Die Verwirkung der Vergütung des Insolvenzverwalters: – de lege lata und de lege ferenda – 9783814559100

In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass der Insolvenzverwalter seinen Vergütungsanspruch unter bestimmten Voraussetzun

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Die Verwirkung der Vergütung des Insolvenzverwalters: – de lege lata und de lege ferenda –
 9783814559100

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Philip Falk Die Verwirkung der Vergütung des Insolvenzverwalters – de lege lata und de lege ferenda –

Die Verwirkung der Vergütung des Insolvenzverwalters – de lege lata und de lege ferenda –

von Philip Falk

RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG · Köln

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2023 RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG Postfach 27 01 25, 50508 Köln E-Mail: [email protected], Internet: http://www.rws-verlag.de Das vorliegende Werk ist in all seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das Recht der Übersetzung, des Vortrags, der Reproduktion, der Vervielfältigung auf fotomechanischem oder anderen Wegen und der Speicherung in elektronischen Medien. Satz und Datenverarbeitung: SEUME Publishing Services GmbH, Erfurt Druck und Verarbeitung: Hundt Druck GmbH, Köln

Für meine Eltern

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2023 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln als Dissertation angenommen. Fertiggestellt wurde sie im August 2023. Mein Dank gilt meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Christoph Thole für die immer fördernde, stets konstruktive und zielstrebige Betreuung der Arbeit. Danken möchte ich weiterhin Herrn Prof. Dr. Stefan Reinhart, der mein Interesse für das Insolvenzrecht und insbesondere die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit diesem Rechtsgebiet erweckte und mich auch stets bei der Erstellung der Arbeit unterstützt hat. Den Herausgebern der Beiträge zum Insolvenzrecht Prof. Dr. Moritz Brinkmann, LL.M., Rechtsanwalt Dr. Bruno M. Kübler, Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Hanns Prütting und Prof. Dr. Christoph Thole danke ich für die Aufnahme in ihre Schriftenreihe. Vor dem Hintergrund der pandemiebedingten Einschränkungen zu Zeiten der Erstellung dieser Arbeit war für mich von besonderer Bedeutung der juristische wie auch außerjuristische Austausch mit Ref. iur. David Schäfer und Ref. iur. Dr. Peter Siemens, LL.M. im Frankfurter Grüneburgpark. Meiner Familie, vor allem meinen Eltern Dr. iur. utr. h.c. Georg D. Falk und Gisela Falk, möchte ich dafür danken, dass sie mir auf meinem Lebensweg stets alles ermöglichen und mich unterstützen.

Frankfurt am Main, im August 2023

Philip Falk

VII

Inhaltsverzeichnis Rn.

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Vorwort .............................................................................................................. VII § 1 Einleitung .......................................................................................... 1 ........ 1 § 2 Grundsätzliches und Herleitung der Problemstellung ................. 6 ........ 5 A. Grundsätzliches .................................................................................. 6 I. Der Vergütungsanspruch des Insolvenzverwalters ....................... 6 1. Grundzüge des Vergütungsanspruchs .................................... 6 2. Auswirkungen von Pflichtverletzungen auf den Vergütungsanspruch ................................................................................. 7 3. Auswirkungen der Entlassung des Verwalters auf den Vergütungsanspruch ........................................................ 9 II. Geltendmachung von Gegenansprüchen .................................... 11 1. Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen ....................... 12 2. Zurückbehaltungsrecht ......................................................... 17 3. Zwischenergebnis ................................................................. 18 4. Keine „Kürzung“ der Vergütung durch Geltendmachung von Gegenansprüchen .......................................................... 19 III. Vergütungskürzung durch das Insolvenzgericht bei Verletzung von vergütungsrechtlichen Tatbeständen der InsVV .................. 21 1. Unrechtmäßige Delegation an Dritte § 4 Abs. 1 Satz 3 InsVV ........................................................................ 22 2. Unrechtmäßige „interne Delegation“ § 5 InsVV .................. 25 B. Problemstellung ................................................................................ I. Vergütungsrechtliche Problematik ............................................. II. Verwirkungskonstruktion der Rechtsprechung .......................... III. Keine überzeugende Problemlösung durch die Rechtsprechung ...................................................................................

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C. Bedeutung für die Rechtspraxis ........................................................ 38 ...... 20 I. Insolvenzverwalter ..................................................................... 40 ...... 21 II. Insolvenzgerichte ........................................................................ 41 ...... 22 § 3 Die Entwicklung der Rechtsprechung zur Verwirkung der Insolvenzverwaltervergütung ................................................. 42 ...... 23 A. Rechtsprechung der Instanzgerichte ................................................. 42 ...... 23 I. Erste Entscheidung zur Vergütung eines „ungetreuen“ Konkursverwalters ...................................................................... 42 ...... 23 IX

Inhaltsverzeichnis Rn.

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II. Erste Entscheidungen zur Vergütungsverwirkung ..................... 1. Inhaltliche Analyse der Entscheidungen .............................. a) Landgericht Konstanz .................................................... b) Amtsgericht Hamburg .................................................... c) Landgericht München II ................................................ d) Landgericht Potsdam ..................................................... e) Gesamtbetrachtung der Entscheidungen ........................ 2. Dogmatische Analyse der Entscheidungen ..........................

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B. Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs .......................................... I. Heranziehung des § 654 BGB .................................................... II. Inhaltliche Erweiterung des Verwirkungstatbestands ................. 1. Verfehlungen im Vorfeld des Verfahrens ............................ 2. Straftaten in anderen Verfahren ........................................... 3. Unterbliebene Offenbarung von Verfehlungen .................... III. Inhaltliche Bestätigung der instanzgerichtlichen Rechtsprechung ................................................................................... IV. Anwendung auf den vorläufigen Insolvenzverwalter ................. V. Kern des Verwirkungstatbestands .............................................. VI. Rechtsfolgen der Verwirkung im Einzelnen ............................... VII. Zusammenfassung .....................................................................

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§ 4 Anwendbarkeit des § 654 BGB auf den Vergütungsanspruch des Insolvenzverwalters aus dogmatischer Sicht ......................... 76 ...... 41 A. Entwicklung des Verständnisses von § 654 BGB in der Rechtsprechung .......................................................................................... I. Normverständnis des Reichsgerichts in der maklerrechtlichen Rechtsprechung .......................................................................... 1. Verbotene Doppeltätigkeit des Maklers ............................... 2. Erweiterung des sachlichen Anwendungsbereichs auf Treuepflichtverletzungen ............................................... 3. Zusammenfassung ................................................................ II. Normverständnis des Bundesgerichtshofs in der maklerrechtlichen Rechtsprechung ........................................................ 1. Grundsatzentscheidung aus dem Jahr 1962 .......................... a) Konkretisierung des Strafcharakters .............................. b) Konkretisierung der Qualität der Treuepflichtverletzung ...................................................................... 2. Verständnis als allgemeiner Rechtsgedanke ........................ III. Normverständnis der Rechtsprechung bei Anwendung auf andere Rechtsverhältnisse ..........................................................

X

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Inhaltsverzeichnis Rn.

B. Tauglichkeit von § 654 BGB als Grundlage für die Verwirkung von Vergütungsansprüchen außerhalb des Maklerrechts .................. 96 I. Herleitung des Rechtsgedankens im Rahmen des Maklerrechts – Dogmatische und systematische Einordnung von § 654 BGB ... 100 II. Schlussfolgerungen für die Anwendbarkeit der Norm des § 654 BGB auf den Insolvenzverwalter ................................... 106 1. Grundsätzliche Unterschiede dogmatischer Natur ............. 106 2. Spezielle dogmatische Unterschiede – Vergütungsanspruch von Insolvenzverwalter und Makler im Vergleich ............. 113 III. Ergebnis .................................................................................... 114

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§ 5 Bestehen einer besonderen Treuepflicht als Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 654 BGB auf den Vergütungsanspruch des Insolvenzverwalters .............................................. 116 ...... 59 A. Das Normverständnis der Rechtsprechung bei Anwendung von § 654 BGB auf den Insolvenzverwalter .......................................... I. Möglichkeit eines extensiven Verständnisses von § 654 BGB über besondere Treuepflichten hinaus ...................................... 1. Extensives Verständnis ...................................................... 2. Ablehnung eines extensiven Verständnisses ...................... II. Bestehen einer besonderen Treuepflicht als maßgebliche Voraussetzung .......................................................................... B. Besondere Treuepflicht des Insolvenzverwalters gegenüber dem Insolvenzschuldner und den Gläubigern ................................. I. Das Verhältnis von Insolvenzverwalter zu Schuldner und Gläubigern ................................................................................ 1. Gesetzliches Schuldverhältnis ............................................ 2. Das gesetzliche Schuldverhältnis als Treuhandverhältnis .... II. Besondere Treuepflicht aus Treuhandverhältnis ...................... 1. Das treuhänderische gesetzliche Schuldverhältnis ............. 2. Konkretisierung einer besonderen Treuepflicht ................. a) Makler .......................................................................... b) Rechtsanwalt ................................................................ c) Zwischenergebnis ........................................................ 3. Vergleichbarkeit der Treueprägung .................................... III. Ergebnis ....................................................................................

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C. Besondere Treuepflicht des Insolvenzverwalters gegenüber dem Insolvenzgericht ...................................................................... 145 ...... 73 I. Vorüberlegung: Möglichkeit des Bestehens einer Treuepflicht gegenüber staatlichen Institutionen im Allgemeinen ................ 147 ...... 74

XI

Inhaltsverzeichnis Rn.

II. Besondere Treuepflicht aus Rechtsstellung des Insolvenzverwalters ................................................................................. 1. Theorien zur Einordnung der Rechtsstellung des Insolvenzverwalters ........................................................................... 2. Einordnung nach Funktion und Aufgaben ......................... a) Der Insolvenzverwalter als Amtsinhaber ..................... b) Der Insolvenzverwalter als Organ der Rechtspflege .... 3. Rechtsstellung des vorläufigen Insolvenzverwalters .......... 4. Besondere Treuepflicht aus privatem Amt oder aus Eigenschaft als Organ der Rechtspflege ............................. a) Privates Amt ................................................................ b) Organ der Rechtspflege ................................................ c) Ergebnis ....................................................................... III. Besondere Treuepflicht aus Vertrauensverhältnis zum Insolvenzgericht – Bestellung und Aufsicht ..................................... 1. Bedeutung von Bestellung und Aufsicht für das Vertrauensverhältnis .................................................... 2. Besondere Treuepflicht als Folge von Bestellung und Aufsicht .............................................................................. a) Verständnis und Inhalt des Vertrauensverhältnisses .... b) Qualität der Treuepflicht .............................................. c) Kein Vertrauensverhältnis bei Täuschung über eigene Qualifikation ..................................................... IV. Besondere Treuepflicht aus zivilrechtlicher Dogmatik ............ V. Besondere Treuepflicht aus berufsrechtlichen Vorgaben der Insolvenzverwalterverbände ............................................... VI. Ergebnis ....................................................................................

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D. Besondere Treuepflicht bereits vor Verfahrensbeginn ................... 204 .... 101 E. Ergebnis .......................................................................................... 210 .... 103 § 6 Kritische Auseinandersetzung mit der tatbestandlichen Ausgestaltung der Verwirkung des Vergütungsanspruchs des Insolvenzverwalters durch die Rechtsprechung ................. 211 .... 105 A. Inhaltliches Verständnis der Treuepflichtverletzung ...................... I. Tätigkeitsbezogener Treuebruch .............................................. 1. Treuebruch durch tätigkeitsbezogene Pflichtwidrigkeit im konkreten Verfahren ..................................................... 2. Tatsächlicher Anknüpfungspunkt ...................................... II. Nicht tätigkeitsbezogener Treuebruch ...................................... 1. Treuebruch durch Pflichtwidrigkeit ohne Bezug zur Tätigkeit im konkreten Verfahren ................................ XII

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Inhaltsverzeichnis Rn.

2. Tatsächlicher Anknüpfungspunkt ...................................... III. Kritik ........................................................................................ 1. Tätigkeitsbezogener Treuebruch ........................................ 2. Nicht tätigkeitsbezogener Treuebruch ................................ a) Charakterliche Eignung als Entlassungs- sowie Verwirkungsgrund ....................................................... b) Offenbarungspflicht vor Bestellung ............................. IV. Ergebnis .................................................................................... B. Begrenzung der Verwirkung – subjektive Seite der Treuepflichtverletzung ....................................................................................... I. Inhaltliche Maßstäbe ................................................................ II. Kritik ........................................................................................ 1. Unzureichende Bestimmtheit des Tatbestandsmerkmals der subjektiven Vorwerfbarkeit .......................................... 2. Lohnunwürdigkeit .............................................................. III. Ergebnis .................................................................................... C. Prüfung der Verwirkung bei Vergütungsfestsetzung durch das Insolvenzgericht ....................................................................... I. Grundsätzliches zur Festsetzung der Vergütung des Insolvenzverwalters ................................................................................. II. Zuständigkeit des Insolvenzgerichts – Prüfungskompetenz hinsichtlich der Verwirkung ..................................................... 1. Prüfungskompetenz des Insolvenzgerichts bei der Festsetzung der Vergütung im Allgemeinen – Berücksichtigung des materiellen Rechts ........................... 2. Statthaftigkeit der Prüfung der Vergütungsverwirkung nach § 654 BGB im Rahmen des Festsetzungsverfahrens ... a) Keine Kompetenz zur Überprüfung materiellen Rechts .......................................................................... b) Alternativer Lösungsansatz – Geltendmachung durch einen neu bestellten (Sonder-)Insolvenzverwalter ....... 3. Verstoß gegen das Recht auf den gesetzlichen Richter – Art. 101 GG ........................................................................ a) Das Recht auf den gesetzlichen Rechtspfleger ............ b) Berücksichtigung der Verwirkung der Vergütung als Verstoß gegen das Recht auf den gesetzlichen Richter .......................................................................... 4. Ergebnis ............................................................................. III. Hindernisse in der praktischen Rechtsanwendung des Verwirkungstatbestands im Vergütungsfestsetzungsverfahren ...... 1. Fachliche Schwierigkeiten bei Prüfung des Verwirkungstatbestands ..........................................................................

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Inhaltsverzeichnis Rn.

2. Unbestimmtheit der verwirkungsrelevanten Schwere der Pflichtverletzung .......................................................... 3. Strafbarkeit der Pflichtverletzung als Merkmal zur Bestimmung ihrer Schwere ................................................ a) Eigenständige Strafbarkeitsprüfung durch das Insolvenzgericht ................................................................... b) Erforderlichkeit einer strafgerichtlichen Verurteilung ... aa) Verwirkungstatbestand .......................................... bb) Beschränkte Aufklärungsmöglichkeiten des Insolvenzgerichts ............................................. cc) Konsequenzen einer von dem späteren Ergebnis des Strafprozesses abweichenden Beurteilung durch das Insolvenzgericht .................................... dd) Ergebnis ................................................................. c) Auswirkungen in der Praxis – Aussetzung des Verfahrens nach § 149 ZPO .................................. d) Zwischenergebnis ........................................................ 4. Rückforderung einer bereits festgesetzten und entnommenen Vergütung ............................................................... a) Rückforderungsmöglichkeiten vor Rechtskraft des Festsetzungsbeschlusses ........................................ b) Rückforderungsmöglichkeiten nach Rechtskraft des Festsetzungsbeschlusses ........................................ c) Zwischenergebnis ........................................................ 5. Ergebnis .............................................................................

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§ 7 Vereinbarkeit der Vergütungsverwirkung mit Art. 12 GG ..... 333 .... 159 A. Grundzüge des von Art. 12 GG vermittelten Schutzes ................... 336 .... 159 B. Beeinträchtigung des Schutzbereichs durch Vergütungsentfall ...... I. Eingriff in den Schutzbereich durch den Entfall der Vergütung ........................................................................... II. Rechtfertigung des Eingriffs ..................................................... 1. Gesetzesvorbehalt .............................................................. a) Zulässigkeit richterlicher Rechtsfortbildung im Rahmen des Art. 12 GG ............................................... b) Verwirkungskonstruktion als unzulässige Rechtsfortbildung ................................................................... 2. Verhältnismäßigkeit ........................................................... 3. Verwirkung des Auslagenerstattungsanspruchs .................

XIV

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Inhaltsverzeichnis Rn.

C. Beeinträchtigung des Schutzbereichs durch Offenbarungspflicht ..... I. Gesonderter Eingriff durch die Offenbarungspflicht des Verwalters .......................................................................... 1. Eingriff in den Schutzbereich ............................................. 2. Offenbarungspflicht als Eingriff auf Stufe des Berufszugangs .............................................................................. II. Rechtfertigung des Eingriffs ..................................................... 1. Gesetzesvorbehalt .............................................................. 2. Verhältnismäßigkeit ...........................................................

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D. „Ganz oder Garnicht Prinzip“ der Verwirkungsrechtsprechung ..... 377 .... 175 E. Ergebnis .......................................................................................... 380 .... 176 § 8 Alternative Lösungsmöglichkeiten ............................................. 383 .... 179 A. Vorüberlegungen ............................................................................ I. Fallgruppen ............................................................................... 1. Tätigkeitsbezogene Verwirkung (Fallgruppe 1) ................. 2. Verwirkung ohne Tätigkeitsbezug (Fallgruppe 2) ............. II. Grundlage alternativer Lösungsansätze .................................... 1. Rationalität der tätigkeitsbezogenen Vergütungsverwirkung (Fallgruppe 1) ..................................................................... a) Haftungsrechtliche Perspektive .................................... aa) Überkompensation bei paralleler Haftung ............. bb) Absicherung der Schadenskompensation durch eine eingeschränkte Verwirkungskonstruktion – „Abzugslösung“ ..................................................... cc) Interessenkonflikt .................................................. dd) Zwischenergebnis .................................................. b) Rechtspolitische Perspektive ........................................ c) Zwischenergebnis ........................................................ d) Schlussfolgerung .......................................................... 2. Rationalität der nicht tätigkeitsbezogenen Vergütungsverwirkung (Fallgruppe 2) ................................................. a) Haftungsrechtliche Perspektive .................................... aa) Haftung nach § 826 BGB – Vergütungsanspruch als Schaden ............................................................ bb) Haftung nach § 826 BGB – Mehrkosten des Verwalterwechsels als Schaden ....................... cc) Minderung des Vergütungsanspruchs um Mehrkosten – „Abzugslösung“ ......................................

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XV

Inhaltsverzeichnis Rn.

b) Rechtspolitische Perspektive ........................................ c) Zwischenergebnis ........................................................ d) Schlussfolgerung .......................................................... 3. Umgang mit Verfehlungen im Vergütungsfestsetzungsverfahren ............................................................................ a) Zuordnung zu bekannten Fallgruppen ......................... b) Schlussfolgerung .......................................................... B. Regelungsvorschlag ........................................................................ I. Vergütungsrechtlicher Ansatz .................................................. 1. Vergütungsregelung – E § 63 Abs. 4 InsO ......................... 2. Anwendungskompetenz vergütungsrechtlicher Regelungen – E § 63 Abs. 4 Satz 2 InsO .................................................. a) Geltendmachung durch einen neu bestellten Insolvenzverwalter ...................................................................... b) Prozessuale Möglichkeiten der Geltendmachung ........ aa) Vollstreckung des Vergütungsanspruchs in die Insolvenzmasse ................................................ bb) Rückforderung bereits erhaltener Vorschüsse ....... c) Ergebnis ....................................................................... 3. Keine eigenständige Offenbarungspflicht des Verwalters .... 4. Auslagenerstattungsanspruch ............................................. II. Berufsrechtliche Regelungen und Stärkung der Aufsicht ......... 1. Aufklärung von tätigkeitsbezogenem Fehlverhalten .......... 2. Aufklärung von nicht tätigkeitsbezogenem Fehlverhalten ... 3. Prävention durch Pflichtangaben bei Bestellung und Berufszulassungsregelungen ..............................................

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§ 9 Wesentliche Ergebnisse und Thesen der Arbeit ........................ 505 .... 227 Literaturverzeichnis ........................................................................................ 229 Stichwortverzeichnis ........................................................................................ 253

XVI

§ 1 Einleitung Schon die Konkursordnung von 1877 sah vor, dass der Konkursverwalter aus der 1 Masse zu vergüten ist.1) Diese auch in der Insolvenzordnung übernommene Vergütungskonzeption mag auf den ersten Blick paradox erscheinen, führt die Vergütung des Verwalters aus der Insolvenzmasse doch im Ergebnis zu einer Minderung der zur Befriedigung der Gläubiger verfügbaren Mittel.2) Unter Berücksichtigung der grundlegenden insolvenzrechtlichen Systematik wird jedoch deutlich, dass darin per se kein Widerspruch begründet ist. Durch das Tätigwerden des Verwalters kann die Durchführung des Insolvenzverfahrens und damit die Durchsetzung der Gläubigerrechte nämlich überhaupt erst gewährleistet werden.3) Die Vergütung des Verwalters mag also rechnerisch die Befriedigungsquote der Gläubiger verkürzen; sie ist aber die logische Konsequenz einer Tätigkeit, die eine Gläubigerbefriedigung möglich macht. Ohne Durchführung eines Insolvenzverfahrens und Bestellung eines Verwalters bestünde für Gläubiger nämlich vielmehr das Risiko, ihre Ansprüche gar nicht realisieren zu können. Die Vergütung des Verwalters entspricht daher im Rahmen der insolvenzrechtlichen Konzeption, unter Leitung des Insolvenzverwalters eine geordnete und gleichberechtigte Befriedigung der Gläubiger zu gewährleisten, prinzipiell sogar dem Interesse der Gläubiger und des Schuldners. Zwar wird im Rahmen des Verfahrens dennoch stets insoweit ein Spannungsverhältnis in der Vergütungskonzeption begründet sein, dass der Verwalter seinerseits ein Interesse an einer angemessenen – mithin mehr als kostendeckenden – Vergütung für seine Tätigkeit hat, während den Gläubigern und dem Schuldner hingegen daran gelegen ist, dass die Masse nicht über Gebühr durch den Vergütungsanspruch des Verwalters geschmälert wird.4) Grundlegende Zweifel an der Berechtigung der Vergütung des Verwalters für seine Tätigkeit bestehen aber insofern nicht. Anders mag dies allerdings dann zu beurteilen sein, sollte der Verwalter die Ziele des 2 Verfahrens durch die Art und Weise seiner Amtsführung gefährden. Die konzeptionelle Berechtigung der Vergütung des Verwalters für seine Tätigkeit scheint in solchen Fällen nämlich zu entfallen. Dies gilt beispielsweise dann, wenn sich der Verwalter im Kontext des Verfahrens schwere Verfehlungen – gegebenenfalls sogar kriminellen Ausmaßes – vorwerfen lassen muss, die insbesondere auch grundlegend seine Eignung für das Verwalteramt in Zweifel ziehen. Vor diesem Hintergrund widmete sich bereits Nehrkorn im Jahr 1931 der Fragestellung, inwiefern ungetreue ___________ 1) 2) 3) 4)

Konkursordnung vom 10.2.1877, RGBl. 1877, 351 ff.; § 51 KO lautete: „Massekosten sind: […] 2. Die Ausgaben für die Verwaltung, Verwerthung und Vertheilung der Masse […].“. Keller, Vergütung und Kosten, § 2 Rn. 20. Haarmeyer/Mock, InsVV, Vorb. Rn. 46. Vallender/Undritz/Hermann/Bähr/Fritz, Kap. 16 Rn. 1; Haarmeyer/Mock, InsVV, Vorb. Rn. 63.

1

§ 1 Einleitung

Konkursverwalter einen Anspruch auf Vergütung ihrer Tätigkeit haben können.5) Er sprach insofern die – wie zu zeigen sein wird – bis heute dogmatisch nicht zufriedenstellend gelöste Problematik an, ob und inwieweit sich Pflichtverletzungen des Insolvenzverwalters auf dessen Vergütungsanspruch auswirken können.

3 Die praktisch weiterhin aktuelle Frage6) Nehrkorns könnte man inzwischen zwar als rechtsdogmatisch geklärt betrachten, hat die Rechtsprung doch bereits vor über 20 Jahren zur Lösung der Problematik im Wege richterlicher Rechtsfortbildung die Konstruktion der Vergütungsverwirkung auch für den Insolvenzverwalter aus der Taufe gehoben. Danach verwirkt dieser bei besonders schwerwiegenden Verfehlungen – wie beispielsweise im Falle der Untreue – seinen Anspruch auf eine Vergütung.7) Bei näherer Betrachtung zeigt sich allerdings, dass die Konsistenz der richterrechtlichen Lösung nicht nur aufgrund von dogmatischen Bedenken, sondern auch mit Blick auf die praktische Rechtsanwendung zweifelhaft ist. Mit der Konstruktion der Rechtsprechung wird das Spannungsverhältnis, in dem sich der Anspruch auf die Verwaltervergütung bewegt, nämlich nur vordergründig aufgelöst. Tatsächlich werden durch die Verwirkungskonstruktion vielmehr weitere, zum Teil verdeckte Interessenkonflikte hervorgerufen.

4 Zielsetzung der folgenden Untersuchung ist es daher, diese Bedenken im Einzelnen aufzuzeigen und sodann einen alternativen Regelungsvorschlag zu entwickeln. Im Ausgangspunkt gilt es dazu zunächst, die rechtlichen Hintergründe der Problematik zu verdeutlichen. Zentraler Bestandteil der Untersuchung ist vor allem eine Analyse der Verwirkungskonstruktion der Rechtsprechung. Dabei werden im Einzelnen die Defizite dieses an die Verwirkung des Maklerlohns nach § 654 BGB anknüpfenden Lösungsansatzes dargelegt. In diesem Zusammenhang ist es für ein näheres Verständnis unerlässlich, auch die weit zurückreichende Entwicklung der Verwirkungsrechtsprechung innerhalb anderer Berufsgruppen genauer zu untersuchen. Fragestellungen zur Verwirkung der Vergütung haben nämlich sowohl Rechtsprechung als auch Literatur nicht nur auf dem Gebiet des Maklerrechts bereits ausgiebig beschäftigt.

___________ 5) 6)

7)

2

Nehrkorn, KuT 1931, 120, mit dem Aufsatztitel: „Haben ungetreue Konkursverwalter und Vertrauenspersonen Anspruch auf Auslagenersatz und Vergütung für ihre Tätigkeit?“. So kommt es nach wie vor zu Untreuehandlungen von Insolvenzverwaltern, Vallender, NZI 2017, 641, 644; siehe beispielsweise Hannoversche Allgemeine Zeitung v. 26.6.2014: „Ein Insolvenzverwalter soll abkassiert haben“; Stuttgarter Zeitung v. 23.3.2016: „Betrüger kassiert mehr als fünf Jahre Haft“, abrufbar unter https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.prozess-betruegerkassiert-mehr-als-fuenf-jahre-haft.4dc69798-dfaf-48c1-901c-912ca50f02fd.html, zuletzt abgerufen am 9.8.2023; siehe auch HambKommInsO/Frind, InsO, § 58 Rn. 4. St. Rspr. BGH, Beschl. v. 6.5.2004 – IX ZB 349/02, BGHZ 159, 122; BGH, Beschl. v. 22.11.2018 – IX ZB 14/18, NJW 2019, 935; BGH, Beschl. v. 12.9.2019 – IX ZB 76/18, ZInsO 2019, 2290.

§ 1 Einleitung

Die Ergebnisse der Untersuchung des dogmatischen Ansatzes der Rechtsprechung 5 sollen sodann den Ausgangspunkt zur Entwicklung eines alternativen Konzeptes bilden. Vor dem Hintergrund des Ursprungs der Problematik in einem pflichtwidrigen Verhalten des Insolvenzverwalters sind aber auch rechtspolitische Erwägungen zu präventiven und verhaltenssteuernden Aspekten rechtlicher Regelungssysteme einzubeziehen. Diese Überlegungen erstrecken sich abschließend auch auf die schon seit längerer Zeit schwelenden Diskussionen um die Einführung eines Berufsrechts für Insolvenzverwalter und die Stärkung der Aufsicht des Insolvenzgerichts.

3

§ 2 Grundsätzliches und Herleitung der Problemstellung A. Grundsätzliches I.

Der Vergütungsanspruch des Insolvenzverwalters

1.

Grundzüge des Vergütungsanspruchs

Die gesetzliche Grundlage der Vergütung des (vorläufigen) Insolvenzverwalters bil- 6 den die in § 63 InsO getroffenen Regelungen.8) Nach § 63 Abs. 1 InsO hat der Insolvenzverwalter einen Anspruch auf Vergütung für seine Geschäftsführung sowie Erstattung angemessener Auslagen. Auch wenn der Wortlaut der Vorschrift insoweit zunächst einen anderen Anschein erweckt, ist für den Anspruch zentral, dass insbesondere die Vergütung angemessen zu sein hat.9) Die Vorgabe der Angemessenheit folgt bereits unmittelbar aus dem verfassungsrechtlichen Schutz des Anspruchs des Verwalters aus Art. 12 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG.10) Zur konkreten Bestimmung einer angemessenen Vergütung dient als Berechnungsgrundlage der Wert der Insolvenzmasse zur Zeit der Verfahrensbeendigung. Ausgehend davon ist die sogenannte Regelvergütung des Verwalters an Hand von Staffelsätzen zu ermitteln.11) Allerdings sind in Anbetracht der Schwierigkeit oder des Umfangs der Geschäftsführung auch Abweichung von der Regelvergütung sowohl in Form einer Erhöhung aber auch einer Kürzung möglich.12) Konkretisiert wird dieser grundlegende Vergütungsrahmen der Insolvenzordnung durch die Bestimmungen der Insolvenzrechtlichen Vergütungsordnung (InsVV).13) In dieser ist unter anderem geregelt, wie die für die Berechnung der Regelvergütung maßgebliche Insolvenzmasse im Einzelnen zu bestimmen ist, welche Staffelsätze jeweils Anwendung finden und auch in welchen Fällen ein Übersteigen des Regelsatzes oder Zurückbleiben hinter diesem gerechtfertigt ist. Als Kosten des Verfahrens im Sinne des § 54 Nr. 2 InsO nehmen die Ansprüche des Verwalters auf Vergütung sowie Erstattung von Auslagen den Rang von Masseverbindlichkeiten nach § 53 InsO ein.14) Der Vergütungsanspruch des Verwalters ist daher vorweg aus der Masse zu befriedigen.15)

___________ 8) 9) 10) 11) 12) 13)

Uhlenbruck/Mock, InsO, § 63 Rn. 1; MüKoInsO/Stephan, InsO, § 63 Rn. 1 ff. MüKoInsO/Stephan, InsO, § 63 Rn. 1; Keller, Vergütung und Kosten, § 2 Rn. 83. Uhlenbruck/Mock, InsO, § 63 Rn. 5; Stephan/Riedel, InsVV, Einl. Rn. 27. Zimmer, InsVV, § 2 Rn. 1. HK-InsO/Keller, InsO, § 63 Rn. 39. Nerlich/Römermann/Stephan, InsVV, § 1 Rn. 1; K. Schmidt/Vuia, InsO, § 63 Rn. 23 ff.; MüKoInsO/Stephan, InsO, § 63 Rn. 1. 14) Jaeger/Schilken, InsO, § 63 Rn. 29; Gottwald/Haas/Pechartscheck, § 22 Rn. 17. 15) Nerlich/Römermann/Weiß, InsO, § 63 Rn. 6; Jaeger/Schilken, InsO, § 63 Rn. 29.

5

§ 2 Grundsätzliches und Herleitung der Problemstellung

2.

Auswirkungen von Pflichtverletzungen auf den Vergütungsanspruch

7 Nach der insolvenzrechtlichen Vergütungskonzeption sind Pflichtverletzungen des Verwalters und entsprechende Einwände einer mangelhaften oder erfolglosen Geschäftsführung für das Bestehen und die Höhe des Vergütungsanspruchs grundsätzlich ohne Bedeutung.16) Weder die InsO noch die InsVV sehen insofern gewährleistungsrechtliche Regelungen oder anderweitige Bestimmungen zum Umgang mit Pflichtverletzungen des Verwalters vor.17) Hintergrund dessen ist die rechtliche Ausgestaltung der Verwaltervergütung. Faktisch hat der Vergütungsanspruch zwar einen Erfolgscharakter, da der wirtschaftliche Erfolg der Tätigkeit des Verwalters insoweit maßgeblich für die Vergütung ist, dass eine höhere Insolvenzmasse im Ergebnis auch eine höhere Regelvergütung bedeutet.18) Rechtlich ist die Vergütung aber dennoch als Tätigkeitsvergütung und nicht als Erfolgshonorar konzipiert.19) Vergütet wird nicht die Herbeiführung eines bestimmten Verwertungserfolges, sondern die Übernahme der Geschäftsführung. Bezugspunkt der Vergütung ist somit die tatsächlich erbrachte Tätigkeit als solche.20)

8 Vor dem Hintergrund der Festsetzung der Vergütung des Verwalters durch das Insolvenzgericht nach Maßgabe des § 64 InsO ließe sich zwar daran denken, dass das Gericht bei etwaigen Pflichtverletzungen oder anderweitigen Verfehlungen des Verwalters gegebenenfalls dennoch dazu berechtigt sein könnte, in eigener Ermessensausübung die Vergütung zu kürzen. Zum Zeitpunkt des Festsetzungsverfahrens ist der Vergütungsanspruch durch die tatsächliche Aufnahme der Tätigkeit des Insolvenzverwalters allerdings einerseits bereits entstanden und andererseits hat der Festsetzungsbeschluss auch nur deklaratorische Bedeutung.21) Durch den Festsetzungsbeschluss wird lediglich die Höhe des Vergütungsanspruchs konkretisiert und der Verwalter zur Entnahme einer entsprechenden Vergütung aus der Masse berechtigt.22) Bei der Bestimmung der Höhe des Anspruchs ist das Insolvenzgericht dabei grundsätzlich auch an die gesetzlich vorgesehenen Regelsätze sowie die in der InsVV vor-

___________ 16) BGH, Beschl. v. 6.5.2004 – IX ZB 349/02, BGHZ 159, 122, 130; BGH, Beschl. v. 6.11.2014 – IX ZB 90/12, ZIP 2014, 2450 Rn.12; Uhlenbruck/Mock, InsO, § 63 Rn. 45; K. Schmidt/Vuia, InsO, § 63 Rn. 8; HK-InsO/Keller, InsO, § 63 Rn. 8. 17) Uhlenbruck/Mock, InsO, § 63 Rn. 45; Haarmeyer/Mock, InsVV, Vorb. Rn. 92b. 18) HK-InsO/Keller, InsO, § 63 Rn. 8, 13 f.; Nerlich/Römermann/Weiß, InsO, § 63 Rn. 4. 19) MüKoInsO/Stephan, InsO, § 63 Rn. 23; K. Schmidt/Vuia, InsO, § 63 Rn. 8. 20) K/P/B/Prasser/Stoffler, InsVV, Vor. § 1 Rn. 15; Haarmeyer/Mock, InsVV, Vorb. Rn. 86 f. 21) BGH, Urt. v. 5.12.1991 – IX ZR 275/90, BGHZ 116, 233, 242; MüKoInsO/Stephan, InsO, § 63 Rn. 23; Jaeger/Schilken, InsO, § 63 Rn. 6, 8. 22) BGH, Urt. v. 5.12.1991 – IX ZR 275/90, BGHZ 116, 233, 242 f.; BGH, Urt. v. 17.11.2005 – IX ZR 179/04, BGHZ, 165, 96, 101; Uhlenbruck/Mock, InsO, § 63 Rn. 54; K. Schmidt/Vuia, InsO, § 63 Rn. 7; MüKoInsO/Stephan, InsO, § 63 Rn. 23.

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A. Grundsätzliches

gesehenen Zu- und Abschlagstatbestände gebunden und kann die Angemessenheit der Vergütung nicht in freiem Ermessen eigenständig bestimmen.23)

3.

Auswirkungen der Entlassung des Verwalters auf den Vergütungsanspruch

Im Rahmen seiner Aufsicht über den Insolvenzverwalter hat das Insolvenzgericht als 9 „ultima ratio“ zwar die Möglichkeit, den Verwalter nach § 59 Abs. 1 Satz 1 InsO aus wichtigem Grund aus seinem Amt zu entlassen.24) Einen wichtigen Grund im Sinne des § 59 InsO stellen dabei insbesondere erhebliche Pflichtverletzungen des Verwalters bei der Amtsführung dar.25) Dennoch hat auch der aus wichtigem Grund entlassene Verwalter einen grundsätzlich vollwertigen Anspruch auf Vergütung für seine bisher erbrachte Tätigkeit.26) Insofern kann die auch auf einer Pflichtverletzung des Verwalters beruhende Entlassung nicht per se zu einer Minderung der Vergütung des Verwalters führen. Auch die bei vorzeitiger Beendigung des Verwalteramts nach Maßgabe des § 3 10 Abs. 2 lit. c) InsVV vorgesehene Kürzung der Vergütung vermag hieran nichts zu ändern. Da sich eine vorzeitige Beendigung auch aus der Entlassung des Verwalters nach § 59 InsO ergeben kann,27) ließe sich zwar daran denken, dass Pflichtwidrigkeiten insofern doch zu einer Kürzung der Vergütung führen können. Allerdings knüpft die Vergütungskürzung nach § 3 Abs. 2 lit. c) InsVV systematisch alleine an den vorzeitigen Abbruch der Tätigkeit des Insolvenzverwalters an. Die Abschlagsregelung soll vor allem dem Umstand Rechnung tragen, dass aufgrund der zeitlich verkürzten Geschäftsführung des Insolvenzverwalters Teile der zu erbringenden Arbeit noch unerledigt sind, die in der Folge noch vom neu eingesetzten Verwalter ausgeführt werden müssen oder deren Erledigung bei Einstellung des Verfahrens ohnehin obsolet wird.28) Der Grund der vorzeitigen Beendigung des Verwalteramtes ist für den Abschlag von der Regelvergütung also ohne Bedeutung, sodass auch potenzielle Pflichtverletzungen des Verwalters an dieser Stelle irrelevant sind.29) ___________ 23) Zimmer, InsVV, § 8 Rn. 86 f. 24) Uhlenbruck/Vallender/Zipperer, InsO, § 59 Rn. 1; K. Schmidt/Ries, InsO, § 59 Rn. 1. 25) BGH, Beschl. v. 19.1.2012 – IX ZB 21/11, NJW-RR 2012, 952 Rn. 10; BGH, Beschl. v. 25.9.2014 – IX ZB 11/14, NZI 2015, 20 Rn. 7 f.; Uhlenbruck/Vallender/Zipperer, InsO, § 59 Rn. 8 f.; K/P/B/Lüke, InsO, § 59 Rn. 4. 26) BGH, Beschl. v. 6.5.2004 – IX ZB 349/02, BGHZ 159, 122, 130; Uhlenbruck/Vallender/ Zipperer, InsO, § 59 Rn. 28; K. Schmidt/Ries, InsO, § 59 Rn. 20. 27) Haarmeyer/Mock, InsVV, § 3 Rn. 115, 117; Zimmer, InsVV, § 3 Rn. 214; HK-InsO/Keller, InsVV, § 3 Rn. 22. 28) BGH, Beschl. v. 16.12.2004 – IX ZB 301/03, NZI 2005, 161; Zimmer, InsVV, § 3 Rn. 215 ff.; Nerlich/Römermann/Stephan, InsVV, § 3 Rn. 47. 29) Zimmer, InsVV, § 3 Rn. 218; anders aber Haarmeyer/Mock, InsVV, § 3 Rn. 117.

7

§ 2 Grundsätzliches und Herleitung der Problemstellung

II. Geltendmachung von Gegenansprüchen 11 Angesichts potenzieller Pflichtverletzungen des Insolvenzverwalters drängt sich aber die Frage auf, inwiefern zumindest aus der persönlichen Haftung des Verwalters nach den §§ 60 ff. InsO resultierende Schadensersatzansprüche unmittelbar gegen dessen Vergütungsanspruch vorgebracht werden können, insbesondere, ob derartige Gegenansprüche bei Festsetzung der Vergütung vom Insolvenzgericht zu berücksichtigen sind.

1.

Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen

12 Eine Berücksichtigung im Wege der Aufrechnung gegen den Vergütungsanspruch ist jedenfalls umstritten. Teilweise wird angenommen, eine Aufrechnung sei im Festsetzungsverfahren zumindest dann denkbar, wenn der Insolvenzrichter das Verfahren nach § 18 Abs. 2 Satz 3 RPflG an sich gezogen habe, da nur dem Richter und nicht dem grundsätzlich nach § 3 Nr. 2 lit. e) RPflG zuständigen Rechtspfleger die Entscheidungskompetenz über einen möglichen materiell-rechtlichen Gegenanspruch zukomme.30) Ausgangspunkt dieser Argumentation bildet die Rechtsprechung des IX. Senates des Bundesgerichtshofs zur Möglichkeit der Geltendmachung von Gegenansprüchen im Vergütungsfestsetzungsverfahren.31) Der Senat lehnt nämlich sowohl die Möglichkeit der Aufrechnung als auch die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts ab und verweist zur Begründung auf die mangelnde Zuständigkeit des Rechtspflegers.32)

13 Insofern ist zwar das Ergebnis des Senats überzeugend, nicht aber die Begründung, da der Verweis auf funktionelle Zuständigkeiten innerhalb des Insolvenzgerichts zu kurz greift. Denn im Rahmen des Festsetzungsverfahrens ist es generell – und unabhängig von den konkreten Zuständigkeiten oder fachlichen Kompetenzen – nicht möglich, Gegenansprüche geltend zu machen, da dies im Widerspruch zur prozessualen Funktion des Festsetzungsverfahrens sowie der Funktion und Stellung des Insolvenzgerichts im Insolvenzverfahren stünde.33) Die Möglichkeit der Geltendmachung von Gegenansprüchen durch Aufrechnung oder Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts ist mithin nicht davon abhängig, ob der Rechtspfleger oder der Rich___________ 30) Uhlenbruck/Mock, InsO, § 63 Rn. 47; Haarmeyer/Mock, InsVV, Vorbem. Rn. 91; Mock, EWiR 2015, 51, 52. 31) BGH, Urt. v. 5.1.1995 – IX ZR 241/93, ZIP 1995, 290, 291; BGH, Beschl. v. 6.11.2014 – IX ZB 90/12, ZIP 2014, 2450. 32) BGH, Beschl. v. 6.11.2014 – IX ZB 90/12, ZIP 2014, 2450 Rn. 9 f.; siehe dazu kritisch Knapp, Die Vergütung des Insolvenzverwalters, S. 157 ff., der meint, dass auch bei Zuständigkeit des Rechtspflegers die Möglichkeit der Aufrechnung bzw. der „Liquidation von Schadensersatzansprüchen“ bestehen müsse. 33) Keller, NZI 2015, 48; K/P/B/Prasser/Stoffler, InsVV, Vor. § 1 Rn. 22 f.; im Ergebnis wohl auch BGH, Beschl. v. 6.11.2014 – IX ZB 90/12, ZIP 2014, 2450 Rn. 10; K. Schmidt/Vuia, InsO, § 64 Rn. 18.

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A. Grundsätzliches

ter zuständig ist.34) Aufgabe des Insolvenzgerichts ist es nämlich, die Aufsicht über den Insolvenzverwalter auszuüben, sowie das Verfahren zu leiten und zu überwachen, ohne aber dass dem Gericht dabei die Kompetenz zukäme, über materiell-rechtliche Fragen wie beispielsweise das Bestehen von Gegenforderungen zu entscheiden.35) Eine Entscheidung über materiell-rechtliche Ansprüche kann daher auch dann nicht stattfinden, wenn ausnahmsweise der Richter nach § 18 Abs. 2 Satz 3 RPflG zuständig ist.36) Zur Durchsetzung von materiell-rechtlichen Gegenansprüchen dient nicht das Festsetzungsverfahren, sondern der Klageweg des Zivilprozesses.37) Selbst wenn man die Möglichkeit der Aufrechnung im Rahmen des Festsetzungs- 14 verfahrens annehmen würde, dürfte ein entsprechendes Verlangen allerdings ohnehin selten erfolgreich sein, da zumindest die materiellen Aufrechnungsvoraussetzungen regelmäßig nicht vorliegen werden. Bereits die Gegenseitigkeit der Forderungen ist nur in bestimmten Fällen zu bejahen. Mit Blick auf den Rang des Vergütungsanspruchs als Masseverbindlichkeit nach den §§ 53, 54 Nr. 2 InsO38) kommt als Gegenanspruch nur ein Schadensersatzanspruch zu Gunsten der Insolvenzmasse gegenüber dem Insolvenzverwalter aufgrund eines Gesamtschadens in Betracht.39) Dieser kann aber während des Insolvenzverfahrens gegenüber dem Insolvenzverwalter gemäß § 92 Satz 2 InsO wiederum nur durch einen neu bestellten Verwalter geltend gemacht werden.40) Bevor es überhaupt zur Geltendmachung eines aufrechenbaren Gegenanspruchs im Festsetzungsverfahren kommen könnte, müsste also zunächst ein neuer Verwalter bestellt worden sein.41) Weiterhin würde das Bestehen einer Aufrechnungslage voraussetzen, dass die For- 15 derung, mit der aufgerechnet werden soll – mithin der Schadensersatzanspruch ge-

___________ 34) Keller, NZI 2015, 48. 35) BGH, Beschl. v. 6.5.2004 – IX ZB 349/02, BGHZ 159, 122, 134; Frege/Keller/Riedel, Handbuch Insolvenzrecht, Teil 1 Rn. 37; aus rechtgeschichtlichem Blickwinkel auch Baur/Stürner, Insolvenzrecht, Rn. 3.30. 36) Keller, NZI 2015, 48; K/P/B/Prasser/Stoffler, InsVV, Vor. § 1 Rn. 23. 37) K/P/B/Prasser/Stoffler, InsVV, Vor. § 1 Rn. 23; Keller, NZI 2015, 48. 38) Uhlenbruck/Mock, InsO, § 63 Rn. 66; MüKoInsO/Stephan, InsO, § 63 Rn. 34. 39) Uhlenbruck/Mock, InsO, § 63 Rn. 47; vgl. zum Gesamtschaden ausführlich MüKoInsO/Gehrlein, InsO, § 92 Rn. 11 ff. 40) K. Schmidt/K. Schmidt, InsO, § 92 Rn. 22; K/P/B/Lüke, InsO, § 92 Rn. 63; HK-InsO/J. Schmidt, InsO, § 92 Rn. 50; wird der ehemalige Verwalter ersetzt, kann der neu bestellte Nachfolger den Schaden geltend machen; reicht der Pflichtverstoß hingegen nicht für eine Entlassung aus, kann ein Sonderinsolvenzverwalter eingesetzt werden, siehe HK-InsO/J. Schmidt, InsO, § 92 Rn. 58 ff.; zu den Anforderungen an die Bestellung eines Sonderinsolvenzverwalters BGH, Beschl. v. 21.7.2016 – IX ZB 58/15, NZI 2016, 831. 41) Anders hingegen Knapp, Die Vergütung des Insolvenzverwalters, S. 161, der die Regelung des § 92 Satz 2 InsO im Rahmen des Festsetzungsverfahrens über eine teleologische Reduktion nicht zur Anwendung kommen lassen will.

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§ 2 Grundsätzliches und Herleitung der Problemstellung

gen den Insolvenzverwalter –, feststeht sowie fällig und durchsetzbar ist.42) Sofern dies noch nicht endgültig geklärt ist, fehlt es also ebenfalls an einer Aufrechnungslage.43) Gleiches gilt umgekehrt für den Vergütungsanspruch des Insolvenzverwalters, der vor der Festsetzung durch das Insolvenzgericht auch noch nicht endgültig feststeht.44)

16 Im Ergebnis können also materiell-rechtliche Schadensersatzansprüche nur nach Abschluss des Vergütungsfestsetzungsverfahrens durch Aufrechnung als Einwendung gegenüber einem bereits festgesetzten und damit titulierten Vergütungsanspruch im Rahmen einer Vollstreckungsabwehrklage nach §§ 767 Abs. 1, 794 Abs. 1 Nr. 3, 795 ZPO, § 4 InsO vom neu bestellten Verwalter geltend gemacht werden.45) Keine Anwendung findet in diesem Fall aus prozessrechtlichen Gründen der Präklusionseinwand nach § 767 Abs. 2 ZPO.46) Voraussetzung zur Erhebung der Klage ist aber auch in diesem Fall, dass der Schadensersatzanspruch zumindest fällig ist.47) Umgekehrt kann nach Festsetzung der Vergütung der Insolvenzverwalter ebenfalls die Aufrechnung mit seinem Vergütungsanspruch gegen Schadensersatzansprüche erklären.48)

2.

Zurückbehaltungsrecht

17 Auch zum Zurückbehaltungsrecht wird mit gleicher Argumentation wie zur Aufrechnung vertreten, dem Insolvenzgericht komme im Festsetzungsverfahren bei Zuständigkeit des Richters die Kompetenz zu, ein Zurückbehaltungsrecht gegenüber dem Vergütungsanspruch des Verwalters zu Gunsten der Masse anzuerkennen.49) Jedoch gilt hinsichtlich eines allgemeinen Zurückbehaltungsrechts nach § 273 BGB ebenfalls, dass ein solches Gestaltungsrecht dem materiellen Recht zuzuordnen ist und das Festsetzungsverfahren keinen Raum für die Geltendmachung bietet, da das Insolvenzgericht schon nicht befugt ist, über materiell-rechtliche Ansprüche zu entscheiden.50) Somit kann ein Zurückbehaltungsrecht zu Gunsten der Masse unabhängig von den materiellen Voraussetzungen des § 273 BGB im Festsetzungsverfahren ___________ 42) BGH, Beschl. v. 20.6.1951 – GS Z 1/51, BGHZ 2, 300, 302; MüKoBGB/Schlüter, BGB, § 387 Rn. 36; Staudinger/Bieder/Gursky, BGB, § 387 Rn. 171, 179, 182 ff. 43) Keller, NZI 2015, 48. 44) BGH, Urt. v. 17.11.2005 – IX ZR 179/04, BGHZ 165, 96, 105 f. 45) BGH, Urt. v. 5.1.1995 – IX ZR 241/93, ZIP 1995, 290, 291; K/P/B/Prasser/Stoffler, InsVV, Vor. § 1 Rn. 23; Uhlenbruck/Mock, InsO, § 63 Rn. 51; Braun/Blümle, InsO, § 64 Rn. 11. 46) BGH, Beschl. v. 6.11.2014 – IX ZB 90/12, ZIP 2014, 2450 Rn. 12; Uhlenbruck/Mock, InsO, § 63 Rn. 51. 47) Keller, NZI 2015, 48. 48) BGH, Urt. v. 17.11.2005 – IX ZR 179/04, BGHZ 165, 96, 105 f.; Haarmeyer/Mock, InsVV, Vorbem. Rn. 91. 49) Uhlenbruck/Mock, InsO, § 63 Rn. 48; Haarmeyer/Mock, InsVV, Vorbem. Rn. 92a; Mock, EWiR 2015, 51, 52. 50) Keller, NZI 2015, 48.

10

A. Grundsätzliches

nicht geltend gemacht werden.51) Auf materiell-rechtlicher Ebene müsste zudem – parallel zur Aufrechnung – der Gegenanspruch gegen den Verwalter bereits fällig sein, um ein Zurückbehaltungsrecht zu Gunsten der Masse begründen zu können.52) Als ein das Zurückbehaltungsrecht rechtfertigender Gegenanspruch käme dabei zwar ein Schadensersatzanspruch zu Gunsten der Masse gegen den Verwalter in Betracht, jedoch müsste dieser zum Zeitpunkt des Vergütungsfestsetzungsverfahrens bereits abschließend geprüft und festgestellt sein.53)

3.

Zwischenergebnis

Im Festsetzungsverfahren besteht somit nicht die Möglichkeit, Gegenansprüche gegen 18 den Insolvenzverwalter durch Aufrechnung oder durch Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts geltend zu machen. Dem Insolvenzgericht kommt nämlich im Festsetzungsverfahren nicht die Kompetenz zu, materiell-rechtliche Ansprüche zu überprüfen. Dies wäre aber Voraussetzung, um über Bestehen und Durchsetzbarkeit der vorgebrachten Gegenansprüche zu entscheiden.

4.

Keine „Kürzung“ der Vergütung durch Geltendmachung von Gegenansprüchen

Ohnehin darf bei der Diskussion über die Möglichkeit der Aufrechnung im und auch 19 nach dem Festsetzungsverfahren nicht aus dem Blickfeld geraten, dass die Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen selbst bei Berücksichtigung im Festsetzungsverfahren keine unmittelbare Kürzung des Vergütungsanspruchs zur Folge hätte. Irreführend ist daher auch, wenn der Bundesgerichtshof formuliert, dass „der Einwand mangelhafter oder erfolgloser Leistung – von der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen abgesehen – die Höhe der Vergütung grundsätzlich nicht zu beeinflussen vermag“.54) Missverständlich ist diese Formulierung deshalb, da sich durch die Verrechnung der gegenseitigen Ansprüche tatsächlich nur der schließlich an den Verwalter auszukehrende Betrag verringert, nicht aber die Höhe der vom Insolvenzgericht festgesetzten Vergütung. Die Aufrechnung stellt nämlich nur ein Erfüllungssurrogat dar.55) Folglich haftet die Insolvenzmasse dem Insolvenzverwalter für seinen Vergütungsanspruch bei Aufrechnung im Ergebnis in gleicher Höhe wie auch bei einer Erfüllung der Ansprüche Zug um Zug.56)

___________ 51) 52) 53) 54) 55) 56)

Im Ergebnis auch BGH, Beschl. v. 6.11.2014 – IX ZB 90/12, ZIP 2014, 2450 Rn. 7, 10. Siehe ausführlich zum Erfordernis der Fälligkeit MüKoBGB/Krüger, BGB, § 273 Rn. 30 ff. Keller, NZI 2015, 48. BGH, Beschl. v. 6.5.2004 – IX ZB 349/02, BGHZ 159, 122, 130. MüKoBGB/Schlüter, BGB, § 387 Rn. 1; Dauner-Lieb/Langen/Wermeckes, BGB, § 387 Rn. 2. Vgl. zu diesem Gedanken im Hinblick auf das Dienstvertragsrecht Kaiser, JA 2012, 279, 280.

11

§ 2 Grundsätzliches und Herleitung der Problemstellung

20 Das Resultat bleibt somit das gleiche: Pflichtverletzungen oder eine vermeintlich mangelhafte Geschäftsführung haben keinen Einfluss auf das Bestehen und die Höhe des Vergütungsanspruchs des Insolvenzverwalters. Dies gilt entsprechend auch im Hinblick auf die Rechtsfolge eines möglichen Zurückbehaltungsrechts.

III. Vergütungskürzung durch das Insolvenzgericht bei Verletzung von vergütungsrechtlichen Tatbeständen der InsVV 21 Die grundsätzliche Systematik der Insolvenzverwaltervergütung, wonach Pflichtverletzungen des Verwalters auf Bestehen und Höhe seines Vergütungsanspruchs keinen Einfluss haben, wird nur in zwei Fallgestaltungen durchbrochen. In diesen kann das Insolvenzgericht bei Verletzung von bestimmten in der InsVV geregelten Tatbeständen den Vergütungsanspruch ausnahmsweise im Festsetzungsverfahren kürzen.57) Zum einen kommt eine unmittelbare Kürzung der Vergütung im Festsetzungsverfahren durch das Insolvenzgericht nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in den Fällen der unrechtmäßigen Delegation von „besonderen Aufgaben“ im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 3 InsVV in Betracht.58) Zum anderen ist eine Vergütungskürzung durch das Insolvenzgericht aber auch möglich, wenn eine Tätigkeit tatsächlich nicht als „Einsatz besonderer Sachkunde“ im Sinne von § 5 InsVV einzuordnen ist.59)

1.

Unrechtmäßige Delegation an Dritte § 4 Abs. 1 Satz 3 InsVV

22 Nach § 4 Abs. 1 Satz 3 InsVV hat der Insolvenzverwalter zur Erledigung besonderer Aufgaben im Rahmen des Insolvenzverfahrens die Möglichkeit, Dienst- oder Werkverträge mit externen Vertragspartnern abzuschließen. Wird der jeweilige Vertrag mit externen Dritten dabei vom Verwalter im Namen der Masse begründet, entsteht auf diese Weise eine Masseverbindlichkeit gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO, die der Verwalter bei Vorliegen einer „besonderen Aufgabe“ durch Zahlung einer angemessenen Vergütung begleichen darf.60) Dazu ist es dem Verwalter gemäß § 4 Abs. 1 Satz 3 InsVV gestattet, den beanspruchten Betrag bei Fälligkeit eigenständig aus

___________ 57) Siehe dazu ausführlich Knapp, Die Vergütung des Insolvenzverwalters, S. 146 ff. 58) BGH, Beschl. v. 11.11.2004 – IX ZB 48/04, NJW 2005, 903; BGH, Beschl. v. 19.4.2012 – IX ZB 23/11, ZInsO 2012, 928 Rn. 20; BGH, Beschl. v. 14.11.2012 – IX ZB 95/10, ZInsO 2013, 152 Rn. 7; BGH, Beschl. v. 4.12.2014 – IX ZB 60/13, ZIP 2015, 138 Rn. 18. 59) Vgl. BGH, Beschl. v. 11.11.2004 – IX ZB 48/04, NJW 2005, 903; Knapp, Die Vergütung des Insolvenzverwalters, S. 147. 60) MüKoInsO/Riedel, InsVV, § 5 Rn. 9; vgl. zur Einschaltung externer Dienstleister im eigenen Namen des Verwalters BGH, Beschl. v. 14.7.2016 – IX ZB 62/15, NZI 2016, 802 Rn. 28; Haarmeyer/Mock, InsVV, § 4 Rn. 23 ff.

12

A. Grundsätzliches

der Masse zu entnehmen. Die Entnahme des Betrages bedarf dabei keiner vorherigen Festsetzung oder Genehmigung durch das Insolvenzgericht.61) Allerdings ist das Insolvenzgericht im Rahmen des Vergütungsfestsetzungsverfah- 23 rens berechtigt und verpflichtet zu prüfen, ob es sich bei den ausgelagerten Tätigkeiten tatsächlich um „besondere Aufgaben“ gehandelt hat oder lediglich um „allgemeine Geschäfte“, die eine Beauftragung Externer nicht rechtfertigen können.62) In der Konsequenz richtet sich somit auch die Rechtmäßigkeit einer Entnahme zur Vergütung externer Dritter nach der Rechtmäßigkeit der vorausgegangenen Delegation der Aufgaben. Unter Berücksichtigung der vom Verwalter nach Maßgabe des § 8 Abs. 2 InsVV dem Antrag auf Vergütung beizufügenden Angaben hinsichtlich der besonderen Aufgaben prüft das Insolvenzgericht demnach im Ergebnis, ob die Entnahme der Beträge aus der Masse rechtmäßig und pflichtgemäß war.63) Kommt das Insolvenzgericht bei der Überprüfung zu dem Ergebnis, dass die Beauftragung Externer nicht gerechtfertigt und daher auch die Entnahme aus der Masse pflichtwidrig war, ist es dazu berechtigt, die Vergütung des Verwalters unmittelbar um den zu Unrecht aus der Masse entnommenen Betrag zu kürzen.64) Abstrakt betrachtet bedeutet dies, dass das Insolvenzgericht in diesem Fall – ab- 24 weichend von der grundsätzlichen Systematik – wegen einer Pflichtverletzung des Verwalters zur Kürzung seines Vergütungsanspruchs berechtigt ist. Beauftragt der Insolvenzverwalter nämlich externe Dritte und belastet so die Insolvenzmasse, ohne dass die Anforderungen des § 4 Abs. 1 Satz 3 InsVV vorliegen, liegt darin eine Pflichtverletzung,65) die im Ergebnis zur Vergütungskürzung führt. Denn dabei handelt es sich nicht um einen Abschlag im Sinne des § 3 Abs. 2 InsVV, sondern um eine unmittelbare Kürzung.66)

2.

Unrechtmäßige „interne Delegation“ § 5 InsVV

In Abgrenzung zur Vergütung von externen Beauftragten ist in § 5 InsVV die Mög- 25 lichkeit der gesonderten Entnahme aus der Masse für den Fall geregelt, dass ein Insolvenzverwalter zur Bewältigung von „besonderen Aufgaben“ i. S. d. § 4 Abs. 1 Satz 3 InsVV aufgrund eigener Qualifikation nicht der Einschaltung Dritter bedarf, ___________ 61) MüKoInsO/Stephan, InsVV, § 9 Rn. 3; Haarmeyer/Mock, InsVV, § 4 Rn. 2; vgl. zu § 5 InsVV auch Stephan/Riedel/Riedel, InsVV, § 5 Rn. 1. 62) BGH, Beschl. v. 11.11.2004 – IX ZB 48/04, NJW 2005, 903; BGH, Beschl. v. 3.7.2008 – IX ZB 167/07, BeckRS 2008, 14059 Rn. 9; BGH, Beschl. v. 4.12.2014 – IX ZB 60/13, ZIP 2015, 138 Rn. 18 (m. w. N.). 63) Haarmeyer/Mock, InsVV, § 5 Rn. 42. 64) St. Rspr. BGH, Beschl. v. 11.11.2004 – IX ZB 48/04, NJW 2005, 903; BGH, Beschl. v. 19.4.2012 – IX ZB 23/11, ZInsO 2012, 928 Rn. 20; BGH, Beschl. v. 4.12.2014 – IX ZB 60/13, ZIP 2015, 138 Rn. 18; Keller, Vergütung und Kosten, § 2 Rn. 192. 65) Haarmeyer/Mock, InsVV, § 4 Rn. 81. 66) Knapp, Die Vergütung des Insolvenzverwalters, S. 147 f.; Lissner, ZInsO 2018, 1602, 1603.

13

§ 2 Grundsätzliches und Herleitung der Problemstellung

sondern selbst tätig wird. Die Regelung trägt insofern dem Umstand Rechnung, dass ein Insolvenzverwalter, der über solche Spezialqualifikationen verfügt, die es ihm ermöglichen, besondere Aufgaben selbst wahrzunehmen, seine Fähigkeiten nicht unentgeltlich zur Verfügung stellen muss, sondern für seine Tätigkeit eine gesonderte Vergütung verlangen können soll.67) Voraussetzung für die Gewährung einer entsprechenden Vergütung und Erstattung von Auslagen ist gemäß § 5 InsVV, dass so eine vom Insolvenzverwalter selbst erbrachte Tätigkeit vergütet wird, die bei einem allgemein qualifizierten Verwalter kostenträchtig auf einen externen Fachmann ausgelagert worden wäre.68) In Absatz 1 der Norm wird der Fall geregelt, dass der als Rechtsanwalt zugelassene Insolvenzverwalter Tätigkeiten, die ein nicht als Rechtsanwalt zugelassener Verwalter an einen externen Rechtsanwalt hätte delegieren müssen, selbst wahrnimmt, und somit nach Maßgabe des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes gesondert Gebühren und Auslagen aus der Insolvenzmasse entnehmen darf. Gesondert zu vergüten sind gemäß Absatz 2 der Vorschrift auch Wirtschaftsprüfer, Steuerberater und andere besonders qualifizierte Verwalter, auf die Absatz 1 entsprechende Anwendung findet. Auch bei Einsatz der eigenen Fachkompetenz bzw. einer internen Delegation im Sinne des § 5 InsVV setzt die Entnahme der Vergütung keine gesonderte Genehmigung oder Festsetzung durch das Insolvenzgericht voraus.69)

26 Bis jetzt hat der Bundesgerichtshof zu einer Kürzung der Vergütung originär nur in Sachverhaltskonstellationen entschieden, denen eine unrechtmäßige Delegation von Aufgaben an externe Dritte im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 3 InsVV zu Grunde lag. Zumindest hat der IX. Senat aber geäußert, dass die Tätigkeiten nach § 5 InsVV mit den „besonderen Aufgaben“ nach § 4 Abs. 1 Satz 3 InsVV gleichzusetzen seien.70) Insbesondere könne die Regelung des § 5 InsVV dazu herangezogen werden, um zu bestimmen, ob es sich bei der von Dritten wahrgenommen Tätigkeit um eine „besondere Aufgabe“ handelt.71) Maßstab zur Bestimmung des Vorliegens einer „besonderen Aufgabe“ nach § 4 Abs. 1 Satz 3 InsVV ist orientiert an § 5 InsVV insoweit, ob ein besonders qualifizierter – beispielsweise als Rechtsanwalt zugelassener – Insolvenzverwalter für die eigene Ausführung der Tätigkeit selbst eine besondere Vergütung aus der Masse hätte entnehmen dürfen.72) Sind die Voraussetzungen des § 5 InsVV erfüllt, kann daher immer auch die Delegationsfähigkeit nach § 4 Abs. 1 Satz 3 InsVV bejaht werden.73) Dieser Gleichlauf der Normen spricht im Ergebnis dafür, ___________ 67) Nerlich/Römermann/Stephan, InsVV, § 5 Rn. 2; K/P/B/Stoffler, InsVV, § 5 Rn. 2. 68) BGH, Beschl. v. 11.11.2004 – IX ZB 48/04, NJW 2005, 903; MüKoInsO/Riedel, InsVV, § 5 Rn. 4; Nerlich/Römermann/Stephan, InsVV, § 5 Rn. 2 f. 69) MüKoInsO/Stephan, InsVV, § 9 Rn. 3; Stephan/Riedel/Riedel, InsVV, § 5 Rn. 1. 70) BGH, Beschl. v. 11.11.2004 – IX ZB 48/04, NJW 2005, 903. 71) BGH, Beschl. v. 11.11.2004 – IX ZB 48/04, NJW 2005, 903; BGH, Beschl. v. 4.12.2014 – IX ZB 60/13, ZIP 2015, 138 Rn. 18. 72) BGH, Beschl. v. 4.12.2014 – IX ZB 60/13, ZIP 2015, 138 Rn. 18. 73) Ganter, ZInsO 2016, 677, 678.

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A. Grundsätzliches

dass das Insolvenzgericht die Vergütung des Verwalters auch dann um den entnommenen Betrag kürzen kann, wenn der Verwalter zur Vergütung der eigenen Aufgabenerfüllung nach § 5 InsVV unrechtmäßig Beträge aus der Insolvenzmasse entnommen hat.74) Für die Möglichkeit der Kürzung des Vergütungsanspruchs bei Entnahme entgegen den Voraussetzungen des § 5 InsVV spricht dabei auch, dass eine Kürzung in diesem Fall vergleichsweise geringe Auswirkungen auf die endgültige Vergütung des Verwalters hat. Entnimmt der Verwalter nämlich bereits während des Verfahrens zur eigenen Vergütung für von ihm erbrachte „besondere Aufgaben“ Beträge aus der Masse und wird sein Vergütungsanspruch vom Insolvenzgericht wieder um diesen Betrag gekürzt, so erhält der Verwalter im Ergebnis eine Vergütung, die sich in der Höhe nicht von dem Betrag unterscheidet, den er auch ohne die unrechtmäßige Entnahme als Regelvergütung erhalten hätte. Durch die Kürzung wird dem Verwalter mithin der Vergütungsanspruch nur um den Betrag gekürzt, der ihm für die vermeintliche Erfüllung „besonderer Aufgaben“ ohnehin nicht zustand. Entnimmt der Verwalter demgegenüber Beträge, um gemäß § 4 Abs. 1 Satz 3 InsVV mit „besonderen Aufgaben“ betraute Dritte zu vergüten, und wird sein Vergütungsanspruch vom Insolvenzgericht um diesen Betrag gekürzt, so erhält der Verwalter im Ergebnis eine im Vergleich zur Regelvergütung tatsächlich gekürzte Vergütung. Denn in diesem Fall floss der ursprünglich entnommene Betrag nicht ihm, sondern dem beauftragten Dritten zu. Dogmatisch ist die unrechtmäßige Entnahme aus der Masse entgegen den Voraus- 27 setzungen des § 5 InsVV wie auch eine unrechtmäßige Delegation von Aufgaben an Dritte dabei als Pflichtverletzung des Verwalters zu qualifizieren. Denn im Hinblick auf die Entsprechung der Tätigkeiten im Sinne des § 5 InsVV mit den „besonderen Aufgaben“ gemäß § 4 Abs. 1 Satz 3 InsVV ist für die beiden Tatbestände keine unterschiedliche Bewertung eines Fehlverhaltens gerechtfertigt.75) Im Ergebnis bedeutet dies, dass zumindest eine Pflichtverletzung des Verwalters in 28 Gestalt der Verletzung der Rechte und Pflichten aus § 4 Abs. 1 Satz 3 sowie aus § 5 InsVV ausnahmsweise doch unmittelbar Einfluss auf die Höhe seines Vergütungsanspruchs haben kann.

___________ 74) BGH, Beschl. v. 11.11.2004 – IX ZB 48/04, NJW 2005, 903; Stephan/Riedel/Riedel, InsVV, § 5 Rn. 8; Nerlich/Römermann/Stephan, InsVV, § 5 Rn. 12; MüKoInsO/Stephan, InsVV, § 5 Rn. 8. 75) Vgl. zur Entsprechung der Tätigkeiten von § 5 InsVV mit den besonderen Aufgaben des § 4 Abs. 1 Satz 3 InsVV BGH, Beschl. v. 11.11.2004 – IX ZB 48/04, NJW 2005, 903.

15

§ 2 Grundsätzliches und Herleitung der Problemstellung

B. Problemstellung I.

Vergütungsrechtliche Problematik

29 Aus der bisherigen Darstellung wurde deutlich, dass Pflichtverletzungen – von zwei spezifischen Fallgestaltungen abgesehen – grundsätzlich keine Bedeutung für den Vergütungsanspruch des Verwalters haben. Insbesondere kann die Höhe der Vergütung nicht durch den Einwand beeinflusst werden, der Verwalter habe eine Schlechtleistung erbracht oder seine Geschäftsführung sei erfolglos gewesen. Pflichtverletzungen des Verwalters können zwar durch gegen ihn gerichtete Schadensersatzansprüche rechnerisch im Ergebnis zu einer Kürzung des Vergütungsanspruchs führen, indem dieser nach Festsetzung durch das Insolvenzgericht mit entsprechenden Gegenansprüchen verrechnet wird. Der Vergütungsanspruch selbst aber wird nicht unmittelbar gekürzt. Nur dann, wenn der Verwalter gegen die in § 4 Abs. 1 Satz 3 und § 5 InsVV geregelten Vergütungstatbestände verstößt, kann ein insofern pflichtwidriges Handeln zu einer Kürzung des Vergütungsanspruchs führen. Die Kürzung der Vergütung findet ihre Rechtfertigung in diesen Fällen aber nicht in einer Schlechtleistung oder der Verletzung von insolvenzrechtlichen Pflichten des Verwalters im Allgemeinen. Zwar ist bei unrechtmäßiger Belastung der Masse durch die Beauftragung von Dritten oder einer unrechtmäßigen Entnahme aus der Insolvenzmasse letztlich auch die insolvenzspezifische Pflicht des Verwalters betroffen, die Masse zu erhalten und vor einer Schmälerung zu bewahren.76) Denn pflichtwidrig handelt der Insolvenzverwalter sowohl, wenn er die Masse – durch eigene Entnahme – aktiv mindert, als auch dann, wenn er – durch Delegation von Aufgaben an Dritte – die Forderungen gegen die Masse erhöht.77) Jedoch beruht die Kürzung der Vergütung bei Delegationsfällen unmittelbar auf der Verletzung von besonderen, die Vergütungsfestsetzung betreffenden Pflichten des Insolvenzverwalters aus der InsVV. Insofern erfolgt auch keine im Ermessen des Gerichts stehende Minderung der Vergütung, sondern nur eine Verrechnung der pflichtwidrig herbeigeführten Mehrbelastung der Masse mit dem Vergütungsanspruch des Verwalters. Einwendungen hinsichtlich einer vermeintlichen Schlechtleistung oder mangelhaften Geschäftsführung haben somit auch in diesen Fällen keinen Einfluss auf den Vergütungsanspruch des Insolvenzverwalters.

30 Demnach gilt nach der insolvenzrechtlichen Vergütungskonzeption, dass Pflichtverletzungen sowie der Einwand einer mangelhaften oder erfolglosen Leistung ohne Bedeutung für das Bestehen und die Höhe des Vergütungsanspruchs des Insolvenzverwalters sind.

___________ 76) Vgl. ausführlich zur Massesicherungspflicht des Verwalters MüKoInsO/Schoppmeyer, InsO, § 60 Rn. 15 ff.; K. Schmidt/Thole, InsO, § 60 Rn. 9 f. 77) Uhlenbruck/Sinz, InsO, § 60 Rn. 26.

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B. Problemstellung

II. Verwirkungskonstruktion der Rechtsprechung Die Rechtsprechung hat jedoch in richterlicher Rechtsfortbildung einen Lösungs- 31 ansatz entwickelt, der es ermöglicht, dem Insolvenzverwalter die Vergütung in bestimmten Fällen vollständig zu versagen. Teilweise formuliert der Bundesgerichtshof, der Verwalter sei von der Festsetzung der Vergütung „ausgeschlossen“;78) in jüngeren Entscheidungen findet sich demgegenüber vorwiegend der Begriff der „Verwirkung“ der Vergütung.79) Die Terminologie „Verwirkung des Vergütungsanspruchs“ erinnert zwar unmittelbar an die Verwirkung eines Anspruchs wegen missbräuchlicher Rechtsausübung durch widersprüchliches Verhalten im Sinne des § 242 BGB.80) Das Lösungskonzept der Rechtsprechung hat aber einen anderen dogmatischen Ansatz. Den Entfall des Vergütungsanspruchs des Insolvenzverwalters leitet die Rechtsprechung nämlich vielmehr aus der maklerrechtlichen Vorschrift des § 654 BGB her. Nach § 654 BGB ist der Anspruch auf den Maklerlohn und den Ersatz von Aufwendungen ausgeschlossen, wenn der Makler dem Inhalt des Vertrags zuwider für den anderen Teil tätig gewesen ist. Grundsätzlich regelt die Norm also die Verwirkung des Lohnanspruchs eines Maklers.81) Die Rechtsprechung sieht in der maklerrechtlichen Regelung allerdings über ihren Wortlaut hinaus einen allgemeinen Rechtsgedanken verkörpert, wonach derjenige seinen Lohnanspruch verwirke, der „vorsätzlich oder grob leichtfertig die ihm obliegende Treuepflicht so schwerwiegend verletzt, dass er sich seines Lohnes als unwürdig erweist“.82) Entsprechend diesem allgemeinen Rechtsgedanken könne auch der Insolvenzverwalter seinen Lohnanspruch verwirken, wenn er sich treuwidrig verhalte und sich dadurch seines Lohnes als unwürdig erweise. Insbesondere vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlichen Schutzes des Lohnanspruchs durch Art. 12 Abs. 1 GG komme der Ausschluss der Vergütung nach dem Rechtsgedanken des § 654 BGB unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes aber nur in Ausnahmefällen in Betracht.83) Insofern ist nach Auffassung des Bundesgerichtshofs auch nur ein vollständiger Wegfall des Vergütungsanspruchs ___________ 78) BGH, Beschl. v. 6.5.2004 – IX ZB 349/02, BGHZ 159, 122; BGH, Beschl. v. 9.6.2011 – IX ZB 248/09, NZI 2011, 760. 79) BGH, Beschl. v. 14.7.2016 – IX ZB 52/15, NZI 2016, 892; BGH, Beschl. v. 21.9.2017 – IX ZB 28/14, NZI 2017, 988; BGH, Beschl. v. 22.11.2018 – IX ZB 14/18, NJW 2019, 935; allerdings inzwischen wieder BGH, Beschl. v. 12.9.2019 – IX ZB 76/18, ZInsO 2019, 2290 „Versagung der Vergütung“. 80) Siehe zur Verwirkung nach § 242 BGB BGH, Urt. v. 27.6.1957 – II ZR 15/56, BGHZ 25, 47, 51 ff.; Staudinger/Looschelders/Olzen, BGB, § 242 Rn. 300; MüKoBGB/Schubert, BGB, § 242 Rn. 336 ff. 81) Vgl. MüKoBGB/Althammer, BGB, § 654 Rn. 1. 82) BGH. Beschl. v. 6.5.2004 – IX ZB 349/02, BGHZ 159, 122, 131 f.; BGH, Beschl. v. 22.11.2018 – IX ZB 14/18, NJW 2019, 935 Rn. 16; BGH, Beschl. v. 12.9.2019 – IX ZB 76/18, ZInsO 2019, 2290 Rn. 9; siehe dazu ausführlich unten Rn. 76 ff. 83) BGH. Beschl. v. 6.5.2004 – IX ZB 349/02, BGHZ 159, 122, 132; BGH, Beschl. v. 22.11.2018 – IX ZB 14/18, NJW 2019, 935 Rn. 26 f.; BGH, Beschl. v. 12.9.2019 – IX ZB 76/18, ZInsO 2019, 2290 Rn. 9.

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§ 2 Grundsätzliches und Herleitung der Problemstellung

im Sinne eines „Ganz oder Garnicht Prinzips“ möglich.84) Dies begründet der für das Insolvenzrecht zuständige IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs zum einen damit, dass eine Minderung der Vergütung dem Charakter des Anspruchs als Tätigkeitsvergütung widerspreche, der eine Kürzung der Vergütung grundsätzlich nicht vorsehe.85) Zum anderen würde die Möglichkeit der Minderung des Vergütungsanspruchs unter Heranziehung des § 654 BGB dazu führen, dass der Anwendungsbereich des aus der Vorschrift folgenden allgemeinen Rechtsgedankens auf Pflichtverletzungen erstreckt werde, die unter Berücksichtigung des verfassungsrechtlichen Schutzes nach Art. 12 GG keinen Ausschluss der Vergütung rechtfertigten.86)

32 Denkbar ist die Verwirkung des Anspruchs des Verwalters auf eine angemessene Vergütung dabei konkret in über eine allgemein erfolglose oder vermeintlich mangelhafte Geschäftsführung hinausgehenden Fällen. Ein solch besonders schwerwiegender und zur Verwirkung führender Fall ist beispielsweise in einer Untreue des Insolvenzverwalters zu Lasten der Masse begründet.87) Verwirkungsrelevant kann aber nach der Rechtsprechung auch das Verhalten des Verwalters bereits im Vorfeld seiner Bestellung sein, sodass die richterrechtlich entwickelte Verwirkungskonstruktion nicht ausschließlich auf Pflichtverletzungen des Insolvenzverwalters bei Ausübung des Verwalteramts beschränkt ist.88) Nach der Rechtsprechung verwirkt der Insolvenzverwalter seinen Vergütungsanspruch nämlich beispielsweise auch dann, wenn er das Insolvenzgericht bei Bestellung über seine Qualifikation täuscht.89) Gleiches soll in dem Fall gelten, dass es der Insolvenzverwalter unterlässt, das Insolvenzgericht bei Bestellung über sein grob pflichtwidriges Verhalten in anderen Verfahren zu informieren.90)

III. Keine überzeugende Problemlösung durch die Rechtsprechung 33 Im Ausgangspunkt nachvollziehbar erscheint die Verwirkungsrechtsprechung dann, wenn sie an die Bedeutung von Pflichtverletzungen des Insolvenzverwalters im Rahmen seiner konkreten Tätigkeit in einem Insolvenzverfahren anknüpft. Denn besonders bei schwerwiegenden Verfehlungen des Verwalters im Rahmen seiner Geschäftsführung scheint die Ausgestaltung seines Vergütungsanspruchs als Tätigkeitsvergütung zu unbilligen Ergebnissen zu führen. Aus dem Blickwinkel der Billigkeit drängt sich die Frage geradezu auf, warum sogar ein Insolvenzverwalter, der die Masse durch ___________ 84) 85) 86) 87)

BGH, Beschl. v. 22.11.2018 – IX ZB 14/18, NJW 2019, 935 Rn. 25. BGH, Beschl. v. 22.11.2018 – IX ZB 14/18, NJW 2019, 935 Rn. 24 f. BGH, Beschl. v. 22.11.2018 – IX ZB 14/18, NJW 2019, 935 Rn. 25. LG Konstanz, Beschl. v. 15.9.1999 – 6 T 38/99, ZInsO 1999, 589; LG München II, Beschl. v. 29.7.2003 – 7 T 5001/00, ZInsO 2003, 910; BGH, Beschl. v. 22.11.2018 – IX ZB 14/18, NJW 2019, 935; MüKoInsO/Stephan, InsO, § 63 Rn. 29. 88) MüKoInsO/Stephan, InsO, § 63 Rn. 30; Keller, Vergütung und Kosten, § 2 Rn. 76 ff. 89) BGH, Beschl. v. 6.5.2004 – IX ZB 349/02, BGHZ 159, 122. 90) BGH, Beschl. v. 14.7.2016 – IX ZB 52/15, NZI 2016, 892.

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B. Problemstellung

schwere Verfehlungen in Form von Straftaten rechtswidrig geschmälert und möglicherweise sogar Gelder zu eigenen Gunsten veruntreut hat, für eine solche „Geschäftsführung“ dennoch eine Vergütung verlangen können soll. Weit entfernt vom ursprünglichen Kern der Problematik und auch nicht mehr un- 34 mittelbar nachvollziehbar erscheint hingegen die im Rahmen der Verwirkungsrechtsprechung festzustellende Verknüpfung des Vergütungsentfalls mit dem Vorwurf eines pflichtwidrigen Verhaltens im Vorfeld des Verfahrens. Denn weder die Täuschung über die eigene Qualifikation noch die unterbliebene Offenlegung von Fehlverhalten in anderen Verfahren stellt ein Verhalten des Verwalters dar, das unmittelbar zu einer Verkürzung der Insolvenzmasse zu Lasten der Gläubiger führen würde.91) Losgelöst von der dahinterstehenden dogmatischen Konstruktion – die, wie zu zeigen sein wird, im Ergebnis auch nicht zu überzeugen vermag – ist insoweit auch unklar, wie es sachlich gerechtfertigt sein kann, dass ein Insolvenzverwalter für eine im Übrigen beanstandungsfreie Amtsführung keine Vergütung verlangen können soll, nur weil er das mit seiner Bestellung in ihn gesetzte Vertrauen des Insolvenzgerichts enttäuscht haben soll. Mag die Erweiterung des Anwendungsbereichs der Verwirkung auf den über eine nicht vorhandene Qualifikation täuschenden Verwalter aufgrund der damit verbundenen Straftat nach § 132a StGB92) zumindest im Ansatz noch einleuchtend sein, erscheint ein Vergütungswegfall wegen der unterbliebenen Aufklärung von Pflichtwidrigkeiten in anderen Verfahren jedoch äußerst zweifelhaft. Auf diese Weise wird nämlich ohne jegliche gesetzliche Anknüpfung eine Aufklärungspflicht des Verwalters begründet, deren Verletzung zum Verlust des Vergütungsanspruchs führen soll. Insofern erscheint es auch naheliegend, dass eine derartige Erweiterung der Verwirkungskonstruktion auch auf Pflichtwidrigkeiten bei der Bestellung im Ergebnis zu einer Disziplinierung von Verwaltern insbesondere im Rahmen des Auswahlverfahrens dienen soll. Dabei mag die Disziplinierung von Berufsgruppen mit treuhänderischen Aufgaben grundsätzlich zwar ein legitimes Ziel darstellen. Jedoch erscheint es weder rechtlich überzeugend noch praktisch sinnvoll, das Vergütungsrecht zu Disziplinierungs- und Pönalisierungszwecken zu instrumentalisieren; dies müsste vielmehr Aufgabe eines Berufsrechts sein.93) Abgesehen von der Nachvollziehbarkeit der Vergütungsversagung aus Gerechtig- 35 keitserwägungen oder rechtspolitischen Gründen zeigt sich aus dogmatischer Sicht aber vor allem, dass die an § 654 BGB anknüpfende Konstruktion der Rechtsprechung keine konsistente rechtliche Grundlage zur Annahme einer Verwirkung des Vergü-

___________ 91) HambKommInsO/Büttner, InsO, § 63 Rn. 62. 92) Im Folgenden werden alle unter diese Norm fallenden strafrechtlich relevanten Handlungen als „Titelmissbrauch“ bezeichnet. 93) Vgl. zu diesem Gedanken Knauth, VIA 2020, 4, 5; HambKommInsO/Büttner, InsO, § 63 Rn. 62; Vallender/Undritz/Hermann/Bähr/Fritz, Kap. 16 Rn. 405; ausführlich dazu siehe Rn. 489 ff.

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§ 2 Grundsätzliches und Herleitung der Problemstellung

tungsanspruchs des Insolvenzverwalters bietet.94) Bereits die von der Rechtsprechung vorgenommene Erweiterung des Anwendungsbereichs des § 654 BGB innerhalb des Maklerrechts auf andere Fälle als eine vertragswidrige Doppeltätigkeit wird im Schrifttum kritisch gesehen.95) Umso mehr muss die ohne gesetzliche Grundlage allein durch richterrechtliche Rechtsfortbildung entwickelte Ausdehnung eines in § 654 BGB enthaltenen Rechtsgedankens auf den insolvenzrechtlichen Vergütungsanspruch des Insolvenzverwalters auf Ablehnung stoßen. Auch wenn die Versagung der Vergütung in manchen Fällen aus Billigkeitsgründen nachvollziehbar erscheinen mag, darf dabei die grundsätzliche rechtsdogmatische Problematik nicht übergangen werden, ob eine für den Insolvenzverwalter derart einschneidende Rechtsfolge ohne unmittelbare gesetzliche Grundlage allein auf eine richterrechtlich entwickelte Konstruktion gestützt werden kann. Insbesondere gilt dies vor dem Hintergrund des Schutzes des Vergütungsanspruchs des Insolvenzverwalters durch Art. 12 Abs. 1 GG. Gemessen hieran stellt sich der Ausschluss der Vergütung mittels der von der Rechtsprechung entwickelten Verwirkungskonstruktion sogar in Teilen als verfassungswidrig dar.

36 Auch inhaltlich stößt die Rechtsprechung auf Bedenken, da die für die Verwirkung entwickelten tatbestandlichen Elemente zu unbestimmt sind; etwa wenn ohne nähere Erläuterungen auf „Treuepflichten des Insolvenzverwalters“ abgestellt wird oder aus dem Fehlverhalten des Verwalters für ihn die Konsequenz folgen soll, dass er des Lohnes „unwürdig“ erachtet wird.

37 Die von der Rechtsprechung entwickelte Konstruktion der Verwirkung des Vergütungsanspruchs kann somit im Ergebnis insgesamt nicht überzeugen. Sowohl grundlegende Gerechtigkeitserwägungen als auch rechtlich-dogmatische Unstimmigkeiten führen dies vor Augen. Insbesondere die Heranziehung des § 654 BGB als rechtliche Grundlage der Verwirkung im Sinne eines allgemeinen Rechtsgedankens macht dies deutlich. Aus dogmatischen und systematischen Gründen sollte die zivilrechtliche Verantwortlichkeit des Insolvenzverwalters vielmehr ausschließlich auf Schadensersatzansprüche beschränkt werden.96) Unabhängig hiervon gilt es zudem noch zu erwägen, gesonderte berufsrechtliche Regeln für Insolvenzverwalter zu entwickeln.

C. Bedeutung für die Rechtspraxis 38 Die Verwirkung des Vergütungsanspruchs stellt keine nur aus dogmatischer Sicht begründete Problematik rein theoretischer Natur dar. Auch für die Praxis ist die Möglichkeit der Vergütungsverwirkung von wesentlicher Bedeutung. Zuallererst stellt ___________ 94) Ebenfalls kritisch Vallender/Undritz/Hermann/Bähr/Fritz, Kap. 16 Rn. 405; Zimmer, InsVV, § 8 Rn. 100; Ahrens, NJW 2019, 890, 892; Bartels, WM 2004, 1328; Zimmer, EWiR 2020, 49 f.; wohl auch Jaeger/Schilken, InsO § 63 Rn. 28. 95) Vgl. nur Staudinger/Arnold, BGB, § 654 Rn. 15; MüKoBGB/Althammer, BGB, § 654 Rn. 2; siehe ausführlich zur Regelung des § 654 BGB noch unten unter Rn. 76 ff. 96) Graeber, EWiR 2001, 241, 242.

20

C. Bedeutung für die Rechtspraxis

die Gefahr des Verlustes des Vergütungsanspruchs für den Insolvenzverwalter ein erhebliches wirtschaftliches Risiko dar. Dabei dürfen insbesondere solche Fälle nicht außer Acht gelassen werden, bei denen die dem Verwalter vorgeworfene Pflichtwidrigkeit noch nicht die Qualität einer Straftat erreicht, die Sanktion eines vollständigen Vergütungsentfalls ihn aber dennoch in wirtschaftlich erheblichem Umfang treffen kann. Doch auch für die mit der Vergütungsfestsetzung betrauten Insolvenzgerichte ist die 39 Vergütungsverwirkung von erheblicher Relevanz. Ihnen kommt nämlich die Aufgabe der konkreten Anwendung der von der Rechtsprechung zur Verwirkung aufgestellten Grundsätze auf eine Vielzahl ganz unterschiedlich gelagerter Sachverhalte zu. Bei der praktischen Rechtsanwendung können sich für die Insolvenzgerichte daher Schwierigkeiten und Unsicherheiten bei der Festsetzung der Vergütung ergeben.

I.

Insolvenzverwalter

Die Qualität der Person des Verwalters und die Art und Weise seiner Verfahrensab- 40 wicklung ist maßgeblich für den Erfolg des Verfahrens und die Erreichung der von § 1 InsO definierten Ziele.97) Bereits die Auswahl des Verwalters wird vor diesem Hintergrund nach wie vor als „Schicksalsfrage des Verfahrens“ beschrieben.98) Daher sind an einen im Sinne des § 56 InsO „geeigneten und geschäftskundigen“ Verwalter hohe Anforderungen hinsichtlich seiner Qualifikation zu stellen.99) Von wesentlicher Bedeutung ist dabei vor allem die fachliche Eignung des Verwalters.100) In Frage kommen daher insbesondere auf die Insolvenzverwaltung spezialisierte Akteure. Für solch hochqualifizierte Spezialisten ist die Tätigkeit als Insolvenzverwalter allerdings nur dann dauerhaft erstrebenswert, wenn die Verwaltung auch wirtschaftlich attraktiv ist und mithin durch die Amtsübernahme eine über die Kostendeckung hinausgehende Vergütung erzielt werden kann.101) Die Vergütung des Insolvenzverwalters hat daher für die erfolgreiche Abwicklung von Insolvenzen eine hohe Bedeutung. In erster Linie betreffen solche praktischen Überlegungen zur wirtschaftlichen Bedeutung der Vergütung zwar die gesetzliche Ausgestaltung der vergütungsrechtlichen Regelungen zu einer „angemessenen Vergütung“. Relevanz haben sie allerdings auch im Hinblick auf einen möglichen vollständigen Vergütungsentfall. Denn durch die Konstruktion der Rechtsprechung zur Verwirkung können rechtliche Unsicherheiten entstehen, die auf die wirtschaftliche Attraktivität der Übernahme des Verwalteramts erhebliche ___________ 97) MüKoInsO/Graeber, InsO, § 56 Rn. 1. 98) Ursprünglich bereits Jaeger, KO, 6./7. Aufl., 1936, § 78 Anm. 7; Uhlenbruck/Zipperer, InsO, § 56 Rn. 1; K. Schmidt/Ries, InsO, § 56 Rn. 1; Holzer/Kleine-Cosack/Prütting, Die Bestellung des Insolvenzverwalters, S. 1. 99) MüKoInsO/Graeber, InsO, § 56 Rn. 12; Uhlenbruck/Zipperer, InsO, § 56 Rn. 1. 100) Vallender/Undritz/Küpper/Heinze, Kap. 3 Rn. 7. 101) Graeber, FS Kayser 2019, S. 287, 290.

21

§ 2 Grundsätzliches und Herleitung der Problemstellung

Auswirkungen haben. Insbesondere die von der Rechtsprechung geforderte Offenbarungspflicht von Pflichtverletzungen in anderen Verfahren bei Bestellung birgt erhebliche Unsicherheiten und Risiken für die Verwalter.

II. Insolvenzgerichte 41 Die von der Rechtsprechung entwickelte Verwirkungskonstruktion ist auch im Hinblick auf den Ablauf des Vergütungsfestsetzungsverfahrens und die diesbezüglichen Kompetenzen des Insolvenzgerichts nicht unproblematisch. Bedenken ergeben sich bereits vor dem Hintergrund, dass für die Festsetzung der Vergütung des Insolvenzverwalters ebenso wie des vorläufigen Verwalters nach Maßgabe des § 18 RPflG nach Eröffnung des Verfahrens funktionell grundsätzlich nicht der Richter, sondern der Rechtspfleger zuständig ist.102) Doch insbesondere für den Rechtspfleger, der im Übrigen bei Festsetzung der Vergütung gerade keine materiell-rechtlichen Fragen zu prüfen hat, dürfte die Entscheidung bisweilen schwierig zu treffen sein, ob eine verwirkungsrelevante Verfehlung des Insolvenzverwalters anzunehmen ist.103) Daran anknüpfende Unsicherheiten – insbesondere hinsichtlich der Subsumtion eines Sachverhalts unter die Anforderungen für eine Verwirkung – bestünden jedoch selbst dann, wenn ein Richter das Verfahren nach § 18 Abs. 2 RPflG an sich ziehen würde. Denn auch hinsichtlich potenzieller Straftaten, die eine zur Verwirkung des Anspruchs ausreichende Schwere der Pflichtverletzung begründen könnten, stellte sich sodann – sowohl für den Rechtspfleger als auch für den Richter – die Frage, ob bereits ein entsprechendes Ermittlungsverfahren ausreichend ist, die Straftat bereits zu einer Verurteilung geführt haben muss oder zumindest für das Insolvenzgericht feststehen muss.104) Insofern bestehen sowohl für einen Richter als auch für einen Rechtspfleger aufgrund der unklaren tatbestandlichen Ausgestaltung der Verwirkungskonstruktion durch die Rechtsprechung erhebliche Unsicherheiten bei der Rechtsanwendung. Solche Unsicherheiten bergen regelmäßig die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen bei Festsetzung der Vergütung. Denn die konkreten Voraussetzungen für die Annahme einer Verwirkung können unterschiedlich verstanden und ausgelegt werden, was wiederum auch auf Seiten der Verwalter Unsicherheiten begründen wird.

___________ 102) BGH, Beschl. v. 22.9.2010 – IX ZB 195/09, NZI 2010, 977 Rn. 25; Haarmeyer/Mock, InsVV, § 8 Rn. 29; Mohrbutter/Ringstmeier/Meyer/Wirth, Kap. 35 Rn. 11. 103) Lissner, ZInsO 2017, 754, 755. 104) Lissner, ZInsO 2017, 754, 755.

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§ 3 Die Entwicklung der Rechtsprechung zur Verwirkung der Insolvenzverwaltervergütung A. Rechtsprechung der Instanzgerichte I.

Erste Entscheidung zur Vergütung eines „ungetreuen“ Konkursverwalters

Erstmals im Jahr 1959 sah sich auch die Rechtsprechung – und zwar das Landgericht 42 Stade – mit der Fragestellung konfrontiert, wie ein „ungetreuer Konkursverwalter“ zu vergüten sei.105) Zu diesem Zeitpunkt richtete sich der Vergütungsanspruch des Verwalters nach § 85 Abs. 1 KO und der Verwalter wurde entsprechend der Terminologie der Konkursordnung als „Konkursverwalter“ bezeichnet.106) Zuvor hatte sich – soweit ersichtlich – seit Inkrafttreten der Konkursordnung im Jahr 1877 noch kein Gericht mit der Frage des Verlusts der Vergütung eines Konkurs- bzw. Insolvenzverwalters beschäftigt.107) Das Landgericht Stade vertrat seinerzeit die Auffassung, maßgebend für die Entscheidung, ob und in welchem Umfange dem ungetreuen Konkursverwalter eine Vergütung für seine Tätigkeit zu gewähren sei, könne nur sein, ob und inwieweit seine Tätigkeit der Konkursmasse oder seinem Nachfolger als Konkursverwalter noch zugutekomme.108) In dem zu entscheidenden Fall hatte der Konkursverwalter die gesamte Konkursmasse von 6.000 DM bis auf einen Betrag von 7,76 DM für sich verbraucht.109) Bei einer solchen Fallgestaltung habe – so die Auffassung des Landgerichts – aufgrund der Untreue des Verwalters seine Tätigkeit jeglichen Wert verloren, sodass ihm auch keine Vergütung bewilligt werden könne.110)

___________ 105) Ab diesem Zeitpunkt wird die instanzgerichtliche Rechtsprechung zur Fragestellung eines Vergütungsentfalls bis zur ersten einschlägigen Entscheidung des BGH aus dem Jahr 2004, soweit veröffentlicht, vollständig berücksichtigt und im Folgenden darstellt. 106) Für den Vergleichsverwalter, der im Rahmen der seit 1935 parallel zur Konkursordnung bestehenden Vergleichsordnung tätig wurde, im Rahmen derer die Möglichkeit eröffnet wurde, durch ein beaufsichtigtes Verfahren, den Eintritt des Konkurses abzuwenden, galt mit § 43 VerglO eine dem § 85 KO vergleichbare Regelung hinsichtlich der Vergütung. 107) Auch in der bereits angesprochenen Veröffentlichung von Nehrkorn aus dem Jahr 1931 findet sich kein Bezug zu bereits ergangenen gerichtlichen Entscheidungen. Der Autor formuliert insoweit ausdrücklich: „Der Richter wird dadurch vor die bislang kaum beachtete Frage gestellt, ob überhaupt und gegebenenfalls in welcher Höhe er den Anspruch anzuerkennen und durch die Festsetzung dem Verwalter einen (…) Vollstreckungstitel zu geben hat“, Nehrkorn, KuT 1931, 120; Levy führte zwar bereits im Jahr 1927 an: „Der ungetreue Konkursverwalter gehört glücklicherweise der Vergangenheit an. Einige ältere Reichgerichtsurteile erzählen von ihm“. Allerdings erfolgt weder ein Verweis auf die angesprochenen Urteile noch werden die Auswirkungen der Untreue auf die Vergütung thematisiert, Levy, KuT 1927, 170. 108) LG Stade, Beschl. v. 21.1.1959 – 2 T 383/58, MDR 1959, 768, Nr. 99. 109) LG Stade, Beschl. v. 21.1.1959 – 2 T 383/58, MDR 1959, 768, Nr. 99. 110) LG Stade, Beschl. v. 21.1.1959 – 2 T 383/58, MDR 1959, 768, Nr. 99.

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§ 3 Die Entwicklung der Rechtsprechung zur Verwirkung der Insolvenzverwaltervergütung

43 Das Abstellen auf den noch verbliebenen Nutzen der Tätigkeit des Verwalters für das Verfahren stellte damit den ersten Lösungsansatz der Rechtsprechung für das Schicksal des Vergütungsanspruchs bei pflichtwidrigem Verhalten des Verwalters dar.111) Weitere auf diesem Lösungsansatz beruhende Entscheidungen finden sich allerdings nicht.

II. Erste Entscheidungen zur Vergütungsverwirkung 44 Bis sich die Gerichte erneut mit der Bedeutung von Pflichtverletzungen für die Vergütung des Verwalters auseinandersetzen und dabei auch erstmals den Aspekt der Verwirkung der Vergütung thematisierten, dauerte es bis ins Jahr 1999. Von da an erging eine Reihe verschiedener instanzgerichtlicher Entscheidungen zur Vergütungsverwirkung des Insolvenzverwalters, bis sich der Bundesgerichtshof im Jahr 2004 erstmals mit der Thematik beschäftigte.

1.

Inhaltliche Analyse der Entscheidungen

a) Landgericht Konstanz 45 Zunächst war es das Landgericht Konstanz, das als Beschwerdegericht noch unter Geltung der Konkursordnung unter dem Gesichtspunkt der Verwirkung über die Vergütung eines Verwalters entschied, der sich im Rahmen seiner Tätigkeit in einem Konkursverfahren im Zeitraum von Anfang 1995 bis Ende 1997 durch ein bestimmtes kriminelles Vorgehen an der Konkursmasse bereichert und diese um eine erhebliche Summe geschmälert hatte.112) In Absprache mit einem Rechtsanwalt aus einer anderen Sozietät hatte der Konkursverwalter Gebührenforderungen zu Lasten der Masse für tatsächlich nicht erbrachte Leistungen kreiert und den Forderungserlös anschließend mit ihm geteilt.113) Konkret gestaltete sich dieses Vorgehen derart, dass der Verwalter zunächst bei einer externen privaten Drittfirma verhältnismäßig kostengünstige Rechtsgutachten zu sicherungsrechtlichen Fragen in Auftrag gab, welche aufgrund ihrer geringen Komplexität nach Ansicht des Gerichts auch ohne weiteres durch den Verwalter selbst hätten beantwortet werden können.114) Die Kosten für diese Gutachten beglich der Verwalter sodann mit eigenen Mitteln seiner Anwaltskanzlei, weil er sie im Rahmen seiner Tätigkeit als Konkursverwalter nicht hätte gesondert abrechnen können. Um sich zu Lasten der Konkursmasse einen eigenen monetären Vorteil verschaffen zu können, wurden die Gutachten sodann durch den Verwalter auf ihm von einem externen Anwaltskollegen überlassene Briefbögen umgeschrieben, sodass es nach außen hin so erschien, als sei der externe Rechtsanwalt ___________ 111) 112) 113) 114)

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Mit einem ähnlichen Ansatz bereits Nehrkorn, KuT 1931, 120, 121. LG Konstanz, Beschl. v. 15.9.1999 – 6 T 38/99 We, ZInsO 1999, 589. LG Konstanz, Beschl. v. 15.9.1999 – 6 T 38/99 We, ZInsO 1999, 589. LG Konstanz, Beschl. v. 15.9.1999 – 6 T 38/99 We, ZInsO 1999, 589.

