dem Gemeinschaftsrahmen für staatliche Umweltschutzbeihilfen. Zu klären ist daher, ob die ökologischen Ziele des Emissionshandels, mithin die Reduzierung der Treibhausgase durch ein Emissionshandelssystem, nur im Wege einer den Beihilfentatbestand erfüllenden entgeltfreien bzw. überwiegend entgeltfreien Zertifikatzuteilung erreicht werden kann, oder ob nicht eine entgeltliche Vergabe – etwa im Wege einer Versteigerung – vergleichbare Erfolgsaussichten bei geringeren beihilfenrechtlichen Bedenken böte. (1) Ökologische Betrachtung Für die Erreichung des ökologischen Ziels des Emissionshandels ist die Ausgestaltung der Zuteilung in Zertifikatsystemen grundsätzlich irrelevant. Die Reduktion der Gesamtemissionsmenge wird durch die Festlegung der Emissionshöchstgrenzen (cap) sowohl bei entgeltfreier als auch entgeltlicher Zuteilung sichergestellt, so dass die ökologische Treffsicherheit von der Zuteilungsform unabhängig ist. Eine unentgeltliche Zertifikatzuteilung ist für die Erreichung des ökologischen Ziels des Emissionshandels folglich nicht erforderlich. (2) Umweltökonomische Betrachtung Unter umweltökonomischen Gesichtspunkten sind die volkswirtschaftlichen Auswirkungen einer entgeltlichen und entgeltfreien Zertifikatzuteilung zu vergleichen. In verschiedener Hinsicht sind die umweltökonomischen Auswirkungen einer entgeltlichen und entgeltfreien Zertifikatzuteilung dabei gleich. So unterscheidet sich die Effizienzwirkung einer (überwiegend) entgeltfreien Zertifikatzuteilung nicht von der Effizienzwirkung einer entgeltlichen Zertifikatzuteilung. Denn der Zertifikatpreis richtet sich grundsätzlich nach der Höhe der Emissionsvermeidungskosten der Emittenten, wobei geringere Vermeidungskosten das Vermeidungsniveau erhöhen.557 Diese kostenminimale Emissionsvermeidungsaktivität funktioniert jedoch auch bei entgeltfreier Zuteilung, da ein Emittent, dessen Emissionsvermeidungskosten über dem Marktwert der Zertifikate liegen, im Interesse der Gewinnmaximierung auf die Durchführung der Vermeidungsaktivität verzichten und statt dessen das Zertifikat auf dem Markt erwerben wird.558 Die Umsetzungskosten sind sowohl im Falle einer entgeltfreien Zertifikatzuteilung als auch im Falle einer entgeltlichen Zuteilung gleich, da auch die Verwen557 558

Endres, Umweltökonomie, S. 147. Endres, Umweltökonomie, S. 147.

II. Genehmigungsfa¨higkeit

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dung entgeltfrei zugeteilter Zertifikate als Opportunitätskosten zu berücksichtigen ist. Im Hinblick auf die Auswirkungen auf den Produktmarkt, ist die (Un-)Entgeltlichkeit der Zertifikatzuteilung irrelevant. Denn auch die entgeltfreie Zertifikatzuteilung führt zu Preissignalen, da der Eigenverbrauch entgeltfrei zugeteilter Zertifikate als Opportunitätskosten in die Produktionskosten einzurechnen ist.559 So werden Unternehmen etwa Strom nur zu einem Preis anbieten, der mindestens ihre variablen Kosten (insbesondere Brennstoffkosten) zuzüglich des Gewinns aus dem potentiellen Verkauf der entgeltfrei zugeteilten Emissionszertifikate abdeckt.560 Insbesondere kann und wird der Zertifikatwert auch bei entgeltfreier Zuteilung weitergegeben. Demgegenüber ist eine entgeltfreie Zertifikatzuteilung der entgeltlichen Zuteilung in distributiver Hinsicht überlegen. Denn Emittenten werden durch die Versteigerung im Vergleich zu einer entgeltfreien Zertifikatzuteilung zunächst benachteiligt, da sie sowohl für die Einhaltung der Emissionshöchstgrenzen als auch für die Ersteigerung der Zertifikate Kosten aufwenden müssen und hierdurch die Liquidität (cashflow) der Unternehmen betroffen wird.561 Dieser Nachteil kann jedoch durch regelmäßige Versteigerungen gemindert werden.562 Dabei spricht insbesondere auch die Weitergabe der Zertifikatkosten nicht gegen eine Versteigerung. Denn einer Weitergabe der Kostenbelastung durch die Zertifikatversteigerung in Form von um die Höhe der Zertifikatkosten erhöhten Produktpreisen steht bei entgeltfreier Zertifikatzuteilung die Weitergabe des Marktwerts der Zertifikate gegenüber. Gegen eine Zertifikatzuteilung durch Versteigerung – und als Rechtfertigung einer entgeltfreien Zertifikatzuteilung – wird zwar gemeinhin argumentiert, dass der Wechsel von der bisherigen ordnungsrechtlichen Auflagenpolitik zu einer Zertifikatversteigerung für die beteiligten Unternehmen mit erheblichen finanziellen Belastungen und Unsicherheiten verbunden sei, während bei entgeltfreier Abgabe ökonomische Härten wegen der Kostenpflicht für einen bisher entgeltfreien Produktionsfaktor vermieden werden könnten.563 So spreche gegen eine Versteigerung insbesondere der Investitionsschutz der Altanlagen, da der Entzug der bisherigen Umweltgenehmigungen mit erheblichen Entschädigungszahlungen verbunden sei und es bei der Versteigerung an ausreichender Planungssicherheit dahingehend fehle, ob und zu welchen Konditionen Alt-Emittenten tatsächlich Zertifikate erstei559 Harrison / Radov, Evaluation of Alternative Initial Allocation Mechanisms, S. 72 f. Nach Sachverständigenrat für Umweltfragen, Mitteilung 11 / 2006, S. 13, sind die Kosten des durch die entgeltfreie Zertifikatzuteilung entstandenen intensiven Lobbyismus in die Regulierungskosten miteinzubeziehen. 560 Säcker, et 2005, 691. 561 Harrison / Radov, Evaluation of Alternative Initial Allocation Mechanisms, S. 76; Woerdman, European Carbon Trading, S. 4. 562 Öko-Institut / DIW, Gutachten Instrumentenvergleich, S. 73. 563 Endres, Umweltökonomie, S. 130 m.w. N. auch zum Problem der Marktmacht auf dem Zertifikatmarkt.

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C. Beihilfenrechtliche Bewertung entgeltfreier Zertifikatzuteilung

gern können.564 Diese Argumentation überzeugt indes nicht. Denn im Hinblick auf den Bestand der ursprünglichen Genehmigung wirkt sich die Form der Zertifikatverteilung (entgeltlich bzw. entgeltfrei) nicht aus. Vielmehr führt die Einführung eines Emissionshandelssystems als solche zu einer Änderung. Diese ist jedoch mit gemeinschaftlichen Grundrechten vereinbar,565 so dass Vertrauensschutzargumente nicht greifen. Zudem sind ein Entzug oder eine Änderung der Genehmigungen gerade nicht erforderlich.566 Etwaige gestrandete Kosten, die Emittenten im Vertrauen auf den Fortbestand des damaligen Umweltrechts oder im Rahmen von Selbstverpflichtungserklärungen getätigt haben, ließen sich zudem auch im Rahmen einer Versteigerungslösung durch Ausgleichsmaßnahmen auffangen. Die überwiegenden umweltökonomischen Gründe sprechen jedoch für eine entgeltliche Zuteilung im Wege der Versteigerung: Zum einen erfolgt nur im Rahmen einer Zuteilung durch Versteigerung die uneingeschränkte Anwendung des Verursacherprinzips und eine tatsächliche und vollständige Internalisierung der Umweltkosten.567 Zudem kommt versteigerten Zertifikaten die größere Anreizwirkung zur Entwicklung neuer Vermeidungstechnologien und zum Einsatz neuer Technologien zur Emissionsvermeidung zu, da auktionierte Zertifikate beim Innovator zu Kosteneinsparungen führen, die über die Vermeidungskostenvorteile der eigentlichen Innovation hinausgehen.568 Kommt es aufgrund technischer Neuerungen bei der Emissionsreduzierung zu einem Zertifikatpreisrückgang, so ist der Anreiz zur Entwicklung und zur Umsetzung fortschrittlicher Vermeidungstechnologien bei auktionierten Zertifikaten höher als bei entgeltfrei zugeteilten Zertifikaten. Denn im Falle der Versteigerung sinkt die Gesamtkostenbelastung des Innovators, während bei entgeltfreier Zertifikatzuteilung der Wert der entgeltfrei zugeteilten Zertifikate abnimmt und der Verkauf der gehaltenen, nach der technischen Neuerung überzähligen, Zertifikate zu geringeren Erlösen führt.569 Während eine entgeltfreie Zertifikatzuteilung gerade nicht die Investition in neue Technologien und Anlagen fördert, führt die Koexistenz von innovativen Unternehmen und solchen, die neue Vermeidungstechnologien nicht eingeführt haben, bei einer Versteigerung zu einer 564 Zu diesem und den nachfolgenden Argumenten vgl. Voßkuhle, in: Hendler / Marburger / Reinhard / Schröder, Energierecht, S. 159 (165 ff.). 565 Vgl. hierzu ausführlich BVerwG, Urteil v. 30. 06. 2005, NVwZ 2005, 1178; siehe auch das Urteil des Belgischen Schiedshofs v. 07. 06. 2006, Az. 92 / 2006, Geschäftsverzeichnisnummer 3715, ZUR 2006, 416 m. Anm. von Winter. 566 BVerwG, Urteil v. 30. 06. 2005, NVwZ 2005, 1178 (1182). 567 Dabei werden teilweise Marktstruktur und Unternehmenspositionen auf dem bisherigen Markt unter allokativen Gesichtspunkten so lange als gar nicht schützenswert betrachtet, wie die externen Umweltkosten nicht internalisiert würden, da der Wettbewerb prinzipiell verfälscht und zugunsten umweltintensiver Tätigkeiten verzerrt sei, vgl. Döring / Ewringmann, ZfU 2004, 27 (40). 568 Bader, Europäische Treibhauspolitik, S. 257, unter Verweis auf die Analyse von Milliman / Prince (1989). 569 Bader, Europäische Treibhauspolitik, S. 257, unter Verweis auf die Analyse von Milliman / Prince (1989).

II. Genehmigungsfa¨higkeit

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effizienten Zertifikatallokation, und damit zu wohlfahrtsmaximierendem technischen Fortschritt.570 Des Weiteren ist die entgeltliche Vergabe durch Versteigerung einer entgeltfreien Zertifikatzuteilung im Hinblick auf die Verteilungseffekte überlegen. Denn durch die Versteigerung der Zertifikate konkurrieren Alt- und Neuemittenten mit jeweils gleichen Bedingungen und gleichmäßiger Kostenbelastung um die vorhandene Zertifikatmenge, ohne dass es zu Verteilungsdefiziten zugunsten der Altemittenten kommen kann.571 Gegen eine entgeltfreie Zuteilung spricht dabei, dass bei einer Zuteilung nach den tatsächlichen Emissionshöhen und je nach gewähltem Basisjahr unter Umständen emissionsstarke Alt-Emittenten für ihre bisherigen (unter Umständen unnötig hohen und umweltschädlichen) Emissionen privilegiert werden, dass es zu einer Marktverengung kommen kann und dass die Gefahr einer Diskriminierung von Neuemittenten besteht, wenn diese bei ihrem Markteintritt keine Zertifikate mehr entgeltfrei erhielten.572 Das Versteigerungsmodell ist der entgeltfreien Zertifikatzuteilung auch im Hinblick auf die Produktnachfrager überlegen, da einer Versteigerung im Vergleich zur entgeltfreien Zertifikatzuteilung der makroökonomische Effizienzvorteil zukommt, dass der Wert der Zertifikate nicht als Mitnahmegewinn den Emittenten, sondern als Auktionserlös dem Staat zufließt. Dieser kann hiermit verzerrende Steuern senken und in der Folge die Klimaschutzkosten zwischen den am Emissionshandel beteiligten und den hieran unbeteiligten Sektoren (Haushalte, Gewerbe / Handel / Dienstleistungen, Verkehr) gleichmäßig verteilen.573 Zudem weist die Zertifikatversteigerung im Vergleich zu einer entgeltfreien Zertifikatzuteilung geringere administrative Kosten auf.574 Eine Versteigerung der Zertifikate vermag schließlich die Gefahr einer Ausnutzung der Marktmacht eines Unternehmens auf dem Zertifikatmarkt zur Verdrängung von Wettbewerbern zu vermindern, da die Zertifikatverteilung bei Versteigerung dem Verhältnis der Vermeidungskosten der beteiligten Unternehmen entspricht und so kleinere Unternehmen unabhängiger vom Verhalten der Großemittenten sind.575 570 Sachverständigenrat für Umweltfragen, Mitteilung 11 / 2006, S. 11 f. zur investmentcashflow-Sensitivität; Bader, Europäische Treibhauspolitik, S. 259. 571 Bader, Europäische Treibhauspolitik, S. 263. 572 Endres, in: Endres / Rehbinder / Schwarze, Umweltzertifikate, S. 1 (6, 17); Voßkuhle, in: Hendler / Marburger / Reinhard / Schröder, Energierecht, S. 159 (166); Giesberts / Hilf, Handel mit Emissionszertifikaten, S. 13 f.; vertiefend: Endres / Schwarze, in: Endres / Rehbinder / Schwarze, Umweltzertifikate, S. 137 (183 ff.). 573 Sachverständigenrat für Umweltfragen, Mitteilung 11 / 2006, S. 13; Bader, Europäische Treibhauspolitik, S. 265; Harrison / Radov, Evaluation of Alternative Initial Allocation Mechanisms, S. 75, 78 f. 574 Harrison / Radov, Evaluation of Alternative Initial Allocation Mechanisms, S. 67 ff. 575 Bader, Europäische Treibhauspolitik, S. 255, unter Verweis auf die Analyse von Misiolek / Elder (1989).

