Die aktienrechtliche Entlastung – de lege lata/de lege ferenda [1 ed.] 9783428588428, 9783428188420

Die auf der Hauptversammlung der Bayer AG im Jahr 2019 verweigerte Entlastung gegenüber dem gesamten Vorstand sorgte für

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Die aktienrechtliche Entlastung – de lege lata/de lege ferenda [1 ed.]
 9783428588428, 9783428188420

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Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Band 215

Die aktienrechtliche Entlastung – de lege lata/de lege ferenda Von

Peter Siemens

Duncker & Humblot · Berlin

PETER SIEMENS

Die aktienrechtliche Entlastung – de lege lata/de lege ferenda

Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Herausgegeben von Professor Dr. Holger Fleischer, LL.M., Hamburg Professor Dr. Hanno Merkt, LL.M., Freiburg Professor Dr. Gerald Spindler, Göttingen

Band 215

Die aktienrechtliche Entlastung – de lege lata/de lege ferenda Von

Peter Siemens

Duncker & Humblot · Berlin

Die juristische Fakultät der Johann Wolfgang Goethe-Universität hat diese Arbeit im Jahr 2022 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2023 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Satz: TextFormA(r)t, Daniela Weiland, Göttingen Druck: CPI Books GmbH, Leck Printed in Germany ISSN 1614-7626 ISBN 978-3-428-18842-0 (Print) ISBN 978-3-428-58842-8 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die juristische Fakultät der Johann Wolfgang Goethe-Universität hat diese Arbeit im September 2022 als Dissertation angenommen. Fertiggestellt wurde sie im Frühjahr 2022. An dem Gelingen des Vorhabens hat meine Doktormutter, Frau Prof. Dr. Julia Redenius-Hövermann, LL.M., einen großen Anteil. Sie hat nicht nur das Thema meiner Arbeit angeregt, sondern stand auch stets mit bestem Rat zum Austausch zur Verfügung. Darüber hinaus durfte ich den Aufbau des neu gegründeten Corporate Governance Institute (CGI) an der Frankfurt School of Finance & Management unter ihrer Leitung begleiten. Dies gewährte mir spannende und praxisrelevante Einblicke in das Gesellschaftsrecht und erlaubte daneben, mehrere gemeinsame Aufsätze zu veröffentlichen. Für all dies bin ich ihr sehr denkbar. Ich werde die spannende und lehrreiche Zeit in bester Erinnerung behalten. Bedanken möchte ich mich weiterhin bei Herrn Prof. Dr. Dr. Alexander Morell für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens und seine wertvolle Rückmeldung vor Veröffentlichung der Arbeit. Mein Dank gebührt zudem Frau Dr. Annette Schunder-Hartung, die mich mit zahlreichen inhaltlichen und sprachlichen Anregungen unterstützt hat. Den Herausgebern der Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht, Herrn Prof. Dr. Dr. h. c. Dr. h. c. Holger Fleischer, LL.M., Herrn Prof. Dr. Hanno Merkt, LL.M. sowie Herrn Prof. Dr. Gerald Spindler, danke ich für die Aufnahme in ihre Schriftenreihe. Darüber hinaus konnte ich mich stets auf die Unterstützung meiner Freunde verlassen. Durch unermüdliches Korrekturlesen und inhaltliches „Sparring“ haben mir insbesondere RA Jonas Bonn, Ref. iur. Phillip Falk, Dr. med. Jannik Hinzmann, Dipl.-iur. Julius Kinzig, Ref. iur. Jan Klemke und Ref. iur. David Schäfer sehr geholfen und großen Dank verdient. Weil ich die letzten Änderungen an der Dissertation ebenso wie die Verteidigung und die Verlegung der Arbeit aus den USA durchgeführt habe, bin ich Lauren McBrearty und ihrer Familie für ihre vielseitige und bedingungslose Unterstützung sehr dankbar. Zuletzt danke ich meiner Familie und insbesondere meinen Eltern, RA Hiltrud Bußkamp und Dipl.-Ing. Gerhard Siemens sowie meiner Schwester Franziska Siemens-Dinkelacker (MSc.), für ihre stete und uneingeschränkte Unterstützung, auf die ich mich jederzeit verlassen konnte. Ohne sie wäre mir mein Bildungsweg nicht möglich gewesen. Frankfurt am Main / New York City, den 27. 09. 2022

Peter Siemens

Inhaltsübersicht Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 A. Zunehmender Aktionärseinfluss im Aktienrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 I.

Gründe für Aktionärseinfluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30

II.

Europäische Normgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50

III. Erweiterung des Aktionärseinflusses am Beipiel des Say on Pay . . . . . . . . . . . 51 IV. Das neue Verständnis des dualistischen Prinzips  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 V.

Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65

B. Aktionärseinfluss durch das Entlastungsvotum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 I.

Abstimmungsmodus beim Entlastungsbeschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68

II.

Zustimmungswerte zur Entlastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79

III. Lehren aus der Untersuchung der Hauptversammlungssaisons 2020 und 2021 100 IV. Feststellbare Trends & Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 V.

Negative Folgen bei fortgesetztem Anhalten der Trends . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103

VI. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 C. Die erteilte Entlastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 I.

Die erteilte Entlastung de lege lata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108

II.

Die erteilte Entlastung de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139

D. Die verweigerte Entlastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 I.

Die Entlastungsverweigerung de lege lata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171

II.

Die Entlastungsverweigerung de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215

E. Neuregelung im Aktiengesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 I.

Abstimmungsmodalitäten einer rechtsfolgenstärkeren Entlastung  . . . . . . . . . . 255

II.

Neuregelung der Vorstandsentlastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266

III. Neuregelung der Aufsichtsratsentlastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283

8

Inhaltsübersicht IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 V.

Formulierungsvorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288

Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 Stellungnahmen zum Referentenentwurf ARUG II vom 11. 10. 2018 . . . . . . . . . . . . 315 Stellungnahmen zum DCGK-Entwurf vom 25. 10. 2018 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 Materialienverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 Rechtsprechungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330

Inhaltsverzeichnis Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 A. Zunehmender Aktionärseinfluss im Aktienrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 I.

Gründe für Aktionärseinfluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 1. Verhaltenswissenschaftliche Gründe für Aktionärseinfluss . . . . . . . . . . . . . 31 a) Intra- und intergesellschaftliche Verflechtung von Organmitgliedern . . . 31 aa) Gesellschaftsübergreifende Verflechtung von Vorständen und Aufsichtsräten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 bb) Gesellschaftsinterne Verflechtung von Vorständen und Aufsichts­ räten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 b) Prinzipal-Agenten-Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 c) Informationsasymmetrien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 aa) Hidden actions . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 bb) Hidden information . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 cc) Hidden characteristics . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 d) Managerzentrierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 aa) Managerzentrierung bei Vergütung als Problem der Aufsichtsratskompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 bb) Managerzentrierung des Vorstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 (1) Vorstandsvorsitzende als „Solotänzer“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 (2) Der Fall Wirecard AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 e) Aktivere Rolle des Aufsichtsrats in der Geschäftsleitung . . . . . . . . . . . . 46 f) Abberufungsaversion des Aufsichtsrats durch status quo bias und sunk cost fallacy . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 aa) status quo bias . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 bb) sunk cost fallacy . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 g) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 2. Schwacher Minderheitsaktionärsschutz im internationalen Vergleich . . . . . 49 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50

II.

Europäische Normgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50

III. Erweiterung des Aktionärseinflusses am Beipiel des Say on Pay . . . . . . . . . . . 51 1. Einführung des Say on Pay . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52

10

Inhaltsverzeichnis 2. Anwendungszeitraum 2010–2015 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 3. Anwendungszeitraum 2015–ARUG II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 4. Änderung durch die zweite Aktionärsrechterichtlinie (RL 2017/828) . . . . . 61 5. Umsetzung durch den deutschen Gesetzgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 6. Ergebnis und Vergleich zur Entlastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 IV. Das neue Verständnis des dualistischen Prinzips  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 V.

Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65

B. Aktionärseinfluss durch das Entlastungsvotum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 I.

Abstimmungsmodus beim Entlastungsbeschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 1. Abstimmungsmodus DAX30 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 2. Abstimmungsmodus MDAX . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 3. Abstimmungsmodus SDAX . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 4. Hauptversammlungssaisons 2020 und 2021 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77

II.

Zustimmungswerte zur Entlastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 1. Ergebnisse Vorstand DAX30 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 2. Ergebnisse Vorstand MDAX . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 3. Ergebnisse Vorstand SDAX . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 4. Ergebnisse Aufsichtsrat DAX30 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 5. Ergebnisse Aufsichtsrat MDAX . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 6. Ergebnisse Aufsichtsrat SDAX . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 7. Umstellung auf DAX40 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 a) DAX40 Vorstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 b) DAX40 Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 8. Hauptversammlungssaisons 2020 und 2021 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99

III. Lehren aus der Untersuchung der Hauptversammlungssaisons 2020 und 2021 100 IV. Feststellbare Trends & Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 V.

Negative Folgen bei fortgesetztem Anhalten der Trends . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 1. Psychologische Untersuchung: Drohende Habituation . . . . . . . . . . . . . . . . 103 2. Verstärkung durch Gewöhnungseffekte Dritter – Ankereffekt . . . . . . . . . . . 105 3. Anschlussüberlegung: Streichung der Entlastung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106

VI. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107

Inhaltsverzeichnis

11

C. Die erteilte Entlastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 I.

Die erteilte Entlastung de lege lata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 1. Abstimmungsgegenstand der Entlastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 a) Abstimmungsgegenständlicher Zeitraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 aa) Zu entlastender Zeitraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 bb) Zeitraum, für den die Entlastung wirkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 (1) Reiner Zukunftsbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 (2) Teilweiser Zukunftsbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 (a) Wortlaut des § 120 Abs. 2 S. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 (b) Gesetzesbegründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 (c) Macrotron-Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 (d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 b) Beschlussinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 aa) Das Macrotron-Urteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 (1) Rechtslage vor dem Macrotron-Urteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 (2) Rechtslage nach dem Macrotron-Urteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 (3) Reaktionen in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 (4) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 bb) Rechtsprechung in der Folgezeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 (1) Fallgruppen in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 (2) Nichteinrichtung eines konzernweitern Compliance-ManagementSystems als schwerwiegender Gesetzesverstoß . . . . . . . . . . . . . 118 (3) Kenntnis als Anfechtungsvoraussetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 c) Ermessen der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 2. Vermögensrechtliche Folgen der Entlastungserteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 a) Beweislastumkehr für entlasteten Zeitraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 b) Präklusionswirkung der Entlastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 aa) Die historische Entwicklung der Präklusionswirkung der erteilten Entlastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 (1) Präklusionswirkung der Entlastung nach dem HGB vom 10. 05. 1897 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 (2) Präklusionswirkung der Entlastung nach dem AktG vom 30. 01. 1937 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 (3) Präklusionswirkung der Entlastung nach dem AktG vom 06. 09. 1965 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 (4) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131

12

Inhaltsverzeichnis bb) Präklusion für länger als drei Jahre zurückliegende Zeiträume (§ 93 Abs. 4 S. 3 AktG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 cc) Präklusion durch einstimmig gefasste Entlastungsbeschlüsse . . . . . 132 dd) Präklusion für länger zurückliegende Zeiträume bei einstimmiger Entlastungserteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 ee) Präklusion für Haftung in Folge bisher folgenloser Pflichtverlet­ zungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 ff) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 3. Entlastungserteilung als Verzicht auf Vertrauensentzug gegenüber dem Vorstand gem. § 84 Abs. 4 S. 2 F. 3 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 4. Entlastungserteilung als Verzicht auf Abberufungsvotum gegenüber dem Aufsichtsrat gem. § 103 Abs. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 5. Entlastungserteilung als Bestätigung der Geschäftspolitik . . . . . . . . . . . . . 138 6. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 II.

Die erteilte Entlastung de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 1. Präklusionswirkung der erteilten Entlastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 a) Entgegenstehende Regelung des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG . . . . . . . . . . . . . . 140 aa) Diskussion zur Haftungsbegrenzung für Vorstandsmitglieder . . . . . 140 (1) Haftungsbegrenzung durch eine Präklusionswirkung der Ent­ lastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 (2) Begrenzung des Haftungsmaßstabs und der Haftungshöhe . . . . 141 bb) Diskussion zu § 93 Abs. 4 S. 3 AktG im Zusammenhang mit der ­Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 cc) Zwischenergebnis und Auswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 b) Entgegenstehende Regelung des § 120  Abs. 2  S. 2  AktG: Rechtsform­ vergleich der Verbandsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 aa) Verbandsformübergreifender Vergleich der Entlastungen . . . . . . . . 148 (1) Fehlende gesetzliche Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 (2) Dogmatische Grundlage der Präklusionswirkung . . . . . . . . . . . 149 bb) Die Entlastung in der Genossenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 (1) Präklusionswirkung der Entlastung in der Genossenschaft . . . . 151 (2) Übertragbarkeit der Rechtssituation auf die Aktiengesellschaft 152 (3) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 cc) Die Entlastung im Verein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 (1) Die Präklusionswirkung der Entlastung im Verein . . . . . . . . . . 154 (2) Übertragbarkeit der Rechtssituation auf die Aktiengesellschaft 155 (3) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 dd) Die Entlastung in der GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 (1) Die Präklusionswirkung der Entlastung in der GmbH . . . . . . . . 157

Inhaltsverzeichnis

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(2) Übertragbarkeit der Rechtssituation auf die Aktiengesellschaft 157 (3) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 ee) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 c) Präklusionswirkung ab Erreichen von 90 % Zustimmung . . . . . . . . . . . . 159 d) Präklusionswirkung und Minderheitenrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 e) Historisch bedingte Änderung des Verständnisses der Entlastung . . . . . 161 aa) Einführung des „Führerprinzips“ und Entthronung der Haupt­ versammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 bb) Diskussion nach Ende des zweiten Weltkriegs . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 cc) Bestätigung des Ergebnisses durch Rechtsvergleich: Präklusionswirkung der Entlastung im Schweizer Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 f) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 2. Beweislastumkehr durch die erteilte Entlastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 D. Die verweigerte Entlastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 I.

Die Entlastungsverweigerung de lege lata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 1. Rechtsfolgen der verweigerten Vorstandsentlastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 a) Vermögensrechtliche Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 aa) Beweislastumkehr im Fall der Entlastungsverweigerung . . . . . . . . . 171 bb) Schadensersatzanspruch des Vorstandsmitglieds bei grundloser Entlastungsverweigerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 b) Statusrechtliche Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 aa) Entlastungsverweigerung als Vertrauensentzug i. S. d. § 84 Abs. 4 S. 2 F. 3 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 (1) Entlastung als vergangenheitsgerichtete Entscheidung . . . . . . . 174 (2) Nichtankündigung des Vertrauensentzugs gem.  124 Abs. 1, 4 S. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 (3) Fehlendes Stimmrechtsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 (a) Teleologische Bedenken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 (b) Historische Bedenken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 (c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 (4) Fehlende Willkürfreiheit des Vertrauensentzugs . . . . . . . . . . . . 179 (5) Diversität der Aktionärsinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 (6) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 bb) Prüfung eines Vertrauensentzugs bei Entlastungsverweigerung gegenüber dem Vorstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184

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Inhaltsverzeichnis (1) Entlastungsverweigerung als Vertrauensentzug gem. § 84 Abs. 4 S. 2 F. 3 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 (a) Ein Vertrauensentzug wird beschlossen . . . . . . . . . . . . . . . 185 (b) Ein Vertrauensentzug wird abgelehnt . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 (c) Ein Vertrauensentzugsvotum wird nicht abgehalten . . . . . . 185 (d) Ein Vertrauensentzugsvotum wird nicht abgehalten, ein Mehrheitswille ist dennoch erkennbar . . . . . . . . . . . . . . 186 (e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 (2) Keine offenbare Unsachlichkeit der Entlastungsverweigerung . 186 (3) Ermessensausübung des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 (4) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 cc) Entlastungsverweigerung als wichtiger Grund zur Amtsniederlegung und Kündigung gem. § 626 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 (1) Voraussetzungen der Amtsniederlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 (2) Wichtiger Grund zur Amtsniederlegung und Kündigung des Anstellungsvertrags gem. §§ 611, 675 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 (3) Recht zur isolierten Amtsniederlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 (4) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 2. Rechtsfolgen der verweigerten Aufsichtsratsentlastung . . . . . . . . . . . . . . . . 193 a) Vermögensrechtliche Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 aa) Beweislastumkehr im Fall der Entlastungsverweigerung . . . . . . . . . 193 bb) Schadensersatzanspruch des Aufsichtsratsmitglieds bei grundloser Entlastungsverweigerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 b) Statusrechtliche Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 aa) Entlastungsverweigerung als Abberufung gem. § 103 Abs. 1 AktG . 194 bb) Entlastungsverweigerung mit 75 %-Mehrheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 (1) Abstimmungsgegenstand des Abberufungsvotums . . . . . . . . . . 195 (2) Fehlendes Stimmrechtsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 (a) Teleologische Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 (b) Historische Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 (c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 cc) Entlastungsverweigerung als wichtiger Grund zur Abberufung i. S. d. § 103 Abs. 3 S. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 dd) Entlastungsverweigerung als Recht zur Amtsniederlegung . . . . . . . 201 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 3. Rechtstatsächliche Wirkung der Entlastungsverweigerung . . . . . . . . . . . . . 202 a) Mediale Aufmerksamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 b) Information des Kapitalmarkts und Markteffizienzhypothese . . . . . . . . . 203 c) Offenlegung innerverbandlicher Konflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204

Inhaltsverzeichnis

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aa) Außenwirkung der Offenlegung des innerverbandlichen Konflikts am Kapitalmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 bb) Innenwirkung der Offenlegung des innerverbandlichen Konflikts (Denkzettel?) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 d) Exemplifizierte Betrachtung personeller Konsequenzen von Entlastungsverweigerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 aa) Deutsche Börse 2018 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 bb) Bayer 2019 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 cc) UBS 2019 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 dd) Fresenius Medical Care 2018 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 ee) Francotyp-Postalia 2020 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 ff) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 II.

Die Entlastungsverweigerung de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 1. Reformgedanken zur Entlastungsverweigerung gegenüber dem Vorstand . . 215 a) Entlastungsverweigerung als Beschluss einer Sonderprüfung gem. § 142 Abs. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 aa) Sachgerichtete Aufarbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 bb) Festlegung des Untersuchungsgegenstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 cc) Ungleiche Motivationslage bei Entlastungsverweigerung und Sonderprüfungsantrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 dd) Sonderprüfung als im Einzelfall sinnfreie Rechtsfolge . . . . . . . . . . 217 ee) Rechtsfolge des Sonderprüfungsbeschlusses als Abschaffung der Entlastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 ff) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 b) Entlastungsverweigerung mit statusrechtlichen Konsequenzen . . . . . . . 218 aa) Die historische Entwicklung der Entlastungsverweigerung . . . . . . . 219 (1) Die Entlastungsverweigerung nach dem HGB vom 10. 05. 1897 219 (2) Die Entlastungsverweigerung nach dem AktG vom 30. 01. 1937 220 (3) Die Entlastungsverweigerung nach dem AktG vom 06. 09. 1965 222 (4) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 bb) Rechtsfolgen der Entlastungsverweigerung de lege ferenda . . . . . . 224 (1) Entlastungsverweigerung als Vertrauensentzug i. S. d. § 84 Abs. 4 S. 2 F. 3 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 (a) Neubestimmung des Abstimmungsgegenstands der Entlastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 (b) Keine Möglichkeit der Durchsetzung einer Abberufung für Aktionäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226

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Inhaltsverzeichnis (c) Der Einfluss des Abstimmungsmodus auf die Rechtsfolge 226 (d) Gleichsetzung der Voten als Abschaffung der Entlastung . . 228 (e) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 (2) Entlastungsverweigerung als Abberufung . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 (a) Starke Position der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . 229 (b) Das Verhältnis zur Personalkompetenz des Aufsichtsrats . . 230 (c) Abschaffung des Vertrauensentzugs gem. § 84 Abs. 4 S. 2 F. 3 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 (d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 (3) Entlastungsverweigerung als Denkzettel . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 (a) Neubestimmung des Abstimmungsgegenstands . . . . . . . . . 231 (aa) Reiner Zukunftsbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 (bb) Reiner Vergangenheitsbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 (cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 (b) Wirkungserhöhung jeder Entlastungsverweigerung . . . . . . 233 (c) Einfügen in das Regelungsgefüge des Aktienrechts . . . . . . 234 (d) Stärkung der Aktionärsrechte innerhalb des Kompetenz­ gefüges der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 (e) Die neuen Subsidiärzuständigkeiten: Maximalvergütungs­ votum, Say on Pay, Aktionärsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 (f) Verhaltenswissenschaftliche Implikationen . . . . . . . . . . . . . 236 (aa) Prüfung auf Beeinflussung durch in-group-bias und Gruppendenken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 (bb) Schutz vor Managerzentrierung . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 (cc) Prüfung auf status quo bias und sunk cost fallacy . . . 237 (dd) Verhinderung der Habituation nach Entlastungsverweigerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 (ee) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 (g) Parallele zur arbeitsrechtlichen Abmahnung . . . . . . . . . . . 238 (h) Durchsetzung der Legalitätspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 (i) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 2. Reformgedanken zur Entlastungsverweigerung gegenüber dem Aufsichtsrat 240 a) Entlastungsverweigerung als Beschluss einer Sonderprüfung gem. § 142 Abs. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 b) Neuregelung der Entlastungsverweigerung mit statusrechtlichen Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 aa) Die historische Entwicklung der Entlastungsverweigerung . . . . . . 241 (1) Die Entlastungsverweigerung nach dem HGB vom 10. 05. 1897 241

Inhaltsverzeichnis

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(2) Die Entlastungsverweigerung nach dem AktG vom 30. 01. 1937 242 (3) Die Entlastungsverweigerung nach dem AktG vom 06. 09. 1965 242 (4) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 bb) Rechtsfolgen der Entlastungsverweigerung de lege ferenda . . . . . . 243 (1) Zusammenführung von Abberufung gem. § 103 Abs. 1 AktG und Entlastungsverweigerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 (a) Herabsetzung der Mehrheitserfordernisse der Abberufung gem. § 103 Abs.  1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 (b) Gleichsetzung der Voten als Abschaffung der Entlastung . . 245 (c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 (2) Entlastungsverweigerung als Denkzettel . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 (a) Aufwertung der Aufsichtsratsentlastung . . . . . . . . . . . . . . . 246 (b) Einfügen in das Regelungsgefüge und Schließung einer Regelungslücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 (c) Parallele zu den arbeitsrechtlichen Kündigungsregelungen 252 (d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 E. Neuregelung im Aktiengesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 I.

Abstimmungsmodalitäten einer rechtsfolgenstärkeren Entlastung  . . . . . . . . . . 255 1. Abstimmungsmodus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 a) Gemeinsame Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . 256 aa) Historische Entwicklung des Abstimmungsmodus . . . . . . . . . . . . . . 256 (1) Abstimmungsmodus nach dem HGB vom 10. 05. 1897 . . . . . . . 256 (2) Abstimmungsmodus nach dem AktG vom 30. 01. 1937 . . . . . . . 257 (3) Abstimmungsmodus nach dem AktG vom 06. 09. 1965 . . . . . . . 257 (4) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 bb) Geltende Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 b) Einzelentlastung auf Anordnung des Versammlungsleiters . . . . . . . . . . 259 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 2. Stimmverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 a) Stimmverbote für Organmitglieder bei der Entlastung des eigenen Organs 263 b) Stimmverbote für Organmitglieder bei der Entlastung des anderen Organs 265 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266

II.

Neuregelung der Vorstandsentlastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 1. Ausreichender Schutz der Vorstandsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266

18

Inhaltsverzeichnis a) Beschränkung der Wirkung der Entlastungsverweigerung auf Einzelentlastungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 b) Einschränkung der Abberufungswirkung der zweiten Entlastungsverweigerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 aa) Einschränkungsfreie Abberufungswirkung der zweiten Entlastungsverweigerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 bb) Einschränkung der Abberufungswirkung der Entlastungsverweigerung 270 cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 c) Klagbarkeit der Entlastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 aa) Historische Entwicklung der Klagbarkeit der Entlastung . . . . . . . . . 271 (1) Die Klagbarkeit der Entlastung nach dem HGB vom 10. 05. 1897 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 (2) Klagbarkeit der Entlastung nach dem AktG 30. 01. 1937 . . . . . . 272 (3) Klagbarkeit der Entlastung nach dem AktG vom 06. 09. 1965 und nach geltender Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 (4) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 bb) Klagbarkeit der Entlastung bei jeder Entlastungsverweigerung . . . . 274 cc) Klagbarkeit der Entlastung bei Verweigerung aus offenbar unsach­ lichen Gründen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 2. Wirkungsverlust der Entlastungsverweigerung gegenüber dem Vorstand . . 276 3. Schutz der Minderheitsaktionäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 4. Stimmverbot für Vorstandsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 a) Stimmverbot der Vorstandsmitglieder bei der Vorstandsentlastung . . . . . 279 b) Stimmverbot der Vorstandsmitglieder bei der Aufsichtsratsentlastung . . 280 5. Wirksamkeit der Abberufung durch die zweite Entlastungsverweigerung . . 281 6. Anfechtung der erteilten Entlastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 III. Neuregelung der Aufsichtsratsentlastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 1. Ausreichender Schutz der Aufsichtsratsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 a) Einschränkungsfreie Abberufungswirkung der zweiten Entlastungsverweigerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 b) Klagbarkeit der Entlastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 c) Beschränkung der Wirkung der Entlastungsverweigerung auf Einzel­ entlastungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 2. Wirkungsverlust der Entlastungsverweigerung gegenüber dem Aufsichtsrat 284 3. Schutz der Minderheitsaktionäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 4. Stimmverbote für Aufsichtsratsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 a) Stimmverbot der Aufsichtsratsmitglieder bei der Aufsichtsratsentlastung 286

Inhaltsverzeichnis

19

b) Stimmverbot der Aufsichtsratsmitglieder bei der Vorstandsentlastung . . 286 5. Wirksamkeit der Abberufung durch die zweite Entlastungsverweigerung . . 287 6. Anfechtung der erteilten Entlastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 V.

Formulierungsvorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288

Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 Stellungnahmen zum Referentenentwurf ARUG II vom 11. 10. 2018 . . . . . . . . . . . . 315 Stellungnahmen zum DCGK-Entwurf vom 25. 10. 2018 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 Materialienverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 Rechtsprechungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330

Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Say on Pay 2010–2015 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 Abbildung 2: Say on Pay 2015–2021 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 Abbildung 3: Entlastungen nach Börsenindizes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 Abbildung 4: Entlastung Gesamtentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 Abbildung 5: Absolute Anzahl Einzelvoten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 Abbildung 6: Entscheidungsschritte in Folge einer Entlastungsverweigerung . . . . . . . . 188 Abbildung 7: Satzungsregelung zur Herabsetzung des Zustimmungserfordernisses . . . 247

Abkürzungsverzeichnis a. E. am Ende a. F. alte Fassung Amtsblatt der europäischen Union ABl. Abs. Absatz AcP Archiv für civilrechtliche Praxis ADHGB Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch AG Aktiengesellschaft AG Amtsgericht Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift) AG AktG Aktiengesetz Aktiengesetz in der Fassung vom 30. 01. 1937 AktG 1937 Aktiengesetz in der Fassung vom 06. 09. 1965 AktG 1965 Alt. Alternative Anm. Anmerkung AR Der Aufsichtsrat (Zeitschrift) ARRL Aktionärsrechterichtlinie ARUG Gesetz zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie ARUG II Gesetz zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie Aufl. Auflage BAG Bundesarbeitsgericht BB Betriebsberater (Zeitschrift) Beck-Online Großkommentar zum Aktiengesetz BeckOGK Beck’scher Onlinekommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch BeckOKBGB Beck’scher Onlinekommentar zum Gesetz betreffend die GesellBeckOKGmbHG schaft mit beschränkter Haftung Beck’scher Onlinekommentar zum Wohnungseigentumsgesetz BeckOKWEG Begründung Regierungsentwurf Begr. RegE Bürgerliches Gesetzbuch BGB BGBl. Bundesgesetzblatt BGH Bundesgerichtshof BGHZ Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz BMJV BörsG Börsengesetz bspw. beispielsweise Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im ZiC19-AuswBekG vil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht Corporate Compliance Zeitschrift CCZ das heißt d. h. Deutscher Aktienindex DAX DB Der Betrieb (Zeitschrift) DCGK Deutscher Corporate Governance Kodex

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Abkürzungsverzeichnis

Deutsche Juristenzeitung DJZ Deutsche Notar-Zeitschrift DNotZ Deutsches Recht (Zeitschrift) DR Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift) DStR eingetragener Verein e. V. et al. et alii Europäische Union EU Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht EuZW F. Fall f. folio Frankfurter Allgemeine Zeitung FAZ folio (Plural) ff. FS Festschrift GenG Genossenschaftsgesetz GG Grundgesetz Gesellschaft mit beschränkter Haftung GmbH Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung GmbHG GmbHR GmbH-Rundschau Großkommentar zum Aktiengesetz GroßKommAktG herrschende Meinung h. M. Verwaltungsrecht – Handkommentar HandKommVerwR Hdb. Handbuch HGB Handelsgesetzbuch Handelsgesetzbuch in der Fassung vom 10. 05. 1897 HGB 1897 Hs. Halbsatz HV Hauptversammlung im Sinne des i. S. d. im Sinne von i. S. v. in Verbindung mit i. V. m. insg. insgesamt Juristische Wochenschrift JW JZ Juristenzeitung Kammergericht Berlin KG Kölner Kommentar zum Aktiengesetz KölnKommAktG LG Landgericht m. mit mit weiteren Nachweisen m. w. N. MDAX Mid-Cap-DAX Monatsschrift für Deutsches Recht (Zeitschrift) MDR MünchAnwHdbAktR Münchener Anwaltshandbuch Aktienrecht Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 4: AktiengesellMünchHdbAktG schaft Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht MünchHdbArbR MünchHdbPersGesR Münchener Handbuch zum Personengesellschaftsrecht Münchener Kommentar zum Aktiengesetz MünchKommAktG MünchKommGmbHG Münchener Kommentar zum GmbH-Gesetz neue Fassung n. F. Neue juristische Wochenschrift NJW

Abkürzungsverzeichnis Neue juristische Wochenschrift Rechtsprechungs-Report NJW-RR Nr. Nummer Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht NZG ohne Verfasser o. V. OLG Oberlandesgericht RefE Referentenentwurf RegBegr Regierungsbegründung RegE Regierungsentwurf RG Reichsgericht RGBl. Reichsgesetzblatt Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen RGZ Recht der internationalen Wirtschaft RIW RL Richtlinie Rn. Randnummer S. Satz S. Seite SDAX Small-Cap-DAX Societas Europea SE sogenannte / sogenannter / sogenannten sog. Süddeutsche Zeitung SZ TOP Tagesordnungspunkt unter Umständen u. U. V. Variante v. von vor allem v. a. Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung VorstAG WEG Wohnungseigentümergemeinschaft Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht WM Die Wirtschaftsprüfung (Zeitschrift) WpG z. B. zum Beispiel Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht ZGR Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht ZHR Zeitschrift für Wirtschaftsrecht ZIP Zeitschrift für Rechtspolitik ZRP

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Einführung „Historische Klatsche für Bayer-Vorstand“ – so titelte Sadeler in der FAZ am 27. 04. 2019.1 Nach der Übernahme Monsantos durch die Bayer AG und anschließend auftretenden Schadensersatzforderungen wurde erstmals einem gesamten Vorstand die Entlastung verweigert. Dem waren eindringliche Aufforderungen von Aktionären2 vorausgegangen.3 Spätestens damit ist die Entlastung aus ihrem Dornröschenschlaf erwacht. Sie wurde lange Zeit mit meist „kommunistischen Zustimmungswerten“4 erteilt und eher als „notwendiges Übel“5 statt als „scharfes Schwert“6 betrachtet. Entsprechendes Aufsehen hat die Entlastungsverweigerung der Bayer-Aktionäre erregt. Schwindende Zustimmung bei der Entlastungsabstimmung ließ sich auch auf anderen Hauptversammlungen beobachten. Ein prominentes Beispiel ist die nur knapp erteilte Entlastung7 von Teilen des Vorstands und des Aufsichtsrats8 auf der Hauptversammlung der Deutschen Bank 20199.10 Das deutet darauf hin, dass die Entlastung zunehmend als Mittel der Einfluss­ nahme von Aktionären genutzt wird. Ein Umstand, der eine nähere empirische Unter­ suchung verdient. Im Rahmen dieser Arbeit werden die Zustimmungswerte der DAX30, MDAX und SDAX-Gesellschaften der Jahre 2015 bis 2021 herangezogen. 1

Sadeler, FAZ vom 27. 04. 2019. Auf geschlechtsspezifische Formulierungen wird im Sinne der Leserlichkeit verzichtet. Die Ausführungen beziehen sich gleichermaßen auf alle Geschlechter. 3 So etwa Strenger, Gegenantrag gegen die Entlastung des Vorstands der Bayer AG vom 12. 03. 2019, S. 3 ff. Auch Großaktionäre schwörten sich auf eine Verweigerung der Entlastung ein, Scherbaum, FAZ vom 23. 04. 2019. 4 Aufsichtsratsvorsitzender Paul Achleitner zu den normalerweise hohen Zustimmungswerten nach der Hauptversammlung der Deutschen Bank 2019, Bahlmann, Spiegel-Online vom 23. 05. 2019. 5 Redenius-Hövermann / Siemens, AR 2020, 52, 52. 6 Redenius-Hövermann / Siemens, AR 2020, 52, 52. 7 Zu der kritischeren Beurteilung der Entlastungsentscheidung durch die Aktionäre auch Rieckers, DB 2020, 207, 209. 8 Die Organe der Deutschen Bank wurden mit 72,88 % (Vorstand)/74,47 % (Aufsichtsrat) entlastet. Die Vorstandsmitglieder der Deutschen Bank Herr Garth Ritchie und Frau Sylvie Matherat etwa erhielten jeweils nur 61,41 % der Stimmen, Abstimmungsergebnisse der ordentlichen Hauptversammlung der Deutschen Bank AG 2019. 9 Bahlmann, Spiegel-Online vom 23. 05. 2019. 10 Die Entlastungsbeschlüsse für vier Vorstandsmitglieder und den Aufsichtsratsvorsitzenden wurden nachträglich angefochten. Nachdem der Klage zunächst stattgegeben wurde, LG Frankfurt, Beschluss vom 24. 10. 2019, 3-05 O 54/19 – Deutsche Bank, NZG 2019, 1381, wies das OLG die Klage in der nächsten Instanz ab, OLG Frankfurt, Urteil vom 29. 12. 2020, 5 U 231/19 – Deutsche Bank, BeckRS 2020, 36911. 2

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Einführung

Gleichzeitig werden die Aktionärsrechte seit Längerem durch gesetzgeberische Maßnahmen gestärkt. Dies war ein explizites Ziel der ersten Aktionärsrechterichtlinie11.12 Demnach ist eine wirksame Kontrolle der Geschäftsleitung durch die Aktionäre Grundvoraussetzung für eine solide Unternehmensführung.13 Daher sollte unter anderem die Möglichkeit der Wahrnehmung der Aktionärsrechte auf der Hauptversammlung gestärkt werden.14 Dies führte zur erweiterten Teilnahme an Hauptversammlungen auf elektronischem Wege15 und zur Sicherstellung des Fragerechts der Aktionäre.16 Der deutsche Gesetzgeber traf über die Vorgaben der RL 2007/36 hinausgehende Regelungen, etwa durch Einführung des Say on Pay-Votums in § 120 Abs. 4 AktG a. F. im Rahmen des VorstAG.17 Entsprechend schreitet der Aktionärseinfluss fort. Im internationalen Vergleich haben Aktionäre in Deutschland dennoch eine schwache Stellung. Die Weltbank platzierte Deutschland in der Analyse „Doing Business“ in der Kategorie „Schutz der Minderheitsaktionäre“ auf dem 61. Platz.18 Balzer bezeichnet die gegenwärtige Praxis in der Welt am Sonntag als „Kartell von Vorständen und Aufsichtsräten“.19 So überspitzt diese Formulierung im Einzelnen erscheinen mag – mit Blick auf eine schwache Position und nur eingeschränkte Einflussnahmemöglichkeiten der Aktionäre im deutschen Aktienrecht spricht sie eine deutliche Sprache. Dieser schwachen Stellung der Aktionäre steht die in den letzten Jahren erheblich gestiegene Bereitschaft zur kritischen Einflussnahme gegenüber.20 Festmachen lässt sich das auch an weiteren, den Aktionären zur Verfügung stehenden Voten. So zeigt etwa die Entwicklung der Häufigkeit der Voten zur Vorstandsvergütung gem. § 120 Abs. 4 AktG a. F. (Say on Pay), dass diese zunächst nach Einführung im Jahr 2009 bis 2015 abnahmen.21 Seit 2016 sind häufigere Durchführungen inklusive sinkender Zustimmungswerte mit Ablehnungen des Vergütungssystems in mehreren Fällen zu verzeichnen.22 11

RL 2007/36. Erwägungsgründe zur RL 2007/36, Rn. 1. 13 Erwägungsgründe zur RL 2007/36, Rn. 3. 14 Erwägungsgründe zur RL 2007/36, Rn. 5 ff. 15 RL 2007/36, Art. 8. 16 RL 2007/36, Art. 9. Dieses war im deutschen Recht bereits durch § 131 AktG gewährleistet, Lutter / Bayer / Schmidt, 2017, § 29 Rn. 29.109. 17 BGBl. I 2009, 2509; hierzu Fleischer, NZG 2009, 801, 805; es gab lediglich mehrere Jahre zuvor eine Empfehlung der Kommission diesbezüglich, Empfehlung der Europäischen Kommission vom 14. 12. 2004, (2004/913/EG). 18 „Protecting Minority Investors“, Doing Business Report Score Card. 19 Balzer, Welt am Sonntag vom 26. 01. 2020 (im Artikel wird fälschlicherweise vom 72. Platz Deutschlands (richtig 61) im Ranking der Weltbank gesprochen). 20 Siehe dazu Rieckers, DB 2020, 207, 208. 21 Eisenschmidt, DB 2016, 2793, 2796. 22 Zu Ablehnungen des Vergütungssystems kam es etwa bei der Deutschen Bank 2016 sowie der Münchner Rück, Merck und ProSiebenSat1 2017, Wadewitz, Börsen-Zeitung vom 22. 09. 2017; hierzu anschaulich HKP-Group, Investorenstudie zur Vorstandsvergütung, 2018, S. 6. 12

Einführung

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Eine Gemeinsamkeit des Entlastungsbeschlusses und des Say on Pay-Votums war es, dass sie beide keine Rechtsfolgen auslösen. Deshalb galten diese Instrumente zu Recht als „zahnlose Tiger“.23 Was für die Entlastung noch gilt, muss für das Say on Pay seit Umsetzung der Aktionärsrechte-RL 2017/82824 revidiert werden. Das nunmehr in § 120a Abs. 1 AktG geregelte Votum wurde durch eine verbindliche Durchführung bei jeder wesentlichen Änderung, zumindest aber im Vierjahreszyklus erheblich aufgewertet. Zudem ist bei ablehnendem Beschluss im Folgejahr eine Neuvorlage vorgesehen. Darüber hinaus wurde eine auf Vorschlag des Aufsichtsrats durch die Hauptversammlung beschlossene Vergütungshöchstgrenze beschlossen  – ein Ansatz, der sich zuvor noch als Gesetzesentwurf der SPD-Fraktion des Deutschen Bundestags im Februar 2017 nicht hatte durchsetzen können.25 Auch wenn der deutsche Gesetzgeber in Umsetzung der RL 2017/828 nur die Minimalvoraussetzungen hinsichtlich des Say on Pay erfüllt und die OptOut-Möglichkeit dahingehend wahrgenommen hat, die Abstimmung für den Aufsichtsrat nicht bindend auszugestalten, stellt dies einen Gewinn für die Aktionäre dar. Die schwache Ausgestaltung eines Aktionärsvotums muss also kein Dauerzustand bleiben. Den Einfluss der Aktionäre durch die Entlastungsentscheidung hat der Gesetzgeber bei der Umsetzung der Aktionärsrechte-Richtlinie nicht erweitert, obwohl sich hier die Möglichkeit bot, diese erheblich aufzuwerten. Die zitierten schlechten Ergebnisse erfolgten erst nach Veröffentlichung des Referenten- und Regierungsentwurf zum ARUG II.26 Das könnte erklären, weshalb die Regelungen zur Entlastung keinen Eingang in die Reformüberlegungen gefunden haben. Die eingangs zitierte Überschrift der FAZ steht exemplarisch für die hohe Bedeutung der Entlastung in der öffentlichen Wahrnehmung deutscher Aktiengesellschaften, die sich insbesondere im Falle ihrer Verweigerung zeigt.27 Diese Bedeutung steht in Widerspruch zu den fehlenden Rechtsfolgen bei (Nicht)Erteilung der Entlastung.28 Dieser Widerspruch und der darüber hinaus feststellbare Trend 23 Zum Say on Pay Spindler, NJOZ 2009, 3282, 3290; Siefer, NZG 2013, 691, 694; Velte, EuZW 2013, 893, 895; ders., NZG 2017, 368, 369; zur Entlastung Redenius-Hövermann /  Siemens, AR 4/2020, 52. 24 RL 2017/828, ABl. 132/1 vom 20. 05. 2017. 25 Dieser Entwurf sah allerdings eine Koppelung der Vorstandsvergütung an die durchschnittliche Arbeitnehmervergütung vor, Entwurf eines Gesetzes zur Angemessenheit von Vorstandsvergütungen und zur Beschränkung der steuerlichen Absetzbarkeit vom 20. 02. 2017; hierzu auch Anzinger, ZGR 2019, 39, 94; Habersack, NZG 2018, 127, 132; Redenius-Hövermann, 2019, S. 53 ff.; befürwortend SdK Stellungnahme zum ARUG II, S. 7. 26 Der RefE zu ARUG II wurde am 11. 10. 2018 veröffentlicht. Der RegE folgte am 20. 03. 2019. Die Hauptversammlung der Bayer AG fand am 26. 04. 2019 statt, die Hauptversammlung der Deutschen Bank wurde am 23. 05. 2019 abgehalten. 27 Weitermeyer, ZGR 2005, 280, 280. 28 Ähnlich Kubis, in: MünchKommAktG, 2022, § 120 Rn. 2, wonach „Psychologische Bedeutung […] zu den Rechtswirkungen in keinem adäquaten Verhältnis steht“.

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Einführung

des zunehmenden Aktionärseinflusses im deutschen Aktienrecht lassen die Frage des Reformbedarfs des Entlastungsbeschlusses gem. § 120 Abs. 1 AktG de lege ferenda sowohl wichtig als auch dringend erscheinen. Bisherige Bearbeitungen zur aktienrechtlichen Entlastung wurden entweder von der Fragestellung getragen, ob überhaupt an dem Institut festzuhalten ist29 oder beschränkten sich inhaltlich auf die verweigerte Entlastung.30 Entsprechend geht die vorliegende Arbeit dieser Fragegestellung nach. Die Arbeit wird hierfür nicht klassisch nach geltender Rechtslage und Reformüberlegungen, sondern thematisch gegliedert. Dabei setzt die Untersuchung zunächst beim zunehmenden Aktionärseinfluss an. Einerseits soll aus verhaltenswissenschaftlicher und wirtschaftswissenschaftlicher Sicht betrachtet werden, warum stärkere Mitspracherechte der Aktionäre angezeigt sein könnten. Andererseits werden die gesetzgeberischen Entwicklungen von deutscher und europäischer Seite dargestellt, die in Zukunft eine stärkere Einbindung der Aktionäre erwarten lassen. Dabei zeigt die empirische Betrachtung der Say on Pay-Voten in den drei größten deutschen Börsenindizes DAX3031, MDAX und SDAX der letzten sieben Jahre auf, dass sich ein folgenloses Votum nach kritischen Abstimmungen verschärfen lässt. Anschließend behandelt die Arbeit die Entwicklung der Aktionärszustimmung zum Entlastungsvotum und verdeutlicht dabei, dass die Zustimmung der Aktionäre zum Entlastungsbeschluss in der Aktiengesellschaft sinkt. Angesichts der weitgehenden (Rechts)Folgenlosigkeit der Entlastung können sich hieraus Habituations- 32 und andere Ankereffekte33 ergeben, die in einer interdisziplinären Betrachtung erarbeitet werden. Danach wird erst die erteilte und anschließend die verweigerte Entlastung durch die Hauptversammlung untersucht. Zunächst wird jeweils die geltende Rechtslage zur Entlastung in der Aktiengesellschaft dargestellt und kritisch hinterfragt, wobei der Schwerpunkt auf der Analyse der Folgen der Entlastung und ihrer Verweigerung in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht liegt. Die im Schrifttum vorgetragenen Wirkungen werden betrachtet und Fälle von Entlastungsverweigerungen aus jüngerer Vergangenheit herangezogen. Für die erteilte Entlastung wird dabei ein Rechtsformvergleich zwischen der aktienrechtlichen Entlastung einerseits und ihren Entsprechungen in an-

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Zimmermann, Die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat bei der Aktiengesellschaft, 2008. 30 von den Steinen, Die verweigerte Organentlastung in der Aktiengesellschaft, 2009. 31 Weil die Hauptversammlungssaisons 2015–2021 weitestgehend vor der Umstellung des DAX30 auf den DAX40 am 20. 09. 2021 abgehalten wurden, wird die letzte Zusammensetzung des DAX30 zugrunde gelegt. Die Ergebnisse werden anschließend mit den Ergebnissen des DAX40 in seiner aktuellen Zusammensetzung abgeglichen. 32 Grundlegend hierzu Thompson / Spencer, Psychological Review 1966, 16 ff. 33 Grundlegend hierzu Tversky / Kahneman, Science 185 (1974), 1124 ff.

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deren Verbandsformen andererseits angestellt. In diesem Zusammenhang ist auch die Diskussion um die Reform der aktienrechtlichen Organhaftung einzubeziehen. Bezüglich der Entlastungsverweigerung werden ebenso bisherige Überlegungen aufgegriffen. Hieran schließen jeweils eigene Reformüberlegungen an. Ein entscheidender Bezugspunkt der Untersuchungen soll dabei die historische Entwicklung der aktienrechtlichen Entlastung darstellen, aus der sich angesichts des Wandels des Votums wertvolle Erkenntnisse gewinnen lassen. Sie wird unter anderem aufzeigen, wie sich die Entlastung von dem aus anderen Verbandsgesellschaften heute noch bekannten Votum im Interesse der Organmitglieder hin zu einem Aktionärskontrollmittel gewandelt hat. Sodann werden bisherige Reformüberlegungen gewürdigt und ein eigener Reformvorschlag erarbeitet. Dieser wird mit den hierzu notwendigen normativen Anpassungen vorgestellt.

A. Zunehmender Aktionärseinfluss im Aktienrecht Mit Blick auf den Untersuchungsrahmen stellt sich zunächst die Frage, inwieweit der „insb. bei den Entlastungsentscheidungen“1 zunehmende Wille der Aktionäre zur Einflussnahme auf die Geschicke der Gesellschaft2 zur Herbeiführung guter Corporate Governance eingesetzt werden kann. Das gilt nicht nur angesichts von teilweise „überforderten oder unbelehrbaren“3 Aufsichtsräten. Dabei spielen neben Ämterkumulationen auch persönliche Verflechtungen und Erkenntnisse der Wirtschaftswissenschaften in Form der Prinzipal-Agenten-Theorie eine Rolle. Außerdem sind die Handlungen des deutschen und europäischen Gesetzgebers in Zusammenhang mit der Einflussnahme der Aktionäre in Betracht zu ziehen. Zu berücksichtigen ist das im Kontrast zum (ehemaligen) deutschen passiven Aktionärsleitbild stehende europäische Aktionärsleitbild ebenso wie im Anschluss die deutsche Gesetzgebung. Hierbei ist insbesondere das durch das ARUG II neugeregelte Say on Pay-Votum gem. § 120a Abs. 1 AktG von Bedeutung. Hierbei erschließt sich am Beispiel des durch das ARUG II reformierten Say on Pay mittels einer empirischen Untersuchung der Zustimmungswerte der drei größten deutschen Börsenindizes DAX30, MDAX und SDAX, wie der Gesetzgeber auf die Entwicklung der Abstimmungswerte bezüglich des Say on Pay reagiert hat. Ob sich hieraus Lehren für die Entlastungsentscheidung der Hauptversammlung ziehen lassen, ist die dabei grundlegende Überlegung.

I. Gründe für Aktionärseinfluss Bei der Suche nach Gründen für eine stärkere Einbindung der Aktionäre in die Geschicke der Gesellschaft spielen unterschiedliche Faktoren eine Rolle. Zu ihnen zählen tatsächliche Gegebenheiten und ihre verhaltenswissenschaftlichen Implikationen ebenso wie Erkenntnisse aus den Wirtschaftswissenschaften und die Entwicklungen in anderen Rechtsgebieten. Auch ein internationaler Vergleich bietet sich an.