A. Rechtsprechung der Instanzgerichte

der Ersteller des Gutachtens. Anschließend wurden die Gutachten dem Verwalter im Rahmen des Konkursverfahrens von dem externen Rechtsanwalt nach der Rechtsanwaltsgebührenordnung in Rechnung gestellt, wobei die Honorarforderung dabei deutlich höher war als der Rechnungsbetrag, den der Verwalter für die Bezahlung der Gutachten an die Drittfirma hatte aufwenden müssen. Das daraufhin dem externen Rechtsanwalt aus der Konkursmasse zugeflossene Honorar wurde anschließend aufgeteilt: Einen Teil behielt der Rechtsanwalt. Der andere Teil floss an den Verwalter zurück, der dem Rechtsanwalt zu diesem Zweck fiktive Gegenrechnungen ausstellte. Aufgrund dieses Vorgehens in drei Konkursverfahren war der Verwalter im Jahr 1998 wegen Untreue rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten auf Bewährung verurteilt worden. Bereits im November 1997 war er aus seinem Amt als Konkursverwalter entlassen worden. Nachdem zunächst das mit der Vergütungsfestsetzung befasste Amtsgericht Singen 46 – trotz der zu diesem Zeitpunkt bereits erfolgten strafrechtlichen Verurteilung des Verwalters – keinen Grund gesehen hatte, die Vergütung als verwirkt anzusehen, sondern diese vielmehr auf 113.682,98 DM festgesetzt hatte,115) bewertete das Landgericht Konstanz auf Beschwerde des anschließend ernannten Konkursverwalters den Vergütungsanspruch als verwirkt und ordnete zudem die Rückzahlung bereits gewährter Vorschüsse an.116) Das Amtsgericht Singen war demgegenüber noch der Ansicht gewesen, die strafbaren Handlungen des Konkursverwalters hätten auf seine Tätigkeit als Verwalter keinen Einfluss gehabt, sodass ihm auch Vergütung und Vorschüsse zugestanden hätten.117) Dem hielt das Landgericht Konstanz entgegen, dass die Untreue des Verwalters eine derart schwere Pflichtverletzung darstelle, die die Verwirkung des Vergütungsanspruchs zur Folge haben müsse und auch die Rückzahlung entnommener Vorschüsse rechtfertige.118) Zwar betonte das Landgericht dabei den Ausnahmecharakter der Verwirkung des Vergütungsanspruchs, allerdings sei es schon nicht einmal im Ansatz nachvollziehbar, dass eine Straftat wie die vorliegende nicht ausreichen solle, um die Verwirkung des Vergütungsanspruchs zu begründen. Konkret sei die schwere Verfehlung des Verwalters darin zu sehen, dass er seine Pflicht, die Gesamtinteressen der Gläubiger zu verfolgen, nicht wahrgenommen, sondern durch seine Straftat vielmehr den Zwecken des Verfahrens in schwerwiegender Weise entgegengewirkt habe, indem er durch seine Untreuehandlungen der Masse einen Schaden von 46.000 DM zufügte.119) Auf die weitere Beschwerde des entlassenen Verwalters hatte sich im Anschluss an 47 die Beschwerdeentscheidung des Landgerichts das Oberlandesgericht Karlsruhe mit ___________ 115) 116) 117) 118) 119)

AG Singen, Beschl. v. 22.2.1999 – nicht veröffentlicht. LG Konstanz, Beschl. v. 15.9.1999 – 6 T 38/99 We, ZInsO 1999, 589, 590. So das Landgericht Konstanz zu den Ausführungen des AG Singen, siehe ZInsO 1999, 589, 590. LG Konstanz, Beschl. v. 15.9.1999 – 6 T 38/99 We, ZInsO 1999, 589, 591. LG Konstanz, Beschl. v. 15.9.1999 – 6 T 38/99 We, ZInsO 1999, 589, 591.

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§ 3 Die Entwicklung der Rechtsprechung zur Verwirkung der Insolvenzverwaltervergütung

dem Sachverhalt zu befassen.120) Allerdings war nach der zum damaligen Zeitpunkt geltenden Fassung der Zivilprozessordnung eine weitere Beschwerde gegen landgerichtliche Beschwerdeentscheidungen über die an den Verwalter zu zahlende Vergütung nicht statthaft, da solche Beschlüsse als Entscheidungen über Prozesskosten nach § 568 Abs. 3 ZPO a. F.121) angesehen wurden. Die Beschwerde konnte daher allenfalls ausnahmsweise als außerordentliche Beschwerde wegen „greifbarer Gesetzeswidrigkeit“ zulässig sein.122) In dem so beschränkten Prüfungsrahmen sah das Oberlandesgericht Karlsruhe in der Entscheidung des Landgerichts keine greifbare Gesetzeswidrigkeit und verwarf aus diesem Grund die weitere Beschwerde als unzulässig.123) Zu der konkreten Problematik des Sachverhalts, inwiefern der Vergütungsanspruch des Konkursverwalters der Verwirkung unterliegen kann, äußerte sich das Gericht nicht. Daher kann der Beschluss des Oberlandesgerichts nicht als unmittelbare inhaltliche Bestätigung der landgerichtlichen Auffassung gesehen werden, dass ein Konkursverwalter im Falle der Untreue zu Lasten der Masse seinen Anspruch auf Vergütung verwirkt.124) Unabhängig von diesem prozessrechtlich geprägten Verfahrensende bildete die mit der Entscheidung des Landgerichts Konstanz erstmalig gerichtlich bestätigte Möglichkeit der Verwirkung des Vergütungsanspruchs eines Konkursverwalters den Ausgangspunkt für weitere Entscheidungen.

b) Amtsgericht Hamburg 48 Weniger großzügig als das Amtsgericht Singen – das trotz bekannter Straftaten dem Verwalter eine Vergütung zugesprochen hatte – verstand im Jahr 2000 das Amtsgericht Hamburg mögliche Gründe für die Versagung der Verwaltervergütung.125) Es setzte nämlich die Vergütung eines vorläufigen Insolvenzverwalters auf null fest, der in der Insolvenzeröffnungsphase anfechtbare Zahlungen des Schuldners an den Insolvenzantragsteller geduldet hatte. Das Amtsgericht Hamburg führte insofern aus, dass es der Billigkeit entspreche, dem Verwalter keine Vergütung zuzusprechen, da er seiner Sicherungsaufgabe bezüglich der Masse nicht nachgekommen sei und im Ergebnis eine Schlechtleistung im Sinne des Auftragsrechts vorliege.126) Zum Verlust des Vergütungsanspruchs konnte nach Ansicht des Gerichts also bereits unab-

___________ 120) OLG Karlsruhe, Beschl. v. 6.4.2000 – 9 W 87/99, ZInsO 2000, 617. 121) In der vom 1.1.2000 – 31.12.2001 geltenden Fassung der ZPO lautete Abs. 3 der Vorschrift: „Entscheidungen der Landgerichte über Prozeßkosten unterliegen nicht der weiteren Beschwerde“. 122) Das war seinerzeit nicht unumstritten; vgl. zur Beschwerde wegen „greifbarer Gesetzeswidrigkeit“ ausführlich Lotz, NJW 1996, 2130 (m. w. N.). 123) OLG Karlsruhe, Beschl. v. 6.4.2000 – 9 W 87/99, ZInsO 2000, 617. 124) So auch Graeber, EWiR 2001, 241, 242. 125) AG Hamburg, Beschl. v. 24.10.2000 – 76 c IN 56/00, ZInsO 2001, 69. 126) AG Hamburg, Beschl. v. 24.10.2000 – 76 c IN 56/00, ZInsO 2001, 69, 70.

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A. Rechtsprechung der Instanzgerichte

hängig vom Vorliegen einer Straftat die Verletzung insolvenzspezifischer Pflichten und somit eine „Schlechtleistung“ führen.

c)

Landgericht München II

Das Landgericht München II schloss sich in zwei Entscheidungen aus dem Juli 2003 49 hingegen wiederum der Rechtsauffassung des Landgerichts Konstanz an, wonach insbesondere strafrechtliche Vergehen des Verwalters zum Verlust seines Vergütungsanspruchs führen können.127) In dem ersten vom Landgericht München II entschiedenen Fall hatte der Insolvenz- 50 verwalter einen für die Erfüllung eines Vergleichs mit der Insolvenzmasse vorgesehenen Betrag von 200.000 DM vom Verfahrenskonto auf sein eigenes Rechtsanwaltsanderkonto übertragen, ohne aber den Betrag sodann an die Vergleichsgläubigerin weiterzuleiten oder den Betrag später zumindest wieder an die Masse zurückzuführen.128) Aufgrund dessen hatte bereits das Amtsgerichts Wolfratshausen den Vergütungsantrag abgelehnt und dies mit der Verwirkung des Anspruchs aufgrund des Untreuevergehens des Verwalters begründet.129) Unter Verweis auf die Strafbarkeit des Verwalters nach § 266 StGB bestätigte dies sodann das Landgericht.130) Anders als das Landgericht Konstanz konnten sich allerdings weder das Amtsgericht Wolfratshausen noch anschließend das Landgericht München II auf eine rechtkräftige strafrechtliche Verurteilung des Verwalters – der inzwischen auch verstorben war – berufen, um dessen Fehlverhalten in seiner Schwere zu bewerten. Daher beruhte die Feststellung der Strafbarkeit des Insolvenzverwalters nach § 266 StGB wegen einer Untreue auf einer eigenständigen Prüfung durch das Landgericht München II.131) Die zweite Sachverhaltskonstellation gestaltete sich so, dass der Verwalter Vorschüsse 51 ohne die erforderliche Genehmigung und auch Vergütungs- und Auslagenbeträge in Höhe von 34.755,35 DM eigenmächtig aus der Masse entnommen hatte. Auch hier hatte bereits das in der Vorinstanz zuständige Amtsgericht Wolfratshausen deshalb den Vergütungsanspruch in einem Beschluss aus dem Jahr 2000 als verwirkt angesehen.132) Eine strafrechtliche Verurteilung lag dabei allerdings ebenso nicht vor, sodass die sowohl vom Amtsgericht als auch sodann vom Landgericht getroffene Feststellung, der Verwalter habe sich durch sein Verhalten einer Untreue nach § 266 ___________ 127) LG München II, Beschl. v. 16.7.2003 – 7 T 5802/00, ZVI 2003, 486; LG München II, Beschl. v. 29.7.2003 – 7 T 5001/00, ZInsO 2003, 910. 128) LG München II, Beschl. v. 16.7.2003 – 7 T 5802/00, ZVI 2003, 486. 129) LG München II, Beschl. v. 16.7.2003 – 7 T 5802/00, ZVI 2003, 486. 130) LG München II, Beschl. v. 16.7.2003 – 7 T 5802/00, ZVI 2003, 486 f. 131) LG München II, Beschl. v. 16.7.2003 – 7 T 5802/00, ZVI 2003, 486, 487. 132) AG Wolfratshausen, Beschl. v. 3.8.2000 – N 19/92, ZInsO 2000, 517.

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§ 3 Die Entwicklung der Rechtsprechung zur Verwirkung der Insolvenzverwaltervergütung

StGB schuldig gemacht, dementsprechend auch auf einer jeweils eigenständigen Prüfung der in Betracht kommenden Straftatbestände beruhte.133)

d) Landgericht Potsdam 52 Im Jahr 2004 ging sodann das Landgericht Potsdam im Ausgangspunkt ebenso davon aus, dass die Annahme der Verwirkung des Vergütungsanspruchs auf Ausnahmefälle zu beschränken sei.134) Die dem Insolvenzverwalter vorgeworfene Pflichtverletzung müsse daher ein solches Gewicht erreichen, dass es mit dem Grundsatz von Treu und Glauben nicht mehr vereinbar wäre, den Vergütungsanspruch bestehen zu lassen. Das Landgericht konkretisierte die bisherige Rechtsprechung insoweit, dass es nur vom Verwalter begangene Straftaten als ausreichend schwere Pflichtverletzung einordnete, um die Verwirkung des Vergütungsanspruchs rechtfertigen zu können.135) In dem entschiedenen Fall sah das Gericht diese Schwelle bei einem vorläufigen Insolvenzverwalter daher nicht als überschritten an, dem vorgeworfen wurde, bei der Erstellung eines Gutachtens über mögliche Eröffnungsgründe eines Insolvenzverfahrens nachlässig und nicht gewissenhaft gearbeitet zu haben.

e)

Gesamtbetrachtung der Entscheidungen

53 Einigkeit bestand in der Rechtsprechung zu diesem Zeitpunkt mithin darin, dass die Verwirkung des Vergütungsanspruchs aufgrund ihres Ausnahmecharakters nur im Falle von schwerwiegenden Pflichtverletzungen – wie beispielsweise Straftaten zu Lasten der Masse – und nicht bereits bei vermeintlicher „Schlechtleistung“ oder jeder Nachlässigkeit bei der Tätigkeit in Betracht zu ziehen sei. Nur schwere Pflichtverletzungen in Form von Straftaten bei der Ausübung des Amts sollten zum Verlust des Vergütungsanspruchs führen. Insofern ist die anfängliche Entscheidung des Amtsgerichts Hamburg136) und der darin vertretene strengere Maßstab, wonach auch Pflichtverletzungen ohne strafrechtliche Relevanz zum Verlust der Vergütung führen können, als Ausnahme zu bewerten.

2.

Dogmatische Analyse der Entscheidungen

54 Schon bei einem ersten Blick auf die Beschlussgründe des Landgerichts Konstanz wird deutlich, dass das Gericht im Jahre 1999 mit der insoweit ersten Entscheidung zur Verwirkung der Verwaltervergütung zumindest kein völliges Neuland betrat. Das Landgericht verwies nämlich im Rahmen seiner Argumentation zunächst auf bereits ___________ 133) Vgl. AG Wolfratshausen, Beschl. v. 3.8.2000 – N 19/92, ZInsO 2000, 517, 518; LG München II, Beschl. v. 29.7.2003 – 7 T 5001/00, ZInsO 2003, 910 ff., das zudem noch im Hinblick auf das Insolvenzverfahren die Vereitelung der Zwangsvollstreckung (§ 288 StGB) bejahte. 134) LG Potsdam, Beschl. v. 9.1.2004 – 5 T 698/03, NZI 2004, 321. 135) LG Potsdam, Beschl. v. 9.1.2004 – 5 T 698/03, NZI 2004, 321. 136) AG Hamburg, Beschl. v. 24.10.2000 – 76 c IN 56/00, ZInsO 2001, 69.

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A. Rechtsprechung der Instanzgerichte

ergangene Entscheidungen zur Verwirkung des Vergütungsanspruchs des Vormunds137) bei Untreue zu Lasten des Mündels, des Testamentsvollstreckers138) bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung seiner Amtspflichten in besonders schwerwiegender Weise und zur Verwirkung des Gebührenanspruchs eines Rechtsanwalts139) bei der schuldhaften Verletzung seiner Treuepflicht gegenüber dem Mandaten.140) Bei näherem Hinsehen wird sodann deutlich, dass die Argumentation nicht nur des Landgerichts Konstanz, sondern auch der anderen Instanzgerichte hinsichtlich der rechtlichen Grundlage aber auch der inhaltlichen Anforderungen der Vergütungsverwirkung an diesen Entscheidungen orientiert ist. Insofern hatte auch die Feststellung des Landgerichts Konstanz, dass die Möglichkeit der Verwirkung bereits in gesetzlichen Regelungen verankert sei, in dieser Rechtsprechung zu anderen Vergütungstatbeständen ihren Ursprung. Das Gericht bezog sich dabei konkret auf die Regelung des § 654 BGB hinsichtlich des Verlustes des Lohnanspruchs des Maklers und auf die §§ 1579, 1611 BGB, welche die Beschränkung und Versagung des Unterhaltsanspruchs bei schweren Verfehlungen des Berechtigten vorsehen.141) Aus der in diesen Tatbeständen gesetzlich normierten Konzeption der Verwirkung für bestimmte Einzelfälle schien das Landgericht jedoch weiter zu folgern, dass eine schwere Verfehlung generell die Verwirkung eines jeden Vergütungsanspruchs nach sich ziehen könne.142) Zwar führte es inhaltlich dazu aus, inwiefern eine Treuepflicht des Insolvenzverwalters bestehe und nahm somit unmittelbar Bezug auf den von der Rechtsprechung in § 654 BGB gesehenen Rechtsgedanken.143) Vor dem Hintergrund dieser Ausführungen überraschend ist, dass das Gericht schließlich aber nicht in § 654 BGB, sondern in § 242 BGB die durch ein Gesetz mögliche Rechtfertigung für einen Grundrechtseingriff im Rahmen des bei einem Vergütungsentfall bestehenden verfassungsrechtlichen Konflikts mit der Eigentumsgarantie nach Art. 14 GG einerseits und insbesondere mit der durch Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG garantierten Freiheit der Berufsausübung andererseits sah. Das Oberlandesgericht Karlsruhe konnte sodann auf die weitere Beschwerde hin die Frage nach der genauen Rechtsgrundlage der Verwirkung des Vergütungsanspruchs eines Konkursverwalters offenlassen, weil es im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit der an sich unstatthaften weiteren Beschwerde darauf beschränkt war zu untersuchen, ob die Beschwerdeentscheidung des Land___________ 137) RG, Urt. v. 24.2.1937 – RG V 168/39, RGZ 154, 110, das sich inhaltlich allerdings mit der Vergütung eines Nachlasspflegers beschäftigte; BayObLG, Beschl. v. 24.3.1988 – Breg. 3 Z 188/87, NJW 1988, 1919. 138) OLG Kiel, Urt. v. 15.10.1937 – 2 U 78/37, SchlHA 1938, 128; BGH, Urt. v. 5.5.1976 – IV ZR 53/75, DNotZ 1976, 559 (das LG Konstanz verweist in seinem Beschluss vom 15.9.1999 insofern fälschlicherweise auf DNotZ 1996, 559). 139) RG, Urt. v. 24.2.1926 – RG III 208/25, RGZ 113, 264. 140) Vgl. LG Konstanz, Beschl. v. 15.9.1999 – 6 T 38/99 We, ZInsO 1999, 589, 590; siehe noch ausführlich zu der in Bezug genommenen Rechtsprechung des Reichsgerichts unten Rn. 77 ff. 141) LG Konstanz, Beschl. v. 15.9.1999 – 6 T 38/99 We, ZInsO 1999, 589, 591. 142) LG Konstanz, Beschl. v. 15.9.1999 – 6 T 38/99 We, ZInsO 1999, 589, 591. 143) LG Konstanz, Beschl. v. 15.9.1999 – 6 T 38/99 We, ZInsO 1999, 589, 591.

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§ 3 Die Entwicklung der Rechtsprechung zur Verwirkung der Insolvenzverwaltervergütung

gerichts Konstanz „greifbar gesetzeswidrig“ war. Dies verneinte der Senat, indem er lediglich abstrakt ausführte, dass in mehreren gesetzlichen Regelungen angelegt sei, dass „der Berechtigte sein Recht durch pflichtwidriges oder ehrloses Verhalten verlieren kann“ und dazu auf die §§ 654, 971 Abs. 2, 1579 Nr. 2 und 5, 1611 Abs. 1, 2339 und auch § 242 BGB verwies.144)

55 Auch mit den nachfolgenden Entscheidungen waren in dogmatischer Hinsicht keine Neuerungen verbunden. So verwies das Landgericht München II in beiden Beschlüssen – wie zuvor das Landgericht Konstanz – auf bereits ergangene Entscheidungen zur Vergütungsverwirkung bei anderen Berufsgruppen, ohne die Verwirkung konkret unter Bezugnahme auf eine gesetzliche Regelung näher zu begründen.145) Es präzisierte dabei aber die bisherigen Ausführungen zur Verwirkung hinsichtlich der tatbestandlichen Anforderungen insofern, als es den Vergütungsanspruch des Konkursverwalters nun unter dem ausdrücklichen Hinweis auf die Verletzung seiner gegenüber den Beteiligten bestehenden Treuepflicht durch die von ihm begangene Untreue nach § 266 StGB als verwirkt ansah.146) Dieses Merkmal des Treuebruchs ist dabei ebenfalls an der Rechtsprechung zur Verwirkung des Maklerlohnanspruchs orientiert.147)

56 Deutlich wird mithin, dass sich die instanzgerichtliche Rechtsprechung in erster Linie an bereits vorhandener Judikatur zur Verwirkung von Vergütungsansprüchen im Rahmen von anderen Berufsgruppen orientierte und von dieser leiten ließ. Teilweise wurde auch abstrakt auf gesetzliche Regelungen verwiesen, welche die Verwirkung bzw. den Verlust eines Anspruchs normieren. Exakt aus einer bestimmten Norm wurde die Möglichkeit der Verwirkung des Vergütungsanspruchs von Konkurs- bzw. Insolvenzverwaltern im Ergebnis allerdings nicht abgeleitet. Vielmehr lässt sich die jeweilige Argumentation nur so verstehen, dass sich die Verweise auf § 654 BGB oder § 242 BGB in ihrer Bedeutung in dem bloßen Hinweis auf das Bestehen gesetzlicher Regelungen mit der Rechtsfolge der Anspruchsverwirkung bei Fehlverhalten erschöpften.148)

___________ 144) OLG Karlsruhe, Beschl. v. 6.4.2000 – 9 W 87/99, ZInsO 2000, 617. 145) LG München II, Beschl. v. 16.7.2003 – 7 T 5802/00, ZVI 2003, 486, 487; LG München II, Beschl. V. 29.7.2003 – 7 T 5001/00, ZInsO 2003, 910. 146) LG München II, Beschl. v. 16.7.2003 – 7 T 5802/00, ZVI 2003, 486 und 488; LG München II, Beschl. V. 29.7.2003 – 7 T 5001/00, ZInsO 2003, 910 und 912. 147) Siehe dazu ausführlich unten Rn. 79 ff. 148) Siehe zu einem derartigen bloßen Verweis etwa in LG Konstanz, Beschl. v. 15.9.1999 – 6 T 38/99 We, ZInsO 1999, 589, 591.

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B. Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs

B. Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Die in der Folgezeit ergangene Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs149) hatte für 57 die Konstruktion der Verwirkung des Vergütungsanspruchs von Insolvenzverwaltern sodann in zweierlei Hinsicht eine zentrale Bedeutung. Zum einen war in dogmatischer Hinsicht wesentlich, dass die Annahme der Verwirkung des Vergütungsanspruchs des Insolvenzverwalters unter unmittelbarer Heranziehung der Regelung des § 654 BGB als gesetzlicher Grundlage erst durch Entscheidungen des für das Insolvenzrecht zuständigen IX. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs ausdrücklich begründet wurde. Zum anderen war mit dieser Rechtsprechung in der Folgezeit auch eine inhaltliche Änderung der Verwirkungskonstruktion verbunden, indem der Bundesgerichtshof die bislang nur bei schweren Pflichtverletzungen in Form von Straftaten bei Ausführung des Amts angenommene Verwirkung auf weitere Formen von Fehlverhalten erstreckte und so den inhaltlichen Anwendungsbereich des Verwirkungstatbestands erweiterte. Auf diese Weise entstand erst durch die BGH-Rechtsprechung ein auf § 654 BGB basierendes Konzept, nach dem Fehlverhalten des Insolvenzverwalters zur Verwirkung seines Vergütungsanspruchs führt.

I.

Heranziehung des § 654 BGB

Der Bundesgerichtshof hatte erstmals im Jahr 2004 über eine Rechtsbeschwerde zu 58 entscheiden, die die Frage der Verwirkung der Insolvenzverwaltervergütung betraf.150) In dogmatischer Hinsicht orientierte sich der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in dieser Entscheidung zwar ebenfalls an der bereits ergangenen Rechtsprechung der Instanzgerichte. Allerdings war die Argumentation des Senats nun nicht mehr in der Weise abstrakt, dass der Verweis auf § 654 BGB nur generell erfolgte, um die gesetzlich angelegte Möglichkeit der Verwirkung eines Anspruchs aufzuzeigen. Vielmehr bezogen sich alle Ausführungen des Bundesgerichtshofs unmittelbar auf § 654 BGB als gesetzliche Grundlage der Verwirkung des Vergütungsanspruchs eines Insolvenzverwalters. Ausgangspunkt der Argumentation war die Norm insoweit, als der Senat auf einen 59 in § 654 BGB gesehenen Grundgedanken verwies, wonach ein an sich begründeter ___________ 149) Nach Änderung der Zivilprozessordnung im Jahr 2001 und Wegfall des Rechtsmittels der weiteren Beschwerde nach § 586 ZPO a. F. (gegen die Entscheidung des Landgerichts als Beschwerdegericht) konnte eine Beschwerde gegen die Vergütungsfestsetzung durch das Insolvenzgericht zwar endgültig nicht mehr zu einem Oberlandesgericht führen. Eine höchstrichterliche Entscheidung war ab diesem Zeitpunkt aber durch den Bundesgerichtshof zumindest in Fällen des § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO möglich. Wenn auch § 7 InsO in der vom 1.1.2002 an (bis zum 26.10.2011) geltenden Fassung vorsah, dass gegen die Entscheidung über eine sofortige Beschwerde grundsätzlich die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof statthaft sein soll, hatte der Bundesgerichtshof noch im Jahr 2002 festgestellt, dass sich aufgrund des ZPOReformgesetzes die Rechtsbeschwerde nicht nach § 7 InsO, sondern ausschließlich nach § 574 ZPO richte, siehe BGH, Beschl. v. 11.7.2002 – IX ZB 80/02, ZIP 2002, 1589. 150) BGH, Beschl. v. 6.5.2004 – IX ZB 349/02, BGHZ 159, 122.

31

§ 3 Die Entwicklung der Rechtsprechung zur Verwirkung der Insolvenzverwaltervergütung

Vergütungsanspruch verwirkt sein könne, wenn ein Dienstverhältnis besondere Treuepflichten begründet und der Dienstleistende gegen diese verstößt.151) Der Senat maß der Norm zudem einen Strafcharakter dergestalt bei, dass der Lohnberechtigte zu pflichtgemäßem Handeln angehalten werden solle, um den Verlust des Lohnanspruchs zu vermeiden.152) Ein solches Normverständnis des § 654 BGB leitete der Senat jedoch nicht selbst im Rahmen der Begründung dieser Entscheidung her, sondern er verwies diesbezüglich auf eine Grundsatzentscheidung des für das Maklerrecht zuständigen VII. Zivilsenats153) des Bundesgerichtshofs zur Verwirkung des Anspruchs auf Maklerlohn.154) Nach dieser Entscheidung soll der Makler seinen Provisionsanspruch dann verlieren, wenn ihm eine subjektiv in hohem Maß vorwerfbare Pflichtverletzung zur Last fällt, aufgrund derer er den Lohn nach allgemeinem Rechts- und Billigkeitsempfinden nicht verdient, sondern sich vielmehr seines Lohnes als unwürdig erwiesen habe.155)

60 Neben dem Verweis auf diese Entscheidung nahm der IX. Senat darüber hinaus ausdrücklich auch Bezug darauf, dass die von der Rechtsprechung zum Maklerrecht entwickelten Grundsätze der Verwirkung bereits auf andere Berufsgruppen wie den Testamentsvollstrecker,156) den Rechtsanwalt157) und den Vormund bzw. Pfleger158) ausgedehnt worden seien.159) Freilich wies er überdies auch auf die zuvor dargestellten instanzgerichtlichen Entscheidungen hin, nach denen auch einem Konkurs- und Insolvenzverwalter bei schwerwiegenden schuldhaften Pflichtverletzungen in Form von strafbaren Handlungen zum Nachteil der Masse ebenfalls der Vergütungsanspruch zu versagen ist.160)

___________ 151) BGH, Beschl. v. 6.5.2004 – IX ZB 349/02, BGHZ 159, 122, 131. 152) BGH, Beschl. v. 6.5.2004 – IX ZB 349/02, BGHZ 159, 122, 131. 153) Ab 1959 war der VII. Zivilsenat zuständig für bis zum 1.1.1962 eingegangene Maklersachen; siehe Fischer, Maklerrecht Kap. I Rn. 14. 154) BGH, Urt. v. 5.2.1962 – VII ZR 248/60, BGHZ 36, 323. 155) BGH, Urt. v. 5.2.1962 – VII ZR 248/60, BGHZ 36, 323. 156) BGH, Urt. v. 5.5.1976 – IV ZR 53/75, NJW 1976, 1402. 157) BGH, Urt. 15.1.1981 – III ZR 19/80, NJW 1981, 1211. 158) BayObLG, Beschl. v. 11.7.1991 – Breg. 3 Z 79/91, BayObLGZ 1991, 272. 159) Siehe dazu ausführlich unten Rn. 89 ff. 160) Mit Verweis auf OLG Karlsruhe, Beschl. v. 6.4.2000 – 9 W 87/99, ZInsO 2000, 617; LG Konstanz, Beschl. v. 15.9.1999 – 6 T 38/99 We, ZInsO 1999, 589; AG Wolfratshausen, Beschl. v. 3.8.2000 – N 19/92, ZInsO 2000, 517; AG Hamburg, Beschl. v. 24.10.2000 – 67 c IN 56/00, ZInsO 2001, 69; siehe ausführlich zu den zitierten Entscheidungen bereits zuvor unter Rn. 44 ff.; siehe inzwischen zur Verwirkung bei Straftaten gegen die Masse auch BGH, Beschl. v. 15.8.2022 – IX ZB 17/21, NZI 2022, 918 Rn. 7 ff.

32

B. Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs

II. Inhaltliche Erweiterung des Verwirkungstatbestands 1.

Verfehlungen im Vorfeld des Verfahrens

Diese erste Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs zur Verwirkung der Ver- 61 gütung des Insolvenzverwalters vom 6.5.2004 bedeutet also zugleich einen im Vergleich zur instanzgerichtlichen Rechtsprechung erweiterten Anwendungsbereich für die Annahme der Vergütungsverwirkung. Denn nach Verständnis des IX. Zivilsenats kann auch ein Fehlverhalten des Insolvenzverwalters im Vorfeld des Insolvenzverfahrens zur Verwirkung des Vergütungsanspruchs führen. Grundlage dieser Erweiterung des Verwirkungstatbestands war dabei ein im Vergleich zu den vorherigen Entscheidungen anders gelagerter Sachverhalt. Zwar war auch in diesem Verfahren ein strafrechtlich relevantes Verhalten des Insolvenzverwalters festzustellen, jedoch knüpfte der Strafbarkeitsvorwurf nicht unmittelbar an ein pflichtwidriges Verhalten des Verwalters in Ausübung seines Amtes an. Der strafrechtliche Vorwurf bestand vielmehr unabhängig von der spezifischen Tätigkeit als Insolvenzverwalter. Der Verwalter war in offiziellen Zusammenhängen – in Schreiben und auf seiner Internetseite – unter dem Titel „Diplom-Kaufmann“ aufgetreten. Tatsächlich konnte er aber keinen Hochschulabschluss vorweisen und wurde in der Konsequenz im Jahr 2002 schließlich auch wegen Missbrauch von Titeln zu einer Geldstrafe verurteilt. Insofern hatte der Bundesgerichtshof hier nicht darüber zu entscheiden, ob strafbare Pflichtwidrigkeiten in Ausführung der Tätigkeit des Insolvenzverwalters, sondern ob auch Straftaten im Vorfeld der Amtsausübung eine Verwirkung des Vergütungsanspruchs begründen können. Der Bezug zur Tätigkeit als Insolvenzverwalter bestand lediglich darin, dass der Verwalter unter dem zu Unrecht geführten Titel „Diplom-Kaufmann“ als Insolvenzverwalter bestellt worden war. Doch gerade dieser Umstand der Bestellung unter Missbrauch eines Titels spielt bei der Entscheidung des IX. Zivilsenats hinsichtlich der Frage der Verwirkung eine wesentliche Rolle. Denn nach Ansicht des Senats war dem Verwalter die Vergütung deshalb zu versagen, weil „er gegenüber dem Insolvenzgericht über seine akademische Qualifikation in strafbarer Weise getäuscht und sich dadurch die Bestellung zum Insolvenzverwalter erschlichen“ habe.161) Die täuschungsbedingte grob rücksichtslose Erschleichung der besonderen Vertrauensstellung als Insolvenzverwalter bedinge nämlich eine erhebliche Gefährdung der Interessen der anderen Verfahrensbeteiligten und der erfolgreichen Verfahrensabwicklung. Insofern führte der Bundesgerichtshof die bisherige Rechtsprechung einerseits grundsätzlich fort und erweiterte andererseits den Ausschluss der Vergütung auch auf den Fall, dass „ein Amtsträger vor seiner Bestellung und vor der Begründung von Amtspflichten im engeren Sinne durch erfolgreiche Täuschung eine fehlende Qualifikation vorspiegelt“.162) ___________ 161) BGH, Beschl. v. 6.5.2004 – IX ZB 349/02, BGHZ 159, 122, 130. 162) BGH, Beschl. v. 6.5.2004 – IX ZB 349/02, BGHZ 159, 122, 132.

33

§ 3 Die Entwicklung der Rechtsprechung zur Verwirkung der Insolvenzverwaltervergütung

2.

Straftaten in anderen Verfahren

62 In einer späteren Entscheidung aus dem Juni 2011 erweiterte der Bundesgerichtshof sodann den verwirkungsrelevanten Tatbestand auch auf außerhalb des konkreten Insolvenzverfahrens in anderen Verfahren verübte Straftaten.163) In diesem Zusammenhang war der IX. Zivilsenat mit einem Insolvenzverwalter konfrontiert, der unberechtigterweise den akademischen Titel „Diplom-Betriebswirt“ führte. Zudem war der Verwalter aber auch in Bezug auf seine Tätigkeit in anderen Insolvenzverfahren wegen Untreue in 106 Fällen rechtskräftig zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt worden. Bereits die vorhergehenden Instanzen hatten den Festsetzungsantrag auf Vergütung abgewiesen. Der Bundesgerichtshof bestätigte dies unter Verweis auf die Möglichkeit einer entsprechenden Anwendung des Grundgedankens des § 654 BGB und nahm auf den Senatsbeschluss vom 6.5.2004164) Bezug. In der Gesamtschau sah der IX. Zivilsenat den Verwalter im Hinblick auf die schwerwiegenden Straftaten als charakterlich ungeeignet an, fremdes Vermögen zu verwalten, was im Hinblick auf die dennoch und damit pflichtwidrig erfolgte Annahme der Bestellung zum Verwalter zum Ausschluss der Vergütung führen müsse.165)

63 An dieser Rechtsprechung hielt der Bundesgerichtshof auch in einer Entscheidung aus dem Jahr 2022 fest, in der er erneut betonte, dass die charakterliche Eignung zur Verwaltung fremden Vermögens auch durch Straftaten in anderen Verfahren entfallen könne.166)

3.

Unterbliebene Offenbarung von Verfehlungen

64 Wesentlich bei der weiteren Ausgestaltung der Verwirkungskonstruktion durch den Bundesgerichtshof war in der Folge eine Entscheidung aus dem Jahr 2016. In dem Beschluss führte der IX. Senat nämlich aus, dass auch dann Grund zur Annahme der Verwirkung bestehe, wenn der Verwalter bei seiner Bestellung Umstände nicht offen lege, welche Zweifel an seiner persönlichen Integrität begründen und bei Kenntnis des Insolvenzgerichts eine Bestellung verhindert hätten.167) Konkret handelte es sich dabei um Umstände derart, dass der Verwalter in anderen Verfahren Darlehen an von ihm beherrschte Gesellschaften aus der Insolvenzmasse ausgekehrt hatte, diese Gesellschaften inzwischen aber überwiegend ebenfalls in die Insolvenz geraten waren oder der Verbleib der Darlehenssummen zumindest unklar war. Auch wenn der IX. Zivilsenat in seiner Entscheidung davon ausging, dass sich der Verwalter keiner Straftaten zum Nachteil der Insolvenzmasse schuldig gemacht habe und auch nicht fest___________ 163) 164) 165) 166) 167)

34

BGH, Beschl. v. 9.6.2011 – IX ZB 248/09, NZI 2011, 760. BGH, Beschl. v. 6.5.2004 – IX ZB 349/02, BGHZ 159, 122. BGH, Beschl. v. 9.6.2011 – IX ZB 248/09, NZI 2011, 760 Ls. 1. BGH, Beschl. v. 15.8.2022 – IX ZB 19/21, BeckRS 2022, 25618 Rn. 7 f. BGH, Beschl. v. 14.7.2016 – IX ZB 52/15, NZI 2016, 892.

B. Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs

gestellt sei, dass sein Verhalten in anderen Insolvenzverfahren oder sein Verhalten im Zusammenhang mit seiner Bestellung zum Insolvenzverwalter im konkreten Verfahren den Tatbestand einer Straftat erfülle, betrachtete er dennoch die Vergütung als verwirkt.168) Den Grund dafür sah der Senat in einem schweren Treuebruch des Verwalters gegenüber dem Insolvenzgericht, der darin bestehe, dass der Verwalter die Bestellung zum Verwalter zwar annahm, aber dem Gericht dabei sein Fehlverhalten in anderen Verfahren verschwieg.169) Den Umfang der Offenbarungspflicht ließ der Senat allerdings weitestgehend offen. 65 Zwar sei nicht jede Pflichtverletzung in anderen Verfahren ungefragt mitteilungspflichtig, eine nähere Definition blieb aber zunächst aus.170) Nach der späteren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist jedenfalls nicht ausreichend für die Verwirkung des Vergütungsanspruchs, wenn ein Verwalter dem Insolvenzgericht bei seiner Bestellung verschweigt, dass es in anderen Verfahren zu einer doppelten Entnahme der Vergütung in Höhe von 7.787,44 Euro gekommen war.171) Maßgebliches Kriterium, um die Verwirkung des Anspruchs zu rechtfertigen, sei – so der Senat –, dass allein die unterlassene Offenbarung gegenüber dem Insolvenzgericht selbst eine schwere, subjektiv in hohem Maße vorwerfbare Verletzung der Treuepflicht darstelle.172)

III. Inhaltliche Bestätigung der instanzgerichtlichen Rechtsprechung Aber auch die bis dato nur instanzgerichtliche Rechtsprechung hinsichtlich der Ver- 66 gütungsverwirkung bei Straftaten in Ausübung der Tätigkeit als Insolvenzverwalter setzte der Bundesgerichtshof mit einer Entscheidung aus dem Jahr 2018 inhaltlich fort. Der Bundesgerichtshof hatte über die Vergütung eines Insolvenzverwalters zu entscheiden, der Gelder aus der Masse veruntreut hatte, indem er diese zunächst bei einer Bank angelegt und dieser dafür im Vergleich zum sonstigen Gebührensatz um 0,75 % erhöhte Gebühren zugesagt hatte. Anschließend floss von diesen Gebühren absprachegemäß ein erheblicher Teil an den Insolvenzverwalter bzw. an dessen in seinem Büro tätige Lebensgefährtin zurück. Zur Verschleierung dieses Rückflusses stellten der Verwalter und später auch seine Lebensgefährtin der Bank zudem in Wirklichkeit nicht erbrachte Beratungsleistungen in Rechnung. Aufgrund dieses Vorgehens war der Verwalter im Jahr 2015 wegen Untreue in insgesamt 33 rechtlich zusammentreffenden Fällen rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten auf Bewährung verurteilt worden.173) ___________ 168) 169) 170) 171) 172) 173)

BGH, Beschl. v. 14.7.2016 – IX ZB 52/15, NZI 2016, 892 Rn. 7. BGH, Beschl. v. 14.7.2016 – IX ZB 52/15, NZI 2016, 892 Rn. 9. BGH, Beschl. v. 14.7.2016 – IX ZB 52/15, NZI 2016, 892 Rn. 9. BGH, Beschl. v. 12.9.2019 – IX ZB 76/18, ZInsO 2019, 2290 Rn. 11. BGH, Beschl. v. 12.9.2019 – IX ZB 76/18, ZInsO 2019, 2290 Rn. 10. BGH, Beschl. v. 22.11.2018 – IX ZB 14/18, NJW 2019, 935, 936.

35

§ 3 Die Entwicklung der Rechtsprechung zur Verwirkung der Insolvenzverwaltervergütung

67 Zivilrechtlich hatten die insoweit bereits strafrechtlich geahndeten Verfehlungen die Verwirkung des Vergütungsanspruchs zur Konsequenz. Denn nach Ansicht des IX. Zivilsenats handelt ein Insolvenzverwalter regelmäßig dann in besonders schwerem Maß verwerflich und verwirkt demgemäß in der Regel seinen Anspruch auf Vergütung, wenn er zum Nachteil der Masse eine strafbare Untreue begeht, um sich oder einen nahen Angehörigen zu bereichern.174)

68 In dieser Hinsicht bestätigte der Bundesgerichtshof also inhaltlich die von den Instanzgerichten in ihren ersten Entscheidungen zur Verwirkung der Insolvenzverwaltervergütung geprägte Rechtsprechung, dass Straftaten des Verwalters in Ausübung des Amts zur Verwirkung des Vergütungsanspruchs führen.175) Im Gegensatz zu den Instanzgerichten begründete der IX. Zivilsenat die Verwirkung nun aber unter ausdrücklichem Verweis auf die Regelung des § 654 BGB und die inzwischen vom Senat entwickelten tatbestandlichen Anforderungen.176) Den Ausganspunkt der Verwirkung sah er dabei in dem Treuebruch des Verwalters gegenüber dem Insolvenzgericht, welches ihn bestellt hatte.177) Ein derartig schwerer, subjektiv in hohem Maße vorwerfbarer Treuebruch liege nämlich insbesondere dann vor, wenn der Verwalter besonders schwerwiegende Pflichtverletzungen in Form von Straftaten zum Nachteil der Masse begangen habe.178) Für die Bewertung der Schwere der Pflichtverletzung sei dabei unerheblich, ob der durch die Veruntreuung für die Masse entstandene Schaden später ausgeglichen werde.179)

69 Der Entscheidung kann darüber hinaus auch noch ein genereller Aspekt zum dogmatischen Verständnis der Konstruktion der Verwirkung des Vergütungsanspruchs über § 654 BGB entnommen werden. Dieser lässt sich als „Alles oder Nichts“ Prinzip der Vergütungsverwirkung bezeichnen. Denn nach Auffassung des IX. Zivilsenats kommt aufgrund der engen Begrenzung der möglichen Fälle einer Verwirkung nur ein vollumfänglicher Verlust der Vergütung und nicht die Kürzung des Anspruchs in Betracht.180) Eine Kürzung der Vergütung liefe nach Ansicht des Senats nämlich auf eine Minderung der Vergütung wegen Schlechtleistung hinaus, was einerseits der Ausgestaltung der Insolvenzverwaltervergütung als Tätigkeitsvergütung systematisch zuwiderlaufe und andererseits den Anwendungsbereich der Verwirkung auf minder schwere Pflichtverletzungen erweitern würde.181) ___________ 174) 175) 176) 177) 178) 179) 180) 181)

36

BGH, Beschl. v. 22.11.2018 – IX ZB 14/18, NJW 2019, 935 Rn. 21. BGH, Beschl. v. 22.11.2018 – IX ZB 14/18, NJW 2019, 935. BGH, Beschl. v. 22.11.2018 – IX ZB 14/18, NJW 2019, 935 Rn. 16, 24 f. BGH, Beschl. v. 22.11.2018 – IX ZB 14/18, NJW 2019, 935 Rn. 19. BGH, Beschl. v. 22.11.2018 – IX ZB 14/18, NJW 2019, 935 Rn. 20. BGH, Beschl. v. 22.11.2018 – IX ZB 14/18, NJW 2019, 935 Rn. 22. BGH, Beschl. v. 22.11.2018 – IX ZB 14/18, NJW 2019, 935 Rn. 25. BGH, Beschl. v. 22.11.2018 – IX ZB 14/18, NJW 2019, 935 Rn. 25.

B. Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs

IV. Anwendung auf den vorläufigen Insolvenzverwalter Die vom Bundesgerichtshof entwickelte Rechtsprechung zur Verwirkung der Ver- 70 gütung des Insolvenzverwalters unter Heranziehung des § 654 BGB kann auch auf den Vergütungsanspruch eines vorläufigen Insolvenzverwalters Anwendung finden.182) Der IX. Zivilsenat geht dabei davon aus, dass für die Verwirkung des Vergütungsanspruchs des vorläufigen Verwalters allerdings nur Verstöße in Ausübung des konkreten Amts von Bedeutung sein sollen.183) Bezüglich der Schwere des Verstoßes gilt bei Verfehlungen des vorläufigen Verwalters kein anderer Maßstab, sodass beispielsweise der Vorwurf einer nicht prüffähigen Rechnungslegung des Verwalters im Eröffnungsverfahren auch nicht als derart schwerwiegende Verletzung der Treuepflicht bewertet wurde, die zum Verlust des Vergütungsanspruchs hätte führen können.184) Sofern der vorläufige Verwalter mit Verfahrenseröffnung zum Insolvenzverwalter ernannt wird, kann nach dieser Rechtsprechung des IX. Senats eine vom Verwalter im eröffneten Verfahren begangene Pflichtverletzung die Verwirkung seines Vergütungsanspruchs für seine vorangegangene Tätigkeit als vorläufiger Insolvenzverwalter daher auch nur unter besonderen Umständen ausnahmsweise rechtfertigen.185) Eine Verwirkung kommt lediglich dann in Betracht, wenn die Pflichtverletzung nach Verfahrenseröffnung zugleich einen Treuebruch bei der vorläufigen Insolvenzverwaltung bedeutet.186) Mithin nimmt der Bundesgerichtshof eine Trennung zwischen dem Vergütungsanspruch des vorläufigen Verwalters und des Verwalters nach Verfahrenseröffnung vor. Der vorläufige Verwalter geht danach seines Anspruchs auf Vergütung für die vorläufige Verwaltung verlustig, wenn er sich im Eröffnungsverfahren eine schwerwiegende Pflichtverletzung vorwerfen lassen muss. Nur ausnahmsweise kann eine im eröffneten Verfahren begangene schwerwiegende Pflichtverletzung auch einen Treuebruch hinsichtlich seiner Tätigkeit als vorläufiger Verwalter darstellen.

V. Kern des Verwirkungstatbestands Als zentrale tatbestandliche Voraussetzung hat sich aus der Rechtsprechung des Bun- 71 desgerichtshofs zur Verwirkung des Vergütungsanspruchs das Merkmal des Treuebruchs des Verwalters herausgebildet, das in der Verletzung der dem Verwalter obliegenden Treuepflicht begründet sein soll.187) Eine Eingrenzung erfährt die Mög___________ 182) 183) 184) 185) 186) 187)

BGH, Beschl. v. 21.9.2017 – IX ZB 28/14, NZI 2017, 988 Rn. 11. BGH, Beschl. v. 21.9.2017 – IX ZB 28/14, NZI 2017, 988 Rn. 11. BGH, Beschl. v. 21.9.2017 – IX ZB 28/14, NZI 2017, 988 Rn. 12. BGH, Beschl. v. 21.9.2017 – IX ZB 28/14, NZI 2017, 988 Rn. 11. BGH, Beschl. v. 21.9.2017 – IX ZB 28/14, NZI 2017, 988 Rn. 12. BGH, Beschl. v. 14.7.2016 – IX ZB 52/15, NZI 2016, 892 Rn. 6, 8; BGH, Beschl. v. 21.9.2017 – IX ZB 28/14, NZI 2017, 988 Rn. 10 ff.; BGH, Beschl. v. 22.11.2018 – IX ZB 14/18, NJW 2019, 935 Rn. 16, 19; BGH, Beschl. v. 12.9.2019 – IX ZB 76/18, ZInsO 2019, 2290 Rn. 9.

37

§ 3 Die Entwicklung der Rechtsprechung zur Verwirkung der Insolvenzverwaltervergütung

lichkeit der Vergütungsverwirkung des Insolvenzverwalters nach der Rechtsprechung dabei durch Art. 12 GG. Im Hinblick auf den verfassungsrechtlichen Schutz des Vergütungsanspruchs des Insolvenzverwalters nach Art. 12 Abs. 1 GG, der dem Verwalter einen Anspruch auf eine seiner Qualifikation und Tätigkeit angemessene Vergütung garantiere, gebiete der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nämlich eine enge Begrenzung der Fälle der Vergütungsverwirkung.188) Tatbestandlich präzisierte der IX. Senat die Begrenzung der Verwirkung später insofern, dass die Pflichtverletzung des Verwalters schwer und subjektiv in hohem Maße vorwerfbar sein muss.189) Wesentlich ist hinsichtlich der tatbestandlichen Anforderungen weiterhin auch, dass aufgrund der dem § 654 BGB zugeschriebenen Sanktionswirkung die Verwirkung der Vergütung nicht vom Eintritt eines Schadens abhängig ist.190)

VI. Rechtsfolgen der Verwirkung im Einzelnen 72 Die Rechtsfolge der Verwirkung umfasst in ihrem Kern den Entfall des Anspruchs auf eine angemessene Vergütung nach § 63 InsO. Ohne Bedeutung für die Vergütungsverwirkung ist dabei, ob der Verwalter bereits nach § 9 InsVV Vorschüsse für seine Tätigkeit erhalten hat oder nicht.191) Missverständlich erscheint es daher auch, wenn der Bundesgerichtshof einer vorangegangen Entscheidung des Beschwerdegerichts insofern zustimmt, dass dem Verwalter die über den bereits erhaltenen Vorschuss hinausgehende Vergütung zu versagen sei.192) Vor dem Hintergrund, dass ein Vorschuss lediglich eine Vorauszahlung auf die erst später fällige Vergütung darstellt,193) ist im Ergebnis vielmehr davon auszugehen, dass auch bereits erhaltene Vorschüsse der Verwirkung unterliegen müssen. Zudem stellt die Zustimmung zur Vorschussentnahme schon keine bindende Entscheidung über die noch festzusetzende Vergütung dar, sondern hat im Hinblick auf die endgültige Festsetzung nur einen vorläufigen Charakter.194)

73 Der ebenfalls aus § 63 Abs. 1 InsO folgende Auslagenerstattungsanspruch des Insolvenzverwalters ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zumindest nicht generell von der Verwirkung erfasst. Während die Instanzgerichte diesen neben der Vergütung auch als verwirkt betrachteten und unter Hinweis auf den Strafcharakter von § 654 BGB generell keine Differenzierung von Vergütung und Auslagen ___________ 188) BGH, Beschl. v. 6.5.2004 – IX ZB 349/02, BGHZ 159, 122, 132. 189) BGH, Beschl. v. 14.7.2016 – IX ZB 52/15, NZI 2016, 892 Rn. 6; BGH, Beschl. v. 21.9.2017 – IX ZB 28/14, NZI 2017, 988 Rn. 10; BGH, Beschl. v. 22.11.2018 – IX ZB 14/18, NJW 2019, 935 Rn. 27; BGH, Beschl. v. 12.9.2019 – IX ZB 76/18, ZInsO 2019, 2290 Rn. 14. 190) BGH, Beschl. v. 22.11.2018 – IX ZB 14/18, NJW 2019, 935 Rn. 26. 191) BGH, Beschl. v. 22.11.2018 – IX ZB 14/18, NJW 2019, 935 Rn. 29. 192) BGH, Beschl. v. 14.7.2016 – IX ZB 52/15, NZI 2016, 892 Rn. 7. 193) MüKoInsO/Stephan, InsVV, § 9 Rn. 1. 194) BGH, Beschl. v. 22.11.2018 – IX ZB 14/18, NJW 2019, 935 Rn. 29; Stephan/Riedel/Stephan, InsVV, § 9 Rn. 35.

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B. Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs

für notwendig erachteten,195) nimmt der Bundesgerichtshof inzwischen eine Differenzierung hinsichtlich des Auslagenerstattungsanspruchs vor. Zumindest in dem Fall, dass der Verwalter die Auslagen als Pauschalsatz nach § 8 Abs. 3 InsVV geltend macht, sieht der IX. Zivilsenat die Auslagen als verwirkt an.196) Bisher von der höchstrichterlichen Rechtsprechung ungeklärt ist indes, inwiefern auch der Anspruch auf Erstattung von besonderen Kosten nach § 4 Abs. 2 InsVV von der Verwirkung erfasst ist.197) Der Auslagenersatz für besondere Kosten umfasst die im Laufe des konkreten Insolvenzverfahrens tatsächlich angefallenen Auslagen des Verwalters und keine Pauschale.198) Zu berücksichtigen wäre diese Unterscheidung dabei auch, sofern der Verwalter bereits Vorschüsse auf seine Auslagen entnommen hat. Die Anspruchsverwirkung unter Heranziehung des § 654 BGB wirkt sich weiterhin auch auf potenzielle Gegenansprüche des Insolvenzverwalters aus. In seinem Beschluss vom 6.5.2004 zeigt der Bundesgerichtshof zwar die Möglichkeit auf, dass zumindest außerhalb des Festsetzungsverfahrens die Geltendmachung eines Anspruchs auf Bereicherungsausgleich möglich sei.199) Aufgrund des Strafcharakters aber, den die Rechtsprechung dem § 654 BGB zuschreibt, ist im Ergebnis unabhängig von den sonstigen Anspruchsvoraussetzungen davon auszugehen, dass ein potenzieller Anspruch des Insolvenzverwalters auf einen Bereicherungsausgleich für die von ihm erbrachte Tätigkeit nach § 812 BGB ausgeschlossen sein muss.200) Ohnehin dürfte ein Kondiktionsanspruch des Verwalters bereits daran scheitern, dass nicht ohne Rechtsgrund geleistet wurde, da die Verwirkung des Vergütungsanspruchs nicht die ursprüngliche Bestellung zum Verwalter unwirksam werden lässt.201)

VII. Zusammenfassung Die Analyse der Entwicklung der Rechtsprechung zur Verwirkung des Vergütungs- 74 anspruchs des Insolvenzverwalters zeigt, dass sich die Gerichte an bereits vorhandener Rechtsprechung zur Vergütungsverwirkung bei anderen Berufsgruppen orientierten und davon ausgehend auch die Verwirkungskonstruktion unter Heranziehung des Gedankens des § 654 BGB aufgriffen und weiterentwickelten. Konsequent wurde ___________ 195) LG Schwerin, Beschl. v. 9.7.2008 – 5 T 31/06, ZInsO 2008, 856 Rn. 37; LG Magdeburg, Beschl. v. 10.1.2013 – 11 T 507/11, ZInsO 2013, 2578, 2584. 196) BGH, Beschl. v. 22.11.2018 – IX ZB 14/18, NJW 2019, 935 Rn. 30; dies ergibt sich denklogisch bereits daraus, dass nach § 8 Abs. 3 InsVV der Pauschalsatz prozentual an Hand der Regelvergütung zu bemessen ist; anders aber noch AG Wolfratshausen, Beschl. v. 3.8.2000 – N 19/92, ZInsO 2000, 517 Rn. 14. 197) Ausdrücklich auch offen lassend BGH, Beschl. v. 22.11.2018 – IX ZB 14/18, NJW 2019, 935 Rn. 30. 198) MüKoInsO/Riedel, InsVV, § 4 Rn. 2 ff.; Haarmeyer/Mock, InsVV, § 4 Rn. 92. 199) BGH, Beschl. v. 6.5.2005 – IX ZB 349/02, BGHZ 159, 122, 133 f.; später in diesem Sinne auch BGH, Beschl. v. 22.11.2018 – IX ZB 14/18, NJW 2019, 935 Rn. 28. 200) Bartels, WuB 2004, 1328; Priewer, NZWiSt 2019, 188, 191. 201) Bartels, WuB 2004, 1328; Hall, jurisPR-BGHZivilR 37/2004 Anm. 5.

39

§ 3 Die Entwicklung der Rechtsprechung zur Verwirkung der Insolvenzverwaltervergütung

die Verwirkung allerdings erst durch den Bundesgerichtshof ausdrücklich auf die Regelung des § 654 BGB gestützt. Der Anwendungsbereich der Verwirkung des Vergütungsanspruchs erstreckt sich dabei grundsätzlich auch auf den vorläufigen Insolvenzverwalter. Maßgeblich für die Frage der Anspruchsverwirkung ist, ob dem Insolvenzverwalter ein Treuebruch vorgeworfen werden kann. Den bisherigen Entscheidungen ist dabei zu entnehmen, dass ein Treuebruch inhaltlich vor allem dann anzunehmen ist, wenn dem Verwalter strafrechtlich sanktioniertes Verhalten zur Last gelegt werden kann. Relevant können dabei zum einen solche Straftaten sein, die in einem unmittelbaren Bezug zur Tätigkeit als Insolvenzverwalter im konkreten Verfahren stehen. Zum anderen kommen aber auch Straftaten in anderen Insolvenzverfahren in Betracht sowie solche, die – wie beispielsweise der Missbrauch von Titeln – keinen spezifischen Bezug zur Tätigkeit als Insolvenzverwalter aufweisen. Denn Anknüpfungspunkt für den Vorwurf eines Treuebruchs des Verwalters kann schon die Bestellung zum Verwalter bzw. deren Annahme sein.

75 Hinsichtlich der Feststellung des Treuebruchs ist es dabei unerheblich, ob die in Betracht kommenden Straftaten des Verwalters bereits zu einer rechtskräftigen Verurteilung geführt haben oder die Strafbarkeit durch Prüfung des mit der Vergütungsfestsetzung befassten Zivilgerichts festgestellt wird. Ein Treuebruch bereits bei der Bestellung zum Verwalter kann sich zudem unabhängig von einer Straftat auch daraus ergeben, dass der Verwalter es unterlässt, dem Insolvenzgericht bei Verfahrenseröffnung wesentliche Umstände im Hinblick auf seine bisherige Tätigkeit in anderen Verfahren mitzuteilen. Dies müssen nicht zwangsläufig Straftaten sein, jedoch muss die Unterlassung so erheblich sein, dass sie einem schweren, in subjektiv hohen Maß vorwerfbaren Treuebruch gleichsteht.

40

§ 4 Anwendbarkeit des § 654 BGB auf den Vergütungsanspruch des Insolvenzverwalters aus dogmatischer Sicht A. Entwicklung des Verständnisses von § 654 BGB in der Rechtsprechung Von zentraler Bedeutung für die Verwirkungskonstruktion der Rechtsprechung ist das 76 dogmatische Verständnis der Regelung des § 654 BGB, da damit auch unmittelbar die Frage des Anwendungsbereichs der Norm verknüpft ist. Im Wesentlichen ist das heutige Verständnis von § 654 BGB – wie bereits im Rahmen der Analyse der Rechtsprechung zur Verwirkung des Vergütungsanspruchs des Insolvenzverwalters angedeutet – durch Entscheidungen des VII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs zum Maklerrecht geprägt. Die ersten Ansätze des Normverständnisses gehen aber auf das Reichsgericht zurück, das im Rahmen von maklerrechtlichen Streitigkeiten bereits grundlegende Ausführungen zum Charakter des § 654 BGB machte.

I.

Normverständnis des Reichsgerichts in der maklerrechtlichen Rechtsprechung

1.

Verbotene Doppeltätigkeit des Maklers

Die ersten Entwicklungen zum späteren Normverständnis des § 654 BGB haben ihren 77 Ursprung in Entscheidungen des Reichsgerichts Anfang des 20. Jahrhunderts zum maklerrechtlichen Anwendungsbereich der Norm. Da der direkte, am Wortlaut orientierte Anwendungsbereich der Regelung nur das vertragswidrige Tätigwerden des Maklers für beide Parteien des vermittelten Hauptvertrags umfasst,202) beschäftigten sich die Entscheidungen des Reichsgerichts zu § 654 BGB daher maßgeblich mit der Frage, unter welchen Umständen eine solche vertragswidrige Doppeltätigkeit anzunehmen ist und ob die Regelung möglicherweise ein absolutes Verbot der Doppeltätigkeit enthält.203) Neben Ausführungen zu dieser Problematik der vertragswidrigen Doppelmakelei äußerte sich das Reichsgericht aber auch generell zum Normcharakter. Das Reichsgericht führte insoweit aus, dass in § 654 BGB der allgemeine und lediglich klarstellende Rechtsgedanke normiert sei, dass demjenigen Vertragspartner, der seinen Vertragspflichten selbst nicht nachkomme und diese schuldhaft verletze, auch kein eigenes Forderungsrecht zustehen könne.204) Selbst dann, wenn objektiv betrachtet die Vermittlung des Geschäfts durch den Makler herbeigeführt worden sei, könne dem Lohnanspruch des Maklers die Einrede des nicht erfüllten Vertrages entgegen-

___________ 202) MüKoBGB/Althammer, BGB, § 654 Rn. 1; siehe dazu zudem unten Rn. 96 ff. 203) Siehe dazu ausführlich Fröber, Entstehung der Bestimmungen über den Maklervertrag, S. 271 ff. 204) RG, Urt. v. 20.9.1907 – III 99/07, Recht 1907, (Nr.) 3489.

41

§ 4 Anwendbarkeit des § 654 BGB auf den Vergütungsanspruch des Insolvenzverwalters

gehalten werden, wenn der Makler seine Tätigkeit nicht dem Grundsatz von Treu und Glauben entsprechend ausgeführt habe.205)

78 Mithin sah das Reichsgericht in § 654 BGB zum einen die Ausprägung eines insbesondere bei gegenseitigen Verträgen geltenden Grundsatzes, legte zum anderen aber auch Anforderungen an die Art und Weise der Vertragserfüllung fest. In einer späteren Entscheidung des Reichsgerichts aus dem Jahr 1913, die sich zwar im Wesentlichen mit der Zulässigkeit einer Doppeltätigkeit auseinandersetzte, kam sodann zumindest ansatzweise auch zum ersten Mal die später von der Rechtsprechung weiter konkretisierte Einordnung von § 654 BGB als Sanktionsnorm zum Ausdruck.206) Das Reichsgericht sprach der Norm zwar nicht ausdrücklich eine solche Eigenschaft zu, nahm aber dennoch an, dass § 654 BGB auch unabhängig von einem durch die Pflichtverletzung des Maklers entstandenen Schaden zur Anwendung kommen könne.207) Diese Annahme eines schadensunabhängigen Verlusts des Provisionsanspruchs lässt erkennen, dass schon in der frühen Rechtsprechung des Reichsgerichts das spätere Verständnis von § 654 BGB als Sanktionsnorm angelegt war. In dem entschiedenen Fall standen unter anderem Bestechungsversuche durch die involvierten Makler im Raum. Im Hinblick auf die Verwirkung des Lohnanspruchs führte das Gericht dabei aus, dass es nicht auf den Erfolg der Bestechungsversuche ankommen könne. Vielmehr würde bereits der Versuch ausreichend sein, um anzunehmen, dass der Anspruch verwirkt sein könne.208)

2.

Erweiterung des sachlichen Anwendungsbereichs auf Treuepflichtverletzungen

79 Von entscheidender Bedeutung für die Entwicklung des Normverständnisses, von dem nun auch die Rechtsprechung zur Vergütungsverwirkung des Insolvenzverwalters geprägt ist, war aber vor allem die Erweiterung des Anwendungsbereichs von § 654 BGB auf die Verletzung von Treuepflichten des Maklers gegenüber seinem Auftraggeber. Das Reichsgericht sah derartige Treuepflichten des Maklers dabei unter anderem in Aufklärungspflichten. So versagte es im Jahr 1910 unter Bezugnahme auf den allgemeinen Rechtsgedanken, wonach derjenige nichts fordern könne, der sich selbst vertragswidrig verhält, einem Makler die Vergütung, der es unterlassen hatte, den Auftraggeber über den früheren Hausschwammbefall des Grundstücks aufzuklären.209) In der Folge festigte sich die Rechtsprechung zur Problematik einer schuldhaften Treuepflichtverletzung durch Unterlassen. Dementsprechend konnte das Unterlassen, den Auftraggeber über für ihn maßgebliche Umstände, wie ungüns___________ 205) 206) 207) 208) 209)

42

RG, Urt. v. 19.4.1900 – VI 65/1900, RG SeuffArch. Bd. 56 Nr. 73. RG, Urt. 29.3.1913 – V 498/12, JW 1913, 641 Nr. 4. Fischer, NZM 2001, 873, 874. RG, Urt. 29.3.1913 – V 498/12, JW 1913, 641 Nr. 4. RG, Urt. v. 15.2.1910 – III 162/09, JW 1910, 284 Nr. 15.

A. Entwicklung des Verständnisses von § 654 BGB in der Rechtsprechung

tige Vermögensverhältnisse der Gegenpartei oder sonstige entscheidungserhebliche Aspekte aufzuklären, neben Schadensersatzansprüchen auch die Verwirkung des Lohnes nach sich ziehen.210) Somit galten in der reichsgerichtlichen Judikatur für den Schadenersatzanspruch des Maklerkunden und die Verwirkung des Lohnanspruchs des Maklers die gleichen tatbestandlichen Anforderungen.211) In der Folge präzisierte das Reichsgericht den Inhalt der Treuepflicht weiter. Zwar 80 ohne ausdrückliche Bezugnahme auf den Wortlaut von § 654 BGB oder den der Norm attestierten Rechtsgedanken führte das Reichsgericht in einer weiteren Entscheidung aus dem Jahr 1920 aus, dass auch derjenige Makler keine Provision beanspruchen könne, der – wenn auch nur fahrlässig – versucht, den Abschluss eines Vertrags herbeizuführen, der den Interessen des Auftraggebers nicht gerecht wird.212) Die Begründung für den Verlust des Vergütungsanspruchs wurde dabei vom Reichsgericht aber in einer schuldhaften Verletzung der Maklertreue gesehen, welche zur Konsequenz habe, dass der Makler seines Anspruchs auf Vergütung „unwürdig erscheine“. In dieser Entscheidung kam damit der in der späteren Rechtsprechung zum Maklerrecht immer wieder thematisierte Gedanke der „Lohnwürdigkeit“ zum Vorschein. Neben der Verletzung von Aufklärungspflichten konnten nach Ansicht des Reichsgerichts zudem auch aus persönlichen und eigennützigen Gründen motivierte Empfehlungen des Maklers gegenüber dem Auftraggeber eine Treuepflichtverletzung begründen, insbesondere wenn diese dem eigentlichen Interesse des Auftragsgebers widersprachen.213) Nach Auffassung des Reichsgerichts konnte als Bezugspunkt der Treuepflichtverletzung dabei nicht nur der vermittelte Vertrag bzw. die Tätigkeit als Makler, sondern auch das Zustandekommen des Maklervertrags selbst in Betracht kommen.214)

3.

Zusammenfassung

An der Analyse der reichsgerichtlichen Rechtsprechung zeigt sich somit im Ergebnis, 81 dass schon das Reichsgericht in Entscheidungen zum originären Anwendungsbereich der Vorschrift im Maklerrecht den § 654 BGB als Ausfluss eines allgemeinen Rechtsgedankens einordnete.215) Derjenige, der selbst wesentliche vertragliche Pflichten nicht erfülle, könne im Gegenzug auch von der Gegenseite keine Erfüllung verlangen. An der Formulierung, dass die Vorschrift „lediglich zur Klarstellung diene“, wird jedoch zugleich deutlich, dass das Reichsgericht bei Anwendung der Vorschrift auf den Makler in der Norm nur einen ohnehin im Zivilrecht angelegten Grundsatz ___________ 210) RG, Urt. v. 27.9.1929 – II 660/28, LZ 1930, 383, 386, wenn auch ohne ausdrücklichen Verweis auf § 654 BGB. 211) Krehl, Die Pflichtverletzung des Maklers, S. 91. 212) RG, Urt. v. 13.3.1920 – V 430/19, LZ 1920, 758, 759. 213) RG, Urt. v. 29.1.1929 – II 366/28, LZ 1929, 1045 Nr. 8; RG, Urt. v. 5.12.1930 – II 80/30, LZ 1931, 624 Nr. 3. 214) RG, Urt. v. 7.12.1918 – III 255/17, LZ 1918, 686, 687. 215) So auch Fröber, Entstehung der Bestimmungen über den Maklervertrag, S. 271.

43

§ 4 Anwendbarkeit des § 654 BGB auf den Vergütungsanspruch des Insolvenzverwalters

für den rechtlichen Umgang mit Leistungsstörungen bei gegenseitigen Vertragsverhältnissen erblickte. Die Rechtsprechung des Reichsgerichts erhob § 654 BGB damit also zunächst nicht zu einer außerhalb des konkreten Regelungszwecks anwendbaren Norm mit allgemeiner Bedeutung auch außerhalb des Maklerrechts.

82 In späteren Entscheidungen bestand die wesentliche Weiterentwicklung des Normverständnisses darin, dass § 654 BGB nicht als Ausfluss eines allgemeinen Rechtsgedankens gesehen wurde, der nur klarstellenden Charakter haben sollte; vielmehr wurde jetzt ein eigenständiger Rechtsgedanke aus der Norm abgeleitet. Dieser wurde darin gesehen, dass die Verletzung der besonderen Treuepflicht des Maklers die Verwirkung des Vergütungsanspruchs nach sich ziehen sollte. Eine klare Einordnung als Sanktionsnorm erfolgte demgegenüber durch die reichsgerichtliche Rechtsprechung noch nicht. Einziger Anhaltspunkt für einen schon vom Reichsgericht angenommenen Sanktionscharakter der Norm war lediglich, dass die Vergütungsverwirkung auch unabhängig vom Eintritt eines Schadens angenommen werden konnte.

II. Normverständnis des Bundesgerichtshofs in der maklerrechtlichen Rechtsprechung 83 Das Normverständnis des § 654 BGB in der maklerrechtlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist von zweierlei Aspekten geprägt. Einerseits folgte der Bundesgerichtshof dem Normverständnis des Reichsgerichts nicht in vollem Umfang. In der Judikatur des VII. Zivilsenats216) des Bundesgerichtshofs wurde der Anwendungsbereich von § 654 BGB nämlich wieder deutlich eingeschränkt und zugleich auch vom Anwendungsbereich von Schadensersatzansprüchen abgegrenzt.217) Vor allem aber konkretisierte der Bundesgerichtshof den in der Rechtsprechung des Reichsgerichts bislang nur angedeuteten Sanktionscharakter der Norm und etablierte maßgeblich das Verständnis der Regelung als Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens.

1.

Grundsatzentscheidung aus dem Jahr 1962

84 Grundlegend für die Abkehr von der reichsgerichtlichen Rechtsprechung und eigenständige Weiterentwicklung des Normverständnisses ist eine Entscheidung aus dem Jahr 1962.218) Das in dieser Entscheidung hervortretende Verständnis der Norm prägt bis heute die Rechtsprechung zu § 654 BGB und die tatbestandlichen Anforderungen an eine Verwirkung des Vergütungsanspruchs.

___________ 216) Später der IVa. Zivilsenat. 217) Fischer, NZM 2001, 873, 874. 218) BGH, Urt. v. 5.2.1962 – VII ZR 248/60, BGHZ 36, 323.

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A. Entwicklung des Verständnisses von § 654 BGB in der Rechtsprechung

a) Konkretisierung des Strafcharakters Mit dem Urteil des VII. Zivilsenats wurde durch die Rechtsprechung erstmals aus- 85 drücklich festgestellt, dass die Regelung des § 654 BGB „offensichtlich Strafcharakter“ habe.219) Der drohende Verlust des Vergütungsanspruchs solle den Makler dazu ermahnen, seine ihm gegenüber dem Auftraggeber obliegende Treuepflicht zu wahren. Insofern ging der VII. Senat also von einer mit der Norm bezweckten Präventionswirkung aus. In Übereinstimmung mit der reichsgerichtlichen Rechtsprechung stellte der Bundesgerichtshof zudem fest, dass zur Anwendung der Norm kein Schaden des Auftraggebers erforderlich sei; daher sei auch ein potenzielles Mitverschulden des Auftraggebers nicht nach § 254 BGB zu berücksichtigen.220)

b) Konkretisierung der Qualität der Treuepflichtverletzung Zwar erkannte der Bundesgerichtshof grundsätzlich auch an, dass ein Makler bei Ver- 86 letzung seiner Treuepflichten unter entsprechender Anwendung des § 654 BGB seinen Lohnanspruch verwirken könne. Jedoch hielt es der VII. Senat insbesondere aufgrund des Strafcharakters der Norm für geboten, den Anwendungsbereich der Vorschrift zu beschränken. Eine die Verwirkung begründende Treuepflichtverletzung sei demzufolge nur dann anzunehmen, wenn der objektiv feststellbare Verstoß gegen die Treuepflicht auf subjektiver Ebene „vorsätzlich, wenn nicht gar arglistig, mindestens aber in einer dem Vorsatz nahekommenden grob leichtfertigen Weise“ erfolgt sei.221) Die subjektiven Voraussetzungen für die Verwirkung rückten somit in den Vordergrund. Deutlich wird dies auch daran, dass der VII. Zivilsenat gesondert hervorhob, das Reichsgericht habe anders als der Senat nur auf die objektive Vorwerfbarkeit der Pflichtverletzung abgestellt, indem es eine Treuepflichtverletzung in „wesentlicher Weise“ gefordert habe. Als ein weiteres Korrektiv zur Einschränkung des Anwendungsbereichs von § 654 87 BGB führte der VII. Zivilsenat zudem das allgemeine Rechts- und Billigkeitsempfinden an. Dabei rekurrierte der Bundesgerichthof auf den schon in einer Entscheidung des Reichsgerichts222) angelegten Gedanken, dass der Makler bei schuldhafter Verletzung der Maklertreue seines Lohnes unwürdig sei. Dazu führte der Senat nun weiter aus, dass diese Schwelle der Unwürdigkeit selbst bei einem möglichen Schaden des Auftraggebers nicht bereits bei jeder lediglich fahrlässigen Treuepflichtverletzung erreicht sei. Fahrlässige Pflichtverletzungen lägen vielmehr im Anwendungsbereich von Haftungstatbeständen. Im Umkehrschluss ergibt sich also, dass nach dem Verständnis des VII. Zivilsenats eine Verwirkung des Lohnanspruchs nur bei be___________ 219) 220) 221) 222)

BGH, Urt. v. 5.2.1962 – VII ZR 248/60, BGHZ 36, 323, 326. BGH, Urt. v. 5.2.1962 – VII ZR 248/60, BGHZ 36, 323, 326. BGH, Urt. v. 5.2.1962 – VII ZR 248/60, BGHZ 36, 323, 327. RG, Urt. v. 13.3.1920 – RG V 430/19, LZ 1920, 758, 759.

45

§ 4 Anwendbarkeit des § 654 BGB auf den Vergütungsanspruch des Insolvenzverwalters

sonders schwerwiegenden, vorsätzlichen Treuepflichtverletzungen in Betracht kommen und die Ausnahme bilden sollte.

2.

Verständnis als allgemeiner Rechtsgedanke

88 Die Bedeutung der Entscheidung des Bundesgerichtshofs ergibt sich vor allem daraus, dass sie die Grundlage dafür bildete, dass die Rechtsprechung inzwischen in der Vorschrift des § 654 BGB die gesetzliche Regelung eines allgemeinen Rechtsgedankens sieht.223) Danach verliert der Makler seinen Lohnanspruch, wenn er die ihm obliegende Treuepflicht vorsätzlich oder grob leichtfertig verletzt, indem er den Interessen seines Auftraggebers erheblich zuwiderhandelt und deshalb seines Lohnes nicht mehr würdig erscheint.224) Die damit verbundene Erweiterung des Anwendungsbereichs zeigt sich seitdem auch in der Praxis. Der Hauptanwendungsfall der Vorschrift betrifft maßgeblich schwerwiegende Treuepflichtverletzungen des Maklers, die unter Heranziehung des in § 654 BGB gesehenen Rechtsgedankens die Vergütungsverwirkung nach sich ziehen.225)

III. Normverständnis der Rechtsprechung bei Anwendung auf andere Rechtsverhältnisse 89 Der Anwendungsbereich der Verwirkungskonstruktion auf Grundlage des § 654 BGB ist aber nicht auf maklerrechtliche Rechtsverhältnisse beschränkt geblieben. Dafür war vor allem das die Rechtsprechung zum Maklerrecht prägende Verständnis der Regelung als Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens von wesentlicher Bedeutung.

90 Den Ausgangspunkt für die erweiterte Anwendbarkeit von § 654 BGB auch auf andere Berufsgruppen bildete bereits eine Entscheidung des Reichsgerichts aus dem Jahr 1926. Das Reichsgericht hatte sich mit der Fragestellung zu beschäftigen, ob der Gebührenanspruch eines Rechtsanwalts durch die missbräuchliche Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts an seinen Handakten nach Maßgabe des § 654 BGB verwirkt sein kann.226) Konkret stellte sich Sachverhalt so dar, dass der zunächst mandatierte Rechtsanwalt für die Vermittlung des Kontakts mit dem anschließend für die zweite Instanz mandatierten Prozessbevollmächtigten von seiner Mandantin vergebens die Zahlung einer sog. Verkehrsgebühr eingefordert hatte, woraufhin er die für die anwaltliche Tätigkeit in zweiter Instanz benötigten Handakten zurückbehielt und ___________ 223) Fischer, Maklerrecht Kap. IX Rn. 16; Fischer, FS Bamberger, S. 35, 43. 224) BGH, Urt. v. 26.9.1984 – IVa ZR 162/82, BGHZ 92, 184, 185 f.; BGH, Urt. v. 13.3.1985 – IVa ZR 222/83, NJW 1986, 2573; OLG München, Beschl. v. 29.8.2019 – 5 U 3296/19, BeckRS 2019, 40145 Rn. 2. 225) Fischer, Maklerrecht Kap. IX Rn. 1; Erman/Fischer, BGB, § 654 Rn. 1; Dehner, NJW 2000, 1986, 1994. 226) RG, Urt. v. 24.4.1926 – III 208/25, RGZ 113, 264.

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A. Entwicklung des Verständnisses von § 654 BGB in der Rechtsprechung

seine einstige Mandantin auf Zahlung der Verkehrsgebühr verklagte. Die Mandantin machte daraufhin geltend, der klagende Rechtsanwalt habe sein Zurückbehaltungsrecht an den Handakten missbräuchlich ausgeübt und daher seinen Anspruch auf die Verkehrsgebühr verwirkt. Dieser Ansicht schloss sich das Reichsgericht im Ergebnis an. Zwar betreffe der Ver- 91 wirkungsgedanke grundsätzlich nur einen für das Maklerrecht in § 654 BGB geregelten Einzelfall, jedoch enthalte die Norm gleichzeitig auch einen der Treu- und Sorgfaltspflicht entspringenden Rechtsgedanken.227) Mit Blick auf die Anwendbarkeit der Norm auf eine vorsätzliche oder fahrlässige Treuepflichtverletzung des Maklers führte das Reichsgericht insofern aus, dass für andere Rechtsverhältnisse nichts anderes gelten dürfe, die – außerhalb des Maklerrechts – ebenfalls eine besondere Treuepflicht des Dienstverpflichteten enthielten.228) Die Annahme des Reichsgerichts, dass zu solchen Rechtsverhältnissen „in hervorra- 92 gendem Maße das Verhältnis des Rechtsanwalts zu seinem Auftraggeber“ gehöre,229) eröffnete im Ergebnis den Anwendungsbereich der Norm auf den Gebührenanspruch des Rechtsanwalts. Auf diesem Weg entstand das für die Erweiterung auf andere Rechtsverhältnisse maßgebende Normverständnis von § 654 BGB, wonach nicht mehr nur die Verletzung einer besonderen Treuepflicht im Rahmen eines Maklervertrags zur Verwirkung führen kann, sondern Gleiches auch im Rahmen anderer Rechtsverhältnisse gilt, die eine derartige Treuepflicht begründen. Das vom III. Zivilsenat des Reichsgerichts begründete Normverständnis wurde in der 93 Folge auch senatsübergreifend geteilt, wenn über die Anwendbarkeit des in § 654 BGB gesehenen allgemeinen Rechtsgedankens auf weitere Rechtsverhältnisse zu entscheiden war. So verwies der V. Zivilsenat des Reichsgerichts in einer Entscheidung aus dem Jahr 1937 hinsichtlich der Frage, ob einem ungetreuen Nachlasspfleger eine Vergütung zukommen könne, auf die Entscheidung des III. Zivilsenats zur Verwirkung des Gebührenanspruchs des Rechtsanwalts.230) Deutlich wird das Normverständnis des § 654 BGB aber auch bei einem Blick auf 94 die instanzgerichtliche Rechtsprechung der damaligen Zeit. In einem Urteil aus dem Jahr 1937 führte das Oberlandesgericht Kiel zur Frage der Vergütungsverwirkung eines Testamentsvollstreckers sogar ausdrücklich aus, dass es einem allgemeinen Rechtsgedanken entspreche, „daß ein Beauftragter, den ein besonderes Treueverhältnis mit seinem Auftraggeber verbindet, einen an sich begründeten Lohnanspruch verwirkt, wenn er schuldhaft dessen Interessen in wesentlicher Weise zuwiderhan___________ 227) 228) 229) 230)

RG, Urt. v. 24.4.1926 – III 208/25, RGZ 113, 264, 269. RG, Urt. v. 24.4.1926 – III 208/25, RGZ 113, 264, 269. RG, Urt. v. 24.4.1926 – III 208/25, RGZ 113, 264, 269. RG, Urt. v. 24.2.1937 – V 168/36, RGZ 154, 110, 117, mit Verweis auf die Fundstelle JW 1926, 2086 die RGZ 113, 264 entspricht.

47

§ 4 Anwendbarkeit des § 654 BGB auf den Vergütungsanspruch des Insolvenzverwalters

delt“.231) Dabei verwies das OLG auch auf die soeben thematisierten Entscheidungen des Reichsgerichts.232) Maßgeblich für eine auf § 654 BGB gestützte Vergütungsverwirkung innerhalb anderer Rechtsverhältnisse war ab diesem Zeitpunkt insofern nur, ob für das jeweilige Rechtsverhältnis eine besondere Treuepflicht des Verpflichteten angenommen werden konnte.233)

95 Bestätigung hat diese Anknüpfung an das Bestehen einer besonderen Treuepflicht zunächst auch in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gefunden. Dies zeigt eine Entscheidung aus dem Jahr 1966, in der es die Anwendung des § 654 BGB auf ein partiarisches Rechtsverhältnis234) zu klären galt. Zwar konnte der VIII. Zivilsenat im konkreten Fall offenlassen, ob auch in diesem Fall eine Anwendungsmöglichkeit der Norm bestand. Jedoch führte er zunächst grundsätzlich aus, dass streitig sei, ob § 654 BGB in Fällen grober Verletzung der Treuepflicht auch über das Maklerrecht hinaus auf andere Verträge, die eine besondere Treuepflicht der Parteien gegeneinander begründen, entsprechend angewendet werden könne.235) Als streitig ordnete der Senat die Anwendbarkeit der Norm in diesem Zusammenhang deshalb ein, da der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in einer früheren Entscheidung die Verwirkung des Gebührenanspruchs des Rechtsanwalts nach dem Gedanken des § 654 BGB nur im Falle des Parteiverrates für gerechtfertigt gehalten hatte.236) Streitig war insofern also nicht, ob der Rechtsgedanke des § 654 BGB grundsätzlich Anwendung auf den Gebührenanspruch des Rechtsanwalts finden kann. Der III. Senat definierte lediglich die Schwere der Pflichtverletzung dahingehend, dass dem Rechtsanwalt eine nach § 356 StGB strafbare Pflichtverletzung zur Last fallen müsse. Deutlich wird an der Formulierung des VIII. Senats aber im Ergebnis, dass auch im Rahmen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für die Anwendbarkeit des Rechtsgedankens als entscheidend galt, dass das Rechtsverhältnis von einer besonderen Treuepflicht geprägt sein muss.

___________ 231) OLG Kiel, Urt. v. 15.10.1937 – 2 U 78/37, SchlHA 1938, 128. 232) OLG Kiel, Urt. v. 15.10.1937 – 2 U 78/37, SchlHA 1938, 128 f., mit Verweis auf die Fundstelle RGZ 154, 110 sowie JW 1926, 2086 = RGZ 113, 264. 233) Siehe dazu mit weiteren Beispielen Klemm, Treupflicht und Verwirkung, S. 70 ff.; vgl. auch Staudinger, II. Band, 11. Aufl. 1956, BGB, § 654 Rn. 5. 234) Schuldrechtliche Beziehungen nicht gesellschaftsrechtlicher Art, bei denen eine Gewinnbeteiligung als Entgelt vereinbart ist, siehe MüKoHGB/K. Schmidt, HGB, § 230 Rn. 54. 235) BGH, Urt. v. 26.10.1966 – VIII ZR 80/64, MDR 1967, 40 Nr. 32. 236) BGH, Urt. v. 29.4.1963 – III ZR 211/61, NJW 1963, 1301, 1303; inzwischen in stetiger Rechtsprechung siehe BGH, Urt. v. 12.5.2011 – III ZR 107/10, NJW-RR 2011, 1426 Rn. 28 (m. w. N.).

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B. Tauglichkeit von § 654 BGB als Grundlage für die Verwirkung von Vergütungsansprüchen

B. Tauglichkeit von § 654 BGB als Grundlage für die Verwirkung von Vergütungsansprüchen außerhalb des Maklerrechts Unabhängig von der noch zu erörternden Frage einer Übertragbarkeit der Verwir- 96 kungskonstruktion auf den Vergütungsanspruch des Insolvenzverwalters auf Grundlage des von der Rechtsprechung entwickelten Normverständnisses von § 654 BGB wird im Folgenden zunächst untersucht, ob § 654 BGB aus dogmatischer Sicht grundsätzlich überhaupt eine geeignete Grundlage zur Annahme eines in der Norm verankerten allgemeinen Rechtsgedankens bieten kann. Im Gegensatz zu einer Analogie handelt es sich bei Gewinnung eines allgemeinen 97 Rechtsgedankens aus einer positiven Norm streng dogmatisch betrachtet um eine Induktion, da insofern vom Besonderen auf das Allgemeine geschlossen wird.237) Charakteristisch ist hierbei, dass ein induktiv hergeleitetes Rechtsprinzip sich in seiner Anwendbarkeit nicht auf einen weiteren bestimmten Fall beschränkt, sondern vielmehr Geltung für eine Vielzahl noch nicht abschließend determinierter Fälle entfaltet.238) Für die Induktion stellt sich im Gegensatz zur Frage der analogen Anwendung einer Norm, bei der das Augenmerk auf der Ermittlung des Normzwecks und einer Anwendbarkeit auf einen gleichgelagerten Fall liegt, vielmehr die Frage als zentral dar, ob es sich tatsächlich um ein allgemeines Rechtsprinzip handelt oder lediglich um einen Sondertatbestand.239) Klärungsbedürftig ist insoweit, ob in der Vorschrift des § 654 BGB tatsächlich ein allgemeiner Rechtsgedanke angelegt ist, wonach die Verletzung einer Treuepflicht grundsätzlich zur Verwirkung von Lohnansprüchen führen kann, oder ob es sich vielmehr um eine Sondervorschrift handelt, aus der ein solch allgemeiner Rechtsgedanke nicht abgeleitet werden kann. Für ein genaueres dogmatisches Verständnis von § 654 BGB ist zunächst eine Be- 98 fassung mit den Diskussionen hilfreich, die allein mit Blick auf den Anwendungsbereich der Norm im Maklerrecht geführt werden. Denn bereits die Erweiterung des Anwendungsbereichs der Vorschrift über den ursprünglich vorgesehenen Anwendungsfall einer vertragswidrigen Doppeltätigkeit240) hinaus auf die Verletzung von Treuepflichten des Maklers, mithin also eine Erweiterung noch im Rahmen des grundsätzlichen Anwendungsbereichs der Norm, wird im Schrifttum vielfach kritisiert.241) ___________ 237) 238) 239) 240) 241)

Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 98. Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 98. Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 99. MüKoBGB/Althammer, BGB, § 654 Rn. 1; Dauner-Lieb/Langen/Wichert, BGB, § 654 Rn. 3. Staudinger/Arnold, BGB, § 654 Rn. 15; MüKoBGB/Althammer, BGB, § 654 Rn. 2 f.; DaunerLieb/Langen/Wichert, BGB § 654 Rn. 4; BeckOGK/Meier, 1.2.2022, BGB, § 654 Rn. 34; Reuter, NJW 1990, 1321, 1325; Hamm/Schwerdtner, Maklerrecht Rn. 850 ff.; NK-BGB/Wichert, BGB, § 654 Rn. 4; Lettau/Lorenz, ZJS 2020, 12, 14 f.; Dehner, Das Maklerrecht Rn. 264; Petri/Wieseler, Handbuch Maklerrecht Rn. 419; kritisch auch Budde, MDR 1986, 896, 897; zustimmend hingegen Fischer, NZM 2001, 873, 876; Fischer, Maklerrecht Kap. IX Rn. 21 f.

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99 Die diesbezüglichen Ansatzpunkte sind zahlreich und vielfältiger Natur.242) Eine umfassende Erörterung der unterschiedlichen Positionen ist hier allerdings auch nicht erforderlich. Bedeutsam für die spätere Frage einer Übertragbarkeit der Verwirkungskonstruktion auf den Vergütungsanspruch des Insolvenzverwalters ist alleine, inwiefern aus der dogmatischen Einordnung des § 654 BGB Erkenntnisse zu einem in dieser Norm enthaltenen allgemeinen Rechtsgedanken abgeleitet werden können. Entscheidend ist somit, inwiefern die Regelung als ein Sondertatbestand eingeordnet werden muss.

I.

Herleitung des Rechtsgedankens im Rahmen des Maklerrechts – Dogmatische und systematische Einordnung von § 654 BGB

100 Im Ausgangspunkt betrifft die Diskussion über den erweiterten Anwendungsbereich von § 654 BGB auf Treuepflichtverletzungen des Maklers die Frage der dogmatischen und systematischen Einordnung der Vorschrift. Die Auffassung der Rechtsprechung, dass der Norm ein Strafcharakter zuzusprechen sei und sie einen allgemeinen Rechtsgedanken ausdrücke, wird in der Literatur vielfach nicht geteilt.243) Die Kritik geht dabei vor allem darauf zurück, dass eine Norm mit Straf- bzw. Sanktionscharakter dem Zivilrecht grundlegend systemfremd sei und sich somit auch nur schwer in die Systematik des BGB einfüge; vielmehr werden andere Erklärungsmuster gesucht.244) Im Grunde zielen die verschiedenen Ansätze dabei darauf ab, eine Zuordnung der Norm an Hand bereits bekannter Institute aus dem vertraglichen Leistungsstörungsrecht zu ermöglichen, ohne dass es insofern der gesonderten Einordnung als Strafnorm bedarf.245) Für eine Zuordnung zum Leistungsstörungsrecht spricht freilich schon der Wortlaut der Vorschrift; es muss sich nämlich um eine Tätigkeit des Maklers „dem Inhalt des Vertrags zuwider“ und somit um eine pflichtwidrige Verhaltensweise des Maklers handeln, um die Verwirkung des Lohnanspruchs zu begründen.246) Mit der Regelung des § 654 BGB wird also die Rechtsfolge für eine vertragliche Pflichtverletzung angeordnet, was die Zuordnung zum vertraglichen Leistungsstörungsrecht zumindest nahe legt. ___________ 242) Siehe Fischer, NZM 2001, 873, 875; BeckOK BGB/Kneller, BGB, § 654 Rn. 3. 243) Simanek, Pflichtenkollisionen bei Doppelmaklertätigkeit, S. 51 f.; Jansen, Die Nebenpflichten im Maklerrecht, S. 91; Budde, MDR 1986, 896, 897; Krehl, Die Pflichtverletzung des Maklers S. 111, 115 ff., 137 f.; Hamm/Schwerdtner, Maklerrecht Rn. 850 f.; Lettau/Lorenz, ZJS 2020, 12, 14 f. 244) Siehe BeckOK BGB/Kneller, BGB, § 654 Rn. 3. 245) Werner, AcP 176 (1976), 267, 271; Budde, MDR 1986, 896, 897: als Sonderfall des § 242 BGB (venire contra factum proprium); Hamm/Schwerdtner, Maklerrecht, Rn. 856: Anwendung des § 654 BGB von einem Schadenseintritt abhängig; Krehl, Die Pflichtverletzung des Maklers, S. 137 f.: als Sonderfall zu § 323 BGB a. F.; BeckOK BGB/Kneller, BGB, § 654 Rn. 5: als vertragsspezifische Leistungsstörungsregelung. 246) Krehl, Die Pflichtverletzung des Maklers, S. 103 f.

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Rechtssystematisch vertretbar erscheint es insofern auch, § 654 BGB als ein Fall des 101 § 323 BGB a. F.247) einzuordnen.248) Daran erinnert bereits das Normverständnis des Reichsgerichts, wonach die Regelung den Grundsatz zum Ausdruck bringe, dass derjenige, der seine Vertragspflicht selbst nicht erfülle, auch nicht zur Forderung der Gegenleistung berechtigt sei.249) Denkbar ist aber auch eine speziellere Einordung der Norm als vertragsspezifische Leistungsstörungsregelung, mit der eine vertragstypen-spezifische und dabei atypische Regelung zum Umgang mit einer Forderungsbzw. Pflichtverletzung erschaffen wurde.250) Auch die schadensunabhängige Anwendbarkeit der Norm spricht nicht zwingend 102 gegen die grundsätzliche Zuordnung der Regelung zum Leistungsstörungsrecht. Denn allgemeine Regelungen des Leistungsstörungsrechts sind in ihrer Anwendbarkeit nicht stets auf den Eintritt eines Schadens beschränkt.251) Vielfach wird zudem kritisiert, dass der historische Gesetzgeber keine Norm mit 103 Strafcharakter habe schaffen wollen.252) Zwar lässt sich insofern aus der konkreten Entstehungsgeschichte der Norm kein eindeutiges Ergebnis über den Hintergrund und Zweck der Regelung entnehmen.253) Berechtigt an der Kritik erscheint aber, dass zumindest kein konkreter Wille des Gesetzgebers zur Erschaffung einer Strafnorm zum Ausdruck kommt und sich jedenfalls andeutet, dass die Regelung grundsätzlich dem vertraglichen Leistungsstörungsrecht zugeordnet werden kann. Im ersten Entwurf des BGB zum Maklerrecht war die Regelung des § 654 BGB nicht vorgesehen, der Maklerkunde wurde vielmehr auf die allgemeinen Regelungen bei Auftreten von Pflichtverletzungen verwiesen.254) Die Gesetzesmaterialien zu den Beratungen im Rahmen der zweiten Kommission, in der schließlich der Antrag auf Aufnahme der Norm gestellt wurde, deuten wiederum darauf hin, dass die Norm zumindest teilweise als Klarstellung dessen verstanden wurde, dass schon keine wirksame Maklertätigkeit (keine Pflichterfüllung) vorliege, wenn der Makler sich ausschließ___________ 247) § 323 Abs. 1, 1. Hs. BGB a. F. lautete in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung: „Wird die aus einem gegenseitigen Vertrage dem einen Teile obliegende Leistung infolge eines Umstandes unmöglich, den weder er noch der andere Teil zu vertreten hat, so verliert er den Anspruch auf die Gegenleistung; […].“ Diese Regelung findet ihren Ausdruck heute in § 275 BGB und § 326 BGB. 248) Krehl, Die Pflichtverletzung des Maklers, S. 137 f. 249) RG, Urt. v. 20.9.1907 – III 99/07, Recht 1907, (Nr.) 3489; so auch Krehl, Die Pflichtverletzung des Maklers, S. 102; siehe zum Normverständnis des Reichsgerichts bereits oben Rn. 77 ff. 250) BeckOK BGB/Kneller, BGB, § 654 Rn. 5. 251) Vgl. beispielsweise die §§ 275, 326, 313 BGB. 252) Hamm/Schwerdtner, Maklerrecht Rn. 850; Krehl, Die Pflichtverletzung des Maklers, S. 111; Lettau/Lorenz, ZJS 2020, 12, 14; siehe zu den Erwägungen des Gesetzgebers Mugdan, Materialien zum BGB, Band 2, S. 937 f. 253) Siehe dazu auch BeckOGK/Meier, 1.2.2022, BGB, § 654 Rn. 3 f., 6.1 f. 254) Mugdan, Materialien zum BGB, Band 2, S. 288.

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lich einer Partei verpflichte, aber dennoch für beide tätig werde.255) Dies entsprach den bis dahin geltenden gemeinrechtlichen Regeln, wonach der Makler keinen Lohn fordern konnte, wenn sich seine Tätigkeit wegen eines aus der doppelseitigen Tätigkeit begründeten Interessenkonflikts als der einen Partei gegenüber treulos darstellte.256) Insofern deutet die Entstehungsgeschichte der Norm also auf die grundsätzliche Einordnung der Regelung in den Bereich der Leistungsstörung, da eine vertragswidrige Doppeltätigkeit des Maklers als Nichtleistung aufgefasst wurde.

104 Gegen die Einordnung des § 654 BGB als Sanktionsnorm spricht nach der Entstehungsgeschichte aber auch unabhängig von der konkreten Einordnung der Norm innerhalb des Leistungsstörungsrechts, dass sich zwar den Stellungnahmen im Rahmen der Beratungen der ersten und zweiten Kommission kein einheitliches Bild vom Zweck der Regelung des § 654 BGB entnehmen lässt, allerdings auch keine der Ausführungen nur ansatzweise auf den Willen des Gesetzgebers hindeutet, eine Norm mit Strafcharakter erschaffen zu wollen. Hätte der Gesetzgeber aber eine der sonstigen zivilrechtlichen Systematik konzeptionell fremde Regelung in Gestalt einer Norm mit Straffunktion erschaffen wollen, spricht viel dafür, dass er dies ausführlicher thematisiert und begründet hätte. So war es doch erklärtes Ziel des BGB-Gesetzgebers, ein in der Grundkonzeption entpönalisiertes Privatrecht zu erschaffen.257) Die vom Bundesgerichtshof gewählte Formulierung, dass die Norm „offensichtlich“ Strafcharakter habe, ist vor dem Hintergrund der Normgenetik also nicht ohne weiteres nachvollziehbar.

105 Andererseits ist nicht zu verkennen, dass insbesondere unter Berücksichtigung der Rechtsfolge von § 654 BGB, die auch den Aufwendungsersatzanspruch des Maklers erfasst, deutlich pönale Tendenzen in der Vorschrift zum Ausdruck kommen.258) Denn mit § 654 BGB wird ein Verstoß gegen eine Verhaltenspflicht im Ergebnis tatsächlich mit dem Verlust des Lohnanspruchs sanktioniert. Dabei kann aus der Sanktionswirkung aber auch nicht ein solches Verständnis abgeleitet werden, wonach § 654 BGB als generelle Strafnorm im Rahmen des Zivilrechts einzuordnen wäre. Vielmehr wird die Vorschrift so verstanden werden müssen, dass es sich bei der Verwirkung des Lohnanspruchs um eine für Maklerverträge zwingend vorgeschriebene gesetzliche Vertragsstrafe handelt.259) Derartige pönale Regelungen sind dem Zivilrecht auch nicht grundlegend fremd, sodass ein insoweit der Regelung zuge___________ 255) Dies geht aus der am Normtext geäußerten Kritik hervor, vgl. Mugdan, Materialien zum BGB, Band 2, S. 937 f.; siehe dazu ausführlich Fröber, Entstehung der Bestimmungen über den Maklervertrag, S. 87 f. 256) Siehe Fröber, Entstehung der Bestimmungen über den Maklervertrag, S. 70. 257) Siehe Ebert, Pönale Elemente, S. 248. 258) Ebert, Pönale Elemente, S. 264 f.; BeckOGK/Meier, 1.2.2022, BGB, § 654 Rn. 6. 259) Ebert, Pönale Elemente, S. 264 f.; Erman/Fischer, BGB, § 654 Rn. 1; ausführlich dazu auch Fischer, NZM 2001, 873, 876 f.

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B. Tauglichkeit von § 654 BGB als Grundlage für die Verwirkung von Vergütungsansprüchen

schriebener Strafcharakter nicht von vornherein und grundsätzlich abgelehnt werden kann.260)

II. Schlussfolgerungen für die Anwendbarkeit der Norm des § 654 BGB auf den Insolvenzverwalter 1.

Grundsätzliche Unterschiede dogmatischer Natur

Nach der Dogmatik des Maklerrechts mögen sowohl die Auffassung der Rechtspre- 106 chung als auch die des Schrifttums ihre Berechtigung haben. Für die Beantwortung der Frage jedoch, inwiefern eine Übertragbarkeit eines in § 654 BGB enthaltenen Rechtsgedankens angesichts der dogmatischen Struktur der Regelung auch auf den Vergütungsanspruch des Insolvenzverwalters möglich erscheint, ist letztlich unerheblich, welchen der vertretenen Ansätze man für überzeugend hält. Eine erweiterte Anwendung der Regelung im Sinne eines allgemeinen Rechtsgedankens auch auf den Vergütungsanspruch des Insolvenzverwalters ist nämlich sowohl in dem Fall, dass man § 654 BGB als allgemeine oder vertragsspezifische Regelung des Leistungsstörungsrechts einordnet, als auch dann, wenn man der Norm einen Strafcharakter zusprechen will, im Ergebnis dogmatisch nicht überzeugend. Sofern § 654 BGB eine spezielle Ausprägung des heute in § 326 BGB261) geregelten 107 Grundsatzes im Leistungsstörungsrecht darstellt, ergeben sich systematische Bedenken gegen eine Erstreckung auf den Vergütungsanspruch des Insolvenzverwalters bereits daraus, dass die Regelung in ihrem Anwendungsbereich die Störung von synallagmatischen Leistungspflichten aus einem gegenseitigen Vertrag betrifft.262) Der Vergütungsanspruch des Insolvenzverwalters steht aber nicht in einem synallagmatischen Gegenseitigkeitsverhältnis zu einer Forderung. Eine erweiterte Anwendung auf den Insolvenzverwalter erscheint erst recht dann 108 nicht möglich, wenn man die Vorschrift als vertragstypen-spezifische Regelung einer Pflichtverletzung einordnen will. Denn in diesem Fall müsste der Anwendungsbereich der Norm im Ergebnis auf den spezifischen Vertragstyp eines maklerrechtlichen Rechtsverhältnisses beschränkt bleiben. Orientiert an entsprechenden kritischen Stellungnahmen aus der Literatur wird so- 109 mit bereits grundsätzlich deutlich, dass es sich bei § 654 BGB um eine in ihrem Anwendungsbereich auf vertragliche Rechtsverhältnisse beschränkte Regelung handelt. ___________ 260) Ebert, Pönale Elemente, S. 252 ff.; siehe ausführlich zur Verankerung pönaler Prinzipien im bürgerlichen Recht Schäfer, AcP 202 (2002), 397, 406 ff. 261) Entspricht dem Regelungsgehalt des § 323 Abs. 1 BGB a. F. (im Geltungszeitraum vom 1.1.2000 – 31.12.2001), siehe bereits Fn. 246. 262) Zum Anwendungsbereich Staudinger/Schwarze, BGB, § 326 Rn. A1; MüKoBGB/Ernst, BGB, § 326 Rn. 7.

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§ 4 Anwendbarkeit des § 654 BGB auf den Vergütungsanspruch des Insolvenzverwalters

Insofern ließe sich aus der Vorschrift allenfalls für vertragliche Schuldverhältnisse ein allgemeiner Rechtsgedanke entnehmen.

110 Der Insolvenzverwalter wird jedoch gerade nicht auf Grundlage eines vertraglichen Schuldverhältnisses tätig.263) Vielmehr werden dem Verwalter mit der Bestellung durch einen Rechtsprechungsakt hoheitliche Befugnisse übertragen.264) Hieran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass der Verwalter seine Bestellung bzw. das ihm so übertragene Amt sodann noch zumindest konkludent annehmen muss.265) Mit dem Erfordernis der Annahme wird vielmehr nur die Freiwilligkeit der Amtsübernahme ausgedrückt, die zugleich auch den Beginn des Verwalteramts bedeutet.266) Durch die Bestellung entsteht lediglich ein gesetzliches Schuldverhältnis des Verwalters zu den Verfahrensbeteiligten – also Schuldner und Gläubigern –, das ebenfalls gerade nicht durch einen privatautonomen Vertragsschluss gekennzeichnet ist.267)

111 Vor diesem Hintergrund kann eine Übertragbarkeit der Regelung des § 654 BGB auf den Insolvenzverwalter unter Berücksichtigung der dogmatischen Grundlage der gegenseitigen rechtlichen Beziehungen des Verwalters zum Insolvenzgericht sowie zu den Verfahrensbeteiligten nicht überzeugen.

