Die personelle Reichweite der Betriebsverfassung im Lichte des Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) [1 ed.] 9783428499199, 9783428099191

Mit der Erosion des Normarbeitsverhältnisses im Arbeits- und Wirtschaftsleben geht die Entstehung einer Vielzahl neuer F

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Die personelle Reichweite der Betriebsverfassung im Lichte des Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) [1 ed.]
 9783428499199, 9783428099191

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Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht Band 186

Die personelle Reichweite der Betriebsverfassung im Lichte des Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) Von

Karl-Friedrich Bremeier

Duncker & Humblot · Berlin

KARL-FRIEDERICH BREMEIER

Die personelle Reichweite der Betriebsverfassung im Lichte des Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG)

Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht Band 186

Die personelle Reichweite der Betriebsverfassung im Lichte des Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG)

Von

Karl-Friederich Bremeier

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Bremeier, Karl-Friederich: Die personelle Reichweite der Betriebsverfassung im Lichte des Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) / von Karl-Friederich Bremeier. Berlin : Duncker und Humblot, 2001 (Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht ; Bd. 186) Zugl.: Hamburg, Univ. der Bundeswehr, Diss., 1999 ISBN 3-428-09919-2

Alle Rechte vorbehalten © 2001 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0227 ISBN 3-428-09919-2 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706©

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

21

1. Kapitel Art. 3 Abs. 1 GG als Prüfungsmaßstab für gesetzliche Differenzierungen

A. Grundsätzliche Gedanken zur Gleichheitsproblematik I. Der Prüfungsmaßstab zu Art. 3 Abs. 1 GG als Problem II. Zur dogmatischen Struktur des Art. 3 Abs. 1 GG als Ausgangspunkt III. Spannungsfelder der notwendigen Wertentscheidungen

24

24 24 26 30

1. Das „Paradoxon der Gleichheit"

30

2. Freiheit und Gleichheit

33

3. Materielle Gleichheit und beschränkte Ressourcen

35

4. Vorrang des Gesetzgebers und Gesetzgebungsqualität

37

IV. Schlußfolgerungen für den Verfassungsinterpreten

B. Zur Rechtsprechung des BVerfG zum Art. 3 Abs. 1 GG I. Das Willkürverbot II. Die „Neue Formel" des 1. Senats

40

41 41 44

III. Weitere Neuorientierung des 1. Senats in jüngerer Zeit - Die „Symbiose-Formel"

46

IV. Reaktionen des 2. Senats

48

nsverzeichnis C. Kritik und Lösungsansätze in der Literatur I. Diskussionstand zur Rechtsprechung des BVerfG 1. Kritik der Literatur am BVerfG vor den Spannungsfeldern der Gleichheitssatzinterpretation

49 50

50

a) Weitgehende Ignorierung der Problematik im Schrifttum

50

b) Positiv hervorzuhebende Stellungnahmen

52

aa) Dürig

53

bb) Bleckmann

53

cc) Osterloh

54

dd) Sachs

55

2. Prüfungsschemata zum allgemeinen Gleichheitsgrundsatz II. Der neue dogmatische Ansatz nach Huster

56 57

1. Die zwei Fallgruppen der Gleichheitsproblematik nach Huster

58

2. Kritische Würdigung des Huster'sehen Ansatzes

60

D. Kritische Würdigung der Rechtsprechung des BVerfG - Der eigene Prüfungsmaßstab I. „Symbiose-Formel" - ein überzeugender Ansatz?

63 63

1. Überzeugende Berücksichtigung der sonstigen Verfassungsnonnen

63

2. Mißlungene Abgrenzung anhand personen- und sachverhaltsbezogener Merkmale

65

II. Schwächen der „Symbiose-Formel" und Husters Modell III. Präzisierung von Willkürverbot und Übermaßverbot

69 72

1. Zur Notwendigkeit der Unterscheidung von Willkürverbot und Übermaßverbot

72

2. Inhaltliche Präzisierung des Willkürverbots

74

3. Inhaltliche Präzisierung des Übermaßverbots

74

IV. Zusammenfassung der Ergebnisse

E. Prüfungsvorgehen in dieser Arbeit

76

77

Inhaltsverzeichnis

7

2. Kapitel Betriebsverfassung und Grundgesetz

A. Präzisierung der Fragestellung I. Relevanz möglicher grundgesetzlicher Gründe und Grenzen der Betriebsverfassung II. Zum Problem der Auswahl der richtigen Norm des Grundgesetzes III. Zu den Regelungszielen des BetrVG

79

79

79 80 84

B. Grundrechtliche Fundierung der Betriebsverfassung?

86

I. Art. 12 Abs. 1 GG und Betriebsverfassung

86

1. Zur Rechtsprechung des BVerfG

87

2. Forderung nach Neuinterpretation als Grundrecht der Arbeit

89

3. Kritische Würdigung - Zur Problematik einer Ansiedlung von Schutzpflichten bei Art. 12 Abs. 1 GG

94

a) Lokalisierung und Konkretisierung der durch die Neuinterpretation des Art. 12 Abs. 1 GG aufgeworfenen Fragestellung

94

b) Die zwei Rollen des Arbeitgebers im Verhältnis zum Arbeitnehmer

96

c) Zur fehlenden Möglichkeit eines verfassungsrechtlichen Nachweises

100

aa) Keine Möglichkeit zur Umgehung der Abgrenzungsproblematik

100

bb) Keine verfassungsrechtlichen Aussagen zur Abgrenzungsproblematik

104

cc) Gefahrenpotentiale eines lediglich behaupteten Nachweises

105

d) Widerspruch zur Rechtsprechung des BVerfG? 4. Zusammenfassung der Ergebnisse II. Sozialstaatsprinzip und Betriebsverfassung

108 113 113

1. Zum Verhältnis des Sozialstaatsprinzips zu den Grundrechten

114

2. Inhaltlicher Gestaltungsauftrag des Sozialstaatsprinzips an den Gesetzgeber

116

3. Konkretisierungsmöglichkeiten in bezug auf die Betriebsverfassung?

119

nsverzeichnis III. Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG und Betriebsverfassung

122

1. Anwendung des Art. 2 Abs. 1 GG als lex generalis im Verhältnis zu Art. 12 Abs. 1 GG ausgeschlossen?

122

2. Zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht als Grenze der Privatautonomie

124

a) Rechtsprechung des BVerfG zur Grenze der Privatautonomie

124

b) Kritische Würdigung

126

aa) Richtiger Ansatz - falsches Grundrecht

126

bb) Notwendigkeit einer streng restriktiven Interpretation

129

3. Rückschlüsse für eine Forderung nach betrieblicher Mitbestimmung möglich? 132 a) Zur grundrechtlichen Forderung nach Schaffung eines betrieblichen Beteiligungsmodells 133 b) Grundrechtliche Fundierung oder nur Berührung der Betriebsverfassung? IV. Zusammenfassung der Ergebnisse

C. Grundrechtliche Grenzen der Betriebsverfassung? I. Die Berufsfreiheit der Arbeitnehmer als Grenze des Arbeitnehmerschutzes

135 140

141 141

1. Direkte Eingriffe in die Berufsfreiheit der Arbeitnehmer

142

2. Mittelbare Eingriffe in die Berufsfreiheit der Arbeitnehmer

144

II. Grenzen der Betriebsverfassung durch Grundrechte der Arbeitgeber? 1. Keine neuen Erkenntnisse zu Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG

149 149

2. Zur Eigentumsgarantie gemäß Art. 14 Abs. 1 GG als Grenze der Betriebsverfassung 150 3. Zur Vereinigungsfreiheit gemäß Art. 9 Abs. 1 GG als Grenze der Betriebsverfassung 152 III. Zusammenfassung der Ergebnisse

D. Folgerungen für die Überprüfung von Differenzierungen im Betriebsverfassungsrecht I. Rekapitulation der bisherigen Ergebnisse

153

154 154

II. Einwirkungen auf die Schärfe des Prüfungsmaßstabes für Differenzierungen ... 156

nsverzeichnis

9

3. Kapitel Bestimmung des maßgeblichen betriebsverfassungsrechtlichen Arbeitnehmerbegriffs

15 8

A. Notwendigkeit der Bestimmung des maßgeblichen betriebsverfassungsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff s

158

Β. Zum Meinungsstand in Rechtsprechung und Schrifttum

159

I. Rückgriff auf den allgemeinen arbeitsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff durch das BAG und die h.M

159

II. Eigenständiger betriebsverfassungsrechtlicher Arbeitnehmerbegriff der Mindermeinung 161 III. Einordnende Abgrenzung des Meinungsstreits

162

1. Abgrenzung der verwendeten Begriffe

163

2. Abgrenzung zur Diskussion zum allgemeinen Arbeitnehmerbegriff

164

C. Die klare normative Wertung für den allgemeinen Arbeitnehmerbegriff

166

I. Grammatische Auslegung

167

II. Systematische Auslegung

170

III. Historische Auslegung

171

IV. Objektiv-teleologische Auslegung

172

1. Zur Methode der objektiv-teleologischen Auslegung

172

2. Grundsätzliches zum Verhältnis von Schutzzweck und Geltungsbereich

174

3. Klares Auslegungsergebnis zugunsten der h.M

175

V. Zusammenfassende Bewertung

177

1. Grundsätzliche Vorzugswürdigkeit der h.M

177

2. Zuordnung des Merkmals Betriebszugehörigkeit

178

D. Änderung des Geltungsbereichs des BetrVG im Wege der Rechtsfortbildung? I. Erweiterung des Geltungsbereichs des BetrVG im Wege der Analogiebildung?

180 181

nsverzeichnis 1. Zur Methode der Analogiebildung

181

a) Gründe und Grenzen einer Analogiebildung

181

b) Zu den Voraussetzungen einer Analogiebildung

182

2. Mögliche Ansatzpunkte einer Analogiebildung zum Geltungsbereich des BetrVG 185 a) Der allgemeine Arbeitnehmerbegriff

185

b) Analogiebildung zu den in Heimarbeit Beschäftigten?

187

aa) Ausweitung des Heimarbeiterbegriffs nach § 1 HAG?

187

bb) Ausweitung der Bestimmung des § 6 BetrVG?

189

3. Zusammenfassung der Ergebnisse

191

II. Einengung des Geltungsbereichs des BetrVG im Wege der teleologischen Reduktion? ! 191 1. Meinungsstand

191

2. Zur Methode der teleologischen Reduktion

192

3. Eigene Stellungsnahme

192

III. Konsequenzen des Ergebnisses: Ein Gleichheitsverstoß als zwingende Voraussetzung einer Änderung des Geltungsbereiches des Betr. VG 193

E. Zusammenfassung: Der betriebsverfassungsrechtliche Arbeitnehmerbegriff

194

4. Kapitel Zu den Differenzierungskriterien des betriebsverfassungsrechtlichen Arbeitnehmerbegriffs im einzelnen

A. Der allgemeine Arbeitnehmerbegriff I. Zur Rechtsprechung des BAG zum allgemeinen Arbeitnehmerbegriff II. Kritik und Lösungsansätze im Schrifttum III. Kritische Würdigung von Gegenmeinung und Β AG-Ansatz 1. Schwächen innerhalb der Argumentation der Gegenmeinung

196

196 197 198 199 200

2. Einbindung der Kritik - persönliche Abhängigkeit mit Risikokomponente ... 202

nsverzeichnis IV. Differenzierungen aufgrund des allgemeinen Arbeitnehmerbegriffs V. Bestimmung des zugehörigen Prüfungsmaßstabes

B. Das Merkmal der Betriebszugehörigkeit I. Zur Zwei-Komponenten-Theorie des BAG II. Zur Kritik im Schrifttum an der Zwei-Komponenten-Theorie

11 203 205

206 206 207

III. Eigene Stellungnahme für die Zwei-Komponenten-Theorie

208

IV. Differenzierungen aufgrund der Betriebszugehörigkeit

211

V. Bestimmung des zugehörigen Prüfungsmaßstabes

C. Die Gewinn-und Verlustliste I. Gewinnliste

212

214 214

1. Weiter Auszubildendenbegriff

214

2. Teilweiser Einbezug der in Heimarbeit Beschäftigten

215

3. Bestimmung des zugehörigen Prüfungsmaßstabes

217

II. Verlustliste 1. Die Ausschlüsse des § 5 Abs. 2 BetrVG

218 218

a) Mitglieder des Vertretungsorgans einer juristischen Person gem. Nr. 1

218

b) Mitglieder von Personengesamtheiten gem. Nr. 2

219

c) Karitativ oder religiös motivierte Beschäftigte gem. Nr. 3

219

d) Therapeutisch Beschäftigte gem. Nr. 4

220

e) Familienangehörige gem. Nr. 5

220

2. Der Ausschluß der leitenden Angestellten nach § 5 Abs. 3 und Abs. 4 BetrVG 221 3. Bestimmung des zugehörigen Prüfungsmaßstabes

221

12

nsverzeichnis 5. Kapitel Überprüfung ausgewählter Differenzierungen zum persönlichen Geltungsbereich des BetrVG

224

A. Differenzierungen wegen des allgemeinen Arbeitnehmerbegriffs und der Gewinnliste 224 I. Differenzierung wegen fehlender privatrechtlicher Dienstvertragsbeziehung .... 224 1. Ausschluß der Strafgefangenen

224

2. Ausschluß der Zivildienstleistenden

226

3. Ausschluß der Helfer im freiwilligen sozialen Jahr

228

4. Ausschluß der Entwicklungshelfer

229

II. Differenzierung wegen fehlender persönlicher Abhängigkeit

231

1. Differenzierung durch Ausschluß der „Freien Mitarbeiter" am Beispiel von Lehrkräften 231 a) Das Differenzierungskriterium

231

b) Angemessenheit der Differenzierung?

233

2. Differenzierung im Bereich der ,»Neuen Selbständigkeit" am Beispiel von Franchisenehmern 235 a) Franchise-Verträge in Abgrenzung zu anderen Absatzmittlungsverhältnissen

235

b) Das Differenzierungskriterium

237

c) Angemessenheit der Differenzierung?

240

III. Differenzierungen im Bereich der Gewinnliste am Beispiel von Teleheimarbeitern 241 1. Zum Phänomen der Teleheimarbeit

242

2. Unterscheidung zwischen Heimarbeitern und sonstigen Arbeitnehmerähnlichen 244 a) Unterschiede zwischen Heimarbeitern und sonstigen Arbeiterähnlichen .. 244 b) Regelungsziel und zugehöriger Prüfungsmaßstab

246

c) Angemessenheit der Differenzierung

246

aa) Zum Differenzierungskriterium der selbstgewählten Arbeitsstätte

246

bb) Zum Differenzierungskriterium des gewerblichen Auftraggebers

248

cc) Zum Differenzierungskriterium des geringen Qualifikationsniveaus .. 249

nsverzeichnis d) Zusammenfassung der Ergebnisse

13 251

3. Unterscheidung zwischen Hausgewerbetreibenden und sonstigen Arbeitnehmerähnlichen 251 4. Ausschluß der mitarbeitenden Hilfskräfte und Heimarbeiter

254

5. Ausschluß der nach § 1 Abs. 2 HAG Gleichgestellten

255

a) Grundsätzliche Rechtfertigung des Ausschlusses der Gleichgestellten

256

b) Zu den Gleichstellungsfällen im einzelnen

256

6. Ausschluß der nicht „in der Hauptsache für den Betrieb" Tätigen im Vergleich zu den Teilzeitbeschäftigten 259 7. Zusammenfassung der Ergebnisse

B. Differenzierungen wegen des Kriteriums Betriebszugehörigkeit I. Differenzierung durch Ausschluß der unechten Leiharbeitnehmer

260

261 261

1. Das Differenzierungskriterium

261

2. Regelungsziel und zugehöriger Prüfungsmaßstab

263

3. Angemessenheit der Differenzierung?

263

a) Zum Zusammenhang von Eingliederung und Schutzbedürftigkeit im allgemeinen 264 aa) Zu den Grenzen des Zusammenhangs

265

bb) Zur Notwendigkeit der Relativierung des Zusammenhangs

267

cc) Einbindung in die Gleichheitsprüfung

269

b) Zum Ausschluß der unechten Leiharbeitnehmer im besonderen

270

aa) Zum expliziten Vorwurf des Gleichheitsverstoßes im Schrifttum

271

bb) Eigene Stellungnahme zur Rechtmäßigkeit des Ausschlusses

274

II. Differenzierungen durch Ausschluß sonstiger Formen des drittbezogenen Personaleinsatzes 279 1. Formen des drittbezogenen Personaleinsatzes

279

2. Ausschluß der echten Leiharbeitnehmer

280

3. Ausschluß des überlassenen Bedienungspersonals

285

4. Ausschluß der sog. Unternehmerarbeiter

286

nsverzeichnis III. Differenzierung durch Ausschluß der Berufsausbildungsschüler

290

1. Das Differenzierungskriterium

290

2. Angemessenheit der Differenzierung?

291

C. Differenzierungen wegen der Verlustliste I. Zu den Differenzierungen wegen der Ausschlüsse des § 5 Abs. 2 BetrVG

293 293

1. Ausschluß der Vorstände und Geschäftsführungen

294

2. Ausschluß der karitativ oder religiös motivierten Beschäftigten

294

a) Das Differenzierungskriterium

295

b) Eignung und Verhältnismäßigkeit der Differenzierung?

295

3. Ausschluß der therapeutisch Beschäftigten

297

4. Ausschluß der Familienangehörigen

298

II. Differenzierung durch Bildung der Sprecherausschüsse

299

1. Das Differenzierungskriterium

300

2. Regelungsziel und zugehöriger Prüfungsmaßstab

302

3. Angemessenheit der Differenzierung?

303

a) Eignung des Ausschlusses der leitenden Angestellten aa) Grundsätzliche Eignung der §§ 5 Abs. 3 und Abs. 4 BetrVG

303 304

bb) Gesetzestechnik der Vorschriften als Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG? 305 b) Verhältnismäßigkeit des Ausschlusses der leitenden Angestellten

D. Überprüfung von Mischfällen

307

309

I. Ausschlüsse im Bereich der Rote-Kreuz-Schwestern?

310

1. Eingrenzung und Präzisierung der Fragestellung

310

2. Zum Status der Rote-Kreuz-Schwestern in Rote-Kreuz-Krankenhäusern

312

a) Zur Arbeitnehmereigenschaft der Rote-Kreuz-Schwestern

312

b) Unerheblichkeit von Betriebszugehörigkeit und Verlustliste

314

3. Zum Status der Rote-Kreuz-Schwestern im Rahmen von Gestellungsvertragen 315 a) Zur Arbeitnehmereigenschaft der Rote-Kreuz-Schwestern

315

nsverzeichnis b) Zur Betriebszugehörigkeit der Rote-Kreuz-Schwestern aa) Differenzierungskriterium, Regelungsziel und Prüfungsmaßstab

15 316 316

bb) Ausschluß im Vergleich mit den Arbeitnehmern des Fremdkrankenhauses 318 cc) Ausschluß im Vergleich mit Leiharbeitnehmern des Fremdkrankenhauses 319 c) Ausschluß der Rote-Kreuz-Schwestern durch § 5 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG? .. 321 d) Zusammenfassung der Ergebnisse 4. Zum Status der Gastschwestern im Rahmen von Gestellungsverträgen

323 324

II. Zur Problematik der geringfügig beschäftigten Teilzeitkräfte am Beispiel der Zeitungszusteller 324 1. Präzisierung der Fragestellung

324

2. Schutzbedürftigkeit und Arbeitnehmereigenschaft der Zeitungszusteller

326

3. Majorisierungsproblem und Betriebszugehörigkeit der Zeitungszusteller

328

6. Kapitel

Zusammenfassung in Thesen

332

Literaturverzeichnis

338

Sachwortverzeichnis

352

Abkürzungsverzeichnis a.A.

anderer Auffassung

a. a. O.

am angegebenen Ort

A/B/H/P/S/S/V

Altvater / Bacher / Hörter / Peiseler / Sabottig / Schneider / ohs

Abs.

Absatz

AcP

Archiv für die civilistische Praxis (Zeitschrift)

(Hrsg.), Kommentar zum BPersVG

a.F.

alter Fassung

AFG

Arbeitsförderungsgesetz

AfP

Archiv für Presserecht (Zeitschrift)

AG

Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift)

AiB

Arbeitsrecht im Betrieb (Zeitschrift)

AK-GG

Alternativkommentar zum Grundgesetz

AktG

Aktiengesetz

AöR

ArbG

Archiv des öffentlichen Rechts Arbeitsrechtliche Praxis, Nachschlagewerk des Bundesarbeitsgerichts Arbeitsgericht

ArbGG

Arbeitsgerichtsgesetz

AP

ArbPlFG

Arbeitsplatzförderungsgesetz

ArbPlSchG

Arbeitsplatzschutzgesetz

ArbuR

Arbeit und Recht (Zeitschrift)

ArbZG

Arbeitszeitgesetz

Art.

Artikel

AuA

Arbeit und Arbeitsrecht (Zeitschrift)

Aufl.

Az.

Auflage Gesetz zur Regelung der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung Aktenzeichen

BAFöG

Bundesausbildungsförderungsgesetz

BAG

Β undesarbeitsgericht

BAGE

Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts

BB

Der Betriebsberater (Zeitschrift)

BBiG

Berufsbildungsgesetz

AÜG

Bd.

Band

bearb.

bearbeitet

BeschFG

Beschäftigungsförderungsgesetz

Abkürzungsverzeichnis BetrR

Betriebsrat (Zeitschrift)

BetrVG

Betriebsverfassungsgesetz (von 1972)

BetrVG 1952

Betriebsverfassungsgesetz von 1952

BFH

Bundesfinanzhof

BGB

Bürgerliches Gesetzbuch

BGBl.

Bundesgesetzblatt

BGH

Bundesgerichtshof

ΒΚ

Bonner Kommentar zum Grundgesetz

BMA

Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung

BPersVG

Bundespersonalvertretungsgesetz

BR-Drucksache

Bundesratsdrucksache

BRG

Betriebsrätegesetz von 1920

BSG

Bundessozialgericht

BSGE

Entscheidungen des Bundessozialgerichts

BT-Drucksache

Β undestagsdrucksache

BUrlG

Bundesurlaubsgesetz

17

BVerfG

Bundesverfassungsgericht

BVerfGE

Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts

BVerwG

Bundesverwaltungsgericht

BVerwGE

Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts

bzw.

beziehungsweise

ca.

circa

CR

Computer und Recht (Zeitschrift)

d.h.

das heißt

D/K/K

Däubler/Kittner/Klebe (Hrsg.), Kommentar zum BetrVG

DB

Der Betrieb (Zeitschrift)

ders.

derselbe

DGB

Deutscher Gewerkschaftsbund

Diss.

Dissertation

DÖV

Die Öffentliche Verwaltung (Zeitschrift)

Drs.

Drucksache

DVB1.

Deutsches Verwaltungsblatt (Zeitschrift)

EhfG

Entwicklungshilfegesetz

Einf.

Einführung

Einl.

Einleitung

EntGFG

Entgeldfortzahlungsgesetz

etc.

et cetera

EuGH

Europäischer Gerichtshof

EuGHE EuGRZ

Sammlung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaft Europäische Grundrechte-Zeitschrift

EuZW

Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht

2 Brcmcicr

Abkürzungsverzeichnis

18 EWiR

Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht

EzA

Entscheidungssammlung zum Arbeitsrecht

f.

folgend(e)

FAZ

Frankfurter Allgemeine Zeitung

ff.

fortfolgende

F/ Κ / Η / E

Fitting / Kaiser / Heither / Engels (Hrsg.), Kommentar zum BetrVG

Fn.

Fußnote

FS

Festschrift

G

Gesetz

gem.

gemäß

GG

Grundgesetz

GK

Gemeinschaftskommentar

GmbH

Gesellschaft mit beschränkter Haftung

GmbHG

Gesetz betreffend die Gesellschaft mit beschränkter Haftung

GMH

Gewerkschaftliche Monatshefte

GS G/W/I/W

Großer Senat Grabendorff/Windscheid/Ilbertz/Widmaier zum BpersVG

(Hrsg.), Kommentar

H/S/G

Hess / Schlochauer / Glaubitz (Hrsg.), Kommentar zum BetrVG

HAÄG

Heimarbeitsänderungsgesetz

HAG

Heimarbeitsgesetz

HGB

Handelsgesetzbuch

h.M.

herrschende Meinung

hrsg.

herausgegeben

Hrsg.

Herausgeber

H/S/G

Hess / Schlochauer / Glaubitz (Hrsg.), Kommentar zum BetrVG

i.d.R.

in der Regel

INF

Die Information über Steuer und Wirtschaft (Zeitschrift)

i.S.

im Sinne

i.V.m.

in Verbindung mit

JA

Juristische Arbeitsblätter (Zeitschrift)

Jura

Juristische Ausbildung (Zeitschrift)

Jur.Diss.

Juristische Dissertation

JuS

Juristische Schulung (Zeitschrift)

JZ

Juristenzeitung (Zeitschrift)

KGaA

Kommanditgesellschaft auf Aktien

KO

Konkursordnung

KSchG

Kündigungsschutzgesetz

LAG

Landesarbeitsgericht

LAGE

Entscheidungen der Landesarbeitsgerichte

Losebl.

Loseblatt

Ls.

Leitsatz

Abkürzungsverzeichnis

19

LSG

Landessozialgericht

M / D/ H/ S

Maunz / Dürig / Herzog / Scholz (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz

MitbestG

Mitbestimmungsgesetz

Μ/Κ

v. Münch / Kunig (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz

Μ / Κ/ S

v. Mangoldt / Klein / Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz

MünchArbR

Münchner Handbuch zum Arbeitsrecht

MuSchG

Mutterschutzgesetz

m. w. N.

mit weiteren Nachweisen

n.F.

neue Fassung

NJW

Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift)

NJW-RR

Neue Juristische Wochenschrift - Rechtsprechungsreport

Nr.

Nummer

NVwZ

Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht

NZA

Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht

o.

oben

o.J.

ohne Jahresangabe

OLG

Oberlandesgericht

o.V

ohne Verfasserangabe

OVG

Oberverwaltungsgericht

PersF

Die Personalführung (Zeitschrift)

PersR

Der Personalrat (Zeitschrift)

PersV

Die Personalvertretung (Zeitschrift)

PersVG

Personalvertretungsgesetz

RdA

Recht der Arbeit (Zeitschrift)

Reg.E.

Regierungsentwurf

Rn.

Randnummer

Rspr.

Rechtsprechung

RVO

Reichsversicherungsordnung

S.

Seite

s.

siehe

s.a.

siehe auch

SAE

Sammlung arbeitsrechtlicher Entscheidungen (Zeitschrift)

SBG

Soldatenbeteiligungsgesetz

SchwbG

Schwerbehindertengesetz

SGB

Sozialgesetzbuch

sog.

sogenannte(r)

SprAuG

Gesetz über Sprecherausschüsse der leitenden Angestellten

st.

ständige

st.Rspr.

ständige Rechtsprechung

StGB

Strafgesetzbuch

StuW

Steuer und Wirtschaft (Zeitschrift)

2*

Abkürzungsverzeichnis

20 s.u.

siehe unten

TVG

Tarifvertragsgesetz

u.a.

unter anderem, und andere

u.ä.

und ähnliche(s)

usw.

und so weiter

u.v.a.

und vieles andere

v.

von; vom

Verf.

Verfasser

vgl.

vergleiche

VVDStRL

Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtsleh-

WRV

Weimarer Reichsverfassung

rer (Zeitschrift) WSI-Mitt.

WSI-Mitteilungen (Zeitschrift)

WuW

Wirtschaft und Wettbewerb (Zeitschrift)

z.B.

zum Beispiel

ZfA

Zeitschrift für Arbeitsrecht

ZGR

Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht

ZHR

Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht

ZIP

Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Insolvenzpraxis

ZPO

Zivilprozeßordnung

ZTR

Zeitschrift für Tarifrecht

Einleitung Das Arbeits- und Wirtschaftsleben in Deutschland unterliegt in jüngerer Zeit geradezu dramatischen Veränderungen. Zuvorderst ist hier auf die Globalisierung sowie den Prozeß der europäischen Einigung zu verweisen. Das hiermit verbundene Zusammenwachsen der lokalen Märkte zu einem gemeinsamen Weltmarkt zwingt die Unternehmen, dem wachsenden Konkurrenzdruck durch erhöhte Flexibilität und Innovationsbereitschaft zu begegnen. Ein weiterer wichtiger Veränderungsprozeß ist im Fortschreiten der Informationstechnologie zu sehen. Die hierdurch ermöglichten neuartigen Produktions-, Kommunikations- und Absatzwege führen zu erheblichen Umwälzungen im Industrie- und Dienstleistungssektor. Schließlich ist auch auf den gesellschaftlichen Wertewandel in Richtung einer Freizeit- und Spaßgesellschaft zu verwiesen. So müssen die Unternehmen infolge dieser Entwicklung damit kalkulieren, daß für die Arbeitnehmer nicht mehr nur Arbeit und Pflichterfüllung im Vordergrund stehen, sondern daneben gleichberechtigt die Möglichkeiten zur Selbstverwirklichung treten. Die hier nur stichpunktartig aufgezeigten Entwicklungen führen in bezug auf das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) zu zwei gegenläufigen Entwicklungen. Hier ist einerseits auf die wachsende gesellschaftliche Akzeptanz der vom BetrVG vorgesehenen Mitbestimmungsregelungen zu verweisen. Während es in früherer Zeit noch erbitterten Streit über Richtung, Sinn und Reichweite einzelner Regelungen des BetrVG gegeben hat, sind diese heute weitgehend akzeptiert. Kein Arbeitgeber wird heute noch die betriebliche Mitbestimmung als einen schädlichen sozialistischen Fremdkörper im Unternehmen ansehen. Neuere Managementstrategien wie ζ. B. „lean management", „kaizen" oder „management by objektives" die ihrerseits als Antworten auf die obigen Veränderungsprozesse verstanden werden - sehen durchweg die Beteiligung der Mitarbeiter als zentralen Baustein vor. 1 Die Mitbestimmung nach dem BetrVG taugt demnach heute nicht mehr als Feindbild sondern kann weitgehend als „modernes Managementhandbuch" angesehen werden.2 Dieser positiven Entwicklung gegenüber steht ein zunehmendes Abbröckeln des Anwendungsbereichs des BetrVG. Während dem BetrVG noch die Regel Vorstellung zugrundeliegt, die Arbeitsbeziehungen gestalteten sich zwischen vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern und einem klar identifizierbaren Arbeitgeber, führen ι Zu den neuen Managementstrategien vgl. ζ. B. Jung, Personalwirtschaft, S. 821 ff.; Scholz, C., Personalmanagement, S. 18 f., 399 ff. 2 So die gelungene Formulierung von v. Hoyningen-Huene, in: FS für Kissel, S. 387 ff.

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Einleitung

die oben beschriebenen Veränderungsprozesse zu einer Erosion eben dieser Normalarbeitsverhältnisse. 3 Als Beispiele für die neu entstehenden Beschäftigungsverhältnisse ist auf die vielfältigen Formen des drittbezogenen Personaleinsatzes, der Teilzeitbeschäftigung sowie der „neuen Selbständigkeit" zu verwiesen. Die jeweiligen Besonderheiten dieser neuen Beschäftigungsformen können es zweifelhaft erscheinen lassen, ob die Beschäftigungsformen noch den Bestimmungsmerkmalen des persönlichen Geltungsbereichs des BetrVG gerecht werden. Kommt man hier zu einem ablehnenden Urteil, führt dies zur Erosion des Anwendungsbereichs des BetrVG. Im Ergebnis führen die beiden aufgezeigten konträren Entwicklungen zu einem paradoxen Zustand: Obwohl sich der Regelungsinhalt des BetrVG wachsender und weitgehender Zustimmung erfreut, verringert sich gleichzeitig die absolute Zahl an Beschäftigten, die den positiv bewerteten Mechanismen des BetrVG überhaupt unterworfen sind. Ziel dieser Arbeit ist es, den bezeichneten widersprüchlichen Zustand näher zu beleuchten. Für diese Bewertung stehen zwei verschiedene Ansatzmöglichkeiten zur Verfügung. Zum einen könnte untersucht werden, was angesichts der neueren Entwicklungen aus Arbeitnehmer-, Arbeitgeber- und wirtschaftspolitischer Sicht eine gelungene Neuregelung darstellen würde. Ein solcher Ansatz bewegte sich losgelöst von der bestehenden gesetzgeberischen Regelung und könnte in einen Vorschlag zur Neuformuliening des persönlichen Geltungsbereichs des BetrVG münden. Die andere Ansatzmöglichkeit liegt darin, die aktuelle gesetzliche Regelung als gegeben zu akzeptieren und nur daraufhin zu untersuchen, ob die neuen Entwicklungen zu verfassungswidrigen Differenzierungen führen. Dieser Ansatz will nicht eine wirtschaftspolitisch wünschenswerte Regelung definieren, sondern dem Gesetzgeber aufzeigen, an welchen Stellen er auf die neuen Entwicklungen nicht weiter schweigen darf, sondern den Geltungsbereich des BetrVG zur Vermeidung verfassungswidriger Differenzierungen anpassen muß. In dieser Arbeit wird der zweite Untersuchungsansatz beschritten. Er hat den Vorteil, daß die Ergebnisse nicht die wirtschaftspolitischen Wunschvorstellungen des Verfassers abbilden, sondern in der Lage sind, objektiven Handlungsbedarf im Bereich des Arbeitsrechts zu identifizieren. Voraussetzung des für diese Arbeit gewählten Ansatzes ist die Kenntnis von Inhalt und Reichweite des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes als Prüfungsmaßstab für Differenzierungen. Hiermit wird eine höchst umstrittene verfassungsrechtliche Problematik angeschnitten. Die inhaltliche Offenheit des Gleichheitsgrundsatzes läßt die Bestimmung eines Prüfungsmaßstabes nicht ohne eingehende Betrachtung zu. Würde man hierauf verzichten, bestünde die Gefahr, daß subjektive Wertungen unbemerkt in die Gleichheitspriifung einfließen. Das Ergebnis der Gleichheitsprüfung spiegelte in diesem Fall wieder nur die wirtschaftspolitischen Wunschvorstellungen des Verfassers wider. Aus diesem Grunde steht - trotz des avisierten ar3 Zum Prozeß der Erosion des NormalarbeitsVerhältnisses vgl. Plander, NormalarbeitsVerhältnis, S. 19 ff.

Einleitung

beitsrechtlichen Schwerpunktes dieser Arbeit - zu Beginn der Untersuchung eine detailliertere Auseinandersetzung mit den aus Art. 3 Abs. 1 GG resultierenden Prüfungsmaßstäben. Die Untersuchung wird dabei zeigen, daß hierbei nicht ohne weiteres auf die Rechtsprechung des BVerfG zurückgegriffen werden kann. Im Anschluß an die Bestimmung des Prüfungsmaßstabes ist ein weiterer grundrechtlicher Schwerpunkt zu setzen. Zur Kompensierung der inhaltliche Offenheit des Gleichheitsgrundsatzes ist eine Untersuchung darüber angezeigt, ob und inwieweit das Grundgesetz zum BetrVG weitergehende Aussagen trifft. Falls dies nachgewiesen werden könnte, würden die Differenzierungen zum BetrVG einer strengeren Kontrolle unterzogen werden können. Nach diesen grundrechtlichen Vorarbeiten kann die eigentliche Überprüfung der Differenzierungen zum persönlichen Geltungsbereich des BetrVG beginnen. Hierzu sind zunächst die Differenzierungen selbst zu bestimmen. Hierbei ist eine Auseinandersetzung mit den Stimmen im Schrifttum angezeigt, die im Wege der Gesetzesauslegung zu einem Einschluß der neuen Beschäftigungsformen in den persönlichen Geltungsbereich des BetrVG kommen.4 Wenn diesen Stimmen beizupflichten wäre, würde sich das Problem verfassungswidriger Differenzierungen gar nicht stellen. Indes wird gezeigt werden, daß die bezeichneten neueren Beschäftigungsformen nicht ohne weiteres in den persönlichen Geltungsbereich des BetrVG fallen. Weder im Wege der Auslegung noch im Wege der Analogiebildung läßt sich ein solches Ergebnis rechtfertigen. Die somit nachgewiesenen Differenzierungen zum persönlichen Geltungsbereich des BetrVG werden daher anschließend anhand der festgelegten Prüfungsmaßstäbe näher untersucht.

* Vgl. dazu ζ. B. D/K/K-Trümner, § 5, Rn. 2 ff.; Plander, Normarbeitsverhältnis, S. 94 ff.; Richardi, NZA 1987, S. 145 ff.; Säcker/Joost, Betriebszugehörigkeit, S. 17 ff.; Schneider/ Trümner, in: FS für Gnade, S. 190 ff.; Schüren, § 14, Rn. 23 ff.; Schuster, Arbeitnehmer, S. 35 ff.; Ziemann, ArbuR 1990, S. 60 ff.

1. Kapitel

Art. 3 Abs. 1 G G als Prüfungsmaßstab für gesetzliche Differenzierungen A. Grundsätzliche Gedanken zur Gleichheitsproblematik I. Der Prüfungsmaßstab zu Art. 3 Abs. 1 GG als Problem Die Überprüfung eines Sachverhaltes anhand eines Grundrechtes setzt zunächst voraus, daß dem Grundrecht ein eindeutiger Prüfungsmaßstab 1 zugeordnet wird. Anhand dieses Prüfungsmaßstabes durchleuchtet der Grundrechtsinterpret den Sachverhalt in Bezug auf dessen grundrechtsrelevante Aspekte. Innerhalb dieses Prüfungsvorganges wird der Grundrechtsanwender zwangsläufig bei der Abwägung über die Reichweite des Grundrechtes im allgemeinen und dessen Gewicht im konkreten Sachverhalt sein persönliches Grundrechtsverständnis und damit sein subjektives Gerechtigkeitsempfinden einbringen.2 Für die Freiheitsrechte des Grundgesetzes ist, um ein Beispiel zu nennen, ein unstrittig anzuwendender Prüfungsmaßstab das Übermaßverbot. 3 Innerhalb dessen dreistufiger Prüfung treten die subjektiven Wertungsentscheidungen des Grundrechtsinterpreten für Dritte offen zu Tage. Vornehmlich im dritten Prüfungsschritt des Übermaßverbotes, der Überprüfung der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne, 1 Mit dem Begriff Prüfungsmaßstab sollen in dieser Arbeit die inhaltlichen Anforderungen eines Grundrechtes an staatliches Handeln bezeichnet werden. Demgegenüber umschreibt der Begriff Prüfungsschema die einzelnen Prüfungsschritte innerhalb der Grundrechtsüberprüfung. Dabei ist ein Prüfungsschritt innerhalb des Prüfungsschemas im Anlegen des Prüfungsmaßstabes an den Sachverhalt zu sehen. Zur terminologisch klareren Trennung soll das angewandte Prüfungsschema zusammen mit dem definierten Prüfungsmaßstab in dieser Arbeit als Prüfungsvorgehen bezeichnet werden. 2 Alexy (Theorie, S. 375 f.) führt dazu treffend aus: „Der Satz, daß jede Verfassungsinterpretation Wertungen des Interpreten einschließt ist ebenso trivial wie fundamental." 3 In der Terminologie des BVerfG ist dies der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im weiteren Sinne. Grundsätzlich zum Übermaßverbot siehe Erichsen, Jura 1988, S. 387 ff. Zum Übermaßverbot als zentralem Prüfungsmaßstab im Grundrechtsbereich vgl. nur Huster, JZ 1994, S. 542 f. m. w. N.; ders., Rechte, S. 61 f., 64 f.; Gentz, NJW 1968, S. 1601; Wendt, NVwZ 1988, S. 785.

Α. Grundsätzliche Gedanken zur Gleichheitsproblematik

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läßt der Grundrechtsanwender bei der Abwägung zwischen potentiell betroffenem Grundrecht und staatlichem Handeln seine Vorstellungen über die Reichweite und das Gewicht des Grundrechtes für jeden erkennbar einfließen. Im Unterschied zu den Freiheitsgrundrechten ist zu Art. 3 Abs. 1 GG ein vergleichbar unstrittiger Prüfungsmaßstab nicht vorhanden. Abhängig vom jeweiligen staatsrechtlichen und grundrechtsdogmatischen Standort4 werden im Schrifttum und vom BVerfG die unterschiedlichsten Prüfungsmäßstäbe 5 vorgeschlagen und angewandt. Mit diesen Prüfungsmaßstäben geht jeweils ein verschieden weitreichendes Prüfungsrecht und damit im Ergebnis ein unterschiedliches Gewicht des Gleichheitssatzes einher. Die Wahl des angewandten Prüfungsmaßstabes erhält damit präjudizierende Wirkung für das spätere Ergebnis.6 Die bei den Freiheitsrechten im Rahmen des Übermaßverbotes offen vorgenommene subjektive Wertung bzw. Gewichtung droht somit beim Gleichheitssatz zumindest zum Teil im Vorfeld, versteckt bei der Auswahl des Prüfungsmaßstabes, stattzufinden. 7 Auch das BVerfG führt, wenn es im konkreten Fall einen bestimmten Prüfungsmaßstab für Art. 3 Abs. 1 GG wählt, diese wertende und damit präjudizierende Vorentscheidung durch. Für diese Arbeit bedeutet dies einen schwer lösbaren Zielkonflikt. Auf der einen Seite soll, wie in der Einleitung schon angeführt, ihr Schwerpunkt im betriebsverfassungsrechtlichen Teil liegen und daher eine tiefergehende Problematisierung verfassungsdogmatischer Fragen unterbleiben. Dem würde durch die einfache Übernahme des vom BVerfG aufgestellten Prüfungsschemas am besten entsprochen. Mit dieser Übernahme würde allerdings die in der Auswahlentscheidung des BVerfG versteckt liegende Wertung unreflektiert mitübernommen. Das Ziel dieser Arbeit, betriebsverfassungsrechtliche Differenzierungen anhand Art. 3 Abs. 1 GG zu überprüfen, wäre so nur teilweise und unbefriedigend zu erreichen. Auf der anderen Seite würde eine kritische Hinterfragung des Prüfungsschemas des BVerfG sehr grundsätzliche und grundlegende Überlegungen im Bereich der Gleichheitsproblematik erfordern, welche den Rahmen dieser Arbeit sprengen und den betriebsverfassungsrechtlichen Teil zum Appendix verkommen ließen.8

4 Huster (Rechte, S. 419 ff.) geht dem in Anlehnung an Alexy grundsätzlich nach und kommt zum Schluß, daß die Interpretation des Gleichheitsprinzips davon abhängt, welcher Rechts- und Staatsphilosophie man anhängt. Vgl. auch Alexy, Theorie, S. 381 f. 5 Huster (Rechte, S. 53 f.) spricht dabei von zahlreichen Prüfungsschemata, die sich zum Teil erheblich unterschieden. Auf diese Prüfungsmaßstäbe ist im weiterem Verlauf der Arbeit noch zurückzukommen. 6

Vgl. Sachs-Osterloh, Art. 3, Rn. 25. Wird dieser problematische Sachverhalt erst gar nicht gesehen und damit auch nicht berücksichtigt, so ist mit Huster (Rechte, S. 36) der Verdacht zu hegen, daß Gerechtigkeitsvorstellungen unreflektiert und unausgewiesen in der Gleichheitsprüfung zum Tragen kommen. 8 An dieser Stelle sei nur auf den erheblichen Umfang der Kommentierung des Art. 3 GG von Dürig und der Dissertation zu Art. 3 GG „Rechte und Ziele" von Huster hingewiesen. 7

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1. Kap.: Art. 3 Abs. 1 GG als Prüfungsmaßstab für Differenzierungen

Den Rang des BVerfG als maßgebliche Instanz bei der Grundrechtsauslegung anerkennend, soll dessen Prüfungsschema trotz obiger Bedenken zum Ausgangspunkt der Untersuchungen dieser Arbeit gemacht werden. Dabei wird dem Problem der Strittigkeit der Prüfungsmaßstäbe und der in diesen verborgenen Wertungsentscheidungen durch eine aufrißartige Darstellung des dazugehörigen Problemfeldes entsprochen. Hierbei wird zunächst auf die Offenheit des Art. 3 Abs. 1 GG als tiefere Ursache des Problems einzugehen sein (Abschnitt A.II.). Anschließend werden beispielhaft und übersichtsartig die Spannungsfelder, innerhalb derer die deshalb notwendige Wertungsentscheidung zu fällen ist, dargestellt (Abschnitt Α.ΠΙ.) sowie die daraus resultierenden Anforderungen an einen überzeugenden Prüfungsmaßstab zu Art. 3 Abs. 1 GG abgeleitet (Abschnitt A.IV.). Vor diesem Hintergrund sollen dann in Abschnitt Β zunächst die Prüfungsmaßstäbe des BVerfG aufgezeigt und hinterfragt und anschließend der Neuansatz von Huster als mögliches Konkurrenzmodell diskutiert werden.

II· Zur dogmatischen Struktur des Art. 3 Abs. 1 GG als Ausgangspunkt Die Antwort auf die Frage nach den Ursachen der oben konstatierten Umstrittenheit des Prüfungsmaßstabes zum Art. 3 Abs. 1 GG kann nicht allein darin gesehen werden, daß im Rahmen einer verfassungsrechtlichen Prüfung anhand des Gleichheitssatzes Wertungen vorzunehmen sind und diese ggf. auch den Wertungen des Gesetzgebers übergeordnet werden.9 Dem ist zu Recht entgegengehalten worden, daß vom Grundsatz her ein solches Wertungsproblem und ein Überordnen der Verfassungsinterpretation des BVerfG über die Vorstellungen des Gesetzgebers bei allen Grundrechten gleichermaßen auftritt. 10 Schon allein deshalb einen Unterschied zwischen dem Gleichheitsgrundrecht und den Freiheitsgrundrechten 11 bezüglich des anzuwendenden Prüfunggsmaßstabes zu machen, wäre in der Tat wenig überzeugend. Es bleibt allerdings im folgenden zu prüfen, ob und inwieweit das Wertungsproblem beim Gleichheitssatz im Unterschied zu den Freiheitsgrundrechten eine andere, gewichtigere Qualität hat. Das BVerfG und die ganz h.M. in der Literatur sehen den tragenden Unterschied zwischen Art. 3 Abs. 1 GG und den Freiheitsgrundrechten in deren unterschiedlicher dogmatischer Struktur. 12 So soll sich der allgemeine Gleichheitssatz nicht in 9 Dies ist aber ein vornehmlich vorgebrachtes Argument der Gegner eines strengen Prüfungsmaßstabes zu Art. 3 Abs. 1 GG. Vgl. dazu ζ. B. Kirchhof, Gleichheitssatz, S. 876 f. sowie Hesse, AöR 107 (1984), S. 180 f. 10 Vgl. u. a. Leibholz, Gleichheit, S. 182; Schoch, DVB1. 1988, S. 876 f. sowie M/K-Gubelt, Art. 3, Rn. 16. 11 Dem Gleichheitssatz sollen im folgenden die Freiheitsgrundrechte als Abwehrrechte gegen den Staat beispielhaft gegenübergestellt werden.

Α. Grundsätzliche Gedanken zur Gleichheitsproblematik

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die übliche Eingriffsdogmatik der Freiheitsgrundrechte einfügen lassen. Die Freiheitsgrundrechte stellen für den Grundrechtsträger Prima-Facie-Rechte dar. Dies bedeutet, daß die Freiheitsgrundrechte dem Grundrechtsträger qua dessen Existenz anhaften und ihm als Willkürfreiheit zunächst einmal weitestmöglichst garantiert sind. 13 Eventuelle Kollisionen mit Rechten Dritter bzw. dem staatlichen Handeln werden im Rahmen der Eingriffsdogmatik über die Schritte Schutzbereich, Eingriff, Schranke und Schranken-Schranke gelöst, wobei als Schranken-Schranke das Übermaßverbot zur Anwendung kommt. Beim Gleichheitsgrundrecht ist dagegen eine Prima-Facie-Aussage zum Schutzbereich nicht ohne weiteres möglich. Während bei den Freiheitsgrundrechten die Forderung nach möglichst viel Freiheit unumstritten ist, macht eine Forderung nach möglichst viel Gleichheit oder möglichst viel Gleichbehandlung keinen rechten Sinn. Dies hat seine Ursache in der inneren Logik des Vergleichens. So ist ein Vergleich zwischen Sachverhalten oder Personen nur möglich, wenn sich diese in mindestens einem Merkmal unterscheiden. Fehlt es an dem unterschiedlichen Merkmal, liegt Identität („Völlige Gleichheit") vor, und ein Vergleichen wird unmöglich. Dies bedeutet nun aber, daß jede Behandlung gleichzeitig eine Gleichbehandlung - bezüglich der gleichen Merkmale - und eine Ungleichbehandlung - bezüglich der verschiedenen Merkmale - darstellt. Eine Gleichheitsaussage ist daher immer eine Abstraktion von tatsächlich bestehender Ungleichheit und kann nur Aussagen über den Grad der Ähnlichkeit bzw. Verschiedenheit von Personen oder Sachverhalten treffen. Kann eine sichere Aussage über das, was gleich ist, nicht getroffen werden, läuft eine Prima-FacieForderung nach mehr Gleichheit oder Gleichbehandlung ins Leere und ist nicht logisch zwingend erfüllbar. 14 Die wegen dieses Sachverhaltes von Rechtsprechung und Literatur angenommene besondere dogmatische Struktur des Art. 3 Abs. 1 GG soll sich vornehmlich im Fehlen eines materiellen Schutzbereiches äußern. 15 So soll der Gleichheitssatz nur vor unsachlichen Differenzierungen schützen, ohne darüber hinaus auf sachlich gerechtfertigte Differenzierungen Anwendung zu finden. Demnach ist eine Ungleichbehandlung, für die ein sachlicher Grund geltend gemacht werden kann, keine Ungleichbehandlung im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG mehr, sondern stellt im Gegenteil Gleichheit erst her. Eine Unterscheidung von Schutzbereich und Eingriff in das Grundrecht entfällt also. 16 12 Die unterschiedliche dogmatische Struktur wird in der Literatur entweder implizit vorausgesetzt oder ausdrücklich angesprochen und behauptet. Vgl. ζ. Β. M / D / Η / S-Herzog, Art. 3, Rn. 29; Jarass, NJW 1997, S. 2546; Kirchhof, Gleichheitssatz, S. 964 ff.; Kloepfer, Gleichheit, S. 54 f.; Georg Müller, VVDStRL 47 (1989), S. 39 f.; Rohloff, Zusammenwirken, S. 13 ff.; Sachs, JuS 1997, S. 124. 13 Zum Begriff „Prima-Facie-Recht", vgl. Alexy, Theorie, S. 87 ff.

w Vgl. dazu ζ. B. Hesse, AöR 107 (1984), S. 177 sowie Schock, DVB1. 1988, S. 873 f. 15 Vgl. dazu und zum folgenden Husters umfassende und detaillierte Analyse der zum Gleichheitssatz bestehenden Literatur. Huster, Rechte, S. 53 ff. sowie ders., JZ 1994, 541 f.; Bleckmann, Struktur, S. 54; Pieroth/Schlink, Grundrechte, S. 116; BK-Rüfner, Art. 3 GG, Rn. 96.

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1. Kap.: Art. 3 Abs. 1 GG als Prüfungsmaßstab für Differenzierungen

Die Frage nach dem sachlichen Grund einer Differenzierung ist gleichbedeutend mit der oben aufgeworfenen Frage nach den die Gleichheit (Ähnlichkeit) bzw. Verschiedenheit begründenden Merkmalen. Der Wortlaut des Art. 3 Abs. 1 GG gibt zu dieser Frage keine weiteren Anhaltspunkte für eine Konkretisierung. Zwar wird in der Literatur 17 vereinzelt versucht, dem Gleichheitssatz eine Richtung auf Gleichheit, mithin ein Prima-Facie-Recht auf Gleichbehandlung zu entnehmen, doch kann eine solche Konstruktion wegen der oben aufgezeigten besonderen Struktur des Vergleichens nicht überzeugen.18 Richtig ist vielmehr die Erkenntnis, daß die inhaltliche Unbestimmtheit wesentliches und unumgängliches Strukturmerkmal des Art. 3 Abs. 1 GG ist. 19 Um den Gleichheitssatz zu einem konkreten Rechtsmaßstab zu machen, muß also zunächst eine Vergleichsperspektive gefunden werden. Die Unmöglichkeit, diesen Maßstab direkt aus Art. 3 Abs. 1 GG abzuleiten, bringt den Grundrechtsanwender in große Schwierigkeiten. Unstrittig dürfte wohl sein, daß die subjektiven Gerechtigkeitsvorstellungen des jeweils zur Grundrechtsanwendung Berufenen nicht zum Maßstab erhoben werden dürfen. 20 Der Vergleichsmaßstab wird vielmehr aus dem Menschenbild, dem Gerechtigkeitsempfinden und den politischen Zielvorstellungen der Gesellschaft abzuleiten sein. 21 Somit ist die Verfassung - als geronnene Gerechtigkeitsvorstellung eines Volkes erste Konkretisierungsquelle für die im Rahmen einer Gleichheitspriifung vorzunehmenden Wertungsentscheidung. In der Literatur wird eine solche Konkretisierung des Gleichheitssatzes mit Hilfe der sonstigen Wertentscheidungen der Verfassung mehr oder weniger ausführlich vorgenommen oder zumindest doch gefordert. 22 Die relative inhaltliche Offenheit 16 Es kann an dieser Stelle offen bleiben, ob diese Einschätzung zur dogmatischen Struktur des Art. 3 Abs. 1 GG als endgültig zu überzeugen vermag oder ob nicht mit Huster dies nur als Zwischenergebnis angesehen werden muß und weitere Strukturüberlegungen notwendig sind. Dieser Gedanke soll unten in Abschnitt C.II, näher verfolgt werden. 17 Vergleiche dazu Alexy, Theorie, S. 373 sowie BK-Rüfner, Art. 3, Rn. 7, 15. 18 Daß eine abstrakte Forderung nach Gleichheit oder Gleichbehandlung nicht überzeugen kann, zeigt Dürig (M/D/H/S-Dürig, Art. 3, Rn. 280) griffig auf, indem er die Frage stellt, ob denn der Gleichheitssatz erfüllt sei, wenn „Deprivation und Entrechtung nur konsequent genug allen zugefügt wird". Vgl. auch Huster, Rechte, S. 228 f.; ders., JZ 1994, S. 547 sowie Kirchhof, Gleichheitssatz, S. 913 f. 19 Vgl. M/K/S-Starck, Art. 3, Rn. 14. 20

Vgl. Leibholz/Rinck/Hesselberger, Art. 3, Rn. 34 sowie Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 3, Rn. 13. 21 Die inhaltliche Verbundenheit der Schutzaussage des Art. 3 Abs. 1 GG mit den Wertund Gerechtigkeitsvorstellungen der Gesellschaft wird vom ganz überwiegenden Teil der Literatur gesehen und im Rahmen einer Darstellung des Gleichheitssatzes als inhaltsbestimmend dargestellt. Vgl. dazu Kirchhof, Gleichheitssatz, S. 849 f.; Georg Müller, VVDStRL 47 (1989), S. 38 f.; Zippelius, VVDStRL 47 (1989), S. 22 f. 22 Dürig hat hierzu den wohl ausführlichsten Beitrag geleistet, indem er, ausgehend von Art. 1 Abs. 1 GG, dem Art. 3 GG einen ausführlichen Kanon absoluter normierter oder zu normierender Gleichheit entnommen hat, M/D/H/S-Dürig, Art. 3, Rn. 21-118. Vgl. auch Gusy, NJW 1988, S. 2508; Kirchhof, Gleichheitssatz, S. 939 f.; Leibholz/Rinck/Hesseiber-

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des Grundgesetzes, die sich zum Beispiel im Fehlen einer Aussage zur Wirtschaftsordnung zeigt, 23 setzt einem solchen Konkretisierungsbemühen allerdings eine natürliche Grenze. 24 In der Verfassung kann nur stehen, was ganz überwiegend unstrittig ist. Trifft das Grundgesetz keine eindeutige Aussage zu einem Sachverhalt und läßt es mehrere Lösungsmöglichkeiten zu, so sind die einzelnen Möglichkeiten nach dem subjektiven Verfassungsverständnis ihrer Anhänger zwar dem Grundrecht zuzuordnen, doch aus dem Blickwinkel der gesamten Wertegemeinschaft sind sie nur tagespolitische Standpunkte.25 Da der Grundrechtsanwender trotz dieser Unsicherheiten bei der Gleichheitsprüfung einen konkreten Vergleichsmaßstab ableiten muß, ist er häufig gezwungen, sich für eine Lösungsmöglichkeit zu entscheiden und damit eine subjektive Wertung vorzunehmen. Diese Problematik gewinnt besondere Relevanz dadurch, daß der Gleichheitssatz eine besondere Nähe zum Sozialstaatsprinzip im allgemeinen und zu Verteilungsfragen im besonderen hat. 26 So muß sich jeder Verteilungsschlüssel bezüglich des erwirtschafteten Sozialproduktes danach durchleuchten lassen, warum er der einen Gruppe Mittel zufließen läßt, der anderen aber nicht. 27 Vor diesem Hintergrund und der Erkenntnis, daß sich politische Theorien vornehmlich anhand ihrer Vorstellungen über Verteilungsfragen definieren lassen,28 wird die Gefahr deutlich, daß mit Hilfe des Gleichheitssatzes hier häufig versucht werden wird, eigene politische Vorstellungen in die Verfassung einzupflanzen 29. Der Gleichheitssatz und sein Prüfungsmaßstab geraten so mitten in die gesellschaftspolitischen Verteilungskämpfe hinein. Der Verfassungsinterpret, der eine Überprüfung anhand des Gleichheitssatzes vorzunehmen hat, muß sich dieser Gefahr bewußt sein. Die besondere Struktur des Vergleichens, die inhaltliche Offenheit des Art. 3 Abs. 1 GG, die relative Unbeger, Art. 3, Rn. 34; Georg Müller, VVDStRL 47 (1989), S. 44 ff.; Μ/ Κ /S-Starck, Art. 3, Rn. 12 ff.; Zippelius, VVDStRL 47 (1989), S. 27, 29. 23 Vgl. BVerfGE 4, 7 (17 ff.); BVerfGE 50, 338 sowie den geschichtlichen Überblick in Schmidt-Bleibtreu/Klein, Einleitung, Rn. 60 ff. 24 Die Offenheit der Grundrechtsnormen für verschiedene Auffassungen von Moral und Gerechtigkeit betonen zum Beispiel Alexy, Theorie, S. 384 und S. 494; Huster, Rechte, S. 422 sowie Kirchhof, Gleichheitssatz, S. 845 f. 25 Vgl. Rüpke, Ermessen, S. 110 f. 26 Die Nähe des Sozialstaatsprinzips zum Gleichheitssatz resultiert daraus, daß diesem einzelne Gebote zur Herstellung faktischer Gleichheit zu entnehmen sind (Vgl. dazu Abschnitt A.III. 1). Es kann hier offen bleiben, ob diese Gebote zur faktischen Gleichstellung direkt aus Art. 3 Abs. 1 GG herrühren oder erst über eine Differenzierungserlaubnis durch das Sozialstaatsprinzip zuerkannt werden können. Vgl. zu diesem Streit die Übersicht bei Huster, Rechte, S. 408 ff.

27 Die Relevanz dieses Problems aus dem Blinkwinkel des Gleichheitssatzes beschreibt das BVerfG so: „Einzelne Gruppen zu fördern heißt bereits, andere ungleich zu behandeln." BVerfGE 12, 354(367). 28 Vgl. Huster, Rechte, S. 47. 29 Vgl. Huster, Rechte, S. 59.

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stimmtheit der Verfassung, die Nähe des Gleichheitssatzes zu Verteilungsfragen und deren hohe politische Strittigkeit zwingen den Grundrechtsinterpreten zu einer Wertungsentscheidung außerhalb des Autoritätsbereiches des geschriebenen und anerkannten Verfassungsinhalts. Es ist mit Bleckmann deshalb zu fordern, daß diese notwendige subjektive Wertungsentscheidung vom Grundrechtsinterpreten systematisch erarbeitet und offengelegt wird. 3 0 Dieser Forderung wird in Literatur und Rechtsprechung nur sehr unvollkommen entsprochen. Wie oben schon angeführt, finden präjudizierende Wertungsentscheidungen häufig unreflektiert im Vorfeld statt. Aus diesem Grund sollen in dieser Arbeit zunächst einmal beispielhaft und übersichtsartig vier zentrale Spannungsfelder dargestellt werden, innerhalb derer sich der Grundrechtsinterpret bei einer Anwendung des Gleichheitssatzes notwendigerweise positionieren muß.

I I I . Spannungsfelder der notwendigen Wertungsentscheidung Die im folgenden aufzuzeigenden Spannungsfelder stellen ihrerseits häufig kontrovers diskutierte Problemfelder im Staats- und Verfassungsrecht dar. Dem betriebsverfassungsrechtlichen Schwerpunkt dieser Arbeit entsprechend soll auf diese grundrechtsdogmatischen Streitigkeiten nicht näher eingegangen werden. Die Spannungsfelder sollen lediglich aufrißartig beleuchtet werden mit dem Ziel, eine Sensibilisierung für das problematische Umfeld der im Rahmen der Interpretation des Gleichheitssatzes notwendigen Wertungsentscheidung zu erreichen.

1. Das „Paradoxon der Gleichheit" Die oben konstatierte Unbestimmtheit des Gleichheitsbegriffes hat zur Folge, daß keine gesicherten Aussagen darüber getroffen werden können, was in einer konkreten Situation als gleich anzusehen ist. Als Folge dessen existieren eine Vielzahl von verschiedenen Gleichheitsbegriffen, die in zwei als gegensätzlich betrachtete Gruppen eingeteilt und innerhalb der Gruppen häufig synonym verwandt werden. Insbesondere sind hier die Begriffe „Rechtsanwendungsgleichheit", „formelle bzw. formale Gleichheit", „rechtliche Gleichheit" und „schematische Gleichheit" auf der einen, sowie „Rechtssetzungsgleichheit", „materielle Gleichheit" und „faktische Gleichheit" auf der anderen Seite zu nennen. Nun wird häufig versucht, diese Gleichheitsbegriffe untereinander abzuwägen und einem von ihnen eine vorrangige Stellung einzuräumen. Dabei kommt dem grundrechtsdogmatischen Standort des Interpreten die ausschlaggebende Rolle zu. 31 Die Ergebnisse dieser Abwägungen können selten überzeugen. Dies liegt 30 Siehe Bleckmann, Struktur, S. 3. Vgl. dazu auch BK-Rüfner,

Art. 3, Rn. 12.

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zum einen an einer fehlenden Austauschbarkeit synonym verwandter Gleichheitsbegriffe und zum anderen an einer ungenauen Gegensatzbildung zwischen den Gleichheitsbegriffen. So fordert die „schematische Gleichheit" eine von eventuell bestehenden Unterschieden abstrahierende identische Behandlung aller Grundrechtsträger. Hiermit ist eine inhaltliche Vorgabe an die Norm verbunden. Der fälschlicherweise synonym verwandte „formelle Gleichheitsbegriff 432 zielt dagegen auf eine Unterschieds- und ausnahmslose Anwendung einer Norm auf alle Normadressaten ab. Er trifft damit selber keine Aussage über den Inhalt dieser Norm. Die „formelle Gleichheit" sichert vielmehr die Allgemeinheit des Gesetzes und ist so Grundlage für die Sicherung der Entscheidungsmacht des Gesetzgebers über die Funktionsträger der Exekutive. 33 Die „formelle Gleichheit" steht damit auch nicht im Gegensatz zu den Gleichheitsbegriffen der anderen Gruppe, sondern ist unbestrittener Bestandteil des Gleichheitssatzes.34 Auch innerhalb der anderen Gruppe der Gleichheitsbegriffe fehlt es an der behaupteten Austauschbarkeit. Der „faktische Gleichheitsbegriff 4 ist ergebnisorientiert und fordert die tatsächliche Gleichstellung aller Grundrechtsträger. Der „materielle Gleichheitsbegriff 435 zielt dagegen auf die gerechte Behandlung der Grundrechtsträger gemäß dem jeweiligen Grad ihrer Gleichheit in einer konkreten Situation ab. Er kann eine schematische Gleichbehandlung ebenso fordern wie eine faktische oder eine Mischung aus beiden. Der „materielle Gleichheitsbegriff 4 ist somit als deren Oberbegriff anzusehen und ist neben der „formellen Gleichheit", ohne zu dieser in einem Gegensatz zu stehen, Gegenstand der Forderung des allgemeinen Gleichheitssatzes.36 Der behauptete Gegensatz zwischen den beiden Gruppen von Gleichheitsbegriffen besteht also zwischen den Forderungen nach schematischer und faktischer Gleichbehandlung. Der Grundrechtsinterpret muß sich im konkreten Fall entscheiden, durch welches „Mischungsverhältnis" von faktischer und schematischer Gleichbehandlung die vom allgemeinen Gleichheitssatz geforderte materielle Gleichheit geschaffen wird. Die Problematik dieser notwendigen Festlegung entsteht dabei durch die Unvereinbarkeit der beiden Gleichheitsbegriffe. So erfordert 31 Vgl. dazu Huster (Rechte, S. 18 ff.), der sich ausführlich mit den verschiedenen Gleichheitsbegriffen und ihrer Verwendung in der Literatur befaßt. 32 Dieser ist mit den Begriffen „Rechtsanwendungsgleichheit" und „rechtliche Gleichheit" synonym. 33 Vgl. Kloepfer, Gleichheit, S. 25. 34 Meist wird der formelle Gleichheitsbegriff zu Beginn der Abhandlungen eingeführt und als in der Vergangenheit einziger Inhalt der Gleichheitsgewährleistungen dargestellt. Vgl. nur. Hesse, AöR 107 (1984), S. 174 ff. 35 Dieser ist synonym mit dem Begriff der „Rechtssetzungsgleichheit". 36 Die formelle Gleichheit fordert nämlich lediglich, daß die zur Herstellung der materiellen Gleichheit geschaffenen Gesetze unterschiedslos angewandt werden. Der häufig angenommene Gegensatz zwischen beiden Gleichheitsbegriffen resultiert aus der oben dargelegten ungenauen Verwendung der Begriffe.

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eine faktische Gleichstellung der Grundrechtsträger wegen der Unterschiedlichkeit der Menschen und ihrer Anlagen ein permanentes Nivellieren der bestehenden und neu entstehenden Unterschiede und somit ζ. B. eine Ungleichbehandlung von „Erfolgreichen" und „Erfolglosen". Eine schematische Gleichbehandlung zwischen Erfolgreichen und Erfolglosen führt dagegen entsprechend dem unterschiedlichen Erfolg sofort zu faktischen Unterschieden. Was nach dem einen Gleichheitsbegriff also eine Gleichbehandlung ist, ist nach dem anderen eine Ungleichbehandlung, und umgekehrt. 37 Neben diesem „Paradoxon der Gleichheit" treten zusätzlich weitere Widersprüche innerhalb der Gleichheitsbegriffe. So ist das Rechtssystem mit seinen Normen zwar Voraussetzung der Schaffung von Gleichheit, gleichzeitig birgt es aber auch einen unabdingbaren Kern von Ungleichheit in sich. Zum einen ist mit der Existenz von Normen zwingend auch das Vorhandensein einer Legislative und Exekutive und somit eine Ungleichheit zwischen Regierenden und Regierten verbunden. Zum anderen abstrahiert jede Norm notwendigerweise von der Realität und stellt mit der so gewonnenen Generalisierung eine Ungleichbehandlung bezüglich der abstrahierten Merkmale dar. 38 Es stellt sich nun die Frage, inwieweit der Verfassung Hinweise darauf entnommen werden können, welchem Gleichheitsbegriff - in der jeweiligen Situation der Vorrang zusteht. Offensichtlich ist zunächst, daß keiner von beiden den anderen vollständig zu verdrängen vermag. Die faktische Gleichheitsforderung, zum ausschließlichen Staatsziel erhoben, würde ob der Notwendigkeit permanenten korrigierenden Eingreifens geradewegs in einen diktatorischen Überwachungsstaat führen. 39 Sie ist zudem wegen der oben aufgezeigten weiteren Widersprüche im Gleichheitsbegriff logisch nicht erfüllbar. Aber auch die ausschließliche Ausrichtung auf schematische Gleichbehandlung würde, mit der letztlich unbeschränkten Herrschaft des Erfolgreichen über den Erfolglosen, zu undemokratischen und verfassungswidrigen Ergebnissen führen. 40 Die Frage nach der Zusammensetzung des - im Rahmen einer Interpretation des Gleichheitssatzes anzuwendenden - materiellen Gleichheitsbegriffes wird also von Fall zu Fall differenziert zu beantworten sein. Wegen der schon oben konstatierten relativen Offenheit des Grundgesetzes werden diesem allerdings nur geringe Hinweise auf das richtige „Mischungsverhältnis" zu entnehmen sein. Der Grundrechtsinterpret muß letztlich anhand seines subjektiven Gerechtigkeitsverständnisses eine Festlegung des gültigen Gleichheitsbegriffes vornehmen. In den folgenden 37

Vgl. zur Darstellung dieses Paradoxons nur Alexy, Theorie, S. 378 ff. und Kirchhof, Gleichheitssatz, S. 872 ff. 3« Hierzu wird häufig richtig angeführt, daß das gesamte Recht aus Differenzierungen bestehe. Vgl. u. a. Kloepfer, Gleichheit, S. 12 ff. sowie Huster, Rechte, S. 21 f. 39 Vgl. dazu M/K/S-Starck, Art. 3, Rn. 4. Sachs-Osterloh (Art. 3, Rn. 55) verweist die Forderung nach voller faktischer Gleichheit deswegen in den Bereich der Utopie. *o Vgl. dazu nur Kloepfer, Gleichheit, S. 45 f.

Α. Grundsätzliche Gedanken zur Gleichheitsproblematik

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Unterabschnitten wird deshalb zu zeigen sein, mit welchen Risiken die Zuerkennung eines faktischen Gleichheitsrechtes behaftet ist. Deshalb wird in dieser Arbeit mit der h.M. 4 1 davon ausgegangen, daß dem Grundgesetz nur ein Minimum an Forderungen nach faktischer Gleichheit zu entnehmen ist. Vertretern der Forderung nach faktischer Gleichheit kommt daher die Argumentationslast zu. 42 Die hier geforderte Auffüllung des Gleichheitsbegriffes mit Hilfe weiterer Aussagen der Verfassung leitet zu einem dem Paradoxon der Gleichheit eng verwandten Spannungsfeld, dem Verhältnis von Freiheit und Gleichheit, über.

2. Freiheit und Gleichheit Jede Gesellschaftsordnung bzw. Verfassung muß eine Antwort auf die Frage geben, wieviel Freiheit bei wieviel Gleichheit 43 gewährleistet werden soll. Freiheit und Gleichheit sind dabei als Antipoden eines Spannungsverhältnisses zu sehen, deren Verwirklichung jeweils in Wechselwirkung zueinander steht.44 So würde eine einseitige Ausrichtung der Ordnung auf Freiheit zu einer Herrschaft des Stärkeren über den Schwächeren und damit zu Ungleichheit zwischen Herrschenden und Beherrschten führen. Umgekehrt würde eine alleinige Ausrichtung auf Gleichheit wegen der Unterschiedlichkeit der Menschen und ihrer Anlagen zu einem permanenten korrigierenden staatlichen Eingreifen in die gesellschaftlichen Abläufe zwingen und somit zu erheblicher Unfreiheit der Menschen führen. Die Frage nach dem richtigen Ausgleich von Freiheit und Gleichheit ist die Frage nach einer gerechten Gesellschaftsordnung. Folgerichtigerweise wird bei der Konkretisierung des Art. 3 Abs. 1 GG anhand der Verfassung vom Interpreten eine Verfassungstheorie der Gerechtigkeit verlangt. 45 Nun kann, wie oben schon aufgeU Vgl. u. a. Bleckmann, Struktur, S. 93 f.; Kloepfer, Gleichheit, S. 43 f. oder BK-Rüfner, Art. 3, Rn. 53. 42 In diesem Sinne auch Alexy, Theorie, S. 370 f. Es scheint an dieser Stelle notwendig darauf hinzuweisen, daß die hier aufgezeigte reservierte Haltung gegen faktische Gleichheitsforderungen sich lediglich auf deren grundrechtliche Ableitung bezieht. Unabhängig davon steht es dem Gesetzgeber jederzeit frei, im gesellschaftspolitischen Bereich faktische Gleichheitsrechte aufzustellen. Vgl. dazu auch unten Abschnitt A.III.4. 43 Der Gleichheitsbegriff bezieht sich im folgenden auf das vom Grundrechtsanwender in der konkreten Situation gewonnene Gleichheitsverständnis. Dabei gilt zu beachten, daß die darin enthaltenen schematischen Gleichheitsforderungen u. a. Voraussetzungen der Freiheit sind, indem sie sicherstellen, daß alle Grundrechtsträger dieselben Freiheiten haben, während die faktischen Gleichheitsforderungen mit ihrer Tendenz zum Eingreifen in gesellschaftliche Prozesse der Freiheit eher entgegenlaufen. 44 Vgl. dazu M/D/H/S-Dürig, Art. 3, Rn. 120 ff.; Alexy, Theorie, S. 378 f. oder Schoch, DVB1. 1988, S. 866.. 4 5 Wendt (NVwZ 1988, S. 788) bezeichnet den allgemeinen Gleichheitssatz als Kristallisationspunkt des Gerechtigkeitsgedankens, während Kloepfer und Zippelius den Gleichheitssatz als Verpflichtung zur Gerechtigkeit verstehen. Kloepfer, Gleichheit, S. 29 f.; Zippelius, VVDStRL 47 (1989), S. 11 f. 3 Bremeier

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1. Kap.: Art. 3 Abs. 1 GG als Prüfungsmaßstab für Differenzierungen

zeigt, der Verfassung als der geronnenen Gerechtigkeitsvorstellung des Volkes nur entnommen werden, was überwiegend unstrittig ist. Es ist also zu fragen, ob Freiheit und Gleichheit immer und jederzeit Gegensätze darstellen, deren konkreter Ausgleich den Gerechtigkeitsvorstellungen des Anwenders ausgeliefert ist, oder ob es nicht einen Bereich der Konformität von Freiheit und Gleichheit gibt, in dem das gerechte Verhältnis unbestritten bekannt ist. 46 Die Existenz eines solchen Konformitätsbereichs wird ganz überwiegend gesehen. 47 So ist anerkannt, daß der Bereich der Individualität und der personalen Würde des Grundrechtsträgers gegenüber jeglicher staatlicher Einwirkung, und damit auch der gleichheitsstiftend motivierten, abgeschirmt ist. Andererseits soll die Sicherung der individuellen Existenz der Grundrechtsträger eine unbedingte Handlungspflicht des Staates begründen, der Freiheitsrechte Einzelner nicht entgegengehalten werden können. Über diese beiden Kernerkenntnisse hinaus gibt es vielgestaltige Versuche, den Katalog der unverzichtbaren Freiheitsrechte sowie der garantierten Gleichheitsrechte weiter aufzufüllen und zu konkretisieren. 48 Dabei muß jedoch berücksichtigt werden, daß mit zunehmendem Differenzierungsgrad die Unstrittigkeit der abgeleiteten Rechte abnimmt, mithin der Bereich der Konformität von Freiheit und Gleichheit wieder verlassen wird und man sich in dem Bereich befindet, in dem der Grundrechtsinterpret einen Ausgleich von Freiheit und Gleichheit anhand seines subjektiven Gerechtigkeitsempfindens definiert. Für den Grundrechtsanwender, der im Rahmen einer Gleichheitsprüfung bei der Suche nach einem Prüfungsmaßstab den richtigen Ausgleich von Freiheit und Gleichheit im konkreten Sachverhalt definieren muß, bedeutet dies, daß er im Konformitätsbereich zu klaren, fundierten Aussagen und damit auch strengen Prüfungsmaßstäben kommen kann. Demgegenüber kann er sich mit zunehmend spezialisierter und ausdifferenzierter Gewichtung zwischen Freiheit und Gleichheit weniger auf den unbestrittenen Inhalt der Verfassung berufen. Er vertritt dann vielmehr seine eigene subjektive Gerechtigkeitstheorie der Verfassung. Dieser Sachverhalt ist ohne Einfluß auf das „Ob" einer solchen Definition des Prüfungsmaßstabs. Für das „Wie" der Prüfungsmaßstabsdefinition muß vor diesem Hintergrund allerdings gefordert werden, daß der Interpret seine subjektiven Einflußnahmen offenlegt und bei der Strenge des Prüfungsmaßstabes berücksichtigt.

46 Pieroth/Schlink, Grundrechte, S. 116, führen dazu treffend aus: „ . . . Die politische Forderung nach möglichst viel gesellschaftlicher Freiheit gerät mit der politischen Forderung nach möglichst viel gesellschaftlicher Gleichheit in Konflikt: ... Die grundrechtlichen Verbürgungen von Freiheit und Gleichheit stehen dagegen konfliktfrei nebeneinander 47 Vgl. Gusy, JuS 1982, S. 36; Kirchhof, Gleichheitssatz, S. 882 ff.; Schoch, DVB1. 1988, S. 871 f.; M/D/H/S-Dürig, Art. 3, Rn. 6 f., 22 ff.; Leibholz, Gleichheit, S. 16 ff.; M/K/SStarck, Art. 3, Rn. 3 ff.; Alexy, Theorie, S. 379 Fn. 66; Kloepfer, Gleichheit, S. 39 f.; Bleckmann, Struktur, S. 24 ff. 48

Vgl. Fn. 22 mit Dürigs Kanon absolut normierter Gleichheitsrechte als bestes Beispiel.

Α. Grundsätzliche Gedanken zur Gleichheitsproblematik

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In dieser Arbeit wird bezüglich des Verhältnisses von Freiheit und Gleichheit mit der h.M. 4 9 von einer Präponderanz der Freiheit über die Gleichheit ausgegangen. Diese Rangfolgeentscheidung kann dem gesicherten Erkenntnisbereich der Verfassung zugeordnet werden. Die Präponderanz der Freiheit findet ihre vornehmliche Begründung in der Möglichkeit, den Bereich der garantierten Gleichheitsrechte ausschließlich durch Freiheitsabwägungen einzugrenzen. So ist die zugestandene Freiheit, etwas zu tun, wertlos, wenn der Freiheitsgrundrechtsträger nicht die Möglichkeit zu ihrer Ausübung hat. Für den Bereich der Existenzsicherung bedeutet dies, daß ohne deren Sicherstellung das Überleben des Grundrechtsträgers und damit notwendigerweise all seine Freiheitsrechte in Frage gestellt wären. Die Notwendigkeit, allen Menschen eine gleiche minimale Existenzgrundlage zuzusichern, läßt sich somit auch ohne Gleichheitsabwägungen, innerhalb der Freiheitsoptimierung 50 beantworten. Ein weiterer Nachweis der Präponderanz der Freiheit über die Gleichheit liegt in der schon oben 51 dargelegten Erkenntnis, daß die Gleichheit im Unterschied zur Freiheit keinen Wert an sich darstellt. Sie benötigt im Rahmen einer Konkretisierungsentscheidung eines zusätzlichen Wertmaßstabes, wie ζ. B. Gleichheit in Freiheit, um ein sinnvolles Grundrecht darzustellen. Nicht zuletzt resultiert die Präponderanz der Freiheit über die Gleichheit aus der wegen der unvollkommenen Natur des Menschen vorzunehmenden Abgrenzung von berechtigter Gleichheitsforderung und bloßem Neid. So unterscheidet sich der Neid von der Gleichheitsforderung dadurch, daß die Gleichheitsforderung auch immer die Gründe einer Differenzierung als mögliche Rechtfertigung im Auge behält, während die aus dem Neid resultierende Forderung nach Angleichung außer dem Gleichstellungsbegehren keine weiteren Gründe anführen kann. Dürig 52 faßt das griffig in die Worte: „Es ist geradezu schizophren, wenn derselbe Mensch wahllos bald für sich als Freiheit verbrieft erachtet, was er sofort wieder als sog. Privileg bei anderen abgebaut und gleichgemacht haben will, falls er beim Freiheitsgebrauch scheitert und gegenüber dem Mitmenschen zurückbleibt."

3. Materielle Gleichheit und beschränkte Ressourcen In den vorherigen beiden Teilkapiteln wurde aufgezeigt, daß bei der Bestimmung des materiellen Gleichheitsbegriffes auch ein bestimmtes vom Freiheits- und Gleichheitsverständnis abhängiges Maß an faktischen Gleichheitsforderungen abzuleiten ist. Nun können diese Forderungen nach faktischer Gleichheit allerdings 49 Vgl. ζ. B. M/D/H/S-Dürig, Art. 3, Rn. 135; Kloepfer, Gleichheit, S. 30; M/K-Gubelt, Art. 3, Rn. 2 sowie Schock, DVB1. 1988, S. 871 m. w. N. Demgegenüber vertritt eine Mindermeinung die These der Gleichwertigkeit von Freiheit und Gleichheit. Vgl. dazu ζ. B. M/K/ S-Starck, Art. 3, Rn. 3 ff. 50 Dabei wird als Optimum der Freiheit die größtmögliche Summe der Freiheiten aller Grundrechtsträger verstanden. Vgl. oben Abschnitt A.II. 52 M/D/H/S-Dürig, Art. 3, Rn. 130. Vgl. dazu auch Kirchhof, NJW 1987, S. 2354.

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nicht nur auf eine theoretische Verfassungsinterpretation gestützt werden. Ein weiterer wichtiger Bestimmungsfaktor der faktischen Gleichheit - und damit auch des Gleichheitsbegriffes des Grundgesetzes - ist die Beschränktheit der materiellen Ressourcen des Staates. Hieraus folgt zunächst einmal die Selbstverständlichkeit, daß nur das verteilt werden kann, was überhaupt vorhanden ist. Faktische Gleichheitsrechte können also nur insoweit aufgestellt werden, als die dafür notwendigen Ressourcen von der Volkswirtschaft überhaupt erwirtschaftet werden. Somit wird auch deutlich, daß der materielle Gleichheitsbegriff in seiner faktischen Komponente abhängig von der Leistungsfähigkeit des Gemeinwesens ist und somit mit deren Veränderungen auch eigenen Änderungen unterliegt. Beispielhaft dafür sei auf die heutige Auffassung, den Fernseher zum Existenzminimum hinzuzurechnen, hingewiesen, was noch in den 50er-Jahren als undenkbar und abwegig erschienen wäre. 53 Darüber hinausgehend hat die Beschränktheit der Ressourcen noch weiteren Einfluß auf die Aufstellung faktischer Gleichheitsrechte. So ist zu beachten, daß die Festlegung von - vorhandenen - Ressourcen zur Aufstellung eines faktischen Gleichheitsrechts (ζ. B. die Verpflichtung des Staates, im Rahmen der Sozialhilfe auch Kinderfahrräder zu finanzieren) diese einer möglichen anderen Verwendung endgültig entzieht und somit staatliches Handeln und eventuell sogar andere Gleichheitsprogramme unmöglich macht. Das BVerfG hat diesen Gedanken beim Numerus-Clausus-Urteil aufgegriffen und trotz eines attestierten Rechts auf gleichen Zugang zu Bildungseinrichtungen eine Pflicht des Staates zum uferlosen Ressourceneinsatz beim Hochschulausbau, um jedem Studenten seine Berufswahl gleichermaßen zu ermöglichen, verneint. Nach der zutreffenden Auffassung des BVerfG „ . . . würde es dem Gebot sozialer Gerechtigkeit, das sich im Gleichheitssatz konkretisiert, geradezu zuwiderlaufen, die nur begrenzt verfügbaren öffentlichen Mittel unter Vernachlässigung anderer wichtiger Gemeinschaftsbelange bevorzugt einem privilegierten Teil der Bevölkerung zugute kommen zu lassen."54 Dieser Sachverhalt darf allerdings nicht dazu verführen, bei Auftreten der Drittwirkung durch Ressourcenbindung ein faktisches Gleichbehandlungsrecht sofort zu verneinen. Denn auch den anderen Grundrechten ist eine ressourcenbindene Wirkung nicht fremd. So führt nahezu jede Zuerkennung eines Grundrechtes über einen erhöhten oder veränderten staatlichen Verwaltungsaufwand zu Auswirkungen auf den vordem geplanten staatlichen Ressourceneinsatz.55 Es kann also nicht darauf ankommen, ob überhaupt ressourcenbindene Wirkungen auftreten, sondern es muß auf die Intensität derselben abgestellt werden. Und hier ist bei den faktischen Gleichheitsrechten von einer erheblich ausgeprägteren Ressourcenbindung auszugehen.56 53 Zur Änderung des Gleichheitsbegriffes im Laufe der Zeit, vgl. ζ. B. Kirchhof, Gleichheitssatz, S. 855 ff., 87,91 f.; Schoch, DVB1. 1988, S. 874 sowie Bleckmann, Struktur, S. 49 f. 54 BVerfGE 33, 303 (334 f.).. 55 Vgl. Huster, Rechte, S. 123 f.

Α. Grundsätzliche Gedanken zur Gleichheitsproblematik

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Der Grundrechtsinterpret muß sich also darüber Klarheit verschaffen, welche finanziellen Auswirkungen ein von ihm nach seinem Freiheits- und Gleichheitsverständnis zunächst zuerkanntes faktisches Gleichheitsrecht zeitigt. Sind diese finanziellen Auswirkungen erheblich, so kann dies dazu führen, daß ein solches Gleichheitsgrundrecht der Verfassung nicht entnommen werden kann. 57 Umgekehrt kann die Beschränktheit der Ressourcen vom Gesetzgeber als Rechtfertigung für eine Differenzierung herangezogen werden. 58 Die Entscheidung über das „Ob" und „Wie" eines nicht unerheblichen Mitteleinsatzes wird dem Gesetzgeber überlassen bleiben müssen, es sei denn, der Verfassung können unzweifelhafte Forderungen nach faktischer Gleichstellung entnommen werden. Diese These hat dabei um so stärkeres Gewicht, als bei der Entscheidung über den finanziellen Mitteleinsatz innerhalb des Staates die Budgethoheit als zentrales Feld des Entscheidungsvorrangs des Gesetzgebers gegenüber den sonstigen Gewalten berührt ist. Diese soll im nächsten Kapitel dargelegt werden.