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Rieckers, DB 2020, 207, 208. AKEIÜ, DB 2020, 1577, 1577; Orlik / Gebauer, HV Magazin 03/2019, S. 10, 10 ff.; siehe hierzu auch Balzer, Welt am Sonntag vom 26. 01. 2020. 3 Bayer, DB 2018, 3034, 3037. 2

I. Gründe für Aktionärseinfluss

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1. Verhaltenswissenschaftliche Gründe für Aktionärseinfluss Am Beginn steht ein Abgleich der aktienrechtlichen Rechtslage und Praxis mit Erkenntnissen der Verhaltenswissenschaften. Bezüglich dieser verhaltenswissenschaftlichen Untersuchung ist im Grundsatz vom rational-theoretischen, standardisierten Verhaltensmodell des homo oeconomicus4 auszugehen. Dieses zeichnet sich durch rational handelnde Protagonisten5 mit der Maßgabe aus, dass jeder Akteur eigennutzgesteuert agiert.6 a) Intra- und intergesellschaftliche Verflechtung von Organmitgliedern Für einen stärkeren Aktionärseinfluss spricht die Verflechtung von Organmitgliedern zwischen den Organen einer Gesellschaft sowie zwischen den Gesellschaften. aa) Gesellschaftsübergreifende Verflechtung von Vorständen und Aufsichtsräten Immer wieder lässt sich erkennen, dass zwischen Vorständen und Aufsichtsräten erhebliche personelle Verflechtungen bestehen. Hierbei ist maßgeblich, dass ein großer Teil der Protagonisten mehrere Ämter gleichzeitig in Aufsichtsräten und Vorständen bekleidet und sich Entscheidungsträger hierdurch in verschiedenen Konstellationen mehrfach begegnen. Ein anschauliches Beispiel hierzu liefert die Rolle des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Bayer AG, Manfred Schneider. Schneider war 2010 gleichzeitig Aufsichtsratsvorsitzender der Bayer AG, der Linde AG und der RWE AG sowie Aufsichtsratsmitglied der Daimler AG und der TUI AG.7 Auch wenn der DCGK in der Zwischenzeit Regelungen zu niedrigerer Ämterzahl trifft, indem er empfiehlt, dass ein Aufsichtsratsmitglied nicht mehr als fünf Mandate gleichzeitig (C.4 DCGK) und ein Vorstandsmitglied neben diesem Amt nicht mehr als zwei Aufsichtsratsämter bekleiden soll (C.5 DCGK), lassen sich trotz sinkender Zahlen von Doppel- und Mehrfachmandaten8 immer noch Mehrfachbesetzungen finden. Dies dürfte vor allem auch daran liegen, dass selbst unter der Vorgängervorschrift des C.4 DCGK, Tz. 5. 4. 5 Absatz 1 S. 2 DCGK a. F., die 4 Fleischer / Schmolke / Zimmer, 2011, S. 1, 12; Lüdemann, 2007, S. 7, 12 f.; Mathis, 2009, S. 7; Schäfer / Ott, 2020, S. 107 ff.; Towfigh, in: Towfigh / Petersen, 2016, Rn. 69. 5 Fleischer / Schmolke / Zimmer, 2011, S. 1, 12 f.; Lüdemann, 2007, S. 7, 13; Mathis, 2009, S. 7; Schäfer / Ott, 2020, S. 108 f.; Towfigh, in: Towfigh / Petersen, 2016, Rn. 77 ff. 6 Eidenmüller, JZ 2005, 216; Fleischer / Schmolke / Zimmer, 2011, S. 1, 12 f.; Lüdemann, 2007, S. 7, 13; Mathis, 2009, S. 11 f.; Towfigh, in: Towfigh / Petersen, 2016, Rn. 70 ff. 7 Böll, Spiegel-Online vom 21. 04. 2010. 8 Spencer Stuart Board Index 2018, S. 29.

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noch drei Aufsichtsratsämter zuließ, die Zustimmungsquote deutscher Aktiengesellschaften im Prime Standard 2017 bei lediglich 80 % lag,9 was einer durchschnittlichen Befolgungsquote aller DCGK-Regelungen von 87,5 % gegenüberstand.10 Bei ausbleibender Befolgung des C.4 DCGK gilt nur § 100 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AktG, der die Bekleidung von bis zu zehn Aufsichtsratsämtern erlaubt und ausländische Aufsichtsmandate nicht berücksichtigt.11 Nach wie vor sind Mehrfachmandate üblich. So ist Wolfgang Reitzle, bis 2018 Aufsichtsratsvorsitzender der Linde AG, seit der Verschmelzung mit Praxair Chairman des Board of Directors der Linde plc, gleichzeitig Aufsichtsratsvorsitzender der Continental AG, Aufsichtsratsmitglied der Axel Springer SE sowie Aufsichtsratsmitglied der Ivoclar Vivadent AG.12 Auch Joe Kaeser, Vorstandsvorsitzender der Siemens AG bis Februar 2021, bekleidete neben seiner hauptamtlichen Tätigkeit Aufsichtsratsmandate bei der Daimler AG, der Mercedes Benz AG, der Allianz Deutschland AG (bis März 2020) und der NXP Semiconductors N. V.13 Im Rahmen dieser Gegebenheiten sind Konstellationen, in denen sich Protagonisten in verschiedenen Gesellschaften gegenseitig in ihren Vorstandsämtern überwachen, üblich. Hierbei könnte sich das Phänomen des Gruppendenkens (Group think)14 einstellen. Dieses beschreibt Situationen, in denen grundsätzlich qualifizierte Individuen in einer Gruppe trotz ihrer Fähigkeiten schlechte Entscheidungen treffen, um sich dem etwaigen Gruppenwillen anzupassen.15 Übertragen auf die Gruppe der Organmitglieder, die sich gesellschaftsübergreifend begegnen, besteht hier die Gefahr eines „Korpsgeistes“, der beispielsweise zu gegenseitiger Begünstigung im Rahmen von Vergütungsverhandlungen oder auch zu gegenseitigem Schutz durch Nichtgeltendmachung von Schadensersatzsprüchen führen kann. Dass der Aufsichtsrat oder ein einzelnes Mitglied also ausreichend objektiv agieren kann, wenn er / es eine Gesellschaft gegenüber Vorstandsmitgliedern vertritt, die ihm gegenüber in seiner Vorstandsposition als Aufsichtsratsmitglieder agieren, kann bezweifelt werden.

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von Werder / Danilov, DB 2018, 1997, 2003. von Werder / Danilov, DB 2018, 1997, 1999. 11 Kritisch dazu Kley, AG 2019, 818, 819; Redenius-Hövermann, WpG 2017, 349, 352. 12 Mandatsinformationen zu Wolfgang Reitzle auf der Homepage der Linde plc. 13 Die Information war bis zum Ausscheiden Joe Kaesers aus dem Vorstand der Siemens AG auf der Homepage der Gesellschaft abrufbar. 14 So erstmalig Janis, Psychology Today Magazine 1971, 84 ff.; hierzu auch Eisenführ / Weber / Langer, Rationales Entscheiden, 2010, S. 364; Langenbucher, ZGR 2019, 717, 741; zusammenfassend Redenius-Hövermann, 2019, S. 36 f. 15 Eisenführ / Weber / Langer, 2010, S. 312; Janis, Psychology Today Magazine 1971, 84. 10

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bb) Gesellschaftsinterne Verflechtung von Vorständen und Aufsichtsräten Auch gesellschaftsintern lassen sich Verflechtungen von Organmitgliedern erkennen. So sind etwa Konstellationen üblich, in denen Organmitglieder zwischen den Gremien die Positionen wechseln. Die geschieht regelmäßig durch den Wechsel eines ehemaligen Vorstandsmitglieds in den Aufsichtsrat. 2018 hatten 44 % der deutschen Aktiengesellschaften ein oder zwei ehemalige Vorstandsmitglieder in ihrem Aufsichtsrat, bei den DAX30-Unternehmen sind es sogar 47 %.16 Den Aufsichtsratsvorsitz haben in 27 % der deutschen Gesellschaften ehemalige Vorstandsmitglieder inne, bei den DAX30 sind es 40 %.17 Der Gesetzgeber hat diesbezüglich in § 100 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 AktG eine sogenannte Cooling-off-Periode geregelt, die zwischen der Amtsausübung im Vorstand und im Aufsichtsrat eine zweijährige Wartefrist vorsieht.18 Weiterhin sollen gem. C.11 DCGK nicht mehr als zwei ehemalige Vorstandsmitglieder Aufsichtsratsämter im selben Unternehmen bekleiden. Eine Besetzung innerhalb der zweijährigen Frist ist gem. § 100 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 AktG dennoch möglich, wenn mindestens 75 % der Aktionäre zustimmen – so geschehen im Fall von Hans-Dieter Pötsch bei der Volkswagen AG.19 Dieser war vor seiner Tätigkeit als Aufsichtsratsvorsitzender des VW-Konzerns bis November 2015 Finanzvorstand im selben Konzern20 und damit zu der für die Diesel-Problematik relevanten Zeit in Vorstandsverantwortung. Ob er bei der Verfolgung etwaiger Ersatzansprüche gegen ehemalige Vorstandskollegen frei von äußeren Einflüssen und sachfremden Erwägungen handeln konnte, erscheint fraglich.21 Insbesondere bei Berücksichtigung der Tatsache, dass Pötsch selbst Ziel staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen war und durch eine denkbare Aufdeckung belastender Tatsachen persönlich in juristische Schwierigkeiten hätte kommen können, erscheint die Vertretung von Aktionärsinteressen nur eingeschränkt möglich.22 16

Spencer Stuart Board Index 2018, S. 13. Spencer Stuart Board Index 2018, S. 13. 18 Zu der Cooling-off Periode mit Blick auf Prinzipal-Agenten-Konflikte Velte, WM 2012, 537, 539. 19 Im Falle von Abspaltungen einzelner Betriebsteile gilt die Abkühlungsphase nicht – so übernahm Joe Kaeser den Aufsichtsratsvorsitz der abgespaltenen Siemens Energy AG vor Ende seiner Amtszeit als Vorstandsvorsitzender bei der Siemens AG trotz Kritik von Teilen der Aktionäre ohne eine Abkühlungszeit, dazu Höpner, Handelsblatt vom 12. 07. 2020. 20 Gegen die Besetzung des Aufsichtsratsvorsitzes mit ehemaligen Vorstandsmitgliedern Redenius-Hövermann / Schmidt, ILF Working Paper No. 154 2018, S. 6; zur Besetzung des Aufsichtsrats im Sinne guter Corporate Governance Redenius-Hövermann, WpG 2017, 349 ff. 21 So warnt der AKEIÜ akut davor, dass bei einem Wechsel von Vorstandsmitgliedern in den Aufsichtsrat die Überwachung eigener Entscheidungen, was insbesondere für Fehlentscheidungen problematisch ist, droht. Auch können eigene Entscheidungen durch die Sicherung des eigenen Einflusses, etwa in Form der Berufung ehemalig enger Mitarbeiter in den Vorstand perpetuiert werden, AKEIÜ, DB 2020, 1577, 1581. 22 Ebendiese Konstellation beschrieb Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 239, bereits vor Bekanntwerden des VW-Abgasskandals abstrakt: „In manchen Gesellschaften mögen enge per 17

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Darüber hinaus wirkt sich insbesondere bei ehemaligen Vorstands-, aber auch bei Aufsichtsratsmitgliedern, die in anderen Gesellschaften Vorstandsmandate innehaben, der sogenannte in-group-bias aus.23 Dieser bezeichnet das Phänomen, dass (ehemalige)  Vorstandsmitglieder amtierende Vorstandsmitglieder stets im Vergleich zu ihrer eigenen Situation bewerten. Hierbei besteht die Gefahr, dass der Aufsichtsrat die Situation möglicherweise nicht kritisch genug beurteilt.24 Angehörige gleicher Gruppen tendieren dazu, sich gegenseitig zu begünstigen, auch wenn sie dadurch Interessen Dritter übergehen.25 Insoweit ist es durchaus denkbar, dass die Aktionärsinteressen (unbewusst) durch Aufsichtsratsmitglieder vernachlässigt werden, was eine umfangreiche Kontrolle der Aufsichtsratsarbeit durch Aktionäre wichtig erscheinen lässt. b) Prinzipal-Agenten-Problem In Aktiengesellschaften zeigt sich zudem das auf Berle / Means zurückzuführende Prinzipal-Agenten-Problem (principal-agent theory)26. Im Grundsatz beschreibt dieses auch als Agententheorie bezeichnete Modell, dass ein Beauftragter für einen Auftraggeber handelt und der Beauftragte durch die Ausübung der Tätigkeit einen Wissensvorsprung innehat.27 Die Interessen von Auftraggeber und Beauftragtem laufen dabei nicht immer gleich, sodass die Gefahr besteht, dass der Beauftragte seinen Wissensvorsprung zu Ungunsten des Auftraggebers einsetzt.28 sönliche Bindungen zwischen Aufsichtsrats- und Vorstandsmitgliedern bestehen, etwa wenn der Aufsichtsrat überwiegend aus ehemaligen Vorstandsmitgliedern zusammengesetzt ist, die mit den jetzt amtierenden Vorstandsmitgliedern zum Teil noch kollegial zusammengearbeitet haben. In solchen Konstellationen mag es eine Rolle spielen, dass der aktuelle Vorstand die Arbeit des früheren Vorstands und jetzigen Aufsichtsrats fortsetzt, so dass ein gegen den aktuellen Vorstand erhobener Vorwurf auch die Mitglieder des aktuellen Aufsichtsrats trifft.“ Auch Velte, WM 2012, 537, 538 f. hat die Problematik mit Blick auf Interessenkonflikte bereits zuvor mit dem Stichwort „Selbstprüfungsrisiko“ beschrieben. 23 Siehe dazu ausführlich im Kontext der Vorstandsvergütung Redenius-Hövermann, 2019, S. 34. 24 Sehr scharfe Kritik an dieser Konstellation äußern Kienle / Siegel in der Stellungnahme des SdK zum VerSanG-Entwurf vom 22. 04. 2020, S. 3: „Hinzu kommt, dass die Aufsichtsräte sich zumindest in der Vergangenheit als Aufsichtsgremium als weitgehend unbrauchbar erwiesen haben, da sie häufig aus früheren Vorständen zusammengesetzt sind und eher mit dem Vorstand kungeln als ernsthaft die Interessen der Aktionäre zu vertreten.“ 25 Redenius-Hövermann, 2019, S. 35, zu den kritischen Stimmen auch Tricker, 2014, S. 152. 26 Berle / Means, The Modern Corporation & Private Property, 1932; bereits zuvor zu der Problematik Means, The Quarterly Journal of Economics, 1931, 68 ff. 27 Brauer, NZG 2004, 502, 503; Heuser, 2012, S. 45; Hoegen, 2018, S. 144; Jensen / Meckling, Journal of Financial Economics 1976, 305, 308; Jost, 2001, S. 11 ff., S. 493 f.; Meyer, 2012, S. 42; Oehlrich, NZG 2019, 1049, 1050; Tricker, 2020, S. 45. 28 Brauer, NZG 2004, 502, 503; Heuser, 2012, S. 44; Meyer, 2012, S. 44 f.; Stadler, 2010, S. 79; ein opportunistisches Ausnutzen des Wissensvorsprungs wird bei der Prinzipal-AgentenTheorie vorausgesetzt, dazu Oehlrich, NZG 2019, 1049, 1050. Die aus der Theorie folgenden

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Diese Überlegung lässt sich auf die Aktiengesellschaft übertragen. Hier tritt dieses Phänomen dergestalt auf, dass in der Aktiengesellschaft Eigentum und Geschäftsführung, anders als etwa aus Personengesellschaften bekannt, auseinanderfallen.29 Die Aktionäre stellen in dieser Problembeschreibung die Prinzipale dar, die Geschäftsführung die Agenten. Dabei gewinnt das Prinzipal-Agenten-Problem besonders dadurch an Gewicht, dass es sich bei genauem Hinsehen um ein doppeltes Prinzipal-Agenten-Verhältnis handelt. 1. Einerseits vertritt der Vorstand gem. § 78 Abs. 1 S. 1 AktG die Aktiengesellschaft nach außen (und gegenüber dem Aufsichtsrat). 2. Andererseits vertritt der Aufsichtsrat gem. § 112 AktG die Gesellschaft gegenüber dem Vorstand. In beiden Konstellationen kommt es dabei zu aus verhaltenswissenschaftlicher Sicht problematischen Situationen. Denkbar ist etwa im ersten Verhältnis, dass der Vorstand ansehensfördernde Maßnahmen vornimmt, die seine eigene Bekanntheit steigern, gleichzeitig jedoch nicht im Aktionärsinteresse liegen.30 In der zweiten Konstellation ergeben sich insbesondere mit Blick auf die vieldiskutierte Vorstandsvergütung Probleme,31 aber etwa auch hinsichtlich der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen.32 Die Problemstellungen der beiden Verhältnisse weisen Schnittmengen auf. So kann etwa ein durch den Aufsichtsrat gut ausgestaltetes, anreizorientiertes Vergütungssystem im zweiten Verhältnis für einen größeren Gleichlauf der Interessen von Vorstand und Aktionären sorgen und damit dem im ersten Verhältnis auftretenden Interessenwiderspruch entgegenwirken.33 Problemstellungen werden von Posner als besondere Gefahr wahrgenommen, wenn er feststellt: „The danger of mismanagement (negligence) is less serious than the danger that the managers will not deal fairly with the shareholders (disloyalty)“, Posner, 2014, S. 562. 29 Heuser, 2012, S. 44; Müller, 2012, S. 32. 30 Müller, 2012, S. 32; Oehlrich, NZG 2019, 1049, 1050, wonach es zu „Übernahmen und Fusionen aus Gründen des persönlichen Prestiges“ kommen kann; Tricker, 2020, S. 45; von den Steinen, 2009, S. 53. 31 Dazu Wighardt / Berger, NZG 2017, 1370, 1371; Drygala, ZRP 2012, 161, 163, spricht bezüglich dieses Vertretungsverhältnisses von „einer gewissen Großzügigkeit“; hierzu im Kontext der Bankenindustrie Kuklick / Gerenkamp, ZBB 2011, 430. 32 Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 239 f., sieht etwa die zentrale Problematik bei der Zuständigkeit des Aufsichtsrats zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen Vorstandsmitglieder in der Folgefragestellung der Verantwortlichkeit des Aufsichtsrats bei der hierdurch im Raum stehenden Pflichtverletzung. Eine hieraus folgende ausbleibende Geltendmachung ist Folge eines Interessenkonflikts zwischen Aktionären als Prinzipalen und dem Aufsichtsrat als Agenten. Zu dieser Prinzipal-Agenten-Konstellation zwischen Aktionären und Aufsichtsrat auch Tröger, ZHR 149 (2015), 453, 461 f. 33 Dicks, The Review of Financial Studies 2012, 1971, 1971; Redenius-Hövermann, 2019, S. 101.

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Beim Aufsichtsrat können zudem infolge des Prinzipal-Agenten-Konflikts Kontrolldefizite auftreten.34 So wird ein rational-eigennutzorientiertes Aufsichtsratsmitglied versuchen, zu Gunsten eines möglichst hohen Einkommens mehrere Aufsichtsratsämter parallel auszuüben. Pro Amt betreibt es dann womöglich den geringst-vertretbaren Kontrollaufwand, was individuellen Zeitaufwand und Sitzungsfrequenzen angeht.35 Aus der Trennung von Eigentum und Verwaltung und den daraus resultierenden Folgen können sich finanzielle Verluste ergeben, die unter dem Begriff der Agenturkosten zusammengefasst werden.36 Effektive Überwachung (monitoring) und Interessenangleichung (alignment of interests) können diese Agenturkosten senken.37 § 111 Abs. 1 AktG ordnet die Überwachung der Geschäftsführung durch den Aufsichtsrat an.38 Aus verhaltenswissenschaftlicher Sicht ist die Beschränkung auf die Kontrolle durch den Aufsichtsrat problematisch. Dies liegt einerseits an den interorganisch immer wieder auftretenden persönlichen Verflechtungen, die auch im Rahmen der Prinzipal-Agenten-Konstellation als Problem zu sehen sind.39 Andererseits ist der Aufsichtsrat selbst ebenso Agent in einer Prinzipal-AgentenKonstellation, sodass auch hier Informationsasymmetrien und entsprechende Folgeprobleme im Verhältnis zu den Aktionären auftreten. Zuletzt bestehen, wie bereits in der Literatur erkannt,40 teilweise kaum lösbare Interessenkonflikte. Die Agenturkosten können daher vor allem durch zusätzliche Kontrolle durch Aktionäre aus ihrer Prinzipalstellung heraus gesenkt werden. Zur Bewältigung des Prinzipal-Agenten-Problems sind im Zuge dessen ausreichende Überwachungs- und Einflussmechanismen der Aktionäre notwendig. Bezüglich der Ausgestaltung der

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Zu Kontrolldefiziten im Aufsichtsrat Heuser, 2012, S. 56. Heuser, 2012, S. 56; Spindler, in: MünchKommAktG, 2019, Vor § 76 Rn. 80. 36 Böcking / Bundle, in: Hdb. Corporate Governance, 2020, § 2 Rn. 6; Kumpan, 2014, S. 63; Posner, 2014, S. 534. 37 Posner, 2014, S. 563; Schmolke, in: Towfigh / Petersen, 2016, Rn.  307 ff.; Stadler, 2010, S. 81; Untersuchungen konnten darüber hinaus nachweisen, dass verbesserte Corporate Governance dabei hilft, die Agenturkosten zu senken, Millstein / MacAvoy, Columbia Law Review 1998, S. 1283, 1317 f.; Dicks, The Review of Financial Studies 2012, 1971, 1971. 38 Schmolke, in: Towfigh / Petersen, 2016, Rn.  308. 39 AKEIÜ, DB 2020, 1577, 1581; zur Überwachung des Vorstands im Zusammenhang mit dem Prinzipal-Agenten-Verhältnis auch Jensen / Meckling, Journal of Financial Economics 1976, 305, 306 ff.; Velte, WM 2012, 537, 539. 40 Bezüglich der Vorstandsvergütung hat etwa Drygala, ZRP 2012, 161, 163 konstatiert, dass sich die Großzügigkeit des Aufsichtsrats im Rahmen der Vergütungsverhandlung nur bedingt vom Recht beheben lässt und schlägt in der Folge stattdessen eine stärkere Einbindung der Aktionäre vor. Bezüglich der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen sieht Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 240, einen Interessenkonflikt darin, dass der Aufsichtsrat aus Sorge vor der eigenen Haftung vom Aufzeigen von Pflichtverletzungen des Vorstands absieht, was erkläre, warum der Gesetzgeber den Interessenkonflikt nicht zu lösen versucht, sondern die Geltendmachung „in andere Hände gelegt hat“. 35

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Vorstandsvergütung, einer Thematik der Prinzipal-Agenten-Beziehung zwischen Aktionären und Aufsichtsrat, hat der Gesetzgeber jüngst Regulierungen vorgenommen, um die Kontrollmöglichkeiten der Aktionäre zu stärken.41 c) Informationsasymmetrien Informationsasymmetrien sind Kernbestandteile des Prinzipal-Agenten-Problems. Entsprechend lohnend ist es, deren wesentlichen Gesichtspunkte aufzuarbeiten und denkbare Lösungen detailliert zu untersuchen. Das Prinzipal-Agenten-Problem zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass zwischen Prinzipalen und Agenten sogenannte Informationsasymmetrien vorliegen, die in unbeobachtbarem Verhalten (hidden actions), versteckten Informationen (hidden information) oder verborgenen Eigenschaften (hidden characteristics) des Agenten bestehen können.42 Regelmäßig treten diese drei Phänomene gemeinsam auf.43 Die Informationsasymmetrie beschreibt die Tatsache, dass der Agent regelmäßig über mehr Informationen verfügt und der Prinzipal üblicherweise nur solche Informationen erhält, die der Agent ihm zukommen lässt. In der Aktiengesellschaft kommen den Aktionären, u. U. auch dem Aufsichtsrat, nur die Informationen zu, die der Vorstand ihnen zuteil werden lässt.44 Es besteht also eine Abhängigkeit der Hauptversammlung vom Vorstand, sodass sich dieses Problem vor allem im Prinzipal-Agenten-Verhältnis zwischen der Gesellschaft und dem Vorstand zeigt. aa) Hidden actions In der Ausprägung des unbeobachtbaren Verhaltens wird die Informationsasymmetrie dadurch hervorgerufen, dass der Prinzipal den Agenten gar nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand gänzlich überwachen kann.45 In dieser Situation besteht das sog. moralische Risiko, dass der Agent dieses Informationsdefizit gezielt ausnutzt.46 Bei der Aktiengesellschaft liegt dieses Risiko in beiden Prinzipal-Agenten-Konstellationen vor. So offenbaren sich insbesondere bei großer Streuung des Aktienbesitzes Probleme. Die Auswirkungen des Prinzipal-Agenten-Konflikts nehmen mit größerer

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Hierbei ist insbesondere das Votum zur Maximalvergütung, §§ 87 Abs. 4, 87a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG beachtenswert, siehe dazu die Darstellung unter A. III. 5. 42 Ausführlich Jost, 2001, S. 23 ff.; Meyer, 2012, S. 44; Müller, 2012, S. 32; Oehlrich, NZG 2019, 1049, 1050. 43 Jost, 2001, S. 25. 44 Redenius-Hövermann, 2019, S. 204. 45 Jost, 2001, S. 26; Oehlrich bezeichnet diese Form der Informationsasymmetrie als für die Publikumsgesellschaften wichtigste Ausprägung der Problematik, NZG 2019, 1049, 1050. 46 Jost, 2001, S. 26.