112 Gleiches gilt aber auch dann, wenn man die in § 654 BGB vorhandenen pönalen Elemente als Kern des Regelungszweckes betrachtet, da der Vorschrift auch bei einer solchen Einordnung nur ein auf vertragliche Rechtsverhältnisse beschränkter allgemeiner Rechtsgedanke entnommen werden kann. Grundsätzlich folgt aus der am Sinn und Zweck der Regelung orientierten Einordnung der Vorschrift als Sanktionsnorm zunächst ohnehin, dass es aufgrund ihres (pönalen) Ausnahmecharakters zumindest angebracht erscheint, eine erweiternde Anwendung der Vorschrift restriktiv zu handhaben, da bereits die methodische Grundlage hierfür entsprechend schmal ist.268) Denn eine Ausnahmevorschrift wird nur selten Ausdruck eines allgemein-

___________ 263) Jaeger/Gerhardt, InsO, § 56 Rn. 25. 264) Uhlenbruck/Zipperer, InsO, § 56 Rn. 46; Jaeger/Gerhardt, InsO, § 56 Rn. 25. 265) K. Schmidt/Ries, InsO, § 56 Rn. 57; MüKoInsO/Graeber, InsO, § 56 Rn. 139; siehe dazu auch noch unten Rn: 177 ff. 266) MüKoInsO/Graeber, InsO, § 56 Rn. 139; Uhlenbruck/Zipperer, InsO, § 56 Rn. 63; Jaeger/ Gerhardt, InsO, § 56 Rn. 30 f. 267) Jaeger/Gerhardt, InsO, § 60 Rn. 13; MüKoInsO/Graeber, InsO, § 56 Rn. 148. 268) Als Sondertatbestand dürfte insofern bereits eine induktive Erweiterung der Vorschrift scheitern; siehe im Hinblick auf eine als analog verstandene Anwendung der Vorschrift mit gleichem Ergebnis BeckOGK/Meier, 1.2.2022, BGB, § 654 Rn. 35; Dauner-Lieb/Langen/Wichert, BGB, § 654 Rn. 4; Brandt, Das Recht des Immobilienmaklers, S. 35; sogar für eine restriktive Anwendung der Vorschrift im Hinblick auf Fälle einer vertragswidrigen Doppeltätigkeit Leisau, Die Rechtsbeziehungen zwischen Auftraggeber und Makler, S. 63 f.; zur methodischen Problematik der Analogiefähigkeit von Ausnahmevorschriften siehe instruktiv Würdinger, AcP (206) 2006, 946, 960 f.

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gültigen Rechtsgedankens sein können.269) Hinzu kommt der auch bei einem am Sanktionscharakter der Norm orientierten Verständnis zum Ausdruck kommende spezielle Zuschnitt der Vorschrift auf das Maklerrecht. So wird die Verwirkung des Maklerlohns nicht als Sanktion eines Verstoßes gegen die allgemeine Rechtsordnung verstanden, sondern lediglich als Sanktion des vertragswidrigen Verhaltens des Maklers.270) Schlüssig erscheint dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass dem Maklerrecht mit Schaffung des in § 654 BGB verankerten Vergütungsausschlusstatbestands eine Sonderstellung zugewiesen wurde.271) Diese Sonderstellung des Maklerrechts und der spezielle Zuschnitt der Vorschrift auf maklerrechtliche Verträge sprechen somit dafür, dass eine weitergehende Anwendung der Regelung auf andere Rechtsverhältnisse weder sinnvoll noch zulässig ist. Gegen die Anwendbarkeit konkret auf den Insolvenzverwalter spricht dabei auch die hinter einer Vertragsstrafe stehende Intention. Eine Vertragsstrafe hat nämlich zusätzlich die Funktion, durch die Androhung einer Strafe die Erfüllung der jeweiligen Pflichten besonders abzusichern und insoweit auf eine Verhaltenssteuerung hinzuwirken.272) Notwendig erscheint dies im Rahmen von privatrechtlichen Rechtsbeziehungen vor dem Hintergrund, dass die am Rechtsverhältnis Beteiligten die Erfüllung der Pflichten nur gegenseitig überwachen und durchsetzen können und insofern kein Dritter über die ordnungsgemäße Vertragsdurchführung wacht. Demgegenüber steht der Insolvenzverwalter mit Übernahme des Amtes unter der Aufsicht des Gerichts und auch der Gläubiger, die die ordnungsgemäße Pflichterfüllung des Insolvenzverwalters überwachen und ihn zur Einhaltung seiner Pflichten veranlassen.273) Die Erfüllung der dem Verwalter obliegenden Pflichten wird konzeptionell dabei sogar doppelt gesichert, indem neben die Aufsichts- und Disziplinarbefugnis des Insolvenzgerichts die ausgeprägte persönliche Haftung des Insolvenzverwalters gegenüber den Beteiligten tritt.274) Mit Blick auf die Haftung muss dabei auch der hinter der Regelung stehende Zweck Berücksichtigung finden. Denn für maklerrechtliche Konstellationen gilt als konkret hinter der schadensunabhängigen Anwendbarkeit der Regelung liegende Intention, den Auftraggeber zu entlasten, da ihm der Nachweis eines Schadens infolge ___________ 269) Siehe instruktiv Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 97 ff.; siehe auch Würdinger, AcP (206) 2006, 946, 961, der darauf hinweist, dass aus einer Ausnahmevorschrift keine Generalklausel werden darf; dazu bereits oben Rn. 96 ff. 270) Ebert, Pönale Elemente, S. 265. 271) Siehe Fischer, NZM 2001, 873, 876; kritisch Dauner-Lieb/Langen/Wichert, BGB, § 654 Rn. 4, es werde ein Sonderrecht zulasten eines Berufsstandes geschaffen. 272) Staudinger/Rieble, BGB, Vor. §§ 339 ff. Rn. 17 ff.; Hess, Die Vertragsstrafe, S. 27 f.; Ebert, Pönale Elemente, S. 254 f.; siehe ausführlich zur Entwicklung des Verständnisses über die Funktion der Vertragsstrafe Fischer, Vertragsstrafe, S. 38 ff.; Schäfer, AcP 202 (2002), 397, 401. 273) HK-InsO/Riedel, InsO, § 58 Rn. 1; K/P/B/Lüke, InsO, § 58 Rn. 2; Uhlenbruck/Vallender/ Zipperer, InsO, § 58 Rn. 6; Jaeger/Gerhardt, InsO, § 69 Rn. 11 f. 274) Jaeger/Gerhardt, InsO, § 60 Rn. 13; siehe zu derartigen Erwägungen einer Verhaltenssteuerung durch Haftung und Verwirkung noch ausführlich unten Rn. 415 ff. und 435 ff.

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§ 4 Anwendbarkeit des § 654 BGB auf den Vergütungsanspruch des Insolvenzverwalters

einer Treuepflichtverletzung in der Regel nur schwer gelingen wird.275) Anders stellt sich hingegen die Situation bei Pflichtverletzungen des Insolvenzverwalters im Rahmen eines Insolvenzverfahrens dar, weil sich der Nachweis eines Schadens insbesondere dann leichter gestalten wird, wenn ein Sonderinsolvenzverwalter bzw. neu bestellter Verwalter mit der Prüfung von Schadensersatzsprüchen gegen den ehemaligen Verwalter beauftragt ist. Deshalb erscheint eine pönale Regelung auch unter diesem Aspekt nicht notwendig. Das insolvenzrechtliche Haftungsregime kann nämlich nicht, wie die Schadensersatzhaftung bei Pflichtverletzungen in maklerrechtlichen Konstellationen bisweilen, nur als „zahnloser Löwe“276) beschrieben werden.

2.

Spezielle dogmatische Unterschiede – Vergütungsanspruch von Insolvenzverwalter und Makler im Vergleich

113 Als reine Tätigkeitsvergütung unterscheidet sich der Vergütungsanspruch des Insolvenzverwalters weiterhin auch in seiner Ausgestaltung grundlegendend von der dem Makler versprochenen Provision, die unmittelbar erfolgsabhängig ist und keine Entlohnung für das schlichte Tätigwerden des Maklers darstellt.277) Der Anspruch auf den Maklerlohn nach § 652 BGB entsteht erst mit wirksamem Zustandekommen des Hauptvertrags zwischen Maklerkunden und einem Dritten und somit im Gegensatz zum Insolvenzverwalter nicht schon durch Tätigwerden des Maklers.278) Im Falle der Verwirkung entfällt vor Zustandekommen des Hauptvertrags also kein bereits entstandener Anspruch, sondern nur ein erst zukünftig entstehender Anspruch. Anknüpfend daran lässt sich auch die Möglichkeit der Verwirkung des Maklerlohns abhängig von der Anspruchsentstehung unterschiedlich beurteilen. Teile der Literatur verstehen die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs so, dass ab dem Zeitpunkt des Abschlusses des Hauptvertrags – also ab dem Zeitpunkt der Anspruchsentstehung – die Verletzung einer Treuepflicht nicht zur Verwirkung nach § 654 BGB führt, sondern grundsätzlich nur Schadensersatzansprüche gegen den Makler auslösen kann.279) Eindeutig geht aus der diesbezüglichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hervor, dass eine Verwirkung des Provisionsanspruchs zumindest bei einer Treuepflichtverletzung nach Abschluss des Hauptvertrags und nach der Zahlung des Maklerlohns ausscheidet und insoweit nur Schadensersatzansprüche in Betracht kommen.280) Zwar lässt sich eine derartige Aufteilung aufgrund der Ausgestaltung der Verwalterver___________ 275) BGH, Urt. v. 5.2.1962 – VII ZR 248/60, BGHZ 36, 323, 327; Hamm/Schwerdtner, Maklerrecht Rn. 854; BeckOGK/Meier, 1.2.2022, BGB, § 654 Rn. 34, 6.1; BeckOK BGB/Kneller, BGB, § 654 Rn. 8. 276) So über schadensrechtliche Pflichtverletzungssanktionen im Maklerrecht BeckOK BGB/Kneller, BGB, § 654 Rn. 8. 277) MüKoBGB/Althammer, BGB, § 652 Rn. 3; Fischer, Maklerrecht Kap. IV Rn. 10. 278) BeckOGK/Meier, 1.2.2022, BGB, § 652 Rn. 354; MüKoBGB/Althammer, BGB, § 652 Rn. 224. 279) So Hamm/Schwerdtner, Maklerrecht Rn. 834; kritisch Fischer, Maklerrecht Kap. IX Rn. 35 f.; MüKoBGB/Althammer, BGB, § 654 BGB Rn. 5. 280) BGH, Urt. v. 26.9.1984 – IVa ZR 162/82, BGHZ 92, 184, 186 f.; MüKoBGB/Althammer, BGB, § 654 Rn. 5.

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gütung als Tätigkeitsvergütung nicht unmittelbar übertragen. Vor dem Hintergrund der Unterscheidung hinsichtlich der Anspruchsentstehung wird aber jedenfalls abstrakt deutlich, dass die Verwirkung nach § 654 BGB grundlegend nicht für den Entfall eines bereits entstandenen Vergütungsanspruchs konzipiert war.

III. Ergebnis Insgesamt zeigt sich hinsichtlich der zur Einordnung der Vorschrift vertretenen Po- 114 sitionen, dass die Regelung des § 654 BGB in ihrem Anwendungsbereich bei einem weitergehenden Verständnis auf vertragliche Rechtsverhältnisse begrenzt bleiben muss. Der spezielle Zuschnitt der Vorschrift auf das Maklerrecht spricht sogar dafür, den Anwendungsbereich ausschließlich auf maklerrechtliche Rechtsverhältnisse zu beschränken, § 654 BGB mithin als einen auf das Maklerrecht beschränkten Sondertatbestand einzuordnen, der keinen allgemeinen Rechtsgedanken enthält. Eindeutig ist insofern, dass eine darüberhinausgehende Anwendung auf nicht vertraglich ausgestaltete Rechtsverhältnisse aus dogmatischen Gesichtspunkten abzulehnen ist. Es erschließt sich nämlich nicht, warum in einer derart speziellen Vorschrift, die zudem für ein besonderes Rechtsgebiet bestimmt ist, ein sogar über das Maklerrecht hinausgehender allgemeiner Grundsatz verkörpert sein soll, der losgelöst von dogmatischen Grundsätzen einer weitreichenden Anwendung zugänglich ist. Für ein eingeschränktes Verständnis des Anwendungsbereichs spricht nicht zuletzt auch, dass § 654 BGB sogar von Befürworten des erweiterten Anwendungsbereichs lediglich als allgemeines Rechtsprinzips des Maklerrechts beschrieben wird.281) Die mit der Einordnung der Norm als allgemeiner Rechtsgedanke einhergehende Erweiterung ihres Anwendungsbereichs scheint auch ausschließlich im Maklerrecht angezeigt, da das Maklerrecht auf Grund der nur geringen gesetzlichen Reglementierung einer Rechtsfortbildung durch die Rechtsprechung in besonderem Maße zugänglich ist.282) Im Gegensatz dazu ist die Vergütung des Insolvenzverwalters insbesondere durch die insolvenzrechtliche Vergütungsordnung bereits einem differenzierten Regelungssystem zugeführt und unterscheidet sich als Tätigkeitsvergütung auch in der grundlegenden Ausgestaltung wesentlich von der Maklerprovision. Vor diesem Hintergrund ist es im Ergebnis aus dogmatischer Sicht nicht konsistent, 115 die Verwirkung des Vergütungsanspruchs des Insolvenzverwalters unter Verweis auf § 654 BGB zu begründen, da sich aus der Vorschrift kein derart weitgehender allgemeiner Rechtsgedanke entnehmen lässt und es sich vielmehr um einen Sondertatbestand handelt.283) ___________ 281) Thode, WM 1989, Sonderbeilage Nr. 6, 16; Fischer, Maklerrecht Kap. IX Rn. 16; Brandt, Das Recht des Immobilienmaklers, S. 35. 282) Thomale, JZ 2012, 716, 722 f.; siehe ausführlich zur grundlegend richterlichen Prägung des Maklerrechts Fischer, Maklerrecht Kap. I Rn. 8 ff. 283) Kritisch gegenüber einer Erweiterung unter dogmatischen Gesichtspunkten auch BeckOK BGB/ Kneller, BGB, § 654 Rn. 24; Vallender/Undritz/Hermann/Bähr/Fritz, Kap. 16 Rn. 405.

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§ 5 Bestehen einer besonderen Treuepflicht als Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 654 BGB auf den Vergütungsanspruch des Insolvenzverwalters Ungeachtet der mangelnden dogmatischen Eignung des § 654 BGB als gesetzlicher 116 Grundlage für die Annahme der Verwirkung des Vergütungsanspruchs des Insolvenzverwalters soll überdies nun aufgezeigt werden, inwiefern sich dogmatische Unzulänglichkeiten auch mit Blick auf die von der Rechtsprechung entwickelten tatbestandlichen Voraussetzungen des Verwirkungsgedankens bei einer Anwendung auf die Vergütung des Insolvenzverwalters fortsetzen. Ausgangspunkt der Untersuchung ist dabei, dass für die Möglichkeit der Übertragung der Verwirkungskonstruktion nach § 654 BGB auch auf andere Rechtsverhältnisse nach dem ursprünglichen Normverständnis der Rechtsprechung maßgeblich ist, ob das jeweilige Rechtsverhältnis von einer besonderen Treuepflicht geprägt ist.

A. Das Normverständnis der Rechtsprechung bei Anwendung von § 654 BGB auf den Insolvenzverwalter In den einschlägigen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zur Verwirkung der 117 Vergütung des Insolvenzverwalters zeichnet sich hinsichtlich einer solchen besonderen Treuepflicht allerdings ein uneinheitliches Verständnis von dem in § 654 BGB enthaltenen Rechtsgedanken ab. Daher gilt es zunächst, das Verständnis vom Rechtsgedanken des § 654 BGB bei Anwendung auf den Insolvenzverwalter in der insolvenzrechtlichen Rechtsprechung zu konkretisieren und auf eine mögliche Abweichung vom ursprünglichen Normverständnis zu überprüfen. Erst auf dieser Grundlage kann anschließend untersucht werden, inwiefern das Rechtsverhältnis des Insolvenzverwalters zum Schuldner und den Gläubigern sowie zum Insolvenzgericht den konkreten tatbestandlichen Anforderungen eines in § 654 BGB enthaltenen allgemeinen Rechtsgedankens genügt.

I.

Möglichkeit eines extensiven Verständnisses von § 654 BGB über besondere Treuepflichten hinaus

1.

Extensives Verständnis

In den ersten Entscheidungen des für insolvenzrechtliche Sachverhalte zuständigen 118 IX. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs zur Verwirkung des Vergütungsanspruchs des Insolvenzverwalters finden sich überraschenderweise zunächst keine näheren Ausführungen zu einer Treuepflichtverletzung des Insolvenzverwalters; ebenso wenig wird das Erfordernis einer besonderen Treueprägung des Rechtsverhältnisses thematisiert. Diesbezügliche Erwägungen werden erst in einer Entscheidung aus dem Jahr 2016 angestellt, in der der IX. Senat die Verwirkung des Vergütungsanspruchs mit

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§ 5 Bestehen einer Treuepflicht als Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 654 BGB

einem Treuebruch des Insolvenzverwalters gegenüber dem Insolvenzgericht begründet.284) In seiner grundlegenden Entscheidung zur Übertragbarkeit des Verwirkungsgedankens auf den Vergütungsanspruch des Insolvenzverwalters aus dem Jahr 2004 führte der IX. Senat dagegen noch aus, dass Vergütungsansprüche über die Fälle schwerwiegender Verletzungen von Amtspflichten hinaus auch im Falle einer Täuschung über eine fehlende Qualifikation verwirkt sein könnten.285) Davon ausgehend scheint das Verständnis des in § 654 BGB verkörperten Rechtsgedankens seinerzeit insoweit ein anderes gewesen zu sein, als nicht erst die Verletzung einer besonderen Treuepflicht, sondern schon die schwerwiegende Verletzung von Amtspflichten im Allgemeinen als maßgebliches Kriterium für die Verwirkung des Vergütungsanspruchs verstanden wurde.

119 Dabei orientierte sich der IX. Zivilsenat wohl an der in Bezug genommenen Rechtsprechung des IV. Zivilsenats zur Verwirkung des Vergütungsanspruchs des Testamentsvollstreckers. Denn auch in den Ausführungen des IV. Zivilsenats findet sich – wenn auch ohne explizite Bezugnahme auf § 654 BGB – die Formulierung, dass der Anspruch des Testamentsvollstreckers auf Vergütung dann verwirkt sei, wenn er in besonders schwerwiegender Weise vorsätzlich oder mindestens grob fahrlässig gegen seine Amtspflicht verstoßen habe.286) Davon sei auszugehen, wenn sich der Testamentsvollstrecker über die Interessen der Personen hinwegsetze, für die er als Testamentsvollstrecker eingesetzt sei, und er stattdessen eigene oder Interessen Dritter verfolge.287) Weitergehend soll nach Auffassung des IV. Senats auch in den Fällen die Verwirkung des Vergütungsanspruchs angenommen werden, in denen der Testamentsvollstrecker sein Amt so nachlässig führt, dass von einer ordnungsgemäßen, pflichtgemäßen Amtsführung nicht mehr ausgegangenen werden könne oder auch dann, wenn der Testamentsvollstrecker seine Kompetenzen überschreite und seine Tätigkeit in einem Gebiet entfalte, das eindeutig nicht zu seinen Aufgaben gehöre.288)

120 Unerörtert blieb in diesen Entscheidungen allerdings die Frage nach dem grundsätzlichen Bestehen bzw. der Verletzung einer besonderen Treuepflicht als Voraussetzung einer Verwirkung. Zumindest vordergründig ausschlaggebend für die Verwirkung war jeweils nur die Qualität der Amtsführung des Testamentsvollstreckers sowie die Einhaltung des ihm zugewiesenen Pflichtenkreises. Daraus darf indes nicht vorschnell geschlossen werden, dass nach dieser Rechtsprechung allein die Verletzung ___________ 284) Siehe BGH, Beschl. v. 14.7.2016 – IX ZB 52/15, NZI 2016, 892 Rn. 8 f.; siehe ausführlich zur Entwicklung der BGH Rechtsprechung Rn. 57 ff. 285) BGH, Beschl. v. 6.5.2004 – IX ZB 349/02, BGHZ 159, 122, 132. 286) BGH, Urt. v. 5.5.1976 – IV ZR 53/75, DNotZ 76, 559, 560; BGH, Urt. v. 13.6.1979 – IV ZR 102/77, DNotZ 80, 164; siehe in Fortführung dieses Verständnisses auch OLG Schleswig, Urt. v. 25.8.2009 – 3 U 46/08, ZEV 2009, 625, 632; OLG Hamm, Urt. v. 7.11.2013 – 10 U 100/12, NJOZ 2014, 884, 885. 287) BGH, Urt. v. 5.5.1976 – IV ZR 53/75, DNotZ 76, 559, 560. 288) BGH, Urt. v. 5.5.1976 – IV ZR 53/75, DNotZ 76, 559, 560.

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A. Das Normverständnis der Rechtsprechung bei Anwendung von § 654 BGB

von mit der Amtsführung einhergehenden allgemeinen Amtspflichten die Vergütungsverwirkung begründen kann. Vor dem Hintergrund, dass der IV. Zivilsenat in den Entscheidungen jeweils auf ein Urteil des Oberlandesgerichts Kiel aus dem Jahr 1937 verwies, das die Verwirkung des Vergütungsanspruchs ausdrücklich mit der Verletzung einer Treuepflicht durch den Testamentsvollstrecker begründet hatte,289) ist nämlich davon auszugehen, dass der Senat das ursprünglich vom Bestehen einer Treuepflicht geprägte Normverständnis von § 654 BGB zumindest nicht grundlegend aufgeben wollte. Die konkreten Ausführungen des IV. Zivilsenats bringen aber dennoch ein im Vergleich zum ursprünglichen Normverständnis extensiveres Verständnis der Ausprägung des in § 654 BGB gesehenen Rechtsgedankens zum Ausdruck. Nicht erst die schwerwiegende Verletzung einer besonderen Treuepflicht, sondern bereits ganz allgemein die Verletzung von Amtspflichten soll zur Verwirkung eines Vergütungsanspruchs führen können. Der IX. Zivilsenat scheint dieses Normverständnis hinsichtlich der Verwirkung der 121 Insolvenzverwaltervergütung vom IV. Senat nicht nur in seiner ersten Verwirkungsentscheidung aus dem Jahr 2004 übernommen, sondern zunächst auch fortgesetzt zu haben. So führt der IX. Zivilsenat noch in einer Entscheidung aus dem Jahr 2011 aus, dass die Versagung der Vergütung des Insolvenzverwalters in entsprechender Anwendung des Grundgedankens des § 654 bei gewichtigen, vorsätzlichen oder zumindest leichtfertigen Pflichtverstößen des Insolvenzverwalters in Betracht komme,290) was ebenfalls ein im Anwendungsbereich extensiveres und insbesondere vom Bestehen einer besonderen Treuepflicht unabhängiges Verständnis des Rechtsgedankens andeutet.

2.

Ablehnung eines extensiven Verständnisses

Ein derart extensives Verständnis eines in § 654 BGB enthaltenen allgemeinen 122 Rechtsgedankens in dem Sinne, dass nicht erst die schwerwiegende Verletzung einer besonderen Treuepflicht, sondern bereits die Verletzung von allgemeinen Amtspflichten zur Verwirkung eines Vergütungsanspruchs führen kann, wäre allerdings fragwürdig. Nach Maßgabe eines so verstandenen Rechtsgedankens würde nämlich nicht nur der Vergütungsanspruch des Insolvenzverwalters in den Anwendungsbereich der Verwirkung nach § 654 BGB fallen; vielmehr würde der Rechtsgedanke darüber hinaus auch für sämtliche andere Rechtsverhältnisse Geltung beanspruchen können, bei denen eine Vergütung für eine Tätigkeit vorgesehen ist. Damit würde der Tatbestand des § 654 BGB jede Begrenzung verlieren und zu einem allgemeinen und universal anwendbaren Rechtsprinzip des Zivilrechts erhoben.291) Damit verbun___________ 289) OLG Kiel, Urt. v. 15.10.1937 – 2 U 78/37, SchlHA 1938, 128, 129. 290) BGH, Beschl. v. 9.6.2011 – IX ZB 248/09, NZI 2011, 760 Rn. 6. 291) Insofern wird auch eine unmittelbare Anwendung des § 242 BGB befürwortet Bartels, WuB 2004, 1328.

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§ 5 Bestehen einer Treuepflicht als Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 654 BGB

den wären die Risiken, welche ein durch eine Generalklausel unbestimmter Anwendungsbereich mit sich bringt.292) Die Regelung des § 654 BGB stellt aber im Gegensatz zu § 242 BGB, der als zentrale Rechtsnorm des deutschen Privatrechts das allgemeine, gesamte Rechtsleben beherrschende Prinzip enthält, wonach bei Ausübung von Rechten und Pflichten das Gebot von Treu und Glauben zu beachten ist,293) eine spezielle Vorschrift des besonderen Schuldrechts dar. Ihr Regelungsgehalt ist, wie bereits dargestellt, im Grunde auf die Anordnung des Entfalls der Maklerprovision begrenzt. Auch vermag sich in der Vorschrift aufgrund einer erweiterten Anwendung im Maklerrecht kein generelles Rechtsprinzip auszudrücken. Aus diesem Grund erscheint eine Einordnung der Norm als gesetzliche Ausprägung eines universell geltenden Rechtsgedankens mit Anwendbarkeit auf jede Verletzung von Amtspflichten nicht vertretbar. Die Regelung des § 654 BGB ist vielmehr lediglich als Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens im Bereich des Maklerrechts einzuordnen, der auf seinen Anwendungsbereich, nämlich auf die Verletzung einer im Rahmen von bestimmten maklerrechtlichen Vertragsverhältnissen bestehenden besonderen Treuepflicht beschränkt bleiben muss. Denn wesentlich für das Verständnis eines aus § 654 BGB folgenden allgemeinen Rechtsgedankens ist neben dem der Norm zugeschriebenen Strafcharakter auch das durch das besondere Treuverhältnis geprägte Wesen des Maklervertrags, dem die Norm systematisch zuzuordnen ist.294) Das Rechtsprinzip ist also nur insoweit allgemeingültig, als es den Entfall des Lohnanspruchs bei schwerwiegender Verletzung einer besonderen Treuepflicht anordnet. Ein darüber hinaus gehendes Verständnis der Norm entzieht sich einer konsistenten Begründung. Möchte man den Rechtsgedanken auch hinsichtlich anderer Rechtsverhältnisse für anwendbar halten, ist zumindest das Bestehen einer besonderen Treuepflicht zwingend vorauszusetzen.

II. Bestehen einer besonderen Treuepflicht als maßgebliche Voraussetzung 123 Auch der BGH hat inzwischen von einem extensiven Normverständnis Abstand genommen. Mit Blick auf die jüngere Rechtsprechung des IX. Zivilsenats zeigt sich nun eindeutig, dass das Verständnis des in § 654 BGB gesehenen allgemeinen Rechtsgedankens (wieder) dem ursprünglichen entspricht. In den einschlägigen Entscheidungen des IX. Zivilsenats ab 2016 hat sich nämlich als Voraussetzung für die Verwirkung ein durch eine schwerwiegende Treuepflichtverletzung begründeter Treuebruch des Insolvenzverwalters herausgebildet.295) Im Grundsatz rechtfertigt sich ___________ 292) Förster, ZInsO 2001, 70. 293) BGH, Urt. v. 23.9.1982 – VII ZR 183/80, BGHZ 85, 39, 47 f.; Dauner-Liebe/Langen/Krebs, BGB, § 242 Rn. 1; Erman/Böttcher, BGB, § 242 Rn. 1 ff. 294) Fröber, Entstehung der Bestimmungen über den Maklervertrag, S. 129; Soergel/Engel, BGB, § 654 Rn. 1; Reichel, Die Mäklerprovision, S. 135. 295) BGH, Beschl. v. 14.7.2016 – IX ZB 52/15, NZI 2016, 892 Rn. 6 ff.; BGH, Beschl. v. 21.9.2017 – IX ZB 28/14, NZI 2017, 988 Rn. 10; BGH, Beschl. v. 22.11.2018 – IX ZB 14/18, NJW 2019, 935 Rn. 16; BGH, Beschl. v. 12.9.2019 – IX ZB 76/18, ZInsO 2019, 2290 Rn. 9.

62

B. Besondere Treuepflicht des Insolvenzverwalters gegenüber dem Insolvenzschuldner

danach die Anwendbarkeit des Rechtsgedankens des § 654 BGB auf den Vergütungsanspruch des Insolvenzverwalters wie beim Makler mit dem Bestehen einer besonderen Treuepflicht des Insolvenzverwalters. Ausgangspunkt dessen ist insofern weiterhin, dass der Rechtsgedanke des § 654 BGB nur Anwendung auf solche Rechtsverhältnisse finden kann, bei denen besondere Treuepflichten bestehen.296) Aber nicht nur in den insolvenzrechtlichen Entscheidungen des IX. Senats hinsicht- 124 lich der Vergütungsverwirkung des Insolvenzverwalters zeigt sich ein solches Verständnis des Rechtsgedankens von § 654 BGB, sondern auch im Hinblick auf die aktuelle Rechtsprechung des V. Senats zur Anwendung der Vorschrift auf den Zwangsverwalter. Anknüpfungspunkt für die Verwirkung des Vergütungsanspruchs des Zwangsverwalters ist nämlich genauso ein schwerer Verstoß gegen die Treuepflicht.297) Grundsätzlich gilt dabei, dass es sich angesichts der schwerwiegenden Rechtsfolge der Verwirkung des Vergütungsanspruchs insoweit um eine über die generell im Rahmen von Rechtsverhältnissen geltenden Treue- und Rücksichtnahmepflichten hinausgehende und in diesem Sinne „besondere“ Treuepflichten handeln muss. Andernfalls würde die spezielle Prägung des den Rechtsgedanken verkörpernden § 654 BGB unberücksichtigt bleiben.298) Im Ergebnis festzuhalten ist mit Blick auf die senatsübergreifende Rechtsprechung 125 des Bundesgerichtshofs also, dass die Übertragbarkeit des Rechtsgedankens auf andere Rechtsverhältnisse von deren Prägung durch eine besondere Treuepflicht des Dienstverpflichteten abhängt.

B. Besondere Treuepflicht des Insolvenzverwalters gegenüber dem Insolvenzschuldner und den Gläubigern Vor diesem Hintergrund gilt es nun zu überprüfen, ob das Rechtsverhältnis des In- 126 solvenzverwalters zu den Verfahrensbeteiligten oder auch zum Insolvenzgericht (sodann unter C.) tatsächlich entsprechend der BGH-Rechtsprechung als ein von einer solchen besonderen Treuepflicht geprägtes Rechtsverhältnis im Sinne des Rechtsgedankens des § 654 BGB verstanden werden kann. Mit Blick auf die Fallgestaltungen der Vergütungsverwirkung, bei denen der Vorwurf eines Treuebruchs bisweilen auch an ein Fehlverhalten im Vorfeld des Verfahrens anknüpft, beispielsweise durch das Täuschen über einen akademischen Titel, stellt sich zudem die Frage, inwiefern eine besondere Treuepflicht des (vorläufigen) Verwalters schon im Zeitraum vor seiner Bestellung durch das Insolvenzgericht begründet sein kann. Die Bestellungspraxis zeigt zwar, dass regelmäßig der bereits zuvor für das Eröffnungsverfahren bestellte vorläufige Insolvenzverwalter anschließend auch zum Insolvenz___________ 296) Vgl. auch Gomille, KTS 2019, 364, 371. 297) BGH, Beschl. v. 23.9.2009 – V ZB 90/09, NJW-RR 2009, 1710 Rn. 10 f.; BGH, Beschl. v. 22.10.2009 – V ZB 77/09, NJW-RR 2010, 426 Rn. 21 ff. 298) Siehe dazu noch unten Rn. 134 ff.

63

§ 5 Bestehen einer Treuepflicht als Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 654 BGB

verwalter des eröffneten Verfahrens ernannt wird.299) Daran anknüpfend könnte also erwogen werden, dass eine besondere Treuepflicht des vorläufigen Insolvenzverwalters auch hinsichtlich der Bestellung zum endgültigen Verwalter Wirkung entfaltet. Allerdings betont der Bundesgerichtshof selbst, dass das Amt des vorläufigen Verwalters vom Amt des Insolvenzverwalters im eröffneten Verfahren zu unterscheiden sei.300) Zu untersuchen ist daher ebenfalls, inwiefern eine besondere Treuepflicht bereits im Vorfeld des jeweiligen Verfahrensabschnitts für den einzelnen Verwalteraspiranten angenommen werden kann.

I.

Das Verhältnis von Insolvenzverwalter zu Schuldner und Gläubigern

127 Die Überprüfung des Bestehens einer besonderen Treuepflicht des Insolvenzverwalters gegenüber dem Insolvenzschuldner und den Gläubigern erfordert es zunächst, das Rechtsverhältnis zwischen diesen Beteiligten rechtlich einzuordnen.

1.

Gesetzliches Schuldverhältnis

128 Mit Übernahme das Amtes durch den Insolvenzverwalter entsteht zwischen ihm und den Verfahrensbeteiligten ein gesetzliches Schuldverhältnis.301) Zum einen steht der Insolvenzverwalter durch seine Amtsstellung mit dem Schuldner in einem besonderen Rechtsverhältnis, da dieser der Rechtsträger des Vermögens ist, für den der Verwalter fremdnützig tätig wird.302) Denn mit Verfahrenseröffnung verliert der Schuldner zwar die Verwaltungs-, Verfügungs- und Prozessführungsbefugnis an den Insolvenzverwalter, bleibt aber der Rechtsträger seines Vermögens.303) Ergänzt wird dieses Rechtsverhältnis zum anderen durch die Rechtsverhältnisse des Verwalters zu den weiteren am Verfahren beteiligten Interessenträgern – namentlich den Gläubigern –, denen der Verwalter durch die Amtsübernahme ebenfalls verpflichtet ist.304) Das zum Schuldner und den Gläubigern insoweit bestehende gesetzliche Schuldverhältnis ist mithin Ausdruck der durch Übernahme des Amtes für den Insolvenzverwalter entstehenden Pflichten und bildet die Grundlage für die in § 60 InsO vorgesehene Haftung des Verwalters gegenüber den Beteiligten.305) ___________ 299) Martini, Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters, S. 86. 300) BGH, Beschl. v. 21.9.2017 – IX ZB 28/14, NZI 2017, 988 Rn. 11. 301) BGH, Urt. v. 17.1.1985 – IX ZR 59/84, BGHZ 93, 278, 281 ff.; K/P/B/Lüke, InsO, § 60 Rn. 11 f.; MüKoInsO/Schoppmeyer, InsO, § 60 Rn. 6; Nerlich/Römermann/Rein, InsO, § 60 Rn. 3; K. Schmidt/Thole, InsO, § 60 Rn. 2; Jaeger/Gerhardt, InsO, § 60 Rn. 13. 302) BGH, Urt. v. 24.6.1957 – VII ZR 310/56, BGHZ 24, 393, 395 f.; Jacoby, Das private Amt, S. 476, der das Rechtsverhältnis als „Amtswalterrechtsverhältnis“ beschreibt; siehe zur Rechtsstellung des Insolvenzverwalters ausführlich unten Rn. 151 ff. 303) MüKoInsO/Vuia, InsO, § 80 Rn. 6; Uhlenbruck/Mock, InsO, § 80 Rn. 11 f.; K/P/B/Lüke, InsO, § 80 Rn. 5. 304) Jacoby, Das private Amt, S. 476; MüKoInsO/Schoppmeyer, InsO, § 60 Rn. 8. 305) K/P/B/Lüke, InsO, § 60 Rn. 11c; K. Schmidt/Thole, InsO, § 60 Rn. 2; Mohrbutter/Ringstmeier/ Meyer/Meyer/Heidrich, Kap. 34 Rn. 3.

64

B. Besondere Treuepflicht des Insolvenzverwalters gegenüber dem Insolvenzschuldner

2.

Das gesetzliche Schuldverhältnis als Treuhandverhältnis

Mit Blick auf die Untersuchungsfrage des Bestehens von besonderen Treuepflichten 129 ist dabei auffällig, dass das gesetzliche Schuldverhältnis des Verwalters zu Insolvenzschuldner und Gläubigern charakteristische Merkmale eines Treuhandverhältnisses aufweist. Prägendes Charakteristikum eines Treuhandverhältnisses ist nämlich die fremdnützige Interessenwahrnehmung durch eine am Schuldverhältnis beteiligte Partei für die andere Partei.306) Fremdnützig wird der Insolvenzverwalter sowohl für den Schuldner als auch die Gläubiger tätig. Abstrakt äußert sich die Verpflichtung des mithin in treuhänderischer Funktion tätigen Insolvenzverwalters dabei in der Interessenwahrnehmung für diese Verfahrensbeteiligten.307) Die Pflicht zur Interessenwahrnehmung bildet eine Rahmenpflicht, die sich in konkreten Einzelpflichten zeigt.308) Im Sinne einer solchen Rahmenpflicht entsteht mit Übernahme des Amtes für den Insolvenzverwalter sowohl gegenüber den Gläubigern als auch gegenüber dem Schuldner die Verpflichtung, die ihm anvertraute Masse zunächst zu sichern und zu verwalten sowie anschließend bestmöglich zu verwerten und ordnungsgemäß zu verteilen.309) Darin bildet sich zugleich die treuhänderische Funktion des Insolvenzverwalters ab, die sich in seinem insolvenzspezifischen Pflichtenprogramm konkretisiert. Deutlich wird die treuhänderische Prägung des Rechtsverhältnisses auch daran, dass der Insolvenzverwalter im Rahmen seiner Verpflichtung zur Interessenwahrnehmung keinen konkreten Erfolg schuldet.310) Wie für Treuhandverhältnisse typisch ähnelt das Verhältnis des Verwalters zu den Verfahrensbeteiligten trotz seines gesetzlichen Zustandekommens gemessen am Inhalt insofern einem dienstvertraglich geprägten Geschäftsbesorgungsvertrag.311) Die treuhänderische Prägung zeigt sich auch mit Blick auf die strafrechtlichen Wertungen. Denn mit Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter entsteht eine Vermögensbetreuungspflicht des Verwalters, deren Verletzung eine Strafbarkeit wegen Untreue nach Maßgabe des § 266 StGB nach sich ziehen kann.312) Vor diesem Hintergrund ist es im ___________ 306) Löhnig, Treuhand, S. 116; Preisner, Das gesetzliche mittreuhänderische Schuldverhältnis, S. 266. 307) Löhnig, Treuhand, S. 117, 158; so formuliert auch der IX. Senat, dass der Verwalter in seiner Stellung den Interessen der Gläubiger sowie des Schuldners verpflichtet ist BGH, Beschl. v. 4.5.2017 – IX ZB 102/15, ZIP 2017, 1230 Rn. 11. 308) Löhnig, Treuhand, S. 195 ff.; Preisner, Das gesetzliche mittreuhänderische Schuldverhältnis, S. 271. 309) BGH, Urt. v. 26.6.2014 – IX ZR 162/13, ZIP 2014, 1448 Rn. 10 f.; HK-InsO/Lohmann, InsO, § 60 Rn. 8 f.; Mohrbutter/Ringstmeier/Meyer/Meyer/Heidrich, Kap. 34 Rn. 41. 310) Preisner, Das gesetzliche mittreuhänderische Schuldverhältnis, S. 271. 311) Siehe zum Dienstvertragscharakter Löhnig, Treuhand, S. 146 ff. 312) MüKoStGB/Dierlamm/Becker, StGB, § 266 Rn. 39, 96; Schönke/Schröder/Perron, StGB, § 266 Rn. 25; Schramm, NStZ 2000, 398; Richter, NZI 2002, 121, 129; Biermann, Die strafrechtlichen Risiken der Tätigkeit des (vorläufigen) Insolvenzverwalters, S. 193 f., siehe aber ders. kritisch hinsichtlich einer Vermögensbetreuungspflicht gegenüber den Gläubigern S. 210 f.

65

§ 5 Bestehen einer Treuepflicht als Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 654 BGB

Ergebnis auch überzeugend, den Insolvenzverwalter als privaten Treuhänder zu charakterisieren.313)

130 Die treuhänderische Prägung des Rechtsverhältnisses ist dabei bereits im Hinblick auf den vorläufigen Insolvenzverwalter festzustellen. Auch er wird fremdnützig im Interesse anderer tätig. Zwar äußert sich die Interessenwahrnehmungspflicht nicht zwangsläufig im Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den vorläufigen Verwalter. Doch unabhängig davon, ob das Gericht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis übertragen hat, treffen den vorläufigen Verwalter ohnehin generelle Pflichten, die mit der Amtsübernahme verbunden sind.314) Konkret äußern sich diese Pflichten insbesondere darin, das Vermögen des Schuldners zu sichern und zu erhalten.315) Sinn der vorläufigen Verwaltung ist nämlich gerade der Schutz des Schuldnervermögens für Gläubiger und Schuldner.316) Somit ist auch der vorläufige Verwalter fremdnützig tätig.

II. Besondere Treuepflicht aus Treuhandverhältnis 131 Konstatiert werden kann also, dass zwischen dem Insolvenzverwalter und dem Insolvenzschuldner sowie den Gläubigern ein gesetzliches Schuldverhältnis besteht, das in erheblichem Maß von der treuhänderischen Funktion des Verwalters geprägt ist und somit auch als Treuhandverhältnis eingeordnet werden kann. Zu klären gilt es nun, inwiefern dieses zwischen dem Verwalter und den Beteiligten bestehende Verhältnis eine besondere Treuepflicht im Sinne des Rechtsgedankens des § 654 BGB zu begründen vermag.

1.

Das treuhänderische gesetzliche Schuldverhältnis

132 Grundsätzlich unterscheidet sich ein Schuldverhältnis zu anderen Rechtsverhältnissen bereits dadurch, dass die gegenseitigen Rechte und Pflichten der am Schuldverhältnis Beteiligten über das übliche Maß im allgemeinen Rechtsverkehr hinausgehen.317) Für das zwischen dem Insolvenzverwalter und den Beteiligten bestehende Rechtsverhältnis bedeutet dies konkret, dass neben der Hauptpflicht des Verwalters, das ihm übertragene Amt ordnungsgemäß zu führen, darüber hinaus auch die allgemeine Treuepflicht im Sinne von § 241 Abs. 2 BGB besteht, auf die Interessen des Rechtsträgers und der weiteren Interessenträger Rücksicht zu nehmen.318) Diese ___________ 313) MüKoInsO/Graeber, InsO, § 56 Rn. 148; Kübler in Kübler, Neuordnung des Insolvenzrechts, S. 61, 65. 314) BGH, Urt. v. 5.5.2011 – IX ZR 144/10, BGHZ 189, 299 Rn. 49; Römermann, NZI 2000, 289, 290; MüKoInsO/Haarmeyer/Schildt, InsO, § 33 Rn. 29. 315) BGH, Urt. v. 5.5.2011 – IX ZR 144/10, BGHZ 189, 299 Rn. 49; MüKoInsO/Haarmeyer/ Schildt, InsO, § 22 Rn. 29. 316) Martini, Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters, S. 85; Meyer, Haftung des Insolvenzverwalters, S. 27 ff. 317) Preisner, Das gesetzliche mittreuhänderische Schuldverhältnis, S. 117. 318) Jacoby, Das private Amt, S. 477.

66

B. Besondere Treuepflicht des Insolvenzverwalters gegenüber dem Insolvenzschuldner

grundlegende Prägung lässt aber losgelöst vom konkreten Inhalt des Schuldverhältnisses noch keine Schlüsse auf das Bestehen einer über allgemeine Amts- und Treuepflichten hinausgehenden besonderen Treuepflicht zu. Mit Blick auf die konkrete treuhänderische Prägung des Rechtsverhältnisses ließe sich aber möglicherweise das Bestehen einer besonderen Treuepflicht des Verwalters gegenüber Schuldner und Gläubigern unter dem Aspekt einer fremdnützigen Interessenwahrnehmung begründen. Ob eine treuhänderische Pflicht jedoch als besondere Treuepflicht charakterisiert wer- 133 den kann, ist abhängig davon, wie eine besondere Treuepflicht bzw. entsprechend der von der Rechtsprechung gewählten Formulierung eine „besondere Treueprägung des Rechtsverhältnisses“ inhaltlich verstanden werden muss. Zur Einordnung und inhaltlichen Bestimmung sind dabei diejenigen Rechtsverhältnisse näher zu untersuchen, auf die der in § 654 BGB gesehene Rechtsgedanke ursprünglich Anwendung gefunden hat. Maßgeblich sind insoweit zum einen die Prägung der Rechtsbeziehung von Makler zum Maklerkunden sowie zum anderen mit Blick auf den erweiterten Anwendungsbereich auf andere Berufsgruppen vor allem auch die Prägung der Rechtsbeziehung zwischen Rechtsanwalt und Mandant. Ein daraus zu gewinnendes Leitbild von der erforderlichen spezifischen Prägung der Rechtsbeziehung, aus der sich eine besondere Treuepflicht herleiten lässt, kann sodann als Vergleichsmaßstab zur Einordnung des treuhänderischen Rechtsverhältnisses des Insolvenzverwalters zu den Verfahrensbeteiligten herangezogen werden.

2.

Konkretisierung einer besonderen Treuepflicht

a) Makler Bei Betrachtung des originären Anwendungsbereichs des § 654 BGB – dem Makler- 134 vertrag – zeigt sich, dass Ausgangspunkt der Erweiterung des Anwendungsbereichs der Norm im Rahmen des Maklerrechts der besondere Charakter des Rechtsverhältnisses zwischen Makler und Maklerkunden ist. Zentral ist insofern das Verständnis einer vertragswidrigen Doppeltätigkeit. Dem Makler ist es prinzipiell zwar möglich, als sogenannter Doppelmakler für zwei Parteien tätig zu werden.319) Dies ändert aber nichts daran, dass die Tätigkeit als Makler konzeptionell die Vertretung und Wahrung der Interessen des Auftraggebers zum Gegenstand hat, der Makler mithin als Interessenvertreter des Auftraggebers tätig wird.320) Daher wird aufgrund dieser speziellen ___________ 319) BGH, Beschl. v. 26.3.1998 – III ZR 206-97, NJW-RR 1998, 992, 993; Krause, FS Molitor, S. 383, 390; MüKoBGB/Althammer, BGB, § 654 Rn. 7. 320) Krehl, Die Pflichtverletzung des Maklers, S. 19 f.; Brandt, Das Recht des Immobilienmaklers, S. 35; Hopt, ZGR 2004, 1, 6; jurisPK-BGB/Würdinger, BGB, § 652 Rn. 130; Jauernig/Mansel, BGB, § 652 Rn. 1; HKK-Reinkenhof, §§ 652 – 655e Rn. 26; siehe auch BGH, Beschl. v. 10.11.2016 – I ZR 235/15, BeckRS 2016, 20628 Rn. 20; kritisch gegenüber einer Typisierung: Thomale, JZ 2012, 716, 722 f., der auf ebenfalls im Maklervertrag enthaltene Elemente von Interessengegensatz und Interessengleichrichtung verweist; in diesem Sinne auch Leisau, Die Rechtsbeziehungen zwischen Auftraggeber und Makler, S. 76 f.

67

§ 5 Bestehen einer Treuepflicht als Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 654 BGB

Prägung angenommen, dass der Makler zu seinem Auftraggeber stets in einem besonderen Treueverhältnis steht.321) Für die Zulässigkeit einer Doppeltätigkeit bedeutet dies im Grundsatz, dass je stärker die Treuepflicht des Maklers durch eine enge Bindung an den Auftraggeber geprägt ist, es ihm umso weniger erlaubt ist, zugleich auch für die andere Partei tätig zu werden.322) Maßgeblich ist im Ergebnis dabei auch, inwieweit eine Doppeltätigkeit eine Interessenkollision begründet, was wiederum vom Einzelfall abhängt.323)

135 Besonders deutlich wird die Verknüpfung der Verpflichtung zur Wahrung der Interessen des Auftraggebers mit dem Bestehen einer Treuepflicht an der Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs zum Verständnis des § 654 BGB aus dem Jahr 1962. In dieser Entscheidung konkretisierte der VII. Zivilsenat den Inhalt der Treuepflicht dahingehend, dass der Makler zur Vermeidung des Verlustes seines Vergütungsanspruchs verpflichtet sei, „die ihm gegenüber seinem Auftraggeber obliegende Treupflicht, dessen Interessen zu wahren, einzuhalten“.324) Den Kern der für den Makler bestehenden Treuepflicht bildet also nicht die allgemeine Rücksichtnahme auf die Interessen des Auftraggebers, sondern die Verpflichtung, in besonderem Maß die konkreten Interessen, mit denen sich der Auftraggeber dem Makler anvertraut hat, zu wahren. Die Enge des Vertrauensverhältnisses zwischen Makler und Auftraggeber bestimmt dabei die Intensität der Treuepflicht.325)

b) Rechtsanwalt 136 Deutlich wird diese Charakteristik der Interessenvertretung und damit die besondere Treueprägung des Rechtsverhältnisses auch an der reichsgerichtlichen Entscheidung vom 24.4.1926, welche die Möglichkeit der Anwendung des § 654 BGB auf das Rechtsverhältnis zwischen Anwalt und Mandant erstmals klärte und die wesentlich für die Erweiterung der Verwirkungskonstruktion auch auf andere Berufsgruppen war.326) Für das Verhältnis zwischen Anwalt und Mandat ist nämlich in hervorragendem Maß charakteristisch, dass aufgrund der besonderen Vertrauensprägung intensive Treue___________ 321) BGH, Urt. v. 28.9.2000 – III ZR 43/99, NJW 2000, 3642; BGH, Beschl. v. 10.11.2016 – I ZR 235/15, BeckRS 2016, 20628 Rn. 20; Krehl, Die Pflichtverletzung des Maklers, S. 26 f.; Hopt, ZGR 2004, 1, 6; Fischer, Maklerrecht, Kap. X Rn. 1; Soergel/Engel, BGB, § 654 Rn. 1, § 652 Rn. 135; Jauernig/Mansel, BGB, § 654 Rn. 3; siehe ausführlich dazu Fröber, Entstehung der Bestimmungen über den Maklervertrag, S. 106 ff.; anderer Auffassung hingegen Reuter, NJW 1990, 1321, 1326; wohl auch Staudinger/Arnold, BGB, Vor. §§ 652 ff. Rn. 9. 322) BeckOK BGB/Kneller, BGB, § 654 Rn. 14. 323) Soergel/Engel, BGB, § 654 Rn. 5; siehe dazu ausführlich MüKoBGB/Althammer, BGB, § 654 Rn. 9 f. 324) BGH, Urt. v. 5.2.1962 – VII ZR 248/60, BGHZ 36, 323, 326; siehe zu dieser Entscheidung bereits ausführlich oben Rn. 84 ff. 325) Jauernig/Mansel, BGB, § 654 Rn. 3. 326) RG, Urt. v. 24.4.1926 – III 208/25, RGZ 113, 264; siehe zu dieser Entscheidung bereits ausführlich oben Rn. 90 ff.

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B. Besondere Treuepflicht des Insolvenzverwalters gegenüber dem Insolvenzschuldner

pflichten bestehen.327) Die besondere Treueprägung ergibt sich in diesem Fall vor allem daraus, dass der Mandant sich mit seinen Interessen dem Anwalt anvertraut und ihn zum Zwecke der Wahrnehmung der eigenen (rechtlichen) Interessen beauftragt.328) Grundsätzlich ließe sich die Aufgabe des Rechtsanwalts daher auch so beschreiben, ausschließlich die Interessen des Mandaten ohne Rücksicht auf die Interessen Dritter umfassend wahrzunehmen.329) Die überragende Bedeutung der anwaltlichen Interessenvertretung im Sinne des Mandaten wird dabei auch daran deutlich, dass die Konstanz der Tätigkeit als Rechtsbeistand und der damit verbundenen Vertretung der Interessen des Mandaten sogar gesondert durch die strafrechtliche Sanktion des Parteiverrates nach § 356 StGB geschützt ist.330) Auch mit Blick auf das Verhältnis zwischen Anwalt und Mandat, das durch die ein- 137 seitige Interessenvertretung eine besondere Prägung erhält, zeigt sich also, dass die vorauszusetzende besondere Treuepflicht im Sinne des Rechtsgedankens nach § 654 BGB nicht mit einem allgemeinen Vertrauen in die ordnungsgemäße Pflichterfüllung gleichgesetzt werden kann, sondern vielmehr eine darüberhinausgehende Treueprägung beschreibt, die sich von generell im Rahmen von Rechtsverhältnissen bestehenden Rücksichtnahme- bzw. allgemeinen Treuepflichten unterscheidet.

c)

Zwischenergebnis

Unter einer besonderen Treuepflicht ist orientiert an der Entwicklung des Rechts- 138 gedankens die für bestimmte Rechtsverhältnisse charakteristische Verpflichtung zur einseitigen Wahrung fremder Interessen in einem hervorragenden Maße zu verstehen, die auf einer persönlichen Vertrauensbeziehung beruht. Der Verlust des Vergütungsanspruchs ist bei Makler und Rechtsanwalt auch an die Verletzung eben solcher besonderen persönlichen Treuepflichten geknüpft.331) Anwendung kann der in § 654 BGB enthaltene Rechtsgedanke daher nur auf solche Rechtsverhältnisse finden, für die eine spezifische persönliche Treueverpflichtung zur Wahrung der Interessen des Auftraggebers charakteristisch ist.

3.

Vergleichbarkeit der Treueprägung

Die wesentliche Gemeinsamkeit der erörterten Rechtsverhältnisse von Makler und 139 Rechtsanwalt mit dem Verhältnis des Insolvenzverwalters zu den Verfahrensbetei___________ 327) MüKoBGB/Schubert, BGB, § 242 Rn. 216; MüKoBGB/Bachmann, BGB, § 241 Rn. 205 f. 328) Henssler/Prütting/Hensseler, BRAO, § 43a Rn. 1; vgl. insoweit auch schon die Etymologie des Wortes „Mandat“ vom lateinischen mandare: sich anvertrauen. 329) BGH, Urt. v. 7.9.2017 – IX ZR 71/16, NZI 2017, 866 Rn. 17; MüKoBGB/Heermann, BGB, § 675 Rn. 28; BeckOGK/Teichmann, 1.4.2022, BGB, § 675 Rn. 950 ff. 330) MüKoStGB/Schreiner, StGB, § 356 Rn. 1; Schönke/Schröder/Heine/Weißer, StGB, § 356 Rn. 1; Lackner/Kühl/Heger, StGB, § 356 Rn. 1 spricht sogar explizit vom Schutz der Treuepflicht gegenüber dem Auftraggeber. 331) Lettau/Lorenz, ZJS 2020, 12, 14.

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§ 5 Bestehen einer Treuepflicht als Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 654 BGB

ligten besteht zunächst grundsätzlich darin, dass die jeweiligen Rechtsverhältnisse im Kern alle von der Wahrung fremder Interessen geprägt sind. Ähnlichkeiten dogmatischen Ursprungs ergeben sich dabei auf Grund dessen, dass das gesetzliche Treuhandverhältnis zwischen Insolvenzverwalter und den Verfahrensbeteiligten aufgrund der nicht konkret erfolgsbezogenen Interessenwahrnehmungspflicht zudem einen dienstvertraglichen Charakter hat. Naheliegend erscheint es also, dass eine besondere Treuepflicht für alle Rechtsverhältnisse angenommen werden kann, bei denen die Wahrung fremder Interessen den grundlegenden Inhalt der Tätigkeit des Verpflichteten bildet. Gemessen an der treuhänderischen Tätigkeit des Insolvenzverwalters würde insofern viel dafür sprechen, eine besondere Treuepflicht des Verwalters gegenüber dem Schuldner sowie den Gläubigern anzunehmen, da er diesen Verfahrensbeteiligten gegenüber zur Interessenwahrung verpflichtet ist. Die besondere Treuepflicht des Insolvenzverwalters wäre demnach in seiner Interessenwahrnehmungspflicht zu sehen.

140 Eine solche Betrachtungsweise greift jedoch zu kurz. Unzureichend berücksichtigt wären nämlich die sich aus den Besonderheiten des Insolvenzverfahrens und der Stellung des Insolvenzverwalters im Rahmen des Verfahrens ergebenden Unterschiede hinsichtlich dieser Interessenwahrnehmungspflicht. Es zeigt sich nämlich, dass die Interessenwahrnehmungspflicht des Insolvenzverwalters gegenüber den entsprechenden Pflichten von Makler und Anwalt vergleichsweise vielschichtiger ausgeprägt ist. Während vor allem der Rechtsanwalt, aber auch der Makler insbesondere im Rahmen eines Alleinauftrags,332) mit dem expliziten Ziel der Wahrung eines Einzelinteresses beauftragt werden, bezieht sich die Tätigkeit des Insolvenzverwalters nicht auf die Wahrung und Berücksichtigung eines bestimmten Individualinteresses, sondern mehrseitiger und teils verschiedenartiger Interessen der Verfahrensbeteiligten, denen er ausschließlich mit Blick auf das Verfahrensziel der Haftungsverwirklichung zu Gunsten aller Gläubiger zu begegnen hat.333) Dabei können zum einen die Interessen der Gläubiger, insbesondere der verschiedenen Gläubigergruppen, mitunter nicht nur verschieden, sondern sogar gegensätzlich sein.334) Zum anderen hat der Verwalter grundsätzlich auch das Interesse des Schuldners an einer Reduzierung seiner Vermögenshaftung zu berücksichtigen.335) Die Aufgabe des Insolvenzverwalters besteht insoweit gerade nicht in der parteibezogenen Vertretung und Wahrung eines einheitlich gebündelten Interesses, sondern der neutralen Wahrung der Interessen sämtlicher

___________ 332) Der Makler wird daher in diesem Fall als „Vertrauensmakler“ bezeichnet, siehe Fischer, Maklerrecht Kap. I Rn. 36. 333) Mohrbutter/Ringstmeier/Meyer/Voigt-Salus/Pape, Kap. 22 Rn. 153 f.; Uhlenbruck, KTS 1998, 1, 2; Birk, Vergütung und Aufwendungsersatz, S. 42; siehe ausführlich zu diesem materiellen Zweck der Verwalterunabhängigkeit Laukemann, Die Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters, S. 59 ff. 334) MüKoInsO/Ehricke/Ahrens, InsO, § 74 Rn. 7; Praß, Interessenkonflikte der Amtswalter, S. 170. 335) Laukemann, Die Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters, S. 60.

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B. Besondere Treuepflicht des Insolvenzverwalters gegenüber dem Insolvenzschuldner

Verfahrensbeteiligter.336) Leitlinie der Interessenwahrung bildet dabei alleine das in § 1 InsO vom Gesetzgeber festgelegte und das Insolvenzverfahren dominierende Ziel der gemeinschaftlichen gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger.337) Regelmäßig wird es vor diesem Hintergrund sogar dazu kommen, dass der Verwalter entgegen dem Individualinteresse bestimmter Gläubiger handeln wird, wenn er zu Gunsten der Insolvenzmasse und mithin auch der gleichmäßigen Befriedigung wegen Anfechtungsansprüche gegen einzelne Gläubiger geltend macht und durchsetzt.338) In erster Linie ist der Verwalter also Interessenvertreter der in § 1 InsO bestimmten 141 Ziele, was auch daran deutlich wird, dass die Verfahrensziele seine Rechtsmacht insoweit begrenzen, als evident insolvenzzweckwidrige Rechtshandlungen unwirksam sind.339) Abstrakt betrachtet ist der Verwalter mithin der Wahrung und Vertretung der Ziele des Insolvenzverfahrens verpflichtet, sodass er sich in seiner Funktion auch als Instrument eines allseitigen Interessenaustausches beschreiben ließe.340) Insofern ist die Rechtsbeziehung des Insolvenzverwalters zu den Verfahrensbeteiligten deutlich weniger als bei Anwalt und Makler durch die spezifische Wahrnehmung eines Einzelinteresses geprägt. Ein wesentlicher Unterschied zu Makler und Rechtsanwalt ergibt sich im Hinblick 142 auf das Rechtsverhältnis zwischen Insolvenzverwalter und den Verfahrensbeteiligten weiterhin aber auch daraus, dass es nicht auf eine persönliche und gewillkürte Beziehung zu einem Auftraggeber zurückgeht, sondern den Ursprung in der Bestellung des Verwalters und der ihm gesetzlich zugeschriebenen Funktion im Rahmen des Insolvenzverfahrens hat, die wesentlich durch seine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über fremdes Vermögen geprägt ist.341) Demgegenüber ergibt sich die besondere Treueprägung derjenigen Rechtsverhältnisse, die wie der Makler- bzw. Anwaltsvertrag für die Entwicklung des in § 654 BGB gesehenen Rechtsgedankens bestimmend waren, insbesondere aus der persönlichen und vertraglich gewillkürten Beziehung zwischen Auftraggeber und Dienstverpflichteten. Eine persönliche Beziehung des Insolvenzverwalters zu einem bestimmten Gläubiger, einer Gläubigergruppe oder auch dem Schuldner ist demgegenüber gerade kein Bestandteil seiner treuhänderischen Tätigkeit. Vielmehr gilt es im Gegenteil eine solche gerade zu vermeiden, um eine erfolgreiche und effiziente Verfahrensabwicklung nicht aufgrund ___________ 336) Uhlenbruck/Zipperer, InsO, § 56 Rn. 25; K. Schmidt/Ries, InsO, § 56 Rn. 23; Bork, ZIP 2013, 145, 148 f.; Vallender/Zipperer, ZIP 2013, 149, 151. 337) Siehe zu den Funktionen des Insolvenzverfahrens instruktiv Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S. 51 ff. 338) Siehe zum Sinn und Zweck der Insolvenzanfechtung umfassend Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S. 279 ff. 339) MüKoInsO/Ganter/Bruns, InsO, § 1 Rn. 6; HK-InsO/Sternal, InsO, § 1 Rn. 2. 340) Laukemann, Die Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters, S. 61. 341) Lettau/Lorenz, ZJS 2020, 12, 14.

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§ 5 Bestehen einer Treuepflicht als Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 654 BGB

eines potenziellen Interessenkonflikts zu gefährden.342) Nicht ohne Grund findet sich das Merkmal der Unabhängigkeit daher bereits als Voraussetzung für die Bestellung zum Insolvenzverwalter im Wortlaut des § 56 InsO.343)

III. Ergebnis 143 Auch wenn das gesetzliche Schuldverhältnis zwischen dem Insolvenzverwalter, dem Insolvenzschuldner sowie den Gläubigern als Treuhandverhältnis einzuordnen ist, zeigt sich bei genauerer Betrachtung, dass die darin begründete Treueprägung nicht mit derjenigen gleichgesetzt werden kann, die charakteristisch für die Rechtsverhältnisse ist, die den Ausgangspunkt des erweiterten Anwendungsbereichs von § 654 BGB bildeten.344) Denn zum einen ist die Tätigkeit des Insolvenzverwalters anders als die beispielsweise des Maklers oder Rechtsanwalts nicht durch eine ein- bzw. zweiseitige Interessenwahrung geprägt und zum anderen besteht keine persönliche Treueprägung. Daher kann auch aus der treuhänderischen Prägung des gesetzlichen Schuldverhältnisses des Insolvenzverwalters zu Gläubigern und Schuldner nicht auf eine besondere Treuepflicht des Verwalters geschlossen werden. Für die dogmatische Herleitung der Vergütungsverwirkung bedeutet dies, dass ein in § 654 BGB gesehener Rechtsgedanke des Inhalts, dass die schwerwiegende Verletzung einer besonderen Treuepflicht zur Lohnunwürdigkeit und somit zur Verwirkung des Lohnanspruchs führt, auf den Vergütungsanspruch des Insolvenzverwalters keine Anwendung finden kann. Die Verwirkung des Vergütungsanspruchs des Insolvenzverwalters lässt sich daher nicht mit der Bezugnahme auf § 654 BGB begründen.

144 Wollte man gleichwohl aufgrund der grundsätzlich treuhänderischen Prägung der Tätigkeit des Insolvenzverwalters das Bestehen einer besonderen Treuepflicht gegenüber den Verfahrensbeteiligten des Insolvenzverfahrens annehmen, müsste die Anwendbarkeit des in § 654 BGB enthaltenen Rechtsgedankens dann aber auf die Verletzung solcher Pflichten beschränkt werden, die unmittelbar die treuhänderische Prägung des Rechtsverhältnisses abbilden. Andernfalls bestünde die Gefahr, dass unter Berufung auf die grundsätzlich bestehende Pflicht zur Wahrung der Interessen anderer jegliche Pflichtwidrigkeit des Verwalters als Verletzung der Treuepflicht eingestuft und damit der Anwendungsbereich des Rechtsgedankens ohne jegliche Begrenzung erweitert werden könnte.

___________ 342) K/P/B/Lüke, InsO, § 56 Rn. 50; MüKoInsO/Graeber, InsO, § 56 Rn. 35 ff.; siehe auch Römermann, ZInsO 2013, 218, 220, der eine Interessenkollision hingegen generell unter die Ungeeignetheit des Verwalters subsumiert. 343) Zur Notwendigkeit der Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters zum Schutz der Verfahrensziele und somit der Verfahrensbeteiligten siehe Schumann, FS Geimer, S. 1043, 1048. 344) Vgl. ebenfalls kritisch hinsichtlich der Interessenbindung BeckOK BGB/Kneller, BGB, § 654 Rn. 24.

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C. Besondere Treuepflicht des Insolvenzverwalters gegenüber dem Insolvenzgericht

C. Besondere Treuepflicht des Insolvenzverwalters gegenüber dem Insolvenzgericht Bei näherer Betrachtung der Argumentation der Rechtsprechung des Bundesgerichts- 145 hofs zeigt sich allerdings, dass der IX. Senat den die Verwirkung begründenden Treuebruch des Insolvenzverwalters ohnehin nicht an eine Verletzung einer gegebenenfalls gegenüber dem Schuldner sowie insbesondere den Gläubigern gegenüber bestehenden besonderen Treuepflicht zu knüpfen scheint, sondern an eine Treuepflichtverletzung gegenüber dem Insolvenzgericht. Während ursprünglich das Landgericht Konstanz in der ersten Entscheidung zur Vergütungsverwirkung des Insolvenzverwalters – wenn auch ohne unmittelbare Bezugnahme auf § 654 BGB – mit einer Treuepflichtverletzung des Verwalters gegenüber den Gläubigern argumentierte,345) ist nach der aktuellen Rechtsprechung des IX. Senats für die Verwirkung des Vergütungsanspruchs des Insolvenzverwalters vielmehr entscheidend, dass er die ihm gegenüber dem Insolvenzgericht obliegende Treuepflicht schwerwiegend verletzt.346) Die Verwirkung des Anspruchs des Insolvenzverwalters auf Vergütung finde ihren inneren Grund nämlich in dem schweren Treuebruch gegenüber dem Insolvenzgericht, das ihn bestellt hat.347) Der dem Verwalter insofern vorgeworfene Treuebruch gegenüber dem Insolvenzgericht stellt dabei sowohl in dem Fall das maßgebliche Kriterium der Verwirkung dar, dass der Verwalter das Insolvenzgericht vor seiner Bestellung über seine Qualifikation getäuscht oder nicht über Fehlverhalten in anderen Verfahren aufgeklärt hat,348) als auch in dem Fall, dass dem Verwalter im konkreten Insolvenzverfahren Pflichtverletzungen wie beispielsweise Straftaten zu Lasten der Masse vorgeworfen werden können.349) Wie schon zuvor hinsichtlich der Rechtsverhältnisse zwischen Verwalter und Gläu- 146 bigern sowie dem Schuldner stellt sich hier erneut die Frage, ob eine besondere Treuepflicht des Verwalters gegenüber dem Insolvenzgericht besteht, deren Verletzung einen Treuebruch bedeutet. Insbesondere wird in Anbetracht der Anknüpfung der Verwirkungsrechtsprechung an Verfehlungen bereits vor Bestellung zu untersuchen sein, inwiefern bereits im Vorfeld des Verfahrens das Bestehen einer besonderen Treuepflicht angenommen werden kann.

___________ 345) LG Konstanz, Beschl. v. 15.9.1999 – 6 T 38/99 We, ZInsO 1999, 589, 591; siehe zu dieser Entscheidung ausführlich oben Rn. 45 ff. 346) BGH, Beschl. v. 22.11.2018 – IX ZB 14/18, NJW 2019, 935 Rn. 16, 19; BGH, Beschl. v. 12.9.2019 – IX ZB 76/18, ZInsO 2019, 2290 Rn. 11. 347) BGH, Beschl. v. 22.11.2018 – IX ZB 14/18, NJW 2019, 935 Rn. 19. 348) BGH, Beschl. v. 14.7.2016 – IX ZB 52/15, NZI 2016, 892 Rn. 8; BGH, Beschl. v. 12.9.2019 – IX ZB 76/18, ZInsO 2019, 2290 Rn. 9. 349) BGH, Beschl. v. 22.11.2018 – IX ZB 14/18, NJW 2019, 935 Rn. 19, 21.

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§ 5 Bestehen einer Treuepflicht als Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 654 BGB

I.

Vorüberlegung: Möglichkeit des Bestehens einer Treuepflicht gegenüber staatlichen Institutionen im Allgemeinen

147 Grundsätzlich stellt sich zunächst jedoch die Frage, ob und inwiefern überhaupt (Treue-)Pflichten des Verwalters gegenüber dem Insolvenzgericht begründet werden können. Voraussetzung dafür wäre das Bestehen eines Rechtsverhältnisses zwischen Gericht und Verwalter, aus dem sich entsprechende Pflichten herleiten ließen. Fraglich erscheint aber, inwiefern ein solches Rechtsverhältnis überhaupt gegenüber dem Gericht als staatlicher Institution bestehen kann und ob nicht das Insolvenzgericht in seinem rechtlichen Handeln zur Begründung eines Rechtsverhältnisses beschränkt ist.

148 Mit Blick auf andere Private, die aufgrund gerichtlicher Bestellung oder Ernennung tätig werden, zeigt sich aber, dass die Möglichkeit des Bestehens eines Rechtsverhältnisses zumindest nicht grundsätzlich von der Hand zu weisen ist. So wurde hinsichtlich des gerichtlich ernannten Sachverständigen – vor Einführung des nun die Haftung regelnden § 839a BGB – diskutiert, ob es sich bei dem Rechtsverhältnis zwischen Gericht und dem von ihm bestellten Sachverständigen um ein öffentlichrechtliches Vertragsverhältnis handele.350) Gerade vor dem Hintergrund der festzustellenden Parallele zum Verwalter, der ebenfalls als Privatperson durch gerichtlichen Akt in sein Amt berufen wird, ist also die Möglichkeit eines dadurch begründeten Rechtsverhältnisses zumindest denkbar.

149 Auch mit Blick auf das Verhältnis von Beamten zu ihren Dienstherren als staatliche Stellen wird die Möglichkeit der Begründung eines Rechtsverhältnisses mit gegenseitigen Pflichten deutlich. Zwischen Beamten und Dienstherren besteht nämlich ein Dienst- und Treueverhältnis, welches ebenfalls durch einen Hoheitsakt begründet wird.351)

150 Entscheidend ist demnach hinsichtlich einer Treuepflicht des Verwalters gegenüber dem Insolvenzgericht, inwiefern ein Rechtsverhältnis des Insolvenzverwalters zum Insolvenzgericht besteht. Ansatzpunkte der Untersuchung können insofern die Rechtsstellung und Funktion des Verwalters im Rahmen des Verfahrens, das prinzipiell zwischen Gericht und Verwalter angenommene Vertrauensverhältnis und dabei insbesondere auch die Bedeutung der Bestellung, berufsrechtliche Vorgaben der Insolvenzverwalterverbände sowie schließlich auch die allgemeine zivilrechtliche Dogmatik sein.

___________ 350) Siehe dazu Thole, Die Haftung des gerichtlichen Sachverständigen, S. 14 f. 351) Siehe dazu Dürig/Herzog/Scholz/Badura, GG, Art. 33 Rn. 58; BeckOK BeamtenR Bund/Werres, BBG, § 4 Rn. 3 ff.

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C. Besondere Treuepflicht des Insolvenzverwalters gegenüber dem Insolvenzgericht

II. Besondere Treuepflicht aus Rechtsstellung des Insolvenzverwalters Den ersten Anknüpfungspunkt der Untersuchung des Bestehens einer besonderen 151 Treuepflicht vor dem Hintergrund eines Rechtsverhältnisses zum Insolvenzgericht bildet die Rechtsstellung des Insolvenzverwalters. Insbesondere dann nämlich, wenn der Verwalter in öffentlicher Funktion als Amtsträger für das Gericht Aufgaben wahrnehmen sollte, ließe sich annehmen, dass aus dem insoweit bestehenden Rechtsverhältnis – ähnlich einem Beamtenverhältnis – eine besondere Treuepflicht des Verwalters gegenüber dem Insolvenzgericht abgeleitet werden kann. Anknüpfungspunkt ist die Rechtsstellung des Verwalters dabei auch unmittelbar vor dem Hintergrund der Ausführungen des IX. Senats, der in seiner Entscheidung aus dem Jahr 2016 explizit auf die besondere Stellung des Insolvenzverwalters verweist, aus der seine Treuepflicht gegenüber dem Insolvenzgericht entspringe.352) Näher zu untersuchen gilt es demnach, wie die (Rechts-)Stellung des Verwalters als Verfahrensorgan ausgestaltet ist und ob diese eine Treuepflicht gegenüber dem Insolvenzgericht zu begründen vermag, auf die sich die Argumentation der Rechtsprechung stützen ließe. Denn weitere Ausführungen dazu, was konkret unter der besonderen Stellung zu verstehen ist, und wie aus ihr eine Treuepflicht gegenüber dem Insolvenzgericht herzuleiten ist, finden sich weder in dieser noch in den darauffolgenden Entscheidungen des Bundesgerichtshofs.

1.

Theorien zur Einordnung der Rechtsstellung des Insolvenzverwalters

Die Einordnung der Rechtsstellung des Insolvenzverwalters ist nicht unumstritten. 152 Schon seit Inkrafttreten der Konkursordnung existieren zu dieser Frage unterschiedliche Theorien.353) Auch die Einführung der Insolvenzordnung am 1.1.1999 hat dem Streit keinen Abbruch getan. Kern der fortwährenden Diskussion ist dabei vor allem die Einordnung der rechtlichen Beziehungen der Verfahrensbeteiligten in ein übergeordnetes theoretisches Ordnungssystem, welches insbesondere auch die vom Insolvenzverwalter verübten Handlungen rechtlich einzuordnen vermag.354) Im Wesentlichen haben sich diesbezüglich folgende drei Ansätze herausgebildet. Der sogenannten Vertretertheorie zufolge wird der Insolvenzverwalter als gesetzlicher Vertreter des Schuldners tätig.355) Nach der sogenannten Organtheorie wird demgegenüber der Masse des Verfahrens eine eigene (Quasi-)Rechtspersönlichkeit zugesprochen, sodass der Verwalter im Ergebnis als Vertretungsorgan des Rechtssubjekts ___________ 352) BGH, Beschl. v. 14.7.2016 – IX ZB 52/15, NZI 2016, 892 Rn. 9; siehe zu dieser Entscheidung oben Rn. 64 f. 353) Siehe Jaeger, Die Konkursordnung, § 6 Anm. 1 ff.; K. Schmidt, KTS 1984, 345, 350 ff.; Kluth, NZI 2000, 351. 354) K. Schmidt/Sternal, InsO, § 80 Rn. 20; MüKoInsO/Vuia, InsO, § 80 Rn. 21. 355) Lent, ZZP 62 (1941), 129 ff.; Ballerstedt, AcP 151 (1951), 501, 526 ff.; dieser Ansatz wurde vor allem im Hinblick auf die Konkursordnung verfolgt; unlängst die Vertretertheorie aber befürwortend Stamm, KTS 2016, 279, 300.

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§ 5 Bestehen einer Treuepflicht als Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 654 BGB

„Masse“ handelt.356) Die überwiegend im Schrifttum und auch in ständiger Rechtsprechung vertretene sogenannte Amtstheorie betrachtet den Insolvenzverwalter hingegen als Amtsträger, der im eigenen Namen in Erfüllung seiner gesetzlichen Pflichten mit Wirkung für und gegen die Masse handelt.357)

153 Die Diskussion ist dabei mehr von theoretischer Bedeutung, da die unterschiedlichen Theorien nur einen geringen Beitrag zur Bestimmung der Rechte und Pflichten des Insolvenzverwalters sowie zur Beantwortung praktischer Fragen leisten können und auch nicht einen derartigen Anspruch erheben.358) Bei wesentlichen praktischen Fragen zeigt sich ohnehin, dass die unterschiedlichen theoretischen Ansätze, wie beispielweise hinsichtlich der Zurechnung von Willensmängeln, der Befugnis zum Selbstkontrahieren oder des Verschuldens des Verwalters bei Haftungsfragen, zu gleichen Ergebnissen führen.359)

154 Auch im Hinblick auf die Ableitung von Treuepflichten des Verwalters aus seiner besonderen Stellung können die unterschiedlichen Theorien bereits vor diesem Hintergrund keinen wesentlichen Beitrag leisten. Weiterhin erscheint auch zweifelhaft, inwieweit die an der zivilrechtlichen Dogmatik orientierten Theorien bei der Erörterung der Stellung des Insolvenzverwalters zur Klärung seiner sich daraus ergebenden Pflichten beitragen können. Das Rechtsinstitut des Insolvenzverwalters ist nämlich nicht mit den von den Theorien herangezogenen allgemeinen Rechtsinstituten des Zivilrechts vergleichbar; in keinem anderen Fall sind die Handlungskompetenzen für fremdes Vermögen dergestalt geregelt wie beim Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis nach § 80 Abs. 1 InsO.360) Aus diesem Grund können andere zivilrechtliche Institute die Stellung des Insolvenzverwalters schon nicht präzise erfassen, sodass weder aus den Instituten selbst noch aus den auf ihnen aufbauenden Theorien nähere Erkenntnisse zur Rechtsstellung sowie den Pflichten und Aufgaben des Insolvenzverwalters gewonnen werden können.361) Zwar können die Theorien insbesondere zur Einordnung des Verwalterhandelns und dem Verhältnis des Ver___________ 356) Hellwig, Anspruch und Klagerecht, S. 228 ff.; Bötticher, ZZP 77 (1964), 55, 56 f.; Erdmann, KTS 1967, 87, 128 ff.; Stürner, ZZP 94 (1981), 263, 287 ff.; Pawlowski, JuS 1990, 378, 380; modifiziert K. Schmidt, KTS 1984, 345, 360 ff., wonach der Verwalter zwar nicht Organ der Masse aber der insolventen Handelsgesellschaft ist. 357) RG, Urt. v. 30.3.1892 – Rep V 255/91, RGZ 29, 29, 36 f.; BGH, Urt. v. 24.6.1957 – VII ZR 310/56, BGHZ 24, 393, 396; BGH, Beschl. v. 27.10.1983 – I ARZ 334/83, BGHZ 88, 331, 334; BGH, Urt. v. 26.1.2006 – IX ZR 282/03, ZInsO 2006, 260; Oetker, Konkursrechtliche Grundbegriffe, S. 25 f., 314 ff.; Weber, KTS 1955, 102, 111; Bork, Insolvenzrecht, Rn. 65; HK-InsO/Kayser, InsO, § 80 Rn. 14; K/P/B/Lüke, InsO, § 80 Rn. 37 f. 358) MüKoInsO/Vuia, InsO, § 80 Rn. 21 f.; K. Schmidt/Sternal, InsO, § 80 Rn. 20; Nerlich/ Römermann/Wittkowski/Kruth, InsO, § 80 Rn. 38; Gottwald/Haas/Pechartscheck, § 22 Rn. 20; Pape/Reichelt/Schultz/Voigt-Salus, Insolvenzrecht, § 14 Rn. 4. 359) Vgl. dazu ausführlich MüKoInsO/Vuia, InsO, § 80 Rn. 36 ff. 360) MüKoInsO/Vuia, InsO, § 80 Rn. 23, 35. 361) MüKoInsO/Vuia, InsO, § 80 Rn. 35.

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C. Besondere Treuepflicht des Insolvenzverwalters gegenüber dem Insolvenzgericht

walters zu den Verfahrensbeteiligten aufgrund der ihm nach § 80 InsO übertragenen Verwaltungs- und Verfügungsmacht beitragen; hieraus ergeben sich jedoch keine wesentlichen Erkenntnisse für eine grundsätzliche und umfassende Einordnung der Rechtsstellung des Verwalters im Insolvenzverfahren.362) Daraus folgt, dass die theoretischen Ansätze auch keinen Aufschluss über die für die Untersuchung maßgebliche Frage nach dem Bestehen einer Treuepflicht des Verwalters gegenüber dem Insolvenzgericht geben können. Die mit den theoretischen Konstruktionsmodellen zu gewinnenden Erkenntnisse hinsichtlich der dem Verwalter zugewiesenen Aufgaben und seiner Zuständigkeiten können allenfalls als Richtschnur für die Einordnung der tatsächlichen Rechtsstellung des Insolvenzverwalters im Verfahren dienen.363)

2.

Einordnung nach Funktion und Aufgaben

Entscheidend zur Bestimmung der Rechtsstellung des Insolvenzverwalters ist eine 155 umfassende Betrachtung der die Tätigkeit des Verwalters prägenden Umstände wie seine Bestellung durch das Insolvenzgericht, seine gesetzlich geregelten Pflichten und Befugnisse sowie seine Funktion im Rahmen des Insolvenzverfahrens unter Berücksichtigung der im Verfahren verfolgten Ziele.364) Maßgeblich ist dabei nicht nur das rechtlich-dogmatische Verhältnis des Insolvenzverwalters zur von ihm verwalteten Insolvenzmasse, sondern auch sein Verhältnis zu den übrigen Verfahrensbeteiligten und die funktionale Bedeutung, die der Insolvenzverwalter im Rahmen des Verfahrens einnimmt.

a) Der Insolvenzverwalter als Amtsinhaber Die Tätigkeit als Insolvenzverwalter setzt zunächst stets den öffentlich-rechtlichen 156 Legimitationsakt der Bestellung durch das Insolvenzgericht gemäß § 56 InsO voraus.365) Besonders ist das Verhältnis zwischen Gericht und Verwalter also bereits insofern, als der Insolvenzverwalter nur durch die Ernennung durch das Insolvenzgericht die Möglichkeit erhält, seinen Beruf praktisch auszuüben.366) Die Bestellung durch das Gericht ist allerdings per se noch kein Alleinstellungsmerkmal der Tätigkeit als Insolvenzverwalter. Auch andere Tätigkeiten stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit einer gerichtlichen Bestellung, wie beispielsweise die Tätigkeit als Notgeschäftsführer, Sachverständiger, Notariatsverwalter oder auch als Pflichtverteidiger. Mit Blick auf diese Personen wird dabei zudem deutlich, dass die Be___________ 362) Slopek, ZInsO 2008, 1243, 1247; Schick, NJW 1991, 1328; Brinkmann, Private in gerichtlichem Auftrag, S. 28. 363) Preuss, Zivilrechtspflege durch externe Funktionsträger, S. 347. 364) Holzer/Kleine-Cosack/Prütting, Die Bestellung des Insolvenzverwalters, S. 12; Kluth, NZI 2000, 351, 355; Brinkmann, Private in gerichtlichem Auftrag, S. 29. 365) Schick, NJW 1991, 1328, 1329; MüKoInsO/Graeber, InsO, § 56 Rn. 142. 366) Kölner Schrift/Graeber, Kap. 11 Rn. 6.

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§ 5 Bestehen einer Treuepflicht als Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 654 BGB

stellung durch das Gericht nicht zwangsläufig eine besondere Rechtsstellung begründen muss.367)

157 Das Bundesverfassungsgericht äußert sich zur Rechtsstellung des Insolvenzverwalters ohne nähere Befassung mit den unterschiedlichen Theorien nur insoweit, dass der Verwalter „im Ausgangsverfahren Partei kraft Amtes“ sei.368) Entsprechend ordnet auch die fachgerichtliche Rechtsprechung die prozessuale Stellung des Insolvenzverwalters als Partei kraft Amtes ein, die besonders dadurch gekennzeichnet sei, dass er das Vermögen oder eine bestimmte Vermögensmasse des materiellen Rechtsträgers an dessen Stelle verwalte bzw. darüber verfüge.369) Zwar nimmt diese Charakterisierung der Amtseigenschaft jeweils Bezug auf die prozessuale Stellung des Insolvenzverwalters, sodass keine originäre Aussage über seine Stellung im Insolvenzverfahren selbst getroffen wird. Zumindest aber kann die zivilprozessuale Stellung des Insolvenzverwalters einen Anhaltspunkt zur Bestimmung seiner Stellung im Insolvenzverfahren bieten. Von Einigen wird die Stellung des Insolvenzverwalters nämlich auch mit Blick auf das Insolvenzverfahren als amtsähnlich beschrieben.370) Hintergrund dessen ist, dass dem Verwalter mit der öffentlich-rechtlich ausgestalteten Bestellung durch das Insolvenzgericht zumindest insoweit hoheitliche Befugnisse übertragen werden, als er berechtigt ist, fremdes Vermögen in Besitz zu nehmen und zu verwalten.371) Insofern lässt sich die Einordnung der Rechtsstellung als amtsähnlich durchaus vertreten. Ein konkreter Erkenntnisgewinn ist mit dieser pauschalen Einordnung allerdings noch nicht verbunden.372) Denn bereits die Vorschriften der Insolvenzordnung lassen aufgrund der wiederholten Verwendung des Begriffs „Amt“373) ohne weiteres erkennen, dass der Insolvenzverwalter eine wie auch immer geartete Amtsstellung innehat.

158 Im Schrifttum wird die Amtsstellung des Verwalters teilweise auch dahingehend konkretisiert, dass er als Gehilfe des Gerichts374) oder Beliehener375) tätig werde. Mit ___________ 367) Holzer/Kleine-Cosack/Prütting, Die Bestellung des Insolvenzverwalters, S. 13; Staudinger/ Wöstmann, BGB, § 839 Rn. 41; Bluhm, Die Anwendbarkeit und Auswirkungen der EU-Dienstleistungsrichtlinie auf Auswahl und Bestellung des Insolvenzverwalters, S. 171. 368) BVerfG, Beschl. v. 19.10.1983 – 2 BvR 485/80, 2 BvR 486/80, BVerfGE 65, 182. 369) BGH, Beschl. v. 27.10.1983 – 1 ARZ 334/83, ZIP 1984, 82, 83. 370) MüKoInso/Graeber, InsO, § 56 Rn. 143; Schick, NJW 1991, 1328, 1329; Wellensiek, NZI 1999, 169, 171. 371) BVerfG, Beschl. v. 12.1.2016 – 1 BvR 3102/13, NZI 2016, 163 Rn. 45. 372) Die Reichweite der Einordnung der Stellung als „amtsähnlich“ wird bereits daran deutlich, dass das Bundesverfassungsgericht auch dem Rechtsanwalt in seiner Funktion als Organ der Rechtspflege eine „amtsähnliche Stellung“ zuweist, siehe BVerfG, Beschl. v. 8.10.1974 – 2 BvR 747, 748, 749, 750, 751, 752, 753/73, BVerfGE 38, 105, 119. 373) Siehe nur die §§ 56 Abs. 2 Satz 2, 56a Abs. 2 Satz. 1, 57 Satz 3, 59 Abs. 1 Satz 1 InsO. 374) MüKoInsO/Graeber, InsO, § 56 Rn. 143; Holzer/Kleine-Cosack/Prütting, Die Bestellung des Insolvenzverwalters, S. 13; Gomille, KTS 2019, 364, 372. 375) Schick, NJW 1991, 1328, 1329; Brüning, Die berufsrechtliche Stellung des Rechtsanwaltes als Funktionsträger im Insolvenzverfahren, S. 45, 47; Wellensiek, NZI 1999, 169, 171; Slopek, ZInsO 2008, 1243, 1246; als der eines Beliehenen ähnlich Preuss, Zivilrechtspflege durch externe Funktionsträger, S. 481.

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C. Besondere Treuepflicht des Insolvenzverwalters gegenüber dem Insolvenzgericht

Blick auf das Bestehen einer Treuepflicht gegenüber dem Insolvenzgericht wäre eine solche Einordnung der Rechtsstellung des Insolvenzverwalters dabei von besonderer Bedeutung, wenn aufgrund einer damit verbundenen Eingliederung des Insolvenzverwalters in die staatliche Organisation und der öffentlich-rechtlichen Prägung seiner Tätigkeit ähnlich der eines Beamten eine besondere Treuepflicht gegenüber dem Insolvenzgericht abgeleitet werden könnte.376) Allerdings vermag im Ergebnis weder die eine noch die andere Einordnung zu überzeugen.377) Vielmehr ist eine Konkretisierung der amtsähnlichen Rechtsstellung des Verwalters dahingehend überzeugend, den Insolvenzverwalter als Inhaber eines „privaten Amtes“ einzuordnen.378) Auch wenn der Begriff des „privaten Amtes“ teilweise als nichtssagend oder gar widersprüchlich kritisiert wird,379) ist er tatsächlich in hervorragendem Maße dazu geeignet, die Rechtsstellung des Verwalters im Rahmen des Insolvenzverfahrens präzise zu erfassen. Der Begriff „privates Amt“ enthält in seiner sprachlichen Kombination nämlich zwei 159 wesentliche Merkmale, die die Rechtsstellung des Insolvenzverwalters charakterisieren. Zum einen wird der institutionell eingeräumte Pflichtenkreis des Insolvenzverwalters beschrieben.380) Insofern trägt der Begriff „Amt“ dem Umstand Rechnung, dass der Insolvenzverwalter seine Legitimation aus der gerichtlichen Bestellung ableitet und unter Aufsicht des Insolvenzgerichts steht.381) Der vorangestellte Begriff des „privaten Amts“ kennzeichnet, dass der Amtsinhaber anstelle des Insolvenzschuldners die Eigenzuständigkeit eines Privaten wahrnimmt und seine Tätigkeit in der Regel auch durch das Privatrecht ausgestaltet ist.382) Zwar muss der Schuldner ___________ 376) Siehe zum Treueverhältnis in öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnissen sogleich unten Rn. 171 f. 377) So auch Kluth, NZI 2000, 351, 353; Gutachterliche Gegenstellungnahme Gravenbrucher Kreis, ZInsO 2001, 730 f.; Kruth, Die Auswahl und Bestellung des Insolvenzverwalters, S. 63; Brinkmann, Private in gerichtlichem Auftrag, S. 30, 90, 98; Marotzke, ZInsO 2009, 1929; Foerste, Insolvenzrecht, § 6 Rn. 48. 378) Steiner, Öffentliche Verwaltung durch Private, S. 61 f. (noch zum Konkursverwalter); Jacoby, Das private Amt, S. 1, 160; Bluhm, Die Anwendbarkeit und Auswirkungen der EU-Dienstleistungsrichtlinie auf Auswahl und Bestellung des Insolvenzverwalters, S. 178; Henssler, Das Berufsbild des Insolvenzverwalters, S. 53; Brinkmann, Private im öffentlichen Auftrag, S. 29; Kästner, Beruf und Berufsrecht des Insolvenzverwalters, S. 188; Kluth, NZI 2000, 351, 353; Sabel/Wimmer, ZIP 2008, 2097, 2102; Jaeger/Windel, InsO, § 80 Rn. 19; Bork, Insolvenzrecht, Rn. 65; selbst der IX. Zivilsenat des BGH geht davon aus, dass dem Konkurs- bzw. Insolvenzverwalter ein privates Amt übertragen wird BGH, Urt. v. 17.1.1985 – IX ZR 59/84, BGHZ 93, 278, 281. 379) So beispielweise Holzer/Kleine-Cosack/Prütting, Die Bestellung des Insolvenzverwalters, S. 15, zum Begriff des „privaten Amtes“: „…was immer man darunter verstehen mag…“; oder Stamm, KTS 2016, 279, 287, der eine derartige Einordnung der Rechtsstellung als „Quadratur des Kreises“ beschreibt. 380) Jacoby, Das private Amt, S. 160. 381) Kölner Schrift/Graf-Schlicker Kap. 8 Rn. 13; Jaeger/Gerhardt, InsO, § 56 Rn. 10; Sabel/Wimmer, ZIP 2008, 2097, 2102. 382) Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht II, § 73 I c 6; zustimmend Jacoby, Das private Amt, S. 160 f.

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nicht zwangsläufig eine Privatperson im eigentlichen Sinne sein, zumindest aber nimmt der Insolvenzverwalter im Rahmen seiner Verfügungs- und Verwaltungsbefugnis die Zuständigkeit des Schuldners als materieller Rechtsträger im Rahmen des Privatrechts wahr. Maßgeblich spiegelt dieser Teil des Begriffs also die Tätigkeit des Insolvenzverwalters wider, die durch privatrechtliche Regelungen ausgestaltet und determiniert ist.

160 Dass die Begrifflichkeit des „privaten Amtes“ die Rechtsstellung des Insolvenzverwalters zutreffend beschreibt, wird besonders in Abgrenzung zu seiner Einordnung als Gehilfe des Gerichts oder Beliehener deutlich. Gegen die Einordnung als Gehilfe des Gerichts spricht zunächst, dass der Verwalter gemäß § 56 Abs. 1 InsO unabhängig tätig wird und somit weder als Gehilfe der Gläubiger noch des Schuldners und auch nicht als Gehilfe des Gerichts agiert.383) Die Unabhängigkeit des Verwalters gegenüber dem Insolvenzgericht zeigt sich auch in seinem vielfältigen Tätigkeitsprofil im Rahmen des Insolvenzverfahrens. Dieses ist maßgeblich durch die privatrechtlichen Beziehungen des Insolvenzverwalters zu den anderen Verfahrensbeteiligten geprägt und dient dabei nicht der Durchsetzung eines staatlichen Willens.384) Vielmehr muss die Willensbildung des Insolvenzverwalters an den von § 1 InsO vorgegeben Zielen des Insolvenzverfahrens orientiert sein.385) Deutlich wird dies auch mit Blick auf den haftungsrechtlichen Sorgfaltsmaßstab des Insolvenzverwalters nach § 60 Abs. 1 Satz 2 InsO, der ebenfalls maßgeblich an den Zielen des Insolvenzverfahrens nach § 1 InsO auszurichten ist.386)

161 Um als Gehilfe des Gerichts eingeordnet werden zu können, müsste der Verwalter zudem insofern auch unterstützend tätig werden. Jedoch ist die am Ziel der Gläubigerbefriedigung orientierte, privatrechtlich ausgestaltete und insbesondere bei Fortführung des schuldnerischen Unternehmens vor allem unternehmerisch geprägte Tätigkeit des Insolvenzverwalters387) gerade nicht dem vollstreckungsrechtlichen und damit hoheitlichen Aufgabenbereich des Insolvenzgerichts zuzuordnen, sodass der Verwalter diesbezüglich auch nicht als Gehilfe unterstützend tätig sein könnte. Der Insolvenzverwalter wird in Abgrenzung zu anderen „Gehilfen“ vielmehr weitestgehend selbstständig tätig.388) Anschaulich wird dies insbesondere an der Ausgestaltung der Aufsichtsbefugnis des Gerichts. Die Geschäftsführung des Verwalters ist nämlich im Hinblick auf ihre Zweckmäßigkeit einer gerichtlichen Überprüfung ent___________ 383) Gutachterliche Gegenstellungnahme Gravenbrucher Kreis, ZInsO 2001, 730 f.; zustimmend Marotzke, ZInsO 2009, 1929 Fn. 2. 384) Henssler, Das Berufsbild des Insolvenzverwalters, S. 53. 385) Jacoby, Das private Amt, S. 96. 386) BGH, Urt. v. 12.3.2020 – IX ZR 125/17, NJW 2020, 1800 Ls. 1, Rn. 33; MüKoInsO/ Schoppmeyer, InsO, § 60 Rn. 90a. 387) Kruth, Die Auswahl und Bestellung des Insolvenzverwalters, S. 62; Riggert, NZI 2002, 352, 354; Beck/Depré/Holzer, Praxis der Insolvenz, 3. Aufl. 2017, § 3 Rn. 23. 388) Brinkmann, Private in öffentlichem Auftrag, S. 29.

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zogen, da es sich bei der Aufsicht durch das Insolvenzgericht nicht um eine Fachaufsicht handelt.389) Das Insolvenzgericht überwacht den Insolvenzverwalter zwar, aber leitet ihn nicht an.390) Insofern liegt die praktische Ausführung der Tätigkeit allein in den Händen des Insolvenzverwalters, der eigenständig handeln kann und daher persönlich haftet. Auch die Einordnung des Insolvenzverwalters als Beliehener kann vor allem wegen 162 der privatrechtlichen Ausgestaltung der Tätigkeit des Insolvenzverwalters und seiner Funktion im Rahmen eines Insolvenzverfahrens nicht überzeugen. Die Geschäftsführung des Insolvenzverwalters ist nämlich – wie schon dargestellt – prinzipiell privatrechtlich ausgestaltet.391) So stehen dem Insolvenzverwalter, selbst wenn er Vollstreckungsmaßnahmen zu ergreifen beabsichtigt, keine dahingehenden Hoheitsrechte zur Durchsetzung der ihm übertragenen Rechte zur Verfügung.392) Zur Durchsetzung eines Anspruchs gegenüber Dritten ist der Insolvenzverwalter daher auf die von der Rechtsordnung jedem Träger privater Rechte zur Verfügung gestellten Instrumente, wie beispielsweise die Klageerhebung vor einem Zivilgericht, beschränkt.393) Auch im Rahmen des Insolvenzverfahrens können Zwangsmaßnahmen gegenüber dem Schuldner nicht eigenständig durch den Verwalter vollzogen werden.394) Zudem dient die von einem Insolvenzverwalter angestrebte Rechtsdurchsetzung nicht, wie es für einen Beliehenen charakteristisch wäre, dem Vollzug eines staatlichen Willens, sondern dem privaten Interessenausgleich.395) Dem Insolvenzverwalter bei seiner Tätigkeit in einem Insolvenzverfahren die Rechtsstellung eines Beliehenen zuzuweisen, widerspräche mit Blick auf die damit verbundenen Haftungsfragen überdies dem Topos der Einheit der Rechtsordnung. Denn im Rahmen des Amtshaftungsanspruchs nach § 839 BGB, der Amtspflichtverletzungen von Belie-

___________ 389) K/P/B/Lüke, InsO, § 58 Rn. 11; K. Schmidt/Ries, InsO, § 58 Rn. 3; Uhlenbruck/Vallender/ Zipperer, InsO, § 58 Rn. 2. 390) MüKoInsO/Graeber, InsO, § 58 Rn. 39; Jaeger/Windel, InsO, § 80 Rn. 19; die Kompetenz auch inhaltlich auf den Insolvenzverwalter bzw. den Verfahrensgang einzuwirken liegt vielmehr bei den Gläubigern, siehe insofern die §§ 157 ff. InsO. 391) Bluhm, Die Anwendbarkeit und Auswirkungen der EU-Dienstleistungsrichtlinie auf Auswahl und Bestellung des Insolvenzverwalters, S. 174 ff. 392) Marotzke, ZInsO 2009, 1929; Kölner Schrift/Graf-Schlicker Kap. 8 Rn. 13; Holzer/KleineCosack/Prütting, Die Bestellung des Insolvenzverwalters, S. 13 f.; Jaeger/Gerhardt, InsO, § 56 Rn. 9; Sabel/Wimmer, ZIP 2008, 2097, 2102; siehe zur Heranziehung des Gerichtsvollziehers Uhlenbruck/Sinz, InsO, § 148 Rn. 28; K. Schmidt/Jungmann, InsO, § 148 Rn. 24 f. 393) Kruth, Die Auswahl und Bestellung des Insolvenzverwalters, S. 62; Bluhm, Die Anwendbarkeit und Auswirkungen der EU-Dienstleistungsrichtlinie auf Auswahl und Bestellung des Insolvenzverwalters, S. 175 f. 394) Vgl. die §§ 148 Abs. 2, 98 Abs. 2, 99 InsO. 395) So noch zum Konkursverwalter Steiner, Öffentliche Verwaltung durch Private, S. 62; zum Insolvenzverwalter auch Jacoby, Das private Amt, S. 96.

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henen dem Grunde nach erfasst, werden Insolvenzverwalter nicht als Beliehene qualifiziert.396)

163 Auch das europarechtliche Verständnis von Ausübung öffentlicher Gewalt unterstreicht dieses Ergebnis. Danach müsste der Insolvenzverwalter in eine staatliche Organisation eingegliedert sein und unmittelbare staatliche Macht ausüben können, damit ihm die Ausübung eines öffentlichen Amtes und öffentlicher Gewalt zugeschrieben werden könnte.397) Von einer derartigen Eingliederung des Insolvenzverwalters kann angesichts seiner Kompetenzen und Aufgaben nicht ausgegangen werden, sodass der Verwalter im Ergebnis eindeutig gerade kein öffentliches Amt ausübt.398) Aufgrund der dem Insolvenzverwalter übertragenen Befugnisse sowie der rechtlichen Ausgestaltung seiner Tätigkeit zeigt sich somit im Ergebnis, dass die Rechtsstellung des Insolvenzverwalters richtigerweise nur als „privates Amt“ beschrieben werden kann.

b) Der Insolvenzverwalter als Organ der Rechtspflege 164 In Abgrenzung zur Einordnung der Rechtsstellung des Insolvenzverwalters als Inhaber eines privaten Amts wird der Verwalter auch als Organ der Rechtspflege verstanden.399) Für die Frage des Bestehens von besonderen Treuepflichten ist dies insoweit von Bedeutung, als es bei einem derartigen Verständnis in der Konsequenz naheliegend sein könnte, ähnlich wie bei einem Rechtsanwalt besondere standesrechtliche Pflichten des Insolvenzverwalters anzunehmen, welche auch eine besondere Treuepflicht gegenüber dem Insolvenzgericht auslösen könnten.

165 Die Einordnung des Verwalters als Organ der Rechtspflege hat ihren Ursprung darin, dass ihm ein Tätigwerden besonders auch im öffentlichen Interesse zugeschrieben wird. Überzeugend an diesem Grundgedanken ist dabei durchaus, dass der Verwalter zumindest insoweit im öffentlichen Interesse tätig wird, indem er für die Einhaltung eines staatlich geregelten Vollstreckungsverfahrens Sorge trägt, um so einen unkontrollierten Gläubigerzugriff zu verhindern, und damit zur Rechtspflege beiträgt.400) Denn ab seiner Bestellung stellt es eine wesentliche Funktion des Verwalters dar, ___________ 396) OLG Kassel, Urt. v. 27.2.1936 – 2 U 169/35, JW 1936, 2356 Nr. 49 (zum Sequester); MüKoBGB/ Papier/Shirvani, BGB, § 839 Rn. 186; Staudinger/Wöstmann, BGB, § 839 Rn. 41. 397) Vgl. insofern zum unionsrechtlichen Verständnis eines öffentlichen Amtes die Entscheidungen des EuGH: EuGH, Beschl. v. 21.5.2008 – Rs C 456/07, BeckRS 2010, 91860 Rn. 22, 25; EuGH, Urt. v. 24.5.2011 – C-47/08, ZEuP 2012, 171 Rn. 86. 398) BVerfG, Beschl. v. 23.5.2006 – 1 BvR 2530/04, BVerfGE 116, 1, 13; Holzer/Kleine-Cosack/ Prütting, Die Bestellung des Insolvenzverwalters, S. 15 f.; Brinkmann, Private in gerichtlichem Auftrag, S. 29; Bluhm, Die Anwendbarkeit und Auswirkungen der EU-Dienstleistungsrichtlinie auf Auswahl und Bestellung des Insolvenzverwalters, S. 171. 399) Preuss, Zivilrechtspflege durch externe Funktionsträger, S. 306; Förster, ZInsO 2009, 1932; wohl auch in Abgrenzung Marotzke, ZInsO 2009, 1929. 400) Marotzke, ZInsO 2009, 1929.

