Die Zustimmung des Bundesrates nach Art. 84 Abs. 1 GG: Wider die sog. Einheitsthese [1 ed.] 9783428523702, 9783428123704

Gegenstand dieses Buches ist Art. 84 Abs. 1 GG in der vor der Föderalismusnovelle geltenden Fassung. Die Autorin versuch

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Die Zustimmung des Bundesrates nach Art. 84 Abs. 1 GG: Wider die sog. Einheitsthese [1 ed.]
 9783428523702, 9783428123704

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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1070

Die Zustimmung des Bundesrates nach Art. 84 Abs. 1 GG Wider die sog. Einheitsthese Von Katrin Haghgu

Duncker & Humblot · Berlin

KATRIN HAGHGU

Die Zustimmung des Bundesrates nach Art. 84 Abs. 1 GG

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1070

Die Zustimmung des Bundesrates nach Art. 84 Abs. 1 GG Wider die sog. Einheitsthese

Von

Katrin Haghgu

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Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster hat diese Arbeit im Sommersemester 2006 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

D6 Alle Rechte vorbehalten # 2007 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: L101 Mediengestaltung, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 978-3-428-12370-4 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Januar 2006 abgeschlossen. Sie hat der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster im Sommersemester 2006 als Dissertation vorgelegen und wurde mit dem Dissertationspreis der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität ausgezeichnet. Wesentlicher Gegenstand der Arbeit ist mit Art. 84 Abs. 1 GG in der bis zum 31. August 2006 geltenden Fassung eine Bestimmung, die im Zuge der Föderalismusnovelle eine erhebliche Umgestaltung erfahren hat. Nach dem Scheitern der Bundesstaatskommission im Dezember 2004 erschien eine Umsetzung der in ihrem Rahmen erarbeiteten Ergebnisse zunächst als unwahrscheinlich. Der Ansatzpunkt für eine Untersuchung der Zustimmung des Bundesrates nach Art. 84 Abs. 1 GG sollte daher sein, Möglichkeiten des aus dieser Norm resultierenden Verflechtungsproblems auf der Grundlage des damals geltenden Rechts zu erarbeiten. Dies ist der Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit. Sie stellt damit eine Bestandsaufnahme des Rechtszustandes vor der schließlich durchgesetzten Verfassungsänderung dar. Die gewonnenen Erkenntnisse werden sich angesichts der Komplexität des neuen Art. 84 Abs. 1 GG zumindest teilweise auch nach dessen Inkrafttreten verwerten lassen. Rechtsprechung und Literatur waren vor der Föderalismusreform an der Schwelle zu einer Abkehr von der für die Interpretation des Art. 84 Abs. 1 GG a. F. in ihrer Bedeutung nicht zu unterschätzenden und auch für die übrigen Zustimmungstatbestände des Grundgesetzes Geltung beanspruchenden sog. Einheitsthese, nach der ein Gesetz, enthält es auch nur eine zustimmungsbedürftige Bestimmung, als Ganzes der Zustimmung des Bundesrates bedarf. Diese Problematik hat sich durch die Verfassungsänderung nicht erledigt. Bedanken möchte ich mich an dieser Stelle vor allem sehr herzlich bei Herrn Prof. Dr. Bodo Pieroth, nicht nur für die Betreuung meiner Doktorarbeit, sondern für die umfassende und vielfältige Förderung, die er mir als studentische und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Öffentliches Recht und Politik der Westfälischen Wilhelms-Universität hat zukommen lassen. Weiterhin danke ich Herrn Prof. Dr. Sebastian Müller-Franken für die äußerst zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Dem Bundesministerium des Innern bin ich für die Gewährung eines Druckkostenzuschusses zu Dank verpflichtet. Münster, im Februar 2007

Katrin Haghgu

Inhalt Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19

Erster Abschnitt Die Mitwirkung des Bundesrates bei der Gesetzgebung durch Zustimmungsrechte und die Bedeutung des Zustimmungstatbestandes des Art. 84 Abs. 1 GG

29

A. Die Mitwirkung der Länder durch den Bundesrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29

B. Die Mitwirkung des Bundesrates bei der Gesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . .

31

C. Zustimmungsbedürftige Bundesgesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Der verfassungstextliche Befund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die systematische Erfassung der Zustimmungstatbestände . . . . . . . . . . . . 1. Die Konzeption des historischen Verfassungsgebers . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Ausgangsbestand zustimmungsbedürftiger Bundesgesetze . . b) Systematisierung der Zustimmungstatbestände im Ausgangsbestand des Grundgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Fälle ungeschriebener Zustimmungskompetenzen des Bundesrates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) BVerfGE 26, 338 ff. – Eisenbahnkreuzungsbeschluss . . . . . . . . . . . b) BVerfGE 28, 66 ff. – Postverwaltungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Bestätigung des Enumerationsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die durch Grundgesetzänderungen eingefügten Zustimmungstatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) In die Verwaltungskompetenzen der Länder eingreifende zustimmungsbedürftige Bundesgesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die finanzielle Ausstattung der Länder unmittelbar berührende zustimmungsbedürftige Bundesgesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Art. 104a ff. GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Art. 109 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zustimmungsbedürftige Bundesgesetze ohne Bezug zur bundesstaatlichen Kompetenzordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Art. 87b Abs. 1 Satz 4 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Art. 16a GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

34 35 36 37 37 40 46 47 49 50 53 54 58 59 64 65 65 66

8

Inhalt cc) Art. 87e Abs. 4 i. V. m. Abs. 5 GG; Art. 87f Abs. 1 GG . . . . 67 dd) Art. 74a GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 ee) Art. 74 Abs. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 d) Sonderfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 aa) Art. 115a ff. GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 bb) Art. 91a GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 cc) Art. 96 Abs. 5 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 dd) Art. 23 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 e) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 III. Statistische Erfassung der Zustimmungsgesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 1. Der Anteil zustimmungsbedürftiger Bundesgesetze . . . . . . . . . . . . . . . . 78 2. Die quantitative Bedeutung einzelner Zustimmungstatbestände . . . . . 80 IV. Die quantitative und qualitative Bedeutung des Art. 84 Abs. 1 GG . . . . 83 1. Ursachen für die hohe Anzahl der nach Art. 84 Abs. 1 GG zustimmungsbedürftigen Bundesgesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 2. Die qualitative Bedeutung des Art. 84 Abs. 1 GG für die Zustimmungskompetenzen des Bundesrates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 3. Die Bedeutung des Art. 84 Abs. 1 GG im Verhältnis zu den anderen Zustimmungstatbeständen des Grundgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 a) Die finanzverfassungsrechtlichen Zustimmungstatbestände . . . . . . 88 b) Die durch Verfassungsänderungen hinzugekommenen Zustimmungstatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 c) Die vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Zustimmungstatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92

D. Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93

Zweiter Abschnitt Der Bundesrat als politischer Akteur: Das Abstimmungsverhalten und die „Legitimation“ des Bundesrates

98

A. Das Problem der Parteipolitisierung des Bundesrates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 I.

Die Gefahr der Parteipolitisierung des Bundesrates aus der Perspektive des historischen Verfassungsgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100

II. Die Entwicklung des Parteienwettbewerbs in der Bundesrepublik . . . . . . 105 III. Das Problem divergierender Mehrheitsverhältnisse in Bundestag und Bundesrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 IV. Die Erfassung von parteipolitisch motiviertem Abstimmungsverhalten im Bundesrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113

Inhalt

9

B. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit parteipolitisch motivierten Abstimmungsverhaltens im Bundesrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 C. Die „Legitimation“ des Bundesrates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123

Dritter Abschnitt Die Stellung des Art. 84 Abs. 1 GG im bundesstaatlichen Gefüge des Grundgesetzes und sein Regelungsgehalt

129

A. Art. 84 Abs. 1 GG im System funktionaler Kompetenzverteilung . . . . . . . . . I. Verfassungshistorischer Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Frankfurter Reichsverfassung von 1849 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Verfassung des Norddeutschen Bundes von 1867 und die Verfassung des Deutschen Reiches von 1871 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Weimarer Reichsverfassung von 1919 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das Grundgesetz von 1949 und die Entstehungsgeschichte des Art. 84 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Herrenchiemseer Verfassungsentwurf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Verhandlungen im Parlamentarischen Rat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Anmerkungen zur Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

130 132 133

B. Der Anwendungsbereich des Art. 84 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Der Regelfall der Ausführung der Bundesgesetze als eigene Angelegenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Ausführung der Bundesgesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Ausgestaltung der Landeseigenverwaltung durch Art. 84 GG . . . . .

150

C. Die bundesgesetzliche Regelung der Einrichtung der Behörden und des Verwaltungsverfahrens der Länder nach Art. 84 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . I. Die Tatbestandsmerkmale des Art. 84 Abs. 1, HS. 1 GG . . . . . . . . . . . . . 1. Die Einrichtung der Behörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Verwaltungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Begriffsbestimmung und Problemlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beschränkung auf das „allgemeine“ Verwaltungsverfahren . . . . . . 3. Das Tatbestandsmerkmal der „Regelung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Grundlage der Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die Regelung der Einrichtung der Behörden und des Verwaltungsverfahrens der Länder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Annexkompetenz zu den Art. 70 ff. GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Konstitutive Bundesgesetzgebungskompetenz aus Art. 84 Abs. 1 GG III. Besondere Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Bundesgesetzgebungskompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

134 137 140 142 144 146

150 152 154 156 157 157 159 160 164 166

169 170 171 174

D. Ergebnis und Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175

10

Inhalt Vierter Abschnitt Einheitsthese oder Trennungsthese im Anwendungsbereich des Art. 84 Abs. 1 GG

178

A. Die Einheitsthese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Staatspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Durchsetzung der Einheitsthese in der Staatspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Strittige Folgefragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das Meinungsbild im Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. BVerfGE 1, 76 ff. – Gesetz zur Durchführung des Art. 108 Abs. 2 (a. F.) GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. BVerfGE 8, 274 ff. – Preisgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. BVerfGE 24, 184 ff. – Apostille-Beschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. BVerfGE 37, 363 ff. – Viertes Rentenversicherungs-Änderungsgesetz 5. BVerfGE 55, 274 ff. – Ausbildungsplatzförderungsgesetz . . . . . . . . . . 6. BVerfGE 105, 313 ff. – Lebenspartnerschaftsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . 7. BVerfGE 106, 310 ff. – Zuwanderungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Fünftes und Sechstes Hochschulrahmengesetz-Änderungsgesetz . . . . a) BVerfGE 111, 226 ff. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) BVerfGE 112, 226 ff. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

178 179 180 183 188 191

B. Begründungen für die Einheitsthese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Auslegung des Zustimmungserfordernisses in Art. 84 Abs. 1 GG . . . . . . 1. Wortlaut und Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Interpretation unter Heranziehung des Art. 78 GG . . . . . . . . . . . . . . b) Interpretation unter Heranziehung des Art. 77 GG . . . . . . . . . . . . . . c) Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Erstreckung des Zustimmungserfordernisses unter Zugrundelegung der Mitverantwortungsthese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Erstreckung des Zustimmungserfordernisses unter dem Aspekt des Sachzusammenhangs und der Untrennbarkeit von formellem und materiellem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Sinn und Zweck des Zustimmungserfordernisses des Art. 84 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Schutzfunktion des Zustimmungserfordernisses . . . . . . . . . . . . b) Herleitung einer Kompensationsfunktion des Zustimmungserfordernisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Handlungsfähigkeit der Länderexekutiven als Auslegungskriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Die Einheit des Gesetzesbeschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Abweichendes Verfassungsgewohnheitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

223 224 224 225 227 229

194 195 198 203 207 210 213 215 217 219 222

230

232 234 234 240 248 251 254

Inhalt C. Konsequenzen aus der Aufgabe der Einheitsthese für das Gesetzgebungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Gestaltung des Gesetzgebungsverfahrens gem. Art. 77 GG bei Mischgesetzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Möglichkeiten einer differenzierenden Behandlung . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Differenzierung im Beschluss des Bundestages . . . . . . . . . . . . b) Die Differenzierung im Verfahren nach der Zuleitung an den Bundesrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Das Vermittlungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Beschlussfassung des Bundesrates über die Zustimmung und die Einlegung eines Einspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Fallvarianten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Grenzen einer Differenzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ausfertigung und Gegenzeichnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Ausfertigung gem. Art. 82 Abs. 1 Satz 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Prüfungs- und Verwerfungskompetenz des Bundespräsidenten bei formeller Verfassungswidrigkeit des Gesetzes . . . . . . . . . . b) Die Verwerfungskompetenz des Bundespräsidenten bei partieller Verfassungswidrigkeit des Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Gegenzeichnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Konsequenzen aus der Aufgabe der Einheitsthese für die verfassungsgerichtliche Kontrolle von Mischgesetzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Der Umfang der Nichtigerklärung durch das Bundesverfassungsgericht 1. Der Grundsatz der Teilnichtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Ausnahme der Gesamtnichtigerklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Ausgrenzung der Frage der Zustimmungsbedürftigkeit eines Gesetzes durch Interpretation des Antragsgegenstandes der abstrakten Normenkontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Verfahrensgegenstand der abstrakten Normenkontrolle . . . . . . . . 2. Die Beschränkung des Prüfungsumfanges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

11

256 258 260 260 261 261 264 265 267 271 275 275 277 280 284 285 285 286 289

293 294 297

E. Ergebnis und Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298

Fünfter Abschnitt Die an der Zustimmungsbedürftigkeit nach Art. 84 Abs. 1 GG orientierte Teilung von Gesetzen

300

A. Die „aktive“ und „reaktive“ Aufteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 B. Die Staatspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 I. Die gegenteiligen Positionen von Bundesregierung und Bundesrat . . . . . 303 II. Fälle der Aufteilung von Gesetzen in der Staatspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . 304

12

Inhalt 1. Das Regelungspaket zu den Bonner Verträgen aus dem Jahre 1952 . . 2. Der Entwurf des Wehrpflichtgesetzes aus dem Jahre 1956 . . . . . . . . . . 3. Die Mieterschutznovelle von 1971 und das Haushaltsstrukturgesetz von 1975 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Aktuelle Beispiele aus der 14. und 15. Wahlperiode . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Lebenspartnerschaftsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das Gesetz zur Neuordnung des Gentechnikrechts . . . . . . . . . . . . . c) Das Tagesbetreuungsausbaugesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

305 306 307 311 311 311 313

C. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 I. Stellungnahmen des Bundesverfassungsgerichts bis zum Ende der achtziger Jahre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 II. Die Entscheidung zum Lebenspartnerschaftsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 D. Das Meinungsbild im Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 E. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Aufspaltung in den verschiedenen Stadien des Gesetzgebungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die aktive Aufteilung eines Gesetzesvorhabens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die reaktive Aufteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Aufteilung durch die Bundesregierung nach dem sog. ersten Durchgang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Aufteilung im Verlauf der Beratungen im Bundestag . . . . . . . . . . 3. Die Aufteilung im Vermittlungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Anrufung des Vermittlungsausschusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der Umfang der Änderungskompetenz des Vermittlungsausschusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Beeinträchtigung der Mitwirkungskompetenzen des Bundesrates durch Aufspaltung eines Mischgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

321 324 325 326 327 330 330 332 336

F. Ergebnis und Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340

Sechster Abschnitt Der Vorschlag der Bundesstaatskommission für eine Neufassung des Art. 84 Abs. 1 GG A. Die Bundesstaatskommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Initiativen im Vorfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Aufgabe der Kommission nach Maßgabe der Einsetzungsbeschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Aufbau und Arbeitsweise der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zusammensetzung und Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Untergliederung in Arbeits- und Projektgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die beabsichtigten Beschlussempfehlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Das Ende der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

344 344 345 348 349 349 350 351 352

Inhalt B. Art. 84 Abs. 1 GG in der Bundesstaatskommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Ausgangslage zu Beginn der Beratungen und erste Stellungnahmen der Sachverständigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Revision der Einheitsthese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Beschränkung des Zustimmungsrechts des Art. 84 Abs. 1 GG auf wesentliche Eingriffe in die Verwaltungskompetenzen der Länder . . 3. Die Abschaffung der Ingerenzrechte des Bundes nach Art. 84 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Zugriffskompetenz der Länder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Idee der Zugriffsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der neue Kompetenztypus des Zugriffsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Diskussion in der Arbeits- und Projektgruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Der Vorschlag für einen neuen Art. 104a Abs. 3a GG . . . . . . . . . . . . . . . C. Anmerkungen zum Vorschlag für eine Neufassung des Art. 84 Abs. 1 GG . . I. Das Zugriffsrecht der Länder auf organisations- und verwaltungsverfahrensrechtliche Regelungen des Bundes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Konstruktion des Zugriffsrechts in Satz 2, HS. 2 des Art. 84 Abs. 1 – neu – GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeine verfassungspolitische Erwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . b) Allgemeine verfassungstheoretische Bedenken . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Das Problem von Normenkonflikten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Die Umkehrung des „Tauschgeschäftes“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Sperrklausel des Art. 84 Abs. 1 Satz 4 und 5 – neu – GG . . . . . . . . 1. Die Abgrenzung zwischen Einrichtungs- und Verwaltungsverfahrensregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Voraussetzung des „besonderen Bedürfnisses nach bundeseinheitlicher Regelung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Das Zustimmungsrecht des Bundesrates nach Art. 84 Abs. 1 Satz 5 – neu – GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

13 355 356 357 360 361 365 365 368 373 379 384 385 385 386 386 389 391 394 395 396 397 398 403 406 406

D. Anmerkungen zum Zustimmungstatbestand des neuen Art. 104a Abs. 3a GG 408 E. Folgerungen aus dem Scheitern der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411 Schluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 416 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 418 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 449

Abkürzungen a. A. Abg. AblEG Abs. a. F. AG AK a. M. Anm. AöR APlFG APuZ ArchPostFern Art. AtG AU Aufl. BayVBl. BayVGH Bd. Bde. Bearb. Begr. BFH BGBl. I BGBl. II BGH BK BR-Drs. BT-Drs. BVerfG BVerfGE BVerfGG BVerwG BVerwGE

andere(r) Ansicht Abgeordneter Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Absatz, Absätze alte Fassung Arbeitsgruppe Alternativ-Kommentar am Main Anmerkung Archiv des öffentlichen Rechts (Zeitschrift) Ausbildungsplatzförderungsgesetz Aus Politik und Zeitgeschichte. Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament (Zeitschrift) Archiv für Post- und Fernmeldewesen (Zeitschrift) Artikel(n) Atomgesetz Arbeitsunterlage Auflage Bayerische Verwaltungsblätter (Zeitschrift) Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Band Bände Bearbeiter Begründer Bundesfinanzhof Bundesgesetzblatt, Teil 1 Bundesgesetzblatt, Teil 2 Bundesgerichtshof Bonner Kommentar Bundesrats-Drucksache Bundestags-Drucksache Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Gesetz über das Bundesverfassungsgericht Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts

Abkürzungen bzw. ca. CDU CSU d. ders. d. h. dies. diff. DLT DÖV DVBl. DVP EG ErgVerm. etc. EU EuGH EuZW e. V. EVG EWiR f. FAZ FDP ff. FG Fn. FRV FS gem. GG ggf. GGO GO BR GO BT GO VA GS GVBl. HChE

15

beziehungsweise circa Christlich Demokratische Union (Deutschlands) Christlich-Soziale Union (in Bayern) den, der, des derselbe das heißt dieselbe differenzierend Deutscher Landkreistag Die Öffentliche Verwaltung (Zeitschrift) Deutsches Verwaltungsblatt (Zeitschrift) Deutsche Verwaltungspraxis (Zeitschrift) Europäische Gemeinschaften Ergebnisvermerk et cetera Europäische Union Europäischer Gerichtshof Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (Zeitschrift) eingetragener Verein Vertrag über die Gründung einer Europäischen Verteidigungsgemeinschaft Entscheidungen im Wirtschaftsrecht (Zeitschrift) folgende (Seite, etc.) Frankfurter Allgemeine Zeitung Freie Demokratische Partei (Deutschlands) folgende (Seiten, etc.) Festgabe Fußnote(n) Frankfurter Reichsverfassung vom 28. März 1849 Festschrift gemäß Grundgesetz gegebenenfalls Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien Geschäftsordnung des Bundesrates Geschäftsordnung des Bundestages Gemeinsame Geschäftsordnung des Bundestages und des Bundesrates für den Ausschuss nach Artikel 77 GG Gedächtnisschrift Gesetz- und Verordnungsblatt Herrenchiemseer Verfassungsentwurf

16 HdbStR HdbVerfR HessVGH h. M. HRG Hrsg. HS. i. B. i. d. F. i. E. i. e. S. insb. i. S. i. S. d. i. S. v. i. V. m. i. w. S. JA JöR Jura JuS JZ K-Drs. krit. Lfg. LuftVG m. a. W. Mitverf. MPK Mrd. m. w. N. NDV NDVÖPV n. F. NF NJW Nr. NRW NVwZ NVwZ-RR

Abkürzungen Handbuch des Staatsrechts Handbuch des Verfassungsrechts Hessischer Verwaltungsgerichtshof herrschende Meinung Hochschulrahmengesetz Herausgeber Halbsatz im Breisgau in der Fassung im Ergebnis im engeren Sinne insbesondere im Sinne im Sinne des/der im Sinne von in Verbindung mit im weiteren Sinne Juristische Arbeitsblätter (Zeitschrift) Jahrbuch des Öffentlichen Rechts der Gegenwart (Zeitschrift) Jura. Juristische Ausbildung (Zeitschrift) Juristische Schulung (Zeitschrift) Juristenzeitung (Zeitschrift) Kommissionsdrucksache kritisch Lieferung Luftverkehrsgesetz mit anderen Worten Mitverfasser Ministerpräsidentenkonferenz Milliarde(n) mit weiteren Nachweisen Verfassung des Norddeutschen Bundes vom 16. April 1867 Nachrichtendienst des Deutschen Vereins für Öffentliche und Private Fürsorge (Zeitschrift) neue Fassung Neue Folge Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift) Nummer Nordrhein-Westfalen Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (Zeitschrift) Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht, Rechtsprechungsreport (Zeitschrift)

Abkürzungen OLG OVG PAU PDS PG ProtVerm. PV PVS RdJB RGBl. RiA Rn. Rspr. RuP RV S. SachAnhVerfG SGB VIII sog. SPD StenBer. StGB StGH BW SZ u. a. umstr. unveränd. Urt. U. S. usw. u. U. v. v. d. H. VerhdlgHA VersR VGH vgl. Vorb. VSSR VVDStRL VwVfG WiGBl.

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Oberlandesgericht Oberverwaltungsgericht Projektgruppenarbeitsunterlage Partei des Demokratischen Sozialismus Projektgruppe Protokollvermerk Preußische Verfassung von 1919 Politische Vierteljahresschrift (Zeitschrift) Recht der Jugend und des Bildungswesens (Zeitschrift) Reichsgesetzblatt Recht im Amt (Zeitschrift) Randnummer(n) Rechtsprechung Recht und Politik (Zeitschrift) Verfassung des Deutschen Reiches vom 16. April 1871 Seite(n) Verfassungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Sozialgesetzbuch, Band 8 so genannte(r) Sozialdemokratische Partei Deutschlands Stenografischer Bericht Strafgesetzbuch Staatsgerichtshof Baden-Württemberg Süddeutsche Zeitung und andere, unter anderem umstritten(er) unveränderter Urteil United States und so weiter unter Umständen von/vom vor der Höhe Verhandlungen des Hauptausschusses (des Parlamentarischen Rates) Versicherungsrecht (Zeitschrift) Verwaltungsgerichtshof vergleiche Vorbemerkung Vierteljahresschrift für Sozialrecht (Zeitschrift) Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Verwaltungsverfahrensgesetz Wirtschaftsgesetzblatt

18 WP WRV z. B. ZfJ ZfP ZG ZParl ZPO ZRP ZSE z. T. zust.

Abkürzungen Wahlperiode Verfassung des Deutschen Reiches (Weimarer Verfassung) vom 11. August 1919 zum Beispiel Zentralblatt für Jugendrecht (Zeitschrift) Zeitschrift für Politik (Zeitschrift) Zeitschrift für Gesetzgebung (Zeitschrift) Zeitschrift für Parlamentsfragen (Zeitschrift) Zivilprozessordnung Zeitschrift für Rechtspolitik (Zeitschrift) Zeitschrift für Staats- und Europawissenschaften (Zeitschrift) zum Teil zustimmend

Einleitung Als der zum damaligen Zeitpunkt amtierende Bundeskanzler Schröder nach der Wahlniederlage von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen am 22. Mai 2005 ankündigte, auf dem Weg einer „unechten“ Vertrauensfrage die Auflösung des Bundestages herbeizuführen, lagen hinter der von ihm geführten rot-grünen Bundesregierung mehr als sechs Jahre, in denen die Durchsetzung der eigenen politischen Vorhaben, sofern sie in Form zustimmungsbedürftiger Gesetze erfolgen sollte, aufgrund fehlender Mehrheit der Regierungsländer bzw. bestehender Mehrheit der oppositionsregierten Länder im Bundesrat erheblich erschwert war. Zwar sei, wie der damalige Bundeskanzler in seiner Erklärung zum Antrag auf Stellung der „auflösungsgerichteten“ Vertrauensfrage im Bundestag festgestellt wissen wollte, „die Situation im Bundesrat (. . .) nicht nur eine Frage der Mehrheit, sondern (. . .) zunächst einmal eine Frage der Haltung“1. Dass diese durch die Mehrheitsverhältnisse aber erheblich determiniert ist, hatten bereits die vergangenen Jahrzehnte bundesrepublikanischer Geschichte gezeigt. Während ca. 30 Prozent des bisherigen Bestehens der Bundesrepublik – im Zeitraum von 1969 bis Oktober 2005 in ca. 45 Prozent der Zeit – wiesen Bundestag und Bundesrat divergierende Mehrheitsverhältnisse in der Form auf, dass die jeweiligen oppositionsregierten Länder schon rein rechnerisch über eine Mehrheit im Bundesrat verfügten. Phasen, in denen die Opposition im Bundestag faktisch eine Mehrheit im Bundesrat hinter sich bringen konnte, sind dabei noch nicht eingerechnet. Bei einer durchschnittlichen Quote von 50 Prozent zustimmungsbedürftiger Bundesgesetze ist das daraus resultierende Konfliktpotential offenkundig. Dass sich gerade der Bundesrat in der parteipolitischen Auseinandersetzung bis zur Selbstdemontage aufreiben kann, hat zuletzt die Abstimmung über das Zuwanderungsgesetz2 gezeigt. Dass selbst die Resignation der Bundesregierung angesichts einer dauerhaften Oppositionsmehrheit im Bundesrat und daraus resultierender regierungsinterner Konflikte nicht mehr ausgeschlossen ist, zeigt das Ende der zweiten rot-grünen Bundesregierung. 1 Siehe die Wiedergabe der Erklärung des Bundeskanzlers in der 185. Sitzung des Deutschen Bundestages, 1.7.2005, in BVerfG, 2 BvE 4/05 v. 25.8.2005, Absatz-Nr. 43. Siehe auch BVerfGE NJW 2005, 2669, 2669 ff. 2 Vgl. zum Verlauf der 774. Sitzung des Bundesrates am 22.3.2002 die Darstellung in BVerfGE 106, 310, 313 ff.

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Hier scheint sich die Interpretation des bundesdeutschen Regierungssystems durch den Politikwissenschaftler Katzenstein zu bestätigen, der im Hinblick auf die Bedingungen des Regierens im Innern die Bundesrepublik als „semisouveränen Staat“ beschrieben hat.3 Innerhalb der Familie der parlamentarischen Demokratien verkörpert sie nach Katzenstein ein Modell, das durch eine nahezu einmalige Vielfalt und Stärke von potentiellen Vetospielern regierender Mehrheiten gekennzeichnet ist.4 Diese Vetospieler – wie der Bundesrat, aber auch das Bundesverfassungsgericht oder auf nicht-staatlicher Ebene auch Interessenverbände – bewirken, dass das Durchsetzungsvermögen deutscher Bundesregierungen in bestimmten Konstellationen empfindlich eingeschränkt ist. Rückt aber das „Regieren“ als Grundvoraussetzung für Reformfähigkeit in den Vordergrund, stehen die Vetospieler unter besonders kritischer Beobachtung. Angesichts des in den letzten Jahren eingetretenen erhöhten Problem- und daraus resultierenden Reformdrucks hat sich das traditionell hohe Konsensniveau politischer Entscheidungen in der Bundesrepublik von einem stabilisierenden bzw. integrierenden Faktor5 zu einem nicht nur in der öffentlichen Wahrnehmung handfesten Nachteil entwickelt. Die permanente Notwendigkeit, Kompromisse herbeizuführen, wirkt destabilisierend und desintegrierend. Die anstehenden, von Scharpf, dem wohl besten Kenner der Erscheinungsformen der Politikverflechtung in der Bundesrepublik, in den Verhandlungen der Bundesstaatskommission prägnant zusammengefassten drängenden „Aufgaben der Sanierung und des grundlegenden Umbaus der sozialen Sicherungssysteme“ sowie die „wesentlich verschärften Herausforderungen des internationalen Wettbewerbs, des Standortwettbewerbs innerhalb der Europäischen Union und der lang anhaltenden und immer noch steigenden Unterbeschäftigung in diesem Land“6 sind mit dem konsensualen Verfahren, das die Bundesgesetzgebung gerade in Zeiten divergierender Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat beherrscht, offenbar nicht mehr in der gebotenen Schnelligkeit zu bewältigen.7 Eine „Politik des 3 Vgl. Katzenstein, Semisovereign State, S. XXIII, 82 und insb. S. 3 ff., 17 ff., 22 ff., 45 ff., 80 ff. Völkerrechtliche Konnotationen sind mit dem Begriff „semisovereign“ nicht verbunden. 4 Vgl. auch Tsebelis, British Journal of Political Science 25 (1997), 289, 289 ff. 5 Siehe in diesem Sinne noch Ossenbühl, DVBl. 1989, 1230, 1235: „Die Bedeutung des Bundesrates für die Stabilisierung unseres politischen Systems ist trotz aller bestehenden Möglichkeiten seiner politischen Instrumentalisierung unbestritten. Mit dem Bundesrat hat der Verfassungsgeber eine goldene Hand bewiesen. Die in dieser Institution steckende Notwendigkeit zum Konsens in wichtigen politischen Fragen zwischen allen großen Parteien hat uns vor einem politischen Zick-ZackKurs bewahrt.“ 6 Scharpf, 3. Sitzung der Kommission, 12.12.2003, StenBer., S. 64. 7 Vgl. auch Volkmann, DÖV 1998, 613, 613.

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kleinsten gemeinsamen Nenners“ verhindert grundlegende Reformen und produziert eine Intransparenz von Verantwortlichkeit. Die Handlungsfähigkeit des Bundes, d. h. der Bundesregierung und der Regierungsmehrheit im Bundestag, zu erhöhen, ist daher einer der entscheidenden Impulse für die geplante Reform des Bundesstaates. Diese wird im Bereich der Gesetzgebung im Ergebnis in (verfassungsrechtlich) relevanter Weise – abgesehen von der Kontrolle durch das Bundesverfassungsgericht – effektiv nur durch die Zustimmungskompetenzen des Bundesrates beschnitten. Die in Zeiten divergierender Mehrheiten nicht mehr verstummende Kritik an der „Zweiten Kammer“ und ihrer parteipolitisch motivierten „Blockadehaltung“ gipfelte in der Presse bisweilen in der Feststellung, die Mitwirkung des Bundesrates an Gesetzgebung und Verwaltung sei „grober Unfug“8 und daher zu streichen. Kontroversen über die verfassungskonforme und funktional angemessene Rolle des Bundesrates hat es seit Inkrafttreten des Grundgesetzes gegeben; schon früh wurde die Ausweitung der Zustimmungsbedürftigkeit von Bundesgesetzen und damit der Vetopositionen des Bundesrates diskutiert. Nach einem kurzen Zwischenspiel in den fünfziger Jahren brach dieser schon seit langer Zeit schwelende Streit unter der sozial-liberalen Regierungskoalition in den siebziger Jahren offen aus. Diese sah sich bald nach dem Regierungsantritt einer Oppositionsmehrheit im Bundesrat gegenüber. Die Möglichkeiten der Instrumentalisierung der „Zweiten Kammer“ als Blockademittel der Opposition wurden in dieser Situation in ihrer Reichweite zum ersten Mal voll erfasst. Der seit Beginn der Staatspraxis wahrnehmbare, zu diesem Zeitpunkt in seiner Bedeutung aber erst vollständig zutage tretende „Machtzuwachs des Bundesrates stellt sicherlich eines der auffälligsten Phänomene in der Entwicklung des deutschen Föderalismus dar“9. Dieser Machtzuwachs ist aber eingebettet in und bedingt durch die Entwicklung des Bundesstaates10 (nicht erst) seit 1949.11 8 So Darnstädt, in: Der Spiegel, Nr. 20/2003, S. 43. Siehe früher schon Hennis, in: FAZ v. 14.8.1997, S. 5: „Fehlkonstruktion“. Vgl. auch Papier, in: FAZ v. 27.11.2003, S. 5, der in diesem Beitrag die Existenz des Bundesrates an sich in Frage stellt und die Schaffung eines Senats vorschlägt. Siehe hierzu Grimm, 2. Sitzung der Kommission, 28.11.2003, StenBer., S. 41. 9 Papier, DVP 2005, 1, 2. Siehe schon Hesse, Der unitarische Bundesstaat, S. 22. 10 Zum Verhältnis der Begriffe „Bundesstaat“ und „Föderalismus“ siehe z. B. Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 20 Rn. 24 f. m. w. N. Siehe insb. auch Deuerlein, S. 9 ff. Vgl. auch Benz, in: PVS Sonderheft 32/2001, S. 9, 13 ff. Bundesstaatlichkeit ist ein Ziel bzw. eine Erscheinungsform des Föderalismus im staatstheoretischen oder politischen Sinne. Dieser bezeichnet ein Organisationsprinzip, nach dem sich Staaten zu einer übergeordneten Einheit zusammenschließen. Der Begriff Föderalismus wird im Unterschied zum politischen oder staatstheoretischen Verständnis aber auch in einem staatsrechtlichen Sinne verwandt; dann be-

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Platziert im – von Dolzer als solches bezeichneten – „dreipoligen Kräftefeld des Föderalismus, des Parlamentarismus und des Parteiwesens“12 ist der Bundesrat seit Inkrafttreten des Grundgesetzes in den Brennpunkt einer Entwicklung des bundesstaatlichen Gefüges geraten, deren Erscheinungsformen in der verfassungsrechtlichen bzw. politikwissenschaftlichen Literatur zunächst mit den Begriffen des „unitarischen Bundesstaates“13, des „kooperativen Föderalismus“14 und – in seiner negativen Ausprägung – der „Politikverflechtung“15 erfasst und in neuerer Zeit unter Schlagworten wie „Beteiligungsföderalismus“16 oder „mehrheitsbestimmter Verbundsföderalismus“17 zusammengefasst wurden. Früh nach Inkrafttreten des Grundgesetzes kam es im Rahmen des von Hesse im Jahre 1962 in seiner bahnbrechenden Schrift zum modernen deutschen Bundesstaat mit dem Begriff der Unitarisierung bezeichneten Prozesses zu einer Konzentration des Schwergewichts der staatlichen Aufgaben beim Bund.18 Derartige Zentralisierungstendenzen hatte es auch in der Kaiserzeit und der Weimarer Zeit gegeben.19 Nach 1949 brachen sie sich weiterhin – unter der mächtigen Wirkung eines Leitbildes der „Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse“20 – anscheinend unaufhaltsam Bahn.21 Dass auch weite Teile der deutschen Staatsrechtswissenzeichnet er die konkrete Ausgestaltung der Bundesstaatlichkeit und föderalen Gewaltenbalancierung in der betreffenden (Bundes-)Verfassung. Im letzteren Sinne wird der Begriff „Föderalismus“ in dieser Arbeit überwiegend verwendet. 11 Siehe hierzu neben den im Folgenden genannten auch Lehmbruch, in: PVS Sonderheft 32/2001, S. 53, 58 ff. 12 Dolzer, VVDStRL 58 (1999), 7, 9. 13 Hesse, Der unitarische Bundesstaat, S. 14. 14 Siehe z. B. Kewenig, AöR 93 (1968), 433, 433 ff.; Kunze, Kooperativer Föderalismus, S. 1 ff., 49 ff., 74 ff., 105 ff. und die Anhänge, S. 135 ff.; Hesse, in: FS G. Müller, S. 141, 142 f., 150 ff. Zur Herkunft des Begriffs siehe auch Bothe, S. 2 ff. 15 Siehe z. B. Scharpf, Politikverflechtungsfalle, S. 11 ff.; von Beyme, S. 366 ff. Vgl. aus der älteren Literatur Scharpf/Reissert/Schnabel, Politikverflechtung, S. 7 ff. 16 Böckenförde, in: FS Schäfer, S. 182, 191. 17 Dolzer, VVDStRL 58 (1999), 7, 19. 18 Vgl. Hesse, Der unitarische Bundesstaat, S. 14 ff.; Isensee, AöR 115 (1990), 248, 250; Gramm, AöR 124 (1999), 212, 215; Sachs, in: Sachs, Art. 20 Rn. 56 ff. Vgl. auch Ossenbühl, DVBl. 1989, 1230, 1233 ff.; Grimm, in: 50 Jahre Grundgesetz, S. 39, 53 f. 19 Vgl. nur Hesse, Der unitarische Bundesstaat, S. 13. 20 Vgl. nur Oeter, S. 9, 14. Siehe schon Hesse, Der unitarische Bundesstaat, S. 13. 21 Siehe zu den Ursachen Hesse, Der unitarische Bundesstaat, S. 13: „Heute ist der Kreis der Aufgaben, die ihrer Natur nach am besten im einzelnen Landesbereich erfüllt werden können, eng zusammengeschmolzen. Das steigende Gewicht von Technik, Wirtschaft und Verkehr, die gewachsenen Verflechtungen und Interdependenzen des wirtschaftlichen und sozialen Lebens wie die gestiegenen Planungs-, Lenkungs- und Verteilungsaufgaben, welche dadurch hervorgerufen worden sind: kurz, die Entwicklung zum sozialen Rechtsstaat verlangt nach Einheitlichkeit und

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schaft traditionell in genuin unitarischen Kategorien dachten und die verfassungsrechtliche Diskussion um die Entwicklung des modernen Bundesstaates dahingehend beeinflussten, hat Oeter in seiner Untersuchung zur Bundesstaatstheorie unter dem Grundgesetz überzeugend nachgewiesen.22 Erscheinungsformen der zu beobachtenden Konzentrationsentwicklung sind im Bereich der Gesetzgebung eine nahezu vollständige Ausschöpfung der konkurrierenden und der Rahmengesetzgebungskompetenzen durch den Bund.23 Die – ohnehin allein auf Drängen der Alliierten in dieser als „verschärft“ gedachten Form in das Grundgesetz eingefügte24 – Bedürfnisklausel des Art. 72 Abs. 2 a. F. GG erwies sich in ihrer Auslegung durch das Bundesverfassungsgericht im Ergebnis als wirkungslose Beschränkung.25 Hinzu trat eine durch Verfassungsänderungen erfolgende Erweiterung der konkurrierenden und der Rahmengesetzgebungskompetenzen des Bundes insbesondere in den sechziger und siebziger Jahren.26 Die Gesetzgebung der Länder ist auf diese Weise auf die bekannten Reservate geschrumpft.27 Im Bereich der Verwaltung bzw. der vollziehenden Gewalt zeichnete sich ein vergleichbarer Ausbau der Bundesverwaltung, insbesondere über das „verfassungsrechtliche Ventil“28 des Art. 87 Abs. 3 Satz 1 GG ab.29 Auch dehnte der Bund seine Tätigkeit im Bereich der nicht-gesetzesakzessorischen Verwaltung aus.30 Durch die massive Inanspruchnahme gerade der Ingerenzrechte nach Art. 84 Abs. 1 GG, aber auch nach Art. 84 Abs. 2 GG hat der Bund zudem den Verwaltungsvollzug durch die Länder in erheblichem Umfang determiniert.31 Gleichmäßigkeit, eine Notwendigkeit, die durch die Folgen der Katastrophe von 1945 noch verstärkt worden ist (. . .).“ 22 Vgl. Oeter, insb. S. 2 ff., 145 ff.; 532 ff. 23 Zur Bedeutung der Auslegung der Übergangsbestimmung des Art. 125 GG durch das Bundesverfassungsgericht in BVerfGE 1, 283, 292 ff.; 7, 18, 25 ff.; 9, 153, 157 ff. siehe Oeter, S. 201 ff., 229 ff. Nach der Rechtsprechung des Gerichts entfaltete das überlieferte Reichsrecht, das in den Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung fiel, unabhängig von den Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 a. F. GG eine Sperrwirkung gegenüber Landesrecht. 24 Vgl. hierzu Oeter, S. 125 f. m. w. N. 25 Vgl. Oeter, S. 201 ff., 411 ff. m. w. N. 26 Vgl. den Schlußbericht der Enquete-Kommission, Zur Sache 2/77, S. 53 ff. Siehe auch Ossenbühl, DVBl. 1989, 1230, 1233. 27 Siehe ausführlich Eicher, Landesparlamente, S. 76 ff. 28 Köttgen, JöR NF 3 (1954), 67, 74. 29 Vgl. Hesse, Der unitarische Bundesstaat, S. 17. Siehe auch Britz, DVBl. 1989, 1167, 1168 ff.; Oeter, S. 276 ff. 30 Vgl. Böckenförde, in: FS Schäfer, S. 182, 184. Siehe bereits Hesse, Der unitarische Bundesstaat, S. 17. 31 Vgl. zur Unitarisierung im Bereich der Verwaltung schon früh Köttgen, JöR NF 3 (1954), 67, 71 ff., 78 ff. Siehe dann Oeter, S. 12, 166 ff.

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Neben die Konzentration der Aufgaben beim Bund trat im Bereich der Aufgaben der Länder eine fortschreitende Selbstkoordinierung zum einen von Bund und Ländern, insbesondere aber der Länder untereinander (sog. „Dritte Ebene“), die zu einer gleichförmigen Wahrnehmung der den Ländern verbleibenden Kompetenzen führte.32 Das Zusammenwirken im „kooperativen Bundesstaat“ wurde institutionalisiert und (soweit erforderlich) verfassungsmäßig legalisiert.33 Auch dort, wo den Ländern ausschließliche Gesetzgebungskompetenzen zustehen, existieren eine weitgehende Harmonisierung, Koordinierung von Rechtsetzung und Wahrnehmung der Aufgaben, die sich auch, aber nicht allein – darauf hat schon Hesse hingewiesen – aus dem Bestreben erklären lassen, einer bundeseinheitlichen Regelung zuvorzukommen.34 Für die Länder bedeutet auch diese Kooperation eine weitere Aushöhlung ihrer politischen Substanz. Die Landtage geraten regelmäßig in die bekannte Ratifikationslage, wenn der Spielraum zur selbständigen gesetzgeberischen Gestaltung durch Vorentscheidungen auf anderer Ebene, d. h. in der Regel auf Exekutivebene, beschnitten ist.35 Das politische Gewicht in den Ländern verlagert sich damit auf die Länderexekutiven. Auch auf Bundesebene befördert der kooperative Föderalismus, das „weitausgreifende Verbundsystem in der Wahrnehmung der Aufgaben und Zuständigkeiten“36, den Prozess der Entparlamentarisierung. Am Ende dieser Entwicklung steht ein „Regierungen-Bundesstaat“37 mit der Folge der Verkomplizierung des politischen Entscheidungsprozesses und der Tendenz zur Einigung auf den kleinsten gemeinsamen Nenner, die in ihrer negativen Auswirkung schließlich als „Politikverflechtung“ gebrandmarkt wurde. Die Schlüsselstellung in diesem unitarischen kooperativen „RegierungenBundesstaat“ kommt dem Bundesrat zu. Er ist das „Herzstück eines Kompensationsgeschäfts ganz eigener Art im Verhältnis von Bund und Ländern“38. Seine Bedeutung, so schon Hesse, lasse sichtbar werden, welche 32 Siehe hierzu z. B. Schneider, VVDStRL 19 (1961), 1, 6 ff.; Grawert, Verwaltungsabkommen, S. 21 ff.; Kisker, Kooperation im Bundesstaat, insb. S. 49 ff., 135 ff.; Scharpf, in: 40 Jahre Bundesrat, S. 121, 121 ff. Vgl. auch Oeter, S. 259 ff. m. w. N. 33 Vgl. Böckenförde, in: FS Schäfer, S. 182, 182 f. Die verfassungsrechtliche Institutionalisierung des Zusammenwirkens zwischen Bund und Ländern erfolgte insb. in Form der ausdrücklichen (Art. 91a, b GG) und indirekten (Art. 104a Abs. 4 GG) Gemeinschaftsaufgaben. Siehe hierzu z. B. Kisker, Kooperation im Bundesstaat, S. 282 ff. Siehe auch Pietzcker, in: Zusammenarbeit, S. 17, 20 ff. 34 Vgl. Hesse, Der unitarische Bundesstaat, S. 20. 35 Vgl. Böckenförde, in: FS Schäfer, S. 182, 186; Ossenbühl, DVBl. 1989, 1230, 1235. 36 Böckenförde, in: FS Schäfer, S. 182, 183. 37 Böckenförde, in: FS Schäfer, S. 182, 186. 38 Oeter, S. 265.

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Charakterzüge, „die Eigenart heutiger bundesstaatlicher Ordnung entscheidend prägen“39. In dieser verlagert sich die politische Wirksamkeit der Länder zunehmend auf ihre Beteiligung an den Angelegenheiten des Bundes im Bundesorgan Bundesrat.40 Diesem ist es durch eine extensive Auslegung seiner Zustimmungsrechte gelungen, in erheblichem Umfang Einfluss auf die Bundesgesetzgebung auszuüben. Der verfassungsrechtliche Angelpunkt hierfür war und ist Art. 84 Abs. 1 GG.41 Der Bundesrat nutzte früh den Umstand, dass der Bundesgesetzgeber sich im unitarischen Bundesstaat nicht mit der Normierung einheitlich geltender materiell-rechtlicher Bestimmungen zufrieden gab, sondern regelmäßig auch einheitliches Organisations- und Verwaltungsverfahrensrecht erließ und erlässt, zur Ausweitung seiner Vetoposition. Mittels der Einheitsthese und ihrer Folge der einheitlichen Behandlung eines auch nur einzelne zustimmungsbedürftige Normen enthaltenden Gesetzes als Zustimmungsgesetz im Gesetzgebungsverfahren dehnte der Bundesrat – bald mit dem Segen des Bundesverfassungsgerichts – sein Vetorecht effektiv auf die materiell-rechtlichen Bestimmungen der entsprechenden Bundesgesetze aus. Die „Logik des unitarischen Bundesstaates“, so Hesse, sei „hier auf der Seite des Bundesrates“42. Sie produziert eine Verflechtung von Bund und Ländern, die nicht einseitig hierarchisch, sondern zweiseitig ist; die verstärkte Einflussnahme der Landesregierungen über den Bundesrat fördert eine wechselseitige Abhängigkeit auch des Bundes von den Ländern43; der „Beteiligungsföderalismus“44 entsteht. Der Streit darüber, ob die einheitliche Behandlung eines „Mischgesetzes“, d. h. eines sowohl zustimmungsbedürftige als auch „an sich“ zustimmungsfreie Vorschriften enthaltenden Gesetzes, verfassungsrechtlich tatsächlich gefordert ist, soll hier jedoch nicht, wie dies bei Hesse der Fall ist, allein mit dem Hinweis auf die „innere Logik“ des modernen Bundesstaates schlicht auf sich beruhen lassen werden. Auch wird in der vorliegenden Arbeit der Ansicht Herzogs nicht gefolgt, der davon ausgeht, dass es sich bei der hohen Zahl zustimmungsbedürftiger Bundesgesetze „um einen Fehler [handelt], der im Grundgesetz von vornherein angelegt war 39

Hesse, Der unitarische Bundesstaat, S. 22. Vgl. Hesse, Der unitarische Bundesstaat, S. 14. Siehe schon Smend, Verfassung und Verfassungsrecht, S. 169 f.: „(. . .) diese Beteiligung an der Reichsgewalt ist ein Ersatz für die ihnen [den Ländern] selbst verloren gegangene Staatsgewalt, aber in dieser Beteiligung führen sie ein weiteres Stück politischen Lebens, auch hier verwirklichen sie ihre Staatsnatur.“ 41 Vgl. Hesse, Der unitarische Bundesstaat, S. 22; Böckenförde, in: FS Schäfer, S. 182, 184. Vgl. auch Dolzer, VVDStRL 58 (1999), 7, 15. 42 Hesse, Der unitarische Bundesstaat, S. 23. 43 Vgl. auch Neunreither, S. 92 ff., 101. 44 Böckenförde, in: FS Schäfer, S. 182, 191. 40

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und den man schon ausdrücklich beheben müßte, um hier Remedur zu schaffen“45. Vielmehr soll im Folgenden versucht werden, einen Ausweg aus der nachweisbar „verfassungsungewollten“, aus Art. 84 Abs. 1 GG resultierenden Verflechtung durch Auslegung zu weisen. Damit wird allein für einen spezifischen, wenn auch wesentlichen Aspekt des Problems der „Politikverflechtung“ eine Lösung angeboten.46 Andere „Fehlentwicklungen“ des modernen Bundesstaates bleiben prekär.47 Um ihrer Herr zu werden und dem „aus der Symmetrie“48 und in eine „bedrohliche Schieflage“49 geratenen bundesrepublikanischen Föderalismus wieder Stabilität zu verleihen, bedarf es einer grundlegenden Bundesstaatsreform, die – neben den fortwirkenden Folgen der Wiedervereinigung – auch die Auswirkungen der europäischen Integration auf den Bundesstaat des Grundgesetzes50 bewältigen muss. Voraussetzung dafür, dass diese – trotz aller Bekundungen eines umfassenden Reformwillens von Seiten der politischen Akteure – nicht Stückwerk bleibt, ist aber unter anderem, dass sich der verfassungsändernde Gesetzgeber Klarheit insbesondere darüber verschafft, welche Bedeutung die – in weiten Teilen auch der Erwartungshaltung der Bevölkerung entsprechende51 – „Einheitlichkeit“ oder „Gleichwertigkeit“ der Lebensverhältnisse im Bundesstaat hat bzw. haben soll und welche Folgerungen für die Kompetenzverteilung zwischen dem Gesamtstaat und den Gliedstaaten hieraus abzuleiten sind.52 Hiervon dürfte auch der Erfolg der Umsetzung der im Koalitionsvertrag niedergelegten Vorschläge der Koalitionsarbeitsgruppe zur Föderalismusreform für eine 45

Herzog, Strukturmängel, S. 110. Vgl. z. B. Grimm, 2. Sitzung der Kommission, 28.11.2003, StenBer., S. 40: „Zu den Fehlentwicklungen gehört insbesondere die Überflechtung von Bund und Ländern. Sie hat verschiedene Wurzeln. Die kräftigste Wurzel ist sicherlich das Zustimmungsrecht des Bundesrates.“ 47 Vgl. ausführlich hierzu die ausführliche „Schwachstellenanalyse“ bei Sanden, Weiterentwicklung der föderalen Strukturen, S. 219 ff. mit Vorschlägen für eine Bundesstaatsreform ab S. 529 ff., 1039 ff. 48 Althaus, 1. Sitzung der Kommission, 7.11.2003, StenBer., S. 1. 49 Thierse, 1. Sitzung der Kommission, 7.11.2003, StenBer., S. 2. 50 Siehe hierzu nur Ossenbühl, DVBl. 1989, 1230, 1236 f. 51 Vgl. Ossenbühl, DVBl. 1989, 1230, 1234. 52 Vgl. Böckenförde, in: FS Schäfer, S. 182, 194 zu den Möglichkeiten der Entflechtung durch Verfassungsänderung: „Es ist allerdings fraglich, ob die politischen Voraussetzungen für einen solchen Weg in einem absehbaren Zeitraum überhaupt gegeben sein werden. (. . .). Denn eine solche Rückbildung (. . .) würde (. . .) notwendig auch das Postulat der ‚Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse‘ berühren. Dessen Infragestellung würde aber – bei der fundamentalen Bedeutung dieser Erwartungshaltung im Bewußtsein der Bürger – aller Voraussicht nach der bundesstaatlichen Ordnung die entscheidende Legitimation entziehen. Wenn dies aber so ist, bleibt keine Alternative.“ Siehe auch Ossenbühl, DVBl. 1989, 1230, 1236. 46

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Neuordnung bundesstaatlicher Kompetenzverteilungsnormen entscheidend abhängen. Die vorliegende Arbeit bewegt sich jedoch – der entwickelten Fragestellung folgend – auf dem Boden der (noch) geltenden Verfassungsrechtslage. Sie gliedert sich wie folgt: Im ersten Abschnitt wird zunächst Grundlegendes zur Mitwirkung des Bundesrates bei der Gesetzgebung des Bundes kurz dargestellt. Nach einer systematischen Erfassung der Zustimmungsgesetze, die beim Ausgangsbestand des Grundgesetzes ansetzen muss, werden Stellung und Bedeutung des in Art. 84 Abs. 1 GG normierten Zustimmungstatbestandes im – insbesondere durch Verfassungsänderungen erweiterten – Katalog zustimmungsbedürftiger Bundesgesetze dargestellt und wird seine „Schlüsselstellung“53 in quantitativer und qualitativer Hinsicht herausgearbeitet. Im zweiten Abschnitt werden der in erheblichem Umfang auf die Handhabung des Art. 84 Abs. 1 GG zurückzuführende Machtzuwachs des Bundesrates und seine „neue“ Rolle als politischer Akteur in den Blick genommen. Das hier in erster Linie aus verfassungsrechtlicher Sicht behandelte Problem der Zustimmungsbedürftigkeit von Bundesgesetzen soll zumindest im Hinblick auf einige der relevanten Aspekte auch in seinem verfassungspolitischen Kontext beleuchtet werden. Die „Parteipolitisierung“ des Bundesrates gilt es, in ihren Ursachen wenigstens kurz zu erfassen und einer verfassungsrechtlichen Beurteilung in Bezug auf Möglichkeiten der Entschärfung des aus dem erheblichen Umfang von Vetopositionen des Bundesrates resultierenden Verflechtungsproblems zu unterziehen. Die sich hieran anschließende Frage nach der „Legitimation“ des Bundesrates führt zu grundlegenden Feststellungen hinsichtlich der Interpretation der Zustimmungstatbestände des Grundgesetzes und damit auch des Art. 84 Abs. 1 GG. Einer Interpretation des Zustimmungstatbestandes des Art. 84 Abs. 1 GG muss aber eine Darstellung der verfassungssystematischen Stellung der Norm insgesamt im bundesstaatlichen Kompetenzgefüge vorausgehen. Diese erschließt sich vollständig nur aus einer historischen und entstehungsgeschichtlichen Betrachtungsweise. Auch über die Voraussetzungen des in Art. 84 Abs. 1 GG normierten Vorbehalts bundesgesetzlicher Regelung – über seinen Anwendungsbereich und den Inhalt der Tatbestandsmerkmale, die Herleitung der Gesetzgebungskompetenz des Bundes und möglicherweise begründbare Einschränkungen ihrer Inanspruchnahme – gilt es, sich zu vergewissern. Dies ist Gegenstand des dritten Abschnitts der vorliegenden Arbeit. 53 Haas, AöR 80 (1955/56), 81, 81. Vgl. auch Antoni, AöR 113 (1988), 319, 332: „Schlüsselfunktion“.

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Nach einer Darstellung der Entstehung und Entwicklung der Einheitsthese in Staatspraxis, Literatur und Rechtsprechung wird diese für den Zustimmungstatbestand des Art. 84 Abs. 1 GG der verfassungsrechtlichen Prüfung unterzogen. Die vorliegend im Ergebnis für richtig gehaltene, zu einer „Trennungsthese“ führende Auslegung muss dann Antwort geben auf die Frage nach den Folgen der Abkehr von der Einheitsthese für das Gesetzgebungsverfahren, einschließlich der Ausfertigung von Mischgesetzen, und die Frage nach den Auswirkungen einer Trennungsthese auf die verfassungsgerichtliche Kontrolle. Die hier für denkbar gehaltene erfolgreiche Praktizierung einer Trennungsthese wird im fünften Abschnitt dem für die Regierungsmehrheit zurzeit existierenden „Ausweg“ aus den Folgen der geltenden Einheitsthese, d. h. der Aufteilung von Gesetzen in zustimmungsfreie und (nach Art. 84 Abs. 1 GG) zustimmungsbedürftige Teile, gegenübergestellt. In welchem Ausmaß die Etablierung einer Trennungsthese gegenüber der Aufspaltung von Gesetzen ein „Mehr“ an Entflechtung bewirken kann, ist dabei eine der zu beantwortenden Fragen. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Gesetzesaufspaltung an sich ist zwar weitgehend, aber nicht vollständig geklärt. Dazu soll hier zumindest ein Beitrag geleistet und gleichzeitig eine weitere, bisher kaum in Anspruch genommene Entflechtungsoption aufgezeigt werden. Der sechste Abschnitt behandelt schließlich die von der Kommission zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung vorgeschlagene Neufassung des Art. 84 Abs. 1 GG und die zu „Kompensationszwecken“ geplante Neuregelung des Art. 104a Abs. 3a GG, die im Koalitionsvertrag der schwarzroten Bundesregierung jeweils noch eine Modifizierung erfahren haben. Inwieweit die in der vorliegenden Arbeit entwickelte Trennungsoption zumindest teilweise auch bei einer Verwirklichung der Vorschläge zur Verfassungsänderung noch einen Anwendungsbereich finden kann, ist dabei eines der zu erörternden Probleme. Die Frage nach dem „Scheitern“ der Bundesstaatskommission an einer grundlegenden, die „verfassungsungewollte“ Verflechtung erfolgversprechend abbauenden Reformierung des Art. 84 Abs. 1 GG und nach den Ursachen hierfür führt dabei wiederum zurück auf die Einheitsthese und ihre Wirkmächtigkeit im unitarischen kooperativen Regierungen-Bundesstaat, im Beteiligungsföderalismus der Gegenwart.

Erster Abschnitt

Die Mitwirkung des Bundesrates bei der Gesetzgebung durch Zustimmungsrechte und die Bedeutung des Zustimmungstatbestandes des Art. 84 Abs. 1 GG A. Die Mitwirkung der Länder durch den Bundesrat Gem. Art. 50 GG wirken die Länder durch den Bundesrat bei der Gesetzgebung und Verwaltung des Bundes und in Angelegenheiten der Europäischen Union mit.1 Art. 50 GG umschreibt damit in allgemeiner Form die Aufgaben des Bundesrates als eines der Verfassungsorgane des Bundes.2 Die Kompetenzen des Bundesrates sind in anderen Verfassungsbestimmungen geregelt; die verfassungsrechtliche Qualität der „Mitwirkung“ ergibt sich erst in Ansehung der einschlägigen Kompetenznorm.3 Aus der Funktions- und Aufgabenbeschreibung des Art. 50 GG selbst lassen sich Befugnisse des Bundesrates nicht herleiten.4 1 Art. 50 GG wurde um den Zusatz „und in Angelegenheiten der Europäischen Union“ ergänzt durch das 38. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes v. 21.12.1991 (BGBl. I, S. 2086). Die Neuformulierung ist insoweit missverständlich, als sie die Mitwirkung des Bundesrates um eine neue Form zu erweitern scheint. Vgl. dazu Krebs, in: v. Münch/Kunig, Art. 50 Rn. 12; Korioth, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, Art. 50 Rn. 21. 2 Vgl. dazu BVerfGE 1, 299, 311; 8, 104, 120. Art. 50 GG spricht von der „Mitwirkung“ des Bundesrates. Damit soll die „Teilhabe an den organisatorisch ausdifferenzierten Entscheidungsprozessen des Bundes“ zutreffend umschrieben sein. Vgl. Korioth, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 50 Rn. 20; Krebs, in: v. Münch/Kunig, Art. 50 Rn. 7. 3 Vgl. Korioth, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 50 Rn. 20; Krebs, in: v. Münch/Kunig, Art. 50 Rn. 7. 4 Vgl. Korioth, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 50 Rn. 1; Krebs, in: v. Münch/ Kunig, Art. 50 Rn. 2; Blumenwitz, in: BK, Art. 50 Rn. 17; Pieroth, in: Jarass/ Pieroth, Art. 50 Rn. 2. Im Parlamentarischen Rat bestand Einmütigkeit über den deklaratorischen Charakter der Bestimmung. Vgl. die Nachweise bei von Doemming, JöR NF 1 (1951), 381 f. Siehe auch Korioth, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 50 Rn. 1; für eine konstitutive Funktion des Art. 50 GG, soweit er „die Existenz des Bundesrates als solchen anordnet“, Robbers, in: Sachs, Art. 50 Rn. 8; Bauer, in: Dreier, Art. 50 Rn. 14; Blumenwitz, in: BK, Art. 50 Rn. 17.

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1. Abschn.: Die Mitwirkung des Bundesrates bei der Gesetzgebung

Trotz der Formulierung des Art. 50 GG – „wirken die Länder (. . .) mit“ – ist der Bundesrat kein Organ der Länder, sondern ein Bundesorgan.5 Die Entscheidungen des Bundesrates sind dem Bund zuzurechnen; die von ihm wahrzunehmenden Aufgaben sind Bundesaufgaben.6 Als Bundesorgan ist der Bundesrat nicht nur zur Geltendmachung föderaler Belange angehalten, sondern auch zur Wahrung der bundesstaatlichen Gesamtverantwortung des Bundes verpflichtet.7 Der Bundesrat als „föderatives Organ“8 ist die im Grundgesetz vorgesehene organisatorische Ausprägung des Bundesstaates (Art. 20 Abs. 1 GG).9 Der Bundesrat wird nicht aus „den“ Ländern gebildet, sondern besteht aus den Mitgliedern der Landesregierungen (Art. 51 Abs. 1 GG). Er ist ein kollegiales Verfassungsorgan.10 Die Länder wirken, so hat es das Bundesverfassungsgericht zuletzt in seinem Urteil über das Zuwanderungsgesetz formuliert, „nicht unmittelbar, sondern vermittelt durch die aus dem Kreis der Landesregierungen stammenden Mitglieder des Bundesrates“11 mit. Sie werden durch ihre anwesenden Bundesratsmitglieder vertreten. Indem das Grundgesetz bei der Beteiligung der Einzelstaaten an der Willensbildung des Zentralstaates dem Ratsprinzip, und nicht dem Senatsprinzip folgt12, steht es in der Verfassungstradition des deutschen Bundesstaates seit 1867/71.13

5 Dies ist heute unumstritten. Vgl. Korioth, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 50 Rn. 13; Stern, Staatsrecht II, S. 125; Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 50 Rn. 5; Robbers, in: Sachs, Art. 50 Rn. 6; Krebs, in: v. Münch/Kunig, Art. 50 Rn. 5; Blumenwitz, in: BK, Art. 50 Rn. 3; Bauer, in: Dreier, Art. 50 Rn. 17. Siehe auch BVerfGE 8, 104, 120. Anders noch von Mangoldt, GG, 1. Aufl., Art. 50 Anm. 2: „zugleich (. . .) ein Organ der Länder“. Zur „Doppelnatur“ des Bundesrates der Bismarckschen Reichsverfassung vgl. nur Blumenwitz, in: BK, Art. 50 Rn. 3 m. w. N. 6 Vgl. nur Krebs, in: v. Münch/Kunig, Art. 50 Rn. 5; Bauer, in: Dreier, Art. 50 Rn. 17. Sieh auch Bandorf, S. 16. 7 Vgl. nur Bauer, in: Dreier, Art. 50 Rn. 17. 8 Vgl. BVerfGE 8, 104, 120. Siehe auch Herzog, in: HdbStR III (3. Aufl.), § 57 Rn. 1; Bandorf, S. 17. 9 Vgl. Krebs, in: v. Münch/Kunig, Art. 50 Rn. 1. 10 Vgl. BVerfGE 8, 104, 120; 106, 310, 330. 11 Vgl. BVerfGE 106, 313, 330. 12 Siehe zu den beiden Modellen z. B. Stern, Staatsrecht II, S. 112; Bauer, in: Dreier, Art. 51 Rn. 2. 13 Vgl. Krebs, in: v. Münch/Kunig, Art. 50 Rn. 1 f.; Blumenwitz, in: BK, Art. 50 Rn. 1, 4 ff. Zu einer kurzen rechtsvergleichenden Analyse mit Blick auf Möglichkeiten der Reform der „reformresistenten“ Bundesratskonstruktion siehe Sturm, APuZ 2003, B 29–30, 24 ff.

B. Die Mitwirkung des Bundesrates bei der Gesetzgebung

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B. Die Mitwirkung des Bundesrates bei der Gesetzgebung Die Mitwirkung des Bundesrates bei der formellen Gesetzgebung des Bundes erfolgt durch die Wahrnehmung folgender dem Bundesrat in diesem Bereich zugewiesener Kompetenzen14: Der Bundesrat ist gem. Art. 76 Abs. 1 GG einer der Initiativberechtigten im Gesetzgebungsverfahren; er hat das Recht zur Stellungnahme zu Gesetzesvorlagen der Bundesregierung (Art. 76 Abs. 2 Satz 1 GG, vgl. auch Art. 110 Abs. 3 GG); gem. Art. 77 Abs. 2 Satz 1 GG ist er zur Anrufung des Vermittlungsausschusses befugt. Bei Gesetzen, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedürfen, kann der Bundesrat nach Durchführung eines Vermittlungsverfahrens Einspruch einlegen (Art. 77 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 GG); Gesetzen, die der Zustimmung des Bundesrates bedürfen, kann der Bundesrat die Zustimmung erteilen oder verweigern (vgl. Art. 77 Abs. 2a GG15). Begleitend haben die Mitglieder des Bundesrates gem. Art. 43 Abs. 2 GG ein Zutritts- und Rederecht zu bzw. bei allen Sitzungen des Bundestages und seiner Ausschüsse. Neben dem eigenverantwortlichen Kompetenzbereich der Länder ist deren Mitwirkung an der gesamtstaatlichen Willensbildung charakteristisch für das föderative System. Art. 79 Abs. 3 GG schützt als notwendiges Element der Bundesstaatlichkeit (Art. 20 Abs. 1 GG) neben der „Gliederung des Bundes in Länder“16 die „grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung“. Damit sind nach überwiegender Auffassung weder der Bestand des Bundesrates als Institution geschützt, noch der Umfang und die Art der de constitutione lata vorhandenen Mitwirkungsrechte.17 Den Län14

Vgl. hierzu im Überblick Ziller/Oschatz, S. 22 ff. Art. 77 Abs. 2a GG wurde in das Grundgesetz eingefügt durch das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes v. 27.10.1994 (BGBl. I, S. 3146). Auch vor der Einfügung des Abs. 2a in Art. 77 GG war unbestritten, dass eine aus dem Grundsatz der Verfassungsorgantreue folgende Pflicht des Bundesrates besteht, über die Zustimmung in angemessener Zeit Beschluss zu fassen. Vgl. dazu nur Lücke, in: Sachs, Art. 77 Rn. 31; Masing, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 77 Rn. 97. 16 Geschützt ist nicht nur der formale Bestand einer Mehrzahl von Ländern, sondern auch ein Mindestmaß an materieller Eigenständigkeit. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 34, 9, 20) hat hierzu ausgeführt: „Die Länder im Bundesstaat sind nur dann Staaten, wenn ihnen ein Kern eigener Aufgaben als ‚Hausgut‘ unentziehbar verbleibt. Was immer im einzelnen dazu gehören mag, jedenfalls muß dem Land die freie Bestimmung über seine Organisation einschließlich der in der Landesverfassung enthaltenen organisatorischen Grundentscheidungen sowie die Garantie der verfassungskräftigen Zuweisung eines angemessenen Anteils am Steuergesamtaufkommen im Bundesstaat verbleiben.“ Vgl. auch BVerfGE 87, 181, 196. Vgl. ausführlich Isensee, in: HdbStR IV, § 98 Rn. 268 ff.; Ossenbühl, DVBl. 1989, 1230, 1231 ff.; Volkmann, DÖV 1998, 613, 615. 15

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1. Abschn.: Die Mitwirkung des Bundesrates bei der Gesetzgebung

dern muss nur ein Kernbestand qualifizierter Beteiligung überhaupt verbleiben, um ein substantielles Gewicht in der Gestaltung des föderalen Gemeinwesens zu ermöglichen. Die Kategorie der Zustimmungsgesetze als solche ist daher z. B. nicht änderungsfest.18 Ob der Bundesrat aufgrund der ihm zugewiesenen Befugnisse im Rahmen der Bundesgesetzgebung als „Zweite Kammer“ bezeichnet werden kann19, ist ein terminologisches Problem.20 Aus der Beantwortung der Frage lassen sich keine Rückschlüsse auf Inhalt und Umfang der Kompetenzen des Bundesrates bei der Gesetzgebung ziehen. Auch hierüber kann nur die einzelne Kompetenznorm Aufschluss geben. Entscheidend dafür, ob der Erlass eines Gesetzes auch gegen bzw. ohne den Willen des Bundesrates zustande kommen kann, ist, ob es sich hierbei um ein Einspruchs- oder ein Zustimmungsgesetz21 handelt. Während der Einspruch nur die Wirkung eines „auflösend bedingten“ Vetos hat – der Bundestag kann den Einspruch mit qualifizierter Mehrheit gem. Art. 77 Abs. 4 GG zurückweisen und damit „auflösen“22 –, bedeutet das endgültige Verweigern der Zustimmung das Scheitern eines Gesetzes in diesem Gesetzgebungsverfahren. 17 Vgl. Blumenwitz, in: BK, Art. 50 Rn. 9 ff.; Dreier, in: Dreier, Art. 79 Rn. 19; Lücke, in: Sachs, Art. 79 Rn. 28. 18 Vgl. Dreier, in: Dreier, Art. 50 Rn. 19; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 79 Rn. 9; Vismann, in: AK Art. 79 Rn. 52; Bryde, in: v. Münch/Kunig, Art. 79 Rn. 32; Lücke, in: Sachs, Art. 79 Rn. 28. A. A. Evers, in: BK, Art. 79 Rn. 218. 19 Siehe BVerfGE 37, 363, 380: „Nach der Regelung des Grundgesetzes ist der Bundesrat nicht eine zweite Kammer eines einheitlichen Gesetzgebungsorgans, die gleichwertig mit der ‚ersten Kammer‘ entscheidend am Gesetzgebungsverfahren beteiligt wäre (. . .). Dies zeigt schon die Verkündungsformel für Gesetze, die selbst beim Zustimmungsgesetz nicht lautet: ‚Bundestag und Bundesrat haben das folgende Gesetz beschlossen‘, sondern: ‚Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das folgende Gesetz beschlossen.‘“ Dagegen Wyduckel, DÖV 1989, 181, 191: Der Bundesrat sei „zwar nicht Teil eines übergreifenden Parlaments“, ihm komme aber „im Gesetzgebungsverfahren von seiner Funktion her faktisch die Stellung einer parlamentarischen zweiten Kammer zu“. Siehe hierzu aus der frühen Literatur z. B. Fundis, S. 25 m. w. N. Siehe auch Schulz, S. 36. 20 So Herzog, in: HdbStR III (3. Aufl.), § 57 Rn. 30. Vgl. auch Blumenwitz, in: BK, Art. 50 Rn. 6; Krebs, in: v. Münch/Kunig, Art. 50 Rn. 7; Korioth, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 50 Rn. 24. Siehe zur Diskussion auch Friesenhahn, in: 25 Jahre Bundesrat, S. 251, 253; Herzog, in: 25 Jahre Bundesrat, S. 235, 242; Klein, AöR 108 (1983), 329, 330. 21 Krit. zum Begriff „Zustimmungsgesetz“ Schäfer, Der Bundesrat, S. 73 Fn. 2. Mit der Bezeichnung „Zustimmungsgesetz“ in Abgrenzung zum „Einspruchsgesetz“ ist das „zustimmungsbedürftige Gesetz“ gemeint, nicht etwa das einem völkerrechtlichen Vertrag „zustimmende Gesetz“ (Art. 59 Abs. 2 GG). Siehe auch Schulz, S. 2. 22 Vgl. Blumenwitz, in: BK, Art. 50 Rn. 23. Siehe auch Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 77 Rn. 8: „aufschiebendes“ Veto. Ebenso Lücke, in: Sachs, Art. 77 Rn. 38.

B. Die Mitwirkung des Bundesrates bei der Gesetzgebung

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Gem. Art. 52 Abs. 3 GG fasst der Bundesrat seine Beschlüsse mit mindestens der Mehrheit seiner Stimmen, d. h. mit mindestens 35 von 69 Stimmen (vgl. Art. 51 Abs. 2 GG).23 Als Entscheidungen, die der Bundesrat im Rahmen seiner ihm zugewiesenen verfassungsrechtlichen Kompetenzen trifft, sind auch der Einspruch und die Zustimmung zu einem Gesetz ein Beschluss i. S. d. Art. 52 Abs. 3 GG und unterliegen daher dem Mehrheitsprinzip.24 Dieses führt dazu, dass Stimmenthaltungen im Ergebnis jeweils als Gegenstimmen zu werten sind.25 Für das Zustandekommen von zustimmungsbedürftigen Gesetzen wirkt sich dies deutlich erschwerend aus26 – und wird daher vielfach als rechtspolitisch problematisch empfunden.27 Das Erreichen der notwendigen absoluten Mehrheit nach Art. 52 Abs. 3 GG ist zudem entscheidend bedingt durch das Gebot der einheitlichen Stimmabgabe nach Art. 51 Abs. 3 Satz 2 GG. Stimmensplitting und Stimmenthaltungen einzelner Mitglieder eines Landes sind unzulässig.28 Die Zustimmung des Bundesrates zu einem Gesetz muss – ebenso wie der Einspruch gegen ein Gesetz – ausdrücklich erfolgen.29 Die geltende Geschäftsordnung des Bundesrates bestimmt in § 30 Abs. 1 Satz 1, 3. und 5. Fall dementsprechend, die Abstimmungsfragen im Gesetzgebungsverfahren so zu fassen, dass sich aus der Abstimmung zweifelsfrei ergibt, ob der Bundesrat seine Zustimmung erteilt oder Einspruch eingelegt hat.30 Frühere Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, in denen unter bestimmten 23

Zurzeit verfügen Baden-Württemberg, Bayern, Niedersachsen und NordrheinWestfalen über sechs, Hessen verfügt über fünf, Berlin, Brandenburg, RheinlandPfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen verfügen über vier, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und das Saarland über drei Stimmen. Vgl. Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 51 Rn. 4. 24 Vgl. Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 52 Rn. 6. Zum Inhalt des Begriffs des „Beschlusses“ siehe auch Korioth, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 52 Rn. 12. 25 Vgl. Korioth, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 52 Rn. 12. Vgl. auch § 30 GO BR. 26 Siehe dazu unten Zweiter Abschnitt A. III. 27 Vgl. Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 52 Rn. 6; Bryde, in: v. Münch/Kunig, Art. 50 Rn. 8; Sachs, VVDStRL 58 (1999), 39, 76. Siehe zur Diskussion um eine Änderung des Art. 52 Abs. 3 GG in der Bundesstaatskommission die Dokumentation, Zur Sache 1/2005, S. 997 ff. Vgl. zur Entstehungsgeschichte des Art. 52 Abs. 1 GG von Doemming, JöR NF 1 (1951), 391 ff. 28 Vgl. Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 50 Rn. 6; Krebs, in: v. Münch/Kunig, Art. 50 Rn. 13; Blumenwitz, in: BK, Art. 50 Rn. 29. Zu den Voraussetzungen für die „Einheitlichkeit“ der Stimmabgabe siehe BVerfGE 106, 313, 330 ff. 29 Siehe Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 77 Rn. 7; Masing, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, Art. 77 Rn. 96. Vgl. auch Friesenhahn, in: 25 Jahre Bundesrat, S. 251, 251; Graulich, S. 14 f. Siehe aus der frühen Literatur z. B. Fundis, S. 80. 30 Eine solche Bestimmung fehlte bis zum Inkrafttreten der Geschäftsordnung des Bundesrates v. 31.7.1953 (BGBl. II, S. 527).

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1. Abschn.: Die Mitwirkung des Bundesrates bei der Gesetzgebung

Umständen und unter Geltung einer dahingehend nicht eindeutigen Geschäftsordnung der Beschluss des Bundesrates, einen Antrag auf Einberufung des Vermittlungsausschusses nicht zu stellen, als Zustimmung qualifiziert wurde31, sind überholt.32

C. Zustimmungsbedürftige Bundesgesetze Zustimmungsgesetze unterscheiden sich von Einspruchsgesetzen dadurch, dass in einer Vorschrift des Grundgesetzes die bundesgesetzliche Regelung einer bestimmten Materie ausdrücklich an das Erfordernis der Zustimmung des Bundesrates geknüpft wird. Das Grundgesetz verfährt nach dem sog. Enumerationsprinzip.33 Es geht damit – zumindest seiner Systematik nach – davon aus, dass Einspruchsgesetze den Regelfall, Zustimmungsgesetze die Ausnahme darstellen.34 Dieses Regel-Ausnahme-Verhältnis35 spiegelt sich im quantitativen Verhältnis zwischen Einspruchs- und Zustimmungsgesetzen in der Staatspraxis nicht wider.36 Die statistische Umkehrung des Regel-Ausnahme-Prinzips hat aber keine Auswirkungen auf seine normative Bedeutung.37 Wenn der Bundesrat ein Zustimmungsrecht38 geltend machen will, muss er sich grundsätzlich auf eine oder mehrere Normen des Grundgesetzes stützen, die die Zustimmungsbedürftigkeit eines Gesetzes ausdrücklich vorschreiben. Die Schaffung neuer Zustimmungstatbestände kann zudem, wie vielfach geschehen, nur durch verfassungsänderndes Gesetz erfolgen.39 31

Vgl. BVerfGE 8, 274, 296 f.; 28, 66, 79 ff. Siehe aus der früheren Literatur hierzu von Ditfurth, S. 21 ff. Vgl. zur Verfahrensweise hinsichtlich der Ausfertigungs- und Verkündungsformeln in den Anfangsjahren Wild, S. 45 ff. 32 Vgl. BVerfGE 28, 66, 80 f. 33 Vgl. BVerfGE 1, 76, 79. 34 Vgl. BVerfGE 37, 363, 381. 35 Vgl. BVerfGE 37, 363, 381, 383. 36 Die Literatur hat immer wieder die zahlenmäßige Umkehrung des Regel-Ausnahme-Verhältnisses zwischen Einspruchs- und Zustimmungsgesetzen thematisiert. Vgl. nur Antoni, AöR 113 (1988), 329, 331 ff.; Ossenbühl, AöR 99 (1974), 369, 383 ff.; Bullinger, DÖV 1970, 761, 766; Graulich, S. 36 ff. 37 Vgl. hierzu ausführlich Ossenbühl, AöR 99 (1974), 369, 385 f. Ein gesetzliches Regel-Ausnahme-Prinzip impliziert keine statistische Aussage. Siehe auch Graulich, S. 37. Dies erhellt ein Blick z. B. auf die Kompetenzabgrenzungsnorm des Art. 70 GG. Die aus einem Regel-Ausnahme-Prinzip als gesetzestechnisches Mittel ableitbaren Folgerungen stark relativierend auch das Sondervotum von Schlabrendorff, Geiger, Rinck, BVerfGE 37, 363, 401, 404 f. 38 Das Zustimmungsrecht des Bundesrates ist der Abgrenzung zu subjektiven Rechten entsprechend korrekter als Zustimmungskompetenz zu bezeichnen. Diese Bezeichnung ist jedoch immer noch weitgehend unüblich. In der vorliegenden Arbeit werden beide Begriffe bedeutungsgleich verwendet.

C. Zustimmungsbedürftige Bundesgesetze

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I. Der verfassungstextliche Befund Der derzeitige Bestand an Zustimmungstatbeständen umfasst die im Folgenden aufgeführten Grundgesetzbestimmungen40: Art. 16a Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 Satz 1 GG, Art. 23 Abs. 1 Satz 2 und 3, Abs. 7 GG, Art. 29 Abs. 7 Satz 1 und 2 GG, Art. 74 Abs. 2 GG, Art. 74a Abs. 2 bis 4 GG, Art. 79 Abs. 2 GG41, Art. 81 Abs. 2 Satz 1 GG, Art. 84 Abs. 1 und Abs. 5 Satz 1 GG, Art. 85 Abs. 1 GG, Art. 87 Abs. 3 Satz 2 GG42, Art. 87b Abs. 1 Satz 3 und 4, Abs. 2 Satz 1 und 2 GG, Art. 87c GG, Art. 87d Abs. 2 GG, Art. 87e Abs. 5 Satz 1 und 2 GG, Art. 87f Abs. 1 GG, Art. 91a Abs. 2 Satz 1 GG, Art. 96 Abs. 5 GG, Art. 104a Abs. 3 Satz 3, Abs. 4 Satz 2, Abs. 5 Satz 2 GG, Art. 105 Abs. 3 GG, Art. 106 Abs. 3 Satz 3 und 6, Abs. 4 Satz 2, Abs. 5 Satz 2, Abs. 5a Satz 3, Abs. 6 Satz 5 GG, Art. 106a Satz 2 GG, Art. 107 Abs. 1 Satz 2 und 4 GG, Art. 108 Abs. 2 Satz 2, Abs. 4 Satz 1, Abs. 5 Satz 2 GG, Art. 109 Abs. 3, Abs. 4 Satz 1 GG, Art. 115c Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 GG, Art. 115k Abs. 3 Satz 2 GG, Art. 120a Abs. 1 Satz 1 GG, Art. 134 Abs. 4 GG, Art. 135 Abs. 5 GG, Art. 135a GG, Art. 143a Abs. 3 Satz 3 GG, Art. 143b Abs. 2 Satz 3 GG.43 Neben der Mitwirkung am formellen Gesetzgebungsverfahren stehen dem Bundesrat auch Zustimmungsrechte zu Rechtsetzungsakten der Exekutive zu.44 Von großer Bedeutung ist hier insbesondere das umfassende Zustim39

Vgl. Graulich, S. 36. Die genannten Normen umschreiben entweder selbst den zustimmungsbedürftigen Inhalt oder ordnen die Zustimmungsbedürftigkeit eines Gesetzes mit einem in einem vorhergehenden Absatz oder Satz umschriebenen Inhalt an. Hieraus ergeben sich Abweichungen in Bezug auf die Feststellungen der Anzahl der Zustimmungstatbestände des Grundgesetzes. 41 Verfassungsändernde Gesetze bedürfen der qualifizierten Mehrheit von zwei Dritteln der Stimmen des Bundesrates. 42 Das entsprechende Gesetz bedarf der qualifizierten Mehrheit der Mitglieder des Bundestages. Siehe Art. 121 GG. 43 Zustimmungsbedürftig sind auch Vertragsgesetze nach Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG, wenn sie sich auf Gegenstände der Gesetzgebung beziehen, die der Zustimmung des Bundesrates unterliegen. Vgl. hierzu z. B. Kempen, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, Art. 59 Rn. 74; Rojahn, in: v. Münch/Kunig, Art. 59 Rn. 27. Zur Auseinandersetzung um die Beteiligung des Bundesrates an Verträgen über die politischen Beziehungen des Bundes kam es anlässlich der sog. Ost-Verträge im Jahre 1970. Vgl. hierzu z. B. Menzel, JZ 1971, 745, 745 ff., 755; Klein, JZ 1971, 752, 752 ff.; ders., ZRP 1972, 5, 5 ff.; Kewenig, ZRP 1971, 238, 238 ff. 44 Siehe neben Art. 80 Abs. 2 GG auch Art. 109 Abs. 4 Satz 2 u. 3 GG. Art. 119 Satz 1 GG, Art. 130 Abs. 1 Satz 2 GG und Art. 132 Abs. 4 GG sind inzwischen gegenstandslos. Zustimmungsbedürftig sind allgemeine Verwaltungsvorschriften gem. Art. 84 Abs. 2, Art. 85 Abs. 2 Satz 1, Art. 108 Abs. 7 GG. Art. 84 Abs. 3 Satz 2 GG normiert ein Zustimmungserfordernis für die Entsendung von Beauftrag40

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1. Abschn.: Die Mitwirkung des Bundesrates bei der Gesetzgebung

mungsrecht des Bundesrates zu Rechtsverordnungen gem. Art. 80 Abs. 2 GG.45 Dem Erfordernis der Zustimmung des Bundesrates unterwirft das Grundgesetz zudem den Beschluss des Bundestages über die Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses gem. Art. 77 Abs. 2 Satz 2 GG, über die Geschäftsordnung des Gemeinsamen Ausschusses gem. Art. 53a Abs. 1 Satz 4 GG und über die nach Art. 115d Abs. 2 Satz 4 GG zu erlassende Geschäftsordnung zur näheren Regelung des Gesetzgebungsverfahrens der vereinfachten Gesetzgebung im Verteidigungsfall.46

II. Die systematische Erfassung der Zustimmungstatbestände Der umfangreiche aktuelle Katalog zustimmungsbedürftiger formeller Bundesgesetze ist das Ergebnis des nachträglichen Eingreifens des verfassungsändernden Gesetzgebers. Dieser hat den 13 Zustimmungstatbeständen in der Ursprungsfassung des Grundgesetzes – je nach Zählweise – im Laufe der Zeit fast 50 hinzugefügt.47 Teilweise wurde dabei, dies sei schon vorweggenommen, die Konzeption des historischen Verfassungsgebers und die der Differenzierung zwischen Einspruchs- und Zustimmungsgesetzen zugrunde liegende grundgesetzliche Systematik gesprengt. Die systematische Erfassung der Zustimmungstatbestände des Grundgesetzes soll vorliegend daher vom „Originalbestand“ zustimmungsbedürftiger Bundesgesetze ausgehen. Diesen hat auch das Bundesverfassungsgericht – gerade unter Berufung auf die grundgesetzliche Konzeption – in zwei Fällen durch die Herleitung ungeschriebener Zustimmungskompetenzen des Bundesrates erweitert. Inzwischen hat das Gericht zumindest in einem dieser Fälle seine frühere Rechtsprechung allerdings wieder aufgehoben.

ten durch die Bundesregierung zu Aufsichtszwecken im Rahmen der landeseigenen Ausführung der Bundesgesetze an nachgeordnete Behörden. 45 Vgl. zur Zustimmungsbedürftigkeit von Rechtsverordnungen Antoni, AöR 114 (1989), 220, 220 ff. Siehe auch Jekewitz, ZRP 1995, 248, 248 ff.; ders., RuP 1993, 72, 72 ff.; Scholz, DÖV 1990, 455, 455 ff.; Dietlein, DÖV 1984, 788, 788 ff.; Lepa, AöR 105 (1980), 337, 337 ff. Vgl. die Zahlen im Handbuch des Bundesrates 2003/04, S. 310. Hierzu schon früh Schäfer, Der Bundesrat, S. 101. Siehe auch Limberger, S. 17. 46 Art. 53a und Art. 115d GG wurden in das Grundgesetz eingefügt durch das 17. Gesetz zur Ergänzung des Grundgesetzes v. 24.6.1968 (BGBl. I, S. 709). 47 Siehe die Auflistung der bei Inkrafttreten des Grundgesetzes vorgesehenen und später hinzugefügten Normen bei Dästner, ZParl 2001, 290, 297 ff. und Gramm, AöR 124 (1999), 212, 217 Fn. 23 und 24. Vgl. zu den Änderungen des Grundgesetzes bis 1963 Trost, S. 1 ff.; Deutscher Bundestag, Die Änderungen des Grundgesetzes, S. 1 ff.

C. Zustimmungsbedürftige Bundesgesetze

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1. Die Konzeption des historischen Verfassungsgebers a) Der Ausgangsbestand zustimmungsbedürftiger Bundesgesetze Das Grundgesetz in seiner ursprünglichen Fassung vom 23. Mai 1949 sah das Erfordernis der Zustimmung des Bundesrates zu folgenden formellen Gesetzen vor: – Art. 79 Abs. 2 GG (verfassungsändernde Gesetze); – Art. 29 Abs. 7 GG (Gesetze über das Verfahren bei einer Änderung des Gebietsbestandes der Länder außerhalb der Abs. 1 bis 6)48; – Art. 84 Abs. 1 GG (Gesetze über die Regelung der Einrichtung der Behörden und des Verwaltungsverfahrens der Länder bei Ausführung von Bundesgesetzen als eigene Angelegenheit); – Art. 84 Abs. 5 Satz 1 GG (Gesetze, die die Bundesregierung ermächtigen, zur Ausführung von Bundesgesetzen für besondere Fälle Einzelweisungen zu erteilen); – Art. 85 Abs. 1 GG (Gesetze über die Einrichtung der Behörden der Länder bei der Ausführung im Auftrag des Bundes); – Art. 87 Abs. 3 Satz 2 GG (Gesetze über die Errichtung von bundeseigenen Mittel- und Unterbehörden für den Fall, dass dem Bund auf Gebieten, auf dem ihm die Gesetzgebungszuständigkeit eingeräumt ist, neue Aufgaben erwachsen); – Art. 105 Abs. 3 GG (Bundesgesetze über Steuern, deren Aufkommen den Ländern oder den Gemeinden (Gemeindeverbänden) ganz oder zum Teil zufließt)49; 48 Der Wortlaut des Art. 29 Abs. 7 a. F. GG lautete: „Das Verfahren über jede sonstige Änderung des Gebietsbestandes der Länder regelt ein Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates und der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages bedarf.“ Art. 29 Abs. 1 a. F. GG bestimmte, dass das Bundesgebiet nach bestimmten Maßgaben neu zu gliedern sei. Die Abs. 2 bis 5 regelten die dahingehende Beteiligung durch Volksentscheid. 49 Vgl. zur Entstehungsgeschichte Füsslein, JöR NF 1 (1951), 750 ff. Im Verlauf der Beratungen im Parlamentarischen Rat wurde der Zusammenhang zwischen dem Problem des Finanzwesens und der Ausgestaltung der „Zweiten Kammer“ erörtert. Die FDP-Fraktion brachte im Verlauf der Beratungen einen Antrag ein, nach dem alle Bundessteuergesetze der Zustimmung des Bundesrates bedürfen sollten (vgl. Füsslein, JöR NF 1 (1951), 757). Abs. 3 des als Art. 122a HChE diskutierten späteren Art. 105 GG wurde erst in der vierten Lesung des Hauptausschusses eingefügt. Ein Antrag von Hilbert, Laforet, Pfeiffer und Schlör (CDU/CSU) in der vierten Lesung des Hauptausschusses, die Zustimmungsbedürftigkeit auf alle Bundesgesetze über Steuern, die der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes unterliegen, auszudehnen, wurde mit 11 zu 9 Stimmen abgelehnt (vgl. das Protokoll der

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1. Abschn.: Die Mitwirkung des Bundesrates bei der Gesetzgebung

– Art. 106 Abs. 3 GG (Gesetze, durch die der Bund einen Teil der Einkommen- und Körperschaftsteuer insbesondere zur Deckung von den Ländern gewährten Zuschüssen in Anspruch nimmt)50; – Art. 106 Abs. 4 Satz 2 GG51 (Gesetze über die im Rahmen des horizontalen Finanzausgleichs an die ausgleichsberechtigten Länder zu zahlenden Zuschüsse und die hierfür heranzuziehenden, an die Länder fließenden Steuern); – Art. 107 Satz 1 GG52 (Gesetze über die Verteilung der der konkurrierenden Gesetzgebung unterliegenden Steuern auf Bund und Länder)53; 57. Sitzung des Hauptausschusses, 5.5.1949, VerhdlgHA, S. 759; siehe auch Füsslein, JöR NF 1 (1951), 762). Im Plenum wurde derselbe Antrag ein zweites Mal abgewiesen. 50 Art. 106 Abs. 3 a. F. GG lautete: „Der Bund kann durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, einen Teil der Einkommen- und Körperschaftsteuer zur Deckung seiner durch andere Einkünfte nicht gedeckten Ausgaben, insbesondere zur Deckung von Zuschüssen, welche Ländern zur Deckung von Ausgaben auf dem Gebiet des Schulwesens, des Gesundheitswesens und des Wohlfahrtswesens zu gewähren sind, in Anspruch nehmen.“ 51 Art. 106 Abs. 4 a. F. GG lautete: „Um die Leistungsfähigkeit auch der steuerschwachen Länder zu sichern und eine unterschiedliche Belastung der Länder mit Ausgaben auszugleichen, kann der Bund Zuschüsse gewähren und die Mittel hierfür bestimmten den Ländern zufließenden Steuern entnehmen. Durch Bundesgesetz, welches der Zustimmung des Bundesrates bedarf, wird bestimmt, welche Steuern hierbei herangezogen werden und mit welchen Beträgen und nach welchem Schlüssel die Zuschüsse an die ausgleichsberechtigten Länder verteilt werden; die Zuschüsse sind den Ländern unmittelbar zu überweisen.“ 52 Art. 107 Satz 1 und 2 a. F. GG lautete: „Die endgültige Verteilung der der konkurrierenden Gesetzgebung unterliegenden Steuern auf Bund und Länder soll spätestens bis zum 31. Dezember 1952 erfolgen, und zwar durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf. Dies gilt nicht für die Realsteuern und die Steuern mit örtlich bedingtem Wirkungskreis.“ Erfüllt wurde dieses Gebot zur Schaffung einer neuen Steuerverteilungsregelung erst nach zweifacher Fristverlängerung durch das Finanzverfassungsgesetz v. 23.12.1955 (BGBl. I, S. 817), das vor allem für die Einkommen- und Körperschaftsteuer erstmals das Verbundsystem einführte und den horizontalen Finanzausgleich verbindlich vorschrieb. Vgl. Deutscher Bundestag, Die Änderungen des Grundgesetzes, S. 70 f., 74 f., 76 ff. 53 Vgl. zur Entstehungsgeschichte der Art. 106 und 107 GG Füsslein, JöR NF 1 (1951), 762 ff. Auch bei der Frage der Verteilung des Aufkommens der Steuern war die Mitwirkung der „Zweiten Kammer“ an der Gesetzgebung hierüber Gegenstand der Diskussion. Ausdrücklich äußerte sich Binder (CDU) dahingehend, dass die berechtigten Interessen der Länder für den Fall, dass die großen Steuern gemeinsame Steuern des Bundes und der Länder würden, nur gewahrt werden könnten, wenn sie bei der Verabschiedung des jährlichen Finanzausgleichs- und Steueraufteilungsgesetzes ein ausreichendes Mitwirkungsrecht erhielten (vgl. Füsslein, JöR NF 1 (1951), 757, 774f). Auch aus der CDU/CSU-Fraktion kamen Äußerungen, die ein Einverständnis mit den getroffenen Regelungen von einer Gleichberechtigung der „Zweiten Kammer“ bei der Gesetzgebung abhängig machten. Die in den Art. 106 und 107

C. Zustimmungsbedürftige Bundesgesetze

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– Art. 108 Abs. 3 Satz 2 GG (Gesetze über den Aufbau der Landesfinanzbehörden und das von ihnen anzuwendende Verfahren und die einheitliche Ausbildung ihrer Beamten)54; – Art. 134 Abs. 4 GG (Gesetze betreffend die Rechtsnachfolge in das Reichsvermögen)55 und – Art. 135 Abs. 5 GG (Gesetze betreffend die Rechtsnachfolge in das Vermögen früherer Länder und Körperschaften oder Anstalten des öffentlichen Rechts)56. Art. 81 Abs. 2 GG regelte zudem schon in der Stammfassung des Grundgesetzes für den Sonderfall des Gesetzgebungsnotstandes, dass ein vom Bundestag abgelehntes oder für die Bundesregierung als unannehmbar bezeichnetes Gesetz mit Zustimmung57 des Bundesrates als zustande gekommen gilt.58 Von den genannten Zustimmungstatbeständen wurde Art. 29 GG enthaltenen Zustimmungsrechte des Bundesrates waren, soweit ersichtlich, nicht umstritten. 54 Art. 108 Abs. 3 Satz 1 und 2 a. F. GG lautete: „Die übrigen Steuern werden durch Landesfinanzbehörden verwaltet. Der Bund kann durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, den Aufbau dieser Behörden und das von ihnen anzuwendende Verfahren und die einheitliche Ausbildung der Beamten regeln.“ Vgl. zur Entstehungsgeschichte Füsslein, JöR NF 1 (1951), 790 ff., insb. 803, 805. Das Zustimmungserfordernis in Abs. 3 Satz 2 war, soweit ersichtlich, nicht umstritten. Zustimmungsbedürftig war nach Art. 108 Abs. 6 a. F. GG auch der Erlass allgemeiner Verwaltungsvorschriften, soweit die Verwaltung den Landesfinanzbehörden oder Gemeinden obliegt. Vgl. zu den Änderungen des Art. 108 GG Bauer/ Jestaedt, S. 355 ff. 55 Vgl. zur Entstehungsgeschichte von Doemming, JöR NF 1 (1951), 877 ff., 882. Das Zustimmungserfordernis wurde auf Vorschlag des Fünferausschusses in Abs. 5 eingefügt. 56 Vgl. zur Entstehungsgeschichte von Doemming, JöR NF 1 (1951), 883 ff., 886. Das Zustimmungserfordernis wurde ebenfalls auf Vorschlag des Fünferausschusses normiert. Siehe auch Art. 135a GG, eingefügt durch das Gesetz zur Einfügung eines Art. 135a in das Grundgesetz v. 22.10.1957 (BGBl. I, S. 1745). Vgl. Deutscher Bundestag, Die Änderungen des Grundgesetzes, S. 82 f. 57 Der Bundesrat erteilt in diesem Fall keine Zustimmung zu einem gem. Art. 77 Abs. 1 Satz 1 GG gefassten Gesetzesbeschluss des Bundestages. An dessen Stelle tritt vielmehr eine Gesetzesvorlage, für die der Bundespräsident auf Antrag der Bundesregierung und ebenfalls mit Zustimmung des Bundesrates gem. Abs. 1 den Gesetzgebungsnotstand erklärt hat. 58 Das Gesetz gilt gem. Abs. 2 Satz 1 als zustande gekommen, „soweit“ der Bundesrat ihm zustimmt. Trotz des Wortlauts „soweit“ kann der Bundesrat nach herrschender Auffassung seine Zustimmung nicht auf Teile der Gesetzesvorlage beschränken. Dies soll aus dem Sinn und Zweck des Art. 81 GG folgen, der darin bestehe, einer Minderheitsregierung die Durchsetzung einer bestimmten Gesetzesvorlage zu ermöglichen, nicht aber dem Bundesrat. Vgl. dazu Lücke, in: Sachs, Art. 81 Rn. 8; Brenner, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 81 Rn. 44. A. A. Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 81 Rn. 69.

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1. Abschn.: Die Mitwirkung des Bundesrates bei der Gesetzgebung

Abs. 7 GG mehrfach Gegenstand von Grundgesetzänderungen.59 Mit Ausnahme des Art. 105 Abs. 3 GG wurden zudem die Zustimmungstatbestände im X. Abschnitt des Grundgesetzes (Art. 106 Abs. 3 Satz 360, Art. 106 Abs. 4 Satz 261, Art. 107 Satz 162 und Art. 108 Abs. 3 Satz 2 GG63) im Rahmen der Umgestaltungen der Finanzverfassung grundlegend modifiziert.64 Der Zustimmungstatbestand des Art. 84 Abs. 1 GG ist seit 1949 unverändert geblieben. b) Systematisierung der Zustimmungstatbestände im Ausgangsbestand des Grundgesetzes Die in der ursprünglichen Fassung des Grundgesetzes enthaltenen Fälle von zustimmungsbedürftigen Bundesgesetzen lassen sich im Wesentlichen 59 Vgl. jetzt Art. 29 Abs. 7 Satz 1 und 2 GG. Art. 29 GG wurde geändert durch das 25. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes v. 19.8.1969 (BGBl. I, S. 1241). Abs. 7 blieb durch diese Änderung noch unberührt; geändert wurde dieser im Rahmen weiterer Ergänzungen des Art. 29 GG durch das 33. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes v. 23.8.1976 (BGBl. I, S. 2381) und das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes v. 27.10.1994 (BGBl. I, S. 3146). Vgl. Bauer/Jestaedt, S. 241 ff.; Deutscher Bundestag, Die Änderungen des Grundgesetzes, S. 114 ff. Vgl. zu Art. 29 GG weiterführend nur Oeter, S. 119 ff., 301 ff., 369, 399 ff. 60 Vgl. zu den Änderungen des Art. 106 GG Bauer/Jestaedt, S. 339 ff. Art. 106 Abs. 3 GG wurde zunächst geändert durch das Gesetz zur Änderung und Ergänzung der Finanzverfassung (Finanzverfassungsgesetz) v. 23.12.1955 (BGBl. I, S. 817); Abs. 3 Satz 3 in der heutigen Form wurde eingeführt durch das 21. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Finanzreformgesetz) v. 12.5.1969 (BGBl. I, S. 359). 61 Art. 106 Abs. 4 Satz 2 in der heutigen Form wurde eingeführt durch das 21. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Finanzreformgesetz) v. 12.5.1969 (BGBl. I S. 359); zuvor als Abs. 5 Satz 2 seit dem Gesetz zur Änderung und Ergänzung der Finanzverfassung (Finanzverfassungsgesetz) v. 23.12.1955 (BGBl. I, S. 817). 62 Vgl. zu den Änderungen des Art. 107 GG Bauer/Jestaedt, S. 353 ff. Art. 107 Abs. 1 Satz 2 GG in der heutigen Fassung wurde eingeführt durch das 21. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Finanzreformgesetz) v. 12.5.1969 (BGBl. I, S. 359). 63 Siehe jetzt Art. 108 Abs. 2 Satz 2 GG. Art. 108 Abs. 3 Satz 2 GG wurde geändert durch das 21. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Finanzreformgesetz) v. 12.5.1969 (BGBl. I, S. 359). Vgl. Bauer/Jestaedt, S. 355 ff. 64 Die Finanzverfassung des Grundgesetzes von 1949 sah noch weitgehend ein Trennsystem und im Hinblick auf den Finanzausgleich in Art. 107 a. F. GG ein explizites Provisorium vor. Vgl. zur ursprünglichen Konzeption der Finanzverfassung die Kommentierung des X. Abschnitts in von Mangoldt, GG, 1. Aufl., S. 552 ff. Siehe zur Diskussion im Parlamentarischen Rat und zum Einfluss der Militärgouverneure auf die Finanzverfassung z. B. Oeter, S. 131 ff. Zur Entwicklung bis zur Finanzreform des Jahres 1955 siehe ebenfalls Oeter, S. 172 ff. Die Große Finanzreform, die schließlich im Jahre 1969 auf der Grundlage der von der Troeger-Kommission gemachten Vorschläge erfolgte, schuf (im Grundsatz) die Finanzverfassung in der heutigen Form. Siehe zum Verlauf der Reformdiskussion und des Gesetzgebungsverfahrens Oeter, S. 282 ff.

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in zwei Gruppen von Gesetzen einteilen. Die erste Gruppe umfasst Bundesgesetze, die in die Verwaltungskompetenzen der Länder eingreifen. Hierzu gehören neben Art. 84 Abs. 1 GG auch Art. 84 Abs. 5 Satz 1, Art. 85 Abs. 1, Art. 108 Abs. 3 Satz 2 GG und Art. 87 Abs. 3 Satz 2 GG. In einer zweiten Gruppe lassen sich die Gesetze zusammenfassen, die die Finanzverteilung zwischen Bund und Ländern und damit unmittelbar die Finanzen der Länder betreffen. Hierzu zählen Art. 105 Abs. 3 GG, Art. 106 Abs. 3 und Abs. 4 Satz 2 GG, Art. 107 Satz 1 GG, neben Steuergesetzen aber auch Art. 134 Abs. 4 und Art. 135 Abs. 5 GG.65 Für die genannten Gesetze ist, wie das Bundesverfassungsgericht in einer frühen Entscheidung im Jahre 1951 ohne weitere Ausführungen festgestellt hat, kennzeichnend, dass durch sie „der Interessenbereich der Länder besonders stark berührt wird“66. Aber nicht jedes Bundesgesetz, das (in tatsächlicher Hinsicht) eine besonders starke Beeinträchtigung von Länderinteressen bewirkt, wurde vom historischen Verfassungsgeber der Zustimmung des Bundesrates unterworfen.67 Zustimmungsfrei waren in der Ursprungsfassung des Grundgesetzes z. B. Gesetze nach Art. 29 Abs. 6 Satz 1 GG (das das Verfahren der Neugliederung des Bundesgebietes nach den Abs. 1 bis 5 des Art. 29 GG regelnde Gesetz); Art. 74 Nr. 1 GG (Verfassung der Ländergerichte; siehe auch Art. 108 Abs. 5, jetzt Art. 108 Abs. 6 GG); Art. 74 Nr. 8 GG (Staatsangehörigkeit in den Ländern)68; Art. 74 Nr. 10 GG (Kriegsschäden, Wiedergutmachung, Versorgung der Kriegsopfer und Kriegsgräber); Art. 75 Nr. 1 GG (Rechtsverhältnisse der im öffentlichen Dienst der Länder stehenden Personen, jetzt Art. 75 Abs. 1 Nr. 1 GG)69. Aus dem Befund an Zustimmungstatbeständen lässt sich demnach in der Gesamtschau kein allgemeiner Rechtsgrundsatz des Inhalts gewinnen, dass alle Bundesgesetze, die die Interessen der Länder besonders tangieren, der Zustimmung des Bundesrates unterworfen sind.70 Nicht nur Friesenhahn 65 So wie hier teilen ein Ossenbühl, AöR 99 (1974), 369, 375 f. und Antoni, AöR 113 (1988), 329, 330 f., jeweils unter Einbeziehung der durch Grundgesetzänderungen hinzugekommenen Zustimmungstatbestände. Vgl. auch Jekewitz, in: AK, Art. 77 Rn. 12. Kleingliedriger Friesenhahn, in: 25 Jahre Bundesrat, S. 251, 262 ff. 66 BVerfGE 1, 76, 79. Vgl. auch Robbers, in: Sachs, Art. 50 Rn. 23; Lücke, in: Sachs, Art. 77 Rn. 14; Bryde, in: v. Münch/Kunig, Art. 77 Rn. 20. Siehe auch Schneider, DVBl. 1953, 257, 257. 67 Vgl. Robbers, in: Sachs, Art. 50 Rn. 23; Lücke, in: Sachs, Art. 77 Rn. 14; Jekewitz, in: AK, Art. 77 Rn. 12; Friesenhahn, in: 25 Jahre Bundesrat, S. 251, 254. 68 Inzwischen aufgehoben durch das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes v. 27.10.1994 (BGBl. I, S. 2245). 69 Der Vorbehalt anderweitiger Regelung nach Art. 74a GG fehlte noch. 70 Vgl. BVerfGE 37, 363, 381. Siehe Lücke, in: Sachs, Art. 77 Rn. 14; Bryde, in: v. Münch/Kunig, Art. 77 Rn. 20; Friesenhahn, in: 25 Jahre Bundesrat, S. 251,

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1. Abschn.: Die Mitwirkung des Bundesrates bei der Gesetzgebung

stellt daher fest, dass die Auswahl zustimmungsbedürftiger Materien nicht frei von Willkür sei.71 Auf ein „logisch-konsequentes Verfassungskonzept“72 soll sie sich jedenfalls nicht vollständig zurückführen lassen. Kennzeichnend für die geschaffenen Zustimmungstatbestände ist aber, dass sie mit Gesetzen, die die Verwaltungskompetenzen der Länder betreffen, und Gesetzen, die die finanzielle Ausstattung der Länder gewährleisten, auf Gegenstände bezogen sind, die „durch den Grad ihrer Nähe“73 zum bundesstaatlichen Aufbau des Grundgesetzes besonders ausgezeichnet sind. Der historische Verfassungsgeber hatte bei der Schaffung der Zustimmungstatbestände demnach offenbar in Bezug auf die Berührung von Länderinteressen keinen graduellen, sondern einen kategorialen Unterschied zwischen Einspruchs- und Zustimmungsgesetzen vor Augen. Dies erhellt ein Blick auf die Entstehungsgeschichte. Im Herrenchiemseer Verfassungsentwurf war die Gruppe der Zustimmungsgesetze in der Variante der sog. abgeschwächten Bundesratslösung mit dem Begriff der „systemverschiebenden“ Gesetze bezeichnet. Grundsätzlich sollte dem Bundesrat nur ein Einspruchsrecht zustehen; lediglich Gesetze, die das „föderative System“ verschieben, sollten der Zustimmung des Bundesrates unterliegen.74 Bei diesen Gesetzen handelte es sich im Herrenchiemseer Entwurf (mit einer Ausnahme) noch allein um solche Gesetze, die in die Verwaltungskompetenzen der Länder eingreifen.75 254. Ausführlich auch Graulich, S. 30 ff. Siehe dagegen aber Klein, DVBl. 1970, 109, 111. 71 Vgl. Friesenhahn, in: 25 Jahre Bundesrat, S. 251, 254. 72 Stern, Staatsrecht II, S. 144. Siehe auch Limberger, S. 30; Graulich, S. 4, 31. 73 Jaeger, Zwischenbericht der Enquete-Kommission, Zur Sache 1/73, S. 149. 74 Der Herrenchiemseer Verfassungsentwurf enthielt drei verschiedene Vorschläge für die Zusammensetzung und die Mitwirkungsbefugnisse der „Zweiten Kammer“ bei der Gesetzgebung (Senatslösung/gleichberechtigte Mitwirkung; echte Bundesratslösung/gleichberechtigte Mitwirkung und abgeschwächte Bundesratslösung/in der Regel nur überwindbares Veto; siehe Art. 66, 67 HChE und Art. 102 ff. HChE und dazu den Bericht des Verfassungskonvents, Darstellender Teil, S. 37 ff.). In der abgeschwächten Bundesratslösung sollte dem Bundesrat nur bei im Einzelnen erschöpfend aufgezählten Gesetzen, die das „föderative System verschieben“, ein Zustimmungsrecht zustehen. Vgl. dazu den Bericht des Unterausschusses III, Dokument Nr. 10, in: Akten und Protokolle, Bd. 2, S. 290 f., 304. In der echten Bundesratslösung waren „systemverschiebende“ Gesetze an eine Zweidrittelmehrheit des Bundesrates gebunden. 75 Art. 105 Abs. 1 HChE lautete: „Ein Gesetz bedarf im Bundesrat der Zustimmung von zwei Dritteln der gesetzlichen Mitgliederzahl (echte Bundesratslösung)/ der Zustimmung der Mehrheit der gesetzlichen Mitgliederzahl (abgeschwächte Bundesratslösung), wenn dadurch 1. eine neue Bundesoberbehörde oder eine neue bundesunmittelbare Selbstverwaltung geschaffen wird oder 2. ein neues Weisungsrecht des Bundes gegenüber Landesbehörden eingeführt wird oder 3. Ausgaben für neue

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Das in Herrenchiemsee entwickelte Konzept wirkte auch im Parlamentarischen Rat fort.76 Hier wurde der Katalog zustimmungsbedürftiger Gesetze zunächst um solche erweitert, die die Finanzen der Länder betreffen.77 Versuche insbesondere der CDU/CSU-Fraktion, die Gruppe zustimmungsbedürftiger Gesetze erheblich auszudehnen und auch solche Gesetze einzubeziehen, die eine bestimmte Sachmaterie – wenn diese die Interessen der Länder potentiell besonders berührt – zum Gegenstand haben78, scheiterten jedoch.79 Zwecke auf den Bundeshaushalt übernommen werden.“ Abs. 2 des Art. 105 HChE sah zudem für den Fall, dass durch ein Gesetz ein bundeseigener Behördenunterbau neu geschaffen wird, eine einstimmige Annahme im Bundesrat (echte Bundesratslösung) bzw. die Zustimmung von zwei Dritteln der gesetzlichen Mitgliederzahl des Bundesrates (abgeschwächte Bundesratslösung) vor. 76 Vgl. zum Stand der Beratungen im für die Frage der „Zweiten Kammer“ zuständigen Organisationsausschuss Füsslein, JöR NF 1 (1951), 457 f. Katz (SPD) hatte im Organisationsausschuss dafür plädiert, die im HChE vorgesehenen „systemverschiebenden“ Gesetze entweder den einfachen oder den verfassungsändernden Gesetzen zuzuordnen. In der im Herrenchiemseer Verfassungsentwurf angelegten Differenzierung sah er die Gefahr von Abgrenzungsschwierigkeiten, die zu einer Fülle von verfassungsgerichtlichen Klagen führen würden. Der Organisationsausschuss einigte sich auch zunächst darauf, es bei der den Vorgängerverfassungen entsprechenden Zweiteilung in einfache und verfassungsändernde Gesetze zu belassen. In der ersten Lesung im Hauptausschuss lag aber nur eine Fassung des Allgemeinen Redaktionsausschusses vor, die die Kategorie der „systemverschiebenden“ Gesetze weiterhin enthielt. Dass für eine bestimmte Gruppe von Gesetzen, die „gerade für die Länder von besonderer Wichtigkeit“ seien, dem Bundesrat ein Zustimmungsrecht eingeräumt werden könne, hatte dann auch die SPD-Fraktion, die einer gleichberechtigten Stellung des Bundesrates an sich ablehnend gegenüberstand, schon in der ersten Lesung im Hauptausschuss zugestanden. Vgl. die Äußerungen von Katz in der 11. Sitzung des Hauptausschusses, 30.11.1948, VerhdlgHA, S. 135. 77 In der vom Hauptausschuss in erster Lesung angenommenen Fassung sah Art. 105 (HChE) die Zustimmung zu folgenden Gesetzen vor: 1. Gesetze über Steuern, deren Reinaufkommen den Ländern, Gemeinden und Gemeindeverbänden zufließt oder gemeinsame Einnahmen des Bundes und der Länder sind, 2. Gesetze über den Finanzausgleich, 3. Gesetze, durch die neue Bundesoberbehörden oder neue, der unmittelbaren Bundesaufsicht unterstehende Körperschaften des öffentlichen Rechts geschaffen werden, und 4. Gesetze, durch die ein neues Weisungsrecht gegenüber den Landesbehörden begründet wird. Siehe das Protokoll der 12. Sitzung des Hauptausschusses, 1.12.1948, VerhdlgHA, S. 141 ff. 78 Der Katalog des Art. 105 (HChE) erfuhr eine wesentliche Erweiterung zunächst in der Fassung des Fünferausschusses v. 5.2.1949, die vom Hauptausschuss in erster Lesung angenommen wurde. Der Zustimmung des Bundesrates unterfallen sollten danach auch Gesetze im Bereich Sozialisierung (Ziff. 3), über die Zusammenarbeit der Länder in der Kriminalpolizei und über die Einrichtung eines Bundeskriminalamtes (Ziff. 4), Gesetze über die Energiewirtschaft (Ziff. 5), Gesetze, durch die der Gebietsbestand eines Landes berührt wird (Ziff. 9), Gesetze, durch die Rahmenvorschriften über die Rechtsverhältnisse der im öffentlichen Dienst der Länder und Körperschaften des öffentlichen Rechts stehenden Personen erlassen werden

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1. Abschn.: Die Mitwirkung des Bundesrates bei der Gesetzgebung

Die SPD-Fraktion im Parlamentarischen Rat hatte der Bundesratslösung nur unter der Bedingung zugestimmt, dass einer aus den Landesregierungen, nicht aus Senatoren zusammengesetzten „Zweiten Kammer“ grundsätzlich nur ein überwindbares Vetorecht bei der Gesetzgebung zustehen sollte. Dieses Junktim zwischen Zusammensetzung und Mitwirkungsbefugnissen des Bundesrates bestimmte im Parlamentarischen Rat maßgeblich die Kategorie der Zustimmungsgesetze. Es blieb grundsätzlich dabei, dass die Zustimmung des Bundesrates nur zu solchen einfachen, d. h. nicht verfassungsändernden, Gesetzen erforderlich sein sollte, die durch Eingriff in die Verwaltungskompetenzen der Länder direkt Einfluss auf das bundesstaatliche Gefüge des Grundgesetzes haben können oder ihre finanzielle Ausstattung zur Erfüllung der ihnen zugewiesenen Aufgaben betreffen. Nur insoweit sollte die Mehrheit der Landesregierungen im Bundesrat den gesetzgeberischen Willen des Bundestages überwinden können. Dies korrespondiert mit der – später noch näher zu erläuternden80 – Kompetenzverteilung im grundgesetzlichen Bundesstaat. Nach der bundesstaatlichen Kompetenzverteilung liegt der Schwerpunkt der den Ländern zugewiesenen Aufgaben im Bereich der Verwaltung. Zustimmungstatbestände der ersten Gruppe sichern die den Ländern im Grundsatz als eigene Angelegenheit zugewiesene Ausführung der Bundesgesetze (Art. 83 GG)81 vor Einflussnahmen des Bundes ohne Zustimmung des Bundesrates.82 Die Zustimmungstatbestände der zweiten Gruppe ge(Ziff. 10), und Gesetze, durch die Rahmenvorschriften über das Melde- und Ausweiswesen erlassen werden (Ziff. 11). Auch die im Bereich der Verwaltungskompetenzen der Länder bisher vorgesehenen Zustimmungsrechte des Bundesrates wurden i. d. F. des Art. 105 des Fünferausschusses unter Zugrundelegung der für den Abschnitt X (Die Ausführung der Bundesgesetze und die Bundesverwaltung) getroffenen Entscheidungen modifiziert und ausgeweitet. In Ziff. 5a unterwarf Art. 105 auch Bundesgesetze, durch die Bestimmungen über die Einrichtung der Behörden, das Verwaltungsverfahren, das verwaltungsgerichtliche Verfahren in den Ländern erlassen werden (Art. 112–2 Abs. 1), der Zustimmung des Bundesrates. Vgl. das Protokoll der 50. Sitzung des Hauptausschusses, 10.2.1949, VerhdlgHA, S. 655 f. 79 Offenbar hatten die Befürworter einer gleichberechtigten Stellung des Bundesrates im Gesetzgebungsverfahren, insb. diejenigen in der Unionsfraktion, nach der Entscheidung für die abgeschwächte Bundesratslösung versucht, über eine Ausweitung der Zustimmungstatbestände die Stellung des Bundesrates zu stärken. Dass die SPD dieser zunehmenden Machtausweitung des Bundesrates besondere Aufmerksamkeit geschenkt hat, ist zunächst nicht erkennbar. Vgl. Antoni, Sozialdemokratie und Grundgesetz, Bd. 2, S. 70. Vgl. auch das Protokoll der Fraktionssitzung der CDU/CSU, 26.1.1949, Dokument Nr. 94, in: Salzmann, S. 363. Bis zur vierten Lesung im Hauptausschuss war der Katalog zustimmungsbedürftiger Gesetze aber auf Drängen der SPD-Fraktion wieder deutlich eingeschränkt worden. Vgl. Antoni, Sozialdemokratie und Grundgesetz, Bd. 2, S. 316 f. 80 Siehe dazu unten Dritter Abschnitt A. 81 Siehe dazu unten Dritter Abschnitt B.

C. Zustimmungsbedürftige Bundesgesetze

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währleisten die finanzielle Ausstattung der Länder, die eine Ausübung der ihnen nach der bundesstaatlichen Ordnung zugewiesenen Kompetenzen, d. h. in erster Linie die Ausführung der Bundesgesetze, überhaupt erst ermöglicht. Damit sind mit den Zustimmungstatbeständen des Grundgesetzes Gegenstände der Staatsorganisation im Bund-Länder-Verhältnis betroffen, die sich in besonderer Weise auf die „politische Potenz“83 der Länder auswirken.84 Materien der Bundesgesetzgebung, die diesen Nähegrad zur bundesstaatlichen Kompetenzverteilung nicht aufweisen, unterliegen nach der – in dieser Hinsicht keinesfalls willkürlichen – Konzeption des historischen Verfassungsgebers nur einem Einspruchsrecht des Bundesrates. „Nicht von ungefähr“, so auch das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zum Staatshaftungsgesetz, „hat der Parlamentarische Rat auf eine echte Eigenständigkeit der Länder großen Wert gelegt und in Angelegenheiten von vergleichbarer finanzieller und verwaltungsmäßiger Tragweite die Interessen der Länder durch das Erfordernis der Zustimmung des Bundesrates umhegt und damit zum Ausdruck gebracht, daß die Länder in derartigen für sie und die föderative Ordnung gewichtigen Fragen durch den Bundesrat ein entscheidendes Wort mitzureden haben.“85 Zwar ist das hiermit umschriebene Konzept des historischen Verfassungsgebers nicht in aller Konsequenz verwirklicht worden. Als Beispiel sei Art. 87 Abs. 3 Satz 1 GG genannt, der die Errichtung von selbständigen Bundesoberbehörden und neuen bundesunmittelbaren Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts für Angelegenheiten, für die dem Bund die Gesetzgebung zusteht, durch bloßes Einspruchsgesetz ermöglicht.86 Die Schaffung eines Zustimmungserfordernisses in Bezug auf solche bundes82 Dieser sollte insb. bei dieser Gruppe von Zustimmungsgesetzen nach dem Willen des Verfassungsgebers den Sachverstand der Landesexekutiven in die Gesetzgebung des Bundes einbringen. 83 Den Begriff verwendet S. Meyer, S. 236. Von der „Länderpotenz“ spricht schon Lerche, Aktuelle föderalistische Verfassungsfragen, S. 39. Siehe zur Eigenstaatlichkeit der Länder Leisner, DÖV 1968, 389, 393 f.; Ossenbühl, DVBl. 1989, 1230, 1231; Volkmann, DÖV 1998, 613, 615. 84 Vgl. Sachs, VVDStRL 58 (1999), 39, 63; S. Meyer, S. 235. Siehe auch Bullinger, DÖV 1971, 761, 766. 85 BVerfGE 61, 145, 206 (Hervorhebungen nicht im Original). Siehe auch BVerfGE 72, 330, 388 zur Bedeutung einer hinreichenden finanziellen Ausstattung für die „eigene Staatlichkeit“ der Länder. 86 Vgl. Lücke, in: Sachs, Art. 77 Rn. 14; Sachs, in: Sachs, Art. 87 Rn. 71. In der Gemeinsamen Verfassungskommission konnte sich der Vorschlag von Seiten einiger Länder, für ein Errichtungsgesetz nach Abs. 3 Satz 1 ein Zustimmungserfordernis zu normieren, nicht durchsetzen. Vgl. BT-Drs. 12/6000, S. 42 f. Dafür weiterhin Britz, DVBl. 1998, 1167, 1173. Zu weiteren Beispielen für Bundesgesetze, die die Interessen der Länder „stärkstens“ berühren, aber der Zustimmung des Bundesrates nicht unterworfen sind, Friesenhahn, in: 25 Jahre Bundesrat, S. 251, 254.

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1. Abschn.: Die Mitwirkung des Bundesrates bei der Gesetzgebung

gesetzliche Regelungen war im Verlauf der Beratungen im Parlamentarischen Rat allerdings lange in der Diskussion.87 Auch wurden die verschiedenen, im Verlauf der Verhandlungen des Parlamentarischen Rates in Betracht gezogenen – bis unmittelbar vor dem Ende des Prozesses der Verfassungsgebung noch in einer gesonderten Bestimmung, Art. 105 (HChE), zusammengefassten – Zustimmungstatbestände offenbar gerade in der Schlussphase der Beratungen auch als Mittel zur Kompromissfindung eingesetzt.88 Als Ergebnis bleibt dennoch festzustellen, dass die schließlich im Grundgesetz verwirklichte Differenzierung zwischen Einspruchs- und Zustimmungskompetenzen des Bundesrates – von Ausnahmen abgesehen – einem in sich schlüssigen Konzept folgt. 2. Die vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Fälle ungeschriebener Zustimmungskompetenzen des Bundesrates Auf dieses für die Differenzierung zwischen Einspruchs- und Zustimmungsgesetzen maßgebliche Konzept hat sich das Bundesverfassungsgericht in zwei Entscheidungen aus den Jahren 1969/70 (zumindest) berufen, als es ungeschriebene Zustimmungskompetenzen des Bundesrates schlicht aus der 87 Vgl. zur Entstehungsgeschichte des Art. 87 Abs. 3 GG Füsslein, JöR NF 1 (1951), 644 ff. Bis zur vierten Lesung im Hauptausschuss war für Gesetze nach Satz 1 des Abs. 3 des Art. 87 GG (im Verlauf der Beratungen als Art. 116 HChE diskutiert) ein Zustimmungsrecht des Bundesrates vorgesehen. Für Gesetze nach Satz 2 sollte die Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages und von zwei Dritteln der Stimmen des Bundesrates erforderlich sein. Auf Vorschlag des Allgemeinen Redaktionsausschusses wurde das Zustimmungsrecht nach Satz 1 – entgegen einem Antrag aus der CDU/CSU-Fraktion – gestrichen; dem Vorschlag des Allgemeinen Redaktionsausschusses, das Erfordernis einer qualifizierten Mehrheit in Satz 3 durch das einer einfachen Mehrheit in Bundestag und Bundesrat zu ersetzen, wurde nicht gefolgt. Stattdessen wurde dem Antrag des Abgeordneten Zinn gefolgt, der bei dem Beschluss des Bundestages eine absolute Mehrheit für erforderlich hielt (vgl. Füsslein, JöR NF 1 (1951), 651). Die Militärgouverneure sahen in Art. 87 Abs. 3 GG (zu) weitreichende Befugnisse des Bundes auf dem Gebiet der Verwaltung und teilten mit Schreiben v. 12.5.1949 mit, dass „die Hohen Kommissare (. . .) der Ausübung dieser Befugnisse sorgfältige Beachtung [werden] schenken müssen, um sicherzustellen, daß sie nicht zu einer übermäßigen Machtkonzentration führen“ (vgl. das Genehmigungsschreiben der Militärgouverneure zum Grundgesetz, Nachweis bei Füsslein, JöR NF 1 (1951), 652). Zum Verzicht auf den Zustimmungsvorbehalt in Art. 87 Abs. 3 Satz 1 GG siehe auch Kratzer, DÖV 1950, 529, 529 f.; Britz, DVBl. 1998, 1167, 1169 ff. 88 Dieser Eindruck drängt sich bei der Befassung mit der Entstehungsgeschichte auf, lässt sich aber im Detail schwer belegen. Die entscheidenden interfraktionellen Besprechungen (dokumentiert in: Akten und Protokolle, Bd. 11) sind weitgehend nur stichwortartig protokolliert. Vgl. aber z. B. das Protokoll der Fraktionssitzung der CDU/CSU, 26.1.1949, Dokument Nr. 94, in: Salzmann, S. 363.

C. Zustimmungsbedürftige Bundesgesetze

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„föderativen Bedeutung“ der in Frage stehenden Bundesgesetze hergeleitet hat. Mit der Begründung von nicht ausdrücklich normierten Zustimmungstatbeständen hat das Gericht damit für eine gewisse Zeit am Fortgelten des – dem Katalog zustimmungsbedürftiger Bundesgesetze zugrunde liegenden – Enumerationsprinzips erhebliche Zweifel aufkommen lassen. Diesen ist es jedoch selbst wieder entgegengetreten. a) BVerfGE 26, 338 ff. – Eisenbahnkreuzungsbeschluss Vom Erfordernis eines ausdrücklich normierten Zustimmungstatbestandes für die Annahme eines Zustimmungsrechts des Bundesrates ist das Bundesverfassungsgericht erstmals in seiner Entscheidung zum Eisenbahnkreuzungsgesetz aus dem Jahre 1969 abgewichen.89 Gegenstand des Verfahrens war (unter anderem) die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 16 Abs. 2 des Eisenbahnkreuzungsgesetzes90. Diese Vorschrift enthielt eine Ermächtigung an den Bundesminister für Verkehr, mit Zustimmung des Bundesrates allgemeine Verwaltungsvorschriften zu erlassen. Den Schwerpunkt der verfassungsrechtlichen Prüfung bildete hierbei die Frage, ob Art. 84 Abs. 2 GG und Art. 85 Abs. 2 Satz 1 GG, wonach die Bundesregierung im Bereich der Ausführung der Bundesgesetze durch die Länder in landeseigener Verwaltung bzw. im Rahmen der Auftragsverwaltung allgemeine Verwaltungsvorschriften mit Zustimmung des Bundesrates erlassen kann, der Erteilung einer dahingehenden Ermächtigung an einen Bundesminister entgegenstehen. Die Staatspraxis hatte derartige Ermächtigungen durch einfaches, d. h. zustimmungsfreies, Bundesgesetz zumindest für den Bereich des Art. 84 GG unter den Begriff „Regelung des Verwaltungsverfahrens“ in dessen Abs. 1 subsumiert. Dem trat das Bundesverfassungsgericht deutlich entgegen: „Verwaltungsverfahren“ i. S. d. Art. 84 Abs. 1 GG sei das der landeseigenen Verwaltung bei der Ausführung von Bundesgesetzen. Die gesetzliche Ermächtigung zum Erlass allgemeiner Verwaltungsvorschriften an einen einzelnen Bundesminister betreffe jedoch allenfalls das Verfahren des Bundes im Bereich der Einwirkung auf die Länderverwaltungen, nicht jedoch das Verfahren der Länderverwaltung selbst.91 Auch auf Art. 84 Abs. 2 89

Beschluss des Zweiten Senats v. 15.7.1969. Gesetz über Kreuzungen von Eisenbahnen und Straßen (Eisenbahnkreuzungsgesetz) v. 14.8.1963 (BGBl. I, S. 681). 91 Vgl. BVerfGE 26, 338, 399. Für Art. 85 Abs. 1 GG stellt das Bundesverfassungsgericht fest, dass, obwohl diese Bestimmung, anders als Art. 84 Abs. 1 GG, das Verwaltungsverfahren nicht ausdrücklich erwähnt, der Bund auch insoweit die Kompetenz zur bundesgesetzlichen Regelung besitzt: „Es ist nicht ersichtlich, warum die Kompetenz des Bundes für die Regelung des Verwaltungsverfahrens bei der ihm näherstehenden Auftragsverwaltung weniger weit gehen sollte als bei der Aus90

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1. Abschn.: Die Mitwirkung des Bundesrates bei der Gesetzgebung

und Art. 85 Abs. 2 Satz 1 GG könne eine solche gesetzliche Ermächtigung nicht gestützt werden; mit dem Begriff „Bundesregierung“ i. S. d. Art. 84 Abs. 2 und Art. 85 Abs. 2 Satz 1 GG sei eindeutig nur das aus Bundeskanzler und Bundesministern bestehende Kollegium gemeint.92 Die Funktion dieser beiden Bestimmungen, so allerdings das Gericht, erschöpfe sich aber darin, dass sie Vorkehrungen zum Schutz der Eigenständigkeit der Verwaltung der Länder bei der Ausführung von Bundesgesetzen treffen. Ein Verbot, durch Bundesgesetz auch einen Ressortminister zum Erlass allgemeiner Verwaltungsvorschriften zu ermächtigen, sei diesen Bestimmungen jedoch nicht zu entnehmen.93 In einem einzigen Satz stellt das Bundesverfassungsgericht ohne nähere Begründung abschließend fest, dass dieses Delegationsgesetz der Zustimmung des Bundesrates bedürfe94: Aus der „föderativen Bedeutung“ von Art. 84 Abs. 2 und Art. 85 Abs. 2 Satz 1 GG folge, dass Ermächtigungen einzelner Bundesminister zum Erlass allgemeiner Verwaltungsvorschriften nur durch Gesetz mit Zustimmung des Bundesrates erteilt werden können.95 Die Abweichung vom Enumerationsprinzip, das das Bundesverfassungsgericht in einer frühe(re)n Entscheidung aus dem Jahre 1951 noch selbst betont hatte96, wird mit keinem Wort näher begründet.97 Die „systemverschiebende“ Wirkung eines solchen Delegationsgesetzes wird nicht belegt. führung von Bundesgesetzen in landeseigener Verwaltung.“ Vgl. BVerfGE 26, 338, 385. Für Art. 85 Abs. 1 GG greift es daher auf dieselbe Argumentation zurück. Vgl. BVerfGE 26, 338, 399. 92 Vgl. BVerfGE 26, 338, 396 ff. 93 Vgl. schon Schäfer, Der Bundesrat, S. 123. Krit. Ossenbühl, AöR 99 (1974), 369, 387: „Diese Beweisführung erscheint einleuchtend, wobei man freilich hinzufügen kann, daß die teleologische Interpretation des Bundesverfassungsgerichts (. . .) es sogar rechtfertigen würde, die Delegation der Erlaßkompetenz auf den einzelnen Minister nicht (nur) durch Gesetz, sondern durch Kabinettsbeschluß zu regeln; man wird sogar die Frage stellen müssen, ob dieser Weg nicht ‚näher an der Verfassung‘ liegt, weil die Delegation durch förmliches Gesetz als Eingriff in verfassungsrechtlich begründete Kompetenzen der Bundesregierung erscheint und Bedenken wecken kann.“ 94 Vgl. Ossenbühl, AöR 99 (1974), 369, 387: „lapidar“. 95 Vgl. BVerfGE 26, 338, 399. Vgl. hierzu Klein, in: FG Bundesverfassungsgericht, S. 270, 293: „Auch die (. . .) Zustimmungsbefugnis des Bundesrates erscheint schlüssig begründet.“ 96 Vgl. BVerfGE 1, 76, 79: „Dem Bundesrat steht im allgemeinen gegen Gesetzesbeschlüsse des Bundestags nach Abschluß des Vermittlungsverfahrens nur der Einspruch zu, der überstimmbar ist. In bestimmten Fällen, in welchen der Interessenbereich der Länder besonders stark berührt wird, hat der Bundesrat jedoch einen größeren Einfluß auf das Zustandekommen des vom Bundestag beschlossenen Gesetzes, nämlich das Recht der Zustimmung. Diese Fälle sind im Grundgesetz einzeln ausdrücklich aufgeführt (sog. Enumerationsprinzip).“

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b) BVerfGE 28, 66 ff. – Postverwaltungsgesetz Auch in der nur wenige Monate später ergangenen Entscheidung zu § 14 Postverwaltungsgesetz98 kommt der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts – mit fünf zu drei Stimmen – im Wege teleologischer Interpretation zur Annahme eines weiteren, im Verfassungstext nicht ausdrücklich normierten Zustimmungstatbestandes.99 Der in Art. 80 Abs. 2 GG ausgesprochene Vorbehalt zugunsten anderweitiger bundesgesetzlicher Regelung der Zustimmungsbedürftigkeit von Rechtsverordnungen müsse, damit es nicht zu einer von der Verfassung nicht gewollten Verkürzung der Mitwirkung des Bundesrates an der Rechtsetzung komme, ein zustimmungsbedürftiges, nicht lediglich ein einfaches Bundesgesetz meinen.100 Den Bedenken, die sich aus dem Enumerationsprinzip für diese Auslegung ergeben, begegnet das Bundesverfassungsgericht unter Bezugnahme auf den Beschluss zum Eisenbahnkreuzungsgesetz in erstaunlicher Deutlichkeit mit dem Hinweis, die Auslegung des Vorbehalts zugunsten anderweitiger bundesgesetzlicher Regelung in Art. 80 Abs. 2 GG könne „nicht durch den Einwand widerlegt werden, daß die Fälle, in denen ein Bundesgesetz der Zustimmung des Bundesrates bedürfe, im Grundgesetz abschließend enumerativ aufgeführt seien“101. 97

Entscheidungserheblich war die Frage der Zustimmungsbedürftigkeit eines solchen Delegationsgesetzes im vorliegenden Fall nicht, der Bundesrat hatte seine Zustimmung zum Eisenbahnkreuzungsgesetz erteilt. Vgl. BVerfGE 26, 338, 399. 98 Beschluss des Zweiten Senats v. 24.2.1970. § 14 Satz 2 Postverwaltungsgesetz ermächtigte den Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen, die nach § 14 Satz 1 vorgesehenen Benutzungsverordnungen, d. h. Rechtsverordnungen über die Bedingungen und Gebühren für die Benutzung der Einrichtungen des Post- und Fernmeldewesens, ohne Zustimmung des Bundesrates zu erlassen. Vgl. zu § 14 Satz 2 Postverwaltungsgesetz die beiden Rechtsgutachten von Hesse, Rundfunkleistungen, S. 1 ff. und Bettermann, Posttarifhoheit, S. 1 ff. 99 Das Bundesverfassungsgericht ließ im Ergebnis das Postverwaltungsgesetz nicht an einer fehlenden Zustimmung des Bundesrates scheitern. Zwar lag keine ausdrückliche Zustimmung vor; mit sechs zu zwei Stimmen ging das Bundesverfassungsgericht jedoch, ebenso wie in der Entscheidung zum Preisgesetz (vgl. BVerfGE 8, 274, 296 f.), angesichts der Umstände, unter denen das Gesetz den Bundesrat passiert hatte, vom Vorliegen der Zustimmung aus. Vgl. BVerfGE 28, 66, 78. Für das tatsächliche Vorliegen der Zustimmung auch Schmidt, DÖV 1964, 760, 764 f. und Kämmerer DVBl. 1965, 217, 221. A. A. Bettermann, Posttarifhoheit, S. 36 ff. und Hesse, Rundfunkleistungen, S. 27 f. 100 Vgl. BVerfGE 28, 66, 76 f. Zust. in der aktuellen Kommentarliteratur Brenner, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 80 Rn. 91; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 80 Rn. 18; Bauer, in: Dreier, Art. 80 Rn. 44; Bryde, in: v. Münch/Kunig, Art. 80 Rn. 28. A. A. Lücke, in: Sachs, Art. 80 Rn. 36. Siehe auch BVerwGE 28, 36, 39. Weitere Nachweise bei Antoni, AöR 114 (1989), 220, 235 Fn. 84. 101 BVerfGE 28, 66, 78.

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1. Abschn.: Die Mitwirkung des Bundesrates bei der Gesetzgebung

Zwar geht aus der dort folgenden Begründung hervor, dass das Bundesverfassungsgericht mit diesem Hinweis keine Abkehr vom Enumerationsprinzip einläuten, sondern lediglich klarstellen wollte, dass ein Zustimmungstatbestand sich auch bei fehlender ausdrücklicher Normierung durch Interpretation einschlägiger Verfassungsbestimmungen herleiten lassen könne („Wenn die Verfassung ausdrücklich bestimmt oder dahingehend zu interpretieren ist, daß ein Gesetz der Zustimmung des Bundesrates bedarf“102). Dennoch hat die Entscheidung zum Postverwaltungsgesetz in ihrer Bezugnahme auf den und zusammen mit dem Eisenbahnkreuzungsbeschluss auch im Schrifttum zu erheblichen Unsicherheiten geführt.103 Unter dem Eindruck der entfachten Diskussion sah sich Wilke daher schon zu der Bemerkung veranlasst, das „Register der Zustimmungsgesetze [werde jetzt] beim Bundesverfassungsgericht geführt“104. Das Bundesverfassungsgericht hatte also, offenbar ohne Anlass hierfür geben zu wollen, die ohnehin teilweise umstrittene Zustimmungsbedürftigkeit von Bundesgesetzen „mit einem neuen, gravierenden Element der Rechtsunsicherheit belastet“105. c) Bestätigung des Enumerationsprinzips Das Gericht reagierte auf diese Verunsicherung in der – die Frage der Zustimmungsbedürftigkeit von „Änderungsgesetzen“ betreffenden – Entscheidung zum Vierten Rentenversicherungs-Änderungsgesetz106 mit einer erneuten Hervorhebung des dem Verhältnis von Einspruchs- und Zustimmungsgesetzen zugrunde liegenden Enumerationsprinzips.107 Die Zustim102 Vgl. dazu Ossenbühl, AöR 99 (1974), 369, 388 ff., der aber klarstellt, dass ihm diese Auslegung zu „weit“ geht. Vgl. auch Menzel, JZ 1971, 745, 749, der von einer erweiternden Auslegung spricht. 103 Vgl. nur Klein, DVBl. 1970, 109, 111 in einer Anmerkung zum Eisenbahnkreuzungsbeschluss: „Nach dieser Erkenntnis ist allerdings die Meinung zu revidieren, nach der Zustimmungsgesetze nur solche sind, die nach ausdrücklicher Anweisung im GG der Zustimmung des Bundesrates bedürfen. Dort, wo Kernfragen des Föderalismus geregelt werden, wird die Zustimmung des Bundesrates vom GG als selbstverständlich vorausgesetzt; wo ihre Notwendigkeit dennoch besonders hervorgehoben wird, hat dies nur deklaratorischen Wert.“ In dieser Form ist die Schlussfolgerung Kleins zwar nicht repräsentativ, verdeutlicht aber die Unsicherheiten, die die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts auszulösen imstande waren. Vgl. dagegen Bullinger, AöR 96 (1971), 237, 281 ff.; später Ossenbühl, AöR 99 (1974), 369, 388 f. Vgl. auch Franssen, JZ 1974, 314, 316 Fn. 15, mit der Anmerkung, die beiden Entscheidungen „präzisieren diesen Grundsatz [gemeint: das Enumerationsprinzip] eher, als daß sie ihn durchbrechen“. 104 Wilke, AöR 98 (1973), 196, 227. 105 Bullinger, AöR 96 (1971), 237, 281 f. 106 Beschluss des Zweiten Senats v. 25.7.1974, BVerfGE 37, 363 ff. Siehe dazu unten Vierter Abschnitt A. III. 4.

C. Zustimmungsbedürftige Bundesgesetze

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mung zu einem Gesetz sei nur in den „im Grundgesetz einzeln ausdrücklich 108 aufgeführten Fällen erforderlich, in denen der Interessenbereich der Länder besonders stark berührt ist“.109 Ein „allgemeines Kontrollrecht des Bundesrates“ dahingehend, dass diesem immer dann ein Zustimmungsrecht einzuräumen sei, wenn Länderinteressen irgendwie berührt sind, lasse sich nicht herleiten. Durch eine solche Auslegung „würde die für Kompetenzvorschriften selbst notwendige Klarheit verlorengehen“110. Diese für Kompetenzvorschriften notwendige Klarheit hat das Bundesverfassungsgericht in Bezug auf Art. 84 Abs. 2 GG und Art. 85 Abs. 2 Satz 1 GG kürzlich wiederhergestellt und damit das im Eisenbahnkreuzungsbeschluss entwickelte Zustimmungsrecht des Bundesrates hinsichtlich solcher Gesetze, die einen Bundesminister zum Erlass allgemeiner Verwaltungsvorschriften in Bereichen der Landeseigenverwaltung und der Auftragsverwaltung ermächtigen, wieder beseitigt. In seinem Beschluss111 zum Verfahren betreffend Art. 4 Nr. 1112 des Gesetzes zur Sicherung des Einsatzes von 107 Vgl. BVerfGE 37, 363, 381. Der Bundesrat hatte sich im Verfahren über das Vierte Rentenversicherungs-Änderungsgesetz der vom Bundesverfassungsgericht eingeführten Argumentation mit der „föderativen Bedeutung“ eines Gesetzes bedient. Ein Zustimmungsrecht des Bundesrates zu Änderungsgesetzen zu Zustimmungsgesetzen regle das Grundgesetz zwar nicht expressis verbis; dieses ergebe sich jedoch aus der „föderativen Bedeutung des verstärkten Mitwirkungsrechts des Bundesrates bei Zustimmungsgesetzen (. . .)“. Siehe die Wiedergabe der Äußerungen des Bundesrates in BVerfGE 37, 363, 374. Ausdrücklich Bezug auf die Entscheidung zum Postverwaltungsgesetz nimmt auch das Sondervotum von von Schlabrendorff, Geiger, Rinck, BVerfGE 37, 363, 401: Daraus, dass das Grundgesetz nicht ausdrücklich eine Vorschrift enthält, nach der jedes Gesetz, das ein Zustimmungsgesetz ändert, seinerseits zustimmungsbedürftig ist, „läßt sich jedoch, zumal nach der Entscheidung vom 24. Februar 1970 die Fälle der Zustimmungsbedürftigkeit eines Gesetzes im Grundgesetz nicht abschließend enumerativ aufgeführt sind (BVerfGE 28, 66, 78), nicht das Geringste dafür herleiten, daß das Änderungsgesetz nur dann zustimmungsbedürftig sei, wenn es selbst nach der Regel des Art. 84 Abs. 1 GG oder nach einer anderen ausdrücklichen Vorschrift des Grundgesetzes zustimmungsbedürftig sei.“ 108 Hervorhebung nicht im Original. 109 So bereits in BVerfGE 1, 76, 79. 110 BVerfGE 37, 363, 381. 111 Beschluss des Zweiten Senats v. 2.3.1999. BVerfGE 100, 249 ff. Siehe zu dieser Entscheidung Bleibaum, DVBl. 1999, 1265, 1265 f.; Tschentscher, JZ 1999, 993, 993 ff. 112 Durch Art. 4 Nr. 1 wurde in § 7 Abs. 2a Satz 1, HS. 2 des Atomgesetzes i. d. F. der Bekanntmachung v. 15.7.1985 das für kerntechnische Sicherheit und Strahlenschutz zuständige Bundesministerium ermächtigt, die bei der Auslegung der Anlage im Sinne von § 7 Abs. 2a Satz 1, HS. 1 des Atomgesetzes zugrunde zu legenden Ereignisse nach Anhörung der zuständigen obersten Landesbehörde in Leitlinien näher zu bestimmen. Diese in § 7 Abs. 2a Satz 1, HS. 2 Atomgesetz vorgesehenen „Leitlinien“ charakterisierte das Bundesverfassungsgericht entgegen den

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1. Abschn.: Die Mitwirkung des Bundesrates bei der Gesetzgebung

Steinkohle in der Verstromung und zur Änderung des Atomgesetzes und des Stromeinsparungsgesetzes113 wich der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts ausdrücklich vom Eisenbahnkreuzungsbeschluss ab und stellte fest: Allgemeine Verwaltungsvorschriften für den Vollzug der Bundesgesetze durch die Länder im Auftrage des Bundes können gem. Art. 85 Abs. 2 Satz 1 GG ausschließlich von der Bundesregierung als Kollegium mit Zustimmung des Bundesrates erlassen werden. Die gebotene „strikte“ Auslegung der Regelungen, die Einwirkungsmöglichkeiten des Bundes auf die Länderverwaltungen vorsehen, verbiete es, dem Bundesgesetzgeber die Kompetenz einzuräumen, „abweichend von dieser grundgesetzlichen Ausgestaltung des föderativen Prinzips, einen anderen Ermächtigungsadressaten auszuwählen und dafür die Zustimmung des Bundesrates einzuholen“114. Die bundesgesetzliche Ermächtigung zum Erlass allgemeiner Verwaltungsvorschriften an ein einzelnes Bundesministerium anstatt die Bundesregierung als Kollegium sei, so führt das Bundesverfassungsgericht weiter aus, für den Schutz der Verwaltungshoheit der Länder ohne erkennbare Bedeutung. Insoweit bedürfe es keiner „föderativen Kompensation“ durch ein im Grundgesetz nicht ausdrücklich vorgesehenes Zustimmungsrecht des Bundesrates.115 Als einziger vom Bundesverfassungsgericht entwickelter Zustimmungstatbestand bleibt damit die Zustimmungsbedürftigkeit anderweitiger bundesgesetzlicher Regelungen nach Art. 80 Abs. 2 GG.116 Die vom Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss zum Postverwaltungsgesetz gelieferte Begründung für die Annahme eines diesbezüglichen ungeschriebenen Zustimmungsrechts des Bundesrates ist allerdings rudimentär. Das Gericht argumentiert ohne weitere Ausführungen aus der Interessenlage des Bundesrates – nicht aus der Interessenlage der Länder in Bezug auf das bundesstaatliche Kompetenzgefüge – heraus.117 Das Bundesverwaltungsgericht hatte die Zustimmungsbedürftigkeit der „anderweitigen gesetzlichen Regelung“ i. S. d. Art. 80 Abs. 2 GG zuvor klar verneint.118 Der Wortlaut des Ausführungen der Bundesregierung als ihrem Inhalt und Entstehen nach allgemeinen Verwaltungsvorschriften. 113 Gesetz v. 19.7.1994 (BGBl. I, S. 1618). 114 BVerfGE 100, 249, 261. 115 Vgl. BVerfGE 100, 249, 262. 116 Das damalige Schrifttum hatte die Frage nach einer dahingehenden ungeschriebenen Zustimmungsbedürftigkeit selten thematisiert. Siehe Bettermann, Posttarifhoheit, S. 23 ff., 27 ff. für eine Zustimmungsbedürftigkeit, aber differenzierend; offengelassen bei Schmidt, DÖV 1964, 760, 764. Krit. Hesse, Rundfunkleistungen, S. 23 ff. A. A. Kämmerer, DVBl. 1965, 217, 221 Fn. 49 ohne Begründung. 117 Vgl. Antoni, AöR 114 (1989), 220, 235. 118 Vgl. BVerwGE 28, 36, 39 ff., 41. Ebenso BayVGH BayVBl. 1967, 33, 33; OVG Berlin ArchPostFern 1967, 77, 81; OVG Hamburg ArchPostFern 1967, 71, 74 mit Anmerkung R. Schmidt, 75 f.; HessVGH DÖV 1966, 872, 872.

C. Zustimmungsbedürftige Bundesgesetze

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Art. 80 Abs. 2 GG sei eindeutig, eine „extensive“ Auslegung zugunsten des Bundesrates mit dem Enumerationsprinzip nicht vereinbar.119 Der damit nur umrissene Streit soll hier nicht neu entschieden werden. Die Entstehungsgeschichte ist unergiebig.120 Dass eine Interpretation, die den Ausschluss der Zustimmungsbedürftigkeit von Rechtsverordnungen durch bloßes Einspruchsgesetz zulassen will, wie vom Bundesverfassungsgericht behauptet, „von der Natur der Sache her widersinnig“ ist und dazu führt, dass das Zustimmungsrecht des Bundesrates zu Rechtsverordnungen „weitgehend gegenstandslos“121 wird, kann jedenfalls nicht vollständig überzeugen.122 Eine bundesgesetzliche Regelung, die ein verfassungsrechtlich angeordnetes Zustimmungsrecht zu Rechtsverordnungen ausschließt, lässt sich zwar als „systemverschiebendes“ Gesetz in der Konzeption des historischen Verfassungsgebers charakterisieren. Bei der Schaffung des Grundgesetzes ist diese Konzeption aber insoweit nicht vollkommen lückenlos verwirklicht worden, als auch das föderale System (potentiell) verschiebende Gesetze nicht abstrakt, sondern nur dann der Zustimmung des Bundesrates unterliegen, wenn das Grundgesetz dies konkret und ausdrücklich anordnet. Die Feststellung der Zustimmungsbedürftigkeit aufgrund „systemverschiebender“ Wirkung eines Gesetzes stößt – streng genommen – im Enumerationsprinzip an ihre Grenzen. Die Schaffung „neuer“ Zustimmungstatbestände ist Sache des verfassungsändernden Gesetzgebers.123 3. Die durch Grundgesetzänderungen eingefügten Zustimmungstatbestände Tatsächlich hat der verfassungsändernde Gesetzgeber in den ursprünglichen Katalog zustimmungsbedürftiger Bundesgesetze teilweise durch Veränderungen bestehender Zustimmungstatbestände, entscheidend aber durch die Schaffung neuer Zustimmungstatbestände massiv eingegriffen. Vom 119 Der Bundesrat werde, so das Bundesverwaltungsgericht, durch eine solche Interpretation auch nicht völlig ausgeschaltet. Das ihm zustehende Einspruchsrecht könne unter Berücksichtigung der Regelung des Art. 77 Abs. 4 GG eine erhebliche Barriere darstellen. Vgl. BVerwGE 28, 36, 41. 120 Vgl. Füsslein, JöR NF 1 (1951), 587 ff. 121 BVerfGE 28, 66, 77. 122 Siehe Antoni, AöR 114 (1989), 220, 235 f. In der Bundesstaatskommission war die Zustimmungsbedürftigkeit speziell der anderweitigen bundesgesetzlichen Regelung nach Art. 80 Abs. 2 GG kein Thema. Nur punktuell ist eine Neufassung des Abs. 2 in Bezug auf die Anordnung der Zustimmungsbedürftigkeit von Rechtsverordnungen erörtert worden. Siehe die Zusammenfassung in der Dokumentation, Zur Sache 1/2005, S. 81 ff. 123 Siehe zur quantitativen Bedeutung des Zustimmungstatbestandes des Art. 80 Abs. 2 GG unten in diesem Abschnitt C.III.2.

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1. Abschn.: Die Mitwirkung des Bundesrates bei der Gesetzgebung

Konzept des historischen Verfassungsgebers und der dem Grundgesetz ursprünglich zugrunde liegenden Differenzierung zwischen Einspruchs- und Zustimmungsgesetzen hat sich der verfassungsändernde Gesetzgeber dabei zumindest partiell entfernt. So lassen sich die durch Verfassungsänderung eingefügten Zustimmungstatbestände nur zum Teil in die aus dem Ursprungsbestand des Grundgesetzes entwickelten zwei Gruppen von Zustimmungstatbeständen einordnen – oder als Ergänzung dieser Gruppen charakterisieren. Andere neu hinzugekommene Zustimmungsrechte des Bundesrates sprengen deutlich die Kategorie der Zustimmungsgesetze als „systemverschiebende“ Gesetze, weisen also den ursprünglich allein maßgeblichen Zusammenhang mit der bundesstaatlichen Kompetenzverteilung nicht auf. Darin bestätigt sich der vielfach erhobene Vorwurf, die Landes(regierungen) hätten sich ihr Einverständnis zu Verfassungsänderungen (Art. 79 Abs. 2 GG) – insbesondere zu solchen, die bestehende Kompetenzen der Länder auf den Bund verlagern – im Gegenzug zur Schaffung neuer Zustimmungsrechte des Bundesrates regelrecht „abkaufen“ lassen und eine Erweiterung ihrer Zustimmungskompetenzen auf diesem Wege (auch) „systemwidrig“ erstritten.124 a) In die Verwaltungskompetenzen der Länder eingreifende zustimmungsbedürftige Bundesgesetze Die Gruppe zustimmungsbedürftiger Gesetze, die in die Verwaltungskompetenzen der Länder eingreifen, ist durch Grundgesetzänderungen erheblich erweitert worden. Der Gesetzgeber hat in den zurückliegenden Jahren immer wieder das Bedürfnis gesehen, abweichend von dem in Art. 83 GG normierten Grundsatz der Ausführung der Bundesgesetze durch die Länder als eigene Angelegenheit, dem Bund über die ihm in der ursprünglichen Fassung des Grundgesetzes zugewiesenen Gegenstände hinaus weitere zur Ausführung in bundeseigener Verwaltung zu übertragen oder aber die Gruppe der Gegenstände, die durch die Länder im Auftrag des Bundes auszuführen sind125, zu erweitern. Durch Verfassungsänderungen wurden dementspre124

Vgl. Grimm, in: 50 Jahre Grundgesetz, S. 39, 53, 55. Siehe auch Althaus, 1. Sitzung der Kommission, 7.11.2003, StenBer., S. 1; Gramm, AöR 124 (1999), 212, 216. Siehe auch Bullinger, DÖV 1971, 761, 766. 125 In der ursprünglichen Fassung des Grundgesetzes waren außerhalb der Finanzverfassung nur folgende Fälle von Auftragsverwaltung vorgesehen: Vollzug des Fernstraßenrechts, Art. 90 Abs. 2 GG (obligatorisch), und des Wasserstraßenrechts, Art. 89 Abs. 2 Satz 3 und 4 (fakultativ – auf Antrag eines Landes oder mehrerer Länder). Zum ursprünglichen materiellen Verständnis der Bundesauftragsverwaltung vgl. Heitsch, S. 259 ff., 271 ff., 327 f. Zum (überwiegend) formellen Charakter der neu eingefügten Fälle der Auftragsverwaltung (Art. 120a, 87b, 87c GG) siehe

C. Zustimmungsbedürftige Bundesgesetze

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chend neue Fälle obligatorischer Bundeseigenverwaltung – so z. B. Art. 87b Abs. 1 Satz 1 (Bundeswehrverwaltung), Art. 87d Abs. 1 Satz 1 (Luftverkehrsverwaltung), Art. 87e Abs. 1 Satz 1 (Eisenbahnverkehrsverwaltung) GG – geschaffen.126 Dem Kompromisscharakter dieser Verfassungsänderungen entsprechend wurden aber in weitem Umfang gerade Gegenstände fakultativer bundeseigener Verwaltung oder Auftragsverwaltung normiert.127 Die grundgesetzlich zugelassene, vom Grundsatz des Art. 83 GG abweichende einfachgesetzliche Übertragung einer Aufgabe an den Bund zur eigenen Verwaltung oder an die Länder zur Ausführung im Auftrag des Bundes wurde dabei regelmäßig unter den Vorbehalt der Zustimmung des Bundesrates gestellt. Der Zustimmung des Bundesrates wurden in diesem Zusammenhang zum Teil auch solche Gesetze unterworfen, die im Bereich der Auftragsverwaltung Abweichungen von den in Art. 85 GG hierzu getroffenen Regelungen zum Nachteil der Länder ermöglichen sollen.128 Im Einzelnen handelt es sich um folgende Normen: – Art. 120a Abs. 1 Satz 1 GG129; – Art. 87b130 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Satz 1 und 2131 GG; Heitsch, S. 286 ff., 292 ff., 297 ff., 328 f. Allgemein zum Charakter der Auftragsverwaltung siehe Trute, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 85 Rn. 6 m. w. N. 126 Die Gegenstände obligatorischer Auftragsverwaltung wurden lediglich durch Art. 104a Abs. 3 Satz 2 GG erweitert. 127 Siehe z. B. Art. 87b Abs. 2 Satz 1 GG (fakultative Bundeseigenverwaltung), Art. 87b Abs. 2 Satz 1, 87c, 87d Abs. 2 GG (fakultative Auftragsverwaltung). Die Fälle fakultativer Bundeseigen- oder Auftragsverwaltung bildeten in der ursprünglichen Fassung des Grundgesetzes eine Ausnahme. Vgl. Art. 87 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 (fakultative Bundeseigenverwaltung – ohne Zustimmung des Bundesrates), Art. 87 Abs. 3 Satz 2 (fakultative Bundeseigenverwaltung – mit Zustimmung des Bundesrates) und Art. 89 Abs. 2 Satz 3 und 4 (fakultative Auftragsverwaltung auf Antrag eines Landes oder mehrerer Länder) GG. 128 Vgl. Art. 120a Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Satz 2; Art. 87b Abs. 2 Satz 2 GG. 129 Eingefügt durch das Gesetz zur Einfügung eines Art. 120a in das Grundgesetz v. 14.8.1952 (BGBl. I, S. 445). Vgl. zur Entstehungsgeschichte Muckel, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 120a Normgeschichte; Heitsch, S. 286 m. w. N. Art. 120a GG wurde zusammen mit den ihn ausfüllenden Bundesgesetzen konzipiert. Vgl. hierzu die Angaben bei Muckel, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 120a Gesetzgebung. Die Norm erweitert nicht nur erstmals den Katalog der Gegenstände fakultativer Bundeseigen- und Auftragsverwaltung, sondern ermöglicht zudem die Einführung einer Mischverwaltung, die bundeseigene Verwaltung und Auftragsverwaltung der Länder kombiniert. Vgl. Schäfer, in: v. Münch/Kunig, Art. 120a Rn. 3; Muckel, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 120a Rn. 4; Siekmann, in: Sachs, Art. 120a Rn. 1; Heitsch, S. 290. Art. 120a GG schafft zudem die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für die von der Regelung des Art. 85 GG abweichende besondere Stellung des Bundesausgleichsamtes. Siehe Heitsch, S. 290; Schäfer, in: v. Münch/Kunig, Art. 120a Rn. 3. Die bundesgesetzliche Übertragung der gem. Art. 85 GG bestehenden Ingerenzrechte auf das Bundesausgleichsamt nach Abs. 1 Satz 1, 2. Fall greift an sich nicht in die Verwaltungskompetenzen der Länder ein.

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1. Abschn.: Die Mitwirkung des Bundesrates bei der Gesetzgebung

– Art. 87c GG132; – Art. 87d Abs. 2 GG133; – Art. 87e Abs. 1 Satz 2 i. V. m. Abs. 5 und Abs. 2 i. V. m. Abs. 5 GG134. Nach Abs. 1 Satz 2 des Art. 120a GG bedarf das Bundesausgleichsamt aber bei der Ausübung der ihm übertragenen Ingerenzrechte nicht der in Art. 85 GG vorgesehenen Zustimmung des Bundesrates. Mit der Aufgabenübertragung verbunden ist damit eine Verschlechterung der Position der Länder im Vergleich zum „Normalfall“ der Auftragsverwaltung. Diese Beeinträchtigung der Verwaltungskompetenzen der Länder wird durch das Zustimmungserfordernis abgesichert. 130 Art. 87b GG wurde im Rahmen der Wehrverfassung in das Grundgesetz eingefügt. Siehe das Gesetz zur Ergänzung des Grundgesetzes v. 19.3.1956 (BGBl. I, S. 111). Vgl. zum Gang des Gesetzgebungsverfahrens Jess, in: BK, Art. 87b Anm. I; Heitsch, S. 291 ff. Siehe auch Deutscher Bundestag, Die Änderungen des Grundgesetzes, S. 78 ff. Vgl. auch Meyer-Dalheuer, DVBl. 1957, 185, 185 ff. Die Gesetzentwürfe zu Art. 87b Abs. 2 GG sahen noch kein Zustimmungserfordernis vor. Zum „föderalen Kompromisscharakter“ der Verfassungsänderung siehe z. B. Heitsch, S. 296; Kokott, in: Sachs, Art. 87b Rn. 3; Jess, in: BK, Art. 87b Anm. II 1. 131 Vgl. zu dieser „systematischen Ausnahme“ Meyer-Dalheuer, DVBl. 1957, 185, 191. Siehe auch Art. 120a Abs. 1 GG. Das Zustimmungserfordernis in Art. 87b Abs. 2 Satz 2 GG schützt vor einer Beeinträchtigung der Verwaltungskompetenzen der Länder streng genommen nur insoweit, als es sich nach HS. 2 auf solche bundesgesetzlichen Vorschriften bezieht, die die Zustimmungsbedürftigkeit von allgemeinen Verwaltungsvorschriften nach Art. 85 Abs. 2 GG beseitigen. Vgl. auch Heitsch, S. 296. Eine Beeinträchtigung der Verwaltungskompetenzen der Länder allein dadurch, dass die nach Art. 85 GG vorgesehenen Ingerenzrechte des Bundes einer Bundesoberbehörde übertragen werden, lässt sich ebenso wie im Fall des Art. 120a Abs. 1 Satz 1, 2. Fall GG kaum ausmachen. 132 Art. 87c GG wurde zusammen mit dem Kompetenztitel des Art. 74 Nr. 11a GG eingefügt. Siehe das Gesetz zur Ergänzung des Grundgesetzes v. 23.12.1959 (BGBl. I, S. 813). Vgl. Deutscher Bundestag, Die Änderungen des Grundgesetzes, S. 84 f.; Trost, S. 85 ff. Vgl. zur Entstehungsgeschichte Bischof, in: BK, Art. 74 Nr. 11a Rn. 1 ff. Parallel zur Schaffung des Kompetenztitels verlief das Gesetzgebungsverfahren zum Atomgesetz, das am Tag der Grundgesetzänderung und damit vor deren Inkrafttreten verabschiedet, ausgefertigt und verkündet wurde. Zu diesem Verfahrensmangel vgl. Oeter, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 74 Rn. 114. Vgl. zu Art. 87c GG auch Horn, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 87c Rn. 6 ff. Siehe auch Heitsch, S. 297 ff. Anders als Art. 87b Abs. 2 Satz 2 GG und Art. 120a Abs. 1 GG ermöglicht Art. 87c GG keine Modifizierung des Art. 85 GG. Vgl. zu den vorgebrachten Gründen für die Ermöglichung der Ausführung in Form der Auftragsverwaltung ausführlich Heitsch, S. 298 ff. Ohne ein entsprechendes Bundesgesetz nach Art. 87c GG bleibt es bei der Ausführung durch die Länder als eigene Angelegenheit. Vgl. Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 87d Rn. 1; Horn, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 87c Rn. 7. 133 Art. 87d GG wurde eingefügt durch das Gesetz zur Einfügung eines Artikels über die Luftverkehrsverwaltung in das Grundgesetz (11. Änderung des Grundgesetzes) v. 6.2.1961 (BGBl. I, S. 65). Vgl. Deutscher Bundestag, Die Änderungen des Grundgesetzes, S. 86 f.; Trost, S. 97 ff. Art. 87d GG schuf eine bisher fehlende verfassungsrechtliche Regelung über die Verwaltungszuständigkeit im Bereich der Luftverkehrsverwaltung. Vgl. Horn, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 87d Rn. 1 ff.

C. Zustimmungsbedürftige Bundesgesetze

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Mit der Schaffung fakultativer Bundeseigenverwaltung und Auftragsverwaltung ist der verfassungsändernde Gesetzgeber einen Weg gegangen, der im Bereich der Verwaltungskompetenzen eine Flexibilität schafft, die eine obligatorische Anordnung nicht leisten kann. Dem Bundesrat ein Zustimmungsrecht bei der Inanspruchnahme der dahingehenden Kompetenzen des Bundesgesetzgebers einzuräumen, war dabei keineswegs zwingend (vgl. Art. 87 Abs. 3 Satz 1 GG).135 Das Erfordernis der Zustimmung des Bundesrates, so hat auch das Bundesverfassungsgericht für den Fall des Art. 87b Abs. 2 Satz 1 GG festgestellt, findet aber „seine Rechtfertigung darin, daß der Gesetzesvollzug einer Verwaltungsmaterie ganz oder teilweise – abweichend von der Regel des Art. 83 GG – einer Zuständigkeit zugeführt wird, welche die Mitwirkung der Länder entweder ganz ausschließt oder die Verwaltung der Länder noch weitergehenden Aufsichts- und Weisungsrechten (vgl. Art. 85 Abs. 3 und 4, Art. 87b Abs. 2 Satz 2 GG) unterwirft“136. Ein Eingriff in die VerDer Bundesrat hatte zunächst gefordert, am Grundsatz der landeseigenen Ausführung der Bundesgesetze auch im Bereich der Luftverkehrsverwaltung festzuhalten, und vorgeschlagen, lediglich die Möglichkeit, durch Zustimmungsgesetz die Ausführung einzelner Aufgaben in bundeseigener Verwaltung oder Auftragsverwaltung vorzusehen, zu normieren. Bundesregierung und Bundestag hielten dem die Regelungen der verwandten Verkehrswege in den Art. 87, 89 und 90 GG entgegen und setzten sich schließlich durch. Vgl. die Stellungnahme des Bundesrates zum Regierungsentwurf in BT-Drs. 3/1534, S. 4 und die Stellungnahme der Bundesregierung zu den Änderungsvorschlägen des Bundesrates S. 5 ff. Siehe auch Heitsch, S. 282 f. Vgl. zum Gang des Gesetzgebungsverfahrens Jess, in: BK, Art. 87d Anm. 4 ff. Vgl. zu Art. 87d GG insb. Heitsch, S. 284. Art. 87d Abs. 2 GG normiert also die Möglichkeit der Rückübertragung in die Verwaltung durch die Länder im Auftrag des Bundes. 134 Art. 87e GG wurde im Rahmen der sog. Bahnreform in das Grundgesetz eingefügt. Siehe das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes v. 20.12.1993 (BGBl. I, S. 2089). Geändert bzw. eingefügt wurden hierdurch auch Art. 73 Nr. 6, 6a, Art. 74 Nr. 23, Art. 80 Abs. 2, Art. 87 Abs. 1 Satz 1, Art. 106a, Art. 143a GG. Vgl. dazu Gersdorf, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 87e Rn. 1 ff. Nach Art. 87e Abs. 1 Satz 1 GG wird die Eisenbahnverkehrsverwaltung in bundeseigener Verwaltung geführt; die im Bereich der Bundeseisenbahnen fortbestehenden hoheitlichen Aufgaben sind grundsätzlich dem Bund zugewiesen (obligatorische Bundesverwaltung). Vgl. Gersdorf, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 87e Rn. 18, 24; Pieroth, in: Jarass/ Pieroth, Art. 87e Rn. 1. Siehe auch BVerfGE 97, 198, 222 f. Art. 87e Abs. 1 Satz 2 GG sieht die Möglichkeit einer Rückübertragung zur Ausführung durch die Länder als eigene Angelegenheit vor. 135 Insb. auch deswegen, weil ein Kompetenzverlust der Länder mit den Verfassungsänderungen, die überwiegend die bestehende Staatspraxis auffingen, in der Regel nicht verbunden oder die Einräumung der Möglichkeit der Anordnung von Bundeseigen- oder Auftragsverwaltung durch sachliche Gründe gerechtfertigt war. Siehe hierzu die jeweiligen Nachweise zur Entstehungsgeschichte. 136 BVerfGE 48, 127, 179.

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1. Abschn.: Die Mitwirkung des Bundesrates bei der Gesetzgebung

waltungskompetenzen der Länder wird in diesen Fällen durch das Zustimmungserfordernis auch nach Ansicht des Schrifttums durchaus „systemkonform“ abgesichert.137 Das schließt nicht aus, dass der Bundesrat bei der Schaffung der genannten Zustimmungstatbestände, wie der Entstehungsgeschichte regelmäßig zu entnehmen ist, die Einräumung eines Zustimmungserfordernisses „als Gegenleistung“ für die Schaffung neuer Fälle fakultativer Bundeseigenverwaltung und Auftragsverwaltung tatsächlich gefordert hat.138 b) Die finanzielle Ausstattung der Länder unmittelbar berührende zustimmungsbedürftige Bundesgesetze Während die Gruppe der die Verwaltungskompetenzen der Länder betreffenden zustimmungsbedürftigen Bundesgesetze durch die zuvor genannten Zustimmungstatbestände in erster Linie erweitert wurde, unterlag die Kategorie der Gesetze, die aufgrund ihrer Auswirkungen auf die finanzielle Ausstattung der Länder vom historischen Verfassungsgeber der Zustimmung des Bundesrates unterworfen wurden, vielfachen Änderungen und Ergänzungen, insbesondere durch die beiden umfassenden Reformen der Finanzverfassung im Jahre 1955 und 1969.139 137

Vgl. dahingehend zu Art. 120a GG Heitsch, S. 290; zu Art. 87b Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Satz 1 GG, Art. 87c GG Heitsch, S. 314. Vgl. insgesamt Dästner, ZParl 2001, 290, 299. Als problematisch in Bezug auf eine „systemgerechte“ Einordnung erweisen sich insofern allenfalls die Zustimmungstatbestände (namentlich Art. 87d Abs. 2 GG und Art. 87e Abs. 1 Satz 2 GG), die Gesetze betreffen, die die Möglichkeit der Rückübertragung von dem Bund obligatorisch zur eigenen Verwaltung zugewiesenen Aufgaben als eigene Angelegenheit oder im Auftrag des Bundes vorsehen (fakultative Landesverwaltung). Macht der Bundesgesetzgeber von der Möglichkeit der Rückübertragung mit Zustimmung des Bundesrates keinen Gebrauch, bleibt es in diesen Fällen bei der verfassungsrechtlich angeordneten Ausführung in Form der Bundeseigenverwaltung. Vgl. zu Art. 87d Abs. 2 GG Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 87d Rn. 2; Horn, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 87d Rn. 39. Ausführlich Heitsch, S. 282 ff. Ausgehend von der in Art. 83 GG getroffenen Grundentscheidung stellen sich diese Bestimmungen „als Ausnahme von der Ausnahme“ der bundeseigenen Verwaltung dar. Sie erweitern mit der Übertragung von Aufgaben zur Ausführung an die Länder im Verhältnis zur Regel der bundeseigenen Verwaltung deren Kompetenzen. Die Aufhebung von Gesetzen nach Art. 87d Abs. 2 GG soll daher nach teilweise vertretener Auffassung in der Literatur ebenfalls zustimmungsbedürftig sein. Vgl. Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 87d Rn. 2, so auch in Bezug auf Art. 87e Abs. 1 Satz 2 GG Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 87e Rn. 6; Uerpmann, in: v. Münch/Kunig, Art. 87d Rn. 17; Windthorst, in: Sachs, Art. 87d Rn. 42. A. A. (ohne Begründung) Hermes, in: Dreier, Art. 87d Rn. 30; Heitsch, S. 284 f. Siehe auch S. Meyer, S. 242 f. zu Art. 87d Abs. 2 GG. 138 Siehe hierzu die jeweiligen Nachweise zur Entstehungsgeschichte. 139 Siehe Gesetz zur Änderung und Ergänzung der Finanzverfassung (Finanzverfassungsgesetz) v. 23.12.1955 (BGBl. I, S. 817) und das 21. Gesetz zur Änderung

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aa) Art. 104a ff. GG Auf die Reformen der finanzverfassungsrechtlichen140 Bestimmungen des Grundgesetzes und damit auch die Umgestaltung der einschlägigen Zustimmungstatbestände soll hier nicht im Einzelnen eingegangen werden.141 Nur Grundsätzliches sei zur Einordnung der finanzverfassungsrechtlichen Zustimmungstatbestände auch im Hinblick auf den später zu diskutierenden Vorschlag für einen neuen Art. 104a Abs. 3a GG142 festgehalten: Die in den Art. 104a ff. GG enthaltenen Vorschriften sind, so das Bundesverfassungsgericht, „einer der tragenden Eckpfeiler der bundesstaatlichen Ordnung des Grundgesetzes“143. Nur auf der Grundlage einer hinreichenden finanziellen Ausstattung „sind die Länder und ist der Bund in der Lage, die eigene Staatlichkeit zu entfalten“144, kann die „staatliche Selbständigkeit von Bund und Ländern real werden“145. Bund und Länder müssen finanziell in der Lage sein, die ihnen nach der bundesstaatlichen Kompetenzordnung zugewiesenen Aufgaben auch eigenverantwortlich zu erfüllen.146 Zu diesem des Grundgesetzes (Finanzreformgesetz) v. 12.5.1969, (BGBl. I, S. 359). Eine chronologische Übersicht der Änderungen der Finanzverfassung liefert Heintzen, in: v. Münch/Kunig, Vorb. Art. 104a–115 Rn. 17. Auch nach 1969 sind einzelne Bestimmungen der Finanzverfassung noch mehrfach geändert worden. Art. 106a GG wurde eingefügt durch das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes v. 20.12.1993 (BGBl. I, S. 2089); mit dem Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes v. 3.11.1995 (BGBl. I, S. 1492) wurden in Art. 106 GG Abs. 3 Satz 5 und 6 eingefügt; Art. 106 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 6 GG wurden geändert und Abs. 6a wurde eingefügt durch das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes v. 20.10.1997 (BGBl. I, S. 2470); Art. 108 GG wurde geändert durch das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes v. 26.11.2001 (BGBl. I, S. 3219). Siehe zu den Änderungen im Einzelnen Bauer/ Jestaedt, S. 339 ff. 140 Vgl. zu den Begriffen „Finanzverfassung“ und „Haushaltsverfassung“ Heintzen, in: v. Münch/Kunig, Vorb. Art. 104a–115 Rn. 1; Siekmann, in: Sachs, vor Art. 104a Rn. 6: Art. 104a bis 108 GG regeln die Finanzbeziehungen im Bundesstaat; dieser Regelungskomplex wird als bundesstaatliche Finanzverfassung oder als Finanzverfassung i. e. S. bezeichnet. Art. 110 bis Art. 115 GG betreffen das Haushaltswesen, also die Haushaltsverfassung. In Art. 109 GG werden beide Regelungsbereiche verzahnt. 141 Siehe z. B. Heintzen, in: v. Münch/Kunig, Vorb. Art. 104a–115 Rn. 31 ff.; Stern, Staatsrecht II, S. 1070 ff. 142 Siehe hierzu unten Sechster Abschnitt B. III. und D. 143 BVerfGE 55, 274, 300. Vgl. auch BVerfGE 72, 330, 388; 86, 148, 213 f., 264; 105, 185, 194. Siehe auch Stern, Staatsrecht II, S. 1054; Hellermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 104a Rn. 3. 144 BVerfGE 72, 330, 388. 145 BVerfGE 86, 148, 214. 146 Vgl. BVerfGE 55, 174, 300; 86, 148, 214, 264. Siehe aus der Kommentarliteratur nur Heintzen, in: v. Münch/Kunig, Vorb. Art. 104a–115 Rn. 29.