4. Vorrang des Gesetzgebers und Gesetzgebungsqualität Der Vorrang oder auch Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers resultiert aus dem Grundsatz der Gewaltenteilung gemäß den Art. 20 Abs. 2 und Abs. 3 GG. Danach 59 werden drei Gewalten unterschieden, denen zwecks Verhinderung unerwünschter Machtkonzentrationen verschiedene Aufgaben im Staatsgefüge zugewiesen werden. Dem Gesetzgeber obliegt dabei die Aufgabe, die allgemeine Ordnung des Gemeinwesens auszugestalten. Gemäß Art. 20 Abs. 3 GG ist er dabei nur an die verfassungsmäßige Ordnung gebunden. Ist diese offen für verschiedene Interpretationen, so ist allein der Gesetzgeber - also nicht etwa (auch) das BVerfG die zur Festlegung der maßgeblichen Auslegung der Verfassung berufene Instanz.60 Seine Legitimation resultiert aus der demokratischen Rückkopplung und 56

Diese Einsicht stützt sich vornehmlich auf die Nähe des Gleichheitssatzes zu Verteilungsfragen. Auch ist es ja gerade Sinn der faktischen Gleichheitsforderung, die erheblichen Unterschiede zwischen den erfolgreichen und erfolglosen Menschen zu nivellieren, mithin eine Transferleistung zu fordern. 57 Auch das BVerfG berücksichtigt bei der Zuerkennung von Gleichheitsrechten diese Zusammenhänge. Neben dem oben schon zitierten Numerus-Clausus-Urteil (BVerfGE 33, 303 ff.) hat es dies u. a. in folgenden Fällen getan: BVerfGE 14, 13 (18); 27, 58 (66 f.); 27, 253 (288); 87, 1 ff. Vgl. dazu auch die zustimmende Argumentation von M/K/S-Starck, Art. 3, Rn. 25 zu BVerfGE 45, 376 (391). 58 Vgl. Schoch, DVB1. 1988, S. 869; Bleckmann, Struktur, S. 84 f.; Kloepfer, Gleichheit, S. 36. 59 Vgl. dazu ausführlich M/K-Schnapp, Art. 20, Rn. 32 ff., der u. a. aufzeigt, daß die Aufgabenzuteilung weniger in Art. 20 GG als an anderen Stellen des Grundgesetzes stattfindet. 60 Dies sieht auch das BVerfG so, wenn es formuliert: „Auch ein durch einen Meinungsstreit in Rechtslehre und Rechtsprechung hervorgerufener Zustand der Rechtsunsicherheit kann nicht dazu führen, eine Rechtsauslegung, die mit dem Gleichheitssatz noch vereinbar ist, nur deswegen für verfassungswidrig zu erklären, weil eine andere Auslegung möglicherweise dem Gleichheitssatz besser entspräche." BVerfGE 22, 322 (329) sowie BVerfGE 3, 162

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Kontrolle, denen der Gesetzgeber durch die wiederkehrenden Wahlen ausgesetzt ist. Die Wahlen stellen ihrerseits sicher, daß die Zusammensetzung des Parlaments ein Abbild der Gerechtigkeitsvorstellungen des Staatsvolkes ist. Die dadurch sichergestellte Verkörperung der Gerechtigkeitsvorstellungen des Staatsvolkes im Parlament führt zu deren Niederschlag in den Parlamentsgesetzen und damit in der Rechtsordnung schlechthin.61 Der allgemeine Gleichheitssatz ist, wie oben dargelegt, inhaltlich offen und durch weitere Verfassungsvorschriften nur bedingt konkretisierbar. Er hat zudem, wie ebenfalls aufgezeigt, eine enge inhaltliche Verbundenheit zu den Wert- und Gerechtigkeitsvorstellungen der Gesellschaft. Es ist daher im Sinne des Gewaltenteilungsprinzips strikt zu fordern, daß dem Art. 3 Abs. 1 GG nur solche faktische Gleichstellungsforderungen entnommen werden, die mit anderweitigen verfassungsrechtlichen Argumenten unzweifelhaft untermauert werden können. Wird gegen diese Forderung verstoßen und werden in den Gleichheitssatz auch eher strittige Gleichheitsrechte hineininterpretiert, so läuft man Gefahr, am Gerechtigkeitsgefühl der Gemeinschaft vorbei zu handeln. In diesem Fall würde das BVerfG unweigerlich in den tagespolitischen Streit über das strittige Thema hineingezogen. Ein Ansehens- und Autoritätsverlust wäre unvermeidlich. 62 Es erschiene auch gewagt bis abwegig, wollte der gerade zur Verfassungsinterpretation Berufene seine subjektiven Vorstellungen denen des Parlaments überordnen, ohne daß der Verfassungsinterpret sich auf flankierende Argumente aus der Verfassung stützen könnte, während das Parlament seine Vorstellungen in lebhafter Auseinandersetzung mit allen Interessengruppen des Gemeinwesens gewonnen hat. 63 Zudem ist in dieser Konstellation kritisch zu fragen, auf welche - besseren Tatsachenfeststellungen der zum Sachthema oft als Laie einzustufende Verfassungsinterpret seine vom Gesetzgeber abweichenden Vorstellungen denn stützen will. 6 4 Schließlich würde mit der behaupteten Feststellung eines Grundrechtes der Wettbewerb der Gerechtigkeitsvorstellungen zu dem Thema von demokratisch nicht legitimierter Stelle entschieden, und die Möglichkeit, daß sich andere Wertvorstellungen durchsetzten, wäre verbaut. 65 (182). Vgl. dazu auch Kirchhof, Gleichheitssatz, S. 847 ff.; Zippelius, VVDStRL 47 (1989), S. 25 f. sowie Hesse, AöR 107 (1984), S. 193. Vgl. Bleckmann, Struktur, S. 66. 62 Vgl. u. a. Zippelius, VVDStRL 47 (1989), S. 25 ff.; Hesse, AöR 107 (1984), S. 180 sowie über aktuelle Entwicklungen zum Thema Isensee, Karlsruhe ist nicht mehr unangreifbar, FAZv.26. 09. 1996. 63 Vgl. Zippelius, VVDStRL 47 (1989), S. 25 ff. Mit Zippelius ist dazu weiterhin anzuführen, daß in einer offenen demokratischen Gesellschaft jeder Bürger eine gleichzuachtende moralische Instanz bei der Definition der gerechten Gesellschaftsordnung ist, die Gerechtigkeitsvorstellungen des Grundgesetzinterpreten mithin nur eine von 80 Millionen Möglichkeiten darstellen.. « Vgl. dazu M/D/H/S-Dürig, Art. 3, Rn. 279 oder ähnlich Huster, Rechte, S. 110. 65 Vgl. Rüpke, Ermessen, S. 110 f.; Dürig {M/D/H/S-Dürig, Art. 3, Rn. 119) führt dazu grundlegender und überzeugend aus: „ . . . , daß kein Mensch und keine Gruppe (Und also

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Der gerade dargelegten klaren Ablehnung weitergehender Prüfungsrechte des Grundrechtsinterpreten steht eine häufig beklagenswert schlechte Qualität der Gesetze gegenüber.66 Die darin liegende Fehlleistung des Gesetzgebers findet ihre Ursache in häufigem Versagen der dem demokratischen Prozeß immanenten Selbstregulierung. Die Durchsetzungsschwäche des Parlaments läßt einen übergroßen Einfluß der Interessenverbände auf den Gesetzesinhalt zu. 67 Dies verdeutlicht, daß ein blindes Vertrauen in die parlamentarische Gesetzgebung nicht angebracht ist. Auch die Verfassungsväter hatten ein gesundes Mißtrauen gegen den Gesetzgeber 68 und schufen deswegen eine zur Gesetzgeberkontrolle berufene Instanz, das BVerfG. Mit dessen Kontrollbefugnis ist notwendigerweise auch eine Überordnung der Wertungen des BVerfG über die des Gesetzgebers verbunden. 69 Kritik daran kann sich also nur gegen das „Wieweit" und nicht das „Ob" richten. Eine Unantastbarkeit der gesetzgeberischen Entscheidungen und eine damit verbundene rücksichtslos zurückgedrängte Prüfungsbefugnis des BVerfG verbietet zudem die Erkenntnis, daß die Funktionenordnung nicht nur durch Kompetenzüberschreitung, sondern auch durch Kompetenzunterschreitung des BVerfG verletzt werden kann. 70 Die Brisanz einer solchen Kompetenzunterschreitung liegt dabei in dem sicheren Automatismus, daß nur solche Vorschriften auch eingehalten werden, die einer Kontrolle unterliegen. Nach all dem kann als unstreitig angenommen werden, daß dem Grundrechtsinterpreten ein materielles Prüfungsrecht zum Gleichheitssatz zugestanden werden muß. Dieses Prüfungsrecht muß auch gelten, wenn der Gesetzgeber Entscheidungen in strittigen Politikfeldern getroffen hat. Für die Strenge und Reichweite der Prüfung ist allerdings wegen der inhaltlichen Offenheit des Gleichheitssatzes und seiner Nähe zu Gerechtigkeitsfragen ein äußerst restriktives Vorgehen zu fordern. Hier ist streng nach dem Grundsatz zu verfahren, daß dem Gesetzgeber nur der geauch keine Gruppe von Richtern - Anm. d. Verf.) absolut und stets im Besitz der einen Wahrheit, in der Erkenntnis des allein Richtigen, usw. sein können und sein werden. Und aus dieser Einsicht des möglichen Irrens und möglichen Fehlgreifens - ... - folgen dann zwingend die im Demokratiebegriff des GG mitgedachten Korrektur- und Reversibilitätsregelungen ...". Im Umkehrschluß folgt daraus, daß ein verfassungsrichterliches Festzurren noch strittiger gesellschaftspolitischer Fragen demokratiewidrig ist. 66 Ein herausragendes Beispiel hierfür ist in der Untätigkeit des Gesetzgebers gegenüber der obsolet gewordenen Unterscheidung von Arbeitern und Angestellten in den Arbeitnehmerschutzgesetzen zu sehen. 67 Vgl. zur Darstellung der mangelnden Qualität der Gesetzgebung und ihrer Ursachen ausführlich Wendt, NVwZ 1988, S. 778 f. Vgl. zudem Rüpke, Ermessen, S. 171; Huster, JZ 1994, S. 542; ders., Rechte, S. 92 f. 68 Vgl. dazu M/D/H/S-Dürig, Art. 3, Rn. 299; Alexy, Theorie, S. 359; Huster, Rechte, S. 17 f. 69 Vgl. Alexy, Theorie, S. 375 f. 70 Vgl. Krugmann, JuS 1998, S. 8. So auch M/D/H/S-Dürig, Art. 3, Rn. 299, der von einer Konstituierung einer Richterpflicht durch Art. 1 Abs. 3 GG i.V. mit Art. 100 GG spricht. Vgl. zudem Stern (Staatsrecht I § 4 III 8), der die Gefahr eines Umschlagens des »judical self-restraint" in einen Freibrief für Kompetenzunterschreitungen aufzeigt.

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sicherte Inhalt der Verfassung entgegengehalten werden kann. Gibt es also keinen sicheren Inhalt, muß der Verfassungsinterpret die Funktionenordnung respektieren und dem Gesetzgeber die Definition einer gerechten Ordnung überlassen.

IV. Schlußfolgerungen für den Verfassungsinterpreten In den vorherigen Abschnitten wurde gezeigt, daß sich eine Grundrechtsüberprüfung anhand des Art. 3 Abs. 1 GG von einer sonstigen Grundrechtsüberprüfung erheblich unterscheidet. Dies liegt an der besonderen Struktur des Gleichheitssatzes. So ist dieser zunächst inhaltlich offen und bedarf einer konkretisierenden Wertungsentscheidung - der Definition des geltenden Gleichheitsverständnisses. Da diese nur unbefriedigend anhand des sonstigen Inhalts der Verfassung vornehmbar ist, der Gleichheitssatz aber gleichzeitig eine große Nähe zu Gerechtigkeitsfragen innehat, steht der Verfassungsinterpret vor dem Problem, seine Konkretisierungsentscheidung zu rechtfertigen. Die Definition des Gleichheitsmaßstabs erfordert dabei vom Grundrechtsinterpreten eine Positionierung innerhalb mehrerer Spannungsfelder. Zunächst einmal muß sich der Verfassungsinterpret der Widersprüchlichkeit des Gleichheitsbegriffes bewußt sein. Die geforderte materielle Gleichheit setzt sich aus faktischen und schematischen Komponenten zusammen, wobei diese beiden in einem konkurrierenden Verhältnis stehen. Die eine kann nur jeweils auf Kosten der anderen erreicht werden. Das Maß an faktischen Gleichstellungsforderungen, das der Verfassungsinterpret dem materiellen Gleichheitsbegriff zuordnen will, muß er sodann im Rahmen einer Gesamtinterpretation der Verfassung mit seinem Freiheitsverständnis in Einklang bringen. Die Forderung, zwei Grundrechtsträger gleichzustellen, ist automatisch auch immer eine Verdrängung des Rechts der Grundrechtsträger, verschieden zu sein. Dieser Zusammenhang muß dem Verfassungsinterpreten präsent, seine dazu getroffene Wertungsentscheidung muß offensichtlich und begründet sein. Die Wertungsentscheidung sollte zudem unter Berücksichtigung der Präponderanz der Freiheit über die Gleichheit getroffen werden. Die vom Verfassungsinterpreten aufgestellten faktischen Gleichstellungsforderungen haben zudem eine ressourcenbindene Wirkung. Die dadurch festgelegten Mittel werden einer möglichen anderweitigen Nutzung entzogen. In Verbindung mit der Beschränktheit der Ressourcen stellt dies einen schweren Eingriff in die Budgethoheit des Gesetzgebers dar und kann zu einer kontraproduktiven Verdrängung anderer staatlicher Gleichstellungsprogramme führen. Für den Verfassungsinterpreten erzeugt dies die Pflicht, seinen Gleichheitsbegriff auf dessen ressourcenbindende Wirkung hin zu überprüfen und ggf. ein zunächst zuerkanntes faktisches Gleichstellungsrecht wieder zurückzunehmen.

Β. Zur Rechtsprechung des BVerfG zu Art. 3 Abs. 1 GG

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Schließlich gefährdet der dargelegte Eingriff in die Budgethoheit den vom Gewaltenteilungsprinzip geforderten Entscheidungsvorrang des Gesetzgebers. Nur dieser ist danach im Rahmen der Vorgaben der Verfassung zur Ausgestaltung einer gerechten Gesellschaftsordnung berufen. Das unstrittig existierende Prüfungsrecht des Verfassungsgerichts beschränkt sich eindeutig auf den gesicherten Inhalt der Verfassung. Ist der Inhalt der Verfassung verschiedenen Auslegungen zugänglich, verliert der Verfassungsinterpret sein Recht, und dem demokratisch legitimierten Gesetzgeber fällt das Entscheidungsrecht zu. Der Verfassungsinterpret muß die vom Gewaltenteilungsprinzip vorgegebene Grenze zwischen politisch Wünschenswertem und grundrechtlich Gebotenem beachten und sich zurückhalten. Pointiert ausgedrückt: Ein starke politische Behauptung mit schwachem Beweis aufzustellen sollte der Verfassungsinterpret Politikern überlassen.

B. Zur Rechtsprechung des BVerfG zu Art. 3 Abs. 1 GG Die Rechtsprechung des BVerfG zum Gleichheitssatz hat in der Vergangenheit mehrere Änderungen in der Argumentation erfahren. Zunächst war das Willkürverbot (Abschnitt B.I.) zentraler und unbestrittener Inhalt der Rechtsprechung beider Senate. Später setzte der 1. Senat mit der sogenannten „Neuen Formel" (Abschnitt B.II.) und einer weiteren Neuorientierung (Abschnitt Β.ΠΙ.) veränderte Schwerpunkte. Ob und inwieweit der 2. Senat dieser Entwicklung gefolgt ist bzw. folgen wird, ist noch unklar (Abschnitt Β.IV.).

I. Das Willkürverbot Das BVerfG hat den materiellen Gehalt des Gleichheitssatzes von Beginn seiner Rechtsprechung an in Anlehnung an Leibholz 71 als Willkürverbot verstanden. Danach ist der Gleichheitssatz verletzt, wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonstwie sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden läßt, kurzum, wenn die Bestimmung als willkürlich bezeichnet werden muß. 72 Diesen Grundgedanken kleidete das BVerfG in der Folgezeit in viele ähnliche, abgewandelte oder gleichgerichtete Formulierungen. 73 So soll in einer anderen Formulierung ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz nur dann vorliegen, wenn es der Ge71 Vgl. Leibholz, Die Gleichheit vor dem Gesetz. 72 So zuerst in BVerfGE 1, 14 (52), seitdem st. Rspr., zuletzt in: BVerfGE 61, 138 (147); 68, 237 (250); 83, 1 (23); 89, 132 (141); 91, 118(123). 73 Vgl. dazu die sehr ausführliche Darstellung in Leibholz/Rinck/Hesselberger, Rn. 21 ff.

Art. 3,

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1. Kap.: Art. 3 Abs. 1 GG als Prüfungsmaßstab für Differenzierungen

setzgeber versäumt, tatsächliche Gleich- oder Ungleichheiten der zu ordnenden Lebensverhältnisse zu berücksichtigen, die so bedeutsam sind, daß sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise beachtet werden müssen.74 An anderer Stelle formuliert das BVerfG kurz und prägnant, der Gesetzgeber dürfe nach dem allgemeinen Gleichheitssatz weder wesentlich Gleiches willkürlich ungleich, noch wesentlich Ungleiches willkürlich gleich behandeln.75 Dabei zielt das BVerfG jeweils auf einen objektiven Willkürbegriff ab und führt aus: „Nicht subjektive Willkür führt zur Feststellung der Verfassungswidrigkeit, sondern objektive, d. h. die tatsächliche und eindeutige Unangemessenheit der gesetzlichen Maßnahme im Verhältnis zu der tatsächlichen Situation, deren sie Herr werden soll." 76 Der Gesetzgeber soll zudem eine sehr weitgehende Gestaltungsfreiheit haben. Nur die Einhaltung der äußersten Grenzen der gesetzgeberischen Freiheit will das BVerfG nachprüfen. Die Unsachlichkeit der getroffenen Regelung muß evident sein, wenn Art. 3 Abs. 1 GG verletzt sein soll. 77 Deswegen lehnt es das BVerfG auch ab zu prüfen, ob der Gesetzgeber jeweils die gerechteste und zweckmäßigste Regelung getroffen hat. 78 Schon früh hat das BVerfG den materiellen Gehalt des allgemeinen Gleichheitssatzes auch in Abhängigkeit zum konkreten Sachverhalt gestellt: „Was in Anwendung des Gleichheitssatzes sachlich vertretbar oder sachfremd und deshalb willkürlich ist, läßt sich nicht abstrakt und allgemein feststellen, sondern stets nur in bezug auf die Eigenart des konkreten Sachverhalts, der geregelt werden soll." 79 Es hat infolgedessen im Laufe der Zeit zu einer Vielzahl von Bereichen weitergehende Aussagen zur Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers und damit auch zum Prüfungsrecht des Interpreten gemacht. Als wichtige Beispiele sei auf die Rechtsprechung des BVerfG zu Typisierungen, 80 Stichtagsregelungen,81 Gesetzen zur 74 Vgl. BVerfGE 1, 264 (275 f.); 2, 118 (119 f.); 9, 124 (129 f.); 9, 137 (146); 9, 201 (206); 12, 341 (348); 14, 221 (238); 15, 167 (201); 17, 319 (330); 21, 6 (9); 21, 12 (26 f.); 21, 73 (84), 32, 157 (167 f.). Bezugnahme in: BVerfGE 376 (387); 48, 281 (288); 49, 192 (208); 50, 177 (191); 52,277 (281); 71, 364 (384). 75 Vgl. BVerfGE 4, 144 (155); 9, 334 (337); 11, 64 (71); 11, 283 (287); 17, 319 (330); 21, 6 (9); 22, 254 (263). Bezugnahme in: BVerfGE 42, 64 (72); 49, 148 (165); 50, 177 (186); 51, 295 (300); 52, 277 (280); 55, 114 (128); 86, 81 (87). 76 BVerfGE 2, 266 (281). Bezugnahme darauf in: BVerfGE 4, 144 (155); 42, 64 (73); 48, 227 (237); 51, 1 (27); 58, 81 (128); 63, 152 (171); 64, 243 (249); 70,93 (97). 77 Vgl. BVerfGE 1, 264 (276); 2, 118 (119); 9, 124 (130); 12, 341 (348); 12, 326 (333, 337 f.); 18,121 (124); 49,260 (271); 69, 150 (160); Bezugnahme in: BVerfGE 71, 39 (58). 78 Vgl. BVerfGE 4, 219 (243 f.); 9, 201 (206); 11, 105 (123); 14, 221 (238); 19, 354 (367 f.); 51, 257 (267); 55, 114 (128). Ähnlich BVerfGE 3, 58 (135 f.); st. Rspr., zuletzt BVerfGE 65, 141 (148); 66, 84 (95); 68, 237 (250); 68, 287 (301). 79 BVerfGE 17, 122 (130). Bezugnahme in BVerfGE 46, 299 (312) und 63, 255 (262). Als ständige Rechtsprechung bezeichnet seit BVerfGE 75, 108 (157). 80 Das BVerfG betont zunächst immer die Anerkennung von Notwendigkeit und verfassungsrechtlicher Unbedenklichkeit der Typisierung. Vgl. BVerfGE 17, 1 (23), seitdem st. Rspr., zuletzt in BVerfGE 71, 146 (157); 75, 108 (161); 77, 308 (338); 78, 214 (226 f.); 79, 87 (100); 80, 109 (118); 81, 108 (119); 81, 228 (237). Die dabei auftretenden Härten und

Β. Zur Rechtsprechung des BVerfG zu Art. 3 Abs. 1 GG

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Haushaltssanierung82 oder Wirtschaftslenkung 83 sowie der Unterscheidung von darreichender Verwaltung und eingreifender Staatstätigkeit84 hingewiesen. Eine Begründung oder gar rechtsdogmatische Ableitung für die Interpretation des Gleichheitssatzes als Willkürverbot hat das BVerfG nicht gegeben.85 So kann nur vermutet werden, daß sich das BVerfG die Leibholzsche Ableitung des Willkürbegriffes als Gegenbegriff zur Gerechtigkeit zueigen gemacht hat. Dieser hatte, die Nähe des Gleichheitssatzes zu Gerechtigkeitsfragen erkennend, 86 die Unmöglichkeit der positiven Definition der Gerechtigkeit festgestellt 87 und war sodann auf eine negative Definition der Gerechtigkeit, der Abgrenzung zu willkürlichem Recht, ausgewichen.88 Neben dieser unausgesprochenen Herleitung des Willkürverbotes hat das BVerfG selbst immer nur das im Rahmen des Gewaltenteilungsprinzips erforderliche „self-restraint" der Judikatur betont und dem Gesetzgeber deshalb einen weitestgehenden Entscheidungsspielraum zugestanden.89

Ungerechtigkeiten will das BVerfG jedoch auf eine „verhältnismäßig kleine Zahl" begrenzt wissen. Vgl. BVerfGE 26, 265 (275 f.); 45, 376 (390); 63, 119 (128); 79, 87 (100); 82, 60 (97); 82, 126 (152); 84, 168 (183); 84, 348 (359 f., 365); 91, 93 (115). Darüber hinaus soll es u. a. auf die Schwierigkeiten bei der Vermeidung der Härten (Vgl. BVerfGE 45, 376 (390); 63, 119 (128)) oder die praktischen Erfordernisse der Verwaltung ankommen (Vgl. BVerfGE 84, 348 (360) m. w. N., st. Rspr.). 81 Das BVerfG sieht gewisse Härten bei Stichtagsregelungen als unvermeidlich an. Vgl. BVerfGE 3, 58 (148); 36, 174 (192); 46, 299 (307); 49, 260 (275); 71, 364 (397); 80, 297 (311); 87, 1 (47). Gleichzeitig will es sie aber nur unter bestimmten Zulässigkeitsvoraussetzungen akzeptieren. Vgl. BVerfGE 3, 58 (148); 3, 288 (337); 13, 31 (38); 24, 220 (228); 29, 283 (299); 44, 1 (21 f.); 47, 85 (94); 58, 81 (126); 66, 234 (244); 71, 364 (397); 75, 78 (106); 76, 256 (362); 87, 1 (43). 82 Vgl. ζ. B. BVerfGE 60, 16 (43); 61, 43 (63); 64, 158 (198); 72, 175 (198); 76, 256 (357 f.). 83 Vgl. BVerfGE 18, 315 (331). Vgl. dazu auch zu „wirtschaftsordnenden Maßnahmen" BVerfGE 25, 1 (19 f.); 30, 292 (319,323); 50, 290 (338).

84 Vgl. BVerfGE 6, 55 (77); 11, 50 (60); 12, 151 (166); 17, 210 (216); 22, 100 (103); 23, 258 (264); 26, 16 (31); 28, 206 (214); 29, 51 (56); 36, 230 (235); 38, 187 (197); 49, 280 (283); 61, 138 (147). Vgl. dazu ebenso die parallele Rechtsprechung zu bevorzugender und benachteiligender Typisierung: BVerfGE 17, 1 (23 f.); 19, 101 (116); 22, 163 (169); 28, 324 (356); 44, 290 (295). 85 Vgl. Hesse, AöR 107 (1984), S. 186. 86 Vgl. Leibholz, Gleichheit, S. 53 f. 87 Vgl. Leibholz, Gleichheit, S. 56 ff. 88 Vgl. Leibholz, Gleichheit, S. 72 ff., 247 ff. 89 So formuliert das BVerfG: „Es ist feststehender Grundsatz der Rechtsprechung des BVerfG, daß das Gericht dem Gesetzgeber gegenüber Zurückhaltung zu üben hat und nur die Verletzung äußerster Grenzen der gesetzgeberischen Freiheit feststellen kann." Vgl. BVerfGE 13, 356 (361 f.); 14, 142 (150) ähnlich in BVerfGE 19, 354 (367 f.); 45, 187 (237); 56, 87 (95).

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1. Kap.: Art. 3 Abs. 1 GG als Prüfungsmaßstab für Differenzierungen

II. Die „Neue Formel" des 1. Senats Nach anfänglicher ganz überwiegender Zustimmung90 hat die Willkürrechtsprechung des BVerfG immer deutlichere Kritik erfahren. Beispielhaft 91 sei auf die dem BVerfG von Starck 92 unterstellte Leerformelhaftigkeit seiner Begriffe, dem von Podlech93 diagnostizierten Auslegungszirkel innerhalb der Willkürrechtsprechung und dem von Zacher 94 behaupteten Minimalismus und Quietismus des BVerfG in der Gleichheitskontrolle hingewiesen. Herzog 95 erkennt als tiefere Ursache dieser Kritik das Zurückbleiben der Gleichheitssatzrechtsprechung im Vergleich zur immer differenzierteren Rechtsprechung des BVerfG zu den sonstigen Grundrechten. Schließlich wurde an der Willkürrechtsprechung auch innerhalb des BVerfG selbst Kritik laut. So forderte die Richterin Rupp-v. Brünneck 96 in einem Sondervotum bei Fragen der sozialen Sicherung eine über das reduzierte Verständnis des Gleichheitssatzes als Willkürverbot hinausgehende verfassungsrechtliche Prüfung. Wohl auch angesichts dieser immer deutlicheren Kritik erfuhr die Rechtsprechung des 1. Senates seit 1980 mit der Aufstellung der sogenannten „Neuen Formel" eine wesentliche Änderung. Danach ist der Gleichheitssatz vor allem dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obschon zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten.97 Im Unterschied zur Willkürformel soll jetzt also nicht mehr nur irgendein sachlich einleuchtender Grund die Ungleichbehandlung rechtfertigen können, sondern es findet eine (wertende) Gewichtung zwischen tatsächlichen Unterschieden und Ungleichbehandlungen statt.98

90 Vgl. M/K-Gubelt,

Art. 3; Rn. 13, m. w. N. zum damaligen Schrifttum.

Eine ausführliche Darstellung dieser Kritik soll an dieser Stelle unterbleiben. Soweit die in der Literatur an der Rechtsprechung des BVerfG geübte Kritik für diese Arbeit relevant ist, wird sie nachfolgend in Abschnitt C.I. aufgegriffen. 92 Vgl. M/K/S-Starck, Art. 3, Rn. 11. 93 Vgl. Podlech, Gehalt, S. 84. 94 Vgl. Zacher, AöR 93 (1968), S. 357. 95 Vgl. M/D/H/S-Herzog, Art. 3, Rn. 6. 96 Vgl. dazu Rupp-v. Brünneck, Sondervotum, BVerfGE 36, 247 ff. Zudem deutet Rupp-v. Brünneck an, das BVerfG könnte durch ein zu weit gehendes selbstauferlegtes „judical restraint" Gefahr laufen, statt einer Gleichheitsprüfung lediglich erstarrte Formeln anzuwenden. Vgl. BVerfGE 36, 237 (248). 97 Vgl. BVerfGE 55, 72 (88). Seitdem st. Rspr., zuletzt in BVerfGE 84, 133 (157); 84, 197 (199); 84, 348 (359); 85, 191 (210); 85, 238 (244 f.); (5, 360 (383); 87, 1 (36); 87, 234 (255); 88, 5 (12); 89,69 (89). 98 Das BVerfG faßt diesen Zusammenhang an anderer Stelle in aller Kürze zusammen: „Ungleichbehandlung und rechtfertigender Grund müssen in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen." BVerfGE 82, 126 (146); 88, 5 (12).

Β. Zur Rechtsprechung des BVerfG zu Art. 3 Abs. 1 GG

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Die „Neue Formel" ist vom Schrifttum" überwiegend begrüßt worden. Es bestehen jedoch erhebliche Unklarheiten darüber, ob und inwieweit die ,»Neue Formel" eine inhaltliche Änderung in der Rechtsprechung zum Gleichheitssatz bedeutet. Die Unklarheiten beziehen sich zum einen auf die Reichweite und Schärfe der „Neuen Formel" als Prüfungsmaßstab und zum anderen auf das Verhältnis von „Neuer Formel" und Willkürverbot. In Bezug auf die Reichweite der „Neuen Formel" als Prüfungsmaßstab ist strittig, ob und inwieweit die „Neue Formel" eine Verhältnismäßigkeitsprüfung beinhaltet 1 0 0 oder ob sie nur eine Umformulierung der Willkürformel darstellt. 1 0 1 Parallel dazu wird zum Verhältnis von Willkürverbot und „Neuer Formel" diskutiert, ob die ,,Neue Formel" das Willkürverbot ablösend ersetzt 1 0 2 oder lediglich eine Art Präzisierung derselben darstellt. 1 0 3 Eine gewichtige Ursache dieser Unklarheiten setzte der 1. Senat selbst. Denn einerseits wurde die „Neue Formel" fester Bestandteil seiner ständigen Rechtsprechung, 1 0 4 andererseits griff er bisweilen ohne nähere Begründung auf das alte Vokabular der Willkürrechtsprechung zurück. 1 0 5

99 Soweit die Diskussion der „Neuen Formel" im Schrifttum für diese Arbeit Relevanz hat, wird sie in Abschnitt C.I. näher beleuchtet. Vgl. allgemein zur positiven Aufnahme der „Neuen Formel" u. a. M/K-Gubelt, Art. 3, Rn. 4; M/D/H/S-Herzog, Art. 3, Rn. 6; Schoch, DVB1. 1988, S. 875 f.; Maaß, NVwZ 1988, S. 14 f. Zweifelnd jedoch Hesse, AöR 107 (1984), S. 188 ff. sowie Robbers, DÖV 1988, S. 751 f. 100 So wird der „Neuen Formel" im Unterschied zur Willkürprüfung ein inhaltlich klarerer Maßstab mit einer erhöhten Kontrolldichte zugeschrieben. Vgl. Hesse, AöR 107 (1984), S. 188 sowie Wendt, NVwZ 1988, S. 781. Auch wird durch die „Neue Formel" eine Verankerung des Verhältnismäßigkeitsprinzips in der Gleichheitsrechtsprechung gesehen. Vgl. Hesse, AöR 107 (1984), S. 189; Katzenstein, Sondervotum, BVerfGE 74, 28 (30).

ιοί Robbers (DÖV 1988, S. 751 f.) ζ. B. sieht zur „Neuen Formel" ähnliche Auslegungsprobleme wie bei der Willkürformel und konstatiert zwar deutlichere, aber keine neuen Formulierungen in der neuen Rechtsprechung. 102 Schoch (DVB1. 1988, S. 875) spricht von einer partiellen Verabschiedung der Willkürrechtsprechung. Herzog (M/D/H/S-Herzog, Art. 3, Rn. 10) will der „Neuen Formel" den gesamten Anwendungsbereich des allgemeinen Gleichheitssatzes zuweisen. Prinzipiell zeigt die Struktur der meisten neueren Aufsätze mit der Gegenüberstellung von alter Willkürrechtsprechung und „Neuer Formel" die vorherrschende Ansicht der Ablösung der einen durch die andere. Vgl. nur M/K-Gubelt, Art. 3, Rn. 14 ff. m. w. N. 103 Robbers (DÖV 1988, S. 751) ζ. B. hält den Anwendungsbereich der „Neuen Formel", für eng begrenzt, während Hesse (AöR 107 (1984), S. 191) fordert, daß die Willkürformel Grundregel bleiben müsse. 104 Vgl. Fußnote 97. los Vgl. ζ. B. BVerfGE 77, 308 (338); 78, 104 (121); 86, 81 (87). Zum Nachweis der Unstetigkeit in der Anwendung der „Neuen Formel" durch den 1. Senat, vgl. auch Sachs, JuS 1997, S. 126.

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1. Kap.: Art. 3 Abs. 1 GG als Prüfungsmaßstab für Differenzierungen

I I I . Weitere Neuorientierung des 1. Senats in jüngerer Zeit Die „Symbiose-Formel" Diese Unklarheiten beendete der 1. Senat erst mit seiner Transsexuellen-Entscheidung 1 0 6 i m Jahr 1993. Der 1. Senat leitet darin in sehr ausführlicher und zusammenhängender Form den für die Gleichheitsprüfung geltenden Prüfungsmaßstab ab. Seine Ausführungen gleichen dabei einer Handlungsanweisung zur Ableitung des konkret anzuwendenden Prüfungsmaßstabes. Die Entscheidung soll daher i m folgenden wörtlich zitiert werden, wobei vom Verfasser lediglich Merkziffern eingefügt werden, die der Vereinfachung der späteren Analyse der Entscheidung dienen. ,Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen [1]. Die Abstufung der Anforderungen folgt aus Wortlaut und Sinn des Art. 3 Abs. 1 GG sowie aus seinem Zusammenhang mit anderen Verfassungsnormen. [2] Da der Grundsatz, daß alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind, in erster Linie eine ungerechtfertigte Verschiedenbehandlung von Personen verhindern soll, unterliegt der Gesetzgeber bei einer Ungleichbehandlung von Personengruppen regelmäßig einer strengen Bindung ( . . . ) [3]. Diese Bindung ist um so enger, je mehr sich die personenbezogenen Merkmale den in Art. 3 Abs. 3 GG genannten annähern und je größer deshalb die Gefahr ist, daß eine an sie anknüpfende Ungleichbehandlung zur Diskriminierung einer Minderheit führt [4]. Die engere Bindung ist jedoch nicht auf personenbezogene Differenzierungen beschränkt. Sie gilt vielmehr auch, wenn eine Ungleichbehandlung von Sachverhalten mittelbar eine Ungleichbehandlung von Personengruppen bewirkt [5]. Bei lediglich verhaltensbezogenen Unterscheidungen hängt das Maß der Bindung davon ab, inwieweit die Betroffenen in der Lage sind, durch ihr Verhalten die Verwirklichung der Merkmale zu beeinflussen, nach denen unterschieden wird ( . . . ) [6]. Überdies sind dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers um so engere Grenzen gesetzt, je stärker sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken kann ( . . . ) [7]. Der unterschiedlichen Weite des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums entspricht eine abgestufte Kontrolldichte bei der verfassungsrechtlichen Prüfung [8]. Kommt als Maßstab nur das Willkürverbot in Betracht, so kann ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG nur festgestellt werden, wenn die Unsachlichkeit der Differenzierung evident ist ( . . . ) [9]. Dagegen prüft das BVerfG bei Regelungen, die Personengruppen verschieden behandeln oder sich auf die Wahrnehmung von Grundrechten nachteilig auswirken, im einzelnen nach, ob für die vorgesehene Differenzierung Gründe von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleichen Rechtsfolgen rechtfertigen können ( . . . ) [10]." Erstes und wichtigstes Ergebnis dieser Entscheidung ist das nun geklärte Nebeneinander von Willkürformel und „Neuer Formel" (vgl. [1] und [8]). Die häufig vorgenommenen Versuche, einem von beiden Prüfungsmaßstäben den alleinigen

106 BVerfGE 88, 87 ff.

Β. Zur Rechtsprechung des BVerfG zu Art. 3 Abs. 1 GG

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Vorzug zu geben, werden damit gegenstandslos. 1 0 7 Die so bestätigten Prüfungsmaßstäbe werden zudem auch inhaltlich präzisiert. Das Willkürverbot wird in seiner bisher ausformulierten Form bestätigt (vgl. [9]), während zur „Neuen Formel" nun klargestellt ist, daß sie dem Grunde nach eine Verhältnismäßigkeitsprüfung darstellt (vgl. [1] und [IO]). 1 0 8 Für die Festlegung des gültigen Prüfungsmaßstabes in der jeweiligen Situation gibt der 1. Senat klare Entscheidungshilfen vor. Es werden zwei voneinander getrennte Entscheidungskriterien, im folgenden der Arbeit Teile der „Symbiose-Formel" genannt, vorgesehen (vgl. [2]). Zunächst ist auf die Personen- oder Sachverhaltsbezogenheit der zu untersuchenden Differenzierung abzustellen. Eine personenbezogene Differenzierung ist anhand der „Neuen Formel" zu überprüfen (vgl. [3]). Hierbei ist die Strenge der Prüfung abhängig von der Nähe der personenbezogenen Merkmale zu denen des Art. 3 Abs. 3 GG (vgl. [4]). Unerheblich ist dabei, ob die Ungleichbehandlung der Personengruppen nur mittelbare Folge einer Ungleichbehandlung von Sachverhalten ist (vgl. [5]). Eine verhaltensbezogene Differenzierung wird grundsätzlich anhand des Willkürverbotes überprüft (Umkehrschluß aus [5]). Allerdings wird sich der Prüfungsmaßstab verschärfen, je eingeengter der Entscheidungsspielraum der Betroffenen bezüglich ihres Verhaltens ist (vgl. [6]). In einem zweiten Schritt sind sodann die grundrechtlichen Auswirkungen der untersuchten Differenzierung zu berücksichtigen. Je stärker sich die Differenzierung auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten negativ auswirkt, desto deutlicher wird der im ersten Schritt gefundene Prüfungsmaßstab verschärft werden müssen (vgl. [7]). Die „Symbiose-Formel" ist seitdem als ständige Rechtsprechung des 1. Senats anzusehen. In nahezu allen weiteren Entscheidungen geht der 1. Senat zunächst mehr oder weniger ausführlich auf seine „Symbiose-Formel" ein, um sich dann für Willkürverbot oder „Neue Formel" als Prüfungsmaßstab zu entscheiden.109 Wenn der 1. Senat in einzelnen Urteilen ohne Rückgriff auf die „Symbiose-Formel" sofort den gültigen Prüfungsmaßstab festgelegt hat, ist davon auszugehen, daß er dies aufgrund der Klarheit des Sachverhalts für gerechtfertigt gehalten hat. 1 1 0 Darüber hinaus hat er in der Folgezeit die „Symbiose-Formel" weiter verfeinert und in die vorherige Rechtsprechung eingepaßt. So hat der 1. Senat für den Mischfall, in dem 107 Dies ist aber seit der Aufstellung der „Neuen Formel" in 1980 ein zentrales Diskussionsfeld des sich damit befassenden Schrifttums. Vgl. beispielhaft nur M/K-Gubelt, Art. 3, Rn. 14 ff. m. w. N. Siehe dazu ebenfalls unten Abschnitt C.I.l. Vgl. dazu auch die diesbezügliche ausdrückliche Feststellung des BVerfG in BVerfGE 95,267(317). 109 Vgl. BVerfGE 89, 15 (22 f.); 89, 69 (89); 89, 365 (375); 90, 46 (56); 91, 346 (362 f.); 91, 389 (401); 92, 365 (407 f.); BVerfG, NJW 1996, S. 43; BVerfGE 95, 267 (316 f.); 96, 330 (341 f.) und zuletzt BVerfG, NZA 1998, S. 472 f.

no Vgl. dazu ζ. B. BVerfGE 94, 241 (260 f.); 95, 143 (154 f.); 96, 288 (315). Inwieweit dem direkten Rückgriff des BVerfG auf einen Prüfungsmaßstab zuzustimmen ist, wird unten (Abschnitt D.I.) näher beleuchtet.

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1. Kap.: Art. 3 Abs. 1 GG als Prüfungsmaßstab für Differenzierungen

die verschiedenen Merkmale der Differenzierung zu widersprüchlichen Forderungen an die Schärfe des Prüfungsmaßstabes führen, eine Abwägung vorgenommen und gefolgert: „Danach ist weder eine strenge Prüfung der Verhältnismäßigkeit geboten noch eine bloße Willkürkontrolle ausreichend." 111 Die „Symbiose-Formel" ist deshalb auch nicht als kompromißlose Entweder-Oder-Entscheidung zwischen Willkürformel und „Neuer Formel" zu verstehen, sondern es wird eine - dem jeweiligen Sachverhalt angepaßte - Mehrzahl von abgestuften Prüfungsmaßstäben geben. Dies bekräftigt der 1. Senat auch dadurch, daß er im Falle der sachverhaltsbezogenen Differenzierung bei der Aufstellung des Prüfungsmaßstabes den Besonderheiten des geregelten Lebens- und Sachbereichs erhebliche Bedeutung zukommen lassen w i l l . 1 1 2 Auch nimmt der 1. Senat dadurch Bezug auf seine schon zur Willkürrechtsprechung aufgestellte bereichsspezifische Definition des gesetzgeberischen Entscheidungsspielraumes. Es ist daher davon auszugehen, daß diese Bereichsspezifika weiterhin Gültigkeit haben und als Hilfe zur Definition des Prüfungsmaßstabs herangezogen werden können. So hat der 1. Senat in einer späteren Entscheidung auf seine alten Anforderungen an erlaubte Typisierungen wie selbstverständlich zurückgegriffen. 113 Zusammenfassend kann zur Rechtsprechung des 1. Senats gesagt werden, daß dem Gleichheitssatz vom Willkürverbot bis zur „Neuen Formel" in Form einer strengen Verhältnismäßigkeitsprüfung viele abgestufte Prüfungsmaßstäbe zuzuordnen sind. Neben den alten bereichsspezifisch bestimmten Formeln zum Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers treten die Personen- oder Sachverhaltsbezogenheit der Differenzierung, die Ausweichmöglichkeit des Grundrechtsträgers gegenüber der Differenzierung sowie die Auswirkungen der Differenzierung auf andere grundrechtliche Freiheiten als Bestimmungsparameter des zum jeweiligen Sachverhalt anzuwendenden Prüfungsmaßstabes.

IV. Reaktionen des 2. Senats Der 2. Senat des BVerfG ist den veränderten Schwerpunkten in der Gleichheitsrechtsprechung des 1. Senats - zumindest den Formulierungen nach - nicht gefolgt. In keiner seiner Entscheidungen seit Einführung der,,Neuen Formel" im Jahre 1980 bzw. der „Symbiose-Formel" im Jahre 1993 hat der 2. Senat die dort gebrauchten Formulierungen übernommen, sondern vielmehr überwiegend die Formeln der alten Willkürrechtsprechung weiter verwandt. 114 Fraglich ist, ob darin m Vgl. BVerfGE 89, 365 (375); 93, 99 (111); 95, 267 (317). Einen anderen, allerdings weniger überzeugenden Weg wählt das BVerfG in BVerfGE 92, 53 (69). Hier entscheidet sich das Gericht nicht für einen Kompromißmaßstab, sondern prüft den scharfen und schwachen Prüfungsmaßstab einfach nacheinander. 112 Vgl. BVerfGE 89, 365 (375). 113 Vgl. BVerfGE 89, 15 (24).

C. Kritik und Lösungsansätze in der Literatur

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eine Ablehnung der den Formeln des 1. Senats zugrundeliegenden Überlegungen gesehen werden muß oder ob der 2. Senat nicht doch, dem Inhalt seiner Entscheidungen nach, dem 1. Senat gefolgt ist. Die diesbezüglichen Analysen des Schrifttums zur Rechtsprechung des 2. Senats kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Die einen beklagen ein offensichtliches Verharren der Rechtsprechung des 2. Senats in der Willkürdogmatik, 115 während die anderen zumindest eine Annäherung des 2. Senats an die Formulierungen des 1. Senats erkennen wollen. 116 Für beide Ergebnisse lassen sich Nachweise aufführen. Beispielhaft sei hier auf das deutlich ausgeprägtere Beharren des 2. Senats auf dem weiten Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers auf der einen Seite, 117 die Forderung nach einer Verhältnismäßigkeit zwischen Differenzierung und tatsächlichen Unterschieden auf der anderen Seite

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verwiesen.

Dieser Streit bedarf an dieser Stelle keiner Entscheidung. Seit Aufstellung der „Neuen Formel" ist keine Entscheidung des BVerfG bekannt geworden, in der es bei paralleler Anwendung von Willkürverbot und „Neuer Formel" zu unterschiedlichen Ergebnissen gekommen wäre. 119 Angesichts der langen Zeitspanne von nun immerhin schon 18 Jahren kann daher ohne weiteres eine Beschränkung auf die Anwendung nur einer von beiden Prüfungsformeln erfolgen. Wegen der höheren Ausdifferenzierung der Rechtsprechung des 1. Senats wird diese im weiteren Verlauf dieser Arbeit maßgeblich sein. Aus ihr soll im folgenden ein praktikables Prüfungsvorgehen entwickelt werden. Dazu wird im nächsten Abschnitt zunächst auf die Kritik und die Präzisierungsvorschläge des Schrifttums zur BVerfG-Rechtsprechung einzugehen sein.

C. Kritik und Lösungsansätze in der Literatur Zur Rechtsprechung des BVerfG zum allgemeinen Gleichheitssatz existiert eine nahezu unübersehbare Anzahl von Veröffentlichungen. Dieser Umstand macht eine Eingrenzung notwendig. Der Auswertung der Literatur werden daher im folgenden »« Vgl. dazu aus jüngerer Zeit ζ. B. BVerfGE 93, 319 (348 f.); 93, 386 (396); 94, 315 (326). 115 Vgl. u. a. Schock DVB1. 1988, S. 876; Maaß, NVwZ 1988, S. 15; Georg Müller, VVDStRL 47(1989), S. 44. 116 Vgl. u. a. M/D/H/S-Herzog, Art. 3, Rn. 6; Hesse, in: FS für Lerche, S. 125; BK-Rüfner, Art. 3, Rn. 26; Sachs-Osterloh, Art. 3, Rn. 35 ff. i n Vgl. ζ. B. zuletzt BVerfGE 90, 226 (239); 93, 319 (348 f.); 93, 386 (396). us Vgl. ζ. B. BVerfGE 76, 256 (329 f.), wo der 2. Senat formuliert: „ . . . obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die Schlechterstellung rechtfertigen können . . S o zuletzt auch in BVerfGE 93, 386 (397) sowie in bezug auf eine Annäherung an die Formulierungen der Symbioseformel BVerfGE 96, 1 (5 f.). 119 Vgl. M/D/H/S-Herzog, Art. 3, Rn. 7. 4 Bremeier

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1. Kap.: Art. 3 Abs. 1 GG als Prüfungsmaßstab für Differenzierungen

drei Gesichtspunkte zugrunde gelegt: Zum ersten wird die Kritik der Literatur nur insoweit dargelegt, als sie die Rechtsprechung des BVerfG mit der Elle der in Abschnitt A. aufgestellten Anforderungen an eine Gleichheitssatzinterpretation mißt (Abschnitt C.I.I.). Zweitens wird untersucht, inwieweit das Schrifttum auf Basis der Rechtsprechung des BVerfG praktikable Prüfungsschemata entwickelt hat (Abschnitt C.I.2.). Schließlich wird drittens der Lösungsansatz von Huster ausführlicher dargestellt, da er wesentliche neue Erkenntnisse zu vermitteln verspricht. (Abschnitt C.IL).

I. Diskussionsstand zur Rechtsprechung des BVerfG Der überwiegende Teil der zur Rechtsprechung des BVerfG bestehenden Literatur ist zeitlich vor der Aufstellung der „Symbiose-Formel" angesiedelt.120 Hauptgegenstand der Besprechungen ist daher allein die „Neue Formel". Die fehlende Aktualität in bezug auf die „Symbiose-Forel" steht einer Berücksichtigung der Stellungnahmen jedoch nicht entgegen. Die in der Literatur diskutierten Argumente zum Für und Wider des strengeren Prüfungsmaßstabs ,,Neue Formel" behalten für den Teil der „Symbiose-Formel" ihre Gültigkeit, der die strenge Verhältnismäßigkeitsprüfung vorsieht.

1. Kritik in der Literatur am BVerfG vor den Spannungsfeldern der Gleichheitssatzinterpretation a) Weitgehende Ignorierung der Problematik im Schrifttum Eine erste Analyse des Schrifttums erhärtet die in dieser Arbeit 121 aufgestellte Vermutung, daß die innerhalb des Gleichheitssatzes notwendige Wertungsentscheidung überwiegend ohne Begründung und verdeckt vorgenommen wird. Der Großteil der Literatur übersieht die Notwendigkeit einer Wertungsentscheidung innerhalb ungeklärter Spannungsfelder ganz oder zieht trotz diesbezüglich vorhandener Erkenntnisse daraus keine Rückschlüsse auf den Prüfungsmaßstab zu Art. 3 Abs. 1 GG. Die Ausgangsproblematik, die Unbestimmtheit des Gleichheitsbegriffs, wird zwar großenteils noch gesehen und einleitend dargestellt, 122 doch es fehlt im weiteren Verlaufe der Abhandlungen regelmäßig an den daran eigentlich notwendiger120 Vgl. hierzu insbesondere die Veröffentlichungen zur Staatsrechtslehrertagung von 1988, die sich den Gleichheitssatz zum Thema gewählt hatte. 121 Siehe oben Abschnitt A.II. 122 Vgl. u. a. Gusy, JuS 1982, S. 33; ders., NJW 1988, S. 2505 f.; Maaß, NVwZ 1988, S. 14; Robbers, DÖV 1988, S. 749 f.; Schoch, DVB1. 1988, S. 873; M/K-Gubelt, Art. 3, Rn. 16a f.; Hesse, AöR 107 (1984), S. 177 f.; M/D/H/S-Henog, Art. 3, Rn. 29; Jarass, NJW 1997, S. 2546.

C. Kritik und Lösungsansätze in der Literatur

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weise anzuknüpfenden Schlußfolgerungen. Dieser bemerkenswerte Befund resultiert meist aus einer unglücklichen Einbindung der besonderen Struktur des Gleichheitssatzes in die Gesamtdarstellung des Art. 3 Abs. 1 GG. Diese wird oft nur als eine Art historische Ursache der früheren Beschränkung der BVerfG-Rechtsprechung auf das Willkürverbot angeführt. Mit der in den Abhandlungen folgenden Kritik an der Willkürrechtsprechung und der zustimmenden Darstellung der „Neuen Formel" als eines neuen, schärferen Prüfungsmaßstabes gehen die Ausgangsüberlegungen zur Unbestimmtheit des Gleichheitsbegriffes mit verloren. War die Zurückhaltung der Willkürrechtsprechung noch damit begründet worden, daß keine gesicherten Erkenntnisse über den richtigen (gerechten) Gleichheitsbegriff und das richtige (gerechte) Verhältnis von Freiheit und Gleichheit existieren, so wird nun die konturiertere Prüfung der „Neuen Formel" gefordert, ohne daß die Autoren klar machen, auf welche Erkenntnisse sie die verschärfte Prüfung stützen wollen. 123 Die Vermutung liegt in diesen Fällen daher nahe, daß die eigentliche Ursache für die Einforderung eines verschärften Prüfungsmaßstabes nicht tatsächlich neue verfassungsrechtliche Erkenntnisse sind, sondern eine generelle Unzufriedenheit des jeweiligen Autors mit den zu beurteilenden Entscheidungen des Gesetzgebers. Erst in zweiter Linie wird deswegen die diese Ergebnisse respektierende restriktive Rechtsprechung des BVerfG angegriffen. 124 Die hier konstatierte überwiegend fehlerhafte Einbindung der besonderen Struktur des Gleichheitssatzes in die Abhandlungen zu Art. 3 Abs. 1 GG führen nicht nur zu einer fehlenden Sensibilisierung für die Notwendigkeit, den Gleichheitssatz anhand des Verfassungskontextes mit Inhalt zu füllen, sondern es mangelt auch an einer schlüssigen Darstellung der besonderen Gewaltenteilungsproblematik beim Gleichheitssatz. So wird das „judical self restraint" des BVerfG innerhalb seiner Rechtsprechung zum Gleichheitssatz angegriffen, ohne daß die tiefere Begründung für die Zurückhaltung überzeugend widerlegt worden wäre. Als Beispiel für diese widersprüchlichen und wenig überzeugenden Argumentationen sei auf die Kommentierung von Gubelt hingewiesen. Gubelt führt zum einen als Entgegnung auf die Forderung nach Anerkennung des Entscheidungsvorrangs des Gesetzgebers aus, dieser Forderung sei entgegenzuhalten, daß es nicht einleuchtend sei, weshalb die Prüfungsintensität des BVerfG bei Art. 3 Abs. 1 GG geringer seien solle als bei den Freiheitsgrundrechten, da Wertungsprobleme überall zu verzeichnen seien. 125 Auf der anderen Seite sieht Gubelt die besondere Struktur des Gleichheitssatzes 123 Vgl. ζ. B. Maaß, NVwZ 1988, S. 20; Schoch, DVB1. 1988, 874 ff. Schmidt-Bleibtreu/ Klein (Art. 3, Rn. 16) sehen das Problem einer schärferen Prüfung erst gar nicht und stellen Willkürformel und „Neue Formel" unterschiedslos nebeneinander. 1 24 Zum unreflektierten Einfließen von subjektiven Wertungen in die Verfassungsinterpretation des Art. 3 Abs. 1 GG vergleiche die in Abschnitt A. dazu dargestellten Zusammenhänge. Es sei dazu an dieser Stelle noch einmal pointiert zusammengefaßt: Einer Unzufriedenheit mit den politischen Entscheidungen des Gesetzgebers ist mit dem Eintritt in die Politik und der Suche nach einer eigenen Mehrheit zu begegnen und nicht mit einer fehlgeleiteten Überbeanspruchung des Grundgesetzes. Vgl. dazu auch oben Abschnitt A.III. 125 Vgl. M/K-Gubelt, Art. 3, Rn. 16. 4*

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1. Kap.: Art. 3 Abs. 1 GG als Prüfungsmaßstab für Differenzierungen

sehr wohl, wenn er die Unmöglichkeit herausstellt, die Frage nach dem, was gleich ist, logisch zwingend zu beantworten, und er daher die Notwendigkeit eines Werturteils anerkennt. Spätestens wenn er dann weiterformuliert, die Berufung auf Art. 3 Abs. 1 GG sei in besonders hohem Maße den Unzulänglichkeiten der juristischen Methode ausgeliefert, hätte er bemerken müssen, daß beim Gleichheitssatz gegenüber den Freiheitsgrundrechten gewichtige Besonderheiten bestehen.126 Dies bedeutet nun nicht, daß eine ähnlich konturierte Prüfung wie bei den Freiheitsrechten bei dem Gleichheitssatz grundsätzlich überhaupt nicht möglich wäre, doch muß die Wahl eines schärferen Prüfungsmaßstabes wegen der besonderen Struktur des Gleichheitssatzes anhand der Verfassung gesondert begründet bzw. abgeleitet werden. 127

b) Positiv hervorzuhebende Stellungnahmen Im vorangehenden Teil dieser Arbeit wurde gezeigt, daß die einzige Möglichkeit, dem BVerfG gegenüber dem Gesetzgeber ein verschärftes Prüfungsrecht einzuräumen, in der Konkretisierung des Gleichheitsbegriffes durch die sonstigen Vorschriften der Verfassung zu sehen ist. 1 2 8 Während dieser Zusammenhang von weiten Teilen der Literatur nur eher beiläufig gesehen wird 1 2 9 finden sich dazu jedoch auch löbliche Ausnahmen. Hier sind die immer noch maßstabsetzende Kommentierung des Art. 3 GG durch Dürig, 1 3 0 sowie aus jüngerer Zeit die Abhandlungen von Bleckmann, 13 Osterloh 132 und Sachs133 zu nennen. 126 Vgl. M/K-Gubelt, Art. 3, Rn. 17. Ganz offensiv Schach (DVB1. 1988, S. 877) zu dem Thema, der, die Unterschiede zwischen Gleichheitssatz und Freiheitssatz einfach ignorierend, umgekehrt fordert, daß die Beweislast bei dem zu liegen habe, der eine unterschiedliche Prüfung zwischen Gleichheitssatz und Freiheitsrechten annehme. Es ist nicht nachvollziehbar, auf welche Erkenntnisse Schoch diese Ansicht stützen will. 127 Dieser Zusammenhang wird jedoch in der Literatur meist nur eher beiläufig dargestellt. Gubelt (M/K-Gubelt, Art. 3 GG, Rn. 28 f.) stellt ζ. B. die Bindungen des Gesetzgebers an die Grundwertentscheidungen der Verfassung neben den (behaupteten) Bindungen des Gesetzgebers an das Übermaß verbot nahezu gleichberechtigt dar. Bei Schmidt-Bleibtreu/ Klein (Art. 3 GG) wird die Bindung an die verfassungsmäßige Ordnung am Anfang der Kommentierung als Differenzierungsgrenze eingeführt (Rn. 4), in der weiteren Darstellung fehlt es aber an einer Einbindung der daraus resultierenden Folgen. Vergleiche dazu insbesondere die Darstellung der „Neuen Formel" (Rn. 16 ff.) und die Spezialgebiete wie Typisierung oder Steuerrecht (Rn. 18 ff.). Schließlich sei als Beispiel noch auf Maaß (NVwZ 1988, S. 17, 19) verwiesen, der die Wertentscheidungen des Grundgesetzes erst im Rahmen der Darstellung der Sondervoten zu Art. 3 Abs. 1 GG (Rupp-v. Brünneck und Katzenstein) erstmalig darstellt und ansonsten diese zentrale Problematik auf einen Satz bei der Darstellung der Einengung des gesetzgeberischen Spielraumes reduziert. 128 Vgl. oben Abschnitt A.IV. mit weiteren Verweisen. 129 Vgl. oben Abschnitt C.I.l.a. 130 M/D/H/S-Dürig, Art. 3 GG. 131 Bleckmann, Die Struktur des allgemeinen Gleichheitssatzes. 132 Sachs-Osterloh, Art. 3 GG.

C. Kritik und Lösungsansätze in der Literatur

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aa) Dürig Dürig leitet aus der Verfassung einen ausführlichen Kanon verbriefter Gleichheitsrechte ab und trifft darüber hinaus weitergehende Aussagen zur Abgrenzung von Gleichheits- und Freiheitsforderung. Die von Dürig durch Interpretation der sonstigen Verfassungsnormen aufgestellten faktischen Gleichheitsrechte überzeugen durchweg und können als gesicherter Bestandteil des Gleichheitssatzes angesehen werden. 134 Ebenso überzeugt Dürigs Ansatz, darüber hinausgehende Gleichheitsrechte nur nach deren verfassungsrechtlichem Nachweis zu akzeptieren und für den dabei notwendigen Ausgleich im Verhältnis von Freiheit und Gleichheit von einer Präponderanz der Freiheit auszugehen.135 Es wird unten 136 noch zu untersuchen sein, ob und inwieweit die vom BVerfG in der „Symbiose-Formel" festgestellte Abhängigkeit zwischen der Schärfe des in der Gleichheitssatzprüfung anzuwendenden Prüfungsmaßstabes und der Berührung grundrechtlicher Freiheiten als Forderung nach Präponderanz der Freiheit zu verstehen ist. Weiterhin sind Dürigs überzeugende Erkenntnisse zum Willkürverbot zu beachten. Dürig warnt davor, das Willkürverbot im Sinne eines bloßen Begründungsgebotes zu verstehen und fordert, innerhalb der Willkürprüfung einen Bezug zwischen sachlichem Grund und Differenzierung herzustellen. Nach Dürig ist also auch beim Willkürverbot nicht nur irgendein sachlicher Grund, sondern ein mit der Differenzierung ausreichend verknüpfter Grund zu suchen.137 Nicht zuletzt sei an dieser Stelle noch auf Dürigs schlüssigen Nachweis der häufigen Überforderung der richterlichen Tatsachenfeststellung sowie der darin liegenden Gefahren hingewiesen.138

bb) Bleckmann Bleckmann fordert eine ausschließliche Inhaltsfüllung des Gleichheitssatzes anhand der anderen Normen des Grundgesetzes. 139 Die dabei auftretende grundsätzliche Wertungsproblematik beim Ausgleich von Freiheit und Gleichheit sehend, 133 134 135 136 137

Sachs, JuS 1997, S. 124 ff. Vgl. M/D/H/S-Dürig, Art. 3, Rn. 29-119. Vgl. M/D/H/S-Dürig, Art. 3, Rn. 135. Siehe unten Abschnitt B.II.3.a. Vgl. M/D/H/S-Dürig, Art. 3, Rn. 277 ff.

138 Dürig (Art. 3, Rn. 279) greift sich als Beispiel die Kritik am Urteil des BVerfG zum Nachtbackverbot (BVerfGE 23, 50) heraus. Dabei begleitet Dürig den fehlgeleiteten Versuch, in die Verfassung feinste Details hineinzuinterpretieren, mit bissiger, aber wohl angebrachter Ironie: „Daß das BVerfG die Verfassungsbeschwerde ( . . . ) zurückgewiesen hat und ( . . . ) dieses Verbot als mit dem GG vereinbar erklärte reicht Hartmann nicht. Bis 4 Uhr früh ist „falsch". „Richtig" ist für Hartmann 6 Uhr früh (zwischen 6 und 7 Uhr läßt er mit sich streiten). Und das hätte das Gericht dem Gesetzgeber (wenigstens in den Entscheidungsgründen) gefälligst sagen müssen.". 139 Vgl. Bleckmann, Struktur, S. 44 ff.

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1. Kap.: Art. 3 Abs. 1 GG als Prüfungsmaßstab für Differenzierungen

fordert er zurecht, diese Wertentscheidung offen und begründet vorzunehmen. 140 Er selbst bleibt jedoch weit hinter seinem Anspruch zurück, wenn er auf der einen Seite auf eine eigene konkretisierende Interpretation des Grundgesetzes verzichtet, auf der anderen Seite aber, in Anlehnung an die Interessenjurispondenz, auf die Auswirkungen einer Differenzierung auf die Interessenlage der Betroffenen abstellen will und damit das Wertungsproblem nur umformuliert. 141 Überzeugen können dagegen die ausführlichen Untersuchungen Bleckmanns zum Entscheidungsvorbehalt des Gesetzgebers und den Ressourcenauswirkungen von Gleichheitsrechten. Bleckmann weist nach, daß die vom BVerfG dazu vorgenommene Unterscheidung von Leistungs- und Eingriffsverwaltung bei weitem nicht ausreicht. 142 Ein Recht eines Individuums auf faktische Gleichbehandlung, also auf einen Ressourcenzufluß, kann nach Bleckmann deswegen nicht allein aus dem Gleichheitssatz abgeleitet werden. Es bedürfe vielmehr einer gleichzeitigen Beeinträchtigung der durch andere Grundrechte geschützten Interessen des Grundrechtsträgers. 143 Insoweit folgt Bleckmann hier Dürig, der seinen Kanon von faktischen Gleichheitsrechten vor allem aus der Menschenwürde des Grundrechtsträgers abgeleitet hat. cc) Osterloh Osterloh folgt in ihrer Kommentierung des Art. 3 GG konsequent ihren zu Beginn gewonnenen Erkenntnissen zur Besonderheit des Gleichheitssatzes - dem Fehlen gesicherter Erkenntnisse über das, was als gleich anzusehen ist, und der daraus folgenden Einsicht, dem Gesetzgeber nur solche Gleichheitsrechte entgegenhalten zu können, die aus der Verfassung ableitet werden können. Sie kritisiert die Willkürformel deshalb auch nicht wie andere pauschal wegen ihrer geringen Prüfungsschärfe, sondern sieht durch den auf eine Evidenzkontrolle zurückgeschraubten Prüfungsmechanismus des Willkürverbots den innerhalb der Gleichheitsprüfung zu fordernden Bezug auf den sonstigen Verfassungskontext als gefährdet an. 1 4 4 Auch stellt sie bei der Darstellung einer möglichen Einbindung des Übermaßverbotes in die Gleichheitsprüfung deutlich klar: „Das zentrale Problem jeder Gesamtabwägung bleibt immer die stets zweifelhafte Frage nach hinreichend deutlichen verfassungsrechtlichen Abwägungsmaßstäben und Vorrangentscheidungen, die es erlauben, eine bestimmte einfachgesetzliche Vorrangentscheidung als nicht hinreichend abgewogen und deshalb verfassungswidrig zu bewerten." 145 Im wo Vgl. oben Fn. 30. 141 So fordert Bleckmann, die Interessen in der konkreten Lage nicht nur ihrer Art, sondern auch ihrem Gewicht nach zu definieren, um Rückschlüsse auf die Rechtfertigung der Differenzierung zu gewinnen. Es ist nicht ersichtlich, wieso hierdurch ein Erkenntnisfortschritt zu gewinnen ist. Vgl. Bleckmann, Struktur, S. 72 ff. 142 Vgl. Bleckmann, Struktur, S. 82 ff. 143 Vgl. Bleckmann, Struktur, S. 86. 144 Vgl. Sachs-Osterloh, Art. 3, Rn. 11. 145 Sachs-Osterloh, Art. 3, Rn. 24.

C. Kritik und Lösungsansätze in der Literatur

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Umkehrschluß muß eine Verfassungswidrigkeitserklärung also unterbleiben, wenn der Wertung des Gesetzgebers keine zweifelsfreien Verfassungserkenntnisse entgegengehalten werden können. Für den inhaltlich offenen Gleichheitssatz folgt daraus die Notwendigkeit, die Möglichkeit der Anwendung schärferer Prüfungsmaßstäbe verfassungsrechtlich nachweisen zu müssen. Osterloh zeigt im weiteren auf, daß das in der „Symbiose-Formel" definierte Nebeneinander von Willkürverbot und „Neuer Formel" unnötig und künstlich sei. Begründet wird dies mit der Möglichkeit, innerhalb des Übermaßverbotes die Kontrolldichte bis zur Evidenzprüfung zurückzuschrauben. 146 Es bliebt zu untersuchen, ob mit dieser Überlegung eine mögliche Vereinfachung und höhere Transparenz bei der Festlegung des bei der Gleichheitsprüfung anzuwendenden Prüfungsmaßstabes sichergestellt werden kann.

dd) Sachs Sachs analysiert in seinem Aufsatz das vom BVerfG vorgesehene Nebeneinander von Willkürformel und „Neuer Formel". Dabei legt er überzeugend die Offenheit des Gleichheitssatzes als Begründung der vormaligen Beschränkung auf das Willkürverbot dar. 147 Zwar verdeutlicht er im folgenden sein Unbehagen an einer solchen Beschränkung, doch verleitet ihn dies nicht zu einer kritiklosen Begrüßung der „Symbiose-Formel". Insbesondere die Kriterien, die das BVerfG zur Anwendung eines strengen Prüfungsmaßstabes heranzieht, unterliegen seiner kritischen Überprüfung. Vorbehaltslos folgen will Sachs dem BVerfG nur dort, wo dieses auf verfassungsrechtliche Maßstäbe zurückgreift. Die sonstigen Merkmale bedürfen nach seiner Ansicht dagegen noch einer erheblichen Konturierung, um gegenüber dem Willkürverbot tatsächlich einen Erkenntnisfortschritt bieten zu können. 148 Inwieweit Sachs damit berechtigte Kritik an der „Symbiose-Formel" übt, wird im weiteren der Arbeit näher untersucht. 149

146 Vgl. Sachs-Osterloh, Art. 3, Rn. 33. Krugmann (JuS 1998, S. 10 ff.) führt dazu ausführlicher an, daß auch das als Evidenzkontrolle verstandene Willkürverbot eine nicht beweisbare Wertungsentscheidung beinhalte. Die Behauptung, etwas sei offensichtlich (evident), sei ebenso subjektiv wie eine Wertung innerhalb des Übermaß Verbotes. Es gebe daher keinen Grund, das Willkürverbot nicht in das Übermaßverbot zu integrieren und die Überlegungen, die bisher im Vorwege bei der Prüfungsmaßstabsentscheidung angestellt wurden, in die Abwägung des Übermaß Verbotes selbst zu verlagern. Vgl. zur Wertungsabhängigkeit des Evidenzbegriffs auch Krugmann, Evidenzfunktionen. 147 Vgl. Sachs, JuS 1997, S. 124 f. 148 Vgl. Sachs, JuS 1997, S. 127 f. 149 Vgl. unten Abschnitt D.I.

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1. Kap.: Art. 3 Abs. 1 GG als Prüfungsmaßstab für Differenzierungen

2. Prüfungsschemata zum allgemeinen Gleichheitssatz Unabhängig von der oft wenig überzeugenden inhaltlichen Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des BVerfG werden im Schrifttum zum handwerklichen Vorgehen bei der Gleichheitssatzinterpretation verschiedene konkretisierende Vorschläge gemacht. Das BVerfG hat es bisher vermieden, zu diesen Vorschlägen Stellung zu nehmen. 150 Auch ist anhand der Argumentationsketten in den Entscheidungen nicht erkennbar, daß sich das BVerfG an ein bestimmtes Prüfungsschema hält. Da mit den Prüfungsschemata aber eine bessere Strukturierung der Gleichheitsprüfung erreicht werden kann, soll auf diese kurz eingegangen werden. In der Literatur werden eine Vielzahl von Prüfungsschemata vorgestellt, die bisweilen erheblich voneinander abweichen. Die Vorschläge reichen von einer zweistufigen 151 über eine dreistufige 152 bis zu einer vierstufigen Prüfung. 153 Der Inhalt der Prüfungsschemata ist jeweils eng an das Gleichheitssatzverständnis seines Autors angeknüpft. Da auf diesem Wege die oben kritisierten unreflektierten Wertungen des Autors in das Schema einfließen, ist bei der Übernahme der Prüfungsschemata Vorsicht geboten. Im folgenden wird nur das Prüfungsschema von Gubelt 154 näher dargestellt. Zum einen kann die darin vorgestellte Vorgehensweise und Terminologie überzeugen. Zum anderen lassen sich die (unerwünschten) subjektiven Wertungen von Gubelt leicht identifizieren und isolieren. Das Prüfungsschema von Gubelt wird daher auch in das eigene Prüfungsvorgehen dieser Arbeit übernommen. 155 Gubelts Prüfungsschema besteht aus drei Grobschritten, denen jeweils mehrere Feinschritte zugeordnet sind. Gubelt will innerhalb einer Gleichheitsprüfung im ersten Schritt das Differenzierungskriterium identifizieren. Das Differenzierungskriterium ist dabei das Merkmal zwischen zwei Gruppen von Normadressaten, anhand dessen sich die beiden Gruppen unterscheiden lassen.156 Das Differenzierungskriterium ist daraufhin zu überprüfen, ob es den Differenzierungsverboten, geboten und -erlaubnissen des Grundgesetzes gerecht wird. 1 5 7 In einem zweiten Schritt ist das Differenzierungsziel des Gesetzgebers zu identifizieren. 158 Das Differenzierungsziel ist dabei das Ergebnis, welches der Gesetzgeber durch die unterschiedliche Behandlung von Normadressaten (unterschieden nach dem Differenzierungskriterium) erreichen will. Das Differenzierungsziel kann aus dem Wortlaut 150 Vgl. Schock, DVB1. 1988, S. 874. 151 Vgl. z. B. Pieroth!Schlink, Grundrechte, 1995, Rn. 556. 152 Vgl. z. B. Gusy, JuS 1982, S. 34; Schock, DVB1. 1988, S. 874. 153 Vgl. Kirchhof, StuW 1984, S. 297, 301; ders., NJW 1987, S. 2356. 154 Vgl. M/K-Gubelt, Art. 3, Rn. 16a ff. 155 Siehe dazu auch dessen Einbindung in das Prüfungsvorgehen dieser Arbeit gemäß Abschnitt D. 156 Vgl. M/K-Gubelt, Art. 3, Rn. 16a. 157 Vgl. M/K-Gubelt, Art. 3, Rn. 20. 158 Vgl. M/K-Gubelt, Art. 3, Rn. 18.

C. Kritik und Lösungsansätze in der Literatur

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bzw. Sinn des Gesetzes oder hilfsweise aus den Motiven bzw. politischen Vorstellungen des Gesetzgebers gewonnen werden. Das Differenzierungsziel muß dabei als solches ebenfalls verfassungsgemäß sein. 159 Schließlich wird in einem dritten Schritt das Verhältnis des Differenzierungskriteriums zum Differenzierungsziel auf seine Ausgewogenheit hin untersucht. 160 Diese Überprüfung ist anhand des dem Gleichheitssatz entnommenen Prüfungsmaßstabes vorzunehmen. Gubelt will das gesetzgeberische Handeln ausschließlich anhand des Übermaßverbotes (ohne den Prüfungsschritt der Erforderlichkeit) überprüfen. 161 Das BVerfG dagegen will im Rahmen der „Symbiose-Formel", je nach Sachverhalt entweder das Willkürverbot oder die „Neue Formel" anwenden.162 Welcher Prüfungsmaßstab in dieser Arbeit anzuwenden ist, soll in den folgenden Abschnitten festgelegt werden.

II. Der neue dogmatische Ansatz nach Huster Das Dilemma der Diskussionen und Interpretationen zu Art. 3 Abs. 1 GG läßt sich nach dem bisher Dargelegten in aller Kürze wie folgt zusammenfassen: Die besondere Struktur des Vergleichens hat eine inhaltliche Offenheit des Gleichheitssatzes zur Folge. Diese ist nur begrenzt anhand anderer Verfassungsnormen mit Inhalt zu füllen, und deshalb obliegt dem Gesetzgeber in großen Lebensbereichen die alleinige Definition dessen, was als gleich und gerecht anzusehen ist. Eine solche gesetzgeberische Entscheidung kann nach dem bisherigen dogmatischen Verständnis des Gleichheitssatzes nicht wirksam überprüft werden. Denn wenn Art. 3 Abs. 1 GG tatsächlich keinen eigenen Schutzbereich hat und die sonstigen Normen der Verfassung keine klärenden Aussagen zum Lebenssachverhalt treffen, bleibt dem Verfassungsinterpreten nur eine weit zurückgezogene Willkürprüfung. Will man, wie der Großteil der Literatur, zu einem schärferen Prüfungsmaßstab kommen, müßte dieser stringent aus der Verfassung hergeleitet und nicht wie bisher lediglich behauptet werden. An dieser Stelle setzt die Forschung von Huster 163 an. Ist die Beschränkung auf eine Willkürprüfung Resultat der Erkenntnisse über die besondere Struktur des Gleichheitssatzes, so will Huster nachweisen, daß sich die Struktur des Gleichheitssatzes mit einigen Modifikationen der Struktur der Freiheitsrechte angleichen läßt. Infolge dieser neuen Erkenntnisse zur Gleichheitssatzstruktur soll nach Huster die Notwendigkeit einer Beschränkung auf das Willkürverbot entfallen.

159 Vgl. M/K-Gubelt, 160 Vgl. M/K-Gubelt,

Art. 3, Rn. 21. Art. 3, Rn. 22.

161 Vgl. M/K-Gubelt, Art. 3, Rn. 29. 162 Insoweit hier deutlich abweichend von Gubelt, der für das Willkürverbot eine eigenständiges zweistufiges Prüfungsschema vorsieht. Vgl. M/K-Gubelt, Art. 3, Rn. 11. 163 Vgl. zum folgenden die beiden Publikationen von Huster zum Gleichheitssatz: Huster, Rechte; ders., JZ 1994, S. 541 ff.

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1. Kap.: Art. 3 Abs. 1 GG als Prüfungsmaßstab für Differenzierungen

1. Die zwei Fallgruppen der Gleichheitsproblematik nach Huster Ausgangspunkt der Überlegungen von Huster ist die schon mehrfach betonte besondere Struktur des Vergleichens und die daraus resultierende inhaltliche Offenheit des Gleichheitssatzes.164 Das Fehlen eines Schutzbereiches ist für Huster aber nur der Ausgangsbefund einer Gleichheitssatzinterpretation, und er will dem Gleichheitssatz im Wege einer weitergehenden Analyse der Gesetzgebung eine eigene Schutzaussage zuordnen. 1 6 5 Ansatzpunkt dieser Zuordnung ist dabei die Identifizierung von zwei verschiedenen Fallgruppen innerhalb der Gleichheitsprobleme. Die erste Fallgruppe umfaßt nach Huster die Differenzierungen des Gesetzgebers, die, im Dienste der Gerechtigkeit stehend, dem Gleichheitssatz nicht widersprechen, sondern ihn vielmehr erst verwirklichen. 166 Der Gesetzgeber finde dabei einen Lebensbereich vor, zu dem die Verfassung keine eindeutigen und abschließenden Regelungen treffe. Indem er nun, als berufene Instanz, eine eigene Grundsatzentscheidung (Gerechtigkeitsentscheidung) zur Regelung dieses Lebensbereiches treffe, schaffe er ein Recht der Grundrechtsadressaten, gemäß dieser Grundsatzentscheidung gleich behandelt zu werden. Die Gerechtigkeitsentscheidung des Gesetzgebers definiere somit einen Schutzbereich des Gleichheitssatzes.167 Diese Schutzbereichsdefinition des Gesetzgebers könne nur weit zurückgezogen anhand des Willkürverbotes überprüft werden, da sie außerhalb der eindeutigen Verfassungsregelungen stattfinde und hier dem Gesetzgeber die alleinige Ausgestaltungsbefugnis über das Gemeinwesen zukomme. 168 Zudem weist Huster nach, daß die Gerechtigkeitsentscheidungen der ersten Fallgruppe einer schärferen, Verhältnismäßigkeitserfordernisse berücksichtigenden Überprüfung gar nicht zugänglich seien. So fehle es bei ihnen an dem für eine Verhältnismäßigkeitsüberprüfung notwendigen Güterkonflikt, 169 und die Gerechtigkeitsentscheidung des Gesetzgebers könne daher nur einer Entsprechungsprüfung - also der Frage, ob die Regelung dem eigenen zugrundeliegenden Gerechtigkeitsmodell gerecht werde - unterzogen werden. 164

Huster (Rechte, S. 15 ff.) stellt seiner Abhandlung eine sehr ausführliche und überzeugende Skizze der Struktur des Gleichheitsproblems voran. Auch analysiert er im weiteren Verlauf (S. 430 ff.) die zentrale Problematik, innerhalb einer Gleichheitssatzinterpretation auf Gerechtigkeitsfragen Antworten mit Anspruch auf Allgemeingültigkeit finden zu müssen. 165 Huster (Rechte, S. 237) formuliert dazu prägnant: „Nur ist dies (die fehlende Eingriffsdogmatik, Anm. d. Verf.) nicht das Ende, sondern der Anfang aller Überlegungen; es stellt gerade das aktuelle Problem des Gleichheitssatzes dar...". 166 Vgl. Huster, JZ 1994, S. 544. 167 Zur Schutzbereichsdefinition des Gleichheitssatzes bei Huster, vgl. Huster, Rechte, S. 225 ff.; ders., JZ 1994, S. 547. 168 Vgl. Huster, Rechte, S. 225 ff.; ders, JZ 1994, S. 547. 169 Zum fehlenden Güterkonflikt siehe Huster, JZ 1994, S. 547. Grundsätzlich zum häufig fehlerhaften Gebrauch des Übermaßverbotes bei Sachverhalten ohne Güterkonflikte siehe Huster, Rechte, S. 67 ff., ders., JZ 1994, S. 543.

C. Kritik und Lösungsansätze in der Literatur

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Als ein treffendes Anschauungsbeispiel führt Huster u. a. den Bereich des Steuerrechts an. 1 7 0 Da die Verfassung zur inhaltlichen Ausgestaltung des Steuerrechts keine grundlegenden Entscheidungen treffe, 171 habe sich der Gesetzgeber in einer Gerechtigkeitsentscheidung für die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit entschieden. Diese Grundentscheidung sowie ihre Umsetzung durch einen bestimmten Progressionsverlauf der Steuerkurve könnten keiner Verhältnismäßigkeitsprüfung unterzogen werden. So seien Steuersatz und Leistungsfähigkeit keine kollidierenden Güter und daher einer gegenseitigen Abwägung nicht zugänglich. 172 Es könne nur gefragt werden, ob ein Steuersatz der Leistungsfähigkeit der zugehörigen Einkommensgruppe entspreche. Da zudem die Antwort auf diese Frage der Verfassung nicht entnehmbar sei, könne die Entscheidung des Gesetzgebers dazu nur anhand einer Willkürprüfung überprüft werden. Die zweite Fallgruppe umfaßt dagegen Ungleichbehandlungen mit denen der Gesetzgeber nicht gerechtigkeitsstiftend wirken will, sondern andere gesamtgesellschaftliche Nutzen- oder Zweckmäßigkeitsüberlegungen verfolgt. 173 Der Gesetzgeber durchbricht hier seine vordem getroffene Gerechtigkeitsentscheidung, um ein anderes Ziel zu verfolgen. Da, wie oben dargelegt, die Gerechtigkeitsentscheidung zu einem Lebensbereich aber ein Recht der Grundrechtsträger auf gleiche Behandlung gemäß der Gerechtigkeitsentscheidung erzeugt, muß nun im Wege einer Verhältnismäßigkeitsprüfung abgewogen werden, ob das sonstige Ziel des Gesetzgebers die Abweichung von der Gerechtigkeitsentscheidung rechtfertigen kann. Die Ungleichbehandlungen der zweiten Fallgruppe stehen im Güterkonflikt mit den Gerechtigkeitsentscheidungen und sind daher nicht anhand des Willkürverbots, sondern anhand des strengen Übermaßverbots zu überprüfen. 174 In Bezug auf das Beispiel Steuerrecht sei ein solches von der Gerechtigkeitsentscheidung abweichendes Ziel des Gesetzgebers u. a. in der Wohnungsbauförderung zu sehen.175 Hier differenziere der Gesetzgeber zwischen Steuerpflichtigen, die Wohneigentum anschüfen bzw. dies nicht täten. Dies hätte zur Folge, daß zwei

170 Vgl. Huster, Rechte, S. 357 ff.; ders., JZ 1994, S. 545. 171 So gibt das Grundgesetz in den Art. 105 ff. GG nur organisatorische Rahmenregelungen vor. 172 Wenn die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit erfolgen soll, ist der Steuersatz als Maßeinheit der Besteuerung keine der Leistungsfähigkeit entgegengesetzte Größe, sondern die Höhe des Steuersatzes ist gerade Ausdruck der Einschätzung des Gesetzgebers über die Leistungsfähigkeit der besteuerten Einkommensgruppe. Beide Begriffe sind gleichgerichtet und müssen einander deshalb entsprechen. 173 Vgl. Huster, JZ 1994, S. 543 f. 174 Vgl. Huster, Rechte, S. 239 ff.; ders., JZ 1994, S. 548 f. Huster (Rechte, S. 240 f.; JZ 1994, S. 544) führt dazu zudem aus, daß das Willkürverbot bei Ungleichbehandlungen der zweiten Fallgruppe leerlaufe, da die externen Zwecke des Gesetzgebers bei den Ungleichbehandlungen immer auch gleichzeitig als sachlicher Grund in Frage kämen und nach der Willkürformel somit keine unsachliche Differenzierung mehr vorliege. 175 Vgl. Huster, Rechte, S. 165 ff. und 357 ff.; ders., JZ 1994, S. 543 ff.

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1. Kap.: Art. 3 Abs. 1 GG als Prüfungsmaßstab für Differenzierungen

Steuerpflichtige, die vom Einkommen her als gleich leistungsfähig anzusehen seien, trotzdem unterschiedliche Steuerlasten zu tragen hätten. In dieser Situation trete ein echter Güterkonflikt auf, da die Steuererleichterung für den Wohnraumerwerbenden mit der Grundentscheidung des Gesetzgebers, die Steuerpflicht nach der Leistungsfähigkeit zu bemessen, kollidiere. Im Rahmen einer Überprüfung anhand des Gleichheitssatzes müsse nun das Recht des Steuerpflichtigen, nach seiner Leistungsfähigkeit gleichbehandelt zu werden, mit dem Ziel des Gesetzgebers, den Wohnungsbau mit Steuererleichterungen zu fördern, abgewogen werden.

2. Kritische Würdigung des Huster'schen Ansatzes Der neue dogmatische Ansatz von Huster überzeugt in mehrerer Hinsicht. Zuallererst setzt er sich positiv von Großteilen des sonstigen Schrifttums ab, indem er die Entscheidung für oder gegen einen strengeren Prüfungsmaßstab nach klaren und offensichtlichen Kriterien herbeiführen will. Zudem liefert er für die Anwendung eines schärferen Prüfungsmaßstabes die dazu zwingend notwendige verfassungsrechtliche Ableitung und Rechtfertigung. Schließlich löst er die Frage des Verhältnisses von Willkürverbot und „Neuer Formel" in einem pragmatischen inhaltlich begründeten Nebeneinander. Husters Ansatz berücksichtigt damit in gelungener Weise die durch die Spannungsfelder offenbarte besondere Problematik des Gleichheitssatzes. Auf der einen Seite stellt er den Vorrang des Gesetzgebers bei offener Verfassungslage unzweifelhaft in den Vordergrund, indem er die erste Gerechtigkeitsentscheidung zu einem Lebensbereichs nur dem weit zurückgezogenen Willkürverbot unterstellen will. Den unbestreitbar vorhandenen Mängeln des parlamentarischen Gesetzgebungsprozesses begegnet er mit der teilweisen Zuerkennung eines schärferen Prüfungsrechtes, nicht ohne aber hierfür eine verfassungsrechtliche Ableitung und Begründung zu bieten. Ein Schwachpunkt im Ansatz von Huster liegt in der Abgrenzung der beiden Fallgruppen. Die Zuerkennung eines schärferen Prüfungsrechtes an den Interpreten steht und fällt bei Huster mit der Entscheidung darüber, ob das zu beurteilende gesetzgeberische Handeln als Gerechtigkeitsentscheidung oder als Verfolgung anderweitiger Ziele einzuordnen ist. Huster selbst bietet in seinen Abhandlungen zu dieser zentralen Frage nur dürftige Abgrenzungskriterien. Er beschränkt sich auf die Formulierung einer Kontrollfrage, anhand der eine Zuordnung zu den Fallgruppen des Gleichheitssatzes erfolgen können soll: „Wenn ein Grund für eine Ungleichbehandlung geltend gemacht wird und man es nicht für ungerecht halten würde, wenn alle Differenzierungen des jeweiligen Rechtsgebietes sich nach diesem Kriterium richten würden, so handelt es sich um eine Gerechtigkeitserwägung. Handelt es sich dagegen um einen Grund, der zwar ein legitimes Ziel verfolgt und daher nicht willkürlich ist, als generelles und einziges Verteilungsprinzip aber gegenüber den Vergleichspersonen nicht zu rechtfertigen wäre, so handelt es sich um eine Zweckmäßigkeitsüberlegung." 176

C. Kritik und Lösungsansätze in der Literatur

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Eine Überprüfung der Kontrollfrage Husters anhand konkreter Sachverhalte zeigt schnell, daß eine problemlose Fallgruppeneinteilung nur in eindimensionalen Sachverhalten stattfinden kann. Eindimensional sind solche Sachverhalte, die lediglich einen Lebensbereich umfassen. Huster wählt mit dem Wahlrecht 177 und dem Steuerrecht 178 sinnvollerweise zwei eindimensionale Sachbereiche aus, um seine Theorie zu untermauern. Auch das Beispiel der Gleichheitsverstöße wegen der Typisierung und Generalisierung von Rechtsnormen 179 bezieht sich immer nur eindimensional auf das jeweilige Rechtsgebiet, in dem verallgemeinernde Rechtsnormen erlassen werden. Die Typisierung bzw. Generalisierung selbst stellt keine eigene Dimension dar. Wendet man sich mit der Theorie Husters jedoch einem mehrdimensionalen Sachverhalt zu, ist eine klare Abgrenzung der Fallgruppen nicht mehr möglich. Die Frage, welcher Prüfungsmaßstab zu wählen ist, kann dann nicht mehr klar beantwortet werden. Als anschauliches Beispiel für die Probleme der Huster'schen Fallgruppeneinteilung bei mehrdimensionalen Sachverhalten sei auf das Urteil des BVerfG 180 zu §116 Abs. 3 AFG hingewiesen. Hier hatte sich das BVerfG mit einem Sachverhalt zu befassen, der einerseits den Lebensbereich der Sozialversicherungen und andererseits den Bereich des Arbeitskampfrechtes im allgemeinen und der Neutralität des Staates dazu im besonderen berührte. Nach der Huster'schen Kontrollfrage ist der Ausschluß der mittelbar vom Arbeitskampf betroffenen Arbeitnehmer aus der Sicht des Sozialversicherungsrechts eindeutig als Zweckmäßigkeitsüberlegung einzustufen. Die Gerechtigkeitsentscheidung des Gesetzgebers zur Sozialversicherung ist in dessen Grundprinzip zu sehen, daß Leistungen erhält, wer einen Anspruch erworben hat. 1 8 1 Der Ausschluß der mittelbar betroffenen Arbeitnehmer, obwohl diese vorher Beiträge zur Sozialversicherung geleistet hatten, läuft der Gerechtigkeitsentscheidung des Sozialversicherungsrechts eindeutig entgegen. Nach Huster wäre der Ausschluß der Arbeitnehmer demnach anhand des strengen Übermaßverbotes zu überprüfen. Gleichzeitig ist der Ausschluß der mittelbar betroffenen Arbeitnehmer aber auch Ergebnis der Bemühungen des Staates, im Arbeitskampf die gebotene Neutralität zu bewahren. In einer hochspezialisierten und verflochtenen Gesellschaft sind die Auswirkungen räumlich und fachlich begrenzter Arbeitskämpfe bis weit über das eigentliche Kampfgebiet hinaus zu spüren. Die Frage, bis wann diese Auswirkungen dem Arbeitskampf noch zuzurechnen sind, ist hoch umstritten. Mit der Norm des § 116 Abs. 3 AFG hat der Gesetzgeber diese Frage nach seinen Gerechtigkeitsvorstellungen entschieden. Es schiene auch nicht ungerecht,

176 177 178 179 180

Vgl. Huster, Rechte, S. 243; ders., Vgl. Huster, Rechte, S. 243; ders., Vgl. Huster, Rechte, S. 243; ders., Vgl. Huster, Rechte, S. 243; ders., BVerfGE 92, 365 ff.

JZ JZ JZ JZ

1994, S. 548. 1994, S. 548. 1994, S. 548. 1994, S. 548.

181 Zur Bedeutung des Beitrags- oder Versicherungsprinzips im System der Sozialversicherungen, vgl. u. a. BVerfGE 59, 36 (49 ff.); 63, 152 (171); 90, 226 (239 f.).