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Streuung zu, weil ein rationaler Aktionär nur bei ausreichend großem Anteilsbesitz Bemühungen zur Überwachung der Leitung unternehmen wird.47 Dabei kann es zum sog. Free-Rider-Problem48 kommen, das sich dadurch auszeichnet, dass die Überwachungskosten von jedem Aktionär alleine getragen werden müssen, während von den Bemühungen des Einzelnen alle Aktionäre profitieren. Hierdurch besteht die Gefahr, dass Aktionäre sich gegenseitig aufeinander verlassen, letztendlich keine ausreichende Kontrolle vorgenommen wird und sich das moralische Risiko verwirklichen kann. Zur Lösung dieses Problems erscheinen finanzielle Anreizen bei aktiver und erfolgreicher Kontrolle, etwa bei der Aktionärsklage gem. § 148 Abs. 1 S. 1 AktG, sinnvoll.49 Insoweit ist zur Konfliktlösung darauf zu achten, dass die Überwachungskosten für Aktionäre nicht zu hoch ausfallen bzw. ihnen eine ausreichende Kompensation zukommt, sodass eine im Sinne der Gesellschaft erfolgende Überwachung der Organe wirtschaftlich tragfähig ist. bb) Hidden information Eine weitere Ausprägung der Informationsasymmetrien ist die der versteckten Informationen. Hierbei handelt es sich um solche Informationsdefizite, die aus Situationen resultieren, in denen eine Beobachtung möglich ist; in Ermangelung entscheidender Informationen kann der Prinzipal die Situation jedoch nicht so gut einordnen wie der Agent.50 Sie weisen Überschneidungen mit den Hidden Actions auf. Insbesondere die Regelungen zum Vergütungssystem – das bis zur erstmaligen Regelung durch das ARUG II vom Gesetz vorausgesetzt,51 jedoch nicht gesetzlich normiert und damit inhaltlich nicht konkretisiert war52 – erlaubten das Vorenthalten wichtiger Informationen.53 Gleichzeitig können auch andere Inhalte versteckte Informationen darstellen. Zu denken ist etwa an vertragliche Regelungen, Pläne zur zu 47 Schäfer / Ott, 2020, S. 782; Stadler, 2010, S. 81; Posner, 2014, S. 562; Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 241, beschreibt das Phänomen als „rationale[s] Desinteresse von Kleinaktionären an der Kontrolle des Vorstandshandelns“. 48 Grossman / Hart, The Bell Journal of Economics 1980, 42 ff. 49 Das Free-Rider-Problem besteht im Fall der Aktionärsklage gem. § 148 Abs. 1 S. 1 AktG darin, dass ein erfolgreich durchgesetzter Anspruch dem Gesellschaftsvermögen, mithin allen Aktionären, gleichermaßen zukommt, während das Prozessrisiko durch den klagenden Aktionär getragen wird. Eine Untersuchung von Redenius-Hövermann / Henkel zur Aktionärsklage hat gezeigt, dass insbesondere das Kostenrisiko einer solchen Klage Aktionäre von der Anwendung abhält, Redenius-Hövermann / Henkel, AG 2020, 349, 354 ff.; dazu auch Peltzer, FS Schneider, 2011, S. 953, 960; ders., FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 861, 864 f. Aus diesem Grund können wirtschaftliche Anreize bei erfolgreicher Einreichung einer Aktionärsklage für sinnvoll erachtet werden können, dazu Redenius-Hövermann / Henkel, AG 2020, 349, 354 ff. 50 Jost, 2001, S. 30. 51 Siehe § 120 Abs. 4 AktG a. F. und § 289a Abs. 2 HGB a. F., dazu Redenius-Hövermann, AR 2009, 173, 174. 52 Bayer, DB 2018, 3034, 3037. 53 RegE ARUG II vom 20. 03. 2019, S. 80.

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künftigen Ausrichtung der Gesellschaft oder das In-Aussicht-Stellen von Managementbeteiligungsprogrammen im Rahmen von Übernahmeangeboten. Die Richtlinie hatte die Erhöhung der Transparenz54 zum Ziel. Die Umsetzung dieser Richtlinie durch das ARUG II55 und die Flankierung durch die Neufassung des DCGK56 erhöhten insbesondere die Transparenz im Bereich der Vorstandsvergütung.57 Dies ist angesichts der dargebotenen Problemstellung uneingeschränkt zu begrüßen. Hinzuweisen ist hier insbesondere auf die Vorschriften zur Veröffentlichung des Vergütungsberichts gem. § 162 AktG und der offenzulegenden Bestandteile des nunmehr gesetzlich geregelten Vergütungssystems gem. § 87a AktG. Gleichzeitig wurden auch Neuregelungen zu den Related Party Transactions (§§ 111a ff. AktG) und zum Know-Your-Shareholder (§§ 67–67c  AktG) eingeführt, die den Informationsaustausch und die Bereitschaft der Aktionäre zur Ausübung ihrer Rechte verbessern sollen.58 cc) Hidden characteristics Zuletzt zeigt sich eine Informationsasymmetrie bei versteckten Charakteristika. Die Informationsasymmetrie resultiert dabei daraus, dass der Agent seine charakterlichen Eigenschaften besser kennt als der Prinzipal. Diese liegen zwar regelmäßig bereits bei Abschluss des Anstellungsvertrages nach §§ 675, 611 BGB vor.59 Der Prinzipal ist aber in hohem Maße von der Offenlegung der Charaktereigenschaften durch den Agenten abhängig. Es besteht das Risiko der adversen Selektion durch den Agenten, indem dieser nur seine vorzugswürdigen Charaktereigenschaften preisgibt oder andere als jene, die er tatsächlich hat, vorgibt.60 Das Problem dieser Informationsasymmetrie zeigt sich dann, wenn der Prinzipal einem Agenten einen durchschnittlichen Vertrag mit durchschnittlicher Vergütung anbietet, in den ein Agent mit schlechten Eigenschaften einwilligen wird, während einer mit starken Eigenschaften ablehnen wird. Auf Dauer besteht dadurch das Risiko einer personellen Verschlechterung.61 Aktionäre unterliegen in diesem Zusammenhang allerdings der gleichen Unsicherheit wie der gem. § 112 AktG gegenüber dem Vorstand vertretende Aufsichtsrat. Insofern kann dieser Problematik nicht durch stärkeres monitoring als Folge größeren Aktionärseinflusses begegnet werden. Stattdessen bedarf es eines 54

RL 2017/828, Abs. 33 f. RegE ARUG II vom 20. 03. 2019, S. 1. 56 Paschos / Goslar, AG 2018, 857, 857; Seulen, DB 2018, 2915, 2915; DCGK Entwurf vom 09. 05. 2019, S. 4; Begründung zum DCGK vom 16. 01. 2019, S. 1. 57 So bereits vor dem ARUG II Redenius-Hövermann, 2019, S. 82. 58 RegE ARUG II vom 20. 03. 2019, S. 1. 59 Jost, 2001, S. 27 f. 60 Jost, 2001, S. 28. 61 Jost, 2001, S. 28. 55

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systematischen Entgegenwirkens. Dies lässt sich insbesondere durch alignment of interests in Form von anreizsteuernder Vergütung (incentive pay)62 realisieren. Die Agenten mit guten Eigenschaften werden zur Annahme bewegt, die Agenten mit schlechten Eigenschaften werden von der Annahme absehen, weil sie das Ausbleiben eines erheblichen Vergütungsteils erwarten müssen.63 d) Managerzentrierung Aufschlussreich ist darüber hinaus eine Betrachtung der sogenannten Managerzentrierung. Aus der Machtposition heraus können Agenten ihre Position festigen, diese insbesondere durch strategisch ungünstige Firmenzukäufe weiter stärken und die Führung im Sinne der Gesellschaft vernachlässigen.64 Da eine Erhöhung der Vorstandsvergütung durch Vergütungsberater häufig mit der Firmengröße begründet wird, kann hieraus ein Interessenkonflikt entstehen.65 Speziell in großen Kapitalgesellschaften mit erheblicher Anteilsstreuung ist die Kontrolle durch die Aktionäre niedriger; die Nichtwahrnehmung ihrer Interessen droht dann in besonderem Maße.66 In diesem Phänomen wird mitunter eine Machtverschiebung in Richtung des Vorstands gesehen.67 Hierbei werden häufig zwei verschiedene Phänomene genannt: einerseits steigende Vorstandsvergütung68 (dieses Phänomen wird auch mit dem Begriff der managerial power theory69 beschrieben), andererseits steigende Vorstandsmacht.70 Im deutschen Recht muss in der Diskussion zwischen zunehmender Vorstandsmacht und zunehmender Vorstandsvergütung differenziert werden, weil diese Problematiken in zwei verschiedenen Prinzipal-Agenten-Konstellationen anzusiedeln sind. aa) Managerzentrierung bei Vergütung als Problem der Aufsichtsratskompetenz Die Managerzentrierung bzw. managerial power theory ist hinsichtlich Vergütungsfragen beim Aufsichtsrat zu problematisieren. Beispiele hierfür stammen 62

Posner, 2014, S. 563; Schmolke, in: Towfigh / Petersen, 2016, Rn.  309. Bereits aus diesem Grund ist das aktienrechtlich denkbare Modell der reinen Fixvergütung abzulehnen, ausführlich dazu Redenius-Hövermann, 2019, S. 51 f.; dazu auch Oehlrich, NZG 2019, 1049, 1050 f. 64 Schäfer / Ott, 2020, S. 782; von den Steinen, 2009, S. 53; dazu auch Hoegen, 2018, S. 140 f. 65 Jensen, The American Economic Review 1986, 323, 323; Redenius-Hövermann, 2019, S. 84; zur problematischen Rolle der Vergütungsberater auch Posner, 2014, S. 571. 66 Hoegen, 2018, S. 140; Schäfer / Ott, 2020, S. 782 f.; ausführlich Meyer, 2012, S. 40. 67 Schwarz, NZZ Fokus 28 2006; allgemein dazu Hoegen, 2018, 140 f.; Meyer, 2012, S. 139 f. 68 Schäfer / Ott, 2020, S. 782 f.; von den Steinen, 2009, S. 53 f.; ausführlich zum Zusammenhang der Prinzipal-Agenten-Theorie und Vorstandsvergütung Jost, 2001, S. 493 ff. 69 Redenius-Hövermann, 2019, S. 103 f. 70 von den Steinen, 2009, S. 53. 63

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häufig aus eingliedrig organisierten Rechtsräumen, in denen es kein eigenständiges Aufsichtsgremium gibt, sodass es hier keiner Differenzierung zwischen den beiden Konstellationen der Prinzipal-Agenten-Situation bedarf.71 Im deutschen Recht ist eine solche Differenzierung jedoch vorzunehmen. So sind Vergütungsexzesse angesichts Vertretungsregeln im Grundsatz innerhalb der beiden Konflikte zu verorten. Die Gesellschaft wird gem. § 112 AktG im Rahmen der Verhandlung der Vorstandsvergütungsbestimmung durch den Aufsichtsrat vertreten. Vorstandsmitglieder verhandeln hierbei lediglich im eigenen Interesse und werden – insoweit legitim – versuchen, eine hohe Vergütung zu erzielen. Daher sind Vergütungsvereinbarungen, die nicht im Interesse der Gesellschaft liegen, in der Prinzipal-Agenten-Konstellation zwischen Hauptversammlung und Aufsichtsrat zu problematisieren. Eine überhöhte Vorstandsvergütung in der deutschen Rechtspraxis ist damit kein Problem einer stärkeren Machtposition des Vorstands, in welcher er im Sinne einer Selbstbedienung zugreift, da die Vereinbarung der Vorstandsvergütung im dualistischen System nicht in seiner Macht steht.72 Dadurch, dass der Vorstand, wie oben ausgeführt, etwa durch gesellschaftsinteressenwidrige Zukäufe höhere Vergütungsempfehlungen provozieren kann, kann in diesem Zusammenhang jedoch auch eine in der ersten Konstellation zu diskutierende Problematik auftreten. Gleichzeitig können auch diese Probleme durch den Aufsichtsrat in Form sinnvoll ausgestalteter Vorstandsvergütung gelöst werden. So mögen etwa Zukäufe im gem. § 87 Abs. 1 S. 1 AktG anzustellenden Horizontalvergleich73 dem Aufsichtsrat zunächst eine höhere Vergütung nahelegen. Sofern aber gem. G.10 S. 1 DCGK überwiegend aktienbasiert vergütet wird und das Vorstandsmitglied hierüber gem. G.10 S. 2 DCGK erst nach vier Jahren74 verfügen kann, wird sich ein solcher Zukauf nicht lohnen, da ein entsprechend niedriger Aktienkurs eine möglicherweise höhere Grundvergütung oder höhere Anzahl von vergüteten Aktien nivellieren wird. Etwaige Pflichtverletzungen in diesem Zusammenhang können zudem durch die Vereinbarung der Rückforderbarkeit von variabler Vergütung (Clawback), G.11 S. 2 F. 2 DCGK, berücksichtigt werden. Zur Bekämpfung der Managerzentrierung bezüglich der Vorstandsvergütung bietet sich die Kontrolle der Aktionäre zur Prüfung an, weil diese dem in-groupbias sowie einer zu großen Machtzentrierung in den Leitungsorganen begegnet. 71 So nennt etwa von den Steinen, 2009, S. 53 den Vergütungsexzess von Michael Eisner als CEO der Walt Disney Corp. mit Sitz in Burbank (CAL), USA; dennoch wird die Sorge auch in Bezug auf das zweigliedrige System geäußert, Tricker, 2014, S. 152. 72 Hoegen, 2018, S. 140 f. 73 Dauner-Lieb, in: Henssler / Strohn, 2021, § 87 AktG Rn. 19; Spindler, in: MünchKomm­ AktG, 2019, § 87 Rn. 57. 74 Durch die lange Wartefrist sind die gegen die Vergütung in Aktien vorgetragenen Sorgen in Form der Beeinflussung des Aktienkurses zum Stichtag im Wesentlichen entkräftet, weil sich die mehrjährige Kursentwicklung stärker auswirkt und nur in eingeschränktem Maß manipulierbar ist, dazu Meyer, 2012, S. 87 f. Diese langfristige aktienbasierte Vergütung hat die Senkung der Agenturkosten zum Ziel, dazu Bachmann, in: Kremer et al., 2021, G.10 Rn. 2.

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Der Kontrolldruck erhöht sich, auch etwaige Effekte wie äußerst komplizierte Vergütungssysteme zur Verhinderung des Vorwurfs der Intransparenz oder überhöhte Vergütung werden bekämpft.75 Soweit es um die Vertretung der Gesellschaft in Vergütungsfragen durch den Aufsichtsrat geht, konnte das 2009 durch das VorstAG geschaffene und durch das ARUG II verschärfte Say on Pay-Votum gem. § 120a AktG n. F. hierbei trotz der nicht bindenden Ausgestaltung bereits Abhilfe schaffen, wie sich im folgenden Abschnitt zeigen wird. Auch das durch den Gesetzgeber durch das ARUG II geschaffene Votum zur Maximalvergütung nach §§ 87 Abs. 4, 87a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG ist zu begrüßen (näher auch hierzu im Folgenden). In Fällen schwerer Pflichtverletzungen kommt der Hauptversammlung gem. § 103 Abs. 1 AktG die Möglichkeit der nicht begründungspflichtigen Abberufung zu.76 bb) Managerzentrierung des Vorstands Anders ist die Situation außerhalb von Vergütungsfragen zu beurteilen. (1) Vorstandsvorsitzende als „Solotänzer“ So beobachtet etwa Theisen, dass Vorstandsvorsitzende insbesondere in Krisensituationen zu „Solotänzern“ werden und nennt beispielhaft den Umgang mit der Covid19-Pandemie und den „Fridays for Future“-Demonstrationen.77 Dabei äußert er insbesondere die Vermutung, dass Vorstandsvorsitzende nicht unerhebliche Entscheidungen treffen, ohne die übrigen Gremienmitglieder bzw. den Aufsichtsrat in angemessenem Maße einzubinden.78 Rechtlich stellt dies eine Pflichtverletzung im Hinblick auf die Gesamtverantwortung des Vorstands gem. § 76 Abs. 1 AktG79 und das Verbot des Alleinentscheidungsrechts80 dar. Theisen vermutet weiter, dass die 75

Dazu Redenius-Hövermann, 2019, S. 26. Henssler, in: Henssler / Strohn, 2021, § 103 AktG Rn. 3; Simons, in: Hölters / Weber, 2022, § 103 Rn. 6. 77 Hierbei führt er etwa das Angebot eines Aufsichtsratspostens bei Siemens Energy von Joe Kaeser an Luisa Neubauer an, die anfängliche Ablehnung staatlichen Einflusses Carsten Spohrs bei der finanziellen Unterstützung Lufthansas, die Zahlungsverweigerung der Mietzahlungen Kasper Rorsteds für Adidas im Rahmen der Covid19-Pandemie sowie die Forderung von Herbert Diess von staatlichen Abwrackprämien bei gleichzeitiger Dividendenausschüttung und nicht herabgesetzter Vorstandsvergütung bei VW, Theisen, Der Aufsichtsrat vom 15. 06. 2020. 78 Siehe Fn. 77 in Kapitel A.; zu einer Tendenz zur Schaffung einer CEO-Position in einigen Gesellschaften auch Spindler, in: MünchKommAktG, 2019, Vor § 76 Rn. 79; Peltzer, NZG 2002, 10, 12 stellt fest, dass „geschriebenes Recht und Rechtswirklichkeit breitflächig auseinanderklaffen“. 79 Zur dogmatischen Verortung des Prinzips der Gesamtverantwortung Fleischer, in: Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 8 Rn. 6. 80 Spindler, in: MünchKommAktG, 2019, § 77 Rn. 15, 69. 76

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übrigen Vorstandsmitglieder sich zur Vermeidung von Repressionen nicht gegen dieses Vorgehen wehren.81 Diese Vermutung deckt sich im Grundsatz mit der dargestellten Erkenntnis, dass Organmitglieder sich gegenseitig eher begünstigen, Konfrontationen im Regelfall vermeiden (in-group-bias) und ihre Meinung trotz ausreichender Kenntnisse häufig im Sinne eines Gruppendenkens an den mutmaß­ lichen Mehrheitswillen anpassen.82 Die Managerzentrierung ist dabei mit Blick auf das Gruppendenken besonders problematisch, weil Macht- und Statusdifferenzen dieses Phänomen verstärken.83 Insbesondere in Krisensituationen kommt zudem auch dem Aufsichtsrat eine gesteigerte Verantwortung bezüglich Geschäftsführungsfragen in Form einer intensiveren Beratungspflicht zu.84 Sofern weder die übrigen Vorstandsmitglieder, noch der Aufsichtsrat (ausreichend) beteiligt werden und der Gesellschaft hierbei ein Schaden entsteht, muss der Aufsichtsrat Schadensersatzansprüche gegen das Vorstandsmitglied prüfen. Auch eine Abberufung kann, wie Theisen betont, in Betracht kommen. Der Überwindung des Gruppendenkens, das nicht nur intraorganisch, sondern auch interorganisch vorliegen kann, könnte eine „Subsidiärzuständigkeit“ der Aktionäre dienen. Das gilt angesichts der Befürchtung, dass der Aufsichtsrat im Einzelfall die Prüfung von Schadensersatzansprüchen,85 oder eine Abberufung nicht immer pflichtgemäß durchführt. Bezüglich der Schadensersatzansprüche ist ein solches Vehikel, obgleich nachgewiesenermaßen unzureichend,86 in Form der Aktionärsklage gem. § 148 AktG geregelt. Hinsichtlich statusrechtlicher Konsequenzen haben Aktionäre dagegen de lege lata keine Möglichkeit, eine Abberufung zu erzwingen. Selbst bei einem ausdrücklichen Vertrauensentzug gem. § 84 Abs. 4 S. 2 F. 3 AktG verbleibt dem Aufsichtsrat das Ermessen des § 84 Abs. 4 S. 1 AktG. Dies stellt einen Missstand dar. (2) Der Fall Wirecard AG Die Zentrierung auf den Vorstandsvorsitzenden zeigt sich auch am historischen Absturz der Wirecard AG. Nach bereits längere Zeit im Umlauf befindlichen Gerüchten und Betrugsvorwürfen veröffentlichte die Financial Times am 30. 01. 2019 einen kritischen Beitrag zu den Geschäftspraktiken und -partnern der Wirecard AG, 81

Theisen, Der Aufsichtsrat vom 15. 06. 2020. Zum in-group-bias im Kontext der Vorstandsvergütung Redenius-Hövermann, 2019, S. 34. 83 Eisenführ / Weber / Langer, 2010, S. 364. 84 Heusel / Goette, AG 2020, 411, 415. 85 Zur Nichtgeltendmachung von Schadensersatzansprüchen trotz der ARAG-GarmenbeckRechtsprechung Peltzer, FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 861, 861; dieser sieht „keine andere Wirkung […] als dass bekannte Anwaltssozietäten mit Gutachten beauftragt wurden, warum in einem bestimmten Fall eben eine Ausnahme vorliege“; ähnlich dürften Bayer / Scholz, NZG 2014, 926, 931 zu verstehen sein, wenn sie „Beißhemmungen des Aufsichtsrats“ erkennen; zuvor sprach bereits Peltzer, WM 1981, 346, 348 f., von einer „Bißsperre“. 86 Siehe dazu Redenius-Hövermann / Henkel, AG 2020, 349 ff. 82

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der den Aktienkurs erstmalig um über 20 % abstürzen ließ.87 Weitere Berichte am 01. 02. 2019 und 07. 02. 2019 folgten. Verantwortlichen des Unternehmens wurden zum Teil erhebliche Straftaten im Wirecard-Konzern inklusive Bilanzfälschung und Umsatzkarussellen zum Erhalt von Banklizenzen in Asien vorgeworfen.88 Die Financial Times berichtete weiter, dass Vorstandsmitglied Jan Marsalek von vier im Fokus der Justizbehörden in Singapur stehenden Transaktionen in Höhe von zwei Millionen Euro gewusst hatte.89 Mehrere Berichte mit weiteren kritischen und strafrechtlich relevanten Vorwürfen folgten. Am 21. 10. 2019 kündigte Wirecard eine freiwillige Sonderprüfung zur Aufklärung der erhobenen Vorwürfe durch KPMG an.90 Nachdem sie mehrfach aufgeschoben wurde, erfolgte die Veröffentlichung des Sonderprüfungsberichts am 27. 04. 2020.91 Bei Bekanntgabe des letzten Aufschubs wurde zuvor erklärt, dass die Sonderprüfung keine Mängel festgestellt habe,92 was zu einem erheblichen Anstieg des Aktienkurses führte. Anders stellte sich das Bild im Sonderprüfungsbericht dar: Dieser attestierte Unklarheiten in der Bilanzierung und erhob den Vorwurf fehlender Kooperationsbereitschaft (Nichtlieferung notwendiger Unterlagen, Nichterscheinen zu vereinbarten Interviewterminen, ausschließliche Vorlage nicht authentifizierbarer Kopien) bei der Aufklärung der erhobenen Vorwürfe.93 Der Aktienkurs stürzte daraufhin erneut ab. Die Staatsanwaltschaft hielt die Vorabveröffentlichung zu den Ergebnissen der Sonderprüfung für derart irreführend, dass die Geschäftsräume der Zentrale in Aschheim durchsucht wurden.94 Die Ermittlungen richteten sich dabei gegen sämtliche Vorstandsmitglieder.95 Nach einer Verschiebung der Bilanzveröffentlichung am 26. 05. 2020 erfolgte am 18. 06. 2020 die letzte Verschiebung mit dem Hinweis, dass eine in der Bilanz ausgewiesene Summe von 1,9 Milliarden Euro (etwa ein Viertel der Bilanzsumme) nicht nachgewiesen werden konnte. Zum Nachweis von Salden seien Fälschungen vorgelegt worden.96 Daraufhin kam es zu einem im DAX beispiellosen Kursabsturz von etwa 90 % in den folgenden drei Handelstagen. Nachdem Markus Braun zunächst weitere Erklärungen abgab und den Konzern als Opfer eines „gigantischen Betrugs“ sah, trat er schlussendlich am 19. 06. 2020 mit sofortiger Wirkung zurück.97 Am 22. 06. 2020 wurde er schließlich von der Staatsanwaltschaft München festgenommen und einen Tag später gegen eine Kau 87