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C. Besondere Treuepflicht des Insolvenzverwalters gegenüber dem Insolvenzgericht

die durch die Verfahrenseröffnung den Gläubigern verwehrte Einzelvollstreckung ihrer materiellen Ansprüche im Rahmen des Insolvenzverfahrens einer Gesamtvollstreckung zuzuführen.401) Dass die dadurch bestehende Einbeziehung des Insolvenzverwalters in die Rechtspflege allerdings gegen die Einordnung des Verwalteramts als „privates Amt“ sprechen soll, ist hingegen nicht überzeugend.402) Selbst das Bundesverfassungsgericht geht nämlich davon aus, dass die Funktion als Organ der Rechtspflege und eine privatrechtlich geprägte amtsähnliche Stellung miteinander einhergehen können. So führt das Bundesverfassungsgericht zum in § 1 BRAO normierten Grundsatz, dass ein Rechtsanwalt ein unabhängiges Organ der Rechtspflege ist, aus, der anwaltliche Beruf sei ein staatlich gebundener Vertrauensberuf, der dem Anwalt eine zu Wahrheit und Gerechtigkeit verpflichtete amtsähnliche Stellung zuweise.403) Zwar kann die Rechtsstellung eines Rechtsanwalts nicht als privates Amt charakterisiert werden, dennoch macht die Entscheidung deutlich, dass die Einordnung als Organ der Rechtspflege mit einer durch privatrechtliches Handeln geprägten Tätigkeit in amtsähnlicher Stellung einhergehen kann. Insbesondere kann hinsichtlich des Verständnisses des Insolvenzverwalters als Rechts- 166 pflegeorgan einer Argumentation nur bedingt gefolgt werden, wonach der Verwalter als externer Funktionsträger der Justiz eine Stellung einnehme, die andernfalls ein interner, in die Justiz eingegliederter Funktionsträger wahrnehmen würde.404) Zwar mag die Gewährleistung einer effektiven Vollstreckung privater Titel, sowohl in der Einzel- als auch der Gesamtvollstreckung, zum Kernbereich der staatlichen Aufgaben gehören.405) Eine Einordnung des Verwalters als externer Funktionsträger kann daher in Anbetracht dessen überzeugen, dass ohne die im Rahmen des Insolvenzverfahrens vorgesehene Person des Insolvenzverwalters die Abwicklung der Gesamtvollstreckung unmittelbar durch ein staatliches Organ durchzuführen wäre. Der Verwalter übernimmt insoweit tatsächlich eine externe Funktion der Zivilrechtspflege. Das Amt des Insolvenzverwalters umfasst jedoch in seiner konkreten Ausgestaltung durch die bestehende gesetzliche Konzeption ein deutlich weitreichenderes und nicht mit originär der Justiz obliegenden Aufgaben vergleichbares Tätigkeitsfeld, das in dieser Form nicht durch den staatlichen Justizapparat wahrgenommen werden könnte und richterlicher Tätigkeit gegenüber auch wesensfremd wäre. Andernfalls ließe sich der Insolvenzverwalter auch als Gehilfe des Gerichts oder Beliehener verstehen, was der Tätigkeit des Insolvenzverwalters – wie vorstehend bereits thematisiert – je___________ 401) Marotzke, ZInsO 2009, 1929; Ries, Betrifft JUSTIZ, 2006, 406 f.; K. Schmidt/Ries, InsO, § 56 Rn. 5. 402) So aber ausdrücklich Preuss, Zivilrechtspflege durch externe Funktionsträger, S. 306 f.; ähnlich auch Förster, ZInsO 2009, 1932, der aber wohl die Begriffe „privates Amt“ und „Dienstleister“ gleichsetzt. 403) BVerfG, Beschl. v. 8.10.1974 – 2 BvR 747, 748, 749, 750, 751, 752, 753/73, BVerfGE 38, 105, 119. 404) So aber Preuss, Zivilrechtspflege durch externe Funktionsträger, S. 309. 405) Marotzke, ZInsO 2009, 1929, 1931; Ries, Betrifft JUSTIZ, 2006, 406, 407.

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doch gerade nicht gerecht werden würde.406) Auch die Annahme einer Funktionseinheit407) zwischen Insolvenzgericht und Insolvenzverwalter ist nur insoweit konsistent, als beide Verfahrensorgane im Rahmen des Insolvenzverfahrens zur Rechtspflege beitragen. Die Rechtspflegefunktion des Insolvenzverwalters ergibt sich dabei allerdings nur de facto aufgrund seiner Tätigkeit,408) während die Funktion des Gerichts im Rahmen der Rechtspflege grundsätzlich besteht und auch intendiert ist. Die Rechtspflege ist nämlich nicht primäre Aufgabe des Insolvenzverwalters.409) Das Verhältnis von Insolvenzgericht und Verwalter ist insbesondere durch die materiellen Regelungen der Insolvenzordnung nicht als Einheit ausgestaltet. Deutlich wird dies zum einen an der vom Gericht über den Verwalter geführten Aufsicht. Zum anderen muss auch an dieser Stelle abermals betont werden, dass der Insolvenzverwalter seine Tätigkeit unabhängig und selbstständig ausübt und zudem für Pflichtverletzungen persönlich haftet. Das Verständnis des Insolvenzverwalters als Organ der Rechtspflege beschreibt eher eine übergeordnete Funktion des Verwalters. Die konzeptionelle Einordnung des Insolvenzverwalters als Funktionsträger der Zivilrechtspflege hat dagegen keinerlei Einfluss auf seine konkrete Rechtsstellung im Rahmen des Insolvenzverfahrens. Überzeugend erscheint es auch vor diesem Hintergrund, die Rechtsstellung des Insolvenzverwalters als privates Amt zu verstehen, innerhalb dessen der Verwalter funktionell als Organ der Rechtspflege tätig wird.410)

3.

Rechtsstellung des vorläufigen Insolvenzverwalters

167 Auch wenn das Amt des vorläufigen Insolvenzverwalters grundsätzlich vom Amt des Insolvenzverwalters im eröffneten Verfahren zu unterscheiden ist,411) ist seine Rechtsstellung entsprechend der des Verwalters im eröffneten Verfahren einzuordnen. Maßgeblich ist auch hier die inhaltliche Ausgestaltung seiner Rechtsstellung durch Funktion und Aufgaben sowie seine Beziehung gegenüber dem Insolvenzgericht.

168 Gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 InsO gelten für den vorläufigen Verwalter unter anderem auch die Regelungen der §§ 56 – 56b sowie §§ 58 – 66 InsO. Dies bedeutet insbesondere, dass der vorläufige Insolvenzverwalter ebenfalls durch das Insolvenzge___________ 406) Dies sieht auch Marotzke so (Fn. 404), der ebenfalls die Einordnung des Verwalters als Beliehener ablehnt. 407) Preuss, Zivilrechtspflege durch externe Funktionsträger, S. 481; Slopek, ZInsO 2008, 1243, 1247; diesbezüglich kritisch Smid, ZInsO 2009, 113, 114. 408) Marotzke, ZInsO 2009, 1929, 1930. 409) Kruth, Die Auswahl und Bestellung des Insolvenzverwalters, S. 63. 410) Ähnlich auch K. Schmidt/Ries, InsO, § 56 Rn. 58, 5; Vallender/Undritz/Küpper/Heinze, Kap. 3 Rn. 1 f.; Frege/Keller/Riedel, Handbuch Insolvenzrecht, Teil 3 Rn. 242; BVerwG, Urt. v. 13.4.2005 – 6 C 4/04, BVerwGE 123, 203, 211 („…als Inhaber eines privaten Amts und Rechtspflegeorgan…“). 411) So im Hinblick auf die Verwirkung des Vergütungsanspruchs BGH, Beschl. v. 21.9.2017 – IX ZB 28/14, NZI 2017, 988 Rn. 11.

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C. Besondere Treuepflicht des Insolvenzverwalters gegenüber dem Insolvenzgericht

richt bestellt wird, unter gerichtlicher Aufsicht steht und auch aus wichtigem Grund vom Insolvenzgericht entlassen werden kann. Die Rechtsstellung des vorläufigen Insolvenzverwalters im Eröffnungsverfahren unterscheidet sich grundsätzlich nur insoweit von der Rechtsstellung des endgültigen Insolvenzverwalters, dass die ihm übertragenen Befugnisse unterschiedlich stark ausgeprägt sein können. Wird dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt, sind die Befugnisse des Verwalters nach den gesetzlichen Bestimmungen des § 22 Abs. 1 InsO ausgestaltet. Danach geht – entsprechend der Maßgabe des § 80 InsO im eröffneten Verfahren – die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners auf den vorläufigen Verwalter über.412) Die Rechtsstellung eines solchen „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalters ist dementsprechend fast identisch mit derjenigen des endgültigen Verwalters.413) Lediglich die fehlende Berechtigung des vorläufigen „starken“ Verwalters, das schuldnerische Vermögen zu verwerten,414) wie es dem Insolvenzverwalter im Hauptverfahren nach Maßgabe der §§ 156 ff. InsO möglich ist, unterscheidet die Rechtsstellung in ihrer inhaltlichen Ausgestaltung.415) Wird dem Schuldner hingegen kein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt, blei- 169 ben die dem vorläufigen Verwalter zukommenden Befugnisse und Funktionen im Vergleich zur Rolle des Insolvenzverwalters im eröffneten Insolvenzverfahren zurück. In diesem Fall nämlich geht weder die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den daher als „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalter bezeichneten Amtsträger über, noch können die dem Verwalter vom Gericht durch Einzelanordnung gemäß § 22 Abs. 2 Satz 2 InsO auferlegten Pflichten und Befugnisse einen vergleichbaren Umfang erreichen.416) Für die Frage des Bestehens einer Treuepflicht des Verwalters gegenüber dem In- 170 solvenzgericht aufgrund seiner Rechtsstellung ergeben sich demnach im Ergebnis keine Unterschiede zum eröffneten Verfahren. Der Verwalter ist auch im Eröffnungsverfahren und dabei unabhängig von der Ausgestaltung seiner Befugnisse als „starker“ oder „schwacher“ vorläufiger Verwalter auf privatrechtliche Handlungsformen beschränkt. Selbst die ihm nach § 22 Abs. 3 InsO gegenüber dem Schuldner zukommenden Betretungs- und Nachforschungsrechte kann der vorläufige Verwalter nicht eigenständig zwangsweise durchsetzen.417) Zwar ist er nicht auf den zivilprozessua___________ 412) Mohrbutter/Ringstmeier/Meyer/Hauser, Kap. 4 Rn. 138. 413) MüKoInsO/Haarmeyer/Schildt, InsO, § 22 Rn. 23; Uhlenbruck/Vallender, InsO, § 22 Rn. 2. 414) BGH, Urt. v. 15.3.2012 – IX ZR 249/09, ZIP 2012, 737 Rn. 11; Kölner Schrift/Uhlenbruck, Kap. 6 Rn. 1; Uhlenbruck/Vallender, InsO, § 22 Rn. 43. 415) Martini, Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters, S. 86, 90. 416) MüKoInsO/Haarmeyer/Schildt, InsO, § 22 Rn. 28; K/P/B/Blankenburg, InsO, § 22 Rn. 124 f.; siehe zu der weiteren Typisierung eines „halbstarken“ vorläufigen Verwalters mit Zustimmungsbefugnis Beck/Depré/Ampferl/Beck/Wimmer, Praxis der Sanierung und Insolvenz, § 5 Rn. 159 ff.; K/P/B/Blankenburg, InsO, § 22 Rn. 124 ff. 417) Uhlenbruck/Vallender, InsO, § 22 Rn. 283.

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len Klageweg verwiesen, muss aber dennoch einen Gerichtsvollzieher zur Durchsetzung seiner Rechte hinzuziehen.418) Daher ist im Ergebnis auch die Stellung des vorläufigen Insolvenzverwalters als privates Amt zu charakterisieren.419) Gleichzeitig kommt seiner Tätigkeit bereits im Eröffnungsverfahren die gleiche Bedeutung zu wie derjenigen des späteren Verwalters im eröffneten Verfahren, sodass auch er zur Rechtspflege beiträgt und demgemäß auch als Organ der Rechtspflege eingeordnet werden kann.

4.

Besondere Treuepflicht aus privatem Amt oder aus Eigenschaft als Organ der Rechtspflege

a) Privates Amt 171 Allein aus der Einordnung der Rechtsstellung des Insolvenzverwalters als Inhaber eines privaten Amtes lässt sich nicht unmittelbar eine Treuepflicht gegenüber dem Insolvenzgericht entnehmen. Mit Blick auf die Bekleidung eines öffentlichen Amts ergibt sich vielmehr e contrario der Schluss, dass die Wahrnehmung eines privaten Amts eine Treuepflicht gegenüber dem Insolvenzgericht nicht begründen kann. Denn im Gegensatz zu einem Beamten als Inhaber eines öffentlichen Amtes steht der Insolvenzverwalter nicht in einem besonderen Treueverhältnis zu einem Dienstherren, das besondere Treuepflichten beinhaltet.420) Typisch für von Treuepflichten geprägte Rechtsverhältnisse bei der Bekleidung öffentlicher Ämter ist darüber hinaus auch, dass sie mit einer Fürsorge- und Alimentationspflicht des Dienstherren verbunden sind.421) Derartige Pflichten treffen das Insolvenzgericht gegenüber dem Verwalter jedoch gerade nicht. Zwar setzt das Insolvenzgericht die Vergütung fest. Der Vergütungsanspruch wird jedoch aus der Masse des Insolvenzverfahrens beglichen. Das Insolvenzgericht hat nicht die Aufgabe, für den Insolvenzverwalter im Sinne einer staatlichen Fürsorge- und Alimentationspflicht Sorge zu tragen.

172 Wird aber mit der Bestellung des Insolvenzverwalters kein öffentlich-rechtliches Treueverhältnis begründet wie bei einem öffentlichen Amt, so kann aus der Einordnung der Rechtsstellung des Verwalters als Träger eines privaten Amtes eine Treuepflicht gegenüber dem Insolvenzgericht nicht abgeleitet werden. Der Begriff „Amt“ dient bei Einordnung der Rechtsstellung des Insolvenzverwalters als privater Amtsträger lediglich dazu, kenntlich zu machen, dass dem Verwalter durch das Gericht die ___________ 418) K/P/B/Blankenburg, InsO, § 22 Rn. 329. 419) BGH, Beschl. v. 21.9.2017 – IX ZB 28/14, NZI 2017, 988 Rn. 11; Meyer, Haftung des vorläufigen Insolvenzverwalters, S. 192 f. 420) So ist das beamtenrechtliche Treueverhältnis bereits im Grundgesetz festgeschrieben, siehe Art. 33 Abs. 4 GG; vgl. dazu ausführlich Dürig/Herzog/Scholz/Badura, GG, Art. 33 Rn. 60; Sachs/Battis, GG, Art. 33 Rn. 51 f. 421) Dürig/Herzog/Scholz/Badura, GG, Art. 33 Rn. 60.

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ihm obliegenden Pflichten institutionell im Rahmen der Bestellung übertragen wurden. Die dem Verwalter so übertragenen Pflichten beziehen sich zudem auch inhaltlich 173 nicht auf das Insolvenzgericht, sondern auf den Schuldner und die Gläubiger, in deren Interesse der Verwalter fremdnützig tätig wird.422) Insoweit ließe sich jedenfalls diesen Beteiligten gegenüber das Bestehen einer (zumindest allgemeinen) Treuepflicht annehmen.423)

b) Organ der Rechtspflege Die Bezeichnung als Organ der Rechtspflege birgt freilich nahezu grenzenlose In- 174 terpretationsmöglichkeiten des hinter dem Begriff stehenden Inhalts und mithin der so beschriebenen Rechtsstellung.424) An dieser Stelle wird daher auch nicht der Versuch einer finalen Begriffsbestimmung unternommen werden, sondern es sollen nur die im Hinblick auf das Bestehen einer besonderen Treuepflicht des Insolvenzverwalters gegenüber dem Insolvenzgericht erheblichen Charakteristika dargestellt werden, die aus der Beschreibung als Organ der Rechtspflege abgeleitet werden können. Ordnet man den Insolvenzverwalter in seiner Funktion als Organ der Rechtspflege 175 ein, wird hiermit zumindest die Erwartung verbunden sein, dass von Insolvenzverwaltern ein bestimmtes Berufsethos zu wahren ist.425) Bei Rechtsanwälten wird darunter abstrakt unter anderem auch verstanden, dass bei der Berufsausübung auf die anderen an der Rechtspflege Beteiligten wie die Gerichte oder die Staatsanwaltschaft Rücksicht zu nehmen ist.426) Eine allgemeine Rücksichtnahmepflicht bedeutet allerdings nicht zugleich auch eine besondere Treuepflicht im Sinne des Rechtsgedankens des § 654 BGB gegenüber einem bestimmten anderen Rechtspflegeorgan. Unter einer besonderen Treuepflicht ist nämlich die Verpflichtung zur einseitigen Wahrung fremder Interessen in einem hervorragenden Maße zu verstehen, die auf einer persönlichen Vertrauensbeziehung beruht.427) Auch die konkreten Pflichten, die aus der Einordnung als Organ der Rechtspflege entspringen, lassen sich nicht deduktiv ableiten, sondern ergeben sich erst durch die weitere Ausgestaltung in gesetzlichen Vorschriften und durch die Rechtsprechung. Denn ohne nähere Auseinandersetzung mit den ___________ 422) Jacoby, Das private Amt, S. 476. 423) Jacoby, Das private Amt, S. 477, der von Treuepflichten des Amtsinhabers aus § 241 Abs. 2 BGB der Qualität ausgeht, auf die Interessen des betroffenen Rechtsträgers Rücksicht nehmen zu müssen; siehe zu einer Treuepflicht des Verwalters gegenüber Schuldner und Gläubigern bereits ausführlich oben Rn. 126 ff. 424) Siehe insofern kritisch Henssler/Prütting/Busse, BRAO, § 1 Rn. 25 ff.; Redeker, NJW 2010, 1341, 1342. 425) Marotzke, ZInsO 2009, 1929, 1930. 426) Weyland/Brüggemann, BRAO, § 1 Rn. 11. 427) Siehe dazu bereits ausführlich oben Rn. 134 ff.

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einzelnen von der Bezeichnung vermittelten Inhalten lässt sich der Begriff zumindest abstrakt nur als ein allgemeines Rechtsprinzip begreifen.428) Der Begriff „Organ der Rechtspflege“ bezieht sich danach auf einen Träger von Funktionen, die zur Wahrung des Rechts für die Rechtspflege wesentlich sind.429) Aus dieser Funktion leitet das Bundesverfassungsgericht für die Stellung des Rechtsanwalts ein Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Staat ab, welches seinen Grund in einem staatlichen Vertrauensvorschuss gegenüber dem Anwalt habe.430) Im Hinblick auf eine besondere Treuepflicht des Insolvenzverwalters wäre dies von Bedeutung, wenn sich orientiert hieran möglichicherweise grundsätzlich annehmen ließe, dass derjenige, der als Organ der Rechtspflege einen Vertrauensvorschuss genießt, im Gegenzug zu einer besonderen Treue verpflichtet ist, mithin in einem besonderen Treueverhältnis steht. Jedoch ist ein solcher gedanklicher Ansatz auf den Insolvenzverwalter so nicht übertragbar. Denn anders als ein Rechtsanwalt genießt der Insolvenzverwalter gerade keinen Vertrauensvorschuss. Das hängt zum einen damit zusammen, dass er mit seiner Ernennung der Aufsicht des Insolvenzgerichts untersteht.431) Zum anderen ist er in seiner Tätigkeit auch nicht mit einem Rechtsanwalt vergleichbar, dessen Tätigkeit als Organ der Rechtspflege durch eine vielfältige Funktions- und Kompetenzzuweisung in verschiedenen Prozessordnungen deutlich konturiert ist. Weiterhin wird mit Blick auf den Rechtsanwalt deutlich, dass die aus der Stellung des Rechtsanwalts abgeleiteten Pflichten besondere berufsrechtliche Pflichten darstellen, die das anwaltliche Berufsbild prägen und ein erhöhtes Maß an Rechtstreue der Anwaltschaft verlangen.432) Vergleichbare berufsrechtliche oder standesrechtliche Pflichten, wie sie in BRAO oder BORA festgelegt sind, bestehen für die Insolvenzverwalter nicht. Die Einordnung des Insolvenzverwalters als Rechtspflegeorgan trägt lediglich konzeptionell seiner übergeordneten Funktion im Rahmen der vom Grundgesetz garantierten Justizgewährung Rechnung. Die konkrete Rechtsbeziehung zwischen den einzelnen Beteiligten und Organen des Insolvenzverfahrens wird hierdurch nicht beschrieben.

c)

Ergebnis

176 Festzuhalten bleibt demnach, dass weder aus der Einordnung der Rechtsstellung des Insolvenzverwalters als Inhaber eines privaten Amtes noch aus der Funktion des Ver___________ 428) In diesem Sinne Gaier/Wolf/Göcken/Wolf, BRAO § 1 Rn. 83. 429) Gaier/Wolf/Göcken/Wolf, BRAO § 1 Rn. 1. 430) BVerfG, Beschl. v. 5.1.2006 – 2 BvR 2/06, NJW 2006, 1500 Rn. 5; so auch Kunze, Der Rechtsanwalt als unabhängiges Organ der Rechtspflege, S. 189. 431) Siehe insofern zum Inhalt des Vertrauensverhältnisses zwischen Insolvenzgericht und Insolvenzverwalter unten ausführlich Rn. 177 ff. 432) Weyland/Brüggemann, BRAO, § 1 Rn. 13; Kunze, Der Rechtsanwalt als unabhängiges Organ der Rechtspflege, S. 180 ff.; Henssler/Prütting/Busse, BRAO, § 1 Rn. 34 ff.

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C. Besondere Treuepflicht des Insolvenzverwalters gegenüber dem Insolvenzgericht

walters im Rahmen der Rechtspflege eine spezifische, besondere Treuepflicht gegenüber dem Insolvenzgericht abgeleitet werden kann.

III. Besondere Treuepflicht aus Vertrauensverhältnis zum Insolvenzgericht – Bestellung und Aufsicht In der Literatur wird auch vertreten, dass eine besondere Treuepflicht des Insolvenz- 177 verwalters gegenüber dem Insolvenzgericht aus dem Rechtsverhältnis zwischen diesen beiden Verfahrensorganen entspringe, welches durch die Bestellung und Annahme des Amtes begründet werde.433) Zentral dürfte dabei das zwischen Insolvenzgericht und Insolvenzverwalter bestehende Vertrauensverhältnis sein, aus dem sich gegebenenfalls eine besondere Treuepflicht des Verwalters gegenüber dem Gericht herleiten lassen könnte. Angenommen wird grundsätzlich, dass zwischen Insolvenzgericht und Insolvenz- 178 verwalter ein Vertrauensverhältnis besteht. So ist hinsichtlich der Entlassung des Insolvenzverwalters aus seinem Amt anerkannt, dass eine schwere und nachhaltige Erschütterung des Vertrauensverhältnisses die Entlassung des Verwalters rechtfertigen kann.434) Für die Annahme eines solchen Vertrauensverhältnisses spricht insbesondere die besondere Prägung, die das Verhältnis zwischen den beiden Verfahrensorganen durch die Bestellung des Insolvenzverwalters durch das Insolvenzgericht sowie die anschließend vom Gericht ausgeübte Aufsicht erfährt. Fraglich ist aber, ob ein solches Vertrauensverhältnis gleichzeitig eine besondere Treuepflicht im Sinne des Rechtsgedankens des § 654 BGB gegenüber dem Insolvenzgericht begründet.

1.

Bedeutung von Bestellung und Aufsicht für das Vertrauensverhältnis

Die Rolle des Insolvenzgerichts als wesentliches organisatorisches Organ im Rahmen 179 des Insolvenzverfahrens wurde durch die mit dem Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG)435) verbundenen Reformen der InsO im Hinblick auf die Bestellung des Verwalters zwar modifiziert, indem in bestimmten Konstellationen eine Abstimmung mit Schuldner und Gläubigern notwendig wird.436) Den Gläubigern ist es gemäß § 56a InsO sogar möglich, über einen vorläufigen Gläubigerausschuss die Wahl eines bestimmten Verwalters zu erzwingen.437) Doch selbst ___________ 433) Siehe Gomille, KTS 2019, 364, 372 f. 434) BGH, Beschl. v. 19.1.2012 – IX ZB 21/11, NJW-RR 2012, 952 Rn. 10; Uhlenbruck/Vallender/ Zipperer, InsO, § 59 Rn. 14. 435) Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen vom 7.12.2011, BGBl. I S. 2582, berichtigt S. 2800. 436) Mohrbutter/Ringstmeier/Meyer/Voigt-Salus/Pape, Kap. 22 Rn. 31. 437) Mohrbutter/Ringstmeier/Meyer/Voigt-Salus/Pape, Kap. 22 Rn. 31; siehe zur Bindungswirkung des Vorschlags der Gläubigerversammlung K/P/B/Lüke, InsO, § 56a Rn. 13; MüKoInsO/Graeber, InsO, § 56a Rn. 34.

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dann, wenn die Gläubiger unmittelbar nach Maßgabe des § 56a InsO oder nach Verfahrenseröffnung gemäß § 57 InsO Einfluss auf die Person des Verwalters nehmen, bedarf der Verwalter zur Aufnahme seiner Tätigkeit dennoch der Bestellung durch das Insolvenzgericht.438) Die Bestellungskompetenz des Gerichts prägt mithin das Verhältnis zum Insolvenzverwalter von Beginn an. Dies nicht zuletzt deshalb, weil die Bestellung des Verwalters von wesentlicher Bedeutung für das gesamte Insolvenzverfahren ist.439) Daher berücksichtigen die Insolvenzgerichte bei ihrer Auswahlentscheidung neben der fachlichen Eignung des Bewerbers bisweilen auch, inwiefern der Verwalter zu einer Zusammenarbeit mit dem Insolvenzgericht bereit ist.440)

180 Mit der Bestellung und Übernahme des Amtes wird zwar kein vertragliches Schuldverhältnis zwischen Gericht und Verwalter begründet,441) allerdings weist der Bestellungsprozess zumindest Ähnlichkeiten zum Zustandekommen eines vertraglichen Rechtsverhältnisses auf. Denn Voraussetzung für die Übernahme des Amtes ist neben der Bestellung durch das Insolvenzgericht weiterhin, dass der Verwalter das Amt – zumindest konkludent – annimmt.442) Ähnlich wie bei einem Antrag eines zivilrechtlichen Vertragsabschlusses nach den §§ 145 ff. BGB ist der Verwalter zwar nicht verpflichtet, die Bestellung zum Verwalter anzunehmen.443) Nach Annahme der Bestellung ist es dem Verwalter aber auch nicht ohne weiteres möglich, das übernommene Amt einseitig niederzulegen.444)

181 Festzuhalten bleibt demnach, dass zwischen dem Insolvenzgericht und dem Verwalter zwar kein Rechtsverhältnis im Sinne eines vertraglichen Schuldverhältnisses begründet wird. Dennoch ist zumindest ein konstruktives und von Vertrauen geprägtes Zusammenwirken zwischen Gericht und Verwalter bereits dem Bestellungsprozess immanent. Das Verhältnis des Verwalters zum Insolvenzgericht unterscheidet sich zu den übrigen am Insolvenzverfahren Beteiligten darüber hinaus auch dadurch, dass das Insolvenzgericht unmittelbar für die Aufsicht über den Insolvenzverwalter zuständig ist. Der Verwalter kann hinsichtlich seiner Verwaltertätigkeit von den anderen Verfahrensbeteiligten zudem nicht in der Form reglementiert werden wie durch das

___________ 438) MüKoInsO/Graeber, InsO, § 56a Rn. 69; MüKoInsO/Graeber, InsO, § 57 Rn. 22; Uhlenbruck/ Vallender/Zipperer, InsO, § 57 Rn. 20. 439) Siehe dazu auch die vielfach zitierte Aussage von Ernst Jaeger, der die Auswahl des Verwalters als „Schicksalsfrage des Verfahrens“ beschrieb, Jaeger, KO, 6./7. Aufl., 1936, § 78 Anm. 7. 440) Mohrbutter/Ringstmeier/Meyer/Voigt-Salus/Pape, Kap. 22 Rn. 51; Holzer, Entscheidungsträger, Rn. 303 ff. 441) Jaeger/Gerhardt, InsO, § 56 Rn. 25; siehe dazu bereits auch oben Rn. 110. 442) OLG Düsseldorf, Urt. v. 7.11.1972 – 4 U 79/72, KTS 1973, 270, 272; Uhlenbrock/Zipperer, InsO, § 56 Rn. 63; MüKoInsO/Graeber, InsO, § 56 Rn. 139. 443) MüKoInsO/Graeber, InsO, § 56 Rn. 139; K/P/B/Lüke, InsO, § 56 Rn. 65. 444) Nerlich/Römermann/Delhaes/Römermann, InsO, § 56 Rn. 24; MüKoInsO/Graeber, InsO, § 56 Rn. 141.

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C. Besondere Treuepflicht des Insolvenzverwalters gegenüber dem Insolvenzgericht

Insolvenzgericht. So kann auch nur das Gericht den Verwalter im Rahmen seiner Aufsichtsbefugnis gemäß § 59 InsO als ultima ratio aus dem Amt entlassen.445)

2.

Besondere Treuepflicht als Folge von Bestellung und Aufsicht

Aus dem so begründeten Vertrauensverhältnis zwischen Gericht und Verwalter kann 182 jedoch – wie zu zeigen sein wird – keine gesonderte Treuepflicht des Verwalters gegenüber dem Insolvenzgericht abgeleitet werden. Das Verständnis vom Inhalt des Vertrauensverhältnisses zwischen Insolvenzgericht und Verwalter genügt nämlich nicht den Anforderungen, die an die Qualität einer besonderen Treuepflicht im Sinne der Verwirkungskonstruktion nach § 654 BGB zu stellen sind.

a) Verständnis und Inhalt des Vertrauensverhältnisses Eine besondere Treuepflicht des Insolvenzverwalters kann nicht mit einer Vertrau- 183 ensstellung gegenüber dem Gericht begründet werden. Eindeutig spricht dagegen schon das inhaltliche Verständnis des Vertrauensverhältnisses zwischen Gericht und Verwalter. Beispielhaft für das inhaltliche Verständnis dieser Vertrauensbeziehung ist eine Entscheidung des Amtsgerichts Halle-Saalkreis. Das Amtsgericht versteht als Ausprägung des Vertrauensverhältnisses zum einen die Erwartung der grundsätzlichen Eignung des Insolvenzverwalters zur Wahrnehmung der ihm übertragenen Aufgaben sowie zum anderen die vollständige Ermittlung des zugrundeliegenden Sachverhalts und eine entsprechende rechtliche Würdigung durch den Verwalter.446) Insofern spiegelt sich darin nichts anderes als die allgemeine Erwartung wider, dass der Insolvenzverwalter die ihm übertragene Aufgabe pflichtgemäß erfüllt. Auch im Hinblick auf die Bedeutung des Vertrauensverhältnisses für eine Entlassung des Verwalters setzt sich dieses Verständnis eines keineswegs spezifischen Vertrauens fort. Für eine Entlassung ist nämlich nicht die Zerstörung des persönlichen Vertrauensverhältnisses zwischen Gericht und Verwalter ausreichend, sondern es müssen objektiv-sachliche Gründe vorliegen;447) beispielweise die gänzliche Arbeitsverweigerung des Verwalters.448) Bei ordnungsgemäßer Geschäftsführung durch die Erfüllung seiner ihm von der 184 Insolvenzordnung auferlegten Pflichten bestätigt der Verwalter also lediglich das allgemein in ihn gesetzte Vertrauen, ohne dabei aber zusätzlich eine besondere Treuepflicht gegenüber dem Insolvenzgericht zu erfüllen. Ohnehin liegt der Schwerpunkt der Interessen, denen der Verwalter zur Rücksicht verpflichtet ist, vielmehr bei den ___________ 445) K. Schmidt/Ries, InsO, § 59 Rn. 1; Uhlenbruck/Vallender/Zipperer, InsO, § 59 Rn. 2. 446) AG Halle-Saalkreis, Beschl. v. 30.8.1993 – 27 N 63/93, ZIP 1993, 1667, 1668. 447) BGH, Beschl. v. 8.12.2005 – IX ZB 308/04, NZI 2006, 158 Rn. 9; BGH, Beschl. v. 19.1.2012 – IX ZB 21/11, NJW-RR 2012, 952 Rn. 10 ff.; MüKoInsO/Graeber, InsO, § 59 Rn. 35; Uhlenbruck/Vallender/Zipperer, InsO, § 59 Rn. 14. 448) LG Stendal, Beschl. v. 23.2.2004 – 25 T 36/04, BeckRS 2004, 1373 Rn. 20 ff.

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Gläubigern und dem Schuldner, nicht aber beim Insolvenzgericht.449) Das Vertrauensverhältnis zwischen Gericht und Verwalter beschreibt mithin lediglich die für eine effektive Durchführung des Insolvenzverfahrens notwendige vertrauensvolle Zusammenarbeit der beiden Verfahrensorgane.450)

185 Im Hinblick auf die rechtlichen Rahmenbedingungen wird weiterhin deutlich, dass dieses Vertrauensverhältnis zwischen Verwalter und Gericht auch mehr tatsächlicher und weniger rechtlicher Natur ist. Zwar äußert sich in der Bestellung zum Verwalter mittelbar das konkrete Vertrauen, welches das Insolvenzgericht in die Eignung und Qualität der Person des Verwalters hat. Entscheidend ist hinsichtlich der Frage des Bestehens einer besonderen Treuepflicht aber, dass sich in der gesetzlichen Konzeption keine grundsätzliche besondere Vertrauensbeziehung zwischen den beiden Verfahrensorganen widerspiegelt.

186 Deutlich wird dies insbesondere an der vom Insolvenzgericht über den Insolvenzverwalter nach § 58 InsO ausgeübten Aufsicht. Bereits ohne nähere juristische Auseinandersetzung mit dem Norminhalt zeichnet sich ab, dass den gesetzlichen Regelungen nicht die Annahme eines besonderen Vertrauensverhältnisses zwischen den beiden Verfahrensorgangen zu Grunde liegt. Rein begrifflich stehen sich Vertrauen und Aufsicht schon konträr gegenüber. Bei einem besonderen Vertrauensverhältnis dürfte eine Aufsicht eigentlich entbehrlich sein. Darüber hinaus wird aber mit Blick auf den rechtlichen Umfang der Aufsicht über den Verwalter eindeutig klar, dass die Regelungen der InsO insoweit eine andere, nicht von einem gesteigerten Vertrauen geprägte Konzeption vorsehen. Denn die gerichtliche Aufsicht beginnt nicht erst dann, wenn ein mögliches Fehlverhalten des Verwalters in Frage steht, sondern bereits unmittelbar mit Annahme des Verwalteramtes.451) Der Verwalter genießt also gerade keinen rechtlichen Vertrauensvorschuss, aufgrund dessen er in Erwiderung dieses Vertrauens gegebenenfalls zu einer bestimmten Treue gegenüber dem Insolvenzgericht verpflichtet wäre. Zweck der Aufsicht durch das Insolvenzgericht ist es zudem ohnehin nicht, das eigene (gerichtliche) Vertrauen in die Person des Verwalters zu überwachen. Vielmehr ist der Staat verpflichtet, den Verwalter im Interesse derjenigen zu überwachen, zu deren Vermögensverwaltung er beauftragt wurde.452) Die Aufsicht erfolgt also nicht im Interesse des Gerichts, sondern vor allem um den Ablauf des Verfahrens, den Schutz der Masse, eine gleichmäßige Befriedigung der Gläu___________ 449) Siehe insofern auch BGH, Beschl. v. 6.5.2004 – IX ZB 349/02, BGHZ 159, 122, 133, wonach der Verwalter durch das Erschleichen des Verwalteramts vor allem die Belange des Schuldners und der Gläubiger erheblich gefährde. 450) Siehe diesbezüglich insbesondere zur Tätigkeit des vorläufigen Insolvenzverwalters Holzer, Entscheidungsträger im Insolvenzverfahren, Rn. 553 ff. 451) MüKoInsO/Graeber, InsO, § 58 Rn. 10 f.; Uhlenbruck/Vallender/Zipperer, InsO, § 58 Rn. 28; K/P/B/Lüke, InsO, § 58 Rn. 4. 452) BVerfG, Beschl. v. 28.7.1992 – 1 BvR 859/92, NJW 1993, 513; FK-InsO/Jahntz, InsO, § 58 Rn. 1.

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C. Besondere Treuepflicht des Insolvenzverwalters gegenüber dem Insolvenzgericht

biger sowie den Schutz der Interessen des Schuldners und auch Dritter zu gewährleisten.453) Widersprüchlich erschiene es somit umso mehr, wenn den Insolvenzverwalter als Beaufsichtigten eine besondere Treuepflicht gegenüber der für die Aufsicht zuständigen Stelle träfe. Grundlegend notwendig erscheint vielmehr ein gewisser Grad von gegenseitiger Un- 187 abhängigkeit, damit die Verfahrensziele und Interessen von Gläubigern und Schuldner in angemessener Weise berücksichtigt werden können. Der Verwalter soll sein Handeln ausschließlich an den Zielen des Verfahrens und Interessen der Gläubiger und des Schuldners orientieren und nicht daran, in der Gunst des Gerichts zu stehen. Eine solche unabhängige und selbständige Interessenwahrnehmung für Gläubiger und Schuldner würde durch die Annahme einer besonderen Treuepflicht gegenüber dem Gericht jedoch konterkariert. Ohnehin bestehen insofern bereits durch Abhängigkeiten des Insolvenzverwalters 188 vom Insolvenzgericht begründete Problematiken. Zumindest faktisch abhängig vom Insolvenzgericht ist der Verwalter bereits im Hinblick auf die Vergütung, da diese das Gericht abschließend festzusetzen hat. Nicht von Vorneherein unbegründet erscheint daher die Sorge, der Verwalter könnte angesichts der Vergütungsfestsetzung durch das Insolvenzgericht in erhöhtem Maß dazu geneigt sein, seine Entscheidungen an den Vorstellungen des Gerichts zu orientieren.454) In der Konsequenz würde daraus die Gefahr erwachsen, dass eine verstärkte Nähe zwischen Gericht und Verwalter die Vergütungsfestsetzung im Ergebnis zum Nachteil der anderen Verfahrensbeteiligten beeinflussen könnte, wenn der Verwalter in der Gunst des Gerichts steht.455) Gerade bei Festsetzung der Vergütung hat das Insolvenzgericht jedoch in hervorragendem Maße neutral zu handeln, um sowohl dem Interesse des Verwalters an einer möglichst um Erhöhungstatbestände angereicherten Vergütung gerecht zu werden, aber auch um die Insolvenzmasse nicht durch eine überhöhte Vergütung unnötig zu belasten.456) Demnach würden über eine sanktionsbewehrte besondere Treuepflicht gegenüber dem Gericht ohnehin bestehende Problematiken, die sich aus der besonderen Beziehung zwischen Gericht und Verwalter ergeben, zusätzlich verstärkt. Paradox erscheint eine Treuepflicht, deren Verletzung eine Vergütungssanktion nach sich zieht, überdies vor dem Hintergrund, dass die Vergütung prinzipiell gerade dazu dienen soll, die Unabhängigkeit und Neutralität des Insolvenzverwalters sicherzustellen;457) sie darf daher auch kein Abhängigkeitsverhältnis begründen. Die Unab___________ 453) MüKoInsO/Graeber, InsO, § 58 Rn. 1, Jaeger/Gerhardt, InsO, § 58 Rn. 5. 454) Zu dieser grundsätzlichen Problematik aufgrund der ohnehin bestehenden faktischen Abhängigkeit vom Insolvenzgericht siehe Kölner Schrift/Graeber, Kap. 11 Rn. 8 ff. 455) Ein Nähe- bzw. Vertrauensverhältnis zwischen Gericht und Verwalter stellt nämlich eine in der Praxis bereits bekannte Problematik der Vergütungsfestsetzung dar, siehe Haarmeyer, ZInsO 2016, 2067, 2060. 456) Kölner Schrift/Graeber, Kap. 11 Rn. 15; Vallender/Undritz/Hermann/Bähr/Fritz, Kap. 16 Rn. 1. 457) Jaeger/Schilken, InsO, § 63 Rn. 5.

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§ 5 Bestehen einer Treuepflicht als Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 654 BGB

hängigkeit des Verwalters nimmt nämlich einen besonderen Stellenwert ein, da der Verwalter den Interessen der Gläubiger nicht in angemessener Weise Rechnung tragen können wird, wenn er in seinem Handeln nicht unabhängig, sondern – gegebenenfalls mit Rücksicht auf das Gericht – von Eigeninteressen geleitet ist.458)

189 Zweifel am Bestehen einer besonderen Treuepflicht gegenüber dem Insolvenzgericht setzen sich zudem auch mit Blick auf die haftungsrechtliche Systematik fort. Denkbar wäre eine besondere Treuepflicht des Verwalters zwar zunächst unter dem Aspekt, dass das Insolvenzgericht bzw. der Staat für pflichtwidrige Verhaltensweisen des Insolvenzverwalters unmittelbar im Wege der Amtshaftung einzustehen hätte. Herleiten ließe sich eine Treuepflicht in dem Fall mit der Erwägung, dass der Verwalter im Rahmen seiner ihm vom Insolvenzgericht übertragenen Tätigkeit Pflichtwidrigkeiten zu vermeiden hat, deren Haftungsadressat im Ergebnis das Insolvenzgericht wäre. Jedoch hat der Insolvenzverwalter nach der gesetzlichen Konzeption für Pflichtverletzungen im Rahmen eines weitreichenden persönlichen Haftungsregimes selbst einzustehen. Dies folgt aus seiner Rechtsstellung als Träger eines privaten und nicht eines öffentlichen Amtes, sodass die Regelung des Art. 34 GG unmittelbar für Pflichtverletzungen des Verwalters keine Anwendung finden kann.459) Das Gericht trägt aus haftungsrechtlicher Perspektive nur in geringem Maß eine Verantwortung dafür, dass der Insolvenzverwalter die ihm übertragenen Pflichten ordnungsgemäß wahrnimmt. Eine Staatshaftung nach § 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG für Pflichtverletzungen des Insolvenzverwalters kommt nämlich allenfalls mittelbar in Betracht. Anknüpfungspunkt der Haftung können zum einen durch die Bestellung eines ungeeigneten Insolvenzverwalters verursachte Schäden sein; insofern knüpft die Staatshaftung an eine fehlerhafte Auswahlentscheidung des Insolvenzgerichts an.460) Eine Haftung dürfte dabei aber regelmäßig auf Fälle der Evidenz beschränkt sein.461) Zum anderen kann auch die Verletzung der Aufsichtspflicht durch das Insolvenzgericht Schadensersatzansprüche nach § 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG begründen.462) Grundsätzlich ist im Hinblick auf etwaige Ersatzansprüche gegen den Staat jedoch die Subsidiarität der Haftung nach § 839 Abs. 1 S. 2 BGB zu beachten, sodass Ansprüche in der Regel bereits daran scheitern werden, dass durch die persönliche Haftung des Insolvenzverwalters eine andere Ersatzmöglichkeit für die Geschädigten besteht.463) Faktisch läuft die Staatshaftung somit regelmäßig ins Leere.464) ___________ Siehe Thole, FS Graf-Schlicker, S. 395 f. Jacoby, Das private Amt, S. 578. MüKoInsO/Graeber, InsO, § 56 Rn. 177 ff.; Vallender, NZI 2005, 473, 474. Uhlenbruck/Zipperer, InsO, § 56 Rn. 61. MüKoInsO/Graeber, InsO, § 58 Rn. 62; K/P/B/Lüke, InsO, § 58 Rn. 15; Rechel, Die Aufsicht des Insolvenzgerichts, S. 401 ff.; Beispiele möglicher Aufsichtspflichtverletzungen bei Lissner, ZInsO 2012, 957, 963 f. 463) Uhlenbruck/Zipper, InsO, § 56 Rn. 61; Uhlenbruck/Vallender/Zipperer, InsO, § 58 Rn. 38; Rechel, Die Aufsicht des Insolvenzgerichts, S. 416. 464) Beck/Depré/Ampferl/Zimmer, Praxis der Sanierung und Insolvenz, § 50 Rn. 12.

458) 459) 460) 461) 462)

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C. Besondere Treuepflicht des Insolvenzverwalters gegenüber dem Insolvenzgericht

So wurde vom OLG Stuttgart eine Amtshaftung bereits mangels Aufsichtspflichtverletzung in einem Verfahren abgelehnt, in dem der Verwalter in erheblichem Umfang Gelder veruntreut hatte.465) Bemerkenswert ist dies insbesondere in Anbetracht des Umstands, dass der Verwalter bereits drei Jahre vor dem Insolvenzverfahren wegen eines Bankrottdelikts – vom Amtsgericht Esslingen, das in diesem Fall auch das Insolvenzgericht war – rechtskräftig verurteilt worden war, mithin also eigentlich eine umso intensivere Aufsicht über den Verwalter angezeigt gewesen wäre.466) Die Widersprüchlichkeit der Annahme einer besonderen Treuepflicht gegenüber dem 190 Insolvenzgericht wird auch unter Beachtung der persönlichen Haftung des Insolvenzverwalters nach § 60 InsO deutlich. Denn die nach § 60 InsO für den Insolvenzverwalter bestehende Haftung beruht auf dem gesetzlichen Schuldverhältnis, das mit Übernahme des Amtes zu den Verfahrensbeteiligten besteht.467) Zu diesen Verfahrensbeteiligten steht der Insolvenzverwalter in einem besonderen treuhänderisch geprägten Rechtsverhältnis, sodass sich in diesem Zusammenhang eher an das Bestehen einer besonderen Treuepflicht denken ließe.468) Zu den Beteiligten des gesetzlichen Schuldverhältnisses gehört allerdings nicht das Insolvenzgericht. Daher ist auch nicht nachvollziehbar, wie sich aus einem Fehlverhalten des Insolvenzverwalters eine Treuepflichtverletzung gegenüber dem Insolvenzgericht und zugleich eine Verletzung der Pflichten aus dem gesetzlichen Schuldverhältnis ergeben können soll.469) Wesentlich ist vor allem aber der hieraus für das Bestehen einer besonderen Treuepflicht des Verwalters gegenüber dem Insolvenzgericht zu ziehende Schluss. Wenn sich nämlich schon aus dem gesetzlichen Schuldverhältnis zwischen Schuldner und Gläubigern keine besondere Treuepflicht des Verwalters herleiten lässt,470) muss dies umso mehr im Hinblick auf das Verhältnis des Verwalters zum Insolvenzgericht gelten. Somit lässt sich eine besondere Treuepflicht des Insolvenzverwalters gegenüber dem 191 Insolvenzgericht im Ergebnis auch nicht mit Hilfe eines bestimmten Verständnisses vom Inhalt des Vertrauensverhältnisses zwischen Verwalter und Insolvenzgericht begründen.471)

___________ 465) OLG Stuttgart, Urt. v. 9.5.2007 – 4 U 204/06, ZIP 2007, 1822, 1825. 466) Rechel, Die Aufsicht des Insolvenzgerichts, S. 407; Frind, ZInsO 2008, 18. 467) BGH, Urt. v. 17.1.1985 – IX ZR 59/84, BGHZ 93, 278, 281 ff.; K/P/B/Lüke, InsO, § 60 Rn. 11 ff.; MüKoInsO/Schoppmeyer, InsO, § 60 Rn. 6; Nerlich/Römermann/Rein, InsO, § 60 Rn. 3; K. Schmidt/Thole, InsO, § 60 Rn. 2. 468) Siehe dazu bereits oben Rn. 126 ff. 469) So aber Gomille, KTS 2019, 364, 373. 470) Siehe dazu bereits oben Rn. 143 f. 471) In diesem Sinne auch Zimmer, der anmerkt, es bestehe ein Vertrauensverhältnis aber kein Treueverhältnis, EWiR 2020, 49, 50.

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§ 5 Bestehen einer Treuepflicht als Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 654 BGB

b) Qualität der Treuepflicht 192 Selbst wenn man in Abweichung zu vorstehendem Ergebnis aus dem Vertrauensverhältnis zwischen Insolvenzverwalter und Insolvenzgericht grundsätzlich eine Treuepflicht des Verwalters ableiten möchte, müsste diese zudem in ihrer Ausprägung über allgemeine Treuepflichten, die in fast allen Rechtsbeziehungen gelten, hinausgehen, um eine Vergütungsverwirkung zu begründen. Voraussetzung ist nämlich eine besondere Treuepflicht.472) Das Vertrauensverhältnis zwischen Insolvenzgericht und Insolvenzverwalter beinhaltet jedoch nur ein allgemeines Vertrauen des Insolvenzgerichts in die ordnungsgemäße Erfüllung der dem Verwalter übertragenen Pflichten. Eine besondere Treueprägung ist daher kein Charakteristikum für das Verhältnis der beiden Verfahrensorgane.

193 Ebenso wenig lässt sich eine besondere Vertrauensprägung aus den vom Verwalter zu wahrenden öffentlichen Interessen ableiten. Richtig ist zwar, dass die Tätigkeit des Insolvenzverwalters auch dem öffentlichen Interesse dient, indem er durch seine Tätigkeit in einem gerichtlichen Verfahren eine koordinierte Vollstreckung ermöglicht und so zur Wahrung des Rechtsfriedens beiträgt.473) In dieser Hinsicht wird der Insolvenzverwalter auch im Interesse des Gerichts tätig, dem grundsätzlich die Aufgabe zukommt, für die Wahrung des Rechtsfriedens Sorge zu tragen. Die Wahrung des Rechtsfriedens steht aber nicht im Mittelpunkt der Aufgabe des Insolvenzverwalters,474) sodass er auch insoweit nicht in besonderem Maße im Interesse des Gerichts tätig wird. Wie bereits erörtert, bestellt das Insolvenzgericht den Insolvenzverwalter nämlich gerade nicht zur Wahrnehmung eigener Interessen des Gerichts.

194 Aus dem Vertrauensverhältnis zwischen Insolvenzgericht und Insolvenzverwalter kann somit auch unter diesen Gesichtspunkten keine besondere Treuepflicht des Verwalters begründet werden.

c)

Kein Vertrauensverhältnis bei Täuschung über eigene Qualifikation

195 Hinsichtlich der Verwirkungsfallgruppe, die an eine Verfehlung des Insolvenzverwalters im Vorfeld seiner Bestellung anknüpft, erscheint die Herleitung einer besonderen Treuepflicht aus einem Vertrauensverhältnis zudem besonders problematisch, da in diesen Fällen bereits fraglich ist, ob ein solches Vertrauensverhältnis überhaupt besteht. Durchaus ließe sich nämlich annehmen, dass ein Vortäuschen der persönlichen Eignung, insbesondere durch strafbare Verwendung eines dem Verwalter nicht zustehenden akademischen Titels, bereits das Entstehen eines Vertrauensver___________ 472) Siehe zu den Anforderungen an die Treuepflicht oben Rn. 117 ff. 473) Siehe zur Bedeutung des Insolvenzverwalters und des Insolvenzverfahrens für Gemeinwohlbelange noch unten Rn. 355 ff. und 372 ff. 474) Kruth, Die Auswahl und Bestellung des Insolvenzverwalters, S. 62.

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C. Besondere Treuepflicht des Insolvenzverwalters gegenüber dem Insolvenzgericht

hältnisses zwischen Gericht und Verwalter verhindert.475) Mit Blick auf diese für eine Vergütungsverwirkung typische Sachverhaltskonstellation, im Rahmen derer der Bundesgerichthof den Rechtsgedanken des § 654 BGB erstmals auf den Vergütungsanspruch des Insolvenzverwalters anwandte, erscheint die Herleitung einer besonderen Treuepflicht des Verwalters aus einer Vertrauensbeziehung somit ebenfalls nicht tragfähig.

IV. Besondere Treuepflicht aus zivilrechtlicher Dogmatik Aus dem Blickwinkel der zivilrechtlichen Dogmatik können verstärkte Treuepflich- 196 ten als Ausprägung des allgemeinen Gebots der Rücksichtnahme insbesondere dann bestehen, wenn mehrere Parteien aufgrund einer besonderen Verbundenheit auf ein konstruktives Miteinander angewiesen sind.476) Aus einer derartigen Verbundenheit kann dabei eine Treuepflicht sogar als Hauptpflicht, zumindest aber als eine Nebenpflicht erwachsen. Denkbar ist daher, dass der Insolvenzverwalter gegenüber dem Insolvenzgericht eine Stellung einnimmt, die durch eine solche Verbundenheit geprägt ist, dass nach § 242 BGB eine Treuepflicht des Verwalters begründet wird. Über das durchschnittliche Maß von Treu und Glauben hinausgehende Treuepflich- 197 ten mit dem Rang von Hauptpflichten sind insbesondere für gesellschaftsrechtlich geprägte Rechtsverhältnisse charakteristisch.477) Anerkannt ist nämlich nicht nur im Hinblick auf Personengesellschaften, dass sowohl zwischen den Gesellschaftern untereinander als auch zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern sogar ohne ausdrückliche Regelung besondere Treuepflichten bestehen.478) Für die Gesellschafter äußert sich die Treuepflicht konkret darin, dass von ihnen ein loyales Verhalten gegenüber der Gesellschaft sowie die Förderung der gesellschaftlichen Zwecke und die Abwehr von Schäden erwartet wird.479) Orientiert daran ließe sich als Ausfluss einer potenziellen Loyalitätspflicht des Insolvenzverwalters gegenüber dem Insolvenzgericht an eine gesonderte Treuepflicht denken, die insbesondere auch zum Inhalt haben könnte, die Zwecke des Insolvenzverfahrens zu fördern. Allerdings wird mit Blick auf die dogmatische Herleitung und Begründung der Treuepflicht im Rahmen des Gesellschaftsrechts schnell deutlich, dass die Annahme einer besonderen Treuepflicht des Insolvenzverwalters gemessen an den gesellschaftsrechtlichen Maßstäben nicht zu überzeugen vermag. Auch wenn der Ausgangspunkt der Annahme von Treuepflichten im Gesellschaftsrecht im Einzelnen streitig ist, zeigen die vertretenen Ansätze jeweils dennoch deutlich die Unterschiede zum Verhältnis zwischen Insolvenzver___________ 475) 476) 477) 478)

Uhlenbruck/Vallender/Zipperer, InsO, § 59 Rn. 10. MüKoBGB/Bachmann, BGB, § 241 Rn. 107; MüKoBGB/Schubert, BGB, § 242 Rn. 215 ff. MüKoBGB/Schubert, BGB, § 242 Rn. 195. BGH, Urt. v. 14.2.2019 – IX ZR 149/16, BGHZ 221, 100 Rn. 16 f.; Noack/Servatius/Haas/ Fastrich, GmbHG, § 13 Rn. 20; MüKoGmbHG/Merkt, GmbHG, § 13 Rn. 93, 102. 479) MüKoGmbHG/Merkt, GmbHG, § 13 Rn. 93.

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§ 5 Bestehen einer Treuepflicht als Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 654 BGB

walter und Insolvenzgericht auf. Zur dogmatischen Begründung gesellschaftsrechtlicher Treuepflichten wird im Schrifttum neben dem Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 BGB480) vor allem auch auf die Mitgliedschaft bzw. das mitgliedschaftliche Gemeinschaftsverhältnis481) sowie die gesellschaftsrechtliche Förderpflicht des Gesellschaftszwecks nach § 705 BGB482) verwiesen.483) Zur Herleitung der Treuepflicht haben die jeweiligen Ansätze dabei zumindest in Teilen alle ihre Berechtigung.484)

198 Für die vorliegend behandelte Frage des Bestehens einer Treuepflicht des Insolvenzverwalters gegenüber dem Insolvenzgericht ist eine an diese gesellschaftsrechtliche Dogmatik anknüpfende vertiefte Untersuchung jedoch ohnehin entbehrlich. Bereits aus den Grundzügen der unterschiedlichen Begründungsansätze ergibt sich, dass die gesellschaftsrechtlichen Besonderheiten, wie das mit der Gesellschaft begründete Gemeinschaftsverhältnis und auch die Förderungspflicht der Gesellschafter, zentral für die Annahme von Treuepflichten innerhalb von gesellschaftlichen Verbänden sind. Relevant für die Untersuchungsfrage ist allenfalls das Gemeinschaftsverhältnis innerhalb der Gesellschaft. Denn eine Heranziehung der darin begründeten Treuepflicht ist zum Schutz Dritter zumindest dann möglich, wenn eine mitgliedschaftliche Beziehung im Sinne einer Verbandszugehörigkeit besteht.485) Für das Verhältnis zwischen Insolvenzverwalter und Insolvenzgericht kann ein derartiges mitgliedschaftliches Gemeinschaftsverhältnis jedoch gerade nicht angenommen werden. Gericht und Verwalter dienen als wesentliche Organe des Insolvenzverfahrens zwar in gewisser Hinsicht gemeinsam den von § 1 InsO definierten Zwecken und Zielen des Verfahrens. Allerdings haben sich Verwalter und Gericht nicht in dem Sinne zu einer Gemeinschaft zusammengeschlossen, um einem als gemeinsam anerkannten Zweck zu dienen. Zwischen Verwalter und Gericht besteht demnach also auch keine vergleichbare Beziehung, aus der am Gesellschaftsrecht orientiert eine Treuepflicht des Insolvenzverwalters gegenüber dem Insolvenzgericht herzuleiten wäre. Vielmehr ist im Rahmen des Insolvenzverfahrens eine besondere Gemeinschaftsbeziehung zwischen Gericht und Verwalter gerade zu vermeiden.486)

___________ Hennrichs, AcP 195 (1995), 221, 228 ff. Henze, FS Kellermann (1991), S. 141, 143 f.; Häsemeyer, ZHR 160 (1996), 109, 113 f. Lutter, ZHR 153 (1989), 446, 454 f. Siehe diesbezüglich ausführlich K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 20 IV 1, S. 587 ff. Thole, ZIP 2013, 1937, 1938. MüKoGmbHG/Merkt, GmbHG, § 13 Rn. 105; Noack/Servatius/Haas/Fastrich, GmbHG, § 13 Rn. 20. 486) Siehe dazu bereits Rn. 182 ff.

480) 481) 482) 483) 484) 485)

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C. Besondere Treuepflicht des Insolvenzverwalters gegenüber dem Insolvenzgericht

V. Besondere Treuepflicht aus berufsrechtlichen Vorgaben der Insolvenzverwalterverbände Losgelöst von dogmatischen Überlegungen zum Bestehen einer besonderen Treue- 199 pflicht des Insolvenzverwalters gegenüber dem Insolvenzgericht aufgrund eines bestimmten Rechtsverhältnisses bleibt schließlich noch zu überprüfen, inwieweit sich eine Treuepflicht möglicherweise aus den sich von der Verwalterschaft in Teilen selbst auferlegten berufsrechtlichen Vorgaben herleiten lässt. Bisher bestehen zwar keine zwingenden gesetzlichen Vorgaben, die die Tätigkeit als Insolvenzverwalter durch ein Berufsrecht reglementieren würden. Jedoch haben private Verbände eigenständig Grundsätze bzw. Standards und daran anknüpfende Zertifizierungen entwickelt, um eine möglichst qualitätsvolle Insolvenzverwaltung sicherzustellen.487) Im Fokus sollen an dieser Stelle beispielhaft die zuletzt vom Verband Insolvenzver- 200 walter Deutschland e. V. (VID) entwickelten Grundsätze ordnungsgemäßer Insolvenzverwaltung (GOI)488) sowie der Kriterienkatalog InsO Excellence des Gravenbrucher Kreises e. V. stehen. Zunächst ist mit Blick auf die GOI festzustellen, dass in den Grundsätzen 22 bis 24 unter der Überschrift „Regeln zum Verfahrensablauf“ auch das Verhältnis des Verwalters gegenüber dem Insolvenzgericht thematisiert wird. Danach soll der Insolvenzverwalter unverzüglich erklären, ob er das Amt annimmt; eine Annahme soll nur erfolgen, wenn er nach seiner aktuellen Belastung, der Leistungsfähigkeit seiner Mitarbeiter und der vorhandenen Infrastruktur in der Lage ist, den Anforderungen des konkreten Verfahrens zu genügen.489) Weiterhin soll der Verwalter eigenständig Interessenkollisionen offenbaren.490) Festzuhalten bleibt in Anbetracht dieser Verpflichtungen also, dass in den Regelungen des VID durchaus auch das Verhältnis des Verwalters zum Insolvenzgericht angesprochen wird und die Verwalter zu einem rücksichtsvollen und kooperativen Umgang mit dem Gericht verpflichtet werden. Entsprechendes findet sich im Kriterienkatalog des Gravenbrucher Kreises e. V. 201 Denn mit dem Themenbereich 3 wird unter der Überschrift „Insolvenzverfahrensmanagement“ ebenfalls die Thematik der Annahme des Amtes durch den Verwalter sowie der Notwendigkeit seiner Unabhängigkeit durch zahlreiche Kriterien adressiert. Teil der Zertifizierung des Gravenbrucher Kreises e. V. ist ebenfalls der Umgang des Verwalters mit dem Insolvenzgericht, was sich überdies daran zeigt, dass auch das Reporting bzw. die Berichte des Verwalters gegenüber dem Gericht Kriterien der Zertifizierung bilden. ___________ 487) Beispielsweise die bereits im Jahr 2006 ins Leben gerufenen Berufsgrundsätze sowie die Zertifizierung „VID-Cert“ des VID, siehe dazu unter https://www.vid.de/der-verband/qualitaetsstandards/; sowie das an einem umfangreichen Kriterienkatalog orientierte Gütesiegel „InsO Excellence“ des Gravenbrucher Kreises e. V., siehe unter https://www.gravenbrucher-kreis.de/ insoexcellence/; jeweils zuletzt abgerufen am 9.8.2023. 488) Abrufbar unter https://www.vid.de/wp-content/uploads/2016/09/goi-1-2016-vom-22.4.2016.pdf, zuletzt abgerufen am 9.8.2023. 489) Siehe Grundsätze 22 und 23. 490) Siehe Grundsatz 24.

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§ 5 Bestehen einer Treuepflicht als Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 654 BGB

202 Allerdings erscheint es im Ergebnis fernliegend, aus diesen lediglich die grundlegende Kooperation mit dem Gericht betreffenden Regelungen eine besondere Treuepflicht des Insolvenzverwalters im Sinne des § 654 BGB herzuleiten. Neben den sich insoweit fortsetzenden Bedenken gegen eine besondere Bindung des Verwalters an das Insolvenzgericht, die insbesondere seine Unabhängigkeit gefährden könnte, muss weiterhin auch die beschränkte Bindungswirkung der Regularien der Verbände Berücksichtigung finden. Es handelt sich bei den Grundsätzen ordnungsgemäßer Insolvenzverwaltung wie auch den Zertifizierungskriterien nämlich nur um für die Mitglieder verbindliche Regelungen,491) die eine allgemeinverbindliche Pflicht nicht begründen können. Hinzukommt, dass die Regelungen auch nur als Konkretisierung der ohnehin bestehenden gesetzlichen Regelungen verstanden werden können, sodass aus ihnen ein erweiterter Pflichtenmaßstab kaum hervorgehen kann. Bereits durch Rechtsprechung und Wissenschaft ist hinreichend illustriert, inwiefern bereits nach Maßgabe des § 56 Abs. 1 InsO hinsichtlich der Eignung des Verwalters zu berücksichtigen ist, ob der Verwalter der mit Übernahme des Amtes verbundenen Aufgaben nicht nur fachlich und persönlich, sondern auch organisatorisch gewachsen ist.492) Auch ist nach der gesetzlichen Konzeption vorgegeben, dass der Verwalter potenzielle Interessenkonflikte von sich aus offenzulegen hat.493) Die berufsrechtlichen Regelungen sind demnach nur konkretisierter Ausdruck der gesetzlichen Konzeption. Wenn sich aber schon aus dieser selbst und der darauf gründenden (Rechts-) Stellung des Insolvenzverwalters gegenüber dem Insolvenzgericht keine besondere Treuepflicht ableiten lässt, muss dies erst recht für lediglich verbandsinterne Regelungen gelten, die auch inhaltlich keine weiteren Pflichten des Verwalters gegenüber dem Gericht begründen.

VI. Ergebnis 203 Bezogen auf die Frage des Bestehens einer besonderen Treuepflicht des Verwalters gegenüber dem Insolvenzgericht zeigt sich im Ergebnis, dass eine derartige Pflicht des Verwalters unter keinem Aspekt überzeugend zu begründen ist.494) Weder seine Rechtsstellung noch seine gesetzlich nicht näher definierte Vertrauensstellung gegenüber dem Insolvenzgericht können eine in ihrer Qualität für die Vergütungsverwirkung vorauszusetzende besondere Treuepflicht gegenüber dem Insolvenzgericht begrün___________ 491) Siehe Präambel der GOI; zur „InsO Excellence“ Zertifizierung siehe https://www.gravenbrucher-kreis.de/insoexcellence/, zuletzt abgerufen am 9.8.2023. 492) Siehe nur OLG Hamburg, Beschl. v. 3.8.2011 – 2 VA 9/11, NZI 2011, 762, 766; LG Stendal, Beschl. v. 23.2.2004 – 25 T 36/04, BeckRS 2004, 13734 Rn. 24; Uhlenbruck/Zipperer, InsO, § 56 Rn. 26 ff.; MüKoInsO/Graeber, InsO, § 56 Rn. 55 ff., 73 ff.; K/P/B/Lüke, InsO, § 56 Rn. 37 ff. 493) BT-Drs. 17/5712, S. 68 zu Nr. 5; Uhlenbruck/Zipperer, InsO, § 56 Rn. 25; siehe zu Offenlegungspflichten des Verwalters noch ausführlich unter Rn. 232 ff. 494) So auch Zimmer, EWiR 2020, 49 f.: „…fälschlich ein Treueverhältnis zwischen Verwalter und Insolvenzgericht unterstellt, …“; sowie „…sich vom nicht einschlägigen Begriff der Treuepflicht gegenüber dem Insolvenzgericht […] zu lösen“.

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D. Besondere Treuepflicht bereits vor Verfahrensbeginn

den. Insbesondere die Stellung des Insolvenzverwalters als privater Amtsträger und seine damit verbundene weitestgehend eigenverantwortliche Tätigkeit im Rahmen des Insolvenzverfahrens sprechen gegen eine solche besondere Treuepflicht. Daran vermögen auch schon bestehende berufsrechtliche Vorgaben nichts zu ändern. Darüber hinaus wird auch mit Blick auf die zivilrechtliche Dogmatik deutlich, dass das Verhältnis zwischen den beiden Verfahrensorganen nicht eine klar konturierte Prägung aufweist wie andere Rechtsverhältnisse, bei denen das Bestehen einer besonderen Treuepflicht angenommen wird. Aus diesem Grund kann es durch ein Fehlverhalten des Insolvenzverwalters auch nicht zu einem rechtlich relevanten Treuebruch in Form der Verletzung einer gegenüber dem Insolvenzgericht bestehenden Treuepflicht kommen. Dies gilt sowohl für den Insolvenzverwalter im eröffneten Verfahren als auch für den vorläufigen Insolvenzverwalter im Eröffnungsverfahren und unabhängig von der Ausgestaltung seiner Befugnisse als „starker“ oder „schwacher“ vorläufiger Verwalter.

D. Besondere Treuepflicht bereits vor Verfahrensbeginn Besondere Aufmerksamkeit soll schließlich der anfangs aufgeworfenen Frage gel- 204 ten, ob eine besondere Treuepflicht des Insolvenzverwalters bereits vor Verfahrensbeginn – also noch vor Bestellung des (vorläufigen) Insolvenzverwalters – bestehen kann. Im Ergebnis wird sich insofern abermals bestätigen, dass die Übertragung der Verwirkungskonstruktion in Anknüpfung an die Verletzung einer Treuepflicht im Sinne des Rechtsgedankens des § 654 BGB auf den Insolvenzverwalter dogmatisch nicht konsistent ist. Zumindest für diejenige Verwirkungskonstruktion, die an Verfehlungen des Verwal- 205 ters anknüpft, die nicht seine unmittelbare Tätigkeit betreffen, sondern ein Fehlverhalten im Vorfeld des Verfahrens, sei es die unterbliebene Offenbarung einer Pflichtverletzung oder das Täuschen über den eigenen akademischen Grad, ist ebenso das Bestehen einer besonderen Treuepflicht bereits zu diesem frühen Zeitpunkt vorauszusetzen. Dies gilt dabei unabhängig davon, ob man eine Treuepflicht aus dem Verhältnis des Verwalters zu den Gläubigern und dem Schuldner oder gegenüber dem Insolvenzgericht herzuleiten gedenkt. Im ursprünglichen Anwendungsbereich der Verwirkungskonstruktion im Makler- 206 recht gehen sowohl Rechtsprechung als auch Literatur davon aus, dass auch Treuepflichtverletzungen des Maklers vor Abschluss des Maklervertrags zur Verwirkung seiner Vergütung nach § 654 BGB führen können.495) Orientiert daran besteht zu___________ 495) Grundlegend bereits RG, Urt. v. 7.12.1918 – III 255/17, LZ 1918, 686, 687; OLG Hamm, Urt. v. 9.11.1992 – 18 U 26/92, NJW-RR 1993, 506, 507; OLG Naumburg, Urt. v. 21.8.2001 – 9 U 84/01, NJW-RR 2002, 1208; Fischer, NZM 2001, 873, 878 (mit Verweis auf ein unveröffentlichtes BGH Urt. v. 12.7.1967 – VIII ZR 34/65); MüKoBGB/Althammer, BGB, § 654 Rn. 21; Soergel/Engel, BGB, § 654 Rn. 10; siehe ausführlich zum Anwendungsbereich der Vorschrift im Maklerrecht bereits oben Rn. 76 ff.

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§ 5 Bestehen einer Treuepflicht als Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 654 BGB

mindest grundsätzlich ein zeitlich vorgelagerter Anwendungsbereich der Verwirkungskonstruktion. Die Begründung dafür wird im maklerrechtlichen Kontext vor allem darin gesehen, dass eine Verletzung der Treuepflichten des Maklers gegenüber seinem Auftraggeber bereits vor Abschluss des Vertrages keine andere Wertung rechtfertigt als eine Verletzung danach.496) Eine solche Argumentation setzt aber notwendigerweise voraus, dass Treuepflichten bereits vor Vertragsschluss bestehen,497) sodass ihr schon der Vorwurf eines Zirkelschlusses entgegengerbacht werden könnte. Allerdings ist für vertragliche Schuldverhältnisse das Bestehen vorvertraglicher Rücksichtnahme- und Treuepflichten typisch und auch in den gesetzlichen Regelungen der §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB angelegt. Für einen Makler werden darüber hinaus sogar vorvertragliche Treuepflichten in einem erhöhtem Maße angenommen, da in diesem vorvertraglichen Stadium das Vertragsverhältnis zwischen Makler und seinem Kunden bereits eine erhebliche Treueprägung hat.498) Insofern ließe sich also durchaus davon ausgehen, dass aufgrund der besonderen Beziehung des Maklers zu seinem Auftraggeber bereits im Vorfeld eine besondere Treuepflicht des Maklers besteht, die daher auch eine vorvertragliche Anwendung der Verwirkungskonstruktion rechtfertigt.

207 Grundlegend anders stellt sich die Situation hingegen im Zeitraum vor der Bestellung des Bewerbers zum Insolvenzverwalter dar. Während sich die Beteiligten im Vorfeld eines Schuldverhältnisses im Klaren darüber sein können, auf wessen Rechte und Interessen Rücksicht zu nehmen ist, besteht vor Bestellung eines Insolvenzverwalters – insbesondere eines vorläufigen Insolvenzverwalters – keine abschließende Klarheit über die späteren Verfahrensbeteiligten. Weder gibt es eine Sicherheit darüber, welcher der zur Auswahl stehenden Bewerber vom Insolvenzgericht zum Verwalter bestellt wird, noch ist gewiss, welche Gläubiger im Einzelnen am Verfahren beteiligt sein werden. Der weitere wesentliche Unterschied zu vertraglichen Gestaltungen besteht aber vor allem darin, dass sich mit Bestellung zum Insolvenzverwalter und der Annahme des Amtes seine Rechtsstellung zum vorherigen Zeitraum seiner Bewerbung in erheblichem Maße ändert. Ab der Annahme seiner Bestellung ist er Träger eines privaten Amtes und Organ der Rechtspflege. Selbst wenn das Gericht kein Verfügungsverbot anordnet und somit keinen „starken“ vorläufigen Verwalter ernennt, kann der insofern „schwache“ vorläufige Verwalter ab diesem Zeitpunkt dennoch in nicht unwesentlichem Umfang auf die Rechte und Interessen des Schuldners sowie der Gläubiger Einfluss nehmen. Auszugehen sein wird nämlich davon, dass die Weichen für den Ablauf des späteren Insolvenzverfahrens im Wesentlichen ___________ 496) OLG Naumburg, Urt. v. 21.8.2001 – 9 U 84/01, NJW-RR 2002, 1208; Fischer, NZM 2001, 873, 878. 497) Mit Verweis darauf die Anwendbarkeit vor Abschluss des Maklervertrags ablehnend Krehl, Die Pflichtverletzung des Maklers, S. 91. 498) Siehe RG, Urt. v. 15.2.1910 – III 162/09, JW 1910, 284 Nr. 15.

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E. Ergebnis

bereits im Rahmen des Eröffnungsverfahrens durch den vorläufigen Insolvenzverwalter gestellt werden.499) Aufgrund dieser einschneidenden Bedeutung, die der Bestellung des Verwalters zu- 208 kommt, kann daher – wenn überhaupt – frühestens ab diesem Zeitpunkt eine Treuepflicht angenommen werden.500) Fernliegend erschiene es insoweit auch, nur aufgrund der späteren Bedeutung des Verwalters bereits vor Verfahrenseröffnung eine besondere Treuepflicht eines jeden Bewerbers anzunehmen. Zwar mag eine vertrauensvolle Kooperation mit dem Insolvenzgericht im Vorfeld der Bestellung zum Insolvenzverwalter erstrebenswert sein und daran anknüpfend bereits zu diesem Zeitpunkt ein Vertrauensverhältnis zwischen dem jeweiligen Bewerber und dem Insolvenzgericht bestehen. Wenn aber – wie oben festgestellt – alleine aus einem solchen Vertrauensverhältnis selbst nach Bestellung keine besondere Treuepflicht des Verwalters gegenüber dem Gericht abgeleitet werden kann, muss dies erst recht vor Bestellung des Verwalters gelten. Einer dogmatisch konsistenten Lösung zur Problematik einer besonderen Treuepflicht im Vorfeld des Insolvenzverfahrens bleiben aus diesem Grund auch die Begründungsansätze schuldig, wonach eine besondere Treuepflicht des Insolvenzverwalters gegenüber dem Insolvenzgericht aus dem Rechtsverhältnis zwischen den beiden Verfahrensorganen entspringen soll, welches durch die Bestellung und Annahme des Amtes entstehe.501) Eine besondere Treuepflicht des Verwalters im Vorfeld seiner Ernennung und An- 209 nahme des Amtes kann demnach erst recht nicht angenommen werden. Zweifelhaft erscheint deshalb umso mehr der an ein Fehlverhalten Vorfeld des Verfahrens anknüpfende Vorwurf eines Treuebruchs des Verwalters.

E. Ergebnis Die Übertragung der Verwirkungskonstruktion auf den Insolvenzverwalter in An- 210 knüpfung an einen in § 654 BGB enthaltenen allgemeinen Rechtsgedanken lässt sich nicht überzeugend begründen. Ausgehend davon, dass für die Möglichkeit der Übertragung der Verwirkungskonstruktion entscheidend ist, ob das jeweilige Rechtsverhältnis von einer besonderen Treuepflicht im Sinne des Rechtsgedankens des § 654 BGB geprägt ist, kann die Konstruktion der Vergütungsverwirkung auf den Vergütungsanspruch des Insolvenzverwalters keine Anwendung finden. Denn mangels einer besonderen Treuepflicht des Insolvenzverwalters fehlt es bereits an der grundlegenden Voraussetzung, die eine Übertragung dogmatisch überzeugend erscheinen lassen könnte. ___________ 499) Mohrbutter/Ringstmeier/Meyer/Hauser, Kap. 4 Rn. 113, 119; Kölner Schrift (2. Aufl.)/Mönning, S. 375 Rn. 12; Meyer, Haftung des vorläufigen Insolvenzverwalters, S. 34. 500) Aber dann auch nur gegenüber dem Schuldner und den Gläubigern, siehe oben Rn. 143 f. 501) Siehe Gomille, KTS 2019, 364, 372 f.

103

§ 6 Kritische Auseinandersetzung mit der tatbestandlichen Ausgestaltung der Verwirkung des Vergütungsanspruchs des Insolvenzverwalters durch die Rechtsprechung Sieht man von dem Umstand ab, dass sich mangels Bestehens einer besonderen 211 Treuepflicht des Insolvenzverwalters die Verwirkungskonstruktion bereits grundlegend nicht konsistent auf den Vergütungsanspruch übertragen lässt, gilt die weitere Untersuchung nun den von der Rechtsprechung hinsichtlich der Vergütungsverwirkung des Insolvenzverwalters entwickelten einzelnen Tatbestandsmerkmalen. Denn auch eine nähere Betrachtung des inhaltlichen Verständnisses der Treuepflichtverletzung sowie der von der Rechtsprechung betonten Begrenzung der Verwirkung auf Fälle besonderer subjektiver Vorwerfbarkeit lässt weitere Zweifel daran entstehen, dass die Verwirkungskonstruktion eine sachgerechte Lösung darstellt. Insbesondere gilt es dabei, abschließend nochmals gesondert und losgelöst von der grundsätzlichen dogmatischen Konsistenz der Rechtsprechung diejenigen – sowohl dogmatischen aber auch praktischen – Problematiken in den Blick zu nehmen, die im Vergütungsfestsetzungsverfahren mit der Verwirkungskonstruktion verbunden sind.

A. Inhaltliches Verständnis der Treuepflichtverletzung Wesentliche Zweifel an der Tragfähigkeit einer auf § 654 BGB gestützten Vergü- 212 tungsverwirkung des Insolvenzverwalters ergeben sich zunächst bezogen auf das inhaltliche Verständnis des Bundesgerichtshofs von einem Treuebruch des Insolvenzverwalters. Differenziert werden muss in dieser Hinsicht zunächst zwischen dem Vorwurf eines 213 Treuebruchs in Ausübung der Verwaltertätigkeit, mithin während des Insolvenzverfahrens, und dem Vorwurf eines Treuebruchs im Vorfeld des Verfahrens, also ohne unmittelbaren Bezug zur eigentlichen Tätigkeit, für die der Verwalter die Festsetzung seiner Vergütung begehrt. Denn auch das Verständnis der inhaltlichen Ausgestaltung der Treuepflichtverletzung und des dadurch begründeten Treuebruchs unterscheidet sich in Abhängigkeit zum jeweiligen Anknüpfungspunkt der Verwirkung. Dabei wird bei genauerer Analyse der Argumentation der Rechtsprechung auch zu zeigen sein, dass für die Verwirkung des Vergütungsanspruchs weniger die Verletzung einer konkreten „Treuepflicht“ maßgeblich zu sein scheint, als vielmehr abstrakte Erwägungen zum Vertrauensverhältnis zwischen Gericht und Verwalter sowie zur persönlichen und charakterlichen Eignung des Insolvenzverwalters.

105

§ 6 Kritische Auseinandersetzung mit der tatbestandlichen Ausgestaltung der Verwirkung

I.

Tätigkeitsbezogener Treuebruch

1.

Treuebruch durch tätigkeitsbezogene Pflichtwidrigkeit im konkreten Verfahren

214 Ein Fehlverhalten des Verwalters während des Insolvenzverfahrens stellt nach Ansicht des Bundesgerichtshofs im Rahmen der Verwirkungssystematik den Regelfall eines Treuebruchs dar. Der Bundesgerichtshof geht nämlich davon aus, dass „die Verwirkung des Vergütungsanspruchs regelmäßig nur auf Pflichtverletzungen des Verwalters bei der Ausübung des konkreten Amtes gestützt werden [kann], für das er eine Vergütung beansprucht“.502) Anknüpfungspunkt für einen Treuebruch im Verfahren ist also eine Treuepflichtverletzung des Verwalters, die in Zusammenhang mit seiner Tätigkeit im konkreten Verfahren steht. Gleiches gilt auch für den vorläufigen Insolvenzverwalter während des Eröffnungsverfahrens.503) Der Vorwurf bezieht sich dementsprechend auf das konkrete Verhalten des Insolvenzverwalters im jeweiligen Verfahren.

215 Unklar ist allerdings, welche Verhaltensweisen des Insolvenzverwalters konkret eine Treuepflichtverletzung mit unmittelbarem Verfahrensbezug begründen können. Die bisher von der Rechtsprechung entschiedenen Sachverhaltskonstellationen hatten häufig den Vorwurf einer strafrechtlichen Untreue im Sinne des § 266 StGB zu Lasten der Insolvenzmasse zum Gegenstand.504) Überraschend ist insofern zunächst, dass der Bundesgerichtshof den inhaltlichen Grund für die Vergütungsverwirkung in einem durch die Verletzung der Treuepflicht begründeten Treuebruch des Verwalters gegenüber dem Insolvenzgericht sieht und nicht auf eine Treuepflichtverletzung gegenüber Gläubigern und Schuldner abstellt, gegenüber denen der Verwalter treuhänderische Pflichten hat.505) Aber auch grundlegend ergibt sich aus dem Beschluss des IX. Senats vom 22.11.2018 nicht unmittelbar, was konkret die Treuepflichtverletzung des Insolvenzverwalters ausmachen soll. Verwiesen wird lediglich darauf, dass eine in subjektiv hohem Maß vorwerfbare Treuepflichtverletzung insbesondere dann vorliege, wenn dem Insolvenzverwalter schwerwiegende Pflichtverletzungen in Form von Straftaten zum Nachteil der Insolvenzmasse zur Last gelegt werden könnten.506) Gene___________ 502) BGH, Beschl. v. 21.9.2017 – IX ZB 28/14, NZI 2017, 988 Rn. 11. 503) BGH, Beschl. v. 21.9.2017 – IX ZB 28/14, NZI 2017, 988 Rn. 11. 504) Siehe nur BGH, Beschl. v. 22.11.2018 – IX ZB 14/18, NJW 2019, 935; LG Mühlhausen, Beschl. v. 7.8.2007 – 2 T 151/07, BeckRS 2008, 12620; LG Magdeburg, Beschl. v. 10.1.2013 – 11 T 507/11, ZInsO 2013, 2578; LG Deggendorf, Beschl. v. 24.7.2013 í 13 T 57/13, NZI 2013, 1028. 505) BGH, Beschl. v. 22.11.2018 – IX ZB 14/18, NJW 2019, 935 Rn. 19; demgegenüber stand in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung noch die Treuepflichtverletzung gegenüber den Gläubigern im Vordergrund, siehe LG Konstanz, Beschl. v. 15.9.1999 – 6 T 38/99, ZInsO 1999, 589, 591; LG München II, Beschl. v. 29.7.2003 – 7 T 5001/00, ZInsO 2003, 910; eine Vermögensbetreuungspflicht i. S. d. § 266 StGB wird entsprechend nämlich auch gegenüber Gläubigern und Schuldner angenommen Schramm, NStZ 2000, 398. 506) BGH, Beschl. v. 22.11.2018 – IX ZB 14/18, NJW 2019, 935 Rn. 20.

106

A. Inhaltliches Verständnis der Treuepflichtverletzung

rell zeigt sich auch anhand der landgerichtlichen Rechtsprechung, dass anstelle einer tatbestandlich konkret überprüfbaren Treuepflichtverletzung der Fokus der gerichtlichen Begründung für die Vergütungsverwirkung maßgeblich auf der Strafbarkeit des pflichtwidrigen Verhaltens des Insolvenzverwalters liegt.507) Für die Bewertung der Schwere der Pflichtverletzung, insbesondere in subjektiver 216 Hinsicht, scheint die Strafbarkeit zwar ein geeigneter Indikator.508) Auch wird bei einem strafrechtlich relevanten Verhalten in der Regel zugleich eine zivilrechtliche Pflichtverletzung festzustellen sein. Für die Frage des Bestehens einer Pflichtverletzung nach Maßstäben des Zivilrechts sind aber dennoch die tatbestandlichen Anforderungen der jeweils maßgeblichen zivilrechtlichen Dogmatik entscheidend und nicht die konkrete strafrechtliche Bewertung des Fehlverhaltens durch die Strafgerichte. Die Strafbarkeitsprüfung kann mithin schon grundsätzlich nicht ohne weiteres die zivilrechtliche Überprüfung der Pflichtwidrigkeit ersetzen. Umso mehr gilt dies mit Blick auf die spezifischen Anforderungen der Verletzung einer besonderen Treuepflicht. Aus dem Verweis auf die strafrechtliche Relevanz einer mit der Pflichtverletzung ver- 217 bundenen Masseschädigung könnte man zumindest den Eindruck gewinnen, dass eine Treuepflichtverletzung die Verletzung solcher Pflichten beschreiben soll, die dem Verwalter hinsichtlich der Insolvenzmasse obliegen. Insofern führt auch der IX. Senat aus, dass der Verwalter durch eine Untreue zum Nachteil der Insolvenzmasse seine maßgebliche Pflicht, die Masse zu sichern und zu erhalten, verletze.509) Vorläufig festzuhalten ist demnach, dass die Verletzung der Massesicherungspflicht des Insolvenzverwalters eine zur Verwirkung des Vergütungsanspruchs führende Treuepflichtverletzung des Verwalters darstellt.

2.

Tatsächlicher Anknüpfungspunkt

Tatsächlich scheinen aber andere Erwägungen hinter dem Pflichtwidrigkeitsvorwurf 218 zu stehen. Zwar verweist der IX. Zivilsenat im Fall einer strafbewehrten Veruntreuung zu Lasten der Insolvenzmasse auch auf die damit verbundene Verletzung der Massesicherungspflicht des Insolvenzverwalters. Im Vordergrund der Argumentation steht allerdings nicht die Verletzung eben dieser den Interessen von Gläubigern und Schuldner dienenden Massesicherungspflicht, sondern der Umstand, dass der Verwalter durch die Verletzung dieser Pflicht die Vertrauensbasis zum Insolvenzgericht ___________ 507) Siehe LG München II, Beschl. v. 29.7.2003 – 7 T 5001/00, ZInsO 2003, 910; LG Mühlhausen, Beschl. v. 7.8.2007 – 2 T 151/07, BeckRS 2008, 12620; LG Magdeburg, Beschl. v. 10.1.2013 – 11 T 507/11, ZInsO 2013, 2578, 2581 f. 508) Siehe zu den Voraussetzungen einer schweren und subjektiv vorwerfbaren Verletzung der Treuepflicht ausführlich unten Rn. 239 ff. 509) BGH, Beschl. v. 22.11.2018 – IX ZB 14/18, NJW 2019, 935 Rn. 21.

107

§ 6 Kritische Auseinandersetzung mit der tatbestandlichen Ausgestaltung der Verwirkung

verlasse, auf der seine Bestellung beruhe.510) Deutlich wird dies daran, dass der Senat den Kern der Treuepflicht in der an den Insolvenzverwalter gestellten Erwartung sieht, dass dieser sich nicht im Rahmen des Insolvenzverfahrens vorsätzlich zu Lasten der Masse bereichern werde.511) Ausschlaggebend ist mithin nicht die Pflichtverletzung als solche, sondern das enttäuschte Vertrauen des Insolvenzgerichts auf eine pflichtgemäße Amtsausübung. Ein derart „enttäuschtes Vertrauen“ ist überdies auch kein typisches Charakteristikum des Untreuetatbestands gemäß § 266 StGB,512) das auf die Eingrenzung des Verwirkungstatbestands auf masseschädigende Verhaltensweisen des Insolvenzverwalters durch Untreuestraftaten schließen lassen könnte.

219 Im Ergebnis manifestiert sich der Treuebruch gegenüber dem Insolvenzgericht daher nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in einem enttäuschten Vertrauen des Gerichts in die ordnungsgemäße Pflichterfüllung des Insolvenzverwalters und nicht in der Verletzung seiner Massesicherungspflicht gegenüber Gläubigern und Schuldner.

II. Nicht tätigkeitsbezogener Treuebruch 1.

Treuebruch durch Pflichtwidrigkeit ohne Bezug zur Tätigkeit im konkreten Verfahren

220 Als weiterer Anknüpfungspunkt für die Verwirkung kommen wie dargestellt auf Grundlage der bisherigen Rechtsprechung aber auch solche Verhaltensweisen des Insolvenzverwalters in Betracht, deren Pflichtwidrigkeitsvorwurf sich nicht unmittelbar auf seine Tätigkeit in dem Verfahren bezieht, für das er eine Vergütung beansprucht. Bezugspunkt des Vorwurfs ist in diesem Fall vielmehr bereits die Bestellung des Verwalters. Über diese Konstruktion einer Verknüpfung von Pflichtwidrigkeiten des Verwalters ohne unmittelbaren Bezug zur Tätigkeit im konkreten Verfahren können auch verfahrensfremde Pflichtwidrigkeiten zur Verwirkung führen. Beispiele sind das Vortäuschen eines akademischen Titels oder auch, dass der Verwalter dem Insolvenzgericht pflichtwidrige Verhaltensweisen im Rahmen von anderen Insolvenzverfahren bei seiner Bestellung nicht mitgeteilt hat.

221 Auch im Rahmen dieser Fallgruppe stützt der IX. Senat die Verwirkung grundsätzlich auf einen Treuebruch des Insolvenzverwalters gegenüber dem Insolvenzgericht. Für die den Treuebruch des Insolvenzverwalters begründende Treuepflichtverletzung finden sich in den Entscheidungen abhängig von der zugrundeliegenden Sachverhaltskonstellation unterschiedliche Terminologien, die jedoch im Ergebnis inhaltlich den gleichen Vorwurf an den Verwalter verkörpern. Hat der Insolvenzverwalter das Gericht über die eigene Qualifikation getäuscht, bedient sich der IX. Zivilsenat der Ter___________ 510) BGH, Beschl. v. 22.11.2018 – IX ZB 14/18, NJW 2019, 935 Rn. 21. 511) BGH, Beschl. v. 22.11.2018 – IX ZB 14/18, NJW 2019, 935 Rn. 21. 512) Haas, Die Untreue, S. 41 f.

108

A. Inhaltliches Verständnis der Treuepflichtverletzung

minologie, dass der Verwalter sich die Bestellung zum Insolvenzverwalter „erschlichen“ habe.513) Im Falle einer mangelnden charakterlichen Eignung aufgrund unbefugten Führens eines Titels sowie von Straftaten in anderen Verfahren – zahlreiche Fälle der Untreue – sieht der Senat den Treuebruch des Verwalters darin, dass dieser die Bestellung „pflichtwidrig angenommen“ habe.514) In den jüngeren Entscheidungen steht nicht mehr eine Pflichtwidrigkeit der Annahme oder ein Erschleichen im Vordergrund. Vielmehr wird das Verschweigen bzw. die unterbliebene Offenbarung von pflichtwidrigen Verhaltensweisen in anderen Verfahren als Treuebruch gegenüber dem Insolvenzgericht eingeordnet.515) Im Ergebnis manifestiert sich der Treuebruch also unabhängig von den verschiedenen Begrifflichkeiten darin, dass dem Insolvenzgericht bestimmte tatsächliche Umstände bei Bestellung nicht bekannt waren, die als maßgeblich für die charakterliche Eignung des Verwalters eingeordnet werden. Vordergründiger Anknüpfungspunkt bleibt dabei aber ein gesondertes Tun oder Unterlassen des Insolvenzverwalters, das den Treuebruch gegenüber dem Insolvenzgericht begründet.

2.

Tatsächlicher Anknüpfungspunkt

Angesichts des Umstands, dass die Argumentation des Bundesgerichtshofs zur Ver- 222 wirkung der Vergütung in diesen Fällen in erheblichem Maße von Ausführungen zur Eignung des Verwalters geprägt ist,516) deutet sich an, dass tatsächlicher Grund für die Annahme der Verwirkung die mangelnde Eignung des Verwalters insbesondere in charakterlicher Hinsicht ist. Ausgangspunkt der Argumentation sind nämlich zunächst die aus § 56 Abs. 1 InsO folgenden Qualifikationsanforderungen an den Insolvenzverwalter. Diesbezüglich betont der Bundesgerichtshof regelmäßig, dass zu den nach § 56 Abs. 1 InsO an eine „geeignete Person“ zu stellenden Anforderungen neben der fachlichen auch die persönliche und charakterliche Eignung sowie die Integrität gehöre.517) An Hand der ersten einschlägigen Entscheidung zur Verwirkung des Vergütungs- 223 anspruchs des Insolvenzverwalters ist noch nicht klar erkennbar, ob die strafrechtlich relevante Täuschung über die eigene Qualifikation gegenüber dem Insolvenzgericht oder die mangelnde charakterliche Eignung des Verwalters den eigentlichen Hintergrund der Verwirkung darstellt. So führt der IX. Senat in dem Beschluss zwar ___________ 513) BGH, Beschl. v. 6.5.2004 – IX ZB 349/02, BGHZ 159, 122, 130. 514) BGH, Beschl. v. 9.6.2011 – IX ZB 248/09, NZI 2011, 760 Rn. 7. 515) BGH, Beschl. 14.7.2016 – IX ZB 52/15, NZI 2016, 892 Rn. 9; wohl auch BGH, Beschl. v. 12.9.2019 – IX ZB 76/18, ZInsO 2019, 2290 Rn. 10. 516) BGH, Beschl. v. 6.5.2004 – IX ZB 349/02, BGHZ 159, 122, 129 f.; BGH, Beschl. v. 9.6.2011 – IX ZB 248/09, NZI 2011, 760 Rn. 6; BGH, Beschl. v. 14.7.2016 – IX ZB 52/15, NZI 2016, 892 Rn. 8; BGH, Beschl. v. 12.9.2019 – IX ZB 76/18, ZInsO 2019, 2290 Rn. 9. 517) BGH, Beschl. v. 6.5.2004 – IX ZB 349/02, BGHZ 159, 122, 129; BGH, Beschl. v. 14.7.2016 – IX ZB 52/15, NZI 2016, 892 Rn. 8.

109

§ 6 Kritische Auseinandersetzung mit der tatbestandlichen Ausgestaltung der Verwirkung

aus, dass alleine die Ungeeignetheit für das Amt es – zumindest nach den Vorschriften der InsVV – nicht rechtfertige, dem Verwalter die Festsetzung der Vergütung zu versagen.518) Tatbestandlich sollen nach Auffassung des Senats vielmehr die Täuschung gegenüber dem Insolvenzgericht und das Erschleichen des Amts den wesentlichen Anknüpfungspunkt der Verwirkung bilden.519) Dies erscheint jedoch insofern nicht konsequent, als die Täuschung vom Bundesgerichtshof zugleich auch zur Begründung der charakterlichen Ungeeignetheit des Insolvenzverwalters herangezogen wird. Denn der Senat ist der Ansicht, dass der Insolvenzverwalter im entschiedenen Fall „fachlich und aufgrund der strafbaren Täuschung auch persönlich ungeeignet für das Amt“ war.520) Danach stellt also nicht die durch den Titelmissbrauch bedingte Täuschung gegenüber dem Insolvenzgericht an sich, sondern die daraus gefolgerte mangelnde persönliche und charakterliche Eignung des Verwalters das maßgebliche Kriterium für die Annahme der Verwirkung dar.521) Die Täuschung ist demnach nur Merkmal einer mangelnden charakterlichen Eignung.

224 Verstärkt wird dieser Befund auch durch spätere Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zur Verwirkung des Vergütungsanspruchs wegen des Vorwurfs einer unterlassenen Offenbarung von Pflichtwidrigkeiten des Verwalters in anderen Verfahren. Denn diesbezüglicher Ausgangspunkt der Argumentation ist die senatseigene Rechtsprechung, wonach strafbare Pflichtwidrigkeiten in anderen Verfahren die Entlassung des Insolvenzverwalters nach sich ziehen können,522) sodass Grundlage der Verwirkung im Ergebnis ebenfalls die Eignung des Verwalters zu sein scheint. Der IX. Senat begründet eine Entlassung des Verwalters nämlich in diesem Fall damit, dass eine in anderen Verfahren verübte Straftat die charakterliche Eignung des Insolvenzverwalters entfallen lasse, was seine Entlassung nach § 59 InsO rechtfertige.523) Vor diesem Hintergrund schließt der Bundesgerichtshof sodann darauf, dass von einem Insolvenzverwalter bei Bestellung zu fordern sei, dass dieser Pflichtwidrigkeiten in anderen Verfahren gegenüber dem Insolvenzgericht offenlegt, sofern diese ein solches Ausmaß haben, dass bei deren Bekanntwerden die Entlassung des Verwalters aus dem Amt die zwingende Folge wäre.524) Inhalt des Treuebruchs gegenüber dem Insolvenzgericht ist also im Ergebnis auch in diesem Fall nicht ein Fehlverhalten per se, sondern die charakterliche und persönliche Eignung des Verwalters. ___________ 518) 519) 520) 521)

BGH, Beschl. v. 6.5.2004 – IX ZB 349/02, BGHZ 159, 122, 129. BGH, Beschl. v. 6.5.2004 – IX ZB 349/02, BGHZ 159, 122, 130. BGH, Beschl. v. 6.5.2004 – IX ZB 349/02, BGHZ 159, 122, 130. So verstehen es zum Teil auch die Beschwerdegerichte, vgl. LG Magdeburg, Beschl. v. 10.1.2013 – 11 T 507/11, ZInsO 2013, 2578, 2581. 522) BGH, Beschl. v. 9.6.2011 – IX ZB 248/09, NZI 2011, 760 Rn. 6; BGH, Beschl. v. 14.7.2016 – IX ZB 52/15, NZI 2016, 892 Rn. 9. 523) BGH, Beschl. v. 17.3.2011 – IX ZB 192/10, NZI 2011, 282 Rn. 20. 524) BGH, Beschl. v. 14.7.2016 – IX ZB 52/15, NZI 2016, 892 Rn. 9; BGH, Beschl. v. 12.9.2019 – IX ZB 76/18, ZInsO 2019, 2290 Rn. 10.

110

A. Inhaltliches Verständnis der Treuepflichtverletzung

III. Kritik 1.

Tätigkeitsbezogener Treuebruch

In Anbetracht der die Tätigkeit des Insolvenzverwalters prägenden Charakteristika 225 kann schon das Verständnis der Rechtsprechung von einem Treuebruch nicht überzeugen, welches an ein enttäuschtes Vertrauen des Insolvenzgerichts oder an die fehlende charakterliche Eignung des Verwalters anknüpft. Kern der die Tätigkeit des Verwalters prägenden Treuepflicht ist nämlich ein fremdnütziges Tätigwerden im Interesse der Gläubiger sowie des Insolvenzschuldners, nicht aber im Interesse des Insolvenzgerichts. Diesem gegenüber besteht dementsprechend schon keine Treueprägung. Und selbst aus einem (potenziellen) Vertrauen des Gerichts in die ordnungsgemäße Erfüllung der dem Verwalter obliegenden Pflichten kann eine besondere Treuepflicht des Verwalters im Sinne des Rechtsgedankens des § 654 BGB nicht erwachsen. Die grundsätzliche Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Erfüllung der Leistungspflicht ist vielmehr der allgemeinen Leistungstreuepflicht des Schuldners nach Maßgabe des § 242 BGB zuzuordnen und kann dementsprechend auch keine in bestimmten Rechtsverhältnissen bestehende besondere Treuepflicht abbilden.525) Überzeugen kann die Rechtsprechung aber auch deshalb nicht, da sie inhaltlich auf 226 Gründe für eine Entlassung des Verwalters rekurriert. Die nachhaltige Beeinträchtigung des Vertrauensverhältnisses zwischen Gericht und Verwalter mag zwar einen wichtigen Grund im Sinne des § 59 InsO darstellen,526) kann aber nicht zugleich die Verwirkung des Vergütungsanspruchs begründen. Ausschlaggebend für die Verwirkung kann nämlich nur die Verletzung einer besonderen Treuepflicht sein, die aus einem Vertrauensverhältnis zwischen Gericht und Verwalter allerdings gerade nicht hergeleitet werden kann.527) Auch wenn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Vergütungsverwirkung die subjektive Vorwerfbarkeit und weniger die objektive Schwere der Pflichtverletzung im Vordergrund steht,528) erfordert die grundsätzliche Konzeption dieser Verwirkungsrechtsprechung dennoch die Verletzung einer besonderen Treuepflicht. Dagegen ist nicht bereits die – wenn auch durch die Pflichtverletzung begründete – Enttäuschung eines Vertrauens ausreichend. Enttäuschtes oder verletztes Vertrauen ist vielmehr nur ein allgemein typisches Merkmal für pflichtwidrige, insbesondere strafrechtlich relevante Verhaltensweisen,529) welches einen differenzierten Pflichtwidrigkeitsvorwurf nicht auszudrücken vermag. ___________ 525) Siehe ausführlich zur Leistungstreuepflicht Weller, Die Vertragstreue, S. 302 ff.; siehe zu einer besonderen Treuepflicht im Sinne des Rechtsgedankens des § 654 BGB oben Rn. 134 ff. 526) BGH, Beschl. v. 19.1.2012 – IX ZB 21/11, NJW-RR 2012, 952 Rn. 10; MüKoInsO/Graeber, InsO, § 59 Rn. 35. 527) Siehe dazu oben Rn. 182 ff. 528) BGH, Beschl. v. 6.5.2004 – IX ZB 349/02, BGHZ 159, 122, 131; BGH, Beschl. v. 22.11.2018 – IX ZB 14/18, NJW 2019, 935 Rn. 16, 26. 529) Haas, Die Untreue, S. 44.

111

§ 6 Kritische Auseinandersetzung mit der tatbestandlichen Ausgestaltung der Verwirkung

2.

Nicht tätigkeitsbezogener Treuebruch

227 Die Annahme der Verletzung einer besonderen Treuepflicht und eines damit begangenen Treuebruchs gegenüber dem Insolvenzgericht durch Täuschung über eine Qualifikation oder Unterlassen der Offenbarung von Pflichtverletzungen in anderen Verfahren kann schon deshalb nicht überzeugen, weil vor Bestellung zum Verwalter erst recht keine besondere Treuepflicht des Insolvenzverwalters gegenüber dem Insolvenzgericht bestehen kann.530) Insofern ermangelt es bereits einer Pflicht, welche der Verwalter in irgendeiner Form verletzen könnte.

228 Doch auch das Bestehen einer besonderen Treuepflicht vor Verfahrensbeginn unterstellt, zeigt sich mit Blick auf das inhaltliche Verständnis der Rechtsprechung von einem Treuebruch ohne konkreten Verfahrensbezug die Inkonsistenz der Verwirkungskonstruktion. Die tatbestandlichen Anforderungen der Verwirkungsrechtsprechung führen insoweit nämlich zu einem Gleichlauf von Entlassungs- und Verwirkungsvoraussetzungen, was nicht nur die grundlegende Vergütungsdogmatik konterkariert, sondern im Ergebnis auch eine Sanktionierung mangelnder charakterlicher und persönlicher Eignung bedeutet.

a) Charakterliche Eignung als Entlassungs- sowie Verwirkungsgrund 229 Den Maßstab der Vergütungsverwirkung an Gründen der Entlassung des Verwalters zu orientieren, kann in mehrfacher Hinsicht nicht überzeugen. Für die Entlassung nach § 59 Abs. 1 Satz 1 InsO bildet nämlich nicht wie im Rahmen der Verwirkungskonstruktion eine Treuepflichtverletzung des Insolvenzverwalters das maßgebliche Kriterium, sondern das Vorliegen eines wichtigen Grundes.531) Insofern ist bereits der Inhalt einer Treuepflichtverletzung ein anderer, als das Spektrum derjenigen Umstände, die unter einen wichtigen Grund im Sinne des § 59 Abs. 1 Satz 1 InsO subsumiert werden können. Pflichtverletzungen, die zur Verwirkung führen, müssen zudem in ihrer Schwere grundsätzlich auch über solche hinausgehen, die einen wichtigen Grund im Sinne des § 59 InsO darstellen können.532) Denn die Verwirkung ist aufgrund ihrer pönalen Konsequenz des Vergütungsentfalls tatbestandlich enger angelegt als eine bloße Entlassung, die den Vergütungsanspruch des Verwalters unberührt lässt.