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1. Kap.: Art. 3 Abs. 1 GG als Prüfungsmaßstab für Differenzierungen

würde er diese Grenzziehung des Arbeitskampfes durch alle Bereiche des Arbeitskampfrechts hindurch vollziehen. Nach der Kontrollfrage von Huster ist § 116 Abs. 3 AFG also eindeutig als Gerechtigkeitsentscheidung zum Lebensbereich des Arbeits(kampf)rechts zu identifizieren. Als Prüfungsmaßstab käme daher nur das Willkürverbot in Frage. In diesem zweidimensionalen Sachverhalt wird somit nach der Fallgruppeneinteilung von Huster gleichzeitig das Übermaßverbot und das Willkürverbot als Prüfungsmaßstab gefordert. Für die Entscheidung, welcher von beiden anzuwenden ist, müssen, ergänzend zu Husters Vorschlägen, weitere Kriterien gefunden werden. Der hier aufgezeigte Mangel im Konzept von Huster muß indessen nicht zu dessen vollständiger Verwerfung führen. Unzweifelhaft bietet das Huster'sche Modell für eindimensionale Sachverhalte eine präzise und mit verfassungsrechtlicher Ableitung versehene Anleitung zur Definition des zum Gleichheitssatz anzuwendenden Prüfungsmaßstabes. Für mehrdimensionale Sachverhalte bleibt die nicht ausreichende Abgrenzung der Fallgruppen unproblematisch, soweit in den betroffenen Lebensbereichen derselbe Prüfungsmaßstab anzuwenden ist. Nur in mehrdimensionalen Sachverhalten mit konträren Entscheidungen zum Prüfungsmaßstabs ist das Modell von Huster unzureichend. Aber auch dann liefert die Analyse des Sachverhaltes nach der Fallgruppeneinteilung von Huster doch wertvolle Hinweise zur Struktur des vorliegenden Gleichheitsproblems. Nicht zuletzt besteht die Möglichkeit, für die verschiedenen Lebensbereiche zunächst einmal eine isolierte Prüfung und anschließend einen Abgleich der Ergebnisse vorzunehmen. Dieser Abgleich ist zwar notwendigerweise anhand der subjektiven Wertungen des Interpreten vorzunehmen, doch ist dies insofern unproblematisch, als diese Wertungen nicht unreflektiert am Anfang sondern nach ausführlicher Analyse am Ende der Gleichheitsprüfung einfließen. Aufgrund der Tatsache, daß Huster als einziger Autor eine verfassungsrechtliche Ableitung für die Anwendung eines schärferen Prüfungsmaßstabes bietet und damit die Problemfelder des Gleichheitssatzes hinreichend berücksichtigt, soll sein Modell im folgenden der Arbeit der „Symbiose-Formel" des BVerfG als Konkurrenzmodell oder zumindest als Kontrollmodell gegenübergestellt werden. Dabei ist zu untersuchen, inwiefern die Ergebnisse der Huster'sehen Definition des Prüfungsmaßstabs zum Gleichheitssatz denen der „Symbiose-Formel" des BVerfG gleichen und diese eventuell zu präzisieren in der Lage sind. Ebenso ist zu prüfen, inwieweit der Aussage Husters gefolgt werden kann, das BVerfG habe in seiner Rechtsprechung den neuen dogmatischen Ansatz, ohne ihn allerdings zu erkennen, überwiegend schon umgesetzt.182

182 Huster (JZ 1994, S. 545) formuliert dazu: „Insofern leidet die bisherige Dogmatik weniger an falschen Ergebnissen als vielmehr an einer partiell unzutreffenden Selbstbeschreibung." Zur Stützung dieser These durchleuchtet Huster (Rechte) u. a. die Rechtsprechung des BVerfG zu Typisierungen (245 ff.), zur Steuergleichheit (S. 357 ff.) sowie zur politischen Gleichheit (S. 352 ff.). Vgl. dazu auch Huster, JZ 1994, S. 545.

D. Der eigene Prüfungsmaßstab

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D. Kritische Würdigung der Rechtsprechung des BVerfG Der eigene Prüfungsmaßstab Zur Grundlage des eigenen Prüfungsmaßstabes wird im folgenden die Rechtsprechung des BVerfG zum Gleichheitssatz in der Ausformulierung des 1. Senats zum gemacht. 183 Dabei wird die „Symbiose-Formel" daraufhin untersucht, inwieweit sie die in Abschnitt A.IV. aufgestellten Anforderungen an eine schlüssige Interpretation des Art. 3 Abs. 1 GG erfüllt. Anschließend werden die in Abschnitt C.I. der Literatur entnommenen konstruktiven Vorschläge zur Prüfungsmaßstabsdefinition in die Aufstellung des eigenen Prüfungsmaßstabes einfließen.

I. „Symbiose-Formel" - ein überzeugender Ansatz ? Wie oben dargestellt, 184 beinhaltet die „Symbiose-Formel" des BVerfG zwei voneinander unabhängige Kriterien (Teile der „Symbiose-Formel"), anhand deren Ausformung für den konkreten Sachverhalt der gültige Prüfungsmaßstab abgeleitet werden soll. Nach dem ersten Teil ist hierfür auf die durch die Differenzierung möglicherweise bewirkte Beeinträchtigung grundrechtlich gewährleisteter Freiheiten abzuheben (Abschnitt D.I.I.). Nach dem zweiten Teil der „Symbiose-Formel" ist hierfür die Rückführung der Differenzierung auf personenbezogene bzw. sachverhaltsbezogene Merkmale maßgeblich (Abschnitt D.I.2.).

1· Überzeugende Berücksichtigung der sonstigen Verfassungsnormen Der erste Teil der „Symbiose-Formel", der Rückgriff auf die sonstigen Verfassungsnormen, kann voll überzeugen. Die Untersuchung der besonderen Problematik des Gleichheitssatzes hat zur Erkenntnis geführt, daß dem Gesetzgeber nur solche Erkenntnisse entgegengehalten werden können, die aus der Verfassung abgeleitet werden können. 185 Indem das BVerfG die Schärfe des Prüfungsmaßstabes davon abhängig machen will, inwieweit die überprüfte Differenzierung sich auf grundrechtlich gewährleistete Freiheiten auswirkt, stellt es sicher, daß der Entscheidungsvorrang des Gesetzgebers dort unbeschnitten bleibt, wo die Verfassung zu einem Lebensbereich keine abschließende Regelung trifft. Der Gesetzgeber kann in diesem Bereich nur anhand des Willkürverbotes kontrolliert werden. Erst wenn im Umfeld der Differenzierung ein Freiheitsrecht berührt ist, erhält der Ver-

183 Vgl. dazu oben Abschnitt B.IV. 184 Vgl. oben Abschnitt B.III. 185 Vgl. das schon oben (Fußnote 145) angeführte treffende Zitat von Sachs-Osterloh..

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1. Kap.: Art. 3 Abs. 1 GG als Prüfungsmaßstab für Differenzierungen

fassungsinterpret die Möglichkeit, die ausreichende Berücksichtigung dieses Grundrechtes anhand einer Abwägung zu überprüfen. Das BVerfG gibt der Inhaltsfüllung des Gleichheitssatzes anhand der sonstigen Normen der Verfassung allerdings selten ein ausreichend starkes Gewicht. Zunächst einmal ist die Beschränkung auf die grundrechtlich gewährleisteten Freiheiten nicht überzeugend. Es ist vielmehr zu fordern, daß die gesamte Verfassung zur Inhaltsfüllung des Gleichheitssatzes herangezogen wird. 1 8 6 Dürig hat dazu mit seinem vornehmlich aus Art. 1 Abs. 1 GG abgeleiteten Kanon dem Gleichheitssatz entnehmbarer faktischer Gleichheitsrechte einen überzeugenden Anfang gemacht. 187 Das geringe Gewicht, welches das BVerfG den sonstigen Grundrechten in der Rechtsprechung zum Gleichheitssatz zukommen läßt, ist auch an der eher beiläufigen Anführung derselben bei der Begründung des gültigen Prüfungsmaßstabes ablesbar. Häufig konzentriert sich das Gericht auf eine Analyse des zweiten Teils der „Symbiose-Formel" und führt die Grundrechtsauswirkungen eher nur als Zusatzargument an. 1 8 8 Unabhängig von den Ergebnissen der unten vorzunehmenden Bewertung des zweiten Teils der „Symbiose-Formel" ist demgegenüber eindeutig zu fordern, daß die Bestimmung des Prüfungsmaßstabs zu Art. 3 Abs. 1 GG sich auf verfassungsrechtliche Argumente stützen muß und daher der Inhaltsfüllung des Gleichheitssatzes anhand der sonstigen Grundrechte eine überragende Stellung einzuräumen ist. Wegen der jeweils sehr knappen Darstellung der Einwirkungen der sonstigen Grundrechte auf das Gleichheitsproblem ist auch nur schwer zu übersehen, ob das BVerfG in seinen Entscheidungen die Präponderanz der Freiheit über die Gleichheit anerkennt und umsetzt. 189 Eine weitergehende Analyse der Rechtsprechung des BVerfG dazu kann an dieser Stelle aber unterbleiben, da im Sinne der in Abschnitt Α.ΠΙ.2. gewonnenen Erkenntnisse in dieser Arbeit die Präponderanz der Freiheit über die Gleichheit gefordert wird. Dies bedeutet für die Inhaltsfüllung 186 Vgl. Bleckmann, Struktur, S. 44, sowie oben Abschnitt C.I.lb.bb. Auch das BVerfG selbst läßt zuweilen die Beschränkung auf die grundrechtlichen Freiheiten wenigstens der Formulierung nach fallen und spricht dann von „anderen Verfassungsnormen". Vgl. ζ. B. BVerfGE 87,234 (256). 187 Vgl. M/D/H/S-Dürig, Art. 3, Rn. 29-119. 188 So legt das BVerfG in BVerfGE 87, 234 (255 f.) auf nahezu einer Seite seine eigenen Überlegungen zum Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers dar, um dann beiläufig auf das eigentlich Wesentliche, die Grundrechte, zu sprechen zu kommen: „Außerdem (Hervorhebung d. d. Verf.) kann sich eine Einschränkung der dem Gesetzgeber danach zustehenden Gestaltungsfreiheit aus anderen Verfassungsnormen ergeben.". 189 Dem Gedanken der Präponderanz der Freiheit kommt das BVerfG schon sehr nahe, wenn es die Zwangsmitgliedschaft in einer gesetzlichen Krankenversicherung (einem klassischen Element einer auf sozialen Ausgleich bedachten Ordnung) wegen des dadurch eingeschränkten Freiheitsrechts des Einzelnen streng überprüfen will. Vgl. BVerfGE 89, 365 (376); Vgl. dazu auch BVerfGE 92, 53 (69) zur Zwangsmitgliedschaft in einem öffentlichrechtlichen Verband und BVerfGE 89, 69 (89) zur Duldung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens.

D. Der eigene Prüfungsmaßstab

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des Gleichheitssatzes anhand der sonstigen Verfassungsnormen, daß im Zweifelsfall dem Gleichheitssatz freiheitseinschränkende (faktische) Gleichheitsrechte nicht entnommen und dem Gesetzgeber daher auch nicht entgegengehalten werden sollen. Unberührt davon bleibt selbstverständlich das Recht des Gesetzgebers, von sich aus ein solch freiheits-einschränkendes Gleichheitsrecht aufzustellen.

2. Mißlungene Abgrenzung anhand personen- und sachverhaltsbezogener Merkmale Der zweite Teil der „Symbiose-Formel" des BVerfG will die Schärfe des anzuwendenden Prüfungsmaßstabes davon abhängig machen, ob und inwieweit die zu untersuchenden Differenzierungen auf personenbezogene oder sachverhaltsbezogene Merkmale abzielen. Hierzu ist zunächst einmal zu untersuchen, welche inhaltlichen Überlegungen das BVerfG mit seiner Unterscheidung von persönlicher und sachlicher Rechtsgleichheit verfolgt, da in gewichtigen Teilen des Schrifttums die Sinnhaftigkeit dieser Unterscheidung bezweifelt wird. 1 9 0 Zudem ist das BVerfG in seinen Formulierungen zur Unterscheidung so ungenau, daß die Grenzen zwischen Sachverhalts- und personenbezogener Differenzierung zu verschwimmen drohen. Richtig an der Kritik zur Unterscheidung ist, daß selbstverständlich auch sachverhaltsbezogene Differenzierungen letztlich zu einer Ungleichbehandlung von Personengruppen führen und eine Unterscheidung, die auf den Begriff Personengruppe abzielt, daher nicht deutlich nachzuvollziehen ist. 1 9 1 Vor diesem Hintergrund sind Formulierungen des BVerfG wie „ . . . unterliegt der Gesetzgeber bei einer Ungleichbehandlung von Personengruppen regelmäßig einer strengen Bindung .. . " 1 9 2 oder „ . . . Gleiche Maßstäbe gelten, wenn eine ungleiche Behandlung von Sachverhalten mittelbar eine Ungleichbehandlung von Personengruppen bewirkt. , . . " 1 9 3 zu allgemein und unpräzise. 194 Der einzig meßbare Unterschied zwischen 190 Vgl. dazu ζ. B. M/K-Gubelt, Art. 3, Rn. 14; Hesse, AöR 107 (1984), S. 189 m. w. N.; Sachs-Osterloh, Art. 3, Rn. 27 ff.; Sachs, JuS 1997, S. 128. 191 Sachs (JuS 1997, S. 128) formuliert dazu treffend: „Die dem entgegenstehende Schwierigkeit ist struktureller Art, sie liegt darin, daß sich letzlich jede noch so sachbezogene Regelung personenbezogen formulieren läßt, indem man auf die Personen abstellt, die ein bestimmtes sachliches Tatbestandsmerkmal verwirklichen." Vgl. dazu auch Hesse, in: FS für Lerche, S. 128 f. 192 Diese Formulierung zählt aber zum Grundbestandteil der ständigen Rechtsprechung des BVerfG zur „Symbiose-Formel". Vgl. ζ. B. BVerfGE 88, 87 (96); 91, 389, (401). Siehe dazu auch die Darstellung der „Symbiose-Formel" in Abschnitt B.III, dieser Arbeit. 193 Vgl. ζ. B. BVerfGE 91, 346 (363). 194 Eigentlich hätte dies dem BVerfG auffallen müssen, da es an anderer Stelle [BVerfGE 91, 346 (363)] das Problem der Vermischung beider Merkmale selbst auf den Punkt bringt: „Die darin liegende Ungleichbehandlung betrifft zwar Personengruppen, ist aber nicht an personengebundene Merkmale geknüpft." . 5 Bremeier

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1. Kap.: Art. 3 Abs. 1 GG als Prüfungsmaßstab für Differenzierungen

sachverhaltsbezogenen und personenbezogenen Differenzierungen ist der Umstand, daß personenbezogene Differenzierungen auf Eigenschaften der Normadressaten abzielen, die diese nicht weiter verändern können, während bei sachverhaltsbezogenen Differenzierungen die Merkmale durch das Verhalten der Normadressaten wenigstens theoretisch beeinflußbar sind. Die Personengruppe einer personenbezogenen Differenzierung ist also dem Umfang nach von vornherein fest und unabänderlich definiert, während der Umfang der Personengruppe einer sachverhaltsbezogenen Differenzierung erst durch das tatsächliche Verhalten der Normadressaten definiert wird. Der Rechtsprechung des BVerfG ist zu entnehmen, daß das Gericht auf diesen Unterschied zwischen sachverhaltsbezogener und personenbezogener Differenzierung abstellen will. So formuliert das BVerfG in seiner Standardformel: ,3ei lediglich verhaltensbezogenen Unterscheidungen hängt das Maß der Bindung davon ab, inwieweit die Betroffenen in der Lage sind, durch ihr Verhalten die Verwirklichung der Merkmale zu beeinflussen, nach denen unterschieden wird." 1 9 5 Hiermit stellt das Gericht klar, daß es ihm auf die Möglichkeit der Beeinflussung der Differenzierungsmerkmale ankommt. In einer zweiten Formulierung macht das BVerfG dann deutlich, daß diese Überlegung auch auf personenbezogene Merkmale angewandt werden soll: „Bei einer ungleichen Behandlung von Personengruppen unterliegt der Gesetzgeber regelmäßig einer um so strengeren Bindung, je mehr nach personenbezogenen Merkmalen differenziert wird." 1 9 6 Für sich allein genommen kann die Unterscheidung des BVerfG überzeugen. Es ist zunächst einmal einsichtig, an die Möglichkeit der Grundrechtsadressaten, einer Differenzierung durch eigenes Verhalten auszuweichen, Folgen bezüglich der Bewertung der Differenzierung zu knüpfen. Demgegenüber wurde in dieser Arbeit jedoch schon mehrfach betont, daß die Berechtigung zur Anwendung eines schärferen Prüfungsmaßstabes innerhalb der Gleichheitssatzprüfung zwingend anhand verfassungsrechtlicher Argumente zu nachzuweisen ist. Der zweite Teil der „Symbiose-Formel" ist deshalb daraufhin zu untersuchen, ob und inwieweit dessen Entscheidungskriterium zur Schärfe des Prüfungsmaßstabes - das Abzielen auf die Möglichkeit der Grundrechtsadressaten, sich der Differenzierung anzupassen - auf verfassungsrechtlichen Erkenntnissen beruht. Unzweifelhaft kann die verfassungsrechtliche Grundlage in dem Bereich angenommen werden, in dem das BVerfG auf die personalen Merkmale abzielt, die schon in den speziellen Gleichheitssätzen ihre Berücksichtigung finden. 197 Der Rückgriff auf die Verfassungsnorm des Art. 3 Abs. 3 GG stellt den geforderten Be195 Vgl. BVerfGE 88, 87 (96). 196 Das BVerfG[E 91, 346 (362 f.)] führt den Gedanken der Ausweichmöglichkeit auch in dieser Entscheidung zwar erst im nächsten Satz bei der Darstellung der sachverhaltsbezogenen Differenzierungen an, doch die Formulierung des „um so - je mehr" zeigt den fließenden Übergang zwischen den beiden Überlegungen an. 197 Das BVerfG formuliert dazu: „Diese Bindung ist um so enger, je mehr sich die personenbezogenen Merkmale den in Art. 3 Abs. 3 GG genannten annähern", vgl. BVerfGE 88, 87 (96).

D. Der eigene Prüfungsmaßstab

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zu g zur Verfassung her. Dies gilt auch für solche sachverhaltsbezogenen Differenzierungen, deren durch sie letztlich betroffene Personengruppe anhand eines Differenzierungsmerkmals des Art. 3 Abs. 3 GG definiert werden kann. Darüber hinaus sind weitere verfassungsrechtliche Argumente für den zweiten Teil der SymbioseFormel nicht zu erkennen. Einzig denkbar wäre noch, eine inhaltliche Verwandtschaft zwischen der mehr oder weniger gegebenen Ausweichmöglichkeit der Grundrechtsadressaten sowie der allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG zu konstruieren. Dies kann jedoch nicht überzeugen, da bei Einschlägigkeit des Art. 2 Abs. 1 GG dieser innerhalb des ersten Teils der „Symbiose-Formel" zu berücksichtigen ist 1 9 8 und es eines weiteren Rückgriffes auf den zweiten Teil der „Symbiose-Formel" nicht mehr bedarf. Eine verfassungsrechtliche Begründung des zweiten Teils der „Symbiose-Formel" wäre nur dann denkbar, wenn der Verfassung ein wie auch immer geartetes Grundrecht darauf entnommen werden könnte, daß die Grundrechtsträger die Möglichkeit haben müssen, sich der Wirkung der Normen der Rechtsordnung entziehen zu können. Ein solches Grundrecht ist aber nicht erkennbar und würde im Zusammenspiel mit dem Gleichheitssatz auch wenig Sinn machen. Bereits in Abschnitt Α.ΠΙ.1. wurde gezeigt, daß Differenzierungen eine unabdingbare Voraussetzung jeder Rechtsnorm und damit der Rechtsordnung schlechthin sind. Differenziert also jede Norm und ist der zweite Teil der „Symbiose-Formel" deshalb immer und überall einschlägig, verliert er die Aussagekraft für den konkreten Sachverhalt. Er kann deshalb auch keine eindeutige verfassungsrechtliche Vorgabe für die Entscheidung über den Prüfungsmaßstab vorgeben.. Wird dies dennoch versucht, so wird das Ergebnis allein vom subjektiven Gerechtigkeitsverständnis des Grundrechtsinterpreten bestimmt. 199 Die fehlende verfassungsrechtliche Substanz des zweiten Teils der „SymbioseFormel" zeigt sich deutlich bei seiner Handhabung durch das BVerfG. Das Gericht hält sich weder an seine eigene Terminologie, noch orientieren sich die Ergebnisse der Prüfungsmaßstabsentscheidung tatsächlich am Kriterium der Ausweichmöglichkeit. Als ein deutliches Beispiel für die inkonsequente Anwendung des zweiten Teils der „Symbiose-Formel" ist zunächst das Urteil des BVerfG zum zweiten Schiffsregister anzuführen. Hier formuliert das Gericht, nachdem es zunächst die „Symbiose-Formel" vorgestellt hat: „Danach ist ein relativ strenger Maßstab anzulegen. Die beiden Gruppen von Seeleuten, die das Gesetz ungleich behandelt, werden durch personenbezogene Merkmale (Wohnsitz oder ständiger Aufenthalt im Ausland) definiert, die die hier Betroffenen praktisch nur schwer ändern können." 2 0 0 Zum einen spricht das BVerfG hier im Unterschied zu den sonst geläufigen eigenen Formeln von der Veränderbarkeit personenbezogener Merkmale. 201 198 So auch das BVerfG in BVerfGE 89, 365 (376) bei der Einordnung der Zwangsmitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung. 199 Zum kritischen Einfluß subjektiver Wertungen im Rahmen der Gleichheitssatzinterpretation, vgl. oben Abschnitt A.I. 200 BVerfGE 92, 26 (52). 5*

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1. Kap.: Art. 3 Abs. 1 GG als Prüfungsmaßstab für Differenzierungen

Zum zweiten wird auch das Argument der Ausweichmöglichkeit der inhaltlichen Substanz nach völlig verfehlt, wenn Wohnsitz und ständiger Aufenthalt nicht als (mehr oder weniger einfach) vom Grundrechtsadressaten veränderbarer Sachverhalt, sondern als ein der Person anhaftendes Merkmal dargestellt wird. Folgerichtig wäre hier allein die Einschätzung als sachverhaltsbezogene Differenzierung bei erschwerter Ausweichmöglichkeit. Die Beliebigkeit des BVerfG beim Umgang mit den Formeln „sachverhaltsbezogen", „personenbezogen" und ,Ausweichmöglichkeit" zeigt sich auch in weiteren Urteilen. Das Gericht ordnet beispielsweise die Unterscheidung von Verheirateten, aber getrennt Lebenden im Vergleich zu den Geschiedenen als personenbezogen ein, 2 0 2 während es bei der Ungleichbehandlung von Erbbaurecht und Pachtrecht eine sachverhaltsbezogene Differenzierung angenimmt.203 Hier ist pointiert zu fragen, auf welche Erkenntnisse das BVerfG seine Einschätzung stützt, daß der ExPartner einer Ehe schwerer zur Scheidung als ein Grundstücksbesitzer zur Verpachtung (statt Erbbaurechtsverkauf) überredet werden kann. 204 Schließlich kann die fehlende Voraussehbarkeit der verfassungsrichterlichen Entscheidungen zum zweiten Teil der „Symbiose-Formel" anhand einer jüngeren Entscheidung zum Rentenrecht belegt werden. 205 Hier verzichtet das BVerfG ganz auf die - offensichtlich sowieso beliebigen - Formulierungen der „Symbiose-Formel" und führt sofort den strengen Maßstab der „Neuen Formel" ein. Die zu beurteilende Unterscheidung betrifft dabei Rentenversicherte bezüglich der Merkmale „Kindererziehungszeiten" und „Rentenversicherungsbeiträge". Dem kommentarlos angewandten strengen Prüfungsmaßstab stehen die der persönlichen Disposition der Normadressaten offenstehenden Sachverhalte „Rentenbeitragsnachzahlung", „Kinderwunsch" sowie „Verzicht auf Erziehungsjahre" entgegen. Das BVerfG tritt hier dem Gesetzgeber mit einem strengen Prüfungsmaßstab entgegen, ohne sich an seine eigene Prüfungsmaßstabsdefinition zu halten, geschweige denn verfassungsrechtliche Ableitungen für seinen Prüfungsmaßstab zu liefern. Nach dem hier aufgezeigten Bild der Rechtsprechung des BVerfG 206 wird deutlich, daß der zweite Teil der „Symbiose-Formel" wegen seiner fehlenden verfassungsrechtlichen Ableitung nicht geeignet ist, zufriedenstellende Prüfungsmaßstä201

So wird in den Formeln des BVerfG immer von der Veränderbarkeit nur der sachverhaltsbezogenen Differenzierungen gesprochen, vgl. BVerfGE 88, 87 (96), seitdem st. Rspr. 202 Vgl. BVerfGE 91, 389 (401) - Richtig wäre hier die Einstufung als sachverhaltsbezogen gewesen, da daß Unterscheidungsmerkmal Scheidung-Nichtscheidung der Änderungsmöglichkeit der Grundrechtsadressaten unterworfen ist. 203 Im Ergebnis überzeugend, vgl. BVerfG, NJW 1996, S. 43 ff. 204 Vgl. zu diesen Urteilen auch die kritische Einschätzung von Sachs, JuS 1997, S. 128. 205 Vgl. BVerfGE 94, 241 (260 ff.) Zur Nichtberücksichtigung der „Symbiose-Formel" in der Rechtsprechung des 1. Senats, vgl. auch ζ. B. BVerfGE 95, 39 (45); 95, 143 (154 f.). 206 Auch neben den hier vorgestellten offensichtlichen Abweichungen des BVerfG vom eigenen tragenden Gedanken finden sich in nahezu allen Urteilen des Gerichts diesbezügliche Ungereimtheiten. Als weiteres, unspektakuläres Beispiel dafür sei die auf die Einordnung der

D. Der eigene Prüfungsmaßstab

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be zum Gleichheitssatz zu definieren. Das BVerfG kommt bei seiner Anwendung daher zu unklaren und eher beliebigen Prüfungsmaßstäben. Der Verdacht ist nicht von der Hand zu weisen, daß sich das BVerfG im konkreten Fall bei der Prüfungsmaßstabsdefinition deshalb nicht auf verfassungsrechtliche Erkenntnisse stützt, sondern lediglich unreflektiert sein subjektives Gerechtigkeitsempfinden umsetzt. Dies ist aber, wie schon mehrfach betont, ein nicht akzeptables Vorgehen innerhalb einer Grundrechtsinterpretation. Der zweite Teil der „Symbiose-Formel" ist daher als Prüfungsmaßstabsdefinition ungeeignet und abzulehnen.207

II. Schwächen der „Symbiose-Formel" und Husters Modell Nach der Ablehnung des zweiten Teils der „Symbiose-Formel" verbleibt von der Definition des Prüfungsmaßstabs des BVerfG nur die Inhaltsbestimmung anhand der sonstigen Verfassungsnormen. Das BVerfG und ein Großteil der Literatur wollen dem Gleichheitssatz darüber hinaus aber einen eigenständigen Inhalt zuschreiben und diesen auch anhand strenger Prüfungsmaßstäbe überprüfen 208 Kommt als verfassungsrechtliche Begründung der zweite Teil der „Symbiose-Formel", wie erwiesen, nicht in Betracht, so muß eine andere Ableitung gefunden werden. Soweit ersichtlich liefert nur Husters neuer dogmatischer Ansatz eben diese verfassungsrechtliche Begründung für die Anwendung strengerer Prüfungsmaßstäbe auch außerhalb der Inhaltsfüllung des Gleichheitssatzes anhand des sonstigen Verfassungsrechts. Huster geht davon aus, daß das BVerfG in seiner Rechtsprechung die Vorgaben seines Modells nachvollziehe und nur in der Selbstbeschreibung partiell davon abweiche. 209 Träfe diese Einschätzung zu, wäre die Möglichkeit eröffnet, den abzulehnenden zweiten Teil der „Symbiose-Formel" durch das Huster'sche Modell ersetzen zu können, ohne die Rechtsprechung des BVerfG den Ergebnissen nach verwerfen zu müssen.

Unterscheidung zwischen Arbeitern und Angestellten als personenbezogen hingewiesen. Da die Einstufung als Arbeiter oder Angestellter kein unabänderliches Körpermerkmal ist, sondern im weiteren Sinne dem Qualifikationsbemühungen des Arbeitnehmers unterliegt, wäre hier eine Einstufung als sachverhaltsbezogen eigentlich erforderlich gewesen. Vgl. BVerfGE 90,46 (56 f.). 207 Dies bedeutet jedoch nicht, daß die plausible Überlegung, an die Ausweichmöglichkeit der Normadressaten Folgen bezüglich der Beurteilung der Norm zu knüpfen, gänzlich verworfen werden muß. Sie kann vielmehr im Rahmen der weiteren Überprüfung anhand eines anderweitig definierten Prüfungsmaßstabes als Zusatzüberlegung herangezogen werden. Insbesondere ist hierbei an die Berücksichtigung innerhalb der Überprüfung von auftretenden Härtefällen zu denken. 208 Vgl. dazu zum BVerfG oben Abschnitt B. sowie zum Schrifttum oben Abschnitt C. 209 Vgl. Huster, JZ 1994, S. 545.

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1. Kap.: Art. 3 Abs. 1 GG als Prüfungsmaßstab für Differenzierungen

Ein Vergleich von Husters Modell und „Symbiose-Formel" zeigt indessen, daß Husters Einschätzung sehr optimistisch ist. Die Trennungslinien zwischen strengen und schwächeren Prüfungsmaßstäben verlaufen in beiden Modellen nicht parallel. Deutlich wird dies vor allem anhand der jeweiligen Einbindung der sonstigen Grundrechte. Wollte das BVerfG diese noch unabhängig und für sich getrennt berücksichtigen, verschärfen sie bei Huster den Prüfungsmaßstab sowohl bei der Gerechtigkeitsentscheidung als auch bei der Verfolgung sonstiger Ziele. Es macht deswegen auch keinen Sinn, den zweiten Teil der „Symbiose-Formel" einfach durch das Huster'sche Modell ersetzen zu wollen. Vielmehr muß geprüft werden, an welcher Stelle des Huster'schen Modells der erste Teil der „Symbiose-Formel" umgesetzt wird und wo bzw. inwieweit der Gedanke des zweiten Teils der „Symbiose-Formel" Berücksichtigung findet. Wie oben schon angerissen, fließen Einwirkungen der sonstigen Verfassungsnormen auf den Prüfungsmaßstab zu Art. 3 Abs. 1 GG, mithin der erste Teil der „Symbiose-Formel", in alle Teile des Modells von Huster ein. Die Wirkung der sonstigen Grundrechte ist dabei in beiden Modellen gleich. Je mehr durch die Differenzierung sonstige Grundrechte der Normadressaten berührt werden, um so stärker wird der vordem gegebene weite Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers eingeschränkt. Die bei Huster gegebene Zweiteilung bei der Berücksichtigung der sonstigen Grundrechte läßt sich problemlos mit der Einbindung der Grundrechte beim BVerfG vereinbaren. Soweit es sich nach Huster um eine Gerechtigkeitsentscheidung handelt, ist die Ausgangslage identisch. Die Entscheidungen des Gesetzgebers unterliegen grundsätzlich nur einem Willkürverbot, das sich aber in Abhängigkeit von den betroffenen Grundrechten verschärfen kann. Verfolgt der Gesetzgeber nach Huster ein sonstiges Ziel, so ist danach als Prüfungsmaßstab bei ihm grundsätzlich nicht mehr das Willkürverbot, sondern das Übermaßverbot einschlägig. Die sonstigen Grundrechte werden dann nicht zur Definition des Prüfungsmaßstabs selbst, sondern erst innerhalb der Prüfung des Übermaßverbotes berücksichtigt. Hierin weicht Huster vom BVerfG ab, weil das Gericht die Grundrechte immer auch schon in die Prüfungsmaßstabsdefinition einfließen lassen will. Der darin liegende Unterschied ist allerdings nicht schwerwiegend. Denn das BVerfG berücksichtigt die Grundrechte nicht nur bei der Prüfungsmaßstabsdefinition selbst, sondern läßt sie, wie Huster auch, innerhalb der späteren Prüfung des Sachverhaltes anhand des Maßstabes einfließen. 210 Der Gedanke des zweiten Teils der „Symbiose-Formel" ist nicht so unproblematisch auf das Huster'sche Modell zu übertragen. Das BVerfG hatte dem Gleichheitssatz einen eigenen Regelungsinhalt dahin zugeschrieben, daß durch ihn eine ungerechtfertigte Verschiedenbehandlung von Personen verhindert werden solle. 211 210 Vgl. ζ. B. BVerfGE 89, 365 (379) zur Zwangsmitgliedschaft und Art. 2 Abs. 1 GG oder früher schon BVerfGE 87, 234 (257) zu Einkommensanrechnung bei der Arbeitslosenhilfe und Art. 6 Abs. 1 GG. 211 Dieser Gedanke ist, wie unten in der Arbeit schon aufgezeigt, ein wichtiger Bestandteil der „Symbiose-Formel". Das BVerfG formuliert dazu: „Da der Grundsatz, daß alle Menschen

D. Der eigene Prüfungsmaßstab

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Es wurde gezeigt, daß angesichts der besonderen Struktur des Vergleichens eine solche Aussage zu allgemein und unpraktikabel ist und folglich auch der daran anknüpfende zweite Teil der „Symbiose-Formel" zu verwerfen ist. Huster hat mit seinem neuen dogmatischen Ansatz die Offenheit des Gleichheitssatzes durch die Definition eines Schutzbereichs beseitigt. Der Schutzbereich des Art. 3 Abs. 1 GG sieht ein Recht der Grundrechtsadressaten vor, gemäß der Gerechtigkeitsentscheidung des Gesetzgebers als Gleiche behandelt zu werden. Überträgt man diesen Gedanken auf den Ausgangspunkt der Überlegungen des BVerfG, so ist dessen Formulierung über den Inhalt des Gleichheitssatzes wie folgt zu präzisieren: Danach soll der Gleichheitssatz ungerechtfertigte Verschiedenbehandlungen von Personen nur insoweit verhindern, als dadurch von vorher aufgestellten Gerechtigkeitsregeln abgewichen wird. Diese Präzisierung unterscheidet sich jedoch so deutlich von der eigentlichen Rechtsprechung des BVerfG, daß sie sich nicht, wie Huster meint, größtenteils mit falschen sprachlichen Selbstbeschreibungen erklären läßt. Der inhaltliche Unterschied wird vielmehr in einer nicht unbeachtlichen Anzahl von Sachverhalten zur Anwendung unterschiedlicher Prüfungsmaßstäbe führen. Hierzu kann auf Husters eigenes Beispiel, das Steuerrecht, verwiesen werden. Nach Huster ist jede Steuervorschrift, die nicht nur das Leistungsfähigkeitsprinzip (die Gerechtigkeitsentscheidung zum Lebensbereich) berücksichtigt, nach dem strengen Übermaßverbot zu überprüfen. Das BVerfG dagegen wird aufgrund der Sachverhaltsbezogenheit von Steuervorschriften, ohne zusätzliche Erkenntnisse, grundsätzlich nur eher schwache Prüfungsmaßstäbe anlegen.212 Der hier konstatierte inhaltliche Unterschied zwischen Husters Modell und dem Ansatz des BVerfG ist nicht als Problem, sondern vielmehr als Problemlösung zu betrachten. Der Unterschied ist die korrigierende Antwort auf den zu weit gefaßten Ansatz des BVerfG. Hatte dieses die Offenheit des Gleichheitssatzes ignoriert und sich deswegen für jedes gesetzgeberisches Handeln einen strengen Prüfungsmaßstab vorbehalten, erkennt Huster die Notwendigkeit, zunächst einen Schutzbereich des Art. 3 Abs. 1 GG zu bestimmen und dann die Anwendung strenger Prüfungsmaßstäbe auf solche Gesetze zu beschränken, die nicht der Schutzbereichsdefinition, sondern sonstigen Zielen dienen. Im Ergebnis kann somit festgehalten werden, daß Husters Modell gegenüber der „Symbiose-Formel" des BVerfG deutliche Vorzüge genießt. Der erste Teil der „Symbiose-Formel", die Einwirkungen der sonstigen Verfassungsnormen, wird überzeugend im Huster'schen Modell umgesetzt. Der abzulehnende zweite Teil der „Symbiose-Formel" wird dagegen bei Huster auf den Teil reduziert, der verfassungsrechtlich abgeleitet und begründet werden kann. Die in Abschnitt C.II.2 aufgezeigte Schwäche in Husters Modell muß nicht überbewertet werden. Wie schon gleich sind, in erster Linie eine ungerechtfertigte Verschiedenbehandlung von Personen verhindern soll,..."; BVerfGE 88, 87 (96); seitdem st. Rspr. 212 Vgl. dazu zuletzt BVerfGE 93, 121 (134 ff.). Vgl. ebenso den Grundsatzartikel „Steuergleichheit" von Kirchhof, StuW 1984, S. 297 ff.

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1. Kap.: Art. 3 Abs. 1 GG als Prüfungsmaßstab für Differenzierungen

oben aufgezeigt, reduziert sich die Schwäche auf mehrdimensionale Sachverhalte, in denen den einzelnen Dimensionen unterschiedliche Prüfungsmaßstäbe zugeordnet sind. In diesen Fällen können zunächst getrennte Einzelprüfungen innerhalb der einzelnen Dimensionen des Sachverhaltes vorgenommen und anschließend die Ergebnisse untereinander verglichen und gewichtet werden. Die dabei zwangsläufig notwendig werdende subjektive Wertung ist als unproblematisch anzusehen. Denn jedenfalls zwingt das Verfahren den Interpreten zu einer strukturierten Problemanalyse des betroffenen Gleichheitsproblems und vermeidet so die sonst häufig unreflektiert getroffenen Wertungsentscheidungen.213 Das Huster'sche Modell wird deshalb im folgenden der Arbeit zur Grundlage der Prüfungsmaßstabsdefinition gemacht.

I I I . Präzisierung von Willkürverbot und Übermaßverbot Mit der im vorherigen Abschnitt getroffenen Festlegung auf das Huster'sche Modell kommen im Rahmen der Gleichheitsprüfung als Prüfungsmaßstäbe sowohl das Willkürverbot wie auch das Übermaßverbot zum Einsatz. Hierzu ist im folgenden erstens zu klären, inwieweit den Stimmen gefolgt werden kann, die Willkürverbot und Übermaßverbot zu einem variablen Prüfungsmaßstab verschmelzen wollen (Abschnitt D.III.l.). Zweitens ist zu bestimmen, welche genauen inhaltlichen Maßstäbe mit dem Willkürverbot (Abschnitt D.III.2.) und dem Übermaßverbot (Abschnitt D.III.3.) zu verbinden sind. 1. Zur Notwendigkeit der Unterscheidung von Willkürverbot und Übermaßverbot Nach der oben 2 1 4 dargelegten in vorgestellten Auffassung Osterlohs ist ein Nebeneinander von Willkürverbot und Übermaßverbot nicht notwendig und daher eher verwirrend als sinnvoll. 215 Diese Einschätzung gründet Osterloh auf die Erkenntnis, daß das Übermaßverbot nicht zwingend als strenge Verhältnismäßigkeitsprüfung durchgeführt werden müsse. Die Strenge der Prüfung sei vielmehr variabel und könne auch in Form einer weit zurückgezogenen Evidenzkontrolle stattfinden. Unterstützt wird diese Überlegung durch die Erkenntnis, daß auch das Willkürverbot ein Willkürproblem beinhaltet. 216 So stellt die Behauptung, ein Gesetz sei willkürlich, da es den Sachverhalt offensichtlich (evident) unsachlich regele, 213 Zudem ist an dieser Stelle noch einmal an die Erkenntnis von Alexy zu erinnern, daß Grundrechtsinterpretationen notwendigerweise immer auch subjektive Wertungen enthalten, vgl. oben Fußnote 2. 214 Vgl. oben Abschnitt C.I.l.b.cc. 215 Vgl. Sachs-Osterloh, Art. 3, Rn. 33. 216 Vgl. zum folgenden insbesondere die Überlegungen von Krugmann (Evidenzfunktionen, S. 21 ff., 127 ff.) zum Evidenzbegriff.

D. Der eigene Prüfungsmaßstab

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seinerseits eine willkürliche Behauptung dar. Denn zur Begründung der Willkürlichkeit wird nur auf deren Offensichtlichkeit verwiesen. Ob etwas offensichtlich ist oder nicht, kann aber nicht bewiesen werden, sondern liegt immer in der subjektiven Einschätzung des Behauptenden begründet. Es findet also eine subjektive Wertung statt. War das Willkürverbot nun aber gerade deswegen eingeführt worden, um eine abwägende Wertungsentscheidung im Bereich des gesetzgeberischen Entscheidungsspielraumes zu verhindern, stellt sich die Frage nach der Notwendigkeit einer Trennung von Willkürverbot und Übermaßverbot um so deutlicher. Trotz obiger Einwände ist an der Unterscheidung von Willkürverbot und Übermaßverbot festzuhalten. Zunächst einmal ist die Überlegung zum Willkürproblem des Willkürverbotes nicht neu. Leibholz hatte das Willkürverbot nicht als abschließenden Prüfungsmaßstab konzipiert, sondern er war gerade von der Unmöglichkeit, die Gerechtigkeit zu definieren, ausgegangen und hatte dann die Möglichkeit, wenigstens Willkür als Korrelatsbegriff zur Gerechtigkeit definieren zu können, als aussichtsreich erkannt. 217 Das Willkürverbot ist also nicht zum Prüfungsmaßstab erhoben worden, weil es in sich abgeschlossen und stringent ist, sondern weil es noch am ehesten in der Lage ist, die schwierige Wertungsproblematik innerhalb des Gleichheitssatzes zu bewältigen. Zweitens hat Huster gezeigt, daß das Übermaßverbot mit seiner Verhältnismäßigkeitsprüfung auf Gerechtigkeitsentscheidungen des Gesetzgebers nicht richtig paßt. 218 Diese können vielmehr lediglich einer Entsprechungsprüfung unterzogen werden. Nun könnte man versuchen, dieses Problem durch eine Modifizierung des Übermaßverbotes zu beseitigen.219 Die Erfolgsaussichten eines solchen Vorhabens brauchen hier nicht näher untersucht zu werden. Denn an der Trennung von Willkürverbot und Übermaßverbot ist jedenfalls aus Klarstellungsgründen festzuhalten. So war das Willkürverbot die Antwort auf die besondere Wertungsproblematik innerhalb des Gleichheitssatzes. Würde man das Willkürverbot nun in das Übermaßverbot integrieren, bestünde die Gefahr, daß bei der Überprüfung von Gerechtigkeitsentscheidungen die Besonderheiten verschwimmen und doch wieder zu strenge Prüfungsmaßstäbe einfließen. 220 Die Trennung hat dagegen eine erhebliche Signal- und Warnwirkung für den Grundrechtsinterpreten und sensibilisiert ihn für das anstehende Wertungsproblem. Willkürverbot und Übermaßverbot werden deswegen im Rahmen dieser Arbeit unterschieden und getrennt zum jeweiligen Prüfungsmaßstab in ihrer Fallgruppe erhoben.

217 218 219 220

Vgl. Leibholz, Gleichheit, S. 53 ff., 72 ff. Vgl. dazu oben Abschnitt B.II.2.b. So z. B. Krugmann, Evidenzfunktionen, S. 131 (Fußnote 159). Diese Gefahr sieht auch Hesse, in: FS für Lerche, S. 129 f.

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1. Kap.: Art. 3 Abs. 1 GG als Prüfungsmaßstab für Differenzierungen

2. Inhaltliche Präzisierung des Willkürverbots Zum Willkürverbot als Prüfungsmaßstab zu Art. 3 Abs. 1 GG bleibt zu klären, welcher Strenge die damit verbundene Prüfung vorzunehmen ist. Das Willkürverbot wird in dieser Arbeit nicht nur im Sinne eines einfachen Begründungsgebotes verstanden. Die darin liegende Degeneration des Willkürverbotes ist in der Literatur zurecht kritisiert worden. 221 Es ist vielmehr in Dürigs Sinne 222 von einem qualifizierten Willkürverbot auszugehen. Danach ist innerhalb des Willkürverbotes nicht nur nach irgendeinem Grund für die Differenzierung zu fragen, sondern es ist auf einen sachlichen Grund abzuzielen. Als sachlich sind dabei solche Gründe einzustufen, die einen inhaltlichen Bezug zur gewählten Differenzierung haben. 223 Es bleibt festzuhalten, daß darin keine Verschärfung des Willkürverbotes zu sehen ist, sondern lediglich eine Rückbesinnung auf die von Leibholz zum Gleichheitsproblem gewonnenen Erkenntnisse. 224 3. Inhaltliche Präzisierung des Übermaßverbots Zum Übermaßverbot als strengem Prüfungsmaßstab zu Art. 3 Abs. 1 GG bleibt zu klären, welche inhaltlichen Prüfungsschritte damit verbunden werden. Soll das Übermaßverbot in der für die Freiheitsrechte entwickelten dreistufigen Form angewandt werden, oder muß es in Bezug auf die Besonderheiten des Gleichheitssatzes modifiziert werden? Osterloh und Gubelt wollen das Übermaßverbot im Rahmen einer Gleichheitssatzpriifüng ohne den Prüfungsschritt der Erforderlichkeit anwenden, da sie darin wegen der Offenheit des Art. 3 Abs. 1 GG eine zu große Einschränkung des gesetzgeberischen Entscheidungsspielraumes sehen. Huster, der mit seinem neuen dogmatischen Modell diese Offenheit beseitigt zu haben glaubt, wendet das Übermaßverbot unverändert in seiner dreistufigen Form an. Das BVerfG ver221 Vgl. dazu oben Abschnitt B.II, und C.I.l. m. w. N.. 222 Dürig CM/D/H/S-Dürig, Art. 3, Rn. 277 ff.) hat schon 1972, lange vor „Entdeckung" der „Neuen Formel", auf die Problematik einer zum bloßen Begründungsgebot zurückgeschraubten Willkürprüfung hingewiesen und dadurch die richtige Fragestellung zur Willkürprüfung aufgezeigt. 223 Auch das BVerfG betont in seiner ständigen Rechtsprechung zum Willkürverbot den notwendigen inhaltlichen Bezug zwischen Differenzierung und sachlichem Grund: „ . . . Nur dann ist nach Art. 3 Abs. 1 GG Gleiches gleich, Ungleiches aber nach seiner Eigenart zu behandeln, wenn die Gleichheit oder Ungleichheit in dem jeweils in Betracht kommenden Zusammenhang (Hervorhebung d. d. Verf.) so bedeutsam ist, daß ihre Beachtung bei einer gesetzlichen Regelung nach einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise geboten erscheint." BVerfGE 9, 124 (129 f.). Vgl. ebenso BVerfGE 1, 264 (275 f.); 2, 118 (119 f.); 9, 137 (146); 9, 194 (206); 12, 341 (348); 14, 221 (238); 15, 167 (201); 17, 319 (330); 23, 12 (24 f.); 47, 168 (178); 48, 346, (357); 50, 177 (186); 52, 256 (263); 86, 81 (87); 93, 319 (349); 93, 386 (397). 224 Leibholz (Gleichheit, S. 88 ff.) hat in seinen Formulierungen die Willkürfrage nie auf ein bloßes Begründungsgebot verengt, sondern immer den Bezug zur überprüften Differenzierung hergestellt.

D. Der eigene Prüfungsmaßstab

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ziehtet in seinen Urteilen gänzlich auf die Herausarbeitung einzelner Prüfungsschritte im Sinne des Übermaßverbotes. Dies gilt selbst für den Fall, daß das Gericht ausdrücklich einen strengen, Verhältnismäßigkeitserfordernisse berücksichtigenden Prüfungsmaßstab anwendet.225 Der einzige Bezug des BVerfG zu den Prüfungsschritten des Übermaßverbotes kann in folgender, der ständigen Rechtsprechung zuzuordnenden Formulierung gesehen werden: " Der Gesetzgeber hat hiernach eine sehr weitgehende Gestaltungsfreiheit; es ist nicht Sache des BVerfG, zu prüfen, ob er jeweils die gerechteste und zweckmäßigste Regelung getroffen hat,.. , " 2 2 6 Diese Formulierung ist dahin zu interpretieren, daß das BVerfG die Erforderlichkeit im Rahmen einer Überprüfung anhand des Gleichheitssatzes nicht prüfen will. In dieser Arbeit wird das Übermaßverbot in der um die Erforderlichkeit reduzierten zweistufigen Form angewandt. In Abschnitt Α.ΠΙ.4. wurde der aus dem Gewaltenteilungsprinzip abgeleitete Einscheidungsvorrang des Gesetzgebers als ein wichtiger Bestimmungsfaktor innerhalb der Gleichheitssatzinterpretation vorgestellt. Vor diesem Hintergrund ist der Verzicht auf eine Erforderlichkeitsprüfung im Rahmen der Gleichheitssatzinterpretation zunächst zwingend geboten. Huster hat zwar mit seinem neuen dogmatischen Modell einen Schutzbereich des Art. 3 Abs. 1 GG definiert und damit grundsätzlich auch die Möglichkeit eröffnet, Eingriffe darin auf ihre Erforderlichkeit zu überprüfen. Es darf jedoch nicht übersehen werden, daß der Schutzbereich als Konstruktion nicht direkt aus der Verfassung abgeleitet ist, sondern auf einer (relativ freien) Gerechtigkeitsentscheidung des Gesetzgebers beruht. Da zudem der Gleichheitssatz eine große Nähe zu umstrittenen Verteilungsfragen innehat, ist Augenmaß und Zurückhaltung geboten. Die Leistung von Husters Modell besteht darin, auch jenseits der Inhaltsfüllung des Gleichheitssatzes anhand der sonstigen Verfassungsnormen eine Anwendung strengerer Prüfungsmaßstäbe zu ermöglichen. Es wäre eine unnötige Überforderung des Huster'schen Modells, wollte man mit ihm den Schutzbereich des Art. 3 Abs. 1 GG derart präzise definieren, daß der Verfassungsinterpret im Rahmen der Erforderlichkeitsüberpriifung gezwungen wäre, dem zu überprüfenden gesetzgeberischen Verteilungsmodell eigene Verteilungsmodelle gegenüberstellen. Aus diesem Grund ist, im Sinne des Entscheidungsvorrangs des Gesetzgebers, nur die Eignung und Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne zu prüfen. 227 225 Vgl. dazu zuletzt ζ. B. BVerfGE 93, 99 (110 f.); 95, 143 (154 f.); 95, 267 (316 f.); 96, 315 (325 f.). 226 BVerfGE 9, 201 (206). Vgl. dazu auch BVerfGE 4, 219 (243 f.); 11, 105 (123); 14, 221 (238); 19, 354 (367). Ähnlich BVerfGE 3, 58 (135 f.); 65, 141 (148); 66, 84 (95); 68, 237 (250); 68, 287 (301). Zuweilen fügt das BVerfG noch die Vokabel „vernünftigste" hinzu: Vgl. z.B. BVerfGE 4,144(155); 9, 334(337); 11,64(71); 17,319(330). 227 Husters Optimismus, das Übermaßverbot in seiner dreistufigen Form überall problemlos anwenden zu können, resultiert wohl vornehmlich aus einer nicht überzeugenden Einbindung des gesetzgeberischen Entscheidungsvorrangs in das Huster'sehe Modell. So hält Huster das Argument der Gewaltenteilung innerhalb der Gleichheitssatzinterpretation für nicht stichhaltig und will es deshalb auch nicht inhaltlich einfließen lassen. Vgl. Huster, JZ 1994, S. 541 Fußnote 5.

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1. Kap.: Art. 3 Abs. 1 GG als Prüfungsmaßstab für Differenzierungen

IV. Zusammenfassung der Ergebnisse Die „Symbiose-Formel" des BVerfG wird den in dieser Arbeit aufgestellten Anforderungen an eine überzeugende Gleichheitssatzinterpretation nur in Teilen gerecht. Der erste Teil der Formel berücksichtigt zwar zutreffend die inhaltsfüllende Wirkung der sonstigen Normen der Verfassung für den Gleichheitssatz, doch ist der zweite Teil nicht in der Lage, darüberhinaus strengere Prüfungsmaßstäbe verfassungsrechtlich abzuleiten und zu begründen. Dieses leistet das neue dogmatische Modell von Huster, das zudem auch den ersten Teil der „Symbiose-Formel" überzeugend umsetzt. Der Definition des Prüfungsmaßstabs dieser Arbeit liegt deshalb das Huster'sche Modell zugrunde. Danach werden zur Gleichheitssatzproblematik zwei Fallgruppen unterschieden. In der ersten Fallgruppe findet der Gesetzgeber einen noch ungeregelten Lebensbereich vor, zu dem die Verfassung keine abschließenden Aussagen trifft. Zur Ausgestaltung des Lebensbereiches trifft der Gesetzgeber als Alleinbefugter nun eine Gerechtigkeitsentscheidung. 228 Diese kann vom Verfassungsinterpreten wegen fehlender verfassungsrechtlicher Vorgaben nur weit zurückgezogen anhand des Willkürverbotes überprüft werden. Umgekehrt sind deshalb strengere Prüfungsmaßstäbe anzulegen, wenn der Verfassung Aussagen zum Gleichheitsproblem entnommen werden können. Auch ist die Willkürprüfung nicht als reines Begründungsgebot zu verstehen. Vielmehr ist auf einen inhaltlichen Bezug zwischen Differenzierung und angegebenen Grund abzuzielen. In der zweiten Fallgruppe verfolgt der Gesetzgeber Ziele, die einer zu einem Lebensbereich grundsätzlich getroffenen Gerechtigkeitsentscheidung zuwiderlaufen. Gerechtigkeitsentscheidungen schaffen für den Grundrechtsträgern ein Recht darauf, gemäß dieser Gerechtigkeitsentscheidung als Gleiche behandelt zu werden. Deshalb können die mit Gerechtigkeitsentscheidungen kollidierenden, vom Gesetzgeber verfolgten sonstigen Ziele anhand des strengen Übermaßverbotes geprüft werden. Das Übermaßverbot ist dabei auf eine 2-stufige Prüfung von Eignung und Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne zu beschränken. Der Trennung der beiden Fallgruppen ist besondere Aufmerksamkeit zu schenken, da ihr ausschlaggebende Bedeutung für den weiteren Prüfungsverlauf zukommt. Berührt die zu untersuchende gesetzgeberische Entscheidung mehrere Lebenssachverhalte, kann eine genaue Trennung der beiden Fallgruppen problematisch werden. In diesem Fall ist der Sachverhalt zunächst getrennt nach den betroffenen Lebenssachverhalten zu untersuchen. Anschließend ist - anhand der subjektiven Wertungen des Interpreten - ein Abgleich der Ergebnisse vorzunehmen. 22

8 Zur Klarstellung: Diese Gerechtigkeitsentscheidung ist nicht nur zu Beginn, zu einem noch ungeregelten Lebensbereich möglich, sondern die einmal getroffene Gerechtigkeitsentscheidung kann durch nachfolgende andere Gerechtigkeitsentscheidungen zum Lebensbereich ersetzt werden.

E. Prüfungsvorgehen in dieser Arbeit

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E. Prüfungsvorgehen in dieser Arbeit Das Prüfungsvorgehen dieser Arbeit zur Überprüfung von Differenzierungen im Betriebsverfassungsrecht beinhaltet eine Kombination von Prüfungsschema und Prüfungsmaßstab. Das Prüfungsschema ist nicht weiter zu problematisieren, insoweit kann auf das in Struktur und Terminologie überzeugende Prüfungsschema von Gubelt zurückgegriffen werden. 229 Dagegen hat sich gezeigt, daß die Bestimmung des anzulegenden Prüfungsmaßstabes erhebliche Probleme aufwirft. Der vom BVerfG aufgestellte Prüfungsmaßstab, die „Symbiose-Formel", hat erhebliche Schwächen und kann nicht ohne Änderungen zum Prüfungsmaßstab erhoben werden. 230 Die notwendigen Modifizierungen werden im Huster'schen Modell größtenteils überzeugend vorgenommen. 231 Das - um Zusatzgesichtspunkte vervollständigte - Modell von Huster wird daher in das Prüfungsvorgehen dieser Arbeit integriert. 232 Danach ergibt sich folgender Prüfungsablauf: 1. Bestimmung des Differenzierungskriteriums: Das Differenzierungskriterium ist daraufhin zu überprüfen, ob es den Differenzierungsverboten, Differenzierungsgeboten und Differenzierungserlaubnissen des Grundgesetzes gerecht wird. 2. Bestimmung des Differenzierungsziels (Regelungsziels) des Gesetzgebers: Das Differenzierungsziel ist auf seine (isolierte) Verfassungsmäßigkeit zu überprüfen. 3. Überprüfung der Angemessenheit der Differenzierung: Zur Überprüfung ist ein für den konkreten Sachverhalt geltender Prüfungsmaßstab anhand des Huster'schen Modells zu finden. a) Dazu ist zunächst festzustellen, welcher Fallgruppe die zu untersuchende Differenzierung zuzuordnen ist. b) Handelt es sich um eine den Schutzbereich des Gleichheitssatzes erst selbst definierende Gerechtigkeitsentscheidung des Gesetzgebers, ist die Differenzierung anhand der Willkürformel zu untersuchen. Dabei ist das Willkürverbot nicht als bloßes Begründungsgebot zu verstehen, sondern als Frage nach einem sachlichem Grund mit inhaltlichen Bezug zur Differenzierung. c) Definiert der Gesetzgeber mit der Differenzierung nicht Gerechtigkeit, sondern verfolgt er anderweitige Ziele, ist die Differenzierung anhand des Übermaßverbotes zu überprüfen. Aufgrund der besonderen Wertungsproblematik innerhalb des Gleichheitssatzes ist allerdings auf die Prüfung der Erforderlichkeit zu verzichten.

229

Vgl. dazu dessen Darstellung oben in Abschnitt C.I.2. 30 Vgl. dazu oben Abschnitt D.I. 2 31 Vgl. dazu oben Abschnitt D.II. 2 2 * Vgl. dazu oben Abschnitt D.III, und D.IV. 2

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1. Kap.: Art. 3 Abs. 1 GG als Prüfungsmaßstab für Differenzierungen

Offenbaren sich innerhalb der Anlegung des Prüfungsmaßstabes an die Differenzierung Wertungsspielräume und verschiedene Lösungsmöglichkeiten, ist ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz regelmäßig zu verneinen. Dieser Grundsatz folgt zwingend aus den in dieser Arbeit gewonnenen Erkenntnissen zur besonderen Wertungsproblematik innerhalb des Gleichheitssatzes. Deshalb wird in dieser Arbeit auch der Gleichheitssatz vor dem Hintergrund einer Präponderanz der Freiheit über die Gleichheit gesehen. Zudem soll dem Entscheidungsvorrang des Gesetzgebers und damit dem Belassen der Streitfragen im politischen Raum entscheidendes Gewicht zukommen. In diesem Sinne ist ζ. B. die Beschränktheit der Ressourcen als ein möglicher Differenzierungsgrund anzuerkennen und zu beachten.

2. Kapitel

Betriebsverfassung und Grundgesetz A. Präzisierung der Fragestellung I. Relevanz möglicher grundgesetzlicher Gründe und Grenzen der Betriebsverfassung Die Ableitung des für den allgemeinen Gleichheitssatzes maßgeblichen Prüfungsmaßstabes in Kapitel 2 hat gezeigt, daß dem Gesetzgeber wegen der besonderen Struktur des Gleichheitsproblems bei Differenzierungen ein sehr weitgehender Gestaltungsspielraum zuzugestehen ist. Dem differenzierenden Gesetzgeber kann nur dann mit einer strengen Prüfung entgegengetreten werden, wenn sich bezüglich des zu entscheidenden Sachverhaltes aus den sonstigen Verfassungsnormen weitergehende Aussagen entnehmen lassen.1 Diese Aussagen und die damit einhergehenden Einengungen der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit sollen im weiteren als Grundrechtsfundierung eines Sachverhalts bezeichnet werden.2 Kommt einer darauf gerichteten Analyse des Grundgesetzes somit entscheidende Bedeutung zu, so ist dabei mit großer Sorgfalt und Ausführlichkeit vorzugehen, da sonst der durch die Grundrechtsanalyse angestrebte Rationalitätsgewinn wieder verloren ginge. Eine auf eine leichtfertig behauptete Grundrechtsbeschwerung der Betriebsverfassung gestützte strenge Überprüfung der Differenzierungen sähe sich derselben Kritik ausgesetzt wie die unreflektierte Anwendung eines strengen Prüfungsmaßstabes im Rahmen einer Gleichheitsprüfung. Es wäre nichts gewonnen, wenn die subjektiven Wertungen des Interpreten zwar nicht mehr verdeckt in den Prüfungsmaßstab einflößen, die Anreicherung des Grundgesetzes mit subjektiven Wertungen nun aber im Gewand einer nicht belegten Behauptung einer Grundrechtsfundierung eines Sachverhaltes daherkäme.3

1 Vgl. dazu die obigen Ergebnisse der Prüfungsmaßstabsdefinition zu Art. 3 Abs. 1 GG in Kapitel l.D.IV. 2 Der Terminus Grundrechtsfundierung hat in bezug auf das Sozialstaatsprinzip - als einer möglichen Quelle grundgesetzlicher Aussagen zur Materie der Betriebsverfassung - eine gewisse begriffliche Unscharfe. Diese kann jedoch hingenommen werden, da der Schwerpunkt der folgenden Untersuchungen auf den Grundrechten liegen wird. 3 An dieser Stelle sei an die sonst drohende Gefahr erinnert, daß in die Verfassungsinterpretation unreflektiert subjektive Wertungen einfließen, vgl. oben Kapitel I.A.

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2. Kap.: Betriebsverfassung und Grundgesetz

Im Hinblick auf das BetrVG, den Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit, ist deshalb zu klären, ob aus irgendeiner Norm des Grundgesetzes ein Gebot betrieblicher Mitbestimmung und ggf. Vorgaben für die Art ihrer Ausgestaltung abgeleitet werden können. Wären solche Aussagen nachweisbar, fände die grundsätzlich freie Ausgestaltung der Betriebsverfassung durch den Gesetzgeber nicht erst im Willkürverbot ihre Grenze. Vom Gesetzgeber vorgenommene Differenzierungen könnten dann einer strengeren Überprüfung unterzogen werden. Die vor diesem Hintergrund vorzunehmende Prüfung des Grundgesetzes nach Verfassungsnormen, denen im weitesten Sinne Gebote betrieblicher Mitbestimmung zu entnehmen sind (vgl. unten Abschnitt B.), bedarf bezüglich der Auswahl der zu untersuchenden Grundrechte zweier Vorüberlegungen. Zum ersten ist zwischen der hier allein interessierenden möglichen Grundrechtsfundierung der betrieblichen Mitbestimmung und deren einfacher Grundrechtsberührung zu unterscheiden (Abschnitt A.II.). Daran angelehnt sind zweitens diejenigen Grundrechte zu identifizieren, die eine Grundrechtsfundierung der betrieblichen Mitbestimmung potentiell bewirken können. Hierfür ist der gesetzgeberische Zweck des BetrVG maßgeblich. Dabei ist weniger auf die speziellen Zwecke des aktuell geltenden BetrVG abzuheben, als vielmehr auf die grundsätzlichen Überlegungen und das dahinterstehende Menschenbild - , die eine betriebliche Mitbestimmung im Wirtschaftsleben rechtfertigen können (Abschnitt Α.ΠΙ.). Neben der möglichen Grundrechtsfundierung der Betriebsverfassung sind aber auch mögliche grundrechtliche Grenzen der Betriebsverfassung von Bedeutung. So können grundrechtliche Grenzen der Betriebsverfassung ggf. als Rechtfertigung einer gesetzgeberischen Differenzierung fungieren und insoweit im Rahmen einer Überprüfung einer Differenzierung des BetrVG Bedeutung erlangen. Auch die möglichen grundrechtlichen Grenzen der Betriebsverfassung bedürfen daher im folgenden einer näheren Betrachtung (Vgl. unten Abschnitt C.).

I I . Zum Problem der Auswahl der richtigen Norm des Grundgesetzes Soweit im Schrifttum 4 die Frage nach einer grundrechtlichen (grundgesetzlichen) Fundierung der Betriebsverfassung untersucht wird, werden dabei ganz überwiegend lediglich die Berufsfreiheit der Arbeitnehmer gemäß Art. 12 Abs. 1 GG und das Sozialstaatsprinzip gemäß Art. 20 Abs. 1 GG näher in Betracht gezogen. Für die Nichtberücksichtigung der anderen Grundrechtsnormen wird keine ausdrückliche Erklärung angeführt. Es steht zu vermuten, daß die Ursache für diese Beschränkung darin liegt, daß Art. 12 Abs. 1 GG und das Sozialstaatsprinzip von ihrem Wortlaut her als einzige Grundgesetznormen einen inhaltlichen Bezug zum 4 Vgl. hierzu ζ. B. Kempen, ArbuR 1986, S. 129 ff.; ders, ArbuR 1988, S. 271 ff.; Kisker, in: FS für Geiger, S. 243 ff.; Lohse, Grenzen, S. 1 ff.

Α. Präzisierung der Fragestellung

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Arbeits- und Wirtschaftsleben als übergeordnetem Bereich der betrieblichen Mitbestimmung haben. Eine auf diese Überlegung gegründete vorschnelle und unreflektierte Fokussierung der Untersuchung auf Art. 12 Abs. 1 GG und das Sozialstaatsprinzip läuft jedoch Gefahr, wesentliche Aspekte einer möglichen grundrechtlichen Fundierung der Betriebsverfassung zu vernachlässigen. Hierbei ist insbesondere darauf zu verweisen, daß nach neuerem Grundrechtsverständnis die Grundrechte nicht mehr nur als individualistisch gefaßte Abwehrrechte gegen die öffentliche Gewalt zu verstehen sind, sondern darüber hinaus durch die Grundrechtsnormen objektive Wertentscheidungen getroffen werden, die in allen Bereichen des Rechts Geltung beanspruchen.5 Dem Staat kommt zur Sicherstellung dieser Wertentscheidungen die (Schutz-)Pflicht zu, die von ihm bestimmte Rechtsordnung so auszugestalten, daß die grundrechtlichen Freiheiten gesichert sind. Für die Untersuchung einer möglichen grundrechtlichen Fundierung der Betriebsverfassung folgt daraus die Notwendigkeit, alle Grundrechte auf einen möglichen Schutzpflichtauftrag an den Gesetzgeber zur Schaffung eines betrieblichen Mitbestimmungssystems zu überprüfen. Dabei ist zu problematisieren, ob ein aus einem Grundrecht abgeleiteter Schutzpflichtauftrag den Gesetzgeber nur allgemein zur Sicherstellung eines bestimmten Schutzniveaus verpflichtet oder ihm darüber hinaus für diejenigen Lebensbereiche, die vom Schutzbereich des Grundrechts berührt werden, konkrete inhaltliche Ausgestaltungsvorschriften vorgibt. Solche konkrete Ausgestaltungsvorschriften könnten ζ. B. solche über eine Betriebsverfassung sein. Dieser Zusammenhang soll im folgenden für die Betriebsverfassung in bezug auf das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit nach Art. 2 Abs. 2 GG verdeutlicht werden. Dieses Grundrecht statuiert u. a. eine Schutzpflicht des Gesetzgebers, ein bestimmtes Maß an Gesundheitsschutz in der Gesellschaft sicherzustellen.6 Da der Schutzbereich des Art. 2 Abs. 2 GG umfassend ist, muß der Gesetzgeber in allen denkbaren Lebensbereichen das geforderte Mindestmaß an Gesundheitsschutz sicherstellen. Im Lebensbereich , Arbeitswelt" hat der Gesetzgeber im Wege der Betriebsverfassung dem Betriebsrat in nicht unerheblichem Maße Aufgaben zur Sicherstellung des Gesundheitsschutzes zugewiesen.7 Angesichts dessen ist zunächst zu klären, ob die Schaffung dieser Vorschriften des BetrVG als Vollzug der gesetz5 Zur neuen Grundrechtsdogmatik vgl. ζ. B. BVerfGE 7, 198 (205 ff.) und BVerfGE 81, 242 (254 ff.). Siehe dazu auch mit Übersichten zur Rechtsprechung Isensee, HStR V, § 111, Rn. 77 ff.; Klein, NJW 1989, S. 1634 f.; Starck, Grundrechtsverwirklichung, S. 480 ff., M/KV.Münch, Vorb. Art. 1 - 1 9 , Rn. 25 ff. sowie unten Abschnitt B.I.2. 6 Die grundsätzliche Existenz einer Pflicht des Gesetzgebers zur Herstellung eines Mindestmaßes an Gesundheitsschutz soll hier nur beispielhaft angeführt werden. Wann diese Verpflichtung genau beginnt und worin sie zu sehen ist, ist hier nicht weiter von Interesse und kann daher vernachlässigt werden. Zu den aus Art. 2 Abs. 2 GG folgenden Schutzpflichten für den Gesetzgeber, vgl. ζ. B. M/K-Kunig, Art. 2 GG, Rn. 44 ff. sowie grundsätzlich zu Grundrechtsgefährdungen als Ursache staatlicher Schutzpflichten, Ossenbühl, in: FS für Kriele, S. 147 ff. 7 Vgl. ζ. B. §§ 87 Abs. Nr. 7, 88 Nr. 1 und 89 BetrVG.

6 Bremeier

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2. Kap.: Betriebsverfassung und Grundgesetz

geberischen Schutzpflicht anzusehen sind oder ob in ihnen über den grundrechtlich gebotenen Mindestschutz hinausgehende Schutzvorschriften des Gesetzgebers zu sehen sind. Für letzteres spricht einiges. Hier ist insbesondere darauf zu verweisen, daß dem Betriebsrat im Rahmen der besagten Vorschriften lediglich eine zuarbeitende und unterstützende Funktion für Verfahren zuwächst, deren gesetzliche Grundlage durch andere Normen geschaffen wird. Es liegt daher nahe, nur diese Primärvorschriften als Ausfluß der grundrechtlichen Schutzpflicht des Gesetzgebers einzustufen. Dies sei am Beispiel des § 89 Abs. 3 BetrVG verdeutlicht. Hierin wird dem Betriebsrat ein Teilnahmerecht an den gemäß § 22 Abs. 2 SGB VII geforderten Besprechungen zwischen dem Arbeitgeber und den Sicherheitsbeauftragten (den Sicherheitsausschüssen) eingeräumt. Es liegt nahe, als Teil der gesetzgeberischen Schutzpflicht lediglich die nach § 22 Abs. 2 SGB V I I eingesetzte Überwachung anzusehen, während das Beteiligungsrecht des Betriebsrats nach § 89 Abs. 3 BetrVG nur ein (sinnvolles) freiwilliges Mehr des Gesetzgebers ist, der sich zur Schaffung einer Betriebsverfassung entschlossen hat. Dieser Frage ist hier jedoch nicht weiter nachzugehen, da ihre Klärung eine grundsätzliche Auseinandersetzung mit der Schutzpflichtproblematik zu Art. 2 Abs. 2 GG notwendig machte. Dieses kann vermieden werden, wenn die besagten Vorschriften des BetrVG zunächst hypothetisch als Teil der grundrechtlichen Schutzpflicht angesehen werden. Wenn nämlich - wie im folgenden gezeigt werden wird - selbst bei dieser grundrechtsfreundlichen Ausgangsannahme eine grundrechtliche Fundierung der Betriebsverfassung daraus nicht hergeleitet werden kann, so kann eine grundrechtliche Fundierung erst recht nicht dargetan werden, wenn die besagten Vorschriften „nur" vom Grundrecht nicht geforderte Schutznormen wären. Eine genaue Einordnung der Schutzvorschriften des BetrVG erübrigte sich deshalb. Ist nach der hier vertretenen Annahme - zumindest hypothetisch von einem inneren Zusammenhang zwischen der Betriebsverfassung und dem Art. 2 Abs. 2 GG in seiner Ausformung als Schutzpflicht des Gesetzgebers zur Sicherstellung des Gesundheitsschutzes auszugehen, so bleibt zu klären, welches Gewicht dieser Zusammenhang im Rahmen einer Überprüfung betriebsverfassungsrechtlicher Differenzierungen anhand des Gleichheitssatzes haben kann. Im vorherigen Kapitel 8 ist festgestellt worden, daß ein Grundrecht im Rahmen einer Gleichheitsüberprüfung nur dann prüfungsmaßstabsverschärfend einwirken kann, wenn es zum Sachverhalt eine grundrechtsfundierende Aussage trifft - mithin dem Gesetzgeber Vorgaben zur inhaltlichen Ausgestaltung des Sachverhaltes vorgibt. Der oben skizzierte Zusammenhang von Betriebsverfassung und Art. 2 Abs. 2 GG kann demnach nur dann als Grundrechtsfundierung der Betriebsverfassung eingestuft werden, wenn zum Erreichen des von Art. 2 Abs. 2 GG geforderten Gesundheitsschutzniveaus dem Gesetzgeber die Schaffung einer Betriebsverfassung zwingend vorgegeben wäre. Ein solcher Zwang ist jedoch offensichtlich nicht gegeben. Seiner Pflicht zur Sicherstellung eines Gesundheitsschutzniveaus im Ar8 Vgl. oben Kapitel l.D.IV.

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beitsleben kann der Gesetzgeber auch ohne Betriebsverfassung ausreichend gerecht werden. So wäre es zum Beispiel denkbar, betriebliche Ombudsleute einzusetzen oder - analog zu den auch heute trotz BetrVG noch betriebsratsfreien Betrieben - den Gesundheitsschutz durch die Schaffung von Schutzgesetzen und deren Überwachung durch die einschlägigen Behörden sicherzustellen. Im Ergebnis ist eine grundrechtliche Fundierung der Betriebsverfassung durch Art. 2 Abs. 2 GG also abzulehnen, da Art. 2 Abs. 2 GG kein zwingendes Gebot zur Etablierung einer betrieblichen Mitbestimmungsregelung enthält. Die grundrechtliche Fundierung des Art. 2 Abs. 2 GG beschränkt sich vielmehr auf die grundsätzliche Forderung, einen (Mindest-)Gesundheitsschutz überhaupt - also nur im Ergebnis - sicherzustellen. Der Zusammenhang von Art. 2 Abs. 2 GG und Betriebsverfassung ist deshalb als bloße Grundrechtsberührung einzustufen. Eine solche liegt vor, wenn ein Sachverhalt zwar in den Schutzbereich eines Grundrechts fällt und insoweit die Gewährleistungen des Grundrechts auch im Rahmen der Ausgestaltung des Sachverhalts berücksichtigt werden müssen, das Grundrecht darüber hinaus aber keine zwingenden inhaltlichen Vorgaben für die Ausgestaltung des Sachverhalts vorgibt. Für das Beispiel Betriebsverfassung und Art. 2 Abs. 2 GG sei dieses noch einmal konkretisiert: Der Sachverhalt „Arbeitswelt" ist Teil des Schutzbereichs des Art. 2 Abs. 2 GG. Soweit dieser das Vorhandensein eines Mindestgesundheitsschutzniveaus gewährleistet, muß diese Forderung im Rahmen der Ausgestaltung der Arbeitswelt hinreichend berücksichtigt und umgesetzt werden. Für die Betriebsverfassung als ein Teil der Organisationsregeln der Arbeitswelt bedeutet dies zunächst nur, daß durch sie die Sicherstellung des Mindestgesundheitsschutzniveaus nicht konterkariert werden darf. Wählt der Gesetzgeber die Betriebsverfassung darüber hinaus gerade als Mittel aus, um das Gesundheitsschutzniveau zu befördern, so wird die Schwelle von Grundrechtsberührung zu Grundrechtsfundierung nur dann überschritten, wenn die Schaffung einer Betriebsverfassung das einzige Mittel ist, um das geforderte Gesundheitsschutzniveau sicherzustellen. Ein solcher zwingender Zusammenhang ist aber, wie oben gezeigt, nicht gegeben. Den hier für das Verhältnis von Betriebsverfassung und Art. 2 Abs. 2 GG dargestellten Zusammenhang hat Plander9 für weitere Grundrechte - ζ. B. Art. 2 Abs. 1 GG 1 0 (Recht auf informationelle Selbstbestimmung), Art. 3 Abs. 2 und 3 GG 1 1 (Schutz vor Diskriminierungen), Art. 4 Abs. 1 GG 1 2 (Glaubens- und Gewissensfreiheit), Art. 5 GG 1 3 (Meinungsfreiheit) - nachgewiesen. Plander bezeichnet da9

Vgl. Plander, Grundrechtshilfe, S. 47 ff. Anlaß der Erörterungen sind zwar personalvertretungsrechtliche Regelungen, doch stellt Plander ausdrücklich die Übertragbarkeit auf das Betriebsverfassungsrecht fest (S. 55 f.). Vgl. hierzu auch Plander, in: FS für Gnade, S. 82 ff.; ders., PersR 1990, S. 348 f. 10 Vgl. ζ. B. Plander, Grundrechtshilfe, S. 64. 11 Vgl. Plander, Grundrechtshilfe, S. 65. 12 Vgl. Plander, PersR 1990, S. 349. 13 Vgl. Plander, Grundrechtshilfe, S. 63 und 65. 6*

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2. Kap.: Betriebsverfassung und Grundgesetz

bei, in Abweichung zur hier verwandten Terminologie, den unterhalb der Schwelle einer Grundrechtsfundierung liegenden Zusammenhang zwischen den Grundrechten und der Betriebsverfassung als Grundrechtshilfe. 14 Im Ergebnis lehnt es jedoch auch Plander ab, aus dem besagten Zusammenhang eine Pflicht des Gesetzgebers zur Schaffung einer (betrieblichen) Mitbestimmungsregelung abzuleiten.15 Soweit er der Grundrechtsberührung im Rahmen der Grundrechtsdiskussion zur Betriebsverfassung doch ein gewisses Gewicht zuspricht, liegt dies an seiner anderen Perspektive auf die Materie. Plander will die schon getroffene Gerechtigkeitsentscheidung des Gesetzgebers für ein Mitbestimmungsmodell gegen anderweitige grundrechtliche Bedenken verteidigen. 16 Wie oben 17 schon gezeigt wurde, ist aber nicht die Akzeptanz einer gesetzgeberischen Entscheidung das Problem einer Gleichheitssatzüberpriifung, sondern die Suche nach hinreichend deutlichen Verfassungsmaßstäben, die es erlauben, eine einfachgesetzliche Entscheidung des Gesetzgebers als verfassungswidrig zu verwerfen. Der geforderte hinreichend deutliche verfassungsrechtliche Abwägungsmaßstab ist - in Abgrenzung zur bloßen Grundrechtsberührung - einzig im Vorliegen einer Grundrechtsfundierung der Betriebsverfassung zu sehen. Die für eine grundrechtliche Fundierung der Betriebsverfassung potentiell in Frage kommenden Grundrechte können dabei anhand der Regelungsziele des Gesetzgebers zum BetrVG identifiziert werden. Auf diese ist im folgenden Abschnitt einzugehen.

I I I . Zu den Regelungszielen des BetrVG Wesensbestimmendes Merkmal für die Situation des abhängig beschäftigten Arbeitnehmers ist seine Eingliederung und damit Unterordnung in eine von einem Dritten - dem Arbeitgeber - bestimmte Organisation. 18 Weiterhin ist hierbei charakteristisch, daß die Bedingungen der Unterordnung wegen der stark unterschiedlichen sozialen Mächtigkeit von Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht auf gleichrangiger Ebene festgelegt zu werden pflegen. 19 Hierdurch ist der Arbeitnehmer der Gefahr ausgesetzt, unverhältnismäßig ungünstige Vertragsbedingungen akzeptieren 14

So schon der Titel von Planders Studie: „Personalvertretungen als Grundrechtshilfe 44. Daneben wird der Zusammenhang auch als Grundrechtseffektuierung oder (Mitbestimmung als - ) Instrument der Grundrechtsverwirklichung bezeichnet. 15 Vgl. Plander, Grundrechtshilfe, S. 88 ff.; ders., PersR 1990, S. 349. 16 So ist es das vornehmliche Anliegen Planders, den - mit einem Verstoß gegen das Demokratiegebot begründeten - verfassungsrechtlichen Zweifeln an der Zulässigkeit verschiedener personalvertretungsrechtlicher Regelungen entgegenzutreten - mithin die Entscheidung des Gesetzgebers für ein Personal Vertretungsgesetz zu verteidigen. " Vgl. oben Kapitel l.C.I.l. » Vgl. ζ. B. BAG AP Nr. 11, 37, 38 und 42 zu § 611 BGB Abhängigkeit. 19 Zur Überlegenheitssituation des Arbeitgebers vgl. nur die umfassende Darstellung bei Wank, Arbeitnehmer und Selbständige, S. 46 ff.

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zu müssen und trotz der überragenden Bedeutung des Arbeitsverhältnisses für seine Lebensgestaltung, bei der Gestaltung desselben auf eine rein passive, ertragende Rolle festgelegt zu bleiben. Das durch diese Ausgangssituation geprägte Wirtschaftsleben gerät in ein Spannungsverhältnis gegenüber einer Rechtsordnung, die den einzelnen Menschen und seine Menschenwürde in den Mittelpunkt stellt. Das Grundgesetz vertritt als maßgebliche Verkörperung der Gerechtigkeitsvorstellungen der Gesellschaft ein auf Selbstbestimmung und freie Entfaltung der Persönlichkeit angelegtes Menschenbild. 2 0 Die dem Arbeitnehmer drohende Auslieferung und Fremdbestimmung erscheint in diesem Zusammenhang als (potentieller) Fremdkörper. Die Mitbestimmungskommission des Bundestages, die Ende 1966 von der großen Koalition zur Überprüfung der bis dahin gewonnenen Erfahrungen mit der Mitbestimmung eingesetzt wurde, 21 hat denn auch in ihrem Bericht daraufhingewiesen, daß ein grundlegendes Bekenntnis zur Würde der Person sowie zu den unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft mit einer Unterordnung des Arbeitnehmers unter fremde Leitungs- und Organisationsgewalt nur solange vereinbar sei, als sie eine Entsprechung in Gestalt der Beteiligung an den Entscheidungen findet, die den Arbeitsprozeß regeln und gestalten. 2 2 Diesen Gedanken will die betriebliche Mitbestimmung umsetzen, indem sie den Arbeitnehmern mit dem Betriebsrat eine Institution an die Seite stellt, die über ein System abgestufter Kompetenzen den Arbeitgeber anhält, Arbeitnehmerinteressen bei seinen unternehmerischen Entscheidungen zu berücksichtigen. Die Betriebsverfassung verfolgt somit zum einen einen Schutzzweck zugunsten des Arbeitnehmers, indem sie seine tatsächliche und rechtliche Abhängigkeit vom Arbeitgeber abschwächt und so indirekt einseitige Vertragsgestaltungen zu Lasten des Arbeitnehmers verhindert. Zum anderen verfolgt die Betriebsverfassung einen Teilhabezweck zugunsten des Arbeitnehmers, indem sie ihm eine aktive Mitgestaltung an den arbeitsrechtlichen Entscheidungen ermöglicht und ihn somit vom lediglich schutzbedürftigen Objekt zum mitwirkenden Subjekt innerhalb des Arbeitsprozesses befördert. 23 20 Vgl. zum Menschenbild des Grundgesetzes Dreier, Menschenbild, S. 87 ff. sowie Geiger, Menschenbild, S. 9 ff. Zur Menschenbildformel des BVerfG, vgl. BVerfGE 45, 187 (227), ferner BVerfGE 4, 7 (15 f.); 27, 1 (7); 30, 173 (193); 32, 98 (108); 33,303 (334); 45, 187 (227); 50, 166 (175); 50, 290 (353). 21 Obschon die Mitbestimmungskommission ihre Empfehlungen ausdrücklich auf die Mitbestimmung von Arbeitnehmervertretern in den Aufsichtsräten von Unternehmen beschränkt hat (vgl. BT-Drucksache VI/334 S. 67), lassen sich daraus auch für die betriebliche Mitbestimmung wesentliche Erkenntnisse gewinnen (so auch Loritz, ZfA 1991, S. 5.). Zudem wurden die Erkenntnisse der Mitbestimmungskommission auch bei den Vorarbeiten zum BetrVG berücksichtigt, vgl. BR-Drucksache 715/70, S. 31. 22 BT-Drucksache VI/334, S. 56. 23 Zur Unterscheidung von Schutz- und Teilhabezweck vgl. GK-Wiese, Einleitung., Rn. 50 ff. Diese sinnvolle Unterscheidung wird in der Regel sonst nicht vorgenommen; beide Schutzaspekte werden aber trotzdem gesehen. Vgl. ζ. B. D/K/K-Däubler, Einleitung,

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2. Kap.: Betriebsverfassung und Grundgesetz

Das Regelungsziel des BetrVG kann somit dahin zusammengefaßt werden, daß das (potentielle) Spannungsverhältnis zwischen der stark unterschiedlichen Mächtigkeit der Sozialpartner im Wirtschaftsleben und dem auf Selbstbestimmung angelegten Menschenbild der Gesellschaft entschärft werden soll. Dabei schützt das Gesetz den Arbeitnehmer einerseits in gewisser Hinsicht faktisch davor, wegen seiner Unterlegenheit ungünstige Vertragsbedingungen akzeptieren zu müssen,24 es soll andererseits die dem Arbeitnehmer im Arbeitsprozeß drohende Fremdbestimmung in aktive Mitgestaltung verwandeln. Als potentielle grundrechtliche (grundgesetzliche) Quellen dieser Zwecke sind im folgenden die Berufsfreiheit des Arbeitnehmers nach Art. 12 Abs. 1 GG (Abschnitt B.), das Sozialstaatsprinzip aus Art. 20 Abs. 1 GG (Abschnitt C.) sowie das Allgemeine Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG (Abschnitt D.) zu untersuchen. Zu beachten bleibt dabei, daß sich ein Großteil der im juristischen Schrifttum dazu ausgetauschten Argumente auf das Verhältnis dieser Grundrechte zum Arbeitnehmerschutzrecht allgemein bezieht,25 dies aber unschädlich ist, weil das Betriebsverfassungsrecht Teil des Arbeitnehmerschutzrechtes ist. Generell wird deshalb im folgenden jeweils zunächst der Bezug zum Arbeitnehmerschutzrecht im allgemeinen hergestellt und erst in einem zweiten Schritt ggf. auf Besonderheiten der Betriebsverfassung eingegangen.

B. Grundrechtliche Fundierung der Betriebsverfassung? I. Art. 12 Abs. 1 GG und Betriebsverfassung Eine inhaltliche Aussage des Art. 12 Abs. 1 GG zur Betriebsverfassung als Teil des Arbeitnehmerschutzrechts ist dahingehend denkbar, daß aus dem ZusammenRn. 37 ff.; v. Hoyningen-Huene, Betriebsverfassungsrecht, S. 4 sowie Thees, Arbeitnehmer Persönlichkeitsrecht, S. 160. A.A. ist dagegen Schuster (Arbeitnehmer, S. 94 ff., 140 ff.), der dem Teilhabezweck nur die Funktion eines Mittels zur Verwirklichung des eigentlichen Schutzzwecks des BetrVG zugestehen will. 24 Die hier vertretene Annahme eines faktischen Schutzes vor ungünstigen Vertragsbedingungen steht zur Rechtsprechung des BAG (vgl. ζ. B. BAG AP Nr. 21 zu § 99 BetrVG 1972), wonach dem Betriebsrats bezüglich des Inhalts der einzelnen Arbeitsverträge kein Mitbestimmungsrecht zukomme, nicht im Widerspruch. Denn hier geht es nicht um die formalen Mitbestimmungsrechte, sondern um die faktischen Auswirkungen der Existenz der betrieblichen Mitbestimmung. Und hier steht außer Frage, daß ζ. B. jede vom Betriebsrat ausgehandelte Betriebsvereinbarung den Arbeitnehmer faktisch davor schützt, eine ungünstigere Individualvereinbarung im Arbeitsvertrag akzeptieren zu müssen. 25 Trotz einer schier unübersehbaren Anzahl von Aufsätzen zu diesem Thema befassen sich ausdrücklich mit der grundrechtlichen Fundierung der betrieblichen Mitbestimmung lediglich D/K/K-Däubler, Einleitung, Rn. 37 ff., 71; Kempen, ArbuR 1986, S. 129 ff.; ders, ArbuR 1988, S. 271 ff.; Kisker, Teilhabe, S. 243 ff.; Lohse, Grenzen, S. 42 ff.; Papier, NJW 1987, S. 991 ff.; Plander, Grundrechtshilfe, S. 88 ff. und D/K/K-Trümner, § 1, Rn. 4 ff..

Β. Grundrechtliche Fundierung der Betriebsverfassung?