McCrum / Palma, Financial Times von 30. 01. 2019. McCrum / Palma, Financial Times vom 01. 02. 2019; McCrum / Palma, Financial Times vom 07. 01. 2019. 89 McCrum / Palma, Financial Times vom 21. 03. 2019. 90 Lange, Managermagazin vom 21. 10. 2019. 91 Sonderprüfungsbericht von KPMG vom 27. 04. 2020. 92 Ad-hoc-Mittteilung der Wirecard AG vom 22. 04. 2020. 93 Siehe dazu Sonderprüfungsbericht von KPMG vom 27. 04. 2020, S. 10. 94 Willmroth / Wischmeyer, SZ vom 05. 05. 2020. 95 Willmroth / Wischmeyer, SZ vom 05. 05. 2020. 96 Ad-hoc-Mitteilung der Wirecard AG vom 18. 06. 2020. 97 Ad-hoc-Mitteilung der Wirecard AG vom 19. 06. 2020. 88

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tion von fünf Millionen Euro wieder freigelassen,98 um einen Monat später am 22. 07. 2020 wieder festgenommen zu werden.99 Welche Schlüsse lassen sich aus dieser gravierenden Fehlentwicklung ziehen? Der Chef der Vereinigung deutscher Aufsichtsräte (VARD), Peter Dehnen, hält die gesetzlichen Regelungen für nicht ausreichend.100 Dehnen ist zuzustimmen, dass es in der Praxis zu keiner ausreichenden Kontrolle kommt.101 Recht ist ihm auch zu geben, wenn er darauf hinweist, dass der Aufsichtsrat „ganz vorne in der Verantwortungskette“102 steht. Es bedarf allerdings keiner weiteren Eingriffsrechte des Aufsichtsrats. Auch nach geltendem Recht wäre eine Abberufung des Vorstands möglich gewesen. Mehrere Verhaltensweisen des Vorstands, die zum Teil Gegenstand staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen sind, wurden nicht zum Anlass für eine Abberufung genommen, obwohl sie jeweils erhebliche Pflichtverletzungen gem. § 84 Abs. 4 S. 2 F. 1 AktG darstellen könnten: 1. KPMG stellte im Sonderprüfungsbericht klar, dass Wirecard im Rahmen der Durchführung der Sonderprüfung erforderliche Dokumente nicht geliefert und mehrere Interviewtermine mit wichtigen Gesprächspartnern mehrfach mit erheblichen Verzögerungen verschoben hat.103 Bei der Aufklärung von Compliance-Verstößen kommt dem Vorstand die Pflicht zur Überwachung der Aufklärungsmaßnahmen zu.104 Es wäre daher die Pflicht des Vorstands gewesen, durch klare Aufforderung und Überwachung der Kooperation der Mitarbeiter zur Aufklärung der Vorwürfe beizutragen. Wenn der Verdacht besteht, dass Mitglieder des Vorstands betroffen sein könnten, trifft ihn darüber hinaus auch eine eigene Aufklärungspflicht.105 Dem scheint der Vorstand der Wirecard AG nur unzureichend nachgekommen zu sein. 2. Der Vorstand stellte dem Kapitalmarkt mehrfach ein positives Ergebnis der Sonderprüfung in Aussicht,106 obwohl dieses tatsächlich negativ ausfiel. 3. Obwohl die Bilanzveröffentlichung wegen des Aufschubs am 18. 06. 2020 und damit innerhalb der dreißigtägigen Frist des Art. 19  Abs. 11  MAR anstand, kaufte der Vorstandsvorsitzende Markus Braun am 28. 05. 2020 Aktien im Wert von 2,5 Millionen Euro.107 Die Börsenaufsicht schaltete sich in der Folge ein.108 98

Ott / Schmitt, SZ vom 23. 06. 2020. Jung, FAZ vom 23. 09. 2020. 100 O. V. „Wir hätten eine solche Situation überall erwartet – nur nicht in Deutschland“, FAZ vom 23. 06. 2020. 101 Dehnen selbst spricht von einem „Totalversagen des deutschen Corporate-Governance Systems“, GermanBoardNews vom 09. 07. 2020. 102 Dehnen, GermanBoardNews vom 09. 07. 2020. 103 Siehe dazu Sonderprüfungsbericht von KPMG vom 27. 04. 2020, S. 10. 104 Ott / Lüneborg, CCZ 2019, 71, 72; Reichert / Ott, NZG 2014, 241, 251; enger Koch, in: Koch, 2022, § 76 Rn. 15; Schockenhoff, NZG 2015, 409, 411. 105 Reichert / Ott, NZG 2014, 241, 251. 106 Ad-hoc-Mittteilung der Wirecard AG vom 22. 04. 2020. 107 Bekanntmachung der Wirecard AG vom 28. 05. 2020. 108 O. V., Handelsblatt vom 29. 05. 2020. 99

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Dass der Aufsichtsrat hier nicht tätig wurde, kann als Hinweis auf eine sehr starke Position des Vorstands in der Gesellschaft verstanden werden. Insofern zeugt der Fall Wirecard weniger von einer zu schwachen rechtlichen Position des Aufsichtsrats als vielmehr von einem Vollzugsdefizit. Mehrere große Aktionäre wiesen auf erhebliche Verfehlungen des Vorstands hin und forderten mit Verweis auf das Fehlverhalten Brauns bereits seit Längerem seinen Rücktritt.109 Insoweit zeigt sich auch hier, dass es weniger einer Ausweitung der bereits gegebenen Kontrollmöglichkeiten des Aufsichtsrats bedurfte. Vielmehr wäre die Kontrolle der Aufsichtsratsarbeit und notfalls auch die Möglichkeit der Erzwingung der Abberufung durch die Aktionäre erforderlich gewesen. e) Aktivere Rolle des Aufsichtsrats in der Geschäftsleitung Teilweise wird festgestellt, dass der Aufsichtsrat in der Praxis zunehmend an operativen Entscheidungen der Gesellschaft beteiligt wird.110 Vereinzelt wird gar die Tendenz einer Entwicklung vom dualistischen hin zum monistischen System gesehen.111 Das steht im Spannungsverhältnis zu der gesetzlichen Kontrollaufgabe des Aufsichtsrats gegenüber der Geschäftsführung gem. § 111 Abs. 1 AktG und ist auch mit Blick auf das Geschäftsführungsverbot nach § 111 Abs. 4 S. 1 AktG problematisch. In Krisensituationen ist die Überwachung des Vorstandshandelns durch den Aufsichtsrat von besonderer Wichtigkeit.112 Als Teil der Überwachungsaufgabe ist die Vorstandsberatung durch den Aufsichtsrat zwar nicht ausdrücklich in § 111 AktG geregelt, gleichwohl allgemein anerkannt und im Grundsatz 6 DCGK vorgesehen.113 An die Kontrolldichte des Aufsichtsrats werden in Krisensituationen erhöhte Anforderungen gestellt.114 Sollte sich die Einbindung des Aufsichtsrats in die Leitung der Gesellschaft nachhaltig verstärken, muss die Frage gestellt werden, ob die rechtliche Ausgestaltung der Praxis noch Rechnung trägt. Dies gilt nicht nur für die Regelung des § 111 Abs. 4 S. 1 AktG, die die Leitung der Gesellschaft eindeutig als nicht auf den 109

Hedtstück, Finance-Magazin vom 24. 02. 2016; Felten, RP Online vom 09. 05. 2020. Freund, NZG 2018, 1361, 1362, wonach „Der Aufsichtsrat […] zu einem Beratungs- und Mitgeschäftsführungsorgan“ wird; Lutter, DB 2009, 775, 775; Redenius-Hövermann, WpG 2017, 349, 349. 111 Wentrup, in: MünchHdbAG, 2020, § 19 Rn. 3: „Tendenziell hat sich somit das deutsche Trennungssystem in Richtung eines monistischen Systems bewegt“. 112 Heusel / Goette, AG 2020, 411, 412; nach Freund, NZG 2018, 1361, 1361 gewinnt man „speziell bei Unternehmen, die Krisen […] durchlaufen, den Eindruck, dass in der Beurteilung der Pflichtgemäßheit des Vorstandshandelns fast die Hauptaufgabe des Aufsichtsrats zu liegen scheint“. 113 Zu dem Verhältnis von Aufsicht und Beratung bereits Peltzer, WM 1981, 346, 348. 114 OLG Stuttgart, Beschluss vom 19. 06. 2012, 20 W 1/12, BeckRS 14126 Ls. 2; Heusel / Goette, AG 2020, 411, 412. 110

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Aufsichtsrat übertragbare Aufgabe des Vorstands festlegt und damit eine strikte Trennung zur Geschäftsleitung vorsieht. Es greift vor allem für die weitgehend alleinige Kontrolle der Geschäftsführung durch den Aufsichtsrat nach § 111 Abs. 1 AktG. Je mehr der Aufsichtsrat durch operative Entscheidungen, aber auch durch Beratungen in die Entscheidungen des Vorstands eingebunden wird, desto stärker drohen Mängel in der Vorstandsüberwachung aufzutreten. Hierdurch drohen die Grenzen von Überwachung und Gestaltung zu verschwimmen, sodass Aufsichtsräte durch die eigene Beteiligung und dadurch denkbare Haftung von einer Verfolgung von Schadensersatzansprüchen gegen Vorstandsmitglieder absehen werden. Zudem können so Beziehungen zwischen Vorständen und Aufsichtsräten entstehen, die zu einem verstärkten Gruppendenken führen, was eine effektive Kontrolle durch den Aufsichtsrat gefährdet.115 Dieser Gefahr kann einerseits durch ein Hinwirken auf strenge Beachtung des Geschäftsführungsverbots gem. § 111 Abs. 4 AktG, und andererseits durch effektive Kontrolle der Aufsichtsratsarbeit begegnet werden. Eine Kontrollinstanz braucht eine ausreichende Informationsgrundlage und Einfluss. Da die Hauptversammlung als Gesellschaftsorgan hierfür geeignet sind, bedarf es auch aus diesem Grund der Transparenz der Aufsichtsratsarbeit und ausreichender Einflussnahmemöglichkeiten der Aktionäre. f) Abberufungsaversion des Aufsichtsrats durch status quo bias und sunk cost fallacy Darüber hinaus können verhaltenswissenschaftliche Beobachtungen der Verhaltensökonomie (behavioral economics), die Abweichungen von der Prämisse des homo oeconomicus nahelegen,116 als Hinweis auf eine mögliche Abberufungsaversion des Aufsichtsrats gedeutet werden. Hierbei ist insbesondere an den status quo bias und die sunk cost fallacy zu denken. aa) status quo bias Zunächst lässt sich der status quo bias anführen. Dieser Begriff umfasst mehrere Einzelphänomene wie die Bevorzugung und Überbewertung eigener Besitztümer

115

Zum Gruppendenken bereits unter A. I. 1. a) aa)  und A. I. 1. d) bb) (1). Ausführlich zum Phänomen des Gruppendenkens von Vorstand und Aufsichtsrat Redenius-Hövermann, 2019, S. 35 ff. Durch eine zu starke operative Einbindung des Aufsichtsrats in Geschäftsentscheidungen droht das Verschwimmen von „innerer Gruppe“ Aufsichtsrat und „Gesamtgruppe“ Aufsichtsrat und Vorstand. 116 Langenbucher, ZGR 2019, 717, 731; Lüdemann, 2007, S. 7, 22; Schäfer / Ott, 2020, S. 118 ff.; Wolff, 2020, S. 140; ähnlich auch eine Studie an der Cornell University zum endowment effect, Kahneman / Knetsch / Thaler, Journal of Political Economy 98 (1990), 1325; hierzu auch Fleischer / Schmolke / Zimmer, 2011, S. 1, 14 f.

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(endowment effect)117 oder die Neigung, Verluste stärker als Gewinne zu gewichten (loss aversion)118. Er beschreibt den übergeordneten Umstand, dass Individuen auch in Situationen, in denen Änderungen erfolgsversprechend und daher angezeigt sind, dazu neigen, den Status quo für erhaltenswert zu erachten.119 Dies lässt sich auf Abberufungsentscheidungen des Aufsichtsrats übertragen. Es ist davon auszugehen, dass ein Aufsichtsrat bei der Ermessensausübung im Rahmen einer Abberufungsentscheidung gem. § 84 Abs. 4 S. 1 AktG ebenso eher eine Präferenz in Richtung des Status quo zeigt. Dies gilt insbesondere, wenn die gegenwärtigen Mitglieder die Berufungsentscheidung zuvor selbst getroffen haben. In der Folge sieht er womöglich von einer Abberufung ab, obwohl dies im Gesellschaftsinteresse liegen kann. bb) sunk cost fallacy Darüber hinaus birgt auch die sunk cost fallacy ein Risiko im Sinne einer Abberufungsaversion des Aufsichtsrats. Dieser Effekt beschreibt die Erscheinung, dass Individuen in Folge getätigter Investitionen dazu neigen, die bereits getätigten Aufwendungen mit Blick auf ihr zukünftiges Verhalten in unangemessener Weise einzupreisen. Diese dürften rational keine Rolle mehr spielen; es dürfte nur auf zukünftige Kosten und Nutzen abzustellen sein.120 Dies bietet sich ebenso für eine Anwendung auf die Ermessensausübung bei der Abberufungsentscheidung des Aufsichtsrats bezüglich eines Vorstandsmitglieds an. Die getätigte Investition stellt der Abschluss des Anstellungsvertrags eines Vorstands dar. Mit Abschluss des Anstellungsvertrags nach §§ 611, 675 BGB, ist diese Investition getätigt. Eine Abberufung hat hierauf grundsätzlich keinen Einfluss, weil die vertraglichen Ansprüche inklusive der Entgeltforderungen gem. § 84 Abs. 4 S. 5 AktG nicht tangiert werden. Insoweit stellen die Kosten in Höhe der Vergütungsansprüche aus dem Anstellungsvertrag in diesem Zusammenhang sunk costs dar. Tatsächlich besteht jedoch die Gefahr, dass der Aufsichtsrat im Rahmen der Entscheidung, ob ein Vorstandsmitglied bei Vorliegen eines wichtigen Grundes abzuberufen ist, angesichts der in den Anstellungsvertrag getätigten Investition

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Kahneman / Knetsch / Thaler, Journal of Political Economy 98 (1990), 1325; hierzu Altmann / Falk / Marklein, 2011, S. 63, 72; Englerth / Towfigh, in: Towfigh / Petersen, Fn.  529 ff.; Fleischer / Schmolke / Zimmer, 2011, S. 1, 20; Kumpan, 2014, S. 74 f.; Schäfer / Ott, 2020, S. 121. 118 Altmann / Falk / Marklein, 2011, S. 63, 74; Englerth / Towfigh, in: Towfigh / Petersen, 2016, Fn. 531 f.; Fleischer / Schmolke / Zimmer, S. 1, 20; Kumpan, 2014, S. 75. 119 Englerth / Towfigh, in: Towfigh / Petersen, 2016, Rn. 532 ff.; Kumpan, 2014, S. 76; Schäfer / Ott, 2020, S. 121. 120 Arkes / Blumer, Organizational Behavior and Human Decision Processes 35 (1985), 124; Lüdemann, 2007, S. 7, 22; Redenius-Hövermann, 2019, S. 299; Schäfer / Ott, 2020, S. 121.

I. Gründe für Aktionärseinfluss

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durch die sunk cost fallacy dazu neigt, ein Vorstandsmitglied nicht abzuberufen, obwohl dies im Einzelfall angezeigt sein kann.121 cc) Zwischenergebnis Sowohl der status quo bias als auch die sunk cost fallacy weisen auf mögliche verhaltenswissenschaftlich begründete Defizite im Rahmen der Abberufungsentscheidung des Aufsichtsrats hin. g) Zwischenergebnis Es zeigt sich, dass die immer wieder festzustellende Verflechtung von Vorständen und Aufsichtsräten ein problematisches Phänomen darstellt, das einer über die Handlungen des Gesetzgebers in jüngerer Vergangenheit hinausgehenden Reform bedarf. Hier können Aktionäre eine entscheidende Rolle spielen. Dasselbe gilt für die Prinzipal-Agenten-Theorie und die hierbei auftretenden Informationsasymmetrien. Einerseits gilt es, die Informationsasymmetrien möglichst zu minimieren.122 Andererseits kann die Einbindung der Aktionäre als Prinzipale und insoweit Leidtragende das Problem eindämmen. 2. Schwacher Minderheitsaktionärsschutz im internationalen Vergleich Auch der internationale Vergleich zeigt, dass deutsche Aktionäre im Aktienrecht eine ausgesprochen schwache Stellung innehaben. So hat die Untersuchung „Doing Business“ der Weltbank aus dem Jahr 2020 ergeben, dass der Schutz der Minderheitsaktionäre in Deutschland besonders schwach ausgestaltet ist (62.0 von 100 möglichen Wertungspunkten) und damit weltweit nur den 61. Platz erreicht.123 Der Grund dafür ist nicht in der dualistischen Ausgestaltung des deutschen Aktienrechts zu suchen. Andere Staaten, deren Aktienrecht dualistisch organisiert ist, sind stärker bewertet.124 Sieht man sich die Ergebnisse der Untersuchung genauer an, fällt auf, dass das deutsche Recht in den Kategorien Vorstandshaftung (Director 121 Verstärkt wird dies durch die Möglichkeit, dass Aufsichtsratsmitglieder durch eine im Raum stehende Pflichtverletzung ebenso betroffen sein können, insoweit etwa von einer Abberufung wegen grober Pflichtverletzung gem. § 84 Abs. 4 S. 2 F. 1 AktG absehen. Hierzu zu der analogen Fragestellung der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen Baums, Gutachten zum dt. Juristentag 2000, F 241. 122 Eine gänzliche Auflösung der Informationsasymmetrien ist dagegen nicht möglich, Meyer, 2012, S. 51. 123 „Protecting Minority Investors“, Doing Business Report Score Card. 124 So erreicht etwa der österreichische Minderheitenschutz 70.0 Wertungspunkte, Dänemark erreichte 72.0 Wertungspunkte, Lettland 68.0 Wertungspunkte, Polen 66.0 Wertungspunkte,

50

A. Zunehmender Aktionärseinfluss im Aktienrecht

liability Index),125 Klagen von Aktionären (Shareholder suits Index)126 und Veröffentlichungspflichten (Disclosure Index) mit jeweils nur fünf von zehn möglichen Punkten lediglich die Hälfte der möglichen Punkte erreicht und damit besonders schwach abschneidet.127 Insoweit kann auch der internationale Vergleich als Hinweis auf den Bedarf verstärkter Einbindung der Aktionäre in die Verwaltung der Gesellschaft gesehen werden. 3. Zwischenergebnis Sowohl die verhaltenswissenschaftliche Untersuchung als auch der internationale Vergleich lassen stärkere Einflussnahme- und Kontrollmöglichkeiten der Aktionäre in die Unternehmensführung angeraten erscheinen.

II. Europäische Normgebung Impulse zur Stärkung des Aktionärseinflusses (Shareholder activism) gibt es insbesondere von europäischer Seite. Dies zeigt sich nicht zuletzt an den Aktionärsrechte-Richtlinien, die 2007 und 2017 verabschiedet wurden. So sind viele Neuregelungen zur Stärkung des Aktionärseinflusses der vergangenen Jahre auf Initiative des europäischen Gesetzgebers eingeführt worden, so etwa die in Art. 9a ARRL 2017/828 geregelte Reform des Say on Pay durch das ARUG II128 oder das in Art. 9 Abs. 4 ARRL geregelte Votum zum Vergütungsbericht. Auch die der Kontrolle der Aktionäre dienenden Transparenzregelungen, etwa die verbindliche Regelung des Vergütungssystems, sind durch Art. 9a Abs. 1 ARRL 2017/828 der zweiten Aktionärsrechterichtlinie vorgegeben worden. Diese Neuregelungen stehen in krassem Widerspruch zum seit dem AktG 1937 in Deutschland vorherrschenden aktienrechtlichen Leitbild des passiven Aktionärs,129 der im dualistischen System kaum Einfluss nimmt und die Leitung der Gesellschaft weitgehend dem Vorstand und die Kontrolle dem Aufsichtsrat überlässt.130 Portugal 62.0 Wertungspunkte und Tschechien 62.0 Wertungspunkte. Einzig Estland schnitt schlechter als Deutschland ab und erreichte nur 58.0 Wertungspunkte. 125 Zu den Durchsetzungsdefiziten von Schadensersatzansprüchen gegen Vorstandsmitglieder und dem sich daraus ergebenden Bedarf gesetzlich geregelter Clawback-Ansprüche RedeniusHövermann / Siemens, ZIP 2020, 145 ff. 126 Dies deckt sich mit den Feststellungen von Redenius-Hövermann / Henkel, AG 2020, 349 ff., die nachweisen konnten, dass der Aktionärsklage gem. § 148 AktG keinerlei praktische Bedeutung zukommt. 127 „Protecting Minority Investors“, Doing Business Report Score Card. 128 Dies gilt gleichzeitig nicht für die Einführung des Say on Pay durch Art. 1 Nr. 6 des Vorst­­AG, das nicht durch den europäischen Normgeber vorgegeben war. Dieser hatte ein solches Votum allerdings bereits 2004 empfohlen, 2004/913/EG, Ziff. 4.2. 129 Ausführlich hierzu unter C. II. 1. e) aa). 130 Siehe dazu Hommelhoff, NZG 2015, 1329, 1332.

III. Erweiterung des Aktionärseinflusses am Beipiel des Say on Pay

51

Diese Entwicklung hin zu mehr Aktionärseinfluss dürfte nach Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie keineswegs beendet sein, sondern fortdauern. Die RL 2017/828 hat in ihrer finalen Form vor allem Regelungen zur Organvergütung, zu Related-Party-Transactions und der Know-Your-Shareholder-Thematik getroffen; im Erlassverfahren wurde jedoch die grundsätzliche Wichtigkeit der Einbindung der Aktionäre betont.131 Was der europäische Gesetzgeber als Teil der Einbindung der Aktionäre sieht, stellte er insbesondere in Art. 2h des Entwurfs der Aktionärsrechterichtlinie klar: „‚Einbeziehung der Aktionäre‘ bezeichnet die Überwachung von Unternehmen in Bezug auf Angelegenheiten wie Strategie, Leistungsentwicklung, Risiko, Kapitalstruktur und Unternehmensführung (Corporate Governance) durch einen Aktionär, allein oder zusammen mit anderen Aktionären, sowie den Dialog mit den Unternehmen zu diesen Angelegenheiten und die Abstimmung auf der Hauptversammlung.“

Hieran wird bereits ersichtlich, dass das (ehemalige)  deutsche Leitbild des passiven Aktionärs nicht zu jenem des europäischen Normgebers passt und hier weitere Stärkungen der Aktionärsposition, insbesondere bezüglich der operativen Leitung der Gesellschaft, zu erwarten sind.132 Die Aktionäre sollen aktiv Einfluss auf die Politik der Gesellschaft nehmen können. Mithin sind die erste und zweite Aktionärsrechterichtlinie lediglich als Anfang der Einbindung der Aktionäre in die Geschicke der Gesellschaft zu verstehen. Der Aktionärseinfluss wird zukünftig weiter zunehmen. Angesichts der bereits aufgezeigten und im folgenden Abschnitt noch darzulegenden Feststellungen ist diese Entwicklung auch aus deutscher Sicht zu begrüßen. Aktionäre können eine Kontrollinstanz darstellen, die im Rahmen des Kompetenzgefüges der Aktiengesellschaft weitere und insgesamt verbesserte Kontrolle ermöglicht und damit bei der Herbeiführung guter Corporate Governance entscheidend ist.

III. Erweiterung des Aktionärseinflusses am Beipiel des Say on Pay In beiden Aktionärsrechterichtlinien und ihren Umsetzungen haben der deutsche und europäische Gesetzgeber vor allem die Einflussnahme der Hauptversammlung bezüglich der Vorstandsvergütung erweitert. Die Entwicklung des Say on Pay-­ Votums gilt es mit Blick darauf nachzuzeichnen und einzuordnen, inwieweit dieses eine wirksame Kontrolle durch die Aktionäre ermöglicht und als Hinweis auf die Möglichkeit wirksamer Kontrolle durch Aktionäre bei statusrechtlichen Entscheidungen gelten kann. Entscheidende Hinweise dafür liefert neben der Rezeption voriger empirischer Untersuchungen die Auswertung sämtlicher Say on Pay-Be-

131 132

ARRL-E vom 09. 04. 2014, Erwägungsgründe 3 und 8.  Hommelhoff, NZG 2015, 1329, 1332.