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C. Beihilfenrechtliche Bewertung entgeltfreier Zertifikatzuteilung

Aus umweltökonomischer Sicht ist eine Versteigerung der Zertifikate gegenüber der entgeltfreien Zuteilung daher grundsätzlich vorzugswürdig.576 Das Versteigerungsverfahren verhindert die Entstehung von Marktmacht auf dem Zertifikatmarkt, führt auch bei der Existenz von Transaktionskosten zu einer kostenminimalen Gleichgewichtslösung, schafft einen höheren Innovationsanreiz als die entgeltfreie Zertifikatvergabe und sorgt für eine gerechte Verteilung der Kostenbelastung sowohl im Verhältnis zwischen Alt- und Neuemittenten als auch hinsichtlich der relativen Belastung von Produzenten und Verbrauchern.577 Auch ist die entgeltfreie Zertifikatzuteilung im System des Emissionshandels nicht systemimmanent. Im Ergebnis sind damit aus umweltökonomischer Sicht keine Argumente ersichtlich, die einen Vorzug der entgeltfreien Zuteilung gegenüber der Zertifikatvergabe durch Versteigerung belegen. (3) Beihilfenrechtliche Betrachtung Beihilfenrechtlich ist grundsätzlich eine entgeltliche Zuteilung vorzugswürdig. Dies gilt insbesondere für eine Versteigerung der Zertifikate. Denn die Zuteilung der Zertifikate im Rahmen einer allen Beteiligten diskriminierungsfrei offen stehende Versteigerung schafft einen Referenzmarkt für die zu vergebenden Zertifikate und schließt eine Begünstigung durch die Zertifikatzuteilung grundsätzlich aus.578 Die Kommission hat diesen Grundsatz bislang insbesondere im Bereich der Privatisierung öffentlicher Unternehmen anerkannt, aber auch auf andere Austauschgeschäfte mit öffentlicher Beteiligung übertragen.579 Besonders deutlich wird das Konzept des Begünstigungsausschlusses durch Versteigerung in der „Mitteilung betreffend Elemente staatlicher Beihilfe bei Verkäufen von Bauten oder Grundstücken durch die öffentliche Hand“.580 Danach kann ein näher definiertes So auch Sachverständigenrat für Umweltfragen, Mitteilung 11 / 2006, S. 13. Bader, Europäische Treibhauspolitik, S. 252 ff., 265. Auch die Kommission, Grünbuch zum Handel mit Treibhausgasemissionen in der Europäischen Union v. 08. 03. 2000, KOM (2000) 87 endg., S. 21, hat frühzeitig darauf hingewiesen, dass eine entgeltliche Vergabe durch Versteigerung den Vorzug biete, dass alle Unternehmen eine gleiche und transparente Chance auf den Erwerb der benötigten Zertifikatmenge erhielten, während gleichzeitig die politisch schwierige Entscheidung über die Höhe einer entgeltfreien Zuteilung vermieden werde. 578 Vgl. bereits Kommission, Grünbuch zum Handel mit Treibhausgasemissionen in der Europäischen Union v. 08. 03. 2000, KOM (2000) 87 endg., S. 21. 579 So bereits Kommission, XXIII. Wettbewerbsbericht 1993, Rn. 403. Die Kommission wendet die Grundsätze der Grundstücksmitteilung mittlerweile auch auf den Verkauf industriell genutzter Vermögensgegenstände und ganzer Unternehmen ebenso wie auf den Kauf, die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken und Gebäuden an, vgl. hierzu m. w. N. Koenig / Kühling, DVBl. 2003, 289 (291 ff.). Ausführlich zu den beihilfenrechtlichen Wirkungen und der erforderlichen Ausgestaltung eines Bietverfahrens vgl. auch Koenig / Pfromm, NZBau 2004, 375 (377 ff.) m. w. N.; siehe auch Koenig / Kühling / Scholz, in: Koenig / Kühling / Theobald, Infrastrukturförderung, Kap. 1, Rn. 45 ff. 580 Kommission, Mitteilung betreffend Elemente staatlicher Beihilfe bei Verkäufen von Bauten oder Grundstücken durch die öffentliche Hand, ABl.EG 1997 C 209 / 3. 576 577

II. Genehmigungsfa¨higkeit

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Bietverfahren die Notifizierungspflicht im Fall eines Grundstücksverkaufs durch die öffentliche Hand entfallen lassen. Die Kommission hat diesen Ansatz, der ursprünglich auf den Verkauf von Grundstücken und Gebäuden beschränkt war,581 in ihrer weiteren Entscheidungspraxis auf weitere Austauschgeschäfte erstreckt und in jüngerer Zeit auch bei Infrastrukturprojekten anerkannt, dass im Fall der Durchführung eines derartigen Verfahrens trotz einer Förderung des Projekts durch staatliche Finanzmittel das Vorliegen von Beihilfenelementen ausgeschlossen werden kann.582 Eine Versteigerung kann dabei insbesondere auch dann einen Begünstigungsausschluss sicherstellen, wenn marktfremde Leistungen vorliegen und keine Vergleichsmärkte bestehen. Denn durch die Versteigerung wird gerade ein die Angemessenheit des ermittelten Preises gewährleistender Referenzmarkt geschaffen. Diesen Ansatz bestätigt auch die Kommission in ihrer Grundstücksmitteilung: „Der Verkauf von Bauten oder Grundstücken nach einem hinreichend publizierten, allgemeinen und bedingungsfreien Bietverfahren (ähnlich einer Versteigerung) und die darauf folgende Veräußerung an den meistbietenden oder den einzigen Bieter stellt grundsätzlich583 einen Verkauf zum Marktwert dar und enthält damit keine staatliche Beihilfe.“584

Übertragen auf die vorliegende Konstellation bedeutet dies, dass eine Versteigerung der Zertifikate aufgrund des Begünstigungsausschlusses durch Schaffung eines Referenzmarktes beihilfenrechtlich unbedenklich wäre.585 Bei einer Zuteilung der Zertifikate gegen feststehendes Entgelt würde sich demgegenüber der beihilfenrechtliche Begünstigungscharakter danach richten, ob das festgelegte Entgelt dem erzielbaren Marktpreis entspräche. Da bei festem Entgelt gerade kein Referenzmarkt geschaffen wird, wäre eine Begünstigung in Höhe des Deltas zwischen Zuteilungsentgelt und Marktpreis gegeben, die ihrerseits zur Förderung des Ziels des Emissionshandels erforderlich sein müsste. (4) Zwischenergebnis Somit ist keineswegs offensichtlich, dass das Ziel einer Reduktion der Treibhausgasemissionen im Falle einer entgeltlichen Zertifikatvergabe nicht oder nicht ausreichend oder nur mit unannehmbaren Nebenwirkungen, die dem Gemeinschaftsinteresse abträglich wären, erreicht werden könnte. Im Gegenteil sprechen 581 Dies hebt die Mitteilung betreffend Elemente staatlicher Beihilfe bei Verkäufen von Bauten oder Grundstücken durch die öffentliche Hand, ABl.EG 1997 C 209 / 3 explizit in Abs. 4 der Einführung hervor. 582 Santamato / Westerhof, EuZW 2003, 645 (648) sprechen von „standing practice“. Vgl. die Nachweise bei Koenig / Kühling, NVwZ 2003, 779 (dort Fn. 4). 583 Gemeint ist „definitionsgemäß“, vgl. die englische („by definition“) und die französische („par définition“) Version der Grundstücksmitteilung. 584 Kommission, Mitteilung betreffend Elemente staatlicher Beihilfe bei Verkäufen von Bauten oder Grundstücken durch die öffentliche Hand, ABl.EG 1997 C 209 / 3, Ziff. II. 1. 585 Pfromm, sic! 2003, 537 (540); dem folgend Jungnickel / Dulce, NVwZ 2009, 623 (624); so auch Koenig / Ernst / Hasenkamp, RdE 2009, 73 (74).

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C. Beihilfenrechtliche Bewertung entgeltfreier Zertifikatzuteilung

sowohl umweltökonomische als auch beihilfenrechtliche Gründe für eine Versteigerung der Zertifikate. Die politische Akzeptanz seitens der betroffenen Unternehmen kann für die Frage der Erforderlichkeit einer beihilfenrechtlich bedenklichen Zuteilungsform nicht ausschlaggebend sein. Kann das mit einer Beihilfenmaßnahme verfolgte Ziel jedoch auch im Wege eines beihilfenrechtskonformen Verfahrens erreicht werden, fehlt es an der Erforderlichkeit der Beihilfenmaßnahme und damit an einer Voraussetzung der Genehmigungsfähigkeit im Sinne des Art. 87 Abs. 3 EG. d) Zwischenergebnis Eine Genehmigung der entgeltfreien Zertifikatzuteilung durch die Mitgliedstaaten gemäß Art. 87 Abs. 3 lit. b) EG in Verbindung mit dem Gemeinschaftsrahmen für staatliche Umweltschutzbeihilfen kommt nicht in Betracht, da die Anforderungen von dessen Ziffer 73 – Erforderlichkeit der Beihilfenmaßnahme zur Erreichung eines wichtigen Vorhabens von gemeinsamem europäischen Interesse – nicht erfüllt sind. Denn eine entgeltfreie Zertifikatzuteilung ist zur Erreichung der Umweltziele des Emissionshandels aus umweltökonomischen Erwägungen nicht erforderlich. Beihilfenrechtliche Erwägungen sprechen demgegenüber für eine Versteigerung der Zertifikate. 2. Art. 87 Abs. 3 lit. c) EG Als weiterer Genehmigungstatbestand kommt Art. 87 Abs. 3 lit. c) EG in Betracht. Dieser ist die wichtigste Ausnahmevorschrift und betrifft sowohl sektorale („gewisse Wirtschaftszweige“) als auch regionale Beihilfen („gewisse Wirtschaftsgebiete“). Die Beihilfen müssen zur Entwicklung der Wirtschaftszweige oder Wirtschaftsgebiete beitragen und dürfen dabei die Handelsbedingungen nicht in einer dem gemeinsamen Interesse zuwiderlaufenden Weise verändern. Zudem misst die Kommission, bislang unbeanstandet vom Europäischen Gerichtshof,586 auch verschiedene horizontale Beihilfen, insbesondere auch Umweltschutzbeihilfen, 587 am Maßstab des Art. 87 Abs. 3 lit. c) EG, so dass dieser Ausnahmebestimmung ein Auffangcharakter zukommt.588 Wie Art. 87 Abs. 3 lit. b) EG wird auch Art. 87 Abs. 3 lit. c) EG durch den Gemeinschaftsrahmen für staatliche Umweltschutzbeihilfen konkretisiert. Der noch bis Ende 2007 geltende Gemeinschaftsrahmen für staatliche Umweltschutzbeihilfen enthält in Kapitel F spezielle Regelungen zum Emissionshandel 586 Dazu Bär-Bouyssière, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 87 EGV Rn. 56 unter Hinweis auf EuGH, Urteil v. 17. 09. 1980, Rs. 730 / 79, Philip Morris / Kommission, Slg. 1980, 2671 (Rn. 22). 587 Kommission, Gemeinschaftsrahmen für staatliche Umweltschutzbeihilfen, ABl.EG 2001 C 37 / 3, Ziff. 72; Koenig / Kühling / Ritter, Beihilfenrecht, Rn. 220. 588 Bär-Bouyssière, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 87 EGV Rn. 56.

II. Genehmigungsfa¨higkeit

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sowie in Ziffer 72 allgemeine Anforderungen zur Genehmigung einer Umweltbeihilfe gemäß Art. 87 Abs. 3 lit. c) EG. a) Genehmigungsvoraussetzungen des Kapitel F des Gemeinschaftsrahmens Im Hinblick auf Politiken, Maßnahmen und Instrumente zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen589 sieht der Gemeinschaftsrahmen als Mittel zur Reduzierung von Treibhausgasen sowohl gemeinschaftsweite gemeinsame und koordinierte Politiken und Maßnahmen (zu denen auch Wirtschaftsinstrumente gehören) sowie die im Kyoto-Protokoll eingeführten Instrumente – marktfähige Emissionsgenehmigungen, gemeinsame Erfüllung von Verpflichtungen, Mechanismen für umweltverträgliche Entwicklung – vor. Im Gegensatz zu nicht aufeinander abgestimmten einzelstaatlichen Maßnahmen biete ein kohärenter und abgestimmter Rahmen für die Umsetzung des Emissionshandels, der sämtliche Mitgliedstaaten erfasst, die beste Garantie für ein reibungsloses Funktionieren des gemeinschaftlichen Emissionsmarktes,590 und es sei grundsätzlich ein gemeinschaftliches Konzept erforderlich, um Wettbewerbsverzerrungen innerhalb des Binnenmarktes zu verhindern.591 Da zum Zeitpunkt der Verabschiedung des Gemeinschaftsrahmens ein einschlägiger Gemeinschaftstext bezüglich eines gemeinschaftsweiten Zertifikatsystems noch fehlte,592 enthält der Gemeinschaftsrahmen aber keine Kriterien zur Genehmigungsfähigkeit von Beihilfenmaßnahmen zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen im Rahmen eines gemeinschaftsweiten Handelssystems, steht einer Genehmigung derartiger Maßnahmen jedoch auch nicht grundsätzlich entgegen. Mangels spezieller Genehmigungsvoraussetzungen in Kapitel F ist somit auf die allgemeine Konkretisierung des Art. 87 Abs. 3 lit. c) EG in Ziffer 72 des Gemeinschaftsrahmens zurückzugreifen.593 589 Kommission, Gemeinschaftsrahmen für staatliche Umweltschutzbeihilfen, ABl.EG 2001 C 37 / 3, Kapitel F (Ziff. 68 – 71). 590 Kommission, Grünbuch zum Handel mit Treibhausgasemissionen in der Europäischen Union v. 08. 03. 2000, KOM (2000) 87 endg., S. 4. 591 Kommission, Grünbuch zum Handel mit Treibhausgasemissionen in der Europäischen Union v. 08. 03. 2000, KOM (2000) 87 endg., S. 5. 592 Kommission, Gemeinschaftsrahmen für staatliche Umweltschutzbeihilfen, ABl.EG 2001 C 37 / 3, Ziff. 70. 593 Soweit eine Anwendbarkeit des Gemeinschaftsrahmens auf Beihilfen im Zusammenhang mit dem Emissionshandel mangels ausdrücklicher Genehmigungsvoraussetzungen abgelehnt wird (vgl. etwa Repplinger-Hach, in: Heidenhain, Beihilfenrecht, § 17 Rn. 152; anders indes die Kommission, die das britische Emissions Trading Scheme als mit Kapitel F des Gemeinschaftsrahmens für staatliche Umweltschutzbeihilfen vereinbar genehmigte, vgl. bereits oben unter B. I. 2. b) (2)), kommt grundsätzlich auch eine Genehmigungsfähigkeit gemäß Art. 87 Abs. 3 lit. c) EG direkt in Betracht, vgl. m. w. N. zur Kommissionspraxis Kliemann, in: Sánchez-Rydelski, EC State Aid Regime, S. 315 (325). Dabei fehlt es aber auch im Rahmen der Genehmigungsfähigkeit gemäß Art. 87 Abs. 3 lit. c) EG jedenfalls an der Erforderlichkeit einer entgeltfreien Zertifikatzuteilung für die Erreichung des Umweltschutzziels;

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C. Beihilfenrechtliche Bewertung entgeltfreier Zertifikatzuteilung

b) Genehmigungsvoraussetzungen der Ziffer 72 des Gemeinschaftsrahmens Ziffer 72 des Gemeinschaftsrahmens für staatliche Umweltschutzbeihilfen sieht eine Genehmigungsfähigkeit für solche Beihilfen vor, die unter Berücksichtigung der in dem Gemeinschaftsrahmen festgelegten Grenzen und Bedingungen gewährt worden sind. Gemäß Ziffer 20 des Gemeinschaftsrahmens sind Beihilfen dabei grundsätzlich nur noch dann genehmigungsfähig, wenn sie einen Anreiz schaffen, dass die Beihilfenempfänger geltende Umweltschutznormen übertreffen oder zusätzliche umweltfreundliche Investitionen tätigen.594 Eine entgeltfreie Zertifikatzuteilung fördert jedoch weder zwingend Investitionen in Emissionsvermeidungstechnologien, noch versetzt sie die Zertifikatempfänger in die Lage, geltende Gemeinschaftsnormen oder Umweltschutzstandards595 zu übertreffen. Denn eine entgeltfreie Zertifikatzuteilung stellt keineswegs sicher, dass ein Unternehmen nicht doch durch höhere Emissionen bestehende Umweltschutzstandards – wie etwa die Vorgaben der IVU-Richtlinie – umgeht, indem es in Ergänzung zu den entgeltfrei zugeteilten Zertifikaten auf dem Markt zusätzliche Zertifikate erwirbt. Eine tatsächliche Emissionsreduzierung seitens des Zuteilungsempfängers wird durch die entgeltfreie Zertifikatzuteilung gerade nicht gefördert und ist auch weder gefordert noch sichergestellt. Vielmehr würden die gleichen Emissionsreduktionen auch bei entgeltlicher Zuteilung erreicht werden. Die entgeltfreie Zertifikatzuteilung führt in dieser Konstellation lediglich dazu, dass die Liquidität (cashflow) des Zuteilungsempfängers in Höhe der entgeltfrei zugeteilten Zertifikate verschont wird, während dieser den Marktwert der Zertifikate – einschließlich der entgeltfrei zugeteilten Zertifikate – an seine Abnehmer weitergeben kann und dadurch Zusatzgewinne erzielt. Auch kann die entgeltfreie Zertifikatzuteilung nicht als Investitionsbeihilfe im Hinblick auf die mit jeder Handelsperiode sinkenden – von der Gesamtheit der Emittenten im Rahmen des Emissionshandels einzuhaltenden – Gesamtemissionshöchstgrenzen betrachtet werden. Denn diese stellen gerade den geltenden und einzuhaltenden Standard dar, so dass es an der vom Gemeinschaftsrahmen vorausgesetzten Anreizwirkung fehlt. Beihilfen, die lediglich die Einhaltung bestehender oder neuer technischer Normen fördern, sind jedoch mangels Anreizeffektes grundsätzlich nicht genehmigungsfähig, da diese Normen als geltendes Recht ohnehin zu befolgen sind.596 insofern ist auf die Ausführungen im Rahmen der Prüfung des Art. 87 Abs. 3 lit. b) EG zu verweisen, siehe oben unter C. II. 1. c). 594 Eine temporär begrenzte Ausnahme besteht indes für kleine und mittlere Unternehmen hinsichtlich der Anpassung an bestehende oder neue technische Gemeinschaftsnormen, vgl. Ziffer 20 des Gemeinschaftsrahmens. 595 Gemeinschaftsstandards bezeichnen Umweltschutzstandards und die Verpflichtung zur Nutzung der besten verfügbaren Techniken (best available techniques), vgl. Knaul / Flores, in: Faull / Nikpay, The EC Law of Competition, 16.122.