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hang zwischen dem Schutzgedanken des Arbeitsrechts und der dadurch geförderten Berufsfreiheit der Arbeitnehmer ein grundrechtliches Gebot nach einer Betriebsverfassung abgeleitet werden könnte. Dieser Frage soll im folgenden nachgegangen werden. 1. Zur Rechtsprechung des BVerfG Das BVerfG hat in seiner wichtigsten Grundsatzentscheidung zu Art. 12 Abs. 1 GG - dem sog. Apothekenurteil 26 - auch wesentliche Aussagen zum Verständnis des Art. 12 Abs. 1 GG als Arbeitnehmergrundrecht getroffen. Die hierfür maßgebliche Passage des Urteils wird im folgenden wörtlich zitiert, wobei für die spätere Analyse Kennziffern eingefügt werden: „Art. 12 Abs. 1 schützt die Freiheit des Bürgers in einem für die moderne arbeitsteilige Gesellschaft besonders wichtigen Bereich: er gewährleistet dem einzelnen das Recht, jede Tätigkeit, für die er sich geeignet glaubt, als „Berufe' zu ergreifen, d. h. zur Grundlage seiner Lebensführung zu machen.[l] Es handelt sich um ein Grundrecht, nicht - wie etwa in Art. 151 Abs. 3 WV - um die Proklamierung der „Gewerbefreiheit" als eines objektiven Prinzips der Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung. Verbürgt ist dem einzelnen mehr als die Freiheit selbständiger Ausübung eines Gewerbes.[2] Wohl zielt das Grundrecht auf den Schutz der wirtschaftlich sinnvollen Arbeit, aber es sieht sie als ,3eruf \ d. h. in ihrer Beziehung zur Persönlichkeit des Menschen im ganzen,[3] die sich erst darin voll ausformt und vollendet, daß der einzelne sich einer Tätigkeit widmet, die für ihn Lebensgrundlage ist und durch die er zugleich seinen Beitrag zur gesellschaftlichen Gesamtleistung erbringt. [4] Das Grundrecht gewinnt so Bedeutung für alle sozialen Schichten; die Arbeit als „Beruf 4 hat für alle gleiche „Würde".[5]'" 27

Das BVerfG bezieht hier eindeutig Stellung gegen eine Verkürzung der Berufsfreiheit auf eine Gewerbefreiheit [2] und für die Erstreckung der Gewährleistungen des Art. 12 Abs. 1 GG auch auf unselbständig Beschäftigte [5]. Es unterstreicht diese Auffassung im weiteren Verlauf des Urteils, indem es ausdrücklich feststellt, daß Art. 12 Abs. 1 GG nicht zwischen dem selbständig und dem unselbständig ausgeübten Beruf unterscheide und beide Formen der Ausübung eigenes soziales Gewicht entfalteten. 28 Unzweifelhaft stellt das BVerfG damit den abhängig Beschäftigten unter den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG. Durch den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG sieht das BVerfG im wesentlichen die Berufswahl - als Freiheit des Bürgers, jede Tätigkeit als Beruf ergreifen und zur Grundlage der Lebensführung machen zu können [1] - sowie die Berufsausübung - als Recht auf eine möglichst unreglementierte berufliche Betätigung 2 9 - garantiert. Das Grundrecht der Berufsfreiheit wird somit in erster Linie persön26 BVerfGE 7, 377. 27 BVerfGE 7, 377 (397), vgl. auch BVerfGE 13, 97 (104 f.); 32, 54 (71); 41, 251 (264); 50, 290 (349, 362); 54, 301 (313). 28 Vgl. BVerfGE 7, 377 (398 f.) sowie BVerfGE 54, 301 (322). 29 Vgl. BVerfGE 81, 70 (85) sowie BVerfGE 54, 301 (313).

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2. Kap.: Betriebsverfassung und Grundgesetz

lichkeitsbezogen [3] und damit in seiner Bedeutung für das Selbstverständnis und die Selbstverwirklichung des Grundrechtsträgers gesehen [4]. Dabei, so das BVerfG später, konkretisiert die Berufsfreiheit das Grundrecht (des Arbeitnehmers) auf freie Entfaltung der Persönlichkeit nach Art. 2 Abs. 1 GG im Bereich der individuellen Leistung und Existenzerhaltung. 30 Sind die obigen Aussagen zu Art. 12 Abs. 1 GG auf eine isolierte Betrachtung des abhängig Beschäftigten angelegt, so hat das BVerfG in seinem Mitbestimmungsurteil 31 auch Aussagen zum Verhältnis der Berufsfreiheit des Arbeitnehmers zu der des Arbeitgebers getroffen. Im dem dem Urteil zugrundeliegenden Verfahren hatten sich Arbeitgeber(-verbände) darauf berufen, durch einige Regelungen des Mitbestimmungsgesetzes in ihrer Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG verletzt zu sein. 32 Das BVerfG hat dies verneint. Außer auf den fehlenden personalen Bezug der durch das Mitbestimmungsgesetz betroffenen (Groß-)Unternehmen zur Berufsfreiheit hob das BVerfG im wesentlichen auf die Tatsache ab, daß die Unternehmen die Berufsfreiheit nur mit Hilfe von Arbeitnehmern wahrnehmen könnten. Diese seien aber auch ihrerseits Träger des Grundrechts der Berufsfreiheit. 33 Das BVerfG hält deshalb die dem Arbeitgeber zugemuteten Einschränkungen der Berufsfreiheit für einen gerechtfertigten Preis der angestrebten Ergänzung der ökonomischen Legitimation der Unternehmensleitung durch eine soziale.34 Die mit dieser Argumentation verbundene positive Verknüpfung von Arbeitnehmerschutzgesetzen mit der Berufsfreiheit der Arbeitnehmer stellt das BVerfG an späterer Stelle ausdrücklich fest: „Zwingende Regelungen des Arbeitsrechts schaffen erst den Rahmen, in dem die mehrheitlich abhängig Beschäftigten ihre Grundrechte aus Artikel 12 Abs. 1 GG unter angemessenen Bedingungen verwirklichen können." 35 Diese Überlegungen gipfeln schließlich in der Forderung: „Artikel 12 Abs. 1 GG kann gebieten, daß der Gesetzgeber im Zivilrecht Vorkehrungen zum Schutz der Berufsfreiheit gegen vertragliche Beschränkungen schafft, namentlich wenn es an einem annähernden Kräftegleichgewicht der Beteiligten fehlt." 36 In konkreter Umsetzung des Gedankens stellt das BVerfG später dem Recht des Ar30 Vgl. BVerfGE 30, 292 (334); 59, 172 (210); 59, 302 (315); 75, 284 (292); 80, 137 (150); 82, 209 (223). Stärker noch in BVerfGE 41, 251 (263 f.), wonach Art. 12 Abs. 1 GG " ... die menschliche Persönlichkeit, die nach der Ordnung des Grundgesetzes der oberste Rechtswert ist, in einem für ihre Selbstbestimmung in der arbeitsteiligen Industriegesellschaft besonders wichtigen Bereich schützt 31 Vgl. BVerfGE 50, 290. 32 Vgl. BVerfGE 50, 290 (S. 308 unter A.II.3.b.cc. der Gründe). 33 Vgl. BVerfGE 50, 290 (364 f.). Ausführlicher zum Nebeneinander von Berufsfreiheit der Arbeitgeber und Arbeitnehmer BVerfGE 81, 242 (255). 34 Vgl. BVerfGE 50, 290 (365 f.). 35 Vgl. BVerfGE 77, 84 (116). 36 Vgl. BVerfGE 81, 242 (Leitsatz 1, 254 f.). Zwar sind mit den Handelsvertretern formal selbständig Berufstätige Gegenstand der Überlegungen des BVerfG, doch war gerade die (arbeitnehmergleiche) Abhängigkeit der Handelsvertreter von ihren Vertragspartnern ausschlaggebendes Kriterium für das Ergebnis des Urteils.

Β. Grundrechtliche Fundierung der Betriebsverfassung?

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beitgebers zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses eine aus Art. 12 Abs. 1 GG folgende Schutzpflicht des Gesetzgebers zur Ausgestaltung eines Kündigungsschutzrechtes gegenüber.37 Für den Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit, das BetrVG, relativiert und schwächt das BVerfG diesen Zusammenhang allerdings mehrfach ab. So will es aus den Grundrechten der Arbeitnehmer ausdrücklich keinen verbindlichen Verfassungsauftrag an den Gesetzgeber zur Einführung von Mitbestimmungsgesetzen abgeleitet wissen.38 Demgegenüber hat eine Kammer des Gerichts in einer jüngeren Entscheidung39 das BetrVG als Ausfluß einer gesetzgeberischen Pflicht zur Herstellung praktischer Konkordanz zwischen der Berufsfreiheit von Arbeitnehmern und Arbeitgebern angesehen. Ob in den verschiedenen Rechtsprechungslinien ein innerer Widerspruch oder eine Tendenz zugunsten einer grundrechtlichen Fundierung der Mitbestimmung zu sehen ist, ist später noch näher zu beleuchten und zu bewerten. 40

2. Forderung nach Neuinterpretation als Grundrecht der Arbeit Trotz der umfangreichen Rechtsprechung des BVerfG zur Bedeutung des Grundrechts der Berufsfreiheit für die abhängig Beschäftigten, wird dessen Judikatur im Schrifttum verbreitet kritisiert. 41 Die Tatsache, daß ein Großteil der Kritiken dabei zeitlich vor der jüngeren Rechtsprechung des BVerfG zu den Schutzpflichten erschienen ist, steht deren Berücksichtigung nicht entgegen, da zum einen die Kritiken vor dem Hintergrund der schon damals bekannten - und für die Materie zentrale Bedeutung besitzenden - Apothekenentscheidung des BVerfG zu beurteilen sind, und zum anderen anhand der Kritiken die ausschlaggebenden Beweggründe einer eventuellen Kurskorrektur des BVerfG zu Art. 12 Abs. 1 GG erarbeitet werden können.42 37 Vgl. BVerfGE 84, 133 (147); 85, 360 (372 f.); 92, 140 (150); BVerfG, NZA 1998, S. 470 ff. 38 Vgl. dazu zum MitbestG BVerfGE 50, 290 (349), zum BetrVG BVerfGE 52, 283 (298) sowie zum Personalvertretungsgesetz BVerfGE 51,43 (58); 93, 37 (69). 39 BVerfG, NJW 1986, S. 1601. *o Abschnitt B.I.3. 41 Ein kritischer Hinweis auf die Ungleichgewichtigkeit in der BVerfG-Rechtsprechung allerdings mit durchaus unterschiedlichen Intentionen - findet sich ζ. B. bei Bryde, NJW 1984, S. 2177 f.; Häberle, JZ 1984, S. 350 f.; Hege, Sozialstaat, S. 12 ff., 18 f. m. w. N.; Hoffmann, Berufsfreiheit, S. 13; ders., AöR 107 (1982), S. 177; Hoffmann-Riem, Berufsausübung, S. 390 ff.; Pietzcker, NVwZ 1984, S. 551; Raiser, JZ 1979, S. 493 f.; Rittstieg, Art. 12, Rn. 21 ff.; Scheuner, DÖV 1971, S. 505, 512; Tettinger, AöR 108 (1983), S. 96 f.; Wieland, Artikel 12 GG, Rn. 30 f. Kritisch gegenüber diesen Stimmen dagegen Badura, Arbeit, S. 24; Papier, DVB1. 1984, S. 802 sowie Wendt, DÖV 1984, S. 602 f., 605. 42 Vgl. zur weiterhin bestehenden Aktualität der Kritiken auch die in den aktuellen Kommentaren zu dieser Materie zuweilen noch enthaltenen Hinweise. Vgl. ζ. B. Wieland, Artikel 12 GG, Rn. 30 f.

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2. Kap.: Betriebsverfassung und Grundgesetz

Von seinen Kritikern wird dem BVerfG der Vorwurf gemacht, daß Auslegung und Anwendung des Art. 12 Abs. 1 GG bisher den Gehalt des Grundrechts der Berufsfreiheit einseitig und nahezu ausschließlich für den selbständig Erwerbstätigen fruchtbar gemacht hätten, während es als Grundrecht der Arbeit der abhängig Beschäftigten unerschlossen geblieben sei. 43 Vor diesem Hintergrund wird eine Neuinterpretation und Fortentwicklung der Berufsfreiheit zum Grundrecht der abhängigen Arbeit gefordert. 44 Die geforderte Neuinterpretation wird auf verschiedene Überlegungen gestützt. Wesentliche Gesichtspunkte sind die Forderung eines veränderten Grundrechtsverständnisses, die Erkenntnis einer überwiegend arbeitsteiligen Grundrechtsausübung, die Ableitung von Schutzpflichten des Staates aus den Grundrechten sowie die Anerkennung einer Pflicht des Staates zur Schaffung geeigneter Organisation und Verfahren. Von der vielschichtigen und komplexen Problematik dieser Gesichtspunkte absehend45 wird im folgenden die geforderte Neuinterpretation des Art. 12 Abs. 1 GG anhand zweier als maßgeblich anzusehender Überlegungen dargestellt. Zum ersten 46 wird im Rahmen der Neuinterpretation auf die - auch vom BVerfG vollzogene 47 - Notwendigkeit eines veränderten Grundrechtsverständnisses verwiesen. Die Grundrechte seien nach dieser neueren Grundrechtsdogmatik nicht mehr nur als individualistisch gefaßte Abwehrrechte gegen die öffentliche Gewalt zu verstehen. Vielmehr würden durch die Grundrechtsnormen zudem objektive 43 Ery de (NJW 1984, S. 2177 f.) erhärtet diese Ansicht statistisch, indem er eine zahlenmäßigen Dominanz der Anwendung des Art. 12 GG als Grundrecht des Mittelstandes (111 Fälle bis BVerfGE-Bd. 64) gegenüber einer Anwendung als Grundrecht der Arbeitnehmer ( 5 - 9 Fälle bis BVerfGE-Bd. 64) anführt. Vgl. dazu auch die Übersicht bei Leibholz/Rinck/ Hesselberger, Art. 12, Rn. 13a ff. 44 Vgl. die Nachweise in Fußnote 41, wobei Pietzcker im Laufe seiner Ausführungen von seiner Eingangsthese zur Einseitigkeit der BVerfG-Rechtsprechung Abstand nimmt. 4 5 Die Komplexität der Problematik zeigt sich schon darin, daß von den Autoren die verschiedenen Argumente nicht richtig getrennt und Begriffe mit verschiedenem Sinngehalt verwandt werden. Treffendstes Beispiel hierfür ist der undifferenzierte Gebrauch der Begriffe Schutzpflicht, Ausgestaltungspflicht und Rechte auf Organisation und Verfahren. Es fehlt hierbei häufig das Problembewußtsein für den unterschiedlichen Gehalt der Begriffe. So kann zwar eine Schutzpflicht des Staates durchaus ein Recht der Grundrechtsträger auf Schaffung von Organisation und Verfahren (zu Schutzzwecken!) definieren, doch können andererseits Rechte auf Organisation und Verfahren auch ohne schutzpflichtauslösende Machtschieflagen bestehen. Vgl. zur Unterscheidung und Abgrenzung der Rechte auf Schutz sowie der Rechte auf Organisation und Verfahren, Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 395-453. 46 Vgl. zum folgenden u. a. Badura, in: FS für Berber, S. 12 f.; ders., in: FS für Herschel, S. 34 f.; Häberle, JZ 1984, S. 352; Hege, Sozialstaat, S. 19 ff.; Hoffmann, AöR 107 (1982), S. 178 f.; Hoffmann-Riem, in: FS für Ipsen, S. 386 ff.; Kisker, in: FS für Geiger, S. 248 ff.; Oldiges, in: FS für Friauf, S. 299 ff.; Rupp, AöR 101 (1976), S. 164 f.; Söllner, ArbuR 1991, S. 47 f.; D/K/K-Trümner, § 1, Rn. 4 ff. 4 ? Vgl. schon BVerfGE 7, 198 (205 ff.), zuletzt sehr deutlich in BVerfGE 81, 242 (254 ff.). Siehe dazu auch mit Übersichten zur Rechtsprechung Isensee, HStR V, § 111, Rn. 77 ff.; Klein, NJW 1989, S. 1634 f.; Starck, Grundrechtsverwirklichung, S. 480 ff. sowie M/KV.Münch, Vorb. Art. 1 -19, Rn. 25 ff.

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Wertentscheidungen getroffen, die Geltung in allen Bereichen des Rechts beanspruchten. Der Staat sei deshalb gehalten, die von ihm bestimmte Rechtsordnung so auszugestalten, daß die grundrechtlich verbürgten Freiheiten gesichert seien. Drohe erwiesenermaßen der Freiheit des einzelnen in der verflochtenen industriellen Massengesellschaft zunehmend Gefahr von nichtstaatlichen Organisationen und Einrichtungen, verpflichte die grundrechtliche Freiheitsverbürgung den Staat nicht nur, selbst Freiheitseingriffe zu unterlassen, sondern daneben auch die gefährdete Freiheit aktiv zu stützen, zu sichern und zu festigen. 48 Dem Gesetzgeber kämen somit Schutz- und Ausgestaltungspflichten zur Sicherung der grundrechtlichen Schutzgüter und Freiheiten gegenüber Gefährdungen durch soziale Gewalten und private Willkür zu. Die zweite Überlegung 49 bezieht sich auf die Problematik der arbeits- und funktionsteiligen Grundrechtsausübung. Die Grundrechtsausübung könne in der modernen verflochtenen Gesellschaft nicht mehr nur als Handlung von einzelnen charakterisiert werden, sondern die Grundrechte ließen sich häufig nur gemeinsam mit anderen Grundrechtsträgern wahrnehmen. In dieser Situation sei es Aufgabe des Gesetzgebers, die dabei notwendigerweise konkurrierenden Grundrechte der Beteiligten zu einem gerechten Ausgleich zu bringen. Die Arbeitswelt unterliege in ihren Arbeitsabläufen und Verwertungsprozessen einer besonders stark ausgeprägten Funktions- und Arbeitsteiligkeit. Sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber seien zur Ausübung ihres Grundrechts der Berufsfreiheit zwingend auf den jeweils anderen angewiesen.50 Die arbeitsteilige Grundrechtsausübung von Arbeitnehmern und Arbeitgebern werde dabei zusätzlich dadurch in Frage gestellt, daß der Arbeitgeber ungleich mächtiger sei als der Arbeitnehmer und daher ohne ausgleichende Regelungen die ungehindert verfolgte Berufsfreiheit des Arbeitgebers schnell zum Verlust der Berufsfreiheit auf Arbeitnehmerseite führen würde. 51 Beide Argumentationslinien fließen in die Neuinterpretation des Art. 12 Abs. 1 GG ein. 52 Waren dem Gesetzgeber wegen des neuen (erweiterten) Grundrechtsver48 Zurecht weist Hoffmann-Riem (in: FS für Ipsen, S. 387 f.) darauf hin, daß zu keiner Zeit die Grundrechte auf Abwehrrechte beschränkt waren und der Staat schon immer, etwa durch die Bereitstellung und Garantie der Privatrechtsordnung, Einfluß auf die Grundrechtsverwirklichung ausgeübt hat. Neu sei allein die Intensität der Erkenntnis, daß zur Sicherung der Grundrechtsverwirklichung der verschiedenen Grundrechtsträger aktive Eingriffe in bestehende Rahmenbedingungen notwendig sein könnten. 49 Vgl. zum folgenden u. a. Hoffmann-Riem, in: FS für Ipsen, S. 385 ff.; H.-P. Schneider, VVDStRL 43 (1985), S. 25; Raiser, JZ 1979, S. 494; Söllner, ArbuR 1991, S. 50; Suhr, ArbuR 1988, S. 67. so Dies betont auch das BVerfG mehrfach, vgl. BVerfGE 50, 290 (365); BVerfG, NJW 1986, S. 1601. Für die gegenseitige Abhängigkeit auch der selbständigen Berufsfireiheit vgl. BVerfGE 81,242 (254). 51 Zur nur eingeschränkten Tauglichkeit einer Abgrenzung der gegenseitigen Interessen durch das Regelungsinstrument Arbeitsvertrag, vgl. Hoffmann-Riem, in: FS für Ipsen, S. 397 f. So auch das BVerfG, wonach der Individualarbeitsvertrag vielfach ein unzureichendes Instrument zur Begründung sozial angemessener Arbeitsverhältnisse darstellt. Vgl. BVerfGE 77, 84 (116 f.) sowie BVerfGE 34, 307 (316).

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2. Kap.: Betriebsverfassung und Grundgesetz

ständnisses zur Durchsetzung der Grundrechte in allen Rechtsgebieten Schutz- und Ausgestaltungspflichten zugeordnet worden, so werden daraus, im Hinblick auf die Besonderheiten der Berufsfreiheit, zudem konkrete Forderungen an den Gesetzgeber abgeleitet. Auf der einen Seite sei dem Gesetzgeber wegen der arbeitsteiligen Grundrechtsausübung der Berufsfreiheit die Schaffung einer beide Grundrechte austarierenden Arbeitsrechtsordnung aufgegeben (Ausgestaltungspflicht). Daneben treffe Art. 12 Abs. 1 GG zusätzliche konkretisierende Aussagen zur inhaltlichen Ausgestaltung dieser Arbeitsrechtsordnung, indem er angesichts des vorhandenen Machtungleichgewichts vom Gesetzgeber Maßnahmen zur Sicherstellung einer gleichberechtigten Grundrechtsausübung verlange (Schutzpflicht). Vor diesem Hintergrund müsse es Ziel staatlichen Eingreifens sein, die wechselseitigen Interessen der arbeitsteilig Zusammenwirkenden vor dem Hintergrund ihrer unterschiedlichen Mächtigkeit einander so zuzuordnen, daß beide zu optimaler Wirksamkeit gelangen könnten; es sei mithin praktische Konkordanz herzustellen. Das so allgemein gewonnene Ergebnis wird im Schrifttum im folgenden häufig auf einzelne Regelungsgebiete des Arbeitsrechts übertragen, wobei zum Teil ausgeprägte Forderungen an deren inhaltliche Ausgestaltung gestellt werden. Beispielhaft sei hier auf H.-P. Schneider verwiesen, der den Staat zur subsidiären Schaffung eigener Ausbildungsplätze im Rahmen seiner finanziellen Möglichkeiten verpflichten w i l l 5 3 und eine Beseitigung bzw. Lockerung des Kündigungsschutzes nur in engen Grenzen für zulässig erachtet. 54 Gamillscheg will darüber hinaus sogar die Einstellungsfreiheit des Arbeitgebers durch Art. 12 Abs. 1 GG in gewissen Grenzen eingeschränkt wissen.55 Auch in bezug auf die betriebliche Mitbestimmung werden aus der obigen Argumentation inhaltliche Vorgaben abgeleitet, deren Spannweite erheblich ist und von der Ablehnung einer grundrechtlichen Fundierung der betrieblichen Mitbestimmung bis zur Ableitung eines Bestandssicherungs- und Ausbaugebots der Betriebsverfassung aus Art. 12 Abs. 1 GG reicht. So lehnt es Lohse 56 ab, aus Art. 12 Abs. 1 52 Vgl. zum folgenden die Nachweise in den Fußnoten 46 und 49. Allerdings wird in den Quellen die Unterscheidung von Ausgestaltungspflicht und Schutzpflicht nur selten vorgenommen und, beide Aspekte zusammenfassend, nur allgemein von der Pflicht des Gesetzgebers zur Herstellung praktischer Konkordanz zwischen dem Grundrecht der Berufsfreiheit von Arbeitnehmer und Arbeitgeber gesprochen. 53 Vgl. H.-P. Schneider, VVDStRL 43 (1985), S. 43.; Vgl. dazu auch Bryde (NJW 1984, S. 2183 f.), der in abgeschwächter Form von einer Pflicht zur Vollbeschäftigungspolitik spricht. 54 Vgl. H.-P. Schneider, VVDStRL 43 (1985), S. 44. Ebenso Gamillscheg, Grundrechte, S. 58 ff.; Bryde, NJW 1984, S. 2183 m. w. N.; Hoffmann, Berufsfreiheit, S. 256; ders., AöR 107(1982), S. 203 f. 55 Vgl. Gamillscheg, Grundrechte, S. 62 ff. Diesem Gedanken kritisch zustimmend, Badura, in: FS für Berber, S. 22. 56 Vgl. Lohse, Grenzen, S. 50 ff. sowie Loritz, ZfA 1991, S. 14 und 15 ff.; Vgl. auch Papier, NJW 1987, S. 991, dessen Äußerung, gegen die Aufstellung einer betrieblichen Mitbestimmung als solche gebe es keine Bedenken, den Umkehrschluß nahe legt, daß andererseits

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GG eine Pflicht des Gesetzgebers zur Schaffung eines betrieblichen Mitbestimmungssystems abzuleiten und beschränkt sich darauf, dem Gesetzgeber ein Recht zur Schaffung einer Betriebsverfassung zuzusprechen. K i s k e r 5 7 steht einer Ableitung der betrieblichen Mitbestimmung aus Art. 12 Abs. 1 GG ebenfalls kritisch gegenüber, w i l l aber unter Umständen eine Minimalgarantie in Form von Anhörungsrechten gelten lassen. Andere Autoren 5 8 leiten aus Art. 12 Abs. 1 GG bezüglich der Ausgestaltung einzelner Mitbetimmungstatbestände des BetrVG konkrete Forderungen ab. Schließlich w i l l Kempen 5 9 Art. 12 Abs. 1 GG eine Verpflichtung des Gesetzgebers zur Förderung und Erhaltung der betrieblichen Mitbestimmung entnehmen. Hiermit korrespondiere einerseits ein Verschlechterungsverbot gegenüber dem heutigen Stand des Betriebsverfassungsrechts 60 und andererseits die Verpflichtung, der Einführung neuer Techniken mit entsprechender Ausweitung der betrieblichen Mitbestimmung zu begegnen. 61

wohl schwerlich eine Pflicht zur Schaffung einer Mitbestimmung anzunehmen sei. Demgegenüber wollte Papier früher dem Gesetzgeber wohl noch aus Art. 12 Abs. 1 GG eine objektivrechtliche Verpflichtung zur Schaffung eines arbeitnehmerschutzrechtlichen Mindeststandards auferlegen, vgl. Papier, DVB1. 1984, 807 und 813. 57 Vgl. Kisker, in: FS für Geiger, S. 253 f. - Plander (in: FS für Gnade, S. 91) hingegen sieht den Gesetzgeber zwar grundsätzlich verpflichtet, überhaupt Grundrechtsverwirklichungspolitik zu betreiben, beläßt ihm dabei aber weitgehende Gestaltungsspielräume. 58 So will H.-P. Schneider (VVDStRL 43 (1985), S. 42) aus Art. 12 Abs. 1 GG in bezug auf die innerbetriebliche Mitbestimmung ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates bei der Einführung von Personalinformationssystemen sowie einen Unterlassungsanspruch bei jeder Art von mitbestimmungswidrigem Handeln des Arbeitgebers ableiten. Hoffmann-Riem (in: FS für Ipsen, S. 402) verlangt von jeder einzelnen Mitbestimmungsregelung die Eignung, die gleichberechtigte arbeitsteilige Grundrechtsausübung von Arbeitgeber und Arbeitnehmer sicherzustellen. 59 Vgl. hierzu Kempen, ArbuR 1986, S. 129 ff. sowie ders., ArbuR 1988, S. 271 ff. Zu beachten ist hier allerdings, daß Kempen seine detaillierten inhaltlichen Anforderungen an eine Ausgestaltung des BetrVG nicht nur mit der hier referierten Argumentation, sondern zusätzlich mit einer angenommenen Fortgeltung der landesgrundrechtlichen Betriebsverfassungsgarantien gemäß Art. 142 GG begründet, die ihrerseits wiederum in einem Umkehrschluß den Bundesgesetzgeber über Art. 72 Abs. 2 Nr. 3 GG verpflichteten. Es bedarf an dieser Stelle keiner Untersuchung, ob und inwieweit diese gewagte Rechtskonstruktion inhaltlich tragfähig ist. Jedenfalls entbehrt sie in dem Moment, da der Bundesgesetzgeber seine Gesetzgebungskompetenz in Anspruch genommen hat, jeglicher Grundlage. Sie wird im folgenden bei der Beurteilung einer möglichen Grundrechtsbeschwerung der Betriebsverfassung durch Art. 12 Abs. 1 GG daher nicht weiter berücksichtigt. Ebenso ablehnend zu dieser Kon-, struktion, Bieback, EuGRZ 1985, S. 665. 60 Vgl. Kempen, ArbuR 1986, S. 138 sowie D/ Κ /K-Trümner,

§ 1, Rn. 7 und 9.

61 Vgl. Kempen, ArbuR 1988, S. 277 f. sowie D/K/K-Trümner, § 1, Rn. 8 f. In diese Richtung denkt auch Hoffmann-Riem (in: FS für Ipsen, S. 404), der dem Gesetzgeber aufträgt, die Wirksamkeit seiner Maßnahmen zu überwachen und ggf. Neuregelungen zur Wiederherstellung praktischer Konkordanz vorzunehmen.

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3. Kritische Würdigung - Zur Problematik einer Ansiedlung von Schutzpflichten bei A r t 12 Abs. 1 GG Zunächst einmal ist der Kritik des Schrifttums am BVerfG grundsätzlich entgegenzuhalten, daß der Vorwurf der Ungleichgewichtigkeit in der Anwendung des Art. 12 Abs. 1 GG auf Selbständige und Arbeitnehmer erhoben wird, ohne daß eventuelle in der Struktur des Sachverhaltes liegende Ursachen hierfür vorher gewürdigt würden. Hier ist insbesondere daran zu denken, daß staatliche Eingriffe ins Arbeits- und Wirtschaftsleben, selbst wenn sie vorwiegend Arbeitnehmerinteressen berühren, sich typischerweise als Eingriffe in die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit der Unternehmen auswirken. Dies resultiert daraus, daß im Wirtschaftsleben in der Regel nur die Unternehmen als Handelnde auftreten und die Berufsfreiheit der Arbeitnehmer nur im Innenverhältnis des Unternehmens von Bedeutung ist. 62 Auch ist zu erwägen, ob das Grundrecht der Berufsfreiheit der Arbeitnehmer etwa deswegen so selten zum Gegenstand der Rechtsprechung des BVerfG geworden ist, weil es vom Gesetzgeber und den Fachgerichten hinreichend berücksichtigt wird und damit das geforderte Gewicht für die Arbeitnehmer schon hat. 63 Indem die Neuinterpreten diese Erklärungsansätze ausblenden, offenbaren sie eine eher einseitige Annäherung an das Thema. Indes können die grundlegenden Thesen der geforderten Neuinterpretation auch im übrigen nicht überzeugen, da die mit einer Schutzpflichtansiedlung bei Art. 12 Abs. 1 GG verbundenen Probleme in den Überlegungen nicht hinreichend Berücksichtigung finden. Im Ergebnis, so wird zu zeigen sein, taugt die Berufsfreiheit der abhängig Beschäftigten weder dazu, dem Gesetzgeber Pflichten zur Begründung von Arbeitnehmerschutzrechten im allgemeinen, noch gar eines Betriebsverfassungsrechtes im besonderen aufzuerlegen. Soweit das BVerfG im Rahmen seiner Interpretation des Art. 12 Abs. 1 GG dem Gesetzgeber Schutzpflichten zugunsten der Arbeitnehmer auferlegt und von einer Konkordanz zwischen Berufsfreiheit der Arbeitnehmer und Arbeitgeber spricht, ist auch dem entgegenzutreten.

a) Lokalisierung und Konkretisierung der durch die Neuinterpretation des Art. 12 Abs. 1 GG aufgeworfenen Fragestellung Als Grundlage einer Auseinandersetzung der Neuinterpretation des Art. 12 Abs. 1 GG bedarf es zunächst einmal Klarheit darüber, welche exakte Fragestellung durch die Neuinterpretätion aufgeworfen wird und wo diese innerhalb der verschiedenen möglichen Grundrechtsfunktionen (des Art. 12 Abs. 1 GG) einzuordnen ist. Wegen der noch unsicheren Erkenntnislage in diesem Bereich ist im folgenden zweckmäßigerweise zunächst das Unstrittige darzulegen. « Vgl. aber Badura, in: FS für Herschel, S. 24; Bryde, NJW 1984, S. 2183; Söllner, ArbuR 1991, S. 51 f.; Wendt, DÖV 1984, S. 605 f. 63 Vgl. Bryde, NJW 1984, S. 2178.

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Unstrittig ist die Schutzaussage, die Art. 12 Abs. 1 GG in seiner Abwehrfunktion als liberales Freiheitsrecht trifft. Danach garantiert Art. 12 Abs. 1 GG im wesentlichen die Berufswahl als Freiheit des Bürgers, jede Tätigkeit als Beruf ergreifen und zur Grundlage der Lebensführung machen zu können, sowie die Berufsausübung als Recht auf eine möglichst unreglementierte berufliche Betätigung.64 Diese Garantie gilt ohne Unterschied sowohl für den selbständig Tätigen als auch für den Arbeitnehmer. Der sachliche Unterschied zwischen beiden - die verschiedenartige Abhängigkeit zum Abnehmer der angebotenen Tätigkeit - ist für die Reichweite der Gewährleistung nicht relevant und äußert sich lediglich in unterschiedlicher Terminologie. 65 Während für den Arbeitnehmer durch Art. 12 Abs. 1 GG das Recht geschützt wird, vom Staat ungehindert seine Arbeitskraft beliebig anbieten, einen Arbeitsplatz wählen, einer übernommenen Tätigkeit zu den vereinbarten Bedingungen nachgehen und den Arbeitsvertrag kündigen zu können,66 ist für den selbständig Tätigen in dieser Aufzählung lediglich der Terminus Arbeits(vertrag /-platz) durch Dienst- bzw. Werk- sinngemäß zu ersetzen. Für den Arbeitnehmer wie für den Selbständigen gilt dabei gleichermaßen, daß die bloße Möglichkeit, die eigene Tätigkeit anbieten zu können, noch keine sinnvolle Ausübung der Berufsfreiheit garantiert. Beide bedürfen vielmehr hierzu zwingend eines Vertragspartners, der bereit ist, die Arbeitsleistung gegen ein Entgelt abzunehmen - mithin einen Dienst-, Werk- oder Arbeitsvertrag abzuschließen. Ohne einen solchen Vertrag würde sich die Berufsfreiheit des Grundrechtsträgers in einem bloßen „Sich anbieten" erschöpfen. Insofern ist der Abschluß eines Vertrages über die Arbeitsleistung eine notwendige Voraussetzung einer auch faktisch gegebenen Möglichkeit zur Ausübung der Berufsfreiheit. An dieser Besonderheit der Ausübung der Berufsfreiheit setzt die hier zur Diskussion stehende Neuinterpretation des Art. 12 Abs. 1 GG an. Die Neuinterpreten wollen die Schutzaussage des Art. 12 Abs. 1 GG nicht auf die Sicherstellung der bloßen Möglichkeit zur Anbietung der eigenen Arbeitskraft beschränkt wissen, sondern darüber hinaus der Norm des Art. 12 Abs. 1 GG zur Sicherstellung der tatsächlichen Möglichkeit einer sinnvollen Ausübung der Berufsfreiheit mehr oder weniger konkrete Aussagen über die (richtige) inhaltliche Ausgestaltung des anstehenden (Arbeits)Vertrages entnehmen. Dabei ist streng zu unterscheiden zwischen der Frage, ob und wann es überhaupt zu einem Vertragsschluß kommt, und der Frage, zu welchen konkreten Bedingungen der Vertrag abgeschlossen wird. Die Frage nach dem Überhaupt eines Vertrages ist gleichbedeutend mit der Frage nach einem möglichen (Grund-)Recht auf Arbeit. Diese Fragestellung ist jedoch nicht Gegenstand der Neuinterpretation. So-

Vgl. oben Abschnitt B.I.l. Vgl. dazu die detaillierten Überlegungen Zeuners (RdA 1975, S. 85 ff.), inwieweit der Anwendungsbereich arbeitsrechtlicher Regelungen wegen der vergleichbaren Interessenlage auch auf den selbständigen Dienstnehmer anzuwenden seien.. 66 So die treffende Zusammenfassung der (Abwehrfunktions-)Gewährleistungen des Art. 12 Abs. 1 GG für den Arbeitnehmer bei Wendt, DÖV 1984, S. 609. 65

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weit im Rahmen der Neuinterpretation des Art. 12 Abs. 1 GG das (Grund-)Recht auf Arbeit zur Sprache kommt, wird ein solches Recht vielmehr in der Regel abgelehnt und gegenüber der eigenen Fragestellung ausdrücklich abgegrenzt.67 Ziel der Neuinterpretation ist es demgegenüber, der Norm des Art. 12 Abs. 1 GG nähere Aussagen über den Inhalt der zur sinnvollen Ausübung der Berufsfreiheit notwendigerweise abzuschließenden Verträge zu entnehmen. Es ist in der weiteren Untersuchung zu berücksichtigen, daß mit dieser Fragestellung der gesicherte Bereich der Abwehrfunktion des Art. 12 Abs. 1 GG verlassen und der umstrittene Bereich der Drittwirkung der Grundrechte betreten wird. Zum weiteren Hergang der Untersuchung bleibt zudem noch folgendes klarzustellen: Die obigen Ausführungen haben gezeigt, daß die anstehende Frage kein alleiniges Problem der Fruchtbarmachung des Art. 12 Abs. 1 GG für die abhängig Beschäftigten ist, 68 sondern sowohl für die Arbeitnehmer als auch für die Selbständigen gleichermaßen Bedeutung hat. Trotzdem wird im folgenden darauf verzichtet, die Frage grundsätzlich zu erörtern. Die Argumentation orientiert sich vielmehr eng an den Thesen der Neuinterpreten, die ihrerseits ausschließlich auf die Arbeitnehmersicht abheben. Eine solche Verkürzung der Untersuchung ist zur Vermeidung einer für diese Arbeit zu ausführlichen Verfassungsrechtsdiskussion notwendig und wegen des Charakters des BetrVG als Arbeitnehmerschutzrecht auch gerechtfertigt. Die Übertragbarkeit der hier gewonnenen Ergebnisse auf die Situation der Selbständigen steht jedoch außer Zweifel und wird im folgenden, im Rahmen der Besprechung der Handelsvertreterentscheidung des BVerfG, auch teilweise zur Diskussion stehen.69

b) Die zwei Rollen des Arbeitgebers im Verhältnis zum Arbeitnehmer Das Ziel der Neuinterpretation der Berufsfreiheit der Arbeitnehmer kann dahin zusammengefaßt werden, daß dem Gesetzgeber aus Art. 12 Abs. 1 GG die Schutzpflicht auferlegt wird, auf das zur Ausübung der Berufsfreiheit zwingend notwendige Vertragsverhältnis zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer zugunsten des Letzteren inhaltlich gestaltend einzuwirken. Wie oben schon dargelegt, ist eine solche Schutzpflicht nicht Bestandteil der Abwehrfunktion der Berufsfreiheit, sondern stellt ein Problem der Drittwirkung der Grundrechte dar. Es soll hier darauf verzichtet werden, diese hoch strittige Problematik grundsätzlich zu erörtern, oder gar zu versuchen, die Neuinterpretation der Berufsfreiheit im Spannungsfeld 67 Vgl. dazu ζ. B. Bryde, NJW 1984, S. 2184 m. w. N.; Hoffmann, Berufsfreiheit, S. 242; Hoffmann-Riem, in: FS für Ipsen, S. 386 ff.; AK-GG-Rittstieg, Art. 12 GG, Rn. 111; H.-P. Schneider, VVDStRL 43 (1985), S. 31 f. 68 Dies ist, wie oben schon gezeigt, aber gerade die Intention der Neuinterpretation der Berufsfreiheit gewesen. Hierin kann ein weiteres Indiz für die tendenziöse Annäherung der Neuinterpreten an das Thema gesehen werden. Vgl. oben Abschnitt B.I.2. 69 Vgl. dazu unten Abschnitt B.I.3.d.

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zwischen unmittelbarer Drittwirkung, mittelbarer Drittwirkung, Ausstrahlungslehre und eben der Schutzpflichtlehre einzuordnen. 70 Ausreichend ist aufzuzeigen, daß im Rahmen der Neuinterpretation gewichtige Besonderheiten, die sich im Bereich der Drittwirkung der Grundrechte zwischen den einzelnen Grundrechtsträgern ergeben, nicht hinreichend Berücksichtigung finden. Hierzu ist zunächst die herausragende Veränderung des Charakters darzulegen, die ein Grundrecht erfährt, wenn es nicht als Abwehrrecht gegenüber dem Staat verwandt wird, sondern die Verhältnisse zwischen zwei Grundrechtsträgern regeln soll. In seiner Abwehrfunktion gegenüber dem Staat ist ein Freiheitsgrundrecht als Prima-Facie-Recht garantiert. Der Prima-Facie-Charakter äußert sich, wie bereits dargelegt, darin, daß das Freiheitsgrundrecht dem Grundrechtsträger allein qua dessen Existenz anhaftet und ihm als Willkürfreiheit zunächst einmal weitestgehend garantiert ist. 71 Wird das Freiheitsgrundrecht nun einer Einschränkung unterworfen - ζ. B. im Wege der Herstellung praktischer Konkordanz mit dem Freiheitsgrundrecht eines anderen Grundrechtsträgers-, so hat dies keine Auswirkungen auf die Möglichkeit des Grundrechtsträgers, den verbleibenden Freiheitsraum weiter zu nutzen. Dies gilt dabei unabhängig davon, wie groß der Einschnitt in das eigene Freiheitsgrundrecht ausgefallen ist und ob der andere Grundrechtsträger seine ebenfalls beschnittene Freiheit in dieser Form auch weiterhin noch wahrnimmt. Dieser Zusammenhang ist am Beispiel der Meinungsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 GG und dem Ehrenschutz gemäß Art. 2 Abs. 1 GG zu verdeutlichen: Soweit beide Grundrechte miteinander kollidieren können, werden sie im Wege der Herstellung praktischer Konkordanz in einem gewissen Umfang durch staatliche Reglementierung eingeschränkt. 72 Trotz dieser Einschränkungen können sich die Grundrechtsträger auch weiterhin auf ihre Grundrechte berufen. Auf der einen Seite kann der Ehrenschutz auf dem Gerichtswege nun zwar nicht mehr gegenüber jeder kritischen Äußerung, aber doch gegenüber der - im Zuge der Herstellung praktischer Konkordanz als Beleidigung definierten - Kritik durchgesetzt werden. Auf der anderen Seite kann der Grundrechtsträger seine Meinungsfreiheit, wenn sie unterhalb der Beleidigungsschwelle ausgeübt wird, gegen Beeinträchtigungen schützen. Die Möglichkeit, sich auf sein Grundrecht zu berufen, ist auch nicht abhängig davon, ob der andere Grundrechtsträger sein Grundrecht in der eingeschränkten Form weiter wahrnimmt. Verzichtet ζ. B. der eine Grundrechtsträger auf seine Meinungsäu70 Zur in jüngerer Zeit wieder intensiv diskutierten Drittwirkung der Grundrechte im Privatrecht, vgl. ζ. B. Canaris, JuS 1989, S. 161 ff.; Hager, JZ 1994, S. 373 ff.; Hesse/Kauffmann, JZ 1995, S. 219 ff.; Hillgruber, AcP 191 (1991), S. 69 ff.; Medicus, AcP 192 (1992), S. 35 ff.; Oeter, AöR 119 (1994), S. 529 ff.; Oldiges, in: FS für Friauf, S. 281 ff.; Pietzcker, in: FS für Dürig, S. 345 ff.; Singer, JZ 1995, S. 1133 ff.; Unruh, Schutzpflichten, S. 1 ff. 71 Zum Prima-Facie-Charakter der Freiheitsgrundrechte, vgl. oben Kapitel l.A.I. sowie Alexy, Theorie, S. 87 ff. 72 Die exakten Details der Abwägung zwischen Ehrenschutz und Meinungsfreiheit sollen hier nicht weiter interessieren. 7 Bremeier

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ßerung dem anderen gegenüber - nach dem Grundsatz, „darf ich es nicht drastisch sagen, sage ich es gar nicht" - , so bleibt das Grundrecht des anderen, in seiner Ehre unverletzt zu bleiben, davon unberührt. Auf den ersten Blick erscheint es unnötig und überflüssig, diesen elementaren Zusammenhang im Rahmen der Herstellung praktischer Konkordanz zwischen zwei Grundrechten so ausdrücklich darzustellen und hervorzuheben. So ist es gerade Zweck der Herstellung praktischer Konkordanz zwischen zwei Grundrechten, den schonendsten Ausgleich zwischen den Grundrechten herzustellen. Dieser Zweck wäre jedoch offensichtlich verfehlt, würde nach dem Ausgleich eine Situation entstehen, in der einer der Grundrechtsträger sein Grundrecht nicht mehr wahrnehmen könnte. Im folgenden wird gezeigt werden, daß im Rahmen der Neuinterpretation aber gerade die Gefahr besteht, daß es zu einer solchen Entwicklung kommt und dieses von den Neuinterpreten nicht hinreichend berücksichtigt wird. Die von diesen dem Art. 12 Abs. 1 GG entnommene Schutzpflicht des Gesetzgebers soll diesen verpflichten, mit Hilfe der Schaffung von Arbeitnehmerschutzgesetzen zugunsten der Arbeitnehmer inhaltlich auf das Vertragsverhältnis von Arbeitnehmern und Arbeitgebern Einfluß zu nehmen. Die Schutzpflicht wird aus der Besonderheit einer aufeinander angewiesenen, weil arbeitsteiligen Grundrechtsausübung im Rahmen des Art. 12 Abs. 1 GG gefolgert. 73 Sie soll im Ergebnis praktische Konkordanz zwischen der Berufsfreiheit der Arbeitnehmer und der Berufsfreiheit der Arbeitgeber herstellen. 74 Nicht ausreichend berücksichtigt wird dabei, daß die hier zur Diskussion stehende Schutzpflicht zugunsten der Arbeitnehmer nicht Bestandteil der Abwehrfunktion des Art. 12 Abs. 1 GG ist, sondern ein Problem der Drittwirkung der Grundrechte darstellt. 75 Im Bereich der Drittwirkung der Grundrechte fehlt es diesen jedoch am Prima-Facie-Charakter mit der Folge, daß die Methode der Herstellung praktischer Konkordanz zwischen den Grundrechten schnell an ihre Grenzen stößt. Im Bereich der arbeitsteiligen Ausübung der Berufsfreiheit von Arbeitgeber und Arbeitnehmer folgt die Berufsfreiheit nicht allein aus der Existenz der Grundrechtsträger. Zur Schaffung der faktischen Voraussetzungen ihrer Ausübung bedarf es zwingend auch des jeweils anderen Partners. Die Entscheidung des Arbeitgebers, seine Berufsfreiheit als Partner des Arbeitnehmers auszuüben, ist Folge einer 73 Zur Arbeitsteiligkeit der Grundrechtsausübung im Rahmen des Art. 12 Abs. 1 GG, vgl. BVerfGE 50, 290 (364 f.), 81, 242 (255) sowie aus dem Schrifttum u. a. Badura, in: FS für Herschel, S. 27; Hoffmann, AöR 107 (1982), S. 188, 190; Hoffmann-Riem, in: FS für Ipsen, S. 390 ff.; Kempen, ArbuR 1986, S. 133 f.; Papier, DVB1. 1984, S. 806, 812; Raiser, JZ 1979, S. 494; H.-P. Schneider, VVDStRL 43 (1985), S. 25; Söllner, ArbuR 1991, S. 50; Wendt, DÖV 1984, S. 608; Suhr, ArbuR 1988, S. 67. 74 Zur Forderung an den Gesetzgeber, zwischen der Berufsfreiheit von Arbeitgebern und Arbeitnehmern praktische Konkordanz herzustellen, vgl. u. a. Badura, in: FS für Herschel, S. 27; Bryde, NJW 1984, S. 2183; Hoffmann-Riem, in: FS für Ipsen, S. 397 ff.; Kempen, ArbuR 1986, S. 133 f.; Raiser, JZ 1979, S. 494 f.; H.-P. Schneider, VVDStRL 43 (1985), S. 34 ff. 75 Vgl. oben Abschnitt B.I.3.a.

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vorherigen persönlichen subjektiven Abwägung. Das Ergebnis dieser Abwägung wird maßgeblich von den herrschenden Rahmenbedingungen im Wirtschafts- und Arbeitsleben beeinflußt, zu denen insbesondere auch die Arbeitnehmerschutzrechte zu zählen sind. Fordern nun die Neuinterpreten vom Gesetzgeber die Schaffung von Arbeitnehmerschutzgesetzen, um im Verhältnis der schwachen Arbeitnehmer zu den starken Arbeitgebern deren gefährdete Berufsfreiheit zu schützen und einen gerechten Ausgleich mit der Berufsfreiheit der Arbeitgeber sicherzustellen, setzen sie damit gleichzeitig maßgebliche Determinanten der Bereitschaft der Arbeitgeber, als solche überhaupt in Erscheinung zu treten. Zwar ist grundsätzlich, wie oben 76 am Beispiel von Meinungsfreiheit und Ehrenschutz gezeigt wurde, der Verzicht des einen Grundrechtsträgers auf die Ausübung seines im Wege der Herstellung praktischer Konkordanz eingeschränkten Grundrechts nichts Ungewöhnliches und daher unproblematisch, doch gewinnt dieser Vorgang für den Bereich der Drittwirkung der Grundrechte eine besondere Bedeutung. Verzichtet nämlich der Arbeitgeber auf die Ausübung seiner - durch ein Arbeitnehmerschutzgesetz beschnittenen - Berufsfreiheit, so berührt dies sehr wohl die Möglichkeit des Arbeitnehmers, sein Grundrecht der Berufsfreiheit wahrzunehmen. Ohne den Arbeitgeber als Partner bei der Grundrechtsausübung verliert der Arbeitnehmer die Möglichkeit zur faktischen Ausübung seiner Berufsfreiheit. Genauer: Das Grundrecht der Berufsfreiheit steht ihm dann nur noch in der Form einer selbständigen Existenzgründung offen. Ein solches Ergebnis befindet sich jedoch im offensichtlichen Widerspruch zum anfänglichen Ziel der Schaffung von Arbeitnehmerschutzgesetzen, nämlich trotz der gegebenen Dominanz der Arbeitgeber die tatsächliche Möglichkeit der Arbeitnehmer, ihre Berufsfreiheit als solche ausüben zu können, sicherzustellen. Aus dem hier dargelegten Widerspruch folgt jedoch noch nicht zwangsläufig die Notwendigkeit, die Ableitung einer Schutzpflicht zugunsten der Arbeitnehmer aus Art. 12 Abs. 1 GG ablehnen zu müssen. Zunächst einmal zeigt der offengelegte Widerspruch zwischen den anfänglichen Zielen und den möglichen Ergebnissen einer dem Gesetzgeber aufgetragenen Arbeitnehmerschutzgesetzgebung nur, daß die Begründungskette der Neuinterpreten für die Ableitung einer Schutzpflicht aus Art. 12 Abs. 1 GG unvollständig ist und daher so nicht überzeugen kann. Es fehlt der Neuinterpretation an einer umfassenden Analyse der Rolle des Arbeitgebers. Zwar wird auf der einen Seite die Bedrohungsrolle der übermächtigen Arbeitgeber gegenüber der Berufsfreiheit der Arbeitnehmer gesehen,77 andererseits wird jedoch nicht berücksichtigt, daß die Arbeitgeber zugleich auch eine unverzichtbare Voraussetzung für die Möglichkeit der Arbeitnehmer zur Ausübung ihrer Berufsfreiheit sind. Da die geforderte Schutzpflicht des Gesetzgebers zugunsten der Arbeitnehmer offensichtlich nur auf die Bedrohungsrolle der Arbeitgeber paßt und für die Förderungsrolle (potentiell) kontraproduktiv ist, muß der verfassungsrechtliche 76 Vgl. oben Abschnitt B.I.3.a. 77 Vgl. dazu die Darstellung der Argumentation oben in B.I.2. 7*

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2. Kap.: Betriebsverfassung und Grundgesetz

Nachweis der Schutzpflicht zwingend auch eine Aussage über die richtige Trennung der beiden Rollen der Arbeitgeber beinhalten. Den Neuinterpreten ist der Vorwurf zu machen, die Notwendigkeit eines solchen Nachweises überwiegend erst gar nicht gesehen zu haben.78 Im folgenden Abschnitt soll zudem nachgewiesen werden, daß ein solcher Nachweis inhaltlich auch nicht geführt werden kann. c) Zur fehlenden Möglichkeit eines verfassungsrechtlichen

Nachweises

Ist es demnach zur verfassungsrechtlichen Begründung der Schutzpflicht notwendig, die beiden Rollen der Arbeitgeber voneinander abzugrenzen, so kann dies auf zwei verschiedenen Wegen erfolgen. Zum einen ist zu erwägen, ob die Möglichkeit besteht, die Abgrenzung selbst zu umgehen bzw. zu entschärfen (Abschnitt B.I.3.c.aa.). Wenn diese Möglichkeit verworfen werden muß, ist als zweites die Norm des Art. 12 Abs. 1 GG nach möglichen inhaltlichen Aussagen zur Abgrenzung der beiden Rollen zu untersuchen (Abschnitt B.I.3.c.bb.). aa) Keine Möglichkeit zur Umgehung der Abgrenzungsproblematik Am einfachsten könnte das Problem des verfassungsrechtlichen Nachweises gelöst werden, indem die Existenz der eigentlichen Problemursache geleugnet wird. Wenn Arbeitnehmerschutzgesetze - als Folge der gesetzgeberischen Schutzpflicht - keine negativen Einwirkungen auf die Abwägungsentscheidungen der Arbeitgeber entfalteten, wären kontraproduktive Wirkungen der Schutzpflicht ausgeschlossen. Die Notwendigkeit einer Trennung der beiden Rollen der Arbeitgeber entfiele. In der Tat wurden in der Arbeitsrechtswissenschaft lange Zeit die möglichen negativen Folgen des Arbeitnehmerschutzes nicht gesehen oder sogar explizit bestritten. 79 Demgegenüber hat sich in jüngerer Zeit die Erkenntnis durchgesetzt, daß mit dem Arbeitnehmerschutzrecht eine maßgebliche Determinante der Prosperität der Wirtschaft gesetzt wird und dies die Möglichkeit auch negativer Einflußnahmen einschließt.80 Soweit dieser Zusammenhang zuweilen auch heute noch bestrit78 Diesen Zusammenhang sieht auch Loritz (ZfA 1991, S. 16 f.), wenn er ausführt: „ . . . die Formel von den konkurrierenden Grundrechtspositionen ist generell wenig hilfreich, wenn man nicht sagt, wo im Arbeitsrecht die Schwelle liegt, bei deren Überschreitung tatsächlich das Grundrecht einer Seite betroffen ist. Allein die Tatsache, daß der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer im Arbeitsvertrag freiwillig auch Pflichten eingehen, kann nämlich nicht ihre Grundrechte, namentlich nicht die Berufs(ausübungs)freiheit berühren, die sich doch durch den Arbeitsvertrag jeweils erst verwirklichen läßt.". 79 Vornehmlich kann hier an die These erinnert werden, die Kartellierung des Arbeitsrechts (sowie der Tarifbedingungen) und die dadurch gegebene Unausweichlichkeit der Bedingungen für alle Arbeitgeber werde im Ergebnis zu einer Neutralisierung der Kosteneffekte führen. 80 Vgl. zur jüngeren Sensibilisierung der Arbeitsrechtswissenschaft zu diesem Thema u. a. Adomeit, Zukunft; Franz, ZfA 1994, S. 439 ff.; Hümmerich, NZA 1996, S. 1289 ff.; Kraft, ZfA 1995, S. 419 ff.; Kissel, NZA 1994, S. 586 ff.; Rüthers, in: FS für Wolf, S. 565 ff.; Zöllner, NZA

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ten wird, sind darin wohl eher - kaum überzeugende - Rückzugsgefechte zu sehen. 81 Im Ergebnis kann die Möglichkeit der Kontraproduktivität von Arbeitnehmerschutzgesetzen und damit auch der diskutierten Schutzpflicht jedenfalls nicht ernsthaft bestritten werden. 82 Die Notwendigkeit der Abgrenzung der beiden Rollen der Arbeitgeber bleibt damit weiter bestehen. Die anstehende Abgrenzungsproblematik läßt sich auch nicht dadurch entschärfen, daß zwar nun grundsätzlich die Möglichkeit der kontraproduktiven Wirkung der Schutzpflicht anerkannt wird, die damit verbundenen Folgewirkungen aber als unproblematisch eingestuft werden. Es könnte beispielsweise argumentiert werden, daß dem Gesetzgeber im Rahmen seiner Ausgestaltungsbefugnis des Rechtssystems ein weitgehender Prognose- und Gestaltungsspielraum zukomme, weshalb ein partielles Versagen des Arbeitsmarktes in Folge einer ausgeprägten Arbeitnehmerschutzgesetzgebung hinzunehmen sei. Eine Abgrenzung der beiden Rollen der Arbeitgeber könne demnach unterbleiben, da die möglichen kontraproduktiven Wirkungen der Schutzpflicht im Bereich der Förderungsrolle der Arbeitgeber durch den Prognose- und Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers abgedeckt seien. Auch mit dieser Argumentation kann die zu Debatte stehende Schutzpflicht nicht begründet werden. Richtig daran ist, daß der Gesetzgeber zu Schutzzwecken der Arbeitnehmer gesetzgeberisch tätig werden kann und ihm dabei große Entscheidungsspielräume zuzugestehen sind. 83 Unbestritten ist auch, daß die Pro1997, S. 121 f. m. w. N.; ders, ZfA 1994, S. 423 ff.; ders., ZfA 1988, 265 ff. m. w. N. Vgl. zudem den Bericht in der FAZ (12. 01. 1998, S. 17) zu den Bitburger Gesprächen 1998 zum Thema: „Tarif- und Arbeitsbedingungen als mögliche Ursache der Arbeitslosigkeit". 81 Beispielhaft sei dazu einmal der neuere Beitrag von Kittner, ArbuR 1995, S. 385 ff. herausgegriffen. Hierin streitet Kittner zunächst die Kostenrelevanz des Arbeitnehmerschutzrechts (hier insbesondere des Kündigungsschutzes) rundweg ab und begründet dies ausgerechnet damit, daß der Arbeitgeber sich das von ihm angestrebte Ergebnis im Kündigungsschutzprozeß in der Regel problemlos erkaufen kann (S. 387). Wieso die hierfür aufzuwendenen Mittel nicht als Kosten einzustufen sind, bleibt unerfindlich. Kaum mehr nachvollziehbar wird es dann, wenn Kittner wenig später, in exakter Umkehrung seiner vorherigen Argumentation, gerade die Kostenträchtigkeit des Kündigungsschutzrechtes als „Schutz der Arbeitgeber vor sich selbst" eingestuft wissen will (S. 388). Es muß hier der Verdacht keimen, daß Kittner nicht recht unterscheidet, wo die Darstellung eines objektiven betriebswirtschaftlichen Funktionszusammenhangs aufhört und die Beschreibung der eigenen sozialpolitischen Wunschvorstellung anfängt. Dem sei an dieser Stelle nur ein Zitat von Adomeit (Zukunft, S. 2) entgegengehalten, demzufolge „man als Arbeitsrechtler formal nichts von Volkswirtschaftslehre zu verstehen braucht." Die mangelnde Eignung mancher Juristen zur Beurteilung wirtschaftlicher Probleme beklagen auch Zöllner, ZfA 1994, S. 430 sowie in bezug auf das Bundesarbeitsgericht Beuthien, ZfA 1988, S. 17 (Fußnote 50). 82

Bei Rüthers (in: FS für Wolf, S. 576) kann dieser Zusammenhang noch einmal sehr plakativ nachgelesen werden: „Wenn die Rechtsprechung den rechtlichen Bestandsschutz eines Arbeitsverhältnisses stärker ausbaut als den einer Ehe, dann ist es folgerichtig, daß die Eingehung neuer Arbeitsverträge ähnlich gründlich überlegt wird wie eine neue Eheschließung. Beides kann teuer werden." . w Das BVerfG betont in ständiger Rechtsprechung die weite Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers auf dem Gebiet der Arbeitsmarkt- Sozial- und Wirtschaftsordnung sowie dessen

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gnose- und Entscheidungsspielräume des Gesetzgebers die Möglichkeit eines Irrtums einschließen und insofern ungewollte negative Begleiterscheinungen der Arbeitnehmerschutzpolitik hinzunehmen sind. 84 Diese Überlegungen sind allerdings Ausfluß des unbestrittenen Rechts des Gesetzgebers zur Durchführung einer eigenen Arbeitsrechts- und Sozialpolitik. In Frage steht jedoch die Möglichkeit, eine Pflicht des Gesetzgebers zur Schaffung von Arbeitnehmerschutzgesetzen zu begründen. Eine solche Pflicht des Gesetzgebers - und, damit einhergehend, die Verringerung seines Entscheidungsspielraumes - aber gerade mit dem weiten Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers begründen zu wollen, wäre ein offensichtlicher Widerspruch und ist daher abzulehnen. Zu überlegen bleibt, ob die Lösung der Abgrenzungsproblematik nicht mit Hilfe des Konstrukts des „Grundrechtsschutzes gegen sich selbst" begründet werden kann. Das bisher durchweg als kontraproduktiv bewertete partielle Versagen des Arbeitsmarktes aufgrund einer Arbeitnehmerschutzgesetzgebung könnte im Rahmen des „Grundrechtsschutzes gegen sich selbst" auch als gewolltes und zielgerichtetes Ergebnis des gesetzgeberischen Handelns verstanden werden. In diesem Sinne könnte es gerade das Ziel der Arbeitnehmerschutzgesetzgebung sein, solche Arbeitsverhältnisse zu unterbinden, die den als minimal anzusehenden Arbeitnehmerschutz nicht zu tragen in der Lage sind. 85 Ohne daß es an dieser Stelle einer genaueren Untersuchung über die grundsätzliche Tragfähigkeit eines „Grundrechtsschutzes gegen sich selbst" bedarf, 86 kann doch die Möglichkeit verneint werden, anhand des „Grundrechtsschutzes gegen sich selbst" die Notwendigkeit einer Abgrenzung der beiden Arbeitgeberrollen umgehen zu können. Bevor überhaupt über einen möglichen „Grundrechtsschutz gegen sich selbst" diskutiert werden kann, bedarf es zwingend der vorherigen Ableitung des Grundrechtes selbst. Denn ohne Grundrecht fehlt es an der logischen Möglichkeit, „Grundrechtsschutz gegen sich selbst" überhaupt zu gewähren. Ist nun aber, wie im vorliegenden Fall, gerade die Existenz des Grundrechtes noch unklar und soll es erst im Wege der Abgrenzung der beiden Arbeitgeberrollen näher damit eng zusammenhängenden Einschätzungs- und Prognosevorrang, vgl. BVerfGE 25, 1 (17, 19 f.); 37, 1 (20); 46, 246 (256 f.); 50, 290 (332 ff.); 51, 193 (208); 77, 84 (106); 77, 308 (332). Vgl. grundlegend zur Zielsetzungskompetenz des Gesetzgebers BVerfGE 13, 97 (107). 84 Vgl. zum Bewertungs- und Prognosespielraum des Gesetzgebers bei der Mittelwahl BVerfGE 30, 292 (317) m. w. N.; 39, 210 (225 f.); 40, 196 (223); 46, 246 (257); 50, 290 (332 ff.); 61, 291 (313 f.) m. w. N. 85 Dem liegt der Gedanke zugrunde, daß ein Unternehmen nur dann eine Existenzberechtigung hat, wenn es in der Lage ist, mit den zur Verfügung stehenden Produktionsfaktoren einen profitablen Betrieb zu organisieren. So wie es für Grenzunternehmen keinen Abschlag auf den Fremdkapitalzinssatz gibt, soll es auch kein Weniger an kostentreibendem Arbeitnehmerschutz geben. Vgl. dazu auch Lieb, NZA 1994, S. 337 ff. 86 Zum „Grundrechtsschutzes gegen sich selbst", vgl. ζ. B. Bleckmann, RdA 1988, S. 332 ff.; Hillgruber, Schutz, S. 1 ff.; v.Münch, Grundrechtsschutz, S. 113 ff. Auf die engen Grenzen, die einem Grundrechtsschutz gegen sich selbst gezogen sind, ist unten in Abschnitt B.III.2.b.bb. noch zurückzukommen.

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definiert werden, so kann dies nicht anhand des Konstruktes „Grundrechtsschutz gegen sich selbst" geschehen. Die Gefahr des gedanklichen Zirkelschlusses liegt hier offen auf der Hand. Kann nach dem bisher Gesagten weder die Problemursache noch der Problemcharakter der kontraproduktiven Wirkungen der Schutzpflicht bestritten werden, so könnte eine detailliertere Untersuchung über die Abgrenzung der beiden Arbeitgeberrollen eventuell dadurch umgangen werden, daß nicht auf den einzelnen Fall, sondern nur auf die Gesamtwirkung einer Arbeitnehmerschutzgesetzgebung abgehoben wird. Beurteilt man die Wirkung der Arbeitnehmerschutzgesetze im Rahmen einer Gesamtbetrachtung aller Grundrechtsträger, so ist nicht von der Hand zu weisen, daß durch den Arbeitnehmerschutz zwar einige ganz von der Ausübung ihrer Berufsfreiheit ausgeschlossen werden, auf der anderen Seite aber die große Masse einen erheblichen Zuwachs ihrer Berufsfreiheit erfährt und somit im Gesamtbild ein Mehr an Berufsfreiheit erreicht wird. Eine solche Sichtweise entspräche den Gerechtigkeitsüberlegungen des klassischen Utilitarismus. Danach sind staatliche Maßnahmen ausschließlich danach zu beurteilen, welchen Einfluß sie auf den Gesamtnutzen der Gesellschaft haben, ohne daß die Verteilung des Nutzens auf die einzelnen Individuen dabei weiter berücksichtigt würde. 87 Ein solches Grundrechtsverständnis läßt sich mit der Konzeption des Grundgesetzes indes nicht vereinbaren. Es ist gerade eine der wichtigsten Funktionen der Grundrechte, die Würde und die Rechte des Individuums gegenüber den Interessen der Allgemeinheit bzw. Mehrheit zu schützen. Einzelne zu opfern, damit die Mehrheit einen Vorteil genießt, kann unter dem Grundgesetz nicht Maxime des gesetzgeberischen Handelns sein. 88 Erst recht kann deshalb einer Grundrechtsnorm nicht selbst eine Pflicht des Gesetzgebers zu solchem Handeln entnommen werden. Die Ableitung einer Pflicht des Gesetzgebers zur Schaffung von Arbeitnehmerschutzrechten aus Art. 12 Abs. 1 GG kann daher mit dieser Überlegung nicht begründet werden. Diesem Ergebnis steht auch nicht die Ansicht des BVerfG entgegen, wonach zwingende Regelungen des Arbeitsrechts erst den Rahmen schaffen, in dem die mehrheitlich abhängig Beschäftigten ihre Grundrechte aus Art. 12 Abs. 1 GG unter angemessenen Bedingungen verwirklichen können.89 Das BVerfG diskutiert anhand dieser Formulierung lediglich das aus hiesiger Sicht unproblematische Recht des Gesetzgebers, Arbeitnehmerschutzbestimmungen aufstellen zu dürfen, trifft damit aber keine Aussage über eine mögliche Pflicht des Gesetzgebers zur Schaffung eines Arbeitnehmerschutzes. 87

Vgl. zum Gerechtigkeitsmodell des klassischen Utilitarismus dessen eingängige Darstellung bei Huster, Rechte, S. 94 ff., 430 ff. m. w. N. 88 Zurecht sieht Huster die Hauptfunktion von individuellen Rechten darin, dem einzelnen ein „Schwellengewicht" gegenüber einer Inanspruchnahme im Interesse Dritter zu geben, Huster, Rechte, S. 94 ff. 89 Vgl. BVerfGE 77, 84 (116).

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2. Kap.: Betriebsverfassung und Grundgesetz

bb) Keine verfassungsrechtlichen Aussagen zur Abgrenzungsproblematik Als Zwischenergebnis bleibt somit festzuhalten: Zum einen ist es im Rahmen der geforderten Ableitung einer gesetzgeberischen Schutzpflicht zugunsten der Arbeitnehmer aus Art. 12 Abs. 1 GG unbedingt notwendig, zwischen der Bedrohungsrolle und der Förderungsrolle der Arbeitgeber zu unterscheiden. Die zur Diskussion stehende Schutzpflicht entfaltet nur im Bereich der Bedrohungsrolle eine für die Berufsfreiheit der Arbeitnehmer förderliche Wirkung, während sie im Bereich der Förderungsrolle kontraproduktiv wirkt und zu absoluten Freiheitsverlusten auf Arbeitnehmerseite führt. Zum anderen ist gezeigt worden, daß es keine Möglichkeit gibt, die Abgrenzung zwischen den beiden Rollen der Arbeitgeber anhand anderweitiger Überlegungen zu umgehen. Somit fokussiert sich die Untersuchung darüber, ob aus Art. 12 Abs. 1 GG eine Schutzpflicht zugunsten der Arbeitnehmer entnommen werden kann, auf die Fragen, ob und inwieweit dieser Norm inhaltliche Vorgaben über die richtige Abgrenzung der beiden Arbeitgeberrollen und damit einhergehend über die Ausgestaltung der Wirtschafts- und Sozialordnung im allgemeinen und das Vertragsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer im besonderen entnommen werden können.90 Diese Fragen sind zu verneinen. Es ist in dieser Arbeit schon mehrfach betont worden, daß in die Verfassung als geronnene Gerechtigkeitsvorstellung des Volkes nur solche Rechte hineininterpretiert werden können, über die ein ganz überwiegender Konsens besteht.91 Ein solcher Konsens ist für Maßnahmen im Bereich der Wirtschafts- und Sozialpolitik aber kaum vorstellbar. Im Gegenteil: Es gibt wohl kaum einen anderen Bereich innerhalb der Gesellschaft, in dem die einzelnen Auffassungen über die richtige Ausgestaltung derart konträr aufeinanderprallen. Dabei ist gerade die hier interessierende Abgrenzung der beiden Arbeitgeberrollen einer der zentralen Streitpunkte. Sehen ζ. B. gewerkschaftsnahe Kreise in Arbeitnehmerschutzrechten eine unverzichtbare Voraussetzung zur Befriedung der Gesellschaft und damit zur Funktionsfähigkeit der Wirtschaft, so erkennen wirtschaftsliberale Kreise genau darin die Ursache der Schwäche des Arbeitsstandorts Deutschland. Angesichts dieser Divergenzen und der babylonischen Vielstimmigkeit auf dem Markt der Wirtschafts- und Sozialpolitik erschiene es geradezu vermessen, wollte man behaupten, im Besitz des „richtigen Konzeptes" zur Austarierung aller zu bedenkenden Variablen zu sein. Um so bedenklicher ist es, wenn das „richtige Konzept" - wie im Rahmen der Neuinterpretation des Art. 12 Abs. 1 GG durch Ableitung eines Arbeitnehmerschutzkonzeptes geschehen - plötzlich Gegenstand der Grundrechtsauslegung wird. Die Neuinterpreten trifft damit der Vorwurf, den Art. 12 Abs. 1 GG zum Einfallstor der Einpflanzung höchst strittiger ökonomischer Lehrmeinungen in das Grundgesetz zu machen.92 90 Vgl. dazu Abschnitt B.I.3.a. 91 Vgl. oben Kapitel I.A. 92 So auch Bryde, NJW 1984, S. 2180.

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Ursächlich für die hier konstatierte fehlgeleitete Anreicherung des Grundgesetzes mit subjektiven wirtschaftspolitischen Vorstellungen der Neuinterpreten ist, daß diesen weitgehend die Sensibilität der Tatsache gegenüber fehlt, sich mit der Neuinterpretation im problematischen Bereich der Drittwirkung der Grundrechte zu befinden. Hieraus resultiert eine Überstrapazierung bzw. eine zu einseitige Sichtweise der neuen Grundrechtsdogmatik. 93 Zwar kann diese grundsätzlich die Erweiterung des Schutzbereiches eines Grundrechts um die besagten Schutzpflichten des Gesetzgebers rechtfertigen, doch entläßt sie den Grundrechtsinterpreten nicht aus der Notwendigkeit, die der Verfassung entnommenen Grundrechte schlüssig nachweisen zu müssen.94 Dies versäumen die Neuinterpreten aber gerade, indem sie die Schutzpflicht ausschließlich anhand der Bedrohungsrolle der Arbeitgeber begründen und die daneben notwendige Abgrenzung gegenüber der Förderungsrolle der Arbeitgeber nicht vornehmen. Es ist in dieser Arbeit schon mehrfach darauf hingewiesen worden, daß im unreflektierten Behaupten der Existenz eines Grundrechtes der Kardinalfehler der Grundrechtsinterpretation zu sehen ist. 95 Kann die Richtigkeit einer arbeitsmarktpolitischen Entscheidung - und damit auch einer Arbeitnehmerschutzgesetzgebung- immer nur subjektiv behauptet, niemals aber objektiv bewiesen werden, verbietet sich ihre Ableitung aus dem Grundgesetz. Die Entscheidung über das „Ob" und „Wie" ihrer Umsetzung muß dem tagespolitischen Geschäft des Gesetzgebers überlassen bleiben.

cc) Gefahrenpotentiale eines lediglich behaupteten Nachweises Angesichts der offenen Divergenz zwischen dem, was Art. 12 Abs. 1 GG gesichert entnommen werden kann, und dem, was im Rahmen der Neuinterpretation in Art. 12 Abs. 1 GG hineingelesen wird, stellt sich die Frage, woher die Bereitschaft kommt, zu einem so umstrittenen und sensiblen Bereich wie der Wirtschafts- und Sozialpolitik trotz einer derart dürftigen Erkenntnislage so feine Details einer mög93 Statt vieler sei hier nur Hoffmann (AöR 107 (1982), S. 177 ff.) herausgegriffen, der zunächst nahezu vorbildlich die Gefahren einer Überstrapazierung der neuen Grundrechtsdogmatik ableitet und darstellt (S. 183, 190 ff.), um dann übergangslos eine situationsadäquate, alle Einflußfaktoren auf berufliche Entfaltungschancen berücksichtigende inhaltliche Konkretisierung der Berufsfreiheit zu fordern (S. 193). Im weiteren seiner Ausführungen kommt Hoffmann denn auch zu detaillierten Ableitungen arbeitsrechtlicher Schutzvorschriften aus Art. 12 Abs. 1 GG (ζ. B. Kündigungsschutz S. 204).. 94 Zurecht verweisen deshalb gewichtige Teile des Schrifttums auf die mit der neuen Grundrechtsdogmatik verbundenen Probleme. Zusätzlich zu den Nachweisen in Fußnote 70, vgl. insbesondere zu Schutzpflichten im Arbeitsrecht vgl. Badura, in: FS für Herschel, S. 22 f.; Hoffmann, AöR 107 (1982), S. 183, 190 ff.; Kisker, in: FS für Geiger, S. 251 ff.; Pietzcker, NVwZ 1984, S. 554; Rupp, AöR 101 (1976), S. 169 ff., 174 f. 95 Vgl. dazu die Ausführungen in Kapitel I.A. zum unreflektierten Einfließen subjektiver Wertungen in den Prüfungsmaßstab des allgemeinen Gleichheitssatzes.

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2. Kap.: Betriebsverfassung und Grundgesetz

liehen Arbeitnehmerschutzgesetzgebung aus der Verfassung abzuleiten. Es steht zu vermuten, daß die Nähe der Schutzpflichtableitung zum gesellschaftspolitisch sehr positiv besetzten Thema der „Hilfe für die Schwachen" es als eine läßliche Sünde erscheinen läßt, wenn man in der Verfassungsinterpretation auch einmal „fortschrittlich" an den zu entscheidenden Sachverhalt herantritt. Der damit verbundenen Vorstellung, es sei nicht schlimm, wenn das Verfassungsgericht dem Gesetzgeber gegenüber auch mal in einer voranschreitenden Rolle auftritt, ist aber mit Entschiedenheit entgegenzutreten. Das unreflektierte und unbegründete Behaupten eines Grundrechts ist nicht nur der Kardinalfehler einer Verfassungsinterpretation sondern führt im Ergebnis sogar auf lange Sicht zur Erosion der Verfassung selbst. Hierzu ist zunächst an die in Kapitel I.A. gewonnenen Erkenntnisse zu erinnern. In die Verfassung als geronnene Gerechtigkeitsvorstellung des Volkes können nur ganz überwiegend unstrittige Rechte hineininterpretiert werden. Ist dagegen eine Materie politisch umstritten - und wofür könnte der Bereich der Arbeits- und Wirtschaftspolitik besser Zeugnis ablegen? - , so muß ihre inhaltliche Ausgestaltung dem Gesetzgeber überlassen bleiben. Nur dieser hat die demokratische Legitimation, der im Augenblick unterlegenen Minderheit eine von dieser abgelehnte Ordnung aufzuzwingen. Allein das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren läßt eine spätere problemlose Revision der Ergebnisse bei geänderten Mehrheitsverhältnissen zu. Demgegenüber wäre das BVerfG überfordert, wollte man von ihm die Formulierung eines eigenen Gerechtigkeitsmodells verlangen. Das Gericht formuliert deshalb selbst in gebotener Klarheit: „Was jeweils praktisch zu geschehen hat, wird also in ständiger Auseinandersetzung aller an der Gestaltung des sozialen Lebens beteiligten Menschen und Gruppen ermittelt. Dieses Ringen spitzt sich zu einem Kampf um die politische Macht im Staat zu." 96 . Und später weiter: „Da die Mehrheit immer wechseln kann, haben auch Minderheitsmeinungen die reale Chance, zur Geltung zu kommen. So kann in weitem Maße Kritik am Bestehenden, Unzufriedenheiten mit Personen, Institutionen und konkreten Entscheidungen im Rahmen der Ordnung positiv verarbeitet werden." 97. Gerade diese positive Verarbeitung entfällt aber, wenn eine politisch umstrittene Maßnahme dem tagespolitischen Streit entzogen und in die Verfassung hineinverpflanzt wird. Den Gegnern der Maßnahme bleibt nur noch der Weg in die innere Emigration oder aber ein direkter Angriff auf die Verfassung selbst. Hiermit wird unvermeidlich eine Distanzierung zur Verfassung einhergehen. Diese ist aber darauf angewiesen, daß die Normunterworfenen sich mit ihr identifizieren, nach ihren Geboten handeln und sie so täglich neu mit Leben und Inhalt füllen. Je mehr umstrittene Tatbestände in die Verfassung „hineinverpflanzt" werden, umso seltener dürfte indessen einem Großteil der Normunterworfenen die innere Identifizierung mit der Verfassung gelingen. Zudem entsteht auf längere Sicht die Gefahr einer Verwischung zwischen den unstrittigen und tatsächlich unverzichtbaren Grund% BVerfGE 5, 84 (198). 97 BVerfGE 5, 84, (199).

Β. Grundrechtliche Fundierung der Betriebsverfassung?

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rechten und den strittigen, lediglich in die Verfassung „hineinbehaupteten" Rechten. Die Verfassung wird dann als Ganzes abgelehnt und bekämpft werden. Die Gefahr, die dem Gemeinwesen hiermit droht, ist offensichtlich. Diese Ausführungen haben für den Bereich des Arbeits- und Wirtschaftslebens besondere Relevanz. Auf der einen Seite steht außer Zweifel, daß Arbeitsplätze, Wettbewerbsfähigkeit und zufriedenstellender Lebensstandard keine abrufbaren (Grund-)Rechte sind. Es handelt sich dabei vielmehr um Zustände, die die Gesellschaft und ihre einzelnen Mitglieder in eigener Anstrengung immer wieder aufs neue erringen müssen. Hierfür ist die Ordnung des Arbeits- und Wirtschaftslebens von überragender Bedeutung. Auf der anderen Seite bestehen erhebliche Zweifel darüber, wie eine solche Wirtschaftsordnung auszusehen hat. Insbesondere angesichts der Bedrohung des westeuropäischen Wohlstandes durch die Auswirkungen der Globalisierung wird diskutiert, ob das eher arbeitnehmerschutzfreundliche „Rheinische Modell" oder aber das eher neoliberale „Angelsächsische Modell" der Marktwirtschaft hierfür die richtigen Antworten bietet. Würde das Arbeitnehmerschutzniveau des „Rheinischen Modells" in die Verfassung hineinverpflanzt, wäre es künftig unmöglich, die Wirtschaft nach dem „Angelsächsischen Modell" zu ordnen. Zeigte sich in der Zukunft aber, daß das »Angelsächsische Modell" die einzig gangbare Lösung ist, um im Rahmen der Globalisierung eine funktionsfähige Wirtschaft - und damit die Grundlage eines (verminderten) 98 Wohlstandes - zu erhalten, so entstünde die absurde Situation, daß es den Deutschen von Verfassung wegen verboten wäre, sich eine funktionsfähige Wirtschaftsordnung zu geben. Diese überragend wichtigen Zusammenhänge seien noch einmal pointiert zusammengefaßt: Wenn in einem demokratisch verfaßten System subjektive Unzufriedenheit mit der konkreten Ausgestaltung eines Gesellschaftsbereichs besteht, gibt es für die „Unzufriedenen" nur einen systemkonformen Ausweg: Zunächst muß eine Interessenorganisation gefunden oder gegründet werden, deren Ziele sich mit den subjektiven Auffassungen der „Unzufriedenen" decken. Anschließend ist in argumentativer Auseinandersetzung mit anderen Lösungsideen um die Erreichung einer parlamentarischen Mehrheit zu kämpfen. Erst wenn diese tatsächlich erreicht wird, kann die Umgestaltung des Gesellschaftsbereichs nach den eigenen 98 An dieser Stelle ist zu fragen, ob nicht das heutige Wohlstandsniveau und der damit einhergehende Ausbau des Sozialstaates nur in Folge einer einmaligen historischen Sondersituation möglich gewesen sind. Deshalb könnten in Zukunft nicht nur der Verzicht auf Wohlstandszuwächse, sondern auch scharfe Einschnitte in „soziale Besitzstände" zur Bewahrung einer funktionierenden Gesellschaft erforderlich sein. Selbst wenn infolgedessen die 48-Stunden-Woche wieder die Regel würde und vom Arbeitslohn her die jährliche Urlaubsreise genauso unerschwinglich wie die private Motorisierung bliebe, könnte darin nur derjenige Verfassungswidriges entdecken, dem die Vergleichsmaßstäbe aus dem Blickfeld geraten sind. So mag ein Großteil der im Angelsächsischen Modell" angebotenen Arbeitsplätze in den Augen eines deutschen Sozialpolitikers nicht erstrebenswert oder gar menschenunwürdig erscheinen. Im Vergleich zu den historischen und den aktuellen Lebensbedingungen des Großteils der Menschheit ermöglicht die Wertschöpfung dieser angefeindeten Arbeitsplätze ihren Besitzern jedoch ein - im übertragenen Sinne - „Leben der oberen Zehntausend".

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2. Kap.: Betriebsverfassung und Grundgesetz

Vorstellungen auf dem parlamentarischen Gesetzgebungswege angegangen werden. Demgegenüber wäre es zwar der einfachere und wohl auch erfolgsversprechendere Weg, würden die „Unzufriedenen" ihre subjektive Auffassung in die Verfassung des Gemeinwesens hineininterpretieren und sie somit kurzerhand zur reinen und einzigen objektiven Wahrheit erklären. Die Organisation des besagten Gesellschaftsbereichs müßte sich dann nämlich zwangsläufig an den subjektiven Vorstellungen der „Unzufriedenen" orientieren, und ein „lästiger" Wettbewerb mit den anderen Ideen zur Ausgestaltung des Gesellschaftsbereichs könnte ebenso unterbleiben wie die Suche nach einer Mehrheit für die eigene Auffassung. Diese „elegante" Abkürzung hätte aber den Schönheitsfehler, daß sie mit tragenden Grundprinzipien einer demokratischen und zukunftsfähigen Gemeinschaftsordnung nicht vereinbar wäre. Jedem Verfassungsinterpreten ist daher aufgetragen, sich in ständiger kritischer Selbstprüfung zu vergewissern, ob er sich mit seiner Grundrechtsinterpretation auf dem besagten Irrweg befindet.

d) Widerspruch

zur Rechtsprechung des BVerfG?

Das hier gewonnene Ergebnis befindet sich in weiten Teilen mit der Rechtsprechung des BVerfG im Einklang, obschon in jüngerer Zeit auch hier einzelne abweichende Begründungsstränge zu verzeichnen sind. Im folgenden ist dabei zum ersten auf Aussagen des BVerfG zur Offenheit der Wirtschaftsordnung, zum zweiten auf die im Zuge des Mitbestimmungsurteils gezogenen Schlußfolgerungen des BVerfG bezüglich der arbeitsteiligen Grundrechtsausübung und zum dritten auf die in der Handelsvertreterentscheidung und der Entscheidung zur Kleinbetriebsklausel zu Tage tretende Bereitschaft des BVerfG, der Norm des Art. 12 Abs. 1 GG doch Schutzpflichten entnehmen zu wollen, einzugehen. Die hier verworfene Möglichkeit, eine inhaltliche Aussage zum Vertragsverhältnis von Arbeitgeber und Arbeitnehmer aus Art. 12 Abs. 1 GG abzuleiten, kann sich auf die ständige Rechtsprechung des BVerfG zur wirtschaftspolitischen Offenheit und Neutralität des Art. 12 Abs. 1 GG - und auch des Grundgesetzes allgemein berufen." Ebenso wenig wie das Grundgesetz eine Vorentscheidung zugunsten der Plan- oder der Marktwirtschaft trifft, legt sich die Verfassung auch zwischen dem eher arbeitnehmerschutzfreundlichen „Rheinischen Modell" und dem eher wirtschaftsliberalen »Angelsächsischen Modell" der Marktwirtschaft fest. Hiermit korrespondiert der ebenfalls in ständiger Rechtsprechung betonte weite Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers auf dem Gebiet der Arbeitsmarkt-, Sozial- und Wirtschaftsordnung. 100 Schließlich hebt das BVerfG auch die Unabhängigkeit der Inter99 Vgl. ζ. B. BVerfGE 30, 292 (315); 50, 290 (336 ff.). Vgl. dazu auch die Darstellung bei M/K-Gubelt, Art. 12, m. w. N. 100 Vgl. ζ. B. BVerfGE 25, 1 (17, 19 f.); 37, 1 (20); 46, 246 (256 f.); 50, 290 (332 ff.); 51, 193 (208); 77, 84 (106); 77, 308 (332).

Β. Grundrechtliche Fundierung der Betriebsverfassung?

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pretation des Art. 12 Abs. 1 GG von verschiedenen Ausprägungen der Wirtschaftspolitik sogar ausdrücklich hervor: „Ein auf Grund des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 erlassenes Gesetz kann ( . . . ) nicht deshalb verfassungsrechtlich beanstandet werden, weil es etwa der sonstigen staatlichen Wirtschaftspolitik widerspricht oder weil es mit einer bestimmten dieser allgemeinen Wirtschaftspolitik etwa zugrundeliegenden volkswirtschaftlichen Lehrmeinung nicht in Einklang steht." 101 Soweit die Vertreter der Neuinterpretation die Aussagen des BVerfG im Mitbestimmungsurteil 102 zum Aufeinanderangewiesensein von Arbeitnehmern und Arbeitgebern bei der Ausübung ihrer Berufsfreiheit zur Unterstützung ihrer Ansicht ins Feld führen, 103 liegt darin eine Fehlinterpretation. Die Hinweise des BVerfG auf die arbeitsteilige Berufsfreiheitsausübung dienen nicht, wie behauptet, der Begründung einer eventuellen Ausgleichspflicht des Gesetzgebers zugunsten der Arbeitnehmer, sondern werden zur Entkräftung eines von Arbeitgeberseite behaupteten Verstoßes der Arbeitnehmerschutzgesetze gegen deren Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG angeführt. Das BVerfG will also keine grundrechtliche Verbindung zwischen der Berufsfreiheit der Arbeitnehmer und der Mitbestimmung begründen, 104 vielmehr verweigert es den Arbeitgebern ihrerseits die Option, eine solche Verknüpfung herzustellen. Diese Argumentation gleicht der hier vertretenen Auffassung; sie nähert sich dem Sachverhalt nur spiegelbildlich. So wie wegen der Arbeitsteiligkeit der Grundrechtsausübung anhand der Berufsfreiheit der Arbeitnehmer dem Gesetzgeber keine Pflicht zur Schaffung einer Arbeitnehmerschutzgesetzgebung aufgegeben werden kann, kann umgekehrt anhand der Berufsfreiheit der Arbeitgeber dem Gesetzgeber keine Pflicht zur Unterlassung einer solchen Arbeitnehmerschutzgesetzgebung aufgetragen werden. Auch die Arbeitgeber sind zur Ausübung ihrer Berufsfreiheit zwingend auf die Gegenseite angewiesen. Ob und unter welchen Bedingungen die Arbeitgeber Arbeitnehmer zur Unterstützung ihrer Grundrechtsausübung sollen heranziehen können, kann dem Gesetzgeber nicht anhand des Art. 12 Abs. 1 GG vorgeschrieben werden. Art. 12 Abs. 1 GG definiert kein Recht der Arbeitgeber, Arbeitnehmer ohne weitere Rahmenbedingungen zu frei ausgehandelten Arbeitsbedingungen einstellen zu können. Über das Recht zur Gründung einer selbständigen Existenz hinaus verbrieft Art. 12 Abs. 1 GG dem zur Einstellung bereiten Selbständigen nur das Recht, dabei vom Staat ungehindert darüber zu entscheiden, welche Arbeitsplätze er anbieten, welche Mitarbeiter er einstellen und ob er die Arbeitsverhältnisse wieder lösen will. 1 0 5 ιοί BVerfGE 7, 377 (400). 102 Vgl. BVerfGE 50, 290 (364 f.) sowie den Kammerbeschluß des BVerfG, NJW 1986, S. 1601. 103 Vgl. dazu die Nachweise in den Fußnoten 46 und 49. 104 Dies hat das BVerfG auch mehrfach ausdrücklich verneint, vgl. BVerfGE 50, 290 (349); 51,43 (58); 52,283 (298); 93, 37 (69). 105 So die eingängige Zusammenfassung bei Wendt, DÖV 1984, S. 609.