52

A. Zunehmender Aktionärseinfluss im Aktienrecht

schlüsse zwischen 2015 und 2021 der drei größten deutschen Börsenindizes, des DAX, MDAX und SDAX. 1. Einführung des Say on Pay 2009 hat der deutsche Gesetzgeber im Rahmen des Art. 1 Nr. 6 des VorstAG das Say on Pay in § 120 Abs. 4 AktG a. F. eingeführt. Er nahm sich das 2002 eingeführte britische advisory vote, welches er für bewährt hielt,133 zum Vorbild.134 Ebenso wie im britischen Modell kam § 120 Abs. 4 AktG a. F. vor seiner Reform durch den ­Enterprise and Regulatory Reform Act 2013135 nur empfehlende und keine bindende Funktion zu.136 Aus einem ablehnenden Beschluss der Hauptversammlung ergaben sich gem. § 120 Abs. 4 S. 2 AktG a. F. keine unmittelbaren Rechtsfolgen.137 Eine Betrachtung der Entwicklung des Votums in der Praxis ergibt folgendes Bild: 2. Anwendungszeitraum 2010–2015 Nach Erlass des VorstAG kam dem Vergütungsvotum zunächst erhebliche praktische Bedeutung zu, die allerdings im Laufe der Zeit verloren ging.138 Während 2010 noch mehr als ein Drittel der Versammlungen ein Say on Pay-Votum vornahm, lag der Anteil der Hauptversammlungen, die eine solche Abstimmungen vorsahen,

133

BT-Drucks. 16/13433, S. 12. In der britischen Rechtspraxis zeigte sich dennoch der Einfluss eines ablehnenden Beschlusses. Auf der Hauptversammlung der Royal Bank of Scotland wurde die Vorstandsvergütung von über 90 % der Stimmen abgelehnt, in dessen Folge machte der Vorstand erhebliche finanzielle Zugeständnisse, Hellmann, Royal Bank of Scotland einigt sich mit Goodwin – Freiwilliger Verzicht auf kontroverse Pensionsgelder, Börsen-Zeitung vom 19. 06. 2009; auch der Fall des Pharmaunternehmens GlaxoSmithKline zeigte die Wirkung eines ablehnenden Votums: Die Vergütung des Board sollte 2003 mehr durch eine Erhöhung auf über elf Millionen Euro mehr als verdoppelt werden. Die Aktionäre lehnten diese Erhöhung im Rahmen der Abstimmung ab – in der Folge wurde eine Anpassung des Vergütungssystems vorgenommen, Thüsing, DB 2003, 1612, 1614. 135 Enterprise and Regulatory Reform Act 2013. Entscheidend für das Say on Pay ist Section 79. Hierdurch kam es zu einer Reihe von Verschärfungen des Say on Pay. So beispielsweise durch eine verpflichtende Neuabstimmung der Vergütungspolitik (remuneration policy) in Folge eines abgelehnten Vergütungsberichts (remuneration report) und einer Pflicht zur Anwendung des vorherigen Vergütungspolitik, wenn eine neue abgelehnt wurde. 136 Döll, ILF Working Paper No. 107, 2009, S. 7. 137 Kubis, in: MünchKommAktG, 2022, § 120a Rn. 2. Ein wesentlicher Unterschied zum britischen Vergütungsvotum war jedoch, dass § 120 Abs. 4 AktG a. F. eine Abstimmung nicht verpflichtend vorschrieb, sondern diese nur auf Vorlage durch den Vorstand oder Aufsichtsrat votiert wurde, § 124 Abs. 3 S. 1 AktG. 138 Eisenschmidt, DB 2016, 2793, 2794. 134

53

III. Erweiterung des Aktionärseinflusses am Beipiel des Say on Pay

ein Jahr später bei unter 25 %. Weitere zwei Jahre später haben unter 10 % der börsennotierten Gesellschaften ein Vergütungsvotum vorgenommen. Die durchschnittliche Zustimmung war dabei hoch. In der Hauptversammlungssaison 2015 erreichte sie im Prime Standard139 einen durchschnittlichen Wert von 92,41 %.140 Der erhoffte Erfolg der Gesetzesänderung stellte sich nicht ein. 100 90 80 70 60 50 40

36,5 23,6

30 20

11,7

8,5

2012

2013

10

7,66

0 2010

2011

2014

2015

Abbildung 1: Say on Pay 2010–2015141

3. Anwendungszeitraum 2015–ARUG II Bei der Auswertung der Say on Pay-Beschlüsse von 994 Hauptversammlungen der Unternehmen der drei größten deutschen Börsenindizes des DAX (197), des MDAX (383) und des SDAX (414)142 seit 2015 lässt sich eine Änderung der Praxis der Vergütungsvoten feststellen. Nachdem im Jahr 2015 die Zustimmungswerte im Prime Standard bei durchschnittlich 92,41 %143 lagen, erhalten die Abstimmungen gem. § 120 Abs. 4 AktG a. F. seit 2016 im Rahmen der Hauptversammlungen die niedrigsten Zustimmungswerte. Nachdem die praktische Relevanz bis 2015 abgenommen hat, nimmt sie seitdem durch die sinkenden Zustimmungswerte

139

Hierbei handelt es sich um einen Teilbereich des Geregelten Marktes an der Frankfurter Börse, der besondere Transparenzanforderungen stellt und typischerweise besonders große Gesellschaften beinhaltet. 140 Eisenschmidt, DB 2016, 2793, 2797; Mülbert, in: GroßKommAktG, 2017, § 120 Rn. 157. 141 Die Daten stammen aus einer Grafik in Eisenschmidt, DB 2016, 2793, 2796, deren Werte in dieser Grafik übernommen wurden. 142 Hierfür wurde die Zusammensetzung der Indizes vor Umstellung des DAX30 auf den DAX40 am 20. 09. 2021 zugrunde gelegt, in der die Hauptversammlungssaison 2021 im Wesentlichen abgehalten wurde. 143 Eisenschmidt, DB 2016, 2793, 2797.

54

A. Zunehmender Aktionärseinfluss im Aktienrecht

wieder zu. Die Tabelle zeigt die durchschnittlichen Zustimmungswerte im Rahmen von Hauptversammlungen der DAX30-Konzerne, die bei Beschlüssen gem. § 120 Abs. 4 AktG  a. F. insbesondere 2016 und 2017 konstant zurückgegangen sind.144 Denklogisch steigt durch die ablehnenden Beschlüsse die praktische Relevanz wieder an. Bereits nach der Gesetzesbegründung sollte einer Ablehnung des Vergütungssystems negative öffentliche Wirkung zukommen.145 Unternehmensname

2015

Adidas

77,47

2016

2017

2018

2019

2020

70,18

Allianz

83,41 92,11

BASF

79,57

Bayer

87,14 92,69

81,10

94,02

BMW

78,69

Continental

91,6

80,91

Covestro

97,41

91,12

91,66

Daimler

97,87

95,33

Delivery Hero

86,36

Deutsche Bank

48,07

Deutsche Börse

84,19

Deutsche Post

96,79

97,76 65,45 88,56

72,7

Deutsche Wohnen

90,99

E.ON

91,14

Fresenius

92,56 62,99

Fresenius Medical Care

92,23

76,03

Heidelberg Cement

144

94,97 93,39

Deutsche Telekom

Henkel

2021

95,05 93,37

99,46

92,21 98,86

98,5

Bereits zuvor wurden die Say on Pay-Beschlüsse von 2010–2018 empirisch untersucht, dazu etwa die Grafik in HKP-Group, Investorenstudie zur Vorstandsvergütung, 2018, S. 6. Diese gibt allerdings nur die durchschnittlichen Zustimmungswerte an und betrachtet zudem nur die DAX30. Außerdem werden die Hauptversammlungssaisons 2019 und 2020 durch diese Untersuchung noch nicht erfasst. Jüngst erschien zudem eine umfangreiche empirische Untersuchung des DSW und der Technischen Universität München, die die Say on Pay-Voten des DAX30 der letzten zehn sowie des MDAX der letzten zwei Jahre abbildet, Studie zur Vergütung der Vorstände in den DAX- und MDAX-Unternehmen im Geschäftsjahr 2020, S. 2 f. 145 BT-Drucks. 16/13433 S. 12.

55

III. Erweiterung des Aktionärseinflusses am Beipiel des Say on Pay Unternehmensname

2015

2016

2017

2018

2019

2020

Infineon

2021 93,54

Linde Merck

46,04

MTU Aero Engines Münchener Rück

90,19

84,75

RWE

87,08

91,02

91,7

92,03

86,25

81,25

SAP Siemens

34,29

92,73

54,69

93,19 90,05

78,42

92,79

94,51

Siemens Energy

96,7

Volkswagen

80,96

Vonovia

86,73

Durchschnitt

89,33

99,61 87,75

76,39

70,04

82,87

94,45

90,19

90,97

2019

2020

2021

98,59

97,29

Hervorgehoben = Der Beschluss wurde abgelehnt. Alle Angaben stellen Prozentwerte dar. Unternehmensname

2015

2016

Airbus

80,00

74,06

2017

Aixtron

2018

78,46

Alstria Office Reit

90,30

94,61

85,93 49,45

Aroundtown Aurubis

55,90

47,14 96,04

Auto1 Group

84,84

Bechtle

89,13

Beiersdorf Brenntag

77,29 93,32

Cancom

87,02

92,49

91,62 73,22

82,83

Carl Zeiss Meditec Commerzbank

95,91 98,36

76,45

Compu Group Medical

78,18

CTS Eventim

85,35

Dürr

89,57

Encavis

86,14

56

A. Zunehmender Aktionärseinfluss im Aktienrecht

Unternehmensname

2015

2016

2017

2018

2019

Evonik Evotec

58,60

94,04

94,04 56,63

94,02

Freenet

65,58

34,42

94,71

86,39

GEA Gerresheimer

2021

88,58

Fraport Fuchs Petrolub

2020

93,85

88,93 89,54

93,12

90,40

Grand City Properties

64,11

Hannover Rück

85,45

Hella

99,79

93,91

Hellofresh

45,62

Hochtief

94,29

Hugo Boss

64,99

93,83

K+S

92,28

Kion Group

78,85

71,68

69,10

Knorr Bremse

97,45

Lanxess

94,22

LEG Immobilien Deutsche Lufthansa

96,37

64,95 89,95

77,82 57,42

88,22

Morphosys

36,18

Nemetschek

74,83

Nordex

99,37

Porsche Holding

100

ProSiebenSat1

33,19

96,4

93,05

Puma

80,42

Qiagen

76,98

Rational

82,5

Rheinmetall

43,14

Sartorius Scout24 Shop Apotheke Europe Siemens Health­ineers

92,61 99,92

84,83

91,88 82,72 98,91

57

III. Erweiterung des Aktionärseinflusses am Beipiel des Say on Pay Unternehmensname

2015

2016

2017

2018

2019

2020

2021

Software AG

94,83

Ströer

87,55

Symrise

92,96

83,35

TAG Immobilien

77,52

94,37

TeamViewer

96,23

Telefonica Deutschland

84,72

ThyssenKrupp

98,79

96,7

Uniper

81,38

97,65

United Internet

77,71

Varta

96,4

Wacker Chemie

96,92

Zalando Durchschnitt

69,12 93,04

81,26

69,46

72,27

74,45

87,65

82,66

2018

2019

2020

85,26

Hervorgehoben = Der Beschluss wurde abgelehnt. Alle Angaben stellen Prozentwerte dar.

Unternehmensname

2015

2016

2017

2021

1&1 Drillisch

92,82

Aareal Bank

36,65

Adler Group

68,66

ADVA Group

99,39

Amadeus Fire

37,6

35,93

91,16

BayWa

93,84

BEFESA Bilfinger

100 95

28,99 80

BVB Ceconomy

79,91

74,21

99,15

Cewe Dermapharm

80,3

Deutsche Euroshop Deutsche Pfandbriefbank

66,96

87,43

93,45

69,71

95,42

58

A. Zunehmender Aktionärseinfluss im Aktienrecht

Unternehmensname

2015

2016

2017

2018

2019

Deutz

2020

2021

21,23

72,01

DIC Asset Drägerwerk

85,26 99,76

90,53

DWS

99,21

Eckert & Ziegler ElringKlinger

89,21

97,96 92,18

98,8

Fielmann

94,13

FlatexDegiro

95,69

Global Fashion Group

99,99

Grenke

93,12

Hamborner Reit

89,53

90,37

Hamburger Hafen

95,8

Hensoldt

97,98

Home24

68,39

Hornbach Holding Hypoport

69,27

Indus Holding

98,65

Instone

98,27

Jenoptik

75,96

Jost Werke

50,59

Jungheinrich

100

Klöckner & Co.

91,62

87,03

71,16

Krones

79,64

96,84

KWS Saat

99,94

92,39

LPKF Laser

92

79,26

MEDIOS Metro

90,97 83,18

90,15

Nagarro

74,53

New Work Norma Group Patrizia

66,58 60,74

22,9

63,25 99,83 91,17

59

III. Erweiterung des Aktionärseinflusses am Beipiel des Say on Pay Unternehmensname

2015

2016

2017

Pfeiffer Vacuum

2018

2019

2020

78,4

2021 99,04

RTL Group S&T

71,26

95,52

SAF Holland

70,26

99,16

Salzgitter

98,56

Schaeffler

100

SGL Carbon

98,93

Siltronic

98,40

64,20

100

98,84

Sixt

81,12

SMA Solar

91,82

84,45

Stabilus

98,6

97,9

84,1

STRATEC

73,08

Südzucker

98,85

SÜSS MicroTec

59,99

Takkt

85,14

Talanx

96,5

Traton

97,2

VantageTowers

95,14

Verbio

90,39

Vossloh

77,86

84,97

Wacker Neuson

96,97

Westwing

95,98

Zeal Network

92,51

Zooplus

86,9

Durchschnittswert

91,69

92,71

85,19

72,04

67,61

86,08

86,83

Hervorgehoben = Die Zustimmung wurde verweigert. Alle Angaben stellen Prozentwerte dar.

2016 und 2017 kam es, nachdem es zuvor nur einen Ablehnungsfall bei dem Vergütungsvotum von Heidelberg Cement 2010146 gab, mehrfach zu einer Ablehnung des Vorstandsvergütungssystems durch die Hauptversammlung. Das war

146

Mülbert, in: GroßKommAktG, 2017, § 120 Rn. 157.

60

A. Zunehmender Aktionärseinfluss im Aktienrecht

beispielsweise der Fall bei der Deutschen Bank 2016, Münchner Rück, Merck und ProSiebenSat1 2017.147 Die Aktionäre kritisierten dabei insbesondere die Intransparenz der Vergütung (Deutsche Bank 2016, Merck 2017 und Münchener Rück 2017), sowie die Erhöhung der Vergütung und den Umstand, dass es keine Vergütungshöchstgrenzen (salary caps) gab (Deutsche Bank 2016 und Merck 2017).148 Die Tatsache, dass die Zustimmung im DAX30 und MDAX ab 2018 wieder zunahm,149 lässt sich als Hinweis darauf deuten, dass die Voten zu einer Berücksichtigung der Kritik führten und die Vergütungspolitik zumindest teilweise angepasst wurde. Ähnliches lässt sich auch im SDAX feststellen, wo sich der Trend mit zweijähriger Verzögerung abzuzeichnen scheint. So haben die Zustimmungswerte erst seit 2018, inklusive mehrerer Ablehnungen des Vergütungssystems (Amadeus Fire 2018 und 2019 und die Norma Group 2019) erheblich abgenommen und 2020150 wieder zugelegt. Entgegen Stimmen in der Literatur151 lässt sich damit feststellen, dass das Vergütungsvotum nach § 120 Abs. 4 AktG a. F. nicht gänzlich wirkungslos geblieben ist. 100 95 90 85 80 75 70 65 60 2015

2016

2017

DAX30

MDAX

2018 SDAX

2019

2020

2021

Durchschnitt

Abbildung 2: Say on Pay 2015–2021

147

Wadewitz, Börsen-Zeitung vom 22. 09. 2017; für Deutsche Bank auch Mülbert, in: GroßKommAktG, 2017, § 120 Rn. 157. 148 Wadewitz, Börsen-Zeitung vom 22. 09. 2017. 149 Im SDAX scheint sich das gleiche Phänomen, allerdings mit zweijähriger Verzögerung abzuzeichnen. Hier haben die Zustimmungswerte erst 2018 erheblich abgenommen. Erst 2020 zeigt sich wieder ein merklicher Anstieg der durchschnittlichen Zustimmung. 150 Dennoch traten auch 2020 bei Corestate Capital und Deutz Ablehnungen des Vergütungssystems auf. 151 Velte, EuWZ 2013, 893, 895.

III. Erweiterung des Aktionärseinflusses am Beipiel des Say on Pay

61

4. Änderung durch die zweite Aktionärsrechterichtlinie (RL 2017/828) Am 17. 05. 2017 wurde die Aktionärsrechterichtlinie mit Inkrafttreten zum 09. 06. 2017 geändert.152 Ziel der Änderung war es, die Mitwirkung der Aktionäre börsennotierter Gesellschaften zu verbessern sowie die grenzüberschreitende Information und Rechteausübung zu erleichtern.153 Die Abstimmung über die Vergütungspolitik wurde entgegen der vorherigen deutschen Regelung154 verbindlich für mindestens alle vier Jahre vorgeschrieben.155 Weiterhin ist auch jede wesentliche Änderung der Vergütungspolitik zustimmungspflichtig.156 Ob das Abstimmungsergebnis für den Aufsichtsrat bindend ausgestaltet werden soll, wurde den jeweiligen Gesetzgebern freigestellt.157 Bei Ablehnung des Votums muss die Vergütungspolitik überarbeitet und den Aktionären in der folgenden Hauptversammlung erneut zur Abstimmung vorgelegt werden.158 Vergütet werden darf nur nach einem Vergütungssystem, das der Hauptversammlung vorgelegt wurde. Ein Abweichen von der Vergütungspolitik ist nur kurzfristig und nur zur Herstellung einer nachhaltigen Vergütungspolitik möglich.159 5. Umsetzung durch den deutschen Gesetzgeber Der deutsche Gesetzgeber hat sich bezüglich des Say on Pay nur zur Umsetzung der Mindestvoraussetzungen entschieden. Die Neuregelung sieht bezüglich der umstrittensten Frage, der Verbindlichkeit des Votums über das Vergütungssystem gem. § 120a Abs. 1 S. 2 AktG, ausdrücklich keine bindende Wirkung vor. Es bleibt damit systemkonform bei der aktienrechtlichen Ausgestaltung der ausschließlichen Zuständigkeit des Aufsichtsrats hinsichtlich der Vorstandsvergütung gem. §§ 87 Abs. 1, 112 AktG.160 Die Mindestvoraussetzung der Wiedervorlagepflicht im Folgejahr im Falle eines negativ ausfallenden Votums wurde in § 120 Abs. 3 AktG geregelt. Die Umsetzung des Regierungsentwurfs folgte durch die lediglich empfehlende Wirkung des Beschlusses gem. § 120a AktG-E und erhielt dementsprechend Zustimmung.161 Insoweit könnte man denken, dass der deutsche Gesetzgeber 152

RL 2017/828, Art. 4 Abs. 1. Seulen, DB 2018, 2915, 2915. 154 Bachmann / Pauschinger, ZIP 2019, 1, 4; Döll, WM 2010, 103, 108. 155 RL 2017/828, Art. 9a Abs. 5. 156 RL 2017/828, Art. 9a Abs. 5. 157 RL 2017/828, Art. 9a Abs. 3. 158 RL 2017/828, Art. 9a Abs. 2. 159 Diekmann, WM 2018, 796, 798. 160 Dies wird auch als Beweggrund genannt, RegE ARUG II, S. 2, 35. 161 AktienInstitut Stellungnahme, S. 5; Bungert / Berger, DB 2018, 2801, 2803; Bungert / Wansleben, DB 2017, 1190, 1192; DAV Stellungnahme, S. 35; DIRK Stellungnahme, S. 7; DGB Stellungnahme S. 6; DSW Stellungnahme, S. 8; GDV Stellungnahme, S. 2; Habersack, NZG 2018 127, 132; Redenius-Hövermann, AR 2009, 173, 175; Seulen, DB 2018, 2915, 2916; andere Ansicht BVI Stellungnahme, S. 5; CRIC Stellungnahme, S. 2; Familienunternehmer e. V. Stellungnahme, S. 2; Initiative Minderheitsaktionäre Stellungnahme, S. 5; SdK Stellungnahme, S. 5. 153

62

A. Zunehmender Aktionärseinfluss im Aktienrecht

sich gegen eine Stärkung der Aktionärsrechte entschieden hat. Dies ist gleichwohl nicht der Fall. Er hat sich, insoweit überobligatorisch,162 statt eines verbindlichen Say on Pay-Votums für eine für den Aufsichtsrat bindenden Kompetenz der Hauptversammlung zur Festsetzung einer Maximalvergütung163 entschieden. Dies geht insoweit über eine Regelung eines (bindenden) Say on Pay-Votums hinaus, als dass die Hauptversammlung nun über die konkrete absolute Höhe der Vergütung entscheiden kann, während das Say on Pay-Votum nur das abstrakte Vergütungssystem nach § 87a AktG zum Gegenstand hat. Der Gesetzgeber hat also die gestiegene Einflussnahmebereitschaft der Aktionäre erkannt und im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens berücksichtigt. Die Neuregelung stellt insoweit ein klares Bekenntnis zum Aktionärseinfluss und dem Mehrwert der Kontrolle durch Aktionäre dar. 6. Ergebnis und Vergleich zur Entlastung Die Darstellung zeigt, dass der europäische Gesetzgeber die Mittel zur Einflussnahme der Aktionäre erweitert hat und zukünftig wohl fortschreitend erweitern wird. Gleichzeitig weist die deutsche Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie bei Betrachtung des zentralen Streitpunkts, der Einflussnahme der Aktionäre auf die Vorstandsvergütung, noch auf ein Weiteres hin: Es kam nicht nur zur Umsetzung der Mindestvoraussetzungen. Nachdem bereits das Say on Pay durch das VorstAG 2009 überobligatorisch geregelt wurde, zeigt sich hier erneut die Aufgabe des Leitbilds des rein passiven Aktionärsverständnisses durch den deutschen Gesetzgeber. Er hat die positiven Erfahrungen durch die sinkenden Zustimmungswerte zum Anlass genommen, den Aktionären eine verbindliche Einflussnahme in Bezug auf die Vorstandsvergütung einzuräumen. Welche Lehren lassen sich hieraus für den Entlastungsbeschluss ziehen? Zwischen dem Say on Pay-Votum und der Organentlastung lassen sich mehrere Parallelen erkennen. Der entscheidende Gleichklang zwischen den beiden Voten zeigt sich bei der Rechtsfolge: So hat der Gesetzgeber in beiden deren rechtliche Unverbindlichkeit vorgesehen.164 Obgleich vielbeachtet und durch mediale Aufmerksamkeit begleitet, wurden beide Voten doch als „zahnlose Tiger“165 bezeichnet. Dies gilt gleichwohl für das Say on Pay nicht mehr. Durch die Erfahrungen

162

Stöber, DStR 2020, 391, 395. Dazu Dörrwächter / Leuering, NJW-Spezial 2020, 15 ff.; Fleischer, in: BeckOGK, 2022, § 87a Rn. 15 ff.; Koch, in: Koch, 2022, § 87 Rn. 66 f.; Stöber, DStR 2020, 391, 395 ff. 164 Eine weitere interessante, aber an dieser Stelle nicht entscheidende Parallele ist, dass sie den Aktionären Stellungnahmen zu Inhalten erlauben, die in Kompetenzbereiche anderer Organe fallen. 165 Zum Say on Pay Siefer, NZG 2013, 691, 694; Velte, EuZW 2013, 893, 895; ders., NZG 2017, 368, 369; zur Entlastung Redenius-Hövermann / Siemens, AR 4/2020, 52. 163

IV. Das neue Verständnis des dualistischen Prinzips  

63

mit dem Votum hat der Gesetzgeber die Unverbindlichkeit des Aktionärseinflusses bezüglich der Vorstandsvergütung aufgegeben und den Aktionären das Recht zur Rahmensetzung bei der Vorstandsvergütung eingeräumt, in der der Aufsichtsrat weiterhin die volle Vergütungszuständigkeit behält, sodass das dualistische Prinzip kaum angegriffen wird. Aufgrund der Ähnlichkeit der Ausgangslage verdient die Entlastung eine nähere empirische Untersuchung. Sofern die Zustimmungswerte abnehmen, kann hierin ein Indiz dafür gesehen werden, dass es einer Stärkung im Sinne verbindlichen Aktionärseinflusses bedarf.

IV. Das neue Verständnis des dualistischen Prinzips  Vor dem Hintergrund des Gesagten scheint der Gesetzgeber das Bild des passiven Aktionärs im deutschen Aktienrecht, das seit dem Aktiengesetz vom 30. 01. 1937 propagiert wurde, aufgegeben zu haben. In jüngerer Vergangenheit wurden mehrere Einflussnahmemöglichkeiten der Aktionäre eingeführt, die den Aktionärseinfluss erhöht haben. Die Vertretung der Gesellschaft gegenüber dem Vorstand obliegt gem. § 112 AktG grundsätzlich dem Aufsichtsrat. Dessen Zuständigkeit umfasst insbesondere die Bestellung und Abberufung von Vorstandsmitgliedern (§ 84 AktG), die Verhandlung und Vereinbarung der Vorstandsvergütung auf Basis eines abstrakten Vergütungssystems (§§ 87, 87a AktG) und die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen (§ 112 AktG). Dass hier die primäre Zuständigkeit beim Aufsichtsrat und nicht etwa bei den Aktionären liegt, ist Ausdruck des dualistischen Prinzips. Dennoch zeigt sich der Gesetzgeber bei der Auslegung des dualistischen Prinzips in jüngerer Vergangenheit flexibler. In zwei der drei oben genannten Kernbereiche der Zuständigkeit des Aufsichtsrats hat er den Aktionären verbindlichen Einfluss in Form einer subsidiären Zuständigkeit (im Folgenden auch: Subsidiärzuständigkeit) eingeräumt. Nach der zunächst unverbindlichen Stellungnahme bei der Vorstandsvergütung durch das Say on Pay-Votum hat er neben der Verschärfung des Say on Pay166 nun auch eine verbindliche Einflussnahmemöglichkeit auf die konkrete Vergütung durch die Einführung des Maximalvergütungsvotums im Bereich der Vorstandsvergütung in §§ 87 Abs. 4, 87a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG eingeräumt.