230 Der Vorwurf eines Treuebruchs durch Verletzung einer der dem Verwalter obliegenden Treuepflicht scheint angesichts der Gewichtigkeit, die der IX. Zivilsenat der charakterlichen Eignung des Insolvenzverwalters zuschreibt, im Ergebnis nur eine begriffliche Hülle darzustellen, um die Übertragbarkeit des Verwirkungsgedankens aus § 654 BGB tatbestandlich rechtfertigen zu können. Verstärkt wird diese Einschät___________ 530) Siehe oben unter Rn. 204 ff. 531) Uhlenbruck/Vallender/Zipperer, InsO, § 59 Rn. 2; K/P/B/Lüke, InsO, § 59 Rn. 4 ff. 532) Selbiges Verständnis ebenfalls Rechel, Die Aufsicht des Insolvenzgerichts, S. 347.

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A. Inhaltliches Verständnis der Treuepflichtverletzung

zung unter Würdigung der instanzgerichtlichen Rechtsprechung im Zeitraum ab der ersten Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Vergütungsverwirkung des Insolvenzverwalters im Jahr 2004. Beispielweise sah das Amtsgericht Friedberg mit Verweis auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 9.6.2011533) einen wesentlichen Grund der Vergütungsverwirkung in der dem Verwalter aufgrund von Straftaten zugeschriebenen charakterlichen Ungeeignetheit.534) Nachdem das Landgericht Gießen als Beschwerdegericht die sofortige Beschwerde gegen die Entscheidung des Amtsgerichts abgewiesen hatte – auch weiterhin ohne den Begründungsansatz eines Treuebruchs –,535) bestätigte später der BGH im Jahr 2016 die vorangegangen Entscheidungen und stellte dabei als erstes der mit dem Verfahren beschäftigten Gerichte auf einen Treuebruch gegenüber dem Insolvenzgericht ab.536) Die an den Anforderungen für eine Verwirkung nach dem Gedanken des § 654 BGB orientierte Terminologie eines Treuebruchs erweckt daher hier eher den Anschein einer begrifflichen Hülle für einen Vorwurf, dessen Inhalt nicht die Verletzung einer besonderen Treuepflicht, sondern die mangelnde charakterliche Eignung des Verwalters ist. Dabei erscheint mit Blick auf die vom Amtsgericht Friedberg in Bezug genommene 231 Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 9.6.2011 zudem problematisch, wie die Rechtsprechung die charakterliche Ungeeignetheit des Verwalters mitunter begründet. In dieser Entscheidung bestätigte der IX. Zivilsenat nämlich die Ausführungen des zuvor mit der Beschwerde befassten Landgerichts Hannover; dieses hatte die zur Verwirkung führende Pflichtverletzung darin gesehen, dass unter Berücksichtigung der Untreuehandlungen in anderen Verfahren davon auszugehen gewesen sei, der Verwalter habe bei seiner Bestellung zum vorläufigen und darauf endgültigen Verwalter den Willen gehabt, auch auf die Masse des vorliegenden Verfahrens zuzugreifen, was zu einer konkreten Gefährdung der Masse geführt habe.537) Zwar kann unter Umständen bereits der Verdacht von Verfehlungen des Verwalters seine Entlassung nach § 59 InsO rechtfertigen; dies gilt jedoch nur dann, wenn es sich um einen dringenden Verdacht auf Verfehlungen schwerster Art, insbesondere um im Rahmen des Verfahrens zu Lasten der Masse begangene Straftaten, handelt.538) Grundlage des Beschlusses des Bundesgerichtshofs waren demgegenüber aber gerade nicht nachgewiesene Untreuestraftaten des Verwalters in anderen Verfahren, ein Titelmissbrauch oder ein dringender Verdacht auf Straftaten im konkreten Verfahren, sondern die lediglich abstrakte Vermutung, der Verwalter habe bei der Bestellung bereits den Willen gehabt, auch im konkreten Verfahren Straftaten zu Lasten der Masse zu be___________ 533) 534) 535) 536) 537) 538)

BGH, Beschl. v. 9.6.2011 – IX ZB 248/09, NZI 2011, 760. AG Friedberg, Beschl. v. 30.10.2014 – 61 IN 354/09, BeckRS 2016, 14100. LG Gießen, Beschl. v. 14.7.2015 – 7 T 113/15, BeckRS 2016, 14099. BGH, Beschl. v. 14.7.2016 – IX ZB 52/15, NZI 2016, 892 Rn. 8 f. BGH, Beschl. v. 9.6.2011 – IX ZB 248/09, NZI 2011, 760 Rn. 4 f. Braun/Blümle, InsO, § 59 Rn. 9; MüKoInsO/Graeber, InsO, § 59 Rn. 24; Ganter, ZInsO 2017, 2517, 2521.

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§ 6 Kritische Auseinandersetzung mit der tatbestandlichen Ausgestaltung der Verwirkung

gehen. Zwar müssen auch die durch Art. 14 GG geschützten Interessen der Gläubiger Berücksichtigung finden, was insbesondere die Entlassung schon allein aufgrund eines Verdachts rechtfertigen kann.539) Jedoch ist die Argumentation des Gerichts in diesem Fall, insbesondere unter Berücksichtigung der geltenden Unschuldsvermutung (Art. 2 Abs. 1, 20 Abs. 3 GG, Art. 6 Abs. 2 EMRK), nicht als unbedenklich anzusehen, da dem Verwalter ohne eine konkrete Verdachtslage im Ergebnis zumindest eine versuchte Untreue gemäß §§ 22, 266 StGB unterstellt wird. Richtigerweise hätte sich die Argumentation also auf die dem Verwalter in anderen Verfahren nachgewiesenen Straftaten sowie den strafbaren Titelmissbrauch beziehen müssen, um eine charakterliche Ungeeignetheit zu begründen. Dann aber hätte die bereits zuvor geäußerte Kritik weiterhin Geltung, dass die charakterliche Eignung tatbestandlich nicht für die Verwirkung des Vergütungsanspruchs maßgeblich sein kann.

b) Offenbarungspflicht vor Bestellung 232 Besonders problematisch erscheint der Vorwurf eines Treuebruchs durch die unterbliebene Offenbarung von Pflichtwidrigkeiten in anderen Verfahren.

233 Die Annahme einer auf Pflichtwidrigkeiten in anderen Verfahren bezogenen Offenbarungspflicht des Verwalteraspiranten steht bereits in erheblichem Widerspruch zu dem Umfang der nach dem Willen des Gesetzgebers bestehenden Informationspflichten im Vorfeld der Bestellung. Denn in den Gesetzgebungsmaterialien selbst ist ausdrücklich lediglich von der Pflicht des Bewerbers die Rede, Interessenkollisionen zu offenbaren.540) Andere Offenbarungs- oder Mitteilungspflichten sind demgegenüber nicht vorgesehen. Anerkannt ist dementsprechend, dass der Insolvenzverwalter bereits vor seiner Bestellung im Stadium der Bewerbung insoweit nur einer Offenbarungspflicht dergestalt unterliegt, das Insolvenzgericht unaufgefordert über potenziell einen Interessenkonflikt begründende Sachverhalte zu informieren.541) Nach dem gesetzgeberischen Willen wird insofern davon auszugehen sein, dass grundsätzlich dem Insolvenzgericht die Pflicht zur Ermittlung und Aufklärung bestellungserheblicher Umstände zukommt und die eigenständige Offenbarung einer Interessenkollision die Ausnahme bildet.

234 Hinsichtlich der Bedeutung der im Rahmen der Verwirkungskonstruktion statuierten viel weitergehenden Offenbarungspflicht gilt es auch zu berücksichtigen, dass der Verwalter gezwungen wäre, ein eigenes Fehlverhalten zu offenbaren und nicht lediglich den insoweit neutralen Umstand einer Interessenkollision, der für sich genommen keine Pflichtwidrigkeit des Verwalters begründet. Die unterschiedliche Trag___________ 539) K. Schmidt/Ries, InsO, § 59 Rn. 4. 540) BT-Drs. 17/5712, S. 68 zu Nr. 5. 541) BGH, Urt. v. 24.1.1991 – IX ZR 250/89, BGHZ 113, 262, 275; BGH, Beschl. v. 17.3.2016 – IX AR (VZ) 1/15, NZI 2016, 508 Rn. 26; Uhlenbruck/Zipperer, InsO, § 56 Rn. 25; MüKoInsO/ Graeber, InsO, § 59 Rn. 37, 53.

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A. Inhaltliches Verständnis der Treuepflichtverletzung

weite der zu offenbarenden Umstände wird vor allem daran deutlich, dass das Bestehen einer Interessenkollision nur die Bestellung zum Verwalter für das konkrete Verfahren verhindert, während die Offenbarung von schweren Pflichtwidrigkeiten mit strafrechtlicher Relevanz in anderen Verfahren dazu führen kann, dass der Verwalter aufgrund seines Fehlverhaltens als grundsätzlich ungeeignet angesehen und in der Konsequenz generell nicht mehr als Insolvenzverwalter bestellt werden wird.542) Demnach wird durch die Verwirkungsrechtsprechung eine Pflicht konstruiert, die sowohl in ihrem Umfang als auch ihren Folgen deutlich über die gesetzlich angelegte Informationspflicht hinausgeht. Insbesondere mit Blick auf die praktische Rechtsanwendung ergibt sich zudem die 235 nicht unwesentliche Problematik der Unbestimmtheit der Reichweite der Offenbarungspflicht. Anhaltspunkt für die Offenbarungspflichtigkeit von Verfehlungen in anderen Verfahren kann auf Grundlage der Rechtsprechung des IX. Senats nur sein, ob es sich – wie der BGH formuliert – um Pflichtwidrigkeiten in einem Ausmaß handelt, bei dem im Falle des Bekanntwerdens nach der Bestellung die sofortige Entlassung aus dem Amt des Verwalters nach § 59 InsO nicht nur gerechtfertigt, sondern die zwingende Folge wäre.543) Insofern ist die Offenbarungspflicht zwar zumindest durch den Verweis auf den Maßstab der Entlassung nach § 59 InsO konkretisiert. Ein derart definierter Maßstab mitteilungspflichtiger Umstände ist aber in verschiedener Hinsicht untauglich. Zum einen ist er bereits deshalb bedenklich, da so ein Gleichlauf der Gründe für Entlassung und Vergütungsverwirkung entstehen und damit der Maßstab verwirkungsrelevanten Verhaltens zusätzlich unklar werden kann. Bilden Pflichtwidrigkeiten, die zur Entlassung nach § 59 InsO führen können, nämlich den inhaltlichen Anknüpfungspunkt verwirkungsrelevanten Verhaltens, bedeutet dies im Ergebnis, dass die tatbestandlichen Anforderungen von Entlassung und Verwirkung erheblich angenähert werden. Mit Blick auf die Entlassung als Maßstab offenbarungspflichtigen Verhaltens stellt sich mithin auch unweigerlich die Frage, ob die im Vorfeld der Bestellung unterbliebene Offenbarung einer entlassungsrelevanten Pflichtverletzung zur Verwirkung der Vergütung führen kann, die Pflichtverletzung in dem konkreten Verfahren per se allerdings nur zur Entlassung, nicht aber zur Verwirkung. Denn die Gründe für eine Entlassung im konkreten Verfahren können im Grundsatz in ihrer Schwere hinter denjenigen für die Vergütungsverwirkung zu fordernden Verfehlungen zurückbleiben. Zum anderen erscheint auch die praktische Umsetzung einer solchen Offenbarungs- 236 pflicht nicht unproblematisch.544) Aufgrund des nur grob skizzierten Umfangs mitteilungspflichtiger Umstände wird der Insolvenzverwalter vor die Herausforderung ___________ 542) Siehe BGH, Beschl. v. 31.1.2008 – III ZR 161/07, ZIP 2008, 466; MüKoInsO/Graeber, InsO, § 56 Rn. 55. 543) Siehe BGH, Beschl. v. 12.9.2019 – IX ZB 76/18, ZInsO 2019, 2290 Rn. 10. 544) Siehe zur praktischen Rechtsanwendung des Verwirkungstatbestands noch unten Rn. 282 ff.

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§ 6 Kritische Auseinandersetzung mit der tatbestandlichen Ausgestaltung der Verwirkung

gestellt, eigene Verfehlungen selbst unter den insofern offenen Tatbestand zu subsumieren und zu prüfen, ob diese der Offenbarungspflicht unterliegen. Trotz des Verweises auf § 59 InsO als Maßstab der die Offenbarungspflicht auslösenden Schwere einer Pflichtverletzung kann eine solche Subsumption bisweilen erhebliche Schwierigkeiten begründen, da die Gründe für eine Entlassung vielfältig sein können und die Entlassung zudem stets von den Umständen des Einzelfalls abhängt und – mag sie auch in bestimmten Fällen die zwingende Folge eines Fehlverhaltens sein – zumindest grundsätzlich im Ermessen des Gerichts liegt. Auffällig ist insofern auch, dass dem Verwalter hingegen in den zur Aufnahme in die Vorauswahlliste regelmäßig von den Amtsgerichten verwendeten Fragebögen keine eigene Subsumptionsleistung abverlangt wird, da deren Fragen sich nur konkret auf Verurteilungen wegen einer Straftat545) oder die Kenntnis über bereits erhobene Anklagen oder anhängige Strafbefehlsanträge beziehen.546)

IV. Ergebnis 237 Zunächst ist zu unterscheiden zwischen einem Treuebruch, der an eine konkrete Verfehlung des Insolvenzverwalters im Rahmen eines Insolvenzverfahrens anknüpft, und einem Treuebruch, der an den Vorwurf eines pflichtwidrigen Verhaltens ohne konkreten Bezug zur Tätigkeit im Rahmen des Verfahrens anknüpft. Die nähere Untersuchung der Argumentation der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat gezeigt, dass das Merkmal des „Treuebruchs“ nur eine begriffliche Hülle darstellt, die nicht die Verletzung einer besonderen Treuepflicht im eigentlichen Sinn des Grundgedankens des § 654 BGB beschreibt, sondern maßgeblich den Vorwurf einer mangelnden charakterlichen Eignung des Verwalters zum Gegenstand hat. Durch die Rechtsprechung wird insofern der eigentliche Inhalt einer besonderen Treuepflicht, nämlich die in besonderem Maße bestehende – gegebenenfalls treuhänderische – Pflicht zur Wahrung fremder Interessen, inhaltlich erheblich verändert. Enttäuschtes Vertrauen ist nämlich nicht mit der Verletzung der besonderen Treuepflicht gleichzusetzen. Insofern mag enttäuschtes Vertrauen und die charakterliche Geeignetheit des Verwalters zwar für die Entlassung nach § 59 InsO ein Kriterium sein, insbesondere um eine qualitative Verfahrensführung durch einen ungeeigneten Verwalter nicht weiter zu gefährden. Dies gilt aber nicht für die Verwirkung. Darüber hinaus begründet die im Rahmen der Verwirkungskonstruktion angenommene Offenbarungspflicht in besonderem Maße eine Annährung von Entlassungs- und Verwir-

___________ 545) Bewerbung zur Aufnahme in die Vorauswahlliste – Fragebogen des Amtsgerichts München, ZInsO 2009, 421, 429. 546) Heidelberger Musterfragebogen für das Vorauswahlverfahren für Insolvenzverwalter, abrufbar unter https://amtsgericht-heidelberg.justiz-bw.de/pb/site/jum2/get/documents/jum1/JuM/import/ amtsgericht%20heidelberg/pdf/mu/Musterfragebogen%20fr%20Bewerber.pdf, zuletzt abgerufen am 9.8.2023.

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B. Begrenzung der Verwirkung – subjektive Seite der Treuepflichtverletzung

kungsgründen. Schließlich ist auch die Praktikabilität einer derartigen Verpflichtung zweifelhaft. Durch die argumentative Fokussierung auf die Eignung des Verwalters erscheint die 238 Verwirkungsrechtsprechung im Ergebnis inhaltlich vor allem eine Sanktionierung einer mangelnden charakterlichen und persönlichen Eignung des Verwalters darzustellen. Insofern mag sie rechtspolitisch wünschenswerten Zielen dienen, insbesondere die Bestellung eines für das Amt ungeeigneten Bewerbers zu verhindern. Mit dem Rechtsgedanken des § 654 BGB ist eine solche Konstruktion allerdings dogmatisch und methodisch nicht zu begründen.

B. Begrenzung der Verwirkung – subjektive Seite der Treuepflichtverletzung Stets betont der Bundesgerichtshof, dass im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeits- 239 grundsatz eine „enge Begrenzung“ der Fälle der Verwirkung des Vergütungsanspruchs nach § 654 BGB geboten sei.547) Die Notwendigkeit einer solchen Begrenzung ergebe sich daraus, dass der Insolvenzverwalter einen durch Art. 12 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich garantierten Anspruch auf seine Vergütung habe.548) Insofern seien die Anforderungen hinsichtlich der Frage, ob das Verhalten des Insolvenzverwalters tatsächlich treuwidrig ist, hoch anzusetzen.549) Tatbestandlich drückt sich die von der Rechtsprechung geforderte Begrenzung der Verwirkung darin aus, dass sie auf Fälle einer schweren, subjektiv in hohem Maße vorwerfbaren Verletzung der Treuepflicht zu beschränken ist.550) Die Merkmale der Schwere und einer erhöhten subjektiven Vorwerfbarkeit stellen eine besondere Gewichtung des subjektiven Tatbestands der Treuepflichtverletzung dar. Die grundsätzlich übergeordnete Bedeutung des subjektiven Tatbestands bei der Ver- 240 wirkung von Lohnansprüchen wurde bereits im Rahmen der maklerrechtlichen Judikatur des Bundesgerichtshofs entwickelt. Der die Verwirkung begründende subjektive Tatbestand besteht danach darin, dass der Makler seine Treuepflicht „vorsätzlich, wenn nicht gar arglistig, mindestens aber in einer dem Vorsatz nahe kommenden grob leichtfertigen Weise“ verletzt und im Ergebnis des Maklerlohns als unwürdig erscheint.551) Prüfstein ist insoweit die Formel der „Lohnunwürdigkeit“.552) Der objektiven Seite des Verstoßes, die sich zum einen aus der „Bedeutung der kon___________ 547) BGH, Beschl. v. 6.5.2004 – IX ZB 349/02, BGHZ 159, 122, 132; BGH, Beschl. v. 9.6.2011 – IX ZB 248/09, NZI 2011, 760 Rn. 6; BGH, Beschl. v. 12.9.2019 – IX ZB 76/18, ZInsO 2019, 2290 Rn. 10. 548) BGH, Beschl. v. 6.5.2004 – IX ZB 349/02, BGHZ 159, 122, 132. 549) BGH, Beschl. v. 22.11.2018 – IX ZB 14/18, NJW 2019, 935 Rn. 27. 550) BGH, Beschl. v. 22.11.2018 – IX ZB 14/18, NJW 2019, 935 Rn. 27. 551) BGH, Urt. v. 5.2.1962 – VII ZR 248/60, BGHZ 36, 323, 327. 552) Fischer, Maklerrecht Kap. IX Rn. 15.

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§ 6 Kritische Auseinandersetzung mit der tatbestandlichen Ausgestaltung der Verwirkung

kret verletzten Vertragspflicht“ und zum anderen aus „den Folgen des Verstoßes“ zusammensetze, wird von der Rechtsprechung demgegenüber im Hinblick auf das für die Lohnverwirkung nach § 654 BGB notwendige außergewöhnliche Gewicht der Pflichtverletzung im Verhältnis zur subjektiven Vorwerfbarkeit nur eine untergeordnete Bedeutung zugesprochen.553) Besonderes Gewicht hat nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Rahmen der Verwirkung nach § 654 BGB somit grundsätzlich die subjektive Vorwerfbarkeit der Pflichtverletzung.554)

241 An dieser Sichtweise orientiert sich auch der IX. Zivilsenat im Hinblick auf die Vergütungsverwirkung des Insolvenzverwalters. Danach verliert der Insolvenzverwalter den Anspruch auf Vergütung dann, „wenn er vorsätzlich oder grob leichtfertig die ihm obliegende Treuepflicht so schwerwiegend verletzt, dass er sich seines Lohnes als unwürdig erweist“.555) Bereits der Begriff der „groben Leichtfertigkeit“ bringt ein im Vergleich zur groben Fahrlässigkeit erhöhtes Maß der Missachtung von bestehenden Pflichten zum Ausdruck.556) Beschrieben wird durch die Terminologie eines arglistigen und vorsätzlichen oder leichtfertigen Verhaltens dabei eine bestimmte Schwere der Schuld, die insofern auch zur Abgrenzung von der Verwirkung nach § 654 BGB und Schadensersatzansprüchen nach § 280 BGB dient.557) Gesondert hebt der IX. Senat darüber hinaus hervor, dass die Vergütung des Insolvenzverwalters auf Grund des von Art. 12 GG vermittelten Schutzes nur bei einer schweren, subjektiv in hohem Maß vorwerfbaren Verletzung der Treuepflicht in Betracht komme.558) Die Maßstäbe sind also bei Verwirkung der Vergütung des Insolvenzverwalters aufgrund des von Art. 12 GG vermittelten Schutzes im Ergebnis besonders hoch anzusetzen.

I.

Inhaltliche Maßstäbe

242 Bei genauerer Auseinandersetzung mit den Entscheidungen des IX. Senats zur Verwirkung der Vergütung des Insolvenzverwalters zeigt sich jedoch – angesichts des an Art. 12 GG orientierten strengen Maßstabes überraschend –, dass zur Feststellung einer besonderen subjektiven Vorwerfbarkeit der Treuepflichtverletzung keine konkrete Überprüfung anhand der Anforderungen von Vorsatz oder Leichtfertigkeit ___________ 553) BGH, Urt. v. 5.3.1981 – IVa ZR 114/80, BeckRS 1981, 31070334; im Anschluss BGH, Urt. v. 24.6.1981 – IVa ZR 225/80, NJW 1981, 2297. 554) BGH, Urt. v. 19.5.2005 – III ZR 322/04, NJW-RR 2005, 1423, 1424; Fischer, Maklerrecht Kap. IX Rn. 13 f.; BeckOGK/Meier, 1.2.2022, BGB, § 654 Rn. 24. 555) BGH, Beschl. v. 22.11.2018 – IX ZB 14/18, NJW 2019, 935 Rn. 16 (m. w. N.); BGH, Beschl. v. 12.9.2019 – IX ZB 76/18, ZInsO 2019, 2290 Rn. 9. 556) Fischer, Maklerrecht Kap. IX Rn. 14; MüKoBGB/Althammer, BGB, § 654 Rn. 2; anders Budde, MDR 1986, 896, 897. 557) BeckOK BGB/Kneller, BGB, § 654 Rn. 7. 558) BGH, Beschl. v. 22.11.2018 – IX ZB 14/18, NJW 2019, 935 Rn. 16; BGH, Beschl. v. 12.9.2019 – IX ZB 76/18, ZInsO 2019, 2290 Rn. 9.

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B. Begrenzung der Verwirkung – subjektive Seite der Treuepflichtverletzung

durch die Rechtsprechung erfolgt, sondern vielmehr eine eher abstrakte richterliche Wertung des (etwaigen) Fehlverhaltens des Insolvenzverwalters vorgenommen wird. Mangels näherer gerichtlicher Feststellungen scheint dementsprechend auch nicht ein erhöhter Grad des Verschuldens ausschlaggebend zu sein. In welchem Fall von einer subjektiven Vorwerfbarkeit der Treuepflichtverletzung auszugehen ist, richtet sich vielmehr pauschal nach den bereits entschiedenen Sachverhaltskonstellation und scheint mit der Bewertung der objektiven Schwere der Tat ineinander überzugehen. Eine trennscharfe Unterscheidung zwischen unterschiedlichen Schweregraden der subjektiven Vorwerfbarkeit lässt sich den einschlägigen Entscheidungen nicht entnehmen. Im Falle des „Erschleichens des Amtes“ durch eine Täuschung über die eigene Qua- 243 lifikation sieht der IX. Zivilsenat die subjektive Vorwerfbarkeit der Treuepflichtverletzung in dem Umstand, dass der Verwalter grob rücksichtslos gehandelt habe, da er sich im Interesse eigener wirtschaftlicher Vorteile über die Interessen und Belange der anderen Verfahrensbeteiligten hinweggesetzt habe.559) Bei einem pflichtwidrigen Verhalten des Insolvenzverwalters bei Ausführung seiner Tätigkeit, führt die Rechtsprechung aus, dass eine schwere, subjektiv in hohem Maß vorwerfbare Verletzung der Treuepflicht insbesondere in dem Fall vorliege, wenn der Verwalter besonders schwerwiegende Pflichtverletzungen in Form von Straftaten zum Nachteil der Masse begangen habe.560) Angesichts der Bezugnahme auf die Qualität der Pflichtverletzung als Straftat ließe 244 sich nun grundsätzlich annehmen, die persönliche Vorwerfbarkeit der Pflichtverletzung sei von Relevanz, da bei Prüfung der Strafbarkeit zumindest Vorsatz und Schuld zu überprüfen sind, sodass eine Strafbarkeit die subjektive Vorwerfbarkeit der Pflichtverletzung bereits indizieren würde. Allerdings scheint auch bei Feststellung einer Straftat des Verwalters nicht eine durch sie indizierte besondere persönliche Vorwerfbarkeit, sondern eher eine objektivierte Bewertung des Verhaltens des Verwalters im Vordergrund zu stehen. Mit Blick auf die vorsätzliche und im Ergebnis strafbare Veruntreuung von Mitteln aus der Insolvenzmasse konstatiert der Bundesgerichtshof nämlich, dass der Verwalter durch diese Tat in „besonders schwerem Maß verwerflich“ gehandelt habe.561) Daran orientiert wäre subjektiv vorwerfbar also eine solche Verletzung der Treuepflicht, die als in besonders schwerem Maß verwerflich zu bewerten ist. Resultiert der Vorwurf einer Treuepflichtverletzung in der unterbliebenen Offenba- 245 rung von Pflichtverletzungen in anderen Verfahren, ist nach der Rechtsprechung ___________ 559) BGH, Beschl. v. 6.5.2004 – IX ZB 349/02, BGHZ 159, 122, 133, ausdrücklich im folgenden Satz „Diese subjektive Vorwerfbarkeit…“. 560) BGH, Beschl. v. 14.7.2016 – IX ZB 52/15, NZI 2016, 892 Rn. 6; BGH, Beschl. v. 22.11.2018 – IX ZB 14/18, NJW 2019, 935 Rn. 20. 561) BGH, Beschl. v. 22.11.2018 – IX ZB 14/18, NJW 2019, 935 Rn. 21.

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§ 6 Kritische Auseinandersetzung mit der tatbestandlichen Ausgestaltung der Verwirkung

vorauszusetzen, dass die unterlassene Offenbarung als solche schwer und subjektiv vorwerfbar ist.562) In Betracht komme dies dann, wenn die verschwiegene Pflichtwidrigkeit ihrerseits ein Ausmaß annehme, dass bei ihrem Bekanntwerden nach Bestellung des Verwalters seine sofortige Entlassung nach § 59 InsO die zwingende Folge wäre.563) Im Ergebnis ist in diesem Fall also die Bewertung der Schwere der Pflichtverletzung des Verwalters in anderen Verfahren nach dem Maßstab des § 59 InsO maßgeblich dafür, ob die unterlassene Offenbarung subjektiv in besonderem Maße vorwerfbar ist.

246 Im Ganzen zeigt sich also, dass der IX. Zivilsenat einzelfallbezogene und daher unterschiedliche Maßstäbe zur Bestimmung der subjektiven Vorwerfbarkeit heranzieht. Gemeinsam ist den jeweiligen Fallgruppen, dass keine Überprüfung der persönlichen Vorwerfbarkeit in dem Sinne erfolgt, dass ein vorsätzliches oder grob leichtfertiges Handeln des Verwalters konkret erörtert wird.

II. Kritik 1.

Unzureichende Bestimmtheit des Tatbestandsmerkmals der subjektiven Vorwerfbarkeit

247 Nicht zu überzeugen vermögen die von der Rechtsprechung entwickelten Anforderungen einer schweren, subjektiv in hohem Maße vorwerfbaren Verletzung der Treuepflicht insbesondere vor dem Hintergrund, dass die einzelnen tatbestandlichen Elemente aufgrund ihrer Unbestimmtheit nicht geeignet sind, die für eine Anspruchsverwirkung notwendige Treuwidrigkeit des Verhaltens des Insolvenzverwalters jenseits von bereits entschiedenen Fallkonstellation zu bestimmen. Zwar mag sich aus der Rechtsprechung inzwischen entnehmen lassen, dass bei feststehenden Straftaten des Verwalters zu Lasten der Masse oder bei strafbarem Erschleichen des Verwalteramts durch Missbrauch eines Titels das Verhalten verwirkungsrelevant als treuwidrig zu bewerten ist.564) Zumindest insoweit wurden die tatbestandlichen Anforderungen fallgruppenartig konkretisiert. Problematisch erscheint aber, wie Pflichtverletzungen des Verwalters einzuordnen sind, die zwar zivilrechtliche aber keine strafrechtlichen Konsequenzen nach sich ziehen. Denn zwingende Voraussetzung zur Annahme eines treuwidrigen Verhaltens scheint die Strafbarkeit des Fehlverhaltens nicht zu sein, wenn der Bundesgerichtshof formuliert, dass eine schwere, subjektiv in hohem Maße vorwerfbare Verletzung der Treuepflicht insbesondere bei Straftaten zum Nachteil der Masse vorliege.565) Ein grob rücksichtsloses oder verwerfliches Handeln muss zudem nicht zwangsläufig auch eine Strafbarkeit begründen, ___________ 562) 563) 564) 565)

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BGH, Beschl. v. 12.9.2019 – IX ZB 76/18, ZInsO 2019, 2290 Rn. 10. BGH, Beschl. v. 12.9.2019 – IX ZB 76/18, ZInsO 2019, 2290 Rn. 10. Siehe BGH, Beschl. v. 14.7.2016 – IX ZB 52/15, NZI 2016, 892 Rn. 6. BGH, Beschl. v. 22.11.2018 – IX ZB 14/18, NJW 2019, 935 Rn. 16; BGH, Beschl. v. 12.9.2019 – IX ZB 76/18, ZInsO 2019, 2290 Rn. 9.

B. Begrenzung der Verwirkung – subjektive Seite der Treuepflichtverletzung

sodass sich auch andersartige Sachverhaltskonstellationen unter diese Merkmale subsumieren ließen. Gerade vor dem Hintergrund der besonderen Bedeutung, die der subjektiven Seite der Treuepflichtverletzung von der Rechtsprechung zugesprochen wird, erscheint es jedoch dringend notwendig, klare Anforderungen und eine eindeutige Konzeption zur Überprüfung der subjektiven Vorwerfbarkeit der Treuepflichtverletzung festzulegen. Verfehlt erschiene es in dieser Hinsicht auch, auf eine nähere Prüfung der subjektiven Vorwerfbarkeit zu verzichten und diese schon allein aufgrund des objektiven Verstoßes als gegeben zu erachten. Daher kann auch der Ansatz nicht überzeugen, die Schwere und subjektive Vorwerf- 248 barkeit einer durch die unterbliebene Offenbarung von Pflichtwidrigkeiten begründete Treuepflichtverletzung danach zu bemessen, ob die nicht mitgeteilte Pflichtwidrigkeit bei Bekanntwerden ihrerseits die sofortige Entlassung nach § 59 InsO zwingend nach sich ziehen würde. Für die Bestimmung der subjektiven Vorwerfbarkeit der Treuepflichtverletzung würde dies nämlich bedeuten, dass im Ergebnis objektive Umstände ausschlaggebend sind. Denn ob pflichtwidrige Verhaltensweisen in anderen Verfahren einen wichtigen Grund zur Entlassung des Verwalters darstellen, richtet sich nach objektiven Maßstäben.566) Ein solcher Ansatz widerspricht demnach eindeutig der von der Rechtsprechung stets betonten Maßgabe, wonach die Möglichkeit der Vergütungsverwirkung im konkreten Fall jeweils in erster Linie nach dem subjektiven Tatbestand der Treuepflichtverletzung zu bestimmen ist. Das verlangt aber grundsätzlich, die subjektive Vorwerfbarkeit und Schwere der unterbliebenen Offenbarung per se einzelfallabhängig zu überprüfen und festzustellen. Insoweit trägt auch der Verweis auf § 59 InsO nicht zu einer Konkretisierung des 249 Maßstabs zur Überprüfung der subjektiven Vorwerfbarkeit bei, da der Entlassungstatbestand mit der einer weiten Auslegung zugänglichen Voraussetzung eines „wichtigen Grundes“ ebenfalls keine konkreten Anforderungen beinhaltet. Zentral ist in dieser Hinsicht auch der bereits kritisch erörterte Gleichlauf der Voraussetzungen von Vergütungsverwirkung einerseits und Entlassung des Verwalters andererseits. Während dies mit Blick auf die inhaltliche Ausgestaltung einer Treuepflichtverletzung gegebenenfalls noch hinnehmbar wäre, ist bezogen auf das Tatbestandsmerkmal der subjektiven Vorwerfbarkeit, mithin der Lohnunwürdigkeit, der Gleichlauf der Voraussetzungen strikt abzulehnen, da die besonders hohen Anforderungen an dieses Tatbestandsmerkmal wesentlich für die Abgrenzung der Vergütungsverwirkung als Ausnahmefall sind. Wenn aber eine Pflichtwidrigkeit, die bereits die Entlassung begründen kann, auch maßgeblich ist für die subjektive Vorwerfbarkeit der Pflichtverletzung und somit im Ergebnis für die Vergütungsverwirkung, wäre eine Abgrenzung nur noch schwer möglich. Der von der Rechtsprechung selbst immer wieder betonte Ausnahmecharakter der Vergütungsverwirkung würde konturlos und ___________ 566) MüKoInsO/Graeber, InsO, § 59 Rn. 36, nach dem der Maßstab „die objektive Sicht eines unvoreingenommenen Dritten“ ist.

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§ 6 Kritische Auseinandersetzung mit der tatbestandlichen Ausgestaltung der Verwirkung

damit praktisch bedeutungslos. Freilich wird es zwar Fälle geben, im Rahmen derer das pflichtwidrige Verhalten des Verwalters sowohl eine Entlassung als auch die Verwirkung der Vergütung rechtfertigen wird, beispielsweise bei einer Straftat des Verwalters. Dies muss aber nicht zwangsläufig so sein. Durch den unmittelbaren Verweis auf die Entlassungsregelung des § 59 InsO als Maßstab wird insoweit die Gefahr begründet, dass die Bewertung des Verhaltens als verwirkungsrelevant pauschal und ohne weitere Prüfung der subjektiven Vorwerfbarkeit von dem Vorliegen eines (zwingenden) Entlassungsgrundes bestimmt wird.

2.

Lohnunwürdigkeit

250 Zwar geht aus den Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zur Vergütungsverwirkung des Insolvenzverwalters nicht hervor, dass gesondert geprüft wird, ob sich der Verwalter im konkreten Fall seiner Vergütung als „unwürdig“ erwiesen hat. Grundsätzlich aber bildet dieses Kriterium eine wesentliche tatbestandliche Anknüpfung der Verwirkungsjudikatur; inwiefern es dabei allerdings als Prüfungsmaßstab der Vergütungsverwirkung dienen kann, ist zweifelhaft.

251 Die schon im Hinblick auf die von der Rechtsprechung vollzogenen Wertungen eines „grob rücksichtslosen“ oder „verwerflichen“ Verhaltens dargestellten Bedenken gelten auch mit Blick auf das Merkmal der „Lohnunwürdigkeit“, da hiermit ebenfalls ein Werturteil über das Verhalten des Insolvenzverwalters verbunden ist.

252 Zunächst stellt sich insofern die Frage, inwiefern ein solches Werturteil überhaupt ein Vergütungskriterium darstellen kann.567) Die Vorstellung, die Vergütung stelle als Honorar eine Ehrengabe für die Treue im Rahmen einer Tätigkeit dar, mag das römische Recht geprägt haben. Im Hinblick auf die Vergütung des Insolvenzverwalters erscheinen solche Überlegungen allerdings inadäquat.568) Der Verwalter erhält eine Vergütung nicht zu Ehren seiner treuen Dienste, sondern als wirtschaftlichen Ausgleich für seine Tätigkeit als Verwalter. Die Vergütung bildet mithin das Einkommen aus der beruflichen Tätigkeit als Insolvenzverwalter ab und entlohnt dabei auch das von ihm mit der Amtsführung übernommene Haftungsrisiko.569) Demnach stellt die Vergütung keine Ehrengabe für seine Treue dar, sondern hat eine unmittelbar einkommenssichernde Funktion.570) Die Gewährung der Vergütung an ein die Bedeutung der Vergütung nicht widerspiegelndes Werturteil von Treue und Würdigkeit zu knüpfen, ist daher nicht überzeugend. ___________ 567) HammKommInsO/Büttner, InsO, § 63 Rn. 52. 568) Mit Verweis auf die im römischen Recht geltenden Grundsätze aber Deppenkemper, jM 2019, 184, 186. 569) Haarmeyer, FS Kirchhof, S. 165, 168 f. 570) Diese Funktion wird der Vergütung des Insolvenzverwalters von Haarmeyer nicht zuletzt aufgrund des grundrechtlichen Schutzes durch Art. 12 GG beigemessen, siehe Haarmeyer, FS Kirchhof, S. 165, 168 ff., 189.

122

B. Begrenzung der Verwirkung – subjektive Seite der Treuepflichtverletzung

Ohnehin kann bezweifelt werden, welche konkreten Erkenntnisse hinsichtlich der 253 Möglichkeit der Verwirkung im jeweiligen Einzelfall nach Maßgabe der Formel der Lohnunwürdigkeit gewonnen werden können. Auch in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird die Lohnwürdigkeit zwar immer wieder pauschal als Kriterium der Verwirkung nach § 654 BGB bemüht, allerdings ohne eine weitergehende Erörterung im Hinblick auf den konkreten Fall.571) Dabei wird die Lohnunwürdigkeit tatsächlich auch nicht gesondert zu verstehen sein, sondern nur als Konsequenz der subjektiven Vorwerfbarkeit der Treuepflichtverletzung. So formuliert der III. Zivilsenat hinsichtlich der Voraussetzung, dass sich der Makler seines Lohnes als „unwürdig“ erwiesen haben muss, dies sei „erst dann der Fall, wenn er seine Treuepflicht vorsätzlich, wenn nicht gar arglistig, mindestens aber in einer dem Vorsatz nahekommenden grob leichtfertigen Weise verletzt hat“.572) Insofern kommt dem Kriterium offenbar keine eigenständige Bedeutung zu. Zu einer Konkretisierung derjenigen Konstellationen, die eine Verwirkung des Vergütungsanspruchs im jeweiligen Einzelfall angezeigt erscheinen lassen, kann der abstrakter Begriff der „Lohnwürdigkeit“ daher nicht beitragen.573) Verwunderlich ist deshalb auch, wenn das Merkmal der Lohnunwürdigkeit als „ver- 254 hältnismäßig sicheres Kriterium“ für das Vorliegen einer Treuepflichtverletzung beschrieben wird.574) Vielmehr erscheint der von der jeweiligen Wertung abhängige Begriff der Würdigkeit anfällig für ein einzelfall- und ergebnisorientiertes Verständnis einer verwirkungsrelevanten Treuepflichtverletzung, der die Konturen des Verwirkungstatbestands weiter verschwimmen lässt.

III. Ergebnis Die Begrenzung der Verwirkung auf Fälle einer schweren, subjektiv in hohem Maße 255 vorwerfbaren Verletzung der Treuepflicht erfolgt im Rahmen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Ergebnis durch eine an einem allgemeinen Billigkeitsund Gerechtigkeitsempfinden orientierte Wertung des Fehlverhaltens des Insolvenzverwalters. Die tatbestandliche Ausgestaltung ist bereits deshalb kritisch zu sehen, da die zur Wertung herangezogenen unbestimmten Rechtsbegriffe wie „verwerflich“ oder „grob rücksichtslos“ nicht geeignet sind, einen konkreten Maßstab für die Begrenzung der Vergütungsverwirkung zu bestimmen. Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund, dass rechtlich überprüfbare Anforderungen eines vorsätzlichen oder ___________ 571) Siehe beispielsweise in einer maklerrechtlichen Entscheidung BGH, Urt. v. 18.10.2012 – III ZR 106/11, NJW 2012, 3718 Rn. 16; zum Insolvenzverwalter zuletzt BGH, Beschl. v. 12.9.2019 – IX ZB 76/18, ZInsO 2019, 2290 Rn. 9. 572) BGH, Urt. v. 18.10.2012 – III ZR 106/11, NJW 2012, 3718 Rn. 16. 573) Siehe insofern auch Reichel, Die Mäklerprovision, S. 229 ff., der die Lohnunwürdigkeit vielmehr als Oberbegriff der Fallgruppen der Verwirkung der Maklerprovision zu verstehen scheint. 574) So Rietschel, BGH LM § 654 BGB Nr. 1.

123

§ 6 Kritische Auseinandersetzung mit der tatbestandlichen Ausgestaltung der Verwirkung

grob leichtfertigen Handels nicht näher thematisiert werden. Einziger Orientierungspunkt sind die bisher entschiedenen Fallgruppen.

256 Besonders kritisch ist die Überprüfung der subjektiven Vorwerfbarkeit der Treuepflichtverletzung im Falle der unterbliebenen Offenbarung von Pflichtwidrigkeiten in anderen Verfahren zu sehen. Denn durch die Verweisung der Rechtsprechung auf § 59 InsO hebt sich ein zur Verwirkung führendes Fehlverhalten nicht von einem Entlassungsgrund ab, sodass der Ausnahmecharakter der Verwirkung aufgeweicht wird, da die Voraussetzungen von Entlassung und Vergütungsverwirkung eine Annährung erfahren, wenn nicht sogar auf eine Ebene gestellt werden. Überdies widerspricht die objektive Prüfung des Vorliegens eines zwingenden Entlassungsgrundes, der den Maßstab für Schwere und subjektive Vorwerfbarkeit bilden soll, dem Grundsatz der richterrechtlich entwickelten Verwirkungskonstruktion, wonach das subjektive Element des Treuebruchs für die Frage der Lohnunwürdigkeit und somit im Ergebnis für die Verwirkung das wesentliche Kriterium bilden soll.

C. Prüfung der Verwirkung bei Vergütungsfestsetzung durch das Insolvenzgericht 257 Abgesehen von den insoweit an der Verwirkungsrechtsprechung per se bestehenden Bedenken werden bei Untersuchung der Anwendung des Verwirkungstatbestands im Rahmen des Festsetzungsverfahrens weitere dogmatische wie auch praktische Unzulänglichkeiten der Verwirkungskonstruktion deutlich. Problematisch erscheint zum einen bereits die Prüfungskompetenz des Insolvenzgerichts sowohl in kompetenzieller als auch in fachlicher Hinsicht. Zum anderen geben auch die bei der praktischen Rechtsanwendung bestehenden Unsicherheiten Anlass zur Kritik.

I.

Grundsätzliches zur Festsetzung der Vergütung des Insolvenzverwalters

258 Zunächst gilt es, sich die Systematik und den Ablauf des Vergütungsfestsetzungsverfahrens näher vor Augen zu führen, um die in dieser Hinsicht von der Verwirkungskonstruktion hervorgerufen Problematiken nachvollziehen zu können.

259 Der Vergütungsanspruch des Insolvenzverwalters nach § 63 Abs. 1 S. 1 InsO bedarf zwar weder zur Entstehung noch seiner Fälligkeit der Festsetzung durch das Insolvenzgericht. Durch das in § 64 InsO und § 8 InsVV geregelte Festsetzungsverfahren wird der Vergütungsanspruch des Verwalters aber in seiner Höhe konkretisiert und der Verwalter zur Entnahme der Vergütung und seiner Auslagen berechtigt.575) Im Ergebnis ist das Festsetzungsverfahren somit wesentlich für die später an den Verwalter ausgezahlte Vergütung.

___________ 575) Uhlenbruck/Mock, InsO, § 63 Rn. 54; K. Schmidt/Vuia, InsO, § 63 Rn. 7.

124

C. Prüfung der Verwirkung bei Vergütungsfestsetzung durch das Insolvenzgericht

Die Festsetzung der Vergütung erfolgt gemäß § 8 InsVV auf einen entsprechenden 260 schriftlichen Antrag, in dem der Verwalter detaillierte Angaben zur Berechnungsgrundlage zu machen sowie Zuschläge besonders zu begründen hat.576) Dabei muss der Verwalter auch einen konkreten Betrag nennen, den er im Ergebnis als seine angemessene Vergütung ansieht.577) An diesen Betrag ist das Insolvenzgericht sodann bei der Festsetzung insoweit gebunden, dass es keinen höheren Betrag festsetzen darf.578) Der Antrag des Verwalters sollte sowohl im Hinblick auf die beanspruchten Beträge als auch die tatsächlichen Grundlagen möglichst klar formuliert sein, damit die Vergütung im besten Fall antragsgemäß festgesetzt werden kann, ohne dass das Insolvenzgericht eigene Berechnungen durchführen oder weitere Überlegungen anstellen muss.579) Das Gericht hat die Vergütung des Insolvenzverwalters nämlich auch mit der gebotenen Beschleunigung festzusetzen, worunter zumindest in der Theorie ein Zeitraum von längstens sechs Wochen verstanden wird.580) Personell zuständig für die Festsetzung der Vergütung des Insolvenzverwalters kann 261 grundsätzlich entweder ein Richter oder ein Rechtspfleger sein. Für das insolvenzrechtliche Festsetzungsverfahren richtet sich die konkrete personelle Zuständigkeit dabei nach den für das Gesamtverfahren geltenden Vorschriften.581) Zu unterscheiden ist insofern, ob das Insolvenzverfahren eröffnet wurde oder nicht. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens liegt die Zuständigkeit grundsätzlich beim Rechtspfleger am Insolvenzgericht, da diesem gemäß § 3 Nr. 2 lit. e RPflG in Verfahren nach der Insolvenzordnung die sonst vom Amtsrichter wahrzunehmenden Geschäfte übertragen sind, soweit § 18 Abs. 1 RPflG keine abweichenden Regelungen trifft.582) Anerkannt ist inzwischen auch, dass grundsätzlich für die Zuständigkeit des Rechtspflegers alleine die Verfahrenseröffnung entscheidend ist, sodass er auch für die Festsetzung der Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters zuständig ist, wenn das Verfahren eröffnet worden ist, obwohl grundsätzlich gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 RPflG für das Eröffnungsverfahren der Richter zuständig ist, dem die Tätigkeit des vorläu-

___________ 576) K. Schmidt/Vuia, InsO, § 64 Rn. 10; MüKoInsO/Riedel, InsO, § 64 Rn. 6; siehe ein Muster des Antrags auf Festsetzung der Vergütung des Insolvenzverwalters bei Frege/Keller/Riedel, Handbuch Insolvenzrecht, Teil 9 Rn. 65. 577) Haarmeyer/Mock, InsVV, § 8 Rn. 13; Uhlenbruck/Mock, InsO, § 64 Rn. 5. 578) BGH, Beschl. v. 28.9.2006 – IX ZB 108/05, ZIP 2006, 2186 Rn. 13; MüKoInsO/Riedel, InsO, § 64 Rn. 6; Uhlenbruck/Mock, InsO, § 64 Rn. 12. 579) Zimmer, InsVV, § 8 Rn. 16. 580) BGH, Beschl. v. 14.7.2016 – IX ZB 23/14, ZIP 2016, 1599 Rn. 12; Haarmeyer/Mock, InsVV, § 8 Rn. 32; Zimmer, InsVV, § 8 Rn. 117; Uhlenbruck/Mock, InsO, § 64 Rn. 14; in der Praxis wird ein Zeitraum von sechs Wochen jedoch in der Regel nicht eingehalten, teils wird sogar auf eine Jahre dauernde Verzögerung der Festsetzung hingewiesen, siehe Zimmer, InsVV, § 8 Rn. 117. 581) MüKoInsO/Riedel, InsO, § 64 Rn. 5; Uhlenbruck/Mock, InsO, § 64 Rn. 10. 582) Zimmer, InsVV, § 8 Rn. 72; K/P/B/Stoffler, InsO, § 64 Rn. 9.

125

§ 6 Kritische Auseinandersetzung mit der tatbestandlichen Ausgestaltung der Verwirkung

figen Verwalters thematisch zuzuordnen ist.583) Vor dem Hintergrund dieser zeitlichen Abgrenzung liegt die funktionale Festsetzungszuständigkeit dementsprechend nur dann beim Richter, wenn es zu keiner Verfahrenseröffnung kommt584) oder sich der Richter gemäß § 18 Abs. 2 RPflG das Insolvenzverfahren ganz oder teilweise vorbehalten hat oder es nach Übertragung an den Rechtspfleger wieder an sich zieht.585) Losgelöst von der zeitlichen Abgrenzung liegt die funktionale Zuständigkeit zur Festsetzung der Vergütung überdies auch dann beim Richter am Insolvenzgericht, wenn es sich um ein Planverfahren nach den §§ 217 ff. InsO handelt, da dieses gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 2 RPflG dem Richter vorbehalten ist.586)

262 An Hand des gesetzlich vorgesehenen formalisierten Verfahrensablaufs wird also bereits deutlich, dass der Gesetzgeber wie auch bei anderen Verfahren zur Vergütungsfestsetzung von einem einfach und schnell handhabbaren Prüfungsablauf ausgegangen ist, in dem auf der Grundlage explizit geregelter Gebührentatbestände der Vergütungsanspruch ohne die Notwendigkeit einer vertiefenden rechtlichen Prüfung festgestellt werden kann. Nach der gesetzlichen Konzeption ist insbesondere nicht die Erörterung von Rechtsproblemen vorgesehen, die ihren Ursprung jenseits der maßgeblichen Gebührentatbestände haben. Diese Begrenzung des Prüfungsmaßstabs spiegelt sich auch in dem Umstand wider, dass das Festsetzungsverfahren – von Ausnahmen abgesehen – grundsätzlich nicht dem Richter, sondern dem Rechtspfleger übertragen ist.

II. Zuständigkeit des Insolvenzgerichts – Prüfungskompetenz hinsichtlich der Verwirkung 263 Vor dem Hintergrund dieser Konzeption einer an explizit geregelte Gebührentatbestände anknüpfenden Vergütungsfestsetzung stellt sich aus dogmatischer Perspektive zunächst die Frage, ob das Insolvenzgericht überhaupt dazu berufen sein kann, im Rahmen des Festsetzungsverfahrens eine mögliche Verwirkung des Vergütungsanspruchs zu prüfen. Schließlich ist der aus dem allgemeinen Rechtsgedanken des § 654 BGB entspringende Verwirkungstatbestand dem materiellen Zivilrecht zuzuordnen und unterscheidet sich überdies auch erheblich von den im Übrigen zu prüfenden vergütungsrechtlichen Tatbeständen. Die Fragestellung ist dabei nicht zuletzt auch deshalb von besonderer Bedeutung, da erhebliche Kompetenzüberschreitungen durchaus einen Verstoß gegen das Recht auf den gesetzlichen Richter nach

___________ 583) BGH, Beschl. v. 22.9.2010 – IX ZB 195/09, NZI 2010, 977 Rn. 24; K/P/B/Stoffler, InsO, § 64 Rn. 9; Zimmer, InsVV, § 8 Rn. 72; Haarmeyer/Mock, InsVV, § 8 Rn. 29 f. 584) Haarmeyer/Mock, InsVV, § 8 Rn. 31; Zimmer, InsVV, § 8 Rn. 75. 585) Zimmer, InsVV, § 8 Rn. 73; K. Schmidt/Vuia, InsO, § 64 Rn. 9. 586) Zimmer, InsVV, § 8 Rn. 74; K/P/B/Stoffler, InsO, § 64 Rn. 10; HK-InsO/Keller, InsO, § 64 Rn. 9.

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C. Prüfung der Verwirkung bei Vergütungsfestsetzung durch das Insolvenzgericht

Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG begründen können und die Problematik dementsprechend sogar eine verfassungsrechtliche Dimension erreicht.

1.

Prüfungskompetenz des Insolvenzgerichts bei der Festsetzung der Vergütung im Allgemeinen – Berücksichtigung des materiellen Rechts

Rechtlicher Ausgangspunkt der Problematik ist, ob das Insolvenzgericht im Rahmen 264 des Festsetzungsverfahrens Regelungen des materiellen Rechts berücksichtigen und prüfen darf. Im Grundsatz ergibt sich der Umfang der Prüfung des Insolvenzgerichts aus der Prü- 265 fungspflicht hinsichtlich der für die Festsetzung relevanten Tatsachen und Umstände.587) Das Gericht hat zu überprüfen, ob die Anforderungen an einen ordnungsgemäßen Vergütungsantrag erfüllt sind und der materiell-rechtliche Anspruch in geltend gemachter Höhe besteht.588) Dies bedeutet konkret eine Überprüfung der Berechnungsgrundlage, der Bemessung von Zu- und Abschlägen sowie der Belastung der Masse mit Verbindlichkeiten aus Dienst- oder Werkverträgen nach den §§ 4 Abs. 1 Satz 3, 5 InsO.589) Das Insolvenzgericht ist demnach in erster Linie damit befasst, unter Anwendung der vergütungsrechtlichen Tatbestände der InsVV die konkrete Höhe der Vergütung festzulegen. Dass das Insolvenzgericht dabei auch anderweitige gesetzliche Regelungen oder richterrechtlich entwickelte materielle Rechtsfortbildungen außerhalb der vergütungsrechtlichen Tatbestände der InsVV berücksichtigen darf, ergibt sich weder aus den Regelungen der InsVV noch der InsO. Gegen eine weitergehende Prüfungskompetenz spricht in systematischer Hinsicht weiterhin, dass das Insolvenzgericht im Vergütungsfestsetzungsverfahren nach ganz allgemeiner Auffassung auch nicht über das Bestehen von materiell-rechtlichen Ansprüchen gegen den Insolvenzverwalter zu entscheiden hat, die eine Aufrechnungslage oder ein Zurückbehaltungsrecht begründen könnten.590) Gleiches gilt auch für anderweitige grundsätzliche materiell-rechtliche Fragen des Insolvenzverfahrens wie beispielsweise das Bestehen von Aus- und Absonderungsrechten, Masseforderungen oder Anfechtungsmöglichkeiten.591) Grund für die Beschränkung der Prüfungskompetenz ist – auch im Sinne einer beschleunigten Festsetzung – die Entlastung des Insolvenzgerichts von der Prüfung materiell-rechtlicher Fragestellungen bei Fest-

___________ 587) Haarmeyer/Mock, InsVV, § 8 Rn. 34. 588) Zimmer, InsVV, § 8 Rn. 80. 589) Zimmer, InsVV, § 8 Rn. 82; siehe zu den einzelnen Prüfungsschritten bei Festsetzung der Vergütung detailliert Haarmeyer, ZInsO 2016, 2057, 2061 ff. 590) Keller, NZI 2015, 48; K/P/B/Prasser, InsVV, § 8 Rn. 20; dies obliegt bei Schmälerung der Masse insgesamt vielmehr einem neu bestellten (Sonder-)Insolvenzverwalter, siehe § 92 Satz 2 InsO; siehe zum Gegenstand des Festsetzungsverfahrens bereits oben Rn. 11 ff. 591) Frege/Keller/Riedel, Handbuch Insolvenzrecht, Teil 1 Rn. 37.

127

§ 6 Kritische Auseinandersetzung mit der tatbestandlichen Ausgestaltung der Verwirkung

setzung der Vergütung.592) Das Festsetzungsverfahren wird daher sogar grundsätzlich als ungeeignet dafür angesehen, materiell-rechtliche Tatbestände außerhalb der insolvenzrechtlichen Vergütungsregeln geltend zu machen.593) Vor dem Hintergrund dieses Ausschlusses einer materiell-rechtlichen Prüfungskompetenz außerhalb der InsVV liegender Tatbestände erschiene es systematisch nur konsequent, dem Insolvenzgericht eine Prüfungskompetenz des materiell-rechtlichen Verwirkungstatbestands nach § 654 BGB ebenfalls abzusprechen.

266 Bestärkt wird dieser Befund auch mit Blick auf die Vergütungsfestsetzung anderer Berufsgruppen. Für die Vergütung des Rechtsanwalts ist beispielsweise in § 11 Abs. 5 RVG ausdrücklich geregelt, dass die Festsetzung abzulehnen ist, „soweit der Antragsgegner Einwendungen oder Einreden erhebt, die nicht im Gebührenrecht ihren Grund haben“.594) Materiell-rechtliche Fragen sind nach der gesetzlichen Konzeption also hier ausdrücklich nicht im Festsetzungsverfahren zu klären. Daran anknüpfend lässt es sich auch als allgemeiner Grundsatz verstehen, dass materiell-rechtliche Regelungen jenseits der speziellen Vergütungs- oder Gebührentatbestände in einem Vergütungsfestsetzungsverfahren nicht berücksichtigt werden dürfen.

2.

Statthaftigkeit der Prüfung der Vergütungsverwirkung nach § 654 BGB im Rahmen des Festsetzungsverfahrens

a) Keine Kompetenz zur Überprüfung materiellen Rechts 267 Bereits grundsätzliche systematische Erwägungen streiten somit gegen eine materiell-rechtliche Würdigung des außerhalb der speziellen Vergütungstatbestände liegenden Sachverhalts. Vertieft werden diese systematischen Bedenken weiterhin aber auch mit Blick auf die konkreten tatbestandlichen Anforderungen der Verwirkung nach § 654 BGB, die vom Gericht zu prüfen wären. Wie bei der Prüfung eines möglichen Gegenanspruchs gegen den Vergütungsanspruch des Verwalters – beispielsweise nach § 60 InsO – müsste das Insolvenzgericht auch bei Überprüfung der Vergütungsverwirkung über die materiell-rechtliche Fragestellung hinsichtlich eines pflichtwidrigen Verhaltens des Verwalters befinden. Da dem Gericht eine entsprechende Prüfungskompetenz aber im Hinblick auf Schadensersatzansprüche gegen den Insolvenzverwalter nach einhelliger Auffassung nicht zukommt, erschiene es offensichtlich widersprüchlich, dem Insolvenzgericht eine inhaltlich sehr ähnliche und ausschließlich materiell-rechtliche geprägte Prüfungskompetenz im Hinblick ___________ 592) Frege/Keller/Riedel, Handbuch Insolvenzrecht, Teil 1 Rn. 37; mit dem Ergebnis der Notwendigkeit der Entlastung des Insolvenzgerichts von einer umfassenden Prüfung aus einem rechtsgeschichtlichen Blickwinkel auch Baur/Stürner, Insolvenzrecht, Rn. 3.30. 593) So auch der Bundesgerichtshof in der Grundsatzentscheidung zur Verwirkung der Vergütung des Insolvenzverwalters: BGH, Beschl. v. 6.5.2004 – IX ZB 349/02, BGHZ 159, 122, 134. 594) Siehe Schneider/Volpert/Fölsch/Pflüger, RVG, § 11 Rn. 34 ff.; Mayer/Kroiß/Mayer, RVG, § 11 Rn. 137 ff.

128

C. Prüfung der Verwirkung bei Vergütungsfestsetzung durch das Insolvenzgericht

auf die Vergütungsverwirkung zuzusprechen. Argumentieren ließe sich zwar, dass Schadensersatzansprüche nicht unmittelbar den Vergütungsanspruch des Insolvenzverwalters betreffen und man die Anwendung materiell-rechtlicher Regelungen dem Insolvenzgericht zumindest dann zugestehen müsse, wenn ihr Bezugspunkt wie bei der Verwirkung unmittelbar der Vergütungsanspruch des Verwalters ist. Dieser sehr vordergründigen Argumentation lässt sich aber bereits entgegenhalten, dass auch die Zubilligung eines Schadensersatzanspruchs gegen den Verwalter letztlich natürlich auch den Vergütungsanspruch selbst betrifft, indem er beispielsweise im Wege der Aufrechnung zum Erlöschen gebracht werden könnte. Vor allem aber bliebe unberücksichtigt, dass sich die Überprüfung der an die Vergütungsverwirkung zu stellenden tatbestandlichen Anforderungen erheblich von der im Übrigen vom Insolvenzgericht vorzunehmenden Prüfung der gebührenrechtlichen Tatbestände unterscheidet. Während die Tatbestandsmerkmale der Verwirkung im Wesentlichen von unbestimmten und eine Wertung erfordernden Rechtsbegriffen geprägt sind, die eine wenig präzise Konkretisierung bisher nur durch bereits entschiedene Fallkonstellationen erlangt haben, stellen die Feststellung der Berechnungsgrundlage oder die Erfüllung von Zu- oder Abschlagstatbeständen eine konkrete Tatsachenentscheidung dar, die nicht im Ermessen des Insolvenzgerichts steht und nur wenig Raum für Auslegung bietet.595) Bei Festsetzung der Vergütung ist das Insolvenzgericht im Grundsatz vielmehr an die vergütungsrechtlichen Tatbestände der InsVV gebunden, es sei denn, dass daraus unangemessene Vergütungsfolgen resultieren würden.596) Dabei gilt jedoch, dass in der gesetzlich geregelten pauschalen Abgeltung für die Tätigkeit als Insolvenzverwalter bereits die Vermutung der Angemessenheit angelegt ist,597) sodass auch insofern eine eigene Wertung des Insolvenzgerichts bei Festsetzung der Vergütung konzeptionell nicht vorgesehen ist. Von zentraler Bedeutung ist hinsichtlich der grundlegenden Prüfungskompetenz des Insolvenzgerichts zudem, dass es nach der Systematik der insolvenzrechtlichen Bestimmungen im Rahmen des Vergütungsfestsetzungsverfahrens nur dazu berufen ist, über die konkrete Höhe des Anspruchs zu befinden, nicht aber darüber, ob der Anspruch überhaupt besteht. Zwar behilft sich die Rechtsprechung in Fällen der Verwirkung zum Teil mit der Formulierung, die Vergütung werde auf „null“ festgesetzt,598) jedoch bedeutet die Annahme der Verwirkung nach dem Grundgedanken des § 654 BGB bei dogmatisch genauer Betrach-

___________ 595) Zimmer, InsVV, § 8 Rn. 86. 596) BGH, Beschl. v. 15.1.2004 – IX ZB 96/03, BGHZ 157, 282, 287; Winkler, Angemessenheit der Vergütung des Insolvenzverwalters, S. 130 ff. 597) Haarmeyer, ZInsO 2016, 2057, 2059. 598) Siehe das Beschwerdeverfahren vor dem LG Magdeburg, Beschl. v. 10.1.2013 – 11 T 507/11, ZInsO 2013, 2578.

129

§ 6 Kritische Auseinandersetzung mit der tatbestandlichen Ausgestaltung der Verwirkung

tung, dass der Anspruch schon gar nicht erst entsteht.599) Sofern das Insolvenzgericht den Verwirkungstatbestand des § 654 BGB anwendet und damit über das grundlegende Bestehen des Anspruchs entscheidet, überschreitet es insoweit also seine Kompetenz auch gemessen an der insolvenzrechtlichen Vergütungssystematik, wonach es nur über die konkrete Höhe der festzusetzenden Vergütung zu entscheiden hat.

268 Somit kann dem Insolvenzgericht im Ergebnis eine Prüfungskompetenz hinsichtlich der Verwirkung des Vergütungsanspruchs des Insolvenzverwalters im Rahmen des Festsetzungsverfahrens nicht zugesprochen werden.

b) Alternativer Lösungsansatz – Geltendmachung durch einen neu bestellten (Sonder-)Insolvenzverwalter 269 Dogmatisch konsistent erschiene es alternativ vielmehr, einem neu bestellten (Sonder-)Insolvenzverwalter600) die Möglichkeit zu eröffnen, den materiell-rechtlichen Einwand der Verwirkung – wie auch andere Gegenansprüche gegen den Verwalter – im Rahmen einer Vollstreckungsabwehrklage nach §§ 767, 794 Abs. 1 Nr. 3 ZPO geltend zu machen, wenn der ursprüngliche – inzwischen entlassene – Verwalter die Auskehr seiner festgesetzten Vergütung aus der Masse begehrt. Insoweit stellt der Vergütungsfestsetzungsbeschluss einen Vollstreckungstitel im Sinne des § 794 Abs. 1 Nr. 3 ZPO dar.601) Die Regelung des § 654 BGB wird als eine rechtshindernde oder rechtsvernichtende Einwendung gegen diesen Titel eingeordnet,602) die im Rahmen einer Vollstreckungsabwehrklage vom neu bestellten Verwalter vorgebracht werden könnte.603) Grundsätzlich wäre die Verwirkung zwar als rechtshindernde Einwendung nach § 767 Abs. 2 ZPO präkludiert; dies gilt anerkanntermaßen aber nicht für Einwendungen im Rahmen von Vollstreckungsabwehrklagen gegen Vergütungsfestsetzungsbeschlüsse, da auf diese § 767 Abs. 2 ZPO aus prozessrechtlichen Gründen ___________ 599) BGH, Urt. v. 5.2.1962 – VII ZR 248/60, BGHZ 36, 323, 326; MüKoBGB/Althammer, BGB, § 654 Rn. 27; siehe zu den insofern auch grundsätzlich bestehenden dogmatischen Bedenken bei Übertragung der Verwirkung nach dem Grundgedanken des § 654 BGB auf den Vergütungsanspruch des Insolvenzverwalters, der im Gegensatz zum Lohnanspruch des Maklers nach der insolvenzrechtlichen Vergütungskonzeption bereits durch die Aufnahme der Tätigkeit entsteht oben Rn. 106 ff. 600) Bei verwirkungsrelevanten Verfehlungen des Verwalters dürfte nämlich zumindest stets ein Sonderverwalter bestellt werden, der mit der Prüfung etwaiger Schadensersatzansprüche gegen den Verwalter beauftragt wird. Schließlich kommt die Verwirkung nach der Konzeption der Rechtsprechung nur bei schweren Verfehlungen in Betracht. Daher dürfte sogar regelmäßig die Entlassung des Verwalters und Bestellung eines neuen Verwalters die Konsequenz sein. Siehe dazu auch unten Rn. 463 ff. 601) BGH, Urt. v. 5.1.1995 – IX ZR 241/93, ZIP 1995, 290, 291; BGH, Urt. v. 17.11.2005 – IX ZR 179/04, BGHZ 165, 96 Rn. 23; Uhlenbruck/Mock, InsO, § 63 Rn. 71; siehe zur Problematik der Rückforderung einer vom Verwalter bereits entnommenen Vergütung unten Rn. 313 ff. 602) MüKoBGB/Althammer, BGB, § 654 Rn. 1; Prütting/Wegen/Weinreich/Fehrenbach, BGB, § 654 Rn. 1. 603) MüKoZPO/K. Schmidt/Brinkmann, ZPO, § 767 Rn. 58; Saenger/Kindl, ZPO, § 767 Rn. 10 ff.

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C. Prüfung der Verwirkung bei Vergütungsfestsetzung durch das Insolvenzgericht

keine Anwendung finden kann.604) Im Hinblick auf bereits vom (ehemaligen) Verwalter entnommene Vorschüsse ist es dem neuen Verwalter wiederum möglich, diese wie auch im Falle der Rückforderung zwar gerichtlich genehmigter aber im Ergebnis zu hoch bemessener Vorschüsse nach Maßgabe des § 812 BGB zurückzufordern.605) Vor dem Hintergrund dieser Erwägungen spricht gegen die Möglichkeit der Prüfung 270 der Verwirkung durch das Insolvenzgericht im Ergebnis zusätzlich noch die Überlegung, dass eine solche Prüfung einen Eingriff in die Rechte eines neu zu bestellenden (Sonder-)Insolvenzverwalters begründete.606)

3.

Verstoß gegen das Recht auf den gesetzlichen Richter – Art. 101 GG

Die Prüfung einer möglichen Verwirkung der Vergütung im Festsetzungsverfahren 271 erreicht mangels entsprechender Kompetenz des Insolvenzgerichts überdies auch eine verfassungsrechtliche Dimension. Eine derartige Überschreitung der Entscheidungskompetenz erscheint nämlich mit Blick auf das Recht auf den gesetzlichen Richter nach Art. 101 GG nicht unproblematisch.

a) Das Recht auf den gesetzlichen Rechtspfleger Zunächst stellt sich allerdings die Frage, ob das Recht auf den gesetzlichen Richter 272 bei einem Verfahren vor dem Rechtspfleger überhaupt zur Anwendung kommen kann. Entscheidend ist insofern, wie der Begriff des „Richters“ in Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG zu verstehen ist und ob möglicherweise auch der Rechtspfleger in das Begriffsverständnis einbezogen werden kann.607) Die Definition des Begriffs des „Richters“ ist grundsätzlich von einem formal-funk- 273 tionellen Verständnis geprägt, wonach die Ernennung als formales Element und die Ausübung richterlicher Tätigkeit als funktionales Element die Definitionsmerkmale des Begriffs bilden.608) Als Richter sind danach solche Amtsträger zu verstehen, die durch einen staatlichen Akt zum Richter ernannt oder bestellt wurden und spezifisch ___________ 604) BGH, Urt. v. 5.1.1995 – IX ZR 241/93, ZIP 1995, 290, 291; BGH, Beschl. v. 6.11.2014 – IX ZB 90/12, ZIP 2014, 2450 Rn. 12; MüKoZPO/K. Schmidt/Brinkmann, ZPO, § 767 Rn. 79. 605) Siehe dazu Blersch, FS Kübler, S. 51, 63 ff.; Zimmer, InsVV, § 8 Rn. 205; MüKoInsO/Stephan, InsVV, § 9 Rn. 35; Graeber, NZI 2014, 147, 148. 606) Zimmer, InsVV, § 8 Rn. 100. 607) Die Problematik des Begriffsverständnisses besteht auch im Hinblick auf die Gewährung rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG im Rahmen des Festsetzungsverfahrens, da nach Ansicht der Rechtsprechung rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG nur in Verfahren vor dem „Richter“ i. S. v. Art. 92 GG zu gewähren ist: BVerfG, Beschl. v. 18.1.2000 – 1 BvR 321/96, BVerfGE 101, 397, 404 f.; a. A.: Jaeger/Schilken, InsO, § 64 Rn. 9, Rn. 66; Schilken, Gerichtsverfassungsrecht, Rn. 135; Eickmann/Sonnenfeld/Dümig, Rpfleger 2000, 245, 249; Habscheid, Rpfleger 2001, 1, 2 f. 608) Bonner Kommentar/Ipsen, GG, Art. 101 Rn. 45; Dürig/Herzog/Scholz/Jachmann-Michel, GG, Art. 101 Rn. 30; Jarass/Pieroth/Kment, GG, Art. 101 Rn. 2.

131

§ 6 Kritische Auseinandersetzung mit der tatbestandlichen Ausgestaltung der Verwirkung

richterliche Tätigkeiten ausüben.609) Das Merkmal der Ernennung dient dabei im Wesentlichen zur Abgrenzung von privaten Schiedsgerichten, sodass dem funktionalen Merkmal der richterlichen Tätigkeit im Hinblick auf den Anwendungsbereich des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG die größere Bedeutung zukommt.610) Inhaltlich soll es dabei durch die Charakteristika der Richtertätigkeit ausgefüllt werden.611) Als wesentliches Charakteristikum der richterlichen Tätigkeit gilt die in Art. 97 Abs. 1 GG garantierte sachliche und persönliche Unabhängigkeit, wonach der Richter bei Ausübung seiner Tätigkeit nur dem Gesetz unterworfen ist.612) Als „richterlich“ sind danach nur solche Tätigkeiten zu definieren, die der Richter im Rahmen seiner verfassungsrechtlich garantierten Unabhängigkeit ausübt.613)

274 Nach der Rechtsprechung und dem überwiegenden Teil der Literatur unterfällt der Rechtspfleger dieser Definition allerdings nicht, da er seine Aufgaben gemäß § 9 RPflG zwar in sachlicher Unabhängigkeit wahrnehme, die Unabhängigkeit seiner Tätigkeit jedoch nicht in einer dem Art. 97 GG entsprechenden Regelung grundgesetzlich garantiert sei.614)

275 Die Ausklammerung der Tätigkeit des Rechtspflegers aus dem Anwendungsbereich von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG erscheint jedoch zweifelhaft. Deutlich wird dies bereits mit Blick auf die damit verbundenen Konsequenzen. Lediglich aufgrund des Umstands, dass originäre richterliche Tätigkeiten aufgrund der Zuweisung in § 3 Nr. 2 lit. e) RPflG personell nicht durch einen Richter, sondern einen Rechtspfleger wahrgenommen werden, wären die Verfahrensbeteiligten im Ergebnis ihrer verfassungsrechtlich garantierten Verfahrensgrundrechte beraubt.

276 Ohnedies kann aber auch die Bestimmung des Anwendungsbereichs von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht überzeugen. Da die Argumentation der Rechtsprechung zur Bestimmung richterlicher Tätigkeit im Wesentlichen an das Merkmal der Unabhän___________ 609) Dürig/Herzog/Scholz/Jachmann-Michel, GG, Art. 101 Rn. 30; Jarass/Pieroth/Kment, GG, Art. 101 Rn. 2. 610) Dürig/Herzog/Scholz/Jachmann-Michel, GG, Art. 101 Rn. 30; Bonner Kommentar/Ipsen, GG, Art. 101 Rn. 46; der Anwendungsbereich ist somit auf den staatlichen Berufs- oder ehrenamtlichen Richter beschränkt, v. Mangoldt/Klein/Starck/Classen, GG, Art. 101 Rn. 11. 611) Dürig/Herzog/Scholz/Jachmann-Michel, GG, Art. 101 Rn. 30; Bonner Kommentar/Ipsen, GG, Art. 101 Rn. 46 ff. 612) BVerfG, Urt. v. 17.12.1953 – 1 BvR 335/51, BVerfGE 3, 213, 224; Dürig/Herzog/Scholz/ Jachmann-Michel, GG, Art. 101 Rn. 31. 613) Dürig/Herzog/Scholz/Jachmann-Michel, GG, Art. 101 Rn. 31; Bonner Kommentar/Ipsen, GG, Art. 101 Rn. 50; Vogel, jM 2018, 245, 247; Papier, NJW 1990, 8, 9; Papier, NJW 2001, 1089, 1090. 614) BVerfG, Beschl. v. 18.1.2000 – 1 BvR 321/96, BVerfGE 101, 397, 405; BGH, Urt. v. 10.12.2009 – V ZB 111/09, NJW-RR 2010, 1366 Rn. 13 ff.; Dürig/Herzog/Scholz/Jachmann-Michel, GG, Art. 101 Rn. 35; wohl auch Dreier/Schulze-Fielitz, GG, Art. 101 Rn. 30; ablehnend im Hinblick auf die Geltung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG Schilken, Gerichtsverfassungsrecht, Rn. 295, 544 ff.

132

C. Prüfung der Verwirkung bei Vergütungsfestsetzung durch das Insolvenzgericht

gigkeit anknüpft, sieht sie sich berechtigterweise der Kritik ihres zirkulären Charakters ausgesetzt.615) Sofern nämlich das Verständnis des Begriffs des Richters im Sinne von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG grundsätzlich identisch mit demjenigen in Art. 92 GG und Art. 97 GG ist,616) kann sich die Beantwortung der Frage, ob der Rechtspfleger auch als Richter im Sinne des Art. 101 GG zu verstehen ist, nicht aus dem Verweis darauf ergeben, dass in Art. 97 GG nur die Unabhängigkeit des Richters und nicht des Rechtspflegers grundgesetzlich geregelt ist.617) Für die Bestimmung richterlicher Tätigkeit werden auf diese Weise im Ergebnis Charakteristika einer richterlichen Tätigkeit herangezogen,618) die nicht die Funktion der Rechtsprechung und ihrer Träger beschreiben, sondern die an sie zu stellenden Anforderungen.619) Selbst dann aber, wenn man die Unabhängigkeit grundsätzlich als geeignetes Krite- 277 rium zur Begriffsbestimmung ansehen mag, ließe sich dennoch einwenden, dass sich die in § 9 RPflG einfachgesetzlich geregelte Unabhängigkeit des Rechtspflegers zumindest in tatsächlicher Hinsicht nicht von der des Richters unterscheidet.620) In ihrer Funktion entsprechen sich nämlich Rechtspfleger und Richter im Hinblick auf die ihnen zugewiesenen Aufgaben. Unterschiede in der „Unabhängigkeit“ bestehen nur insoweit, dass der Rechtspfleger im Gegensatz zum Richter nur sachlich unabhängig (§ 9 RPflG), nicht aber auch persönlich unabhängig ist, da er gegebenenfalls an Weisungen gebunden sein kann.621) Insofern ist der Auffassung der Rechtsprechung und eines Teils der Literatur zumindest zuzugestehen, dass es sich um eine andere Dimension der Unabhängigkeit handelt. Mag daher auch der Anwendungsbereich von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG bei Zustän- 278 digkeit des Rechtspflegers nicht eröffnet sein, wäre vor dem Hintergrund der eingangs dargestellten Konsequenzen dieses Ausschlusses aber zumindest eine analoge Anwendung des Rechts auf den gesetzlichen Richter in Betracht zu ziehen. Doch auch dies soll nach der mit Blick auf die Begründung nur schwer nachvollziehbaren Auf___________ 615) Dürig/Herzog/Scholz/Hillgruber, GG, Art. 92 Rn. 66; v. Mangoldt/Klein/Starck/Classen, GG, Art. 92 Rn. 9; siehe ausführlich zur Problematik der Bestimmung richterlicher Tätigkeit an Hand des Begriffs der Unabhängigkeit Leisner, Das letzte Wort, S. 79 ff. 616) Dürig/Herzog/Scholz/Jachmann-Michel, GG, Art. 101 Rn. 20; Bonner Kommentar/Ipsen, GG, Art. 101 Rn. 44. 617) Die Funktion und Stellung des Richters würde so über die an ihn zu stellenden Anforderungen definiert, kritisch daher auch Dürig/Herzog/Scholz/Hillgruber, GG, Art. 92 Rn. 66; v. Mangoldt/ Klein/Starck/Classen, GG, Art. 92 Rn. 9. 618) Vgl. Dürig/Herzog/Scholz/Jachmann-Michel, GG, Art. 101 Rn. 30 ff. 619) Dürig/Herzog/Scholz/Hillgruber, GG, Art. 92 Rn. 66. 620) Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die richterliche Unabhängig auch ihre Grenzen hat; so ist beispielsweise bei Rückverweisung das Gericht und konkret der Richter – wie auch der Rechtpfleger nach § 5 Abs. 3 Satz 3 RPflG – an die mitgeteilte Rechtsauffassung gebunden, vgl. bspw. § 31 BVerfGG, § 533 Abs. 2 ZPO. 621) Siehe Schilken, Gerichtsverfassungsrecht, Rn. 544 f.

133

§ 6 Kritische Auseinandersetzung mit der tatbestandlichen Ausgestaltung der Verwirkung

fassung des Bundesgerichtshofs ebenfalls nicht möglich sein.622) Einer Analogie stehe nämlich die mangelnde sachliche und persönliche Unabhängigkeit des Rechtspflegers im Sinne des Art. 97 Abs. 1, Abs. 2 GG entgegen.623) Die analoge Anwendung der Vorschrift wird also mit der gleichen Argumentation abgelehnt, die auch zur Definition des Richterbegriffs im Sinne des Grundgesetztes und somit zur grundsätzlichen Unterscheidung vom Rechtspfleger vorgetragen wird.624) Bei der analogen Anwendung ginge es jedoch gerade um eine entsprechende Anwendung.

279 Insgesamt ist es daher weder auf Grundlage des argumentativen Ansatzes noch mit Blick auf die Konsequenzen für die Verfahrensbeteiligten nachvollziehbar, die Anwendbarkeit von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG bei einem Verfahren vor dem Rechtspfleger grundsätzlich zu verneinen. Zumindest eine analoge Anwendung erscheint aufgrund der Interessenlage der Beteiligten gut begründbar.

b) Berücksichtigung der Verwirkung der Vergütung als Verstoß gegen das Recht auf den gesetzlichen Richter 280 Doch auch die Anwendbarkeit des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG bei einem Verfahren vor dem Rechtspfleger vorausgesetzt, wird eine verfassungsrechtlich relevante Kompetenzüberschreitung im Ergebnis zu verneinen sein. Die Grenze zum grundrechtswidrigen Entzug des gesetzlichen Richters ist erst dann erreicht, wenn das Gericht seine Entscheidungszuständigkeit so gravierend missachtet, dass die Entscheidung willkürliche Züge erreicht.625) Nicht jede Überschreitung der dem Insolvenzgericht zugewiesenen Entscheidungszuständigkeit bedeutet also sogleich auch einen Verstoß gegen das Recht auf den gesetzlichen Richter nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Von willkürlichen Zügen kann nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erst ausgegangen werden, wenn die Entscheidung eine „offensichtliche Fehlerhaftigkeit“ aufweist, mithin „unhaltbar“ oder „sachlich unvertretbar“ erscheint, im Ergebnis also eine „krasse Fehlentscheidung“ vorliegt.626) Alleine der Vorwurf, das Insolvenzgericht überschreite im Rahmen des Festsetzungsverfahrens mit der Anwendung außerhalb der vergütungsrechtlichen Tatbestände liegender materiell-recht___________ 622) BGH, Urt. v. 10.12.2009 – V ZB 111/09, NJW-RR 2010, 1366 Rn. 16. 623) BGH, Urt. v. 10.12.2009 – V ZB 111/09, NJW-RR 2010, 1366 Rn. 16. 624) Vgl. insofern die Argumentation des Bundesverfassungsgerichts BVerfG, Beschl. v. 18.1.2000 – 1 BvR 321/96, BVerfGE 101, 397, 404 f. 625) In ständiger Rechtsprechung BVerfG, Beschl. v. 26.2.1954 – 1 BvR 537/53, BVerfGE 3, 359, 364; BVerfG, Beschl. v. 4.2.2016 – 2 BvR 2223/15, NVwZ 2016, 764 Rn. 89 (m. w. N.); Sachs/Degenhart, GG, Art. 101 Rn. 17; Jarass/Pieroth/Kment, GG, Art. 101 Rn. 17; siehe kritisch gegenüber diesem „Willkürmaßstab“ Roth, Das Grundrecht auf den gesetzlichen Richter, S. 207; Proske, NJW 1997, 352, 354 f. 626) BVerfG, Beschl. v. 3.11.1992 – 1 BvR 1243/88, BVerfGE 87, 273, 279; BVerfG, Beschl. v. 7.1.2004 – 2 BvR 1704/01, NJW 2004, 1790; BVerfG, Beschl. v. 4.2.2016 – 2 BvR 2223/15, NVwZ 2016, 764 Rn. 89; Sachs/Degenhart, GG, Art. 101 Rn. 17; Jarass/Pieroth/Kment, GG, Art. 101 Rn. 17; Roth, Das Grundrecht auf den gesetzlichen Richter, S. 208 f.

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C. Prüfung der Verwirkung bei Vergütungsfestsetzung durch das Insolvenzgericht

licher Regelungen seine Zuständigkeit, kann es aber nicht rechtfertigen, die Festsetzungsentscheidung des Insolvenzgerichts als unhaltbar, sachlich unvertretbar oder als krasse Fehlentscheidung einzuordnen. Berücksichtigung finden muss nämlich auch, dass der Vorwurf einer Verkennung der Entscheidungszuständigkeit des Insolvenzgerichts nicht an die Verletzung einer gesetzlichen Zuständigkeitsregelung anknüpft, sondern an den dem Gericht nach der insolvenzrechtlichen Systematik zugewiesenen Prüfungsmaßstab im Rahmen des Festsetzungsverfahrens. Überschreitet das Insolvenzgericht diesen auf Vergütungstatbestände der InsVV beschränkten Prüfungsrahmen, widerspricht dies zwar der (insolvenzrechtlichen) Systematik des Vergütungsfestsetzungsverfahrens, begründet allerdings keinen verfassungsrechtlichen Verstoß, da zumindest Bedeutung und Tragweite von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht grundlegend verkannt werden.627) Selbst wenn also Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG auch bei Verfahren vor einem Rechtspfleger gegebenenfalls analog zur Anwendung kommen kann, würde bei Prüfung materiell-rechtlicher Regelungen durch den Rechtspfleger im Rahmen des Festsetzungsverfahrens kein verfassungsrechtlicher Verstoß vorliegen.628)

4.

Ergebnis

Gemessen an der dem Insolvenzgericht nach der allgemeinen und insbesondere nach 281 der insolvenzrechtlichen Systematik zugewiesenen Aufgabe im Rahmen des Vergütungsfestsetzungsverfahrens, kommt dem Gericht keine Kompetenz zur Prüfung und Anwendung des materiell-rechtlichen Tatbestands der Verwirkung nach dem Grundgedanken des § 654 BGB zu. In seiner Prüfungskompetenz ist das Insolvenzgericht auf die in der InsVV geregelten Vergütungstatbestände beschränkt. Grundsätzlich sind im Festsetzungsverfahren nämlich keine materiell-rechtlichen Fragen zu erörtern. Besonders muss dies bei Festsetzung der Vergütung des Insolvenzverwalters gelten, da dem Insolvenzgericht nur die Befugnis zukommt, den Vergütungsanspruch durch die Festsetzung in seiner Höhe zu konkretisieren, nicht aber über sein materielles Bestehen zu entscheiden. Trotz dieses sich bei Prüfung der Verwirkung ergebenden Widerspruchs zur vergütungsrechtlichen Systematik begründet eine entsprechende Kompetenzüberschreitung des Insolvenzgerichts im Ergebnis aber keinen Verstoß gegen verfassungsrechtlich garantierte Rechte der Verfahrensbeteiligten, ___________ 627) Eine derartige Verkennung der Tragweite von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG wurde vom Bundesverfassungsgericht erst bei gravierenden Verstößen wie beispielsweise der Missachtung der allein dem Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 GG zugewiesenen Prüfungskompetenz angenommen, siehe BVerfG, Beschl. v. 16.12.2014 – 1 BvR 2142/11, BVerfGE 138, 64; oder der Missachtung von Kompetenzzuweisungen an den Europäischen Gerichtshof, siehe BVerfG, 8.4.1987 – 2 BvR 687/85, BVerfGE 75, 223; siehe auch Jarass/Pieroth/Kment, GG, Art. 101 Rn. 17. 628) Entsprechendes gilt freilich auch in dem Fall, dass die Vergütungsfestsetzung durch den Richter erfolgt und der direkte Anwendungsbereich von Art. 101 GG eröffnet wäre.

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§ 6 Kritische Auseinandersetzung mit der tatbestandlichen Ausgestaltung der Verwirkung

da damit die Grenze zu einer willkürlichen Missachtung der Zuständigkeitskompetenz nicht überschritten wird.

III. Hindernisse in der praktischen Rechtsanwendung des Verwirkungstatbestands im Vergütungsfestsetzungsverfahren 282 Die Berücksichtigung einer möglichen Verwirkung des Vergütungsanspruchs im Festsetzungsverfahren ist aber nicht nur per se aufgrund der damit verbundenen Kompetenzüberschreitung unter dogmatischen Aspekten problematisch. Auch die praktische Anwendung der Verwirkungskonstruktion, mithin die Überprüfung der tatbestandlichen Anforderungen der Verwirkung, ist insofern näher zu untersuchen.

1.

Fachliche Schwierigkeiten bei Prüfung des Verwirkungstatbestands

283 Zweifelhaft ist bereits, ob die von der Rechtsprechung zur Vergütungsverwirkung nach § 654 BGB entwickelten tatbestandlichen Anforderungen im Rahmen des Festsetzungsverfahrens vom Insolvenzgericht fachlich kompetent überprüft werden können. Grundsätzlich nämlich ist es der Rechtspfleger, der den Verwirkungstatbestand zu überprüfen haben wird. Zweifelhaft erscheint bereits, ob ein Rechtspfleger aufgrund seiner spezialisierten Fachausbildung im Rahmen der ihm übertragenen Gebiete in seiner fachlichen Qualität tatsächlich einem Richter sachlich ebenbürtig sein kann.629) Vielmehr begründet die spezialisierte Ausbildung eine auf bestimmte Teilbereiche beschränkte Kenntnis. Denn die Ausbildung eines Rechtspflegers gestaltet sich nicht derart umfassend und tiefgehend wie die breit angelegte Ausbildung eines Richters in Studium und Referendariat, sondern ist weitaus spezieller.630) Die dogmatisch-fachliche Kompetenz des Richters wird gerade aufgrund der universitären Ausbildung im Hinblick auf die im Rahmen der Verwirkung nach § 654 BGB anzustellenden komplexen rechtlichen Überlegungen deutlich höher einzuschätzen sein. Denn dabei sind nicht nur insolvenzrechtliche, sondern auch vertiefte Kenntnisse des Zivilrechts sowie des Strafrechts erforderlich, die über die im Rahmen der Rechtspflegerausbildung vermittelten Grundzüge dieser Rechtsgebiete weit hinausgehen. Im Gegensatz zu den prinzipiell klar definierten vergütungsrechtlichen Tatbeständen der InsVV begründen die Tatbestandsmerkmale der an dem Grundgedanken des § 654 BGB orientierten Verwirkungskonstruktion einen erheblich intensiveren materiell-rechtlichen Prüfungsumfang. Dies erschwert bereits die rechtliche Würdigung des Sachverhalts durch den Rechtspfleger. Insofern geht auch der Bundesge-

___________ 629) So aber Lissner, ZInsO 2019, 2398, 2400; Herbst, RPfleger 1994, 481, 484. 630) Siehe dazu Arnold/Meyer-Stolte/Georg, RPflG, § 2 Rn. 97 ff.; Dörndorfer, RPflG, § 2 Rn. 22.

136

C. Prüfung der Verwirkung bei Vergütungsfestsetzung durch das Insolvenzgericht

richtshof davon aus, dass der Rechtspfleger aufgrund seiner Ausbildung nicht zur Prüfung materiell-rechtlicher Ansprüche berufen ist.631)

2.

Unbestimmtheit der verwirkungsrelevanten Schwere der Pflichtverletzung

Aufgrund der lediglich an Hand von einzelnen höchstrichterlichen Entscheidungen 284 entwickelten und daher bisweilen unklaren Maßstäbe für die Annahme der Verwirkung besteht zudem grundsätzlich die stete Gefahr einer uneinheitlichen Anwendung des Tatbestands. Ob eine für die Verwirkung auseichende Verfehlung vorliegt, die im Einzelfall der letztinstanzlichen Überprüfung standhält, wird daher sowohl für den Rechtspfleger632) aber letztlich auch für den Richter schwer zu beurteilen sein. Besonders gilt dies hinsichtlich derjenigen Fälle, in denen die Schwelle zu einem strafbaren Verhalten noch nicht überschritten ist. Deutlich wird das an einer Vielzahl von Entscheidungen. Beispielsweise betrachtete das Amtsgericht Potsdam – zeitlich unmittelbar nach der ersten Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Verwirkung im Jahr 2004 – aufgrund der unterbliebenen Mitteilung von Verhinderungsgründen die Vergütung des Insolvenzverwalters als verwirkt.633) Das Landgerichts Potsdam als Beschwerdegericht sah darin hingegen keinen Grund für die Verwirkung des Vergütungsanspruchs.634) An der Entscheidung des Amtsgerichts wird insofern auch die in der unklaren tatbestandlichen Anforderungen begründete Problematik deutlich, dass die Verwaltervergütung auf diese Weise zu einem Disziplinierungs- und Sanktionsmittel zweckentfremdet werden kann.635) Entsprechende Unsicherheiten bei der Anwendung des Verwirkungstatbestands sind 285 aber auch noch über zehn Jahre nach der ersten Entscheidung des Bundesgerichthofs zur Vergütungsverwirkung des Insolvenzverwalters zu beobachten. Das Amtsgericht Wiesbaden betrachtete den Vergütungsanspruch des Verwalters bereits deshalb als verwirkt, weil dieser die doppelte Entnahme seiner Vergütung in Höhe von lediglich knapp 7.800 EUR in einem anderen Verfahren bei Bestellung zum Verwalter nicht mitgeteilt hatte.636) Dies bestätigte sodann auch das mit der Rechtsbeschwerde befasste Landgericht Wiesbaden.637) ___________ 631) BGH, Urt. v. 5.1.1995 – IX ZR 241/93, ZIP 1995, 290, 291, dies wird durch den Verweis auf den Urkundsbeamten deutlich. Nicht nur das Festsetzungsverfahren als solches hindert die Prüfung materiell-rechtlicher Gegenansprüche, sondern auch die mangelnde fachliche Kompetenz des Rechtspflegers. 632) Lissner, ZInsO 2017, 754, 755. 633) AG Potsdam, Beschl. v. 6.4.2005 – 35 IN 686/01, NZI 2005, 341. 634) LG Potsdam, Beschl. v. 1.8.2005 – 5 T 252/05, ZIP 2005, 1698. 635) Haarmeyer, ZInsO 2005, 504; Leithaus, NZI 2005, 383, 383. 636) AG Wiesbaden, Beschl. v. 1.6.2018 – 10 IN 373/15, BeckRS 2018, 48016. 637) LG Wiesbaden, Beschl. v. 24.7.2018 – 4 T 249/18, juris.

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§ 6 Kritische Auseinandersetzung mit der tatbestandlichen Ausgestaltung der Verwirkung

286 Das Landgericht Halle kam in einem anderen Verfahren hingegen zu dem Ergebnis, dass trotz vorsätzlicher Straftaten des Insolvenzverwalters zu Lasten der Masse, die bereits im Jahr 2015 – und somit mehrere Jahre vor Festsetzung der Vergütung – zu einer rechtskräftigen Verurteilung geführt hatten, der Vergütungsanspruch nur gekürzt werden könne, nicht aber – so wie nach Ansicht des Amtsgerichts Halle638) – verwirkt sei.639) Insofern zeigt sich angesichts der Uneinheitlichkeit der jeweiligen Beschwerdeentscheidungen, dass die Anwendung des Verwirkungstatbestands durch einen Richter auch keine Sicherheit für widerspruchsfreie und überzeugende Lösungen bietet. Unabhängig von der funktionellen Zuständigkeit haben die unmittelbar mit der Rechtsanwendung betrauten Gerichte nämlich offensichtlich ein erheblich divergierendes Verständnis von den an die Vergütungsverwirkung zu stellenden Anforderungen.

287 Die Verwirkungsrechtsprechung ist durch den Bundesgerichtshof inzwischen zwar weiter präzisiert worden. So hatte der Bundesgerichtshof in der Folge Veranlassung, einerseits klarzustellen, dass eine vorsätzliche Straftat des Insolvenzverwalters zu Lasten der Masse den vollständigen Entfall der Vergütung nach § 654 BGB rechtfertige,640) andererseits zugleich die Eingrenzung der Verwirkung auf besonders krasse frühere Verfehlungen des Verwalters zu betonen.641)

288 Bisweilen hat jedoch auch der Bundesgerichtshof die ihm durch weitere Rechtsbeschwerdeverfahren eröffnete Präzisierungsgelegenheit ungenutzt verstreichen lassen. In dem Fall, dass der Verwalter bei seiner Ernennung eine Vorberatung des Schuldners, mithin also einen Interessenkonflikt, verheimlicht, erörtert der IX. Zivilsenat nur die Streichung des Verwalters von der Vorauswahlliste („Delisting“) als mögliche Rechtsfolge dieses Fehlverhaltens; die Möglichkeit einer Vergütungsverwirkung wird nicht einmal in einem obiter dictum angesprochen.642) Gemessen hieran könnte man also die Wertung als vertretbar ansehen, dass es sich bei der Verheimlichung eines Interessenkonflikts nicht um ein schwerwiegendes, die Verwirkung rechtfertigendes Fehlverhalten des Insolvenzverwalters handelt. Die eigentliche inhaltliche Begründung des Bundesgerichtshofs zeichnet jedoch ein genau gegenteiliges Bild. Der IX. Senat sieht in der unterbliebenen Offenbarung der Vorberatung nämlich gerade „ein schwerwiegendes Fehlverhalten, welches das Vertrauen des Insolvenzrichters in die Integrität des Insolvenzverwalters nachhaltig zerstören ___________ 638) AG Halle, Beschl. v. 20.10.2017 – 59 IN 340/00, BeckRS 2017, 153814. 639) LG Halle, Beschl. v. 8.1.2018 – 3 T 34/17, BeckRS 2018, 33150 Rn. 16 ff., 48. 640) Im Anschluss an die Entscheidung des Landgerichts Halle BGH, Beschl. v. 22.11.2018 – IX ZB 14/18, NJW 2019, 935; siehe ausführlich zu dieser Entscheidung bereits oben Rn. 66 ff. 641) Im Anschluss an die Entscheidung des Amtsgerichts Wiesbaden BGH, Beschl. v. 12.9.2019 – IX ZB 76/18, ZInsO 2019, 2290; siehe zu dieser Entscheidung bereits oben unter Rn. 65. 642) BGH, Beschl. v. 17.3.2016 – IX AR (VZ) 1/15, NZI 2016, 508 Rn. 28; Thole, FS Graf-Schlicker, S. 395, 397.

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C. Prüfung der Verwirkung bei Vergütungsfestsetzung durch das Insolvenzgericht

kann“.643) Orientiert an dieser Einordnung des Fehlverhaltens ließe sich – wie auch nach Wertung des Amtsgerichts Potsdam – als Rechtsfolge mithin auch ohne weiteres die Verwirkung der Vergütung entsprechend dem Rechtsgedanken des § 654 BGB annehmen. Denn die Ausführungen des IX. Senats zur Begründung der Verwirkung des Vergütungsanspruchs des Verwalters rekurrieren in anderen Fällen im Kern ebenfalls auf eine schwerwiegende Pflichtverletzung, durch die das Vertrauen des Insolvenzgerichts enttäuscht sowie die Integrität und charakterliche Eignung des Verwalters in Frage gestellt wird.644) Verstärkt wird dieses Bild gleicher tatbestandlicher Anforderungen für erheblich unterschiedliche Rechtsfolgen insbesondere auch dadurch, dass der Senat in seiner Entscheidung zur Bedeutung der Nichtoffenlegung einer Vorberatung des Schuldners hinsichtlich des durch das Fehlverhalten bedingten Vertrauensverlusts sogar auf seine senatseigene Rechtsprechung zur Verwirkung verweist.645) Selbst der für die Materie allein zuständige IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs 289 vermag durch seine Rechtsprechung also keine einheitlichen, klar abgrenzbaren tatbestandlichen Maßstäbe für verwirkungsrelevantes Verhalten zu präzisieren. Demnach fehlt es insgesamt an einer grundlegenden Leitlinie zur Bestimmung des 290 tatbestandlichen Merkmals einer schwerwiegenden Pflichtverletzung, die zur Verwirkung führen kann. Offen bleibt in der höchstrichterlichen Rechtsprechung vor allem auch die konkrete Rechtsfolge einer schwerwiegenden Pflichtverletzung. Die Entscheidungen zur Vergütungsverwirkung bilden daher nur Einzelfälle ab, aus denen sich kein einheitlicher Maßstab zur konkreten inhaltlichen Ausgestaltung der Verwirkungskonstruktion entnehmen lässt.

3.

Strafbarkeit der Pflichtverletzung als Merkmal zur Bestimmung ihrer Schwere

Als Maßstab zur Bestimmung des Vorliegens einer verwirkungsrelevanten schwe- 291 ren Pflichtverletzung scheint bei der Vergütungsfestsetzung mit Blick auf die bisherige Rechtsprechung zumindest dienen zu können, ob mögliche Verfehlungen des Verwalters zugleich auch einen Straftatbestand erfüllen. Dies gilt dabei sowohl im Hinblick auf tätigkeitsbezogene Verfehlungen des Verwalters als auch im Hinblick auf Verfehlungen im Vorfeld des Verfahrens oder auch in anderen Verfahren. Die Strafbarkeit eines Fehlverhaltens mit unmittelbaren Verfahrensbezug aber auch diejenige eines verschwiegenen Fehlverhaltens ist in jedem Fall von zentraler Bedeu___________ 643) BGH, Beschl. v. 17.3.2016 – IX AR (VZ) 1/15, NZI 2016, 508 Ls. 3. 644) Siehe dazu ausführlich oben unter Rn. 212 ff. 645) BGH, Beschl. v. 17.3.2016 – IX AR (VZ) 1/15, NZI 2016, 508 Rn. 27, mit Verweis auf die erste Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Verwirkung der Vergütung des Insolvenzverwalters BGH, Beschl. v. 6.5.2004 – IX ZB 349/02, BGHZ 159, 122.

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§ 6 Kritische Auseinandersetzung mit der tatbestandlichen Ausgestaltung der Verwirkung

tung für die Prüfung der Verwirkung der Vergütung durch das Insolvenzgericht im Festsetzungsverfahren.

292 Voraussetzung für eine am Maßstab der Strafbarkeit orientierte und mithin vergleichsweise unproblematische Einordnung der Schwere der Pflichtverletzung ist dabei aber, dass die Strafbarkeit des Insolvenzverwalters bei Festsetzung der Vergütung bereits geklärt ist, um als Anhaltspunkt dienen zu können. Unklar ist insofern aber, in welchem Maße die Strafbarkeit des Verhaltens „feststehen“ muss. Konkret stellt sich die Frage, ob für die Verwirkung des Vergütungsanspruchs vorauszusetzen ist, dass der Verwalter rechtskräftig im Rahmen eines Strafprozesses wegen einer Straftat verurteilt worden ist, um von einer verwirkungsrelevanten Schwere der Pflichtverletzung ausgehen zu können, oder ob es bereits genügt, dass die strafbare Handlung des Insolvenzverwalters zur Überzeugung des Insolvenzgerichts feststeht bzw. auf der Hand liegt oder zumindest ein Ermittlungsverfahren gegen den Verwalter eingeleitet worden ist.646) Im Ergebnis wird sich dabei zeigen, dass keiner der Ansätze zu einer insgesamt überzeugenden Lösung führen kann.

a) Eigenständige Strafbarkeitsprüfung durch das Insolvenzgericht 293 Betrachtet man die instanzgerichtliche Rechtsprechung, ist es ausreichend, dass das Insolvenzgericht im Rahmen des Festsetzungsverfahrens eigene strafrechtliche Überlegungen anstellt und die Strafbarkeit des Verwalters selbstständig feststellt, sofern der Sachverhalt klar ist, die strafrechtliche Wertung unschwer vollzogen werden kann und die Strafbarkeit mithin im Ergebnis auf der Hand liegt.647) Der Bundesgerichtshof scheint die Anforderungen des Nachweises eines strafrechtlich relevanten Verhaltens sogar noch niedriger anzusetzen, da er die Vergütungsverwirkung bei potenziellen Straftaten des Verwalters schon nicht von ihrer abschließenden Feststellung durch ein Strafgericht abhängig machen will.648) Auch die Formulierung des IX. Senats, wonach eine schwere, die Verwirkung rechtfertigende Verfehlung insbesondere im Falle von Straftaten zu Lasten der Masse anzunehmen sei,649) deutet darauf hin, dass eine Straftat im materiellen Sinne zumindest nicht zwingend vorauszusetzen ist und somit auch keine strafrechtliche Verurteilung im Rahmen eines Strafprozesses. ___________ 646) Siehe Lissner, ZInsO 2017, 754, 755; Rechel, Die Aufsicht des Insolvenzgerichts, S. 348 ff.; Keller, Vergütung und Kosten, § 2 Rn. 76. 647) AG Wolfratshausen, Beschl. v. 3.8.2000 – N 19/92, ZInsO 2000, 517, 518; LG München II, Beschl. v. 16.7.2003 – 7 T 5802/00, ZVI 2003, 486, 487; LG München II, 29.7.2003 – 7 T 5001/00, ZInsO 2003, 910; LG Deggendorf, Beschl. v. 24.7.2013 – 13 T 57/13, NZI 2013, 1028, 1029; siehe zur Verwirkung der Pflegervergütung in diesem Sinne bereits BayObLG, Beschl. v. 11.7.1991 – BReg. 3 Z 79, 91, BayObLGZ 1991, 272, 275. 648) BGH, Beschl. v. 14.7.2016 – IX ZB 52/15, NZI 2016, 892 Rn. 7; siehe dazu auch Zimmer, InsVV, § 8 Rn. 105. 649) BGH, Beschl. v. 22.11.2018 – IX ZB 14/18, NJW 2019, 935 Rn. 20 (m. w. N.).