110

2. Kap.: Betriebsverfassung und Grundgesetz

Können die beiden oben aufgezeigten Rechtsprechungslinien des BVerfG zur Unterstützung der hier vertretenen Auffassung ins Feld geführt werden, so gilt dies nicht auch für die jüngere Rechtsprechung des Gerichts zur Ableitung möglicher Schutzpflichten aus Art. 12 Abs. 1 GG. Das BVerfG hat in seiner „Handelsvertreterentscheidung" 106 ausdrücklich eine Schutzpflicht des Gesetzgebers zugunsten der Handelsvertreter statuiert und wenig später in seiner Entscheidung zum Einigungsvertrag 107 relativ unbestimmt von einer Schutzpflicht des Gesetzgebers zugunsten der Arbeitnehmer in bezug auf einen drohenden Arbeitsplatzverlust gesprochen. Der Widerspruch dieser Rechtsprechung zum hier vertretenen Ergebnis ist offensichtlich. Es besteht aber, wie die folgende Analyse der Urteile zeigen wird, gleichwohl kein Anlaß, das hiesige Ergebnis zu revidieren. Zunächst einmal zeigt das BVerfG in seiner Handelsvertreterentscheidung überzeugend Parallelen zwischen der Situation der Handelsvertreter und der Arbeitnehmer auf und begründet damit die auch hier vertretene 108 Relevanz des Schutzpflichtgedankens sowohl für die Arbeitnehmer als auch für die selbständig Tätigen. 109 Mit der Übertragung des Schutzpflichtgedankens auf die Handelsvertreter gegenüber ihren Handelspartnern 110 geht nach den oben dargelegten Zusammenhängen111 jedoch zwangsläufig einher, daß die Handelspartner den Handelsvertretern nicht nur in einer Bedrohungsrolle, sondern auch in einer Förderungsrolle gegenübertreten. Das BVerfG geht in seinem Urteil ausführlich auf die Bedrohungsrolle der Handelspartner ein, indem es deren Möglichkeit zum Vertragsdiktat eingehend darstellt. 112 Demgegenüber fehlt in der Abwägung des Gerichts eine überzeugende Berücksichtigung der Förderungsrolle der Handelspartner. Das BVerfG sieht zwar sehr wohl, daß die zur Debatte stehenden Schutzpflichten in die Freiheitsrechte der Handelspartner eingreifen, es problematisiert diese Frage aber nur in bezug auf die Grundrechte der Handelspartner selbst und nicht in bezug auf mögliche Auswirkungen auf die Situation der Handelsvertreter. 113 Es fehlt jeder 106 BVerfGE 81,242. 107 BVerfGE 84, 133. io» Vgl. oben Abschnitt B.I.3.a. 109 So stellt das BVerfG [BVerfGE 81, 242 (260)] ausdrücklich fest: „Wie bereits ausgeführt wurde, geht es keineswegs nur um die soziale Sicherung abhängig Beschäftigter. Gesetzliche Beschränkungen der Privatautonomie sind zum Schutz und Ausgleich von Grundrechtspositionen auch dann erforderlich, wenn die Vertragsparität auf andere Weise nachhaltig gestört ist.". no Als Handelspartner wird'im folgenden der Vertragspartner des Handelsvertreters bezeichnet. m Vgl. oben Abschnitt B.I.3.b. h 2 Vgl. zunächst die allgemeine Ableitung der Bedrohungsrolle in BVerfGE 81, 242 (255). Später führt das BVerfG [BVerfGE 81, 242 (257)] für die Beispielsituation der Handelsvertreter dazu aus: „ . . . Macht jedoch der Unternehmer den Abschluß eines Handelsvertretervertrages oder die Fortsetzung der Zusammenarbeit von der Unterwerfung unter eine Konkurrenzklausel abhängig, bleibt dem Handelsvertreter vielfach kaum ein Verhandlungsspielraum. Das gilt besonders bei sogenannten Einfirmen-Vertretern ..." .

Β. Grundrechtliche Fundierung der Betriebsverfassung?

111

Hinweis darauf, daß die Beschneidung der Rechte der Handelspartner wegen ihrer Förderungsrolle ggf. auch kontraproduktive Folgewirkungen für die eigentlich zu schützenden Handelsvertreter haben kann und deshalb beide Rollen der Handelspartner im Rahmen der Ableitung einer Schutzpflicht Berücksichtigung finden müssen. Immerhin sieht das BVerfG - im Unterschied zu den Neuinterpreten - den Zusammenhang, daß mit der Ableitung einer Schutzpflicht zugunsten der Handelsvertreter aus Art. 12 Abs. 1 GG notwendigerweise eine Aussage über die inhaltliche Ausgestaltung der Vertragsbeziehung von Handelsvertreter und Handelspartner verbunden werden muß. Da dem Art. 12 Abs. 1 GG jedoch keine inhaltlichen Aussagen zur richtigen Ausgestaltung der Vertragsbeziehung entnommen werden können, hilft sich das Gericht, indem es das erhebliche Kräfteungleichgewicht als Indiz für die Unrichtigkeit des Vertrages wertet. 114 Diese Konstruktion kann aber weder für sich selbst überzeugen noch kann sie die notwendige Abgrenzung von Bedrohungs- und Förderungsrolle leisten. Zur Tragfähigkeit der Konstruktion selbst wird in der Literatur zu Recht darauf verwiesen, daß einerseits der Begriff der Imparitätslage juristisch nicht richtig zu fassen und daher nicht praktikabel sei. 115 Andererseits sei die Ungleichgewichtslage ein untaugliches Indiz für einen fehlgeleiteten Vertragsinhalt, da es zum einen Imparitäten mit tolerablen Ergebnissen gebe, zum anderen aber auch Gleichgewichtslagen mit untragbaren Ergebnissen. 116 Zudem scheitert die Möglichkeit, anhand der Konstruktion die Bedrohungs- und Förderungsrolle unterscheiden zu können, schon daran, daß es keinen zwingenden Zusammenhang zwischen Imparitäten und den beiden Rollen gibt. Zwar kann eine Imparitätslage als unverzichtbare Voraussetzung der Bedrohungsrolle angesehen werden, doch wird in der Regel auch im Bereich der Förderungsrolle der Handelspartner der ungleich Mächtigere gegenüber dem Handelsvertreter sein. Er ist daher nicht ersichtlich, wie anhand des Vorliegens einer Imparitätslage die wichtige Abgrenzung von Bedrohungs- und Förderungsrolle gelingen soll. Es kann denn auch nicht überraschen, daß dem BVerfG in seiner Urteilsbegründung eine überzeugende Ableitung der Verfassungswidrigkeit des § 90a HGB nicht gelingt. Zwar diskutiert das Gericht ausführlich die „Richtigkeit" und Verhältnismäßigkeit des Normtatbestandes; es fehlt aber jeglicher verfassungsrechtlich stringenter Nachweis, daß die Abwägung des BVerfG dem Gedanken des Art. 12 Abs. 1 GG näher steht als die in § 90a HGB manifestierte Abwägung des Gesetzgebers.117

113 Vgl. BVerfGE 81,242 (255). u 4 Vgl. BVerfGE 81, 242 (254 f.). us Vgl. u. a. Adomeit, NJW 1994, S. 2468; Medicus, AcP 192 (1992), S. 62; Oldiges, in: FS für Friauf, S. 296 f.; Wiedemann , JZ 1990, S. 697. 116 So treffend Wiedemann (JZ 1990, S. 697); zustimmend Singer, JZ 1995, S. 1138. 117

Der Optimismus der BVerfG, seine Abwägungen der Verfassung entnehmen zu können, verwundert dabei insbesondere angesichts der zeitgleich formulierten Selbsterkenntnis des Gerichts: „Der Verfassung läßt sich nicht unmittelbar entnehmen, wann Ungleichge-

112

2. Kap.: Betriebsverfassung und Grundgesetz

Hillgruber legt in seinen detaillierten Anmerkungen zum Urteil überzeugend dar, daß im Unterschied zur Annahme des BVerfG der gesetzgeberischen Regelung des § 90 a Abs. 2 Satz 2 HGB doch eine differenzierte Gerechtigkeitsabwägung zugrunde liege. 118 Hillgruber weist zudem nach, daß das BVerfG bei seiner Verwerfung der gesetzgeberischen Abwägung dessen Gesamtregelung auseinanderreißt und erst auf dieser Grundlage dem Gesetzgeber unangemessene Wertungen vorwerfen kann. 119 Schließlich bringt Hillgruber den fehlerhaften Ansatz des BVerfG deutlich auf den Punkt: „Die die Verurteilung des Beschwerdeführers aufhebende Entscheidung des BVerfG geht daher fehl, ebenso die Feststellung der Verfassungswidrigkeit des § 90 a Abs. 2 Satz 2 HGB; denn die hier angestellten Zumutbarkeitserwägungen dürften - unausgesprochen - auch die des Gesetzgebers gewesen sein. Sie sind zumindest vertretbar und halten sich daher im Rahmen der ihm vom BVerfG konzedierten Einschätzungsprärogative." 120 Klarer kann es nicht gesagt werden: Das BVerfG beschneidet den Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers und ersetzt dessen Wertung durch seine eigene, ohne daß es hierfür eine tragfähige verfassungsrechtliche Begründung liefert - es liegt mithin ein geradezu klassischer Fall einer unreflektierten Grundrechtsbehauptung vor. Vor diesem Hintergrund kann es denn auch nicht überraschen, wenn im Schrifttum bezweifelt wird, daß das vom BVerfG gewonnene Ergebnis gegenüber dem vorherigen vom Gesetzgeber bestimmten Zustand einen höheren Gerechtigkeitsgehalt hat. 121 Auch die jüngere Entscheidung des BVerfG zur Kleinbetriebsklausel (§ 23 KSchG) 122 bleibt für die Klärung der Frage, inwieweit im Rahmen des Art. 12 Abs. 1 GG eine Schutzpflicht des Gesetzgebers zugunsten der Arbeitnehmer nachgewiesen werden kann, unergiebig. Zwar konstatiert das Gericht in seiner Entscheidung ausdrücklich eine aus Art. 12 Abs. 1 GG folgende Schutzpflicht des Staates, die Arbeitnehmer in gewissem Umfang gegen den Verlust des Arbeitsplatzes wegen privater Dispositionen zu schützen, doch mangelt es hierfür an einer überzeugenden Begründung. 123 Wie schon in der Handelsvertreterentscheidung will das BVerfG dem Gesetzgeber eine Schutzpflicht auferlegen, die konkurrierenden Grundrechtspositionen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen. Das Gericht geht zum Nachweis der Schutzpflicht jewichtslagen so schwer wiegen, daß die Freiheit durch zwingendes Gesetzesrecht begrenzt oder ergänzt werden muß." BVerfGE 81,242 (255). »« Vgl. Hillgruber, AcP 191 (1991), S. 77 ff. Π9 Vgl. Hillgruber, AcP 191 Kein bzw. kaum Einsatz von Hilfskräften Selbstgewählte Arbeitsstätte Gewerblicher Auftraggeber

Soziale Schutzbedürftigkeit wie Arbeitnehmer

Geringes Qualifikationsniveau 85

Im Ergebnis unterscheiden sich die sonstigen Arbeitnehmerähnlichen von den Heimarbeitern also nur in drei relevanten Merkmalen: der selbstgewählten Arbeitsstätte, dem gewerblichen Auftraggeber sowie dem Erfordernis des geringen Qualifikationsniveaus. Wenn es einem sonstigen Arbeitnehmerähnlichen an einem dieser drei Merkmale mangelt, wird ihm der Status des Heimarbeiters und damit gleichzeitig auch die Zugehörigkeit zum Geltungsbereich des BetrVG verwehrt. Die sachliche Rechtfertigung dieser drei Merkmale ist deshalb im folgenden zu überprüfen. Dagegen ist das Merkmal der sozialen Schutzbedürftigkeit für diese w Vgl. dazu ζ. B. BAG AP Nr. 30, 37 zu § 5 ArbGG 1979; BAG AP Nr. 41 zu § 2 ArbGG 1979; R. Becker, Mitarbeit, S. 101 ff.; Herschel, DB 1977, S. 1185 ff.; Hromadka, NZA 1997, Arbeitnehmer, S. 241 ff.; Otten, NZA 1995, S. 292. S. 1251 ff.; Niebier/Meier/Dubber, Die Gültigkeit dieses Definitionsmerkmals ist strittig. Hierauf wird unten (Abschnitt A.III.2.C.CC.) näher einzugehen sein.

246

5. Kap.: Überprüfung ausgewählter Differenzierungen

Arbeit nicht von Interesse, da es nur dazu dient, die Arbeitnehmerähnlichen von den sonstigen Selbständigen zu unterscheiden. Für die Abgrenzung zum Heimarbeiter ist es ohne Belang.

b) Regelungsziel und zugehöriger Prüfungsmaßstab Wie oben 86 gezeigt, handelt es sich bei dem Einschluß der in Heimarbeit Beschäftigten in den Geltungsbereich des BetrVG um eine Fortschreibung der Gerechtigkeitsentscheidung des Gesetzgebers zum allgemeinen Arbeitnehmerbegriff. Als Prüfungsmaßstab für die Rechtmäßigkeit der mit dieser Gerechtigkeitsentscheidung verbundenen Differenzierungen ist also auf das Willkürverbot zurückzugreifen. 87 Der Ausschluß der sonstigen Arbeitnehmerähnlichen aus der Betriebsverfassung ist demnach nur dann gerechtfertigt, wenn das Fehlen der Merkmale selbstgewählte Arbeitsstätte, gewerblicher Auftraggeber und geringes Qualifikationsniveau einen sachlichen Grund für die Annahme einer fehlenden bzw. signifikant geringeren betriebsverfassungsrechtlichen Schutzbedürftigkeit der sonstigen Arbeitnehmerähnlichen abgibt. Bei der Gleichheitsprüfung ist zu beachten, daß die grundrechtliche Fundierung der Betriebsverfassung nicht prüfungsmaßstabsverschärfend zu berücksichtigen ist. Im folgenden geht es nämlich um Differenzierungen innerhalb der Gruppe der Arbeitnehmerähnlichen, die ihrerseits alle vom Auftraggeber persönlich unabhängig sind. Mit der persönlichen Unabhängigkeit der Arbeitnehmerähnlichen kann das - aus der grundrechtlichen Fundierung der Betriebsverfassung resultierende Postulat der Möglichkeit zur eigenständigen Zukunftsplanung dem Grundsatz nach als gegeben angesehen werden. 88 Dazu bedarf es also in den folgenden Einzeluntersuchungen keiner weiteren Erörterung.

c) Angemessenheit der Differenzierung aa) Zum Differenzierungskriterium der selbstgewählten Arbeitsstätte Das Fehlen einer selbstgewählten Arbeitsstätte bietet eine sachliche Rechtfertigung für einen Ausschluß aus dem Geltungsbereich des BetrVG. Mit einer selbstgewählten Arbeitsstätte geht eine deutlich größere Schutzbedürftigkeit der Beschäftigten einher. Diese These mag auf den ersten Blick überraschen, da im Rahmen der Diskussion zum Arbeitnehmerbegriff die Einbindung in die Betriebsorganisation des Arbeitgebers eine entgegengesetzte Bedeutung hat. Hier wird in der

w Vgl. oben Kapitel 4.C.I.3. 87 Vgl. oben Kapitel 4.C.I. sowie zum Inhalt des Willkürverbots Kapitel 1.D.III.2. 88 Vgl. dazu oben Kapitel 2.D.

Α. Differenzierungen wegen des allgemeinen Arbeitnehmerbegriff s

247

Einbindung in die fremde Betriebsorganisation ein Indiz für die persönliche Abhängigkeit - und damit Schutzbedürftigkeit - des Beschäftigten gesehen. Darum geht es im vorliegenden Fall jedoch nicht. Die persönliche Unabhängigkeit ist für den Arbeitnehmerähnlichen positiv festgestellt. Für den Arbeitnehmerähnlichen ist die Beurteilung der selbstgewählten Arbeitsstätte deshalb danach auszurichten, ob die Leistung weisungsfreier Arbeit zu Hause in einer selbstgewählten Arbeitsstätte unter dem Gesichtspunkt der betriebsverfassungsrechtlichen Schutzbedürftigkeit kritischer zu beurteilen ist, als wenn die Arbeit im Betrieb des Auftraggebers geleistet wird. Und hier ist, wie oben festgestellt, von einer größeren Schutzbedürftigkeit der Arbeitnehmerähnlichen bei selbstgewählter Arbeitsstätte auszugehen. Die höhere Schutzbedürftigkeit resultiert aus den psychischen Belastungen, denen die Heimarbeiter wegen ihrer Anonymität und sozialen Isolation ausgesetzt sind. 89 Noch schwerer wiegt der Umstand, daß die fehlende Öffentlichkeit der selbstgewählten Arbeitsstätte die tatsächliche Arbeitsbelastung und die Arbeitsumstände des Beschäftigten im Dunkeln belassen. Eine mögliche Selbstausbeutung des Beschäftigten ζ. B. durch Verletzung von Arbeitszeit- und Arbeitsplatzschutzvorschriften bleibt unbeobachtet und daher unbemerkt. Diesen Gefahren ist der Arbeitnehmerähnliche, der seine Tätigkeit in der Betriebsstätte des Auftraggebers ableistet, nicht ausgesetzt. Hier würde der 15-Stunden-Tag des Beschäftigten ebenso auffallen wie ζ. B. eine nachlässige Handhabung der Gesundheitsvorschriften. Zudem würde beides mit der sonstigen Betriebsorganisation in Konflikt geraten und schon aus diesem Grunde von den Betriebspartnern nicht hingenommen werden. Dieses Ergebnis findet auch unter dem Aspekt der Planbarkeit der Zukunft Bestätigung. So ist der Arbeitnehmerähnliche, dem sich während seiner Tätigkeit innerhalb der Betriebsstätte des Auftraggebers vielfältige Möglichkeiten zu sozialem Kontakt ergeben, signifikant weniger auf institutionalisierte Informationsgewinnung angewiesen, als derjenige, der in sozialer Isolation zu Hause tätig ist. Die hier vertretene Auffassung steht nicht im Gegensatz zur Auffassung des BAG, wonach allein die Existenz einer selbstgewählten Arbeitsstätte aus einem Arbeitnehmerähnlichen noch keinen Heimarbeiter macht. 90 Denn diese Auffassung resultiert einzig aus dem Umstand, daß die Heimarbeitereigenschaft an mehrere Voraussetzungen geknüpft ist und daher die Erfüllung nur einer Voraussetzung noch keineswegs zwingend die Zuerkennung des Heimarbeiterstatus zur Folge hat. Unbenommen hiervon bleibt die Tatsache, daß die selbstgewählte Arbeitsstätte jedenfalls eine zwingende Voraussetzung der Heimarbeitereigenschaft ist und ein Ausschluß aus der Betriebsverfassung, der sich einzig auf das Fehlen dieser Eigenschaft stützt, sachlich gerechtfertigt ist. 89 Vgl. zur Arbeitssituation der Heimarbeiter ζ. B. Becker, R., Mitarbeit, S. 131 ff. und insbesondere zur Situation der Teleheimarbeiter Wedde, ArbuR 1987, S. 327 ff. 90 Vgl. BAG, AP Nr. 48 zu § 5 BetrVG 1972; BAG, AP Nr. 3 zu § 2 HAG. Vgl. dazu auch Maus, Anmerkung zu AP Nr. 3 zu § 2 HAG m. w. N.

248

5. Kap.: Überprüfung ausgewählter Differenzierungen

bb) Zum Differenzierungskriterium des gewerblichen Auftraggebers Das in § 2 Abs. 1 HAG statuierte Erfordernis eines gewerblichen Auftraggebers ist vom Gesetzgeber mit der ausdrücklichen Intention eingeführt worden, die stärker schutzbedürftigen von den weniger schutzbedürftigen Arbeitnehmerähnlichen zu unterscheiden.91 Von dieser Grundregel hat der Gesetzgeber in § 2 Abs. 4 HAG eine Ausnahme geschaffen. Nach dieser Vorschrift kann Heimarbeit unter bestimmten Voraussetzungen auch im Auftrag von (nichtgewerblichen) gemeinnützigen und karitativen Einrichtungen geleistet werden. Unklar ist demgegenüber, welche Überlegungen den Gesetzgeber bewogen haben, von einer größeren Schutzbedürftigkeit der Heimarbeiter mit gewerblichen Auftraggebern gegenüber denen mit nicht gewerblichen Auftraggebern auszugehen. Ebenso unklar bleibt, auf welche Erwägungen der Gesetzgeber die Ausnahme Vorschrift des § 2 Abs. 4 HAG stützen will. Das Fehlen jeglicher Begründung für das Erfordernis des gewerblichen Auftraggebers wird weder von der Rechtsprechung92 noch vom Schrifttum 93 hinterfragt. Die damit verbundenen Differenzierungen werden vielmehr, wohl wegen der unmißverständlichen gesetzgeberischen Wertung, ohne weitere Untersuchung hingenommen. Indessen kann - entgegen der allgemeinen Auffassung - das Erfordernis eines gewerblichen Auftraggebers als Rechtfertigung für eine Differenzierung bezüglich des Geltungsbereichs des BetrVG nicht überzeugen. Es ist schlechterdings nicht ersichtlich, welchen inhaltlichen Bezug die gewerberechtliche Einordnung des Auftraggebers für die betriebsverfassungsrechtliche Schutzbedürftigkeit des sonstigen Arbeitnehmerähnlichen haben soll. Ob der Teleheimarbeiter seinen Schreibauftrag von einer (nicht gewerblichen) Anwaltsozietät oder einer (gewerblichen) Spedition erhält, ist für die weiteren Umstände seiner Tätigkeitsverrichtung ohne jeden Belang. Zurecht weist deshalb Maus in anderem Zusammenhang darauf hin, daß der gewerberechtliche Status des Auftraggebers für den Heimarbeiter zufällig sei. 94 Auch hat der Heimarbeiter keinen Einfluß darauf, ob und inwieweit sich der Status des Auftraggebers ändert. Hierzu kann auf das Beispiel eines Industrieunternehmens verwiesen werden, das beschließt, seine Rechtsabteilung auszugliedern. Wenn die so entstandene freie Anwaltssozietät wie vordem ihre Schriftsätze von Teleheimarbeitern schreiben läßt, entsteht die Situation, daß die Teleheimarbeiter den Schutz des HAG (und des BetrVG) verlieren, obschon ihre Tätigkeit und ihre Auftraggeber faktisch identisch geblieben sind. Sachliche Gründe für solche Folgewirkungen sind nicht ersichtlich. Wollte man trotzdem aus dem

91

Vgl. dazu die Begründung zum Regierungsentwurf zum HAG, BT-Drucksache 1/1357, S. 19 f. 92 Vgl. zuletzt BAG, AP Nr. 48 zu § 5 BetrVG 1972. 93 Vgl. z. B. F/K/H/E, § 5, Rn. 99; GK-Kraft, § 6, Rn. 12; Galperin/Löwisch, § 6, Rn. 14; H/S/G-Hess, § 6, Rn. 7; Kappus, NJW 1984, S. 2388; Kilian/Borsum/Hoffmeister, NZA 1987, S. 405; Otten, Telearbeit, S. 43 f.; Schmidt/Koberski/Tiemann/Wascher, § 2, Rn. 19 ff.; Richardi, § 6, Rn. 38. 94 Vgl. Maus, Anmerkung zu BAG AP Nr. 3 zu § 2 HAG.

Α. Differenzierungen wegen des allgemeinen Arbeitnehmerbegriff s

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Umstand eines gewerblichen Auftraggebers auf eine größere Schutzbedürftigkeit des Heimarbeiters (Arbeitnehmerähnlichen) schließen, so könnte sich dies nur auf die abseitige Vorstellung stützen, gewerbliche Auftraggeber hätten gegenüber anderen Auftraggebern das geringere soziale Gewissen und neigten daher eher zur »Ausbeutung" der Auftragnehmer. Nicht überzeugen kann auch der Rechtfertigungsansatz von Schmidt/Koberski/Tiemann/Wascher. Danach ist die Differenzierung nach dem Merkmal gewerblicher Auftraggeber deswegen hinzunehmen, weil hierdurch Angestellte und Arbeiter gleichermaßen betroffen seien und deshalb dem Gebot Rechnung getragen werde, zwischen Arbeitern und Angestellten nicht ohne sachlichen Grund zu unterscheiden.95 Mit dieser Rechtfertigung wird der Gleichheitssatz unzulässigerweise auf ein Gebot zur Gleichbehandlung von Arbeitern und Angestellten reduziert. Dies ist zwar in der Tat eine wichtige Differenzierung im Arbeitsrecht, aber selbstverständlich nicht die einzige. Der Gleichheitssatz beansprucht Gültigkeit für alle denkbaren Differenzierungen und fordert für diese eine sachliche Rechtfertigung. Eine solche ist im vorliegenden Fall jedoch - wie gezeigt - nicht erkennbar. Im Ergebnis ist deshalb das Erfordernis des gewerblichen Auftraggebers als Bestimmungsmerkmal des Heimarbeiterbegriffs sachlich nicht gerechtfertigt. Das Erfordernis führt zu willkürlichen Differenzierungen und verstößt insoweit gegen das Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG. 9 6

cc) Zum Differenzierungskriterium des geringen Qualifikationsniveaus Im Rahmen der Heimarbeiterdefinition ist strittig, ob bei geistiger Heimarbeit (also auch der Teleheimarbeit) als zusätzliches Definitionsmerkmai ein geringes Qualifikationsniveau der Tätigkeit zu fordern ist. Während dies von einem Teil des Schrifttums 97 in der Tradition der bisherigen Rechtsprechung und deren Rückgriff auf die allgemeine Verkehrsanschauung gefordert wird, verneint ein anderer Teil 9 8 dies unter Hinweis auf die geänderte und nunmehr eindeutige Formulierung des 95

Vgl. Schmidt/Koberski/Tiemann/Wascher, § 2, Rn. 95 f. mit ausdrücklichem Hinweis auf die Rechtsprechung des BVerfG zur Differenzierung zwischen Arbeitern und Angestellten. 96

A.A. jedoch Otto, der die Differenzierung zwischen geistiger und handwerklicher Heimarbeit zwar für wenig zeitgemäß erachtet, einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG jedoch für nicht gegeben hält. Allerdings fehlt es bei Otto zu dieser These an einer näheren Begründung. Vgl. Otto, Anmerkung zu AP Nr. 48 zu § 5 BetrVG 1972. 97 Vgl. ζ. B. Becker, R., Mitarbeit, S. 137 f.; Brecht, § 2 HAG, Rn. 9; Fangmann, AiB 1994, S. 211; Goerke, AuA 1996, S. 189; GK-Kraft, § 6, Rn. 13; Maus/Schmidt, § 2, Rn. 63. 9 » Vgl. ζ. B. Albrecht, NZA 1996, S. 1241; Kilian/Borsum/Hoffmeister, NZA 1987, S. 404 f.; Kappus, NJW 1984, S. 2386 ff.; ders., NZA 1987, S. 409; Otten, Telearbeit, S. 40 f.; Schmidt/Koberski/Tiemann/Wascher, § 2, Rn. 62 f. u. 94; Wank, Arbeitnehmer, S. 289 f.

250

5. Kap.: Überprüfung ausgewählter Differenzierungen

Gesetzestextes. Das BAG hat diese Streitfrage zuletzt ausdrucklich offen gelas99

sen. Auch an dieser Stelle bedarf die Frage keiner Entscheidung.100 Beide möglichen Auslegungsergebnisse sind nämlich mit den Anforderungen des Gleichheitssatzes vereinbar. Wenn das Merkmal des geringen Qualifikationsniveaus abgelehnt wird, erübrigt sich die Gleichheitsüberprüfung. Ohne das Differenzierungskriterium gibt es keine Differenzierung. Wird dagegen im Erfordernis der geringen Qualifikationshöhe ein wesentliches Bestimmungsmerkmal des Heimarbeiterbegriffs gesehen, so führt dies im Ergebnis zum Ausschluß der höher qualifizierten Tätigkeiten aus dem Heimarbeiterbegriff und damit auch aus dem Geltungsbereich der Betriebsverfassung. Dieser Ausschluß ist indessen sachlich gerechtfertigt. Die sachliche Rechtfertigung resultiert aus dem Umstand, daß mit zunehmender Qualifikation einer Tätigkeit typischerweise die Marktmacht und infolgedessen auch die Chancen des Anbieters am Arbeitsmarkt steigen. Da sich mit steigender Marktmacht und Chancen eines Anbieters im Gegenzug dessen Schutzbedürftigkeit verringert, ist es sachlich gerechtfertigt, wenn der Gesetzgeber an diesen Umstand den Ein- bzw. Ausschluß aus dem HAG bzw. BetrVG knüpft. Auf das Beispiel der Teleheimarbeiter bezogen zeigt sich dieser Zusammenhang darin, daß der hoch qualifizierte und spezialisierte Programmierer gegenüber den Abnehmern seiner Tätigkeit eine deutlich stärkere Position innehat, als die auf standartisierte - und damit austauschbare - Tätigkeiten festgelegte geringer qualifizierte Büro(heim)schreibkraft. Dem Merkmal „Qualifikationsniveau" kann dabei auch nicht entgegengehalten werden, daß es für sich allein gesehen kaum in der Lage sei, die vielschichtige Frage nach der Marktmacht - und damit auch mangelnden Schutzbedürftigkeit - eines Beschäftigten hinreichend zu beantworten. Denn bei der anstehenden Beurteilung wollen die Verfechter der Qualifikationsforderung nicht nach formalen und abstrakten Merkmalen vorgehen, sondern sich nach der allgemeinen Verkehrsanschauung über die Schutzbedürftigkeit eines Berufsbildes richten. Hierdurch wird in hinreichendem Maße sichergestellt, daß die Ausschlüsse nach dem Kriterium des hohen Qualifikationsniveaus sich an der tatsächlichen Schutzbedürftigkeit der Beschäftigten orientieren.

99 Vgl. BAG, AP Nr. 48 zu § 5 BetrVG 1972. 100 Es sei an dieser Stelle jedoch angemerkt, daß die Auslegung der Gesetzesmaterialien keineswegs zu einem so eindeutigen Ergebnis führt, wie es die Gegner des Rückgriffs auf die Verkehrsanschauung annehmen. So spricht zwar die grammatische Auslegung für deren Standpunkt, doch zeigt die historische Auslegung, daß der Gesetzgeber mit seiner Formulierung nur die Möglichkeit, nicht aber das Faktum des Einschlusses aller Angestelltentätigkeiten eröffnen wollte (BT-Drucksache VII/975, S. 14). Auch im Rahmen der systematischen Auslegung stellt sich der unbeschränkte Einschluß aller Angestelltentätigkeiten als Fremdkörper dar, da der Gesetzgeber im HAÄndG an anderer Stelle penibel darauf bedacht war, den Kreis der Begünstigten im HAG restriktiv zu zeichnen (Vgl. BT-Drucksache VII/2025, S. 4).

Α. Differenzierungen wegen des allgemeinen Arbeitnehmerbegriffs

251

Im Ergebnis ist deshalb festzuhalten, daß der Ausschluß der höher qualifizierten Arbeitnehmerähnlichen aus der Betriebsverfassung - so man ihn überhaupt als Teil der gesetzgeberischen Definition betrachten will - sachlich gerechtfertigt ist und also den Anforderungen des Gleichheitssatzes standhält. d) Zusammenfassung der Ergebnisse Die Untersuchungen zur Differenzierung zwischen Heimarbeitern und sonstigen Arbeitnehmerähnlichen haben ein uneinheitliches Ergebnis geliefert. Zunächst hat sich gezeigt, daß sich die Definitionen der Heimarbeiter und der Arbeitnehmerähnlichen trotz vielfältiger unterschiedlicher Begriffe faktisch nur durch die Erfordernisse der selbstgewählten Arbeitsstätte, des gewerblichen Auftraggebers sowie möglicherweise - des geringen Qualifikationsniveaus unterscheiden. 101 Von diesen Differenzierungskriterien führen die selbstgewählte Arbeitsstätte sowie das geforderte geringe Qualifikationsniveau zu sachlich gerechtfertigten Differenzierungen zum persönlichen Geltungsbereich des BetrVG. 102 Dagegen ist das Erfordernis eines gewerblichen Auftraggebers nicht in der Lage, einen Ausschluß der Arbeitnehmerähnlichen aus der Betriebsverfassung zu rechtfertigen. Die auf dieses Erfordernis gestützten Differenzierungen zum persönlichen Geltungsbereich des BetrVG sind mit den Anforderungen des allgemeinen Gleichheitssatzes nicht vereinbar. 103

3. Unterscheidung zwischen Hausgewerbetreibenden und sonstigen Arbeitnehmerähnlichen Die Gruppe der Hausgewerbetreibenden wird in § 2 Abs. 2 HAG definiert. Die darin vorgegebenen Bestimmungsmerkmale decken sich weitgehend mit denen der Heimarbeiter. Insoweit kann daher auf die Ausführungen zu den Heimarbeitern verwiesen werden. 104 Die Unterschiede beschränken sich aus der Sicht der Hausgewerbetreibenden auf die Anmeldung eines Gewerbes, die Möglichkeit zur Beschäftigung zweier Hilfskräfte bzw. Heimarbeiter sowie die Beschränkung auf gewerbliche Tätigkeiten. Im folgenden ist zu untersuchen, in welchem Umfang durch diese Merkmale die Gruppe der Hausgewerbetreibenden in sachlich gerechtfertigter Weise von den sonstigen Arbeitnehmerähnlichen abgegrenzt wird. Da die Hausgewerbetreibenden durch den Einschluß in die Betriebsverfassung gegenüber den sonstigen Arbeitnehmerähnlichen einen größeren Schutz genießen, muß sich eine sachlich gerechtfertigte Abgrenzung auf eine geringere Schutzbedürftigkeit der zuletzt genannten stützen können. ιοί Vgl. oben Abschnitt IV.2.a. 102 Vgl. oben Abschnitt IV.2.c.aa. und IV.2.c.cc. 103 Vgl. oben Abschnitt IV.2.c.bb. 1 04 Zur weitgehenden Übereinstimmung der Definition von Heimarbeitern und Hausgewerbetreibenden vgl. ζ. B. Wank, Arbeitnehmer, S. 288.

252

5. Kap.: Überprüfung ausgewählter Differenzierungen

Ohne nähere Berücksichtigung können die Merkmale der Gewerbeanmeldung und der Hilfskraftbeschäftigung bleiben. Dies resultiert aus der schon bei den Heimarbeitern aufgezeigten Tatsache, daß die Möglichkeit zur Beschäftigung von Hilfskräften höchstens geeignet ist eine geringere, keinesfalls jedoch die geforderte höhere Schutzbedürftigkeit der Hausgewerbetreibenden gegenüber den zur persönlichen Mitarbeit verpflichteten Arbeitnehmerähnlichen zu begründen. 105 Auch das Erfordernis der Gewerbeanmeldung ist ersichtlich nicht geeignet, eine größere Schutzbedürftigkeit der Hausgewerbetreibenden zu begründen. 106 Somit bleibt gegenüber den Untersuchungen zum Heimarbeiter für die Hausgewerbetreibenden nur die zusätzliche Beschränkung des Tätigkeitsfeldes auf gewerbliche Arbeiten zu untersuchen. Da im Unterschied zu den Heimarbeitern im Rahmen des HAÄndG in bezug auf die Büroheimarbeit für die Hausgewerbetreibendendefinition keine Änderung vorgenommen wurde, bleiben Hausgewerbetreibende begrifflich auf solche Tätigkeiten beschränkt, die die Herstellung, Bearbeitung und Verpackung von Waren zum Gegenstand haben. Es ist demnach nicht möglich, Büroheimarbeit im Beschäftigungsverhältnis des Hausgewerbetreibenden zu leisten. 107 Da nach allgemeiner Ansicht der Hausgewerbetreibende nicht zwingend auch Hilfskräfte beschäftigen muß, führt die Beschränkung der Hausgewerbetreibenden auf gewerbliche Arbeiten im Ergebnis dazu, daß ein Teleheimarbeiter den Schutz des HAG nur dadurch verlieren kann, daß er eine Gewerbeanmeldung vornimmt. Die hierin liegende Differenzierung wird im Schrifttum zuweilen kritisiert und unter Hinweis auf die Regelung bei den Heimarbeitern im Wege der Analogiebildung beseitigt. 108 Ein solches Vorgehen ist abzulehnen, da es an den Voraussetzungen einer Analogiebildung mangelt. Der Gesetzgeber hat, wie oben gezeigt, 109 zum Begriff der in Heimarbeit Beschäftigten eindeutig Wertentscheidungen vorgegeben, die einer Analogiebildung nicht zugänglich sind. Aus diesem Grunde sind die Abgrenzungsentscheidungen des Gesetzgebers zum Hausgewerbetreibendenbegriff solange hinzunehmen, wie die daraus resultierenden Ungleichbehandlungen nicht mit dem Gleichbehandlungsgebot kollidieren. Eine solche Kollision streiten Otto und Schmidt/Koberski/Tiemann/Wascher ausdrücklich ab. Während Otto für seine Auffassung keine weiteren Argumente anführt, 110 sehen Schmidt/Koberski/Tiemann/Wäscher die gesetzgeberische Entscheidung dadurch gestützt, daß es keine Verkehrsauffassung darüber gebe, den Hausgewerbe105 Vgl. dazu oben Abschnitt A.III.2. 106 Vgl. dazu ζ. B. Kappus, NJW 1984, S. 2387; Otten, NZA 1995, S. 292 f. sowie Wank, Arbeitnehmer, S. 288 ff. 107 Vgl. ζ. B. Otten, Telearbeit, S. 49 und 335; Schmidt/Koberski/Tiemann/Wascher, § 2, Rn. 35 und 65 f. io» Vgl. Kappus, NJW 1984, S. 2387 sowie Wank, Arbeitnehmer, S. 288 ff. 109 Vgl. oben Kapitel 3.D.I.2. no Vgl. Otto, Anmerkung zu BAG AP Nr. 48 zu § 5 BetrVG 1972.

Α. Differenzierungen wegen des allgemeinen Arbeitnehmerbegriffs

253

treibendenbegriff für Angestelltentätigkeiten öffnen zu müssen.111 Indessen verwechseln die Genannten hier das Motiv einer gesetzgeberischen Entscheidung mit deren sachlicher Rechtfertigung: Der Ausschluß der Teleheimarbeiter vom Hausgewerbetreibendenbegriff ist nicht allein damit zu begründen, daß er gemeinhin akzeptiert wird, sondern er ist nur dann gerechtfertigt, wenn zwischen der Art der Tätigkeit der Hausgewerbetreibenden und deren Schutzbedürftigkeit im Sinne des HAG (und BetrVG) ein sachlicher Zusammenhang besteht. Ein solcher Zusammenhang ist jedoch nicht zu erkennen. Zwar ist anzuerkennen, daß bei der hier zu untersuchenden Differenzierung aufgrund der Art der Tätigkeit faktische Unterschiede feststellbar sind. Dies war bei der oben als sachlich nicht gerechtfertigt identifizierten Differenzierung wegen des Erfordernisses eines gewerblichen Auftraggebers nicht der Fall. Doch hat der Gesetzgeber schon bei den Heimarbeitern festgestellt, daß diese Unterschiede zwischen geistiger und handwerklicher Heimarbeit für den Schutzzweck des HAG irrelevant sind und deshalb beide Tätigkeitsgruppen in den Geltungsbereich des HAG fallen sollen. 112 Da zwischen den Heimarbeitern und den Hausgewerbetreibenden keine Unterschiede erkennbar sind, welche die Gültigkeit dieser gesetzgeberischen Feststellungen für die Gruppe der Hausgewerbetreibenden in Frage stellen können, fehlt es einer Differenzierung zwischen Hausgewerbetreibenden mit handwerklicher Arbeit und solchen mit geistiger Tätigkeit an einer sachlichen Rechtfertigung. Dieser Feststellung kann nicht entgegengehalten werden, der Gesetzgeber habe beim HAÄndG - anders als bezüglich der Heimarbeiter - ausdrücklich darauf verzichtet, auch Hausgewerbetreibende für Angestelltentätigkeiten zuzulassen, und diese Entscheidung des Gesetzgebers müsse angesichts der Unterschiede zwischen Hausgewerbetreibenden und Heimarbeitern respektiert werden. 113 Eine solche Argumentation verwechselt zwei verschiedene Fragestellungen: Zum einen die Frage nach der Differenzierung zwischen den Heimarbeitern und den Hausgewerbetreibenden und zum anderen die Frage nach einer Differenzierung innerhalb der Gruppe der Hausgewerbetreibenden. Hinsichtlich der ersten Frage ist unbestritten, daß der Gesetzgeber die vorhandenen Unterschiede zwischen Heimarbeitern und Hausgewerbetreibenden zum Anknüpfungspunkt einer Ungleichbehandlung machen dürfte. Und in der Tat könnte hier gefragt werden, ob der Einschluß der Hausgewerbetreibenden aus Schutzbedürftigkeitsgründen überhaupt notwendig ist. 1 1 4 m Vgl. Schmidt/Koberski/Tiemann/Wascher, § 2, Rn. 36 und 65 f. 112 Vgl. dazu oben Kapitel 3.D.I.2.b.aa., Kapitel 5.A.III.2.C. sowie BT-Drucksache V I I / 975, S. 13 f. n 3 Vgl. dazu ζ. B. Hanau (in: FS für Müller, S. 178), der die Einbeziehung der in Heimarbeit Beschäftigten in die Betriebsverfassung schon dem Grundsatz nach für unnötig hält und daher auch die Notwendigkeit zusätzlicher Einschlüsse ausdrücklich in Frage stellt. 114 So könnte bei den Hausgewerbetreibenden gegenüber den Heimarbeitern ζ. B. ein vergleichbares Ausmaß an sozialer Isolation durch die vorhandenen Hilfskräfte und die Gefahr einer Vernachlässigung von Schutzvorschriften durch die Arbeitgeberverantwortung für die Hilfskräfte in Frage gestellt sein.

254

5. Kap.: Überprüfung ausgewählter Differenzierungen

Wenn der Gesetzgeber sich jedoch dazu entscheidet, auch Hausgewerbetreibende unter den Schutz der HAG (und der Betriebsverfassung) zu stellen, so ist ihm bei dieser Entscheidung jedenfalls die Differenzierung innerhalb der Gruppe der Hausgewerbetreibenden nach der Art der Tätigkeit aus den oben dargestellten Gründen verwehrt. 115 Zusammenfassend ist zur Differenzierung zwischen den Hausgewerbetreibenden und den sonstigen Arbeitnehmerähnlichen somit folgendes Ergebnis festzuhalten: In weiten Teilen deckt sich die Hausgewerbetreibendendefinition mit der Definition der Heimarbeiter. Aus diesem Grund sind die dort gefundenen Ergebnisse zur Differenzierung gegenüber den sonstigen Arbeitnehmerähnlichen auch hier relevant. Die Bestimmungsmerkmale der selbstgewählten Arbeitsstätte sowie das geforderte geringe Qualifikationsniveau führen zu sachlich gerechtfertigten Differenzierungen zum persönlichen Geltungsbereich des BetrVG, während das Erfordernis eines gewerblichen Auftraggebers nicht in der Lage ist, einen Ausschluß der arbeitnehmerähnlichen Hausgewerbetreibenden aus der Betriebsverfassung zu rechtfertigen. 116 Daneben ist auch das nur für die Hausgewerbetreibenden geltende Erfordernis der gewerblichen Tätigkeit sachlich nicht gerechtfertigt. Den auf dieses Erfordernis gestützten Differenzierungen zum persönlichen Geltungsbereich des BetrVG fehlt es an einer sachlichen Rechtfertigung. Sie sind daher mit den Anforderungen des allgemeinen Gleichheitssatzes nicht vereinbar. 4. Ausschluß der mitarbeitenden Hilfskräfte und Heimarbeiter Nach allgemeiner Ansicht gelten die mitarbeitenden Hilfskräfte und Heimarbeiter nicht als Arbeitnehmer im Sinne des BetrVG, da es bei diesen Beschäftigten an einer rechtlichen Beziehung zum ursprünglichen Auftraggeber der Heimarbeit dem Betriebsinhaber - mangelt. 117 Die mitarbeitenden Beschäftigten stehen lediglich zum zwischengeschalteten Hausgewerbetreibenden in einem Arbeits- bzw. Heimarbeitsverhältnis. Der Ausschluß der mitarbeitenden Beschäftigten wird in Rechtsprechung und Schrifttum ganz überwiegend akzeptiert und nicht weiter problematisiert. 118 Diese Einschätzung bedarf jedoch einer näheren Untersuchung, da im Ausschluß der mitarbeitenden Beschäftigten eine Ungleichbehandlung gegenüber der Gruppe der mittelbaren Arbeitnehmer zu sehen ist: Auch mittelbare Arbeitnehmer stehen in keiner direkten Vertragsbeziehung zum Arbeitgeber, sondern sie verbindet lediglich ein Arbeitsverhältnis zu einem Arbeitnehmer des Arbeitgebers. Trotzdem sind auch die mittelbaren Arbeitnehmer nach allgemeiner Auffassung Arbeitnehmer im Sinne des BetrVG. 119

Π5 Wie hier auch Kappus, NJW 1984, S. 2387 f. 116 Vgl. oben Abschnitt III.2.C.CC. 117 Vgl. ζ. B. Otten, Heimarbeit, S. 37. "β Vgl. z. B. F/K/H/E, § 5, Rn. 99; Galperin/Löwisch, Rn. 16; Richardi, § 6, Rn. 37.

§ 6, Rn. 14; GK-Kraft,

§ 6,

Α. Differenzierungen wegen des allgemeinen Arbeitnehmerbegriffs

255

Die hierin liegende Ungleichbehandlung ist aber sachlich gerechtfertigt. Zwar ist die Grundkonstellation bei mittelbaren Arbeitnehmern und mitarbeitenden Beschäftigten in der Tat vergleichbar. Bei beiden fehlt es an einer vertraglichen Beziehung zum Auftraggeber, und beide sind vertraglich an eine dritte Person gebunden, die ihrerseits als Arbeitnehmer im Sinne des BetrVG gilt. Doch unterscheiden sich beide Beschäftigungsformen erheblich in der Qualität ihrer Beziehung zum ursprünglichen Auftraggeber. So hat der Gesetzgeber die Arbeitnehmereigenschaft mithin die persönliche Abhängigkeit vom Betriebsinhaber - zur grundsätzlichen Voraussetzung der Zuerkennung der betriebsverfassungsrechtlichen Schutzbedürftigkeit gemacht. Diese Grundsatzentscheidung gilt auch für mittelbare Arbeitnehmer. Letztere fallen nur dann in den Geltungsbereich des BetrVG, wenn sichergestellt ist, daß sie dem Betriebsinhaber gleich einem normalen Arbeitnehmer weisungsunterworfen - im Ergebnis also persönlich abhängig - sind. 120 Anders ist die Situation bei den mitarbeitenden Hilfskräften. Hier stellt schon der Einschluß der Zwischenperson (des Hausgewerbetreibenden) eine Ausnahmeentscheidung des Gesetzgebers vom Grundprinzip dar. 121 Der zusätzliche Einschluß auch der mitarbeitenden Hilfskräfte stellt aus dieser Sicht eine weitere Fortschreibung der Ausnahmeentscheidung und damit im Ergebnis auch weitere Entfernung von der Grundentscheidung für das Merkmal der persönlichen Abhängigkeit dar. Die hierin zu Tage tretende unterschiedliche Qualität der Beziehungen zwischen den mittelbar Beschäftigten und dem Betriebsinhaber rechtfertigt eine Ungleichbehandlung beider in bezug auf den persönlichen Geltungsbereich des BetrVG. Der Ausschluß der mitarbeitenden Hilfskräfte und Heimarbeiter aus der Betriebsverfassung ist daher sachlich gerechtfertigt. 122

5. Ausschluß der nach § 1 Abs. 2 HAG Gleichgestellten Das HAG sieht in § 1 Abs. 2 HAG die Möglichkeit vor, daß gewisse Arbeitnehmerähnliche, die nicht den Anforderungen der Definitionen des Heimarbeiters gemäß § 2 Abs. 1 HAG oder des Hausgewerbetreibenden gemäß § 2 Abs. 2 HAG gerecht werden, im Rahmen eines Gleichstellungsverfahrens in den Geltungsbereich des HAG aufgenommen werden können. Nach dem Willen des Gesetzgebers und allgemeiner Ansicht gelten diese Gleichgestellten nicht als Arbeitnehmer im Π9 Vgl. ζ. B. D/K/K-Trümner, § 5, Rn. 92; F/K/H/E, Rn. 26; H/S/G-Hess, § 5, Rn. 14; Richardi, § 5, Rn. 89 f. 120 Vgl. ζ. B. D/K/K-Trümner, § 5, Rn. 92; F/K/H/E, Rn. 26; H/S/G-Hess, § 5, Rn. 14; Richardi, § 5, Rn. 89 f.

§ 5, Rn. 67 f.; GK-Kraft,

§ 5,

§ 5, Rn. 67 f.; GK-Kraft,

§ 5,.

121 Vgl. zu den gesetzgeberischen Zielen im Rahmen der Gewinnliste oben Kapitel 4.C.I. 122 Unberührt von diesem Ergebnis bleibt die Möglichkeit, daß der Gesetzgeber die bestehenden Unterschiede bzgl. der mitarbeitenden Beschäftigten aus sozialpolitischer Sicht für unerheblich erklärt und die mitarbeitenden Beschäftigten in den Geltungsbereich des BetrVG aufnimmt.

256

5. Kap.: Überprüfung ausgewählter Differenzierungen

Sinne des BetrVG. 1 2 3 Der Wille des Gesetzgebers leitet sich daraus ab, daß gemäß § 6 BetrVG nur die in Heimarbeit Beschäftigten als Arbeitnehmer im Sinne des BetrVG gelten. Will der Gesetzgeber demgegenüber auch die Gleichgestellten in den Geltungsbereich eines Arbeitnehmerschutzgesetzes aufnehmen, so führt er diese in der jeweiligen Geltungsbereichsdefinition ausdrücklich an (vgl. z. B. § 2 Abs. 2 Nr. 1 BeschSchG und §§ 49 Abs. 1, Abs. 4 und Abs. 5 SchwbG). 124 Da der Gesetzgeber in § 6 BetrVG hierauf verzichtet hat, sind die Gleichgestellten aus dem Geltungsbereich des BetrVG ausgeschlossen. Dieser Ausschluß ist in zweierlei Hinsicht zu überprüfen. Zunächst ist zu fragen, ob der Ausschluß der Gleichgestellten dem Grundsatz nach gerechtfertigt ist. Anschließend sind die Ausschlußgriinde der Unterfälle des § 1 Abs. 2 HAG im einzelnen auf ihre Stichhaltigkeit zu überprüfen. a) Grundsätzliche Rechtfertigung

des Ausschlusses der Gleichgestellten

Die grundsätzliche Erlaubnis zum Ausschluß der Gleichgestellten könnte dadurch in Frage gestellt sein, daß sich schon die Trennlinie zwischen den in Heimarbeit Beschäftigten und den sonstigen Arbeitnehmerähnlichen auf feinste und keineswegs auf der Hand liegende Abgrenzungsdetails stützen muß. 125 Wenn nun im Rahmen eines Gleichstellungsverfahrens ausdrücklich die vergleichbare Schutzbedürftigkeit der arbeitnehmerähnlichen Gleichgestellten festgestellt wird, erscheint es auf den ersten Blick problematisch, wollte man dieser Personengruppe trotzdem den Schutz der Betriebsverfassung vorenthalten. Doch ist bei näherem Hinsehen hierin kein Problem zu erkennen. So ist, wie oben gezeigt, 126 die Gruppe der Arbeitnehmerähnlichen wegen ihrer persönlichen Unabhängigkeit dem Grundsatz nach insgesamt nicht auf den Schutz der Betriebsverfassung angewiesen. Insofern besteht aus Schutzbedürftigkeitsgesichtspunkten keine zwingende Notwendigkeit, die Arbeitnehmerähnlichen in die Betriebsverfassung aufzunehmen, und es ist gerechtfertigt, an die Erkenntnis der Gleichstellungsbedürftigkeit einer Gruppe nur den Schutz des HAG, nicht aber den Schutz der Betriebsverfassung zu knüpfen. b) Zu den Gleichstellungsfällen

im einzelnen

Diese grundsätzliche Zustimmung zum Ausschluß der Gleichgestellten kann auch bei Betrachtung der Einzelfälle gem. § 1 Abs. 2 HAG aufrechterhalten wer123 Vgl. z. B. F/K/H/E, § 5, Rn. 99; Galperin/Löwisch, § 6, Rn. 14; GK-Kraft, § 6, Rn. 16; H/S/G-Hess, § 6, Rn. 7; Richardi, § 5, Rn. 38. 124 Zur gesetzgeberischen Wertentscheidung vgl. die detaillierten Nachweise bei Otten, Heimarbeit, S. 36 f. 125 Zur Gegenüberstellung der Definitionen von Heimarbeiter und sonstigen Arbeitnehmerähnlichen vgl. oben Abschnitt A.III.2.a. 126 Vgl. dazu oben Abschnitt A.III.2.b.

Α. Differenzierungen wegen des allgemeinen Arbeitnehmerbegriffs

257

den. Buchstabe a) - der Ausschluß bei gewerblicher Tätigkeit bzw. gewerblichem Auftraggeber - ist durch die Ergebnisse der vorherigen Abschnitte weitgehend unproblematisch. Weder das Fehlen eines gewerblichen Auftraggebers noch die fehlende gewerbliche Tätigkeit dürfen nach der hier vertretenen Ansicht zum Verlust der Einordnung als „in Heimarbeit Beschäftigter" führen. 127 Buchstabe a) behält seine Gültigkeit lediglich für die Gleichstellung der höher qualifizierten Tätigkeiten. Deren Ausschluß aus der Betriebsverfassung ist, wie oben gezeigt, sachlich gerechtfertigt. 128 Gemäß Buchstabe b) können Hausgewerbetreibende mit mehr als zwei Hilfskräften oder Heimarbeitern gleichgestellt werden. Auch der Ausschluß dieser Personengruppe aus der Betriebsverfassung ist sachlich gerechtfertigt. Bereits oben wurde für die Hausgewerbetreibenden mit bis zu zwei Hilfskräften oder Heimarbeitern die Frage aufgeworfen, ob deren Schutzbedürftigkeit wegen ihrer Arbeitgebereigenschaft gegenüber den Hilfskräften schon grundsätzlich geringer ist als diejenige der Heimarbeiter. 129 Es ist nun offensichtlich, daß mit zunehmender Anzahl von Hilfskräften sich diese Zweifel zur Gewißheit verdichten, da ab einem Umfang von fünf Hilfskräften der Hausgewerbetreibende nach § 1 BetrVG selbst zum Arbeitgeber im Sinne der Betriebsverfassung wird. Die vom Gesetzgeber bei zwei Hilfskräften gezogene Grenze ist daher eine sachlich gerechtfertigte Differenzierung zum persönlichen Geltungsbereich des BetrVG. Gemäß Buchstabe c) besteht für Lohngewerbetreibende, welche infolge ihrer wirtschaftlichen Abhängigkeit eine ähnliche Stellung wie Hausgewerbetreibende einnehmen, die Möglichkeit zur Gleichstellung. Die Unterscheidung von Lohnund Hausgewerbetreibenden wird in der Literatur als problematisch angesehen. Als wesentliche Unterschiede zwischen beiden Gruppen kommen die fehlende Verpflichtung des Lohngewerbetreibenden zur Mitarbeit am Stück und die Erlaubnis zur mehr als nur vorübergehenden unmittelbaren Arbeit für den Absatzmarkt in Betracht. 130 Der Ausschluß der Lohngewerbetreibenden aus der Betriebsverfassung ist ein Grenzfall. Für den Ausschluß der Lohngewerbetreibenden spricht deren fehlende Verpflichtung zur Mitarbeit am Stück. Arbeitet der Lohngewerbetreibende nämlich nicht selbst mit, verringert sich zwangsläufig die Gefahr der Selbstausbeutung der eigenen Arbeitskraft. Andererseits ist aber zu beachten, daß dieser Unterschied zu den Hausgewerbetreibenden bei der Beschäftigung lediglich einer oder gar keiner Hilfskraft faktisch zu verwischen droht. Der Lohngewerbetreibende wird nämlich in dieser Situation in der Regel aus Sachzwängen zur Mitarbeit gezwungen sein. Auch die Erlaubnis zur weitergehenden unmittelbaren Arbeit für 127 Vgl. zum gewerblichen Auftraggeber oben Abschnitt A.III.2.c.bb. und zur gewerblichen Tätigkeit oben Abschnitt A.III.3. 128 Vgl. dazu oben Abschnitt A.III.2.c.cc. 129 Vgl. dazu oben Abschnitt A.III.3.

>30 Vgl. Brecht, § 1, Rn. 13 ff.; Otten, Telearbeit, S. 26 f.; Schmidt/Koberski/Tiemann/ Wascher, § 1, Rn. 21 ff. und § 2, Rn. 34. 17 Bremeier

258

5. Kap.: Überprüfung ausgewählter Differenzierungen

den Absatzmarkt ist differenziert zu betrachten. Zwar kann anhand dieses Merkmals auf eine unterschiedliche Schutzbedürftigkeit geschlossen werden, doch werden im Gleichstellungsverfahren in der Regel gerade nur diejenigen Lohngewerbetreibenden gleichgestellt werden, welche die damit verbundenen unternehmerischen Chancen nicht wahrnehmen können. 131 Trotz der sich hierin zeigenden Schwierigkeiten in der Abgrenzung der Lohnvon den Hausgewerbetreibenden ist der Ausschluß nur der Lohngewerbetreibenden aus der Betriebsverfassung gerade noch als gerechtfertigt anzusehen. Zum einen ist noch einmal in Erinnerung zu rufen, daß diese als persönlich unabhängige Arbeitnehmerähnliche grundsätzlich des Schutzes der Betriebsverfassung nicht bedürfen und die grundrechtliche Fundierung der Betriebsverfassung hier insoweit ins Leere greift. 132 Zum anderen fordert das hier zu Anwendung kommende Willkürverbot für die sachliche Rechtfertigung einer Differenzierung lediglich einen sachlichen Bezug zwischen Ausschlußgrund und Differenzierung. Der sachliche Bezug ist bei den Differenzierungsmerkmalen „fehlende Mitarbeit" und „Arbeit für den Absatzmarkt" dem Grundsatz nach gegeben. Die Abgrenzungsprobleme, die sich bei den Merkmalen im konkreten Fall ergeben können, werden vom weiten Prognose-, Typisierungs- und Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers im Rahmen des Willkürverbots abgedeckt.133 Im Ergebnis ist deshalb der Ausschluß der Lohngewerbetreibenden aus der Betriebsverfassung gerade noch sachlich gerechtfertigt. Schließlich ist auch der Ausschluß der gemäß Buchstabe d) gleichstellungsfähigen Zwischenmeister sachlich gerechtfertigt. Bei den Zwischenmeistern kumulieren die Ausschlußgründe der Buchstaben b) und c). Die Zwischenmeister beauftragen in der Regel deutlich mehr als zwei Heimarbeiter bzw. Hausgewerbetreibende mit Heimarbeit und arbeiten daneben auch nicht selbst mit. 1 3 4 Wegen der daraus resultierenden geringeren Schutzbedürftigkeit der Zwischenmeister gegenüber den in Heimarbeit Beschäftigten ist deren Ausschluß aus der Betriebsverfassung sachlich gerechtfertigt. Zusammenfassend ist damit zum Ausschluß der gemäß § 1 Abs. 2 HAG Gleichgestellten aus der Betriebsverfassung festzuhalten, daß diese sowohl dem Grundsatz nach als auch bezüglich der einzelnen Differenzierungsmerkmale sachlich gerechtfertigt ist. 1 3 5 131 Zur Schutzbedürftigkeit als wesentlicher Voraussetzung der Gleichstellung, vgl. ζ. B. Brecht, § 1, Rn. 25 ff.; Schmidt/Koberski/Tiemann/Wascher, § 1, Rn. 34 ff. 132 Vgl. dazu auch oben Abschnitt A.III.2. 133 Vgl. dazu oben Kapitel I.A. sowie Kapitel l.B.I. 134 Nicht interessieren sollen an dieser Stelle mögliche Zwischenformen. Hierbei arbeitet der Zwischenmeister neben dieser Tätigkeit noch selbst als Heimarbeiter oder Hausgewerbetreibender mit. Diese Mitarbeit ist jedoch ohne Auswirkungen für seine Position als Zwischenmeister. Vgl. dazu ζ. B. Brecht, § 2, Rn. 40. us A.A. hierzu Kappus (NZA 1987, S. 411 f.), der jedoch seine Auffassung in keiner Weise begründet.

Α. Differenzierungen wegen des allgemeinen Arbeitnehmerbegriffs

259

6. Ausschluß der nicht „in der Hauptsache für den Betrieb" Tatigen im Vergleich zu den Teilzeitbeschäftigten Wie oben 136 gezeigt, das führt Merkmal „in der Hauptsache" im Ergebnis nicht zum vollständigen Ausschluß der betreffenden in Heimarbeit Beschäftigten aus dem Schutzbereich der Betriebsverfassung, da die Betriebszugehörigkeit zu einem anderen (dem hauptsächlichen) Betrieb gesichert ist. Zu prüfen bleibt daher nur die Differenzierung im Vergleich zu den Teilzeitbeschäftigten. Bei diesen ist im Unterschied zu den in Heimarbeit Beschäftigten die betriebsverfassungsrechtliche Arbeitnehmereigenschaft für jedes eingegangene Beschäftigungsverhältnis gegeben. 137 Die hier aufgezeigte Ungleichbehandlung zwischen den Teilzeitbeschäftigten und den in Heimarbeit Beschäftigten ist sachlich gerechtfertigt. Diese Einschätzung leitet sich aus Praktikabilitätsüberlegungen ab und gilt unabhängig davon, ob und inwieweit die Teilzeitbeschäftigten tatsächlich für alle Beschäftigungsbetriebe betriebsverfassungsrechtlich schutzbedürftig sind und diese Einschätzung auch für die in Heimarbeit Beschäftigten Gültigkeit hat. 138 Die besagte Praktikabilitätsüberlegung resultiert aus dem Recht des Betriebsrats, bei der Gestaltung des Arbeitsplatzes und Überwachung des Arbeitsschutzes mitzuwirken. 139 Für den in mehreren Betrieben tätigen Teilzeitbeschäftigten bedeutet dies kein Problem. In den einzelnen Betrieben findet er die Arbeitsplatzbedingungen vor, die die jeweiligen Betriebspartner festgelegt haben. Der Teilzeitbeschäftigte hat also in der Regel für jedes Arbeitsverhältnis einen anderen eigenen Arbeitsplatz. Anders ist die Situation bei den in Heimarbeit Beschäftigten. Diese werden in der Regel ihre Tätigkeiten für verschiedene Auftraggeber an einer einzigen selbstgewählten Arbeitsstätte vollbringen. Wollte man nun allen Betriebsräten der verschiedenen Auftraggeber des in Heimarbeit Beschäftigten ein Mitspracherecht über die Ausgestaltung der Arbeitsstätte einräumen, so würde es mit ziemlicher Sicherheit zu Widersprüchen in der Arbeitsplatzbeschreibung und infolgedessen zu Problemen bei den dann notwendigen Kompetenzabgrenzungen zwischen den einzelnen Betriebsräten kommen. Die auf diese Abgrenzungsprobleme gestützte Zuordnung der in Heimarbeit Beschäftigten nur zu einem Betriebsrat hält auch einer Überprüfung anhand der betriebsverfassungsrechtlichen Schutzbedürftigkeit der in Heimarbeit Beschäftigten stand. So unterliegen die in Heimarbeit Beschäftigten wegen ihrer persönlichen

136 Vgl. oben Kapitel 4.C.I.2. 137 Vgl. dazu ζ. B. H/S/G^Schlochauer,

§ 7, Rn. 19 f.

138 Zur betriebsverfassungsrechtlichen Schutzbedürftigkeit der Teilzeitbeschäftigten vgl. unten Abschnitt D.II. 139 Zu den Rechten und Möglichkeiten des Betriebsrats in Hinblick auf die Teleheimarbeiter vgl. ζ. B. Albrecht, NZA 1996, S. 1243 ff.; Fangmann, AiB 1994, S. 208 f. sowie Wedde, ArbuR 1987, S. 330 ff. 17·

260

5. Kap.: Überprüfung ausgewählter Differenzierungen

Unabhängigkeit den Arbeitsplatzvorschriften eines Betriebes in deutlich geringerem Maße als die abhängig Beschäftigten. Besonderen Sinn macht der Schutz des Betriebsrates nur dort, wo der in Heimarbeit Beschäftigte wegen seiner sozialen Isolation Gefahr läuft, durch Mißachtung von Arbeitsschutzvorschriften seine Arbeitskraft auszubeuten. Um diese Gefahr abzuwenden, reicht es aber aus, wenn nur ein Betriebsrat die Einhaltung der Arbeitsschutzvorschriften in der selbstgewählten Arbeitsstätte kontrolliert. Eine Mehrfachkontrolle durch mehrere Betriebsräte würde nicht zur Erhöhung des Schutzniveaus, sondern nur zu Widersprüchen und Unsicherheiten führen. Im Ergebnis bleibt somit festzuhalten, daß die Ungleichbehandlung sachlich gerechtfertigt ist, da die in Heimarbeit Beschäftigten im Unterschied zu den Teilzeitbeschäftigten auch bei mehrfachen Auftragsverhältnissen in der Regel nur eine Arbeitsstätte haben. Hierfür reicht es auch unter Schutzbedürftigkeitsgesichtspunkten aus, wenn nur einem Betriebsrat Mitbestimmungsrechte zukommen.

7. Zusammenfassung der Ergebnisse Die vorstehenden Untersuchungen zu den Differenzierungen im Bereich der Arbeitnehmerähnlichen haben ein uneinheitliches Ergebnis geliefert. Als sachlich gerechtfertigt haben sich der Ausschluß der mitarbeitenden Hilfskräfte und Heimarbeiter, 140 der Ausschluß der Gleichgestellten141 sowie die Beschränkung der Betriebszugehörigkeit der in Heimarbeit Beschäftigten auf einen Betrieb herausgestellt. 142 Dagegen sind in den gesetzlichen Definitionen der Heimarbeiter und Hausgewerbetreibenden zwei Bestimmungsmerkmale enthalten, die den Anforderungen des Gleichheitssatzes nicht gerecht werden. Das erste gleichheitssatzwidrige Bestimmungsmerkmal ist im Erfordernis eines gewerblichen Auftraggebers zu sehen. Dieses Bestimmungsmerkmal ist ohne jeden inhaltlichen Bezug zu den Umständen, unter denen die in Heimarbeit Beschäftigten tätig werden. Es führt daher im Rahmen der Geltungsbereichsdefinition zu sachlich nicht gerechtfertigten - also willkürlichen - Differenzierungen. 143 Das zweite gleichheitssatzwidrige Bestimmungsmerkmal liegt in der Beschränkung der Hausgewerbetreibenden auf gewerbliche Tätigkeiten. Durch dieses Bestimmungsmerkmal werden Teleheimarbeiter (geistige Heimarbeit) aus der Betriebsverfassung ausgeschlossen, obschon sich keine relevanten Unterschiede zur handwerklichen Heimarbeit feststellen lassen.144 Die weiteren Bestimmungsmerkmale der Heimarbeiter- bzw. Hausgewerbetreibendendefinition wie ζ. B. die selbstgewählte Arbeitsstätte oder 140 Vgl. dazu oben Abschnitt 141 Vgl. dazu oben Abschnitt 142 Vgl. dazu oben Abschnitt 143 Vgl. dazu oben Abschnitt

A.III.4. A.III.5. A.III.6. A.III.2.c.bb. sowie Abschnitt A.III.3.

144 Vgl. dazu oben Abschnitt A.III.3.

Β. Differenzierungen wegen des Kriteriums Betriebszugehörigkeit

261

das (strittige) geringe Qualifikationsniveau führen dagegen zu sachgerechten Differenzierungen. 145

B. Differenzierungen wegen des Kriteriums Betriebszugehörigkeit Das Merkmal der Betriebszugehörigkeit fordert, wie dargelegt, 146 nach der Zwei-Komponenten-Theorie einerseits ein Arbeitsverhältnis zwischen Beschäftigtem und Betriebsinhaber und andererseits die tatsächliche Eingliederung des Beschäftigten in die Betriebsorganisation. Der Ausschluß der verschiedenen Formen des drittbezogenen Personaleinsatzes gründet auf dem Fehlen der Vertragskomponente. Im folgenden sind die damit verbundenen Differenzierungen zu überprüfen. Dabei wird zunächst die gesetzlich geregelte gewerbliche Arbeitnehmerüberlassung untersucht (Abschnitt B.I.). Anschließend werden die gewonnenen Ergebnisse auf die sonstigen - gesetzlich nicht geregelten - Formen der Drittbeschäftigung übertragen (Abschnitt B.II.). Abschließend wird der Ausschluß der Ausbildungsschüler untersucht, der mit dem Fehlen der Beschäftigungskomponente begründet wird (Abschnitt Β.ΠΙ.).

I . Differenzierung durch Ausschluß der unechten Leiharbeitnehmer 1. Das Differenzierungskriterium Unechte Leiharbeitnehmer sind Beschäftigte, die aufgrund einer gewerblichen Arbeitnehmerüberlassung in einem fremden Betrieb tätig werden. Für die Regelung der gewerblichen Arbeitnehmerüberlassung hat der Gesetzgeber das AÜG geschaffen, ohne hierin jedoch den Begriff der gewerblichen Arbeitnehmerüberlassung selbst zu definieren. Nach ständiger Rechtsprechung des BAG liegt Arbeitnehmerüberlassung vor, wenn ein Arbeitgeber einem Dritten Arbeitskräfte überläßt, die der Dritte nach seinen eigenen betrieblichen Erfordernissen in seinem Betrieb nach seinen Weisungen einsetzt. 147 Handelt der verleihende Arbeitgeber dabei in Gewinnerzielungs- und Wiederholungsabsicht, so wird die Arbeitnehmerüberlassung - in Abgrenzung von sonstigen Formen der Leiharbeit - 1 4 8 als gewerbsmäßig qualifiziert. 145

Vgl. dazu oben Abschnitt A.III.2.c.aa., Abschnitt A.III.2.c.cc. sowie Abschnitt A.III.3. 6 Zur Maßgeblichkeit der Zwei-Komponenten-Theorie, vgl. oben Kapitel 4.B. 147 Vgl. ζ. B. BAG, AP Nr. 15 zu § 1 AÜG; BAG, AP Nr. 8 und 9 zu § 10 AÜG; BAG, AP Nr. 2 zu § 14 AÜG; BAG, AP Nr. 1 zu § 9 BetrVG 1972. 14

148 Vgl. zur detaillierten Abgrenzung der verschiedenen Formen des drittbezogenen Personaleinsatzes unten Abschnitt B.II.l.

262

5. Kap.: Überprüfung ausgewählter Differenzierungen

Die betriebsverfassungsrechtliche Stellung der unechten Leiharbeitnehmer regelt Art. 1 § 14 AÜG. Danach sind die unechten Leiharbeitnehmer auch während der Zeit ihrer Arbeitsleistung bei einem Entleiher betriebsverfassungsrechtlich dem Verleihbetrieb zugeordnet. Nicht vorgesehen ist hingegen eine doppelte Betriebszugehörigkeit der Leiharbeitnehmer sowohl zum Verleih- als auch zum Entleihbetrieb. Die Leiharbeitnehmer haben daher gemäß § 14 Abs. 2 S. 1 AÜG im Entleihbetrieb weder aktives noch passives Wahlrecht. Allerdings haben sie im Entleihbetrieb gemäß § 14 Abs. 2 S. 2 und 3 AÜG das Recht, die Sprechstunden des Betriebsrats aufzusuchen und an den Betriebsversammlungen teilzunehmen; außerdem haben sie die Rechte aus §§ 81, 82 Abs. 1, 84, 85, 86 BetrVG. Der Betriebsrat des Entleihbetriebes hat zudem in bezug auf die Leiharbeitnehmer verschiedene Beteiligungsrechte. Während § 14 Abs. 3 AÜG auf das Beteiligungsrecht nach § 99 BetrVG ausdrücklich verweist, ist die Rechtsprechung darüberhinaus aufgerufen, das Mitspracherecht ggf. auf weitere Tatbestände auszuweiten.149 Abschließend bleibt zu beachten, daß der partielle Ausschluß der unechten Leiharbeitnehmer zeitlich befristet ist, da die Verleihdauer gemäß Art. 1 § 3 Abs. 1 Nr. 6 AÜG auf maximal 12 Monate beschränkt ist. Bei Überschreiten dieser Frist gilt der Leiharbeitnehmer gemäß Art. 1 § 1 Abs. 2 AÜG als Arbeitnehmer des Entleihbetriebes und damit im Entleihbetrieb auch als Arbeitnehmer im Sinne des BetrVG. Im Ergebnis stellt sich die Situation der unechten Leiharbeitnehmer im Entleihbetrieb damit wie folgt dar: Einerseits wird ihnen wegen der fehlenden Betriebszugehörigkeit das für die betriebsverfassungsrechtliche Stellung wesentliche aktive und passive Wahlrecht vorenthalten. Andererseits wird ihrer tatsächlichen Eingliederung in den Entleihbetrieb dadurch Rechnung getragen, daß ihnen partiell doch gewisse betriebsverfassungsrechtliche Schutzmechanismen zugesprochen werden. Die Ungleichbehandlung zu den sonstigen Arbeitnehmern des Entleihbetriebes liegt also vornehmlich im fehlenden Wahlrecht und der damit verbundenen schwächeren Stellung im Betrieb. Das Differenzierungskriterium für diese Ungleichbehandlung ist die fehlende Betriebszugehörigkeit der Leiharbeitnehmer zum Entleihbetrieb. Zwar sind die Leih-arbeitnehmer, den sonstigen Arbeitnehmern vergleichbar, in den Entleihbetrieb eingeordnet und infolge dessen den Weisungen des Betriebsinhabers unterworfen, doch fehlt es daneben an einer vertraglichen Beziehung zwischen Leiharbeitnehmer und Entleiher. Eine arbeitsvertragliche Beziehung verbindet den Leiharbeitnehmer nur zum Verleiher. Die bestehenden Weisungsrechte des Entleihers gegenüber den Leiharbeitnehmern beruhen auf dem Entleihvertrag zwischen dem Entleiher und dem Verleiher. Durch diesen überträgt der Verleiher die Ausübung eines Teils seiner Direktionsrechte gegenüber den Leiharbeitnehmern auf den Ent149 So die ausdrückliche Aufforderung des Gesetzgebers an die Rechtsprechung in BTDrucksache IX/847. Vgl. zu den weiteren Mitspracherechten im einzelnen ζ. B. BAG, SAE 1994, S. 109 ff.; GK-Kraft, § 5, Rn. 20 ff.; Erdlenbruch, Arbeitnehmer, S. 76 ff.; v.Hoyningen-Huene, SAE 1994, S. 112 f.; Schüren, § 14, Rn. 122 ff.

Β. Differenzierungen wegen des Kriteriums Betriebszugehörigkeit

263

leiher. Im folgenden ist nun zu untersuchen, ob und inwieweit das Fehlen der arbeitsvertraglichen Beziehung zum Betriebsinhaber die vorliegende Einschränkung der betriebsverfassungsrechtlichen Stellung der Leiharbeitnehmer im Entleihbetrieb rechtfertigt. Dabei ist wegen der nur befristeten Eingliederung der Leiharbeitnehmer in den Entleihbetrieb als Vergleichsgruppe auf die befristet Beschäftigten abzustellen. Diese sind nach ganz h.M. Arbeitnehmer im Sinne des BetrVG. 150 2. Regelungsziel und zugehöriger Prüfungsmaßstab Das Erfordernis der Betriebszugehörigkeit ist, wie dargelegt, 151 ein Bestandteil der Gerechtigkeitsentscheidung des Gesetzgebers für das repräsentative betriebliche Beteiligungsmodell des BetrVG. Das Merkmal der Betriebszugehörigkeit ist insofern selbst als Gerechtigkeitsentscheidung einzuordnen. Als Prüfungsmaßstab für die Rechtmäßigkeit der Differenzierung ist daher auf das Willkürverbot zurückzugreifen. 152 Der Ausschluß der unechten Leiharbeitnehmer aus der Betriebsverfassung ist demnach nur gerechtfertigt, wenn das Fehlen der arbeitsvertraglichen Beziehung zwischen den Leiharbeitnehmern und dem Entleiher ein sachlicher Grund für die Annahme einer fehlenden bzw. signifikant geringeren betriebsverfassungsrechtlichen Schutzbedürftigkeit der unechten Leiharbeitnehmer im Entleihbetrieb ist. Bei der Gleichheitsprüfung ist zu beachten, daß die grundrechtliche Fundierung der Betriebsverfassung sich nicht priifungsmaßstabsverschärfend auswirken kann. Die teilweise Geltung der betriebsverfassungsrechtlichen Schutzvorschriften für den unechten Leiharbeitnehmer wird nämlich den Anforderungen gerecht, die aufgrund der grundrechtlichen Fundierung der Betriebsverfassung an einen Ausschluß gestellt werden. 153 Indem der Leiharbeitnehmer sowohl die Betriebsversammlung als auch die Sprechstunden des Betriebsrats besuchen kann und ihm daneben die betriebsverfassungsrechtlichen Individualrechte zustehen, ist ausreichend gesichert, daß die betrieblichen Entscheidungen im Entleihbetrieb den Leiharbeitnehmer nicht wie Schicksalsschläge treffen können. 3. Angemessenheit der Differenzierung? Teile des Schrifttums meinen, den unechten Leiharbeitnehmern müßte die Betriebszugehörigkeit zum Entleihbetrieb aufgrund ihrer Schutzbedürftigkeit zugesprochen werden. 154 Insbesondere die Vertreter der Mindermeinung zum betriebs150 Vgl. ζ. B. D/K/K-Däubler, § 5, Rn. 30; F/K/H/E, § 5, Rn. 29a ff.; GK-Kraft, Rn. 37; H/S/G-Hess, § 5, Rn. 7; Richardi, § 5, Rn. 41 ff. 151 Vgl. dazu oben Kapitel 4.B.V. 152 Zum Willkürverbot als Prüfungsmaßstab vgl. unten Kapitel 1.D.III. 153 Vgl. dazu oben Kapitel 2.D.

§ 5,

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5. Kap.: Überprüfung ausgewählter Differenzierungen

verfassungsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff sehen die unechten Leiharbeitnehmer geradezu als prototypischen Beleg für ihre These an, wonach einzig die tatsächliche Eingliederung eines Beschäftigten in den Betrieb Auslöser der betriebsverfassungsrechtlichen Schutzbedürftigkeit sei. 155 Der mit dem Fehlen der Vertragskomponente begründete Ausschluß der Leiharbeitnehmer wird von der Mindermeinung deshalb als sachlich nicht gerechtfertigt eingestuft. Teilweise wird im Ausschluß der Leiharbeitnehmer sogar ausdrücklich eine verfassungswidrige Differenzierung gesehen.156 Die anstehende Untersuchung zur Angemessenheit der Differenzierung ist vor dem Hintergrund der Argumentation der Mindermeinung in zwei Schritten vorzunehmen. Zunächst ist zu klären, ob und inwieweit der Grundthese der Mindermeinung gefolgt werden kann, schon die bloße Eingliederung in eine Betriebsorganisation löse eine betriebsverfassungsrechtliche Schutzbedürftigkeit des Beschäftigten aus (Abschnitt B.I.3.a.). Für den Fall, daß sich die grundsätzliche Richtigkeit dieses Zusammenhangs ergeben sollte, ist in einem zweiten Schritt zu überprüfen, welche Folgerungen daraus für die unechten Leiharbeitnehmer zu ziehen sind (Abschnitt B.I.3.b.). a) Zum Zusammenhang von Eingliederung und Schutzbedürftigkeit im allgemeinen Der Zusammenhang zwischen der Eingliederung in eine Betriebsorganisation und der Auslösung der betriebsverfassungsrechtlichen Schutzbedürftigkeit wird von der Mindermeinung in der Regel ohne weiteren Nachweis und ohne jede Einschränkung als gegeben vorausgesetzt. 157 Dieser optimistischen Einschätzung kann indessen nicht ohne weiteres gefolgt werden. Mit Sicherheit kann zunächst einmal nur festgestellt werden, daß die Eingliederung in einen Betrieb in jedem Fall eine zwingende Voraussetzung der Entstehung betriebsverfassungsrechtlicher Schutzbedürftigkeit darstellt. Ohne die Eingliederung fehlt es an den notwendigen Berührungspunkten zwischen den Beschäftigten und der betrieblichen Ordnung. 158 154 Vgl. d a z u die Nachweise zu den Vertretern der Mindermeinung zum betriebsverfassungsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff in Kapitel 3.B.II. sowie zusätzlich ζ. B. Halbach, DB 1980, S. 2391; Martens, Vertretungsorgan, S. 437 ff.; Plander, AiB 1990, S. 19 ff.; Schüren, § 14, Rn. 13 ff.; Ulber, ArbuR 1982, S. 54 ff.; Ziemann, ArbuR 1990, S. 58 ff. 155 Zum betriebsverfassungsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff der Mindermeinung, vgl. oben Kapitel 3.B.II. 156 Vgl. D/ Κ /K-Trümner, § 5, Rn. 78a; Plander, Normalarbeitsverhältnis, S. 189 f.; ders., AiB 1990, S. 29. 157 Vgl. dazu u. a. die Nachweise in Fußnote 161. Eine Ausnahme hiervon findet sich bei Plander (AiB 1990, S. 28), der die Problematik einer Verwischung der Grenzen zwischen den eingegliederten Beschäftigten und den Kunden und Lieferanten sieht. Vgl. dazu näher unten Abschnitt B.I.3.a.bb. 158 Dies gilt auch für ruhende Arbeitsverhältnisse, da diese aus einer im Vorfeld stattgefundenen Eingliederung in die Betriebsorganisation abgeleitet werden.

Β. Differenzierungen wegen des Kriteriums Betriebszugehörigkeit

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Von dieser Funktion der Eingliederung als zwingender Voraussetzung der Entstehung betriebsverfassungsrechtlicher Schutzbedürftigkeit zu unterscheiden ist die Frage, ob die Eingliederung eines Beschäftigten dessen Schutzbedürftigkeit auch tatsächlich auslöst. Hierbei ist zu fragen, ob und inwieweit Mindestanforderungen an die Art des Eingliederungsvorgangs zu stellen sind, damit Schutzbedürftigkeit überhaupt in relevantem Ausmaß entsteht. Während es bei den Anhängern der Mindermeinung zu dieser Frage an jeglicher Differenzierung mangelt, soll im folgenden gezeigt werden, daß der Zusammenhang von Eingliederung und Schutzbedürftigkeit zum einen nur innerhalb bestimmter Grenzen zum Tragen kommt (Abschnitt B.I.3.a.aa.) und zum anderen auch innerhalb dieser Grenzen nur in eingeschränktem Umfang Gültigkeit hat (Abschnitt B.I.3.a.bb.).

aa) Zu den Grenzen des Zusammenhangs Dem zur Diskussion stehenden Zusammenhang zwischen Eingliederung und Schutzbedürftigkeit sind zwei Gültigkeitsgrenzen gezogen. Die Grenzen ergeben sich aus einer Mindestanforderung an die zeitliche Dauer des Eingliederungsvorgangs sowie aus einer Mindestanforderung an die qualitative Ausformung der Eingliederung. Die zeitliche Mindestanforderung resultiert aus folgender Überlegung: Die betriebliche Ordnung stellt sich unter dem Einfluß der Betriebsverfassung als dynamischer Prozeß dar. Die betrieblichen Ordnungsbestimmungen werden von den Betriebspartnern laufend den sich ändernden Rahmenbedingungen angepaßt. Innerhalb dieses Prozesses werden auch die Interessen der Belegschaft immer wieder neu formuliert und durchgesetzt. Aus diesem Grunde besteht ein erhebliches Interesse für die einzelnen Beschäftigten darin, auf die Zusammensetzung - und damit indirekt auch auf die Tätigkeit - des Betriebsrats Einfluß nehmen zu können. Deshalb fordert die Mindermeinung denn auch die uneingeschränkte Betriebszugehörigkeit der tatsächlich eingegliederten - und damit den Ordnungsbestimmungen ebenso unterworfenen - Beschäftigten. Indessen bedarf diese grundsätzlich richtige Überlegung einer zeitlichen Einschränkung; denn obwohl die betriebliche Ordnung prinzipiell einer permanenten Veränderung unterliegt und insofern für Änderungswünsche der Beschäftigten jederzeit offen ist, stellt sie für den neu eingegliederten Beschäftigten zunächst ein unveränderbares fixes Regelwerk dar. Dies liegt darin begründet, daß ein Veränderungsvorschlag des Beschäftigten nicht sofort umgesetzt werden könnte, sondern die Umsetzung im Rahmen der betriebsverfassungsrechtlichen Verfahrensvorschriften einen bestimmten Zeitraum in Anspruch nehmen würde. Bis zum Zeitpunkt der Umsetzung des Änderungsvorschlages muß der eingegliederte Beschäftigte die bei seiner Eingliederung vorgefundene Betriebsordnung ohne weitere Einwirkungsmöglichkeiten akzeptieren. Dabei kann an dieser Stelle offen bleiben, wie groß der Zeitraum der Unbeeinflußbarkeit exakt ist. 1 5 9 Es reicht hier festzustellen, daß der neu eingegliederte Be-

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5. Kap.: Überprüfung ausgewählter Differenzierungen

schäftigte für einen bestimmten Zeitraum faktisch keine Einflußmöglichkeiten auf die betriebliche Ordnung hat. Im Ergebnis folgt daraus eine Verwischung der Unterschiede zwischen betriebszugehörigen und nicht betriebszugehörigen Beschäftigten bezüglich ihres betriebsverfassungsrechtlichen Schutzniveaus. Während den nicht betriebszugehörigen Beschäftigten die Einflußmöglichkeiten aufgrund ihres Status von vornherein fehlen, bleiben die bei den betriebszugehörigen Beschäftigten der Theorie nach vorhandenen Einflußmöglichkeiten in der Praxis faktisch wirkungslos. Wenn aber demnach in einem anfänglichen Zeitraum die Zuerkennung der Betriebszugehörigkeit keine Erhöhung des betriebsverfassungsrechtlichen Schutzniveaus nach sich zieht - mithin die Möglichkeiten zur Schutzgewährung nicht gegeben sind - , wird dadurch gleichzeitig der hier zur Diskussion stehende Zusammenhang von Eingliederung und Schutzbedürftigkeit außer Kraft gesetzt. Wenn das Mittel der Schutzgewährung ins Leere greift, fehlt der sachliche Zwang, das Mittel zu ergreifen. Die qualitative Mindestanforderung an den Eingliederungsvorgang ergibt sich aus der Notwendigkeit einer Abgrenzung der eingegliederten Beschäftigten von Lieferanten und Kunden des Betriebes. Auch diese kommen im weitesten Sinne mit der betrieblichen Organisation in Berührung. Trotzdem sind die Lieferanten und Kunden nicht als Subjekte der Betriebsverfassung anzusehen. Dies ist ganz unstrittig 160 und folgt aus den grundrechtlichen Grenzen der Betriebsverfassung. Diese untersagen die Zuerkennung von Mitspracherechten an betriebsfremde Personen, da hierdurch die Eigentums- und Vereinigungsfreiheiten des Betriebsinhabers unverhältnismäßig beeinträchtigt würden. 161 Aus diesem Grunde besteht die Notwendigkeit, den qualitativen Unterschied zwischen der betriebsverfassungsrechtlich relevanten Eingliederung der Beschäftigten und der betriebsverfassungsrechtlich nicht relevanten bloßen Berührung durch die Lieferanten und Kunden zu bestimmen. Ein Beispiel für eine mißglückte Abgrenzung bietet sich bei Ulber. Dieser will im Rahmen seiner Betrachtungen zum drittbezogenen Personaleinsatz jeden Beschäftigten als Arbeitnehmer im Sinne des BetrVG eingeordnet wissen, der sich ζ. B. der Torkontrolle zum Betriebsgelände oder den Sicherheitsvorschriften des Betriebes unterwerfen muß. 1 6 2 Hiermit verwischt Ulber die Grenze zwischen der betriebsverfassungsrechtlich relevanten Eingliederung von Beschäftigten und dem nicht relevanten Kunden- bzw. Lieferantenkontakt zum Betrieb. Da auch diese sich 159 Insbesondere wäre bei einer solchen Untersuchung ζ. B. zu beachten, daß der neu eingegliederte Beschäftigte mit seinen Interessen nicht sofort durchdringen und daher bis zur tatsächlichen Verhandlungsaufnahme durch den Betriebsrat eine nicht unerhebliche Zeit des Werbens um den Verbesserungsvorschlag verstreichen wird. 160 Vgl. ζ. B. Plander, Normalarbeitsverhältnis, S. 220. 161

Zu den durch die Grundrechte der Arbeitgeber gezogenen grundrechtlichen Grenzen der Betriebsverfassung und dem damit vorgegebenen Verbot, externen Personen Einfluß auf das Unternehmen zu gewähren, vgl. oben Kapitel 2.C.II. 162 Vgl. Ulber, ArbuR 1982, S. 57.