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1. Abschn.: Die Mitwirkung des Bundesrates bei der Gesetzgebung

Zweck sollen die Art. 104a ff. GG den Gesamtstaat und die Gliedstaaten am Gesamtertrag der Volkswirtschaft sachgerecht beteiligen.147 Die Funktion der Finanzverfassung im Verhältnis zur bundesstaatlichen Ordnung wird regelmäßig mit dem Begriff der Folgeverfassung charakterisiert.148 Damit soll zum Ausdruck gebracht werden, dass die Finanzverfassung in einem „dienenden Verhältnis“149 zur bundesstaatlichen Aufgabenverteilung steht. Dies verweist auf den Grundsatz der Konnexität von Aufgaben und Ausgaben: die Ausgabenverteilungslast folgt grundsätzlich der Aufgabenverteilung (Art. 104a Abs. 1 GG).150 Die Verteilung der staatlichen Aufgaben aber geht der Finanzverfassung voraus. Sie soll nicht in Abhängigkeit von der Finanzverfassung entschieden werden, sondern danach, wer die entsprechende Aufgabe am besten erfüllen kann (Primat der grundgesetzlichen Aufgabenverteilung).151 Die finanziellen Beziehungen im bundesstaatlichen Gefüge regelt die Finanzverfassung unter verschiedenen Aspekten.152 Sie beinhaltet einerseits Regelungen über die Verteilung der Ausgabenverantwortung oder auch die Finanzierungskompetenz (Art. 104a GG153). Andererseits schafft sie im 147

Vgl. BVerfGE 55, 274, 300; 72, 330, 388; 86, 148, 214, 264; 91, 186, 201; 105, 185, 194. Vgl. auch Pieroth, in: Pieroth/Schlink, Art. 104a Rn. 1; Hellermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 104a Rn. 3. 148 Vgl. dazu Hellermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 104a Rn. 4; Heintzen, in: v. Münch/Kunig, Vorb. Art. 104a–115 Rn. 28. Krit. zu diesem Begriff z. B. Siekmann, in: Sachs, vor Art. 104a Rn. 26. 149 So Hellermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 104a Rn. 4. 150 Vgl. nur von Arnim, in: HdbStR IV, § 103 Rn. 8. Siehe auch Hellermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 104a Rn. 9. Nach dem in Art. 104a Abs. 1 GG normierten Konnexitätsprinzip trägt die für die Wahrnehmung einer Aufgabe zuständige föderale Ebene auch die damit verbundenen Ausgaben. Das Konnexitätsprinzip bezieht sich sowohl auf Verwaltungsausgaben (d. h. die fixen Kosten von Personal und Einrichtung der Verwaltung) als auch auf Zweckausgaben (d. h. die Kosten, die durch die Erfüllung der eigentlichen Verwaltungsaufgabe entstehen). Vgl. z. B. Heintzen, in: v. Münch/Kunig, Art. 104a Rn. 11 ff. 151 Vgl. Stern, Staatsrecht II, S. 1130; Hellermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 104a Rn. 9. 152 Vgl. Heintzen, in: v. Münch/Kunig, Vorb. Art. 104a–115 Rn. 1; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 104a Rn. 1; Siekmann, in: Sachs, vor Art. 104a Rn. 12. Siehe ausführlich auch zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bis zu diesem Zeitpunkt z. B. Selmer, AöR 101 (1976), 238, 240 ff. 153 Im Einzelnen enthält Art. 104a GG folgende Zustimmungstatbestände: Art. 104a Abs. 3 Satz 3, Abs. 4 Satz 2, Abs. 5 Satz 2 GG. Art. 104a Abs. 4 GG stellt die finanzielle Beteiligung des Bundes an Aufgaben der Länder, das sog. Fondswesen, auf eine verfassungsrechtliche Grundlage. Vgl. hierzu BVerfGE 39, 96, 107 ff.; 41, 291, 304 ff. Siehe insb. Oeter, S. 338 ff. Die Finanzierung der Länder durch den Bund berührt fundamental die Stellung der Länder und ihre Interessen. Zur Begrenzung des Einflusses des Bundes und um zu gewährleisten, dass die Län-

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Hinblick auf die Einnahmenseite Regelungen über die Steuergesetzgebungskompetenzen (Art. 105 GG), die Steuerertragskompetenzen, also die Verteilung der Finanzmassen (Art. 106 f. GG), und schließlich die Verwaltungskompetenzen (Art. 108 GG). Dass die Steuergesetzgebungskompetenz zum Zweck der Erhaltung der Rechts- und Wirtschaftseinheit schwerpunktmäßig beim Bund liegen soll, war schon im Parlamentarischen Rat kaum bestritten154; die Dominanz des Bundes im Bereich der Steuergesetzgebung hat sich mit der Reform von 1969 noch verfestigt. Art. 105 Abs. 3 GG „als notwendiger Ausgleich“155 räumte dem Bundesrat für die weit reichende Verdrängung der Länder aus der Steuergesetzgebung von Beginn an ein Zustimmungsrecht ein.156 Auf der Ebene des (primären) vertikalen157 Finanzausgleichs bei der Regelung der Steuerertragshoheit sichern Zustimmungsrechte des Bundesrates konsequenterweise die Interessen der Länder bei der einfachgesetzlichen Ausgestaltung der Verteilung der Verbundsteuern, zu denen seit der Reform von 1969 neben der Einkommen- und Körperschaftsteuer auch die Umsatzsteuer zu zählen ist, und zu denen damit die drei großen, maßgeblich von der Wirtschaftsentwicklung abhängigen Steuern gehören.158 Zustimmungsrechte der durch dessen Mitfinanzierung nicht in ihrer Aufgabenerfüllung eingeschränkt oder behindert werden, stellt Abs. 4 Satz 2 die nähere Ausgestaltung unter den Vorbehalt eines zustimmungsbedürftigen Gesetzes oder einer Verwaltungsvereinbarung aufgrund des Bundeshaushaltsgesetzes. Gem. Art. 104a Abs. 5 Satz 1 GG tragen Bund und Länder die bei ihren Behörden entstehenden Verwaltungsausgaben und haften im Verhältnis zueinander für eine ordnungsgemäße Verwaltung. Nach Satz 2 bedarf ein Bundesgesetz, das das Nähere bestimmt, ebenfalls der Zustimmung des Bundesrates. Auch hierdurch sind die finanziellen Interessen der Länder unmittelbar berührt. Der Erlass eines solchen Gesetzes ist bisher am Widerstand der Länder gescheitert. 154 Vgl. zur Entwicklung der Steuergesetzgebungshoheit z. B. Stern, Staatsrecht II, S. 1112 ff. m. w. N. 155 So Stern, Staatsrecht II, S. 1123. 156 Vgl. Heintzen, in: v. Münch/Kunig, Art. 105 Rn. 54; Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 105 Rn. 61, der Art. 105 Abs. 3 GG als eine der „wesentlichsten Vorschriften der Bundesstaatskonzeption des Grundgesetzes und eine notwendige Ergänzung der Abs. 1 und 2“ bezeichnet. Siehe auch Vogel/Walter, in: BK, Art. 105 Rn. 127 m. w. N. Siehe auch BVerfGE 14, 197, 220. Aufgrund der Tatsache, dass die Länder an den ertragreichsten Steuern beteiligt sind, führt Art. 105 Abs. 3 GG finanzpolitisch dazu, dass der Bund gegen den Widerstand der Länder keine Steuerreform durchführen kann. 157 Zu den Begriffen primärer/sekundärer und vertikaler/horizontaler Finanzausgleich vgl. Siekmann, in: Sachs, vor Art. 104a Rn. 29 ff.; Stern, Staatsrecht II, S. 1153, 1161, 1165. 158 Zustimmungsbedürftig ist nach Art. 106 Abs. 3 Satz 3 GG das die Anteile an der Umsatzsteuer festsetzende Bundesgesetz. Zustimmungsbedürftig ist ebenso das den vorab abzuziehenden Umsatzsteueranteil der Gemeinden (Art. 106 Abs. 3

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1. Abschn.: Die Mitwirkung des Bundesrates bei der Gesetzgebung

stehen dem Bundesrat auch bei der Ausgestaltung des horizontalen Finanzausgleichs zu.159 Zustimmungstatbestände enthält auch Art. 108 GG, der über den Umfang der Art. 83 ff. GG hinaus die Finanzverwaltung von Bund und Ländern miteinander verzahnt und die damit verbundenen Eingriffe in die Verwaltungskompetenzen der Länder durch Zustimmungsrechte des Bundesrates absichert.160 Systematisch gehören diese Zustimmungstatbestände in die Gruppe der die Verwaltungskompetenzen der Länder betreffenden Gesetze.161 Satz 1, HS. 2, Abs. 5a Satz 1 GG) näher regelnde Bundesgesetz nach Art. 106 Abs. 5a Satz 3 GG. Auch das den Einkommensteueranteil der Gemeinden (Art. 106 Abs. 3 Satz 1, HS. 2, Abs. 5 Satz 1 GG) näher bestimmende Bundesgesetz ist zustimmungsbedürftig nach Abs. 5 Satz 2. Zustimmungsbedürftig ist zudem gem. Art. 106 Abs. 6 Satz 5 GG das die Gewerbesteuerumlage nach Satz 4 regelnde Bundesgesetz. Zustimmungsrechte stehen dem Bundesrat auch bei der einfachgesetzlichen Ausgestaltung des sekundären vertikalen Finanzausgleichs zu. Nach Art. 106 Abs. 4 Satz 2 GG kann der Bund für den Fall, dass den Ländern zusätzliche Aufgaben auferlegt oder Einnahmen entzogen werden, die entstehenden Mehrbelastungen unter bestimmten Voraussetzungen durch Finanzzuweisungen ausgleichen. Dieser sog. Mehrbelastungsausgleich erfolgt auf der Grundlage eines zustimmungsbedürftigen Bundesgesetzes. Vgl. hierzu z. B. Stern, Staatsrecht II, S. 1161, der diese Regelung ausdrücklich dem sekundären vertikalen Finanzausgleich zuordnet. Siehe auch Heintzen, in: v. Münch/Kunig, Art. 106 Rn. 41. Zustimmungsbedürftig ist auch die im Ermessen des Bundesgesetzgebers stehende Regelung von Ergänzungszuweisungen an leistungsschwache Länder nach Art. 107 Abs. 2 Satz 3 GG. 159 Der Zustimmung des Bundesrates bedürfen nach Art. 107 Abs. 1 Satz 2, 3 GG die Bundesgesetze, die nähere Bestimmungen über die Abgrenzung sowie Art und Umfang der Zerlegung des nach Satz 1 für die Verteilung der genannten Steuern auf die Länder maßgeblichen örtlichen Aufkommens treffen. Zustimmungsbedürftig nach Abs. 1 Satz 4, HS. 2 sind zudem Bundesgesetze, die Ergänzungsanteile bei der horizontalen – nach Satz 4, HS. 1 nach Maßgabe der Einwohnerzahl erfolgenden – Umsatzsteuerverteilung festsetzen (primärer horizontaler Finanzausgleich). Der nach Abs. 2 Satz 1 und 2 in demselben Gesetz vorzunehmende Länderfinanzausgleich (sekundärer horizontaler Finanzausgleich) unterliegt ebenso der Zustimmungsbedürftigkeit. 160 Vgl. dazu Schlette, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 108 Rn. 4. Art. 108 Abs. 1 bis 5 und Abs. 7 GG sind leges speciales zu den Art. 83 ff. GG. Siehe Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 108 Rn. 1; Heintzen, in: v. Münch/Kunig, Art. 108 Rn. 9. 161 Zustimmungsbedürftig sind nach Art. 108 Abs. 2 Satz 2 GG mögliche bundesgesetzliche Regelungen über den Aufbau der Landesfinanzbehörden und die einheitliche Ausbildung der Beamten. Der Bund kann derartige Regelungen nicht nur im Bereich der Auftragsverwaltung und der Verwaltung von bundesgesetzlich geregelten Steuern durch die Länder als eigene Angelegenheit, sondern auch im Bereich der Landesverwaltung von landesgesetzlich geregelten Steuern treffen. Art. 108 Abs. 2 Satz 2 GG geht über die Art. 84 Abs. 1 und Art. 85 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 GG damit weit hinaus. Die Möglichkeit des Bundes, die Ausbildung der Steuerbeamten der Landesfinanzbehörden zu regeln, soll gewährleisten, dass eine gleichmäßige Besteuerung im Bundesgebiet nicht durch unterschiedlich ausgebildete Be-

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In der insgesamt unitarisch geprägten Finanzverfassung des Grundgesetzes sind also den Ländern anstelle autonom wahrnehmbarer Kompetenzen regelmäßig Zustimmungsrechte über den Bundesrat zur Sicherung ihrer finanziellen und damit auch „politischen Potenz“162 eingeräumt.163 Die an ein Zustimmungsrecht des Bundesrates geknüpften, die bundesstaatliche Finanzverfassung ausfüllenden Bundesgesetze zeichnen sich schon per se durch einen besonderen Nähegrad zur bundesstaatlichen Kompetenzverteilung aus; sie betreffen unmittelbar die Finanzen der Länder und damit ihre finanzielle Fähigkeit zur Erfüllung der ihnen nach der bundesstaatlichen Kompetenzordnung zugewiesenen Aufgaben.164 Zwar hat sich die Ausgestaltung der Finanzverfassung des Grundgesetzes durch die Reformen nach 1949 erheblich verändert. Die Mehrzahl der aktuellen Zustimmungstatbestände lässt sich jedoch auf den Ursprungsbestand des Grundgesetzes zurückführen. Allenfalls die in Art. 104a Abs. 3 Satz 3 GG angeordnete Zustimmungsbedürftigkeit von solchen Geldleistungsgesetzen des Bundes, die bestimmen, dass die Länder ein Viertel der Ausgaben oder mehr tragen, stellt insoweit ein Novum dar, als hier an bestimmte Kostenfolgen von Bundesgesetzen, die die Länder grundsätzlich auszuführen haben, ein Zustimmungsrecht des Bundesrates geknüpft wird.165 Diese Bunamte vereitelt wird. Der Eingriff in die Organisationshoheit der Länder rechtfertigt das Zustimmungsrecht des Bundesrates. Nach Abs. 4 Satz 1 des Art. 108 GG unter bestimmten Voraussetzungen mögliche, durch Bundesgesetz zu regelnde punktuelle Ausnahmen von dem in den Abs. 1 bis 3 statuierten Trennsystem im Bereich der Finanzverwaltung bedürfen der Zustimmung des Bundesrates. Einfachgesetzliche Abweichungen von der grundgesetzlichen Zuständigkeitsverteilung werden systemkonform also auch im Bereich der Finanzverwaltung mit einem Zustimmungsrecht des Bundesrates belegt. Zustimmungsbedürftig nach Abs. 5 Satz 2 sind ebenfalls bundesgesetzliche Regelungen des von den Landesfinanzbehörden und den Gemeinden, soweit die Aufgabe der Steuerverwaltung nach Abs. 4 Satz 2 auf diese übertragen wurde, anzuwendenden Verfahrens. Auch von Abs. 5 Satz 2 ist der Landesvollzug von Landessteuergesetzen umfasst. Sinn der Regelung ist es ebenfalls, im Interesse der Gleichmäßigkeit der Besteuerung ein einheitliches Verfahren zu gewährleisten. 162 Vgl. BVerfGE 72, 330, 388; 86, 148, 214, 264. 163 Vgl. Stern, Staatsrecht II, S. 1123. 164 Vgl. Heintzen, in: v. Münch/Kunig, Vorb. Art. 104a–115 Rn. 42. 165 Vgl. Heintzen, in: v. Münch/Kunig, Art. 104a Rn. 37, 49. Der Zustimmungsvorbehalt greift auch ein, wenn der Kostenanteil der Länder von 25 auf 26 Prozent erhöht wird. Vgl. Brockmeyer, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 104a Rn. 17. Nach umstrittener Ansicht sind Geldleistungsgesetze des Bundes auch dann zustimmungsbedürftig, wenn in ihnen der Ausgabenanteil der Länder nicht selbst festgesetzt ist, es also bei der Regelung des Abs. 1 und damit der vollen Kostenlast der Länder bleibt. Vgl. Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 104a Rn. 7; Schneider, in: AK, Art. 104a Rn. 14; Heintzen, in: v. Münch/Kunig, Art. 104a Rn. 95; Brockmeyer, Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 104a Rn. 17; Vogel/Kirchhof, in: BK, Art. 104a

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desgesetze der Zustimmung des Bundesrates zu unterwerfen, ist keinesfalls zwingend.166 Dem Charakter der Finanzverfassung als Folgeverfassung entspräche es eher, die durch Bundesgesetze verursachte Kostenbelastung der Länder allein im Rahmen des Art. 106 GG zu berücksichtigen. Für die Länder bietet der Zustimmungstatbestand des Art. 104a Abs. 3 Satz 3 GG bisher die einzige ausdrücklich vorgesehene Möglichkeit, Kostenfolgen von Bundesgesetzen konkret zu thematisieren. bb) Art. 109 GG Die Gruppe der Zustimmungstatbestände, die sich auf Gesetze beziehen, die die Finanzen der Länder unmittelbar berühren, ist im X. Abschnitt des Grundgesetzes außerhalb der Bestimmungen über die bundesstaatliche Finanzverfassung (i. e. S.) durch die Neufassung des Art. 109 GG im Jahre 1967 erweitert worden.167 Abweichend von dem in Abs. 1 des Art. 109 GG normierten Grundsatz der Selbständigkeit und Unabhängigkeit der Haushaltswirtschaft von Bund und Ländern wurde der Bund ermächtigt, für Bund und Länder gemeinsam geltende Grundsätze für das Haushaltsrecht, für eine konjunkturgerechte Haushaltswirtschaft und für eine mehrjährige Finanzplanung aufzustellen (Abs. 3) und zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts die Kreditaufnahme durch die Länder und Gemeinden zu beschränken (Abs. 4 Satz 1 Nr. 1) und die Länder zur Bildung von Konjunkturausgleichsrücklagen zu verpflichten (Abs. 4 Satz 1 Nr. 2). Da der Bund mit der Inanspruchnahme dieser Gesetzgebungskompetenzen in die Haushaltsautonomie der Länder – eine grundlegende Voraussetzung ihrer Eigenstaatlichkeit – eingreift und die Finanzen der Länder unmittelbar berührt, bedürfen die auf der Grundlage von Art. 109 Abs. 3 Rn. 95. A. A. Heun, in: Dreier, Art. 104a Rn. 29; Hellermann, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, Art. 104a Rn. 96. Durch Unterlassen einer Kostenregelung könnte der Bund sonst den bei Geldleistungsgesetzen intendierten Schutz der Länderfinanzen unterlaufen. 166 Zur dahingehenden Diskussion bei der Entwicklung eines neuen Art. 104a Abs. 3a GG in der Bundesstaatskommission siehe unten Sechster Abschnitt B. III. 167 Die erste Änderung des Art. 109 GG erfolgte durch das 15. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes v. 8.6.1967 (BGBl. I, S. 581). Siehe Deutscher Bundestag, Die Änderungen des Grundgesetzes, S. 94 f. Vgl. zur Entstehungsgeschichte Hillgruber, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 109 Rn. 60 ff. Siehe dazu das Gutachten über die Finanzreform/Troeger-Gutachten, S. 127 ff., 176. Art. 109 Abs. 3 GG wurde erneut geändert durch das 20. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes v. 12.5.1969 (BGBl. I, S. 357). Siehe Deutscher Bundestag, Die Änderungen des Grundgesetzes, S. 104 ff. Art. 109 GG ermächtigte den Bund zunächst nur zur Aufstellung von Grundsätzen für eine konjunkturgerechte Haushaltswirtschaft und für eine mehrjährige Finanzplanung. Vgl. dazu Hillgruber, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, Art. 109 Abs. 3 Rn. 109 ff.

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und Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 und 2 GG erlassenen Gesetze „systemkonform“ der Zustimmung des Bundesrates.168 Der Zustimmungstatbestand des Art. 109 GG ist ein typischer Kompensationstatbestand. Die Landesregierungen haben die bundesgesetzliche Beeinträchtigung ihrer Haushaltsautonomie nur im Gegenzug zur Einräumung eines Zustimmungsrechts im Bundesrat ermöglicht.169 c) Zustimmungsbedürftige Bundesgesetze ohne Bezug zur bundesstaatlichen Kompetenzordnung In seiner ursprünglichen Konzeption kannte das Grundgesetz, vom Sonderfall des Art. 29 Abs. 7 GG abgesehen, keine Zustimmungstatbestände, die an die Ausübung einer auf eine bestimmte Sachmaterie bezogenen Gesetzgebungskompetenz des Bundes anknüpfen. Diese Bundesgesetze haben nach der im Parlamentarischen Rat zugrunde gelegten Konzeption keine das föderative System verschiebende Wirkung. Der verfassungsändernde Gesetzgeber hat den Katalog der Zustimmungstatbestände in dieser Hinsicht mit einzelnen, neu eingefügten Zustimmungstatbeständen gesprengt; dies jeweils mit ganz unterschiedlicher Zielrichtung: aa) Art. 87b Abs. 1 Satz 4 GG Mit Art. 87b GG wurde in dessen Abs. 1 Satz 4 ein Zustimmungserfordernis für Gesetze normiert, soweit170 sie die Bundeswehrverwaltung (außerhalb des Gebietes des Personalwesens) zu Eingriffen in Rechte Dritter ermächtigen.171 Als Bestimmung, „die die Länder als solche zu den Hütern der Individualsphäre der Staatsbürger bestellt“172, war Art. 87b Abs. 1 168 Vgl. zu dieser Kategorisierung Friesenhahn, in: 25 Jahre Bundesrat, S. 251, 262. Zur Kritik an der Regelung des Art. 109 GG allgemein vgl. nur Heintzen, in: v. Münch/Kunig, Art. 109 Rn. 30 f. 169 Vgl. Bullinger, DÖV 1971, 761, 766. 170 Die Einheitsthese gilt bei Art. 87b Abs. 1 Satz 4 GG nach herrschender Literaturmeinung nicht. Vgl. z. B. Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 87b Rn. 3 und Baldus, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 87b Rn. 12. Vgl. zur Entstehungsgeschichte Jess, in: BK, Art. 87b Anm. II. 2. Nach dessen Angaben wurde mit dem Gebrauch des Wortes „soweit“ nur bezweckt, die generelle Zustimmungsbedürftigkeit von Änderungsgesetzen, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht höchstrichterlich entschieden war, auszuschließen. 171 Beispiele für solche Gesetze bei Baldus, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 87b Rn. 12. 172 Meyer-Dalheuer, DVBl. 1957, 185, 190. Siehe auch Kokott, in: Sachs, Art. 87b Rn. 16 und Hernekamp, in: v. Münch/Kunig, Art. 87b Rn. 11, die von einer „föderativen Sonderform des allgemeinen Vorbehaltes des Gesetzes“ sprechen.

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Satz 4 GG ohne Vorbild. Die Norm ist Ergebnis des mit der Wehrverfassung gefundenen Kompromisses.173 bb) Art. 16a GG Während dem in Art. 87b Abs. 1 Satz 4 GG insoweit „systemwidrig“ normierten Zustimmungsrecht des Bundesrates der Entstehungsgeschichte nach174 nicht unbedingt, wie der Wortlaut vermuten lässt, grundrechtssichernde Funktion zukommen sollte, ist dies bei den Jahrzehnte später eingefügten Zustimmungstatbeständen in Art. 16a GG dann tatsächlich intendiert.175 Nach Abs. 2 Satz 2 des Art. 16a GG bedarf das die sicheren Drittstaaten nach Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG bestimmende Bundesgesetz der Zustimmung des Bundesrates; nach Abs. 3 Satz 1 gilt dies auch für die Bestimmung der verfolgungsfreien Herkunftsstaaten. Mit den hier eingeräumten Zustimmungsrechten wird dem Bundesrat, unabhängig von bundesstaatlichen Kompetenzfragen, eine Kontroll- bzw. Korrektivfunktion im Bereich der Sicherung von Grundrechtsgewährleistungen eingeräumt. Das Zustimmungserfordernis soll zudem nach dem Willen des verfassungsändernden Gesetzgebers einen breiten politischen Konsens in den genannten Fragen herbeiführen und damit die politische Akzeptanz der Gesetze nach Abs. 2 und Abs. 3 des Art. 16a GG erhöhen.176 Die Kategorie der Zustimmungsgesetze als die bundesstaatliche Kompetenzordnung verschiebende Gesetze in ihrem ursprünglichen Zuschnitt wird damit jedoch gesprengt. 173 Die Landesregierungen hatten im Verlauf des Gesetzgebungsprozesses die Ansicht vertreten, der Bundesrat müsse allen Gesetze, die der Verteidigung des Bundes oder dem Schutz der Zivilbevölkerung dienen, zustimmen. Vgl. Meyer-Dalheuer, DVBl. 1957, 185, 190. 174 Nach Jess, in: BK, Art. 87b Anm. I, lag der sachliche Grund für die Forderung des Bundesrates nach einem Zustimmungsrecht für die genannten Gesetze darin begründet, dass die Ländervertreter die Zwangsleistungsgesetze, d. h. Gesetze, die zur Enteignung zu Wehrzwecken ermächtigen, vor Augen hatten, an deren Ausführung die Länder mitbeteiligt waren. 175 Art. 16a GG wurde mit dem sog. Asylkompromiss im Jahre 1993 in das Grundgesetz aufgenommen. Siehe das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Art. 16 und 18) v. 28.6.1993 (BGBl. I, S. 1002). Vgl. zur Entstehung der Norm Becker, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 16a Rn. 15 ff. 176 Die Zustimmungsbedürftigkeit soll nach Aussage des verfassungsändernden Gesetzgebers der Komplexität, die mit der Beurteilung der sicheren Dritt- und Herkunftsstaaten verbunden ist, Rechnung tragen. Die politische Minderheit im Bundesrat soll, darauf wurde im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens ausdrücklich hingewiesen, die Möglichkeit erhalten, über den Bundesrat im Falle divergierender Mehrheiten auf die Liste der sicheren Dritt- und Herkunftsstaaten Einfluss zu nehmen. Vgl. Randelzhofer, in: Maunz/Dürig, Art. 16a Rn. 34, 120 m. w. N. Vgl. auch Dästner, ZParl 2001, 290, 304.

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cc) Art. 87e Abs. 4 i. V. m. Abs. 5 GG; Art. 87f Abs. 1 GG Nicht in das ursprüngliche Konzept des historischen Verfassungsgebers lassen sich auch zwei weitere, an rein materielle Gesetzesinhalte anknüpfende neu eingefügte Zustimmungstatbestände einordnen. Bei diesen handelt es sich zunächst um den im Zuge der Bahnreform aufgenommenen Art. 87e Abs. 5 GG, der das zur Ausfüllung des in Abs. 4 des Art. 87e GG normierten Infrastruktursicherungsauftrages177 ergehende Bundesgesetz der Zustimmung des Bundesrates unterwirft. Hier erhellt die Entstehungsgeschichte deutlich, dass die Landesregierungen sich die Zustimmung zur Bahnreform nur im Gegenzug zur Einräumung umfangreicher Zustimmungsrechte im Rahmen der Neuregelung des Art. 87e GG insgesamt178 haben „abtrotzen“ lassen.179 Dies gilt auch für die im Jahre 1994 im Zuge der Post-Novelle (Post-Reform II)180 in das Grundgesetz eingefügten 177 Der Infrastrukturgewährleistungsauftrag des Abs. 4 wurde auf Drängen des Bundesrates in die Neuregelung aufgenommen. Vgl. Gersdorf, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, Art. 87e Rn. 66.; Windthorst, in: Sachs, Art. 87e Rn. 48. Krit. z. B. Badura, in: BK, Art. 87f Rn. 18. 178 Siehe auch die in Art. 87e Abs. 3 i. V. m. Abs. 5, Abs. 5 Satz 2 GG und Art. 143a Abs. 1 Satz 2 GG normierten Zustimmungstatbestände. Dazu im Einzelnen Gersdorf, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 87 Rn. 81 ff. Siehe auch Uerpmann, in: v. Münch/Kunig, Art. 87e Rn. 20 f. Das Zustimmungsrecht des Bundesrates zu dem den Personennahverkehrsausgleich näher regelnden Bundesgesetz nach Art. 106a GG, der ebenfalls im Rahmen der Bahnreform ins Grundgesetz eingefügt wurde, lässt sich der Gruppe der Zustimmungstatbestände zuordnen, die die Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern betreffen. Die im Kontext der Bahnreform erfolgende Regionalisierung des Schienenpersonennahverkehrs hat zu einer Aufgaben- und damit Kostenübertragung vom Bund auf die Länder geführt. Nach Satz 1 des Art. 106a GG erhalten die Länder daher für den (gesamten) öffentlichen Personennahverkehr einen Betrag aus dem Steueraufkommen des Bundes. Vorrangig sollen damit die im Bereich des Schienenpersonennahverkehrs entstehenden Kostendefizite ausgeglichen werden. Vgl. die Beschlussempfehlung und den Bericht des Rechtsausschusses des Bundestages, BT-Drs. 12/6280, S. 9. 179 Der Regierungsentwurf enthielt nur ein Zustimmungserfordernis nach Art. 87e Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 GG. Der Bundesrat forderte wegen der Berührung von Länderinteressen gerade im Bereich der Infrastruktur umfassende Zustimmungsrechte. Vgl. BT-Drs. 12/1505, S. 9 ff., 14 ff. Dies wurde von der Bundesregierung zunächst abgelehnt. Sie konnte sich aber im Ergebnis nicht durchsetzen. 180 Siehe das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes v. 30.8.1994 (BGBl. I, S. 2245). Siehe auch die Änderungen in Art. 73 Nr. 7, 80 Abs. 2 und Art. 87 Abs. 1 Satz 1 GG. Siehe dazu auch die Begründung des Gesetzentwurfs der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP, BT-Drs. 12/6717, S. 3. Zum Gang des Gesetzgebungsverfahrens siehe Badura, in: BK, Art. 87f Rn. 1 ff. Vgl. auch die Beschlussempfehlung und den Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drs. 12/8108, S. 5. Durch diese „Postreform II“ sollte die verfassungsrechtliche Grundlage für die Herauslösung der Unternehmen Postdienst, Telekom und Postbank der vormaligen Deutschen Bundespost aus bundeseigener Verwaltung und deren Umwandlung in Unternehmen pri-

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Art. 87f und Art. 143b181 GG. Parallel zu Art. 87e Abs. 4 GG wurde auch das den Infrastruktursicherungsauftrag nach Art. 87f Abs. 1 GG ausfüllende Bundesgesetz der Zustimmung des Bundesrates unterworfen.182 „Systemwidrig“ sind diese Zustimmungstatbestände (Art. 87e Abs. 4 i. V. m. Abs. 5 GG und Art. 87f Abs. 1 GG) nicht nur in ihrem Bezogensein auf materielle, nicht systemverschiebende Inhalte, sondern auch, weil sie den Bund im Bereich der Bundeseigenverwaltung und bei der Ausübung von ausschließlichen Gesetzgebungskompetenzen an die Zustimmung des Bundesrates binden.183 Rechtfertigung mag die Einräumung von Zustimmungsrechten des Bundesrates darin finden, dass die in Frage stehenden infrastrukturellen Regelungen Länderinteressen tatsächlich in besonderem Maße berühren.184 Das bundesstaatliche Kompetenzgefüge des Grundgesetzes wird durch die entsprechenden Bundesgesetze jedoch nicht berührt; „systemverschiebende“ Gesetze in der Konzeption des historischen Verfassungsgebers stellen sie nicht dar. dd) Art. 74a GG An die Zustimmung des Bundesrates knüpfte der verfassungsändernde Gesetzgeber zudem in zwei Fällen die Inanspruchnahme von dem Bund gleichzeitig neu eingeräumten konkurrierenden Gesetzgebungskompetenzen vater Rechtsform geschaffen werden. (Nur) Hoheitsaufgaben im Bereich des Postwesens und der Telekommunikation – und damit insb. Regulierungsaufgaben – werden nach Art. 87f Abs. 2 Satz 2 GG (weiterhin) in bundeseigener Verwaltung geführt. Vgl. dazu Badura, in: BK, Art. 87f Rn. 11 ff. 181 Siehe hier den Zustimmungstatbestand des Art. 143b Abs. 2 Satz 3 GG. Dieser beruht auf der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses (vgl. BT-Drs. 12/8108, S. 7). 182 Bereits der Fraktionsentwurf von CDU/CSU, SPD und FDP (BT-Drs. 12/6717, S. 2) sowie der gleichlautende Entwurf der Bundesregierung (vgl. BT-Drs. 12/7269, S. 2) sahen ein Zustimmungsrecht des Bundesrates für Gesetze nach Abs. 1 des Art. 87f GG vor. Mit dem Zustimmungsvorbehalt zugunsten des Bundesrates werde dem „Anliegen der Länder nach erweiterter Einflussnahme in diesem wichtigen Sektor der Infrastruktur Rechnung getragen“ (vgl. BT-Drs. 12/6717, S. 4). Der Bundesrat hatte in seiner Stellungnahme mit der Mitverantwortung der Länder „bei der Verwirklichung des Sozialstaatsgebots des Grundgesetzes und bei der Wahrung der vom Grundgesetz postulierten Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse“ argumentiert (BT-Drs. 12/7269, S. 7). 183 Vgl. H. Meyer, K-Drs. 0012, S. 25; Windthorst, in: Sachs, Art. 87f Rn. 21; Badura, in: BK, Art. 87f Rn. 18; Gersdorf, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 87f Rn. 58. 184 Vgl. Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 87f Rn. 84. Vgl. auch Windthorst, in: Sachs, Art. 87e Rn. 58, Art. 87f Rn. 21. Siehe auch Gersdorf, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, Art. 87e Rn. 81.

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in Bezug auf eine bestimmte Sachmaterie. Hierbei handelt es sich zunächst um den im Jahre 1991 geschaffenen Art. 74a GG.185 Mit dessen Abs. 1 wurde dem Bund zum Zweck der Vermeidung eines „Besoldungswettlaufs“186 die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für die Besoldung und Versorgung der Angehörigen des öffentlichen Dienstes auch der Länder eingeräumt187, deren Inanspruchnahme aber in Abs. 2 von der Zustimmung des Bundesrates abhängig gemacht.188 Diese Einräumung der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz, von der der Bund sogleich Gebrauch machte189, bedeutete schon an sich einen gravierenden Eingriff in die bundesstaatliche Struktur des Grundgesetzes, da den Ländern hiermit die Regelung der Dienstverhältnisse von Landesbediensteten, die zum Kernbereich der Organisationshoheit der Länder zählen, entzogen wurde.190 Die dem Verdacht der Verfassungswidrigkeit ausgesetzte191 Kompetenzübertragung hat das Bundesverfassungsgericht jedoch im Verfahren über das Erste Hes-

185 Siehe das 28. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 74a GG) v. 18.3.1971 (BGBl. I, S. 206). Vgl. Deutscher Bundestag, Die Änderungen des Grundgesetzes, S. 120 f. und S. 108 f. 186 Vgl. Kunig, in: v. Münch/Kunig, Art. 74a Rn. 1 und Oeter, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, Art. 74a Rn. 3 jeweils m. w. N. Siehe auch Schick, in: FS Maunz, S. 281, 281 ff. 187 Ursprünglich besaß der Bund die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz für „die Rechtsverhältnisse der im Dienste des Bundes und der bundesunmittelbaren Körperschaften des öffentlichen Rechts stehenden Personen“ (Art. 73 Nr. 8 GG) und eine Rahmengesetzgebungskompetenz für die „Rechtsverhältnisse der im öffentlichen Dienste der Länder, Gemeinden und anderen Körperschaften des öffentlichen Rechts stehenden Personen“ (Art. 75 Nr. 1 GG). Im Jahre 1969, durch das 22. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes v. 12.5.1969 (BGBl. I, S. 363), war Art. 75 GG durch einen Abs. 2 ergänzt worden, der dem Bund die Rahmengesetzgebungskompetenz auch für Vorschriften einräumte, die „einheitliche Maßstäbe für den Aufbau und die Bemessung der Besoldung einschließlich der Bewertung der Ämter sowie Mindest- und Höchstbeträge“ vorsehen. Der Entwurf der Bundesregierung für eine neuerliche Grundgesetzänderung zur Einführung einer konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz fand schnell allgemeine Zustimmung. Vgl. zur Entstehungsgeschichte Oeter, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 74a Rn. 1 ff. 188 Auch der bis zur Einführung des Art. 74a GG geltende Art. 75 Abs. 2 Satz 2 GG sah bereits ein Zustimmungserfordernis für abweichende Gesetze nach Art. 73 Nr. 8 GG vor. 189 Vgl. v. Mangoldt/Klein/Pestalozza, 3. Aufl., Art. 74a Rn. 59 zum verfassungsrechtlichen Problem der Verkündung des Ersten Gesetzes zur Vereinheitlichung und Neuregelung des Besoldungsrechts in Bund und Ländern v. 18.3.1971 (BGBl. I, S. 208) vor Inkrafttreten des Art. 74a GG. 190 Vgl. Kunig, in: v. Münch/Kunig, Art. 74a Rn. 2 f. und Oeter, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, Art. 74a Rn. 4 ff. 191 Vgl. Kunig, in: v. Münch/Kunig, Art. 74a Rn. 3; Oeter, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, Art. 74a Rn. 6.

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1. Abschn.: Die Mitwirkung des Bundesrates bei der Gesetzgebung

sische Besoldungsanpassungsgesetz192 als vereinbar mit Art. 79 Abs. 3 GG (und im Ergebnis als zulässig) erachtet.193 Das in Abs. 2 des Art. 74a GG normierte Zustimmungserfordernis scheint angesichts der Auswirkungen der entsprechenden Bundesgesetze auf die Eigenstaatlichkeit der Länder – nicht nur in Bezug auf ihre Organisationshoheit, sondern auch ihre finanzielle Selbständigkeit – einen „guten Sinn“194 zu machen; atypisch bleibt es aber insofern, als der Bund bei der Ausübung einer ihm zugewiesenen konkurrierenden, als materiell eingeordneten Gesetzgebungskompetenz an die Zustimmung des Bundesrates gebunden ist.195 Die „systemwidrige“ Kompetenzübertragung an den Bund wurde durch ein ebenfalls „systemwidriges“, in jedem Fall nicht systemgerecht verortetes Zustimmungserfordernis abzufedern versucht.196 Art. 74a GG ist damit das klassische Beispiel für eine die Ländergesetzgebungskompetenzen beeinträchtigende Verfassungsänderung, die durch die Einräumung eines Zustimmungsrechts des Bundesrates kompensiert werden sollte. 192

Vgl. BVerfGE 34, 9 ff. Urteil des Zweiten Senats v. 26.7.1972. Vgl. BVerfGE 34, 9, 20 f. Mit der Begründung, dass „die Ausübung dieser Kompetenz gebunden ist durch die verfassungsrechtliche Pflicht zu bundesfreundlichem Verhalten“. Krit. dazu Oeter, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 74a Rn. 6; ders., S. 352 ff. 194 Kunig, in: v. Münch/Kunig, Art. 74a Rn. 14; ähnlich Oeter, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, Art. 74a Abs. 2 Rn. 15. Siehe auch Degenhart, in: BK, Art. 74a Rn. 69 ff. 195 „Verfassungssystematische Bedenken“ an der Einfügung des Zustimmungserfordernisses waren daher auch von der Bundesregierung und von Seiten des Bundestages laut geworden. Vgl. die Nachweise bei Kunig, in: v. Münch/Kunig, Art. 74a Rn. 14; Degenhart, in: BK, Art. 74a Rn. 69 ff. Vgl. hierzu auch Oeter, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 74a Rn. 15. 196 Dies gilt ebenfalls für das in Abs. 3 des Art. 74a GG normierte Zustimmungserfordernis für Bundesgesetze nach Art. 73 Nr. 8 GG. Zweck der Regelung ist es zu verhindern, dass der Bund gegen den Willen der Länder, gestützt auf seine ausschließliche Gesetzgebungskompetenz für die Regelung der Rechtsverhältnisse der Bundesbediensteten, für diese günstigere Maßstäbe vorsieht als für die Bediensteten der Länder. Diese Erstreckung des Zustimmungserfordernisses resultiert damit aus dem mit der Schaffung des Art. 74a Abs. 1 GG verfolgten Unitarisierungsansatz für die Regelung der Besoldung und Versorgung der Angehörigen des öffentlichen Dienstes in Bund und Ländern. Vgl. Oeter, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 74a Rn. 16. Siehe auch Lerche, in: 40 Jahre Bundesrat, S. 183, 187. In Parallele zu den Bestimmungen der Abs. 1 bis 3 sieht Abs. 4 Satz 1 des Art. 74a GG eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die Besoldung und Versorgung der Landesrichter vor und koppelt die Ausübung dieser Kompetenz an die Zustimmung des Bundesrates. Abweichende Gesetze nach Art. 98 Abs. 1 GG unterliegen nach Art. 74a Abs. 4 Satz 2 entsprechend Art. 74a Abs. 3 GG ebenfalls der Zustimmung des Bundesrates. Vgl. Oeter, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 74a Rn. 18. 193

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ee) Art. 74 Abs. 2 GG Ebenfalls als Kompensation für den Verlust von Gesetzgebungskompetenzen der Länder wurde dem Bundesrat in Art. 74 Abs. 2197 GG ein Zustimmungsrecht zu Gesetzen über die Staatshaftung eingeräumt, als für diese dem Bund im Jahre 1994 in Art. 74 Abs. 1 Nr. 25 GG die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz zugestanden wurde.198 Die Länder begründeten ihre Forderung nach einem inhaltlichen Mitspracherecht in Form eines Zustimmungsrechts des Bundesrates mit finanziellen Auswirkungen auf die Länder- und Gemeindefinanzen, die mit der Regelung der Staatshaftung verbunden seien.199 Anders als ein nach Art. 74a Abs. 2 GG zustimmungsbedürftiges Gesetz weist ein – bekanntermaßen bisher nicht ergangenes – Staatshaftungsgesetz jedoch keine besondere Nähe zur bundesstaatlichen Kompetenzverteilung auf. Mittelbare finanzielle Auswirkungen von Gesetzen werden regelmäßig nicht über ein Zustimmungserfordernis abgesichert. Mit der Anknüpfung an die Regelung einer bestimmten Sachmaterie ist der Zustimmungstatbestand des Art. 74 Abs. 2 GG in der Perspektive des historischen Verfassungsgebers wenig „systemkonform“.200 d) Sonderfälle aa) Art. 115a ff. GG Neben den schon genannten Zustimmungstatbeständen hat der verfassungsändernde Gesetzgeber eine Reihe von Sondertatbeständen normiert. 197 Vgl. Oeter, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 74 Rn. 221: „systematisch völlig deplazierte Regelung“. Vgl. auch v. Mangoldt/Klein/Pestalozza, 3. Aufl., Art. 74 Rn. 1939. 198 Siehe das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes v. 27.10.1994 (BGBl. I, S. 3146). Zum Gang des Gesetzgebungsverfahrens vgl. v. Mangoldt/Klein/Pestalozza, 3. Aufl., Art. 74 Rn. 1930 ff. Die Anträge (Antrag des Bundesrates, BR-Drs. 886/93, und der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP, BT-Drs. 12/6633) folgten dem Vorschlag der Gemeinsamen Verfassungskommission des Bundestages und des Bundesrates v. 5.11.1993 (BT-Drs. 12/6000, S. 31). Der verfassungsändernde Gesetzgeber reagierte mit der Grundgesetzänderung auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das das als Bundesgesetz ergangene Staatshaftungsgesetz aus dem Jahre 1981 (Gesetz v. 26.6.1981 (BGBl. I, S. 553) aufgrund fehlender Gesetzgebungskompetenz des Bundes für verfassungswidrig erklärt hatte. Vgl. BVerfGE 61, 149, 151. Der Bundestag hatte in Art. 74 Nr. 1 GG einen ausreichenden Kompetenztitel gesehen. Der Bundesrat hatte dem Gesetzesbeschluss seine Zustimmung versagt. Der Bundespräsident hatte das Gesetz ausgefertigt. Vgl. dazu v. Mangoldt/ Klein/Pestalozza, 3. Aufl., Art. 74 Rn. 1803. 199 Vgl. BR-Drs. 886/93 (Beschluss), Anlage S. 3, S. 18 f. Vgl. Oeter, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 74 Rn. 221. 200 Vgl. Kunig, in: v. Münch/Kunig, Art. 74 Rn. 126.

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1. Abschn.: Die Mitwirkung des Bundesrates bei der Gesetzgebung

Hierzu gehören die im Jahre 1969 im Rahmen der Notstandsverfassung201 eingefügten Zustimmungstatbestände in den Art. 115a ff. GG, deren Zielrichtung aber auch – insoweit ist der Sonderfallcharakter zu relativieren – die Sicherung des bundesstaatlichen Kompetenzgefüges ist.202 bb) Art. 91a GG Zustimmungstatbestände sieht auch der im Rahmen der Finanzreform von 1969203 eingefügte Art. 91a GG vor, der zusammen mit dem gleichzei201 Vgl. zur Entstehungsgeschichte Grote, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 115a Rn. 1 ff. Art. 115a–115l GG wurden zusammen mit Art. 12a, 53a und 80a GG eingefügt durch das 17. Gesetz zur Ergänzung des Grundgesetzes v. 24.6.1968 (BGBl. I, S. 709). Siehe Deutscher Bundestag, Die Änderungen des Grundgesetzes, S. 98 ff. zu weiteren Änderungen. 202 Zustimmungsbedürftig ist gem. Art. 115a Abs. 1 Satz 1 GG zunächst die Feststellung des Verteidigungsfalles durch den Bundestag und gem. Art. 115l Abs. 2 Satz 1 GG auch die Erklärung der Beendigung desselben. Gesetze, die im Verteidigungsfall von der grundgesetzlichen Kompetenzverteilung im Bereich der Gesetzgebung, Verwaltung und der Finanzen zuungunsten der Länder abweichen, bedürfen nach Art. 115c Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 GG der Zustimmung des Bundesrates. Vgl. dazu Grote, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 115a Rn. 18, Art. 115c Rn. 9 ff. Siehe auch Art. 115k Abs. 3 Satz 2 GG, der für im Verteidigungsfall erlassene, von den Regelungen der Art. 91a, 91b, 104a, 107 GG abweichende Gesetze die Möglichkeit einer stufenweisen Annäherung an den verfassungsmäßigen Normalzustand durch Schaffung von Übergangsgesetzen nach Beendigung des Verteidigungsfalles mit Zustimmung des Bundesrates vorsieht. Vgl. zu Sinn und Zweck der Erstreckung der Geltungsdauer von Gesetzen nach Art. 115k Abs. 3 Satz 1 GG Grote, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 115k Rn. 10. Eine Sonderstellung nimmt der Zustimmungstatbestand des Art. 115l Abs. 1 Satz 1 GG ein, der bestimmt, dass der Bundestag jederzeit mit Zustimmung des Bundesrates Gesetze des Gemeinsamen Ausschusses aufheben kann. Die Norm sichert damit den unbedingten Vorrang der ordentlichen Gesetzgebungsorgane vor dem außerordentlichen Gesetzgebungsorgan Gemeinsamer Ausschuss. Der Anordnung des Zustimmungserfordernisses liegt dabei die Erwägung zugrunde, dass die Mitglieder des Bundesrates im Gemeinsamen Ausschuss (vgl. Art. 53a Abs. 1 Satz 1 und 3 GG) das entsprechende Gesetz mitbeschlossen haben. Siehe die Stellungnahme des Rechtsausschusses des Bundestages zum dritten Regierungsentwurf für eine Notstandsverfassung (BT-Drs. V/2873, S. 20). Vgl. Robbers, in: Sachs, Art. 115l Rn. 1; Grote, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, Art. 115l Rn. 4. 203 Art. 91a Abs. 1 Nr. 1 GG wurde geändert durch das 27. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes v. 31.7.1970 (BGBl. I, S. 1161). Siehe Deutscher Bundestag, Die Änderungen des Grundgesetzes, S. 118 f. Die ursprüngliche Beschränkung auf wissenschaftliche Hochschulen wurde aufgegeben. Vgl. zur Entstehungsgeschichte der Gemeinschaftsaufgaben Volkmann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 91a Abs. 1 Rn. 13; Krüger/Siekmann, in: Sachs, Art. 91a Rn. 2 ff. Siehe dazu das Gutachten über die Finanzreform/Troeger-Gutachten, S. 34 ff., 173. Der Vorschlag der Troeger-Kommission sah noch eine Generalklausel für die Gemeinschaftsaufgaben vor.

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tig geschaffenen Art. 91 b GG in der „Blütezeit“ des kooperativen Föderalismus in einem neuen Abschnitt VIIIa des Grundgesetzes die sog. – inzwischen viel kritisierten204 – Gemeinschaftsaufgaben verfassungsrechtlich fixiert.205 Art. 91a GG schafft eine von den Art. 30, 83 ff. und 104a GG abweichende Sonderregelung206 für die in Abs. 1 genannten Gebiete, auf denen der Bund „bei der Erfüllung der Aufgaben durch die Länder mitwirkt“. Die nähere Bestimmung der Gemeinschaftsaufgaben erfolgt nach Art. 91a Abs. 2 Satz 1 GG durch zustimmungsbedürftiges Bundesgesetz.207 Das Zustimmungsrecht des Bundesrates soll insoweit „systemgerecht“ sein, als das Gesetz nach Art. 91a Abs. 2 Satz 1 GG die Aufgaben- und Finanzverteilung zwischen Bund und Ländern betrifft.208 Insgesamt stellt die Regelung des Art. 91a GG aber einen besonderen Fall der Kooperation zwischen Bund und Ländern dar. Das Zustimmungserfordernis bezieht sich dementsprechend auf die gesamte nähere Ausgestaltung, unabhängig davon, ob die gemeinsame Wahrnehmung der Aufgaben und die gemeinsame Finanzierung im Einzelnen die Kompetenzen der Länder oder des Bundes beeinträchtigen oder erweitern.209 Die Gemeinschaftsaufgaben sind also nicht Produkt eines Kompensationsgeschäfts, sondern eines Kooperationsgeschäfts zwischen Bund und Ländern.210

Die Länder drangen im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens aber auf eine Aufzählung einzelner Gegenstände. 204 Vgl. z. B. die Diskussion um die Art. 91a und 91b GG in der Bundesstaatskommission, zusammengefasst in der Dokumentation, Zur Sache 1/2005, S. 483 ff. 205 Das vielfältige administrative Zusammenwirken zwischen Bund und Ländern, das sich im Gegensatz zum postulierten Verbot der Mischverwaltung in der Staatspraxis entwickelt hatte, sollte auf diesem Wege vor dem Hintergrund der bestehenden Zweifel an der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der verschiedenen Kooperationsformen verfassungsrechtlich abgesichert werden. Vgl. nur Oeter, S. 292 ff., 456 ff. m. w. N. 206 Vgl. Blümel, in: HdbStR IV, § 101 Rn. 128; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 91a Rn. 1; Krüger/Siekmann, in: Sachs, Art. 91a Rn. 11; Volkmann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 91a Rn. 7 ff. 207 Anforderungen an den Inhalt des Gesetzes sind in Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 Satz 3 näher festgelegt. 208 So Mager, in: v. Münch/Kunig, Art. 91a Rn. 40. 209 So stehen der Bundesregierung bei den Gemeinschaftsaufgaben z. B. die Ingerenzrechte nach Art. 84 GG gerade nicht zu. Es gilt die Sonderregelung des Art. 91a Abs. 5 GG. Auch soll die Inanspruchnahme der nach Art. 87 Abs. 3 Satz 1 GG möglichen Aufgabenübertragung auf den Bund diesem im Fall der Gemeinschaftsaufgaben verwehrt sein. Vgl. Blümel, in: HdbStR IV, § 101 Rn. 128, 135; Mager, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 91a Rn. 7, 35. 210 Den Erscheinungsformen des Beteiligungsföderalismus entsprechend wurde der Bundesrat als „Partner“ des Bundes bei diesem Kooperationsgeschäft vorgesehen (siehe auch Art. 104a Abs. 4 GG, anders aber Art. 91b GG).

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1. Abschn.: Die Mitwirkung des Bundesrates bei der Gesetzgebung

cc) Art. 96 Abs. 5 GG Einen Sonderfall bildet auch Art. 95 Abs. 5 GG211, der – seinem Wortlaut nach – den Bund ermächtigt, durch Zustimmungsgesetz auf den Gebieten der genannten Straftaten den Gerichten der Länder die Ausübung der „Gerichtsbarkeit des Bundes“ zu übertragen.212 Eine überzeugende syste211 Eingefügt durch das 26. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Art. 96) v. 26.8.1969 (BGBl. I, S. 1357). Art. 96 GG war zuvor bereits mehrfach geändert worden. Vgl. Bauer/Jestaedt, S. 327 ff. Siehe auch Deutscher Bundestag, Die Änderungen des Grundgesetzes, S. 96 f., 116 f. Der Katalog der in Art. 96 Abs. 5 GG genannten Straftaten wurde im Jahre 2002 erweitert durch das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 96) v. 26.7.2002 (BGBl. I, S. 2863). Den Hintergrund für die Einfügung des Art. 96 Abs. 5 GG bildete das geplante Gesetz zur allgemeinen Einführung eines zweiten Rechtszuges in Staatsschutz-Strafsachen (Gesetz v. 8.9.1969, BGBl. I, S. 1582). Die bisher bestehende alleinige Zuständigkeit des BGH sollte zum Zweck der Verbesserung des Rechtsschutzes aufgespalten werden. Die genannten Straftaten wurden in erster Instanz dem OLG zugewiesen, der BGH wurde als Revisionsinstanz eingesetzt. Weiterhin sollte jedoch die Verfolgung der genannten Straftaten auch in erster Instanz durch den Generalbundesanwalt erfolgen. Ebenso sollte das Begnadigungsrecht des Bundespräsidenten, das sich nach überkommener Auffassung nach der erstinstanzlichen Zuständigkeit richtet, bestehen bleiben. Mit Art. 96 Abs. 5 GG sollte eine für notwendig gehaltene verfassungsrechtliche Absicherung der Beibehaltung dieser Zuständigkeiten erreicht werden. Vgl. BT-Drs. 5/4085, S. 3. Der Alternativvorschlag des Bundesrates, der diese beiden Aspekte ausdrücklich regelte, konnte sich nicht durchsetzen. Vgl. BT-Drs. 5/4254, S. 1 f. Vgl. H. Meyer, in: v. Münch/Kunig, Art. 96 Rn. 16; Voßkuhle, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 96 Abs. 5 Rn. 24 f.; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 96 Rn. 4. 212 Nach der überwiegenden Ansicht in der Literatur setzt Art. 96 Abs. 5 GG damit voraus, dass die Strafgerichtsbarkeit zur Verfolgung der genannten Straftaten in die Zuständigkeit des Bundes und demzufolge des BGH fällt. Die Länder sollen in den genannten Bereichen Bundesgerichtsbarkeit im Wege der Organleihe ausüben. Vgl. Detterbeck, in: Sachs, Art. 97 Rn. 18 f.; Voßkuhle, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, Art. 96 Rn. 24; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 96 Rn. 4. In dieser Interpretation stellt Art. 96 Abs. 5 GG mit der (indirekten) Zuweisung einer ausschließlichen Bundeskompetenz für bestimmte Sachbereiche im Vergleich zu den Kompetenzregelungen in den Art. 92, 95 f. GG einen „Systembruch“ (so Voßkuhle, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 96 Rn. 24) dar. Denn im Gegensatz zur grundgesetzlichen Verteilung der Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenzen, die nach Sachgebieten, also unter materiellen Aspekten, erfolgt, ist die grundgesetzliche Verteilung der Aufgaben der Judikative zwischen Bund und Ländern eine organisatorische, an den tradierten Zwecken der Gerichtsinstanzen orientierte. Vgl. Blümel, in: HdbStR IV, § 102 Rn. 3; Voßkuhle, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 95 Rn. 3; H. Meyer, in: v. Münch/Kunig, Art. 95 Rn. 3. In diesem „Systembruch“ soll die in die Organisationshoheit der Länder eingreifende Inanspruchnahme der „Organausleihbefugnis“ systemgerecht durch das Zustimmungserfordernis des Bundesrates abgesichert sein. So S. Meyer, S. 243. Die Interpretation des Art. 96 Abs. 5 GG durch die herrschende Auffassung, insb. die Annahme einer „ausschließlichen Rechtsprechungskompetenz des Bundes“ für die genannten Straftaten, begegnet allerdings insgesamt gewichtigen

C. Zustimmungsbedürftige Bundesgesetze

75

matische Einordnung dieser Vorschrift und damit auch des in ihr vorgesehenen Zustimmungsrechts des Bundesrates bereitet erhebliche Schwierigkeiten, denen hier nicht nachgegangen werden soll. Eine Kompensationsnorm für den Verlust von Länderkompetenzen stellt Art. 96 Abs. 5 GG jedenfalls nicht dar. dd) Art. 23 GG Für den „Sonderfall“ der europäischen Integration normiert auch der im Jahre 1992 eingefügte neue Art. 23 GG213 Zustimmungstatbestände des Bundesrates. Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG verpflichtet die Bundesrepublik Deutschland zur Mitwirkung an der Entwicklung der Europäischen Union.214 Zu diesem Zweck kann der Bund nach Art. 23 Abs. 1 Satz 2 GG – wie bereits in Art. 24 Abs. 1 GG geregelt – per Gesetz Hoheitsrechte übertragen.215 Diese Gesetze bedürfen, anders als bei einem entsprechenden Gesetz nach Art. 24 Abs. 1 GG, ausnahmslos der Zustimmung des Bundesrates.216 Angesichts der integrationsbedingten Kompetenzverluste normieren die Abs. 2 bis 6 des Art. 23 GG zudem weit reichende Beteiligungsrechte des Bedenken. Deutlich und überzeugend H. Meyer, in: v. Münch/Kunig, Art. 96 Rn. 14 f. Siehe auch Stern, Staatsrecht II, S. 394. Vgl. auch BR-Drs. 222/02. 213 Der ursprüngliche Art. 23 GG war aufgehoben worden durch das Gesetz v. 23.9.1990 zum Vertrag vom 31. August 1990 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands – Einigungsvertragsgesetz – und zur Vereinbarung vom 18. September 1990 (BGBl. II, S. 885). Art. 23 n. F. GG wurde eingefügt durch das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes v. 21.12.1992 (BGBl. I, S. 2086). Vgl. Bauer/Jestaedt, S. 235 ff. Die Schaffung des Art. 23 GG war nach Ansicht des verfassungsändernden Gesetzgebers notwendig, da der zuvor einschlägige Art. 24 GG als nicht mehr tragfähige verfassungsrechtliche Grundlage für die Schaffung der Europäischen Union angesehen wurde. Vgl. Classen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 23 Rn. 1; Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 23 Rn. 1. 214 Vgl. dazu Classen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 23 Rn. 10; Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 23 Rn. 5 m. w. N. 215 Vgl. dazu im Einzelnen Classen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 23 Rn. 13 ff.; Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 23 Rn. 16 ff. Zum Verhältnis von Art. 23 Abs. 1 Satz 2 GG zu Art. 59 Abs. 2 GG siehe Classen, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, Art. 23 Rn. 19. 216 Nach Art. 23 Abs. 1 Satz 3 GG bedarf es einer verfassungsändernden Mehrheit in Bundestag und Bundesrat für Gesetze betreffend die Begründung der Europäischen Union sowie für Änderungen ihrer vertraglichen Grundlagen und vergleichbaren Regelungen, durch die das Grundgesetz seinem Inhalt nach geändert oder ergänzt wird oder solche Änderungen oder Ergänzungen ermöglicht werden. Zur schwierigen Abgrenzung zwischen Satz 2 und Satz 3 des Abs. 1 vgl. Classen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 23 Rn. 21; Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 23 Rn. 21.

76

1. Abschn.: Die Mitwirkung des Bundesrates bei der Gesetzgebung

Bundestages und des Bundesrates an der nationalen Mitwirkung in der Europäischen Union. Die Einzelheiten der abgestuften Beteiligung des Bundesrates im innerstaatlichen Bereich217 nach den Abs. 4 und 5 und der Beteiligung des Bundesrates bzw. der Länder im Außenverhältnis nach Abs. 6 regelt nach Abs. 7 des Art. 23 GG ein Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf.218 Für Art. 23 GG gilt in besonderem Maße, dass die Länder ihre Bereitschaft, weiterhin an der europäischen Integration mitzuwirken, von der Einräumung von Zustimmungs- und anderen Mitwirkungsrechten abhängig gemacht haben.219 217 Vgl. zum Bemühen der Länder um Beteiligung an Europa-Angelegenheiten Classen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 23 Rn. 80; Oeter, S. 491 ff. Eine Unterrichtungspflicht der Bundesregierung gegenüber dem Bundesrat und dem Bundestag hatte schon das Zustimmungsgesetz zu den Römischen Verträgen aus dem Jahre 1957 vorgesehen (BGBl. II, S. 753). Ein Recht zur Stellungnahme mit grundsätzlich bindendem Charakter bei Vorhaben, die nach der innerstaatlichen Kompetenzverteilung eine alleinige Länderangelegenheit darstellen, erzwang der Bundesrat anlässlich der Abstimmung über das zustimmungsbedürftige Gesetz zur Einheitlichen Europäischen Akte (BGBl. II 1986, S. 1102). Mit der Verabschiedung des neuen Art. 23 GG erzwangen die Länder die verfassungsrechtliche Absicherung der zunehmend als verfassungsrechtlich bedenklich erachteten einfachgesetzlichen Normierung einer die Bundesregierung bindenden Stellungnahme des Bundesrates. 218 Vgl. das Gesetz über die Zusammenarbeit in Angelegenheiten der Europäischen Union v. 12.3.1993 (BGBl. I, S. 313). Siehe auch die „Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und den Regierungen der Länder über die Zusammenarbeit in Angelegenheiten der Europäischen Union“ v. 29.10.1993 (Bundesanzeiger, A. 10425). 219 Das Ringen der Länder um die Beteiligung an europapolitischen Entscheidungsprozessen zeigt, wie weitgehend für die politischen Akteure auf Seiten der Länder die Mitwirkung über den Bundesrat an Entscheidungen des Bundes gegenüber der eigenständigen Wahrnehmung von Länderkompetenzen in den Vordergrund gerückt ist. Vgl. hierzu ausführlich Oeter, S. 489 ff. Gesetzgebungsbefugnisse der Länder und auch ihre Verwaltungskompetenzen sind durch den Prozess der europäischen Integration zwar auch tangiert. Auf diese Bereiche beschränkte sich die Forderung der Länder auf Mitwirkung aber nicht. Die Länderseite strebte über Beteiligungsrechte gerade auch einen Ausgleich für die Beeinträchtigung ihrer Mitwirkung an der gesamtstaatlichen Willensbildung und Entscheidungsfindung, insb. im Bereich der Rechtsetzung, an, die durch die Verlagerung von Hoheitsbefugnissen auf die europäische Ebene erfolgt. Das die Verfassungsentwicklung seit 1949 deutlich kennzeichnende Kompensationsgeschäft wird „ausgehebelt“, wenn nicht mehr auf Bundesebene, sondern auf europäischer Ebene entschieden wird. Dass mit der geltenden Vorschrift des Art. 23 GG jedoch die Handlungsfähigkeit des Bundes auf europäischer Ebene erheblich beeinträchtigt ist, ist inzwischen allgemeine Auffassung. Vgl. die dahingehende Diskussion in der Bundesstaatskommission, zusammengefasst in der Dokumentation, Zur Sache 1/2005, S. 153 ff. Siehe auch die Nachweise bei Rojahn, in: v. Münch/Kunig, Art. 23 Rn. 79. Vgl. auch Classen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 23 Rn. 83. Auf einen Änderungsvorschlag hat man sich nicht einigen können. Siehe jetzt aber den Vorschlag der Koalitionsarbeits-

C. Zustimmungsbedürftige Bundesgesetze

77

e) Zusammenfassung Der immer wieder geäußerte Verdacht, die Länder hätten sich ihre Zustimmung zu Verfassungsänderungen durch Einräumung von Zustimmungsrechten „abkaufen“ lassen, trifft, dies bleibt zunächst festzuhalten, für eine nicht geringe Zahl der untersuchten Grundgesetzänderungen zu (vgl. insbesondere Art. 23, Art. 74 Abs. 2, Art. 74a, Art. 109 GG). Konkrete „Tauschgeschäfte“ fanden dabei, dies mag erstaunen, weniger im Bereich der Gesetzgebungskompetenzen (siehe Art. 74 Abs. 2, Art. 74a GG) als im Bereich der Verwaltungskompetenzen (vgl. die Art. 87b ff. und Art. 120a GG) statt.220 Die Schaffung von Zustimmungstatbeständen erfolgte regelmäßig (auch) als Ergebnis einer auf ein Gesamtpaket bezogenen Kompromissfindung zwischen Bundesregierung und Bundestag(smehrheit) auf der einen und dem Bundesrat auf der anderen Seite (deutlich z. B. in den Fällen der Art. 87b, 87e, 87f GG221). Die Notwendigkeit, einen Konsens über angestrebte Verfassungsänderungen herbeizuführen, ermöglichte es dem Bundesrat, die Gruppe zustimmungsbedürftiger Gesetze über die Fälle der das bundesstaatliche Kompetenzgefüge verschiebenden und dadurch die politische Potenz der Länder berührenden Gesetze hinaus „systemwidrig“ auszudehnen (siehe Art. 87b Abs. 1 Satz 3, Art. 16a, Art. 74a, Art. 74 Abs. 2, Art. 87e Abs. 4 i. V. m. Abs. 5, Art. 87f Abs. 1 GG). Die Literatur hat aus diesem Befund der den Katalog zustimmungsbedürftiger Bundesgesetze betreffenden Verfassungsänderungen nicht selten den Schluss gezogen, dass die hohe Zahl der mit Zustimmung des Bundesrates verabschiedeten Gesetze ganz wesentlich auch auf das Anwachsen der gruppe zur Föderalismusreform im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD, Anlage 2, S. 28. 220 Daneben erfuhr der Katalog der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenzen des Bundes zahlreiche Erweiterungen, ohne dass im Gegenzug der Bundesrat ein Zustimmungsrecht erhielt. Dies gilt z. B. für Art. 74 Nr. 24, Nr. 26 GG, deren Schaffung durch „die fortschreitende technische Entwicklung für nötig“ erachtet wurde. Siehe das 30. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes v. 12.4.1972 (BGBl. I, S. 593) und das 42. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes v. 27.10.1994 (BGBl. I, S. 3146). Vgl. hierzu Oeter, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 74 Rn. 207 ff.; 216 ff. Um einer Rechtszersplitterung abzuhelfen, wurde beispielsweise Art. 74 Nr. 4a GG normiert. Siehe das 31. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes v. 28.7.1972 (BGBl. I, S. 1305) und das 34. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes v. 23.8.1976 (BGBl. I, S. 2383). Die Änderungen erfolgten auf Initiative des Bundesrates. Vgl. dazu Oeter, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 74 Rn. 54. Siehe z. B. auch die Änderungen in Art. 74 Nr. 13, 19a, 22 GG. Vgl. dazu das 22. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes v. 12.5.1969 (BGBl. I, S. 363). 221 Siehe hierzu die Nachweise zur Entstehungsgeschichte des jeweiligen Zustimmungstatbestandes oben in diesem Abschnitt z. B. Fn. 128, 130, 131, 132.

78

1. Abschn.: Die Mitwirkung des Bundesrates bei der Gesetzgebung

Zustimmungstatbestände des Grundgesetzes zurückzuführen ist – gerade auch auf das Hinzutreten „systemwidriger“, auf materielle Gesetzesmaterien bezogener Zustimmungskompetenzen des Bundesrates.222 Diese Annahme sollte sich durch das Ergebnis einer zahlenmäßigen Erfassung der Zustimmungsgesetze eigentlich bestätigen lassen.

III. Statistische Erfassung der Zustimmungsgesetze 1. Der Anteil zustimmungsbedürftiger Bundesgesetze Ein Blick auf die statistischen Angaben223 über die Gesetzgebungstätigkeit von Bundestag und Bundesrat, denen der Anteil der als Zustimmungsgesetz verabschiedeten Gesetze für die einzelnen Wahlperioden entnommen werden kann, macht deutlich, dass bereits in der ersten Wahlperiode der Anteil der als Zustimmungsgesetz ergangenen Gesetze bei fast 42 Prozent lag. Von der zweiten bis zur neunten Wahlperiode bewegte sich der Anteil zwischen 50 und 55 Prozent, um in der zehnten Wahlperiode bis auf 60 Prozent anzusteigen. Bis zur 14. Wahlperiode lag der Anteil der Zustimmungsgesetze zwischen 55 und 60 Prozent; dieser sank dann in der vergangenen 15. Wahlperiode leicht auf ca. 51 Prozent. Das Regel-Ausnahme-Verhältnis zwischen Einspruchs- und Zustimmungsgesetzen hat sich in den Zahlen also von Beginn der Gesetzgebungstätigkeit des Bundes an nicht widergespiegelt. Zumindest zum Teil irreführend, auch dies machen die Zahlen deutlich, ist aber die immer wieder aufgestellte Behauptung, zwei Drittel aller Bundesgesetze seien regelmäßig zustimmungsbedürftig.224 Im Durchschnitt sind es „nur“ etwas mehr als die Hälfte. Diese Übertreibung hat offenbar auch in den Verhandlungen der Bundesstaatskommission dazu geführt, dass man die mit den vorgeschlagenen Verfassungsänderungen für möglich gehaltene und damit angestrebte Reduzierung der Zustimmungsquote auf 35 bis 40 Prozent als erheblichen oder zumindest respektablen Entflechtungsgewinn darstellen konnte.225 222 Vgl. schon Bandorf, S. 138; Grimm, in: 50 Jahre Grundgesetz, S. 39, 53, 55. Siehe auch Blumenwitz, in: BK, Art. 50 Rn. 26. 223 Vgl. die Zahlen im Handbuch des Bundesrates 2003/04, S. 307, 1999/2000, S. 294. Die Zahlen für die letzte WP sind vollständig abrufbar über http://www. bundesrat.de. Siehe auch die teilweise abweichenden Zahlen für die zehnte und zwölfte WP bei Schindler, Datenhandbuch II, S. 2430 f. Siehe für die erste bis 13. WP z. B. auch Ziller/Oschatz, S. 139. 224 So zuletzt in: SZ v. 8.11.2005, S. 6. 225 Siehe den Vorentwurf der Vorsitzenden für eine Beschlussempfehlung, AU 104 – neu – v. 13.12.2004, S. 104, S. 2 f.

C. Zustimmungsbedürftige Bundesgesetze Wahlperiode

79

Zahl der ausgefertigten Gesetzesbeschlüsse insgesamt

als Zustimmungsgesetz verabschiedete Gesetze226

Anteil in Prozent

1. (1949–1953)

545

228

41,8

2. (1953–1957)

510

254

49,8

3. (1957–1961)

424

236

55,7

4. (1961–1965)

425

227

53,4

5. (1965–1969)

453

224

49,4

6. (1969–1972)

333

172

51,7

7. (1972–1976)

506

269

53,2

8. (1976–1980)

339

182

53,7

9. (1980–1983)

136

71

52,2

10. (1983–1987)

320

192

60,0

11. (1987–1990)

366

202

55,2

12. (1990–1994)

493

282

57,2

13. (1994–1998)

551

328

59,5

14. (1998–2002)

548

299

54,6

15. (2002–18.10.2005)

385

195

50,6

6334

3361

53,1

Insgesamt

Die relative Stabilität der Zustimmungsquote lässt darauf schließen, dass die Erweiterung der Gruppe der Zustimmungstatbestände durch Verfassungsänderungen gerade nicht zu einer signifikanten Erhöhung der als Zustimmungsgesetz ausgefertigten Gesetze geführt hat.227 Wenn Grimm also in diesem Zusammenhang feststellt, dass „was ursprünglich Ausnahme, (. . .) heute Regel“228 ist, übersieht er, dass sich die Verfassungspraxis im Bereich der Bundesgesetzgebung nicht allmählich von den Vorstellungen des historischen Verfassungsgebers, der auch von einem zahlenmäßigen RegelAusnahme-Verhältnis zwischen Einspruchs- und Zustimmungsgesetzen aus226 Die Auffassung des Bundesrates bezüglich der Zustimmungsbedürftigkeit wich in einigen Fällen ab. 227 Vgl. Dästner, ZParl 2001, 290, 291 ff. Ebenso Rau, in: 50 Jahre Herrenchiemseer Verfassungskonvent, S. 17, 31. Siehe bereits Lerche, in: 40 Jahre Bundesrat, S. 183, 184 ff. 228 Grimm, in: 50 Jahre Grundgesetz, S. 39, 53.

80

1. Abschn.: Die Mitwirkung des Bundesrates bei der Gesetzgebung

gegangen sein dürfte229, entfernt hat, sondern dass sich vielmehr das in den grundgesetzlichen Bestimmungen von Beginn an enthaltene, offenbar unerkannt gebliebene Potential für eine hohe Anzahl an Zustimmungsgesetzen bereits spätestens ab der zweiten Wahlperiode voll ausgewirkt hat. Ein Blick auf die zahlenmäßige Bedeutung einzelner Zustimmungstatbestände in der Gesetzgebungspraxis des Bundes bestätigt dieses Ergebnis. 2. Die quantitative Bedeutung einzelner Zustimmungstatbestände Eine offizielle Statistik darüber, wie oft die einzelnen Zustimmungstatbestände des Grundgesetzes die Zustimmungsbedürftigkeit eines Gesetzes auslösen, existiert nicht. Den im Handbuch des Bundesrates jährlich veröffentlichten Zahlen über die Gesetzgebungstätigkeit von Bundestag und Bundesrat ist nicht zu entnehmen, auf welchen Zustimmungstatbestand die Zustimmungsbedürftigkeit des Gesetzes im Einzelnen zurückgeführt wurde. Informationen über die zahlenmäßige Bedeutung der einzelnen Zustimmungstatbestände lassen sich aber auf anderem Wege gewinnen. So werden in den Tagesordnungen des Bundesrates ausdrücklich diejenigen Grundgesetzbestimmungen genannt, die Ursache für die Beschäftigung des Bundesrates mit einer Gesetzes- oder sonstigen Vorlage sind.230 Bei der Befassung des Bundesrates mit einem vom Bundestag beschlossenen Gesetz im sog. „zweiten“ Durchgang weist die Nennung eines Zustimmungstatbestandes oder mehrerer Zustimmungstatbestände auf die Klassifizierung als Zustimmungsgesetze hin.231 229

Konkrete Aussagen über das erwartete Zahlenverhältnis zwischen Einspruchsund Zustimmungsgesetzen wurden im Verlauf der Verhandlungen im Parlamentarischen Rat, soweit ersichtlich, nicht getroffen. In der Literatur findet sich vereinzelt der Hinweis, der historische Verfassungsgeber sei von einer Quote von „über den Daumen gepeilt“ zehn Prozent zustimmungsbedürftiger Gesetze ausgegangen (vgl. Herzog, in: 25 Jahre Bundesrat, S. 235, 242; ders., Strukturmängel, S. 109; Huber, Grundrechtsschutz, S. 289, 294; Ossenbühl, DVBl. 1989, 1230, 1235). Nachweise hierfür werden jedoch leider nicht genannt. 230 Verantwortlich für diese Angaben in der Tagesordnung des Bundesrates ist der Parlamentsdienst des Bundesratssekretariats. Dieser gibt bei der Klassifizierung der Gesetze(svorlagen) und der Feststellung der einschlägigen Zustimmungstatbestände im Fall eines Zustimmungsgesetzes die in den zuständigen Bundesratsausschüssen und durch deren Sekretariate artikulierte rechtliche Einordnung der Vorlagen wieder. Diese rechtliche Beurteilung durch die Ausschüsse bildet die Grundlage der Entscheidung im Plenum. Sie ist demnach den stenografischen Niederschriften der Sitzungen des Bundesrates ebenfalls zu entnehmen und auch in den an die Bundesregierung nach dem Ende der Beratungen übersandten Notifizierungsschreiben enthalten. Vgl. hierzu insgesamt Dästner, ZParl 2001, 290, 294. 231 Erst die Stellungnahme im sog. zweiten Durchgang bringt die maßgebliche Haltung des Bundesrates in der Frage der Klassifizierung als Einspruchs- oder Zu-

C. Zustimmungsbedürftige Bundesgesetze

81

Unter Heranziehung der Tagesordnungen der Sitzungen des Bundesrates hat zuletzt232 Dästner für den Zeitraum von 1981 bis 1999 eine Statistik über die Verteilung der Zustimmungstatbestände in der Praxis des Gesetzgebungsverfahrens erstellt.233 Dieser liegen 1.994 Gesetzesbeschlüsse des Bundestages, über die der Bundesrat Beschluss gefasst hat, zugrunde. Von diesen hielt der Bundesrat selbst 1.213, dies entspricht einem Anteil von 60,8 Prozent, für zustimmungsbedürftig. Nach Dästner entfielen die nach Auffassung des Bundesrates zustimmungsbedürftigen Gesetze auf die einzelnen Zustimmungstatbestände im Wesentlichen nach der in der folgenden Tabelle dargestellten Verteilung. Daneben waren maßgebend in jeweils 17 Fällen Art. 79 Abs. 2 GG und Art. 107 Abs. 1 Satz 2 und 4 GG (1,4 Prozent), in 15 Fällen Art. 104a Abs. 4 Satz 2 GG (1,2 Prozent), in 13 bzw. zwölf Fällen Art. 85 Abs. 1 GG (1,1 Prozent) und Art. 87 Abs. 3 Satz 2 GG (1,0 Prozent).234 stimmungsgesetz zum Ausdruck. Vgl. Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 76 Rn. 16. Die Stellungnahme im sog. ersten Durchgang ist für den Bundesrat nicht bindend. Vgl. BVerfGE 3, 12, 16 f. Siehe auch Masing, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 76 Rn. 111; Stettner, in: Dreier, Art. 76 Rn. 23. (Für Vorlagen der Bundesregierung fordert § 49 Abs. 2 GGO II, dass dargelegt wird, ob es sich bei dem Vorhaben um ein zustimmungsbedürftiges handelt. Frühere Fassungen der GGO II verlangten Angaben darüber, welche Einzelregelung aus welchem Grund zustimmungsbegründend ist und aus welchem Grund ihre Aufnahme für erforderlich gehalten wird. Vgl. hierzu Jekewitz, in: AK, Art. 76 Rn. 9 mit entsprechendem Nachweis. 232 Eine vergleichbare Untersuchung für den Zeitraum von 1949 bis 1966 hat Rössler unternommen (siehe dort die Übersichten auf S. 154 f.). Die Ergebnisse stimmen mit denen Dästners weitgehend überein. Siehe auch die statistischen Angaben bei Limberger, S. 32 f. 233 Vgl. Dästner, ZParl 2001, 290, 296 f. Auf die Umstände, die die Aussagekraft der von ihm ermittelten Daten relativieren, weist Dästner selbst hin. In den Tagesordnungen des Bundesrates und auch in Dästners Statistik enthalten sind auch die Gesetzesbeschlüsse, die niemals Gesetzeskraft erlangt haben, weil sie an der fehlenden Zustimmung des Bundesrates oder an einem nicht zu überstimmenden Einspruch gescheitert sind. Gesetze, die nach dem Abschluss des Vermittlungsverfahrens erneut im Bundesrat behandelt wurden, sog. „Rückläufer“, sind dagegen in die Statistik nicht aufgenommen; damit sind auch durch das Vermittlungsverfahren eingetretene Änderungen bezüglich der als einschlägig erachteten Zustimmungstatbestände nicht berücksichtigt. Da der Bundesrat die Zustimmungsbedürftigkeit eines Gesetzes in einigen Fällen entgegen der Auffassung des Bundestages, der von einem Einspruchsgesetz ausgeht, annimmt, ist die Zahl der in den Tagesordnungen des Bundesrates und den stenografischen Protokollen genannten Zustimmungsgesetze gegenüber der oben genannten Statistik erhöht. Diese stützt sich auf die Zahl der als Zustimmungsgesetz ausgefertigten Gesetze. Bei der Ausfertigung orientiert sich der Bundespräsident aber in der Regel an der Auffassung des Bundestages. Schwierigkeiten bereitet die statistische Erfassung auch aufgrund der Tatsache, dass die Tagesordnungen des Bundesrates und die Beschlüsse alle für einschlägig gehaltenen Zustimmungstatbestände aufführen. Die Zustimmungsbedürftigkeit eines Gesetzes beruht also unter Umständen auf mehreren Zustimmungsnormen.

82

1. Abschn.: Die Mitwirkung des Bundesrates bei der Gesetzgebung Zustimmungstatbestand

Anzahl

Anteil in Prozent

59

4,9

Art. 80 Abs. 2

83

6,8

Art. 84 Abs. 1

705

58,1

Art. 104a Abs. 3 Satz 3

63

5,2

Art. 105 Abs. 3

346

28,5

Art. 106 Abs. 3 Satz 3

33

2,7

Art. 108 Abs. 5 Satz 2

34

2,8

Art. 74a Abs. 2 bis 4 235

Die Statistik zeigt damit deutlich die herausragende quantitative Bedeutung des Art. 84 Abs. 1 GG für die Zustimmungsbedürftigkeit von Bundesgesetzen. Zusammen mit Art. 105 Abs. 3 GG ist er im bezeichneten Untersuchungszeitraum in mehr als 80 Prozent der Fälle zustimmungsauslösend.236 Sowohl Art. 84 Abs. 1 GG als auch Art. 105 Abs. 3 GG waren in ihrer jetzigen Form schon in der ursprünglichen Fassung des Grundgesetzes enthalten. Insgesamt lässt sich laut Dästner in ca. 85 Prozent der von ihm untersuchten Fälle die Zustimmungsbedürftigkeit auf Zustimmungstatbestände zurückführen, die von Beginn an im Grundgesetz enthalten waren.237 Das von Dästner ermittelte Zahlenverhältnis bestätigen Untersuchungen auch für die früheren Legislaturperioden.238 Die Annahme, dass der Zu234 Vgl. Dästner, ZParl 2001, 290, 295 f. In weniger als 1 Prozent der Fälle wurde die Zustimmungsbedürftigkeit durch die anderen Zustimmungstatbestände ausgelöst. Keine Anwendung fanden dabei Art. 16a Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 Satz 1 GG, Art. 29 Abs. 7 GG, Art. 81 Abs. 2 Satz 1 GG, Art. 87b Abs. 1 Satz 3 und 4 GG, Art. 106a Satz 2 GG, Art. 109 Abs. 4 Satz 1 GG, Art. 115c Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 GG, Art. 143a Abs. 3 Satz 3 GG, Art. 143b Abs. 2 Satz 3 GG. 235 Vgl. BVerfGE 28, 66, 76 f. Siehe dazu oben in diesem Abschnitt C. II. 2. b). 236 Vgl. Dästner, ZParl 2001, 290, 296. Laut Dästner ergibt sich unter Vermeidung von Doppelzählungen ein Anteil von 81,6 Prozent (990 von 1.213 Gesetzen). 237 Vgl. Dästner, ZParl 2001, 290, 296 f.: 1.041 von 1.213 Gesetzen = 85,8 Prozent. Bezieht man die Zustimmungsgesetze mit ein, deren Zustimmungsbedürftigkeit durch Art. 80 Abs. 2 GG („anderweitige bundesgesetzliche Regelung“, die nach BVerfGE 28, 66, 76 f. zustimmungsbedürftig ist) ausgelöst wird, ergibt sich unter Vermeidung von Doppelzählungen ein Anteil von 88,5 Prozent für die ursprünglich im Grundgesetz enthaltenen Zustimmungstatbestände. 238 Vgl. die Untersuchung von Limberger, S. 32 f. mit Fn. 48. Limberger ermittelt für den Zeitraum von der ersten bis zur achten WP unter Heranziehung der Sach- und Sprechregister des Bundesrates einen Anteil von 86,65 Prozent für die von ihm so bezeichneten „Altkompetenzen“. Siehe auch Neunreither, S. 69; Rössler,

C. Zustimmungsbedürftige Bundesgesetze

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wachs an Zustimmungstatbeständen eine ausschlaggebende Rolle für die hohe Zahl zustimmungsbedürftiger Gesetze spielt, lässt sich damit im Ergebnis nicht halten.239 Von entscheidender quantitativer Bedeutung ist – neben Art. 105 Abs. 3 GG – der Zustimmungstatbestand des Art. 84 Abs. 1 GG.

IV. Die quantitative und qualitative Bedeutung des Art. 84 Abs. 1 GG 1. Ursachen für die hohe Anzahl der nach Art. 84 Abs. 1 GG zustimmungsbedürftigen Bundesgesetze Art. 84 Abs. 1 GG ist in seiner Bedeutung für die hohe Quote zustimmungsbedürftiger Bundesgesetze bereits früh erfasst worden.240 Dass diese „versteckte, unscheinbare, als bloße Ausnahme formulierte Vorschrift“, die „eigentliche Quelle der großen Zahl der Zustimmungsgesetze“241 ist, mag auch die an der Schaffung des Grundgesetzes Beteiligten später erstaunt haben. Die Tatsache, dass Art. 84 Abs. 1 GG der mit Abstand quantitativ bedeutsamste Zustimmungstatbestand der Verfassung ist, beruht dabei im Wesentlichen auf folgenden Umständen242: Der Bund hat seit Beginn seiner Gesetzgebungstätigkeit von den ihm zustehenden Gesetzgebungskompetenzen, gerade auch im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung, umfassend Gebrauch gemacht. Hierbei hat er sich aber nicht auf die Schaffung materiell-rechtlicher Vorschriften beschränkt, sondern auch die ihm eingeräumte Möglichkeit zur Schaffung von organisations- und verwaltungsverfahrensrechtlichen Regelungen für die Ausführung der Bundesgesetze durch die Länder als eigene Angelegenheit extensiv genutzt.243 Bereits Haas sprach im Jahre 1956 von einer „Regelungswut“244. Der Erlass der Verwaltungsverfahrensgesetze auf der Ebene des Bundes und der Länder hat diese, entgegen dahingehender VerS. 154 ff. Siehe auch Antoni, AöR 113 (1988), 329, 332; Lerche, in: 40 Jahre Bundesrat, S. 183, 184. 239 Vgl. Limberger, S. 33 f. So aber Bandorf, S. 138. 240 Vgl. Held, AöR 80 (1955/56), 50, 53. Vgl. auch die statistischen Angaben bei Herzog, in: 25 Jahre Bundesrat, S. 235, 242: 55 bis 60 Prozent durch Art. 84 Abs. 1 GG zustimmungsbedürftige Gesetze; Ossenbühl, AöR 99 (1974), 369, 372: 70 Prozent; Limberger, S. 32 mit Fn. 45: 64 Prozent über Art. 84 Abs. 1 GG; Blümel, in: HdbStR IV, § 101 Rn. 26: über 63 Prozent. 241 Lerche, in: 40 Jahre Bundesrat, S. 183, 184. Siehe auch Bullinger, DÖV 1970, 761, 766. 242 Vgl. auch Antoni, AöR 113 (1988), 329, 359; Schulze-Fielitz, DVBl. 1982, 328, 329. 243 Siehe schon Köttgen, DÖV 1952, 422, 423 ff.

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1. Abschn.: Die Mitwirkung des Bundesrates bei der Gesetzgebung

mutungen245, nicht signifikant eingegrenzt.246 Immer noch enthalten von den Ländern auszuführende Bundesgesetze besondere, von den allgemeinen Vorschriften abweichende Einrichtungs- und Verwaltungsverfahrensregelungen, die jeweils die Zustimmungsbedürftigkeit nach Art. 84 Abs. 1 GG auslösen.247 Der „furor legislativus“248 des Bundes, der sein gesetzgeberisches Programm nur mit flankierenden Einrichtungs- und insbesondere Verwaltungsverfahrensvorschriften vollständig verwirklichen zu können glaubt, hat verschiedene, empirisch allerdings (auch) hinsichtlich des Ausmaßes ihrer Bedeutung noch nicht vollständig offen gelegte Ursachen. Ein relevanter Faktor ist die wachsende Bedeutung sozialstaatlicher Leistungsgesetze, bei denen der Gesetzgeber gerade auch im Interesse einer „Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse“249 auf bundesgesetzliche Ausführungsregelungen nicht verzichten zu können glaubt.250 Auch dürften verfassungsgerichtlich entwickelte Voraussetzungen für eine effektive Grundrechtsgewährleistung durch die Schaffung von organisations- und verfahrensrechtlichen Regelungen die Inanspruchnahme der Gesetzgebungskompetenz des Bundes geför244

Haas, AöR 80 (1955/56), 81, 83. Vgl. auch Held, AöR 80 (1955/56), 51, 55: „Man sollte denken, daß es dem Bund in der Regel genügen könnte, das Wesentliche zu tun, d. h. das materielle Recht zu setzen, und das Sekundäre, die Art und Weise der Ausführung, den Ländern zu überlassen. Aber in unserer Bundesrepublik, die vielfach noch auf das bequeme zentralistische Regieren ihrer staatsrechtlichen Vorgänger zurückblickt, befremdet eine solche Beschränkung der eigenen Macht nicht wenige der die Bundesgesetze entwerfenden Beamten (. . .).“ Anders Katzenstein, DÖV 1958, 593, 599: „Diese Grundregel des Art. 84 Abs. 1 GG ist in der bisherigen Staatspraxis durchaus beachtet worden. Tatsächlich werden die meisten Bundesgesetze durch Landesbehörden und nach landesrechtlichen Verfahrensvorschriften durchgeführt, ohne daß der Bund – von Ausnahmen abgesehen – grundsätzlich auf die Behördenorganisation und das Verfahren einwirkt. Andererseits hat der Bund sich jedoch durchaus nicht in jeder Beziehung der Einwirkung auf die Durchführung seiner Gesetze enthalten. Zahlreiche Bundesgesetze enthalten in Einzelpunkten Bestimmungen, die Behördeneinrichtungen und Verwaltungsverfahren der Länder berühren.“ Vgl. zur Tendenz des Bundes zur Schaffung von Ausführungsregelungen auch Konow, ZRP 1973, 158, 159 f. Siehe auch Stoiber, 1. Sitzung der Kommission, 7.11.2003, StenBer., S. 5. 245 Siehe Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 84 Rn. 71. 246 Vgl. dazu Bull, in: AK, Art. 84 Rn. 25 m. w. N. Siehe auch Antoni, AöR 113 (1988), 329, 350 f.; Schmidt-Aßmann, in: HdbStR III, § 70 Rn. 10. 247 Vgl. die Regelungen in § 1 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, Abs. 3 VwVfG des Bundes. Verwaltungsverfahrensgesetze nach Abs. 3 sind in allen Bundesländern ergangen. 248 So Oeter, S. 324. 249 Siehe hierzu auch Neumark, in: Finanzausgleich I, S. 165 ff. Vgl. auch Lerche, in: 40 Jahre Bundesrat, S. 183, 188. 250 Vgl. Böckenförde, in: FS Schäfer, S. 182 und 184; Dolzer, VVDStRL 58 (1999), 7, 14. Siehe auch Oeter, S. 9. Vgl. auch Bothe, S. 273 f.

C. Zustimmungsbedürftige Bundesgesetze

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dert haben.251 Die „unitarisierende Wirkung“ der bundesverfassungsrechtlich gewährleisteten Grundrechte hat sich also auch im Bereich des Verwaltungsverfahrensrechts entfaltet. Insgesamt ist das Verwaltungsrecht seit 1949 von einer fortschreitenden, die Verwaltungskompetenzen der Länder im Ergebnis ganz erheblich einschränkenden Verrechtlichung betroffen252, bei der schwer auszumachen ist, ob die „Regelungswut“ des Gesetzgebers hier Ursache oder Wirkung ist. Das Ausmaß der wachsenden Bedeutung des Verfahrensrechts bei der Ausformung der Rechtsordnung253 – und damit der quantitativen Bedeutung des in Art. 84 Abs. 1 GG normierten Zustimmungstatbestandes – hat der Parlamentarische Rat nicht vorausgesehen. 2. Die qualitative Bedeutung des Art. 84 Abs. 1 GG für die Zustimmungskompetenzen des Bundesrates Der Grund dafür, dass sich der Streit um den Umfang der Zustimmungskompetenzen des Bundesrates schon bald nach Inkrafttreten des Grundgesetzes auf Art. 84 Abs. 1 GG konzentriert hat254, liegt aber nicht allein in dessen zahlenmäßiger Bedeutung. Die Ursache hierfür ist vielmehr darin zu finden, dass es dem Bundesrat gelang, über das „große Einfallstor“255 des in Art. 84 Abs. 1 GG normierten Zustimmungstatbestandes seine Zustimmungskompetenzen auch qualitativ auszudehnen. Der Bundesrat nutzte, der „Logik des unitarischen Bundesstaates“256 folgend, den „furor legislativus“ des Bundes zur Ausweitung seiner Vetoposition. Auf die massive Inanspruchnahme der dem Bund zustehenden und zugestandenen materiellen Gesetzgebungskompetenzen durch den Bundesgesetzgeber und die vielfache Aufnahme von Organisations- und Verfahrensregelungen reagierte der Bundesrat, indem er bei Vorliegen auch nur einer nach Art. 84 Abs. 1 GG zustimmungsbedürftigen Vorschrift eines Gesetzes die Zustimmungsbedürftigkeit des ganzen Gesetzes annahm und damit gleichzeitig das Recht herleitete, die Erteilung der Zustimmung zu einem Gesetz auch aus Gründen zu verweigern, die nicht die zustimmungsaus251 Siehe hierzu nur Oeter, S. 327, 330 ff., 335, 426 ff. Siehe auch Denninger, in: HdbStR V, § 113 Rn. 1 ff. Vgl. Böckenförde, in: FS Schäfer, S. 184; Isensee, AöR 115 (1990), 248, 255. 252 Vgl. hierzu Oeter, S. 12, 426 ff., 429 ff. m. w. N. 253 Vgl. Masing, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 77 Rn. 54. 254 Vgl. Ossenbühl, AöR 99 (1974), 369, 381. Vgl. schon Lechner, DÖV 1952, 417, 420 f.; Kratzer, AöR 77 (1951/52), 266, 267; Held, AöR 80 (1955/56), 50, 52; Schäfer, Der Bundesrat, S. 87. Siehe auch Achterberg, DÖV 1975, 158, 158. 255 Schneider, DVBl. 1953, 257, 257. 256 Hesse, Der unitarische Bundesstaat, S. 23.

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1. Abschn.: Die Mitwirkung des Bundesrates bei der Gesetzgebung

lösenden Vorschriften betreffen.257 Auf diesem – verfassungsgerichtlich bald abgesegneten – Weg hat der Bundesrat erheblichen Einfluss auch auf die materiell-rechtlichen Gehalte der entsprechenden Bundesgesetze nehmen können. In seiner empirischen Studie aus dem Jahre 1982 hat es Limberger unternommen, für die ersten acht Legislaturperioden die vom Bundesrat für seine Entscheidung zur Einlegung von Einsprüchen, der Versagung der Zustimmung und der Anrufung des Vermittlungsausschusses bei Einspruchsund Zustimmungsgesetzen vorgetragenen maßgeblichen Gründe zu untersuchen.258 Einen wichtigen Teil dieser Analyse bildet die Herausarbeitung des Verhältnisses der die Zustimmungsbedürftigkeit auslösenden Normen zu den jeweils vorgetragenen Begründungen für die Anrufung des Vermittlungsausschusses und die Verweigerung der Zustimmung.259 Das von Limberger verfolgte Ziel war es, deutlich zu machen, „ob und inwieweit sich der Bundesrat mit seinem Begründungsverhalten im Zweckbereich der Zustimmungsnorm bewegt, d. h. wie weit die hinter einer Norm des Grundgesetzes, die die Zustimmungspflicht des Bundesrates vorschreibt, stehende Ratio das Begründungsverhalten beeinflußt hat“260. Für Gesetze, die nach Art. 84 Abs. 1, Art. 85 Abs. 1, Art. 108 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 5 Satz 2 GG zustimmungsbedürftig waren, kommt Limberger zu dem Ergebnis, dass die der Einflussnahme des Bundesrates in Form der Anrufung des Vermittlungsausschusses und auch der Verweigerung der Zustimmung zuzuordnenden Gründe mit der Ratio der zustimmungsaus257

So schon Haas, AöR 80 (1955/56), 81, 83. Vgl. Limberger, S. 22 ff., dort auch zum Aussagewert und der Zuverlässigkeit des von ihm untersuchten Materials. 259 Limberger, S. 57 ff., kategorisiert die untersuchten Beschlussgründe wie folgt: gesetzestechnische Gründe, rechtliche Gründe, finanzpolitische Gründe (d. h. solche Gründe, die sich auf eine für die Länder günstigere Ausstattung mit Finanzmitteln beziehen oder gegen die Übernahme weiterer finanzieller Lasten gerichtet sind), verwaltungsverfahrensbezogene Gründe (hierzu rechnet Limberger auch Gründe, die sich auf die Einrichtung von Behörden beziehen) und (sonstige) inhaltsbezogene Gründe. Die letztgenannte Kategorie soll damit die Gründe erfassen, die nicht von den vorher genannten Kategorien umfasst sind und sich auf den Inhalt und Regelungsgehalt der Vorlage beziehen. In dieser Kategorie differenziert Limberger zwischen allgemeinpolitischen Gründen und gesteigerten Länderinteressen. Zu den allgemeinpolitischen Gründen gehören solche, die von den Ländern angeführt werden, „ohne daß ein unmittelbarer Bezug zu ihrer Eigenschaft als Bestandteile einer bundesstaatlichen Ordnung besteht“. Hierzu zählt Limberger auch wirtschaftspolitische Gründe ohne besonderen Länderbezug. Zur Kategorie der gesteigerten Länderinteressen rechnet Limberger die Gründe, die einen Bezug zu Eigenstaatlichkeit und zu den Besonderheiten der Länder und den sich daraus ergebenden Belangen haben. Neben diesen Einzelkategorien betrachtet Limberger auch Kombinationskategorien. 260 Limberger, S. 68. 258

C. Zustimmungsbedürftige Bundesgesetze

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lösenden Norm, den in die Verwaltungshoheit der Länder erfolgenden bundesgesetzlichen Eingriff durch ein Vetorecht des Bundesrates abzusichern, „kaum etwas zu tun haben“261. Die genannten Vorschriften seien für den Bundesrat offenbar „Einstiegsnormen“, die das Geltendmachen insbesondere allgemeinpolitischer, rechtlicher und/oder finanzpolitischer Gründe ermöglichen und insoweit eher formale Bedeutung haben.262 Dieses „normzweckinadäquate Begründungsverhalten“263 ist, so Limbergers Befund, von der ersten Legislaturperiode an festzustellen und wird vom Bundesrat unabhängig von den bestehenden Mehrheitsverhältnissen in Bundestag und Bundesrat praktiziert.264 Der Bundesrat, so Limberger, habe damit „die betroffenen Normen ihrer Bedeutung beraubt“265. Das von Limberger ermittelte Ergebnis überrascht nicht. Normzweckinadäquates Begründungsverhalten im Anwendungsbereich des Art. 84 Abs. 1 GG ist – dies soll hier zunächst ohne ausführliche Herleitung von Sinn und Zweck des normierten Zustimmungserfordernisses festgestellt werden266 – Folge der Praktizierung der Einheitsthese. Für den Bundesrat hat die einheitliche Behandlung eines teils zustimmungsbedürftige, teils zustimmungsfreie Vorschriften enthaltenden Gesetzes gerade den Zweck, seine Vetoposition auszudehnen. Parteipolitisch und/oder zwischen Bund und Ländern umstritten waren und sind in der Regel in erster Linie die materiell-rechtlichen Vorschriften, mit denen ein bestimmtes gesetzgeberisches Vorhaben verwirklicht werden soll. Diese lösen die Zustimmungsbedürftigkeit des Gesetzes, von Ausnahmen abgesehen, aber gerade nicht aus. Die zustimmungsauslösenden Einrichtungs- und Verwaltungsverfahrensregelungen nach Art. 84 Abs. 1 GG sind dagegen selten relevanter Streitpunkt zwischen der Regierungsmehrheit im Bundestag und der Bundesratsmehrheit. Normzweckinadäquates Begründungsverhalten folgt der nun schon mehrfach bemühten, von Hesse konstatierten „inneren Logik des unitarischen Bundesstaates“. In dieser Hinsicht hat der Zustimmungstatbestand des Art. 84 Abs. 1 GG seit Beginn der Gesetzgebungspraxis des Bundes, ganz untechnisch formuliert, „verfassungsungewollt“ Verflechtung durch eine inhaltliche Ausweitung der Vetopositionen des Bundesrates produziert. Dass nicht jedes nach 261

Limberger, S. 71. Vgl. Limberger, S. 73. 263 Limberger, S. 125. 264 Vgl. Limberger, S. 114 ff., 125, 160. Dasselbe Ergebnis ermittelt Limberger für Gesetze, die nach Art. 105 Abs. 3 GG zustimmungsbedürftig waren. 265 Limberger, S. 73. An anderer Stelle spricht er von einer „Sinnentleerung von Vorschriften des Grundgesetzes durch die Staatspraxis“ (S. 80). Siehe zum normzweckinadäquaten Abstimmungsverhalten mit Beispielen auch Jahn, in: Wilke/ Schulte, S. 370, 373 f. 266 Ausführlich hierzu unten Vierter Abschnitt B. I. 4. 262

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1. Abschn.: Die Mitwirkung des Bundesrates bei der Gesetzgebung

Art. 84 Abs. 1 GG zustimmungsbedürftige Mischgesetz auch ein Vorhaben von besonderer politischer Bedeutung und damit Gegenstand parteipolitischer Auseinandersetzung war und ist, ändert daran – in verfassungsrechtlicher Betrachtungsweise ohnehin – nichts.267 Die Praktizierung der Einheitsthese führt in jedem Fall zu einer Ausdehnung der Zustimmungskompetenzen des Bundesrates. Angesichts bzw. in Wechselwirkung mit der quantitativen Bedeutung des Art. 84 Abs. 1 GG wurde die Position des Bundesrates bei der Mitwirkung an Gesetzgebung des Bundes durch die Handhabung der Norm in der Praxis auch tatsächlich erheblich modifiziert und im Ergebnis unerwartet gestärkt. Die verfassungspolitische Bedeutung des Art. 84 Abs. 1 GG war von Beginn an groß – und gerade in qualitativer Hinsicht – fragwürdig, in jedem Fall, wie Herzog formuliert hat, „wohl eine der größten Überraschungen, die das Grundgesetz bei seinem Vollzug dem unvoreingenommenen Beobachter bot“268. 3. Die Bedeutung des Art. 84 Abs. 1 GG im Verhältnis zu den anderen Zustimmungstatbeständen des Grundgesetzes a) Die finanzverfassungsrechtlichen Zustimmungstatbestände Nach Art. 84 Abs. 1 GG ist, dies zeigt Dästners Statistik269, der Zustimmungstatbestand des Art. 105 Abs. 3 GG der zahlenmäßig bedeutsamste (30 Prozent). Mit einem Anteil von ca. fünf Prozent ist auch Art. 104a Abs. 3 Satz 3 GG quantitativ durchaus relevant. Dass der Anteil der im Übrigen aufgrund finanzverfassungsrechtlicher Zustimmungstatbestände zustimmungsbedürftigen Gesetze eher gering ist, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Zustimmungskompetenzen des Bundesrates im Bereich des Finanzausgleichs qualitativ von erheblicher Bedeutung sind.270 Diese Zustimmungstatbestände eröffnen aber keine Möglichkeiten zu einer qualitativen Ausdehnung der Zustimmungskompetenzen des Bundesrates durch die Praktizierung der Einheitsthese. Sie produzieren in ihrem jeweiligen Anwendungsbereich systemgerecht und „verfassungsgewollt“ Verflechtung durch Vetopositionen des Bundesrates.271 Auch Limberger hat in seiner Un267 Dahingehend relativierend aber Rau, in: 50 Jahre Herrenchiemseer Verfassungskonvent, S. 17, 32. 268 Herzog, in: 25 Jahre Bundesrat, S. 235, 242. 269 Siehe dazu oben in diesem Abschnitt C. III. 2. 270 Vgl. zum Verflechtungspotential der Finanzverfassung ausführlich Oeter, S. 507 ff. m. w. N. 271 Vgl. zum Verflechtungspotential der Zustimmungstatbestände der Finanzverfassung z. B. Scharpf, K-Drs. 0007, S. 7.

C. Zustimmungsbedürftige Bundesgesetze

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tersuchung für die Art. 104a, 106 und 107 GG normzweckentsprechendes Begründungsverhalten des Bundesrates festgestellt.272 Im Anwendungsbereich des Art. 105 Abs. 3 GG ist das Problem der – durch die einheitliche Behandlung eines Zustimmungsgesetzes bedingten – normzweckinadäquaten Inanspruchnahme des Zustimmungsrechts durch den Bundesrat273 jedoch bisweilen diskutiert worden. Dies unter der Prämisse, dass es Sinn und Zweck des in Art. 105 Abs. 3 GG normierten Zustimmungstatbestandes sei, den Ländern einen Einfluss nicht auf die Steuerpolitik, sondern allein auf die Ertragspolitik einzuräumen; ein Zustimmungsrecht des Bundesrates sei also nur insoweit anzuerkennen, als Gesetze die Erträge von Ländern und Gemeinden beeinträchtigen.274 Auch eine solche Betrachtungsweise ändert jedoch nichts an dem Ergebnis, dass Art. 105 Abs. 3 GG und die übrigen finanzverfassungsrechtlichen Zustimmungstatbestände ganz überwiegend, und ohne dass die Praktizierung der Einheitsthese hier eine qualitative Veränderung von Vetopositionen bewirkt, „verfassungsgewollt“ eine erhebliche Verflechtung produzieren. Dies folgt aus dem unitarischen Charakter der grundgesetzlichen bundesstaatlichen Finanzverfassung, die den Ländern kaum eigenständig wahrnehmbare Kompetenzen belässt, diesen aber im Gegenzug über den Bundesrat Zustimmungsrechte einräumt. Hier kann nur eine Verfassungsänderung Abhilfe schaffen.275 Die finanzverfassungsrechtlichen Zustimmungstatbestände sind jedenfalls neben Art. 84 Abs. 1 GG für die Machtposition des Bundesrates von ganz erheblicher Bedeutung. Letzterer ist jedoch im Wesentlichen das „Einfallstor“ 272

Vgl. Limberger, S. 70, 72 f. Vgl. auch Limberger, S. 70, 71 ff. Bei Gesetzen, die nach Art. 105 Abs. 3 GG zustimmungsbedürftig sind, dominieren nach Limberger im Begründungsverhalten des Bundesrates allgemeinpolitische, nicht etwa finanzpolitische Gründe. 274 Vgl. Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 105 Rn. 63. Dagegen z. B. Jachmann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 105 Rn. 46. Das Zustimmungserfordernis bestehe nicht nur deshalb, weil sich ein Bundesgesetz nach Art. 105 Abs. 3 GG mittelbar auf das Aufkommen der Länder- und Gemeindesteuern auswirkt oder aus dem Aufkommen einer Bundessteuer Leistungen an Länder oder Gemeinden zu finanzieren sind. Gegenstand des Zustimmungsrechts sei das materielle Steuerrecht. Siehe zur Begrenzung des Anwendungsbereichs des Art. 105 Abs. 3 GG auch den Vorschlag von H. Meyer, K-Drs. 0012, S. 11. 275 Gerade im Anwendungsbereich des Art. 105 GG steht einer „Entflechtung“ aber der „Widerwille“ (so Heintzen, in: v. Münch/Kunig, Art. 105 Rn. 64 m. w. N.) gegen bundesweit uneinheitliche Steuerbelastungen entgegen. Steuerwettbewerb und eine damit verbundene Dezentralisierung der Steuergesetzgebungskompetenzen stoßen sich am hier besonders wirkmächtigen Postulat einheitlicher Lebensverhältnisse im Bundesgebiet. 273

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1. Abschn.: Die Mitwirkung des Bundesrates bei der Gesetzgebung

gerade für eine „systemwidrige“ Ausdehnung der Zustimmungskompetenzen des Bundesrates auf nicht „systemverschiebende“ Gesetzesinhalte. b) Die durch Verfassungsänderungen hinzugekommenen Zustimmungstatbestände Diese „Schlüsselstellung“ des Art. 84 Abs. 1 GG für die qualitative Ausweitung der Zustimmungskompetenzen des Bundesrates und dessen starke Stellung im Gesetzgebungsverfahren hat jedoch zuletzt (wieder) Gramm in Frage gestellt. Es sei die durch Verfassungsänderungen erfolgte Schaffung der „materiellen Zustimmungsvorbehalte im Grundgesetz“, die „die Zunahme des Einflusses des Bundesrates auf das materielle Recht“276 bewirkt habe. Träfe dies zu, könnte eine Abkehr von der Einheitsthese keinen entscheidenden Entflechtungsgewinn herbeiführen, sondern nur eine erneute Verfassungsänderung Abhilfe schaffen. Die Annahme von Gramm lässt sich aber zunächst weder in Bezug auf die Zustimmungstatbestände der Art. 87b Abs. 1 Satz 4, Art. 87e Abs. 4 Satz 1 i. V. m. Abs. 5, Art. 87f Abs. 1 GG noch des Art. 16a Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 GG behaupten. Diese sind schon zahlenmäßig kaum relevant277 und enthalten mangels besonderer inhaltlicher Bedeutung kein dauerhaftes, allenfalls ein punktuell wiederkehrendes Verflechtungspotential. Ähnliches gilt für das in Art. 74 Abs. 2 GG normierte Zustimmungserfordernis. Ein Staatshaftungsgesetz ist zwar bisher nicht ergangen. Dies scheint aber weniger, wie man annehmen könnte, an einer „Blockade“ des Bundesrates zu liegen als daran, dass eine Reform dieser Sachmaterie offenbar nicht mehr als unbedingt erforderlich angesehen wird.278 Schon zahlenmäßig von nicht ganz unerheblicher Bedeutung sind (mit einem Anteil von ca. fünf Prozent279) allerdings die in Art. 74a Abs. 2 bis 4 GG normierten Zustimmungstatbestände. Im Anwendungsbereich des Art. 74a GG besteht wiederkehrend Regelungsbedarf.280 Das gilt (in gerin276

Gramm, AöR 124 (1999), 212, 228. Siehe dazu oben in diesem Abschnitt C. III. 2. Vgl. Dästner, ZParl 2001, 290, 295 Fn. 15. Im genannten Untersuchungszeitraum wurde eine Zustimmungsbedürftigkeit nach Art. 16a Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 Satz 1, Art. 87b Abs. 1 Satz 4 GG in keinem Fall angenommen. Eine Zustimmungsbedürftigkeit nach Art. 74 Abs. 2 GG wurde in nur einem Fall behauptet. In nicht mehr als fünf Fällen wurde eine Zustimmungsbedürftigkeit aus Art. 87e und 87f GG hergeleitet. 278 Vgl. z. B. Bothe, in: AK, Art. 74 Rn. 62 m. w. N. 279 Siehe dazu oben in diesem Abschnitt C. III. 2. Vgl. Dästner, ZParl 2001, 290, 296. 280 Die Bundesgesetzgebungskompetenz des Bundes für die Besoldung und Versorgung im Öffentlichen Dienst insgesamt steht schon seit einiger Zeit in der Kritik. 277

C. Zustimmungsbedürftige Bundesgesetze

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gerem Ausmaß) auch für den in Art. 91a Abs. 2 Satz 1 GG vorgesehenen, eher qualitativ als quantitativ bedeutsamen Zustimmungstatbestand in Bezug auf das die sog. echten Gemeinschaftsaufgaben näher ausgestaltende Bundesgesetz.281 Aber selbst dann, wenn die Bedeutung dieser Zustimmungstatbestände nicht nur marginal sein sollte, kann die Ausdehnung der Zustimmungskompetenzen auf materielle Gesetzesinhalte durch den verfassungsändernden Gesetzgeber insgesamt kaum als entscheidendes Faktum für den Machtzuwachs des Bundesrates qualifiziert werden. Eine Vetoposition in Bezug auf materielle Gesetzesinhalte erhält der Bundesrat in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle über den Zustimmungstatbestand des Art. 84 Abs. 1 GG in der Interpretation i. S. d. Einheitsthese. Diese greift auch im Anwendungsbereich der in den Art. 87b ff. GG normierten (grundsätzlich systemkonformen) Zustimmungstatbestände, die quantitativ für sich gesehen allerdings eher von geringer Bedeutung sind.282 Die Ausdehnung der Zustimmungskompetenzen des Bundesrates auf Materien der Gesetzgebung, die keinen – in der Konzeption des historischen Verfassungsgebers – „systemverschiebenden“ Charakter haben, erfolgte also im Wesentlichen nicht über die Schaffung neuer, „systemwidriger“ Zustimmungstatbestände. Das viel beschworene Kompensationsgeschäft – Zustimmungsrechte des Bundesrates gegen die Übertragung autonom wahrnehmbarer Länderkompetenzen auf den Bund – hat sich im Ergebnis nicht in erster Linie durch Verfassungsänderungen vollzogen, sondern wurde auf der Grundlage des Art. 84 Abs. 1 GG etabliert. Die Behauptung Gramms, die Zunahme des Einflusses des Bundesrates sei Folge der Ausdehnung der Für eine Neuregelung der Kompetenzen im Öffentlichen Dienst-, Besoldungs- und Versorgungsrecht hat die Bundesstaatskommission einen Vorschlag erarbeitet. Ein Zustimmungsrecht des Bundesrates zu dahingehenden bundesgesetzlichen Regelungen besteht danach fort; die Kompetenzen des Bundes sind aber (teilweise) eingeschränkt worden. Siehe hierzu den Vorschlag der Vorsitzenden für eine Beschlussempfehlung der Bundesstaatskommission, AU 104 – neu – v. 13.12.2004, S. 3 und 8. Vgl. dazu die Zusammenfassung der Diskussion in der Dokumentation, Zur Sache 1/2005, S. 210 ff. Siehe auch den Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD, Anlage 2, S. 6. 281 Zur zahlenmäßigen Bedeutung siehe Dästner, ZParl 2001, 290, 295 Fn. 15: in fünf Fällen war Art. 92 Abs. 2 Satz 1 GG im Untersuchungszeitraum zustimmungsauslösend. Die Verflechtung im Bereich der Gemeinschaftsaufgaben wirkt sich in der Gesetzgebung auch weniger maßgeblich aus als im Bereich der Verwaltung. Vgl. nur Dästner, ZParl 2001, 290, 301. Siehe den Vorschlag der Bundesstaatskommission zum Abbau der Verflechtung im Vorentwurf der Vorsitzenden für eine Beschlussempfehlung, AU 104 – neu – v. 13.12.2004, S. 10 f. 282 Vgl. Dästner, ZParl 2001, 290, 295 Fn. 15: im Untersuchungszeitraum waren maßgebend in acht Fällen Art. 87b Abs. 2 GG, in sieben Fällen Art. 120a Abs. 1 Satz 1 GG, in vier Fällen Art. 87d Abs. 2 GG, in zwei Fällen Art. 87c GG.

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1. Abschn.: Die Mitwirkung des Bundesrates bei der Gesetzgebung

„materiellen“ Zustimmungsrechte durch Verfassungsänderungen, ist vielmehr in ihrer Umkehrung richtig. Die Einfügung neuer Zustimmungstatbestände zugunsten des Bundesrates sind eher Folge bzw. Erscheinungsform der Entwicklung des grundgesetzlichen Bundesstaates zu einem unitarischen und kooperativen Föderalismus, als dass diese seine Entwicklung noch befördert hätten. c) Die vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Zustimmungstatbestände Zahlenmäßig von nur geringer Bedeutung geblieben ist der vom Bundesverfassungsgericht im Eisenbahnkreuzungsbeschluss entwickelte – inzwischen ausdrücklich wieder beseitigte – ungeschriebene Zustimmungstatbestand für solche Gesetze, die einen Bundesminister zum Erlass allgemeiner Verwaltungsvorschriften ermächtigen. In dem von Dästner untersuchten Zeitraum wurde die Zustimmungsbedürftigkeit gerade in fünf Fällen aufgrund der aus Art. 84 Abs. 2, 85 Abs. 2 Satz 1 GG vom Bundesverfassungsgericht hergeleiteten Zustimmungsrechte des Bundesrates behauptet.283 Der Anteil der nach Art. 80 Abs. 2 GG in der Auslegung des Bundesverfassungsgerichts zustimmungsbedürftigen „anderweitigen bundesgesetzlichen Regelungen“ ist mit fast sieben Prozent dagegen nicht unerheblich.284 Die quantitative Bedeutung dieses richterrechtlich entwickelten Zustimmungstatbestandes relativiert sich aber zumindest teilweise dadurch, dass vielfach die in Frage stehenden Gesetze zugleich nach Art. 84 Abs. 1 GG zustimmungsbedürftig sind. Dies liegt darin begründet, dass die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts – entgegen kritischer Stimmen in der Literatur285 – davon ausgeht, dass auch in der Einräumung einer Verordnungsermächtigung zum Erlass von Verwaltungsverfahrensrecht schon eine zustimmungsbedürftige Regelung des Verwaltungsverfahrens der Länder gem. Art. 84 Abs. 1 GG liegen kann.286 Die quantitative Bedeutung des Zustimmungstatbestandes des Art. 84 Abs. 1 GG wird also auch durch Art. 80 Abs. 2 GG in der Auslegung des Bundesverfassungsgerichts in der Entscheidung zum Postverwaltungsgesetz nicht geschmälert. In qualitativer 283

Vgl. Dästner, ZParl 2001, 290, 295 mit Fn. 15. Siehe dazu oben in diesem Abschnitt C. III. 2. 285 Vgl. Lepa, DVBl. 1974, 399, 406; Rössler, S. 54 ff. Für die Annahme der Zustimmungsbedürftigkeit aber Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 84 Rn. 53. Diff. Antoni, AöR 113 (1988), 329, 411. Siehe auch Trute, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 84 Rn. 15. Nachweise zur dahingehenden Kontroverse in der Staatspraxis bei Antoni, AöR 113 (1988), 329, 408 Fn. 482, 483; Rössler, S. 55 Fn. 63–68. Siehe auch unten Dritter Abschnitt Fn. 160. 286 Vgl. Antoni, AöR 114 (1989), 220, 235; ders., AöR 113 (1988), 329, 408 ff. Vgl. BVerfGE 55, 274, 326. 284

D. Folgerungen

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Hinsicht bietet allerdings auch der ungeschriebene, an Art. 80 Abs. 2 GG geknüpfte Zustimmungstatbestand „Angriffsfläche“ für die Einheitsthese. Festzuhalten bleibt also: Entscheidend hat (auch) das Bundesverfassungsgericht nicht durch die Herleitung ungeschriebener Zustimmungstatbestände zur Ausweitung der Zustimmungskompetenzen des Bundesrates beigetragen. Dies geschah vielmehr durch die Bestätigung der im Anwendungsbereich des Art. 84 Abs. 1 GG wirkmächtigen Einheitsthese. In der Gruppe zustimmungsbedürftiger Bundesgesetze kommt Art. 84 Abs. 1 GG die entscheidende Bedeutung für die hohe Anzahl von Vetopositionen des Bundesrates und die entscheidende qualitative Bedeutung für die Erweiterung der Vetopositionen und die daraus resultierende starke Stellung des – im verfassungssystematischen Regelfall nur mit einer Einspruchskompetenz ausgestatteten – Bundesrates zu.

D. Folgerungen Um der aus dem Zustimmungstatbestand des Art. 84 Abs. 1 GG – zum Teil „verfassungsgewollt“, zum größeren Teil aber „verfassungsungewollt“ – resultierenden Verflechtung durch Vetopositionen des Bundesrates Herr zu werden, bieten sich verschiedene Möglichkeiten an. Die aufgrund des Zustimmungstatbestandes des Art. 84 Abs. 1 GG entstehende „verfassungsgewollte“ Verflechtung lässt sich bei Fortbestehen des „furor legislativus“ des Bundes allein de constitutione ferenda abbauen. So lässt sich über eine (Rück-)Verlagerung materieller Gesetzgebungskompetenzen auf die Länder schon die Anzahl der von den Ländern als eigene Angelegenheit auszuführenden Bundesgesetze verringern und damit der potentielle Anwendungsbereich des Art. 84 Abs. 1 GG eingrenzen.287 Auf 287

Die Ergebnisse der Bundesstaatskommission in Bezug auf die Rückverlagerung von Gesetzgebungskompetenzen in die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz der Länder sind weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Siehe die Dokumentation in Zur Sache 1/2005, S. 210 ff. Vgl. hierzu Vorholz, DVBl. 2005, 1022, 1025 f.; Schmidt-Jortzig, ZG 2005, 16, 23 ff. Abzuwarten bleibt, wie sich die Verschärfung der Voraussetzungen der Inanspruchnahme der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz durch den Bund in Folge der Neufassung des Art. 72 Abs. 2 GG auswirken wird. Das Bundesverfassungsgericht hat mit seiner Rechtsprechung zur neuen „Erforderlichkeitsklausel“ (vgl. BVerfGE 106, 62 ff.; 111, 226 ff. und BVerfGE 112, 226 ff.) die Anforderungen jedenfalls erheblich verschärft; mit der Entscheidung zum Ladenschlussgesetz (BVerfGE 111, 10, 30 f.) aber die Übergangsbestimmung des Art. 125a Abs. 2 GG eher weit ausgelegt. Die von der Bundesstaatskommission vorgeschlagene partielle Aufhebung der Geltung der Erforderlichkeitsklausel des Art. 72 Abs. 2 GG zugunsten des Bundes (siehe den Vorentwurf der Vorsitzenden für eine Beschlussempfehlung, AU – neu – v. 13.12.2004, S. 8 ff.),

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1. Abschn.: Die Mitwirkung des Bundesrates bei der Gesetzgebung

direktem Wege kann eine Änderung des Art. 84 Abs. 1 GG selbst eine Reduzierung zustimmungsbedürftiger Gesetze herbeiführen. Denkbar ist eine komplette Abschaffung der Ingerenzrechte des Bundes nach Abs. 1, HS. 2 des Art. 84 GG, mit der auch das Zustimmungserfordernis fällt. Daneben kann die bundesgesetzliche Schaffung von Einrichtungs- und Verfahrensregelungen der Länder im Anwendungsbereich des Art. 84 Abs. 1 GG (bei gleichzeitiger Schaffung anderweitiger „Mitwirkungsbefugnisse“ der Länder) der Zustimmungskompetenz des Bundesrates durch Verfassungsänderung entzogen werden. Einen solchen Vorschlag, der das Zustimmungsrecht des Bundesrates zumindest teilweise beseitigt, hat die Bundesstaatskommission vorgelegt. Die Große Koalition hat diesen in ihren Koalitionsvertrag aufgenommen.288 Auch die angedachte Neufassung des Art. 84 Abs. 1 GG beseitigt jedoch, dies sei schon vorweggenommen, das durch die Auslegung i. S. d. Einheitsthese entstandene Problem der qualitativen Ausdehnung der Vetopositionen des Bundesrates nicht vollständig. Zudem wird dieses mit der beabsichtigten Schaffung eines neuen Zustimmungstatbestandes „im Gegenzug“ an anderer Stelle reproduziert.289 Will man die Erstreckung von Zustimmungskompetenzen des Bundesrates auf an sich zustimmungsfreie Materien unterbinden, muss bei der einheitlichen Behandlung eines Mischgesetzes nach Maßgabe der Einheitsthese angesetzt werden. Gelingt es, über eine Interpretation des Art. 84 Abs. 1 GG i. V. m. den Vorschriften über das Gesetzgebungsverfahren die Vetoposition des Bundesrates auf Organisations- und Verwaltungsverfahrensregelungen zu beschränken und den Bundesrat in Bezug auf die materiell-rechtlichen Bestimmungen auf ein Einspruchsrecht zu verweisen, bedarf es möglicherweise keiner Verfassungsänderung. Strategien, über eine restriktive Auslegung der Tatbestandsmerkmale der „Behördeneinrichtung“ und „des Verwaltungsverfahrens“ der Länder eine Reduzierung der Anzahl nach Art. 84 Abs. 1 GG zustimmungsbedürftiger würde die Stärkung der Position der Länder allerdings wiederum konterkarieren. Siehe dazu auch unten Sechster Abschnitt B. I. 4. a). Die Ergebnisse der Koalitionsarbeitsgruppe zur Föderalismusreform, die im Koalitionsvertrag niedergelegt sind, weichen von den Vorschlägen der Bundesstaatskommission noch einmal ab bzw. entwickeln diese fort. Siehe den Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD, Anlage 2, S. 11 ff. 288 Siehe SZ v. 2.11.2005, S. 1 und 6; SZ v. 9.11.2005, S. 6. Vgl. den Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD, Anlage 2, S. 5. Die Ergebnisse der Koalitionsarbeitsgruppe zu Art. 84 Abs. 1 GG, die in den Koalitionsvertrag aufgenommen wurden, stimmen mit denen der Bundesstaatskommission weitgehend überein. Siehe dazu ausführlich unten Sechster Abschnitt B. und C. 289 Siehe dazu unten Sechster Abschnitt B. III. und D.

D. Folgerungen

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Gesetze zu erreichen, haben sich in der Vergangenheit nicht als zielführend erwiesen.290 Die Interpretation der Begriffe ist vielmehr gerade dadurch, dass bei Vorliegen nur einer organisations- oder verwaltungsverfahrensrechtlichen Regelung unter Zugrundelegung der Einheitsthese das ganze Gesetz der Zustimmung des Bundesrates bedarf, mit dem Problem der Zustimmungsbedürftigkeit überfrachtet worden. Auch zielen derartige Versuche in die falsche Richtung, wenn sie als Eingrenzung der durch die einheitliche Behandlung eines Zustimmungsgesetzes bedingten Ausweitung des Zustimmungsrechts des Bundesrates gedacht sind.291 Dem Bundesrat soll gerade ein Zustimmungsrecht in Bezug auf bundesgesetzliche Einrichtungs- und Verwaltungsverfahrensregelungen zustehen. Diese stellen Eingriffe in die Verwaltungskompetenzen der Länder dar. Eine Interpretation der Tatbestandsmerkmale des Art. 84 Abs. 1 GG muss hier ansetzen. Ihr Inhalt darf nicht ausgehend vom Zustimmungserfordernis bestimmt werden. Dieses Zustimmungserfordernis gilt es, dem systematischen Verhältnis von Einspruchs- und Zustimmungsgesetzen sowie Sinn und Zweck entsprechend zu umgrenzen. Es ist die in Bezug auf das Zustimmungserfordernis praktizierte einheitliche Behandlung eines Gesetzes, durch die, so hat es Jaeger bezeichnet, ein „sekundärer Vetobereich“292 entsteht. Dieser hebt die Differenzierung des Grundgesetzes zwischen dem Einspruchsrecht als Regelfall der Mitwirkung des Bundesrates an der Gesetzgebung und der wie ein absolutes Veto wirkenden Zustimmung als Ausnahme in weiten Teilen auf. Der Umfang dieses sekundären Vetobereichs ist allein abhängig davon, in welchem Maße der Gesetzesbeschluss des Bundestages zustimmungsfreie und zustimmungsauslösende Bestimmungen zusammenfasst. Wenn es Sinn und Zweck des Zustimmungsrechts des Bundesrates ist, nur an bestimmte, unter „föderativen Kontrollinteressen“ relevante Inhalte anzuknüpfen, wird bei einer solchen Vorgehensweise das verfassungsrechtlich vorgegebene Ziel der Differenzierung verfehlt. Zudem bedingt sie ein gewisses Maß an Manipulierbarkeit, das die verfassungsrechtliche Abgrenzung der Kompetenzen der am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organe konterkariert. In Bezug auf den Bundesrat hebt die Existenz eines sekundären Vetobereichs das vom histori290

Hier setzt aber z. B. Antoni, AöR 113 (1988), 329, 351 an. In dieser Richtung aber deutlich Heitsch, S. 210: Um die Landesregierungen zu veranlassen, sich einer weiteren Abwanderung von Gesetzgebungskompetenzen hin zum Bund und damit der weiteren Entparlamentarisierung der Länder energischer zu widersetzen, sollte die Interpretation der Zustimmungsvorschriften dazu führen, daß ein Kompetenzverlust der Landtage auch für die Landesregierungen ein politisches Opfer darstellt.“ 292 Jaeger, Zwischenbericht der Enquete-Kommission, Zur Sache 1/73, S. 159. Vgl. auch Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 84 Rn. 72, dieser spricht von einem „überschießenden Effekt“. 291

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1. Abschn.: Die Mitwirkung des Bundesrates bei der Gesetzgebung

schen Verfassungsgeber zugrunde gelegte Junktim zwischen der Zusammensetzung der „Zweiten Kammer“ und dem Umfang ihrer Vetoposition partiell auf. Entflechtung im Anwendungsbereich des Art. 84 Abs. 1 GG lässt sich de lege lata dann verwirklichen, wenn es durch Auslegung gelingt, einen Weg zum Abbau des sekundären Vetobereichs aufzuzeigen. Die auch unter Anerkennung der Einheitsthese zugestandene – später genau zu untersuchende293 – Möglichkeit der Aufspaltung von Gesetzesvorhaben in zustimmungsbedürftige und zustimmungsfreie Teile hat zu einem durchgreifenden Abbau des sekundären Vetobereichs bisher jedenfalls noch nicht geführt. Die These, dass Art. 84 Abs. 1 GG einen der „wichtigsten Stützpfeiler der Macht“ des Bundesrates darstellt, lässt sich entgegen der Auffassung von Gramm daher auch nicht entscheidend mit dem Argument relativieren, dass ein Gesetz aufgrund der Teilungsoption nicht an Art. 84 Abs. 1 GG scheitern müsse.294 Insgesamt bietet die Möglichkeit der Aufspaltung von Gesetzen dem Bundesgesetzgeber, wenn dieser eine Abspaltung der Organisations- und Verwaltungsverfahrensregelungen von einer Gesetzesvorlage oder einem Gesetz nicht ohne Aufgabe des politischen Konzepts für möglich erachtet und daher so lange wie möglich zu verhindern versuchen will, offenbar im Vergleich zum „eingefahrenen“ Weg der Kompromissfindung mit dem Bundesrat keine ausreichenden Handlungsspielräume. Reibungsverluste, die mit einer Aufspaltung verbunden sind, treten bei einer differenzierenden Behandlung innerhalb eines Gesetzes möglicherweise – dies bleibt zu untersuchen – nicht auf. Erst eine Aufgabe der Einheitsthese bedeutet dann einen entscheidenden Entflechtungs- und damit Effektivitätsgewinn für den Bereich der Bundesgesetzgebung – und realisiert die „verfassungsgewollte“ Differenzierung zwischen Einspruchsund Zustimmungskompetenzen des Bundesrates. Nur eine Interpretation des Art. 84 Abs. 1 GG, die eine Differenzierung zwischen dem Zustimmungsrecht des Bundesrates in Bezug auf Einrichtungs- und Verwaltungsverfahrensregelungen und seinem Einspruchsrecht hinsichtlich materiell-rechtlicher Regelungen ermöglicht, kann zudem die Landesregierungen aus der von Herzog als solche bezeichneten „Zwangslage“295 befreien, in die sie geraten, wenn sie einem zustimmungsbedürftigen Gesetz aufgrund in ihm enthaltener (einzelner) materiell-rechtlicher Vorschriften die Zustimmung nicht aktiv erteilen, sein Zustandekommen aber auch nicht verhindern wollen. Hier wirkt sich das in Art. 52 Abs. 3 GG normierte Mehrheitsprinzip aus. Enthalten sich die Landesregierungen 293

Siehe dazu unten Fünfter Abschnitt E. und F. Vgl. Gramm, AöR 124 (1999), 212, 223, 227 f. 295 Herzog, in: 25 Jahre Bundesrat, S. 235, 243. Vgl. auch Renzsch, in: Föderalismus zwischen Konsens und Konkurrenz, S. 93, 95. 294

D. Folgerungen

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der Stimme, votieren damit also im Ergebnis gegen das Gesetz, scheitert die bundesgesetzliche Regelung, obwohl der Bundesrat dies nicht wollte. Stimmt er dagegen für ein Gesetz, mit dessen Inhalt er nicht vollständig einverstanden ist und dessen Zustandekommen er formell verhindern könnte, trägt er zwangsläufig eine Entscheidung mit, die er inhaltlich nicht teilt.296 Es gilt also, auch den Bundesrat von der „politischen Hypothek“ zu befreien, „föderale Strukturen in Mißkredit zu bringen“297. Dies geschieht aber nicht selten, wenn der Bundesrat die ihm durch die Geltung der Einheitsthese zugefallene Einflussmöglichkeit auf materiell-rechtliche, an sich zustimmungsfreie Bestimmungen eines Gesetzes in der parteipolitischen Auseinandersetzung nutzt bzw. zu nutzen gezwungen ist.

296 Vgl. Herzog, in: 25 Jahre Bundesrat, S. 235, 243. Siehe auch Fritz, S. 104 m. w. N. 297 Konow, ZRP 1973, 158, 161.

Zweiter Abschnitt

Der Bundesrat als politischer Akteur: Das Abstimmungsverhalten und die „Legitimation“ des Bundesrates Durch die – im Wesentlichen auf Art. 84 Abs. 1 GG in der Interpretation i. S. d. Einheitsthese beruhende – effektive Ausweitung seiner Zustimmungskompetenzen auf materiell-rechtliche, der politischen Diskussion (regelmäßig mehr als Einrichtungs- und Verfahrensvorschriften) unterliegende Bestimmungen hat der Bundesrat erheblich an politischem Gewicht gewonnen. Dies hat die „Zweite Kammer“ der Bundesgesetzgebung in größerem Umfang, als dies vom historischen Verfassungsgeber erwartet und intendiert war, dem Parteienwettbewerb geöffnet und an dessen Entwicklung gebunden. Die Rolle des Bundesrates als politischer Akteur1, dies soll zumindest kurz nachgezeichnet werden, hat dies maßgeblich bestimmt. Die – aus der Perspektive des historischen Verfassungsgebers – gewandelte Rolle der „Länderkammer“ wirkt sich jedoch auf die Wahrnehmung des Agierens des Bundesrates (auch) negativ aus.2 Der Zuwachs an politischem Einfluss hat das Abstimmungsverhalten der Landesregierungen – insbesondere in Konstellationen parteipolitischer Konfrontation in Phasen divergierender Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat – in den Fokus der politischen Öffentlichkeit, aber auch der wissenschaftlichen Literatur gerückt. Normzweckinadäquates3 und – auch statistisch belegbares – parteipolitisch motiviertes4 Abstimmungsverhalten des (vermeintlichen) „Hüters der Länderinteressen“ bei der Ausübung seiner (Zustimmungs-)Kompetenzen hat den Bundesrat nicht selten dem Verdacht des „institutionellen Missbrauchs“5 ausgesetzt. Neben der Frage nach dem Umfang der dem Bundesrat im Rahmen der Gesetzgebung zugewiesenen verfassungsrechtlichen Kompetenzen wurde 1 Vgl. hierzu z. B. Dolzer, VVDStRL 58 (1999), 7, 29 f.; Sachs, VVDStRL 58 (1999), 39, 57 ff.; Trute, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 84 Rn. 20. 2 Vgl. Herzog, in: 25 Jahre Bundesrat, S. 235, 243. Siehe oben Erster Abschnitt D. 3 Siehe dazu oben Erster Abschnitt C. IV. 2. 4 Siehe dazu sogleich unten in diesem Abschnitt A. IV. 5 Oeter, S. 325.

A. Das Problem der Parteipolitisierung des Bundesrates

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und wird daher – gerade, aber nicht nur in der politikwissenschaftlichen Literatur – die Frage nach der Art und Weise der Inanspruchnahme dieser Kompetenzen durch den Bundesrat gestellt. In dem Bestreben, die als unerwünscht stark betrachtete Stellung des Bundesrates im Gesetzgebungsverfahren6 zu reduzieren, wurden dabei immer wieder Einschränkungen hinsichtlich des „Wie“ der Ausübung der ihm zugewiesenen Befugnisse postuliert. Dies musste im Ergebnis scheitern, worauf im Folgenden kurz einzugehen ist. Was bleibt, ist die Skepsis angesichts des erheblich gesteigerten Gewichts des Bundesrates als eines aus den Regierungen der Länder zusammengesetzten Organs gegenüber dem Bundestag als vom gesamten deutschen Volk gewählten gesamtstaatlichen Parlament. Diese Skepsis wiederum verweist auf das Problem der „Legitimation“ des Bundesrates. Zu diesem soll zumindest kurz Stellung bezogen werden, um für die Auslegung der Zustimmungstatbestände des Grundgesetzes – und damit auch für Art. 84 Abs. 1 GG – einen grundsätzlichen Ausgangspunkt festzusetzen.

A. Das Problem der Parteipolitisierung des Bundesrates Das Lamento über die Parteipolitisierung des Bundesrates ist nahezu so alt wie der Bundesrat selbst. Schon im Jahre 1956 stellte Adenauer auf dem sechsten Bundesparteitag der CDU in Stuttgart fest: „Als wir im Parlamentarischen Rat das Grundgesetz schufen (. . .), haben wir nicht geglaubt, daß die Länder im Bundesrat Parteipolitik betreiben. Damals waren wir noch in der Illusion gefangen, die Landesregierungen würden sich loslösen vom Kampf der Parteien, und wir nahmen an, daß nicht dieselben Parteivorstände oder Fraktionsvorstände, die im Bundestag ihren Einfluß ausüben, dies nun auch im Bundesrat tun würden.“7 6 Vgl. zum traditionell unitarisch geprägten Vorverständnis von weiten Teilen der Literatur und des politischen Personals gerade in der Anfangsphase der Bundesrepublik allgemein Oeter, S. 145 ff., 466 ff. 7 Zitiert nach Süsterhenn, in: Wilke/Schulte, S. 161, 172 f. Nach Süsterhenn sollen allerdings bis zu diesem Zeitpunkt „bei der weitaus größten Zahl der Entscheidungen des Bundesrats parteipolitische Erwägungen keine Rolle gespielt haben“ (S. 173). Des Problems war man sich aber auch in der Frühphase der Bundesrepublik bewusst. So forderte Sieveking (CDU), damaliger Erster Bürgermeister Hamburgs, in seiner Antrittsrede als Bundesratspräsident im Jahre 1956, dass parteipolitische Momente im Hinblick auf die staatspolitischen Aufgaben des Bundesrates zurückzutreten hätten. Bei gleicher Gelegenheit hatte Zinn (SPD) im Jahre 1953 die Zulässigkeit politischer und damit auch parteipolitischer Entscheidungen im Bundesrat betont. Vgl. die Antrittsreden der Bundesratspräsidenten bei Rummel, S. 58 ff., 32 ff. Siehe auch die Ansprache von F. J. Strauß anlässlich seines Amtsantritts am 28.10.1983, insb. S. 8 ff. Auch die Literatur hat das Problem schon früh angespro-

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2. Abschn.: Der Bundesrat als politischer Akteur

Dass gerade Adenauer Kritik am Bundesrat erhob, weist jedoch bereits darauf hin, dass nicht nur die Art und Weise der Kompetenzausübung durch den Bundesrat, sondern auch die Kritik daran sich zur Instrumentalisierung im jeweiligen Kontext trefflich eignete und eignet. Denn gerade gegenüber den Versuchen bundesparteipolitischer Einflussnahme durch den ersten Kanzler der neuen Bundesrepublik hat sich der Bundesrat vielfach immun gezeigt.8

I. Die Gefahr der Parteipolitisierung des Bundesrates aus der Perspektive des historischen Verfassungsgebers Tatsächlich spielte das Argument der Gefahr einer Parteipolitisierung der „Zweiten Kammer“ in der Diskussion über die Frage Senats- oder Bundesratssystem im Parlamentarischen Rat eine wichtige Rolle.9 Der Bericht über den Verfassungskonvent von Herrenchiemsee hatte die Bundesratslösung deutlich als diejenige gekennzeichnet, die einer als innerhalb des Konvents überwiegend negativ bewerteten parteipolitischen Ausrichtung der „Länderkammer“ entgegenwirken würde.10 Eine solche sah man dadurch verhindert, dass ein Bundesrat nicht wie ein Senat „denselben Querschnitt“ durch die chen. So mahnte 1958 Katzenstein angesichts des weiten Umfanges der Zustimmungsbefugnis des Bundesrates den Bund zu einer Eingrenzung des Zustimmungsrechts vor allem deswegen, weil der zu starke Einfluss des Bundesrates der Bundesregierung bedrohlich werden könnte, wenn einmal im Bundesrat andere Mehrheitsverhältnisse bestehen sollten als im Bundestag. Auf lange Sicht sei zudem die Ausdehnung des Zustimmungsrechts auch für die Länder gefährlich. Die Regierungsbildung in den Ländern könne in unerwünschte Abhängigkeit zu den Machtverhältnissen im Bund geraten. Vgl. Katzenstein, DÖV 1958, 593, 600. Hesse sprach in den letzten Jahren der Regierungszeit Adenauers allerdings nur noch von einer „wohl kaum praktischen Möglichkeit einer Opposition im Bundesrat“. Siehe Hesse, Der unitarische Bundesstaat, S. 24. 8 Zu ersten Positionskämpfen zwischen der Bundesregierung unter Adenauer und dem Bundesrat kam es anlässlich der Besetzung des Amtes des Bundesratspräsidenten. Adenauer hatte versucht, im Rahmen einer bundespolitisch ausgerichteten Paketlösung über die Besetzung der Ämter des Bundespräsidenten, des Bundestagsund auch des Bundesratspräsidenten zu entscheiden. Die zwischenparteilichen Absprachen auf Bundesebene scheiterten aber am Widerstand fast aller Landesregierungen im Bundesrat. Von der Bundespolitik auch der eigenen Partei wollte man sich das Verhalten im Bundesrat nicht diktieren lassen. Vgl. hierzu Oeter, S. 157 f. m. w. N. Adenauer fuhr in seiner Regierungszeit einen zum Teil rauen Konfrontationskurs gegenüber dem Bundesrat. Vgl. auch Wengst, S. 305 f.; Oeter, S. 229 ff. 9 Vgl. von Doemming, JöR NF 1 (1951), 380 mit Nachweisen. 10 Das offensichtliche Misstrauen einer Mehrheit der Mitglieder des Verfassungskonvents gegenüber einer „Parteipolitik“ provozierte den Sozialdemokraten Brill, der als einer der wenigen in Herrenchiemsee für eine Senatslösung eintrat, zu der Äußerung, in der Debatte erscheine das Parlament „als der Sammelpunkt aller Böse-

A. Das Problem der Parteipolitisierung des Bundesrates

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„politischen Kräfte des Volkes“ darstellen würde wie das Parlament, sondern „gewissermaßen durch Längsschnitte“ zustande komme.11 Als Vorbild hatte der Verfassungskonvent den Bundesrat der Bismarckschen Reichsverfassung und den Reichsrat der Weimarer Republik vor Augen. Beide hätten eine „hochwertige, vom Willen absoluter Sachlichkeit bestimmte Arbeit geleistet“12. Angesichts des deutlichen „Anti-Parteien-Affekts“ im Verfassungskonvent hatte auch die für eine Senatslösung eintretende Minderheit mit der „wirklich inneren Unabhängigkeit“ des Senators gegenüber den Landtagen und den Parteien argumentiert.13 Diese parteienkritische Argumentation wurde auch im Parlamentarischen Rat aufgegriffen – angesichts der Tatsache, dass hier, anders als im Verfassungskonvent, die Parteien selbst und nicht die Landesregierungen die Verhandlungen bestimmten14, allerdings teilweise unter anderen Vorzeichen. Die Konzeption des Bundesrates als „Widerlager zur Parteipolitik“15 lag aber im Grundsatz auch der Entscheidung des Parlamentarischen Rates für das Bundesratsmodell zugrunde.16 Dieser ging – die zum damaligen Zeitpunkt tatsächlich noch bestehende weitgehende Autonomie der Länderpolitik gegenüber der Politik der Parteizentralen im Bund17 vor Augen – ebenfalls von der Prämisse aus, die Länderexekutiven würden im Bundesrat eigenwichte des Parteiwesens und der Länderrat als die Inkarnation aller Weisheit und Güte“. Nachweis bei Lehmbruch, Parteienwettbewerb, S. 77. 11 Vgl. den Bericht über den Verfassungskonvent, Darstellender Teil, S. 37 f.: „Auch wo nur eine Partei die Regierung stellt, werden die Entschließungen dieser Regierung doch von dem objektiven Gesetz ihrer Stelle geprägt, und die von ihr entsandten Mitglieder werden in Distanz zur Tagespolitik ihrer Partei die politischen Gesamtkräfte des Landes und seine dauernden Interessen zum Ausdruck bringen. Das Bundesratsprinzip sichert daher eine höhere Objektivität der zweiten Kammer gegenüber der laufenden Parteipolitik, als sie durch Senatoren gewährleistet sein könnte.“ 12 Bericht über den Verfassungskonvent, Darstellender Teil, S. 37. Siehe dazu Lehmbruch, Parteienwettbewerb, S. 77 f. 13 Vgl. den Bericht über den Verfassungskonvent, Darstellender Teil, S. 37 f. Das Senatssystem soll „ein Mittel zur Personalisierung des Politischen sein und im Ergebnis einen traditionsgebundenen Personentyp schaffen, der durch die Wahl auf einen längeren Zeitraum nicht nur gegenüber der Staatsbürokratie, sondern auch gegenüber den Landtagen und den Parteien eine wirkliche innere Unabhängigkeit erhält und damit in einem dialektischen oder polaren Gegensatz zur Parteibürokratie steht und letzten Endes zu einer Reform des deutschen Parteiwesens und des politischen Lebensstils überhaupt führen kann.“ 14 Vgl. hierzu z. B. Wagner, Einleitung, in: Akten und Protokolle, Bd. 1, S. LVII; Oeter, S. 117 m. w. N. 15 So Lehmbruch, Parteienwettbewerb, S. 77, 79. 16 Vgl. ausführlich Lehmbruch, Parteienwettbewerb, S. 79 ff.; Eschenburg, in: 25 Jahre Bundesrat, S. 35, 56. 17 Vgl. Lehmbruch, Parteienwettbewerb, S. 82 f. m. w. N.

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2. Abschn.: Der Bundesrat als politischer Akteur

ständig und als „Hort der Sachlichkeit“ fungieren. Der von Heuß geprägte Begriff des „Parlaments der Oberregierungsräte“18 ist beredtes Zeugnis dafür, dass man in einem Bundesrat gerade die Länderbürokratie mit ihrem spezifisch administrativen Sachverstand am Werk sah bzw. fürchtete.19 Anders als vom historischen Verfassungsgeber erwartet, blieb der Bundesrat jedoch kein gegenüber der Parteipolitik weitgehend autonomer Faktor im bundesstaatlichen System.20 Die Landesregierungen vertraten von Beginn an auch dezidiert parteipolitische Positionen, nahmen ein allgemeinpolitisches Mandat für sich in Anspruch21; sie argumentierten im Bundesrat zwar auch, aber keinesfalls ausschließlich oder auch nur schwerpunktmäßig unter Einbringung ihres (Verwaltungs-)Sachverstands.22 Dieser unerwartete „politische Aktivismus“23 war zum einen Ursache für das Bestreben des Bundesrates, die ihm nach der Konzeption des Parlamentarischen Rates nur als Ausnahme eingeräumte Zustimmungskompetenz auszuweiten; zum anderen bewirkte die bald erfolgreiche Ausweitung der Vetopositionen des Bundesrates dessen fortschreitende Politisierung. Die vom historischen Verfassungsgeber für die „Zweite Kammer“ erdachte Interdependenz zwischen Kompetenzausstattung, Zusammensetzung und Art und Weise der Inanspruchnahme der Kompetenzen war damit weitgehend hinfällig. Der Bundesrat war für den Wettbewerb der Parteien in einem Maße geöffnet, wie der Parlamentarische Rat dies nicht einmal annähernd vorausgesehen hatte.24 Diese doch grundlegende Fehleinschätzung des historischen Verfassungsgebers dürfte – dies hat Lehmbruch überzeugend herausgearbeitet – im Wesentlichen darauf zurückzuführen sein, dass dieser bei der Diskussion um Zusammensetzung und Kompetenzen der „Zweiten Kammer“ nicht nur den Reichsrat als Vorbild, sondern auch das Vielparteiensystem der Weimarer Zeit vor Augen hatte.25 18 Die Äußerung wird Heuß zugeschrieben. Vgl. Laufer, in: 25 Jahre Bundesrat, S. 395, 411 Fn. 46. 19 Im Unterschied zur gewohnheitsrechtlichen Praxis von 1871 bis 1933 sollten die Bundesratsmitglieder nur noch „durch andere Mitglieder ihrer Regierungen vertreten werden“ können (Art. 51 Abs. 1 Satz 1 GG), nicht mehr durch (einfache) Regierungsbeamte. Dies gilt aber weiterhin nicht für die Ausschüsse. Vgl. dazu Eschenburg, in: 25 Jahre Bundesrat, S. 35, 52 ff. 20 Vgl. Lehmbruch, Parteienwettbewerb, S. 82. 21 Vgl. zur Auseinandersetzung zwischen dem Bundesrat und Bundesjustizminister Dehler in der Frühphase Wengst, S. 305 f.; Oeter, S. 157 f. Dehler sprach dem Bundesrat zunächst jede Zuständigkeit auf dem Gebiet der „allgemeinen“ Politik ab. 22 Vgl. Lehmbruch, Parteienwettbewerb, S. 82. 23 Oeter, S. 258 mit Beispielen aus der frühen Staatspraxis. 24 Vgl. Lehmbruch, Parteienwettbewerb, S. 134.

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Im Reichsrat der Weimarer Zeit bewirkten parteipolitisch unterschiedlich zusammengesetzte und (mehr oder minder) wechselnde Koalitionsregierungen in den Ländern eine heterogene Zusammensetzung.26 Klare Kräfteverhältnisse zwischen Reichstag und Reichsrat in der Form, dass die Regierungsparteien auf Reichsebene gleichzeitig über eine Mehrheit der Stimmen im Reichsrat verfügten oder diese Mehrheit gerade von den Oppositionsparteien auf Reichsebene gestellt wurde, gab es in der Weimarer Zeit nicht.27 Im damaligen Vielparteiensystem war das katholische Zentrum regelmäßig in einer Mehrzahl der Länder die Mittlerpartei zwischen „Rechts“ und „Links“.28 Es ging Regierungskoalitionen mit Parteien aus beiden Lagern ein. Von 1919 bis 1932/33 war das Zentrum auch auf Reichsebene ständige Regierungspartei.29 Es bestand somit eine relative Homogenität von Reichsregierung und Landesregierungen durch überlappende Koalitionen. Zu einer ernsthaften und anhaltenden Konfrontation zwischen Reichsrat und Reichstag konnte es, auch wenn es parteipolitisch motiviertes Abstimmungsverhalten im Reichsrat gegeben hat30, bei dieser Verzahnung (über das Zentrum) in der Regel nicht kommen.31 25 Vgl. Lehmbruch, Parteienwettbewerb, S. 36 ff. Siehe auch die Auseinandersetzung mit den Positionen Lehmbruchs bei Heger, S. 217 ff. 26 Zur Entwicklung der Mehrheitsverhältnisse auf Reichsebene und in den Ländern ausführlich Lehmbruch, Parteienwettbewerb, S. 71 ff. Siehe auch Eschenburg, in: 25 Jahre Bundesrat, S. 35, 45 ff. und Rose, S. 92 f. 27 Die Landesregierungen verstanden sich nicht in dem Maße als „Parteiregierungen“ wie heute. Vgl. Lehmbruch, Parteienwettbewerb, S. 75 f. Bei der Stimmabgabe im Reichsrat spielte die Rücksichtnahme auf Koalitionspartner in den Landesregierungen daher eine größere Rolle. Vertreter derselben Partei gaben im Reichsrat oft ein anderes Votum ab als im Reichstag. So Rose, S. 92. 28 So in Preußen, sowie in Hessen, Baden und Württemberg, in Gestalt der vom Zentrum abgespaltenen Bayerischen Volkspartei auch in Bayern. 29 Im Laufe der zwanziger Jahre verschoben sich die Mehrheiten auf Reichsebene (grob betrachtet) von der Weimarer Koalition, d. h. SPD, Zentrum, Deutsche Demokratische Partei, zur „Großen Koalition“ unter Einbeziehung der Deutschen Volkspartei, zur „Kleinen Koalition“ unter dem Zentrum und den Liberalen bis zum „Bürgerblock“ aus Zentrum, Liberalen und Deutschnationalen, um kurz vor dem Zusammenbruch des parlamentarischen Systems im Jahre 1930 zurück zur „Großen Koalition“ zu finden. Vgl. hierzu nur Lehmbruch, Parteienwettbewerb, S. 36. 30 Das wohl bekannteste Beispiel für parteipolitisch beeinflusstes Abstimmungsverhalten im Reichsrat lieferte die Auseinandersetzung über den Bau des Panzerkreuzers Typ A in den Jahren 1927/28. Im Dezember 1927 beschloss der Reichsrat beim ersten Durchgang des Haushaltsgesetzes für das Rechnungsjahr 1928 auf den Antrag Preußens hin die Streichung der vorgesehenen Mittel für den von der Reichsregierung unter Marx gewollten Bau des Panzerkreuzers Typ A. Dieser Beschluss wurde im Wesentlichen von den SPD-regierten Ländern getragen, die von einigen vom Zentrum mitregierten Ländern unterstützt wurden. Die SPD hatte im Reichstag mit ihrer Auffassung nicht durchdringen können. Auf Reichsebene bestand eine Regierung aus Zentrum, Deutschnationaler Volkspartei, Deutscher Volks-

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In den Jahren 1948/49 wiederum konnte der Parlamentarische Rat von einer Situation ausgehen, in der zum einen mit der SPD und der CDU/CSU zwei eindeutig dominierende Parteien existierten. Zum anderen zeichnete sich daneben aber die Existenz verschiedener kleinerer Parteien in der Mitte sowie kleinerer Extremparteien sowohl am rechten als auch am linken Rand ab. Das Vielparteiensystem schien sich zu reproduzieren. Für den Bundestag ging man daher offenbar auch von der Möglichkeit schwieriger Regierungsbildungsprozesse und unsicherer Mehrheitsverhältnisse aus.32 Im Bundesrat rechnete man mit Landesregierungen, die aus unterschiedlichen, aber zur Mitte des Parteienspektrums hin tendierenden Regierungskoalitionen gebildet werden, an denen kleinere Parteien als „Scharnier“ regelmäßig beteiligt sind.33 Der Bundesrat war damit als ein Homogenität stiftender Faktor in einer multipolaren Parteienlandschaft zugeschnitten.34 Der Parlamentarische Rat war nicht so realitätsfern, davon auszugehen, der Bundespartei, Deutscher Demokratischer Partei und Bayerischer Volkspartei. Nachdem der Reichstag die Aufnahme des Postens in den Haushaltsplan dennoch gebilligt hatte, verzichtete der Reichsrat im zweiten Durchgang auf die Einlegung eines Einspruches. Er fasste jedoch Beschluss über eine „Erklärung“, in der der Reichsrat forderte, dass die eigentlichen Arbeiten an dem Bau des Panzerkreuzers nicht vor dem 1.9.1928 in Angriff zu nehmen seien, insb. Verträge nicht eher abzuschließen seien. Reichswehrminister Groener stimmte dieser Erklärung zu. Der Reichsrat konnte sich insoweit durchsetzen, ohne dass es der Einlegung eines „echten“ Einspruchs bedurft hätte. Die im Panzerkreuzerfall aufgetretene parteipolitische Spaltung des Reichsrates hat Bilfinger mit deutlichen Worten kritisiert. Schon Bilfinger sah hierin allerdings kein verfassungswidriges Verhalten des Reichsrates. Seine Kritik richtete sich auf die Verfassungsrechtslage, die ein solches Verhalten der Beteiligten ermöglichte. Vgl. Bilfinger, Der Streit um das Panzerkreuzerschiff A und die Reichsverfassung, AöR 55 (1929), 416, 416 ff. Ders., in: Anschütz/Thoma I, S. 558 f. Vgl. dazu Rose, S. 29 ff.; Klein, DÖV 1971, 325, 326 ff. 31 Hinzu kam, dass – im Gegensatz zur Bismarckschen Reichsverfassung – die Mitglieder des Reichsrates auch Abgeordnete im Reichstag sein durften. Dies war nicht selten der Fall. Die Abgeordneten des Zentrums, die Inhaber eines „Doppelmandats“ waren, eigneten sich insb. als „informationelle, nichtinstitutionalisierte Vermittler“. Vgl. Eschenburg, in: 25 Jahre Bundesrat, S. 35, 47 ff. 32 Vgl. die Regelungen der Art. 63 Abs. 3 bis 4, Art. 67, Art. 81 GG. Dazu Lehmbruch, Parteienwettbewerb, S. 81. 33 Vgl. Lehmbruch, Parteienwettbewerb, S. 82 f. 34 Der Parlamentarische Rat hatte bei der Schaffung des Grundgesetzes nicht ein parlamentarisches Regierungssystem nach britischem Muster vor Augen (Westminster-Parlamentarismus, d. h. zwei Parteien, alternierende Regierungen). Der neue Dualismus zwischen der Regierung und der Regierungsmehrheit auf der einen und der Opposition auf der anderen Seite, der den klassischen Dualismus zwischen Exekutive und Legislative im modernen parteiendemokratischen Parlamentarismusverständnis überlagert, war dem historischen Verfassungsgeber offenbar noch fremd. Vgl. hierzu Decker, in: FS von Arnim, S. 533, 540 f. Siehe auch Schütt-Wetschky, APuZ 2000, B 28, 5, 6 ff.; Hennis, Parteienstaat, S. 21 ff. Vgl. auch Laufer, ZParl 1970, 318, 327 ff. Grundlegend Leibholz, Strukturprobleme, S. 78 ff.

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rat könne dem Parteienstreit insgesamt entzogen werden.35 Angesichts der damaligen Parteienkonstellation und vor dem Hintergrund der Erfahrungen der Weimarer Republik war aber die Entwicklung hin zu einem „bipolaren“36 Parteienwettstreit, in dem eine eindeutige Frontstellung zwischen Bundestagsmehrheit und Bundesratsmehrheit (oder auch Bundesratsminderheit) mit der Möglichkeit der Instrumentalisierung des Bundesrates entstehen könnte, nicht voraussehbar.37

II. Die Entwicklung des Parteienwettbewerbs in der Bundesrepublik Das deutsche Parteiensystem hat sich in den Nachkriegsjahren in entscheidender Hinsicht gewandelt. In einem Konzentrationsprozess wurden die kleineren Parteien von den zwei großen Parteien CDU/CSU und SPD in erheblichem Umfang absorbiert mit der Folge einer deutlichen Verringerung der Anzahl der in den Parlamenten (auf Bundes- und auf Landesebene) vertretenen Parteien. Dazu kam eine von Lehmbruch als (strategische) Polarisierung bezeichnete Entwicklung, in der die beiden großen Parteien die Ausübung von Regierungsgewalt gerade unter Ausschluss der jeweils anderen anstrebten.38 Auf die Regierungsbildung auf Länderebene wirkte sich die strategische Polarisierung des Parteiensystems schon früh und immer wieder mit der Folge aus, dass die Bildung einer Koalition mit dem Gegner auf Bundesebene nur unter erschwerten Bedingungen möglich wurde.39 Da35

So auch Klein, DÖV 1971, 325, 328. So die Terminologie bei Lehmbruch, Parteienwettbewerb, S. 43 und im Folgenden. 37 Vgl. auch Decker, APuZ 2004, B 50–51, 3, 6. Anders Klein, DÖV 1971, 325, 330: „Das Grundgesetz hat diese Möglichkeit in Kauf genommen – nicht in der Gewißheit, eine oppositionelle Mehrheit im Bundesrat könne der Bundesregierung nicht schaden, weil dem Bundesrat nur die Aufgabe zufalle, regionale Sonderwünsche der Länder zur Geltung zu bringen, sondern im Vertrauen darauf, daß eine solchermaßen sozusagen in die Regierungsverantwortung mit hineingenommene Opposition sich dessen bewußt sein und also ihre Stellung nicht mißbrauchen werde.“ Die Dokumente zur Entstehungsgeschichte enthalten allerdings, soweit zugänglich und gesichtet, keinen Hinweis darauf, dass der Parlamentarische Rat derartige Überlegungen angestellt hat. 38 Vgl. auch zu den tiefer gehenden Ursachen Lehmbruch, Parteienwettbewerb, S. 37 ff. Zum Einfluss des personalisierten Verhältniswahlrechts vgl. Eschenburg, in: 25 Jahre Bundesrat, S. 35, 57. Vgl. auch Decker, in: FS von Arnim, S. 533, 540. 39 Vgl. Lehmbruch, Parteienwettbewerb, S. 42 f., 44, 46, 48, 135 f. Adenauer hat offenbar von Beginn seiner Kanzlerschaft an auf die Entstehung gleichlaufender Koalitionen auf Länderebene hinzuwirken versucht. Aber auch die Sozialdemokraten dachten bei der Regierungsbildung auf Länderebene frühzeitig in bundespolitischen Dimensionen. Beispiele hierfür jeweils bei Lehmbruch, Parteienwettbewerb, 36

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mit setzte sich das „Modell des bipolaren Wettbewerbs“40 langfristig – von Ausnahmen abgesehen – auch auf Länderebene durch.41 Auf Bundesebene blieb die Große Koalition von 1966 bis 1969 ein Zwischenspiel. Der darauf folgende Regierungswechsel verhalf dem bipolaren Parteienwettbewerb vollends zum Durchbruch.42 Die Existenz der FDP, die für die beiden großen Parteien als kleiner Koalitionspartner grundsätzlich in Betracht kam, beförderte diesen noch. Auch wenn der Konzentrationsprozess durch den Aufstieg der Grünen seit Ende der siebziger Jahre aufgebrochen wurde, blieb die strategische Polarisierung des Parteiensystems hiervon – aufgrund der Ausrichtung der neuen Partei – weitgehend unbeeinflusst.43 Das gilt auch für das Hinzutreten der PDS in der Folge der Wiedervereinigung.44 Ob das Ergebnis der letzten Bundestagswahl und die erneute Bildung einer Großen Koalition eher Bestätigung des weiterhin existierenden dualistischen Parteienwettbewerbs sind oder erstes Anzeichen für eine Wandlung des Parteiensystems, bleibt abzuwarten.45

III. Das Problem divergierender Mehrheitsverhältnisse in Bundestag und Bundesrat Das aus dem hier nur kurz umrissenen Konzentrations- und Polarisierungsprozess des Parteiensystems resultierende Oppositionspotential des Bundesrates46 ließ sich zum ersten Mal in den Jahren 1952/53 erahnen, als sich eine Situation einstellte, in der die SPD von Fall zu Fall eine Mehrheit S. 135 f. Die bundespolitische Ausrichtung der Regierungsbildung in den Ländern blieb nicht ohne Einfluss auf die Landtagswahlkämpfe. Siehe dazu den Wahlslogan der hessischen CDU aus dem Jahre 1954: „Deine Wahl im Hessenstaat zählt im Bonner Bundesrat. Regierung Zinn stützt Ollenhauer, wählt CDU für Adenauer.“ Zitiert nach Lehmbruch, Parteienwettbewerb, S. 137. Vgl. auch Fabritius, ZParl 1976, 448 ff., 450. Siehe aktuell(er) z. B. Kropp/Sturm, APuZ 1999, B 13, 37, 37 ff. zu Wechselwirkungen zwischen Bundestagswahlen und Landtagswahlen. 40 Lehmbruch, Parteienwettbewerb, S. 43. 41 Zwar wurden die Koalitionsmuster seit den neunziger Jahren wieder vielfältiger. Zur Bildung von Großen Koalitionen kam es im Allgemeinen aber nur dann, wenn das Wahlergebnis aufgrund des Rückgangs der Konzentration der Wählerstimmen bei den großen Parteien, wie jetzt auch auf Bundesebene, die Bildung der Regierung mit einem kleinen Koalitionspartner nicht zuließ. Vgl. dazu Lehmbruch, Parteienwettbewerb, S. 49 ff. Dort auch zur Rolle der PDS in den neuen Ländern und zu den spezifischen Folgen der Wiedervereinigung für das Parteiensystem. 42 Vgl. Lehmbruch, Parteienwettbewerb, S. 45. 43 Vgl. Lehmbruch, Parteienwettbewerb, S. 38, 48 f. 44 Vgl. Lehmbruch, Parteienwettbewerb, S. 48 f. 45 Vgl. hierzu auch Benz, APuZ 2003, B 29–30, 32, 35 ff., der eine Regionalisierungstendenz im Parteiensystem und in den politischen Konfliktstrukturen erkennen will. Siehe auch Helms, APuZ 2003, B 43, 3, 4.

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in der „Länderkammer“ aufbringen konnte.47 In diese Zeit fällt die Auseinandersetzung um den Vertrag über die Gründung der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft, in der die parteipolitischen Gegensätze zwischen Regierungsmehrheit und Opposition hart aufeinander trafen.48 Zur offenen 46

Zu den parteipolitischen Mehrheitsverhältnissen im Bundesrat im Vergleich zum Bundestag von 1949 bis Oktober 2002 wird hier zurückgegriffen auf die Tabelle und die Erklärungen bei Strohmeier, ZParl 2004, 717, 720 m. w. N. Die politikwissenschaftliche Literatur unterscheidet (nicht mehr zwischen A- und B-Ländern, sondern) zwischen R-Ländern (die Landesregierung wird ausschließlich von einer Partei oder Parteien gebildet, die auch die Bundesregierung stellt bzw. stellen), O-Ländern (die Landesregierung wird ausschließlich von Parteien gebildet, die auf Bundesebene in der Opposition sind) und M-Ländern (die Landesregierung setzt sich aus Parteien zusammen, die auf der Ebene des Bundes sowohl der Regierung als auch der Opposition angehören). Zu den Begriffen siehe Lehmbruch, ZParl 1998, 348, 350 Fn. 13 und Schindler, Datenhandbuch II, S. 2438. Dabei ist davon auszugehen, dass sich M-Länder bei umstrittenen Fragen in der Regel der Stimme enthalten. Da im Bundesrat Abstimmungsfragen positiv gestellt werden, wirken Enthaltungen als Nein-Stimmen. Im Fall eines Zustimmungsgesetzes fehlen die Stimmen der M-Länder daher für die Erreichung der erforderlichen Mehrheit (Art. 52 Abs. 3 Satz 1 GG). Siehe auch Kropp/Sturm, APuZ 1999, B 13, S. 37, 43 ff. Eine „Blockadesituation“ tritt also dann ein, wenn O-Länder im Bundesrat über eine absolute Mehrheit verfügen, die es ihnen ermöglicht, Einsprüche einzulegen und die Zustimmung zu einem Gesetz zu verweigern. Für letzteres genügt aber bereits eine „Sperrminorität“ der O-Länder, also die Möglichkeit, das Erreichen einer Zustimmungsmehrheit im Bundesrat zu verhindern. Solche Situationen bestanden nach Strohmeier (der nicht allein auf die Zahlenverhältnisse, sondern auch auf die tatsächlichen Verhältnisse abstellt) im genannten Zeitraum von Juni 1972 bis Februar 1977 und Juni 1978 bis September 1982 (absolute Mehrheit der O-Länder); von Juni 1990 bis Oktober 1990 (absolute Mehrheit der O-Länder) und von Oktober 1994 bis Dezember 1995 („Sperrminorität“ der O-Länder); von Januar 1996 bis September 1998 (absolute Mehrheit der O-Länder); von Mai 2002 bis Oktober 2002 (absolute Mehrheit der O-Länder). Von Mai 1955 bis Juni 1955, November 1961 bis September 1966, Dezember 1966 bis September 1969, Oktober 1982 bis Juni 1990, November 1990 bis März 1991, Oktober 1998 bis März 1999 bestand eine absolute Mehrheit der R-Länder. In der übrigen Zeit verfügten weder die R- noch die O-Länder über eine Mehrheit im Bundesrat; die Bundesregierung war in dieser Zeit jeweils auf die Unterstützung der M-Länder angewiesen. Vgl. auch die Übersicht bei König/Bräuninger, S. 25 f. und Schindler, Datenhandbuch II, S. 2437 ff. Siehe auch das Diagramm von Leunig unter www.foederalismus.uni-jena.de. Die verschiedenen Sekundärquellen weichen in Einzelheiten voneinander ab. 47 Vgl. dazu Eschenburg, in: 25 Jahre Bundesrat, S. 35, 56, 58; Lehmbruch, Parteienwettbewerb, S. 137 f. Nach dem Zusammenschluss Baden-Württembergs wurde dieses eineinhalb Jahre lang von einer sozial-liberalen Koalition unter Maier (FDP) regiert. 48 Trotz eines entgegenstehenden Beschlusses der sozialdemokratischen Mehrheit in der baden-württembergischen Landesregierung stimmte Maier unter Inanspruchnahme seiner Richtlinienkompetenz im Bundesrat für die Verträge. Er war von der Bundespartei stark unter Druck gesetzt worden. Die Sozialdemokraten verließen die Stuttgarter Koalition entgegen der Forderung ihres Bundesparteivorstandes jedoch

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und andauernden Auseinandersetzung über das Problem der im Bundesrat betriebenen Parteipolitik kam es dann im Jahre 1969, als sich mit dem Amtsantritt der sozial-liberalen Regierung eine Situation einstellte, in der die Regierungsparteien nicht mehr über eine absolute Mehrheit im Bundesrat verfügten. Zwar konnte die Regierungskoalition in den ersten Jahren noch damit rechnen, dass durch die Beteiligung der FDP und auch der SPD an CDU-geführten Landesregierungen deren Stimmen im Bundesrat neutralisiert würden. Ab Juni 1972 stand der Regierung Brandt aber schließlich eine absolute Mehrheit der Opposition im Bundesrat gegenüber.49 Der noch amtierende Bundeskanzler und damalige Vorsitzende der CDU Kiesinger hatte schon während der Regierungsbildung die Drohung ausgesprochen, man werde der SPD/FDP-Regierung Schwierigkeiten über den Bundesrat bereiten. Die Stimmenmehrheit der Union im Föderativorgan sollte als Instrument der Bundestagsopposition genutzt werden.50 Nur mit erheblichen, von der Oppositionsmehrheit im Bundesrat durchgesetzten Änderungen gelang dann auch der sozial-liberalen Koalition ab 1972 die Verwirklichung einer Reihe für sie bedeutsamer Vorhaben.51 Auf den Widerstand der Opposition im Bundesrat reagierten die Regierungsparteien mit dem Vorwurf der „Blockade“ und des „Missbrauchs des Bundesrates als Gegenparlament“.52 Das Problem der Parteipolitisierung des Bundesnicht. Vgl. Eschenburg, in: 25 Jahre Bundesrat, S. 35, 56; Lehmbruch, Parteienwettbewerb, S. 137. Siehe auch Neunreither, S. 152 ff.; Bandorf, S. 81 ff.; Feuchte, AöR 98 (1973), 473, 521. 49 Vgl. dazu Lehmbruch, Parteienwettbewerb, S. 141 f. Die CDU hatte 1969 angekündigt, die FDP aus den Landesregierungen verdrängen zu wollen. Zur Bedeutung und zum Inhalt von Wohlverhaltensklauseln bei Koalitionsvereinbarungen und -verhandlungen in dieser Zeit siehe Bandorf, ZRP 1977, 81, 81 ff. Siehe auch Fabritius, ZParl 1976, 448, 448 ff. Vgl. auch Schindler, Datenhandbuch II, S. 2438. Siehe auch Zuck, NJW 1997, 297, 298 f. 50 Nachweise zu den mehrfachen diesbezüglichen Äußerungen Kiesingers bei Limberger, S. 12; Lehmbruch, Parteienwettbewerb, S. 141 und Laufer, ZParl 1970, 318, 319 Anm. 8. Vertreter von CDU/CSU versuchten allerdings später, die von Kiesinger gemachten Äußerungen zu relativieren. Vgl. auch hierzu die Nachweise bei Limberger, S. 12. 51 Hierzu zählen insb. das Städtebauförderungsgesetz, die Steuerreform und das Hochschulrahmengesetz. Vgl. Lehmbruch, Parteienwettbewerb, S. 142. Beispiele für Konfrontationen zwischen der sozial-liberalen Regierung und der Opposition im Bundesrat aus der Anfangszeit nach dem Regierungswechsel bei Klein, DÖV 1971, 325, 326. 52 Vgl. die Nachweise bei Laufer, ZParl 1970, 318, 319. Wehner warf als Vorsitzender der SPD-Fraktion der Opposition vor, rechtsgültige Beschlüsse des Bundestages im Bundesrat zu blockieren. Brandt nannte den Bundesrat eine „Neinsage-Maschine“. Zitiert nach Lehmbruch, Parteienwettbewerb, S. 142, dort auch differenziert zur Berechtigung dieses Vorwurfs. Politiker von SPD und FDP schreckten auf der anderen Seite nicht davor zurück, mit dem Sturz einer CDU/FDP-geführten Landesregierung zu drohen. Nachweise bei Limberger, S. 12.

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rates wurde damit auch zum vielfachen Gegenstand der juristischen und politikwissenschaftlichen Literatur.53 Mit der Ablösung der Regierung Schmidt und der Bildung der CDU/ CSU/FDP-Regierung unter Kohl im Jahre 1982, die sich lange Zeit auf eine absolute Mehrheit im Bundesrat stützen konnte, verstummte der Vorwurf parteipolitischer Obstruktion durch die „Zweite Kammer“.54 In der letzten Wahlperiode der Amtszeit Kohls aktualisierte sich das Problem jedoch erneut. Mit den Landtagswahlen in Hessen und Rheinland-Pfalz verlor die schwarz-gelbe Regierung ab Mitte 1991 endgültig ihre Mehrheit im Bundesrat.55 Die Auseinandersetzung zwischen der CDU/CSU-FDP-Mehrheit im Bundestag und der rot-grünen Mehrheit im Bundesrat erreichte ihren Höhepunkt, als die sog. Große Steuerreform am Widerstand des von der Opposition beherrschten Bundesrates scheiterte.56 Mit dem Wahlsieg der Sozialdemokraten und der Bildung einer rot-grünen Koalition auf Bundesebene nach der Bundestagswahl im September 1998 konnte die dann 53 Vgl. aus der Literatur Anfang der siebziger Jahre Laufer, ZParl 1970, 318, 318 ff.; Klein, DÖV 1971, 325, 325 ff. Siehe auch Schindler, ZParl 1972, 148, 148 ff.; ders., ZParl 1974, 157, 157 ff. Später umfassender Fromme, Gesetzgebung, S. 7 ff., 21 ff., 35 ff.; Bandorf, S. 81 ff. und Limberger, S. 11 ff. Siehe auch Lehmbruch, Parteienwettbewerb, S. 83 ff. 54 Vgl. dazu ausführlich Lehmbruch, Parteienwettbewerb, S. 158 ff. Lehmbruch konstatiert für die Ära Kohl eine fortschreitende Informalisierung der Entscheidungsprozesse im Bundesstaat. Deutliches Zeichen hierfür ist, dass in den ersten drei auf den Regierungswechsel folgenden Jahren der Vermittlungsausschuss kein einziges Mal angerufen wurde. 55 Bereits mit der Niederlage bei den niedersächsischen Landtagswahlen im Mai 1990 und der Aufhebung des alliierten Vorbehalts gegen das Stimmrecht Westberlins hatte die Regierung ihre Mehrheit im Bundesrat verloren. Durch den Sieg bei vier Landtagswahlen in den neuen Bundesländern gewann sie diese Mehrheit kurzzeitig zurück. 56 Wichtige Vorhaben der Regierungskoalition waren seit dem Wechsel der Mehrheit im Bundesrat nur durch Zugeständnisse an die Opposition durchzusetzen. Dies gilt z. B. für die Einführung der Pflegeversicherung im Jahre 1993. Die FDP, die auf Länderebene keine große Rolle mehr spielte, geriet im Fall der Praktizierung informeller Großer Koalitionen dabei teilweise ins Abseits. Die Situation war mit der zur Zeit der sozial-liberalen Koalition auch aus diesem Grund nicht vollständig vergleichbar. Hinzu kam, dass – anders als die CDU, die ab 1972 allein Landesregierungen stellen konnte – die SPD in den Ländern in den neunziger Jahren auf Koalitionspartner angewiesen war. Nach dem Aufbrechen des Dreiparteiensystems standen hier als Partner die Grünen zur Verfügung, später auch die PDS. Die Koordination der Bundesratsmehrheit war für die SPD aber insb. deswegen komplizierter geworden, weil nach Hinzutreten der neuen Länder die Interessenlagen der Länder heterogener geworden waren. Insb. die finanzpolitischen Interessenlagen waren komplexer geworden. Vgl. dazu insgesamt Lehmbruch, Parteienwettbewerb, S. 164 ff., 170 ff. Siehe auch Renzsch, in: Föderalismus zwischen Konsens und Konkurrenz, S. 93, 98.

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amtierende Regierung zwar wieder auf eine Mehrheit im Bundesrat zurückgreifen. Diese war jedoch von Beginn an erdenklich knapp. Die Erosion der Mehrheit der SPD-geführten Länder im Bundesrat vollzog sich schnell; bereits Anfang 1999 verfügten die Regierungsländer nicht mehr über die Stimmenmehrheit im Bundesrat.57 Spätestens mit der Abstimmung über das Zuwanderungsgesetz am 22. März 2002 war auch unter der Regierung Schröder das Problem parteipolitisch motivierter Abstimmung in der „Zweiten Kammer“ wieder in aller Deutlichkeit zutage getreten.58 Von März 2003 an sah sich die rot-grüne Bundesregierung dann mit einer absoluten Oppositionsmehrheit im Bundesrat konfrontiert.59 Der Vorwurf der Blockade, insbesondere der von der Bundesregierung geplanten Vorhaben einer umfassenden Reform des Arbeitsmarktes, des Steuersystems und der Sozialsysteme, verstummte bis zum Ende der 15. Legislaturperiode nicht. Bundeskanzler Schröder hat in seiner Erklärung anlässlich der Beratung des Bundestages über den von ihm gestellten Antrag auf Auflösung des Bundestages gem. Art. 68 GG ausdrücklich auch hierauf Bezug genommen. Ersichtlich, so der damalige Bundeskanzler, gehe es „der Bundesratsmehrheit in diesen wie in anderen Fällen (. . .) nicht mehr um inhaltliche Kompromisse oder staatspolitische Verantwortung, sondern um machtversessene Parteipolitik, die über die Interessen des Landes gestellt wird“60. 57 Die absolute Mehrheit im Bundesrat ging nach der Landtagswahl in Hessen mit dem Regierungsantritt der neuen schwarz-gelben Koalition im April des Jahre 1999 verloren. Im September folgte die Niederlage bei den Landtagswahlen im Saarland. Die Große Koalition in Thüringen wurde durch eine alleinige CDU-Regierung im Oktober 1999 abgelöst. In Brandenburg wurde die sozialdemokratische Regierung ebenfalls im Oktober durch eine Große Koalition ersetzt. 58 Vgl. die Erklärung von Bundespräsident Rau bei der Ausfertigung des Zuwanderungsgesetzes am 20.7.2001: „Nicht erst beim Zuwanderungsgesetz ist deutlich geworden, wie stark die parteipolitische Einflussnahme auf das Abstimmungsverhalten der Länder geworden ist.“ Nachweis bei Strohmeier, ZParl 2004, 717, 717. Zum Zeitpunkt der Abstimmung im Bundesrat verfügten die Oppositionsparteien noch nicht über eine Mehrheit in der „Länderkammer“. Es kam vielmehr auf die Stimmen der Mischländer, konkret Brandenburg, an. Siehe zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts über das Zuwanderungsgesetz unten Vierter Abschnitt A. III. 7. 59 Schon mit dem Regierungswechsel in Sachsen-Anhalt im Mai 2002 war die Stimmenzahl der Oppositionsländer im Bundesrat auf 32 angewachsen. Mit dem Antritt der neuen schwarz-gelben Regierung in Niedersachsen im März 2003 verfügten diese über 38 Stimmen. Mit der Niederlage von SPD und Grünen in Nordrhein-Westfalen im Mai 2005 verloren die Regierungsländer ihre letzten sechs Stimmen im Bundesrat. Die Oppositionsländer verfügten über 43 Stimmen und damit fast über eine Zweidrittelmehrheit, die das Scheiternlassen auch jedes Einspruchsgesetzes ermöglicht hätte. Vgl. Lhotta, APuZ 2003, B 43, 16, 16; Stüwe, APuZ 2004, B 50–51, 25, 26. 60 Schröder führte weiter aus: „Ich kann es weder der Regierung noch den Regierungsfraktionen zumuten, immer wieder Konzessionen zu machen und doch zu wissen, dass die Bundesratsmehrheit ihre destruktive Blockadehaltung nicht aufgeben

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Die jetzt amtierende Koalition aus CSU/CSU und SPD verfügt im Bundesrat mit reinen CDU- bzw. CSU- und aus Großen Koalitionen gebildeten Regierungen über 36 Stimmen und damit eine knappe absolute Mehrheit. Die Länder mit rot-roten Regierungen verfügen über sieben, die Länder mit schwarz-gelben Regierungen über 22 Stimmen; die sozial-liberale Regierung in Rheinland-Pfalz verfügt über vier Stimmen. Damit werden die restlichen 33 Stimmen im Bundesrat von Mischländern vertreten.61 Mit den Ende März 2006 in Baden-Württemberg sowie Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt stattfindenden Landtagswahlen kann sich das Kräfteverhältnis im Bundesrat nicht zuungunsten der Regierungsparteien auf Bundesebene verändern, da in allen drei Ländern Mischregierungen bestehen. Gleiches gilt für die im Herbst 2006 stattfindenden Wahlen in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern. Ein Verlust der absoluten Mehrheit droht erst wieder mit der Landtagswahl in Bremen im Frühjahr 2007. Änderungen können sich wird. Nur eine durch die Wählerinnen und Wähler klar und neuerlich legitimierte Regierungspolitik wird bei der Mehrheit des Bundesrates zu einem Überdenken der Haltung und – wenn auch nicht kurzfristig – zu einer Änderung der Mehrheit führen.“ (Siehe die Wiedergabe der Erklärung des Bundeskanzlers in der 185. Sitzung des Deutschen Bundestages, 1.7.2005, in BVerfG, 2 BvE 4/05 v. 25.8.2005, Absatz-Nr. 43.) Im Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Auflösung des Bundestages durch Bundespräsident Köhler hatten die Antragsteller in Bezug auf die Ausführungen des Kanzlers gerügt, dass es auf die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat bei der Vertrauensfrage nicht ankommen dürfe. Das Bundesverfassungsgericht hat dahingehend ausgeführt: „Die Entscheidung des Bundeskanzlers wird ferner nicht dadurch unglaubwürdig oder widerlegt, dass er ergänzend auf die politischen Verhältnisse im Bundesrat abstellt. Denn damit macht er nur kenntlich, dass seine politische Bewegungsfreiheit für die von ihm für richtig gehaltene Politik gegenüber seiner Fraktion durch einen von der Opposition beeinflussten Bundesrat zusätzlich geschmälert wird. Kompromisse, die er im Vermittlungsausschuss eingehen muss, um die Zustimmung des Bundesrates zu gewinnen, und die er ohne Verletzung seines Konzepts auch noch eingehen kann, vermindern möglicherweise in der Folge die Aussichten, seine politische Linie in den Regierungsfraktionen durchzusetzen.“ (Vgl. BVerfG NJW 2005, 2669, 2673). Siehe aber Jentsch im Sondervotum, BVerfG NJW 2005, 2669, 2676, 2677 f. 61 Zurzeit bestehen in Bayern (unter Stoiber; sechs Stimmen), in Hamburg (unter von Beust; drei Stimmen), in Hessen (unter Koch; fünf Stimmen), im Saarland (unter Müller; drei Stimmen), in Thüringen (unter Althaus; vier Stimmen) reine CSUbzw. CDU-Regierungen. In Brandenburg (unter Platzeck (SPD); vier Stimmen), in Bremen (unter Böhrnsen (SPD); drei Stimmen), in Sachsen (unter Milbradt (CDU); vier Stimmen) und Schleswig-Holstein (unter Carstensen (CDU); vier Stimmen) regieren Große Koalitionen. In Mecklenburg-Vorpommern (unter Ringstorff; drei Stimmen) und Berlin (unter Wowereit; vier Stimmen) bestehen Koalitionen aus SPD und PDS. Schwarz-gelbe Regierungen gibt es in Baden-Württemberg (unter Oettinger; sechs Stimmen), in Niedersachsen (unter Wulff; sechs Stimmen), in NordrheinWestfalen (unter Rüttgers; sechs Stimmen), in Sachsen-Anhalt (unter Böhmer; vier Stimmen). In Rheinland-Pfalz regiert eine Koalition aus SPD und FDP (unter Beck; vier Stimmen).

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allenfalls durch Regierungswechsel innerhalb der Legislaturperioden oder Neuwahlen vor Ablauf der Legislaturperiode ergeben. Es bleibt festzuhalten: Die Betrachtung der Entwicklung der Mehrheitsverhältnisse in Bundestag und Bundesrat über die zurückliegenden Jahrzehnte zeigt, dass seit der sozial-liberalen Koalition die regierende Mehrheit auf Bundesebene sich früher oder später mit einer absoluten Mehrheit der Oppositionsländer im Bundesrat konfrontiert sieht. Die Opposition auf Bundesebene erzielt bei den Landtagswahlen tendenziell bessere Ergebnisse als die Regierungsparteien im Bund.62 Die Landtagswahlen ermöglichen ein Sanktionsverhalten des Wählers innerhalb der Legislaturperiode.63 Dafür, dass sich an diesem Wahlverhalten der Bürger etwas ändern wird, bestehen keine Anhaltspunkte.64 Das Fortwirken des bipolaren Parteienwettbewerbs unterstellt, bleibt die „Kleine Koalition“ das klassische Koalitionsformat der Bundesrepublik – die amtierende Große Koalition hätte unter diesem Aspekt nur den Charakter einer Übergangslösung.65 Die Situation divergierender Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat wird sich unter diesen Bedingungen voraussichtlich reproduzieren; es sei denn, dass eine Mehrzahl unterschiedlicher Koalitionsformate auf Länderebene – eine Entwicklung dahingehend wird in der politikwissenschaftlichen Literatur teilweise festgestellt66 – dem in Zukunft entgegensteht.67 Der Umstand, dass das Betreiben von Parteipolitik in der „Länderkammer“ gerade in Phasen divergierender Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat Gegenstand der öffentlichen Auseinandersetzung ist, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Problem auch in Phasen gleicher Mehrheiten virulent ist.68 In einem Fall erscheint der Bundesrat dann, wenn in ihm primär parteipolitische Interessen vertreten werden, als verfassungsrechtlich fragwürdiges Blockadeinstrument der Opposition, im anderen Fall 62 Siehe Liepelt/Mitscherlich, S. 29 ff.; Dinkel, PVS 1977, 348, 355 ff. Siehe schon Eschenburg, in: 25 Jahre Bundesrat, S. 35, 58. Vgl. auch Decker/von Blumenthal, ZParl 2002, 144, 145 ff. Siehe auch Heger, S. 208 ff. 63 Vgl. Stüwe, APuZ 2004, B 50–51, 25, 26. 64 Vgl. auch Papier, DVP 2005, 1, 2. 65 In Große Koalitionen „flüchten“ sich Union und SPD nur in den Fällen, in denen es rechnerisch oder politisch keine andere Möglichkeit gibt. Vgl. Decker, in: FS von Arnim, S. 533, 548. 66 Vgl. Decker, APuZ 2004, B 50–51, 3, 6 f. 67 Vgl. Helms, APuZ 2003, B 43, 3, 5 f. Siehe auch Decker, in: FS von Arnim, S. 533, 551. Momentan führt die zu beobachtende Pluralisierung des Parteiensystems offenbar gerade nicht zu einem Aufbrechen des Blockadepotentials des Bundesrates. Vielmehr reduziert diese Entwicklung die Kalkulierbarkeit politischer Prozesse für die Regierungen und Parteiführungen und erschwert damit das Entkommen aus Blockadegefahren. 68 Vgl. schon Limberger, S. 38, 158.