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C. Prüfung der Verwirkung bei Vergütungsfestsetzung durch das Insolvenzgericht

b) Erforderlichkeit einer strafgerichtlichen Verurteilung Der Verzicht auf den Nachweis einer Straftat als tatbestandliche Voraussetzung mu- 294 tet allerdings widersprüchlich an. Denn besonders vor dem Hintergrund, dass der Bundesgerichtshof immer wieder selbst die notwendige Schwere der Treuepflichtverletzung und die besondere Bedeutung des subjektiven Tatbestands der Treuepflichtverletzung betont,650) kann auf das Vorliegen einer Straftat und deren abschließende Feststellung im Rahmen eines Strafprozesses gerade nicht verzichtet werden.651) Erforderlich ist demnach die rechtskräftige Verurteilung des Insolvenzverwalters im Rahmen eines Strafverfahrens.652) Nur durch eine solche fachgerichtliche Feststellung eines inkriminierten Verhaltens kann die zwingend erforderliche Rechtssicherheit und gleichzeitig eine tragfähige Grundlage für die Annahme der Verwirkung erreicht werden. Lediglich die Einleitung eines im Ergebnis offenen Ermittlungsverfahrens kann erst recht nicht ausreichend sein. Hierfür sprechen – wie zu zeigen sein wird – nicht nur die Systematik des Verwir- 295 kungstatbestands, sondern auch grundlegende dogmatische Überlegungen.

aa) Verwirkungstatbestand Die abschließende Feststellung einer Straftat durch das insoweit zuständige Fachge- 296 richt als Voraussetzung der Verwirkung anzusehen, ist bereits deshalb notwendig, um den nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei Vergütungsverwirkung im Lichte von Art. 12 GG hoch anzusetzenden Maßstäben an den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Rechnung zu tragen.653) Denn durch die Einbeziehung nicht strafbewehrter Verfehlungen oder von Verdachtsfällen in den Tatbestand der Verwirkung würde die Gefahr eines zu weitreichenden Anwendungsbereichs begründet und damit das Risiko eines Gleichlaufs der Voraussetzungen von Vergütungsverwirkung und Entlassung verstärkt.654) Bei Entlassung des Insolvenzverwalters aus dem Amt nach § 59 InsO gilt nämlich – auch vor dem Hintergrund, dass das Abberufungsverfahren nicht zu einer Klärung komplexer strafrechtlicher Vorwürfe geeignet ist –, dass im ___________ 650) BGH, Beschl. v. 14.7.2016 – IX ZB 52/15, NZI 2016, 892 Rn. 6; BGH, Beschl. v. 21.9.2017 – IX ZB 28/14, NZI 2017, 988 Rn. 10; BGH, Beschl. v. 22.11.2018 – IX ZB 14/18, NJW 2019, 935 Rn. 27; BGH, Beschl. v. 12.9.2019 – IX ZB 76/18, ZInsO 2019, 2290 Rn. 14; siehe dazu bereits oben Rn. 71. 651) Zimmer, InsVV, § 8 Rn. 102 ff. 652) K/P/B/Prasser/Stoffler, InsVV, Vor. § 1 Rn. 16; Zimmer, InsVV, § 8 Rn. 103 f.; Haarmeyer/Mock, InsVV, Vorb. Rn. 92e; Rechel, Die Aufsicht des Insolvenzgerichts, S. 350, der zudem eine Beschränkung auf Straftaten zu Lasten der Insolvenzmasse fordert; zumindest kritisch gegenüber einer eigenständigen Prüfung der Strafbarkeit durch das Insolvenzgericht Lissner, ZInsO 2017, 754, 757 f. 653) Zimmer, InsVV, § 8 Rn. 102. 654) Zimmer, InsVV, § 8 Rn. 102; siehe zu der Problematik des Gleichlaufs von Verwirkung und Entlassung bereits oben Rn. 225 ff. und 247 ff..

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§ 6 Kritische Auseinandersetzung mit der tatbestandlichen Ausgestaltung der Verwirkung

Ausnahmefall bereits der Verdacht auf erhebliche Straftaten die Entlassung des Verwalters rechtfertigen kann.655) Dabei lassen sich die hierfür maßgeblichen Überlegungen auch nicht auf die Verwirkung des Vergütungsanspruchs übertragen. Während bei der Entlassung auf eine abschließende Klärung der Strafbarkeit insbesondere vor dem Hintergrund, dass eine in der weiteren Tätigkeit des Insolvenzverwalters begründete Gefahr für die Masse vermieden werden soll, verzichtet wird, besteht bei Festsetzung der Vergütung keine entsprechende Eilbedürftigkeit. In Anbetracht der einschneidenden Rechtsfolge des Vergütungsverlusts, die wirtschaftlich über die Folgen einer Entlassung hinausgeht, ist vielmehr eine abschließende Feststellung über die strafrechtliche Relevanz des Verwalters notwendig.

297 Auch in Ansehung der Rechtsprechung des III. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs zur Verwirkung des Gebührenanspruchs des Rechtsanwalts zeigt sich, dass insbesondere der Verwirkungstatbestand von der Notwendigkeit einer strafgerichtlichen Verurteilung geprägt ist. Nach Auffassung des III. Senats nämlich setzt die Verwirkung anwaltlicher Gebührenforderungen nach dem Gedanken des § 654 BGB zwingend voraus, dass sich der Rechtsanwalt nach Feststellung eines Strafgerichts eines vorsätzlichen Parteiverrats nach § 356 StGB schuldig gemacht hat.656) Diese Beschränkung der Verwirkung auf Fälle der Verurteilung wegen Parteiverrats führt zum einen bereits auf objektiv tatbestandlicher Ebene der Treuepflichtverletzung zu einer konkreten Beschränkung der Fälle verwirkungsrelevanten Verhaltens. Zum anderen bringt die Notwendigkeit einer vorsätzlichen Straftat auch den grundlegenden Ausnahmecharakter der Verwirkung zum Ausdruck. Im Rahmen des Strafverfahrens wird bei Überprüfung der Strafbarkeit nach § 356 StGB nämlich die vorsätzliche und auch schuldhafte Tatbegehung geprüft,657) sodass der Gewichtung der subjektiven Elemente des Verwirkungstatbestands zumindest mittelbar angemessen Rechnung getragen wird.

298 Die Anknüpfung eines Tatbestands an das Vorliegen einer Verurteilung in einem Strafverfahren stellt dabei auch keine atypische Besonderheit der Verwirkungsrechtsprechung dar. So knüpft beispielsweise auch der Tatbestand des Verlusts der Beamtenrechte nach § 41 Abs. 1 Nr. 1 BBG an eine strafrechtliche Verurteilung wegen einer Vorsatztat an.658) Verwaltungsbehörden und Verwaltungsgerichte haben ihre ___________ 655) BGH, Beschl. v. 17.3.2011 – IX ZB 192/10, NZI 2011, 282 Rn. 12 ff.; MüKoInsO/Graeber, § 59 Rn. 24; K. Schmidt/Ries, InsO, § 59 Rn. 4; Uhlenbruck/Vallender/Zipperer, InsO, § 59 Rn. 8 f.; Ganter, ZInsO 2017, 2517, 2521; Lissner, ZInsO 2012, 957, 962. 656) BGH, Urt. v. 29.4.1963 – III ZR 211/61, NJW 1963, 1301, 1303; BGH, Urt. v. 15.1.1981 – III ZR 19/80, NJW 1981, 1211, 1212; BGH, Urt. v. 12.5.2011 – III ZR 107/10, NJW-RR 2011, 1426, 1428; siehe auch Fahrendorf/Mennemeyer/Mennemeyer, Haftung des Rechtsanwalts, Kap. 6 Rn. 43 f. 657) Parteiverrat nach § 356 StGB ist Vorsatzdelikt, siehe MüKoStGB/Schreiner, StGB, § 356 Rn. 82. 658) Teilweise wird auch vorgeschlagen, diesen Maßstab einer Freiheitsstraße von einem Jahr aus § 41 Abs. 1 Satz 1 BBG auch bei Verwirkung der Vergütung des Insolvenzverwalters heranzuziehen, Zimmer, InsVV, § 8 Rn. 103.

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Prüfung folglich darauf zu beschränken, ob es zu einer rechtskräftigen Verurteilung zu einer Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr wegen einer vorsätzlichen Tat gekommen ist.659) Gegen die Notwendigkeit einer strafrechtlichen Verurteilung wird zwar vorgebracht, 299 dass ein Strafverfahren auch aus Opportunitätsgründen – beispielweise nach §§ 153, 153a StPO – eingestellt werden könne, die dem Verwalter vorgeworfenen und feststehenden Pflichtwidrigkeiten aber dennoch so gewichtig sein könnten, dass die Vergütung auch ohne strafrechtliche Verurteilung zu versagen sei.660) Zuzugestehen ist solchen Erwägungen in der Tat, dass eine ausgebliebene Verurteilung im Hinblick auf die Schwere der Pflichtverletzung des Verwalters bisweilen ohne Aussagekraft sein mag.661) Allerdings erscheint es insbesondere mit Blick auf den Topos der Einheit der Rechtsordnung zweifelhaft, bei einer Einstellung des Strafverfahrens beispielsweise nach §§ 153, 153a StPO, also bei nur geringer Schuld und fehlendem öffentlichen Interesse, dennoch eine so schwere Pflichtverletzung des Verwalters anzunehmen, dass sie die Verwirkung der Vergütung rechtfertigen könnte.662)

bb) Beschränkte Aufklärungsmöglichkeiten des Insolvenzgerichts Zweifelhaft erscheint bereits auf tatsächlicher Ebene, ob das Insolvenzgericht über- 300 haupt in der Lage dazu ist, sich im Rahmen seiner Amtsermittlung eine abschließende Überzeugung von der Strafbarkeit der dem Verwalter vorgeworfenen Verfehlungen zu machen.663) Mit Verweis auf die umfangreichen Aufklärungsmöglichkeiten, die den Strafverfolgungsbehörden im Gegensatz zu den Insolvenzgerichten zur Verfügung stehen, hält dies der IX. Senat im Hinblick auf die Überprüfung von Straftaten im Abberufungsverfahren selbst für ausgeschlossen.664) Fraglich dürfte insbesondere sein, inwieweit sich potenziell verwirkungsrelevante Sachverhalte überhaupt so gestalten, dass „die Tatsachen für die Vorwürfe feststehen und auf der Hand liegen und die strafrechtliche Wertung unschwer vollzogen werden kann, sie also nicht erst einer Klärung durch Ermittlungen bedürfen“.665) Unklar ist überdies aber auch, wann eine strafrechtliche Wertung dabei unschwer vollzogen werden kann, sodass insoweit auch die Gefahr einer uneinheitlichen Anwendung dieser Maßstäbe besteht. ___________ 659) BVerwG, Urt. v. 29.12.1969 – VI C 4/65, BVerwGE 34, 353, 355; Zimmer, InsVV, § 8 Rn. 103. 660) Keller, Vergütung und Kosten, § 2 Rn. 76; Wolff, jurisPR-InsR 3/2014 Anm. 5. 661) So die Argumentation von Wolff, jurisPR-InsR 3/2014 Anm. 5, die daher eine strafrechtliche Verurteilung nicht als Voraussetzung der Verwirkung betrachtet. 662) Rechel, Die Aufsicht des Insolvenzgerichts, S. 349 f. 663) Zimmer, InsVV, § 8 Rn. 102. 664) BGH, Beschl. v. 17.3.2011 – IX ZB 192/10, NZI 2011, 282 Rn. 14. 665) So die Formulierung des AG Wolfratshausen, Beschl. v. 3.8.2000 – N 19/92, ZInsO 2000, 517, 518.

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§ 6 Kritische Auseinandersetzung mit der tatbestandlichen Ausgestaltung der Verwirkung

301 Neben diesen praktischen Erwägungen dürfen aber auch dogmatische Grundsätze nicht unberücksichtigt bleiben. Selbst dann nämlich, wenn eine strafrechtliche Würdigung aufgrund feststehender Tatsachen nur unschwer vollzogen werden können sollte, ist das Insolvenzgericht – selbst bei Zuständigkeit des Richters – nicht dazu berufen, die Strafbarkeit des Verhaltens des Insolvenzverwalters zu beurteilen.666) Abermals stellt sich insofern aus verfassungsrechtlicher Sicht die Frage, ob eine Prüfung der Strafbarkeit des Insolvenzverwalters möglicherweise einen Verstoß gegen das Recht auf den gesetzlichen Richter nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG begründet.667) Insbesondere die Vorverlagerung der Überprüfung von Strafbarkeit und damit auch der Schuld in das Festsetzungsverfahren kann nämlich durchaus als gravierende Missachtung der Entscheidungszuständigkeit eingeordnet werden und somit – die Anwendbarkeit von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG auch bei Zuständigkeit des Rechtspflegers vorausgesetzt – einen Verstoß gegen das Recht auf den gesetzlichen Richter begründen.

302 Aber selbst wenn man eine eigenständige Überprüfung und Feststellung der Strafbarkeit im Rahmen einer eigenen Überzeugungsbildung durch das Insolvenzgericht für ausreichend hielte, beansprucht dennoch die aus Art. 2 Abs. 1, 20 Abs. 3 GG, Art. 6 Abs. EMRK folgende Unschuldsvermutung weiterhin Geltung.668) Die vom Insolvenzgericht im Rahmen der Verwirkungsprüfung offenbarte Überzeugung von einer Straftat des Verwalters käme bereits einer Vorverurteilung bzw. einer vorgreiflichen Zuweisung von Schuld gleich und stünde damit im Widerspruch zum von der Unschuldsvermutung vermittelten Schutz.

cc) Konsequenzen einer von dem späteren Ergebnis des Strafprozesses abweichenden Beurteilung durch das Insolvenzgericht 303 Blickt man nun abschließend auf die möglichen Konsequenzen, die sich aus einer eigenständigen Überprüfung der Strafbarkeit durch das Insolvenzgericht ergeben, untermalt dies zusätzlich die zwingende Notwendigkeit einer vorhergehenden strafprozessualen Klärung. Sollte es nämlich zu einer unterschiedlichen Bewertung der Strafbarkeit des Verwalters zunächst durch das Insolvenzgericht und sodann durch das Strafgericht kommen, hätte dies für den Verwalter erhebliche Konsequenzen im Hinblick auf seinen Vergütungsanspruch. Denn nach Feststellung der Verwirkung der Vergütung und einer daraus folgenden rechtskräftigen Versagung der Vergütung durch das Insolvenzgericht kann es nicht mehr zu einer erneuten Aufnahme des Festsetzungsverfahrens kommen. Das gilt selbst dann, wenn später im Strafprozess eine ___________ 666) Haarmeyer/Mock, InsVV, Vorb. Rn. 92e; K/P/B/Prasser/Stoffler, InsVV, Vor. § 1 Rn. 16. 667) Zimmer, InsVV, § 8 Rn. 103 f. 668) Zimmer, InsVV, § 8 Rn. 104; Lissner, ZInsO 2017, 754, 758; zur Geltung der Unschuldsvermutung im Zivilprozess (konkret bei Entlassung des Verwalters) bereits LG Halle, Beschl. v. 22.10.1993 – 2 T 247/93, ZIP 1993, 1739, 1742.

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C. Prüfung der Verwirkung bei Vergütungsfestsetzung durch das Insolvenzgericht

Strafbarkeit des Insolvenzverwalters nicht festgestellt werden kann.669) Zwar finden die zivilprozessualen Vorschriften der §§ 578 ff. ZPO für ein Restitutionsverfahren über § 4 InsO grundsätzlich auch entsprechende Anwendung auf Beschlüsse im Insolvenzverfahren.670) Hinsichtlich eines rechtskräftig abgeschlossenen Vergütungsfestsetzungsverfahrens jedoch kommt eine Anwendung nicht in Betracht, weil das Festsetzungsverfahren über die Verfahrenskosten kein Rechtsstreit ist.671) Eine erneute Aufnahme des Festsetzungsverfahrens würde dabei aber zudem auch an den Voraussetzungen des § 580 Nr. 7 lit. b) ZPO scheitern, da die sich aus dem Strafprozess ergebende Urkunde erst nach Abschluss des Festsetzungsverfahrens „errichtet“ worden ist.672) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein ergänzender Zweitantrag 304 im Festsetzungsverfahren trotz Rechtskraft der ersten Festsetzung lediglich in dem Fall zulässig, dass sich durch neue Tatsachen ein für die Berechnung der Vergütung zu berücksichtigender Massezufluss ergeben hat.673) Grund dafür ist, dass sich die materielle Rechtskraft des Festsetzungsbeschlusses nur auf den Vergütungsanspruch als solchen und seinen Umfang bezieht, nicht jedoch auf die Berechnungsgrundlage und den Vergütungsansatz, auf die sich als Vorfragen die Rechtskraft nicht erstreckt.674) Tatsachen, die im Rahmen des Verwirkungstatbestands unmittelbare Auswirkungen auf den Vergütungsanspruch als solchen hätten, können demnach gerade keinen Grund für eine nachträgliche Festsetzung darstellen, da dem die materielle Rechtskraft des Beschlusses entgegensteht. Selbst wenn man also davon ausginge, die Verwirkung sei grundsätzlich im Rahmen des Festsetzungsverfahrens zu berücksichtigen, dürfte eine erneute Festsetzung vor diesem Hintergrund scheitern. Ob dann zumindest ein Anspruch des Verwalters nach § 812 Abs. 1 BGB bestünde, 305 erscheint bereits deshalb fraglich, da die Verwirkung des Vergütungsanspruchs des Insolvenzverwalters lediglich hinsichtlich dieses Anspruchs selbst eine rechtsvernichtende Wirkung hat, der Rechtsgrund der Tätigkeit des Verwalters, die Bestellung durch das Insolvenzgericht, allerdings nicht betroffen ist und eine Kondiktion ___________ 669) Zimmer, InsVV, § 8 Rn. 104; andersrum gilt dies auch für den umgekehrten Fall einer späteren Verurteilung KK-InsO/Hess, § 63 Rn. 43, Pluta/Heidrich, FS Kayser, S. 723, 732 f., die aber eine entsprechende Anwendung der §§ 580 ff. ZPO vorschlagen. 670) MüKoInsO/Ganter/Bruns, InsO, § 4 Rn. 89. 671) BGH, Beschl. v. 20.5.2010 – IX ZB 11/07, BGHZ 185, 353 Rn. 6; MüKoInsO/Ganter/Bruns, InsO, § 4 Rn. 89. 672) Siehe zum maßgeblichen Zeitpunkt der Errichtung der Urkunde BGH, Urt. v. 28.5.1951 – IV ZR 6/50, BGHZ 2, 245, 246 f.; MüKoZPO/Braun/Heiß, ZPO, § 580 Rn. 53. 673) BGH, Beschl. v. 10.11.2005 – IX ZB 168/04, ZIP 2006, 93; BGH, Beschl. v. 26.1.2006 – IX ZB 183/04, NZI 2006, 237; BGH, Beschl. v. 19.12.2013 – IX ZB 9/12, ZIP 2014, 334 Rn. 9; BGH, Beschl. v. 6.4.2017 – IX ZB 3/16, ZIP 2017, 932 Rn. 12. 674) BGH, Beschl. v. 20.5.2010 – IX ZB 11/07, NJW-RR 2010, 1430; BGH, Beschl. v. 6.4.2017 – IX ZB 3/16, ZIP 2017, 932 Rn. 17; K/P/B/Prasser, InsVV, § 8 Rn. 14 ff.; Haarmeyer/Mock, InsVV, § 8 Rn. 39 f.

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§ 6 Kritische Auseinandersetzung mit der tatbestandlichen Ausgestaltung der Verwirkung

zudem auch ohnehin aufgrund des Strafcharakters der Verwirkung ausgeschlossen sein dürfte.675) Im Hinblick auf die nach Beendigung des Insolvenzverfahrens zumindest für bestimmte Ansprüche beschränkte Nachhaftung des Insolvenzschuldners auf die noch vorhandene Restmasse,676) ergibt sich diesbezüglich weiterhin aus praktischer Sicht die Problematik, ob ein bereicherungsrechtlicher Anspruch auf nachträglichen Erhalt der Vergütung überhaupt (in voller Höhe) zu realisieren wäre. Denn grundsätzlich bezieht sich die Beschränkung der Nachhaftung auch auf die Verfahrenskosten nach § 54 InsO und somit den Vergütungsanspruch des Verwalters,677) sodass für den Anspruch auf Herausgabe der nicht erhaltenden Vergütung nach § 812 BGB nichts anderes gelten dürfte.

dd) Ergebnis 306 Dem Insolvenzgericht kann nicht die Kompetenz zur eigenständigen Überprüfung und Feststellung der Strafbarkeit des Verhaltens des Insolvenzverwalters durch das Insolvenzgericht im Vergütungsfestsetzungsverfahrens zugesprochen werden. Vielmehr ist die Strafbarkeit im Wege eines Strafprozesses außerhalb des Insolvenzverfahrens durch das dafür zuständige Fachgericht abschließend zu klären. Im Ergebnis kann nur so den Anforderungen des Verwirkungstatbestands und seinem Ausnahmecharakter Rechnung getragen werden. Vor diesem Hintergrund kann die Aufnahme eines Ermittlungsverfahrens gegen den Insolvenzverwalter erst recht nicht als ausreichend erachtet werden, um die Verwirkung des Vergütungsanspruchs zu begründen.

c)

Auswirkungen in der Praxis – Aussetzung des Verfahrens nach § 149 ZPO

307 Ist eine strafrechtliche Verurteilung des Insolvenzverwalters also Voraussetzung für die Verwirkung der Vergütung, begründet dies in der Praxis allerdings die Problematik, dass das Insolvenzgericht bis zur Klärung eines strafrechtlichen Verdachts nicht über einen Vergütungsfestsetzungsantrag entscheiden können wird. Folgerichtig erschiene es daher, das Festsetzungsverfahren in diesem Fall bis zu einer strafgerichtlichen Entscheidung in entsprechender Anwendung der Regelung des ___________ 675) Bartels, WuB 2004, 1328; Hall, jurisPR-BGHZivilR 37/2004 Anm. 5; Priewer, NZWiSt 2019, 188, 191. 676) K/P/B/Pape/Schaltke, InsO, § 53 Rn. 43 ff.; MüKoInsO/Hefermehl, InsO, § 53 Rn. 34; Uhlenbruck/Sinz, InsO, § 53 Rn. 11; siehe instruktiv zur Nachhaftung Windel, KTS 2011, 25 ff.; grundsätzlich kritisch gegenüber einer Haftungsbeschränkung K. Schmidt/Thole, InsO, § 53 Rn. 12; Runkel/Schnurbusch, NZI 2000, 49, 56 f. 677) BGH, Teilurt. v. 24.9.2009 – IX ZR 234/07, ZIP 2009, 2204 Rn. 19 ff.; siehe dazu die Anmerkungen von Grundlach/Frenzel, NJW 2010, 69, 73; MüKoInsO/Hefermehl, InsO, § 53 Rn. 34a; K/P/B/Pape/Schaltke, InsO, § 53 Rn. 45; Rattunde/Smid/Zeuner/Burgenger, InsO, § 53 Rn. 17.

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C. Prüfung der Verwirkung bei Vergütungsfestsetzung durch das Insolvenzgericht

§ 149 ZPO auszusetzen.678) Grundsätzlich ermöglicht es § 149 Abs. 1 ZPO dem Gericht, bei Verdacht auf eine Straftat, deren Ermittlung auf die Entscheidung von Einfluss ist, die Aussetzung der Verhandlung bis zur Erledigung des Strafverfahrens anzuordnen. Möglich ist eine Aussetzung dabei allerdings nur unter der Bedingung, dass die damit bedingte Verzögerung der Entscheidung den Beteiligten zumutbar ist.679) Das Gericht hat bei seiner Ermessensausübung also das Gebot der Verfahrensbeschleunigung gegen die zu erwartenden Vorteile einer Aussetzung abzuwägen.680) Konkret muss der voraussichtlich aus dem Strafprozess hervorgehende Erkenntnisgewinn mit dem aus der Verzögerung resultierenden Nachteil abgewogen werden.681) Die Aussetzung kommt demnach nur in Betracht, wenn die Umstände, die eine Auswertung des strafrechtlichen Ermittlungsergebnisses für den konkreten Fall als geboten erscheinen lassen, den Stillstand des Verfahrens trotz des Interesses an einer alsbaldigen Entscheidung rechtfertigen.682) Vor dem Hintergrund der Eilbedürftigkeit des Insolvenzverfahrens, das auf eine rasche Befriedigung der Gläubiger gerichtet ist, wird die Anwendbarkeit des § 149 ZPO im Rahmen eines Insolvenzverfahrens aber – obwohl § 4 InsO grundsätzlich die entsprechende Anwendbarkeit der Vorschriften der ZPO vorsieht – bereits unabhängig von der Frage der Zumutbarkeit im Einzelfall grundlegend abgelehnt.683) Etwas anderes muss allerdings für das Festsetzungsverfahren gelten. Denn im Rah- 308 men des vom Insolvenzverfahren losgelösten und insoweit selbständigen Festsetzungsverfahrens besteht keine entsprechende Eilbedürftigkeit, sodass eine Anwendung von § 149 ZPO durchaus möglich erscheint.684) Einwenden ließe sich zwar, dass auch im Festsetzungsverfahren die sich aus dem Insolvenzverfahren ergebenden Besonderheiten Berücksichtigung finden müssen. Wesentlich dürfte in dieser ___________ 678) Haarmeyer/Mock, InsVV, Vorb. Rn. 92e; K/P/B/Prasser/Stoffler, InsVV, Vor. § 1 Rn. 16; Lissner, ZInsO 2017, 754, 758. 679) BayObLG, Beschl. v. 11.7.1991 – BReg. 3 Z 79, 91, BayObLGZ 1991, 272, 277; Lissner, ZInsO 2017, 754, 758. 680) OLG Oldenburg, Beschl. v. 18.7.2019 – 14 W 26/19, NJW-RR 2019, 1408 Rn. 6; OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 1.2.2001 – 24 W 5/01, NJW-RR 2001, 1649; BeckOK ZPO/Wendtland, ZPO, § 149 Rn. 7; MüKoZPO/Fritsche, ZPO, § 149 Rn. 9; Stein/Jonas/Roth, ZPO, § 149 Rn. 11. 681) BGH, Beschl. v. 17.11.2009 – VI ZB 58/08, NJW-RR 2010, 423, 424; MüKoZPO/Fritsche, ZPO, § 149 Rn. 9; Saenger/Wöstmann, ZPO, § 149 Rn. 4; Zöller/Greger, ZPO, § 149 Rn. 2. 682) BVerfG, Beschl. v. 30.6.2003 – 1 BvR 2022/02, BeckRS 2003, 22875, Rn. 20; OLG Stuttgart, Beschl. v. 17.12.1990 – 14 W 5/90, NJW 1991, 1556; BeckOK ZPO/Wendtland, ZPO, § 149 Rn. 7. 683) St. Rspr. BGH, Beschl. v. 27.7.2006 – IX ZB 15/06, NZI 2006, 642 Rn. 5; BGH, Beschl. v. 17.12.2009 – IX ZB 124/09, NZI 2010, 226 Rn. 11; MüKoInsO/Ganter/Bruns, InsO, § 4 Rn. 15; HK-InsO/Sternal, InsO, § 4 Rn. 26; Jaeger/Gerhardt, InsO, § 4 Rn. 57. 684) K/P/B/Prasser/Stoffler, InsVV, Vor. § 1 Rn. 16; wohl auch Lissner, ZInsO 2017, 754, 758; offensichtlich auch die Ansicht des Amtsgerichts Halle, das die Vergütungsfestsetzung des Insolvenzverwalters im Hinblick auf ein bereits anhängiges Strafverfahren aussetzte, siehe LG Halle, Beschl. v. 8.1.2018 – 3 T 34/17, BeckRS 2018, 33150 Rn. 5.

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§ 6 Kritische Auseinandersetzung mit der tatbestandlichen Ausgestaltung der Verwirkung

Hinsicht insbesondere sein, ob die Aussetzung des Vergütungsfestsetzungsverfahrens unmittelbar das Interesse der Gläubiger an einer raschen Befriedigung und Beendigung des Verfahrens tangiert.685) Dies ist im Ergebnis jedoch zu verneinen. Einerseits kann eine Verteilung an die Insolvenzgläubiger bereits im Wege von Abschlagszahlungen nach § 187 InsO schon im Laufe des Verfahrens und unabhängig von der Befriedigung von Masseansprüchen erfolgen,686) zu denen auch der Vergütungsanspruch des Verwalters als Masseverbindlichkeit im Sinne des § 54 Nr. 2 InsO zählt.687) Andererseits kann auch die endgültige Schlussverteilung nach § 196 InsO unabhängig von einer abschließenden Entscheidung über die Vergütung des Insolvenzverwalters und somit unabhängig vom Festsetzungsverfahren durchführt werden.688) Für die Vergütung erforderliche Beträge können nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nämlich zunächst zurückbehalten und sodann in entsprechender Anwendung des § 203 InsO im Wege der Nachtragsverteilung an die Insolvenzgläubiger verteilt werden.689) Im Ergebnis bedeutet dies, dass dem Interesse der Gläubiger an einer zügigen Beteiligung an den Verwertungserlösen auch ohne die endgültige Festsetzung der Vergütung Rechnung getragen wird, sodass in dieser Hinsicht keine Bedenken an einer Aussetzung des Festsetzungsverfahrens bestehen.

309 Demgegenüber kann zwar aus Sicht des Insolvenzverwalters gegen die Aussetzung sprechen, dass zumindest für ihn persönlich eine gesteigerte Eilbedürftigkeit hinsichtlich der Festsetzung seiner Vergütung bestehen mag, da diese das Einkommen aus seiner beruflichen Tätigkeit darstellt, auf das er auch regelmäßig wirtschaftlich angewiesen sein wird, um die laufenden Kosten des eigenen Kanzleibetriebs zu decken.690) Denn anders als beispielsweise ein Rechtsanwalt, der auch unabhängig von einer gerichtlichen Festsetzung oder Genehmigung bereits Rechnungen schreiben und seine Vergütung eigeständig beitreiben kann, ist der Verwalter insoweit beson___________ 685) So gilt eine möglichst zeitnahe Beteiligung der Insolvenzgläubiger an den Verwertungserlösen auch als ein Zweck des Insolvenzverfahrens Braun/Pehl, InsO, § 196 Rn. 1; Nerlich/Römermann/ Westphal, InsO, § 196 Rn. 2. 686) K. Schmidt/Jungmann, InsO, § 187 Rn. 2; K/P/B/Holzer, InsO, § 187 Rn. 4; Graf-Schlicker/ Riedel, InsO, § 187 Rn. 5. 687) Keller, Vergütung und Kosten, § 2 Rn. 19; Jaeger/Schilken, InsO, § 63 Rn. 29; Uhlenbruck/ Mock, InsO, § 63 Rn. 66. 688) BGH, Beschl. v. 20.7.2017 – IX ZB 75/16, ZIP 2017, 1629 Rn. 20 f.; BeckOK InsR/Nicht, InsO, § 196 Rn. 1; kritisieren ließe sich hieran durchaus, dass vor der Schlussverteilung grundsätzlich möglichst alle Masseverbindlichkeiten berichtigt sein sollten, siehe MüKoInsO/Kebekus/ Schwarzer, InsO, § 196 Rn. 13. 689) BGH, Beschl. v. 20.7.2017 – IX ZB 75/16, ZIP 2017, 1629 Rn. 21. 690) So erachtete auch das BayObLG die Aussetzung der Festsetzung der Vergütung eines Pflegers für nicht zumutbar, der für eine bereits vor über einem Jahr beendete Pflegschaft einen Betrag von 2500,– DM als Vergütung beanspruchte, siehe BayObLG Beschl. v. 11.7.1991 – BReg. 3 Z 79, 91, BayObLGZ 1991, 272, 277; zur Eilbedürftigkeit der Festsetzung der Vergütung aus Sicht des Verwalters – der die Gerichte bereits ohnehin nur selten entsprechen – ausführlich Haarmeyer/Mock, InsVV, § 8 Rn. 32.

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C. Prüfung der Verwirkung bei Vergütungsfestsetzung durch das Insolvenzgericht

ders auf die zügige Abwicklung des gerichtlichen Verfahrens angewiesen. In Anbetracht der Bedeutung des § 149 ZPO, mögliche für die Entscheidung relevante Strafbarkeitsvorwürfe klären zu können, wird eine Verzögerung der Vergütungsfestsetzung für den Verwalter in derartigen Ausnahmefällen jedoch hinzunehmen sein. Dafür spricht nicht zuletzt auch, dass im inhaltlich parallelen Fall einer möglichen Verwirkung des Vergütungsanspruchs eines Betreuers wegen einer potenziellen Untreuetat das Vergütungsfestsetzungsverfahren nach Ansicht des BayObLG ebenfalls nach § 149 ZPO auszusetzen ist.691) Die Möglichkeit der Aussetzung wird auch mit Blick auf andere Kostentatbestände unterstrichen. So wird man beispielsweise an Hand der Wertungen des § 11 Abs. 4 und Abs. 5 RVG grundsätzlich annehmen können, dass Verzögerungen im Vergütungsfestsetzungsverfahren durchaus hinzunehmen sind. Denn gemäß § 11 Abs. 4 RVG ist eine Aussetzung des Festsetzungsverfahrens sogar ausdrücklich vorgesehen. Nach § 11 Abs. 5 RVG hat die Vergütungsfestsetzung sogar unabhängig von einer Aussetzung zu unterbleiben, wenn nicht-gebührenrechtliche Einwände erhoben werden, die zunächst in einem gesonderten Verfahren zu klären sind.692) Das Festsetzungsverfahren muss insofern als selbstständiges Verfahren betrachtet 310 werden, dessen Verlängerung durch eine Verfahrensaussetzung nicht die grundsätzliche Eilbedürftigkeit des Insolvenzverfahrens als solches konterkariert. Daher ist das Festsetzungsverfahren in Fällen eines strafrechtlichen Verdachts bis zu einer strafgerichtlichen Entscheidung in entsprechender Anwendung der Regelung des § 149 ZPO auszusetzen. Andernfalls wäre das Insolvenzgericht zu einer Entscheidung gedrängt, obwohl die für die Vergütungsverwirkung relevanten Tatsachen noch nicht abschließend geklärt sind. Dies erschiene jedoch insbesondere angesichts der Härte der Rechtsfolge der Verwirkung äußerst problematisch.

d) Zwischenergebnis Überzeugend aus materiell-rechtlicher Sicht ist es, das Vorliegen einer Straftat als 311 Voraussetzung der Vergütungsverwirkung zu betrachten, allerdings kann diese nicht vom Insolvenzgericht selbst geprüft werden. Vorauszusetzen ist somit eine abschließende Feststellung der Strafbarkeit im Rahmen eines Strafprozesses. Trotz der grundsätzlichen Eilbedürftigkeit des Insolvenzverfahrens wird es in Verdachtsfällen daher nötig sein, das Festsetzungsverfahren nach § 149 ZPO auszusetzen, bis eine endgültige Klärung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit durch ein zuständiges Fachgericht herbeigeführt worden ist.

___________ 691) BayObLG, Beschl. v. 18.2.2004 – 3Z BR 251/03, juris Rn. 16 ff. 692) So stellt insbesondere die Verwirkung einen nicht-gebührenrechtlichen Einwand dar, der in einem gesonderten Verfahren zu klären ist, siehe Toussaint/Toussaint, 51. Aufl., RVG, § 11 Rn. 83.

149

§ 6 Kritische Auseinandersetzung mit der tatbestandlichen Ausgestaltung der Verwirkung

312 Die Prüfung des Verwirkungstatbestands im Rahmen des Festsetzungsverfahrens bedeutet also bisweilen einen nicht unerheblichen Aufwand bei der praktischen Rechtsdurchsetzung.

4.

Rückforderung einer bereits festgesetzten und entnommenen Vergütung

313 Unklarheiten bei der Anwendung des Verwirkungstatbestands bedeuten weiterhin nicht unerhebliche Risiken für den Erhalt der Masse. Problematisch ist nämlich insbesondere, inwiefern eine zwar vom Insolvenzgericht festgesetzte und sodann vom Verwalter auch entnommene Vergütung zurückgefordert werden kann, wenn diese auf der Grundlage der Maßstäbe der Verwirkungskonstruktion als verwirkt hätte eingeordnet werden müssen. Gegebenenfalls wird die Insolvenzmasse also um einen materiell-rechtlich nicht bestehenden Vergütungsanspruch verringert, sofern das Insolvenzgericht den Verwirkungstatbestand aufgrund seiner unklaren Ausgestaltung fehlerhaft anwendet.

314 Ausgangspunkt der Untersuchung einer Rückforderungsmöglichkeit ist dabei die Rechtskraft des Vergütungsfestsetzungsbeschlusses. Während die Rechtskraft des Beschlusses zwar für die Entnahme der Vergütung grundsätzlich noch unwesentlich ist, der Verwalter – mit Ausnahme des vorläufigen schwachen Insolvenzverwalters – seine Vergütung mithin vor Rechtskraft des Festsetzungsbeschlusses eigenständig aus der Insolvenzmasse entnehmen darf,693) ist es für die Möglichkeit der Rückforderung der bereits entnommenen Vergütung sowohl materiell-rechtlich als auch prozessual entscheidend, ob der Beschluss bereits in formelle und materielle Rechtskraft erwachsen ist.

315 Die Rechtskraft des Festsetzungsbeschlusses tritt formell zu dem Zeitpunkt ein, wenn die zweiwöchige Rechtsmittelfrist zur Erhebung der sofortigen Beschwerde nach § 64 Abs. 3 InsO abgelaufen ist oder die den Rechtszug abschließende Entscheidung wirksam geworden ist.694) Materielle Rechtskraft entfaltet der Festsetzungsbeschluss hingegen erst dann, wenn eine abweichende Entscheidung desselben oder eines anderen Gerichts nicht mehr möglich ist.695) Diese erstreckt sich dabei aber nur auf den Vergütungsanspruch als solchen und seinen Umfang, nicht jedoch auf die Berechnungsgrundlage und den Vergütungssatz, die lediglich Vorfragen darstellen und somit nicht an der materiellen Rechtskraft der Vergütungsfestsetzung teil-

___________ 693) BGH, Urt. v. 17.11.2005 – IX ZR 179/04, BGHZ 165, 96, 101; K/P/B/Prasser, InsVV, § 8 Rn. 19; Uhlenbruck/Mock, InsO, § 63 Rn. 70; MüKoInsO/Stephan, InsO, § 63 Rn. 37; HK-InsO/ Keller, InsO, § 64 Rn. 34. 694) Haarmeyer/Mock, InsVV, § 8 Rn. 39; K/P/B/Prasser, InsVV, § 8 Rn. 14; siehe zu den Einzelheiten des Fristlaufs ausführlich K/P/B/Stoffler, InsO, § 64 Rn. 39 ff. 695) Haarmeyer/Mock, InsVV, § 8 Rn. 39a.

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C. Prüfung der Verwirkung bei Vergütungsfestsetzung durch das Insolvenzgericht

nehmen.696) Insofern kann unter Umständen eine erneute Festsetzung der Vergütung trotz bereits erfolgter rechtskräftiger Erstfestsetzung zulässig sein, wenn sich neue Tatsachen im Hinblick auf die nicht von der materiellen Rechtskraft umfassten Vorfragen ergeben.697)

a) Rückforderungsmöglichkeiten vor Rechtskraft des Festsetzungsbeschlusses Anknüpfungspunkt für eine etwaige Rückforderung vor Rechtskraft des Festsetzungs- 316 beschlusses ist auf der Grundlage der gegenwärtigen Rechtspraxis die Möglichkeit, im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens eine Entscheidung über die Verwirkung der Vergütung herbeizuführen.698) Vor Ablauf der Rechtsmittelfrist besteht nach § 64 Abs. 3 Satz 1 InsO nämlich für den Insolvenzschuldner und jeden Insolvenzgläubiger – aber auch einen möglicherwiese später eingewechselten Insolvenzverwalter – grundsätzlich die Möglichkeit,699) gegen den Festsetzungsbeschluss der Vergütung des – früheren – Verwalters sofortige Beschwerde einzulegen. Wird der ursprüngliche Festsetzungsbeschluss durch das Beschwerdegericht sodann im Beschwerdeverfahren rechtskräftig aufgehoben bzw. abgeändert, ergibt sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Möglichkeit zur Rückforderung einer bereits vom Insolvenzverwalter vor Rechtskraft der Festsetzung entnommenen Vergütung aus einer analogen Anwendung des prozessualen Schadenersatzanspruchs nach § 717 Abs. 2 ZPO.700) Begründet wird dies damit, dass § 717 ZPO über seinen Wortlaut hinaus in weiteren Fällen entsprechend anwendbar sei, insbesondere auf vollstreckbare Beschlüsse nach § 794 Abs. 1 Nr. 3 ZPO. Teilweise wird diesem Lösungsansatz entgegengetreten und der Rückzahlungsanspruch – wie auch bei Rückforderung bereits bewilligter aber im Ergebnis zu hoch bemessener Vorschüsse701) – unmittelbar ___________ 696) BGH, Beschl. v. 20.5.2010 – IX ZB 11/07, NJW-RR 2010, 1430; BGH, Beschl. v. 6.4.2017 – IX ZB 3/16, ZIP 2017, 932 Rn. 17; K/P/B/Prasser, InsVV, § 8 Rn. 14 ff.; Haarmeyer/Mock, InsVV, § 8 Rn. 39a. 697) Haarmeyer/Mock, InsVV, § 8 Rn. 39a; siehe dazu bereits oben Rn. 303 f. 698) Siehe Pluta/Heidrich, FS Kayser, S. 723, 728 ff. 699) Zur Beschwerdebefugnis des neu bestellten bzw. endgültigen Insolvenzverwalters BGH, Beschl. v. 10.10.2013 – IX ZB 38/11, NZI 2013, 1014 Rn. 12; K/P/B/Stoffler, InsO, § 64 Rn. 54. 700) BGH, Urt. v. 17.11.2005 – IX ZR 179/04, BGHZ 165, 96, 102 f.; BGH, Urt. v. 20.3.2014 – IX ZR 25/12, ZIP 2014, 1394, 1395; zustimmend Uhlenbruck/Mock, InsO, § 63 Rn. 73; Jaeger/ Schilken, InsO, § 64 Rn. 25; Pluta/Heidrich, FS Kayser, S. 723, 731; K/P/B/Prasser, InsVV, § 8 Rn. 19; ausführlich besprochen werden die beiden Entscheidungen des BGH von Blersch, FS Kübler, S. 51 ff. 701) MüKoInsO/Stephan, InsVV, § 9 Rn. 35; K/P/B/Prasser, InsVV, § 9 Rn. 3; Uhlenbruck/Mock, InsO, § 63 Rn. 63; Jaeger/Schilken, InsO, § 63 Rn. 17; wohl auch BGH, Beschl. v. 1.10.2002 – IX ZB 53/02, ZIP 2002, 2223, 2224: zwar wird in der Entscheidung nicht ausdrücklich auf das Bereicherungsrecht verwiesen, zumindest aber formuliert der BGH, dass zu viel erlangte Zahlungen (Vorschüsse) gemäß materiellem Recht zurückzuerstatten sind.

151

§ 6 Kritische Auseinandersetzung mit der tatbestandlichen Ausgestaltung der Verwirkung

aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB hergeleitet.702) In diesem Falle könnte allerdings der Verwalter die Entreicherungseinrede geltend machen. Denkbar erscheint aufgrund der entnahmebedingten Minderung der Insolvenzmasse systematisch aber auch eine Lösung über die Haftung des Insolvenzverwalters nach § 60 InsO.703) Der Schaden bestünde dabei in Höhe der zu Unrecht aus der Masse entnommenen Vergütung.704)

317 Unabhängig von der konkreten Anspruchsgrundlage gilt aber, dass ein vom Insolvenzgericht neu zu bestellender Verwalter insoweit zwecks Geltendmachung des Anspruchs Klage vor einem Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit erheben müsste,705) da dem Insolvenzgericht die Befugnis, die Rückzahlung von aus der Masse entnommener Beträge gerichtlich anzuordnen, zu Recht überwiegend abgesprochen wird.706)

318 Allerdings ist an dieser Stelle weniger die Möglichkeit der Geltendmachung des Anspruchs oder die Beantwortung der Frage von Bedeutung, welche der möglichen Anspruchsgrundlagen im Ergebnis dogmatisch vorzugswürdig erscheint. Wesentlich ist vielmehr, dass eine Rückforderungsmöglichkeit in jedem Fall von der späteren Aufhebung oder Abänderung der ursprünglichen Festsetzungsentscheidung im Rahmen des Beschwerdeverfahrens abhängig ist. Dementsprechend müsste im Rahmen des Beschwerdeverfahrens überhaupt die materiell-rechtliche Frage der Verwirkung geklärt werden können, damit es zu einer Aufhebung des Festsetzungsbeschlusses kommen kann. Insofern setzten sich allerdings auch an dieser Stelle die bisher schon dargestellten Bedenken fort. Schon das Vergütungsfestsetzungsverfahren ist zur Aufarbeitung und Klärung materiell-rechtlicher Fragestellungen wie der Vergütungsverwirkung weder bestimmt noch geeignet. Etwas anderes kann daher aber auch nicht für das Beschwerdeverfahren gelten. Über die materiell-rechtliche Fragestellungen der Verwirkung der Verwaltervergütung zu entscheiden, ist auch das Beschwerdegericht nicht zuständig. Die Prüfungskompetenz ist vielmehr auf spezifische vergütungsrechtliche Tatbestände der InsVV beschränkt. ___________ 702) Zimmer, InsVV, § 8 Rn. 205; Graeber, NZI 2014, 147, 148; Blersch, FS Kübler, S. 51, 63 ff.; Smid, ZIP 2014, 1714, 1720; zur Rückzahlung von Vorschüssen bei Verwirkung der Vergütung OLG Schleswig, Urt. v. 29.6.2022 – 9 U 1/22, NZI 2022, 919 Rn. 21 ff. 703) Blersch, FS Kübler, S. 51, 61 ff.; Smid, ZIP 2014, 1714, 1720; siehe zu den jeweiligen Ansätzen ausführlich Cranshaw, ZInsO 2017, 989, 995 ff. 704) Blersch, FS Kübler, S. 51, 63. 705) Uhlenbruck/Mock, InsO, § 63 Rn. 74; Graeber, NZI 2014, 147, 150; Zimmer, InsVV, § 8 Rn. 205; Cranshaw, ZInsO 2017, 989, 1010; erachtet man § 60 InsO als zutreffende Anspruchsgrundlage, ergibt sich dies bereits aus § 92 InsO, siehe Blersch, FS Kübler, S. 51, 63. 706) LG Göttingen, Beschl. v. 16.2.1995 – 6 T 84/94, ZIP 1995, 858, 859; LG Mönchengladbach, Beschl. v. 19.3.2008 – 5 T 425-07, 4 T 474/07, ZInsO 2009, 1074, 1075; Uhlenbruck/ Vallender/Zipperer, InsO, § 58 Rn. 11; K. Schmidt/Ries, InsO, § 58 Rn. 17; Jaeger/Gerhardt, InsO, § 58 Rn. 17; Frege/Keller/Riedel, Handbuch Insolvenzrecht, Teil 3 Rn. 9; in der Tendenz wohl auch BGH, Urt. v. 17.11.2005 – IX ZR 179/04, BGHZ 165, 96, 100; für eine Anordnungsbefugnis des Insolvenzgerichts hingegen: OLG Köln, Beschl. v. 21.4.1976 – 2 W 46/76, KTS 1977, 56, 61; LG Aachen, v. 23.11.1977 – 3 T 49/76, RPfleger 1978, 380.

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C. Prüfung der Verwirkung bei Vergütungsfestsetzung durch das Insolvenzgericht

Möglichkeiten der Rückforderung der Vergütung können dementsprechend nicht die 319 Klärung der Verwirkung im Rahmen des Beschwerdeverfahrens voraussetzen, ohne weitere Widersprüche zu begründen. Doch auch dann, wenn man die materiell-rechtliche Prüfung der Verwirkung des Ver- 320 gütungsanspruchs des Insolvenzverwalters im Rahmen des Festsetzungsverfahrens bzw. eines sich anschließenden Beschwerdeverfahrens für grundsätzlich zulässig erachten wollte, besteht dennoch die Gefahr, dass die potenzielle Verwirkung im Beschwerdeverfahren trotzdem aus anderen prozessualen Gründen nicht mehr berücksichtigt werden kann. Denn im Beschwerdeverfahren ist das Verbot der Schlechterstellung (reformatio in peius) auch im Hinblick auf die Verwirkung zu berücksichtigen;707) dies gilt auch im Falle der Aufhebung und Zurückverweisung.708) Zwar kann das Beschwerdegericht einzelne Vergütungspositionen wie Zu- und Abschläge anders bemessen, ist allerdings insgesamt an die Gesamthöhe der Insolvenzverwaltervergütung gebunden, die das Insolvenzgericht zunächst festgesetzt hat.709) Dies bedeutet in dem Fall, dass der Insolvenzverwalter als Rechtsmittelführer sofor- 321 tige Beschwerde gegen die Festsetzung seines Vergütungsanspruchs einlegt, ihm der vom Insolvenzgericht festgesetzte Vergütungsanspruch auch dann zu gewähren wäre, wenn sich im Beschwerdeverfahren herausstellt, dass der Anspruch des Verwalters unter Zugrundelegung der tatbestandlichen Merkmale der Verwirkung nach § 654 BGB als verwirkt einzuordnen gewesen wäre.710) Dabei ist eine derartige Konstellation, dass der Verwalter selbst sofortige Beschwerde gegen den Festsetzungsbeschluss einlegt, da er beispielsweise die Festsetzung als zu gering betrachtet, in der Praxis durchaus nicht selten und ein entsprechendes Szenario dementsprechend nicht nur theoretischer Natur.711) Zumindest abstrakt begründet sich hierin zudem die Gefahr, dass Insolvenzgerichte 322 möglicherweise bei potenziell verwirkungsrelevanten Verhaltensweisen dazu geneigt sein könnten, den Verwirkungstatbestand zu großzügig auslegen und in der Tendenz eher eine Verwirkung des Anspruchs anzunehmen, um vor dem Hintergrund des Verschlechterungsverbots keine endgültige Festsetzung herbeizuführen.

___________ 707) BGH, Beschl. v. 6.5.2004 – IX ZB 349/02, BGHZ 159, 122, 124; Keller, Vergütung und Kosten, § 15 Rn. 84 f.; Pluta/Heidrich, FS Kayser, S. 723, 730. 708) BGH, Beschl. v. 6.5.2004 – IX ZB 349/02, BGHZ 159, 122, 124 f. 709) BGH, Beschl. v. 16.6.2005 – IX ZB 285/03, ZIP 2006, 1371; Haarmeyer/Mock, InsVV, § 8 Rn. 43; Zimmer, InsVV, § 8 Rn. 173; Stephan/Riedel/Riedel, InsVV, § 8 Rn. 33; MüKoInsO/ Riedel, InsO, § 64 Rn. 30. 710) Pluta/Heidrich, FS Kayser, S. 723, 730. 711) Siehe insofern den der Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs zur Verwirkung der Vergütung des Insolvenzverwalters nach § 654 BGB zugrundeliegenden Verfahrensgang, BGH, Beschl. v. 6.5.2004 – IX ZB 349/02, BGHZ 159, 122.

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§ 6 Kritische Auseinandersetzung mit der tatbestandlichen Ausgestaltung der Verwirkung

b) Rückforderungsmöglichkeiten nach Rechtskraft des Festsetzungsbeschlusses 323 Nach Eintritt der Rechtskraft des Festsetzungsbeschlusses des Insolvenzgerichts besteht freilich schon prozessual nicht mehr die Möglichkeit, die Frage der Vergütungsverwirkung im Rahmen des Beschwerdeverfahrens zu klären. Auch eine Wiederaufnahme des Festsetzungsverfahrens ist vor dem Hintergrund nicht möglich, dass eine entsprechende Anwendung der Vorschriften der §§ 578 ff. ZPO im Vergütungsfestsetzungsverfahren abzulehnen ist.712)

324 Die einzige Möglichkeit einer Rückforderung besteht folglich darin, dass ein neu bestellter Insolvenzverwalter etwaige Rückforderungsansprüche gegenüber dem früheren Insolvenzverwalter geltend macht.713) Unklar ist dabei allerdings, auf welche Anspruchsgrundlage ein Rückforderungsanspruch anknüpfend an den Verwirkungseinwand nach § 654 BGB gegenüber dem früheren Insolvenzverwalter überhaupt gestützt werden kann.

325 Ist es nämlich bereits zur Entnahme der Vergütung gekommen, scheidet eine Vollstreckungsabwehrklage nach §§ 767, 794 Abs. 1 Nr. 3 ZPO aus, da eine solche ab Beendigung der Zwangsvollstreckung bzw. Erfüllung des Vergütungsanspruchs infolge der Entnahme mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig ist.714) Denkbar wäre daher nur, dass der neu bestellte Insolvenzverwalter den früheren Verwalter, der die festgesetzte, aber materiell-rechtlich verwirkte Vergütung bereits aus der Masse entnommen hat, unter Heranziehung des § 812 BGB im Rahmen einer sog. verlängerten Vollstreckungsabwehrklage715) auf Rückzahlung in Anspruch nimmt.716) Auf diesem Wege könnte ein neu bestellter Insolvenzverwalter, der aufgrund der ihm übertragenen Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis die Stellung als Vollstreckungsschuldner einnimmt, den bereits in die Masse quasi vollstreckten Vergütungsanspruch des ehemaligen Insolvenzverwalters zurückfordern. Denn die eigenständige Entnahme aus der Masse durch den Verwalter ist zwar keine Vollstreckung im eigentlichen Sinn, im Ergebnis in ihrer Wirkungsweise aber sogar effektiver, sodass ein ähnliches Schutzbedürfnis wie bei der gewöhnlichen Zwangsvollstreckung besteht.717) Wie für die Vollstreckungsabwehrklage gilt allerdings grundsätzlich auch für die verlän___________ 712) BGH, Beschl. v. 20.5.2010 – IX ZB 11/07, BGHZ 185, 353 Rn. 6; MüKoInsO/Ganter/Bruns, InsO, § 4 Rn. 89. 713) Pluta/Heidrich, FS Kayser, S. 723, 731. 714) MüKoZPO/K. Schmidt/Brinkmann, ZPO, § 767 Rn. 43; Zöller/Herget, ZPO, § 767 Rn. 8; Saenger/Kindl, ZPO, § 767 Rn. 17. 715) BGH, Urt. v. 17.2.1982 – IVb ZR 657/80, BGHZ 83, 278, 279 f.; BGH, Urt. v. 6.3.1987 – V ZR 19/86, BGHZ 100, 211; BGH, Urt. v. 2.4.2001 – II ZR 331/99, NJW-RR 2001, 1450, 1451; MüKoZPO/K. Schmidt/Brinkmann, ZPO, § 767 Rn. 21; Zöller/Herget, ZPO, § 767 Rn. 8. 716) Pluta/Heidrich, FS Kayser, S. 723, 734. 717) Siehe insofern die Argumentation des Bundesgerichtshofs zur entsprechenden Anwendung des § 717 Abs. 2 ZPO, BGH, Urt. v. 17.11.2005 – IX ZR 179/04, BGHZ 165, 96 Rn. 30.

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C. Prüfung der Verwirkung bei Vergütungsfestsetzung durch das Insolvenzgericht

gerte Vollstreckungsabwehrklage der Präklusionseinwand nach § 767 Abs. 2 ZPO.718) Gemessen daran wäre im Rahmen der verlängerten Vollstreckungsabwehrklage das Vorbringen der Verwirkung des Vergütungsanspruchs präkludiert, da der Einwand der Vergütungsverwirkung nach § 654 BGB objektiv bereits im Rahmen des Festsetzungsverfahrens bestand. Allerdings findet § 767 Abs. 2 ZPO in dieser Konstellation keine Anwendung. Grundsätzlich ist die Präklusionsvorschrift nach übereinstimmender Auffassung in Rechtsprechung und Literatur im Hinblick auf die Festsetzung der Vergütung des Insolvenzverwalters nämlich ohnehin nicht anwendbar.719) Ausgangspunkt der diesbezüglichen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs war dabei zwar jeweils die Frage nach der Möglichkeit der Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen im Rahmen des Vergütungsfestsetzungsverfahrens. Hintergrund des Anwendungsausschlusses des § 767 Abs. 2 ZPO in einem sich an die Festsetzung anschließenden Klageverfahrens ist aber die grundlegende Überlegung, dass die Geltendmachung von materiellen Gegenansprüchen im Rahmen des Festsetzungsverfahrens nicht möglich ist.720) Gleiches muss daher auch für die Verwirkungskonstruktion nach § 654 BGB gelten, da es sich dabei um die Überprüfung materiellen Rechts handelt, die im Festsetzungsverfahren weder vom Richter noch vom Rechtspfleger vorzunehmen ist.721) Demnach muss es dem neu bestellten Insolvenzverwalter ebenfalls möglich sein, den Einwand der Verwirkung nach § 654 BGB im Rahmen einer verlängerten Vollstreckungsabwehrklage vorzubringen und somit auch nach Rechtskraft des Festsetzungsbeschlusses die vom ehemaligen Verwalter entnommene Vergütung nach Maßgabe des § 812 BGB zurückzufordern.722) Als Risiko verbleibt dabei aber, dass der ehemalige Verwalter gegebenenfalls der Rückforderung den Einwand der Entreicherung nach § 818 Abs. 3 BGB entgegenhält. Sofern man hingegen den Einwand der Verwirkung im Rahmen der verlängerten 326 Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 Abs. 2 ZPO für präkludiert hält, wird zur Rückforderung der bereits entnommenen Vergütung auf einen Schadensersatzanspruch nach § 826 BGB wegen vorsätzlich sittenwidriger Schädigung verwiesen.723) Eine auf § 826 BGB gestützte Klage ist zwar grundsätzlich zur Rechtskraftdurchbrechung des Vergütungsfestsetzungsbeschlusses geeignet,724) jedoch wird ein An___________ 718) BGH, Urt. v. 7.7.2005 – VII ZR 351/03, BGHZ 163, 339, 342; BGH, Urt. v. 5.7.2013 – V ZR 141/12, NJW 2013, 3243 Rn. 17; MüKoZPO/K. Schmidt/Brinkmann, ZPO, § 767 Rn. 21; K. Schmidt, JuS 2014, 364, 365. 719) BGH, Urt. v. 5.1.1995 – IX ZR 241/93, ZIP 1995, 290, 291; BGH, Beschl. v. 6.11.2014 – IX ZB 90/12, ZIP 2014, 2450 Rn. 12; MüKoZPO/K. Schmidt/Brinkmann, ZPO, § 767 Rn. 79. 720) Siehe dazu oben ausführlich Rn. 11 ff. 721) BGH, Urt. v. 5.1.1995 – IX ZR 241/93, ZIP 1995, 290, 291; siehe dazu ausführlich oben Rn. 263 ff. 722) A. A. Pluta/Heidrich, FS Kayser, S. 723, 735. 723) Pluta/Heidrich, FS Kayser, S. 723, 735. 724) Zur Rechtskraftdurchbrechung grundsätzlich BGH, Urt. v. 24.9.1987 – III ZR 187/86, BGHZ 101, 380, 383 f. (m. w. N.); MüKoBGB/Wagner, BGB, § 826 Rn. 261; bei Vergütungsfestsetzungsbeschlüssen Pluta/Heidrich, FS Kayser, S. 723, 736; Kirchner/Wozniak, ZInsO 2018, 147, 154.

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§ 6 Kritische Auseinandersetzung mit der tatbestandlichen Ausgestaltung der Verwirkung

spruch auf Rückzahlung in aller Regel aufgrund der tatbestandlichen Anforderungen des § 826 BGB und dabei insbesondere des schwierigen Nachweises der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung scheitern. Richtig ist nämlich, dass neben dem ohnehin nicht generell für jedwede Verwirkungskonstellation zu unterstellenden Vorsatz des Verwalters, einen materiell unrichtigen Festsetzungsbeschluss zu erwirken, noch besondere Umstände hinzukommen müssen, die die Titelerlangung und Vollstreckung – mithin Entnahme der Vergütung aus der Masse – in sittenwidriger Weise prägen, um die Rechtskraftdurchbrechung rechtfertigen zu können.725) Ein auf § 826 BGB gestützter Rückforderungsanspruch wird insofern nur geringe Aussicht auf Erfolg haben und nicht dazu geeignet sein, die Rechtskraft der Festsetzung zu durchbrechen.

327 Nach Rechtskraft der Festsetzung kommt überdies auch keine auf die insolvenzrechtliche Haftungsnorm des § 60 InsO gestützte Rückforderung in Betracht, da dem § 60 InsO bezüglich der bereits rechtskräftig festgesetzten Vergütung schon keine rechtskraftdurchbrechende Wirkung zugesprochen werden kann.726)

c)

Zwischenergebnis

328 In jedem Fall ist die Rückforderung einer zwar vom Insolvenzgericht festgesetzten und auch vom Verwalter bereits entnommenen Vergütung, die nach den materiellrechtlichen Vorgaben des Verwirkungstatbestands aber eigentlich als verwirkt zu betrachten gewesen wäre, mit einem hohen prozessualen Aufwand und somit mit weiteren Kosten sowie zeitlichen Verzögerungen verbunden. Neben den insofern bestehenden rechtlichen Hürden muss ebenfalls Berücksichtigung finden, dass bei der Vergütungsverwirkung zugrundeliegenden Sachverhalten durchaus die Gefahr besteht, einen Rückforderungsanspruch aufgrund der finanziellen Lage des (ehemaligen) Verwalters rein tatsächlich nicht realisieren zu können. Im Falle einer Insolvenz des Verwalters bliebe gegebenenfalls sogar nur die Anmeldung des Rückforderungsanspruchs zur Insolvenztabelle.727) Eine der unklaren tatbestandlichen Ausgestaltung des Tatbestands geschuldete verfehlte Anwendung der Verwirkungsmaßstäbe wäre in derartigen Fällen für die Masse und somit im Ergebnis für die Gläubiger besonders schwerwiegend.

___________ 725) Pluta/Heidrich, FS Kayser, S. 723, 736 f.; dies betont auch grundlegend der Bundesgerichtshof: St. Rspr. BGH, Urt. v. 24.9.1987 – III ZR 187/86, BGHZ 101, 380, 384 f. (m. w. N.); siehe zudem ausführlich zu der engen Beschränkung auf besonders schwerwiegende Ausnahmefälle im Hinblick auf Prozessführung und Urteilserschleichung BeckOGK/Spindler, 1.3.2022, BGB, § 826 Rn. 142 ff. 726) Pluta/Heidrich, FS Kayser, S. 723, 738. 727) Pluta/Heidrich, FS Kayser, S. 723, 731.

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C. Prüfung der Verwirkung bei Vergütungsfestsetzung durch das Insolvenzgericht

5.

Ergebnis

Es zeigt sich somit, dass die Prüfung der Verwirkungskonstruktion nach § 654 BGB 329 im Rahmen des Festsetzungsverfahrens eine Vielzahl von praktischen Problemen aufwirft. Grund dafür ist die unklare Ausgestaltung des Verwirkungstatbestands. Mag die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zwar für die bisher entschiedenen 330 Fallgruppen zumindest eine Richtschnur für die tatbestandlichen Maßstäbe bilden, zeigt sich aber mit Blick auf die Entscheidungen von Insolvenz- aber auch der sodann mit der Frage der Verwirkung betrauten Beschwerdegerichten, dass eine einheitliche Anwendung der Verwirkungskonstruktion in der Praxis nicht gegeben ist. Zudem bestehen auch Zweifel an der fachlichen Kompetenz des grundsätzlich für die Festsetzung der Vergütung zuständigen Rechtspflegers, von dem für eine angemessene Prüfung des Verwirkungstatbestands tiefergehende materiell-rechtliche Kenntnisse zu erwarten wären, die ihm im Rahmen der Ausbildung jedoch nicht im notwendigen Maße vermittelt werden. Doch nicht nur an Hand der durch Rechtspfleger getroffenen Entscheidungen wird das uneinheitliche Verständnis des Maßstabs der Vergütungsverwirkung deutlich. Auch die Entscheidungen der Beschwerdegerichte machen dies deutlich. Vor diesem Hintergrund aber auch in Anbetracht des von der Rechtsprechung an- 331 genommenen Ausnahmecharakters der Vergütungsverwirkung ist es zwingend geboten, als einheitlichen Gradmesser für die Annahme der Verwirkung eine Straftat des Insolvenzverwalters und eine entsprechende strafgerichtliche Verurteilung vorauszusetzen. Mangels der Möglichkeit der Klärung im Festsetzungsverfahren ist dieses bis zu einer abschließenden Klärung einer möglichen Strafbarkeit in einem Strafprozess auszusetzen. Unsicherheiten bei Anwendung des Verwirkungstatbestands können überdies auch 332 erhebliche Konsequenzen für die Masse des Verfahrens haben. Hat der Verwalter auf Grundlage des Festsetzungsbeschlusses seine Vergütung nämlich bereits entnommen, obwohl diese nach materiell-rechtlichen Maßstäben der Verwirkungskonstruktion tatsächlich als verwirkt zu betrachten wäre, ist eine Rückforderung der Vergütung mit erheblichen Hindernissen verbunden. Dem richtigen Verständnis der Anforderungen an die Verwirkung der Vergütung kommt also auch insofern eine nicht unwesentliche Bedeutung zu.

157

§ 7 Vereinbarkeit der Vergütungsverwirkung mit Art. 12 GG Losgelöst von der Problematik der dogmatischen Konsistenz der Verwirkungsrecht- 333 sprechung an sich und den in ihrer Umsetzung begründeten rechtlichen wie praktischen Problemen stellt sich aus verfassungsrechtlicher Perspektive die ganz grundsätzliche Frage, ob die Verwirkungskonstruktion mit der in Art. 12 GG gewährleisteten Berufsfreiheit vereinbar ist. Zweifel bestehen bereits daran, ob eine in richterlicher Rechtsfortbildung entwickelte 334 Anwendung einer nur für das Maklerrecht kodifizierten Norm den Anforderungen für Eingriffe in die von Art. 12 GG grundrechtlich geschützten Positionen des Insolvenzverwalters genügen kann; erst recht gilt dies vor dem Hintergrund des in Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG vorgesehenen Gesetzesvorbehalts. Wesentlich ist dabei auch, dass – wie zu zeigen sein wird – neben dem unmittelba- 335 ren Entfall der Vergütung auch darüber hinaus gehende Eingriffe in den Schutzbereich von Art. 12 GG durch die Verwirkungsrechtsprechung ausgelöst werden.

A. Grundzüge des von Art. 12 GG vermittelten Schutzes Spätestens seitdem die Tätigkeit als Insolvenzverwalter nicht mehr als bloße Ne- 336 bentätigkeit anderer Berufsträger, wie beispielsweise von Rechtsanwälten, eingeordnet, sondern als eigenständiger Beruf verstanden wird,728) unterfällt sie vollumfänglich dem Schutzbereich des Art. 12 GG. Im Mittelpunkt des von Art. 12 GG vermittelten Schutzes steht dabei die Berufsfreiheit, zu der sowohl die Freiheit der Berufswahl als auch die Freiheit der Berufsausübung zählen.729) Grundsätzlich wird danach dem Einzelnen verfassungsrechtlich das Recht zugesi- 337 chert, jede Tätigkeit, für die er sich geeignet hält, als Beruf zu ergreifen, auszuüben und zur Grundlage der eigenen Lebensführung zu machen.730) Damit gewährt Art. 12 GG das Grundrecht auf freie Wahl der eigenen beruflichen Tätigkeit.731) Der Schutz beginnt mithin nicht erst mit Aufnahme eines Berufes, vielmehr ist bereits die Möglichkeit der Aufnahme eines Berufes vom Schutzbereich des Art. 12 GG umfasst.732) Konkret geschützt ist daher auch die Freiheit, die Tätigkeit als Insolvenz___________ 728) BVerfG, Beschl. v. 3.8.2004 – 1 BvR 135/00, 1086/1, NZI 2004, 574, 576; Uhlenbruck/ Zipperer, InsO, § 56 Rn. 4; K/P/B/Lüke, InsO, § 56 Rn. 13. 729) Grundlegend BVerfG, Urt. v. 11.6.1958 – 1 BvR 596/56, BVerfGE 7, 377 ff.; Dürig/Herzog/ Scholz/Scholz, GG, Art. 12 Rn. 1; Dreier/Wieland, GG, Art. 12 Rn. 48. 730) BVerfG, Beschl. v. 20.3.2001 – 1 BvR 491/96, BVerfGE 103, 172, 182; Jarass/Pieroth/Jarass, GG, Art. 12 Rn. 1. 731) BVerfG, Beschl. v. 21.10.1981 – 1 BvR 52/81, BVerfGE 58, 358, 363 f.; Sachs/Mann, GG, Art. 12 Rn. 78. 732) Dürig/Herzog/Scholz/Scholz, GG, Art. 12 Rn. 288.

159

§ 7 Vereinbarkeit der Vergütungsverwirkung mit Art. 12 GG

verwalter zum Beruf zu wählen.733) Denn das Tätigwerden als Insolvenzverwalter beschreibt nicht lediglich eine bloße Berufsmodalität, sondern stellt aufgrund der hohen Spezialisierung der Tätigkeit als Insolvenzverwalter einen eigenen Beruf bzw. ein eigenständiges Berufsbild dar.734)

338 Im Hinblick auf die Verwirkung des Vergütungsanspruchs ist vor allem das unter dem Aspekt der Berufsausübungsfreiheit ebenfalls von Art. 12 GG geschützte Recht, eine angemessene Vergütung für die im Rahmen der beruflichen Tätigkeit erbrachte Leistung zu fordern, von zentraler Bedeutung.735) Insofern ist der einfachgesetzlich in § 63 InsO festgehaltene Anspruch des Insolvenzverwalters auf eine angemessene Vergütung auch verfassungsrechtlich abgesichert.736) Einen besonderen Schutz genießt der Vergütungsanspruch zudem vor dem Hintergrund, dass die Inanspruchnahme Privater für öffentliche Zwecke nur dann mit dem Regelungsgehalt von Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar ist, wenn der Dienstverpflichtete im Gegenzug eine für seine Tätigkeit angemessene Vergütung erhält.737) Öffentlichen Zwecken dient die Tätigkeit des Verwalters dabei insoweit, dass eine ordnungsgemäße Durchführung des Insolvenzverfahrens nicht nur im Interesse der unmittelbar Verfahrensbeteiligten, sondern auch im allgemeinen Interesse liegt;738) insbesondere für das Funktionieren der Marktwirtschaft und für die Rechts- und Wirtschaftsmoral ist es von wesentlicher Bedeutung.739)

B. Beeinträchtigung des Schutzbereichs durch Vergütungsentfall 339 Vor dem Hintergrund dieses umfassenden verfassungsrechtlichen Schutzes des Berufs des Insolvenzverwalters und dabei auch seines Vergütungsanspruchs liegt ein in der Verwirkungskonstruktion begründeter Eingriff bereits auf der Hand. Ein solcher Eingriff in den Schutzbereich des Art. 12 GG bedarf einer verfassungsrechtlichen ___________ 733) Köster, Die Bestellung des Insolvenzverwalters, S. 118; Jarass/Pieroth/Jarass, GG, Art. 12 Rn. 38 f. 734) BVerfG, Beschl. v. 3.8.2004 – 1 BvR 135/00, 1086/01, NZI 2004, 574, 576; BVerfG, Beschl. v. 12.1.2016 – 1 BvR 3102/13, BVerfGE 141, 121 Rn. 35; Jarass/Pieroth/Jarass, GG, Art. 12 Rn. 38; Köster, Die Bestellung des Insolvenzverwalters, S. 120; Uhlenbruck/Zipperer, InsO, § 56 Rn. 4; siehe ausführlich zur Entwicklung des eigenständigen Berufsbilds Uhlenbruck, FS Wellensiek, S. 361 ff. 735) BVerfG, Beschl. v. 30.3.1993 – 1 BvR 1045/89, 1381/90, 1 BvL 11/90, BVerfGE 88, 145, 159; Jarass/Pieroth/Jarass, GG, Art. 12 Rn. 10a; MüKoInsO/Stephan, InsO, § 63 Rn. 16. 736) BGH, Urt. v. 5.12.1991 – IX ZR 275/90, BGHZ 116, 233, 238 f.; Uhlenbruck/Mock, InsO, § 63 Rn. 5; Haarmeyer/Mock, InsVV, Vorb. Rn. 49; K. Schmidt/Vuia, InsO, § 63 Rn. 1. 737) BVerfG, Urt. v. 1.7.1980 – 1 BvR 349/75, 378/76, BVerfGE 54, 251, 271; Haarmeyer/Mock, InsVV, Vorb. Rn. 49; K/P/B/Prasser/Stoffler, InsVV, Vor. § 1 Rn. 1. 738) BGH, Urt. v. 5.12.1991 – IX ZR 275/90, BGHZ 116, 233, 238 f.; Haarmeyer/Mock, InsVV, Vorb. Rn. 49. 739) Haarmeyer/Mock, InsVV, Vorb. Rn. 49; siehe ausführlich den Gesetzesentwurf zur Insolvenzordnung, BT-Drs. 12/2443 S. 72 ff.

160

B. Beeinträchtigung des Schutzbereichs durch Vergütungsentfall

Legitimation. Grundsätzlich sind nämlich alle Vorschriften oder staatlichen Rechtsakte, die einen unmittelbaren Bezug zur beruflichen Betätigung aufweisen, mithin das „Ob“ und „Wie“ einer bestimmten beruflichen Tätigkeit reglementieren, am Maßstab des Art. 12 GG zu messen.740)

I.

Eingriff in den Schutzbereich durch den Entfall der Vergütung

Die von der Rechtsprechung unter Bezugnahme auf einen in § 654 BGB enthaltenen 340 allgemeinen Rechtsgedanken hergeleitete Vergütungsverwirkung ist bereits deshalb zwingend am Maßstab des Art. 12 GG zu messen, da sämtliche Bestimmungen, die die Vergütung für eine berufliche Tätigkeit betreffen, eine unmittelbar berufsbezogene Zielrichtung haben.741) Dieser Maßstab gilt daher grundsätzlich für alle Vergütungsregelungen.742) In ihrem originären Anwendungsbereich beinhaltet die Vorschrift des § 654 BGB 341 zwar keine Regelung, die den Insolvenzverwalter in seiner Berufsfreiheit betrifft, da sie keine Vorgaben zum „Ob“ oder „Wie“ seiner beruflichen Tätigkeit enthält. Durch die vom erweiterten Normverständnis des § 654 BGB getragene Anwendung der Vorschrift auf den Vergütungsanspruch des Insolvenzverwalters durch die Gerichte wird die berufliche Tätigkeit des Insolvenzverwalters im Hinblick auf seine Vergütung jedoch unmittelbar reglementiert. Am Maßstab des von Art. 12 GG vermittelten Schutzes ist dabei auch die konkrete Festsetzungsentscheidung als solche zu messen, da diese den Vergütungsanspruch des Verwalters konkretisiert und daher dem Erfordernis der Angemessenheit genügen muss.743) Unter Berücksichtigung der durch Art. 12 Abs. 1 GG garantierten Freiheit der Be- 342 rufswahl und der Berufsausübung als Teilfreiheiten des einheitlichen Grundrechts hat das Bundesverfassungsgericht eine besondere, an den unterschiedlichen Wertigkeiten der einzelnen Teilfreiheiten orientierte Systematik zur Bestimmung des Grades der Beeinträchtigung der Berufsfreiheit entwickelt.744) Inhaltlicher Kern dieser

___________ 740) BVerfG, Beschl. v. 30.10.1961 – 1 BvR 833/59, BVerfGE 13, 181, 185; Jarass/Pieroth/Jarass, GG, Art. 12 Rn. 14; v. Münch/Kunig/Kämmerer, GG, Art. 12 Rn. 90. 741) BVerfG, Beschl. v. 23.10.2013 – 1 BvR 1842, 1843/11, BVerfGE 134, 204 Rn. 66; Jarass/ Pieroth/Jarass, GG, Art. 12 Rn. 14a. 742) BVerfG, Beschl. v. 30.3.1993 – 1 BvR 1045/89, 1381/90, 1 BvL 11/90, BVerfGE 88, 145, 159; MüKoInsO/Stephan, InsO, § 63 Rn. 16; Gottwald/Haas/Keller, § 127 Rn. 4. 743) Gomille, KTS 2019, 364, 371; MüKoInsO/Stephan, InsO, § 63 Rn. 16; Uhlenbruck/Mock, InsO, § 63 Rn. 5. 744) Dürig/Herzog/Scholz/Scholz, GG, Art. 12 Rn. 335; v. Mangoldt/Klein/Starck/Manssen, GG, Art. 12 Rn. 140; siehe dazu das grundlegende sog. Apotheken-Urteil des Bundesverfassungsgerichts BVerfG, Urt. v. 11.6.1958 – 1 BvR 596/56, BVerfGE 7, 377.

161

§ 7 Vereinbarkeit der Vergütungsverwirkung mit Art. 12 GG

allgemein als Stufentheorie745) bekannten Systematik ist die Unterscheidung der Eingriffsintensität nach Berufsausübungsbeschränkungen, subjektiven Berufswahlbeschränkungen und objektiven Berufswahlbeschränkungen.746) Berufsausübungsbeschränkungen sind dabei in Abgrenzung zu Berufswahlbeschränkungen solche Beeinträchtigungen der Berufsfreiheit, die nicht die Wahl eines Berufes, sondern die Art und Weise der Tätigkeit betreffen; mithin nicht den Zugang und die Zulassung zu einem Beruf oder den Entzug einer entsprechenden Zulassung reglementieren.747)

343 Der über die richterrechtlich geschaffene Konstruktion der Vergütungsverwirkung ermöglichte Entfall der Vergütung ist demnach als Berufsausübungsbeschränkung einzuordnen. Zu den typischen Regelungen, die eine Beschränkung der Berufsausübung darstellen, zählen nämlich unter anderem die Vergütung betreffende Vorgaben.748)

II. Rechtfertigung des Eingriffs 344 Für die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Verwirkungsrechtsprechung ist nun wesentlich, inwieweit die aufgezeigten Beeinträchtigungen den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 12 GG standhalten.

345 Zum einen darf die Berufsausübung – wobei die Berufswahl gleichermaßen miterfasst ist – nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG eine Regelung nur „durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes“ erfahren, sodass im Ergebnis jeder Eingriff in die Berufsfreiheit einer gesetzlichen Grundlage bedarf.749) Zu berücksichtigen ist dabei insbesondere, dass je intensiver die Beeinträchtigung ist, das Gesetz desto detaillierter sein muss.750) Konkret stellt sich also die Frage, ob die auf einen allgemeinen Rechts___________ 745) Siehe nur grundlegend BVerfG, Urt. v. 11.6.1958 – 1 BvR 596/56, BVerfGE 7, 377 ff.; BVerfG, Beschl. v. 18.12.1968 – 1 BvL 5, 14/64, 5, 11, 12/65, BVerfGE 25, 1, 11; Dürig/ Herzog/Scholz/Scholz, GG, Art. 12 Rn. 335; Sachs/Mann, GG, Art. 12 Rn. 125 ff.; v. Mangoldt/ Klein/Starck/Manssen, GG, Art. 12 Rn. 140; Jarass/Pieroth/Jarass, GG, Art. 12 Rn. 33. 746) BVerfG, Urt. v. 11.6.1958 – 1 BvR 596/56, BVerfGE 7, 377, 405 ff.; Jarass/Pieroth/Jarass, GG, Art. 12 Rn. 34 ff.; Dürig/Herzog/Scholz/Scholz, GG, Art. 12 Rn. 335; v. Mangoldt/Klein/ Starck/Manssen, GG, Art. 12 Rn. 140. 747) Jarass/Pieroth/Jarass, GG, Art. 12 Rn. 34, 37; v. Mangoldt/Klein/Starck/Manssen, GG, Art. 12 Rn. 140; siehe ausführlich zum Schutzbereich der Berufswahl v. Mangoldt/Klein/Starck/Manssen, GG, Art. 12 Rn. 51 ff. 748) BVerfG, Beschl. v. 1.3.1978 – 1 BvR 786, 793/70, 168/71, 95/73, BVerfGE 47, 285, 321; BVerfG, Beschl. v. 23.10.2013 – 1 BvR 1842, 1843/11, BVerfGE 134, 204 Rn. 66; Dürig/ Herzog/Scholz/Scholz, GG, Art. 12 Rn. 343; v. Mangoldt/Klein/Starck/Manssen, GG, Art. 12 Rn. 178 ff. 749) BVerfG, Beschl. v. 19.12.1962 – 1 BvR 163/56, BVerfGE 15, 226, 231; v. Münch/Kunig/ Kämmerer, GG, Art. 12 Rn. 78; Jarass/Pieroth/Jarass, GG, Art. 12 Rn. 28. 750) BVerfG, Beschl. v. 25.3.1992 – 1 BvR 298/86, BVerfGE 86, 28, 40; Detterbeck, Öffentliches Recht Rn. 483.

162

B. Beeinträchtigung des Schutzbereichs durch Vergütungsentfall

gedanken aus § 654 BGB gestützte Verwirkung der Vergütung dem Erfordernis des Gesetzesvorbehalts nach Art. 12 GG Abs. 1 Satz 2 GG genügt. Zum anderen ist mit Blick auf Art. 12 GG für die Verfassungsmäßigkeit überdies 346 im Besonderen zentral, dass sich die Verwirkungsrechtsprechung in Abhängigkeit von ihrer Eingriffsintensität am Kriterium der Verhältnismäßigkeit messen lassen muss.

1.

Gesetzesvorbehalt

Davon ausgehend, dass die Einschränkungen der Berufsfreiheit des Insolvenzverwal- 347 ters in der Verwirkungskonzeption der Rechtsprechung im Grundsatz auf § 654 BGB und somit ein formelles Gesetz zurückgehen, könnte man zunächst den Eindruck haben, dem in Art. 12 GG vorgesehenen Gesetzesvorbehalt sei in ausreichendem Umfang Rechnung getragen worden. Dabei bliebe aber unbeachtet, dass § 654 BGB nach der Konzeption des Gesetzgebers an die Berufsgruppe der Makler adressiert war und die von der Rechtsprechung entwickelte Konstruktion der Verwirkung der Vergütung des Insolvenzverwalters nicht auf dem originären Anwendungsbereich der Norm beruht. Vielmehr wurde der Verwirkungstatbestand für den Anspruch des Insolvenzverwalters in richterlicher Rechtsfortbildung entwickelt, deren Ausgangspunkt die Regelung des § 654 BGB im Sinne eines allgemeinen Rechtsgedanken bildet. Ausschlaggebend für die verfassungsrechtliche Prüfung ist insofern, ob eine richterliche Rechtsfortbildung unter dem Verständnis von § 654 BGB als allgemeinem Rechtsgedanken den Anforderungen an die Qualität des nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG notwendigen „Gesetzes“ genügt. Grundsätzlich gilt zwar, dass sich richterliche Tätigkeit nicht nur auf das Erkennen 348 und Aussprechen gesetzgeberischer Entscheidungen beschränkt, sondern auch in einem Akt des bewertenden Erkennens besteht, mithin schöpferische Rechtsfindung durch gerichtliche Rechtsauslegung und Rechtsfortbildung praktisch unentbehrlich und daher auch vom Bundesverfassungsgericht anerkannt ist.751) Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Schließung möglicher Gesetzeslücken im Wege richterlicher Rechtsfortbildung findet ihre Rechtfertigung dabei unter anderem darin, dass Gesetze altern und in einem veränderlichen Umfeld sozialer Verhältnisse, gesellschaftspolitischer Anschauungen und rechtlicher Rahmenbedingungen stehen, womit Auswirkungen auf ihr Verständnis verbunden sein können.752) Orientiert hieran können also grundsätzlich in richterlicher Rechtsfortbildung entwickelte Regelungen den Anforderungen eines Gesetzesvorbehalts genügen. ___________ 751) Siehe in ständ. Rspr. BVerfG, Beschl. v. 14.2.1973 – 1 BvR 112/65, BVerfGE 34, 269, 287 f.; BVerfG, Beschl. v. 14.1.1986 – 1 BvR 209, 221/79, BVerfGE 71, 354, 362; BVerfG, Beschl. v. 24.2.2015 – 1 BvR 472/14, BVerfGE 138, 377, 391; Dürig/Herzog/Scholz/Scholz, GG, Art. 12 Rn. 333. 752) BVerfG, Beschl. v. 8.4.1998 – 1 BvR 1773/96, BVerfGE 98, 49, 59 f.

163

§ 7 Vereinbarkeit der Vergütungsverwirkung mit Art. 12 GG

a) Zulässigkeit richterlicher Rechtsfortbildung im Rahmen des Art. 12 GG 349 Im Rahmen der durch Art. 12 GG geschützten Berufsfreiheit sind die Zulässigkeitsgrenzen für richterliche Rechtsfortbildung allerdings enger gezogen.

350 Teile der Literatur lehnen die Zulässigkeit richterlicher Rechtsfortbildung für diesen Bereich sogar grundlegend ab, da der Gesetzesvorbehalt aus Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG unmissverständlich zum Ausdruck bringe, dass eine Entscheidung des Gesetzgebers und nicht des Richters über den Inhalt berufsrechtlicher Regelungen erforderlich sei.753) Daher könne zumindest bei Fehlen einer ausdrücklichen und bestimmten gesetzlichen Regelung keinesfalls allein durch eine gerichtliche Entscheidung der Schutzbereich von Art. 12 GG eingeschränkt werden.754) Bei Zugrundelegung eines solchen Maßstabs wäre somit die Verwirkungsrechtsprechung als verfassungswidrig einzuordnen, da § 654 BGB weder bestimmt noch ausdrücklich die Verwirkung des Vergütungsanspruchs des Insolvenzverwalters regelt. Ein so verstandener Maßstab der Anforderungen an ein Gesetz im Sinne des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG ist jedoch zu eng und berücksichtigt nicht ausreichend die der Rechtsprechung erlaubte Rechtsfindung durch richterliche Rechtsauslegung und Rechtsfortbildung. Auch seitens des Bundesverfassungsgerichts ist schöpferische Rechtsfindung durch richterliche Rechtsauslegung und Rechtsfortbildung in ständiger Rechtsprechung grundsätzlich anerkannt.755) Die verfassungsrechtlichen Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung ergeben sich dabei insbesondere aus den Grundrechten.756)

351 Zwar hat sich das Bundesverfassungsgericht noch nicht abschließend zu den Grenzen einer noch zulässigen richterlichen Auslegung im Rahmen des Regelungsvorbehaltes des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG geäußert;757) es hat diese Grenzen bisher allerdings eher eng gezogen. Anerkannt ist insoweit, dass dem Richter unter Berücksichtigung seiner Gesetzesbindung nach Art. 20 Abs. 3 GG einerseits sowie der in Art. 12 GG zum Ausdruck kommenden Wertentscheidung des Gesetzgebers andererseits weder aus kompetenzieller noch grundrechtlicher Perspektive die Befugnis zusteht, durch schöpferische Normsetzung die Berufsfreiheit eigenständig zu regeln und einen neuen Eingriffstatbestand zu schaffen.758) Die verfassungsrechtliche Grenze richterlicher Rechtsfortbildung ist demnach grundsätzlich dann erreicht, wenn sich Gerichte aus der Rolle des Normanwenders in die einer normsetzenden Instanz be___________ 753) Dreier/Wieland, GG, Art. 12 Rn. 86. 754) Dreier/Wieland, GG, Art. 12 Rn. 86. 755) BVerfG, Beschl. v. 14.2.1973 – 1 BvR 112/65, BVerfGE 34, 269, 288; BVerfG, Beschl. v. 24.2.2015 – 1 BvR 472/14, BVerfGE 138, 377 Rn. 39 (m. w. N.). 756) BVerfG, Beschl. v. 24.2.2015 – 1 BvR 472/14, BVerfGE 138, 377 Rn. 40 ff. 757) BVerfG, Urt. v. 1.7.1980 – 1 BvR 23/75, BVerfGE 54, 224, 235; BVerfG, Beschl. v. 8.4.1998 – 1 BvR 1773/96, BVerfGE 98, 49, 59; Dürig/Herzog/Scholz/Scholz, GG, Art. 12 Rn. 333. 758) BVerfG, 28.6.1967 – 2 BvR 143/61, BVerfGE 22, 114, 122; Dürig/Herzog/Scholz/Scholz, GG, Art. 12 Rn. 333; Jarass/Pieroth/Jarass, GG, Art. 12 Rn. 30a; v. Münch/Kunig/Kämmerer, GG, Art. 12 Rn. 83; Sachs/Mann, GG, Art. 12 Rn. 120 f.

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B. Beeinträchtigung des Schutzbereichs durch Vergütungsentfall

geben und sich damit unter Verstoß gegen Art. 20 Abs. 2, Abs. 3 GG der Bindung an Recht und Gesetz entziehen.759) Insbesondere sind die ordentlichen Gerichte nicht befugt, ohne gesetzliche oder vorkonstitutionelle gewohnheitsrechtliche Normen durch Entwicklung eigener Rechtssätze selbst Regelungen zu treffen, wenn dadurch das Recht der freien Berufswahl eingeschränkt wird, auch wenn sie dies im Interesse der Allgemeinheit für wünschenswert oder gar für notwendig halten.760) Besonders eng sind die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung dann zu ziehen, wenn in gesetzlich nicht spezifisch determinierten Regelungsbereichen auf allgemeine Rechtsgrundsätze wie Gerechtigkeit und Billigkeit zurückgegriffen wird.761) Das Bundesverfassungsgericht betont insofern auch selbst ausdrücklich, dass es zweifelhaft sei, „ob grundrechtsbeschränkende Rechtsnormen, die der Richter lediglich unter Berufung auf Sinn, Zweck und Grundgedanken einzelner Gesetzesbestimmungen gewinnt, […] dem Gesetzesvorbehalt des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG genügen“.762)

b) Verwirkungskonstruktion als unzulässige Rechtsfortbildung Mit Blick auf den originären Anwendungsbereich von § 654 BGB, der für den Be- 352 ruf des Insolvenzverwalters keine unmittelbar berufsrechtliche Regelung enthält, können insofern durchaus Zweifel daran bestehen, ob die unter Berufung auf einen in einer maklerrechtlichen Norm des BGB verankerten allgemeinen Rechtsgedanken entwickelte Verwirkungsrechtsprechung den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art. 12 GG noch genügt. Bereits hinsichtlich der Frage der Anwendbarkeit der Regelung des § 654 BGB auf 353 den Vergütungsanspruch des Insolvenzverwalters hat sich gezeigt, dass ein derart weitreichendes Verständnis der Norm erheblichen dogmatischen Zweifeln begegnet.763) Eine Anwendung der Norm außerhalb ihres originären Anwendungsbereichs wird 354 vor allem unter Berufung auf Sinn und Zweck eines normimmanenten allgemeinen Rechtsgedankens begründet. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass sich diese rechtsfortbildende Rechtsprechung nicht auf eine Reihe von gesetzlichen Vorschriften beruft, die nur in Umrissen die Möglichkeit der Verwirkung andeuten, sondern die Verwirkung des Vergütungsanspruchs des Insolvenzverwalters vielmehr als Aus-

___________ 759) BVerfG, Beschl. v. 25.1.2011 – 1 BvR 918/10, BVerfGE 128, 193, 209 f.; Rüthers, NJW 2011, 1856, 1857. 760) BGH, Urt. v. 25.11.1993 – I ZR 281/91, BGHZ 124, 224, 229 f. 761) Ipsen, Richterrecht und Verfassung, S. 234. 762) BVerfG, Beschl. v. 14.2.1973 – 2 BvR 667/72, BVerfGE 34, 293, 301; BVerfG, Urt. v. 1.7.1980 – 1 BvR 23/75, BVerfGE 54, 224, 235. 763) Siehe dazu oben unter Rn. 106 ff.

165

§ 7 Vereinbarkeit der Vergütungsverwirkung mit Art. 12 GG

druck einer bestimmten gesetzlichen Vorschrift erkennt.764) Zwar geht aus der Regelung des § 654 BGB keineswegs mit absoluter Klarheit und Bestimmtheit die Möglichkeit der Verwirkung der Vergütung des Insolvenzverwalters hervor. Es überrascht daher nicht, dass eine Übertragbarkeit der Vorschrift über allgemeine Grundsätze der Billigkeit und Gerechtigkeit wie der Treuepflichtverletzung und Lohnunwürdigkeit hergeleitet wird. Jedoch kann die Verwirkungskonstruktion der Rechtsprechung darauf gestützt werden, dass die Rechtsfolge des Vergütungsentfalls bei pflichtwidrigem Verhalten zumindest inhaltlich in der gesetzlichen Regelung des § 654 BGB angelegt ist. Die Rechtsprechung geht also insoweit auf den vom Gesetzgeber jedenfalls in einer Regelung zum Ausdruck gebrachten Willen zurück, dass der Vergütungsverlust im Falle von pflichtwidrigen Verhaltensweisen grundsätzlich als gesetzliche Einschränkung der vom Art. 12 GG gewährleisteten Berufsfreiheit in Betracht kommt. Insbesondere ist im Verständnis einer Norm als allgemeiner Rechtsgedanke keine gesetzesfreie richterliche Rechtsschöpfung begründet, die sich lediglich auf Grundstrukturen eines bestimmten Regelungsbereiches stützen ließe.765) Im Ergebnis bewegt sich die von der Rechtsprechung an Hand der Regelung des § 654 BGB entwickelte Verwirkungskonstruktion demnach im Hinblick auf den Entfall des Vergütungsanspruchs noch innerhalb der Grenzen einer verfassungsrechtlich zulässigen richterlichen Rechtsfortbildung und genügt im Grundsatz den Anforderungen des Gesetzesvorbehalts aus Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG.

2.

Verhältnismäßigkeit

355 Da jede Beeinträchtigung der Berufsfreiheit im Ergebnis verhältnismäßig sein muss,766) ist auch die Verwirkungskonstruktion der Rechtsprechung hinsichtlich der Frage ihrer Verfassungsmäßigkeit überdies am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu messen. Wesentlich ist an dieser Stelle, welche Stufe der Berufsfreiheit durch die Versagung der Vergütung betroffen ist. Zwar nimmt das Bundesverfassungsgericht im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit eines Eingriffs in die Berufsausübungsbeschränkung inzwischen nicht mehr unmittelbar Bezug auf die Stufentheorie,767) jedoch wirken die im Rahmen der Theorie entwickelten Maßstäbe in-

___________ 764) Siehe zu den Anforderungen an die zugrundeliegende gesetzliche Vorschrift BVerfG, Beschl. v. 14.2.1973 – 2 BvR 667/72, BVerfGE 34, 293, 301 f. 765) So genügt bspw. der Verweis auf die Grundstruktur der sozialen Krankenversicherung nicht den Anforderungen des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG, siehe BVerfG, Urt. v. 1.7.1980 – 1 BvR 23/75, BVerfGE 54, 224, 235 f. 766) St. Rspr. BVerfG, Beschl. v. 22.5.1996 – 1 BvR 744/88, 60/89, 1519/91, BVerfGE 94, 372, 389 f.; BVerfG, Beschl. v. 29.10.2002 – 1 BvR 525/99, BVerfGE 106, 181, 191 f.; Jarass/ Pieroth/Jarass, GG, Art. 12 Rn. 40; v. Mangoldt/Klein/Starck/Manssen, GG, Art. 12 Rn. 139. 767) Siehe beispielsweise BVerfG, Beschl. v. 14.1.2015 – 1 BvR 931/12, BVerfGE 138, 261 Rn. 53; BVerfG, Beschl. v. 30.6.2020 – 1 BvR 1679, 2190/17, BVerfGE 155, 238 Rn. 92 ff.

166

B. Beeinträchtigung des Schutzbereichs durch Vergütungsentfall

haltlich weiterhin fort.768) Verfassungsgemäß sind Berufsausübungsregelungen – wie der Verlust des Vergütungsanspruchs769) – danach dann, wenn sie durch vernünftige Erwägungen des Allgemeinwohls gerechtfertigt und verhältnismäßig sind.770) Auf den ersten Blick mag sich nicht erschließen, inwiefern der Entfall der Vergütung des Insolvenzverwalters überhaupt mit generellen Erwägungen des Gemeinwohls zu rechtfertigen sein kann, in seiner Bedeutung also über das konkrete Insolvenzverfahren und die Beteiligteninteressen hinausgehen kann. Vielmehr gelangen zunächst insbesondere die Gläubiger in den Fokus der Wahrnehmung, deren Interesse an einer bestmöglichen Befriedigung vor allem den Vergütungsentfall des Verwalters zu rechtfertigen scheint. Außer Acht bliebe dabei allerdings die übergeordnete Rolle, die der Verwalter im 356 Hinblick auf die Bedeutung des Insolvenzverfahrens mit der Übernahme des Amtes sowohl aus rechtlicher als auch wirtschaftlicher Perspektive einnimmt. An rechtsdogmatischen Maßstäben orientiert, erstreckt sich die Bedeutung der Tätigkeit des Verwalters im Rahmen des staatlich reglementieren Vollstreckungsverfahrens nämlich auf die Funktionstauglichkeit der Rechtspflege.771) Bereits insofern wird die übergeordnete Dimension der ordnungsgemäßen Amtsführung des Insolvenzverwalters für das Gemeinwohl deutlich. Denn zu den schützenswerten Belangen des Allgemeinwohls zählt insbesondere eine qualitativ hochwertige Rechtspflege.772) Aus der Bedeutung des Insolvenzverfahrens als solchem ergibt sich weiterhin auch, dass in der Vermögensinsuffizienz eines Schuldners mit der Leitung des Insolvenzverfahrens auch eine soziale, markt- sowie betriebswirtschaftliche und bisweilen auch politische Verantwortung verbunden ist.773) Dabei zeigt sich besonders die soziale und wirtschaftliche Bedeutung der Tätigkeit des Insolvenzverwalters in den mit dem Insolvenzverfahren verfolgten Zielen, die Gläubiger bestmöglich zu befriedigen sowie dem Schuldner Sanierungsmöglichkeiten zu eröffnen und gegebe___________ 768) v. Mangoldt/Klein/Starck/Manssen, GG, Art. 12 Rn. 141; vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 14.1.2015 – 1 BvR 931/12, BVerfGE 138, 261 Rn. 53 f. 769) Siehe zur Einordnung als Berufsausübungsregelung oben Rn. 340 ff. 770) BVerfG, Urt. v. 11.6.1958 – 1 BvR 596/56, BVerfGE 7, 377, 405; BVerfG, Beschl. v. 23.3.1971 – 1 BvL 25/61, 3/62, BVerfGE 30, 336, 351; BVerfG, Beschl. v. 14.1.2015 – 1 BvR 931/12, BVerfGE 138, 261 Rn. 53 f.; BVerfG, Beschl. v. 12.1.2016 – 1 BvL 6/13, BVerfGE 141, 82 Rn. 52; Jarass/Pieroth/Jarass, GG, Art. 12 Rn. 41; Dreier/Wieland, GG, Art. 12 Rn. 99. 771) K. Schmidt/Ries, InsO, § 56 Rn. 5; Marotzke, ZInsO 2009, 1929; siehe zur Rechtspflegefunktion des Insolvenzverwalters bereits ausführlich oben unter Rn. 164 ff. 772) Eine qualitativ hochwertige Rechtspflege gehört sogar zu den überragend wichtigen Gemeinschaftsgütern, siehe BVerfG, Beschl. v. 4.11.1992 – 1 BvR 79/85, 643/87, 442/89, 238, 1258/90, 772, 909/91, BVerfGE 87, 287, 321; BVerfG, Beschl. v. 20.4.2004 – 1 BvR 838, 1303, 1436, 1450/01, 340/02, BVerfGE 110, 304, 324; Dreier/Wieland, GG, Art. 12 Rn. 106; Dürig/Herzog/Scholz/Scholz, GG, Art. 12 Rn. 352. 773) Cranshaw, NZI 2020, 143; K. Schmidt/Ries, InsO, § 56 Rn. 5; Haarmeyer/Mock, InsVV, Vorb. Rn. 49; siehe auch MüKoInsO/Ganter/Bruns, InsO, § 1 Rn. 8; zur volkswirtschaftlichen Bedeutung Pape/Reichelt/Schultz/Voigt-Salus, Insolvenzrecht, § 6 Rn. 1 ff.

167

§ 7 Vereinbarkeit der Vergütungsverwirkung mit Art. 12 GG

nenfalls Arbeitsplätze zu erhalten.774) Insbesondere im Falle der Liquidation und Stilllegung des schuldnerischen Unternehmens kann dem Insolvenzverfahren übergeordnet auch eine marktbereinigende Wirkung zukommen.775)

357 Die mithin nicht unerhebliche soziale und wirtschaftliche Bedeutung, die der Tätigkeit des Insolvenzverwalters unter Berücksichtigung seiner Rechtspflegefunktion und der im allgemeinen Interesse liegenden Bedeutung des von ihm geleiteten Insolvenzverfahrens zukommt, lässt es somit zumindest grundsätzlich verhältnismäßig erscheinen, zum Schutze des Gemeinwohls in die Berufsausübungsfreiheit des Verwalters einzugreifen. Aus verfassungsrechtlicher Sicht erschiene es nämlich durchaus unverhältnismäßig, wenn der vom Staat zur Leitung des Verfahrens eingesetzte Verwalter eine Vergütung erhielte, obwohl er keinen qualitativen Beitrag zur Erreichung der erstrebten Verfahrensziele geleistet und diese durch sein pflichtwidriges Verhalten vielmehr gefährdet hat. Dies gilt dabei in dem Fall, dass dem Verwalter im Hinblick auf seine Tätigkeit schwere Verfehlungen in Gestalt von Straftaten zu Last gelegt werden können, die unmittelbar die Gläubigerbefriedigung gefährden. Freilich gilt dies aber auch dann, wenn der Verwalter das Insolvenzgericht in strafbarer Weise über einen vermeintlich bestehenden akademischen Titel täuscht. In diesem Fall nämlich wird die ordnungsgemäße Abwicklung des Insolvenzverfahrens zum einen dadurch gestört, dass der Verwalter vor dem Hintergrund der Täuschung aus dem Amt zu entlassen sein wird. Zum anderen ist es mit der Integrität der Rechtspflege auch nicht vereinbar, dass ein staatliches Verfahren in der Verantwortung eines Straftäters geführt wird.