Β. Differenzierungen wegen des Kriteriums Betriebszugehörigkeit

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einer Torkontrolle unterziehen und die Sicherheitsvorschriften vor Ort beachten müssen, ohne daß daran jemand betriebsverfassungsrechtliche Folgen knüpfen wollte, kann allein das Vorliegen dieser Umstände die Notwendigkeit der Zuerkennung der Betriebszugehörigkeit nicht begründen. Im Umkehrschluß folgt daraus, daß eine Eingliederung eines Beschäftigten in einen Betrieb nur dann betriebsverfassungsrechtlich relevant sein kann, wenn dadurch zwischen den Beschäftigten und dem Betriebsinhaber eine gegenüber dem Kunden- bzw. Lieferantenkontakt qualitativ engere Beziehung geschaffen wird. An dieser Stelle kann dabei offen bleiben, welches genaue Maß an Eingliederung für die Auslösung der betriebsverfassungsrechtlichen Schutzbedürftigkeit zu fordern ist. 1 6 3 Es reicht hier aus festzustellen, daß nicht schon jede Eingliederung - also Unterwerfung unter eine betriebliche Ordnungsvorschrift - eine betriebsverfassungsrechtliche Schutzbedürftigkeit der betreffenden Person auslöst. Im Ergebnis ist deshalb im besagten Bereich der zur Diskussion stehende Zusammenhang von Eingliederung und Schutzbedürftigkeit außer Kraft gesetzt. Zusammenfassend bleibt somit festzuhalten, daß der Zusammenhang von Eingliederung und Schutzbedürftigkeit nur innerhalb zweier absoluter Grenzen Gültigkeit hat: Zum einen muß die Dauer des Eingliederungsvorgangs eine gewisse Mindestlänge erreichen und zum anderen muß die Intensität der Eingliederung über das Ausmaß eines bloßen Kundenkontaktes hinausgehen. bb) Zur Notwendigkeit der Relativierung des Zusammenhangs Auch innerhalb der dargelegten Grenzen kann ein Zusammenhang zwischen Eingliederung und Schutzbedürftigkeit nicht ohne eingehende Untersuchung angenommen werden. So existieren verschiedene Einflüsse, die den Zusammenhang in seiner Bedeutung relativieren. Erst wenn diese Einflüsse im jeweiligen Fall näher betrachtet sind, ist eine gesicherte Aussage über die Gültigkeit des Zusammenhangs möglich. Eine erste Relativierungsnotwendigkeit besteht in bezug auf die zeitliche Dauer der Eingliederung. Selbst wenn diese die oben bezeichnete absolute Grenze übersteigt, bleibt die Notwendigkeit bestehen, im Einzelfall festzustellen, ob die Eingliederung tatsächlich ein relevantes Maß an Schutzbedürftigkeit erzeugt. Diese Notwendigkeit sehen die Vertreter der Mindermeinung nicht. Aus ihrer Sicht darf wegen des entstehenden Legitimationsdefizits des Betriebsrats bei einer längerfristigen Eingliederung eines Beschäftigten in einen Betrieb die Betriebszugehörigkeit nicht vorenthalten werden. 164 Trümner weist zum Beispiel darauf hin, daß die 163 Eine solche Abgrenzung würde vor allem dort problematisch werden, wo die Lieferanten im Rahmen eines Produktionsverschlankungs- und Outsourcingprogrammes ihre eigene Produktion innerhalb des Betriebsgeländes des Abnehmers vollziehen. Zum hiermit angedeuteten Problem der Abgrenzung von Leiharbeit und Werkvertrag vgl. unten Abschnitt B.II.l. ι « Vgl. ζ. B. D/K/K-Trümner, § 5, Rn. 27b; Rüthers/Bakker, ZfA 1990, S. 311 f.; Schüren, § 14, Rn. 42.

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5. Kap.: Überprüfung ausgewählter Differenzierungen

für Leiharbeitnehmer geltende Zwölf-Monats-Frist des Art. 1 § 2 Abs. 4 AÜG immerhin den Viertel des Umfangs einer Wahlperiode des Betriebsrats ausmache, ohne daß der Leiharbeitnehmer den Betriebsrat für seine Tätigkeit durch eine Wahlteilnahme legitimieren könne. 165 Diese Überlegungen können dem Grundsatz nach überzeugen. Die Abhängigkeit zwischen der Eingliederungsdauer und dem Ausmaß der Schutzbedürftigkeit steht außer Frage. Doch mit dieser Abhängigkeit allein kann im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG die Notwendigkeit einer Betriebszugehörigkeit nicht abschließend begründet werden. So ist das Problem des Legitimationsdefizits nicht nur bei den lediglich tatsächlich eingegliederten Beschäftigten gegeben, sondern es stellt sich auch bei denjenigen Arbeitnehmern, die erst innerhalb der Wahlperiode des Betriebsrats zum Betrieb hinzustoßen.166 Je nach Einstellungszeitpunkt kann der Zeitraum der nichtlegitimierten Interessenwahrnehmung durch den Betriebsrat bis zu 4 Jahren andauern. Wegen des repräsentativen Charakters der Betriebsverfassung wird darin jedoch kein besonderes Problem gesehen. Dies muß auch für die nicht betriebszugehörigen eingeliederten Beschäftigten gelten. Aus diesem Grunde ist das Vorhaben, einzig anhand der Dauer einer tatsächlichen Eingliederung auf die Notwendigkeit einer Zuerkennung der Betriebszugehörigkeit schließen zu wollen, abzulehnen. Der Dauer einer Eingliederung kommt vielmehr nur eine erhebliche Indizwirkung zu. Daneben wird es entscheidend darauf ankommen, aus der Arbeitssituation des Beschäftigten tragfähige inhaltliche Argumente für die Zuerkennung der Betriebszugehörigkeit zu gewinnen. Eine zweite Relativierungsnotwendigkeit besteht in bezug auf die Dringlichkeit, mit der einem betriebsverfassungsrechtlich schutzbedürftigen Beschäftigten die Betriebszugehörigkeit zuerkannt werden muß. So ist die Zuerkennung oder Verneinung der Betriebszugehörigkeit nicht gleichbedeutend mit der Zuerkennung bzw. Aberkennung jeglichen betriebsverfassungsrechtlichen Schutzes. Auch diejenigen Beschäftigten, denen die Betriebszugehörigkeit fehlt, genießen in gewissem Umfang betriebsverfassungsrechtlichen Schutz. Einerseits sind Betriebsrat und Arbeitgeber gemäß § 75 Abs. 1 BetrVG gehalten, alle im Betrieb tätigen Personen - also auch die nicht betriebszugehörigen - nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit zu behandeln. Hierdurch wird ein nicht unerheblicher Schutz vor willkürlicher und ungerechter Einzelfallbehandlung gewährleistet. 167 Andererseits erstreckt sich wegen des repräsentativen Charakters der Betriebsverfassung die schützende Wirkung der Betriebsratstätigkeit häufig zwangsläufig auch auf die nicht betriebszugehörigen Beschäftigten. So entfaltet sich ζ. B. die Schutzwirkung einer vom Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG durchgesetzten Arbeitsschutzmaßnahme unabhängig davon, welchen betriebsverfassungsrechtlichen Status der jeweilige Beschäftigte hat. Für den Zusammenhang von Eingliederung und Schutzbedürftigkeit bleibt deshalb im Ergebnis festzustellen, daß der Schutzbedürftigkeit in gewis165 Vgl. D/K/K-Trümner, § 5, Rn. 78. 166 Vgl. dazu ζ. B. Erdlenbruch, Stellung, S. 80. 167 Zur Schutzwirkung des § 75 BetrVG auch für nicht betriebszugehörige Beschäftigte vgl. z. B. F/K/H/E, § 75, Rn. 8 ff.

Β. Differenzierungen wegen des Kriteriums Betriebszugehörigkeit

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sem Umfang auch ohne Betriebszugehörigkeit Rechnung getragen wird und insoweit der Eingliederung eines Beschäftigten nicht zwingend die Zuerkennung der Betriebszugehörigkeit folgen muß. Zusammenfassend ist festzuhalten, daß der Zusammenhang von Eingliederung und Schutzbedürftigkeit sowie der daraus abgeleitete Zwang zur Zuerkennung der Betriebszugehörigkeit dadurch relativiert wird, daß auch der nicht betriebszugehörige Beschäftigte in einem gewissen Umfang betriebsverfassungsrechtlichen Schutz genießt und insoweit seiner Schutzbedürftigkeit auch unabhängig von der Betriebszugehörigkeit Rechnung getragen wird. Auch der Umstand, daß dieser Schutztätigkeit des Betriebsrates für die nicht betriebszugehörigen Beschäftigten die unmittelbare Legitimation fehlt, ist wegen des repräsentativen Charakters der Betriebsverfassung relativ zu sehen. Allerdings kommt der Zeitkomponente trotz der Relativierungen in der vorzunehmenden Einzelfallbetrachtung eine wesentliche Bedeutung zu. Je länger der Eingliederungsvorgang anhält, desto größer wird das Legitimationsdefizit und desto beachtlicher wird der inhaltliche Unterschied im Schutzniveau zwischen betriebszugehörigen und nicht betriebszugehörigen Beschäftigten.

cc) Einbindung in die Gleichheitsprüfung Die Betrachtungen zum Zusammenhang von Eingliederung und Schutzbedürftigkeit haben ergeben, daß der Zusammenhang von Eingliederung und Schutzbedürftigkeit nicht umfassend gilt. Damit er überhaupt greift, ist an den Eingliederungsvorgang eine zeitliche und qualitative Mindestanforderung zu stellen. 168 Erfüllt der Eingliederungsvorgang diese Anforderungen, so folgt daraus noch keine Notwendigkeit zur automatischen Zuerkennung der Betriebszugehörigkeit. Es ist vielmehr eine am Einzelfall orientierte Untersuchung darüber angezeigt, ob und inwieweit die relativierenden Einflüsse die Notwendigkeit der Zuerkennung der Betriebszugehörigkeit beeinflussen. Hierbei ist insbesondere die Zeitkomponente der Eingliederung von Bedeutung. 169 Wenn nach dem obigen Verfahren positiv feststeht, daß eine in den Betrieb eingegliederte Person betriebsverfassungsrechtlich schutzbedürftig und die Schutzgewährung auch möglich ist, so bleibt noch zu klären, ob eine eventuelle Vorenthaltung der Betriebszugehörigkeit für die betreffende Person damit automatisch als nicht sachgerecht verworfen werden muß. Denn die Untersuchung zur Gültigkeit des Zusammenhangs von Eingliederung und Schutzbedürftigkeit ersetzt die Gleichheitsprüfung nicht, sondern sie steht an deren Anfang. Mit dieser Untersuchung wird zunächst nur festgestellt, daß eine eingegliederte Person betriebsver168 Vgl. z u den Grenzen des Zusammenhangs oben Abschnitt B.I.3.a.aa. Vgl. zur Notwendigkeit der Relativierung des Zusammenhangs oben Abschnitt B.I.3.a.bb.

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5. Kap.: Überprüfung ausgewählter Differenzierungen

fassungsrechtlich schutzbedürftig und insofern den Arbeitnehmern des Betriebes vergleichbar ist. Innerhalb der an diese Feststellung anknüpfenden Gleichheitsprüfung geht es dann darum festzustellen, ob und inwieweit zwischen den beiden Gruppen Unterschiede bestehen, die eine Ungleichbehandlung bezüglich der Betriebszugehörigkeit rechtfertigen können, obschon die Schutzbedürftigkeit bei beiden Gruppen vergleichbar ist. Allerdings ist zu beachten, daß innerhalb der Abwägungen der Gleichheitsprüfung auch die Überlegungen zur Relativierung des Zusammenhangs zu berücksichtigen sind. Insofern kann die Trennlinie zwischen den Untersuchungen zum Zusammenhang und der nachfolgenden Gleichheitsprüfung nicht ganz eindeutig bestimmt werden.

b) Zum Ausschluß der unechten Leiharbeitnehmer im besonderen Die Ergebnisse der bisherigen Untersuchung lassen sich wie folgt zusammenfassen: Den unechten Leiharbeitnehmern wird die Betriebszugehörigkeit zum Entleihbetrieb wegen der fehlenden Arbeitsvertragsbeziehung vorenthalten. Die Vertreter der Mindermeinung halten diesen Ausschluß für sachlich nicht gerechtfertigt, da nach ihrer Auffassung einzig die Eingliederung in die Betriebsorganisation die betriebsverfassungsrechtliche Schutzbedürftigkeit auslöst. Der von der Mindermeinung damit vorausgesetzte zwingende Zusammenhang von Eingliederung und Schutzbedürftigkeit gilt jedoch nicht unbeschränkt, sondern ist in gewissem Umfang einzuschränken und zu relativieren. Schließlich ist, auch wenn die Schutzbedürftigkeit einer Personengruppe festgestellt ist, damit noch keine Pflicht zur Zuerkennung der Betriebszugehörigkeit festgestellt. Eine solche Pflicht kann sich nur aus einer anschließenden Gleichheitsprüfung ergeben. Angesicht dieser Erkenntnisse ist im Rahmen einer Gleichheitsüberprüfung des Ausschlusses der unechten Leiharbeitnehmer in einem ersten Schritt das tatsächliche Ausmaß der betriebsverfassungsrechtlichen Schutzbedürftigkeit der unechten Leiharbeitnehmer festzustellen. Anschließend ist zu untersuchen, inwieweit der Ausschluß der Leiharbeitnehmer trotz des festgestellten Ausmaßes an Schutzbedürftigkeit sachlich gerechtfertigt ist. Demgegenüber beschränkt der ganz überwiegende Teil der Mindermeinung seine Argumentation auf eine abstrakte Feststellung der Schutzbedürftigkeit der tatsächlich eingegliederten unechten Leiharbeitnehmer. Es fehlt sowohl an einer differenzierten Betrachtung des Ausmaßes der Schutzbedürftigkeit wie auch an einer Untersuchung, ob der Ausschluß verfassungsrechtlich bedenklich ist. 1 7 0 Lediglich Trümner 171 und Plander 172 verdichten no Vgl. ζ. B. dazu Martens, in: FS für Hilger/Stumpf, S. 437 ff.; Schüren, § 14, Rn. 13 ff.; Ulber, ArbuR 1982, S. 54 ff.; Ziemann, ArbuR 1990, S. 58 ff. πι Vgl. Trümner, § 5, Rn. 78 a. 172 Vgl. Plander, Normalarbeitsverhältnis, S. 189 f.; ders., AiB 1990, S. 29.

Β. Differenzierungen wegen des Kriteriums Betriebszugehörigkeit

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ihre Einschätzung der fehlenden sachlichen Rechtfertigung des Ausschlusses der Leiharbeitnehmer zur Feststellung eines Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Im folgenden wird zunächst überprüft, inwieweit die beiden Standpunkte zu überzeugen vermögen (Abschnitt B.I.3.b.aa.). Daran anschließend erfolgt anhand der oben identifizierten beiden Untersuchungsschritte eine eigene Stellungnahme zur Rechtmäßigkeit des Ausschlusses der Leiharbeitnehmer (Abschnitt B.I.3.b.bb.).

aa) Zum expliziten Vorwurf des Gleichheitsverstoßes im Schrifttum Trümner erhebt den Vorwurf des Gleichheitsverstoßes in seiner jüngsten Kommentierung des § 5 BetrVG. 173 Für Trümner als Vertreter der Mindermeinung 174 steht die Schutzbedürftigkeit der unechten Leiharbeitnehmer schon wegen ihrer Eingliederung in den Entleihbetrieb grundsätzlich außer Frage. Wahrend er es bei anderen tatsächlich eingegliederten, aber nicht betriebszugehörigen Beschäftigten bei einer bloßen Kritik der herrschenden Ansicht bewenden läßt, 175 sieht er im Fall der unechten Leiharbeitnehmer die Grenze zum Verfassungsverstoß überschritten. Trümner begründet diese Ansicht anhand der Zeitkomponente der Eingliederung der unechten Leiharbeitnehmer in den Entleihbetrieb. 176 Er sieht in der Tatsache, daß die Leiharbeitnehmer für bis zu 12 Monate in den Entleihbetrieb integriert seien können, ohne Einfluß auf den dortigen Betriebsrat zu haben, einen Zustand „vordemokratischer Zwangsarbeitsverfassung" verwirklicht. Während Trümner den Ausschluß der Betriebszugehörigkeit für die Drei-Monats-Frist, wie sie im AÜG zu Beginn vorgesehen war, noch akzeptieren mag, hält er den Ausschluß des Wahlrechts für längerfristig eingesetzte Leiharbeitnehmer für gleichheitswidrig. Nach seiner Ansicht fehlt es an einem sachlichen Grund für die Ungleichbehandlung zwischen befristet beschäftigten Arbeitnehmern, die nach sechs Monaten sogar das passive Wahlrecht erreichen könnten, und den unechten Leiharbeitnehmern, denen selbst nach 11 Monaten noch das aktive Wahlrecht vorenthalten werde. Trümners Argumentation kann nicht überzeugen. Er kommt zur Feststellung eines Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG, ohne vorher überhaupt in die Gleichheitsprüfung eingestiegen zu sein. Trümner verwechselt die Feststellung der betriebsverfassungsrechtlichen Schutzbedürftigkeit einer Personengruppe mit der Frage, ob einer Personengruppe die Betriebszugehörigkeit vorenthalten werden darf. 177 In 173 Vgl. D/K/K-Trümner, § 5, Rn. 78 a. 174 Zur Eingliederungstheorie der Mindermeinung vgl. oben Kapitel 3.B.II. 175 Vgl. dazu ζ. B. Trümners Ausführungen zu den Zivildienstleistenden (D/K/K-Trümner, § 5, Rn. 112), den Strafgefangenen (a. a. O., § 5, Rn. 113) und den Entwicklungshelfern (a. a. 0 . , § 5 , Rn. 115). 176 Vgl. zum folgenden D/K/K-Trümner, § 5, Rn. 78 a. 177 Vgl. zu diesem Problem die obigen Darlegungen in Abschnitt B.I.3.a.cc.

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5. Kap.: Überprüfung ausgewählter Differenzierungen

Trümners Argumentation fehlt es denn auch an der Herausarbeitung der tragenden Unterschiede zwischen den Vergleichsgruppen seines Vergleichspaares und an einer Abwägung über die Möglichkeit, anhand der Unterschiede eine Ungleichbehandlung rechtfertigen zu können. Letztlich fußt die Behauptung von Triimner, die fehlende Zuerkennung der Betriebszugehörigkeit an die unechten Leiharbeitnehmer stelle einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz dar, einzig auf einer - gegenüber der gesetzgeberischen Wertung des Art. 1 § 14 AÜG - anderen sozialpolitischen Grundwertung zum persönlichen Geltungsbereich des BetrVG. 178 Hierauf läßt sich aber keinesfalls der Vorwurf der Verfassungswidrigkeit einer gesetzgeberischen Regelung stützen. Trümners Argumentation ist deshalb geradezu ein Prototyp für das in dieser Arbeit schon mehrfach kritisierte bloße Behaupten eines Grundrechts. 179 Sie ist daher abzulehnen. Auch Plander sieht durch die fehlende Zuerkennung der Betriebszugehörigkeit an unechte Leiharbeitnehmer den Gleichheitssatz verletzt. 180 Anders als Trümner unterscheidet er dabei aber die Frage der Schutzbedürftigkeit der Leiharbeitnehmer von der Frage der Verfassungswidrigkeit einer Vorenthaltung der Betriebszugehörigkeit. Als Vertreter der Mindermeinung weist er die betriebsverfassungsrechtliche Schutzbedürftigkeit, ohne näher zu differenzieren, anhand der Eingliederungstheorie nach. 181 Für den Nachweis des Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG bildet Plander das Vergleichspaar zwischen den Leiharbeitnehmern und den befristet Beschäftigten und arbeitet als tragenden Unterschied zwischen beiden Gruppen das Fehlen eines Arbeitsvertragsverhältnisses auf Seiten der Leiharbeitnehmer heraus. Nach seiner Auffassung taugt dieser Umstand jedoch nicht zur sachlichen Rechtfertigung einer Differenzierung bezüglich der Betriebszugehörigkeit, da der Gesetzgeber bei den faktischen Arbeitsverhältnissen dem Erfordernis des Arbeitsvertragsverhältnisses auch keine ausschließende Bedeutung zugemessen habe. Im Ergebnis sei deshalb der Ausschluß der Leiharbeitnehmer angesichts ihrer gegenüber den befristet Beschäftigten gleichartigen Schutzbedürftigkeit als Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG einzuordnen. 182 Planders Argumentation kann zwar von seinem Einstieg in die Gleichheitsprüfung her, nicht aber im Ergebnis überzeugen. So kann Planders Feststellung der Schutzbedürftigkeit der unechten Leiharbeitnehmer ebenso gefolgt werden 183 wie der Vergleichspaarbildung zu den befristet Beschäftigten und der Identifizierung der fehlenden Arbeitsvertragsbeziehung als tragendem Unterscheidungsmerkmal.

178 Vgl. zur anderen sozialpolitischen Grundwertung der Mindermeinung zum Geltungsbereich des BetrVG oben Kapitel 3.C.IV.3. 179 Vgl. dazu oben Kapitel l.A.IV. sowie Kapitel 2.B.I.3.C. 180 Vgl. Plander, Normalarbeitsverhältnis, S. 189 f.; ders., AiB 1990, S. 29.

isi Vgl. Plander, Normalarbeitsverhältnis, S. 179 ff. 182 Vgl. Plander, Normalarbeitsverhältnis, S. 189 f. ι « Vgl. dazu unten Abschnitt B.I.3.b.bb.

Β. Differenzierungen wegen des Kriteriums Betriebszugehörigkeit

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Bei seinen anschließenden Abwägungen zur Tragfähigkeit des Unterscheidungsmerkmals für eine Differenzierung greift Plander jedoch auf eine dritte Vergleichsgruppe, die faktischen Arbeitsverhältnisse, zurück. Dies stellt ein im Rahmen der Gleichheitsprüfung unzulässiges Vorgehen dar. Innerhalb einer Gleichheitsprüfung dürfen die Vergleichsgruppen nicht gewechselt werden. Ziel der Gleichheitsprüfung ist es zu untersuchen, ob und inwieweit die Unterschiede zwischen zwei Vergleichsgruppen in der Lage sind, eine Ungleichbehandlung zwischen den beiden Vergleichsgruppen zu rechtfertigen. Für diese Abwägung irrelevant sind die Unterschiede und Ähnlichkeiten, die die betrachteten Vergleichsgruppen in bezug auf weitere Gruppen aufzeigen. So kann die Gewichtigkeit eines Unterschiedsmerkmals zwischen zwei Vergleichsgruppen mit dem Hinweis auf die Unwichtigkeit des Merkmals innerhalb eines anderen Vergleichspaares nicht in Frage gestellt werden. Mit einem solchen Rückgriff auf ein drittes Vergleichspaar gelangt man zu einer Art „Dreiecksprüfung", mit der schlichtweg alles zu beweisen ist, ohne daß dem geführten Beweis irgendeine Beweiskraft zukommt. 184 Wenn man in der Gleichheitsprüfung - wie hier im konkreten Fall Plander - neben dem gewählten Vergleichspaar auch die Ähnlichkeiten bzw. Unterschiede zu einer dritten Vergleichsgruppe für wesentlich hält, so ist dieser Problematik in einer zweiten getrennten Gleichheitspriifung nachzugehen. Für die von Plander gewählten Vergleichsgruppen der unechten Leiharbeitnehmer, der befristet Beschäftigten sowie der faktischen Arbeitsverhältnisse resultiert daraus folgendes Vorgehen: Einerseits ist zu prüfen, ob das Fehlen der Arbeitsvertragsbeziehung auf Seiten der Leiharbeitnehmer die Ungleichbehandlung gegenüber den befristet Beschäftigten sachlich rechtfertigen kann. Hierbei ist darauf abzustellen, welche tatsächlichen Unterschiede sich durch das Fehlen der Arbeitsvertragsbeziehung ergeben und ob diese Unterschiede aus Sicht der Betriebsverfassung von Relevanz und Gewicht sind. Daneben ist andererseits getrennt zu prüfen, ob die Ungleichbehandlung zwischen faktischen Arbeitsverhältnissen und unechten Leiharbeitnehmern sachlich gerechtfertigt ist, obschon es bei beiden an einem Arbeitsvertrag mangelt. Die sachliche Rechtfertigung der Ungleichbehandlung kann sich dabei 184 So könnte man mit einer Dreiecksprüfung ζ. B. die Helmtragepflicht der Motorradfahrer „in Frage stellen": Fahrrad und Motorrad stellen zwei gleichartige zweirädige Fortbewegungsmittel dar. Trotzdem hat der Gesetzgeber nur für die Motorräder eine Helmpflicht vorgesehen. Diese Ungleichbehandlung rechtfertigt sich aus der Motorisierung des Motorrads. Die Motorisierung als rechtfertigender Unterschied könnte nun innerhalb einer Dreiecksprüfung dadurch vordergründig „entkräftet" werden, daß man einen Vergleichspaarwechsel vornimmt und auf das Fortbewegungsmittel Auto verweist, bei dem der Gesetzgeber trotz Motorisierung auf eine Helmtragepflicht verzichtet hat. Es ist nun aber offensichtlich, daß die Motorisierung im Vergleich Auto /Motorrad eine ganz andere Rolle spielt als im Vergleich Fahrrad/Motorrad. Eine Übertragung der Ergebnisse des einen Vergleiches in den anderen Vergleich führt daher zu sachwidrigen Ergebnissen. Die Sachwidrigkeit der Ergebnisse der Dreiecksprüfung zeigt sich zudem in deren Beliebigkeit. So könnte im konkreten Beispiel auf gleichem Argumentationswege, aber mit entgegengesetztem Ergebnis ζ. B. auch die Helmtragepflicht für Fahrradfahrer oder sogar eine solche für Autofahrer „nachgewiesen" werden.

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Bremeier

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5. Kap.: Überprüfung ausgewählter Differenzierungen

aus den jeweiligen Arbeitsbedingungen wie ζ. B. der Eingliederungsdauer ergeben.

bb) Eigene Stellungnahme zur Rechtmäßigkeit des Ausschlusses Gemäß den oben 185 identifizierten zwei Untersuchungsschritten ist als erstes festzustellen, ob und inwieweit ein vergleichbares Maß an betriebsverfassungsrechtlicher Schutzbedürftigkeit auf Seiten der eingegliederten unechten Leiharbeitnehmer gegenüber den sonstigen Arbeitnehmern des Entleihbetriebes besteht. Hierzu ist zum einen zu klären, ob der Eingliederungsvorgang der unechten Leiharbeitnehmer innerhalb der Grenzen des Zusammenhangs von Eingliederung und Schutzbedürftigkeit anzusiedeln ist. 1 8 6 Diese Frage kann eindeutig bejaht werden. Die maximale Entleihdauer der unechten Leiharbeitnehmer von 12 Monaten verläßt ebenso gesichert den Anfangsbereich der Unbeeinflußbarkeit der betrieblichen Ordnungsregeln wie die Weisungsunterworfenheit der unechten Leiharbeitnehmer die gegenüber einem Kundenverhältnis zu fordernde engere Bindung erzeugt. Zum anderen ist das tatsächliche Maß an Schutzbedürftigkeit der Leiharbeitnehmer und dessen Vergleichbarkeit zur Schutzbedürftigkeit der sonstigen Arbeitnehmer zu bestimmen. Zu dieser Frage kann zunächst festgestellt werden, daß das Ausmaß der Schutzbedürftigkeit der Leiharbeitnehmer gegenüber der Schutzbedürftigkeit der sonstigen Arbeitnehmer des Entleihbetriebes absolut gesehen geringer ist. Denn diese bedürfen neben dem Schutz vor den Auswirkungen einer tatsächlichen Eingliederung zusätzlich eines Schutzes im Rahmen ihres Arbeitsvertragsverhältnisses zum Inhaber des Entleihbetriebes. Insofern ist also ein klarer Unterschied zwischen den Leiharbeitnehmern und den sonstigen Beschäftigten des Entleihbetriebes feststellbar. 187 Jedoch kann dieser Unterschied eine Ungleichbehandlung bezüglich der Zuerkennung der Betriebszugehörigkeit durch den Gesetzgeber noch nicht abschließend rechtfertigen. Eine so begründete Ungleichbehandlung wäre nämlich dann unzulässig, wenn nachgewiesen werden könnte, daß die aus dem Eingliederungsvorgang resultierende Schutzbedürftigkeit der Leiharbeitnehmer zwar absolut hinter der Schutzbedürftigkeit der sonstigen Beschäftigten zurückbleibt, die Schutzbedürftigkeit aber relativ trotzdem ein Ausmaß erreicht, welches den Ausschluß der Leiharbeitnehmer aus der Betriebsverfassung als sachwidrig erscheinen läßt. Demnach wäre die Schutzbedürftigkeit der Leiharbeitnehmer zwar absolut geringer als die der sonstigen Arbeitnehmer, sie wäre aber relativ doch vergleichbar und somit einem Gleichheitsschluß zugänglich. Der geforderte Nachweis ist 185 Vgl. dazu oben Abschnitt B.I.3.b. 186 Zu den Grenzen des Zusammenhangs von Eingliederung eines Beschäftigten und dessen betriebsverfassungsrechtlicher Schutzbedürftigkeit vgl. oben Abschnitt B.I.3.a.aa. 187 Vgl. hierzu auch BAG AP Nr. 1 zu § 9 BetrVG 1972, wonach der Schwerpunkt der Regelungen des BetrVG sich eindeutig auf die Arbeitsvertragsbeziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bezieht.

Β. Differenzierungen wegen des Kriteriums Betriebszugehörigkeit

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schwierig zu führen und bedürfte einer grundlegenden Untersuchung. Der Nachweis kann jedoch an dieser Stelle unterbleiben, da unabhängig von seinem Ergebnis der Ausschluß der unechten Leiharbeitnehmer aus der Betriebsverfassung anhand anderer Gründe gerechtfertigt werden kann. Auf den Nachweis wird deshalb hier verzichtet, und es wird zugunsten der Mindermeinung angenommen, daß die betriebsverfassungsrechtliche Schutzbedürftigkeit auf Seiten der unechten Leiharbeitnehmer ein gegenüber den sonstigen Beschäftigten vergleichbares Ausmaß erreicht. 188 Allerdings ist für die weitere Untersuchung der Bewertungsspielraum in Erinnerung zu halten, der innerhalb des hier unterbliebenen Nachweises besteht. So ist der Bewertungsspielraum im folgenden bei auftretenden Zweifelsfragen zugunsten der gesetzgeberischen Regelungen zu berücksichtigen. Nach dieser Feststellung der (angenommenen) vergleichbaren Schutzbedürftigkeit der Leiharbeitnehmer ist als zweiter Untersuchungsschritt die eigentliche Gleichheitsprüfung vorzunehmen. Diese ist dabei in zwei Problemlösungsschritte zu unterteilen: In einem ersten Schritt gilt es herauszufinden, ob es für die Ungleichbehandlung zwischen Leiharbeitnehmern und sonstigen Arbeitnehmern unabhängig von der Zeitkomponente tragfähige sachliche Unterschiede gibt. Als zweites ist dann zu fragen, ob diese Unterschiede auch angesichts der maximalen Entleihdauer von 12 Monaten zur sachlichen Rechtfertigung der Differenzierung taugen. 189 Entgegen der Annahme der Mindermeinung ist das Erfordernis eines Arbeitsvertragsverhältnisses als Unterscheidungsmerkmal zwischen Leiharbeitnehmern und sonstigen Beschäftigten nicht ohne Bedeutung für deren betriebsverfassungsrechtliche Schutzbedürftigkeit, sondern es verbinden sich hiermit gewichtige qualitative Unterschiede in der Stellung des jeweiligen Beschäftigten im Betrieb. Hierbei sind im wesentlichen zwei Unterschiede herauszustellen: Erstens ist auf das Machtgefüge im Verhältnis des Betriebsinhabers zum Beschäftigten zu verweisen. Während die befristet Beschäftigten gänzlich auf den Betriebsinhaber fixiert und allein von diesem abhängig sind, arbeiten die Leiharbeitnehmer sozusagen mit „Netz und doppeltem Boden". Diese haben im Hintergrund eine gesicherte Vertragsbeziehung zum Verleiher, und ihre Eingliederung hat von vornherein nur episodenhaften Charakter. Dies ermöglicht dem Leiharbeitnehmer ein selbstbewußteres Auftreten gegenüber dem Entleiher. Während befristet Beschäftigte wegen ihrer focussierten Abhängigkeit zur „Pflege" der Arbeitgeber-Arbeitnehmerbeziehung und der Wahrung der Option einer Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis häufiger zurückstecken werden, besteht für Leiharbeitnehmer für ein solches Verhalten keine vergleichbare Notwendigkeit. Zwar besteht auch bei diesen die Möglichkeit, durch positives Auffallen den Entleiher zur unbefristeten 188 Es ist jedoch der Mindermeinung der Vorwurf zu machen, daß sie ohne differenziertes Problembewußtsein anhand ihrer Eingliederungstheorie automatisch jeden eingegliederten Beschäftigten als betriebsverfassungsrechtlich schutzbedürftig einordnet. 189 Zur Relevanz der Zeitkomponente vgl. oben Abschnitt B.I.3.a.

1*

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5. Kap.: Überprüfung ausgewählter Differenzierungen

Einstellung zu veranlassen, doch nimmt das im Hintergrund vorhandene unbefristete Arbeitsverhältnis zum Verleiher diesem Begehren des Leiharbeitnehmers die soziale Schärfe. Dieser kann sich allemal darauf zurückziehen, die Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis erst im Rahmen des nächsten Leihverhältnisses anzustreben. 190 Als zweiter Unterschied ist hervorzuheben, daß der befristet Beschäftigte als Schutzpartner nur den Betriebsrat des Beschäftigungsbetriebes zur Verfügung hat, während der Leiharbeitnehmer in gewissem Umfang auch über den Betriebsrat des Verleihbetriebes einen Hebel ansetzen kann. Zwar wird im Schrifttum zurecht darauf verwiesen, die rechtlichen Möglichkeiten des Verleihbetriebsrates im Entleihbetrieb seien beschränkt, 191 doch kann der Verleihbetriebsrat sehr wohl faktisch wenigstens indirekt auf die Situation des Leiharbeitnehmers im Entleihbetrieb Einfluß nehmen. So besteht für ihn die Möglichkeit, die Interessen der Leiharbeitnehmer dadurch zu vertreten, daß er auf die Vertragsgestaltung zwischen Entleiher und Verleiher zugunsten der Arbeitsbedingungen der Leiharbeitnehmer im Wege von Kompensationsgeschäften Einfluß nimmt. Da wegen der Zahlenverhältnisse im Verleihbetrieb der dortige Betriebsrat regelmäßig von den Leiharbeitnehmern dominiert werden kann, ist ein entsprechendes Tätigwerden des Verleihbetriebsrates zugunsten der Leiharbeitnehmer auch durchaus möglich. Im Ergebnis wird sich der Verleiher einem solchen Schutzansinnen seines Betriebsrates nicht dauerhaft entziehen können. Als Zwischenergebnis bleibt somit festzuhalten, daß mit dem Unterscheidungsmerkmal Arbeitsvertragsverhältnis sachliche Rechtfertigungsgründe für eine Ungleichbehandlung bezüglich der Betriebszugehörigkeit verbunden sind. Der weitgehende Ausschluß der unechten Leiharbeitnehmer aus der Betriebsverfassung rechtfertigt sich aus deren - gegenüber den sonstigen Arbeitnehmern des Entleihbetriebes - stärkeren Machtposition im Verhältnis Arbeitgeber/Arbeitnehmer und aus ihrer Möglichkeit, über den Verleiherbetriebsrat indirekt Einfluß auf ihre Entleihbedingungen nehmen zu können. Beide Einflußmöglichkeiten sind beim befristet Beschäftigten nicht gegeben. Dieses Zwischenergebnis ist im zweiten Schritt auf seine Gültigkeit unter Berücksichtigung auch der Zeitdauer der Eingliederung zu überprüfen. Wie oben schon einmal näher ausgeführt, ist die Zeitkomponente der Eingliederung ein maßgeblicher Faktor für das Ausmaß der Schutzbedürftigkeit. 192 In diesem Sinne wirkt 190 An dieser Stelle sei dem Eindruck entgegengewirkt, der Verfasser hielte, wenn er vom selbstbewußten Auftreten der Leiharbeitnehmer spricht, die Leiharbeitnehmer im Verhältnis zum Entleiher als hinreichend mächtig und daher nicht weiter schutzbedürftig. Das festgestellte höhere Selbstbewußtsein der Leiharbeitnehmer ist relativ zu sehen und bezieht sich nur auf den Vergleich zu den befristet Beschäftigten. 191 Zu den Möglichkeiten des Verleihbetriebsrates in bezug auf die Leiharbeitnehmer vgl. ζ. B. Becker/Wulfgramm, Art. 1 § 14, Rn. 76 ff.; Schüren, § 14, Rn. 270 ff.

192 Vgl. oben Abschnitt B.I.3.a.

Β. Differenzierungen wegen des Kriteriums Betriebszugehörigkeit

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sich die Zeitkomponente auch abschwächend auf die identifizierten Rechtfertigungsgründe für die Ungleichbehandlung aus. Je länger der Entleihvorgang anhält, desto gewichtiger wird die Entleihperiode für die Lebensplanung des Leiharbeitnehmers. Gleichzeitig verliert der EingliederungsVorgang des Leiharbeitnehmers in den Betrieb den Charakter des Vorübergehenden. Im Ergebnis wird sich der Leiharbeitnehmer deshalb zunehmend vergleichbar den sonstigen Arbeitnehmern zu Wohlverhalten und selbstaufgebendem Gehorsam gegenüber dem Entleiher verpflichtet fühlen. Auch wird mit zunehmender Entleihdauer die Verbindung zum Verleihbetrieb weiter gelockert, und es entsteht die Gefahr, daß der Verleiherbetriebsrat mangels kontinuierlicher Berührungspunkte in der Vertretung der Leiharbeitnehmerinteressen nachläßt. Angesichts der oben skizzierten Entwicklungen stellt sich nun die Frage, ab welcher Entleihdauer die Rechtfertigungsgründe an Stichhaltigkeit verlieren und der Ausschluß der Leiharbeitnehmer aus der Betriebsverfassung sachlich nicht mehr gerechtfertigt ist. Der Nachweis der Rechtmäßigkeit des Ausschlusses der Leiharbeitnehmer muß dabei für die maximale Entleihdauer von zwölf Monaten geführt werden. Es ist nun offensichtlich, daß hiermit sehr schwierige und offene Wertungsfragen angeschnitten sind. Es ist daher sinnvoll, zunächst die Bereiche auszugrenzen, über die relative Klarheit besteht. Unstrittig ist, daß Leiharbeitnehmer jedenfalls dann aus der Betriebsverfassung ausgeschlossen werden, wenn sie wie nach früherem Recht nur bis zu drei Monate ausgeliehen werden. Die wird auch von Vertretern der Eingliederungstheorie anerkannt. 193 Eine weitere Eingrenzung kann Mithilfe des BPersVG vorgenommen werden. Hier existiert zum Problem der Abordnung von Beschäftigten die Regelung des § 13 Abs. 2 BPersVG. Danach gilt ein abgeordneter Beschäftigter in der aufnehmenden Dienststelle bis zur maximalen Zeitdauer von neun Monaten als nicht dienststellenzugehörig. Die Neun-Monats-Regel des § 13 Abs. 2 BPersVG ist im Personalvertretungsrecht unumstritten. 1 9 4 Von einigen Autoren wird zudem die Übertragung der legislatorischen Wertung des § 13 Abs. 2 BPersVG auf das Betriebsverfassungsrecht befürwortet. 195 Ob letzterem beizupflichten ist, kann offen bleiben. Es reicht an dieser Stelle aus, die Vergleichbarkeit der Regelungsgegenstände festzustellen, und davon ausgehend, den allgemeinen Konsens zur Neun-Monats-Regel auf die betriebsverfassungsrechtliche Regelung zu übertragen. 196 Jedenfalls ist kein Argument sichtbar, wonach die Frist im Betriebsverfassungsrecht kürzer anzusetzen wäre. Die Wertungsproblematik reduziert sich somit auf die Differenz zwischen der akzeptierten Neun-Monats-Regel und der zur Diskussion stehenden Zwölf-Monats-Regel. Im 193 Vgl. hierzu nur D/K/K-Trümner, § 5, Rn. 78 a. 194 Vgl. ζ. B. A/B/H/P/S/S/V, § 13, Rn. 15 f.; Dietz/Richardi, § 13 BPersVG, Rn. 36 ff.; G/W/I/W, § 13, Rn. 26 f. 195 Vgl. ζ. B. Richardi, NZA 1987, S. 146 f.; Ziemann, ArbuR 1990, S. 63 f. 196 A.A. Becker/Wulfgramm (Art. 1 § 14, Rn. 32), die schon eine Sechs-Monats-Frist für problematisch halten, sowie Schüren (§14, Rn. 47), der eine Neun-Monats-Frist für bedenklich hält.

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5. Kap.: Überprüfung ausgewählter Differenzierungen

folgenden ist deshalb die Frage zu beantworten, ob sich derartig gewichtige Unterschiede zwischen der Neun- und der Zwölf-Monats-Frist bestimmen lassen, daß die gesetzliche Regelung des Art. 1 § 14 AÜG als nicht mehr tragfähig eingestuft werden muß. Vor dem Hintergrund der Tatsache, daß die obige Wertungsfrage anhand des Willkürverbots zu überprüfen ist, 1 9 7 muß die Frage verneint werden. Der gesetzgeberischen Regelung des Art. 1 § 14 AÜG könnte nur dann entgegengetreten werden, wenn die vom Gesetzgeber für die Differenzierung angeführte Rechtfertigung keinen sachlichen Bezug zur Differenzierung hätte. Da jedoch das Fehlen einer Arbeitsvertragsbeziehung, wie oben gezeigt, einen sehr klaren inhaltlichen Bezug zur Differenzierung hat, müßten, um dies überspielen zu können, zwischen der Neunund der Zwölf-Monats-Frist schon ganz offensichtliche und schwerwiegende Unterschiede gegeben sein. Dies ist jedoch nicht zu erkennen und wegen der geringen Zeitdifferenz auch nicht zu erwarten. Selbst wenn man trotzdem annähme, im Bereich der Zwölf-Monats-Grenze wäre ein kritischer Punkt erreicht, könnte mangels offensichtlicher Kriterien nicht mit der gebotenen Sicherheit festgestellt werden, daß bei einer Zeitgrenze von zwölf Monaten die obigen Rechtfertigungsgründe des Ausschlusses der Leiharbeitnehmer ihre Gültigkeit verlieren. In einer solchen Zweifelssituation muß die gesetzgeberische Entscheidung für die Zwölf-MonatsGrenze hingenommen werden. Dies gilt insbesondere angesichts des weitgehenden Entscheidungsspielraums des Gesetzgebers im Bereich des Willkürverbotes einerseits und der in der bisherigen Untersuchung schon an mehreren Stellen identifizierten Wertungsspielräume andererseits. 198 Im Ergebnis kann deshalb die gesetzgeberische Wertungsentscheidung für einen maximal Zwölf-monatigen Ausschluß der unechten Leiharbeitnehmer aus der Betriebsverfassung nicht als willkürlich bezeichnet werden. Der Ausschluß der unechten Leiharbeitnehmer rechtfertigt sich aus deren (relativ) stärkerer Machtposition im Verhältnis Arbeitgeber/ Arbeitnehmer und aus ihrer Möglichkeit, über den Verleiherbetriebsrat indirekt Einfluß auf ihre Entleihbedingungen nehmen zu können. Soweit die Zeitdauer des Ausschlusses mit zwölf Monaten Anlaß zu Kritik und Zweifel bietet, werden diese noch durch den weiten Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers abgedeckt.199

197 Vgl. oben Abschnitt B.I.2. 1*8 Hier ist insbesondere auf die Frage der vergleichbaren Schutzbedürftigkeit von Leiharbeitnehmern und sonstigen Arbeitnehmern zu verweisen. Vgl. oben Abschnitt B.I.3.a. i " Zwar ist, wie gezeigt, aus verfassungsrechtlicher Sicht die bestehende Regelung des Gesetzgeber zu akzeptieren, doch erscheint es aus der rechtspolitischen Sicht des Verfassers angezeigt, daß der Gesetzgeber die Neun-Monats-Frist des Personalvertretungsrechts auch auf das Betriebsverfassungsrecht überträgt. Ein solches Vorgehen würde nicht nur ein höheres Maß an Rechtseinheitlichkeit schaffen, sondern entkoppelte auch die Frage nach der gerechten Ausschlußfrist zur Betriebszugehörigkeit vom Problem der Findung der arbeitsmarktpolitisch gebotenen maximalen Entleihdauer der Leiharbeitnehmer.

Β. Differenzierungen wegen des Kriteriums Betriebszugehörigkeit

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Dieses Ergebnis behält im übrigen auch im Vergleich zu den - von Plander als Vergleichspaar herangezogenen - 2 0 0 faktischen Arbeitsverhältnissen seine Gültigkeit. Auch im Vergleich zu diesen haben die Leiharbeitnehmer eine (relativ) stärkere Machtposition zum Arbeitgeber inne und haben die Möglichkeit, über den Verleiherbetriebsrat indirekt Einfluß auf ihre Entleihbedingungen zu nehmen. 201

II. Differenzierung durch Ausschluß sonstiger Formen des drittbezogenen Personaleinsatzes 1. Formen des drittbezogenen Personaleinsatzes Neben der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung - der unechten Leiharbeit - existiert eine große Vielzahl weiterer Erscheinungsformen des drittbezogenen Personaleinsatzes. Diese unterscheiden sich bezüglich der Art und des Inhalts der Vertragsbeziehung zwischen Entleiher und Verleiher sowie auch durch die Rechtsbeziehung zwischen Verleiher und dem Beschäftigten. Es wird an dieser Stelle darauf verzichtet, die verschiedenen Formen näher zu systematisieren und einer umfassenden Untersuchung zuzuführen. 202 Die folgende Untersuchung beschränkt sich vielmehr auf Beispielfälle des drittbezogenen Personaleinsatzes, die in Rechtsprechung und Schrifttum besondere Aufmerksamkeit erlangt haben. Hier ist zu allererst die echte Leiharbeit zu nennen. Diese unterscheidet sich von der unechten Leiharbeit dadurch, daß bei der echten Leiharbeit der Arbeitnehmer nicht zur Ausleihe angestellt, sondern allein vorübergehend ausgeliehen wird, während bei der unechten Leiharbeit der Arbeitnehmer von vornherein zur Ausleihe angestellt und gewerbsmäßig ausgeliehen wird. Unter dem Oberbegriff der echten Leiharbeit werden viele verschiedene Unterformen subsumiert. Neben der klassischen Form der gelegentlichen Ausleihe eines Arbeitnehmers von einem Unternehmen an ein unabhängiges anderes Unternehmen sind hier ζ. B. die konzerninterne Arbeitnehmerüberlassung 203 und die Abordnung von Arbeitnehmern an Arbeitsgemeinschaften, denen der Arbeitgeber angehört, 204 zu nennen. Die bei diesen Son-

200 Vgl. oben Abschnitt B.I.3.b.aa. 201 Vgl. zur fehlenden Vergleichbarkeit von faktischen Arbeitsverhältnissen und Leiharbeitnehmern auch Weber (SAE 1995, S. 294), wonach einem faktischen Arbeitsverhältnis ein zumindest konkludent geschlossener Arbeitsvertrag zugrunde liegt. 202 Vgl. zur Systematisierung der Problematik des drittbezogenen Personaleinsatzes ζ. B. F. Becker, DB 1988, S. 2561 ff.; Konzen, ZfA 1982, S. 259 ff.; Schaub, NZA 1985, Beilage 3, S. 1 ff. 203 Zur konzerninternen Arbeitnehmerüberlassung vgl. ζ. B. Birk, ZGR 1984, S. 23 ff.; Hanau, ZGR 1984, S. 469 ff.; Martens, in: FS für Hilger/Stumpf, S. 437 ff.; Richardi, NZA 1987, S. 145 ff.; Schüren, § 14, Rn. 376 ff.; Zeuner, in: FS für Hilger/Stumpf, S. 771 ff. 204 Zum Problem der Arbeitsgemeinschaften vgl. ζ. B. F. Becker, DB 1988, S. 2565; Schüren, § 14, Rn. 359 ff.

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5. Kap.: Überprüfung ausgewählter Differenzierungen

derformen auftretenden Spezialprobleme haben durchaus ihre betriebsverfassungsrechtliche Relevanz. Da diese sich jedoch vornehmlich auf Zuordnungsfragen beziehen, kann die hier allein interessierende Frage der betriebsverfassungsrechtlichen Schutzbedürftigkeit der echten Leiharbeitnehmer allgemeingültig anhand der klassischen Form der echten Leiharbeit untersucht werden. 205 Eine weitere hier näher interessierende Form des drittbezogenen Personaleinsatzes stellt das Überlassen von Bedienungspersonal dar. Der Unterschied zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung wird darin gesehen, daß der Schwerpunkt des Vertrages zwischen Entleiher und Verleiher nicht in der Personalüberlassung, sondern in der Überlassung von Maschinen liegt. Die Überlassung des Bedienungspersonals stellt lediglich eine Nebenpflicht des Vertrags dar. Hier ist zu problematisieren, welche Auswirkungen dies auf die betriebsverfassungsrechtliche Schutzbedürftigkeit des überlassenen Bedienungspersonals hat. 2 0 6 Eine dritte zu betrachtende Form des drittbezogenen Personaleinsatzes ist in den Schwesterngestellungsverträgen zu sehen. Durch diese verpflichten sich Schwesternorganisationen in Pflegeeinrichtungen, das notwendige Pflegepersonal zu stellen. Im Vergleich zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung fehlt es hier zum einen an der Gewinnabsicht der Schwesternorganisation und zum anderen an der Arbeitnehmereigenschaft der gestellten Schwestern. Die Gestellungsverträge werden dabei erst im Rahmen der Gesamtbetrachtung zu den Rote-Kreuz-Schwestern näher untersucht. 207 Schließlich ist im Rahmen einer Untersuchung zum drittbezogenen Personaleinsatz auch die Grenze zwischen Arbeitnehmerüberlassung und Werk- bzw. Dienstverträgen zu bestimmen. Im Zusammenhang mit jüngeren wirtschaftlichen Entwicklungen wie ζ. B. dem Outsourcing und der Verringerung der Produktionstiefe in den Unternehmen entsteht eine zunehmende Gefahr des Abschlusses von Scheinwerkverträgen. In dieser Situation gilt es, im Grenzbereich von Arbeitnehmerüberlassung und Werkvertrag die betriebsverfassungsrechtliche Stellung und Schutzbedürftigkeit der betroffenen Beschäftigten näher zu untersuchen. 208 2. Ausschluß der echten Leiharbeitnehmer Wie oben gezeigt, unterscheidet sich die echte von der unechten Leiharbeit nur durch das verschiedenartige Motiv des Verleihers. Dieses ist für die betriebsverfassungsrechtliche Einordnung der Leiharbeitnehmer aber irrelevant. Aus diesem Grunde wendet das BAG die für unechte Leiharbeit geltende Regelung des Art. 1 §14 AÜG auf alle Formen der echten Leiharbeit analog an. 2 0 9 Die analoge An205 206 207 208

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

unten Abschnitt unten Abschnitt unten Abschnitt unten Abschnitt

B.II.2. B.II.3. D.I.3. B.II.4.

Β. Differenzierungen wegen des Kriteriums Betriebszugehörigkeit

281

wendung des Art. 1 § 14 AÜG führt dazu, daß die zur unechten Leiharbeit getroffenen Ausführungen für die echte Leiharbeit weitgehend ihre Gültigkeit behalten. 2 1 0 So ist das Differenzierungskriterium hier wie dort im fehlenden Arbeitsvertragsverhältnis zum Entleiher und damit der fehlenden Zugehörigkeit zum Entleihbetrieb zu sehen. Das Ausmaß der Ungleichbehandlung beschränkt sich bei beiden vornehmlich auf die Vorenthaltung des Wahlrechts, da eine teilweise Geltung der anderen betriebsverfassungsrechtlichen Regelungen im Entleihbetrieb angeordnet ist. Schließlich ist drittens für beide Differenzierungen das Willkürverbot - ohne die verschärfende Einwirkung der grundrechtlichen Fundierung der Betriebsverfassung - der anzuwendende Prüfungsmaßstab. Die Regelungen von unechter und echter Leiharbeit unterscheiden sich lediglich in einem gewichtigen Punkt - der maximalen Verleihdauer. Hier will das BAG, im Unterschied zu seiner sonstigen Auffassung, die Regelung des AÜG nicht analog anwenden. In seiner Grundsatzentscheidung zur Analogiefähigkeit des Art. 1 § 14 AÜG hatte das BAG das Problem der Zeitkomponente noch unbeachtet gelassen, obwohl im zu entscheidenden Fall die Entleihdauer schon mehrere Jahre betragen hatte. 211 In einer späteren Entscheidung hat das BAG dann zur Zulässigkeit langfristiger nichtgewerbsmäßiger Arbeitnehmerüberlassung Stellung genommen.212 Hierin betont das Gericht die Gefahren, die den längerfristig verliehenen Beschäftigten durch ihre Abwesenheit im Verleihbetrieb drohen, und es kommt zum Schluß, daß langfristige nichtgewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung dann als unerlaubte Arbeitsvermittlung zu werten sei, wenn nach der gesamten Gestaltung und Durchführung der Vertragsbeziehungen der Schwerpunkt des Arbeitsverhältnisses auf den Entleiher übergehe. Diese Wertungsfrage will das BAG dabei anhand der zur Befristung von Arbeitsverhältnissen entwickelten Maßstäbe beurteilen. So soll der überlassene Arbeitnehmer dann als Beschäftigter des Entleihbetriebes gelten, wenn er im Entleihbetrieb Daueraufgaben wahrnimmt, die bei einer direkten Anstellung des Arbeitnehmers eine Befristung des Arbeitsverhältnisses sachlich nicht rechtfertigen könnten. Angesichts der verschiedenen anerkannten Befristungsgründe und der damit verbundenen Zeiträume bedeutet dies, daß sich eine nichtgewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung nicht nur bis maximal zwölf Monate, sondern über mehrere Jahre hinziehen kann. Wegen der weitgehenden Identität der Situation von echten und unechten Leiharbeitnehmern hat die obige Gleichheitsprüfung zum Ausschluß der unechten Leiharbeitnehmer 213 bis zu dem Punkt auch für die echten Leiharbeitnehmer Gültigkeit, an dem die Zwölf-Monats-Frist näher beleuchtet wird. Nach den bis dorthin gewonnenen Erkenntnissen ist der Ausschluß der echten Leiharbeitnehmer aus 209 Vgl. z u r analogen Anwendung des Art. 1 § 14 AÜG oben Kapitel 4.B.I. 210 Vgl. zur unechten Leiharbeit oben Abschnitt B.I. 211 Vgl. BAG AP Nr. 1 zu § 9 BetrVG 1972; BAG AP Nr. 2 zu § 14 AÜG. 212 Vgl. BAG AP Nr. 15 zu § 1 AÜG. 213 Vgl. oben Abschnitt B.I.3.b.

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5. Kap.: Überprüfung ausgewählter Differenzierungen

der Betriebsverfassung dem Grundsatz nach wegen deren (relativ) stärkerer Machtposition im Verhältnis Arbeitgeber/Arbeitnehmer und wegen ihrer Möglichkeit, über den Verleiherbetriebsrat indirekt Einfluß auf ihre Entleihbedingungen nehmen zu können, gerechtfertigt. Diese grundsätzliche Rechtfertigung kann jedoch durch die Zeitdauer der Ausleihe in Frage gestellt sein. Für die unechten Leiharbeitnehmer wurde deren maximal mögliche Ausleihdauer von zwölf Monaten als noch sachlich gerechtfertigt eingestuft. Für die echten Leiharbeitnehmer fehlt es an einer obersten Begrenzung der Ausleihdauer. Nach der Rechtsprechung des BAG sind hier Zeiträume bis über die Fünf-Jahres-Grenze hinweg denkbar. Bei der nun anstehenden Untersuchung über die Rechtfertigung der Zeitgrenzen bei den echten Leiharbeitnehmer kommen zwei Vorgehensweisen in Betracht. Einmal könnte geprüft werden, inwieweit die Argumentation, die zur Rechtfertigung der Zwölf-Monats-Grenze angeführt wurde, dazu taugt, die Zeitgrenze über die zwölf Monate hinaus zu verschieben. Dieser Ansatz ist jedoch nicht gangbar. So wurde die Zwölf-Monats-Grenze nicht anhand eindeutiger Argumente gerechtfertigt, sondern auf sie wurde nur der Konsens bezüglich der Neun-Monats-Regel übertragen. Dies war möglich, da wegen des geringen Zeitunterschieds zwischen neun und zwölf Monaten keine schlagenden Argumente gegen die Übertragung sichtbar waren. Ein solches Verfahren kann jedoch nicht beliebig ausgedehnt werden. Schon bei 15 Monaten ist die Zeitdifferenz zur Neun-Monats-Regel fast so groß wie der Zeitraum der Neun-Monats-Regel selbst. Die Anwendung des Verfahrens kann daher hier nicht mehr mit der gebotenen Sicherheit begründet werden und muß deswegen auf die Zwölf-MonatsRegel beschränkt bleiben. Ein zweiter Weg zur Bewertung der möglichen Ausleihdauer liegt im Ausgrenzen der offensichtlich zu langen Zeiträume. Hier können wohl die Verleihzeiten als unverhältnismäßig ausgeschlossen werden, die die Wahlperiode eines Betriebsrats überschreiten. Die damit gezogene absolute Grenze von vier Jahren rechtfertigt sich aus dem Einschnitt, den eine Neuwahl des Betriebsrates im Arbeitsleben bedeutet. Insbesondere besteht ab vier Jahren die Möglichkeit, daß der neu gewählte Betriebsrat die verliehenen Arbeitnehmer gar nicht mehr kennt. Vor diesem Hintergrund kann mit hinreichender Sicherheit angenommen werden, daß die beiden Rechtfertigungsgründe für den Ausschluß der Leiharbeitnehmer ihre Schlagkraft verloren haben. Bei solchen Zeiträumen kann nämlich nicht mehr von einer vorübergehenden Eingliederung gesprochen werden. Dies hat für den Leiharbeitnehmer die Folge, daß er gegenüber dem Entleiher in dieselbe Abhängigkeit gerät wie die sonstigen Beschäftigten. Zudem besteht die Gefahr, daß mit verlängerter Abwesenheitszeit die Besitzstände des Leiharbeitnehmers im Verleihbetrieb erodieren und die Rolle des Verleihbetriebes als „Sicherungsleine" gänzlich verloren geht. 214 Tragen demnach die Rechtfertigungsgründe für den Ausschluß der Leiharbeitnehmer bei Verleihzeiten jenseits der Vier-Jahres-Grenze nicht mehr, so fehlt den Aus214 So auch das BAG AP Nr. 15 zu § 1 AÜG.

Β. Differenzierungen wegen des Kriteriums Betriebszugehörigkeit

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schlüssen die sachliche Rechtfertigung. Sie sind daher als gleichheitssatzwidrig einzustufen. Als Zwischenergebnis läßt sich somit folgendes zusammenfassen: Zum einen ist der Ausschluß der echten Leiharbeitnehmer bis zu einer Verleihdauer von zwölf Monaten in Anlehnung an die Argumentation bei den unechten Leiharbeitnehmern gerechtfertigt. Zum anderen kann für längere Verleihzeiten eine obere Grenze bei vier Jahren gezogen werden. Wenn diese Grenze überschritten wird, darf die Betriebszugehörigkeit zum Entleihbetrieb nicht mehr vorenthalten werden. Angesichts dieser beiden Pole stellt sich die Frage, wie für den Zeitraum zwischen zwölf Monaten und vier Jahren zu entscheiden ist. Es handelt sich hierbei um eine Wertungsfrage, für deren Beantwortung keine gesicherten Fakten zur Verfügung stehen. Wollte man dennoch eine Aussage treffen, könnte diese sich nur auf die sozialpolitischen Wertungen des Autors stützen. Mithilfe subjektiver sozialpolitischer Vorstellungen kann und darf ein Gleichheitsverstoß jedoch nicht begründet werden. 215 Der Vergleich der echten Leiharbeitnehmer und der befristet Beschäftigten ist daher an dieser Stelle abzubrechen. Mit ihm kann nur bei Verleihzeiten jenseits der Vier-Jahres-Grenze die Betriebszugehörigkeit der echten Leiharbeitnehmer zum Entleihbetrieb begründet werden. Bei Verleihzeiten zwischen einem und vier Jahren kann der gesetzgeberischen Wertung innerhalb dieses Vergleichs mangels gesicherter Erkenntnisse nicht entgegengetreten werden. Dieses unbefriedigende Ergebnis kann jedoch durch einen Wechsel der Perspektive - respektive ein Wechsel des Vergleichspaars - vermieden werden. Es wird im folgenden nicht mehr danach gefragt, ab welcher Zeitgrenze der Unterschied zwischen echten Leiharbeitnehmern und sonstigen Arbeitnehmern (den befristet Beschäftigten) so stark verwischt, daß eine Ungleichbehandlung nicht mehr gerechtfertigt ist, sondern als Vergleichspaar wird auf die echten und unechten Leiharbeitnehmer abgestellt. In dieser Gleichheitsprüfung ist zu untersuchen, auf der Basis welcher Rechtfertigungsgründe der Gesetzgeber bei unechter Leiharbeit den Leiharbeitnehmern gemäß Art. 1 § 1 Abs. 2 AÜG i.V.m. Art. 1 § 10 Abs. 1 AÜG mit dem 13. Beschäftigungsmonat die Betriebszugehörigkeit zum Entleihbetrieb zuspricht, während die Betriebszugehörigkeit dem echten Leiharbeitnehmer gemäß der Rechtsprechung des BAG bis zu vier Jahre vorenthalten wird. Für die aufgezeigte Ungleichbehandlung zwischen unechten und echten Leiharbeitnehmern lassen sich keine Rechtfertigungsgründe finden. Dies stellt schon das BAG selbst im Rahmen seiner Analogieüberlegungen zu Art. 1 § 14 AÜG ausdrücklich fest. Danach sei das Motiv des Verleihers als einziger Unterschied zwischen der unechten und der echten Leiharbeit für deren betriebsverfassungsrechtliche Einordnung irrelevant. 216 Dem ist nichts hinzuzufügen. Es ist denn auch nicht 215 Zur Bedeutung der subjektiven Wertungen innerhalb der Gleichheitsprüfung vgl. oben Kapitel I.A. 216 Vgl. BAG AP Nr. 1 zu § 9 BetrVG 1972; BAG EzA Nr. 1 zu § 7 BetrVG, BAG AP Nr. 8 zu § 1 GesamthafenbetriebsG; BAG AP Nr. 2 zu § 14 AÜG.

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5. Kap.: Überprüfung ausgewählter Differenzierungen

recht nachvollziehbar, wieso das BAG die Kehrseite seiner Analogiebildung nicht anerkennen will. Dies gilt um so mehr, als der Gesetzgeber in seiner Begründung zu Art. 1 § 14 AÜG ausdrücklich auf die kurze Zeitdauer der Eingliederung Bezug genommen hat. 2 1 7 Es ist daher nicht angängig, die Regelung des Art. 1 § 14 AÜG auf die echte Leiharbeit analog anzuwenden, ohne deren Gesamtkontext - die Befristungsregelung des Art. 1 § 1 AÜG - mit zu berücksichtigen. Diese Einschätzung wird von der ganz h.M. im Schrifttum geteilt. Nahezu alle Befürworter der Analogiebildung zwischen echter und unechter Leiharbeit kritisieren die fehlende Berücksichtigung der Zeitkomponente in der Rechtsprechung des BAG und fordern zu Recht eine Unterscheidung zwischen kurzfristiger und langfristiger echter Leiharbeit. 218 Dieser Einschätzung steht auch nicht die Regelung des Art. 1 § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG entgegen. Nach dieser Vorschrift fällt die Konzernleihe als Form der echten Leiharbeit u. a. dann nicht unter das AÜG, wenn sie lediglich vorübergehend angelegt ist. Das Erfordernis vorübergehend will das BAG dabei weit auslegen. Es soll schon dann als erfüllt gelten, wenn die Personalmaßnahme als nicht endgültig anzusehen ist. 2 1 9 Infolgedessen können auch mehrjährige Ausleihzeiten noch als vorübergehend gelten, und die betreffenden Leiharbeitnehmer fallen nicht unter das A Ü G . 2 2 0 Dieser Umstand ist für die hier interessierende Gleichheitsprüfung jedoch nicht relevant. So bezieht sich diese Rechtsprechung ausschließlich auf die Festlegung des Geltungsbereichs des AÜG und trifft keine Aussagen über die betriebsverfassungsrechtliche Schutzbedürftigkeit der untersuchten Formen des drittbezogenen Personaleinsatzes. Die Unabhängigkeit beider Fragestellungen hat das BAG mit seiner Analogieentscheidung zu Art. 1 § 14 AÜG schließlich selbst festgestellt. 221 Zusammenfassend ist zur Überprüfung des Ausschlusses der echten Leiharbeitnehmer aus der Betriebsverfassung folgendes Ergebnis festzuhalten: Der Ausschluß der kurzfristigen echten Leiharbeitnehmer aus der Betriebsverfassung ist sachlich gerechtfertigt. Die sachliche Rechtfertigung leitet sich aus derselben Argumentation wie bei den unechten Leiharbeitnehmern ab, da aus betriebsverfassungsrechtlicher Sicht zwischen den verschiedenen Formen der Leiharbeit keine 217 Vgl. BT-Drucksache IX/847, S. 9. 218 Vgl. ζ. B. Bulla, DB 1975, S. 1796; F/K/H/E, § 5, Rn. 72; GK-Kreutz, § 7, Rn. 40 ff.; Hanau, ZGR 1984, S. 485 ff.; Richardi, § 5, Rn. 87 f.; ders. y NZA 1987, S. 146 f.; Rüthers/ Bakker, ZfA 1990, S. 309 f. A.A. hierzu H/S/G-Hess (§ 5, Rn. 11), der auch bei ständigem und dauerndem Einsatz des echten Leiharbeitnehmers eine Betriebszugehörigkeit zum Entleihbetrieb nur in besonderen Ausnahmefällen annehmen will. 219 Vgl. BAG AP Nr. 8 zu § 1 AÜG. 220 Im Sachverhalt zu BAG AP Nr. 8 zu § 1 AÜG betrug die zu beurteilende Ausleihzeit 19 Monate, ohne daß das Merkmal vorübergehend verneint wurde. Vgl. auch die zustimmende Anmerkung dazu von Wiedemann.. 221 Vgl. BAG AP Nr. 1 zu § 9 BetrVG 1972; BAG EzA Nr. 1 zu § 7 BetrVG, BAG AP Nr. 8 zu § 1 GesamthafenbetriebsG; BAG AP Nr. 2 zu § 14 AÜG.

Β. Differenzierungen wegen des Kriteriums Betriebszugehörigkeit

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relevanten Unterschiede erkennbar sind. Diese Interessenidentität zwischen unechter und echter Leiharbeit verbietet zugleich eine Ungleichbehandlung bei längerfristigen Ausleihzeiträumen. Da bei der unechten Leiharbeit Ausleihzeiträumen jenseits der Zwölf-Monats-Grenze zur Zuerkennung der Betriebszugehörigkeit im Entleihbetrieb führen, muß dies auch für echte Leiharbeitnehmer gelten. Der vom BAG vorgenommene Ausschluß der langfristigen Leiharbeitnehmer aus der Betriebsverfassung stellt deshalb eine gleichheitswidrige Ungleichbehandlung gegenüber den unechten Leiharbeitnehmern dar.

3. Ausschluß des überlassenen Bedienungspersonals Nach Ansicht des B A G 2 2 2 und eines Großteils des Schrifttums 223 stellt das Überlassen von Maschinen mit Bedienungspersonal keine Form der Arbeitnehmerüberlassung dar. Es handele sich hierbei vielmehr um gemischte Verträge, die von den Vorschriften des AÜG jedenfalls dann nicht erfaßt würden, wenn nicht die Überlassung von Arbeitnehmern, sondern die Gebrauchsüberlassung des Gerätes oder der Maschine den Inhalt des Vertrages prägten. Diese Voraussetzung sei dann gegeben, wenn die Gestellung des Bedienungspersonals nur dienende Funktion zur Erreichung des eigentlichen Vertragszwecks habe. 224 Der so begründete Ausschluß des überlassenen Bedienungspersonals aus der Geltungsbereichsdefinition des AÜG wird von Teilen des Schrifttums zu Recht kritisiert und abgelehnt.225 Es ist schlichtweg nicht einsehbar, aus welchen Gründen nur wegen einer parallelen Vermietung von Maschinen eine offensichtlich gewerbliche Arbeitnehmerüberlassung aus dem Geltungsbereich des AÜG fallen soll. Dies gilt umso mehr, als nach allgemeiner Ansicht bei gewerbsmäßiger Arbeitnehmerüberlassung auch deijenige Verleiher erlaubnispflichtig ist, für den die Arbeitnehmerverleihung nur ein Nebengeschäft darstellt. 226 Es spricht insofern einiges dafür, daß der Ausschluß der Überlassung von Bedienungspersonal aus dem Geltungsbereich des AÜG einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz in sich birgt. Jedoch braucht diese Frage hier nicht weiter erörtert zu werden. Wie oben bereits dargelegt, ist die betriebsverfassungsrechtliche Einordnung eines Drittbeschäftigten unabhängig von der Frage, ob seine Tätigkeit unter den Geltungsbe222 Vgl. ζ. B. BAG AP Nr. 9 zu § 10 AÜG; BAG ν. 22. 02. 1994, 7 AZR 77/93, nicht veröffentlicht; BAG AP Nr. 41 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau. 223 Vgl. ζ. B. F. Becker, DB 1988, S. 2563; Becker/Wulfgramm, Einleitung, Rn. 26; Sandmann/Marschall, Art. 1 § 1, Rn. 23; Schaub, NZA 1985, Beilage 3, S. 3. Vgl. dazu auch die Begründung des Gesetzgebers zum AÜG, BT-Drucksache VI/2303, S. 10. 224 Vgl. BAG AP Nr. 9 zu § 10 AÜG. 225 Vgl. dazu ζ. B. Christiansen, Betriebszugehörigkeit, S. 129 ff.; GK-Kreutz, § 7, Rn. 54 f.; Mayer, AiB 1994, S. 60; Paasch, AiB 1989, S. 154; Schüren, § 1, Rn. 218. 226 Vgl. dazu ζ. B. BAG AP Nr. 2 zu § 1 AÜG; BAG AP Nr. 5 zu § 10 AÜG; Becker/ Wulf gramm, Einleitung, Rn. 67 ff. m. w. N. und Schaub, NZA 1985, Beilage 3, S. 2.

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5. Kap.: Überprüfung ausgewählter Differenzierungen

reich des AÜG fällt. Wenn der Ausschluß des Bedienungspersonals aus dem Geltungsbereich des AÜG tatsächlich verfassungswidrig ist, ist das Bedienungspersonal eine Form der unechten Leiharbeit. Wenn der Ausschluß dagegen wirksam ist, ist das Bedienungspersonal gleich der echten Leiharbeit einzuordnen. 227 Da, wie oben gezeigt, die echte und unechte Leiharbeit betriebsverfassungsrechtlich identisch zu behandeln sind, führen beide Einordnungen zum selben Ergebnis. Insofern können die oben gewonnenen Ergebnisse 228 einfach auf das überlassene Bedienungspersonal übertragen werden. Danach ist eine Unterscheidung zwischen kurzfristig und langfristig überlassenem Bedienungspersonal vorzunehmen. Der Ausschluß des kurzfristig überlassenen Bedienungspersonals ist sachlich gerechtfertigt. Bis zu einer Überlassungsdauer von maximal 12 Monaten ist das Bedienungspersonal im aufnehmenden Betrieb als nicht betriebszugehörig anzusehen. Dagegen ist dem längerfristig überlassenen Bedienungspersonal 229 die Betriebszugehörigkeit im aufnehmenden Betrieb zuzusprechen. 230 Einer Vorenthaltung der Betriebszugehörigkeit gegenüber dem längerfristig überlassenen Bedienungspersonal fehlt die sachliche Rechtfertigung. Sie verstößt gegen den Gleichheitssatz.

4. Ausschluß der sog. Unternehmerarbeiter Als Unternehmerarbeiter werden Beschäftigte bezeichnet, die ein Unternehmer zur Erfüllung eines Werk- oder Dienstvertrages heranzieht. Wegen der weitgehenden Abdingbarkeit der gesetzlichen Vorschriften zum Werk- und Dienstvertragsrecht lassen sich beide Vertragsformen dem Arbeitnehmerüberlassungsvertrag inhaltlich stark annähern. Da Werk- und Dienstverträge nicht vom AÜG erfaßt werden, 231 besteht die Notwendigkeit, beide Formen des drittbezogenen Personaleinsatzes voneinander abzugrenzen. Mangels einer ausdrücklichen gesetzglichen Bestimmung hierzu 232 hat das BAG in ständiger Rechtsprechung dafür selbst Grundsätze entwickelt. 233 Danach organisiert beim drittbezogenen Personaleinsatz aufgrund eines Werk- oder Dienstvertrages der Unternehmer (Arbeitgeber) die zur 227 so auch GK-Kreutz, § 7, Rn. 54. 228 Vgl. dazu oben Abschnitt B.I.3.b. zur unechten Leiharbeit sowie Abschnitt B.II.2. zur echten Leiharbeit. 229 Zur Möglichkeit der längerfristigen Überlassung von Bedienungspersonal vgl. den Sachverhalt zu BAG AP Nr. 9 zu § 10 AÜG. Hier betrug die Überlassung immerhin 27 Monate. 230 Vgl. GK-Kreutz, § 7, Rn. 54 f. 231 Vgl. ζ. B. BAG AP Nr. 9 zu § 103 BetrVG 1972; BAG AP Nr. 2 zu § 1 AÜG; BAG AP Nr. 5 zu § 10 AÜG. 232 Eine solche hielt der Gesetzgeber nicht für erforderlich. Vgl. BT-Drucksache VI/3505, S. 2. 233 Vgl. ζ. B. BAG AP Nr. 2 zu § 1 AÜG; BAG AP Nr. 1 zu § 9 BetrVG 1972; BAG AP Nr. 5, 8 und 9 zu § 10 AÜG; BAG AP Nr. 5 zu § 14 AÜG; BAG EzA Nr. 110 zu § 99 BetrVG 1972.

Β. Differenzierungen wegen des Kriteriums Betriebszugehörigkeit

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Errichtung eines wirtschaftlichen Erfolges notwendigen Handlungen selbst, und er bedient sich dabei seiner Arbeitnehmer als Erfüllungsgehilfen. Der Unternehmer bleibt für die Erfüllung der im Vertrag mit dem Dritten vorgesehenen Dienste oder für die Herstellung des den Dritten vertraglich geschuldeten Werkes verantwortlich. Dagegen liegt Arbeitnehmerüberlassung vor, wenn der Arbeitgeber dem Dritten geeignete Arbeitskräfte überläßt, die dieser in seinem Betrieb nach eigenen betrieblichen Erfordernissen und nach seinen Weisungen einsetzt. Obschon diese Abgrenzung in der Theorie eindeutige Zuordnungen ermöglicht, können sich in der Praxis nicht unerhebliche Abgrenzungsprobleme ergeben. So werden nicht selten die Möglichkeiten zur Abdingung des Werkvertragsrechts dazu genutzt, eine Arbeitnehmerüberlassung durch den Abschluß von Scheinwerkverträgen zu verschleiern, um dadurch die Schutzregelungen des AÜG zu umgehen.234 Dieser Problematik will das BAG durch ein Abheben auf die tatsächliche Vertragsdurchführung begegnen.235 Zudem hat das BAG eine Vielzahl von Einzelmerkmalen aufgestellt, anhand derer die tatsächliche Rechtsnatur des zu untersuchenden Vertrages festgestellt werden soll. Hier ist insbesondere auf die abgrenzende Unterscheidung zwischen dem projektbezogenen werkvertraglichen Anweisungsrecht eines Bestellers im Sinne des § 645 Abs. 1 S. 1 BGB und dem arbeitsrechtlichen Weisungsrecht eines Arbeitgebers hinzuweisen.236 Die Rechtsprechung des BAG braucht hier nicht im Detail dargestellt zu werden. 237 Für die weitere Untersuchung ist die Kenntnis des exakten Verlaufs der Abgrenzung zwischen Arbeitnehmerüberlassung und Werkvertrag unerheblich. Ziel der hiesigen Untersuchung ist es festzustellen, welche betriebsverfassungsrechtliche Einordnung dem Unternehmerarbeiter zuteil wird und inwieweit es hierfür sachliche Rechtfertigungsgründe gibt. Diese Frage hat zur Voraussetzung, daß die betrachteten Beschäftigten im Vorwege positiv als Unternehmerarbeiter identifiziert worden sind und damit - in Abgrenzung zu den Leiharbeitnehmern - das Vorliegen eines Scheinwerkvertrages verneint werden kann. Nach ganz h.M. - und hierin ist der überwiegende Teil der Mindermeinung zum betriebsverfassungsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff mit eingeschlossen - ist mit der Klärung des Status eines Beschäftigten als Unternehmerarbeiter dessen betriebsverfassungsrechtliche Einordnung ebenfalls automatisch und abschließend geklärt. Die Unternehmerarbeiter gelten im Betrieb des Bestellers nicht als Arbeitnehmer im 234 Ausführlich zum Problem der Scheinwerkverträge ζ. B. Halbach, DB 1980, S. 2392 f.; Leitner, NZA 1991, S. 293 ff.; Richter, BB 1992, S. 421 ff.; W. Schneider, AiB 1994, S. 147 f. 235 Vgl. ζ. B. BAG AP Nr. 2 zu § 1 AÜG; BAG AP Nr. 1 zu § 9 BetrVG 1972; BAG AP Nr. 5 und 8 zu § 10 AÜG; BAG AP Nr. 5 zu § 14 AÜG; BAG EzA Nr. 110 zu § 99 BetrVG 1972. 236 Vgl. ζ. B. BAG AP Nr. 2 zu § 1 AÜG; BAG AP Nr. 1 zu § 9 BetrVG 1972; BAG AP Nr. 5 und 8 zu § 10 AÜG; BAG AP Nr. 5 zu § 14 AÜG; BAG EzA Nr. 110 zu § 99 BetrVG 1972. 237 Detaillierter zur Rechtsprechung des BAG vgl. ζ. B. F. Becker, DB 1988, S. 2565 ff.; Dauner-Lieb, SAE 1992, S. 217 ff.; Erdlenbruch, Stellung, S. 12 ff.; Leitner, NZA 1991, S. 295 ff.; Paasch, AiB 1989, S. 149 ff.

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5. Kap. : Überprüfung ausgewählter Differenzierungen

Sinne des BetrVG. 2 3 8 Diese Einschätzung leitet sich direkt aus den Abgrenzungsüberlegungen gegenüber den Leiharbeitnehmern ab. Danach wird ein Beschäftigter gerade nur dann als Unternehmerarbeiter eingeordnet, wenn der Besteller des Werkes ihm gegenüber keinerlei arbeitsrechtliche Weisungsrechte hat. Fehlt es aber an Weisungsrechten, kann infolgedessen auch keine persönliche Abhängigkeit entstehen. Ohne diese wiederum mangelt es an der Grundvorausetzung für die Zuerkennung des betriebsverfassungsrechtlichen Schutzes. Der Ausschluß der Unternehmerarbeiter aus der Betriebsverfassung ist aus diesem Blickwinkel gerechtfertigt. Indessen kann der h.M. nicht ohne eine vorherige Kontrollüberlegung beigepflichtet werden. Unproblematisch ist der Bereich des „klassischen" Werkvertrages, bei dem der Werkunternehmer das Werk in einer eigenen Betriebsstätte herstellt, oder er eine zeitlich und gegenständlich klar definierte Aufgabe - ζ. B. Einbau einer neuen Heizungsanlage - im Betriebsbereich des Bestellers übernimmt. In dieser Situation gibt es eine klare Trennung zwischen den Produktionsprozessen von Werkunternehmer und Besteller. Anders ist dies jedoch bei den neueren Produktionsformen. Hier kann es im Zuge des Outsourcing vorkommen, daß der Werkunternehmer sein Werk - ζ. B. die Wartung und Reparatur der Produktionsanlage des Bestellers - regelmäßig wiederkehrend, ohne zeitliche Begrenzung und ohne räumliche Trennung im Umfeld des eigentlichen Produktionsprozesses des Bestellers herstellt. 239 In dieser Situation ist zu fragen, ob nicht durch die Verwischung der räumlichen Trennung und die damit verbundene lang anhaltende Arbeit der Unternehmerarbeiter im Bereich der Betriebsorganisation des Bestellers ein Ausmaß an Eingliederung in den Bestellerbetrieb erzeugt wird, das eine Zuerkennung der Betriebszugehörigkeit der Unternehmerarbeiter im Bestellerbetrieb notwendig macht. In diesem Sinne äußern sich vereinzelte Stimmen im Schrifttum. So sollen ζ. B. nach Ulber die Unternehmerarbeiter schon dann die Betriebszugehörigkeit zum Bestellerbetrieb erhalten, wenn sie sich nur einer Torkontrolle unterziehen müssen. 240 Plander geht hier differenzierter vor und weist zurecht darauf hin, daß mit einem solch strengen Maßstab die Grenze zu den Kunden, die sich auch zuweilen einer Kontrolle unterziehen lassen müssen, verwischt werde. 241 Seine daneben erhobene Forderung nach der Betriebszugehörigkeit der Unternehmerarbeiter in den Bestellerbetrieb begründet Plander mit der Vielzahl betrieblicher Ordnungsvorschriften, die auch für die Unternehmerarbeiter gelten. 242 Zudem seien Kontakte 238 Vgl. dazu ζ. B. BAG AP Nr. 1 zu § 9 BetrVG 1972; BAG AP Nr. 65 zu § 99 BetrVG 1972; Rn. 90 f.; F/K/H/E, § 5, Rn. 69 und 81; GK-Kraft, § 5, Rn. 11; GK-Kreutz, § 7, Rn. 58; Richardi, § 5, Rn. 79 f.; D/K/K-Schneider, § 7, Rn. 19 f.; Schüren, § 14 AÜG, Rn. 449 ff.; Stege/Weinspach, § 7, Rn. 8; D/K/K-Trümner, § 5. 239 Vgl. dazu ζ. B. den Sachverhalt, der BAG AP Nr. 8 zu § 10 AÜG zugrunde liegt. 240 Vgl. Ulber, ArbuR 1982, S. 57. 241 Vgl. Plander, Normalarbeitsverhältnis, S. 219 insbesondere Fußnote 161; ders., AiB 1990, S. 28 f. 242 Vgl. Plander, Normalarbeitsverhältnis, S. 218 ff.; ders., AiB 1990, S. 28.

Β. Differenzierungen wegen des Kriteriums Betriebszugehörigkeit

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und infolgedessen auch Konflikte zwischen Stammbelegschaft und Unternehmerarbeitern möglich, ja sogar unumgänglich. Komme dem Betriebsrat in solchen Konfliktsituationen eine streitschlichtende Funktion zu, müßten auf die Zusammensetzung des Betriebsrates auch die Unternehmerarbeiter Einfluß nehmen kön243

nen. Diese Argumente können einen Zwang zur Zuerkennung der Betriebszugehörigkeit an die Unternehmerarbeiter indessen nicht begründen. Der Ausschluß der Unternehmerarbeiter aus der Betriebsverfassung behält seine sachliche Rechtfertigung. Diese Einschätzung resultiert aus folgender Überlegung: Zunächst ist in Frage zu stellen, ob die vorgebrachten Argumente überhaupt hinreichend stichhaltig sind. So stellt die Tatsache, daß die Unternehmerarbeiter auf dem Betriebsgelände des Bestellers dessen Ordnungsregeln unterworfen sind, kein besonderes betriebsverfassungsspezifisches Schutzproblem dar. In ihr ist eher eine spezifische Folge der allgemeinen Regel zu sehen, daß in einer organisierten Gesellschaft die eigene Handlungsfreiheit durch eine Vielzahl von Ordnungsregeln eingeschränkt wird. Der Unternehmerarbeiter unterliegt auch außerhalb des Betriebsgeländes des Bestellers verschiedenen Regeln - Verkehrsregeln, Sicherheitsvorschriften, Kleidungsvorschriften, Benimmregeln-, die er nicht ohne weiteres verletzen darf und an deren Aufstellung er nicht beteiligt wurde. Es spricht insofern einiges dafür, der Geltung der betrieblichen Ordnungsvorschriften auch für die Unternehmerarbeiter keine allzu große Bedeutung zuzumessen. Aber selbst wenn man trotz dieser Zweifel eine hinreichende betriebsverfassungsrechtliche Schutzbedürftigkeit der Unternehmerarbeiter annähme, könnte damit die Betriebszugehörigkeit der Unternehmerarbeiter zum Bestellerbetrieb nicht zwingend begründet werden. Denn unabhängig hiervon leitet sich die sachliche Rechtfertigung des Ausschlusses der Unternehmerarbeiter aus den Grenzen ab, die der Betriebsverfassung durch die Grundrechte der Arbeitgeber gezogen sind. Die Vereinigungsfreiheit und die Eigentumsrechte des Arbeitgebers fungieren insoweit als Grenze der Betriebsverfassung, als sie unverhältnismäßig beschnitten werden, wenn betriebsfremden Personen Mitspracherechte am Unternehmen des Arbeitgebers eingeräumt werden sollen. 244 Zwar lassen sich - wie oben gezeigt 245 - diese grundrechtlichen Grenzen nicht ohne weiteres dahin präzisieren, daß eine mögliche Zuerkennung der Betriebszugehörigkeit an die Unternehmerarbeiter als verfassungswidrig einzuordnen wäre, doch ist umgekehrt in den grundrechtlichen Grenzen ein Differenzierungsgrund für den Ausschluß der Unternehmerarbeiter zu sehen. 246 Diese darf der Betriebsinhaber nicht nach eigenen Vorstellungen zur Ver243 Vgl. Plander, Normalarbeitsverhältnis, S. 220 ff.; ders., AiB 1990, S. 28. 244 Vgl. dazu oben Kapitel 2.C.II.2 und Kapitel 2.C.II.3. 245 Zur stark begrenzten Möglichkeit, anhand der grundrechtlichen Grenzen einzelne Ausschlüsse aus der Betriebsverfassung begründen zu können vgl. oben Kapitel 2.C.II.2 und Kapitel 2.C.II.3. 246 Zur Funktion der grundrechtlichen Grenzen der Betriebsverfassung als Differenzierungsgrund vgl. oben Kapitel 2.C.II.2 und Kapitel 2.C.II.3. 19 Bremeier

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5. Kap.: Überprüfung ausgewählter Differenzierungen

folgung des Betriebszweckes anweisen und einsetzen. Angesichts dieser Situation wäre es nicht unproblematisch, wollte man den Unternehmerarbeitern trotzdem ein Mitspracherecht am Betrieb des Bestellers zukommen lassen. Im Ergebnis ist deshalb die Entscheidung für den Ausschluß der Unternehmerarbeiter aus der Betriebsverfassung sachlich gerechtfertigt.