A. Das Problem der Parteipolitisierung des Bundesrates

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als verfassungsrechtlich ebenfalls fragwürdiger verlängerter Arm der Bundesregierung. Dagegen eröffnen sich in Perioden, in denen ein (großer) Teil der Landesregierungen aus Koalitionen gebildet wird, an denen sowohl eine der Regierungsparteien als auch eine Oppositionspartei im Bund beteiligt sind, Möglichkeiten, über (bundes)parteipolitische Gegensätze hinweg im Bundesrat Mehrheiten herbeizuführen.69 Dies war die Konstellation, die der Parlamentarische Rat als Regelfall der Mehrheitsverhältnisse in Bundestag und Bundesrat bei Schaffung des Grundgesetzes vor Augen hatte.

IV. Die Erfassung von parteipolitisch motiviertem Abstimmungsverhalten im Bundesrat Dass im Bundesrat tatsächlich Entscheidungen nach parteipolitischen Motiven getroffen werden70, lässt sich z. B. festmachen an der unterschiedlichen Anzahl71 von Einsprüchen gegen vom Bundestag beschlossene Gesetze, der Zahl von Anrufungen des Vermittlungsausschusses durch den Bundesrat bzw. den Bundestag und die Bundesregierung72, der Anzahl an Zustimmungsverweigerungen im Fall von Zustimmungsgesetzen und der Zahl endgültig gescheiterter Zustimmungsgesetze jeweils in den Perioden, in denen die Regierungsparteien auf Bundesebene auch die Mehrheit im Bundesrat innehaben (Regierungsperioden), und in den Phasen, in denen divergierende Mehrheitsverhältnisse in Bundestag und Bundesrat bestehen (Oppositionsperioden). Im quantitativen Vergleich zeigt sich dabei, dass die Parteipolitisierung des Bundesrates sich eher in Phasen gleichlaufender Mehrheiten durch „regierungskonformes“ Verhalten äußert.73 Konflikte zwi69

Vgl. hierzu Limberger, S. 159 f., 164. Zu Verfahrensweisen zur Durchsetzung von Oppositionsinteressen vgl. Laufer, ZParl 1970, 318, 330 ff. 71 Siehe dazu und im Folgenden die Auswertung samt Tabellen bei Strohmeier, ZParl 2004, 717, 722 ff. Zur „Gesetzgebung im Föderalismus“ siehe insb. auch die gleichnamige Studie von König und Bräuninger, die im Wesentlichen unter dem Aspekt der „Verabschiedungswahrscheinlichkeit“ von Initiativen erstellt wurde. Siehe bereits König/Bräuninger, ZParl 1997, 605, 605 ff.; König, ZParl 1998, 478, 478 ff.; König/Luig, ZParl 2003, 508, 508 ff. Vgl. auch Leunig, ZParl 2004, 778, 782 ff. Zu einer Untersuchung des Abstimmungsverhaltens der Länder im Bundesrat unter parteipolitischen Aspekten für die Jahre 1949, 1953 und 1956 siehe Neunreither, S. 108 ff. Zur Anzahl der Anrufungen des Vermittlungsausschusses und den hieraus ableitbaren Folgerungen (insb. für die Zeit der Regierung Kohl) siehe auch Lehmbruch, Parteienwettbewerb, S. 161. Siehe hierzu auch Posser, in: 40 Jahre Bundesrat, S. 203, 207 ff.; Vogel, in: 40 Jahre Bundesrat, S. 213, 216. 72 Siehe hierzu auch die Studie von König/Bräuninger, S. 18, 19. 73 Vgl. schon Lehmbruch, Parteienwettbewerb, S. 140, für die Situation paralleler Mehrheiten in den fünfziger und sechziger Jahren. Zur Situation in der Zeit der 70

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2. Abschn.: Der Bundesrat als politischer Akteur

schen der Bundesregierung und der Mehrheit der Regierungsländer im Bundesrat werden in diesen in der Regel im Vorfeld auf Parteiebene gelöst.74 „Regierungskonträres“ Verhalten des Bundesrates durch einen exzessiven Gebrauch von Vetorechten lässt sich dagegen in Perioden divergierender Mehrheiten nicht feststellen.75 Die quantitativen Unterschiede sind zwar offensichtlich, sie fallen aber eher moderat aus.76 Deutlich wird, dass sich die Machtposition des Bundesrates in Zeiten divergierender Mehrheitsverhältnisse in dieser Form quantitativ nicht vollständig erfassen lässt.77 Sie äußert sich nur selten in der endgültigen Ablehnung eines Gesetzesbeschlusses78, sondern durch die Androhung derselben noch vor Beginn und während des Gesetzgebungsverfahrens.79 Der Bundesrat nutzt seine Vetoposition bei Zustimmungsgesetzen, seinem Selbstverständnis entsprechend, vor allem zur inhaltlichen Mitgestaltung.80 Oft wird im Vermittlungsverfahren eine Einigung herbeigeführt.81 Droht die Kompromissfindung auch hier zu scheitern, verlagert sich der Aushandlungsprozess ggf. wieder in die VerhandlungsrunGroßen Koalition siehe Lehmbruch, Parteienwettbewerb, S. 140 f. Vgl. auch Limberger, S. 158. 74 Vgl. Limberger, S. 161 f. 75 Beim Einspruchsrecht ist dies teilweise anders. Dieses kann allein der politischen Selbstdarstellung der Opposition dienen, wenn sie sicher ist, dass der Einspruch überwunden wird. Vgl. schon Limberger, S. 158 f. 76 Vgl. auch Stüwe, APuZ 2004, B 50–51, 25, 29. 77 Ein Blick auf die Anzahl der Gesetzesvorhaben, die unverändert den Gesetzgebungsprozess durchlaufen, kann hierüber ebenfalls nur bedingt Auskunft geben. Vgl. dazu die Ergebnisse von König/Bräuninger, S. 10 ff. zum Erfolg von Gesetzesinitiativen aufgeschlüsselt nach (formalen) Initiatoren und Zustimmungserfordernis (S. 10, 12, 13) und nach der Anzahl der nach Änderung verabschiedeter Gesetzesinitiativen (S. 15, 16). Der Gesamtanteil geänderter Initiativen ist schon deswegen nur von bedingter Aussagekraft, weil auch nur formale und sprachliche Änderungen erfasst sind. Siehe hierzu auch Schulze-Fielitz, ZG 1986, 364, 367. Die Zahlen lassen aber dennoch auf Phasen höherer Wahrscheinlichkeit des Scheiterns von parlamentarischen Aushandlungsprozessen schließen (S. 16). Aufschlussreicher ist die Verabschiedungsquote von Gesetzesinitiativen, aufgeschlüsselt nach parteipolitischen Initiatoren und Bundesratsmehrheiten (S. 28). 78 Vgl. die Tabelle bei Strohmeier, ZParl 2004, 717, 728. In den von Strohmeier untersuchten Oppositionsperioden lag der Anteil der Gesetzesvorlagen, die nach Versagung der Zustimmung nicht zustande kamen, bei nur ca. drei Prozent. Siehe auch Leunig, ZParl 2003, 778, 781. 79 Vgl. nur Sauter, in: FS Klein, S. 561, 562; Lange, in: Wilke/Schulte, S. 226, 243. In der Zeit divergierender Mehrheitsverhältnisse unter der sozial-liberalen Koalition hat Stoltenberg, damaliger schleswig-holsteinischer Ministerpräsident, deutlich hervorgehoben, dass die Strategie der Oppositionsländer im Bundesrat darauf gerichtet ist, die Regierungskoalition zur Verhandlung zu bewegen. Erklärtes Ziel war der Kompromiss, nicht die Obstruktion. Vgl. Lehmbruch, Parteienwettbewerb, S. 143. 80 Vgl. hierzu auch Lhotta, APuZ 2003, B 43, 16, 20.

A. Das Problem der Parteipolitisierung des Bundesrates

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den der Parteien bis hin zu Spitzengesprächen der Parteivorsitzenden untereinander.82 Dies führt regelmäßig zu den viel beklagten „informellen großen Koalitionsrunden“ und der damit verbundenen „Verwischung von Verantwortlichkeiten“83, gleichzeitig verlängert sich der Gesetzgebungsprozess signifikant.84 Die Feststellung, dass auch in Zeiten divergierender Mehrheiten nur eine geringe Anzahl von Gesetzen endgültig scheitert85, darf aber auch unter einem anderen Aspekt nicht fehlgedeutet werden. Die rein quantitative Betrachtung kann Bedeutung, Tragweite und Umfang einzelner Gesetzesvorhaben nicht erfassen.86 So scheiterten in der 13. Wahlperiode in der Zeit der Kanzlerschaft Kohls nur zehn Gesetze nach Verweigerung der Zustimmung durch den Bundesrat. Hierunter befand sich aber mit der schon erwähnten sog. Großen Steuerreform, der der Bundesrat im Oktober 1997 die Zustimmung versagte, eines der bedeutendsten Vorhaben der christlich-liberalen Regierung.87 Teilweise werden konträre Gesetzesvorhaben in Situationen divergierender Mehrheitsverhältnisse auch gar nicht auf den Weg gebracht, wenn eine Einigung mit der Opposition von vornherein als unmöglich erscheint. Zuzustimmen ist damit der Einschätzung Strohmeiers, dass die Parteipolitisierung des Bundesrates wesentlich stärker ausgeprägt ist, als der zahlenmäßige Vergleich nahe legt.88 Hervorzuheben bleibt gleichzeitig, dass die Frage nach der Art und Weise der Inanspruchnahme der Kompetenzen des Bundesrates nicht auf den 81 Vgl. die Tabellen bei Strohmeier, ZParl 2004, 717, 725 ff. Die Anzahl der Anrufungen des Vermittlungsausschusses durch den Bundesrat ist in Oppositionsperioden größer als in Regierungsperioden. Dasselbe gilt für die Anzahl der Anrufungen durch die Bundesregierung und den Bundestag. Auch der Anteil der nach Anrufung des Vermittlungsausschusses nicht zustande gekommenen Gesetze ist in Oppositionsperioden größer als in Regierungsperioden. Überwiegend sind aber auch hier die Unterschiede nicht so eklatant, wie man dies erwarten mag. 82 Vgl. Decker, APuZ 2004, B 50–51, 10, 11. 83 Zur Entstehung koalitionsähnlicher Aushandlungsmechanismen unter der sozial-liberalen Koalition vgl. Lehmbruch, Parteienwettbewerb, S. 144 f. 84 Vgl. hierzu die von König/Bräuninger formulierten Hypothesen, S. 48 ff. 85 Siehe die Auflistung der bekanntesten Fälle bis 1998 bei Laufer/Münch, S. 191. 86 Vgl. Strohmeier, ZParl 2004, 717, 729; König/Bräuninger, S. 29 f. und Stüwe, APuZ 2004, B 50–51, 25, 30. Siehe auch Schulze-Fielitz, ZG 1986, 364, 365. Zur Klassifizierung von Gesetzen vgl. Schulze-Fielitz, Gesetzgebung, insb. S. 39 ff. Siehe auch Nienhaus, ZParl 1985, 163, 163 ff.; von Beyme, Gesetzgeber, s. S. 13, 392 ff. Trotz der offensichtlichen Subjektivität der Auswahl liefern auch König/ Bräuninger eine Aufschlüsselung der Anzahl von Gesetzesinitiativen und ihrer Verabschiedungsquote nach parteipolitischen Initiatoren und Wichtigkeit (S. 30 ff., 32, 33) und auch aufgeschlüsselt nach Politikbereichen (S. 35, 36). 87 Vgl. Strohmeier, ZParl 2004, 717, 729. 88 Vgl. Strohmeier, ZParl 2004, 717, 730.

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2. Abschn.: Der Bundesrat als politischer Akteur

Aspekt der Parteipolitisierung beschränkt werden kann.89 Die Diskussion hierüber darf also nicht von der Tatsache ablenken, dass die Leistung des Bundesrates sowohl in Zeiten gleichlaufender als auch divergierender Mehrheiten immer noch in großem Umfang in der Einbringung des Sachverstandes der Länderbürokratien in die bundesstaatlichen Entscheidungsprozesse besteht.90 In Fragen der Praktikabilität und Durchführbarkeit von Gesetzen, bei denen es auf die Verwaltungserfahrung der Länder ankommt, spielen parteipolitische Erwägungen oftmals keine Rolle.91 Eine Instrumentalisierung dieser Fragen zu parteipolitischen Zwecken ist allerdings nicht ausgeschlossen.92 Zudem muss der Vorwurf der Parteipolitisierung des Bundesrates insofern relativiert werden, als die Bundesregierung auch in Zeiten gleichlaufender Mehrheitsverhältnisse in Bundestag und Bundesrat regelmäßig mit dem Widerstand im Bundesrat rechnen muss, wenn generelle oder spezifische Länderinteressen betroffen sind.93 Dies gilt vor allem für Steuergesetze, gerade über die Verteilung des Steueraufkommens.94 Hier hatte selbst die Große Koalition bei der Finanzreform des Jahres 1969 mit dem Widerstand einzelner Länder zu kämpfen.95 Auch in Zeiten der sozial-liberalen Koalition verliefen die Fronten, wie das Beispiel der Kraftfahrzeugsteuerreform zeigt, nicht entlang der parteipolitischen Linien.96 Die Bundesregierung unter Kohl sah sich nach 1982 ebenfalls mehrfach im finanzpolitischen Konflikt mit den Ländern.97 Gleichzeitig gelang es ihr noch bis weit in die neunziger Jahre hinein, die Oppositionsfront der SPD-Länder im Bundesrat in finanzpolitischen Fragen zu durchbrechen.98 Auch unter der Regierung Schröder zeigte sich, dass spezifische finanzpolitische und wirtschaftliche Interessenlagen der Länder sich nur begrenzt mit parteipolitischen Interessenlagen in Einklang bringen lassen. Gerade das Beispiel der Steuerreform aus dem Jahre 2000 zeigt aber auch, dass der Bundesregierung durch „Bar89

Vgl. Limberger, S. 14, 158. So schon Klein, DÖV 1971, S. 325, 326. 91 Vgl. auch Bothe, S. 105. 92 Vgl. Eschenburg, in: 25 Jahre Bundesrat, S. 35, 58 f. 93 Vgl. schon Bothe, S. 105. Siehe auch Leunig, ZParl 2004, 778, 783 ff.; Rührmaier, S. 48 ff. 94 Vgl. Lehmbruch, Parteienwettbewerb, S. 138 für die Amtszeit Adenauers. 95 Vgl. Lehmbruch, Parteienwettbewerb, S. 140; Renzsch, S. 235 ff. Die Interessengegensätze verlaufen in Fragen der Finanzverteilung regelmäßig zwischen den finanzstarken und den finanzschwachen Ländern. Die „reichen“ Länder sind in der Regel auch die im Bundesrat stimmenreichen und können durch ein einheitliches Vorgehen im Bundesrat Druck ausüben. 96 Vgl. Lehmbruch, Parteienwettbewerb, S. 142. 97 Vgl. Lehmbruch, Parteienwettbewerb, S. 158, 161. 98 Siehe die Beispiele bei Lehmbruch, Parteienwettbewerb, S. 166 f. 90

A. Das Problem der Parteipolitisierung des Bundesrates

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gaining“ mit Oppositionsländern und Ländern mit Mischregierungen bei fehlender eigener Mehrheit im Bundesrat neue Möglichkeiten der Konsensfindung offen stehen.99 Diese Möglichkeit der Bundesregierung, insbesondere finanzschwachen Ländern die Zustimmung „abzukaufen“, schwächt die Stellung der Ländergesamtheit gegenüber dem Bund.100 Sie besteht aber in der Regel auch nur dann, wenn Interessengegensätze zwischen den Ländern bestehen. Finanzpolitische Ressourcenkonflikte zwischen der Ländergesamtheit und dem Bund, die sich vor dem Hintergrund der kritischen Lage der Staatsfinanzen in den letzten Jahren verschärft haben, lassen sich durch „Bargaining“ nicht lösen. Insgesamt bleibt festzuhalten: Das Abstimmungsverhalten im Bundesrat wird erheblich durch seine parteipolitische Zusammensetzung im Verhältnis zu der die Bundesregierung tragenden Mehrheit im Bundestag beeinflusst. Dass sich eine Frontstellung zwischen Bundestags- und Bundesratsmehrheit – zumindest bis zum jetzigen Zeitpunkt der Entwicklung des Parteiensystems – regelmäßig einstellt, findet (s)eine Ursache im dualistisch ausgerichteten, bipolaren Parteienwettbewerb in der Bundesrepublik. Die hiermit verbundenen Entwicklungen konnte der historische Verfassungsgeber schon angesichts seines historisch vorgeprägten, in eine andere Richtung weisenden Erfahrungshorizontes nicht prognostizieren. Dass die Vetoposition des Bundesrates zudem durch den hohen Anteil zustimmungsbedürftiger Bundesgesetze zur Regel und nicht zur Ausnahme geworden ist, war für den Parlamentarischen Rat ebenfalls nicht voraussehbar. Sowohl der Umfang der Kompetenzen als auch die Modalitäten der Ausübung der Kompetenzen durch den Bundesrat sind vom Bild des historischen Verfassungsgebers weit entfernt. Die „Länderkammer“ sollte ein stabilisierender Faktor im Parteienkonflikt auf Bundesebene sein, nicht ein diesen verschärfender, ihn bedingender – oder am Ende wieder aufhebender – Faktor, wenn in Zeiten divergierender Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat der Konfliktregelungsmechanismus infolge der starken Stellung des Bundesrates bei zustimmungsbedürftigen Bundesgesetzen in einen koalitionsähnlichen Aushandlungsmechanismus umschlägt, und dies zur Folge hat, dass der dualistische Parteienwettbewerb gerade leer läuft.101 Das Erringen der parlamentarischen Mehrheit bei der Bundestagswahl reicht in dieser Konstellation angesichts der umfassenden Vetopositionen des Bundesrates für die „parlamentarische Parteiregierung“102 nicht mehr 99 Vgl. dazu Strohmeier, ZParl 2004, 717, 729; siehe auch Scharpf, in: 40 Jahre Bundesrat, S. 129, 131. 100 Vgl. Margedant, APuZ 2003, B 29–30, S. 6, 7. 101 Vgl. Lehmbruch, Parteienwettbewerb, S. 144. Siehe auch Böckenförde, in: FS Schäfer, S. 182, 191, 192. 102 So der Begriff von Lehmbruch, Parteienwettbewerb, S. 145.

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2. Abschn.: Der Bundesrat als politischer Akteur

aus, um in der ihr zustehenden Zeit in den von der Verfassung vorgegebenen Schranken ihr politisches Programm in Form von Gesetzgebung zu verwirklichen – und damit beim Wähler Erfolg zu haben oder zu scheitern.103 Der oppositionsdominierte Bundesrat steht dem entgegen. Diese vom Konzept des Parlamentarischen Rates abweichende Rolle des Bundesrates als politischer Akteur hat gerade in den Anfangsjahren der Bundesrepublik und in der Zeit der Auseinandersetzung zwischen der sozial-liberalen Regierungskoalition und der Unionsmehrheit im Bundesrat die Frage nach der Zulässigkeit parteipolitisch motivierten Abstimmungsverhaltens in der „Zweiten Kammer“ in die Diskussion gebracht.

B. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit parteipolitisch motivierten Abstimmungsverhaltens im Bundesrat Der über die Zulässigkeit parteipolitisch motivierten Abstimmungsverhaltens im Bundesrat teilweise heftig geführte Streit ist inzwischen entschieden: Das „Wie“ der Inanspruchnahme der Kompetenzen des Bundesrates lässt sich in dieser Hinsicht verfassungsrechtlich nicht einschränken. Mag allein parteipolitisch motiviertes Abstimmungsverhalten im Bundesrat unter bestimmten Umständen den Regeln politischer Kultur zuwiderlaufen, so ist es doch unter verfassungsrechtlichen Aspekten nicht zu beanstanden.104 Gem. Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG wirken die Parteien an der politischen Willensbildung des Volkes mit.105 Sie sind nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts „Faktoren des Verfassungslebens“106, „integrierende Bestandteile des Verfassungsaufbaus und des verfassungsrechtlich geordneten politischen Lebens“107. Als „Zwischenglieder zwischen dem Bürger und den Staatsorganen“108 sind sie dem gesellschaftlichen, nicht dem 103 Vgl. Lehmbruch, Parteienwettbewerb, S. 145; Böckenförde, in: FS Schäfer, S. 182, 183. 104 Vgl. dazu Krebs, in: v. Münch/Kunig, Art. 50 Rn. 6. Die Frage gehöre „weitgehend zur Diskussion der gebotenen politischen Kultur, nicht aber zu der des verfassungsrechtlich Zulässigen“. Aus der Literatur zu Beginn der siebziger Jahre siehe auch Abromeit, ZParl 1982, 462, 462 ff.; Klein, DÖV 1971, 325, 325 ff.; Hablitzel, BayVBl. 1979, 1, 1 f. und 39, 41 ff. 105 Siehe zum Gehalt des Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG als Aufgabenzuweisungsnorm z. B. BVerfGE 61, 1, 11 f. 106 BVerfGE 1, 208, 227. 107 BVerfGE 1, 208, 225; 5, 85, 133; 9, 162, 165. Siehe auch BVerfGE 11, 239, 241; 13, 54, 81 f. 108 BVerfGE 44, 125, 145; 52, 63, 82.

B. Zulässigkeit parteipolitisch motivierten Abstimmungsverhaltens

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staatlichen Bereich zugeordnet109; sie wirken aber in den Bereich institutionalisierter Staatlichkeit hinein, insbesondere durch die Einflussnahme auf Beschlüsse und Maßnahmen von Parlament und Regierung.110 Ihnen kommt demnach eine Funktion nicht nur bei der demokratischen Willensbildung, sondern auch bei der staatlichen Entscheidungsfindung zu.111 Anteil an der Ausübung staatlicher Gewalt erlangen die Parteien (nur) aufgrund ihrer besonderen Legitimation durch Wahlen.112 In den Grenzen des sonstigen Verfassungsrechts113 ist die Einwirkung der Parteien damit auf die Staatsorgane zulässig, die aus Wahlen und Abstimmungen hervorgehen, also Bundestag und Landesparlamente, und auf die Organe, die diesen gegenüber verantwortlich sind, also Bundesregierung und Landesregierungen, über letztere vermittelt damit auch auf den Bundesrat.114 Die vom Grundgesetz festgeschriebene Demokratie ist eine Parteiendemokratie.115 Allein aus dem Umstand, dass der Parlamentarische Rat mit der Entscheidung für einen Bundesrat und gegen einen Senat das Ziel verfolgt hat, eine von parteipolitischer Einflussnahme unabhängig(er)e „Länderkammer“ zu schaffen116, lässt sich keine Beschränkung hinsichtlich der Art und Weise der Ausübung der Kompetenzen im Bundesrat herleiten.117 Ein Gegensatz zwischen Parteipolitik und Sachpolitik lässt sich unter dem Grundgesetz nicht mehr konstruieren.118 Parteipolitisch motiviertes Abstimmungsverhalten im Bundesrat begegnet damit keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.119 Grenzen bei der Ausübung der Kompetenzen können sich allenfalls aus dem Prinzip der Organtreue ergeben.120 109

Vgl. BVerfGE 20, 56, 100 f. Zur Kritik an Leibholz’ Theorie vom „Parteienstaat“ vgl. Grimm, in: HdbVerfR, § 14 Rn. 24 ff.; Hecker, Der Staat 34 (1995), 287, 287 ff. m. w. N. Siehe auch Heger, S. 192 ff. 110 Vgl. BVerfGE 20, 56, 100 f.; 52, 63, 82 f.; 73, 1, 33. Siehe z. B. auch Hesse, VVDStRL 17 (1959), 11, 16 ff. Zur verfassungsrechtlichen Konzeption ausführlicher Streinz, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 21 Rn. 8 ff. 111 Vgl. BVerfGE 85, 264, 285. 112 Vgl. Streinz, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 21 Rn. 12, 76 ff. 113 Vgl. dazu Streinz, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 21 Rn. 12, 78. 114 Vgl. dazu Streinz, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 21 Rn. 84, 97; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 21 Rn. 11; Henke, in: BK, Art. 21 Rn. 71 ff.; Gusy, in: AK, Art. 21 Rn. 86; Kunig, in: v. Münch/Kunig, Art. 21 Rn. 41 f. 115 Vgl. BVerfGE 4, 144, 149 („parteienstaatliche Demokratie“). Siehe dazu Ipsen, in: Sachs, Art. 21 Rn. 22. Vgl. auch Klein, DÖV 1971, 325, 328 f. Siehe ausführlich zur verfassungsrechtlichen Stellung der Parteien auch Heger, S. 187 ff. 116 Vgl. Strohmeier, ZParl 2004, 717, 717 f. 117 Vgl. ausführlicher Heger, S. 102 f. 118 Vgl. Heger, S. 102 f., 215. Siehe auch Maurer, in: FS Winkler, S. 615, 634. 119 Vgl. nur Korioth, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 50 Rn. 18 m. w. N. Siehe auch Leibholz/Hesselberger, in: 25 Jahre Bundesrat, S. 90, 110 f.; Laufer, ZParl 1970, 318, 327; Dittmann, DÖV 1974, 397, 397. Vgl. auch Limberger, S. 42 f., mit

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2. Abschn.: Der Bundesrat als politischer Akteur

Als verfassungsrechtlich bedenklich wird das politisch motivierte Abstimmungsverhalten der Landesregierungen daher tatsächlich solange nicht qualifiziert, wie es sich in der Wahrnehmung spezifischer Länderinteressen äußert. Auch ist den Landesregierungen nie vorgeworfen worden, „Landesparteipolitik“ zu betreiben.121 Der Vorwurf der „Parteipolitisierung“ richtet sich gegen bundesparteipolitisch motiviertes Abstimmungsverhalten: „Bundesparteipolitik“ zu betreiben, sei nicht Sache der Landesregierungen. Unzulässig sei auch der Versuch der Bundeszentralen der Parteien, auf die Landesparteien Einfluss zu nehmen. Eine solche Argumentation begegnet allerdings schon bei einem Blick auf das tatsächliche Verhältnis zwischen „Landesparteipolitik“ und „Bundesparteipolitik“ sowie der jeweiligen Bedeutung für das Abstimmungsverhalten im Bundesrat Bedenken. Bei den Landtagswahlen werden Landesparteien mit ihren Parteiprogrammen gewählt. Diese befassen sich mit „Landesthemen“, entwerfen also Konzepte für die Politik im Land. Schon hieraus lassen sich Konsequenzen für die Positionierung einer möglichen Landesregierung im Bundesrat ableiten. Die Wahlprogramme enthalten aber auch nicht selten bundespolitische Forderungen, die im Fall eines Wahlerfolges von einer Landesregierung mangels Kompetenzen nicht durchsetzbar wären, aber Rückschlüsse auf das Abstimmungsverhalten im Bundesrat zulassen. Dass die bundespolitischen Inhalte der Landeswahlprogramme mit denen der Bundesparteien regelmäßig übereinstimmen, liegt angesichts des auf Bundes- und Landesebene bestehenden weitgehend kongruenten Parteiensystems und der Verzahnung dem Versuch, parteipolitisch motivierte Entscheidungen durch den Inhalt der Vorlage, über die zu beschließen ist, zu beschränken. A. A. früher vor allem Maunz, in: 25 Jahre Bundesrat, S. 193, 210; ders., Deutsches Staatsrecht (1969), § 38 III 1, S. 357: Es sei „Wille und Ziel des Grundgesetzes, daß im Bundestag das Volk nach Parteien gegliedert repräsentiert wird, während es im Bundesrat nach Ländern gegliedert in Erscheinung tritt“. Aufgabe der Mitglieder des Bundesrates sei es, ihre Entscheidungen unabhängig von politischen Bindungen zu treffen. Die Abgabe der Stimmen im Bundesrat müsse „aus dem Streben nach bestmöglicher Verwirklichung der Bundesanliegen unter Abwägung mit dem Landesanliegen hervor[zu]gehen“. Siehe auch Weber, Verfassungssystem, S. 43 f., 63 ff., 79.; Schindler, ZParl 1972, 148, 148 ff. Darüber hinaus wollen Wilke/Schulte dem Bundesrat offenbar ein allgemeines politisches Mandat im Gegensatz zum Bundestag ganz absprechen. Vgl. Wilke/Schulte, in: GS F. Klein, S. 574, 605 ff. 120 Vgl. Robbers, in: Sachs, Art. 50 Rn. 6; Krebs, in: v. Münch/Kunig, Art. 50 Rn. 4; Bauer, in: Dreier, Art. 50 Rn. 17; Blumenwitz, in: AK, Art. 50 Rn. 3. Das Prinzip der Bundestreue gilt zumindest nicht direkt, da der Bundesrat kein Organ der Länder ist. 121 Vgl. Leunig, APuZ 2004, B 50–51, 33, 35, der darauf hinweist, dass der Begriff der „Landesparteipolitik“ in der wissenschaftlichen Diskussion offenbar nicht existiert.

B. Zulässigkeit parteipolitisch motivierten Abstimmungsverhaltens

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der jeweiligen Bundes- und Landesparteiorganisationen auf der Hand; auch der Wähler geht hiervon aus. Diese Übereinstimmung von landes- und bundesparteipolitischen Inhalten lässt aber nicht den Schluss zu, die Landesregierungen würden bei inhaltsgleicher Abstimmung im Bundesrat Bundesparteipolitik betreiben.122 Wie oben bereits dargestellt, gelingt auch die bundesparteipolitische Einflussnahme auf die „eigenen“ Landesregierungen gerade dann nicht, wenn spezifische Landesinteressen oder föderale Interessen der Ländergesamtheit den Interessen der (die Regierung oder die Opposition tragenden) Bundespartei zuwiderlaufen. Bestehen dagegen keine divergierenden Interessen, kommt es im Ergebnis zu einer Koordination des Abstimmungsverhaltens. Die Landesregierungen übernehmen dann aber nicht quasi bundesparteipolitische Forderungen. Vielmehr stimmen hier die Landes- und Bundespartei in den von ihnen verfolgten Zielen überein. Schon der Vorwurf, die Landesregierungen würden in dieser Situation im Bundesrat allein nach bundesparteipolitischen Motiven abstimmen, lässt sich damit nicht aufrechterhalten. Im Übrigen ist dem Grundgesetz keine Einschränkung der Landesregierungen in Bezug auf die ihrem Abstimmungsverhalten im Bundesrat zugrunde liegenden Motive zu entnehmen. Diese sind zwar den Landesparlamenten gegenüber allgemein verantwortlich.123 Eine Weisungsabhängigkeit der Landesregierungen im Bundesrat von den Landesparlamenten kann aber nach ganz überwiegender Ansicht nicht konstruiert werden.124 Eine darüber hinausgehende „Motiv-Kontrolle“ zu fordern, ist abwegig.125 Selbst wenn eine Landesregierung tatsächlich einmal allein dem bundesparteipolitischen Einfluss folgt, was im Übrigen tatsächlich schwer nachweisbar ist, ist das Abstimmungsverhalten im Bundesrat dadurch nicht verfassungsrechtlich unzulässig. Die Landesregierungen bringen das Ergebnis des politischen Willensbildungsprozesses in den Ländern in den Bundesrat ein. Welche Motivation 122

Vgl. Leunig, APuZ 2004, B 50–51, 33, 35 f. Zur demokratischen Legitimation der Entscheidungen des Bundesrates siehe sogleich unter D. 124 Vgl. z. B. Ossenbühl, AöR 99 (1974), 369, 409; Kisker, in: 25 Jahre Bundesrat, S. 151, 162 f.; Ravens, ZParl 1979, 539, 540. 125 Schon die tatsächliche Feststellung, aus welcher Motivation heraus welche Interessen im Bundesrat von den Landesregierungen vertreten werden, bereitet erhebliche Schwierigkeiten. Vgl. dazu Limberger, S. 14 f. Die stenografischen Berichte und Drucksachen des Bundesrates enthalten oftmals nur verdeckte Hinweise auf parteipolitisch relevante Aspekte beim Abstimmungsverhalten. Der politische Hintergrund für eine Entscheidung lässt sich in der Regel nur aus anderen Quellen ermitteln. Dies wird umso schwieriger, je länger eine Entscheidung zeitlich zurückliegt. 123

122

2. Abschn.: Der Bundesrat als politischer Akteur

ihrem Abstimmungsverhalten zugrunde liegt und welche Interessen sie hiermit verfolgen, ist verfassungsrechtlich unerheblich.126 Das Grundgesetz kennt keine „Interessen“, sondern nur Kompetenzen.127 Es beschränkt die Landesregierungen in der Ausübung ihrer Kompetenzen im Bundesrat nicht auf die Wahrnehmung spezifischer Länderinteressen.128 Dahingehende Vorstellungen vom Bundesrat als „Hüter partikularistischer Länderinteressen“129 sind lange überholt. Als Bundesorgan ist der Bundesrat auch zur Wahrnehmung der Interessen des Gesamtstaates angehalten.130 Aber auch diesbezüglich trifft das Grundgesetz keine Anordnungen. Entscheidend ist nicht ein – verfassungsrechtlich auch gar nicht fassbares – „interessengerechtes“, sondern allein ein „kompetenzgemäßes“ Verhalten der Landesregierungen im Bundesrat. (Bundes-)parteipolitisch motiviertem Abstimmungsverhalten im Bundesrat lässt sich im Ergebnis verfassungsrechtlich nicht beikommen.

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Vgl. Feuchte, AöR 98 (1973), 473, 517. So deutlich auch S. Meyer, S. 230. Vgl. in diesem Zusammenhang auch Korioth, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 50 Rn. 18. Das Grundgesetz spricht zwar vereinzelt von den „Interessen der Länder“ (Art. 23 Abs. 5 GG), vom „gesamtstaatlichen Interesse“ (Art. 72 Abs. 2 GG) oder vom „Interesse des Bundes“ (Art. 135 Abs. 4 GG). In diesen Fällen geht es aber um die Normierung von Voraussetzungen für die Pflicht zu einem bestimmten Handeln oder die Inanspruchnahme einer Kompetenz, nicht um die hinter dem Handeln der Organe stehende Motivation. Vgl. auch Klein, DÖV 1971, 325, 328: „Entscheidend kommt es zunächst auf die Zuständigkeiten des Bundesrates an.“ 128 Vgl. Blumenwitz, in: BK, Art. 50 Rn. 3; Dittmann, DÖV 1974, 397, 397; Fritz, S. 23, Weides, JuS 1973, 337, 341; Feuchte, AöR 98 (1973), 473, 516 f.; Neunreither, S. 107 ff.; Stern, in: FS Jahrreiß, S. 271, 294; Ravens, ZParl 1979, 539, 540. Vgl. auch Oeter, S. 467 m. w. N. Die Beschränkung des Bundesrates auf eine Geltendmachung von Länderbelangen würde schon eine Durchbrechung der mit dem Bundesrat der Bismarckschen Reichsverfassung und dem Reichsrat der Weimarer Republik begründeten verfassungsrechtlichen Tradition deutscher Bundesstaatlichkeit bedeuten. Vgl. dazu nur Klein, DÖV 1971, 325, 327 f. Dass sich auch der Bundesrat des Grundgesetzes in der Staatspraxis von Beginn seiner Tätigkeit an nicht auf die Wahrnehmung spezifischer Länderbelange beschränkt hat, hat Limberger in seiner Analyse der vom Bundesrat für die Inanspruchnahme seiner Kompetenzen vorgetragenen Gründe herausgearbeitet. Vgl. Limberger, S. 67, 79, 88 f., 105, 165. 129 Vgl. Klein, DÖV 1971, 325 ff. 130 Vgl. S. Meyer, S. 229 f. und Lange, in: Wilke/Schulte, S. 226, 235 f.: „Die Vorstellung, daß das Organ einer Juristischen Person nicht verpflichtet wäre, deren Interessen wahrzunehmen, wäre widersinnig (. . .).“ Siehe auch Bandorf, S. 16; Dolzer, VVDStRL 58 (1999), 7, 15 f.; Sachs, VVDStRL 58 (1999), 39, 47 f.; Klein, AöR 108 (1983), 329, 330, 332, 358; Rührmaier, S. 75. 127

C. Die „Legitimation“ des Bundesrates

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C. Die „Legitimation“ des Bundesrates Die dargestellte Diskussion um die Zulässigkeit des „Wie“ der Kompetenzausübung durch den Bundesrat macht deutlich, dass dieser aufgrund der ihm zugewachsenen starken Stellung im Gesetzgebungsverfahren unter dem besonderen Verdacht des „institutionellen Missbrauchs“ steht. Angesichts des Umstandes, dass der Bundesrat durch die Ausweitung seiner Vetopositionen vielfach eine neben dem Bundestag im Ergebnis gleichberechtigte Stellung im Gesetzgebungsverfahren einnimmt, wird die Frage nach der „Legitimität“ des Bundesrates, der „Legitimation“ seiner Mitwirkung an der Gesetzgebung des Bundes, gestellt.131 Der Bundesrat verfügt – dies wird manchmal nicht deutlich gemacht – nicht über eine demokratische Legitimation in dem Sinne, dass er sich bei der Wahrnehmung der ihm anvertrauten staatlichen Aufgaben auf eine ununterbrochene vom Volk ausgehende Legitimationskette132 berufen könnte. Dies folgt nicht etwa daraus, dass die im Bundesrat agierenden Vertreter der Länderexekutiven nur mittelbar legitimiert sind.133 Entscheidend ist, dass die Landesregierungen im Bundesrat allein den Landesparlamenten gegenüber verantwortlich sind, eine Legitimationskette vom Bundesrat zum Bundesvolk aber nicht besteht. Die Vertreter der Länder sind dem Legitimationskörper Landesvolk134 zugeordnet, sie nehmen aber im Bundesorgan Bundesrat Bundesaufgaben wahr.135 Ein demokratischer Legitimationszusammenhang lässt sich insoweit nicht herstellen.136 Dem Bundesvolk gegenüber sind die Landesregierungen als Vertreter im Bundesrat nicht verantwortlich, und auch „die Länder“ als solche, die der Bundesrat repräsentiert, sind im Grundgesetz kein Subjekt demokratischer Legitimation.137 Andere Legitimationskonstruktionen sind nicht denkbar. Der Bundesrat ist daher, wie Ossenbühl 131 Vgl. z. B. Klein, in: 40 Jahre Bundesrat, S. 95, 102 ff., der aber in der Frage der demokratischen Legitimation zu abweichenden Ergebnissen kommt. 132 Vgl. BVerfGE 47, 253, 275. Siehe z. B. auch Sachs, in: Sachs, Art. 20 Rn. 35 m. w. N. 133 Eine Weisungsabhängigkeit der Landesregierungen im Bundesrat von den Landesparlamenten wird überwiegend abgelehnt. Ossenbühl, AöR 99 (1974), 369, 409 bezeichnet die demokratische Kontrolle daher auch als „ohnehin mehr symbolisch“. 134 Vgl. Kisker, Kooperation im Bundesstaat, S. 119; Möllers, S. 103. 135 Vgl. Lange, Legitimationskrise, S. 226, 234 ff. 136 Vgl. Ossenbühl, AöR 99 (1974), 369, 410; Möllers, S. 103. Siehe auch Böckenförde, in: FS Schäfer, S. 182, 190; Kisker, Kooperation im Bundesstaat, S. 116 ff. 137 Vgl. Möllers, S. 90, 103 m. w. N.

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2. Abschn.: Der Bundesrat als politischer Akteur

festgestellt hat, „ein Staatsorgan ohne demokratische Verantwortung“138. Was aber folgt hieraus? Zunächst offenbar nicht mehr und nicht weniger, als dass die Frage nach der demokratischen Legitimation des Bundesrates tatsächlich nicht weiter führt.139 Die Einrichtung des Bundesrates beruht auf der Entscheidung der hinter der Schaffung des Grundgesetzes stehenden verfassungsgebenden Gewalt.140 Dem Demokratieprinzip muss diese nicht standhalten.141 Dem Bundesrat als Verfassungsorgan sind von der Verfassung Kompetenzen zugeteilt worden; seine Zusammensetzung ist verfassungsrechtlich angeordnet. Die fehlende personelle Legitimation seiner Mitglieder ist irrelevant. Die Frage nach ihrer demokratischen Legitimation stellt sich nicht und liefert für eine Auslegung der Kompetenzen des Bundesrates zunächst keine Vorgaben. Dies hat schon die Diskussion um die Zulässigkeit bundesparteipolitischen Abstimmungsverhaltens im Bundesrat gezeigt. In dieser spiegeln sich die Schwierigkeiten der Legitimationslage des Bundesrates schon begrifflich wider, wenn zwischen Bundesparteipolitik und Landespolitik sowie der Vertretung von Bundes- und Länderinteressen zu unterscheiden versucht und damit argumentiert wird. Hier wird deutlich, dass die prekäre Legitimationslage der „Zweiten Kammer“ gerade aus der „Zwiespältigkeit von grundgesetzlich vorgesehenem formellem Mandat für das Gesamtinteresse und der partikulär beschränkten materiellen Legitimation der Bundesratsmitglieder“142, also dem fehlenden Zusammenhang zwischen Aufgabenerfüllung und demokratischer Kontrolle folgt. Wenn daneben in der Debatte über die „Legitimität“ oder „Legitimation“ des Bundesrates, wie dies oftmals geschieht, nicht speziell auf die Frage der aus dem Demokratieprinzip folgenden personellen Legitimation abgestellt wird, bleibt im Dunkeln, unter Zugrundelegung welchen Prüfungsmaßstabs über eine nicht definierte (rechtlich oder ethisch determinierte) „Legitimation“ oder „Legitimität“ überhaupt entschieden wird.143 Folgerungen lassen sich daher auch hieraus nicht ableiten. 138

Ossenbühl, AöR 99 (1974), 369, 410. Vgl. Stern, Staatsrecht II, S. 123. 140 Vgl. z. B. Klein, in: 40 Jahre Bundesrat, S. 95, 102 f. Allgemein zur verfassungsgebenden Gewalt des Grundgesetzes z. B. Jarass, in: Jarass/Pieroth, Präambel Rn. 2. 141 Vgl. Möllers, S. 104. 142 So die Terminologie bei Ossenbühl, AöR 99 (1974), 369, 409. 143 Vgl. hierzu nur Möllers, S. 98, 104 f. mit zahlreichen Nachweisen zur umfangreichen, kaum mehr übersichtlichen Literatur. 139

C. Die „Legitimation“ des Bundesrates

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Der Bundesrat als institutionelle Ausformung des Bundesstaatsprinzips findet in diesem seine Begründung; demokratische Legitimation im anerkannten Sinne erzeugt dies jedoch nicht. In der Einrichtung des Bundesrates widersprechen sich Demokratie- und Bundesstaatsprinzip, wie immer ihr Verhältnis im Übrigen zu bestimmen ist144, „in einem präzisen verfassungsrechtlichen Sinne“145. Entsprechendes gilt für das Prinzip der horizontalen funktionalen Gewaltenteilung/materiellen Funktionentrennung (Art. 20 Abs. 2 GG). Der Grundsatz, nach dem die Gesetzgebung in erster Linie und im Wesentlichen durch das Parlament erfolgt146, wird mit dem Bundesrat als einem Exekutivorgan mit zentralen Gesetzgebungskompetenzen durchbrochen.147 Als einfachgesetzliche Anordnung verstieße das Zustimmungserfordernis des Bundesrates womöglich gegen das Kernbereichserfordernis148 der materiellen Funktionentrennung. Auf der horizontalen Ebene bewirkt die Einrichtung des Bundesrates jedenfalls keine Gewaltenteilung, sondern eine Gewaltenverknüpfung. Das Föderativorgan Bundesrat ist, so hat Stern formuliert, „in die Logik des demokratischen Prinzips und der horizontalen Gewaltenteilung (. . .) schwer einzuordnen“149. Es fügt sich in zwei zentrale Struktur- bzw. Organisationsprinzipien150 des Grundgesetzes nicht ein.151 Für die Auslegung der Zustimmungstatbestände des Grundgesetzes folgt hieraus aber zunächst nicht, dass sie grundsätzlich restriktiv zu erfolgen hätte. Die „Legitimitätsdefizite“ der Mitwirkung des Bundesrates an der Gesetzgebung sind verfassungsrechtlich in Kauf genommen. Eine grundsätzlich einschränkende Inter144

Vgl. hierzu ausführlich Möllers, S. 97 ff. Zur Diskussion um das Verhältnis zwischen dem parlamentarischen Regierungssystem und dem Bundesstaatssystem in der Kaiserzeit vgl. Nipperdey, Deutsche Geschichte, Bd. 2, S. 104; Möllers, S. 82 ff. jeweils m. w. N. Siehe zum Stand der Diskussion in der Weimarer Zeit ebenfalls Möllers, S. 88 ff. m. w. N. 145 So Möllers, S. 109. 146 Vgl. nur Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 20 Rn. 207; Stern, Staatsrecht II, S. 521 ff.; Sachs, in: Sachs, Art. 20 Rn. 82. Siehe BVerfGE 34, 52, 59 f.: „Für das Verhältnis von Legislative und Exekutive bedeutet dies: im freiheitlich-demokratischen System des Grundgesetzes fällt dem Parlament als Legislative die verfassungsrechtliche Aufgabe der Normsetzung zu. Nur das Parlament besitzt die demokratische Legitimation zur politischen Leitentscheidung [Hervorhebung nicht im Original].“ 147 Vgl. Möllers, S. 108. 148 Vgl. hierzu nur BVerfGE 9, 268, 279 f.; 34, 52, 59. 149 Stern, Staatsrecht II, S. 123. 150 Vgl. auch BVerfGE 34, 52, 59: „Die Teilung der Gewalten ist für das Grundgesetz ein tragendes Organisations- und Funktionsprinizp.“ 151 Vgl. Möllers, S. 108.

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2. Abschn.: Der Bundesrat als politischer Akteur

pretation der konkreten Zustimmungsnorm lässt sich hierauf nicht zurückführen.152 Der jeweils in Frage stehende Zustimmungstatbestand, so auch Art. 84 Abs. 1 GG, unterliegt den allgemeinen Auslegungsregeln. Viel ist mit dieser Erkenntnis, so scheint es, also nicht gewonnen. Nicht selten wird jedoch bei der Interpretation der Zustimmungstatbestände ganz wesentlich „bundesstaatlich“ argumentiert. Auch das Bundesverfassungsgericht hat diesen Weg bisweilen – nahezu konturenlos – beschritten.153 Die Argumentation mit dem Bundesstaatsprinzip sieht sich allerdings zumindest mit zwei grundlegenden Schwierigkeiten konfrontiert. Zunächst ist das Bundesstaatsprinzip, ganz anders als das Demokratieprinzip154, meta- bzw. vorjuristisch nicht eindeutig abgesichert. Seine Bedeutung, Funktion oder auch Legitimation als Konstruktionsmerkmal staatlicher Organisation unterliegen „chronischen“ Zweifeln155, spätestens seitdem seine ursprüngliche „bündische“156 Motivation, die Wahrung der Individualität der Gliedstaaten im Gesamtstaat bei gleichzeitiger Integration der Gliedstaaten in diesen Gesamtstaat157, angesichts zunehmender Vereinheitlichung des wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Lebens in der Bundesrepublik und des Schwindens diesbezüglicher Grenzen zwischen den Ländern zunehmend leer läuft.158 Wird bei der Rechtfertigung des Bundesstaatsprinzips aber auf andere Prinzipien, insbesondere das Demokratie- oder das Gewaltenteilungsprinzip zurückgegriffen159, scheint nach den vorherigen Ausführungen Vorsicht geboten zu sein. 152

Vgl. Möllers, S. 109. Vgl. BVerfGE 26, 338, 399; 28, 66, 78 f. Vgl. auch oben Erster Abschnitt C. II. 2 a), b). Siehe auch BVerfGE 37, 363, 379 f.; 55, 274, 319 f. 154 Vgl. hierzu nur Möllers, S. 97 f., 99 f. m. w. N. 155 Vgl. z. B. Isensee, AöR 115 (1990), 248, 248 f., 253 ff. Vgl. die Zusammenstellung von hergebrachten Erklärungsmustern zur Funktion des Bundesstaates bei S. Meyer, S. 205 m. w. N. Siehe auch Isensee, in: HdbStR IV, § 98 Rn. 301 ff. 156 Jaeger, Zwischenbericht der Enquete-Kommission, Zur Sache 1/73, S. 147. 157 Zum Wandel dahingehend siehe insb. den Bericht von Jaeger, Zwischenbericht der Enquete-Kommission, Zur Sache 1/73, S. 145 ff. Daneben immer noch Hesse, Der unitarische Bundesstaat, S. 12 ff., 26 ff. Vgl. allgemein auch Sachs, in: Sachs, Art. 20 Rn. 56 m. w. N. 158 Vgl. Hesse, Der unitarische Bundesstaat, S. 26 f. Die ursprüngliche „integrierende“ Funktion des Bundesstaates läuft im modernen Bundesstaat leer. Siehe auch Bothe, S. 63 ff.; Heger, S. 144. Vgl. auch Böckenförde, in: FS Schäfer, S. 182, 186 f. 159 Vgl. Hesse, Der unitarische Bundesstaat, S. 27. Weitere Nachweise bei S. Meyer, S. 206, 208 f. Als „Funktion oder Legitimation“ des modernen Bundesstaates werden z. B. gehandelt: Stärkung der demokratischen Elemente, freiheitssichernde Funktion durch vertikale und horizontale Gewaltenteilung, systemstabilisierende Wirkung durch eine hohe Konfliktverarbeitungskapazität, Stärkung des Subsidiaritätsgedankens, „Ausprobieren“ von politischen Lösungen auf Länderebene, Entlastung der „Zentrale“ von dezentral wahrnehmbaren Aufgaben. 153

C. Die „Legitimation“ des Bundesrates

127

Zudem ist aber auch der normative Gehalt des im Grundgesetz angesprochenen Bundesstaatsprinzips unsicher in dem Sinne, als sich nicht bestimmen lässt, welcher rechtliche Gehalt dem Bundesstaatsprinzip über die einzelnen, diesem zuzuordnenden (Kompetenz-)Vorschriften des Grundgesetzes hinaus zukommt.160 Die Kernfrage des Bundesstaatsprinzips, die Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern, bleibt der Lösung anhand der einzelnen verfassungsrechtlichen Kompetenzbestimmung überlassen.161 Erst aus der Betrachtung der konkreten Ausformungen des Bundesstaatsprinzips im Grundgesetz lässt sich dessen Inhalt überhaupt bestimmen.162 Das Bundesstaatsprinzip ist de lege lata nicht mehr und nicht weniger als der Inbegriff der bundesstaatlichen Kompetenzvorschriften. Erst im Hinblick auf Verfassungsänderungen bekommt das Bundesstaatsprinzip einen eigenen Regelungsgehalt.163 Nach Art. 79 Abs. 3 GG sind Verfassungsänderungen, die „die Gliederung des Bundes in Länder, die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung“ oder das in Art. 20 Abs. 1 GG niedergelegte Bundesstaatsprinzip164 „berühren“, unzulässig. Wann allerdings die nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts damit verbundene Garantie eines Aufgabenkreises als „Hausgut“ der Länder165 verletzt ist, bleibt schwierig zu bestimmen.

160 Vgl. insb. Möllers, S. 99. Siehe daher z. B. Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 20 Rn. 16: „Das Bundesstaatsprinzip wird durch viele Bestimmungen des Grundgesetzes konkretisiert.“ Vgl. auch Herzog, JuS 1967, 193, 193. 161 Vgl. auch Schnapp, in: v. Münch/Kunig, Art. 20 Rn. 8. 162 Vgl. Isensee, in: HdbStR IV, § 98 Rn. 6. Dies gilt wohl auch für das schillernde Prinzip der Bundestreue. Dieses dürfte ebenso eher aus spezifischen Treuepflichten, die an konkrete Verfassungsvorschriften anzuknüpfen sind, herzuleiten sein als aus einem allgemeinen Prinzip der Bundesstaatlichkeit. Vgl. Bauer, S. 219 ff., 262 ff. Siehe zum Bundestreue-Topos auch ausführlich Oeter, S. 213 ff., 238 ff., 357 ff. 163 Vgl. Schnapp, in: v. Münch/Kunig, Art. 20 Rn. 12; Möllers, S. 109. Siehe auch Sachs, in: Sachs, Art. 20 Rn. 65. 164 Zum Verhältnis von Art. 79 Abs. 3, 1./2. Fall GG (Gliederung des Bundes in Länder und Mitwirkung bei der Gesetzgebung) zu Art. 79 Abs. 3, 3. Fall GG (Grundsätze) siehe z. B. Lücke, in: Sachs, Art. 79 Rn. 37. Nach Lücke soll der in Art. 20 Abs. 1 GG niedergelegte Grundsatz der Bundesstaatlichkeit für die Länder keine Bedeutung haben. Deren Eigenstaatlichkeit sei allein über den 1./2. Fall des Art. 79 Abs. 3 GG speziell geschützt. So auch Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 79 Rn. 40. Siehe zum Streitstand Isensee, in: HdbStR IV, § 98 Rn. 263. Vgl. auch BVerfGE 87, 181, 196. Überzeugender wohl Hain, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 79 Rn. 119 mit ausführlicher Auseinandersetzung mit anderen Positionen in Fn. 422, der von einer einheitlichen Absicherung der Bundesstaatlichkeit über die genannten Alternativen ausgeht. Der bundesstaatliche Regelungsgehalt des Art. 20 Abs. 1 GG ist dann mit dem des Art. 79 Abs. 3, 1./2. Fall GG identisch. 165 Vgl. z. B. BVerfGE 34, 9, 19 f.; 87, 181, 196.

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2. Abschn.: Der Bundesrat als politischer Akteur

De constitutione lata ist man bei der Auslegung auf die einzelne Kompetenzvorschrift verwiesen. Eine normative Betrachtung des Verhältnisses zwischen dem sich in einer Kompetenzzuweisungsnorm an den Bundesrat konkretisierenden Bundesstaatsprinzip und dem in spezifischer Hinsicht tangierten Demokratie- und Gewaltenteilungsprinzip (in seiner Ausformung als Prinzip der Funktionentrennung) darf nicht im Rahmen einer „Vorwegabwägung“ oder unter Zugrundelegung einer „verfassungsrechtlichen Universalkonkordanz“166 dieser Prinzipien zur Seite geschoben werden. Die Erkenntnis, dass jedenfalls eine extensive Auslegung der Zustimmungstatbestände unter Berufung auf das Bundesstaatsprinzip im Hinblick auf das Demokratie- und das Gewaltenteilungsprinzip „eine offene Flanke aufweist“167, ist daher von Belang. Sie lenkt den Blick zurück darauf, dass die im Grundgesetz vorgesehene unterschiedliche Gewichtung der Organe Bundestag und Bundesrat ihrer unterschiedlichen „Legitimations“-Struktur entspricht168, die der Parlamentarische Rat bei Schaffung des Grundgesetzes nachweisbar auch immer vor Augen hatte.169 Art. 84 Abs. 1 GG, als ein zum Ausgangsbestand des Grundgesetzes gehörender Zustimmungstatbestand, liegt diese Differenzierung des historischen Verfassungsgebers, die im Grundgesetz in der Ausgestaltung des Katalogs zustimmungsbedürftiger Gesetze ihren Niederschlag gefunden hat, zugrunde. Sie gilt es, bei seiner Interpretation zu berücksichtigen. Die Frage, ob Wandlungen des Bundesstaates des Grundgesetzes seit 1949 und ein damit ggf. verbundener „Funktionenzuwachs“ des Bundesrates und seiner Mitwirkung an der Gesetzgebung darüber hinaus als Auslegungskriterien taugen, wird an anderer Stelle zu beantworten sein.

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Möllers, S. 101. Vgl. auch Hermes, in: Dreier, Art. 84 Rn. 50. Möllers, S. 109. 168 Vgl. das Sondervotum Heinsen, Rietdorf, Böckenförde, Schlußbericht der Enquete-Kommission, Zur Sache 3/76, S. 218. 169 Vgl. auch Ossenbühl, AöR 99 (1974), 369, 421, der davon spricht, dass der Parlamentarische Rat hierfür ein „feines Gespür“ hatte. 167

Dritter Abschnitt

Die Stellung des Art. 84 Abs. 1 GG im bundesstaatlichen Gefüge des Grundgesetzes und sein Regelungsgehalt Art. 84 Abs. 1 GG wurde als das „Einfallstor“ für die Ausdehnung der Vetoposition des Bundesrates und damit dessen unerwartet starke Stellung bei der Gesetzgebung des Bundes identifiziert. Dass diese „unscheinbare“ Bestimmung für die hohe Anzahl von Zustimmungsgesetzen verantwortlich ist, kommt nicht von ungefähr. Art. 84 Abs. 1 GG hat im bundesstaatlichen Kompetenzgefüge des Grundgesetzes eine besondere Stellung inne. Diese gilt es, im Folgenden grundsätzlicher zu bestimmen – gerade auch weil sie sich mit dem in Art. 84 Abs. 1 GG normierten Zustimmungserfordernis in einen spezifischen Zusammenhang bringen lässt. Als eine der Grundgesetzbestimmungen, die das Bundesstaatsprinzip konkretisieren, erweist sich Art. 84 Abs. 1 GG dabei in besonderem Maße als das Produkt verfassungsrechtlicher Traditionen. Seine Einordnung gelingt nur vollständig mit einer Einbettung in den verfassungshistorischen Kontext, der für die Entstehung der Norm in erheblichem Ausmaß determinierend gewirkt hat. Ein genauerer Blick auf den Anwendungsbereich des Art. 84 GG erhellt, warum das in dessen Abs. 1 normierte Zustimmungserfordernis für den Anteil an Zustimmungsgesetzen so große Bedeutung erlangen konnte; die Interpretation der Tatbestandsmerkmale der „Regelung“ der „Behördeneinrichtung“ und des „Verwaltungsverfahrens“ der Länder, die an dieser Stelle nur überblickartig erfolgen soll, zeigt, dass eine Reduzierung der Zahl der nach Art. 84 Abs. 1 GG zustimmungsbedürftigen Bundesgesetze über eine restriktive Auslegung dieser Tatbestandsmerkmale nicht Erfolg versprechend und nicht der richtige Weg ist. Auch die Interpretation der Tatbestandsmerkmale des Art. 84 Abs. 1 GG wird beherrscht von dem in der funktionalen Kompetenzverteilung des Grundgesetzes angelegten, aber nicht vollständig geklärten Verhältnis zwischen materiellem Recht und Organisations- und Verfahrensrecht. Diese Unsicherheit zeigt sich in besonderer Deutlichkeit auch bei der Frage nach dem „Sitz“ der Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die Schaffung von Einrichtungs- und Verfahrensregelungen der Länder bei der Ausführung von Bundesgesetzen. In diesem Zusammenhang bleibt zu klären, ob sich aus der Herleitung der Gesetz-

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3. Abschn.: Die Stellung des Art. 84 Abs. 1 GG

gebungskompetenz Folgen für ihren Umfang insoweit ergeben, als einschränkende Voraussetzungen für ihre Inanspruchnahme bestehen, und sich die hohe Anzahl der nach Art. 84 Abs. 1 GG zustimmungsbedürftigen Bundesgesetze auf diesem Wege eingrenzen lässt.

A. Art. 84 Abs. 1 GG im System funktionaler Kompetenzverteilung In Art. 84 Abs. 1 GG fließen grundlegende Merkmale des deutschen Bundesstaates zusammen.1 Der Kompetenzverteilung liegt in diesem traditionell ein spezifisches System der Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern zugrunde. Diese erfolgt nicht allein nach Sachgebieten, sondern auch nach Staatsfunktionen. Während in einem „Trennsystem“2 einzelne Sachbereiche prinzipiell geschlossen, d. h. für den Bereich der Gesetzgebung und der Verwaltung, dem Bund oder den Gliedstaaten zugewiesen werden3, bleibt es in einem „Verzahnungssystem“4 oder „Verbundsystem“5 nicht bei einer Aufteilung nach Materien. Vielmehr werden Kompetenzen nach Materien und Funktionen unterschiedlich aufgeteilt. Das Grundgesetz als Verzahnungssystem unterscheidet daher zwischen Gesetzgebungskompetenzen einerseits und Verwaltungs- bzw. Vollzugskompetenzen andererseits. Die Zuweisung einer Gesetzgebungskompetenz an den Bund beinhaltet nicht die Befugnis zum Vollzug durch bundeseigene Verwaltung. Zwar fällt auch im bundesstaatlichen Gefüge des Grundgesetzes für bestimmte Bereiche die Gesetzgebungskompetenz des Bundes mit der Verwaltungskompetenz zusammen (vgl. z. B. Art. 87 GG, insbesondere Art. 87 Abs. 3 GG).6 Traditionell bleiben aber die Verwaltungskompetenzen des Bundes hinter den ihm zugewiesenen Gesetzgebungskompetenzen zurück.7 Dem Bund werden im Interesse einer allgemein angestrebten und als positiv bewerteten Rechtseinheit umfangreiche Gesetzgebungskompetenzen 1 Vgl. nur Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 83 Rn. 8; Ossenbühl, DVBl. 1989, 1230, 1232. Oeter, S. 34 ff. 2 Als klassisches Beispiel für ein Trennsystem wird der U. S.-amerikanische Bundesstaat genannt. Vgl. Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 83 Rn. 8. 3 Vgl. auch Kirschenmann, JuS 1977, 565, 567. Rechtsvergleichend Bothe, S. 224 ff. 4 Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 83 Rn. 8. 5 Oeter, S. 126. 6 Für die Länder gilt selbstverständlich, dass ihre Landesgesetze von den Landesbehörden ausgeführt werden. Vgl. auch BVerfGE 63, 1, 40. Kennzeichnend für das Verzahnungssystem ist, dass Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenzen des Gesamtstaats grundsätzlich nicht kongruent sind. 7 Vgl. Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 83 Rn. 31.

A. Art. 84 Abs. 1 GG im System funktionaler Kompetenzverteilung

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eingeräumt. Die Aufgabe des Vollzugs der Bundesgesetze verbleibt dafür in der Regel bei den Ländern.8 Diesem Prinzip funktionaler Aufgabenverteilung im Bundesstaat liegt dabei unter anderem der Gedanke zugrunde, dass zwar der Bund einheitlich geltendes Recht setzen soll, im Normalfall aber die Landesbehörden mit der „Aktualisierungsmacht“9 der gesetzlichen Regelung zu betrauen sind, weil sie die größere Sachnähe zum betreffenden Gegenstand besitzen. Dem Bund werden aber (im tendenziell unitarischen Bundesstaat) im Gegenzug zum Zweck der Sicherung eines „wirksamen“ Vollzugs10 Einwirkungsrechte auf die Länder bei der Ausführung der Bundesgesetze zugestanden.11 Die dem Bund zugewiesenen Ingerenzrechte stehen aber wiederum unter dem Vorbehalt der Zustimmung des Bundesrates. In diesem ist – das garantiert seine Zusammensetzung aus Mitgliedern der Länderexekutiven – der Verwaltungssachverstand gebündelt, der über die Mitwirkungsrechte des Bundesrates in die Bundesgesetzgebung eingebracht wird. Die Ausführung der Bundesgesetze wiederum obliegt den Länderexekutiven, die an der Entstehung der Bundesgesetze beteiligt sind.12 Das System funktionaler Kompetenzverteilung und das Bundesratssystem stehen damit in deutlicher Beziehung zueinander.13 8 Das Bundesverfassungsgericht sieht als Folge dieses Verzahnungssystems eine Anreicherung des Prinzips funktionaler Gewaltenteilung. Vgl. BVerfGE 12, 205, 229; 55, 274, 318 f. 9 Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 83 Rn. 9. 10 Vgl. BVerfGE 22, 180, 210; 77, 288, 299. Das Bundesverfassungsgericht nennt in BVerfGE 11, 6, 18 als Zweck zudem das Erreichen einer „im wesentlichen einheitlichen Verwaltungspraxis“. Das Grundgesetz gebe dem Bund die Befugnis zur – ausschließlichen und konkurrierenden – Gesetzgebung auf den Gebieten, auf denen eine einheitliche Regelung von besonderer Bedeutung sei. Die einheitliche Geltung von Rechtsvorschriften im Bundesgebiet dürfe nicht dadurch illusorisch gemacht werden, dass ihre Ausführung von Land zu Land erhebliche Verschiedenheiten aufweise. Siehe auch Blümel, in: HdbStR IV, § 101 Rn. 24: „Art. 84 Abs. 1 GG setzt der landeseigenen Organisationsgewalt im Interesse eines einheitlichen Landesvollzugs Grenzen.“ Insb. das (alleinige) Abstellen auf die Einheitlichkeit bzw. Vereinheitlichung des Vollzugs bei der Bestimmung der Ratio des Art. 84 GG wird aber in der Literatur kritisch gesehen. Dem Grundgesetz lässt sich angesichts der Tatsache, dass es eine Grundentscheidung gerade für die Vollzugskompetenz der Länder getroffen hat, nicht widerspruchsfrei das Ziel einer möglichst einheitlichen Verwaltungspraxis entnehmen. Vgl. insb. Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 84 Rn. 9. Siehe auch Hermes, in: Dreier, Art. 84 Rn. 18. 11 Vgl. hierzu und im Folgenden insb. Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 84 Rn. 9 f. 12 Vgl. Herzog, Strukturmängel, S. 108: „Bürokratiekontrolle durch Bürokraten“. 13 Schon die Staatsrechtslehre der Kaiserzeit hat diese Wechselwirkung zwischen funktionaler Kompetenzverteilung im Bundesstaat und Mitwirkung des mit Vertretern der Exekutiven der die Reichsgesetze ausführenden Gliedstaaten besetzten Bundesrates an der Gesetzgebung hervorgehoben. Vgl. Kaufmann, Reichsverfassung,

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Die Zusammensetzung der „Zweiten Kammer“ ist nicht nur in den Verhandlungen zur Schaffung des Grundgesetzes immer wieder in den Zusammenhang zu der Frage nach dem Umfang bzw. der Qualität der ihr zugewiesenen Mitwirkungsbefugnisse bei der Gesetzgebung gestellt worden.14 Diese Frage wurde aber, ohne dass dies den Beteiligten bewusst gewesen zu sein scheint, eindeutig auf der Grundlage der nie in Zweifel gezogenen, „axiomatisch gesetzten Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern“15 diskutiert, die dem Bund das Schwergewicht bei der Gesetzgebung, den Ländern das Schwergewicht beim Vollzug sowie dem Bund wiederum, abgesichert durch Vetopositionen der „Zweiten Kammer“, Ingerenzrechte zur präventiven Sicherung des Vollzugs durch die Länderexekutiven einräumt. Die Antwort auf die Frage nach der Zusammensetzung und damit auch nach dem Umfang der Mitwirkungsbefugnisse des Föderativorgans war damit in erheblichem Maße durch das System funktionaler Kompetenzaufteilung determiniert. In dieser Hinsicht ist die Aussage gerechtfertigt, der Bundesstaat des Grundgesetzes sei „auf den Bundesrat hin konzipiert“16.

I. Verfassungshistorischer Kontext Dieses System funktionaler Kompetenzverteilung ist, so hat es Herzog formuliert, „uralt“, und es hat, so dessen Einschätzung, „aufs Ganze gesehen durchaus auch funktioniert“17. Es ist ein System, das in seiner Entstehung zurückführbar ist auf die historischen Bedingungen, denen die Bildung eines deutschen Bundesstaates jeweils unterlag. Einmal etabliert, war ein Abweichen von diesem grundlegenden Prinzip der Aufgabenverteilung zwischen dem Gesamtstaat und den Gliedstaaten offenbar nicht mehr denkbar. Es schuf automatisch einen Koordinationsbedarf zwischen Bund und LänS. 65 ff. Vgl. auch Erichsen, in: 25 Jahre Bundesrat, S. 9, 25; Oeter, S. 38 f. Ein gewichtiges Argument für die Reichsratslösung wurde auch in den Verhandlungen der Weimarer Nationalversammlung darin gesehen, dass nur eine aus Regierungsvertretern der Länder gebildete „Zweite Kammer“ es ermöglichen könne, den Sachverstand der die Reichsgesetze ausführenden Länderexekutiven für die Gesetzgebung fruchtbar zu machen. Vgl. Eschenburg, in: 25 Jahre Bundesrat, S. 35, 44. Dieselbe Argumentation findet sich in den Verhandlungen des Herrenchiemseer Verfassungskonvents. Vgl. den Bericht über den Verfassungskonvent, Darstellender Teil, S. 37 ff. So wurde auch im Parlamentarischen Rat argumentiert. 14 Vgl. von Doemming, JöR NF 1 (1951), 380, 383 ff.; von Mangoldt, GG, 1. Aufl., S. 370. Siehe auch Morsey, in: 25 Jahre Bundesrat, S. 63, 67, 71; Ossenbühl, AöR 99 (1974), 369, 384; Neunreither, S. 13 ff.; Eschenburg, in: 25 Jahre Bundesrat, S. 35, 44. 15 Vgl. Neunreither, S. 16. 16 S. Meyer, S. 220, 224. 17 Herzog, Strukturmängel, S. 100.

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dern, der für eine spezifische Konstellation in Art. 84 Abs. 1 im Grundgesetz zum ersten Mal eine ausdrückliche Normierung erfahren hat. 1. Die Frankfurter Reichsverfassung von 1849 Schon die – gescheiterte – Frankfurter Reichsverfassung vom 28. März 184918 sah die für die deutsche Bundesstaatlichkeit typische funktionale Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern vor.19 Sie räumte der Reichsgewalt Gesetzgebungskompetenzen für bestimmte Materien ein. Die Verwaltungskompetenz sollte aber grundsätzlich bei den Ländern verbleiben.20 Ein Zusammenfallen von Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenzen für den zu schaffenden deutschen Bundesstaat in Anlehnung an das Vorbild der U. S.-amerikanischen Verfassung21 festzuschreiben, kam für die Mehrheit der Mitglieder der Frankfurter Nationalversammlung nicht in Betracht.22 Gerade in der Übertragung von Verwaltungskompetenzen an die Reichsgewalt sah man eine Gefährdung von Bestand und Existenz der Einzelstaaten.23 Auf diese und ihre monarchischen Verfassungen Rücksicht zu nehmen, forderten jedoch schon die realen politischen Verhältnisse. 18 Vgl. zur „Paulskirchenverfassung“ die Darstellung bei Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. II, S. 767 ff., zum Bundesstaatsproblem insb. S. 791 ff. Siehe auch Kühne, Reichsverfassung, insb. S. 106 ff., 112 ff. 19 Vgl. dazu ausführlich Heitsch, S. 25 ff. m. w. N. 20 Vgl. insoweit auch § 5 FRV: „Die einzelnen deutschen Staaten behalten ihre Selbständigkeit, soweit dieselbe nicht durch die Reichsverfassung beschränkt ist; sie haben alle staatlichen Hoheiten und Rechte, soweit diese nicht der Reichsgewalt ausdrücklich übertragen sind.“ 21 Vgl. zum Grundsatz der „dualen Souveränität“ in der U. S.-amerikanischen Verfassung Heitsch, S. 25 m. w. N. Die Verfassung der Vereinigten Staaten war in mancher Hinsicht Vorbild für die Frankfurter Reichsverfassung, aber eben nicht uneingeschränkt. Vgl. dazu die Äußerungen Mittermaiers, wiedergegeben bei Wigard, Bd. 4, S. 2724: „Der sorgfältige Staatsmann aber hütet sich vor dem blinden Bewundern des Fremden, dessen Nachahmung unter verschiedenen Verhältnissen leicht Gefahr bringt. Er weiß, daß die Lage Amerika’s (. . .) ebenso wie der Umstand, daß hier ein Bund von Freistaaten vorliegt, Eigenthümlichkeiten herbeiführt, die zur vorsichtigen Prüfung bei der Nachahmung amerikanischer Einrichtungen in Deutschland, unter Verhältnissen eines Bundes von Monarchieen, auffordern.“ 22 Repräsentativ sind die Äußerungen von Waitz, wiedergegeben bei Wigard, Bd. 5, S. 3240: „Ich glaube, daß, soweit ich Deutschland und deutsche Zustände kenne, nichts unserem Charakter weniger entspricht, als eben die Centralisation. Gerade die beste und glücklichste Seite unserer Anlage und unserer Entwicklung liegt darin, daß wir niemals centralisiert haben. (. . .) Wir legen die Oberleitung aller wichtigen Verhältnisse in die Hände der Reichsgewalt, aber auch nur die Oberleitung, nicht die Ausführung der Verwaltung in allen Einzelheiten. (. . .) Es ist das wesentliche Princip des Verfassungsausschusses, daß die Centralgewalt nirgends unmittelbar administrieren und verwalten, sondern nur die Gesetzgebung und Controle ausüben soll.“

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Sollte der Gesetzesvollzug also grundsätzlich Angelegenheit der Gliedstaaten bleiben, konnten dem Gesamtstaat auf der anderen Seite umfangreiche Gesetzgebungskompetenzen zugewiesen werden.24 Auch insofern ist die Frankfurter Reichsverfassung wegweisend für die ihr nachfolgenden deutschen bundesstaatlichen Verfassungen. Von den Vorbildern der U. S.amerikanischen oder der Schweizer Bundesverfassung auch in diesem Punkt abweichend, zeigte schon die Verfassung der Paulskirche einen „unitarischen“ Charakter. 2. Die Verfassung des Norddeutschen Bundes von 1867 und die Verfassung des Deutschen Reiches von 1871 In der Vorstellung Bismarcks25 bestand die Funktion der bundesstaatlichen Konstruktion des zu schaffenden deutschen Staates neben der Absicherung der preußischen Hegemonie insbesondere darin, die parlamentarisch-demokratischen Elemente der Verfassung zu beschränken.26 Nur ein Bundesrat als Versammlung der Vertreter der gliedstaatlichen monarchischen Exekutiven27 eignete sich als Gegengewicht zum Reichstag als 23 Vgl. wiederum die Ausführungen von Waitz, wiedergegeben bei Wigard, Bd. 4, S. 3157: „Wir meine Herren wollen einen monarchischen Bundesstaat, und daraus leiten wir die Grundsätze ab, die Ihnen vorliegen. (. . .). Der Verfassungs-Ausschuß überweist der Centralgewalt die Verfügung, die Gesetzgebung und die Organisation. (. . .) Wir thun dieß nicht bloß auf diesem Gebiete [Anm. gemeint ist das Gebiet der Wehrverfassung], wir thun es gleichmäßig auf allen Gebieten, welche nach unserer Ansicht in die Wirksamkeit der Einheitsregierung hineingehören. Ueberall ist die Organisation und Gesetzgebung der Centralgewalt überwiesen, überall aber die Verwaltung und Ausführung den Einzelstaaten überlassen. (. . .) Die Reichsgewalt soll, kann und darf nach unserer Ueberzeugung niemals die Verwaltung selbst haben. Es würde dieß nach unserer Meinung den Bestand und die Existenz der Einzelstaaten wesentlich gefährden, und den Einzelstaat in eine Stellung bringen, die unhaltbar wäre, die innere Verwicklungen mit sich brächte, welche zu lösen auch der kräftigsten und einsichtsvollsten Regierung unmöglich wäre.“ 24 Vgl. Heitsch, S. 29. Siehe insb. § 64 FRV: Rechtsvereinheitlichung auf den Gebieten des Bürgerlichen, Handels- und Wechselrechts sowie des Straf- und Prozeßrechts, und § 65, 66, 63 FRV. Im Vergleich zur amerikanischen Bundesverfassung und der fast zeitgleich ausgearbeiteten Schweizer Bundesverfassung war der Charakter der Frankfurter Reichsverfassung damit deutlich unitarisch. Vgl. Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. II, S. 823 f.; Oeter, S. 26. 25 Vgl. zum Einfluss Bismarcks auf die Ausgestaltung der Verfassung(en) Heitsch, S. 30 ff. m. w. N. 26 Vgl. dazu für die Kaiserzeit Kaufmann, Reichsverfassung, 1917, S. 21 ff.; Anschütz, VVDStRL 1 (1924), 11, 14 f.; Triepel, Unitarismus und Föderalismus im Deutschen Reich, 1907, S. 99. Siehe auch Oeter, S. 29 ff. m. w. N.; Eschenburg, in: 25 Jahre Bundesrat, S. 35, 39; Kisker, in: Föderalismus, S. 23, 23. Siehe auch Möllers, S. 82 f. Vgl. auch Nipperdey, Bd. 2, S. 93 ff. 27 Vgl. Art. 6 Abs. 1 RV.

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dem gewählten gesamtstaatlichen Parlament.28 Und nur eine funktionale Kompetenzverteilung zwischen dem Gesamtstaat und den Gliedstaaten, die letzteren die Ausführung der Reichsgesetze zuwies, ermöglichte es, die Exekutive weitgehend der Kontrolle des Parlaments zu entziehen. Indem die Verwaltungsbefugnisse bei den Gliedstaaten verblieben, waren sie der Kontrolle des Reichstages entzogen.29 Auch die Reichsverfassung von 1871 wies dabei aber, wie schon die Verfassung des Norddeutschen Bundes30, in ihrem Art. 4 dem Reich weit reichende Gesetzgebungskompetenzen zu.31 Die Ausführung der Bundes28

Im Laufe des Kaiserreichs stellte sich im Zuge der fortschreitenden Unitarisierung (im Sinne einer Stärkung und Verfestigung der Hegemonie Preußens) ein Einflussverlust des Bundesrates bei gleichzeitigem Bedeutungsgewinn des Reichstages ein. Für die Parlamentarisierung blieb die Konstruktion des Bismarckschen Bundesrates aber ein Hindernis. Vgl. nur Oeter, S. 40 ff. m. w. N. Zur Stellung des Bundesrates in der Reichsverfassung und das Verhältnis zum Reichstag siehe Laband, Staatsrecht, Bd. 1, S. 97 ff., 240, 246, 293, 299; Erichsen, in: 25 Jahre Bundesrat, S. 9, 19 ff. m. w. N. aus der staatsrechtlichen Literatur der Kaiserzeit. Siehe auch Eschenburg, in: 25 Jahre Bundesrat, S. 35, 38 ff. m. w. N. 29 Der aufgezeigte Zusammenhang kann an dieser Stelle nur stark verkürzt dargestellt werden. Vgl. dazu ausführlich Oeter, S. 35 mit zahlreichen weiteren Nachweisen insb. aus der geschichtswissenschaftlichen Literatur. Vgl. auch Erichsen, in: 25 Jahre Bundesrat, S. 9, 20 f. m. w. N. 30 Vgl. zur Entstehungsgeschichte Heitsch, S. 30 ff. m. w. N. Für die Verfassung des Norddeutschen Bundes gab es eine Reihe von Entwürfen. Der Entwurf des Demokraten Reichenbach, den Bismarck persönlich zu einer Ausarbeitung aufgefordert hatte, sah eine Verteilung der Kompetenzen in Abweichung von der Frankfurter Reichsverfassung nach dem Trennsystem vor. Der Entwurf hatte aber wenig Einfluss auf den endgültigen preußischen Entwurf. 31 Die dem Bund eingeräumten Gesetzgebungskompetenzen waren dabei vergleichsweise weitreichend und umfassten das Staatsbürgerrecht, das Freizügigkeits-, Niederlassungs- und Melderecht, das Kolonial- und Auswanderungsrecht, das Passund Ausländerrecht, das Handels-, Gewerbe-, Versicherungs- und Zollrecht, das Währungs- und Maßerecht, das Bank-, Patent- und Urheberrecht, das Schifffahrtsund Eisenbahnrecht, das Post-, Presse- und Vereinsrecht, das bürgerliche Schuldrecht sowie das Straf- und Militärrecht. Mit Gesetz v. 20.12.1873 (RGBl., S. 379) kam die Gesetzgebungskompetenz für das (komplette) bürgerliche und das Prozessrecht hinzu. Damit hatte der Bund die Gesetzgebungskompetenz über die für die sich entwickelnde bürgerliche Gesellschaft wichtigen Sachgebiete des Zivil- und Strafrechts einschließlich des jeweiligen Prozessrechts sowie des Wirtschaftsrechts. Vgl. dazu Oeter, S. 36. Siehe auch Bothe, S. 214. Bismarck wollte den nationalliberalen Forderungen nach Parlamentarisierung und Integration über ein direkt gewähltes gesamtstaatliches Parlament formal weit entgegenkommen. Die dem Bund eingeräumten Gesetzgebungskompetenzen nutzte der Reichstag umfassend – dem Bedürfnis der Zeit entsprechend – zur vereinheitlichenden Kodifikation wichtiger Rechtsmaterien. Vgl. Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. III, S. 777 ff., 788 ff., Nipperdey, Bd. 2, S. 87 f. Eine Zusammenstellung der bis 1897 erlassenen Reichsgesetze findet sich bei Seydel, S. 70 ff.

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gesetze blieb Angelegenheit der Länder unter Aufsicht des Reiches.32 Eine reichseigene Verwaltung war nur für wenige Bereiche vorgesehen.33 Dem Reich konnten nach nicht unumstrittener Auffassung Verwaltungskompetenzen und Kompetenzen im Bereich der Gerichtsbarkeit nur durch ein Gesetz eingeräumt werden, das den Anforderungen an verfassungsändernde Gesetze genügte.34 Nach Art. 7 Abs. 1 Nr. 2 RV erließ der Bundesrat unter dem Vorbehalt anderweitiger reichsgesetzlicher Regelung die zur Ausführung der Reichsgesetze erforderlichen allgemeinen Verwaltungsvorschriften, ermöglichte dem Reich also auf diesem Wege die inhaltliche Steuerung des Gesetzesvollzugs durch die Länder. Eine Bestimmung, die dem Reich ausdrücklich die Kompetenz einräumte, durch formelles Gesetz Regelungen der Behördenorganisation und des Verwaltungsverfahrens der Länder bei der Ausführung der Reichsgesetze zu schaffen, existierte in der Reichsverfassung nicht. Mit Triepel ging aber der wohl überwiegende Teil der Staatsrechtslehre der Kaiserzeit davon aus, dass die Gesetzgebungszuständigkeit zur Regelung der in Art. 4 RV aufgeführten Sachmaterien die ungeschriebene Kompetenz zur gesetzlichen Regelung der Einrichtung der Behörden der Gliedstaaten und des anzuwendenden Verwaltungsverfahrens und Verwaltungsgerichtsverfahrens bei der Ausführung der Reichsgesetze beinhaltete.35 32 Vgl. nur Thoma, in: Anschütz/Thoma, § 7, S. 72 f. Siehe auch Triepel, in: FG Laband, S. 247, 290: „Nach dem Zuschnitte unserer Verfassung gewährt die Unterstellung einer ‚Angelegenheit‘ unter die Kompetenz des Reiches, also die Einräumung einer ‚materiellen Kompetenz‘ nicht ohne weiteres das Recht, bei der Regelung der Materie eine Verschiebung der Grundlagen vorzunehmen, auf denen die Verteilung der formellen Kompetenzen zwischen Reich und Einzelstaaten beruht.“ (. . .) „Nach dem Sinn des Artikels 4 der Reichsverfassung sollen dem Reiche auf den dort aufgezählten Gebieten, soweit sich nicht aus Spezialklauseln der Verfassung etwas anderes ergibt, grundsätzlich nur die Befugnisse der Gesetzgebung und Aufsicht, nicht solche der eigenen Vollziehung zustehen.“ Die Staatsrechtslehre der Kaiserzeit hat den vom „Trennsystem“ der klassischen Bundesstaaten USA und Schweiz abweichenden Charakter des Deutschen Reiches als „Verbundsystem“ vielfach thematisiert. Vgl. Anschütz, Reichsverfassung, S. 16 ff., 37; Kaufmann, Reichsverfassung, S. 64 ff.; Triepel, Die Reichsaufsicht, S. 71 ff.; 97 ff. Siehe auch Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. III, S. 1022 ff.; Nipperdey, Bd. 2, S. 85 f. 33 Vgl. Art. 48 RV: Post- und Telegraphenwesen; Art. 53 RV: Kriegsmarine; Art. 56: Konsulatswesen; Art. 57 ff.: Reichskriegswesen. 34 Vgl. Triepel, in: FG Laband, S. 247, 290; Anschütz, WRV, Art. 14 Anm. 1. Eine Verfassungsänderung bedeutete allerdings auch kein großes Hindernis. Vgl. Triepel, in: FG Laband, S. 247, 278 f. 35 Triepel bezeichnete die Existenz ungeschriebener, nicht ausdrücklich „in“ der Reichsverfassung festgelegter, aber jedenfalls „durch“ diese stillschweigend dem Reich zugewiesener Gesetzgebungskompetenzen als „unbestreitbar und an sich auch unbestritten“. Es sei von der Prämisse auszugehen, dass die Verfassung dem Reich im Zweifel, d. h. wenn nicht Wortlaut oder Sinn der Verfassung diesem Grundsatz

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Der dahingehend existierenden Staatspraxis wurde vom Schrifttum damit die verfassungsrechtliche Zulässigkeit bescheinigt.36 Triepels „Schluss vom Zweck auf die Mittel“37 entspricht der heutigen Kategorie der ungeschriebenen Kompetenz kraft Sachzusammenhangs bzw. kraft Annexes. Seine „Annextheorie“ zur Herleitung des Gesetzgebungskompetenz des Bundes für Vollzugsregelungen wird von einem Teil der Literatur noch heute vertreten.38 3. Die Weimarer Reichsverfassung von 1919 Als sich im November 1918 nach dem Zusammenbruch der monarchischen Ordnung die Verfassungsfrage neu stellte, schien die Organisation der neuen deutschen Republik in Form eines Bundesstaates keineswegs selbstverständlich.39 Der Preuß’sche Entwurf für den Text einer Verfassung ging deutlich in Richtung eines dezentralisierten Einheitsstaates.40 Dies rief erheblichen Widerstand auf Seiten der Länder hervor.41 Den um MachtGrenzen setzen, „außer den ausdrücklich verliehenen Kompetenzen auch all diejenigen [einräume], welche es braucht, um eine ausdrücklich eingeräumte Kompetenz vollständig und wirksam anzuwenden“. Vor allem zieht nach Auffassung Triepels das Recht des Reiches zur erschöpfenden Behandlung einer Angelegenheit in den meisten Fällen die Kompetenz nach sich, „in die Organisation der Gliedstaatsgewalt bestimmend einzugreifen“. Da dem Reich mit Einräumung einer Gesetzgebungskompetenz zur Regelung einer bestimmten Sachmaterie gerade nicht auch das Recht eingeräumt ist, durch einfaches, d. h. nicht verfassungsänderndes Gesetz auch eine eigene Verwaltung oder eine eigene Gerichtsbarkeit auf diesem Gebiet zu schaffen und damit reichseigene Organe mit der Anwendung/Ausführung der Reichsgesetze zu betrauen, müsse das Reich befähigt sein, „die Landesbehörden jeder Art mit den zur Durchführung der Gesetze erforderlichen Massnahmen zu beauftragen, ihnen den Umfang ihrer Zuständigkeit anzuweisen, ihr Zusammenarbeiten und die Art der Kontrolle ihrer Tätigkeit zu normieren“. Vgl. Triepel, in: FG Laband, S. 247, 289, 296 ff. 36 Vgl. Triepel, in: FG Laband, S. 247, 252. 37 Triepel, in: FG Laband, S. 247, 289. 38 Siehe unten in diesem Abschnitt C. II. 1. 39 Vgl. dazu Oeter, S. 54 ff. m. w. N. Nicht nur Linksliberale und Sozialdemokraten, auch die wortführenden Juristen der alten monarchischen Verwaltungen dachten in unitarischen Kategorien. „Viele Mitglieder der verfassungsgebenden Nationalversammlung“, so Anschütz, VVDStRL 1 (1924), 11, 17, „wollten entschieden mehr als bloß einen bundesstaatlichen Unitarismus, sie wollten geradewegs den Einheitsstaat.“ 40 Vgl. Mauersberg, S. 66 ff.; Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. V, S. 1178 ff. Zur Entstehung der Weimarer Reichsverfassung siehe auch Heitsch, S. 69 ff.; Eschenburg, in: 25 Jahre Bundesrat, S. 35, 42 f. jeweils m. w. N. 41 Vgl. Mauersberg, S. 125 f.; Anschütz, WRV, Einleitung, S. 18. Vgl. auch Eschenburg, in: 25 Jahre Bundesrat, S. 35, 43: „Preuß hatte die Macht der Länder nicht ebenso realistisch eingeschätzt, wie es Bismarck bei derjenigen der Fürsten getan hatte.“ Die Länder machten ihr organisatorisches Gewicht mit Hilfe des auf

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erhalt bemühten Landesregierungen und den Landesverbänden der Parteien gelang es, den einheitsstaatlichen Tendenzen in den Verhandlungen der Weimarer Nationalversammlung mit dem Ergebnis der (formalen42) Bewahrung des Bundesstaatscharakters für die neue Republik entgegenzuwirken43. Im Vergleich zur Bismarckschen Reichsverfassung mussten die Länder zwar eine erhebliche Schwächung ihrer Rechtsstellung hinnehmen.44 Die Weimarer Reichsverfassung war jedoch „kein vollständiger Neubau“45. Grundlegende Konstruktionsprinzipien der alten Bundesstaatsverfassung blieben erhalten. „Historisch-politische Mächte und Ideenreiche der Vergangenheit“46 wirkten auch und gerade hinsichtlich der Zuständigkeitsverteilung weiter. Die Weimarer Reichsverfassung behielt offenbar selbstverständlich die Regelung der funktionalen Kompetenzverteilung der Bismarckschen Reichsverfassung bei. Der Schwerpunkt der Gesetzgebungskompetenzen lag weiterhin beim Gesamtstaat47; der Katalog der dem Reich zugewiesenen Gesetzgebungskompetenzen wurde dabei noch erheblich erweitert (Art. 6 ff. WRV).48 Die Ausführung der Reichsgesetze blieb aber nach Art. 14 WRV49 bayerische Initiative hin eingerichteten vorläufigen „Staatenausschusses“ (nach Art des früheren Bundesrates) im Prozess der Verfassungsgebung bald geltend. Vgl. zum Staatenausschuss Heger, S. 34 f.; Rose, S. 22 ff. Siehe dezidiert Eschenburg, in: 25 Jahre Bundesrat, S. 35, 43: „Noch war die Nationalversammlung nicht zusammengetreten, da war das ‚Verfassungserbgut‘ schon gesichert.“ 42 So Oeter, S. 59. 43 Vgl. zur Intervention der preußischen Regierung Mauersberg, S. 177 ff. 44 Vgl. Thoma, in: Anschütz/Thoma, § 15, S. 169 ff.; Oeter, S. 59 ff. m. w. N. 45 Lasser, in: Anschütz/Thoma, § 27, S. 302: „So sehr sich auch das republikanisch-parlamentarische, dem Einheitsstaat stärkstens angenäherte Reich der Gegenwart von dem monarchisch-konstitutionellen Bundesstaat der Vergangenheit unterscheidet, so ist es doch eine Entwicklungsstufe im kontinuierlichen Werden des deutschen Nationalstaates über den Norddeutschen Bund und das Kaiserreich hinaus.“ 46 Anschütz, VVDStRL 1 (1924), 11, 16: „Die neue Verfassung aber erscheint, indem sie die staatsrechtliche Entwicklung da aufnimmt und weiterführt, wo sie schon vor dem Zusammenbruch gestanden hatte, nicht als Antithese der alten, sondern als ihre geradlinige Fortbildung.“ 47 Der Katalog der Gesetzgebungskompetenzen des Bundes wurde im Vergleich zur RV von 1871 noch erweitert. Die WRV differenzierte zwischen ausschließlicher und sonstiger (konkurrierender), Bedarfs- und Grundsätzegesetzgebung des Bundes. Das Reich nutzte seine weit reichenden Gesetzgebungskompetenzen zur erschöpfenden Regelung der ihm zugewiesenen Gesetzgebungsmaterien aus. Vgl. Oeter, S. 64 m. w. N. 48 Vgl. Lasser, in: Anschütz/Thoma, § 27, S. 301, 304 ff.; Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. V, S. 1194; Oeter, S. 59 f. m. w. N. 49 Art. 14 WRV lautete: „Die Reichsgesetze werden durch die Landesbehörden ausgeführt, soweit nicht die Reichsgesetze etwas anderes bestimmen.“

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weiterhin grundsätzlich Angelegenheit der Länder. Im Unterschied zur Bismarckschen Reichsverfassung50 wurde dieser Grundsatz jedoch unter den Vorbehalt abweichender Regelung durch einfaches Reichsgesetz gestellt.51 Auf der Grundlage von Art. 14 WRV wurde in der Staatspraxis abweichend vom Prinzip der ländereigenen Ausführung der Reichsgesetze die Gesetzesausführung für verschiedene Bereiche durch einfaches Gesetz auf reichseigene Behörden übertragen.52 Auch räumte die Weimarer Reichsverfassung dem Reich in Anlehnung an die Bismarcksche Verfassung Ingerenzrechte zur Sicherung des Vollzugs durch die Länder ein. Gem. Art. 77 Satz 1 WRV konnte die Reichsregierung die zur Ausführung der Reichsgesetze erforderlichen allgemeinen Verwaltungsvorschriften erlassen, für den (Regel-)Fall der Ausführung der Reichsgesetze durch die Landesbehörden war sie dabei gem. Art. 77 Satz 2 WRV an die Zustimmung des Reichsrates gebunden. Daneben war das Bestehen einer Gesetzgebungskompetenz des Reiches zur Schaffung von Regelungen der Einrichtung der Behörden und des Verwaltungsverfahrens der Länder bei der Ausführung der Reichsgesetze weiterhin unumstritten. Diese Gesetzgebungskompetenz wurde teilweise in Anlehnung an Triepel ebenfalls auf eine „Reichszuständigkeit des Sachzusammenhangs“ bzw. kraft Annexes zu den (im Wesentlichen) in den Art. 6 bis 11 WRV dem Reich eingeräumten materiellen Gesetzgebungskompetenzen gestützt.53 Teilweise 50 Zur Abschwächung des föderalen Prinzips in der Weimarer Reichsverfassung siehe z. B. Anschütz, in: Anschütz/Thoma, § 26, S. 295 ff. Vgl. auch Oeter, S. 59 ff. m. w. N. 51 Vgl. dazu Poetzsch-Heffter, WRV, Art. 14 Anm. 1 ff.; Anschütz, WRV, Art. 14 Anm. 1 ff.; Lasser, in: Anschütz/Thoma, § 27, S. 311. Vgl. auch Popitz, S. 152, 161. 52 Vgl. Poetzsch-Heffter, WRV, Art. 14 Anm. 3 mit Beispielen. Siehe auch Mußgnug, in: Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. 4, S. 332 ff. Zudem diente Art. 14 WRV als Grundlage für die Schaffung von Formen der in der Weimarer Reichsverfassung an sich nicht vorgesehenen „Reichsauftragsverwaltung“. Vgl. dazu Anschütz, WRV, Art. 14 Anm. 4; Poetzsch-Heffter, WRV, Art. 14 Anm. 3. Vgl. dazu auch Oeter, S. 62. Die Staatspraxis folgte hier einer schon unter Geltung der Bismarckschen Verfassung eingeleiteten Entwicklung. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der „Auftragsverwaltung“ blieb in der Staatsrechtslehre umstritten. Vgl. dazu die Nachweise bei Oeter, S. 62 Fn. 54. 53 Vgl. z. B. Anschütz, WRV, Schlußbemerkung zu Art. 6–11: Die Gesetzgebungskompetenz des Reiches erstrecke sich auch auf diejenigen Sachgebiete, die mit den in den Art. 6 bis 11 WRV und anderen gesetzgebungskompetenzzuweisenden Bestimmungen der Verfassung genannten Sachgebieten „in einem vernünftigerweise nicht zu trennenden Sachzusammenhang stehen.“ Unter Bezugnahme auf Triepel spricht Anschütz der „Reichszuständigkeit des Sachzusammenhangs (Kompetenz kraft ‚Konnexität‘)“ schon Geltung unter dem alten Recht zu und bezeichnet sie als „heute in Wissenschaft und Praxis allgemein anerkannt“. Vgl. auch PoetzschHeffter, WRV, Vorbemerkung zu Art. 6–12 Anm. 8 m. w. N. Der Inhalt der „Hilfszuständigkeiten“, so die Bezeichnung von Anschütz, konnte auch nach der zeitge-

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wurde aber eine dahingehende Gesetzgebungskompetenz schon aus Art. 14 WRV hergeleitet.54 Die im Grundgesetz in Art. 84 Abs. 1 GG schließlich ausdrücklich erwähnten Ingerenzrechte des Gesamtstaates waren jedenfalls fest etabliert.

II. Das Grundgesetz von 1949 und die Entstehungsgeschichte des Art. 84 Abs. 1 GG Dass der nach dem Zusammenbruch des nationalsozialistischen Deutschlands zu schaffende westdeutsche Teilstaat föderalistisch verfasst, also wiederum ein Bundesstaat sein sollte, war zwar schon von den Alliierten vorgegeben.55 Keineswegs wurde den Deutschen damit aber der Föderalismus nössischen Staatsrechtslehre „ein materieller oder organisationsrechtlicher“ sein. Vgl. auch Lasser in: Anschütz/Thoma, § 27, S. 310 f. 54 Vgl. Lasser, in: Anschütz/Thoma, § 27, S. 310 f. Siehe auch Held, AöR 80 (1955/56), 50, 54; Neuser, S. 145. In der Praxis enthielt die Mehrzahl der von den Ländern auszuführenden Reichsgesetze Bestimmungen über die Landesverwaltung; mehr noch als das Verwaltungsverfahren regelten sie aber die Einrichtung der Behörden und griffen damit in den Verwaltungsaufbau der Länder ein. Vgl. dazu Lasser, in: Anschütz/Thoma, § 28, S. 313 f. mit Beispielen. Das Reich machte insb. von der Möglichkeit Gebrauch, den Aufbau der gesetzesausführenden Landesbehörden allgemein oder in vielen Einzelheiten zu regeln. Vgl. Poetzsch[-Heffter], JöR 13 (1925), 1, 35 f.; ders., JöR 17 (1929), 1, 14 f.; Popitz, S. 163 ff. Vgl. auch Oeter, S. 64 m. w. N. 55 Der Beschluss zur Schaffung eines die drei Westzonen umfassenden (west-) deutschen Staates fiel auf der Londoner Sechs-Mächte-Konferenz in der ersten Hälfte des Jahres 1948. Vgl. dazu Wagner, Einleitung, in: Akten und Protokolle, Bd. 1, S. XIV f. Vgl. zu den föderalistischen Neuordnungsplänen der Besatzungsmächte Wagner, Einleitung, in: Akten und Protokolle, Bd. 1 S. XVI; Oeter, S. 96 ff. Zwar unterschieden sich die Neuordnungspläne der USA, Großbritanniens und Frankreichs teilweise und auch in ihrer Zielrichtung erheblich voneinander, einig war man sich aber darin, dass nur ein föderalistisches/dezentralisiertes Deutschland, in dem man die Gefahr faschistischer und totalitärer Tendenzen gebannt sah, Teil der neuen europäischen Friedensordnung sein könne. In den als Ergebnis der Londoner Konferenz formulierten Empfehlungen an die Militärgouverneure waren – neben den Modalitäten der Wahl einer verfassungsgebenden Versammlung und dem Verfahren der Ablösung der unbeschränkten Besatzungsgewalt durch ein Besatzungsstatut – die Mindesterfordernisse für die „decentralised federal organisation“ des zu bildenden Staates festgelegt. Hierzu gehörte unter anderem die Schaffung eines Zweikammersystems mit ausreichenden Befugnissen für die an der Gesetzgebung zu beteiligende „Länderkammer“. Die weiteren Vorgaben lauteten: keine zentralstaatlichen Kompetenzen im Erziehungswesen, dem kulturellen und kirchlichen Bereich, der Selbstverwaltung und dem öffentlichen Gesundheitswesen; beschränkte Zuständigkeit der Zentralorgane im öffentlichen Wohlfahrtswesen und für die Polizei; Recht des „Oberstaates“ zur Steuererhebung lediglich für Zwecke, für die er ausdrücklich zuständig ist. Über diese Vorgaben der Londoner Sechs-Mächte-Konferenz wurden die Ministerpräsidenten der Länder, denen man die Gestaltung des

A. Art. 84 Abs. 1 GG im System funktionaler Kompetenzverteilung

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oktroyiert. Nach den Erfahrungen mit dem nationalsozialistischen Einheitsstaat lag die Rückkehr zum Bundesstaatsprinzip als dem traditionellen Organisations- und Strukturprinzip deutscher Verfassungen ohnehin mehr als nahe56; die gegenüber den Forderungen der Alliierten nach einem föderalen Staatsaufbau auf deutscher Seite geäußerte Kritik kann darüber nicht hinwegtäuschen.57 Die Wiederbelebung der bundesstaatlichen Tradition war unter den politischen Akteuren weitgehend unumstritten. Diese Tradition und ihre spezifischen Ausformungen wirkten bei der Schaffung des Grundgesetzes vielfach fort. Für die bundesstaatliche Verfassung des Grundgesetzes wurde das überlieferte System der funktionalen Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern nicht in Frage gestellt. Vielmehr wurde dieses wiederum wie selbstverständlich als elementares Konstruktionsprinzip der Zuständigkeitsverteilung herangezogen; ein Bruch mit der bundesstaatlichen Überlieferung in dieser wohl als technisch empfundenen Frage stand zu keinem Zeitpunkt zur Diskussion.58 weiteren Vorgehens in die Hände gelegt hatte, und die Öffentlichkeit von den Militärgouverneuren nicht im Detail informiert. Man wollte den Eindruck vermeiden, Deutschland würde von Seiten der Alliierten eine Verfassungsstruktur aufgezwungen. Die im sog. letter of advice festgelegten Vorgaben bildeten aber die Grundlage für die sog. Frankfurter Dokumente, die den Ministerpräsidenten am 1.7.1948 von den drei alliierten Militärgouverneuren übergeben wurden. Im Dokument Nr. 1 wurden die Ministerpräsidenten der Länder von den Militärgouverneuren der drei westlichen Besatzungszonen autorisiert, eine verfassungsgebende Versammlung einzuberufen. Diese wurde damit beauftragt, „eine demokratische Verfassung aus(zu)arbeiten, die für die beteiligten Länder eine Regierungsform des föderalistischen Typs schafft, die am besten geeignet ist, die gegenwärtige zerrissene deutsche Einheit schließlich wieder herzustellen, und die Rechte der beteiligten Länder schützt, eine angemessene Zentralinstanz schafft und die Garantien der individuellen Rechte und Freiheiten enthält.“ Damit war das Dokument Nr. 1 in seinen Vorgaben bezüglich der föderativen Struktur des zu schaffenden Staates offener als die Beschlüsse der Londoner Konferenz. Der letter of advice wird zitiert nach Wagner, Einleitung, in: Akten und Protokolle, Bd. 1, S. XVIII. Siehe dort, S. XXV ff., zu den Frankfurter Dokumenten. Dokument Nr. 1 ist abgedruckt in: Akten und Protokolle, Bd. 1, S. 30. 56 Vgl. Ossenbühl, DVBl. 1989, 1230, 1230; Morsey, DÖV 1989, 471, 472 f. 57 Vgl. Kisker, in: Föderalismus, S. 23, 24. Eine zentralstaatliche Tradition, an die man hätte anknüpfen können, gab es – mit Ausnahme der Zeit zwischen 1933 und 1945 – in Deutschland nicht. Vgl. zur „uralten Tradition“ des Föderalismus in Deutschland Kimminich, in: Föderalismus, S. 1, 15. 58 Vgl. Werner, Einleitung, in: Akten und Protokolle, Bd. 3, S. XXXIII f.; Füsslein, JöR NF 1 (1951), 621 ff. Vgl. auch Oeter, S. 121 f.; Neunreither, S. 15. Vgl. schon die Ausführungen des Berichterstatters des Verfassungskonvents Schwalber in der dritten Sitzung des Plenums am 9.9.1948, der den Grundsatz, dass die Ausführung der Bundesgesetze Sache der Länder ist, und zwar im Regelfall durch landeseigene Behörden, als „heute nahezu unbestritten“ bezeichnete. Vgl. das Protokoll der Sitzung, Dokument Nr. 3, in: Akten und Protokolle, Bd. 9, S. 98.

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1. Der Herrenchiemseer Verfassungsentwurf Schon der Herrenchiemseer Verfassungsentwurf59 enthielt in Art. 42 Abs. 1 Satz 1 den später in Art. 83 GG aufgegangenen60 Grundsatz der ländereigenen Ausführung der Bundesgesetze. In deutlicher Abkehr von Art. 14 WRV stand dieser jedoch nicht mehr unter dem Vorbehalt anderer einfachgesetzlicher, sondern jetzt grundgesetzlicher Regelung. Die mit Art. 14 WRV ermöglichte Aufweichung des Grundsatzes der Ausführung der Reichsgesetze durch die Länder als eigene Angelegenheit über die Ausdehnung der bundeseigenen Verwaltung, aber auch über die Schaffung von in der Weimarer Reichsverfassung ausdrücklich noch nicht vorgesehenen, aber in der Staatspraxis entwickelten Formen der Auftragsverwaltung, sollte unterbunden werden.61

59 Der Herrenchiemseer Verfassungsentwurf wird zitiert nach dem Bericht über den Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee, Entwurf eines Grundgesetzes, S. 61 ff. Der Verfassungsentwurf des Konvents, eines von den Landesregierungen beschickten Gremiums von Sachverständigen aus Politik und Bürokratie, legte – dies war nicht überraschend – einen betont föderalistischen Entwurf einer Bundesverfassung vor. Vgl. Bucher, Einleitung, in: Akten und Protokolle, Bd. 2, S. XXXI und Wagner, Einleitung, in: Akten und Protokolle, Bd. 1, S. LVI. Der Entwurf bewahrte die Kontinuität deutschen verfassungsrechtlichen Denkens. Vgl. Werner, Einleitung, in: Akten und Protokolle, Bd. 3, S. XVII. Der Entwurf enthielt, gerade auch in Fragen der bundesstaatlichen Ordnung, keine revolutionären, von den deutschen staatsrechtlichen Traditionen abweichenden Vorschläge. Die Konventsmitglieder wollten die Fehler in der Konstruktion der Weimarer Reichsverfassung, die nach zumindest im Grundsatz übereinstimmender, wenn auch im Detail divergierender Ansicht der Delegierten zur Errichtung der nationalsozialistischen Diktatur geführt hatten, vermeiden. Die Weimarer Reichsverfassung wurde aber mitnichten als Ganzes abgelehnt. Vgl. Bucher, Einleitung, in: Akten und Protokolle, Bd. 2, S. CXIII m. w. N. Zum Einfluss des Entwurfs auf die Verhandlungen im Parlamentarischen Rat siehe nur Wagner, Einleitung, in: Akten und Protokolle, Bd. 1, S. LVI. 60 Art. 42 Abs. 1 Satz 1 HChE befand sich im Abschnitt III „Bund und Länder“, anders als der daraus hervorgegangene Art. 83 GG zunächst also nicht im Abschnitt X „Die Ausführung der Bundesgesetze und die Bundesverwaltung“. Weitere für die landeseigene Verwaltung maßgebliche Grundsätze waren sowohl in den folgenden Absätzen des Art. 42 HChE als auch in Art. 114 HChE enthalten. Art. 42 Abs. 1 Satz 1 HChE hatte folgenden Wortlaut: „Soweit nicht dieses Grundgesetz etwas anderes bestimmt oder zuläßt, ist die Ausführung der Bundesgesetze eigene Angelegenheit der Länder.“ Vgl. zu den vorgenommenen Änderungen im Verlauf der Verhandlungen des Parlamentarischen Rates im Überblick Füsslein, JöR NF 1 (1951), 624 ff. 61 Vgl. den Bericht über den Verfassungskonvent, Darstellender Teil, S. 30, 49 ff. Vgl. auch den Bericht des Unterausschusses III des Verfassungskonvents, Dokument Nr. 10, in: Akten und Protokolle, Bd. 2, S. 306. Vgl. die Äußerung Spittas in der Plenarsitzung v. 23.8.1948, Dokument Nr. 13, in: Akten und Protokolle, Bd. 2, S. 482. Siehe auch oben in diesem Abschnitt Fn. 52.

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Art. 84 Abs. 162 GG geht zurück auf Art. 42 Abs. 1 Satz 2 HChE, der – die dahingehend unter der WRV anerkannte Regelungsbefugnis des Bundes vor Augen – bestimmte, dass im Bereich der Ausführung der Bundesgesetze als eigene Angelegenheit durch die Länder diese „selbst die Organisation der Behörden und das allgemeine Verwaltungsverfahren und Verwaltungsgerichtsverfahren“63 regeln.64 In dieser Bestimmung zeigt sich deutlich der – erwartungsgemäß – länderfreundliche Zuschnitt des Herrenchiemseer Entwurfs. Die bisher anerkannten Ingerenzrechte des Bundes in Form bundesgesetzlicher Regelung von Vollzugsvorschriften, von denen in der Weimarer Zeit insbesondere in der Variante der Einrichtungsregelungen vielfach Gebrauch gemacht worden war65, sollten – bezüglich des Verwaltungs- und Verwaltungsgerichtsverfahrens dem Wortlaut nach nur hinsichtlich allgemeiner Verfahrensvorschriften – ausgeschlossen werden. Besondere Verfahrensvorschriften sollte der Bund offenbar weiterhin auf der Grundlage der Annextheorie formell gesetzlich erlassen können, und dies (in der abgeschwächten Bundesratslösung, die der „Zweiten Kammer“ im Regelfall nur ein Einspruchsrecht einräumte) ohne Zustimmung des Bundesrates.66 Diese Differenzierung wurde im Parlamentarischen Rat mit der Schaffung des Art. 84 Abs. 1 GG jedoch nicht beibehalten. 62 Die übrigen Absätze des Art. 84 GG gehen auf Art. 114 HChE zurück. Stark umkämpft waren im Ausschuss für Zuständigkeitsabgrenzung Art und Ausmaß der Bundesaufsicht, insb. der Umfang der Mitwirkung der „Zweiten Kammer“ bei der Ausübung der Aufsichtsfunktionen durch die Bundesregierung. Weder die Vertreter einer extrem föderalistischen Position, die bei allen Aufsichtsmaßnahmen eine Zweidrittelmehrheit des Bundesrates vorsehen wollten, noch die Vertreter einer eher unitarischen Position, die eine Mitwirkung des Bundesrates bei der Ausübung der Bundesaufsicht ausschließen wollten, konnten sich in dieser Frage durchsetzen – mit dem Ergebnis, dass die endgültige Fassung des Art. 84 GG schließlich für wesentliche Aufsichtsmaßnahmen der Bundesregierung die einfache Zustimmung des Bundesrates vorsah. Vgl. ausführlich Füsslein, JöR NF 1 (1951), 622 ff. 63 Hervorhebungen nicht im Original. 64 Der Herrenchiemseer Verfassungsentwurf schloss damit eine bundesgesetzliche Regelung dahingehend aus. Vgl. auch Art. 20 Abs. 1 im Bericht des Unterausschusses II des Verfassungskonvents, Dokument Nr. 9, in: Akten und Protokolle, Bd. 2, S. 259: „Das Bundesrecht wird durch die Länder mit ihren Verwaltungseinrichtungen und nach ihrem Verwaltungsverfahren und Verwaltungsgerichtsverfahren vollzogen, soweit das Grundgesetz nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt.“ Die ausdrückliche Beschränkung auf das „allgemeine Verwaltungsverfahren“ enthält der Entwurf des bayerischen Vertreters Kollmann im Unterausschuss II, Dokument Nr. 7, in: Akten und Protokolle, Bd. 2, S. 237: „Das Bundesrecht wird durch die Länder mit ihren Verwaltungseinrichtungen und nach ihrem allgemeinen Verwaltungsverfahren vollzogen, soweit dieses Grundgesetz nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt.“ 65 Siehe oben in diesem Abschnitt Fn. 54. 66 Siehe dazu noch unten in diesem Abschnitt C. I. 2. b).

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3. Abschn.: Die Stellung des Art. 84 Abs. 1 GG

2. Die Verhandlungen im Parlamentarischen Rat Im Ausschuss für Zuständigkeitsabgrenzung des Parlamentarischen Rates67 wurde die in Art. 42 Abs. 1 Satz 2 HChE ausdrücklich normierte Regelungsbefugnis der Länder für die Organisation – den Begriff ersetzte man lediglich durch den der Einrichtung68 – und das allgemeine Verwaltungsund Verwaltungsgerichtsverfahren unter den Vorbehalt anderweitiger bundesgesetzlicher Regelung gestellt.69 Man wollte dem Bund diese Möglichkeit der Einwirkung auf die Ausführung der Bundesgesetze durch die Länder, die man im Interesse eines geregelten Vollzugs für notwendig und in Anlehnung an bestehende Regelungsmöglichkeiten in der Weimarer Zeit für sinnvoll hielt, nicht nehmen.70 In den Beratungen des Hauptausschusses wurde die Bestimmung später dahingehend geändert, dass das Wort „allgemein“ vor Verwaltungsverfahren und Verwaltungsgerichtsverfahren fallen gelassen wurde71 – dies al67

Gegenstand der Beratungen im Ausschuss für Zuständigkeitsabgrenzung, der am 15.9.1948 zum ersten Mal zusammentrat, war zum einen die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern bei der Gesetzgebung, zum anderen der Themenkomplex Ausführung der Bundesgesetze und Bundesverwaltung. Zudem leistete der Ausschuss Vorarbeiten zum Abschnitt II des Grundgesetzes „Der Bund und die Länder“ (Art. 29, 31–37 HChE – Art. 28, 31–37 GG). Der Ausschuss orientierte sich bei seinen Beratungen eindeutig und eng am Herrenchiemseer Verfassungsentwurf. Die einzelnen Artikel des Entwurfs bildeten jeweils die Grundlage der Diskussion. Fast alle Ausschussmitglieder konnten auf politische oder administrative Erfahrungen aus der Zeit der Weimarer Republik zurückgreifen. Mitglied im Verfassungskonvent von Herrenchiemsee war jedoch keiner von ihnen gewesen. Vgl. Wagner, Einleitung, in: Akten und Protokolle, Bd. 3, S. IX f., XIV ff., XVII f., XIX. Siehe auch Oeter, S. 122. 68 Der Begriff „Organisation“ wurde im Ausschuss für Zuständigkeitsabgrenzung, ohne dass ein Bedeutungsunterschied intendiert war, durch den der „Einrichtung“ ersetzt. Vgl. das Protokoll der 20. Sitzung des Ausschusses für Zuständigkeitsabgrenzung, 2.12.1948, Dokument Nr. 26, in: Akten und Protokolle, Bd. 3, S. 722. 69 Vgl. das Protokoll der 20. Sitzung des Ausschusses für Zuständigkeitsabgrenzung, 2.12.1948, Dokument Nr. 26, in: Akten und Protokolle, Bd. 3, S. 717 ff. Art. 42 Abs. 1 Satz 2 HChE bekam als Art. 111a Satz 2, der dem Hauptausschuss für die erste Lesung des X. Abschnittes als Art. 112-1 vorgelegt wurde, folgende Fassung: „Sie regeln, soweit Bundesgesetze nichts anderes bestimmen, die Einrichtung der Behörden, das allgemeine Verwaltungsverfahren und das Verwaltungsgerichtsverfahren.“ Siehe das Dokument Nr. 27 (Die Ausführung der Bundesgesetze und die Bundesverwaltung. Neufassung des Abschnittes X (Art. 112–114 ChE), in: Akten und Protokolle, Bd. 3, S. 751. 70 Vgl. die Äußerungen von Strauß, Reif, Hoch und Laforet in der entscheidenden 20. Sitzung des Ausschusses für Zuständigkeitsabgrenzung, 2.12.1948, Dokument Nr. 26, in: Akten und Protokolle, Bd. 3, S. 718 ff. 71 Vgl. das Protokoll der 16. Sitzung des Hauptausschusses, 13.12.1948, VerhdlgHA, S. 190. Siehe dazu die Stellungnahme des Allgemeinen Redaktionsaus-

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lerdings, ohne dass damit eine inhaltliche Änderung beabsichtigt war.72 Schließlich wurde das „verwaltungsgerichtliche Verfahren“ aus der Bestimmung gestrichen.73 Zwischenzeitlich hatte der Hauptausschuss auch eine Fassung74 des den Katalog „systemverschiebender“ und damit zustimmungsbedürftiger Gesetze enthaltenden Art. 105 Abs. 1 (HChE) gebilligt, in dessen Nr. 5a zum ersten schusses zu den Formulierungen der Fachausschüsse, Drucksache Nr. 332, Dokument Nr. 2 h), in: Akten und Protokolle, Bd. 7, S. 71, und die vom Hauptausschuss in erster Lesung angenommene Fassung, Stand 10.12.1948, Dokument Nr. 3, in: Akten und Protokolle, Bd. 7, S. 117. Siehe zum weiteren Verlauf der Beratungen auch das Protokoll der 35. Sitzung des Hauptausschusses, 12.1.1949, VerhdlgHA, S. 431, und das Protokoll der 50. Sitzung des Hauptausschusses, 10.2.1949, VerhdlgHA, S. 661, und hierzu den Vorschlag des Fünfer-Ausschusses für die dritte Lesung des Grundgesetzes im Hauptausschuss, Stand 5.2.1949, Dokument Nr. 7, in: Akten und Protokolle, Bd. 7, S. 373. 72 Vgl. das Protokoll der 16. Sitzung des Hauptausschusses, 13.12.1948, VerhdlgHA, S. 190. Sowohl Hoch als auch der Vorsitzende des Hauptausschusses, Schmid, gingen offensichtlich davon aus, dass die entsprechende Fassung des Allgemeinen Redaktionsausschusses keine inhaltliche Änderung im Vergleich zur Fassung des Ausschusses für Zuständigkeitsabgrenzung bedeutete, und sprachen sich, da sie die Fassung des Allgemeinen Redaktionsausschusses für „zweckmäßiger“ (Hoch) bzw. „klarer“ und „einfacher“ (Schmid) hielten, für dessen Annahme aus. Laforet und Seebohm äußerten allerdings allgemeine Bedenken angesichts des Umstandes, dass eine genaue Prüfung durch den Fachausschuss noch nicht hatte erfolgen können und der Allgemeine Redaktionsausschuss „wiederholt schon sachlich eingegriffen“ habe. 73 Siehe die Anmerkung zu der in zweiter Lesung vom Hauptausschuss beschlossenen Fassung v. 20.1.1949, Dokument Nr. 5, in: Akten und Protokolle, Bd. 7, S. 260, Anmerkung zu Art. 112/1: „Gem. Art. 36 Ziff. 1 hat der Bund das Recht der Vorranggesetzgebung zur Regelung des gesamten gerichtlichen Verfahrens, also auch des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens. Die Länder können in diesem Rahmen Gesetze erlassen, solange der Bund von seinem Recht keinen Gebrauch macht. Infolgedessen würde die Erwähnung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens in Art. 112/1 nur zu Unklarheiten führen.“ Art. 112/1 in der Fassung der Stellungnahme des Allgemeinen Redaktionsausschusses v. 25.1.1949 enthielt das verwaltungsgerichtliche Verfahren bereits nicht mehr. Siehe dann die Vorschläge des Allgemeinen Redaktionsausschusses zur Fassung der dritten Lesung des Hauptausschusses unter Einarbeitung der aufrechterhaltenen Beschlüsse des Fünfer-Ausschusses, des Siebener-Ausschusses und der Beschlüsse der interfraktionellen Besprechungen, Stand 2.–5.5.1949, Dokument Nr. 12, in: Akten und Protokolle, Bd. 7, S. 518, dazu das Protokoll der 57. Sitzung des Hauptausschusses, 5.5.1949, VerhdlgHA, S. 755 f. 74 Diese lag dem Vorschlag des Fünfer-Ausschusses für die dritte Lesung des Grundgesetzes im Hauptausschuss zugrunde, Stand 5.2.1949, Dokument Nr. 7, in: Akten und Protokolle, Bd. 7, S. 370. Vgl. dazu die Aktennotiz zur Sitzung des Fünfer-Ausschusses am 2.2.1949, Dokument Nr. 23, in: Akten und Protokolle, Bd. 11, S. 91: „In den gestrigen Besprechungen des Fünfer-Ausschusses wurden folgende Punkte neu geklärt: 1) In Art. 112/1 wird eingefügt: ‚Diese Bundesgesetze bedürfen der Zustimmung des Bundesrats.‘“

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Mal auch Bundesgesetze der Zustimmung des Bundesrates unterworfen wurden, durch die Bestimmungen über die Einrichtung der Behörden, das Verwaltungsverfahren und das verwaltungsgerichtliche Verfahren in den Ländern erlassen werden.75 Der Zustimmungsvorbehalt zugunsten des Bundesrates wurde erst in vierter Lesung im Zuge der Auflösung des den Katalog zustimmungsbedürftiger Gesetze enthaltenden Art. 10576 in Art. 112/2 Abs. 1, dann Art. 84 Abs. 1 GG integriert.77 Art. 84 Abs. 1 GG lautete demnach schließlich: „Führen die Länder die Bundesgesetze als eigene Angelegenheit aus, so regeln sie die Einrichtung der Behörden und das Verwaltungsverfahren, soweit nicht Bundesgesetze mit Zustimmung des Bundesrates etwas anderes bestimmen.“ 3. Anmerkungen zur Entstehungsgeschichte Zu dem Zeitpunkt, als der Ausschuss für Zuständigkeitsabgrenzung als federführender Fachausschuss über Art. 42 Abs. 1 Satz 2 HChE beriet und in diesen den Vorbehalt bundesgesetzlicher Regelung der Einrichtung der Behörden und des Verfahrens der Länder einfügte, war die Entscheidung 75 Siehe das Protokoll der 50. Sitzung des Hauptausschusses, 10.2.1949, VerhdlgHA, S. 655. Vgl. auch das Dokument Nr. 8, vom Hauptausschuss in dritter Lesung angenommene Fassung, Stand 10.2.1949, in: Akten und Protokolle, Bd. 7, S. 426. Siehe auch das Protokoll der Sitzung der CDU/CSU-Fraktion v. 9.2.1949, Dokument Nr. 104, in: Salzmann, S. 396 f.; das Protokoll der Sitzung der CDU/ CSU-Fraktion v. 2.2.1949, Dokument Nr. 97, in: Salzmann, S. 374. Vgl. auch das Protokoll der Sitzung v. 26.1.1949, Dokument Nr. 94, in: Salzmann, S. 363. 76 Siehe hierzu den Vorschlag des Allgemeinen Redaktionsausschusses zur Fassung der dritten Lesung des Hauptausschusses unter Einarbeitung der aufrechterhaltenen Beschlüsse des Fünfer-Ausschusses, des Siebener-Ausschusses und der Beschlüsse der interfraktionellen Besprechungen, Stand 2.–5.5.1949, Dokument Nr. 12, in: Akten und Protokolle, Bd. 7, S. 516. Der Vorschlag dürfte zurückgehen auf Ergebnisse des interfraktionellen Unterausschusses „Bundesrat“ v. 23.4.1949, Dokument Nr. 40, in: Akten und Protokolle, Bd. 11, S. 166: „Es besteht Einverständnis darüber, daß die Zustimmung des Bundesrates erforderlich ist für Bundesgesetze, [. . .] durch die Bestimmungen über die Einrichtung der Behörden und das Verwaltungsverfahren in den Ländern erlassen werden, [. . .]. Diese Fälle werden gesetzestechnisch in die einschlägigen Artikel eingebaut werden.“ Vgl. auch das Ergebnis der interfraktionellen Besprechung v. 23.4.1949, Dokument Nr. 37, in: Akten und Protokolle, Bd. 11, S. 151. 77 Siehe das Protokoll der 57. Sitzung des Hauptausschusses, 5.5.1949, VerhdlgHA, S. 755 f. und hierzu den Antrag der CDU/CSU-Fraktion, Drucksache 804 v. 4.5.1949, Nachweis bei von Doemming, JöR NF 1 (1951), 635 Fn. 72. Vgl. auch das Protokoll der Sitzung der CDU/CSU-Fraktion v. 3.5.1949, Dokument Nr. 153, in: Salzmann, S. 536. Zu den Gründen für die Auflösung des Katalogs und die Einfügung der Zustimmungsvorbehalte in die einschlägigen Bestimmungen siehe von Doemming, in: JöR NF 1 (1951), 619. Vgl. auch Ossenbühl, AöR 99 (1974), 369, 384; Schulz, S. 16.

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für die abgeschwächte Bundesratslösung zwar unmittelbar zuvor bereits gefallen. Die Diskussion um die Ausgestaltung des Katalogs zustimmungsbedürftiger Bundesgesetze setzte zu diesem Zeitpunkt aber gerade erst ein. Als später beschlossen wurde, ein Zustimmungserfordernis für Regelungen nach Art. 42 Abs. 1 Satz 2 HChE/Art. 84 Abs. 1 GG zu normieren, hatte der Ausschuss für Zuständigkeitsabgrenzung seine Arbeit lange beendet.78 Im Zusammenhang mit dem Zustimmungsrecht des Bundesrates wurde die Regelung im Fachausschuss daher nie diskutiert. Zwar war das Zustimmungsrecht des Bundesrates bei der Ausübung der dahingehenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes zwischen den beteiligten Akteuren bei den interfraktionellen Beratungen offenbar weitgehend unumstritten – und aus dem Zusammenhang zwischen der Zusammensetzung der „Zweiten Kammer“ und dem Umfang ihrer Vetopositionen in einer abgeschwächten Bundesratslösung auch konsequent hergeleitet. Die weitgehende Entkoppelung der Entscheidung für eine (ausdrückliche) Einräumung oder Bestätigung einer Gesetzgebungskompetenz des Bundes für Vollzugsregelungen von der Entscheidung für ein darauf bezogenes Zustimmungsrecht des Bundesrates führte aber offenbar dazu, dass der Parlamentarische Rat die „verborgene Dialektik“79 des Art. 84 Abs. 1 GG, die diesen zum „verfassungsrechtlichen Angelpunkt“80 für den Einfluss der Landesregierungen auf die Bundesgesetzgebung werden ließ, nicht erkannte. 78

Die 21. und letzte Sitzung des Ausschusses für Zuständigkeitsabgrenzung fand am 7.12.1948 und damit zu einem Zeitpunkt statt, als die erste von insgesamt vier Lesungen des Grundgesetzentwurfs im Hauptausschuss noch nicht abgeschlossen war. Zwei der wichtigsten Ausschussmitglieder, der CSU-Abgeordnete Laforet und der SPD-Abgeordnete Hoch, arbeiteten aber offensichtlich zwischen Mitte Dezember 1948 und Anfang Januar 1949 weiterhin zusammen. Diese Zusammenarbeit fand ihren Niederschlag in der gemeinsamen Stellung von Anträgen im Hauptausschuss. Die Arbeit im Hauptausschuss, in dem eigentlich über die von den jeweiligen Fachausschüssen erarbeiteten Vorschläge nur noch eine politische Entscheidung als Vorentscheidung für das Plenum getroffen werden sollte, verkomplizierte sich im Verlauf der Beratungen. Über die politisch umstrittenen Fragen, insb. der Ausgestaltung der „Zweiten Kammer“ und der Finanzverfassung, konnte zwischen den Parteien keine Einigung erzielt werden. Interfraktionelle Gespräche brachten zunächst keinen Erfolg. Aus diesem Grund wurde Ende Januar 1949 ein interfraktioneller Fünfer-Ausschuss eingerichtet, der im März 1949 zu einem Siebener-Ausschuss erweitert wurde. Die Vorschläge der Fachausschüsse waren im Verlauf der Beratungen damit Änderungen unterworfen. Nicht zu unterschätzen ist dabei auch die Arbeit des zur Koordinierung der Entwürfe der Fachausschüsse eingerichteten Allgemeinen Redaktionsausschusses, dem eigentlich nur formale Redaktionsaufgaben zugewiesen waren, der aber oft – ob beabsichtigt oder nicht, sei dahingestellt – auch inhaltliche Eingriffe vornahm. Vgl. hierzu Wagner, Einleitung, in: Akten und Protokolle, Bd. 3, S. XXV. 79 Antoni, AöR 113 (1988), 329, 350. 80 Hesse, Der unitarische Bundesstaat, S. 22.

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Diese Tatsache dürfte wesentlich mit weiteren Umständen zusammenhängen: Man ist im Verlauf der Beratungen im Parlamentarischen Rat – offenbar anders als beim Herrenchiemseer Verfassungskonvent – zu einer systematisch exakten Erfassung des Verhältnisses der Sachgesetzgebungskompetenzen des Bundes zu der im Zusammenhang mit den Verwaltungskompetenzen stehenden Befugnis zur gesetzlichen Regelung der Einrichtung der Behörden und des Verwaltungsverfahrens nicht vorgedrungen.81 Dass sich der Ausschuss für Zuständigkeitsabgrenzung nicht schlicht mit der Aufhebung der Regelung des Art. 42 Abs. 1 Satz 2 HChE begnügte, nachdem die Entscheidung für die Beibehaltung der Gesetzgebungskompetenz des Bundes für Organisations- und Verfahrensregelungen gefallen war, zeigt dies deutlich. Der Herrenchiemseer Entwurf wollte offenbar die auf der Grundlage einer Annexkompetenz weiterhin unterstellte Gesetzgebungskompetenz des Bundes für Vollzugsregelungen zum Zweck der weitgehenden Wahrung der Eigenständigkeit der Länder bei der Ausführung der Bundesgesetze im Vergleich zur Verfassungsrechtslage der Weimarer Zeit lediglich ausschließen. Dies legt der folgende, oben bereits angedeutete Zusammenhang nahe: Angesichts des in Art. 30 HChE für die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern normierten Grundsatzes der Vermutung der Zuständigkeit der Länder macht die Regelung des Art. 42 Abs. 1 Satz 2 HChE nur vor dem Hintergrund der Annextheorie Sinn. Art. 30 HChE bestimmte: „Soweit nicht dieses Grundgesetz die Zuweisung an den Bund anordnet oder zuläßt, sind die staatlichen Befugnisse und Aufgaben Sache der Länder und der in ihnen bestehenden Selbstverwaltungen. Dies gilt insbesondere für die Gesetzgebung, die Verwaltung, (. . .).“ Vor dem Hintergrund dieser Zuständigkeitsvermutung wäre es überflüssig gewesen, eine Kompetenz des Landesgesetzgebers zur Regelung der Organisation und des „allgemeinen“ Verfahrens bei der Ausführung der Bundesgesetze ausdrücklich zu normieren. Nur für den Fall, dass man eine ungeschriebene, vom Grundgesetz also i. S. d. Art. 30 HChE „zugelassene“ Kompetenz des Bundes zur Schaffung gesetzlicher Vollzugsregelungen im Sachzusammenhang mit den materiellen Gesetzgebungskompetenzen des Bundes mitdenkt, kommt Art. 42 Abs. 1 Satz 2 HChE eigenständige Bedeutung zu.82 Er bedeutet eine Klarstellung insoweit, dass trotz der weit reichenden Annexkompetenzen des Bundes im Zusammenhang mit der Regelung der ihm zugewiesenen materiellen Gegenstände der Gesetzgebung die Regelung der Einrichtung der Behörden, des „allgemeinen“ Verwaltungsverfahrens und des Verwaltungsgerichtsverfahrens Sache der Länder ist. Art. 42 Abs. 1 Satz 2 HChE enthält nach dieser Auslegung eine Kom81 Vgl. dazu Haas, AöR 80 (1955/56), 81, 86 f. Siehe auch Hermes, in: Dreier, Art. 84 Rn. 6. 82 Vgl. Heitsch, S. 183.

A. Art. 84 Abs. 1 GG im System funktionaler Kompetenzverteilung

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petenzzuweisung an die Länder als Einschränkung der dem Bund bisher umfassend zugestandenen Annexkompetenz zur Schaffung von gesetzlichen Vollzugsregelungen. Die systematische Stellung des Art. 42 HChE im Abschnitt „Bund und Länder“ und der Umstand, dass Art. 42 Abs. 1 Satz 2 HChE im Darstellenden Teil (auch) im Kontext der Gesetzgebungskompetenzen des Bundes erörtert wird83, legen einen solchen Zusammenhang ebenfalls nahe.84 Über diese Funktion des Art. 42 Abs. 1 Satz 2 HChE und seine verfassungsrechtlichen Grundlagen hat sich der Ausschuss für Zuständigkeitsabgrenzung aber keine Klarheit verschafft. Nur so lässt sich erklären, warum man sich dort zur Schaffung eines bundesgesetzlichen Regelungsvorbehalts veranlasst sah, obwohl eine Distanzierung von der traditionellen Konstruktion einer Annexkompetenz des Bundes für die Schaffung gesetzlicher Vollzugsregelungen, die einen Vorbehalt eigentlich entbehrlich machte, nicht ausdrücklich erfolgte. Infolge dieser „Unklarheiten“ dürfte auch die Unterscheidung zwischen allgemeinen und besonderen Verwaltungsverfahrensregelungen verloren gegangen sein. Bei der Schaffung letzterer hatte offenbar selbst der länderfreundliche Herrenchiemseer Entwurf in der Variante der abgeschwächten Bundesratslösung eine Bindung an ein Zustimmungsrecht des Bundesrates nicht vorsehen wollen. Die Regelung besonderer Verfahrensvorschriften war damit der Sachgesetzgebungskompetenz des Bundes eindeutig zugeordnet. Im Übrigen blieb die Schaffung gesetzlicher Vollzugsregelungen alleinige Angelegenheit der Länder. Von Art. 42 Abs. 1 Satz 2 HChE weicht der im Verlauf der Beratungen im Parlamentarischen Rat entstandene Art. 84 Abs. 1 GG damit insoweit entscheidend ab, als in dieser Vorschrift (zum ersten Mal) die Abgrenzung zwischen materiell-rechtlichen und organisations- und verfahrensrechtlichen Regelungen gerade durch die Normierung des Zustimmungserfordernisses relevant wird. Diese Abgrenzung zwischen den materiellen Gesetzgebungskompetenzen des Bundes und der Kompetenz zur Schaffung formell gesetzlicher Vollzugsregelungen bereitete im Anwendungsbereich des Art. 84 Abs. 1 GG auch von Beginn an erhebliche Schwierigkeiten und lieferte den Ansatzpunkt für die Etablierung der Einheitsthese. Dies wiederum, weil man sich im Parlamentarischen Rat mit dem Problem der Behandlung von Mischgesetzen nicht auseinander gesetzt hatte. Das Problem entstand mit der Schaffung einer abgeschwächten Bundesratslösung, die zwischen Einspruchs- und Zustimmungsrechten der „Zweiten Kammer“ differenzierte – und in der Verfassungstradition dahingehend ohne Vorbild war –, grund83 84

Vgl. den Bericht über den Verfassungskonvent, Darstellender Teil, S. 29. Vgl. auch Heitsch, S. 212 Fn. 139.

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3. Abschn.: Die Stellung des Art. 84 Abs. 1 GG

sätzlich zum ersten Mal. Das fehlende Problembewusstsein des historischen Verfassungsgebers aufgrund mangelnder Verfassungserfahrung ist daher erklärbar. Dass man im Verlauf der Beratungen im Parlamentarischen Rat auf das Problem auch tatsächlich nicht aufmerksam wurde, dürfte hauptsächlich dadurch bedingt gewesen sein, dass im so entscheidenden Anwendungsfall des Art. 84 Abs. 1 GG das Zustimmungserfordernis separat und nicht im Zusammenhang mit der Schaffung bzw. Bestätigung der Gesetzgebungskompetenz des Bundes für Einrichtungs- und Verfahrensvorschriften der Länder bei der Ausführung der Bundesgesetze verhandelt worden ist. Als Schlüsselnorm der funktionalen Kompetenzverteilung im deutschen Bundesstaat war Art. 84 Abs. 1 GG damit ein erhebliches Verflechtungspotential mitgegeben, das sich unter den Auswirkungen der Entwicklung zum unitarischen Bundesstaat und der Etablierung des bipolaren Parteienwettbewerbs in der Bundesrepublik und dem damit verbundenen Machtzuwachs des Bundesrates voll entfalten konnte.

B. Der Anwendungsbereich des Art. 84 Abs. 1 GG Systematisch eingeordnet wurde Art. 84 Abs. 1 GG im VIII. Abschnitt des Grundgesetzes.85 Sein Anwendungsbereich wird bestimmt durch die in Art. 83 ff. GG vorgenommene nähere – und im Vergleich zu den Vorgängerverfassungen differenziertere – Ausgestaltung der im zugrunde gelegten traditionellen System der funktionalen Kompetenzverteilung den Ländern zugewiesenen Aufgabe der Ausführung der Bundesgesetze. Im Rahmen dieses Anwendungsbereichs ist der Bund zur Schaffung zustimmungsbedürftiger Regelungen der Einrichtung der Behörden und des Verwaltungsverfahrens der Länder berechtigt.

I. Der Regelfall der Ausführung der Bundesgesetze als eigene Angelegenheit Art. 84 GG als Ganzes ist Ergänzung und Konkretisierung des Art. 83 GG, indem er den Regelfall des Verwaltungstyps der Ausführung der Bundesgesetze durch die Länder als eigene Angelegenheit näher erschließt. Art. 83 GG trifft zunächst nach herrschender Auffassung für die Ausführung der Bundesgesetze eine doppelte Regel-Ausnahme-Aussage. Diese statuiert sowohl die Regelzuständigkeit der Länder für die Ausführung der Bundesgesetze („die Länder führen die Bundesgesetze aus“) als auch die Landeseigenverwaltung als regelmäßigen Verwaltungstyp bei der Zuständig85 Art. 42 Abs. 1 Satz 2 HChE war systematisch noch im Abschnitt III „Bund und Länder“ eingeordnet. Siehe oben in diesem Abschnitt Fn. 60.

B. Der Anwendungsbereich des Art. 84 Abs. 1 GG

151

keit der Länder („als eigene Angelegenheit“).86 Beides steht jeweils unter dem in Satz 2 normierten Vorbehalt, dass das Grundgesetz nichts anderes bestimmt87 oder zulässt88.89 Zum einen kann die grundsätzliche Zuständigkeit der Länder für die Ausführung der Bundesgesetze obligatorisch oder fakultativ zugunsten des Bundes aufgegeben werden.90 Zum anderen kann anstelle des Regelfalls der Ausführung als eigene Angelegenheit (Art. 83, 84 GG) die Ausführung im Auftrag des Bundes (Art. 85 GG) vorgesehen werden.91 Fehlt eine abweichende Bestimmung, führen die Länder die Bundesgesetze unter Maßgabe der in Art. 84 GG hierfür vorgesehenen Regelungen als eigene Angelegenheit aus. Art. 83 GG statuiert dabei aber nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht der Länder, die Bundesgesetze auszuführen.92 Sie müssen ihre Verwaltung in personeller und sachlicher Hinsicht den Anforderungen anpassen, die sich im Hinblick auf eine sachgerechte Erledigung des bundesgesetzlich begründeten Aufgabenbestandes ergeben.93 Die anfallenden Aus86 Vgl. Dittmann, in: Sachs, Art. 83 Rn. 1; Trute, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 83 Rn. 12; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 83 Rn. 1; Hermes, in: Dreier, Art. 83 Rn. 19; Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 83 Rn. 52, 81. A. A. Heitsch, S. 177 ff., der Art. 83 GG keine solche doppelte Regelaussage zuschreiben will. Die Vorschrift sagt seiner Ansicht nach nichts über die Kompetenzen der Länder bei der Ausführung der Bundesgesetze aus, sondern erklärt lediglich den Verwaltungstyp des Art. 84 GG zum Regelfall, den des Art. 85 GG zur Ausnahme. Die Grundregel der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern ist nach der Auffassung von Heitsch auch im Zusammenhang mit der Ausführung der Bundesgesetze Art. 30 GG. 87 D. h. ausdrücklich oder konkludent anordnet (vgl. Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 83 Rn. 82). 88 D. h. ausdrücklich oder konkludent ermöglicht (vgl. Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 83 Rn. 82). 89 Vgl. grundsätzlich BVerfGE 63, 1, 36 ff., 39 ff. 90 Vgl. Art. 87 Abs. 1 Satz 1, 87 Abs. 2 Satz 1, 87b Abs. 1 Satz 1, 87d Abs. 1 Satz 1, 87e Abs. 1 Satz 1, 87f Abs. 2 Satz 2, Abs. 3, 88, 89 Abs. 2 Satz 1, 108 Abs. 1 Satz 1, 120a Abs. 1 GG (obligatorische Bundesverwaltung); Art. 87 Abs. 1 Satz 2, Art. 87 Abs. 3, Art. 87b Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Satz 1 GG (fakultative Bundesverwaltung). 91 Vgl. z. B. Art. 90 Abs. 2, 104a Abs. 3 Satz 2, 108 Abs. 3 Satz 1 GG (obligatorische Auftragsverwaltung); Art. 87b Abs. 2, 87c, 87d Abs. 2, 89 Abs. 2 Satz 3 und 4 GG (fakultative Auftragsverwaltung). In der ursprünglichen Fassung des Grundgesetzes war die Auftragsverwaltung nur vorgesehen in Art. 89 Abs. 2 Satz 3 und 4, 90 Abs. 2, 108 Abs. 1 Satz 4, Abs. 2, Abs. 4 a. F. GG. Durch Grundgesetzänderungen wurde die Anzahl der Fälle der Auftragsverwaltung erheblich erhöht. 92 Vgl. BVerfGE 37, 363, 385; 55, 274, 318; 75, 108, 150. Siehe Blümel, in: HdbStR IV, § 101 Rn. 1; Trute, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 83 Rn. 75; Hermes, in: Dreier, Art. 83 Rn. 34; Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 83 Rn. 54; Antoni, AöR 113 (1988), 329, 358. 93 Vgl. BVerfGE 55, 274, 318; 63, 1, 33, 41.

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3. Abschn.: Die Stellung des Art. 84 Abs. 1 GG

gaben tragen nach Art. 104a Abs. 1 GG grundsätzlich die Länder; sie haften dem Bund gegenüber für eine ordnungsgemäße Verwaltung (Art. 104a Abs. 5 Satz 1 GG). Hinsichtlich der Frage, ob ein Bundesgesetz von den Ländern als eigene Angelegenheit nach Art. 83, 84 GG ausgeführt wird und dahingehende Einrichtungs- und Verfahrensregelungen daher zustimmungsbedürftig nach Abs. 1 des Art. 84 GG sind, gab es in der Staatspraxis nur selten Streit. Bekanntestes Beispiel ist die Meinungsverschiedenheit zwischen Bundesrat und Bundesregierung über den Charakter des Bundeswahlgesetzes, der allerdings nie verfassungsgerichtlich ausgefochten wurde.94

II. Die Ausführung der Bundesgesetze Gegenstand der Ausführung durch die Länder sind nach Art. 83 ff. GG die „Bundesgesetze“. Darunter fallen alle bundesrechtlichen Rechtssätze geschriebener oder ungeschriebener Art, auch vorkonstitutionelles und nach Art. 125a GG fortgeltendes Bundesrecht.95 Formelle Bundesgesetze und Rechtsverordnungen des Bundes gehören unstreitig hierzu.96 Die betreffenden Normen müssen in verwaltungsmäßiger Weise ausführungsfähig und ausführungsbedürftig sein.97 Auch Rahmengesetze, soweit sie unmittelbar geltende und damit des Verwaltungsvollzugs fähige Vorschriften enthalten, fallen hierunter.98 Landesgesetze, die ein Bundesrahmengesetz ausfüllen, werden dagegen ausschließlich nach Art. 30 GG von den Ländern ausgeführt. Die Ingerenzrechte nach Art. 84 GG stehen dem Bund diesbezüglich nicht zu. 94 Vgl. hierzu nur Antoni, AöR 113 (1988), 329, 360 ff. m. w. N. zur Auffassung des Bundesrates und der Bundesregierung. Der Bundesrat ging stets davon aus, dass auch das Bundeswahlgesetz von den Ländern als eigene Angelegenheit ausgeführt werde. Die Bundesregierung vertrat demgegenüber die Ansicht, dass „aus der Natur der Sache“ der Bund für die Ausführung zuständig sei. Siehe auch Rössler, S. 69 ff.; Köttgen, JöR NF 3 (1954), 67, 92. 95 Vgl. Dittmann, in: Sachs, Art. 83 Rn. 19; Trute, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 83 Rn. 56. 96 Vgl. Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 83 Rn. 5; Broß, in: v. Münch/Kunig, Art. 83 Rn. 19; Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 83 Rn. 70 f. Ob das Grundgesetz selbst auch hierzu gerechnet werden kann, ist streitig. Vgl. hierzu insb. Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 83 Rn. 74 m. w. N., der dies selbst bejaht. Ebenso Dittmann, in: Sachs, Art. 83 Rn. 19. A. A. Heitsch, S. 157. 97 Vgl. Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 83 Rn. 56; Hermes, in: Dreier, Art. 83 Rn. 25; Heitsch, S. 156; Antoni, AöR 113 (1988), 329, 357. 98 Vgl. Blümel, in: HdbStR IV, § 101 Rn. 22; Broß, in: v. Münch/Kunig, Art. 83 Rn. 20; Heitsch, S. 157. Im Übrigen ist hier vieles streitig. Siehe dazu die Nachweise unten Vierter Abschnitt A. III. 8.

B. Der Anwendungsbereich des Art. 84 Abs. 1 GG

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Für die Ausführung unmittelbar geltender Normen des Europäischen Gemeinschaftsrechts finden, soweit keine eigene Vollzugszuständigkeit für Organe der Europäischen Gemeinschaften besteht (direkter Vollzug/gemeinschaftseigener Vollzug)99, nach wohl noch überwiegender und auch der Staatspraxis entsprechender Ansicht Art. 83 ff. GG entsprechende Anwendung.100 D. h., unmittelbar geltendes Gemeinschaftsrecht wird den „Bundesgesetzen“ generell gleichgestellt.101 Dies führt insoweit zu einer partiellen Kompetenzverlagerung von den Ländern auf den Bund, als diesem die Einwirkungsmöglichkeiten nach Art. 83 ff. GG auch bei der Ausführung von Gemeinschaftsrecht hinsichtlich solcher Materien zustehen, für deren gesetzliche Regelung und Vollzug nach der Kompetenzverteilung des Grundgesetzes ausschließlich die Länder nach Art. 30 GG zuständig wären.102 Aus diesem Grund will eine vordringende Auffassung im Schrifttum bei der Ausführung unmittelbar geltender Normen des Gemeinschaftsrechts differenzieren. Eine entsprechende Anwendung der Art. 83 ff. GG soll – unter Berücksichtigung der grundgesetzlichen Kompetenzverteilung – nur dann erfolgen, wenn die Regelung des Gemeinschaftsrechts, gedacht als innerstaatliches Recht, in die ausschließliche oder konkurrierende103 Gesetzgebungskompetenz des Bundes fallen würde. Im Übrigen soll es bei der Vollzugszuständigkeit der Länder nach Art. 30 GG bleiben.104 Weniger Schwierigkeiten bereitet der Fall des mittelbaren Vollzugs Europäischen Gemeinschaftsrechts. Hier bedarf das Europäische Gemeinschaftsrecht einer Umsetzung in nationales Recht. Ob hierfür dem Bund oder den Ländern die Gesetzgebungskompetenz zusteht, richtet sich nach Art. 70 ff. GG; die Ausführung des nationalen Umsetzungsrechts erfolgt nach den Art. 83 ff. GG direkt.105 99

Zur Terminologie vgl. Suerbaum, S. 116 ff.; König, DVBl. 1997, 581, 582 f.; Ehlers, in: Erichsen, AllgVerwR, § 3 Rn. 55. 100 Vgl. Dittmann, in: Sachs, Art. 83 Rn. 20; Blümel, in: HdbStR IV, § 101 Rn. 22; Broß, in: v. Münch/Kunig, Art. 83 Rn. 21; Streinz, in: HdbStR VII, § 182 Rn. 59. Siehe auch König, DVBl. 1997, 581, 585. 101 Vgl. Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 83 Rn. 51; Streinz, in: HdbStR VII, § 182 Rn. 59; Ehlers, in: Erichsen, AllgVerwR, § 3 Rn. 57; König, DVBl. 1997, 581, 585. Weitere Nachweise bei Suerbaum, S. 233 Fn. 92 und Heitsch, S. 174 Fn. 104. Zu der tatsächlichen Frage, ob sich die Gewichte bei der Ausführung von Gemeinschaftsrecht zugunsten des Bundes oder der Länder verschoben haben, siehe diff. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 237 f. 102 Vgl. Suerbaum, S. 236; Hermes, in: Dreier, Art. 83 Rn. 9; Heitsch, S. 175. 103 Vgl. hierzu Suerbaum, S. 236 ff., 242; Trute, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 83 Rn. 66; Dreier, in: Hermes, Art. 83 Rn. 10. Die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG sollen vorliegen müssen. 104 Vgl. Trute, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 83 Rn. 66; Hermes, in: Dreier, Art. 83 Rn. 10; Suerbaum, S. 236 ff.; Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 237; Heitsch, S. 175 jeweils m. w. N.

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3. Abschn.: Die Stellung des Art. 84 Abs. 1 GG

Für den Vollzug von Gemeinschaftsrecht gilt grundsätzlich das nationale Verwaltungsverfahrensrecht. Soweit dem Bund beim unmittelbaren oder mittelbaren Vollzug die Ingerenzrechte nach Art. 84 GG zustehen, kann er Einrichtungs- und Verwaltungsverfahrensregelungen nach Art. 84 Abs. 1 GG treffen. Bestehende gemeinschaftsrechtliche Verfahrensregelungen, ob ausdrücklich kodifiziert oder von der Rechtsprechung aus allgemeinen gemeinschaftsrechtlichen Grundsätzen des Verwaltungsverfahrens hergeleitet, haben jedoch Vorrang.106 Die so gekennzeichneten „Bundesgesetze“ werden grundsätzlich von den Ländern „ausgeführt“. Unter der „Ausführung“ wird die Wahrnehmung der vollzugstypischen Konkretisierungsaufgabe verstanden.107 Ausführung von Bundesgesetzen als „Vollzug“ ist abzugrenzen von der bloßen Beachtung von Gesetzen.108 Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts bedeutet Ausführung (nur) die „verwaltungsmäßige Ausführung“109. Damit sollen die Rechtsprechung110 sowie die formelle Gesetzgebung111 aus dem Anwendungsbereich des Art. 83 GG herausgenommen werden.112

III. Die Ausgestaltung der Landeseigenverwaltung durch Art. 84 GG Aus der in Art. 83 GG normierten Zuständigkeit der Länder zur Ausführung der Bundesgesetze „als eigene Angelegenheit“ folgt, dass ihnen insoweit grundsätzlich die sog. Organisationsgewalt, d. h. die Bestimmungsbefugnis über alle Fragen der verwaltungsmäßigen Ausführung von Bundesgesetzen113, zugewiesen ist.114 Als „einzig positiv umschreibende Konkreti105 Vgl. Trute, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 83 Rn. 65; Hermes, in: Dreier, Art. 83 Rn. 6; Streinz, in: HdbStR VII, § 182 Rn. 58. Nachweise zu abweichenden Ansichten bei Suerbaum, S. 214 ff. 106 Vgl. ausführlich Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 110 ff., Grabitz, NJW 1989, 1776, 1777 ff. 107 Vgl. Hermes, in: Dreier, Art. 83 Rn. 31 m. w. N. 108 Vgl. ausführlich Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 83 Rn. 56 ff.; Trute, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 83 Rn. 50 ff. 109 BVerfGE 11, 6, 15. Vgl. auch BVerfGE 6, 309, 329; 8, 122, 131. Siehe hierzu ausführlich Trute, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 83 Rn. 55; Lerche, in: Maunz/ Dürig, Art. 83 Rn. 64 ff. 110 Vgl. BVerfGE 14, 197, 219. 111 A. A. Bullinger, AöR 83 (1958), 279, 284 ff., 287 ff. 112 Vgl. Hermes, in: Dreier, Art. 83 Rn. 31; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 83 Rn. 4. Siehe dazu auch Trute, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 83 Rn. 55; Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 83 Rn. 65, 67. 113 Vgl. Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 84 Rn. 12; Broß, in: v. Münch/Kunig, Art. 84 Rn. 7; Vogel, in: HdbVerfR, § 22 Rn. 87. Grundlegend zu Begriff und Inhalt

B. Der Anwendungsbereich des Art. 84 Abs. 1 GG

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sierung“115 dieser Organisationsgewalt der Länder nennt Art. 84 Abs. 1 GG die Befugnis der Länder zur Regelung der Einrichtung der Behörden und des Verwaltungsverfahrens. Im Übrigen trifft Art. 84 GG Aussagen über die Ingerenzrechte des Bundes bei der Landeseigenverwaltung. Neben der reinen Rechtsaufsicht (Abs. 3 und 4)116 ist dem Bund die Einflussnahme auf die Gesetzesausführung durch bundesgesetzliche Regelung der Behördeneinrichtung und des Verwaltungsverfahrens der Länder eröffnet (Abs. 1), ergänzt durch die der Bundesregierung eingeräumte Möglichkeit des Erlasses allgemeiner Verwaltungsvorschriften (Abs. 2) und der Erteilung von Einzelweisungen aufgrund gesetzlicher Ermächtigung (Abs. 5). Die Wirkungsbereiche von Bund und Ländern bei der Ausführung von Bundesgesetzen durch die Länder als eigene Angelegenheit werden damit abschließend voneinander abgegrenzt.117 Die Kompetenzen der Länder bei der landeseigenen Ausführung der Bundesgesetze ergeben sich erst aus der Betrachtung der Ingerenzrechte des Bundes.118 D. h., zu dem von Art. 84 GG konstituierten Verwaltungstyp119 der Landeseigenverwaltung gehören die Ingerenzrechte des Bundes ebenso wie die grundsätzliche Organisationsgewalt der Länder.120 Daraus wird im Schrifttum überwiegend gefolgert, dass zwischen der grundsätzlich umfassenden Organisationsgewalt der Länder bei der Ausfühder Organisationsgewalt Böckenförde, Organisationsgewalt, S. 21 ff.; Köttgen, VVDStRL 16 (1958), 154, 169 ff., 189 f. Siehe auch Burgi, in: Erichsen, AllgVerwR, § 52 Rn. 1 ff. 114 Vgl. Blümel, in: HdbStR IV, § 101 Rn. 23; Hermes, in: Dreier, Art. 84 Rn. 20, der die Organisationsgewalt ausdrücklich aus Art. 83 GG herleitet. Überwiegend wird die Organisationsgewalt der Länder an Art. 84 Abs. 1 GG angeknüpft. Vgl. Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 84 Rn. 1; Vogel, in: HdbVerfR, § 22 Rn. 87; Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 84 Rn. 13 (HS. 1 des Art. 84 Abs. 1 i. V. m. Art. 83 GG). Zur damit im Zusammenhang stehenden Frage, ob Art. 84 Abs. 1 GG eine konstitutive Bundes- oder Landesgesetzgebungskompetenz für Einrichtungs- und Verfahrensregelungen enthält, siehe unten in diesem Abschnitt C. II. 115 So Hermes, in: Dreier, Art. 84 Rn. 16. 116 Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 84 Rn. 7, differenziert zwischen der im Wesentlichen „repressiv“ wirkenden Aufsicht nach den Abs. 3 und 4 und den schwerpunktmäßig „präventiv“ wirkenden Instrumenten der Abs. 2 und 5 des Art. 84 GG. 117 Vgl. BVerfGE 63, 1, 39 ff. Siehe auch Hermes, in: Dreier, Art. 84 Rn. 15; Vogel, in: HdbVerfR, § 22 Rn. 87. 118 Vgl. Hermes, in: Dreier, Art. 84 Rn. 17. 119 Vgl. hierzu Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 84 Rn. 3. Siehe zur „Geschlossenheit der bundesstaatlichen Verwaltungstypen“ die Ausführungen in BVerfGE 63, 1, 37 f. m. w. N. 120 Vgl. Dittmann, in: Sachs, Art. 84 Rn. 2. Siehe auch Trute, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, Art. 84 Rn. 1: „Der Typus der Landeseigenverwaltung [wird] von den Eingriffsmöglichkeiten des Bundes her normiert.“

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3. Abschn.: Die Stellung des Art. 84 Abs. 1 GG

rung der Bundesgesetze als eigene Angelegenheit und den Ingerenzrechten des Bundes kein Regel-Ausnahme-Verhältnis besteht, aus dem methodisch die Forderung nach einer engen Auslegung121 der Ingerenzrechte des Bundes hergeleitet werden kann.122 Das Bundesverfassungsgericht hat insoweit betont, Art. 84 Abs. 1 GG sei als Kompetenznorm „strikt“ auszulegen.123 Nicht unproblematisch ist dabei die Aussage des Gerichts, dass die Voraussetzungen für die Zustimmungsbedürftigkeit eines Gesetzes gem. Art. 84 Abs. 1 GG „weder erweiternd noch einengend ausgelegt werden“ dürfen.124 Auch Tatbestandsmerkmale von Kompetenzvorschriften sind einer extensiven oder restriktiven Auslegung nicht grundsätzlich verschlossen. Schon Lerche hat darauf hingewiesen, dass die vom Bundesverfassungsgericht postulierte strikte Auslegung nicht dazu führen darf, die „normalen Interpretationsregeln“ außer Acht zu lassen.125 Die vom Gericht erhobene Forderung nach einer strikten Auslegung des Art. 84 GG führt damit im Ergebnis nicht weiter.126 Insbesondere kann das Ziel einer Eindämmung des Zustimmungsrechts des Bundesrates nicht eine restriktive Interpretation der Tatbestandsmerkmale des Art. 84 Abs. 1 GG vorgeben.127

C. Die bundesgesetzliche Regelung der Einrichtung der Behörden und des Verwaltungsverfahrens der Länder nach Art. 84 Abs. 1 GG Gem. Art. 84 Abs. 1 GG regeln bei der landeseigenen Ausführung der Bundesgesetze die Länder die Einrichtung der Behörden und das Verwaltungsverfahren, soweit nicht Bundesgesetze mit Zustimmung des Bundesrates etwas anderes bestimmen. 121 Zur inzwischen wohl überwundenen, jedenfalls aber nicht unproblematischen Auslegungsregel, nach der Ausnahmevorschriften grundsätzlich eng auszulegen seien, vgl. Larenz, Methodenlehre, S. 355 f. m. w. N. Vgl. auch Müller/Christensen, Methodik I, Rn. 370. 122 Vgl. Dittmann, in: Sachs, Art. 84 Rn. 2; Hermes, in: Dreier, Art. 84 Rn. 18; Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 84 Rn. 5. Für eine enge Auslegung aber Broß, in: v. Münch/Kunig, Art. 84 Rn. 1. Der dort als Nachweis angeführten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG DVBl. 1995, 808, 809) ist dies allerdings nicht zu entnehmen. 123 Vgl. BVerfGE 55, 274, 319 f. Grundsätzlich zust. Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 84 Rn. 6; Dittmann, in: Sachs, Art. 84 Rn. 2, der die „besondere Stringenz kompetenzieller Grenzziehung“ beachtet wissen will. 124 Vgl. BVerfGE 55, 274, 319 f. 125 Vgl. Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 84 Rn. 6. 126 Vgl. so i. E. auch Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 84 Rn. 6 und 63: So bleibe „der interpretative Gewinn fragwürdig“. Siehe aber auch Heitsch, S. 210. 127 Vgl. auch BVerfGE 55, 274, 319 f.

C. Die bundesgesetzliche Regelung nach Art. 84 Abs. 1 GG

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Art. 84 Abs. 1 GG greift mit dieser Bezugnahme auf die Behördeneinrichtung und das Verfahren der Landesverwaltung die zwei wichtigsten Ausschnitte der sog. Organisationsgewalt heraus.128 Unabhängig von der – später aufzuwerfenden129 und nach wie vor ungeklärten – Frage, ob durch Art. 84 Abs. 1 GG damit dem Bund oder aber den Ländern eine dahingehende Gesetzgebungskompetenz konstitutiv eingeräumt wird, stellt Art. 84 Abs. 1 GG jedenfalls (nur) die bundesgesetzliche Regelung der Einrichtung der Behörden und des Verwaltungsverfahrens unter die Voraussetzung der Zustimmung des Bundesrates.

I. Die Tatbestandsmerkmale des Art. 84 Abs. 1, HS. 1 GG Was unter die Tatbestandsmerkmale „Einrichtung der Behörden“ und „Verwaltungsverfahren“ zu fassen ist, ist im Einzelnen vielfach umstritten. Auch die Frage, wann gerade eine „Regelung“ der Behördeneinrichtung und des Verwaltungsverfahrens der Länder vorliegt, ist im Detail oft schwer zu beantworten. Schon die Verortung bestimmter Problemfälle erfolgt in unterschiedlicher Weise. Über grundlegende Inhalte herrscht aber inzwischen Einigkeit. 1. Die Einrichtung der Behörden Während grundsätzlich das Verwaltungsverfahren das „Wie“ des Verwaltungshandelns bestimmt, wird mit der Behördeneinrichtung festgelegt, „wer“ handelt.130 Die Verwendung des Begriffs „Einrichtung“ der Behörden in Art. 84 Abs. 1 GG erfolgt dabei nicht im Sinne einer bewussten und sinnvollen Unterscheidung zwischen „Einrichtung“ und „Errichtung“.131 Die Entstehungsgeschichte zeigt vielmehr, dass der zunächst vorgesehene Begriff der „Organisation“ durch den der „Einrichtung“ nur aus sprachästhetischen Erwägungen, und ohne einen Bedeutungswandel indizieren zu wollen, ersetzt wurde.132 „Einrichtung“ ist damit als Überbegriff für die Er128

Vgl. Hermes, in: Dreier, Art. 84 Rn. 20. Siehe unten in diesem Abschnitt C. II. 130 Vgl. Antoni, AöR 113 (1988), 329, 367. Vgl. auch Neuser, S. 41 m. w. N. und S. 46 ff. zu weiteren Abgrenzungsoptionen. 131 Vgl. Burgi, in: Erichsen, AllgVerwR, § 52 Rn. 2. Das Grundgesetz verwendet sowohl den Begriff der „Einrichtung“ (Art. 84 Abs. 1, 86 Abs. 2, 87 Abs. 1 Satz 2 GG) als auch den der „Errichtung“ (Art. 87 Abs. 3 Satz 1 und 2, Art. 95 Abs. 1, Art. 96 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 GG). Siehe hierzu auch Rössler, S. 73. Vgl. auch Antoni, AöR 113 (1988), 329, 364 f. 132 Siehe oben in diesem Abschnitt Fn. 67. Vgl. auch Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 84 Rn. 25; Rössler, S. 73 f.; Böckenförde, Organisationsgewalt, S. 52 ff. Teile der älteren Literatur gingen offenbar aufgrund fehlender Zugriffsmöglichkeit auf die 129

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3. Abschn.: Die Stellung des Art. 84 Abs. 1 GG

richtung (Gründung, Bildung) und die innere Organisation (Ausgestaltung, Einrichtung i. e. S.) von Behörden zu verstehen.133 Dazu gehört auch die Festlegung des Aufgabenkreises134, also die Zuweisung bzw. Übertragung von Aufgaben und Befugnissen sowie deren Veränderung.135 Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts ist dies qualitativ zu sehen; rein quantitative Vermehrungen bereits bestehender Aufgaben greifen nicht in den den Ländern vorbehaltenen Bereich ein.136 Sie stellen keine „Regelung“ der Behördeneinrichtung i. S. d. Art. 84 Abs. 1 GG dar.137 „Behörden“ i. S. d. Art. 84 Abs. 1 GG sind alle amtlichen Stellen.138 Unter den Behördenbegriff fallen damit auch Einrichtungen der mittelbaren Staatsverwaltung und sonstige selbständige Rechtsträger.139 Nicht vollständig beantwortet ist die Frage, inwieweit der Bund über Art. 84 Abs. 1 GG auf die kommunale Ebene durchgreifen, also durch Festlegung der Verwaltungsebene kommunale Behörden mit der Ausführung von Bundesgesetzen betrauen kann.140 Behörden i. S. d. Art. 84 Abs. 1 GG sind nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts auch Gemeinden und GeDokumente zur Entstehungsgeschichte von einer Differenzierung zwischen „Einrichtung“ und „Errichtung“ aus. Siehe hierzu die Nachweise bei Antoni, AöR 113 (1988), 329, 365 Fn. 219, 220. 133 Vgl. Böckenförde, Organisationsgewalt, S. 53 f. 134 Siehe zur Diskussion um die sog. Zuständigkeitsbestimmungen in der frühe(re)n Staatspraxis ausführlich Rössler, S. 74 ff. mit Nachweisen zur Position des (Rechtsausschusses des) Bundesrates und der Bundesregierung. Letztere vertrat lange Zeit die Ansicht, Zuständigkeitsbestimmungen seien Regelungen des materiellen Rechts. Siehe auch Bettermann, VVDStRL 17 (1959), 118, 131; Held, AöR 80 (1955/56), 50, 75; Köttgen, JöR NF 3 (1954), 67, 91. Siehe auch Sauter, in: FS Klein, S. 561, 562 f.; Antoni, AöR 113 (1988), 329, 364, 368 ff. 135 Vgl. BVerfGE 75, 108, 150; 77, 288, 299; 105, 313, 331. Vgl. auch Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 84 Rn. 25; Antoni, AöR 113 (1988), 329, 368 ff. 136 Vgl. BVerfGE 75, 108, 151 f.; später BVerfGE 105, 313, 333. Krit. in Bezug auf die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Kriterien insb. Britz, DÖV 1998, 636, 638 f. 137 Siehe zum Begriff der „Regelung“ sogleich unten in diesem Abschnitt C. I. 3. 138 Vgl. Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 84 Rn. 26; Antoni, AöR 113 (1988), 329, 363. Siehe auch BVerfGE 10, 20, 48: „eine in den Organismus der Staatsverwaltung eingeordnete, organisatorische Einheit von Personen und sächlichen Mitteln, die mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestattet dazu berufen ist, unter öffentlicher Autorität für die Erreichung der Zwecke des Staates oder von ihm geförderter Zwecke tätig zu sein.“ 139 Vgl. Trute, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 84 Rn. 9; Hermes, in: Dreier, Art. 84 Rn. 25. Vgl. auch Antoni, AöR 113 (1988), 329, 363. Siehe für die Frühzeit auch Rössler, S. 74 mit Nachweisen zur Auffassung des Rechtsausschusses des Bundesrates. Siehe auch Burgi/Maier, DÖV 2000, 579, 584. 140 Vgl. hierzu insb. Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 83 Rn. 80, Art. 84 Rn. 27; ders., Verfassungsfragen, S. 70 ff.; Neuser, S. 237 ff.; Antoni, AöR 113 (1988), 329,

C. Die bundesgesetzliche Regelung nach Art. 84 Abs. 1 GG

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meindeverbände.141 Bundesgesetze regeln die Einrichtung von Behörden i. S. d. Art. 84 Abs. 1 GG demnach auch dann, wenn sie den Gemeinden bestimmte Aufgaben zuweisen und damit deren Aufgabenkreis verändern. Nach Auffassung des Gerichts ist dem Bund aber „nicht schlechthin die Zuweisung von Aufgaben an die Gemeinden als Selbstverwaltungsaufgaben“142 erlaubt. Daraus, dass das Grundgesetz die Materie des Kommunalrechts nicht dem Bund, sondern ausschließlich den Ländern zuweise, folge, dass „jedenfalls eine derartige Einschaltung der Gemeinden in den Vollzug der Bundesgesetze durch den Bundesgesetzgeber nur dann zulässig ist, wenn es sich um punktuelle Annexregelungen zu einer zur Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers gehörenden materiellen Regelung handelt und wenn diese Annexregelung für den wirksamen Vollzug der materiellen Bestimmungen des Gesetzes notwendig ist“143.144 2. Das Verwaltungsverfahren Größere Schwierigkeiten als die Bestimmung des Begriffs der „Einrichtung“ bereitet die des Begriffs des „Verwaltungsverfahrens“.145 Problematisch ist insbesondere die Abgrenzung verwaltungsverfahrensrechtlicher von 371 ff. jeweils m. w. N. Siehe auch Klein, in: FG BVerfG, S. 270, 291 f. Siehe auch Burgi/Maier, DÖV 2000, 579, 595 f. 141 Vgl. BVerfGE 22, 180, 210 und 2. Leitsatz; 77, 288, 299. Siehe auch BVerfGE 39, 96, 109. 142 BVerfGE 77, 288, 299. Siehe auch BVerfGE 22, 180, 209 f. 143 BVerfGE 77, 288, 299. Siehe auch BVerfGE 22, 180, 209 f.; BVerwGE 97, 223, 228. Siehe auch SachsAnhVerfG NVwZ-RR 1999, 393, 394. Vgl. auch StGH BW DVBl. 1999, 1351, 1352 f. m. w. N. Das Bundesverfassungsgericht beschränkt die Durchgriffsmöglichkeit des Bundes auf die kommunale Ebene damit unter Heranziehung verfassungssystematischer Gründe. Diese Begründung wird in der Literatur vielfach in Frage gestellt. Vgl. Dittmann, in: Sachs, Art. 84 Rn. 12 f.; Trute, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 84 Rn. 11 mit Fn. 29. Als Vertreter der Herleitung der Gesetzgebungskompetenz des Bundes aus den Art. 70 ff. GG („Annextheorie“) wiederum anders Hermes, in: Dreier, Art. 84 Rn. 44 f. Insb. Lerche will dem Bund nicht aus Art. 84 Abs. 1 GG die Kompetenz zum Durchgriff auf die kommunale Ebene zugestehen, sondern nur aufgrund einer ungeschriebenen Gesetzgebungskompetenz des Bundes. Vgl. Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 84 Rn. 27, 59 f.; ders., Verfassungsfragen, S. 59 ff. Zust. Dittmann, in: Sachs, Art. 84 Rn. 13. Zur Frage der Verklammerung des Art. 84 Abs. 1, Abs. 2 GG mit Art. 28 Abs. 2 GG siehe näher Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, S. 399 ff. 144 Die von der Bundesstaatskommission und der Koalitionsarbeitsgruppe zur Föderalismusreform vorgeschlagene Neufassung des Art. 84 Abs. 1 GG soll das Problem, das insb. in der Kostentragungslast besteht, dadurch lösen, dass die Übertragung von Aufgaben an Gemeinden und Gemeindeverbände durch bundesgesetzliche Regelung ausdrücklich und vollständig ausgeschlossen wird. Siehe dazu unten Sechster Abschnitt B. II.

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3. Abschn.: Die Stellung des Art. 84 Abs. 1 GG

materiell-rechtlichen Regelungen.146 Unschärfen bei der Differenzierung zwischen Verfahrens- und Organisationsregelungen sind dagegen weniger prekär, da ihre bundesgesetzliche Regelung (zumindest im Rahmen des Art. 84 Abs. 1 GG unstreitig147) gleichermaßen zustimmungsbedürftig ist.148 a) Begriffsbestimmung und Problemlagen Das Verwaltungsverfahren i. S. d. Art. 84 Abs. 1 GG betrifft ganz allgemein die Art und Weise sowie die Form des Verwaltungshandelns.149 Unstreitig ist inzwischen, dass mit diesem Begriff keine Beschränkung auf nach außen wirkende Verfahrensschritte verbunden ist.150 Verwaltungsverfahrensrechtliche Regelungen können solche sein, die sich an die Verwaltung und an den Bürger richten.151 Nicht zum Verwaltungsverfahren gehört – insoweit ist schon die Entstehungsgeschichte eindeutig – das verwaltungsgerichtliche Verfahren.152 Nach einer Aussage des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1980 umfasst der Begriff des Verwaltungsverfahrens i. S. d. Art. 84 Abs. 1 GG „jedenfalls gesetzliche Bestimmungen, die die Tätigkeit der Verwaltungs145 Immer noch brauchbar Ferger, Verwaltungsverfahren, insb. S. 29 ff. Siehe aus der früheren Literatur z. B. auch von Ditfurth, S. 87 ff. 146 Vgl. BVerfGE 55, 274, 320. Siehe auch Schmidt-Aßmann, in: HdbStR III, § 70 Rn. 5 m. w. N. 147 Geht man im Bereich der Auftragsverwaltung von der Zustimmungsbedürftigkeit nur von Regelungen der Behördeneinrichtung nach Art. 85 Abs. 1 GG aus, stellt sich jedoch dieses Abgrenzungsproblem. Vgl. hierzu Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 85 Rn. 33. Vgl. unten in diesem Abschnitt Fn. 207, 212. 148 Vgl. auch Antoni, AöR 113 (1988), 329, 363, 367. Das Bundesverfassungsgericht hat eine Zuordnung teilweise gar nicht vorgenommen. Vgl. BVerfGE 22, 180, 211. 149 Vgl. BVerfGE 37, 363, 385; 55, 274, 319; 105, 313, 331. Siehe auch BVerfGE 75, 108, 152. 150 Die Bundesregierung vertrat früher die Ansicht, dass Art. 84 Abs. 1 GG nur das sog. „förmliche“ Verwaltungsverfahren umfasse. Damit waren nur solche Normen gemeint, die im Rahmen des Verwaltungsablaufs die Rechtsbeziehungen zwischen Behörde und Bürger regeln. Vgl. auch Köttgen, DÖV 1952, 422, 423 f.; Kratzer, AöR 77 (1951/52), 266, 268. Siehe hierzu insgesamt ausführlich Rössler, S. 83 ff. mit Nachweisen zu strittigen Fällen aus der frühen Staatspraxis. 151 Vgl. 55, 274, 321. Siehe auch Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 84 Rn. 4; Dittmann, in: Sachs, Art. 84 Rn. 9; Trute, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 84 Rn. 16. Siehe schon Bettermann, VVDStRL 17 (1959), 118, 120; Held, AöR 89 (1955/56), 50, 74; Rössler, S. 85 ff. § 9 VwVfG, der Bezug nimmt auf die „nach außen wirkende Tätigkeit der Behörden“, ist enger gefasst. Vgl. hierzu Lerche, in: Maunz/ Dürig, Art. 84 Rn. 36 m. w. N.; Antoni, AöR 113 (1988), 329, 373 f. 152 Vgl. BVerfGE 14, 197, 219; 105, 313, 334. Siehe oben in diesem Abschnitt Fn. 72.

C. Die bundesgesetzliche Regelung nach Art. 84 Abs. 1 GG

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behörden im Blick auf die Art und Weise der Ausführung des Gesetzes einschließlich ihrer Handlungsformen, die Form der behördlichen Willensbildung, die Art der Prüfung und Vorbereitung der Entscheidung, deren Zustandekommen und Durchsetzung sowie verwaltungsinterne Mitwirkungsund Kontrollvorgänge in ihrem Ablauf regeln“153. Das Gericht liefert also keine vollständige Definition, sondern beschränkt sich auf eine „Mindestangabe“154 („jedenfalls“). Auch als eine feststehende Begriffsbestimmung will das Gericht diese Formel nicht verstehen. Gerade die Abgrenzung zwischen Verwaltungsverfahrensrecht und materiellem Verwaltungsrecht sei Wandlungen unterworfen, die sich aus der „Veränderung der Staatsaufgaben im Bereich der Verwaltung und der erforderlichen Mittel zu ihrer Bewältigung unabweislich ergeben können“. Für diesen Wandel müsse die Auslegung des Art. 84 Abs. 1 GG offen bleiben. Einfachgesetzliche Definitionen des Begriffes des Verwaltungsverfahrens155, beispielsweise im Bundesoder in den Landesverwaltungsverfahrensgesetzen (vgl. § 9 VwVfG156), müssten daher bei der Interpretation des Art. 84 Abs. 1 GG berücksichtigt werden.157 153

BVerfGE 55, 274, 320 f. unter Hinweis auf BVerfGE 37, 363, 385, 390 [abweichende Meinung von vier Richtern] und § 9 VwVfG. Siehe später BVerfGE 75, 108, 152; 105, 313, 331. Die Formulierung in der abweichenden Meinung in BVerfGE 37, 363, 390 lautete: „Vorschriften, die im Sinne von Art. 84 Abs. 1 GG das Verwaltungsverfahren regeln, sind alle gesetzlichen Bestimmungen, die den Weg und die Form der Willensbildung der Verwaltung bei der Gesetzesausführung betreffen, von der Vorbereitung und dem Beginn des Verwaltungshandelns bis hin zur Entscheidung selbst und deren Durchsetzung ggf. im Wege der Vollstreckung sowie der Entscheidungskontrolle im Bereich der Verwaltung.“ Vgl. zur „Begriffsfindung“ des Bundesverfassungsgerichts in BVerfGE 55, 274, 320 f. insb. SchulzeFielitz, DVBl. 1982, 328, 329. 154 So Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 84 Rn. 36. 155 Vgl. hierzu nur Badura, in: Erichsen, AllgVerwR, § 34 Rn. 1 ff. 156 Die Verwaltungsverfahrensgesetze des Bundes und der Länder gehen über das eigentliche Verfahrensrecht hinaus, enthalten auch Bestimmungen über die materiellen Voraussetzungen zumindest bestimmter Elemente der Verwaltungstätigkeit, insb. der Regelung durch Verwaltungsakt und der Einigung im öffentlich-rechtlichen Vertrag. Auch Bestimmungen über die Zulässigkeit von Nebenbestimmungen, die inhaltliche Bestimmtheit von Verwaltungsakten, die Gültigkeit von Zusicherungen, das Ermessen, die Nichtigkeit und Umdeutung von Verwaltungsakten, die Zulässigkeit von Rücknahme und Widerruf haben materiellen Gehalt. § 9 VwVfG andererseits ist mit der Beschränkung auf außengerichtetes Handeln, Verwaltungsakt und öffentlichen Vertrag enger als der Begriff des Verwaltungsverfahrens in Art. 84 Abs. 1 GG. Vgl. hierzu Krüger, DVBl. 1998, 293, 294; Antoni, AöR 113 (1988), 329, 374; Bull, in: AK, Art. 84 Rn. 15. 157 Vgl. BVerfGE 55, 274, 320. Diese Ausführungen des Gerichts haben vielfach Kritik erfahren. Ablehnend schon das Sondervotum Rottmann, BVerfGE 55, 274, 331, 336 f. Siehe auch Schulze-Fielitz, DVBl. 1982, 328, 334 ff.; Antoni, AöR 113 (1988), 329, 375 f. Siehe auch Krüger, DVBl. 1998, 293, 294 f. Zust. aber Trute,

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3. Abschn.: Die Stellung des Art. 84 Abs. 1 GG

Dass die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Begriff des Verwaltungsverfahrens i. S. d. Art. 84 Abs. 1 GG einer tauglichen Definition und damit einer einheitlichen Linie entbehrt, ist vielfach kritisiert worden.158 Die Literatur hat sich zugleich um eine konkretere Fassung des Begriffs des Verwaltungsverfahrens und die Schaffung von Kriterien zur Abgrenzung vom materiellen Recht bemüht159, sich aber auch der „kasuistischen Zuordnungsaufgabe“160, durch die auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Begriff des Verwaltungsverfahrens i. S. d. Art. 84 Abs. 1 GG vornehmlich geprägt ist161, angenommen. Besondere Schwierigkeiten bei der Zuordnung bereiten Rechtsprechung und Literatur insbesondere sog. doppelgesichtige Normen.162 Damit sind in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 84 Rn. 12. Die Kritik relativierend auch Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 84 Rn. 33 ff. 158 Vgl. z. B. Klein, in: FG BVerfG, S. 277, 290 f. Siehe auch Lerche, in: Maunz/ Dürig, Art. 84 Rn. 46; Antoni, AöR 113 (1988), 329, 374. 159 Siehe insb. Neuser, S. 75 ff., 104 ff. Siehe aus der Frühphase z. B. Rössler, S. 85 f. und Bettermann, VVDStRL 17 (1959), 118, 122: unter Verwaltungsverfahrensrecht fallen die Normen, die festlegen, wie die Behörden sich bei der Ausführung von Bundesgesetzen zu verhalten haben, die also den „Weg zum Erfolg“ regeln; das materielle Recht normiert dagegen, „was“ die Behörden auszuführen haben, also „welcher Erfolg herbeizuführen“ ist. Siehe auch Ipsen, Staatsrecht I, Rn. 607; dieser will zwischen „Recht“ und „Rechtsanwendungsrecht“ unterscheiden. 160 Schulze-Fielitz, DVBl. 1982, 328, 330. 161 Als Verwaltungsverfahrensregelungen i. S. d. Art. 84 Abs. 1 GG hat das Bundesverfassungsgericht (im jeweiligen Einzelfall) eingestuft: Normierung des Erfordernisses der Zustimmung eines Bundesministers zu bestimmten Anordnungen von Landesbehörden (BVerfGE 1, 76, 79; vgl. auch Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 84 Rn. 48), Verwaltungsgebühren (BVerfGE 26, 281, 298, 301), Zustellungsvorschriften (BVerfGE 8, 274, 294; vgl. auch Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 84 Rn. 48), Formund Fristvorschriften (BVerfGE 24, 184, 195; vgl. auch Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 84 Rn. 48; diff. Bull, in: AK, Art. 84 Rn. 16), Antragserfordernisse, soweit diese nicht nur eine materiell-rechtliche Anspruchsvoraussetzung sind (BVerfGE 24, 184, 195; 37, 363, 385 ff.; vgl. auch Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 84 Rn. 49; krit. Bull, in: AK, Art. 84 Rn. 16a), Offenbarungs- und Verwertungsverbote (BVerfGE 55, 274, 323). Keine Verwaltungsverfahrensregelungen i. S. d. Art. 84 Abs. 1 GG stellten nach Auffassung des Gerichts im jeweiligen Fall dar: zwischenbehördliche Akteneinsichts- und Auskunftsrechte (BVerfGE 10, 20, 49; krit. Lerche, in: Maunz/ Dürig, Art. 84 Rn. 50), Bestimmungen über die behördliche Schweigepflicht (BVerfGE 14, 197, 221). Das Bundesverfassungsgericht hat auch bundesgesetzliche Ermächtigungen zum Erlass verwaltungsverfahrensregelnder Rechtsverordnungen für zustimmungsbedürftig erachtet (BVerfGE 55, 274, 325 f.; ablehnend Lepa, DVBl. 1974, 399, 406). 162 Vgl. zu den sog. doppelgesichtigen Normen und dem Problem ihrer Zuordnung insb. Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 84 Rn. 41 ff. Der Bundesrat bzw. der Rechtsausschuss des Bundesrates hatte zur Frage der Abgrenzung von materiellem und Verfahrensrecht schon früh folgende Ansicht formuliert: Eine Verwaltungsverfahrensregelung solle immer dann vorliegen, wenn eine Zuordnung zum materiellen

C. Die bundesgesetzliche Regelung nach Art. 84 Abs. 1 GG

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solche Bestimmungen angesprochen, die sowohl materiell-rechtliche als auch verfahrensrechtliche Befehle in sich vereinigen.163 Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts sind derartige Normen (auch) zustimmungsbedürftige Verwaltungsverfahrensregelungen i. S. d. Art. 84 Abs. 1 GG, wenn sie einen materiellen Gesetzesbefehl formulieren, der gleichzeitig das „Wie“ des Verwaltungshandelns bindend festlegt, also den Bürger betreffende materiell-rechtliche Vorschriften enthalten, die zugleich eine „zwangsläufige Festlegung eines korrespondierenden verfahrensmäßigen Verhaltens der Verwaltung bewirken“164. Nur dann liegt nach Ansicht des Gerichts eine „Regelung“ des Verwaltungsverfahrens vor. Die Literatur ist der Rechtsprechung bei der Qualifizierung doppelgesichtiger Normen als Verwaltungsverfahrensregelungen i. S. d. Art. 84 Abs. 1 GG überwiegend gefolgt und stellt entscheidend darauf ab, ob eine hinreichend „konkrete“ und/oder „konstitutive“ Festlegung des Verwaltungshandelns durch die gesetzliche Regelung erfolgt.165 Verfahrensmäßige Reflexe materiell-rechtlicher Regelungen erfüllen die Voraussetzungen des Art. 84 Abs. 1 GG nicht.166 In der Praxis bleibt die Abgrenzung zwischen materiellrechtlichen Bestimmungen und Verwaltungsverfahrensregelungen angesichts der hiermit verbundenen Schwierigkeiten im Einzelfall problematisch. Recht nicht eindeutig möglich sei. Auch Normen mit einem „Doppelcharakter“ seien daher als Verfahrensrecht zu qualifizieren. Zudem seien nicht nur solche Regelungen Verfahrensrecht, die festlegen, in welcher Art und Weise und in welchen Formen Landesbehörden tätig zu werden haben, sondern auch solche, die festlegen, ob und unter welchen Voraussetzungen Landesbehörden tätig werden müssen bzw. können. Siehe hierzu Rössler, S. 82 ff. mit Nachweisen. 163 Zur Struktur der damit in Bezug genommenen Normen siehe Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 84 Rn. 41. 164 BVerfGE 55, 274, 321. So auch in BVerfGE 75, 108, 152, hier aber mit deutlich einschränkender Tendenz. Siehe bereits die abweichende Meinung von vier Richtern in BVerfGE 37, 363, 385, 390 f. Ablehnend gegenüber der Figur der „Doppelgesichtigkeit“ das Sondervotum Rottmann, BVerfGE 55, 274, 331, 336 ff. Krit. Bull, in: AK, Art. 84 Rn. 14: nur ganz selten sei eine Verfahrensregelung „zwangsläufig“. Ebenso Heitsch, S. 186. Wenn es der Bundesgesetzgeber gerade unterlässt, das Verfahren selbst auszugestalten, könne die Bestimmung regelmäßig nicht eine bestimmte Verfahrensregelung festlegen. Siehe auch das Sondervotum Hirsch, BVerfGE 37, 363, 341, 345. 165 Vgl. Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 84 Rn. 4; Dittmann, in: Sachs, Art. 84 Rn. 10; Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 84 Rn. 42. Die von Bull, in: AK, Art. 84 Rn. 14, vertretene Ansicht, nach der es für die Abgrenzung von materiellem und Verfahrensrecht entscheidend auf das Übergewicht des einen oder des anderen Merkmals ankommen soll, hat sich nicht durchsetzen können. Zust. aber Heitsch, S. 186. Trute, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 84 Rn. 17, will darauf abstellen, ob eine Verfahrensregelung intendiert ist. Dagegen Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 84 Rn. 42. 166 Vgl. Trute, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 84 Rn. 17; Lerche, in: Maunz/ Dürig, Art. 84 Rn. 42.