II. Genehmigungsfa¨higkeit

171

Die entgeltfreie Zertifikatzuteilung stellt daher im Ergebnis eine – grundsätzlich nicht genehmigungsfähige597 – Betriebsbeihilfe dar.598 Zwar sieht der Gemeinschaftsrahmen für bestimmte Betriebsbeihilfen ausnahmsweise eine Genehmigungsmöglichkeit vor. Regelungen zu Betriebsbeihilfen im Bereich des Emissionshandels enthält der Gemeinschaftsrahmen jedoch nicht. c) Zwischenergebnis Im Ergebnis trägt die entgeltfreie Zertifikatzuteilung somit nicht zur Entwicklung des Sektors bei, so dass eine Genehmigung der Beihilfenmaßnahme gemäß Art. 87 Abs. 3 lit. c) EG in Verbindung mit dem Gemeinschaftsrahmen für staatliche Umweltschutzbeihilfen ausscheidet.599 3. Art. 87 Abs. 3 lit. e) EG Schließlich normiert Art. 87 Abs. 3 lit. e) EG eine Ausnahmeregelung, nach welcher der Rat durch eine Entscheidung mit qualifizierter Mehrheit auf Vorschlag der Kommission sonstige Arten von Beihilfen bestimmen kann, die nach Art. 87 Abs. 3 EG von der Kommission als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt werden können. Die Regelung des Art. 87 Abs. 3 lit. e) EG gestattet dem Rat dabei weder eine Einzelentscheidung zur Genehmigung einer Beihilfe oder Beihilfenregelung noch sonstige Befugnisse der Beihilfenaufsicht, sondern lediglich die Erweiterung des in Art. 87 Abs. 3 EG enthaltenen Katalogs genehmigungsfähiger Beihilfen im Wege einer Vertragsergänzung und in den Grenzen der allgemeinen Vorschriften des EG-Vertrags.600 Die Einzelentscheidung über die Beihilfengeneh596 Kommission, Gemeinschaftsrahmen für staatliche Umweltschutzbeihilfen, ABl.EG 2001 C 37 / 3, Ziff. 21. Doch selbst wenn dieser Bezugspunkt zutreffend wäre, scheiterte die Genehmigungsfähigkeit. Denn genehmigungsfähig sind gemäß Ziffer 37 des Gemeinschaftsrahmens ausschließlich die zur Verwirklichung der Umweltschutzziele erforderlichen Investitionsmehrkosten, die bis zu 30 % durch Beihilfen gefördert werden dürfen. Die entgeltfreie Zuteilung erfolgt jedoch ohne jeglichen Bezug zu derartigen Investitionskosten. 597 Betriebsbeihilfen werden gemeinhin als schädlich betrachtet, da sie die im normalen Wirtschaftsleben anfallenden Kosten der Unternehmen senken, ohne Anreizeffekte für Investitionen oder für sonstige erwünschte Projekte zu haben oder die wirtschaftliche Entwicklung effektiv und dauerhaft zu fördern. Da sie (im Gegensatz zu Investitionsbeihilfen) den Wettbewerb verfälschen, ohne nützliche Effekte zu haben, und zudem die notwendige Marktbereinigung verhindern bzw. zu nicht gewünschten Bereinigungseffekten führen können, sind Betriebsbeihilfen grundsätzlich nicht genehmigungsfähig (Ausnahmen bestehen etwa in der Schiffbauindustrie oder im Steinkohlebergbau), vgl. Kreuschitz / Rawlinson, in: Lenz / Borchardt, EU- / EG-Vertrag, Art. 87 Rn. 60 f. 598 So auch Foundation for International Environmental Law and Development, Scoping Paper I, S. 9. 599 Unberührt hiervon bleibt die Möglichkeit einer Genehmigung von Beihilfen an kleine und mittlere Unternehmen für die Anpassung an geltendes Gemeinschaftsrecht, vgl. Kommission, Gemeinschaftsrahmen für staatliche Umweltschutzbeihilfen, ABl.EG 2001 C 37 / 3, Ziff. 28.

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C. Beihilfenrechtliche Bewertung entgeltfreier Zertifikatzuteilung

migung trifft allein die Kommission im Verfahren gemäß Art. 88 Abs. 3 EG und der Verfahrensverordnung Nr. 659 / 1999.601 Die Entscheidung des Rates kann folglich entweder Grundsätze für die Genehmigung von für alle Unternehmen gleichermaßen geltende Beihilfen (wie Art. 87 Abs. 3 lit. a-d EG) oder Grundsätze für die Genehmigung von Beihilfen an bestimmte Unternehmensgruppen aufstellen.602 Der Rat kann dabei mit seinen Entscheidungen nur solche sachlich beschränkten Ausnahmen vom allgemeinen Beihilfenverbot festlegen, die mit dem in Art. 3 Abs. 1 lit. g) EG normierten Ziel des Vertrages, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten vor Verfälschungen zu schützen, grundsätzlich vereinbar sind und ihm von der Kommission vorgeschlagen wurden.603 Vor diesem Hintergrund ist fraglich, ob die von der Kommission erarbeitete Richtlinie 2003 / 87 / EG als eine solche Entscheidung des Rates betrachtet werden kann. Dem steht zwar bereits der Wortlaut des Art. 87 Abs. 3 lit. e) EG entgegen, der von einer Entscheidung des Rates spricht, wovon eine gemeinsame Richtlinie des Rates und Parlamentes grundsätzlich zu unterscheiden ist.604 Hierüber hat sich jedoch der Rat in der Vergangenheit bereits wiederholt hinweg gesetzt und auch Richtlinien605 und Verordnungen606 auf Art. 87 Abs. 3 lit. e) EG gestützt.607 Gegen eine Bewertung der Richtlinie 2003 / 87 / EG als Entscheidung im Sinne des Art. 87 Abs. 3 lit. e) EG spricht aber entscheidend, dass diese – entgegen der bisherigen Bezugnahmepraxis des Rates608 – weder ausdrücklich 600 Heidenhain, in: Heidenhain, Beihilfenrecht, § 20 Rn. 1; Mederer, in: Schröter / Jakob / Mederer, EG-Wettbewerbsrecht, Art. 87 EGV Rn. 354 ff.; von Wallenberg, in: Grabitz / Hilf, Recht der EU, Art. 87 EGV Rn. 185. 601 Verordnung (EG) Nr. 659 / 1999 des Rates vom 22. 03. 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 88 des EG-Vertrages, ABl.EG 1999 L 83 / 1. 602 Heidenhain, in: Heidenhain, Beihilfenrecht, § 20 Rn. 1. So hat der Rat bislang etwa die VO 1407 / 2002 über staatliche Beihilfen für den Steinkohlebergbau, ABl.EG 2002 L 205 / 1, sowie die VO 1540 / 1998 zur Neuregelung der Beihilfen für die Schiffbauindustrie, ABl.EG 1998 L 202 / 1, auf Art. 87 Abs. 3 lit. e) EG und Art. 89 EG gestützt. 603 Vgl. Mederer, in: von der Groeben / Thiesing / Ehlermann, EU- / EG-Vertrag, Art. 92 EGV Rn. 211. 604 So differenziert Art. 249 UAbs. 1 EG sowohl zwischen „das Europäische Parlament und der Rat gemeinsam, der Rat und die Kommission“ als auch zwischen „Verordnungen, Richtlinien und Entscheidungen“. 605 Vgl. etwa Richtlinie 87 / 167 / EWG des Rates v. 26. 01. 1987 über Beihilfen für den Schiffbau, ABl.EG 1987 L 69 / 55; Richtlinie 90 / 684 / EWG des Rates v. 21. 12. 1990 über Beihilfen für den Schiffbau, ABl.EG 1990 L 380 / 27 (gestützt auf Artt. 92 Abs. 3 lit. d, 113 EGV). 606 Vgl. etwa Verordnung (EG) Nr. 1540 / 98 des Rates vom 29. 06. 1998 zur Neuregelung der Beihilfen für den Schiffbau, ABl.EG 1998 L 202 / 1 (gestützt auf Art. 92 Abs. 3 lit. e EGV und gleichzeitig auf Art. 94 EGV); Verordnung (EG) Nr. 1407 / 2002 des Rates vom 23. 07. 2002 über staatliche Beihilfen für den Steinkohlenbergbau, ABl.EG 2002 L 205 / 1 (gestützt auf Artt. 87 Abs. 3 lit. e, 89 EG). 607 Kritisch hierzu zu Recht Koenig / Kühling / Ritter, Beihilfenrecht, Rn. 222. 608 Hierzu siehe die in Fn. 605 und Fn. 606 genannten Richtlinien und Verordnungen.

II. Genehmigungsfa¨higkeit

173

auf Art. 87 Abs. 3 lit. e) EG gestützt ist, noch einen dem Art. 87 Abs. 3 lit. a) – d) EG vergleichbaren Genehmigungstatbestand schafft. So enthält die Richtlinie 2003 / 87 / EG lediglich die Regelung, dass die Zertifikate von den Mitgliedstaaten überwiegend entgeltfrei zuzuteilen seien, jedoch keine ausdrückliche Befreiung vom Beihilfenverbot des Art. 87 Abs. 1 EG. In Kriterium 5 Anhang III EHRL findet sich vielmehr ein ausdrücklicher Verweis auf die fortbestehende Geltung des Beihilfenrechts. Die Richtlinie 2003 / 87 / EG stellt folglich keine Entscheidung des Rates im Sinne von Art. 87 Abs. 3 lit. e) EG dar, durch die eine sonstige Art von Beihilfen bestimmt wird, die nach Art. 87 Abs. 3 EG von der Kommission als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt werden kann. Eine solche Entscheidung ist, soweit ersichtlich, derzeit auch weder geplant noch wurde eine solche bislang von der Kommission vorgeschlagen. 4. Art. 88 Abs. 2 UAbs. 3 EG Gemäß Art. 88 Abs. 2 UAbs. 3 EG kann der Rat einstimmig auf Antrag eines Mitgliedstaats eine gewährte oder geplante (auch bereits eine von der Kommission abgelehnte) vertragswidrige Beihilfe abweichend von Art. 87 Abs. 2, 3 EG und den aufgrund von Art. 89 EG erlassenen Verordnungen genehmigen, falls „außergewöhnliche Umstände eine solche Entscheidung rechtfertigen“. So hat der Rat bislang mehrfach Beihilfen im Agrarsektor gemäß Art. 88 Abs. 2 UAbs. 3 EG genehmigt.609 Der Gerichtshof hat in seiner bisher einzigen Entscheidung zu diesem Genehmigungstatbestand dem Rat bei der Feststellung der außergewöhnlichen Umstände ein weites Ermessen eingeräumt.610 Der Gerichtshof hat dabei festgestellt, dass sich das Ermessen des Rates nicht ausschließlich auf Art und Tragweite der zu erlassenden Bestimmungen, sondern in bestimmtem Umfang auch auf die Feststellung von Grunddaten beziehe, wodurch sich die gerichtliche Kontrollmöglichkeit auf die Prüfung beschränke, ob die Ermessensentscheidung mit einem offensichtlichen Fehler oder Ermessensfehlgebrauch behaftet sei oder der Rat die Grenzen des ihm eingeräumten Ermessens offensichtlich überschritten habe.611 609 Rat, Entscheidung v. 16. 03. 1987, Milcherzeugung, ABl.EG 1987 L 78 / 51; Rat, Entscheidung v. 13. 07. 1987, Tafelwein und Most, ABl.EG 1987 L 200 / 17; Rat, Entscheidung v. 19. 12. 2000, Deutscher Wein, ABl.EG 2000 L 328 / 49; Rat, Entscheidung v. 21. 01. 2002, Portugiesische Schweinezüchter, ABl.EG 2002 L 153 / 28; Rat, Entscheidung v. 28. 02. 2002, Italienischer Wein, ABl.EG 2002 L 64 / 26; Rat, Entscheidung v. 28. 02. 2002, Französischer Wein, ABl.EG 2002 L 64 / 24; Rat, Entscheidung v. 28. 11. 2002, Griechische Baumwollerzeuger, ABl.EG 2002 L 337 / 82: sowie außerhalb des Agrarsektors Rat, Entscheidungen v. 03. 05. 2002, Steuererleichterungen im Verkehrssektor, ABl.EG 2002 L 12, 14, 15. 610 EuGH, Urteil v. 29. 02. 1996, Rs. C-122 / 94, Kommission / Rat („Sonderbeihilfe Weindestillation“), Slg. 1996, I-881 (Rn. 18). Vertiefend zu diesem Genehmigungstatbestand und der an diesem geäußerten Kritik vgl. Heidenhain, in: Heidenhain (Fn. 181), § 20 Rn. 4 ff. 611 EuGH, Urteil v. 29. 02. 1996, Rs. C-122 / 94, Kommission / Rat („Sonderbeihilfe Weindestillation“), Slg. 1996, I-881 (Rn. 18).

174

C. Beihilfenrechtliche Bewertung entgeltfreier Zertifikatzuteilung

Die Einführung eines Emissionshandelssystems und die darin liegende Umstellung des ordnungsrechtlichen Emissionsreduzierungsgebots auf ein zertifikatgestütztes Handelssystem stellen indes keinen außergewöhnlichen Umstand im Sinne des Art. 88 Abs. 2 UAbs. 3 EG dar. Angesichts des erheblichen Ermessens, das dem Rat auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung zukommt, ist jedoch eine Genehmigung der entgeltfreien Zertifikatzuteilung auf der Grundlage des Art. 88 Abs. 2 UAbs. 3 EG faktisch nicht ausgeschlossen. Gleichwohl ist eine solche Genehmigung der entgeltfreien Grundzuteilung von Zertifikaten aufgrund außergewöhnlicher Umstände weder bislang erfolgt noch derzeit geplant.

5. Art. 86 Abs. 2 EG Als sachgebietsübergreifende Ausnahmebestimmung kommt Art. 86 Abs. 2 EG erst dann zum Zuge, wenn die sachgebietsspezifischen Ausnahmebestimmungen (z. B. Art. 87 Abs. 2, 3 EG) nicht greifen.612 Art. 86 Abs. 2 EG wäre vorliegend damit grundsätzlich anwendbar. Die eng auszulegende613 Vorschrift des Art. 86 Abs. 2 EG normiert insbesondere für Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse betraut sind, eine Ausnahme von dem Grundsatz der umfänglichen Geltung der Vertrags- und insbesondere der Wettbewerbsregeln.614 So könnte eine Betrauung der vom Emissionshandel betroffenen Sektoren insoweit in Betracht kommen, als diese durch Zuteilung einer geringeren Menge an Emissionszertifikaten als benötigt zur Vermeidung von Emissionen verpflichtet werden.615 Wie bereits oben dargelegt,616 fehlt es bezüglich des Anreizes, Emissionen zu vermeiden, an einer echten und hinreichend bestimmten Verpflichtung, die Leistung zu erbringen. Auch ist grundsätzlich zweifelhaft, ob es sich bei einer Maßnahme, die ausschließlich im Interesse der Allgemeinheit als solcher erbracht wird, um eine Daseinsvorsorgeleistung im Sinne des traditionellen Verständnisses von Art. 86 Abs. 2 EG handelt. Jedenfalls fehlt es auch an einer Betrauung der unter die Richtlinie 2003 / 87 / EG fallenden Unternehmen. Im Ergebnis fällt die entgeltKoenig / Kühling, ZHR 166 (2002), 656 (658). Whish, Competition Law, S. 233. 614 Siehe hierzu etwa Koenig / Kühling / Scholz, in: Koenig / Kühling / Theobald, Infrastrukturförderung, Kap. 1, Rn. 92 ff.; siehe auch das Maßnahmenpaket der Kommission, in dem sie konkrete Voraussetzungen für die Anwendung des Verhinderungs- und Verhältnismäßigkeitsmaßstabs in diversen Rechtsakten herausgearbeitet hat, etwa Kommission, Entscheidung v. 28. 11. 2005 über die Anwendung von Artikel 86 Absatz 2 EG-Vertrag auf staatliche Beihilfen, die bestimmten mit der Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betrauten Unternehmen als Ausgleich gewährt werden, ABl.EU 2005 L 312 / 67; dies., Gemeinschaftsrahmen für staatliche Beihilfen, die als Ausgleich für die Erbringung öffentlicher Dienstleistungen gewährt werden, ABl.EU 2005 C 297 / 4. 615 In diese Richtung Schweer / Ludwig, RdE 2004, 153 (155, Fn. 15). 616 Siehe oben unter C. I. 2. a) (3). 612 613

III. Ergebnisse

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freie Zertifikatzuteilung durch die Mitgliedstaaten damit nicht unter Art. 86 Abs. 2 EG. 6. Zwischenergebnis Eine Genehmigung der in einer entgeltfreien allgemeinen Zertifikatzuteilung liegenden Beihilfe gemäß Art. 87 Abs. 3 lit. b) EG kommt mangels Erforderlichkeit der Beihilfenmaßnahme nicht in Betracht. Denn das Ziel der Richtlinie 2003 / 87 / EG, die Reduzierung von Treibhausgasemissionen, kann auch bei einer Vergabe der Zertifikate durch Versteigerung beihilfenrechtlich unbedenklich und umweltökonomisch vorzugswürdig erreicht werden. Eine Genehmigung gemäß Art. 87 Abs. 3 lit. c) EG scheitert an dem fehlenden Beitrag der entgeltfreien Zertifikatzuteilung zur Entwicklung des Sektors. Eine Genehmigung der entgeltfreien Zuteilung gemäß Art. 87 Abs. 3 lit. e) EG oder Art. 88 Abs. 2 UAbs. 3 EG kommt mangels entsprechender Beschlüsse des Rates nicht in Betracht. Auch eine Rechtfertigung gemäß Art. 86 Abs. 2 EG scheidet mangels Vorliegen einer Betrauung mit einer hinreichend bestimmten Leistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse aus. In der ganz überwiegenden Anzahl der Fälle liegt damit eine nicht genehmigungsfähige Beihilfe vor.