I I I . Differenzierung durch Ausschluß der Berufsausbildungsschüler 1. Das Differenzierungskriterium Berufsausbildungsschüler sind zur Berufsausbildung Beschäftigte, die ihre berufspraktische Ausbildung in einem reinen Ausbildungsbetrieb erhalten. Nach der alten Rechtsprechung des BAG galten die Berufsausbildungsschüler im Ausbildungsbetrieb als Arbeitnehmer im Sinne des BetrVG. Das BAG begründete diese Auffassung dabei im wesentlichen wie folgt: Zum einen könne es in Anlehnung an § 9 BBiG für die betriebsverfassungsrechtliche Einordnung von Auszubildenden nicht entscheidend sein, ob diese mit ihrer Tätigkeit zur Erreichung des Betriebszwecks beitrügen. 247 Zum anderen sei nach § 1 Abs. 5 BBiG die außerschulische Berufsausbildung nicht auf Betriebe der Wirtschaft und des öffentlichen Dienstes beschränkt, sondern könne auch in sonstigen Bildungseinrichtungen durchgeführt werden. Im Ergebnis sei es deshalb für die betriebsverfassungsrechtliche Einordnung der Auszubildenden unerheblich, ob sie in einem produzierenden oder in einem reinen Ausbildungsbetrieb ihre berufspraktische Ausbildung erhielten. Die Berufsausbildungsschüler seien mithin Arbeitnehmer des Ausbildungsbetriebes im Sinne des § 5 Abs. 1 BetrVG. 248 Demgegenüber gelten nach der neueren ständigen Rechtsprechung des BAG die Berufsausbildungsschüler betriebsverfassungsrechtlich nicht mehr als Arbeitnehmer des Ausbildungsbetriebs. 249 Danach liegt die betriebsverfassungsrechtlich entscheidende Eingliederung des Auszubildenden nun nur noch dann vor, wenn sich die berufspraktische Ausbildung im Rahmen der arbeitstechnischen Zwecksetzung des Betriebes vollzieht, zu dessen Erreichung die betriebsangehörigen Arbeitnehmer zusammenarbeiten. Dazu muß die Berufsausbildung mit dem laufenden Produktions- oder Dienstleistungsprozeß des Betriebes verknüpft sein. Dies sei der Fall, wenn der Auszubildende mit Tätigkeiten beschäftigt werde, die zu den beruflichen Aufgaben der Arbeitnehmer des Betriebes gehörten. Sei jedoch der Be247 Vgl. ζ. B. BAG AP Nr. 33, 36 und 40 zu § 5 BetrVG 1972 . 248 Vgl. ζ. B. BAG AP Nr. 33 und 36 zu § 5 BetrVG 1972; BAG AP Nr. 4 zu § 5 BetrVG Ausbildung. 249 Vgl. BAG AP Nr. 8, 9, 10 und 11 zu § 5 BetrVG 1972 Ausbildung; BAG AP Nr. 54 zu § 5 BetrVG 1972.

Β. Differenzierungen wegen des Kriteriums Betriebszugehörigkeit

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triebszweck eines Ausbildungsbetriebes allein auf die Vermittlung einer berufspraktischen Ausbildung beschränkt, seien die dort tätigen Auszubildenden nicht in vergleichbarer Weise wie die übrigen Arbeiter oder Angestellten in den Betrieb integriert. Ihre Ausbildung vollziehe sich nicht im Rahmen der jeweiligen arbeitstechnischen Zwecksetzung eines Produktions- oder Dienstleistungsbetriebes, sondern die Ausbildung sei vielmehr selbst Gegenstand des Betriebszwecks. Als maßgebliches Differenzierungskriterium für den Ausschluß der Berufsausbildungsschüler aus der Betriebsverfassung ist nach der neueren Judikatur des BAG also deren fehlende Mitarbeit an der Verwirklichung des Betriebszwecks festzuhalten. Ohne Bedeutung für die Ungleichbehandlung gegenüber den sonstigen Auszubildenden des Betriebes sind dagegen eventuelle Besonderheiten im Vertragsverhältnis von Ausbildungsbetrieb und Berufsausbildungsschüler, die sich aus der Dreiecksbeziehung mit der Förderungseinrichtung ergeben. 250 2. Angemessenheit der Differenzierung? Wie oben bereits dargelegt, ist das Willkürverbot der einschlägige Prüfiingsmaßstab für Differenzierungen wegen fehlender Betriebszugehörigkeit. 251 Infolgedessen ist der Ausschluß der Berufsausbildungsschüler aus der Betriebsverfassung nur dann gerechtfertigt, wenn deren fehlende Mitarbeit an der Verwirklichung des Betriebszwecks eine sachliche Begründung für die Annahme einer fehlenden bzw. signifikant geringeren betriebsverfassungsrechtlichen Schutzbedürftigkeit gegenüber den sonstigen Auszubildenden darstellt. Das BAG begründet den Ausschluß der Berufsausbildungsschüler aus der Betriebsverfassung vornehmlich anhand rechtssystematischer und gesetzgebungsgeschichtlicher Überlegungen zu § 5 Abs. 1 BetrVG: 2 5 2 Dessen weite Formulierung zu den in Berufsausbildung Beschäftigten habe nur den Theorienstreit zur Rechtsnatur des Auszubildendenverhältnisses klären sollen. Nicht dagegen hätten dadurch die Auszubildenden bezüglich der Anforderungen an die Betriebszugehörigkeit gegenüber den Angestellten und Arbeitern privilegiert werden sollen. Deshalb müsse auch der Personenkreis der Auszubildenden diejenigen Kriterien erfüllen, die für die Arbeitnehmereigenschaft im betriebsverfassungsrechtlichen Sinne im allgemeinen kennzeichnend seien. Dazu gehöre neben der Leistung fremdbestimmter Arbeit auf privatrechtlicher Vertragsgrundlage auch der Einsatz der Personen innerhalb der betrieblichen Organisation zur Erfüllung eines bestimmten Betriebszweckes. Hieran mangele es jedoch - wie gezeigt 253 - den Berufsausbil250 Ausführlich dazu ζ. B. BAG AP Nr. 25 zu § 5 BetrVG 1972 mit Anmerkung von NatzeL 251 Vgl. oben Abschnitt B.I.2. und Kapitel 4.B.V. 252 Vgl. zum folgenden BAG AP Nr. 8, 9, 10 und 11 zu § 5 BetrVG 1972 Ausbildung; BAG AP Nr. 54 zu § 5 BetrVG 1972. 253 Vgl. oben Abschnitt B.III. 1. 19*

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5. Kap.: Überprüfung ausgewählter Differenzierungen

dungsschülern. Neben diesen systematischen Argumenten begründet das BAG den Ausschluß der Berufsausbildungsschüler zudem mit der Gefahr, daß es bei einer Zurechnung der Berufsauszubildenden zur Betriebsbelegschaft zu unausgewogenen, dem Sinn der Betriebsverfassung nicht mehr entsprechenden Ergebnissen komme. 254 Diese Gefahr resultiere aus der drohenden Majorisierung der sonstigen Arbeitnehmer des Ausbildungsbetriebes durch die Berufsausbildungsschüler. Diese seien in reinen Ausbildungsbetrieben gegenüber den sonstigen Arbeitnehmern nach aller Lebenserfahrung deutlich in der Überzahl. Infolgedessen könnten sie die Zusammensetzung des Betriebsrats im wesentlichen allein bestimmen, und das den Betrieb allein tragende Ausbildungs- und Verwaltungspersonal wäre durch diesen kaum noch repräsentiert. 255 Diese Situation spreche gegen eine Einbeziehung der in reinen Ausbildungsbetrieben beschäftigten Berufsausbildungschüler in die Belegschaft eines solchen Betriebes. Die neue Rechtsprechung des BAG ist vom Schrifttum, soweit ersichtlich, positiv aufgenommen worden. 256 Selbst bei Vertretern der Mindermeinung 257 fehlt es hierzu an kritischen Bemerkungen. Kritische Stimmen zur neueren Rechtsprechung des BAG finden sich indirekt nur insofern, als zur früheren Rechtsprechung mehrere positive Stellungnahmen existieren. 258 Hierin wird das Majorisierungsargument in Übereinstimmung mit der früheren Rechtsprechung des BAG als nicht relevant zurückgewiesen. 2 5 9 Begründet wird dies insbesondere mit der fehlenden gesetzlichen Berücksichtigung einer solchen Gruppenproblematik. Zudem sei nicht ersichtlich, wieso die Betriebsratsarbeit durch Beteiligung der Berufsausbildungsschüler eine schlechtere Qualität erhalten sollte. Komme es demnach also einzig auf die tatsächliche Eingliederung an, so sei diese bei den Berufsausbildungsschülern fraglos gegeben. Die Betriebszugehörigkeit zum Ausbildungsbetrieb sei den Berufsausbildungsschülern daher zuzuerkennen. Der Argumentation des BAG kann in der Tat zwar in mehrfacher Hinsicht nicht gefolgt werden. Der Ausschluß der Berufsausbildungsschüler aus der Betriebsverfassung ist aber dennoch sachlich gerechtfertigt. Das Majorisierungsargument des BAG ist nicht in der Lage, einen Ausschluß aus der Betriebsverfassung zu begründen. Zurecht weisen die Gegner darauf hin, daß der Gesetzgeber über die Gruppen254 Vgl. BAG AP Nr. 8, 9, 10 und 11 zu § 5 BetrVG 1972 Ausbildung; BAG AP Nr. 54 zu § 5 BetrVG 1972. 255 Vgl. BAG AP Nr. 8, 10 und 11 zu § 5 BetrVG 1972 Ausbildung; BAG AP Nr. 54 zu § 5 BetrVG 1972. 256 Vgl. z. B. H/S/G-Hess, § 5, Rn. 15; Kraft, SAE 1994, S. 260 ff.; GK-Kraft, § 5, Rn. 43; Löwisch, § 5, Rn. 6; Meisel, SAE 1994, S. 338 ff.; Richardi, § 5, Rn. 56; Rohlfmg, NZA 1997, S. 368 f.; Schliemann, ZTR 1994, S. 137 f. 257 Vgl. ζ. B. D/K/K-Trümner, § 5, Rn. 102. 258 Vgl. ζ. B. Keßler, ArbuR 1993, S. 342 ff.; Mayer, ArbuR 1986, S. 353 ff.; Natzel, Anmerkung zu BAG AP Nr. 26 zu § 5 BetrVG 1972; Wendeling-Schröder, PersR 1987, S. 265 ff. 259 Vgl. zur ausdrücklichen Ablehnung des Majorisierungsarguments durch das BAG AP Nr. 33 und 36 zu § 5 BetrVG 1972.

C. Differenzierungen wegen der Verlustliste

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bildung Arbeiter/Angestellte hinaus keine weitere Gewichtung einzelner Beschäftigungsformen vorgesehen hat. 2 6 0 Es gilt hier eine Entweder-Oder-Entscheidung. Ist ein Beschäftigter einmal als Arbeitnehmer im Sinne des BetrVG identifiziert, so steht ihm automatisch die gleiche Einwirkungsmöglichkeit auf die Zusammensetzung des Betriebsrats wie allen anderen Arbeitnehmern zu. Bezüglich der Berufsausbildungsschüler bedeutet dies, daß einzig ihre größere Anzahl gegenüber der Stammbelegschaft nicht das entscheidende Argument für einen Ausschluß sein kann. Es ist vielmehr ein Schritt zurückzugehen und zu fragen, woher das Unbehagen über einen möglichen Einschluß der Berufsausbildungsschüler kommt. Warum wird in der möglichen Beteiligung der Berufsausbildungsschüler an der Mitbestimmung im Ausbildungsbetrieb ein unangemessener Vorgang gesehen? Die Antwort auf diese Frage hat das BAG selbst gegeben, ohne sie aber präzise zu bezeichnen: Das BAG stellt auf die fehlende Mitarbeit der Berufsausbildungsschüler bei der Verwirklichung des Betriebszwecks ab und sieht die Berufsausbildungsschüler selbst als Gegenstand des Betriebszwecks. Diese Aussage trifft den Kern des Problems, sie bedarf aber einer präzisierenden Formulierung: Die Berufsausbildungsschüler sind nicht Gegenstand des Betriebszwecks des Ausbildungsbetriebes, sondern sie sind die Nachfrager desselben. Der Betriebszweck eines Ausbildungsbetriebes liegt in der Produktion der Dienstleistung »Ausbildung". Dieses Produkt wird von den Berufsausbildungsschülern nachgefragt. Diese sind insofern also die Kunden des Ausbildungsbetriebs. 261 Ihre einzige Besonderheit gegenüber „normalen" Kunden anderer Betriebe liegt darin, daß sie äußerlich Arbeitnehmern des Betriebes ähnlich sehen. Dies ändert inhaltlich aber nichts an ihrer Rolle als Nachfrager der angebotenen Dienstleistung des Ausbildungsbetriebes. Da nach ganz h.M. Kunden nicht als Subjekte der Betriebsverfassung anzusehen sind - und hierher rührt auch das weitverbreitete Unbehagen bezüglich des Einschlusses der Berufsausbildungsschüler-, ist der Ausschluß der Kundengruppe Berufsausbildungsschüler aus der Betriebsverfassung sachlich gerechtfertigt.

C. Differenzierungen wegen der Verlustliste I. Zu den Differenzierungen wegen der Ausschlüsse des § 5 Abs. 2 BetrVG Die Ausschlüsse des § 5 Abs. 2 BetrVG werden im Schrifttum, soweit ersichtlich, weder verfassungsrechtlich noch rechtspolitisch in Frage gestellt. In der Kom260 Vgl. hierzu insbesondere Plander (Normalarbeitsverhältnis, S. 161 ff.), der das Majorisierungsargument im Kontext des Ausschlusses der geringfügig Beschäftigten näher diskutiert und es schließlich ablehnt. Zum Problem der geringfügig Beschäftigten vgl. unten Abschnitt D.II. 261 A.A. hierzu Mayer (ArbuR 1986, S. 359), der hierfür allerdings keine weitere Begründung liefert.

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5. Kap.: Überprüfung ausgewählter Differenzierungen

mentarliteratur findet sich in der Regel nur eine genauere Umschreibung des betroffenen Personenkreises. Ob dieser Konsens wirklich angezeigt ist, ist indessen näher zu prüfen. Dabei ist zu beachten, daß der Gesetzgeber mit den Ausschlüssen der Verlustliste nicht Gerechtigkeit, sondern sonstige Ziele verfolgt. 262 Als Prüfungsmaßstab für die Differenzierungen ist daher auf das Übermaßverbot in seiner zweistufigen Form zurückzugreifen. Die Ausschlüsse der Verlustliste aus der Betriebsverfassung sind demnach nur dann gerechtfertigt, wenn sie einerseits geeignet sind, das (sonstige) Ziel des Gesetzgebers zu fördern, und andererseits das Gewicht des gesetzgeberischen Zieles und das Ausmaß der Benachteiligung für die Betroffenen in einem angemessenen Verhältnis stehen.263 Der hiermit umschriebene strenge Prüfungsmaßstab wird zusätzlich durch die notwendige Berücksichtigung der grundrechtlichen Fundierung der Betriebsverfassung verschärft. 264

1. Ausschluß der Vorstände und Geschäftsführungen Der durch § 5 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 vorgesehene Ausschluß der Vorstände und Geschäftsführungen der juristischen Personen bzw. Personengesellschaften aus der Betriebsverfassung ist ohne Zweifel sachlich gerechtfertigt. Die Betriebsverfassung setzt die Existenz eines handlungsfähigen Arbeitgebers voraus. Da juristische Personen und Personengesellschaften selbst nicht handeln können, bedarf es zum Funktionieren der Betriebsverfassung der Festlegung eines Kreises von natürlichen Personen, die für die genannten Einrichtungen stellvertretend als betriebsverfassungsrechtlicher Arbeitgeber auftreten und agieren. Da der in § 5 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 BetrVG umschriebene Personenkreis die Vertretungsbefugnis für die juristischen Personen bzw. Personengesellschaften hat, übt er betriebsverfassungsrechtlich die Funktion des Arbeitgebers aus. Der Ausschluß des Personenkreises aus der Betriebsverfassung ist daher nicht nur sachlich gerechtfertigt, sondern sogar zwingend geboten.

2. Ausschluß der karitativ oder religiös motivierten Beschäftigten Durch § 5 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG wird derjenige Personenkreis aus der Betriebsverfassung herausgenommen, für den nicht die Erwerbsdienlichkeit der Beschäftigung, sondern deren karitativer oder religiöser Aspekt im Vordergrund steht. Nach dieser Vorschrift fallen unstreitig Angehörige religiöser Orden sowie anderer religiöser Gemeinschaften 265 aus dem Geltungsbereich des BetrVG heraus, während 262 Vgl. dazu oben Kapitel 4.C.II.3. 263 Zum Übermaß verbot als Prüfungsmaßstab für sonstige Ziele des Gesetzgebers vgl. oben Kapitel I.E. 264 Zur Einwirkung der grundrechtlichen Fundierung der Betriebsverfassung auf den Prüfungsmaßstab vgl. oben Kapitel 2.D.II.

C. Differenzierungen wegen der Verlustliste

295

bezüglich der Rote-Kreuz-Schwestern hierzu Uneinigkeit besteht. Auf die Problematik der Rote-Kreuz-Schwestern soll erst an späterer Stelle eingegangen werden. 266 Im folgenden beschränkt sich daher die Untersuchung auf die Rechtmäßigkeit des Ausschlusses der Ordensangehörigen. a) Das Differenzierungskriterium Zu klären ist zunächst, welcher Anwendungsbereich dem § 5 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG angesichts der Vorschrift des § 118 Abs. 2 BetrVG verbleibt. Nach dieser Vorschrift findet das BetrVG keine Anwendung auf Religionsgemeinschaften und deren karitative und erzieherische Einrichtungen. Die durch § 5 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG vorgesehene Differenzierung zwischen Ordensangehörigen und sonstigen Arbeitnehmern greift also nur in Fällen ein, in denen die Ordensangehörigen außerhalb kirchlicher Einrichtungen in weltlichen - d. h. selbst nicht karitativ orientierten - Betrieben Dritter eingesetzt werden. Das Differenzierungskriterium im Vergleich zu den sonstigen Arbeitnehmern des weltlichen Betriebes liegt dabei im Fehlen der Erwerbsabsicht und Vorherrschen karitativer bzw. religiöser Motive auf Seiten der Ordensangehörigen. Der Gesetzgeber hat bei Schaffung des § 5 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG den Ausschluß der Ordensangehörigen nicht näher begründet. 267 In bezug auf den Zweck der Vorschrift ist deshalb auf das allgemeine Regelungsziel zurückzugreifen, welches der Gesetzgeber mit der Festlegung des persönlichen Geltungsbereichs verfolgt. Danach gilt es, denjenigen Personenkreis zu bestimmen, der im Wirtschafts- und Arbeitsleben auf den Schutz des BetrVG angewiesen ist. Für die Ordensangehörigen wird dies wegen ihrer Einbindung in ihre Religionsgemeinschaft verneint. Neben der Festlegung des Geltungsbereichs ist bei der Vorschrift des § 5 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG ein weiteres Regelungsziel des Gesetzgebers anzunehmen. Es steht hier zu vermuten, daß der Gesetzgeber mit dieser Vorschrift die gemeinnützigen Tätigkeiten der religiösen Gemeinschaften fördern will. Diese Förderung wird durch die betriebsverfassungsrechtliche Neutralisierung der Ordensangehörigen erreicht. Die Ordensangehörigen können so ihrer gemeinnützigen Tätigkeit im Wirtschaftsleben ungehindert von möglichen betriebsverfassungsrechtlichen Erschwernissen nachgehen. b) Eignung und Verhältnismäßigkeit

der Differenzierung?

Wie oben bereits gezeigt, ist für die Überprüfung des Ausschlusses der Ordensangehörigen aus der Betriebsverfassung das Übermaßverbot in seiner zweistufigen 265 Zur Umschreibung dieser Gruppe wird im folgenden der Begriff Ordensangehörige verwandt. 266 Vgl. unten Abschnitt D.I.3. 267 Vgl. BT-Drucksache 1/1546, S. 37 f.; BT-Drucksache VI/1786, S. 36.

296

5. Kap.: Überprüfung ausgewählter Differenzierungen

Variante einschlägig. 268 Danach ist zunächst die Eignung des Ausschlusses der Ordensangehörigen zur Förderung der religiösen Gemeinschaften festzustellen. Anschließend ist dessen Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne zu überprüfen. Hierbei ist das Ausmaß der Benachteiligung der Ordensangehörigen gegenüber den sonstigen Arbeitnehmern mit dem Gewicht des Förderungsziels abzuwägen. Der Gesetzgeber hat - wie gezeigt - den Ausschluß der Ordensangehörigen aus der Betriebsverfassung nicht weiter begründet. Die h.M. hebt auf die fehlenden Erwerbsgründe auf Seiten der Ordensangehörigen ab und sieht die Versorgung der Ordensangehörigen durch deren Einbettung in die religiöse Gemeinschaft als gesichert an. 2 6 9 Welche konkreten betriebsverfassungsrechtlichen Schlußfolgerungen aus dieser besonderen Versorgungssituation der Ordensangehörigen zu ziehen sind, wird nicht weiter ausgeführt. Eine Ausnahme hierzu findet sich bei Richardi, der aus der Einbettung der Ordensmitglieder in ihre Religionsgemeinschaft eine „betriebssoziologische Sonderstellung" derselben ableitet. Allerdings ist diese Feststellung wenig hilfreich, da auch sie weder weiter erläutert noch näher begründet wird. 2 7 0 Indessen läßt sich der Ausschluß der Ordensangehörigen aus der Betriebsverfassung bei einer Beschäftigung in einem Betrieb außerhalb der Einrichtungen der Religionsgemeinschaft auch gar nicht stichhaltig begründen. In bezug auf das allgemeine Regelungsziel der richtigen Abgrenzung der Schutzbedürftigen mangelt es schon an der Eignung des Ausschlusses der Ordensangehörigen. Das Argument, die Ordensangehörigen seien durch ihre Einbettung in ihre Religionsgemeinschaft hinreichend versorgt, ist für die hier zu untersuchende Konstellation irrelevant. Dieses Argument greift nur innerhalb der Einrichtungen der Religionsgemeinschaften. Hier ist der Ordensangehörige Teil des Ganzen. Sein Wissen um die Berufung und das Arbeiten an der gemeinsamen Sache lassen den Ordensangehörigen hinreichend an der Gestaltung von Arbeit und näherer Zukunft teilhaben. Jedoch geht es hier nicht um die Beschäftigung in Einrichtungen der Religionsgemeinschaft - für diese gilt die Betriebsverfassung gemäß § 118 Abs. 2 BetrVG ohnehin nicht-, sondern um eine Tätigkeit des Ordensangehörigen in „weltlichen" Betrieben Dritter. Hier ist der Ordensangehörige nicht Teil einer Gemeinschaft, die sich einem gemeinsamen Ziel verpflichtet fühlt, sondern er ist ein „normaler" Beschäftigter unter vielen. 271 Wie diese hat er keine besonderen Kenntnisse über die Ziele und das weitere Vorgehen des Beschäftigungsbetriebes. Die Bedeutung, die solche Kenntnisse für einen Beschäftigten haben, wird bei den Ordensangehörigen weder

268 Vgl. oben Kapitel 4.C.II.3. und Kapitel 5.C. 269 Vgl. z. B. F/K/H/E, § 5, Rn. 107; H/S/G-Hess, Richardi, § 5, Rn. 147. 270 Vgl. Richardi, § 5, Rn. 147.

§ 5, Rn. 25; GK-Kraft,

§ 5, Rn. 57;

271 Zur Problematik, ob diese Einschätzung auch im Rahmen von Gestellungsverträgen ihre Gültigkeit behält, vgl. die diesbezüglichen Untersuchungen zu den Rote-Kreuz-Schwestern in Abschnitt D.I.

C. Differenzierungen wegen der Verlustliste

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durch deren gesicherte materielle Versorgung noch durch deren karitative bzw. religiöse Motivation gemindert. 272 Es ist deshalb kein Grund ersichtlich, aus welchen Gründen in einem weltlichen Betrieb zwischen den dort beschäftigten Ordensangehörigen und den sonstigen Arbeitnehmern aus betriebsverfassungsrechtlichen Schutzerwägungen heraus Unterschiede zu machen sind. Auch das zweite Regelungsziel, die Förderung karitativer Einrichtungen, kann den Ausschluß der Ordensangehörigen nicht begründen. Zwar kann die Eignung der Differenzierung zur Förderung des Regelungsziels angenommen werden. Sie folgt aus der Plausibilität der Annahme, daß die Bereitschaft der Inhaber weltlicher Betriebe zur Kooperation mit den Religionsgemeinschaften steigt, wenn die damit verbundenen personellen Verflechtungen betriebsverfassungsrechtlich ohne Auswirkungen bleiben. Es fehlt der Differenzierung jedoch an der gebotenen Verhältnismäßigkeit zwischen Regelungsziel und Ungleichbehandlung. Einerseits hat das Regelungsziel der Förderung karitativer Einrichtungen nur geringes Gewicht. So ist schon fraglich, ob eine Zusammenarbeit zwischen einem Betrieb und einer Religionsgemeinschaft, bei der der Betrieb nicht einmal das geringe Zugeständnis der Betriebszugehörigkeit machen will, überhaupt als förderungswürdig anzusehen ist. Jedenfalls kann es aber nicht das Hauptanliegen des Staates sein, eine solche ausgeprägte Reserviertheit des Betriebsinhabers gegenüber dem Anliegen der Religionsgemeinschaft durch rechtliche Zugeständnisse zu überwinden. Dieser Einschränkung der Gewichtigkeit des Regelungsziels steht ein nicht unerheblicher Eingriff auf Seiten der Ordensangehörigen gegenüber. Wie oben bezüglich des Gewichts der Ungleichbehandlung gezeigt worden ist, befinden sich die Ordensangehörigen in weltlichen Betrieben in derselben schutzbedürftigen Situation wie die sonstigen Beschäftigten. Die karitative oder religiöse Motivation der Ordensangehörigen ist hier ohne jede Bedeutung. Da die Schutzinteressen der Ordensangehörigen zudem grundrechtlich fundiert sind, ist es nicht angemessen, die Reserviertheit des weltlichen Betriebes gegenüber dem Ansinnen der Religionsgemeinschaft zu Lasten der schutzbedürftigen Ordensangehörigen zu überwinden. Im Ergebnis liegt somit im Ausschluß der in weltlichen Betrieben tätigen Ordensangehörigen aus der Betriebsverfassung ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz. 3. Ausschluß der therapeutisch Beschäftigten Der Ausschluß der therapeutisch Beschäftigten aus der Betriebsverfassung gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG ist mit dem Gleichheitssatz vereinbar. Diese Einschätzung resultiert aus der engen inhaltlichen Verwandtschaft des Ausschlusses der therapeutisch Beschäftigten zum oben schon untersuchten Ausschluß der Berufsausbildungsschüler. 273 Aus diesem Grund können die dort gewonnenen Er-

272 Vgl. dazu auch D/K/K-Trümner, 273 Vgl. dazu oben Abschnitt B.III.

§ 5, Rn. 143.

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5. Kap.: Überprüfung ausgewählter Differenzierungen

kenntnisse auf die Situation der therapeutisch Beschäftigten übertragen werden. So wie die Berufsausbildungsschüler in reinen Ausbildungsbetrieben keine Arbeitnehmer, sondern eine „Kundengruppe" darstellen, sind auch die therapeutisch Beschäftigten in den Betreuungsbetrieben Nachfrager der Betreuungsleistung. Im Vergleich mit den Berufsausbildungsschülern ergibt sich bei der Untersuchung zu den therapeutisch Beschäftigten nur ein relevanter Unterschied. Während bei den Berufsausbildungsschülern das Willkürverbot als Prüfungsmaßstab zur Anwendung kam, ist bei den therapeutisch Beschäftigten als einer Untergruppe der Verlustliste das Übermaßverbot anzuwenden.274 Doch führt dieser Unterschied zu keinen anderen Ergebnissen. Der Ausschluß der Berufsausbildungsschüler ist nicht Ergebnis einer Abwägung, bei der es auf die Schärfe des Prüfungsmaßstabes ankäme, sondern der Ausschluß folgt zwingend aus dem „Kundenstatus" der Berufsausbildungsschüler. Gleiches gilt für die therapeutisch Beschäftigten. Auch hier kommt es nicht auf die Schärfe des Prüfungsmaßstabes an, da die therapeutisch Beschäftigten wegen ihres „Kundenstatus" von vornherein nicht als Subjekte der Betriebsverfassung in Frage kommen.

4. Ausschluß der Familienangehörigen Nach § 5 Abs. 2 Nr. 5 BetrVG werden Familienangehörige des Arbeitgebers, so sie mit diesem in häuslicher Gemeinschaft wohnen, aus der Betriebsverfassung ausgeschlossen. Als Familienangehörige im Sinne dieser Vorschrift gelten Ehegatten sowie Verwandte und Verschwägerte ersten Grades. Das Erfordernis der häuslichen Gemeinschaft ist erfüllt, wenn der Familienangehörige im Sinne des § 1619 BGB zum Hausstand des Arbeitgebers gehört. Das Differenzierungskriterium für den Ausschluß der Familienangehörigen des Arbeitgebers gegenüber den sonstigen Arbeitnehmern liegt demnach in einem Mindestgrad an Verwandtschaft zum Arbeitgeber und dem Wohnen in einem gemeinsamen Hausstand mit ihm. Der Gesetzgeber hat den Ausschluß der Familienangehörigen nicht näher begründet. 275 In bezug auf den Zweck der Vorschrift ist deshalb wiederum auf das allgemeine Regelungsziel zurückzugreifen, welches der Gesetzgeber mit der Festlegung des persönlichen Geltungsbereichs verfolgt. Danach gilt es, denjenigen Personenkreis zu bestimmen, der im Wirtschafts- und Arbeitsleben auf den Schutz des BetrVG angewiesen ist. Dies ist bei den Familienangehörigen nicht anzunehmen. Durch den gemeinsamen Hausstand mit dem Arbeitgeber sind die Familienangehörigen typischerweise sowohl hinreichend materiell abgesichert wie auch über die Absichten des Arbeitgebers rechtzeitig informiert. Neben der Festlegung des Geltungsbereichs ist bei der Vorschrift des § 5 Abs. 2 Nr. 5 BetrVG der Schutz der Familie als weiteres Regelungsziel des Gesetzgebers anzunehmen. Durch die be274 Vgl. oben Kapitel 4.C.II.3. und Kapitel 5.C. 275 Vgl. BT-Drucksache 1/1546, S. 37 f.; BT-Drucksache VI/1786, S. 36.

C. Differenzierungen wegen der Verlustliste

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triebsverfassungsrechtliche Neutralisierung des Familienangehörigen wird verhindert, daß die betriebliche Konfrontationssituation zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber in dessen Familie getragen wird. Der Ausschluß der Familienangehörigen aus der Betriebsverfassung ist sachlich gerechtfertigt. Er verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz. Die Eignung des Ausschlusses der Familienangehörigen, als Schutz der Arbeitgeberfamilie zu wirken, steht außer Zweifel. Da die Familienangehörigen sich nicht in der Betriebsratsarbeit engagieren können, ist ein potentieller Störungsfaktor für den Familienfrieden außer Kraft gesetzt. Der Ausschluß der Familienangehörigen ist auch verhältnismäßig. Einerseits bedürfen die Familienangehörigen des Arbeitgebers des betriebsverfassungsrechtlichen Schutzes in deutlich geringerem Maße als normale Arbeitnehmer. Die Familienangehörigen sind materiell und von ihrer Lebensplanung her so eng mit dem Arbeitgeber verbunden, daß schon zweifelhaft ist, ob überhaupt ein Interessengegensatz zwischen beiden existiert. Andererseits wird die Vorschrift dem Verhältnismäßigkeitsprinzip dadurch gerecht, daß nur die in häuslicher Gemeinschaft lebenden Familienangehörigen aus der Betriebsverfassung herausgenommen werden. Hiermit wird hinreichend sichergestellt, daß die Stärke des Familienbandes ein gewisses Mindestmaß erreicht. Im Ergebnis ist der Ausschluß der in Hausgemeinschaft mit dem Arbeitgeber lebenden Familienangehörigen also verfassungskonform.

I I . Differenzierung durch Bildung der Sprecherausschüsse Durch die Vorschriften der §§ 5 Abs. 3 und Abs. 4 BetrVG werden die leitenden Angestellten weitgehend aus dem persönlichen Geltungsbereich des BetrVG ausgeschlossen. Für die leitenden Angestellten existiert mit dem SprAuG ein eigenes betriebliches Mitbestimmungsgesetz. Der Ausschluß der leitenden Angestellten ist eine der am meisten umstrittenen Vorschriften des BetrVG. Neben einer schier unübersehbaren Anzahl von einfachen rechtspolitischen Kritiken an der Vorschrift 276 wird in dieser zuweilen auch explizit ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG behauptet.277 276 Vgl. hierzu insbesondere die intensive Diskussion im Schrifttum anläßlich der Neuformulierung der §§ 5 Abs. 3 und Abs. 4 BetrVG und der Schaffung des SprAuG im Jahre 1988 - ζ. B. Buchner, NZA 1989, Beilage 1, S. 5 ff.; Clausen/Lohr/Schneider/Trümner, ArbuR 1988, S. 297 ff.; Dänzer-Vanotti, NZA 1989, Beilage 1, S. 30 ff.; Engels/Natter, BB 1989, Beilage 8 S. 4 ff.; Hanau, ArbuR 1988, S. 261 ff.; Hromadka, BB 1990, S. 57 ff.; ders., DB 1988, S. 753 ff.; Martens, RdA 1989, S. 73 ff.; Gerhard Müller, DB 1989, S. 824 ff.; ,H.-P. Müller, DB 1988, S. 1697 ff.; ders., DB 1987, S. 1684 ff.; Plander, AiB 1988, S. 274 ff.; Richardi, NZA 1990, Beilage 1, S. 2 ff.; ders., ArbuR 1991, S. 33 ff.; Röder, NZA 1989, Beilage 4, S. 2 ff.; W. Schneider, Die Mitbestimmung 1989, S. 29 ff.; ders., BetrR 4-5/1988, Fachbeilage S. 1 ff.; ders., AiB 1988, S. 164 ff.; Steindorff, ArbuR 1988, S. 266 ff.; Wlotzke, DB 1989, S. 118 ff. 277 Vgl. dazu Clausen/Lohr/Schneider/Trümner, ArbuR 1988, S. 297 ff.; D/K/K-Trümner, § 5, Rn. 246; F/K/H/E, § 5, Rn. 132; Gerhard Müller, DB 1989, S. 830; Steindorff, ArbuR 1988, S. 271.

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5. Kap.: Überprüfung ausgewählter Differenzierungen

1. Das Differenzierongskriterium § 5 Abs. 3 S. 2 BetrVG bestimmt alternativ drei Tatbestände, die den Status eines leitenden Angestellten begründen. Da die Erfüllung eines Tatbestandes ausreicht, kommt jedem der drei Tatbestände die Funktion eines eigenständigen Differenzierungskriteriums zum persönlichen Geltungsbereich des BetrVG zu. Dagegen bezieht sich die Vorschrift des § 5 Abs. 4 BetrVG auf § 5 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 BetrVG und stellt insofern kein eigenständiges Differenzierungskriterium dar. Voraussetzung für die Anwendung aller drei Tatbestände ist, daß dem Arbeitnehmer die Position eines leitenden Angestellten nach seinem Arbeitsvertrag und nach seiner Stellung im Unternehmen oder im Betrieb zukommt. Für die Zuerkennung des Status eines leitenden Angestellten reicht es demnach nicht aus, wenn dem Angestellten die jeweiligen Befugnisse nur pro forma im Arbeitsvertrag zuerkannt werden und damit keine tatsächlichen Befugnisse korrespondieren. 278 Auch darf der Arbeitnehmer die Funktion eines leitenden Angestellten nicht nur gelegentlich oder nebenbei wahrnehmen. 279 Sind diese Grundvoraussetzungen erfüllt, so gelten nach § 5 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 BetrVG diejenigen Angestellten als leitende Angestellte, die zur selbständigen Einstellung und Entlassung von Arbeitnehmern des Betriebes berechtigt sind. Nach dieser Vorschrift werden demnach Angestellte aus der Betriebsverfassung ausgeschlossen, die gegenüber den sonstigen Arbeitnehmern eine typische Arbeitgeberfunktion ausüben. Selbständig im Sinne der Vorschrift kann dabei derjenige handeln, der die Entscheidung über Einstellung und Entlassung regelmäßig ohne besondere Zustimmung des Arbeitgebers oder einer ihm übergeordneten Stelle treffen kann. 280 Zudem ist erforderlich, daß sich die Befugnis des leitenden Angestellten sowohl auf die Einstellung als auch auf die Entlassung bezieht und für eine bedeutende Zahl von Arbeitnehmern im Betrieb gilt. 2 8 1 Nach § 5 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 BetrVG gelten Angestellte mit Generalvollmacht oder Prokura als leitende Angestellte. Damit werden diejenigen Angestellten aus der Betriebsverfassung ausgeschlossen, die für den Arbeitgeber im Rechtsverkehr kraft einer gesetzlich umschriebenen Vollmacht tätig werden. Entgegen der früheren Rechtsprechung des B A G 2 8 2 ist nicht notwendig, daß der Prokurist die im Außenverhältnis gegebene Vertretungsmacht auch im Innenverhältnis uneingeschränkt wahrnehmen darf. Wenn der Prokurist im Innenverhältnis einen nicht nur unbedeutenden Aufgabenbereich zugewiesen bekommt, bleibt seine Eigenschaft als leitender Angestellter von den Einschränkungen unberührt. 283 Als unbedeuten278 Vgl. ζ. B. BAG AP Nr. 28 und 37 zu § 5 BetrVG 1972. 279 Vgl. ζ. B. BAG AP Nr. 22, 30 und 32 zu § 5 BetrVG 1972. 280 Vgl. ζ. B. BAG AP Nr. 27 und 28 zu § 5 BetrVG 1972. 281 Vgl. ζ. B. BAG AP Nr. 1, 27 und 28 zu § 5 BetrVG 1972. 282 Vgl. ζ. B. BAG AP Nr. 37 zu § 5 BetrVG 1972. 283 Vgl. BT-Drucksache XI/3618, S. 7. So jetzt auch das BAG AP Nr. 55 zu § 5 BetrVG 1972.

C. Differenzierungen wegen der Verlustliste

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der Aufgabenbereich gelten dabei Tätigkeiten, die den in § 5 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 BetrVG beschriebenen Leitungsfunktionen nicht wenigstens in etwa nahekommen. Infolgedessen sind insbesondere Titularprokuristen, die nach ausdrücklicher Weisung oder Vereinbarung des Arbeitgebers von der Prokura keinen Gebrauch machen dürfen, keine leitende Angestellte im Sinne des § 5 Abs. 3 BetrVG. 284 Die Tatbestandsgruppe des § 5 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 BetrVG definiert die Hauptgruppe der leitenden Angestellten. Sie enthält eine funktionsbezogene Umschreibung des leitenden Angestellten, in der der Zweck der gesetzlichen Regelung des § 5 Abs. 3 BetrVG zum Ausdruck kommt. Danach muß der leitende Angestellte regelmäßig mit Aufgaben betraut sein, die für den Bestand und die Entwicklung des Unternehmens oder des Betriebes von Bedeutung sind und deren Erfüllung besondere Erfahrungen und Kenntnisse voraussetzen. Zudem muß der leitende Angestellte bei der Erfüllung dieser Aufgaben eigenverantwortlich tätig sein, indem er entweder die Entscheidungen im wesentlichen frei von Weisungen selbst trifft oder diese maßgeblich beeinflußt. Zu den einzelnen Voraussetzungen der dritten Tatbestandsgruppe gibt es eine ausführliche Diskussion in Rechtsprechung und Schrifttum. 2 8 5 Diese braucht hier nicht im Detail nachgezeichnet zu werden, da es für die nachfolgende Gleichheitsprüfung nur auf das grundsätzliche Tätigkeitsbild des leitenden Angestellten nach § 5 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 BetrVG ankommt. 286 Näher einzugehen ist demgegenüber an dieser Stelle auf das Verhältnis der Zweifelsregelung des § 5 Abs. 4 BetrVG zum Grundtatbestand nach § 5 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 BetrVG. In § 5 Abs. 4 BetrVG werden drei alternative formale Hilfskriterien aufgestellt, die bei rechtlichen Zweifeln am Auslegungsergebnis zu § 5 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 BetrVG eine Entscheidung über den Status des Angestellten ermöglichen sollen. Gemäß § 5 Abs. 4 Nr. 1 BetrVG soll hierfür die frühere Zuordnung des Angestellten, gemäß Nr. 2 die Zugehörigkeit zu einer Leitungsebene und gemäß Nr. 3 die Gehaltsstruktur des Unternehmens herangezogen werden. § 5 Abs. 4 Nr. 4 BetrVG stellt als Hilfs-Hilfs-Kriterium zu Nr. 3 auf die gesamtwirtschaftliche Gehaltsgrenze des § 18 SGB IV ab. Über die Rechtsnatur des § 5 Abs. 4 BetrVG und sein genaues Verhältnis zum Grundtatbestand des § 5 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 BetrVG besteht im Schrifttum Uneinigkeit. In Frage kommt die Einordnung der Hilfskriterien des Abs. 4 als Auslegungsregeln, als Regelbeispiele, als Vermutungstatbestände und als Konkretisierungstatbestände. 287 Der überwiegende Teil des Schrifttums ordnet die Hilfskriterien des Abs. 4 als Auslegungsregeln für verbliebene Zweifels-

284 Vgl. ζ. B. BAG EzA Nr. 16 und 35 zu § 5 BetrVG 1972. 285 Vgl. dazu nur die sehr umfangreiche Darstellung des dritten Tatbestands in der Kom-. mentarliteratur - ζ. B. D/K/K-Trümner, § 5, Rn. 214 ff.; F/K/H/E, § 5, Rn. 154 ff.; GKKraft, § 5, Rn. 88 ff.; H/S/G-Hess, § 5, Rn. 52 ff.; Richardi, § 5, Rn. 177 ff. 286 Diese Möglichkeit zur Eingrenzung der Untersuchung resultiert aus der Existenz des SprAuG und wird bei der Bestimmung des Prüfungsmaßstabes im folgenden Abschnitt C.II.2. eingehender dargestellt. 287 Vgl. hierzu z. B. H/S/G-Hess, § 5, Rn. 114 ff. und D/K/K-Trümner, § 5, Rn. 236 ff.

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5. Kap.: Überprüfung ausgewählter Differenzierungen

fragen ein, wobei für die Vorschrift nur ein sehr kleiner bzw. sogar gar kein Anwendungsspielraum gesehen wird. 2 8 8 Einige Autoren stellen neben der allgemeinen Zweckmäßigkeit der Vorschrift auch die Verfassungsmäßigkeit einzelner ihrer Hilfskriterien - unter anderem auch anhand des Gleichheitssatzes - in Frage. 289 Über die Zweifelsfragen zur Rechtsnatur und zum Anwendungsbereich des § 5 Abs. 4 BetrVG braucht hier nicht weiter entschieden zu werden. Falls der Vorschrift tatsächlich kein Anwendungsspielraum verbliebe, fehlte es an einem beschwerten Grundrechtsträger, und eine Verfassungsprüfung erübrigte sich. Deshalb wird hier angenommen, daß der Vorschrift ein Anwendungsbereich verbleibt und insofern der Ausschluß eines Angestellten aus der Betriebsverfassung aufgrund der Hilfskriterien des Abs. 4 - über den Umweg der Einwirkung auf das Auslegungsergebnis des Abs. 3 Nr. 3 - möglich ist. Die bestehenden Zweifel im Schrifttum an der Verfassungsmäßigkeit des § 5 Abs. 4 BetrVG werden innerhalb der nachfolgenden Gleichheitsprüfung an gegebener Stelle näher untersucht. 290

2. Regelungsziel und zugehöriger Prüfungsmaßstab Wie oben schon detailliert dargelegt, 291 will der Gesetzgeber mit dem Ausschluß der leitenden Angestellten aus der Betriebsverfassung die Funktionsfähigkeit auch komplexerer Betriebe und Unternehmen sicherstellen. Vornehmlich in modernen Großunternehmen kann der Arbeitgeber - so er nicht als juristische Person sowieso handlungsunfähig ist - nicht mehr alle notwendigen Führungsaufgaben höchstpersönlich wahrnehmen. Deshalb bedarf es zum Funktionieren des Ganzen einer unterstützenden Führungselite, eben der leitenden Angestellten. Damit diese ihrer unterstützenden Führungsfunktion gerecht werden können, werden sie vom Gesetzgeber aus der Betriebsverfassung ausgeschlossen. Nicht entscheidungsrelevant für den Ausschluß ist dagegen die Gerechtigkeitsfrage nach der Schutzbedürftigkeit der leitenden Angestellten. 292 Der Gesetzgeber verfolgt demnach mit dem Ausschluß der leitenden Angestellten ein sonstiges Ziel. Als Prüfungsmaßstab hierfür ist das Übermaßverbot in seiner zweistufigen Form heranzuziehen. 293 288 Vgl. ζ. B. Buchner, NZA Beilage 1 /1989, S. 8 ff.; Dänzer-Vanotti, NZA 1989, Beilage 1, S. 33 ff.; Engels/Natter, BB 1989, Beilage 8, S. 9 ff.; F/K/H/E, § 5, Rn. 172 ff.; GKKraft, § 5, Rn. 118 ff.; Hanau, ArbuR 1988, S. 261 ff.; H/S/G-Hess, § 5, Rn. 114 ff.; Hromadka, BB 1990, S. 63; Martens, RdA 1989, S. 81 ff.; Gerhard Müller, DB 1989, S. 827 ff.; Richardi, § 5, Rn. 198 ff.; Röder, NZA 1989, Beilage 4, S. 6; Wlotzke, DB 1989, S. 121 ff. A.A. ζ. B. H.-P. Müller, (DB 1988, S. 1699 ff.) der in Abs. 4 einen Vermutungstatbestand sieht. 289 Vgl. ζ. B. Clausen/Lohr/Schneider/Trümner, ArbuR 1988, S. 297ff.; D/K/K-Trümner, § 5, Rn. 246; F/K/H/E, § 5, Rn. 132 und 192; Gerhard Müller, DB 1989, S. 830; Steindorff, ArbuR 1988, S. 271. 290 Vgl. dazu unten Abschnitt C.II.3.a.bb. 291 Vgl. zum folgenden oben Kapitel 4.C.3. 292 Vgl. dazu oben Kapitel 4.C.II.3.

C. Differenzierungen wegen der Verlustliste

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Auf die Schärfe des Prüfungsmaßstabes wirken dabei zwei gegenläufige Tendenzen ein, die sich im Ergebnis neutralisieren. Einerseits ist die grundrechtliche Fundierung der Betriebsverfassung beim Prüfungsmaßstab verschärfend zu berücksichtigen. 294 Andererseits wird dieser Tendenz jedoch durch die Existenz des SprAuG entgegengewirkt. Die Mitbestimmungsregelungen des SprAuG sorgen dafür, daß auch die aus der Betriebsverfassung ausgeschlossenen leitenden Angestellten die grundrechtlich geforderten betrieblichen Mindestbeteiligungsrechte in hinreichendem Maße haben. Zudem erlaubt die Tatsache, daß die Regelungen des SprAuG über die grundrechtlichen Mindestforderungen hinausgehen, einen Verzicht auf eine am Einzelfall orientierte Gleichheitsüberprüfung zum Ausschluß der leitenden Angestellten. Es reicht aus, die Ausschlüsse aufgrund der Tatbestandsgruppen des § 5 Abs. 3 BetrVG auf einer abstrakten Ebene auf ihre grundsätzliche Rechtfertigung zu überprüfen, da die ausgeschlossenen leitenden Angestellten einen beachtlichen betriebsverfassungsrechtlichen Schutz behalten und graduelle Besonderheiten des Einzelfalles dahinter zurücktreten können.

3. Angemessenheit der Differenzierung? Wie oben dargelegt, wird von einigen Autoren in der Regelung des § 5 Abs. 4 BetrVG ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz behauptet. Die Argumentation der Autoren ist schwer einzuordnen. Zum einen halten sich die Autoren bei ihrer Argumentation nicht an die üblichen Gleichheitsprüfungsschemata. Zum anderen wird auf die Problematisierung der Verhältnismäßigkeit des Ausschlusses einzelner Angestelltengruppen verzichtet und stattdessen - unabhängig von der Situation der betroffenen Angestellten - die Gesetzestechnik des § 5 Abs. 4 BetrVG in Frage gestellt. Die Argumentation ist daher nur als ein Teilaspekt der Gleichheitsprüfung anzusehen. Sie beurteilt die Eignung der Vorschrift zur Abgrenzung der leitenden Angestellten, ohne auf die Verhältnismäßigkeit der einzelnen Ausschlüsse weiter einzugehen. Aus diesem Grunde wird die Argumentation der Autoren im Rahmen der Untersuchung zur Eignung der Vorschrift berücksichtigt. 295

a) Eignung des Ausschlusses der leitenden Angestellten Die von einzelnen Autoren aufgeworfene Frage nach der Verfassungsmäßigkeit der Gesetzestechnik der §§ 5 Abs. 3 und Abs. 4 BetrVG ist - wie oben bereits dargelegt - als ein Aspekt der Eignung der Vorschrift einzuordnen. Dies ist von den in Rede stehenden Autoren so nicht gesehen worden, weshalb sie ihre Argumente 293 Zum Übermaßverbot als Prüfungsmaßstab für sonstige Ziele des Gesetzgebers vgl. oben Kapitel 1 .E. 2 94 Vgl. dazu unten Kapitel 2.D.II. 2 95 Vgl. unten Abschnitt C.II.3.a.bb.

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5. Kap.: Überprüfung ausgewählter Differenzierungen

auch nicht an den Erfordernissen der Eignungsprüfung ausgerichtet haben. Aus diesem Grunde wird im folgenden vor einer Untersuchung der von den Autoren kritisierten Gesetzestechnik (Abschnitt C.ü.3.a.bb.) zunächst die grundsätzliche Eignung der Vorschrift, die Gruppe der leitenden Angestellten zu definieren, im Rahmen einer „üblichen" Eignungsprüfung näher betrachtet (Abschnitt C.II.3.a.aa.).

aa) Grundsätzliche Eignung der §§ 5 Abs. 3 und Abs. 4 BetrVG Die Eignung einer Differenzierungsvorschrift ist dann gegeben, wenn das Regelungsziel des Gesetzgebers durch diese befördert wird. Für das Regelungsziel des Ausschlusses der leitenden Angestellten aus der Betriebsverfassung bedeutet dies, daß die §§ 5 Abs. 3 und Abs. 4 BetrVG in der Lage seien müssen, eine homogene obere Eliteschicht der Arbeitnehmerschaft eines Betriebes zu beschreiben. Uninteressant für die Eignung - und vielmehr eine Frage der Verhältnismäßigkeit i.e.S. ist dagegen, ob und inwieweit diese Eliteschicht zu weit bzw. eng gezogen ist. Die Eignung kann für die Tatbestandsgruppen des § 5 Abs. 3 BetrVG ohne Probleme angenommen werden. Die Einstellungs- und Entlassungsbefugnis sowie die Vertretungsrechte der Prokura sind unzweifelhaft kennzeichnende Merkmale der Führungsschicht eines Betriebes. Dies gilt auch für die Funktionsbeschreibung der dritten Tatbestandsgruppe. Fraglich könnte dagegen sein, ob auch die Hilfskriterien des § 5 Abs. 4 BetrVG diesem Anspruch gerecht werden. Dies kann jedoch, wie im folgenden gezeigt wird, angenommen werden. Das Hilfskriterium der früheren Zuordnung nach § 5 Abs. 4 Nr. 1 BetrVG steht unter dem Vorbehalt der unveränderten Stellung des Angestellten und kann sich insofern auf die Autorität der Tatbestände des § 5 Abs. 3 BetrVG stützen. Das Hilfskriterium der gleichen Leitungsebene nach § 5 Abs. 4 Nr. 2 BetrVG findet seine Rechtfertigung im wohl unbestrittenen Interesse der Arbeitgeber an der Bildung einer homogenen Gruppe von leitenden Angestellten. Eine Durchmischung dieser Gruppe mit sonstigen Mitarbeitern ohne besonderes Vertrauensverhältnis zum Arbeitgeber ist aus dessen Sicht nicht sinnvoll und daher in der Regel auch nicht zu erwarten. Das Hilfskriterium der Gehaltsstruktur des Unternehmens nach § 5 Abs. 4 Nr. 3 BetrVG ist Ausfluß der Lebenserfahrung, daß sich die gesteigerte Verantwortung der leitenden Angestellten in einer signifikant höheren Bezahlung ausdrückt. Dies mag zwar auch für den einen oder anderen Spezialisten gelten, doch wird dadurch der Zusammenhang zwischen Gehaltshöhe und Hierarchieebene nicht grundsätzlich in Frage gestellt. 296 Diese Einschätzung gilt schließlich auch für das Hilfs-Hilfs-Kriterium der Gehaltsgrenze nach § 5 Abs. 4 Nr. 4 BetrVG. Zwar nimmt hier die Gefahr zu, daß wegen der aus der Sicht der Unternehmen relativen Beliebigkeit der Grenze des § 18 SGB IV eine größere Anzahl von Spezialisten ohne leitende Funktion mit erfaßt wird, doch 296

Zur positiven Feststellung des Zusammenhangs zwischen Gehaltsgrenze und leitender Funktion im Unternehmen vgl. ζ. B. Hromadka, DB 1988, S. 754 f.

C. Differenzierungen wegen der Verlustliste

305

bleibt die Grundregel zwischen Hierarchiestufe und Entlohnung auch hier erhalten. Zur Verdeutlichung dieser Feststellung sei der Zusammenhang noch einmal vereinfacht zusammengefaßt: Eine Gehaltsgrenze ist grundsätzlich in der Lage, das Oben und Unten in einer Betriebsbelegschaft eindeutig zu scheiden. Oben ist, wer über der Grenze liegt, unten ist, wer darunter liegt. Mehr erfordert die Feststellung der Eignung einer Vorschrift zur Beschreibung einer Eliteschicht innerhalb der Betriebsbelegschaft nicht. Zweifelsfragen über die richtige Lage der Grenze berühren nicht die Eignung, sondern die Verhältnismäßigkeit einer Vorschrift.

bb) Gesetzestechnik der Vorschriften als Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG? Die Gesetzestechnik der §§ 5 Abs. 3 und Abs. 4 BetrVG verstößt nach Meinung einiger Autoren gegen verschiedene Verfassungsbestimmungen. Neben einer Verletzung des Gleichheitssatzes wird auch ein Verstoß gegen das Rechtsstaatsgebot des Art. 20 GG angenommen.297 Letzterer bleibt im folgenden unberücksichtigt, da hier nur die Annahme einer Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG näher interessiert. 298 Diese wird von den Autoren - mit einigen Abweichungen im Detail - wie folgt begründet: § 5 Abs. 4 BetrVG - hier insbesondere § 5 Abs. 4 Nr. 4 BetrVG verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG, da seine Regelungen eine an sachwidrigen Kriterien ausgerichtete Differenzierung beinhalteten. Die S ach Widrigkeit der Kriterien des § 5 Abs. 4 BetrVG resultiere aus deren Systemwidrigkeit, die sich daraus ergebe, daß § 5 Abs. 4 BetrVG im Unterschied zur Abgrenzung des § 5 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG nicht auf funktionale, sondern auf formale Merkmale abziele. Für das Abgrenzungskriterium des § 5 Abs. 4 Nr. 4 BetrVG komme erschwerend hinzu, daß es sich nicht am konkreten Unternehmen orientiere, sondern auf ein unternehmensunabhängiges Merkmal zurückgreife. Im Ergebnis versetzten die sachwidrigen Kriterien den Arbeitgeber in die Lage, über die Festsetzung der Organisations- und Entlohnungsstrukturen in seinem Betrieb den Geltungsbereich des BetrVG in seinem Sinne zu beeinflussen. 299 Diese Auffassung zur Verfassungswidrigkeit des § 5 Abs. 4 BetrVG kann nicht überzeugen. Sie beruht auf einem falschen Verständnis der Systemwidrigkeit. Nach 297 Vgl. ζ. B. Clausen /Lohr/Schneider/Trümner, ArbuR 1988, S. 297 ff.; D/K/K-Trümner, § 5, Rn. 246; F/K/H/E, § 5, Rn. 132 und 192; Gerhard Müller, DB 1989, S. 830; Steindorff, ArbuR 1988, S. 271. 298

Vgl. zum Vorwurf des Verstoßes gegen das Rechtsstaatsgebot (Gebot der Bestimmtheit der Normen) die überzeugenden Gegenargumente bei Engels/Natter, BB 1989, Beilage 8, S. 10 f.; GK-Kraft, § 5, Rn. 144 und Wlotzke, DB 1989, S. 124. 299

Vgl. ζ. B. Clausen/Lohr/Schneider/Trümner, ArbuR 1988, S. 300; D/K/K-Trümner, § 5, Rn. 246. Vgl. dazu aber auch F/K/H/E (§ 5, Rn. 132), die den Arbeitgeber durch die Vorschrift gehindert sehen, sein Unternehmen sachgerecht zu organisieren und sachgerechte Vergütungen zu vereinbaren. 20 Bremeier

306

5. Kap.: Überprüfung ausgewählter Differenzierungen

ständiger Rechtsprechung des BVerfG kann die Systemwidrigkeit einer Regelung für sich allein einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG nicht begründen. 300 Die Systemwidrigkeit könne nur Indiz für einen Gleichheitsverstoß sein. 301 Dem Gesetzgeber stehe es grundsätzlich frei, von den einen Rechtskreis bestimmenden Grundregeln, die er selbst gesetzt hat, abzuweichen. Eine Abweichung werde erst dann verfassungsrechtlich relevant, wenn dadurch eine Differenzierung entstehe, die von der Verfassung mißbilligt werde. 302 Im Ergebnis könne deshalb nicht die Gesetzessystematik, für sich genommen, sondern ausschließlich das Ergebnis einer Regelung für die Betroffenen Ursache der Verfassungswidrigkeit der Regelung sein. 303 Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung zeigt sich, daß die Verfassungswidrigkeit der Norm des § 5 Abs. 4 BetrVG nicht allein mit deren Systemwidrigkeit im Vergleich zum Grundtatbestand des § 5 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG begründet werden kann. Es bedarf vielmehr des Nachweises, daß die durch die systemwidrige Vorschrift des Abs. 4 aus der Betriebsverfassung ausgeschlossenen Angestellten dadurch in verfassungsrechtlich relevanter Weise gegenüber den sonstigen Arbeitnehmern ungleich behandelt werden - es muß mithin die UnVerhältnismäßigkeit des Ausschlusses der ausgeschlossenen Angestellten dargetan werden. 304 Diesen Nachweis bleiben die in Rede stehenden Autoren jedoch schuldig. Ihre Begründung des Gleichheitssatzverstoßes fußt einzig auf der Behauptung der Systemwidrigkeit des § 5 Abs. 4 BetrVG. Sie ist daher als nicht stichhaltig abzulehnen.305 Neben dem Vorwurf des Mißverständnisses der Systemwidrigkeit kann den Autoren auch die folgende Kritik nicht erspart werden: Es ist schlichtweg nicht ersichtlich, aus welchem Verfassungsgrundsatz diese ein Recht der Arbeitnehmer konstruieren wollen, nur nach funktionalen und nicht nach formalen Kriterien beurteilt zu werden. 306 Dies gilt um so mehr, als in der alten Regelung des § 4 Abs. 2 c BetrVG 1952 neben funktionalen auch ein formales Merkmal in Form einer Gehaltsgrenze enthalten war, ohne daß die Verfassungsmäßigkeit der Regelung deswegen problematisiert wurde. 307 Der Verdacht ist denn auch nicht von der Hand zu weisen, daß nicht durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken, sondern eine rechtspolitische Unzufriedenheit der Autoren mit der Tendenz der gesetzgeberi300 Vgl. BVerfGE 59, 36 (49); 61, 138 (149); 68, 237 (253); 71, 81 (95); 75, 382, (395 f.); 76, 130 (140); 78, 104 (123); 81, 156 (207). 301 Vgl. BVerfGE 9, 20 (28); 18, 315 (334); 24, 174 (181); 59, 36 (49); 61, 138 (149); 78, 104 (123); 81, 156 (207); 85, 238 (247). 302 Vgl. BVerfGE 12, 151 (164); 18, 315 (334); 19, 101 (111). 303 Vgl. BVerfGE 83, 395 (402). 304 Vgl. zur Möglichkeit eines solchen Nachweises unten Abschnitt C.II.3.b. 305 Zum gleichen Ergebnis kommen ζ. B. Buchner, NZA Beilage 1 /1989, S. 8 f.; Engels/ Natter, BB 1989, Beilage 8, S. 12 f.; GK-Kraft, § 5, Rn. 144. 306 Vgl. dazu auch Buchner, NZA 1989, Beilage 1, S. 9. 307 Vgl. dazu Fitting/ Auffarth/Kraegeloh, § 4 BetrVG 1952, Rn. 17 m. w. N.

C. Differenzierungen wegen der Verlustliste

307

sehen Neuregelung ausschlaggebend für die Feststellung der Verfassungswidigkeit der Vorschrift ist. 3 0 8 Das darin liegende unreflektierte Behaupten eines Grundrechts zur Durchsetzung einer sozialpolitischen Wunschvorstellung ist auch hier aufs deutlichste zu kritisieren. 309

b) Verhältnismäßigkeit des Ausschlusses der leitenden Angestellten Bei der Überprüfung der Verhältnismäßigkeit einer differenzierenden Regelung wird nicht nur eine sachliche Rechtfertigung für die Differenzierung gesucht, sondern es wird das Gewicht des Regelungsziels des Gesetzgebers ins Verhältnis zu den aus der Ungleichbehandlung resultierenden Nachteilen für die Betroffenen gesetzt. 310 Das Regelungsziel, welches der Gesetzgebers mit dem Ausschluß der leitenden Angestellten verfolgt, hat großes Gewicht. Zum einen steht die Notwendigkeit, in einem modernen Wirtschaftsunternehmen die Unternehmensleitung nicht nur dem Arbeitgeber selbst, sondern auch einer diesem zuarbeitenden Führungsschicht zu übertragen, außer Zweifel. Dem Regelungsziel des Gesetzgebers kommt insoweit überragende Bedeutung für das Interesse der Allgemeinheit an einer funktionierenden Wirtschaftsordnung zu. Zum anderen wird mit dem Regelungsziel auch das Interesse des Arbeitnehmers befördert. Auch für diesen hat die Möglichkeit des Unternehmens, sich eine wettbewerbsfähige Organisationsstruktur zu geben, besonderes Gewicht. Ohne die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens gerät sein Hauptinteresse, die Existenz seines Arbeitsplatzes, in Gefahr. Die Beeinträchtigung der Rechte der leitenden Angestellten durch deren Ausschluß aus der Betriebsverfassung hat demgegenüber ein deutlich geringeres Gewicht. Dies liegt insbesondere daran, daß - wie oben gezeigt - das Regelungsziel des Gesetzgebers auch die Interessen der leitenden Angestellten mitbefördert. Daneben wird der Verlust der betriebsverfassungsrechtlichen Mitbestimmungsrechte in seiner Bedeutung durch die Existenz des SprAuG erheblich begrenzt. Die leitenden Angestellten fallen durch ihren Ausschluß aus der Betriebsverfassung nicht ins mitbetimmungsrechtliche Niemandsland, sondern ihnen verbleibt durch die Regelungen des SprAuG ein nicht unerhebliches Maß an Beteiligung, mögen die Regelungen des SprAuG auch bei weitem nicht das Schutzniveau des BetrVG erreichen. 311

308

Vgl. dazu ζ. B. den ausdrücklichen Hinweis auf die Gefahr einer Erweiterung des KreiArbuR 1988, S. 298. ses der leitenden Angestellten bei Clausen/Lohr/Schneider/Trümner, 309 Zum unreflektierten Behaupten eines Grundrechts als Kardinalfehler der Verfassungsinterpretation vgl. oben Kapitel l.A.IV. sowie Kapitel 2.B.I.3.C. 310 Vgl. zur Überprüfung der Verhältnismäßigkeitsprüfung im engeren Sinne oben Kapitel 1.D.III.3.

311 Vgl. dazu ζ. B. D/K/K-Trümner, 20»

§ 5, Rn. 175 ff.

308

5. Kap.: Überprüfung ausgewählter Differenzierungen

Das deutlich größere Gewicht des Regelungsziels gegenüber der Beeinträchtigung der leitenden Angestellten kann, für sich allein genommen, die Verhältnismäßigkeit des Ausschlusses der leitenden Angestellten nicht begründen. Hierfür bedarf es in einem zweiten Schritt des Nachweises, daß die von § 5 Abs. 3 und Abs. 4 BetrVG als leitende Angestellte definierten Personen tatsächlich in hinreichendem Maße eine leitende arbeitgeberähnliche Position im Unternehmen innehaben. Wenn dies nicht gewährleistet ist und die ausgeschlossenen Personen für Entwicklung und Bestand des Unternehmens keine zentrale Bedeutung haben, verliert das gesetzgeberische Regelungsziel sein besonderes Gewicht, und die auf Seiten der Ausgeschlossenen auftretende Verringerung des Schutzniveaus gewinnt trotz ihres absolut geringeren Gewichts ausschlaggebende Bedeutung. Für die Tatbestände des § 5 Abs. 3 BetrVG kann die unternehmerische Bedeutung der leitenden Angestellten indessen gesichert festgestellt werden. Die leitenden Angestellten nach Nr. 1 und Nr. 2 treten in klassischen Arbeitgeberfunktionen auf und sind insofern in ihrer Bedeutung für das Unternehmen vom Arbeitgeber kaum zu unterscheiden. Auch die vom Tatbestand der Nr. 3 erfaßten Beschäftigten haben eine hinreichende Bedeutung für den Fortbestand des Unternehmens. Dies ergibt sich schon aus den Definitionsmerkmalen, wonach die Angestellten für Entwicklung und Bestand des Unternehmens bedeutende Entscheidungen im wesentlichen frei von Weisungen müssen treffen können. Problematischer sind dagegen die Hilfskriterien des § 5 Abs. 4 BetrVG. Bei den hier definierten Merkmalen ist es denkbar, daß ein faktisch nicht leitender Angestellter als solcher eingeordnet wird. Dies gilt insbesondere bei der unternehmensunabhängigen Gehaltsgrenze der § 5 Abs. 4 Nr. 4 BetrVG. Die Gefahr, daß durch die abstrakte Gehaltsgrenze ζ. B. ein hochbezahlter Spezialist ohne leitende Funktion zum leitenden Angestellten deklariert wird, ist nicht von der Hand zu weisen. 312 Jedoch ist auch ein solcher - als fehlerhaft anzusehender - Ausschluß aus der Betriebsverfassung noch verhältnismäßig. In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, daß die Merkmale des § 5 Abs. 4 BetrVG als Hilfskriterien erst dann zu Anwendung kommen, wenn die überzeugende Regelung des § 5 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG zu keinem eindeutigen Ergebnis führt. Mangelt es jedoch an einem klaren Ergebnis, so kann daraus der Umkehrschluß gezogen werden, daß der einzuordnende Beschäftigte ein gehöriges - wenn auch nicht gänzlich überzeugendes Maß an Leitungsfunktionen innehält und insofern sicher kein normaler schutzbedürftiger Arbeitnehmer ist. Wäre er ein solcher, würden sich nach § 5 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG keine Zweifel ergeben, und der Beschäftigte wäre als Arbeitnehmer im Sinne der Betriebsverfassung anzusehen. Ein Ausschluß nach dem formalen Kriterium des § 5 Abs. 4 Nr. 4 BetrVG trifft also nur Angestellte, die jenseits des normalen Arbeitnehmerbildes eine gewisse Machtposition im Unternehmen einnehmen. Sind die Angestellten danach aber für den Bestand des Unternehmens einem

312 Vgl. ζ. B. Clausen/Lohr/Schneider/Trümner,

ArbuR 1988, S. 298.

D. Überprüfung von Mischfällen

309

leitenden Angestellten bis auf einzelne Zweifelsfragen vergleichbar bedeutend, so behält das Regelungsziel des Gesetzgebers sein dargelegtes besonderes Gewicht. In dieser Situation muß die gesetzgeberische Wertentscheidung für die Einführung eines formalen Entscheidungskriteriums hingenommen werden. Sie ist durch die weitgehende gesetzgeberische Gestaltungsfreiheit im Bereich des Gleichheitssatzes gedeckt. 313 Dies gilt umso mehr, als zugunsten der gesetzlichen Regelungen die Schaffung vermehrter Rechtssicherheit angeführt werden kann. 314 Der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit sind dabei erst dort Grenzen gezogen, wo die Ergebnisse der Regelung mit den vom BVerfG zur Generalisierung und Typisierung aufgestellten Grundsätzen nicht mehr vereinbar sind. Nach diesen Grundsätzen müssen bei typisierenden und generalisierenden Regelungen gewisse Härten oder Ungerechtigkeiten hingenommen werden, wenn diese nur eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv ist. 3 1 5 Beiden Anforderungen wird die Regelung des § 5 Abs. 4 BetrVG gerecht. Die geringe Zahl der betroffenen Personen wird durch die Beschränkung des § 5 Abs. 4 BetrVG auf die Funktion eines Hilfskriteriums für die Tatbestandsgruppe des § 5 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG sichergestellt. 316 Die geringe Intensität des Gleichheitsverstoßes resultiert zum einen aus der Tatsache, daß nur solche Spezialisten ausgeschlossen werden, die von ihrer Führungsfunktion her nahezu die Anforderungen leitender Angestellten erfüllen. Die ausgeschlossenen Spezialisten fallen, wie gezeigt, zum anderen nicht ins mitbestimmungsrechtliche Niemandsland. Im Ergebnis ist daher der Ausschluß der leitenden Angestellten nach den Regelungen der §§ 5 Abs. 3 und Abs. 4 BetrVG verhältnismäßig. Die Vorschriften verstoßen nicht gegen den Gleichheitssatz.

D. Überprüfung von Mischfallen In den bisherigen Untersuchungen wurde der Ausschluß von Beschäftigtengruppen aus der Betriebsverfassung jeweils anhand nur eines der drei Differenzierungs313 Zum weiten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers beim Gleichheitssatz vgl. oben Kapitel 1. A.III. 314 So auch Buchner, NZA 1989, Beilage 1, S. 8 f.; Engels/Natter, BB 1989, Beilage 8, S. 12 f.; GK-Kraft, § 5, Rn. 144. 315 Vgl. ζ. B. BVerfGE 26, 265 (275 f.); 45, 376 (390); 63, 119 (128); 79, 87 (100); 82,60 (97); 82, 126 (152); 84,168 (183); 84, 348 (359 f., 365); 91,93 (115). 316 Vgl. dazu auch die Stimmen im Schrifttum, die für den § 5 Abs. 4 BetrVG nahezu keinen Anwendungsbereich sehen, Buchner, NZA 1989, Beilage 1, S. 8 ff.; Dänzer-Vanotti, NZA 1989, Beilage 1, S. 33 ff.; Engels/Natter, BB 1989, Beilage 8, S. 9 ff.; F/K/H/E, § 5, Rn. 172 ff.; GK-Kraft, § 5, Rn. 118 ff.; Hanau, ArbuR 1988, S. 261 ff.; H/S/G-Hess, § 5, Rn. 114 ff.; Hromadka, BB 1990, S. 63; Martens, RdA 1989, S. 81 ff.; Gerhard Müller, DB 1989, S. 827 ff.; Richardi, § 5, Rn. 198 ff.; Röder, NZA 1989, Beilage 4, S. 6; Wlotzke, DB 1989, S. 121 ff.

310

5. Kap. : Überprüfung ausgewählter Differenzierungen

kriterien zum betriebsverfassungsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff überprüft. Im folgenden werden mit den Rote-Kreuz-Schwestern und den Teilzeitbeschäftigten Beschäftigte untersucht, deren Ausschluß aus der Betriebsverfassung anhand mehrerer Differenzierungskriterien zu überprüfen ist.

I. Ausschlüsse im Bereich der Rote-Kreuz-Schwestern? 1. Eingrenzung und Präzisierung der Fragestellung Bezüglich der betriebsverfassungsrechtlichen Einordnung von Rote-KreuzSchwestern gibt es eine bemerkenswerte Differenz zwischen Rechtsprechung und Schrifttum. Nach ständiger Rechtsprechung des B A G 3 1 7 sind die Rote-KreuzSchwestern weder beim Einsatz in Krankenhäusern unter der Trägerschaft des Roten Kreuzes 318 noch beim Einsatz aufgrund von GestellungsVerträgen in Krankenhäusern unter fremder Trägerschaft 319 Arbeitnehmerinnen im Sinne der Betriebsverfassung. 320 Zur Begründung der Ausschlüsse hat das BAG abwechselnd jeweils auf eines der drei Differenzierungskriterien zum persönlichen Geltungsbereich des BetrVG abgehoben. Der überwiegende Teil des Schrifttums ist demgegenüber der Ansicht, Rote-Kreuz-Schwestern seien, wenn sie aufgrund von Gestellungsverträgen tätig sind, Arbeitnehmerinnen im Sinne der Betriebsverfassung. 321 Die Arbeitnehmereigenschaft in Krankenhäusern unter der Trägerschaft des Roten Kreuzes wird freilich differenzierter betrachtet. 322 Bezüglich des ähnlichen Personenkreises der sogenannten Gastschwestern gibt es zwischen Rechtsprechung und Schrifttum ebenfalls unterschiedliche Auffassungen zu deren betriebsverfassungsrechtlicher Einordnung. Der Meinungsstreit beschränkt sich hier aber auf den betriebsverfassungsrechtlichen Status der Gastschwestern im Rah-

317 Vgl. BAG AP Nr. 1 und 2 zu § 5 BetrVG 1972 Rotes Kreuz; BAG AP Nr. 1 zu § 5 ArbGG; BAG AP Nr. 22 zu § 5 ArbGG 1979. Demgegenüber ist das zuletzt vom BAG (AP Nr. 18 zu § 99 BetrVG 1972) gemäß § 99 BetrVG angenommene Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats beim Einsatz von Rote-Kreuz-Schwestern aufgrund von Gestellungs Verträgen für die hiesige Untersuchung nicht weiter von Belang weil hierbei der Schutz der Stammbelegschaft und nicht der Rote-Kreuz-Schwestern im Vordergrund steht. 318 Hierfür wird im folgenden der Terminus „Rotes-Kreuz-Krankenhaus" verwendet. 319 Hierfür wird im folgenden der Terminus „Fremdkrankenhaus" verwendet. 320 Vgl. dazu auch die gleichgerichtete Rechtsprechung der anderen oberen Gerichtshöfe wie BVerwG, AP Nr. 1 zu § 3 PersVG Bad.-Württ.; BSG, AP Nr. 7 zu § 611 BGB Rotes Kreuz. 321 Vgl. dazu nur die Kommentarliteratur wie z. B. F/K/H/E, § 5, Rn. 108; H/S/GHess, § 5, Rn. 26; Löwisch, § 5, Rn. 11; Richardi, § 5, Rn. 149; D/K/K-Trümner, § 5, Rn. 145 ff. Differenzierter zur Rechtsprechung des BAG dagegen GK-Kraft, § 5, Rn. 57 ff. 322 Für diesen Fall folgen einige Autoren der Ansicht des BAG. Vgl. ζ. B. Christiansen, Betriebszugehörigkeit, S. 142; Richardi, § 5, Rn. 149.

D. Überprüfung von Mischfällen

311

men von Gestellungsverträgen, da ansonsten auch das BAG die Arbeitnehmereigenschaft annimmt. 323 Vor dem Hintergrund dieser Diskussion können sich Differenzierungen zum persönlichen Geltungsbereich des BetrVG erstens anhand der Unterscheidung zwischen Rote-Kreuz-Schwestern und Gastschwestern und zweitens anhand der Unterscheidung zwischen der Arbeit in Rote-Kreuz - und der Arbeit in Fremdkrankenhäusern ergeben. Innerhalb der damit beschriebenen vier Beschäftigungskonstellationen können Ausschlüsse aus der Betriebsverfassung jeweils anhand der drei Differenzierungskriterien des betriebsverfassungsrechtlichen Arbeitnehmerbegriffs begründet werden. Zu den daraus resultierenden 12 möglichen Ausschlußgründen aus der Betriebsverfassung hat das BAG bisher wie folgt 3 2 4 Stellung genommen: Rote-Kreuz-Schwestern Rotes-KreuzKrankenhaus

Arbeitnehmerin Betriebszugehörigkeit

H325 ?

Arbeitnehmerin

w330 w330

Verlustliste Fremdkrankenhaus

Gastschwestern

( _)3«

Betriebszugehörigkeit

?

Verlustliste

?

w330

w330

Legende: (+) = Das BAG hat das Kriterium als erfüllt angesehen. (-) = Das BAG hat das Kriterium als nicht erfüllt angesehen. ? = Das BAG hat zum Kriterium bisher nicht Stellung bezogen.

Aufgrund der Tabelle ergeben sich drei näher zu untersuchende Differenzierungen. Die betriebsverfassungsrechtliche Zugehörigkeit der Gastschwestern zum Rote-Kreuz-Krankenhaus ist unstrittig und bedarf daher keiner weiteren Erörterung. Als erste Differenzierung ist der Ausschluß der Gastschwestern beim Einsatz 323 Vgl. BAG AP Nr. 3 zu § 5 BetrVG 1972 Rotes Kreuz. 324 Vgl. dazu die Übersichtstabelle. 325 Vgl. BAG AP Nr. 1 zu § 5 BetrVG 1972 Rotes Kreuz; BAG AP Nr. 1 zu § 5 ArbGG; BAG AP Nr. 22 zu § 5 ArbGG 1979. 326 Vgl. BAG AP Nr. 3 zu § 5 BetrVG 1972 Rotes Kreuz. 327 Zunächst hatte das BAG (AP Nr. 1 zu § 5 ArbGG) die Rote-Kreuz-Schwestern unter die Verlustliste gefaßt, sich dann aber später (BAG AP Nr. 22 zu § 5 ArbGG 1979) dazu kritischer geäußert. 328 Vgl. BAG AP Nr. 2 zu § 5 BetrVG 1972 Rotes Kreuz; BAG AP Nr. 22 zu § 5 ArbGG 1979. 329 Vgl. BAG AP Nr. 10 zu § 611 BGB Rotes Kreuz. 330 Vgl. BAG AP Nr. 22 zu § 5 ArbGG 1979.

312

5. Kap.: Überprüfung ausgewählter Differenzierungen

im Rahmen von Gestellungsverträgen zu untersuchen (Abschnitt D.I.4.). Hier ist die Frage der Betriebszugehörigkeit der Gastschwestern zum Fremdkrankenhaus strittig, während die Arbeitnehmereigenschaft und die Abgrenzung zur Verlustliste außer Frage steht. Als zweites ist die betriebsverfassungsrechtliche Stellung der Rote-Kreuz-Schwestern bei einer Beschäftigung in einem Rote-Kreuz-Krankenhaus zu untersuchen (Abschnitt D.I.2.). Das BAG hat hier die Zugehörigkeit der Rote-Kreuz-Schwestern zur Krankenhausbelegschaft jeweils schon wegen fehlender Arbeitnehmereigenschaft abgelehnt. Schließlich hat das BAG mit derselben Begründung auch die Zugehörigkeit der Rote-Kreuz-Schwestern zur Krankenhausbelegschaft dann verneint, wenn die Schwestern im Rahmen von Gestellungsverträgen in Fremdkrankenhäusern tätig werden. Die Stichhaltigkeit dieser Begründung und des Ausschlusses an sich sind zu überprüfen (Abschnitt D.I.3.). 2. Zum Status der Rote-Kreuz-Schwestern in Rote-Kreuz-Krankenhäusern a) Zur Arbeitnehmereigenschaft

der Rote-Kreuz-Schwestern

Das BAG lehnt die Arbeitnehmereigenschaft der Rote-Kreuz-Schwestern unter Hinweis auf deren vereinsrechtliche Zugehörigkeit zur Schwesternschaft ab. Dabei hat sich der Schwerpunkt der Argumentation im Laufe der Zeit geändert. In den ersten Entscheidungen beschränkte das BAG das Rechtsverhältnis zwischen der Schwesternschaft und ihren Mitgliedern auf vereinsrechtliche Rechte und Pflichten. 3 3 1 So lege die Schwesternordnung fest, daß die Schwestern ihren Beruf als Mitglieder und im Auftrag der Schwesternschaft ausübten. Die Pflicht der RoteKreuz-Schwestern zur Arbeitsleistung gründe sich daher allein auf deren Zugehörigkeit zur Schwesternschaft. Da körperschaftliche und arbeitsrechtliche Pflichten nur nebeneinander bestehen könnten, wenn sie nicht denselben Inhalt hätten, könnten mitgliedschaftliche Arbeitspflichten der Rote-Kreuz-Schwestern nicht zugleich arbeitsvertragliche Pflichten sein. Neben der Mitgliedschaft in der Schwesternschaft könne ein besonderes Arbeitsverhältnis deshalb schon denkgesetzlich nicht bestehen. In seiner jüngsten Entscheidung 3313 zur Arbeitnehmereigenschaft der Rote-Kreuz-Schwestern läßt das BAG demgegenüber ausdrücklich offen, ob dieser Begründung zu folgen ist. In dieser Entscheidung hebt das BAG darauf ab, daß es keinen Rechtssatz des Inhalts gebe, wonach Dienste in persönlicher Abhängigkeit ausschließlich aufgrund eines Arbeitsverhältnisses und nicht wegen vereinsrechtlicher Mitgliedschaft erbracht werden könnten. Die Begründung vereinsrechtlicher Arbeitspflichten sei solange möglich, wie hierdurch keine zwingenden arbeitsrechtlichen Schutzbestimmungen umgangen würden. Eine solche Umgehung sei im Falle der Rote-Kreuz-Schwestern nicht zu erkennen. Einerseits stünden den Rote-Kreuz-Schwestern Mitgliedschaftsrechte zu, anhand derer sie die Geschicke 331 Vgl. BAG AP Nr. 1 zu § 5 BetrVG 1972 Rotes Kreuz; BAG AP Nr. 1 zu § 5 ArbGG. 331a Vgl. BAG AP Nr. 22 zu § 5 ArbGG 1979.

D. Überprüfung von Mischfllen

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des Vereins und damit zugleich der Arbeitsorganisation beeinflussen könnten. Andererseits sei durch die allgemein anerkannte Gemeinnützigkeit der Schwesternschaft hinreichend sichergestellt, daß diese arbeitsrechtliche Schutzvorschriften nicht umgehe. Die Begründung des BAG zur Ablehnung der Arbeitnehmereigenschaft der Rote-Kreuz-Schwestern wird im Schrifttum kritisiert. 332 Entgegen der Auffassung des BAG sei ein Nebeneinander von mitgliedschaftlichem Verhältnis und Arbeitsverhältnis durchaus möglich. Dies zeige sich schon daran, daß auch sonst die Möglichkeit einer inhaltlichen Überschneidung von gesellschafts- oder familienrechtlichen Beziehungen einerseits und arbeitsrechtlichen Beziehungen andererseits anerkannt sei. 333 Für die Beurteilung der Arbeitnehmereigenschaft komme es demnach einzig darauf an, ob die Rote-Kreuz-Schwestern unter arbeitnehmergleichen Bedingungen tätig würden. 334 Da die Rote-Kreuz-Schwestern unter denselben Bedingungen wie die Gastschwestern tätig seien und das BAG deren Arbeitnehmereigenschaft festgestellt habe, müßten auch Rote-Kreuz-Schwestern Arbeitnehmerinnen sein. Diese Einschätzung werde im Unterschied zur Auffassung des BAG auch weder durch die Mitgliedschaftsrechte der Rote-Kreuz-Schwestern noch durch die Gemeinnützigkeit der Rote-Kreuz-Organisation berührt. So könne der verbandsrechtlich gewährte Sozialschutz nicht ohne weiteres mit dem arbeitsrechtlichen Sozialschutz verglichen werden. 335 Gerade in bezug auf den betriebsverfassungsrechtlichen Schutz sei die Gleichwertigkeit der vereinsrechtlichen Mitwirkungsmöglichkeiten nicht gegeben.336 Im Ergebnis seien deshalb die Rote-KreuzSchwester Arbeitnehmerinnen. Wie oben 337 näher erläutert, handelt es sich bei den Ausschlüssen aufgrund des Arbeitnehmerbegriffs um eine Gerechtigkeitsentscheidung, so daß als Prüfungsmaßstab für die Rechtmäßigkeit der Differenzierung auf das Willkürverbot zurückzugreifen ist. 3 3 8 Der Ausschluß der Rote-Kreuz-Schwestern aus der Betriebsverfassung ist demnach nur gerechtfertigt, wenn die vom BAG herangezogenen Mitgliedschaftsrechte wirklich einen Sachgrund für die Annahme einer fehlenden bzw. signifikant geringeren betriebsverfassungsrechtlichen Schutzbedürftigkeit hergeben. An diesem Maßstab gemessen ist der Ausschluß der Rote-Kreuz-Schwestern aus der Betriebsverfassung in der Tat sachlich gerechtfertigt. Entgegen der Auffassung 332 Es gibt aber auch zustimmende Stellungnahmen im Schrifttum: vgl. ζ. B. Christiansen, Betriebszugehörigkeit, S. 142; Richardi, § 5, Rn. 149. 333 Vgl. ζ. B. Gitter, SAE 1976, S. 208. 334 Vgl. hierzu ζ. B. D/K/K-Trümner, § 5, Rn. 146 ff.; Diller, Anmerkung zu AP Nr. 22 zu § 5 ArbGG 1979. 335 Vgl. ζ. B. Diller, Anmerkung zu AP Nr. 22 zu § 5 ArbGG 1979. 336 Vgl. ζ. B. D/K/K-Trümner, § 5, Rn. 150. 337 Vgl. oben Kapitel 4.A.V. 338 Zum Willkürverbot als Prüfungsmaßstab, vgl. unten Kapitel 1.D.III.

314

5. Kap.: Überprüfung ausgewählter Differenzierungen

von Teilen des Schrifttums stellen die Mitgliedschaftsrechte der Rote-KreuzSchwestern gegenüber den Gastschwestern und anderen Arbeitnehmern einen rechtfertigenden Differenzierungsgrund dar. Dafür bedarf es weder einer Stellungnahme zum Streit über die Möglichkeit eines Nebeneinanders von Mitgliedschaft und Arbeitsvertrag noch einer Entscheidung über die angezweifelte Gleichgewichtigkeit des vereinsrechtlichen Sozialschutzes im Vergleich mit dem allgemeinen arbeitsrechtlichen Sozialschutz. Zum Nachweis der sachlichen Rechtfertigung bedarf es vielmehr nur der Feststellung, daß die Rote-Kreuz-Schwestern durch ihre mitgliedschaftsrechtlichen Mitwirkungsmöglichkeiten in hinreichendem Maße geschützt sind. Wegen der grundrechtlichen Fundierung der Betriebsverfassung ist als Mindestausstattung einer betrieblichen Mitbestimmungsregelung die Schaffung der Möglichkeit zur eigenständigen Zukunftsplanung anzusehen. Diesen Mindestanforderungen werden die mitgliedschaftsrechtlichen Mitwirkungsmöglichkeiten ohne Frage gerecht. Hier ist insbesondere auf die Bildung des Schwesternrates, die Einwirkungsmöglichkeiten auf die Wirtschaftsplanung sowie die Wahl der Oberin hinzuweisen. Die letzten beiden Möglichkeiten gehen sogar weit über das Mitbestimmungsmaß der Betriebsverfassung hinaus. Die Einwirkungsmöglichkeiten auf die Wirtschaftsplanung stellen eine Form der unternehmerischen Mitbestimmung dar, die das BetrVG nicht vorsieht. Noch stärker wiegt die Möglichkeit, über die Wahl bzw. Abwahl der Oberin die Unternehmensleitung direkt mitzubestimmen. Selbst wenn hiervon erfahrungsgemäß nur selten Gebrauch gemacht werden wird, liegt hierin doch ein nicht zu unterschätzendes potentielles Disziplinierungsinstrument gegenüber der Schwesternschaftsleitung. Im Ergebnis kann deshalb der Einschätzung des BAG, die Rote-Kreuz-Schwestern hätten aus betrieblicher Mitbestimmungssicht hinreichende Mitwirkungsrechte, zugestimmt werden. 339

b) Unerheblichkeit

von Betriebszugehörigkeit

und Verlustliste

Das BAG hat zur Betriebszugehörigkeit der Rote-Kreuz-Schwestern in einem Rote-Kreuz-Krankenhaus bisher nicht Stellung bezogen. Eine solche Stellungnahme erübrigte sich, da das BAG die betriebsverfassungsrechtliche Zugehörigkeit der Schwestern zum Rote-Kreuz-Krankenhaus schon an deren fehlender Arbeitnehmereigenschaft scheitern ließ. Wie oben gezeigt, ist der Rechtsprechung des BAG in diesem Punkt zuzustimmen. Aus diesem Grunde kann auch hier eine nähere Untersuchung zur Betriebszugehörigkeit der Rote-Kreuz-Schwestern unterbleiben. In einer früheren Entscheidung hat das BAG neben der (abgelehnten) Arbeitnehmereigenschaft auch die Frage geprüft, ob die Rote-Kreuz-Schwestern unter die Verlustliste des § 5 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG fallen. 340 Diese Frage hat das BAG da339 Vgl. dazu auch Christiansen, Betriebszugehörigkeit, S. 142.