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3. Abschn.: Die Stellung des Art. 84 Abs. 1 GG

b) Beschränkung auf das „allgemeine“ Verwaltungsverfahren Auch mit dem Ziel, diese Abgrenzungsschwierigkeiten zu entschärfen, insbesondere aber mit der Absicht der Einschränkung des in Art. 84 Abs. 1 GG normierten Zustimmungsrechts des Bundesrates, hat in jüngerer Zeit Heitsch versucht, den Begriff des „Verwaltungsverfahrens“ i. S. d. Art. 84 Abs. 1 GG im Wege genetischer Auslegung auf den des „allgemeinen“ Verwaltungsverfahrens zu beschränken.167 Aus der Entstehungsgeschichte der Norm sei herzuleiten, dass sich der Vorbehalt bundesgesetzlicher Regelung nur auf „allgemeine“, d. h. sachgebietsübergreifende und umfassende, Regelungen des Verwaltungsverfahrens erstrecken sollte. Die Existenz einer Kompetenz zur Schaffung besonderer, d. h. auf ein Sachgebiet beschränkter und punktueller, verwaltungsverfahrensrechtlicher Regelungen habe man dagegen schon auf der Grundlage der aus der Kaiserzeit und der Weimarer Zeit überlieferten Annextheorie angenommen. Nur die Regelung des „allgemeinen“ Verwaltungsverfahrens sei im Verlauf der Beratungen im Parlamentarischen Rat dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterstellt worden. Besondere Verwaltungsverfahrensregelungen seien daher zustimmungsfrei.168 Diese Auslegung von Heitsch kann jedoch im Ergebnis nicht überzeugen. Der federführende Ausschuss für Zuständigkeitsabgrenzung hat, dies wurde oben bereits dargelegt169, die in Art. 42 Abs. 1 Satz 2 HChE getroffene Regelung systematisch offenbar nicht vollständig durchdrungen. Schon das Protokoll der 20. Sitzung des Fachausschusses, in der der Vorbehalt bundesgesetzlicher Regelung in Art. 42 Abs. 1 Satz 2 HChE/Art. 111a eingefügt wurde170, lässt nicht eindeutig den Schluss zu, dass sich dieser Vorbehalt nur auf „allgemeine“ Verwaltungsverfahrensregelungen beziehen sollte.171 167 Vgl. Heitsch, S. 186, 210 ff. Siehe auch Schulze-Fielitz, DVBl. 1982, 329, 329, der diesbezüglich darauf hinweist, dass der „ursprüngliche Sinn“, der dem Art. 84 Abs. 1 GG gegeben werden sollte, offenbar vergessen wurde. 168 Siehe Heitsch, S. 212. 169 Siehe oben in diesem Abschnitt A. II. 3. 170 Siehe das Protokoll der 20. Sitzung des Ausschusses für Zuständigkeitsabgrenzung, 2.12.1948, Dokument Nr. 26, in: Akten und Protokolle, Bd. 3, S. 717 ff. 171 Dass Sonderregelungen des Verwaltungsverfahrens durch den Bund nach der diskutierten, noch keinen bundesgesetzlichen Vorbehalt enthaltenden Fassung möglich sein sollten, war die Ansicht von Strauß: „Ich würde aus dem Wort ‚allgemein‘ schließen, daß [eine] Sonderregelung dadurch nicht ausgeschlossen ist.“ Hoch wollte die Regelung des Art. 42 Abs. 1 Satz 2 HChE, d. h. die in diesem nach seiner Ansicht enthaltene Kompetenz der Länder, ganz streichen, damit der Bund ohne Einschränkungen Regelungen der Behördenorganisation, des Verwaltungsverfahrens und des Verwaltungsgerichtsverfahrens treffen kann. Hoch ging also offenbar auch von einer dahingehenden Annexkompetenz des Bundes aus; er wollte aber gerade auch allgemeine Verwaltungsverfahrensregelungen durch den Bund zulassen (S. 720).

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Man wollte – dies geht aus der diesbezüglich geführten Diskussion eindeutig hervor –, dass der Bund besondere und (wohl) auch allgemeine Verwaltungsverfahrensregelungen bei der Ausführung der Bundesgesetze durch die Länder als eigene Angelegenheit treffen kann. Darauf lässt auch die spätere Streichung des Wortes „allgemein“ in Art. 42 Abs. 1 HChE/111a/112-1 schließen, die eine dahingehende, vom Herrenchiemseer Entwurf vorgegebene Differenzierung gerade aufgibt. Ob der Ausschuss für Zuständigkeitsabgrenzung von der Weitergeltung der Annextheorie, die der Regelung des Art. 42 Abs. 1 Satz 2 HChE offensichtlich zugrunde lag, tatsächlich ausgegangen ist, bleibt unklar.172 Zudem wurde das Zustimmungserfordernis zu bundesgesetzlichen Einrichtungs- und Verwaltungsverfahrensregelungen erst zu einem Zeitpunkt in die Bestimmung des späteren Art. 84 Abs. 1 GG eingefügt, zu dem sich der in dieser Vorschrift normierte bundesgesetzliche Regelungsvorbehalt für nicht weiter gekennzeichnete Verwaltungsverfahrensregelungen schon verselbständigt hatte.173 Dass der historische Verfassungsgeber nur Regelungen des „allgemeinen“ Verwaltungsverfahrens dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterwerfen wollte, ist der Entstehungsgeschichte nicht zu entnehmen und kann eine dahingehende Auslegung nicht begründen.174 Die Entstehung des Art. 84 Abs. 1 GG belegt allenfalls, dass dem Bund auch die Gesetzgebungskompetenz für ein „allgemeines“ Verwaltungsverfahrensgesetz zugewiesen werden sollte175, nicht aber eine Begrenzung des Zustimmungsrechts des Bundesrates auf „allgemeine“ Verwaltungsverfahrensvorschriften. Der Anlass für die Diskussion über den Art. 42 Abs. 1 Satz 2 HChE war gerade, dass Strauß durch ihn besondere Regelungen des Verwaltungsgerichtsverfahrens ausgeschlossen sah. Diese und Einrichtungsregelungen durch den Bund wollte man ebenfalls ermöglichen. Aus diesem Grunde wurde der Vorbehalt bundesgesetzlicher Regelung eingefügt. Laforet stellt daraufhin fest: „Jetzt ist dem Bunde die Möglichkeit gegeben, die Sie ja anzweifeln, auch in der Organisation der Behörden, im Verwaltungsverfahren, im Verwaltungsgerichtsverfahren durch Bundesgesetze ein Besonderes zu regeln [Hervorhebung nicht im Original] (S. 721).“ 172 Anders Heitsch, S. 213. 173 Siehe oben in diesem Abschnitt A. II. 3. Mit der Streichung des Wortes „allgemein“ wurde daher nicht, wie Heitsch, S. 212, ausführt, die an das Zustimmungserfordernis gebundene Kompetenz des Bundes „immerhin ausdrücklich davon abgekoppelt, ob die jeweilige Verfahrensregelung sachgebietsübergreifend gilt oder nicht“. Das Zustimmungserfordernis bestand zu diesem Zeitpunkt noch nicht. 174 Zu den Schwierigkeiten genetischer Auslegung siehe allgemein nur Müller/ Christensen, Methodik I, Rn. 361c ff. Vgl. z. B. auch BVerfGE 1, 299, 299 f. 175 Siehe zum Streit um die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für ein allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz Neuser, S. 293 ff., 300 f.; Finkelnburg/Lässig, VwVfG, Einleitung Rn. 46 jeweils mit Nachweisen. Siehe zur gefundenen Lösung in § 1 Abs. 2 und 3 VwVfG des Bundes Blümel, in: HdbStR IV, § 101 Rn. 28.

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3. Abschn.: Die Stellung des Art. 84 Abs. 1 GG

3. Das Tatbestandsmerkmal der „Regelung“ Neben der Auslegung der Tatbestandsmerkmale „Behördeneinrichtung“ und „Verwaltungsverfahren“ bereitet auch die Feststellung, wann tatsächlich eine „Regelung“ i. S. d. Art. 84 Abs. 1 GG vorliegt, unter Umständen Schwierigkeiten. Dem Erfordernis des „Regelns“176 fällt ein Eigengewicht dabei primär im Zusammenhang mit Normierungen des Verwaltungsverfahrens zu177; dies kann aber auch bei Vorschriften der Einrichtung der Behörden der Fall sein.178 Die bereits erörterten Abgrenzungsprobleme, insbesondere zwischen materiellem Recht und Verfahrensrecht, wirken hier fort. Das Bundesverfassungsgericht hat deutlich hervorgehoben, dass nur solche Bundesgesetze, „die selbst Einrichtung oder Verfahren der Landesbehörden regeln“, zustimmungsbedürftig sind. Nicht ausreichend sei es, dass „Interessen der Länder lediglich berührt“ werden, etwa dadurch, dass ein Bundesgesetz Verwaltungshandeln der Länder auf einem bestimmten Gebiet schlicht auslöst oder beendet.179 Das Gericht spricht insoweit davon, dass es Voraussetzung für die Annahme einer zustimmungsauslösenden „Regelung“ sei, dass in die Verwaltungshoheit der Länder „eingegriffen“ werde. Es dürfe nicht lediglich ihre verfassungsrechtliche Pflicht zur Ausführung der Bundesgesetze (Art. 83 GG) betroffen sein.180 Eine „Regelung“ des Verwaltungsverfahrens der Landesbehörden soll dann vorliegen, wenn das Gesetz verbindlich die Art und Weise sowie die Formen ihrer Tätigkeit zur Ausführung seiner Bestimmungen vorschreibt.181 Das Problem der „Doppelgesichtigkeit“ von Normen und das der „Regelung“ greifen hier ineinander. Schon in diesem Zusammenhang wurde deutlich, dass eine „Regelung“, ein „rechtliches Bestimmen“182, nach Ansicht des Bundesverfas176 In Art. 85 Abs. 1 GG wird der Regelungsbegriff nicht erwähnt. Hier heißt es: „(. . .) so bleibt die Einrichtung der Behörden Angelegenheit der Länder.“ Daraus kann aber kein Unterschied hergeleitet werden. Vgl. Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 85 Rn. 25. 177 So auch Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 84 Rn. 29, 32. 178 Siehe oben in diesem Abschnitt C. I. 1. 179 Vgl. BVerfGE 55, 274, 319. Siehe auch BVerfGE 75, 108, 150; zuvor BVerfGE 10, 20, 49; 14, 197, 219 f.; 37, 363, 385. Vgl. Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 84 Rn. 54. Zur Aufhebung von Regelungen nach Art. 84 Abs. 1 GG vgl. aus der frühen Literatur Rössler, S. 50 ff. 180 BVerfGE 75, 108, 150. Siehe auch das Sondervotum Rottmann, BVerfGE 55, 274, 331, 337 f., das eine „unmittelbare“ Beeinträchtigung der Organisationsgewalt der Länder fordert. Siehe auch das Sondervotum Hirsch, BVerfGE 37, 363, 341, 344 f., das eine „substantielle“ Einwirkung auf die eigenverantwortliche Verwaltungstätigkeit der Länder verlangt. 181 Vgl. BVerfGE 75, 108, 150. Siehe bereits BVerfGE 55, 274, 319. 182 So Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 84 Rn. 29, 57.

C. Die bundesgesetzliche Regelung nach Art. 84 Abs. 1 GG

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sungsgerichts nicht nur ausdrücklich bzw. unmittelbar, sondern auch stillschweigend bzw. mittelbar und mit einer materiell-rechtlichen Norm äußerlich (auch zwangsläufig) zusammenfallend erfolgen kann.183 Die schlichte Wiederholung von an anderer Stelle normierten Rechtssätzen stellt grundsätzlich keine eigenständige Regelung dar.184 Konkretisierungen von an anderer Stelle getroffenen Bestimmungen sind in ihrer Einordnung dagegen problematischer.185 An den Begriff der „Regelung“ der Einrichtung der Behörden und des Verwaltungsverfahrens lässt sich auch das Problem der Zustimmungsbedürftigkeit von solchen Gesetzen anknüpfen, die ein aufgrund der in ihm enthaltenen Einrichtungs- und Verfahrensregelungen ursprünglich nach Art. 84 Abs. 1 GG zustimmungsbedürftiges Gesetz nur in seinem materiell-rechtlichen Teil abändern.186 Lehnt man mit dem Bundesverfassungsgericht187 und der inzwischen ganz herrschenden Auffassung im Schrifttum188 die generelle Zustimmungsbedürftigkeit solcher „Änderungsgesetze“ ab, geht man also vielmehr von einer, bei Zugrundelegung der Einheitsthese nicht unproblematischen189, isolierten Betrachtung des Normenbestandes des Änderungsgesetzes zur Ermittlung seiner Zustimmungsbedürftigkeit aus190, so ist die Frage der Zustimmungsbedürftigkeit von Änderungsgesetzen nicht mehr eine des Umfangs und der Reichweite der Zustimmung des Bundesrates – als solche wurde sie lange Zeit überwiegend behandelt191 –, sondern nur 183

Vgl. Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 84 Rn. 57. Das Bundesverfassungsgericht hat sich zwar dahingehend geäußert, dass eine Regelung der Behördeneinrichtung dann nicht vorliegt, wenn eine Vorschrift nur „mittelbar“ wirkt (vgl. BVerfGE 75, 108, 150); auch für das Vorliegen einer verwaltungsverfahrensrechtlichen Regelung hat das Bundesverfassungsgericht eine „rechtlich unmittelbare“ Auswirkung gefordert (vgl. BVerfGE 55, 274, 337). Mit seiner Rechtsprechung zur Doppelgesichtigkeit und zur Zustimmungsbedürftigkeit von Änderungsgesetzen, bei der es eine Regelung auch dann als gegeben ansieht, wenn die Auswirkungen der Änderung materiell-rechtlicher Vorschriften den Einrichtungs- oder Verfahrensvorschriften mittelbar eine wesentlich andere Bedeutung und Tragweite verleihen, setzt sich das Gericht jedoch selbst in Widerspruch. Vgl. hierzu auch Hermes, in: Dreier, Art. 84 Rn. 52. 184 Vgl. Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 84 Rn. 49, 50, 57. 185 Vgl. Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 84 Rn. 59, 57. 186 An den Begriff der „Regelung“ anknüpfend ausdrücklich Lerche, in: Maunz/ Dürig, Art. 84 Rn. 78 ff., 82; Trute, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 84 Rn. 25. 187 Siehe BVerfGE 37, 363 ff. Dazu auch unten Vierter Abschnitt A. III. 4. 188 Vgl. Hermes, in: Dreier, Art. 84 Rn. 55; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 77 Rn. 5. Weitere Nachweise unten Vierter Abschnitt A. I. 2., III. 4. 189 Vgl. das Sondervotum von Schlabrendorff, Geiger, Rinck, BVerfGE 37, 363, 401, 406 ff. Als nicht unproblematisch sieht auch Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 84 Rn. 82 mit Fn. 76, die isolierte Betrachtung des Änderungsgesetzes unter Zugrundelegung der Einheitsthese. Siehe auch Heitsch, S. 218. 190 Vgl. BVerfGE 37, 363, 382 f.

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3. Abschn.: Die Stellung des Art. 84 Abs. 1 GG

eine Frage des Vorliegens der zustimmungsauslösenden Tatbestandsmerkmale der „Regelung“ der „Einrichtung der Behörden“ und des „Verwaltungsverfahrens“ (im selbständig zu betrachtenden Änderungsgesetz). Das Bundesverfassungsgericht hat insoweit festgestellt, dass eine zustimmungsbedürftige Änderung solcher Regelungen, die vormals die Zustimmungsbedürftigkeit des Ausgangsgesetzes ausgelöst haben, auch dann vorliegt, wenn das Änderungsgesetz „sich zwar auf die Regelung materiell-rechtlicher Fragen beschränkt, in diesem Bereich aber Neuerungen in Kraft setzt, die den nicht ausdrücklich geänderten Vorschriften über das Verwaltungsverfahren eine wesentlich andere Bedeutung und Tragweite verleihen“192. In diesem Fall erfolgt nach Ansicht des Gerichts ein neuer „Einbruch“ in den Verwaltungsbereich der Länder, der durch die – den ursprünglichen „Einbruch“ genehmigende – Zustimmung des Bundesrates zum Ausgangsgesetz nicht mehr umfasst sei.193 Diese Ausführungen des Gerichts müssen – unter der zugrunde gelegten Prämisse, dass die Zustimmungsbedürftigkeit eines Änderungsgesetzes sich danach beurteilt, ob das Gesetz „seinem Inhalt nach zustimmungsbedürftig ist“194 – richtigerweise dahingehend interpretiert werden, dass für die Zustimmungsbedürftigkeit auch des ändernden Gesetzes zu verlangen, aber auch ausreichend ist, dass dieses eine neue, ggf. auch nicht ausdrückliche organisations- oder verwaltungsverfahrensrechtliche „Regelung“ i. S. d. Art. 84 Abs. 1 GG enthält.195 Die vom Gericht aufgestellte Voraussetzung, nach der die Änderung im materiell-rechtlichen Bereich den Verfahrensregelungen eine „wesentlich“ andere Bedeutung und Tragweite verleihen muss, darf konsequenterweise nicht als Verschärfung der Anforderungen an die Feststellung einer zustimmungsbedürftigen „Regelung“ in Bezug auf Änderungsgesetze verstanden werden.196 Sie kann nur eine Bestätigung der Aussage bedeuten, dass eine „Regelung“ nicht bei irrelevanten Bedeutungs191 Siehe zum Versuch des Bundesrates, aus einer „sachbedingt“ verstandenen Gesetzeseinheit die Zustimmungsbedürftigkeit jedes Änderungsgesetzes herzuleiten, unten Vierter Abschnitt A. I. 2. 192 BVerfGE 37, 363, 383. Zur Kritik an dieser Formel siehe z. B. Schäfer, DVBl. 1975, 101, 102; Achterberg, DÖV 1975, 158, 160; Schmitt, BayVBl. 1975, 685, 688. 193 Vgl. BVerfGE 37, 363, 380. 194 BVerfGE 37, 363, 382. 195 So explizit Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 84 Rn. 82. 196 So auch Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 84 Rn. 82. Siehe auch Graulich, S. 164, der darauf hinweist, dass durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 37, 363 ff. und 48, 127 ff.) „ein prinzipiell neuer Ansatzpunkt zur Behandlung der Zustimmungsbedürftigkeit von Änderungsgesetzen nicht eingeführt worden ist“. In diesem Sinne schon früher Achterberg, DÖV 1975, 158, 160. Siehe auch Pestalozza, JuS 1975, 366, 367.

C. Die bundesgesetzliche Regelung nach Art. 84 Abs. 1 GG

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veränderungen vorliegt, sondern eine konkret fassbare Durchformung des Verwaltungshandelns bedeutet.197

II. Die Grundlage der Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die Regelung der Einrichtung der Behörden und des Verwaltungsverfahrens der Länder Nach wie vor ungeklärt ist, in welchem Verhältnis Art. 84 Abs. 1 GG mit der von ihm erwähnten Möglichkeit bundesgesetzlicher Regelung der Behördeneinrichtung und des Verwaltungsverfahrens der Länder bei der Ausführung von Bundesgesetzen zu den die Verteilung der materiellen Gesetzgebungskompetenzen regelnden Art. 70 ff. GG steht, ob sich also – konkret – die Gesetzgebungskompetenz des Bundes zum Erlass von Organisations- und Verfahrensregelungen schon aus den Art. 70 ff. GG ergibt oder ob (erst) Art. 84 Abs. 1 GG eine dahingehende Gesetzgebungskompetenz des Bundes konstituiert.198 Die gleiche Frage stellt sich für Art. 85 Abs. 1 GG, nach dem der Bund die Einrichtung der Behörden bei der Ausführung der Bundesgesetze durch die Länder im Auftrag des Bundes mit Zustimmung des Bundesrates regeln kann. Auch im Bereich der Bundesverwaltung (siehe insbesondere Art. 86 GG und Art. 87 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 Satz 1 GG) wird die Grundlage der Gesetzgebungskompetenz des Bundes zum Erlass organisations- und verfahrensrechtlicher Regelungen diskutiert.199 An einer klaren Aussage des Bundesverfassungsgerichts zum Verhältnis des Art. 84 Abs. 1 und Art. 85 Abs. 1 GG zu den Art. 70 ff. GG fehlt es.200 Das Gericht hat in wenigen Entscheidungen jeweils die einschlägigen Bestimmungen aus Art. 70 ff. GG und den Art. 83 ff. GG relativ beziehungslos nebeneinandergestellt.201 Die Entstehungsgeschichte ist – dies wurde gezeigt – keinesfalls eindeutig. 197 Vgl. Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 84 Rn. 82 und Trute, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, Art. 84 Rn. 25. Vgl. auch in einem konkreten Fall Schmidt-Preuß, NVwZ 1998, 553, 561 f. 198 Siehe zum Streitstand Ende bzw. Mitte der siebziger Jahre z. B. Finkelnburg/ Lässig, VwVfG, Einleitung Rn. 39 ff.; Neuser, S. 110 ff. 199 Vgl. Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 83 Rn. 32 ff.; Burgi, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, Art. 86 Rn. 79; Rozek, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 70 Rn. 46. Ausführlich Neuser, S. 189 ff. Siehe auch Finkelnburg/Lässig, VwVfG, Einleitung Rn. 31 ff. Dass dem Bund bei der Bundesverwaltung die alleinige Gesetzgebungskompetenz für die Regelung der Einrichtung der Behörden und des Verwaltungsverfahrens, auch wenn dies nicht ausdrücklich genannt wird, zusteht, ist im Ergebnis unbestritten. Hergeleitet wird die Gesetzgebungskompetenz entweder kraft Annexes zu den Art. 70 ff. GG oder kraft Natur der Sache. 200 Vgl. z. B. Klein, in: FG BVerfG, S. 270, 289 f.

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3. Abschn.: Die Stellung des Art. 84 Abs. 1 GG

1. Annexkompetenz zu den Art. 70 ff. GG Ein Teil der Literatur geht auch heute noch auf dem Boden der schon unter der Reichsverfassung von 1871 und der Weimarer Reichsverfassung vertretenen Triepelschen Theorie und der lange Zeit auch unter Geltung des Grundgesetzes ganz überwiegenden Ansicht im Schrifttum202 davon aus, dass die Kompetenz des Bundes zur gesetzlichen Regelung der Behördeneinrichtung und des Verwaltungsverfahrens aus den Art. 70 ff. GG selbst folge.203 Dem Bund stehe die Gesetzgebungskompetenz für Organisations- und Verfahrensregelungen kraft Annexes204 zu den dem Bund zur Regelung zugewiesenen materiellen205 Gesetzgebungskompetenzen aus den 201 Siehe BVerfGE 26, 338, 383. Vgl. auch BVerfGE 77, 288, 298: Die in Frage stehende Norm sei „als organisationsrechtliche Folgeregelung zu dem im Bundesbaugesetz geschaffenen materiellen Konzept der Bauleitplanung von der Kompetenz aus Art. 74 Nr. 18 (Bodenrecht) i. V. m. Art. 84 Abs. 1 GG (Einrichtung der Behörden) gedeckt“. Für die Bereiche der Bundesauftragsverwaltung und der Bundeseigenverwaltung hat das Bundesverfassungsgericht jeweils nur festgestellt, dass der Bund jedenfalls das Verwaltungsverfahren gesetzlich regeln kann. Vgl. BVerfGE 26, 338, 369, 385. Siehe auch BVerfGE 97, 198, 214. 202 Die Annextheorie wurde zumindest in den ersten Jahrzehnten auch von der Staatspraxis zugrunde gelegt. Siehe die Nachweise für dahingehende Äußerungen des Bundesrates und der Bundesregierung bei Rössler, S. 77 f. Die Diskussion in der Bundesstaatskommission um die Abschaffung der Bundesgesetzgebungskompetenz für organisations- und verfahrensrechtliche Regelungen und deren Anknüpfung an eine Änderung des Art. 84 Abs. 1 GG legt jetzt nahe, dass der konstitutive Charakter der Norm in Bezug auf die Gesetzgebungskompetenz zumindest unterstellt wird. Siehe dazu unten Sechster Abschnitt B. I. 3. 203 Vgl. insb. Hermes, in: Dreier, Art. 83 Rn. 23 f.; Heitsch, S. 181 ff., 212 ff.; Jarass, NVwZ 2000, 1089, 1091 f.; Riedl, in: Obermayer, VwVfG, Einleitung Rn. 37; Fritz, S. 112; Vogel, in: HdbVerfR, § 22 Rn. 88. Umbach/Clemens, in: Umbach/Clemens, Art. 70 Rn. 51, halten die dargestellte Auffassung immer noch für herrschend. Vgl. aus der älteren Literatur Pathe, DVBl. 1951, 681, 684; Köttgen, DÖV 1952, 422, 422 f. (später selbst anderer Ansicht); Bettermann, VVDStRL 17 (1959), 118, 157 ff.; Schäfer, DÖV 1960, 641, 646; von Hausen, DÖV 1960, 1, 5; Klein, AöR 88 (1963), 377, 401 ff., 406; Achterberg, DÖV 1966, 695, 700; Badura, DÖV 1968, 446, 454; Hohrmann, S. 81; Huber, Ausführung, S. 8, 49 f.; von Ditfurth, S. 79 f.; Gieseke, DÖV 1956, 645, 648; von der Groeben, DVBl. 1966, 289, 291; Heinze, DVBl. 1962, 786, 786 f.; Franssen, JZ 1974, 314, 317; Lepa, DVBl. 1974, 399, 404; Rössler, S. 77 f.; Scholler, DÖV 1968, 756, 756 f.; Ule/Sellmann, DVBl. 1967, 837, 838. Siehe auch die Übersicht bei Finkelnburg/Lässig, VwVfG, Einleitung Rn. 31 ff. Im Detail ist vieles auch bei grundsätzlicher Annahme einer Annexkompetenz umstritten. Vgl. Neuser, S. 112 ff. 204 Vgl. zur Annexkompetenz allgemein Rozek, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 70 Rn. 42 ff., 46. Zwischen Annexkompetenz und Kompetenz kraft Sachzusammenhangs wird heute überwiegend nicht mehr unterschieden. 205 Dass die Sachkataloge der Art. 73 ff. GG in den Art. 73 Nr. 10 und Art. 74 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 22 GG ausdrücklich organisations- und verfahrensrechtliche Ge-

C. Die bundesgesetzliche Regelung nach Art. 84 Abs. 1 GG

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Art. 70 ff. GG zu.206 Art. 84 Abs. 1 GG (das gleiche gilt für Art. 85 Abs. 1 GG) begründet nach dieser Auffassung keine Bundesgesetzgebungskompetenz, sondern setzt sie voraus, hat insoweit nur deklaratorischen Charakter. Konstitutive Wirkung kommt Art. 84 Abs. 1 GG in dieser Interpretation hinsichtlich des Zustimmungserfordernisses für bundesgesetzliche Regelungen der Behördeneinrichtung und des Verwaltungsverfahrens zu.207 Die Regelungsbefugnis des Bundes ist nach dieser Auffassung konsequenterweise nicht auf die beiden in Art. 84 Abs. 1 GG genannten Ausschnitte der Organisationsgewalt beschränkt.208 2. Konstitutive Bundesgesetzgebungskompetenz aus Art. 84 Abs. 1 GG Von weiten Teilen des Schrifttums wird, insbesondere in Anlehnung an die Darstellungen von Neuser und Lerche 209, eine Herleitung der Bundesgesetzgebungskompetenz für organisations- und verfahrensrechtliche Regelungen aus den Art. 70 ff. GG jedoch abgelehnt. Art. 84 Abs. 1 GG ist, setzgebungskompetenzen an den Bund verleihen, können die Vertreter der Annextheorie mit dem Ausnahmecharakter dieser Bestimmungen begründen. Die Herleitung einer ungeschriebenen Gesetzgebungskompetenz kraft Annexes im Übrigen ist dann nicht ausgeschlossen. 206 Vgl. Franssen, JZ 1974, 314, 317; Lepa, DVBl. 1974, 399, 404; Achterberg, DÖV 1966, 695, 700; Bettermann, VVDStRL 17 (1959), 118, 159. 207 Vgl. Lepa, DVBl. 1974, 399, 404; Schäfer, DÖV 1960, 641, 646 f.; Achterberg, DÖV 1966, 695, 700; von Hausen, DÖV 1960, 1, 5; Bettermann, VVDStRL 17 (1959), 118, 156 f. 208 Vgl. Hermes, in: Dreier, Art. 84 Rn. 21. Im Bereich des Art. 85 Abs. 1 GG bereitet die Nichterwähnung des Verwaltungsverfahrens den Vertretern der Annextheorie hinsichtlich der Kompetenz des Bundesgesetzgebers zur diesbezüglichen Regelung bei der Ausführung von Bundesgesetzen keine Schwierigkeiten. Die Bundesgesetzgebungskompetenz für die Regelung verwaltungsverfahrensrechtlicher Regelungen bei der Auftragsverwaltung unterliegenden Materien folgt für die Vertreter der Annextheorie aus den Art. 70 ff. GG. Die fehlende Erwähnung in Art. 85 Abs. 1 GG ist insoweit unproblematisch. Sie bedeutet, so ausdrücklich zumindest ein Teil der Vertreter der Annextheorie, aber zugleich, dass Verwaltungsverfahrensregelungen im Bereich der Auftragsverwaltung nicht zustimmungsbedürftig sind. Vgl. Rössler, S. 77. Teilweise wird, insb. aus dem systematischen Zusammenhang mit Art. 85 Abs. 2 Satz 1 GG, dennoch eine Zustimmungsbedürftigkeit auch für Verwaltungsverfahrensregelungen im Bereich der Auftragsverwaltung angenommen. Vgl. Hermes, in: Dreier, Art. 85 Rn. 29; Britz, DÖV 1998, 636, 640 f. 209 Vgl. Neuser, S. 108 ff., 185 f.; Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 83 Rn. 30 ff., 33, 36 ff., Art. 84 Rn. 14, 16. Siehe davor auch Köttgen, AöR 90 (1965), 205, 205 ff.; Schneider, AöR 83 (1958), 1, 16, 21, 24; Held, AöR 80 (1955/56), 50, 54 f.; Rohwer-Kahlmann, AöR 79 (1950/51), 208, 221; Scheuner, in: GS Peters, S. 797, 806, 809; Nawiasky, S. 43, 45; Rietdorf, DÖV 1960, 614 f.; Schulz, S. 44; wohl auch Schenke, Verfassungsorgantreue, S. 76; Kuckuck, DÖV 1978, 354, 355.

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3. Abschn.: Die Stellung des Art. 84 Abs. 1 GG

ebenso wie Art. 85 Abs. 1 GG, nach dieser Auffassung kompetenzbegründend.210 Art. 84 Abs. 1 GG sei insoweit lex specialis zu den Art. 70 ff. GG.211 Dahinter steht der Gedanke, dass die zur Ausführung von Gesetzen erlassenen Organisations- und Verwaltungsverfahrensregelungen nicht den Gesetzgebungskompetenzen immanent, sondern den Verwaltungskompetenzen zugeordnet und daher auch aus diesen zu begründen seien.212 Auch wenn die Schaffung von Ausführungsregelungen nicht durch die Exekutive, sondern die Legislative erfolge, sei dies ein Akt der Organisationsgewalt. Diese stehe grundsätzlich den Ländern zu. Erst Art. 84 Abs. 1 GG öffne die umfassende Organisationsgewalt der Länder bei der Ausführung von Bundesgesetzen als eigene Angelegenheit für die „Einrichtung der Behörden“ und das „Verwaltungsverfahren“ einer organisatorischen Einflussnahme des Bundes. Über diese beiden Elemente der Gesetzesausführung hinaus stehe dem Bund eine Gesetzgebungskompetenz für die Schaffung von Ausführungsregelungen nicht zu.213 Von der ihm zustehenden (ausschließ210 Vgl. Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 84 Rn. 2; Trute, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, Art. 84 Rn. 6; Bull, in: AK, Art. 84 Rn. 8; Huber, Grundrechtsschutz, S. 269, 271. Vgl. auch Burgi/Maier, DÖV 2000, 579, 584. 211 Vgl. Dittmann, in: Sachs, Art. 84 Rn. 5; Trute, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 84 Rn. 5; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 83 Rn. 2; Antoni, AöR 113 (1988), 329, 355 ff. Siehe zur Frage der Anwendbarkeit des Art. 31 GG bei Annahme einer konstitutiven Bundesgesetzgebungskompetenz aus Art. 84 Abs. 1 GG März, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 31 Rn. 64 f. 212 Vgl. Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 83 Rn. 37; Finkelnburg/Lässig, VwVfG, Einleitung Rn. 40. 213 So Bull, in: AK, Art. 84 Rn. 6, aber wohl anders in Art. 85 Rn. 11; wohl auch Broß, in: v. Münch/Kunig, Art. 84 Rn. 10. Siehe auch Antoni, AöR 113 (1988), 329, 356. Aus der Nichterwähnung des Verwaltungsverfahrens in Art. 85 Abs. 1 GG schließen die Vertreter des konstitutiven Charakters des Art. 84 Abs. 1 GG jedoch nicht, dass im Rahmen der Auftragsverwaltung dem Bundesgesetzgeber eine dahingehende Gesetzgebungskompetenz nicht zusteht. Die „merkwürdige“ Folge, dass dieser auf weitergehende Ingerenzen angelegte Verwaltungstypus gerade hinsichtlich der Regelung des Verwaltungsverfahrens hinter Art. 84 Abs. 1 GG zurückbleiben würde, wird mit Hilfe unterschiedlicher Konstruktionen überwunden. Teilweise wird in der Nichterwähnung des Verwaltungsverfahrens schlicht ein Redaktionsversehen ausgemacht. Dieses sei im Wege eines Erst-recht-Schlusses aus Art. 84 Abs. 1 GG teleologisch zu korrigieren. Vgl. Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 85 Rn. 3; Dittmann, in: Sachs, Art. 85 Rn. 10; Britz, DÖV 1998, 636, 640. Um einen Wertungswiderspruch zur Zustimmungsbedürftigkeit allgemeiner Verwaltungsvorschriften gem. Art. 85 Abs. 2 Satz 1 GG zu vermeiden, geht diese Ansicht auch von der Zustimmungsbedürftigkeit von Einrichtungsregelungen aus. Insb. Lerche will dagegen (nur) von einer ungeschriebenen Bundesgesetzgebungskompetenz für verwaltungsverfahrensrechtliche Regelungen ausgehen. Vgl. Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 85 Rn. 26 ff. Art. 85 Abs. 1 GG treffe gerade keine eigenständige Regelung im Hinblick auf das Verwaltungsverfahren, konstituiere insoweit also nichts. Siehe auch Zech, DVBl. 1987, 1089, 1091 mit Fn. 32. Ein Zustimmungsrecht des Bundesrates verneint Lerche. Dahingehend zust. Blümel, in: HdbStR IV, § 101 Rn. 54.

C. Die bundesgesetzliche Regelung nach Art. 84 Abs. 1 GG

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lichen) Gesetzgebungskompetenz zur Schaffung von Ausführungsregelungen kann der Bund nach dieser Konzeption zudem nur „akzessorisch“ Gebrauch machen, d. h. eine Regelung der Einrichtung der Behörden und des Verwaltungsverfahrens kann nur gleichzeitig mit dem auszuführenden Bundesgesetz oder ihm nachfolgend ergehen. Der Streit um den „Sitz“ der Gesetzgebungskompetenz des Bundes für Ausführungsregelungen nach Art. 84 Abs. 1 GG (kann und) muss hier nicht entschieden werden. Er ist für den Umfang der Gesetzgebungskompetenz des Bundes (und der Länder214) von Bedeutung215, für die Frage nach dem Umfang des Zustimmungserfordernisses für die Regelung der Einrichtung der Behörden und des Verwaltungsverfahrens der Länder nach Art. 84 Abs. 1 GG jedoch nicht. Die Kontroverse wirkt sich in der Praxis insgesamt insbesondere deswegen nicht aus, weil die Vertreter der Annextheorie von der eigentlich strenge(re)n Voraussetzung des punktuellen Charakters von Annexregelungen auch angesichts der Kodifizierung eines allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes des Bundes – das die Frage nach der Herleitung der Gesetzgebungskompetenz ebenfalls unbeantwortet gelassen hat – abgerückt sind und der Unterschied zum von der Gegenauffassung aufgestellten Akzessorietätserfordernis damit wohl nahezu vollständig eingeebnet ist. In der Praxis treten Normkonflikte aufgrund der Regelung des § 1 Abs. 3 VwVfG des Bundes „nur“ noch zwischen besonderen Einrichtungs- und Verwaltungsverfahrensvorschriften des Bundes und allgemeinen und beson214 Siehe zu den Folgen, die sich aus der Annextheorie oder aus der Annahme einer konstitutiven Bundesgesetzgebungskompetenz für die Kompetenz der Länder zur Regelung von Behördeneinrichtung und Verwaltungsverfahren ergeben, Neuser, S. 112 ff. mit Nachweisen zu den verschiedenen Konstruktionen. Für die Vertreter der Annextheorie siehe aktuell Heitsch, S. 213 f.; Hermes, in: Dreier, Art. 84 Rn. 21 f., 35 f., Art. 85 Rn. 28. Für die Gegenansicht siehe Dittmann, in: Sachs, Art. 84 Rn. 3, Art. 85 Rn. 8; Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 84 Rn. 13. 215 Zur Relevanz des Meinungsstreits dahingehend siehe Neuser, S. 115 ff. und Finkelnburg/Lässig, VwVfG, Einleitung Rn. 43, 47. Bei einer Ableitung der Gesetzgebungskompetenz aus den Art. 70 ff. GG unterliegt die Gesetzgebungskompetenz eigentlich den allgemeinen Voraussetzungen einer Annexkompetenz. Siehe hierzu nur Rozek, Art. 70 Rn. 42, 46 m. w. N. Die Gegenauffassung statuiert ein Akzessorietätserfordernis, d. h. auch nach dieser Ansicht ist die Existenz bestimmter Sachregelungen Voraussetzung für die Inanspruchnahme der als konstitutiv angesehenen Bundesgesetzgebungskompetenz nach Art. 84 Abs. 1 GG. Vgl. Dittmann, in: Sachs, Art. 84 Rn. 5; Trute, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 84 Rn. 5. Siehe auch Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 84 Rn. 19, Art. 85 Rn. 29, der der Akzessorietätsvorstellung aber kritisch gegenübersteht („von Haus aus etwas schüttere Theorie“); für Art. 85 Abs. 1 GG lehnt er sie ganz ab. Siehe auch Bryde, in: v. Münch/Kunig, Art. 84 Rn. 4. Zur missverständlichen Vermischung von Annex- und Akzessorietätsgedanken in Teilen des Schrifttums (z. B. bei Bettermann, VVDStRL 17 (1959), 118, 158; von Hausen, DÖV 1960, 441, 442; Kuckuck, DÖV 1978, 354, 355) siehe Neuser, S. 133 f.; Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 83 Rn. 38.

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3. Abschn.: Die Stellung des Art. 84 Abs. 1 GG

deren Vorschriften der Länder auf. Besondere Vollzugsvorschriften sind aber gerade in einer Vielzahl von durch die Länder als eigene Angelegenheit auszuführenden Bundesgesetzen enthalten.

III. Besondere Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Bundesgesetzgebungskompetenz In der Literatur sind verschiedentlich weitere Voraussetzungen diskutiert worden, denen die Inanspruchnahme der Bundesgesetzgebungskompetenz zur Regelung der Einrichtung der Behörden und des Verwaltungsverfahrens der Länder unterliegen soll. Ganz allgemein wird teilweise gefordert, dass es unter Zugrundelegung der vom Grundgesetz angenommenen prinzipiellen Geschlossenheit der Verfassungs- und Verwaltungskörper des Bundes und der Länder für ein Eingreifen des Bundes in die Verwaltungskompetenzen der Länder eines „spezifischen Sachgrundes“ bedarf.216 Den Bund soll eine Darlegungslast dahingehend treffen, warum landesgesetzliche Regelungen bei der Ausführung von Bundesgesetzen nicht ausreichend seien. Über eine Missbrauchsgrenze sollen die Anforderungen an eine Darlegungslast aber nicht hinausgehen; die Kontrolle bleibt dann auf Extremfälle beschränkt.217 Praktische Konsequenzen hat eine so gefasste Beschränkung der Bundesgesetzgebungskompetenz – dies wird auch in der Literatur nicht bezweifelt – kaum, da der Bund den vorzuweisenden „Sachgrund“ selbst bestimmen kann und ein verfassungsgerichtlich angreifbarer Missbrauch sich kaum wird nachweisen lassen.218 Über eine Missbrauchskontrolle hinaus vertreten Teile der Literatur die Ansicht, dass das „Ob“ der Inanspruchnahme der Gesetzgebungskompetenz des Bundes – nicht nur vom Vorliegen irgendeines spezifischen Sachgrundes, sondern – von einem „Bedürfnis“ nach bundeseinheitlicher Regelung abhängig zu machen sei.219 Auch wird angedacht, das „Wie“ der Inanspruchnahme auf Ausnahmen zu beschränken220 oder durch ein Übermaß216 Vgl. Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 83 Rn. 7; ebenso Antoni, AöR 113 (1988), 329, 353. 217 Vgl. Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 83 Rn. 7; ebenso Antoni, AöR 113 (1988), 329, 353, der den Fall erwähnt, dass der Bund Regelungen trifft, die mit dem Landesrecht vollkommen übereinstimmen. Dann stellt sich allerdings schon die Frage, ob überhaupt eine „Regelung“ i. S. d. Art. 84 Abs. 1 GG vorliegt. 218 Vgl. Antoni, AöR 113 (1988), 329, 413. 219 Vgl. die Nachweise bei Finkelnburg/Lässig, VwVfG, Einleitung Rn. 44. Siehe auch Hohrmann, S. 102 f. Vgl. jetzt den Vorschlag für eine Neufassung des Art. 84 Abs. 1 GG. Siehe dazu unten Sechster Abschnitt B., C. 220 Vgl. Bettermann, VVDStRL 17 (1959), 118, 163.

D. Ergebnis und Folgerungen

175

verbot zu begrenzen.221 Schon der Wortlaut des Art. 84 Abs. 1 GG liefert für derartige Einschränkungen jedoch keine Anhaltspunkte.222 Gegen die Annahme einer Bedürfnisklausel spricht die spezielle Regelung des Art. 87 Abs. 3 Satz 2 GG. Das Verhältnismäßigkeitsprinzip auf die Kompetenzbeziehungen zwischen Bund und Ländern anzuwenden, überzeugt zumindest im Fall des Art. 84 Abs. 1 GG deswegen nicht223, weil zur Sicherung der Verwaltungskompetenzen der Länder gerade das Zustimmungsrecht des Bundesrates vorgesehen ist. Einem „übermäßigen“ Eingriff wird durch staatsorganisationsrechtliche Vorgaben vorgebeugt, nicht durch Verhältnismäßigkeitsanforderungen.224 In der Praxis hat der Bundesrat angesichts seiner weit reichenden, aus Art. 84 Abs. 1 GG folgenden Zustimmungsrechte zu Bundesgesetzen eine Restriktion der Inanspruchnahme der Gesetzgebungskompetenz des Bundes zur Schaffung von Einrichtungs- und Verwaltungsverfahrensregelungen ohnehin nie durchzusetzen versucht. Der Bundesrat hat ein umfangreiches Zustimmungsrecht einer Beschränkung des dem Unitarisierungsdrang folgenden „furor legislativus“ des Bundes vorgezogen.

D. Ergebnis und Folgerungen Herleitung und Umfang der Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die Regelung der Einrichtung der Behörden und des Verwaltungsverfahrens der Länder werfen mangels Identität zwischen den ganz überwiegend auf Sachmaterien bezogenen Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenzen und ihrer unterschiedlichen Verteilung auf Bund und Länder im traditionellen Verzahnungssystem des deutschen Bundesstaates Probleme auf, die mit der ausdrücklichen Normierung eines bundesgesetzlichen Regelungsvorbehalts für Ausführungsvorschriften und einem darauf bezogenen Zustimmungserfordernis des – in Bezug auf Regelungen von Sachmaterien grundsätzlich nur über eine Einspruchskompetenz verfügenden – Bundesrates in Art. 84 Abs. 1 GG zum ersten Mal prekär wurden. Die Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen materiellem Recht und darauf bezogenen organisations- und verwaltungsverfahrensrechtlichen Regelungen, die sich im Anwendungsbereich des Art. 84 Abs. 1 GG daher in erheblichem Maße auswirken, hat das Bundesverfassungsgericht eher zögerlich 221

Vgl. Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 84 Rn. 2. Vgl. Dittmann, in: Sachs, Art. 84 Rn. 6; Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 84 Rn. 15 ff.; Hermes, in: Dreier, Art. 84 Rn. 40. Siehe auch Trute, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, Art. 84 Rn. 3, 6; Antoni, AöR 113 (1988), 329, 413. 223 Vgl. Hermes, in: Dreier, Art. 84 Rn. 40. 224 Vgl. auch Antoni, AöR 113 (1988), 329, 413 f. 222

176

3. Abschn.: Die Stellung des Art. 84 Abs. 1 GG

zu klären versucht. Mit dem Problem der Herleitung der Gesetzgebungskompetenz des Bundes für Ausführungsregelungen hat es sich nie abschließend befasst (und auch nicht befassen müssen). Mit der Frage, ob eine bestimmte bundesgesetzliche Regelung der Behördeneinrichtung und des Verwaltungsverfahrens der Länder von der Gesetzgebungskompetenz des Bundes überhaupt gedeckt ist, ist das Gericht, soweit ersichtlich, nur im Fall der Übertragung von Aufgaben an die Gemeinden225 konfrontiert worden. Streitig war vielmehr regelmäßig, ob ein Gesetz wegen einer in ihm enthaltenen Einrichtungs- oder Verwaltungsverfahrensregelung aufgrund des Art. 84 Abs. 1 GG der Zustimmung des Bundesrates bedurft hätte. Dies ist insofern symptomatisch für das System des Beteiligungsföderalismus, als nicht die Länderparlamente gegen den vielfachen und umfangreichen bundesgesetzlichen Zugriff auf ihre Kompetenzen zur Schaffung von Vollzugsregelungen vorgegangen sind (bzw. vorgehen konnten), sondern vielmehr die Landesregierungen über den Bundesrat ihre Mitwirkungsbefugnis geltend gemacht haben. Der Umstand jedenfalls, dass unter Zugrundelegung der Einheitsthese die eindeutige Identifizierung bereits einer Einrichtungsoder Verfahrensregelung i. S. d. Art. 84 Abs. 1 GG ausreicht, um das Zustimmungsrecht des Bundesrates zu dem Gesetz auszulösen, hat wesentlich dazu beigetragen, dass Abgrenzungsfragen vom Bundesverfassungsgericht eher punktuell erörtert wurden. Die vom Gericht entwickelten Theorien von der „Wandelbarkeit“ des Begriffes des Verwaltungsverfahrens und der „Doppelgesichtigkeit“ von Normen oder die Kategorie der Änderungsgesetze, die Verfahrensregelungen des Ausgangsgesetzes eine „wesentlich andere Bedeutung und Tragweite verleihen“, haben bestehende Unsicherheiten in der Staatspraxis eher befördert als beseitigt.226 Meinungsverschiedenheiten zwischen Bundesregierung und Bundesrat wurden vielfach nicht ausgetragen, sondern im Kompromiss aufgelöst. Geht man davon aus, dass eine „Unterscheidung zwischen materiellem und Verfahrensrecht weder praktisch noch theoretisch gelingen“227 kann, ist dies unter Effektivitätsgesichtspunkten möglicherweise sogar positiv zu bewerten. Nimmt man aber die verfassungsrechtliche Regelung des Art. 84 Abs. 1 GG beim Wort und bejaht die grundsätzliche Möglichkeit der – wenn auch im Einzelfall schwierigen – Abgrenzung zwischen materiell-rechtlichen und organisations- und verfahrensrechtlichen Regelungen, stellt die „Verhandelbarkeit“ des Zustimmungsrechts des Bundesrates gerade ein Effektivitätsproblem dar. Wenn „kompetenzabgrenzende Normen den Sinn haben, Streitigkeiten 225

Siehe dazu oben in diesem Abschnitt C. I. 1. Vgl. auch Antoni, AöR 113 (1988), 329, 350. 227 So Hermes, in: Dreier, Art. 84 Rn. 33. Vgl. auch Fiedler, AöR 105 (1980), 79, 85 ff. 226

D. Ergebnis und Folgerungen

177

zu vermeiden“228, dann indem sie diese klären, nicht aber indem sie durch Unsicherheiten in Bezug auf ihren Inhalt die Beteiligten zum Kompromiss bewegen.229 Dieser Kompromiss wird aber im Anwendungsbereich des Art. 84 Abs. 1 GG entscheidend erzwungen durch die Anwendung der Einheitsthese. Nur soweit eine Abkehr von dieser möglich ist, gelingt eine „Entkoppelung der Richtungskonflikte, die in der Sachpolitik zwischen Regierung und Opposition bestehen, von den institutionellen Konflikten (. . .), die zwischen Bund und Ländern bei der Organisation der Behörden und beim Verwaltungsverfahren“230 existieren. Das im System funktionaler Kompetenzverteilung angelegte Verflechtungspotential zwischen der Bundes- und der Länderebene ist dann auf den Bereich reduziert, in dem Koordination gefordert ist.

228 229 230

Haas, AöR 89 (1955/56), 81, 81. Vgl. Sauter, in: FS Klein, S. 561, 563. Scharpf, 3. Sitzung der Kommission, 12.12.2003, StenBer., S. 65.

Vierter Abschnitt

Einheitsthese oder Trennungsthese im Anwendungsbereich des Art. 84 Abs. 1 GG A. Die Einheitsthese „Die föderale Balance“, so formulierte zuletzt wieder Isensee, „wie sie sich in einem halben Jahrhundert bundesdeutscher Staatspraxis eingependelt hat, hängt ab von einer unscheinbaren Prämisse“1: Eine einzige in einem Bundesgesetz enthaltene Norm löst die Zustimmungsbedürftigkeit des Gesetzes als Ganzes aus, d. h. das Gesetz als Ganzes bedarf der Zustimmung des Bundesrates. Fehlt diese, ist das Gesetz als Ganzes nicht zustande gekommen und damit insgesamt nichtig. Diese Prämisse hat im Zusammenspiel mit den verschiedenen genannten Umständen Art. 84 Abs. 1 GG eine derartige Bedeutung verliehen, dass Hoffmann, Stellvertreter des damaligen Bürgermeisters Scherf als Bundesratsmitglied der Bundesstaatskommission, sich zu der Aussage veranlasst sah, dass der zur Diskussion stehende Verlust des Zustimmungsrechts des Bundesrates nach Art. 84 Abs. 1 GG jedenfalls kompensiert werden müsse, „damit der Bundesrat nicht zu einem drittklassigen Bundesorgan herabgestuft werde“2. Der Bundesrat vertrat von Beginn an die Auffassung, dass einzelne zustimmungsbedürftige Regelungen eines Gesetzes das Gesetz als Ganzes zustimmungsbedürftig werden lassen und der Bundesrat auch über das Gesetz als Ganzes Beschluss zu fassen habe.3 Auch das Bundesverfassungsgericht hat bereits im Jahre 1958 in seiner Entscheidung zum Preisgesetz im Sinne des Bundesrates ausgeführt, dass „Bundesgesetz“ i. S. d. Art. 84 Abs. 1 GG sich nicht auf das Gesetz als einzelne Norm beziehe, sondern das Gesetz als „gesetzgebungstechnische Einheit“ bezeichne.4 Später hat das Bundesverfassungsgericht dem Bundesrat ausdrücklich das Recht zuerkannt, das Gesetz seinem ganzen Inhalt nach zu prüfen und einem Gesetz auch dann die Zustimmung zu verweigern, wenn er nur mit den materiellen, die Zustimmungsbedürftigkeit nicht auslösenden Normen des Gesetzes nicht über1 2 3 4

Isensee, in: FS von Arnim, S. 603, 603. Hoffmann, 1. Sitzung der AG 1, 15.1.2004, ProtVerm., S. 13. Vgl. Antoni, AöR 113 (1988), 329, 333 m. w. N. Vgl. BVerfGE 8, 274, 294 f.

A. Die Einheitsthese

179

einstimmt.5 Damit war auch verfassungsgerichtlich „Raum für den politischen Handel zwischen Bundesrat und Bundesregierung bzw. Bundestagsmehrheit über den materiellen Gesetzesinhalt“6 geschaffen. Die Literatur hat die Einheitsthese von Beginn der Entwicklung an bis heute überwiegend mitgetragen. Erst in den letzten Jahren ist sie von Teilen des Schrifttums wieder in Frage gestellt worden. Auch das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung zum Lebenspartnerschaftsgesetz in einem obiter dictum erstmals die Möglichkeit einer Aufgabe der Einheitsthese angedeutet.7 Wenn auf „die“ Einheitsthese Bezug genommen wird, muss berücksichtigt werden, dass ihr Inhalt nicht vollständig klar umrissen ist. Sie behandelt verschiedene Fragen: Wie erfolgt die Behandlung eines zustimmungsbedürftige und an sich zustimmungsfreie Normen enthaltenden Gesetzes im Gesetzgebungsverfahren; ist das Gesetz als Ganzes zustimmungsbedürftig?8 Ist die Zustimmungsbedürftigkeit des Gesetzes als Ganzes nur verfahrensoder auch sachbedingt?9 Aus welchen Gründen darf der Bundesrat seine Zustimmung verweigern?10 Ist bei fehlender Zustimmung das ganze Gesetz nichtig?11 Die Einheitsthese ist nicht nur im Rahmen des Art. 84 Abs. 1 GG relevant. Sie kann gerade auch im Anwendungsbereich des Art. 80 Abs. 212, des Art. 84 Abs. 5 Satz 1, des Art. 85 Abs. 1 GG und im Anwendungsbereich der in den Art. 87 ff. GG geregelten Zustimmungstatbestände Bedeutung erlangen.13 In der vorliegenden Arbeit soll es jedoch allein um die Geltung der Einheitsthese für den Zustimmungstatbestand des Art. 84 Abs. 1 GG gehen. Hier entfaltet sie ihre entscheidende Wirkung.

I. Die Staatspraxis Vor der Frage, wie Gesetze zu behandeln sind, die nicht ihrem ganzen Inhalt nach aufgrund grundgesetzlicher Regelung der Zustimmung des Bun5

Vgl. BVerfGE 37, 363, 381. Gramm, AöR 124 (1999), 212, 222. Vgl. auch H. Meyer, 3. Sitzung der Kommission, 12.12.2003, StenBer., S. 61. 7 Vgl. BVerfGE 105, 313, 339. Dass die Einheitsthese, wie S. Meyer, S. 241, feststellt, nach der Entscheidung zum Lebenspartnerschaftsgesetz offenbar nicht mehr fortbesteht, hat die nachfolgende Rechtsprechung nicht bestätigt. 8 Siehe dazu unten in diesem Abschnitt B. 9 Siehe dazu unten in diesem Abschnitt B. I. 2., 3., 5. 10 Siehe dazu unten in diesem Abschnitt C. 11 Siehe dazu unten in diesem Abschnitt D. 12 Siehe dazu oben Erster Abschnitt C. 2. b), IV. 3. c). 13 Zu Art. 105 Abs. 3 GG siehe oben Erster Abschnitt C. VI. 3. a). 6

180

4. Abschn.: Einheitsthese oder Trennungsthese

desrates unterliegen, sondern nur einzelne an sich zustimmungsbedürftige Normen enthalten, standen Bundesregierung bzw. Bundestag auf der einen und der Bundesrat auf der anderen Seite von Beginn an. Angesichts der Bedeutung des Art. 84 Abs. 1 GG konzentrierte sich die Frage im Wesentlichen darauf, ob Gesetze, die überwiegend materielle, an sich zustimmungsfreie Bestimmungen enthalten, aber gleichzeitig in einzelnen Vorschriften auch die Einrichtung der Behörden und/oder das Verwaltungsverfahren der Länder regeln, insgesamt der Zustimmung des Bundesrates unterliegen.14 Das Problem der „Anknüpfung bei ‚Mischgesetzen‘“15, das im Anwendungsbereich des Art. 84 Abs. 1 GG von Anfang an besonders virulent war, hatte der historische Verfassungsgeber nicht gelöst.16 Die Auseinandersetzung mit dieser Frage war Teil der ersten Positionskämpfe zwischen der Bundesregierung unter Adenauer und dem Bundesrat, der früh versuchte, seine Stellung im Institutionengefüge und insbesondere seine Berechtigung zur Geltendmachung von allgemeinpolitischen Positionen, die ihm von Seiten der Bundesregierung zum Teil deutlich streitig gemacht wurde, zu behaupten.17 Zu klären war und ist die Frage, wie Mischgesetze im Gesetzgebungsverfahren und – damit zusammenhängend – in Bezug auf ihre Gültigkeit zu behandeln sind. Führt die in einem Gesetzesbeschluss enthaltene doppelte Anknüpfung sowohl an Sachbereiche, bei deren Regelung dem Bundesrat ein Einspruchsrecht zusteht, als auch an Sachbereiche, deren Regelung dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterworfen ist, zum Nebeneinander der Beteiligungsformen der „Zweiten Kammer“ an der Gesetzgebung? Oder sind Mischgesetze gar verfassungsrechtlich unzulässig?18 1. Durchsetzung der Einheitsthese in der Staatspraxis Die Staatspraxis jedenfalls hat keinen dieser beiden letztgenannten Wege beschritten. Der Bundesrat ging vielmehr ganz selbstverständlich von der Zustimmungsbedürftigkeit eines Mischgesetzes als Ganzes aus. Aus diesem umfassenden Zustimmungsrecht schloss der Bundesrat gleichzeitig auf ein umfassendes Prüfungsrecht. Er könne die Zustimmung zu einem Gesetz nicht nur aufgrund Missbilligung der die Zustimmungsbedürftigkeit aus14

Vgl. dazu und im Folgenden Rössler, S. 23 ff. So die Terminologie bei Pestalozza, JuS 1975, 366, 368. Zur Frage der Zustimmungsbedürftigkeit von Mischverordnungen siehe Dietlein, DÖV 1984, 788, 788 ff. 16 Siehe oben Dritter Abschnitt A. II. 3. 17 Vgl. hierzu Wengst, S. 305 f.; Oeter, S. 157 f., 163 ff. 18 Siehe hierzu Pestalozza, JuS 1975, 366, 368 mit Beispielen aus den Verfassungsordnungen anderer Staaten. 15

A. Die Einheitsthese

181

lösenden Normen verweigern, sondern auch dann, wenn er die übrigen, die Zustimmungsbedürftigkeit allein nicht begründenden Normen ablehne.19 Die Bundesregierung ist der Auffassung des Bundesrates schon in der Frühphase der Staatspraxis nicht nachhaltig entgegengetreten.20 Offenbar ging man bald von der „praktischen Undurchführbarkeit“ einer gegenteiligen Auffassung aus.21 Die Kritik der Bundesregierung konzentrierte sich daher auf das vom Bundesrat aus dem umfassenden Zustimmungsrecht hergeleitete umfassende Prüfungsrecht.22 Derartige Versuche einer einschränkenden Interpretation wurden vom Bundesrat jedoch vehement zurückgewiesen. Die eigenen Positionen wurden mit der „Mitverantwortung“ des Bundesrates für den ganzen Gesetzesinhalt, die dieser mit seiner Zustimmung übernehme, zu untermauern versucht.23 Die daraufhin geäußerte Dro19 Vgl. Rössler, S. 23 f. mit zahlreichen Nachweisen zu den Äußerungen des Rechtsausschusses des Bundesrates und den daran anknüpfenden Stellungnahmen in den Sitzungen des Bundesrates. Siehe auch Kratzer, AöR 77 (1951/52), 266, 269; Kutscher, DÖV 1952, 710, 713. Vgl. auch Held, AöR 80 (1955/56), 50, 61. 20 Vgl. Schneider, DVBl. 1953, 257, 258, der es als „verwunderlich“ bezeichnet, wie „spät und spärlich“ Kritik geäußert wurde. 21 Vgl. Rössler, S. 24. 22 Siehe die Anmerkung des Bundesministeriums der Finanzen zur Stellungnahme des Bundesrates zur Ersten Durchführungsverordnung zum Investitionshilfegesetz, in: Finanzpolitische Mitteilungen 9/18.3.1952, S. 2: Die Zustimmungsbedürftigkeit des Investitionshilfegesetzes und der zu seiner Durchführung ergehenden Verordnungen resultiere allein aus der Regelung der Beteiligung der Länderfinanzverwaltung bei der Ausführung des Gesetzes. Sinn der in diesem Fall vom Grundgesetz vorgesehenen Zustimmungsbedürftigkeit könne es nur sein, „die Länder in bezug auf die organisatorischen Fragen zu beteiligen und ihnen die Möglichkeit zu geben, zu verhindern, daß ihre Verwaltungen durch Gesetzgebungsmaßnahmen des Bundes in einer untragbaren Weise belastet werden“. Hierauf habe sich der Bundesrat nicht beschränkt, vielmehr greife er durch das beschriebene Vorgehen in „eine sachliche Entscheidung der Bundesregierung ein, die als Bundessache angesehen werden muß, er wünscht auch Ausnahmebestimmungen, die nur zu einer Verwaltungserschwerung führen können.“ Das widerspreche gerade dem Sinn der Zustimmungsbedürftigkeit der Durchführungsverordnung. 23 Siehe das Protokoll der (berühmt gewordenen) 81. Sitzung des Bundesrates, 28.3.1952, S. 130 f., in der es anlässlich der oben erwähnten Anmerkung des Bundesministeriums der Finanzen zu einer in dieser Form einmaligen Auseinandersetzung zwischen Bundesregierung und Bundesrat über die verschiedenen Positionen kam. Deutlich trat der nordrhein-westfälische Minister Spiecker der Auffassung des Finanzministeriums, hinter der er die persönliche Ansicht des Finanzministers ausmachen wollte, entgegen. Diese stehe „mit dem Grundgesetz auf Kriegsfuß“. Eine Beschränkung des Zustimmungsrechts auf „organisatorische Fragen“ hielt er für vollkommen abwegig. Das Grundgesetz, so Spiecker, sehe keine Beschränkung des Prüfungsrechts des Bundesrates vor. Dies hätte auch der „Artikelschreiber“ erkennen müssen, hätte er sich „die Mühe gemacht, sich im Grundgesetz die Artikel 50, 80, 84, 85 usw. durchzulesen“. Die Zustimmung des Bundesrates bedeute, dass der Bundesrat zum gesamten Inhalt einer Vorlage „Ja“ sagen müsse. Mithin müsse der

182

4. Abschn.: Einheitsthese oder Trennungsthese

hung von Seiten der Bundesregierung, man werde zustimmungsbedürftige Vorschriften in Zukunft in einem separaten Gesetz vorlegen müssen, um nicht „wegen einer Verfahrensvorschrift das ganze Gesetz zu gefährden“24, wurde nicht wahr gemacht. Mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Preisgesetz, in dem dieses die These von der „gesetzgebungstechnischen Einheit“ bestätigte25, fand die Entwicklung vorläufig einen Abschluss.26 Einen Versuch zur Einschränkung des Umfangs des Zustimmungsrechts des Bundesrates unternahm anlässlich des Verfahrens wegen verfassungsrechtlicher Prüfung des Gesetzes über das Kreditwesen27 im Jahre 1962 noch einmal das Bundesministerium des Innern.28 In der mündlichen Verhandlung trug es vor, dass ein umfassendes Zustimmungsrecht des Bundesrates zumindest dann nicht bestehen könne, wenn ein im Gesamtzusammenhang des Gesetzes peripheres und bedeutungsloses verfahrensrechtliches Element die Zustimmungsbedürftigkeit des Gesetzes auslöse.29 Dies folge aus dem „Grundsatz der Verhältnismäßigkeit des Mittels“ und dem „Gebot Bundesrat den gesamten Inhalt prüfen, da er durch sein „Ja“ mit der Bundesregierung die Verantwortung für den ganzen Inhalt übernehme. Damit war die sog. Mitverantwortungstheorie geboren; sie wurde in Beschlussform verabschiedet. 24 Siehe die Antwort des Bundesfinanzministers Schäffer auf die Ausführungen Spieckers ebenfalls in der 81. Sitzung des Bundesrates, 28.3.1952, Protokoll, S. 149 f., die mit der Bemerkung schließt, er „würde es für besser halten, Bundesrat und Bundesregierung würden sich einmal ruhig miteinander darüber aussprechen, wie das Zustimmungsrecht in solchen Fällen zu handhaben ist und ob die Gesetze einheitlich oder getrennt vorgelegt werden sollen“. 25 Vgl. BVerfGE 8, 274, 294 f. 26 Vgl. Rössler, S. 25. 27 Gesetz v. 10.7.1961 (BGBl. I, S. 881). Vgl. BVerfGE 14, 197 ff. – Beschluss des Zweiten Senats v. 24.7.1962. Die Antragsteller machten u. a. geltend (206 ff.), das Gesetz sei unter Verstoß gegen Art. 87 Abs. 3 Satz 2 GG zustande gekommen. Daneben wurde vorgebracht, das Kreditwesengesetz enthalte in drei näher bezeichneten Bestimmungen eine Verfahrensregelung für die Registergerichte und damit eine Regelung des Verwaltungsverfahrens der Länder, die die Zustimmungsbedürftigkeit des Gesetzes nach Art. 84 Abs. 1 GG auslöse; zudem sei das Kreditwesengesetz zustimmungsbedürftig, weil es in einer näher bezeichneten Vorschrift vorkonstitutionelle Gesetze und Rechtsverordnungen aufgehoben habe, die, wären sie nach Inkrafttreten des Grundgesetzes erlassen worden, der Zustimmung des Bundesrates bedurft hätten. Zustimmungsbedürftig sei das Gesetz auch aufgrund Art. 105 Abs. 3 GG und Art. 108 Abs. 3 Satz 2 GG. Dieser extensiven Interpretation des Art. 84 Abs. 1 GG, in der sich das Streben der Landesregierungen nach umfangreichen Zustimmungsrechten deutlich zeigt, schloss sich das Bundesverfassungsgericht jedoch nicht an (209 ff., 219 ff.). 28 Vgl. dazu Rössler, S. 28 ff. und Antoni, AöR 113 (1988), 329, 334. 29 Die Argumentation des Bundesministeriums ist wiedergegeben bei Rössler, S. 28 f. BVerfGE 14, 197 ff. schweigt hierüber gänzlich. Vgl. auch Antoni, AöR 113 (1988), 329, 334.

A. Die Einheitsthese

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des verfassungskonformen Gebrauchs von Rechten“. Bei „offensichtlicher Ungleichheit: einerseits ein bedeutendes Sachgesetz, andererseits eine Verfahrensregelung von untergeordneter Bedeutung“, soll danach das Zustimmungsrecht des Bundesrates nicht ausgelöst werden30 bzw. soll in diesem Fall die Landesregierungen im Bundesrat eine Pflicht zur Rücksichtnahme „auf die kollidierenden gesetzgeberischen Kompetenzen und Interessen des Bundes“ treffen.31 Die „gesetzestechnische Notwendigkeit der einheitlichen Behandlung eines Gesetzes“ wurde aber auch in diesem Zusammenhang nicht mehr in Frage gestellt. Das Bundesverfassungsgericht ging in seiner Entscheidung auf die vom Bundesinnenministerium vorgetragene Ansicht nicht ein. Es hielt das Kreditwesengesetz insgesamt für nicht zustimmungsbedürftig. Auf die Möglichkeit der Begrenzung des Zustimmungsrechts des Bundesrates kam es daher für die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes nicht an.32 Die Bundesregierung hat auf die Argumentation des Innenministeriums, soweit ersichtlich, später nicht wieder zurückgegriffen. 2. Strittige Folgefragen Die Staatspraxis orientierte sich in der Folgezeit an der These von der gesetzgebungstechnischen Einheit eines Mischgesetzes. Dass Inhalt, Be30

Die Möglichkeit der „Anknüpfung“ des Mitwirkungsrechts der „Zweiten Kammer“ an den Sachbereich, der den Schwerpunkt der gesetzlichen Regelung bildet, erörtert Pestalozza, JuS 1975, 366, 368. 31 Zur (mangelnden) verfassungsrechtlichen Plausibilität dieser Argumentation vgl. nur Rössler, S. 30 f. 32 BVerfGE 14, 197, 209 ff., 219 ff. Art. 87 Abs. 3 Satz 2 GG war nach Ansicht des Gerichts auf das Kreditwesengesetz nicht anwendbar. Art. 88 GG gehe als lex specialis vor. Ebenso verneinte das Bundesverfassungsgericht eine Zustimmungsbedürftigkeit nach Art. 84 Abs. 1 GG. Die Registergerichte, für die das Kreditwesengesetz Verfahrensregelungen traf, seien Gerichte und damit keine Verwaltungsbehörden i. S. d. Art. 84 Abs. 1 GG. Auch die Aufhebung vorkonstitutioneller Regelungen des Verfahrens der Landesbehörden beinhaltender Vorschriften falle nicht unter Art. 84 Abs. 1 GG. Die Aufhebung beende lediglich das Verwaltungshandeln der Länder auf dem Gebiet der Bankenaufsicht. Dies stelle keine Regelung i. S. d. Art. 84 Abs. 1 GG dar. Auch über Art. 105 Abs. 3 GG lasse sich die Zustimmungsbedürftigkeit nicht begründen. Der Begriff des Gesetzes über Steuern nach Art. 105 Abs. 3 GG könne nicht, wie die Antragsteller dies versucht hatten, derart weit ausgelegt werden, dass auch die in einer Vorschrift des Kreditwesengesetzes erfolgte Ermächtigung der Bundesregierung, einem Kreditinstitut aus nicht speziell die Steuererhebung betreffenden Gründen einen Aufschub auch für fällig gewordene Steuerverbindlichkeiten zu gewähren, hierunter falle. Zuletzt stellte das Bundesverfassungsgericht klar, dass Bestimmungen über die Schweigepflicht Bestandteil des materiellen Verwaltungsrechts seien und damit keine Verfahrensregelungen i. S. d. Art. 108 Abs. 3 Satz 2 GG enthalten.

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4. Abschn.: Einheitsthese oder Trennungsthese

gründung und Reichweite „der“ Einheitsthese sich in der Vorstellung der am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organe – je nach Interessenlage – teilweise deutlich unterschieden bzw. unterscheiden konnten, zeigte sich in den nachfolgenden Jahrzehnten insbesondere in der Auseinandersetzung um die Frage der Zustimmungsbedürftigkeit von Änderungsgesetzen und von Rechtsverordnungen nach Art. 80 Abs. 2, 2. Fall GG. Der Bundesrat versuchte – dies war schon mit der Einführung des Topos der „Mitverantwortung“ deutlich geworden –, sein Zustimmungsrecht zum Gesetz als Ganzes nicht nur aus einer verfahrensbedingten, sondern auch aus einer sachbedingten Einheit des Gesetzes abzuleiten.33 Anhand der im Organstreitverfahren betreffend den Erlass der sog. Apostille-Verordnung34 vom Bundesrat vorgetragenen Stellungnahme lässt sich das daraus entwickelte Argumentationsmuster aufzeigen. In dem Verfahren35 ging es um die Frage, ob eine Rechtsverordnung nach Art. 80 Abs. 2, 2. Fall GG („Rechtsverordnungen auf Grund von Bundesgesetzen, die der Zustimmung des Bundesrates bedürfen“) auch dann zustimmungsbedürftig ist, wenn die Ermächtigung zum Erlass der Rechtsverordnung und die mit dieser Ermächtigung zusammenhängenden Normen die Zustimmungsbedürftigkeit des Gesetzes gerade nicht ausgelöst haben.36 Der Bundesrat bejahte dies zunächst mit der Begründung, „Bundesgesetze, die der Zustimmung des Bundesrates bedürfen“ i. S. d. Art. 80 Abs. 2 GG, seien schon dem Wortlaut nach die zustimmungsbedürftigen Bundesgesetze als Ganzes, als gesetzgebungstechnische Einheit.37 Diese Einheit begründete der Bundesrat aber nicht nur unter Rückgriff auf gesetzestechnische Erwä33 Vgl. hierzu Ossenbühl, AöR 99 (1974), 369, 398: „Der Bundesrat, der offensichtlich die für seine Auffassung mangelnde Tragweite der Verfahrens-Version gespürt hat, legt sehr deutlich den Akzent auf einen anderen Punkt.“ 34 Verordnung über die Ausstellung der Apostille nach Artikel 3 des Haager Übereinkommens vom 5. Oktober 1961 zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Legalisation (vom 23. Februar 1966) (BGBl. I, S. 138). 35 Siehe den Beschluss des Zweiten Senats v. 9.10.1968, BVerfGE 24, 184 ff. 36 Die Staatspraxis war bis zum Apostille-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts insoweit nicht eindeutig verfahren, d. h. die Bundesregierung hatte, ohne dass der Bundesrat hiergegen vorgegangen war, Rechtsverordnungen, die der Bundesrat nach der von ihm vertretenen Auffassung für zustimmungsbedürftig halten musste, ohne die Zustimmung des Bundesrates erlassen. Gleichzeitig aber hatte die Bundesregierung Rechtsverordnungen, die nach ihrer Auffassung nicht zustimmungsbedürftig waren, dem Bundesrat zur Zustimmung zugeleitet. 37 Vgl. die Wiedergabe der Stellungnahme des Bundesrates, BVerfGE 24, 184, 186 ff. Die Formulierung des Art. 80 Abs. 2, 2. Fall GG knüpfe an den Vorgang der Entstehung der Vorschriften zum Erlass von Rechtsverordnungen enthaltenden Bundesgesetzen an. Sie verweise auf die Grundgesetzbestimmungen, die Zustimmungsrechte des Bundesrates bei der Gesetzgebung normieren. In diesen Bestimmungen sei ebenso wie in Art. 80 Abs. 2, 2. Fall GG das Bundesgesetz als Ganzes gemeint.

A. Die Einheitsthese

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gungen. Wesentlicher sei, so wurde argumentiert, dass jedes Gesetz „eine zweckbezogene und zweckgerichtete Einheit“ darstelle, zwischen deren Vorschriften „ein enger innerer Zusammenhang bestehe“38. Dies gelte gerade auch für das Verhältnis der materiell-rechtlichen Regelungen eines Gesetzes zu den in diesem enthaltenen Organisations- und Verfahrensvorschriften.39 Auch die vom Bundesrat mit der Zustimmung übernommene „Verantwortung“ für das Gesetz als Ganzes beziehe sich auf dieses „als gesetzgebungstechnische und zweckgerichtete Einheit“40. Daraus leitete der Bundesrat ein sich fortsetzendes, umfassendes Zustimmungsrecht des Bundesrates in Bezug auf mögliche Folgeakte, in diesem Fall Rechtsverordnungen aufgrund von Zustimmungsgesetzen41, ab. Die Bundesregierung suchte nach Möglichkeiten, einer daraus zwangsläufig resultierenden Ausweitung der Fälle zustimmungsbedürftiger Gesetze und Rechtsverordnungen im Wege einer deutlichen Reduzierung der Einheitsthese auf ihren „technischen“ Aussagegehalt zu begegnen. Für die Frage der Zustimmungsbedürftigkeit einer Rechtsverordnung nach Art. 80 Abs. 2, 2. Fall GG sei nicht auf das Gesetz als Ganzes, sondern nur auf die Normen abzustellen, zu deren Durchführung oder Ergänzung die Rechtsverordnung erlassen werde.42 Mit der Formulierung „Bundesgesetze, die der Zustimmung des Bundesrates bedürfen“ seien nur die Normen gemeint, die einen „selbständigen, abgrenzbaren Sachbereich betreffen, sofern sie mit der Ermächtigung in einem untrennbaren Zusammenhang stehen“43. Bezeichnet sei in Art. 80 Abs. 2, 2. Fall GG also nur ein „Ausschnitt aus dem Bundesgesetz als gesetzgebungstechnischer Einheit“44. Für die Prüfung der Zustimmungsbedürftigkeit einer Rechtsverordnung komme es nur darauf an, ob dieser Ausschnitt des Gesetzes die Zustimmung des Bundesrates ausgelöst habe. Zwar können Gesetze und Rechtsverordnungen bei ihrem Zu38

BVerfGE 24, 184, 189. Später als „Interdependenz zwischen materiellem und formellem Recht“ deklariert. Siehe hierzu die Wiedergabe der Äußerungen des Bundesrates im Verfahren zum Vierten Rentenversicherungs-Änderungsgesetz, BVerfGE 37, 363, 374 f. 40 BVerfGE 24, 184, 189. 41 Siehe in diesem Zusammenhang aber schon die Ausführungen des Bundesrates zur Zustimmungsbedürftigkeit von Änderungsgesetzen (BVerfGE 24, 184, 189). Der Streit um die Auslegung des Art. 80 Abs. 2, 2. Fall GG wird vom Bundesrat genutzt, um in der später als „Grabenkrieg“ bezeichneten, in machtpolitischer Hinsicht aufgrund ihrer Auswirkungen auf die Zahl zustimmungsbedürftiger Gesetze äußerst bedeutsamen Auseinandersetzung um die Zustimmungsbedürftigkeit von Änderungsgesetzen Stellung zu beziehen. 42 Siehe die Wiedergabe der Ausführungen der Bundesregierung in BVerfGE 24, 184, 190 ff. 43 BVerfGE 24, 184, 191. 44 BVerfGE 24, 184, 191. 39

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4. Abschn.: Einheitsthese oder Trennungsthese

standekommen nur als Ganzes betrachtet werden. Daraus sei jedoch nicht zu folgern, dass Gesetzesbeschlüsse auch „im übrigen, z. B. hinsichtlich der Auslösung des Zustimmungserfordernisses beim Erlaß von Rechtsverordnungen auf Grund einer in ihnen erhaltenen Ermächtigung“45 als Einheit zu behandeln seien. Die Sachbedingtheit der Einheit des Gesetzesbeschlusses, aus der der Bundesrat Folgewirkungen herleitete, wurde von der Bundesregierung, die daraus resultierende drohende Ausweitung der Zustimmungsrechte des Bundesrates vor Augen, also entschieden verneint. Keineswegs, so wurde vorgetragen, bilde jedes Gesetz eine „zweckbezogene und zweckgerichtete“ Einheit.46 Die damit abgesteckten Positionen trafen dann gerade in der Frage der Zustimmungsbedürftigkeit von Änderungsgesetzen unversöhnlich aufeinander. In der Gesetzgebungspraxis des Bundes war von Anfang an umstritten, ob und inwieweit solche Änderungsgesetze, die selbst keine die Zustimmungsbedürftigkeit auslösenden Bestimmungen beinhalten, aber sich auf ein ursprünglich zustimmungsbedürftiges Gesetz beziehen, der Zustimmung durch den Bundesrat unterliegen.47 Diese, als verfassungsrechtlicher „Grabenkrieg“48 bezeichnete Auseinandersetzung mündete, als sich zum ersten Mal die Situation divergierender Mehrheitsverhältnisse in Bundestag und Bundesrat einstellte, in die offene Konfrontation.49 45

BVerfGE 24, 184, 192. Auch verneint die Bundesregierung in diesem Zusammenhang die pauschale Zustimmungsbedürftigkeit von Änderungsgesetzen zu Zustimmungsgesetzen. Gesetze, die mit Zustimmung des Bundesrates ergangene Gesetze ändern, seien nur dann ebenfalls zustimmungsbedürftig, wenn sie selbst die Zustimmungsbedürftigkeit auslösende Bestimmungen enthalten oder sich auf solche Bestimmungen, die die Zustimmungsbedürftigkeit des zu ändernden Gesetzes ausgelöst haben, beziehen. Siehe BVerfGE 24, 184, 192. 47 Vgl. Graulich, S. 1; Achterberg, DÖV 1975, 158, 158 f. 48 Schäfer, in: Recht im Wandel, S. 3, 22. 49 Vgl. dazu z. B. Schindler ZParl (1974), 157, 157 ff. In der Staatspraxis hatte die Bundesregierung bis dahin bei streitigen Fällen regelmäßig die Gesetzesvorlagen mit dem ebenfalls bei Einspruchsgesetzen üblichen Einleitungssatz eingebracht: „Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen.“ Der Bundesrat merkte daraufhin üblicherweise in seiner Stellungnahme nach Art. 76 Abs. 2 GG an, dass hinter dem Wort „hat“ die Worte „mit Zustimmung des Bundesrates“ einzufügen seien. Der Bundestag beschloss wie von der Bundesregierung vorgeschlagen. Der Bundesrat erteilte regelmäßig die von ihm für erforderlich gehaltene Zustimmung. Das Gesetz wurde als Einspruchsgesetz verkündet. Gelegentlich versagte der Bundesrat auch die Zustimmung, legte aber gleichzeitig hilfsweise Einspruch ein und ließ damit seine Bereitschaft erkennen, sich mit einer politischen Erledigung des Streits, also einer Verwerfung des Einspruchs durch den Bundestag, zufrieden zu geben. Siehe hierzu mit Zahlen und Beispielen Lepa, DVBl. 1973, 399, 400. Der Bundespräsident fertigte Gesetze, die an sich nicht zustimmungsbedürftige Normen eines Zustimmungsgesetzes änderten, mit der für Einspruchsgesetze üblichen Formel aus: 46

A. Die Einheitsthese

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Der Bundesrat vertrat entsprechend seiner ständigen Praxis die Auffassung, dass Gesetze, die ein mit Zustimmung des Bundesrates ergangenes (d. h. nachkonstitutionelles) Bundesgesetz förmlich änderten, unabhängig von ihrem Inhalt seiner Zustimmung bedürfen.50 Aus der Sachbedingtheit der Gesetzeseinheit folgte dies für den Bundesrat zwangsläufig. Für die Entscheidung, einem Gesetz zuzustimmen oder die Zustimmung zu verweigern, sei, so der Bundesrat, die „Gesamtwürdigung des Gesetzesinhalts“51 maßgebend. Wenn für die Erteilung der Zustimmung auch die materiellrechtlichen, die Zustimmungsbedürftigkeit nicht auslösenden Normen maßgebend sein können, verfahrensrechtliche Regelungen womöglich nur um derentwillen in Kauf genommen werden, müsse jede Änderung des Gesetzes erneut der Zustimmung des Bundesrates unterliegen. Eine nachträgliche Änderung von Teilen des Gesetzes, die ohne die Zustimmung ergehe, entziehe, so die Argumentation des Bundesrates, „seiner gesetzgeberischen Ermessensentscheidung und der mit ihr übernommenen Gesamtverantwortung“52 die Grundlage. Die Bundesregierung setzte dieser Interpretation wiederum eine rein verfahrensbedingt verstandene Gesetzeseinheit entgegen und vertrat dementsprechend die Auffassung, dass Gesetze, die mit Zustimmung des Bundesrates ergangene Gesetze ändern, nur dann ebenfalls zustimmungsbedürftig seien, wenn sie selbst die Zustimmungsbedürftigkeit auslösende Bestimmungen enthalten oder sich auf solche Bestimmungen beziehen, die die Zustimmungsbedürftigkeit des zu ändernden Gesetzes ausgelöst haben. Jedes Gesetz sei allein anhand seines Normbestandes auf seine Zustimmungsbedürftigkeit hin zu beurteilen, also (nur) insoweit (und nur) als gesetzestechnische Einheit zu betrachten.53 Der Verlauf der „Frontlinien“ im „Grabenkrieg“ um die Reichweite der Zustimmungskompetenzen des Bundesrates bei Änderungsgesetzen war damit klar erkennbar. „Die verfassungsmäßigen Rechte des Bundesrates sind gewahrt.“ Bei den CDU/ CSU-regierten Ländern war die Bereitschaft, die eigene Position nicht durchzusetzen, nach dem Regierungswechsel in Bonn dann nicht mehr vorhanden. Vgl. hierzu mit deutlich kritischer Note Konow, ZRP 1973, 158, 159. 50 Vgl. BR-Drs. 594/1/73. Siehe auch die Wiedergabe der Position des Bundesrates in BVerfGE 37, 363, 374 ff. Vgl. auch BT-Drs. 7/307. Siehe auch Rössler, S. 36 ff. mit Nachweisen. Hinsichtlich vorkonstitutioneller Gesetze, sofern diese nach den Maßstäben des Grundgesetzes zustimmungsbedürftig gewesen wären, hatte die Mehrheit des Bundesrates diese Haltung zwischenzeitlich aufgegeben. Vgl. dazu Haas, AöR 80 (1955/56), 81, 89; Katzenstein, DÖV 1958, 593, 599; Schäfer, Der Bundesrat, S. 91 f. 51 BVerfGE 37, 363, 375. 52 BVerfGE 37, 363, 375. 53 Vgl. die Wiedergabe der Äußerungen der Bundesregierung in BVerfGE 37, 363, 376 ff. Siehe auch BT-Drs. 4/2865, S. 12. Weitere Nachweise bei Rössler, S. 36 ff.

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4. Abschn.: Einheitsthese oder Trennungsthese

Bei den dargestellten Kontroversen um die Konsequenzen aus „der“ Einheitsthese für die Zustimmungsbedürftigkeit von Folgeakten, aber auch in Fragen der Interpretation der Tatbestandsmerkmale des Art. 84 Abs. 1 GG zeigte sich immer wieder, dass die von Bundesregierung und Bundesrat in bestimmten Fragen jeweils eingenommenen Positionen, wie schon Rössler formuliert hat, „gleichsam unter dem Reflex des auf Ausweitung oder Einschränkung des Zustimmungserfordernisses gerichteten verfassungspolitischen Konzepts“54 standen. Zustimmungsfragen waren, auch in Zeiten parallel verlaufender Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat, immer Machtfragen. Auch das die jeweiligen Kontroversen begleitende Schrifttum blieb hiervon nicht unbeeinflusst.

II. Das Meinungsbild im Schrifttum Als Erster hat offenbar Kratzer im Jahre 1951 in der Frage der Zustimmungsbedürftigkeit von Mischgesetzen Stellung bezogen.55 In einem überwiegend das Gesetzgebungsverfahren bei Zustimmungsgesetzen thematisierenden Beitrag vertrat er im Sinne der Auffassung des Bundesrates die Ansicht, die Zustimmungsbedürftigkeit eines Gesetzes nach Art. 84 Abs. 1 GG werde auch dann ausgelöst, wenn nur in einem einzelnen Paragrafen eines Gesetzes eine Bestimmung zur Regelung der Einrichtung der Behörden und des Verwaltungsverfahrens der Länder enthalten sei. Weiterhin folgerte er hieraus, dass nicht lediglich die zustimmungsauslösende Bestimmung dem Zustimmungserfordernis unterworfen sei, sondern vielmehr das ganze Gesetz zustimmungsbedürftig werde, da eine getrennte Behandlung der einzelnen Gesetzesbestimmungen nicht möglich sei. Gegen die abwehrenden Stellungnahmen der Bundesregierung verteidigte der damalige Sekretär des Rechtsausschusses des Bundesrates Kutscher im Dezember 1952 die vom Bundesrat vertretene Auffassung in der Frage des Umfangs seiner Zustimmungsrechte bei Rechtsetzungsakten des Bundes56 und ebnete damit der Einheitsthese in der Literatur den Weg. Die von Schneider wenig später vorgetragene und begründete Gegenposition57 konnte sich im 54

Rössler, S. 9. Vgl. Kratzer, AöR 77 (1951/52), 266, 269. 56 Vgl. Kutscher, DÖV 1952, 710, 713: Es sei bisher kaum ernsthaft bezweifelt worden, dass der Bundesrat vor der Erteilung seiner Zustimmung den gesamten materiellen und verfahrensmäßigen Inhalt zustimmungsbedürftiger Gesetze und Verordnungen prüfen kann und muss. Kutscher stellte unter Bezugnahme auf die aufgeworfene These von der durch die Zustimmungserteilung erfolgenden Übernahme der „Mitverantwortung“ des Bundesrates für den gesamten Inhalt eines Entwurfs fest, die umfassende Prüfung der Gesetzesvorlage sei nicht nur ein Recht, sondern auch eine Pflicht des Bundesrates. 55

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Schrifttum – und auch in der Staatspraxis – nicht durchsetzen. Mit Held 58 und Haas 59 fanden sich Mitte der fünfziger Jahre bald weitere Befürworter der Einheitsthese60, auf deren Ausführungen auch das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zum Preisgesetz zurückgreift.61 In seiner Studie über den Bundesrat aus dem Jahre 1955 hat dann Schäfer die Frage des Umfangs des Zustimmungsrechts des Bundesrates eingehend und im Sinne der Einheitsthese erörtert.62 Nach der Bestätigung durch das Bundesverfassungsgericht im Jahre 1958 setzte sich die Einheitsthese endgültig durch und „verlor sich, nahezu unangefochten, zur herrschenden Lehre“63. Erst anlässlich des vor dem Bundesverfassungsgericht ausgetragenen Streits um die Zustimmungsbedürftigkeit des Vierten Rentenversicherungs57

Vgl. Schneider, DVBl. 1953, 257, 257 ff. Dieser unternahm es darzulegen, dass sich das Zustimmungsrecht nicht auf diejenigen Vorschriften, die nicht das Verwaltungsverfahren oder die Behördeneinrichtung regeln, erstreckt. Schneider hat diese Auffassung inzwischen, „durch Erfahrung belehrt“, mit der Begründung aufgegeben, die vom Bundesverfassungsgericht „in 50 Jahren konstanter Rechtsprechung anerkannte Praxis des Bundesrates, die Zustimmung zu einem Gesetz in toto auszusprechen oder zu versagen, und die von allen Bundespräsidenten mit ministerieller Gegenzeichnung gewählten Verkündungsformeln für Zustimmungsgesetze haben ein Verfassungsgewohnheitsrecht geschaffen“. Siehe Schneider, Gesetzgebung (2002), S. 104 f. Fn. 44. Siehe hierzu unten in diesem Abschnitt B. II. 58 Vgl. Held, AöR 80 (1955/56), 50, 50 ff., der auch deutlich Stellung nimmt zur politischen Bedeutung der Zustimmungsbedürftigkeit und dabei ausnehmend bundesratsfreundlich ausführt: „Ein Ausgleich des Regierungs- und Parlamentswillens mit dem im Bundesrat verkörperten, unter Umständen abweichenden Willen von Ländern und Parteien wird dem Staatsganzen im Endergebnis nur nützlich sein.“ 59 Vgl. Haas, AöR 80 (1955/56), 81, 84 ff. Dieser lehnt die Mitverantwortungstheorie jedoch ab und beschränkt die Gesetzeseinheit auf eine verfahrensbedingte: Das Gesetz könne, was den Vorgang seiner Entstehung angeht, nur als Ganzes gesehen und behandelt werden. Es werde durch einen einheitlichen Beschluss des Bundestages formell zusammengehalten. Bei einer anderen Interpretation wären die „technischen Komplikationen“ unüberwindbar. Interessant ist auch der Hinweis von Haas, es sei unverständlich, dass „die Wissenschaft und das Fachschrifttum von den Problemen dieser Bestimmung [gemeint ist Art. 84 Abs. 1 GG] so wenig Notiz nimmt (82)“. 60 Siehe zuvor schon Rohwer-Kahlmann, AöR 79 (1953/54), 208, 208 ff., der sich aber schwerpunktmäßig mit allgemeineren Fragen des Gesetzgebungsverfahrens beim Erlass von Zustimmungsgesetzen befasst. 61 Vgl. BVerfGE 8, 274, 294 f. 62 Vgl. Schäfer, Der Bundesrat, S. 86 ff. Dieser stimmt hier noch der Mitverantwortungstheorie zu. Siehe dann Schäfer, in: Recht im Wandel, S. 3, 22. 63 So Isensee, in: FS von Arnim, S. 603, 607. Siehe dort die Nachweise in Fn. 20. Vgl. zum Stand der Kommentarliteratur Anfang der siebziger Jahre Ossenbühl, AöR 99 (1974), 368, 381 Fn. 27. Eine Reihe von einschlägigen Dissertationen wurde von der Kommentarliteratur offenbar nicht verarbeitet. Vgl. Schulz, insb. S. 46 ff.; von Ditfurth, insb. S. 27 ff.; Rössler, insb. S. 23 ff. Nachweise zum Stand Mitte der achtziger Jahre bei Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 84 Rn. 76.

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4. Abschn.: Einheitsthese oder Trennungsthese

Änderungsgesetzes in den Jahren 1973/74 kam es – unter dem Eindruck der Situation divergierender Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat – zu einer Wiederbelebung der Diskussion um den Inhalt der Einheitsthese.64 Mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts setzt sich in der Literatur schließlich die verfahrensbedingte Variante der Einheitsthese als „These von der gesetzgebungstechnischen Einheit“ durch.65 Die von Teilen des Schrifttums im Rahmen dieser Auseinandersetzung und in der unmittelbaren Folgezeit vereinzelt vorgetragene grundsätzliche Kritik an der Einheitsthese66 blieb wiederum ohne Auswirkungen. Um die Frage des Zustimmungsrechts des Bundesrates wurde es stiller, als die Mehrheitsverhältnisse in Bundestag und Bundesrat wieder parallel verliefen.67 Unter dem Eindruck der viel beklagten „Blockade“ durch den Bundesrat in den letzten Phasen divergierender Mehrheiten unter der Regierung Kohl und der rot-grünen Bundesregierung ist die These von der gesetzgebungstechnischen Einheit aber offenbar deutlicher als bisher in Verruf geraten. Von Teilen des Schrifttums, gerade auch Teilen der Kommentarliteratur, wird die Einheitsthese inzwischen nachdrücklich abgelehnt68; sie ist aber immer noch weitgehend herrschende Meinung in der Literatur.69 In der 64

Siehe zur Auseinandersetzung um die Zustimmungsbedürftigkeit von Änderungsgesetzen z. B. Weides, JuS 1973, 337, 337 ff.; Konow, ZRP 1973, 158, 158 ff.; von Hase, DÖV 1973, 838, 838 ff.; Herzog, in: 25 Jahre Bundesrat, S. 235, 244. Frühere Stellungnahmen zum Problem der Zustimmungsbedürftigkeit von Änderungsgesetzen bei Held, AöR 80 (1955/56), 50, 65 ff.; Katzenstein, DÖV 1958, 593, 598; Kratzer, AöR 77 (1951/52), 266, 268 f.; Kutscher, DÖV 1952, 710, 712 f.; Neunreither, S. 70; Schäfer, Der Bundesrat, S. 91 f. Gegen die generelle Zustimmungsbedürftigkeit von Änderungsgesetzen früh Schneider, DVBl. 1953, 257, 258; Haas, AöR 80 (1955/56), 81, 89; Bettermann, Posttarifhoheit, S. 33 ff.; Hesse, Rundfunkleistungen, S. 26; Rössler, S. 36 ff. Siehe dann in den siebziger Jahren insb. Franssen, JZ 1974, 314, 315; Friesenhahn, in: 25 Jahre Bundesrat, S. 251, 260 ff.; Heinsen, RiA 1973, 146, 147 f. und – grundlegend und wegweisend – Ossenbühl, AöR 99 (1974), 369, 407 ff. 65 Siehe insb. Graulich, S. 49 ff.; Limberger, S. 34 ff.; Janson, DVBl. 1978, 318, 319; Friesenhahn, in: 25 Jahre Bundesrat, S. 251, 266 f. 66 Vgl. Schweitzer, Der Staat 15 (1976), 169, 169 ff.; von Zezschwitz/Breitbach, VSSR 2 (1974), 297, 297 ff.; Grimm, in: Hoffmann-Riem, S. 112, 124 ff.; Pestalozza, JuS 1975, 366, 371. 67 Dass es „ruhig um die Streitfrage der Zustimmungsbedürftigkeit von Bundesrecht“ ist, konnte daher Antoni in seiner Abhandlung zu Zustimmungsvorbehalten des Bundesrates zu Rechtsetzungsakten des Bundes im Jahre 1988 feststellen. Siehe Antoni, AöR 113 (1988), 329, 329. 68 Lücke, in: Sachs, Art. 77 Rn. 15; Trute, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 84 Rn. 24; Maurer, Staatsrecht I, § 17 Rn. 74 (schon seit der 1. Aufl., 1999); Gramm, AöR 124 (1999), 212, 224 ff. Krit. bereits Antoni, AöR 113 (1980), 329, 354; Ossenbühl, AöR 99 (1974), 369, 413. Siehe jetzt Wernsmann, NVwZ 2005, 1352, 1355.

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Bundesstaatskommission war eine mögliche Festschreibung der Abkehr von der Einheitsthese Gegenstand der Diskussion.70 Eine solche konnte sich aber, dies sei schon vorweggenommen, als alleiniger Ansatz für eine Reform des Art. 84 Abs. 1 GG nicht durchsetzen. Zuletzt hat Isensee die Gültigkeit der Einheitsthese gegen die neuerlich kritischen Stimmen im Schrifttum wieder untermauert.71

III. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Die zwischen den an der Gesetzgebung beteiligten Organen bestehenden Meinungsunterschiede in Bezug auf Umfang und Reichweite des Zustimmungsrechts des Bundesrates wurden nur in wenigen Fällen bis vor das Bundesverfassungsgericht getragen. Sie lösten sich in der Praxis teilweise dadurch auf, dass der Bundesrat den Gesetzen, die er entgegen der Ansicht von Bundesregierung und Bundestag für zustimmungsbedürftig hielt, unter Aufrechterhaltung seiner Rechtsauffassung zustimmte. Das Gesetz wurde dann als Einspruchsgesetz ausgefertigt. Häufiger verweigerte der Bundesrat die von ihm für erforderlich gehaltene Zustimmung, verzichtete aber nach Ausfertigung der Gesetze durch den Bundespräsidenten ebenso wie die Landesregierungen (vgl. Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG, § 76 Abs. 1 BVerfGG72) auf eine verfassungsgerichtliche Klärung.73 Über den Einfluss, den der Bundesrat zuvor auf den Inhalt des Gesetzes durch die Inanspruchnahme einer Vetoposition nehmen konnte, ist damit allerdings wenig ausgesagt. Bei politisch und rechtlich besonders umstrittenen Gesetzesvorhaben wurde nicht selten (auch) die Frage der Zustimmungsbedürftigkeit nach Art. 84 Abs. 1 GG, im Fall des Wehrpflichtänderungsgesetzes nach Art. 87b Abs. 2 Satz 1 GG, zum Aufhänger für die verfassungsgerichtliche Überprüfung eines Gesetzes, dass in erster Linie in Bezug auf seine materiell-rechtlichen Regelungen politisch und in Bezug auf seine materielle Verfassungsmäßigkeit rechtlich umstritten war. Dies lässt sich neben dem Änderungs69 Vgl. Bryde, in: v. Münch/Kunig, Art. 77 Rn. 21; Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 77 Rn. 21; Dittmann, in: Sachs, Art. 84 Rn. 15; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 77 Rn. 4; Stern, Staatsrecht II, S. 145; Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 78 Rn. 11; Erichsen/Biermann, Jura 1998, 494, 498. Vgl. auch Schmidt, JuS 1999, 861, 865. 70 Schon in dem den Sachverständigen zum Thema vorliegenden Fragenkatalog wurde gezielt nach der Möglichkeit der Abkehr von der Einheitsthese gefragt. Vgl. K-Drs. 0004, S. 2. Siehe ausführlich unten Sechster Abschnitt B. I. 1. 71 Vgl. Isensee, in: FS von Arnim, S. 603, 603 ff. 72 Maßgeblich für die Bestimmung der Landesregierungen im Normenkontrollverfahren sind die Landesverfassungen. Vgl. hierzu Graßhof, in: Umbach/Clemens/ Dollinger, § 76 Rn. 9; Rozek, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu, § 76 Rn. 10 m. w. N. 73 Beispiele bei Heinsen, RiA 1973, 146, 147.

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4. Abschn.: Einheitsthese oder Trennungsthese

gesetz zum Wehrpflichtgesetz74 feststellen für das Vierte Rentenversicherungs-Änderungsgesetz75 und das Ausbildungsplatzförderungsgesetz76, gilt in besonderem Maße auch für das Lebenspartnerschaftsgesetz77, das Zuwanderungsgesetz78 und das Fünfte und Sechste Änderungsgesetz zum Hochschulrahmengesetz79, die dem Bundesverfassungsgericht jeweils von einigen Landesregierungen zur abstrakten Normenkontrolle vorgelegt wurden. Insoweit gilt, was Hesse schon 1962 feststellte: „Streitigkeiten zwischen Bund und Ländern“ – in diesem Fall über die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen – „sind heute bekanntlich nicht mehr echte föderalistische Streitigkeiten, sondern Streitigkeiten zwischen politischen Richtungen innerhalb des Gesamtstaates (. . .).“80 Gerade die abstrakte Normenkontrolle erscheint in diesen Fällen als „Fortsetzung der Politik mit verfassungsrecht74 Gesetz zur Änderung des Wehrpflichtgesetzes und des Zivildienstgesetzes v. 13.7.1977 (BGBl. I, S. 1229). Siehe dazu BVerfGE 48, 127 ff. Bereits in der siebten WP hatten die Fraktionen von SPD und FDP den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Wehrpflichtgesetzes und des Zivildienstgesetzes eingebracht (BT-Drs. 7/3730). Siehe auch den Entwurf der Fraktion der CDU/CSU (BT-Drs. 7/4206; BTDrs. 8/154). Dieses Gesetz kam nicht zustande, da der Bundespräsident die Ausfertigung des Gesetzes mit der Begründung verweigerte, die nach Art. 87b Abs. 2 Satz 1 GG erforderliche Zustimmung des Bundesrates sei nicht erteilt worden (vgl. BT-Drs. 7/5856; BR-Drs. 668/76). Auch das dem Bundesverfassungsgericht dann zur Prüfung vorgelegte, ebenfalls auf einem Entwurf der Fraktionen von SPD und FDP (BT-Drs. 8/126) beruhende Gesetz lehnte der Bundesrat ab. 75 Gesetz zur Änderung von Vorschriften der gesetzlichen Rentenversicherungen v. 30.3.1973 (BGBl. I, S. 257). 76 Gesetz zur Förderung des Angebots an Ausbildungsplätzen in der Berufsausbildung (Ausbildungsplatzförderungsgesetz) v. 7.9.1976 (BGBl. I, S. 2658). Umstritten war insb. die vorgesehene Einführung einer Berufsausbildungsabgabe. Siehe zu deren verfassungsrechtlicher Zulässigkeit als Sonderabgabe dann BVerfGE 55, 274, 297 ff. Die Entscheidung erging mit fünf zu drei Stimmen. Siehe zur Sonderabgabe auch BVerfGE 57, 139, 166; 67, 256, 274 f. und zuvor BVerfGE 8, 274, 317; 18, 315, 328 f.; 37, 1, 16 f. Zur Einordnung der Sonderabgabe siehe nur Siekmann, in: Sachs, Vor Art. 104a Rn. 123 ff. m. w. N. 77 Gesetz zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften: Lebenspartnerschaften v. 16.2.2001 (BGBl. I, S. 266). Im Vordergrund der verfassungsgerichtlichen Prüfung stand die materielle Verfassungsmäßigkeit des Lebenspartnerschaftsgesetzes. Siehe hierzu die Urteilsbesprechung von Braun, JuS 2003, 21, 21 ff. Siehe auch Tettinger, JZ 2002, 1146, 1148 ff.; Roellecke, NJW 2002, 2539, 2539 f. 78 Gesetz zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern v. 20.7.2002 (BGBl. I, S. 1946). 79 Fünftes Gesetz zur Änderung des Hochschulrahmengesetzes und anderer Vorschriften v. 16.2.2002 (BGBl. I, S. 693); Sechstes Gesetz zur Änderung des Hochschulrahmengesetzes v. 8.8.2002 (BGBl. I, S. 3138). 80 Hesse, Der unitarische Bundesstaat, S. 9, in etwas anderem Zusammenhang. Siehe dazu die (interessante) Übersicht der abstrakten Normenkontrollverfahren, die

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lichen Mitteln“81. Kann die Opposition im Bundestag ihre politischen und rechtlichen Einwände im Gesetzgebungsverfahren nicht erfolgreich geltend machen, bleibt ihr die Möglichkeit, eine verfassungsgerichtliche Kontrolle herbeizuführen. Dies muss aber nicht allein zu der Feststellung führen, die jeweilige Opposition instrumentalisiere das Institut der abstrakten Normenkontrolle in der politischen Auseinandersetzung. In gleicher Weise wird auch die politische Motivation der Antragsteller im Interesse einer Kontrolle der Verfassungsmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit von Gesetzen im abstrakten Normenkontrollverfahren fruchtbar gemacht.82 Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Umfang und Reichweite der Zustimmungskompetenzen des Bundesrates ist in den Anfangsjahren, als die Möglichkeit parteipolitischer Blockade im Bundesrat noch nicht als wahrscheinlich erschien83, bundesratsfreundlicher. Sie wird, sicherlich auch unter der Wahrnehmung der Auswirkungen der hohen Anzahl zustimmungsbedürftiger Gesetze auf das Kräfteverhältnis zwischen Bundesregierung und Bundestagsmehrheit einerseits und Bundesrat andererseits in Zeiten divergierender Mehrheiten, zwischenzeitlich bundesregierungs- bzw. bundestagsfreundlicher.84 Die aktuellen Entscheidungen des Gerichts weisen der Regierungsmehrheit im Bund dann über die Aufforderung zur Aufspaltung von Bundesgesetzen offen einen Weg zur „Umgehung“ der sekundären Vetoposition des Bundesrates bzw. versuchen, auf anderen, später näher darzulegenden „Umwegen“ die Wirkung der Einheitsthese zu begrenzen.85 Dass das Bundesverfassungsgericht insgesamt in seiner Rechtsprechung zu Umfang und Reichweite des Zustimmungsrechts des Bundesrates und speziell auch zum Inhalt der Tatbestandsmerkmale des Art. 84 Abs. 1 GG eine (auch in den Einzelheiten) klare Linie nicht gefunden hat, zeigt sich schon an der verhältnismäßig hohen Anzahl an – teilweise oder insgesamt – nicht einstimmig ergangenen Entscheidungen und diesen beigefügten Sondervoten.86 auf Antrag der Länder gegen Bundesrecht stattfanden, bei Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, § 8 Rn. 1 Fn. 2. 81 Graßhof, in: Umbach/Clemens/Dollinger, § 76 Rn. 2. Siehe auch Benda/Klein, Rn. 764. 82 Vgl. hierzu Graßhof, in: Umbach/Clemens/Dollinger, § 76 Rn. 2. Siehe auch Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, § 8 Rn. 1. 83 Vgl. Hesse, Der unitarische Bundesstaat, S. 24. 84 Vgl. zur das Bundesstaatsprinzip betreffenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts insgesamt Oeter, S. 185 ff., 330 ff. 85 Siehe hierzu unten in diesem Abschnitt A. III. 6., 8. b) und D. II. 86 Vgl. z. B. BVerfGE 28, 66, 79, 82; 37, 363, 385 ff., 401 ff.; 48, 127, 185 ff.; 55, 274, 329 ff., 331 ff., 341 ff.

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4. Abschn.: Einheitsthese oder Trennungsthese

1. BVerfGE 1, 76 ff. – Gesetz zur Durchführung des Art. 108 Abs. 2 (a. F.) GG Das Bundesverfassungsgericht hatte sich erstmals in einem Gutachten vom 22. November 1951 mit der Frage der Zustimmungsbedürftigkeit eines Bundesgesetzes zu befassen.87 Ihm war vom Bundespräsidenten die Frage vorgelegt worden, ob das vom Deutschen Bundestag am 12. Juli 1951 beschlossene Gesetz88 zur Durchführung des Art. 108 Abs. 2 a. F. GG89 nach Art. 108 Abs. 3 Satz 2 a. F. GG90 der Zustimmung des Bundesrates bedurfte. Das Gericht bejahte eine Zustimmungsbedürftigkeit des Gesetzes aufgrund der in ihm enthaltenen, das Verfahren der Landesfinanzbehörden regelnden Bestimmungen der § 1 Abs. 2 Satz 4 und Abs. 391 und § 2 Abs. 1 und § 3 Satz 292. Im Übrigen ließ das Gericht bereits in dieser frühen gutachterlichen Äußerung offen, ob das Gesetz, „wie der Bundesrat behauptet, auch nach Art. 105 Abs. 3 GG oder, weil es ein zustimmungsbedürftiges Gesetz ändere, zustimmungsbedürftig ist“93. Zur Reichweite des Zustimmungserfordernisses äußerte sich das Bundesverfassungsgericht nicht ausdrücklich. Es ließ aber für die Begründung der Zustimmungsbedürftigkeit 87

BVerfGE 1, 76 ff. Gem. § 97 Abs. 1 a. F. BVerfGG (aufgehoben durch das Gesetz zur Änderung des BVerfGG v. 21.7.1956 (BGBl. I, S. 662)) konnten der Bundestag, der Bundesrat und die Bundesregierung in einem gemeinsamen Antrag das Bundesverfassungsgericht um Erstattung eines Rechtsgutachtens über eine bestimmte verfassungsrechtliche Frage ersuchen. Nach Abs. 2 stand dasselbe Recht dem Bundespräsidenten zu. Abs. 3 bestimmte, dass das Gutachten vom Plenum des Bundesverfassungsgerichts erstattet wurde. Vgl. zu den gutachterlichen Äußerungen des Bundesverfassungsgerichts allgemein und zu den Gründen für die Abschaffung der Gutachterkompetenz Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, § 17 Rn. 4 ff. 88 Vgl. BR-Drs. Nr. 257 und 583/51. 89 Art. 108 Abs. 2 a. F. GG lautete: „Nimmt der Bund einen Teil der Einkommen- und Körperschaftssteuer für sich in Anspruch, so steht ihm insoweit die Verwaltung zu; er kann sie aber den Landesfinanzbehörden als Auftragsverwaltung übertragen.“ Vgl. zu den Textstufen des Art. 108 GG Bauer/Jestaedt, S. 355 ff. 90 Art. 108 Abs. 3 Satz 1 und 2 a. F. GG lauteten: „Die übrigen Steuern werden durch Landesfinanzbehörden verwaltet. Der Bund kann durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, den Aufbau dieser Behörden und das von ihnen anzuwendende Verfahren und die einheitliche Ausbildung der Beamten regeln.“ Siehe jetzt Art. 108 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 5 Satz 2 GG. 91 Die genannten Bestimmungen enthielten insoweit eine Regelung des Verwaltungsverfahrens der Landesfinanzbehörden, als sie bestimmte Anordnungen und Verwaltungsakte der Landesfinanzbehörden an die Zustimmung des Bundesministers der Finanzen banden. Siehe BVerfGE 1, 76, 79. 92 In den genannten Bestimmungen schrieb das Gesetz ein „Zusammenwirken“ oder „Mitwirken“ der Landesfinanzbehörden mit den Bundesfinanzbehörden vor. Auch hierin lag nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts eine Verfahrensregelung. Siehe BVerfGE 1, 76, 79. 93 BVerfGE 1, 76, 80.

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des (ganzen) Gesetzes den zustimmungsauslösenden Charakter einzelner Bestimmungen genügen. Das Bundesverfassungsgericht war also offenbar in der Frage der Zustimmungsbedürftigkeit eines Mischgesetzes gedanklich schon früh determiniert. 2. BVerfGE 8, 274 ff. – Preisgesetz Eigentlicher Ausgangspunkt der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Einheitsthese ist die Entscheidung94 zum Übergangsgesetz über Preisbildung und Preisüberwachung (Preisgesetz)95 aus dem Jahre 1958. Das Preisgesetz – in seiner Ausgangsfassung aus dem Jahre 1948 – war zum relevanten Zeitpunkt bereits durch sechs Gesetze in seiner Geltungsdauer verlängert worden. Mehrere Gerichte, darunter auch das Bundesverwaltungsgericht, hatten dem Bundesverfassungsgericht das Preisgesetz bzw. § 296 des Preisgesetzes i. d. F. der verschiedenen Verlängerungsgesetze unter anderem unter Rüge der formellen Verfassungswidrigkeit wegen fehlender Zustimmung des Bundesrates zur Prüfung vorgelegt.97 Das Gericht hatte die Vorlagefragen auf eine verfassungsrechtliche Prüfung der Absätze 1 und 2 des § 2 des Preisgesetzes jeweils i. d. F. bestimmter nachkonstitutioneller Verlängerungsgesetze reduziert.98 Die Verlängerung der Geltungsdauer eines 94

Beschluss des Zweiten Senats v. 12.11.1958. Gesetz v. 10.4.1948 (WiGBl., S. 27). 96 § 2 des Preisgesetzes lautete: „(1) Die für die Preisbildung zuständigen Stellen (Abs. 2), können Anordnungen und Verfügungen erlassen, durch die Preise, Mieten, Pachten, Gebühren und sonstige Entgelte für Güter und Leistungen jeder Art, ausgenommen Löhne, festgesetzt oder genehmigt werden, oder durch die der Preisstand aufrechterhalten werden soll. (2) Zuständig sind: a) der Direktor der Verwaltung für Wirtschaft des Vereinigten Wirtschaftsgebietes (Direktor für Wirtschaft), wenn Bestimmungen für mehr als ein Land erforderlich sind oder wenn die Preisbildung den Verkehr mit Gütern und Leistungen in mehr als einem Land beeinflußt oder beeinflussen kann; b) die Obersten Landesbehörden, soweit nicht der Direktor für Wirtschaft zuständig ist.“ 97 Gerügt wurden die fehlende, nach Art. 84 Abs. 1 GG als erforderlich angesehene Zustimmung des Bundesrates, ein Verstoß gegen die Bestimmtheitstrias des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG, eine Verletzung der Vertragsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG, ein Verstoß gegen das Verbot des Einzelfallgesetzes, eine Verletzung der Wesensgehaltsgarantie (Art. 19 GG) und ein Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot (Art. 20 GG), des Weiteren die Verletzung der Zuständigkeitsordnung nach Art. 83 ff. GG. Vgl. auch Gräber, DÖV 1959, 893, 893. 98 Vgl. BVerfGE 8, 274, 293. Die Vorlagefragen wurden dahingehend zusammengefasst und eingeschränkt, ob erstens § 2 des Preisgesetzes i. d. F. der nachkonstitutionellen Verlängerungsgesetze Nr. 4, 5 und 6 insoweit mit dem Grundgesetz vereinbar ist, als die Vorschrift den Bundesminister für Wirtschaft ermächtigt, Anordnun95

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Gesetzes, das stellte das Bundesverfassungsgericht zunächst klar, komme dem Erlass eines neuen Gesetzes mit dem Inhalt des befristeten Gesetzes gleich. Das Preisgesetz i. d. F. der nach Inkrafttreten des Grundgesetzes erlassenen Verlängerungsgesetze war damit als nachkonstitutionelles Recht tauglicher Prüfungsgegenstand.99 Zwischen Bundesregierung und Bundesrat war die Zustimmungsbedürftigkeit des zweiten und der folgenden Verlängerungsgesetze zum Preisgesetz aufgrund Art. 84 Abs. 1 GG zu keiner Zeit umstritten. Dass der Bundesrat dem Gesetz auch tatsächlich zugestimmt hatte, wurde weder vom Bundestag noch vom Bundesrat in Frage gestellt, obwohl der Bundesrat seine Zustimmung nicht ausdrücklich erteilt hatte.100 Auch das Bundesverfassungsgericht bestätigte im Ergebnis das Vorliegen der Zustimmung zu den in Frage stehenden Verlängerungsgesetzen101; dies allerdings nicht, ohne sich zuvor mit der – dann eigentlich nicht erheblichen – Frage des Umfangs des Zustimmungsrechts des Bundesrates nach Art. 84 Abs. 1 GG auseinanderzusetzen. gen, also Rechtsverordnungen, nach Abs. 1 des § 2 zu erlassen, und zweitens, ob § 2 des Preisgesetzes i. d. F. der nachkonstitutionellen Verlängerungsgesetze Nr. 2 und Nr. 6 insoweit mit dem Grundgesetz vereinbar ist, als die Vorschrift die obersten Landesbehörden ermächtigt, Verfügungen nach Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 des § 2 zu erlassen. 99 Vgl. BVerfGE 8, 274, 290. Siehe auch Haas, AöR 80 (1955/56), 81, 88. 100 Der Bundesrat hatte dem zweiten und dritten Verlängerungsgesetz zum Preisgesetz (noch) ausdrücklich zugestimmt. Bei der Beratung und Beschlussfassung über die weiteren Verlängerungsgesetze war dies unterblieben. Der Bundesrat hatte aber den Umstand der Zustimmungsbedürftigkeit des Gesetzes seinen Entscheidungen offenkundig zugrunde gelegt. Im Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht stellte der Bundesrat insoweit klar, er habe mit dem jeweiligen Beschluss, einen Antrag auf Einberufung des Vermittlungsausschusses nach Art. 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen, seine Zustimmung zum Ausdruck bringen wollen. Eine der sonstigen Übung entsprechende Formulierung sei versehentlich unterblieben. Die Beschlüsse seien aber als Zustimmungsbeschlüsse zu interpretieren. Zwischen Bundesregierung und Bundesrat bestand insoweit kein Dissens. 101 Vgl. BVerfGE 8, 274, 297 ff. Vgl. auch Schäfer, Der Bundesrat, S. 95. Das Fehlen eines ausdrücklichen Zustimmungsbeschlusses war lediglich „technisches Versehen“ des Bundesrates. Beide Gesetzgebungsorgane hatten die jeweilige Verlängerung des Preisgesetzes zur Vermeidung eines gesetzlosen Zustandes für unbedingt notwendig erachtet. Die Lösung des Bundesverfassungsgerichts überzeugt also insofern, als sie die Geltung eines von den Gesetzgebungsorganen einhellig gewünschten Gesetzes nicht an einer formalistischen Betrachtungsweise scheitern lässt. Sie dürfte nicht unerheblich dadurch beeinflusst worden sein, dass eine gegenteilige Entscheidung und damit die Verneinung der Verfassungsmäßigkeit des für das Wirtschaftsleben bedeutenden § 2 Abs. 1 Preisgesetz nach allgemeiner Ansicht aller Beteiligten „im Augenblick größte Verwirrung hätte stiften müssen“ (Gräber, DÖV 1959, 893, 894). Sie ist aber – auch in der Literatur – dennoch auf Kritik gestoßen. Vgl. Gräber, DÖV 1959, 893, 894 m. w. N.

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Ohne auf die Frage der Zustimmungsbedürftigkeit des vorliegend in Frage stehenden § 2 des Preisgesetzes einzugehen, genügt dem Bundesverfassungsgericht (wiederum) die Identifizierung einer eindeutig nach Art. 84 Abs. 1 GG zustimmungsbedürftigen Norm102, hier des – von den Verlängerungsgesetzen jeweils auch umfassten103 – § 9 Abs. 2 Preisgesetz104. Es führt aus: „Regelt aber ein Bundesgesetz, das die Länder als eigene Angelegenheit ausführen, das Verwaltungsverfahren der Landesbehörden, so bedarf das Gesetz als Ganzes der Zustimmung des Bundesrates. Zustimmungsbedürftig ist nicht die einzelne Vorschrift über das Verwaltungsverfahren. Der Ausdruck Bundesgesetz am Ende von Art. 84 Abs. 1 GG meint nicht – wie etwa Art. 100 Abs. 1 GG – das Gesetz im Sinne einer einzelnen Norm, sondern das Gesetz als gesetzgebungstechnische Einheit. Das folgt vor allem aus Art. 78 GG. Das ‚vom Bundestag beschlossene Gesetz‘ (Art. 78 GG) ist das durch einen Gesetzesbeschluß des Bundestages zu einer Einheit zusammengefaßte Gesetz. Dieses Gesetz kommt nach Art. 78 GG nur zustande, wenn der Bundesrat zustimmt, sofern nach Art. 84 Abs. 1 GG oder anderen Vorschriften des Grundgesetzes seine Zustimmung notwendig ist. Ein Gesetz kann, was den Vorgang seiner Entstehung angeht, nur als Ganzes gesehen und behandelt werden.“105

Für das Bundesverfassungsgericht folgt (hier) die Erstreckung des Zustimmungserfordernisses auf das ganze, durch den Gesetzesbeschluss des Bundestages als Einheit definierte Gesetz also in erster Linie aus dem Wortlaut des Art. 78 GG und aus einer systematischen Auslegung des Art. 84 Abs. 1 GG in seiner Beziehung zu Art. 78 GG. Da das „Gesetz“ im Gesetzgebungsverfahren als Ganzes behandelt werde, müsse dies auch für die Zustimmung gelten. Untermauert wird dieses Interpretationsergebnis mit Praktikabilitätserwägungen und der vorgefundenen Verfassungspraxis: Die 102 Vgl. BVerfGE 8, 274, 295: „Die Zustimmung des Bundesrates zum Preisgesetz wäre also schon seines § 9 Abs. 2 wegen notwendig gewesen. Es kann offenbleiben, ob sich seine Zustimmungsbedürftigkeit auch noch aus anderen Bestimmungen ergibt.“ Siehe schon BVerfGE 1, 76, 80. 103 Vgl. BVerfGE 8, 274, 295. A. A. damals Weber, DÖV 1957, 33, 33, der die Auffassung vertrat, die Verlängerungen bezögen sich nicht auf die §§ 3 ff. Preisgesetz. 104 Dieser bestimmte, dass Verfügungen aufgrund des Preisgesetzes nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Zustellung von Amts wegen (mit Ausnahme der §§ 189, 203 bis 207, 210a und 212a ZPO) oder durch eingeschriebenen Brief zugestellt werden, und enthielt damit eindeutig eine Regelung des Verwaltungsverfahrens der Länder i. S. d. Art. 84 Abs. 1 GG. „Was auch immer im übrigen unter Verwaltungsverfahren im Sinne dieser Grundgesetzbestimmung zu verstehen ist“, lässt das Bundesverfassungsgericht unter Hinweis auf verschiedene Literaturmeinungen offen. Siehe BVerfGE 8, 274, 294. Vgl. auch BVerwGE 4, 24, 25. A. A. in Bezug auf die Zustimmungsbedürftigkeit der in Frage stehenden Vorschriften Weber, DÖV 1957, 33, 33. Siehe auch BVerwGE 1, 104, 107. 105 BVerfGE 8, 274, 294 f. Vgl. Held, AöR 80 (1955/56), 50, 60 f.

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Schwierigkeiten, die sich bei einer Reduzierung des Zustimmungserfordernisses auf die einzelnen, die Zustimmungsbedürftigkeit auslösenden Normen im Gesetzgebungsverfahren und bei der Gesetzesverkündung ergeben würden, seien „kaum überwindbare“106; zudem entspreche es „ständiger Übung“107 von Bundesrat und Bundesregierung, die Reichweite des Zustimmungserfordernisses auf das ganze Gesetz zu erstrecken. Festzuhalten bleibt: Mit der Entscheidung zum Preisgesetz findet die Einheitsthese – zunächst in der Form der verfahrensbedingten Gesetzeseinheit – ausdrücklich Eingang in die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Mit einem kurzen Hinweis auf Wortlaut und Systematik, die Erfordernisse des Gesetzgebungsverfahrens und die Verfassungsübung fällt die Begründung dafür, dass ein Bundesgesetz, das eine Regelung nach Art. 84 Abs. 1 GG enthält, als Ganzes der Zustimmung des Bundesrates bedarf, allerdings bemerkenswert kurz aus. Die Einheitsthese wird weniger mit rechtstheoretischen als mit praktischen Erwägungen begründet.108 Das Bundesverfassungsgericht dürfte gerade angesichts der selbst beschworenen „Verfassungsübung“ keinen erhöhten Begründungsbedarf gesehen haben.109 Eine Alternative zur These von der gesetzgebungstechnischen Einheit wird nicht diskutiert. Eine Auseinandersetzung mit der von Schneider vertretenen gegenteiligen Auffassung findet nicht statt; ihr wird nur mit einem Literaturhinweis Rechnung getragen. Welche „kaum überwindbaren Schwierigkeiten im Gesetzgebungsverfahren“ tatsächlich bestehen, erläutert das Gericht ebenso wenig, wie es die postulierte Verfassungsübung belegt. 3. BVerfGE 24, 184 ff. – Apostille-Beschluss Während das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung zum Preisgesetz die These von der gesetzgebungstechnischen Einheit nur kurz und mit gesetzgebungsverfahrenstechnischen Erwägungen begründet hatte, nahm es den sog. Apostille-Beschluss110 zum Anlass, die Einheitsthese ganz im Sinne des Bundesrates auch sachbedingt zu begründen.111 Prüfungsgegenstand des Organstreitverfahrens zwischen Bundesrat und Bundesregierung war der Erlass der sog. Apostille-Verordnung112. 106

BVerfGE 8, 274, 295. BVerfGE 8, 274, 295. 108 Vgl. auch Antoni, AöR 113 (1988), 329, 334. 109 Zu beachten ist dabei auch, dass nicht die Frage der Zustimmungsbedürftigkeit, sondern die Vereinbarkeit mit Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG im vorliegenden Verfahren den Schwerpunkt der verfassungsrechtlichen Prüfung bildete. Vgl. BVerfGE 8, 274, 307 ff. 110 Beschluss des Zweiten Senats v. 9.10.1968. 111 Vgl. hierzu auch Ossenbühl, AöR 99 (1974), 369, 378. 107

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Das mit Zustimmung des Bundesrates ergangene Vertragsgesetz zum Haager Übereinkommen vom 21. Juni 1965113 enthielt in Art. 2 eine Verordnungsermächtigung zum einen an die Bundesregierung und zum anderen an die Landesregierungen, in ihrem jeweiligen Geschäftsbereich die zuständigen Behörden für die Ausstellung der Apostille zu bestimmen (Abs. 1) und die zu erhebenden Kosten festzusetzen (Abs. 2). Die Bundesregierung hatte mit Erlass der genannten Verordnung über die Ausstellung der Apostille vom 23. Februar 1966 von der ihr erteilten Ermächtigung für ihren Geschäftsbereich Gebrauch gemacht. Die Verordnung traf also lediglich Regelungen für den Bereich der Bundesverwaltung.114 Die Zustimmung des Bundesrates zur Verordnung hatte die Bundesregierung nicht eingeholt. Dagegen ging dieser unter Rüge eines Verstoßes gegen Art. 80 Abs. 2 GG vor dem Bundesverfassungsgericht vor. Streitpunkt war die oben bereits angesprochene Frage, ob mit „Bundesgesetzen, die der Zustimmung des Bundesrates bedürfen“ i. S. d. Art. 80 Abs. 2, 2. Fall GG die zustimmungsbedürftigen Gesetze als Ganzes oder nur die einzelnen, die Zustimmungsbedürftigkeit auslösenden (und mit diesen in Zusammenhang stehenden) Normen bezeichnet sind. Die in Art. 2 des Vertragsgesetzes enthaltene Verordnungsermächtigung an die Bundesregierung, auf deren Grundlage die Verordnung vom 23. Februar 1966 erlassen worden war, und die mit der Verordnungsermächtigung im Zusammenhang stehenden Normen waren gerade keine die Zustimmung nach Art. 84 Abs. 1 GG auslösenden Regelungen. Nach Ansicht der Bundesregierung konnte die Verordnung vom 23. Februar 1966 daher ohne Zustimmung des Bundesrates ergehen.115 Das Bundesverfassungsgericht schloss sich dieser Auslegung des Art. 80 Abs. 2, 2. Fall GG nicht an.116 Ausgangspunkt der Argumentation des Gerichts bildet die zu Art. 84 Abs. 1 GG in der Entscheidung zum Preisgesetz 112 Verordnung über die Ausstellung der Apostille nach Artikel 3 des Haager Übereinkommens v. 5.10.1961 zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Legalisation (v. 23.2.1966) (BGBl. I, S. 138). Das Haager Übereinkommen hatte zum Ziel, die – oft kostspielige und zeitraubende – diplomatische oder konsularische Legalisation ausländischer öffentlicher Urkunden zu beseitigen und diese durch eine von einer Behörde des sog. Errichtungsstaates zu erteilende Echtheitsbestätigung, die sog. Apostille, zu ersetzen. 113 Gesetz v. 21.6.1965 (BGBl. II, S. 875). Das Vertragsgesetz war, insoweit bestand Einigkeit, zustimmungsbedürftig nach Art. 84 Abs. 1 GG. 114 § 1 der Verordnung bestimmte, dass die Apostille nach Art. 3 des Übereinkommens vom Bundesverwaltungsamt für alle von einem Gericht oder einer Behörde des Bundes aufgenommenen öffentlichen Urkunden ausgestellt wird, soweit nicht der Präsident des Deutschen Patentamtes zuständig ist. § 2 der Verordnung traf eine Regelung für die vom Bundesverwaltungsamt oder vom Deutschen Patentamt zu erhebenden Kosten. 115 Vgl. BVerfGE 24, 184, 190 ff. 116 Vgl. BVerfGE 24, 184, 194 ff.

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entwickelte Einheitsthese. Das die Verordnungsermächtigung enthaltende Vertragsgesetz bedurfte, dies stellt das Gericht klar, als gesetzgebungstechnische Einheit als Ganzes nach Art. 84 Abs. 1 GG der Zustimmung des Bundesrates. Auch in Art. 80 Abs. 2, 2. Fall GG sei unter „Bundesgesetz“ nicht die einzelne gesetzliche Bestimmung zu verstehen. Mit den Worten „Bundesgesetze, die der Zustimmung des Bundesrates bedürfen“ werde systematisch an das in Art. 78 GG geregelte Zustandekommen des in diesem Fall nach Art. 84 Abs. 1 GG zustimmungsbedürftigen Gesetzes angeknüpft, also an das Gesetz als Ganzes.117 Bei dieser verfahrensbedingten Gesetzeseinheit bleibt das Gericht aber im Folgenden nicht stehen. Schon bei der Wiedergabe der in der Entscheidung zum Preisgesetz erstmals formulierten Einheitsthese entfernt sich das Bundesverfassungsgericht von einer rein verfahrensbedingt verstandenen Gesetzeseinheit, indem es feststellt: „Die Zustimmung des Bundesrates bezieht sich nicht nur auf die einzelnen, das Verwaltungsverfahren der landeseigenen Verwaltung regelnden Bestimmungen. Sie ist vielmehr notwendig und wird erteilt für alle Normen des Gesetzes, für das Gesetz als Ganzes.“118

Daher, so das Gericht, stütze die Auffassung des Bundesrates auch eine Auslegung nach Sinn und Zweck des in Art. 80 Abs. 2, 2. Fall GG normierten Zustimmungserfordernisses. Da sich die Zustimmung des Bundesrates zu einem Bundesgesetz auf alle, nicht nur auf die zustimmungsauslösenden Normen beziehe, übernehme der Bundesrat „durch seine Zustimmung die Verantwortung für das Gesetz als Ganzes“119. Die Normen des Gesetzes und die Verordnungen, die auf Grundlage des Gesetzes erlassen werden, „bilden eine Einheit“120. Das Zustimmungsrecht des Bundesrates zu Rechtsverordnungen sei als Fortsetzung des Zustimmungsrechts zu dem Gesetz zu verstehen. Durch das Zustimmungserfordernis i. S. d. Art. 80 Abs. 2, 2. Fall GG solle dem Bundesrat maßgeblicher Einfluss auf „alle Normen eingeräumt werden, die zur Durchführung und Ergänzung der gesetzlichen Vorschriften ergehen, auf die sich die Zustimmung des Bundesrates bezieht und die ohne diese Zustimmung nicht zustande gekommen wären“121. Wenn der Bundesgesetzgeber sich für die Zusammenfassung von 117

Vgl. BVerfGE 24, 184, 194 f., 196 f. BVerfGE 24, 184, 195 unter Hinweis auf BVerfGE 8, 274, 294 f. (Hervorhebung nicht im Original). In der Entscheidung zum Preisgesetz hatte das Gericht lediglich festgestellt, dass das Gesetz als Ganzes aufgrund der Einheit des Gesetzesbeschlusses zustimmungsbedürftig sei. Ob sich die Zustimmung des Bundesrates, quasi von der anderen Seite betrachtet, auch auf jede einzelne Norm bezieht und was aus dieser Feststellung folgt, hatte das Bundesverfassungsgericht nicht erläutert. 119 BVerfGE 24, 184, 197 f. (Hervorhebung nicht im Original). 120 BVerfGE 24, 184, 198. 121 BVerfGE 24, 184, 198. 118

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Normen in einem Gesetz entscheide, treffe er damit zugleich eine Entscheidung über die Zustimmungsbedürftigkeit aller in dem Gesetz enthaltenen Normen. Folgerichtig sei dann, auch alle Rechtsverordnungen aufgrund eines Zustimmungsgesetzes dem Zustimmungserfordernis zu unterwerfen, unabhängig davon, ob die Ermächtigung und die mit ihr zusammenhängenden Normen die Zustimmungsbedürftigkeit ausgelöst haben.122 Die von der Bundesregierung vertretene Auffassung, dahingehend zu differenzieren, hält das Bundesverfassungsgericht aus Gründen der Rechtssicherheit für undurchführbar. Welche Vorschriften des Gesetzes einen solchen, einen selbständig abgrenzbaren Sachbereich betreffenden Normenkomplex bilden, sei ebenso schwer auszumachen, wie die Frage zu klären sei, ob dieser Normenkomplex die Zustimmungsbedürftigkeit des Gesetzes begründet habe und ob die Verordnungsermächtigung im Zusammenhang mit diesem Normenkomplex stehe.123 Das Gericht stützt sich damit erneut auf Praktikabilitätserwägungen. Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts bedurfte demnach die Apostille-Verordnung eigentlich der Zustimmung des Bundesrates, obwohl die Bundesregierung mit dieser lediglich von der ihr erteilten Ermächtigung, Regelungen in ihrem Geschäftsbereich, also für die Bundesverwaltung, zu treffen, Gebrauch gemacht hatte. Die Verfassungswidrigkeit der Rechtsverordnung festzustellen, erschien aber offenbar auch der Mehrheitsmeinung im Senat vor diesem Hintergrund als im Ergebnis nicht überzeugend. Das Gericht schloss daher aus der Beschränkung der Ermächtigung in Art. 2 des Vertragsgesetzes auf den eigenen Geschäftsbereich auf eine (deus ex machina) „anderweitige bundesgesetzliche Regelung“ i. S. d. Art. 80 Abs. 2 GG, die die Zustimmungsbedürftigkeit der Rechtsverordnung gerade ausschließe.124 Diese – wenig stringente – Vorgehensweise des Bundesverfassungsgerichts hat dann auch von Hase zu der Bemerkung veranlasst, das 122

Vgl. BVerfGE 24, 184, 198. Vgl. BVerfGE 24, 184, 200 f. 124 Vgl. BVerfGE 24, 184, 201. Art. 2 des Vertragsgesetzes beschränkte, wie dargelegt, die Befugnis der Bundesregierung und der Landesregierungen, die für die Ausstellung der Apostille zuständige Behörde zu bestimmen, ausdrücklich auf ihren jeweiligen Geschäftsbereich. Damit, so das Gericht, enthalte Art. 2 deutlich unterschiedene Ermächtigungen einerseits für die Bundesregierung, andererseits für die Landesregierung. Die Verordnungsermächtigung der Bundesregierung berühre die Ermächtigung an die Landesregierungen ebenso wie die Ausführung des Gesetzes und des Übereinkommens durch die landeseigene Verwaltung nicht. Aus Formulierung, Sinn und Zweck der Bestimmung folge damit, dass die von der Bundesregierung in ihrem Geschäftsbereich zu erlassenden Rechtsverordnungen der Zustimmung des Bundesrates nicht bedürfen; insoweit enthalte Art. 2 des Vertragsgesetzes eine „anderweitige bundesgesetzliche Regelung“ i. S. v. Art. 80 Abs. 2 GG. Der Zustimmung zur Rechtsverordnung hatte es damit nicht bedurft. In der Frage des Vorlie123

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vom Senat „proklamierte und mühsam aufgebaute Zustimmungsrecht wurde am konkreten Fall vorbeikonstruiert“125. Bemerkenswert an der Apostille-Entscheidung ist jedenfalls: Das Bundesverfassungsgericht geht in dieser weit über die in der Entscheidung zum Preisgesetz postulierte verfahrensbedingte Gesetzeseinheit hinaus. Es erkennt die vom Bundesrat propagierte sachbedingte Einheit des Gesetzes und sogar die, hier ebenfalls im Diffusen bleibende und zum damaligen Zeitpunkt in der Literatur teilweise bereits deutlich in die Kritik geratene126, Mitverantwortungstheorie an; dies alles, obwohl im vorliegenden Fall bei der Bejahung einer das Zustimmungserfordernis ausschließenden anderweitigen Regelung die Frage nach der Zustimmungsbedürftigkeit der Apostille-Verordnung nach Art. 80 Abs. 2, 2. Fall GG gar nicht entscheidungserheblich war.127 Indem das Bundesverfassungsgericht die von der Bundesregierung vorgeschlagene Differenzierung zwischen zustimmungsauslösenden und zustimmungsfreien Normenkomplexen ablehnt, geht es zudem erneut der Frage aus dem Weg, welche Bestimmungen eines Gesetzes im Einzelnen tatsächlich unter den Zustimmungstatbestand des Art. 84 Abs. 1 GG fallen. Dass eine Differenzierung zumindest nicht in jedem Fall unmöglich ist, zeigt gerade das Beispiel des Art. 2 des Vertragsgesetzes. Der sich auf den Bundesvollzug beziehende Teil des Gesetzes bildete einen – von der die Länderexekutiven betreffenden Regelung – klar abgrenzbaren Ausschnitt, der an sich die Zustimmung nach Art. 84 Abs. 1 GG nicht ausgelöst hatte.128 Das Gericht hat diesen offenkundigen Wertungswiderspruch erkannt, aber wenig überzeugend über die Feststellung des Vorliegens einer „anderweitigen bundesgesetzlichen Regelung“ nach Art. 80 Abs. 2 GG aufgelöst. Offensichtlich hat der Senat über diesen „Umweg“ den im Ergebnis kaum haltbaren Konsequenzen der vom Bundesverfassungsgericht selbst postulierten Einheitsthese auszuweichen versucht. gens einer „anderweitigen bundesgesetzlichen Regelung“ erging das Ergebnis mit fünf zu drei Stimmen. 125 Von Hase, DÖV 1973, 838, 840. 126 Vgl. Hesse, Rundfunkleistungen, S. 25 ff.; Bettermann, Posttarifhoheit, S. 33 f.; von Ditfurth, S. 47 ff.; Schulz, S. 54 ff. Siehe auch BVerwGE 28, 36, 43 f.; BayVGH BayVBl. 1968, 33, 33. 127 Nahe liegt der Schluss, die Bezugnahme auf die Mitverantwortungstheorie dem Umstand zuzuschreiben, dass einer ihrer ersten Vertreter, namentlich Kutscher, selbst an der Entscheidung des Gerichts mitgewirkt hat. Kutscher war bereits zweimal vom Bundesrat zum Bundesverfassungsrichter gewählt worden. Siehe dahingehend von Hase, DÖV 1973, 838, 840. 128 Vgl. auch Bettermann, Posttarifhoheit, S. 25 f., der – abstrakt – von der Möglichkeit der Differenzierung ausgeht.

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4. BVerfGE 37, 363 ff. – Viertes Rentenversicherungs-Änderungsgesetz Mit dem Apostille-Beschluss aus dem Jahre 1965, dem Eisenbahnkreuzungsbeschluss aus dem Jahre 1969129 und der im Jahre 1970 ergangenen Entscheidung zum Postverwaltungsgesetz130 ist der Höhepunkt der bundesratsfreundlichen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in Bezug auf den Umfang der Zustimmungskompetenzen des Bundesrates zunächst erreicht. Die extensive Auslegung fand mit der Entscheidung zum Vierten Rentenversicherungs-Änderungsgesetz131 anlässlich der mit der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes zu entscheidenden Frage der Zustimmungsbedürftigkeit von Änderungsgesetzen teilweise ihr Ende.132 Im Apostille-Beschluss und in seiner Entscheidung zum Postverwaltungsgesetz133 hatte das Bundesverfassungsgericht noch ausdrücklich offen gelas129

Siehe oben Erster Abschnitt C. II. 2. a). Siehe oben Erster Abschnitt C. II. 2. b). 131 Beschluss des Zweiten Senats v. 25.6.1974. Gesetz zur Änderung von Vorschriften der gesetzlichen Rentenversicherungen v. 30.3.1973 (BGBl. I, S. 257). Dieses Gesetz änderte das Rentenreformgesetz v. 16.10.1972 (BGBl. I, S. 1965), das unstreitig gem. Art. 84 Abs. 1 GG zustimmungsbedürftig war. Den Fraktionsentwurf zum Änderungsgesetz von SPD und FDP verabschiedete der Bundestag am 20.12.1972. Nach Durchführung eines Vermittlungsverfahrens, in dem die vom Bundestag beschlossene Fassung bestätigt wurde, versagte der Bundesrat am 21.2.1973 dem Gesetz die Zustimmung. Die Bundesregierung hielt das Gesetz nicht für zustimmungsbedürftig. Es wurde am 31.3.1973 verkündet. Der Bundesrat hatte auf seine bis 1968 praktizierte Verfahrensweise, bei Gesetzen, die er entgegen der Auffassung der Bundesregierung für zustimmungsbedürftig hielt, ausdrücklich hilfsweise Einspruch einzulegen, verzichtet. Vgl. dazu Konow, ZRP 1973, 158, 159: „(. . .) eine Entscheidung, deren politische und rechtliche Bedeutung von der Bundesregierung verkannt wurde, als die den Bundestag gleichwohl veranlassen wollte, die Versagung der Zustimmung als Einspruch zu behandeln und diesen zu verwerfen.“ Vgl. zum Gang des Gesetzgebungsverfahrens im Detail Weides, JuS 1973, 337, 337 Fn. 3. 132 Siehe Lepa, DVBl. 1973, 399, 400: „Es mag verwunderlich sein, daß die Staatspraxis bis jetzt ohne eine Klärung dieser für die Verteilung der bundesstaatlichen Kompetenzen höchst bedeutsamen Frage auskam.“ 133 Vgl. BVerfGE 28, 66, 78. Anlass für dahingehende Feststellungen auch in der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte war die von Bettermann aufgeworfene Frage, ob das Postverwaltungsgesetz nicht schon aus dem Grunde zustimmungsbedürftig sei, weil dessen § 14 im Bereich der Post- und Fernmeldegebühren das als Zustimmungsgesetz ergangene Preisgesetz ändere, indem es seinen Geltungsbereich einschränke. Vgl. Bettermann, Posttarifhoheit, S. 32 ff. Siehe dazu auch Hesse, Rundfunkleistungen, S. 25 ff. Die Verwaltungsgerichte lehnten eine generelle Zustimmungsbedürftigkeit von Änderungsgesetzen zu Zustimmungsgesetzen dezidiert ab. Vgl. BVerwGE 28, 36, 43 f.; BayVGH BayVBl. 1967, 33, 33; OVG Hamburg ArchPostFern 1967, 71, 74. 130

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4. Abschn.: Einheitsthese oder Trennungsthese

sen, ob alle Änderungsgesetze, die ein Zustimmungsgesetz ändern, selbst zustimmungsbedürftig sind.134 Nachdem es aber bereits festgestellt hatte, dass das Zustimmungsrecht des Bundesrates zu Rechtsverordnungen als Fortsetzung des Zustimmungsrechts zu dem zum Erlass von Rechtsverordnungen ermächtigenden Gesetz zu verstehen sei, lag der Schluss nahe, dass dies auch für den Folgeakt in Form eines Änderungsgesetzes zu einem Zustimmungsgesetz gelten müsse.135 Diese Auffassung hatte der Bundesrat unter Berufung auf die sachbedingte Einheit des Zustimmungsgesetzes und die sog. Mitverantwortungstheorie, auf die das Bundesverfassungsgericht sich im Apostille-Beschluss nun ebenfalls gestützt hatte, stets vertreten.136 Der Zweite Senat entschied angesichts dessen durchaus überraschend die Frage der Zustimmungsbedürftigkeit von Änderungsgesetzen jedoch weitgehend im Sinne der Bundesregierung und stellte – allerdings nur mit fünf zu drei Stimmen – fest: Nicht jedes Gesetz, das ein mit Zustimmung ergangenes Gesetz ändert, bedarf schon aus diesem Grund der Zustimmung des Bundesrates. Zustimmungsbedürftig ist ein Änderungsgesetz vielmehr nur dann, wenn es selbst zustimmungsauslösende Vorschriften enthält oder Vorschriften ändert, die die Zustimmungsbedürftigkeit des Ausgangsgesetzes ausgelöst haben.137 Der Ansicht des Bundesrates in Bezug auf die Auswirkungen der Einheitsthese auf Folgeakte zu Zustimmungsgesetzen schloss sich das Gericht damit im Fall von Änderungsgesetzen nicht an, obwohl es diese im Apostille-Beschluss in Bezug auf die Zustimmungsbedürftigkeit von Rechtsverordnungen anerkannt hatte. Im Rahmen einer verschiedene Aspekte berührenden – nicht immer konsistenten – Argumentation138 reduziert das Gericht die Einheit des Gesetzes 134

Vgl. BVerfGE 24, 184, 198 und 28, 66, 77 f. Siehe auch BVerfGE 1, 76, 80. Vgl. BR-Drs. 594/1/73. Krit. in Bezug auf die Parallelität der Fälle Lepa, DVBl. 1973, 399, 402 und Pestalozza, JuS 1975, 366, 367. 136 Siehe oben A. I. 2. Vgl. auch Konow, ZRP 1973, 158, 158. Allein Hamburg hatte sich der Auffassung der Bundesregierung im Jahre 1954 angeschlossen. Siehe Lepa, DVBl. 1974, 399, 400; Heinsen, RiA 1973, 146, 147. Vgl. auch Katzenstein, DÖV 1958, 593, 599. 137 Vgl. BVerfGE 37, 363, 379 ff. und die Leitsätze 1 bis 4. Zur Fallgruppe der Zustimmungsbedürftigkeit des Änderungsgesetzes nach Art. 84 Abs. 1 GG, wenn die zustimmungsauslösenden Verfahrensregelungen des Ausgangsgesetzes zwar nicht ausdrücklich geändert werden, aber durch die Änderung materiell-rechtlicher Normen bei sinnorientierter Auslegung eine wesentlich andere Bedeutung und Tragweite erfahren, siehe oben Dritter Abschnitt C. I. 3. 138 Vgl. zusammenfassend Pestalozza, JuS 1975, 366, 367, der vier Hauptargumente identifiziert: das Systemschutzargument (nur erneute Systemverschiebungen seien zustimmungsbedürftig), das Strukturargument (der Bundesrat sei keine neben dem Bundestag bestehende gleichberechtigte „Zweite Kammer“; Einspruch- und Zustimmungsgesetze stehen in einem Regel-Ausnahme-Verhältnis zueinander), das Argument der „gesetzgebungstechnischen Einheit“ und das „Widersinnigkeits“-Argu135

A. Die Einheitsthese

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wieder auf eine verfahrensbedingte, technische Einheit. Diese These von der gesetzgebungstechnischen Einheit spricht nach Ansicht des Gerichts gerade gegen die Zustimmungsbedürftigkeit von Änderungsgesetzen. Zwar prüfe der Bundesrat jedes zustimmungsbedürftige Gesetz seinem ganzen Inhalt nach und nicht nur die die Zustimmungsbedürftigkeit auslösenden Vorschriften. Auch habe er das Recht, seine Zustimmung aus Gründen, die nur die nicht zustimmungsauslösenden Normen betreffen, zu verweigern. Die Zustimmungsbedürftigkeit jedes Änderungsgesetzes zu einem Zustimmungsgesetz lasse sich damit aber gerade nicht begründen. Für das Änderungsgesetz als gesetzgebungstechnische Einheit müssen die Voraussetzungen für ein mögliches Zustimmungserfordernis, so das Gericht, neu geprüft werden. Dass die Zustimmungsbedürftigkeit des Ausgangsgesetzes „gewissermaßen ‚überlebt‘, daß sie also eine Fern- und Dauerwirkung habe soll“139 mit der Folge, dass auch jedes Änderungsgesetz zustimmungsbedürftig ist, lasse sich dem Grundgesetz nicht entnehmen. Das Bundesverfassungsgericht unternimmt es dabei zum ersten Mal, die Zustimmungsrechte des Bundesrates deutlich auf ihre Schutzfunktion zugunsten der Länderinteressen zurückzuführen. Wenn Länderinteressen nicht berührt seien, könne, so die Zielrichtung der Argumentation, auch die Einheitsthese kein Zustimmungsrecht des Bundesrates begründen. Das Recht des Bundesrates zur Prüfung auch der materiell-rechtlichen Vorschriften eines nach Art. 84 Abs. 1 GG zustimmungsbedürftigen Gesetzes wird vom Gericht nicht bezweifelt140; dieses Prüfungsrecht des Bundesrates wird aber nicht mehr auf die angeblich unlösbare Gemengelage zwischen formellem und materiellem Gesetzesinhalt und einer sachbedingten Einheit des Gesetzes zurückgeführt. Die im Apostille-Beschluss noch rezipierte Mitverantwortungstheorie wird stillschweigend aufgegeben.141 Dieser offensichtliche Widerspruch zur früheren Rechtsprechung wird in der abweichenden Meinung der Richter von Schlabrendorff, Geiger und Rinck grundlegender Kritik unterzogen.142 Dass sich die Ablehnung einer ment (das Gericht stellt auch auf die dem Bundestag zuerkannte Möglichkeit ab, ein Gesetzesvorhaben „in Ausübung seiner gesetzgeberischen Freiheit“ in zustimmungsfreie und zustimmungsbedürftige Gesetze aufzuteilen; die Auffassung des Bundesrates liefe darauf hinaus, im Fall des Art. 84 Abs. 1 GG die Änderung materiellrechtlicher Vorschriften zwar dann der Zustimmung zu unterwerfen, wenn sie mit verfahrensrechtlichen Vorschriften in einem Gesetz verbunden seien, aber als zustimmungsfrei zu betrachten, wenn die materiell-rechtlichen Vorschriften in einem eigenen Gesetz zusammengefasst seien: dies sei „widersinnig“). 139 BVerfGE 37, 363, 382. 140 Vgl. dazu Achterberg, DÖV 1975, 158, 159. 141 Vgl. dazu auch Achterberg, DÖV 1975, 158, 159. 142 Vgl. das Sondervotum von Schlabrendorff, Geiger, Rinck, BVerfGE 37, 363, 401 ff.

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4. Abschn.: Einheitsthese oder Trennungsthese

Zustimmungsbedürftigkeit jedes Änderungsgesetzes, wie sie von der Mehrheitsmeinung bejaht wird, auf dem Boden einer nur verfahrensbedingt verstandenen Einheit des Zustimmungsgesetzes nicht widerspruchsfrei begründen lässt, wird hier deutlich herausgearbeitet.143 Im Ergebnis hat die Literatur die Entscheidung der Mehrheitsmeinung in der Frage der Zustimmungsbedürftigkeit von Änderungsgesetzen begrüßt, in der Begründung vielfach kritisiert.144 Mit der Aufgabe der Mitverantwortungstheorie und der sachbedingt verstandenen Gesetzeseinheit verlagerte sich nach der Rentenversicherungs-Änderungsgesetz-Entscheidung die Aufmerksamkeit auch in der Literatur zunehmend auf die genauere Erfassung der Tatbestandsmerkmale des Art. 84 Abs. 1 GG. Die Erkenntnis, dass das Problem des Verhältnisses zwischen materiell-rechtlichen und organisationsund verfahrensrechtlichen Regelungen in Anknüpfung an diese zu lösen ist und nicht über die allgemeine Frage nach Umfang und Reichweite der Zustimmung des Bundesrates, setzte sich auf der Grundlage einer nur gesetzestechnisch verstandenen Einheitsthese schließlich durch.145 Auch der Bundesrat gab offenbar in der Folgezeit stillschweigend seine Auffassung von einer auch sachbedingt zu verstehenden Einheit des Zustimmungsgesetzes auf und versuchte vielmehr, durch eine extensive Interpretation der Tatbestandsmerkmale des Art. 84 Abs. 1 GG den Anwendungsbereich seiner Zustimmungskompetenz möglichst weit zu fassen. Angesichts fehlender eindeutiger bundesverfassungsgerichtlicher Vorgaben für eine Abgrenzung von materiellem und Organisations- und Verfahrensrecht i. S. d. Art. 84 Abs. 1 GG bot sich hierzu vielfach Gelegenheit. 143 Ausgangspunkt der Argumentation ist das auch von der Mehrheitsmeinung anerkannte umfassende Prüfungsrecht des Bundesrates in Bezug auf die Bestimmungen des Gesetzes, die die Zustimmungsbedürftigkeit an sich nicht auslösen. Zu allen Bestimmungen des Gesetzes könne der Bundesrat Änderungen und Ergänzungen vorschlagen und im Vermittlungsausschuss zur Abstimmung bringen. Hieraus folge – und insoweit greift die Minderheitsmeinung auf den Apostille-Beschluss zurück –, dass die Zustimmung zum Gesetz als Ganzes die Zustimmung zu jeder einzelnen Vorschrift des Gesetzes beinhalte. Zwar stelle ein Änderungsgesetz eine neue gesetzgebungstechnische Einheit dar. Sie gewinne ihren Sinn aber nur in Anknüpfung an das Ausgangsgesetz. Das Änderungsgesetz sei angelegt auf „Inserieren d[ies]er Neuerung in das alte Gesetz“. Das alte Gesetz entstehe in neuer Fassung. Damit werde der wesentliche Inhalt des Änderungsgesetzes notwendigerweise Teil eines Gesetzes, das zustimmungsbedürftig war und bleibt. Vgl. dazu Pestalozza, JuS 1975, 366, 367: das „Symbiose“-Argument. Siehe auch Schweitzer, Der Staat 15 (1976), 169, 178 f.; von Zezschwitz/Breitbach, VSSR 2 (1974), 297, 314 f. und Pestalozza, JuS 1975, 366, 373. 144 Vgl. Achterberg, DÖV 1975, 158, 160; Pestalozza, JuS 1975, 366, 372. 145 Vgl. auch Franssen, JZ 1974, 314, 316: „Die Mitverantwortungstheorie hat hier [gemeint ist die Frage danach, wann eine Regelung i. S. d. Art. 84 Abs. 1 GG vorliegt] bei ihren Anhängern und Gegnern gleichermaßen die Perspektive verschoben und von der Beantwortung dieser Frage weggelenkt.“

A. Die Einheitsthese

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5. BVerfGE 55, 274 ff. – Ausbildungsplatzförderungsgesetz Bis zum Urteil über das Ausbildungsplatzförderungsgesetz146 hatte das Bundesverfassungsgericht kein ihm zur Prüfung vorgelegtes Gesetz allein wegen fehlender Zustimmung für insgesamt verfassungswidrig erklärt. Im Fall des Preisgesetzes und des Postverwaltungsgesetzes war es vom Vorliegen der erforderlichen Zustimmung, auch wenn diese nicht ausdrücklich erteilt worden war, ausgegangen147; sowohl das Kreditwesengesetz148 als auch das Vierte Rentenversicherungs-Änderungsgesetz149 hielt es für nicht zustimmungsbedürftig. Die Zustimmungsbedürftigkeit der Apostille-Verordnung verneinte das Gericht aufgrund des Vorliegens einer „anderweitigen bundesgesetzlichen Regelung“ i. S. d. Art. 80 Abs. 2 GG.150 Das Wehrpflichtänderungsgesetz151, über das das Gericht im Jahre 1978152 entschied, war zwar auch nach der Ansicht des Zweiten Senats ohne die nach Art. 87b Abs. 2 Satz 1 GG erforderliche Zustimmung153 des Bundesrates ergangen.154 Das Gericht erklärte daher, das Wehrpflichtänderungsgesetz sei „als gesetzgebungstechnische Einheit nicht gem. Art. 78 GG zustande gekommen“155. Die Gesamtnichtigkeit des Gesetzes hatte das Bundesverfassungsgericht aber bereits im Rahmen einer „vorgezogenen“ Prüfung156 der materiellen Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes festgestellt.157 146

Urteil des Zweiten Senats v. 10.12.1980. Vgl. BVerfGE 8, 274, 296 f.; 28, 66, 79 ff. 148 Vgl. BVerfGE 14, 197, 209 ff., 219 ff. 149 Vgl. BVerfGE 37, 363, 384 ff. 150 Vgl. BVerfGE 24, 184, 201. 151 Gesetz zur Änderung des Wehrpflichtgesetzes und des Zivildienstgesetzes v. 13.7.1977 (BGBl. I, S. 1229). 152 Urteil des Zweiten Senats v. 13.4.1978, BVerfGE 48, 127 ff. 153 Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Zustimmungsbedürftigkeit von Änderungsgesetzen findet hier ihre Fortsetzung. In Frage stand, ob das Wehrpflichtänderungsgesetz den nicht ausdrücklich geänderten materiellen Vorschriften der Ausgangsgesetze eine „wesentlich andere Bedeutung und Tragweite verleihe“. Das Bundesverfassungsgericht schloss sich der Auffassung der Antragsteller und des Bundesrates an. Es sah in der Änderung der materiell-rechtlichen Vorschriften des Wehrpflichtänderungsgesetzes eine neue Verschiebung von Verwaltungszuständigkeiten zu Lasten der Länder. Vgl. BVerfGE 48, 127, 180 ff. 154 Der Bundesrat hatte die Zustimmung ausdrücklich verweigert. Vgl. BT-Drs. 8/692. 155 BVerfGE 48, 127, 178. 156 Zur Begründung der Prüfungsreihenfolge siehe BVerfGE 48, 127, 158 f. 157 Vgl. BVerfGE 48, 127, 158 ff., 177. Das Bundesverfassungsgericht hatte § 25 Abs. 1 n. F. Wehrpflichtgesetz, wonach ungediente Wehrpflichtige, die weder einberufen noch vorbenachrichtigt sind, aufgrund einer Erklärung als Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen gelten, sofern sie zum Zivildienst herangezogen oder angenommen worden sind oder sofern seit Abgabe der Erklärung zwei Jahre 147

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4. Abschn.: Einheitsthese oder Trennungsthese

Allein aufgrund fehlender Zustimmung des Bundesrates ließ das Bundesverfassungsgericht dann jedoch im Jahre 1980 das Ausbildungsplatzförderungsgesetz158 scheitern. Es erklärte dieses für mit Art. 84 Abs. 1 GG unvereinbar und insgesamt nichtig.159 Eine Mehrheit im Senat verschaffte damit der These von der gesetzgebungstechnischen Einheit erstmals ausdrücklich auch volle Geltungskraft in Bezug auf den Umfang der vom Bundesverfassungsgericht auszusprechenden Nichtigkeitsfolge bei fehlender Zustimmung des Bundesrates. Das Bundesverfassungsgericht identifizierte im Ausbildungsplatzförderungsgesetz „jedenfalls“ zwei zustimmungsbedürftige Bestimmungen nach Art. 84 Abs. 1 GG.160 Ob weitere Vorschriften des Gesetzes ebenfalls dessen Zustimmungsbedürftigkeit auslösten161, ließ das Gericht wiederum offen. Zustimmungsbedürftig sei nicht die einzelne Vorverstrichen sind, für unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 i. V. m. Art. 4 Abs. 3, Art. 12a Abs. 1 und 2 GG erklärt. Die Nichtigkeit des § 25 n. F. Wehrpflichtgesetz führte nach Ansicht des Gerichts zur Gesamtnichtigkeit des Gesetzes. 158 Gesetz zur Förderung des Angebots an Ausbildungsplätzen in der Berufsausbildung (Ausbildungsplatzförderungsgesetz) v. 7.9.1976 (BGBl. I, S. 2658). Das zur Prüfung vorgelegte Ausbildungsplatzförderungsgesetz war hervorgegangen aus einem von der Regierung zuvor eingebrachten Entwurf eines umfassenden Berufsbildungsgesetzes. Dieses war wegen Verweigerung der Zustimmung durch den Bundesrat gescheitert. Die Gesetzesmaterie wurde daraufhin in das im Wesentlichen die Vorschriften über die Finanzierung der Berufsausbildung, Planung, Statistik und über das Bundesinstitut für Berufsbildung umfassende Ausbildungsplatzförderungsgesetz und das aus den ergänzenden steuerrechtlichen Regelungen bestehende Gesetz zur Regelung steuerrechtlicher und anderer Fragen der Ausbildungsplatzförderung (Berufsbildungsgesetz) aufgespalten. Die Entwürfe wurden als Fraktionsentwürfe der SPD und FDP erneut eingebracht. Siehe dazu unten Fünfter Abschnitt C. 159 Vgl. BVerfGE 55, 274, 276. 160 Namentlich § 3 Abs. 6 und Abs. 8 Nr. 3 APlFG. Siehe BVerfGE 55, 274, 318 ff. § 3 Abs. 6 APlFG lautete: „Die Einzugsstellen können die Geschäftsbücher und sonstigen Unterlagen einsehen, um die eingereichten Lohnnachweise prüfen zu können. Ihnen sind die Geschäftsbücher und sonstigen Unterlagen zur Einsicht vorzulegen. Die Einzugsstellen dürfen fremde Geheimnisse, namentlich Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, die ihnen bei der Überprüfung bekannt werden, nicht offenbaren oder verwerten.“ Abs. 8 des § 3 APlFG hatte folgenden Wortlaut: „Der zuständige Bundesminister kann durch Rechtsverordnung bestimmen: (. . .) 3. Form und Inhalt des Lohnnachweises und den Zeitpunkt seiner Einreichung.“ Bei § 3 Abs. 6 APlFG, so das Gericht, handele es sich um eine „doppelgesichtige“ Norm, die eine „zwangsläufige Festlegung eines korrespondierenden verfahrensmäßigen Verhaltens der Verwaltung bewirkt“. Zustimmungsauslösend sei auch die in § 3 Abs. 8 Nr. 2 APlFG enthaltene Ermächtigung zum Erlass von verfahrensregelnden Rechtsverordnungen. Siehe hierzu oben Erster Abschnitt C. II. 2. c) und Dritter Abschnitt C. I. 2. a) und c). 161 Die bayerische Landesregierung hatte die Zustimmungsbedürftigkeit des Gesetzes zusätzlich mit § 3 Abs. 5 und Abs. 8 Nr. 2 APlFG begründet. Die badenwürttembergische und rheinland-pfälzische Landesregierung hatten in ihrer Stellungnahme eine Zustimmungsbedürftigkeit auch der §§ 4, 5 und 12 APlFG behauptet.

A. Die Einheitsthese

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schrift, die das Erfordernis der Zustimmung begründe, sondern das Gesetz als Ganzes.162 Nach fast wortgleicher Wiederholung der bereits in der Entscheidung zum Preisgesetz entwickelten Begründung für die These von der gesetzgebungstechnischen Einheit des Gesetzes stellt das Gericht ohne weitere Begründung fest, dass mit Versagung der Zustimmung „das ganze Gesetz mit dem Grundgesetz unvereinbar und nichtig ist“163. Gegen diese Gesamtnichtigkeitsfolge wandten sich in ihren abweichenden Meinungen sowohl Rottmann als auch Hirsch, die damit zum ersten Mal die Einheitsthese zumindest auf der Ebene der Gültigkeit von Mischgesetzen in Frage stellten.164 Für nichtig zu erklären seien, so die Richter, nur die das Verwaltungsverfahren der Länder regelnden Vorschriften des Gesetzes. Nur diese stellen eine Beeinträchtigung der verfassungsmäßigen Hoheitsrechte der Länder dar, zu deren Sicherung Art. 84 Abs. 1 GG ein Zustimmungserfordernis statuiere.165 Die vom Bundesverfassungsgericht in der Vergangenheit vertretene Auffassung, nach der ein Bundesgesetz als Ganzes der Zustimmung des Bundesrates bedürfe, wenn nur eine einzige das Verwaltungsverfahren der Länder regelnde Vorschrift enthalten sei, könne, soweit es um den Vorgang der Entstehung eines Gesetzes gehe, mit gesetzgebungstechnischen Erwägungen begründet werden. Nicht aber folge aus der fehlenden Zustimmung zu einem einzelne zustimmungsauslösende Normen enthaltenden Gesetz umgekehrt die Nichtigkeit des ganzes Gesetzes. In Bezug auf ihre Gültigkeit können, so Rottmann und Hirsch, die einzelnen Bestimmungen des – als gesetzgebungstechnische Einheit im Gesetzgebungsverfahren behandelten – Gesetzes unterschiedlich beurteilt werden.166 Die Sondervoten von Rottmann und Hirsch haben eine Bedeutung für die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht entfalten können. Die Staatspraxis orientierte sich ohnehin an der von der Mehrheitsmeinung getroffenen Entscheidung.167 Erst im Jahre 1987 lag dem Gericht mit dem 162

Vgl. BVerfGE 55, 274, 319, 326. BVerfGE 55, 274, 327. Zust. Maunz, BayVBl. 1982, 353, 353 f.; SchulzeFielitz, DVBl. 1982, 328, 340. 164 Vgl. das Sondervotum Rottmann, BVerfGE 55, 274, 331 ff. und Hirsch, BVerfGE 55, 274, 341 ff. 165 Vgl. das Sondervotum Rottmann, BVerfGE 55, 274, 331, 333. Zust. das Sondervotum Hirsch, BVerfGE 55, 274, 341, 341 f. 166 Rottmann und Hirsch traten zudem der Ansicht der Mehrheitsmeinung in Bezug auf die Qualifikation der fraglichen Bestimmungen des Ausbildungsplatzförderungsgesetzes als Verfahrensregelungen i. S. d. Art. 84 Abs. 1 GG entgegen. Vgl. das Sondervotum Rottmann, BVerfGE 55, 274, 331, 335 ff.; das Sondervotum Hirsch, BVerfGE 55, 274, 341, 344 f. 167 Vgl. Jekewitz, in: AK, Art. 76 Rn. 9 Fn. 36. 163

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4. Abschn.: Einheitsthese oder Trennungsthese

Künstlersozialversicherungsgesetz168 in einem Verfassungsbeschwerdeverfahren wieder die Frage der Verfassungsmäßigkeit eines ohne möglicherweise erforderliche Zustimmung des Bundesrates ergangenen Gesetzes vor.169 Das Bundesverfassungsgericht hielt das Künstlersozialversicherungsgesetz jedoch für zustimmungsfrei170 und verneinte das Vorliegen einer aus fehlender Zustimmung (möglicherweise) resultierenden Verletzung der Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG.171 In den Zeiten parallel verlaufender Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat in der Ära Kohl gelangte die Frage der Zustimmungsbedürftigkeit eines Gesetzes nicht mehr vor das Bundesverfassungsgericht. Dies geschah erst wieder in der Zeit der rot-grünen Regierung. 6. BVerfGE 105, 313 ff. – Lebenspartnerschaftsgesetz Nachdem das Bundesverfassungsgericht über einen Zeitraum von fünfzig Jahren den Grundsatz der einheitlichen Behandlung eines Mischgesetzes im Gesetzgebungsverfahren und in Bezug auf dessen Gültigkeit seiner Rechtsprechung zugrunde gelegt hatte, deutete es zum ersten Mal in seinem Urteil zum Lebenspartnerschaftsgesetz172 die Möglichkeit einer Abkehr von der Einheitsthese an.173 168

Gesetz über die Sozialversicherung der selbständigen Künstler und Publizisten v. 27.7.1981 (BGBl. I, S. 705). 169 Beschluss des Zweiten Senats v. 8.4.1987, BVerfGE 75, 108 ff. 170 Neben fehlender Gesetzgebungskompetenz für die Einführung der sog. Künstlersozialversicherungsabgabe rügten die Beschwerdeführer auch die fehlende Zustimmung des Bundesrates. Das Künstlersozialversicherungsgesetz verändere durch die Erweiterung des Kreises der Versicherten und des Umfanges und der Art der Versicherungs- und Beitragsleistungen den Aufgabenbereich der Krankenkasse „substantiell“ und regele damit die Einrichtung der Landesbehörden i. S. d. Art. 84 Abs. 1 GG. Zudem werde den bestehenden Vorschriften über das Verwaltungsverfahren der Krankenkassen durch das Künstlersozialversicherungsgesetz „eine andere Dimension“ beigelegt. Nach den in der Entscheidung zum Vierten RentenversicherungsÄnderungsgesetz entwickelten Grundsätzen liege daher auch eine zustimmungsbedürftige Regelung des Verwaltungsverfahrens der Länder vor. Daneben machten die Beschwerdeführer aber hauptsächlich Bedenken in Bezug auf die materielle Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes geltend. Vgl. BVerfGE 75, 108, 122 ff. Das Gericht schloss sich der extensiven Auslegung der Tatbestandsmerkmale des Art. 84 Abs. 1 GG nicht an. 171 Vgl. BVerfGE 75, 108, 149 ff. 172 Gesetz zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften: Lebenspartnerschaften v. 16.2.2001 (BGBl. I, S. 266). Das Gesetz ging zurück auf einen Entwurf der Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Vgl. BT-Drs. 14/3751. Dieser war auf Empfehlung des federführenden Rechtsausschusses des Bundestages und mit dem Ziel, die zustimmungsfreien von den zustimmungsbedürftigen Normen zu trennen, in zwei Gesetze aufgespalten worden: das

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Die Diskussion um die notwendige Reformen verhindernde „Blockade“ durch den Bundesrat ist damit schließlich auch auf das Bundesverfassungsgericht nicht ohne Wirkung geblieben. Obwohl die Fortgeltung der Einheitsthese im Fall des Lebenspartnerschaftsgesetzes nicht entscheidungserheblich war, nimmt der Erste Senat in einem obiter dictum von der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Abstand. Das Lebenspartnerschaftsgesetz enthielt zwar in seinem Art. 1 § 3 Abs. 3 und 4174 zustimmungsbedürftige Zuständigkeitsregelungen, die bei der Abspaltung zustimmungsbedürftiger Teile der Gesetzesvorlage im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens schlicht übersehen worden waren. Diese wurden aber als offenbare Unrichtigkeiten nach einem entsprechenden Hinweis des Bundesjustizministeriums und mit Einwilligung der Präsidenten von Bundestag und Bundesrat aus dem Gesetz gestrichen. Das Lebenspartnerschaftsgesetz wurde in dieser gem. § 61 GGO sowie § 122 Abs. 3 GO BT berichtigten Fassung verkündet. Das Bundesverfassungsgericht billigte dieses Vorgehen entgegen dem Vorbringen der Antragsteller175 als verfassungsGesetz zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften: Lebenspartnerschaften mit den materiell-rechtlichen Bestimmungen zur eingetragenen Lebenspartnerschaft und damit im Wesentlichen verbundenen Rechtsfolgen und das Gesetz zur Ergänzung des Lebenspartnerschaftsgesetzes und anderer Gesetze (Lebenspartnerschaftsergänzungsgesetz), das insb. die Vorschriften über die Gleichstellung im Beamten-, Sozial- und Steuerrecht enthielt. Vgl. BT-Drs. 14/4545 mit Anlagen. Siehe auch den Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drs. 14/4550. Zum Verlauf des Gesetzgebungsprozesses des Lebenspartnerschaftsergänzungsgesetzes vgl. BT-Drs. 14/4875, BT-Drs. 14/4878. Beide Gesetze(steile) wurden vom Bundestag verabschiedet. Das Lebenspartnerschaftsgesetz passierte den Bundesrat, ohne dass dieser den Vermittlungsausschuss anrief und die Zustimmungsbedürftigkeit des Gesetzes feststellte. Das unstreitig zustimmungsbedürftige Ergänzungsgesetz scheiterte an der Ablehnung im Bundesrat. Siehe unten Fünfter Abschnitt B. II. 4. a). 173 Urteil des Ersten Senats v. 17.7.2002. Nachweise zur zahlreichen Literatur zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des Lebenspartnerschaftsgesetzes bei Jakob, Jura 2003, 762, 765 Fn. 32. Der Antrag der bayerischen und sächsischen Landesregierung, das Inkrafttreten des Lebenspartnerschaftsgesetzes im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verhindern, war erfolglos geblieben. Siehe das Urteil des Ersten Senats v. 18.7.2001, BVerfGE 104, 51 ff. Siehe dazu Schoch, Jura 2001, 833, 834 ff. und Jakob, Jura 2003, 762, 763. 174 Die Bestimmungen sahen noch die Zuständigkeit des Standesbeamten für die Entgegennahme der namensrechtlichen Erklärungen vor. Art. 1 § 3 Abs. 3 Satz 2 des Gesetzes in der vom Bundestag beschlossenen Fassung lautete: „Er kann durch Erklärung gegenüber dem Standesbeamten seinen Geburtsnamen oder den Namen wieder annehmen, den er bis zur Bestimmung des Lebenspartnerschaftsnamens geführt hat, oder seinen Geburtsnamen dem Lebenspartnerschaftsnamen voranstellen oder anfügen.“ Art. 1 § 3 Abs. 4 lautete fehlerhaft: „Geburtsname ist der Name, der in die Geburtsurkunde eines Lebenspartners zum Zeitpunkt der Erklärung gegenüber dem Standesbeamten einzutragen ist.“ 175 Vgl. BVerfGE 105, 313, 320 f.

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4. Abschn.: Einheitsthese oder Trennungsthese

gemäß.176 Auch eine an andere Bestimmungen des Lebenspartnerschaftsgesetzes von den Antragstellern geknüpfte Zustimmungsbedürftigkeit nach Art. 84 Abs. 1 GG sah das Gericht nicht als gegeben an.177 Die vorgenommene Aufspaltung der Gesetzesmaterie in zwei selbständige Gesetze verstieß nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts ebenfalls nicht gegen das Grundgesetz und bewirkte auch nicht die Zustimmungsbedürftigkeit des Lebenspartnerschaftsgesetzes.178 Dennoch nutzte der Erste Senat die Gelegenheit, in einem obiter dictum die Möglichkeit der Aufgabe seiner Rechtsprechung, nach der sich „das Erfordernis einer Zustimmung des Bundesrates auf das ganze Gesetz als gesetzgebungstechnische Einheit, also auch auf an sich nicht zustimmungsbedürftige Normen“ bezieht, anzudeuten: „Ob an dieser Rechtsprechung angesichts der Kritik im Schrifttum (. . .) festzuhalten ist, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung, da der Gesetzgeber diesen Weg nicht gewählt hat.“179 Dass sowohl das Schrifttum als auch die Staatspraxis auf dieses obiter dictum zunächst kaum reagiert haben, ist angesichts der Entflechtungsoption, die das Bundesverfassungsgericht hiermit ins Spiel gebracht hat, jedenfalls erstaunlich.180 Allenfalls die Praxis der Aufspaltung von Bundesgesetzen hat das Gericht mit seinem Urteil zunächst offenbar weiter befördert.181 In der Bundesstaatskommission erschien eine Aufgabe der Einheits176

Vgl. BVerfGE 105, 313, 334 ff. Siehe auch Robbers, JZ 2001, 779, 780 f. Die Antragsteller hatten in den materiell-rechtlichen Bestimmungen des Lebenspartnerschaftsgesetzes „in Fortentwicklung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts“ doppelgesichtige, weil das Verwaltungsverfahren der Länder determinierende und diesen keinen eigenverantwortlichen Gestaltungsspielraum belassende Bestimmungen i. S. d. Art. 84 Abs. 1 GG gesehen. Vgl. BVerfGE 105, 313, 318 f. Einer solchen extensiven Anwendung der zu den doppelgesichtigen Normen entwickelten Grundsätze trat das Bundesverfassungsgericht damit nach der Entscheidung zum Künstlersozialversicherungsgesetz erneut entgegen. Vgl. BVerfGE 105, 313, 331 ff. Siehe dazu auch Robbers, JZ 2001, 779, 780. 178 Vgl. BVerfGE 105, 313, 338 ff. 179 BVerfGE 105, 313, 339. Als kritische Stimmen führt das Gericht an: Lücke, in: Sachs (2. Aufl., 1999), Art. 77 Rn. 1 und Maurer, Staatsrecht I (2. Aufl. 2001), § 17 Rn. 74 ff. Im weiteren Verlauf spricht das Gericht von der „bisher angenommenen Voraussetzung, dass ein Gesetz schon dann insgesamt zustimmungsbedürftig wird, wenn es nur eine einzige zustimmungsbedürftige Vorschrift enthält [Hervorhebung nicht im Original]“ (341). Siehe zu diesem obiter dictum auch H. Meyer, K-Drs. 0012, S. 6. 180 Die Urteilsbesprechungen befassen sich im Wesentlichen mit der Frage der materiellen Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes. Wenn auf die Äußerung des Senats eingegangen wird, dann ohne inhaltliche Auseinandersetzung. So z. B. Jakob, Jura 2003, 762, 766 Fn. 53. Nur zur Kenntnis genommen wird das obiter dictum von Graßhof, in: BK, Ergänzungen zu Art. 77 Rn. 38, 39. Siehe dann aber Isensee, in: FS von Arnim, S. 603, 603 ff. 181 Siehe hierzu unten Fünften Abschnitt C. 177

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these auch angesichts der Ausführungen des Ersten Senats im Urteil zum Lebenspartnerschaftsgesetz dann aber als eine Option zur Lösung des an Art. 84 Abs. 1 GG gebundenen Problems der Zustimmungsbedürftigkeit von Bundesgesetzen.182 7. BVerfGE 106, 310 ff. – Zuwanderungsgesetz Ohne auf das obiter dictum des Ersten Senats im Urteil zum Lebenspartnerschaftsgesetz einzugehen, erklärte der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts wenige Monate später183 das von mehreren Landesregierungen zur Normenkontrolle vorgelegte Zuwanderungsgesetz184 insgesamt für mit Art. 78 GG unvereinbar und daher nichtig.185 Es schloss sich damit der Auffassung der Antragsteller an, die die fehlende Zustimmung zum Zuwanderungsgesetz gerügt hatten. Die Zustimmungsbedürftigkeit des Zuwanderungsgesetzes aufgrund in ihm enthaltener verwaltungsverfahrensrechtlicher Bestimmungen gem. Art. 84 Abs. 1 GG war zwischen den Gesetzgebungsorganen unstreitig. Umstritten war, ob das Land Brandenburg in der entscheidenden Sitzung des Bundesrates dem Gesetz zugestimmt186 und damit die erforderliche Mehrheit für den Zustimmungsbeschluss zum Zuwanderungsgesetz vorgelegen hatte.187 Das Bundesverfassungsgericht verneinte das Vorliegen der gem. Art. 52 Abs. 3 Satz 1 GG geforderten Mehrheit der Stimmen des Bundesrates188; 182

Siehe unten Sechster Abschnitt B. I. 1. Urteil des Zweiten Senats v. 18.12.2002. 184 Gesetz zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern v. 20.7.2002 (BGBl. I, S. 1946). 185 Vgl. BVerfGE 106, 310, 312. 186 Eine „rechtlich einfache Frage“, so Hassemer in seinen Eröffnungsworten zur Urteilsverkündung am 18.12.2002. Nur die Antwort sei „schwierig gewesen“. 187 Vgl. zum Verlauf der 774. Sitzung des Bundesrates, 22.3.2002, die Darstellung in BVerfGE 106, 310, 313 ff. mit Nachweisen. Zum Gesetzgebungsprozess siehe auch Starck, ZG 2003, 81, 82 f. Der Bundesrat hatte Anträge des Saarlandes und des Landes Rheinland-Pfalz auf Anrufung des Vermittlungsausschusses (BRDrs. 157/3/02, 157/2/02) abgelehnt. Der Bundesrat hatte damit mit der Mehrheit seiner Stimmen auf „alles oder nichts“ gesetzt. Dass auch die Bundesregierung den Vermittlungsausschuss nicht angerufen hat, ist umso erstaunlicher, als sowohl der Ausschuss für Innere Angelegenheiten des Bundesrates als auch der Wirtschaftsausschuss des Bundesrates die Verweigerung der Zustimmung empfohlen hatten. Zu den (wahrscheinlichen) Gründen für die Nichtanrufung siehe Starck, ZG 2003, 81, 84 f. 188 Von den 69 Stimmen waren nur 31 „sicher“: die jeweils sechs Stimmen von Niedersachsen (SPD) und Nordrhein-Westfalen (SPD/Grüne), die jeweils vier Stimmen aus Berlin (SPD/PDS), Rheinland-Pfalz (SPD/FDP), Sachsen-Anhalt (SPD) 183

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4. Abschn.: Einheitsthese oder Trennungsthese

es wertete die Stimmabgabe des Landes Brandenburg nicht als einheitliche Stimmabgabe und damit nicht als Zustimmung.189 Ohne weitere Erörterung ging der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts davon aus, dass „das Zuwanderungsgesetz (. . .) wegen der in ihm enthaltenen Bestimmungen über das von den Behörden der Länder durchzuführende Verwaltungsverfahren gem. Art. 84 Abs. 1 GG als Ganzes der Zustimmung des Bundesrates“190 bedurfte. Auch die Richterinnen Osterloh und Lübbe-Wolff stimmten in ihrer abweichenden Meinung der Mehrheitsmeinung zumindest insoweit zu, als im Falle des Nichtvorliegens einer ausreichenden Anzahl an Ja-Stimmen im Bundesrat auch nach ihrer Ansicht das Zuwanderungsgesetz „nicht wirksam zustande gekommen“ wäre.191 Anders als die Mehrheit des Senats gingen die Richterinnen aber davon aus, dass das Land Brandenburg in einem neuen Abstimmungsdurchgang mit „Ja“ gestimmt hat.192 Aus der Wiedergabe der Stellungnahme der Bundesregierung geht nicht hervor, dass diese für den Fall, dass das Bundesverfassungsgericht das Vorliegen der Zustimmung des Bundesrates verneint, nur eine Nichtigerklärung der zustimmungsauslösenden Verfahrensregelungen des Zuwanderungsgesetzes für geboten hielt.193 Das obiter dictum des Ersten Senats in seinem Urund Schleswig-Holstein (SPD/Grüne), die drei Stimmen von Mecklenburg-Vorpommern (SPD/PDS). Die Koalitionsverträge der SPD/CDU-Regierungen in Bremen und Brandenburg sahen für den Fall des Dissenses eine Stimmenthaltung im Bundesrat vor. Da die drei Stimmen aus Bremen die erforderliche Mehrheit von 35 Stimmen nicht herbeigeführt hätten, waren die vier Stimmen aus Brandenburg als die entscheidenden identifiziert. 189 Vgl. BVerfGE 106, 310, 330 ff. 190 BVerfGE 106, 313, 329 f. 191 Vgl. das Sondervotum Osterloh, Lübbe-Wolff, BVerfGE 106, 313, 337, 337. Trotz Beifügung eines Sondervotums wird das genaue Abstimmungsverhältnis nicht offengelegt. Zu diesem offenbar einmaligen Fall in der Veröffentlichungspraxis des Bundesverfassungsgerichts vgl. Reissenberger, ZRP 2003, 164, 164 ff. und Renner, NJW 2003, 332, 332. 192 Vgl. das Sondervotum Osterloh, Lübbe-Wolff, BVerfGE 106, 313, 337, 337 ff. 193 Schon im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens war deutlich geworden, dass die Bundesregierung das Gesetz entweder „ganz oder gar nicht“ wollte. Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hatte im Verlauf des Gesetzgebungsprozesses bei Robbers ein Gutachten in Auftrag gegeben, das die Möglichkeiten der Abspaltung der zustimmungsauslösenden Normen klären sollte. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass wichtige Teile des Gesetzes nicht der Zustimmung des Bundesrates unterliegen, so die Abschiebungsanordnungen des Bundes, der Passus über die Anerkennung nicht-staatlicher oder geschlechtsspezifischer Verfolgung, die Bestimmungen zum Aufenthaltsrecht Jugendlicher, zum Berufseintritt von ausländischen Studenten und das Ende des Anwerbestopps für qualifizierte Beschäftigte. Vgl. SZ v. 25.5.2004, S. 8. (Das Gutachten selbst konnte nicht eingesehen werden.) Siehe dazu auch unten Fünfter Abschnitt F.