166

So sieht die Neuregelung des § 120a AktG gegenüber der gestrichenen Vorgängerregelung des § 120 Abs. 4 AktG a. F. gem. § 120a Abs. 1 AktG ein verpflichtendes Votum alle vier Jahre und gem. § 120a Abs. 3 AktG eine Neuvorlage durch den Aufsichtsrat bei Ablehnung des Vergütungssystems auf der folgenden ordentlichen Hauptversammlung vor.

64

A. Zunehmender Aktionärseinfluss im Aktienrecht

Auch bezüglich der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen kommt Aktionären durch die 2005 mit dem UMAG eingeführte Aktionärsklage gem. § 148 AktG die Möglichkeit zu, ohne Mitwirkung des Aufsichtsrats Schadensersatzansprüche gegen den Vorstand geltend zu machen. Mit Blick auf das dualistische Prinzip ist dabei festzustellen, dass diese Maßnahmen den Aktionären zwar ermöglichen, im Zuständigkeitsbereich des Aufsichtsrats zu agieren, gleichzeitig aber das dualistische Prinzip nicht über die Maßen strapazieren. Dies zeigt sich im Rahmen des Maximalvergütungsvotums gem. §§ 87 Abs. 4, 87a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG daran, dass mit Ausnahme der absoluten Höhe keinerlei Vorgaben gemacht werden können.167 Die vollständige Zuständigkeit bezüglich der konkreten Ausgestaltung der Vergütung im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben obliegt dem Aufsichtsrat. Gleiches gilt für das Say on Pay-Votum. Das Vergütungssystem kann lediglich abstrakt abgelehnt werden. Die Aktionäre können ein Vergütungssystem ablehnen und den Aufsichtsrat damit zur Neubeschäftigung mit dem Vergütungssystem verpflichten. Gleichwohl können sie keinen Einfluss darauf nehmen, wie die Voraussetzungen des § 87 AktG umgesetzt werden. Konkrete Vorgaben für die individuelle Vergütung lassen sich hiermit nicht treffen.168 Der gleiche Mechanismus lässt sich bei der Aktionärsklage nach § 148 AktG erkennen. Die Zuständigkeit des Aufsichtsrats gem. § 112 AktG wurde durch die Aktionärsklage nicht verändert. Einer Aktionärsminderheit mit § 148 Abs. 1 S. 1 AktG entsprechendem Quorum wurde jedoch die Möglichkeit eingeräumt, eine Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen zu erzwingen. Dies gilt gem. § 148 Abs. 1 S. 2 F. 2 AktG aber nur dann, wenn der Gesellschaft (mithin dem Aufsichtsrat) eine erfolglos verstrichene Frist gesetzt wurde, die Ansprüche geltend zu machen. Somit wird auch hier die primäre und hauptsächliche Zuständigkeit des Aufsichtsrats nicht berührt. Aktionäre können nur im „Notfall“ im Sinne einer subsidiär zuständigen Instanz eingreifen. Während Aktionäre also in zwei der drei Zuständigkeitsbereiche des Aufsichtsrats in jüngerer aktienrechtlicher Vergangenheit Subsidiärzuständigkeiten eingeräumt bekommen haben, gilt dies nicht für die Möglichkeit, Einfluss auf die Besetzung des Vorstands zu nehmen. An diesem Zustand, der seit Einführung der Voraussetzung des wichtigen Grundes zur Abberufung eines Vorstandsmitglieds durch das AktG 1937 gilt und den Koch unmittelbar nach dem zweiten Weltkrieg

167

Koch, in: Koch, 2022, § 87 Rn. 66; Spindler, in: MünchKommAktG, 2019, § 87 Rn. 237. Dies hätte im Übrigen auch für den Fall gegolten, dass der Gesetzgeber sich in Umsetzung der ARRL 2017/828 für ein verbindliches Say on Pay-Votum entschieden hätte. Auch dann hätte ein abgelehntes Vergütungssystem nicht dazu geführt, dass die Hauptversammlung über die konkrete Ausgestaltung des Vergütungssystems abstimmen könnte, es hätte lediglich ein „Veto-Recht“ gegeben. 168

V. Ergebnis 

65

als „unhaltbaren Zustand, der in die Richtung der Enteignung“169 geht bezeichnete, hat sich seitdem nichts geändert. Nach wie vor bleibt Aktionären einzig die Möglichkeit der Aussprache des Misstrauens durch ein Misstrauensvotum gem. § 84 Abs. 4 S. 2 F. 3 AktG. Allerdings bindet dieses Votum den Aufsichtsrat nicht und erlaubt insoweit keine verbindliche Einflussnahme. Angesichts der aufgezeigten weiten Auslegung des dualistischen Prinzips durch den Gesetzgeber ist der einfache Verweis auf dieses Prinzip zur Rechtfertigung dieses Zustands unzureichend. Entsprechend ist zu untersuchen, ob, und wenn ja, wie der aktienrechtlichen Entlastungsverweigerung diese strukturell angezeigte Subsidiärzuständigkeit zukommen könnte.

V. Ergebnis Die Darlegung zeigt, dass die stärkere Einbindung von Aktionären sinnvoll ist. Aktionärseinfluss stellt angesichts verschiedener Problemstellungen bei der Leitung von Aktiengesellschaften ein probates Mittel dar. Für die Herbeiführung guter Corporate Governance ist er geradezu essentiell. Dies belegt die verhaltenswissenschaftliche Untersuchung. Einerseits ist die Notwendigkeit der Einbindung der Aktionäre auf zwischenmenschliche Begegnungen zwischen Organmitgliedern zurückzuführen. Diese Verflechtung von Vorständen und Aufsichtsräten durch gesellschaftsübergreifende und auch innergesellschaftliche Kontakte können ein Hindernis für ausreichende gegenseitige Kontrolle darstellen und sprechen für eine stärkere Kontrolle durch die Einbindung der Aktionäre. Auch eine Vielzahl der durch die Prinzipal-Agenten-Theorie beschriebenen Probleme lässt sich durch stärkere Einbindung der Aktionäre und größtmögliche Transparenz zur Sicherstellung der Kontrollmöglichkeiten bekämpfen. Zuletzt weisen die Erkenntnisse verhaltenswissenschaftlicher Untersuchungen zu irrationalen Abweichungen gegenüber dem zweckrationalen Verhalten des Menschen als homo oeconomicus in Entscheidungsprozessen auf eine Abberufungsaversion des Aufsichtsrats hin, die ebenso für eine verstärkte Einbindung der Aktionäre spricht. Eine Zentrierung der Macht beim Vorstandsvorsitzenden kann für unkontrollierbare Verhältnisse sorgen – wie der Fall Wirecard AG erst jüngst eindrucksvoll belegt hat. Aktionären könnte hier die Stellung einer außerhalb dieses Machtkonstrukts stehenden Kontrollinstanz zur Stärkung der Kontrollmechanismen zukommen. Auch ein Blick auf andere Rechtsordnungen weist auf Handlungsbedarf hin. Im internationalen Vergleich weist das deutsche Aktienrecht schwach ausgeprägte Aktionärsrechte auf. Dies gilt, obwohl der Aktionärseinfluss zunimmt. Sowohl der deutsche als auch der europäische Gesetzgeber zeigen eine zunehmende Bereitschaft zur verstärkten Einbindung der Aktionäre. Hierbei hat der deutsche Gesetz-

169

Koch, FS Mellerowicz, 1952, S. 68, 75.

66

A. Zunehmender Aktionärseinfluss im Aktienrecht

geber, zuletzt bei der Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie durch die Einführung eines Maximalvergütungsvotums der Aktionäre, größere Flexibilität bei der Beachtung des dualistischen Prinzips nachgewiesen und den Aktionären Kontrollmöglichkeiten der Aufsichtsratsarbeit eingeräumt. Diese beschränkten sich dabei bisher auf den Bereich der Vorstandsvergütung und die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen. Bezüglich der Bestellung bzw. Abberufung von Vorstandsmitgliedern wurde den Aktionären bisher kein verbindliches Mitspracherecht eingeräumt.

B. Aktionärseinfluss durch das Entlastungsvotum Vor dem Hintergrund des zunehmenden Aktionärseinflusses und dessen Eignung als Kontrollmittel im Kompetenzgefüge der Aktiengesellschaft stellt sich die Frage nach den tatsächlichen Gegebenheiten der Entlastung in den Hauptversammlungssaisons der letzten Jahre. Dabei handelt es sich um eine empirische Fragestellung, im Rahmen derer der Abstimmungsmodus und die Zustimmungswerte der Vorstands- und Aufsichtsratsentlastung von besonderer Bedeutung sind. Um diese zu ermitteln, bietet sich die Untersuchung der Entlastungsbeschlüsse der Unternehmen der drei größten deutschen Börsenindizes an. Im Zeitraum von 2015–20211 waren das insgesamt 994, die sich verteilt haben auf den DAX (197), den MDAX (383) und den SDAX (414). Diese lassen sich mit Blick auf ihre Zustimmung zur Organentlastung sowie auf den gewählten Abstimmungsmodus auswerten. Ziel dieser Betrachtung ist die Beantwortung der im vorangegangenen Kapitel aufgeworfenen Frage, wie sich die Zustimmung der Aktionäre entwickelt hat und ob sich Trends erkennen lassen. Insbesondere soll geprüft werden, ob sich der zunehmende Aktionärseinfluss2 auch an den tatsächlichen Gegebenheiten der Entlastungspraxis ablesen lässt. Dadurch, dass gem. § 120 Abs. 1 S. 1 AktG jährlich über die Entlastung abzustimmen ist, kann dieser sich nicht in der Häufigkeit von Entlastungsentscheidungen widerspiegeln. Stattdessen ist er an den Zustimmungswerten festzumachen. Wie bereits ausgeführt, erregen die Entlastungsbeschlüsse gerade dann besondere Aufmerksamkeit, wenn die Zustimmung niedrig ausfällt.3 Insofern würde sich ein gestiegener Aktionärseinfluss nur mit niedrigeren Entlastungswerten nachweisen lassen. Aussagekraft hat dabei auch der Abstimmungsmodus. Da eine Einzelabstimmung nicht dem gesetzlichen Regelfall entspricht (Umkehrschluss aus § 120 Abs. 1 S. 2 AktG) und gleichzeitig ein inhaltlich genaueres Bild über die Beurteilung der Verwaltung erlaubt, stellt sie ebenso einen Hinweis auf genauere Kontrolle durch die Aktionäre dar. Zu untersuchen ist dabei auch, ob mit Einzelentlastungsvoten höhere oder niedrigere Zustimmungen zur Entlastung einhergehen. 1

Hierfür wurde die letzte Zusammensetzung der Börsenindizes des DAX30, MDAX und SDAX vor der Umstellung des DAX30 auf den DAX40 und der Reduzierung des MDAX von 60 auf 50 Unternehmen zum 20. 09. 2021 zugrunde gelegt. 2 AKEIÜ, DB 2020, 1577, 1577; Orlik / Gebauer, HV Magazin 2019, S. 10, 10 ff.; Rieckers, DB 2020, 207, 208 sieht steigenden Einfluss institutioneller Investoren „insb. bei den Entlastungsentscheidungen“; siehe hierzu auch Balzer, Welt am Sonntag vom 26. 01. 2020. 3 Nach Binge / Thöle, in: Schüppen / Schaub, MünchAnwHdbAktR, 2018, § 25 Rn. 15, wird „Die informelle Wirkung […] noch einmal erheblich gesteigert, wenn einem einzelnen Mitglied die Entlastung tatsächlich verweigert wird“.

68

B. Aktionärseinfluss durch das Entlastungsvotum

Sofern das Entlastungsvotum in Einzelentlastung vorgenommen wurde und hierbei verschiedene Werte zwischen den verschiedenen Verwaltungsmitgliedern aufgetreten sind, wurde bei der Ermittlung der Entlastungswerte der Durchschnittswert des Gremiums zugrunde gelegt. Deshalb bedeutet ein Mittelwert über 50 % Zustimmung nicht zwangsläufig die Entlastungserteilung für jedes Organmitglied. In Gesellschaften, die eingliedrig geführt werden, wird der Wert für das Leitungsgremium sowohl für die Vorstands- als auch für die Aufsichtsratsentlastung zugrunde gelegt. Im Folgenden liegt der Fokus zunächst auf dem Abstimmungsmodus und anschließend auf der Entwicklung der Zustimmungshöhe.

I. Abstimmungsmodus beim Entlastungsbeschluss 1. Abstimmungsmodus DAX30 Gesellschaft

2015

2016

2017

2018

2019

2020

2021

Adidas

G

G

G

G

G

G

G

Allianz

G

G

G

G

G

G

G

BASF

G

G

G

G

G

G

G

Bayer

G

G

G

G

G

G

G

BMW

G

G

G

G

G

G

G

Continental

E

E

E

E

E

E

E

G

G

G

G

G

G

G

G

G

G

G

G

Covestro Daimler

G

Delivery Hero

E E E E (nur AR) (nur AR) (nur AR) (nur AR)

Deutsche Bank

E (nur VS)

E

G

E

E

E

E

Deutsche Börse

G

G

E

E

G

G

G

Deutsche Post

G

G

G

G

E (nur VS)

G

G

Deutsche Telekom

G

G

G

G

G

G

G

Deutsche Wohnen

G

G

G

G

G

G

E

E.ON

G

G

G

G

G

G

G

Fresenius

G

G

G

G

G

G

G

Fresenius Medical Care

G

G

G

G

G

G

G

69

I. Abstimmungsmodus beim Entlastungsbeschluss  Gesellschaft

2015

2016

2017

2018

2019

2020

2021

Heidelberg Cement

E

E

E

E

E

E

E

Henkel

G

G

G

G

G

G

G

Infineon

G

G

G

G

G

E

E

Linde

G

G

E

E

Merck

G

G

G

G

G

G

G

MTU Aero ­Engines

G

G

G

G

G

G

G

Münchener Rück

G

G

G

G

G

G

G

RWE

G

G

E

E

E

G

G

SAP

G

G

G

G

G

G

G

Siemens

E

G

G

E

E

E

E

Siemens Energy

G

Volkswagen

E

E

E

E

E

E

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Vonovia

G

G

G

G

G

G

G

G = Gesamtentlastung E = Einzelentlastung Dunkelgrau = Es kam zu einer oder mehreren Entlastungsverweigerungen Hellgrau = Die Zustimmung zur Entlastung lag ein- oder mehrfach unter 90 %

Ein erkennbarer Trend ist, dass Aktionäre im DAX zunehmend auf einer Einzelentlastung des Vorstands bestehen und die Gesellschaften Folge leisten.4 Während 2015 nur fünf der Gesellschaften Einzelentlastungen vorgenommen haben, erhöhte sich dieser Wert nach sogar neun Einzelentlastungen 2018 auf acht Einzelentlastungen5 im Jahr 2019.6

4

Siehe dazu bereits Rieckers, in: DB 2020, 207, 208 f. Der Grund des Absinkens von neun auf acht Einzelentlastungen liegt wohl vor allem daran, dass Linde durch die Umwandlung in eine PLC nach Einzelentlastungsentscheidungen in den Vorjahren nicht mehr über die Entlastung votieren muss, von Bernstorff, RIW 2004, 498 ff. 6 Siehe hierzu die tabellarische Übersicht. Die Daten sind in den Protokollen der jeweiligen Hauptversammlungen auf den Homepages der Gesellschaften abrufbar. Rieckers, DB 2020, 207, 208 f. geht fälschlicherweise von sieben Einzelentlastungen im Jahr 2019 aus (statt Delivery Hero, der Deutschen Wohnen und Siemens Energy müssen für die Hauptversammlungssaison 2019 noch Beiersdorf, die Deutsche Lufthansa und Wirecard berücksichtigt werden), was damit zu erklären ist, dass die RWE trotz gleicher Abstimmungsergebnisse der einzelnen Mitglieder in Gesamtentlastung votiert hat, was auf schriftliche Anfrage hin am 13. Mai 2020 von der Investor-Relations Abteilung der RWE AG bestätigt wurde. 5

70

B. Aktionärseinfluss durch das Entlastungsvotum

Es erfolgt damit eine genauere Untersuchung des Stimmungsbilds bezüglich der Entlastung. Dabei zeigen sich mitunter auch nicht unerhebliche Abweichungen des erteilten Zuspruchs zwischen den einzelnen Organmitgliedern.7 Es ist festzustellen, dass die Einzelentlastung nicht nur eine genauere Beurteilung der Leistungen des einzelnen Organmitglieds ermöglicht, sondern dass die Aktionäre die Möglichkeit der Differenzierung zwischen den verschiedenen Mitgliedern auch tatsächlich wahrnehmen. Dieser Trend dürfte zukünftig anhalten und weiter zunehmen.8 Auf 47 der bei 197 Hauptversammlungen im DAX vorgenommenen Entlastungsentscheidungen wurde zumindest teilweise in Einzelentlastung votiert, dies entspricht einem Anteil von 23,86 %. Gleichzeitig wurden auf 27 Hauptversammlungen Entlastungen mit unter 90 % Zustimmung erteilt bzw. versagt.9 Dies entspricht einem Anteil von 13,71 %. Würde sich der Abstimmungsmodus neutral zum Abstimmungsergebnis verhalten, müssten 6,44 Abstimmungen in Einzelabstimmung und mit einem Stimmwert von unter 90 % Zustimmung auftreten.10 Dies ist gleichwohl nicht der Fall. Von diesen 27 Entscheidungen mit verhältnismäßig niedriger Zustimmung fanden zwölf in Einzelabstimmung statt. Dies entspricht einem Anteil von 44,44 %. Dieser Befund weist darauf hin, dass eine Abstimmung in Einzelentlastung häufiger mit niedriger Zustimmung zum Entlastungsbeschluss führt, als dies bei Abstimmungen in Form der Gesamtentlastung der Fall ist. Zwar könnte man auf den ersten Blick entgegenhalten, dass Einzelentlastungen regelmäßig dafür genutzt werden, um einzelne Organmitglieder, die negativ auffällig geworden sind, abzustrafen und die restlichen Organmitglieder mit durchschnittlich hohen Werten zu entlasten. Dieser Einwand lässt sich jedoch bei näherem Hinsehen entkräften. Wäre dies der Fall, dürfte der Durchschnittswert der Entlastungsentscheidungen, die in Einzelentscheidungen zwischen 2015 und 2021 getroffen wurden, nicht erheblich unter jenen Werten liegen, die zu Gesamtentlastungen ermittelt wurden. Bei einer Untersuchung der Durchschnittswerte der beiden Abstimmungsmodi für die Vorstandsentlastung wird aber deutlich, dass

7 So wurde auf der Hauptversammlung der Deutschen Bank 2019 den einzelnen Vorstandsmitgliedern eine Abweichung von 13,82 % zwischen 61,41 % (Garth Richie und Sylvie Matherat) und 75,23 % (Christian Sewing), Abstimmungsergebnisse der ordentlichen Hauptversammlung der Deutschen Bank 2019. 8 So auch Orlik / Gebauer, HV Magazin 03/2019, S. 10, 12. 9 Entlastungserteilungen mit unter 90 % werden medial regelmäßig bereits als negatives Ergebnis wahrgenommen. Dies zeigt sich etwa an der Entlastung der Organe der Commerzbank AG, die jeweils mit über 89 % entlastet wurden, O. V., Reuters vom 13. 05. 2020. 10 Dies ergibt sich aus der Multiplikation der Anzahl der Hauptversammlungen mit Entlastungsergebnissen unter 90 % (18) mit dem Anteil der Einzelentlastungen an allen Entlastungsabstimmungen (0,2708).

71

I. Abstimmungsmodus beim Entlastungsbeschluss 

die Abstimmungsergebnisse erheblich voneinander abweichen. Entlastungsentscheidungen bezüglich des Vorstands, die im Modus der Gesamtentlastung getätigt wurden, zeigen über die sieben Jahre einen durchschnittlichen Wert von 98,35 % für die Vorstandsentlastung. Wenn im gleichen Zeitraum in Einzelentlastung entschieden wurde, fand der Beschluss durchschnittlich nur 96,62 % Zustimmung. Im Fall der Aufsichtsratsentlastung wird in Einzelentlastung nicht kritischer votiert. Die Diskrepanz fällt mit 95,29 % im Falle der Gesamtentlastung und 96,02 % für die Einzelentlastung dabei relativ klein aus. Insgesamt lässt sich damit vermuten, dass die Aktionäre bei Einzelentlastungen weniger zustimmungsfreudig sind als bei Gesamtentlastungen. In Einzelentlastungen kommen häufiger Entlastungen mit Zustimmungswerten von unter 90 % vor, auch der durchschnittliche Zustimmungswert zur Entlastung fällt niedriger aus. 2. Abstimmungsmodus MDAX Gesellschaft

2015

2016

2017

2018

2019

2020

2021

Airbus

G

G

G

G

G

G

G

Aixtron

G

G

G

G

G

G

G

Alstria Office Reit

G

G

G

G

G

G

G

G

G

G

G

G

G

G

G

G

E

Aroundtown Aurubis

G

G

Auto1 Group

G

Bechtle

G

G

G

G

G

G

G

Beiersdorf

G

G

G

G

G

G

G

Brenntag

G

G

G

G

G

G

G

Cancom

G

G

G

G

G

G

G

Carl Zeiss Meditec

G

G

G

G

G

G

G

Commerzbank

G

G

G

G

E

G

G

CompuGroup

G

G

G

G

G

G

G

CTS Eventim

G

G

G

G

G

G

G

Dürr Group

G

G

G

G

G

G

G

E

E

E

E

E

Encavis

G

(nur AR) (nur AR) (nur AR) (nur AR) (nur AR)

72 Gesellschaft

B. Aktionärseinfluss durch das Entlastungsvotum

2015

2016

2017

2018

2019

2020

2021

Evonik

G

G

G

G

G

G

G

Evotec

G

G

G

G

G

G

G

Fraport

G

G

G

G

G

G

G

Freenet

G

G

G

G

G

G

E

Fuchs Petrolub

G

G

G

G

G

G

G

GEA

G

G

G

G

G

G

G

Gerresheimer

G

G

G

G

G

G

G

G

G

G

G

Grand City Properties Hannover Rück

G

G

G

G

G

G

G

Hella

G

G

G

G

G

G

G

G

G

G

Hello Fresh Hochtief

G

G

G

G

G

G

G

Hugo Boss

G

G

G

G

G

G

G

K+S

G

G

G

G

G

G

G

Kion Group

G

G

G

G

G

G

G

G

G

G

Knorr-Bremse Lanxess

E

E

E

E

E

E

G

LEG Immobilien

G

G

G

G

G

G

G

Deutsche Lufthansa

G

G

G

G

G

G

G

MorphoSys

G

G

G

G

G

G

G

Nemetschek

G

E

E

E

E

E

E

(nur AR) Nordex

G

G

G

G

G

G

G

Porsche

G

G

G

G

G

G

E

ProSiebenSat.1

G

G

G

G

G

G

G

Puma

G

G

G

G

G

G

G

Qiagen

G

G

G

G

G

G

G

73

I. Abstimmungsmodus beim Entlastungsbeschluss 

Gesellschaft

2015

2016

2017

2018

2019

2020

2021

Rational

G

G

G

G

G

G

G

Rheinmetall

G

G

G

G

G

G

G

Sartorius

G

G

G

G

G

G

G

G

G

G

G

G

G

G

G

G

G

G

E

E

E

Scout24 Shop Apotheke Europe Siemens Health­ineers Software

G

G

G

G

G

G

G

Ströer

G

G

G

G

G

G

G

Symrise

G

G

G

G

G

G

G

TAG Immobilien

G

G

G

G

G

G

G

G

G

Team Viewer Telefonica

G

G

G

E

G

E

G

ThyssenKrupp

G

G

G

G

G

G

G

G

G

G

G

G

G

G

G

E

Uniper United Internet

G

G

E

(nur VS)

Varta

G

G

G

G

Wacker Chemie

G

G

G

G

G

G

G

Zalando

G

G

G

G

G

G

G

G = Gesamtentlastung E = Einzelentlastung Hellgrau = Die Zustimmung zur Entlastung lag ein- oder mehrfach unter 90 %