D. Überprüfung von Mischfällen

315

mais bejaht, jedoch in späteren Entscheidungen hierauf nicht mehr Bezug genommen. 341 Ob dem BAG in seiner Differenzierung zuzustimmen ist, kann hier offen bleiben, da es den Rote-Kreuz-Schwestern - wie gezeigt - schon an der Arbeitnehmereigenschaft mangelt. 342

3. Zum Status der Rote-Kreuz-Schwestern im Rahmen von Gestellungsverträgen a) Zur Arbeitnehmereigenschaft

der Rote-Kreuz-Schwestern

Das BAG lehnt in ständiger Rechtsprechung die Arbeitnehmereigenschaft der Rote-Kreuz-Schwestern auch dann ab, wenn diese nicht in einem Rote-KreuzKrankenhaus, sondern aufgrund eines Gestellungsvertrages in einem Fremdkrankenhaus tätig sind. 343 Zur Begründung dieser Auffassung greift das BAG auf dieselbe Argumentation wie beim Einsatz der Schwestern in einem Rote-Kreuz-Krankenhaus zurück. Insofern kann hier auf die obige Darstellung der Β AG-Auffassung Bezug genommen werden. 344 Im Schrifttum trifft die Auffassung des BAG auf einhellige Ablehnung, und zwar auch seitens deijenigen Autoren, die dem BAG für den Fall des Einsatzes in RoteKreuz-Krankenhäusern folgen. Die Intensität der mitgliedschaftlichen Bindung schließe lediglich ein Arbeitsverhältnis zur Schwesternschaft - und damit zum Träger des Rote-Kreuz-Krankenhauses - , nicht aber die Annahme arbeitsrechtlicher Beziehungen zum Träger des Fremdkrankenhauses aus. 345 Daneben werden die schon oben zur Arbeitnehmereigenschaft bei Tätigkeiten in Rote-Kreuz-Krankenhäusern referierten Argumente angeführt. 346 Dazu gehört insbesondere das Argument, die Rote-Kreuz-Schwestern würden unter identischen Umständen wie die Gastschwestern tätig, ohne wie diese als Arbeitnehmer angesehen zu werden. Die Argumentation des BAG zur Ablehnung der Arbeitnehmereigenschaft der Rote-Kreuz-Schwestern bei Tätigkeiten in Fremdkrankenhäusern kann in der Tat nicht überzeugen. Das BAG differenziert in gleichheitssatzwidriger Weise zwi340

Die Entscheidung erging damals zum wortgleichen Vorgänger der Regelung des § 5 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG - dem § 4 Abs. 1 d BetrVG 1952. Vgl. BAG AP Nr. 1 zu § 5 ArbGG. 341 Vgl. BAG AP Nr. 1 zu § 5 BetrVG 1972 Rotes Kreuz; BAG AP Nr. 22 zu § 5 ArbGG 1979. 342 Diese Frage wird aber unten (Abschnitt D.I.3.C.) im Rahmen der Untersuchung zum betriebsverfassungsrechtlichen Status der Rote-Kreuz-Schwestern beim Einsatz im Rahmen von Gestellungsverträgen näher untersucht. 343 Vgl. BAG AP Nr. 2 zu § 5 BetrVG 1972 Rotes Kreuz; BAG AP Nr. 22 zu § 5 ArbGG 1979. 344 Vgl. oben Abschnitt D.I.2.a. 345 Vgl. Richardi, § 5, Rn. 149. 346 Vgl. oben Abschnitt D.I.2.a.

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5. Kap. : Überprüfung ausgewählter Differenzierungen

sehen den im Fremdkrankenhaus tätigen Gastschwestern und Rote-Kreuz-Schwestern. Im Falle der Tätigkeit in Rote-Kreuz-Krankenhäusern resultierte die sachliche Rechtfertigung für die Differenzierung zwischen beiden Gruppen aus den mitgliedschaftlichen Mitwirkungsrechten, welche die Rote-Kreuz-Schwestern im Unterschied zu den Gastschwestern haben. Im Falle des Einsatzes in einem Fremdkrankenhaus kann hiermit eine Ungleichbehandlung nicht mehr gerechtfertigt werden. Während beim Einsatz in Rote-Kreuz-Krankenhäusern die mitgliedschaftlichen Mitwirkungsrechte der Rote-Kreuz-Schwestern im Ergebnis zur Möglichkeit der (begrenzten) unternehmerischen Mitbestimmung und der personellen Beeinflussung der Krankenhausleitung führen, erschöpfen sie sich im Fremdkrankenhaus notwendigerweise in der Beeinflussung der einzigen leitenden Angestellten, die ebenfalls an die Mitgliedschaftsrechte gebunden ist - die leitenden, vom Roten Kreuz gestellten, Oberschwestern. Die Krankenhausleitung selbst und deren wirtschaftliche Planung bleiben außerhalb ihres Einflußbereiches. Die Rote-KreuzSchwestern sind daher in derselben Situation wie die Gastschwestern und müssen wie diese als Arbeitnehmer angesehen werden. Diese Feststellung ist streng von der Frage zu trennen, ob die Rote-Kreuz-Schwestern in einem Arbeitsverhältnis zum Träger des Fremdkrankenhauses stehen.347 Es ist bisher lediglich festgestellt, daß mit der Argumentation des BAG die Ablehnung eines Arbeitsverhältnisses zwischen Schwesternschaft und Rote-Kreuz-Schwestern bei Einsätzen in Fremdkrankenhäusern nicht begründet werden kann. 348 Sind demnach die Rote-Kreuz-Schwestern beim Einsatz außerhalb der Einrichtungen der Schwesternschaft in Fremdkrankenhäusern als Arbeitnehmer anzusehen, so ist als nächstes zu klären, ob sie im Fremdkrankenhaus auch als betriebszugehörig im betriebsverfassungsrechtlichen Sinne einzuordnen sind.

b) Zur Betriebszugehörigkeit

der Rote-Kreuz-Schwestern

aa) Differenzierungskriterium, Regelungsziel und Prüfungsmaßstab Das BAG hat wegen der Ablehnung der Arbeitnehmereigenschaft zur Frage der Betriebszugehörigkeit der Rote-Kreuz-Schwestern zum Fremdkrankenhaus bisher nicht Stellung bezogen. Das Gericht hat diese Frage lediglich für die Gruppe der Gastschwestern näher erörtert. 349 Da, wie oben gezeigt, die Rote-Kreuz-Schwestern im Unterschied zur Auffassung des BAG ebenso wie die Gastschwestern als Arbeitnehmerinnen anzusehen sind, gelten die Ergebnisse des BAG zur Betriebszugehörigkeit der Gastschwestern auch für die Rote-Kreuz-Schwestern. 347 So aber ζ. B. D/K/K-Trümner, § 5, Rn. 153 f.; Richardi, § 5, Rn. 149. 348 in diesem Sinne wäre zu wünschen, daß das BAG seine Rechtsprechung dahin ändert, daß beim Einsatz der Rote-Kreuz-Schwestern außerhalb der Einrichtungen der Schwesternschaft neben das Mitgliedschaftsverhältnis ein Arbeitsverhältnis treten kann. 349 Vgl. BAG AP Nr. 10 zu § 611 BGB Rotes Kreuz.

D. Überprüfung von Mischfällen

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Die Betriebszugehörigkeit der im Rahmen eines Gestellungsvertrages in einem Fremdkrankenhaus tätigen Schwestern hat das BAG mit der Begründung verneint, durch Abschluß und Praxis des Gestellungsvertrages zwischen Schwesternschaft und Träger des Fremdkrankenhauses komme kein Arbeitsverhältnis zwischen den Schwestern und dem Krankenhausträger zustande.350 Zwar seien die Schwestern bei der Durchführung der Krankenpflege an die Anordnungen der leitenden Ärzte gebunden, doch verbleibe für die Ausführung der einzelnen Pflegeleistungen ein nicht unbedeutender Spielraum. Die Aufsicht über die Arbeitsleistung werde durch eine ebenfalls von der Schwesternschaft gestellte Oberschwester durchgeführt. Daneben seien die Schwestern auch in allen weiteren arbeitsrechtlichen Beziehungen ausschließlich der Schwesternschaft unterstellt. Schließlich sei die rechtliche Konstruktion des Gestellungsvertrages auch nicht als Mißbrauch arbeitsrechtlicher Schutzvorschriften zu mißbilligen. Die Anwendung des AÜG - und hier insbesondere die Fingierung eines Arbeitsverhältnisses zum Krankenhausträger nach Art. 1 § 10 Abs. 1 S. 1 AÜG - komme nicht in Betracht, da die Schwestern als Erfüllungsgehilfinnen der Schwesternschaft tätig würden. Der Einsatz der Schwestern auf der Basis der Gestellungsverträge sei keine Arbeitnehmeriiberlassung. Der Fremdkrankenhausträger könne die Schwestern nicht nach seinen Vorstellungen einsetzen, sondern die Schwesternschaft organisiere die Krankenpflegeleistungen in eigener Verantwortung nach eigenem Ermessen. Wie oben näher erläutert, handelt es sich bei den Ausschlüssen wegen der fehlenden Betriebszugehörigkeit um eine Gerechtigkeitsentscheidung des Gesetzgebers. 351 Als Prüfungsmaßstab für die Rechtmäßigkeit der Differenzierung ist daher auch hier auf das Willkürverbot zurückzugreifen. 352 Der Ausschluß der RoteKreuz-Schwestern aus der Betriebsverfassung ist demnach nur dann gerechtfertigt, wenn das Fehlen der arbeitsvertraglichen Komponente zwischen Fremdkrankenhausträger und Rote-Kreuz-Schwestern wirklich einen Sachgrund für die Annahme einer fehlenden bzw. signifikant geringeren betriebsverfassungsrechtlichen Schutzbedürftigkeit der Rote-Kreuz-Schwestern abgibt. Die Rechtsprechung des BAG zur Betriebszugehörigkeit des Pflegepersonals im Rahmen von Gestellungsverträgen wird im Schrifttum in zweierlei Hinsicht kritisiert und als sachlich nicht gerechtfertigt abgelehnt. Zum einen führe die weitgehende Einbindung der gestellten Schwestern in die Betriebsorganisation des Fremdkrankenhauses im Ergebnis zur Bildung arbeitsvertraglicher Beziehungen zwischen Schwestern und Krankenhausträger. 353 Diese Einschätzung gründet im wesentlichen auf der Annahme, daß die leitenden Ärzte des Fremdkrankenhauses 350 Zum Arbeitsvertrag als Voraussetzung der Betriebszugehörigkeit vgl. oben Kapitel 4.B.I. 351 Vgl. oben Kapitel 4.B.V. 352 Zum Willkürverbot als Prüfungsmaßstab, vgl. unten Kapitel 1.D.III. 353 Vgl. z. B. GK-Kreutz, § 7, Rn. 52; Mayer-Maly, Anmerkung zu BAG AP Nr. 10 zu § 611 BGB Rotes Kreuz; Richardi, § 5, Rn. 149; D/K/K-Trümner, § 5, Rn. 154.

318

5. Kap. : Überprüfung ausgewählter Differenzierungen

sehr wohl eigenständige und wesentliche Weisungsbefugnisse - ζ. B. bezüglich der Lage der Arbeitszeit sowie der Pausen - hätten. Nach dieser Argumentation ist die Betriebszugehörigkeit der Schwestern zum Fremdkrankenhaus wegen vorhandener Arbeitsvertragsbeziehungen gegeben. Zum anderen wird im Schrifttum die Ansicht vertreten, daß, wenn die Arbeitsvertragsbeziehung zwischen Schwestern und Krankenhausträger abgelehnt werde, die weitere Beurteilung der betriebsverfassungsrechtlichen Stellung der Schwestern im Fremdkrankenhaus sich nach den Grundsätzen über die Behandlung der echten Arbeitnehmerüberlassung richten müsse. 354 Wie bei echter Leiharbeit sei deshalb die Betriebszugehörigkeit der Rote-KreuzSchwestern zum Fremdkrankenhaus zumindest dann zu bejahen, wenn die Gestellung länger als 12 Monate andauere. 355

bb) Ausschluß im Vergleich mit den Arbeitnehmern des Fremdkrankenhauses Vor dem Hintergrund der im Schrifttum geäußerten Kritik ist die vom BAG vorgenommene Differenzierung zum persönlichen Geltungsbereich des BetrVG anhand zweier Vergleichspaare zu überprüfen. Zunächst ist der Ausschluß der RoteKreuz-Schwestern im Vergleich mit den sonstigen Arbeitnehmern des Fremdkrankenhauses zu beurteilen. Dieser ist gerechtfertigt, wenn die fehlende Arbeitvertragsbeziehung auf Seiten der Rote-Kreuz-Schwestern einen sachlichen Grund für deren Ausschluß im Vergleich mit den sonstigen Arbeitnehmern darstellt. Dies kann in Anlehnung an die bei der Untersuchung zu den Drittbeschäftigten gewonnenen Ergebnissen bejaht werden. 356 Hier hatte sich gezeigt, daß mit dem Unterscheidungsmerkmal Arbeitsvertragsverhältnis sehr wohl sachliche Rechtfertigungsgründe für eine Ungleichbehandlung bezüglich der Betriebszugehörigkeit verbunden sind. Diese Gründe liegen, übertragen auf die Gestellungsproblematik, in der - gegenüber den sonstigen Arbeitnehmern des Fremdkrankenhauses - stärkeren Machtposition der Rote-Kreuz-Schwestern im Verhältnis zum Krankenhausträger sowie in der Möglichkeit der Rote-Kreuz-Schwestern, über ihre mitgliedschaftlichen Mitwirkungsrechte indirekt Einfluß auf die Gestellungsbedingungen nehmen zu können. Die Ungleichbehandlung zwischen Rote-Kreuz-Schwestern und den Arbeitnehmern des Fremdkrankenhauses bezüglich der Betriebszugehörigkeit ist angesichts dieser Unterschiede bezüglich der Schutzbedürftigkeit sachlich gerechtfertigt.

§ 5, 354 Vgl. z. B. GK-Kraft, § 5, Rn. 59; GK-Kreutz, § 7, Rn. 52; D/K/K-Trümner, Rn. 155. 355 Vgl. z. B. GK-Kraft, § 5, Rn. 59; GK-Kreutz, § 7, Rn. 52. Vgl. dazu auch D/K/KTrümner (§ 5, Rn. 155), der allerdings eine Höchstgrenze von nur 6 Monaten vorsieht. 356 Vgl. oben Abschnitt B.I.3.b.bb.

D. Überprüfung von Mischfällen

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cc) Ausschluß im Vergleich mit Leiharbeitnehmern des Fremdkrankenhauses Als zweites Vergleichspaar ist auf die Rote-Kreuz-Schwestern auf der einen und eventuelle Leiharbeitnehmer im Fremdkrankenhaus auf der anderen Seite einzugehen. Während den Leiharbeitnehmern - wie oben gezeigt - 3 5 7 bei längerfristigen Verleihzeiten die Betriebszugehörigkeit ab dem 12. Monat zuzusprechen ist, fehlt es, wenn man die Rechtsprechung des BAG zugrundelegt, an einer vergleichbaren Möglichkeit auf Seiten der Rote-Kreuz-Schwestern. Diese ordnet das BAG als Erfüllungsgehilfinnen - mithin als Unternehmerarbeiterinnen - der Schwesternschaft ein. Für die Unternehmerarbeiter ist oben 358 jedoch die Rechtmäßigkeit ihres Ausschlusses aus der Betriebsverfassung festgestellt worden. Die darin zu Tage tretende Ungleichbehandlung von Rote-Kreuz-Schwestern und Leiharbeitnehmern bezüglich der Betriebszugehörigkeit zum Fremdkrankenhaus ist sachlich aber nicht gerechtfertigt. Sie resultiert aus einer fehlerhaften Einordnung des Gestellungsvertrages im Spannungsfeld zwischen Dienst- bzw. Werkverträgen und Arbeitnehmerüberlassungsverträgen durch das BAG. Dieses hat den Gestellungsvertrag mit der Begründung in der Nähe der Dienst- und Werkverträge angesiedelt, die Schwesternschaft organisiere die Krankenpflegeleistungen in eigener Verantwortung nach eigenem Ermessen, ohne daß der Fremdkrankenhausträger die Schwestern daneben nach seinen Vorstellungen einsetzen könne. 359 Diese Argumentation hält der neueren Rechtsprechung des BAG zur Abgrenzung von Dienst- und Werkverträgen gegenüber Arbeitnehmerüberlassungsverträgen nicht mehr stand. Sensibilisiert durch das Auftreten des Phänomens der Scheinwerkverträge hat das BAG eine Vielzahl von Einzelmerkmalen aufgestellt, anhand deren die wahre Rechtsnatur des zu untersuchenden Vertrages festgestellt werden soll. Hier ist insbesondere auf die abgrenzende Unterscheidung zwischen dem projektbezogenen werkvertraglichen Anweisungsrecht eines Bestellers nach § 645 Abs. 1 S. 1 BGB und dem arbeitsrechtlichen Weisungsrecht des Arbeitgebers hinzuweisen.360 Danach werde - so das BAG - die Grenze zur arbeitsvertraglichen Weisung dann überschritten, wenn der Dritte - hier die leitenden Ärzte - erst durch seine Anweisungen den Gegenstand der von den Arbeitnehmern - hier den Schwestern - zu erbringenden Leistungen bestimmt. Dies sei insbesondere dann anzunehmen, wenn der Dritte den Arbeitnehmer derart persönlich anweise, daß damit zugleich dessen Einsatz und Arbeit unmittelbar für ihn bindend organisiert werde. Nach diesem Maßstab können die Schwestern im Fremdkrankenhaus nicht als Erfüllungsgehilfinnen angesehen werden. Zwar erscheint es grundsätzlich denkbar, 357 Vgl. oben Abschnitt B.I.3.b.bb. sowie Abschnitt B.II.2. 358 Vgl. oben Abschnitt B.II.4. 359 Vgl. BAG AP Nr. 10 zu § 611 BGB Rotes Kreuz. 360 Vgl. ζ. B. BAG AP Nr. 2 zu § 1 AÜG; BAG AP Nr. 1 zu § 9 BetrVG 1972; BAG AP Nr. 5 und 8 zu § 10 AÜG; BAG AP Nr. 5 zu § 14 AÜG; BAG EzA Nr. 110 zu § 99 BetrVG 1972.

320

5. Kap.: Überprüfung ausgewählter Differenzierungen

daß grundsätzlich nur die mitgestellte Oberschwester die Anweisungen der Ärzte entgegennimmt und anschließend nach ihren Vorstellungen an die Schwestern weiterleitet, doch ist eine solche Organisationsstruktur innerhalb eines Krankenhauses kaum durchzuhalten. Gerade in Notfallsituationen werden die Ärzte den diensthabenden Schwestern direkt Anweisungen geben müssen. Hiermit wird die Grenze zum arbeitsvertraglichen Weisungsrecht überschritten. Im Ergebnis können die gestellten Krankenschwestern im Fremdkrankenhaus jedenfalls nicht eindeutig als bloße Erfüllungsgehilfinnen eingeordnet werden. Der Gestellungsvertrag enthält vielmehr Merkmale sowohl des Werk- bzw. Dienstvertrages als auch des ArbeitnehmeriiberlassungsVertrages. 361 Aus diesem Grunde kann die Betriebszugehörigkeit der Rote-Kreuz-Schwestern zum Fremdkrankenhaus bei langen Gestellungszeiten auch nicht mit einem bloßen Verweis auf deren Status als Erfüllungsgehilfen abgelehnt werden. 362 Es bedarf hierzu vielmehr einer näheren Untersuchung darüber, ob und ggf. welche Unterschiede zwischen Gestellungsvertrag und Arbeitnehmeriiberlassungsvertrag bestehen und ob diese eine Ungleichbehandlung zwischen Leiharbeitnehmern und Rote-Kreuz-Schwestern zulassen. Zwischen Gestellungs- und Arbeitnehmerüberlassungsverträgen bestehen drei wesentliche Unterschiede: erstens die fehlende Arbeitnehmereigenschaft der gestellten Schwestern, zweitens die fehlende Gewinnabsicht der Schwesternorganisation und drittens die Zwischenschaltung der Oberschwester beim Einsatz der Schwestern im Fremdkrankenhaus. Die Annahme, den Rote-Kreuz-Schwestern fehle beim Einsatz in Fremdkrankenhäusern die Arbeitnehmereigenschaft, wurde oben widerlegt. 363 Auch die fehlende Gewinnabsicht der Schwesternschaft ist als Unterschied unerheblich, da das Motiv der Arbeitnehmerüberlassung nach ständiger Rechtsprechung des BAG für die betriebsverfassungsrechtliche Einordnung der Leiharbeitnehmer ohne Bedeutung ist. 3 6 4 Somit bleibt als einziger Unterschied die Zwischenschaltung der Oberschwester übrig. Dieser Unterschied kann jedoch eine Ungleichbehandlung zwischen den gestellten Schwestern und den Leiharbeitnehmern nicht begründen. Zwar ist zu konzedieren, daß die Existenz der Oberschwester die Rote-Kreuz-Schwestern eher als Leiharbeitnehmer in die Lage versetzt, auch bei einer längerfristigen Gestellungsdauer in gewissem Umfang Einfluß auf die Gestellungsbedingungen zu behalten. Jedoch ist hierbei erstens zu berücksichtigen, daß die Oberschwester im Fremdkrankenhaus nicht zur Betriebsleitung zählt und daher ihre Möglichkeiten zur Einflußnahme zugunsten der Rote-KreuzSchwestern eher begrenzt sind. Zweitens erschöpft sich die Eingliederung der Rote-Kreuz-Schwestern in das Fremdkrankenhaus nicht in der Krankenpflege nach Anweisung der Oberschwester. Daneben existiert, wie oben gezeigt, eine direkte Zusammenarbeit und Weisungsunterworfenheit der Rote-Kreuz-Schwestern gegen361 362 363 364

So auch Konzen, ZfA 1982, S. 304. So aber wie gezeigt das BAG in AP Nr. 10 zu § 611 BGB Rotes Kreuz. Vgl. oben Abschnitt D.I.3.a. vgl. BAG AP Nr. 1 zu § 9 BetrVG 1972; BAG AP Nr. 2 zu § 14 AÜG.

D. Überprüfung von Mischfällen

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über den leitenden Ärzten. Für längerfristige Gestellungszeiträume verliert diese weisungsgebundene Zusammenarbeit den Charakter des Vorübergehenden, und die Schwestern geraten gegenüber den leitenden Ärzten in eine den Leiharbeitnehmern vergleichbare schutzbedürftige Position. Zusammenfassend ist als Ergebnis zur Betriebszugehörigkeit der Rote-KreuzSchwestern im Fremdkrankenhaus festzustellen: In den ersten zwölf Monaten fehlt es den Rote-Kreuz-Schwestern an der Betriebszugehörigkeit. Dieser Ausschluß rechtfertigt sich aus der unterschiedlichen Schutzbedüiftigkeit von Rote-KreuzSchwestern und sonstigen Arbeitnehmern des Fremdkrankenhauses. Nach dem 12. Monat ist den Rote-Kreuz-Schwestern jedoch die Betriebszugehörigkeit zuzuerkennen, da sich die Schwestern in einer den Leiharbeitnehmern vergleichbaren Lage befinden. Ein Ausschluß der gestellten Rote-Kreuz-Schwestern über den 12. Monat hinaus wäre eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung gegenüber den Leiharbeitnehmern des Fremdkrankenhauses.

c) Ausschluß der Rote-Kreuz-Schwestern durch § 5 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG? In den vorherigen Abschnitten wurde festgestellt, daß der Gleichheitssatz ein Gebot enthält, den Rote-Kreuz-Schwestern sowohl die Arbeitnehmereigenschaft beim Einsatz im Rahmen von Gestellungsverträgen 365 als auch die Betriebszugehörigkeit zum Fremdkrankenhaus ab dem 13. Gestellungsmonat zuzusprechen. 366 Im folgenden bleibt nun zu klären, ob die Rote-Kreuz-Schwestern danach ab dem 13. Gestellungsmonat im Fremdkrankenhaus als Arbeitnehmerinnen im Sinne des BetrVG zu gelten haben oder ob sie durch § 5 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG aus der Betriebsverfassung wirksam ausgeschlossen werden. Das BAG hat zur Problematik der Anwendbarkeit des § 5 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG auf Rote-Kreuz-Schwestern bisher nur für deren Einsatz in Rote-Kreuz-Krankenhäusern Stellung bezogen. Während das BAG dabei in einer früheren Entscheidung die Anwendbarkeit des § 5 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG annahm, 367 ließ es diese Frage in späteren Entscheidungen offen. Im Schrifttum wird die Anwendung des § 5 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG auf Rote-KreuzSchwestern insbesondere im Hinblick auf die unzweifelhaft vorhandene Erwerbsabsicht auf Seiten der Schwestern nahezu einmütig abgelehnt.369 Diese Streitfrage 365 Vgl. oben Abschnitt D.I.3.a. 366 Vgl. oben Abschnitt D.I.3.b.cc. 367 Die Entscheidung (BAG AP Nr. 1 zu § 5 ArbGG) erging damals zum wortgleichen Vorgänger der Regelung des § 5 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG der Norm des § 4 Abs. 1 Buchstabe d BetrVG 1952. 368 Vgl. BAG AP Nr. 1 zu § 5 BetrVG 1972 Rotes Kreuz; BAG AP Nr. 22 zu § 5 ArbGG 1979. 369 Vgl. hierzu nur die Kommentarliteratur D/K/K-Trümner, § 5, Rn. 145 ff.; F/K/H/E, § 5, Rn. 108 f.; GK-Kreutz, § 5, Rn. 60; H/S/G-Hess, § 5, Rn. 26; Löwisch, § 5, Rn. 11; 21 Bremeier

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5. Kap.: Überprüfung ausgewählter Differenzierungen

bedarf an dieser Stelle keiner abschließenden Erörterung; denn ihr Ergebnis ist für die hier interessierende Fragestellung ohne Bedeutung. Selbst wenn man im Sinne der früheren Entscheidung des BAG die Anwendbarkeit des § 5 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG auf Rote-Kreuz-Schwestern in Rote-Kreuz-Einrichtungen annehmen würde, könnte damit - wie im folgenden gezeigt wird - ein Ausschluß der RoteKreuz-Schwestern aus der Betriebsverfassung beim Einsatz in Fremdkrankenhäusern nicht begründet werden. Die fehlende Eignung des § 5 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG, beim Einsatz von karitativ bzw. religiös motivierten Beschäftigten in Betrieben, denen selbst eine karitative bzw. religiöse Zielsetzung fehlt, den Ausschluß der Beschäftigten rechtfertigen zu können, ist oben schon nachgewiesen worden. 370 Demnach kann die karitative bzw. religiöse Motivation eines Beschäftigten nur dort Ersatz für den betriebsverfassungsrechtlichen Schutz bieten, wo die karitative bzw. religiöse Gemeinschaft auch bestimmenden Einfluß auf Ziel, Zweck, Organisation und Vorgehensweise der jeweiligen Einrichtung hat. Außerhalb der Einrichtungen des karitativen Verbandes bzw. der religiösen Gemeinschaft fehlt es jedoch in der Regel an einer solchen Einflußmöglichkeit, und die entsandten Beschäftigten sind Arbeitnehmer im Sinne der Betriebsverfassung. Diese Feststellungen beanspruchen auch für die Rote-Kreuz-Schwestern beim Einsatz außerhalb der Einrichtungen des Roten Kreuzes Gültigkeit. Für den Einsatz im Rahmen von Gestellungsverträgen in Fremdkrankenhäusern bedarf es allerdings einer zusätzlichen Überlegung: Im Rahmen von Gestellungsverträgen werden nicht nur einzelne Schwestern entsandt, sondern in der Regel wird von der Schwesternschaft das gesamte Pflegepersonal des Fremdkrankenhauses gestellt. Angesichts dieser Situation ist zu prüfen, ob die Rote-Kreuz-Schwestern im Fremdkrankenhaus als eigenständige, homogene und karitativ motivierte Gemeinschaft anzusehen sind und insofern ein Ausschluß nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG angezeigt ist. Dies ist aber zu verneinen. Die besondere Situation der Rote-Kreuz-Schwestern im Fremdkrankenhaus rechtfertigt keine Ungleichbehandlung gegenüber den einzeln abgesandten karitativen oder religiös motivierten Beschäftigten. Die Rechtfertigung eines Ausschlusses nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG liegt darin, daß die von der karitativen Gemeinschaft gesetzten Organisationsregeln mit den betriebsverfassungsrechtlichen Ordnungsvorschriften kollidieren können und der Verweis der Mitglieder auf ihre selbstgesetzten Organisationsregeln gerechtfertigt erscheint, da die Mitglieder in ihre Gemeinschaft eingebettet sind und hier zusammen mit den anderen Mitgliedern einer gemeinsamen Lebensauffassung nachgehen.371 Diese Rechtfertigung eines Ausschlusses nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG greift jedoch nicht in der Situation der Rote-Kreuz-Schwestern in Richardi, § 5, Rn. 149; Stege/Weinspach, S.5. 370 Vgl. dazu oben Abschnitt C.I.2. 371 Vgl. dazu auch oben Abschnitt C.I.2.

§ 5, Rn. 5. A.A. Schaub, NZA 1985, Beilage 3,

D. Überprüfung von Mischfällen

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Fremdkrankenhäusern. Hier können die betriebsverfassungsrechtlichen und schwesternschaftlichen Organisationsregeln gar nicht kollidieren. Die betriebsverfassungsrechtlichen Vorschriften regeln im wesentlichen das Verhältnis der RoteKreuz-Schwestern zur - nicht karitativ motivierten - Leitung des Fremdkrankenhauses und beeinflussen daneben das Verhältnis der Rote-Kreuz-Schwestern untereinander nicht. Da die selbstgesetzten und von karitativen Motiven geprägten Organisationsregeln der Schwesternschaft auf das Verhalten der Leitung des Fremdkrankenhauses und damit im Ergebnis auf die näheren Umstände der Beschäftigung keinen Einfluß haben, können sie im Verhältnis der Rote-Kreuz-Schwestern zur Krankenhausleitung die betriebsverfassungsrechtlichen Schutzregeln inhaltlich auch nicht ersetzen. Eine sachliche Rechtfertigung für einen Ausschluß wegen des § 5 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG ist daher für Rote-Kreuz-Schwestern beim Einsatz in Fremdkrankenhäusern nicht gegeben.

d) Zusammenfassung der Ergebnisse Die Untersuchungen zum betriebsverfassungsrechtlichen Status der Rote-KreuzSchwestern beim Einsatz im Rahmen von Gestellungsverträgen haben gezeigt, daß die Rote-Kreuz-Schwestern in den Fremdkrankenhäusern ab dem 13. Gestellungsmonat Arbeitnehmerinnen im Sinne des BetrVG sind. Die Rote-Kreuz-Schwestern erfüllen beim Einsatz in Fremdkrankenhäusern ab diesem Zeitpunkt alle Merkmale des betriebsverfassungsrechtlichen Arbeitnehmerbegriffs. Da ihre mitgliedschaftlichen Mitwirkungsrechte gegenüber der Leitung des Fremdkrankenhauses ohne Einfluß bleiben, sind die Rote-Kreuz-Schwestern wie die Gastschwestern als Arbeitnehmerinnen anzusehen.372 Die Betriebszugehörigkeit zum Fremdkrankenhaus scheitert in den ersten 12 Monaten an der im Vergleich mit den sonstigen Arbeitnehmern deutlich besseren Machtposition der Schwestern im Verhältnis zur Krankenhausleitung.373 Da die Machtposition einem zeitlichen Verfall unterliegt, ist ab dem 13. Gestellungsmonat die Betriebszugehörigkeit der Rote-Kreuz-Schwestern in Anlehnung an die Regelung für Leiharbeitnehmer anzunehmen.374 Schließlich fallen die Rote-Kreuz-Schwestern auch nicht unter den Tatbestand des § 5 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG, da die Leitung des Fremdkrankenhauses nicht an die karitativ orientierten Organisationsregeln der Schwesternschaft gebunden ist. 3 7 5

372

Vgl. dazu oben Abschnitt D.I.3.a. Vgl. dazu oben Abschnitt D.I.3.b.bb. 374 Vgl. dazu oben Abschnitt D.I.3.b.cc. 373

3?

21*

5 Vgl. dazu oben Abschnitt D.I.3.C.

324

5. Kap.: Überprüfung ausgewählter Differenzierungen

4. Zum Status der Gastschwestern im Rahmen von Gestellungsverträgen Die betriebsverfassungsrechtliche Arbeitnehmereigenschaft der Gastschwestern im Fremdkrankenhaus wird im Unterschied zur Situation bei den Rote-KreuzSchwestern nur wegen der fehlenden Betriebszugehörigkeit in Frage gestellt, denn deren Arbeitnehmereigenschaft im Sinne des allgemeinen Arbeitnehmerbegriffs sowie die Unanwendbarkeit des § 5 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG sind unbestritten. 376 Die Betriebszugehörigkeit hat das BAG mit dem Hinweis auf den Status der Gastschwestern als Erfüllungsgehilfinnen der Schwesternschaft verneint. 377 Dem ist bezüglich der Gastschwestern aber mit derselben Argumentation wie bei den RoteKreuz-Schwestern entgegenzutreten. 378 Wie bei diesen liegt der Ablehnung der Betriebszugehörigkeit eine Fehleinschätzung des BAG zur Rechtsnatur der Gestellungsverträge zugrunde. Abweichend von der Auffassung des BAG enthalten Gestellungsverträge neben Elementen des Werk- und Dienstvertrages auch Elemente des Arbeitnehmerüberlassungsvertrages. Aus diesem Grunde kann die Betriebszugehörigkeit der Gastschwestern zum Fremdkrankenhaus nicht mit dem Argument, sie seien Erfüllungsgehilfinnen der Schwesternschaft, abgelehnt werden. Es bedarf vielmehr einer vergleichenden Untersuchung zur Situation der im Fremdkrankenhaus eingesetzten Leiharbeitnehmer. Hierbei zeigt sich, daß es außer der Zwischenschaltung der Oberschwester keine relevanten Unterschiede in der Situation der Gastschwestern und der Leiharbeitnehmer gibt. Da die Zwischenschaltung der Oberschwester ihrerseits keine sachliche Rechtfertigung für eine Ungleichbehandlung von Gastschwestern und Leiharbeitnehmern bietet, sind beide Gruppen bezüglich ihrer Betriebszugehörigkeit zum Fremdkrankenhaus gleichzubehandeln. Wie den Leiharbeitnehmern ist deshalb auch den Gastschwestern im Fremdkrankenhaus die Betriebszugehörigkeit ab dem 13. Gestellungsmonat zuzusprechen. 379

II. Zur Problematik der geringfügig beschäftigten Teilzeitkräfte am Beispiel der Zeitungszusteller 1. Präzisierung der Fragestellung Teilzeitbeschäftigte sind Arbeitnehmer, deren regelmäßige Wochenarbeitszeit kürzer ist als die regelmäßige Wochenarbeitszeit vergleichbarer vollzeitbeschäftig-

376 Vgl. BAG AP Nr. 3 zu § 5 BetrVG 1972 Rotes Kreuz. 377 Vgl. BAG AP Nr. 10 zu § 611 BGB Rotes Kreuz. 378 Vgl. zum folgenden die Ergebnisse der Untersuchungen zur Betriebszugehörigkeit der Rote-Kreuz-Schwestern zum Fremdkrankenhaus in Abschnitt D.I.3.b. 379 Wie hier auch GK-Kraft, § 5, Rn. 59; GK-Kreutz, § 7, Rn. 52. Vgl. dazu auch D/K/KTrümner (§ 5, Rn. 155), der allerdings eine Höchstgrenze von nur 6 Monaten vorsieht.

D. Überprüfung von Mischfällen

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ter Arbeitnehmer. Wenn der Tatigkeitsumfang der Teilzeitbeschäftigten die Grenzen des § 8 SGB IV unterschreitet, gelten die Arbeitnehmer sozialversicherungsrechtlich als geringfügig Beschäftigte. Dies ist bei Zeitungszustellern ganz überwiegend der Fall. Die Problematik der betriebsverfassungsrechtlichen Einordnung der geringfügig Beschäftigten wird daher im folgenden - wie auch zumeist im Schrifttum - anhand des Beispiels der von Verlagen beschäftigten Zeitungszusteller erörtert. 380 Nach dem B A G 3 8 1 und der h.M. im Schrifttum 382 sind Zeitungszusteller unabhängig vom Umfang ihrer Tätigkeit Arbeitnehmer im Sinne des BetrVG. Diese Einschätzung wird von einer Mindermeinung im Schrifttum nicht geteilt. 383 Diese sieht die Notwendigkeit, im Wege einer teleologischen Reduktion die geringfügig beschäftigten Zeitungszusteller aus dem Geltungsbereich des BetrVG auszugrenzen. Wie oben 384 bereits gezeigt, ist diese Auffassung abzulehnen. Eine teleologische Reduktion ist wegen der vorhandenen klaren gesetzgeberischen Wertentscheidung zugunsten der geringfügig Beschäftigten nicht möglich. Die gesetzgeberische Wertentscheidung ist solange hinzunehmen, wie die Verfassungsmäßigkeit der damit verbundenen Ergebnisse nicht in Zweifel steht. Die damit aufgeworfene Frage, ob der Einschluß der Zeitungszusteller zu gleichheitssatzwidrigen Ergebnissen führt, ist im folgenden, wie in allen bisherigen Differenzierungsfallen, anhand der Differenzierungskriterien zum betriebsverfassungsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff zu prüfen. Die Besonderheit der folgenden Untersuchung liegt darin, daß nicht wie bisher die Rechtfertigung eines Ausschlusses, sondern die Rechtfertigung eines Einschlusses in die Betriebsverfassung in Frage steht. Diese Besonderheit wirkt sich jedoch nicht weiter aus, da für vermutete fehlerhafte Gleichbehandlungen dieselben Prüfungsanforderungen gelten wie für vermutete fehlerhafte Ungleichbehandlungen.385

380 Es wird also von der Prämisse ausgegangen, daß die Vertriebsabteilung kein eigenständiger Betrieb ist, sondern in den Verlag eingegliedert ist. 381 Vgl. z. B. BAG AP Nr. 1 zu § 6 BetrVG 1972; BAG AP Nr. 1 zu § 7 BetrVG 1972, BAG AP Nr. 2 und 3 zu § 19 BetrVG 1972. 382 Vgl. z. B. D/K/K-Trümner, § 5, Rn. 31 ff.; F/K/H/E, § 5, Rn. 40 ff.; dies., § 7, Rn. 5; GK-Kraft, § 5, Rn. 35 ff.; H/S/G-Hess, § 5, Rn. 7; Kothe, BB 1992, S. 137 ff.; Kreutz, SAE 1994, S. 75 ff.; GK-Kreutz, § 7 Rn. 25; Lipke, NZA 1990, S. 758 ff.; Oetker, ArbuR 1991, S. 359 ff.; Plander, AiB 1991, S. 388 ff.; ders., Normalarbeitsverhältnis, S. 159 ff.; Richardi, § 5, Rn. 43 ff.; ders., § 7, Rn. 5; Stege/Weinspach, § 7, Rn. 3. 383 Vgl. dazu z. B. Berger-Delhey, AfP 1990, S. 340 ff.; Hanau, in: FS für Müller, S. 169 ff.; Schaffeld, AfP 1981, S. 265 ff.; Wank, RdA 1985, S. 1 ff. 384 Vgl. oben Kapitel 3.D.II.2. und Kapitel 4.A.IV. 385 Dies ist, wie in Kapitel I.A. gezeigt, Resultat der Tatsache, daß der Gleichheitssatz keine besondere Richtung auf Gleichheit besitzt.

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5. Kap.: Überprüfung ausgewählter Differenzierungen

2. Schutzbedürftigkeit und Arbeitnehmereigenschaft der Zeitungszusteller Der Gleichheitssatz könnte einmal dadurch verletzt sein, daß durch den allgemeinen Arbeitnehmerbegriff mit den Zeitungszustellern in unzulässiger Weise auch nicht schutzbedürftige Dienstnehmer den Schutz des BetrVG erhalten. Die (hinreichende) Schutzbedürftigkeit der Zeitungszusteller könnte dabei in Frage gestellt sein, weil diese als geringfügig Beschäftigte vom Arbeitgeber signifikant weniger persönlich abhängig sind als Vollzeitbeschäftigte. 386 Einer solchen Sichtweise stehen die ständige Rechtsprechung des B A G 3 8 7 und die h.M. 3 8 8 entgegen. Danach gelten Teilzeitbeschäftigte unabhängig vom Umfang ihrer Tätigkeit als Arbeitnehmer im Sinne des allgemeinen Arbeitnehmerbegriffs. Infolgedessen werden auch geringfügig beschäftigte Zeitungszusteller als Arbeitnehmer eingeordnet. Die Unerheblichkeit des Umfangs der Tätigkeit für den Arbeitnehmerbegriff resultiert aus der Tatsache, daß die Arbeitnehmereigenschaft und damit Schutzbedürftigkeit von Dienstnehmern anhand des Merkmals der persönlichen Abhängigkeit festgestellt wird. 3 8 9 Persönlich abhängig ist dabei, wie dargelegt, deijenige Dienstnehmer, der einem umfassenden Weisungsrecht des Dienstgebers unterliegt und deshalb seine Tätigkeit und Arbeitszeit nicht frei gestalten kann. Diese Bestimmungskriterien der persönlichen Abhängigkeit sind weitgehend unabhängig davon, welchen zeitlichen Umfang die versprochenen Dienste haben. Der zeitliche Umfang ist lediglich für die wirtschaftliche Abhängigkeit des Dienstnehmers relevant. Auf dessen wirtschaftliche Abhängigkeit kommt es beim Arbeitnehmerbegriff jedoch nicht an. Im Ergebnis gelten somit die Zeitungszusteller trotz ihrer unterschiedlichen wirtschaftlichen Abhängigkeit wegen vergleichbarer persönlicher Abhängigkeit als gleich schutzbedürftig wie die sonstigen vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer. Der Auffassung der h.M. zur vergleichbaren Schutzbedürftigkeit von Teilzeitund Vollzeitbeschäftigten ist im Ergebnis, nicht aber in der Begründung zu folgen. Entgegen der h.M. besteht zwischen dem Umfang einer Tätigkeit und dem Merkmal der persönlichen Abhängigkeit ein Zusammenhang. Je kürzer die zeitliche Einbindung in den Machtbereich des Arbeitgebers andauert, desto weniger kann die persönliche Abhängigkeit zum Arbeitgeber auslösendes Moment einer Schutzbedürftigkeit sein. Besonders deutlich wird dies bei Beschäftigungsverhältnissen, in denen die Arbeitsverpflichtung gegenüber dem Arbeitgeber nur wenige Minuten am Tag beträgt. 390 In diesen Fällen verwischt die Grenze zwischen den Verpflich386 Vgl. dazu ζ. B. Hanau, in: FS für Müller, S. 174 f. 387 Vgl. ζ. B. BAG AP Nr. 1 zu § 6 BetrVG 1972; BAG AP Nr. 1 zu § 7 BetrVG 1972; BAG AP Nr. 4 zu § 611 BGB Zeitungsausträger. 388 Vgl. die Nachweise in Fußnote 382. 389 Zum Merkmal der persönlichen Abhängigkeit vgl. oben Kapitel 4.A.I. 390 Vgl. dazu den Sachverhalt zu BAG AP Nr. 1 zu § 7 BetrVG 1972. Hier haben einige Zeitungszusteller eine tägliche Arbeitsverpflichtung von lediglich fünf Minuten gehabt.

D. Überprüfung von Mischfällen

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tungen aus dem Arbeitsverhältnis und den Einschränkungen, die der Arbeitnehmer im sonstigen Alltag hinzunehmen hat. Beispielhaft sei hierfür das morgendliche Anstehen in der Bäckerei angeführt. Auch hier sind Ort und Regeln weitgehend vorgegeben, und der einkaufende Arbeitnehmer ist zeitlich nur einige Minuten gebunden. Im Ergebnis ist deshalb festzuhalten, daß durch den undifferenzierten Einschluß aller Teilzeitbeschäftigten in den Arbeitnehmerbegriff mit den sehr geringfügig Beschäftigten in der Tat auch solche Dienstnehmer zu Arbeitnehmern erklärt werden, denen eine den Vollzeitbeschäftigten vergleichbare Schutzbedürftigkeit fehlt. 391 Der Einschluß aller Teilzeitbeschäftigten in den Arbeitnehmerbegriff ist Bestandteil dieses Begriffs. Da es sich bei dessen Bestimmung um eine Gerechtigkeitsentscheidung handelt, ist als Prüfungsmaßstab das Willkürverbot anzuwenden. Dieses fordert für eine Ungleichbehandlung das Vorliegen sachlicher Rechtfertigungsgründe, die einen inhaltlichen Bezug zum Differenzierungsziel des Gesetzgebers haben. 392 Daran gemessen liegt in der vorliegenden Gleichbehandlung ungleicher Beschäftigtengruppen kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz. Für den undifferenzierten Einschluß der geringfügig Beschäftigten gibt es wichtige Rechtfertigungsgründe. Neben der Förderung der Teilzeitarbeit ist insbesondere das Argument der Rechtssicherheit zu nennen. Indem der Gesetzgeber von vornherein alle Teilzeitbeschäftigten einbezogen hat, entfällt die Notwendigkeit, die schwierige Wertungsfrage zu beantworten, ab welcher Zeitgrenze die persönliche Abhängigkeit des Beschäftigten vernachlässigt werden kann. Auch hält sich die mit dieser Regelung einhergehende Generalisierung im Rahmen der vom BVerfG diesbezüglich formulierten Grundsätze. Danach müssen bei typisierenden und generalisierenden Regelungen gewisse Härten oder Ungerechtigkeiten hingenommen werden, wenn diese nur eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv ist. 3 9 3 Dem Erfordernis der kleinen Anzahl von betroffenen Personen wird die Regelung gerecht. So darf der Gesetzgeber im Rahmen seines Entscheidungs- und Prognosespielraums davon ausgehen, daß im Arbeitsleben die kritischen Arbeitsverhältnisse mit täglichen Arbeitszeiten von wenigen Minuten nur in wenigen Fällen bestehen und in der Regel die zeitliche Bindung des Arbeitnehmers vielmehr ein Ausmaß erreicht, welches die Entstehung persönlicher Abhängigkeit zur Folge hat. Auch das zweite Erfordernis, die geringe Intensität des Gleichheitsverstoßes für die beteiligten Grundrechtsträger, ist erfüllt. Bei den ungerechtfertigt eingeschlossenen geringfügig beschäftigten Zeitungszustellern stellt sich die Frage erst gar nicht, da für diese die Regelung nicht nachteilig ist. Für die sonstigen Beschäf391 Zur Existenz des Zusammenhangs von Schutzbedürftigkeit und Arbeitsumfang vgl. auch ζ. B. Löwisch NZA 1996, S. 1015 f.; Säcker/Joost, Betriebszugehörigkeit, S. 54 f. 392

Zum Willkürverbot als Prüfungsmaßstab vgl. oben Kapitel 1.D.III. 393 Vgl. ζ. B. BVerfGE 26, 265 (275 f.); 45, 376 (390); 63, 119 (128); 79, 87 (100); 82, 60 (97); 82, 126 (152); 84, 168 (183); 84, 348 (359 f., 365); 91,93 (115).

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5. Kap.: Überprüfung ausgewählter Differenzierungen

tigten des Betriebes bleibt der Einschluß der Zeitungszusteller ohne direkten Einfluß. Der Status der sonstigen Beschäftigten als schutzbedürftige Arbeitnehmer wird durch den Einschluß der Zeitungszusteller nicht berührt. Die sonstigen Beschäftigten fallen in jedem Fall in den Schutzbereich des betreffenden Arbeitnehmerschutzgesetzes. Die Stellung der sonstigen Beschäftigten wird durch den Einschluß der Zeitungszusteller nur indirekt dadurch berührt, daß die Arbeitnehmerschutzregelungen ihnen nicht mehr exklusiv zustehen, sondern auch den eigentlich nicht schutzbedürftigen Zeitungszustellern. Vor diesem Hintergrund ist die Intensität des Nachteils als nur gering einzustufen. Im Ergebnis ist der generalisierende Einschluß der Zeitungszusteller in den Arbeitnehmerbegriff also sachlich gerechtfertigt.

3. Majorisierungsproblem und Betriebszugehörigkeit der Zeitungszusteller Zwischen der h.M. und der Mindermeinung besteht Einigkeit darüber, daß die Zeitungszusteller Betriebszugehörige im Sinne der Zwei-Komponenten-Theorie sind. Die Arbeitsvertragsbeziehung zum Zeitungsverleger ist - unter der getroffenen Prämisse der Einheit von Verlag und Vertrieb - 3 9 4 ebenso unstrittig, wie die Eingliederung der Zeitungszusteller in den Betrieb des Verlegers. Die Betriebszugehörigkeit der Zeitungszusteller zum Verlagsbetrieb wird von der Mindermeinung 3 9 5 allerdings trotz Vorliegens beider Komponenten in Frage gestellt. Die Mindermeinung begründet ihre Auffassung mit der bei einem Einschluß der Zeitungszusteller wegen der Zahlenverhältnisse drohenden Majorisierung der sonstigen Beschäftigten. Diese äußere sich darin, daß die Zeitungszusteller die Zusammensetzung des Betriebsrats und die Zielrichtung seiner Tätigkeit überwiegend allein bestimmen könnten. Die darin liegende Machtstellung sei unangemessen, da die Zeitungszusteller dem Betrieb im Unterschied zu den majorisierten StammMitarbeitern nur lose verbunden seien. Dies äußere sich in einer signifikant höheren Fluktuationsrate, einer weitgehenden Nichtteilnahme am betrieblichen Geschehen und einer relativ geringen Bedeutung der Beschäftigung für das persönliche, wirtschaftliche und soziale Schicksal. Gestünde man den Zeitungszustellern trotz dieser Unterschiede gegenüber den Stammitarbeitern ein gleiches (Stimmen-)Gewicht bei der Bildung des Betriebsrates zu, so wären dadurch der dem BetrVG eigene Grundsatz angemessener Repräsentation und im Ergebnis damit auch der Gleichheitssatz verletzt. Vor diesem Hintergrund schlagen die Vertreter der Mindermeinung in bezug auf die Zeitungszusteller teilweise eine gänzliche Vorenthaltung des Wahlrechts, 396 teilweise eine lediglich gewichtete Berücksichtigung

394 Vgl. oben Abschnitt D.II.l., insbesondere Fußnote 380. 395 Vgl. zum folgenden die Nachweise in Fußnote 383.

396 So ζ. B. Schaffeld,

AfP 1981, S. 266.

D. Überprüfung von Mischfällen

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Das BAG und die h.M. folgen dem nicht. 398 Entgegen der Mindermeinung halten sie den Einschluß der Zeitungszusteller in die Betriebsverfassung für sachlich gerechtfertigt. Zwar könne wegen der besonderen Situation der Zeitungszusteller in der Tat von einer geringeren betriebsverfassungsrechtlichen Schutzbedürftigkeit ausgegangen werden, doch behielten verschiedene Schutzvorschriften des BetrVG auch für jene ihre Relevanz und Berechtigung. Da der Betriebsrat demzufolge auch für die Zeitungszusteller tätig wird, seien diese an dessen Wahl zu beteiligen, um für die Betriebsratstätigkeit eine ausreichende Legitimationsgrundlage zu schaffen. Für die Betriebsratswahl habe der Gesetzgeber die Wahlrechtsgleichheitsgrundsätze zwingend vorgeschrieben. Ein Abweichen von dem Prinzip „One man, one vote" bei der Betriebsratswahl sei deshalb nur bei Vorliegen überragend wichtiger Gründe erlaubt. 399 Solche Gründe seien für einen Ausschluß der Zeitungszusteller nicht erkennbar. Insbesondere der Aspekt der Gefahr der Majorisierung sei nicht in der Lage, den Ausschluß der Zeitungszusteller zu begründen. Erstens stelle die Bildung einer Mehrheit - Majorität - dem Grundsatz nach gar kein Problem dar, sondern sei geradezu der Zweck der Durchführung einer Wahl. Und zweitens sei die Annahme, Zeitungszusteller seien verantwortungslosere Arbeitnehmer und leisteten schlechtere Betriebsratsarbeit, in keiner Weise nachgewiesen. Im Ergebnis sei deshalb die vom Gesetzgeber vorgenommene uneingeschränkte Einbeziehung der Zeitungszusteller in die Betriebsverfassung nicht willkürlich und damit gleichheitssatzkonform. Der h.M. ist im Ergebnis und in weiten Teilen der Begründung zuzustimmen. Überzeugen kann zunächst einmal - wenigstens dem Grunde nach - die Ausgangsthese, wonach trotz der besonderen Situation der Zeitungszusteller die betriebsverfassungsrechtlichen Schutzmechanismen auch auf diese teilweise Anwendung finden können. Sieht man wie die h.M. diese Ausgangsthese ohne Einschränkungen als gültig an, so können auch die darauf aufbauenden, weiteren Argumentationsschritte überzeugen. Hier ist auf das Vorliegen eines Legitimationsbedarfes, die Gültigkeit der Wahlrechtsgleichheitsgrundsätze und die fehlende Eignung des Majorisierungsarguments, eine Durchbrechung des Prinzips „One man, one vote" begründen zu können, zu verweisen. Indes kann der Ausgangsthese der h.M. nur auf der Grundlage folgender Zusatzüberlegungen gefolgt werden: Entgegen der Auffassung der h.M. reicht es für die Verneinung eines Gleichheitsverstoßes nicht aus nachzuweisen, daß die Schutzvorschriften des BetrVG in einzelnen Teilen auch auf Zeitungszusteller sinnvoll Anwendung finden können. Auf diese Weise wird man den Anforderungen des hier zur Anwendung kommenden Willkürverbotes nicht gerecht. Dieses fordert zur Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung - hier: Gleichbehandlung von Unglei397 So ζ. B. Wank, RdA 1985, S. 11 ff. 398 Vgl. zum folgenden die Nachweise in den Fußnoten 381 und 382. 399 Vgl. zur Gültigkeit der formalen Wahlrechtsgleichheit BAG AP Nr. 1 zu § 7 BetrVG 1972.

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5. Kap.: Überprüfung ausgewählter Differenzierungen

chem - nicht nur das Vorliegen irgendeines Grundes, sondern eines sachlichen Grundes, der in hinreichendem inhaltlichen Bezug zur Differenzierung steht. 400 Auf das hier in Rede stehende Problem übertragen bedeutet dies, daß nicht schon das (zufällige?) Passen der einen oder anderen Vorschrift des BetrVG auf die Belange der Zeitungszusteller deren gleichberechtigten Einschluß in die Betriebsverfassung rechtfertigt. Der geforderte inhaltliche Bezug und damit die sachliche Rechtfertigung sind vielmehr nur gegeben, wenn der Einschluß der Zeitungszusteller, gemessen am übergeordneten Sinn und Zweck der Betriebsverfassung, kein Fremdkörper ist. In diesem Sinne ist in der Tat mit der Mindermeinung zu fragen, ob die Zeitungszusteller sich von ihrer Lebenssituation her nicht so kraß vom Normalfall des Arbeitnehmers unterscheiden, daß die gleichberechtigte Anwendung des BetrVG zu erheblichen Verzerrungen führen muß. Für den überwiegenden Teil der Zeitungszusteller ist deren Tätigkeit keine langfristig angelegte Erwerbsgrundlage, sondern lediglich eine eher unbedeutende Begleiterscheinung eines vorübergehenden Lebensabschnittes. Beispielhaft sei hierfür auf die Gruppen der Schüler und Studenten verwiesen. Diese verbinden durch ihre Zustelltätigkeit weder tatsächlich noch nach ihrer eigenen Vorstellung ihr persönliches, wirtschaftliches und soziales Schicksal mit dem jeweiligen Verlagsbetrieb. Wenn man diesen Beschäftigten trotzdem einen bestimmenden Einfluß auf die Betriebsratstätigkeit einräumt, besteht die Gefahr, daß die Betriebsratstätigkeit weniger von langfristiger Interessenpflege als von kurzfristiger Vorteilsoptimierung geprägt sein wird. Ein solcher Zustand verstößt nun aber gegen den Grundgedanken der Betriebsverfassung. Indessen kann hiermit die Verfassungswidrigkeit des Einschlusses der Zeitungszusteller nicht begründet werden. Trotz der Problematik eines solchen Einschlusses lassen sich für die gesetzgeberische Entscheidung ausreichend gewichtige sachliche Gründe anführen. Das zentrale Argument für den undifferenzierten Einschluß der Zeitungszusteller in die Betriebsverfassung ist die Schaffung von Rechtssicherheit. Indem der Gesetzgeber alle Zeitungszusteller - als Beispiel für geringfügig Beschäftigte - in den persönlichen Geltungsbereich des BetrVG einschließt, wird die ansonsten notwendige Entscheidung darüber umgangen, ob und inwieweit die Arbeitnehmer eines Betriebes ihr persönliches, wirtschaftliches und soziales Schicksal in ausreichendem Maße mit dem Betrieb verknüpfen. Die mit dieser Schaffung erhöhter Rechtssicherheit einhergehende Generalisierung wird den, oben bereits dargestellten, vom BVerfG hierzu aufgestellten Anforderungen gerecht. 401 Die danach erforderliche nur geringe Anzahl von betroffenen Personen ist dadurch sichergestellt, daß die geringfügig Beschäftigten in den meisten Betrieben nicht die Möglichkeit haben, einen dominierenden Einfluß auf den Betriebsrat zu erlangen. Das hier geschilderte Problem im Bereich des Verlagswe-

400

Zum Willkürverbot als Prüfungsmaßstab, vgl. oben Kapitel I.D. 401 Vgl. dazu oben Abschnitt D.H.2., insbesondere Fußnote 393.

D. Überprüfung von Mischfällen

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sens ist aus der Sicht der gesamten Wirtschaft ein eng begrenzter Ausnahmefall. Die geforderte nur geringe Intensität des Gleichheitsverstoßes ist in zweierlei Hinsicht sichergestellt. Zum einen enthält das BetrVG verschiedene Vorschriften, die den Betriebsrat zu einer repräsentativen Vertretung aller Arbeitnehmer verpflichten und für die Einhaltung dieser Verpflichtung Kontrollmöglichkeiten vorsehen. Hierdurch ist der Gefahr, daß der von den Zeitungszustellern dominierte Betriebsrat eine lediglich auf diese Personengruppe ausgerichtete kurzfristige Vorteilsoptimierung verfolgt, schon in beträchtlichem Maße begegnet. Zum anderen kann der Gesetzgeber davon ausgehen, daß die oben konstatierte geringe Bindung der Zeitungszusteller an den Verlagsbetrieb auch zu einem weitgehenden Desinteresse am Betriebsgeschehen im allgemeinen und der Betriebsratsarbeit im besonderen führt. 402 In der Praxis wird es daher trotz der vorhandenen Möglichkeiten nur in seltenen Fällen tatsächlich zu einer Majorisierung der Stammbeschäftigten durch die Zeitungszusteller im Betriebsrat kommen. Als Ergebnis ist somit festzuhalten, daß ein Ausschluß geringfügig Beschäftigter - insbesondere der Zeitungszusteller - aus der Betriebsverfassung vom Gleichheitssatz nicht gefordert wird.

402

Vgl. dazu die eingängige Darstellung bei Plander, Normalarbeitsverhältnis, S. 164 ff.

6. Kapitel

Zusammenfassung in Thesen 1. Die Grundrechtsüberpriifung anhand des Art. 3 Abs. 1 GG unterscheidet sich erheblich von einer Überprüfung anhand anderer Grundrechte. Dies liegt in der besonderen Struktur des Gleichheitssatzes begründet. Während bei den Freiheitsgrundrechten der Schutzbereich eindeutig - durch die Forderung nach einer weitestmöglich einschränkungsfreien Freiheitsgewährleistung - feststeht, fehlt es beim Gleichheitssatz an einer klaren inhaltlichen Bestimmung. Die Forderung nach Gleichbehandlung hat zur Voraussetzung, daß feststeht, was als gleich anzusehen ist. Dies gibt der Gleichheitssatz selbst nicht vor. Die Frage erschließt sich auch nicht aus der Natur der Sache. Eher umgekehrt ist die Frage der Gleichheit von mehreren Paradoxien geprägt, die eine objektive Definition von Gleichheit unmöglich machen. Im Ergebnis ist daher die Feststellung der Gleichheit immer eine auf subjektive Wertungen fußende Abstraktion von bestehenden Ungleichheiten des Sachverhalts. Da einerseits derartige subjektive Wertungen des Grundrechtsanwenders in der Gleichheitsprüfung nicht zu vermeiden sind, und andererseits die subjektiven Wertungen als Meßlatte für die Überprüfung einer Wertentscheidung des Gesetzgebers dienen sollen, ist bei ihrer Festlegung mit der gebotenen Sorgfalt vorzugehen. Unter strenger Beachtung des Gewaltenteilungsgrundsatzes ist zu fragen, anhand welcher hinreichend deutlichen verfassungsrechtlichen Abwägungsmaßstäbe es möglich ist, die zu überprüfende einfachgesetzliche Vorrangentscheidung als gleichheitssatzwidrig einzuordnen. 2. Die vom BVerfG für diese Frage definierten Abwägungsmaßstäbe können nur zum Teil überzeugen. Das BVerfG will erstens anhand der sonstigen Normen des Grundgesetzes den Gleichheitssatz mit Inhalt füllen. Dem ist zuzustimmen. Die einfachgesetzliche Differenzierung tritt hinter den Inhalt der Verfassung zurück. Dagegen will das BVerfG zweitens die Prüfungsmaßstäbe zu Art. 3 Abs. 1 GG davon abhängig machen, ob durch die Differenzierung Sachverhalts- oder personenbezogene Merkmale erfaßt sind. Dies überzeugt nicht. Jede sachverhaltsbezogene Differenzierung läßt sich auch anhand personenbezogener Merkmale beschreiben. Die Unterscheidung des Gerichts reduziert sich deshalb auf die Forderung, daß sich die Grundrechtsträger den Normen (Differenzierungen) des Gesetzgebers durch das eigene Verhalten sollen anpassen oder entziehen können. Eine solche Forderung kann dem Grundgesetz im allgemeinen und dem Gleichheitssatz im be-

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sonderen jedoch nicht entnommen und der einfachgesetzlichen Wertentscheidung deshalb auch nicht entgegengehalten werden. 3. In Abweichung zum Ansatz des BVerfG ist daher dem neuen dogmatischen Ansatz von Huster zu folgen. Danach werden in der Gleichheitssatzproblematik zwei Fallgruppen unterschieden. In der ersten Fallgruppe findet der Gesetzgeber einen von verfassungsrechtlichen Vorgaben unberührten Lebensbereich vor, zu dem die Verfassung keine abschließenden Aussagen trifft. Zur Ausgestaltung des Lebensbereiches trifft der Gesetzgeber als Alleinbefugter eine Gerechtigkeitsentscheidung. Diese kann vom Verfassungsinterpreten wegen fehlender verfassungsrechtlicher Vorgaben nur weit zurückgezogen anhand des Willkürverbotes überprüft werden. Umgekehrt sind deshalb strengere Prüfungsmaßstäbe anzulegen, wenn der Verfassung Aussagen zum Gleichheitsproblem entnommen werden können. Auch verlangt die Willkürpriifung nicht etwa schlicht das Vorliegen irgendeines sachlichen Grundes. Vielmehr ist auf einen inhaltlichen Bezug zwischen Differenzierung und sachlichem Grund abzuzielen. In der zweiten Fallgruppe verfolgt der Gesetzgeber Ziele, die einer von ihm zu einem Lebensbereich grundsätzlich getroffenen Gerechtigkeitsentscheidung zuwiderlaufen. Gerechtigkeitsentscheidungen schaffen für die Grundrechtsträger ein Recht darauf, gemäß dieser Gerechtigkeitsentscheidung als Gleiche behandelt zu werden. Deshalb können die mit Gerechtigkeitsentscheidungen kollidierenden, vom Gesetzgeber verfolgten sonstigen Ziele anhand des strengen Übermaßverbotes geprüft werden. Das Übermaßverbot ist dabei auf eine Zweistufige Prüfung von Eignung und Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne zu beschränken. Der Trennung der beiden Fallgruppen ist besondere Aufmerksamkeit zu schenken, da ihr ausschlaggebende Bedeutung für den weiteren Prüfungsverlauf zukommt. Berührt die zu untersuchende gesetzgeberische Entscheidung mehrere Lebenssachverhalte, kann eine genaue Trennung der beiden Fallgruppen allerdings problematisch werden. In diesem Fall ist der Sachverhalt zunächst getrennt nach den betroffenen Lebenssachverhalten zu untersuchen. Anschließend ist - notwendigerweise anhand der subjektiven Wertungen des Interpreten - ein Abgleich der Ergebnisse vorzunehmen. 4. Wegen der inhaltlichen Offenheit des Gleichheitssatzes kommt im Rahmen der Gleichheitsprüfung der inhaltsfüllenden Wirkung der sonstigen Normen des Grundgesetzes besondere Bedeutung zu. Wenn die Regelung eines Sachverhalts in gewisser Hinsicht durch die Verfassung vorgegeben - also grundrechtlich fundiert - ist, ist der Gesetzgeber in seinen Möglichkeiten zu differenzieren eingeschränkt. In bezug auf die Betriebsverfassung sind als mögliche Quellen grundgesetzlicher Vorgaben Artikel 12 Abs. 1 GG, das Sozialstaatsprinzip sowie das allgemeine Persönlichkeitsrecht gemäß Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG in Erwägung zu ziehen. 5. Der Berufsfreiheit der Arbeitnehmer gemäß Art. 12 Abs. 1 GG können weder Gebote zum Erlaß von Arbeitnehmerschutzgesetzen im allgemeinen noch Gebote

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Zusammenfassung in Thesen

zur Schaffung einer betrieblichen Mitbestimmung im besonderen entnommen werden. Soweit im Rahmen der Neuinterpretation des Art. 12 Abs. 1 GG gleichwohl gesetzgeberische Schutzpflichten zugunsten der Arbeitnehmer in ihrem Verhältnis zu den Arbeitgebern aufgestellt werden, beruht dies auf einer nicht hinreichenden Berücksichtigung der besonderen Problematik einer Schutzpflichtenableitung, und damit einhergehend, einer unvollständigen und daher fehlgeleiteten Begründung der Schutzpflichten. Im Arbeitsleben treten die ungleich mächtigeren Arbeitgeber einerseits zwar in einer Bedrohungsrolle gegenüber der Berufsfreiheit der Arbeitnehmer auf. Andererseits sind die Arbeitgeber aber auch gleichzeitig eine wesensnotwendige Voraussetzung für die Ausübung der Berufsfreiheit der Arbeitnehmer und stehen daher diesen insoweit auch in einer Förderungsrolle gegenüber. Die im Rahmen der Neuinterpretation dem Gesetzgeber zu Eindämmung der Bedrohungsrolle der Arbeitgeber aufgegebene Schutzpflicht zugunsten der Arbeitnehmer entfaltet dabei im Bereich der Förderungsrolle der Arbeitgeber kontraproduktive Wirkungen. Enthalten sich nämlich wegen eines subjektiv als zuviel empfundenen Arbeitnehmerschutzes, potentielle Arbeitgeber einer Einstellung von Arbeitnehmern, so erzeugen die Arbeitnehmerschutzbestimmungen für diese nicht ein Mehr an Berufsfreiheit, sondern sie führen zu deren Totalverlust. Deshalb bedürfte es zur Ableitung einer Schutzpflicht des Gesetzgebers zugunsten der Arbeitnehmer aus Art. 12 Abs. 1 GG nicht nur der Identifizierung der Bedrohungsrolle der Arbeitgeber, sondern es müßte auch eine praktikable und nachvollziehbare Abgrenzung der Bedrohungsrolle der Arbeitgeber von ihrer Förderungsrolle geleistet werden. Dies wird von den Neuinterpreten übersehen, und die Abgrenzung findet daher nicht statt. Sie ist anhand des Art. 12 Abs. 1 GG aber auch nicht zu leisten. Dem stehen die wirtschaftspolitische Offenheit des Art. 12 Abs. 1 GG auf der einen, die hohe Komplexität des Arbeits- und Wirtschaftslebens sowie die damit einhergehende Unsicherheit über dessen richtige Ausgestaltung auf der anderen Seite entgegen. Läßt sich demnach die Richtigkeit einer wirtschafts- und sozialpolitischen Maßnahme immer nur behaupten und niemals stringent belegen, so verbietet sich ihre Ableitung aus der Verfassung. Die Entscheidung über das „Ob" und „Wie" ihrer Umsetzung muß dem Gesetzgeber überlassen bleiben. Die Ansiedlung einer Pflicht des Gesetzgebers zur Schaffung von Arbeitnehmerschutzvorschriften bei Art. 12 Abs. 1 GG ist daher abzulehnen. 6. Auch das Sozialstaatsprinzip ist als grundrechtliches Fundament für die Betriebsverfassung nicht tauglich. Ursächlich hierfür sind seine inhaltliche Unbestimmtheit, die fehlenden inhaltsfüllenden Aussagen anderer Verfassungsvorschriften sowie die hohe Strittigkeit der Mitbestimmungsmaterie. Vor diesem Hintergrund ist eine Ableitung der Betriebsverfassung aus dem Sozialstaatsprinzip nur als Folge einer zukünftigen allgemeinen Konsensfindung zur Mitbestimmungsthematik denkbar. 7. Eine grundrechtliche Fundierung der Betriebsverfassung resultiert demgegenüber aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer gemäß Art. 2

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Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG. Im Rahmen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts wird ein Freiheitskern garantiert und gegen Einwirkungen durch Auswüchse der Privatautonomie geschützt. Dem Staat obliegt deshalb die Aufgabe, die Zivilrechtsordnung dergestalt auszuformen, daß den Grundrechtsträgern Dispositionen über den Freiheitskern verwehrt werden. Dies kann - vornehmlich in Bereichen, in denen wegen starker Machtungleichgewichte der freie Vertrag als Interessenausgleichsinstrument nur begrenzte Tauglichkeit besitzt - eine staatliche Pflicht zur Schaffung von Schutzgesetzen begründen. Diese Ergebnisse führen dazu, auch die betriebliche Mitbestimmung grundsätzlich im allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer zu verorten. Hierdurch wird bewirkt, daß die Arbeitnehmer durch den Arbeitsvertrag nicht auf jegliche Planbarkeit ihrer Zukunft verzichten können. Andererseits ist aber die grundrechtliche Fundierung - wegen der Notwendigkeit einer streng restriktiven Interpretation des unverfügbaren Teils der Freiheit - auf bloße Mitwirkungs- und Informationsrechte zu beschränken. Forderungen nach weitergehenden Mitbestimmungsrechten sind dem Bereich der einfachgesetzlichen Sozialpolitik zuzuordnen. 8. Demgegenüber können Art. 14 Abs. 1 GG und Art. 9 Abs. 1 GG als Grundrechte der Arbeitgeber einer betrieblichen Mitbestimmungsregelung inhaltliche Grenzen ziehen. Bezüglich des Untersuchungsgegenstandes dieser Arbeit - des persönlichen Geltungsbereichs des BetrVG - ist dies allerdings nur sehr eingeschränkt möglich. Die Wirkung der Eigentums- und Vereinigungsfreiheit des Arbeitgebers erschöpft sich in der Ermahnung an den Interpreten, bei der Zuordnung verschiedener Personengruppen unter das BetrVG nicht nach dem einseitigen Motto „Möglichst viel und möglichst alle" zu verfahren. Diese Ermahnung resultiert aus der den beiden Grundrechten innewohnenden Grundwertung, Eingriffe der Mitbestimmung in die Arbeitgeberfreiheiten nur dann als legitim zu betrachten, wenn die mitbestimmenden Arbeitnehmer am Erfolg des Unternehmens ein vergleichbares und gleichwertiges Interesse haben. 9. Das Vorhaben, Differenzierungen zum persönlichen Geltungsbereich des BetrVG auf ihre Vereinbarkeit mit Art. 3 Abs. 1 GG zu überprüfen, setzt voraus, daß zunächst die Differenzierungen selbst zweifelsfrei herausgearbeitet werden. Nur wenn gesichert klargestellt ist, daß eine Personengruppe tatsächlich aus dem persönlichen Geltungsbereich des BetrVG herausfällt, macht eine Untersuchung darüber Sinn, ob dieser Ausschluß rechtmäßig ist. Aus diesem Grunde ist zum betriebsverfassungsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff eine Entscheidung darüber herbeizuführen, ob der Definition der h.M. oder aber derjenigen der Mindermeinung zu folgen ist. Diese Frage ist zugunsten der h.M. zu beantworten. Die Geltungsbereichsdefinition der Mindermeinung beruht demgegenüber entgegen ihrer Selbsteinschätzung nicht auf einer überzeugenden Auslegung des aktuell geltenden Rechts. Diese Definition ist „nur" ein Diskussionsbeitrag zum rechtspolitischen Diskurs über das BetrVG. 10. Gemäß dem Ansatz der h.M. sind drei Bestimmungskriterien des betriebsverfassungsrechtlichen Arbeitnehmerbegriffs festzuhalten - der allgemeine Arbeit-

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Zusammenfassung in Thesen

nehmerbegriff, das Merkmal der Betriebszugehörigkeit und die Gewinn- und Verlustliste der §§ 5 Abs. 2 und Abs. 3 sowie des § 6 BetrVG. Anhand dieser drei Kriterien wird der Geltungsbereich des BetrVG wie folgt bestimmt: Grundsätzlich gilt die Betriebsverfassung nur für Personen, die nach allgemeiner Ansicht des Schutzes des Arbeitsrechts bedürfen. Dieser Personenkreis wird durch den allgemeinen Arbeitnehmerbegriff definiert. Die damit gewonnene Grundmenge - von immerhin mehreren Millionen Personen - wird in einem zweiten Schritt durch das Merkmal der Betriebszugehörigkeit eingegrenzt. Damit werden diejenigen Arbeitnehmer identifiziert, die dem Betrieb zuzurechnen sind, für den die Schaffung einer Betriebsverfassung vorgesehen ist. Die so gewonnene Arbeitnehmergruppe wird in einem dritten Schritt um die Gewinn- und die Verlustliste korrigiert. 11. Die mit der Definition des betriebsverfassungsrechtlichen Arbeitnehmerbegriffs einhergehenden Differenzierungen zum persönlichen Geltungsbereich des BetrVG werden zu weiten Teilen den Anforderungen des allgemeinen Gleichheitssatzes gerecht. Insbesondere der allgemeine Arbeitnehmerbegriff führt zu sachlich gerechtfertigten Differenzierungen. Sowohl das Erfordernis einer privatrechtlichen Vertragsgrundlage als auch das Merkmal der persönlichen Abhängigkeit grenzen nur solche Beschäftigten aus der Betriebsverfassung aus, die der betriebsverfassungsrechtlichen Schutzmechanismen nicht in gleichem Maße bedürfen wie die Arbeitnehmer im Sinne des allgemeinen Arbeitnehmerbegriffs. Dagegen kann die vom Gesetzgeber mit der Gewinnliste vorgesehene Durchbrechung des Merkmals der persönlichen Abhängigkeit nicht überzeugen. Indem der Gesetzgeber aus der Gruppe der persönlich unabhängigen Arbeitnehmerähnlichen exklusiv nur die Heimarbeiter in die Betriebsverfassung aufnimmt, differenziert er im Vergleich zu einigen weiteren Untergruppen der Arbeitnehmerähnlichen ohne sachliche Rechtfertigung und daher in gleichheitssatzwidriger Weise. 12. Das Kriterium der Betriebszugehörigkeit führt - auch im Bereich des drittbezogenen Personaleinsatzes - überwiegend zu gleichheitssatzkonformen Differenzierungen. In bezug auf die unechten Leiharbeitnehmer ist die gesetzgeberische Wertungsentscheidung für deren maximal zwölfmonatigen Ausschluß aus der Betriebsverfassung nicht willkürlich. Der Ausschluß der unechten Leiharbeitnehmer rechtfertigt sich aus deren (relativ) stärkerer Machtposition im Verhältnis Arbeitgeber/Arbeitnehmer und aus ihrer Möglichkeit, über den Verleiherbetriebsrat indirekt Einfluß auf ihre Entleihbedingungen nehmen zu können. Soweit die Zeitdauer des Ausschlusses mit zwölf Monaten Anlaß zu Kritik und Zweifel bietet, werden diese noch durch den weiten Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers abgedeckt. Dieses Ergebnis ist auch auf die sonstigen Formen des drittbezogenen Personaleinsatzes - mit Ausnahme der Unternehmerarbeiter - zu übertragen, da aus betriebsverfassungsrechtlicher Sicht keine relevanten Unterschiede erkennbar sind. Diese Interessenidentität zwischen unechter und echter Leiharbeit verbietet zugleich eine Ungleichbehandlung bei längerfristigen Ausleihzeiträumen. Da bei der unechten Leiharbeit Ausleihzeiträume jenseits der Zwölf-Monats-Grenze zur Zuerkennung der Betriebszugehörigkeit im Entleihbetrieb führen, muß dies auch für echte Leih-

Zusammenfassung in Thesen

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arbeitnehmer gelten. Der vom BAG vorgenommene Ausschluß der langfristigen echten Leiharbeitnehmer aus der Betriebsverfassung stellt eine gleichheitswidrige Ungleichbehandlung gegenüber den unechten Leiharbeitnehmern dar. 13. Schließlich sind auch die vom Gesetzgeber im Rahmen der Verlustliste vorgesehenen Differenzierungen durchweg sachlich gerechtfertigt. Dies gilt insbesondere für die Bestimmung der Gruppe der leitenden Angestellten gemäß § 5 Abs. 3 und Abs. 4 BetrVG. Sowohl die Gesetzestechnik der Vorschrift wie auch die Grenzziehung der Gruppe an sich werden den Anforderungen des Gleichheitssatzes gerecht. Dagegen verstößt der gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG vorgesehene Ausschluß der in weltlichen Betrieben tätigen Ordensangehörigen aus der Betriebsverfassung gegen den Gleichheitssatz. Deren Ausschluß ist nicht geeignet, den Geltungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes nach Schutzzweckerwägungen sinnvoll abzugrenzen und es fehlt an der Verhältnismäßigkeit zwischen der Vernachlässigung des Schutzbedürfnisses des Ordensangehörigen und der Förderungswürdigkeit der Beziehung zwischen Religionsgemeinschaft und weltlichem Betrieb. 14. Was den Mischfall der Rote-Kreuz-Schwestern anbelangt, so sind diese bezüglich ihres Einsatzes in Rote-Kreuz-Krankenhäusern zwar zurecht aus der Betriebsverfassung ausgeschlossen worden. Im Falle eines Einsatzes in Fremdkrankenhäusern sind sie ab dem 13. Gestellungsmonat aber als Arbeitnehmerinnen im Sinne des BetrVG anzusehen; denn sie erfüllen von nun an alle Merkmale des betriebsverfassungsrechtlichen Arbeitnehmerbegriffs. Da sie ihre mitgliedschaftlichen Mitwirkungsrechte nicht zur Beeinflussung des Fremdkrankenhauses nutzen können, sind sie ebenso wie die Gastschwestern Arbeitnehmerinnen. Die Betriebszugehörigkeit zum Fremdkrankenhaus scheitert in den ersten zwölf Monaten an der im Vergleich mit den sonstigen Arbeitnehmern deutlich besseren Machtposition der Schwestern im Verhältnis zur Krankenhausleitung. Da die Machtposition einem zeitlichen Verfall unterliegt, ist eine Betriebszugehörigkeit der Rote-KreuzSchwestern ab dem 13. Gestellungsmonat in Anlehnung an die Regelung für Leiharbeitnehmer anzunehmen. Schließlich fallen die Rote-Kreuz-Schwestern auch nicht unter § 5 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG, da die Leitung des Fremdkrankenhauses nicht an die karitativ orientierten Organisationsregeln der Schwesternschaft gebunden ist.

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arverzeichnis Allgemeine Handlungsfreiheit 122 ff., 128 ff. - allgemeines Persönlichkeitsrecht 124, 128 f. - Grenze der Privatautonomie 124 ff. - Inhaltskontrolle von Verträgen 125,126 ff. - un verfügbarer Freiheitskern 127 ff., 129 ff. - Verhältnis zu Art. 12 Abs. 1 GG 122 ff. Allgemeiner Arbeitnehmerbegriff 160, 164 ff., 185 ff., 196 ff. - BAG und h.M. 197 f., 198, 202 f. - Differenzierungen aufgrund des 203 ff. - Mindermeinung 198 f., 200 f. allgemeines Persönlichkeitsrecht 124, 128 f - allgemeines Persönlichkeitsrecht und Mitbestimmung 132 ff. - un verfügbarer Freiheitskern 127 ff., 129 ff. Analogie 181 ff. - Grenzen 182 - Gründe 181 - Voraussetzungen 182 ff. Auslegung 166 ff. - grammatische 167 ff. - historische 171 f. - objektiv-teleologische 172 ff. - systematische 170 f. Auszubildendenbegriff 214 f., 290 ff. Berufsausbildungsschüler 290 ff. Berufsfreiheit 86 ff. - Abwehrrecht 95 - Apothekenurteil des BVerfG 87 f. - arbeits- und funktionenteilige Grundrechtsausübung 91 ff. - Grenze des Arbeitnehmerschutzes 141 ff., 144 ff., 149 f. - Grundrecht auf Arbeit 95 f. - Grundrecht der Arbeit 89 ff.

- Handelsvertreterentscheidung des BVerfG 110 ff. - Mitbestimmungsurteil des BVerfG 88, 109 - Neuinterpretation 90 ff. - praktische Konkordanz 97 ff. - Rollen des Arbeitgebers 96 ff., 100 ff. - Schutzpflicht 94 ff., 97 ff. - Wirtschaftspolitische Offenheit des Art. 12 GG 104 ff., 108 ff. Betriebsverfassungsrechtlicher Arbeitnehmerbegriff 158 ff., 194 f. - eigenständiger Arbeitnehmerbegriff 161 f. - Rückgriff auf den allgemeinen Arbeitnehmerbegriff 159 f. Betriebszugehörigkeit 178 ff., 206 ff., 211 ff., 261 ff. - Differenzierungen aufgrund der 211 ff. - Zwei-Komponenten-Theorie 206 f., 208 ff. Drittbezogener Personaleinsatz 261 ff., 279 ff. - echte Leiharbeit 279 f., 280 ff. - Gestellungsverträge 279 f., 310 ff. - Rote-Kreuz-Schwestern 310 ff. - überlassendes Bedienungspersonal 279 f., 285 f. - unechte Leiharbeit 261 ff., 270 ff., 279 f. - Unternehmerarbeiter 279 f., 286 ff. echte Leiharbeit 279 f., 280 ff. Eigentumsgarantie und Betriebsverfassung 150 ff. Entwicklungshelfer 229 ff. Familienangehörige 220 f., 298 f. Franchising 235 ff. - Andere Absatzmittlungsverhältnisse 235 ff.

Sachwortverzeichnis - Definition 235 f. Freie Mitarbeiter 231 ff. Freiheit - Freiheit und Gleichheit 33 ff. - Präponderanz der Freiheit 35 - Prima-Facie-Recht 27 Gastschwester 310 ff., 324 Geltungsbereichsdefinition 158 f., 174 f. Geringfügig Beschäftigte 324 ff. Geschäftsführer 218 f., 294 Gesetzgebungsqualität 37 ff. Gleichheit - faktische Gleichheit 30 ff., 35 ff. - formale Gleichheit 30 ff. - formelle Gleichheit 30 ff. - Freiheit und Gleichheit 33 ff. - materielle Gleichheit 30 ff., 35 ff. - Paradoxon der Gleichheit 30 ff. - rechtliche Gleichheit 30 ff. - Rechtsanwendungsgleichheit 30 ff. - schematische Gleichheit 30 ff. Gleichheitssatz - Dogmatische Struktur 26 ff., 51 - dogmatische Struktur nach Huster 57 ff. - Grundsatz der Verhältnismäßigkeit 72 f., 74 ff. - Inhaltliche Offenheit 28 - Konkretisierung 28 f., 33 f., 52 ff., 63 ff. - Neue Formel 44 f. - Prüfungsschemata 56 f. - Symbiose-Formel 46 ff. - Übermaßverbot 25, 72 f., 74 ff. - Vorrang des Gesetzgebers 37 ff. - Willkürverbot 41 ff., 72 f. Grundrechtsberührung 80 ff., 136 ff. Grundrechtsfundierung 80 ff., 135 ff. Grundrechtsfundierung der Betriebsverfassung 154 ff. Grundrechtsschutz gegen sich selbst 102 f. Heimarbeiter 187 ff., 241 ff. - Arbeitnehmerähnliche 244 ff. - Gleichgestellte 255 ff. - Hausgewerbetreibende 251 ff. - in Heimarbeit Beschäftigte 187 ff., 215 ff., 244 ff. - mitarbeitende Hilfskräfte 254 f. 23 Bremeier

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- Teleheimarbeiter 241 ff. Helfer im freiwilligen sozialen Jahr 228 f. Husters Ansatz zum Gleichheitssatz 57 ff. - Gerechtigkeitsentscheidungen 58 f. - Kontrollfrage 60 f. - Kritik 60 ff., 69 ff. - Zweckmäßigkeitsüberlegungen 59 f. Judical self restraint 43, 105 ff., 174 f. Karitativ motivierte Beschäftigte 219, 294 ff., 321 ff. Kontraproduktivität von Arbeitnehmerschutzrecht 100 f., 144 ff. Lehrkräfte 231 ff. Leitende Angestellte 221 ff., 299 ff. Menschenbild des Grundgesetzes 85 f. Mitbestimmungskommission 85 f. Neue Formel - Definition 44 f. - Rechtsprechung des BVerfG 44 - Verhältnismäßigkeitsprüfung 44 f. Neue Selbständigkeit 235 ff. Privatautonomie 124 ff., 126, 130 Prüfungsmaßstab 24,72 ff., 77 f. Rechtsfortbildung 180 ff. - Analogie 181 ff. - teleologische Reduktion 191 ff. Regelungsziele des BetrVG 84 ff. - Mitbestimmungskommission 85 - Schutzzweck 85 f. - Teilhabezweck 85 f. Religiös motivierte Beschäftigte 219,294 ff., 321 ff. Rote-Kreuz-Schwester 310 ff. Schutzpflichten 81 - Drittwirkung der Grundrechte 81 f. - Grundrechtsschutz gegen sich selbst 102 f. Schutzzweck 85 f., 174 f. Sozialstaatsprinzip 113 ff. - inhaltlicher Gestaltungsauftrag 116 ff.

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arverzeichnis

- Sozialstaatsprinzip und Mitbestimmung 119 ff. - Verhältnis zu den Grundrechten 114 f. Sprecherausschüsse 299 ff. Strafgefangene 224 ff. Symbiose-Formel 46 ff. - Kritik 48 f., 55,63 ff., 69 ff. - personenbezogene Merkmale 46 ff., 65 ff. - sachverhaltsbezogene Merkmale 46 ff., 65 ff. Teilzeit 324 ff. Therapeutisch Beschäftigte 220, 297 f. überlassenes Bedienungspersonal 279 f., 285 f. Übermaßverbot 24 f., 72 f.

unechte Leiharbeit 261 ff., 270 ff., 279 f. Unternehmerarbeiter 279 f., 286 ff. Vereinigungsfreiheit und Betriebsverfassung 152 f. Volkshochschuldozenten 231 ff. Vorrang des Gesetzgebers 37 ff., 105 ff., 174 f. Vorstände 218 f., 294 Willkürverbot 41 ff., 54 f., 72 ff. - bloßes Begründungsgebot 44 - inhaltliche Präzisierung 74 - Leerformelhaftigkeit 44 - Rechtsprechung des BVerfG 41 ff. Zeitungszusteller 324 ff. Zivildienstleistende 226 f. Zwei-Komponenten-Theorie 206 f., 208 ff.