358 Insofern erscheint die richterrechtlich erschaffene Konstruktion der Verwirkung des Vergütungsanspruchs im Hinblick auf die Verfolgung des Gemeinwohlinteresses einer qualitativ hochwertigen Rechtspflege auch geeignet, erforderlich und angemessen, sodass im Ergebnis – zumindest insofern – von der Verhältnismäßigkeit der Verwirkungsrechtsprechung auszugehen ist.

3.

Verwirkung des Auslagenerstattungsanspruchs

359 Problematisch erscheint allerdings mit Blick auf den von der Vergütungsverwirkung ebenfalls erfassten Auslagenerstattungsanspruch des Insolvenzverwalters, inwiefern ein undifferenzierter Entfall des Auslagenerstattungsanspruchs verhältnismäßig sein könnte. Zu unterscheiden wäre nämlich insofern danach, ob der Insolvenzverwalter die Auslagen pauschal gemäß § 8 Abs. 3 InsVV geltend macht oder die Erstattung der besonderen Kosten nach § 4 Abs. 2 InsVV und somit der ihm tatsächlich angefallenen Auslagen verlangt. Während der pauschale in seiner Bemessung an der Regelvergütung orientierte Auslagenersatz nach § 8 Abs. 3 InsVV einen ver___________ 774) Cranshaw, NZI 2020, 143. 775) Keller, Insolvenzrecht Rn. 6; MüKoInsO/Stürner, InsO, Einleitung Rn. 3.

168

C. Beeinträchtigung des Schutzbereichs durch Offenbarungspflicht

gütungsrechtlichen Charakter hat776) und dessen Entfall daher mit dem Vergütungsentfall einhergeht, ist der Ersatz von besonderen Kosten davon zu trennen. Zwar ist bis jetzt von der höchstrichterlichen Rechtsprechung noch nicht entschieden, ob der nach § 4 Abs. 2 InsVV geltend gemachte Anspruch auf Erstattung besonderer Kosten von der Verwirkung nach dem Rechtsgedanken aus § 654 BGB erfasst ist.777) Verhältnismäßig erschiene dies allerdings nicht. Der Entfall des Erstattungsanspruchs würde nämlich einen mindestens genauso intensiven Einschnitt wie der Entfall des Vergütungsanspruchs bedeuten, weil dem Verwalter die Kompensationsmöglichkeit ihm tatsächlich angefallener Kosten genommen würde. Die Intensität ergibt sich hierbei zwar nicht aus der Höhe des Betrages, der aufgrund der über § 4 Abs. 2 InsVV zu erstattenden Kosten wie beispielsweise Telefon-, Telefax-, Reise- und Fahrtkosten im Verhältnis zur erstrebten Vergütung deutlich geringer ausfallen wird, wohl aber daraus, dass der Verwalter zu Gunsten der Masse Kosten tragen muss, die unmittelbar durch das Insolvenzverfahren veranlasst wurden.778) Die Verwirkung des Erstattungsanspruchs für tatsächlich entstandene Kosten erscheint daher auch deshalb nicht verhältnismäßig, da mit dem parallelen Vergütungsentfall auf diese Weise eine „Doppelbestrafung“ des Verwalters erfolgen würde.779)

C. Beeinträchtigung des Schutzbereichs durch Offenbarungspflicht Der mit der von der Rechtsprechung entwickelten Konstruktion der Verwirkung 360 verbundene Eingriff in den Schutzbereich des Art. 12 GG ist allerdings nicht nur unmittelbar auf den Entfall des Anspruchs auf eine angemessene Vergütung beschränkt. Aufgrund der tatbestandlichen Ausgestaltung der Verwirkungskonstruktion ist – wie zu zeigen sein wird – über die Berufsausübung hinaus auch der Zugang zum Beruf des Insolvenzverwalters betroffen. Dies hat zur Konsequenz, dass für die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit der Rechtsprechung in dieser Hinsicht ein strengerer Maßstab herangezogen werden muss.

I.

Gesonderter Eingriff durch die Offenbarungspflicht des Verwalters

Durch die im Rahmen der Verwirkungskonstruktion von der Rechtsprechung an- 361 genommene Offenbarungspflicht des Verwalters hinsichtlich pflichtwidriger Verhaltensweisen in anderen Verfahren ist bereits die Bestellung zum Insolvenzverwalter als solche betroffen. Diese Offenbarungspflicht gegenüber dem Insolvenzgericht hat nämlich unmittelbare Auswirkungen auf die Chancen zur Bestellung zum Insolvenzverwalter und beeinträchtigt den von Art. 12 GG gewährten Schutz des ___________ 776) Ahrens, NJW 2019, 890, 892; Haarmeyer/Mock, InsVV, Vorb. Rn. 16. 777) Siehe dazu oben Rn. 72 ff. 778) Siehe zu den von § 4 Abs. 2 InsVV erfassten besonderen Kosten Haarmeyer/Mock, InsVV, § 4 Rn. 86 ff. 779) Der Gedanke der Doppelbestrafung auch bei Ahrens, NJW 2019, 890, 892.

169

§ 7 Vereinbarkeit der Vergütungsverwirkung mit Art. 12 GG

Berufszugangs mithin unabhängig von der Rechtsfolge der Verwirkung des Vergütungsanspruchs. Denn der Schutzbereich von Art. 12 GG ist unter dem Aspekt der Berufswahl bereits im Hinblick auf die Aufnahmeentscheidung der Insolvenzgerichte zur Aufnahme eines Verwalteraspiranten in die Vorauswahlliste eröffnet und somit auch schon im Zeitraum vor der späteren Bestellung.780)

1.

Eingriff in den Schutzbereich

362 Ein Eingriff in den Schutzbereich von Art. 12 GG setzt nicht zwingend voraus, dass ein unmittelbarer gezielter Eingriff in die berufliche Tätigkeit erfolgt. Ausreichend ist vielmehr, dass ein enger Zusammenhang mit der Ausübung des Berufs besteht und eine objektiv berufsregelnde Tendenz deutlich erkennbar ist.781) Diesbezüglich sind insbesondere die tatsächlichen Auswirkungen auf die berufliche Tätigkeit von Bedeutung.782) Insoweit begründet die von der Rechtsprechung entwickelte Offenbarungspflicht des Insolvenzverwalters eine erhebliche verfassungsrechtliche Problematik. Ist der Insolvenzverwalter gezwungen, Pflichtwidrigkeiten in anderen Verfahren mitzuteilen, hat dies unmittelbar Auswirkungen auf seine Chancen auf die Aufnahme in die Vorauswahlliste und eine spätere Bestellung. Demnach stellt die Offenbarungspflicht einen eigenständigen Eingriff in den von Art. 12 GG vermittelten Schutzbereich dar.

2.

Offenbarungspflicht als Eingriff auf Stufe des Berufszugangs

363 Fraglich ist allerdings, ob insofern „nur“ die Ausübung des Berufs beschränkt wird oder bereits der Zugang zum Beruf. Besonders die Bestellung zum Verwalter, deren erste Stufe die Vorauswahl bildet, steht in einem engen Zusammenhang mit der nach Art. 12 GG grundrechtlich geschützten Wahl des Berufs, da diese in tatsächlicher Hinsicht die Voraussetzung für die Ausübung des Berufs ist.783) Während ein Eingriff in die Berufswahl durch das üblicherweise durchgeführte gerichtliche Auswahlverfahren in der Literatur im Allgemeinen abgelehnt wird,784) muss für die Offenbarungspflicht, die dem Ablauf nach prinzipiell auch dem Auswahlverfahren zuzuordnen ist, etwas anderes gelten. Denn die von der Rechtsprechung konstruierte Offenbarungspflicht von Pflichtwidrigkeiten des Verwalters in anderen Verfahren, die bei Missachtung die Sanktion des Vergütungsentfalls nach sich zieht, geht in ___________ 780) K/P/B/Lüke, InsO, § 56 Rn. 13. 781) BVerfG, Beschl. v. 30.10.1961 – 1 BvR 833/59, BVerfGE 13, 181, 185 f.; BVerfG, Beschl. v. 12.10.2011 – 2 BvR 236, 237, 422/08, BVerfGE 129, 208; Jarass/Pieroth/Jarass, GG, Art. 12 Rn. 15; v. Münch/Kunig/Kämmerer, GG, Art. 14 Rn. 91. 782) BVerfG, Beschl. v. 20.3.2004 – 2 BvR 1520, 1521/01, BVerfGE 110, 226, 254; Jarass/ Pieroth/Jarass, GG, Art. 12 Rn. 15. 783) Kästner, Beruf und Berufsrecht des Insolvenzverwalters, S. 63. 784) Siehe Kästner, Beruf und Berufsrecht des Insolvenzverwalters, S. 66; Köster, Die Bestellung des Insolvenzverwalters, S. 124; Henssler, Das Berufsbild des Insolvenzverwalters, S. 49.

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C. Beeinträchtigung des Schutzbereichs durch Offenbarungspflicht

ihrer Eingriffsintensität über eine Beschränkung der Berufsausübung hinaus. Vielmehr bedeutet die Verwirkungskonstruktion hinsichtlich der Offenbarungspflicht eine Beschränkung der Berufswahl, da durch sie der Zugang zum Beruf als Insolvenzverwalter reglementiert und so im Ergebnis die Freiheit der Wahl des Berufes eingeschränkt wird. Eine Beschränkung der Berufswahl durch das Auswahlverfahren wird vor allem 364 mit Verweis darauf abgelehnt, dass die Auswahl und Bestellung grundsätzlich nur ein bestimmtes Verfahren betreffe, sodass bei Nichtbestellung auch nicht die Berufswahl insgesamt betroffen sei, sondern nur die Ausübung des Berufs in einem Einzelfall.785) Umgekehrt bedeutet dies aber, dass die Ebene der Berufswahl zumindest dann betroffen ist, wenn die jeweilige Reglementierung über eine Beschränkung im Einzelfall hinausgeht und mithin einen grundlegenden Charakter hat. Für die Offenbarungspflicht im Rahmen der Verwirkungskonstruktion ist dies anzunehmen. Denn ist der Verwalter in Anbetracht eines möglichen Vergütungsentfalls bei unterbliebener Offenbarung im Rahmen des Auswahlverfahrens gezwungen, gegenüber dem jeweiligen Gericht Pflichtwidrigkeiten in anderen Verfahren zu offenbaren, führt dies in der praktischen Konsequenz zu einem dauerhaften Ausschluss von der Bestellung.786) Die Offenbarung von Pflichtwidrigkeiten wird nämlich zur Folge haben, dass der jeweilige Bewerber generell als ungeeignet für das Amt des Insolvenzverwalters eingeordnet wird, was eine erneute Bestellung des Verwalters bereits aus diesem Grund verhindern dürfte. Zentral ist weiterhin, dass eine Bestellung auch bei einem anderen Gericht schei- 365 tern wird, selbst wenn dieses noch keine Kenntnis über die offenbarten Verfehlungen des Verwalters hat, da der Verwalter diesem im Rahmen des Auswahlverfahrens ebenfalls offenbarungspflichtig ist und Verfehlungen somit ohnehin erneut kundtun müsste. Die hieraus folgende generelle Nichtbestellung ist somit als – zumindest faktische – Zulassungsschranke zu bewerten, die die Berufswahl im Allgemeinen und nicht nur in einem Einzelfall betrifft.787) Doch selbst wenn man demgegenüber diesbezüglich grundsätzlich nur von einer Berufsausübungsbeschränkung ausgehen wollte, gilt es jedoch zu berücksichtigen, dass der Berufsausübung zuzuordnende Beschränkungen aufgrund ihrer Intensität auch in eine Beschränkung der Berufswahl umschlagen können.788) Insofern dürfte die Offenbarungsflicht aufgrund der ___________ 785) Kästner, Beruf und Berufsrecht des Insolvenzverwalters, S. 66; Köster, Die Bestellung des Insolvenzverwalters, S. 124; Henssler, Das Berufsbild des Insolvenzverwalters, S. 49. 786) So auch Knauth, VIA 2020, 4, 5. 787) Kästner, Beruf und Berufsrecht des Insolvenzverwalters, S. 66; Köster, Die Bestellung des Insolvenzverwalters, S. 123; Vallender, ZIP 2019, 158, 159; Uhlenbruck/Zipperer, InsO, § 56 Rn. 39; offenlassend BVerfG, Beschl. v. 3.8.2004 – 1 BvR 135/00, 1086/01, NZI 2004, 574, 576. 788) Dürig/Herzog/Scholz/Scholz, GG, Art. 12 Rn. 342; Kästner, Beruf und Berufsrecht des Insolvenzverwalters, S. 66; Henssler, Das Berufsbild des Insolvenzverwalters, S. 51 f.

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§ 7 Vereinbarkeit der Vergütungsverwirkung mit Art. 12 GG

mit ihr für die Bestellung verbundenen Intensität ebenfalls als Berufswahlbeschränkung einzuordnen sein, wenn eine Bestellung des jeweiligen Bewerbers nicht nur im Einzelfall, sondern grundsätzlich vereitelt wird, und sich somit auf der Ebene der Berufswahl auswirkt.

366 Für die Verhältnismäßigkeit der Beeinträchtigung ist nach den Maßstäben der Rechtsprechung wesentlich, ob es sich bei der Offenbarungsplicht um eine subjektive oder objektive Beschränkung der Berufswahl handelt. Die Qualifizierung als subjektive oder objektive Berufswahlbeschränkung hängt von der Art des Kriteriums ab, das über den Zugang zum Beruf oder den Verbleib im Beruf entscheidet. Liegt es in der Sphäre des Einzelnen, handelt es sich um eine subjektive Berufswahlbeschränkung.789) Die Offenbarungspflicht, die sich auf den Zugang zum Beruf und den Verbleib im Beruf des Insolvenzverwalters auswirkt, bezieht sich auf persönliche Eigenschaften des Bewerbers – wie seine charakterliche Eignung und Zuverlässigkeit.790) Damit stellt die Offenbarungspflicht eine subjektive Berufswahlbeschränkung dar.

II. Rechtfertigung des Eingriffs 367 Vor diesem Hintergrund stellt sich die verfassungsrechtliche Rechtfertigung der Verwirkungskonstruktion hinsichtlich der durch die Rechtsprechung konstruierten Offenbarungspflicht des Insolvenzverwalters besonders problematisch dar. Dies gilt sowohl bezüglich der durch den Gesetzesvorbehalt gesetzten Grenzen als auch der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs.

1.

Gesetzesvorbehalt

368 Mit Blick auf die verfassungsrechtlichen Anforderungen ist in erster Linie problematisch, dass durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein neuer Eingriffstatbestand erschaffen wird, der gerade auf keine gesetzliche Regelung gestützt werden kann. Eine von der Rechtsprechung konstruierte Offenbarungspflicht wird nämlich weder durch § 654 BGB konstitutiv begründet, noch lässt sich eine Pflicht diesen Inhalts auf die Regelung des § 56 InsO stützen, da diese Vorschrift dem Verwalter nur die Pflicht auferlegt, das Gericht über Interessenkonflikte aufzuklären.791) Dementsprechend verweist der IX. Zivilsenat auch nur ganz allgemein auf die be___________ 789) BVerfG, Beschl. v. 16.6.1959 – 1 BvR 71/57, BVerfGE 9, 338, 345; Dreier/Wieland, GG, Art. 12 Rn. 67; Jarass/Pieroth/Jarass, GG, Art. 12 Rn. 35; Dürig/Herzog/Scholz/Scholz, GG, Art. 12 Rn. 355; Detterbeck, Öffentliches Recht, Rn. 471. 790) Zu den Kriterien der Eignung und der Zuverlässigkeit als subjektive Berufswahlbeschränkungen siehe auch BVerwG, Urt. v. 15.12.1993 – 6 C 20/92, BVerwGE 94, 352, 359 ff. 791) Siehe zur dogmatischen Kritik an einer Offenbarungspflicht des Verwalters vor Verfahrensbeginn oben Rn. 232 ff.; so verweist auch Bork zum Bestehen einer Offenbarungspflicht auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Verwirkung des Vergütungsanspruchs, siehe Bork/ Thole/Bork, Die Verwalterauswahl, Rn. 55.

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C. Beeinträchtigung des Schutzbereichs durch Offenbarungspflicht

sondere Treuestellung des Insolvenzverwalters gegenüber dem Gericht, den Gläubigern und dem Schuldner und bedient sich zur Herleitung der Offenbarungspflicht der (vermeintlichen)792) Grundstrukturen des Insolvenzverfahrens.793) Allgemeine strukturelle Erwägungen stellen jedoch – unabhängig von ihrer dogmatischen Überzeugungskraft – vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gerade keine ausreichende Grundlage für Eingriffe in von Art. 12 GG geschützte Bereiche dar. Insbesondere in dem Fall, dass über den Zugang zum Beruf oder den Verbleib im Beruf subjektive Kriterien entscheiden, gilt nämlich, dass diese gesetzlich hinreichend detailliert bestimmt sein müssen und ihre nähere Festlegung nicht dem Rechtsanwender überlassen werden darf.794) Aufgrund der nicht näher definierten offenbarungspflichtigen Umstände kann von einer hinreichenden Bestimmtheit jedoch nicht ausgegangen werden. Bereits in Anbetracht dieser Erwägungen ist die Grenze zulässiger richterlicher Rechtsfortbildung überschritten. Berücksichtigung muss darüber hinaus finden, dass weitergehende Aufklärungs- 369 pflichten, die sich nicht nur auf für das konkrete Verfahren unmittelbar relevante Umstände beziehen, sondern generellen Charakter haben, im Ergebnis von großer Bedeutung für die konkrete Möglichkeit der Berufsausübung des Insolvenzverwalters und somit für die Wahrung der in Art. 12 GG verbürgten Freiheitsrechte sind. Besonders vor diesem Hintergrund der erheblichen grundrechtlichen Relevanz erscheint eine gesetzliche Regelung zwingend geboten, da im Grundsatz alle wesentlichen, insbesondere grundrechtsrelevanten Entscheidungen vom parlamentarischen Gesetzgeber selbst zu treffen sind.795) Hinzu kommt, dass die Grenzen der Rechtsfortbildung umso enger gesetzt sind, je schwerer sich der Eingriff in ein Grundrecht darstellt.796) Sofern man an einer Offenbarungspflicht des Verwalters festhalten möchte, erscheint 370 also eine gesetzliche Regelung zwingend notwendig, die entsprechende Pflichten des Verwalters vor Verfahrensbeginn festlegt sowie die Konsequenzen der Verletzung dieser Pflichten regelt, um den Vorgaben des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG in ausreichendem Maß Rechnung zu tragen und das Rechtsstaatsprinzip zu wahren. Dies bedeutet, dass hinsichtlich der von der Rechtsprechung hergeleiteten Offenba- 371 rungspflicht des Insolvenzverwalters vor Verfahrensbeginn die Grenzen einer zu___________ 792) Eine besondere Treuepflicht des Insolvenzverwalters gegenüber dem Insolvenzgericht existiert schließlich nicht, siehe dazu ausführlich oben Rn. 145 ff. 793) BGH, Beschl. v. 14.7.2016 – IX ZB 52/15, NZI 2016, 892 Rn. 9. 794) BVerfG, Beschl. v. 21.4.2015 – 2 BvR 1322, 1989/12, BVerfGE 139, 19 Rn. 58; Detterbeck, Öffentliches Recht Rn. 483. 795) Sog. „Wesentlichkeitstheorie“, BVerfG, Beschl. v. 8.8.1978 – 2 BvL 8/77, BVerfGE 49, 89, 126 f.; BVerfG, Beschl. v. 1.4.2014 – 2 BvF 1, 3/12, BVerfGE 136, 69 Rn. 102; Dürig/ Herzog/Scholz/Grzeszick, GG, Art. 20 Abs. 3 Rn. 105 ff.; Jarass/Pieroth/Jarass, GG, Art. 20 Rn. 72. 796) BVerfG, Beschl. v. 24.2.2015 – 1 BvR 472/14, BVerfGE 138, 377 Rn. 41; Jarass/Pieroth/ Jarass, GG, Art. 20 Rn. 66a; Sachs/Sachs, GG, Art. 20 Rn. 121.

173

§ 7 Vereinbarkeit der Vergütungsverwirkung mit Art. 12 GG

lässigen richterlichen Rechtsfortbildung überschritten sind, da sich eine derartige Pflicht nicht unmittelbar auf eine gesetzliche Grundlage stützen lässt und durch die Rechtsprechung vielmehr ein eigener Eingriffstatbestand erschaffen wird. Mögen umfassende Informationen über den Verwalteraspiranten und die Aufdeckung eventueller Verfehlungen zwar rechtspolitisch wünschenswert sein, müssen dabei dennoch verfassungsrechtlich geschützte Positionen ausreichend Berücksichtigung finden.797)

2.

Verhältnismäßigkeit

372 Die Offenbarungspflicht als subjektive Berufswahlbeschränkung ist aufgrund ihrer hohen Eingriffsintensität überdies nur zum Schutz besonders wichtiger (überragender) Gemeinschaftsgüter zulässig.798) Maßgeblich ist dementsprechend, ob eine Offenbarungspflicht des Verwalters gegenüber dem Insolvenzgericht zum Schutz derart wichtiger Gemeinschaftsgüter beitragen kann.

373 Vor dem Hintergrund, dass zu den überragend wichtigen Gemeinschaftsgütern auch eine qualitativ hochwertige Rechtspflege zählt,799) könnte dies im Ergebnis möglicherweise zu bejahen sein. Denn dem Verwalter kommt bei seiner Tätigkeit im Insolvenzverfahren auch eine rechtspflegende Funktion zu. Insofern kann es zur Sicherstellung der Qualität der Rechtspflege im Rahmen des Insolvenzverfahrens angezeigt sein, die Ausübung der rechtspflegenden Tätigkeit bereits von subjektiven Zulassungsschranken abhängig zu machen. Deren Wirksamkeit wiederum erfordert es, dass die entsprechenden Voraussetzungen auch tatsächlich vom jeweiligen Bewerber erfüllt werden. Insoweit wird es auch notwendig sein, dass der Bewerber dem Insolvenzgericht entsprechende Auskünfte erteilt.800) Dies bedeutet, dass eine hierauf abzielende Offenbarungspflicht durchaus der Sicherstellung einer qualitätsvollen Rechtspflege dienen kann. Fokussiert auf den Aspekt des Schutzes überragender Gemeinschaftsgüter ließe sich die Offenbarungspflicht demnach also als verhältnismäßig und damit verfassungsrechtlich zulässig einordnen.

___________ 797) Siehe in diesem Sinne auch BGH, Urt. v. 25.11.1993 – I ZR 281/91, BGHZ 124, 224, 229 f.; zu den verfassungsrechtlichen Grenzen rechtsfortbildender Regulierung durch Zivilgerichte ausführlich Hellgardt, Regulierung und Privatrecht, S. 674 ff.; zu entsprechenden rechtspolitischen Erwägungen siehe unten Rn. 489 ff. 798) BVerfG, Urt. v. 11.6.1958 – 1 BvR 596/56, BVerfGE 7, 377, 406 f.; BVerfG, Beschl. v. 17.7.1961 – 1 BvL 44/55, BVerfGE 13, 97, 107; BVerfG, Beschl. v. 12.3.1985 – 1 BvL 25, 45, 52/83, BVerfGE 69, 209, 218; Jarass/Pieroth/Jarass, GG, Art. 12 Rn. 46; Dreier/Wieland, GG, Art. 12 Rn. 105 f.; Detterbeck, Öffentliches Recht Rn. 480. 799) BVerfG, Beschl. v. 4.11.1992 – 1 BvR 79/85, 643/87, 442/89, 238, 1258/90, 772, 909/91, BVerfGE 87, 287, 321; BVerfG, Beschl. v. 20.4.2004 – 1 BvR 838, 1303, 1436, 1450/01, 340/02, BVerfGE 110, 304, 324; Dreier/Wieland, GG, Art. 12 Rn. 106; Dürig/Herzog/Scholz/ Scholz, GG, Art. 12 Rn. 352. 800) So Bork/Thole/Bork, Die Verwalterauswahl, Rn. 54 ff.

174

D. „Ganz oder Garnicht Prinzip“ der Verwirkungsrechtsprechung

Mit Blick auf die Anforderungen der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne kann 374 die Offenbarungspflicht jedoch im Ergebnis nicht als verhältnismäßig eingeordnet werden. Denn die Offenbarungspflicht ist zum einen in der Rechtspraxis schon tatsächlich nicht geeignet, zum Schutz einer qualitativ hochwertigen Rechtspflege beizutragen. Die durch die sanktionsbewehrte Offenbarungspflicht für den Verwalter entstehende Konfliktsituation hat nämlich zur Konsequenz, dass der Verwalter Pflichtwidrigkeiten aufgrund der drohenden Konsequenzen tendenziell eher verschweigen wird.801) Dies allerdings steht gerade im Widerspruch zu der Zielsetzung, durch die Offenbarungspflicht eine qualitätsvolle Rechtspflege sicherzustellen. Zum anderen ist die Verhältnismäßigkeit der Rechtsprechung auch unter dem Aspekt 375 der Angemessenheit abzulehnen. Vorauszusetzen wäre nämlich, dass die Pflicht zur Offenbarung eigener Verfehlungen auch angemessen ist. Entscheidend ist insofern eine Gesamtabwägung zwischen dem Ausmaß der Belastung und dem Stellenwert des verfolgten Zweckes sowie der Geeignetheit der Regelung.802) Von Bedeutung ist neben der zweifelhaften Zweckdienlichkeit der Offenbarungspflicht schließlich auch die persönliche Belastung des Verwalters, die mit der Pflicht einhergeht. Diese erschöpft sich nämlich nicht nur in einem Eingriff in seine berufliche Tätigkeit, sondern begründet überdies auch einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des jeweiligen Bewerbers aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG. Denn zumindest prinzipiell ist niemand dazu gezwungen, persönliche Verfehlungen und Unzulänglichkeiten preiszugeben. Im Ergebnis bedeutet dies in der Gesamtschau, dass die Verwirkungsrechtsprechung 376 des BGH hinsichtlich der Offenbarungspflicht des Verwalters auch unter dem Aspekt der Verhältnismäßigkeit als verfassungswidrig einzuordnen ist.

D. „Ganz oder Garnicht Prinzip“ der Verwirkungsrechtsprechung Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs ist im Rahmen der Verwirkungskonstruk- 377 tion nur ein vollständiger Entfall des Vergütungsanspruchs im Sinne eines „Ganz oder Garnicht Prinzips“ möglich.803) Der IX. Zivilsenat sieht die Begründung dafür darin, dass eine Minderung der Vergütung dem Charakter des Anspruchs als Tätigkeitsvergütung widerspreche und zudem die Gefahr begründe, dass die Verwirkung auch auf minder schwere Pflichtverletzungen erweitert werde, wenn als Rechtsfolge auch eine Anspruchskürzung in Betracht zu ziehen wäre.804)

___________ 801) 802) 803) 804)

Siehe dazu unten Rn. 435 ff. Detterbeck, Öffentliches Recht Rn. 478. BGH, Beschl. v. 22.11.2018 – IX ZB 14/18, NJW 2019, 935 Rn. 24 ff. BGH, Beschl. v. 22.11.2018 – IX ZB 14/18, NJW 2019, 935 Rn. 24 ff.; siehe zuvor anders das LG Halle, Beschl. v. 8.1.2018 – 3 T 34/17, BeckRS 2018, 33150 Rn. 37 ff.

175

§ 7 Vereinbarkeit der Vergütungsverwirkung mit Art. 12 GG

378 Beide Argumente erscheinen allerdings nicht überzeugend. Schon die einfachgesetzliche Systematik spricht weder eindeutig für noch gegen die Möglichkeit der Vergütungskürzung im Lichte des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Zwar mag eine Kürzung der Vergütung im Sinne einer Anspruchsminderung der Vergütungssystematik entgegenstehen, die eine volle Vergütung unabhängig von etwaigen Pflichtverletzungen vorsieht.805) Zugleich steht aber auch ein vollständiger Entfall der Vergütung dieser vergütungsrechtlichen Systematik entgegen. Sowohl die Kürzung als auch der vollständige Vergütungsentfall widersprechen jeweils der von der Insolvenzordnung vorgesehenen (vollen) Vergütung für die im Laufe des Verfahrens vom Insolvenzverwalter geleisteten Tätigkeiten. Daher kann allein auf Grundlage der einfachgesetzlichen Systematik auch nicht für oder gegen eine Kürzungsmöglichkeit argumentiert werden.

379 Wenig überzeugend erscheint weiterhin das Argument, dass im Falle der Möglichkeit einer Anspruchskürzung im Ergebnis der Anwendungsbereich der Verwirkungskonstruktion erweitert würde. Die Begrenzung der Verwirkungskonstruktion hat methodisch auf Ebene des Tatbestands und unabhängig von der Rechtsfolge zu erfolgen. Sollten die tatbestandlichen – aufgrund des Ausnahmecharakters der Verwirkung hoch anzusetzenden – Anforderungen aber erfüllt sein, wird erst auf der sich anschließenden Ebene der Rechtsfolge zu erwägen sein, welche der möglichen Rechtsfolgen im Lichte des verfassungsrechtlichen Schutzes aus Art. 12 GG als verhältnismäßig anzusehen sind. Es kann somit letztlich nur darauf ankommen, ob die verfassungsrechtlichen Maßstäbe im Zusammenspiel mit der von der Verwirkungskonstruktion vorgesehenen Rechtsfolge aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls den vollständigen Entfall der Vergütung rechtfertigen.806) Grundsätzlich möglich erscheint dies nur im Falle einer strafrechtlichen Verurteilung des Verwalters, die im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Insolvenzverwalter steht, jedoch keineswegs bei Verstoß gegen eine vermeintliche Offenbarungspflicht.

E. Ergebnis 380 Festzuhalten bleibt im Ergebnis, dass die an einem in § 654 BGB enthaltenen Rechtsgedanken orientierte Rechtsprechung zur Vergütungsverwirkung des Insolvenzverwalters erhebliche Eingriffe in die von Art. 12 GG garantierte Berufsfreiheit beinhaltet. Die gewichtige Rolle des Insolvenzverwalters für das volkswirtschaftlich und sozial bedeutsame Insolvenzverfahren und die Sicherstellung der effektiven Funktionsweise der Rechtspflege lassen zumindest grundsätzlich den vollständigen Entfall des Anspruchs auf eine angemessene Vergütung sowie Erstattung der Auslagen verhältnismäßig erscheinen. ___________ 805) Vor diesem Hintergrund der Argumentation des BGH zustimmend Lissner, AGS 2020, 157, 158. 806) Siehe in diesem Sinne auch auch Gomille, KTS 2019, 364, 374.

176

E. Ergebnis

Auch wenn die Verwirkungsrechtsprechung im Kern also noch den verfassungs- 381 rechtlichen Voraussetzungen für einen Eingriff in grundrechtlich geschützte Positionen genügt, sind die verfassungsrechtlichen Grenzen jedoch hinsichtlich der von der Rechtsprechung konstruierten Offenbarungspflicht des Insolvenzverwalters im Vorfeld des Insolvenzverfahrens überschritten. Zum einen sind bereits die Grenzen zulässiger richterlicher Rechtsfortbildung nicht mehr gewahrt, was einen Verstoß gegen den Gesetzesvorbehalt des Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG wie auch grundlegende rechtsstaatlichen Prinzipien bedeutet. Zum anderen geht mit der Offenbarungspflicht auch eine generelle Beschränkung der Freiheit, dem Beruf als Insolvenzverwalter nachzugehen, einher. Dies stellt einen besonders intensiven Eingriff in die von Art. 12 GG garantierten Freiheiten dar, der vorliegend nicht mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu vereinbaren ist. Zwar mag der Schutz einer qualitativ hochwertigen Rechtspflege ein besonders wichtiges Gemeinschaftsgut darstellen. Allerdings ist die vom Bundesgerichtshof konstruierte Offenbarungspflicht nicht geeignet, zum Schutz dieses Gemeinschaftsguts beizutragen. Zu befürchten sind vielmehr gegenteilige Effekte. Insoweit ist die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs also als nicht mit Art. 12 GG vereinbar und damit als verfassungswidrig einzuordnen. Hinsichtlich der Rechtsfolgen bei Anwendung der Verwirkungskonstruktion kommt 382 es im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht auf die einfachgesetzliche Systematik, sondern einzig darauf an, ob die verfassungsrechtlichen Maßstäbe den vollständigen Entfall der Vergütung oder nur eine Kürzung der Vergütung rechtfertigen. Denkbar ist dies nur bei dem Insolvenzverwalter im Rahmen eines Strafprozesses nachgewiesenen Straftaten.

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§ 8 Alternative Lösungsmöglichkeiten Nachdem in den vorherigen Kapiteln aufgezeigt werden konnte, inwiefern die Recht- 383 sprechung des Bundesgerichtshofs zur Verwirkung der Vergütung des Insolvenzverwalters orientiert an einem in § 654 BGB enthaltenen allgemeinen Rechtsgedanken erhebliche Zweifel sowohl in dogmatischer als auch in praktischer Hinsicht begründet, soll daher im Folgenden ein alternativer Ansatz zum Umgang mit Pflichtwidrigkeiten des Insolvenzverwalters im Hinblick auf seinen Vergütungsanspruch dargestellt und diskutiert werden. Die Darstellung gliedert sich dabei in zwei Abschnitte. Zunächst werden die dem 384 alternativen Lösungsansatz zu Grunde liegenden Vorüberlegungen und Annahmen geschildert. Sodann folgt die konkrete Darstellung des Lösungsansatzes, die sich wiederum in einen Teil mit vergütungsrechtlichem Schwerpunkt und einen ergänzenden Teil mit berufsrechtlichem Ansatz gliedert.

A. Vorüberlegungen Vor dem Hintergrund der dargestellten dogmatischen Bedenken an der Herleitung 385 der Verwirkungskonstruktion aus § 654 BGB ließe sich zunächst de lege lata an andere gesetzliche Tatbestände denken, die eine dogmatisch vorzugswürdigere Grundlage für eine Vergütungsverwirkung darstellen könnten. In Betracht zu ziehen wäre beispielsweise schlicht die Heranziehung der Regelung des § 242 BGB, die als Generalklausel grundsätzlich einen weiten Anwendungsbereich eröffnet. Mit Blick auf die insolvenzrechtlichen Vergütungsregelungen könnte auch die Auslegung des Tatbestandsmerkmals der „angemessenen Vergütung“ nach § 63 Abs. 1 Satz 1 InsO insoweit zu einer Lösung verhelfen, dass eine Festsetzung der Vergütung auf null in bestimmten Fällen als die „angemessene Vergütung“ zu bewerten wäre. Denkbar erschiene auch eine Lösung über eine analoge Anwendung des § 628 Abs. 1 Satz 2 BGB in der Hinsicht, dass für die Frage der Vergütungsverwirkung bzw. des Vergütungsentfalls der Nutzen der bisherigen Tätigkeit des pflichtwidrig handelnden Verwalters für einen neu zu bestellenden Verwalter maßgeblich wäre.807) Erwägungen zu einer alternativen Rechtsgrundlage für eine Verwirkungskonstruktion bzw. einen Entfall des Vergütungsanspruchs sind – abgesehen von auch bei ihrer Heranziehung gegebenenfalls weiter bestehenden konstruktiven Problemstellungen – an dieser Stelle jedoch ohnehin verfrüht.

___________ 807) Mit einem ähnlichen Ansatz bereits LG Stade, Beschl. v. 21.1.1959 – 2 T 383/58, MDR 1959, 768 Nr. 99; Nehrkorn, KuT 1931, 120, 121; Jaeger, KO, Bd. 2, 6./7. Aufl., 1936, § 85 Anm. 2; eine vergleichbare Konzeption wird auch im Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz verfolgt: nach § 8a Abs. 2 JVEG ist eine Vergütung von der Verwertbarkeit der Leistung abhängig, siehe dazu Schneider, JVEG, § 8a Rn. 7, 28.

179

§ 8 Alternative Lösungsmöglichkeiten

386 Für die Erarbeitung alternativer Lösungsansätze sowohl de lege lata – aber auch de lege ferenda – gilt es nämlich zunächst überhaupt präzise zu erfassen, welche Ziele mit der Verwirkungskonstruktion sowohl rechtspolitisch als auch konkret mit Blick auf das Insolvenzverfahren verfolgt werden und welche Auswirkungen die Vergütungsverwirkung auf das Verfahren und die Beteiligten zeitigt.

387 Dazu bietet es sich, wie bereits im Rahmen der Kritik an der Verwirkungsrechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Grundzügen dargestellt, an, die bisherigen Fälle der Vergütungsverwirkung in zwei Fallgruppen zu unterteilen. Mit der auf § 654 BGB gestützten Verwirkungsrechtsprechung werden nämlich in Abhängigkeit zur jeweilige Fallgruppen unterschiedliche Zielsetzungen verfolgt, die sich auch in ihren praktischen Konsequenzen in erheblichem Maß unterscheiden.

388 Für die objektive Abgrenzung der Fallgruppen ist zunächst maßgeblich, dass sie sich in ihrer inhaltlichen Anknüpfung an das jeweilige Fehlverhalten des Insolvenzverwalters unterscheiden. Die erste Fallgruppe erfasst solche Fallgestaltungen, bei denen dem Verwalter eine tätigkeitsbezogene Pflichtverletzung vorgeworfen wird, während der zweiten Fallgruppe pflichtwidriges Fehlverhalten des Insolvenzverwalters ohne konkreten Tätigkeitsbezug zum jeweiligen Insolvenzverfahren zuzuordnen ist.

I.

Fallgruppen

1.

Tätigkeitsbezogene Verwirkung (Fallgruppe 1)

389 Dieser Fallgruppe der Vergütungsverwirkung sind Sachverhaltskonstellationen zuzuordnen, bei denen der Vorwurf einer Treuepflichtverletzung in unmittelbarem Zusammenhang mit der Tätigkeit des Insolvenzverwalters in dem konkreten Verfahren steht.808) Für die grundsätzliche Zuordnung ist dabei zunächst nur wesentlich, dass der Vorwurf eines pflichtwidriges Verhalten des Insolvenzverwalters an seine Tätigkeit im Rahmen des Eröffnungsverfahrens oder im sodann eröffneten Insolvenzverfahren anknüpft, für das der Insolvenzverwalter die Festsetzung seiner Vergütung beansprucht. Beispielhaft hierfür ist der Vorwurf der Veruntreuung von Geldern aus der Insolvenzmasse im konkreten Verfahren. Diejenigen Sachverhaltskonstellationen hingegen, bei denen die Verwirkung der Vergütung mit einer wenn auch für sich genommen tätigkeitsbezogenen Verfehlung in einem anderen Insolvenzverfahren begründet wird – mithin mit einer Verletzung der Offenbarungspflicht –, gehören nicht zu dieser Fallgruppe.

___________ 808) Siehe dazu bereits ausführlich oben Rn. 214 ff.

180

A. Vorüberlegungen

2.

Verwirkung ohne Tätigkeitsbezug (Fallgruppe 2)

Dieser Fallgruppe sind solche pflichtwidrigen Verhaltensweisen des Insolvenzver- 390 walters zuzuordnen, die nicht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Tätigkeit in dem Verfahren stehen, für das der Verwalter eine Vergütung beansprucht.809) Den Bezugspunkt bilden also im Gegensatz zur ersten Fallgruppe gerade nicht auch aus insolvenzrechtlicher Perspektive pflichtwidrige Verhaltensweisen des Verwalters in unmittelbarem Zusammenhang mit Ausübung des Verwalteramts. Den Anknüpfungspunkt bildet vielmehr ein Fehlverhalten des Insolvenzverwalters im Vorfeld des Verfahrens. In Betracht kommen beispielsweise das Vortäuschen eines akademischen Titels oder auch, dass der Verwalter dem Insolvenzgericht pflichtwidrige Verhaltensweisen im Rahmen von anderen Insolvenzverfahren bei seiner Bestellung nicht offenbart.

II. Grundlage alternativer Lösungsansätze Eine Differenzierung zwischen den beiden Fallgruppen ist mit Blick auf einen alter- 391 nativen Lösungsansatz von besonderer Bedeutung, weil an die ihnen jeweils zuzuordnenden pflichtwidrigen Verhaltensweisen des Verwalters neben dem Verwirkungstatbestand auch de lege lata weitere rechtliche Konsequenzen anknüpfen. Hieraus lassen sich sodann Schlüsse darauf ziehen, welche rechtspolitischen Ziele mit der Verwirkungskonstruktion innerhalb der jeweiligen Fallgruppe verfolgt werden können, und ob diese möglicherweise besser durch anderweitige Regelungsmodelle zu erreichen wären. Grundlegend stellt sich insofern auch die Frage, ob ein vollständiger Vergütungsverlust überhaupt als rechtliche Konsequenz eines Fehlverhaltens des Insolvenzverwalters in Betracht zu ziehen sein sollte. Zu erörtern ist also, inwieweit sich die Verwirkungskonstruktion in den jeweiligen 392 Fallgruppen konkret aus Sicht der Verfahrensbeteiligten aber auch aus rechtspolitischer Perspektive als rational und zweckdienlich darstellt.

1.

Rationalität der tätigkeitsbezogenen Vergütungsverwirkung (Fallgruppe 1)

Charakteristisch für die tätigkeitsbezogene Verwirkungsfallgruppe ist eine Schädi- 393 gung der Masse. So lagen bereits den von den Instanzgerichten entschiedenen Fällen fast ausnahmslos Sachverhaltskonstellationen zu Grunde, bei denen der Insolvenzverwalter die Masse durch Veruntreuung von Geldern geschädigt hatte.810)Auch ___________ 809) Siehe dazu bereits ausführlich oben Rn. 220 ff. 810) Vgl. nur LG Mühlhausen, Beschl. v. 7.8.2007 – 2 T 151/07, BeckRS 2008, 12620; LG Magdeburg, Beschl. v. 10.1.2013 – 11 T 507/11, ZInsO 2013, 2578; LG Deggendorf, Beschl. v. 24.7.2013 – 13 T 57/13; siehe zudem auch die bereits oben besprochenen instanzgerichtlichen Entscheidungen Rn. 45 ff.

181

§ 8 Alternative Lösungsmöglichkeiten

die vom Bundesgerichtshof gewählte Formulierung, wonach die Versagung der Vergütung „insbesondere“ bei Straftaten zum Nachteil der Masse in Betracht komme,811) zeigt, dass es sich zwar nicht zwangsläufig um eine strafrechtlich relevante Schädigung der Masse handeln muss, aber zumindest die Masse überhaupt einen Nachteil erlitten haben muss.

394 Da der Insolvenzverwalter jedoch gerade zur Sicherung der Masse verpflichtet ist und sie vor Nachteilen zu bewahren hat,812) bedeutet dies für die erste Fallgruppe zum einen, dass an das Fehlverhalten des Verwalters stets auch eine zivilrechtliche Schadensersatzhaftung anknüpfen wird, und zum anderen, dass nicht selten auch eine strafrechtliche Sanktionierung des Verhaltens zu erwarten ist.

a) Haftungsrechtliche Perspektive 395 Vor dem Hintergrund, dass in der Konsequenz der Vergütungsverwirkung die Masse nicht um einen andernfalls festgesetzten Vergütungsbetrag verringert wird, scheint die Frage der Rationalität der Vergütungsverwirkung grundsätzlich schnell zu beantworten sein. Schließlich dürfte allen Verfahrensbeteiligten daran gelegen sein, dass die regelmäßig ohnehin geringe Masse insoweit nicht „weiter geschmälert“ wird. Richtet man den Blick jedoch auf die haftungs- und schadensrechtliche Dogmatik zeichnet sich ein anderes Bild ab.

aa) Überkompensation bei paralleler Haftung 396 Ausgangspunkt der Überlegungen ist zunächst, dass im Hinblick auf den Erhalt der Masse nicht unberücksichtigt bleiben darf, dass durch die persönliche Haftung des Verwalters nach den spezialgesetzlichen Haftungstatbeständen der §§ 60, 61 InsO sowie den allgemein zivilrechtlichen Haftungstatbeständen die Kompensation einer Masseschmälerung ermöglicht wird. Grundsätzlich wird nämlich davon auszugehen sein, dass die Haftung des Verwalters und Verwirkung seines Vergütungsanspruchs zwei voneinander unabhängige Institute darstellen, die sich nicht gegenseitig ausschließen. Im Hinblick auf die Möglichkeit der Kürzung der Vergütung durch das Insolvenzgericht bei unrechtmäßiger Aufgabendelegation an Dritte nach § 4 Abs. 1 Satz 3 InsVV hat der Bundesgerichtshof nämlich klargestellt, dass die Kürzungsmöglichkeit einen auf der pflichtwidrigen Aufgabendelegation beruhenden Schadensersatzanspruch nicht ausschließt.813) Etwas anderes kann daher auch für die gänzliche Verwirkung der Vergütung nicht gelten. ___________ 811) Siehe BGH, Beschl. v. 22.11.2018 – IX ZB 14/18, NJW 2019, 935 Rn. 16. 812) Siehe zur an die Massesicherungspflicht anknüpfende Haftung des Insolvenzverwalters BGH, Urt. v. 26.6.2014 – IX ZR 162/13, NZI 2014, 757 Rn. 10 ff.; MüKoInsO/Schoppmeyer, InsO, § 60 Rn. 15; Beck/Depré/Ampferl/Zimmer, Praxis der Sanierung und Insolvenz, § 47 Rn. 59. 813) BGH, Urt. v. 12.3.2020 – IX ZR 125/17, NJW 2020, 1800 Rn. 50.

182

A. Vorüberlegungen

Das insofern parallel zur Anwendung kommende insolvenzrechtliche und allge- 397 mein-zivilrechtliche Haftungsregime führt bei der tätigkeitsbezogenen Fallgruppe zuzuordnenden Pflichtverletzungen prinzipiell dazu, dass die Beteiligten so gestellt werden, wie sie auch ohne das pflichtwidrige schädigende Verhalten des Insolvenzverwalters stünden.814) Umfasst hiervon ist auch die Kompensation einer Mehrbelastung der Masse durch Entlassung des pflichtwidrig handelnden Verwalters und Bestellung eines neuen Verwalters zur Geltendmachung entsprechender Schadensersatzansprüche. Denn die Vergütungsansprüche des entlassenen sowie des neu bestellten Verwalters werden kumuliert in der Regel mehr als die Vergütung eines Verwalters betragen, der das Verfahren insgesamt geführt hätte, und insoweit eine Mehrbelastung darstellen.815) Allerdings hat der entlassene Verwalter sowohl die entstehenden Verfahrenskosten als auch die Vergütung und Auslagen des neu eingewechselten (Sonder-)Insolvenzverwalters in dem Umfang zu ersetzen, wie sie eine Mehrbelastung der Masse darstellen.816) Im Ergebnis bedeutet dies also, dass durch die Haftung des Verwalters aufgrund 398 seines pflichtwidrigen Verhaltens entstandene Schäden kompensiert werden und die Insolvenzmasse zudem aufgrund der Verwirkung nicht um die Vergütung des Verwalters verringert wird. Aus dem Zusammenwirken von Haftung und Verwirkung folgt also eine „Überkompensation“, da sowohl Schäden ausgeglichen werden als auch die Masse um den verwirkten Vergütungsbetrag „erhöht“ wird. Dieses Ergebnis ließe sich zwar grundsätzlich mit dem § 654 BGB zugeschriebenen 399 Strafcharakter insofern rechtfertigen, dass die Verwirkung ohnehin nicht lediglich das Ziel eines Schadensausgleichs verfolge, sondern vielmehr eine Sanktion darstelle und daher auch die Möglichkeit einer Überkompensation bestehen müsse. Im Rahmen der Systematik des Insolvenzverfahrens führt dies jedoch zu Widersprüchen und erscheint insgesamt willkürlich. In erster Linie profitieren von der Überkompensation nur die Insolvenzgläubiger. 400 Durch die im Ergebnis um die nicht ausgezahlte Vergütung angereicherte Masse verbessert sich nämlich zum einen im konkreten Verfahren unmittelbar ihre Befriedigungsquote. Zentral ist zum anderen aber vor allem, dass eine Überkompensation abstrakt betrachtet dazu führt, dass Insolvenzgläubiger in einem Verfahren, im Rahmen dessen dem Verwalter verwirkungsrelevante Pflichtverletzungen vorzuwerfen sind, bessergestellt sind, als diejenigen Gläubiger, die an einem Verfahren ___________ 814) Der Schadensausgleich ist insofern auf das negative Interesse gerichtet, siehe BGH, Urt. v. 6.5.2004 – IX ZR 48/03, BGHZ 159, 104, 121; BGH, Urt. v. 25.1.2007 – IX ZR 216/05, NZI 2007, 286, 287; K. Schmidt/Thole, InsO, § 60 Rn. 42; Uhlenbruck/Sinz, InsO, § 60 Rn. 125; HK-InsO/Lohmann, InsO, § 60 Rn. 40. 815) Pape/Graeber/Graeber, Insolvenzverwalterhaftung, Teil 3 Rn. 1811; Lissner, ZInsO 2016, 953, 954; Keller, DZWiR 2005, 291, 292. 816) Pape/Graeber/Graeber, Insolvenzverwalterhaftung, Teil 3 Rn. 1810 ff.; MüKoInsO/Graeber, InsO, § 56 Rn. 156.

183

§ 8 Alternative Lösungsmöglichkeiten

mit einem redlichen Verwalter teilnehmen. Mithin wird es paradoxerweise für die Insolvenzgläubiger zur bestmöglichen Konstellation, wenn der Insolvenzverwalter in schwerem Ausmaß pflichtwidrig handelt.

bb) Absicherung der Schadenskompensation durch eine eingeschränkte Verwirkungskonstruktion – „Abzugslösung“ 401 Um eine Überkompensation zu Gunsten der Masse und damit eine im Ergebnis von der Insolvenzordnung in entsprechendem Umfang nicht vorgesehene Verteilung der Insolvenzmasse zu verhindern, könnte es sich als Lösung anbieten, den verwirkungsbedingten Entfall des Vergütungsanspruchs auf solche Fälle zu beschränken, in denen ein durch den Insolvenzverwalter verursachter Schaden nicht durch das bestehende Haftungsregime (voll) ausgeglichen werden kann; sei es aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen. Ein verbleibender Schadensbetrag wäre insofern von der dem Verwalter grundsätzlich zuzusprechenden Vergütungssumme unmittelbar in Abzug zu bringen, mit der Folge, dass ein Schaden der Masse ausgeglichen wäre, ohne aber die Masse darüber hinaus anzureichern.

402 Anbieten würde sich eine derartige Beschränkung des Verwirkungsumfangs besonders auch vor dem Hintergrund, dass die Vermögenslage des schädigenden Insolvenzverwalters bisweilen unklar sein kann und gegebenenfalls auch der Zugriff weiterer Gläubiger auf dessen Vermögen zu befürchten steht. Speziell ist hierbei auch an solche Fälle zu denken, in denen bereits feststeht, dass der den Beteiligten entstandene Schaden aus wirtschaftlichen und rechtlichen Gründen nicht in vollem Umfang ausgeglichen werden kann. Dies gilt beispielsweise dann, wenn über das Vermögen des Insolvenzverwalters selbst ein Insolvenzverfahren eröffnet wird und gegen ihn gerichtete Schadensersatzansprüche nur quotal befriedigt werden können.817) Gerade in solchen Fällen könnte sich ein Vorababzug des zu kompensierenden Masseschadens vom Vergütungsanspruch des Verwalters als eine Art „Sicherungsmittel“ für die Haftungsansprüche gegen den Verwalter darstellen. Bei insoweit verwirkungsbedingtem Entfall des Vergütungsanspruchs mit Wirkung ex-tunc könnte nämlich im Gegensatz zu der sich aus wirtschaftlicher Sicht ebenfalls anbietenden Möglichkeit einer späteren Aufrechnung von Ersatzansprüchen zu Gunsten der Masse verhindert werden, dass andere Gläubiger des Insolvenzverwalters ebenfalls einen rechtlichen Zugriff auf dessen Vergütungsanspruch erhielten bzw. dieser in die Masse des über sein Vermögen eröffneten Verfahrens fiele.

403 Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die tatsächliche Realisierungsmöglichkeit etwaiger Schadensersatzansprüche gegen den Insolvenzverwalter in tätigkeitsbezogenen Verwirkungskonstellationen auf das Vermögen des Verwalters beschränkt ___________ 817) Siehe beispielsweise den der Entscheidung BGH, Beschl. v. 14.7.2016 – IX ZB 52/15, NZI 2016, 892 zu Grunde liegenden Sachverhalt, in dem über das Vermögen des pflichtwidrig handelnden Verwalters ein Insolvenzverfahren eröffnet worden war.

184

A. Vorüberlegungen

sein wird. Zwar wird ein Insolvenzverwalter regelmäßig – als Rechtsanwalt, Wirtschaftsprüfer oder Steuerberater ohnehin – eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen haben,818) über die Schadensersatzsprüche prinzipiell abgesichert wären. Diese Absicherung wird in verwirkungsrelevanten Konstellationen der ersten Fallgruppe allerdings leerlaufen, da unabhängig von der Problematik einer möglicherweise ungenügenden Deckungssumme die Einstandspflicht des Versicherers bereits aufgrund der wissentlichen Pflichtverletzung des Verwalters gänzlich ausgeschlossen sein wird.819) Von einer wissentlichen Pflichtverletzung ist nämlich zumindest dann auszugehen, wenn dem Verwalter eine gesetzliche Pflicht vorgeschrieben ist und er wissentlich von ihr abweicht, ihm mithin bewusst ist, gesetzes- und pflichtwidrig zu handeln.820) Aufgrund der Qualität der die Vergütungsverwirkung auslösenden Verfehlung des Insolvenzverwalters wird nahezu immer davon auszugehen sein, dass er in einem solchen Bewusstsein handelt. Ist aber das pflichtwidrige Verhalten im Ergebnis als wissentliche Pflichtverletzung einzuordnen, sind Ansprüche gegen den Versicherer in der Konsequenz ausgeschlossen. Insbesondere bei strafbaren Pflichtverletzungen wird eine versicherungsrechtliche Deckung zweifelsohne nicht in Betracht kommen. Über eine unmittelbare „Abzugslösung“ könnte die Verwirkungskonstruktion in be- 404 stimmten Konstellationen also zumindest einerseits dazu beitragen, dass die Verfahrensbeteiligten im Falle von Pflichtverletzungen des Verwalters Haftungsansprüche der Masse in ihrem wirtschaftlichen Wert realisieren könnten. Andererseits würde damit zugleich eine Überkompensation ausgeschlossen.

cc) Interessenkonflikt Bei näherer Betrachtung zeigt sich allerdings, dass selbst eine solche Beschränkung 405 der Verwirkung zur Absicherung von Schadensersatzansprüchen nicht den Interessen aller Verfahrensbeteiligter gerecht werden kann. Wesentlich für das jeweilige Interesse der Verfahrensbeteiligten an einer Verwirkung der Vergütung ist im Hinblick auf Schadensersatzansprüche gegen den Verwalter nämlich, dass sich im Rahmen eines Insolvenzverfahrens der eingetretene Schaden verschieden darstellen kann. Unterschieden werden muss danach, ob es sich um einen Gesamtschaden oder einen individuellen Einzelschaden handelt. Im Gegensatz zu einem im Rahmen der Über___________ 818) Ehlers, ZInsO 2011, 458, 462 ff.; van Bühren, NZI 2003, 465; Uhlenbruck/Sinz, InsO, § 60 Rn. 132 ff.; Nerlich/Römermann/Rein, InsO, § 60 Rn. 116; Mohrbutter/Ringstmeier/Meyer/Meyer/ Heidrich, Kap. 34 Rn. 203. 819) Siehe zum Ausschlussgrund der wissentlichen Pflichtverletzung Uhlenbruck/Sinz, § 60 Rn. 135; MüKoInsO/Schoppmeyer, InsO, § 60 Rn. 112; van Bühren, NZI 2003, 465, 467 f.; ausführlich Ehlers, ZInsO 2011, 458, 464 f.; siehe auch § 103 VVG sowie § 4 Nr. 5 AVB-RSW (Allgemeine Versicherungsbedingungen für Rechtsanwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Mai 2011). 820) OLG Karlsruhe, Urt. v. 4.2.2005 – 12 U 227/04, VersR 2005, 1681, 1682; OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.11.2018 – I-4 U 5/18, VersR 2019, 537, 539; Ehlers, ZInsO 2011, 458, 465; Uhlenbruck/ Sinz, InsO, § 60 Rn. 135.

185

§ 8 Alternative Lösungsmöglichkeiten

legungen zu einer anspruchssichernden Funktion der Verwirkung bereits angedeuteten Gesamtschaden, durch den die Insolvenzmasse insgesamt verkürzt wird und die Gläubiger gemeinschaftlich in ihrer Gesamtheit betroffen sind,821) betreffen Individualschäden nur einen einzelnen Gläubiger und können dabei auch unabhängig von einer Verkürzung der Insolvenzmasse entstehen.822) Dass in der Fallgruppe der tätigkeitsbezogenen Verwirkungskonstellation regelmäßig ein Gesamtschaden zu Lasten der Insolvenzgläubiger eingetreten sein wird, schließt nicht aus, dass auch einzelnen Gläubigern – aus verschiedenen Gläubigergruppen oder auch innerhalb einer Gruppe – individuelle Einzelschäden entstanden sind.823)

406 Die Interessenlage von Gläubigern eines Einzelschadens sowie Gläubigern eines Gesamtschadens ist zwar insofern identisch, dass sie ihren jeweiligen Anspruch möglichst in voller Höhe gegen den Insolvenzverwalters durchsetzen wollen und im Falle der Insolvenz des Verwalters bestenfalls auch nicht auf nur eine quotale Befriedigung verwiesen sind. Durch die Verwirkung kann diesem Interesse bei einem individuellen Einzelschaden jedoch nicht Rechnung getragen werden. Während nämlich bei einem Gesamtschaden die Verwirkung des Vergütungsanspruchs faktisch unmittelbar zur Schadensliquidation der betroffenen Gläubiger beiträgt und somit ihrerseits auch ein Interesse an der Verwirkung besteht, verkehrt sich die Interessenlage demgegenüber ins Gegenteil, wenn Schadensersatzansprüche hinzutreten, die auf den Ausgleich von Einzelschäden gerichtet sind. Für Gläubiger dieser Ansprüche ist es nämlich vielmehr von Interesse, dass das Vermögen des Verwalters zur Absicherung der Realisierung ihres jeweiligen Anspruchs um die Vergütung angereichert wird. Sie haben also kein Interesse an einer Verwirkung der Vergütung.

407 Hieraus folgt, dass eine „Schadensersatzansprüche absichernde Wirkung“ der Verwirkung nur bei einer Schädigung der Masse insgesamt und mithin Gesamtschäden denkbar ist. Zwar ist auch ein kollektiver Schadensersatzanspruch der Gläubiger aufgrund eines Gesamtschadens persönlich gegen den Insolvenzverwalter gerichtet; faktisch kann der Schaden in dieser Konstellation dennoch unmittelbar dadurch ausgeglichen oder zumindest reduziert werden, dass die Vergütung des Verwalters im Falle der Verwirkung in der Masse einbehalten wird. Denn auch zur Erfüllung des Schadensersatzanspruchs hätte der Verwalter an die Masse zu leisten, da der Gesamtschaden dogmatisch als Anspruch der Masse zu qualifizieren ist.824) Durch die ___________ 821) BGH, Urt. v. 5.10.1989 – IX ZR 233/87, ZIP 1989, 1407, 1408; BGH, Beschl. v. 14.7.2011 – IX ZR 2010/10, NJW-RR 2011, 1318 Rn. 6 f.; K/P/B/Lüke, InsO, § 92 Rn. 19; MüKoInsO/ Gehrlein, InsO, § 92 Rn. 11. 822) K/P/B/Lüke, InsO, § 92 Rn. 19; Uhlenbruck/Sinz, InsO, § 60 Rn. 122. 823) Siehe zur Parallelität von Einzel- und Gesamtschäden Pape/Graeber/Pape/Sietz, Insolvenzverwalterhaftung, Teil 3 Rn. 1517 ff. 824) BGH, Urt. v. 12.3.2020 – IX ZR 125/17, NJW 2020, 1800 Rn. 54; Uhlenbruck/Sinz, InsO, § 60 Rn. 119; Jaeger/Gerhardt, InsO, § 60 Rn. 131.

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A. Vorüberlegungen

Anspruchsverwirkung würde mithin der Notwendigkeit der späteren Aufrechnung oder Geltendmachung des dolo-agit-Einwands vorgegriffen. Bei Einzelschäden hingegen kann durch Einbehalt der Vergütung in der Masse schon 408 faktisch kein unmittelbarer Ausgleich für den eingetretenen Schaden herbeigeführt werden, da unterschiedliche Vermögensmassen betroffen sind. Dabei erscheint es nach der insolvenzrechtlichen Dogmatik zudem auch ausgeschlossen, Schadensersatzgläubigern eines Einzelschadens Befriedigung aus der aufgrund der Verwirkung in der Masse zurückbehaltenen Vergütung des Verwalters zu gewähren, da der Vergütungsanspruch systematisch als Masseverbindlichkeit nach § 54 Nr. 2 InsO der Insolvenzmasse zuzuordnen ist, der Schaden jedoch unabhängig von der Masse individuell auf Seiten eines Gläubigers entstanden ist und daher auch der Schadensausgleich nicht die Masse betreffen kann. Deutlich wird also, dass Gläubiger von auf den Ausgleich eines Einzelschadens ge- 409 richteten Ansprüchen kein Interesse an der Verwirkung des Vergütungsanspruchs des Insolvenzverwalters haben, damit die beim Verwalter verbleibende Haftungsmasse möglichst hoch ausfällt, um ihre Schadensersatzansprüche befriedigen zu können.825) Übertragen lassen sich diese Erwägungen eines durch die Vergütungsverwirkung 410 bedingten Interessenkonflikts über Ansprüche aus § 60 InsO hinaus weiterhin auch auf die divergierende Interessenlage von originären Massegläubigern sowie von Massegläubigern mit Schadensersatzansprüchen nach § 61 InsO. Zunächst werden zwar alle Massegläubiger ein Interesse an der Verwirkung der 411 Verwaltervergütung haben, weil die dadurch bedingte Anreicherung der Masse die Erfüllung ihrer Ansprüche absichert. Im Rang stehen die übrigen Massegläubiger gemäß § 209 InsO nämlich hinter dem Vergütungsanspruch des Verwalters, dessen Anspruch zu den Verfahrenskosten gehört und deshalb eine absolute Vorrangstellung einnimmt.826) Denkbar wäre insofern, die Verwirkung beschränkt auf die Fälle zuzulassen, in denen der Vergütungsentfall die Befriedigung der übrigen Masseverbindlichkeiten absichert, mithin ohne Verwirkung Masseunzulänglichkeit eintreten würde. Doch auch so ließe sich keine sach- und interessengerechte Lösung herbeiführen. Denn in bestimmten Konstellationen werden nicht alle Massegläubiger pauschal ein Interesse an der Vergütungsverwirkung haben. Reicht die Masse nämlich trotz Entfall des Vergütungsanspruchs schon nicht mehr aus, um durch Rechtshandlungen des Verwalters begründete Masseverbindlichkeiten zu decken, sind die davon betroffenen Massegläubiger auf ihre Sekundäransprüche verwiesen. In die___________ 825) Mit Blick auf den Einwand einer bestehenden Absicherung der Ansprüche durch eine Haftpflichtversicherung des Verwalters sollte nicht verkannt werden, dass auch die Gläubiger eines Einzelschadens ebenfalls die Gefahr trifft, dass der Versicherer bei wissentlicher Pflichtverletzung des Insolvenzverwalters die Deckung verweigern wird. 826) MüKoInsO/Hefermehl, InsO, § 209 Rn. 15; K. Schmidt/Jungmann, InsO, § 209 Rn. 5 ff.

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§ 8 Alternative Lösungsmöglichkeiten

sem Fall werden aber eben diese Gläubiger, denen aufgrund der Masseunzulänglichkeit ein individueller Schadensersatzanspruch nach § 61 InsO erwachsen ist, zur Realisierung dieses Anspruchs vielmehr ein Interesse daran haben, dass dem Verwalter seine Vergütung zufließt, um ihre Schadensersatzforderungen in möglichst voller Höhe durchsetzen zu können.

dd) Zwischenergebnis 412 Der Ansatz einer Absicherung von Schadensersatzansprüchen zu Gunsten der Masse mit Hilfe einer eingeschränkten Verwirkungskonstruktion muss daher im Ergebnis sowohl aus dogmatischer Sicht als auch unter Berücksichtigung der divergierenden Interessenlage abgelehnt werden. Schadenersatzgläubiger, die einen Einzelschaden erlitten haben, oder denen der Verwalter persönlich nach § 61 InsO haftet, würden dadurch nämlich benachteiligt.

413 Ganz grundsätzlich zeigt der Blick auf die Haftung des Insolvenzverwalters und die diesbezüglich bestehende Interessenlage der Beteiligten, dass durch die Verwirkung der Insolvenzverwaltervergütung die Chancen der Gläubiger auf eine Schadensliquidation unmittelbar beeinflusst werden. Im Ergebnis werden die Gläubiger sowohl in Abhängigkeit zu dem ihnen entstandenen Schaden als auch der Zugehörigkeit zu einer Gläubigergruppe ohne sachlichen Grund ungleich, also – verfassungsrechtlich betrachtet – willkürlich behandelt. Die Systematik der Haftung des Insolvenzverwalters wird somit durch die Vergütungsverwirkung nachhaltig gestört. Besonders vor dem Hintergrund dieses undifferenzierten Eingriffs in die haftungsrechtliche Systematik bestehen Zweifel daran, das Konzept der Vergütungsverwirkung prinzipiell – und unabhängig von einer dogmatisch konsistenteren Herleitung – weiter zu verfolgen.

414 Rückblickend auf die dogmatische Kritik an der Verwirkungskonstruktion wird insoweit abermals deutlich, dass die Stellung des Insolvenzverwalters nicht mit derjenigen eines Maklers oder Rechtsanwalts vergleichbar ist, die jeweils in einem bilateralen Verhältnis zu ihrem Kunden bzw. Mandaten stehen. Der Entfall der Vergütung löst anders als beim Insolvenzverwalter in diesen Konstellationen daher auch keinen Interessenkonflikt aus, sondern kann vielmehr zu einer Konfliktlösung beitragen. Eine Übertragung der im Rahmen dieser Berufsgruppen entwickelten Rechtsprechung zur Verwirkung der Vergütung vermag wegen der haftungsrechtlichen Besonderheiten des Insolvenzverfahrens nicht zu überzeugen. Aus der Perspektive der Verfahrensbeteiligten erscheint die Verwirkungskonstruktion daher im Ergebnis weder rational noch zweckdienlich.

b) Rechtspolitische Perspektive 415 Gleichwohl könnten diese im Hinblick auf das haftungsrechtliche System nicht überzeugenden Auswirkungen gegebenenfalls dann hinzunehmen sein, wenn aufgrund

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A. Vorüberlegungen

einer besonderen von der Verwirkungskonstruktion ausgehenden Regulierungswirkung ihre rechtspolitische Notwendigkeit die dogmatischen Bedenken überwiegen würde. Eine notwendige Regulierungswirkung könnte insbesondere darin gesehen werden, dass von der drohenden Rechtsfolge des Vergütungsentfalls eine nicht unerhebliche Präventionswirkung auf den Insolvenzverwalter zugunsten einer konsequent pflichtgemäßen Amtsausübung ausgehen kann. Denn mit Blick auf den von der Rechtsprechung in der Regelung des § 654 BGB erkannten Zweck einer Präventionswirkung auf den Makler827) erschiene es zunächst nicht fernliegend, dass auch der Insolvenzverwalter durch den drohenden Verlust seines Vergütungsanspruchs zu einer pflichtgemäßen Amtsführung und Wahrung der von ihm zu schützenden Interessen angehalten wird. Unter der Maßgabe, die aus dem Rechtsgedanken des § 654 BGB hergeleitete Vergütungsverwirkung als gesetzliche Vertragsstrafe zu qualifizieren,828) lassen sich durchaus grundsätzlich verhaltenssteuernde Aspekte in der Verwirkungskonstruktion erkennen. Anerkannt ist nämlich, dass einer Vertragsstrafe eine Präventivfunktion beizumessen ist, indem sie als Druckmittel eine ordnungsgemäße Leistungserbringung des Schuldners sicherstellen soll.829) Mit Blick auf den verwirkungsbedingten Verlust des Vergütungsanspruchs ist zudem festzustellen, dass auch solchen zivilrechtlichen Regelungen eine steuernde Regulierungswirkung zukommt, die den Rechtsverlust als Konsequenz eines bestimmten Verhaltens vorsehen.830) Verstärkt wird die präventive Regulierungswirkung dabei insbesondere dadurch, dass mit einer aus der schadensunabhängigen Verwirkung folgenden Umverteilung über einen Nachteilsausgleich hinaus eine zusätzliche Missbilligung verbunden sein kann.831) Eine der Verwirkungskonzeption prinzipiell zuzusprechende verhaltenssteuernde 416 und präventive Wirkung wird jedoch aufgrund ihrer Ausgestaltung durch die Rechtsprechung in der von ihr zu erwartenden tatsächlichen Wirkung zugleich wieder konterkariert. Grundsätzlich ist zwar anzunehmen, dass in richterlicher Rechtsfortbildung hervorgebrachten Regelungen – wie hier der Verwirkung der Insolvenzverwaltervergütung entsprechend dem allgemeinen Rechtsgedanken des § 654 BGB – aufgrund ihrer gesetzesgleichen Wirkung eine hohe regulatorische Wirkung zukommt.832) Eine Einschränkung ihrer Wirksamkeit erfahren regulierende Zwecksetzungen jedoch dann, wenn für den Regelungsadressaten unklar ist, ob er bzw. ___________ 827) MüKoBGB/Althammer, BGB, § 654 Rn. 1; HK-BGB/Scheuch, BGB, § 654 Rn. 1. 828) Siehe dazu oben Rn. 100 ff. 829) BGH, Urt. v. 3.11.1960 – VII ZR 150/59, BGHZ 33, 236, 237 f.; BGH, Urt. v. 18.11.1982 – VII ZR 305/81, BGHZ 85, 305, 312 f.; Wagner, AcP 206 (2006), 352, 427; Staudinger/Rieble, BGB, Vor. §§ 339 ff. Rn. 20 ff.; BeckOGK/Ulrici, 1.9.2021, BGB, § 339 Rn. 20. 830) Hellgardt, Regulierung und Privatrecht, S. 462 f. 831) Vgl. Gregor, Das Bereicherungsverbot, S. 228 f. 832) Hellgardt, Regulierung und Privatrecht, S. 460.

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sein Verhalten im Einzelfall auch tatsächlich erfasst wäre.833) Unter Berücksichtigung der oben dargestellten Schwierigkeiten der Bestimmung des verwirkungsrelevanten Verhaltens infolge des letzlich unklaren richterrechtlichen Verwirkungstatbestands ließen sich bereits insofern Zweifel an der regulatorischen Wirkung begründen, da für den Adressaten offen bleibt, welches konkrete Fehlverhalten im Einzelfall tatsächlich sanktioniert ist. Bestätigt werden diese abstrakten Zweifel aber insbesondere auch dadurch, dass die regulatorische Wirkung beeinträchtigende Unklarheiten gerade in dem Fall anzunehmen sind, wenn von der Rechtsprechung bei der Subsumption eine „Abwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls“ gefordert wird.834) Denn auch im Rahmen der Ausführungen zur Vergütungsverwirkung des Insolvenzverwalters fordert der Bundesgerichtshof eine „umfassende Würdigung der Umstände des Einzelfalls“.835) Die der Verwirkungskonstruktion prinzipiell beizumessende Präventionswirkung infolge des in Aussicht gestellten Vergütungsentfalls wird also insofern erheblich abgeschwächt.

417 Mit Blick auf die für eine Vergütungsverwirkung aufgrund eines tätigkeitsbezogenen Fehlverhaltens typischen Sachverhaltskonstellationen stellt sich weiterhin die Frage, inwiefern der Verwirkung in diesen Fällen unabhängig von ihrer Effizienz per se überhaupt eine eigenständige Präventionswirkung zugesprochen werden kann und der Vergütungsverlust nicht vielmehr nur einen flankierenden Charakter hat. Denn einerseits bestehen unabhängig von der Verwirkungskonstruktion zivilrechtliche Mechanismen der Verhaltenssteuerung. Andererseits sind es besonders mögliche strafrechtliche Sanktionen, von denen eine nicht unerhebliche Präventionswirkung ausgehen dürfte.

418 Widmet man sich zunächst der vom zivilrechtlichen Regelungsgefüge ausgehenden Verhaltensteuerung, stellt insoweit die ausgeprägte persönliche Haftung des Verwalters den zentralen Aspekt dar.836) Denn allgemein anerkannt ist, dass zivilrechtliche Haftung über die Ausgleichsfunktion hinaus im Rahmen ihrer Präventionsfunktion auch zur Verhaltenssteuerung beiträgt.837) In Anbetracht der Haftung im Falle des Schadenseintritts soll der potentielle Schädiger davon abgehalten werden, pflichtwidrig zu handeln.838) Bereits aus diesem Grund müsste der Verwalter eigent___________ 833) Hellgardt, Regulierung und Privatrecht, S. 460. 834) Hellgardt, Regulierung und Privatrecht, S. 460, mit beispielhafter Bezugnahme auf BGH, Urt. v. 9.7.2008 – XII ZR 179/05, BGHZ 177, 193, 210. 835) BGH, Beschl. v. 22.11.2018 – IX ZB 14/18, NJW 2019, 935 Rn. 15; siehe auch BGH, Beschl. v. 9.6.2011 – IX ZB 248/09, NZI 2011, 760 Rn. 7. 836) Siehe dazu zuvor ausführlich Rn. 395 ff. 837) Hellgardt, Regulierung und Privatrecht, S. 463 ff.; Wagner, AcP 206 (2006), 352, 451 ff.; Brüggemeier, Prinzipien des Haftungsrechts, S. 3 ff.; siehe aber kritisch hinsichtlich eines der Haftung generell zuzuweisenden Präventionszwecks Gregor, Das Bereicherungsverbot, S. 15 ff. 838) Schäfer, AcP 202 (2002), 397, 399; zur ökonomischen Analyse der Präventionswirkung siehe ausführlich Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, S. 171 ff.

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A. Vorüberlegungen

lich veranlasst sein, pflichtgemäß zu handeln. Hinzu kommt speziell für den Insolvenzverwalter, dass dieser mit Übernahme des Amtes durch die Überwachung des Insolvenzgerichts und dessen Disziplinarmöglichkeiten zudem zu einer ordnungsgemäßen Pflichterfüllung angehalten ist. Zweifel an einer eigenständigen Präventionswirkung der Verwirkung in der tätig- 419 keitsbezogenen Fallgruppe sind überdies aber besonders in der strafrechtlichen Relevanz des Verhaltens des Verwalters begründet. Hat sich der Verwalter nämlich trotz drohender strafrechtlicher Sanktionen nicht zu einem pflichtgemäßen Verhalten motivieren lassen, ist durchaus zu bezweifeln, dass die zivilrechtliche Sanktion des Verlusts des Vergütungsanspruchs eine weitergehende Präventionswirkung zu entfalten vermag, wenn schon die Präventionsfunktion der Strafrechtsordnung wirkungslos geblieben ist. Dabei wird man der Verwirkung auch nicht mit dem Argument eine gesteigerte Präventionswirkung verleihen können, dass der Entfall der Vergütung für den Insolvenzverwalter eine besonders einschneidende Konsequenz darstelle und somit einen sehr hohen Anreiz zu pflichtgemäßem Verhalten erzeuge. Denn bereits von der Gefahr einer strafrechtlichen Verurteilung geht im Vergleich zu rein monetären Sanktionen aufgrund der mit Kriminalstrafen verbundenen sozialen Stigmatisierung und gesellschaftlichen Missbilligung wie auch möglichen Folgesanktionen ein erheblich höherer Abschreckungseffekt aus.839) Bei der tätigkeitsbezogenen Verwirkungskonstellationen mit strafrechtlich relevantem Verhalten des Verwalters dürfte insofern auch nicht davon auszugehen sein, dass der Gefahr des Entfalls der Vergütung eine wesentliche verhaltenssteuernde Wirkung im Hinblick auf eine pflichtgemäße Amtsführung des Insolvenzverwalters beizumessen ist.

c)

Zwischenergebnis

Die an tätigkeitsbezogene Verfehlungen des Insolvenzverwalters anknüpfende Vergü- 420 tungsverwirkung führt aufgrund der parallelen persönlichen Haftung des Insolvenzverwalters zu einer so von der Insolvenzordnung nicht vorgesehenen Ungleichbehandlung der Gläubigergruppen. Insbesondere stellt sich die Interessenlage potenzieller Schadensersatzgläubiger hinsichtlich der Realisierbarkeit von Schadensersatzansprüchen gegenüber dem Insolvenzverwalter im Hinblick auf die Vergütungsverwirkung als gegenläufig dar. Die Verwirkungskonstruktion führt also zu von der Insolvenzordnung prinzipiell nicht vorgesehenen und insofern auch willkürlich erscheinenden Ergebnissen. Diese können dabei auch von rechtspolitischen Erwägungen zu verhaltenssteuernden Aspekten des angedrohten Vergütungsentfalls nicht gerechtfertigt werden, da die von der Verwirkung ausgehende Präventionswirkung zur Vermeidung von Pflichtwidrigkeiten besonders unter Beachtung des Leerlaufs der ___________ 839) Hellgardt, Regulierung und Privatrecht, S. 472 f.; Schneider/Meier, Handbuch der Kriminologie, Bd. 1, S. 971, 996 f.

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§ 8 Alternative Lösungsmöglichkeiten

Präventionszwecke der Strafrechtsordnung im Ergebnis als gering einzuschätzen ist.

d) Schlussfolgerung 421 Im Lichte dieses Befunds wird abermals deutlich, dass eine gesetzliche Regelung der Verwirkung angezeigt ist. Grundlegend zu unterscheiden ist dabei zwischen zwei Regelungsansätzen. In Betracht kommt bei Aufrechterhaltung der Möglichkeit der Verwirkung im Rahmen der gesetzgeberischen Einschätzungsprärogative zumindest eine klärende Regelung, inwiefern in die von der Insolvenzordnung vorgesehene Gläubigerbehandlung – insbesondere im Fall von Pflichtverletzungen des Verwalters – eingegriffen werden kann. Vorzugwürdig erscheint jedoch eine Neuregelung der Problematik durch den Gesetzgeber, die bisherige nachteilige Effekte der Verwirkungsrechtsprechung überwindet. Deutlich wurde nämlich, dass die Vergütungsverwirkung nicht pauschal als im Interesse aller Gläubiger liegendes Korrektiv verstanden werden kann.

2.

Rationalität der nicht tätigkeitsbezogenen Vergütungsverwirkung (Fallgruppe 2)

422 Für die Auseinandersetzung mit der Frage der Rationalität des Vergütungsentfalls bei nicht tätigkeitsbezogenen Verfehlungen des Verwalters ist von wesentlicher Bedeutung, dass dieser Verwirkungskonstellation nicht die Fälle einer unmittelbaren Schädigung der Masse oder anderweitiger haftungsrelevanter Verhaltensweisen des Insolvenzverwalters während des Verfahrens zuzuordnen sind, sondern vielmehr der Zeitraum vor Bestellung zum Verwalter den entscheidenden Anknüpfungspunkt für die Verwirkung der Vergütung bildet. Hier ist zunächst zu untersuchen, ob und inwiefern sich die unterschiedliche Anknüpfung auf das Bestehen einer parallelen Haftung des Verwalters auswirkt. Aufbauend darauf kann sodann die rechtspolitische Indikation der Vergütungsverwirkung bei nicht tätigkeitsbezogenen Verfehlungen des Verwalters erörtert werden, insbesondere auch unter dem Aspekt einer dem angedrohten Vergütungsverlust zuzuschreibenden präventiven Wirkung.

a) Haftungsrechtliche Perspektive 423 Mit Blick auf das insolvenzrechtliche Haftungsregime zeigt sich zunächst, dass eine parallele persönliche Haftung des Verwalters nicht von denjenigen Verfehlungen ausgelöst werden kann, an die eine nicht tätigkeitsbezogene Vergütungsverwirkung anknüpft. Eine insolvenzspezifische Haftung des Verwalters nach § 60 InsO scheidet nämlich zwingend bereits deshalb aus, da der Rechtsgrund der Haftung erst mit der Amtsübernahme begründet wird und nur die Verletzung von aus der Funktion als Amtsträger hervorgehenden insolvenzspezifischen Pflichten vom Anwendungs-

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A. Vorüberlegungen

bereich der Vorschrift erfasst ist.840) Da der Anknüpfungspunkt für eine Haftung also erst mit der Bestellung begründet wird und somit auch nur nach diesem Zeitpunkt vorgenommene Handlungen eine Haftung auslösen können,841) widerspräche es der haftungsrechtlichen Systematik, Verfehlungen des Verwalters im Hinblick auf seine Bestellung dem Anwendungsbereich der insolvenzspezifischen Haftung zu unterwerfen. Auch erschiene eine erweiterte Anwendung von § 60 InsO derart nicht konsistent, alle weiteren Handlungen des Verwalters nach seiner Bestellung aufgrund eines dieser anhaftenden Makels als pflichtwidrig einzuordnen. Denn die Pflichtwidrigkeit der Handlungen des Verwalters im Verfahren kann sich nur nach seinen insolvenzspezifischen Pflichten richten und nicht anknüpfend an etwaige Verfehlungen bei der Bestellung konstruiert werden. Dies gilt erst recht vor dem Hintergrund, dass selbst bei einer Täuschung über die eigene Qualifikation nicht automatisch feststeht, dass auch die eigentliche Tätigkeit im Verfahren den insolvenzspezifischen Pflichten nicht genügt. Demnach können hinsichtlich des Zeitraums vor seiner Bestellung dem Verwalter gegenüber dem Insolvenzgericht vorgeworfene Verfehlungen unter keinen Umständen eine Haftung nach § 60 InsO begründen. Auch der Anwendungsbereich der Regelung des § 61 InsO bietet keine Anknüpfung 424 für eine Haftung. Ohnehin nämlich kann der Verwalter vor seiner Bestellung schon keine Masseverbindlichkeiten begründen.

aa) Haftung nach § 826 BGB – Vergütungsanspruch als Schaden Prinzipiell kommt aber auch unabhängig von den insolvenzrechtlichen Haftungs- 425 normen der §§ 60, 61 InsO eine Haftung des Verwalters für die Verletzung von nicht insolvenzspezifischen Pflichten nach den allgemeinen zivilrechtlichen Haftungsvorschriften wie § 823 BGB und § 826 BGB in Betracht.842) Von Relevanz ist an dieser Stelle insbesondere eine mögliche Haftung des Verwalters nach § 826 BGB. Denn wird dem Insolvenzverwalter vorgeworfen, er habe sich das Amt durch eine Täuschung oder unterbliebene Offenbarung grob rücksichtslos im Interesse eigener wirtschaftlicher Vorteile und unter Missachtung der Belange der übrigen Verfahrensbeteiligten erschlichen,843) lässt dies zunächst an eine daran anknüpfende Haftung wegen einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung denken. Insbesondere Fälle einer Täuschung und der unterbliebenen Offenbarung für den anderen Teil wesentlicher Umstände bilden nämlich einen typischen Anwendungsbereich der Vorschrift

___________ 840) K. Schmidt/Thole, InsO, § 60 Rn. 7; K/P/B/Lüke, InsO, § 60 Rn. 12; Jaeger/Gerhardt, InsO, § 60 Rn. 16. 841) Jaeger/Gerhardt, InsO, § 60 Rn. 17. 842) HK-InsO/Lohmann, InsO, § 60 Rn. 2; MüKoInsO/Schoppmeyer, InsO, § 60 Rn. 75 ff. 843) In diesem Sinne der Vorwurf BGH, Beschl. v. 6.5.2004 – IX ZB 349/02, BGHZ 159, 122, 132; BGH, Beschl. v. 12.9.2019 – IX ZB 76/18, ZInsO 2019, 2290 Rn. 10.

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§ 8 Alternative Lösungsmöglichkeiten

des § 826 BGB.844) Mit Blick auf die haftungsbegründenden Tatbestandsvoraussetzungen des § 826 BGB, die eine sittenwidrige Schädigung verlangen,845) erscheint gemessen an der konkreten Folge des sittenwidrigen „Erschleichens“, nämlich der Bestellung zum Insolvenzverwalter, allerdings fraglich, ob überhaupt der Eintritt eines Schadens bejaht werden kann. Im Rahmen der Haftung nach § 826 BGB zu ersetzende Schäden werden zwar weit verstanden, da keine bestimmte Rechtsgutsverletzung vorauszusetzen ist und bereits reine Vermögensschäden die Haftung auslösen können.846) Offen ist aber, welcher Umstand konkret einen kausal auf der Täuschung im Vorfeld des Verfahrens beruhenden Schaden darstellen kann. Sollte es nämlich im Rahmen des Verfahrens – möglicherweise aufgrund der mangelnden Eignung des Verwalters – zu Pflichtwidrigkeiten und daraus resultierenden Schäden kommen, sind diese getrennt von der Täuschung im Vorfeld des Verfahrens zu betrachten. An solche Schäden wird eine gesonderte, an die jeweils kausale insolvenzspezifische Pflichtverletzung gekoppelte Haftung zu knüpfen sein, deren Haftungsgrund eben nicht die mangelnde Eignung oder das „Erschleichen“ des Verwalteramts bildet.

426 In Anbetracht der unmittelbaren Folge der Bestellung könnte als auf der Täuschung beruhender Schaden womöglich aber der aus der Bestellung erwachsende Vergütungsanspruch des Verwalters in Betracht zu ziehen sein, mit dem die Insolvenzmasse belastet wird. Dies würde auch für den Fall gelten, dass dem Verwalter mit Blick auf die Amtsführung kein Pflichtwidrigkeitsvorwurf gemacht werden kann und der Vorwurf auf das verwirkungsrelevante Verhalten im Vorfeld des Verfahrens zu beschränken wäre. Entscheidend ist somit, inwiefern allein der Vergütungsanspruch des Insolvenzverwalters in derartigen Konstellationen ausnahmsweise als Schaden qualifiziert werden kann.

427 Denkbar erscheint dies zumindest vor dem Hintergrund, dass der in § 826 BGB zu Grunde gelegte Schadensbegriff bereits die auf einer Täuschung beruhende Eingehung einer „ungewollten“ Verbindlichkeit umfasst, selbst wenn dieser ein objektiv gleicher Gegenwert gegenübersteht.847) Unabhängig von der Frage der objektiven Wertigkeit der Amtsführung des Verwalters ließe sich also nach Maßgabe dieser subjektiven Schadenseinordnung insoweit durchaus argumentieren, der Vergütungs___________ 844) Soergel/Hönn, BGB, § 826 Rn. 115 ff.; Staudinger/Oechsler, BGB, § 826 Rn. 236; BeckOK BGB/Förster, BGB, § 826 Rn. 57 ff.; Grüneberg/Sprau, BGB, § 826 Rn. 20 ff. 845) Soergel/Hönn, BGB, § 826 Rn. 58 f.; BeckOGK/Spindler, 1.3.2022, BGB, § 826 Rn. 4 ff.; HK-BGB/Staudinger, BGB, § 826 Rn. 3; MüKoBGB/Wagner, BGB, § 826 Rn. 44. 846) BGH, Urt. v. 19.7.2004 – II ZR 402/02, BGHZ 160, 149, 155; MüKoBGB/Wagner, BGB, § 826 Rn. 44 ff.; Soergel/Hönn, BGB, § 826 Rn. 58; BeckOK BGB/Förster, BGB, § 826 Rn. 25; Grüneberg/Sprau, BGB, § 826 Rn. 3. 847) BGH, Urt. v. 21.12.2004 – VI ZR 306/03, BGHZ 161, 361, 366 ff.; BGH, Urt. v. 25.5.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 46 f.; MüKoBGB/Wagner, BGB, § 826 Rn. 44 f.; Staudinger/ Oechsler, BGB, § 826 Rn. 248.

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A. Vorüberlegungen

anspruch des Verwalters sei als Schaden zu qualifizieren, da dieser aufgrund der „erschlichenen Bestellung“ zu einem gewissen Grad auch „ungewollt“ entstanden ist und daher mit der Belastung um eine ungewollte Verpflichtung gleichzusetzen sein könnte. Übergangen würde bei einer solchen Argumentation aber der mit der subjektiven Schadenseinordnung verfolgte Zweck, den Schutz der Handlungs- und Dispositionsfreiheit des jeweiligen Rechtssubjekts sicherzustellen.848) Die Bestellung des Insolvenzverwalters durch das Insolvenzgericht unterscheidet sich nämlich erheblich von der Situation eines privatautonomen Vertragsabschlusses zweier Rechtssubjekte, da die Verwalterbestellung nicht durch die privatautonome Dispositionsfreiheit eines Rechtssubjekts geprägt ist. Vielmehr wird der Verwalter seitens des Insolvenzgerichts hoheitlich zur Leitung eines staatlichen Verfahrens bestellt, dem sich die Beteiligten zum Zwecke der Haftungsverwirklichung unterwerfen und dabei stets mit der Belastung eigener Vermögenswerte durch die Kosten des Verfahrens und mithin auch den Vergütungsanspruch des Verwalters konfrontiert sind. Von einer „gewollten“ bzw. „ungewollten“ Verbindlichkeit kann also nicht ausgegangen werden. Der Vergütungsanspruch des Insolvenzverwalters entsteht in jedem Fall. Daran gemessen kann im Ergebnis auch die Einordnung des Vergütungsanspruchs als Schaden unter subjektiver Betrachtungsweise nicht überzeugen. Unter dem Blickwinkel verschiedener Ansätze zur Bestimmung eines Schadens 428 wäre bei rein ökonomischer Betrachtungsweise möglicherweise der Eintritt eines Schadens unter der Prämisse herzuleiten, dass sich bei täuschungsbedingter Bestellung eines nicht den Anforderungen des § 56 InsO entsprechenden Verwalters im Ergebnis zwei wirtschaftlich ungleiche Leistungen gegenüberstehen. Aufgrund der vorgetäuschten Qualifikation bzw. Eignung könnte die Amtsführung des Verwalters in ihrer Werthaltigkeit nämlich geringer zu bewerten sein als der von der Vergütungsordnung vorgesehene Vergütungsanspruch. Der Vergütungsanspruch des Insolvenzverwalters könnte demnach als Schaden einzuordnen sein, wenn man davon ausginge, die gesetzlich vorgesehene Vergütung bemesse sich an einer bestimmten Verwalterqualität. Allerdings bedeutet insbesondere eine mangelnde charakterliche Eignung nicht automatisch zugleich auch eine objektiv qualitativ schlechtere Amtsführung, deren wirtschaftlicher Wert geringer einzuschätzen wäre. Freilich ist der Insolvenzverwalter in Fällen mangelnder Eignung, die gegebenenfalls schon bei Bestellung bestand, gemäß § 59 Abs. 1 InsO vom Insolvenzgericht aus dem Amt zu entlassen.849) Ein konkreter Pflichtwidrigkeitsvorwurf gegenüber dem Verwalter erwächst aus der mangelnden Eignung per se jedoch nicht. Maßstab für den ökonomischen Wert der Amtsführung kann vielmehr ohnehin nur sein, ob dem Verwalter im Rahmen ___________ 848) MüKoBGB/Wagner, BGB, § 826 Rn. 45; BeckOK BGB/Förster, BGB, § 826 Rn. 25; BeckOGK/ Spindler, 1.3.2022, BGB, § 826 Rn. 15. 849) MüKoInsO/Graeber, InsO, § 59 Rn. 18 ff.; Jaeger/Gerhardt, InsO, § 59 Rn. 4; Uhlenbruck/ Vallender/Zipperer, InsO, § 59 Rn. 10.

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§ 8 Alternative Lösungsmöglichkeiten

der Tätigkeit nach Verfahrenseröffnung ein tätigkeitsbezogener Pflichtwidrigkeitsvorwurf gemacht werden kann.

429 Durch ein Fehlverhalten des Insolvenzverwalters im Vorfeld des Verfahrens kommt es im Ergebnis also zumindest zu keinem unmittelbaren Schaden, der in der Entstehung des Vergütungsanspruchs des Verwalters zu sehen wäre.

bb) Haftung nach § 826 BGB – Mehrkosten des Verwalterwechsels als Schaden 430 Ein Schaden könnte sich aber möglicherweise mittelbar daraus ergeben, dass der Verwalter aufgrund der erschlichenen Bestellung regelmäßig aus dem Amt zu entlassen sein wird und ein neuer Insolvenzverwalter vom Insolvenzgericht zu bestellen ist. Denn der in der Konsequenz zusätzlich entstehende Vergütungsanspruch des neu bestellten Insolvenzverwalters wird regelmäßig zu einer im Vergleich mit einer homogenen Amtsführung höheren Belastung der Masse führen.850) Grundsätzlich mag es zwar hinzunehmen sein, dass bei einem Nacheinander mehrerer Verwalter insgesamt auch mehr Kosten entstehen.851) Etwas anderes muss jedoch dann gelten, wenn der Verwalterwechsel durch ein pflichtwidriges Verhalten des entlassenen Verwalters veranlasst war.

431 Während bei einer tätigkeitsbezogenen Verfehlung des Verwalters (Fallgruppe 1) die aufgrund der Entlassung entstehenden Kosten als Schaden vom neu bestellten Insolvenzverwalter geltend gemacht werden können,852) erscheint bei der Konstellation einer „erschlichenen Bestellung“ zweifelhaft, ob der entlassene Verwalter für die entstehenden Mehrkosten haftet. Wird der Verwalter nämlich aufgrund einer tätigkeitsbezogenen Pflichtwidrigkeit entlassen und ein Nachfolger oder zumindest ein Sonderinsolvenzverwalter bestellt, um Haftungsansprüche gegen den ausgewechselten Verwalter geltend zu machen, umfasst die Schadensersatzhaftung dabei die durch Entlassung und Bestellung entstehenden Mehrkosten, worunter auch die Vergütung des neu bestellten Verwalters fällt.853) Wenn dagegen der Verwalter wegen eines bereits anfänglich bestehenden Bestellungshindernisses entlassen wird, ihm im Hinblick auf die eigentliche Amtsführung aber keine pflichtwidrigen Verhaltensweisen vorgeworfen werden können und somit auch eine Haftung nach § 60 InsO ausscheidet, stellt sich die Frage, ob und inwiefern der Ersatz der durch den Verwalterwechsel entstehenden Mehrkosten gegenüber dem entlassenen Verwalter ___________ 850) Pape/Graeber/Graeber, Insolvenzverwalterhaftung, Teil 3 Rn. 1811; Lissner, ZInsO 2016, 953, 954; Keller, DZWiR 2005, 291, 292; Uhlenbruck/Mock, InsO, § 63 Rn. 44. 851) Lissner, ZInsO 2016, 953, 954 f. 852) Pape/Graeber/Graeber, Insolvenzverwalterhaftung, Teil 3 Rn. 1810 ff.; MüKoInsO/Graeber, InsO, § 56 Rn. 156. 853) Pape/Graeber/Graeber, Insolvenzverwalterhaftung, Teil 3 Rn. 1810 ff.; siehe dazu bereits oben Rn. 397.

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A. Vorüberlegungen

geltend gemacht werden kann. In Fortführung der Überlegungen zu einer Haftung des Verwalters nach § 826 BGB in Fällen des „Erschleichens des Verwalteramts“ ließe sich annehmen, dass die entstehenden Mehrkosten eine sittenwidrige Schadenszufügung darstellen. Wäre dem so, bleibt aber weiter offen, ob dem Verwalter bei Bestellung ein entsprechender Schädigungsvorsatz unterstellt werden kann. Erforderlich wäre zumindest einerseits das Bewusstsein, dass das eigene Verhalten zu einem Schadenseintritt führen kann, und andererseits die billigende Inkaufnahme dessen.854) Der Verwalter müsste sich also darüber bewusst gewesen sein, dass infolge seiner Bestellung bei einem späteren Verwalterwechsel für die Masse nicht nur unerhebliche Mehrkosten entstehen, und müsste dies zudem auch billigend in Kauf genommen haben. Während dies in Fällen einer strafbaren Täuschung über eine nicht bestehende Qualifikation zumindest denkbar erscheint, ist mit Blick auf die Offenbarungspflicht von Pflichtwidrigkeiten in anderen Verfahren durchaus zweifelhaft, ob dem Verwalteraspiranten bei unterbliebener Offenbarung ein derartiger Vorsatz hinsichtlich einer Schadenszufügung unterstellt werden kann. Es wird für den Verwalter nämlich aufgrund der Unbestimmtheit der Reichweite der Offenbarungspflicht nicht immer eindeutig sein, welche Pflichtwidrigkeiten überhaupt mitzuteilen sind. Noch weniger wird absehbar sein, ob die möglicherweise insofern fahrlässig unterbliebene Offenbarung auch einen Verwalterwechsel zur Folge haben wird. Angesichts dessen erscheint es im Ergebnis durchaus fragwürdig, auf das subjektive Bewusstsein einer sittenwidrigen Schadenszufügung zu schließen. Vor diesem Hintergrund wird eine an das „Erschleichen der Bestellung“ geknüpfte Haftung des ausgewechselten Insolvenzverwalters nach § 826 BGB für durch einen späteren Verwalterwechsel entstehende Mehrkosten praktisch nicht in Betracht kommen.855) Dies bedeutet zugleich aber auch, dass im Rahmen der Fallgruppe der nicht tätig- 432 keitsbezogenen Verwirkung kein Gleichlauf von Verwirkung der Vergütung und persönlicher Haftung des Verwalters besteht. Dies wiederum hat zur Konsequenz, dass den Verfahrensbeteiligten insofern ein Nachteil erwächst, weil die durch den Verwalterwechsel entstehenden Mehrkosten schadensrechtlich nicht kompensiert werden können.

cc) Minderung des Vergütungsanspruchs um Mehrkosten – „Abzugslösung“ Ansatz für eine alternative Lösung könnte daher aus rein wirtschaftlicher Sicht 433 zumindest eine Minderung des Vergütungsanspruchs um die durch den Verwalterwechsel entstehende Mehrbelastung der Masse sein, um auf der „erschlichenen Be___________ 854) BGH, Urt. v. 19.7.2004 – II ZR 402/02, BGHZ 160, 149 Rn. 47; BGH, Urt. v. 25.5.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 61; Soergel/Hönn, BGB, § 826 Rn. 61; MüKoBGB/Wagner, BGB, § 826 Rn. 28. 855) Sollte man eine Lösung über § 826 BGB dennoch für praktikabel halten, siehe zur Schadensberechnung hinsichtlich entstandener Mehrkosten noch unten Rn. 458 ff.

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§ 8 Alternative Lösungsmöglichkeiten

stellung“ beruhende wirtschaftliche Nachteile auszugleichen. Denn andernfalls könnten selbst Sachverhaltskonstellationen, in denen sich der Insolvenzverwalter zwar die Bestellung „erschlichen“ hat, das Amt im Übrigen aber beanstandungslos geführt hat, mangels haftungsrechtlichen Ausgleichs zu durch den Verwalterwechsel begründeten wirtschaftlichen Nachteilen für die Verfahrensbeteiligten führen.

434 Eine solche Abzugslösung erscheint auch vor dem Hintergrund des zuvor dargestellten Interessenkonflikts konsistent. Denn während bei einer tätigkeitsbezogenen Anknüpfung der Verwirkung (Fallgruppe 1) immer auch eine persönliche Haftung des Insolvenzverwalters aus demselben Vorwurf und somit auch ein Interessenkonflikt resultieren wird, ist eine Interessenkollision bei nicht tätigkeitsbezogener Anknüpfung (Fallgruppe 2) nur dann denkbar, wenn dem Verwalter auch Pflichtwidrigkeiten bei der Amtsausübung vorzuwerfen sind. Je nach Art des Schadens als Gesamt- oder Einzelschaden stellt sich das Interesse potenzieller Schadensersatzgläubiger an der Vergütungsverwirkung im Hinblick auf die Realisierbarkeit ihrer Ansprüche also insofern auch gegenläufig dar. Allerdings wird eine Konfliktlage dabei aus zwei Gründen abgefangen. Zum einen dürfte ein Abzug der nicht kompensationsfähigen Mehrkosten die dem Verwalter verbleibende Vergütung nicht so erheblich verringern, dass keine Haftungsmasse mehr bei ihm verbleibt. Weiterhin ist davon auszugehen, dass die Realisierbarkeit der Schadensersatzansprüche in diesen Fällen auch nicht durch den Entfall der Einstandspflicht des Versicherers erschwert wird. Die Haftungsansprüche beruhen nämlich in dieser Fallgruppe aufgrund der unterschiedlichen Anknüpfung im Gegensatz zur tätigkeitsbezogenen Verwirkungskonstellation nicht zwangsläufig auch auf einer derart schweren Pflichtverletzung, dass die Einstandspflicht des Versicherers regelmäßig ausgeschlossen wäre.

b) Rechtspolitische Perspektive 435 Das zur haftungsrechtlichen Relevanz eines Fehlverhaltens im Vorfeld des Insolvenzverfahrens gefundene Ergebnis hat für die Untersuchung des rechtspolitischen Stellenwerts der nicht tätigkeitsbezogenen Verwirkung (Fallgruppe 2) Folgen in zweierlei Hinsicht. Zum einen ist der bezüglich der Durchsetzbarkeit von Haftungsansprüchen gegenüber dem Verwalter drohende Interessenkonflikt potenzieller Schadensersatzgläubiger im Rahmen der zweiten Fallgruppe nur von untergeordneter Bedeutung. Ein Interessenkonflikt wird nämlich nicht vergleichbar zwangsläufig entstehen und darüber hinaus durch die regelmäßig eingreifende versicherungsrechtliche Absicherung potenzieller Schadensersatzansprüche entschärft. Zum anderen ist aus rechtspolitischer Perspektive ohnehin von größerer Bedeutung, dass in dieser Fallgruppe mangels einer eindeutigen haftungsrechtlichen Anknüpfung an das verwirkungsrelevante Verhalten keine verhaltenssteuernde Präventionswirkung vom insolvenzrechtlichen wie auch allgemeinen zivilrechtlichen Haftungsregime ausgeht. Naheliegend erscheint es daher, dass allein der unmittelbar an das Fehl-

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A. Vorüberlegungen

verhalten anknüpfenden Rechtsfolge der Vergütungsverwirkung eine nicht nur unwesentliche Präventionsfunktion zuzusprechen sein wird. Verstärkt wird diese Schlussfolgerung dabei zudem dadurch, dass auch die von 436 strafrechtlichen Sanktionen ausgehende Präventionswirkung im Rahmen der zweiten Fallgruppe nur als gering einzuschätzen ist. Lediglich in den Fällen, in denen der Insolvenzverwalter zu Unrecht einen akademischen Titel führt und sich in der Konsequenz nach § 132a StGB wegen Missbrauch von Titeln strafbar macht, knüpft an das verwirkungsrelevante Fehlverhalten eine strafrechtliche Sanktion an. Mit Blick auf die maximale Strafandrohung einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr wird die abschreckende Wirkung der Vorschrift jedoch im konkreten Vergleich zu den bei tätigkeitsbezogenen Verfehlungen drohenden Sanktionen der Vermögendelikte – wie beispielsweise der Strafandrohung von bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe bei Untreue nach § 266 StGB – geringer einzuschätzen sein. Der Missbrauch von Titeln hat bisweilen sogar nur die Verurteilung zu einer Geldstrafe zur Folge.856) Auch wenn vor allem das subjektive Empfinden des Entdeckungsrisikos den maßgeblichen Faktor strafrechtlicher Abschreckung zu bilden scheint,857) wird zumindest im Rahmen gewisser Schwellenwerte auch die Schwere der zu erwartenden Sanktion Auswirkungen auf die Wahrscheinlichkeit einer Umsetzung der Tathandlung haben.858) Hinsichtlich der angestrebten Prävention von Fehlverhalten im Vorfeld des Ver- 437 fahrens muss weiterhin auch Berücksichtigung finden, dass die konkrete verwirkungsrelevante Handlung des Insolvenzverwalters, sich unter rechtswidriger Inanspruchnahme eines Titels die Ernennung zum Verwalter zu „erschleichen“, keine eigenständige Missbilligung erfährt. Denn bei einer Verurteilung wegen Missbrauch von Titeln bezieht sich die Missbilligung maßgeblich auf die unbefugte Inanspruchnahme einer besonderen Funktion, Vertrauenswürdigkeit und besonderer ___________ 856) Vgl. die der Entscheidung des BGH zur Verwirkung der Vergütung des Insolvenzverwalters wegen Titelmissbrauchs zu Grunde liegende Sachverhaltskonstellation BGH, Beschl. v. 6.5.2004 – IX ZB 349/02, BGHZ 159, 122. 857) Schneider/Meier, Handbuch der Kriminologie, Bd. 1, S. 971, 999 f.; Hirsch/Bottoms/Burney/ Wikström, Criminal Deterrence and Sentencing Severity, S. 5; zumindest retrospektiv betrachtet wird das Entdeckungsrisiko bei Missbrauch von Titeln nach § 132a StGB mit Blick auf die polizeiliche Kriminalstatistik des Bundeskriminalamts für das Jahr 2019 dabei wohl auch tatsächlich geringer einzuschätzen sein als bei Untreuestraftaten nach § 266 StGB: Während vollendete Untreuetaten nach § 266 StGB mit einer Quote von 97,4 % aufgeklärt werden konnten (siehe Tabellenzeile 534), lag die Aufklärungsquote bei Missbrauch von Titeln bei vergleichsweise nur 75,5 % (siehe Tabellenzeile 595), BKA, PKS Tabelle, T01-Grundtabelle-vollendete Fälle, https://www.bka.de/DE/AktuelleInformationen/StatistikenLagebilder/ PolizeilicheKriminalstatistik/PKS2019/PKSTabellen/BundFalltabellen/bundfalltabellen.html?nn= 131006, zuletzt abgerufen am 9.8.2023; bei Missbrauch von Titeln ist dabei zudem von einer erheblichen Dunkelziffer auszugehen, MüKoStGB/Hohmann, StGB, § 132a Rn. 4; LK-StGB/ Krauß, § 132a StGB Rn. 6. 858) Schneider/Meier, Handbuch der Kriminologie, Bd. 1, S. 971, 999 f.