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teil zum Lebenspartnerschaftsgesetz blieb offenbar dahingehend ohne Wirkung. Auch die Literatur stellte die Frage nach der Teil- oder Gesamtnichtigkeit des Zuwanderungsgesetzes aufgrund fehlender Zustimmung des Bundesrates – soweit ersichtlich – nicht.194 Die verfassungsrechtliche Diskussion hatte sich ganz auf die Interpretation des Art. 51 Abs. 3 Satz 2 GG konzentriert.195 8. Fünftes und Sechstes Hochschulrahmengesetz-Änderungsgesetz Relevanz hätte eine Änderung der Rechtsprechung in Bezug auf Umfang und Reichweite der Zustimmungskompetenz des Bundesrates erneut und zuletzt in den Normenkontrollverfahren zur Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit des Fünften und Sechsten Hochschulrahmengesetz-Änderungsgesetzes196 erlangen können. Neben der Frage, ob die in den Änderungsgesetzen enthaltenen Regelungen von der Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes überhaupt umfasst sind, war auch deren Zustimmungsbedürftigkeit umstritten. Ob und unter welchen Voraussetzungen rahmengesetzliche Regelungen unter den Zustimmungstatbestand des Art. 84 Abs. 1 GG fallen, war ein auch in der Literatur lange Zeit kaum beachtetes Problem.197 In die politische und staatsrechtliche Diskussion gelangte diese Frage dann anlässlich des Vierten Gesetzes zur Änderung des Hochschulrahmengesetzes aus dem Jahre 1998198. Das ursprüngliche Hochschulrahmengesetz199 aus dem Jahre 1976 194 Vgl. z. B. Pünder, Jura 2003, 622, 623 mit Fn. 6, der auf die Einheitsthese unter Heranziehung von BVerfGE 55, 274 ff. zwar kurz Bezug nimmt, das obiter dictum des Ersten Senats in der Entscheidung zum Lebenspartnerschaftsgesetz aber nicht einmal erwähnt. 195 Vgl. die Zusammenstellung von Äußerungen und Beiträgen bei H. Meyer, Abstimmungskonflikt, S. 5 ff. Vgl. zudem Kramer, JuS 2003, 338, 338 ff.; Pünder, Jura 2003, 622, 623 ff.; Tetzlaff, DÖV 2003, 693, 694 ff.; Lang, ZParl 2003, 596, 600 ff.; Gusy, ZParl 2003, 605, 608 ff.; Küpper, Der Staat 42 (2003), 387, 399 ff. Siehe auch Heckel, in: FS Badura, S. 169, 171 ff. 196 Fünftes Gesetz zur Änderung des Hochschulrahmengesetzes und anderer Vorschriften v. 16.2.2002 (BGBl. I, S. 693); Sechstes Gesetz zur Änderung des Hochschulrahmengesetzes v. 8.8.2002 (BGBl. I, S. 3138). 197 So auch Isensee, in: FS Schmitt Glaeser, S. 179, 182. Vgl. zum Problem der Zustimmungsbedürftigkeit von Rahmengesetzen schon Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 83 Rn. 59 ff., insb. 62. Siehe zuvor Maunz, BayVBl. 1982, 353, 354, mit Ausführungen zum damaligen Regierungsentwurf eines Dritten Änderungsgesetzes des Deutschen Richtergesetzes. Vgl. zum Begriff „Ausführung der Bundesgesetze“ Bullinger, AöR 83 (1958), 279, 284 ff., 295 f., der selbst eine von der h. M. abweichende Auffassung vertritt. 198 Gesetz v. 20.8.1998 (BGBl. I, S. 2190). 199 Gesetz v. 26.1.1976 (BGBl. I, S. 185).

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war als Zustimmungsgesetz verabschiedet worden.200 Der zustimmungsauslösende Charakter der in ihm enthaltenen Bestimmungen über Organisation und Verfahren war zwischen den Gesetzgebungsorganen unbestritten. Das Erste Änderungsgesetz aus dem Jahre 1980 erging unstreitig als Einspruchsgesetz.201 Mit Zustimmung des Bundesrates wurden dagegen das Zweite und Dritte Änderungsgesetz zum Hochschulrahmengesetz202 verabschiedet. Mit dem Vierten Änderungsgesetz änderte die Bundesregierung ihre Auffassung hinsichtlich der Zustimmungsbedürftigkeit von rahmengesetzlichen Einrichtungs- und Verwaltungsverfahrensregelungen. Die Ausfüllung von Rahmenvorschriften durch den Landesgesetzgeber sei keine „Ausführung von Bundesgesetzen“ i. S. d. Art. 84 Abs. 1 GG. Ausfüllungsfähige und -bedürftige Rahmenvorschriften seien als solche nicht zustimmungsbedürftig. Sie stellen, so die Bundesregierung, keine unmittelbaren Einrichtungs- und Verfahrensregelungen dar.203 Gegen den Widerspruch des Bundesrates wurde das Vierte Änderungsgesetz zum Hochschulrahmengesetz als Einspruchsgesetz ausgefertigt und verkündet. Der Bundesrat vertrat die Auffassung, dass die getroffenen Einrichtungs- und Verfahrensregelungen trotz ihres rahmengesetzlichen Charakters nach den bisher vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Definitionen der Tatbestandsmerkmale der Einrichtungs- und Verfahrensregelung zustimmungsbedürftig i. S. d. Art. 84 Abs. 1 GG seien.204 Eine verfassungsgerichtliche Klärung wurde jedoch nicht herbeigeführt. Auch das Fünfte und Sechste Änderungsgesetz wurden von Bundesregierung und Bundestag als Einspruchsgesetze behandelt.205 Der Bundesrat, der von der Zustim200

Vgl. zur Entwicklung der Gesetzgebung im Bereich des Hochschulwesens Isensee, in: FS Schmitt Glaeser, S. 179, 180 f.; Geis, in: Jahrbuch für Kulturpolitik 2001, S. 139, 146 ff. 201 Gesetz v. 6.3.1980 (BGBl. I, S. 269). Dieses hob verwaltungsverfahrensrechtliche Regelungen auf und war damit nach allgemeiner Ansicht nicht zustimmungsbedürftig. Vgl. BVerfGE 14, 197, 219 f. 202 Gesetz v. 28.3.1985 (BGBl. I, S. 605); Gesetz v. 14.11.1985 (BGBl. I, S. 2090). 203 Vgl. die Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drs. 13/9351, S. 1 f. Siehe auch BT-Drs. 13/8796, S. 31; BT-Drs. 13/9070. Die Bundesregierung berief sich hierbei ausdrücklich auf Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 83 Rn. 62, 64, 67. Gegen diese Interpretation und die Zustimmungsbedürftigkeit des Vierten Änderungsgesetzes ausführlich begründend Krüger, DVBl. 1998, 293, 295 ff. 204 Vgl. die Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drs. 13/9070, S. 1. 205 Siehe zur Auseinandersetzung um die Zustimmungsbedürftigkeit des Fünften Änderungsgesetzes die Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drs. 14/6853, S. 40, und die Gegenäußerung der Bundesregierung, BT-Drs. 14/6853, Anlage 3, S. 42. Siehe auch den Beschluss des Bundesrates, BR-Drs. 901/01, S. 1. Zur Auseinandersetzung um die Zustimmungsbedürftigkeit des Sechsten Änderungsgesetzes siehe den Ge-

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mungsbedürftigkeit der beiden Gesetze ausging, stimmte sowohl dem Fünften206 als auch dem Sechsten207 Änderungsgesetz zum Hochschulrahmengesetz nicht zu. Mehrere Bundesländer legten daraufhin diese beiden Änderungsgesetze dem Bundesverfassungsgericht zur Normenkontrolle vor. Die Antragsteller rügten jeweils schon das Nichtvorliegen der Gesetzgebungskompetenz des Bundes, machten aber daneben auch die fehlende Zustimmung des Bundesrates geltend.208 Die Versagung der Zustimmung führe dazu, dass das Gesetz insgesamt scheitere, da es nach dem Willen des Bundestages eine gesetzgebungstechnische Einheit darstelle.209 a) BVerfGE 111, 226 ff. Das Bundesverfassungsgericht erklärte in seinem Urteil vom 27. Juli 2004210 das Fünfte Hochschulrahmengesetz-Änderungsgesetz schon wegen fehlender Gesetzgebungskompetenz des Bundes für mit Art. 70, Art. 75 i. V. m. Art. 72 Abs. 2 GG unvereinbar und daher nichtig.211 Das Gericht sah die grundgesetzlichen Anforderungen an ein Rahmengesetz aus Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a, Abs. 2, Art. 72 Abs. 2 GG als nicht erfüllt an.212 Der Bundesgesetzgeber habe mit den detaillierten Neuregelungen zur Qualifikation und Berufung von Professoren213, die nach Ansicht des Gerichts zusetzentwurf, BT-Drs. 14/8732, S. 8. Vgl. dagegen den Antrag der Länder Bayern, Baden-Württemberg, Hamburg, Saarland, Sachsen, Thüringen, BT-Drs. 144/2/02. 206 Vgl. BT-Drs. 14/7763. 207 Der Bundesrat hatte die Einberufung des Vermittlungsausschusses verlangt (vgl. BR-Drs. 356/02). Der Einigungsvorschlag sah eine Bestätigung des vom Bundestag beschlossenen Gesetzes vor (vgl. BR-Drs. 525/02). Der Bundesrat verweigerte die Zustimmung. Der Bundestag wies den vorsorglich vom Bundesrat eingelegten Einspruch zurück (vgl. BT-Drs. 14/9605). 208 Vgl. BVerfGE 111, 226, 233 ff., 236 f. und BVerfG, 2 BvF 1/03 v. 26.1.2005, Absatz-Nr. 11, 33 ff., 41 (in NJW 2005, 493 ff. nicht vollständig wiedergegeben). 209 Vgl. BVerfGE 111, 226, 236. Siehe auch BVerfG, 2 BvF 1/03 v. 26.1.2005, Absatz-Nr. 41. Das Sechste Änderungsgesetz sei zustimmungsbedürftig aufgrund des Art. 1 Nr. 4, der den Ländern die Einrichtung von Studierendenschaften an den Hochschulen und damit die Einrichtung einer Behörde i. S. d. Art. 84 Abs. 1 GG vorschreibe. 210 Urteil des Zweiten Senats v. 27.7.2004. 211 Vgl. BVerfGE 111, 226, 246. Das Bundesverfassungsgericht blieb damit auf seiner mit dem Urteil zum Altenpflegegesetz (BVerfGE 106, 62, 142 ff.) eingeschlagenen Linie in der Interpretation der durch die Verfassungsänderung von 1994 geänderten Kompetenzvorschriften. Vgl. Batt, ZParl 2004, 753, 759 f.; Degenhart, RdJB 2005, 117, 117; Sachs, EWiR 2004, 1087, 1088; Waldhoff, JuS 2005, 391, 395. 212 Vgl. BVerfGE 111, 226, 246 ff., 257. Zu den Voraussetzungen und Schranken der Rahmengesetzgebung des Bundes und den spezifischen Anforderungen im Bereich Hochschulrecht siehe Isensee, in: FS Badura, S. 689, 689 ff. Vgl. auch Degenhart, RdJB 2005, 117, 117 ff.

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gleich den Kernbestandteil des Änderungsgesetzes bildeten, den Landesgesetzgebern keinen Raum für eigene Regelungsmöglichkeiten von substantiellem Gewicht belassen und damit den Rahmen des Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a GG zur Regelung von „allgemeinen Grundsätzen des Hochschulwesens“ überschritten.214 Die Voraussetzungen des Ausnahmetatbestandes des Art. 75 Abs. 2 GG seien ebenfalls nicht erfüllt.215 Im Übrigen fehle es, so der Zweite Senat, an der Erforderlichkeit der bundesgesetzlichen Regelung gem. Art. 72 Abs. 2 GG.216 Aus dieser Überschreitung der Gesetzgebungskompetenz des Bundes folgt nach Auffassung des Gerichts die Nichtigkeit des ganzen Gesetzes.217 Mit den Bestimmungen über die Einführung und Ausgestaltung der Juniorprofessur seien der Schwerpunkt und bedeutsamste Teil des Fünften Änderungsgesetzes von der Nichtigkeitsfolge betroffen. Angesichts der einheitlichen Gesamtkonzeption des Gesetzgebers kommt eine geltungserhaltende Aufteilung in einzelne Regelungsbereiche für das Bundesverfassungsgericht nicht in Betracht.218 Mit der Feststellung der Gesamtnichtigkeit des Gesetzes aufgrund Überschreitens der Rahmengesetzgebungskompetenz wurde eine Klärung der Frage nach der Zustimmungsbedürftigkeit von Rahmengesetzen nach Art. 84 Abs. 1 GG und nach den Folgen fehlender Zustimmung entbehrlich.219 Das Gericht hatte aber in der mündlichen Verhandlung vom 31. März 2004 im Verfahren über das Fünfte Änderungsgesetz zum Hochschulrahmengesetz auf eigene Initiative hin erörtern lassen, „ob das Gesetz im Falle einer fehlenden, aber notwendigen Zustimmung des Bundesrates insgesamt nichtig wäre oder sich die Nichtigkeit auf diejenigen Vorschriften beschränke, die 213 Neufassung der §§ 44 bis 48 HRG. Mit dem Fünften Änderungsgesetz sollte im Wesentlichen die sog. Juniorprofessur eingeführt und die Habilitation faktisch abgeschafft werden (vgl. BT-Drs. 14/6853, S. 1, 14 ff.). Siehe z. B. Knopp/Gutheil, NJW 2002, 2828, 2828 ff. m. w. N. Vgl. auch Geis, in: Jahrbuch für Kulturpolitik 2001, S. 139, 149. 214 Vgl. BVerfGE 111, 226, 259 ff. 215 Vgl. BVerfGE 111, 226, 264 f. 216 Vgl. BVerfGE 111, 226, 265 ff. 217 Vgl. BVerfGE 111, 226, 270 ff. Siehe dazu unten in diesem Abschnitt D. I. 218 Ablehnend in Bezug auf die Erstreckung der Nichtigkeitsfolge auf die Bestimmungen über die Neuordnung der befristeten Arbeitsverhältnisse für wissenschaftliche Mitarbeiter sowie für wissenschaftliche Hilfskräfte (§§ 57a ff. HRG) Preis, NJW 2004, 2782, 2782 ff. Diese unterlägen der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG und könnten als eigenständige Regelungen fortbestehen. Siehe auch Chantelau, NVwZ 2004, 1444, 1444 m. w. N. in Fn. 6. Siehe auch BVerfGE 94, 268, 284. 219 Vgl. hierzu Isensee, in: FS Schmitt Glaeser, S. 179, 182, 186 ff.; Geis, in: Jahrbuch für Kulturpolitik 2001, S. 139, 151, die die Zustimmungsbedürftigkeit des Gesetzes bejahen.

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die Einrichtung von Behörden oder das Verwaltungsverfahren möglicherweise regeln“220. Auch die abweichende Meinung der Richter(innen) Osterloh, Lübbe-Wolff und Gerhardt enthält jedoch keine Ausführungen zum Problem der Zustimmungsbedürftigkeit des Fünften Hochschulrahmengesetz-Änderungsgesetzes.221 Entgegen der Auffassung der Senatsmehrheit sehen die drei abweichenden Richter die Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes durch die angegriffenen Regelungen als nicht überschritten an. Insbesondere die Voraussetzungen nach Art. 72 Abs. 2 GG seien erfüllt.222 Auch ein Verstoß gegen Art. 75 Abs. 2 GG sei nicht gegeben.223 Zudem wendet sich das Minderheitenvotum gegen die Gesamtnichtigerklärung des Gesetzes aufgrund der von der Mehrheitsmeinung angenommenen fehlenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die Vorschriften über die Juniorprofessur. Das Gesetz enthalte eine Reihe von Bestimmungen, die ein selbständiges Regelungsziel verfolgen, nicht in untrennbarem Zusammenhang mit dem Normenkomplex um die Juniorprofessur stehen und daher für sich bestehen können.224 Ob der Normenkontrollantrag aus diesen Gründen zu einem anderen Ergebnis hätte führen müssen, wird im Sondervotum aber ausdrücklich offen gelassen. Die abweichenden Richter begnügen sich mit einem Hinweis darauf, dass dazu „insbesondere die Zustimmungsbedürftigkeit einzelner Regelungen nach Art. 84 Abs. 1 GG und, gegebenenfalls, die Rechtsfolgen der Nichtbeachtung“225 neben Fragen der materiellen Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes zu untersuchen gewesen wären. b) BVerfGE 112, 226 ff. Dieser Untersuchung der Rechtsfolgen der Nichtbeachtung der Zustimmungsbedürftigkeit einzelner Regelungen gem. Art. 84 Abs. 1 GG entzieht sich der Zweite Senat auch in seinem Urteil zum Sechsten Hochschulrahmengesetz-Änderungsgesetz vom 26. Januar 2005.226 Dieses enthielt in 220 So im Schreiben des Berichterstatters v. 10.3.2004, zitiert bei Isensee, in: FS von Arnim, S. 603, 608. 221 Vgl. das Sondervotum Osterloh, Lübbe-Wolff, Gerhardt, BVerfGE 111, 226, 274 ff. 222 Vgl. das Sondervotum Osterloh, Lübbe-Wolff, Gerhardt, BVerfGE 111, 226, 274, 277 ff. 223 Vgl. das Sondervotum Osterloh, Lübbe-Wolff, Gerhardt, BVerfGE 111, 226, 274, 281 ff. 224 Vgl. das Sondervotum Osterloh, Lübbe-Wolff, Gerhardt, BVerfGE 111, 226, 274, 285. Zust. Janz, JuS 2004, 852, 855. 225 Sondervotum Osterloh, Lübbe-Wolff, Gerhardt, BVerfGE 111, 226, 274, 286. 226 Vgl. BVerfGE 112, 226 ff.

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Art. 1 Nr. 1 und 2 Änderungen der §§ 18 und 19 HRG. Danach sollte es der Hochschule zum einen ermöglicht werden, nach Abschluss einer zu einem berufsqualifizierenden Abschluss führenden Hochschulprüfung einen Diplomgrad zu verleihen. Zum anderen wurden die Bachelor-/Bakkalaureus- und Master-/Magisterstudiengänge aus dem Erprobungsstadium in das Regelangebot der Hochschule überführt. Mit Art. 1 Nr. 4a des Änderungsgesetzes sollten ergänzende Bestimmungen über befristete Arbeitsverträge (§§ 57 f. HRG) erlassen werden. Die wichtigsten Bestimmungen des Änderungsgesetzes waren aber Art. 1 Nr. 3 als § 27 Abs. 4 n. F. HRG, der den Grundsatz der Gebührenfreiheit des Erststudiums227 einführen sollte, und Art. 1 Nr. 4, der eine Verpflichtung zur Bildung verfasster Studierendenschaften an den Hochschulen (§ 41 Abs. 1 Satz 1 n. F. HRG) zusammen mit Vorschriften über deren Aufgaben und ihre Verfassung (§ 41 Abs. 1 Satz 2 bis 4, Abs. 2 und 3 n. F. HRG)228 normierte. Nur diese Bestimmungen der Art. 1 Nr. 3 und Nr. 4 des Änderungsgesetzes erklärte das Bundesverfassungsgericht für mit Art. 70, Art. 75 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Art. 72 Abs. 2 GG unvereinbar und das Sechste Änderungsgesetz daher für insoweit nichtig.229 Zwar unterfallen nach Auffassung des Gerichts sowohl die Regelung eines Grundsatzes der Gebührenfreiheit des Erststudiums als auch die Verpflichtung zur Bildung verfasster Studierendenschaften den „allgemeinen Grundsätzen des Hochschulwesens“ gem. Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a GG; die Voraussetzungen für das Erfordernis einer bundesgesetzlichen Regelung gem. Art. 72 Abs. 2 GG liegen aber nicht vor.230 Aus der Nichtigkeit der Vorschrift über die Bildung der Stu227

D. h. des Studiums bis zu einem ersten berufsqualifizierenden Abschluss und des Studiums in einem konsekutiven Studiengang, der zu einem weiteren berufsqualifizierenden Abschluss führt. Im Gesetzgebungsverfahren zum Vierten Hochschulrahmengesetz-Änderungsgesetz war ein Vorschlag des Vermittlungsausschusses, den Grundsatz der Gebührenfreiheit des Erststudiums in das Hochschulrahmengesetz zu übernehmen, im Bundestag gescheitert (vgl. BR-Drs. 438/98). Die Kultusminister der Länder hatten im Mai 2000 vereinbart, dass das Studium bis zum ersten berufsqualifizierenden Abschluss und bei konsekutiven Studiengängen bis zum zweiten berufsqualifizierenden Abschluss gebührenfrei bleibt. 228 Die Möglichkeit der Einrichtung verfasster Studierendenschaften war bereits in der Ursprungsfassung des Hochschulrahmengesetzes vorgesehen. Deren Einrichtung war aber nicht obligatorisch. § 41 HRG, der durch das Vierte Änderungsgesetz zum Hochschulrahmengesetz geringfügig verändert worden war, bestimmte, dass das Landesrecht vorsehen konnte, dass an den Hochschulen zur Wahrnehmung hochschulpolitischer, sozialer und kultureller Belange der Studierenden, zur Pflege der überregionalen und internationalen Studentenbeziehungen sowie zur Wahrnehmung studentischer Belange in Bezug auf die Aufgaben der Hochschulen Studentenschaften gebildet werden konnten. Von dieser Möglichkeit hatten die Landesgesetzgeber mit Ausnahme von Bayern und Baden-Württemberg Gebrauch gemacht. 229 Vgl. BVerfGE 112, 226, 227.

A. Die Einheitsthese

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dierendenschaften folge zudem die Nichtigkeit der Vorschriften über die von ihnen wahrzunehmenden Aufgaben und ihre Verfassung und damit die Nichtigkeit des § 41 n. F. HRG insgesamt.231 Ausdrücklich beschränkt das Gericht die „Prüfung und Entscheidung“ aber auf die im Urteilstenor bezeichneten Vorschriften des Art. 1 Nr. 3 und Nr. 4232, obwohl die Antragsteller das Sechste Änderungsgesetz zum Hochschulrahmengesetz als Ganzes zur Normenkontrolle vorgelegt hatten233. Hierzu führt das Gericht aus: „Die Erstreckung der Zustimmungspflicht und der Nichtigkeitsfolge eines Verstoßes gegen Art. 84 Abs. 1 GG auf das gesamte Gesetz (sog. Einheitsthese, vgl. BVerfGE 8, 274, 294; 37, 363, 381; 55, 274, 319; s. ferner BVerfGE 105, 313, 339) besagt für sich genommen noch nichts über die Reichweite der dem Bundesverfassungsgericht auf einen Normenkontrollantrag hin obliegenden Prüfung. Das Sechste Gesetz zur Änderung des Hochschulrahmengesetzes bildet keine untrennbare Einheit; vielmehr sind in ihm der Sache nach voneinander unabhängige Regelungen lediglich zu einer gesetzgebungstechnischen Einheit zusammengefasst. Der Gegenstand der abstrakten Normenkontrolle wird durch die gegen Einzelbestimmungen oder Regelungskomplexe gerichteten Beanstandungen, nicht hingegen durch die von den Antragstellern erwarteten Rechtsfolgen bestimmt (BVerfGE 73, 118, 151; 97, 198, 213). Die angegriffenen Normen werden vom Bundesverfassungsgericht zwar unter allen verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten, aber ohne Bindung an die erhobenen Rügen überprüft (BVerfGE 97, 198, 214 m. w. N.; s. auch BVerfGE 100, 249, 263).“234

Da die Bestimmungen des Art. 1 Nr. 3 und 4 des Änderungsgesetzes bereits aufgrund fehlender, vorrangig zu prüfender Gesetzgebungskompetenz des Bundes verfassungswidrig seien, komme es, so das Bundesverfassungsgericht, auf einen Fehler im Gesetzgebungsverfahren in der Form der fehlenden Zustimmung nach Art. 84 Abs. 1 GG nicht mehr an.235 Daran ändere sich nichts durch eine anders lautende Fassung des Normenkontrollantrages durch die Antragsteller. Diese hätten nicht das Sechste Änderungsgesetz über die Bestimmungen des Art. 1 Nr. 3 und Nr. 4 hinaus zur verfassungsgerichtlichen Prüfung vorgelegt, sondern „lediglich die Rechtsfolgen antizipiert, die die bisherige Rechtsprechung an die Feststellung eines Verstoßes gegen Art. 84 Abs. 1 GG knüpft“236. 230 Vgl. BVerfGE 112, 226, 242 ff. Siehe dazu Stettner, JZ 2005, 619, 620 ff.; Waldhoff, JuS 2005, 391, 392 ff. 231 Vgl. BVerfGE 112, 226, 253. 232 Vgl. BVerfGE 112, 226, 253. Siehe auch im Tatbestand des Urteils (BVerfGE 112, 226, 231): „Die von den Antragstellerinnen in der Sache angegriffenen Vorschriften lauten: (. . .) [Hervorhebung nicht im Original].“ 233 Vgl. BVerfGE 112, 226, 227. 234 BVerfGE 112, 226, 254. 235 Vgl. BVerfGE 112, 226, 254.

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4. Abschn.: Einheitsthese oder Trennungsthese

Erstmalig reduziert das Gericht damit die Bedeutung der Einheitsthese zumindest für die verfassungsprozessuale Frage der Bestimmung des Antragsgegenstandes in einem abstrakten Normenkontrollverfahren. Es beruft sich hierbei auf die vom Gericht auch in der Vergangenheit in Anspruch genommene Möglichkeit der Beschränkung des Antragsgegenstandes eines abstrakten Normenkontrollverfahrens.237 Es stellt sich die Frage, ob dies schon eine Aufgabe der Einheitsthese ist. Jedenfalls drängt sich der Eindruck auf, dass das Gericht eine Entscheidung über die Zustimmungsbedürftigkeit des Gesetzes und die Folgen fehlender Zustimmung (wieder einmal) nicht ausdrücklich treffen wollte.238 Zudem ist der vom Zweiten Senat gewählte Weg, über eine Auslegung des Antragsbegehrens zu Teilnichtigerklärungen bei möglicherweise fehlender Zustimmung des Bundesrates zu gelangen – dessen verfassungsrechtliche Plausibilität sei an dieser Stelle noch dahingestellt239 –, jedenfalls nicht praxistauglich. Will ein Antragsgegner in Zukunft ein Gesetz als Ganzes zu Fall bringen und liefert die ggf. fehlende Zustimmung des Bundesrates hierfür einen Ansatzpunkt, wird er sein Antragsbegehren auch dahingehend deutlicher fassen. Das Bundesverfassungsgericht dürfte sich schwer tun, den Inhalt des Antragsbegehrens dann nur auf einzelne Normen eines Normenkomplexes durch Auslegung zu begrenzen. Will das Bundesverfassungsgericht eine Gesamtnichtigkeit bei fehlender Zustimmung des Bundesrates vermeiden, wird es die „bisherige“ Rechtsprechung zur Einheit des zustimmungsbedürftigen Gesetzes konsequent aufgeben müssen. 9. Zusammenfassung Festzuhalten bleibt: Das Bundesverfassungsgericht ist möglicherweise an der Schwelle zur Aufgabe der Einheitsthese, die es jahrzehntelang, zwischenzeitlich auch in einer extensiven sachbedingten Variante, nach der Entscheidung zur Zustimmungsbedürftigkeit von Änderungsgesetzen nur noch in einer verfahrensbedingten Variante, vertreten und angewendet hat. Diese inzwischen maßgebliche These von der „nur“ gesetzestechnischen Einheit eines (nach Art. 84 Abs. 1 GG zustimmungsbedürftigen) Mischgesetzes leidet, dies hat schon der Bundesrat früh erkannt und daher mit einer „zweckgerichteten“ Einheit und der „Mitverantwortung“ für das ganze Gesetz argumentiert, aber unter einem spürbaren, wenn auch selten näher 236

BVerfGE 112, 226, 254 (Hervorhebung nicht im Original). Siehe dazu unten in diesem Abschnitt D. II. 238 Dies möglicherweise auch aus dem Grund, weil das Gericht den – mit der Bundesstaatskommission dahingehend erst unmittelbar zuvor gescheiterten – verfassungsändernden Gesetzgeber nicht determinieren wollte. 239 Dazu unten in diesem Abschnitt D. II. 237

B. Begründungen für die Einheitsthese

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konkretisierten „Legitimationsdefizit“: Dieses besteht in der Anerkennung des sekundären Vetobereichs des Bundesrates, im entscheidenden Fall des Art. 84 Abs. 1 GG in einer Erstreckung der Zustimmungskompetenzen des Bundesrates auf an sich zustimmungsfreie materiell-rechtliche Regelungen eines organisations- und verwaltungsverfahrensrechtliche Vorschriften enthaltenden Mischgesetzes. Eine konsequente Anwendung der Einheitsthese führt bisweilen insoweit zu schwer haltbaren Ergebnissen. Das Bundesverfassungsgericht hat solche mehrfach auf Umwegen zu korrigieren versucht – eine Auseinandersetzung mit der Einheitsthese und die Schaffung einer in sich schlüssigen Begründung für ihre Geltungskraft im Anwendungsbereich des Art. 84 Abs. 1 GG ist es weitgehend schuldig geblieben.

B. Begründungen für die Einheitsthese Die von der Rechtsprechung, der Literatur und von Seiten des Bundesrates vorgetragenen verfassungsdogmatischen Begründungen für die Auslegung des Art. 84 Abs. 1 GG i. S. d. Einheitsthese gilt es, im Folgenden einer Prüfung zu unterziehen. Dabei sieht man sich im Fall einer negativen Beantwortung der Frage, ob die Einheitsthese im Anwendungsbereich des Art. 84 Abs. 1 GG verfassungsdogmatisch tatsächlich haltbar ist, zwangsläufig vor das folgende Problem gestellt: Eine Widerlegung der Einheitsthese und die Begründung einer „Trennungsthese“ führt gerade deswegen zu besonderen Schwierigkeiten, weil sie eine Differenzierung zwischen zustimmungsfreien und zustimmungsbedürftigen Bestimmungen innerhalb eines Gesetzes verlangt, die in der Praxis des Gesetzgebungsverfahrens des Bundes tatsächlich aber nicht stattfindet. Dass Bundestag und Bundesrat ein Mischgesetz einheitlich behandeln, heißt aber nicht – dies sei als Ausgangspunkt der folgenden Argumentation festgehalten –, dass die Verfassung diese einheitliche Behandlung auch vorgibt. Die Beantwortung der Frage, ob ein Gesetz als Ganzes der Zustimmung des Bundesrates bedarf und bei fehlender Zustimmung daher auch als Ganzes mit dem Grundgesetz unvereinbar und nichtig ist, kann nicht bei den Realitäten des Gesetzgebungsverfahrens ansetzen.240 Sie ergibt sich zunächst allein aus der Auslegung der grundgesetzlichen Bestimmungen, die dem Bundesrat Kompetenzen bei der Gesetzgebung des Bundes einräumen, im hier interessierenden Fall Art. 84 Abs. 1 GG. Das Handeln der Staatsorgane ist Gegenstand einer verfassungsrechtlichen Prüfung, nicht ihr Maßstab.241 Normative Folgen kann die Staatspraxis allenfalls dann haben, wenn sie zu einem Verfassungswandel geführt hat. 240 Vgl. z. B. Held, AöR 80 (1955/56), 50, 62: „Handlichkeit als Auslegungsgesichtspunkt“ (!).

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4. Abschn.: Einheitsthese oder Trennungsthese

I. Auslegung des Zustimmungserfordernisses in Art. 84 Abs. 1 GG 1. Wortlaut und Systematik Art. 84 Abs. 1 GG spricht ebenso wie z. B. Art. 85 Abs. 1 GG und Art. 23 Abs. 1 Satz 2 GG von „Bundesgesetzen mit Zustimmung des Bundesrates“. Andere Zustimmungstatbestände benutzen dagegen – ohne Bedeutungsunterschied – die Formulierung: „Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf“242. Ob mit „Bundesgesetz“ i. S. d. Art. 84 Abs. 1 GG eine einzelne Norm eines Gesetzes gemeint ist, oder, wie das Bundesverfassungsgericht seit seiner Entscheidung zum Preisgesetz vertritt, das „Gesetz als gesetzgebungstechnische Einheit“243, lässt sich im Wege einer grammatischen Auslegung nicht klären.244 Die Entstehungsgeschichte des Art. 84 Abs. 1 GG gibt hierüber keine Auskunft, lässt sich also nicht ergänzend heranziehen. Ein Umkehrschluss aus Art. 87b Abs. 1 Satz 4 GG führt nicht weiter, da dieser erst nachträglich und unter dem Eindruck der Einheitsthese in das Grundgesetz aufgenommen wurde.245 Auch verwendet das Grundgesetz das Wort „Gesetz“ zum einen dann, wenn es eine einzelne Bestimmung eines Gesetzes meint, so z. B. in Art. 100 Abs. 1 GG oder Art. 80 Abs. 1 Satz 1 GG. Mit „Gesetz“ kann aber zum anderen auch das Gesetz als Ganzes, als Summe seiner Vorschriften, die in Gesetzesform zusammengefasst sind, bezeichnet sein.246 Das 241

Vgl. BVerfGE 91, 148, 171 f. Siehe auch BVerfGE 1, 144, 148 f. Siehe z. B. Art. 29 Abs. 7 a. F., Art. 84 Abs. 5 Satz 1, Art. 105 Abs. 3, Art. 134 Abs. 4, Art. 135 Abs. 5 GG. 243 Vgl. BVerfGE 8, 274, 294 f. Zust. z. B. Dittmann, in: Sachs, Art. 84 Rn. 15; Bull, in: AK, Art. 84 Rn. 23 ff.; Blümel, in: HdbStR IV, § 101 Rn. 24. 244 Vgl. auch das Sondervotum Rottmann, BVerfGE 55, 274, 331, 333. Siehe auch Wernsmann, NVwZ 2005, 1352, 1354. 245 Dass ein Bundesgesetz „soweit“ der Zustimmung des Bundesrates bedarf, wie es einen bestimmten Inhalt hat, bestimmt im Übrigen selbst Art. 87b Abs. 1 Satz 4 GG dem Wortlaut nach nicht eindeutig: „Der Zustimmung des Bundesrates bedürfen Gesetze, soweit sie die Bundeswehrverwaltung zu Eingriffen in Rechte Dritter ermächtigen.“ Zwar wird überwiegend die Geltung der Einheitsthese für Art. 87b Abs. 1 Satz 4 verneint. Vgl. nur Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 87b Rn. 3. Da „soweit“ aber auch „wenn“ heißen kann, ist dies nicht zwingend. Die Entstehungsgeschichte legt nahe, dass mit der Einschränkung „soweit“ nur die generelle Zustimmungsbedürftigkeit von Änderungsgesetzen ausgeschlossen werden sollte. Vgl. Jess, in: BK, Anm. II. 2. Über diese Frage war zum damaligen Zeitpunkt noch nicht entschieden. 246 Nachweise zu den Grundgesetzbestimmungen, in denen das Wort Gesetz oder Bundesgesetz verwendet wird, bei Bauer/Jestaedt, S. 415 f., 437 f. Dass die 242

B. Begründungen für die Einheitsthese

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Grundgesetz bedient sich nicht selten identischer Begriffe, die aber nicht dieselbe Bedeutung haben – und umgekehrt.247 Auch in Art. 84 Abs. 1 GG wird das Wort „Bundesgesetz“ zweimal verwendet: Führen die Länder die „Bundesgesetze“ als eigene Angelegenheit aus, treffen sie organisations- und verfahrensrechtliche Regelungen, soweit nicht „Bundesgesetze“ mit Zustimmung des Bundesrates etwas anderes bestimmen. „Bundesgesetze“, die die Länder als eigene Angelegenheit ausführen, sind die einzelnen ausführungsfähigen und ausführungsbedürftigen Bestimmungen eines Gesetzes.248 Das lässt aber noch nicht unbedingt den Schluss zu, dass auch „Bundesgesetze mit Zustimmung des Bundesrates“ nur die einzelne Rechtsnorm bezeichnen will. Was als Gegenstand der Ausführung durch die Länder benannt ist, muss nicht der Bezugspunkt der Zustimmung des Bundesrates sein. a) Interpretation unter Heranziehung des Art. 78 GG Den Bezugspunkt der Zustimmung des Bundesrates hat das Bundesverfassungsgericht aus dem systematischen Zusammenhang des Art. 84 Abs. 1 GG mit Art. 78 GG hergeleitet. Das „vom Bundestag beschlossene Gesetz“ i. S. d. Art. 78 GG sei „das durch einen Gesetzesbeschluß des Bundestages zu einer Einheit zusammengefaßte Gesetz. Dieses kommt nach Art. 78 GG nur zustande, wenn der Bundesrat zustimmt, sofern“ die Zustimmung in einer Norm des Grundgesetzes angeordnet sei.249 Ein Gesetz könne, „was den Vorgang seiner Entstehung angeht, nur als Ganzes gesehen und behandelt werden“250. Dem Art. 78 GG eine derart weit reichende Bedeutung für die Behandlung von Mischgesetzen in Bezug auf ihr „Zustandekommen“ und damit ihre Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz beizumessen251, ist schon angesichts der Entstehungsgeschichte der Norm252 allerdings äußerst problematisch. Verwendung im Sinne einer einzelnen Norm überwiegt, ist nicht von der Hand zu weisen. 247 In Art. 5 Abs. 2 GG verwendet das Grundgesetz den Begriff „Gesetz“ neben dem der „gesetzlichen Bestimmungen“ und meint damit jeweils einzelne Normen. Siehe schon Schneider, DVBl. 1957, 257, 259. 248 Siehe dazu oben Dritter Abschnitt B. II. 249 Vgl. BVerfGE 8, 274, 294 f. 250 BVerfGE 8, 274, 295. 251 Das Bundesverfassungsgericht knüpft bei der Feststellung der Unvereinbarkeit eines Gesetzes mit dem Grundgesetz aufgrund fehlender Zustimmung nicht eindeutig an: Im Urteil zum Wehrpflichtänderungsgesetz erklärte das Bundesverfassungsgericht das Gesetz für „als gesetzgebungstechnische Einheit nicht gem. Art. 78 GG zustande gekommen“. Vgl. BVerfGE 48, 127, 178. Im Urteil zum Ausbildungsplatz-

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4. Abschn.: Einheitsthese oder Trennungsthese

Die Norm wurde aus einer der Varianten des Art. 104 HChE entwickelt und bezog sich zu Beginn der Verhandlungen nur auf den „Normalfall“ der Einspruchsgesetzgebung.253 Im Parlamentarischen Rat wurde die Schaffung der Vorschrift allein von der Absicht getragen, Zweifel über den Zeitpunkt des Zustandekommens von Gesetzen zu beseitigen.254 Einig war man sich darüber, dass Art. 78 GG jedenfalls kein wesentlicher Regelungsgehalt zukommen sollte.255 Selbständige Bedeutung wurde ihm nur insoweit zugeschrieben, als er klarstellt, dass der Bundesrat den von ihm eingelegten Einspruch wieder zurücknehmen kann. Zudem kann auch nach heute herrschender Auffassung der Bundesrat einem Einspruchsgesetz vor Ablauf der Einspruchsfrist „zustimmen“ i. S. d. Art. 78 GG.256 Insoweit unterscheidet Art. 78 GG nicht einmal zwischen Einspruchs- und Zustimmungsgesetzen. „Zustimmung“ i. S. d. Art. 78 GG ist damit nicht mit der „Zustimmung“ zu zustimmungsbedürftigen Gesetzen gleichzusetzen.257 Art. 78 GG sollte, dies ergibt die genetische Auslegung eindeutig, keine Aussage darüber treffen, worauf sich die Zustimmung des Bundesrates bei der Gesetzgebung bezieht.258 Auch eine besondere Voraussetzung des „Zustandekommens“ von Gesetzen, wie das Bundesverfassungsgericht sie offenbar konstruiert, wurde mit Art. 78 GG nicht geschaffen. Entscheidend kann nicht der missglückte Wortlaut der Vorschrift259, sondern nur ihr systeförderungsgesetz knüpfte das Gericht die Nichtigkeit dagegen an einen Verstoß gegen Art. 84 Abs. 1 GG. Vgl. BVerfGE 55, 274, 276. Das Zuwanderungsgesetz erklärte das Gericht „insgesamt für mit Art. 78 GG unvereinbar und nichtig“. Vgl. BVerfGE 106, 310, 312. 252 Siehe hierzu Füsslein, JöR 1 NF (1951), 571 ff. Vgl. z. B. auch Schulz, S. 23 f. 253 Siehe Füsslein, JöR 1 NF (1951), 571 f. 254 Siehe die Äußerung Schmidts in der 50. Sitzung des Hauptausschusses, 10.2.1949, VerhdlgHA, S. 656: Mit dieser Norm solle nicht „die Art und Weise, sondern gewissermaßen der Stichtag bestimmt werden, an dem das Gesetz zustande gekommen ist“. Eine frühere Fassung des Art. 78 GG formulierte daher: „Ein vom Bundestag beschlossenes Gesetz ist zustande gekommen, wenn (. . .).“ Siehe dazu das Protokoll der 50. Sitzung des Hauptausschusses, 10.2.1949, VerhdlgHA, S. 656. Vgl. auch Schäfer, Der Bundesrat, S. 75. 255 Vgl. die Äußerung von Katz in der 12. Sitzung des Hauptausschusses, 1.12.1948, VerhdlgHA, S. 143: „Wenn er nicht dastehen würde, würde es wahrscheinlich auch nicht viel ausmachen.“ 256 Vgl. Stettner, in: Dreier, Art. 78 Rn. 5; Masing, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 78 Rn. 6; Bryde, in: v. Münch/Kunig, Art. 78 Rn. 3; Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 78 Rn. 10; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 78 Rn. 78; Pestalozza, JuS 1975, 366, 370. A. A. Jekewitz, in: AK Art. 78 Rn. 5; Kokott, in: BK Art. 78 Rn. 9. 257 Vgl. hierzu bereits Schulz, S. 24. 258 Vgl. auch Pestalozza, JuS 1975, 366, 370; Limberger, S. 34; Gramm, AöR 124 (1999), 212, 224. 259 Vgl. Jekewitz, in: AK, Art. 78 Rn. 2. Art. 78 GG spricht von dem „vom Bundestag beschlossenen Gesetz“, das zustande kommt. Es kommt aber nicht der damit

B. Begründungen für die Einheitsthese

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matischer Zusammenhang mit Art. 77 GG sein, auf den sie folgt. Wenn aus den grundgesetzlichen Bestimmungen über das Gesetzgebungsverfahren Aussagen über die Behandlung von Mischgesetzen zu treffen sind, dann aus Art. 77 GG. In diesem ist „das Zustandekommen“ eines Gesetzes – nach Einbringen einer Gesetzesvorlage in den Bundestag nach Art. 76 GG – schon abschließend geregelt, nicht erst in Art. 78 GG. b) Interpretation unter Heranziehung des Art. 77 GG Art. 77 GG formuliert in seinem Abs. 3 Satz 1 und in dem später eingefügten Abs. 2a: „Soweit zu einem Gesetz die Zustimmung des Bundesrates nicht erforderlich ist, kann der Bundesrat (. . .) Einspruch einlegen“ bzw. „Soweit zu einem Gesetz die Zustimmung des Bundesrates erforderlich ist, hat der Bundesrat (. . .) in angemessener Frist über die Zustimmung Beschluß zu fassen.“ Gegner der Einheitsthese haben aus der Verwendung des Wortes „soweit“ darauf schließen wollen, dass mit „Gesetz“ i. S. d. Art. 77 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 2a GG die einzelne Norm eines dem Bundesrat zugeleiteten Gesetzesbeschlusses des Bundestages, nicht der Gesetzesbeschluss als Ganzes gemeint ist.260 Dies soll sich auch aus dem Vergleich mit Art. 77 Abs. 2 Satz 4 GG ergeben: „Ist zu einem Gesetz die Zustimmung des Bundesrates erforderlich (. . .).“ Hier habe der Verfassungsgeber bewusst abweichend formuliert.261 Die Wortlautauslegung führt jedoch auch hier nicht zu einem eindeutigen Ergebnis. Das Grundgesetz verwendet das Wort „soweit“ undifferenziert mit unterschiedlicher Bedeutung.262 „Soweit“ kann, darauf hat die Literatur hingewiesen, i. S. einer Einschränkung in Bezug auf den Gegenstand gemeint sein263; das Wort begegnet aber überwiegend in der Verwendung i. S. v. „wenn“ oder „falls“ und drückt insofern die Unterwerfung unter eine Bedingung aus.264 Das Grundgesetz variiert offenbar in der Regel schlicht offenbar gemeinte „Gesetzesbeschluss des Bundestages“, auf den auch das Bundesverfassungsgericht abstellen will, zustande; dieser kommt allenfalls „als Gesetz“ zustande. 260 Vgl. Schneider, DVBl. 1957, 257, 261; Schweitzer, Der Staat 15 (1976), 169, 176; Lücke, in: Sachs, Art. 77 Rn. 15; Maurer, Staatsrecht I, § 17 Rn. 74. Siehe auch Limberger, S. 34 Fn. 55; Antoni, AöR 113 (1988), 329, 335. 261 So Pestalozza, JuS 1975, 366, 370. 262 Siehe Bauer/Jestaedt, S. 467 f. mit einer Aufzählung der Normen des Grundgesetzes, die das Wort „soweit“ verwenden. 263 Siehe z. B. Art. 72 Abs. 2 GG: „wenn und soweit“. Auch hier kann „soweit“ allerdings im Sinne einer Bedingung verstanden werden, wenn die Bedingung eben auch inhaltlich gemeint ist. 264 Siehe z. B. Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG.

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4. Abschn.: Einheitsthese oder Trennungsthese

sprachlich.265 So lautet auch Art. 77 Abs. 3 Satz 1 GG: „Soweit zu einem Gesetz (. . .), kann der Bundesrat, wenn (. . .).“ Die Annahme einer bewussten Verwendung eines gegenständlich einschränkend gemeinten „soweit“ kann sich auch auf die Entstehungsgeschichte des Art. 77 GG nicht stützen.266 Eine Erörterung des Wortlauts des Art. 77 Abs. 3 Satz 1 GG hat im Parlamentarischen Rat nicht stattgefunden.267 Art. 77 Abs. 3 GG trifft zudem nur eine Regelung für Einspruchs„gesetze“. Auch die übrigen Bestimmungen des Art. 77 GG treffen Regelungen entweder für Einspruchs- oder Zustimmungsgesetze. Für Mischgesetze trifft Art. 77 GG gerade keine Anordnungen. Die Genese der Vorschriften über das Gesetzgebungsverfahren insgesamt zeigt, dass der Parlamentarische Rat die Möglichkeit von Mischgesetzen bei der Schaffung der Bestimmungen über das Verfahren der Gesetzgebung des Bundes und die dahingehende Mitwirkung des Bundesrates offenbar nicht in Betracht gezogen hat.268 Im verfassungshistorischen Kontext war die Einführung eines nach Einspruch und Zustimmung differenzierenden Mitwirkungsrechts der „Zweiten Kammer“ an der Gesetzgebung des Gesamtstaates grundsätzlich ohne Vorbild.269 Nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 der Bismarckschen Reichsverfassung wurde die Reichsgesetzgebung ausgeübt durch den Bundesrat und den Reichstag. Erforderlich und ausreichend zu einem und damit jedem „Reichsgesetze“ war nach Satz 2 des Art. 5 Abs. 1 RV die Übereinstimmung der Mehrheitsbeschlüsse von Bundesrat und Reichstag.270 Dem Reichsrat der Weimarer Reichsverfassung stand nach Art. 74 Abs. 1 WRV gegen die vom Reichstag beschlossenen Gesetze grundsätzlich nur ein Einspruchsrecht zu.271 Die möglichen Folgen einer Einführung einer Kategorie von Zustimmungsgeset265 Siehe zuletzt Isensee, in: FS von Arnim, S. 603, 614 mit Hinweis auf Art. 81 Abs. 2 GG. 266 Vgl. Füsslein, JöR 1 NF (1951), 565 ff. 267 In vierter Lesung verabschiedete der Hauptausschuss ohne Diskussion die vom Allgemeinen Redaktionsausschuss vorgeschlagene Fassung, die zum ersten Mal in der Form des geltenden Art. 77 Abs. 3 GG formulierte. Siehe die Nachweise bei Füsslein, JöR 1 NF (1951), 571. Siehe das Protokoll der 57. Sitzung des Hauptausschusses, 5.5.1949, VerhdlgHA, S. 755. 268 Vgl. auch Schulz, S. 49. 269 Siehe allerdings Schulz, S. 47 f. zu Art. 40 Abs. 4 PV und Art. 85 Abs. 4 WRV. 270 Siehe hierzu Laband, Staatsrecht, Bd. 2, S. 23 ff. Zu Art. 7 RV und der darauf gegründeten Sanktionentheorie siehe Laband, Staatsrecht, Bd. 2, S. 29 ff. 271 Vgl. hierzu und zu den möglichen Folgen der Einlegung eines Einspruchs durch den Reichsrat und die Zurückweisung durch den Reichstag Poetzsch-Heffter, WRV, Art. 74 Anm. 1 ff. und Einleitung Fünfter Abschnitt Anm. 1 ff.; Anschütz, WRV, Art. 74 Anm. 1 ff.; Rose, Reichsrat, S. 66 ff., 69.

B. Begründungen für die Einheitsthese

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zen als Ausnahmefall wurden bei der Schaffung der Bestimmungen über das Gesetzgebungsverfahren offenbar nicht einkalkuliert. Dass auch in Bezug auf Art. 84 Abs. 1 GG das Problem von Mischgesetzen nicht erkannt wurde, dürfte, darauf ist schon hingewiesen worden, insbesondere damit zusammenhängen, dass die Entscheidung über die Schaffung des Zustimmungserfordernisses getrennt von der Entscheidung über die ausdrückliche Normierung der Gesetzgebungskompetenz des Bundes für Einrichtungsund Verfahrensregelungen getroffen wurde.272 Die grammatische Auslegung des Art. 77 Abs. 3 Satz 1 bzw. des Abs. 2a GG – letzterer wurde lediglich der Formulierung des Abs. 3 Satz 1 sprachlich angepasst273 – ist damit im Ergebnis auch unter Einbeziehung der Entstehungsgeschichte und der Regelungen in den Vorläuferverfassungen zum Grundgesetz unergiebig.274 Feststellen lässt sich allenfalls, dass die Vorschriften eine getrennte Behandlung von Mischgesetzen zwar nicht vorsehen, aber jedenfalls auch nicht verfassungsrechtlich ausschließen.275 c) Folgerungen Der Versuch des Bundesverfassungsgerichts, aus dem systematischen Zusammenhang des Zustimmungstatbestandes des Art. 84 Abs. 1 GG mit Art. 78 GG, oder auch der Versuch der Literatur, aus dem Zusammenhang mit den übrigen Vorschriften über das Gesetzgebungsverfahren, den Bezugspunkt der angeordneten Zustimmung des Bundesrates zu ermitteln, ist damit insgesamt nicht zielführend.276 Das Grundgesetz knüpft die Zustimmungsbedürftigkeit von Gesetzen an bestimmte Inhalte. Wann und inwieweit ein Gesetz zustimmungsbedürftig ist, ist in einzeln aufgeführten Zustimmungstatbeständen geregelt. Diese an anderer Stelle angeordnete Zustimmungsbedürftigkeit von „Gesetzen“ setzen die Bestimmungen über das Gesetzgebungsverfahren voraus. Über den Umfang der Beteiligung des Bundesrates in Form der Zustimmung sagen sie nichts aus. Dieser kann nur 272

Siehe oben Dritter Abschnitt A. II. 3. Die Einfügung des Art. 77 Abs. 2a GG erfolgte allein mit der Intention, eine Verpflichtung des Bundesrates, in angemessener Frist über die Zustimmung Beschluss zu fassen, ins Grundgesetz aufzunehmen. Der Bundesrat sollte das „Schicksal“ eines Zustimmungsgesetzes nicht für unbestimmte Zeit in der Schwebe lassen können. Dass der Bundesrat sich zu einem zustimmungsbedürftigen Gesetz in angemessener Zeit äußern muss, wurde aber schon vor der Einfügung des Abs. 2a aus dem Prinzip der Verfassungsorgantreue hergeleitet. Siehe nur Masing, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 77 Rn. 97 ff. mit Nachweisen. 274 Vgl. von Zezschwitz/Breitbach, VSSR 2 (1974), 297, 302. 275 So auch Schweitzer, Der Staat 15 (1976), 169, 177 in Bezug auf Art. 87b Abs. 1 Satz 4 GG. 276 Vgl. auch Trute, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 84 Rn. 24. 273

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4. Abschn.: Einheitsthese oder Trennungsthese

in Ansehung des einzelnen Zustimmungstatbestandes bestimmt werden. Es ist also entscheidend auf Art. 84 Abs. 1 GG abzustellen.277 Ob sich das gefundene Ergebnis auch durch Gestaltung des Gesetzgebungsverfahrens im Rahmen der hierfür existierenden Bestimmungen umsetzen lässt, ist nach hier vertretener Ansicht allein eine Folgefrage. 2. Erstreckung des Zustimmungserfordernisses unter Zugrundelegung der Mitverantwortungsthese Losgelöst von Wortlaut und Systematik des Art. 84 Abs. 1 GG haben der Bundesrat und mit ihm ein Teil der Literatur versucht, eine Erstreckung des Zustimmungserfordernisses auf das ganze Gesetz mit einer dahingehenden „Mitverantwortung“ des Bundesrates zu begründen. In die herkömmlichen Interpretationsregeln lässt sich diese im Diffusen bleibende „Mitverantwortungstheorie“ bzw. „-these“278 nicht einordnen. Allenfalls ist sie als sinnorientierte Auslegung zu kategorisieren. Sie entbehrt aber der normativen Anknüpfung. Entstanden ist die Mitverantwortungsthese279 aus einer in der politischen Auseinandersetzung zwischen Bundesrat und Bundesregierung aufgeworfenen Formulierung280; sie ist aber nie näher begründet worden.281 Selbst das Bundesverfassungsgericht hat sich ihrer im Apostille-Beschluss zwar einmalig bedient.282 Sie wird aber spätestens mit dem Urteil zum Vierten Rentenversicherungs-Änderungsgesetz auch vom Bundesrat und von der Literatur nicht mehr ernsthaft ins Feld geführt.283 Sie diente dem Bundesrat ganz allgemein dazu, das von ihm in Anspruch genommene umfassende politi277 Vgl. auch Franssen, JZ 1973, 314, 314 ff. A. A. Graulich, S. 58; Isensee, in: FS von Arnim, S. 603, 615. 278 Vgl. von Zezschwitz/Breitbach, VSSR 2 (1974), 297, 304: „nur eine These“. 279 Vgl. exemplarisch BR-Drs. 594/1/73: „Durch seine Zustimmung übernimmt der Bundesrat die Mitverantwortung für das Gesetz als Ganzes, d. h. für alle Bestimmungen, nicht nur für solche, die die Zustimmung begründet haben. Infolge der Mitverantwortung für das ganze Gesetz bedarf auch jedes Änderungsgesetz eines Zustimmungsgesetzes, ohne Rücksicht auf seinen Inhalt, wiederum der Zustimmung des Bundesrates.“ Zust. zur Mitverantwortungstheorie Gräber, DÖV 1959, 893, 894; Weides, JuS 1973, 337, 339 ff. Siehe auch Schäfer, Der Bundesrat, S. 91. 280 Siehe oben A. I. 1. 281 Vgl. hierzu Achterberg, DÖV 1975, 158, 159; Franssen, JZ 1974, 314, 314 f.; von Hase, DÖV 1973, 838, 839: „aus dem Behauptungsstadium nie herausgeführt“. 282 Vgl. BVerfGE 24, 184, 197 f. 283 Hesse, Rundfunkleistungen, S. 26, bezeichnete die Mitverantwortungstheorie im Jahre 1966 noch als herrschende Meinung, lehnte sie aber selbst ab. Die Mitverantwortungstheorie geriet schon in der Diskussion über die Verfassungsmäßigkeit des § 14 Postverwaltungsgesetz in die Kritik. Vgl. von Hase, DÖV 1973, 838, 840. Siehe auch BayVGH BayVBl. 1968, 33, 33; BVerwGE 28, 36, 43 f.

B. Begründungen für die Einheitsthese

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sche Mandat zu untermauern, speziell aber gerade auch dem Zweck, die umfassende Zustimmungsbedürftigkeit von Folgeakten, insbesondere von Änderungsgesetzen zu Zustimmungsgesetzen, zu begründen284 – auch in Kenntnis der Schwäche einer Argumentation mit einer nur verfahrensbedingt verstandenen Gesetzeseinheit.285 Kutscher leitete aus der Mitverantwortungsthese zudem schon im Jahre 1952 die Unzulässigkeit einer Aufspaltung eines Gesetzesvorhabens in (nach Art. 84 Abs. 1 GG) zustimmungsbedürftige und (materiell-rechtliche) zustimmungsfreie Teile her.286 Nachdem das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung aus dem Jahre 1974 sowohl die generelle Zustimmungsbedürftigkeit von Änderungsgesetzen abgelehnt als auch die Möglichkeit der Teilung von Bundesgesetzen in Ansehung ihrer zustimmungsbedürftigen und zustimmungsfreien Teile als verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässig erklärt hatte287, bestand für die Aufrechterhaltung der Figur der „Verantwortung“ des Bundesrates für das Gesetz als Ganzes insgesamt kein Grund mehr. Insbesondere Friesenhahn und Ossenbühl hatten die – verfassungsrechtlich nie untermauerte – Mitverantwortungstheorie zeitgleich schon ausführlich widerlegt.288 Sie ist überholt. Hier sei dazu nur das Wesentliche ausgeführt: Formuliert hatte der für ihre Verbreitung maßgeblich verantwortliche Kutscher die Mitverantwortungsthese folgendermaßen: „Die Zustimmungsbedürftigkeit einer Vorlage bedeutet, daß der Bundesrat ausdrücklich zum gesamten Inhalt der Vorlage ja sagen muß. Durch seine Zustimmung übernimmt der Bundesrat die Verantwortung für den gesamten Inhalt eines Entwurfs; demgemäß muß auch der gesamte Inhalt der Prüfung des Bundesrates unterliegen.“289 Dass der Bundesrat eine ihm zugeleitete Vorlage insgesamt prüfen darf, wurde indes nie bestritten. Entscheidend ist, ob dem Bundesrat auch in Bezug auf die gesamte Vorlage ein Zustimmungsrecht zusteht. Dies bestimmt sich aber allein danach, ob ihm eine dahingehende Kompetenz eingeräumt worden ist. Eine – wie auch immer zu charakterisierende – „Verantwortung“ des Bundesrates allein kann Kompetenzen aber nicht begründen. Eine (wenn überhaupt) existierende Verantwortung reicht nur soweit, wie die Kompetenz reicht.290 284

Vgl. Kutscher, DÖV 1952, 710, 713. Siehe BR-Drs. 594/1/73. Vgl. Franssen, JZ 1974, 314, 315. 286 Vgl. Kutscher, DÖV 1952, 710, 713. 287 Vgl. BVerfGE 37, 363, 382 f. 288 Vgl. Friesenhahn, in: 25 Jahre Bundesrat, S. 251, 260 ff.; Ossenbühl, AöR 99 (1974), 369, 407 ff.; ders., in: FS Jahrreiß, S. 161, 171 ff. Siehe auch von Hase, DÖV 1973, 838, 839 f.; Lepa, DVBl. 1974, 399, 399 f.; Achterberg, DÖV 1975, 158, 159 f.; Pestalozza, JuS 1975, 366, 371 f.; Graulich, S. 79 ff. 289 Kutscher, DÖV 1952, 710, 713. 285

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4. Abschn.: Einheitsthese oder Trennungsthese

Die „Verantwortung“ des Bundesrates ist zudem nicht ohne Grund von denjenigen, die sie ins Feld geführt haben, nie verfassungsrechtlich hergeleitet worden. Das Grundgesetz kennt „Verantwortung“ als parlamentarische Kontrolle z. B. des Bundeskanzlers und der Bundesminister.291 Mit dem Schema „demokratische Verantwortung“ und „Kontrolle“ lassen sich Aufgaben und Stellung des Bundesrates aber nicht erfassen.292 Dem Bundesrat als Bundesorgan steht keine parlamentarische Verantwortungsinstanz auf Bundesebene gegenüber; er ist ein Organ ohne demokratische Legitimation. Eine in rechtlichen Kategorien fassbare „Verantwortung“ des Bundesrates lässt sich nicht konstruieren. Aus einer rechtlich nicht fassbaren Verantwortung können Rechtsfolgen oder Interpretationsergebnisse nicht hergeleitet werden. Eine Erstreckung des Zustimmungsrechts des Bundesrates auf auch an sich zustimmungsfreie Bestimmungen eines Gesetzes auf Grundlage der Mitverantwortungsthese scheitert schon hieran. 3. Erstreckung des Zustimmungserfordernisses unter dem Aspekt des Sachzusammenhangs und der Untrennbarkeit von formellem und materiellem Recht Ein umfassendes Zustimmungsrecht des Bundesrates wurde von den Vertretern einer sachbedingt verstandenen Einheitsthese zudem aus dem Umstand herzuleiten versucht, dass jedes Gesetz „eine zweckbezogene und zweckgerichtete Einheit“ darstelle, zwischen deren Vorschriften „ein enger innerer Zusammenhang bestehe“293. Ein solcher sei gerade auch in Bezug auf das Verhältnis der materiell-rechtlichen Regelungen eines Gesetzes zu den nach Art. 84 Abs. 1 GG zustimmungsbedürftigen organisationsrechtlichen und verfahrensrechtlichen Regelungen gegeben.294 Aufgrund dieses – eine zweckgerichtete Einheit produzierenden – Sachzusammenhangs müsse sich das Zustimmungsrecht des Bundesrates auf die zustimmungsfreien, materiell-rechtlichen Bestimmungen eines Gesetzes erstrecken. Auch diese Begründung für eine Erstreckung der Zustimmungskompetenzen des Bundesrates kann jedoch nicht überzeugen. Dass die einzelnen Bestimmungen eines Gesetzes in der Regel in (irgend)einem inhaltlichen Zu290 Vgl. Pestalozza, JuS 1975, 366, 371 f. Siehe schon Schneider, DVBl. 1953, 257, 260. 291 Vgl. ausführlich Ossenbühl, AöR 113 (1974), 360, 408 ff. Weiterführend Scheuner, in: FS G. Müller, S. 379, 384 ff., 394 ff. 292 Siehe oben Zweiter Abschnitt C. 293 Vgl. Weides, JuS 1973, 337, 340; Kutscher, DÖV 1952, 710, 713. 294 Später als „Interdependenz zwischen materiellem und formellem Recht“ deklariert. Siehe die Wiedergabe der Äußerungen des Bundesrates in BVerfGE 37, 363, 374 f.

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sammenhang zueinander stehen, kann und muss nicht bestritten werden.295 Folgerungen für den Umfang des Zustimmungsrechts des Bundesrates lassen sich aus dieser Feststellung jedoch nicht herleiten. Welche Vorschriften der Bundestag in einem Gesetz zusammenfasst, ist ihm im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit überlassen.296 Er kann Zusammenhängendes zusammenfassen; es ist ihm aber auch nicht verwehrt, inhaltlich Unzusammenhängendes beispielsweise in einem Artikelgesetz zu regeln.297 Ob und in welchem Zusammenhang die einzelnen Bestimmungen eines Gesetzes zueinander stehen, ist eine Frage der Sinnhaftigkeit oder auch der Effektivität der gesetzlichen Regelung. Eine Ausweitung des Zustimmungsrechts des Bundesrates auch auf die zustimmungsfreien Teile eines Gesetzes lässt sich mit der Selbstverständlichkeit einer allgemeinen Interdependenz zwischen den einzelnen Bestimmungen eines Gesetzes aber verfassungsrechtlich nicht begründen.298 Die Vertreter einer sachbedingt verstandenen Gesetzeseinheit stellen daher auch entscheidend darauf ab, dass im Fall des Art. 84 Abs. 1 GG der Zusammenhang zwischen zustimmungsfreien und zustimmungsbedürftigen Bestimmungen des Gesetzes unauflösbar, eine Trennung von materiellrechtlichen und organisations- und verfahrensrechtlichen Vorschriften überhaupt nicht möglich sei.299 Diese Auffassung knüpft dabei überwiegend an eine von Köttgen im Jahre 1952 getroffene Feststellung an, dass „offenbar eine dichte Gemengelage materieller und verfahrensmäßiger Vorschriften ein notwendiges Charakteristikum wenigstens des zeitgenössischen Verwaltungsrechts darstellt“300. Schon Köttgen wollte mit dieser Aussage über die Unmöglichkeit einer Differenzierung zwischen materiellem und formellem Recht aber gerade nichts aussagen.301 Dass die Unterscheidung zwischen materiell-rechtlichen und insbesondere verwaltungsverfahrensrechtlichen Vorschriften i. S. d. Art. 84 Abs. 1 GG erhebliche Schwierigkeiten bereiten kann, wurde dargelegt.302 Ihre Unmöglichkeit folgt hieraus nicht. Art. 84 Abs. 1 GG selbst geht davon aus, dass 295 Vgl. Isensee, in: FS von Arnim, S. 603, 612: „Daß alles mit allem zusammenhängt ist eine unwiderlegliche Binsenweisheit.“ Siehe schon Graulich, S. 52. 296 Siehe auch unten Fünfter Abschnitt E. I. und II. 1. 297 Vgl. Graulich, S. 52. 298 Vgl. Isensee, in: FS von Arnim, S. 603, 612; Graulich, S. 52 ff. 299 Vgl. Schäfer, Der Bundesrat, S. 89; Kutscher, DÖV 1952, 710, 713. Siehe auch Fiedler, AöR 105 (1980), 79, 84. 300 Köttgen, DÖV 1952, 422, 423. 301 Vgl. Ossenbühl, AöR 99 (1974), 369, 399. Köttgen ging es darum, den Anwendungsbereich des Art. 84 Abs. 1 GG durch restriktive Interpretation des Begriffes des „Verwaltungsverfahrens“ einzugrenzen. 302 Siehe oben Dritter Abschnitt C. I. 2. und 3.

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Organisations- und Verwaltungsverfahrensvorschriften identifizierbar sind. An diese knüpft es die Zustimmungsbedürftigkeit des „Gesetzes“.303 Dass eine Unterscheidung auch praktisch möglich ist, zeigen die Beispiele der Aufspaltung von Gesetzesvorhaben in materiell-rechtliche zustimmungsfreie und organisations- und verfahrensrechtliche zustimmungsbedürftige Gesetze(steile). Abgrenzungsprobleme zwischen materiellem und formellem Recht sind in Anknüpfung an die Tatbestandsmerkmale des Art. 84 Abs. 1 GG zu lösen; auch das Problem der „doppelgesichtigen“ Normen ist auf dieser Ebene zu verorten.304 Aus dem inhaltlichen Zusammenhang zustimmungsbedürftiger und zustimmungsfreier Vorschriften oder der Untrennbarkeit von einerseits organisations- und verfahrensrechtlichen und andererseits materiell-rechtlichen Regelungen lässt sich die Erstreckung des Zustimmungsrechts des Bundesrates auf zustimmungsfreie Vorschriften eines Gesetzes ebenfalls nicht herleiten. 4. Sinn und Zweck des Zustimmungserfordernisses des Art. 84 Abs. 1 GG Zu klären bleibt, ob aus der Ratio des Art. 84 Abs. 1 GG auf eine Erstreckung des Zustimmungserfordernisses auf die zustimmungsfreien materiellrechtlichen Regelungen eines Gesetzes geschlossen werden kann (bzw. darf). Grundlage dieser Zweckbestimmung muss dabei nach hier vertretener Ansicht sein, in welchem systematischen Verhältnis Einspruchs- und Zustimmungskompetenzen des Bundesrates zueinander und zu den Kompetenzen des Bundestages bei der Gesetzgebung des Bundes stehen.305 a) Die Schutzfunktion des Zustimmungserfordernisses Schon bei der Systematisierung des Ausgangsbestandes der Zustimmungstatbestände des Grundgesetzes, zu dem auch Art. 84 Abs. 1 GG gehört, konnte gezeigt werden, dass sie Inhalte von Gesetzen betreffen, die durch den Grad ihrer Nähe zum bundesstaatlichen Aufbau des Grundgesetzes gekennzeichnet sind. Das Bundesverfassungsgericht hat, (noch) ohne den spezifischen Zusammenhang zum bundesstaatlichen Kompetenzgefüge offen zu legen, früh formuliert, dass die Zustimmung des Bundesrates zu 303 Siehe nur Ossenbühl, AöR 99 (1974), 369, 399; Limberger, S. 36; Antoni, AöR 113 (1988), 329, 336; Achterberg, DÖV 1975, 158, 159. 304 Vgl. auch Ossenbühl, AöR 99 (1974), 369, 400. Siehe oben Dritter Abschnitt C. I. 2. und 3. 305 Vgl. zum Verhältnis systematischer und teleologischer Auslegung zueinander Müller/Christensen, Methodik I, S. 86 Rn. 67d.

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einem Gesetz nur für solche Fälle vorgesehen ist, „in welchen der Interessenbereich der Länder besonders stark berührt wird“306. Die Funktion speziell des in Art. 84 Abs. 1 GG normierten Zustimmungserfordernisses hat das Gericht später dahingehend konkretisiert, dass hiermit die Grundentscheidung der Verfassung zugunsten des bundesstaatlichen Aufbaues mit abgesichert und verhindert werden solle, „daß in dem föderalistischen Gefüge ‚Systemverschiebungen‘ am Grundgesetz vorbei im Wege der einfachen Gesetzgebung herbeigeführt werden“307. Das Zustimmungsrecht des Bundesrates solle die Länder „vor einem Eindringen des Bundes in den ihnen vorbehaltenen Bereich der Verwaltung“ schützen, und damit „eine Aushöhlung des Grundsatzes von Art. 83 GG (. . .) verhindern“308. Dass der so bezeichnete Zweck eine Ausweitung des Zustimmungserfordernisses auf die materiell-rechtlichen Bestimmungen eines Gesetzes rechtfertigen könne, hat das Gericht an keiner Stelle dargelegt. Es stellt lediglich fest, dass den Ländern durch die Erstreckung des Zustimmungserfordernisses auf das ganze Gesetz im Fall des Art. 84 Abs. 1 GG eine „verstärkte Einflußnahme auch auf den materiell-rechtlichen Teil des Gesetzes ermöglicht werde“309. Dies ist aber auch hier nur als Folge der einheitlichen Behandlung im Gesetzgebungsverfahren bezeichnet. Die Länder sind gem. Art. 83 GG nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, die Bundesgesetze auszuführen.310 Schafft der Bund Gesetze, die die Länder auszuführen haben, liegt hierin keine Beeinträchtigung der ihnen verfassungsrechtlich zugewiesenen Kompetenzen. Eine solche liegt dann vor, wenn der Bund durch Einrichtungs- und Verfahrensregelungen in die Verwaltungskompetenz der Länder, die ihnen auch die Organisationskompetenz zuweist, eingreift. Dieser Eingriff wird durch das Zustimmungsrecht des Bundesrates abgesichert. Dieses hat eine Schutzfunktion.311 306

Vgl. BVerfGE 1, 76, 79. Siehe auch BVerfGE 37, 363, 381. BVerfGE 37, 363, 379. Siehe auch BVerfGE 48, 127, 178; 55, 274, 319; 105, 313, 331. Der Unterschied zwischen Einspruchs- und Zustimmungsgesetzen bleibt also auch in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht lediglich ein gradueller („in welchen der Interessenbereich der Länder besonders stark berührt wird“), sondern wird als ein kategorialer Unterschied („Schutz vor Systemverschiebungen) verstanden. Vgl. hierzu S. Meyer, S. 234 f. Siehe auch BVerfGE 61, 145, 206. 308 BVerfGE 37, 363, 384. Siehe auch BVerfGE 55, 274, 319. Krit. zum Topos der „Systemverschiebung“ das Sondervotum von Schlabrendorff, Geiger, Rinck, BVerfGE 37, 363, 401, 402. Das „föderalistische Gefüge“ ergebe sich aus den einzelnen Vorschriften des Grundgesetzes und dem Zusammenhang, in dem sie stehen, und nicht umgekehrt der Inhalt dieser Vorschriften aus einem postulierten allgemeinen Grundsatz über das „föderalistische Gefüge“. 309 BVerfGE 55, 274, 319. 310 Siehe oben Dritter Abschnitt B. I. 307

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4. Abschn.: Einheitsthese oder Trennungsthese

Dass neben dem „Wie“ der Ausführung auch das „Was“ der Zustimmung des Bundesrates unterliegen soll, lässt sich aus der Schutzfunktion des Zustimmungsrechts nicht herleiten. Dass dem Zustimmungsrecht des Bundesrates in der Konzeption des historischen Verfassungsgebers nur eine solche Schutzfunktion in Bezug auf bestimmte Aspekte des bundesstaatlichen Kompetenzgefüges zukommen sollte, zeigt die Entstehungsgeschichte des Zustimmungskatalogs deutlich. Der Parlamentarische Rat knüpfte – von Ausnahmefällen, insbesondere dem Fall des Art. 79 Abs. 2 GG abgesehen – im Ergebnis an materielle Inhalte kein Zustimmungsrecht des Bundesrates.312 In der Konzeption „zentraler Gesetzgebungs-, föderaler Verwaltungsstaat“313 war ein solches Vorgehen nur konsequent. Das Grundgesetz folgt der hierin zum Ausdruck kommenden Differenzierung, von einigen der neu hinzugekommenen Zustimmungstatbestände abgesehen314, im Grundsatz immer noch. Von einer ausschließlichen materiellen Gesetzgebungskompetenz kann der Bund ohne weitere Voraussetzungen Gebrauch machen. Greift der Bund durch die Inanspruchnahme einer konkurrierenden oder Rahmengesetzgebungskompetenz in Gesetzgebungskompetenzen der Länder ein, kann das nur unter den Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG (Art. 75 Abs. 1 i. V. m. Art. 72 Abs. 2 GG) und Art. 75 Abs. 2 GG erfolgen. Hierüber sollen die Länder nach der Konzeption des Grundgesetzes ausreichend geschützt sein. Eine dahingehende föderative Kontrolle durch ein Zustimmungsrecht des Bundesrates wurde vom Parlamentarischen Rat und ist auch in der geltenden Fassung des Grundgesetzes regelmäßig (vgl. jetzt Art. 74a Abs. 2 bis 4, Art. 74 Abs. 2 GG) nicht vorgesehen. Dies entspricht dem systematischen Verhältnis von Bundestag und Bundesrat bei der Bundesgesetzgebung zueinander. Nach Art. 77 Abs. 1 Satz 1 GG werden Bundesgesetze vom Bundestag beschlossen; der Bundesrat wirkt gem. Art. 50 GG lediglich mit – im Regelfall nur in Form eines Einspruchsrechts. Dem Bundestag als dem vom deutschen Volk gewählten gesamtstaatlichen Parlament soll grundsätzlich die entscheidende Funktion im Gesetzgebungsverfahren zukommen315; er ist „der eigentliche Gesetzgeber“316, das „zentrale Gesetzgebungsorgan“317. 311

Vgl. auch BVerfGE 37, 363, 379: „Schutzvorrichtungen“. Siehe oben Erster Abschnitt C. II. 1. b). 313 Konow, ZRP 1973, 158, 159. 314 Siehe oben Erster Abschnitt C. II. 3. c). 315 Vgl. nur Masing, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 77 Rn. 5. 316 Bryde, in: v. Münch/Kunig, Art. 77 Rn. 3. 317 Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 77 Rn. 2. Vgl. auch das Sondervotum Hirsch, BVerfGE 55, 274, 341, 341 f. Siehe auch Ossenbühl, AöR 99 (1974), 369, 419. 312

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Dass auch der historische Verfassungsgeber dem Bundestag damit zugleich die Rolle des „politischen Gestaltungsfaktor(s) ersten Ranges“, der entscheidenden „Legitimationsquelle und Verantwortungsinstanz der Politik zwischen den Wahlen“318 zukommen lassen wollte, zeigt, insoweit ist ein Blick auf die Entstehungsgeschichte erneut aufschlussreich, die Ausgestaltung des Einspruchsrechts des Bundesrates im Vergleich zum Einspruchsrecht des Reichsrates der Weimarer Reichsverfassung. Gem. Art. 68 Abs. 2 WRV wurden die Reichsgesetze vom Reichstag beschlossen. Dem Reichsrat stand nach Art. 74 Abs. 1 WRV gegen die vom Reichstag beschlossenen Gesetze grundsätzlich nur ein Einspruchsrecht zu.319 Im Falle des Einspruchs, der nach Art. 74 Abs. 2 WRV zu begründen war320, erfolgte eine erneute Vorlage des Gesetzes an den Reichstag zur erneuten Beschlussfassung321 (Art. 74 Abs. 3 Satz 1 WRV). Kam es im Rahmen der erneuten Beschlussfassung nicht zu einer Übereinstimmung zwischen Reichstag und Reichsrat, war nach Art. 74 Abs. 3 WRV danach zu differenzieren, ob die Zurückweisung des Einspruchs des Reichsrates durch den Reichstag mit einfacher oder Zweidrittelmehrheit erfolgte. Im Fall der Zurückweisung mit einer Zweidrittelmehrheit hatte der Reichspräsident das vom Reichstag beschlossene Gesetz innerhalb von drei Monaten zu verkünden oder, falls er das Gesetz in dieser Form nicht wollte, einen Volksentscheid anzuordnen (Art. 74 Abs. 3 Satz 4 WRV).322 In der Staatspraxis hat der Reichspräsident diesen Weg aber tatsächlich nie gewählt.323 Bei der Zurückweisung des Einspruches mit einfacher Mehrheit stand es dem Reichspräsidenten frei, das Gesetz scheitern zu lassen324 oder einen Volksentscheid über den Gegenstand der Meinungsverschiedenheit herbeizuführen (Art. 74 Abs. 3 Satz 3 WRV).325 Ordnete der Reichspräsident keinen Volksentscheid an, galt das Gesetz gem. Art. 74 Abs. 3 Satz 3 WRV nach drei 318

Stern, Staatsrecht II, S. 47. Ausnahme: verfassungsändernde Gesetze, Art. 76 WRV, und Gesetze nach Art. 85 Abs. 2 WRV. 320 Vgl. dazu Poetzsch-Heffter, WRV, Art. 74 Anm. 7 und Einleitung Fünfter Abschnitt, Anm. 5. 321 Vgl. zur Frage, was unter erneuter Beschlussfassung zu verstehen war, Anschütz, WRV, Art. 74 Anm. 8. 322 In dieser Konstellation hätte die Initiierung eines Volksentscheides die Möglichkeit eröffnet, die Ansicht des Reichsrates gegen den Reichstag durchzusetzen. Vgl. Rose, S. 69. 323 Vgl. Rose, S. 69; Klein, DÖV 1973, 325, 327. 324 Vgl. dazu Anschütz, WRV, Art. 74 Anm. 7, der interessanterweise darauf hinweist, dass das Scheiternlassen des Gesetzes auch dann möglich ist, wenn sich der Einspruch nur gegen einzelne Bestimmungen des Gesetzes richtet. Vgl. auch Poetzsch-Heffter, WRV, Art. 74 Anm. 8, der darauf hinweist, dass sich der Einspruch formell gegen das ganze Gesetz richtet. Siehe auch Rose, S. 68. 319

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Monaten als nicht zustande gekommen. Der Reichspräsident durfte das Gesetz nicht verkünden.326 Auch in dieser Konstellation ist es in der Praxis allerdings zu einem Volksentscheid nie gekommen.327 Im Ergebnis musste der Reichstag, wollte er ein Gesetz gegen den Willen des Reichsrates durchsetzen, den Einspruch des Reichsrates daher mit Zweidrittelmehrheit zurückweisen. Da diese aufgrund der permanent unsicheren Mehrheitsverhältnisse im Reichstag praktisch aber kaum zu erreichen war, mussten Reichsregierung und Reichstag die Auffassung des Reichsrates schon im Vorfeld der Beschlussfassung berücksichtigen oder im Gesetzgebungsverfahren eine Einigung über den Gesetzesinhalt herbeiführen, so dass das umstrittene Gesetz – nach Rücknahme des Einspruchs durch den Reichsrat, die nach herrschender Auffassung bis zur wiederholten Beschlussfassung des Reichstages möglich war328 – zustande kommen konnte.329 Dadurch, so damals Poetzsch-Heffter, Ministerialdirektor und Bevollmächtigter Sachsens im Reichsrat, konnte sich der Einfluss des Reichsrates gelegentlich „bis zum Grade einer mitbeschließenden Körperschaft, deren Zustimmung zur Gesetzgebung erforderlich ist, steigern“330. Der Parlamentarische Rat hat einer solchen Aufwertung des Einspruchsrechts des Bundesrates dadurch entgegengewirkt, dass er für eine Zurück325 Vgl. Poetzsch-Heffter, WRV, Einleitung Fünfter Abschnitt, Anm. 5; Anschütz, WRV, Art. 74 Anm. 7 ff. Auch insoweit ist aus der Staatspraxis kein Fall der Initiierung eines Volksentscheides bekannt. Vgl. Rose, S. 69. 326 In dieser Konstellation hätte ein Volksentscheid dazu dienen können, die Ansicht des Reichstages gegen den Willen des Reichsrates zu verwirklichen. Vgl. Rose, S. 69. 327 Vgl. Rose, S. 69. 328 Anschütz, WRV, Art. 74 Anm. 5; Poetzsch-Heffter, WRV, Art. 74 Anm. 8. 329 Vgl. die Tabellen bei Poetzsch[-Heffter], JöR 13 (1925), 1, 217 ff.; ders., JöR 17 (1929), 1, 108 ff.; ders., JöR 21 (1933/34), 1, 178 ff., 190 ff. Siehe auch Eschenburg, in: 25 Jahre Bundesrat, S. 35, 47. Vgl. Heger, S. 41, 43. Die Bedeutung des Einspruchsrechts des Reichsrates lässt sich daher, dies hat schon die zeitgenössische Staatsrechtslehre hervorgehoben, weder an der Zahl der erhobenen Einsprüche, noch an den sehr seltenen Fällen, in welchen eine Vorlage infolge des erhobenen Einspruchs gescheitert ist, ausreichend ablesen. Vgl. z. B. Bilfinger, in: Anschütz/ Thoma, § 47, S. 561. Vom Recht des Einspruchs machte der Reichsrat in dreizehn Jahren in 22 Fällen Gebrauch. Vgl. Poetzsch[-Heffter], JöR 13 (1925), 1, 220; ders., JöR 17 (1929), 1, 128; ders., JöR 21 (1933/34), 1, 196. Der Einspruch war in 16 Fällen erfolgreich; in drei Fällen wies der Reichstag den Einspruch mit Zweidrittelmehrheit zurück; zwei Einsprüche wurden zurückgezogen. In einem Fall wurde trotz eines mit Zweidrittelmehrheit gefassten Beschlusses des Reichstages das Gesetz dem Reichspräsidenten nicht vorgelegt. Zu diesem Fall siehe Rose, S. 70, 88 m. w. N. 330 Poetzsch[-Heffter], JöR 13 (1925), 1, 204. Siehe auch Erichsen, in: 25 Jahre Bundesrat, S. 9, 30; Eschenburg, in: 25 Jahre Bundesrat, S. 35, 50. Siehe aber auch Rose, S. 98 f., der darauf hinweist, dass der Reichsrat in Fragen der aktuellen Politik eher ein „Schattendasein“ geführt habe.

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weisung des Einspruchs des Bundesrates durch den Bundestag grundsätzlich die Mehrheit der Mitglieder des Bundestages ausreichen lässt (Art. 77 Abs. 4 Satz 1 GG).331 Einer Zurückweisung mit einer Mehrheit von zwei Drittel der Abstimmenden (und mindestens der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages) bedarf es nach Art. 77 Abs. 4 Satz 2 GG nur dann, wenn der Bundesrat den Einspruch seinerseits mit zwei Drittel seiner Stimmen beschlossen hat.332 Die „Last“, eine Zweidrittelmehrheit aufzubringen, liegt also nach dem Grundgesetz zunächst beim Bundesrat. Das Erreichen einer Zweidrittelmehrheit im Bundesrat hielt man im Parlamentarischen Rat auch nicht für eine regelmäßig überwindbare Hürde.333 Das Grundgesetz – plebiszitärer Elemente zudem weitgehend beraubt – geht also davon aus, dass im Regelfall des Einspruchsrechts des Bundesrates die Mehrheit der Mitglieder des gesamtstaatlichen, aus den Bundestagswahlen hervorgegangenen Parlaments ausreicht, um dessen gesetzgeberischen Willen, also den Willen der Regierungsmehrheit, durchzusetzen. Das Einspruchsrecht des Bundesrates bei der Gesetzgebung des Bundes hat eine Kontroll- oder Korrektivfunktion; diese ist aber begrenzt334. Der Bundesrat kann eine erneute Befassung des Bundestages erzwingen. Es bleibt aber – grundgesetzlich angeordnet – bei der Gesetzgebung in Bezug auf die Materien, die nur einem Einspruchsrecht unterliegen, bei einer Präponderanz des Demokratieprinzips gegenüber dem Bundesstaatsprinzip.335 Dasselbe gilt für das Prinzip der funktionalen Gewaltenteilung. Der Einfluss des aus den Länderexekutiven zusammengesetzten Bundesrates kann sich gegenüber dem Willen des Bundestages als des für die Normsetzung primär zuständigen parlamentarischen Organs im Regelfall der Einspruchsgesetzgebung nicht durchsetzen. Die „Gesamtkonzeption des Grundgesetzes“ geht eben nicht, wie das Bundesverfassungsgericht vereinzelt und missverständlich formuliert hat, „von einer Gleichgewichtigkeit zwischen allen am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Verfassungsorganen aus“336. Es räumt dem Bundesrat nur dann über eine Vetoposition im verfassungs331

Vgl. Füsslein, JöR 1 NF (1951), 569 f. Vgl. zu Art. 77 Abs. 4 Satz 2 GG insb. Heger, S. 172 f., 220 ff., der die Bestimmung für „systemfremd“ hält. Die Mehrheit der Abgeordneten des Bundestages müsse ausreichen, um einen Einspruch des Bundesrates zu verwerfen. 333 Vgl. Füsslein, JöR 1 NF (1951), 570. Es gab allerdings auch Gegenstimmen. 334 Vgl. hierzu (unter Zugrundelegung eines Gemeinwohlverwirklichungskonzepts) S. Meyer, S. 229 ff. 335 Vgl. S. Meyer, S. 233. Siehe auch das Sondervotum Heinsen, Rietdorf, Böckenförde, Schlußbericht der Enquete-Kommission, Zur Sache 3/76, S. 218; Jahn, in: Wilke/Schulte, S. 370, 371 f. Zurückhaltender Knies, in: Wilke/Schulte, S. 211, 220 f. 336 BVerfGE 37, 363, 383. 332

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systematischen Ausnahmefall eine im Ergebnis gleichberechtigte Stellung ein, wenn dies zum Schutz des bundesstaatlichen Kompetenzgefüges geboten ist. Nur dann soll die Geltung anderer grundlegender Organisationsprinzipien durchbrochen werden. Für eine extensive Auslegung der Zustimmungskompetenz des Bundesrates ist danach kein Raum.337 Dies gilt gerade auch für das in Art. 84 Abs. 1 GG normierte Zustimmungserfordernis. Nur soweit mit Einrichtungs- und Verwaltungsverfahrensregelungen die Verwaltungskompetenzen der Länder betroffen sind, denen in einem Bundesstaat mit einem System funktionaler Kompetenzverteilung entscheidende Bedeutung für die politische Potenz der Länder zukommt, steht dem Bundesrat eine Vetoposition zu. Diese reicht nur so weit, wie die dem Zustimmungsrecht zugewiesene Schutzfunktion. Im Übrigen verbietet die Struktur des Bundesrates, die fehlende demokratische Legitimation seiner Mitglieder und die Zusammensetzung aus Vertretern der Exekutive, die Erstreckung des Zustimmungserfordernisses des Art. 84 Abs. 1 GG auf den an sich zustimmungsfreien materiellen Inhalt der nach Art. 83 f. GG von den Ländern als eigene Angelegenheit auszuführenden Bundesgesetze. b) Herleitung einer Kompensationsfunktion des Zustimmungserfordernisses Dieser Radizierung des Zustimmungserfordernisses des Art. 84 Abs. 1 GG und der (im Ausgangsbestand des Grundgesetzes enthaltenen) Zustimmungsrechte des Bundesrates insgesamt auf eine Schutzfunktion ist jedoch vielfach eine neue „Konzeption“ der Funktion von Vetopositionen des Bundesrates entgegengehalten worden. Über den vom historischen Verfassungsgeber intendierten und auch in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts festgestellten „Defensivcharakter“338 speziell des Zustimmungserfordernisses in Art. 84 Abs. 1 GG hinaus haben dementsprechend insbesondere der Bundesrat, aber auch Teile des Schrifttums dem Mitwirkungsrecht des Bundesrates beim Erlass bundesgesetzlicher Organisationsund Verfahrensregelungen ausdrücklich eine kompensatorische und damit dynamische Funktion zugewiesen, die eine Erstreckung des Zustimmungsrechts auf an sich zustimmungsfreie Vorschriften zumindest rechtfertigen, wenn nicht sogar erfordern soll.339 Hergeleitet wird diese aus einem „mehr337

Siehe schon oben Zweiter Abschnitt D. So Hermes, in: Dreier, Art. 84 Rn. 47. 339 Vgl. Posser, in: HdbVerfR, § 24 Rn. 15; Hesse, Der unitarische Bundesstaat, S. 12 ff., 14 ff.; Sachs, VVDStRL 58 (1999), 39, 47; Dittmann, in: Sachs, Art. 84 Rn. 14 f. mit Einschränkungen. Siehe insb. auch BR-Drs. 594/1/73: „Wenn der Bund – um den einheitlichen Vollzug seiner Gesetze zu gewährleisten – die Organisation und das Verfahren der Landesbehörden regelt, so greift er in eine Materie 338

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fach verschlungenen Verhältnis zur allgemeineren Erscheinung des unitarischen Bundesstaates“340 und seiner Entwicklung zum „Beteiligungsföderalismus“341. Diesem Verhältnis gilt es, zumindest im Ansatz nachzugehen. Als erster hat Hesse eine extensive Auslegung gerade des Zustimmungstatbestandes des Art. 84 Abs. 1 GG mit der bereits beschriebenen „Logik des unitarischen Bundesstaates“342 begründet. In Anbetracht der weitgehenden sachlichen Unitarisierung im modernen Bundesstaat trete an die Stelle der den Ländern verlorenen gegangenen, zur selbständigen Wahrnehmung zugewiesenen Kompetenzen das Moment ihrer Beteiligung an der Bundesgewalt, insbesondere in der Form der Mitwirkung der Landesregierungen an der Bundesgesetzgebung über Zustimmungsrechte des Bundesrates.343 Auch in dieser verstärkten Mitwirkung der Länder an der Gesetzgebung, die im Wesentlichen über die Einstiegsnorm des Art. 84 Abs. 1 GG ermöglicht wird, verwirklicht sich für Hesse die von ihm dem Bundesstaatsprinzip zugewiesene Funktion der Ergänzung und damit Effektivierung der Gewaltenteilung durch eine Hemmung der Macht von Bundesregierung und Bundestag.344 Neben die (im unitarischen Bundesstaat abgeschwächte) vertikale über, die den Ländern vorbehalten ist. Im gleichen Maße aber, wie er auf den Landesbereich Einfluß gewinnt, wachsen gemäß Art. 84 Abs. 1 GG dem Bundesrat, also dem Organ, durch das die Länder bei der Willensbildung des Bundes teilnehmen, Mitwirkungsrechte zu. Nur auf diese Weise kann die gewaltenteilende, die Kräfte von Bund und Ländern ausbalancierende Wirkung des föderativen Staatsaufbaus erhalten bleiben.“ Siehe zuvor die Anfrage der Bundesregierung betreffend die Weiterentwicklung des föderativen Systems v. 27.6.1968, BT-Drs. 5/3099, die unter anderem geprüft wissen wollte, ob nicht eine Erweiterung der Bundeszuständigkeiten durch eine gleichberechtigte Mitwirkung des Bundesrates an allen Gesetzgebungsmaßnahmen eine den Bedürfnissen der Zeit entsprechende Form der Beteiligung der Länder an der Gesetzgebung darstelle. Vgl. auch Scheuner, DÖV 1966, 513, 517; Neunreither, S. 72. Siehe auch Lerche, Aktuelle föderalistische Verfassungsfragen, S. 39 f. 340 Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 84 Rn. 72. 341 Böckenförde, in: FS Schäfer, S. 182, 186. 342 Hesse, Der unitarische Bundesstaat, S. 23. Ob eine solche extensive Interpretation „unter Gesichtspunkten des Sachzusammenhangs oder unter den technischen Gesichtspunkten der Vermeidung unüberwindbarer Schwierigkeiten im Gesetzgebungsverfahren und bei der Verkündung von Gesetzen verfassungsrechtlich wirklich gefordert sei“, lässt Hesse ausdrücklich offen. Siehe oben Einleitung und Erster Abschnitt C. IV. 1. und 2. 343 Vgl. Hesse, Der unitarische Bundesstaat, S. 23. Siehe auch Smend, Verfassung und Verfassungsrecht, S. 269 f., der schon für die Weimarer Zeit feststellte, dass vor dem Hintergrund einer Unitarisierung im modernen Bundesstaat dem Verlust von Landesgewalt eine Beteiligung der Länder an der Reichsgewalt gegenüberstehe. 344 Vgl. Hesse, Der unitarische Bundesstaat, S. 21, 26 ff. Siehe zu dieser Argumentation Hesses z. B. Hanebeck, S. 32; Möllers, S. 92 ff. Ausführlich zur Rezeption der Smendschen Integrationslehre Oeter, S. 249 ff.

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4. Abschn.: Einheitsthese oder Trennungsthese

Gewaltenteilung345 durch territoriale Gliederung und dementsprechende Kompetenzverteilung trete mit der Mitwirkung des Bundesrates an der Gesetzgebung ein zusätzliches Element horizontaler Gewaltenteilung.346 Für Hesse ist in einer Gesamtbetrachtung der moderne Bundesstaat in seiner gewaltenhemmenden Wirkungsweise „unentbehrlich für die freiheitlich demokratische Ordnung des Grundgesetzes“, damit auch eine „Ergänzung der demokratischen und der rechtsstaatlichen Ordnung“347. Unter Zugrundelegung der Beobachtung der Entwicklung des bundesstaatlichen Systems haben auch nachfolgende Autoren angesichts des Befundes der „verfassungsrechtlichen Insuffizienz der Landesgewalt“348 und der damit verbundenen „bedeutsamen und tiefen Veränderung im föderalen Bereich“349 dem Bundesrat ein weit reichendes, auch materiell-rechtliche zustimmungsfreie Vorschriften umfassendes Zustimmungsrecht zuerkennen – oder jedenfalls nicht absprechen – wollen.350 In der föderativen Struktur des modernen Bundesstaates kommt nach dieser Auffassung insbesondere dem Bundesrat eine zusätzliche, über die oben dargelegte Schutzfunktion hinausgehende Funktion zur „Verwirklichung des Prinzips der Teilung und Balancierung der in ihrer Tendenz unitarischen Gewalten des Gesamtstaates“351 zu.352 Ein extensiv interpretiertes, auf an sich zustimmungsfreie Vorschriften bezogenes Zustimmungsrecht hat in dieser Konzeption ganz deutlich eine Kompensationsfunktion. Legitimiert wird eine solche Funktion durch die bundesstaatliche Dynamik. Dieser entgegenzutreten ist Sinn und Zweck eines extensiv interpretierten Zustimmungsrechts, das den Charakter eines strukturbewahrenden Elements zugewiesen bekommt.353 345 Zu den Begriffen der vertikalen und horizontalen Gewaltenteilung siehe nur Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 20 Rn. 188. Krit. zum Begriff der „vertikalen Gewaltenteilung“ Möllers, S. 101. 346 Vgl. Hesse, Der unitarische Bundesstaat, S. 27. 347 Hesse, Der unitarische Bundesstaat, S. 32. Siehe auch ders., AöR 98 (1973), 1, 9 ff., 12 ff. 348 Leisner, DÖV 1968, 389, 389. 349 Scheuner, DÖV 1966, 513, 517. 350 Vgl. Neunreither, S. 72. Siehe auch Scheuner, AöR 95 (1970), 353, 392; ders., DÖV 1966, 513, 517. Siehe auch die Nachweise bei von Zezschwitz/Breitbach, VSSR 2 (1974), 297, 311 Fn. 73 ff. 351 Schäfer, in: Recht im Wandel, S. 3, 22, 23. 352 Siehe auch den Schlußbericht der Enquete-Kommission, Zur Sache 3/76, S. 204 f. Vgl. zudem Isensee, AöR 115 (1990), 248, 260 ff. Krit. S. Meyer, S. 205 ff., 208 f.; Möllers, S. 92 ff. Zur „Hilfsdienstnatur“ des Bundesrates siehe auch Ossenbühl, DVBl. 1989, 1230, 1236. Krit. bereits Lerche, VVDStRL 21 (1964), 66, 80 ff. 353 Siehe auch Jaeger, Zwischenbericht der Enquete-Kommission, Zur Sache 1/73, S. 150, der dahingehend formuliert, dass angesichts der in der Unitarisierung

B. Begründungen für die Einheitsthese

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Lässt sich unter Heranziehung einer solchen Kompensationskonzeption aber tatsächlich die Erstreckung des Zustimmungsrechts des Art. 84 Abs. 1 GG auf an sich zustimmungsfreie Vorschriften eines Mischgesetzes schlüssig begründen? Dem Kompensationsgedanken liegt die Vorstellung zugrunde, die stetige Verlagerung von Zuständigkeiten auf den Bund im Zuge der unitarischen Entwicklungen lasse sich durch einen proportionalen Zuwachs der Zustimmungskompetenzen des Bundesrates bei der Gesetzgebung des Bundes ausgleichen. Das mit dieser Vorstellung „offerierte Bild kommunizierender Röhren“ – so die Bezeichnung von Lerche, der die dahinter stehende Argumentation aber zugleich zurückweist354 – kann allenfalls eine „verfassungspolitische Legitimierung der weit reichenden Zustimmungsrechte des Bundesrates“355 tragen, eine verfassungsrechtlich haltbare Begründung für eine Erstreckung des Zustimmungserfordernisses auf an sich zustimmungsfreie Normen eines Gesetzes stellt es jedoch nicht dar. Verfassungsrechtlich bleibt bereits unklar, wie der Verlust eigenständiger Gestaltungsmöglichkeiten der Länder über erweiterte Zustimmungskompetenzen des Bundesrates überhaupt ausgeglichen werden soll.356 „Mitbestimmung“, so wird regelmäßig Isensee zitiert, „ist immer nur ein unzulängliches Surrogat für Selbstbestimmung“357. Dies folgt für die Länder schon daraus, dass in der Beschlussfassung des Bundesrates nicht das autonomiewahrende Einstimmigkeitsprinzip, sondern das Mehrheitsprinzip gilt. Verlierer bei einem Kompetenzverlust sind die Landesparlamente358, Gewinner der Ausweitung von Zustimmungsrechten – dies gilt auch in Bezug auf die ins Grundgesetz neu eingefügten Zustimmungstatbestände – sind allein die bei ihrer Abstimmung im Bundesrat an Vorgaben ihrer Parlamente nicht gebundenen Landesregierungen.359 Ein Terraingewinn der Länder im Verhältnis zum Bund und damit auch ein Ausgleich für die fortschreitende „Insuffizienz der Landesgewalt“ sind mit der Erweiterung von Zustimmungsrechten des Bundesrates nicht verbunden. Der Kompensationsgedanke ist also schon in seiner liegenden Dynamik eine föderative Kontrolle zur Wahrung des Gleichgewichts zwischen Bund und Ländern nötiger sei denn je. 354 Lerche, Aktuelle föderalistische Verfassungsfragen, S. 39. 355 Weides, JuS 1973, 337, 342. 356 Dies räumt auch Hesse, AöR 98 (1973), 1, 20 ff., ein. 357 Isensee, AöR 115 (1990), 248, 257. 358 Korioth, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 50 Rn. 30. Krit. zum Kompensationsgedanken insb. Hermes, in: Dreier, Art. 84 Rn. 48; Ossenbühl, AöR 99 (1973), 369, 419 f.; Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 84 Rn. 63; Volkmann, DÖV 1998, 613, 618 f.; Eicher, Landesparlamente, S. 53 f. 359 Vgl. nur Sauter, in: FS Klein, S. 561, 562; Dolzer, VVDStRL 58 (1999), 7, 16 f.; Gramm, AöR 124 (1999), 212, 217; Grawert, Der Staat 18 (1979), 229, 253.

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4. Abschn.: Einheitsthese oder Trennungsthese

Konstruktion nicht überzeugend.360 Eine „äquivalente“ Kompetenzkompensation liegt dem beschriebenen Tauschgeschäft nicht zugrunde.361 Selbst wenn man aber die Erweiterung der Zustimmungskompetenz des Bundesrates, d. h. eine verfassungspolitische Stärkung gerade der Landesregierungen, als eine von verschiedenen Möglichkeiten begreift, den Verlust der Länder an autonom wahrnehmbaren Kompetenzen auszugleichen, ist die Frage, warum gerade über eine „reaktive“ extensive Interpretation der Zustimmungsrechte des Bundesrates der unitarischen Entwicklung des Bundesstaates gegengesteuert werden soll, noch nicht beantwortet.362 Auch wäre der Kompensationsgedanke nur konsequent zu Ende gedacht, wenn er eine Ausweitung der Zustimmungskompetenz nicht vom Zufall der Zusammenfügung von zustimmungsfreien mit zustimmungsbedürftigen Normen in einem Mischgesetz abhängig machte, sondern eine Zustimmungskompetenz des Bundesrates für alle Gesetze forderte, bei denen es der Kompensation nach bestimmten Kriterien, beispielsweise bei der Inanspruchnahme einer konkurrierenden oder Rahmengesetzgebungskompetenz, bedarf. Schon hieran zeigt sich deutlich, dass eine „dynamische“ Interpretation der Zustimmungskompetenzen des Bundesrates zwangsläufig daran scheitern muss, dass sie Kompensationszusammenhänge kreiert, die in der Verfassung nicht vorgesehen sind. Die Wirkungslosigkeit z. B. der „Bedürfnisklausel“ nach Art. 72 Abs. 2 a. F. GG kann nicht zu einer Ausweitung von Zustimmungskompetenzen des Bundesrates führen. Mit der Kategorie „verfassungswandelnder363 Interpretation“, selbst wenn man diese anerkennt, lässt sich eine solche Erstreckung des Zustimmungserfordernisses nicht mehr annähernd erfassen.364 Schon der Beweis, dass die unitarische Entwicklung des Bundesstaates mit der Folge des fortschreitenden Verlusts der eigenständig wahrnehmbaren Kompetenzen der Länder, der sich auf dem Boden des geltenden Verfassungsrechts vollzogen hat, einer verfassungsrechtlichen Kompensation überhaupt bedarf, ist nicht geführt. Ein „spezifizierbares Verfassungsgebot zu kompensatorischen Zuständigkeitsverlagerungen als Antwort auf strukturelle Verfassungswandlungen“ ist weder als „allgemeiner verfassungsrechtlicher Grundsatz“365 noch im konkreten Zusammenhang nachgewiesen. 360 Vgl. auch Ossenbühl, DVBl. 1989, 1230, 1235; Eicher, Landesparlamente, S. 51 ff. m. w. N. 361 Vgl. Eicher, Landesparlamente, S. 54 mit Fn. 55. 362 Vgl. von Zezschwitz/Breitbach, VSSR 2 (1974), 297, 312. 363 Verfassungswandel wird definiert als Verfassungsänderung ohne Grundlage in Veränderungen des Verfassungstextes. Vgl. hierzu nur Sachs, in: Sachs, Einführung Rn. 27 m. w. N. 364 Vgl. Ossenbühl, AöR 99 (1974), 369, 417 ff., 422. 365 Von Zezschwitz/Breitbach, VSSR 2 (1974), 297, 313.

B. Begründungen für die Einheitsthese

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Eine Detailinterpretation des Art. 84 Abs. 1 GG kann aus grundsätzlichen Erwägungen zum Wandel der bundesstaatlichen Wirklichkeit, auch wenn diese sich in einzelnen, neu geschaffenen Zustimmungstatbeständen (z. B. Art. 74a Abs. 2 bis 4, 74 Abs. 2 GG) niedergeschlagen hat, erst recht nicht abgeleitet werden.366 Bereits oben wurde darauf hingewiesen, dass das Bundesstaatsprinzip de lege lata kaum mehr ist als der Inbegriff der einzelnen, diesem zuzuordnenden Normen des Grundgesetzes.367 So trifft auch Art. 84 Abs. 1 GG eine spezielle Anordnung für die Ausgestaltung der bundesstaatlichen Ordnung durch die Schaffung eines Zustimmungserfordernisses für den bundesgesetzlichen Eingriff in die Verwaltungskompetenzen der Länder bei der Ausführung der Bundesgesetze. Der Zweck des Zustimmungserfordernisses liegt allein in seiner Schutzfunktion in Bezug auf die Verwaltungskompetenzen der Länder. „Kompensiert“ wird dabei schon der Eingriff in die Kompetenzen der ansonsten zur gesetzlichen Regelung und Ausformung der Organisationsgewalt der Länder berufenen einzelnen Landesparlamente durch dieses Zustimmungsrecht nicht.368 Der Eingriff des Bundes ist laut grundgesetzlichem Regelungsvorbehalt vielmehr grundsätzlich erlaubt. Die Länder werden durch das Zustimmungserfordernis lediglich geschützt. Hierfür ausreichend und zweckmäßig ist die Zustimmung des Bundesrates als das aus den Landesexekutiven zusammengesetzte, an der Bundesgesetzgebung beteiligte Föderativorgan. Ein auf das Zustimmungsrecht des Bundesrates bezogener Kompensationsgedanke, dies zeigt gerade der Zustimmungstatbestand des Art. 84 Abs. 1 GG, entspricht nicht der Struktur der „Zweiten Kammer“. Schon aus diesem Grund lässt sich eine Erstreckung des Zustimmungsrechts des Bundesrates auf an sich zustimmungsfreie Vorschriften unter Heranziehung einer Kompetenzkompensationskonstruktion nicht herleiten. Dies gilt gleichermaßen für den von Hesse und ihm nachfolgend einem Teil des Schrifttums konstruierten Zusammenhang zwischen einer Stärkung der Position des Bundesrates bei der Gesetzgebung des Bundes und einer Effektivierung der Gewaltenteilung. Der Bundesrat, so die Argumentation, beschränke durch seine Zustimmungsrechte bei der Gesetzgebung des Bundes die Macht von Bundesregierung und Bundestag gerade auch dann, wenn Bundesregierung und Bundestagsmehrheit einer Oppositionsmehrheit im 366 So auch von Zezschwitz/Breitbach, VSSR 2 (1974), 297, 311, 313, der insoweit prägnant formuliert: „Konkrete Zustimmungsregelungen können nicht allein wegen föderaler Gleichgewichtsstörungen zu Kompensationsnormen höherer Ordnung umgewandelt werden, denen gegenüber der ursprüngliche Sinn der Einzelvorschrift zu weichen hat.“ 367 Siehe oben Zweiter Abschnitt C. 368 Den Kompensationsgedanken speziell auf Art. 84 Abs. 1 GG beziehend z. B. Dittmann, in: Sachs, Art. 84 Rn. 15.

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4. Abschn.: Einheitsthese oder Trennungsthese

Bundesrat gegenüberstehen – dies aber, dem Kompensationsgedanken folgend, in gewaltenteilender Funktion.369 Eine Ausweitung der Zustimmungskompetenz des Bundesrates soll eine Stärkung der horizontalen Gewaltenteilung bewirken, die das aus der Schwächung der Länder resultierende Schwinden der vertikalen Gewaltenteilung auszugleichen imstande sei.370 Auch dieser Begründungszusammenhang geht jedoch im Ergebnis fehl. Das Bundesstaatsprinzip hat auf einer ersten Stufe zwar insoweit gewaltenteilenden Charakter, als es die Staatsgewalt in einer besonderen Form weitergehend unterteilt; dies zunächst dadurch, dass die demokratisch legitimierte Gewalt schlicht auf zwei Ebenen aufgeteilt wird.371 Das Bundesstaatsprinzip bewirkt insoweit eine Ebenen-, keine Funktionengliederung; die drei Staatsfunktionen wiederholen sich auf Bundes- und auf Landesebene. Die horizontale Gewaltenteilung ist auf beiden Ebenen grundsätzlich identisch organisiert. Eine Verstärkung der Gewaltenteilung im klassischen Sinne ist mit der Ebenenuntergliederung allein noch nicht gegeben.372 Suggeriert dies der Begriff der vertikalen Gewaltenteilung, führt er in die Irre.373 Eine vertikale Gewaltenteilung wirkt (wenn überhaupt374) einer Machtkonzentration durch Aufteilung der Hoheitsgewalt auf verschiedene staatliche Ebenen entgegen; die horizontale Gewaltenteilung bewirkt durch eine funktionale Verteilung der Staatsgewalt auf verschiedene Organe eine Mäßigung der Macht und der Steigerung der Rationalität staatlichen Handelns. Gewalten- bzw. Funktionenteilung auf der einen und Ebenenuntergliederung auf der anderen Seite sind aber kategorial verschieden. Werden auf einer zweiten Stufe die so geschaffenen Staatsgewalten auf Bundes- und Landesebene miteinander kombiniert und verschränkt, hat dies daher nicht automatisch eine in Bezug auf „die“ Gewaltenteilung verstärkende Folge – und auch nicht eine solche Funktion. Hierüber kann nur eine Einzelbetrachtung Aufschluss geben.375 Speziell für den Fall der Mitwir369

Vgl. den Schlußbericht der Enquete-Kommission, Zur Sache 3/76, S. 204. Vgl. hierzu z. B. Jaeger, Zwischenbericht der Enquete-Kommission, Zur Sache 1/73, S. 161. 371 Vgl. Isensee, AöR 115 (1990), 248, 270; Vogel, in: HdbVerfR, § 22 Rn. 15. Weitere Nachweise bei Möllers, S. 101 Fn. 148; S. Meyer, S. 206 f., 209 f. 372 Vgl. S. Meyer, S. 210 f. 373 Vgl. Möllers, S. 101. 374 Krit. z. B. S. Meyer, S. 210 f.; Möllers, S. 94 m. w. N. auch zur politikwissenschaftlichen empirischen Forschung. 375 Das Bundesverfassungsgericht hat die grundgesetzliche funktionale Kompetenzverteilung, die den Ländern im Grundsatz die Ausführung der Bundesgesetze als eigene Angelegenheit überträgt, als „eine gewichtige Ausformung des bundesstaatlichen Prinzips im Grundgesetz und zugleich ein Element zusätzlicher funktionaler Gewaltenteilung“ bezeichnet. Sie verteile „politische Macht und setzt ihrer Ausübung einen verfassungsrechtlichen Rahmen, der diese Machtverteilung auf370

B. Begründungen für die Einheitsthese

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kung des Bundesrates an der Gesetzgebung des Bundes in Form von Zustimmungsrechten wurde oben bereits ein Widerspruch zum Prinzip funktionaler Gewaltenteilung insoweit konstatiert, als ein aus den Exekutiven der Länder zusammengesetztes Organ den Willen des für die Rechtsetzung maßgeblichen parlamentarischen Organs durchbrechen kann; das Grundgesetz trifft hier also eine Anordnung für eine Gewaltenverschränkung.376 Als Zwischenergebnis ist damit bereits festzuhalten: Mit Rekurs auf eine allgemeine gewaltenteilende Funktion des Bundesstaates kann die der Ebenenunterteilung des Bundesstaatsprinzips inhärente vertikale Gewaltenteilung, die durch eine Schwächung der Landesgewalt betroffen ist, gegen eine behauptete Verstärkung der horizontalen Gewaltenteilung, die aber tatsächlich eine verstärkte Gewaltenverschränkung darstellt, durch eine Ausweitung der Zustimmungskompetenz des Bundesrates nicht ohne weiteres eingetauscht werden. Auch insoweit funktioniert der Kompensationsmechanismus nicht, weil Gewaltenteilung und Gewaltenverschränkung sich wesentlich voneinander unterscheiden. Ohne die „grundgesetzliche Gewaltenbalance insgesamt zu zerstören oder doch essentiell und qualitativ umzuformen“377, kann auch de constitutione ferenda ein solcher Kompensationsmechanismus nicht eingeführt werden. Richtig ist zwar, dass Gewaltenteilung nach modernem Verständnis nicht nur als strikte (funktionale) Trennung der Staatsgewalten zu begreifen ist. Auch für das Gewaltenteilungsprinzip des Grundgesetzes ist die „gegenseitige Kontrolle, Hemmung und Mäßigung der Gewalten“378 maßgeblich. Dies jedoch nur in der jeweiligen konkreten Ausgestaltung und bis zur Grenze der Funktionsfähigkeit des Systems.379 In anderem Zusammenhang rechterhalten und ein Zusammenwirken der verschiedenen Kräfte sowie einen Ausgleich widerstreitender Belange ermöglichen soll“ (BVerfGE 55, 274, 318 f.). Soweit das Gericht in diesem Zusammenhang auf die klassische Funktionentrennung abstellen will, überzeugt dies jedoch nicht. Bereits oben wurde dargelegt, dass Sinn und Zweck der Übertragung der Ausführung der Bundesgesetze auf die Länder ist, diese als geeignete Ebene mit der Aufgabe zu betrauen. Welches zusätzliche Element funktionaler Gewaltenteilung hierin liegen soll, bleibt im Unklaren. Vgl. auch S. Meyer, S. 211, der dies aber unter einem anderen Aspekt diskutiert. Tatsächlich ergibt sich ein „gewaltenteilender“ Effekt erst, wenn man den „neuen“ Gegensatz zwischen Regierungsmehrheit und Opposition, nicht mehr den Gegensatz zwischen Exekutive und Legislative vor Augen hat. 376 Siehe oben Zweiter Abschnitt C. 377 Ossenbühl, AöR 99 (1974), 369, 422, unter Bezugnahme auf die Untersuchung von Leisner, DÖV 1968, 389, 389 ff. 378 BVerfGE 34, 52, 59; 95, 1, 15. Siehe auch BVerfGE 3, 225, 247; 9, 268, 278. Siehe auch BVerfGE 12, 180, 186; 22, 106, 111. Vgl. dazu z. B. auch Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 20 Rn. 200 ff. 379 Vgl. nur Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 20 Rn. 202. Siehe auch S. Meyer, S. 210.

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hat das Bundesverfassungsgericht dahingehend ausgeführt: „Die in der Verfassung vorgenommene Verteilung der Gewichte zwischen den drei Gewalten muß aufrechterhalten bleiben, keine Gewalt darf ein von der Verfassung nicht vorgesehenes Übergewicht über die andere Gewalt erhalten, (. . .).“380 Ob diese Grenze mit einer extensiven Interpretation des Zustimmungserfordernisses des Bundesrates schon überschritten ist, sei hier dahingestellt. Jedenfalls kann die für den speziellen Fall des Art. 84 Abs. 1 GG angeordnete Gewaltenverschränkung durch das Zustimmungsrecht des Bundesrates zu Einrichtungs- und Verfahrensregelungen des Bundes nicht de lege lata auf an sich zustimmungsfreie materiell-rechtliche Regelungen ausgedehnt werden. Dies bedeutet einen verfassungssystematisch nicht zu rechtfertigenden Übergriff auf die Kompetenzen des Bundestages als das zentrale Gesetzgebungsorgan. Alle Versuche, über Kompensationskonstruktionen eine Ausweitung der Zustimmungskompetenzen des Bundesrates zu erreichen, scheitern damit im Ergebnis an der Struktur der „Zweiten Kammer“. Diese steht – und dies folgt aus der grundgesetzlichen Systematik – in einem unauflösbaren Verhältnis zum Umfang der ihr zugewiesenen Kompetenzen. Einspruchs- und Zustimmungsgesetze unterscheiden sich kategorial voneinander. Nur letztere (von den genannten Ausnahmen neu eingefügter Zustimmungstatbestände abgesehen) sind durch einen besonderen Grad der Nähe zum bundesstaatlichen Kompetenzgefüge ausgezeichnet, die eine Vetoposition der Mehrheit der Länderexekutiven rechtfertigen. Jede Ausweitung der Zustimmungsrechte auf Einspruchsmaterien führt zu einem Missverhältnis zwischen Funktionszuwachs des Bundesrates und „seiner organisatorischen Substanz“381. c) Die Handlungsfähigkeit der Länderexekutiven als Auslegungskriterium Bei der Frage nach dem Umfang der Zustimmungskompetenz des Bundesrates ist man also immer wieder auf die Struktur der „Zweiten Kammer“, d. h. ihre Zusammensetzung aus Vertretern der Länderexekutiven, verwiesen. Bereits oben wurde insoweit festgestellt, dass das funktionale Kompetenzverteilungssystem des Grundgesetzes, das dem Bund das Schwergewicht bei der Gesetzgebung, den Ländern aber die Ausführung der Bundesgesetze im Grundsatz überträgt, (nicht zwingend, aber zwangsläufig) auf ein Rats-, nicht auf ein Senatssystem zuläuft. Die Länderexekutiven sind in 380

BVerfGE 9, 268, 279. Siehe auch BVerfGE 34, 52, 59; 95, 1, 15. Jaeger, Zwischenbericht der Enquete-Kommission, Zur Sache 1/73, S. 161. Vgl. auch Heger, S. 167. 381

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einem solchen System bundesstaatlicher Kompetenzverteilung die für die Mitwirkung an der Gesetzgebung des Bundes relevanten Faktoren. Eine Ausführung der Bundesgesetze durch die Länder verlangt, dass diese sich mit den auszuführenden materiellen Gegenständen befassen. Es sind die Landesregierungen, die durch den Vollzug von Bundesrecht Kenntnisse in materiellen Fragen der Bundesgesetzgebung gewinnen. Diese Kenntnisse lassen sie über die Mitwirkung im Bundesrat in die Bundesgesetzgebung einfließen. Hierbei sind die Landesregierungen an Instruktionen der Landesparlamente nach ganz herrschender (und richtiger) Auffassung nicht gebunden.382 Dies wiederum lässt Rückschlüsse zu auf die Bewertung des beklagten Bedeutungsverlusts der Landesparlamente383 aus bundesstaatlicher Perspektive. Der Verlust von Landesgesetzgebungskompetenzen ist unterhalb der Schwelle des „unentziehbaren Hausguts“ der Länder bundesstaatlich nicht bedenklich.384 Für die (über Art. 79 Abs. 3 GG grundsätzlich garantierte) Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung sind die Landesregierungen maßgeblich. Über diese leisten die Länder ihren Beitrag zur Gesetzgebung des Bundes. Die bundesstaatliche Kompetenzverteilung lässt die Länderexekutive „weithin als intakte Gewalt bestehen“385. Die Mitwirkung der Länderexekutiven ist dabei im Regelfall auf ein Einspruchsrecht beschränkt. Damit der Bundesrat aber seine insoweit bestehende Korrektiv- oder auch Kontrollfunktionen ausüben kann, müssen die Landesregierungen hierzu ausreichend qualifiziert sein. Eine funktionsgerechte Mitwirkung der Landesregierungen bei der Gesetzgebung des Bundes setzt deren Handlungsfähigkeit als bundesstaatlich entscheidendes Kriterium der politischen Potenz der Länder voraus. Die obigen Ausführungen zur Schutzfunktion der Zustimmungsrechte sind demnach noch zu konkretisieren: Es ist die Handlungsfähigkeit speziell der Landesregierungen, die über Vetopositionen im Bundesrat geschützt werden soll. Diese sind daher auf Gegenstände oder auch Interessen bezogen, die zum „zentralen Bereich der Landesexekutive“386 gehören. Hierzu zählen im System funktionaler Kompetenzverteilung die Kontrolle über die Verwaltung, gerade bei der Ausführung von Bundesgesetzen, und die finanzielle Ausstattung zur Erfüllung der den Ländern zugewiesenen (Exe382 Vgl. z. B. Leisner, DÖV 1968, 389, 391; Ossenbühl, AöR 99 (1974), 369, 409; Rührmaier, S. 96 ff. Eine gegenteilige Ansicht dürfte mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Zuwanderungsgesetz erledigt sein. Vgl. BVerfGE 106, 313, 330 ff. 383 Vgl. z. B. Leisner, DÖV 1968, 389, 393 f.; Sachs, VVDStRL 58 (1999), 39, 55; Klein, AöR 108 (1983), 329, 351; Rührmaier, S. 118 ff. 384 Vgl. S. Meyer, S. 222; Hesse, AöR 98 (1973), 1, 14 ff. 385 Leisner, DÖV 1968, 389, 393. 386 So Hermes, in: Dreier, Art. 84 Rn. 50.

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kutiv-)Aufgaben. Die Handlungsfähigkeit der Landesregierungen ist entscheidender Auslegungsfixpunkt der Zustimmungstatbestände.387 Mit der oben beschriebenen Schutzfunktion sind Sinn und Zweck des Zustimmungsrechts in Art. 84 Abs. 1 GG damit noch nicht vollständig erfasst. Das vom Bundesverfassungsgericht postulierte Ziel der „Verhinderungen von Systemverschiebungen im föderalistischen Gefüge“ ist in einem weiterführenden – idealtypischen und von den historischen Bedingungen der Bundesstaatlichkeit losgelösten – Erklärungsansatz nur Zwischenziel, d. h. nur instrumental für die beabsichtigte Aufrechterhaltung der Qualität der Mitwirkung der Landesregierungen bei der Gesetzgebung des Bundes durch die Sicherung ihrer Verwaltungs„kompetenz“.388 Es geht bei der Einräumung von Zustimmungsrechten, will man dieser Argumentation folgen, also nicht, wie Lerche – unter Leugnen der Existenz eines geschlossenen, vor Verschiebungen zu schützenden Systems – formuliert hat, „in Wahrheit (. . .) nur um die verfassungsgesetzliche Verhinderung einer anderweitig eintretenden unerwünschten (zu wenig länderfreundlichen) Situation und um nichts anderes“389. Die Zustimmungsrechte dienen nicht allein „selbstzweckhaft der Sicherung der Eigenstaatlichkeit der Länder“390, sondern (hierdurch) vielmehr der Aufrechterhaltung der Qualität der Gesetzgebung des Bundes.391 Nur insoweit rechtfertigt sich eine Durchbrechung des demokratischen und gewaltenteilenden Prinzips. Ist in diesem Sinne die zu schützende Handlungsfähigkeit der Länderexekutiven Auslegungskriterium für den Zustimmungstatbestand des Art. 84 Abs. 1 GG, kommt eine Ausdehnung auf Gegenstände, die diese nicht tangieren, nicht in Betracht. Einspruchs- und Zustimmungsgesetze sind kategorial verschieden. Letztere sichern die funktionsgerechte Mitwirkung des Bundesrates in Bezug auf erstere. Eine Erstreckung des Zustimmungserfordernisses des Art. 84 Abs. 1 GG auf materiell-rechtliche Vorschriften eines Mischgesetzes kommt damit im Ergebnis nicht in Betracht. Es bleibt dabei: Sinn und Zweck des in Art. 84 Abs. 1 GG normierten Zustimmungsrechts des Bundesrates ist es allein, in Bezug auf Einrichtungs- und Verfahrensregelungen der Länder bei der Ausführung der Bundesgesetze als eigene Angelegenheit eine Vetoposition des Bundesrates zu begründen.392 Dies folgt aus seiner (finalen oder instrumentalen) Funktion 387

Vgl. auch Hermes, in: Dreier, Art. 84 Rn. 50. Vgl. auch S. Meyer, S. 225. 389 Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 84 Rn. 63. 390 S. Meyer, S. 236. 391 Vgl. S. Meyer, S. 223 ff., 234 ff. unter Zugrundelegung eines seiner Ansicht nach der Verfassung inhärenten Gemeinwohlverwirklichungskonzepts. 392 Vgl. Schneider, DVBl. 1957, 257, 259 f.; Schweitzer, Der Staat 15 (1976), 169, 177 f.; von Zezschwitz/Breitbach, VSSR 2 (1974), 297, 311 ff. Siehe auch das 388

B. Begründungen für die Einheitsthese

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zur Sicherung der Verwaltungskompetenzen und damit der politischen Potenz der Länder. Aus behaupteten Kompensationszusammenhängen lässt sich eine Erweiterung des Zustimmungsrechts des Bundesrates nicht begründen. Eine solche stößt in der Struktur des zur Mitwirkung an der Gesetzgebung berufenen Föderativorgans aus Mitgliedern der Länderexekutiven an eine entscheidende Grenze. 5. Die Einheit des Gesetzesbeschlusses Die Auslegung des Art. 84 Abs. 1 GG kommt damit zu einem eindeutigen Ergebnis. Zustimmungsbedürftig sind nur Einrichtungs- und Verfahrensregelungen des Bundes für die Ausführung der Bundesgesetze durch die Länder als eigene Angelegenheit. Eine Erstreckung der Zustimmungskompetenz des Bundesrates auf an sich zustimmungsfreie Vorschriften eines Mischgesetzes ist verfassungsrechtlich nicht haltbar. Dem Bundesrat steht ein Zustimmungsrecht nur in Bezug auf die einzelnen nach Art. 84 Abs. 1 GG zustimmungsbedürftigen Vorschriften eines Mischgesetzes zu. Die Wirkung einer Zustimmungsversagung kann sich nur auf die Einrichtungs- und Verwaltungsverfahrensregelungen eines von den Ländern als eigene Angelegenheit auszuführenden Bundesgesetzes „beziehen“. Mit dieser am Inhalt der Zustimmungskompetenz des Bundesrates orientierten Auslegung ist die verfahrenstechnische Seite der Behandlung eines Mischgesetzes aber noch nicht berücksichtigt. Sie bildet das maßgebliche Argumentationskriterium der These von der gesetzgebungstechnischen Einheit. Zu beantworten bleibt daher die Frage, ob die vielfach beschworene verfahrensbedingte Gesetzeseinheit das gewonnene Interpretationsergebnis wieder in Frage stellen kann mit der Folge einer Zustimmungserstreckung auf das „Gesetz als Ganzes“. In der Vorstellung der These von der Gesetzeseinheit als verfahrensbedingter Notwendigkeit393 ist nicht allein der Inhalt eines Gesetzes maßgebend. Entscheidende Bedeutung kommt vielmehr dem Umstand zu, dass Sondervotum Rottmann, BVerfGE 55, 274, 331, 333. Siehe auch BVerfGE 105, 313, 341. Eine solche Interpretation des Zustimmungserfordernisses verwechselt nicht, wie Isensee, in: FS von Arnim, S. 603, 615, feststellen will, die lex mit der ratio legis. Seiner Ansicht nach lassen sich die Wirkungen von Zustimmungserteilung und -versagung „nicht auf das Motiv für die Einführung des Zustimmungsvorbehalts zurückführen“. Diese sollen sich „aus den Bedingungen des differenzierten (?) Gesetzgebungsverfahrens“ ergeben. Isensee handelt die Frage von Sinn und Zweck des Zustimmungserfordernisses bezeichnenderweise als „teleologische Reduktion auf Länderinteressen“ (S. 615) ab. 393 Vgl. schon Haas, AöR 80 (1955/56), 80, 85. Siehe auch Held, AöR 80 (1955/56), 50, 61.

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4. Abschn.: Einheitsthese oder Trennungsthese

der Bundestag durch seinen Gesetzesbeschluss eine Einheit des Gesetzes herstellt, die nur eine einheitliche Behandlung im Gesetzgebungsverfahren und daraus folgend in Bezug auf die Gültigkeit des Gesetzes erlauben soll.394 Ob ein Gesetz als Ganzes als Einspruchs- oder Zustimmungsgesetz behandelt werden muss, entscheidet sich in dieser Konzeption bei einem ein Konkurrenzproblem produzierenden Mischgesetz nach dem „stärkeren“ Mitwirkungsrecht des Bundesrates, also der Zustimmung.395 Der Bundesrat könne – so wird argumentiert – einem Gesetzesbeschluss des Bundestages, enthält dieser zustimmungsauslösende Normen, nur insgesamt zustimmen oder die Zustimmung insgesamt verweigern. Stünde dem Bundesrat die Möglichkeit der Differenzierung zu, könne er den Gesetzesbeschluss des Bundestages gegen dessen Willen verändern.396 Dies widerspreche der „Letztverantwortung des Bundestages für den endgültigen Gesetzesinhalt wie den Gesetzesbefehl“397. Der Gesetzesbeschluss des Bundestages stelle die „Gesetzeseinheit“ her, die es zu wahren gelte. Von dieser Einheit des Gesetzes wird auf die Zustimmungsbedürftigkeit des ganzen Gesetzes und damit auf eine das ganze Gesetz umfassende Zustimmungskompetenz des Bundesrates geschlossen.398 Dass dies jedoch ein Fehlschluss ist, hat bereits Ossenbühl aufgedeckt.399 Die durch den Gesetzesbeschluss hergestellte Einheit des Gesetzes hat, dies verkennt auch die Ansicht von der gesetzgebungstechnischen Einheit nicht, nur Schutzfunktion gegenüber der Gestaltungsfreiheit des Bundestages. Diesem steht gem. Art. 77 Abs. 1 Satz 1 GG die Beschlusskompetenz über das Gesetz, d. h. seinen Inhalt, zu. Der Beschluss des Bundestages darf nicht durch ein anderes an der Gesetzgebung beteiligtes Organ einseitig abgeändert werden. Für den Bundesrat bedeutet dies, dass er zwar durch Anrufung des Vermittlungsausschusses versuchen kann, Änderungen herbei394 395 396

Vgl. BVerfGE 8, 274, 295; 24, 184, 197. Vgl. so ausdrücklich von Hase, DÖV 1973, 838, 840. Vgl. Gräber, DÖV 1959, 893, 895; Weides, JuS 1973, 337, 339; Limberger,

S. 36. 397 Weides, JuS 1973, 337, 339. Siehe auch Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 77 Rn. 8. Die Differenzierung zwischen der Feststellung des Gesetzesinhalts und dem Gesetzesbefehl hat ihren Ursprung in der Sanktionentheorie des Kaiserreichs und ist schon seit der Weimarer Zeit überholt. Siehe dazu nur Bryde, in: v. Münch/Kunig, Art. 77 Rn. 5 m. w. N. Die Terminologie lebt aber teilweise fort. 398 Vgl. Held, AöR 80 (1955/56), 50, 61. Vgl. schon Kutscher, DÖV 1952, 710, 713; Graulich, S. 61 f. m. w. N. Im Übrigen wird auch das Einspruchsrecht des Bundesrates nur auf das „Gesetz als Ganzes“ bezogen. Vgl. Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 77 Rn. 7; Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 77 Rn. 17; Lücke, in: Sachs, Art. 77 Rn. 36. 399 Vgl. Ossenbühl, AöR 99 (1974), 369, 403. Siehe auch Antoni, AöR 113 (1988), 329, 337. Anders wieder Isensee, in: FS von Arnim, S. 603, 615, 621 f.

B. Begründungen für die Einheitsthese

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zuführen; selbst vornehmen kann er sie nicht. Gegenüber eigenen „Angriffen“ auf die „Einheit des Gesetzesbeschlusses“ ist der Bundestag nicht geschützt.400 Ist die „Gesetzeseinheit“ aber nur ein Institut zum Schutz des Bundestages vor einseitiger bzw. andersseitiger ungewollter Änderung seines Gesetzesbeschlusses, kann eine Ausweitung des Zustimmungsrechts des Bundesrates hieraus nicht hergeleitet werden. Zustimmungsfreie Normen werden durch ihre Zusammenfassung mit zustimmungsbedürftigen Normen in einem Gesetz nicht zustimmungsbedürftig – und auch das „Gesetz als Ganzes“ nicht.401 Ob zustimmungsfreie und zustimmungsbedürftige Normen, woran auch Ossenbühl festhalten will, im Gesetzgebungsverfahren derart aneinander gebunden sind, dass sie „nur dasselbe rechtliche Schicksal erleiden können, nämlich entweder gültiges Recht zu werden oder ‚Gesetzentwurf‘ zu bleiben“402, muss allein der Gestaltungsfreiheit des Bundestages unterliegen. Daraus kann nicht, wie überwiegend angenommen wird, gefolgert werden, dass der Bundesrat einem Mischgesetz nur insgesamt die Zustimmung erteilen oder versagen kann. Führt ein differenzierendes Votum des Bundesrates im Ergebnis nicht dazu, dass der gesetzgeberische Wille des Bundestages einseitig abgeändert wird, bestehen diesbezüglich keine Bedenken. Eine verfahrensbedingt verstandene These von der Einheit des Gesetzes als Einheit des Gesetzesbeschlusses des Bundestages gibt nicht mehr her als dieses Verbot einseitiger Änderung des Gesetzesbeschlusses durch den Bundesrat.403 Über den Gegenstand des Zustimmungsrechts des Bundesrates ist damit keinerlei Aussage getroffen. Auch die „Einheit des Gesetzesbeschlusses“ kann eine Erstreckung des Zustimmungsrechts des Bundesrates auf das „Gesetz als Ganzes“ damit nicht begründen. Es bleibt bei dem Ergebnis, dass nur die nach Art. 84 Abs. 1 GG zustimmungsbedürftigen Regelungen der Einrichtung der Behörden und des Verwaltungsverfahrens der Länder in einem Mischgesetz der Zustimmung des Bundesrates bedürfen. D. h. gleichzeitig, dass eine differenzierende Behandlung eines Mischgesetzes im Gesetzgebungsverfahren verfassungsrechtlich möglich sein muss. Die Wirkung einer Zustimmungs400

Vgl. Pestalozza, JuS 1975, 366, 370. Vgl. Ossenbühl, AöR 99 (1974), 369, 413. A. A. Graulich, S. 61 f., der sich dabei auf den Wortlaut des Art. 78 GG stützt. 402 Ossenbühl, AöR 99 (1974), 369, 413; siehe auch Achterberg, DÖV 1975, 158, 159. Vgl. auch Wernsmann, NVwZ 2005, 1352, 1355, der für die Gesetzesentstehung ebenfalls weiterhin das „Alles-oder-Nichts“-Prinzip aus Art. 78 GG folgern will, für die Kontrolle durch das Bundesverfassungsgericht allerdings von der Möglichkeit der Teilnichtigerklärung ausgeht. 403 Vgl. Ossenbühl, in: FS Jahrreiß, S. 161, 179. 401

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4. Abschn.: Einheitsthese oder Trennungsthese

verweigerung durch den Bundesrat kann sich immer nur auf die zustimmungsbedürftigen Vorschriften eines Gesetzes erstrecken. In Bezug auf die Entstehung des Mischgesetzes ist eine Differenzierung zwischen Einspruchs- und Zustimmungsnormen damit verfassungsrechtlich unbedenklich und geboten, solange die Beschlusskompetenz des Bundestages hierdurch nicht beeinträchtigt wird. Diese bildet hierfür die alleinige Grenze. Für die Gültigkeit, also die Verfassungsmäßigkeit eines Mischgesetzes und die Folgen möglicher (Teil-)Verfassungswidrigkeit, muss ebenfalls eine differenzierende Betrachtungsweise maßgebend sein. Ist zustimmungsbedürftig nur die jeweilige einzelne Bestimmung des Gesetzes, ist bei Fehlen der Zustimmung des Bundesrates (zunächst) nur diese formell verfassungswidrig und im Rahmen einer verfassungsgerichtlichen Kontrolle für nichtig zu erklären.

II. Abweichendes Verfassungsgewohnheitsrecht Es bleibt schließlich allein noch die Frage zu klären, ob dem hier gewonnenen Ergebnis der Auslegung des Zustimmungserfordernisses des Art. 84 Abs. 1 GG angesichts der jahrzehntelangen Behandlung der Norm in der Verfassungspraxis nicht abweichendes Verfassungsgewohnheitsrecht entgegensteht.404 Ob gültiges Verfassungsgewohnheitsrecht neben dem Grundgesetz überhaupt bestehen kann, ist eine nicht abschließend beantwortete Frage.405 Ein Verfassungswandel – oder eine „Fixierung des Verfassungsinhalts“406 – ist innerhalb der Grenzen des möglichen Wortsinns der Verfassung jedenfalls grundsätzlich zulässig.407 Das Bundesverfassungsgericht hat darauf Bezug genommen, dass die einheitliche Behandlung eines Mischgesetzes, „der ständigen Übung von Bundestag und Bundesrat und Bundesregierung“408 entspreche.409 Schon das Gericht zieht die Verfassungspraxis aber in seiner Entscheidung zum Preis404 Siehe dahingehend inzwischen Schneider, Gesetzgebung (2002), S. 104 mit Fn. 44. 405 Vgl. z. B. Tomuschat, Verfassungsgewohnheitsrecht, insb. S. 9 ff., 29 ff., 58 ff.; Stern, Staatsrecht I, S. 109 ff.; Badura, in: HdbStR VII, § 160 Rn. 9 f., 13 ff. 406 Vgl. BVerfGE 11, 77, 87. Die Begrifflichkeiten, mit denen die Diskussion um ungeschriebenes Verfassungsrecht und Verfassungsgewohnheitsrecht geführt werden, sind unklar. Vgl. Stern, Staatsrecht I, S. 110. 407 Vgl. Stern, Staatsrecht I, S. 112. 408 Vgl. BVerfGE 8, 274, 295. Siehe dazu auch Bettermann, Posttarifhoheit, S. 33; Schäfer, Der Bundesrat, S. 89. 409 Während das Gericht in der Entscheidung zum Preisgesetz im Jahre 1958 nach weniger als einem Jahrzehnt bundesrepublikanischer Staatspraxis von „ständiger Übung“ spricht, erklärt es in BVerfGE 11, 77, 87 (Beschluss des Zweiten Senats v. 10.5.1960): „Die Zeitspanne von knapp zehn Jahren ist zu kurz, um aus einer – durchaus nicht in bewußter Auseinandersetzung mit der Bedeutung des Art. 80

B. Begründungen für die Einheitsthese

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gesetz nur ergänzend als Bestätigung des Ergebnisses der Verfassungsauslegung heran. Die einheitliche Behandlung eines Gesetzes im Gesetzgebungsverfahren und die daran geknüpfte einheitliche Betrachtung in Bezug auf das „Zustandekommen“ und damit die Wirksamkeit des Gesetzes folgt auch in der Staatspraxis nur der Interpretation der grundgesetzlichen Vorschriften durch die handelnden Gesetzgebungsorgane. Diese Auslegung des Art. 84 Abs. 1 GG i. S. d. Einheitsthese ist aber keineswegs vollkommen unumstritten. Bundesregierung und Bundestagsmehrheit auf der einen und der Bundesrat auf der anderen Seite haben sich in der Frage der Behandlung (von nach Art. 84 Abs. 1 GG) zustimmungsbedürftigen Gesetzen in erheblichem Maße „politisch arrangiert“410. Die jeweilige Regierungsmehrheit hat mehr vor den aus einer Trennungsthese (vermeintlich) folgenden „unüberwindbaren Schwierigkeiten“ im Gesetzgebungsverfahren kapituliert; weniger hat sie sich zu einer gemeinsamen Überzeugung von „der“ Einheitsthese mit dem Bundesrat zusammengefunden. Dass eine gemeinsame Überzeugung auch tatsächlich nicht besteht, hat sich anhand der aufgetretenen Streitfragen zur Zustimmungsbedürftigkeit von Folgeakten im Detail gezeigt.411 Nicht zur Begründung der Einheitsthese, allenfalls als Bestätigung des gefundenen Interpretationsergebnisses, kann man sich daher auf die Staatspraxis berufen.412 Zum Verfassungsgewohnheitsrecht hat das Bundesverfassungsgericht diese nie erhoben. Normerzeugend ist die ständige Übung der Verfassungsorgane in Bezug auf die einheitliche Behandlung eines Mischgesetzes nicht. Das Bundesverfassungsgericht betrachtet die Einheitsthese mit ihren Folgen für die verfassungsgerichtliche Kontrolle der Verfassungsmäßigkeit von zustimmungsbedürftigen Mischgesetzen ohnehin inzwischen als möglicherweise abänderbare bisherige Rechtsprechung. Dies zeigen das obiter dictum des Ersten Senats und die Entscheidung zum Sechsten Hochschulrahmengesetz-Änderungsgesetz. Gegen seine Auffassung von korrekter Auslegung der Zustimmungstatbestände des Grundgesetzes oder der Vorschriften über das Gesetzgebungsverfahren würde das Gericht auch die ständige Staatspraxis nicht gelten lassen. Verfassungsgewohnheitsrecht ohne die Billigung des „Hüters der Verfassung“ gibt es nicht.413 Abs. 1 Satz 1 GG entstandenen – Übung auf eine Fixierung des Inhalts jener grundgesetzlichen Vorschrift zu schließen.“ 410 Vgl. von Zezschwitz/Breitbach, VSSR 2 (1974), 297, 305. 411 Vgl. Ossenbühl, AöR 99 (1974), 369, 386; Schweitzer, Der Staat 15 (1976), S. 179, 186; von Zezschwitz/Breitbach, VSSR 2 (1974), 297, 305. A. A. Schneider, Gesetzgebung (2002), S. 104 f. Fn. 44. 412 Vgl. auch Wernsmann, NVwZ 2005, 1352, 1355. 413 Da Verfassungsgewohnheitsrecht ohne die Anerkennung durch das Bundesverfassungsgericht kaum entstehen kann, bezeichnet Sachs die umstrittene Frage nach

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4. Abschn.: Einheitsthese oder Trennungsthese

C. Konsequenzen aus der Aufgabe der Einheitsthese für das Gesetzgebungsverfahren Das Bundesverfassungsgericht hat vor dem Hintergrund der einheitlichen Behandlung eines Mischgesetzes in der Staatspraxis das Dogma aufgestellt, ein Gesetz könne, „was den Vorgang seiner Entstehung angeht, nur als Ganzes gesehen und behandelt werden“. Bei einer Reduzierung des Zustimmungserfordernisses auf die einzelne zustimmungsbedürftige Norm würden sich „kaum überwindbare Schwierigkeiten“414 im Gesetzgebungsverfahren und bei der Verkündung von Gesetzen ergeben. Die Literatur hat dies vielfach ebenso gesehen.415 Die Staatspraxis hat (auch) angesichts der praktischen Schwierigkeiten eine Differenzierung – innerhalb eines Gesetzes – nie versucht. Das Gesetzgebungs-, Ausfertigungs- und Verkündungsverfahren bieten aber Möglichkeiten, innerhalb eines Mischgesetzes zu differenzieren.416 Nur müssen die am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Verfassungsorgane diese auch wahrnehmen. Die grundgesetzlichen Vorschriften stehen dem jedenfalls grundsätzlich nicht entgegen. Nicht verwirklichen lässt sich eine solche Differenzierung allerdings über eine vereinzelt vorgeschlagene Kontrolle des Begründungsverhaltens des Bundesrates. Während das Bundesverfassungsgericht und die ganz überwiegende Ansicht im Schrifttum unter Anerkennung der Einheitsthese eine Zustimmungsversagung nicht nur aus solchen Gründen zulassen, die mit den die Zustimmungsbedürftigkeit auslösenden Normen des Gesetzes im Zusammenhang stehen bzw. sich hierauf beziehen417, haben Teile des Schrifttums, das die Geltung der Einheitsthese in Frage gestellt hat, eine Differenzierung (auch) über eine Motivkontrolle für möglich gehalten. Schon früh hat Schneider für den Fall, dass der Bundesrat seine Zustimmung aus Gründen verweigert, die sich auf die materiell-rechtlichen Bestimmungen eines Gesetzes beziehen, gefordert, die Zustimmungsverweigerung nur als Einspruch zu werten.418 Auch Antoni will dem Bundesrat lediglich das Recht der Möglichkeit von neben dem Grundgesetz gültigem Verfassungsgewohnheitsrecht als nur von „theoretischem Interesse“. Vgl. Sachs, in: Sachs, Einführung Rn. 11. Siehe schon Stern, Staatsrecht I, S. 112. 414 BVerfGE 8, 274, 294 f. 415 Vgl. Haas, AöR 80 (1955/56), 81, 85; Schäfer, Der Bundesrat, S. 89; Bettermann, Posttarifhoheit, S. 34; von Hase, DÖV 1973, 838, 839. Siehe auch Jaeger, Zwischenbericht der Enquete-Kommission, Zur Sache 1/73, S. 160. 416 Vgl. schon Schneider, DVBl. 1957, 257, 260 f. Siehe auch Schweitzer, Der Staat 15 (1976), 169, 175 f.; Pestalozza, JuS 1975, 366, 370 ff. 417 Vgl. BVerfGE 37, 363, 381. Siehe Limberger, S. 37; Ossenbühl, AöR 99 (1974), 369, 416 f. jeweils m. w. N.

C. Konsequenzen für das Gesetzgebungsverfahren

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zuerkennen, die Verweigerung der Zustimmung aus den zustimmungsbedürftigen Regelungen eines Gesetzes herzuleiten.419 Der Fall, dass der Bundesrat seine Zustimmungsverweigerung allein auf zustimmungsfreie Normen des Gesetzes bezieht, ist allerdings schon, dies räumt auch Antoni ein, allenfalls „rechtstheoretisch denkbar“, aber „in der Praxis kaum von Bedeutung“420. Der Bundesrat begründet seine Zustimmungsverweigerung regelmäßig zumindest auch mit Erwägungen, die sich auf die zustimmungsbedürftigen Vorschriften des Gesetzes beziehen. „Scheinbegründungen“ durch den Bundesrat sind ohnehin jederzeit möglich – und nicht nachweisbar. Das Begründungsverhalten des Bundesrates lässt sich also schon tatsächlich nicht überprüfen.421 Der Bundesrat ist aber auch verfassungsrechtlich nicht dazu verpflichtet, seine abschließenden422 Entscheidungen zu begründen; dies gilt für die Einlegung eines Einspruchs und die Versagung oder Erteilung der Zustimmung zu einem Gesetz.423 Der Bundesrat ist – darauf hat dezidiert Lerche hingewiesen – kein Verwaltungsorgan, dessen Akte näherer Begründung bedürfen424, weil eine Nachprüfung der Entscheidungsfindung und des Entscheidungsergebnisses möglich sein muss. Über eine Motiv-Kontrolle lässt sich eine Differenzierung zwischen Einspruchs- und Zustimmungsnormen eines Gesetzes nicht verwirklichen. Entscheidend ist nicht, wie der Bundesrat seine Zustimmungsverweigerung begründet, sondern welche Vorschriften durch die Versagung der Zustimmung erfasst werden. Dies sind unter Zugrundelegung einer Trennungsthese grundsätzlich nur die zustimmungsbedürftigen Vorschriften. 418

Vgl. Schneider, DVBl. 1957, 257, 260. Vgl. Antoni, AöR 113 (1988), 329, 337 ff., 346. Nur dann, wenn der Bundesrat ausdrücklich die Verweigerung der Zustimmung ausschließlich mit Bedenken gegen Normen eines Gesetzes begründe, die die Zustimmungsbedürftigkeit nicht auslösen können, missbrauche er sein Recht zur Zustimmungsverweigerung; in den Fällen könne der Gesetzentwurf weiter wie ein Einspruchsgesetz behandelt werden. Vgl. auch Maurer, Staatsrecht I, § 17 Rn. 74. 420 Antoni, AöR 113 (1988), 329, 346. 421 Vgl. dahingehend schon früh Held, AöR 80 (1955/56), 50, 59. 422 Eine Pflicht zur Darlegung von Gründen dürfte aber im Rahmen des vorangehenden Gesetzgebungsverfahrens, insb. bei den Verhandlungen des Vermittlungsausschusses bestehen. Ein Kompromiss ließe sich sonst nicht erreichen. Gerade das Institut des Vermittlungsverfahrens zeigt aber, dass ein solcher zumindest ermöglicht werden soll. Vgl. hierzu Schenke, Verfassungsorgantreue, S. 92 f. Siehe auch S. Meyer, S. 237. 423 Vgl. Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 84 Rn. 67; Limberger, S. 39; Leibholz/ Hesselberger, in: 25 Jahre Bundesrat, S. 99, 110 f. 424 Vgl. Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 84 Rn. 67; ders., in: 40 Jahre Bundesrat, S. 183, 190. Siehe auch Heger, S. 168 f. 419

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4. Abschn.: Einheitsthese oder Trennungsthese

I. Gestaltung des Gesetzgebungsverfahrens gem. Art. 77 GG bei Mischgesetzen Legt man die hier vertretene Ansicht zugrunde, dass die grundgesetzlichen Vorschriften über das Gesetzgebungsverfahren eine einheitliche Behandlung eines Mischgesetzes nicht fordern, eine differenzierende Behandlung des Gesetzes also grundsätzlich nicht ausschließen und eine Zustimmungsverweigerung des Bundesrates nur die zustimmungsbedürftigen Vorschriften eines Mischgesetzes erfasst, ergeben sich für die Gestaltung des Gesetzgebungsverfahrens verschiedene Möglichkeiten. An ihre verfassungsrechtlichen Grenzen stößt eine Vorgehensweise, die die Zustimmungsbedürftigkeit nur einzelner Normen eines Gesetzes berücksichtigt, erst dann, wenn durch sie die Beschlusskompetenz des Bundestages beeinträchtigt ist oder der sog. Grundsatz der Unverrückbarkeit des parlamentarischen Votums425 verletzt ist. Andere Einschränkungen ergeben sich unter dem Aspekt der formellen Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes nicht.426 In Bezug auf die materielle Verfassungsmäßigkeit eines bei einer differenzierenden Behandlung im Gesetzgebungsverfahren möglicherweise entstehenden, der organisations- und verfahrensrechtlichen Vorschriften nach Art. 84 Abs. 1 GG entkleideten materiell-rechtlichen Restgesetzes bestehen in der Regel keine Bedenken. Die Verfassungsmäßigkeit eines solchen Gesetzes ist zwar in der Diskussion um die Zulässigkeit der Aufspaltung von Gesetzesvorhaben bzw. Gesetzen in zustimmungsfreie und zustimmungsbedürftige Teile teilweise bezweifelt worden. Die vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken greifen aber im Ergebnis nicht durch. Die Verfassungswidrigkeit eines Restgesetzes ist zwar denkbar, wenn es dem Grundsatz der Bestimmtheit oder Normenklarheit (Art. 20 Abs. 3 GG) widerspricht427, also kein sinnvolles oder verständliches Ganzes mehr darstellt und als Gesetzestorso unausführbar ist.428 Dies ist aber bei Wegfall der organisations- und verfahrensrechtlichen Bestimmungen nach Art. 84 Abs. 1 GG regelmäßig nicht der Fall.429 Fallen die bundesgesetzlichen Ausfüh425 Vgl. Ossenbühl, in: HdbStR III (1988), § 63 Rn. 38. Als erster für das deutsche Verfassungsrecht wohl Hatschek, Deutsches und Preußisches Staatsrecht, Bd. 2, S. 82 ff., 90 ff. Siehe dazu sogleich unten in diesem Abschnitt C. I. 2. 426 Zur Frage der Gesetzgebungskompetenz für ein separates Ausführungsgesetz siehe oben Fünfter Abschnitt E. 427 Siehe hierzu nur BVerfGE 65, 1, 44. Siehe auch BVerfGE 45, 400, 420. 428 Vgl. dazu Lücke, in: Sachs, Art. 77 Rn. 18; Kokott, in: BK, Art. 77 Rn. 38; Masing, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 77 Rn. 52; Stern, Staatsrecht II, S. 145. Vgl. auch Fritz, S. 98 ff. 429 Vgl. Lücke, in: Sachs, Art. 77 Rn. 18. Siehe auch Bryde, in: v. Münch/Kunig, Art. 77 Rn. 23; Stern, Staatsrecht II, S. 145. Vgl. zudem Fritz, S. 117 ff.

C. Konsequenzen für das Gesetzgebungsverfahren

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rungsregelungen weg, sind die Länder zur Schaffung von Vollzugsregelungen verpflichtet.430 Dies entspricht gerade der grundgesetzlichen Kompetenzverteilung nach Art. 83 ff. GG.431 Besteht die Notwendigkeit von bundesweiter Kooperation, können die Länder dieser über den Weg der Selbstkoordinierung begegnen. Zur Sicherung der Wirksamkeit des Vollzugs stehen dem Bund zudem die weiteren in Art. 84 GG vorgesehenen Ingerenz- bzw. Aufsichtsrechte zur Verfügung. Die weitergehende Frage, ob eine Verfassungswidrigkeit bei fehlenden organisations- und verfahrensrechtlichen Regelungen unter dem Aspekt der Grundrechtssicherung durch Verfahren432 im Ausnahmefall denkbar ist, inwieweit also die bestehende Pflicht der Länder, notwendige Einrichtungsund Verfahrensregelungen zu schaffen, nicht ausreicht, um eine Verfassungswidrigkeit des „entkleideten“ Gesetzes zu verhindern, kann hier nur aufgeworfen, aber nicht beantwortet werden.433 Das Problem war in der Bundesstaatskommission Gegenstand der Diskussion um eine Abschaffung der Ingerenzrechte des Bundes nach Art. 84 Abs. 1 GG.434 Im Grundsatz stehen jedenfalls die grundrechtlichen Anforderungen an die Ausgestaltung von Organisation und Verfahren einerseits und die bundesstaatliche Kompetenzverteilung andererseits unabhängig nebeneinander.435 Auch das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Rechtsprechung eine ausdrückliche Zuordnung der Pflicht zur Schaffung organisations- oder verfahrensrechtlicher Regelungen in die Verantwortung des Bundes- oder Landesgesetzgebers nicht vorgenommen, sondern diesbezüglich, wenn auch nicht immer ganz eindeutig bzw. tendenzfrei, die bundesstaatliche Kompetenzverteilung zugrunde gelegt.436 430 Siehe Schenke, Verfassungsorgantreue, S. 79 f.; das Sondervotum Hirsch, BVerfGE 55, 274, 341, 341. Vgl. BVerfGE 37, 363, 385; 55, 274, 318; 75, 108, 150. Siehe auch Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 83 Rn. 54; Dittmann, in: Sachs, Art. 83 Rn. 8. Vgl. § 1 Abs. 2 Satz 2 VwVfG des Bundes: dieses ist im Fall der landeseigenen Ausführung von Bundesgesetzen nur anwendbar, wenn das Bundesgesetz das VwVfG für anwendbar erklärt. 431 Vgl. BVerfGE 105, 313, 339 ff. 432 Vgl. dazu Huber, Grundrechtsschutz, insb. S. 87 ff., 186 ff.; Ossenbühl, in: FS Eichenberger, S. 183, 183 ff. jeweils m. w. N. 433 Vgl. hierzu Huber, Grundrechtsschutz, S. 282 ff. 434 Siehe hierzu unten Sechster Abschnitt B. I. 3. 435 Vgl. Huber, Grundrechtsschutz, S. 303 ff. 436 Vgl. Huber, Grundrechtsschutz, S. 305 ff. mit Beispielen. Siehe allerdings z. B. BVerfGE 33, 303, 357: „Es wäre in erster Linie Sache des Bundes, hier unter Ausnutzung der ihm gegebenen legislativen und verwaltungsmäßigen Möglichkeiten das Notwendige zu tun.“ Aber, so das Bundesverfassungsgericht weiter: „Sollte sich trotzdem in angemessener Frist eine befriedigende Regelung nicht erreichen lassen, würde sich die weitere Frage stellen, was die Länder (. . .) ihrerseits unternehmen

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4. Abschn.: Einheitsthese oder Trennungsthese

Ob unter der Maßgabe, dass, „wenn es um den Grundrechtsschutz des Staatsbürgers geht, der ja sowohl dem Bundesrecht wie dem Landesrecht untersteht, der Gesetzgeber in Bund und Ländern sich als Einheit behandeln lassen“437 muss, eine verfassungsrechtliche Pflicht des Bundes bestehen kann, zur Gewährleistung eines effektiven Grundrechtsschutzes seine ihm nach Art. 84 Abs. 1 GG zustehende Gesetzgebungskompetenz zur Regelung der Einrichtung der Behörden und des Verwaltungsverfahrens der Länder auszuschöpfen438, bleibt fraglich. Wenn überhaupt, dürfte eine solche Pflicht nur im Einzelfall bestehen.439 In einer solchen Konstellation wäre dann aber zu erwägen, ob den Bundesrat nicht eine Pflicht zur Erteilung der Zustimmung zu grundrechtlich geforderten gesetzlichen Ausgestaltungen von Organisation und Verfahren aus dem Prinzip der Verfassungsorgantreue trifft.440 Grundsätzlich jedenfalls ist von der Verfassungsmäßigkeit eines aus dem materiell-rechtlichen Teil eines Mischgesetzes bestehenden Gesetzes„rests“ auszugehen. 1. Möglichkeiten einer differenzierenden Behandlung a) Die Differenzierung im Beschluss des Bundestages Eine Differenzierung innerhalb eines Mischgesetzes im Gesetzgebungsverfahren setzt voraus, dass der Bundestag in seinem Gesetzesbeschluss, der dem Bundesrat gem. Art. 77 Abs. 1 Satz 2 GG zugeleitet wird, zustimmungsbedürftige und zustimmungsfreie Normen des Gesetzes kennzeichnet441 und gleichzeitig zum Ausdruck bringt, dass er im Fall einer Zustimmungsverweigerung durch den Bundesrat will, dass das Gesetz zumindest mit seinen zustimmungsfreien Regelungen zustande kommt.442 Die Schutzfunktion der „Einheit des Gesetzesbeschlusses“ kann nicht weiter gehen als können und müssen, um ihrer Mitverantwortung für eine kooperative Verwirklichung des Grundrechtsschutzes gerecht zu werden.“ 437 BVerfGE 7, 377, 443; 33, 303, 357. 438 So Huber, Grundrechtsschutz, S. 312 ff. Vgl. auch Lerche, in: FS Maunz, S. 215, 218 ff. 439 Zahlen, die Aufschluss über den Anteil von Gesetzen geben, die grundrechtlich geforderte Organisations- und Verfahrensvorschriften enthalten, sind nicht ermittelt. Vgl. schon Huber, Grundrechtsschutz, S. 327. 440 So Huber, Grundrechtsschutz, S. 335. 441 Vgl. Schneider, DVBl. 1957, 257, 260 f. 442 Siehe zu einem vergleichbaren Vorschlag Gramm, AöR 124 (1999), 212, 226, der dies gesetzgebungstechnisch durch einen Vorratsbeschluss des Bundestages umgesetzt sehen will. Zust. Trute, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 84 Rn. 24. Dagegen Isensee, in: FS von Arnim, S. 603, 621.

C. Konsequenzen für das Gesetzgebungsverfahren

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der gesetzgeberische Wille des Bundestages selbst. Dessen Beschlusskompetenz kann dann nicht beeinträchtigt sein, wenn der Bundestag die Einheit seines Gesetzesbeschlusses selbst unter der Bedingung der Versagung der Zustimmung durch den Bundesrat in einer von ihm konkret vorgegebenen Weise preisgibt. b) Die Differenzierung im Verfahren nach der Zuleitung an den Bundesrat Über einen solchen differenzierenden Gesetzesbeschluss des Bundestages nach Art. 77 Abs. 1 Satz 1 GG – dessen Zulässigkeit im Übrigen zunächst unterstellt – muss dann auch der Bundesrat, bezieht sich seine Zustimmungsverweigerung unter Zugrundelegung einer Trennungsthese nur auf die zustimmungsbedürftigen Vorschriften des Mischgesetzes, differenzierend gem. Art. 52 Abs. 3 Satz 1 GG Beschluss fassen können. Art. 77 GG trifft in seinen Absätzen 2 bis 4 für Einspruchs- und Zustimmungs„gesetze“ jedoch teilweise verschiedene Anordnungen in Bezug auf die Anrufung des Vermittlungsausschusses und normiert unterschiedliche Fristen für die Beschlussfassung des Bundesrates in Bezug auf die Erteilung oder Versagung der Zustimmung und die Einlegung eines Einspruchs. Damit ist die Frage aufgeworfen, wie ein Mischgesetz, das der Bundestag unter Zugrundelegung einer Trennungsthese bei Versagung der Zustimmung durch den Bundesrat mit seinen zustimmungsfreien Vorschriften zustande kommen lassen will, in der Phase des „föderalen Mitwirkungsstadiums“443 nach der Zuleitung an den Bundesrat behandelt werden muss. aa) Das Vermittlungsverfahren Nach Abschluss der parlamentarischen Phase des Gesetzgebungsverfahrens und der Zuleitung des Gesetzesbeschlusses an den Bundesrat nach Art. 77 Abs. 1 Satz 2 GG444 kann der Bundesrat gem. Art. 77 Abs. 2 Satz 1 GG die Einberufung des Vermittlungsausschusses verlangen. Dieses Recht steht dem Bundesrat unbestritten sowohl bei Einspruchs- als auch bei Zustimmungsgesetzen445, damit auch bei Mischgesetzen zu. Ausüben muss der Bundesrat sein Anrufungsrecht dem Wortlaut des Art. 77 Abs. 2 Satz 1 GG gemäß „binnen drei Wochen nach Eingang des Gesetzesbeschlusses“ unabhängig davon, ob es sich bei dem vorliegenden Gesetz 443

Lücke, in: Sachs, Art. 77 Rn. 1. Vgl. auch § 122 GO BT. 445 Vgl. nur Lücke, in: Sachs, Art. 77 Rn. 9; Bryde, in: v. Münch/Kunig, Art. 77 Rn. 8. 444

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4. Abschn.: Einheitsthese oder Trennungsthese

um ein Einspruchs- oder Zustimmungsgesetz handelt. Satz 1 des Abs. 2 des Art. 77 GG normiert nach richtiger Ansicht für jede Art von Gesetz eine Ausschlussfrist.446 Zum Gegenstand des Vermittlungsverfahrens kann der Bundesrat sowohl das ganze Gesetz als auch einzelne – zustimmungsbedürftige und zustimmungsfreie – Vorschriften des Gesetzes machen.447 Die Behandlung eines Mischgesetzes unter Zugrundelegung einer Trennungsthese wirft in Bezug auf Art. 77 Abs. 2 Satz 1 GG damit keine besonderen Probleme auf. Für den Fall, dass „zu einem Gesetze die Zustimmung des Bundesrates erforderlich“ ist, normiert Art. 77 Abs. 2 Satz 4 GG ein Recht zur Einberufung des Vermittlungsausschusses auch für den Bundestag und die Bundesregierung.448 Dies folgt konsequent daraus, dass der Bundesrat bei einem zustimmungsbedürftigen Gesetz ohne Anrufung des Vermittlungsausschus446 Vgl. Lücke, in: Sachs, Art. 77 Rn. 9; Masing, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 77 Rn. 77 f.; Jekewitz, in: AK, Art. 77 Rn. 19; Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 77 Rn. 25. Die Anwendung der Drei-Wochen-Frist auf Zustimmungsgesetze wird von einem Teil der Literatur allerdings abgelehnt. Es laufe der Intention des Instituts des Vermittlungsverfahrens, die Kompromissfindung optimal zu ermöglichen, zuwider, wenn nach Ablauf der Frist eine Anrufung des Vermittlungsausschusses ausscheide. Vgl. Stettner, in: Dreier, Art. 77 Rn. 25, Bryde, in: v. Münch/ Kunig, Art. 77 Rn. 10; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 77 Rn. 10. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass die Frist des Art. 77 Abs. 2 Satz 1 GG auch bei Zustimmungsgesetzen eine Beschleunigung des Gesetzgebungsverfahrens bewirken soll. Dies steht im Einklang mit der im Jahre 1994 eingefügten Bestimmung des Abs. 2a des Art. 77 GG. Die hier statuierte „angemessene Frist“ baut zudem auf dem Ablauf der Frist zur Einberufung des Vermittlungsausschusses nach Abs. 2 Satz 1 des Art. 77 GG auf. Dem Bundesrat soll es gerade verwehrt sein, zeitlich unbeschränkt über ein Zustimmungsgesetz Beschluss fassen zu können. Angesichts des bei Zustimmungsgesetzen bestehenden Rechts von Bundestag und Bundesregierung, ebenfalls den Vermittlungsausschuss anzurufen, ist das Ziel der Optimierung der Kompromissfindung bei einer Interpretation der Drei-Wochen-Frist als Ausschlussfrist auch bei Zustimmungsgesetzen zudem nicht gefährdet. 447 Vgl. nur Bryde, in: v. Münch/Kunig, Art. 77 Rn. 9. Siehe hierzu unten Fünfter Abschnitt E. II. 3. a). 448 Bundestag und Bundesregierung können den Vermittlungsausschuss nach h. M. dann anrufen, wenn der Bundesrat dem Gesetz ausdrücklich nicht zugestimmt hat oder sich konkret abzeichnet, dass der Bundesrat die Zustimmung verweigern wird. Vgl. Lücke, in: Sachs, Art. 77 Rn. 10. Dies soll daraus folgen, dass ein Vermittlungsverfahren nicht erforderlich ist, solange das Gesetz nicht an der Versagung der Zustimmung durch den Bundesrat zu scheitern droht. Vgl. Lücke, in: Sachs, Art. 77 Rn. 10.; Masing, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 77 Rn. 79; Bryde, in: v. Münch/ Kunig, Art. 77 Rn. 17. Auf ein Mischgesetz lässt sich dies ebenfalls übertragen. Die Drei-Wochen-Frist des Art. 77 Abs. 2 Satz 1 GG gilt nach umstrittener Ansicht nicht analog. Die Anrufung des Vermittlungsausschusses soll aber in „angemessener Frist“ erfolgen müssen. Vgl. Lücke, in: Sachs, Art. 77 Rn. 11; Masing, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 77 Rn. 79; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 77 Rn. 11. A. A. Stern, Staatsrecht II, S. 629 m. w. N.

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ses die Zustimmung versagen kann. Es liegt dann in der Hand der Bundesregierung und des Bundestages mit Anrufung nach Satz 4 des Abs. 2 des Art. 77 GG ein Scheitern des Gesetzes durch eine Kompromissfindung im Vermittlungsausschuss zu verhindern.449 Da es in Bezug auf ein Mischgesetz, soll dieses – was der Bundestag in erster Linie will – insgesamt zustande kommen, der Zustimmung des Bundesrates bedarf, muss die Vorschrift auch für solche Gesetze gelten, über die der Bundestag in der hier vorgeschlagenen Form differenzierend Beschluss gefasst hat. Bundestag und Bundesregierung können nach allgemeiner Auffassung ebenso wie der Bundesrat in Form einer sog. offenen Anrufung das ganze Zustimmungs„gesetz“ zum Gegenstand des Vermittlungsverfahrens machen.450 Bei der hier vorgeschlagenen Differenzierung zwischen Einspruchs- und Zustimmungsnormen unter Zugrundelegung einer Trennungsthese kann nichts anderes gelten. Ist es das Ziel des Vermittlungsverfahrens, die Kompromissfindung effektiv zu ermöglichen451, ist es zweckentsprechend, Bundestag und Bundesregierung die Option einzuräumen, ein Zustandekommen des ganzen Mischgesetzes auch durch ein Entgegenkommen in Bezug auf nur einspruchsbewehrte materiell-rechtliche Vorschriften zu verwirklichen.452 Mischgesetze, die dem Beschluss des Bundestages gemäß bei der Zustimmungsverweigerung durch den Bundesrat komplett scheitern, und solche, die bei einer Zustimmungsversagung immerhin mit ihren zustimmungsfreien Vorschriften zustande kommen sollen, werden im Vermittlungsverfahren sinnvollerweise gleich behandelt. Art. 77 Abs. 2 Satz 4 GG gilt damit unter Zugrundelegung einer Trennungsthese sowohl für reine Zustimmungsgesetze als auch für Mischgesetze. Ein Mischgesetz wird im Vermittlungsverfahren im Ergebnis damit wie ein Zustimmungs„gesetz“ behandelt. Eine Trennungsthese lässt sich mit den Vorschriften des Abs. 2 des Art. 77 GG vereinbaren. Zu klären bleibt, ob dies auch für die Bestimmungen über die Beschlussfassung des Bundesrates nach Abs. 2a und 3 des Art. 77 GG gilt.

449

Vgl. z. B. Bryde, in: v. Münch/Kunig, Art. 77 Rn. 16. Vgl. z. B. Lücke, in: Sachs, Art. 77 Rn. 23. Siehe hierzu unten Fünfter Abschnitt E. II. 3. a). 451 Vgl. nur Lücke, in: Sachs, Art. 77 Rn. 7; Bryde, in: v. Münch/Kunig, Art. 77 Rn. 7. Ausführlicher unten Fünfter Abschnitt E. II. 3. 452 Unter Zugrundelegung einer Trennungsthese und im Fall der differenzierenden Beschlussfassung des Bundestages kann eine Begrenzung des Anrufungsgegenstandes auf die zustimmungsbedürftigen Normen allerdings u. U. aus taktischen Erwägungen für Bundesregierung oder Bundestag eine interessante Option darstellen. 450

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4. Abschn.: Einheitsthese oder Trennungsthese

bb) Die Beschlussfassung des Bundesrates über die Zustimmung und die Einlegung eines Einspruchs Über ein Gesetz, dass der Zustimmung des Bundesrates bedarf, hat der Bundesrat gem. Art. 77 Abs. 2a GG, „wenn ein Verlangen nach Absatz 2 Satz 1 nicht gestellt oder das Vermittlungsverfahren ohne einen Vorschlag zur Änderung des Gesetzesbeschlusses beendet ist, in angemessener Frist“ in Bezug auf die Erteilung oder Versagung der Zustimmung Beschluss zu fassen. Gegen ein Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates nicht bedarf, kann der Bundesrat gem. Art. 77 Abs. 3 GG, „wenn das Verfahren nach Absatz 2 beendigt ist, (. . .) binnen zwei Wochen Einspruch einlegen“.453 Während Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Satz 2 des Art. 77 GG damit eine konkret zu berechnende Ausschlussfrist normiert454, ist die Frist des Abs. 2a flexibel455 und damit u. U. länger, als die in Abs. 3 Satz 1 normierte ZweiWochen-Frist. Bei einer differenzierenden Behandlung eines Mischgesetzes nimmt man also in Kauf, dass der Bundesrat seinen Beschluss nach Art. 52 Abs. 3 Satz 1 GG zeitlich auseinander reißt, indem er gegen die zustimmungsfreien Vorschriften eines Mischgesetzes Einspruch in der Frist des Abs. 3 des Art. 77 GG einlegt, über die Zustimmung in Bezug auf die zustimmungsbedürftigen Normen aber noch nicht Beschluss fasst. Unüberwindbare Schwierigkeiten für das Gesetzgebungsverfahren ergeben sich hieraus jedoch ebenfalls nicht, da der Bundesrat nach Abs. 2a des Art. 77 GG jedenfalls in „angemessener Frist“ auch über die Erteilung oder Versagung der Zustimmung entscheiden muss und eine dauerhafte Rechtsunsicherheit über den Stand des Verfahrens456 damit nicht eintreten kann. In der Praxis bereiten schon heute die Fälle, in denen der Bundesrat einem Gesetz, das er 453 Unter Zugrundelegung einer Trennungsthese bedeutet dies zunächst für Mischgesetze, die dem Beschluss des Bundestages entsprechend bei Zustimmungsversagung durch den Bundesrat nur mit ihren zustimmungsfreien Vorschriften zustande kommen sollen, dass der Bundesrat, will er gegen die Einspruchsnormen des Gesetzes Einspruch einlegen, dies nur nach Durchführung eines Vermittlungsverfahrens kann. Unter Zugrundelegung der Einheitsthese verweigert der Bundesrat dagegen konsequenterweise einem Mischgesetz komplett die Zustimmung, wenn er das Zustandekommen der Einspruchsnormen verhindern will. Dies ist auch ohne Anrufung des Vermittlungsausschusses möglich. Praxisrelevant ist dieser Fall jedoch nicht, da der Bundesrat, will er die Zustimmung verweigern, regelmäßig zuvor den Vermittlungsausschuss anruft und bei drohender Zustimmungsversagung durch den Bundesrat auch Bundesregierung und/oder Bundesrat nach Art. 77 Abs. 2 Satz 4 GG ein Vermittlungsverfahren anstrengen. 454 Vgl. nur Lücke, in: Sachs, Art. 77 Rn. 37. 455 Zu den Kriterien, die für die Feststellung der „Angemessenheit“ der Frist herangezogen werden können, siehe Lücke, in: Sachs, Art. 77 Rn. 33. 456 Vgl. hierzu Lücke, in: Sachs, Art. 77 Rn. 35, im Zusammenhang mit der Möglichkeit des Bundesrates, hilfsweise Einspruch gegen ein Gesetz einzulegen,

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entgegen der Ansicht von Bundesregierung und Bundestag für zustimmungsbedürftig hält, die Zustimmung versagt, aber – hilfsweise – Einspruch einlegt457, keine Schwierigkeiten in Bezug auf die unterschiedliche Fristenregelung in Abs. 2a und 3 des Art. 77 GG. Der Bundestag wird in dem Fall, in dem der Bundesrat sein Votum über ein Mischgesetz zeitlich auseinander zieht, über den Einspruch des Bundesrates erst dann entscheiden, wenn der Bundesrat auch über die Erteilung oder Versagung der Zustimmung in Bezug auf die zustimmungsbedürftigen Normen entschieden hat, um dem Bundesrat nicht die Möglichkeit zu nehmen, den Einspruch bis zu diesem Zeitpunkt wieder zurückzuziehen.458 Ein differenzierendes Votum des Bundesrates ist damit auch unter Anerkennung der unterschiedlichen Fristenregelungen in Art. 77 Abs. 2a und Abs. 3 GG praktizierbar. c) Fallvarianten Es ergeben sich schließlich, geht man davon aus, dass der Bundesrat über den ihm gem. Art. 77 Abs. 1 Satz 2 GG zugeleiteten Beschluss des Bundestages getrennt in Bezug auf die zustimmungsbedürftigen und die zustimmungsfreien Vorschriften gem. Art. 52 Abs. 3 Satz 1 GG Beschluss fassen kann und dass seine Zustimmungsverweigerung sich immer nur auf die zustimmungsbedürftigen Vorschriften eines Mischgesetzes bezieht, folgende denkbare Konstellationen, wenn der Bundestag in seinem Gesetzesbeschluss festgelegt hat, dass die zustimmungsfreien Normen auch bei fehlender Zustimmung des Bundesrates Gesetz werden sollen: Stimmt der Bundesrat in einem ersten Fall den zustimmungsbedürftigen Vorschriften des Gesetzes noch vor Durchführung eines Vermittlungsverfahrens oder nach Durchführung eines Vermittlungsverfahrens459 zu und unterlässt es, gegen die zustimmungsfreien Normen Einspruch einzulegen460 das Bundesregierung und Bundestag entgegen der Ansicht des Bundesrates für zustimmungsfrei halten. 457 Vgl. hierzu Lücke, in: Sachs, Art. 77 Rn. 34 f.; Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 77 Rn. 21; Stern, Staatsrecht II, S. 630. Siehe auch BVerfGE 37, 363, 396. 458 Die Rücknahme des Einspruchs ist bis zur Beschlussfassung des Bundestages nach Art. 77 Abs. 4 GG möglich. Vgl. Lücke, in: Sachs, Art. 77 Rn. 6. 459 Gegenstand der erneuten Beschlussfassung des Bundesrates nach Abschluss des Vermittlungsverfahrens ist entweder der geänderte Gesetzesbeschluss des Bundestages gem. Art. 77 Abs. 2 Satz 5 GG oder im Fall eines ergebnislosen Abschlusses des Vermittlungsverfahrens oder des Scheiterns des Änderungsvorschlags im Bundestag der ursprüngliche Gesetzesbeschluss. Vgl. Masing, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, Art. 77 Rn. 95; Bryde, in: v. Münch/Kunig, Art. 77 Rn. 18. Das Gesetzgebungsverfahren ist allerdings in dem Fall vorzeitig beendet, in dem der Bundestag einem Vorschlag des Vermittlungsausschusses auf Aufhebung des Gesetzesbeschlusses zustimmt. Siehe hierzu insgesamt auch unten Fünfter Abschnitt E. II. 3. a).