III. Ergebnisse Die Umsetzung der Richtlinienvorgabe einer überwiegend entgeltfreien Zertifikatzuteilung in Art. 10 EHRL in mitgliedstaatliches Recht stellt eine den Mitgliedstaaten zuzurechnende Maßnahme dar, die vollumfänglich dem Beihilfenregime der Artt. 87 ff. EG unterliegt. Die grundsätzliche Pflicht der Mitgliedstaaten zur Richtlinienumsetzung vermag an der Zurechenbarkeit nichts zu ändern. Zwar sind Richtlinien gemäß Art. 249 EG von den Mitgliedstaaten umzusetzen und hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich. Nach gefestigter Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs hat indes auch das Nichtbestehen eines Ermessensspielraums keinen Einfluss auf die Einordnung eines mitgliedstaatlichen Umsetzungsaktes als eine diesem Mitgliedstaat zuzurechnende Maßnahme. Auch sprechen normhierarchische Gründe sowie die Vorgaben der Richtlinie 2003 / 87 / EG selbst für eine Überprüfbarkeit der entgeltfreien Zertifikatzuteilung am Maßstab des EG-Beihilfenrechts, da Primärrecht nicht durch bloßes Sekundärrecht derogiert werden kann und eine Ausnahme vom Beihilfenregime in der Richtlinie nicht vorgesehen ist. Die entgeltfreie Zertifikatzuteilung durch die Mitgliedstaaten erfüllt auch das Tatbestandsmerkmal der Begünstigung. Denn die Zertifikate stellen ein auf dem Zertifikatmarkt handelbares Gut und damit einen Vermögensgegenstand dar, der den Unternehmen entgeltfrei zugeteilt wird, unabhängig von einer tatsächlichen Emissionsreduktion handelbar ist, die Erzielung (zwischenzeitlicher) spekulativer

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C. Beihilfenrechtliche Bewertung entgeltfreier Zertifikatzuteilung

Gewinne ermöglicht und auch im Falle des Eigenverbrauchs – trotz entgeltfreier Allokation – den Abnehmern zum jeweils aktuellen Marktpreis berechnet werden kann. Daher werden von dem Begünstigungstatbestand sowohl die zwingend entgeltfreie Zuteilung von 95% bzw. 90% der Zertifikate als auch die entgeltfreie Zuteilung der nicht zwingend entgeltfrei zuzuteilenden Zertifikate erfasst. Die Ausklammerung bestimmter Wirtschaftszweige und Emittenten von der Zertifikatpflicht und damit der entgeltfreien Zertifikatzuteilung stellt demgegenüber keine Begünstigung dieser Emittenten dar. Denn diesen entgeht – bei Weitergeltung der bisherigen (rein ordnungsrechtlichen) Reduktionspflichten nach dem Stand der Technik – gerade die in der entgeltfreien Zertifikatzuteilung liegende Begünstigung. Die entgeltfreie Zuteilung der Zertifikate erfüllt auch das Tatbestandsmerkmal „staatlich oder aus staatlichen Mitteln“. Zum einen ist die Zuteilung der durch staatlichen Rechtsakt geschaffenen und durch einen staatlich aufgestellten Zuteilungsplan aus einem staatlichen Kontingent zugeteilten Zertifikate eine staatliche Maßnahme des jeweiligen Mitgliedstaats. Zum anderen werden auch staatliche Mittel übertragen und staatliche Haushalte belastet. Denn durch die entgeltfreie Zuteilung der auf dem Markt frei handelbaren und eine Emissionsmöglichkeit verbriefenden Zertifikate entgehen dem Staat grundsätzlich mögliche Einnahmen, wie er sie für die Abschöpfung von Sondervorteilen in verschiedenen anderen Bereichen bereits erzielt. Entscheidend ist dabei nicht, ob der Staat für eine konkrete Umweltnutzung bereits vor Einführung eines Zertifikatsystems ein Entgelt verlangt hat, sondern ob er ein solches grundsätzlich verlangen könnte. Dies hat sich im Rahmen der vorgenommenen Prüfung insbesondere unter grundrechtlichen Gesichtspunkten als zulässig erwiesen. Schließlich sprechen auch die Vorgaben in Art. 11 Abs. 3 EHRL i.V. m. Ziffer 5 Anhang III EHRL und der dortige Verweis auf die Artt. 87, 88 EG für die Übertragung staatlicher Mittel. Die Beschränkung der unter den Zertifikathandel fallenden Tätigkeiten begünstigt bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige und erfüllt damit das Bestimmtheitskriterium. Im Falle einer entgeltfreien Zertifikatzuteilung ist auch eine zumindest potentielle Wettbewerbsverfälschung anzunehmen, sofern bestimmten Unternehmen und Branchen eine Zertifikatzuteilung generell vorenthalten ist, bestimmte Unternehmen durch etwaige Sonderzuteilungen begünstigt werden oder neuen Marktteilnehmern der Marktzutritt durch die Ausgestaltung der Zertifikatzuteilung erschwert wird. Angesichts der zunehmenden transnationalen Verknüpfungen der unter das Handelssystem fallenden Bereiche und des Wertes der entgeltfrei zugeteilten Zertifikate ist schließlich auch das Tatbestandsmerkmal einer zumindest potentiellen Handelsbeeinträchtigung zwischen den Mitgliedstaaten zu bejahen, sofern die mitgliedstaatliche Zertifikatzuteilung den De-minimis-Schwellenwert überschreitet. Eine Genehmigung der in einer entgeltfreien allgemeinen Zertifikatzuteilung liegenden Beihilfe gemäß Art. 87 Abs. 3 lit. b) EG kommt mangels Erforderlich-

III. Ergebnisse

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keit der Beihilfenmaßnahme nicht in Betracht. Eine Genehmigung gemäß Art. 87 Abs. 3 lit. c) EG scheitert an dem fehlenden Beitrag der entgeltfreien Zertifikatzuteilung zur Entwicklung des Sektors. Für eine Genehmigung gemäß Art. 87 Abs. 3 lit. e) EG oder Art. 88 Abs. 2 UAbs. 3 EG fehlt es derzeit an entsprechenden Beschlüssen des Rates. Einzig eine Genehmigung gemäß Art. 86 Abs. 2 EG wäre im Einzelfall und bei entsprechender Betrauung des begünstigten Unternehmens denkbar. Sie liegt jedoch bei einer allgemeinen, die Betrauung nicht näher konkretisierenden Verteilung der Zertifikate im Rahmen eines nationalen Zuteilungsplans nicht vor.

D. Schlussfolgerung und Ausblick Vor dem Hintergrund der vorangegangenen Untersuchung sind in diesem Kapitel die Schlussfolgerungen der Untersuchung herauszuarbeiten und die Bedeutung der Erkenntnisse dieser Arbeit für die Ausgestaltung des Emissionshandels darzustellen (unter I.), bevor im Rahmen eines Ausblicks kursorisch auf die weitere Entwicklung einzugehen ist (unter II.). In einer Schlussbemerkung werden die den gemeinschaftsweiten Emissionshandel betreffenden Inhalte der neuen Leitlinien für staatliche Umweltschutzbeihilfen sowie die Inhalte der konsolidierten Richtlinie 2003 / 87 / EG dargestellt.

I. Schlussfolgerung Die Richtlinie 2003 / 87 / EG beschränkt den Kreis der unter das Handelssystem fallenden Unternehmen auf die in Anhang I EHRL aufgeführten Tätigkeiten und sieht in Art. 10 EHRL eine zwingend entgeltfreie Zertifikatzuteilung von mindestens 95% der Zertifikate in der ersten Handelsperiode (2005 – 2007) und mindestens 90% der Zertifikate in der zweiten Handelsperiode (2008 – 2012) vor. Die beihilfenrechtliche Beurteilung einer solchen entgeltfreien Zertifikatzuteilung durch die Mitgliedstaaten ist in der Literatur zwar verschiedentlich thematisiert, bislang indes noch nicht vertieft und umfassend untersucht worden. Diese Lücke schließt die vorliegende Arbeit.

1. Ergebnis der Untersuchung Die Analyse der bisherigen Äußerungen der Kommission zur beihilfenrechtlichen Bewertung der entgeltfreien Zertifikatzuteilung in Emissionshandelssystemen hat ergeben, dass die Kommission bislang keine einheitliche Linie verfolgt. In ihren Beihilfenentscheidungen zu den mitgliedstaatlichen Zertifikathandelssystemen in Dänemark, dem Vereinigten Königreich und den Niederlanden bejahte die Kommission den Beihilfentatbestand, genehmigte die Beihilfenmaßnahmen jedoch nach Art. 87 Abs. 3 EG. In ihren Äußerungen im Gesetzgebungsverfahren zur Richtlinie 2003 / 87 / EG sowie im Vorfeld der Erstellung und bei der Bewertung der nationalen Zuteilungspläne der ersten und zweiten Handelsperiode nimmt die Kommission zwar grundsätzlich eine Begünstigung durch die entgeltfreie Zertifikatzuteilung an. Differenzierend bewertet die Kommission indes die staatliche Zurechenbarkeit einer solchen Begünstigung. So ist die Beihilfenmaßnahme nach

I. Schlussfolgerung

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Auffassung der Kommission dem Staat zuzurechnen (und damit stets eine Beihilfe), wenn dieser mehr als 95 % bzw. 90% der Zertifikate entgeltfrei abgibt. Eine nicht dem Mitgliedstaat zurechenbare Begünstigung liege demgegenüber in der gemäß Art. 10 EHRL zwingend entgeltfreien Zuteilung von 95% bzw. 90% der Zertifikate. Hinsichtlich der Genehmigungsfähigkeit einer entgeltfreien Zertifikatzuteilung stellt die Kommission bei der Bewertung des gemeinschaftsweiten Handelssystems auf die in den Ziffern 1 und 2 Anhang III EHRL zum Ausdruck kommenden, der Emissionshandelsrichtlinie übergeordneten Umweltziele ab und betrachtet die entgeltfreie Zuteilung (von mehr als 95% bzw. 90%) der Zertifikate als zur Erreichung dieser Umweltziele „wohl erforderlich“.617 Eine abschließende beihilfenrechtliche Bewertung hat die Kommission indes bislang noch nicht vorgenommen, wobei insbesondere die beihilfenrechtlichen Äußerungen der Kommission in ihren Entscheidungen gemäß Art. 9 Abs. 3 EHRL den beihilfenverfahrensrechtlichen Anforderungen des Art. 88 EG in Verbindung mit der Verfahrensverordnung Nr. 659 / 1999 nicht genügen. Vor diesem Hintergrund wurde die entgeltfreie Zertifikatzuteilung durch die Mitgliedstaaten in dem Umfang, wie Art. 10 EHRL sie vorsieht, einer umfassenden beihilfenrechtlichen Prüfung unterzogen. Die Untersuchung hat ergeben, dass eine entgeltfreie Zertifikatzuteilung durch die Mitgliedstaaten in dem Umfang, wie Art. 10 EHRL sie vorschreibt, den Beihilfentatbestand des Art. 87 Abs. 1 EG erfüllt. Die Umsetzung der Richtlinienvorgabe einer überwiegend entgeltfreien Zertifikatzuteilung in Art. 10 EHRL in mitgliedstaatliches Recht stellt eine den Mitgliedstaaten zuzurechnende Maßnahme dar, die vollumfänglich dem Beihilfenregime der Artt. 87 ff. EG unterliegt. Die Prüfung der Tatbestandsmerkmale des Art. 87 Abs. 1 EG hat entgegen den überwiegenden Literaturmeinungen ergeben, dass die gesamte entgeltfreie Zertifikatzuteilung den Beihilfentatbestand erfüllt. So stellen die Zertifikate ein auf dem Zertifikatmarkt handelbares Gut und damit einen Vermögensgegenstand dar, der den Unternehmen entgeltfrei zugeteilt wird und diesen unabhängig von tatsächlichen Emissionsreduktionen oder anderen Gegenleistungen Gewinne ermöglicht. Diese Begünstigung erfüllt zudem das Tatbestandsmerkmal „staatlich oder aus staatlichen Mitteln“, da die Zertifikate durch staatlichen Rechtsakt geschaffen und auf der Grundlage eines mitgliedstaatlichen Zuteilungsplans aus einem staatlichen Kontingent zugeteilt werden, wobei der Staat auf die entgeltliche Abgabe der eine Emissionsmöglichkeit verbriefenden Zertifikate verzichtet. Entscheidend ist dabei nicht, ob der Staat für eine konkrete Umweltnutzung bereits vor Einführung eines Zertifikatsystems ein Entgelt verlangt hat, sondern ob er ein solches grundsätzlich verlangen könnte. Durch die Beschränkung der unter den Zertifikathandel fallenden Tätigkeiten bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige wird sodann auch das Bestimmtheitskriterium erfüllt. Zudem ist auch eine zumindest potentielle Wettbewerbsverfälschung anzunehmen, 617

Vgl. hierzu bereits oben unter B. II. 6. und 7. d) m. w. N.