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§ 8 Alternative Lösungsmöglichkeiten

Fähigkeiten im Allgemeinen.859) Im Gegensatz zum Fall des tätigkeitsbezogenen Vorwurfs der Veruntreuung von Geldern durch den Insolvenzverwalter, bei dem derselbe Pflichtwidrigkeitsvorwurf sowohl den Vergütungsentfall, die zivilrechtliche Haftung und schließlich auch die strafrechtliche Sanktion nach sich zieht, ist der verwirkungsrelevante Vorwurf im Vorfeld des Verfahrens also nicht originär vom Strafbarkeitsvorwurf des § 132a StGB erfasst. Der verwirkungsrelevante Vorwurf besteht nämlich bei genauerer Betrachtung der Verwirkungsrechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht in dem aus dem Missbrauch des akademischen Titels resultierenden Vertrauensverlust im Allgemeinen, sondern folgt vielmehr aus der mangelnden persönlichen und charakterlichen Eignung konkret im Hinblick auf die Tätigkeit als Insolvenzverwalter, die an Hand des strafbaren Titelmissbrauchs lediglich deutlich wird.860) Unerheblich für die Annahme der mangelnden charakterlichen Eignung dürfte bei Zugrundelegung dieses Maßstabs auch sein, welcher konkrete strafrechtliche Vorwurf besteht; maßgeblich ist nur, dass ein solcher besteht.

438 Legt der Verwalter im Vorfeld des Verfahrens gegenüber dem Insolvenzgericht hingegen der Bestellung möglicherweise entgegenstehende Pflichtwidrigkeiten in anderen Verfahren nicht offen, liegt hierin schon kein inkriminiertes Verhalten, das mit einer strafrechtlichen Sanktion belegt wäre. Besonders in diesem Fall ist der Verwirkungskonstruktion daher grundsätzlich eine gesteigerte Präventionswirkung zuzusprechen, da der angedrohte Verlust der Vergütung – neben einer späteren Entlassung – die einzig unmittelbar an das Verhalten anknüpfende Rechtsfolge darstellt. Denn Sanktionsmöglichkeiten gegenüber dem Verwalter im Rahmen des Aufsichtsrechts des Insolvenzgerichts bestehen erst nach seiner Bestellung im Hinblick auf verfahrensbezogene Handlungsweisen.861)

439 Doch auch wenn der Vergütungsverwirkung bei nicht tätigkeitsbezogenen Verfehlungen im Ergebnis grundsätzlich eine nicht unerhebliche Präventionsfunktion beigemessen werden muss, gilt es dennoch zu erwägen, ob die Verwirkungskonstruktion und der damit angedrohte Vergütungsverlust tatsächlich das beste Mittel zur Sicherstellung der verfolgten Präventionszwecke darstellt. Angesichts der Anknüpfung an den Zeitraum vor der Bestellung zum Insolvenzverwalter und mithin an den Bestellungsprozess dient die Verwirkungskonstruktion nämlich vor allem dem Ziel, die Auswahl eines umfassend – und mithin auch charakterlich – geeigneten und quali___________ 859) Zum Norm- bzw. Schutzzweck der Vorschrift BGH, Beschl. v. 13.5.1982 – 3 StR 118/82, BGHSt 31, 61, 62 f.; BGH, Urt. v. 24.10.1989 – 1 StR 504/89, BGHSt 36, 277, 279; MüKoStGB/ Hohmann, StGB, § 132a Rn. 1; BeckOK StGB/Heuchemer, StGB, § 132a Rn. 1. 860) So formuliert der BGH, dass der Insolvenzverwalter „fachlich und aufgrund der strafbaren Täuschung auch persönlich ungeeignet für das Amt“ war. Danach ist also die aus dem strafbaren Verhalten gefolgerte mangelnde persönliche und charakterliche Eignung des Verwalters das maßgebliche Kriterium für die Annahme der Verwirkung; siehe dazu bereits ausführlich oben Rn. 222 ff. 861) MüKoInsO/Graeber, InsO, § 58 Rn. 9 f.; K/P/B/Lüke, InsO, § 58 Rn. 4; K. Schmidt/Ries, InsO, § 58 Rn. 1 f.

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A. Vorüberlegungen

fizierten Insolvenzverwalters sicherzustellen. Konkret bedeutet dies einerseits, aufgrund von Straftaten offensichtlich ungeeignete Verwalter von einer Bestellung auszuschließen. Andererseits soll durch die Offenbarungspflicht des Verwalters im Vorfeld des Verfahrens eine möglichst umfassende Aufklärung des Insolvenzgerichts über der Bestellung potenziell entgegenstehende Umstände ermöglicht werden. Vor dem Hintergrund dieser Zielsetzung entstehen auch in dieser Fallgruppe Bedenken an der Geeignetheit der Verwirkungskonstruktion zunächst daraus, dass – wie schon thematisiert862) – die Präventionswirkung der Verwirkungskonstruktion zumindest dadurch eingeschränkt wird, dass es die Rechtsprechung insbesondere mit Blick auf die zweite Fallgruppe bisher noch nicht vermochte, die Tatbestandsvoraussetzungen eindeutig zu definieren. Vor allem mit Blick auf die im Vorfeld bestehende Offenbarungspflicht von Pflichtverletzungen in anderen Verfahren stellen sich die Anforderungen der Rechtsprechung an zu offenbarende Umstände besonders aus Sicht der Insolvenzverwalter als unklar dar.863) Negativ auswirken kann sich dies auf zweierlei Arten: Ein zumindest theoretisch denkbares Szenario könnte sich so gestalten, dass daraus eine in der Tendenz sehr weitreichende Mitteilungsbereitschaft der Verwalter gegenüber dem Insolvenzgericht resultiert und in der Folge auch nicht verwirkungsrelevante Pflichtverletzungen offengelegt werden, um einen späteren Vergütungsverlust zu vermeiden.864) Dies könnte sich allerdings ebenfalls als hinderlich für den Bestellungsprozess erweisen, da das Insolvenzgericht die offengelegten Pflichtwidrigkeiten zu überprüfen und zu bewerten hätte. Insbesondere in der Phase vor Beginn des Eröffnungsverfahrens bis zur Verfahrenseröffnung und Bestellung eines endgültigen Verwalters sind dadurch bedingte Verzögerungen aber äußert schädlich. Realistischer dürfte allerdings vielmehr ein zweites Szenario der Art sein, dass es Verwalter in der Tendenz eher vermeiden werden, Pflichtwidrigkeiten in anderen Verfahren zu offenbaren, um nicht schon von Anfang an der Chance auf die Bestellung verlustig zu gehen.865) Dies wiederum hätte die ebenfalls nicht wünschenswerte Konsequenz, dass die mit der Offenbarungspflicht verfolgte rechtspolitische Zielsetzung einer besseren Informationslage des Insolvenzgerichts in der Praxis konterkariert würde. Wesentlich unter dem Blickwinkel der praktischen Effektivität einer derart ausges- 440 talteten Offenbarungspflicht ist also die daraus für den Verwalter resultierende Konfliktsituation. Der Verwalter steht nämlich dann in dem Zwiespalt, einerseits seinen Vergütungsanspruch wahren zu wollen, andererseits aber durch seine Offenbarun___________ 862) Rn. 415 ff. 863) Siehe dazu ausführlich oben Rn. 232 ff. 864) Vgl. Hellgardt, Regulierung und Privatrecht, S. 589 f., der im Falle des Einsatzes des Rechtsverlustes als Regulierungsinstrument die damit verbundene Gefahr in einer übermäßigen Vorsorge des Adressaten sieht, die an ihn gerichteten Handlungspflichten zu befolgen. 865) Knauth, VIA 2020, 4, 5.

201

§ 8 Alternative Lösungsmöglichkeiten

gen gegenüber dem Insolvenzgericht nicht selbst ein faktisches „Delisting“ herbeizuführen.866)

c)

Zwischenergebnis

441 Bei der Bewertung der Rationalität der Verwirkungskonstruktion in nicht tätigkeitsbezogenen Fallgestaltungen (Fallgruppe 2) ist zunächst die fehlende haftungsrechtliche Anknüpfung an Verfehlungen des Insolvenzverwalters von zentraler Bedeutung. Mangels der Möglichkeit einer schadensrechtlichen Kompensation von aus dem bestellungsbezogenen Fehlverhalten resultierenden Schäden können den am Verfahren beteiligten Gläubigern nämlich insofern Nachteile entstehen, dass sie mit den durch einen Verwalterwechsel entstehenden Mehrkosten belastet werden. Wesentlich für einen neuen Regelungsansatz ist daher zum einen die Erkenntnis, dass dem im Hinblick auf die Verwirklichung von Schadensersatzansprüchen zu beobachtenden Interessenkonflikt hier nur eine untergeordnete Rolle beizumessen ist.

442 Zum anderen entfällt in Ermangelung einer parallel anknüpfenden Schadensersatzhaftung für verwirkungsrelevante Verhaltensweisen aber auch die im Allgemeinen von zivilrechtlicher Haftung ausgehende präventive Steuerungsfunktion. Der Vergütungsverwirkung ist deshalb in der zweiten Fallgruppe grundsätzlich eine stärkere verhaltenssteuernde Wirkung beizumessen. Dies gilt nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund der vergleichsweise geringfügigen strafrechtlichen Sanktionsandrohung. Dennoch ist aufgrund der festgestellten – maßgeblich der ungenauen tatbestandlichen Ausgestaltung geschuldeten – Defizite der Verwirkungskonstruktion die praktische Effektivität der vom angedrohten Vergütungsverlust ausgehenden Steuerungsfunktion im Ergebnis nicht gewährleistet.

d) Schlussfolgerung 443 Um derartigen Defiziten der Verwirkungskonstruktion im Hinblick auf ihre praktische Effektivität entgegenzuwirken, bietet es sich an, tatbestandlich konkretisierte gesetzliche Regelungen zu schaffen. Auch aus dogmatischer und verfassungsrechtlicher Sicht erscheint nämlich zumindest die gesetzliche Regelung der bisher durch die Verwirkungskonstruktion richterrechtlich erschaffenen Tatbestände ohnehin dringend angezeigt.

444 Vor dem Hintergrund der durch die mangelnde haftungsrechtliche Anknüpfung entstehenden Nachteile für die Verfahrensbeteiligten könnte sich de lege ferenda für eine interessengerechte Lösung inhaltlich ein – zumindest partieller – Vergütungsentfall anbieten, sollten dem Verwalter mit Blick auf das jeweilige Verfahren ent___________ 866) Knauth, VIA 2020, 4, 5; siehe ausführlich zum „Delisting“ MüKoInsO/Graeber, InsO, § 56 Rn. 109 ff.

202

A. Vorüberlegungen

sprechende nicht tätigkeitsbezogene Verfehlungen vorzuhalten sein.867) Denkbar ist es dabei auch, die im Rahmen der nicht tätigkeitsbezogenen Fallgruppe mit dem angedrohten Vergütungsverlust verfolgten rechtspolitischen Ziele flankierend durch berufsrechtliche Regelungen abzusichern.

3.

Umgang mit Verfehlungen im Vergütungsfestsetzungsverfahren

Schließlich stellt sich noch die Frage, inwiefern de lege ferenda auch für Verfeh- 445 lungen des Verwalters im Vergütungsfestsetzungsverfahren Regelungen getroffen werden sollten. Ein solches Fehlverhalten des Verwalters hinsichtlich der Festsetzung der Vergütung könnte darin bestehen, dass der Verwalter bei Stellung des Antrages auf Festsetzung seiner Vergütung zu eigenen Gunsten unzutreffend vorträgt, um Zuschläge zu generieren oder Abschlagstatbestände zu umgehen. Derartige Konstellationen sind von der Rechtsprechung bisher noch nicht vor dem Hintergrund der Fragestellung der Verwirkung der Vergütung erörtert worden, sodass auch eine Zuordnung zu einer Fallgruppe unmittelbar nicht möglich ist. In Anbetracht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Verwirkung der Ver- 446 waltervergütung wird aber vorgeschlagen, die Verwirkungskonstruktion auch auf derartige Verfehlungen des Verwalters im Vergütungsfestsetzungsverfahren zu erstrecken.868) Mag dies unter Zugrundlegung der Anforderungen der Rechtsprechung an ein verwirkungsrelevantes Verhalten mit Blick auf die sogar strafrechtliche Bedeutung pflichtwidriger Verhaltensweisen des Verwalters hinsichtlich der Vergütungsfestsetzung869) durchaus konsistent erscheinen, ist diesem Ansatz im Ergebnis aber dennoch zu widersprechen. An Hand der bisherigen Überlegungen zur Rationalität der Vergütungsverwirkung kann nämlich dargelegt werden, dass auch in diesem Fall die Verwirkung keinen passenden Lösungsansatz bietet.

a) Zuordnung zu bekannten Fallgruppen Verfehlungen des Verwalters hinsichtlich des Vergütungsfestsetzungsverfahrens – 447 genauer gesagt hinsichtlich der Stellung des Antrags auf Festsetzung seiner Vergütung – lassen sich im Ergebnis am ehesten in die Fallgruppe eines tätigkeitsbezogenen Fehlverhaltens (Fallgruppe 1) einordnen. Derartige Verfehlungen betreffen ___________ 867) Mehrkosten entstehen zwar auch in Fällen des Verwalterwechsels aufgrund von zeitlich späteren Pflichtverletzungen des Verwalters in anderen Verfahren, die der Verwalter mithin bei Bestellung schon gar nicht hätte offenbaren können. Vor diesem Hintergrund ließe sich an eine Ausweitung eines (teilweisen) Vergütungsentfalls auf entlassungsindizierte Mehrkosten im Allgemeinen denken. Dies wäre allerdings nicht interessengerecht. Denn in diesen Fällen besteht die Notwendigkeit eines Vergütungsentfalls nicht, da dem Verwalter kein Fehlverhalten im Hinblick auf das Verfahren vorgeworfen werden kann, für welches er eine Vergütung begehrt. 868) Diesen Ansatz befürwortet Knapp, Die Vergütung des Insolvenzverwalters, S. 162 ff. 869) Siehe OLG Oldenburg, Beschl. v. 25.4.2016 – 1 Ws 508/15, ZInsO 2016, 1659.

203

§ 8 Alternative Lösungsmöglichkeiten

zwar nicht unmittelbar die Tätigkeit des Verwalters im Rahmen des Insolvenzverfahrens, sind dem Inhalt ihrer Pflichtwidrigkeit nach wie auch mit Blick auf ihre Bedeutung für die Masse aber mit Verfehlungen in Ausübung der Tätigkeit vergleichbar.

448 Ausgangspunkt dieser Überlegung ist, dass ein von dem Ziel der Erhöhung des eigenen Vergütungsanspruchs getriebenes unredliches Verhalten des Verwalters im Ergebnis zu einer unzulässigen Verkürzung der Insolvenzmasse führt, da die Passivmasse um den so zu Unrecht erhöhten Vergütungsanspruch unmittelbar vergrößert wird. Insofern bestehen bereits rein tatsächlich unmittelbare Parallelen zu einem an die Tätigkeit des Verwalters per se anknüpfenden Fehlverhalten, welches sich zu Lasten der Masse auswirkt. Überdies werden Parallelen aber auch in rechtlicher Hinsicht deutlich. Wesentlich ist hier nämlich, dass Verfehlungen im Vergütungsfestsetzungsverfahren zum einen ebenfalls eine persönliche Haftung des Insolvenzverwalters nach § 60 InsO auslösen und zum anderen auch eine Strafbarkeit des Verwalters begründen können. Angesichts dieser Parallelen liegt es nahe, dass sich der Umgang mit Verfehlungen des Verwalters im Vergütungsfestsetzungsverfahren an den Erwägungen zur tätigkeitsbezogenen Verwirkung zu orientieren hat. Bei derartigen Verfehlungen findet die Haftung des Verwalters nach § 60 InsO ihre Grundlage in der Verletzung seiner Pflicht, die Masse zu erhalten.870) Wie auch im Rahmen der tätigkeitsbezogenen Fallgruppe bedeutet dies, dass es sich einerseits um die Verletzung einer insolvenzspezifischen Pflicht handelt und andererseits über die Haftung des Verwalters eine Kompensation der der Masse entstanden Schäden ermöglicht wird. Insofern sind die bereits oben dargestellten Erwägungen aus haftungsrechtlicher Perspektive im Ergebnis übertragbar.871)

449 Weiterhin zeigt sich auch aus rechtspolitischem Blickwinkel kein anderer Befund. Neben der von der zivilrechtlichen Haftung ausgehenden Steuerungswirkung kommt auch bei Verfehlungen des Verwalters hinsichtlich des Vergütungsfestsetzungsverfahrens die Präventionswirkung der Strafrechtsordnung zum Tragen. Konkret kann sich nämlich im Falle falscher oder unterlassener Angaben des Verwalters im Rahmen des Antrags auf Festsetzung seiner Vergütung eine Strafbarkeit des Verwalters wegen (versuchten) Betruges aus § 263 StGB sowie wegen Gebührenüberhebung nach § 352 StGB ergeben.872)

___________ 870) Siehe Jaeger/Gerhardt, InsO § 60 Rn. 27. 871) Siehe oben Rn. 395 ff. 872) Zimmer, InsVV, § 8 Rn. 36; Knapp, Die Vergütung des Verwalters, S. 166 f.; von der Meden/ Solka, ZIP 2017, 941 ff.; Bittmann, ZInsO, 2009, 1437 ff.; siehe auch OLG Oldenburg, Beschl. v. 25.4.2016 – 1 Ws 508/15, ZInsO 2016, 1659.

204

B. Regelungsvorschlag

b) Schlussfolgerung Wie auch für die Fallgruppe von tätigkeitsbezogenen Verfehlungen des Verwalters 450 gilt also, dass die Verwirkung der Vergütung in derartigen Konstellationen keinen adäquaten Lösungsansatz bietet. Einerseits können aufgrund der parallel anknüpfenden persönlichen Haftung des Verwalters durch die Verwirkung seines Vergütungsanspruchs Interessenkonflikte ausgelöst werden. Andererseits sind die Gläubiger durch die über die persönliche Haftung des Verwalters ermöglichte Schadenskompensation bereits ausreichend gegen eine nachhaltige Schädigung abgesichert. Hinzu kommt, dass aufgrund der ohnehin bestehenden zivilrechtlichen Haftung sowie insbesondere der drohenden strafrechtlichen Sanktionen auch keine weitergehende Präventionswirkung durch die angedrohte Vergütungsverwirkung erzielt werden kann. Zutreffend ist zwar, dass Informationsasymmetrien auch im Rahmen des Vergütungsfestsetzungsverfahrens entgegengewirkt werden muss.873) Hierzu stellt jedoch die Erweiterung des Anwendungsbereichs der Verwirkungskonstruktion auch auf Fälle eines Fehlverhaltens im Rahmen des Festsetzungsverfahrens keinen geeigneten Ansatz dar. Vielmehr ist auch insofern auf die Einführung berufsrechtlicher Regelungen zu verweisen, die eine bessere und vor allem effizientere Überwachung des Verwalters ermöglichen.874)

B. Regelungsvorschlag Vor dem Hintergrund der zur Verwirkungskonstruktion der Rechtsprechung gefun- 451 denen Ergebnisse aus rechtsdogmatischer Perspektive aber auch mit Blick auf die praktische Rechtsanwendung sowie die zuvor dargestellten rechtspolitischen Erwägungen und die daraus zu ziehenden Schlussfolgerungen sind im Rahmen eines alternativen Lösungsansatzes drei Regelungsbereiche zu adressieren. Den zentralen Regelungsbereich bildet die Vergütung selbst. Festzulegen ist, ob und in welchem Umfang sich Verfehlungen des Verwalters unmittelbar auf seinen Vergütungsanspruch auswirken können. Weiterhin muss die ohnehin von der Insolvenzordnung bereits grundsätzlich vorgesehene Aufsicht des Insolvenzgerichts über den Verwalter gestärkt werden, um sicherzustellen, dass Verfehlungen des Verwalters einer höheren Entdeckungswahrscheinlichkeit ausgesetzt sind. Schließlich gilt es unter Berücksichtigung der zu verhaltenssteuernden und reglementierenden Aspekten der Vergütungsverwirkung gefundenen Ergebnisse als flankierenden Regelungsbereich auch berufsrechtliche Bestimmungen in den Blick zu nehmen. Insoweit wird es unerlässlich sein, einen neuen ganzheitlichen Regelungsansatz zu 452 entwickeln, da die notwendigerweise zu regulierenden Bereiche nicht zielführend durch de lege lata verfügbare Normen adressiert werden können. ___________ 873) Auf diese Problematik weist auch Knapp, Die Vergütung des Insolvenzverwalters, S. 165 hin. 874) Siehe dazu noch ausführlich unten Rn. 489 ff.

205

§ 8 Alternative Lösungsmöglichkeiten

I.

Vergütungsrechtlicher Ansatz

453 Die Entwicklung eines alternativen Vorschlags zur Regelung der unmittelbaren Auswirkungen von Verfehlungen des Verwalters auf dessen Vergütungsanspruch basiert dabei auf folgenden Annahmen:

454 Bei Betrachtung der tätigkeitsbezogenen Verwirkungsfallgruppe spricht im Ergebnis mehr dafür, Abstand von der Rechtsprechung zur Verwirkung des Vergütungsanspruchs zu nehmen. Abgesehen von bereits aus dogmatischer Sicht bestehenden erheblichen Einwänden gegen die Verwirkungskonstruktion der Rechtsprechung ist auch keine klarstellende Regelung der tatbestandlichen Anforderungen durch den Gesetzgeber vorstellbar, mit der sämtliche dogmatische Bedenken obsolet würden. Insbesondere würde es sich nämlich nach wie vor als systematisch und dogmatisch verfehlt darstellen, wenn das Insolvenzgericht im Rahmen des Festsetzungsverfahrens mit der Prüfung eines Verwirkungstatbestands betraut wäre. Hinzu kommt neben dogmatischen Erwägungen aber auch, dass die Verwirkungskonstruktion innerhalb der ersten Fallgruppe keine wesentliche rechtspolitische Bedeutung hat, die ihr Fortbestehen trotz der aufgezeigten Bedenken rechtfertigen könnte.

1.

Vergütungsregelung – E § 63 Abs. 4 InsO

455 Pflichtwidrige Verhaltensweisen des Verwalters sollten Auswirkungen auf seinen Vergütungsanspruch nur dann haben, wenn diese Pflichtverletzungen zu einer Schädigung der Insolvenzmasse führen, welche nicht – wie in der ersten Fallgruppe – durch persönliche Haftungsansprüche gegen den Verwalter kompensiert werden kann. Eine solche Schadenskompensation ist allerdings nur in Sachverhaltskonstellationen möglich, die aufgrund von nicht tätigkeitsbezogenen Verfehlungen der zweiten Fallgruppe der Verwirkung zuzuordnen wären. Die insoweit bestehende rechtspolitische Indikation, über eine Vergütungskürzung zumindest einen Nachteilsausgleich zu ermöglichen, gilt es dabei aber in eine dogmatisch sowie systematisch konsistente Regelung zu überführen, die mit Blick auf die richterrechtliche Verwirkungskonstruktion nach dem Grundgedanken des § 654 BGB aufgezeigte Nachteile überwindet. Konzeptionell knüpfte eine vergütungsrechtliche Neuregelung insofern nicht an die Sanktionierung des Verhaltens des Verwalters an. Vielmehr sollte ihr maßgeblicher Zweck darin bestehen, Gläubiger vor Nachteilen zu bewahren, die durch die Bestellung eines sich ex-post als ungeeignet erweisenden Verwalters entstehen.

456 Demnach würde es sich für eine Neuregelung anbieten, § 63 InsO um einen neuen Absatz 4 mit folgenden Regelungen zu ergänzen: E § 63 Abs. 4 InsO Satz 1: Dem Vergütungsanspruch können sämtliche Schäden der Masse aus Pflichtverletzungen des Verwalters entgegengehalten werden, an die keine persönliche Haftung des Verwalters anknüpft. Satz 2: Der Einwand nach Satz 1 ist von einem neu bestellten Insolvenzverwalter klageweise geltend zu machen.

206

B. Regelungsvorschlag

Aus einer entsprechenden Neuregelung ergäbe sich zunächst, dass von der Konstruk- 457 tion der Rechtsprechung einer Verwirkung der Vergütung aufgrund eines pflichtwidrigen Verhaltens Abstand zu nehmen wäre. Ein Festhalten an dieser Rechtsprechung stünde dann nämlich im Widerspruch zur gesetzlichen Konzeption. Unter Schäden im Sinne von E § 63 Abs. 4 Satz 1 InsO sind dabei sämtliche der 458 Masse erwachsenden Nachteile zu verstehen, die mit der Bestellung und späteren Entlassung – mithin insbesondere dem Verwalterwechsel – verbunden sind. Dazu zählen freilich auch diejenigen Kosten, die durch gegen den entlassenen Verwalter seitens des neu bestellten Verwalters zu führende Prozesse entstehen. Die Berechnung des der Masse entstandenen Schadens hat hinsichtlich der durch 459 den Verwalterwechsel entstehenden Mehrkosten an Hand eines Vergleichs der jeweiligen Höhe der Vergütungsansprüche der Verwalter zu erfolgen. Im Ausgangspunkt ist die jeweilige Vergütung auf der Grundlage der jeweils der Verwaltung unterliegenden Insolvenzmasse zu berechnen.875) Zwar wird bei Festsetzung der Vergütung des ausscheidenden Verwalters nach Maßgabe des § 3 Abs. 2 lit. c) InsVV im Ergebnis ein Abschlag vorzunehmen sein,876) aber dennoch der insgesamt aus der Masse ausgeschüttete Gesamtbetrag beider Vergütungsansprüche höher ausfallen.877) Ins Verhältnis zu setzen ist also die endgültige Vergütung, die festgesetzt worden wäre, wenn das Verfahren einheitlich geführt worden wäre, mit dem tatsächlich ausgeschütteten Betrag. Die sich hieraus ergebende Differenz stellt dementsprechend den Schaden dar. Sollte zudem ein Sonderverwalter bestellt worden sein, ist dessen Vergütung eben- 460 falls als zusätzlicher Kostenpunkt mit einzuberechnen. Durch den Ausschluss des Einwands nach E § 63 Abs. 4 Satz 1 InsO im Falle einer 461 Anknüpfung für eine persönliche Haftung des Insolvenzverwalters wird verhindert, dass aus einer Vergütungskürzung eine Überkompensation zu Gunsten der Masse resultiert. Maßgeblich ist dabei aber nicht, ob ein aufgrund persönlicher Haftung des Verwalters bestehender Schadensersatzanspruch im Ergebnis auch realisiert werden kann, sondern nur, ob ein solcher dem Grunde nach bestehen könnte. Dies ist, wie bereits erörtert, bei Verfehlungen des Verwalters im Hinblick auf seine Bestellung, wie beispielsweise dem Vortäuschen eines Titels, nicht der Fall. Gleiches gilt auch für die unterbliebene Offenbarung von Pflichtwidrigkeiten in anderen Verfahren. Die vergütungsrechtliche Neuregelung soll im Ergebnis nicht zu einer Sanktionierung oder Disziplinierung des Verwalters führen, sondern nur dazu dienen, dass die Gläubiger durch ein Fehlverhalten des Insolvenzverwalters im Zuge des ___________ 875) BGH, Beschl. v. 10.11.2005 – IX ZB 168/04, ZIP 2006, 93 Ls. 1; Uhlenbruck/Mock, InsO, § 63 Rn. 44; Haarmeyer/Mock, InsVV, § 1 Rn. 107; Lissner, ZInsO 2016, 953, 955. 876) Uhlenbruck/Mock, InsO, § 63 Rn. 43; Lissner, ZInsO 2016, 953, 956 f. 877) Lissner, ZInsO 2016, 953, 954; Keller, DZWiR 2005, 291, 292.

207

§ 8 Alternative Lösungsmöglichkeiten

Auswahlverfahrens nicht schlechter gestellt werden. Insofern wird die strukturelle Trennung zwischen Haftung und Vergütung prinzipiell gewahrt und durch die Regelung ein Auffangtatbestand geschaffen, der nur in Ausnahmefällen zur Korrektur unbilliger Ergebnisse Anwendung finden kann. Rechnung getragen wird insoweit auch dem Umstand, dass mit der Vergütung konzeptionell auch das vom Verwalter übernommene Haftungsrisiko entlohnt wird.

2.

Anwendungskompetenz vergütungsrechtlicher Regelungen – E § 63 Abs. 4 Satz 2 InsO

462 Mit Blick auf die praktische Rechtsanwendung ergibt sich allerdings nach wie vor die Problematik der Anwendungskompetenz einer materiell-rechtlichen Regelung zur Vergütung wie E § 63 Abs. 4 Satz 1 InsO. Denn geht die Regelung aufgrund ihres untrennbaren Zusammenhangs mit pflichtwidrigen Verhaltensweisen des Insolvenzverwalters in ihrer praktischen Anwendung über die Prüfung rechnerisch zu bestimmender Vergütungsregelsätze der InsVV hinaus und betrifft die Anwendung und Prüfung materiellen Rechts, bewegt sich dies außerhalb der Kompetenz des mit der Vergütungsfestsetzung betrauten Insolvenzgerichts.878) Überdies bestehen Zweifel an der fachlichen Kompetenz des konkret für die Festsetzung der Vergütung zuständigen Rechtspflegers, umfangreiche materiell-rechtliche Fragen zu klären.879) Selbst wenn man also die Vergütungsverwirkung einer gesetzlichen Regelung zuführt, würde es weiterhin der grundlegenden Kompetenzzuweisung widersprechen, das Insolvenzgericht im Rahmen des Festsetzungsverfahrens mit der Prüfung solcher Tatbestände zu befassen. Eine Neuregelung muss dieser Problematik also insofern Rechnung tragen, dass sie sich in ihrer praktischen Umsetzung in die sonstige Konzeption zur Geltendmachung materieller Einwände gegen die pflichtgemäße Amtsführung des Insolvenzverwalters einfügt.

a) Geltendmachung durch einen neu bestellten Insolvenzverwalter 463 Parallel zur in § 92 Satz 2 InsO geregelten Zuweisung der Geltendmachung eines Gesamtschadens gegenüber dem potenziell schadensersatzpflichtigen Insolvenzverwalter an einen neu zu bestellenden Verwalter bietet es sich an, auch die Geltendmachung materieller Einwände gegen den Vergütungsanspruch aufgrund pflichtwidrigen Verhaltens des Verwalters einem neu bestellten Verwalter zuzuweisen.

464 Mit Blick auf die Verfahrensökonomie würde die Bestellung eines neuen Verwalters zunächst schon keinen verfahrensrechtlichen Mehraufwand nur aufgrund vergütungsrechtlicher Fragen bedeuten. Denn bei für die Vergütung erheblichen pflichtwidrigen Verhaltensweisen des Insolvenzverwalters dürfte es ohnehin regelmäßig zu ___________ 878) Siehe dazu ausführlich oben Rn. 263 ff. 879) Siehe dazu oben Rn. 283.

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B. Regelungsvorschlag

dessen Entlassung und Bestellung eines neuen Verwalters kommen; zumindest wäre aber ein Sonderverwalter mit der Prüfung von potenziellen Schadenersatzansprüchen zu beauftragen. Weiterhin erscheint eine Regelung, die Prüfung und Geltendmachung materieller Einwände gegen den Vergütungsanspruch des ausgewechselten Verwalters einem neu bestellten Verwalter zuweist, auch inhaltlich konsequent. Zum einen entspräche eine solche Zuweisung dem ohnehin vorgesehenen Pflichtenkreis eines neu bestellten Verwalters, die Insolvenzmasse vor einer Verkürzung durch pflichtwidriges Verhalten des ausgewechselten Verwalters zu schützen. Konkret wäre die Masse bei einem derartigen Lösungskonzept vor Nachteilen geschützt, die aus Pflichtwidrigkeiten des Verwalters ohne haftungsrechtliche Anknüpfung entstehen. Eine Parallelität zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen den Verwalter bestünde also insofern, dass sowohl bei einem Gesamtschaden als auch bei nicht haftungsbewehrten, aber dennoch nachteilsbehafteten Verfehlungen des Verwalters – wie beispielsweise im Falle eines Verwalterwechsels infolge des Erschleichens der Bestellung – jeweils unmittelbar die Insolvenzmasse geschmälert und somit die Befriedigungschance der Gläubiger (quotal) verringert wird. Zum anderen kommt einem neu bestellten Verwalter vor dem Hintergrund der in § 92 Satz 2 InsO geregelten Zuweisung grundsätzlich nicht nur die systematische Zuständigkeit, sondern darüber hinaus auch die fachliche Qualifikation zu, materiellrechtliche Tatbestände hinsichtlich pflichtwidriger Verhaltensweisen des ausgewechselten Insolvenzverwalters verlässlich zu prüfen. Im Ergebnis würde sich die Möglichkeit zur Geltendmachung materieller Einwände 465 gegen den Vergütungsanspruch des ausgewechselten Insolvenzverwalters durch einen neu bestellten Verwalter also dogmatisch konsistent in das bisherige von der Insolvenzordnung vorgesehene Regelungskonzept einfügen.

b) Prozessuale Möglichkeiten der Geltendmachung Auch unter Berücksichtigung der prozessualen Möglichkeiten der Geltendmachung 466 materieller Einwände gegen den Vergütungsanspruch des ausgewechselten Verwalters bietet sich die Lösung über einen neu bestellten Insolvenzverwalter an. Denn wie dargestellt können materielle Einwände hinsichtlich des Vergütungsanspruchs des Verwalters im Festsetzungsverfahren keine Berücksichtigung finden. Insofern scheidet auch eine Geltendmachung von Einwänden im nach § 64 Abs. 3 InsO vorgesehenen Beschwerdeverfahren gegen den Festsetzungsbeschluss des Insolvenzgerichts aus.880) Praktisch hätte die Umsetzung der Neuregelung zur Konsequenz, dass Einwände 467 gegen die Vergütungsfestsetzung, die über die in der InsVV geregelten Tatbestände hinausgehen – mithin potenzielle Pflichtwidrigkeiten des Verwalters betreffende ___________ 880) Siehe zum Prüfungsumfang im Rahmen des Festsetzungsverfahrens sowie eines sich anschließenden Beschwerdeverfahrens bereits ausführlich oben Rn. 263 ff.

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§ 8 Alternative Lösungsmöglichkeiten

materielle Einwände – im Festsetzungsverfahren zunächst unberücksichtigt blieben und die Vergütung sowie Auslagen des Verwalters entsprechend den Vorgaben der Vergütungstatbestände der InsVV durch das Insolvenzgericht festgesetzt würden. Erst nach Festsetzung wären sodann materiell-rechtliche Einwände gegen den Vergütungsanspruch in einem gesonderten Verfahren durch den neuen Verwalter geltend zu machen.

468 Hierbei sind zwei Szenarien zu unterscheiden, bei denen sich die Geltendmachung materiell-rechtlicher Einwände jeweils unterschiedlich gestaltet: Zum einen die Vollstreckung des aufgrund seiner Verfehlungen entlassenen Insolvenzverwalters in die Insolvenzmasse und zum anderen die Rückforderung bereits entnommener Vorschüsse.

469 Eine Vollstreckung in die Masse ist dann denkbar, wenn der vorzeitig ausgeschiedene Insolvenzverwalter mit dem Beschluss des Insolvenzgerichts über seine Vergütung einen Titel erwirbt.881) Praktisch gestaltet sich dies so, dass der Insolvenzverwalter im Zuge seiner Entlassung die Schlussrechnung beim Insolvenzgericht einreicht und in diesem Zug auch die Festsetzung seiner Vergütung beantragt. Dann ist es dem Verwalter zwar nicht mehr möglich, die Vergütung eigeständig zu entnehmen, da sein Zugriff auf die Masse mit Entlassung endet, jedoch ist ihm die Möglichkeit der Zwangsvollstreckung in die Masse in Höhe seiner vom Insolvenzgericht festgesetzten und damit titulierten Vergütung eröffnet. In diesem Fall geht es aus der Perspektive des neu bestellten Verwalters daher ausschließlich um die Abwehr einer Vollstreckung des ausgeschiedenen Verwalters. Insofern stellt sich die Frage der Rückforderung einer vollständig entnommen Vergütung in dieser Konstellation nicht. Denn zur vollständigen Entnahme bedürfte es des Festsetzungsbeschlusses, der jedoch zeitlich erst nach der Entlassung folgt.

470 Anders gestaltet sich die Situation hingegen dann, wenn der inzwischen ausgeschiedene Insolvenzverwalter bereits Vorschüsse entnommen hat. Denn Vorschüsse können vor Festsetzung und somit bereits im Zeitraum vor Entlassung des Verwalters entnommen werden, solange der Verwalter noch unmittelbaren Zugriff auf die Masse hat.

aa) Vollstreckung des Vergütungsanspruchs in die Insolvenzmasse 471 Begehrt der ausgewechselte Verwalter auf Grundlage des Festsetzungsbeschlusses des Gerichts die Entnahme seiner Vergütung aus der Masse und mithin die Vollstreckung seines Anspruchs, wird dadurch die Geltendmachung materiell-rechtlicher Einwände für den neu bestellten Insolvenzverwalter insofern möglich, der Vollstreckung mittels einer Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO unter Vorbringen seiner materiell-rechtlichen Einwände gegen die festgesetzte Vergütung entge___________ 881) Haarmeyer/Mock, InsVV, § 8 Rn. 37.

210

B. Regelungsvorschlag

genzutreten. Der Vergütungsfestsetzungsbeschluss stellt nämlich einen Vollstreckungstitel im Sinne des § 794 Abs. 1 Nr. 3 ZPO dar, sodass bei Vollstreckung aus diesem Titel gemäß § 795 ZPO eine Klage nach § 767 ZPO statthaft ist.882) Im Rahmen der Klage wäre vom Verwalter sodann der Einwand nach E § 63 Abs. 4 Satz 1 InsO geltend zu machen, mit der Folge, dass die Vollstreckung zumindest teilweise für unzulässig erklärt werden müsste. Vom neu bestellten Verwalter wäre bei Geltendmachung des Einwands zum einen darzulegen, welche Mehrkosten für die Insolvenzmasse durch den Verwalterwechsel verursacht wurden, und zum anderen, dass rechtlich keine Möglichkeit besteht, diese durch Schadensersatzansprüche gegen den entlassenen Verwalter zu kompensieren. Der Einwand nach E § 63 Abs. 4 Satz 1 InsO wäre auch nicht präkludiert. Zwar entsteht er schon vor der Festsetzungsentscheidung des Gerichts, sodass seiner Geltendmachung grundsätzlich die Präklusion nach § 767 Abs. 2 ZPO entgegenstünde. Vor dem Hintergrund jedoch, dass die Geltendmachung materiell-rechtlicher Einwände im Rahmen des Festsetzungsverfahrens gar nicht möglich war, ist der Präklusionseinwand unbeachtlich.883) Wie auch bei der Aufrechnung mit potenziellen Schadensersatzansprüchen gegen 472 den Vergütungsanspruch des Verwalters884) würde die Klärung materiell-rechtlicher Fragen somit einheitlich aus dem Festsetzungsverfahren in das dafür vorgesehene zivilprozessrechtliche Verfahren überführt.

bb) Rückforderung bereits erhaltener Vorschüsse Anders gestaltet sich der Prozessweg hinsichtlich vom entlassenen Verwalter be- 473 reits entnommener Vorschüsse. Dabei wird sich eine Rückforderungsnotwendigkeit allerdings ohnehin nur in dem wohl eher theoretischen Fall ergeben, dass die Rückgewähr bereits erhaltener Vorschüsse überhaupt zum Ausgleich einer durch den Verwalterwechsel entstandenen Verkürzung der Masse notwendig ist. Zunächst mag diese Konstellation an den Fall der Rückforderung gerichtlich ge- 474 nehmigter aber im Ergebnis zu hoch bemessener Vorschüsse nach Maßgabe des § 812 BGB erinnern.885) Im Unterschied zu dieser Rückforderungssituation aber weist der Festsetzungsbeschluss trotz materieller Einwände wegen vergütungsrelevanter Verfehlungen des Verwalters die im Ergebnis zu hoch bemessenen Vorschüsse nicht aus, da der Einwand nach E § 63 Abs. 4 Satz 1 InsO aufgrund seiner ___________ 882) BGH, Urt. v. 5.1.1995 – IX ZR 241/93, ZIP 1995, 290, 291; BGH, Urt. v. 17.11.2005 – IX ZR 179/04, BGHZ 165, 96 Rn. 23; Uhlenbruck/Mock, InsO, § 63 Rn. 71. 883) Siehe dazu bereits ausführlich oben Rn. 325. 884) BGH, Urt. v. 5.1.1995 – IX ZR 241/93, ZIP 1995, 290, 291; BGH, Beschl. v. 6.11.2014 – IX ZB 90/12, ZIP 2014, 2450 Rn. 12; Uhlenbruck/Mock, InsO, § 63 Rn. 51; Haarmeyer/Mock, InsVV, Vorbem. Rn. 92c. 885) Siehe Zimmer, InsVV, § 8 Rn. 205; MüKoInsO/Stephan, InsVV, § 9 Rn. 35; K/P/B/Prasser, InsVV, § 9 Rn. 3; Graeber, NZI 2014, 147, 148; Blersch, FS Kübler, S. 51, 63 ff.; Smid, ZIP 2014, 1714, 1720.

211

§ 8 Alternative Lösungsmöglichkeiten

materiell-rechtlichen Natur bei Festsetzung noch keine Berücksichtigung finden kann. Gemessen an der Festsetzungsentscheidung hat der Insolvenzverwalter also nicht mehr aus der Insolvenzmasse entnommen, als ihm zusteht.

475 Hinsichtlich der Möglichkeit der Rückforderung einer bereits festgesetzten aber im Nachhinein als verwirkt erkannten Vergütung – mithin eine aufgrund des Bestehens des Festsetzungsbeschlusses vergleichbare Situation – wird eine Rückforderung über eine analoge Anwendung des § 717 Abs. 2 ZPO diskutiert.886) Notwendig dafür wäre aber, dass der ursprüngliche Festsetzungsbeschluss des Insolvenzgerichts im Rahmen des Beschwerdeverfahrens aufgehoben bzw. abgeändert wird.887) Dies würde allerdings voraussetzen, dass entgegen der Systematik materiell-rechtliche Einwände gegenüber dem Vergütungsanspruch des Insolvenzverwalters im Festsetzungsverfahren und einem sich anschließenden Beschwerdeverfahren zu berücksichtigen wären. Da aber eine Abänderung des Festsetzungsbeschlusses aufgrund materieller Einwände auch im Beschwerdeverfahren nicht möglich ist, vermag auch eine Rückforderung nach § 717 Abs. 2 ZPO (analog) keine überzeugende Lösung zur Rückforderung bereits erhaltener Vorschüsse zu bieten.

476 Materiell-rechtlich kann sich eine Rechtsgrundlage für eine Rückforderung von Vorschüssen unter Berufung auf E § 63 Abs. 4 Satz 1 InsO nur aus § 812 BGB ergeben. Es fehlt dem ausgewechselten Insolvenzverwalter insoweit der materielle Rechtsgrund zum Behaltendürfen der Vorschüsse in Höhe des zum Nachteilsausgleich notwendigen Betrags. Entgegen steht dem allerdings der Festsetzungsbeschluss, der ungeachtet der materiellen Rechtslage einen formellen Rechtsgrund zum Behaltendürfen der Vorschüsse darstellt. Möglich erscheint daher nur ein Vorgehen des neu bestellten Verwalters im Wege einer verlängerten Vollstreckungsabwehrklage.888)

477 Voraussetzung für den Erfolg dieser materiell-rechtlichen Klage wäre aber, dass vor Beendigung der Zwangsvollstreckung eine Klage nach § 767 ZPO zulässig und begründet gewesen wäre.889) Zulässig ist eine Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO allerdings nur bei Vollstreckung aus einem Titel.890) Die eigenständige ___________ 886) BGH, Urt. v. 17.11.2005 – IX ZR 179/04, BGHZ 165, 96, 102 f.; BGH, Urt. v. 20.3.2014 – IX ZR 25/12, ZIP 2014, 1394, 1395; zustimmend Uhlenbruck/Mock, InsO, § 63 Rn. 73; Jaeger/ Schilken, InsO, § 64 Rn. 25; Pluta/Heidrich, FS Kayser, S. 723, 731; K/P/B/Prasser, InsVV, § 8 Rn. 19; siehe dazu auch ausführlich Blersch, FS Kübler, S. 51 ff.; sowie bereits oben Rn. 313 ff. 887) MüKoZPO/Götz, ZPO, § 717 Rn. 14; BeckOK ZPO/Ulrici, ZPO, § 717 Rn. 11; Saenger/ Kindl, ZPO, § 717 Rn. 2. 888) Vgl. zur Rückforderung gemäß § 812 BGB nach Beendigung der Zwangsvollstreckung BGH, Urt. v. 17.2.1982 – IV b ZR 657/80, BGHZ 83, 278, 279 f.; BGH, Urt. v. 7.7.2005 – VII ZR 351/03, BGHZ 163, 339, 341 f. 889) Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Raebel, ZPO, § 767 Rn. 10; Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht 4. Teil Rn. 46. 890) MüKoZPO/K. Schmidt/Brinkmann, ZPO, § 767 Rn. 25; Kindl/Meller-Hannich/Schneiders, ZPO, § 767 Rn. 4.

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B. Regelungsvorschlag

Entnahme von Vorschüssen stellt zwar keine Vollstreckungsmaßnahme im eigentlichen Sinn dar. Entscheidend ist im Ergebnis aber, dass die Entnahme in ihrer faktischen Wirkung und Effektivität mit einer Vollstreckungsmaßnahme auf der Grundlage des Festsetzungsbeschlusses unmittelbar vergleichbar ist. Dies zeigt sich mit Blick auf die Einordnung der eigenständigen Entnahme der Vergütung durch den Insolvenzverwalter nach Festsetzung durch das Insolvenzgericht. Denn auch bei Entnahme der Vergütung durch den Verwalter zu diesem Zeitpunkt findet zwar keine Vollstreckung im eigentlichen Sinne statt, die Rückforderung ist aber trotzdem im Wege der verlängerten Vollstreckungsabwehrklage möglich, da die eigenständige Entnahme in ihrer Wirkung und Effektivität einer Zwangsvollstreckungsmaßnahme gleichzustellen ist.891) Zweifel an der Vergleichbarkeit könnten sich lediglich insoweit ergeben, dass im 478 Unterschied zur Entnahme von Vorschüssen die Entnahme der Vergütung nach Festsetzung auf Grundlage des sich aus der gerichtlichen Vergütungsfestsetzung ergebenden Titels erfolgt. Denn die Genehmigung eines Vorschusses wird nicht als Titel im Sinne des § 794 Abs. 1 Nr. 3 ZPO,892) sondern als aufsichtsrechtliche Maßnahme des Gerichts nach § 58 InsO eingeordnet,893) gegen die auch keine sofortige Beschwerde nach §§ 6, 64 Abs. 3 InsO, sondern nur bei Entscheidung durch den Rechtspfleger eine Rechtspflegererinnerung nach § 11 Abs. 2 Satz 1 RPflG zulässig ist.894) An der Vergleichbarkeit der eigenständigen Entnahme von Vorschüssen und der Entnahme der endgültigen Vergütung vermag dieser Umstand im Hinblick auf ihre „Vollstreckungswirkung“ aber dennoch nichts zu ändern. Zum einen ist die faktische Wirkung der eigenständigen Entnahme unabhängig von der Titulierung durch das Gericht dieselbe. Die eigenständige Entnahme der Vergütung ist in ihrer Wirkung sogar effektiver als die sonstige Vollstreckung aufgrund eines Titels, da weder Schuldner noch Gläubiger die Möglichkeit haben, den Zugriff des Insolvenzverwalters auf die Masse zu verhindern.895) Zum anderen ist es auch irrelevant, ob die Entnahme im Hinblick auf eine spätere Festsetzung und somit spätere Titulierung bereits im Vorfeld vorgenommen wird oder erst danach. Faktisch ließe sich die Vorschussentnahme insoweit als antizipierte Entnahme des später titulierten Ver___________ 891) Siehe dazu bereits oben Rn. 325; sowie die Argumentation des Bundesgerichtshofs zur entsprechenden Anwendung des § 717 Abs. 2 ZPO BGH, Urt. v. 17.11.2005 – IX ZR 179/04, BGHZ 165, 96 Rn. 30. 892) Anders aber Zimmer, InsVV, § 9 Rn. 59 ff., der einen Vorschussbeschluss als Titel analog § 794 Abs. 1 Nr. 2 ZPO einordnet. 893) BGH, Beschl. v. 1.10.2002 – IX ZB 53/02, ZIP 2002, 2223, 2224; BGH, Urt. v. 16.10.2014 – IX ZR 190/13, ZIP 2014, 2299 Rn. 29. 894) BGH, Beschl. v. 1.10.2002 – IX ZB 53/02, ZIP 2002, 2223, 2224; BGH, Beschl. v. 24.3.2011 – IX ZB 67/10, ZInsO 2011, 777 Rn. 5; K/P/B/Prasser, InsVV, § 9 Rn. 19; MüKoInsO/ Stephan, InsVV, § 9 Rn. 31; Nicht/Schildt, NZI 2010, 466, 469; Vill, ZInsO 2019, 2493; kritisch Keller, Vergütung und Kosten, § 15 Rn. 123 f. 895) BGH, Urt. v. 17.11.2005 – IX ZR 179/04, BGHZ 165, 96, 104.

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§ 8 Alternative Lösungsmöglichkeiten

gütungsanspruchs verstehen, da die enthaltenen Vorschüsse hinsichtlich ihrer Höhe in unmittelbarer Abhängigkeit zur schließlich festgesetzten Vergütung stehen. Ob der unmittelbare Zugriff auf die Masse durch den Verwalter somit im Rahmen der Vorschuss- oder der endgültigen Vergütungsentnahme erfolgt, ändert nichts am vollstreckungsrechtlichen Charakter der eigenständigen Entnahme. Im Ergebnis muss es dem neu bestellten Insolvenzverwalter daher auch möglich sein, bereits erhaltene Vorschüsse unter Geltendmachung des Einwands nach E § 63 Abs. 4 Satz 1 InsO im Wege einer verlängerten Vollstreckungsabwehrklage wegen ungerechtfertigter Vollstreckung vom ausgewechselten Verwalter nach Maßgabe des § 812 BGB zurückzufordern. Unbeachtlich muss dabei im Rahmen der Begründetheit auch der Präklusionseinwand nach § 767 Abs. 2 ZPO bleiben. Denn wie bereits thematisiert, können nicht die Einwände präkludiert sein, die aufgrund ihrer materiell-rechtlichen Natur im Vergütungsfestsetzungsverfahren unberücksichtigt bleiben mussten.

c)

Ergebnis

479 Insgesamt zeigt sich somit, dass die Zuweisung der Möglichkeit der Geltendmachung des Einwands nach E § 63 Abs. 4 Satz 1 InsO an einen neu zu bestellenden Verwalter eine konsistente Neuregelung darstellt, die sich in ihrer Systematik in die ohnehin von der Insolvenzordnung vorgesehene Kompetenzzuweisung an einen neu bestellten Verwalter einfügt.896) Insbesondere wird so auch dem Umstand Rechnung getragen, dass im Vergütungsfestsetzungsverfahren konzeptionell keine Prüfung materiell-rechtlicher Ansprüche und Einwände hinsichtlich der Vergütung des Verwalters vorgesehen ist. Die Möglichkeit der Geltendmachung eines materiellrechtlichen Einwands hinsichtlich der dem entlassenden Verwalter zustehenden Vergütung fügt sich prozessual in die von der Zivilprozessordnung vorgesehenen Institute ein, sodass die Neuregelung auch aus verfahrensökonomischer Sicht keine Mehrbelastung des Insolvenzverfahrens bedeutet.

3.

Keine eigenständige Offenbarungspflicht des Verwalters

480 Neben der Verwirkung der Verwaltervergütung als solcher ist de lege ferenda auch die von der Rechtsprechung innerhalb der Verwirkungskonstruktion hergeleitete Verpflichtung des Insolvenzverwalters, vor Bestellung eigenständig Pflichtverletzungen in anderen Verfahren zu offenbaren, aufzugeben. Zwar mag im Hinblick ___________ 896) Auch würde damit der Regelung des Art. 27 Abs. 4 UAbs. 2 RestruktRL Rechnung getragen, wonach geeignete Verfahren zur Verfügung stehen müssen, um Streitigkeiten über die Vergütung von Verwaltern beizulegen; siehe Richtlinie (EU) 2019/1023 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.6.2019 über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 (Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz), ABl. EU L 172/18 v. 26.6.2019, „Restrukturierungsrichtlinie“; dazu sogleich noch unter Rn. 489 ff.

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B. Regelungsvorschlag

auf die (Vor-)Auswahl des Verwalters insbesondere die Verifizierung des Vorliegens oder auch Nichtvorliegens bestimmter Umstände wesentlich für die Bestellungsentscheidung des Insolvenzgerichts sein.897) Eine insoweit angestrebte verbesserte Informationslage des Gerichts über den Bewerber für das Amt des Insolvenzverwalters lässt sich im Ergebnis allerdings nicht durch eine Pflicht zur eigenständigen Offenbarung von Pflichtverletzungen erreichen. Zum einen erscheint es im gedanklichen Ansatz nahezu schon paradox, eine Ver- 481 pflichtung zu begründen, die sowohl im Falle der Erfüllung als auch im Falle der Missachtung gleichermaßen nachteilige Folgen für den Verpflichteten hat. Denn die Offenbarungspflicht ist für den Verwalteraspiranten nicht nur im Hinblick auf den im Falle der Missachtung drohenden Vergütungsverlust von negativen Rechtsfolgen geprägt, sondern gerade auch die Offenbarungspflicht als solche, da bei Mitteilung von schwerwiegenden Verfehlungen daraus die – möglichicherweise grundsätzliche – Nichtbestellung folgen wird. Denkbar ist insofern, dass Verwalter eher dazu neigen werden, Verfehlungen in anderen Verfahren zu verschweigen, um zumindest Bestellungschancen wahren zu können.898) Zu befürchten ist daher vielmehr eine aus diesem Interesse resultierende Offenbarungsverweigerung und eine daraus folgende Intransparenz. Zum anderen ist nicht zuletzt aufgrund der insoweit zweifelhaften Geeignetheit einer 482 Offenbarungspflicht fraglich, ob eine derartige Pflicht selbst bei Einführung einer entsprechenden Regelung durch den Gesetzgeber mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben der in Art. 12 Abs. 1 GG garantierten Freiheit der Berufswahl zu vereinbaren wäre. Effektiver und auch aus verfassungsrechtlicher Sicht überzeugend erscheint ange- 483 sichts dessen, die Auskunftspflicht des Verwalters auf die wahrheitsgemäße Beantwortung konkreter Fragestellungen des Insolvenzgerichts zu beschränken. Die Pflicht zu wahrheitsgemäßen Angaben leitet sich dabei zwar nicht aus einer vermeintlichen Treuepflicht des Verwalters gegenüber dem Insolvenzgericht her.899) Vielmehr lässt sich eine solche Verpflichtung des Insolvenzverwalters bereits im Vorfeld des Verfahrens zumindest abstrakt mit seiner Rolle als Organ der Rechtspflege begründen, die mit der Erwartung der Einhaltung eines bestimmten Berufsethos verbunden ist. Möglich erschiene es überdies auch, entsprechende Pflichten des Verwalters hinsichtlich des Bestellungsverfahrens durch berufsrechtliche Vorgaben zu regeln. ___________ 897) Bork/Thole/Bork, Die Verwalterauswahl, Rn. 54. 898) So auch Knauth, VIA 2020, 4, 5, siehe zu dieser Problematik bereits ausführlich oben Rn. 439. 899) So aber der oben bereits ausführlich dargestellte Ansatz der Rechtsprechung BGH, Beschl. v. 14.7.2016 – IX ZB 52/15, NZI 2016, 892 Rn. 9; dem folgend Bork/Thole/Bork, Die Verwalterauswahl, Rn. 54; Bork, ZIP 2017, 2173, 2175.

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§ 8 Alternative Lösungsmöglichkeiten

484 Gezielte Fragestellungen des Gerichts hätten dabei auch den Vorteil, auf Seiten des Verwalteraspiranten bestehende Unsicherheiten hinsichtlich dessen, welche Verfehlungen offenbarungspflichtig sind, aufzulösen. Ohnehin sind konkrete Fragestellungen an den Verwalteraspiranten durch die von den Insolvenzgerichten verwendeten Fragebögen bereits gängige Praxis. Diese könnten auch um die Nachfrage nach konkreten Pflichtverletzungen einer bestimmten Schwere in anderen Verfahren erweitert werden und durch ein Berufsrecht zudem ein gesetzliches Fundament erhalten. Naheliegend ist daher die Implementierung gesetzlicher Regelungen, welche die Anforderungen für eine Bestellung – bzw. für eine vorhergehende Aufnahme in die Vorauswahlliste – und in diesem Zusammenhang auch die vom Verwalteraspiranten im Vorfeld wahrheitsgemäß zu erteilenden Auskünfte festlegen.900) Darüber hinaus bieten sich weitere Wege der Informationsgewinnung über den Verwalteraspiranten an; insbesondere ein besserer Austausch zwischen den zahlreichen Insolvenzgerichten in Deutschland scheint insoweit dringend notwendig zu sein.901)

4.

Auslagenerstattungsanspruch

485 Vor dem Hintergrund der Reichweite der Verwirkungsrechtsprechung, die sich zumindest in Teilen auch auf den Auslagenerstattungsanspruch des Verwalters erstreckt,902) stellt sich schließlich noch die Frage, inwiefern insofern Regelungsbedarf besteht.

486 Mag man die Verwirkungsrechtsprechung in ihren Rechtsfolgen hinsichtlich der Erstreckung auf den Auslagenpauschalsatz nach § 9 Abs. 3 InsVV zwar für konsistent erachten, da sich die Höhe des pauschalen Auslagenerstattungsanspruchs im Ergebnis nach der festgesetzten Höhe der Regelvergütung richten soll,903) wird hieran sogleich aber auch deutlich, dass insoweit kein Neuregelungsbedarf besteht. Der Vergütungsanspruch des Verwalters bleibt nämlich im Grundsatz von der Neuregelung unberührt. Insbesondere begründet die Neuregelung gerade keine Sanktionswirkung, die den Entfall der Auslagen möglicherweise unter diesem Aspekt nach sich ziehen könnte.

487 Auch die bisher durch die Verwirkungsrechtsprechung des Bundesgerichtshofs noch offen gelassene Fragestellung, inwiefern der Auslagenerstattungsanspruch von der Verwirkung erfasst sein soll, wenn nach § 4 Abs. 2 InsVV die Erstattung besonderer – mithin tatsächlich entstandener – Kosten geltend gemacht wird, erübrigt sich im Ergebnis. Die Antwort auf diese Frage ist nämlich schon nicht vergütungsrechtlicher Natur im eigentlichen Sinne. Grundsätzlich können insolvenzspezifische ___________ 900) 901) 902) 903)

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Thole, AnwBl 2020, 111, 115. Siehe hierzu sogleich noch unten Rn. 499 f. Siehe zu den Rechtsfolgen der Verwirkung im Einzelnen Rn. 72 ff. So BGH, Beschl. v. 10.10.2013 – IX ZB 38/11, ZIP 2013, 2164 Rn. 37; diesbezüglich kritisch Zimmer, InsVV, § 8 Rn. 46.

B. Regelungsvorschlag

Pflichtwidrigkeiten des Verwalters nämlich schon nicht seinen Anspruch auf Vergütung und Auslagenerstattung betreffen. Und auch in dem Fall, dass es sich um eine unmittelbar die Vergütung betreffende Verfehlung handeln sollte, in Form der unberechtigten Entnahme aus der Masse für (vermeintlich) besondere Kosten etwa, stellt dies vielmehr eine haftungsrechtliche Fragestellung dar, deren Beantwortung sich nach Maßgabe der §§ 60, 92 Satz 2 InsO richtet.904) Festzuhalten bleibt demnach, dass das bestehende Regelungssystem den sich hin- 488 sichtlich der Auslagenerstattung stellenden Fragen bereits vollumfänglich gerecht wird.

II. Berufsrechtliche Regelungen und Stärkung der Aufsicht Die Einführung berufsrechtlicher Regelungen für Insolvenzverwalter wird schon 489 seit längerem und in der letzten Legislaturperiode besonders vor dem Hintergrund des Koalitionsvertrags von 2018905) sowie den berufsrechtlichen Vorgaben der Restrukturierungsrichtlinie906) intensiv diskutiert.907) Dabei wird mit Blick auf den der Restrukturierungsrichtlinie zu Grunde liegenden Erwägungsgrund (89) sogar deutlich, dass anknüpfend an die Vergütung zumindest nach Auffassung des europäischen Richtliniengebers durchaus regulatorische Zwecke verfolgt werden können. Dort heißt es nämlich, die Verwalter sollten Aufsichts- und Regulierungsmechanismen unterliegen, die wirksame Maßnahmen hinsichtlich der Rechenschaftspflicht der Verwalter, die ihren Pflichten nicht nachkommen, umfassen sollten, wie beispielsweise eine Kürzung der Vergütung des Verwalters.908) Die Richtlinie wurde vom deutschen Gesetzgeber zwar bereits mit Einführung des Sanierungs- und Insolvenzrechtsfort___________ 904) Zimmer, InsVV, § 8 Rn. 94. 905) Siehe Ziff. 6195 ff. des Koalitionsvertrages zwischen CDU, CSU und SPD, 19. Legislaturperiode, abrufbar unter https://www.bundesregierung.de/resource/blob/974430/847984/ 5b8bc23590d4cb2892b31c987ad672b7/2018-03-14-koalitionsvertrag-data.pdf?download=1, zuletzt abgerufen am 9.8.2023. 906) Siehe die Erwägungsgründe (87) bis (89) sowie Art. 26 und 27 der Richtlinie (EU) 2019/1023 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.6.2019 über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 (Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz), ABl. EU L 172/18 v. 26.6.2019, „Restrukturierungsrichtlinie“. 907) Siehe nur Thole, AnwBl 2020, 111; Cranshaw, NZI 2020, 143; Henssler, NZI 2020, 193; Vallender, ZIP 2019, 158; Römermann, ZIP 2018, 1757; Beck, FS Wimmer, S. 31.; Niering, Stellungnahme zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungsund Insolvenzrechts (SanInsFoG), abrufbar unter https://www.vid.de/stellungnahmen/ stellungnahme-von-dr-christoph-niering-vorsitzender-des-verbandes-insolvenzverwalterdeutschlands-e-v-vid-im-rahmen-der-sachverstaendigenanhoerung-im-rechtsausschuss-desdeutschen-bundestages-am-3/, zuletzt abgerufen am 9.8.2023; mit Blick auf den Insolvenzverwalterberuf in anderen europäischen Rechtsordnungen Thole, KTS 2018, 225. 908) Vgl. Erwägungsgrund (89) Restrukturierungsrichtlinie.

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§ 8 Alternative Lösungsmöglichkeiten

entwicklungsgesetzes (SanInsFoG)909) zumindest teilweise umgesetzt. Berufsrechtliche Vorgaben der Richtlinie für die Berufsgruppe der Insolvenzverwalter sind im Rahmen dieser Umsetzung allerdings noch nicht aufgegriffen worden.

490 An Hand des vergütungsrechtlichen Lösungsansatzes wurde deutlich, dass es zur Regelung der Auswirkung von Verfehlungen des Verwalters auf seinen Vergütungsanspruch per se nicht der Einführung eines Berufsrechts bedarf, sondern nicht zuletzt aus systematischen Gesichtspunkten vielmehr in der Insolvenzordnung selbst Neuregelungen anzustreben sind. Insbesondere ist eine pauschale Kürzungsmöglichkeit der Vergütung des Insolvenzverwalters bei Pflichtwidrigkeiten aus systematischen und dogmatischen Gründen abzulehnen. Sinnvoll erscheinen demgegenüber den Regelungsvorschlag des E § 63 Abs. 4 InsO begleitende berufsrechtliche Regelungen zur Verfolgung der bisher durch die Verwirkungskonstruktion angestrebten rechtspolitischen Ziele. Insofern sollen an dieser Stelle nicht sämtliche bei Einführung eines Berufsrechts für Insolvenzverwalter zu regelnde Aspekte thematisiert werden, sondern vielmehr sollen die im Hinblick auf eine Alternativlösung zur Verwirkungskonstruktion indizierten berufsrechtlichen Maßnahmen den Kern der Überlegungen de lege ferenda bilden.

491 Zunächst ist zu konstatieren, dass der aufgezeigte Regelungsvorschlag und auch die diesem zu Grunde liegenden rechtspolitischen Erwägungen unabhängig von der jeweiligen Fallgruppe grundsätzlich von der Annahme geprägt sind, dass Verfehlungen des Insolvenzverwalters noch vor Beendigung des Insolvenzverfahrens bekannt werden. Die Entdeckung von Verfehlungen ist nicht nur mit Blick auf eine etwaige Kürzung der Vergütung innerhalb der nicht tätigkeitsbezogenen Fallgruppe wesentlich, sondern auch Grundlage der zur Präventionswirkung des zivilrechtlichen Haftungsregimes und strafrechtlicher Sanktionen gefundenen Ergebnisse im Rahmen der tätigkeitsbezogenen Fallgruppe. Nur dann, wenn Verfehlungen des Verwalters aufgedeckt werden, kann ein neuer Verwalter bestellt werden und dieser sodann entsprechende Einwendungen dem Vergütungsanspruch des entlassenen Verwalters entgegengehalten. Insofern ist auch das bereits in der Insolvenzordnung vorgesehene Regelwerk hinsichtlich etwaiger Pflichtwidrigkeiten des Verwalters von ihrer vorherigen Aufdeckung abhängig. Denn auch die insolvenzrechtliche Haftung kann ihre Wirkung nur bei Bekanntwerden der jeweiligen Verfehlung entfalten. Mit Blick auf strafrechtliche Sanktionen ist die Aufklärung von Verfehlungen dabei sogar besonders zentral, da neben der Härte der zu erwartenden Sanktion vor allem die Entdeckungs- bzw. Bestrafungswahrscheinlichkeit entscheidend dafür ist, welches Maß an subjektiver Abschreckungswirkung dem jeweiligen Straftatbestand individuell zukommt,910) sodass bereits die Erhöhung des Entdeckungsrisikos aufgrund der ___________ 909) Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG) vom 22. Dezember 2020 (BGBl. I S. 3256). 910) Schneider/Meier, Handbuch der Kriminologie, Bd. 1, S. 971, 999 f.; Hirsch/Bottoms/Burney/ Wikström, Criminal Deterrence and Sentencing Severity, S. 5.

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B. Regelungsvorschlag

damit verbundenen Präventionswirkung einen wesentlichen Beitrag zu einer ordnungsgemäßen Verwaltung leisten kann. Um die insoweit aus Präventionsaspekten aber auch zum Zwecke der Durchsetzung bestehender Regelungsregime dringend notwendige Aufdeckung von Verfehlungen des Verwalters zu gewährleisten, bietet es sich an, außerhalb der Insolvenzordnung Regelungskonzepte zu implementieren, die sowohl die Aufsicht über den Verwalter stärken als auch eine transparente Amtsführung gewährleisten. Neben die während des Insolvenzverfahrens wesentlichen Faktoren von Aufsicht 492 und Transparenz tritt als weiterer eigenständiger von einem Berufsrecht zu adressierender Aspekt ein qualitätssichernder Bestellungsprozess und damit die Prävention von Fehlverhalten hinzu. Wesentliches Regelungsziel sollte dabei sein, einerseits den Insolvenzgerichten einen möglichst umfassenden Informationszugang über die Person des Verwalteraspiranten zu ermöglichen und andererseits aber auch zu konkretisieren, welche Anforderungen an die Ehrlichkeit und Redlichkeit des Bewerbers bereits im Hinblick auf das Auswahlverfahren zu stellen sind. Durch ein die Vergütungsregelungen flankierendes Berufsrecht können im Ergebnis 493 die mit der Verwirkungsrechtsprechung verfolgten rechtspolitischen Ziele von Prävention und Sanktion aber auch einer damit verbundenen Entlastung der Insolvenzgerichte in ein für solche Zwecke vorgesehenes Regelungswerk umgesetzt werden. Neben der Auflösung des aufgezeigten verfassungsrechtlichen Konflikts zwischen der richterrechtlichen Verwirkungskonstruktion und der durch Art. 12 GG geschützten Berufsfreiheit hat dies mit Blick auf die Praxis insbesondere auch den Vorteil, dass eine klare und differenzierte Regelung der neben den rein insolvenzspezifischen Pflichten des Verwalters bestehenden berufsrechtlichen Pflichten möglich wird.

1.

Aufklärung von tätigkeitsbezogenem Fehlverhalten

Geht es darum, pflichtwidrige möglicherweise sogar strafbare Verhaltensweisen des 494 Verwalters konkret in dem jeweiligen Insolvenzverfahren möglichst frühzeitig und nicht erst im Rahmen der Prüfung der Schlussrechnung aufzudecken, gilt es, die gerichtliche Aufsicht über den Verwalter sowie die Überwachung des Verwalters durch die Gläubiger in den Blick zu nehmen.911) Dabei ist die Erkenntnis, dass die Beaufsichtigung maßgeblich dafür ist, ob Pflichtverletzungen des Verwalters verhindert und ermittelt werden können, nicht neu.912) Anschauliches Beispiel hierfür ist eine vom Bundesgerichtshof im Hinblick auf Pflichtwidrigkeiten des Gläubigerausschusses entschiedene Sachverhaltskonstellation. Dort hatte der Insolvenzverwalter – sogar in mehreren Verfahren – Gelder aus der Insolvenzmasse für eigene ___________ 911) So kritisiert auch Vallender den Mangel an frühzeitigen Aufklärungsmöglichkeiten von Untreuehandlungen Vallender, NZI 2017, 641, 645; Ebke/Saegon/Blatz/Vallender, Berufsstand des Insolvenzverwalters, S. 105, 117. 912) Siehe bereits Levy, KuT 1927, 170 f.

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§ 8 Alternative Lösungsmöglichkeiten

Zwecke entnommen, sodass er in der Folge durch Strafurteil wegen Untreue in 106 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt wurde.913) Der IX. Senat des Bundesgerichtshofs führt hinsichtlich der Bedeutung der Tätigkeit des Gläubigerausschusses für die Untreuetat im konkreten Verfahren vor diesem Hintergrund sogar aus, dass die im Ergebnis als pflichtwidrig zu bewertende verzögerte Aufnahme der Kassenprüfung durch den Gläubigerausschuss und die geringe Prüfungsintensität kausal für diese Untreuehandlungen des Verwalters waren.914) Deutlich wird hieran also unmittelbar, welche Bedeutung den Gläubigerorganen, insbesondere dem Gläubigerausschuss, für die Aufklärung von pflichtwidrigen oder gar kriminellen Verhaltensweisen des Verwalters beizumessen ist. Gleiches gilt aber auch für die Bedeutung der Aufsicht des Gerichts über den Insolvenzverwalter. Denn Untreuehandlungen von Insolvenzverwaltern werden bisweilen ebenfalls als unmittelbare Folge einer defizitären gerichtlichen Aufsicht eingeordnet.915)

495 Zwar darf zugegebenermaßen aus solchen Fällen nicht darauf geschlossen werden, dass sich von derart erheblicher krimineller Energie geprägte Verhaltensweisen bei pflichtgemäßer Überwachung des Verwalters durch Gericht und Gläubiger stets vollständig verhindern lassen würden. Immerhin aber kann durch aufsichtsrechtliche Maßnahmen ihre Aufdeckung gefördert werden und eine damit verbundene Steigerung des Entdeckungsrisikos gleichzeitig auch präventive Effekte entfalten. Insgesamt sind Maßnahmen, die zu einer gesteigerten Überwachung des Verwalters beitragen also durchaus sinnvoll und nützlich. Grundlegend wird einer effektiven Beaufsichtigung und Überwachung daher auch eine wesentliche Rolle für das Vertrauen in eine qualitativ hochwertige Verwaltung beizumessen sein.916)

496 Konkret bietet es sich zu diesem Zweck zum einen an, die Transparenz der Verfahrensführung zu steigern,917) und zum anderen, die Aufsicht zu intensivieren. Dazu erscheint es zwar nicht notwendig, die grundlegende Konzeption der Beaufsichtigung des Verwalters durch Gericht und Gläubiger über Bord zu werfen, wohl aber die Mittel und Wege der Aufsicht zu verbessern und zu modernisieren, um im Ergebnis eine intensive aber zugleich effizient umsetzbare Überwachung gewährleisten zu können. Besonders gilt dies vor dem Hintergrund, dass die Insolvenzgerichte durch die Vielzahl von Verfahren mit der Überwachung des Verwalters regelmäßig bereits ohnehin überlastet sein dürften.918) Für eine insoweit notwendige Effektivierung der Aufsicht sind in Zeiten der auch in der Justiz voranschreitenden Digi___________ 913) 914) 915) 916) 917)

BGH, Urt. v. 25.6.2015 – IX ZR 142/13, NZI 2015, 799. BGH, Urt. v. 25.6.2015 – IX ZR 142/13, NZI 2015, 799 Rn. 16 ff. Vallender, NZI 2017, 641, 644; Frind, ZInsO 2008, 18, 20 f. Paulus/Dammann/Veder, European Preventive Restructuring, Art. 26, mn. 3. So auch der Ansatz in den „Empfehlungen der „Uhlenbruck-Kommission“ zur Vorauswahl und Bestellung von InsolvenzverwalterInnen sowie Transparenz, Aufsicht und Kontrolle im Insolvenzverfahren“, ZIP 2007, 1432, 1434. 918) Frind, ZInsO 2006, 182; Mohrbutter/Ringstmeier/Meyer/Voigt-Salus/Pape, Kap. 22 Rn. 34.

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B. Regelungsvorschlag

talisierung insbesondere technische, digitale Möglichkeiten zur Rationalisierung der Aufsicht sowie der Transparenzsteigerung des Verfahrens in den Blick zu nehmen. Bereits seit längerem wird daher auch die Möglichkeit der Online-Kontoeinsicht über die vom Verwalter eingerichteten Sonderkonten vorgeschlagen.919) Zu überprüfen wäre dadurch bereits, ob der Verwalter für jedes Verfahren ein gesondertes Treuhandkonto eingerichtet hat.920) Weiterhin kann durch digitale Möglichkeiten der Überwachung auch der tatsächliche Prüfungsaufwand reduziert werden. Beispielsweise würde für den Gläubigerausschuss besonders die Prüfung des Geldverkehrs zum einen rein praktisch wesentlich vereinfacht und zum anderen auch unabhängig von der physischen Anwesenheit der Gläubiger möglich.921) Das Insolvenzgericht könnte die Tätigkeit des Verwalters bereits vor Schlussrechnungsprüfung einfacher nachvollziehen und gegebenenfalls gesonderte Prüfungsschritte vornehmen oder einen Sonderverwalter einsetzen, um potenziell pflichtwidrige Vermögensverschiebungen aufzudecken. Eine Online-Kontoeinsicht würde den Verfahrensbeteiligten insoweit ein manuelles Monitoring des Kontos ermöglichen. Anbieten kann es sich zu diesem Zweck daher auch, Software zu einem automatischen Monitoring der Konten einzusetzen, um den manuellen Überwachungsaufwand zu minimieren. Derartige technische Mittel zur Überwachung von Zahlungsströmen sind in der Praxis bereits etabliert. Im Rahmen der Bekämpfung von Geldwäsche werden die nach dem Geldwäschegesetz verpflichteten Kreditinstitute von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht beispielsweise auch auf den Einsatz einer geeigneten Software verwiesen, die dazu beiträgt, Auffälligkeiten und Abweichungen zu erkennen, um so strafbare Handlungen leichter aufdecken zu können.922) Insgesamt kann so durch nur geringfügige Anpassungen einerseits die Transparenz 497 der Geschäftsführung erhöht und andererseits die Aufsicht intensiviert werden, ohne den Verwaltungsaufwand der Überwachung über Gebühr zu steigern oder den Verwalter zu sehr in seiner unabhängigen Verfahrensführung zu beeinflussen.923) ___________ 919) Frind, ZInsO 2006, 182, 186; Empfehlungen der „Uhlenbruck-Kommission“, ZIP 2007, 1432, 1435; siehe zum Ansatz einer Online-Kontrolle des Massekontos ausführlich auch Rechel, Die Aufsicht des Insolvenzgerichts, S. 446 ff. 920) Vallender, ZIP 2019, 158, 160; zur Notwendigkeit gesonderter Treuhandkonten siehe „Kölner Leitlinien“, ZInsO 2017, 637, 640 Nr. 4. 921) So weist auch Haarmeyer mit Recht daraufhin, dass immer mehr Gläubiger über Deutschland, Europa oder sogar weltweit verteilt sind, sodass ein physisches Zusammenkommen regelmäßig mit einem erheblichen Aufwand verbunden sein und daher abschreckend hinsichtlich einer Beteiligung wirken wird, Haarmeyer, FS Graf-Schlicker, S. 277, 279. 922) BaFin Auslegungs- und Anwendungshinweise gemäß § 51 Abs. 8 GwG, Besonderer Teil: Kreditinstitute, Stand: Juni 2021, S. 14 ff., abrufbar unter: https://www.bafin.de/SharedDocs/ Downloads/DE/Auslegungsentscheidung/dl_ae_aua_bt_ki_gw.pdf?__blob=publicationFile&v=7, zuletzt abgerufen am 9.8.2023; siehe dazu auch Fischer/Schulte-Mattler/Achtelik, KWG, § 25h Rn. 10 ff. 923) So auch Rechel, Die Aufsicht des Insolvenzgerichts, S. 449 f., 459 f.

221

§ 8 Alternative Lösungsmöglichkeiten

2.

Aufklärung von nicht tätigkeitsbezogenem Fehlverhalten

498 Hinsichtlich der Aufklärung von nicht tätigkeitsbezogenem Fehlverhalten, das an den Beststellungsprozess anknüpft, ist weniger die Transparenz der konkreten Verfahrensführung entscheidend, als vielmehr der Zugang zu Informationen über den jeweiligen Verwalteraspiranten im Vorfeld des Verfahrens. Denn nur dann, wenn das Gericht über mögliches Fehlverhalten des Verwalters im Bilde ist, kann es weitere aufsichtsrechtliche Schritte einleiten und den Verwalter gegebenenfalls auch entlassen.

499 Zentral dürften insoweit der Informationszugang und die Überprüfbarkeit der Angaben des Bewerbers sein. Zwar ist das Insolvenzgericht nicht an die Auskünfte des Bewerbers gebunden und kann auch weitergehende eigene Ermittlungen anstellen, um die Validität der Angaben zu ermitteln.924) Insbesondere Verfehlungen des Verwalters in anderen Verfahren können von grundlegender Bedeutung für die Qualität der Verfahrensführung sein, sodass diese nicht unberücksichtigt bleiben dürfen. Allerdings ist von dem Insolvenzgericht nicht zu erwarten, jegliche die Person des Verwalters betreffenden Umstände, wie beispielsweise auch das (un)berechtigte Führen eines akademischen Titels oder potenzielle Verfehlungen in anderen Verfahren, zu überprüfen und sogar dahingehende Nachforschungen anzustellen. Wesentlich wird im Hinblick auf eine Neuregelung daher sein, dass einerseits vor allem der Informationszugang möglichst effizient ausgestaltet ist und andererseits die Informationen über die Person des Verwalteraspiranten auch möglichst aktuell und umfassend zur Verfügung stehen. Zum Zwecke eines möglichst umfassenden Informationszugangs ist es daher zunächst notwendig, den Informationsaustausch zwischen den Insolvenzgerichten zu gewährleisten. Vielfach wird nämlich insbesondere im Hinblick auf Fehlverhalten des Insolvenzverwalters der nur beschränkte Erfahrungsaustausch innerhalb der Insolvenzgerichte und besonders auch zwischen den Insolvenzgerichten bemängelt.925) Einerseits ist ein solcher Austausch bereits aus präventiven Gesichtspunkten wichtig und sinnvoll.926) Tauschen sich die Gerichte nämlich beispielsweise über schwerwiegende Pflichtverletzungen des Verwalters aus, nimmt die Notwendigkeit eigenständiger Auskünfte durch den Insolvenzverwalter einen geringeren Stellenwert ein. Andererseits wird so auch während des Verfahrens die Überprüfbarkeit der Angaben des Verwalters ermöglicht, um unwahre Angaben des Verwalters zumindest noch nachträglich aufdecken zu können und entsprechende Konsequenzen zu ziehen. Neben dem innergerichtlichen Austausch zwischen den Insolvenzgerichten ist daher auch eine interdisziplinäre Kommunika___________ 924) Bork/Thole/Bork, Die Verwalterauswahl, Rn. 143; K/P/B/Lüke, InsO, § 56 Rn. 23. 925) Brzoza, NZI 2021, 513, 515; Pollmächer/Siemon, NZI 2017, 93, 96; Frind, ZInsO 2011, 30; Kölner Schrift (2. Aufl.)/Mönning, S. 375 Rn. 41 ff. 926) Siehe zum Aspekt der Prävention sogleich noch unten Rn. 502 ff.

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B. Regelungsvorschlag

tion von entscheidender Bedeutung.927) Spätestens dann, wenn ein Verwalter aufgrund von Straftaten mit unmittelbarem Bezug zur Ausübung seiner Tätigkeit als Insolvenzverwalter – dies betrifft Vermögensdelikte des Verwalters ebenso wie den Missbrauch eines Titels im Zusammenhang mit der Bestellung zum Verwalter – durch ein Strafgericht verurteilt wird, muss es möglich sein, dass sämtliche Insolvenzgerichte Kenntnis hiervon erlangen. Entsprechendes wäre auch in Fällen der zivilprozessualen Klärung der Haftung des Verwalters für insolvenzspezifische Pflichtverletzungen denkbar. Derartige Mitteilungspflichten ließen sich regulatorisch durch eine Anpassung der Anordnung über Mitteilungen in Strafsachen (MiStra) sowie in Zivilsachen (MiZi) erreichen.928) Zur praktischen Umsetzung eines solch umfassenden Informationsaustausches 500 würde sich die im Zusammenhang mit der Auswahl des Verwalters vielfach diskutierte Einführung einer zentralen bundeseinheitlichen (Vorauswahl-)Liste bzw. Datenbank für Insolvenzverwalter anbieten.929) In einer solchen Liste könnten nämlich über die formellen Angaben zur Person und materiellen Qualitätskriterien hinaus auch „Negativkriterien“ wie Straftaten, pflichtwidrigkeitsindizierte Entlassungen und Haftungsfälle vermerkt werden. Für sämtliche Insolvenzgerichte wäre es so unproblematisch möglich, auch Verfehlungen des jeweiligen Verwalters bzw. Bewerbers in anderen Verfahren zu überblicken. Eine zentrale Liste mindert zudem auch den mit Einzellisten verbundenen Verwaltungsaufwand und schafft einheitliche Maßstäbe. Um den Informationsaustausch dabei möglichst effizient und ohne zeitliche Verzögerung zu gestalten, gilt es sich auch an dieser Stelle die Möglichkeiten der Digitalisierung zu Nutze zu machen. Anbieten würde es sich daher, eine Liste oder Datenbank elektronisch auszugestalten und online zugänglich zu machen. Möglich erschiene es in dem Fall auch, dass die Insolvenzgerichte bei bestimmten, für sie relevanten Eintragungen – wie beispielsweise für die in ihrem Zuständigkeitsbereich tätigen Verwalter – automatisch benachrichtigt würden, was eine zusätzliche Entlastung bedeuten würde. Denn vor dem Hintergrund der Notwendigkeit aufsichtsrechtlicher Schritte auch bei Verfehlungen des Verwalters in anderen Verfahren ist es wesentlich, dass das Gericht nicht nur bei der Auswahl, sondern auch während ___________ 927) Eckert/Berner, ZInsO 2005, 1130, 1133; Frind, ZInsO 2006, 182, 186. 928) Brzoza, NZI 2021, 513, 517; Cranshaw, NZI 2020, 143, 148; Eckert/Berner, ZInsO 2005, 1130, 1133 f.; Rechel, Die Aufsicht des Insolvenzgerichts, S. 423; Gemeinsames Eckpunktepapier des BAKinsO e. V., der NIVD e. V. und des VID e. V. vom 25.11.2019, abrufbar unter https://www.vid.de/initiativen/reformbedarf-im-berufsrecht-der-insolvenzverwalter-gemeinsameseckpunktepapier-des-bakinso-e-v-der-nivd-e-v-und-des-vid-e-v/, zuletzt abgerufen am 9.8.2023. 929) Gemeinsames Eckpunktepapier des BAKinsO e. V., der NIVD e. V. und des VID e. V. vom 25.11.2019, abrufbar unter https://www.vid.de/initiativen/reformbedarf-im-berufsrecht-derinsolvenzverwalter-gemeinsames-eckpunktepapier-des-bakinso-e-v-der-nivd-e-v-und-des-vid-e-v/, zuletzt abgerufen am 9.8.2023; dazu Thole, AnwBl 2020, 111, 112; siehe auch Cranshaw, NZI 2020, 143, 148; Brzoza, NZI 2021, 513, 515; Pollmächer/Siemon, NZI 2017, 93, 95; Frind, ZInsO 2017, 2146, 2148.

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§ 8 Alternative Lösungsmöglichkeiten

Verfahrensführung stets über die insoweit relevanten Informationen über den Verwalter verfügt.

501 Durch eine entsprechende gesetzliche Regelung könnten dabei auch mit Blick auf das Recht des Verwalters auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG und den Schutz seiner beruflichen Tätigkeit nach Art. 12 GG bisher bestehende Unklarheiten ob der Zulässigkeit einer Übermittlung von personenbezogenen Daten durch die Gerichte beseitigt werden.930) Denn eine Übermittlung durch die Gerichte ist nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 EGGVG ausdrücklich in dem Fall zulässig, dass eine besondere Rechtsvorschrift dies vorsieht.

3.

Prävention durch Pflichtangaben bei Bestellung und Berufszulassungsregelungen

502 Zwar werden sich insbesondere strafrechtlich relevante individuelle Verfehlungen des Insolvenzverwalters nur in beschränktem Maß durch Zulassungsregelungen oder eine anderweitige Reglementierung bereits vorgreiflich verhindern lassen.931) Durch eine einheitliche Liste ließe sich aber immerhin verhindern, dass offensichtlich ungeeignete Bewerber überhaupt erst zum Insolvenzverwalter bestellt werden. Insbesondere dann nämlich, wenn die Liste durch Austausch zwischen den Gerichten stets aktuell gehalten wird, gehen aus ihr unmittelbar Bestellungshindernisse, wie Straftaten oder Pflichtverletzungen hervor. Insofern stellt eine zentrale bundeseinheitliche Liste weiterhin auch ein zu Präventionszwecken geeignetes Instrument berufsrechtlicher Regelungen dar. Beispielsweise ist es in der Praxis schon vorgekommen, dass mangels Kenntnis des Gerichts über die Vorstrafen eines Bewerbers dieser dennoch zum vorläufigen und sodann Verwalter des eröffneten Verfahrens bestellt wurde, woraufhin dieser in der Zeit seiner Verwaltung 370.000 € aus der Masse veruntreute.932) Dem ließe sich durch eine Liste insoweit entgegenwirken, dass bei Eintragung der Vorstrafen in eine zentrale Datenbank der Verwalter wahrscheinlich schon nicht bestellt worden wäre oder das Gericht die Veruntreuung zumindest durch eine gesteigerte Überwachung des Verwalters hätte verhindern können.

503 Bei solchen Extremfällen sollte neben der Möglichkeit der Eintragung von „Negativkriterien“ zudem als weiterer Schritt auch die Streichung von der Liste, mithin ein Delisting, als Folgesanktion in Erwägung gezogen werden. Eine Streichung ___________ 930) Umstritten ist insofern insbesondere, inwiefern die gerichtliche Übermittlung einer DelistingEntscheidung zulässig ist, siehe dazu ausführlich Bork/Thole/Bork, Die Verwalterauswahl, Rn. 169 ff.; siehe auch Rechel, Die Aufsicht des Insolvenzgerichts, S. 194 f. 931) Thole, AnwBl 2020, 111, 113. 932) Siehe BGH, Beschl. v. 31.1.2008 – III ZR 161/07, NZI 2008, 241 Rn. 6; dazu auch Frind, ZInsO 2008, 18.

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B. Regelungsvorschlag

und damit der gänzliche Entzug der Möglichkeit der Bestellung zum Insolvenzverwalter sollte in jedem Fall dann in Betracht kommen, wenn der Insolvenzverwalter – wie im geschilderten Fall – rechtskräftig wegen einer Straftat im Sachzusammenhang mit seiner Tätigkeit als Insolvenzverwalter verurteilt wird.933) Eine solche an die strafrechtliche Verurteilung geknüpfte Folgesanktion dürfte gleichzeitig auch zu einer Steigerung der Präventionswirkung der jeweiligen strafrechtlichen Vorschrift führen. Mit Blick auf den grundrechtlichen Schutz der Berufsausübung durch Art. 12 Abs. 1 GG sind die Grenzen der Ausschlussmöglichkeit allerdings eng gesteckt. Ein Vermögensverfall des Verwalters sollte daher nicht grundsätzlich zu einer Streichung führen, wohl aber als ein „Negativumstand“ in der Liste zu vermerken sein.934) Denn besonders in Situationen einer persönlichen wirtschaftlichen Notlage dürfte ein gesteigertes Risiko von Straftaten zu Lasten der Insolvenzmasse zu befürchten sein.935) Ergänzend zu einer bundeseinheitlichen Liste gilt es, die bereits in der Praxis re- 504 gelmäßig verwendeten Fragebögen der Insolvenzgerichte insoweit gesetzlich zu regulieren, dass der Verwalteraspirant bei Bestellung zu einer wahrheitsgemäßen Antwort auf konkrete Fragen des Insolvenzgerichts verpflichtet wird. Als Maßstab der Fragemöglichkeiten des Insolvenzgerichts könnten die in § 6 Abs. 2 GmbHG geregelten Ausschlussgründe für die Berufung in das Geschäftsführeramt herangezogen werden.936) Zu einem Ausschluss führen danach unter anderem Verurteilungen zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr wegen Betruges oder Untreue. Dies trägt zum einen dazu bei, ungeeignete Verwalter von der Bestellung auszuschließen und gleichzeitig in der Liste zu vermerkende „Negativtatsachen“ zu ermitteln. Zum anderen wäre dem Verwalter bei Missachtung dieser Pflicht der Vorwurf eines pflichtwidrigen Verhaltens hinsichtlich der Bestellung zu machen, was die Ersatzpflicht im Sinne des E § 63 Abs. 4 Satz 2 InsO auslösen würde. Vorteil einer entsprechenden berufsrechtlichen Regelung der Reichweite einer Fragemöglichkeit des Gerichts und einer Auskunftsverpflichtung des Verwalteraspiranten ist dabei überdies, die mit der eigenständigen Auskunftsverpflichtung im Rahmen der Verwirkungskonstruktion erstrebten rechtspolitischen Ziele effektiver umsetzen ___________ 933) Cranshaw, NZI 2020, 143, 148; Empfehlungen der „Uhlenbruck-Kommission“, ZIP 2007, 1432, 1435. 934) Anders Cranshaw, NZI 2020, 143, 148; Gemeinsames Eckpunktepapier des BAKinsO e. V., der NIVD e. V. und des VID e. V. vom 25.11.2019, abrufbar unter https://www.vid.de/ initiativen/reformbedarf-im-berufsrecht-der-insolvenzverwalter-gemeinsames-eckpunktepapierdes-bakinso-e-v-der-nivd-e-v-und-des-vid-e-v/, zuletzt abgerufen am 9.8.2023. 935) Rechel, Die Aufsicht des Insolvenzgerichts, S. 423; entsprechende Erklärungen werden daher bereits auch bisher regelmäßig in den Fragebögen der Gerichte verlangt, siehe so auch im Fragebogen des Amtsgerichts München bei Bewerbung zur Aufnahme in die Vorauswahlliste, ZInsO 2009, 421, 429. 936) Cranshaw, NZI 2020, 143, 147.

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§ 8 Alternative Lösungsmöglichkeiten

zu können. Im Vergleich zu einer Offenbarungspflicht stellt sich ein solcher Lösungsansatz in der praktischen Umsetzung vor allem insoweit vorteilhaft dar, dass konkrete Fragestellungen durch den Verwalter ohne eigenständige Subsumptionsleistung eines Sachverhalts unter offene Tatbestandsmerkmale beantwortet werden können. Gleichzeitig würde durch eine gesetzliche Regelung auch der grundrechtliche Schutz der beruflichen Tätigkeit als Insolvenzverwalter nicht übergangen.

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§ 9 Wesentliche Ergebnisse und Thesen der Arbeit 1. Die Regelung des § 654 BGB ist als Sondertatbestand keiner erweiterten An- 505 wendung als allgemeiner Rechtsgedanke zugänglich. Daher ist es aus dogmatischer Sicht nicht konsistent, die Verwirkung des Vergütungsanspruchs des Insolvenzverwalters unter Verweis auf einen vermeintlich in § 654 BGB enthaltenen Rechtsgedanken zu begründen. 2. Die Übertragbarkeit eines in § 654 BGB gesehenen Rechtsgedankens auf andere Rechtsverhältnisse setzt überdies deren Prägung durch eine besondere Treuepflicht des Dienstverpflichteten voraus. Eine solche besondere Treuepflicht im Sinne des Rechtsgedankens besteht seitens des Insolvenzverwalters allerdings weder gegenüber den Gläubigern oder dem Schuldner noch gegenüber dem Insolvenzgericht. Erst recht kann eine solche besondere Treuepflicht nicht bereits vor Verfahrensbeginn und Bestellung zum Verwalter bestehen. Auch aus diesem Grund ist die Rechtsprechung zur Verwirkung der Vergütung des Insolvenzverwalters nicht überzeugend. 3. Die Verwirkungskonstruktion der Rechtsprechung knüpft an das Tatbestandsmerkmal eines „Treuebruchs“ an, das sich in seiner inhaltlichen Ausgestaltung je nach Fallgruppe unterscheidet. Zu differenzieren ist insofern zwischen einem tätigkeitsbezogenen Treuebruch und einem Treuebruch ohne konkreten Bezug zur Tätigkeit im Rahmen des Verfahrens. Das Tatbestandsmerkmal des „Treuebruchs“ stellt jedoch in beiden Fällen nur eine begriffliche Hülle dar, die nicht die Verletzung einer besonderen Treuepflicht im eigentlichen Sinn des Rechtsgedankens des § 654 BGB beschreibt, sondern maßgeblich den Vorwurf einer mangelnden persönlichen wie auch charakterlichen Eignung des Verwalters zum Gegenstand hat. 4. Gemessen an der dem Insolvenzgericht nach der allgemeinen und insbesondere nach der insolvenzrechtlichen Systematik zugewiesenen Aufgabe im Rahmen des Vergütungsfestsetzungsverfahrens, kommt dem Gericht keine Kompetenz zur Prüfung und Anwendung des materiell-rechtlichen Verwirkungstatbestands nach dem Rechtsgedanken des § 654 BGB zu. 5. Die Verwirkungsrechtsprechung des IX. Senats des Bundesgerichtshofs ist hinsichtlich der Offenbarungspflicht des Insolvenzverwalters von schweren Pflichtverletzungen in anderen Verfahren im Vorfeld des Insolvenzverfahrens als verfassungswidrig einzuordnen. Zum einen sind bereits die Grenzen zulässiger richterlicher Rechtsfortbildung überschritten. Zum anderen geht mit der Offenbarungspflicht auch eine generelle Beschränkung des Zugangs zum Beruf als Insolvenzverwalter einher. Dies stellt einen besonders intensiven Eingriff in die von Art. 12 GG garantierten Freiheiten dar, der nicht mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu vereinbaren ist.

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§ 9 Wesentliche Ergebnisse und Thesen der Arbeit

6. Die Rechtsprechung zur Verwirkung der Vergütung des Insolvenzverwalters lässt sich vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Anknüpfung eines Treuebruchs in zwei Fallgruppen unterteilen. Der ersten Fallgruppe sind diejenigen Sachverhaltskonstellationen zuzuordnen, bei der sich der Vorwurf eines verwirkungsrelevanten Verhaltens auf die Tätigkeit des Verwalters während des Insolvenzverfahrens bezieht. Die zweite Fallgruppe hingegen umfasst diejenigen Konstellationen, bei der der verwirkungsrelevante Vorwurf an eine Pflichtwidrigkeit des Verwalters ohne konkreten Bezug zur Tätigkeit im Verfahren geknüpft ist. 7. Die an tätigkeitsbezogene Verfehlungen des Insolvenzverwalters anknüpfende Vergütungsverwirkung führt aufgrund der parallelen persönlichen Haftung des Insolvenzverwalters zu einem Interessenkonflikt zwischen potenziellen Schadensersatzgläubigern. Die von der Verwirkung innerhalb dieser ersten Fallgruppe ausgehende Präventionswirkung zur Vermeidung von Pflichtwidrigkeiten ist im Ergebnis aufgrund der parallelen persönlichen Haftung des Verwalters und potenziellen strafrechtlichen Sanktionen als gering einzuschätzen. Gleichzeitig können über die persönliche Haftung des Verwalters aus tätigkeitsbezogenen Pflichtwidrigkeiten resultierende Schäden kompensiert werden. Insofern ist die Verwirkungskonstruktion im Hinblick auf die erste Fallgruppe entbehrlich. 8. Im Gegensatz zur ersten Fallgruppe bieten die der zweiten (nicht tätigkeitsbezogenen) Fallgruppe zuzuordnenden Verfehlungen des Insolvenzverwalters keinen Anknüpfungspunkt für eine zivilrechtliche Haftung, sodass eine Kompensation etwaiger Schäden ausbleibt. Weiterhin entfällt die von einer parallel anknüpfenden Schadensersatzhaftung im Allgemeinen ausgehende präventive Steuerungsfunktion zivilrechtlicher Haftung. Auch die prinzipiell von strafrechtlichen Sanktionen ausgehende Präventionswirkung ist als gering einzuschätzen. Für der zweiten Fallgruppe zuzuordnende Sachverhaltskonstellationen bietet sich daher die Implementierung einer Regelung an, die über einen Abschlag von der Vergütung des Insolvenzverwalters eine Kompensation durch Verfehlungen des Verwalters entstandener Schäden ermöglicht. Insbesondere resultiert hieraus im Gegensatz zur ersten Fallgruppe kein Interessenkonflikt zwischen verschiedenen Verfahrensbeteiligten. 9. Schließlich empfiehlt sich über entsprechende vergütungsrechtliche Regelungen hinaus die Einführung berufsrechtlicher Regelungen, die die Aufsicht über den Verwalter stärken und rationalisieren. Dazu ist es essentiell, den Informationsaustausch und Informationszugang der Insolvenzgerichte zu verbessern und insbesondere durch digitale Prozesse zu vereinfachen.

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333 ff. 79 ff., 123 ff.,

Fallgruppen der Verwirkung

Strafbarkeit 389 ff.

Gesetzlicher Richter Art. 101 GG Haftung des Insolvenzverwalters

271 ff. 395 ff.,

423 ff.

Neuregelung 451 ff. Normverständnis § 654 BGB 76 ff., 83 ff., 89 ff., 117 ff. Nicht tätigkeitsbezogener Treuebruch 202 ff., 227 ff. Offenbarungspflicht

Rechtsstellung des Insolvenzverwalters 151 ff. Rückforderung der Vergütung 313 ff.

64 ff., 232 ff., 361 ff.

291 ff. Subjektive Vorwerfbarkeit 239 ff.

Tätigkeitsbezogener Treuebruch

214 ff.,

225 ff. Treuepflichtverletzung 212 ff. Treuhandverhältnis 131 ff.

Vergütungsanspruch 6 ff. Vergütungsfestsetzung 11ff., 257 ff., 282 ff. Vergütungskürzung 21 ff. Vertrauensverhältnis 177 ff., 183 ff., 195 ff. Verwirkungstatbestand 31 f., 71

Rechtsfolgen der Verwirkung 72 ff. Rechtsgedanke 79 ff., 88, 100 ff.

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