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4. Abschn.: Einheitsthese oder Trennungsthese

bzw. nimmt einen zwischenzeitlich nach Durchführung eines Vermittlungsverfahrens eingelegten Einspruch wieder zurück (vgl. Art. 78 GG, § 30 GO BR)461, erübrigt sich eine weitere Differenzierung. Das Gesetz kommt insgesamt zustande. Legt der Bundesrat in einem zweiten Fall nach Durchführung eines Vermittlungsverfahrens Einspruch in Bezug auf die zustimmungsfreien Normen eines Mischgesetzes ein462 und erteilt in Bezug auf die zustimmungsbedürftigen Normen seine Zustimmung, kann der Bundestag den Einspruch in Bezug auf die zustimmungsfreien Bestimmungen mit der erforderlichen Mehrheit gem. Art. 77 Abs. 4 GG zurückweisen. Gelingt dies, kommt das Gesetz insgesamt zustande. Versagt der Bundesrat in einem dritten Fall nach Durchführung eines (letzten) Vermittlungsverfahrens endgültig seine Zustimmung zum zustimmungsbedürftigen Teil des Gesetzes und legt zudem Einspruch gegen die zustimmungsfreien Normen ein, kann der Bundestag den Einspruch gem. Art. 77 Abs. 4 GG zurückweisen. Das Gesetz kommt dann nur mit seinem zustimmungsfreien Teil zustande, da der Bundestag seinen dahingehenden gesetzgeberischen Willen bereits im Gesetzesbeschluss nach Art. 77 Abs. 1 Satz 1 GG dargelegt hat.463 Weist der Bundestag den Einspruch des Bundesrates nicht zurück, kommt das Gesetz insgesamt nicht zustande. Das gilt auch für den – zumindest theoretisch denkbaren – Fall464, in dem der Bun460 Der Bundesrat kann auch den zustimmungsfreien Normen ausdrücklich die Zustimmung erteilen. Vgl. Masing, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 78 Rn. 6, in Bezug auf Einspruchs„gesetze“. Jedenfalls bedeutet aber die ausdrückliche Zustimmungserteilung vor dem Ablauf der Frist des Art. 77 Abs. 3 GG einen endgültigen Verzicht darauf, Einspruch einzulegen. Siehe Stettner, in: Dreier, Art. 78 Rn. 5; Bryde, in: v. Münch/Kunig, Art. 78 Rn. 3. Siehe auch Lücke, in: Sachs, Art. 78 Rn. 3. Siehe auch oben in diesem Abschnitt B. I. 1. a). 461 Siehe Fn. 458 zur Möglichkeit der Rücknahme eines Einspruchs. Eine Zustimmungsversagung ist erst nach Durchführung des „letzten“ Vermittlungsverfahrens bindend. Der Bundesrat ist bei seiner Beschlussfassung nach Durchführung eines Vermittlungsverfahrens an seine vorhergehenden Entscheidungen nicht gebunden. Vgl. Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 77 Rn. 6; Bryde, in: v. Münch/Kunig, Art. 77 Rn. 6. 462 Nach der Durchführung eines Vermittlungsverfahrens muss der Bundesrat erneut auch über die Einlegung eines Einspruchs nach Art. 77 Abs. 3 GG entscheiden können, selbst wenn die Frist zur Anrufung des Vermittlungsausschusses nach Art. 77 Abs. 2 Satz 1 GG durch den Bundesrat bereits verstrichen ist oder nach der Durchführung eines vorhergehenden Vermittlungsverfahrens ein Einspruch in der Frist des Abs. 3 des Art. 77 GG nicht eingelegt worden ist. 463 Die Verkündungsformel lautet dann: „Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen; die verfassungsmäßigen Rechte des Bundesrates sind gewahrt.“ 464 In der Praxis kommt es nur in Ausnahmefällen dazu, dass die Zurückweisung eines Einspruchs durch den Bundestag gem. Art. 77 Abs. 4 GG scheitert. Siehe die Statistik im Handbuch des Bundesrates 2003/04, S. 309. Von der ersten WP bis

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desrat seine Zustimmung zum zustimmungsbedürftigen Teil des Gesetzes erteilt, hinsichtlich des zustimmungsfreien Teils Einspruch einlegt, der Bundestag diesen aber nicht zurückweist bzw. nicht mit der erforderlichen Mehrheit zurückweisen kann. Der zustimmungsbedürftige Teil allein kann nicht Gesetz werden, da dies nicht dem gesetzgeberischen Willen des Bundestages entspricht. Versagt der Bundesrat in einem vierten Fall endgültig die Zustimmung zu den zustimmungsbedürftigen Normen eines Gesetzes, legt gegen die zustimmungsfreien Bestimmungen aber keinen Einspruch ein, kommt das Gesetz mit seinen zustimmungsfreien Bestimmungen nach Maßgabe des Willens des Bundestages zustande. Differenziert der Bundesrat hinsichtlich seines Votums trotz eines differenzierenden Gesetzesbeschlusses des Bundestages nicht, wirkt sich dies im Ergebnis wie in dem hier beschriebenen vierten Fall aus. Ein Einspruch muss ausdrücklich eingelegt und kann nicht aus einer Zustimmungsverweigerung, die sich nach hier vertretener Auffassung nur auf die zustimmungsbedürftigen Vorschriften bezieht, hergeleitet werden.465 Das Gesetz kommt in diesem Fall sofort, d. h. ohne dass der Bundestag auf einen Einspruch des Bundesrates reagieren muss, mit seinem zustimmungsfreien Inhalt zustande. Die Konstellation, dass der Bundesrat gegen ein Mischgesetz allein Einspruch einlegt, ist durch Art. 77 Abs. 2a GG ausdrücklich ausgeschlossen, da der Bundesrat, soweit zu einem Gesetz (auch) seine Zustimmung erforderlich ist, über diese in angemessener Frist Beschluss zu fassen hat. Im Ergebnis bleibt damit zunächst festzuhalten: Auf einen differenzierenden Gesetzesbeschluss des Bundestages kann der Bundesrat mit einem differenzierenden Votum reagieren. Insoweit ist eine getrennte Behandlung von zustimmungsbedürftigen und zustimmungsfreien Vorschriften eines Mischgesetzes im Gesetzgebungsverfahren möglich. Schwierigkeiten, die sich unbestreitbar aus der gewollten Differenzierung ergeben, sind überwindbar. Ein Verstoß gegen Vorschriften des Gesetzgebungsverfahrens hat die hier vorgeschlagene Differenzierung nicht zur Folge. 2. Grenzen einer Differenzierung Die Beschlusskompetenz des Bundestages ist in den oben beschriebenen Fallkonstellationen durch das differenzierende Votum des Bundesrates nicht verletzt. Will der Bundestag, dass ein Gesetz wenigstens mit den zustimzum 15.9.2003 wurden nur zwölf Einsprüche vom Bundestag nicht zurückgewiesen oder nicht behandelt. 465 Vgl. Bryde, in: v. Münch/Kunig, Art. 77 Rn. 8.

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4. Abschn.: Einheitsthese oder Trennungsthese

mungsfreien materiell-rechtlichen Bestimmungen zustande kommt, liegt in der nur auf die zustimmungsbedürftigen Vorschriften bezogenen Zustimmungsversagung durch den Bundesrat keine einseitige Abänderung dieses Willens des Bundestages durch ein anderes an der Gesetzgebung beteiligtes Organ. Verfassungsrechtliche Zweifel an dem hier beschriebenen Vorgehen können sich allenfalls noch in Bezug auf die Zulässigkeit eines Gesetzesbeschlusses nach Art. 77 Abs. 1 Satz 1 GG ergeben, der einen Gesetzesinhalt festlegt, der ggf. nicht insgesamt geltendes Recht wird bzw. unter bestimmten Bedingungen nur teilweise geltendes Recht werden soll. Grundsätzlich gilt: Mit dem Gesetzesbeschluss des Bundestages wird festgestellt, dass der Inhalt einer Gesetzesvorlage Gesetz werden soll.466 Der Gesetzesbeschluss gem. Art. 77 Abs. 1 Satz 1 GG bindet dabei in erster Linie den Bundestag selbst. Sein gesetzgeberischer Wille ist durch diesen abschließend erklärt und wird in dieser Form an den Bundesrat weitergeleitet. Dieser Umstand wird mit dem Begriff der „relativen Unverrückbarkeit des parlamentarischen Votums“ bezeichnet.467 Die Unverrückbarkeit ist im Rahmen des Art. 77 GG insofern „relativ“, als der Gesetzesinhalt im Vermittlungsverfahren geändert werden und der Bundestag diese Änderung gem. Art. 77 Abs. 2 Satz 5 GG annehmen kann. Auch muss der Bundestag einen Einspruch des Bundesrates nicht zurückweisen.468 Unverrückbarkeit des parlamentarischen Votums bedeutet damit, dass der Bundestag seinen Beschluss nicht vollkommen autonom, d. h. ohne entsprechenden Anstoß von Seiten des Vermittlungsausschusses oder des Bundesrates, in demselben Gesetzgebungsverfahren korrigieren bzw. fallenlassen kann.469 Der Grundsatz der absoluten Unverrückbar466 Vgl. Bryde, in: v. Münch/Kunig, Art. 77 Rn. 5; Masing, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, Art. 77 Rn. 14 f. 467 Vgl. Masing, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 77 Rn. 15; Lücke, in: Sachs, Art. 77 Rn. 3; Bryde, in: v. Münch/Kunig, Art. 77 Rn. 6, der zwischen absoluter und relativer Unverrückbarkeit nicht ausdrücklich differenziert. 468 Siehe auch Masing, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 77 Rn. 16; Kokott, in: BK, Art. 77 Rn. 25. Die Zurückweisung des Einspruchs hat eine andere Qualität als der Beschluss nach Art. 77 Abs. 2 Satz 5 GG. Sie stellt keinen neuen Gesetzesbeschluss dar, sondern eine – mit qualifizierter Mehrheit zu treffende – Entscheidung über den Einspruch des Bundesrates. Vgl. Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 77 Rn. 8; Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 77 Rn. 19. Bezieht man die Unverrückbarkeit des parlamentarischen Votums auf den Inhalt des Beschlusses, stellt die Möglichkeit, den Einspruch des Bundesrates nicht zurückzuweisen, keine Durchbrechung dieses Grundsatzes dar. 469 Der Grundsatz der Unverrückbarkeit gilt nur für die Beschlussänderung durch dasselbe Organ. Vgl. Fritz, S. 85. Unklar insoweit Masing, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, Art. 77 Rn. 15, wenn er auch darauf abstellt, dass der Bundesrat und der Vermittlungsausschuss das Votum nicht allein abändern können.

C. Konsequenzen für das Gesetzgebungsverfahren

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keit des parlamentarischen Votums gilt erst für das „zustande gekommene“ Gesetz.470 In einem Zwei-Kammer-System ist es Zielrichtung des Grundsatzes der relativen Unverrückbarkeit des parlamentarischen Votums insbesondere, das Votum des zweiten an der Gesetzgebung beteiligten Organs an ein „unverrückbares“ erstes Votum zu knüpfen, um Unsicherheiten im Gesetzgebungsverfahren darüber, welcher Beschluss in welchem Beratungsstadium gelten soll, zu vermeiden.471 Es geht hierbei also nicht um den Schutz der Gestaltungsfreiheit des Bundestages, sondern um die Schaffung einer gesicherten Basis für das Votum des Bundesrates. Diese ist aber, will man nicht einer streng formalistischen Betrachtungsweise erliegen, durch einen in der beschriebenen Form differenzierenden Gesetzesbeschluss des Bundestages nicht gefährdet. Der Bundestag bringt mit einem solchen Beschluss eindeutig zum Ausdruck, dass der Inhalt der Vorlage Gesetz werden soll – insgesamt, wenn der Bundesrat seine Zustimmung erteilt, aber wenigstens mit seinen zustimmungsfreien Normen, wenn der Bundesrat seine Zustimmung verweigert. Der Beschluss des Bundestages nach Art. 77 Abs. 1 Satz 1 GG ist insoweit unverrückbar; er wird durch den Bundestag nicht mehr abgeändert; der Bundesrat weiß, worüber er Beschluss fasst. Der Grundsatz der Unverrückbarkeit des parlamentarischen Votums kann einer differenzierenden Behandlung eines Mischgesetzes auf der Grundlage eines entsprechend gestalteten Beschlusses des Bundestages damit nicht entgegengehalten werden. Da auch aus Art. 78 GG eine einheitliche Behandlung eines Mischgesetzes nach hier vertretener Ansicht nicht hergeleitet werden kann, steht schließlich dem „Zustandekommen“ des Gesetzes nur mit seinen zustimmungsfreien Normen nichts (mehr) entgegen. Dieses ist dann das „vom Bundestag beschlossene Gesetz“. Gibt der Bundestag jedoch nicht bereits in seinem Gesetzesbeschluss nach Art. 77 Abs. 1 Satz 1 GG zu erkennen, dass die zustimmungsfreien Bestimmungen eines Gesetzes auch im Fall der Zustimmungsverweigerung durch den Bundesrat Gesetz werden sollen, stößt eine differenzierende Behandlung im Gesetzgebungsverfahren an ihre Grenzen. Verweigert der Bundesrat dem „Gesetz“ seine Zustimmung, können die zustimmungsfreien Normen allein nicht Gesetz werden, weil hierdurch der Gesetzesbeschluss des Bundestages durch den Beschluss des Bundesrates abgeändert würde. 470

Vgl. Stettner, in: Dreier, Art. 78 Rn. 3; Kokott, in: BK, Art. 78 Rn. 4. Siehe Hatschek, Deutsches und Preußisches Staatsrecht, Bd. 2, S. 82, 90: „In jedem Beratungsstadium gilt der Grundsatz: ‚Worüber abgestimmt, darüber ist abgestimmt.‘“ 471

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4. Abschn.: Einheitsthese oder Trennungsthese

Die Beschlusskompetenz des Bundestages wäre beeinträchtigt. Insoweit bleibt es bei der „Schicksalsgemeinschaft“ der zustimmungsfreien und zustimmungsbedürftigen Normen.472 Ein differenzierendes Votum des Bundesrates im Gesetzgebungsverfahren macht dann keinen Sinn. Mit dem Ziel der Ermöglichung einer Differenzierung auch in dieser Fallkonstellation hatte das Sondervotum von Heinsen, Rietdorf und Böckenförde zum Schlussbericht der Enquete-Kommission Verfassungsreform die Schaffung eines an die Regelung des Art. 77 Abs. 4 GG angelehnten473 Art. 77 Abs. 5 GG vorgesehen. Dieser sollte folgenden Wortlaut haben:474 „Verweigert der Bundesrat einem Gesetz die Zustimmung, das neben Regelungen, die die Zustimmungspflicht begründen, auch andere Regelungen enthält, so kann der Bundestag das Gesetz mit dem nicht zustimmungsbedürftigen Inhalt bestätigen. Die Bestätigung bedarf eines Beschlusses der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages; hat der Bundesrat die Zustimmung mit einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln seiner Stimmen verweigert, so bedarf die Bestätigung durch den Bundestag einer Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder des Bundestages.“ Art. 78 GG sollte dementsprechend durch einen Satz 2 ergänzt werden, der bestimmte: „Ein Gesetz, dem der Bundesrat die Zustimmung verweigert hat, kommt mit dem nicht zustimmungsbedürftigen Inhalt zustande, wenn der Bundestag diesen nach Art. 77 Abs. 5 bestätigt.“ Ein solches Bestätigungsrecht des Bundestages in Bezug auf die zustimmungsfreien Normen eines Gesetzes lässt sich de lege ferenda verwirklichen, de lege lata aber, entgegen vereinzelter Stimmen im Schrifttum, nicht widerspruchsfrei konstruieren. Pestalozza hat als Grundlage für ein solches Bestätigungsrecht Art. 77 Abs. 2 Satz 5 GG vorgeschlagen, den er analog heranziehen will. Der Bundestag könne über den zustimmungsfreien Teil noch in demselben Gesetzgebungsverfahren separat beschließen; nach der Beschlussfassung des Bundestages sei auch der Bundesrat erneut zu beteiligen.475 Der Bundesrat müsse die Möglichkeit haben, zu dem „Restgesetz noch einmal Stellung zu nehmen, wenn es aus seinem bisherigen Kontext herausgelöst und verselbständigt ist“476. 472

Vgl. Ossenbühl, AöR 99 (1974), 369, 413. Vgl. das Sondervotum Heinsen, Rietdorf, Böckenförde, Schlußbericht der Enquete-Kommission, Zur Sache 3/76, S. 222 f. Vgl. hierzu die Anmerkung von Grawert, Der Staat 18 (1979), 229, 250 f. 474 Vgl. das Sondervotum Heinsen, Rietdorf, Böckenförde, Schlußbericht der Enquete-Kommission, Zur Sache 3/76, S. 217. 475 Vgl. Pestalozza, JuS 1975, 366, 370 f. 476 Pestalozza, JuS 1975, 366, 371. 473

C. Konsequenzen für das Gesetzgebungsverfahren

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Ein solches Bestätigungsrecht des Bundestages verstößt jedoch gegen den soeben dargestellten Grundsatz der relativen Unverrückbarkeit des Gesetzesbeschlusses. Der Bundestag modifiziert außerhalb der vorgesehenen Möglichkeit des Vermittlungsverfahrens seinen Beschluss dahingehend, dass er auch das Zustandekommen nur der zustimmungsfreien Normen als Gesetz will. Dies ist eine einseitige Änderung des Gesetzesbeschlusses nach Art. 77 Abs. 1 Satz 1 GG. Mit der verfassungsrechtlich vorgesehenen Möglichkeit der erneuten Beschlussfassung nach Art. 77 Abs. 2 Satz 5 GG auf der Grundlage des Vorschlags des Vermittlungsausschusses ist diese Situation nicht vergleichbar. Eine analoge Anwendung scheidet damit aus. Ob die Möglichkeit besteht, im Vermittlungsausschuss ein Gesetz aufzuspalten, ist eine Frage der nachträglichen, reaktiven Teilung eines Gesetzes.477 3. Folgerungen Die hier allein für verfassungsrechtlich zulässig gehaltene Möglichkeit eines differenzierenden Gesetzesbeschlusses des Bundestages nach Art. 77 Abs. 1 Satz 1 GG gleicht der auch heute schon bestehenden Möglichkeit der Aufspaltung eines Gesetzesvorhabens in ein zustimmungsfreies und ein zustimmungsbedürftiges Teilgesetz noch vor Einleitung des Gesetzgebungsverfahren oder im Verlauf der parlamentarischen Beratungen im Bundestag.478 Ein nicht unwesentlicher Unterschied dieser beiden Vorgehensweisen liegt jedoch darin, dass im ersten Fall Bundesregierung und Bundestagsmehrheit die Zusammenfassung von materiell-rechtlichen und organisationsund verfahrensrechtlichen Vorschriften nicht vor Zuleitung des Gesetzes an den Bundesrat aufgeben (müssen), sondern so lange wie möglich aufrechterhalten können.479 Dies ist unter Zugrundelegung der Einheitsthese (in demselben Gesetzgebungsverfahren) regelmäßig nur um den Preis der Kompromissfindung mit dem Bundesrat auch in Bezug auf materiell-rechtliche Vorschriften des Mischgesetzes möglich. Kann der Bundesrat im Fall eines differenzierenden Gesetzesbeschlusses des Bundestages durch seine Zustimmungsverweigerung jedoch nicht mehr das ganze Gesetz einschließlich der materiell-rechtlichen zustimmungsfreien Vorschriften zu Fall bringen, schwindet der Einigungsdruck im Vermittlungsausschuss bzw. konzentriert sich mehr auf die tatsächlich zustimmungsbedürftigen Bestimmungen eines Gesetzes. Verhindert der Bundesrat durch seine Zustimmungsverweigerung letztlich nur das Zustandekommen 477

Siehe dazu unten Fünfter Abschnitt E. II. Siehe hierzu unten Fünfter Abschnitt E. I., II. 2. 479 Vgl. auch das Sondervotum Heinsen, Rietdorf, Böckenförde, Schlußbericht der Enquete-Kommission, Zur Sache 3/76, S. 224. 478

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4. Abschn.: Einheitsthese oder Trennungsthese

des zustimmungsbedürftigen Teils des Gesetzes, verringert sich der Anreiz für normzweckinadäquates Begründungsverhalten. Gleichzeitig bleibt eine Einigung auf das zusammengefasste Gesetz, dessen Einheit durch eine Teilung vor Zuleitung an den Bundesrat bereits aufgehoben wäre, aber noch möglich. Sie wird wahrscheinlicher, weil der Bundesrat selten tatsächlich gegen die nach Art. 84 Abs. 1 GG zustimmungsbedürftigen Vorschriften solche – mehr als technische – Bedenken erhebt, denen Bundesregierung und Bundestagsmehrheit nicht durch Änderung der organisations- und verfahrensrechtlichen Regelungen entgegenkommen können bzw. wollen. Für die Länder ist die Versagung der Zustimmung zu bundeseinheitlichen Ausführungsregelungen möglicherweise dann ein „Eigentor“480, wenn sie im Rahmen der Ausführung der Gesetz gewordenen materiell-rechtlichen Bestimmungen die abgelehnten bundesrechtlichen Zuständigkeits- und Verfahrensregelungen durch Selbstkoordinierung rezipieren (müssen).481 Durch die hier vorgeschlagene Vorgehensweise wäre die viel beklagte, in bestimmten Konstellationen unmöglich gewordene Zurechenbarkeit von Verantwortung für das Scheitern eines Gesetzes in erheblichem Maße wiederherstellbar. Streitigkeiten über die Zugehörigkeit einzelner Bestimmungen zum materiell-rechtlichen oder organisations- und verfahrensrechtlichen Teil des Gesetzes können im Vermittlungsverfahren ausgetragen werden. In einem Beschluss nach Art. 77 Abs. 2 Satz 5 GG kann der Bundestag den zustimmungsfreien Teil des Gesetzes, dessen Zustandekommen er in jedem Fall will, ggf. durch Herausnehmen weiterer als zustimmungsbedürftig erkannter Bestimmungen modifizieren. Das von Isensee bei einer solchen Vorgehensweise insgesamt befürchtete „heillose Durcheinander“482 stellt sich tatsächlich nicht ein. Eine Absage an die Einheitsthese eröffnet nach hier vertretener Ansicht damit die Möglichkeit einer differenzierten Behandlung eines Mischgesetzes im Gesetzgebungsverfahren und in Bezug auf sein „Zustandekommen“. Die Regierungsmehrheit muss allerdings aktiv von dieser Option Gebrauch machen. Für Gesetze, die Bundesregierung und Bundestag entgegen der Auffassung des Bundesrates für zustimmungsfrei halten, ändert sich unter Zugrundelegung einer Trennungsthese zunächst nichts. Diese Gesetze durchlaufen komplett als Einspruchsgesetze das Verfahren der Bundesgesetzgebung. Ist nach einer Abkehr von der Einheitsthese jedoch nicht mehr das ganze Gesetz zustimmungsbedürftig, sondern bedarf nur die einzelne zustimmungsbedürftige Norm der Zustimmung des Bundesrates, ist bei fehlender Zu480 481 482

Konow, ZRP 1973, 158, 160. Vgl. Konow, ZRP 1973, 158, 160 f.; Fritz, S. 128. Isensee, in: FS von Arnim, S. 603, 621.

C. Konsequenzen für das Gesetzgebungsverfahren

273

stimmung nicht das ganze Gesetz nicht zustande gekommen und damit insgesamt formell verfassungswidrig, sondern zunächst nur die einzelne zustimmungsbedürftige Norm.483 Verweigert der Bundesrat solchen, in Bezug auf ihre Zustimmungsbedürftigkeit umstrittenen Gesetzen nicht nur die Zustimmung, sondern legt, was zulässig ist, hilfsweise Einspruch ein, muss der Bundestag diesen gem. Art. 77 Abs. 4 GG zurückweisen, um eine mögliche Aufrechterhaltung der zustimmungsfreien Bestimmungen des Gesetzes sicherzustellen. Die Aufgabe der Einheitsthese mit der Folge, dass bei fehlender Zustimmung zu – im Extremfall – nur einer einzigen zustimmungsauslösenden Norm nicht mehr die Verfassungswidrigkeit des ganzen Gesetzes droht, verringert damit aber auch in dieser Konstellation den Einigungsdruck im Gesetzgebungsverfahren. Für eine verfassungsgerichtliche Kontrolle des Gesetzes auf Antrag einer Landesregierung bedeutet dies, dass sie nicht mehr in jedem Fall dazu führen kann, dass das ganze Gesetz vom Bundesverfassungsgericht für mit dem Grundgesetz unvereinbar und nichtig erklärt wird. Für ein Verfassungsbeschwerdeverfahren gilt parallel, dass der Beschwerdeführer geltend machen muss, gerade durch die einzelne zustimmungsbedürftige Norm eines ohne Zustimmung ergangenen Gesetzes in seinen Grundrechten verletzt zu sein.484 Man mag die Befürchtung äußern, dass es im Fall der Etablierung einer Trennungsthese regelmäßig Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts sein wird, ein Gesetz im Hinblick auf seine zustimmungsfreien materiell-rechtlichen und seine zustimmungsbedürftigen organisations- und verfahrensrechtlichen Vorschriften zu „zerpflücken“. Das Gericht sähe sich dann mit der Aufgabe der Abgrenzung zwischen materiellem und formellem Recht konfrontiert, der es in der Vergangenheit nicht selten mit dem Hinweis auf das Vorliegen „jedenfalls“ einer nach Art. 84 Abs. 1 GG zustimmungsbedürftigen Norm aus dem Weg gehen konnte. Dies vermag zu mehr Klarheit in dieser Frage zu führen und damit positive Rückwirkungen auf die Gesetzgebung zu entfalten. Die Gefahr, dass das Bundesverfassungsgericht mit Normenkontrollanträgen von Seiten der Länder „überschüttet“ wird, besteht dagegen kaum oder zumindest nicht unbedingt, gerade weil die Identifizierung einer Vorschrift als nach Art. 84 Abs. 1 GG zustimmungsbedürftige grundsätzlich nur diese, nicht aber das Gesetz als Ganzes verfassungswidrig werden lässt, die Länder also ein spezifisches Interesse an der Unwirksamkeit der Vorschrift haben müssen, deren organisations- und/oder verwaltungsverfahrensrechtlicher Charakter streitig ist. Auch in Bezug auf die verfassungsgerichtliche Überprüfung von Gesetzen führt die Abkehr 483

Siehe hierzu sogleich unten in diesem Abschnitt D. I. Vgl. zu den Voraussetzungen für die Beschwerdebefugnis Ruppert, in: Umbach/Clemens/Dollinger, § 90 Rn. 52; Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, § 12 Rn. 27. 484

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4. Abschn.: Einheitsthese oder Trennungsthese

von der Einheitsthese damit möglicherweise zu einem normzweckadäquaten Begründungsverhalten der antragstellenden Landesregierungen im Normenkontrollverfahren. Einer Bewertung, die zu dem Ergebnis gelangt, dass eine „Korrektur der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung keine Handlungsspielräume eröffnen [würde], die nicht auch schon bisher gegeben wären, wenn ein entsprechender politischer Wille vorhanden wäre“485, kann demnach nur zum Teil gefolgt werden. Richtig ist, dass Bundesregierung und Bundestagsmehrheit mit den Möglichkeiten einer aktiven und reaktiven Teilung von Gesetzesvorhaben erhebliche Gestaltungsmöglichkeiten an die Hand gegeben sind, die sie aber nur in geringem Ausmaß nutzen. Eine (zugegebenermaßen mit erheblichem Aufwand verbundene und mit den Schwierigkeiten der Analyse gesetzgeberischer Motivation konfrontierte) Untersuchung über die Gründe der dahingehenden Zurückhaltung auf Seiten der jeweiligen Regierungsmehrheit existiert leider nicht. Zumindest in den Fällen, in denen von einer Aufspaltung des Mischgesetzes vor Beginn des formellen Gesetzgebungsverfahrens bzw. vor Beschlussfassung im Bundestag aufgrund der hiermit verbundenen Nachteile Abstand genommen wird, kann die hier vorgeschlagene Lösung Abhilfe schaffen. Insgesamt lassen sich die gesetzgeberischen Gestaltungsmöglichkeiten durch eine differenzierte Behandlung innerhalb eines Gesetzes gegenüber denen einer Teilung noch optimieren. Der fehlende „politische Wille“ zum Abbau des sekundären Vetobereichs des Bundesrates mag durch diese, aus einer Trennungsthese folgenden Optionen gesetzgeberischer Gestaltung, auch unter dem Druck klarer Zurechenbarkeit von Verantwortung für das Scheitern eines „ganzen Gesetzes“, noch stimuliert werden. Der Umfang des hiermit zusätzlich eröffneten Entflechtungspotentials ist, dies ist zuzugeben, allerdings nicht abzuschätzen. Dies gilt auch für den neuen Handlungsspielraum, den Bundesregierung und Bundestagsmehrheit durch eine Änderung der Rechtsprechung schon dadurch gewönnen, dass die fehlende Zustimmung zu einzelnen Normen nicht mehr automatisch die Gesamtnichtigerklärung des Gesetzes bei einer Kontrolle durch das Bundesverfassungsgericht zur Folge hätte. Dass die Anstoßwirkung einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in Bezug auf den Gestaltungswillen der politischen Akteure jedenfalls nicht zu unterschätzen ist, hat zuletzt die im Urteil zum Lebenspartnerschaftsgesetz ausgesprochene Aufforderung zur Aufspaltung von Gesetzesvorhaben in zustimmungsfreie und nach Art. 84 Abs. 1 GG zustimmungsbedürftige Gesetze gezeigt. Auch wenn genaue Zahlen bisher nicht vorliegen, scheint – auch unter dem Druck lang anhaltender Oppositionsmehrheit im Bundesrat – die Bereitschaft zur Tei485

Papier, DVP 2005, 1, 4.

C. Konsequenzen für das Gesetzgebungsverfahren

275

lung von Gesetzen auf Seiten der Regierungsmehrheit zuletzt zugenommen zu haben.

II. Ausfertigung und Gegenzeichnung Für das Gesetzgebungsverfahren nach Art. 77 GG wurden die verfassungsrechtlichen Möglichkeiten und Grenzen einer Differenzierung zwischen zustimmungsfreien und zustimmungsbedürftigen Vorschriften eines Mischgesetzes aufgezeigt. Noch unbeantwortet geblieben ist bisher die Frage, ob bzw. wie die gewonnenen Ergebnisse sich mit den Bestimmungen über die Ausfertigung und Gegenzeichnung von Gesetzen in Einklang bringen lassen. Bei der Etablierung einer Trennungsthese entsteht dabei insbesondere im Hinblick auf solche Gesetze, die möglicherweise einzelne zustimmungsbedürftige Normen enthalten, von Bundesregierung und Bundestag aber (entgegen der Ansicht des Bundesrates) als vollständig zustimmungsfrei betrachtet und daher als Einspruchsgesetze behandelt werden, Klärungsbedarf. 1. Die Ausfertigung gem. Art. 82 Abs. 1 Satz 1 GG Auf das „föderale Mitwirkungsstadium“ des Gesetzgebungsverfahrens folgt das „exekutive Erlassstadium“486. Gem. Art. 82 Abs. 1 Satz 1 GG werden die nach den Vorschriften des Grundgesetzes zustande gekommenen Gesetze vom Bundespräsidenten nach Gegenzeichnung ausgefertigt.487 Ausfertigung, Gegenzeichnung und anschließende Verkündung nach Abs. 1 bilden die letzten Verfahrensakte der Bundesgesetzgebung.488 Diese sind, so das Bundesverfassungsgericht, „integrierender Bestandteil des Rechtsetzungsaktes selbst“489. Die dem Bundespräsidenten vorliegende Gesetzes486

So die Terminologie bei Lücke, in: Sachs, Art. 82 Rn. 1. Zum verfassungshistorischen Kontext des Art. 82 GG siehe Maurer, in: BK, Art. 82 Rn. 12 ff.; Ramsauer, in: AK, Art. 82 Rn. 1 ff.; Brenner, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, Art. 82 Rn. 1 ff.; Weber-Fas, in: FS Duden, S. 685, 700 f.; Ladenburger, S. 31 ff. Zu den Vorgängernormen Art. 70 WRV vgl. auch Poetzsch-Heffter, WRV, Art. 70 Anm. 2 ff. Zu Art. 17 Abs. 1 RV vgl. Laband, Staatsrecht, Bd. 2, S. 42 ff. Wenn der Kaiser ein Reichsgesetz promulgierte, war damit zugleich in rechtswirksamer Weise konstatiert, dass das Gesetz verfassungsmäßig zustande gekommen ist. Ein richterliches Prüfungsrecht der Verfassungsmäßigkeit der Reichsgesetze wurde damit gleichzeitig verneint. Diese „Dialektik zwischen präsidentiellem und judikativem Prüfungsrecht“ (Weber-Fas, in: FS Duden, S. 685, 701) begegnet auch in der Weimarer Staatsrechtslehre, die überwiegend ein umfassendes Prüfungsrecht des Bundespräsidenten bejahte, ein Prüfungsrecht der Richter aber verneinte. Vgl. Anschütz, WRV, Art. 70 Anm. 3 f. Siehe dazu Ladenburger, S. 42 ff. 488 Vgl. Lücke, in: Sachs, Art. 82 Rn. 1; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 82 Rn. 1. 489 BVerfGE 7, 330, 337. Siehe in Bezug auf die Verkündung auch BVerfGE 42, 263, 283. Die Ausfertigung des Gesetzes erfolgt durch die Herstellung der Urschrift 487

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4. Abschn.: Einheitsthese oder Trennungsthese

urkunde muss mit dem beschlossenen Gesetzestext übereinstimmen. Die Ausfertigung hat insofern die Funktion, die Authentizität des Wortlauts des Gesetzes zu bestätigen.490 Druckfehler und andere offensichtliche Unrichtigkeiten dürfen korrigiert werden.491 Im Übrigen gilt für zustande gekommene Gesetze der Grundsatz der absoluten Unverrückbarkeit des parlamentarischen Votums.492 Der Bundespräsident kann das ihm vorliegende Gesetz nur als Ganzes ausfertigen oder die Ausfertigung auf der Grundlage und im Rahmen der ihm zustehenden Prüfungs- und Verwerfungskompetenz insgesamt ablehnen.493 Darüber hinausgehend darf er die Entscheidung des parlamentarischen Gesetzgebers nicht in Frage stellen.494 Für den hier für verfassungsrechtlich zulässig gehaltenen Fall, dass eine Vorlage nach Zustimmungsverweigerung durch den Bundesrat und möglicherweise erforderlicher Zurückweisung eines Einspruchs – dem im Gesetzesbeschluss des Bundestages geäußerten Willen gemäß – nur mit seinen eindeutig gekennzeichneten zustimmungsfreien Normen Gesetz wird, ergeben sich in Bezug auf die Ausfertigung durch den Bundespräsidenten keine Schwierigkeiten. Ist eine differenzierte Behandlung im Gesetzgebungsverfahren zulässig, ist ein solches Gesetz „nach den Vorschriften dieses Grundgesetzes zustande gekommen“ und kann vom Bundespräsidenten gem. Art. 82 Abs. 1 Satz 1 GG ausgefertigt werden.495 Hält man dies für verfassungsrechtlich unzulässig, kann man jedenfalls nicht erst an die Ausfertigungskompetenz des Bundespräsidenten anknüpfen. des Gesetzes, indem der Bundespräsident den in der Regel bereits gegengezeichneten Originaltext des Gesetzes unterschreibt und datiert. Ausführlich Ramsauer, in: AK, Art. 83 Rn. 11 ff. Siehe auch Maurer, in: BK, Art. 82 Rn. 19; Lücke, in: Sachs, Art. 82 Rn. 2. 490 Vgl. Maurer, in: BK, Art. 82 Rn. 21. 491 Vgl. BVerfGE 48, 1, 18 f.; 105, 313, 335. Die offensichtliche Unrichtigkeit kann sich danach nicht allein aus dem Normtext, sondern insb. auch unter Berücksichtigung des Sinnzusammenhangs und der Materialien des Gesetzes ergeben. Siehe auch Maurer, in: BK, Art. 82 Rn. 115 f.; Ramsauer, in: AK, Art. 82 Rn. 13a. 492 Vgl. Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 82 Rn. 2; Lücke, in: Sachs, Art. 82 Rn. 1; Ramsauer, in: AK, Art. 82 Rn. 6. 493 Vgl. Ramsauer, in: AK, Art. 82 Rn. 6; Herzog, in: FS Carstens, S. 601, 607. 494 Die Ausfertigungskompetenz des Bundespräsidenten wird angesichts des Übergangs der Legislativgewalt auf das Parlament teilweise als ein „Relikt der konstitutionellen Monarchie“ (Friesenhahn, in: FS Leibholz, S. 679, 682) und damit „reformbedürftiger Fremdkörper“ im grundgesetzlichen Kompetenzgefüge (Lücke, in: Sachs, Art. 82 Rn. 2) betrachtet. Die in diese Richtung zielende Kritik an der Ausfertigungskompetenz des Bundespräsidenten hält die überwiegende Ansicht für unberechtigt. Vgl. Ramsauer, in: AK, Art. 82 Rn. 9; Maurer, in: BK, Art. 82 Rn. 24. 495 Vgl. schon Schneider, DVBl. 1957, 257, 261. A. A. Isensee, in: FS von Arnim, S. 603, 619 f., unter der Prämisse, dass der Bundespräsident die Normen des Gesetzes, die zustimmungsfrei sind, selbst herausfiltern muss.

C. Konsequenzen für das Gesetzgebungsverfahren

277

Wie ist aber der Fall zu behandeln, bei dem ein allein vom Bundesrat für zustimmungsbedürftig gehaltenes „Gesetz“ als Einspruchsgesetz das Gesetzgebungsverfahren passiert, aber (möglicherweise) zustimmungsbedürftige Normen enthält? Hierzu gehört auch der Fall, in dem das dem Willen des Bundestages gemäß zustande gekommene, nach seiner Ansicht zustimmungsfreie Teilgesetz (doch noch) einzelne zustimmungsbedürftige Vorschriften nach Art. 84 Abs. 1 GG beinhaltet. a) Die Prüfungs- und Verwerfungskompetenz des Bundespräsidenten bei formeller Verfassungswidrigkeit des Gesetzes Zur Ausfertigung des Gesetzes ist der Bundespräsident grundsätzlich verpflichtet.496 Einigkeit besteht in der Literatur aber allgemein darüber, dass dem Bundespräsidenten jedenfalls eine Prüfungs- und damit Verwerfungskompetenz hinsichtlich der formellen Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes zusteht.497 Begründet wird dies zunächst mit dem Wortlaut des Art. 82 Abs. 1 Satz 1 GG unter „rechtssystematischer Hinzunahme“498 des Art. 78 GG. Die in Art. 82 Abs. 1 Satz 1 GG verwendete Formulierung der „nach den Vorschriften dieses Grundgesetzes zustande gekommenen Gesetze“ verweise auf Art. 78 GG und damit auf die grundgesetzlichen Vorschriften über das Gesetzgebungsverfahren.499 Auch die Stellung des Bundespräsidenten im Verfahren der Gesetzgebung lege es nahe, ihm die Prüfung der Ordnungsgemäßheit des Zustandekommens des Gesetzes aufzuerlegen. Während die anderen am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organe Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung zunächst nur für die Fehlerfreiheit ihres Mitwirkungsaktes Sorge tragen können, soll es dem Bundespräsidenten obliegen, die Korrektheit des gesamten Gesetzgebungsprozesses zu bestätigen.500 496 Vgl. Maurer, in: BK, Art. 82 Rn. 71; Ramsauer, in: AK, Art. 82 Rn. 15; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 82 Rn. 2; Rubel, in: Umbach/Clemens, Art. 82 Rn. 14; Bryde, in: v. Münch/Kunig, Art. 82 Rn. 9; Brenner, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, Art. 82 Rn. 16. 497 Vgl. Bryde, in: v. Münch/Kunig, Art. 82 Rn. 3; Ramsauer, in: AK, Art. 82 Rn. 17; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 82 Rn. 3; Friesenhahn, in: FS Leibholz, S. 679, 683 ff.; Nierhaus, in: FS Friauf, S. 233, 235; Friauf, in: FS Carstens, S. 545, 547; Epping, JZ 1991, 1102, 1105. Einschränkend Rubel, in: Umbach/Clemens, Art. 82 Rn. 19. 498 Nierhaus, in: FS Friauf, S. 233, 235. 499 Vgl. Friesenhahn, in: FS Leibholz, S. 679, 679 ff.; Bryde, in: v. Münch/ Kunig, Art. 82 Rn. 4; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 82 Rn. 3; Ramsauer, in: AK, Art. 82 Rn. 18; Bauer, in: Dreier, Art. 82 Rn. 12; Brenner, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, Art. 82 Rn. 23; Mewing, S. 46 ff. 500 Vgl. Bryde, in: v. Münch/Kunig, Art. 82 Rn. 2; Brenner, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, Art. 82 Rn. 24.

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4. Abschn.: Einheitsthese oder Trennungsthese

Diese „formelle“ Prüfungskompetenz des Bundespräsidenten umfasst nach herrschender Auffassung nicht nur die Frage nach der Ordnungsgemäßheit des gesamten Gesetzgebungsverfahrens (Art. 76 ff. GG)501, sondern – logisch vorrangig – auch die nach der Gesetzgebungskompetenz des Bundes (Art. 70 ff. GG).502 Dies wird aus dem systematischen Zusammenhang des Art. 82 Abs. 1 Satz 1 GG als eine den VII. Grundgesetzabschnitt über „Die Gesetzgebung des Bundes“ abschließende Vorschrift gefolgert.503 Im Rahmen der Ordnungsgemäßheit des Gesetzgebungsverfahrens soll der Bundespräsident zudem nicht nur zu prüfen haben, ob der Bundesrat in irgendeiner vom Grundgesetz vorgesehenen Form bei der Gesetzgebung mitgewirkt hat, sondern auch, ob die Form der Mitwirkung die von der Verfassung gebotene war, insbesondere also ob eine erforderliche Zustimmung erteilt worden ist.504 Dass die Qualifizierung eines Gesetzes als Einspruchs- oder Zustimmungsgesetz die Klärung „materiell-rechtlicher“ Vorfragen erforderlich machen könne, ändert nach dieser Auffassung nichts an der Einordnung der Frage nach der verfassungsrechtlich gebotenen Beteiligungsform des Bundesrates als „formelle“ Frage.505 Der Bundespräsident kann nach ganz herrschender Auffassung demnach die Ausfertigung eines Gesetzes bei fehlender, nach Art. 84 Abs. 1 GG erforderlicher Zustimmung des Bundesrates grundsätzlich verweigern.506 501 Die von Rubel, in: Umbach/Clemens, Art. 82 Rn. 19, vorgebrachte Einschränkung, dass es sich bei Verfahrensmängeln, die eine Verweigerungskompetenz des Bundespräsidenten begründen, um solche handeln muss, die zur Nichtigkeit des Gesetzes führen würden, dürfte eine selbstverständliche sein. Die Nichtbeachtung grundgesetzlicher Verfahrensvorschriften führt dann zur Nichtigkeit, wenn es sich bei diesen um zwingendes Verfassungsrecht handelt und der Gesetzesbeschluss auf dem Verstoß gegen diese beruht. Vgl. BVerfGE 44, 308, 313. Der Mangel im Gesetzgebungsverfahren führt, so das Gericht an anderer Stelle, dann zur Nichtigkeit, wenn er „evident“ ist. Siehe BVerfGE 34, 9, 25. Siehe auch Stettner, in: Dreier, Art. 76 Rn. 6; Masing, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 77 Rn. 24. Krit. gegenüber dem Evidenzkriterium Huber/Fröhlich, DÖV 2005, 322, 332 m. w. N. In Bezug auf eine fehlende Zustimmung ergeben sich im Hinblick auf diese Anforderungen keine Schwierigkeiten. 502 Vgl. Nierhaus, in: FS Friauf, S. 233, 235; Bryde, in: v. Münch/Kunig, Art. 82 Rn. 2; Bauer, in: Dreier, Art. 82 Rn. 12; Brenner, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 82 Rn. 23. Nachweise älterer Literatur bei Mewing, S. 20 Fn. 22. Dagegen Lücke, in: Sachs, Art. 82 Rn. 3 f. Krit. auch Rubel, in: Umbach/Clemens, Art. 82 Rn. 19. 503 Vgl. Mewing, S. 48 f. 504 Vgl. Friesenhahn, in: FS Leibholz, S. 679, 685; Mewing, S. 50. 505 Vgl. Nierhaus, Entscheidung, Präsidialakt und Gegenzeichnung, S. 95 m. w. N.; ders., in: FS Friauf, S. 233, 235. Siehe auch Friauf, in: FS Carstens, S. 545, 558. 506 Diese – von Mewing (S. 20) als „umfassend-formelle Ausfertigungstheorie“ bezeichnete – herrschende Auffassung ist in der Literatur nur vereinzelt in Frage gestellt worden. Mit beachtenswerten Argumenten hat sich Ladenburger in den sechziger Jahren gegen die Annahme einer sich auf die gesamte formelle Verfas-

C. Konsequenzen für das Gesetzgebungsverfahren

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In der Staatspraxis507 wurde die Ausfertigung eines Gesetzes bisher in zwei Fällen wegen fehlender Zustimmung des Bundesrates vom Bundespräsidenten abgelehnt. Heuss verweigerte im Jahre 1951 nach der bereits erwähnten gutachterlichen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts die Ausfertigung des Gesetzes zur Durchführung des Art. 108 Abs. 2 (a. F.) GG.508 Im Jahre 1976 weigerte sich Scheel, die politisch höchst umstrittene (erste) Wehrpflichtnovelle auszufertigen.509 Dessen verfassungsrechtliche Bedenken wurden in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Zivildienstnovelle (Wehrpflichtänderungsgesetz 1977)510 später in anderem Zusammenhang bestätigt. In der Mehrzahl der Fälle haben die Bundespräsidenten aber bisher bei verfassungsrechtlichen Zweifeln über die Zustimsungsmäßigkeit eines Gesetzes und damit auch auf das Vorliegen der Voraussetzungen der Zustimmungsbedürftigkeit beziehenden Prüfungskompetenz des Bundespräsidenten ausgesprochen. Vgl. Ladenburger, insb. S. 9, 15, 25 ff., 29, 51, 54 ff. Siehe auch Weber-Fas, in: FS Duden, S. 685, 702, dessen Position aber nicht eindeutig zum Ausdruck kommt. Mewing, S. 19 f. Fn. 21 zählt fälschlicherweise auch Friesenhahn zu den Vertretern einer „formell-beschränkten Ausfertigungstheorie“. In neuerer Zeit hat insb. Lücke eine restriktive Interpretation des Art. 82 Abs. 1 Satz 1 GG vertreten, an der Prüfungskompetenz hinsichtlich der Zustimmungsbedürftigkeit eines Gesetzes jedoch festgehalten. Vgl. Lücke, in: Sachs, Art. 82 Rn. 2 ff. Ladenburger will die „formelle“ Prüfungskompetenz des Bundespräsidenten bei der Gesetzesausfertigung auf das „formell korrekte“ Zustandekommen des auszufertigenden Gesetzes im Sinne „der richtigen Handhabung des eingeschlagenen Verfahrensweges“ beschränken, aber gerade nicht auf „das verfassungsmäßige Zustandekommen im Sinne der verfassungsmäßigen Richtigkeit des Verfahrens“ erstrecken (S. 9). Der Wortlaut des Art. 82 Abs. 1 Satz 1 GG zwinge nicht zur Annahme einer umfassenden formellen Prüfungskompetenz (S. 15, 26). Die Formulierung „nach den Vorschriften dieses Grundgesetzes zustande gekommen“ lasse sich ebenso dahingehend deuten, dass der Bundespräsident unter Akzeptieren der in Anspruch genommenen Gesetzgebungskompetenz des Bundes und unter Übernahme der Charakterisierung eines Gesetzesbeschlusses durch den Bundestag eine Prüfung nur daraufhin vorzunehmen habe, ob das Gesetz als Einspruchs- oder Zustimmungsgesetz tatsächlich nach den für ein solches Gesetz jeweils in der Verfassung vorgeschriebenen Verfahrensvorschriften zustande gekommen ist (S. 26 f., 54). Eine normative Anknüpfung für ein weitergehendes formelles oder auch materielles Prüfungsrecht existiere nicht (S. 56 ff.). Die von der Mehrheit der Literatur wie selbstverständlich unterstellte Trennung zwischen formeller und materieller Prüfungskompetenz gebe das Grundgesetz an keiner Stelle vor. Siehe dagegen Mewing, S. 49; Pohl, S. 99 ff. Art. 82 Abs. 1 Satz 1 GG verweise mit der Bezugnahme auf „die nach den Vorschriften dieses Grundgesetzes zustande gekommenen Gesetze“ auf die Vorschriften über das Gesetzgebungsverfahren, nicht auf das vom Gesetzgeber eingeschlagene Verfahren. Ob ein Gesetz als Einspruchs- oder Zustimmungsgesetz das Gesetzgebungsverfahren durchlaufen muss, unterliege nicht der Disposition des Bundesgesetzgebers. 507 Siehe hierzu Pohl, insb. S. 61 ff.; Mewing, S. 33 ff. 508 Vgl. BR-Drs. 527/51; 583/51. Siehe BVerfGE 1, 76 ff. Vgl. dazu oben in diesem Abschnitt A. III. 1. Siehe auch Rauschnig, S. 157. 509 Vgl. BR-Drs. 267/76; BT-Drs. 7/5856. 510 Vgl. BVerfGE 48, 127 ff. Siehe dazu oben in diesem Abschnitt A. III. 5.

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4. Abschn.: Einheitsthese oder Trennungsthese

mungsbedürftigkeit von Gesetzen (nach Art. 84 Abs. 1, Art. 85 Abs. 1, Art. 108 Abs. 2 Satz 2, Abs. 5 Satz 2 GG) – wie auch insgesamt – Zurückhaltung bei der Ausfertigungsverweigerung geübt.511 So fertigte beispielsweise Bundespräsident Carstens das Staatshaftungsgesetz trotz verfassungsrechtlicher Bedenken wegen fehlender Gesetzgebungskompetenz und fehlender Zustimmung des Bundesrates aus.512 Zuletzt ließ Bundespräsident Rau das Zuwanderungsgesetz, obwohl er verfassungsrechtliche Zweifel hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen für eine Zustimmung des Bundesrates hatte, passieren.513 Insgesamt haben sich die Bundespräsidenten in der Regel in der Beurteilung der materiellen und formellen Verfassungsmäßigkeit, speziell auch in der Frage der Zustimmungsbedürftigkeit eines Gesetzes, der Auffassung der Bundesregierung angeschlossen.514 b) Die Verwerfungskompetenz des Bundespräsidenten bei partieller Verfassungswidrigkeit des Gesetzes Unter Zugrundelegung der Einheitsthese bedeutet die fehlende Zustimmung des Bundesrates die Verfassungswidrigkeit und damit grundsätzlich die Nichtigkeit des ganzen Gesetzes. Die Richtigkeit einer Trennungsthese angenommen, führt die fehlende Zustimmung des Bundesrates zu einem Mischgesetz grundsätzlich jedoch nur zur formellen Verfassungswidrigkeit der zustimmungsbedürftigen Einrichtungs- und Verwaltungsverfahrensregelungen nach Art. 84 Abs. 1 GG. Es stellt sich die Frage, wie in diesem Fall der Bundespräsident verfahren muss, wenn seine verfassungsrechtliche Prüfung ergibt, dass das zur Ausfertigung vorliegende Gesetz verfassungswidrige, weil ohne Zustimmung des Bundesrates zustande gekommene Normen enthält, dass nach deren Ausscheiden aber ein verfassungsmäßiger, die materiell-rechtlichen Vorschriften enthaltender „Gesetzesrest“ verbleibt und eine Teilnichtigkeit des Gesetzes515 in Frage kommt?516 511 So fertigte der Bundespräsident z. B. das Ausbildungsplatzförderungsgesetz v. 7.9.1976 aus. Siehe dazu oben in diesem Abschnitt A. III. 5. Vgl. Herzog, in: FS Carstens, S. 601, 607; Nierhaus, in: FS Friauf, S. 233, 245 f. 512 Siehe dazu Friauf, in: FS Carstens, S. 545, 546 f. 513 Vgl. dazu Rau, DVBl. 2004, 1, 1 ff. Siehe auch oben in diesem Abschnitt A. III. 7. 514 Vgl. die Übersicht der vom Bundespräsidenten nicht ausgefertigten Gesetze bei Bryde, in: v. Münch/Kunig, Art. 82 Anhang; Rau, DVBl. 2004, 1, 3 ff. Siehe auch Ramsauer, in: AK, Art. 82 Rn. 10. Ausführlicher zu den in den Anfangsjahrzehnten der Bundesrepublik in der Staatspraxis umstrittenen Fällen Ladenburger, S. 2 ff.; Berger, ZParl 1971, 3, 3 ff. Siehe auch Rössler, S. 21. Speziell zur Verweigerung der Ausfertigung des Zehnten Änderungsgesetzes zum Luftverkehrsgesetz siehe Epping, JZ 1991, 1102, 1105 ff. 515 Dazu sogleich ausführlich unten in diesem Abschnitt D.

C. Konsequenzen für das Gesetzgebungsverfahren

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Eine partielle Ausfertigung von Gesetzen ist in Art. 82 Abs. 1 Satz 1 GG, dies wurde bereits klar gestellt, nicht vorgesehen.517 Der Bundespräsident hat auch auf der Grundlage seiner Prüfungs- und Verwerfungskompetenz kein Recht zur inhaltlichen Korrektur des Gesetzes. Aus diesem Umstand und daraus, dass die Unterschriftsverweigerung gegenüber der Pflicht des Bundespräsidenten, die vom parlamentarischen Gesetzgeber verabschiedeten Gesetze auszufertigen, die Ausnahme darstellt, kann aber auf Modalitäten der Ausübung seiner Prüfungs- und Verwerfungskompetenz – auch bei partieller formeller Verfassungswidrigkeit des auszufertigenden Gesetzes – geschlossen werden.518 Ein großer Teil des Schrifttums will als Voraussetzung für die Verwerfung eines Gesetzes durch den Bundespräsidenten ganz allgemein unter Rückgriff auf ein Evidenzprinzip einen eindeutigen, offenkundigen Verstoß gegen grundgesetzliche Vorschriften oder gegen eine fest gefügte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts fordern.519 Jedenfalls aber soll der Bundespräsident – subjektiv – von der Verfassungswidrigkeit des zur Ausfertigung vorliegenden Gesetzes überzeugt sein müssen.520 Daneben sollen für die Entscheidung des Bundespräsidenten im Rahmen des Art. 82 Abs. 1 Satz 1 GG die Folgen einer Ausfertigungsverweigerung ein maßgebliches Kriterium sein.521 Die Verwerfung des Gesetzes soll nicht zu einem Zustand führen dürfen, der von einem verfassungsmäßigen weiter entfernt 516 Die Frage nach dem Umfang der Ausfertigungskompetenz bei teilweise nichtigen Gesetzen ist eine nahezu unbeachtete. Die Arbeit von Mewing zur Prüfungskompetenz des Bundespräsidenten „insbesondere beim teilnichtigen Gesetz“ hat das Problem erstmals und einmalig ausführlich zum Thema gemacht. Vgl. Mewing, insb. S. 70 ff. Über vereinzelte Stellungnahmen hinaus findet im Schrifttum eine grundlegende Auseinandersetzung mit diesem Problem nicht statt. Vgl. Friesenhahn, in: FS Leibholz, S. 679, 691 f. Fn. 24; ders., VVDStRL 25 (1967), (Aussprache) S. 230 f.; Berger, ZParl 1971, 3, 11; Nierhaus, Entscheidung, Präsidialakt und Gegenzeichnung, S. 103 f., 248 f.; Heyde, DÖV 1971, 797, 800; Wild, S. 61 f.; Biehl, S. 114. Siehe Rauschnig, S. 161. Diskutiert wird das Problem aber grundsätzlich nur im Hinblick auf eine partielle materielle Verfassungswidrigkeit. 517 Vgl. Ramsauer, in: AK, Art. 82 Rn. 22; Herzog, in: FS Carstens, S. 601, 607. 518 Vgl. Herzog, in: FS Carstens, S. 601, 609 ff.; Nierhaus, in: Sachs, Art. 54 Rn. 15; Maurer, in: BK, Art. 82 Rn. 45. Diese Voraussetzungen wurden überwiegend im Hinblick auf die materielle Prüfungskompetenz des Bundespräsidenten entwickelt. Vgl. Ramsauer, in: AK, Art. 82 Rn. 22. Sie können aber ebenso auf die formelle Prüfungskompetenz – und das Problem partieller formeller Verfassungswidrigkeit – übertragen werden. Vgl. Mewing, S. 72 mit Fn. 40; Kirn, ZRP 1973, 49, 52. 519 Vgl. Herzog, in: FS Carstens, S. 601, 609; Nierhaus, in: Sachs, Art. 82 Rn. 16; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 82 Rn. 3; Bryde, in: v. Münch/Kunig, Art. 82 Rn. 6. 520 Siehe Stern, Staatsrecht II, S. 235 f., der das Evidenzkriterium für untauglich hält. Siehe auch Rubel, in: Umbach/Clemens, Art. 82 Rn. 18. Dieses Erfordernis soll sich verfassungssystematisch aus Art. 100 Abs. 1 GG herleiten lassen. Vgl. Nierhaus, in: FS Friauf, S. 233, 247.

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4. Abschn.: Einheitsthese oder Trennungsthese

ist als derjenige, der bei Ausfertigung und Verkündung des (möglicherweise) verfassungswidrigen Gesetzes eintreten würde. Bei dieser Rechtsfolgenabwägung geht es damit um die Schwere des abzuwendenden verfassungsrechtlich relevanten Schadens.522 Zu berücksichtigen soll ebenfalls sein, dass der Bundespräsident – anders als das Bundesverfassungsgericht – nicht befugt ist, ein Gesetz nur teilweise für verfassungswidrig und damit nichtig zu erklären. Auch die Feststellung der Verfassungswidrigkeit ohne Nichtigkeitsfolge ist dem Bundespräsidenten nicht möglich.523 Der Bundespräsident soll daher bei nur teilnichtigen Gesetzen nach nicht unumstrittener Auffassung grundsätzlich nicht zur Verweigerung der Ausfertigung berechtigt sein.524 In jedem Fall bedarf es in dieser Konstellation einer besonderen Rechtfertigung für eine Unterschriftsverweigerung anhand der zuvor entwickelten Kriterien525 unter Berücksichtigung der Stellung des Bundespräsidenten im Verhältnis zum parlamentarischen Gesetzgeber und dem Bundesverfassungsgericht. Unter Anwendung dieser Kriterien ergibt sich für den Fall der partiellen Verfassungswidrigkeit bei fehlender Zustimmung des Bundesrates zu Einrichtungs- und Verfahrensregelungen nach Art. 84 Abs. 1 GG Folgendes: Ist zwischen Bundesregierung und Bundestag auf der einen und Bundesrat auf der anderen Seite die Zustimmungsbedürftigkeit eines Gesetzes umstritten, bereitet schon die Annahme eines offenkundigen Verfassungsverstoßes – vom Fall der bewussten Falschannahme auf Seiten der Regierungsmehrheit abgesehen – Schwierigkeiten. Geht man aber davon aus, dass der Bundespräsident die Zustimmungsbedürftigkeit einzelner Bestimmungen des Gesetzes, der Ansicht des Bundesrates folgend, ebenfalls annimmt, ist er von der formellen Verfassungswidrigkeit – die Trennungsthese unterstellt – dieser Bestimmungen damit auch „überzeugt“. Bei der Folgenabschätzung seiner Ausfertigungsverweigerung muss der Bundespräsident das Verhältnis des für verfassungswidrig gehaltenen Gesetzesinhalts zum ganzen Gesetz beurteilen. Regelmäßig berührt die Verfassungswidrigkeit und daraus folgend die Nichtigkeit von einzelnen Einrichtungs- und Verfahrensbestim521

Vgl. Herzog, in: FS Carstens, S. 601, 610 f.; Nierhaus, in: FS Friauf, S. 233,

248. 522

Vgl. Friauf, in: FS Carstens, S. 545, 567; Nierhaus, in: Sachs, Art. 54 Rn. 18; Maurer, in: BK, Art. 82 Rn. 48. 523 Vgl. Herzog, in: FS Carstens, S. 601, 610 f.; Nierhaus, in: Sachs, Art. 54 Rn. 17; ders., in: FS Friauf, S. 233, 248 f. Siehe auch Rauschnig, S. 161. Krit. Stern, Staatsrecht II, S. 236 f. 524 Vgl. ausführlich Mewing, S. 76 ff., 79, 87, 94, 98, 103; Nierhaus, in: FS Friauf, S. 233, 248 f. Krit. Stern, Staatsrecht II, S. 235 ff. 525 Vgl. Maurer, in: BK, Art. 82 Rn. 47. Siehe auch Stern, Staatsrecht II, S. 236: „richtiger Gedanke“.

C. Konsequenzen für das Gesetzgebungsverfahren

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mungen nicht die Wirksamkeit des materiellen Teils des Gesetzes.526 Der verfassungsrechtlich relevante „Schaden“, der bei Unterzeichnung einzelner verfassungswidriger Ausführungsregelungen entsteht, ist damit regelmäßig geringer als derjenige, den die Stornierung des ganzen Gesetzes verursachen würde. Ausgenommen den Fall, in dem der Bundespräsident eine Verletzung von Grundrechten der Adressaten des Gesetzes gerade in der Gestaltung insbesondere des Verwaltungsverfahrens ausmachen kann, sind durch die fehlende Zustimmung des Bundesrates zu Einrichtungs- und Verfahrensregelungen nach Art. 84 Abs. 1 GG „nur“ die Länder insoweit beeinträchtigt, als sie in den betroffenen Bereichen nicht selbständig Ausführungsregelungen schaffen können. Wollen sie hiergegen vorgehen, bleibt ihnen der Weg einer verfassungsgerichtlichen Kontrolle des Gesetzes, in deren Rahmen das Bundesverfassungsgericht zu einer Teilnichtigkeitsfeststellung berechtigt ist.527 Durch die Existenz des Bundesverfassungsgerichts ist dem Bundespräsidenten die Letztverantwortung für die Feststellung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes abgenommen, die dem ausfertigenden Organ in einem System ohne Verfassungsgerichtsbarkeit auferlegt ist.528 Die in einer Rechtskontrolle liegende Funktion der Ausfertigung fordert damit keine grundsätzliche Verwerfung jedes auch nur teilweise verfassungswidrigen Gesetzes.529 Zwar beeinträchtigt die Ausfertigungsverweigerung durch den Bundespräsidenten nicht die letztverbindliche Entscheidungskompetenz des Bundesverfassungsgerichts. Die Kontrolle des Bundespräsidenten bleibt eine vorläufige.530 Mit einer Gesamtablehnung des nur in einzelnen Bestimmungen und damit teilverfassungswidrigen Gesetzes greift der Bundespräsident aber erheblich in den fehlerfreien Teil des Ergebnisses der parlamentarischen Gesetzgebung ein. Dies ist vor dem Hintergrund seiner Stellung im Verhältnis zu den gesetzgebenden Körperschaften kaum zu rechtfertigen.531 Vielmehr liegt es nahe, gerade im Fall fehlender Zustimmungsbedürftigkeit nach Art. 84 Abs. 1 GG, in dem die Kompetenzen von Bundesrat und Ländern bzw. Landesregierungen betroffen sind, dem Bundespräsidenten 526

Siehe dazu oben in diesem Abschnitt C. I. Herzog, in: FS Carstens, S. 601, 611, will – unter Annahme der Geltung der Einheitsthese – bei einer fehlenden Zustimmung des Bundesrates darauf abstellen, welches Gewicht eine nicht beachtete Zustimmungsbedürftigkeit im Rahmen des bundesstaatlichen Verhältnisses konkret besitzt. 528 Vgl. Bryde, in: v. Münch/Kunig, Art. 82 Rn. 5. Siehe auch Friesenhahn, in: FS Leibholz, S. 679, 689; Ramsauer, in: AK, Art. 82 Rn. 22. 529 Vgl. Mewing, S. 103. Krit. Stern, Staatsrecht II, S. 236 f. 530 Vgl. Stern, Staatsrecht II, S. 236. Siehe auch BVerfGE 1, 196, 413. 531 Vgl. Nierhaus, in: FS Friauf, S. 233, 249, der dies aus dem Grundsatz der Verfassungsorgantreue herleitet. 527

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4. Abschn.: Einheitsthese oder Trennungsthese

die Klärung dieses Streits gerade nicht zu überlassen. Zumal dann, wenn damit gerechnet werden kann, dass die Landesregierungen alsbald das Bundesverfassungsgericht anrufen und die Klärung des Streits auf diesem Wege erfolgen kann.532 In der Regel ist der Bundespräsident damit zu einer Ausfertigungsverweigerung aufgrund fehlender Zustimmung nach Art. 84 Abs. 1 GG zu einzelnen Vorschriften eines Gesetzes im Ergebnis nicht berechtigt.533 Auch in der Verfassungspraxis hat der Bundespräsident die Verweigerung der Ausfertigung bisher nur selten unter Berufung auf die Verfassungswidrigkeit einzelner Bestimmungen des Gesetzes begründet.534 Die Abkehr von der Einheitsthese und die Geltung einer Trennungsthese unterstellt, steht die Prüfungs- und Verwerfungskompetenz des Bundespräsidenten der Ausfertigung eines Gesetzes grundsätzlich nicht entgegen, das Bundesregierung und Bundestag entgegen der – nach Ansicht des Bundespräsidenten zutreffenden – Auffassung des Bundesrates für zustimmungsfrei halten. 2. Die Gegenzeichnung Nichts anderes gilt auch für die gem. Art. 82 Abs. 1 Satz 1 GG noch vor der Ausfertigung erfolgende Gegenzeichnung nach Art. 58 GG. Wie dem Bundespräsidenten steht auch dem Gegenzeichnenden nach überwiegender Auffassung eine formelle Prüfungskompetenz zu. Dies soll aus dem Wortlaut des Art. 82 Abs. 1 Satz 1 GG folgen, der den Gegenzeichnenden am Ausfertigungsakt und damit auch an der mit der Ausfertigung verbundenen Prüfung beteiligt. Voraussetzungen und Umfang der Gegenzeichnungskompetenz decken sich mit denen der Ausfertigungskompetenz.535 Die Prüfungs- und Verwerfungskompetenz des Gegenzeichnenden läuft in der Praxis aber leer, da der Bundeskanzler oder der zuständige Bundesminister in der Regel auf der Seite der Mehrheit des Bundestages stehen und die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes annehmen.536 532 Vgl. Maurer, in: BK, Art. 82 Rn. 48; Rubel, in: Umbach/Clemens, Art. 82 Rn. 19. 533 A. A. Wernsmann, NVwZ 2005, 1352, 1355, 1357, der in Bezug auf die Gesetzesentstehung weiterhin von der Geltung der Einheitsthese ausgeht, eine Trennungsthese aber für die verfassungsgerichtliche Kontrolle zugrunde legt. 534 Vgl. Herzog, in: FS Carstens, S. 601, 607. 535 Vgl. Bryde, in: v. Münch/Kunig, Art. 82 Rn. 8; Pieroth, in; Jarass/Pieroth, Art. 82 Rn. 4; Ramsauer, in: AK, Art. 82 Rn. 24. 536 Vgl. Bryde, in: v. Münch/Kunig, Art. 82 Rn. 8; Maurer, in: AK, Art. 82 Rn. 61. Soweit ersichtlich, ist es in der Staatspraxis bisher erst in einem Fall zur Verweigerung der Gegenzeichnung gekommen. Im Jahre 1953 verweigerte Bundesjustizminister Dehler wegen der Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit die

D. Konsequenzen für die Kontrolle von Mischgesetzen

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Festzuhalten bleibt damit: Die hier vertretene Trennungsthese fügt sich auch in die Vorschriften des Gesetzgebungsverfahrens über die Ausfertigung und Gegenzeichnung nach Art. 82 Abs. 1 Satz 1, Art. 58 GG ein. Insbesondere scheitert die Ausfertigung und Verkündung eines Mischgesetzes regelmäßig nicht an der (möglicherweise) partiellen Verfassungswidrigkeit aufgrund (möglicherweise) fehlender Zustimmung zu einzelnen Einrichtungs- und Verwaltungsverfahrensvorschriften nach Art. 84 Abs. 1 GG.

D. Konsequenzen aus der Aufgabe der Einheitsthese für die verfassungsgerichtliche Kontrolle von Mischgesetzen Bisher nur angedeutet bzw. unterstellt, aber noch nicht geprüft wurde, welche Folgerungen sich schließlich unter der Geltung einer Trennungsthese für die verfassungsgerichtliche Kontrolle und Verwerfung von Mischgesetzen ergeben, die ohne Zustimmung des Bundesrates das Gesetzgebungsverfahren durchlaufen haben und vom Bundespräsidenten nach Gegenzeichnung ausgefertigt und verkündet wurden. Hier ist zunächst die bereits im Rahmen der Ausfertigungskompetenz des Bundespräsidenten aufgeworfene Frage nach den Folgen der teilweisen Verfassungswidrigkeit des Gesetzes wegen fehlender Zustimmung nach Art. 84 Abs. 1 GG für die Wirksamkeit des ganzen Gesetzes zu beantworten. Anschließend ist ein Blick auf die Vorgehensweise des Bundesverfassungsgerichts in seiner Entscheidung zum Sechsten Änderungsgesetz zum Hochschulrahmengesetz zu werfen, die eine Teilnichtigerklärung des Gesetzes unter Ausblendung der Frage der Zustimmungsbedürftigkeit des ganzen Gesetzes ermöglicht hat.

I. Der Umfang der Nichtigerklärung durch das Bundesverfassungsgericht Das Bundesverfassungsgericht entscheidet über die Vereinbarkeit bzw. Unvereinbarkeit einschließlich der Nichtigkeit537 der verfahrensgegenständUnterzeichnung des sog. Platow-Amnestiegesetzes und legte dieses dementsprechend dem Bundespräsidenten auch nicht zur Ausfertigung vor. Vgl. dazu Berger, ZParl 1971, 3, 4 f., 7 f. Siehe auch Friesenhahn, in: FS Leibholz, S. 679, 692 Fn. 26. Vgl. auch Rauschnig, S. 157 f. 537 Vgl. zur Terminologie Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, § 20 Rn. 8 ff. mit Fn. 15. Als unselbständige (akzessorische) Unvereinbarkeitserklärungen bezeichnet Pestalozza solche Entscheidungen des Gerichts, die gleichzeitig die Nichtigkeit der Norm erklären bzw. erklären müssten oder könnten.

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4. Abschn.: Einheitsthese oder Trennungsthese

lichen Normen im Verfahren der abstrakten (§§ 78 Satz 1538, 31 Abs. 2 BVerfGG)539 oder der konkreten (§ 82 Abs. 1 i. V. m. §§ 78 Satz 1, 31 Abs. 2 BVerfGG) Normenkontrolle. Nach § 95 Abs. 3 Satz 1 BVerfGG wird zudem eine Norm für nichtig erklärt, die erfolgreich Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde war540; dasselbe gilt gem. § 95 Abs. 3 Satz 2 BVerfGG, wenn einer Verfassungsbeschwerde gegen eine Entscheidung stattgegeben wird, weil die aufgehobene Entscheidung auf einem verfassungswidrigen Gesetz beruht541. 1. Der Grundsatz der Teilnichtigkeit Kommt das Bundesverfassungsgericht zu der Überzeugung, dass die zu prüfende Norm gegen die Verfassung verstößt, erklärt es diese für „mit dem Grundgesetz unvereinbar und daher nichtig“542. Die Nichtigkeit einzelner Vorschriften hat nach ständiger Rechtsprechung des Gerichts grundsätzlich nicht die Nichtigkeit auch der übrigen Bestimmungen des Gesetzes zur Folge.543 Sind nur einzelne Bestimmungen eines Gesetzes mit dem Grundgesetz unvereinbar und nichtig, erfolgt daher in der Regel eine Teilnichtigerklärung des Gesetzes.544 Eine Teilnichtigerklärung im Fall der Verfassungswidrigkeit wegen fehlender Zustimmung des Bundesrates gem. Art. 84 538 Der Wortlaut des § 78 Satz 1 BVerfGG „erklärt (. . .) das Gesetz für nichtig“ ist zu eng. Siehe Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG. Vgl. Schlaich/Korioth, Rn. 132 Fn. 77; Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, § 8 Rn. 15, § 20 Rn. 12. Die vom Bundesverfassungsgericht praktizierte Beschränkung auf eine Unvereinbarkeitserklärung der Norm ist vom Wortlaut des § 78 BVerfGG an sich nicht gedeckt. Grundsätzlich wird diese an anderer Stelle (vgl. § 79 Abs. 1, 31 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG) im BVerfGG gebilligt. 539 Vgl. Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, § 8 Rn. 15. 540 Vgl. Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, § 20 Rn. 12: unmittelbare Rechtssatzverfassungsbeschwerde. 541 Vgl. Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, § 20 Rn. 12: mittelbare Rechtssatzverfassungsbeschwerde. 542 BVerfGE 9, 305, 306; 15, 1, 1; 48, 127, 130; 57, 295, 296; 61, 149, 151; 74, 33, 33; 100, 249, 249; 104, 357, 364; 106, 62, 104; 106, 310, 329; 111, 226, 226. Vgl. dazu Schlaich/Korioth, Rn. 379 ff.; Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, § 20 Rn. 12, 127; Ipsen, Rechtsfolgen, S. 97; Gusy, S. 183. Unter bestimmten Voraussetzungen erklärt das Bundesverfassungsgericht eine Norm nicht für nichtig, sondern lediglich für unvereinbar mit höherrangigem Recht (siehe erstmals BVerfGE 13, 248, 249). Vgl. dazu Benda/Klein, Rn. 1244, 1267 ff.; Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, § 20 Rn. 13, 113 ff. Ausführlich auch Horn, DÖV 1980, 84, 84 ff.; Ipsen, Rechtsfolgen, S. 107 ff. 543 Vgl. BVerfGE 2, 307, 336; 4, 115, 138; 8, 274, 301. Weitere Nachweise bei Skouris, S. 30 Fn. 3. 544 Vgl. Ulsamer, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu, § 78 Rn. 23; Schlaich/Korioth, Rn. 384; Graßhof, in: Umbach/Clemens/Dollinger, § 78 Rn. 18; Skouris, S. 30.

D. Konsequenzen für die Kontrolle von Mischgesetzen

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Abs. 1 GG kam für das Bundesverfassungsgericht unter Zugrundelegung der Einheitsthese bisher nicht in Betracht.545 Wird das Zustimmungserfordernis auch auf die Bestimmungen eines Gesetzes erstreckt, die die Zustimmungsbedürftigkeit nicht ausgelöst haben, sind im Fall fehlender Zustimmung auch diese Bestimmungen und damit das ganze Gesetz mit dem Grundgesetz unvereinbar und nichtig.546 Wenn sich aber die Zustimmungspflicht nur auf die „zustimmungsauslösenden“ Normen bezieht, die übrigen Normen also ohne Zustimmung verfahrensgemäß zustande kommen, wird eine Teilnichtigerklärung des Gesetzes denkbar.547 Weder in den Bestimmungen des Grundgesetzes noch in denen des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes ist die teilweise Nichtigerklärung ausdrücklich geregelt. § 78 Satz 1 BVerfGG spricht vom „Gesetz“ als Gegenstand der Nichtigerklärung, wenn das Bundesverfassungsgericht zu der Überzeugung gelangt, dass „Bundesrecht mit dem Grundgesetz (. . .) unvereinbar ist“. Aus dem Umkehrschluss aus § 78 Satz 2 BVerfGG, der die Möglichkeit der Ausdehnung der Nichtigkeitsfolge auf „weitere Bestimmungen des gleichen Gesetzes“ eröffnet, folgt zumindest, dass mit „Gesetz“ im Sinne von Satz 1 des § 78 BVerfGG nicht nur die Gesamtheit aller im Gesetzesbeschluss nach Art. 77 Abs. 1 Satz 1 GG enthaltenen einzelnen Normen, sondern auch eine Einzelbestimmung gemeint sein kann.548 Welcher äußerlich abgrenzbare Teil eines Normtextes als der Nichtigerklärung zugängliche „Bestimmung“ identifiziert werden kann, wird in der Literatur anhand des Kriteriums des „selbständigen Regelungsbestandteils“ bestimmt.549 Grundsätzlich erfolgt eine Nichtigerklärung normtextbezogen. Dies setzt voraus, dass die verfassungswidrige Norm im Gesetz selbständigen sprachlichen Ausdruck gefunden hat und durch Reduzierung des Wortlauts beseiSiehe auch Voßkuhle, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 93 Rn. 47. Vgl. auch Stober, JA 1979, 416, 419. 545 Vgl. Herzog, in: FS Carstens, S. 601, 607; Ipsen, Rechtsfolgen, S. 98, der diese Fallgruppe bezeichnet mit „Nichtigkeit eines Gesetzes als gesetzgebungstechnische Einheit“. Vgl. auch Gusy, S. 184. Siehe auch Isensee, in: FS von Arnim, S. 603, 621 f. 546 Vgl. zuletzt BVerfGE 106, 310, 329 f. Siehe dazu oben in diesem Abschnitt Fn. 251. 547 Vgl. schon das Sondervotum Rottmann, BVerfGE 55, 274, 331, 333; das Sondervotum Hirsch, BVerfGE 55, 274, 341, 341. 548 Vgl. Sachs, DVBl. 1979, 389, 389. 549 Die Literatur hat versucht, den Begriff der „Bestimmung“ noch weiter zu definieren. Als möglicher Gegenstand der Nichtigerklärung kommen danach das ganze Gesetz, eine einzelne Norm, „aber auch ein in einem einzelnen Satz, Satzteil, Wort oder Wortteil zum Ausdruck kommender selbständiger Regelungsbestandteil“ in Betracht. So Leibholz/Rupprecht, § 78 Rn. 6. Zust. zum Kriterium des „selbständigen Regelungsbestandteils“ Ulsamer, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu, § 78 Rn. 23; Sachs, DVBl. 1979, 389, 389 f.; Ipsen, Rechtsfolgen, S. 99.

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4. Abschn.: Einheitsthese oder Trennungsthese

tigt werden kann (sog. quantitative Teilnichtigkeit).550 Ist eine Wortlautreduzierung nicht möglich, weil der Wortlaut einer Norm verschiedene sowohl verfassungswidrige als auch verfassungsmäßige Regelungen bzw. Inhalte umfasst, die textlich aber nicht isoliert werden können, ist eine sog. qualitative Teilnichtigerklärung denkbar.551 Das Bundesverfassungsgericht erklärt in diesen Fällen ohne Berührung des Wortlauts eine Norm für bestimmte Fallkonstellationen für nichtig.552 In Fällen der Verfassungswidrigkeit von Einrichtungs- und Verfahrensregelungen wegen fehlender Zustimmung des Bundesrates nach Art. 84 Abs. 1 GG dürfte eine quantitative Teilnichtigerklärung in der Regel möglich sein. Schwierigkeiten können sich allenfalls bei den sog. „doppelgesichtigen“ Normen ergeben. Bewirkt eine materiell-rechtliche Regelung zugleich eine „zwangsläufige Festlegung eines korrespondierenden verfahrensmäßigen Verhaltens“553 ist auch eine qualitative Teilnichtigerklärung, die die materiell-rechtliche Regelung erhält, gerade nicht denkbar. In diesem Fall muss die „doppelgesichtige“ Norm insgesamt für mit dem Grundgesetz unvereinbar und nichtig erklärt werden. Die (übrigen) materiell-rechtlichen Bestimmungen bleiben bei einer Nichtigkeit nur der Einrichtungs- und Verfahrensregelungen nach Art. 84 Abs. 1 GG grundsätzlich verfassungsgemäß.554 Das ganze Gesetz ist nur dann nichtig, wenn sich die Nichtigkeit einzelner Bestimmungen des Gesetzes nach den vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Kriterien auf das ganze Gesetz erstreckt.555

550

Vgl. dazu Sachs, DVBl. 1979, 389, 390; Ipsen, Rechtsfolgen, S. 99; Skouris, S. 90 ff. 551 Vgl. Graßhof, in: Umbach/Clemens/Dollinger, § 78 Rn. 19; Sachs, DVBl. 1979, 389, 390; Skouris, S. 92 ff. Lechner/Zuck, § 78 Rn. 6, bezeichnen diese als „funktionelle“ Teilnichtigerklärung. 552 Vgl. BVerfGE 8, 51, 52; 81, 228, 229. Instruktiv Ipsen, Rechtsfolgen, S. 100 f. Krit. zur dahingehenden Praxis des Bundesverfassungsgerichts Sachs, DVBl. 1979, 389, 391; Horn, DÖV 1980, 84, 90 f. Diff. Graßhof, in: Umbach/Clemens/Dollinger, § 78 Rn. 19. 553 Vgl. BVerfGE 55, 274, 321; 75, 108, 152. Siehe dazu oben Dritter Abschnitt C. 2. a), 3. 554 Siehe oben in diesem Abschnitt C. I. 555 Auf die Folgen einer Teilnichtigkeit für die Wirksamkeit des ganzen Gesetzes kommt es dann nicht an, wenn das Gericht die einzelne in Frage stehende Norm im Wege verfassungskonformer Auslegung so lesen kann, dass sie keine organisationsund verfahrensrechtliche Regelung trifft. Vgl. zu den Möglichkeiten verfassungskonformer Auslegung dahingehend Antoni, AöR 113 (1988), 329, 347 f. und Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 84 Rn. 76. Siehe auch Schulze-Fielitz, DVBl. 1982, 328, 331 ff. m. w. N. Dies dürfte nur in Ausnahmefällen denkbar sein. Vgl. zu so einem Fall BVerfGE 105, 313, 332, 334.

D. Konsequenzen für die Kontrolle von Mischgesetzen

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2. Die Ausnahme der Gesamtnichtigerklärung Dass das Bundesverfassungsgericht für die Beantwortung der Frage, wann die Teilnichtigkeit einzelner Bestimmungen eines Gesetzes ausnahmsweise die Nichtigkeit des ganzen Gesetzes zu Folge hat, keine „klare Methodik herausgebildet“556 hat, ist von Skouris Anfang der siebziger Jahre beklagt worden. Seine Kritik ist auch heute noch berechtigt. Insbesondere ist der Rechtsprechung nicht klar zu entnehmen, inwieweit und in welchem Verhältnis zueinander es bei der Anwendung der von ihm aufgestellten Kriterien einen objektiven oder subjektiven Maßstab anlegt bzw. anlegen will.557 Der Stand der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts558 lässt sich aber wie folgt zusammenfassen: Schon in seiner Entscheidung zum Preisgesetz hat das Bundesverfassungsgericht zwei Fallgruppen der Gesamtnichtigkeit eines Gesetzes entwickelt.559 Nicht nur die einzelne teilnichtige Norm, sondern das ganze Gesetz sei ausnahmsweise dann für nichtig zu erklären, wenn „sich aus dem objektiven Sinn des Gesetzes ergibt, daß die übrigen mit der Verfassung zu vereinbarenden Bestimmungen keine selbständige Bedeutung haben (. . .); ferner dann, wenn die verfassungswidrige Vorschrift Teil einer Gesamtregelung ist, die ihren Sinn und ihre Rechtfertigung verlöre, nähme man einen ihrer Bestandteile heraus (. . .), wenn also die nichtige Vorschrift mit den übrigen Bestimmungen so verflochten ist, daß sie eine untrennbare Einheit bilden, die nicht in ihre einzelnen Bestandteile zerlegt werden kann (. . .)“560. In nachfolgenden Entscheidungen hat das Gericht formuliert, dass Gesamtnichtigkeit dann anzunehmen sei, wenn die nichtige Norm den 556

Skouris, S. 74. Vgl. hierzu ausführlich Skouris, S. 74 ff. 558 Zum Stand der Literatur Anfang der siebziger Jahre siehe Skouris, S. 66 ff. mit Nachweisen. Die Arbeit von Skouris ist auch heute noch häufigster Bezugspunkt der Literatur. Siehe die Nachweise bei Graßhof, in: Umbach/Clemens/Dollinger, § 78 Rn. 18 ff. 559 BVerfGE 8, 274, 301 f. Diese Fallgruppen hat das Gericht vielfach bestätigt. Siehe neben den folgenden Nachweisen weitere bei Wesener, NVwZ 1982, 290, 292 Fn. 34. Das Bundesverwaltungsgericht hatte in seinem Vorlagebeschluss auch eindeutig auf subjektive Kriterien abgestellt. Vgl. BVerwGE 4, 24, 30: Nur dann habe „die Ungültigkeit eines Teiles eines Gesetzes nicht dessen gesamte Ungültigkeit zur Folge, wenn mit Sicherheit anzunehmen ist, daß die an sich gültigen Vorschriften auch ohne die ungültigen erlassen worden wären. Begründete Zweifel an der Möglichkeit, die gültigen Bestimmungen ohne die ungültigen aufrechtzuerhalten, gehen zu Lasten der Gültigkeit“. Siehe hierzu ausführlich Skouris, S. 37 f. 560 BVerfGE 8, 274, 301. Unter ausdrücklicher Bezugnahme auf BVerfGE 2, 380, 406; 5, 25, 34; 8, 71, 79. Siehe auch BVerfGE 9, 305, 333; 15, 1, 25; 20, 238, 256 f.; 26, 246, 258; 48, 127, 177; 53, 1, 24 f.; 57, 295, 334. Siehe auch BVerfGE 65, 325, 358; 74, 33, 43; 82, 159, 189. 557

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4. Abschn.: Einheitsthese oder Trennungsthese

„Kernbestand“ des Gesetzes bilde oder die „Zentralnorm“ des Gesetzes sei, mit der das Gesetz „steht oder fällt“561. Die in der Entscheidung zum Preisgesetz entwickelten, an objektive Kriterien anknüpfenden Fallgruppen hat es dabei nicht immer streng auseinander gehalten. Dass es (gerade) auf den objektiven Sinn des Gesetzes ankomme, hat das Gericht in der Folgezeit mehrfach hervorgehoben.562 Neben objektiven Kriterien hat das Bundesverfassungsgericht aber früh auch auf subjektive Kriterien abgestellt, wenn es eine teilweise Aufrechterhaltung eines im Übrigen verfassungsmäßigen Gesetzes für nicht möglich hielt, wenn „dadurch die innere Ausgewogenheit des Systems gestört würde, das der Gesetzgeber verwirklichen wollte; wenn dieses System so verändert würde, daß geradezu von einer Verfälschung der gesetzgeberischen Idee gesprochen werden müßte“563. Auch in seiner Entscheidung zum Staatshaftungsgesetz hat das Gericht ausdrücklich auf die hinter dem Gesetz stehende Idee des Gesetzgebers, die „Anlage und (. . .) klaren Intentionen des Gesetzes“, wie sie „aus den Äußerungen im Gesetzgebungsverfahren hervorgehen“564, Bezug genommen. Diese „gesetzgeberische Idee“, das „System“ des Gesetzes dürfe durch eine Teilnichtigerklärung nicht verfälscht werden. In seiner aktuellen Entscheidung zum Fünften Änderungsgesetz zum Hochschulrahmengesetz hat das Gericht erneut unter Heranziehung des „Hauptziels“ des Gesetzes argumentiert, das bei einer Nichtigkeit der Vorschriften über die Juniorprofessur nicht mehr erreichbar sei.565 Eine Fortgeltung einzelner Normen komme angesichts des „einheitlichen Reformkonzepts“ nicht in Betracht. Die Gesamtnichtigkeit, so das Bundesverfassungsgericht, vermeide, „dass das Gesetz mit einem vom Bundesgesetzgeber nicht gewollten Inhalt in Kraft gesetzt wird“566. Es stellt damit erneut eindeutig auf subjektive Kriterien ab. Das Sondervotum fasst die ständige 561

BVerfGE 48, 127, 177; 61, 149, 206 f.; 111, 226, 273. Siehe auch BVerfGE 10, 200, 220. 562 Vgl. BVerfGE 57, 295, 334; 65, 325, 358; 82, 159, 189: „Aus der Nichtigkeit einzelner Vorschriften folgt die Nichtigkeit des ganzen Gesetzes nur, wenn sich aus dem objektiven Sinn des Gesetzes ergibt, dass die übrigen mit der Verfassung zu vereinbarenden Bestimmungen keine selbständige Bedeutung haben.“ Siehe auch BVerfGE 100, 249, 263 und das Sondervotum Hirsch, BVerfGE 55, 274, 341, 343. 563 BVerfGE 10, 200, 220. Wenn also behauptet wird, das Bundesverfassungsgericht habe sich mit der Entscheidung zum Preisgesetz für eine objektiv orientierte Auslegung entschieden, ist dies gewiss grundsätzlich, aber nicht ohne Einschränkung richtig. Vgl. Skouris, S. 31 ff., 38 f., 60 f., 74, 86 f. Auch dieser relativiert seine dahingehende Einschätzung im Hinblick auf die Entscheidung BVerfGE 10, 200, 220. Vgl. auch Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 93 Rn. 44. 564 BVerfGE 61, 149, 206 f. Siehe hierzu Papier, NJW 1981, 2321, 2323. 565 Vgl. BVerfGE 111, 226, 273. Siehe auch BVerfGE 57, 295, 334 f. 566 BVerfGE 111, 226, 273.

D. Konsequenzen für die Kontrolle von Mischgesetzen

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Rechtsprechung des Gerichts zur Gesamtnichtigkeitsfolge daher konsequent dahingehend zusammen, dass die Nichtigkeit einzelner Vorschriften grundsätzlich nicht die Nichtigkeit auch der übrigen Bestimmungen des Gesetzes zur Folge hat, anderes aber dann gilt, „wenn die nichtige Vorschrift mit den übrigen Bestimmungen eine untrennbare Einheit bildet, die nur um den Preis von Sinnverlust, Rechtfertigungswegfall oder Verfälschung der gesetzgeberischen Intention in ihre Bestandteile zerlegt werden könnte“567. Zwar lässt sich eine pauschale Antwort auf die Frage, ob die Nichtigkeit einzelner Einrichtungs- und Verwaltungsverfahrensregelungen nach Art. 84 Abs. 1 GG zur Gesamtnichtigkeit des Mischgesetzes führt, auf der Grundlage dieser trotz Fallgruppenbildung sehr am Einzelfall orientierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht geben. Grundsätzlich kann aber das Folgende festgestellt werden: Der erste vom Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung zum Preisgesetz entwickelte, auf objektive Kriterien abstellende Fall der „Gesamtnichtigkeit wegen einseitiger Abhängigkeit“568 liegt bei der Nichtigkeit einzelner Einrichtungs- und Verwaltungsverfahrensregelungen nach Art. 84 Abs. 1 GG nicht vor. Die materiellrechtlichen Bestimmungen des Mischgesetzes haben neben den nichtigen organisations- und verwaltungsverfahrensrechtlichen Regelungen regelmäßig eine selbständige Bedeutung. Die materiell-rechtlichen Regelungen können allein gelten; die Einrichtungs- und Verfahrensregelungen sind von diesen abhängig – und nicht umgekehrt.569 Zwar entfaltet auch das Verfahrensrecht Wirkungen auf das materielle Recht.570 Es ist aber – Ausnahmen sind denkbar – nicht Voraussetzung für dessen Gültigkeit. Der zweite Fall der „Gesamtnichtigkeit wegen wechselseitiger Abhängigkeit“571 setzt voraus, dass das Gesetz aus mehreren, inhaltlich „voneinander abhängigen, dem Sinn und der Bedeutung nach gleichwertigen“572 Teilen 567

Sondervotum Osterloh, Lübbe-Wolff, Gerhardt, BVerfGE 111, 226, 274, 285. So die Bezeichnung von Skouris, S. 31 f., 33 ff. mit Beispielen für Fälle der auch als solche bezeichneten „Dependenz“. Siehe auch Ipsen, Rechtsfolgen, S. 101 ff. 569 Siehe Ossenbühl, AöR 99 (1974), 369, 402. Siehe die Rechtsprechungsnachweise zum Wegfall von „Annexregelungen“ bei Fortfall der materiell-rechtlichen Regelung bei Skouris, S. 33 ff. 570 Krit. zum Charakter des Verfahrensrechts als „dienendes“, „sekundäres“ Recht daher Hermes, in: Dreier, Art. 84 Rn. 30. 571 So die Bezeichnung von Skouris, S. 31 f., 35 f. mit Beispielen für die auch als solche bezeichnete „Interdependenz“. Siehe auch Ipsen, Rechtsfolgen, S. 101. Skouris lehnt die Fallgruppe der „Interdependenz“ als Fall objektiver Unteilbarkeit aber ab, S. 82 f. 572 Skouris, S. 31. Siehe auch die zusammenfassende Formulierung von Skouris, S. 31, jeweils für den Fall der einseitigen und der wechselseitigen/gegenseitigen Abhängigkeit: „Der unbedenkliche Rest des Gesetzes fällt dem Gewicht des ungülti568

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4. Abschn.: Einheitsthese oder Trennungsthese

besteht, von denen keiner wegfallen kann, ohne dass nicht das ganze Gesetz hinfällig wird. Diese wechselseitige Abhängigkeit besteht zwischen den materiell-rechtlichen und den organisations- und verfahrensrechtlichen Bestimmungen eines Gesetzes aber gerade nicht. Die Abhängigkeit des Organisations- und Verfahrensrechts ist gerade eine einseitige. Unter Heranziehung allein objektiver Kriterien kommt eine Gesamtnichtigerklärung eines nach Art. 84 Abs. 1 GG zustimmungsbedürftigen Mischgesetzes damit regelmäßig nicht in Betracht. Die Gesamtnichtigkeit wird, dem methodischen Ansatz und der Terminologie von Skouris folgend, bei einem solchen, zustimmungsfreie und einzelne nach Art. 84 Abs. 1 GG zustimmungsbedürftige Vorschriften enthaltenden Gesetz nicht schon durch eine objektive „Unteilbarkeit“ indiziert. Trotz objektiv möglicher Teilbarkeit kann die Gesamtnichtigkeitsfolge sich aber noch unter Zugrundelegung subjektiver Maßstäbe ergeben.573 Da jede Teilnichtigerklärung einen Eingriff in eine vom Gesetzgeber als Ganzes gedachte Regelung darstellt574, also einen im Hinblick auf das Gewaltenteilungsprinzip zu kontrollierenden Übergriff in legislatorische Kompetenzen, muss der Wille des Gesetzgebers für die Entscheidung über die Aufrechterhaltung eines teilnichtigen (aber objektiv teilbaren) Gesetzes herangezogen werden.575 Das Bundesverfassungsgericht stellt hier entscheidend darauf ab, ob der gültige Teil des Gesetzes zur Erreichung des vom Gesetzgeber verfolgten Zieles noch geeignet ist.576 Ob der Wegfall einzelner Organisations- oder Verfahrensregelungen dazu führt, dass das in den materiell-rechtlichen Bestimmungen des Gesetzes vorgegebene gesetzgeberische Ziel nicht mehr verwirklicht werden kann, muss der Beurteilung im Einzelfall überlassen gen Abschnitts zum Opfer: Einmal, weil er isoliert betrachtet keine praktikable, selbständige Regelung enthält, zum anderen, weil er isoliert nicht gedacht werden kann.“ 573 Siehe zum Verhältnis von objektiven und subjektiven Kriterien Skouris, S. 32, 76 ff., 88 f. Skouris unterscheidet im Ergebnis zwischen objektiv möglicher Teilbarkeit eines Gesetzes und der Frage der Aufrechterhaltung eines teilnichtigen und teilbaren Gesetzes. Über letzteres entscheidet seiner Ansicht nach der Wille des Gesetzgebers. A. A. Gusy, S. 185 f. 574 Siehe Skouris, S. 39, 88 f.; Ipsen, Rechtsfolgen, S. 99. 575 Siehe Skouris, S. 88 f. mit Nachweisen. Vgl. auch Ulsamer, in: Maunz/ Schmidt-Bleibtreu, § 78 Rn. 23. Ausführlich zu den „Spannungslagen zwischen Legislative und Bundesverfassungsgericht“ Gusy, insb. S. 39 ff., 138 ff. Dieser lehnt eine Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts für eine „Zweckmäßigkeitsprüfung“ des verfassungsmäßigen Rests eines Gesetzes mit guten Gründen ab (S. 185 f.). Der Gesetzgeber könne in dem Fall, in dem er den verfassungsmäßigen Rest des Gesetzes für unzweckmäßig halte, diesen aufheben oder sinnvoll ergänzen. 576 Siehe auch Skouris, S. 84.

D. Konsequenzen für die Kontrolle von Mischgesetzen

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bleiben. In der Regel dürfte dies aber nicht anzunehmen sein. Zunächst kann es sich bei den hier in Frage stehenden Gesetzen, die Bundesregierung und Bundestag entgegen der Ansicht des Bundesrates für zustimmungsfrei halten, immer nur um einzelne Einrichtungs- und Verfahrensregelungen handeln. Dass diese die Verwirklichung des gesetzgeberischen Zieles in so erheblichem Maße bedingen, dass bei ihrem Wegfall der mit dem Gesetz angestrebte Zweck tatsächlich vereitelt wird, ist nicht wahrscheinlich. Zudem impliziert die Inanspruchnahme der Bundesgesetzgebungskompetenz zur Schaffung von Regelungen nach Art. 84 Abs. 1 GG nicht, dass der Bund diese auch für erforderlich hält.577 Selbst wenn man verlangt, dass der Bund für die gesetzliche Regelung von Einrichtung der Behörden und Verwaltungsverfahren der Länder eines Sachgrundes bedarf, bedeutet dies nicht, dass er bestimmte bundesgesetzliche Vollzugsregelungen als unverzichtbar für die Erreichung des mit dem Gesetz verfolgten Zwecks betrachtet. Im Ergebnis wird die Teilnichtigkeit einzelner organisations- und verwaltungsverfahrensrechtlicher Regelungen wegen fehlender Zustimmung des Bundesrates nach Art. 84 Abs. 1 GG daher von Ausnahmefällen abgesehen nicht zur Gesamtnichtigkeit des Gesetzes führen.578

II. Die Ausgrenzung der Frage der Zustimmungsbedürftigkeit eines Gesetzes durch Interpretation des Antragsgegenstandes der abstrakten Normenkontrolle Zu dem Ergebnis der Teilnichtigkeit eines – eventuell – zustimmungsbedürftigen Mischgesetzes ist auch das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zum Sechsten Änderungsgesetz zum Hochschulrahmengesetz gelangt. Die Vorgehensweise des Gerichts, über eine Interpretation des Antragsbegehrens zu einer Begrenzung des Verfahrensgegenstandes der abstrakten Normenkontrolle und des Prüfungsumfanges zu gelangen, wurde bereits an anderer Stelle wiedergegeben.579 Die kritische Auseinandersetzung hiermit steht noch aus.580 Sie muss Antwort auf die Frage geben, ob der vom Zweiten Senat eingeschlagene Weg zur „Umgehung“ der Folgen der Einheitsthese für die verfassungsgerichtliche Kontrolle von Gesetzen haltbar ist.

577

Siehe oben Dritter Abschnitt C. III. Vgl. das Sondervotum Rottmann, BVerfGE 55, 274, 331, 333; das Sondervotum Hirsch, BVerfGE 55, 274, 341, 343; Bryde, in: v. Münch/Kunig, Art. 77 Rn. 21. A. A. Antoni, AöR 113 (1988), 329, 347 f. 579 Siehe oben in diesem Abschnitt A. III. 8. b). 580 Vgl. hierzu jetzt auch Wernsmann, NVwZ 2005, 1352, 1353. 578

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4. Abschn.: Einheitsthese oder Trennungsthese

1. Der Verfahrensgegenstand der abstrakten Normenkontrolle Grundsätzlich wird der Verfahrensgegenstand auch im abstrakten Normenkontrollverfahren durch den Antrag bestimmt, mit dem eine Norm, mehrere Normen oder auch ein ganzes Gesetz dem Gericht zur Prüfung vorgelegt werden.581 Der Antrag ist aber nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Hinblick auf die im Einzelnen vorgebrachten Beanstandungen auszulegen.582 Unter diesem Aspekt kommt eine Beschränkung des Antragsgegenstandes in Betracht.583 Eine solche praktiziert das Bundesverfassungsgericht im Verfahren zum Sechsten Änderungsgesetz zum Hochschulrahmengesetz, wenn es die „Prüfung und Entscheidung“ auf die Art. 1 Nr. 3 und Nr. 4 des Gesetzes beschränkt.584 Das Gericht beruft sich dabei zum einen auf seine im Jahre 1986 ergangene Entscheidung585 im Verfahren zur verfassungsgerichtlichen Prüfung des niedersächsischen Landesrundfunkgesetzes586. Die damaligen Antragsteller hatten die Nichtigerklärung des Gesetzes insgesamt begehrt. Nach ihrer Ansicht verstießen die wesentlichen Bestimmungen des Gesetzes gegen Art. 5 Abs. 1 GG; hieraus schlossen sie auf dessen Gesamtnichtigkeit.587 Das Gericht beschränkte die „Prüfung und Entscheidung“ demgegenüber auf bestimmte, in der Entscheidungsformel genannte Vorschriften des Gesetzes.588 Es begründete dies damit, dass die Antragsteller die Verfassungswidrigkeit des ganzen Gesetzes nicht aus der Verfassungswidrigkeit jeder einzelnen Vorschrift des Gesetzes herleiteten, sondern vielmehr aus der 581 Vgl. Benda/Klein, § 22 Rn. 751; Pestalozza, Verfassungsprozessrecht, § 2 Rn. 36; Rozek, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu, § 76 Rn. 68; Graßhof, in: Umbach/ Clemens/Dollinger, § 76 Rn. 21. Zum Prüfungsgegenstand der konkreten Normenkontrolle siehe nur Dollinger, in: Umbach/Clemens/Dollinger, § 80 Rn. 35 ff., 53 ff. Zum Prüfungsgegenstand der Rechtssatzverfassungsbeschwerde siehe Stark, in: Umbach/Clemens/Dollinger, § 95 Rn. 28 ff. 582 Vgl. BVerfGE 86, 148, 210 f.; 93, 37, 65; 95, 243, 249; 97, 198, 213. Siehe auch Graßhof, in: Umbach/Clemens/Dollinger, § 76 Rn. 21. 583 Vgl. Pestalozza, Verfassungsprozessrecht, § 8 Rn. 15; Schlaich/Korioth, Rn. 126; Rozek, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu, § 76 Rn. 68. Denkbar ist auch eine Erweiterung des Verfahrensgegenstandes auf nicht ausdrücklich gerügte Normen. Daneben regelt § 78 Satz 2 BVerfGG den Fall der Erweiterung des Entscheidungsgegenstandes. Siehe zu dieser Differenzierung Graßhof, in: Umbach/Clemens/ Dollinger, § 76 Rn. 21. Zu § 78 Satz 2 BVerfGG siehe Benda/Klein, § 22 Rn. 751 f. m. w. N. 584 Vgl. BVerfGE 112, 226, 253 f. 585 Urteil des Ersten Senats v. 4.11.1986, BVerfGE 73, 118 ff. 586 Gesetz v. 23.5.1984 (GVBl., S. 147). 587 Vgl. BVerfGE 73, 118, 139 ff. 588 Vgl. BVerfGE 73, 118, 151.

D. Konsequenzen für die Kontrolle von Mischgesetzen

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Nichtigkeit der zentralen Bestimmungen, die nach den von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entwickelten Grundsätzen zur Nichtigkeit auch der übrigen Vorschriften und damit des ganzen Gesetzes führen müssten. „Meinungsverschiedenheiten oder Zweifel“ i. S. d. Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG bestünden über die Gültigkeit der übrigen Vorschriften an sich bei den Antragstellern jedoch nicht. Das Gericht hielt die abstrakte Normenkontrolle aber nicht für unzulässig. Es erklärte vielmehr, dass jedenfalls dann kein Anlass gegeben sei, die weiteren Vorschriften des Gesetzes zum Gegenstand der Normenkontrolle zu machen, wenn die Nichtigkeit der zentralen Bestimmungen nicht festgestellt werden könne.589 Genau dies war im Verfahren zur Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit des niedersächsischen Landesrundfunkgesetzes aber der Fall. Das Bundesverfassungsgericht hielt das Gesetz für „in seinen Grundlinien sachlich“ mit dem Grundgesetz vereinbar.590 Eine weitergehende Prüfung war damit entbehrlich. In vergleichbarer Weise nahm das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 28. Januar 1998591 eine Beschränkung des Prüfungsgegenstandes im Verfahren zur verfassungsgerichtlichen Prüfung des Gesetzes zur Übertragung der Aufgaben der Bahnpolizei und der Luftsicherheit auf den Bundesgrenzschutz592 und des Gesetzes zur Neuregelung der Vorschriften über den Bundesgrenzschutz593 vor. Die antragstellende Landesregierung von Nordrhein-Westfalen hatte die Überprüfung der Vorschriften beantragt, die dem Bundesgrenzschutz polizeiliche Aufgaben auf den Bahnanlagen und den Schutz vor Angriffen auf die Sicherheit des Luftverkehrs auf Flugplätzen übertrugen. Diese Aufgabenübertragung verstieß aus der Sicht der Antragstellerin gegen die grundgesetzliche Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern. Mit den die Aufgabenübertragung an sich festlegenden Vorschriften seien damit auch die Regelungen des Bundesgrenzschutzgesetzes nichtig, die an die Zuweisung polizeilicher Aufgaben anknüpfen und den Bundesgrenzschutz in Bezug auf diese Aufgaben organisations- und befugnisrechtlich ausstatten.594 Das Bundesverfassungsgericht hielt auch in 589 Vgl. BVerfGE 73, 118, 151. Vgl. dazu Benda/Klein, § 22 Rn. 753, der sich krit. in Bezug auf die Begründung, aber im Ergebnis zust. äußert. Er billigt das vom Bundesverfassungsgericht in den genannten Fällen praktizierte Vorgehen als „nicht unvernünftige, auf die in Anspruch genommene Verfahrensherrschaft des Bundesverfassungsgerichts zurückgeführte Einschränkung des Verfahrensgegenstandes“. Es liege in der Hand der Antragsberechtigten, die von der Prüfung ausgeklammerten Normen erneut unter Hinzufügen einer spezifischen Begründung für deren Verfassungswidrigkeit dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen. Siehe auch Rozek, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu, § 76 Rn. 86 Fn. 4. 590 Vgl. BVerfGE 73, 118, 151. 591 Beschluss des Zweiten Senats v. 28.1.1998, BVerfGE 97, 198 ff. 592 Gesetz v. 23.1.1992 (BGBl. I, S. 178). 593 Gesetz v. 19.10.1994 (BGBl. I, S. 2978).

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4. Abschn.: Einheitsthese oder Trennungsthese

diesem Fall die angegriffenen Kernbestimmungen des Gesetzes für mit dem Grundgesetz vereinbar und beschränkte daraufhin seine Prüfung auf diese Vorschriften. Gegen die an die Aufgabenübertragung anknüpfenden Bestimmungen an sich hatte die Antragstellerin nichts vorgetragen. Dementsprechend legte das Gericht den Prüfungsgegenstand „im Hinblick auf die im einzelnen vorgebrachten Beanstandungen“595 aus. In gleicher Weise verfuhr das Bundesverfassungsgericht im Normenkontrollverfahren zum Finanzausgleichsgesetz vom 28. Januar 1988596 und zum schleswig-holsteinischen Mitbestimmungsgesetz vom 11. Dezember 1990597. Auf das Verfahren zur Überprüfung des Sechsten Änderungsgesetzes zum Hochschulrahmengesetz lassen sich diese, vom Bundesverfassungsgericht als Nachweis aufgeführten Fälle allerdings nicht ohne weiteres übertragen. Während die Antragsteller z. B. im Verfahren zum niedersächsischen Landesrundfunkgesetz die Gesamtnichtigkeit des Gesetzes aus der Nichtigkeit der zentralen Bestimmungen folgerten und eine Begründung für die Nichtigkeit der übrigen Bestimmungen an sich nicht vortrugen, rügten die antragstellenden Landesregierungen im Fall des Sechsten Änderungsgesetzes zum Hochschulrahmengesetz die fehlende, aufgrund der zustimmungsauslösenden Bestimmung des Art. 1 Nr. 4 erforderliche Zustimmung zum ganzen Gesetz.598 Damit trugen sie, auch wenn den Gegenstand der Beanstandung hauptsächlich die Nr. 3 und Nr. 4 des Art. 1 des Änderungsgesetzes bildeten, Gründe auch für die Verfassungswidrigkeit der übrigen Bestimmungen des Gesetzes vor. Der Fall der Erstreckung der Nichtigkeitsfolge auf an sich verfassungsrechtlich unbedenkliche Bestimmungen eines Gesetzes aufgrund des zwischen den einzelnen Normen oder Normenkomplexen eines Gesetzes bestehenden Zusammenhangs ist auf den Fall der Gesamtnichtigkeit eines Gesetzes wegen fehlender Zustimmung des Bundesrates dann nicht übertragbar, wenn man wie das Bundesverfassungsgericht in „bisher“ ständiger Rechtsprechung davon ausgeht, dass eine zustimmungsauslösende Norm das Gesetz als Ganzes und damit jede Norm des Gesetzes zustimmungsbedürftig werden lässt.599 594

Vgl. BVerfGE 97, 198, 204. BVerfGE 97, 198, 213. 596 Gesetz über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern in der Bekanntmachung v. 28.1.1988 (BGBl. I, S. 94). Urteil des Zweiten Senats v. 27.5.1992, BVerfGE 86, 148, 210 f. 597 Gesetz über die Mitbestimmung der Personalräte v. 11.12.1990 (GVBl., S. 577). Beschluss des Zweiten Senats v. 14.5.1995, BVerfGE 93, 37, 65. 598 Vgl. BVerfGE 112, 226, 235. 599 Auch der Hinweis auf die Entscheidung im Verfahren zur Prüfung des Gesetzes zur Sicherung des Einsatzes von Steinkohle in der Verstromung und zur Änderung des Atomgesetzes und des Stromeinsparungsgesetzes (BVerfGE 100, 249 ff.; siehe dazu oben Erster Abschnitt C. II. 2. c)) hilft nicht weiter. In dem genannten 595

D. Konsequenzen für die Kontrolle von Mischgesetzen

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2. Die Beschränkung des Prüfungsumfanges Neben der Beschränkung des Verfahrensgegenstandes praktiziert das Gericht in seiner Entscheidung zum Sechsten Änderungsgesetz zum Hochschulrahmengesetz auch eine Reduzierung des Prüfungsumfanges, wenn es die Frage der Zustimmungsbedürftigkeit des Gesetzes außer Betracht lässt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erfolgt eine Prüfung vorgelegter Normen unter allen rechtlichen Gesichtspunkten. Das Gericht ist hierbei an die Rügen der Antragsteller nicht gebunden.600 Führt allerdings bereits ein rechtlicher Gesichtspunkt zur Unvereinbarkeit der Norm, beschränkt das Gericht seine Prüfung nicht selten hierauf.601 Hat das Gericht z. B. die Gesamtnichtigkeit eines Gesetzes wegen fehlender Bundesgesetzgebungskompetenz festgestellt, sieht es von einer weitergehenden Prüfung regelmäßig ab.602 Im Fall des Sechsten Änderungsgesetzes zum Hochschulrahmengesetz stellte das Bundesverfassungsgericht die Gesamtnichtigkeit aber gerade nicht fest. Die Frage der Zustimmungsbedürftigkeit war zwar für die Nichtigkeit des Art. 1 Nr. 4 des Gesetzes nicht mehr entscheidungserheblich, unter Zugrundelegung der Einheitsthese für den Rest des von den Antragstellern zur Prüfung gestellten ganzen Sechsten Änderungsgesetzes zum Hochschulrahmengesetz jedoch relevant.603 Es bleibt damit festzuhalten: Die in der Entscheidung zum Sechsten Änderungsgesetz zum Hochschulrahmengesetz vom Bundesverfassungsgericht praktizierte Ausweichstrategie zur Vermeidung der Gesamtnichtigkeit eines Gesetzes aufgrund fehlender Zustimmung zu einzelnen Bestimmungen nach Art. 84 Abs. 1 GG ist unter Zugrundelegung der Einheitsthese nicht haltbar. Mit der bisherigen Rechtsprechung des Gerichts zur Beschränkung des AnVerfahren hatte die niedersächsische Landesregierung als Antragstellerin das gesamte Gesetz mit der Begründung fehlender Zustimmung zur Normenkontrolle vorgelegt. Das Bundesverfassungsgericht erklärte in Abweichung von seiner Entscheidung zum Eisenbahnkreuzungsgesetz (BVerfGE 26, 338, 339) bereits die dem Bundesminister eingeräumte Ermächtigung zum Erlass von Verwaltungsvorschriften für mit Art. 85 Abs. 2 Satz 1 GG unvereinbar. Die Zustimmungsbedürftigkeit des Gesetzes verneinte das Gericht ausdrücklich. Auch „angesichts des begrenzten Angriffszieles des Normenkontrollantrags“ (BVerfGE 100, 249, 263) sah es „keine Veranlassung“ zu einer weitergehenden, sich auf die verbleibenden Bestimmungen des Gesetzes erstreckenden Prüfung. 600 Vgl. BVerfGE 1, 14, 41; 7, 305, 311; 37, 363, 397; 52, 63, 80; 86, 148, 211; 93, 37, 65; 101, 239, 257. Siehe dazu auch Benda/Klein, § 22 Rn. 755; Graßhof, in: Umbach/Clemens/Dollinger, § 76 Rn. 41. 601 Vgl. Rozek, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu, § 76 Rn. 68. Nach welchen Gesichtspunkten das Gericht hier verfährt, ist offenbar ein kaum beschriebenes Problem. 602 Vgl. BVerfGE 61, 149, 208; 111, 226, 246. 603 Vgl. auch Wernsmann, NVwZ 2005, 1352, 1353.

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4. Abschn.: Einheitsthese oder Trennungsthese

tragsgegenstandes einer abstrakten Normenkontrolle oder des Prüfungsumfanges bei der verfassungsgerichtlichen Kontrolle von Gesetzen ist die Vorgehensweise nicht in Einklang zu bringen. Dass sich die „Auslegungslösung“ in der Praxis kaum ein zweites Mal wird erfolgreich wiederholen lassen, wurde bereits angemerkt.604 Will das Bundesverfassungsgericht die für das Sechste Änderungsgesetz immer noch konstatierte „gesetzgebungstechnische Einheit“605 mit ihren Folgen für die Verfassungswidrigkeit eines vermeintlichen Zustimmungsgesetzes aufheben, bedarf es keines verfassungsprozessual zweifelhaften Umweges über eine Auslegung des Antragsgegenstandes einer Normenkontrolle wegen „Antizipierung“ der Rechtsfolgen, die die „bisherige“ Rechtsprechung an eine gem. Art. 84 Abs. 1 GG erforderliche, aber fehlende Zustimmung des Bundesrates knüpft606, sondern der Etablierung einer Trennungsthese. Die Einheitsthese ist im Anwendungsbereich des Art. 84 Abs. 1 GG aufzuheben.

E. Ergebnis und Folgerungen Die vom Bundesverfassungsgericht, der Staatspraxis und großen Teilen der Literatur lange Zeit unangefochten vertretene Interpretation des Art. 84 Abs. 1 GG i. S. d. Einheitsthese, nach der eine einzelne zustimmungsbedürftige Norm die Zustimmungsbedürftigkeit des Gesetzes als Ganzes auslöst, hält einer Prüfung nicht stand. Das Zustimmungserfordernis des Art. 84 Abs. 1 GG erstreckt sich nur auf die einzelne organisations- und verwaltungsverfahrensrechtliche Regelung. Eine differenzierende Behandlung eines Mischgesetzes ist im Gesetzgebungsverfahren einschließlich Gegenzeichnung und Ausfertigung – in Grenzen – möglich. Bei der verfassungsgerichtlichen Kontrolle dürfte die fehlende Zustimmung des Bundesrates zu einzelnen nach Art. 84 Abs. 1 GG zustimmungsbedürftigen Regelungen eines Mischgesetzes unter Zugrundelegung einer Trennungsthese regelmäßig nur zur Teilnichtigkeit des Gesetzes führen. Indem eine Aufgabe der Einheitsthese die Vetoposition des Bundesrates auf die nach Art. 84 Abs. 1 GG zustimmungsbedürftigen Einrichtungs- und Verfahrensregelungen reduziert, werden Entflechtungseffekte freigesetzt, die das Gesetzgebungsverfahren effektivieren können. Diese im Gesetzgebungsverfahren zu nutzen, läge in der Hand von Bundesregierung und Bundestagsmehrheit. (Rechtzeitig) einen deutlichen – über ein obiter dictum und den nicht überzeugenden Umweg über eine Auslegung des Antragsgegenstandes einer Normenkontrolle hinausgehenden – Anstoß hierfür zu geben, 604 605 606

Siehe oben A. III. 8. b). Vgl. BVerfGE 112, 226, 254. Vgl. BVerfGE 112, 226, 254.

E. Ergebnis und Folgerungen

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wäre Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts. Ein Gesetz, das sowohl zustimmungsfreie als auch nach Art. 84 Abs. 1 GG zustimmungsbedürftige Bestimmungen enthält, muss weder, „was den Vorgang seiner Entstehung angeht“, noch im Hinblick auf seine „Gültigkeit“, d. h. die Folgen fehlender Zustimmung für die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes und eine dahingehende verfassungsgerichtliche Kontrolle, als Einheit behandelt werden.

Fünfter Abschnitt

Die an der Zustimmungsbedürftigkeit nach Art. 84 Abs. 1 GG orientierte Teilung von Gesetzen Schon mehrfach wurde in den vorangegangenen Ausführungen Bezug genommen auf die Möglichkeit von Bundesregierung und Bundestagsmehrheit, ein Gesetzesvorhaben oder eine Gesetzesvorlage in zustimmungsfreie und zustimmungsbedürftige Teile aufzuspalten. Die Aufspaltung – im Hauptanwendungsfall des Art. 84 Abs. 1 GG in einen materiell-rechtlichen und einen organisations- und verfahrensrechtlichen Gesetzesteil – ist die „strategische Antwort“1 einer im Bundesrat „blockierten“ Bundesregierung und Bundestagsmehrheit auf die durch die Geltung der Einheitsthese beschränkte Durchsetzungskraft zur gesetzlichen Umsetzung parteipolitisch und/oder bundesstaatlich umstrittener Vorhaben. Die Aufspaltung ermöglicht es jenseits einer Abkehr von der Einheitsthese, den sekundären Vetobereich des Bundesrates abzubauen. Die allein aufgrund der Erstreckung des Zustimmungserfordernisses auf das ganze Gesetz dem Kompromiss unterliegende, an sich zustimmungsfreie Materie wird durch Abtrennung der zustimmungsbedürftigen Vorschriften reduziert, die gesetzgeberische Gestaltungsbefugnis der Bundestagsmehrheit bleibt so weit wie möglich unbeeinflusst.2 Die Abspaltung der zustimmungsbedürftigen Organisations- und Verfahrensregelungen nach Art. 84 Abs. 1 GG ermöglicht die Durchsetzung der materiell-rechtlichen, das Hauptanliegen des Gesetzesvorhabens transportierenden Vorschriften (jedenfalls) mit der (nach Art. 77 Abs. 4 GG qualifizierten) Bundestagsmehrheit auch gegen den Willen des Bundesrates.3 Bundesregierung und Bundestag riskieren allenfalls das Scheitern des nach Art. 84 Abs. 1 GG zustimmungsbedürftigen Ausführungsgesetzes. Die Aufspaltung von Gesetzesvorhaben bzw. Gesetzen in mehrere selbständige, zustimmungsfreie und zustimmungsbedürftige Teilgesetze ist im Ergebnis vergleichbar mit der hier auf der Grundlage einer Trennungsthese für möglich gehaltenen Differenzierung innerhalb eines Gesetzesbeschlusses 1 Fritz, S. 17. Siehe auch Pestalozza, ZRP 1976, 153, 153, der von dem Bemühen spricht, die „Wunderwaffe des selbstberufenen Mitgesetzgebers zu entschärfen“. 2 Vgl. Fritz, S. 80 f. 3 Vgl. Fritz, S. 102 f.; Pestalozza, ZRP 1976, 153, 153.

A. Die „aktive“ und „reaktive“ Aufteilung

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des Bundestages nach Art. 77 Abs. 1 Satz 1 GG. Hat der Bundestag nicht schon in diesem seinen Willen erklärt, das Gesetz bei Verweigerung der Zustimmung durch den Bundesrat nur mit seinen zustimmungsfreien Normen Gesetz werden zu lassen, bleibt ihm ggf. die Möglichkeit, dies nach Durchführung eines Vermittlungsverfahrens mit seinem Beschluss nach Art. 77 Abs. 2 Satz 5 GG nachzuholen – oder auch die Option der Aufspaltung eines Mischgesetzes in zustimmungsfreie und zustimmungsbedürftige selbständige Gesetze, die unter der Geltung der Einheitsthese ebenfalls von besonderem Interesse für die Regierungsmehrheit sein kann. Anders als die aktive Aufspaltung noch vor Einleitung des formellen Gesetzgebungsverfahrens und die Aufspaltung im Verlauf der parlamentarischen Beratungen im Bundestag ist die Form der Gesetzesteilung auf der Grundlage eines Vorschlags des Vermittlungsausschusses hinsichtlich der Einhaltung der grundgesetzlichen Vorschriften über das Gesetzgebungsverfahren aber verfassungsrechtlich möglicherweise in besonderer Weise problematisch. Dies soll im Folgenden, nachdem ein Blick auf die Staatspraxis und den Stand von Rechtsprechung und Literatur in Bezug auf die Frage der Aufspaltungsbefugnis des Gesetzgebers geworfen worden ist, hauptsächlich untersucht werden. Da die Frage der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Aufspaltung von Gesetzen gerade bei der Annahme der Geltung der Einheitsthese von Bedeutung ist, wird sie auch unter Zugrundelegung der Einheitsthese diskutiert. Dies ermöglicht es zumindest teilweise, eine Antwort auf die Frage zu geben, warum die bestehenden Teilungsoptionen für das aus Art. 84 Abs. 1 GG resultierende Verflechtungsproblem bisher keine vollständig zufrieden stellenden Lösungen liefern.

A. Die „aktive“ und „reaktive“ Aufteilung Denkbar ist die Teilung von Gesetzen bzw. Gesetzesmaterien grundsätzlich in zwei verschiedenen Formen.4 Zum einen kann ein als einheitlicher Normtext in das Gesetzgebungsverfahren eingebrachter Gesetzentwurf oder ein Gesetzesbeschluss des Bundestages im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens – noch im Bundestag oder im Vermittlungsverfahren – als Antwort auf das ablehnende Verhalten des Bundesrates in verschiedene Gesetzesvorlagen und -beschlüsse aufgeteilt werden. Diese Variante der Aufteilung ist von Pestalozza als „reaktiv“ bezeichnet worden.5 Denkbar ist aber ebenso die Aufspaltung einer Gesetzesmaterie derart, dass sie bereits in verschiede4 Vgl. zum Begriff der Gesetzesteilung ausführlich Fritz, S. 25 f. Zu den Formen der Aufteilung siehe Pestalozza, ZRP 1976, 153, 154 ff.; Janson, DVBl. 1978, 318, 319 ff.; Fritz, S. 26 ff., 90 f.

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5. Abschn.: Die an der Zustimmungsbedürftigkeit orientierte Teilung

nen, formell getrennten Gesetzentwürfen in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht wird.6 Im Fall einer solchen ursprünglichen, von Pestalozza als „aktiv“ bezeichneten7, Aufteilung werden die einzelnen Teilgesetze zwar nie formell zu einem Ganzen zusammengefügt. Begrifflich von einer „Teilung“ zu sprechen, ist aber unter der Voraussetzung gerechtfertigt, dass die verschiedenen Vorlagen durch ihre Verbindung miteinander oder ihr Bezogensein aufeinander ein (formell fiktives) Ganzes bilden.8 Dies ist jedenfalls bei der Aufteilung einer Gesetzesmaterie in die an sich zustimmungsfreien materiell-rechtlichen Vorschriften eines Gesetzesvorhabens und die nach Art. 84 Abs. 1 GG zustimmungsbedürftigen Einrichtungs- und Verfahrensregelungen der Fall, da letztere gerade auf die materiell-rechtlichen Regelungen bezogen sind und in dieser Hinsicht mit diesen ein „Ganzes“ bilden.9 Die Zusammengehörigkeit zu einem Ganzen ergibt sich hier aus der Funktion des der Umsetzung dienenden Ausführungsgesetzes.10 Die Begriffe „aktiv“ und „reaktiv“ sind, werden sie so verwendet, nur als formelle Abgrenzungskriterien zu verstehen. Auch die Aufspaltung einer Gesetzesmaterie noch vor Beginn des eigentlichen Gesetzgebungsverfahrens erfolgt in der Regel als Reaktion auf schon geäußerte oder aber zumindest mit Sicherheit zu erwartende Ablehnung durch den Bundesrat und ist insofern ebenfalls – materiell – „reaktiv“.11

B. Die Staatspraxis Schon im Jahre 1952 hatte Bundesfinanzminister Schäffer in seiner Erwiderung auf die Ausführungen des nordrhein-westfälischen Ministers Spie5 Vgl. Pestalozza, ZRP 1976, 153, 154 ff. Seiner Terminologie hat sich auch die nachfolgende Literatur bedient. 6 Der Begriff der „Teilung“ ist dann insoweit missverständlich, als ein ungeteilter Gesetzentwurf oder Gesetzesbeschluss nie vorlag. 7 Vgl. Pestalozza, ZRP 1976, 153, 156 f. 8 Vgl. Fritz, S. 26 f., 90 f., 95. Siehe auch Janson, DVBl. 1978, 318, 319, der in diesem Fall nicht von einer „echten“ Aufspaltung sprechen will. 9 Pestalozza bezieht die „aktive“ Teilung nicht ausdrücklich nur auf den Fall der Aufteilung zustimmungsfreier materiell-rechtlicher Bestimmungen und nach Art. 84 Abs. 1 GG zustimmungsbedürftiger Einrichtungs- und Verfahrensregelungen. So aber Schenke, Verfassungsorgantreue, S. 73 f. Auch Janson, DVBl. 1978, 318, 319, betrachtet nur die Aufspaltung in Form der „Trennung einer normativen Regelung in einen materiellen und in einen formellen Teil“. Zur Frage, ob eine „aktive“ Aufteilung auch in anderen Fällen als denen des Art. 84 Abs. 1 GG in Betracht kommen kann, siehe Fritz, S. 28 f. 10 Vgl. Fritz, S. 95. 11 Siehe hierzu Fritz, S. 90 f., der für die „aktive“ Teilung wohl den Begriff „präventiv“ vorzieht. Zu den „Teilungsindizien“ bei einer Aufspaltung noch vor Einbringen in den Bundestag siehe ders., S. 94 f.

B. Die Staatspraxis

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cker im Bundesrat die Trennung von materiell-rechtlichen und verfahrensrechtlichen Bestimmungen eines Gesetzesvorhabens mit dem Ziel der Vermeidung der Einflussnahme des Bundesrates auf solche Vorschriften, die an sich nicht zustimmungsbedürftig sind, angedroht.12 In ganzer Deutlichkeit nahm später Bundeskanzler Schmidt im Jahre 1976, also zu einer Zeit, in der sich die Situation divergierender Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat verfestigt hatte, vor dem Bundestag und in Richtung der anwesenden Vertreter des Bundesrates „zur zukünftigen Gesetzgebungsarbeit im Bundesrat“ Stellung.13 Die Bundesregierung werde, so Schmidt, für den Fall, dass dieser „weiterhin den verlängerten Arm der Opposition spielen“ wolle, Gesetzentwürfe in Zukunft derart aufteilen, dass „Bundesgesetze auf das materielle Recht, auf die gesellschafts-, wirtschafts- und außenpolitisch relevanten Fragen“ beschränkt würden. Die Länder seien dann zur Ausführung dieser Gesetze verpflichtet, „auch wenn sie damit politisch nicht einverstanden sind, auch wenn sie die notwendigen Verfahrensregelungen dann selbst erlassen müssen“. Ob und wie lange ein solcher „Rückfall in administrativen Partikularismus“ hingenommen werden könne, müsse, so der damalige Bundeskanzler, der Öffentlichkeit überlassen bleiben.14

I. Die gegenteiligen Positionen von Bundesregierung und Bundesrat Die Bundesregierung betrachtete die Aufspaltung von Gesetzesmaterien von Beginn an als zulässiges Mittel zur Verminderung des auf der Grundlage der Einheitsthese vom Bundesrat in Anspruch genommenen Einflusses auf an sich zustimmungsfreie Vorschriften eines Mischgesetzes. Dem durch ein solches Vorgehen drohenden Gestaltungsverlust versuchte der Bundesrat konsequenterweise nicht in erster Linie dadurch entgegenzutreten, dass er die Aufspaltungsbefugnis an sich in Frage stellte. Er versuchte vielmehr, seine Vetoposition auch auf das abgespaltene zustimmungsfreie, die materiell-rechtlichen Vorschriften enthaltende Gesetz auszudehnen. Der Grund12 Siehe das Protokoll der 81. Sitzung des Bundesrates, 28.3.1952, S. 150. Siehe oben Vierter Abschnitt A. I. Die „unvermeidliche Konsequenz“ aus der Inanspruchnahme eines umfassenden Zustimmungsverweigerungsrechts durch den Bundesrat sei es, so Schäffer, „daß alle Gesetze in zwei Teile zerfallen müssen, daß die Gesetze, die das Verfahren betreffen, für sich, getrennt vom materiellen Inhalt dem Bundesrat vorgelegt werden, damit nicht die Gefahr besteht, wegen einer Verfahrensvorschrift das ganze Gesetz zu gefährden“. 13 Siehe den StenBer. der 224. Sitzung des Deutschen Bundestages, 19.2.1976, 7. WP, S. 15597 f. 14 Die Tagespresse fasste die Äußerungen Schmidts als Eskalation des Konflikts zwischen Regierung und Opposition auf. Siehe die Nachweise bei Fritz, S. 18 Fn. 6. Siehe auch Dittmann, DÖV 1974, 397, 398.

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5. Abschn.: Die an der Zustimmungsbedürftigkeit orientierte Teilung

satz, dass die Zustimmungsbedürftigkeit eines Gesetzes nur nach dem Normenbestand des jeweils konkret in Frage stehenden Gesetzes zu beurteilen sei, könne dann nicht gelten – so argumentierte früh insbesondere der Rechtsausschuss des Bundesrates als Antwort auf die von Schäffer angedrohte Aufspaltung von Gesetzesmaterien –, wenn diese „sachfremd“ sei. Sachfremd sei eine Aufteilung zum einen, wenn sie allein zu dem Zweck erfolge, das ursprünglich in Bezug auf den einheitlichen Gesetzentwurf bestehende Zustimmungsrecht des Bundesrates zu vereiteln. Der Grundsatz, dass ein Zustimmungsgesetz als Ganzes der Zustimmung des Bundesrates unterliege, werde damit umgangen. Aber auch wenn eine solche „Umgehungsabsicht“ nicht vorliege, sei eine Aufspaltung zum anderen dann sachfremd, wenn sie dazu führe, dass das zustimmungsfreie Teilgesetz ohne die zustimmungsbedürftigen Bestimmungen unvollständig oder praktisch unausführbar sei.15 Die Konfliktlinien zwischen Bundesregierung und Bundestag auf der einen und Bundesrat auf der anderen Seite waren mit dem Topos der „Umgehungsabsicht“ und dem Schlagwort des „unvollständigen und unausführbaren Gesetzestorsos“ damit für lange Zeit abgesteckt.16 Einer verfassungsgerichtlichen Klärung wurde der Streit um die Aufspaltungsbefugnis erst spät (und nur teilweise) zugeführt, obwohl es in der Staatspraxis – den oben wiedergegebenen und weiteren Ankündigungen von Seiten der Bundesregierung entsprechend – immer wieder zu Fällen einer „bewussten“17 Aufspaltung von Gesetzen gekommen ist.18

II. Fälle der Aufteilung von Gesetzen in der Staatspraxis Ein Blick auf die verschiedenen Fälle, in denen eine Aufteilung von Gesetzesvorhaben bzw. Gesetzen praktiziert wurde, zeigt, dass die Staatspraxis einen „variantenreichen Strauß“19 an Aufspaltungsoptionen hervorgebracht hat. 15

Vgl. die Wiedergabe der Protokolle der relevanten Sitzungen des Rechtsausschusses des Bundesrates aus den 50er Jahren bei Schäfer, Der Bundesrat, S. 90 und Rössler, S. 31 ff. Siehe später auch BR-Drs. 594/1/73. 16 Vgl. auch die Wiedergabe der Äußerungen der antragstellenden Landesregierungen und der Bundesregierung im Verfahren über das Ausbildungsplatzförderungsgesetz, BVerfGE 55, 274, 287 f., 289 f., 295 f. Siehe ebenfalls die Äußerungen der Antragsteller und der Bundesregierung im Verfahren über das Lebenspartnerschaftsgesetz, BVerfGE 105, 313, 318 f., 324 f. 17 Dittmann, DÖV 1974, 397, 398. 18 Siehe die Zusammenstellung bei Fritz, S. 29 ff. Vgl. auch Lehmbruch, Parteienwettbewerb, S. 144, 170, 174, 189, zur Strategie der sozial-liberalen Regierung unter Schmidt, der Strategie von Kohl in der Spätphase seiner Regierungszeit und der rot-grünen Koalition unter Schröder.

B. Die Staatspraxis

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1. Das Regelungspaket zu den Bonner Verträgen aus dem Jahre 1952 Im Jahre 1952 praktizierte die Bundesregierung erstmals im Fall des Regelungspakets zum Deutschland-Vertrag und EVG-Gründungsvertrag (sog. Bonner Verträge) eine Aufspaltung in mehrere Gesetzentwürfe insbesondere mit dem Ziel, die politisch weniger umstrittenen, aber zur Regelungsmaterie gehörenden zustimmungsbedürftigen steuerrechtlichen Vorschriften zu separieren und damit die politisch brisanten Vorschriften dem Zustimmungsrecht des Bundesrates zu „entziehen“.20 Der Bundesrat trat diesem Vorgehen der Bundesregierung entgegen, stellte aber nicht eigentlich die Zulässigkeit der Aufteilung einer Gesetzesmaterie durch Bundesregierung oder Bundestag an sich in Frage, forderte also keine Integration der Teilgesetze in eine Gesamtkodifikation. Vielmehr leitete er aus der Aufteilung der Gesetzesmaterie, die „dem Gegenstand nach eine Einheit“21 darstelle, nicht nur die Notwendigkeit einer gemeinsamen Beratung im Bundesrat22, sondern auch die Zustimmungsbedürftigkeit aller zusammengehörigen Teilgesetze ab, unabhängig davon, ob jedes einzelne dieser Teilgesetze aufgrund der in ihm enthaltenen zustimmungsauslösenden Vorschriften zustimmungsbedürftig war. Der Streit wurde zwischen den Gesetzgebungsorganen in diesem Fall, wie in vielen weiteren Fällen, nicht ausgefochten. Der Bundesrat trug 19

Fritz, S. 19. Die Bundesregierung hatte die zu regelnde Materie auf folgende Vorlagen aufgeteilt: „Entwurf eines Gesetzes betreffend den Vertrag über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Drei Mächten vom 26. Mai 1952 einschließlich Anlagen und Zusatzverträgen nebst Anlagen“; „Entwurf eines Gesetzes betreffend das Abkommen über die steuerliche Behandlung der Streitkräfte und ihrer Mitglieder vom 16. Mai 1952“; „Entwurf eines Gesetzes betreffend den Vertrag über die Gründung der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft vom 27. Mai 1952“; „Entwurf eines Gesetzes betreffend den Vertrag zwischen dem Vereinigten Königreich und den Mitgliedsstaaten der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft vom 27. Mai 1952“; „Entwurf eines Gesetzes betreffend das Abkommen über die Rechtsstellung der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft und über das Zoll- und Steuerwesen der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft vom 27. Mai 1952“ (vgl. BR-Drs. 218/52). Siehe zu diesem Fall und dem weiteren Vorgehen des Bundesrates ausführlich Fritz, S. 30 ff. m. w. N. Siehe auch Rössler, S. 31 f.; Dittmann, DÖV 1974, 397, 398 f. 21 Siehe die Nachweise bei Rössler, S. 31 ff. 22 Die Vorlagen waren dem Bundesrat in zwei Paketen am 30.5. und am 6.6.1952 zugeleitet worden. Der Bundesrat bestand auf einer einheitlichen Beratung und berechnete die Frist zur Stellungnahme nach dem Eingangsdatum des zuletzt zugeleiteten Gesetzespakets (vgl. das Protokoll der 87. Sitzung des Bundesrates, 20.6.1952, S. 270 f.). Ebenso verfuhr der Bundesrat im Fall der Mieterschutznovelle von 1971. Siehe dazu unten in diesem Abschnitt B. II. 3. 20

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5. Abschn.: Die an der Zustimmungsbedürftigkeit orientierte Teilung

schließlich, trotz bestehender rechtlicher Bedenken gegen das Vorgehen der Bundesregierung, die politische Durchsetzung der Verträge mit.23 Er sanktionierte damit zugleich den ersten Fall einer aktiven Aufspaltung einer Gesetzesmaterie in ein politisch umstrittenes, aber zustimmungsfreies Einspruchs- und ein unumstrittenes Zustimmungsgesetz. Die Frage blieb aber zwischen Bundesregierung und Bundestag auf der einen und dem Bundesrat auf der anderen Seite umstritten. 2. Der Entwurf des Wehrpflichtgesetzes aus dem Jahre 1956 Dies zeigte sich erneut im Fall des von der Bundesregierung im Jahre 1956 eingebrachten Entwurfes eines Wehrpflichtgesetzes.24 Als nach dem sog. ersten Durchgang offenbar geworden war, dass der Bundesrat der Vorlage insbesondere auch wegen der in ihr enthaltenen, äußerst umstrittenen Festlegung der Dauer des Grundwehrdienstes auf 18 Monate nicht zustimmen würde, löste der Bundestag diese Bestimmung in der zweiten Lesung aus dem Entwurf heraus und sah von einer entsprechenden Regelung im Wehrpflichtgesetz ab. Der Bundesrat stimmte, wenn auch nicht ohne Diskussion über die Zulässigkeit dieses Vorgehens, dem Gesetz schließlich zu.25 Den anschließend von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines „Gesetzes über die Dauer des Grundwehrdienstes und die Gesamtdauer der Wehrübungen“26 hielt der Bundesrat zwar entgegen der Ansicht der Bundesregierung aufgrund des bestehenden Zusammenhangs mit dem Wehrpflichtgesetz für zustimmungsbedürftig. Da aber die Dauer des Grundwehrdienstes im Entwurf auf zwölf Monate herabgesetzt worden war, erteilte der Bundesrat dem Gesetz seine Zustimmung und nahm dessen Verkündung als Einspruchsgesetz hin.27 Auch dieser Fall einer reaktiven Aufteilung im Verlauf der parlamentarischen Beratungen auf Anregung eines Ausschusses des Bundestages endete, ohne dass der Streit um die Zulässigkeit der Aufspaltung von Gesetzesvorhaben zwischen den Gesetzgebungsorganen ausgetragen worden wäre. 23

Siehe zu den Hintergründen auch Neunreither, S. 152 ff. Vgl. BR-Drs. 61/56. Die Zustimmungsbedürftigkeit des Gesetzes nach Art. 85 und Art. 87 Abs. 3 GG war unbestritten. Siehe zu diesem Fall ausführlich Katzenstein, DÖV 1958, 593, 598 und Fritz, S. 33 ff. mit Nachweisen zum Gesetzgebungsprozess. Vgl. auch Rössler, S. 32 f.; Dittmann, DÖV 1974, 397, 399. 25 Vgl. BR-Drs. 286/56. Siehe das Wehrpflichtgesetz v. 21.7.1956 (BGBl. I, S. 651). 26 Vgl. BR-Drs. 368/56. 27 Vgl. das Gesetz v. 24.12.1956 (BGBl. I, S. 1017). 24

B. Die Staatspraxis

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3. Die Mieterschutznovelle von 1971 und das Haushaltsstrukturgesetz von 1975 Ein Beispiel für die Aufspaltung eines Gesetzesvorhabens erst aufgrund eines entsprechenden Vorschlags des Vermittlungsausschusses liefert das Gesetzgebungsverfahren um die Mieterschutznovelle von 1971.28 Die Bundesregierung hatte im Herbst 1969 den Entwurf eines Gesetzes über Maßnahmen zur Verbesserung des Mietrechts und zur Begrenzung des Mietanstiegs eingebracht.29 Gegen den Widerstand der Opposition wurde das Gesetz nach dritter Lesung im Bundestag verabschiedet. Die Zustimmungsbedürftigkeit des Gesetzes nach Art. 84 Abs. 1 GG war unumstritten. Nachdem das erste, nach Anrufung durch den Bundesrat stattfindende Vermittlungsverfahren30 keine Einigung gebracht hatte, rief die Bundesregierung ihrerseits den Vermittlungsausschuss an. Dessen Einigungsvorschlag zielte nicht mehr auf einen materiellen Kompromiss, sondern sah einem Vorschlag der Bundesregierung entsprechend eine Aufteilung der Gesetzesmaterie in zwei Gesetze vor: das „Gesetz zur Verbesserung des Mietrechts und zur Begrenzung des Mietanstiegs sowie zur Regelung von Ingenieurund Architektenleistungen“, das die zustimmungsauslösenden, aber politisch nicht umstrittenen Vorschriften des ursprünglich einheitlichen Gesetzesvorhabens enthielt, und das „Gesetz über den Kündigungsschutz für Mietverhältnisse über Wohnraum“, in dem die zustimmungsfreien, aber kontroversen Bestimmungen aufgegangen waren.31 Der Einigungsvorschlag des Vermittlungsausschusses32 wurde im Bundestag angenommen, im Hin28 Vgl. dazu Fritz, S. 42 ff.; Hasselsweiler, S. 259 ff.; Niemann, S. 88 ff.; Kimminich, Rechtsgutachten, S. 5 f. und Dittmann, DÖV 1974, 397, 399 jeweils mit Nachweisen zum Gesetzgebungsverfahren. Zu einer Aufspaltung eines Gesetzesvorhabens im Vermittlungsverfahren war es bereits im Jahre 1969 im Gesetzgebungsverfahren zum 20., 21. und 22. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Haushaltsreformgesetz, Finanzreformgesetz und Gesetz zur Änderung von Art. 74, 75 und 96 Abs. 4 GG) gekommen. In diesem Fall beruhte die Aufspaltung auf einem entsprechenden Antrag des Bundesrates. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit war in Bundesrat und Bundestag zwar kurz diskutiert, im Ergebnis aber bejaht worden. Die „Umgehung“ des Zustimmungsrechts des Bundesrates stand nicht zur Diskussion, da auch nach Aufspaltung jedes der Gesetze als verfassungsänderndes Gesetz zustimmungsbedürftig war. Zum Gesetzgebungsverfahren siehe Fritz, S. 36 ff. 29 Vgl. BT-Drs. 6/1549; BR-Drs. 605/70. 30 Siehe hierzu Hasselsweiler, S. 259 ff. 31 Vgl. zum Verlauf des zweiten Vermittlungsverfahrens zur Mieterschutznovelle ausführlich Hasselsweiler, S. 261 ff. Die CDU/CSU-Mitglieder im Vermittlungsausschuss versuchten vergeblich, die Teilung durch Herbeiführung eines materiellen Kompromisses zu verhindern. Dabei vertraten sie schließlich zum Teil auch Positionen, die die SPD/FDP-Mehrheit im ersten Vermittlungsverfahren selbst bezogen hatte. Siehe dazu auch den StenBer. der 144. Sitzung des Deutschen Bundestages, 20.10.1971, 6. WP, S. 8223 f.

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blick auf das „Kündigungsschutzgesetz“ gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen.33 Die unionsgeführten Landesregierungen im Bundesrat rügten die Aufspaltung als verfassungswidrigen Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten im Gesetzgebungsverfahren.34 Der Bundesrat stimmte dem Mietverbesserungsgesetz (dennoch) zu; gegen das Kündigungsschutzgesetz legte er Einspruch ein35, der im Bundestag mit den Stimmen der Regierungsfraktionen zurückgewiesen wurde. Eine verfassungsgerichtliche Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzgebungsverfahrens wurde, obwohl dies zwischenzeitlich angedroht worden war36, nicht angestrengt. Auch der Fall der Aufteilung eines Gesetzes erst auf Grundlage des Einigungsvorschlags des Vermittlungsausschusses blieb damit verfassungsrechtlich ungeklärt. Dass die Aufspaltung einer Gesetzesmaterie – erst im Vermittlungsverfahren – nicht nur von Bundesregierung und Bundestag, sondern auch vom Bundesrat als taktisches Mittel im Gesetzgebungsprozess eingesetzt wurde, zeigt der Fall des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines „Gesetzes zur Verbesserung der Haushaltsstruktur“ im Jahre 1975.37 Das Gesetz sah Ausgabenkürzungen in vielen Bereichen, den Abbau von Steuervergünstigungen und die Erhöhung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge vor. Schon im ersten Durchgang traf dieses „Sparprogramm“ der Bundesregierung auf den Widerstand des Bundesrates, der trotz Aufnahme einiger Änderungswünsche in den Gesetzentwurf auch im zweiten Durchgang ungebrochen blieb. Von Seiten des damaligen schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Stoltenberg kam daraufhin der Vorschlag, die besonders umstrittenen, aber zustimmungsfreien Bestimmungen über die Erhöhung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge in einem gesonderten Gesetz zusammenzufassen. Die gesetzestechnische Verbindung der Sparmaßnahmen mit der Beitragserhöhung setze, so der Ministerpräsident, den Bundesrat unter „Zugzwang“. Zwar enthielt der Anrufungsbeschluss des Bundesrates keine 32

Vgl. BT-Drs. 6/2708. Vgl. zu den Ablehnungsgründen in Bezug auf das Kündigungsschutzgesetz die Äußerungen von Erpenbeck (CDU/CSU) in der 144. Sitzung des Deutschen Bundestages, 20.10.1971, 6. WP, StenBer., S. 8226 f. Umstritten war insb. der Geltungsbereich des Gesetzes. In Bezug auf die Aufspaltung spricht Erpenbeck von einem „fragwürdigen Verfahren“ (8226). 34 Siehe den StenBer. der 144. Sitzung des Deutschen Bundestages, 20.10.1971, 6. WP, S. 8223 ff. 35 Vgl. das Protokoll der 372. Sitzung des Bundesrates, 22.10.1971, S. 292. Zuvor war gegen eine Minderheit der Stimmen festgestellt worden, dass das Kündigungsschutzgesetz nicht zustimmungsbedürftig ist. 36 Siehe den StenBer. der 144. Sitzung des Deutschen Bundestages, 20.10.1971, 6. WP, S. 8224. 37 Vgl. dazu ausführlich Fritz, S. 51 ff. mit Nachweisen. 33

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ausdrückliche Forderung nach einer Aufspaltung des Gesetzes; im Vermittlungsausschuss wurden aber der Anregung Stoltenbergs entsprechend die umstrittenen arbeitsförderungsrechtlichen und versorgungsrechtlichen Bestimmungen aus dem ursprünglichen Entwurf eines Haushaltsstrukturgesetzes herausgelöst. Gegen das neue, die zustimmungsfreien, aber umstrittenen Vorschriften enthaltende Gesetz legte der Bundesrat Einspruch ein, der im Bundestag mit der erforderlichen Mehrheit zurückgewiesen wurde. Das weiterhin zustimmungsbedürftige, um die umstrittenen Vorschriften reduzierte Haushaltsstrukturgesetz fand nach einem erneuten Vermittlungsverfahren die Zustimmung des Bundesrates. Dass auch das die politisch brisanten Vorschriften umfassende zustimmungsfreie Teilgesetz aufgrund seiner früheren Einbindung in das ursprüngliche, als „Ganzes“ zustimmungsbedürftige Haushaltsstrukturgesetz dem Zustimmungserfordernis unterliege, wurde vom Bundesrat zu keinem Zeitpunkt geltend gemacht. Vielmehr verfolgten CDU/CSU und die unionsgeführten Landesregierungen gerade die Absicht, durch die Abspaltung der umstrittenen Vorschriften über die Erhöhung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung diesen nicht ausdrücklich zustimmen zu müssen, ohne aber ihr Zustandekommen letztlich verhindern zu wollen. Die Abspaltung ermöglichte dem Bundesrat eine politisch-taktische Ablehnung ohne Folgen für das Zustandekommen des Gesetzes.38 Dieser Fall zeigt, dass die Aufspaltung eines Gesetzes vereinzelt auch vom Bundesrat dazu genutzt worden ist, der von Herzog beschriebenen, aus einem das ganze Gesetz erfassenden Zustimmungsrecht resultierenden, Zwangslage39 zu entkommen.40 Hieraus folgt zugleich, dass auch Bundes38

Vgl. Fritz, S. 53 f. mit Nachweisen. Siehe oben Erster Abschnitt D. 40 Die Befürwortung der Aufteilung der Gesetzesmaterie im Fall des Haushaltsstrukturgesetzes hielt den Bundesrat aber nicht davon ab, fast parallel dazu im Fall des Berufsbildungsgesetzes der von der Bundesregierung vorgenommenen Aufspaltung in ein Ausbildungsplatzförderungsgesetz und ein „Gesetz zur Regelung steuerrechtlicher und anderer Fragen der Ausbildungsförderung“ vehement entgegenzutreten und die Zustimmungsbedürftigkeit auch des die abgespaltenen zustimmungsfreien Vorschriften enthaltenden Gesetzes mit der Begründung zu postulieren, die Gesetzesteilung sei unzulässig und allein aus dem Grund erfolgt, den Bundesrat zu umgehen. Was in einem Fall gewünscht war, war im anderen eine „unzulässige Ausübung des gesetzgeberischen Ermessens durch den Bundestag“ (siehe die Nachweise bei Fritz, S. 55 ff.). Das Ausbildungsplatzförderungsgesetz wurde vom Bundesverfassungsgericht bekanntermaßen für nichtig erklärt. Siehe BVerfGE 55, 274 ff. Das unstreitig zustimmungsbedürftige Ergänzungsgesetz scheiterte trotz Anrufung des Vermittlungsausschusses an der fehlenden Zustimmung des Bundesrates. Der Bundesrat brachte daraufhin selbst ein „Gesetz zur Regelung zusätzlicher Fragen der Ausbildungsförderung“ ein. Mit dem Entwurf eines Berufsbildungsförderungsgesetzes unternahm die Bundesregierung im Jahre 1981 einen neuen Versuch zur Normierung der im Berufsbildungsgesetz bzw. Ausbildungsplatzförderungsgesetz enthaltenen Materie. An einem materiellen Kompromiss mit der Opposition 39

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5. Abschn.: Die an der Zustimmungsbedürftigkeit orientierte Teilung

regierung und Bundestagsmehrheit, wenn sie ein politisches Interesse daran haben, den Bundesrat über das von ihm regelmäßig in Anspruch genommene umfassende Zustimmungsrecht in die Pflicht zu nehmen, von der Aufteilung eines Gesetzes Abstand nehmen können. Dies allein erklärt jedoch nicht, warum Bundesregierung und Bundestagsmehrheit gerade in Zeiten divergierender Mehrheitsverhältnisse die existierenden Möglichkeiten der Gesetzesaufspaltung nicht in größerem Maße genutzt haben. Fritz spricht in seiner Untersuchung aus dem Jahre 1982 noch von einer geringen Anzahl von Fällen auch in der Zeit nach 1969 bzw. 1972.41 Auch Lehmbruch misst, ohne eine quantitative Aussage zu machen, für die Zeit der Regierung Schmidt der Möglichkeit der Teilung von Gesetzesvorhaben eine eher geringe Bedeutung bei.42 Wichtige und umstrittene Vorhaben wurden weiterhin in Form von Zustimmungsgesetzen zu verwirklichen versucht.43 Nach Ansicht Lehmbruchs wurde die Möglichkeit der Aufspaltung von Gesetzen zur Ausschaltung des Zustimmungsrechts des Bundesrates in Bezug auf umstrittene Vorhaben in der letzten Phase der Regierung Kohl jedoch schon „systematischer“44 genutzt. Für die Zeit der rot-grünen Koalition spricht er von einem „Zufluchtnehmen“ zur „inzwischen vielfach erprobten Teilung“45. Diese erfolgte regelmäßig in der Form der reaktiven Aufteilung auf Anregung eines Ausschusses vor der Beschlussfassung im Bundestag. Drei Beispiele seien im Folgenden aufgeführt. Statistische Untersuchungen zur Aufspaltungspraxis existieren bis heute nicht.

kamen Bundesregierung und Bundestagsmehrheit aber, da das Gesetz schließlich wiederum zustimmungsbedürftige Bestimmungen enthielt, nicht vorbei. 41 Vgl. Fritz, S. 20. 42 Der wohl spektakulärste Fall der Aufteilung in der Zeit der Regierung Schmidt war wahrscheinlich die Reform des § 218 StGB. Die zustimmungsfreie Änderung des § 218 StGB an sich wurde von der Schaffung zustimmungspflichtiger „flankierender Maßnahmen“ getrennt. Siehe hierzu das Urteil des Ersten Senats v. 25.2.1975, BVerfGE 39, 1, 19 ff., 34 f. 43 Vgl. Lehmbruch, Parteienwettbewerb, S. 144. 44 Lehmbruch, Parteienwettbewerb, S. 170. 45 Lehmbruch, Parteienwettbewerb, S. 174. Siehe auch Gramm, AöR 124 (1999), 212, 223, 227. Anders Papier in seinem Vortrag „Föderalismus auf dem Prüfstand“ auf der Assessorenwoche in Karlsruhe-Rüppurr am 17.9.2003, wiedergegeben bei: Hrbek/Eppler, Dokument Nr. 9, S. 123, 129, der hier von immer noch „seltenen“ Fällen spricht.

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4. Aktuelle Beispiele aus der 14. und 15. Wahlperiode a) Das Lebenspartnerschaftsgesetz Das prominenteste Beispiel der Aufspaltung eines Gesetzes in der Zeit der rot-grünen Koalition ist ohne Zweifel das Lebenspartnerschaftsgesetz. Das Gesetz ging zurück auf einen Entwurf der Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.46 Dieser war auf Empfehlung des federführenden Rechtsausschusses des Bundestages und mit dem Ziel, die zustimmungsfreien von den zustimmungsbedürftigen Normen zu trennen, in zwei Gesetze aufgespalten worden: das „Gesetz zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften: Lebenspartnerschaften“ mit den materiell-rechtlichen Bestimmungen zur eingetragenen Lebenspartnerschaft und damit im Wesentlichen verbundenen Rechtsfolgen und das „Gesetz zur Ergänzung des Lebenspartnerschaftsgesetzes und anderer Gesetze (Lebenspartnerschaftsergänzungsgesetz)“, das insbesondere die Vorschriften über die Gleichstellung im Beamten-, Sozial- und Steuerrecht enthielt.47 Beide Gesetze wurden vom Bundestag verabschiedet. Das Lebenspartnerschaftsgesetz passierte den Bundesrat, ohne dass dieser den Vermittlungsausschuss anrief und die Zustimmungsbedürftigkeit des Gesetzes feststellte. Das unstreitig zustimmungsbedürftige Ergänzungsgesetz scheiterte an der Ablehnung im Bundesrat.48 Die Aufspaltung der Gesetzesmaterie wurde von der parlamentarischen Opposition scharf kritisiert.49 Das Lebenspartnerschaftsgesetz hielt aber auch im Hinblick auf seine formelle Verfassungsmäßigkeit der verfassungsgerichtlichen Kontrolle stand.50 b) Das Gesetz zur Neuordnung des Gentechnikrechts In der 15. Wahlperiode brachte die Bundesregierung den Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Gentechnikrechts51 in den Bundestag ein, das insbesondere der Anpassung des Gentechnikrechts an die europarechtlichen 46

Vgl. BT-Drs. 14/3751. Vgl. BT-Drs. 14/4545 mit Anlagen. Siehe auch den Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drs. 14/4550. Zum Verlauf des Gesetzgebungsprozesses des Lebenspartnerschaftsergänzungsgesetzes vgl. BT-Drs. 14/4875, BT-Drs. 14/4878. 48 Vgl. BT-Drs. 14/4875. Ein Vermittlungsverfahren scheiterte. Vgl. BT-Drs. 14/4878 und BR-Drs. 838/00. In der 15. Legislaturperiode scheiterte eine Gesetzesinitiative der FDP-Fraktion. Vgl. BT-Drs. 15/2477, BT-Drs. 15/4052. Die Vorlage wurde nach der zweiten Lesung am 29.10.2004 abgelehnt. 49 Vgl. Jakob, Jura 2003, 762, 762. 50 Vgl. BVerfGE 105, 313 ff. Siehe dazu oben Vierter Abschnitt A. III. 6. und unten in diesem Abschnitt C. 51 Vgl. BT-Drs. 15/3088. 47

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5. Abschn.: Die an der Zustimmungsbedürftigkeit orientierte Teilung

Vorgaben dienen sollte.52 Der Bundesrat stand dem Regierungsentwurf äußerst kritisch gegenüber und schlug über 80 Änderungen an Kernvorschriften des Gesetzes vor.53 Aufgrund der in ihm enthaltenen organisations- und verfahrensrechtlichen Vorschriften war das Gesetz nach Art. 84 Abs. 1 GG zustimmungsbedürftig. Da eine schnelle Einigung mit der Oppositionsmehrheit im Bundesrat nicht in Aussicht stand, wurde der Regierungsentwurf im Rahmen der Ausschussberatungen der zustimmungsauslösenden Vorschriften entkleidet.54 Diese sollten stattdessen in einem eigenständigen Gesetzentwurf erneut eingebracht werden. Der Bundestag beschloss das nun zustimmungsfreie Gesetz gegen die Stimmen von CDU/CSU und FDP. Der vom Bundesrat am 9. Juli 2004 angerufene Vermittlungsausschuss schloss das Verfahren am 27. Oktober 2004 ohne Einigungsvorschlag ab.55 Der Bundesrat legte am 5. November 2004 gegen das Gesetz Einspruch ein, den der Bundestag mit der erforderlichen Mehrheit zurückwies.56 Noch im Februar 2005 brachten die Regierungsfraktionen einen Entwurf für ein Zweites Gesetz zur Neuordnung des Gentechnikrechts in den Bundestag ein, der im März gegen die Stimmen von CDU/CSU und FDP verabschiedet wurde.57 Die Vorlage enthielt unter anderem die abgespaltenen, zur vollständigen Umsetzung der Freisetzungsrichtlinie noch fehlenden Vorschriften – insbesondere organisations- und verfahrensrechtliche Regelungen.58 Der Bundesrat rief am 29. April 2005 den Vermittlungsausschuss an, der bis zu seiner letzten Sitzung vor der Bundestagswahl am 5. September 2005 keinen Einigungsvorschlag unterbreiten konnte.59 52 Insb. Richtlinie 2001/18/EG über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in der Umwelt und zur Aufhebung der Richtlinie 90/220/EWG (Freisetzungsrichtlinie), AblEG Nr. L 106, 17.04.2001, S. 1 ff. Vgl. BT-Drs. 15/3344, S. 36 f. Siehe dazu auch Palme, EuZW 2005, 109, 110. 53 Besonders umstritten war die in der Vorlage vorgesehene Einführung einer verschuldensabhängigen und gesamtschuldnerischen Haftung der Anwender gentechnisch veränderter Organismen (GVO-Anwender) für Schäden durch Verunreinigungen. Vgl. das Protokoll der 805. Sitzung des Bundesrates, 5.11.2004, S. 542 f. 54 Zum Beratungsverlauf im federführenden Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft siehe BT-Drs. 15/3344, S. 37 ff. 55 Siehe BR-Drs. 812/04. Zwischenzeitlich, am 15.7.2004, wurde die Bundesrepublik Deutschland nach Durchführung eines Vertragsverletzungsverfahrens seitens der EU-Kommission wegen Nichtumsetzung der Freisetzungsrichtlinie durch den EuGH verurteilt. Siehe EuGH, Urteil v. 15.7.2004 – Rs C-420/03 – Kommission/Deutschland. 56 Siehe BT-Drs. 15/4159, BT-Drs. 15/4277. Der Bundesrat ging davon aus, dass das Gesetz den europarechtlichen Vorgaben nicht entspreche. Vgl. das Protokoll der 805. Sitzung des Bundesrates, 5.11.2004, S. 540 ff. Das Gesetz zur Neuordnung des Gentechnikrechts wurde am 3.2.2005 verkündet und trat einen Tag später in Kraft (Gesetz v. 21.12.2004, BGBl. I 2005, S. 186). 57 Vgl. BT-Drs. 15/4834. 58 Vgl. BT-Drs. 15/4834.

B. Die Staatspraxis

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c) Das Tagesbetreuungsausbaugesetz Eine Durchsetzung des gesamten Gesetzesvorhabens gelang dagegen im Fall des in der 15. Legislaturperiode von der Bundesregierung eingebrachten „Entwurfs eines Gesetzes zum qualitätsorientierten und bedarfsgerechten Ausbau der Tagesbetreuung und zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe“.60 Der Bundesrat lehnte den Gesetzentwurf in seiner Stellungnahme im ersten Durchgang deutlich ab.61 Zustimmungsbedürftig war auch dieses Gesetz unstreitig nach Art. 84 Abs. 1 GG. Auf Empfehlung des Bundestagsausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend62 wurden daraufhin erst kurz vor der Schlussabstimmung im Bundestag die nicht zustimmungsbedürftigen Regelungen zum Ausbau der Tagesbetreuung im Tagesbetreuungsausbaugesetz63 weitergeführt, die zustimmungspflichtigen Vorschriften des Gesetzentwurfs im Kinder- und Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetz64 zusammengefasst. Das Tagesbetreuungsausbaugesetz wurde vom Bundestag am 28. Oktober 2004 bei Enthaltung der Fraktionen von CDU/CSU und FDP verabschiedet. Die Aufspaltung des Gesetzesvorhabens zur Vermeidung der Zustimmungsbedürftigkeit der Vorschriften über den Ausbau der Tagesbetreuung wurde auch in der Tagespresse diskutiert. 59

Vgl. BT-Drs. 15/5431. Siehe SZ v. 6.9.2005, S. 6. Vgl. BT-Drs. 15/3676. Siehe zum Gesetzgebungsverfahren auch Wiesner, ZfJ 2004, 441, 447 ff. 61 Vgl. die Stellungnahme des Bundesrates in BT-Drs. 15/3986, S. 1 f., dazu die Gegenäußerung der Bundesregierung, S. 2 ff. Der Bundesrat äußerte in Bezug auf das Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 n. F. GG Bedenken. Die Bundesregierung berief sich dahingehend auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Ladenschlussgesetz (BVerfGE 111, 10 ff.). Das Tagesbetreuungsausbaugesetz als Änderungsgesetz zu einem vor der Verfassungsänderung von 1994 erlassenen Gesetz stelle keine Neukonzeption dar und sei daher nicht an den strengen Voraussetzungen des neuen Art. 72 Abs. 2 GG zu messen. Daneben war das Finanzierungskonzept Gegenstand der Auseinandersetzung. Die Regierungsfraktionen rechneten damit, dass durch die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe bei der Bundesanstalt für Arbeit bei den Kommunen erhebliche Mittel frei würden. Von diesen dem Bund zustehenden Mitteln sollten die Kommunen jährlich 2,5 Mrd. Euro behalten dürfen, von denen sie 1,5 Mrd. Euro für den Ausbau der Tagesbetreuung einsetzen sollten. Die erwartete Entlastung stellte sich aber nicht ein. Der Bund besserte durch gesetzliche Regelung dahingehend nach. Das Finanzierungsmodell blieb aber strittig. Vgl. das Protokoll der 803. Sitzung des Bundesrates, 24.9.2004, S. 428 ff. Vgl. auch die Wiedergabe der Äußerungen der baden-württembergischen Sozialministerin Gönner (CDU) in: FAZ v. 18.9.2004, S. 6. Siehe auch Wiesner, ZfJ 2004, 441, 447 f., 451. 62 Vgl. BT-Drs. 15/4045, S. 3, BT-Drs. 15/5616, S. 2. 63 Gesetz zum qualitätsorientierten und bedarfsgerechten Ausbau der Tagesbetreuung für Kinder. 64 Gesetz zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe. 60

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5. Abschn.: Die an der Zustimmungsbedürftigkeit orientierte Teilung

Union und FDP rügten insbesondere, dass sie über die Absicht der Bundesregierung, die Gesetzesvorlage aufzuspalten, zu spät informiert worden seien.65 „Verfassungsrechtlich problematisieren“ wollten CDU/CSU die Aufspaltung auch angesichts der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Lebenspartnerschaftsgesetz jedoch nicht.66 Dem Tagesbetreuungsausbaugesetz in der vom Bundestag verabschiedeten Form stand der Bundesrat auch im zweiten Durchgang ablehnend gegenüber. Mit dem Ziel, eine grundlegende Überarbeitung des Gesetzes herbeizuführen und seine Zustimmungsbedürftigkeit festzustellen, rief er den Vermittlungsausschuss an.67 Die Zustimmungsbedürftigkeit des Gesetzes leitete der Bundesrat aber nicht aus einer sachwidrigen Aufspaltung der Gesetzesmaterie her. Er sah vielmehr in den Änderungen der materiell-rechtlichen Vorschriften des SGB VIII solche, durch die den nicht ausdrücklich geänderten Vorschriften über das Verwaltungsverfahren der Länder „eine wesentlich andere Bedeutung und Tragweite“ verliehen würde. Nach Ansicht des Bundesrates war auch dieses Gesetz damit nach Art. 84 Abs. 1 GG zustimmungsbedürftig.68 Das Vermittlungsverfahren endete jedoch, ohne dass ein Einigungsvorschlag zustande kam. Der Bundesrat verweigerte dem Gesetz daraufhin die Zustimmung, legte aber vorsorglich Einspruch ein.69 Dieser wurde vom Bundestag zurückgewiesen. Das separat weiter verhandelte Kinder- und Jugendhilfeentwicklungsgesetz wurde gegen die Stimmen der Fraktion der CDU/CSU am 3. Juni 2005 im Bundestag verabschiedet. Der Bundesrat stimmte in seiner Sitzung vom 8. Juli 2005 dem Gesetz zu.70 Eine verfassungsgerichtliche Klärung der Frage der Zustimmungsbedürftigkeit des Tagesbetreuungsausbaugesetzes unterblieb.

C. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Die vorangehende Darstellung von Fällen aus der Staatspraxis hat gezeigt, dass zwar Zulässigkeit und Folgen der Aufspaltung einer Gesetzesmaterie in zustimmungsfreie und zustimmungsbedürftige Gesetze(steile) zwischen den an der Gesetzgebung beteiligten Organen regelmäßig kontrovers waren, dass aber eine verfassungsgerichtliche Klärung des Streits lange 65 Die FDP sprach von einer „Nacht-und-Nebel-Aktion“, mit der das demokratische Verfahren mit Füßen getreten worden sei. Siehe FAZ v. 28.10.2004, S. 4. Das Bundesfamilienministerium hatte die Möglichkeit einer Aufspaltung lange geprüft. 66 So die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Union im Bundestag Böhmer am 27.10.2004. Siehe FAZ v. 28.10.2004, S. 4. 67 Vgl. BT-Drs. 15/4381. 68 Vgl. BT-Drs. 15/4554, Anlage, S. 1 f. 69 Vgl. das Protokoll der 807. Sitzung des Bundesrates, 17.12.2004, S. 621. 70 Vgl. das Protokoll der 813. Sitzung des Bundesrates, 8.7.2005, S. 275.

C. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

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unterblieb. Vor dem abstrakten Normenkontrollverfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des Ausbildungsplatzförderungsgesetzes wurde die Unzulässigkeit einer Aufspaltung in ein zustimmungsbedürftiges und ein zustimmungsfreies Gesetz nicht zu einem Schwerpunkt der vorgetragenen Rügen gemacht. Das Bundesverfassungsgericht nutzte jedoch verschiedentlich die Gelegenheit, sich zur Befugnis des Gesetzgebers, ein Gesetz in seinen materiell-rechtlichen zustimmungsfreien und einen nach Art. 84 Abs. 1 GG zustimmungsbedürftigen Teil aufzuspalten, zu äußern. Erst fünf Jahrzehnte nach dem ersten umstrittenen Fall der Aufspaltung eines Gesetzesvorhabens nahm es in seinem Urteil zum Lebenspartnerschaftsgesetz ausführlich Stellung.

I. Stellungnahmen des Bundesverfassungsgerichts bis zum Ende der achtziger Jahre Bereits in einem Urteil aus dem Jahre 195371 deutete das Bundesverfassungsgericht im Zusammenhang mit der Frage nach der Rechtserheblichkeit der Äußerungen des Bundesrates im sog. ersten Durchgang auf die Möglichkeit hin, dass der Bundestag nach einem ablehnenden Votum des Bundesrates zu diesem Zeitpunkt „diejenigen Bestimmungen des Gesetzes streicht, aus denen der Bundesrat bisher sein Zustimmungsrecht hergeleitet hat“72. Die grundsätzliche Zulässigkeit einer solchen, in diesem Fall reaktiven Teilung war damit bereits impliziert. Die Dispositionsbefugnis des Bundestages hinsichtlich der Aufteilung eines Rechtsstoffes auf Gesetz und Verordnung oder mehrere Gesetze erkannte das Gericht auch im ApostilleBeschluss an. Wo die verfassungsrechtlichen Grenzen einer solchen grundsätzlichen Aufspaltungsbefugnis verlaufen können, ließ das Gericht in dieser Entscheidung aber ausdrücklich offen.73 Dies gilt auch für die Ausfüh71 Urteil des Zweiten Senats v. 29.7.1953, BVerfGE 3, 12 ff. In dem Organstreitverfahren ging es um die Frage, ob eine Verletzung von Organrechten durch die fehlerhafte Feststellung der Zustimmungsbedürftigkeit eines Gesetzes – in diesem Fall des am 22.1.1953 eingebrachten Bundesbankgesetzes, BT-Drs. Nr. 4020 – im ersten Durchgang durch den Bundesrat möglich sei. Das Gericht entschied, dass die Feststellung des Bundesrates im ersten Durchgang, ein Gesetz sei zustimmungsbedürftig, kein rechtserhebliches Verhalten ist und damit nicht Gegenstand eines Organstreitverfahrens sein kann. 72 BVerfGE 3, 12, 17. Siehe dazu Pestalozza, ZRP 1976, 153, 155. 73 Vgl. BVerfGE 24, 184, 199 f. Es könne dahingestellt bleiben, „ob der Dispositionsbefugnis des Bundestages hinsichtlich der Aufteilung des Rechtsstoffes auf Gesetz und Verordnung oder auf mehrere Gesetze – etwa auf ein nicht zustimmungsbedürftiges Gesetz mit materiellen Regelungen und den Verfahrensregelungen für die Bundesverwaltung und ein anderes nach Art. 84 Abs. 1 GG zustimmungsbedürftiges Gesetz mit Verfahrens- und Organisationsbestimmungen für die landeseigene Verwaltung – verfassungsrechtliche Grenzen gezogen sind – wie der Bundesrat

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5. Abschn.: Die an der Zustimmungsbedürftigkeit orientierte Teilung

rungen des Gerichts in seiner Entscheidung zum Vierten Rentenversicherungs-Änderungsgesetz.74 Der Bundestag, so das Bundesverfassungsgericht deutlich, sei nicht gehindert, in Ausübung seiner gesetzgeberischen Freiheit ein Gesetzesvorhaben in mehreren Gesetzen zu regeln. Er könne z. B. die materiell-rechtlichen Vorschriften in ein Gesetz aufnehmen, gegen das dem Bundesrat nur ein Einspruchsrecht zusteht, und Vorschriften über das Verfahren der Landesverwaltung in einem anderen, zustimmungsbedürftigen Gesetz beschließen. Dass die Gestaltungsbefugnis des Bundesgesetzgebers insoweit nur einer Willkürgrenze unterliegen solle, wurde erstmals im Sondervotum der Richter von Schlabrendorff, Geiger und Rinck festgestellt.75 Eine Auseinandersetzung mit der von den Antragstellern ausdrücklich aufgeworfenen Frage nach den verfassungsrechtlichen Grenzen einer Gesetzesaufspaltung unterblieb im Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Ausbildungsplatzförderungsgesetz, da das Gericht die Nichtigkeit des ganzen Gesetzes schon aufgrund fehlender Zustimmung zu organisationsund verfahrensrechtlichen Regelungen nach Art. 84 Abs. 1 GG feststellte und es auf die Zulässigkeit der Aufspaltung des Berufsbildungsgesetzes, aus dem das Ausbildungsplatzförderungsgesetz hervorgegangen war, damit nicht ankam.76 Nur wenig später, in der Entscheidung über mehrere Verfassungsbeschwerden77 gegen das durch § 12a des Arbeitsförderungsgesetzes78 eingemeint – und wann solche Grenzen gegebenenfalls überschritten wären“. Der Bundesrat hatte mit den „engen Grenzen“ der Gesetzesaufgliederung argumentiert. Vgl. BVerfGE 24, 184, 189 f. 74 Vgl. BVerfGE 37, 363, 382 f. Der Hinweis auf die grundsätzliche Aufspaltungsbefugnis des Gesetzgebers dient dem Gericht als Kontrollüberlegung für die Unterstreichung der Richtigkeit seiner Auffassung in Bezug auf die Zustimmungsbedürftigkeit von Änderungsgesetzen. 75 Vgl. das Sondervotum von Schlabrendorff, Geiger, Rinck, BVerfGE 37, 363, 410, 412. Siehe auch BVerfGE 77, 84, 103. Siehe zuvor BVerfGE 39, 1, 35. 76 Die antragstellende bayerische Landesregierung hatte gerügt, die Aufspaltung des Berufsbildungsgesetzes sei ohne sachlichen Grund und damit willkürlich und missbräuchlich erfolgt. Hierin liege ein Verstoß gegen Art. 20 Abs. 3 GG. Die Regierungen von Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz machten in ihren Stellungnahmen zudem geltend, das Ausbildungsplatzförderungsgesetz sei ohne das zustimmungsbedürftige Ergänzungsgesetz nicht vollziehbar. Die Bundesregierung trat dieser Argumentation entgegen. Der von Seiten der Antragsteller behauptete untrennbare sachliche Zusammenhang zwischen den beiden Gesetzen schränke die Dispositionsbefugnis des Gesetzgebers nicht ein. Die Zustimmungsbedürftigkeit eines Gesetzes beurteile sich nur nach dem in ihm zusammengefassten Normenbestand. Zudem sei das Ausbildungsplatzförderungsgesetz aus sich heraus vollständig und vollziehbar. Ein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip liege daher nicht vor. Siehe die Wiedergabe der jeweiligen Äußerungen in BVerfGE 55, 274, 287 f., 289 f., 295 f. 77 Beschluss des Ersten Senats v. 6.10.1987, BVerfGE 77, 84 ff.

C. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

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führte Verbot der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung im Baugewerbe, trat der Erste Senat der Auffassung der Antragsteller, die Regelung hätte nicht in das Arbeitsförderungsgesetz integriert werden dürfen, sondern in das zustimmungsbedürftige Arbeitnehmerüberlassungsgesetz79 aufgenommen werden müssen80, mit der Begründung entgegen, die Entscheidung, das Verbot in das Arbeitsförderungsgesetz aufzunehmen, sei „wegen seiner arbeitsmarktpolitischen Zielrichtung und der funktionalen Gleichwertigkeit von Arbeitsvermittlung und Arbeitnehmerüberlassung jedenfalls nicht willkürlich“81. Das zunächst nur in einem Sondervotum ausdrücklich postulierte Willkürverbot durfte damit als vom Gericht allgemein angenommene verfassungsrechtliche Grenze der Dispositionsbefugnis des Gesetzgebers gelten82, ohne dass allerdings Kriterien für die Beantwortung der Frage formuliert waren, wann diese Willkürgrenze überschritten sein kann.

II. Die Entscheidung zum Lebenspartnerschaftsgesetz Anlass zu einer ausführlicheren Auseinandersetzung mit der Frage der Zulässigkeit der Aufspaltung von Gesetzesmaterien in zustimmungsfreie und zustimmungsbedürftige Gesetze bot erst wieder das abstrakte Normenkontrollverfahren zur Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit des Lebenspartnerschaftsgesetzes im Jahr 2002.83 Die antragstellenden Landesregierungen hatten – die schon vor fünf Jahrzehnten vom Rechtsausschuss des Bundesrates vertretene Ansicht reproduzierend – die „willkürliche“ Aufspaltung der ursprünglichen Gesetzesvorlage gerügt und schon hieraus die Zustimmungsbedürftigkeit des Lebenspartnerschaftsgesetzes hergeleitet.84 Das Gesetz stelle zudem, so die Antragsteller, nur noch einen unvollziehbaren Gesetzestorso dar und sei auch aus diesem Grund verfassungswidrig.85 Die 78 Eingefügt durch Art. 1 § 1 Nr. 2 des Gesetzes zur Konsolidierung der Arbeitsförderung (Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetz) v. 22.12.1981 (BGBl. I, S. 1497). Der Bundesrat hatte das Gesetz zunächst für zustimmungsbedürftig gehalten. Schließlich beschloss er jedoch, gegen das Konsolidierungsgesetz keinen Einspruch einzulegen (BR-Drs. 567/81). 79 Gesetz v. 7.8.1972 (BGBl. I, S. 1393). Zu den bis zum damaligen Zeitpunkt erfolgten Änderungen siehe die Darstellung in BVerfGE 77, 84, 86 f. 80 Vgl. die Wiedergabe der Auffassung der Beschwerdeführer, BVerfGE 77, 81, 91 f. 81 BVerfGE 77, 84, 103 (Hervorhebung nicht im Original). 82 Vgl. Bryde, in: v. Münch/Kunig, Art. 77 Rn. 23; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 77 Rn. 4; Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 78 Rn. 13. 83 Vgl. BVerfGE 105, 313, 340 ff. 84 Ein Überschreiten der Willkür- und Missbrauchsgrenze nahmen ebenfalls an Scholz/Uhle, NJW 2001, 393, 394 f., 398. Auch sie folgern aus der Unzulässigkeit der Aufspaltung die Zustimmungsbedürftigkeit des Lebenspartnerschaftsgesetzes.

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5. Abschn.: Die an der Zustimmungsbedürftigkeit orientierte Teilung

Bundesregierung hingegen beharrte auf der von Beginn an von ihr vertretenen Auffassung von der grundsätzlichen Zulässigkeit der Aufspaltung einer Gesetzesmaterie. Solange nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine einzige, in einem Gesetz enthaltene zustimmungsbedürftige Norm das ganze Gesetz zustimmungsbedürftig werden lasse, „sei der Gesetzgeber dazu angehalten, Gesetzesvorhaben aufzuteilen, um die verfassungsrechtlich vorgegebenen Kompetenzgrenzen zwischen Bundestag und Bundesrat nachzuvollziehen“86. Im vorliegenden Fall sei die Aufspaltung zudem nicht missbräuchlich oder willkürlich erfolgt, sondern erst, nachdem die Kompromissfindung in der Sache gescheitert war. In dieser Situation sei der Gesetzgeber „geradezu verpflichtet, auf entsprechende politische Entwicklungen während des Gesetzgebungsverfahrens einzugehen“87. Der Vorwurf der Unvollziehbarkeit sei zudem dadurch widerlegt, dass die Länder Ausführungsregelungen zu den materiell-rechtlichen Bestimmungen des Gesetzes bereits erlassen hätten.88 Dieser Argumentation schloss sich das Bundesverfassungsgericht im Wesentlichen an. Es erklärte die vorgenommene Aufteilung der Gesetzesmaterie im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens für verfassungsgemäß und widersprach vor allem der von Seiten der Antragsteller postulierten Erstreckung der Zustimmungsbedürftigkeit auf das Lebenspartnerschaftsgesetz.89 Die Aufspaltung eines Gesetzesvorhabens in mehrere Gesetze sei als Ausübung der gesetzgeberischen Freiheit des Bundestages verfassungsrechtlich zulässig und auch noch im laufenden Gesetzgebungsverfahren möglich. Werde durch die Aufspaltung das Zustimmungsrecht des Bundesrates auf einen Teil der geplanten Vorschriften reduziert, liege hierin keine unzulässige Einschränkung des Rechts der „Länder“, an der Gesetzgebung des Bundes mitzuwirken. Die Aufspaltung einer Gesetzesmaterie in ein die materiell-rechtlichen Regelungen enthaltendes, zustimmungsfreies Gesetz und ein die nach Art. 84 Abs. 1 GG zustimmungsbedürftigen Einrichtungs- und Verfahrensregelungen umfassendes Gesetz bewirke keine Verschiebung der grundgesetzlichen Zuständigkeitsverteilung zu Lasten der Länder. Eine Aufspaltung der Gesetzesmaterie verhindere, dass dem Bundesrat ein Zustimmungsrecht nur aufgrund des Umstandes der Zusammenfassung von materiell-rechtlichen und Einrichtungs- und Verfahrensregelungen in einem Ge85 Vgl. BVerfGE 105, 313, 318 f. Der Bundesrat hatte keine Stellungnahme abgegeben. Er hatte das Lebenspartnerschaftsgesetz als Einspruchsgesetz passieren lassen, d. h. den Vermittlungsausschuss nicht angerufen und die Zustimmungsbedürftigkeit des Gesetzes nicht festgestellt. 86 BVerfGE 105, 313, 324. 87 BVerfGE 105, 313, 324. Siehe auch Robbers, JZ 2001, 779, 779. 88 Vgl. BVerfGE 105, 313, 325. 89 Vgl. BVerfGE 105, 313, 338 ff.

C. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

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setz und daraus folgender, auf der Einheitsthese des Gerichts basierender Zustimmungserstreckung auch in Bezug auf die materiell-rechtlichen Vorschriften zuwachse. Mit der im Fall des Lebenspartnerschaftsgesetzes praktizierten Vorgehensweise richtet der Bundestag nach Ansicht des Gerichts „die Gestaltung seiner Gesetzgebung gerade an der verfassungsrechtlichen Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern aus“90. Ob neben der oder über die Willkürgrenze hinaus verfassungsrechtliche Beschränkungen hinsichtlich der Aufspaltungsbefugnis des Bundesgesetzgebers bestehen, lässt das Gericht wiederum offen.91 Ein willkürliches Verhalten des Bundestages liege jedenfalls nicht darin, durch Aufteilung der Gesetzesmaterie die Einflussnahme des Bundesrates (über ein Einspruchsrecht hinaus) auf die materiell-rechtlichen Vorschriften ausschließen zu wollen. Dieses Vorgehen sei vielmehr „ein legitimer Weg, einer ausgreifenden Erstreckung der Zustimmungsbedürftigkeit von Gesetzen“92 entgegenzutreten und Gesetzesvorhaben zu realisieren. Wollte man das Motiv, eine Ausdehnung der Zustimmung auf an sich zustimmungsfreie Vorschriften zu vermeiden, als missbräuchlich einordnen, wäre dem Bundestag, so das Bundesverfassungsgericht, eine getrennte Regelung von materiellem Recht und Organisations- und Verfahrensregelungen letztlich stets verwehrt.93 Auch der von Seiten der Antragsteller vertretenen Auffassung, das Lebenspartnerschaftsgesetz stelle einen „Gesetzestorso“ dar, trat das Gericht entgegen.94 Die im Lebenspartnerschaftsgesetz enthaltenen Vorschriften seien „aus sich heraus verständlich und hinreichend bestimmt“ und schließlich auch vollziehbar.95 Das Bundesverfassungsgericht hat die Aufspaltung von Gesetzesmaterien in zustimmungsfreie und zustimmungsbedürftige (Teil-)Gesetze durch den Bundestag damit in großem Umfang für verfassungsrechtlich zulässig erklärt. Darüber hinaus hat es dem Bundesgesetzgeber die Inanspruchnahme der ihm zustehenden Aufspaltungsbefugnis geradezu angeraten96, um den Einfluss des Bundesrates auf die Vorschriften zu reduzieren, die nach dem Grundgesetz zum Schutz von Länderinteressen, im Hauptanwendungsfall 90

BVerfGE 105, 313, 340. Vgl. BVerfGE 105, 313, 340 ff. 92 BVerfGE 105, 313, 341. 93 Vgl. auch Robbers, JZ 2001, 779, 780. 94 Vgl. BVerfGE 105, 313, 341 f. Zu den „offenen Fragen“, die sich aus der Nichtverabschiedung des Lebenspartnerschaftsergänzungsgesetzes ergeben, siehe Stüber, NJW 2003, 2721, 2721 ff. 95 Vgl. schon BVerfGE 104, 51, 56 f. Siehe auch Robbers, JZ 2001, 779, 780. 96 Eine versteckte Aufforderung zur Gesetzesaufspaltung kann man auch schon in die Äußerungen des Gerichts in der Entscheidung zum Vierten Rentenversicherungs-Änderungsgesetz hineinlesen. So Janson, DVBl. 1978, 318, 320. 91

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5. Abschn.: Die an der Zustimmungsbedürftigkeit orientierte Teilung

des Art. 84 Abs. 1 GG zum Schutz der Verwaltungshoheit der Länder, nicht gegen die Mehrheit der Stimmen des Bundesrates Geltung erlangen sollen.97 Die in Bezug auf die Inanspruchnahme einer Teilungsbefugnis postulierte „Willkürgrenze“ läuft damit im Hauptanwendungsfall des Art. 84 Abs. 1 GG praktisch leer.