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D. Schlussfolgerung und Ausblick

sofern bestimmten Unternehmen und Branchen eine Zertifikatzuteilung generell vorenthalten ist und neuen Marktteilnehmern der Marktzutritt durch die Ausgestaltung der Zertifikatzuteilung erschwert wird. Angesichts der zunehmenden transnationalen Verknüpfungen der unter das Handelssystem fallenden Bereiche und des Wertes der entgeltfrei zugeteilten Zertifikate, der überwiegend den De-minimis-Schwellenwert überschreiten wird, ist schließlich auch das Tatbestandsmerkmal einer zumindest potentiellen Handelsbeeinträchtigung zwischen den Mitgliedstaaten zu bejahen. Die Untersuchung der Genehmigungsfähigkeit führte schließlich zu dem Ergebnis, dass eine Genehmigung der in einer entgeltfreien allgemeinen Zertifikatzuteilung liegenden Beihilfe gemäß Art. 87 Abs. 3 lit. b) EG mangels Erforderlichkeit der Beihilfenmaßnahme nicht in Betracht kommt, da das Ziel der Richtlinie 2003 / 87 / EG, die Reduzierung von Treibhausgasemissionen, bei einer entgeltlichen Vergabe der Zertifikate bei gleicher ökologischer Wirkung beihilfenrechtlich unbedenklich und umweltökonomisch vorzugswürdig erreicht werden kann. Die Versteigerungslösung ist dabei einer Ausgestaltung als Abgabe überlegen, da die Höhe der Abgabe vom Gesetzgeber fixiert wird und sich nicht frei und nach ökonomischen Grundsätzen am Markt bilden kann.618 Auch fehlen den staatlichen Stellen oftmals konkrete Daten für die externen Umweltkosten, wodurch auf Schätzungen und Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe zurückzugreifen ist und die Preisfestlegung erschwert wird. Eine Versteigerung überlässt die Preisbildung den Marktteilnehmern, die über die erforderlichen Daten verfügen. Auch die Genehmigungstatbestände in Art. 87 Abs. 3 lit. c) EG, in Art. 88 Abs. 2 UAbs. 3 EG und in Art. 86 Abs. 2 EG ermöglichen keine Genehmigung der allgemeinen entgeltfreien Zertifikatzuteilung. Eine grundsätzlich mögliche Genehmigung durch den Rat gemäß Art. 87 Abs. 3 lit. e) EG ist bislang nicht erfolgt. Vor dem Hintergrund dieses Ergebnisses ist somit festzustellen, dass die entgeltfreie Zuteilung der Emissionszertifikate durch die Mitgliedstaaten in der ersten und zweiten Handelsperiode einen Verstoß gegen das Beihilfenverbot des Art. 87 Abs. 1 EG darstellt, der einzig durch eine Entscheidung des Rates gemäß Art. 87 Abs. 3 lit. e) EG genehmigungsfähig gewesen wäre. Eine solche Genehmigungsentscheidung hat der Rat bislang indes nicht erlassen. Die systemneutrale beihilfenrechtliche Bewertung der beihilfenrechtlichen Zulässigkeit einer entgeltfreien Zertifikatzuteilung vermögen weder die Vorgabe in Art. 10 EHRL noch die äußerst ambitionierte Schnelligkeit der Einführung des gemeinschaftsweiten Emissionshandels sowie der Verzicht auf eine handelsfreie Übergangsphase, in der die rechtlichen Schwierigkeiten des Systemwechsels hätten behoben werden können,619 zu Kirchhof, in: Rengeling, Handbuch Umweltrecht, § 38 Rn. 14. Zwar erfolgten, wenngleich nur vereinzelt, Änderungsvorschläge im Gesetzgebungsverfahren und der begleitenden Literatur, vgl. m. w. N. etwa Pfromm, sic! 2003, 537 (539 ff.). Angesichts des weitverbreiteten Wunsches nach einer Probephase (2005 – 2007) scheiterten ausführlichere Diskussionen letztlich jedoch am Zeitmoment. 618 619

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ändern. Denn gemäß der in den Artt. 87 – 89 EG festgelegten primärrechtlichen Beihilfendogmatik darf auch die Ausgestaltung eines neuen Rechtsinstruments nicht zu einer beihilfenrechtlichen Begünstigung bestimmter Unternehmen aus staatlichen Mitteln führen. Die entgeltfreie Zertifikatzuteilung durch die Mitgliedstaaten ist folglich wegen Verstoßes gegen das Beihilfenregime des EG-Vertrages gemeinschaftsrechtswidrig.

2. Folgen des Ergebnisses Das gefundene Ergebnis wirft die Frage nach seinen Folgen für die Zertifikatempfänger, die Mitgliedstaaten und die Kommission auf, die im Folgenden kursorisch dargestellt werden sollen. a) Auswirkungen auf die Zertifikatempfänger und ihre Wettbewerber Stellt die entgeltfreie Zertifikatzuteilung durch die Mitgliedstaaten eine nicht notifizierte und nicht genehmigte Beihilfenmaßnahme dar, kann dies auf mitgliedstaatlicher Ebene von Wettbewerbern als Verstoß gegen das Durchführungsverbot des Art. 88 Abs. 3 EG gerichtlich geltend gemacht werden.620 Im Koordinatensystem der Beihilfenaufsicht kommt den nationalen Gerichten dabei der Schutz der Interessen Dritter, vor allem den Wettbewerbern der begünstigten Unternehmen, zu.621 Der gerichtliche Schutz auf nationaler Ebene tritt somit neben die (ausschließlich der Kommission zustehende) Vereinbarkeitsprüfung und erweitert die Beihilfenkontrolle zugunsten Dritter,622 deren Rechte durch einen Verstoß gegen die Notifizierungspflicht und das Durchführungsverbot gemäß Art. 88 Abs. 3 S. 1 620 Das Verfahren erfolgt auf Grundlage des nationalen Prozess- und Verfahrensrechts. Vgl. hierzu etwa Koenig / Kühling / Ritter, Beihilfenrecht, Rn. 429; Schmidt-Kötters, in: Heidenhain, Beihilfenrecht, § 56; Heidenhain, EuZW 2005, 135. Die deutsche BGH-Rechtsprechung zur Nichtigkeit beihilfengewährender Verträge bei Nichtdurchführung eines Notifizierungsverfahrens (vgl. hierzu BGH, Urteil v. 04. 04. 2003, EuZW 2003, 444; dazu etwa Koenig, EuZW 2003, 417; Kühling, ZWeR 2003, 498 ff.; Quardt / Nielandt, EuZW 2004, 201 ff.) betrifft indes nicht die Verwaltungsakte, durch welche die Emissionszertifikate zugeteilt werden; zum verwaltungsrechtlichen Rechtschutz Dritter siehe Schmidt-Kötters, in: Heidenhain, Beihilfenrecht, § 57. Zu den Rechtsschutzmöglichkeiten der Wettbewerber auf Gemeinschaftsebene siehe Bartosch, ZIP 2000, 601 ff.; Birk, EWS 2003, 159 (164 ff.); Lumma, EuZW 2004, 457 ff.; Soltész, EuZW 2001, 202 ff. 621 Siehe hierzu Kommission, Bekanntmachung v. 23. 11. 1995 über die Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den Gerichten der Mitgliedstaaten im Bereich der staatlichen Beihilfen, ABl.EG 1995 C 312 / 8, Ziff. 4. Zur Durchsetzung der Beihilfenrechtswidrigkeit staatlicher Maßnahmen vor nationalen Gerichten siehe auch Bartosch, EuZW 2005, 396 ff. 622 Kommission, Bekanntmachung v. 23. 11. 1995 über die Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den Gerichten der Mitgliedstaaten im Bereich der staatlichen Beihilfen, ABl.EG 1995 C 312 / 8, Ziff. 7 ff.; Koenig / Kühling / Ritter, Beihilfenrecht, Rn. 428.

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und 3 EG – die unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht darstellen623 – verletzt sein können.624 Neben einer Anordnung zur Zahlungsaussetzung kann ein nationales Gericht auch die vorläufige Rückzahlung formell rechtswidrig gewährter Beihilfen anordnen,625 es sei denn der Beihilfencharakter der Maßnahme ist zweifelhaft oder der Begünstigte kann ein berechtigtes Vertrauen in die Rechtmäßigkeit der Beihilfe darlegen.626 Insofern droht den Zertifikatempfängern eine Rückforderung bereits erhaltener Zertifikate.627 b) Reaktionsmöglichkeiten der Mitgliedstaaten Die Mitgliedstaaten sehen sich angesichts des gefundenen Ergebnisses dem Konflikt zwischen der grundsätzlichen Pflicht zur Richtlinienumsetzung gemäß Art. 249 Abs. 3 EG und dem damit verbundenen Verstoß gegen Art. 87 Abs. 1 EG ausgesetzt. Setzt ein Mitgliedstaat die Vorgabe des Art. 10 EHRL in mitgliedstaatliches Recht um und teilt er die Zertifikate entgeltfrei zu, so verstößt er – da die Umsetzungsmaßnahme wie gezeigt eine mitgliedstaatliche Maßnahme ist628 – gegen das primärrechtliche Beihilfenverbot des Art. 87 Abs. 1 EG. Verhält sich ein Mitgliedstaat demgegenüber beihilfenrechtstreu und setzt er die Vorgabe des Art. 10 EHRL nicht um, verstößt er gegen die Umsetzungspflicht aus Art. 249 Abs. 3 EG.629 Diesen Konflikt kann der Mitgliedstaat jedoch durch die Einleitung eines förmlichen Notifizierungsverfahrens gemäß Art. 88 Abs. 3 EG auflösen. Hiermit verbunden ist zwar das Durchführungsverbot gemäß Art. 88 Abs. 3 S. 3 EG i.V. m. Art. 3 VerfVO, wonach die angemeldete Beihilfenmaßnahme bis zum Abschluss der Kommissionsprüfung nicht eingeführt werden darf. Die Notifizierung der Bei623 Ständige Rechtsprechung seit EuGH, Urteil v. 11. 12. 1973, Rs. 120 / 73, Lorenz, Slg. 1973, 1471 (Rn. 8). 624 Während das nationale Gericht hierbei implizit auch den Beihilfentatbestand des Art. 87 Abs. 1 EG zu prüfen hat, obliegt die Prüfung der Vereinbarkeit der Maßnahme mit dem Gemeinsamen Markt gemäß Art. 87 Abs. 2 und 3 EG allein der Kommission. Bestehen Zweifel an dem Vorliegen einer Beihilfe, kann das Gericht die Kommission um Auskunft ersuchen oder den EuGH gemäß Art. 234 EG mit der Frage befassen, vgl. Koenig / Kühling / Ritter, Beihilfenrecht, Rn. 427; zu den Auswirkungen einer Vorlage im Rahmen des Emissionshandels auch Johnston, Climate Policy 6 (2006), S. 115 (128). 625 EuGH, Urteil v. 11. 07. 1996, Rs. C-39 / 94, SFEI, Slg. 1996, I-3547 (Rn. 68); EuGH, Urteil v. 24. 07. 2003, Rs. C-297 / 01, Sicilcassa, Slg. 2003, I-7849 (Rn. 41); EuGH, Urteil v. 21. 10. 2003, verb. Rs. C-261 / 01 u. a., Openbaar Slachthuis, Slg. 2003, I-12249 (Rn. 64); EuG, Urteil v. 14. 01. 2004, Rs. T-109 / 01, Fleuren Compost, Slg. 2004, II-127 (Rn. 136). 626 Koenig / Kühling / Ritter, Beihilfenrecht, Rn. 428. Daneben besteht unter bestimmten Voraussetzungen die Gefahr einer einstweiligen Rückforderungsanordnung durch die Kommission gemäß Art. 11 Abs. 2 VerfVO, vgl. hierzu ebd., Rn. 386 f. 627 So auch Johnston, Climate Policy 6 (2006), S. 115 (128). 628 Siehe oben unter C. I. 1. 629 Zu diesem Konflikt bereits Ehricke, Kurzgutachten Emissionshandel, S. 14.

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hilfenmaßnahme verpflichtet die Kommission jedoch zur Eröffnung des vorläufigen Prüfverfahrens gemäß Art. 4 Abs. 5 VerfVO, das sie innerhalb von zwei Monaten und grundsätzlich mit einer Entscheidung abzuschließen hat.630 Ist die Kommission am Ende der Vorprüfphase von der Beihilfenrechtskonformität überzeugt, beinhaltet die Entscheidung gemäß Art. 4 Abs. 2 und 3 VerfVO die Feststellung, dass die notifizierte Maßnahme keine Beihilfe darstellt oder dass gegen die Vereinbarkeit der Maßnahme mit dem Gemeinsamen Markt keine Einwände bestehen. Die Beihilfenmaßnahme wird dann zu einer bestehenden Beihilfenregelung, die von der Kommission im Falle einer erneuten Überprüfung gemäß Art. 88 Abs. 2 UAbs. 1 EG nur noch für die Zukunft beanstandet werden kann. Ist die Kommission am Ende der Vorprüfphase demgegenüber nicht von der Beihilfenrechtskonformität der notifizierten Maßnahme überzeugt, muss sie gemäß Art. 4 Abs. 4 VerfVO das Hauptprüfverfahren eröffnen. Dieses ist entweder mit der Entscheidung, dass keine Beihilfe vorliegt (Art. 7 Abs. 2 VerfVO), oder mit einer Positiventscheidung, dass die Beihilfenmaßnahme mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar ist (Art. 7 Abs. 3 und 4 VerfVO), oder mit einer Negativentscheidung, dass eine nicht genehmigungsfähige Beihilfe vorliegt und diese nicht eingeführt werden darf (Art. 7 Abs. 5 VerfVO), abzuschließen. Sowohl die Entscheidungen im Vorprüfverfahren als auch jene des Hauptprüfverfahrens unterliegen der gerichtlichen Kontrolle durch den Gerichtshof und sind von den Mitgliedstaaten sowie unter bestimmten Voraussetzungen auch von den Zertifikatempfängern und ihren Wettbewerbern angreifbar.631 Daneben steht den Mitgliedstaaten der Antrag an den Rat auf Genehmigung der Beihilfenmaßnahme gemäß Art. 88 Abs. 2 UAbs. 3 EG sowie die Erhebung einer Staatennichtigkeitsklage beim EuGH gegen Art. 10 EHRL gemäß Art. 230 Abs. 2 EG offen. Während die Nichtigkeitsklage gemäß Art. 230 Abs. 5 EG innerhalb von zwei Monaten nach Bekanntgabe der anzugreifenden Handlung – hier die Bekanntgabe der Richtlinie 2003 / 87 / EG – zu erheben ist und daher vorliegend ausscheidet,632 ist der Antrag an den Rat an keine Frist gebunden, solange 630 Trifft die Kommission innerhalb der zweimonatigen sog. „Lorenz-Frist“ keine Entscheidung, endet das Durchführungsverbot, und der Mitgliedstaat kann – nach Mitteilung an die Kommission und weiteren 15 Tagen – die Beihilfenmaßnahme durchführen, die sodann unter das Regelungsregime für bestehende Beihilfenregelungen fällt, vgl. hierzu Koenig / Kühling / Ritter, Beihilfenrecht, Rn. 376; Sinnaeve, in: Heidenhain, Beihilfenrecht, § 33 Rn. 30 ff. 631 Zu den Klagemöglichkeiten gegen Entscheidungen der Kommission im Verfahren der Beihilfenaufsicht vgl. auch Pfromm / Dodel, EurUP 2004, 209 (213 ff.); Bartosch, ZIP 2000, 601 ff.; Soltész, in: Heidenhain, Beihilfenrecht, §§ 42 – 44. 632 Johnston, Climate Policy 6 (2006), S. 115 (128), hält in diesem Zusammenhang auch eine Klage gegen die Entscheidung der Kommission im Rahmen des Verfahrens gemäß Art. 9 Abs. 3 EHRL für möglich. Jedoch sind der beihilfenrechtliche Prüfungsumfang und deren Wirkung im Rahmen des Verfahrens gemäß Art. 9 Abs. 3 EHRL – wie gezeigt – nicht mit dem Verfahren gemäß Art. 88 EG vergleichbar, so dass im Ergebnis der Konflikt, dem sich der Mitgliedstaat ausgesetzt sieht, durch ein Vorgehen gegen die Kommissionsentscheidung gemäß Art. 9 Abs. 3 EHRL nicht aufgelöst werden kann.