D. Das Meinungsbild im Schrifttum Die rechtswissenschaftliche Literatur problematisierte die Frage der Zulässigkeit der Kodifizierung einer Gesetzesmaterie in verschiedenen zustimmungsfreien und zustimmungsbedürftigen aufeinander bezogenen (Teil-)Gesetzen verschiedentlich unmittelbar nach der ersten Auseinandersetzung zwischen Bundesregierung und Bundesrat im Jahre 1952.98 Zum Gegenstand einer ausführlichen verfassungsrechtlichen Prüfung wurde die Aufspaltungsbefugnis des Gesetzgebers in den ersten zwei Jahrzehnten nach Inkrafttreten des Grundgesetzes im Schrifttum jedoch nicht.99 Hierzu gab es vor dem Hintergrund parallel verlaufender bzw. nicht divergierender Mehrheitsverhältnisse in Bundestag und Bundesrat wenig Anlass. Erst als in den siebziger Jahren angesichts einer dauerhaften „Blockade“ der Regierungsmehrheit durch den Bundesrat die Möglichkeit der Durchsetzung politisch umstrittener Gesetzesvorhaben durch Isolierung der kontroversen, in der Regel aber zustimmungsfreien materiell-rechtlichen Vorschriften in einem Gesetz für die Bundesregierung neue Attraktivität gewinnen musste, wurde die Frage der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit eines solchen Vorgehens auch Gegenstand einer ausführlicheren Prüfung in der Literatur.100 Mit der 97

Siehe dazu H. Meyer, K-Drs. 0012, S. 6. Die Position des Bundesrates unterstützte Kutscher, DÖV 1952, 710, 713. Krit. in Bezug auf die Zulässigkeit der Aufspaltung auch Schäfer, Der Bundesrat, S. 88 ff. Die Zulässigkeit der Aufspaltung als Ausfluss der Gestaltungsfreiheit der Legislative betonte als einer der Ersten deutlich Haas, AöR 80 (1955/56), 81, 85. Für eine Aufspaltungsbefugnis auch Held, AöR 80 (1955/56), 50, 57; Katzenstein, DÖV 1958, 593, 598. Siehe auch Wessel, JZ 1951, 123, 124; Schneider, DVBl. 1953, 257, 261; Schulz, S. 52 f. 99 Siehe z. B. die nur kurzen Stellungnahmen von Fundis, S. 83; Bettermann, Posttarifhoheit, S. 35; Rössler, S. 34 f. Kimminich, Rechtsgutachten, S. 9. 100 Vgl. zunächst Konow, ZRP 1973, 158, 161, der dem Bundestag empfiehlt, sich auf die Regelung des materiellen Rechts zu beschränken; von Hase, DÖV 1973, 838, 842; Lepa, DVBl. 1974, 399, 404; Ossenbühl, AöR 99 (1974), 369, 400; Herzog, in: 25 Jahre Bundesrat, S. 235, 244 f., der seine Ansicht aber in späteren Äußerungen zum Teil relativierte. Nachweise hierzu bei Fritz, S. 71. Siehe auch Friesenhahn, in: 25 Jahre Bundesrat, S. 251, 265; Klein, ZParl 1974, 485, 493. Siehe dann ausführlicher Dittmann, DÖV 1974, 397, 397 ff.; Pestalozza, ZRP 1976, 153, 153 ff.; Fiedler, ZRP 1977, 9, 9 ff.; Janson, DVBl. 1978, 318, 318 ff.; Schenke, Verfassungsorgantreue, S. 72 ff.; Hasselsweiler, S. 56 ff. 98

E. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Aufspaltung

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Untersuchung von Fritz aus dem Jahre 1982101 wurde das Problem umfassend ausgelotet. Die jüngere Kommentarliteratur hielt auch vor dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Lebenspartnerschaftsgesetz die Aufspaltung in zustimmungsfreie und zustimmungsbedürftige Teilgesetze für grundsätzlich zulässig.102 Dabei wurde ebenfalls überwiegend – und ohne nähere Konkretisierung – von der Geltung der auch vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Missbrauchs- und Willkürgrenze in Bezug auf die Aufspaltung selbst ausgegangen.103 Teilweise wurde (daneben bzw. dagegen) entscheidend auf das Ergebnis der Teilung abgestellt. Eine solche sei dann verfassungsrechtlich zulässig, wenn sie nicht Gesetze produziere, die dem Grundsatz der Normenklarheit widersprechen oder einen unausführbaren „Gesetzestorso“ darstellen.104

E. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Aufspaltung in den verschiedenen Stadien des Gesetzgebungsverfahrens Sowohl das Bundesverfassungsgericht als auch der überwiegende Teil der Literatur haben die Frage der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Aufspaltung eines Gesetzesvorhabens beantwortet, ohne systematisch zu differenzieren, in welchem Stadium des Gesetzgebungsverfahrens diese Aufspaltung erfolgt.105 Dies soll im Folgenden unternommen werden. 101

Vgl. Fritz, insb. S. 90 ff. Vgl. Bryde, in: v. Münch/Kunig, Art. 77 Rn. 23; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 77 Rn. 4; Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 84 Rn. 67; Bull, in: AK, Art. 84 Rn. 24; Hermes, in: Dreier, Art. 84 Rn. 54; Dittmann, in: Sachs, Art. 84 Rn. 15. Siehe auch Sauter, in: FS Klein, S. 561, 562; Friesenhahn, in: 25 Jahre Bundesrat, S. 251, 265. 103 Vgl. Bryde, in: v. Münch/Kunig, Art. 77 Rn. 23; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 77 Rn. 4; Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 78 Rn. 13; Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 76 Rn. 14. Siehe auch Herzog, in: 25 Jahre Bundesrat, S. 235, 244 f.; ders. Strukturmängel, S. 113; Schenke, Verfassungsorgantreue, S. 79. Vgl. auch Sauter, in: FS Klein, S. 561, 562 f., der diese allerdings bei unüberbrückbaren Meinungsunterschieden zwischen Bundestagsmehrheit und Bundesrat schon als überschritten ansehen will. 104 Vgl. Lücke, in: Sachs, Art. 77 Rn. 18; Stern, Staatsrecht II, S. 145; Bull, in: AK, Art. 84 Rn. 24. 105 Die aktuelle Kommentarliteratur hat die dahingehenden Differenzierungen bei Fritz, S. 90 ff. nur im Ansatz verarbeitet. Fritz konnte bei seiner Untersuchung auf die Arbeiten insb. von Dittmann, DÖV 1974, 397, 400 ff.; Pestalozza, JuS 1976, 153, 153 ff.; Janson, DVBl. 1978, 318, 319 ff. und Hasselsweiler, S. 62 ff., 262 ff. zurückgreifen. 102

322

5. Abschn.: Die an der Zustimmungsbedürftigkeit orientierte Teilung

Verfassungsgerichtlich ungeklärt ist gerade die hier interessierende Frage nach der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Aufspaltung eines Gesetzes im Vermittlungsverfahren, die Bundesregierung und Bundestagsmehrheit eine Durchsetzung eines von Beginn des Gesetzgebungsverfahrens an einheitlich behandelten Mischgesetzes noch zu einem späten Zeitpunkt ermöglichen und damit den gesetzgeberischen Handlungsspielraum der Regierungsmehrheit erheblich vergrößern könnte. Insbesondere für diese Konstellation ist aber zu prüfen, ob nicht die Vorschriften über das Gesetzgebungsverfahren nach Art. 77 GG durch eine Aufspaltung des Gesetzes ggf. verletzt werden. In Bezug auf das Vorliegen einer dahingehenden Bundesgesetzgebungskompetenz ist der Erlass eines allein die organisations- und verfahrensrechtlichen Vorschriften enthaltenden separaten Ausführungsgesetzes – wann auch immer die Aufspaltung vorgenommen wird – jedenfalls verfassungsrechtlich unbedenklich. Die in den fünfziger Jahren vom Rechtsausschuss des Bundesrates entwickelte106 und von Kutscher vertretene gegenteilige Ansicht, nach der eine Aufteilung eines Gesetzesvorhabens in ein die materiell-rechtlichen Vorschriften enthaltendes und ein die Einrichtungs- und Verwaltungsverfahrensregelungen umfassendes Gesetz schon an der fehlenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die isolierte Regelung der nach Art. 84 Abs. 1 GG zustimmungsbedürftigen Bestimmungen scheitere, hat sich zu Recht nicht durchgesetzt.107 Eine Pflicht zu einer integrierten Kodifizierung materiell-rechtlicher und organisations- und verwaltungsverfahrensrechtlicher Regelungen lässt sich aus dem Grundgesetz nicht herleiten. Selbst wenn man in Art. 84 Abs. 1 GG nicht die Einräumung einer konstitutiven Bundesgesetzgebungskompetenz sieht, sondern lediglich eine Annexkompetenz des Bundes zur Regelung von Behördeneinrichtung und Verwaltungsverfahren annimmt108, folgt hieraus nicht, dass die Inanspruchnahme dieser Annexkompetenz in demselben Gesetz zu erfolgen hat, das auch die materiell-rechtlichen Vorschriften enthält.109 Eine Bundesgesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs oder Annexes ist zwar nur 106

Siehe die Nachweise bei von Ditfurth, S. 144 f., Endnoten 45 ff. zu S. 34 f. Vgl. Kutscher, DÖV 1952, 710, 713. Kutscher ging mit der damals noch ganz herrschenden Auffassung davon aus, dass es sich bei der Bundesgesetzgebungskompetenz zur Schaffung von Organisations- und Verfahrensvorschriften um eine Annexkompetenz zu den materiellen Gesetzgebungskompetenzen des Bundes nach den Art. 70 ff. GG handele. Eine „eigenständige Gesetzgebungskompetenz für das Verwaltungsverfahren im Bereich der landeseigenen Verwaltung“ stehe dem Bund nicht zu, er könne von dieser „nur in Verbindung mit materiell-rechtlichen Normierungen“ Gebrauch machen. Zust. von Ditfurth, S. 34 f. Kutscher bezieht sich zwar auf Köttgen, DÖV 1952, 422, 423. Dieser trifft aber über die Aufspaltungsbefugnis keine klare Aussage. 108 Siehe hierzu oben Dritter Abschnitt C. II. 107

E. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Aufspaltung

323

unter bestimmten Voraussetzungen gegeben. Hierzu gehört unter anderem das Bestehen einer funktionalen Beziehung der Annexregelungen zur Hauptmaterie.110 Diese wird aber allein durch eine Kodifizierung in verschiedenen Gesetzen nicht berührt. Auch verlieren Annexregelungen den an sich111 geforderten „punktuellen“ Charakter nicht allein durch eine in einem selbständigen Gesetz erfolgende Normierung. Das Vorliegen der Voraussetzungen für das Bestehen einer Annexkompetenz ist nicht abhängig davon, ob eine Normierung von Hauptmaterie und Annexregelungen in ein und demselben Gesetz erfolgt.112 Das Bundesverfassungsgericht hat, ohne das Bestehen einer Bundesgesetzgebungskompetenz für ein separates Ausführungsgesetz zu thematisieren, die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer getrennten Normierung materiell-rechtlicher und darauf bezogener organisations- und verfahrensrechtlicher Vorschriften daher ebenfalls bejaht.113 Problematisch unter dem Aspekt fehlender Gesetzgebungskompetenz kann allenfalls der theoretisch zumindest denkbare Fall sein, in dem das separate Ausführungsgesetz das Gesetzgebungsverfahren erfolgreich durchläuft, das materiell-rechtliche Gesetz jedoch scheitert, da der Bundestag einen Einspruch des Bundesrates nicht mit der erforderlichen Mehrheit nach Art. 77 Abs. 4 GG zurückweist. In der Praxis kommt es zu dieser 109

Vgl. Schenke, Verfassungsorgantreue, S. 76; Dittmann, DÖV 1974, 397, 400; Fritz, S. 112 f. 110 Vgl. BVerfGE 77, 288, 299; 88, 203, 331. Siehe Degenhart, in: Sachs, Art. 70 Rn. 31. 111 Dass dieser punktuelle Charakter durch bundesgesetzliche Regelungen im Anwendungsbereich des Art. 84 Abs. 1 GG nicht selten verlorengeht, wurde bereits oben angesprochen. Siehe oben Dritter Abschnitt C. II. 112 Vgl. ausführlicher Dittmann, DÖV 1974, 397, 400 f. Die Ansicht Kutschers würde im Ergebnis dazu führen, dass selbst die zulässige nachträgliche Schaffung von bundeseinheitlichen Einrichtungs- und Verfahrensregelungen nur in einem (erneut) auch die materiell-rechtlichen Vorschriften beinhaltenden, auf der Grundlage der Einheitsthese insgesamt zustimmungsbedürftigen Gesetz erfolgen könnte. Die Normierung von bundesgesetzlichen organisations- und verfahrensrechtlichen Vorschriften nach Art. 84 Abs. 1 GG wäre damit nur um den Preis der Einflussnahme des Bundesrates auch auf die materiell-rechtlichen Vorschriften möglich. Dieses Ergebnis widerspricht dem Sinn und Zweck des in Art. 84 Abs. 1 GG normierten Zustimmungserfordernisses, der darin besteht, (nur) den durch bundesgesetzliche Einrichtungs- und Verfahrensregelungen erfolgenden Eingriff in die Verwaltungshoheit der Länder nicht gegen den Willen des Bundesrates zu ermöglichen. (Siehe oben Vierter Abschnitt B. I. 4.) So auch Schenke, Verfassungsorgantreue, S. 76. Vgl. auch Fritz, S. 113; Friesenhahn, in: 25 Jahre Bundesrat, S. 251, 265. Vgl. auch Pestalozza, ZRP 1976, 153, 156, der zwar „kompetenzrechtliche Überdehnungen“ fürchtet, aber eine verfassungsrechtliche Unzulässigkeit ebenfalls verneint. Dazu wiederum Fritz, S. 113. Siehe jetzt BVerfGE 105, 313, 342 f. 113 Vgl. BVerfGE 373, 363, 382 f.; 105, 313, 342 f.

324

5. Abschn.: Die an der Zustimmungsbedürftigkeit orientierte Teilung

Konstellation jedoch in der Regel nicht, weil das Gesetzgebungsverfahren entsprechend koordiniert wird.

I. Die aktive Aufteilung eines Gesetzesvorhabens Die von der Bundesregierung offenbar selten praktizierte Möglichkeit einer Aufteilung eines Gesetzesvorhabens noch vor Einbringung in den Bundestag ist im Hinblick auf Art. 76 GG verfassungsrechtlich unbedenklich.114 Art. 76 Abs. 1 GG bestimmt, dass Gesetzesvorlagen beim Bundestage durch die Bundesregierung115, aus der Mitte des Bundestages oder durch den Bundesrat eingebracht werden. Die Bundesregierung ist dabei gem. Art. 76 Abs. 2 GG nur insoweit eingeschränkt, als sie verpflichtet ist, vorab die Stellungnahme des Bundesrates einzuholen. Inhaltlich ist sie ebenso wie die anderen Initiativberechtigten nicht gebunden.116 Darüber, welchen Inhalt eine Gesetzesvorlage haben darf, trifft Art. 76 GG keine Aussage.117 Der politische Gestaltungswille der Initiativberechtigten entscheidet darüber, ob und wie sie eine Materie für regelungsbedürftig halten.118 Ausdruck der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit ist es auch, zur Regelung einer Materie mehrere Gesetzentwürfe vorzulegen.119 Erfolgt dies mit dem Ziel, die zustimmungsfreien und die zustimmungsbedürftigen Vorschriften eines Gesetzes voneinander zu trennen, liegt hierin ein „legitimes Eingeständnis der bei Zustimmungsgesetzen nur limitierten Durchsetzungsmöglichkeiten“120 eines (auch) in Bezug auf seine materiell-rechtlichen Vorschriften umstrittenen Vorhabens im Bundesrat. Soll die Ausführung des die materiell-rechtlichen Vorschriften enthaltenden Gesetzes nach dem Willen des Initiativberechtigten unter Vorgabe bundesrechtlicher Einrichtungs- und Verfahrensregelungen nach Art. 84 Abs. 1 GG erfolgen, kann er ein diese Vorschriften 114

Vgl. hierzu ausführlich Fritz, S. 92 ff. Siehe zum Verfahren der Erarbeitung von Gesetzentwürfen insb. die Bestimmungen der §§ 40 ff. GGO. Vgl. Jekewitz, in: AK, Art. 76 Rn. 8 ff.; Lücke, in: Sachs, Art. 76 Rn. 2 mit Fn. 1. 116 Zur Frage, ob Entwürfe von Gesetzesbeschlüssen, die deutlich erkennbar der Ewigkeitsgarantie des Art. 79 Abs. 3 GG widersprechen, von vornherein unzulässig sind bzw. ob den Bundestag in Bezug auf solche Gesetzentwürfe keine Befassungspflicht trifft, siehe Lücke, in: Sachs, Art. 76 Rn. 6; Masing, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, Art. 76 Rn. 81; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 76 Rn. 4. 117 BVerfGE 1, 144, 153. Siehe auch BVerfGE 7, 377, 400, 409; 8, 28, 37; 9, 291, 302; 9, 334, 338; 11, 50, 50; 12, 151, 166; 17, 199, 203; 18, 121, 132; 20, 150, 162; 27, 375, 383. 118 Vgl. nur Masing, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 76 Rn. 66. 119 Vgl. Fritz, S. 97. 120 Fritz, S. 97. 115

E. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Aufspaltung

325

umfassendes zustimmungsbedürftiges Gesetz getrennt einbringen.121 Der Gestaltungsfreiheit des Bundestages geht auch insoweit das freie Initiativrecht voraus.122 Bei der aktiven Aufteilung einer Gesetzesmaterie in zustimmungsfreie und zustimmungsbedürftige Gesetze ergeben sich keine besonderen verfassungsrechtlichen Probleme hinsichtlich der Ordnungsgemäßheit des Gesetzgebungsverfahrens. Die verschiedenen Gesetze durchlaufen von Beginn an selbständig das Verfahren nach Art. 76 ff. GG. Ob die Gesetze der Zustimmung des Bundesrates unterliegen, beurteilt sich nach ihrem jeweiligen Normenbestand. Für eine Erstreckung des Zustimmungsrechts des Bundesrates auf das zustimmungsfreie Teilgesetz fehlt es an einer normativen Grundlage.123 Die immer wieder postulierte Willkür- oder Missbrauchsgrenze läuft in dieser Konstellation eindeutig leer. Eine an der Kompetenzverteilung im Bereich der Ausführung der Bundesgesetze nach Art. 83 ff. GG ausgerichtete Aufspaltung kann, dies hat das Bundesverfassungsgericht klargestellt, nicht willkürlich oder missbräuchlich sein.124 Auch der Bundesrat, der auf dieser Grundlage eine Erstreckung seines Zustimmungsrechts lange vertreten hat, hat seine dahingehende Auffassung mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Lebenspartnerschaftsgesetz offenbar stillschweigend aufgegeben. Die aktive Aufteilung eines Gesetzesvorhabens in ein materiell-rechtliches und ein organisations- und verfahrensrechtliches (Teil-)Gesetz ist im Hinblick auf die Voraussetzungen an die formelle Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen damit insgesamt unbedenklich. Materiell verfassungswidrig kann das die materiellen Vorschriften enthaltende zustimmungsfreie Gesetz nur im Ausnahmefall insbesondere dann sein, wenn es gegen das Gebot der Normenklarheit oder Bestimmtheit aus Art. 20 Abs. 3 GG verstößt.125 Beispiele hierfür existieren in der Staatspraxis nicht.

II. Die reaktive Aufteilung Anders als bei der aktiven Aufteilung stellt sich bei der reaktiven Aufteilung einer Gesetzesvorlage oder eines Gesetzesbeschlusses die Frage, ob durch sie die verfassungsrechtlichen Vorschriften des Gesetzgebungsverfah121 Vgl. Held, AöR 80 (1955/56), 50, 56; Haas, AöR 80 (1955/56), 81, 85; Konow, ZRP 1973, 158, 160; Rössler, S. 35; Fritz, insb. S. 97, 119 f., 126, 128. 122 Siehe schon Held, AöR 80 (1955/56), 50, 56; Haas, AöR 80 (1955/56), 81, 85; Konow, ZRP 1973, 158, 160. Vgl. auch Fritz, S. 128. 123 Vgl. BVerfGE 105, 313, 342. Siehe ausführlich Fritz, S. 126 ff. 124 Vgl. BVerfGE 105, 313, 342. 125 Siehe dazu schon oben Vierter Abschnitt C. I. Vgl. Fritz, S. 98 ff.

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5. Abschn.: Die an der Zustimmungsbedürftigkeit orientierte Teilung

rens verletzt werden. Grundsätzlich muss jedes Gesetz den Gesetzgebungsprozess komplett durchlaufen. Es kann in dessen Verlauf aber erheblich inhaltlich modifiziert werden. Für die Bundesregierung und die Bundestagsmehrheit vergrößert sich der Handlungsspielraum bei der Durchsetzung eines umstrittenen Mischgesetzes gegenüber der Oppositionsmehrheit im Bundesrat umso mehr, je später eine Aufteilung des Gesetzes in einen zustimmungsfreien und einen zustimmungsbedürftigen Teil noch möglich ist, ohne dass dadurch aber Schritte des Gesetzgebungsverfahrens wiederholt werden müssen bzw. ein komplett neues Gesetzgebungsverfahren in Gang gesetzt werden muss. 1. Die Aufteilung durch die Bundesregierung nach dem sog. ersten Durchgang Theoretisch denkbar ist zunächst die Aufteilung einer Gesetzesvorlage der Bundesregierung nach dem sog. ersten126 Durchgang und vor Einbringen des Gesetzes in den Bundestag. Fällt die Stellungnahme des Bundesrates zu einem zustimmungsbedürftigen Gesetz bzw. zu einzelnen Vorschriften eines zustimmungsbedürftigen Gesetzes im ersten Durchgang ablehnend aus127, kann die Bundesregierung, wenn ein materieller Kompromiss nicht möglich oder nur schwer erreichbar erscheint, die Aufteilung des Entwurfs in ein zustimmungsbedürftiges und ein zustimmungsfreies Gesetz zwar ins Auge fassen. Sie wird aber die Vorlage vor Einbringen in den Bundestag in der Regel nicht modifizieren.128 Denn nimmt die Bundesregierung nach dem ersten Durchgang nicht nur redaktionelle (inhaltliche) Änderungen am Gesetzentwurf vor, muss sie den Entwurf dem Bundesrat erneut zur Stellungnahme zuleiten.129 Ob eine er126 Krit. zum Begriff Masing, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 76 Rn. 112. Zur Funktion des ersten Durchgangs siehe nur Masing, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 76, Rn. 85; Bryde, in: v. Münch/Kunig, Art. 76 Rn. 17; ders., in: Schneider/ Zeh, § 30 Rn. 21; Fritz, S. 130 f. Krit. insgesamt Jekewitz, in: AK, Art. 76 Rn. 14: dieser Teil des Gesetzgebungsverfahrens sei weitgehend „zur Feinarbeit am gesetzgeberischen Detail verkümmert“. 127 Zu den Reaktionsmöglichkeiten des Bundesrates und zum Verfahren im Detail vgl. Schmidt-Jortzig/Schürmann, in: BK, Art. 76 Rn. 273 ff., 300 ff. 128 Vgl. Bryde, in: Schneider/Zeh, § 30 Rn. 23, ders., in: v. Münch/Kunig, Art. 76 Rn. 20. 129 Vgl. Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 76 Rn. 6; Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 76 Rn. 19; Bryde, in: Schneider/Zeh, § 30 Rn. 23; Masing, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, Art. 76 Rn. 146; Stettner, in: Dreier, Art. 76 Rn. 23; Schmidt-Jortzig/ Schürmann, in: BK, Art. 76 Rn. 322. Siehe auch Graulich, S. 11. A. A. Lücke, in: Sachs, Art. 76 Rn. 21 für den Fall, dass die Bundesregierung allen Änderungsvorschlägen des Bundesrates zustimmt und diese in den Gesetzentwurf einarbeitet.

E. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Aufspaltung

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neute Zuleitung auch im Fall einer nur formalen Aufspaltung der Vorlage in mehrere Gesetzentwürfe vom Zweck des Art. 76 Abs. 2 GG tatsächlich gefordert wäre, soll dahingestellt bleiben.130 In der Praxis äußert sich die Bundesregierung regelmäßig lediglich in ihrer Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bundesrates und leitet den Gesetzentwurf unverändert weiter.131 Die Aufspaltung der Vorlage kann dann in den Ausschussberatungen, an denen Vertreter der Bundesregierung mitwirken, vorgenommen und dem Plenum in der Beschlussempfehlung zur Abstimmung vorgelegt werden. Will die Bundesregierung den Entwurf komplett zurückziehen132, was nach herrschender Ansicht noch bis zur abschließenden Beschlussfassung im Bundestag möglich ist133, und in der Form von zustimmungsfreien und zustimmungsbedürftigen (Teil-)Gesetzen neu einbringen, kann sie zumindest den ersten Durchgang nach offenbar immer noch herrschender Auffassung im Schrifttum134 und entsprechend der geduldeten Praxis im Wege einer „verkappten“ Regierungsvorlage aus der Mitte des Bundesrates umgehen. 2. Die Aufteilung im Verlauf der Beratungen im Bundestag Der häufigste Fall einer Gesetzesaufteilung in der jüngeren Staatspraxis ist die im Verlauf der parlamentarischen Beratungen im Bundestag – in der Regel in zweiter Lesung auf Empfehlung eines Ausschusses hin – erfolgende. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil zum Lebenspart130 Dafür Fritz, S. 138 f.; Dittmann, DÖV 1974, 399, 402; Troßmann, Parlamentsrecht, S. 87. 131 Vgl. Jekewitz, in: AK, Art. 76 Rn. 14; Bryde, in: Schneider/Zeh, § 30 Rn. 23, ders., in: v. Münch/Kunig, Art. 76 Rn. 20; Schmidt-Jortzig/Schürmann, in: BK, Art. 76 Rn. 323. 132 Die Bundesregierung kann von der Einbringung der Vorlage in den Bundestag auch ganz absehen. Vgl. Bryde, in: Schneider/Zeh, § 30 Rn. 23; Stettner, in: Dreier, Art. 76 Rn. 23; Schmidt-Jortzig/Schürmann, in: BK, Art. 76 Rn. 324. 133 Vgl. Stettner, in: Dreier, Art. 76 Rn. 17; Bryde, in: v. Münch/Kunig, Art. 76 Rn. 7; Schmidt-Jortzig/Schürmann, in: BK, Art. 76 Rn. 186 ff.; Lücke, in: Sachs, Art. 76 Rn. 13; Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 76 Rn. 9; Jekewitz, in: AK, Art. 76 Rn. 12; Troßmann, Parlamentsrecht, S. 773 ff. Diff. Masing, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, Art. 76 Rn. 74. A. A. Pestalozza, ZRP 1976, 153, 155. Nach Ansicht Pestalozzas muss die Bundesregierung einen Gesetzentwurf unverändert weiterleiten, wenn der Bundesrat im ersten Durchgang zugestimmt oder konkrete Alternativen vorgeschlagen und damit gezeigt habe, dass er von einer Regelungsbedürftigkeit und -fähigkeit der Materie ausgehe. Zur Kritik auch an der historischen Herleitung dieser Auffassung siehe Fritz, S. 132 ff. Ablehnend gegenüber der Ansicht Pestalozzas auch Bryde, in: v. Münch/Kunig, Art. 76 Rn. 7. 134 Zum Streitstand siehe Masing, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 76 Rn. 98 ff. Vgl. auch Stettner, in: Dreier, Art. 76 Rn. 13; Stern, Staatsrecht II, S. 621. Siehe auch Bryde, in: v. Münch/Kunig, Art. 76 Rn. 21.

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5. Abschn.: Die an der Zustimmungsbedürftigkeit orientierte Teilung

nerschaftsgesetz die Aufspaltung einer Gesetzesvorlage in einen zustimmungsfreien und einen zustimmungsbedürftigen Gesetzesbeschluss durch den Bundestag in dieser Phase des Gesetzgebungsverfahrens mit dem Hinweis auf die Gestaltungsfreiheit des Bundestages für verfassungsrechtlich unbedenklich erklärt.135 Das in Art. 77 Abs. 1 Satz 1 GG normierte Beschlussmonopol des Bundestages und sein in Bezug auf den Inhalt des Gesetzesbeschlusses bestehendes Gestaltungsrecht führen dazu, dass Modifikationen des eingebrachten Gesetzentwurfs zur Realisierung des gesetzgeberischen Vorhabens in großem Umfang zulässig sind.136 Der Bundestag ist grundsätzlich frei, eine Gesetzesinitiative unverändert anzunehmen, teilweise oder in weiten Bereichen umzugestalten oder im Ganzen abzulehnen.137 Er kann Gesetzesvorlagen aufspalten oder auch zusammenfassen.138 Hierbei ist er nicht weniger frei als die nach Art. 76 Abs. 1 GG Initiativberechtigten bei der Gestaltung ihrer Vorlage(n). Im Fall der Aufspaltung bedarf es keiner Wiederholung der bisherigen Verfahrensschritte.139 Mitwirkungsrechte des Bundesrates sind hierdurch nicht beeinträchtigt. Ist Grundlage der getrennten Beschlussfassung des Bundestages eine einheitliche Regierungsvorlage, hat der Bundesrat hierzu nach Art. 76 Abs. 2 GG Stellung nehmen können. Die weiteren Mitwirkungsbefugnisse des Bundesrates knüpfen erst an die nach Art. 77 Abs. 1 Satz 1 GG vom Bundestag beschlossenen Gesetze an. Auch eine Wiederholung von Lesungen nach Aufteilung des Gesetzes im Bundestag ist im Hinblick auf die zu wahrenden Rechte der Abgeordneten nicht erforderlich. Die Gestaltung eines Gesetzesvorhabens erfolgt gerade über mehrere Lesungen hinweg mit dem Ziel, den Gesetzentwurf dem Diskussionsstand nach und nach anzupassen. Grenzen des Gestaltungsspielraums des Bundestages ergeben sich allenfalls insoweit, als die in Art. 76 und 77 GG vorgesehene Bindung des Gesetzesbeschlusses an eine Vorlage nicht vollständig leer laufen darf.140 Die 135

Vgl. BVerfGE 105, 313, 342 f. Siehe bereits BVerfGE 24, 184, 199 f.; 37, 363, 382. 136 Vgl. BVerfGE 37, 1, 20; 64, 87, 101. Siehe Schmidt-Jortzig/Schürmann, in: BK, Art. 76 Rn. 93 ff.; Jekewitz, in: AK, Art. 77 Rn. 6. Vgl. auch Fritz, S. 141 f. 137 Vgl. Jekewitz, in: AK, Art. 77 Rn. 10. 138 Zur gesetzestechnischen Durchführung einer Teilung im Verlauf der Beratungen im Bundestag siehe Fritz, S. 142 ff. Die Aufteilung erfolgt praktisch frühestens in der zweiten Lesung auf einen entsprechenden Änderungsantrag hin. 139 Vgl. Fritz, S. 144. 140 Das ordnungsgemäße Zustandekommen eines Gesetzes ist vom Vorliegen der Initiative eines der in Art. 76 Abs. 1 GG abschließend genannten Initiativberechtigen weiterhin abhängig. Aus dessen Initiativrecht folgt daher zum einen positiv eine Befassungspflicht des Bundestages, d. h. das Initiativrecht zwingt den Bundestag dazu, dass dieser „sich mit dem Vorschlag beschäftigt. Er muß darüber beraten und

E. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Aufspaltung

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Umgestaltungsfreiheit des Bundestages soll in dieser Hinsicht aber nur dann an ihre Grenzen stoßen, wenn der inhaltliche Zusammenhang zwischen dem Gesetzentwurf und dem Gesetzesbeschluss nicht mehr gewahrt ist.141 Dahingehend ergeben sich auch Grenzen für die Beschlussempfehlungen der Ausschüsse.142 Die Inanspruchnahme eines „Quasi-Initiativrechts“ durch einen Parlamentsausschuss bzw. auf dessen Anregung hin in Form einer vollständigen Umgestaltung der Vorlage ist jedenfalls verfassungsrechtlich unzulässig.143 Die genannten Beschränkungen sind aber durch eine Aufspaltung einer Gesetzesvorlage in ein zustimmungsfreies und ein zustimmungsbedürftiges Gesetz ohne inhaltliche Modifikationen allein nicht tangiert. Die Aufteilung einer Vorlage nach Maßgabe der Zustimmungsbedürftigkeit im Verlauf der Gesetzesberatung ist angesichts der weitgehenden Dispositionsbefugnis des Bundestages im Ergebnis verfassungsrechtlich unbedenklich.144 Beschluß fassen“ (BVerfGE 1, 144, 153). Siehe auch BVerfGE 2, 143, 173; 84, 304, 329. Vgl. auch Jekewitz, in: AK, Art. 77 Rn. 6; Schmidt-Jortzig/Schürmann, in: BK, Art. 76 Rn. 67; Bryde, JZ 1998, 115, 117. Zum anderen ergibt sich aus der Notwendigkeit der Gesetzesvorlage und dem numerus clausus der Initiativberechtigten nach Art. 76 Abs. 1 GG negativ, dass das Initiativrecht verletzt ist, wenn der Bundestag einen Gesetzesbeschluss ohne gültige Vorlage nach Art. 76 GG fasst. Vgl. Schmidt-Jortzig/Schürmann, in: BK, Art. 76 Rn. 183; Jekewitz, in: AK, Art. 77 Rn. 6; Bryde, in: v. Münch/Kunig, Art. 76 Rn. 8. 141 Vgl. Jekewitz, in: AK, Art. 77 Rn. 6; Bryde, in: v. Münch/Kunig, Art. 76 Rn. 8. Vgl. auch Schmidt-Jortzig/Schürmann, in: BK, Art. 76 Rn. 99 ff., die dahingehend verschiedene Kriterien entwickeln. Vgl. auch § 62 Abs. 1 GO BT, der bestimmt, dass die Ausschüsse die Pflicht haben, „dem Bundestag bestimmte Beschlüsse zu empfehlen, die sich nur auf die ihnen überwiesenen Vorlagen oder mit diesen in unmittelbarem Sachzusammenhang stehenden Fragen beziehen dürfen“. Siehe dazu auch das Schreiben des Bundestagspräsidenten v. 6.12.1984 an die Ausschussvorsitzenden, zitiert bei Kabel, in: Schneider/Zeh, § 31 Rn. 68: „Ein unmittelbarer Sachzusammenhang ist anzuerkennen, falls die Ergänzungen am Gesetzgebungsgrund oder an den Gesetzgebungszielen der ursprünglichen Vorlage anknüpfen.“ Bryde, JZ 1998, 115, 118, sieht in § 62 GO BT eine Konkretisierung der verfassungsrechtlichen Anforderungen an das parlamentarische Verfahren. 142 Vgl. Schmidt-Jortzig/Schürmann, in: BK, Art. 76 Rn. 103a. 143 Vgl. Jekewitz, in: AK, Art. 77 Rn. 6; Kabel, in: Schneider/Zeh, § 31 Rn. 68. Siehe auch Bryde, JZ 1998, 115, 116 f. speziell zum Fall des Änderungsvorschlags des Rechtsausschusses des Bundestages zum Entwurf eines Gesetzes über Mitteilungen der Justiz von Amts wegen in Zivil- und Strafsachen (Justizmitteilungsgesetz) (vgl. BT-Drs. 13/4709). Der Rechtsausschuss des Bundestages hatte dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf kostenrechtliche Vorschriften als völlig neuen Regelungsgegenstand hinzugefügt, den ausführlichen Namen des Gesetzes daher auch geändert, den Kurztitel – JuMiG – aber beibehalten (BT-Drs. 13/7489), so dass die Veränderung des Entwurfs für die Öffentlichkeit, aber auch für die mit dem Entwurf nicht befassten Bundestagsabgeordneten wohl kaum erkennbar war. Ohne Diskussion der Änderungen wurde „das“ Justizmitteilungsgesetz vom Bundestag beschlossen und auch vom Bundesrat angenommen.

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5. Abschn.: Die an der Zustimmungsbedürftigkeit orientierte Teilung

3. Die Aufteilung im Vermittlungsverfahren Die Dispositionsbefugnis des Bundestages über das Gesetz endet zunächst mit dem Gesetzesbeschluss.145 Sie lebt jedoch wieder auf, wenn der Bundestag über einen Vorschlag des Vermittlungsausschusses – des „aus Mitgliedern des Bundestages und des Bundesrates für die gemeinsame Beratung von Vorlagen gebildeten Ausschusses“ – gem. Art. 77 Abs. 2 Satz 5 GG „erneut Beschluß zu fassen“ hat (Grundsatz der relativen Unverrückbarkeit des parlamentarischen Votums).146 Ob der dieser Beschlussfassung zugrunde liegende Vorschlag des Vermittlungsausschusses auf Änderung des Gesetzesbeschlusses auch eine Aufspaltung des bis zu diesem Zeitpunkt als Mischgesetz behandelten Gesetzes in ein zustimmungsfreies und ein zustimmungsbedürftiges Gesetz oder auch nur die Abspaltung der zustimmungsbedürftigen Normen aus dem Gesetzesbeschluss vorsehen kann, ist verfassungsgerichtlich bisher noch nicht geklärt. In der Staatspraxis ist es außer in den oben genannten Fällen offenbar zu einer an der Zustimmungsbedürftigkeit eines Gesetzes orientierten Aufteilung zu diesem Zeitpunkt des Gesetzgebungsverfahrens nicht (mehr) gekommen. Tatsächlich lässt sich ein Vermittlungsvorschlag mit dem Inhalt, dass die zustimmungsfreien und die zustimmungsbedürftigen Vorschriften eines umstrittenen Gesetzes separiert werden, von Seiten der Bundesregierung und der Bundestagsmehrheit nur dann durchsetzen, wenn die Regierungsfraktionen im Vermittlungsausschuss (überhaupt noch) über eine Mehrheit verfügen. a) Die Anrufung des Vermittlungsausschusses Während bei zustimmungsfreien Gesetzen die Durchführung eines Vermittlungsverfahrens Voraussetzung dafür ist, dass der Bundesrat von seinem Einspruchsrecht Gebrauch machen kann (Art. 77 Abs. 3 Satz 1 GG), ist der Bundesrat bei einem Zustimmungsgesetz zur Einberufung des Vermittlungsausschusses nicht verpflichtet. Anders als bei Einspruchsgesetzen steht aber sowohl der Bundesregierung als auch dem Bundestag147 bei Zustimmungsgesetzen die Möglichkeit der Einberufung des Vermittlungsausschusses 144

Vgl. Fritz, S. 141 ff., 154; Fiedler, ZRP 1977, 9, 10; Robbers, JZ 2001, 779, 780; Janson, DVBl. 1979, 318, 321. 145 Vgl. nur Bryde, in: v. Münch/Kunig, Art. 77 Rn. 6. 146 Siehe dazu oben Vierter Abschnitt C. I. 2. 147 Eine dreimalige Anrufung des Vermittlungsausschusses ist bei einem Zustimmungsgesetz damit möglich und kommt in der Praxis – wenn auch selten – vor. Vgl. die Zahlen im Handbuch des Bundesrates 2003/04, S. 308. Beispiele bei Lücke, in: Sachs, Art. 77 Rn. 12 Fn. 14. Vgl. auch Limberger, S. 30 Fn. 34, S. 31 Fn. 37.

E. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Aufspaltung

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zu.148 Erfolgt die Anrufung durch den Bundesrat, kann der Vermittlungsantrag auf Änderung oder Aufhebung des Gesetzes gerichtet sein.149 Die Aufhebung kann dagegen nicht mit einem Vermittlungsantrag durch Bundesregierung oder Bundestag angestrebt werden, da diese mit dem Vermittlungsverfahren gerade das Ziel verfolgen, das Scheitern des Gesetzes an einer Verweigerung der Zustimmung durch den Bundesrat zu verhindern.150 Inhaltlich kann der Vermittlungsantrag auf bestimmte Vorschriften oder Fragen beschränkt sein.151 Denkbar und zulässig – und bei Anrufung durch die Bundesregierung und den Bundestag am häufigsten – ist aber ebenso eine „offene“ Anrufung, die das ganze Gesetz zum Gegenstand des Vermittlungsverfahrens macht.152 Der Vermittlungsvorschlag kann die Aufhebung, Änderung oder Bestätigung des Gesetzesbeschlusses empfehlen.153 Er ist nicht berechtigt, selbst Änderungen des Gesetzes vorzunehmen.154 Im Fall der Empfehlung der Aufhebung oder Änderung muss der Bundestag über den Einigungsvorschlag Beschluss fassen. Hierbei kann der Bundestag gem. § 10 Abs. 2 GO VA nur über die Annahme des Einigungsvorschlags abstimmen. Änderungsanträge und eine Debatte sind ausgeschlossen. Allenfalls die Abgabe von Erklärungen zur Annahme oder Ablehnung des Vorschlags sind möglich.155 Stimmt der Bundestag einer vorgeschlagenen Aufhebung zu, ist das Gesetz gescheitert. Stimmt er einem Änderungsvorschlag zu, muss auch der Bun148

Siehe oben Vierter Abschnitt Fn. 448. Vgl. Masing, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 77 Rn. 81. In der Regel zielt das Anrufungsbegehren des Bundesrates nur auf eine Gesetzesänderung. Siehe Hasselsweiler, S. 45. 150 Vgl. dazu Bryde, in: Schneider/Zeh, § 30 Rn. 51; Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 77 Rn. 15; Masing, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 77 Rn. 74, 81; Stettner, in: Dreier, Art. 77 Rn. 26; Lücke, in: Sachs, Art. 77 Rn. 23, 24; Jekewitz, in: AK, Art. 77 Rn. 19. 151 Siehe bereits oben Vierter Abschnitt C. I. 1. b) aa). Vgl. auch § 31 GO BR. Der Bundesrat stimmt über die verschiedenen Anrufungsgründe einzeln ab. 152 Siehe bereist oben Vierter Abschnitt C. I. 1. b) aa). Vgl. Masing, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 77 Rn. 82; Stettner, in: Dreier, Art. 77 Rn. 21; Bryde, in: Schneider/Zeh, § 30 Rn. 51; ders., in: v. Münch/Kunig, Art. 77 Rn. 9; Lücke, in: Sachs, Art. 77 Rn. 23; Hasselsweiler, S. 52 ff. Eine „offene“ Anrufung durch die Bundesregierung erfolgte auch im Gesetzgebungsverfahren zur Mieterschutznovelle. Vgl. BT-Drs. 6/2676. Der Bundesrat begrenzt das Anrufungsbegehren regelmäßig auf konkrete strittige Punkte einer Vorlage. Siehe hierzu auch Vogel, in: 40 Jahre Bundesrat, S. 213, 218. 153 Vgl. §§ 10 f. GO VA. 154 Vgl. BVerfGE 72, 175, 188. Siehe Masing, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 77 Rn. 64. 155 Zu den daraus resultierenden Möglichkeiten der Umgehung des Debattenverbots siehe schon Fritz, S. 167 m. w. N.; in jüngerer Zeit Dästner, Die Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses, S. 180. 149

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5. Abschn.: Die an der Zustimmungsbedürftigkeit orientierte Teilung

desrat über diesen erneuten Beschluss entscheiden. Ist das Vermittlungsverfahren ohne Ergebnis abgeschlossen worden oder stimmt der Bundestag dem Einigungsvorschlag nicht zu, entscheidet der Bundesrat über den ursprünglichen Gesetzesbeschluss.156 b) Der Umfang der Änderungskompetenz des Vermittlungsausschusses An welche verfassungsrechtlichen Grenzen der Vermittlungsausschuss bei der Gestaltung eines Änderungsvorschlags stößt, wird in Rechtsprechung und Literatur überwiegend unter inhaltlichen Aspekten diskutiert. Die Frage ist aber nach wie vor nicht vollständig beantwortet.157 Der Text des Grundgesetzes liefert nur einen Anhaltspunkt, wenn in Art. 77 Abs. 2 Satz 1 GG als Beratungsgegenstand des Vermittlungsausschusses schlicht die „Vorlagen“ benannt werden; Art. 77 Abs. 5 Satz 2 und Abs. 2a GG führen als möglichen Inhalt des Einigungsvorschlags die „Änderung des Gesetzesbeschlusses“ auf. Mehr als die (selbstverständliche) Feststellung, dass Bezugspunkt des Vermittlungsvorschlags der gemeinsam beratene Gesetzesbeschluss des Bundestages ist, kann dem nicht entnommen werden.158 Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Kompetenzen des Vermittlungsausschusses lassen sich darüber hinaus nur aus seiner Stellung und seiner Funktion herleiten.159 Für eine weitgehende Gestaltungsfreiheit des Vermittlungsausschusses spricht, dass im Vermittlungsverfahren als verfassungsrechtlich gewolltem institutionalisiertem Prozess der Kompromissfindung Lösungen um der Effizienz der Gesetzgebung willen gefunden werden sollen, auf die sich die am Verfahren beteiligten Organe bisher nicht haben einigen können.160 Die verfassungsrechtliche Regelung des Initiativrechts nach Art. 76 Abs. 1 GG darf durch die Tätigkeit des Vermittlungsausschusses aber ebenso wenig übergangen werden, wie sich der Vermittlungsausschuss Rechte des parlamentarischen Gesetzgebers anmaßen darf, an dessen Stelle er gerade nicht tritt (Art. 77 Abs. 2 Satz 5 GG).161 Auch darf das Vermittlungsverfahren 156

Siehe bereits oben Vierter Abschnitt Fn. 459. Vgl. zum Meinungsstand Masing, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 77 Rn. 85 ff. Siehe auch Bryde, in: v. Münch/Kunig, Art. 77 Rn. 14; Jekewitz, in: AK, Art. 77 Rn. 23 f.; Kokott, in: BK, Art. 77 Rn. 54 ff.; Lücke, in: Sachs, Art. 77 Rn. 28 f.; Dietlein, in: Schneider/Zeh, § 57 Rn. 44 ff.; Stern, Staatsrecht II, S. 627; Bismark, DÖV 1983, 269, 270 ff.; Henseler, NJW 1982, 849, 851 ff. 158 Vgl. Schenke, Vermittlungsausschuss, S. 21. Siehe auch Masing, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 77 Rn. 85. 159 Vgl. BVerfGE 101, 297, 306 ff. 160 Vgl. Masing, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 77 Rn. 57 ff.; Lücke, in: Sachs, Art. 77 Rn. 28. Siehe auch BVerfGE 72, 175, 188; 101, 297, 306; BVerfG NJW 2005, 203, 205. 157

E. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Aufspaltung

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nicht zu einer „Verfälschung der Gesetzgebungszuständigkeiten und Verantwortlichkeiten“162 führen. In dieser Hinsicht ist also eine Begrenzung des Umfangs der Kompetenzen des Vermittlungsausschusses geboten.163 Zur Bestimmung dieses Umfangs haben Staatspraxis und Literatur und spät auch das Bundesverfassungsgericht164 verschiedene Kriterien entwickelt. Grundsätzlich wird der Gegenstand des Vermittlungsverfahrens zum einen durch den Inhalt des Anrufungsbegehrens (Wahrung der Anrufungsidentität) bestimmt; zum anderen soll der Gesetzesbeschluss des Bundestages insoweit maßgeblich sein, als der Einigungsvorschlag des Vermittlungsausschusses über die im Verlauf des vorangegangenen Gesetzgebungsverfahrens in dieses eingeführten Anträge, Stellungnahmen und Anregungen nicht wesentlich hinausgehen darf (Wahrung der Gesetzesidentität).165 161 Vgl. Masing, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 77 Rn. 57 ff.; Lücke, in: Sachs, Art. 77 Rn. 28; Bryde, in: v. Münch/Kunig, Art. 77 Rn. 14. Siehe auch BVerfGE 72, 175, 189 f.; 101, 297, 307. Vgl. auch Henseler, NJW 1982, 849, 853. 162 BVerfGE 101, 297, 307. Siehe auch Masing, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 77 Rn. 60 ff. 163 In jüngerer Zeit mehren sich die Fälle, in denen diese überschritten zu sein scheinen. Vgl. BFH NJW 2002, 773, 773 ff. Dazu Cornils, DVBl. 2002, 497, 497 ff. Anlass zur Diskussion bot neuerlich das Haushaltsbegleitgesetz v. 19.12.2003 (BGBl. I, S. 3076). Dazu Huber/Fröhlich, DÖV 2005, 322, 322 ff.; Leisner, NJW 2004, 1129, 1129 ff. 164 Das Bundesverfassungsgericht hat sich erstmals im Jahre 1986 (BVerfGE 72, 175, 187 ff.; Verfassungsbeschwerdeverfahren bezüglich des Zweiten Gesetzes zur Verbesserung der Haushaltsstruktur v. 22.12.1981 (BGBl. I, S. 1523)) mit der Frage der Grenzen der Tätigkeit des Vermittlungsausschusses befasst, ausdrücklich ohne diese abschließend bestimmen zu wollen. Es zog die Grenzen jedoch tendenziell weit, indem es – auch unter der Voraussetzung, dass das Vermittlungsverfahren nicht zu einer Verkürzung der Rechte der Abgeordneten auf Mitwirkung bei der Gesetzgebung und der Öffentlichkeit des parlamentarischen Verfahrens (Art. 20 Abs. 2, Art. 38 Abs. 1, Art. 42 Abs. 1 GG) führen dürfe, – die Einbeziehung eines Gesetzentwurfs in den Einigungsvorschlag des Vermittlungsausschusses für zulässig erachtete, der vom Bundestag in zweiter und dritter Lesung noch nicht beraten worden war. Zust. Stettner, in: Dreier, Art. 77 Rn. 22; wohl auch Lücke, in: Sachs, Art. 77 Rn. 28. Krit. Masing, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 77 Rn. 88. Zum Vermittlungsverfahren zum Zweiten Haushaltsstrukturgesetz siehe auch Vogel, in: 40 Jahre Bundesrat, S. 213, 219 ff.; Ziller/Oschatz, S. 33 f. 165 Vgl. Masing, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 77 Rn. 85; Lücke, in: Sachs, Art. 77 Rn. 28. Zur Staatspraxis siehe BVerfGE 72, 175, 190 und Schenke, Vermittlungsausschuss, S. 50 Rn. 114. Eher weit gefasst werden die Kompetenzen des Vermittlungsausschusses wohl von den Teilen des Schrifttums, die die Kompetenzen des Vermittlungsausschusses (erst) dann als überschritten ansehen, wenn der Einigungsvorschlag den Sachzusammenhang mit dem Gesetzesbeschluss des Bundestages nicht mehr wahrt. Vgl. Stettner, in: Dreier, Art. 77 Rn. 22: keine Einbeziehung einer „völlig neuen Materie“; Kokott, in: BK, Art. 77 Rn. 54, 60, 61. Vgl. auch Bryde, in: v. Münch/Kunig, Art. 77 Rn. 14: „unmittelbarer Zusammenhang“; ders., in: Schneider/Zeh, § 30 Rn. 57. Siehe auch Schenke, Vermittlungsausschuss,

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5. Abschn.: Die an der Zustimmungsbedürftigkeit orientierte Teilung

Aus dem Anrufungsbegehren können Grenzen für die Beschlusskompetenz des Vermittlungsausschusses jedoch dann nicht hergeleitet werden, wenn dieses sich – so auch der Regelfall – schlicht auf das ganze Gesetz bezieht.166 Der entscheidende Anhaltspunkt ist dann allein das dem Gesetzesbeschluss zugrunde liegende Gesetzgebungsverfahren.167 Der Vorschlag des Vermittlungsausschusses ist in diesem Fall, so das Bundesverfassungsgericht, „in dem Rahmen gebunden, der nach den bisherigen Beratungen im Bundestag inhaltlich und formal vorgezeichnet ist“168. Unzulässig sei daher ein Einigungsvorschlag, der „außerhalb der bisherigen Gegenläufigkeit zwischen Bundestag und Bundesrat“169 bleibt. Auch wenn das Bundesverfassungsgericht (wenig spezifisch) darauf Bezug nimmt, dass das Vermittlungsergebnis auch „formal vorgezeichnet“ sein muss, lassen sich für die Frage der Zulässigkeit der Aufspaltung eines Gesetzes in ein zustimmungsfreies und ein zustimmungsbedürftiges Teilgesetz im Vermittlungsverfahren aus den vom Gericht in Anlehnung an Literatur und Staatspraxis aufgestellten Kriterien keine Erkenntnisse gewinnen. Inhaltliche Beschränkungen in Bezug auf den „Entscheidungsraum des Vermittlungsausschusses“170 sind durch eine Aufspaltung nicht betroffen.171 Auch „formal“ ist eine Aufspaltung eines Gesetzesbeschlusses in zustimmungsfreie und zustimmungsbedürftige Teile oder auch nur die Abspaltung zustimmungsauslösender Normen aus dem Gesetzesbeschluss durch die bisherigen Beratungen vorgezeichnet, wenn die Durchsetzung eines in einem Mischgesetz zusammengeschlossenen Vorhabens gerade an der Verweigerung der Zustimmung durch den Bundesrat zu scheitern droht.172 Aus dem Grundsatz der Anrufungsidentität lässt sich zwar folgern, dass eine formale Neuordnung des Gesetzesbeschlusses durch Aufspaltung in neue Gesetze dann die Kompetenzen des Vermittlungsausschusses überschreitet, wenn der Bundesrat in seinem Anrufungsbegehren nur einzelne S. 50 Fn. 113 mit Nachweisen zur Literatur bis Anfang der achtziger Jahre. Nicht explizit auf den Sachzusammenhang abstellen will BVerfGE 72, 175, 190. Krit. gegenüber dem Kriterium des Sachzusammenhangs Masing, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, Art. 77 Rn. 87; Huber/Fröhlich, DÖV 2005, 322, 328. Siehe auch BVerfGE 78, 249, 271. 166 Vgl. BVerfGE 101, 297, 306. 167 Vgl. BVerfGE 101, 297, 307. Siehe auch Masing, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, Art. 77 Rn. 87; Lücke, in: Sachs, Art. 77 Rn. 28 f. 168 BVerfGE 101, 297, 307. 169 BVerfGE 101, 297, 308. 170 So die Bezeichnung in BVerfGE 101, 297, 306. 171 Vgl. auch Fritz, S. 175; Jekewitz, in: AK, Art. 77 Rn. 23. 172 Vgl. Fritz, S. 175. Siehe auch Kimminich, Rechtsgutachten, S. 8 speziell zur Mietrechtsnovelle 1971.

E. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Aufspaltung

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(zustimmungsbedürftige oder zustimmungsfreie) Bestimmungen zum Gegenstand des Vermittlungsverfahrens gemacht hat. Wurde aber in Form einer „offenen“ Anrufung durch Bundesregierung oder Bundestag das ganze Gesetz zur Disposition gestellt, kann das Anrufungsbegehren keine Beschränkung bewirken. Auch entspricht die Gefahrenlage bei einer möglichen Aufspaltung eines Gesetzes in einen zustimmungsfreien und einen zustimmungsbedürftigen Teil nicht derjenigen bei einer inhaltlichen Umgestaltung des Gesetzesbeschlusses. Hier droht eine Beeinträchtigung „der Rechte der Abgeordneten auf Mitwirkung bei der Gesetzgebung oder der Öffentlichkeit des Verfahrens“173 insbesondere deswegen, weil der Bundestag durch die Regelung des § 10 Abs. 2 GO VA in die viel beklagte Ratifikationslage174 gebracht wird, in der er einem „mit freier Hand im Dunkeln“175 geschnürten Kompromisspaket nur insgesamt zustimmen oder dieses insgesamt ablehnen, aber nicht mehr gestaltend eingreifen kann. Über die Frage, ob er eine Aufspaltung oder Abspaltung billigen will, kann der Bundestag jedoch mit seinem Beschluss nach Art. 77 Abs. 2 Satz 5 GG klar entscheiden.176 Auch liegt in der Aufspaltung eines Gesetzesbeschlusses – erst recht in der Abspaltung zustimmungsbedürftiger Regelungen – keine Anmaßung eines Initiativrechts durch den Vermittlungsausschuss. Dieser bringt mit einem die Aufspaltung empfehlenden Beschluss kein „neues“ Gesetz auf den Weg. Anders als bei der Herbeiführung eines inhaltlichen Kompromisses zwischen Bundestagsmehrheit und Bundesrat droht in dieser Konstellation auch keine Verwischung von Verantwortlichkeiten. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit des Aufschnürens eines Gesetzesbeschlusses in mehrere zustimmungsfreie oder mehrere zustimmungsbedürftige Gesetze steht auch in keiner Weise in Frage.177 Für die Aufspaltung eines Gesetzes in ein zustimmungsfreies und ein zustimmungsbedürftiges Gesetz oder die Abspaltung zustimmungsbedürftiger Bestimmungen aus einem vormals zustimmungsbedürftigen Gesetz kann aber grundsätzlich nichts anderes gelten. 173 BVerfGE 72, 175, 188 f. unter normativer Anknüpfung an Art. 20 Abs. 2, 38 Abs. 1, 42 Abs. 1 GG. 174 Vgl. nur Masing, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 77 Rn. 60; Hasselsweiler, S. 290; Huber/Fröhlich, DÖV 2005, 322, 325. 175 Masing, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 77 Rn. 60. Der Vermittlungsausschuss verhandelt unter Ausschluss der Öffentlichkeit, Protokolle unterliegen der Geheimhaltung. 176 Siehe auch Fritz, S. 177. 177 Vgl. Schäfer, in: 25 Jahre Bundesrat, S. 277, 291; Hasselsweiler, S. 57; Fritz, S. 178. Dies wird überwiegend nicht einmal problematisiert. Auch die Kritik der CDU/CSU-regierten Länder an der Aufspaltung der Mietrechtsnovelle bezog sich nicht auf die Teilung an sich. Vgl. das Protokoll der 372. Sitzung des Bundesrates, 22.12.1971, S. 285 ff. Siehe auch Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 77 Rn. 11.

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5. Abschn.: Die an der Zustimmungsbedürftigkeit orientierte Teilung

c) Beeinträchtigung der Mitwirkungskompetenzen des Bundesrates durch Aufspaltung eines Mischgesetzes In der hier interessierenden Konstellation, in der die auf dem Einigungsvorschlag des Vermittlungsausschusses beruhende Aufspaltung oder Abspaltung ein ehemals zustimmungsbedürftiges Gesetz bzw. den Teil eines ehemals als Ganzes zustimmungsbedürftigen Gesetzes in ein Einspruchsgesetz „umwandelt“, geht es nicht um zu schützende Rechte der Abgeordneten des Bundestages178, sondern um ggf. beeinträchtigte Mitwirkungsrechte des Bundesrates an der Gesetzgebung, wie sie in Art. 77 GG vorgesehen sind. Gerade aus einer seiner Ansicht nach in Art. 77 GG angelegten „Stufensystematik“ folgerte als Erster Hasselsweiler – unter Zugrundelegung der Einheitsthese – die Unzulässigkeit einer Aufteilung eines zustimmungsbedürftigen Gesamtgesetzes in ein zustimmungsfreies und ein zustimmungsbedürftiges Teilgesetz im Vermittlungsverfahren.179 Art. 77 GG bilde ein geschlossenes System, in dem ein Verfahrensschritt auf dem anderen beruhe.180 Innerhalb dieses Systems dürfe das Mitwirkungsrecht des Bundesrates, habe es sich einmal in Form eines Zustimmungsrechts im Hinblick auf den Gesetzesbeschluss nach Art. 77 Abs. 1 Satz 1 GG konstituiert, nicht mehr qualitativ zurückgestuft werden.181 Der Ansicht Hasselsweilers hat sich Fritz insoweit angeschlossen, als auch er einen Unterschied darin sehen will, „ob dem Bundesrat seine Befugnisse im Gesetzgebungsverfahren nachträglich entzogen werden oder ob sie in einem völlig eigenständigen Verfahren erst gar nicht entstehen“182. Er betrachtet aber nicht den Vorschlag zur Aufspaltung in ein zustimmungsfreies und ein zustimmungsbedürftiges Gesetz als verfassungsrechtlich unzulässige Überschreitung der Kompetenzen des Vermittlungsausschusses oder einen dahingehenden Beschluss des Bundestages nach Art. 77 Abs. 2 Satz 5 GG als einen Verstoß gegen die „Stufensystematik“ des Art. 77 GG.183 Eine Gesetzesaufteilung an sich ist nach Ansicht von Fritz also verfassungsrechtlich zulässig. Auch er geht aber davon aus, dass ein „einmal entstandenes 178

Vgl. auch Fritz, S. 176. Vgl. Hasselsweiler, S. 59 ff., 264 f. 180 Zust. Fritz, S. 183 f. 181 Vgl. Hasselsweiler, S. 60 ff. Siehe auch die Äußerungen des Abg. Lenz (CDU) im Zusammenhang mit der Aufspaltung der Mieterschutznovelle im Vermittlungsverfahren, 144. Sitzung des Deutschen Bundestages, 20.12.1971, 6. WP, StenBer., S. 8643 in einer persönlichen Erklärung im Anschluss an die Beschlussfassung des Bundestages. Siehe auch die Nachweise bei Fritz, S. 172 Fn. 349 und S. 181 Fn. 390, 391 und Niemann, S. 173 ff. 182 Fritz, S. 182. 183 Vgl. Fritz, S. 186, 188, 189, 191. 179

E. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Aufspaltung

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Zustimmungsrecht“ dem Bundesrat im jeweiligen Gesetzgebungsverfahren eine „Statusgarantie“184 in Bezug auf die Qualität seines Mitwirkungsrechts verschaffe. Eine mit der Aufspaltung verbundene „Zurückstufung“ des Mitwirkungsrechts des Bundesrates läuft nach Ansicht von Fritz, da sie „einigungsstörende Wirkung“185 habe, dem Sinn und Zweck des Instituts des Vermittlungsverfahrens zuwider.186 Er fordert daher auch für ein durch Teilung entstehendes „Einspruchsgesetz“ die „Zustimmung“ des Bundesrates.187 Stimme dieser der Zurückstufung seines Mitwirkungsrechts nicht zu, könne das zustimmungsfreie Teilgesetz nicht zustande kommen.188 Weder die Auffassung Hasselsweilers, der eine Aufspaltung eines Mischgesetzes in ein Zustimmungs- und ein Einspruchsgesetz als Ergebnis eines Vermittlungsverfahrens für verfassungsrechtlich unzulässig hält, noch die Ansicht von Fritz, der das Zustandekommen eines aus der Aufspaltung entstehenden zustimmungsfreien Gesetzes an die Zustimmung des Bundesrates knüpfen will, können jedoch im Ergebnis überzeugen. Zunächst ist festzuhalten: Der Grundsatz der Unverrückbarkeit des parlamentarischen Votums189, mit dem Hasselsweiler (u. a.) argumentiert190, kann einer Aufspaltung in Teilgesetze auf der Grundlage eines Vorschlags des Vermittlungsausschusses nicht entgegenstehen. Dieser wird durch Art. 77 Abs. 2 Satz 5 GG durchbrochen, der einen abweichenden Beschluss des Bundestages auf einen Änderungsvorschlag des Vermittlungsausschusses hin ausdrücklich vorsieht. Eine wie auch immer geartete „Schutzwirkung“ des ersten Beschlusses nach Art. 77 Abs. 1 Satz 1 GG, auf dem die anschließende Mitwirkung des Bundesrates aufbaut, ist damit in jedem Fall aufgehoben. Der Bundesrat entscheidet über den erneuten Beschluss des Bundestages, der im Rahmen des Art. 77 GG wie ein erster Beschluss nach Abs. 1 Satz 1 GG behandelt wird. Ob ihm hierbei ein Einspruchs- oder Zustimmungsrecht zusteht, entscheidet sich allein nach dem Normenbestand des im Gesetzesbeschluss nach Art. 77 Abs. 2 Satz 5 GG zusammengefassten jeweiligen Gesetzes.191 Dies muss auch unter Zugrundelegung einer nur verfahrensbedingt verstandenen Einheitsthese gelten. Von einer „Zurückstufung“ des Mitwirkungsrechts des Bundesrates in Bezug auf eine bestimmte ihm zuge184

Fritz, S. 187. Fritz, S. 185. 186 Vgl. Fritz, S. 185, 189. 187 Vgl. Fritz, S. 188 f. Wie er sich die verfahrensrechtliche Realisierung eines solchen „Zustimmungsrechts“ des Bundesrates vorstellt, erläutert Fritz ab S. 189 ff. 188 Vgl. Fritz, S. 189. 189 Siehe hierzu oben Vierter Abschnitt C. I. 2. 190 Vgl. Hasselsweiler, S. 60. 191 Vgl. die Äußerungen der Abg. Meermann (SPD) und Wurbs (FDP) in der 144. Sitzung des Deutschen Bundestages, 20.10.1971, 6. WP, StenBer., S. 8224 f., 8227. 185

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5. Abschn.: Die an der Zustimmungsbedürftigkeit orientierte Teilung

wiesene „Zustimmungsmasse“192 zu sprechen, ist daher irreführend. Mit Fritz ein Zustimmungsrecht zu einem Einspruchsgesetz zu fordern, entbehrt jeglicher normativer Grundlage. Will man eine Aufspaltung eines Gesetzes in ein zustimmungsfreies und ein zustimmungsbedürftiges Gesetz für verfassungsrechtlich unzulässig halten, muss man bei den Kompetenzen des Vermittlungsausschusses ansetzen. Dessen kompetenzrechtliche Grenzen sind unter Zugrundelegung der von Rechtsprechung und Literatur entwickelten Kriterien durch eine Aufspaltung an sich aber nicht überschritten. Etwas anderes könnte sich in dem besonderen Fall der Aufspaltung anhand der Zustimmungsbedürftigkeit eines Gesetzes allerdings dann ergeben, wenn speziell durch diese der Sinn und Zweck des Vermittlungsverfahrens, wie Fritz behauptet, konterkariert würden. Er geht davon aus, dass der Bundesrat, muss er bei der Durchführung eines Vermittlungsverfahrens die Aufspaltung eines Mischgesetzes befürchten, „bei Zustimmungsgesetzen gar nicht motiviert [wäre], (. . .) einen weitgehenden Vermittlungsantrag zu stellen“193. Der „drohende Entzug der Zustimmungsbedürftigkeit“ zerstöre den „Ausgleichscharakter des Vermittlungsverfahrens“194. Auch dieser Einschätzung kann nicht gefolgt werden. Besteht die Möglichkeit einer Aufspaltung eines Mischgesetzes noch im Vermittlungsverfahren, treffen in diesem – entsprechende Mehrheitsverhältnisse im Vermittlungsausschuss unterstellt – das Interesse von Bundesregierung und Bundestagsmehrheit an einer integrierten Kodifizierung von zustimmungsfreien materiell-rechtlichen und zustimmungsbedürftigen organisations- und verfahrensrechtlichen Vorschriften auf der einen und das Interesse des Bundesrates an einer weitestgehenden Einflussnahme auf den Inhalt der in diesem Mischgesetz zusammengefassten Vorschriften auf der anderen Seite aufeinander. Allein durch die Möglichkeit der Aufspaltung eines Gesetzes auf der Grundlage eines entsprechenden Einigungsvorschlags des Vermittlungsausschusses wird die Kompromissbereitschaft auf Seiten der Bundestagsbank daher nicht beseitigt. Sie stößt ggf. nur eher an ihre Grenzen, wenn der „Preis“ einer integrierten Kodifizierung im Hinblick auf die vom Bundesrat geforderten Zugeständnisse zu hoch erscheint. Auch auf Seiten der Bundesratsbank im Vermittlungsausschuss zerstört die Möglichkeit der Gesetzesteilung nicht die Bereitschaft zur Konsensfindung. Dem Bundesrat wird vielmehr in einer solchen Konstellation daran gelegen sein, den Gesetzesbeschluss so weit wie möglich zusammenzuhalten, um seinen Einfluss auch auf die zustimmungsfreien Bestimmungen geltend machen zu können. 192 193 194

Hasselsweiler, S. 264. Fritz, S. 185. Fritz, S. 185 f.

E. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Aufspaltung

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Die Funktion des Vermittlungsverfahrens, eine Einigung zwischen Bundestag und Bundesrat (bzw. Regierung und Opposition) herbeizuführen, ist durch die Aufspaltungsmöglichkeit also nicht beeinträchtigt. Ein Zwang zur Einigung im Vermittlungsverfahren besteht ohnehin nicht. Art. 77 Abs. 2 Satz 5, Abs. 2a und Abs. 3 GG gehen von der Möglichkeit des „Scheiterns“ des Vermittlungsverfahrens ausdrücklich aus. Kommt es im Vermittlungsverfahren zu keiner Einigung über das Mischgesetz, ermöglicht die Aufteilung des Gesetzes bzw. die Abspaltung zustimmungsbedürftiger Normen zumindest das Zustandekommen dieser Vorschriften. Dies ist im Hinblick auf den Zweck des Vermittlungsverfahrens, die Effizienz der Gesetzgebung zu steigern, jedenfalls gerechtfertigt. Der Bundesrat wird hierdurch auch nicht, wie Fritz behauptet, „aus dem Mitentscheidungsprozeß eliminiert“195. Ihm steht in Bezug auf das zustimmungsfreie Teilgesetz ein Einspruchsrecht zu. Das zustimmungsbedürftige Teilgesetz kann er scheitern lassen, wird dies aber ggf. nicht tun, wenn er dessen Zustandekommen nicht verhindern will. Damit erhöht die Möglichkeit der Aufspaltung eines Mischgesetzes im Vermittlungsverfahren auch die Wahrscheinlichkeit für normzweckadäquates Abstimmungsverhalten des Bundesrates bei der Ausübung seiner Zustimmungskompetenz. Sinn und Zweck des Vermittlungsverfahrens fordern im Ergebnis damit keine Beschränkung der Kompetenzen des Vermittlungsausschusses mit dem Inhalt, dass eine an der Zustimmungsbedürftigkeit eines Mischgesetzes orientierte Aufteilung bzw. Abspaltung von Vorschriften nicht Gegenstand des Vermittlungsverfahrens und damit Gegenstand des Einigungsvorschlags sein können.196 Der Bundestag kann damit auch durch seinen erneuten Beschluss nach Art. 77 Abs. 2 Satz 5 GG ein Gesetzesvorhaben noch in ein zustimmungsfreies und ein zustimmungsbedürftiges Gesetz aufteilen oder auf ein zustimmungsfreies Gesetz reduzieren. Eine reaktive Aufspaltung ist auch in diesem Stadium des Gesetzgebungsverfahrens noch möglich.197 Daraus folgt zugleich, dass ein auf Grundlage der hier vertretenen Trennungsthese für möglich gehaltener differenzierender Gesetzesbeschluss des Bundestages, in dem zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Gesetz bei endgültiger Zustimmungsverweigerung nur mit seinen zustimmungsfreien Vorschriften zustande kommen soll, ebenfalls auf der Grundlage eines entsprechenden Vorschlags des Vermittlungsausschusses nach Art. 77 Abs. 2 Satz 5 GG gefasst werden kann. 195

Fritz, S. 186. Siehe auch Niemann, S. 175. 197 Vgl. Jekewitz, in: AK, Art. 77 Rn. 23. Siehe auch Pestalozza, ZRP 1976, 153, 157; Niemann, S. 175 f.; 241 ff. 196

340

5. Abschn.: Die an der Zustimmungsbedürftigkeit orientierte Teilung

Festzuhalten bleibt: Neben einer aktiven Aufteilung eines Gesetzesvorhabens ist eine reaktive, an der Zustimmungsbedürftigkeit einer Gesetzesvorlage nach Art. 84 Abs. 1 GG orientierte Aufteilung im Verlauf der parlamentarischen Beratungen bis zum Gesetzesbeschluss des Bundestages nach Art. 77 Abs. 1 Satz 1 GG verfassungsrechtlich zulässig. Nach hier vertretener Ansicht begegnet zudem die Aufspaltung in ein zustimmungsfreies und ein nach Art. 84 Abs. 1 GG zustimmungsbedürftiges Teilgesetz bzw. die Abspaltung nach Art. 84 Abs. 1 GG zustimmungsbedürftiger Vorschriften aus einem Mischgesetz erst nach dem Vermittlungsverfahren und auf Grundlage eines entsprechenden Vorschlags des Vermittlungsausschusses durch einen erneuten Beschluss des Bundestages nach Art. 77 Abs. 2 Satz 5 GG auch unter Zugrundelegung der Einheitsthese keinen verfassungsrechtlichen Bedenken im Hinblick auf die Einhaltung der grundgesetzlichen Vorschriften über das Gesetzgebungsverfahren. Nach einer Aufspaltung bzw. Abspaltung unterliegen die zustimmungsfreien Teilgesetze nicht der Zustimmung des Bundesrates.

F. Ergebnis und Folgerungen Mit der aktiven und reaktiven Aufteilung von nach Art. 84 Abs. 1 GG als Ganzes zustimmungsbedürftigen Gesetzen stehen Bundesregierung und Bundestagsmehrheit auch unter Geltung der Einheitsthese beachtliche Möglichkeiten zur Verfügung, politisch umstrittene Gesetzgebungsvorhaben gegen den Willen der im Bundesrat über eine Mehrheit verfügenden Opposition zumindest insoweit durchzusetzen, als sich dies allein über die materiell-rechtlichen zustimmungsfreien Vorschriften verwirklichen lässt. Umso erstaunlicher ist es, dass diese Möglichkeiten der Entschärfung des mit Art. 84 Abs. 1 GG verbundenen Problems der Zustimmungsbedürftigkeit von Bundesgesetzen in den zurückliegenden Jahrzehnten bundesrepublikanischer Staatspraxis eher zögerlich in Anspruch genommen worden sind.198 Zwar hat gerade die Ende des vergangenen Jahres abgelöste rotgrüne Bundesregierung die Teilungsoption offenbar flexibler genutzt als die ihr vorangegangenen, mit einer Oppositionsmehrheit im Bundesrat konfrontierten Regierungen. Die aktuellen Beispiele aus den letzten Wahlperioden zeigen auch, dass die Regierungsmehrheit mit Erfolg eine Teilung von Bundesgesetzen praktizieren kann, wenn der entsprechende politische Wille vorhanden ist. Offenbar hat zudem das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Lebenspartnerschaftsgesetz mit der hierin ausgesprochenen Aufforderung an den Gesetzgeber, von der Teilungsoption mit dem Ziel der 198 Siehe Herzog, Strukturmängel, S. 113. Vgl. schon Fritz, S. 20; Pestalozza, ZRP 1976, 153, 153; Vogel, in: 40 Jahre Bundesrat, S. 213, 218.

F. Ergebnis und Folgerungen

341

Reduzierung der Zustimmungsbedürftigkeit nach Art. 84 Abs. 1 GG Gebrauch zu machen, Anstoßwirkung entfaltet. Dennoch ist es verfehlt, wie Gramm dies tut, anzunehmen, dass mit der Möglichkeit der Aufteilung eines Gesetzesvorhabens in ein zustimmungsbedürftiges und ein zustimmungsfreies Gesetz die „Waffengleichheit zwischen Bundestag bzw. Bundesregierung und Bundesrat (. . .) weitgehend wiederhergestellt“199 sei. Das von Gramm beschriebene „rege Gebrauchmachen“200 von der Möglichkeit der Gesetzesteilung hat sich in einem Absinken der Quote zustimmungsbedürftiger Gesetze nicht signifikant niedergeschlagen.201 Überwiegend geht die Regierungsmehrheit gerade auch bei wichtigen Vorhaben immer noch davon aus, dass die das gesetzgeberische Programm transportierenden materiell-rechtlichen Regelungen auf eine Vermittlung durch Einrichtungsund insbesondere Verwaltungsverfahrensregelungen angewiesen sind.202 Die Aufteilung eines Gesetzesvorhabens vor Einbringen in den Bundestag oder – die in der Regel praktizierte – Aufteilung im Verlauf der parlamentarischen Beratungen vor Zuleitung an den Bundesrat gem. Art. 77 Abs. 1 Satz 2 GG berauben Bundesregierung und Bundestagsmehrheit, bevor die Mittel der Kompromissfindung im Vermittlungsausschuss voll ausgeschöpft sind, der Möglichkeit der Verwirklichung einer integrierten Kodifikation von materiell-rechtlichen und organisations- und verfahrensrechtlichen Vorschriften nach Art. 84 Abs. 1 GG. Auf die Möglichkeit einer Realisierung des gesamten Vorhabens will die Regierungsmehrheit zu einem solch frühen Zeitpunkt jedoch offenbar regelmäßig nicht verzichten. Die hier auch auf der Grundlage der Einheitsthese für verfassungsrechtlich zulässig erachtete Aufspaltung eines Mischgesetzes erst im Vermittlungsverfahren ist verfassungsgerichtlich nicht abgesichert – und kann im Übrigen bereits dann nicht mehr realisiert werden, wenn die Opposition im Vermittlungsausschuss über eine Mehrheit verfügt.203 Die Aufteilung von Gesetzen scheint also kein 199 Gramm, AöR 124 (1999), 212, 223 f. Siehe auch Masing, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, Art. 77 Rn. 52. Eine aus der Teilungsoption resultierende Wiederherstellung der „Waffengleichheit“ dagegen explizit verneinend auch Hermes, in: Dreier, Art. 84 Rn. 54. 200 Gramm, AöR 124 (1999), 212, 223. 201 Siehe oben Erster Abschnitt C. III. 1. 202 Vgl. Hermes, in: Dreier, Art. 84 Rn. 54; Herzog, Strukturmängel, S. 113. 203 Der Vermittlungsvorschlag bedarf gem. § 8 GO VA der Mehrheit der anwesenden Mitglieder des Ausschusses. Zwar sind die Mitglieder des Vermittlungsausschusses nicht weisungsgebunden; bei umstrittenen Vorhaben hat sich aber auch im Vermittlungsausschuss ein relativ parteikonformes Abstimmungsverhalten durchgesetzt. Bis 1980 führte jedes Vermittlungsverfahren zu einem Einigungsvorschlag. In der letzten Phase des Patts zwischen der sozial-liberalen Koalition auf Bundesebene und der Unionsmehrheit im Bundesrat kam es bei besonders umstrittenen Vorhaben zu ergebnislosen Abschlüssen des Vermittlungsverfahrens. Vgl. Jekewitz, in: AK, Art. 77

342

5. Abschn.: Die an der Zustimmungsbedürftigkeit orientierte Teilung

hinreichendes Äquivalent für die hier vorgeschlagene – zugegebenermaßen nicht erprobte – Differenzierung innerhalb eines Gesetzesbeschlusses zu sein. Letztere hält die Möglichkeit der Verwirklichung einer integrierten Kodifikation so lange wie möglich offen. Der Bundesrat dürfte zudem eher dann zu normzweckadäquatem Abstimmungsverhalten bei der Ausübung seines Zustimmungsrechts in Bezug auf ein Mischgesetz zu bewegen sein, wenn die Regierungsmehrheit über die Option verfügt, die zustimmungsfreien materiell-rechtlichen Regelungen noch in demselben Gesetzgebungsverfahren durchzusetzen. Gerade ein solches, dem Sinn und Zweck der Zustimmungstatbestände entsprechendes Abstimmungsverhalten des Bundesrates bei Mischgesetzen erweitert – dem grundgesetzlichen Verhältnis von Einspruchs- und Zustimmungsrechten des Bundesrates folgend – den durch die Aufrechterhaltung der Einheitsthese eingeschränkten Gestaltungsspielraum der Regierungsmehrheit. Dass durch die einheitliche Behandlung eines Mischgesetzes im Gesetzgebungsverfahren ggf. auch der Gestaltungsspielraum des Bundesrates eingeschränkt sein kann, zeigt der oben dargestellte Fall des Haushaltsstrukturgesetzes. Über eine Aufspaltung eines Gesetzes im Vermittlungsverfahren kann sich also ebenfalls der Bundesrat, findet ein entsprechender Einigungsvorschlag des Vermittlungsausschusses eine Mehrheit im Bundestag, aus der Zwangslage befreien, die sich einstellt, wenn er ein Gesetz, das er nicht verhindern, dem er aber auch nicht zustimmen will, mit einer Zustimmungsverweigerung komplett scheitern lassen, mit einer Zustimmungserteilung aber aktiv zustande kommen lassen würde. Dass unter diesem Aspekt gerade die Nichtwahrnehmung einer bestehenden Teilungsmöglichkeit auch von Seiten der Regierungsmehrheit – mit nicht garantiertem Erfolg – als gesetzgebungstaktisches Mittel zur Durchsetzung eines Vorhabens eingesetzt werden kann bzw. eingesetzt wird, ist zuletzt am Beispiel des Zuwanderungsgesetzes deutlich geworden. Den Bundesrat über ein auch auf die materiell-rechtlichen Vorschriften des Gesetzes bezogenes Zustimmungsrecht in die Verantwortung zu nehmen, war hier offenbar (mit)beabsichtigt.204 Insbesondere Innenminister Schily hatte im Rn. 24 mit Nachweisen in Fn. 67b. Laut Lehmbruch, Parteienwettbewerb, S. 164, verfügte die Opposition ab 1976 über eine Mehrheit im Vermittlungsausschuss. Auch unter der Regierung Kohl verloren die Regierungsfraktionen im Jahre 1994 die Mehrheit im Vermittlungsausschuss. Gleiches gilt für die letzte Phase der rot-grünen Regierung unter Schröder. In diesen Phasen kam es jeweils vermehrt zu sog. unechten Vermittlungsergebnissen. Zur Zusammensetzung der Bundestagsbank im Vermittlungsausschuss siehe BVerfG NJW 2005, 203, 205 ff. Danach „schließt die normative Ausgestaltung des Vermittlungsverfahrens nicht aus, dass die politische Opposition auf Bundesebene in dem Ausschuss in bestimmten Fällen über eine Mehrheit verfügt“ (206). Zu Fragen der Zusammensetzung des Vermittlungsausschusses siehe im Überblick Masing, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 77 Rn. 67 ff.

F. Ergebnis und Folgerungen

343

Gesetzgebungsverfahren den Kompromiss mit der Union gesucht. Eine von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN angeregte Abspaltung der zustimmungsauslösenden Normen aus dem Zuwanderungsgesetz, die eine Verwirklichung wesentlicher Teile des Gesetzes ohne die Zustimmung des Bundesrates ermöglicht hätte, wurde nicht weiter verfolgt.205 Dass die – hier zumindest unterstellte – Taktik der Bundesregierung im Fall des Zuwanderungsgesetzes nicht aufging, ist bekannt. Eine Konsensherstellung scheiterte. Nachträglich konnte und wollte man von einer integrierten Kodifikation nicht mehr abrücken. Dass gerade nach dem (spektakulären) Scheitern eines Gesetzes an der fehlenden Zustimmung des Bundesrates die Materie nicht selten politisch „verbraucht“ ist, zeigt das Beispiel des Zuwanderungsgesetzes ebenfalls. „Waffengleichheit“ lässt sich schon aus verfassungspolitischen Gründen auch dadurch, dass Bundesregierung und Bundestagsmehrheit im Fall des Nichtzustandekommens eines zustimmungsbedürftigen Mischgesetzes immer noch über die Möglichkeit verfügen, eine zustimmungsfreie Version des Gesetzes erneut einzubringen, kaum herstellen.206 Die bisher bestehenden, verfassungsgerichtlich abgesegneten Möglichkeiten der Teilung von Gesetzesvorhaben in zustimmungsfreie und zustimmungsbedürftige Gesetze lösen das aus Art. 84 Abs. 1 GG resultierende Problem der Zustimmungsbedürftigkeit von Mischgesetzen, dies bleibt festzuhalten, zumindest bisher keineswegs umfassend. Mangels einer dahingehenden empirischen Untersuchung kann nur vermutet werden, dass dies zum einen auf fehlendem politischen Willen beruht, zum anderen aber auch auf die geringe Flexibilität der Teilungsmöglichkeit zurückzuführen ist. Auch übt die Teilungsoption, die angesichts ihres „Umgehungscharakters“ ohnehin in der öffentlichen Wahrnehmung nicht positiv besetzt ist, offenbar nur wenig Druck auf die politischen Akteure aus, Entflechtungsmöglichkeiten unter dem Aspekt der Verantwortungszurechenbarkeit konsequent wahrzunehmen. Auch dahingehend könnte die Etablierung einer Trennungsthese möglicherweise positive Auswirkungen entfalten. „Funktioniert hat“, wie zuletzt Herzog pointiert feststellte, eine Entschärfung des durch Art. 84 Abs. 1 GG ausgelösten Problems der Ausweitung von Zustimmungsgesetzen unter Fortgeltung der Einheitsthese mit dem Mittel der Aufspaltung von Gesetzen „bisher noch nicht“207.

204

Siehe auch Scharpf, ZSE 2005, 97, 101. Vgl. SZ v. 25.5.2004, S. 6. Siehe oben Vierter Abschnitt A. III. 7. 206 So aber ebenfalls Gramm, AöR 124 (1999), 212, 227 mit (nur) zwei Beispielen für neu eingebrachte Gesetze aus der 13. Legislaturperiode in Fn. 72. Zu den Möglichkeiten, Teilgesetze noch im laufenden Gesetzgebungsverfahren neu einzubringen, siehe Fritz, S. 168 ff. Auch diese Möglichkeiten sind jedenfalls begrenzt. 207 Herzog, Strukturmängel, S. 113. 205

Sechster Abschnitt

Der Vorschlag der Bundesstaatskommission für eine Neufassung des Art. 84 Abs. 1 GG Zwar sind die Bedeutung des Art. 84 Abs. 1 GG für die hohe Anzahl zustimmungsbedürftiger Bundesgesetze und der aus der Handhabung dieses Zustimmungstatbestandes unter Zugrundelegung der Einheitsthese resultierende Machtzuwachs des Bundesrates durch Ausdehnung seiner Zustimmungskompetenzen auf die materiell-rechtlichen Regelungen eines Mischgesetzes früh erkannt worden. Auch das in der Mitwirkung des Bundesrates an der Bundesgesetzgebung in Form von Zustimmungsgesetzen liegende „Blockadepotential“, insbesondere in den wiederkehrenden Phasen divergierender Mehrheiten, wurde früh offenbar. Dennoch konnten sich Vorschläge zum Abbau des sekundären Vetobereichs durch Verfassungsänderung weder in der Enquete-Kommission Verfassungsreform1 durchsetzen, noch schlug die Gemeinsame Verfassungskommission2 eine Änderung der Bestimmungen des Gesetzgebungsverfahrens oder des Art. 84 Abs. 1 GG vor. Dass eine Lösung des Verflechtungsproblems gerade auch bei der Bestimmung des Art. 84 Abs. 1 GG ansetzen muss, war dagegen in der Bundesstaatskommission von Beginn an unbestritten. Den im Verlauf der Beratungen erarbeiteten Vorschlag der Kommission im Paket mit weiteren Verfassungsänderungen umzusetzen, hat die Große Koalition in ihrem am 18. November 2005 unterzeichneten Koalitionsvertrag beschlossen.3

A. Die Bundesstaatskommission In seiner 66. Sitzung am 16. Oktober 2003 beschloss der Bundestag auf Antrag der Fraktionen von SPD, CDU/CSU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 1 Siehe den Vorschlag von Heinsen, Rietdorf, Böckenförde in ihrem Sondervotum zum Schlußbericht der Enquete-Kommission, Zur Sache 3/76, S. 217. Vgl. dazu oben Vierter Abschnitt C. I. 2. 2 Siehe BT-Drs. 12/6000, S. 17. 3 Siehe den Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD, Anlage 2. Die Föderalismusreform (52. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes; BGBl. I, S. 2034) wurde schließlich am 30.06.2006 im Bundestag verabschiedet. Der Bundesrat hat ihr am 07.07.2006 zugestimmt. Sie wurde am 31.08.2006 verkündet und ist am 01.09.2006 in Kraft getreten.

A. Die Bundesstaatskommission

345

und FDP die Einsetzung einer gemeinsamen Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung. Der Bundesrat fasste seinen gleich lautenden Einsetzungsbeschluss auf Antrag aller Länder ohne Gegenstimme in seiner 792. Sitzung am 17. Oktober 2003.4 Nach dem Willen der Beteiligten sollte mit Einsetzung dieser „Föderalismus“-Kommission endlich ein „Wendepunkt in den langjährigen Bemühungen, unsere bundesstaatliche Ordnung neu zu ordnen“5, erreicht werden. Man wollte „nicht nur irgendwie eine weitere Kommission, die irgendeine weitere folgenlose Föderalismusdebatte“6 führt.

I. Initiativen im Vorfeld Die Reform der bundesstaatlichen Ordnung des Grundgesetzes ist spätestens seit den achtziger Jahren, als die tendenziell positive Bewertung des unitarischen Bundesstaates und des kooperativen Föderalismus in eine negative, im Begriff der „Politikverflechtungsfalle“ zum Ausdruck kommende Kritik umschlug, ein politisches Dauerthema.7 Reformvorschläge wurden von verschiedenen Akteuren in unterschiedlicher Form ausgearbeitet.8 Sowohl einzelne Ministerpräsidenten der Länder9 als auch die Landtage und von ihnen ins Leben gerufene Kommissionen, ebenso die Landtagspräsidentenkonferenz10, die Parteien und die ihr nahe stehenden Einrichtungen11 sind mit Reformvorschlägen an die Öffentlichkeit getreten. 4 Vgl. BT-Drs. 15/1685, BR-Drs. 750/03. Vgl. auch die Dokumentation, Zur Sache 1/2005, S. 17. Siehe aus der Tagespresse z. B. SZ v. 17.10.2003, S. 4, 5. 5 Stoiber, 1. Sitzung der Kommission, 7.11.2003, StenBer., S. 4. 6 Steinbrück, 1. Sitzung der Kommission, 7.11.2003, StenBer., S. 12. 7 Vgl. Münch/Zinterer, ZParl 2000, 655, 655 ff. Siehe auch Margedant, APuZ 2003, B 29–30, 6, 8 ff. 8 Einen Überblick über die wesentlichen, vor der Einsetzung der Bundesstaatskommission erschienenen Reformkonzepte liefern Hrbek/Eppler, S. 5 ff. 9 Ab 1996 brachten die Ministerpräsidenten Stoiber und Teufel mehrere Initiativen auf den Weg. In der Tendenz ging es hierbei um Konzepte des Wettbewerbsföderalismus. Im Mittelpunkt stand dabei auch die Neugestaltung des Finanzausgleichs. 1999 schloss sich die hessische Landesregierung der Initiative an. Vgl. dazu das Positionspapier v. 8.7.1999: „Modernisierung des Föderalismus – Stärkung der Eigenverantwortung der Länder“. Weitere Nachweise zu Regierungserklärungen und Stellungnahmen bei Margedant, Leitfaden, S. 19. 10 Vgl. hierzu das (umfangreiche) Register parlamentarischer Reformvorschläge zum Föderalismus der Bundesrepublik Deutschland von 1983 bis 2003 bei Thaysen, APuZ 2003, B 29–30, 14, 17 ff. Siehe insb. auch den Bericht der Enquete-Kommission des Bayerischen Landtages v. 20.3.2002, in: Hrbek/Eppler, Dokument Nr. 4, S. 41 ff. Auf den Einflussverlust der Landtage hatten die „alten“ Länder seit den siebziger Jahren, die neuen Länder seit 1990 mit Parlaments- und Verfassungsreformen reagiert, die eine Stärkung der Landesparlamente gegenüber den Landesregierungen, insb. durch die Einführung von Informations- und Kontrollrechten, bewirken

346

6. Abschn.: Vorschlag für eine Neufassung des Art. 84 Abs. 1 GG

Von der Wissenschaft, insbesondere von der Politikwissenschaft, ist die Diskussion um eine Modernisierung des Bundesstaates immer schon intensiv begleitet worden.12 Auch die Presse hat sich des Themas angenommen.13 Gegenstand besonderer Aufmerksamkeit waren gerade in den letzten eineinhalb Jahrzehnten Konzepte eines „Wettbewerbsföderalismus“14, die vor dem Hintergrund der auf die Wiedervereinigung folgenden Entwicklung die Debatte maßgeblich beeinflussten. Die Empfehlungen der Gemeinsamen sollten. Vgl. hierzu z. B. Pieroth/Haghgu, S. 5 ff. m. w. N. Die Erkenntnis, dass eine wirkliche Stärkung der Landtage nur im Wege grundlegender Reformen des bundesstaatlichen Systems erreicht werden könne, hat eine Fülle von Reformvorschlägen der Landtage und aus ihrem Umfeld hervorgebracht. Um in der Diskussion und in den Reformverhandlungen, an denen die Landesregierungen, nicht aber die Landtage beteiligt waren, Gewicht zu erlangen, wurde – allerdings erst spät – der Versuch unternommen, eine gemeinsame Position des deutschen Landesparlamentarismus zu formulieren. Vgl. hierzu Thaysen, APuZ 2003, B 29–30, 14, 20 ff. 11 Vgl. zu den Reformansätzen (aus dem Umfeld) der FDP das Positionspapier der Friedrich-Naumann-Stiftung: „Wider die Erstarrung in unserem Staat – Für eine Erneuerung des Föderalismus“ und die Vorschläge der Expertenkommission unter Vorsitz von Graf Lambsdorff „Für einen reformfähigen Bundesstaat: Landtage stärken, Bundesrat erneuern“ v. 15.1.2002, in: Hrbek/Eppler, Dokument Nr. 8/3, S. 117 ff. Siehe auch Fischer/Große Hüttmann, in: Jahrbuch des Föderalismus 2001, S. 128, 128 ff. Zu den Beiträgen und Vorschlägen der CDU/CSU und der ihr nahestehenden Einrichtungen vgl. Margedant, Leitfaden, S. 20 f. Hervorzuheben ist insb. das Projekt „Föderalismusreform“ der Konrad-Adenauer-Stiftung. Siehe hierzu die Zwischenbilanz: de Maizière/Perschau, S. 5 ff. und Margedant, Leitfaden, S. 26 ff. Zur Stiftungsallianz „Bürgernaher Bundesstaat“, die sich aus den politischen Stiftungen der fünf im Bundestag vertretenen Fraktionen und den parteiunabhängigen Stiftungen Bertelsmann-Stiftung, Ludwig-Erhard-Stiftung und Stiftung Marktwirtschaft gebildet hat, vgl. Margedant, Leitfaden, S. 29 ff. Siehe auch die Presseerklärung „Handlungsfähiger Föderalismus erfordert mutige Reformschritte“ v. 15.10.2003, in: Hrbek/Eppler, Dokument Nr. 12, S. 143 ff. Siehe auch die Nachweise bei Dietsche/ Hinterseh, in: Föderalismusreform, S. 19, 21 Fn. 4. Vgl. auch Sturm, PVS 2005, 195, 202. 12 Vgl. allgemein Margedant, APuZ 2003, B 29–30, 6, 10 ff. Siehe auch Fischer/ Große Hüttmann, in: Jahrbuch des Föderalismus 2001, S. 128, 128 ff.; Schultze, ZParl 2000, 657, 657 ff. Vgl. z. B. auch Scharpf, in: Reform des Föderalismus, S. 23, 23 ff.; Benz, in: PVS Sonderheft 32/2001, S. 391, 395 ff.; Münch, in: Jahrbuch des Föderalismus 2001, S. 115, 115 ff. Siehe daneben die von der Bertelsmann-Stiftung vorgelegten zehn Vorschläge zur Optimierung der Regierungsfähigkeit im deutschen Föderalismus unter dem Titel „Entflechtung 2005“, in: Hrbek/ Eppler, Dokument Nr. 7, S. 86 ff. Vgl. dazu Margedant, Leitfaden, S. 23 ff. Vgl. auch Lhotta, ZParl 1993, 117, 117 ff. Siehe auch Möstl, ZG 2003, 297, 297 ff. Im Frühjahr 2004 legte auch die Stiftung Marktwirtschaft eine Studie zur Bundesstaatsreform vor. Siehe dazu Margedant, Leitfaden, S. 25. 13 Vgl. auch Darnstädt, in: Der Spiegel, Nr. 20/2003, S. 40 ff. 14 Vgl. hierzu allgemein Margedant, APuZ 2003, B 29–30, 6, 8 ff. Siehe auch Sturm, PVS 2005, 195, 198 f.; Münch, in: Jahrbuch des Föderalismus 2001, S. 115, 115 ff.

A. Die Bundesstaatskommission

347

Verfassungskommission von Bundestag und Bundesrat blieben weit hinter dem Stand der Diskussion und damit auch weit hinter den Erwartungen der Befürworter einer Reform der bundesstaatlichen Ordnung zurück.15 Angesichts der Fülle von Vorschlägen und Reformkonzepten drängte sich der Eindruck auf, dass es in erster Linie einer Strategie zur Realisierung von Reformen bedurfte, nicht aber weiterer Reformkataloge.16 Der Einsetzung der Bundesstaatskommission unmittelbar voraus ging zum einen die Ministerpräsidentenkonferenz am 27. März 200317, die zu einer Vereinbarung von Leitlinien für die Verhandlungen mit dem Bund zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung führte.18 Parallel dazu formierte sich zum andern der Föderalismuskonvent der deutschen Landesparlamente am 31. März 2003 in Lübeck, der mit der Verabschiedung der „Lübecker Erklärung der deutschen Landesparlamente“ endete.19 Bund-LänderVerhandlungen waren in Gang gesetzt.20 Am 9. April 2003 präsentierte Bundesjustizministerin Zypries ein Positionspapier der Bundesregierung zur Föderalismusreform.21 In der Debatte über das Gesundheitsmodernisierungsgesetz im Juni 2003 wurde von Müntefering als Vorsitzendem der 15

Vgl. dazu Bremers, APuZ 1997, B 15–16, 21, 21 ff.; Jun, ZParl 2004, 559,

565. 16 So Thaysen, APuZ 2003, B 29–30, 14, 19 nur in Bezug auf die Reformvorschläge von Seiten der Landtage. 17 Siehe den Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz v. 27.3.2003, in: Hrbek/ Eppler, Dokument Nr. 1, S. 26 ff. Schon 1998 hatte die Ministerpräsidentenkonferenz die „umfassende Überprüfung mit dem Ziel der Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung“ auf ihre Tagesordnung gesetzt. Die Initiative verlief jedoch im Sande. Mit der Einsetzung eines Lenkungsausschusses Föderalismusreform und zweier Arbeitsgruppen „Finanzen“ und „Innerstaatliche Kompetenzabgrenzung“ unternahm die Ministerpräsidentenkonferenz im neuen Jahrtausend einen weiteren Anlauf. Siehe dazu auch die Dokumentation, Zur Sache1/2005, S. 15. 18 Vgl. dazu Henneke, DVBl. 2003, 845, 847 ff. Siehe auch Haug, DÖV 2004, 190, 193. 19 Vgl. das „Bekenntnis zum Föderalismus und zur Subsidiarität – Stärkung des Föderalismus! Lübecker Erklärung der deutschen Landesparlamente“, in: Hrbek/ Eppler, Dokument Nr. 3, S. 36 ff. Siehe dazu Henneke, DVBl. 2003, 845, 848 ff. und Brink, ZRP 2005, 60, 61 f. Die Reformüberlegungen wurden auf dem Symposion des Schleswig-Holsteinischen Landtages im November 2003 fortgeführt. Vgl. dazu die vom Präsidenten des Schleswig-Holsteinischen Landtages herausgegebene Dokumentation „Föderalismusreform – Ziele und Wege“. Siehe dann die Quedlinburger Erklärung der Konferenz der Präsidentinnen und Präsidenten der deutschen Landesparlamente, K-Drs. 0051. 20 Vgl. die Dokumentation, Zur Sache 1/2005, S. 15. Siehe auch Bösert, ZG 2004, 89, 90. 21 Vgl. das Positionspapier der Bundesregierung: „Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung. Position des Bundes“ v. 9.4.2003, in: Hrbek/Eppler, Dokument Nr. 2, S. 32 ff.

348

6. Abschn.: Vorschlag für eine Neufassung des Art. 84 Abs. 1 GG

SPD-Bundestagsfraktion der Vorschlag geäußert, sich über das Verfahren der Einsetzung einer Verfassungskommission zu verständigen; nach einer daraufhin erfolgten Zusammenkunft der Fraktionsvorsitzenden des Bundestages im Juli 2003 zeigten sich auch die Landesregierungen mit der Einrichtung der Kommission einverstanden.22

II. Die Aufgabe der Kommission nach Maßgabe der Einsetzungsbeschlüsse Den Einsetzungsbeschlüssen entsprechend war formulierter Wille der Bundesstaatskommission, Vorschläge „zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland mit dem Ziel, die Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit von Bund und Ländern zu verbessern, die politischen Verantwortlichkeiten deutlicher zuzuordnen sowie die Zweckmäßigkeit und Effizienz der Aufgabenerfüllung zu steigern“23, zu erarbeiten und den Gesetzgebungsorganen des Bundes vorzulegen. Insbesondere sollte die Kommission „die Zuordnung von Gesetzgebungszuständigkeiten auf Bund und Länder, die Zuständigkeiten und Mitwirkungsrechte der Länder in der Bundesgesetzgebung und die Finanzbeziehungen (insbesondere Gemeinschaftsaufgaben und Mischfinanzierungen) zwischen Bund und Ländern überprüfen“; dies auch „vor dem Hintergrund der Weiterentwicklung der Europäischen Union und der Situation der Kommunen“.24 Die besonders konfliktanfälligen, aber nach allgemeinem Bekunden eigentlich wichtige(re)n Themenfelder „Finanzausgleich“ und „Länderneugliederung“ waren damit allerdings ausgeschlossen.25 Im Bereich der Mitwirkung des Bundesrates an der Gesetzgebung immer wieder ausdrücklich hervorgehobenes und wichtiges (wenn nicht das wichtigste26) Ziel der Bundesstaatskommission sollte es sein, verfassungsrechtliche Änderungen zur Verringerung der Zahl zustimmungsbedürftiger Gesetze, insbesondere unter Berücksichtigung des „Einfallstores“ des Art. 84 Abs. 1 GG, auszuarbeiten und vorzuschlagen.27 Auf diesem Wege sollte die 22

Vgl. die Dokumentation, Zur Sache 1/2005, S. 15 f. Vgl. BT-Drs. 15/1685, BR-Drs. 750/03. 24 Vgl. BT-Drs. 15/1685, BR-Drs. 750/03. 25 Krit. dazu z. B. Schultze, APuZ 2005, B 13–14, 13, 23. 26 So Schmidt-Jortzig, ZG 2005, 16, 19. 27 Siehe Müntefering, 1. Sitzung der Kommission, 7.11.2003, StenBer., S. 3; Stoiber, in derselben Sitzung, StenBer., S. 5. Dieser wollte eine Reduzierung der Zustimmungsgesetze „um die Hälfte“ für möglich halten. Siehe auch Burgbacher, ebenfalls in der 1. Sitzung der Kommission, StenBer., S. 5, der von einer Reduzierung der Zustimmungsquote auf 30 Prozent sprach. Das Problem des Art. 84 Abs. 1 GG sah Zypries, ebenfalls in der 1. Sitzung der Kommission, StenBer., S. 5, dage23

A. Die Bundesstaatskommission

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vielfach geforderte „Verbesserung und Beschleunigung politischer Entscheidungsprozesse“28 und die wiederholt angemahnte „Wiederherstellung eines klaren parlamentarischen Entscheidungsprozesses“29 erreicht werden. Die Länder hatten schon im Vorfeld signalisiert, einer Reduzierung der Zustimmungsrechte des Bundesrates zustimmen zu wollen, wenn im Gegenzug eine Stärkung ihrer „Selbstbestimmungsrechte“ verwirklicht würde.30 Länderintern setzte dies die Bereitschaft der Landesregierungen voraus, eine Verringerung ihrer Handlungs- und Gestaltungsmöglichkeiten über Vetopositionen im Bundesrat im Interesse einer Vermehrung der Kompetenzen der Landtage mit zu tragen.

III. Aufbau und Arbeitsweise der Kommission Den folgenden Ausführungen vorangestellt sei ein kurzer Blick auf die Zusammensetzung und die Arbeitsweise der Bundesstaatskommission. 1. Zusammensetzung und Verfahren Die Bundesstaatskommission setzte sich zusammen aus je 16 Mitgliedern von Bundestag und Bundesrat.31 Für Entscheidungen in Sachfragen wurde eine Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder festgesetzt. Die Bundesregierung entsandte vier Vertreter, die als beratende Mitglieder mit Redeund Antragsrecht, aber ohne Stimmrecht an den Kommissionssitzungen teilnahmen.32 Sechs Abgeordnete der Landtage waren als beratende Mitglieder ebenfalls nur mit Rede- und Antragsrecht beteiligt.33 Als „ständige Gäste“ kamen drei Vertreter aus den Präsidien der kommunalen Spitzenverbände gen weniger in der Bestimmung selbst, als in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hierzu. Diese gelte es, so die Ministerin, durch eine neue Formulierung zu korrigieren. 28 Althaus, 1. Sitzung der Kommission, 7.11.2003, StenBer., S. 1. 29 Thierse, 1. Sitzung der Kommission, 7.11.2003, StenBer., S. 2. 30 Vgl. Stoiber, 1. Sitzung der Kommission, 7.11.2003, StenBer., S. 5; Teufel, in derselben Sitzung, StenBer., S. 8. Siehe schon den Bericht der Enquete-Kommission des Bayerischen Landtages v. 20.3.2002, in: Hrbek/Eppler, Dokument Nr. 4, S. 41 ff., 47. 31 Die Mitglieder des Bundestages wurden vom Bundestag auf Vorschlag der Fraktionen durch Beschluss bestimmt. Siehe dazu die Dokumentation, Zur Sache 1/2005, S. 20 f., 25 mit einer Liste der gewählten Abgeordneten. Die Mitglieder des Bundesrates wurden von den Landesregierungen bestimmt. Siehe dazu die Dokumentation, Zur Sache 1/2005, S. 21 f., 25 mit einer Liste der Mitglieder des Bundesrates. 32 Vgl. die Liste in der Dokumentation, Zur Sache 1/2005, S. 23. 33 Vgl. die Liste in der Dokumentation, Zur Sache 1/2005, S. 23, 25.

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6. Abschn.: Vorschlag für eine Neufassung des Art. 84 Abs. 1 GG

mit Rede- und Antragsrechten hinzu.34 Zwölf Sachverständige begleiteten die Beratungen.35 Als Vorsitzende der Kommission wurden der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion Müntefering und der bayerische Ministerpräsident Stoiber gewählt.36 Die Zusammensetzung der Kommission ist insbesondere auch deswegen kritisiert worden, weil die Landtage an den Verhandlungen nur mit wenigen Vertretern und ohne Stimmrecht beteiligt waren.37 Gerade die Landesparlamente aber waren und sind von den Unitarisierungsprozessen, die die Entwicklung der bundesstaatlichen Ordnung seit 1949 prägen, durch Kompetenzverluste am meisten betroffen. Dass den Vertretern der Landtage, obwohl die erklärte Aufgabe der Kommission schon laut Einsetzungsbeschluss gerade darin bestehen sollte, die „Zuordnung von Gesetzgebungszuständigkeiten auf Bund und Länder“ mit dem Zweck der Verbesserung der „Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit von Bund und Ländern“ zu überprüfen, keine entscheidende Rolle zuerkannt wurde, beförderte die ohnehin bestehende Dominanz der Landesregierungen im Bereich der Durchsetzung von Länderinteressen.38 Im Hinblick auf die für eine Verfassungsänderung erforderliche Zweidrittelmehrheit der Stimmen im Bundesrat (Art. 79 Abs. 2 GG) wäre eine Stärkung der Position der Landesparlamente in der Kommission zum Nachteil der Landesregierungen tatsächlich jedoch kaum zielführend gewesen.39 2. Untergliederung in Arbeits- und Projektgruppen In der zweiten Sitzung der Kommission am 28. November 2003 wurden die Arbeitsgruppe 1 „Gesetzgebungskompetenzen und Mitwirkungsrechte“ und die Arbeitsgruppe 2 „Finanzbeziehungen“ eingesetzt.40 In der sechsten 34

Vgl. die Liste in der Dokumentation Zur Sache 1/2005, S. 24. Vgl. die Liste in der Dokumentation, Zur Sache 1/2005, S. 24 f. 36 Gewählt in der 1. Sitzung der Kommission, 7.11.2003, StenBer., S. 2. Krit. hierzu im Rückblick Benz, PVS 2005, 204, 212. 37 Vgl. z. B. Sager, 1. Sitzung der Kommission, 7.11.2003, StenBer., S. 13. 38 BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die FDP waren bei der Einberufung der Kommission mit ihrem Vorschlag für einen „großen Konvent“ gescheitert. Vgl. SZ v. 27.8.2003, S. 5. Westerwelle sprach von einem Konstruktionsfehler: „Wenn man einen Sumpf trockenlegen will, darf man nicht die Frösche beauftragen.“ Siehe http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,336415,00html. v. 12.1.2005. Siehe auch Schwennicke („Die Frösche und die Ingenieure“), in: SZ v. 30.3.2005, S. 4. Vgl. auch Höreth, Orientierungen zur Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik 103 (1/2005), 50, 50. 39 Vgl. auch Sturm, PVS 2005, 195, 197, der hervorhebt, dass für die Lösung von Machtfragen, um die es in der Bundesstaatskommission ging, die Zusammensetzung gerade deswegen nicht geeignet war, weil sie „für die Lösung der Machtfrage irrelevante Akteure beherbergte“. 35

A. Die Bundesstaatskommission

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Sitzung am 14. Mai 2004 wurden – angesichts des hohen Zeitdrucks und mit dem Ziel einer effektiven Aufgabenerledigung – zudem sieben Projektgruppen eingerichtet, in denen die Beschäftigung mit bestimmten Problembereichen erfolgen sollte.41 Zuständig für eine Neufassung des Art. 84 Abs. 1 GG war die Projektgruppe 1: „Art. 84 GG und materielle Zugriffsrechte der Länder“. In den Projektgruppen wurden maßgeblich die konkreten Vorschläge für Verfassungsänderungen beraten; dies allerdings weitgehend ohne Beteiligung der Sachverständigen.42 Neben den Arbeits- und Projektgruppen existierten informelle Gremien und Gruppen, in denen Vorbereitungen getroffen und Verhandlungen geführt wurden; sie setzten sich aus Vertretern der Regierungs- und Oppositionsparteien zusammen.43 Hierin verlagerten sich die Diskussion und die Entscheidungsfindung zunehmend. Insgesamt geriet man zum Ende der Beratungen unter erheblichen Zeitdruck. Die in den Projektgruppen erzielten Ergebnisse konnten kaum noch koordiniert werden. 3. Die beabsichtigten Beschlussempfehlungen Nach dem Abschluss der Beratungen in den Projekt- und Arbeitsgruppen sowie in der Kommission war es Aufgabe eines Obleutegremiums44, eine Beschlussempfehlung für Grundgesetzänderungen abzufassen. In Konsultationsrunden am 10. und 26. November sowie am 3. Dezember 2004 wurde auf der Grundlage von „Sprechzetteln“ der Vorsitzenden Müntefering und Stoiber, die die Ergebnisse der Kommissionsarbeit zusammenfassten, hieran gearbeitet. Ein Vorentwurf der Vorsitzenden für einen Vorschlag für eine Beschlussempfehlung vom 13. Dezember 200445 enthielt noch fünf offene Punkte. In der Abschlusssitzung der Kommission am 17. Dezember 2004 40 Themen der Arbeitsgruppe 1 sollten im Schwerpunkt sein: Grundsatz- und Strukturthemen der Gesetzgebungskompetenzen, Überarbeitung der Kompetenzkataloge nach Materien, Mitwirkungsrechte des Bundesrates, Weiterentwicklung der Europäischen Union, Verhältnis von Bund und Ländern zu den Institutionen der Europäischen Union. Vgl. Müntefering, 2. Sitzung der Kommission, 28.11.2003, StenBer., S. 25 f. 41 PG 1: „Art. 84 GG und materielle Zugriffsrechte der Länder“; PG 2: „Gesetzgebungskompetenzen im öffentlichen Dienst, Besoldungs- und Versorgungsrecht, Innere Sicherheit, Versammlungsrecht“; PG 3: „Bildung und Kultur“; PG 4: „Gesetzgebungskompetenzen im Umwelt- und Verbraucherschutzrecht“; PG 5: „Mögliche Gesetzgebungskompetenzen mit regionaler Bedeutung“; PG 6: „Finanzthemen (z. B. Mischfinanzierungen), einschließlich der Frage der Zustimmungsbedürftigkeit wegen Kostenfolgen von Bundesgesetzen“; PG 7: „Hauptstadt“. Vgl. dazu die Übersicht in der Dokumentation, Zur Sache 1/2005, S. 34 ff., 41 ff. 42 Vgl. Benz, PVS 2005, 204, 211. 43 Vgl. Jun, ZParl 2004, 559, 562. 44 Vgl. die Dokumentation, Zur Sache 1/2005, S. 27 f.

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6. Abschn.: Vorschlag für eine Neufassung des Art. 84 Abs. 1 GG

konnte jedoch ein Entwurf einer Beschlussempfehlung nicht vorgelegt werden. Zu einer Abstimmung kam es nicht. Über die Mehrheit der behandelten Fragen war im Verlauf der Beratungen in der Kommission allerdings Einigkeit erzielt worden.46 Zu Art. 84 Abs. 1 GG lag ein Formulierungsvorschlag vor.47

IV. Das Ende der Kommission Die Kommission erklärte in ihrer elften Sitzung am 17. Dezember 2004 ihre Arbeit, ohne dass eine Einigung zustande gekommen war, für beendet.48 Trotz ursprünglich offenbar vorhandenen Reformwillens und einer vermeintlich günstigen politischen Ausgangslage49 scheiterte eine Einigung, die nach Vorstellung der Beteiligten nur in Form einer „Paketlösung“ denkbar war50, schließlich an Streitigkeiten im Detail51 und daraus folgender 45 Vorschlag der Vorsitzenden, Vorentwurf für eine Beschlussempfehlung, AU 104 – neu – v. 13.12.2004. 46 Siehe die Nachweise aus der Tagespresse bei Schmidt-Jortzig, ZG 2005, 16, 16 Fn. 2. Zum Stand der Beratungen in der Endphase siehe auch SZ v. 23./ 24.10.2004, S. 7; v. 28.10.2004, S. 4, 7; v. 11.11.2004, S. 5; v. 12.11.2004, S. 5; v. 26.11.2004, S. 5. In der Tagespresse, der die nur zur internen Verwendung bestimmten Papiere der Vorsitzenden vorlagen, wurden die Ergebnisse ausführlich kommentiert. Siehe die Nachweise bei Schmidt-Jortzig, ZG 2005, 16, 17 Fn. 3. Zuvor schon speziell zur Einigung hinsichtlich der Neufassung des Art. 84 Abs. 1 GG vgl. FAZ v. 29.11.2004, S. 4. Siehe auch Kröning, RuP 2005, 9, 10 ff.; ders., RuP 2004, 201, 202. 47 Vgl. AU 104 – neu – v. 13.12.2004, S. 2. 48 Den ihr erteilten Reformauftrag hat die Kommission „an Bundestag und Bundesrat zurückgegeben“. Siehe das Vorwort der Vorsitzenden in der Dokumentation, Zur Sache 1/2005, S. 5. 49 Siehe dazu insb. Scharpf, 3. Sitzung der Kommission, 12.12.2003, StenBer., S. 65 und K-Drs. 0007, S. 5. Angesichts des Umstandes, dass sowohl die amtierende Regierung als auch die Opposition mit einem Erfolg bei der kommenden Bundestagswahl rechnen könnten, sah Scharpf die Möglichkeit einer Einigung. Die politisch in großem Maße umstrittenen, Einschnitte bedeutenden Reformen, die von beiden Seiten im Falle der Übernahme von Regierungsverantwortung umgesetzt werden müssten, machten einen dauerhaften Gleichklang der Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat unwahrscheinlich, da sich der Unmut der Bevölkerung gegenüber der Regierungspolitik auf Bundesebene regelmäßig in den Ergebnissen der Landtagswahlen widerspiegele. Sowohl die Regierung als auch die Opposition müssten daher, so Scharpf, für Maßnahmen zur Wiederherstellung der Handlungsfähigkeit des Bundes zu gewinnen sein. Die Konfliktfront zwischen Bund und Ländern und zwischen den einzelnen Ländern sah Scharpf aber offenbar als unverändert starr an. Vgl. auch Scharpf, ZSE 2005, 97, 98 ff. 50 Als „durchgehende Parole“ galt, dass „alles irgendwie mit allem zusammenhängt“. Siehe Schmidt-Jortzig, ZG 2005, 16, 17. Siehe auch SZ v. 26.11.2004, S. 5. Vgl. auch Müntefering: „Alles ist unsicher, solange nicht alles klar ist.“ Zitiert nach Sturm, PVS 2005, 195, 196.

A. Die Bundesstaatskommission

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Verhärtung der Fronten, aber auch an strukturellen Schwierigkeiten.52 Das „interessante Experiment eines reinen Vorsitzenden-Verfahrens“53, also der Versuch von Müntefering und Stoiber, einen Konsens persönlich auszuhandeln, blieb ohne Erfolg.54 Das angekündigte Vorhaben, die Bundesstaatskommission wiederzubeleben und erzielte Ergebnisse doch noch umzusetzen55, wurde im Frühjahr 2005 zwar vorangetrieben, geriet aber im Vorfeld der Landtagswahlen in 51 Die nicht herstellbare Einigung in der Frage der – nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Fünften Änderungsgesetz zum HRG v. 27.7.2004 in das Zentrum der Diskussion gerückten – Kompetenzen im Hochschul- und gesamten Bildungsbereich lieferte den Anlass zum Scheitern. Siehe dazu Schmidt-Jortzig, ZG 2005, 16, 18 f. Dieser Konflikt sei zu einem „machtpolitischen Tauziehen von grundsätzlicher Bedeutung“ (19) stilisiert worden. Vgl. zum Stellenwert des Themas auch Brink, ZRP 2005, 60, 61. Siehe auch Kröning, RuP 2005, 9, 13 ff. Das Bundesverfassungsgericht hatte mit seiner „länderfreundlichen“ Entscheidung die Position der Länder in der Kommission deutlich gestärkt. Der Bund hatte den Ländern den Verzicht auf Kompetenzen im Bereich der konkurrierenden und der Rahmengesetzgebung als Gegenleistung für den Verzicht auf Zustimmungsrechte im Bundesrat angeboten. Indem das Gericht die Anforderungen an die Inanspruchnahme der Bundesgesetzgebungskompetenz mit seiner Interpretation des Art. 72 Abs. 2 n. F. GG erneut hoch ansetzte, verminderte es den Wert des „Tauschobjekts“. Siehe dazu auch Batt, ZParl 2004, 753, 759 und ausführlich zu den sich hieraus ergebenden Folgen für die Diskussion Scharpf, ZSE 2005, 97, 98 ff. Als der Vorsitzende des Zweiten Senats Hassemer in der mündlichen Verhandlung zum Fünften Änderungsgesetz zum HRG ankündigte, das Gericht werde sich mit seinem Urteil möglicherweise „an der allgemeinen Föderalismusdebatte beteiligen“ (siehe FAZ v. 28.7.2004, S. 2), dürften die möglichen Konsequenzen dieser verfassungsgerichtlichen „Beteiligung“ nicht mitgedacht gewesen sein. 52 Siehe zum Problem der heterogenen Interessenlagen zwischen Bund und Ländern, zwischen einzelnen (finanzschwachen und -starken) Ländern und zwischen den Regierungen und den Parlamenten auf Bundes- wie auch Landesebene, die im Verlauf der Beratungen immer wieder hervortraten, Schmidt-Jortzig, ZG 2005, 16, 17. Vgl. auch die Äußerungen Münteferings, 1. Sitzung der Kommission, 7.11.2003, StenBer., S. 4; die Äußerungen Sagers, ebenfalls in der 1. Sitzung, StenBer., S. 14; die Ausführungen Böhmers zur Rolle der ostdeutschen Bundesländer, in derselben Sitzung, StenBer., S. 14 f.; den Beitrag Spotkas über die Position der Landtage, in derselben Sitzung, StenBer., S. 20 f. Zum Verhältnis zwischen den Landtagen und den Landesregierungen siehe auch W. Schmidt, 2. Sitzung der Kommission, 28.11.2003, StenBer., S. 30. Vgl. auch Scharpf, 3. Sitzung der Kommission, 12.12.2003, StenBer., S. 65 und ders. ausführlich in K-Drs. 0007, S. 4 ff. Siehe auch dessen rückblickende „Erklärungsversuche“ für das Scheitern in ZSE 2005, 97, 103 ff. Zu den Gründen für das Scheitern auch Schultze, APuZ 2005, B 13–14, 13, 17 f.; Höreth, Orientierungen zur Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik 103 (1/2005), 50, 50 ff.; Sturm, PVS 2005, 195, 196, 200 ff.; Brink, ZRP 2005, 60, 61. 53 So Schmidt-Jortzig, ZG 2005, 16, 16. 54 Als „suboptimal“ bezeichnet im Rückblick Scharpf, ZSE 2005, 97, 97, die Verhandlungsführung. Seine Kritik richtet sich dabei in erster Linie an den Bund, der es an einer effektiven Verhandlungsstrategie habe fehlen lassen (101 ff.).

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6. Abschn.: Vorschlag für eine Neufassung des Art. 84 Abs. 1 GG

Nordrhein-Westfalen ins Stocken und ruhte seit der Ankündigung von Neuwahlen im Bund.56 Erst mit dem Antritt der Großen Koalition nach den Bundestagswahlen im September 2005 ist eine Umsetzung der von der Bundesstaatskommission erdachten Lösungen schließlich wieder konkret geworden. Die Koalitionsarbeitsgruppe zur Föderalismusreform hat in ihren Gesprächen die Vorschläge der Kommission zur Grundlage ihrer Verhandlungen zwischen Bund und Ländern gemacht, Ergebnisse teilweise (weitgehend) übernommen, teilweise erweitert und offene Punkte einer Klärung zugeführt.57 Während die im Koalitionsvertrag niedergelegten Vorschläge zunächst als verbindlicher Ausgangspunkt für die so bald wie möglich in Angriff zu nehmende Verfassungsänderung betrachtet wurden, ist der Bund vom Gesetzentwurfscharakter der Formulierungen nach Kritik aus den Reihen der Landesregierungen allerdings bereits wieder abgerückt.58 Inzwischen wird nur noch von einem „politischen Papier“ gesprochen.59 Das vorgegebene Ziel, eine Reform des Bundesstaates in der ersten Hälfte des Jahres 2006 zu verwirklichen, steht jedoch weiterhin.

55 Auf Betreiben von Bundespräsident Köhler kam es noch im Januar 2005 zu einem gemeinsamen Treffen mit beiden Kommissionsvorsitzenden. Siehe http:// www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,336415,00html. v. 12.1.2005 und SZ v. 12.1.2005, S. 4, 5. Dieses blieb ohne greifbares Ergebnis. Auf dem im März abgehaltenen sog. „Jobgipfel“ einigten sich dann Bundesregierung und Opposition darauf, nach der Osterpause die Gespräche um die Reform des Bundesstaates wiederaufzunehmen. Siehe http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,347009,00 html. v. 24.3.2005 und SZ v. 21.3.2005, S. 6; v. 29.3.2005, S. 6; v. 30.3.2005, S. 5. Dem „Jobgipfel“ vorausgegangen war eine Regierungserklärung von Bundeskanzler Schröder v. 17.3.2005, in der dieser die Umsetzung der Ergebnisse der Bundesstaatskommission gefordert und zugestanden hatte, jeden Vorschlag in Bezug auf den Streitpunkt Bildungspolitik zu unterstützen, auf den die Vorsitzenden der Kommission sich einigten. Siehe http://spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,346878,00 html. v. 17.3.2005. Namentlich die Ministerpräsidenten Teufel und Beck forderten im Frühjahr 2005 ebenfalls die Wiederaufnahme der Verhandlungen, vgl. SZ v. 2.2.2005, S. 5 und SZ v. 8.4.2005, S. 5. 56 Müntefering und Stoiber hatten sich Anfang Mai über die noch strittigen Fragen offenbar geeinigt. Die Ergebnisse sollten jedoch erst nach der Landtagswahl in NRW verkündet werden. Siehe http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518, 355077,00html. v. 7.5.2005. 57 Vgl. den Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD, Anlage 2: Ergebnis der Koalitionsarbeitsgruppe zur Föderalismusreform (Stand: 7. November 2005). 58 Siehe zuletzt SZ v. 9.1.2006, S. 4, 6. 59 Vgl. FAZ v. 13.12.2005, S. 10.

B. Art. 84 Abs. 1 GG in der Bundesstaatskommission

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B. Art. 84 Abs. 1 GG in der Bundesstaatskommission Dass der Weg zu einer Entflechtung des Beteiligungsföderalismus in erster Linie über eine an Art. 84 Abs. 1 GG anzuknüpfende Begrenzung der Vetoposition des Bundesrates führen musste, war allgemeine Auffassung in der Kommission.60 Das von der Länderseite aufgestellte Junktim zwischen dem Verzicht auf Zustimmungsrechte im Bundesrat und der Erweiterung der legislativen Handlungsspielräume der Länder61 konkretisierte (und verschob) sich im Rahmen der Diskussion um eine Änderung des Art. 84 Abs. 1 GG aber zunehmend dahin, dass die Landesregierungen als Gegenleistung für den Verlust der Einflussnahme auf die materiell-rechtlichen Inhalte von nach Art. 84 Abs. 1 GG (als Ganzes) zustimmungsbedürftigen Mischgesetzen ein Zustimmungsrecht für Bundesgesetze mit Kostenfolgen für die Länder forderten.62 Für die mit dem Grundsatz der Vollzugskausalität für die Länder nur unbefriedigend gelösten Kostenfragen von Gesetzen sei Art. 84 Abs. 1 GG, so die Länderseite, bisher die wichtigste Einstiegsmöglichkeit für Verhandlungen mit dem Bund gewesen. Auf diese Möglichkeit, ihren Einfluss geltend zu machen, gedachten die Landesregierungen, dies zeigte sich im Verlauf der Verhandlungen in der Kommission deutlich, nicht zu verzichten. Damit war eine denkbare Einschränkung des Zustimmungsrechts des Bundesrates aus Art. 84 Abs. 1 GG von Beginn an nicht mehr (nur) an die eigentlich geforderte Einräumung weitergehender autonomer legislativer Kompetenzen der Landes(parlamente) als Gegenleistung gebunden, sondern von der Etablierung eines neuen, an andere Inhalte anknüpfenden Zustimmungstatbestandes abhängig gemacht.

60 Vgl. Teufel, 2. Sitzung der Kommission, 28.11.2003, StenBer., S. 27; W. Schmidt, in derselben Sitzung, StenBer., S. 28; Grimm, in derselben Sitzung, StenBer., S. 41. Siehe auch Benz, 3. Sitzung der Kommission, 12.12.2003, StenBer., S. 52. 61 Vgl. z. B. Teufel, 2. Sitzung der Kommission, 28.11.2003, StenBer., S. 27; Scharpf, K-Drs. 0007, S. 5. 62 Vgl. hierzu schon den Vorschlag der Enquete-Kommission des Bayerischen Landtages für einen neuen Art. 84 Abs. 1 GG im Bericht v. 20.3.2002, in: Hrbek/ Eppler, Dokument Nr. 4, S. 41 ff., 47: „Führen die Länder die Bundesgesetze als eigene Angelegenheit aus, so regeln sie die Einrichtung der Behörden und das Verwaltungsverfahren, soweit nicht durch Bundesgesetz etwas anderes bestimmt wird. Werden die bei den Ländern durch den Gesetzesvollzug verursachten Aufwendungen wesentlich verändert oder Veränderungen in der Verwaltungsstruktur der Länderbehörden erforderlich, bedarf das Bundesgesetz der Zustimmung des Bundesrates. (. . .).“

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6. Abschn.: Vorschlag für eine Neufassung des Art. 84 Abs. 1 GG

I. Die Ausgangslage zu Beginn der Beratungen und erste Stellungnahmen der Sachverständigen Das Tableau von in Betracht gezogenen Möglichkeiten für eine Änderung des Art. 84 Abs. 1 GG mit dem Ziel der Eingrenzung des sich hierauf gründenden Umfangs der Zustimmungskompetenzen des Bundesrates wurde schon in der zweiten Sitzung der Kommission am 28. November 2003, in der zum ersten Mal der Themenkreis „Gesetzgebungskompetenzen und Mitwirkungsrechte der Länder in der Bundesgesetzgebung“ grundsätzlich erörtert wurde, ausgebreitet.63 Vorgeschlagen wurden eine völlige Abschaffung der Gesetzgebungskompetenz des Bundes64 nach Art. 84 Abs. 1 (und 85 Abs. 1) GG oder zumindest eine Beschränkung der Ingerenzrechte des Bundes65 gerade auch im Interesse eines „Wettbewerbs im Vollzug von Bundesrecht“66 und/oder im Interesse der Kommunen67. Daneben wurde ein Verzicht auf ein Zustimmungsrecht des Bundesrates zu Einrichtungs- und Verwaltungsverfahrensregelungen nach Art. 84 Abs. 1 GG im Gegenzug zu einer Einräumung von Zugriffsrechten der Länder in Betracht gezogen.68 Ins Spiel gebracht wurde auch eine Neufassung des Art. 84 Abs. 1 GG mit dem Ziel einer ausdrücklichen textlichen Verankerung einer Abkehr von der Einheitsthese.69 Zudem wurde auch die Idee 63

Vgl. z. B. Teufel, 2. Sitzung der Kommission, 28.11.2003, StenBer., S. 27. In der Kommission ging man offenbar davon aus, dass Art. 84 Abs. 1 GG eine konstitutive Bundesgesetzgebungskompetenz enthält. 65 Vgl. Teufel, 2. Sitzung der Kommission, 28.11.2003, StenBer., S. 27; Röttgen, in derselben Sitzung, StenBer., S. 34, der von einer Bevormundung durch den Bund durch Einrichtungs- und Verfahrensregelungen im Bereich des „Hausgutes“ der Länder spricht. Krit. zur Tendenz des Bundesgesetzgebers, die Umsetzung eines Gesetzes in allen Einzelheiten zu regeln, auch Rüttgers, ebenfalls in der 2. Sitzung der Kommission, StenBer., S. 39. Siehe auch die Äußerung de Maizières, in derselben Sitzung, StenBer., S. 43. 66 Röttgen, 2. Sitzung der Kommission, 28.11.2003, StenBer., S. 34. 67 Vgl. dazu die Äußerungen Hennekes, 2. Sitzung der Kommission, 28.11.2003, StenBer., S. 44. Erfolgt die Übertragung von Aufgaben an die Kommunen durch die Länder und nicht durch den Bund über Art. 84 Abs. 1 GG, dann greifen regelmäßig die Finanzierungsabsicherungen über die Landesverfassungen. Das Interesse der Kommunen ging daher in Richtung Beschränkung der Ingerenzrechte des Bundes. Reduzierte Zustimmungsrechte des Bundesrates (z. B. im Fall der Einräumung von Zugriffsrechten) schwächen, so Henneke, die Position der Kommunen in den Ländern, in denen abweichende Regelungen unterbleiben, zusätzlich. Siehe schon die Vorschläge des Deutschen Landkreistages „Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung“ v. 7.6.2001, in: Hrbek/Eppler, Dokument Nr. 5, S. 54 ff., 56, 60. 68 Vgl. dazu die Äußerungen Hennekes, 2. Sitzung der Kommission, 28.11.2003, StenBer., S. 44. Siehe zur Einräumung von – materiellen – Zugriffsrechten Röttgen, in derselben Sitzung, StenBer., S. 33; Stoiber, in derselben Sitzung, StenBer., S. 48; Teufel, in derselben Sitzung, StenBer., S. 27. 64

B. Art. 84 Abs. 1 GG in der Bundesstaatskommission

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einer Bedürfnisklausel nach dem Vorbild des Art. 72 Abs. 2 GG zumindest thematisiert.70 Teilweise schärfere Konturen gewannen die verschiedenen Optionen in der dritten Sitzung der Kommission am 12. Dezember 2003, in der die öffentliche Anhörung der Sachverständigen zu den Themen „Zuordnung von Gesetzgebungszuständigkeiten auf Bund und Länder sowie Zuständigkeiten und Mitwirkungsrechte der Länder in der Bundesgesetzgebung, insbesondere vor dem Hintergrund der Weiterentwicklung der Europäischen Union“ erfolgte.71 Die schriftlichen72 und mündlichen Stellungnahmen der Experten vor dem Einstieg in die Beratungen in den Arbeits- und Projektgruppen ergaben dabei das folgende Meinungsspektrum in Bezug auf eine Neufassung des Art. 84 Abs. 1 GG73: 1. Die Revision der Einheitsthese Eine Mehrheit der Sachverständigen sprach sich dafür aus, eine Abkehr von der Einheitsthese (durch Klarstellung) im Text des Art. 84 Abs. 1 (und Art. 85 Abs. 1) GG festzuschreiben.74 Die Norm sei auf ihre „ursprüngliche Intention“ zurückzuführen.75 Nur soweit der Bund Regelungen der Verwal69 Vgl. Zypries, 2. Sitzung der Kommission, 28.11.2003, StenBer., S. 37; in diese Richtung auch Funke, in derselben Sitzung, StenBer., S. 36. Siehe auch Grimm, ebenfalls in der 2. Sitzung der Kommission, StenBer., S. 41. 70 Vgl. Grimm, 2. Sitzung der Kommission, 28.11.2003, StenBer., S. 41, der diese Möglichkeit aber selbst verwirft. 71 Das Sekretariat der Bundesstaatskommission hatte zu dieser öffentlichen Anhörung einen Fragenkatalog ausgearbeitet, der den Sachverständigen bei der Anfertigung ihrer schriftlichen und mündlichen Stellungnahmen als Richtschnur dienen sollte. Vgl. K-Drs. 0004. Ausdrücklich war unter Punkt II. „Handlungsfähigkeit von Bund und Ländern im Einzelnen“/2. „Mitwirkungsrechte im Bundesrat“ nach der Einschätzung von Art. 84 Abs. 1 und Art. 80 Abs. 2 GG sowie nach der Möglichkeit einer Reduzierung bzw. Neuausrichtung von Zustimmungstatbeständen, auch unter dem Aspekt der Aufgabe der Einheitsthese und des Abstellens auf Kostenfolgen, gefragt. Eine Stellungnahme wurde zudem erbeten in Bezug auf die Möglichkeiten der Veränderung des Abstimmungsmodus im Bundesrat. 72 Die schriftlichen Stellungnahmen der Sachverständigen sind als KommissionsDrucksachen (K-Drs. 0005 ff.) niedergelegt. 73 Siehe die Synopse der Expertenmeinungen in ZParl 2001, 387, 388 ff., 393. 74 Siehe Scholz, K-Drs. 0005, S. 9; Wieland, K-Drs. 0009, S. 4; ders., 3. Sitzung der Kommission, 12.12.2003, StenBer., S. 71; Benz, K-Drs. 0010, S. 7; ders., 3. Sitzung der Kommission, 12.12.2003, StenBer., S. 52. Ablehnend gegenüber der Einheitsthese auch Schmidt-Jortzig, K-Drs. 0006, S. 7, der aber für eine komplette Streichung von Art. 84 Abs. 1 und Art. 85 Abs. 1 GG eintrat. Siehe auch F. Kirchhof, K-Drs. 0011, S. 6, der ebenfalls eine komplette Streichung der Ingerenzrechte des Bundes befürwortete. Ohne konkret zu werden Scharpf, K-Drs. 0007, S. 7. Vgl. auch Zypries, 2. Sitzung der Kommission, 28.11.2003, StenBer., S. 37. Siehe auch

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6. Abschn.: Vorschlag für eine Neufassung des Art. 84 Abs. 1 GG

tungsorganisation und des Verwaltungsverfahrens der Länder treffe, seien deren Interessen über das Zustimmungsrecht des Bundesrates zu schützen.76 In Bezug auf die Schwierigkeiten, die im Gesetzgebungsverfahren bei Festschreibung einer Trennungsthese überwunden werden müssen, und im Hinblick auf das Problem der Anwendung der Regeln über die Teilnichtigkeit von Gesetzen im Fall einer Aufgabe der Einheitsthese77 wurden allerdings nur wenig konkrete Lösungsansätze vorgetragen. Scholz schlug vor, ein Veto des Bundesrates in Bezug auf die Organisations- und Verfahrensregelungen als Zustimmungsverweigerung, in Bezug auf die materiell-rechtlichen Regelungen lediglich als Einspruch zu werten.78 Wie dies im Gesetzgebungsverfahren im Detail praktisch gehandhabt werden solle, ließ er jedoch offen. Benz sprach sich dafür aus, das Vermittlungsverfahren auf die nach Art. 84 Abs. 1 (und 85 Abs. 1) GG zustimmungsauslösenden Regelungen zu beschränken79, ebenfalls ohne einen konkreten Vorschlag für die verfahrenstechnische Umsetzung zu unterbreiten oder zu erklären, ob dem Bundesrat durch eine solche Vorgehensweise sein Recht auf Anrufung des Vermittlungsausschusses in Bezug auf Einspruchsmaterien ganz genommen werden oder ob eine solche Einschränkung nur für die Anrufung des Vermittlungsausschusses durch den Bundestag und die Bundesregierung gelten solle. Wieland hielt offenbar eine Anwendung der Regeln über die Teilnichtigkeit von Gesetzen für richtig bzw. möglich und befürwortete eine verfassungstextliche Klarstellung mit dem Inhalt, dass bei „Verweigerung der Zustimmung nur die zustimmungsauslösende Vorschrift nicht Gesetz wird“80. Demgegenüber sah Huber angesichts der hiermit verbundenen Möglichkeit, dass dem Bundestag Gesetze „oktroyiert [werden], die er eigentlich nicht will“ – und die möglicherweise wegen fehlender verfahrensrechtlicher Absicherung des Grundrechtsschutzes nicht verfassungsgemäß seien –, die Gefahr der Beeinträchtigung des „Gesetzgebungsrechts des Bundestages“81. das Positionspapier des Bundes v. 9.4.2003, in: Hrbek/Eppler, Dokument Nr. 2, S. 32 ff., 33 f. 75 Vgl. Scholz, K-Drs. 0005, S. 6. 76 Vgl. Scholz, K-Drs. 0005, S. 10, dessen Formulierungsvorschlag (Einfügung des Wortes „nur“) aber nicht weiterhilft. Siehe auch Huber, K-Drs. 0008, S. 16; Benz, K-Drs. 0010, S. 7. 77 Hierzu nur kurz Huber, K-Drs. 0008, S. 16. 78 Vgl. Scholz, K-Drs. 0005, S. 10; ders., 3. Sitzung der Kommission, 12.12.2003, StenBer., S. 70. 79 Vgl. Benz, K-Drs. 0010, S. 7. 80 Wieland, K-Drs. 0009, S. 4. 81 Huber, K-Drs. 0080, S. 16. Siehe auch ders., 3. Sitzung der Kommission, 12.12.2003, StenBer., S. 56. Siehe schon Huber, Grundrechtsschutz, insb. S. 255 ff.

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Aufgrund der praktischen Probleme, die sich aus der Umsetzung einer Trennungsthese für das Gesetzgebungsverfahren ergeben würden82, sah H. Meyer die Lösung für eine Rückführung des Art. 84 Abs. 1 GG auf seine Ratio, die Interessen der Länder im Bereich ihrer Verwaltungskompetenzen zu schützen, nicht in einer Beschränkung des Zustimmungsrechts des Bundesrates auf die zustimmungsauslösenden organisations- und verfahrensrechtlichen Normen eines Mischgesetzes, sondern in einer Pflicht des Bundesrates, die Verweigerung der Zustimmung explizit auf Einrichtungsund Verfahrensregelungen zu beziehen und auch mit der Ablehnung derselben zu begründen. Bundestag und Bundesregierung könnten dann durch Akzeptieren der vom Bundesrat vorgeschlagenen Änderungen das Zustandekommen des ganzen Gesetzes erreichen.83 Die von den einzelnen Sachverständigen vorgebrachten, hier zusammengestellten Vorschläge machen damit eines schnell deutlich: Eine konkrete Vorstellung von der verfahrenstechnischen Umsetzung einer Abkehr von der Einheitsthese und von den Folgen einer Trennungsthese für die Verfassungsmäßigkeit von ohne Zustimmung des Bundesrates zustande gekommenen Mischgesetzen war bei den Experten nicht vorhanden. Konsequent zu Ende gedacht wurde eine Trennungsthese nicht. Erstaunlich ist insbesondere, dass die von Heinsen, Rietdorf und Böckenförde schon in ihrem Sondervotum zum Schlussbericht der Enquete-Kommission Verfassungsreform vorgeschlagene und praktikable Lösung über die Schaffung eines neuen Art. 77 Abs. 5 GG nicht einmal in Betracht gezogen worden ist.84 Dass eine Lösung des aus Art. 84 Abs. 1 GG resultierenden Verflechtungsproblems über eine Abkehr von der Einheitsthese von der Kommission auf der Grundlage der Sachverständigenvorträge nicht ernsthaft weiterverfolgt wurde, ist daher nicht erstaunlich. Die praktischen Schwierigkeiten für die Behandlung von Mischgesetzen im Gesetzgebungsverfahren schienen offenbar immer noch als unüberwindbar. Damit waren Versuche, allein über eine Reduzierung des sekundären Vetobereichs bei Mischgesetzen nach Art. 84 Abs. 1 GG das Zustimmungsrecht des Bundesrates der Ratio des Art. 84 Abs. 1 GG entsprechend einzugrenzen, schon früh zum Scheitern verurteilt. Es wurde nach Lösungen gesucht, die zwangsläufig weitergehend in die Struktur der Bestimmung des Art. 84 Abs. 1 GG als zentrale Norm der funktionalen Kompetenzverteilung des Grundgesetzes eingreifen mussten, sollte die angestrebte Entflechtung möglich gemacht werden. 82

Vgl. H. Meyer, K-Drs. 0012, S. 7; ders., K-Drs. 0013, S. 28. Vgl. H. Meyer, K-Drs. 0012, S. 7; ders., K-Drs. 0013, in der er eine Änderung des Art. 76 Abs. 2 GG dahingehend vorschlägt, dass der Bundesrat, will er seine nach Art. 84 Abs. 1 GG erforderliche Zustimmung verweigern, dies bereits im ersten Durchgang geltend machen muss. 84 Siehe dazu oben Vierter Abschnitt C. I. 2. 83

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6. Abschn.: Vorschlag für eine Neufassung des Art. 84 Abs. 1 GG

2. Die Beschränkung des Zustimmungsrechts des Art. 84 Abs. 1 GG auf wesentliche Eingriffe in die Verwaltungskompetenzen der Länder Neben der Möglichkeit der Reduzierung des Umfangs des Zustimmungsrechts des Bundesrates aus Art. 84 Abs. 1 GG durch eine Abkehr von der Einheitsthese sah insbesondere H. Meyer auch die Notwendigkeit der Beschränkung des Zustimmungsrechts durch eine Korrektur der durch das Bundesverfassungsgericht vorgenommenen extensiven Auslegung des Begriffs der „Einrichtung der Behörden“ und des „Verwaltungsverfahrens“.85 H. Meyer schlug – eigentlich in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts86 – vor, im Rahmen des Art. 84 Abs. 1 GG darauf abzustellen, ob durch die bundesgesetzliche Regelung tatsächlich ein „Eingriff“ in die Verwaltungsorganisation der Länder erfolge.87 Durch Verfassungsänderung sollten nur solche Regelungen des Bundes dem Zustimmungserfordernis unterstellt werden, die „wesentlich“88 in die Verwaltungsorganisation und das Verwaltungsverfahren der Länder eingreifen. Die Zustimmungsbedürftigkeit von materiell-rechtlichen Regelungen mit organisations- und verfahrensrechtlichen Auswirkungen nach der vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Figur der „Doppelgesichtigkeit von Normen“ müsste ausgeschlossen werden.89 Mit diesem Vorschlag reihte sich H. Meyer in die Stimmen der Literatur ein, die zur Reduzierung des Umfangs des Zustimmungsrechts des Bundesrates bei der Interpretation der Tatbestandsmerkmale des Art. 84 Abs. 1 GG anzusetzen versucht haben.90 Dass eine restriktive Auslegung der Begriffe „Einrichtung der Behörden“ und „Verwaltungsverfahren“ vom Zustimmungserfordernis ausgehend der systematischen Stellung des Art. 84 Abs. 1 GG nicht gerecht wird, wurde oben bereits dargelegt.91 Eine Reduzierung des sekundären Vetobereichs bei Mischgesetzen wird auch durch eine Be85

Vgl. H. Meyer, K-Drs. 0012, S. 8; ders., K-Drs. 0013, S. 30 ff. Vgl. BVerfGE 37, 363, 380. 87 Vgl. H. Meyer, K-Drs. 0013, S. 31. 88 Siehe schon das Sondervotum Rottmann, BVerfGE 55, 274, 331, 337 f.; das Sondervotum Hirsch, BVerfGE 37, 363, 341, 344 f. 89 Vgl. H. Meyer, K-Drs. 0012, S. 8; ders., K-Drs. 0013, S. 34 mit Formulierungsvorschlag: „Führen die Länder die Bundesgesetze als eigene Angelegenheit aus, so regeln sie die Einrichtung der Behörden und das Verwaltungsverfahren. Die Bundesgesetze können etwas anderes bestimmen; wesentliche Eingriffe in das Recht nach Satz 1 bedürfen der Zustimmung des Bundesrates.“ Siehe dazu Stünker, 2. Sitzung der AG 1, 12.2.2004, ProtVerm., S. 15. 90 Vgl. Antoni, AöR 113 (1988), 329, 350 ff.; Sauter, in: FS Klein, S. 561, 562 ff. 91 Siehe oben Zweiter Abschnitt B. III. und Erster Abschnitt D. 86

B. Art. 84 Abs. 1 GG in der Bundesstaatskommission

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grenzung des Zustimmungsrechts des Bundesrates auf „wesentliche“ Eingriffe in die Verwaltungskompetenzen der Länder, wie auch immer man diese von „unwesentlichen“ Eingriffen abgrenzen will, allein nicht grundsätzlich herbeigeführt. 3. Die Abschaffung der Ingerenzrechte des Bundes nach Art. 84 Abs. 1 GG Für den wohl einfachsten Weg der Reduzierung der Anzahl nach Art. 84 Abs. 1 GG zustimmungsbedürftiger Gesetze über eine komplette Streichung der Gesetzgebungskompetenz des Bundes zur Regelung der Einrichtung der Behörden und des Verwaltungsverfahrens der Länder bei der Ausführung von Bundesgesetzen92 wollte sich eine Mehrheit der Sachverständigen nicht aussprechen.93 Aus verschiedenen Gründen, so die Auffassung der Experten, könne auf die in Art. 84 Abs. 1 (und Art. 85 Abs. 1) GG enthaltenen Ingerenzrechte des Bundes nicht verzichtet werden.94 Zum einen, so insbesondere Huber, folge aus der vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Figur des Grundrechtsschutzes durch Organisation und Verfahren unter bestimmten Voraussetzungen die Abhängigkeit der Verfassungsmäßigkeit der materiell-rechtlichen Regelungen vom Erlass bestimmter grundrechtssichernder Verfahrensregelungen. Ohne einen Mindeststandard an organisatorischen und verfahrensrechtlichen Vorkehrungen könne der Bund speziell im Bereich des besonderen Verwaltungsrechts keine verfassungsmäßigen Normen erlassen.95 Ein vollständiger Verzicht 92 Siehe z. B. bereits den Vorschlag des Bundesarbeitskreises Christlich-Demokratischer Juristen: „Berliner Programm zur Reform des Föderalismus. Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung – Maßnahmen zur Wiederherstellung der politischen Gestaltungskraft“ v. 13.6.2003, in: Hrbek/Eppler, Dokument Nr. 6, S. 65 ff., 68, 71, 75, 80. Zu den Autoren des Berliner Programms zählen F. Kirchhof, de Maizière und Röttgen, die in der Bundesstaatskommission mitwirkten. Vgl. auch das Papier der Friedrich-Naumann-Stiftung „Für einen reformfähigen Bundesstaat: Landtage stärken, Bundesrat erneuern“ v. 15.1.2002, in: Hrbek/Eppler, Dokument Nr. 8/3, S. 117 ff., 121. 93 Siehe Scholz, K-Drs. 0005, S. 9 f.; Huber, K-Drs. 0008, S. 15; ders. aber, 8. Sitzung der Kommission, 8.7.2004, StenBer., S. 174 f.; Grimm, 3. Sitzung der Kommission, 12.12.2003, StenBer., S. 81 und Benz, in derselben Sitzung, StenBer., S. 52. 94 Auch die Enquete-Kommission Verfassungsreform hatte die Streichung der Kompetenz des Bundes zur Regelung der Einrichtung der Behörden und des Verwaltungsverfahrens der Länder nach Art. 84 Abs. 1 GG diskutiert – und mit der Begründung abgelehnt, es bestehe ein Bedürfnis nach gleichartiger Gesetzesdurchführung und ein untrennbarer Zusammenhang zwischen materiell-rechtlichen und organisations- und verfahrensrechtlichen Regelungen. Vgl. BT-Drs. 7/5924, S. 145. 95 Vgl. Huber, K-Drs. 0008, S. 15. Siehe dazu Huber, Grundrechtsschutz, S. 72 ff.; Ossenbühl, in: FS Eichenberger, S. 183, 190.

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6. Abschn.: Vorschlag für eine Neufassung des Art. 84 Abs. 1 GG

auf Einwirkungsrechte des Bundes könne daher jedenfalls dort nicht in Betracht kommen, wo aus der Verfassung selbst die Pflicht zur Verfahrensregelung folge.96 Die Notwendigkeit des Erlasses von Einrichtungs- und Verfahrensregelungen ergebe sich zudem in bestimmten Fällen aus europarechtlichen Vorgaben. Aus diesen Gründen schlug Huber eine Beschränkung der Kompetenz des Bundesgesetzgebers zur Regelung der Einrichtung der Behörden und des Verwaltungsverfahrens im Anwendungsbereich des Art. 84 Abs. 1 (und Art. 85 Abs. 1) GG auf die Fälle vor, in denen es um die Konkretisierung zwingender verfassungs- und unionsrechtlicher Vorgaben gehe.97 Dass es nicht nur verfassungsrechtliche, sondern auch tatsächliche Gründe für ein Festhalten an den Ingerenzrechten des Bundes nach Art. 84 Abs. 1 (und Art. 85 Abs. 1) GG gebe, hob insbesondere Grimm hervor.98 Auch im Bereich der Regelung von Einrichtung und Verfahren der Landesbehörden beim Vollzug von Bundesrecht bestehe in bestimmten Fällen ein Bedürfnis nach Bundeseinheitlichkeit.99 Die Kompetenz des Bundes zur Regelung im Bereich des Art. 84 Abs. 1 (und des Art. 85 Abs. 1) GG entspreche zudem der grundgesetzlichen funktionalen Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern. Die „Asymmetrie des deutschen Föderalismus (Schwergewicht der Gesetzgebung beim Bund, Schwergewicht der Verwaltung bei den Ländern)“ werde durch die Gegengewichte der Mitwirkung der Länder über den Bundesrat bei der Bundesgesetzgebung und des Einflusses des Bundes auf die Ausführung der Gesetze zusammengehalten. Gerade diese „Verschränkung“, die sich in Art. 84 Abs. 1 (und Art. 85 Abs. 1) GG zeige, wollten Schmidt-Jortzig und F. Kirchhof mit dem Zweck einer Reduzierung der hieraus resultierenden Verflechtung auflösen. Sie sprachen sich daher für einen klaren Rückzug des Bundes aus der Verwaltungshoheit der Länder sowohl im Bereich der landeseigenen Ausführung als auch der Ausführung im Auftrag des Bundes aus.100 Art. 84 Abs. 1 und 96 Huber, 3. Sitzung der Kommission, 12.12.2003, StenBer., S. 56; Grimm, in derselben Sitzung, StenBer., S. 81. 97 Vgl. Huber, K-Drs. 0008, S. 16 f.; ders., 3. Sitzung der Kommission, 12.12.2003, StenBer., S. 56. Nach Ansicht Hubers entfiele damit etwa die Hälfte aller zustimmungsbedürftigen Bundesgesetze. Dass ein Zustimmungsrecht des Bundesrates in diesen Fällen allerdings kaum noch überzeugt, gesteht Huber an anderer Stelle (K-Drs. 0008, S. 15) selbst ein. 98 Vgl. Grimm, 3. Sitzung der Kommission, 12.12.2003, StenBer., S. 81. Wohl auch Scholz, K-Drs. 0005, S. 10. Siehe auch H. Meyer, 1. Sitzung der AG 1, 15.1.2004, ProtVerm., S. 14. 99 Vgl. Grimm, 3. Sitzung der Kommission, 12.12.2003, StenBer., S. 81. 100 Vgl. Schmidt-Jortzig, K-Drs. 0006, S. 6; ders., 3. Sitzung der Kommission, 12.12.2003, StenBer., S. 67; F. Kirchhof, in derselben Sitzung, StenBer., S. 59. Siehe auch F. Kirchhof, AU 34 v. 9.2.2004, S. 2, 4 (Lösungsvorschlag 2a) und

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Abs. 2 GG sowie Art. 85 Abs. 1 und Abs. 2 GG seien ersatzlos zu streichen.101 Die Regelungskompetenz des Bundes und das Zustimmungsrecht „der Länder“ sollten zugleich entfallen. Der Eingriffsmöglichkeiten des Bundes in die Organisationshoheit der Länder durch abstrakt-generelle Regelungen bedürfe es nicht.102 Die dem Bund nach Art. 84 und 85 GG verbleibenden Aufsichtsrechte beim Vollzug der Bundesgesetze durch die Länder, im Extremfall die Ausübung von Bundeszwang nach Art. 37 GG, seien als Kontrollinstrumente ausreichend.103 Auch aus Gründen des „Grundrechtsschutzes durch Verfahren“ sei eine Regelungskompetenz des Bundes für Ausführungsvorschriften nicht geboten. In Art. 84 f. GG gehe es nicht um die Frage, „ob man eine materielle Regelung von Verfassungs wegen durch eine Verfahrensregelung ergänzen muss, sondern die Frage, wer sie setzt“104. Dies können, so F. Kirchhof, auch die Länder.105 Die Frage, ob überhaupt und in welchen Konstellationen tatsächlich ein zwingendes verfassungsrechtliches Bedürfnis nach bundesgesetzlicher Regelung von Einrichtung und Verfahren der Länder bestehen kann, wurde oben bereits aufgeworfen.106 Sie stellt sich unter dem Aspekt, ob der Bund ggf. verpflichtet sein kann, von seiner Gesetzgebungskompetenz im Interesse eines effektiven Grundrechtsschutzes Gebrauch zu machen. Einer Abschaffung der Ingerenzrechte des Bundes nach Art. 84 Abs. 1 GG kann eine solche, möglicherweise im Einzelfall anzunehmende Pflicht aber, dies wurde im Verlauf der Beratungen allerdings nicht zutage gefördert, nicht entgegenstehen. Eine verfassungsrechtliche Pflicht zur Inanspruchnahme einer Gesetzgebungskompetenz setzt deren Bestehen voraus. Ist sie abgeschafft, stellt sich die Frage grundsätzlich nicht mehr. Und selbst wenn man unter geltender Verfassungsrechtslage die Möglichkeit einer Pflicht des Bundes zur Schaffung von Organisations- und Verfahrensregelungen anerkennt, liegt eher die Schlussfolgerung nahe, dem Bundesrat ein Zustimmungsrecht in Schmidt-Jortzig, AU 29 v. 6.2.2004, S. 3. Siehe ebenfalls F. Kirchhof, DVBl. 2004, 977, 983. 101 Schmidt-Jortzig sprach sich zudem für eine Streichung des Art. 85 Abs. 2 Satz 2, Art. 108 Abs. 5 Satz 2 und Abs. 7 GG aus; über die Erforderlichkeit von Art. 84 Abs. 5 GG sei nachzudenken (K-Drs. 0006, S. 6 f.). Siehe auch die Stellungnahme Schmidt-Jortzigs, 3. Sitzung der Kommission, 12.12.2003, StenBer., S. 67. 102 Siehe auch Schmidt-Jortzig, AU 29 v. 6.2.2004, S. 2 f. 103 Vgl. F. Kirchhof, K-Drs. 0011, S. 5; ders., 3. Sitzung der Kommission, 12.12.2003, StenBer., S. 59. 104 F. Kirchhof, 3. Sitzung der Kommission, 12.12.2003, StenBer., S. 81. 105 So auch Scholz, 1. Sitzung der AG 1, 15.1.2004, ProtVerm., S. 14, der die Notwendigkeit bundeseinheitlicher Regelungen daher nur bei einer Pflicht zur Umsetzung von EU-Recht gelten lassen will. 106 Siehe oben Vierter Abschnitt C. I.

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Bezug auf solche Einrichtungs- und Verfahrensregelungen, die der Bund im Ausnahmefall trifft, um eine Materie überhaupt grundrechtskonform oder europarechtskonform regeln zu können, gerade nicht einzuräumen oder aber dahingehend eine Pflicht des Bundesrates zur Erteilung der Zustimmung aus dem Grundsatz der Verfassungsorgantreue herzuleiten.107 Die Kompetenzen der Länder bei der Ausführung von Bundesgesetzen sind kaum betroffen, wenn ihnen Raum für eine eigenständige Gestaltung von Einrichtungs- und Verfahrensregelungen aufgrund zwingender Vorgaben gar nicht eröffnet ist. Eine Abschaffung der Ingerenzrechte des Bundes nach Art. 84 Abs. 1 GG ist also kein Problem verfassungsrechtlicher Zulässigkeit; eine Verfassungsänderung stößt nur in Art. 79 Abs. 3 GG an Grenzen, die durch eine Abschaffung des Art. 84 Abs. 1, HS. 2 GG nicht überschritten sind. Die Frage, die zu klären war und ist, ist die, ob dem Bund die Möglichkeit zur Schaffung gesetzlicher Vollzugsregelungen tatsächlich entzogen werden soll. Dies ist allein eine politische Entscheidung. Dabei bedeutet, insoweit ist Grimm Recht zu geben, eine Abschaffung der Ingerenzrechte des Bundes nach Art. 84 Abs. 1 GG einen Eingriff in die konkrete Ausgestaltung des „Verzahnungssystems“108 des Grundgesetzes. Aus der funktionalen Kompetenzverteilung des bundesstaatlichen Gefüges folgt die Einräumung einer Gesetzgebungskompetenz des Bundes zur Schaffung von Vollzugsregelungen für die Ausführung der Bundesgesetze durch die Länder aber keineswegs zwingend. Das Bestehen dieser Ingerenzrechte des Bundes, die konsequent an das Zustimmungsrecht des Bundesrates geknüpft sind, ist schon Ausdruck eines unitarischen Charakters der bundesstaatlichen Verfassung des Grundgesetzes. Der Herrenchiemseer Verfassungsentwurf war hier „föderalistischer“.109 Sollen den Ländern tatsächlich mehr autonom wahrnehmbare Kompetenzen zugewiesen werden, kann man an dieser Stelle das Verzahnungssystem zumindest auf einer „zweiten“ Stufe – Ingerenzrechte des Bundes in Bezug auf die Ausgestaltung der Ausführung der Bundesgesetze durch die Länder und darauf bezogenes Zustimmungserfordernis – abbauen. Das setzt aber voraus, dass man eine bundesgesetzliche Regelung von Organisation und Verfahren zur Sicherung der Wirksamkeit des Voll107 Huber, K-Drs. 0008, S. 15 f., zieht daher eine Begrenzung des Zustimmungserfordernisses auf Fälle in Betracht, in denen die bundesgesetzliche Regelung von Organisation und Verfahren der Landesbehörden nicht aus verfassungsrechtlichen oder unionsrechtlichen Vorgaben folgt. Wegen der erheblichen Abgrenzungsschwierigkeiten, die eine solche Differenzierung mit sich brächte, erscheint eine solche Lösung auch Huber als nicht praktikabel. Der Entflechtungseffekt einer solchen Regelung wäre zudem äußerst gering. 108 Siehe oben Dritter Abschnitt A. 109 Siehe oben Dritter Abschnitt A. II. 1. und 3.

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zugs in tatsächlicher Hinsicht nicht (mehr) für erforderlich und repressiv wirkende Ingerenzrechte des Bundes als ausreichend erachtet. Die Behauptung jedenfalls, dass ein Verzicht auf die Bundesgesetzgebungskompetenz des Bundes zur Schaffung von Einrichtungs- und Verwaltungsverfahrensregelungen aus tatsächlichen Gründen ausscheidet, ist im Verlauf der Beratungen schon keiner eingehenden Prüfung unterzogen worden.110 Da die Bundesregierung in dieser Frage gerade einen gegenteiligen Standpunkt einnahm, konnte sich die Idee der kompletten Abschaffung der Ingerenzrechte des Bundes nach Art. 84 Abs. 1 GG und damit auch des an ihre Inanspruchnahme gebundenen Zustimmungsrechts des Bundesrates in den Verhandlungen der Kommission ohnehin nicht durchsetzen. 4. Die Zugriffskompetenz der Länder Angesichts der Tatsache, dass die so beschriebenen, in die Diskussion eingebrachten Änderungsvorschläge nicht überzeugend bzw. nicht durchsetzbar erschienen, gewann die Idee der Schaffung von Zugriffsrechten der Länder („opting out“-Regeln)111 im Anwendungsbereich des Art. 84 Abs. 1 GG erheblich an Attraktivität.112 a) Die Idee der Zugriffsrechte Die Schaffung von Zugriffsrechten der Länder auf materielle Regelungen des Bundes ist in den letzten Jahren insbesondere von Seiten der Landesregierungen in die Diskussion um eine Stärkung der Rechte der Landesparlamente und die Förderung bzw. Stimulierung des Wettbewerbs unter den Ländern eingebracht worden.113 Dass sich autonome legislative Gestaltungs110

Vgl. Schmidt-Jortzig, ZG 2005, 16, 21. Das Ministerium für Verbraucherschutz hat die Kommission mit zahlreichen Beispielen unbedingt erforderlicher Ausführungsregelungen „überschwemmt“. Siehe nur PAU-1/0005. In die Diskussion hierüber ist man aber offenbar nicht eingestiegen. Vgl. allerdings Benz, K-Drs. 0043, S. 13 ff. 111 In der Bundesstaatskommission wurde die Zugriffsgesetzgebung oft auch als Abweichungsgesetzgebung bezeichnet. Siehe die Dokumentation, Zur Sache 1/2005, S. 89. Zu anderen Bezeichnungen für diesen neuen Kompetenztypus siehe Dietsche/ Hinterseh, in: Föderalismusreform, S. 19, 22 Fn. 7: „Parallelgesetzgebung“, „Leitgesetzgebung“, „Auffanggesetzgebung“, „Rückholverfahren“, „Vorranggesetzgebung“, „negative konkurrierende Gesetzgebung“, „konkurrierende Gesetzgebung mit Widerspruchsrecht“. 112 Vgl. Dietsche/Hinterseh, in: Föderalismusreform, S. 19, 21. Siehe auch Bösert, ZG 2004, 89, 92. 113 Siehe den Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz v. 27.3.2003, in: Hrbek/ Eppler, Dokument Nr. 1, S. 26 ff., 27. Vgl. dann das Positionspapier der Ministerpräsidenten v. 16.5.2004, K-Drs. 0045, S. 2. Siehe auch Bösert, ZG 2004, 89, 91.

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möglichkeiten der Länder grundsätzlich besser im Wege der Entflechtung von Gesetzgebungskompetenzen und einer klaren Zuordnung von Gesetzgebungsmaterien in die ausschließliche Kompetenz der Länder erreichen lässt114, wird von den Verfechtern115 der Einführung von Zugriffsrechten regelmäßig zugestanden.116 Angesichts der auch bei früheren Reformvorhaben immer wieder offenkundig gewordenen Schwierigkeiten, sich im Detail auf eine Übertragung von bestimmten Gesetzgebungsmaterien ausschließlich auf die Länder oder auf den Bund zu einigen, liegt der Vorteil von Zugriffsrechten nach Auffassung ihrer Befürworter aber gerade darin, dass sie eine solche ausschließliche Zuordnung entbehrlich machen und sich damit in besonderem Maße zum Erreichen erforderlicher Kompromisse eignen.117 Dies unter anderem deswegen, weil die Kompetenzart des Zugriffsrechts die kleineren, verwaltungs- und finanzschwachen Länder von einer sie ggf. überfordernden Pflicht zur Gesetzgebung entbinde und deren „Sorge“ vor einer Übertragung von Gesetzgebungskompetenzen auffange.118 Der Gedanke, den Ländern einen „Zugriff“ auf bundesgesetzlich geregelte Materien einzuräumen, ist keinesfalls neu. Schon in seinem Sondervotum zum Schlussbericht der Enquete-Kommission Verfassungsreform formulierte Heinsen einen Vorschlag für einen neuen Art. 72a Abs. 1 GG, der es den Ländern ermöglichen sollte, „im Bereiche der konkurrierenden Gesetzgebung eine bundesgesetzliche Regelung [zu] ersetzen oder ergänzen, wenn nicht der Bundestag innerhalb von drei Monaten nach Zuleitung Einspruch erhebt“119. Einen vergleichbaren aktuelle(re)n Vorschlag zur Schaf114 So Teufel, 1. Sitzung der Kommission, 7.11.2003, StenBer., S. 9: „Zugriffsrechte (. . .) sind dabei nur die zweitbeste Lösung. Eigene Zuständigkeiten der Länder sind die beste Lösung.“ Siehe auch Teufel, 2. Sitzung der Kommission, 28.11.2003, StenBer., S. 27. Zust. Röttgen, in derselben Sitzung, S. 33; Rüttgers, in derselben Sitzung, StenBer., S. 39. Sinn machen Zugriffsrechte nach Ansicht Teufels allenfalls dann, wenn es aus der Sicht einzelner Länder mit geringer Verwaltungskraft zwingend eines Auffangnetzes des Bundes bedürfe. 115 Vgl. z. B. Stoiber, 2. Sitzung der Kommission, 28.11.2003, StenBer., S. 48 f.; Steinbrück, 1. Sitzung der Kommission, 7.11.2003, StenBer., S. 11; ders., 2. Sitzung der Kommission, 28.11.2003, StenBer., S. 43 f. Siehe Huber, K-Drs. 0008, S. 8 f. 116 Siehe Stoiber, 2. Sitzung der Kommission, 28.11.2003, StenBer., S. 48 f. 117 Deutlich Stoiber, 2. Sitzung der Kommission, 28.11.2003, StenBer., S. 48, der prophezeit, dass eine substantielle Trennung hinsichtlich der Kompetenzen von Bund und Ländern nicht zu erreichen sein werde. Um die Einräumung von Zugriffsrechten werde man daher, wolle man eine Lösung in der Frage der Kompetenzverteilung finden, nicht herum kommen: „Aber wir müssen bei den Kompetenzen weiterkommen, weil wir sonst das Problem des Art. 84 nicht lösen.“ In demselben Sinne Scharpf, K-Drs. 0007, S. 9. 118 Siehe Stoiber, 2. Sitzung der Kommission, 28.11.2003, StenBer., S. 48. 119 Vgl. das Sondervotum Heinsen, Schlußbericht der Enquete-Kommission, Zur Sache 2/77, S. 76 f. Abs. 2 des neuen Art. 72a GG sollte lauten: „Landesgesetze

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fung von Zugriffsrechten der Länder enthielt der Bericht der Enquete-Kommission des Bayerischen Landtages, der im Gegensatz zum Vorschlag von Heinsen die Möglichkeit vorsah, dass der Einspruch des Bundestages gegen die ersetzenden oder ergänzenden landesgesetzlichen Regelungen vom Bundesrat zurückgewiesen werden kann.120 Die Ministerpräsidentenkonferenz griff die Idee der Schaffung von Zugriffsrechten in ihrem Positionspapier vom 27. März 2003 auf, ohne aber die Einspruchslösung der vorangegangenen Vorschläge zu übernehmen.121 Auf geeignete Gegenstände der konkurrierenden Gesetzgebung, die in einem Positivkatalog festzulegen seien, solle den Ländern ein Zugriffsrecht eingeräumt werden: „Der Bund behält insofern sein Regelungsrecht und die Länder sind nicht verpflichtet, können aber ganz oder teilweise von der Regelung des Bundes abweichende Gesetze beschließen (. . .).“ Im Positionspapier der Bundesregierung vom 9. April 2003 wurde die Einräumung von „verfassungsunmittelbaren Zugriffsrechten der Länder auf Gegenstände der konkurrierenden Gesetzgebung“ abgelehnt; stattdessen schlug der Bund die verstärkte Schaffung von Öffnungsklauseln in Bundesgesetzen für die Landesgesetzgebung vor.122 Im Positionspapier der Ministerpräsidentenkonferenz vom 16. Mai 2004 wurde die Forderung nach der Schaffung von Zugriffsrechten wiederholt und auch im Bereich von Einrichtungs- und Verfahrensregelungen des Bundes befürwortet.123 In der Kommission wurden zu diesem Zeitpunkt Zugriffsrechte bereits seit einiger Zeit nicht mehr nur nach Absatz 1 werden dem Bundestag und der Bundesregierung durch den Präsidenten der Volksvertretung des Landes zugeleitet. Dabei sind die Vorschriften des Bundesrechts, von denen abgewichen wird oder die ergänzt werden, ausdrücklich zu nennen. Das Landesgesetz wird frühestens zwei Wochen nach Ablauf der in Absatz 1 genannten Frist wirksam.“ Vgl. zum Vorschlag von Heinsen auch Scharpf in: FAZ v. 7.4.2001, zugleich in: Hrbek/Eppler, Dokument Nr. 10, S. 132 ff., 137. Vgl. auch Scharpf, K-Drs. 0007, S. 10. Siehe vor Heinsen schon Lenz, ZfP 1970, 138, 138 ff. Vgl. hierzu Dietsche/Hinterseh, in: Föderalismusreform, S. 19, 23 f. 120 Vgl. den Bericht „Reform des Föderalismus – Stärkung der Landesparlamente“ v. 20.3.2002, in: Hrbek/Eppler, Dokument Nr. 4, S. 41 ff., 45 f. Ein neuer Abs. 3 des Art. 72 GG sollte lauten: „Soweit der Bund von diesem Gesetzgebungsrecht Gebrauch gemacht hat, kann ein Land die bundesgesetzliche Regelung, falls es sie nicht oder nicht mehr für erforderlich im Sinne von Abs. 2 hält, ganz oder teilweise durch Landesrecht ersetzen oder ergänzen, das in Kraft treten kann, wenn der Bundestag nicht innerhalb von drei Monaten nach der Verkündung Einspruch erhebt oder der Einspruch des Bundestages auf Antrag des Landes vom Bundesrat zurückgewiesen wird.“ Siehe auch das Reformkonzept der Bertelsmann-Stiftung „Entflechtung 2005“ aus dem Jahr 2000, in: Hrbek/Eppler, Dokument Nr. 7, S. 86 ff., 94 f. 121 Siehe den Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz v. 27.3.2003, in: Hrbek/Eppler, Dokument Nr. 1, S. 26 ff., 27. 122 Siehe das Positionspapier des Bundes v. 9.4.2003, in: Hrbek/Eppler, Dokument Nr. 2, S. 32 ff., 33.

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in der Form „materieller“ Zugriffsrechte, sondern auch in der Form von Zugriffsrechten der Länder im Anwendungsbereich des Art. 84 Abs. 1 GG diskutiert. b) Der neue Kompetenztypus des Zugriffsrechts Beratungsgrundlage in der Bundesstaatskommission für die konkrete Ausgestaltung des Kompetenztypus des materiellen Zugriffsrechts war grundsätzlich zunächst der von der Ministerpräsidentenkonferenz in ihrem Positionspapier vom 27. März 2003 unterbreitete Vorschlag. Diskutiert wurde eine Gesetzgebungskompetenz der Länder für enumerativ bezeichnete Gegenstände der konkurrierenden Gesetzgebung (und auch der Rahmengesetzgebung) des Bundes, deren Inanspruchnahme nicht an das Vorliegen weiterer Voraussetzungen gebunden werden124 und keinem „Rückholrecht“ des Bundes unterliegen sollte. Der Bund behält nach dieser Konzeption in den ausgewählten Bereichen sein Recht zur Gesetzgebung, kann dies auch unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG ausüben125; das abweichende Landesrecht besteht aber auch dann fort, wenn der Bund nachfolgend wiederum abweichendes Recht erlässt126. Im Verlauf der Beratungen der Kommission wurden bisweilen erheblich von dieser Ausgestaltung abweichende Vorschläge für die Zugriffsgesetzgebung unterbreitet.127 Insbesondere stand eine Aufrechterhaltung der lexposterior-Regel mit der Folge der nachfolgenden, erneuten Regelungsmöglichkeit für den Bund zur Diskussion.128 Schwierigkeiten bereitete gerade auch die Handhabung einer partiellen Aufgabe der Erforderlichkeitsklausel 123 Vgl. das Positionspapier der Ministerpräsidenten v. 16.5.2004, K-Drs. 0045, S. 2 f. In Bezug auf die Behördeneinrichtung wurde die Forderung nach einem vollständigen Verzicht auf bundesgesetzliche Regelungen auch mit dem Ziel erhoben, die Aufgabenübertragung durch den Bund auf die Kommunen auszuschließen. Siehe dazu Stoiber, 1. Sitzung der Kommission, 7.11.2003, StenBer., S. 5; Steinbrück, in derselben Sitzung, StenBer., S. 11. 124 Für ein Einspruchsrecht des Bundestages aber z. B. Grimm, AU 86 v. 20.10.2004, S. 7. Siehe auch den Vorschlag von Huber, AU 32 (undatiert), S. 168. 125 Vgl. Huber, K-Drs. 0008, S. 8. Siehe den Vorschlag von de Maizière, AU 78 v. 9.7.2004, S. 4. 126 Ablehnend Scharpf, K-Drs. 0009, S. 9 f.; ders., 3. Sitzung der Kommission, 12.12.2003, StenBer., S. 66. 127 Siehe die Zusammenstellung in der Dokumentation, Zur Sache 1/2005, S. 89 ff. 128 Siehe z. B. Kröning, 7. Sitzung der AG 1, 30.9.2004, ProtVerm., S. 4; Bachmeier, in derselben Sitzung, ProtVerm., S. 11; Hoffmann, in derselben Sitzung, ProtVerm., S. 7. Ablehnend gegenüber Zugriffsrechten – auch bei Geltung der lex-posterior-Regel – der Bund, siehe Zypries, ebenfalls in der 7. Sitzung der AG 1, ProtVerm., S. 7.

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im Anwendungsbereich der Gegenstände einer möglichen Zugriffsgesetzgebung. Zwischenzeitlich stand die Erforderlichkeitsklausel sogar komplett zur Disposition.129 Im Vorschlag der Vorsitzenden für eine Beschlussempfehlung ist sie für bestimmte Gegenstände der konkurrierenden Gesetzgebung aufgehoben.130 Auf die Schaffung materieller Zugriffsrechte hat man sich – eigentlich parallel hierzu gedacht131 – im Ergebnis jedoch nicht verständigen können.132 Es überwogen offenbar zum einen bei der Mehrzahl der Kommissionsmitglieder die verfassungspolitischen und verfassungstheoretischen Bedenken, die bei dem Versuch der Umsetzung des Konzepts der Zugriffsrechte erst vollständig offenbar wurden.133 Zum anderen stand der Einführung der Kategorie des Zugriffsrechts von Beginn an der Widerstand des Bundes entgegen, dem dann schon in Anbetracht der Umsetzungsschwierigkeiten kaum beizukommen war. Folgende Bedenken wurden im Rahmen der Diskussion in der Kommission134 gegen die Schaffung von Zugriffsrechten insbesondere artikuliert: Zugriffsrechte bedeuten, so wurde hervorgehoben, eine Abkehr vom Grundsatz des Art. 31 GG. Zwar werde dieser auch nach geltender Verfassungsrechtslage durch einzelne Grundgesetzbestimmungen, insbesondere Art. 125a Abs. 1 Satz 2 GG135, durchbrochen; mit der Schaffung von Zugriffsrechten würde die in Art. 31 GG grundsätzlich getroffene Lösung136 129 Vgl. Röttgen, 7. Sitzung der AG 1, 30.9.2004, ProtVerm., S. 7 f.; Hoffmann, in derselben Sitzung, ProtVerm., S. 7. 130 Siehe die Zusammenfassung der Diskussion um die Erforderlichkeitsklausel in der Dokumentation, Zur Sache 1/2005, S. 128 ff. und den Vorschlag der Vorsitzenden, AU 104 – neu – v. 13.12.2004, S. 8 ff. Siehe jetzt den Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD, Anlage 2, S. 17 f. 131 Vgl. z. B. Gerhards, 7. Sitzung der AG 1, 30.9.2004, ProtVerm., S. 5. Siehe auch de Maizière, AU 78 v. 9.7.2004, S. 4. 132 Siehe zu den Zwischenständen der Diskussion z. B. Böhmer, 7. Sitzung der AG 1, 30.9.2004, ProtVerm., S. 8 f.; Grimm/Schneider, AU 86 v. 20.10.2004, S. 4 ff. Siehe insb. den Vorschlag von Stünker und Röttgen, PAU-1/0017 und den konträren Vorschlag von Steenblock, PAU-1/0018. Vgl. dazu den Vorschlag der Länder, PAU-1/0013. 133 Krit. z. B. Teufel, 2. Sitzung der Kommission, 28.11.2003, StenBer., S. 27: Das Zugriffsrecht „durchbricht in mancher Hinsicht unser bisheriges Verfassungsverständnis und wirft auch praktische Probleme auf“. 134 Krit. zum Zugriffsrecht parallel auch in der Literatur Haug, DÖV 2004, 190, 194. Siehe auch F. Kirchhof, DVBl. 2004, 977, 981. Siehe auch Papier, DVP 2005, 1, 3. 135 Vgl. hierzu z. B. Degenhart, in: Sachs, Art. 125a Rn. 4. Vgl. auch Huber, in: Sachs, Art. 31 Rn. 2, 14. Siehe auch Wolff, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 125a Rn. 13. 136 Vgl. nur BVerfGE 36, 342, 365 f. Art. 31 GG ist eine lex generalis. Siehe auch Vitzthum, VVDStRL 46 (1988), 7, 30, der in Bezug auf Art. 31 GG von einer

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für Kollisionen zwischen Bundesrecht und Landesrecht jedoch in erheblichem Maße entleert.137 Dass die Schaffung von Zugriffsrechten zunächst primär weniger in den Anwendungsbereich von Art. 31 GG eingreift als in die Systematik der grundgesetzlichen Kompetenzverteilung im Bereich der Gesetzgebung, insbesondere die Kategorie der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz, wurde aber ebenfalls deutlich gemacht.138 Die Kompetenzfrage hat das Grundgesetz speziell geregelt bzw. der Kollisionsfrage vorangestellt.139 Soll die Regel des Art. 31 GG greifen, muss gültiges Landesrecht vorliegen. Dies ist aber wegen fehlender Gesetzgebungskompetenz der Länder nicht der Fall, wenn der Bund von seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz Gebrauch gemacht hat.140 Das Grundgesetz hat in Art. 72 GG aber das Verhältnis zwischen Bund und Ländern im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung alternativ-ausschließend, nicht kumulativ-konkurrierend ausgestaltet. Ein „föderatives Wettbewerbsverhältnis im Bereich der Rechtsetzung“141 wurde – auch angesichts der hieraus resultierenden Konfliktanfälligkeit – nicht etabliert. Eine Zugriffsgesetzgebung würde zum einen die Frage der Gültigkeit von Landesrecht nicht mehr auf der Ebene der Gesetzgebungskompetenz beantworten und zum anderen die dann eigentlich greifende Kollisionsregel des Art. 31 GG zugunsten des Landesrechts umkehren. Dies führt konsequenterweise, so die Mahnung nicht nur der Sachverständigen im Verlauf der Beratungen, im Ergebnis zu einem Nebeneinander von Landesrecht und partiell geltendem Bundesrecht.142 Das Ausmaß damit verbundener Rechtszersplitterung143 und Rechtsunsicherheit144 sei, dies „föderalen Selbstverständlichkeit“ spricht. Zur historischen Entwicklung siehe März, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 31 Rn. 4 ff. 137 Vgl. F. Kirchhof, K-Drs. 0011, S. 6 f. 138 Vgl. schon Schmidt, 2. Sitzung der Kommission, 28.11.2003, StenBer., S. 29; F. Kirchhof, K-Drs. 0011, S. 6 f. 139 Vgl. Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 31 Rn. 3; März, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, Art. 31 Rn. 54 ff.; Gubelt, in: v. Münch/Kunig, Art. 31 Rn. 2, 16. A. A. Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 31 Rn. 22. Weitere Nachweise zu diesem Meinungsstreit bei Gubelt, in: v. Münch/Kunig, Art. 31 Rn. 16. 140 Im Bereich der Rahmengesetzgebung gilt dagegen nach umstrittener Ansicht Art. 31 GG. Vgl. Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 31 Rn. 3, Art. 75 Rn. 5. Siehe hierzu ausführlich März, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 31 Rn. 66 ff. 141 März, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 31 Rn. 54. 142 Vgl. F. Kirchhof, K-Drs. 0011, S. 6 f. 143 Siehe nur Burgbacher, 3. Sitzung der Kommission, 12.12.2003, StenBer., S. 73. Anders aber Huber, K-Drs. 0008, S. 9. Vgl. auch Lütkes, NDVÖPV 2004, 399, 400; Bösert, ZG 2004, 89, 94. 144 Vgl. die Auffassung der Bundesregierung in PAU-1/0014.