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die Unvereinbarkeit der Beihilfenmaßnahme noch nicht von der Kommission festgestellt wurde.633 c) Handlungsoptionen der Kommission Die Kommission hätte die ihr gemäß Art. 9 Abs. 3 EHRL notifizierten nationalen Zuteilungspläne – sowohl der ersten wie auch der zweiten Handelsperiode – im Hinblick auf ihre Beihilfenrechtskompatibilität nicht unbeanstandet lassen dürfen, sondern ein förmliches Beihilfenprüfverfahren einleiten müssen. Zwar hat sie die notifizierten mitgliedstaatlichen Zuteilungspläne ausdrücklich keiner beihilfenrechtlichen Prüfung unterzogen. Hierzu wäre sie indes gemäß Art. 9 Abs. 3 i.V. m. Kriterium 5 Anhang III EHRL, jedenfalls aber gemäß Art. 10 Abs. 1 VerfVO, verpflichtet gewesen. An dieser Pflicht ändert auch die von der Kommission wiederholt vertretene Auffassung nichts, die Zuteilungspläne seien im Falle ihrer beihilfenrechtlichen Notifizierung und Prüfung „wohl“ mit dem Beihilfenrecht vereinbar.634 Denn bestehen Zweifel an der Vereinbarkeit mit dem Beihilfenrecht, hat eine formelle beihilfenrechtliche Prüfung zu erfolgen.635 Soweit die Kommission auch hinsichtlich der noch ausstehenden Zuteilungspläne für die zweite Handelsperiode im Falle einer entgeltfreien Zertifikatzuteilung durch die Mitgliedstaaten ein beihilfenrechtliches Prüfverfahren nicht einleitet, verstößt sie auch weiterhin gegen die Pflicht, ein solches ex officio einzuleiten. Wird die Kommission im Wege einer Wettbewerberbeschwerde mit der Beihilfenrechtskonformität der entgeltfreien Zertifikatzuteilung befasst, so hat sie diese gemäß Art. 10 Abs. 1 VerfVO unverzüglich zu prüfen. Der Kommission ist dabei von der Rechtsprechung eine weit reichende Untersuchungspflicht auferlegt worden.636 Das weitere Verfahren richtet sich nach dem Verfahren bei angemeldeten Beihilfen, wobei gemäß Art. 11 Abs. 2 VerfVO und den dort bestimmten Voraussetzungen bereits vor Verfahrensabschluss eine einstweilige Rückforderung der nicht notifizierten Beihilfe in Betracht kommt. Wird die Kommission im Rahmen eines förmlichen Notifizierungsverfahrens mit der Beihilfenrechtskompatibilität einer entgeltfreien Zertifikatzuteilung be633 Zum Prüfungs- und Genehmigungsumfang im Rahmen von Art. 88 Abs. 2 UAbs. 3 EG siehe bereits oben unter C. II. 4. 634 Die Gefahr einer Genehmigung im Wege eines „pragmatischen Ansatzes“ und mit einer politisch-psychologischen Begründung unter Bezugnahme auf den Charakter als weltweit erstes multinationales Handelssystem, die möglichen positiven Erfahrungen für die Teilnehmer und die positiven Auswirkungen auf den Umweltschutz wurde bereits vor den Entscheidungen der Kommission gesehen, angesichts der drohenden Überprüfung durch das Europäische Gericht erster Instanz im Falle einer etwaigen Klage jedoch für nicht tragfähig erachtet, vgl. Koenig / Pfromm, EurUP 2004, 196 (203). 635 Vgl. Art. 4 Abs. 4 VerfVO. 636 EuG, Urteil v. 18. 09. 1995, Rs. T-95 / 94, Sytraval, Slg. 1995, II-2651 (Rn. 66 ff.). Näher hierzu Koenig / Kühling / Ritter, Beihilfenrecht, Rn. 385.

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fasst, muss sie ein förmliches Verfahren eröffnen. Gelangt sie in diesem – wie nach hier vertretener Auffassung – zu dem Ergebnis, dass eine Genehmigung gemäß Art. 87 Abs. 3 lit. b) oder lit. c) EG ausscheidet, kann sie entweder den Rat um eine Entscheidung gemäß Art. 87 Abs. 3 lit. e) EG ersuchen637 oder muss sie die Beihilfenmaßnahme für rechtswidrig erklären.638

d) Exkurs: Rückforderung der Beihilfe Erklärt die Kommission die Beihilfenmaßnahme für rechtswidrig, muss sie bereits erbrachte Beihilfenleistungen zurückfordern, um so den Zustand vor Beihilfengewährung wiederherzustellen und dem Beihilfenempfänger den Vorteil zu entziehen, den dieser gegenüber seinen Wettbewerbern rechtswidrig erhalten hat.639 Entgegen der vormaligen Rechtsprechung des Gerichtshofs,640 nach der eine Rückforderungsanordnung der Kommission dann nicht erfolgen konnte, wenn der Mitgliedstaat lediglich gegen das Durchführungsverbot des Art. 88 Abs. 3 S. 3 EG verstoßen hat, jedoch die materielle Unvereinbarkeit der Beihilfenmaßnahme mit dem Gemeinsamen Markt nicht feststand, sieht Art. 11 Abs. 2 VerfVO nunmehr auch die einstweilige Rückforderung formell rechtswidriger Beihilfen vor. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass (1) nach geltender Praxis hinsichtlich des Beihilfencharakters der Maßnahme keine Zweifel bestehen, (2) ein Tätigwerden dringend geboten ist und (3) ein erheblicher, nicht wieder gut zu machender Schaden für Wettbewerber zu befürchten ist. Angesichts der widersprüchlichen Äußerungen der Kommission im Verfahren gemäß Art. 9 Abs. 3 EHRL und der bisher verstrichenen Dauer der ersten Handelsperiode ist diese Offensichtlichkeit jedoch nicht gegeben. Dies befreit die Kommission indes nicht grundsätzlich von der Verpflichtung, die entgeltfreie Zertifikatzuteilung einer förmlichen Beihilfenprüfung zu unterziehen. Gelangt sie in dieser zu einer Negativentscheidung, ist gemäß Art. 14 Abs. 1 und Abs. 2 VerfVO die Rückforderung der gewährten Beihilfen einschließlich Zinsen ab dem Empfang der jeweiligen Beihilfe zwingend vorgeschrieben, sofern hierin kein Verstoß gegen allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts liegt. Zu den Genehmigungsvoraussetzungen vgl. bereits oben unter C. II. 3. Zu der – hier jedoch nicht zielführenden – Möglichkeit einer Änderung des Anhang III Richtlinie 2003 / 87 / EG im Wege des komitologie-ähnlichen Änderungsverfahrens gemäß Art. 23 Abs. 2 EHRL, vgl. Johnston, Climate Policy 6 (2006), S. 115 (129 ff.). 639 EuGH, Urteil v. 21. 03. 1990, Rs. C-142 / 87, Belgien / Kommission („Tubemeuse“), Slg. 1990, I-959 (Rn. 66); EuGH, Urteil v. 21. 03. 1991, Rs. C-305 / 89, Italien / Kommission („Alfa Romeo“), Slg. 1991, I-1603 (Rn. 41); EuGH, Urteil v. 26. 06. 2003, Rs. C-404 / 00, Kommission / Spanien, Slg. 2003, I-6695 (Rn. 44). 640 EuGH, Urteil v. 14. 02. 1990, Rs. C-301 / 87, Frankreich / Kommission (Boussac Saint Frères), Slg. 1990, I-307 (Rn. 20 f.); EuGH, Urteil v. 21. 11. 1991, Rs. C-354 / 90, Fédération Nationale du Commerce Extérieur des Produits Alimentaires und Syndicat National des Négociants et Transformateurs de Saumon / Frankreich, Slg. 1991, I-5505 (Rn. 13 f.). 637 638

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Eine Berufung auf Vertrauensschutzregeln zur Abwehr der Rückforderung scheidet dabei nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zwar grundsätzlich mangels berechtigten Vertrauens in die Ordnungsmäßigkeit einer rechtswidrigen, unter Umgehung des Durchführungsverbots gewährten Beihilfe aus.641 Denn einem sorgfältigen Gewerbetreibenden sei es regelmäßig möglich, sich zu vergewissern, ob das Notifizierungsverfahren und das Durchführungsverbot nach Art. 88 Abs. 3 EG eingehalten wurde.642 Die Durchführung des Notifizierungsverfahrens gemäß Art. 9 Abs. 3 EHRL reicht hierfür nicht aus. Denn den Formulierungen der Kommission in ihren Entscheidungen gemäß Art. 9 Abs. 3 EHRL war ohne weiteres zu entnehmen, dass eine Beihilfenprüfung gerade nicht erfolgt ist. Gleichwohl stehen einer Rückabwicklung der Zertifikatzuteilung in der ersten Handelsperiode Bedenken entgegen. So hat der Gerichtshof unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes eine Rückforderung abgelehnt, die erst 26 Monate nach ihrer Gewährung von der Kommission verlangt wurde.643 In einem anderen Fall erklärte das Gericht erster Instanz eine Rückforderungsanordnung für nichtig, nachdem die Kommission die Beihilfenmaßnahme zunächst in zwei Schreiben genehmigt hatte, später jedoch für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erklärte.644 Auch der Kommission ist ein Verzicht auf die Rückforderung aufgrund eines zuvor in die Zulässigkeit der Beihilfe entstandenen berechtigten Vertrauens nicht fremd.645 Die Kommission könnte somit die in der ersten Handelsperiode erfolgte entgeltfreie Zertifikatzuteilung für beihilfenrechtswidrig erklären, gleichwohl aufgrund von Vertrauensschutzaspekten auf eine Rückforderung verzichten. Hinsicht641 EuGH, Urteil v. 20. 03. 1997, Rs. C-24 / 95, Land Rheinland-Pfalz / Alcan Deutschland GmbH, Slg. 1997, I-1591 (Rn. 25). Siehe zur Rückforderung von Beihilfen auch EuGH, Urteil v. 24. 02. 1987, Rs. 310 / 85, Deufil GmbH & Co. KG / Kommission, Slg. 1987, 901 (Rn. 24 ff.); EuGH, Urteil v. 20. 09. 1990, Rs. C-5 / 89, Kommission / Deutschland („BUGAlutechnik“), Slg. 1990, I-3437 (Rn. 12 ff.); EuGH, Urteil v. 14. 01. 1997, Rs. C-169 / 95, Spanien / Kommission („Piezas y Rodajes“), Slg. 1997, I-135 (Rn. 47 ff.). 642 EuGH, Urteil v. 20. 03. 1997, Rs. C-24 / 95, Land Rheinland-Pfalz / Alcan Deutschland GmbH, Slg. 1997, I-1591 (Rn. 25); EuG, Urteil v. 04. 04. 2001, Rs. T-288 / 97, Regione Friuli Venezia Giulia / Kommission, Slg. 2001, II-1169 (Rn. 107 f.); EuG, Urteil v. 14. 01. 2004, Rs. T-109 / 01, Fleuren Compost BV / Kommission, Slg. 2004, II-127 (Rn. 135). Zum Vertrauensschutz siehe auch Ludwigs, EWS 2007, 7 (8 ff.) m.w. N.; Quardt, in: Heidenhain, Beihilfenrecht, § 51 Rn. 6 ff. 643 EuGH, Urteil v. 24. 11. 1987, Rs. 223 / 85, Rijn-Schelde-Verolme (RSV) Machinefabrieken en Scheepswerven NV / Kommission, Slg. 1987, 4617 (Rn. 14 ff.). 644 EuG, Urteil v. 05. 06. 2001, Rs. T-6 / 99, ESF Elbe-Stahlwerke Feralpi GmbH u. a. / Kommission, Slg. 2001, II-1523 (Rn. 188). 645 Kommission, Entscheidung v. 11. 12. 2002, Olympic Airways, ABl.EG 2003 L 132 / 1 Rn. 229; Kommission, Entscheidung v. 03. 06. 2003, Orkney Islands Track Record Scheme, ABl.EG 2003 L 211 / 49, Rn. 70 ff.; Kommission, Entscheidung v. 03. 06. 2003, Darlehen für den Erwerb von Fangquoten auf den Shetlandinseln, ABl.EG 2003 L 211 / 63 Ziff. 67 ff.; Kommission, Entscheidung v. 21. 11. 2001, Französische Steuervergünstigungen für Auslandsniederlassungen, ABl.EG 2002 L 126 / 27 Rn. 32 ff.

II. Ausblick

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lich der zweiten Handelsperiode wären etwaig bereits zugeteilte Zertifikate indes zurückzufordern. Eine solche Rückforderbarkeit wird auch in der Literatur bejaht.646 II. Ausblick Die Attraktivität der Idee des Emissionshandels liegt in der Einfachheit des Systems. Der Staat legt lediglich ein globales Minderungsziel sowie den Ordnungsrahmen fest und überlässt die einzelwirtschaftliche Steuerung dem Marktmechanismus. Hierdurch wird das Reduktionsziel mit größerer Flexibilität und dadurch geringeren Kosten erreicht als im Wege einzelwirtschaftlicher Standards. Denn durch die Abwägung zwischen eigener Emissionsvermeidung oder Zertifikatverbrauch können die Emittenten ihre Produktion gewinnoptimal an den sich auf dem Markt ergebenen Zertifikatpreis anpassen. Dabei werden Zertifikate so lange gehandelt, bis jede weitere Emissionsminderung bei den beteiligten Unternehmen die identischen Vermeidungskosten hervorruft. Ist dieser Punkt erreicht, operiert die Gesamtheit der Teilnehmer an dem Handelssystem im Kostenminimum, mithin zu gemeinwirtschaftlich minimalen Kosten. Entscheidender Einfluss auf die Effizienz des Handelssystems, die Wettbewerbsfähigkeit der Emittenten und die politische Akzeptanz kommt dabei der Zertifikatzuteilung zu.647 Wettbewerbsrecht und Umweltschutzpolitik sind hierbei nicht antagonistisch, bedürfen jedoch einer Abstimmung untereinander. Unter Effizienzund Wettbewerbsgesichtspunkten vorzugswürdig ist dabei eine Versteigerung der Zertifikate, da Verteilungskonflikte und beihilfenrechtliche Begünstigungen zwischen den Marktteilnehmern verhindert werden können. Demgegenüber kann eine entgeltfreie Zertifikatzuteilung zu reinen Mitnahmegewinnen führen, die nicht mit tatsächlichen Emissionsreduktionen verbunden sind und signifikante Wettbewerbsbeeinträchtigungen bedingen können. Im Hinblick auf die Zertifikatzuteilung im Rahmen des gemeinschaftsweiten Emissionshandelssystems übernimmt die Kommission mit dem beihilfenrechtlichen Prüfauftrag in Kriterium 5 Anhang III EHRL sowie der Beihilfenaufsicht gemäß Art. 88 EG daher eine wichtige Kontrollfunktion, deren gründliche Ausübung zur Verhinderung von Wettbewerbsbeeinträchtigungen unerlässlich ist.648 Im Interesse der Rechtssicherheit, eines ungestörten Wettbewerbs und der Akzep646 Schlemmermeier / Schwintowski, ZNER 2006, 195 (199) zumindest bezüglich der durch die entgeltfreie Zertifikatzuteilung erzielten Mitnahmegewinne. Grundsätzlich auch Johnston, Climate Policy 6 (2006), S. 115 (127). 647 Zu den Schwächen der ersten beiden Handelsperioden vgl. etwa Beckmann / Fisahn, ZUR 2009, 299 (301 ff.). 648 Dabei eröffnet das beihilfenrechtliche Verfahren der Kommission auch zusätzlichen Gestaltungsspielraum. Denn während sie nach Art. 9 Abs. 3 EHRL einen Zuteilungsplan nur ablehnen kann, ermöglicht das beihilfenrechtliche Prüfverfahren auch eine Genehmigung

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D. Schlussfolgerung und Ausblick

tanz des Emissionshandelssystems ist eine klare beihilfenrechtliche Bewertung dringend erforderlich. Dem darf insbesondere nicht die politische Sensitivität im Hinblick auf beihilfenrechtliche Bewertungen649 entgegenstehen. Denn eine Klärung des Widerspruchs zwischen der fehlenden Genehmigungsfähigkeit der entgeltfreien Zertifikatzuteilung gemäß Art. 87 Abs. 3 lit. b) und lit. c) EG auf der einen Seite und der klaren Regelung des Art. 10 EHRL auf der anderen Seite, ist für den zukünftigen Erfolg und die Akzeptanz des Handelssystems notwendig. Widersprechen die Vorgaben eines Sekundärrechtsaktes dem Primärrecht, geht das Primärrecht vor. Das Europäische Parlament und der Rat als Normgeber der Richtlinie 2003 / 87 / EG sind angesichts der beihilfenrechtlichen Folgen einer mitgliedstaatlichen Umsetzung der Vorgabe des Art. 10 EHRL aufgefordert, diese Vorschrift zu ändern. Da eine Richtlinienänderung vor Beginn der zweiten Handelsperiode aufgrund des Zeitmoments ausscheidet, kommt zur Genehmigung der entgeltfreien Zertifikatzuteilung nur eine Ratsentscheidung gemäß Art. 87 Abs. 3 lit. e) EG in Betracht. Wenngleich der Rat dabei die entgeltfreie Zertifikatzuteilung für den gesamten Handelszeitraum 2008 – 2012 genehmigen kann, ist aus wettbewerbsrechtlicher Sicht eine zeitlich begrenzte Genehmigung der entgeltfreien Zertifikatzuteilung (etwa bis 2010) zur bloßen Sicherung des Handelssystems vorzugswürdig. Umgeht die Kommission auch weiterhin die Eröffnung eines beihilfenrechtlichen Prüfverfahrens, kommt es für sie zum Schwur, sobald die Gemeinschaftsgerichte, im Wege einer Individualnichtigkeitsklage650, einer Staatennichtigkeitsklage oder durch Vorlage eines mitgliedstaatlichen Gerichts, mit der beihilfenrechtlichen Zulässigkeit einer entgeltfreien Zertifikatzuteilung befasst werden. Denn die Entscheidung der Kommission, trotz bestehender Bedenken hinsichtlich der Vertragskonformität einer Maßnahme kein förmliches beihilfenrechtliches Prüfverfahren einzuleiten, ist – wenngleich in der Vergangenheit wiederholt praktiziert – wegen Begründungsmangels im Wege der Nichtigkeitsklage angreifbar und von den Gemeinschaftsgerichten voll umfänglich nachprüfbar. Bei der Frage, ob die Kommission ein förmliches Verfahren hätte einleiten müssen, legen die Gemeinschaftsgerichte einen sehr strengen Maßstab an und haben bereits mehrere Entscheidungen der Kommission aus diesem Grund aufgehoben. Werden die Gemeinschaftsgerichte mit der entgeltfreien Zertifikatzuteilung befasst, zeigt sich auch, ob die begründungsschwachen Ausführungen des Gerichts erster Instanz zur unter Auflagen und Bedingungen, die für eine Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt erforderlich sind, vgl. Pfromm / Dodel, EurUP 2004, 209 (217). 649 Hierzu etwa Schütte, in: Sánchez-Rydelski, EC State Aid Regime, S. 23 (52). 650 Die Individualnichtigkeitsklage verschiedener Kalk- und Glas-Produzenten gegen eine Entscheidung der Kommission in dem Verfahren gemäß Art. 9 Abs. 3 EHRL wurde vom EuG mangels individueller Betroffenheit abgelehnt, siehe EuG, Beschluss v. 11. 09. 2007, Rs. T-28 / 07, Fels Werke u. a. / Kommission, Slg. 2007, II-98 (Rn. 58 ff.); sowie zur Zurückweisung des Rechtsmittels EuGH, Beschluss v. 08. 04. 2008, Rs. C-503 / 07 P, Saint-Gobain Glass Deutschland GmbH, Slg. 2008, I-2217.

II. Ausblick

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mitgliedstaatlichen Zurechenbarkeit der Umsetzung von Richtlinienvorgaben in der Rechtssache „Deutsche Bahn AG . /. Kommission“651 entgegen der im Rahmen dieser Arbeit vertretenen Auffassung gemeinschaftsrechtlichen Bestand haben. Ein Interesse an der beihilfenrechtlichen Notifizierung der Zuteilungspläne haben schließlich auch die Zertifikatempfänger und die Mitgliedstaaten selbst. Letztere sollten neben dem Verfahren gemäß Art. 9 Abs. 3 EHRL auch ein beihilfenrechtliches Notifizierungsverfahren gemäß Art. 88 Abs. 3 EG i.V. m. der VerfVO einleiten. Denn so lange die entgeltfreie Zertifikatzuteilung durch die Mitgliedstaaten nicht notifiziert worden ist, droht den Zertifikatempfängern die Rückforderung bereits erbrachter Beihilfenleistungen, also zugeteilter Zertifikate. Während zu Beginn der ersten Handelsperiode Wirtschaft und Politik einhellig eine entgeltfreie Zuteilung präferierten, mehren sich nunmehr die Stimmen für eine Versteigerung der Zertifikate. So hat in Deutschland anlässlich der Aufstellung des nationalen Zuteilungsplans für die zweite Handelsperiode und des darin erfolgten Versuches, Mitnahmeeffekte abzuschöpfen, die durch die entgeltfreie Zertifikatzuteilung in der ersten Handelsperiode entstanden sind, eine Diskussion um den verstärkten Einsatz von Versteigerungen eingesetzt652 und bereits eine erste Wirkung gezeigt.653 Auch auf Gemeinschaftsebene nehmen die Forderungen nach Versteigerungen zu. So betrachtet EU-Umweltkommissar Dimas eine obligatorische Versteigerung zumindest eines Teils der Zertifikate als hilfreich.654 Die Kommission ist ebenfalls an einer verstärkten Versteigerung der Zertifikate interessiert und betont in ihrer Mitteilung „Neue Hinweise zu den Zuteilungsplänen für den Handelszeitraum 2008 – 2012 des Systems für den EU-Emissionshandel“,655 dass die Mitgliedstaaten im zweiten Handelszeitraum Versteigerungen innerhalb der gemäß Art. 10 EHRL erlaubten 10%-Grenze durchführen können und eine stärkere Verwendung von Versteigerungen es den Mitgliedsstaaten und der Kommission erlauben würde, 651 EuG, Urteil v. 05. 04. 2006, Rs. T-351 / 02, Deutsche Bahn AG / Kommission, Slg. 2006, II-1047. 652 Sachverständigenrat für Umweltfragen, Stellungnahme 11 / 2006, S. 13; Michaelis, Stellungnahme NAP II, S. 2 f., 6; auch die High Level Group on Competitiveness, Energy and the Environment befürwortet grundsätzlich einen größeren Versteigerungsanteil, vgl. HLG, First Report, S. 9 (dort Fn. 3). Hellwig, WuW 2006, 1092, hält die Mitnahmegewinne der Stromkonzerne aus der entgeltfreien Zuteilung für anstößig. 653 So sollen in Deutschland 40 Mio. Zertifikate (8,8% des Gesamtemissionsbudgets) in den Jahren 2008 / 09 zu Fixpreisen abgegeben und ab dem Jahr 2010 versteigert werden, vgl. Stratmann, Emissionszertifikate werden erst ab 2010 versteigert, Handelsblatt v. 07. 08. 2007, S. 6. 654 Hauschild / Stratmann, EU erhöht Druck bei CO -Handel, Handelsblatt v. 20. 06. 2006, 2 S. 3. 655 Kommission, Mitteilung „Neue Hinweise zu den Zuteilungsplänen für den Handelszeitraum 2008 – 2012 des Systems für den EU-Emissionshandel“, KOM (2005) 703 endg. v. 22. 12. 2005, Rn. 32.

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D. Schlussfolgerung und Ausblick

Erfahrungen mit der Anwendung dieser Zuteilungsmethode zu sammeln und die strategische Überprüfung mit praktischen Erfahrungen zu untermauern. Zudem erinnert sie die Mitgliedstaaten daran, dass Einkünfte aus der Versteigerung unter anderem zur Deckung der durch das System entstehenden Verwaltungskosten und den Kauf von Kyoto-Einheiten656 durch die Regierung verwendet werden können. Die Versteigerung von 10% der Zertifikate, wie es Art. 10 EHRL und die Mitteilung der Kommission vorsehen, reicht indes zur Herstellung eines beihilfenrechtskonformen Zustands nicht aus. Erst die vollständige Versteigerung der Zertifikate führt zu einer umfassenden Internalisierung der externen Effekte, zu Preiswahrheit, zur Verhinderung von Mitnahmeeffekten, zur beihilfenrechtlichen Zulässigkeit und damit letztlich zu Rechtssicherheit und Transparenz. Gerade diese Aspekte sind für den zukünftigen Erfolg des Zertifikathandelssystems von entscheidender Bedeutung. Der Innovationsanreiz für emissionsmindernde Technologien steigt mit dem Preis der Zertifikate, wobei nur die Versteigerung der Zertifikate eine wettbewerbsneutrale Allokation der Zertifikate sicherstellt. Das Beihilfenrecht übernimmt damit die Rolle eines Motors für die Schaffung eines marktgerechten Zuteilungsregimes im gemeinschaftsweiten Emissionshandel, von dessen Erfahrung auch die Teilnehmer des weltweiten Emissionshandels auf der Grundlage des Kyoto-Protokolls profitieren können. Soll der gemeinschaftsweite Emissionshandel zukünftig seiner Rolle als Vorzeigeprojekt der EU zur effizienten Verringerung der Treibhausgase und als Kern eines weltweiten Handelssystems657 gerecht werden, bedarf die Frage der beihilfenrechtskonformen Zertifikatzuteilung einer baldigen Lösung.

III. Schlussbemerkungen Nach Abschluss der vorliegenden Arbeit ist es im Hinblick auf die dieser zugrunde liegenden beihilfenrechtlichen Aspekte zu zwei wesentlichen Änderungen gekommen. Zum einen enthalten die Leitlinien der Kommission für staatliche Umweltschutzbeihilfen 2008 nunmehr eine beihilfenrechtliche Bewertung der entgeltfreien Zertifikatzuteilung im EU-Emissionshandelssystem (unter 1.), zum anderem 656 Im Rahmen des gemeinschaftsweiten Emissionshandels können auch Emissionsgutschriften aus den projektbezogenen Mechanismen (Joint Implementation und Clean Development Mechanism) des Kyoto-Protokolls verwendet werden, vgl. bereits oben unter Fn. 57 sowie Ehrmann, EurUP 2006, 37 (42 ff.); Marr / Wolke, NVwZ 2006, 1102 (1105 ff.); Pauly, ZNER 2005, 42 (42 f.). Für die zweite Handelsperiode betragen die jeweiligen JI / CDMGrenzen (im Rahmen derer statt EU-Zertifikaten auch JI / CDM-Zertifikate verwendet werden dürfen) zwischen 0% und 20 % des jeweiligen mitgliedstaatlichen Gesamtemissionsbudgets, vgl. die Übersicht der Kommission, IP / 07 / 1094 v. 13. 07. 2007, Emissions Trading: Commission adopts decisions on amendments to five national allocation plans for 2008 – 2012, S. 2. 657 Hauschild, Brüssel drängt auf Reform des CO -Handels, Handelsblatt v. 05. – 07. 05. 2 2006.

III. Schlussbemerkungen

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wurde die Richtlinie 2003 / 87 / EG durch die Richtlinie 2009 / 29 / EG insbesondere im Hinblick auf die Zertifikatzuteilung grundlegend neugestaltet (unter 2.). Diese Regelungen weisen zwar in die richtige Richtung, bis zum Zeitpunkt der Vollversteigerung lassen sie jedoch weiterhin grundlegende Fragen offen (unter 3.).

1. Leitlinien für staatliche Umweltschutzbeihilfen 2008 Anfang April 2008 traten die neuen, bis 31. 12. 2014 geltenden, Leitlinien für staatliche Umweltschutzbeihilfen in Kraft.658 In diesen stellt die Kommission fest, dass mit handelbaren Umweltzertifikaten staatliche Beihilfen verbunden sein können, insbesondere dann, wenn Mitgliedstaaten diese Zertifikate unter ihrem Marktwert vergeben: „Mit Beihilfen dieser Art können negative externe Effekte durch Einführung marktbasierter Instrumente zur Verwirklichung von Umweltzielen angegangen werden. Wenn die Gesamtzahl der von den Mitgliedstaaten ausgegebenen Verschmutzungsrechte niedriger ist als der voraussichtliche Gesamtbedarf der Unternehmen, wird die Wirkung dieses Mechanismus auf die Umwelt insgesamt positiv ausfallen. Decken die ausgegebenen Zertifikate nicht den Gesamtbedarf eines einzelnen Unternehmens, muss das Unternehmen seine Schadstoffproduktion reduzieren (womit es zur Entlastung der Umwelt beiträgt) oder zusätzliche Zertifikate auf dem freien Markt erwerben (und somit für die von ihm verursachte Verschmutzung zahlen). Um die Wettbewerbsverzerrung möglichst gering zu halten, ist eine Zuteilung zu vieler Zertifikate in jedem Fall unzulässig, wobei dafür zu sorgen ist, dass der Marktzugang nicht unangemessen beschränkt wird.“659

Im Hinblick auf die Vereinbarkeit von Beihilfen in Verbindung mit handelbaren Umweltzertifikaten nach Art. 87 Abs. 3 EG stellt die Kommission in den neuen Leitlinien klar, dass mit handelbaren Umweltzertifikaten auf verschiedene Weise staatliche Beihilfen verbunden sein könnten, etwa bei ihrer Vergabe unter ihrem Marktwert durch die Mitgliedstaaten. 660 Staatliche Beihilfen im Bereich handelbarer Umweltzertifikate könnten im Sinne von Art. 87 Abs. 3 lit. c) EG als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt werden, wenn die Voraussetzungen der Rn. 140 und Rn. 141 Leitlinien erfüllt seien.661 Rn. 140 Leitlinien stellt vier Kriterien auf: „a) Die Regelungen für handelbare Zertifikate müssen so beschaffen sein, dass Umweltschutzziele erreicht werden, die über die Ziele hinausgehen, die auf der Grundlage der für die begünstigten Unternehmen verbindlichen Gemeinschaftsnormen zu erreichen sind. 658 Kommission, Leitlinien der Gemeinschaft für staatliche Umweltschutzbeihilfen, ABl.EU 2008 C 82 / 1. 659 Rn. 55 Leitlinien der Gemeinschaft für staatliche Umweltschutzbeihilfen. 660 Rn. 139 Leitlinien der Gemeinschaft für staatliche Umweltschutzbeihilfen. 661 Rn. 140 Leitlinien der Gemeinschaft für staatliche Umweltschutzbeihilfen.

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D. Schlussfolgerung und Ausblick

b) Die Zuteilung muss in transparenter Weise auf der Grundlage objektiver Kriterien und bestmöglicher Datenquellen erfolgen, und die Gesamtzahl der Zertifikate, die einem Unternehmen zu einem Preis unter ihrem Marktwert zugeteilt werden, darf nicht höher sein als der Bedarf, den das Unternehmen voraussichtlich ohne das Handelssystem hätte. c) Die Zuteilungsmethode darf nicht bestimmte Unternehmen oder Sektoren begünstigen, es sei denn, dies ist durch die dem System innewohnende Logik gerechtfertigt oder für die Übereinstimmung mit anderen Umweltpolitiken notwendig. d) Insbesondere dürfen Zertifikate neuen Anbietern grundsätzlich nicht zu günstigeren Bedingungen zugeteilt werden als den bereits auf dem Markt vertretenen Unternehmen. Durch die Zuteilung einer höheren Zahl von Zertifikaten an bereits etablierte Unternehmen darf der Marktzugang nicht unangemessen beschränkt werden.“

Gemäß Rn. 141 Leitlinien wird die Kommission die Notwendigkeit und die Verhältnismäßigkeit von staatlichen Beihilfen in Verbindung mit handelbaren Umweltzertifikaten anhand vierer Kriterien prüfen: „a) Die Beihilfenempfänger müssen anhand objektiver und transparenter Kriterien ausgewählt werden, und die Beihilfen müssen grundsätzlich für alle Wettbewerber in demselben Wirtschaftszweig / relevanten Markt, die sich in einer ähnlichen Lage befinden, in derselben Weise gewährt werden. b) Die vollständige Versteigerung muss einen erheblichen Anstieg der Produktionskosten in dem betreffenden Wirtschaftszweig bzw. in der betreffenden Gruppe von Beihilfeempfängern zur Folge haben. c) Der erhebliche Anstieg der Produktionskosten kann nicht an die Abnehmer weitergegeben werden, ohne dass es zu deutlichen Absatzeinbußen kommt. Für die entsprechende Analyse können unter anderem Schätzungen zur Preiselastizität in dem betreffenden Wirtschaftszweig herangezogen werden. Diese Schätzungen werden für den räumlich relevanten Markt vorgenommen. Bei der Prüfung der Frage, ob der Kostenanstieg im Zusammenhang mit den handelbaren Umweltzertifikaten nicht an die Abnehmer weitergegeben werden kann, können die geschätzten Absatzeinbußen sowie deren voraussichtliche Auswirkungen auf die Rentabilität des Unternehmens zugrunde gelegt werden. d) Für einzelne Unternehmen in dem betreffenden Wirtschaftszweig ist es nicht möglich, den Schadstoffausstoß so zu verringern, dass der Zertifikatpreis tragbar ist. [ . . . ] Einem Unternehmen, das die wirksamste Technik anwendet, kann höchstens ein Zertifikat im Wert der Produktionsmehrkosten zugeteilt werden, die sich aus dem Emissionshandelssystem beim Einsatz der wirksamsten Technik ergeben und die nicht an die Abnehmer weitergegeben werden können. Unternehmen mit einer schlechteren ökologischen Leistung erhalten Zertifikate mit einem dieser Leistung entsprechenden geringeren Wert.“

Rn. 141 Leitlinien gilt indes nicht während des bis zum 31. 12. 2012 laufenden Handelszeitraums in Bezug auf das EU-Emissionshandelssystem nach der Richtlinie 2003 / 87 / EG.662 Bei der Prüfung von Fällen während des zweiten, bis zum 31. 12. 2012 laufenden Handelszeitraums will die Kommission ausschließlich die in Rn. 55, 140 Leitlinien genannten Kriterien zugrunde legen.663 Den in Rn. 141 662 663

Rn. 140 Leitlinien der Gemeinschaft für staatliche Umweltschutzbeihilfen. Rn. 56 Leitlinien der Gemeinschaft für staatliche Umweltschutzbeihilfen.