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wurde in der Kommission mehrfach problematisiert, schwer kalkulierbar. Auch die Anordnung der Geltung der lex-posterior-Regel, also eines „Rückholrechts“ des Bundes, schaffe keine Klarheit und beinhalte zudem die Gefahr, ein „Ping-Pong“145 der Gesetzgebung zwischen Bund und Ländern auszulösen. Insgesamt, so die Bedenken eines Teils der Mitglieder der Kommission, erfahre die bundesstaatliche Ordnung des Grundgesetzes, die darauf angelegt sei, Kompetenzen zwischen Bund und Ländern grundsätzlich abschließend und getrennt zu verteilen, durch die Einführung von materiellen Zugriffsrechten eine erhebliche Veränderung. Sie werde gerade für die Länder von einem „objektiven Ordnungssystem“ zu einer „Angebotsordnung“146. Dies ist auch unter verfassungspolitischen Aspekten im Verlauf der Verhandlungen in der Kommission nicht allein positiv bewertet worden.147 Von der Einführung von Zugriffsrechten, so kritische Stimmen, profitierten insbesondere die starken Länder, denen für eine eigenständige Regelung auch finanzielle Spielräume belassen seien. Schwächere Länder sähen sich bei Abschaffung der Erforderlichkeitsklausel des Art. 72 Abs. 2 GG in den Bereichen der Zugriffsgesetzgebung dagegen mit „mehr“ Bundesrecht konfrontiert als nach geltender Verfassungsrechtslage.148 Neben der Gefahr eines „Zweiklassenföderalismus“149 bedeute dies auch eine Schwächung des Subsidiaritätsgedankens150, da Gegenstände, die den Ländern eigentlich zur eigenständigen Regelung übertragen werden (sollen), (zunächst auch) voraussetzungslos vom Bund geregelt werden (können).151 Gleichzeitig werde aber der Zugriff der Länder auf Materien ermöglicht, die auch der Bund regeln können soll. Insgesamt: ein auch theoretisch schwer auflösbarer Widerspruch, insbesondere wenn in den Bereichen bestehenbleibender konkurrierender Gesetzgebungskompetenz des Bundes beim Vorliegen der Voraus145

So z. B. Schön, 7. Sitzung der AG 1, 30.9.2004, ProtVerm., S. 9. So Röttgen, 2. Sitzung der Kommission, 28.11.2003, StenBer., S. 33. 147 Siehe insb. Röttgen, 2. Sitzung der Kommission, 28.11.2003, StenBer., S. 33 f. 148 Vgl. z. B. Zypries, 2. Sitzung der Kommission, 28.11.2003, StenBer., S. 37: „Das heißt ja doch nichts anderes, als dass diese kleinen Länder als Anhängsel des Bundes fungieren, während sich die großen Länder vollkommen anders aufbauen.“ Vgl. auch Steenblock, 7. Sitzung der AG 1, 30.9.2004, ProtVerm., S. 5 f. 149 Röttgen, 2. Sitzung der Kommission, 28.11.2003, StenBer., S. 33. Diese Bedenken nicht teilend Scharpf, K-Drs. 0007, S. 9. 150 Ein allgemeines Subsidiaritätsprinzip lässt sich aus dem GG nicht herleiten. Vgl. dazu nur Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 20 Rn. 32 m. w. N. Siehe insb. auch Oeter, S. 1 ff., 406 f., 500 ff., 543 ff., 552 ff., 570 ff., 576 ff. Vgl. auch Sachs, in: Sachs, Art. 20 Rn. 59. 151 Vgl. zu diesem Widerspruch z. B. H. Meyer, K-Drs. 0012, S. 23. 146

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setzungen des Art. 72 Abs. 2 GG der Bund weiterhin unter Ausschluss der Länder Regelungen treffen könne.152 Mit der Einführung von unbedingten Zugriffsrechten der Länder, deren Ausübung nicht an ein Widerspruchsrecht des Bundestages gebunden ist, werde zudem, so hat es H. Meyer formuliert, „die vom Bundestag verkörperte Nationalrepräsentation, die Zuständigkeit für die ganze Nation, aufgegeben“153. Der Bund und die Länder treten in Konkurrenz zueinander. Die Widerspruchsfreiheit der bundesstaatlichen Ordnung – die durch die Kompetenzverteilung weitgehend gewährleistet ist und in einem Auffangbereich von Art. 31 GG gesichert wird154 –, werde bewusst aufgegeben.155 Diese hat aber einheitssichernde, integrierende Funktion.156 Dass eine Parallelgesetzgebung der Länder auch unter dem Aspekt eines im Ergebnis vergeblich verursachten Sach- und Kostenaufwandes der Bundesgesetzgebung und unter Effizienzgesichtspunkten nicht überzeugen kann, wurde erstaunlicherweise nur vereinzelt hervorgehoben.157 Die genannten und andere Bedenken in Kombination mit den praktischen Problemen einer textlichen Fassung von Zugriffsrechten ließen diese als kompromisstauglich gepriesene Kategorie im Bereich der Verteilung der materiellen Gesetzgebungskompetenzen in der Bundesstaatskommission schließlich scheitern. Als Lösung für das mit Art. 84 Abs. 1 GG verbundene Verflechtungsproblem wurde die Einführung eines Zugriffsrechts der Länder aber zwischen Bund und Ländern schnell konsensfähig. Für die Seite der Bundesregierung lieferte diese Entwicklung ein weiteres Argument für die Ablehnung materieller Zugriffsrechte. „Unterschiedliche Varianten“ dieser neuen Kompetenzkategorie, so die Vertreter der Bundesseite, „sollten unbedingt vermieden werden“158. Diese Warnung hat die Koalitionsarbeitsgruppe zur Föderalismusreform nun allerdings in den Wind geschlagen. In einem Vorschlag für einen Art. 72 Abs. 3 – neu – GG159 wird für die „umweltrelevanten Materien“ 152 Vgl. F. Kirchhof, K-Drs. 0011, S. 6 f.; ders., 3. Sitzung der Kommission, 12.12.2003, StenBer., S. 55; ders., AU 87 v. 25.10.2004. Siehe auch Schmidt-Jortzig, K-Drs. 0071 – neu – j, S. 4. 153 H. Meyer, K-Drs. 0012, S. 23. 154 Vgl. nur Sachs, in: Sachs, Art. 20 Rn. 62 f. m. w. N. 155 Vgl. auch Steenblock, 7. Sitzung der AG 1, 30.9.2004, ProtVerm., S. 5 f., der durch die Einführung materieller Zugriffsrechte „die Grundstrukturen des föderalen Systems verändert“ sieht. 156 Vgl. Sachs, in: Sachs, Art. 20 Rn. 62 f. Siehe z. B. Art. 28 Abs. 1 Satz 1, Art. 32, Art. 35 GG; siehe zu den Einwirkungsmöglichkeiten des Bundes auf die Länder nur Art. 84, 85, 37 GG. 157 Siehe die Stellungnahme der Bundesregierung, PAU-1/0014. 158 PAU-1/0014.

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der bisherigen Rahmengesetzgebung (Art. 75 Abs. 1 Nr. 3 und 4 GG) und die Materie Hochschulzulassung und Hochschulabschlüsse eine „Abweichungsgesetzgebung“ angeordnet.160

II. Die Diskussion in der Arbeits- und Projektgruppe Auf der Grundlage der vorgehend skizzierten Optionen für eine Neugestaltung des Art. 84 Abs. 1 GG nahmen die Arbeitsgruppe 1 und später die Projektgruppe 1 die Detailarbeit auf. Im Verlauf der Beratungen manifestierte sich, dass die Bundesregierung einem vollständigen Verzicht auf die Ingerenzrechte nach Art. 84 Abs. 1 und Art. 85 Abs. 1 GG unter keinen Umständen zustimmen würde.161 Auch eine Lösung des Verflechtungsproblems des Art. 84 Abs. 1 GG (allein) über eine verfassungstextliche Klarstellung der Abkehr von der Einheitsthese wurde nicht weiterverfolgt. Vor den hiermit verbundenen Schwierigkeiten schreckte man zurück.162 In die Entwicklung einer gesetzgebungsverfahrenstechnischen Lösung zum Abbau des sekundären Vetobereichs, die die Sachverständigen bisher nicht präsen159 Vgl. den Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD, Anlage 2, S. 7, 9, 17 f. Art. 72 Abs. 3 Satz 1 – neu – GG soll lauten: „Hat der Bund von seiner Gesetzgebungsbefugnis Gebrauch gemacht, können die Länder durch Gesetz hiervon abweichende Regelungen auf folgenden Gebieten treffen. 1. Jagdwesen, soweit es sich nicht um das Recht der Jagdscheine handelt; 2. Naturschutz und Landschaftspflege, soweit es sich nicht um Grundsätze des Naturschutzes, das Recht des Artenschutzes oder des Meeresnaturschutzes handelt; 3. Bodenverteilung; 4. Raumordnung; 5. Wasserhaushalt, soweit es sich nicht um stoff- oder anlagenbezogene Regelungen handelt; 6. Hochschulzulassung und Hochschulabschlüsse.“ Nach Satz 2 treten Bundesgesetze auf diesen Gebieten frühestens sechs Monate nach ihrem Erlass in Kraft, soweit nicht mit Zustimmung von zwei Dritteln der Stimmen des Bundesrates anderes bestimmt ist. Die Kompetenztitel nach Art. 72 Abs. 3 – neu – GG werden – neben zahlreichen anderen – vom Erforderlichkeitskriterium nach Art. 72 Abs. 2 GG ausgenommen. 160 Der Vorschlag der Koalitionsarbeitsgruppe für einen Art. 72 Abs. 3 – neu – GG wurde im Zuge der Föderalismusreform nahezu unverändert umgesetzt. Siehe jetzt Art. 72 Abs. 3 GG n. F. 161 Vgl. Geiger, 1. Sitzung der AG 1, 15.1.2004, ProtVerm., S. 12; ders., 2. Sitzung der AG 1, 12.2.2004, ProtVerm., S. 16 („zunächst noch Klärungsbedarf bezüglich der Notwendigkeit der Regelungskompetenz der Einrichtung der Behörden“). Siehe dann Zypries, 4. Sitzung der AG 1, 1.4.2004, ProtVerm., S. 7. Zust. Scholz, in derselben Sitzung, ProtVerm., S. 12. 162 Vgl. hierzu Geiger, 1. Sitzung der AG 1, 15.1.2004, ProtVerm., S. 12: „Die Bundesregierung habe auch überlegt, ob eine wie auch immer herbeizuführende Abkehr von der Einheitstheorie sinnvoll sei. Dabei habe sich allerdings gezeigt, dass Regelungen oft ‚janusköpfig‘ seien, die Grenzziehung zwischen Verfahrensrecht und materiellem Recht also schwierig sei.“ Noch für eine Klarstellung der Abkehr von der Einheitsthese Wiefelspütz, 1. Sitzung der AG 1, 15.1.2004, ProtVerm., S. 13; Scholz, in derselben Sitzung, ProtVerm., S. 13.

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tiert hatten, stieg man nicht ein. Stattdessen tendierte die Mehrheit der Beteiligten bald immer mehr zu einem Kompromiss mit dem Inhalt, dem Bund die Regelungsbefugnis für die Behördeneinrichtung163 und das Verwaltungsverfahren der Länder zu belassen und das Zustimmungserfordernis im Gegenzug zur Einräumung eines Zugriffsrechts der Länder zu streichen.164 Die Bedenken im Hinblick auf die Einführung materieller Zugriffsrechte teilte man im Anwendungsbereich des Art. 84 Abs. 1 GG offenbar nicht. Auch von Seiten der Sachverständigen wurde die konsensfähige Zugriffsrechts-Lösung weitgehend unterstützt.165 Das Einverständnis zu diesem mit dem Verzicht auf das Zustimmungserfordernis nach Art. 84 Abs. 1 GG verbundenen Einflussverlust (auf mate163 Dies war längere Zeit strittig. Siehe zur Diskussion um eine Abschaffung der Regelungsbefugnis des Bundes jedenfalls für die Behördeneinrichtung Geiger, 1. Sitzung der AG 1, 15.1.2004, ProtVerm., S. 13; Gerhards, 2. Sitzung der AG 1, 12.2.2004, ProtVerm., S. 15; Henneke, in derselben Sitzung, ProtVerm., S. 17. Siehe auch die Zusammenfassung des Diskussionsstandes von Wowereit vor Beginn der 4. Sitzung der AG 1, 1.4.2004, ProtVerm., S. 6 und die Stellungnahme von Zypries, in derselben Sitzung, ProtVerm., S. 7. Für die Beibehaltung der Kompetenz des Bundesgesetzgebers zur Regelung der Einrichtung der Behörden H. Meyer, 2. Sitzung der AG 1, 12.2.2004, ProtVerm., S. 17; ders., 4. Sitzung der AG 1, 1.4.2004, ProtVerm., S. 18; ders., 6. Sitzung der AG 1, 1.7.2004, S. 5, der eine Abgrenzung der Begriffe „Einrichtung der Behörden“ und „Verwaltungsverfahren“ aufgrund der seiner Auffassung nach extensiven Auslegung des Begriffes „Einrichtung“ durch das Bundesverfassungsgericht für problematisch und jedenfalls klärungsbedürftig hält und eine Differenzierung diesbezüglich ablehnt. Siehe auch Schmidt-Jortzig, AU 29 v. 27.1.2005, S. 4 f., der eine Abgrenzung von Einrichtungs- und Verfahrensregelungen für möglich hält. Ebenso Wieland, 4. Sitzung der AG 1, 1.4.2004, ProtVerm., S. 20. 164 Vgl. Röttgen, 1. Sitzung der AG 1, 15.1.2004, ProtVerm., S. 11; ders., 2. Sitzung der AG 1, 12.2.2004, ProtVerm., S. 15, 18; Stünker, 6. Sitzung der AG 1, 1.7.2004, ProtVerm., S. 1 ff. zum Stand der Beratungen in der Projektgruppe 1; ders., 8. Sitzung der Kommission, 8.7.2004, StenBer, S. 165 f. Für die Bundesregierung siehe Geiger, 1. Sitzung der AG 1, 15.1.2004, ProtVerm., S. 13; ders., 2. Sitzung der AG 1, 12.2.2004, ProtVerm., S. 16; zurückhaltender Zypries, 4. Sitzung der AG 1, 1.4.2004, ProtVerm., S. 7. Siehe den Formulierungsvorschlag von Scholz, AU 24 v. 29.1.2004, S. 2; von Scharpf, AU 25 v. 25.1.2004, S. 1; von Schneider, AU 26 v. 30.1.2004, S. 1. Zust. dann auch Wieland, AU 27 v. 29.1.2004, S. 1; H. Meyer, 2. Sitzung der AG 1, 12.2.2004, ProtVerm., S. 17. Für eine Beschränkung der Ingerenzrechte des Bundes auf Fälle verfassungs- und unionsrechtlicher Notwendigkeit weiterhin Huber, 4. Sitzung der AG 1, 1.4.2004, ProtVerm., S. 16. Ablehnend und für eine Abschaffung der Ingerenzrechte weiterhin Schmidt-Jortzig, AU 29 v. 27.1.2005, S. 3; ders., 4. Sitzung der AG 1, 1.4.2004, ProtVerm., S. 12; ders., 8. Sitzung der Kommission, 8.7.2004, StenBer., S. 168. 165 Vgl. H. Meyer, 1. Sitzung der AG 1, 15.1.2004, ProtVerm., S. 14; ders., 2. Sitzung der AG 1, 12.2.2004, S. 17; Grimm, AU 76 v. 30.6.2004, S. 3; Huber, AU 32 (undatiert), S. 172 f.; Scharpf, AU 25 v. 25.1.2004, S. 1; Schneider, AU 26 v. 30.1.2004; Scholz, AU 24 v. 29.1.2004.

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rielle Gesetzesinhalte) verknüpften die Landesregierungen, trotz der zugestandenen Einräumung von Zugriffsrechten für die Länder, aber weiterhin mit der Forderung nach einem Zustimmungsrecht des Bundesrates bei von den Ländern auszuführenden Gesetzen mit (besonderen) finanziellen Auswirkungen.166 Für den „Verlust der in der politischen Praxis bestehenden Möglichkeit, über die bisherigen Zustimmungsrechte auch Kostenfolgen von Bundesgesetzen zu thematisieren“, müsse, so die Vertreter der Bundesratsseite, ein „funktionales Äquivalent“167 geschaffen werden.168 Trotz von mehreren Seiten geäußerter Bedenken169 wurde dieses Junktim ohne größeren Widerstand akzeptiert.170 Einig war man sich schnell darin, dass ein 166 Vgl. Schön, 1. Sitzung der AG 1, 15.1.2004, ProtVerm., S. 14; ders., 2. Sitzung der AG 1, 12.2.2004, ProtVerm., S. 16; ders., 4. Sitzung der AG 2, 1.4.2004, ProtVerm., S. 20; Hoffmann, 2. Sitzung der AG 1, 12.2.2004, ProtVerm., S. 16; ders., 3. Sitzung der AG 2, 12.2.2004, ProtVerm., S. 11; deutlich auch Wowereit, 4. Sitzung der AG 1, 1.4.2004, ProtVerm., S. 6; Teufel, in derselben Sitzung, ProtVerm., S. 15; Gerhards, 5. Sitzung der AG 2, 14.5.2004, ProtVerm., S. 10 f. Siehe auch Henneke, 1. Sitzung der AG 1, 15.1.2004, ProtVerm., S. 12; Gerhards, in derselben Sitzung, ProtVerm., S. 13. 167 Wowereit, 4. Sitzung der AG 1, 1.4.2004, ProtVerm., S. 6. 168 Die Länder strebten im Verlauf der Beratungen eine Lösung der Kostenfolgenproblematik nicht über eine neue Konnexitätsregelung, d. h. den Übergang zur Kostenerstattung (für Zweckausgaben) nach dem Prinzip der Gesetzeskausalität an, sondern forderten eine „politische Lösung“ über die Schaffung eines Zustimmungstatbestandes. Vgl. Schön, 4. Sitzung der AG 2, 1.4.2004, ProtVerm., S. 18; ders., 5. Sitzung der AG 2, 14.5.2004, ProtVerm., S. 14; Henneke, 4. Sitzung der AG 2, 1.4.2004, ProtVerm., S. 18 f.; Koch, in derselben Sitzung, ProtVerm., S. 21; F. Kirchhof, 6. Sitzung der AG 2, 29.10.2004, ProtVerm., S. 29 f. Vgl. auch F. Kirchhof, DVBl. 2004, 977, 984 f. zu der Möglichkeit der Einführung einer Gesetzeskausalität. 169 Gegen dieses Junktim zunächst Geiger, 2. Sitzung der AG 1, 12.2.2004, ProtVerm., S. 16. Siehe auch die ablehnenden Äußerungen aus dem Bundesministerium der Finanzen von Halsch, 3. Sitzung der AG 2, 12.2.2004, ProtVerm., S. 13 f. Vgl. auch H. Meyer, 4. Sitzung der AG 2, 1.4.2004, ProtVerm., S. 20; F. Kirchhof, in derselben Sitzung, ProtVerm., S. 22; ders., DVBl. 2004, 977, 984: „Das Verlangen [der Länder] ist berechtigt, seine tatbestandliche Fixierung im Grundgesetz allerdings schwierig.“ Siehe auch Friedrich, 3. Sitzung der AG 2, 12.2.2004, ProtVerm., S. 17. 170 Vgl. Röttgen, 2. Sitzung der AG 1, 12.2.2004, ProtVerm., S. 15; Tillmann, 3. Sitzung der AG 2, 12.2.2004, ProtVerm., S. 12. Siehe auch Scharpf, 4. Sitzung der AG 2, 1.4.2004, ProtVerm., S. 22, nach dessen Auffassung man im Ergebnis um ein Zustimmungserfordernis des Bundesrates bei erheblichen Kostenfolgen von Bundesgesetzen nicht herumkommen werde. Für ein Zustimmungserfordernis als „politisches Kontrollinstrument“ bei „Leistungsgesetzen im weitesten Sinne“ Huber, 4. Sitzung der AG 2, 1.4.2004, ProtVerm., S. 24. Siehe auch Benz, AU v. 25.4.2004, S. 1. Bemerkenswert Schneider, AU 26 v. 30.1.2004, S. 2: „Das Zustimmungserfordernis in Art. 84 I GG hat außer der Blockademöglichkeit für die jeweilige parlamentarische Opposition allerdings noch eine andere Funktion, nämlich die finanziellen Interessen der Länder dagegen zu schützen, dass ihnen der Bund ohne eine entsprechende Regelung der Kosten zusätzliche Aufgaben überträgt. Bei einem Wegfall des

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6. Abschn.: Vorschlag für eine Neufassung des Art. 84 Abs. 1 GG

solches Zustimmungsrecht des Bundesrates nicht in Art. 84 Abs. 1 GG, sondern in der Finanzverfassung zu verankern sei.171 Die Lösung des Problems wurde der Arbeitsgruppe 2 „Finanzbeziehungen“ und der Projektgruppe 6 „Finanzthemen“ übertragen.172 Schon mit diesem Zugeständnis an die Landesregierungen schien ein mit der zu diesem Zeitpunkt favorisierten Änderung des Art. 84 Abs. 1 GG zu erzielender Entflechtungseffekt in nicht unerheblichem Maße wieder aufgehoben. Doch blieb man im weiteren Verlauf der Beratungen bei dieser Lösung – zustimmungsfrei in Anspruch zu nehmende Gesetzgebungskompetenz des Bundes für organisations- und verfahrensrechtliche Regelungen, Zugriffsrecht der Länder, neuer Zustimmungstatbestand: Kostenfolgen für die Länder – nicht stehen. Auch der Bund forderte im Bereich des Art. 84 Abs. 1 GG Zugeständnisse angesichts seines mit der Einführung von Zugriffsrechten der Länder verbundenen Einflussverlusts. Trotz Kritik auf Seiten der anderen Beteiligten173 drang die Bundesregierung weitergehend auf die verfassungsrechtliche Verankerung eines „Rückholrechts“ im neuen Art. 84 Abs. 1 GG, das es dem Bund ermöglichen sollte, zumindest das Verwaltungsverfahren der Länder (unter bestimmten Voraussetzungen174) weiterhin mit Zustimmung des Bundesrates ohne ZuZustimmungserfordernisses in Art. 84 I GG sollte diesem berechtigten Anliegen der Länder im Rahmen der Finanzverfassung Rechnung getragen werden.“ 171 Vgl. Stünker, 2. Sitzung der AG 1, 12.2.2004, ProtVerm., S. 15; Hoffmann, in derselben Sitzung, ProtVerm., S. 16; H. Meyer, in derselben Sitzung, ProtVerm., S. 17; ders., 4. Sitzung der AG 1, 1.4.2004, ProtVerm., S. 17. 172 Vgl. die Übersicht der Sitzungen der AG 2 und der PG 6 in der Dokumentation, Zur Sache 1/2005, S. 39 ff., 47 f. 173 Vgl. Robra, 4. Sitzung der AG 1, 1.4.2004, ProtVerm., S. 18; Röttgen, in derselben Sitzung, ProtVerm., S. 11; ders., 8. Sitzung der Kommission, 8.7.2004, StenBer., S. 178; Krings, 6. Sitzung der AG 1, 1.7.2004, ProtVerm., S. 6; Stünker, in derselben Sitzung, ProtVerm., S. 10; ders., zum Stand der Beratungen in der PG 1, 8. Sitzung der Kommission, 8.7.2004, StenBer., S. 166; Teufel, 6. Sitzung der AG 1, 1.7.2004, ProtVerm., S. 5; Schön, 4. Sitzung der AG 1, 1.4.2004, ProtVerm., S. 11; Hoffmann, 6. Sitzung der AG 1, 1.7.2004, ProtVerm., S. 7; Gerhards, 8. Sitzung der Kommission, 8.7.2004, StenBer., S. 167, 176; de Maizière, in derselben Sitzung, StenBer., S. 168. Siehe auch das Positionspapier der Fraktionsvorsitzenden von CDU und CSU der Länderparlamente, K-Drs. 0048, S. 3. Krit. auch H. Meyer, 4. Sitzung der AG 1, 1.4.2004, ProtVerm., S. 18; ders., 6. Sitzung der AG 1, 1.7.2004, ProtVerm., S. 5; ders., AU 63 v. 29.4.2004, S. 2 f.; ders., 8. Sitzung der Kommission, 8.7.2004, StenBer., S. 175; Wieland, in derselben Sitzung, StenBer., S. 172. Vehement gegen eine Sperrklausel Huber, in derselben Sitzung, StenBer., S. 174. 174 Eine Sperrklausel mit Einschränkung befürwortend Steenblock, 4. Sitzung der AG 1, 1.4.2004, ProtVerm., S. 19; ders., 8. Sitzung der Kommission, 8.7.2004, StenBer., S. 170, 179; Bosbach, in derselben Sitzung, StenBer., S. 168, 170. Siehe dazu Scholz, 1. Sitzung der AG 1, 15.1.2004, ProtVerm., S. 14 und dessen Formulierungsvorschlag in AU 24 v. 29.1.2004, S. 2 („Vorliegen eines gesamtstaatlichen Be-

B. Art. 84 Abs. 1 GG in der Bundesstaatskommission

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griffsmöglichkeit der Länder zu regeln.175 Man wollte auf die Möglichkeit der Schaffung bundeseinheitlicher und abweichungsfester organisationsund verfahrensrechtlicher Regelungen nicht vollständig verzichten – und glaubte auch, dies nicht zu können. Damit war – zwangsläufig – das Zustimmungsrecht des Bundesrates im Anwendungsbereich des Art. 84 Abs. 1 GG wiedergeboren. Einer kompletten Abschaffung seiner Ingerenzrechte stimmte der Bund nur im Bereich der Aufgabenübertragung an die Gemeinden zu. Die Vertreter der kommunalen Spitzenverbände hatten im Verlauf der Beratungen darauf gedrungen, das Problem des Durchgriffs des Bundes auf die Kommunen (endlich) einer Lösung zuzuführen.176 Der verfassungsrechtliche, in Art. 84 Abs. 1 GG zu verankernde Ausschluss der bundesgesetzlichen Übertragung von Aufgaben an die Kommunen war nicht unumstritten, aber konsensfähig.177 dürfnisses“). Siehe auch den Formulierungsvorschlag von Schneider, AU 26 v. 30.1.2004, S. 1 („sind bundeseinheitliche Regelungen erforderlich“). Später sprach sich Schneider gegen ein Rückholrecht des Bundes aus, 4. Sitzung der AG 1, 1.4.2004, ProtVerm., S. 13; ders., 6. Sitzung der AG 1, 1.7.2004, ProtVerm., S. 4; ders., 8. Sitzung der Kommission, 8.7.2004, StenBer., S. 173. Siehe auch den Formulierungsvorschlag von Grimm, AU 76 v. 30.6.2004, S. 3 („zur Gewährleistung der einheitlichen Ausführung von Bundesrecht unerlässlich“). 175 Für ein solches Rückholrecht früh Kröning, 1. Sitzung der AG 1, 15.1.2004, ProtVerm., S. 12. Zunächst dahingehend, dass ein Rückholrecht des Bundes nicht erforderlich sei, Geiger (für die Bundesregierung) in der 2. Sitzung der AG 1, 12.2.2004, ProtVerm., S. 16. Dann aber Zypries, 4. Sitzung der AG 1, 1.4.2004, ProtVerm., S. 7 f., 10. Die Bundesregierung versuchte im Verlauf der Beratungen darzulegen, dass eine verbindliche bundeseinheitliche Regelung in bestimmten Fällen erforderlich ist. Vgl. PAU-1/0004, PAU-1/0005, PAU-1/0006 und dazu Künast, 6. Sitzung der AG 1, 1.7.2004, ProtVerm., S. 8 f.; dies., 8. Sitzung der Kommission, 8.7.2004, StenBer., S. 173 f.; Zypries, 6. Sitzung der AG 1, 1.7.2004, ProtVerm., S. 8; dies., 8. Sitzung der Kommission, 8.7.2004, StenBer., S. 169. Aus den Reihen der Sachverständigen Zustimmung bei Benz, AU 62 v. 25.4.2004, S. 4; Grimm, AU 60 v. 21.4.2004, S. 5; ders., AU 76 v. 30.6.2004, S. 2; ders., 3. Sitzung der Kommission v. 12.12.2003, StenBer., S. 81 f.; ders., 6. Sitzung der AG 1, 1.7.2004, ProtVerm., S. 3, 7; Scholz, 4. Sitzung der AG 1, 1.4.2004, ProtVerm., S. 12; ders., 6. Sitzung der AG 1, 1.7.2004, ProtVerm., S. 6; ders., 8. Sitzung der Kommission, 8.7.2004, StenBer., S. 171 f. Vgl. zur Frage der Erforderlichkeit einer Sperrklausel die „Gegenstellungnahme“ von Nordrhein-Westfalen, PAU-1/0007 und dazu Stünker, 6. Sitzung der AG 1, 1.7.2004, ProtVerm., S. 10. 176 Vgl. Henneke, 4. Sitzung der AG 1, 1.4.2004, ProtVerm., S. 9; ders., 4. Sitzung der AG 2, 1.4.2004, ProtVerm., S. 19. Siehe auch AU 46 v. 9.3.2004, S. 2; AU 49 v. 25.3.2004, S. 2 f.; AU 68 v. 30.5.2004, S. 6. 177 Vgl. Henneke, 4. Sitzung der AG 1, 1.4.2004, ProtVerm., S. 9; ders., 6. Sitzung der AG 1, 1.7.2004, ProtVerm., S. 4; ders., 8. Sitzung der Kommission, 8.7.2004, StenBer., S. 168; Articus, 6. Sitzung der AG 1, 1.7.2004, ProtVerm., S. 7 f. Vgl. auch Scholz, 4. Sitzung der AG 1, 1.4.2004, ProtVerm., S. 13; H. Meyer, 6. Sitzung der AG 1, 1.7.2004, ProtVerm., S. 17. Siehe auch Schmidt-Jortzig,

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6. Abschn.: Vorschlag für eine Neufassung des Art. 84 Abs. 1 GG

Der Vorschlag der Vorsitzenden für einen Vorentwurf zur Beschlussempfehlung sah schließlich folgende Neufassung des Art. 84 Abs. 1 GG vor178: 1

Führen die Länder die Bundesgesetze als eigene Angelegenheit aus, so regeln sie die Einrichtung der Behörden und das Verwaltungsverfahren. 2 Sofern Bundesgesetze etwas anderes bestimmen, können die Länder davon abweichende Regelungen treffen. [3Regelungen der Länder gehen den Regelungen des Bundes nach Satz 2 vor.] 4

In Ausnahmefällen kann der Bund wegen eines besonderen Bedürfnisses nach bundeseinheitlicher Regelung das Verwaltungsverfahren ohne Abweichungsmöglichkeiten für die Länder regeln. 5 Diese Gesetze bedürfen der Zustimmung des Bundesrates. 6

Durch Bundesgesetz dürfen Gemeinden und Gemeindeverbänden Aufgaben nicht übertragen werden.

Bis zum Schluss der Verhandlungen forderten die Länder die Aufnahme von Satz 3 in den neuen Art. 84 Abs. 1 GG. Bundesgesetzliche Regelungen der Behördeneinrichtung und des Verwaltungsverfahrens, die den auf der Grundlage des Zugriffsrechts erlassenen Regelungen der Länder zeitlich nachfolgen, sollten nach dem Willen der Länder die landesgesetzlichen Normen nicht verdrängen können. Eine Zustimmung des Bundes in diesem Punkt war aber offenbar ausgeschlossen.179 Konsens über die Neufassung des Art. 84 Abs. 1 GG war damit noch nicht vollständig erreicht. Die Parallelvorschrift des Art. 85 Abs. 1 GG sollte nach dem Entwurf von Müntefering und Stoiber nicht geändert und nur durch einen mit Satz 6 des Art. 84 Abs. 1 – neu – GG korrespondierenden Satz 2 ergänzt werden.180 In der Koalitionsarbeitsgruppe zur Föderalismusreform hat man sich in Bezug auf Art. 84 Abs. 1 GG nun anscheinend darauf geeinigt, den Satz 3 in die Neufassung nicht aufzunehmen181; in dem im Koalitionsvertrag niedergeschriebenen Vorschlag182 fehlt dieser.183 AU 29 v. 25.1.2004, S. 5. Vgl. auch Kuban, 4. Sitzung der AG 1, 1.4.2004, ProtVerm., S. 15, die darauf hinweist, dass das Problem nicht in der Aufgabenübertragung an sich, sondern darin liege, dass die finanzielle Ausstattung der Kommunen für die Erfüllung dieser Aufgaben nach geltender Verfassungsrechtslage nicht gewährleistet sei. Dazu auch Henneke, 4. Sitzung der AG 1, 1.4.2004, ProtVerm., S. 20. Gegen ein verfassungsrechtliches Durchgriffsverbot H. Meyer, in derselben Sitzung, ProtVerm., S. 18, 20; Benz, AU 62 v. 25.4.2004, S. 5. Siehe zum Problem der Aufgabenübertragung auf die Kommunen durch den Bund auch Scholz, K-Drs. 0005, S. 10 f.; Huber, K-Drs. 0008, S. 17. 178 Vgl. AU 104 – neu – v. 13.12.2004, S. 2. 179 Vgl. Kröning, RuP 2005, 9, 12. 180 Siehe AU 104 – neu – v. 13.12.2004, S. 2. Zur Diskussion um eine Änderung des Art. 85 Abs. 1 GG siehe die Dokumentation, Zur Sache 1/2005, S. 81 ff. 181 Im Folgenden werden die Sätze des Abs. 1 des Art. 84 – neu – GG auf der Grundlage des Vorschlags der Bundesstaatskommission gezählt und zitiert.

B. Art. 84 Abs. 1 GG in der Bundesstaatskommission

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III. Der Vorschlag für einen neuen Art. 104a Abs. 3a GG Mit der von der Kommission vorgeschlagenen Änderung des Art. 84 Abs. 1 GG sollte gleichzeitig, dem Willen der Landesregierungen entsprechend, ein neuer Zustimmungstatbestand für Bundesgesetze mit Kostenfolgen für die Länder in Form eines neuen Art. 104a Abs. 3a GG geschaffen werden. Dieser ist unter Wegfall des Abs. 3 Satz 3184 in die geltende Bestimmung des Art. 104a GG, der die Verteilung der Ausgabenverantwortung zwischen Bund und Ländern regelt, zu integrieren.185 182 Vgl. den Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD, Anlage 2, S. 5. Die Koalitionsarbeitsgruppe hat auch einen Vorschlag für eine im Vorentwurf der Vorsitzenden für eine Beschlussempfehlung bisher fehlende Übergangsregelung für bundesgesetzliche Regelungen der Aufgabenübertragung auf die Kommunen erarbeitet (Anlage 2, S. 19). Nach Art. 125a Abs. 1 Satz 1 – neu – GG soll Recht, das als Bundesrecht erlassen worden ist, aber wegen der Änderungen des Art. 74 Abs. 1 oder des Art. 75 Abs. 1 oder des Artikel 84 Abs. 1 Satz 5 GG [Satz 6 in der Fassung der Bundesstaatskommission] nicht mehr als Bundesrecht erlassen werden könnte, als Bundesrecht fortgelten. Nach (dem unveränderten) Satz 2 des Art. 125a Abs. 1 GG kann dieses durch Landesrecht ersetzt werden. Siehe auch den Vorschlag der Koalitionsarbeitsgruppe für einen neuen Art. 125a Abs. 2 GG: „Recht, das aufgrund des Art. 72 Abs. 2 in der bis zum 15. November 1994 geltenden Fassung erlassen worden ist, aber wegen Änderung des Art. 72 nicht mehr als Bundesrecht erlassen werden könnte, gilt als Bundesrecht fort. Durch Bundesgesetz wird bestimmt/kann bestimmt werden, dass es durch Landesrecht ersetzt werden kann. Auf Antrag des Bundesrates oder einer Landesregierung oder der Volksvertretung eines Landes stellt das Bundesverfassungsgericht fest, ob die Voraussetzungen nach Satz 1 vorliegen. Die Feststellung dieser Voraussetzungen ersetzt ein Bundesgesetz nach Satz 2.“ 183 Von dem hier diskutierten Vorschlag der Bundesstaatskommission weicht die schließlich mit der Föderalismusreform verabschiedete Fassung des Art. 84 Abs. 1 GG n. F. teilweise ab. Dieser normiert in Satz 3 eine sechsmonatige Karenzzeit (vgl. auch Art. 72 Abs. 3 Satz 2 GG n. F.) für spätere, auf abweichende Regelungen der Länder folgende bundesgesetzliche Regelungen der Einrichtung der Behörden und des Verwaltungsverfahrens: „Hat ein Land eine abweichende Regelung nach Satz 2 getroffen, treten in diesem Land hierauf bezogene spätere bundesgesetzliche Regelungen der Einrichtung der Behörden und des Verwaltungsverfahrens frühestens sechs Monate nach ihrer Verkündung in Kraft, soweit nicht mit Zustimmung des Bundesrates etwas anderes bestimmt ist.“ Satz 4 des Art. 84 Abs. 1 GG n. F. ordnet mit seinem Verweis auf Art. 72 Abs. 3 Satz 3 GG n. F. für das Verhältnis von Bundes- und Landesrecht die Geltung der lex-posterior-Regel an. Die Sätze 4 bis 6 des Vorschlags der Bundesstaatskommission schließen sich als Sätze 5 bis 7 unverändert an. Die Neufassung des Art. 84 Abs. 1 GG normiert in seinem Satz 3 damit einen weiteren Zustimmungstatbestand, der Anlass für normzweckinadäquates Abstimmungsverhalten des Bundesrates sein kann. 184 Vgl. hierzu Schön, 6. Sitzung der AG 2, 29.10.2004, ProtVerm., S. 28; ders., 10. Sitzung der Kommission, 4.11.2004, StenBer., S. 258. 185 Zum Problem der systematischen Einordnung der Neuregelung in die Bestimmung des Art. 104a Abs. 3 GG H. Meyer, 6. Sitzung der AG 2, 29.10.2004, ProtVerm., S. 27; Henneke, AU 110 v. 15.12.2004, S. 2 f.

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6. Abschn.: Vorschlag für eine Neufassung des Art. 84 Abs. 1 GG

Nach Art. 104a Abs. 1 GG tragen die Länder grundsätzlich für die bei der Ausführung von Bundesgesetzen als eigene Angelegenheit anfallenden Zweckausgaben die Finanzierungsverantwortung (Art. 104a Abs. 1 GG). Abweichungen von diesem Grundsatz ermöglicht Art. 104a GG in dessen Abs. 3 für Geldleistungsgesetze. Keine Abweichung vom Konnexitätsprinzip, sondern (nach überwiegender Ansicht) eine Ergänzung desselben, ist die bislang geltende Regelung des Abs. 3 Satz 3 des Art. 104a GG, der ein Zustimmungserfordernis für ein Geldleistungsgesetz normiert, das festsetzt, dass die Länder 25 Prozent der Ausgaben oder mehr zu tragen haben.186 Geldleistungen werden allgemein definiert als einmalige oder laufende, endgültige oder befristete Zuwendungen aus öffentlichen Mitteln an Dritte, d. h. Empfänger außerhalb des bundesstaatlichen Finanzwesens, mit denen keine Gegenleistung korrespondiert.187 Vom Wortlaut des geltenden Art. 104a Abs. 3 GG ausgeschlossen sind geldwerte Sach- oder Dienstleistungen.188 Art. 104a Abs. 3a – neu – GG in der Fassung des Vorentwurfs der Vorsitzenden für eine Beschlussempfehlung der Kommission, der den bisherigen Satz 3 des Abs. 3 ersetzen soll, normiert „zu Kompensationszwecken“ ein weitergehendes, an Kostenfolgen von Bundesgesetzen geknüpftes Zustimmungsrecht des Bundesrates. Die Bestimmung soll folgenden Wortlaut haben: Führen die Länder Bundesgesetze als eigene Angelegenheit aus, bedürfen diese der Zustimmung des Bundesrates, wenn sie Pflichten der Länder zur Erbringung von Geldleistungen oder geldwerten Sachleistungen gegenüber Dritten begründen.189

Dass eine Lösung der Kostenfolgenproblematik schon aus systematischen Gründen besser über die Umsatzsteuerverteilung („finanzielle Lösung“ in Art. 106 Abs. 3 und 4 GG) hätte erfolgen können bzw. müssen, war zwar weit verbreitete Auffassung in der Kommission. Aus verschiedenen Gründen hielt man diesen Weg aber nicht für realisierbar.190 Auch die Einfüh186

Siehe oben Erster Abschnitt C. II. 3. b) aa). Vgl. Heintzen, in: v. Münch/Kunig, Art. 104a Rn. 42; Pieroth, in: Jarass/ Pieroth, Art. 104a Rn. 5; Hellermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 104a Rn. 79. Beispiele: Sparprämien, Wohngeld, Wohnungsbauprämie, Bundesausbildungsförderung. 188 Vgl. Heintzen, in: v. Münch/Kunig, Art. 104a Rn. 42; Pieroth, in: Jarass/ Pieroth, Art. 104a Rn. 5; Hellermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 104a Rn. 81. 189 Vgl. AU 104 – neu – v. 13.12.2004, S. 2 f. Art. 104a Abs. 3 Satz 3 GG könne dann gestrichen werden. Siehe dazu den Begleittext, AU 104 – neu – v. 13.12.2004, Anhang, S. 1 f. 190 Vgl. Kröning, 6. Sitzung der AG 1, 1.7.2004, ProtVerm., S. 22 f.; Runde, 8. Sitzung der Kommission, 8.7.2004, StenBer., S. 199; F. Kirchhof, 6. Sitzung der 187

B. Art. 84 Abs. 1 GG in der Bundesstaatskommission

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rung einer Kostenerstattungspflicht des Bundes bei Vollzugskosten der Länder (sog. „finanzielle Lösung“ in Art. 104a Abs. 3 GG)191 wurde im Verlauf der Verhandlungen zugunsten einer „politischen Lösung“192 über ein Zustimmungserfordernis für Gesetze mit Kostenfolgen verworfen.193 Eine „politische Lösung“, die „aber möglichst wenig Anreize für parteipolitisch motivierte Blockade des sachlichen Gehalts von Bundesgesetzen bieten sollte“194, versuchte die Bundesseite über eine enge Fassung der die Zustimmungsbedürftigkeit auslösenden Tatbestandsmerkmale herbeizuführen. Auf die Frage, welche Art von durch Bundesgesetz ausgelösten Kosten ein Zustimmungsrecht des Bundesrates überhaupt begründen soll, verdichtete sich die Diskussion um diesen neuen Zustimmungstatbestand in der Arbeitsgruppe 2 und der Projektgruppe 6 daher schnell.195 Die Bundesregierung schlug vor, ein Zustimmungsrecht des Bundesrates bei Bundesgesetzen vorzusehen, soweit diese Ansprüche Dritter auf Erbringung von erheblichen Geld- oder geldwerten Sachleistungen begründen.196 Die Länder forderten dagegen ein Zustimmungsrecht bei Bundesgesetzen, wenn diese Pflichten der Länder 197 zur Erbringung von Sach- und Geldleistungen begründen oder Personal- oder Sachstandards festlegen.198 Die Bundesregierung war AG 2, 29.10.2004, ProtVerm., S. 29 f. Vgl. auch F. Kirchhof, DVBl. 2004, 977, 985. 191 Vgl. auch Schmidt-Jortzig, ZG 2005, 16, 23. 192 Vgl. zu den „guten Gründen“, aus denen die Länder diese Option favorisierten, z. B. Scharpf, AU 59 v. 14.4.2004. 193 Vgl. zu den verschiedenen Möglichkeiten insb. F. Kirchhof, AU 57 v. 4.4.2004. 194 Scharpf, AU 59 v. 14.4.2004. 195 Zum Stand der Diskussion um die Kostenfolgenproblematik vgl. jeweils Tillmann, 5. Sitzung der AG 2, 14.5.2004, ProtVerm., S. 9 f.; Kröning, 6. Sitzung der AG 1, 1.7.2004, ProtVerm., S. 22 f.; Runde, 8. Sitzung der Kommission, 8.7.2004, StenBer., S. 199 ff.; ders., 6. Sitzung der PG 6, 22.10.2004, ErgVerm., S. 3; Koch, 10. Sitzung der Kommission, 4.11.2004, StenBer., S. 255 f. und die Zusammenstellung in der Dokumentation, Zur Sache 1/2005, S. 796 ff. Siehe auch die unterschiedlich(st)en Vorschläge der Sachverständigen, wiedergegeben in der Dokumentation, Zur Sache 1/2005, S. 826 ff. Vgl. insb. den Vorschlag von F. Kirchhof, AU 57 v. 4.4.2004/PAU-6/0007, S. 5. 196 Vgl. PAU-6/0010. Ein Zustimmungsrecht des Bundesrates sollte danach nicht bestehen, soweit das Bundesgesetz bei Geldleistungen nach Art. 104a Abs. 3 GG bestimmt, dass der Bund mehr als drei Viertel der Kosten trägt. 197 Zum Unterschied zwischen „Ansprüchen Dritter“ und „Pflichten der Länder“ vgl. Schön, 10. Sitzung der Kommission, 4.11.2004, StenBer., S. 258. 198 Vgl. PAU-6/0019. Das Zustimmungsrecht des Bundesrates sollte nach diesem Vorschlag entfallen, soweit durch das Gesetz lediglich verwaltungsverfahrensbegleitende Pflichten begründet werden oder den Ländern ein Zugriffs- oder Abweichungsrecht zusteht. Vgl. dazu Schön, 6. Sitzung der AG 2, 29.10.2004, ProtVerm., S. 28; Staupe, 6. Sitzung der PG 6, 22.10.2004, ErgVerm., S. 2. Auf das zustim-

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6. Abschn.: Vorschlag für eine Neufassung des Art. 84 Abs. 1 GG

schließlich offenbar bereit, auf die Einfügung einer Erheblichkeitsschwelle199 zu verzichten. Im Gegenzug wurde die Anknüpfung auch an die Festlegung von Personal- und Sachstandards, wie von den Ländern gefordert, nicht in die Neuregelung aufgenommen. Der Begleittext zu Art. 104a Abs. 3a – neu – GG stellt klar, dass „geldwerte Sachleistungen“, dem Schutzzweck der Norm entsprechend, auch „hiermit vergleichbare Dienstleistungen“200 umfassen sollen.201 Vergleichbar soll eine Dienstleistung mit Geld- und geldwerten Sachleistungen dann sein, wenn sie „unter vergleichbar engen Voraussetzungen, wie dies bei Geld- und Sachleistungen der Fall ist, einem Dritten Vorteile gewährt oder sonstige Maßnahmen gegenüber Dritten veranlasst, die zu einer erheblichen Kostenbelastung der Länder führt“. Hierbei soll es darauf ankommen, inwieweit „den Ländern durch den Bundesgesetzgeber keine wesentlichen Spielräume zur landeseigenen Bestimmung des Ausmaßes von Leistungspflichten eingeräumt werden“. Als Beispiele werden die Verpflichtung der Länder zur Schaffung und Unterhaltung von Aufnahmeeinrichtungen für die Unterbringung von Asylbegehrenden oder die Bereitstellung von Tagesbetreuungsplätzen genannt; auch die unter dem Begriff der Sozialleistungen zusammengefassten Geld-, Sach- und Dienstleistungen sollen erfasst sein. Keine Sachleistungen i. S. d. Art. 104a Abs. 3a – neu – GG sind laut Begleittext „reine Genehmigungen, Erlaubnisse oder sonstige Verwaltungsakte, die keine darüber hinausgehenden Leistungen bestimmen, sondern nur die Vereinbarkeit mit materiellen Vorschriften feststellen“202. Die Einfügung eines neuen Art. 104a Abs. 3a GG war bis zum Schluss der Verhandlungen der Bundesstaatskommission sehr umstritten. Der Auswirkungen des schließlich im Vorentwurf der Vorsitzenden für eine Beschlussempfehlung enthaltenen Zustimmungstatbestandes war man sich offenbar auch zum Zeitpunkt des Scheiterns der Kommissionsarbeit nicht sicher.203 Bis zum Ende der Beratungen ungeklärt blieb (u. a.) der Wertungswiderspruch der Neuregelung zur fortgeltenden Regelung des Art. 104a Abs. 3 Satz 2 GG. Dieser legt fest, dass ein Geldleistungsgesetz, das bestimmt, mungsauslösende Kriterium der Pflicht zur Erbringung von Dienstleistungen hatten die Länder bereits verzichtet. Vgl. den Vorschlag in PAU-6/0017. 199 Vgl. Runde, 10. Sitzung der Kommission, 4.11.2004, StenBer., S. 256 f.; ders., 6. Sitzung der PG 6, 22.10.2004, ErgVerm., S. 3. 200 AU 104 – neu – v. 13.12.2004, Anhang, S. 1. 201 Vgl. auch H. Meyer, 3. Sitzung der AG 2, 12.2.2004, ProtVerm., S. 11; Huber, 4. Sitzung der AG 2, 1.4.2004, ProtVerm., S. 23 f. 202 AU 104 – neu – v. 13.12.2004, Anhang, S. 1 f. 203 Vgl. Kröning, RuP 2005, 9, 12.

B. Art. 84 Abs. 1 GG in der Bundesstaatskommission

383

dass der Bund die Hälfte der Ausgaben oder mehr trägt, im Auftrag des Bundes durchgeführt wird. Der Anwendungsbereich von Art. 104a Abs. 3a – neu – GG wird durch diese Bestimmung also erheblich eingeschränkt. Da Art. 104a Abs. 3a GG nur für Bundesgesetze gilt, die die Länder als eigene Angelegenheit ausführen, greift das Zustimmungserfordernis bei einem Geldleistungsgesetz dann nicht, wenn der Bund die Hälfte der Ausgaben oder mehr trägt und damit Bundesauftragsverwaltung nach Satz 2 angeordnet ist. Das Zustimmungserfordernis des Abs. 3a – neu – bleibt damit für Geldleistungsgesetze hinter der alten Regelung des Abs. 3 Satz 3 (Zustimmung des Bundesrates bei mehr als einem Viertel Ausgabenlast bei den Ländern) zurück.204 Geldwerte Sachleistungen sind dagegen, hieraus ergibt sich ein weiterer Wertungswiderspruch, weder von Satz 1 des Abs. 1 noch von Satz 2 des Abs. 3 des Art. 104a GG umfasst. Der Bund kann sich bei Fortgelten dieser Bestimmungen trotz Einfügung des Abs. 3a nicht an den dahingehenden Kosten beteiligen. In Bezug auf das Verhältnis der Neuregelung zu Art. 104a Abs. 3 Satz 2 GG hat die Koalitionsarbeitsgruppe zur Föderalismusreform inzwischen eine Klarstellung vorgenommen. Mit dem Hinweis, den neuen Zustimmungstatbestand besser als Abs. 4 – neu – in Art. 104a GG zu integrieren, hat sie diesen folgendermaßen formuliert: Führen die Länder die Bundesgesetze als eigene Angelegenheit oder nach Absatz 3 Satz 2 im Auftrag des Bundes aus, bedürfen diese der Zustimmung des Bundesrates, wenn sie Pflichten der Länder zur Erbringung von Geldleistungen oder geldwerten Sachleistungen gegenüber Dritten begründen.205

Damit ist der Widerspruch zu Satz 2 des Art. 104a Abs. 3 GG zwar aufgelöst. Es bleibt jedoch dabei, dass der Bund sich an den Kosten für geldwerte Sachleistungen nach Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 nicht beteiligen kann. Die Möglichkeiten, die Zustimmungsbedürftigkeit nach Art. 104a Abs. 3a – neu – GG zu umgehen, die dem Bund durch eine Übernahme von Kosten eröffnet sind, bleiben begrenzt.206 204 Vgl. hierzu Henneke, AU 110 v. 15.12.2004, S. 2 f. Siehe auch F. Kirchhof, 6. Sitzung der AG 2, 29.10.2004, ProtVerm., S. 30. 205 Siehe den Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD, Anlage 2, S. 5. Der Begleittext wurde unverändert übernommen. 206 Die schließlich mit der Föderalismusreform verabschiedete Fassung des Art. 104a Abs. 4 GG n. F. lautet: „Bundesgesetze, die Pflichten der Länder zur Erbringung von Geldleistungen, geldwerten Sachleistungen oder vergleichbaren Dienstleistungen gegenüber Dritten begründen und von den Ländern als eigene Angelegenheit oder nach Absatz 3 Satz 2 im Auftrag des Bundes ausgeführt werden, bedürfen der Zustimmung des Bundesrates, wenn daraus entstehende Ausgaben von den Ländern zu tragen sind.“

384

6. Abschn.: Vorschlag für eine Neufassung des Art. 84 Abs. 1 GG

C. Anmerkungen zum Vorschlag für eine Neufassung des Art. 84 Abs. 1 GG In einer ersten kritischen Würdigung hat Schmidt-Jortzig, der im Verlauf der Beratungen in der Kommission immer wieder konsequent als ein Verfechter von Entflechtung im Wege klarer Lösungen aufgetreten ist, den Reformvorschlag für einen neuen Art. 84 Abs. 1 GG, wie er im Vorentwurf der Vorsitzenden für eine Beschlussempfehlung der Kommission formuliert wurde, als nicht nur „höchst dürftig, sondern wirklich geradezu problematisch“207 bezeichnet. Aus „Angst vor der eigenen Courage“ sei eine Regelung entstanden, die die Wirkung einer „massiven Arbeitsbeschaffung für das Bundesverfassungsgericht“208 haben werde. Die Große Koalition hat diese Warnung jedoch nicht davor zurückschrecken lassen, den Vorschlag der Bundesstaatskommission auch in ihren Koalitionsvertrag aufzunehmen. Es bleibt abzuwarten, ob die kritischen Stimmen in Schrifttum und Öffentlichkeit209 auf eine Umsetzung noch Einfluss nehmen werden. Anders als die Vorschläge zur Kompetenzverlagerung, zur Schaffung von materiellen Zugriffsrechten der Länder und zur Einschränkung des Geltungsbereichs der Erforderlichkeitsklausel auch über die Gegenstände der „Abweichungsgesetzgebung“ hinaus, die von Seiten der Landesregierungen bereits wieder in Frage gestellt worden sind210, dürften die Neuregelung des Art. 84 Abs. 1 GG und damit zusammenhängend die Schaffung eines neuen Zustimmungstatbestandes für Kostenfolgen zwischen Bund und Landesregierungen jedoch kaum noch umstritten sein. Selbst wenn also in anderen Bereichen eine Einigung (wieder) nicht erzielt werden kann, ist damit zu rechnen, dass „wenigstens“ eine Reform des Art. 84 Abs. 1 GG durchgesetzt wird. Welche Fragen und Probleme die vorgeschlagenen Neuregelungen aufwerfen, soll im Folgenden in einem ersten Zugriff erörtert werden.

207

Schmidt-Jortzig, ZG 2005, 16, 20. Schmidt-Jortzig, ZG 2005, 16, 20. 209 Siehe hierzu die Nachweise bei Schmidt-Jortzig, ZG 2005, 16, 23 Fn. 19. Vgl. auch Schultze, APuZ 2005, B 13–14, 13, 24; Henneke, beim DLT-Professorengespräch, wiedergegeben bei Vorholz, DVBl. 2005, 1022, 1023. 210 Vgl. zuletzt SZ v. 9.1.2006, S. 4, 6. 208

C. Anmerkungen zum Vorschlag

385

I. Das Zugriffsrecht der Länder auf organisations- und verwaltungsverfahrensrechtliche Regelungen des Bundes 1. Die Konstruktion des Zugriffsrechts in Satz 2, HS. 2 des Art. 84 Abs. 1 – neu – GG Satz 1 des neuen Art. 84 Abs. 1 GG ist wortgleich mit dem geltenden Art. 84 Abs. 1, HS. 1 GG: „Führen die Länder die Bundesgesetze als eigene Angelegenheit aus, so regeln sie die Einrichtung der Behörden und das Verwaltungsverfahren.“ HS. 1 des Satz 2 der Neuregelung bestimmt zudem ebenso wie Art. 84 Abs. 1, HS. 2 GG der geltenden Fassung, dass Bundesgesetze „etwas anderes bestimmen“ können.211 „Sofern“ der Bund etwas anderes bestimmt, ist er aber nicht mehr an die Zustimmung des Bundesrates gebunden; stattdessen ist nach Art. 84 Abs. 1 Satz 2, HS. 2 – neu – GG den Ländern das Recht eingeräumt, „abweichende Regelungen zu treffen.“ Nach geltender Verfassungsrechtslage sind auf bundesgesetzliche Regelungen folgende landesrechtliche Einrichtungs- und Verwaltungsverfahrensregelungen entweder schon wegen dann fehlender Gesetzgebungskompetenz der Länder, jedenfalls nach der Kollisionsnorm des Art. 31 GG unwirksam.212 Art. 84 Abs. 1 Satz 2, HS. 2 – neu – GG bildet insofern eine lex specialis zu Art. 31 GG, vergleichbar mit Art. 125a Abs. 1 Satz 2 GG. Das 211 Der Streit um die Anknüpfung der Bundesgesetzgebungskompetenz des Bundes für organisations- und verfahrensrechtliche Regelungen ist damit weiterhin nicht eindeutig entschieden. Art. 84 Abs. 1 Satz 2, HS. 1 – neu – GG kann konstitutiven Charakter haben; denkbar ist immer noch, die Kompetenz des Bundes kraft Annexes oder Sachzusammenhangs aus den Art. 70 ff. GG herzuleiten und Abs. 1 Satz 2 – neu – nur im Hinblick auf die Einräumung des Zugriffsrechts der Länder konstitutive Bedeutung beizumessen. 212 Die Frage ist ungeklärt. Ob und wie die Kollisionsnormen der Art. 70 ff. GG bei Herleitung der Bundesgesetzgebungskompetenz kraft Annexes im Bereich der ausschließlichen und der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz greifen, hängt davon ab, welchen Aussagegehalt man Art. 84 Abs. 1 GG in Bezug auf die Kompetenz der Länder zur Regelung der Einrichtung der Behörden und des Verwaltungsverfahrens zumisst. Dazu werden die verschiedensten Auffassungen vertreten. Siehe hierzu die Nachweise oben Dritter Abschnitt C. II. 1., 2. Dies gilt auch für den Fall, dass man Art. 84 Abs. 1 GG konstitutiven Charakter zuerkennt. Dies berücksichtigt März, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 31 Rn. 64 ff. nicht, wenn er bei einer Herleitung der Bundesgesetzgebungskompetenz aus den Art. 70 ff. GG pauschal schon von fehlender Landesgesetzgebungskompetenz ausgeht. Bei einer Herleitung aus Art. 84 Abs. 1 GG will März die Geltung von Art. 31 GG annehmen. Auch das, dies räumt März selbst ein, ist nicht zwingend. Will man Art. 84 Abs. 1 GG konstitutive Geltung in Bezug auf die Gesetzgebungskompetenz des Bundes einräumen, liegt es nahe, dass hiermit auch eine Regelung über die Gesetzgebungskompetenz der Länder getroffen werden soll. Art. 31 GG ist dann wiederum lex generalis.

386

6. Abschn.: Vorschlag für eine Neufassung des Art. 84 Abs. 1 GG

Landesrecht verdrängt das Bundesrecht dann nach der allgemeinen Kollisionsregel lex posterior derogat legi priori. Dies gilt auch für wiederum nachfolgendes Bundesrecht, wenn dies nicht durch Übernahme von Satz 3 des Vorschlags der Bundesstaatskommission für die Neufassung des Art. 84 Abs. 1 GG ausgeschlossen wird. Letzteres ist im Vorschlag der Koalitionsarbeitsgruppe jedoch nicht mehr vorgesehen. 2. Kritik Die verfassungspolitischen und verfassungstheoretischen Bedenken, die gegen eine Schaffung von Abweichungskompetenzen der Länder im Bereich materieller Gesetzgebungsgegenstände in den Verhandlungen der Bundesstaatskommission erhoben wurden und ihrer Umsetzung schließlich auch im Wege standen, wurden bereits kurz zusammengefasst.213 Sie lassen sich in zumindest vergleichbarer Weise auch auf „formelle“ Zugriffsrechte im Anwendungsbereich des Art. 84 Abs. 1 GG beziehen. Daneben produzieren gerade auf Vollzugsvorschriften bezogene Zugriffsrechte möglicherweise besondere Problemlagen von Normenkonflikten zwischen Bundes- und Landesrecht. Unsicher bleibt zudem, ob Zugriffskompetenzen der Länder im Anwendungsbereich des Art. 84 Abs. 1 GG überhaupt in dem von ihren Befürwortern erwarteten Ausmaß Entflechtungseffekte freisetzen und eine Stärkung der Landesparlamente bedeuten. a) Allgemeine verfassungspolitische Erwägungen Die in Art. 84 Abs. 1 Satz 2, HS. 2 – neu – GG normierte Zugriffskompetenz ermöglicht es dem einzelnen Land, durch Schaffung abweichender Einrichtungs- und Verwaltungsverfahrensregelungen die Ausführung der Bundesgesetze durch die Länder an die Besonderheiten des jeweiligen Landes anzupassen – oder aber unabhängig von landesspezifischen Anforderungen schlicht „Abweichendes“ zu regeln. Schon der geltende Art. 84 Abs. 1 GG räumt dem Bund nach nicht unumstrittener Ansicht zumindest in engen Grenzen auch das Recht ein, territorial unterschiedliche Einrichtungs- und Verfahrensregelungen zu treffen, wenn dies zur Gewährleistung eines wirksamen Vollzugs der Bundesgesetze erforderlich ist.214 Zugriffsrechte der Länder schaffen hier jedoch eine ganz neue Möglichkeit regionaler Differenzierung und eigenständiger gesetzlicher Ausgestaltung des Vollzugs. Denn während die einzelne Landesregierung nach geltendem 213

Siehe oben in diesem Abschnitt B. I. 4. b). Vgl. Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 84 Rn. 9, 24; Antoni, AöR 113 (1988), 329, 415. 214

C. Anmerkungen zum Vorschlag

387

Recht bei der Abstimmung im Bundesrat über die Zustimmungserteilung oder -versagung in Bezug auf Vollzugsregelungen nach Art. 84 Abs. 1 GG majorisiert werden kann und die Ausübung der Zustimmungskompetenzen im Bundesrat insgesamt deutlich reaktiven Charakter hat, eröffnet die Einräumung eines Zugriffsrechts den Ländern einen neuen, autonom ausfüllbaren Spielraum bei der gesetzlichen Ausgestaltung der Ausführung von Bundesgesetzen nach Art. 83 f. GG. Dies kann Flexibilisierungseffekte dort freisetzen, wo bundesgesetzliche Regelungen bisher eine Anpassung an landesspezifische Bedürfnisse verhindern oder erschweren. Auch können landesrechtliche Regelungen, die nicht (in erster Linie) aus landesspezifischen Erwägungen, sondern aus der Überzeugung ihrer generellen „Überlegenheit“ gegenüber bundesrechtlichen Ausführungsvorschriften heraus, im Landesbereich – auch im Wettbewerb mit den abweichenden Vorschriften anderer Länder – erprobt werden, sich bewähren und später als Vorbild für gesamtstaatliche Regelungen mit dem Ergebnis dienen, dass die Qualität der Gesetzgebung sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene grundsätzlich eine Verbesserung erfährt und damit wiederum die Wirksamkeit des Vollzugs von Bundesgesetzen nach Art. 83 f. GG gesteigert wird. Das bisherige, über die Zustimmungskompetenz des Bundesrates etablierte System der Mitwirkung durch Vetopositionen, das einem Schutzkonzept in Bezug auf die Verwaltungskompetenzen der Länder folgt, wird durch die Einräumung von Zugriffskompetenzen ersetzt durch ein System des Wettbewerbs zwischen dem Bundes- und den Landesgesetzgebern und den Landesgesetzgebern untereinander. In diesem System stellt sich – wenn und soweit es den Erwartungen seiner Befürworter entsprechend funktioniert – die Gewährleistung von Effektivität und Qualität bei der Schaffung von Einrichtungs- und Verwaltungsverfahrensregelungen für die Ausführung von Bundesgesetzen und damit die Wirksamkeit der Ausführung der Bundesgesetze durch die Länder eher aktiv als Folge dieses Wettbewerbs ein als reaktiv durch das Erfordernis der Überwindung der Vetoposition des Bundesrates. Dieser Wettbewerb bedeutet allerdings dann ein Minusgeschäft unter dem Aspekt der Vermeidung der Verschwendung von Ressourcen, wenn die „doppelte“ Gesetzgebung auf beiden föderalen Ebenen, die – je nach Ausgestaltung – dem erneuten Zugriff der jeweils anderen Ebene offen steht, nicht in einem solchen Maße positive Rückwirkungen auf die Qualität der Gesetzgebung und die Wirksamkeit des Vollzugs von Bundesrecht entfaltet, dass der mehrfache Gesetzgebungsaufwand hierzu in einem angemessenen Verhältnis steht. In jedem Fall werden durch die – bei Schaffung von Zugriffskompetenzen möglich gewordene – Abschaffung des Zustimmungsrechts des Bundesrates Entflechtungseffekte im Bereich der Bundesgesetzgebung freigesetzt. Die in Art. 84 Abs. 1 Satz 2 – neu – GG geschaffene Regelung lässt sich also mit guten Gründen in verfassungspolitischer Hin-

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6. Abschn.: Vorschlag für eine Neufassung des Art. 84 Abs. 1 GG

sicht verteidigen. Sie begegnet aber auch – möglicherweise gewichtigen – Bedenken. Wenn der Bund Einrichtung und Verfahren der Landesbehörden speziell regelt, können die Länder abweichende, d. h. auch nur teilweise abweichende, Regelungen erlassen, die zunächst Vorrang vor den bundesrechtlichen Regelungen haben. Dies führt ggf. schon in einem Land zur Geltung von bundesrechtlichen neben landesrechtlichen organisations- und verfahrensrechtlichen Regelungen; im Bundesgebiet führt dies zum Nebeneinander von Landesrecht und partiell geltendem Bundesrecht. Die damit verbundene Rechtszersplitterung kann die Rechtssicherheit oder -klarheit beeinträchtigen und die Rechtsschutzsuche erschweren. Wie groß die mit der Einführung von Zugriffskompetenzen verbundene diesbezügliche Gefahr tatsächlich ist, hängt unter anderem vom Ausmaß und der Art und Weise des Gebrauchmachens der Länder von ihrer Zugriffskompetenz ab. Voraussagen darüber lassen sich schwer treffen. Im Verlauf der Beratungen der Kommission ist, soweit ersichtlich, an keinem Beispiel erörtert worden, ob und wie in Bezug auf bestimmte bundesgesetzliche Einrichtungsund Verwaltungsverfahrensregelungen die Länder bei Bestehen einer Zugriffskompetenz abweichendes Landesrecht erlassen hätten bzw. würden. Die Entwicklung der Zugriffsgesetzgebung bliebe bzw. bleibt schlicht abzuwarten. Bedenken gegen die Einführung von Zugriffsrechten können aber nicht nur aus einer möglicherweise exzessiven, eine unübersichtliche Gesetzeslage produzierenden Inanspruchnahme durch die Länder hergeleitet werden; vielmehr kann auch die Nichtinanspruchnahme negative Auswirkungen entfalten. Führt die Abschaffung der Zustimmungsbedürftigkeit von bundesgesetzlichen Einrichtungs- und Verwaltungsverfahrensregelungen nach Art. 84 Abs. 1 GG dazu, dass der Bund in noch größerem Umfang als bisher seine Ingerenzrechte ausübt und von den Ländern auszuführende Bundesgesetze „schrankenlos“ mit Ausführungsvorschriften versieht, bedeutet dies zumindest in den Fällen, in denen die Länder – aus welchen Gründen auch immer – keine abweichenden Vorschriften erlassen, einen tieferen Eingriff in ihre Verwaltungskompetenzen, als dieser nach geltender Verfassungsrechtslage bereits regelmäßig erfolgt.215 Die Gefahr eines „Zweiklassenföderalismus“ kann dann auch hier drohen, wenn administrativ starke Länder dauerhaft ihre weitergehenden Möglichkeiten zur autonomen Gestaltung von Ausführungsregelungen nutzen, schwache Länder in der Regel die 215 Vgl. Huber, 3. Sitzung der AG 1, 11.3.2004, ProtVerm., S. 16 mit der Vermutung, dass die Länder gerade bei politisch brisanten Vorhaben auf eigene Regelungen verzichten werden. Siehe auch Höreth, Orientierungen zur Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik 103 (1/2005), 50, 55.

C. Anmerkungen zum Vorschlag

389

bundesrechtlichen Regelungen bei der Ausführung der Bundesgesetze „übernehmen“. Doch dürfte diese Gefahr im Bereich der Schaffung von Vollzugsnormen geringer sein als bei der Schaffung materieller Zugriffskompetenzen. Erst diese bieten den Ländern die Möglichkeit, (partei-)politisch wirksam inhaltlich Akzente gegenüber bundesrechtlichen Regelungen zu setzen und mit den anderen Ländern in Wettbewerb zu treten. Eine unterschiedliche Finanz- und Verwaltungskraft der Länder wirkt sich in erster Linie und schwerpunktmäßig auf den Umfang und das Ausmaß inhaltlicher Gestaltungsmöglichkeiten aus. Die Möglichkeit zur Schaffung von abweichendem Vollzugsrecht kann auch von schwächeren Ländern effektiv wahrgenommen werden, soweit hiermit keine besonderen zusätzlichen Kosten verbunden sind. Verfassungspolitisch begegnen formelle Zugriffskompetenzen in Bezug auf die Auswirkungen des bestehenden Gefälles zwischen den Ländern im Bundesstaat damit zumindest weniger Bedenken als materielle. Auch eignen sie sich weniger zur Instrumentalisierung in der parteipolitischen Auseinandersetzung auf Bundesebene. Materielle Zugriffsrechte können in erheblichem Maße eine Beeinträchtigung der einheitssichernden Funktion der bundesstaatlichen Ordnung, die im Grundgesetz durch eine klare Kompetenzabgrenzung zwischen Bund und Ländern und den Grundsatz des Vorrangs des Bundesrechts sichergestellt wird, bedeuten, wenn die Opposition im Bund in „ihren“ Ländern die Autorität der Regierungsmehrheit durch den Erlass abweichenden Landesrechts untergräbt.216 Im Bereich eher technischer, politisch weniger brisanter Vollzugsfragen droht ein solcher Konflikt nicht in vergleichbarem Ausmaß, auch wenn man in Betracht zieht, dass die verfahrensmäßige Ausgestaltung der Ausführung von materiellrechtlichen Vorschriften auf diese unter Umständen ganz erheblich, möglicherweise auch kompetenzwidrig, zurückwirken kann. Der Bund ist bei der Schaffung von Zugriffskompetenzen der Länder potentiell jedenfalls zu einer intensiveren Wahrnehmung seiner Aufsichtsrechte aufgerufen. Unter Effektivitätsgesichtspunkten kann sich dies ggf. auch negativ auswirken. b) Allgemeine verfassungstheoretische Bedenken Ebenso wie materielle Zugriffsrechte im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes produzieren aber zumindest unbedingte und unbeschränkte Zugriffsrechte der Länder im Anwendungsbereich des Art. 84 Abs. 1 GG jedoch einen verfassungstheoretischen Widerspruch. Dies hat im Verlauf der Beratungen der Bundesstaatskommission ausführ216

Vgl. H. Meyer, K-Drs. 0012, S. 23.

390

6. Abschn.: Vorschlag für eine Neufassung des Art. 84 Abs. 1 GG

licher offenbar allein Benz thematisiert217: „Formelle“ Zugriffskompetenzen eröffnen den Ländern die Möglichkeit zur eigenständigen Regelung der Einrichtung der Behörden und des Verwaltungsverfahrens bei der Ausführung von Bundesgesetzen. Machen die Länder hiervon umfassend Gebrauch, ist die bundeseinheitliche Regelung im Ergebnis überflüssig. Es ist dann ein Zustand hergestellt, der schon mit Satz 1 des Abs. 1 der Neuregelung erreicht ist. Für die Einräumung einer Bundesgesetzgebungskompetenz besteht, wenn man dem Landesrecht entgegen Art. 31 GG und voraussetzungslos den Vorrang gegenüber dem Bundesrecht einräumt und damit impliziert, dass das Land „besser“ über die gesetzliche Ausgestaltung des Vollzugs entscheiden kann, eigentlich kein Grund mehr. Sie müsste konsequenterweise ganz abgeschafft werden.218 Sinn erhält sie nur über das beschriebene, unbedingten Zugriffskompetenzen innewohnende Wettbewerbskonzept, das im bestehenden grundgesetzlichen Kompetenzverteilungssystem des Grundgesetzes jedoch einen deutlichen Fremdkörper darstellt. Darüber, ob man ein solches Wettbewerbskonzept allerdings tatsächlich – politisch – will, ist im Verlauf der Beratungen der Kommission keinesfalls auch nur im Ansatz grundlegend diskutiert worden. Auf der Grundlage des geltenden Kompetenzverteilungssystems des Grundgesetzes, das mit der Zuweisung einer Gesetzgebungskompetenz an den Bund oder die Länder auch eine Entscheidung darüber trifft, welche föderale Ebene zur Gesetzgebung in dem in Frage stehenden Bereich „besser“ geeignet ist, machen Zugriffsrechte der Länder auf kompetenzgemäß erlassene gesetzliche Regelungen des Bundes nur dann Sinn, wenn sie nicht als uneingeschränkt auszuübende Gesetzgebungskompetenzen der Länder ausgestaltet sind. Systemgerecht(er) ist dann eine Ausgestaltung in der Form der Vorschläge von Heinsen und der Bayerischen Landtags-Enquete, die dem Bundesgesetzgeber ein Widerspruchsrecht in Bezug auf die Inanspruchnahme der Zugriffskompetenz durch ein Land einräumen.219 Dies würde im Ergebnis jedoch dazu führen, dass die Länder auf bundesgesetzliche Organisations- und Verfahrensregelungen nur bedingt zugreifen können. Die Regelungen des Bundes bedürften dann konsequenterweise weiterhin der Zustimmung des Bundesrates. Das angestrebte Ziel einer Reduzierung zustimmungsbedürftiger Gesetze lässt sich auf diesem Wege also nicht 217

Vgl. Benz, AU 28 v. 4.2.2004, S. 5; ders., AU 62 v. 24.4.2004, S. 3 f. So immer wieder die Forderung von Schmidt-Jortzig, z. B. 3. Sitzung der Kommission, 12.12.2003, StenBer., S. 67; ders., 8. Sitzung der Kommission, 8.7.2004, StenBer., S. 168 f. und von F. Kirchhof, 3. Sitzung der Kommission, 12.12.2003, StenBer., S. 59. Siehe auch ders., AU 34 v. 9.2.2004, S. 2, in der er Zugriffsrechte immerhin als zweitbeste Lösung bezeichnet. 219 Siehe oben in diesem Abschnitt B. I. 4. a). 218

C. Anmerkungen zum Vorschlag

391

erreichen. Eine – unter Zugrundelegung der ausschließlichen bzw. alternativ-ausschließenden Kompetenzverteilung des Grundgesetzes – systemkonforme Ausgestaltung der Zugriffskompetenz hatte daher in der Kommission keine reelle Chance auf Erfolg. Der verfassungstheoretische Widerspruch, der in der Einräumung von unbedingten Zugriffsrechten der Länder besteht, bzw. die mit der Einführung eines Wettbewerbskonzepts verbundene Durchbrechung des geltenden Kompetenzverteilungssystems wirken sich aber möglicherweise im Bereich von bisher unbekannten Normenkonflikten auch in der Praxis ganz erheblich aus. c) Das Problem von Normenkonflikten Während die durch die Schaffung von Zugriffskompetenzen auf einer „ersten“ Stufe entstehenden Normenkonflikte zwischen Bundes- und abweichendem Landesrecht im Anwendungsbereich des Art. 84 Abs. 1 GG unter Zugrundelegung der lex-posterior-Regel noch lösbar erscheinen, bereitet die Bewältigung von Normenkollisionen zwischen abweichendem Landesrecht und darauf folgendem „neuem“ Bundesrecht möglicherweise größere Schwierigkeiten. Diese seien im Folgenden nur angedeutet: Schließt man aus, dass nachfolgendes Bundesrecht die abweichende landesrechtliche Regelung wieder ablösen kann, sperrt man den Bund in den Ländern vollständig, in denen Landesrecht unter Inanspruchnahme der Zugriffskompetenzen erlassen worden ist. Nur wenn das entsprechende Land seine abweichenden Regelungen aufhebt, ist dann wieder Raum für bundesgesetzliche Einrichtungs- und Verfahrensregelungen nach Satz 2, HS. 1 der Neufassung des Art. 84 Abs. 1 GG. Bestehendes Bundesrecht nach Satz 2, HS. 1 müsste bei Wegfall abweichenden Landesrechts nach Satz 2, HS. 2 wieder aufleben.220 Soweit scheinen sich Normenkollisionen bewältigen zu lassen. Nimmt man dem Bund, so wie dies in der Neufassung des Art. 84 Abs. 1 GG in der Version des Koalitionsvertrages vorgesehen ist, nicht die Möglichkeit, nachträglich korrigierend auf landesrechtliche Abweichungsregeln zu reagieren, droht ggf. ein „Gegeneinander-Regeln“221 oder die von Kröning so bezeichnete „‚Schaukel‘ zwischen Bundes- und Landesgesetzgeber“222. Völlig unklar ist, in welchem Umfang der Bund in diesem Fall 220 Im Fall des Art. 31 GG und des Art. 72 Abs. 1 GG ist herrschende Auffassung, dass Landesrecht mit dem Wegfall des Bundesrechts bzw. mit dem Wegfall der Sperrwirkung nicht wieder auflebt. Vgl. Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 31 Rn. 5, Art. 72 Rn. 9; Huber, in: Sachs, Art. 31 Rn. 12; Degenhart, in: Sachs, Art. 72 Rn. 30. Vgl. auch BVerfGE 29, 11, 17. 221 F. Kirchhof, AU 34 v. 9.2.2004, S. 4. 222 Kröning, 7. Sitzung der AG 1, 30.9.2004, ProtVerm., S. 4.

392

6. Abschn.: Vorschlag für eine Neufassung des Art. 84 Abs. 1 GG

überhaupt nachträglich wiederum abweichendes Recht setzten können soll. Es kann jedenfalls nicht gewollt sein, dass der Bund seine – in einigen Ländern geltenden, in anderen nicht geltenden – Einrichtungs- und Verfahrensregelungen einfach erneut erlässt, um diesen wieder bundeseinheitliche Geltung zu verschaffen. Denkbar ist dagegen, dass der Bund eine Einrichtungs- und Verfahrensregelung ändert, von der ein Teil der Länder bereits abgewichen ist. In diesem Fall müsste das Bundesrecht das Landesrecht seinerseits und mit der Folge verdrängen, dass auch den Ländern erneut eine Abweichungsmöglichkeit eröffnet ist. Auch insoweit scheinen Normenkonflikte noch lösbar. Komplizierter wird die Situation in beiden Konstellationen, wenn, was nicht selten vorkommt, eine Novellierung eines Bundesgesetzes erfolgt, die sich nur auf materiell-rechtliche Vorschriften bezieht, für die bereits erlassene Einrichtungs- und Verfahrensregelungen des Bundes Anwendung finden (sollen), von denen die Länder aber inzwischen abgewichen sind. Gelten dann für die Ausführung des „neuen“ materiellen Rechts weiterhin die landesrechtlichen Einrichtungs- und Verfahrensregelungen oder doch wieder die bundesrechtlichen? Dies ist weder für den Fall des Vorrangs abweichender landesrechtlicher Regelungen nach Satz 3 des Art. 84 Abs. 1 – neu – GG in der Fassung des Vorentwurfs der Vorsitzenden für eine Beschlussempfehlung der Bundesstaatskommission noch für den Fall der Anerkennung der Möglichkeit der erneuten Verdrängung abweichenden Landesrechts durch Bundesrecht ohne Schwierigkeiten zu beantworten. Dem Bund ist nach Satz 2, HS. 1 des Art. 84 Abs. 1 – neu – GG für die erstmalige Schaffung von Einrichtungs- und Verwaltungsverfahrensregelungen offenbar, dies entspricht auch dem hinter der Neuregelung stehenden Wettbewerbskonzept, freie Hand gelassen.223 Damit stellt sich die im Einzelfall schwer zu beantwortende Frage, wann eine materielle Änderung eine solche Qualität besitzt, dass „neues“ auszuführendes Bundesrecht entsteht, für das („erstmals“) eine Einrichtungs- und Verfahrensregelung geschaffen wird. In die Detaildiskussion über möglicherweise auftretende Normenkollisionen ist man im Verlauf der Beratungen in der Bundesstaatskommission jedenfalls nicht eingestiegen. Das Problem von Normenkonflikten zwischen bundes- und landesrechtlichen Einrichtungs- und Verwaltungsverfahrensvorschriften ist allenfalls angedacht, aber keiner annähernd vollständigen Lösung zugeführt worden.224 Will man die Voraussetzungen dafür schaffen, 223

Dem Wettbewerbskonzept würde die Einfügung des Satz 3 in der Fassung des Vorentwurfs der Vorsitzenden für eine Beschlussempfehlung der Kommission zumindest teilweise zuwider laufen. 224 Vgl. Schmidt-Jortzig, ZG 2005, 16, 20.

C. Anmerkungen zum Vorschlag

393

dass sich die Zugriffskompetenz der Länder im Anwendungsbereich des neuen Art. 84 Abs. 1 GG bewährt, besteht hier im Gesetzgebungsverfahren zu einer Verfassungsänderung Nachholbedarf, der nicht unbedingt auch einen textlichen Niederschlag finden muss. Dass auch eine Übergangsbestimmung erforderlich (bzw. gewünscht) sein kann, die regelt, ob die Länder auch auf bundesrechtliche Einrichtungs- und Verfahrensregelungen zugreifen dürfen, die mit Zustimmung des Bundesrates nach Art. 84 Abs. 1 GG geltender Fassung erlassen wurden, ist bisher ebenfalls weder in der Kommission noch in der Koalitionsarbeitsgruppe zur Föderalismusreform in Betracht gezogen worden.225 Eine Übergangsregelung sieht auch der im Koalitionsvertrag niedergeschriebene Vorschlag nur in Bezug auf bisher zulässige bundesgesetzliche Regelungen der Aufgabenübertragung an die Kommunen vor.226 Eine Umsetzung des kompletten Pakets der von der Koalitionsarbeitsgruppe festgeschriebenen Neuregelungen würde das Problem von Normenkonflikten bei Zugriffsrechten der Länder im Anwendungsbereich des Art. 84 Abs. 1 GG zudem durch die Schaffung von materiellen Zugriffskompetenzen der Länder noch verschärfen. Bei den im Katalog der „Abweichungsgesetzgebung“ normierten Gesetzesmaterien handelt es sich grundsätzlich um solche, die von den Ländern als eigene Angelegenheit nach Art. 83 f. GG ausgeführt werden. Schaffen die Länder abweichende materielle Landesregelungen, werden diese von den Ländern in Landeseigenverwaltung nach den landesrechtlichen organisations- und verwaltungsverfahrensrechtlichen Vorschriften ausgeführt. Denkbar ist, dass hinsichtlich der Materien der Abweichungsgesetzgebung sowohl bundes- als auch landesrechtliche materielle Vorschriften existieren, von denen erstere nach bundesgesetzlichen Einrichtungs- und Verwaltungsverfahrensregelungen und/oder landesrechtlichen Vollzugsregelungen ausgeführt werden, letztere allein nach landesrechtlichen. Eine solche Situation kann, gerade wenn der Bund oder das Land zusätzlich durch Gesetzesänderungen in Bezug auf die materiell-rechtlichen und/oder die Einrichtungs- und Verwaltungsverfahrensregelungen eingreifen, schnell zu einer unübersichtlichen Rechtslage führen – mit allen negativen Folgen für die Rechtsanwendung. Auch dies hängt entscheidend von der Art und Weise und dem Ausmaß der Inanspruchnahme der Zugriffskompetenzen durch die Länder ab – und der Reaktion des Bundes hierauf.

225

Vgl. jetzt den mit der Föderalismusreform eingefügten Art. 125b Abs. 2 GG

n. F. 226

Siehe oben in diesem Abschnitt Fn. 180.

394

6. Abschn.: Vorschlag für eine Neufassung des Art. 84 Abs. 1 GG

d) Die Umkehrung des „Tauschgeschäftes“ Unabhängig davon, ob sich die aus der Schaffung einer neuen Kompetenzkategorie der Zugriffsgesetzgebung möglicherweise ergebenden Umsetzungsschwierigkeiten bewältigen lassen, stellt sich die Frage, in welchem Maße die Einführung von Zugriffsrechten der Länder durch den im Gegenzug möglich gewordenen Wegfall des Zustimmungsrechts des Bundesrates den gewünschten Entflechtungseffekt erzielen und die in einer solchen Konstruktion angelegte „Rückgängigmachung“ des Kompensationsgeschäfts – Beteiligungsrechte des Bundesrates gegen (die Aufgabe) eigenständig wahrnehmbare(r) Länderkompetenzen – tatsächlich funktionieren wird. Ohne dies im Einzelnen zu diskutieren, gingen die Befürworter von Zugriffsrechten der Länder auch im Anwendungsbereich des Art. 84 Abs. 1 GG offenbar davon aus, dass mit deren Einräumung der autonome Gestaltungsspielraum der Landesparlamente automatisch vergrößert und durch den Wegfall des Zustimmungsrechts die Abhängigkeit der Regierungsmehrheit im Bund von der Mehrheit im Bundesrat in Bezug auf das „ganze Gesetz“ beseitigt werde. Dem auch im Einsetzungsbeschluss formulierten Ziel der Kommission, die „Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit von Bund und Ländern zu verbessern, die politischen Verantwortlichkeiten deutlicher zuzuordnen“227, sah man sich damit einen großen Schritt näher gekommen. Wie sich aber konkret der Wegfall des Zustimmungsrechts des Bundesrates zu Einrichtungs- und Verfahrensregelungen des Bundes nach Art. 84 Abs. 1 Satz 2, HS. 1 – neu – GG auf die Bundesgesetzgebung und die Schaffung von Zugriffskompetenzen nach Satz 2, HS. 2 auf die Landesgesetzgebung in der Realität der Staatspraxis auswirken werden, wurde nicht weiter hinterfragt. Dabei drängt sich die Überlegung auf, dass das tatsächliche Ausmaß der Einflussnahme der Landesregierungen auf die Ausgestaltung von Einrichtungs- und Verfahrensregelungen des Bundes über ihre weiterhin bestehende Mitwirkungsbefugnis in Form des Einspruchsrechts entscheidend dafür sein wird, in welchem Umfang die Länder von der ihnen eingeräumten Zugriffskompetenz Gebrauch machen werden. Der administrative Sachverstand liegt in den Ländern bei den Landesregierungen. Auch deswegen räumt der geltende Art. 84 Abs. 1 GG diesen über den Bundesrat ein Zustimmungsrecht zu Einrichtungs- und Verwaltungsverfahrensregelungen ein. Gelingt es also den Landesregierungen auch in Zukunft, mit ihren Änderungsvorschlägen im Gesetzgebungsverfahren durchzudringen, was heute in Bezug auf eher technische Fragen der Ausführung von Gesetzen, die nur selten tatsächlich parteipolitisch umstritten und nicht konsensfähig sind, regelmäßig der Fall 227

Vgl. BT-Drs. 15/1685, BR-Drs. 750/03.

C. Anmerkungen zum Vorschlag

395

ist, besteht für abweichendes Landesrecht, das in der Regel die Landesregierungen unter dem Einfluss der Länderverwaltungen initiieren werden, nur dann ein Bedürfnis, wenn ein Land mit seinen Vorstellungen für allgemeine Ausführungsvorschriften nicht durchdringen konnte oder spezifische Besonderheiten des Landes mit einer getroffenen Regelung nicht aufgefangen werden konnten. Die vorgelagerte Mitwirkung des Bundesrates bei der Schaffung von Bundesrecht nach Art. 84 Abs. 1 Satz 2, HS. 1 – neu – GG könnte also in Bezug auf das Ausmaß der Inanspruchnahme der Zugriffskompetenz „disziplinierend“ wirken. Die Landesregierungen werden sich einer Mitwirkung im Bundesrat schon in eigenem Interesse nicht verweigern, wenn sie durch Beeinflussung der bundesgesetzlichen Vollzugsregelungen den Aufwand eines Gesetzgebungsverfahrens im eigenen Land vermeiden können. Ebenso dürften Bundesregierung und Bundestagsmehrheit ein Interesse daran haben, den Landesregierungen über den Bundesrat bei der Schaffung von Einrichtungs- und Verwaltungsverfahrensregelungen auch bei Wegfall des Zustimmungsrechts maßgeblichen Einfluss einzuräumen, um die mögliche Abweichung durch die Länder in Grenzen zu halten. Welche Auswirkungen dies im Einzelnen auf den Gesetzgebungsprozess haben wird, bleibt abzuwarten. Informellen Absprachen sind in einer solchen Konstellation allerdings Tür und Tor geöffnet; für eine parteipolitische Instrumentalisierung von Organisations- und Verfahrensfragen ist weiterhin Raum. Die Opposition im Bundesrat kann mit der Androhung, ihre Zugriffskompetenz in den Ländern auszuüben, die Regierungsmehrheit – auch im Hinblick auf materiell-rechtliche Inhalte eines Gesetzes – ggf. erheblich unter Druck setzen. Verflechtungspotential besteht hier weiterhin. Die Regierungsmehrheit im Bund ist aber nicht mehr zu einem materiellen Kompromiss gezwungen, um das Scheitern eines Gesetzes zu verhindern. In jedem Fall dürfte sich jedoch der mit der Einräumung von Zugriffsrechten in der Konzeption theoretisch verbundene Zuwachs an autonomen Gestaltungsmöglichkeiten auf Seiten der Landesparlamente bei einer absehbaren Aufrechterhaltung der Schlüsselposition der Landesregierungen im Bundesrat auch bei Wegfall des Zustimmungsrechts nach Art. 84 Abs. 1 GG in Grenzen halten. e) Zusammenfassung Festzuhalten bleibt: Die Auswirkungen der Einräumung eines Zugriffsrechts der Länder auf Einrichtungs- und Verwaltungsverfahrensregelungen des Bundes sind schwer vorherzusagen. Verfassungspolitische Bedenken, die gegen materielle Zugriffsrechte erhoben werden können, greifen bei Zugriffsrechten im Anwendungsbereich des Art. 84 Abs. 1 GG nur teilweise

396

6. Abschn.: Vorschlag für eine Neufassung des Art. 84 Abs. 1 GG

durch. Verfassungstheoretisch steht ein unbeschränktes und unbedingtes Zugriffsrecht der Länder im Widerspruch zur grundgesetzlichen Kompetenzverteilung, die durch die Einführung eines Wettbewerbskonzepts erheblich modifiziert wird. Ob und wie sich dies in der Praxis auswirkt, bleibt abzuwarten. Für möglicherweise auftretende Normenkonflikte fehlt es noch an einer überzeugenden Kollisionsregel. Durch die im Koalitionsvertrag vorgesehene Schaffung auch materieller Zugriffskompetenzen droht möglicherweise eine zusätzliche Verkomplizierung. Zur Entflechtung trägt die in den Sätzen 1 und 2 des Abs. 1 der Neufassung des Art. 84 GG gefundene Regelung durch die Abschaffung des Zustimmungsrechts des Bundesrates ohne Zweifel zunächst bei. Die Position der Landesregierungen im Bundesrat, die mit der Androhung der Ausübung ihrer Zugriffskompetenzen ein – je nach Interessenlage ggf. entscheidungserhebliches – politisches Druckmittel in der Hand behalten, bleibt aber weiterhin stark. Zur Erreichung des von der Kommission (eigentlich) angestrebten Zieles grundlegender Entflechtung wäre, insoweit wird hier Schmidt-Jortzig gefolgt, eine komplette Abschaffung der Ingerenzrechte des Bundes nach Art. 84 Abs. 1 GG – hat man ihre Berechtigung durch ein Zugriffsrecht der Länder einerseits ohnehin schon in Frage gestellt, ein Wettbewerbskonzept aber andererseits nicht vollständig durchdacht – die einfachere und konsequentere Lösung gewesen.228 Der politische Wille hierzu war in der Bundesstaatskommission aber offensichtlich nicht vorhanden.

II. Die Sperrklausel des Art. 84 Abs. 1 Satz 4 und 5 – neu – GG Angesichts der mit der Einführung von Zugriffsrechten der Länder verbundenen Gefahren der Verkomplizierung, des Gegeneinander-Regelns, der Schwierigkeiten in der Rechtsanwendung und der Reibungsverluste bei der Gesetzgebung warnte F. Kirchhof schon früh davor, dass sich bei gleichzeitigem Weiterbestehen der „Regelungswut“ des Bundesgesetzgebers, insbesondere der für die Ausarbeitung von Gesetzentwürfen zuständigen Fachressorts, das zustimmungsbedürftige abweichungsfeste Bundesgesetz „wie bisher“ durchsetzen werde.229 Die in der Kommission vielfach geteilte230 Befürchtung, dass sich an der Verfassungswirklichkeit durch die Regelung der Sätze 4 und 5 des Art. 84 Abs. 1 – neu – GG kaum etwas ändern 228 Vgl. Schmidt-Jortzig, ZG 2005, 16, 22. Siehe auch die Nachweise oben in diesem Abschnitt B. I. 3. 229 Vgl. F. Kirchhof, AU 34 v. 9.2.2004, S. 4. 230 Vgl. Röttgen, 4. Sitzung der AG 1, 1.4.2004, ProtVerm., S. 11; ders., 8. Sitzung der Kommission, 8.7.2004, StenBer., S. 178; Schmidt-Jortzig, 3. Sitzung der Kommission, 12.12.2003, StenBer., S. 12; Huber, 4. Sitzung der AG 2, 1.4.2004, ProtVerm., S. 16; Wieland, 8. Sitzung der Kommission, 8.7.2004, StenBer., S. 172.

C. Anmerkungen zum Vorschlag

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werde, erwies sich schon angesichts des Umstandes als berechtigt, dass die Bundesseite in den Verhandlungen nicht müde wurde, Beispiele für die Notwendigkeit bundesgesetzlicher Regelungen der Behördeneinrichtung, insbesondere aber des Verwaltungsverfahrens der Länder zu produzieren.231 Dass die Anwendung der Sperrklausel des Satz 4 des neuen Abs. 1 des Art. 84 GG tatsächlich nur eine Ausnahme darstellen werde, hielt Bundesjustizministerin Zypries schon im Verlauf der Beratungen der Bundesstaatskommission weder für belegbar noch beweisbar.232 Für den Bund kann und wird gerade bei extensiver Inanspruchnahme der Zugriffskompetenz durch die Länder nach Satz 2, HS. 2 des neuen Art. 84 Abs. 1 GG der Erlass abweichungsfester Verwaltungsverfahrensregelungen nach Art. 84 Abs. 1 Satz 4 und 5 – neu – GG trotz Zustimmungsbedürftigkeit noch zusätzlich an Attraktivität gewinnen.233 Auch unter dem Aspekt, dass landesrechtliche Verfahrensregelungen sich potentiell auf die materiellrechtlichen Regelungen des Bundes in einer Weise auswirken können, die deren Inhalt ggf. kompetenzwidrig verändert, kann die Schaffung abweichungsfester Regelungen für den Bund, will er die Wirksamkeit des Vollzugs „seiner“ materiell-rechtlichen Regelungen sicherstellen und sich nicht mit den Ländern immer wieder auf Kompetenzstreitigkeiten einlassen, regelmäßig die vorzugswürdige Lösung sein. Die Schaffung eines „Rückholrechts“ des Bundes konterkariert damit möglicherweise die durch die Abschaffung der Zustimmungskompetenz nach Art. 84 Abs. 1 GG geltender Fassung und die Einräumung von Zugriffsrechten denkbaren Entflechtungsgewinne ganz erheblich. In jedem Fall ist die mit den Sätzen 4 und 5 des Art. 84 Abs. 1 – neu – GG getroffene Regelung in verschiedener Hinsicht zu hinterfragen. 1. Die Abgrenzung zwischen Einrichtungs- und Verwaltungsverfahrensregelungen Art. 84 Abs. 1 Satz 4 – neu – GG in der Fassung des Vorentwurfs der Vorsitzenden für eine Beschlussempfehlung eröffnet dem Bund die Möglichkeit, nur für Verwaltungsverfahrensregelungen die Zugriffskompetenz der Länder nach Satz 2, HS. 2 des Abs. 1 auszuschließen. Die Anzahl potentiell nach Satz 4 zustimmungsbedürftiger Bundesgesetze ist damit aber nicht entscheidend eingegrenzt. Nach Art. 84 Abs. 1 GG geltender Fassung zustimmungsbedürftige Gesetze enthalten regelmäßig Einrichtungs- und Verwaltungsverfahrensregelungen oder nur Verwaltungsverfahrensregelungen. 231 232 233

Siehe insb. PAU-1/0005 des Bundesministeriums für Verbraucherschutz. Vgl. Zypries, 8. Sitzung der Kommission, 8.7.2004, StenBer., S. 169. Vgl. F. Kirchhof, AU 34 v. 9.2.2004, S. 4.

398

6. Abschn.: Vorschlag für eine Neufassung des Art. 84 Abs. 1 GG

Bei letzteren liegt der Schwerpunkt bundesrechtlicher Einwirkung auf die Ausführung der Bundesgesetze durch die Länder als eigene Angelegenheit nach Art. 83 f. GG. Dass Satz 4 des Art. 84 Abs. 1 – neu – GG zwischen den Tatbestandsmerkmalen „Einrichtung der Behörden“ und „Verwaltungsverfahren“ unterscheidet, macht eine Abgrenzung zwischen diesen beiden Arten von Eingriffen in die Organisationsgewalt der Länder erforderlich, die bislang im Anwendungsbereich von Art. 84 Abs. 1 GG unterbleibt, weil der geltende Art. 84 Abs. 1 GG234 sowohl Einrichtungs- als auch Verwaltungsverfahrensregelungen dem Zustimmungserfordernis des Bundesrates unterwirft.235 Die Literatur hat für die Abgrenzung zwischen Organisation und Verfahren – weitergehend als die Rechtsprechung – jedoch Kriterien entwickelt, auf die zurückgegriffen werden kann.236 Insgesamt dürfte sich das aus der nach der Neuregelung geforderten Differenzierung zwischen Organisation und Verfahren resultierende Konfliktpotential in Grenzen halten.237 2. Die Voraussetzung des „besonderen Bedürfnisses nach bundeseinheitlicher Regelung“ Dies gilt offenkundig nicht für das Tatbestandsmerkmal des „besonderen Bedürfnisses nach bundeseinheitlicher Regelung“, das Satz 4 des neuen Art. 84 Abs. 1 GG als Voraussetzung für die Schaffung abweichungsfester Verwaltungsverfahrensregelungen durch den Bund normiert. Satz 4 ermächtigt den Bund dem Wortlaut nach, „in Ausnahmefällen (. . .) wegen eines besonderen Bedürfnisses nach bundeseinheitlicher Regelung“ abweichungsfeste Verwaltungsverfahrensvorschriften zu erlassen. Mit dem Abstellen auf „Ausnahmefälle“ neben einem „besonderen Bedürfnis“ nach bundeseinheitlicher Regelung soll offenbar disziplinierend auf den Bundesgesetzgeber und auch das (potentiell) zur Entscheidung berufene Bundesverfassungsgericht eingewirkt werden. Sinnstiftend ist diese Einschränkung jedoch nicht. Aus dem Begriff des „Ausnahmefalls“ lassen sich konkrete Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Gesetzgebungskompetenz des Bundes kaum herleiten. Dass diese Voraussetzungen offenbar eng ausgelegt werden sollen, ist 234

Die Zustimmungsbedürftigkeit von Verfahrensregelungen nach Art. 85 Abs. 1 GG ist zwar umstritten, dies hat sich aber in der Praxis offenbar noch nicht ausgewirkt. Siehe dazu oben Dritter Abschnitt Fn. 207, 212. 235 Vgl. hierzu in der Kommission z. B. H. Meyer, 2. Sitzung der AG 1, 12.2.2004, ProtVerm., S. 17; ders., 4. Sitzung der AG 1, 1.4.2004, ProtVerm., S. 18. 236 Vgl. zur Abgrenzung zwischen Einrichtungs- und Verfahrensregelungen nur Antoni, AöR 113 (1988), 329, 367 m. w. N. Siehe hierzu schon oben Dritter Abschnitt C. I. 1. 237 Siehe oben in diesem Abschnitt Fn. 163.

C. Anmerkungen zum Vorschlag

399

mit der festgeschriebenen Forderung nach einem „besonderen“ Bedürfnis nach bundeseinheitlicher Regelung schon hinreichend zum Ausdruck gebracht. Eine weitere Einschränkung auf „Ausnahmefälle“, werden diese nicht näher spezifiziert, ist überflüssig. Entscheidende Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Bundesgesetzgebungskompetenz nach Satz 4 der Neufassung des Art. 84 Abs. 1 GG ist das Vorliegen eines „besonderen Bedürfnisses“ nach bundeseinheitlicher Regelung des Verwaltungsverfahrens.238 Verfassungsrechtliche Maßstäbe dafür, wann ein „besonderes Bedürfnis“ nach bundeseinheitlichen Verwaltungsverfahrensregelungen vorliegen soll, enthält Art. 84 Abs. 1 – neu – GG nicht. Hiermit sollen zunächst offenbar nicht die in der Kommission diskutierten Fälle gemeint sein, in denen ein Bundesgesetz ohne organisations- und verfahrensrechtliche Bestimmungen möglicherweise grundrechtswidrig oder nicht gemeinschaftsrechtskonform ist. Denn in diesen Fällen, wenn es sie überhaupt gibt, besteht nicht nur ein (besonderes) Bedürfnis, sondern die verfassungsrechtliche bzw. unionsrechtlich vorgegebene Notwendigkeit bundesgesetzlicher abweichungsfester Regelung. Die im Übrigen von der Bundesregierung im Verlauf der Beratungen der Kommission vorgetragenen Fälle, mit denen sie die Notwendigkeit der Etablierung einer Sperrklausel unterstreichen wollte239, sind der Systematisierung kaum zugänglich. Dass in den von der Bundesregierung genannten Beispielen nicht auch eine materiell-rechtliche Regelung zur Erreichung des mit der bundesgesetzlichen Verfahrensregelung erfolgten Zieles ausreichend, eine bundesgesetzliche verfahrensrechtliche Regelung also nicht notwendig gewesen wäre, wurde von Seiten der Länder im Verlauf der Beratungen in der Kommission zudem bestritten.240 Angesichts der bestehenden Unsicherheiten darüber, wann es einer bundeseinheitlichen Verfahrensregelung tatsächlich bedarf, erstaunt es nicht, dass eine Erklärung hierzu im Vorschlag der Vorsitzenden für einen Vorentwurf einer Beschlussempfehlung der Kommission ganz unterblieb. Der Begleittext zu den vorgeschlagenen Verfassungsänderungen im Koalitionsvertrag enthält inzwischen allein den Hinweis, dass „Einigkeit zwischen Bund und Ländern“ dahingehend besteht, „dass Regelungen des Umweltverfahrensrechts regelmäßig einen Ausnahmefall im Sinne des Art. 84 Abs. 1 Satz 3 [Satz 4 im Vorschlag der Bundesstaatskommission] darstellen“241. Grund238 Dem Aufbau anderer Kompetenzregeln des Grundgesetzes entsprechend hätte die textliche Umsetzung in folgender Form näher gelegen: „Der Bund kann das Verwaltungsverfahren ohne Abweichungsmöglichkeiten für die Länder regeln, wenn ein besonderes Bedürfnis nach bundeseinheitlicher Regelung besteht.“ 239 Vgl. PAU-1/0004; PAU-1/0005; PAU-1/0006; dazu Künast, 6. Sitzung der AG 1, 1.7.2004, ProtVerm., S. 8 f. 240 Vgl. nur Stünker, 6. Sitzung der AG 1, 1.7.2004, ProtVerm., S. 10. 241 Siehe den Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD, Anlage 2, S. 30.

400

6. Abschn.: Vorschlag für eine Neufassung des Art. 84 Abs. 1 GG

legend bringt diese Feststellung die Interpretation der Sperrklausel des Satz 4 aber nicht voran. Art. 84 Abs. 1 Satz 4 – neu – GG lässt, so wie er formuliert ist, offen, zur Erfüllung welchen Zwecks es einer bundeseinheitlichen abweichungsfesten Regelung bedürfen soll, d. h. welches mit der Norm verfolgte Ziel eine bundeseinheitliche Regelung erfordern soll. Während Art. 72 Abs. 2 GG normiert, dass dem Bund die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz zusteht, „wenn und soweit die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich macht“, fehlt es in Satz 4 des Art. 84 Abs. 1 – neu – GG an einem Bezugspunkt für das „besondere Bedürfnis“ nach bundeseinheitlicher Regelung.242 Dieser lässt sich jedoch ermitteln. Sinn und Zweck der Ingerenzrechte des Bundes nach Art. 84 GG geltender Fassung ist die Sicherung eines „wirksamen“ und „ordnungsgemäßen“ Vollzugs.243 Zwar hat auch das Bundesverfassungsgericht teilweise darauf abgestellt, dass die in Art. 84 GG normierten Eingriffsbefugnisse des Bundes der Erreichung einer „im wesentlichen einheitlichen Verwaltungspraxis“244 dienen. Aber auch hier folgt aus dem Zusammenhang, dass es die Ratio der Ingerenzrechte des Bundes sein soll, gerade die Wirksamkeit des Vollzuges durch eine einheitliche Vollzugsregelung sicherzustellen. Auf Effektivitätsgesichtspunkte wird konsequenterweise auch bei der Interpretation des in Art. 87 Abs. 3 Satz 2 GG verwendeten Begriffs des „besonderen Bedarfs“ abgestellt.245 242 Das Grundgesetz stellt bei der Ausübung der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz und der Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes in Art. 72 Abs. 2 GG auf die Erforderlichkeit bundesgesetzlicher Regelung im Hinblick auf die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse ab. Vgl. nur Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 72 Rn. 11; Bothe, in: AK, Art. 72 Rn. 11. Vgl. auch BVerfGE 78, 249, 271. Nur eine bundeseinheitliche Regelung kann damit nicht gemeint sein, weil eine bundesgesetzliche Regelung zur Erfüllung der Voraussetzungen nach Art. 72 Abs. 2 GG in besonderen Fällen gerade regionale Besonderheiten berücksichtigen muss. Vgl. aber BVerfGE 18, 407, 415; 26, 338, 383. 243 Siehe oben Dritter Abschnitt A. 244 BVerfGE 11, 6, 18. Siehe auch Blümel, in: HdbStR IV, § 101 Rn. 24: „Art. 84 Abs. 1 GG setzt der landeseigenen Organisationsgewalt im Interesse eines einheitlichen Landesvollzugs Grenzen.“ 245 Art. 87 Abs. 3 Satz 2 GG fordert für die Schaffung von bundeseigenen Mittelund Unterbehörden im Anwendungsbereich der Norm einen dringenden Bedarf. Vgl. dazu Sachs, in: Sachs, Art. 87 Rn. 76; Burgi, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 87 Rn. 131. „Dringender Bedarf“ wird in dem Sinne interpretiert, dass für die sachgerechte Erledigung der Aufgabe gerade diese Form der Auftragsverwaltung notwendig, d. h. anderen Möglichkeiten überlegen ist. Kann die dahingehende Be-

C. Anmerkungen zum Vorschlag

401

Die Einheitlichkeit des Vollzugs ist nicht Zweck, sondern allenfalls Mittel. Steht dem Bund eine ausschließliche oder unter den Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz zu, ist damit das Bedürfnis nach bundesgesetzlicher materiell-rechtlicher Regelung festgestellt.246 Auf der Ebene des Vollzugs kann es nur (noch) um die Gewährleistung der wirksamen Ausführung gehen. Angesichts der Tatsache, dass das Grundgesetz grundsätzlich den Ländern die Ausführung der Bundesgesetze überlässt, kann Einheitlichkeit der Ausführung aber nicht der generelle Maßstab für die Wirksamkeit der Ausführung sein.247 Die Ingerenzrechte des Bundes dienen nicht primär dazu, bundeseinheitliche Regelungen zu ermöglichen, sondern sie weisen dem Bund die Entscheidung darüber zu, in welcher Form er die Effektivität der Ausführung der Bundesgesetze, die er erlassen hat, gewährleisten will. D. h. der Bund entscheidet nicht darüber, dass Regelungen einheitlich gelten sollen, sondern dass seine Regelungen gelten sollen. Dass er dabei auch regional unterschiedliche Regelungen in engen Grenzen soll erlassen dürfen, ist zwar nicht unumstritten, aber durchaus konsequent.248 Dass auch die Neuregelung des Art. 84 Abs. 1 GG in den Sätzen 1 und 2 die Wirksamkeit des Vollzugs von Bundesgesetzen, nicht die Einheitlichkeit vor Augen hat, zeigt gerade die Einräumung von Zugriffsrechten der Länder. Eine Abweichungskompetenz verfolgt das Ziel, die Effektivität der Ausführung von Bundesgesetzen durch Anpassung der Einrichtungs- und Ausführungsregelungen im einzelnen Land zu steigern und durch den Wettbewerb zwischen Bundes- und Landesgesetzgebern zusätzlich zu erhöhen. Der Ausschluss der Zugriffskompetenz der Länder nach Satz 4 der Neufassung erfolgt dann konsequenterweise unter der Voraussetzung, dass abweichende Landesregelungen und ein Wettbewerb zwischen den föderalen Ebenen einem wirksamen Vollzug von Bundesrecht in den Ländern entgegenstehen, weil gerade eine bundeseinheitliche Regelung zur Gewährleistung eines effektiven Vollzugs notwendig ist. Es geht also um solche Fälle, bei denen das Nebeneinander von partiell geltendem Bundesrecht und unterschiedlichen landesrechtlichen Regelungen die Wirksamkeit des Vollzugs gefährdet. Dies dürften in erster Linie solche Fälle sein, bei denen hauptung des Bundes nicht schlüssig widerlegt werden, soll der Inanspruchnahme der Kompetenz nichts entgegenstehen. So Burgi, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 87 Rn. 131. Siehe auch Broß, in: v. Münch/Kunig, Art. 87 Rn. 28: zu hohe Anforderungen seien nicht zu stellen. Eine verfassungsgerichtliche Rechtsprechung zur Voraussetzung des „dringenden Bedarfs“ existiert nicht. 246 Vgl. BVerfGE 11, 6, 18. 247 Vgl. insb. Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 84 Rn. 9. Siehe auch Hermes, in: Dreier, Art. 84 Rn. 18. 248 Siehe oben in diesem Abschnitt Fn. 212.

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6. Abschn.: Vorschlag für eine Neufassung des Art. 84 Abs. 1 GG

eine länderübergreifende Koordination erfolgt oder erfolgen muss und eine Selbstkoordination der Länder keine hinreichenden Lösungen produziert oder produzieren kann. Der Bund kann damit, dies ist als Zwischenergebnis festzuhalten, dann nach Satz 4 abweichungsresistente Regelungen des Verwaltungsverfahrens erlassen, wenn es zur Sicherung der Wirksamkeit des Vollzugs einer einheitlichen Regelung bedarf. Entscheidend dafür, ob die Voraussetzung eines besonderen Bedürfnisses nach bundeseinheitlicher Regelung eine effektive Schranke für die Inanspruchnahme der Bundesgesetzgebungskompetenz zur Schaffung abweichungsfester bundesgesetzlicher Regelungen darstellen kann, ist aber – darauf wurde im Verlauf der Beratungen in der Kommission mehrfach warnend hingewiesen249 –, ob und inwieweit das zur Prüfung berufene Bundesverfassungsgericht dem Bundesgesetzgeber in Bezug auf das Vorliegen der Voraussetzungen einen Ermessens- und Beurteilungsspielraum einräumen wird, ob also die Bedürfnisklausel des Satz 4 des Art. 84 Abs. 1 – neu – GG ebensowenig justiziabel sein wird wie die des Art. 72 Abs. 2 a. F. GG250 oder aber wie Art. 72 Abs. 2 n. F. GG über eine Vertretbarkeitskontrolle hinaus der vollen gerichtlichen Kontrolle251 unterliegen wird. Mit der Formulierung des Satz 4 ist hier kaum Klarheit geschaffen worden. Für eine volle gerichtliche Kontrolle liefert das wenig konkrete Abstellen auf ein „Bedürfnis“ (nicht die „Erforderlichkeit“) einer bundeseinheitlichen Regelung wenig Ansatzpunkte. Nahe liegt es dann, dem Bund eher weitgehend die Entscheidung darüber zu belassen, ob es einer einheitlichen Regelung zur Gewährleistung der Wirksamkeit des Vollzugs des von ihm geschaffenen, einheitlich geltenden materiellen Rechts bedarf. Jedenfalls ist Beurteilungsgrundlage für die Beantwortung dieser Frage sinnvollerweise das von den Ländern auszuführende materielle Bundesrecht. Will man eine Bedürfnisklausel trotz der ihr zwangsläufig immanenten Problematik252, die daraus resultiert, dass Bedürfnisfragen immer politische, im Ermessen des Gesetzgebers stehende Fragen sind, in den neuen Art. 84 Abs. 1 GG aufnehmen, wird man jedenfalls spezifische Kriterien für das Vorliegen eines „besonderen Bedürfnisses“ entwickeln müssen. Berücksichtigung muss dabei (auch) finden, in welchem Verhältnis die Ingerenzrechte 249

Vgl. Schneider, 6. Sitzung der AG 1, 1.7.2004, ProtVerm., S. 4; ders., 8. Sitzung der Kommission, 8.7.2004, StenBer., S. 173. Siehe auch Schmidt-Jortzig, ZG 2005, 16, 22. Siehe aber auch Grimm, 6. Sitzung der AG 1, 1.7.2004, ProtVerm., S. 7. 250 Siehe die Leitentscheidung BVerfGE 2, 213 ff. Siehe zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 72 Abs. 2 a. F. GG z. B. Degenhart, in: Sachs, Art. 72 Rn. 9; Oeter, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 72 Rn. 31 ff. jeweils m. w. N. 251 Vgl. BVerfGE 106, 62, 135 ff. 252 Vgl. nur Oeter, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 72 Rn. 35 f.

C. Anmerkungen zum Vorschlag

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des Bundes nach Abs. 1 zu den übrigen in Art. 84 GG normierten und auch zu der Möglichkeit der Selbstkoordinierung der Länder stehen. Klarstellung wäre auch dahingehend angebracht, ob mit der Bezugnahme auf ein „besonderes“ Bedürfnis nach bundeseinheitlicher Regelung nicht nur eine enge Auslegung der Voraussetzungen der Inanspruchnahme der Bundesgesetzgebungskompetenz nach Satz 4 nahegelegt werden soll, sondern auch ein qualitativer Unterschied zu einem „schlichten“ Bedürfnis gemeint ist und welche Kriterien einer solchen Beurteilung zugrunde zu legen sind. 3. Das Zustimmungsrecht des Bundesrates nach Art. 84 Abs. 1 Satz 5 – neu – GG Satz 5 des Art. 84 Abs. 1 – neu – GG normiert für abweichungsfeste bundesgesetzliche Regelungen des Verwaltungsverfahrens nach Satz 4 ein Zustimmungsrecht des Bundesrates. Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Satz 4 ist damit nicht nur durch die Schaffung besonderer Voraussetzungen für ihre Inanspruchnahme, sondern auch durch die Statuierung eines Zustimmungserfordernisses beschränkt. Widerspruchsfrei ist dies nicht, wenn man davon ausgeht, dass die Zuweisung einer Gesetzgebungskompetenz an den Bund unter bestimmten Voraussetzungen die Länder schon ausreichend vor Eingriffen in ihren Kompetenzbereich schützt (vgl. Art. 72 Abs. 2 GG). Eines Zustimmungsrechts des Bundesrates bedarf es dann eigentlich nicht mehr. Satz 5 des neuen Art. 84 Abs. 1 GG geht aber einen anderen Weg. Zwangsläufig stellt sich die Frage nach dem Umfang der Zustimmungskompetenz des Bundesrates und der Aufrechterhaltung oder Verwerfung der Einheitsthese. Gilt für Art. 84 Abs. 1 Satz 4 und 5 – neu – GG weiterhin die Einheitsthese, eröffnet sich für die Landesregierungen dann, wenn in einem Mischgesetz gleichzeitig abweichungsfeste Verwaltungsverfahrensregelungen vorgesehen sind, über das Zustimmungsrecht des Bundesrates weiterhin eine Einflussmöglichkeit auch auf den materiell-rechtlichen Inhalt des Gesetzes – und auf abweichungsoffene Einrichtungs- und Verwaltungsverfahrensregelungen nach Satz 2, HS. 2 des neuen Abs. 1 des Art. 84 GG. Das aus der Anerkennung eines sekundären Vetobereichs resultierende Verflechtungsproblem würde sich damit reproduzieren. Dass sich bei der Normierung eines zustimmungsbedürftigen „Rückholrechts“ des Bundes das „Problem der Einheitsthese“ wieder stellt, ist im Verlauf der Beratungen der Kommission zwar angesprochen worden.253 In den Formulierungsvorschlägen der Bundesregierung254 war die Zustimmung 253 Vgl. Schmidt-Jortzig, AU 29 v. 27.1.2005, S. 4; H. Meyer, 2. Sitzung der AG 1, 12.2.2004, ProtVerm., S. 17.

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6. Abschn.: Vorschlag für eine Neufassung des Art. 84 Abs. 1 GG

des Bundesrates dem Wortlaut nach auch nur auf die verbindlichen bundesgesetzlichen (Einrichtungs- und) Verfahrensregelungen bezogen. Der Vorschlag der Vorsitzenden griff diese Formulierungen aber in dieser Hinsicht nicht auf. Eine textliche Klarstellung ist in Satz 5 der Neuregelung nicht erfolgt.255 „Diese Gesetze“, die das Verwaltungsverfahren ohne Abweichungsmöglichkeit für die Länder regeln, können vom Wortlaut her wiederum die Gesetze als Ganzes meinen oder auch die einzelne Vorschrift, die eine abweichungsfeste Verwaltungsverfahrensregelung normiert. Sinn und Zweck des Zustimmungsrechts des Bundesrates nach Art. 84 Abs. 1 Satz 5 – neu – GG legen aber eine Interpretation nahe, die nur die Schaffung einer abweichungsfesten Verfahrensvorschrift vom Zustimmungserfordernis des Bundesrates abhängig macht. Anders als nach Art. 84 Abs. 1 GG geltender Fassung ist das Zustimmungsrecht des Bundesrates nicht mehr bezogen auf jede Verwaltungsverfahrensregelung, denn diese kann der Bund nach Satz 2, HS. 1 der Neuregelung auch ohne Zustimmung des Bundesrates treffen. Zustimmungsbedürftig ist nur die Normierung einer abweichungsfesten Verwaltungsverfahrensregelung. Es stellt sich damit die Frage, ob und in welcher Form im Anwendungsbereich des Art. 84 Abs. 1 Satz 4 und 5 – neu – GG damit Raum für die Praktizierung einer Trennungsthese besteht. Die hier vertretene Differenzierung innerhalb eines Gesetzesbeschlusses baut darauf auf, dass der Bundestag seinen Willen zu erkennen gibt, ein Mischgesetz bei fehlender Zustimmung des Bundesrates auch ohne die zustimmungsbedürftigen Bestimmungen Gesetz werden lassen zu wollen. Auf die Neuregelung übertragen bedeutet dies, dass der Bundestag in seinem Gesetzesbeschluss nach Art. 77 Abs. 1 Satz 1 GG zum Ausdruck bringen müsste, dass er ein Mischgesetz mit seinen materiell-rechtlichen und organisations- und verfahrensrechtlichen Vorschriften nach Satz 2, HS. 2 des Art. 84 Abs. 1 – neu – GG will, auch wenn der Bundesrat seine Zustimmung zu den abweichungsfesten Verwaltungsverfahrensregelungen nicht erteilt.256 Es drängt sich allerdings die Frage auf, ob ein solches Vorgehen 254 Vgl. PAU 1-0008 – neu –, S. 2 (Variante A), S. 7 (Variante B), S. 10 (Variante C). 255 Für eine Abkehr von der Einheitsthese bei bundesrechtlichen Sperr-Regelungen im Verlauf der Beratungen Scholz, AU 24 v. 29.1.2004, S. 1 mit Formulierungsvorschlag auf S. 2. Siehe auch den Formulierungsvorschlag von Scharpf, AU 25 v. 25.1.2004, S. 1, der aber insoweit nicht eindeutig ist. Deutlicher wieder der Formulierungsvorschlag von Schneider, AU 26 v. 30.1.2004, S. 1. Siehe auch den Formulierungsvorschlag von Benz, AU 28 v. 4.2.2004, S. 5. 256 Denkbar ist auch, dass der Bundestag seinen Gesetzesbeschluss dahingehend fasst, dass er im Fall der Zustimmungsverweigerung nur den Ausschluss der Abweichungskompetenz der Länder aus dem Gesetz ausgeschieden wissen will, die Verfahrensvorschrift aber als abweichungsoffene weiterhin erhalten möchte. Ein solches Vorgehen ist allerdings unter taktischen Gesichtspunkten wenig erfolgversprechend,

C. Anmerkungen zum Vorschlag

405

noch plausibel ist, wenn abweichungsfeste Verfahrensregelungen nur unter der Voraussetzung geschaffen werden können, dass ein „besonderes Bedürfnis nach bundeseinheitlicher Regelung“ vorliegt, konkret, ob sich der Bundestag mit einer Differenzierung, die das Zustandekommen ohne die jeweilige abweichungsfeste Verwaltungsverfahrensregelung ermöglichen soll, nicht in Widerspruch zur Behauptung des Vorliegens eines besonderen Bedürfnisses nach bundeseinheitlicher Regelung setzt. Die Beantwortung der Frage hängt entscheidend von der Interpretation der Voraussetzung des Vorliegens eines „besonderen Bedürfnisses nach bundeseinheitlicher Regelung“ ab. Jedenfalls kann dieses nicht dahingehend ausgelegt werden, dass der Bund nach Satz 4 grundsätzlich verpflichtet ist, abweichungsfeste Verwaltungsverfahrensregelungen zu erlassen, wenn ein besonderes Bedürfnis nach bundeseinheitlicher Regelung besteht.257 Auch bei Vorliegen der Voraussetzungen für die Schaffung abweichungsfester Verwaltungsverfahrensregelungen muss der Bund sein anzuerkennendes Gestaltungsermessen in der Weise ausüben können, dass er eine abweichungsfeste Verwaltungsverfahrensvorschrift nicht erlässt bzw. ein Mischgesetz bei Verweigerung auch ohne diese zustande kommen lassen will. Scheitern die abweichungsfesten Verwaltungsverfahrensvorschriften, bleibt es den Ländern überlassen, die Wirksamkeit des Vollzugs ggf. auch durch Selbstkoordinierung sicherzustellen. Besteht unbestrittenermaßen ein Bedürfnis nach bundeseinheitlicher Regelung, haben die im Bundesrat vertretenen Landesregierungen hieran aber möglicherweise gerade kein Interesse. Eine Differenzierung ist der Bundesregierung bzw. der Bundestagsmehrheit daher anzuraten, will sie ihre Ausgangsposition gegenüber dem Bundesrat nicht dadurch schwächen, dass sie sich auf eine integrierte Kodifikation frühzeitig festlegt. Denkbar ist weiterhin – unter Geltung der Einheitsthese – auch eine formelle Teilung des Gesetzes, nach hier vertretener Auffassung auch noch im Vermittlungsverfahren. Unproblematisch ist ein solcher in Kauf genommener Verzicht auf abweichungsfeste Verwaltungsverfahrensvorschriften jedoch nicht, da sich der Bund möglicherweise den Weg für ein nachträgliches gesetzliches Eingreifen versperrt, wenn er später für dieses ein „besonderes Bedürfnis nach bundeseinheitlicher Regelung“ nicht begründen kann. Die Praktizierung einer Trennungsthese und/oder die Aufspaltung eines Mischgesetzes stellen jedoch auch im Anwendungsbereich des Art. 84 Abs. 1 Satz 4 und 5 – neu – GG die entscheidenden Möglichkeiten dar, um da gegenüber dem die Verweigerung der Zustimmung androhenden Bundesrat dann kaum mehr ein Druckmittel in der Hand verbleibt. 257 In dieser Interpretation würde auch das Zustimmungsrecht des Bundesrates wenig Sinn machen, wenn man davon ausgeht, dass ihn in solchen Fällen aus dem Prinzip der Verfassungsorgantreue eine Pflicht zur Zustimmungserteilung trifft.

406

6. Abschn.: Vorschlag für eine Neufassung des Art. 84 Abs. 1 GG

normzweckinadäquates Begründungsverhalten des Bundesrates bei der Ausübung seiner Zustimmungskompetenzen zu verhindern und den Einfluss des Bundesrates auf zustimmungsfreie Gesetzesmaterien auszuschließen bzw. zu verringern. 4. Zusammenfassung Die Rückholklausel des Bundes nach Satz 4 und 5 des Art. 84 Abs. 1 – neu – GG bietet bei Anwendung der Einheitsthese dem Bundesrat weiterhin die Möglichkeit, seinen Einfluss auf einen sekundären Vetobereich auszubauen. Bundesregierung und Bundestagsmehrheit können dem durch Differenzierung zwischen zustimmungsbedürftigen und zustimmungsfreien Normen eines Mischgesetzes entgegentreten. Dieses Vorgehen ist zwar durch die Voraussetzung eines „besonderen Bedürfnisses“ für das Aufstellen abweichungsfester Verwaltungsverfahrensvorschriften mit einem Widerspruch behaftet. Dieser muss aber, will man dem Gesetzgeber nicht jeglichen Gestaltungsspielraum nehmen, auflösbar sein. Inwieweit sich die Bedürfnisklausel in der jetzt vorgeschlagenen, wenig konkreten Fassung tatsächlich beschränkend auf die Inanspruchnahme der Bundesgesetzgebungskompetenz nach Satz 4 auswirken wird, ist kaum abzuschätzen. Dies hängt zum einen entscheidend von der Interpretation der Vorschrift durch das Bundesverfassungsgericht ab. Zum anderen dürfte es aber dann über die Voraussetzung des Vorliegens eines „besonderen Bedürfnisses nach bundeseinheitlicher Regelung“ in der Gesetzgebungspraxis regelmäßig nicht zum Konflikt kommen, wenn der Bundesrat unter Weitergeltung der Einheitsthese über das Zustimmungsrecht in Satz 5 der Neufassung die willkommene Möglichkeit erhält, Einfluss auch auf die zustimmungsfreien Vorschriften eines Gesetzes auszuüben und an der Feststellung eines Bedürfnisses für die Schaffung zustimmungsbedürftiger Verwaltungsverfahrensvorschriften daher gerade ein Interesse hat. Die Regelung des Art. 84 Abs. 1 Satz 4 und 5 – neu – GG lädt Bundestagsmehrheit und Bundesrat in jedem Fall zu vielfachem Taktieren ein. Bei divergierenden Mehrheiten in beiden Kammern wird sich das in diesem „Rückholrecht“ des Bundes mit Zustimmung des Bundesrates verbergende Verflechtungspotential mit großer Wahrscheinlichkeit auswirken.

III. Ergebnis Die Neufassung des Art. 84 Abs. 1 GG beinhaltet mit der Einräumung von Zugriffsrechten für die Länder und der Abschaffung der Zustimmungskompetenz des Bundesrates in Bezug auf Einrichtungs- und Verwaltungsverfahrensregelungen des Bundes Entflechtungspotential. Dieses wird durch

C. Anmerkungen zum Vorschlag

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die Schaffung eines an die Zustimmung des Bundesrates gekoppelten „Rückholrechts“ des Bundes jedoch nicht unerheblich vermindert, wenn in dessen Anwendungsbereich weiterhin die Einheitsthese gilt. Es ist mit der Neufassung des Art. 84 Abs. 1 Satz 4 und 5 GG jedenfalls nicht gelungen, die verfassungstextlichen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass der Bundesrat sein ihm eingeräumtes Zustimmungsrecht möglichst zweckentsprechend bzw. normzweckadäquat ausübt.258 Dieses Ziel wurde im Verlauf der Beratungen, nachdem man sich von einer Lösung über eine klare Festschreibung der Trennungsthese – sei es im Art. 84 Abs. 1 GG, sei es in Art. 77 GG – gedanklich verabschiedet hatte, bei der Ausgestaltung des neuen Art. 84 Abs. 1 GG insgesamt weitgehend aus den Augen verloren. Die Struktur des geltenden Art. 84 Abs. 1 GG, der den aus der funktionalen Kompetenzverteilung im Bundesstaat des Grundgesetzes resultierenden Koordinationsbedarf konsequent auffängt, wurde dabei aufgebrochen, ohne dass die hieraus erwachsenden Widersprüche bisher zufrieden stellend aufgelöst worden sind. Man muss nicht so weit gehen wie Schmidt-Jortzig, der durch die Neuregelung „eine Verunklarung unabsehbaren Ausmaßes“259 prophezeit. Zwar hat die Neufassung ein dahingehendes Potential. Dies lässt aber eher befürchten, dass Bundesregierung und Bundestag auf der einen und die Landesregierungen im Bundesrat auf der anderen Seite in der Praxis Lösungen suchen werden, die möglicherweise zur erhofften Klarheit in der Zurechnung von Verantwortlichkeiten gerade nicht beitragen. Die praktischen Schwierigkeiten, die die Umsetzung einer hier für richtig gehaltenen Trennungsthese im Anwendungsbereich des geltenden Art. 84 Abs. 1 GG mit der geforderten Differenzierung zwischen zustimmungsfreien materiell-rechtlichen und zustimmungsbedürftigen organisations- und verfahrensrechtlichen Regelungen mit sich bringt, erscheinen im Übrigen als nicht weniger schwer überwindbar als die mit der geplanten Schaffung von Zugriffsrechten der Länder zu erwartenden Probleme von Normenkollisionen und Rechtsunsicherheit. Die Abkehr von der Einheitsthese bleibt – neben einer kompletten Abschaffung der Ingerenzrechte des Bundes nach Art. 84 Abs. 1 GG – die systemgerechte Lösung für die Eingrenzung der verfassungsungewollten Ausdehnung des sekundären Vetobereichs des Bundesrates. Auch im Anwendungsbereich von Satz 4 und 5 des neuen Art. 84 Abs. 1 GG kann nur eine Trennungsthese eine Eingrenzung der Vetoposition des Bundesrates herbeiführen. 258

Dies gilt auch für den erst zu einem späteren Zeitpunkt der Verhandlungen über die Föderalismusreform eingefügten neuen Zustimmungstatbestand des Abs. 1 Satz 3 des Art. 84 GG n. F. 259 Schmidt-Jortzig, ZG 2005, 16, 22.

408

6. Abschn.: Vorschlag für eine Neufassung des Art. 84 Abs. 1 GG

D. Anmerkungen zum Zustimmungstatbestand des neuen Art. 104a Abs. 3a GG Schon eine erste Auseinandersetzung mit Art. 84 Abs. 1 – neu – GG führt hier zu dem Ergebnis, dass die von der Kommission mit der Reform des Art. 84 Abs. 1 GG angestrebten Entflechtungsgewinne keinesfalls als sicher angenommen werden können. Das mit der Neufassung des Art. 84 Abs. 1 GG angestrebte Ziel, die Anzahl zustimmungsbedürftiger Gesetze erheblich zu verringern,260 droht jedoch zusätzlich ganz erheblich konterkariert zu werden durch den zu Kompensationszwecken eingefügten neuen Zustimmungstatbestand des Art. 104a Abs. 3a GG.261 Der apodiktischen Forderung der Landesregierungen262 nach einem Ausgleich für den Verlust von Einflussmöglichkeiten auf die materiell-rechtlichen Vorschriften eines nach Art. 84 Abs. 1 GG – unter Zugrundelegung der Einheitsthese insgesamt – zustimmungsbedürftigen Gesetzes hat man sich wohl in erster Linie im Interesse der Ermöglichung eines Kompromisses trotz nicht verstummender Kritik263 an einer derartigen Vorschrift nicht widersetzt. Dass der neue Art. 104a Abs. 3a GG sich in die Bestimmung des Art. 104a GG noch nicht widerspruchsfrei einfügt, wurde bereits angedeutet.264 Dass die vorgeschlagene Neuregelung für die Länder auch nicht unbedingt eine befriedigende Lösung der Kostenfrage garantiert, soll hier nicht weiter vertieft werden.265 Art. 104a Abs. 3a – neu – GG ist vielmehr gerade deswegen prekär, weil er das in Art. 84 Abs. 1 GG geltender Fassung angelegte Problem einer Ausweitung des sekundären Vetobereichs des Bundesrates und des damit verbundenen normzweckinadäquaten Abstimmungsverhaltens im Kontext der Finanzverfassung reproduziert. Der Bund hat dieses Problem erkannt und lange auf einer textlichen Klarstellung einer Trennungsthese im neuen Art. 104a Abs. 3a GG beharrt.266 Das Zustimmungserfordernis sollte sich nur auf die zustimmungsauslösen260

Vgl. z. B. Schön, 5. Sitzung der AG 2, 14.5.2004, ProtVerm., S. 15. Vgl. zur Absicht der PG 6, genau dies zu verhindern, Runde, 6. Sitzung der AG 2, 19.10.04, ProtVerm., S. 26; ders., 10. Sitzung der Kommission, 4.11.2004, StenBer., S. 256. Siehe auch Benz, PVS 2005, 204, 210. 262 Vgl. z. B. Scherf, 1. Sitzung der Kommission, 7.11.2003, StenBer., S. 18; Teufel, 2. Sitzung der Kommission, 28.11.2003, StenBer., S. 27; Hoffmann, 3. Sitzung der AG 2, 12.2.2004, ProtVerm., S. 11. Unterstützt wurde die Forderung auch von anderer Seite, siehe z. B. von der Bundestags(oppositions-)seite Tillmann, 3. Sitzung der AG 2, 12.2.2004, ProtVerm., S. 12. 263 Vgl. z. B. Friedrich, 3. Sitzung der AG 2, 12.2.2004, ProtVerm., S. 17; ders., 10. Sitzung der Kommission, 4.11.2004, StenBer., S. 259. 264 Siehe oben in diesem Abschnitt B. III. 265 Vgl. z. B. H. Meyer, 6. Sitzung der AG 2, 29.10.2004, ProtVerm., S. 27; F. Kirchhof, 6. Sitzung der AG 2, 29.10.2004, ProtVerm., S. 29 f. 261

D. Anmerkungen zum Zustimmungstatbestand

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den, also die kostenverursachenden Bestimmungen eines Mischgesetzes, nicht die übrigen materiellen Vorschriften beziehen. Dem widersetzte sich die Länderseite, die eine vollständige Kompensation des – zwischenzeitlich drohenden vollständigen – Verlusts des Zustimmungsrechts in Art. 84 Abs. 1 GG anstrebte, erwartungsgemäß. Die Zustimmungsbedürftigkeit eines Mischgesetzes nach Art. 84 Abs. 1 GG hat der Bundesrat bisher, auch wenn dies in den Verhandlungen der Kommission vielfach aus dem Blick zu geraten schien, keineswegs ausschließlich oder auch nur schwerpunktmäßig dazu genutzt, Einfluss auf die Kostenfolgen von Gesetzen zu nehmen. Vielmehr bot der Zustimmungstatbestand des Art. 84 Abs. 1 GG die Möglichkeit zur Einflussnahme auf die materiell-rechtlichen Vorschriften gerade unter allgemeinpolitischen Aspekten267 und damit einen Einstieg für den parteipolitisch motivierten Wettbewerb zwischen Bundestags- und Bundesratsmehrheit.268 Die „Beschränkung der Mitwirkung des Bundesrates auf den Teil der Kostenregelung eines Gesetzes gemäß der Trennungstheorie“ bezeichnete der hessische Ministerpräsident Koch in der Endphase der Verhandlungen daher konsequenterweise als „auf Länderseite nicht mehrheitsfähig“269. Der Vorentwurf der Vorsitzenden für eine Beschlussempfehlung jedenfalls normiert ein Zustimmungserfordernis, „wenn“ die Bundesgesetze bestimmte Kosten verursachen, womit dem Wortlaut nach die Anwendung einer Trennungsthese zumindest nicht ausgeschlossen, aber auch nicht klargestellt ist. Sinn und Zweck des in Art. 104a Abs. 3a – neu – GG normierten Zustimmungsrechts des Bundesrates ist es, auch nach vielfachem Bekunden der Länderseite, die finanziellen Interessen der Länder zu schützen. Die Erstreckung des Zustimmungserfordernisses auf solche Bestimmungen eines Gesetzes, die nicht kostenverursachend sind, fordert die Ratio auch des neuen Zustimmungstatbestandes nicht. Eine Auslegung im Sinne einer Trennungsthese ist demnach auch in Art. 104a Abs. 3a – neu – GG denkbar. 266 Siehe Halsch, 2. Sitzung der PG 6, 1.7.2004, ErgVerm., S. 2 f.; ders., 4. Sitzung der PG 6, 30.9.2004, ErgVerm., S. 2; Runde, 5. Sitzung der PG 6, 11.10.2004, ErgVerm., S. 2; Halsch, 5. Sitzung der PG 6, 11.10.2004, ErgVerm., S. 2; ders., 6. Sitzung der AG 2, 29.10.2004, ProtVerm., S. 29. Vgl. PAU-6/0010. Siehe dann Runde, 6. Sitzung der PG 6, 22.10.2004, ErgVerm., S. 3; ders., 10. Sitzung der Kommission, 4.11.2004, StenBer., S. 256 f., wonach die Bundesseite „mangels Praktikabilität aufgrund bisheriger Erfahrungen“ die Anwendung der Trennungstheorie aufgegeben habe. Vgl. auch Scharpf, 4. Sitzung der AG 2, 1.4.2004, ProtVerm., S. 22; ders., AU 59 v. 14.4.2004, der eine textliche Klarstellung einer Trennungsthese befürwortete. Siehe auch Benz, AU 62 v. 25.4.2004. 267 Vgl. hierzu nochmals Limberger, S. 70 ff. Siehe dazu oben Erster Abschnitt C. IV. 2. 268 Vgl. auch Kröning, RuP 2004, 201, 204. 269 Koch, 5. Sitzung der PG 6, 11.10.2004, ErgVerm., S. 2.

410

6. Abschn.: Vorschlag für eine Neufassung des Art. 84 Abs. 1 GG

Wenn die Regierungsmehrheit sich zu einer konsequenten Anwendung einer Trennungsthese oder einer Inanspruchnahme der Möglichkeiten der Teilung von Gesetzen im Anwendungsbereich von Art. 104a Abs. 3a – neu – GG nicht durchringt, wird parteipolitisch motiviertes Abstimmungsverhalten im oppositionsdominierten Bundesrat in Zukunft hier und im Anwendungsbereich des neuen Art. 84 Abs. 1 Satz 4 und 5 GG ansetzen können. Die Schwierigkeiten der Abgrenzung zwischen materiellem Recht und organisations- und verfahrensrechtlichen Vorschriften in Art. 84 Abs. 1 GG geltender Fassung, die die Bestimmung anfällig gemacht haben für politische Verhandlungslösungen, bestehen in Art. 104a Abs. 3 – neu – GG in Form der tatbestandlichen Unklarheiten hinsichtlich des Begriffes der geldwerten Sachleistungen fort. Dieser macht schon jetzt eine umfangreiche Begleiterklärung erforderlich.270 Zudem wird – und dies schränkt die Möglichkeit einer konsequenten Anwendung einer Trennungsthese zugegebenermaßen ein – eine Differenzierung zwischen zustimmungsfreien und nach Art. 104a Abs. 3a – neu – GG zustimmungsbedürftigen Normen innerhalb eines Mischgesetzes schwieriger sein als im geltenden Art. 84 Abs. 1 GG die Unterscheidung zwischen materiell-rechtlichen und organisations- und verfahrensrechtlichen Vorschriften. Auf letztere ggf. zu verzichten, macht regelmäßig nicht die Umsetzung eines politischen Vorhabens unmöglich. Dies ist bei kostenverursachenden Gesetzen i. S. d. Art. 104a Abs. 3a – neu – GG aber wahrscheinlich gerade selten(er) der Fall. Die Regierungsmehrheit wird weniger über die Ankündigung eines Verzichts auf die kostenverursachenden Vorschriften Handlungsspielraum gewinnen. Vielmehr wird entscheidend sein, inwieweit sie bereit und in der Lage ist, durch die Übernahme von Kosten durch den Bund die Zustimmung des Bundesrates zu erreichen. Welche Möglichkeiten der Bund hat, durch eine Kostenübernahme schon den Anwendungsbereich des Art. 104a Abs. 3a – neu – GG zu umgehen, wird davon abhängen, ob und in welcher Form der Widerspruch des neuen Abs. 3a zu Satz 1 der geltenden Fassung des Abs. 3 noch aufgelöst wird. Die Koalitionsarbeitsgruppe zur Föderalismusreform hat mit ihrem modifizierten Vorschlag nur den Widerspruch zu Satz 2 des Art. 104a Abs. 3 GG beseitigt. Mehr als optimistisch dürfte es jedenfalls im Ergebnis sein, wenn der Begleittext zu Art. 104a Abs. 3a – neu – GG davon ausgeht, dass sich mit der Neuregelung von Art. 84 Abs. 1 GG und der Schaffung des neuen Zustimmungstatbestandes die Zustimmungsquote von 60 auf 35 bis 40 Prozent reduziert. Auch verdeckt diese Bezugnahme auf Prozentzahlen, dass das eigentliche Problem der Ausweitung der Zustimmungskompetenzen des Bundesrates nicht allein in der Anzahl zustimmungsbedürftiger Bundes270

Vgl. Schmidt-Jortzig, ZG 2005, 16, 23.

E. Folgerungen aus dem Scheitern der Kommission

411

„gesetze“ begründet ist, sondern in der Ausdehnung der Zustimmungskompetenzen des Bundesrates auf einen sekundären Vetobereich. Diesen einzudämmen und damit der grundgesetzlichen Differenzierung zwischen Einspruchs- und Zustimmungsgesetzen zur Wirksamkeit zu verhelfen, ist der Kommission mit der Neufassung des Art. 84 Abs. 1 GG und der damit verbundenen Schaffung eines neuen Zustimmungstatbestandes nach Art. 104a Abs. 3a – neu – GG nicht gelungen. Auch insoweit ist die Bundesstaatskommission gescheitert.

E. Folgerungen aus dem Scheitern der Kommission Die politikwissenschaftliche Literatur hat das Scheitern der Bundesstaatskommission unter anderem damit erklärt, dass eine vor Einstieg in die Detailarbeit notwendige handlungsleitende Debatte darüber, wie die bundesstaatliche Ordnung des Grundgesetzes in Zukunft tatsächlich aussehen soll, nicht geführt worden ist.271 Im Verlauf der Verhandlungen sind Reformkonzepte der – nicht als Real-, sondern als Idealtypen zu verstehenden – „Flexibilisierer“ auf der einen und der „Wettbewerbsföderalisten“ auf der anderen Seite aufeinandergestoßen272, ohne dass man sich Klarheit darüber verschafft hätte, welchem „Föderalismusleitbild“ zu folgen ist. Einig war man sich nur in einem Minimalziel der „Entflechtung“ föderaler Strukturen zum Zweck der Stärkung der Eigenverantwortlichkeit und Handlungsfähigkeit von Bund und Ländern.273 Die eine Seite hatte dabei eher eine „bereichsspezifische“ Entflechtung vor Augen, verfolgte also das Ziel der Effizienzsteigerung innerhalb bestehender Strukturen unter grundsätzlicher Beibehaltung des Beteiligungsföderalismus. Insbesondere die Bundes(regierungs-)seite betrachtete Entflechtung in diesem Sinne als Mittel zur Flexibilisierung, d. h. insbesondere zum Abbau von Entscheidungsblockaden durch die Landesregierungen im Bun271 Vgl. Sturm, PVS 2005, 195, 196 ff. Vgl. Benz, PVS 2005, 204, 205. Krit. zur Arbeitsweise der Kommission schon früh Hahn, 2. Sitzung der Kommission, 28.11.2003, StenBer., S. 47 angesichts der frühen Verteilung der Arbeit auf Untergruppen: „Ist es nicht klüger, dass dieses Gremium, bevor die Arbeitsgruppen beginnen, sagt, wohin die Reise zu gehen hat? Oder aber ist hier der Arbeitsstil gewünscht – ich finde ihn ausgesprochen suboptimal – dass man zunächst arbeiten lässt – wir lassen Staatssekretäre, Direktoren, Ministerialräte und was nicht alles arbeiten – und wir uns erst am Ende überlegen, wie wir denn die Macht neu verteilen wollen? Ich halte das für eine Zeitvernichtung, und zwar auf hohem Niveau.“ Auch die Dokumentation zur Arbeit der Bundesstaatskommission enthält – dies ist symptomatisch – nur eine themenbezogene Zusammenstellung. 272 Vgl. zu den Begriffen Jun, ZParl 2004, 559, 569; ebenso Sturm, PVS 2005, 195, 197. 273 Vgl. Benz, PVS 2005, 204, 205. Siehe schon Jun, ZParl 2004, 559, 569.

412

6. Abschn.: Vorschlag für eine Neufassung des Art. 84 Abs. 1 GG

desrat, zum Zweck der Herstellung von mehr Regierungsfähigkeit.274 Auf der anderen Seite hatte man das Bild eines – allerdings abgeschwächten275 – Wettbewerbsföderalismus vor Augen, der Vielfalt und ökonomische Effizienz produzieren und daher insbesondere den Ländern mehr autonome Gestaltungsmöglichkeiten zuweisen soll, ohne allerdings die schwächeren Länder zu überfordern.276 Insbesondere Landtagsabgeordneten und Oppositionsabgeordneten des Bundestages ging es dabei um die Verwirklichung von mehr Subsidiarität und Dezentralisierung.277 Diese – mit den Schlagwörtern „Einheit in der Vielfalt“ und „Vielfalt in der Einheit“278 – nur grob umrissenen „Föderalismusleitbilder“ der „Flexibilisierer“ und der „Wettbewerbsföderalisten“ trafen in der Bundesstaatskommission offen oder verdeckt aufeinander; widerspruchsfrei verknüpfen ließen sie sich nicht.279 Und indem der „Leitbildkonflikt“280 nicht grundsätzlich aufgelöst, sondern nur themenspezifisch und jeweils isoliert ausgetragen wurde, verlor man sich in einem in erster Linie machtpolitisch definierten „Bargaining um Gewinne und Verluste“281, das die von allen Seiten eigentlich angestrebten klaren Lösungen kompromissuntauglich werden ließ. Die dem schon vorab verabredeten „Tauschgeschäft“ – mehr (ausschließliche) Gesetzgebungskompetenzen für die Länder gegen einen Verzicht auf Zustimmungsrechte über den Bundesrat282 – zugrunde liegenden Zusammenhänge gerieten offenbar gerade im Bereich des Art. 84 Abs. 1 GG aus dem Blick. Das „Minimalziel“ Entflechtung ließ sich im Anwendungs274 Vgl. Jun, ZParl 2004, 559, 569 f. Die Bundesregierungsseite lehnte generelle Zugriffsrechte für die Länder ab, bot dagegen eine weitergehende Einräumung von Öffnungs- und Experimentierklauseln an. Spielräume für abweichende Regelungen sollten also auf einzelne Materien bezogen und für den jeweiligen Fall geschaffen werden. Der Bund forderte zu seinen Gunsten eine Lockerung im Anwendungsbereich des Art. 72 Abs. 2 GG. Mischfinanzierungen sollten abgebaut, aber nicht komplett abgeschafft werden. Mitwirkungsrechte der Länder im Anwendungsbereich des Art. 23 GG sollten eingeschränkt werden. 275 Dass es für die Etablierung eines reinen Wettbewerbsföderalismus schon an der Voraussetzung der Chancengleichheit der Gliedstaaten fehlt, war allgemeine Ansicht auch in der Kommission. 276 Vgl. Jun, ZParl 2004, 559, 568 f. 277 Die Landesvertreter forderten mehr ausschließliche Gesetzgebungskompetenzen für die Länder, einen Verzicht auf die Rahmengesetzgebungskompetenz auf Bundesseite, eine Stärkung der Länder im Anwendungsbereich der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz, einen Verzicht auf Ingerenzrechte nach Art. 84 Abs. 1 GG, eine gänzliche Streichung der Gemeinschaftsaufgaben. 278 So Sturm, PVS 2005, 195, 197. Siehe auch Lütkes, NDVÖPV 2004, 399, 402. 279 Vgl. hierzu Sturm, PVS 2005, 195, 197 f. 280 Sturm, PVS 2005, 195, 199. 281 Benz, PVS 2005, 204, 209. 282 Siehe nur Benz, PVS 2005, 204, 208.

E. Folgerungen aus dem Scheitern der Kommission

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bereich des Art. 84 Abs. 1 GG schon deswegen weder für die Bundesseite noch für die Länderseite zufriedenstellend verwirklichen, weil mit der Trennung von Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenzen im grundgesetzlichen Bundesstaat, die man schon historisch bedingt zu keinem Zeitpunkt aufzugeben gedachte283, eine Verbindung der staatlichen Ebenen von Bund und Ländern grundsätzlich etabliert ist, die nach Koordination verlangt. Man kann die Anzahl der Koordination erfordernden Fälle verringern, indem man den Ländern Gegenstände insbesondere der konkurrierenden und der Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes zur ausschließlichen Wahrnehmung überträgt und das Gewicht des Bundes im Bereich der Gesetzgebung damit reduziert. Wäre dies gelungen, hätte eine Reformierung des Art. 84 Abs. 1 GG an Dringlichkeit verloren. Dies scheiterte aber schon deswegen, weil man sich über die fortbestehende Bedeutung des – die Entwicklung des deutschen Bundesstaates nicht erst seit 1949 bestimmenden – Leitbildes der „einheitlichen“ oder „gleichwertigen“ Lebensverhältnisse284 nicht zuvor in einer grundlegenden Debatte Klarheit verschafft hatte. Je deutlicher jedoch wurde, dass sich die Dominanz des Bundes im Bereich der (materiellen) Gesetzgebung nicht wesentlich würde zurückdrängen lassen285, desto mehr rückte Art. 84 Abs. 1 GG als die Koordinationsnorm der funktionalen Kompetenzverteilung in den Vordergrund. Art. 84 Abs. 1 GG stellt in seiner geltenden Fassung eher „Einheit in der Vielfalt“ als „Vielfalt in der Einheit“ her – und knüpft die Ingerenzrechte des Bundes dabei systemgerecht an die Zustimmung des Bundesrates. Durch eine nach hier vertretener Ansicht richtige und praktisch grundsätzlich auch durchführbare Beschränkung dieses Zustimmungsrechts auf Einrichtungs- und Verfahrensregelungen ließe sich die angesichts der Trennung von Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenzen von der Verfassung für notwendig gehaltene Koordination zwischen Bund und Ländern auch in einer Art und Weise verwirklichen, die das Blockadepotential des zur Mitwirkung an der Gesetzgebung berufenen Bundesrates Sinn und Zweck entsprechend nicht auf materiell-rechtliche Vorschriften erstreckt und damit „verfassungsungewollte“ Verflechtung auflöst. Dieser Weg wurde in der Kommission aber schon früh verworfen. Er widersprach dem von allen Seiten angestrebten, gerade im Anwendungsbereich des Art. 84 Abs. 1 GG aber nicht ausreichend reflektierten Ziel der „Entflechtung“.286 283

Vgl. Benz, PVS 2005, 204, 209. Siehe hierzu im aktuellen Kontext der Bundesstaatskommission den Vortrag von Lütkes, als Ministerin für Justiz, Frauen, Jugend und Familie Vertreterin von Simonis in der Kommission, NDVÖPV 2004, 399, 399 ff. 285 Siehe zu den Gründen speziell für ein Scheitern der Entflechtung im Bereich der materiellen Gesetzgebungskompetenzen z. B. Benz, PVS 2005, 204, 209. 286 Vgl. auch Benz, PVS 2005, 204, 210. 284

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6. Abschn.: Vorschlag für eine Neufassung des Art. 84 Abs. 1 GG

Stattdessen versuchte man, das verabredete Tauschgeschäft zu verwirklichen. Die „Wettbewerbsföderalisten“ konnten jedoch mit ihrer Forderung nach Abschaffung der Bundesgesetzgebungskompetenz für Einrichtung und Verfahren der Landesbehörden nicht durchdringen. Auch insoweit setzte sich das Postulat der „Einheitlichkeit“ durch. In einer großen Kompromisslösung erhielten die Länder „nur“ Zugriffsrechte, die „Flexibilisierer“ auf Bundesseite setzten dagegen ein an bestimmte tatbestandliche Voraussetzungen und verfahrensmäßig weiterhin an das Zustimmungsrecht des Bundesrates gebundenes „Rückholrecht“ durch. Den Landesregierungen kam dies ohnehin entgegen, da sie, ebenso wie die Ministerialbürokratie auf Bundesebene, kaum bereit waren, die Vorteile des Exekutivföderalismus zugunsten von mehr Autonomie der Länder aufzugeben.287 Was Sturm für die gescheiterte Reformierung der Gemeinschaftsaufgaben konstatiert hat, trifft damit auch auf Art. 84 Abs. 1 GG zu: Eine Bestimmung, die, will man konsequent eine Entflechtung der Ebenen von Bund und Ländern realisieren, eigentlich obsolet ist, wird angesichts von Zweifeln im Detail darüber, „was wirklich praktikabel ist“, beibehalten. Um eine Entflechtung auf niedrigerer Stufe zu erreichen, d. h. „um ein komplexes Entscheidungsarrangement durch ein einfaches zu ersetzen, schien sich der paradoxe ‚Ausweg‘ eines noch komplexeren Arrangements anzubahnen“288. Auf diesem Umweg im Anwendungsbereich des Art. 84 Abs. 1 GG (wenn überhaupt) erzielte Entflechtungseffekte wurden aber, und damit geriet die Kommission vollends in die „Politikverflechtungsfalle“289, durch die Schaffung eines neuen Zustimmungstatbestandes wieder zunichte gemacht. Den Landesregierungen wurde hiermit, und das bleibt unverständlich, eine Vetoposition eingeräumt, die sich voraussichtlich wesentlich schwieriger Sinn und Zweck entsprechend eingrenzen lässt als die bisher in 287

Vgl. nur Schultze, APuZ 2005, B 13–14, 13, 18. Sturm, PVS 2005, 195, 199. Vgl. zur Reform der Gemeinschaftsaufgaben die Dokumentation, Zur Sache 1/2005, S. 483 ff. Vgl. auch Schmidt-Jortzig, ZG 2005, 16, 26 f. 289 Vgl. Scharpf, Optionen, S. 44: „Die ‚Politikverflechtungsfalle‘ kann (. . .) beschrieben werden als eine zwei oder mehr Ebenen verbindende Entscheidungsstruktur, die aus ihrer institutionellen Logik heraus systematisch (. . .) ineffiziente und problem-unangemessene Entscheidungen erzeugt, und die zugleich unfähig ist, die institutionellen Bedingungen ihrer Entscheidungslogik zu verändern – weder in Richtung auf mehr Integration noch in Richtung auf Desintegration.“ Ausführlich Scharpf/Reissert/Schnabel, Politikverflechtung, S. 11 ff. Die „Politikverflechtungsfalle“ ist eines der politikwissenschaftlichen Theoreme, mit denen sich die Föderalismusreform erfassen lässt. Zu weiteren Ansätzen siehe Sturm, PVS 2005, 195, 200 ff.; Jun, ZParl 2004, 559, 565. Zum Ansatz von Lehmbruch („Pfadabhängigkeit“) siehe Lehmbruch, in: PVS Sonderheft 32/2001, S. 53, 53 ff. 288

E. Folgerungen aus dem Scheitern der Kommission

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Art. 84 Abs. 1 GG normierte.290 Der Bund hat es versäumt, sich über die Möglichkeiten einer Auslegung des geltenden Art. 84 Abs. 1 GG im Sinne einer Trennungsthese Klarheit zu verschaffen. Den Landesregierungen scheint es dagegen gelungen zu sein, sich ihren umfangreichen sekundären Vetobereich über Zustimmungsrechte des Bundesrates weiterhin zu erhalten. Dessen Bestand drohte angesichts der Tatsache, dass Rechtsprechung und Literatur an der Schwelle zur Abkehr von der Einheitsthese stehen, und auch durch die von der Regierungsmehrheit offenbar zunehmend in Anspruch genommene Möglichkeit der Aufspaltung von Gesetzesvorhaben in Zukunft erheblich beschnitten zu werden. Eine Verfassungsänderung in der vorgeschlagenen Form wird dieser „verfassungsgewollten“ Eingrenzung der Macht des Bundesrates nun – paradoxerweise – wahrscheinlich gerade entgegenwirken.

290

Vgl. auch Schmidt-Jortzig, ZG 2005, 16, 23.

Schluss In seinen abschließenden Worten zum Professorengespräch des Deutschen Landkreistages im März 2005 formulierte Schulze-Fielitz als einer der Gesprächsleiter in Bezug auf das „Scheitern“ oder „Gestrandetsein“ der Kommission zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung, dass als positives Ergebnis am Ende jedenfalls feststehe, dass die Verfassung nicht schlechter geworden und nicht zu sehr instrumentalisiert worden sei.1 Der Erleichterung über die Unmöglichkeit der Einigung über die Föderalismusreform zwischen den politischen Akteuren, die in dieser Stellungnahme zum Ausdruck kommt und durchaus repräsentativen Charakter haben dürfte, ist mit der Ankündigung der Großen Koalition, die Ergebnisse der Bundesstaatskommission umzusetzen, der Boden nun allerdings entzogen. Dass mit der vorgeschlagenen Änderung des Art. 84 Abs. 1 GG die Verfassung „schlechter“ wird, soll hier nicht behauptet werden. Art. 84 Abs. 1 GG als die entscheidende Norm der funktionalen Kompetenzverteilung des grundgesetzlichen Bundesstaates wird aber in jedem Fall komplizierter. In der vorgeschlagenen Neufassung des Art. 84 Abs. 1 GG spiegelt sich, ebenfalls nicht untypisch für die Ergebnisse der Bundesstaatskommission, tatsächlich ein instrumentelles Verhältnis zur Verfassung wider. „Kurz“ ist sie in Art. 84 Abs. 1 – neu – GG ohnehin nicht mehr, „dunkel“2 bleibt sie.3 Dass es einer Änderung des Art. 84 Abs. 1 GG nicht zwingend bedarf, hat die vorliegende Arbeit zu zeigen versucht. Geboten sind eine Änderung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Einheitsthese und eine konsequente Umsetzung einer Trennungsthese in der Gesetzgebungspraxis des Bundes durch die Regierungsmehrheit. Die Möglichkeiten, auf diesem Wege „verfassungsungewollte“ Verflechtung im Beteiligungsföderalismus des unitarischen Bundesstaates aufzulösen, sollten ausgeschöpft werden, bevor eine Norm, die wesentliche Konstruktionsprinzipien dieses Bundesstaates konsequent und systemgerecht zusammenführt, einer Verfassungsänderung mit ungewissen Folgen unterzogen wird. Dass auch bei der 1

Vgl. die Wiedergabe des Gesprächsfazits bei Vorholz, DVBl. 2005, 1022, 1026. Der Spruch „Une constitution doit être courte et obscure“ („eine Verfassung muss kurz und dunkel sein“) wird Napoleon bzw. Sieyès zugeschrieben. Vgl. z. B. Simon, Die Union, 2/2001, S. 49, 50 und Frotscher/Pieroth, Verfassungsgeschichte, § 3 Rn. 84. 3 Vgl. auch Isensee, AöR 115 (1990), 248, 250. 2

Schluss

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hier vorgeschlagenen Trennungslösung die Verantwortung für einen Abbau des sekundären Vetobereichs des Bundesrates weiterhin in erster Linie bei der Regierungsmehrheit auf Bundesebene liegt, wurde deutlich gemacht. Die Bundesregierung als Hauptinitiativberechtigte und der Bundestag als das über die gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheiten verfügende Hauptgesetzgebungsorgan müssen sich zu einer von der Verfassung aus guten Gründen angeordneten Differenzierung zwischen Einspruchs- und Zustimmungsnormen in einem Gesetz und im Gesetzgebungsverfahren durchringen. Fehlt hierzu weiterhin der politische Wille, wird auch die vorgeschlagene Neuregelung des Art. 84 Abs. 1 GG zusammen mit Art. 104a Abs. 3a – neu – GG möglicherweise schnell an Grenzen stoßen. Denn auch die Neuregelung macht das aus der Einheitsthese resultierende spezifische Verflechtungsproblem nicht obsolet. Es wird sich in – mit großer Wahrscheinlichkeit – wiederkehrenden Phasen divergierender Mehrheitsverhältnisse in Bundestag und Bundesrat in Bezug auf die Möglichkeiten der Regierung, ihr gesetzgeberisches Programm gestützt auf die hinter ihr stehende Mehrheit im Bundestag durchzusetzen, weiterhin negativ auswirken. Der Verlauf der Diskussion in der Kommission zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung hat zudem noch eine weitere Erkenntnis zutage gefördert: Eine Aufgabe der Einheitsthese und ein konsequenter Abbau von sekundären Vetopositionen des Bundesrates sind offenbar gerade Voraussetzung für eine erfolgreiche Reform des grundgesetzlichen Föderalismus, soweit man mit dieser eine systematische Stärkung der Eigenstaatlichkeit der Länder durch die Übertragung autonom wahrnehmbarer Kompetenzen erreichen will. Solange man den Landesregierungen die von ihnen ganz selbstverständlich in Anspruch genommenen weit reichenden Zustimmungsrechte gerade auf der Grundlage von Art. 84 Abs. 1 GG auch in Bezug auf die (partei-)politisch interessanten Einspruchsmaterien nicht durch die konsequente Anwendung einer Trennungsthese – „verfassungsgewollt“ – streitig macht, bleiben diese bei jeder Reform gerade auf Machterhalt durch die Absicherung des sekundären Vetobereichs konzentriert. Erst wenn der zu Lasten der Landesparlamente und zugunsten der Landesregierungen aufrechterhaltene – auf der Auslegung des Art. 84 Abs. 1 GG im Sinne der Einheitsthese beruhende – „Kompensationsmechanismus“ nicht mehr funktioniert, dürfte der Weg frei sein für eine Reform der durch die Ausweitung der Zustimmungskompetenzen des Bundesrates bedingten beteiligungsföderalistischen Strukturen des Regierungen-Bundesstaates.

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Sachwortverzeichnis Abstimmungsverhalten 98 ff. – normzweckinadäquates 86 ff., 272, 274, 339, 342, 379, 408 – parteipolitisch motiviertes 98 ff., 119 ff., 410 Abweichungsgesetzgebung siehe Zugriffskompetenz Akzessorietät 173 A-Länder 107 Änderungsgesetze – Zustimmungsbedürftigkeit 50, 167 f., 184, 186 f., 203 ff. anderweitige bundesgesetzliche Regelung (Art. 80 Abs. 2 GG) 49, 52, 53, 82, 92, 201 f., 207 Annextheorie 137, 139 f., 143, 148 f., 164 f., 170 f., 173, 322 siehe auch Gesetzgebungskompetenz Apostille-Verordnung 184, 198 ff., 207, 315 Arbeitsförderungsgesetz 316 f. Aufspaltung von Gesetzen siehe Aufteilung von Gesetzen Aufteilung von Gesetzen 28, 96, 212, 231, 271, 274, 300 ff. – aktive 301 f., 324 f. – reaktive 301, 310, 325 ff. Ausbildungsplatzförderungsgesetz 192, 207 ff., 280, 304, 309, 315, 316 Ausfertigung siehe Gesetzgebungsverfahren Ausfertigungskompetenz siehe Bundespräsident Ausführung von Bundesgesetzen 130 ff., 154 siehe auch Kompetenzverteilung – durch den Bund siehe bundeseigene Verwaltung

– durch die Länder als eigene Angelegenheit 37, 44, 54, 142, 150 ff., 154 ff. – im Auftrag des Bundes 37, 54 ff., 142, 151, 171 Bahnreform 57, 67 Bedürfnisklausel 23, 175, 244, 357, 402, 406 Begründungsverhalten siehe Abstimmungsverhalten Behördeneinrichtung siehe Einrichtung der Behörden Besoldungsrecht 69 f., 90 f. Beteiligungsföderalismus siehe Föderalismus B-Länder 107 Blockade 21, 107, 108, 110, 112, 190, 211, 320, 413 Bonner Verträge 305 f. bundeseigene Verwaltung 23, 37, 54 ff., 67 f., 130, 142, 151, 169, 400 Bundesgesetze 152 – Ausführung siehe dort – Geldleistungsgesetz siehe dort – mit Kostenfolgen 63, 64, 355, 375 f., 379 ff., 408 ff. – Öffnungsklauseln 367 – Vollzug siehe Ausführung von Bundesgesetzen – zustimmungsbedürftige siehe Zustimmungsgesetz Bundesoberbehörden 23, 42, 43, 45, 56 Bundespräsident – Begnadigungsrecht 74

450

Sachwortverzeichnis

– Prüfungskompetenz 276, 277 ff., 284, 285 Bundesrat siehe auch Verfassung des Deutschen Reiches von 1871 – Abstimmungsverhalten siehe dort – Beschlussfassung 33 f., 214, 264 ff. – Blockade siehe dort – Einspruch 31 f., 33, 114, 226, 238 f., 257, 261 f., 264 ff. siehe auch Einspruchsgesetz – Legitimation 27, 99, 123 ff. – Mehrheitsprinzip 33, 96, 243 – Mitwirkung bei der Gesetzgebung 27, 31 ff., 35 – Parteipolitisierung 27, 99 ff. siehe auch Abstimmungsverhalten, parteipolitisch motiviertes – Prüfungsrecht 180 f., 205 – Stimmabgabe 33, 213 f. – Tagesordnung 80 f. – Zusammensetzung 30, 44, 245 – Zustimmung siehe Zustimmungsgesetz Bundesratslösung 42 ff., 100 f., 119, 131, 248 – abgeschwächte 42 f., 143, 147, 149 Bundesratssystem siehe Bundesratslösung Bundesregierung 20 f., 48, 77, 113 f., 116 f., 176, 179 ff., 271 ff., 303 ff., 365, 373, 417 – Erlass von Verwaltungsvorschriften 47 f., 52, 155 – Positionspapier zur Föderalismusreform 347, 367 Bundesstaat siehe auch Föderalismus – Dritte Ebene 24 – Kompetenzverteilung siehe dort – unitarischer 22 ff., 85, 87, 131, 241 ff., 345, 350 Bundesstaatskommission 28, 344 ff. – Aufbau 350 f. – Einsetzungsbeschlüsse 348 f.

– Verfahren 349 f. – Zusammensetzung 349 f. Bundesstaatsprinzip 125 ff., 129, 239, 241, 246 Bundestag 236 f. – Beschlusskompetenz 252, 254, 258, 261 – Gestaltungsfreiheit 233, 252 f., 269, 325, 328 f. Bundestreue 120, 127 Bundesverwaltung siehe bundeseigene Verwaltung Bundeswahlgesetz 152 Bundeswehrverwaltung 55, 65 Bundeszwang 363 Demokratieprinzip 124 ff., 239 divergierende Mehrheitsverhältnisse 19 ff., 98, 106 ff., 113 ff., 186, 190, 193, 303, 344, 406, 417 doppelgesichtige Normen siehe Verwaltungsverfahren Dritte Ebene siehe Bundesstaat Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse 22, 26, 84, 413 siehe auch Gleichartigkeit der Lebensverhältnisse Einheitsthese 25, 28, 85 ff., 178 ff., 271, 357 ff., 403 – gesetzgebungstechnische Einheit 178, 181, 183, 187, 190, 198, 205, 206, 251 ff. – sachbedingte Einheit 184 ff., 198 ff., 206, 232 ff. Einrichtung der Behörden 94, 129, 157 ff., 167, 176, 368 Einspruchsgesetz 32, 34, 36, 42, 45 f., 50, 54, 78 ff., 86, 95, 113, 236, 239, 248 ff., 337 siehe auch Bundesrat, Einspruch Eisenbahnkreuzungsbeschluss 47 ff., 51 f., 92, 203 Eisenbahnverkehrsverwaltung 55, 57

Sachwortverzeichnis Enquete-Kommission des Bayerischen Landtags 355, 367 Enquete-Kommission Verfassungsreform 270, 344, 361, 366 – Bestätigungsrecht 270 f., 359 – Zugriffskompetenz 366 Entflechtung 28, 78, 90, 96, 212, 274, 298, 343, 355, 360, 366, 397, 411 ff. Enumerationsprinzip 34, 47 ff., 50 ff. Erforderlichkeitsklausel 218, 368 f., 371, 384, 402 Europäische Integration 75 f., 348 Europäisches Gemeinschaftsrecht 153 f., 362 – Ausführung 153 f. Europäische Verteidigungsgemeinschaft 107, 305 Finanzausgleich 61, 62, 88, 348 Finanzverfassung 40, 58 ff., 89, 376, 408 – Reform 58 f., 61, 72, 116 Finanzverwaltung 39, 61, 62 Föderalismus – Beteiligungsföderalismus 22, 25, 28, 176, 241, 355 – Flexibilisierer 411 f. – kooperativer 22, 24, 28, 73, 435 – Verbundsföderalismus 22 – Wettbewerbsföderalismus 346, 365, 370, 411 f. – Zweiklassenföderalismus 371, 388 Föderalismusreform siehe Bundesstaatskommission Frankfurter Dokumente 141 Frankfurter Reichsverfassung 133 f. – Kompetenzverteilung 133 f. Geldleistungsgesetz 63 f., 380 Gemeinden 158 f., 176, 348 – Aufgabenübertragung 158 f., 377 f. Gemeinsame Verfassungskommission 344, 347

451

Gemeinschaftsaufgaben 72 f., 91, 348 Gentechnikrecht 311 f. Gesamtnichtigkeit siehe Nichtigkeit von Gesetzen Gesetze – Nichtigkeit von Gesetzen siehe dort – systemverschiebende 42, 53, 54, 65, 68, 145, 235 siehe auch Zustimmungsgesetz – verfassungsändernde 37, 127 Gesetzentwurf siehe Gesetzgebungsverfahren Gesetzestorso 258, 304, 317 siehe auch Aufteilung von Gesetzen Gesetzgebungskompetenz – ausschließliche 68, 236, 401 – des Bundes für Organisation und Verwaltungsverfahren der Länder 148, 169 ff., 322 f., 356, 368, 374 siehe auch Annextheorie – konkurrierende 23, 68, 83, 236, 244, 369 f., 413 – Rahmengesetzgebungskompetenz 23, 215 ff., 236, 244, 373, 413 – Steuergesetzgebungskompetenz 61 – ungeschriebene 136 f. Gesetzgebungsnotstand 39 Gesetzgebungsverfahren 28, 256 ff. siehe auch Parlamentarischer Rat und Weimarer Reichsverfassung – Ausfertigung 28, 81, 192, 256, 275 ff., 298 – Beschlussempfehlungen der Ausschüsse 329 – erster Durchgang 315, 326 f. – Gegenzeichnung 284 f. – Gesetzentwurf 253, 301, 308, 326 ff. – Gesetzesbeschluss 95, 197, 227, 251 ff., 287, 330 ff. – Initiativrecht 324, 329 – Vermittlungsverfahren 114, 268, 330 ff. siehe auch Vermittlungsausschuss

452

Sachwortverzeichnis

– Zustandekommen von Gesetzen 225 ff. – zweiter Durchgang 80 Gewaltenteilungsprinzip 125 ff., 239, 241 f., 245 ff. Gleichartigkeit der Lebensverhältnisse 26, 413 siehe auch Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse Große Steuerreform 109, 115 Grundrechte siehe auch Grundrechtssicherung durch Verfahren – unitarisierende Wirkung 85 Grundrechtssicherung durch Verfahren 259, 358, 361 f., 363 f. Haushaltsstrukturgesetz 308 f., 342 Herrenchiemseer Verfassungsentwurf 42, 100 f., 142 f. – Ingerenzrechte 143, 148 f. – Kompetenzverteilung 142 Hochschulrahmengesetz 215 ff. – Fünftes Änderungsgesetz 192, 216, 217 ff., 290, 353 – Sechstes Änderungsgesetz 192, 216, 219 ff., 255, 293 ff. Ingerenzrechte 23, 94, 131 f., 139, 143, 154, 155, 259, 356, 361 ff. siehe auch Herrenchiemseer Verfassungsentwurf, Parlamentarischer Rat, Verfassung des Deutschen Reiches von 1871 und Weimarer Reichsverfassung – Einzelweisungen 37, 155 Investitionshilfegesetz 181 Justizmitteilungsgesetz 329 Karenzzeit siehe Zugriffskompetenz Koalitionsarbeitsgruppe zur Föderalismusreform 26, 354, 372, 378, 383, 386, 393, 410 Koalitionsbildung – Bundesrepublik 105 ff., 112 – Weimarer Republik 103 f.

Koalitionsvereinbarungen 108 Kommunen siehe Gemeinden Kompetenzverteilung siehe auch Frankfurter Reichsverfassung, Herrenchiemseer Verfassungsentwurf, Verfassung des Deutschen Reiches von 1871 – funktionale 44, 129, 130 ff., 248 f., 364 – Trennsystem 130, 135, 136 Kompensationsgeschäft 24, 73, 91, 394 Konnexitätsprinzip 60, 380 Kostenfolgen siehe Bundesgesetze Kreditwesengesetz 182 f., 207 Künstlersozialversicherungsgesetz 210 Länder – Eigenstaatlichkeit 45, 64, 70, 250, 417 – Hausgut 127, 249 – Haushaltsautonomie 64 f. – Neugliederung 37, 41, 348 – Organisationsgewalt 154 f. Landesparlamente 119, 243, 249, 345, 349, 365, 394 – Kompetenzverlust 23, 243, 249, 345, 350, 365 Landesregierungen 25, 96, 102, 248 ff., 349 – Handlungsfähigkeit 248 ff. – Weisungsfreiheit 121, 249 Landtagspräsidentenkonferenz 345 Landtagswahlen 112, 120 Lebenspartnerschaftsgesetz 179, 192, 210 ff., 274, 311, 317 ff. lex-posterior-Regel 368, 371, 379, 391 Luftverkehrsverwaltung 55 Mehrheitsprinzip siehe Bundesrat Mehrheitsverhältnisse, divergierende siehe divergierende Mehrheitsverhältnisse

Sachwortverzeichnis Mieterschutznovelle 307 f. Ministerpräsidentenkonferenz 347, 365, 367 f. Mischgesetz 25, 94, 149, 180, 188, 223, 228, 251 f. – Gesetzgebungsverfahren 258 ff. – verfassungsgerichtliche Kontrolle 273 f., 283, 285 ff. Mischländer 110, 111, 117 siehe auch M-Länder Mitverantwortungstheorie siehe Mitverantwortungsthese Mitverantwortungsthese 181, 185, 200, 230 ff. M-Länder 107 siehe auch Mischländer Neugliederung siehe Länder Nichtigkeit von Gesetzen 285 ff. siehe auch Mischgesetz, verfassungsgerichtliche Kontrolle – Gesamtnichtigkeit 208 f., 218, 289 ff. – Teilnichtigkeit 280, 282, 286 ff. Normenkontrolle – abstrakte 192 f., 286 – Antragsgegenstand 221 f., 293 ff. – Prüfungsumfang 297 f. Notstandsverfassung 72 Öffnungsklauseln siehe Bundesgesetze O-Länder 107 siehe auch Oppositionsländer Opposition 19, 104, 107, 112, 115, 121, 177, 193, 245, 247, 339, 340, 341, 389 Oppositionsländer 107, 110, 112, 114, 117 siehe auch O-Länder Oppositionsperioden 113, 114, 115 Organisationsgewalt siehe Länder Organtreue siehe Verfassungsorgantreue Ost-Verträge 35

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Panzerkreuzerschiff A 103 f. Parlamentarischer Rat 43 ff., 99 ff., 144 ff. – Gesetzgebungsverfahren 226, 228, 238 f. – Ingerenzrechte 144 ff., 164 f. Parteienlandschaft, multipolare 104 Parteiensystem 105 ff. Parteienwettbewerb 98, 105 ff. – bipolarer 104, 106, 112, 117 Paulskirchenverfassung siehe Frankfurter Reichsverfassung Pfadabhängigkeit 414 Politikverflechtung 20, 22, 24 – Verflechtungsfalle 345, 414 Post-Novelle 67 Postverwaltungsgesetz 49 ff., 203, 207 Preisgesetz 178, 182, 189, 195 ff., 289 Prüfungskompetenz siehe Bundespräsident Rahmengesetz 152 – Hochschulrahmengesetz siehe dort – Zustimmungsbedürftigkeit 215 f., 218 Rahmengesetzgebungskompetenz siehe Gesetzgebungskompetenz Ratifikationslage 24, 335 Rechtsverordnungen – Mischverordnungen 180 – Zustimmungsbedürftigkeit 36, 184 f., 199 ff. Regelung siehe Verwaltungsverfahren Regierungsländer 110, 114 siehe auch R-Länder Regierungsperioden 113, 115 Reichspräsident siehe Weimarer Reichsverfassung Reichsrat siehe Weimarer Reichsverfassung

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Sachwortverzeichnis

Reichstag siehe Verfassung des Deutschen Reiches von 1871 und Weimarer Reichsverfassung R-Länder 107 siehe auch Regierungsländer Schweizer Bundesverfassung 134, 136 sekundärer Vetobereich 95 f., 193, 223, 274, 300, 359, 360, 403, 406, 411 Senatslösung 30, 100, 119, 248 Staatshaftungsgesetz 71, 280, 290 Steuerertragskompetenz 61 Subsidiarität 371, 412 Tagesbetreuungsausbaugesetz 313 f. Tauschgeschäft 77, 244, 394 f., 412, 414 Teilnichtigkeit siehe Nichtigkeit von Gesetzen Teilung von Gesetzen siehe Aufteilung von Gesetzen Trennsystem siehe Kompetenzverteilung Trennungsthese 28, 223, 257, 263, 275, 285, 298, 358, 415 Troeger-Gutachten 64, 72 Übermaßverbot siehe Verhältnismäßigkeitsprinzip Unitarisierung siehe Bundesstaat, unitarischer Unverrückbarkeit des parlamentarischen Votums 258, 268 f., 276, 337 Verantwortlichkeit, politische 21, 115, 333, 335, 348, 394, 407 Verbundsteuern 61 Verfassung des Deutschen Reiches von 1871 134 f., 228 – Ausführung der Reichsgesetze 135 f. – Bundesrat 134 ff., 228

– Gesetzgebungsverfahren 228 – Ingerenzrechte 136 – Kompetenzverteilung 135 f. – Reichsrat 134 f., 228 Verfassung des Norddeutschen Bundes siehe Verfassung des Deutschen Reiches von 1871 verfassungsgerichtliche Kontrolle von Gesetzen siehe Mischgesetz und Nichtigkeit von Gesetzen Verfassungsgewohnheitsrecht 254 f. Verfassungsorgan 29 f., 239, 255 Verfassungsorgantreue 31, 119, 229, 260, 283, 364 Verfassungswidrigkeit – partielle 280 ff. siehe auch Nichtigkeit von Gesetzen Verhältnismäßigkeitsprinzip 174 f., 182 Vermittlungsausschuss 86, 113, 330 – Anrufung 261 ff., 330 f. – Beschlussempfehlung 331 – Geschäftsordnung 36 – Kompetenzen 332 ff. – Zusammensetzung 341 f. Verrechtlichung 85 Verteidigungsfall 36 Verwaltungsverfahren 47, 94, 129, 159 ff. – allgemeines 164 ff. – doppelgesichtige Normen 162 f., 166, 360 – Regelung 158, 163, 166 ff. Verwaltungsverfahrensgesetz 83 Verwaltungsvorschriften siehe Bundesregierung Verwerfungskompetenz siehe Bundespräsident, Prüfungskompetenz Verzahnungssystem siehe Kompetenzverteilung, funktionale Vetobereich siehe sekundärer Vetobereich Vetospieler 20

Sachwortverzeichnis Vielparteiensystem siehe Parteiensystem Viertes Rentenversicherungs-Änderungsgesetz 50, 189 f., 192, 203 ff., 207, 316 völkerrechtliche Verträge – Zustimmungsbedürftigkeit des Vertragsgesetzes 35 Wehrpflichtänderungsgesetz 191, 207 Wehrpflichtgesetz 306 f. Wehrverfassung 66 Weimarer Reichsverfassung 137 ff. – Auftragsverwaltung 142 – Ausführung der Reichsgesetze 138 f. – Gesetzgebungsverfahren 237 f. – Ingerenzrechte 139 – Reichspräsident 237 f. – Reichsrat 102 f., 228, 237 f. – Reichstag 103, 237 f. – Zustimmungsrechte 139

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Wettbewerbsföderalismus siehe Föderalismus Wiedervereinigung 26, 106, 346 Zugriffskompetenz 365 ff. – Einspruchslösung 366 f., 390 – Karenzzeit 379 – lex-posterior-Regel siehe dort – Rückholrecht 376 f., 396 ff. Zugriffsrecht siehe Zugriffskompetenz Zustimmungsbedürftigkeit siehe Zustimmungsgesetz Zustimmungsgesetz 32 ff., 78 ff., 113 ff. siehe auch Gesetze, systemverschiebende Zustimmungskompetenz siehe Zustimmungsgesetz Zustimmungsrecht siehe Zustimmungsgesetz Zuwanderungsgesetz 19, 30, 110, 192, 213 ff., 280, 342 f. Zweite Kammer 32