III. Schlussbemerkungen

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Leitlinien aufgeführten Maßstab betreffend die Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit der Beihilfe will die Kommission demgegenüber erst ab dem im Jahre 2013 beginnenden dritten Handelszeitraum anwenden und diese Kriterien in die Überarbeitung der Leitlinien unter besonderer Berücksichtigung der neuen Richtlinie über das EU-Emissionshandelssystems nach dem 31. 12. 2012 einfließen lassen.664 Ergänzend führt die Kommission in Fußnote 51 Leitlinien an: „Die Kommission hat die staatlichen Beihilfen im Zusammenhang mit den nationalen Zuteilungsplänen des Emissionshandelssystems der Gemeinschaft für den am 31. 12. 2012 endenden Handelszeitraum anhand der Kriterien unter Randnummer 140 geprüft.“665

2. Konsolidierte Richtlinie 2003 / 87 / EG Auch die Richtlinie 2003 / 87 / EG wurde zwischenzeitlich durch die Richtlinie 2009 / 29 / EG666 grundlegend neugestaltet. Das bislang bestehende Zuteilungssystem der Artt. 9 – 11 i.V. m. Anhang III EHRL entfällt zukünftig und wird ab der im Jahr 2013 beginnenden Handelsperiode durch ein auf die Vollversteigerung der Zertifikate zielendes Zuteilungssystem ersetzt. Die mitgliedstaatliche Vollversteigerung wird für den Stromsektor ab dem Jahr 2013 und für die anderen Sektoren ab dem Jahre 2027 die Regel.667 Die Gesamtmenge der von den Mitgliedstaaten zu versteigernden Zertifikate bestimmt sich weit überwiegend (88 %) nach dem relativen Anteil des jeweiligen Mitgliedstaats an den Emissionen im Jahr 2005 im Rahmen des Gemeinschaftssystems bzw. auf der Grundlage ihrer durchschnittlichen jährlichen Emissionen im Zeitraum von 2005 bis 2007.668 Die von den Mitgliedstaaten anzuwendenden Versteigerungsregeln werden von der Kommission konzipiert.669 Über die Versteigerungserlöse können die Mitgliedstaaten individuell entscheiden, mindestens zur Hälfte sollen diese jedoch in bestimmte KlimaschutzmaßnahRn. 56, 140 Leitlinien der Gemeinschaft für staatliche Umweltschutzbeihilfen. Fn. 51 Leitlinien der Gemeinschaft für staatliche Umweltschutzbeihilfen. 666 Richtlinie 2009 / 29 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 23. 04. 2009 zur Änderung der Richtlinie 2003 / 87 / EG zwecks Verbesserung und Ausweitung des Gemeinschaftssystems für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten, ABl.EG 2009 L 140 / 63. Vgl. zu den Änderungen durch die Richtlinie 2009 / 29 / EG überblicksartig etwa Erling / Waggershauser, UPR 2008, 175; Wegener, ZUR 2009, 283; Zencke / Telschow, IR 2009, 29. 667 Artt. 10 ff. der konsolidierten Richtlinie 2003 / 87 / EG, vgl. auch deren Erwägungsgründe 15 ff. der Richtlinie 2009 / 29 / EG. 668 Art. 10 Abs. 2 der konsolidierten Richtlinie 2003 / 87 / EG. 669 Art. 10 Abs. 4 der konsolidierten Richtlinie 2003 / 87 / EG. Siehe zu den Anforderungen an die Ausgestaltung einer solchen Versteigerung etwa Koenig / Ernst / Hasenkamp, RdE 2009, 73 (75 ff.), vgl. zu dem Zusammenspiel von Auktionen für Emissionsberechtigungen und dem Sekundärmarkt etwa Ockenfels, et 2009, 70. 664 665

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D. Schlussfolgerung und Ausblick

men fließen.670 Erwägungsgrund 18 der Änderungsrichtlinie 2009 / 29 / EG stellt klar, dass die Richtlinie dem Ergebnis etwaiger Verfahren über staatliche Beihilfen gemäß Artt. 87, 88 EG nicht vorgreife und dass eine Mitteilung über die Verwendung des Versteigerungserlöses die Mitgliedstaaten nicht von ihrer beihilfenrechtlichen Notifizierungsverpflichtung gemäß Art. 88 Abs. 3 EG befreie. Art. 10a der konsolidierten Richtlinie 2003 / 87 / EG enthält umfangreiche Übergangsvorschriften zur Harmonisierung der entgeltfreien Zuteilung außerhalb des Stromsektors. Danach soll die entgeltfreie Zertifikatzuteilung in diesen Sektoren von 80% im Jahr 2013 auf 30% im Jahr 2020 reduziert werden, um ab dem Jahr 2027 auch in diesen Sektoren die Vollversteigerung umzusetzen.671 Die Übergangsvorschriften orientieren sich an reduktionsorientierten Ex-ante-Benchmarks und werden durch von der Kommission bis Ende Oktober 2010 zu erlassende gemeinschaftsweite und vollständig harmonisierte Durchführungsmaßnahmen ergänzt. Artt. 10b und 10c der konsolidierten Richtlinie 2003 / 87 / EG enthalten Regelungen betreffend Maßnahmen zur Unterstützung bestimmter energieintensiver Industrien im Falle der Verlagerung von CO2-Emissionen sowie betreffend die Option einer übergangsweisen entgeltfreien Zertifikatzuteilung zur Modernisierung der Stromerzeugung. Art. 11 der konsolidierten Richtlinie 2003 / 87 / EG regelt nunmehr die mitgliedstaatlichen Umsetzungsmaßnahmen. Diese beschränken sich aufgrund der ausgeweiteten Befugnisse der Kommission auf die Veröffentlichung und Information der Kommission durch die Mitgliedstaaten bis zum 30. 09. 2011 über die jeweiligen unter die Richtlinie 2003 / 87 / EG fallenden Anlagen sowie die diesen entgeltfrei zuzuteilenden Zertifikate; die Kommission kann einzelne Anlagen ablehnen.

3. Bewertung Die Leitlinien für staatliche Umweltschutzbeihilfen 2008 weisen hinsichtlich des in ihren Rn. 140, 141 konkretisierten Prüfungsmaßstabs für die Beihilfenrechtskompatibilität einer entgeltfreien Zertifikatzuteilung in die richtige Richtung. Die Überprüfung auch der in der ersten und zweiten Handelsperiode erfolgten entgeltfreien Zertifikatzuteilungen durch die Mitgliedstaaten anhand dieses Prüfungsmaßstabs wäre wünschenswert gewesen. Dies umso mehr als der Hinweis der Kommission in Fn. 51 Leitlinien, dass die staatlichen Beihilfen im Zusammenhang mit den nationalen Zuteilungsplänen für die zweite Handelsperiode des Emissionshandelssystems von der Kommission anhand der Kriterien unter Rn. 140 Leitlinien geprüft worden seien, weder erkennen lässt, welche Teile der entgeltfreien Zuteilung einer solchen Prüfung unterzogen wurden, wie die entgeltfreie Zuteilung im Einzelnen beihilfenrechtlich bewertet wurde und zu welchem Ergebnis die 670 671

Art. 10 Abs. 3 der konsolidierten Richtlinie 2003 / 87 / EG. Art. 10a Abs. 11 der konsolidierten Richtlinie 2003 / 87 / EG.

III. Schlussbemerkungen

195

Kommission letztlich gelangt ist. Insgesamt scheint die Kommission die – in der vorliegenden Arbeit aufgezeigte – beihilfenrechtliche Unklarheit in ihrem bisherigen Umgang mit der entgeltfreien Zertifikatzuteilung durch die Mitgliedstaaten erkannt zu haben und diese nunmehr durch einen klaren Prüfungsmaßstab und Bewertungsrahmen ersetzen zu wollen. Durch die Änderung der Richtlinie 2003 / 87 / EG durch die Richtlinie 2009 / 29 / EG hat der Richtliniengeber die in dieser Arbeit herausgearbeitete beihilfenrechtliche Problematik ab dem Zeitpunkt und im Umfang der Vollversteigerung zwar gelöst. Bis zur jeweiligen vollständigen Umsetzung der Zuteilung durch Versteigerung bleibt die beihilfenrechtliche Problematik im Hinblick auf entgeltfrei zugeteilte Zertifikate indes akut. Zwar erfolgt die entgeltfreie Zuteilung von Zertifikaten zukünftig auf der Grundlage gemeinschaftsweiter und harmonisierter Vorgaben der Kommission, letztlich jedoch weiterhin durch die Mitgliedstaaten. Die Beihilfenfrage ist damit noch nicht abschließend gelöst. Folgerichtig heißt es in Erwägungsgrund 49 der Änderungsrichtlinie 2009 / 29 / EG: „Die Anwendung dieser Richtlinie erfolgt unbeschadet der Artikel 87 und 88 des Vertrags“. In zukünftigen Zertifikatsystemen bzw. vergleichbaren Konstellationen sind die europäischen Richtliniengeber und die Kommission gut beraten, die in dieser Arbeit aufgezeigten Beihilfenfragen im Interesse eines ungehinderten Wettbewerbs und der Akzeptanz des Systems von vornherein zu berücksichtigen.

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Sachverzeichnis Altmark Trans-Rechtsprechung 114, 115, 117, 118 Anhang III-Kriterien 33, 35, 64, 65, 70, 73, 76, 98, 99, 101, 149, 173 Anreizwirkung 22, 23, 26, 27, 47, 164 Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts 127 Auflage 21, 24, 25 Ausklammerung von der Zertifikatpflicht 119 außergewöhnliche Umstände 173 baseline and credit 44 bedarfsgerechte Zuteilung 108 Begünstigung 42, 45, 49, 53, 55, 57, 59, 71, 102 Begünstigungsausschluss 167 Beihilfenausschluss, offensichtlicher 79, 84 Beihilfendiskussion 35 Belastung öffentlicher Haushalte 121, 124 Belastungscharakter 104 Belastungsverminderung 119 Belgien 48, 56 Benchmark-Zuteilung 28 Berufsausübungsfreiheit 128 beste verfügbare Technik 21 Bestimmtheitskriterium 42, 54, 56, 57, 109, 140 Betrauung 117 Betriebsbeihilfe 171 Braathens Sverige-Rechtsprechung 93 Burgi 137, 138 Busch 134 cap and trade 30, 44, 52, 55, 130, 162 Coase-Theorem 25 Crocker 25 Dales 25 Dänemark 33, 41, 56, 58, 67

Darlehen 109 Daseinsvorsorgeleistung 174 De-minimis-Beihilfen 152, 153 Deutsche Bahn-Rechtsprechung 89, 93, 94, 189 Deutschland 69, 79, 95, 132 Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse 115, 174 Dimas 189 Durchführungsverbot 181, 186 dynamische Anreizwirkung 24, 26 Dynamisierung des Umweltschutzes 20 Effizienz 23, 24, 26, 130, 162, 165, 187 Effizienzstandards 20 Ehricke 100, 134 Eigentumsgrundrecht 128 Einnahmenverzicht 42, 46, 50, 53, 55, 124, 136 Einschränkung des Beihilfenverbots 100 Emissions Trading Scheme 44, 112 Emissionshandel 25 Emissionshöchstgrenze 20, 22, 26, 107, 162, 170 Energie Baden Württemberg-Beschluss 94 Erforderlichkeit 162 Erfüllungsfaktor 28 Ex-ante-Bechmarks 194 Expektanz 113 externe Effekte 22, 23, 24, 25, 26, 159, 190 Förderung der Entwicklung von Wirtschaftszweigen oder Wirtschaftsgebieten 47, 55, 56, 168 Förderung wichtiger Vorhaben von gemeinsamem europäischen Interesse 46, 156, 160 Frankreich 68 Freiwilligkeit 46, 47, 56 Frenz 119

212

Sachverzeichnis

Gegenleistung 43, 45, 48, 53, 55, 56, 102, 110, 111, 112 Gemeinschaftsrahmen für staatliche Umweltschutzbeihilfen 42, 46, 47, 48, 50, 54, 55, 56, 58, 83, 156, 159, 168, 170 Genehmigungsfähigkeit 42, 46, 50, 56, 61, 69, 71, 79, 81, 109, 156, 161, 168, 170 Genehmigungsverfahren 33, 62, 72, 74 Grenzwertmodell 20 Großbritannien 44, 56 Grünbuch 57, 60 Grundrechte, europäische 128, 164 Grundstücksverkauf 167 Grünstromzertifikate 48, 56 Handelbarkeit 25, 31, 42, 44, 45, 48, 50, 53, 55, 103, 110, 123, 134, 138, 187 Handelsbeeinträchtigung 42, 45, 46, 48, 54, 56, 150 Handelsperiode 30, 33 Hauptprüfverfahren ex officio 78, 79, 184 Hybridmodelle 27 Individualnichtigkeitsklage 188 Infrastrukturförderung 141 IVU-Richtlinie 107, 170 Kindereit 132, 139 Klimasteuer 44 Kommissionslogik 55, 71 Konzession 138 Kyoto-Protokoll 28, 34, 47, 190 Leistungs- / Gegenleistungsverhältnis 110 Leitlinien für staatliche Umweltschutzbeihilfen 191 Lenkungsfunktion 139 Lenz 96 market economy investor-Test 110 Marktabgrenzung 146 Marktmacht 165 mitgliedstaatliche Zurechenbarkeit 71, 89, 94, 109 Mitnahmegewinne 27, 105, 149 multisektoraler Emissionshandel 54

nationale Allokationspläne 31, 32, 34, 35, 60, 67, 72, 76, 79, 81 nationale Allokationspläne, Bewertung 67, 69 neue Marktteilnehmer 60, 149 Niederlande 51, 56, 134 Non-Paper 61 Notifizierungspflicht 81, 145, 152, 167, 181 Notifizierungsverfahren 60, 62, 72, 73, 74, 77, 81, 83, 182, 184, 186, 189 NOx-Handel 51 ökologische Treffsicherheit 24, 26 Opportunitätskosten 105, 106, 163 Ordnungsrecht 20, 21 Pareto-Optimalität 24 Performance Standard Rate 53 Polen 68 Preisfindungsverfahren 27 PreussenElektra-Rechtsprechung 49, 121, 122, 123 primärrechtlicher Geltungsvorrang 96 relevanter Markt 146 Reuter 132, 134, 139 Richtlinie 2009 / 29 / EG 194 Richtlinienauslegung 98 Richtlinienumsetzung 90, 97, 100, 182 Richtlinienvorschlag 60 Rückforderung 182, 184 Sanktion 31, 41, 45 Schreiben der Generaldirektionen 65, 83, 148 Schutzschirm-Wirkung 108 sekundärrechtliche Einschränkung des Primärrechts 81 Selbstverpflichtung 22, 113 Selektivität 54, 56, 57, 109, 140 Skandinavien 134 Sonderzuteilungen 65, 70 Staatennichtigkeitsklage 183 staatlich oder aus staatlichen Mitteln 45, 49, 50, 52, 53, 55, 71, 120 Stand der Technik 20, 21, 107, 133 Systemimmanenz 104, 134, 143

Sachverzeichnis Treibhausgase, Begriff 30 Umsetzungskosten 162 Umweltabgaben 24, 25, 125, 133, 134, 135, 138 Umweltökonomie 22, 26, 125, 144, 162 unlimitierte Emission 107 Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 129 Vermeidungskosten 25, 26, 27, 111, 130, 164, 187 Versteigerung 27, 33, 59, 130, 131, 163, 187, 189, 190, 193 Verteilungseffekte 165 Vertrauensschutz 131, 186 Verursacherprinzip 21, 129, 159

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Verzahnung der Prüfverfahren 76 Vorsorgeprinzip 21 Vorteilsgewährung 42, 45, 49, 53, 55, 59, 102, 103 Wasserpfennig 133 Wettbewerber 181 Wettbewerbsbeeinträchtigung 42, 45, 54, 56, 99, 144, 148 Wohlfahrtsökonomie 22, 23, 26 Zertifikatpflicht 30, 142, 144, 147 Zertifikatzuteilung 27 Zwischengewinne 108 Zwischenstaatlichkeitskriterium 42, 45, 46, 54, 56, 150