Die gewählten Abstimmungsmodi des DAX und des MDAX unterscheiden sich erheblich. So lässt sich erkennen, dass die MDAX-Unternehmen deutlich seltener in Einzelentlastung votieren, als dies bei den DAX30 der Fall ist. Nur 28 der 383 Entlastungsentscheidungen wurden für jedes Organmitglied einzeln vorgenommen, was einem Anteil von 7,31 % entspricht. Gegenüber den 23,86 % der Einzelentlastung der DAX30 verwundert dieser geringe Wert. Zwar lässt sich darin, dass im MDAX 2015 nur eine einzige Einzelentlastung erfolgt ist, 2021 immerhin sieben Entlastungsentscheidungen als Einzelentlastung vorgenommen

74

B. Aktionärseinfluss durch das Entlastungsvotum

wurden, auch hier ein Trend zur Einzelentlastung feststellen. Dieser Trend entsteht allerdings auf deutlich niedrigerem Niveau, sodass diese Entwicklung den MDAX nur verzögert zu erreichen scheint. Von 57 Hauptversammlungen mit Entlastungsentscheidungen mit einer Zustimmung von unter 90 % wurden sieben in einer Einzelentlastung votiert. Das legt einen überproportionalen Trend in Richtung einer Einzelentlastung nahe. Nicht bestätigen lässt sich die für die DAX30 aufgestellte Vermutung, dass Einzelentlastungen im Durchschnitt mit niedrigeren Zustimmungswerten einhergehen. In den Gesamtentlastungen des Vorstands wurde mit durchschnittlich 98,71 % zugestimmt. Dem stehen 99,36 % Zustimmung in Einzelentlastungsentscheidungen gegenüber. Zur Aufsichtsratsentlastung stimmten in Gesamtentlastung durchschnittlich 95,48 % zu. In Einzelentlastungen lag dieser Wert bei 95,97 %. 3. Abstimmungsmodus SDAX Gesellschaft

2015

2016

2017

2018

2019

2020

2021

1&1 Drillisch

E

E

E

E

E

E

E

Aareal Bank

G

G

G

G

G

G

E

G

G

G

G

G

G

G

G

G

G

G

G

Adler Group AdvaOptical

G

Amadeus Fire

G

G

G

G

G

G

G

BayWa

G

G

G

G

G

G

G

G

G

G

G

BEFESA Bilfinger

E (nur VS)

E

E

E (nur VS)

E

E

E

Borussia Dortmund

G

G

G

G

G

G

G

Ceconomy

G

G

G

G

Cewe

G

G

G

G

G

G

G

G

G

G

G

Dermapharm

E E (nur VS) (nur VS)

G

Deutsche Euroshop

G

G

G

G

G

G

G

Deutsche Pfandbriefbank

G

G

G

G

G

G

G

Deutz

G

G

G

G

G

G

G

DIC Asset

G

E E E E E E (nur AR) (nur AR) (nur AR) (nur AR) (nur AR) (nur AR)

75

I. Abstimmungsmodus beim Entlastungsbeschluss  Gesellschaft

2015

2016

2017

2018

2019

2020

2021

Drägerwerk

G

G

G

G

G

G

G

G

G

G

DWS Eckert & Ziegler

G

G

G

G

G

G

G

ElringKlinger

G

G

G

G

G

G

G

Fielmann

G

G

G

G

G

G

G

FlatexDegiro

G

G

G

G

G

G

G

E

E

Global Fashion Group Grenke

G

G

G

G

G

E

Hamborner Reit

G

G

G

G

G

G

G

Hamburger ­Hafen

G

G

G

G

G

G

G

Hensoldt

G

Home24

G

G

G

Hornbach Holding

G

G

G

G

G

G

G

Hypoport

E

E

E

E

E

E

E

Indus Holding

G

G

G

G

G

G

G

G

G

G

G

G

G

G

G

G

G

G

G

Instone Jenoptik

G

G

G

Jost Werke Jungheinrich

G

G

G

G

G

G

G

Klöckner & Co.

G

G

G

G

G

G

G

Krones

G

G

G

G

G

G

G

KWS Saat

G

G

G

G

G

G

G

LPKF Laser

G

G

G

G

G

G

G

MEDIOS

E

G

G

G

G

G

G

G

G

G

G

Metro Nagarro

G

New Work

G

G

G

G

G

G

E

Norma Group

G

G

G

G

E

E

G

76 Gesellschaft

B. Aktionärseinfluss durch das Entlastungsvotum 2015

2016

2017

2018

2019

2020

2021

E (nur VS)

E

E

E

E

E

E

Pfeiffer Vacuum

G

G

E

E

E

E

E

RTL Group

G

G

G

G

G

G

G

S&T

G

G

G

G

G

G

G

SAF Holland

G

G

G

G

G

G

G

Salzgitter

G

G

G

G

G

G

G

G

G

G

G

G

G

G

G

G

G

G

G

G

G

G

G

G

G

Patrizia

Schaeffler SGL Carbon

G

Siltronic Sixt

G

G

G

G

G

G

G

SMA Solar

E

E

E

E

E

E

E

Stabilus

G

G

G

G

E

E

E

G

G

G

G

G

G

E

G

G

G

G

G

G

G

G

STRATEC Südzucker

E

SÜSS MicroTec Takkt

G

G

G

G

G

G

G

Talanx

G

G

G

G

G

G

G

Traton Vantage Towers

G E

Verbio

G

G

G

G

G

G

G

Vossloh

G

G

G

G

E (nur AR)

G

G

Wacker Neuson

G

E

E

G

G

G

G

G

G

G

G

E (nur AR)

G

G

Westwing Zeal Network Zooplus

G

G

G

G

G

G = Gesamtentlastung E = Einzelentlastung Dunkelgrau = Es kam zu einer oder mehreren Entlastungsverweigerungen Hellgrau = Die Zustimmung zur Entlastung lag ein- oder mehrfach unter 90 %

I. Abstimmungsmodus beim Entlastungsbeschluss 

77

Der Abstimmungsmodus im SDAX bestätigt sowohl Erkenntnisse aus der vorangegangenen Betrachtung der Abstimmungsmodi des DAX30 als auch des MDAX. So lässt sich ähnlich wie im MDAX erkennen, dass die SDAX-Unternehmen seltener in Einzelentlastung votieren als dies bei den DAX30 der Fall ist. Auf 66 der 414 Hauptversammlungen im SDAX wurden Entlastungsentscheidungen für jedes Organmitglied einzeln vorgenommen. Dies entspricht einem Anteil von 15,94 %. Gegenüber den 23,86 % Einzelentlastung der DAX30 verwundert auch dieser geringe Wert. Angesichts von 36 der 66 Einzelentlastungsentscheidungen in 2019, 2020 und 2021 bestätigt sich dagegen im SDAX, dass der Trend eine Zunahme anzeigt. Während 2015 nur sieben Einzelentlastungen durchgeführt wurden, waren es 2019 und 2020 elf, um 2021 auf 14 anzusteigen. Der Anteil liegt dennoch nach wie vor unter jenem der DAX30-Unternehmen. Bestätigen lässt sich die für den DAX festgestellte Tendenz, dass Abstimmungswerte niedriger ausfallen wenn in Einzelentlastung votiert wird. So kam es im SDAX zu 58 Hauptversammlungen, auf denen Entlastungen mit unter 90 % Zustimmung erteilt wurden. Dies entspricht einem Anteil von 14,04 %. Wenn sich der Abstimmungsmodus neutral zum Abstimmungsergebnis verhalten würde, dürften 9,27 der Abstimmungen in Einzelentlastungen Zustimmungswerte von unter 90 % aufweisen.11 Tatsächlich aber waren es 15, sodass wie schon bezüglich der DAX 30 gezeigt, die Aktionäre des SDAX in Einzelentlastungen kritischer votieren. Die Voten in Einzelentlastungen lagen dabei auch im Durchschnitt unter denen bei Gesamtentlastung. Mit 98,26 % liegt die durchschnittliche Zustimmung bei Einzelentlastungen für Vorstände unter jener in Gesamtentlastungen (98,72 %). Die Aufsichtsratsentlastung lag in Einzelabstimmung mit 95,77 % mit dem durchschnittlichen Ergebnis der Aufsichtsratsentlastungen in Gesamtentlastung (95,74 %) nahezu gleichauf. 4. Hauptversammlungssaisons 2020 und 2021 Eine Ausnahme zu der obigen Entwicklung stellen die Hauptversammlungssaisons 2020 und 2021 dar. Die seit 2020 weltweit grassierende Covid-19-Pandemie erreichte ihren ersten Höhepunkt in Mitteleuropa im März 2020 und ging mit erheblichen Beschränkungen des öffentlichen Lebens einher. Dazu zählten namentlich auch Versammlungsverbote. Diese Entwicklung machte auch vor dem Gesellschaftsrecht nicht Halt und sorgte dafür, dass die Hauptversammlungssaisons 2020

11 Dies ergibt sich aus der Multiplikation der Anzahl der Entlastungen mit Zustimmungswerten unter 90 % (66) mit dem Anteil von Einzelentlastungen an sämtlichen Entlastungsentscheidungen (0,1404).

78

B. Aktionärseinfluss durch das Entlastungsvotum

und 2021 hauptsächlich virtuell stattfanden.12 Die rechtlichen Rahmenbedingungen wurden vom Gesetzgeber durch das C19-AuswBekG geschaffen.13 Dieses sah umfangreiche Regelungen zur virtuellen Durchführung von Hauptversammlungen vor.14 Das Regelwerk ging über die bisher in §§ 118 Abs. 1–4 AktG geregelten Möglichkeit zur die Präsenzveranstaltung ergänzenden Nutzung digitaler Einbindung von Aktionären hinaus: Erstmals war die Möglichkeit einer rein virtuellen Hauptversammlung eröffnet.15 Kern der Neuregelung ist § 1 Abs. 2 C19-AuswBekG, der die kumulativen Voraussetzungen der virtuellen Hauptversammlung enumerativ aufzählt. Nicht nur durch den Verlust des Anspruchs auf Durchführung einer Präsenzveranstaltung gingen mit den Regelungen des C19-AuswBekG erhebliche Beschränkungen der Aktionärsrechte einher. Das Auskunftsrecht der Aktionäre gem. § 131 AktG wurde gem. § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 C19-AuswBekG auf eine Fragemöglichkeit ohne Anspruch auf Beantwortung verkürzt,16 ein Teilnahmerecht der Aktionäre bestand nicht.17 Ein auf Hauptversammlungen bisher üblicher Austausch entfällt dadurch. Aktionären ist bei fehlender Teilnahmemöglichkeit zudem verwehrt, Anträge auf der Hauptversammlung zu stellen. Dies gilt auch für die Beantragung einer Einzelentlastung nach § 120 Abs. 1 S. 2 F. 1 und 2 AktG. Dieser Einschnitt blieb im Bereich der Abstimmungsmodi nicht folgenlos. Nach dem stetigen Wachstum der Jahre 2015–2019 mit einer nahezu verdoppelten Anzahl der Abstimmungen in Einzelentlastung, fiel der Wert in den drei größten deutschen Börsenindizes in der Hauptversammlungssaison 2020 auf 23 Einzelentlastungen gegenüber dem Vorjahreswert von 24.  Damit war der in allen drei Börsenindizes aufgezeigte stetige Anstieg der Anzahl der Voten in Einzelabstimmungen unterbrochen. Womöglich war es die plötzliche Beschneidung der Aktionärsrechte und dabei insbesondere die fehlende Teilnahmemöglichkeit der Aktionäre an der Hauptversammlung, die zu einer Unterbrechung des Anstiegs der Zahl von Einzelentlastungen führte. Dies war insbesondere deshalb beachtlich, weil Einzelentlastungen mit niedrigeren Zu 12

Einige Gesellschaften hatten ihre ordentliche Hauptversammlung bereits zuvor abgehalten, so etwa die Siemens AG am 05. 02. 2020 oder die Infineon AG am 20. 02. 2020. 13 Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht, BGBl. I 2020, 569. 14 Siehe zu den Neuregelungen zur Online-Hauptversammlung ausführlich Bannier / Redenius-­ Hövermann, AR 2020, Der Aufsichtsrat in der Krise, 8 ff.; Schäfer, NZG 2020, 481 ff.; Simons /  Hauser, NZG 2020, 488; Tröger, BB 2020, 1091 ff. 15 Herb / Merkelbach, DStR 2020, 811; Simons / Hauser, NZG 2020, 488, 488; Spindler, in: Schmidt / Lutter, 2020, § 118 Rn. 63a; Weber / Sieber, in: Fritz, COVAbmildG, Art. 1, § 2 Rn. 1, 44 ff. 16 Tröger, BB 2020, 1091, 1093 f.; Weber / Sieber, in: Fritz, COVAbmildG, Art. 1, § 2 Rn. 63. 17 Hiergegen wurden verfassungsrechtliche Bedenken geäußert, weil dies einen erheblichen Eingriff in die durch Art. 14 GG geschützten Aktionärsrechte darstellt, obwohl in der anzustellenden Verhältnismäßigkeitsprüfung mildere Mittel, insbesondere in Form virtueller Teilnahmemöglichkeiten denkbar sind, die ernstlich an der Erforderlichkeit dieser Einschränkung zweifeln lassen, Redenius-Hövermann / Bannier, ZIP 2020, 1885, 1892; Tröger, BB 2020, 1091, 1095.

79

II. Zustimmungswerte zur Entlastung 

stimmungswerten einhergehen können und ein Einfluss des Abstimmungsmodus auf das Abstimmungsergebnis denkbar ist. Für die Hauptversammlungssaison 2021 wurde eine Anpassung der Regelung vorgenommen,18 indem unter anderem durch eine Änderung des § 1 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 S. 2 C19-AuswBekG die Fragemöglichkeit zu einem Fragerecht19 aufgewertet wurde. Es war wohl diese Aufwertung und die Gewöhnung der Aktionäre an die veränderten Umstände, die Wirkung gezeigt haben, denn 2021 stieg der Wert auf ein Rekordniveau von 29 Einzelentlastungen an. Damit scheint sich eine Umstellung der Gesellschaften und ihrer Aktionäre hinsichtlich des Einflusses auf den Abstimmungsmodus eingestellt zu haben, die eine Fortsetzung des mehrjährig festgestellten Trends erlaubt.

II. Zustimmungswerte zur Entlastung Neben der Auswirkung des Abstimmungsmodus soll nun die Entwicklung der Zustimmungswerte der Organmitglieder für die letzten sieben Jahre betrachtet werden. 1. Ergebnisse Vorstand DAX30 Gesellschaft

2015

2016

2017

2018

2019

2020

2021

Adidas

97,59

99,85

99,65

99,61

99,67

93,24

99,89

Allianz

99,74

99,07

98,6

99,47

99,33

98,9

99,35

BASF

99,72

99,57

98,32

99,62

99,49

98,26

98,91

Bayer

98,49

98,4

96,69

97,19

44,48

92,57

90,08

BMW

99,73

99,74

99,86

98,36

97,69

98,25

98,82

Continental

99,99

99,99

99,72

99,88

99,82

99,81

99,81

99,95

99,97

99,86

99,4

99,51

98,73

98,92

99,22

94,64

93,89

96,6

97,94

97,34

99,4

99,29

99,88

Covestro Daimler Delivery Hero

99,69

18 Gesetz zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Anpassung pandemiebedingter Vorschriften im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht sowie im Miet- und Pachtrecht, BGBl. I 2020, 3328, ausführlich zu den Änderungen für die virtuelle Hauptversammlung Mutter / Kruchen, AG 2021, 108 ff. 19 Art. 11 Nr. 1 des Änderungsgesetzes, siehe Fn. 18 in Kapitel B.

80

B. Aktionärseinfluss durch das Entlastungsvotum

Gesellschaft

2015

2016

2017

2018

2019

2020

2021

Deutsche Bank

61,04

90,08

94,14

94,61

72,88

98,09

97,84

Deutsche Börse

99,67

99,85

83,94

78,97

99,78

99,85

99,62

Deutsche Post

99,71

99,77

98,98

99,67

99,75

99,55

99,64

Deutsche Telekom

99,82

99,82

98,76

97,83

96,08

95,39

99,7

Deutsche Wohnen

99,98

99,95

99,91

99,83

97,08

96,52

99,14

E.on

99,19

99,61

99,43

99,74

99,76

99,12

99,84

Fresenius

99,61

99,64

99,95

97,5

98,49

99,68

99,28

Fresenius Medical Care

99,83

99,92

99,82

99,23

56,81

96,6

99,69

Heidelberg Cement

99,4

99,25

99,9

99,94

99,82

99,94

99,7

Henkel

99,97

99,96

99,99

99,95

99,93

99,94

99,88

Infineon

99,71

99,9

99,83

99,87

98,02

99,08

99,68

Linde

99,5

99,6

96,11

98,83

Merck

99,93

99,19

99,45

99,25

99,25

99,28

99,5

MTU Aero Engines

99,83

99,89

99,75

99,62

99,87

99,75

99,55

Münchener Rück

99,66

98,51

99,89

99,4

99,65

99,3

99,42

RWE

99,66

97,44

99,69

99,87

97

99,1

99,95

SAP

99,03

98,86

99,57

99,11

99,35

98,21

99,32

Siemens

99,52

99,63

99,52

99,61

96,62

94,59

99,38

 

 

 

 

 

 

99,79

Volkswagen

99,99

97,64

99,19

99,01

98,49

98,59

99,51

Vonovia

99,88

97,8

99,8

99,81

99,64

97,76

99,88

Durschnitt

98,14

98,99

98,56

98,19

94,38

98,09

99,09

Siemens Energy

Die Werte stellen Prozentangaben dar.

Die dargestellte Abbildung zeigt die Zustimmungswerte zu den 197 Beschlüssen der Hauptversammlung in den DAX30 zum Tagesordnungspunkt der Entlastung des Vorstands im Zeitraum 2015–2021. Auffällig ist, dass beide Entlastungsverweigerungen, zu denen es zwischen 2015 und 2021 kam, Vorstandsentlastungen

81

II. Zustimmungswerte zur Entlastung 

betrafen. Einerseits handelte es sich hierbei um die Entlastung von Carsten Kengeter, dem ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Börse AG, dem die Entlastung mit dem historisch niedrigen Wert von 26,02 % verweigert wurde. Andererseits wurde dem Vorstand der Bayer AG 2019 die Entlastung versagt. Auch dieser Beschluss war von historischer Bedeutung, weil nie zuvor einem gesamten DAX30-Vorstand die Entlastung verweigert wurde. Die Hauptversammlungssaison 2019 hätte hierbei beinahe ein weiteres Beispiel einer Entlastungsverweigerung gegenüber einem gesamten Vorstand hervorgebracht. Die Entlastung des Vorstands der Fresenius Medical Care AG & Co. KGaA wurde nur mit 56,81 % der abgegebenen Stimmen erteilt. Die Durchschnittswerte der Entlastungen zeigen darüber hinaus einen klaren Trend auf: Die Zustimmung der Aktionäre zu den Entlastungsbeschlüssen sinkt. Während 2015 nur 1,86 % die Entlastung verweigerten, wuchs diese Gruppe bis 2019 auf 5,62 % an, was mehr als einer Verdreifachung entspricht. Die Aktionäre beurteilen die Zweckmäßigkeit des Vorstandshandelns zunehmend kritisch und legen weniger Vertrauen hinein. Dass dieser an den durchschnittlichen Zustimmungen ablesbare Trend nicht nur durch einzelne niedrige Entlastungsergebnisse wie die Entlastungsverweigerung der Bayer AG 2019 hervorgerufen wird, lässt sich einmal mehr statistisch erhärten. So erhielten über die Hälfte der Gesellschaften die niedrigste Zustimmung zur Vorstandsentlastung im Beobachtungszeitraum zwischen 2019 und 2021 (17). Demgegenüber wies die Entlastungsentscheidung in der Hauptversammlungs­saison 2015 für neun der DAX30-Gesellschaften den höchsten Zustimmungswert auf. Es lässt sich damit für die Vorstandsentlastung festhalten, dass die Zustimmung zu dieser abnimmt. Dies gilt sowohl für einzelne Ausreißer nach unten, die vermehrt auftreten, als auch für einen grundsätzlichen Trend der abnehmenden Zustimmung. 2. Ergebnisse Vorstand MDAX Gesellschaft

2015

2016

2017

2018

2019

2020

2021

Airbus

98,47

98,97

97,33

96,73

99,08

77,37

99,44

Aixtron

86,62

87,93

82,88

92,3

97,82

90,04

99,6

Alstria Office Reit

98,88

99,99

99,9

99,93

99,14

99,93

99,96

 

 

99,73

99,08

98,68

96,94

89,45

99,55

99,63

99,89

99,9

99,52

99,74

99,9

 

 

 

 

 

99,89

Bechtle

97,51

99,99

99,8

97,94

98,58

98,53

99,95

Beiersdorf

99,34

99,91

99,98

99,81

99,86

99,77

99,21

Aroundtown Aurubis Auto1 Group

82

B. Aktionärseinfluss durch das Entlastungsvotum

Gesellschaft

2015

2016

2017

2018

2019

2020

2021

Brenntag

99,99

99,96

99,94

99,84

99,64

99,8

99,2

Cancom

99,76

99,38

99,36

99,84

99,67

99,07

99,87

Carl Zeiss Meditec

99,99

99,99

99,98

99,85

99,29

98,05

99,4

Commerzbank

99,57

99,85

99,8

99,33

99,84

89,8

99,35

CompuGroup

99,99

99,77

99,69

98,75

98,74

93,9

99,99

CTS Eventim

99,99

99,97

99,93

99,06

98,18

98

99,05

Dürr Group

99,98

99,71

99,2

99,38

98,08

98,57

99,46

Encavis

 

99,92

99,41

91,25

90,67

94,33

93,04

Evonik

99,99

99,99

99,99

99,92

99,9

99,92

99,98

Evotec

99,76

99,99

99,99

99,61

99,65

99,46

98,96

Fraport

99,85

99,96

99,76

99,64

99,5

99,94

99,81

Freenet

99,95

99,88

99,31

96,91

90,08

88,56

95,4

Fuchs Petrolub

99,81

99,94

99,99

99,99

99,99

99,99

99,99

GEA

98,47

99,71

99,71

90,67

98,06

99,21

99,08

Gerresheimer

99,02

99,64

97,89

99,27

99,47

99,15

99,99

 

 

 

99,47

99,5

99,81

98,93

Hannover Rück

99,97

99,91

99,95

99,27

99,05

98,36

99,74

Hella

99,68

99,91

96,66

98,58

99,12

98,75

95,82

 

 

 

96,52

97,66

99,7

Hochtief

99,97

98,77

99,93

99,89

99,09

98,91

99,94

Hugo Boss

98,3

99,68

99,87

99,8

99,79

98,3

97,62

K+S

99,74

77,72

93,36

99,13

97,98

93,17

86,37

Kion Group

97,72

99,97

99,8

99,7

98,67

99,57

99,72

 

 

 

99,87

99,55

99,99

Lanxess

99,56

99,97

99,55

99,45

99,97

99,98

99,96

LEG Immobilien

99,55

99,96

99,97

99,99

97,65

99,89

99,96

Deutsche Lufthansa

99,51

99,62

98,74

99,8

98,49

98,82

98,87

MorphoSys

99,97

99,75

99,7

98,11

99,56

99,4

99,37

Grand City ­Properties

Hello Fresh

Knorr-Bremse

83

II. Zustimmungswerte zur Entlastung 

Gesellschaft

2015

2016

2017

2018

2019

2020

2021

Nemetschek

99,97

99,99

99,26

99,24

99,44

99,13

98,2

Nordex

99,99

95,26

99,22

99,23

98,03

97,9

93,59

Porsche

100

100

100

100

100

100

100

ProSiebenSat.1

99,57

99,63

98,75

98,09

97,33

97,62

99,79

Puma

99,26

99,98

97,57

98,84

98,91

98,16

99,14

Qiagen

98,21

98,17

99,96

99,72

99,62

99,65

97,48

Rational

99,91

99,98

99,94

99,45

99,16

98,19

99,41

Rheinmetall

95,45

96,72

99,2

99

99,61

99,97

99,94

Sartorius

99,95

99,99

99,99

99,99

99,99

99,99

Scout 24

 

99,99

99,73

99,96

98,85

Shop Apotheke Europe

 

 

100

Siemens ­Healthi­neers

 

 

 

Software

99,99

99,99

99,99

Ströer

99,92

99,82

Symrise

97,58

TAG Immobilien

100

99,99

100 100

100

100

100

99,97

99,97

99,96

99,99

96,49

96,63

99,99

99,99

97,52

98,13

98,15

99,43

98,08

99,69

99,24

99,02

97,5

98,59

99,92

99,91

99,74

99,95

99,81

99,22

99,59

Team Viewer

 

 

 

 

99,63

99,08

Telefonica Deutschland

99,86

99,97

99,67

99,79

99,98

99,94

99,89

Thyssen Krupp

99,61

99,96

99,89

96,32

97,41

98,75

99,64

 

 

99,96

99,82

99,82

99,94

99,72

99,77

99,75

98,74

99,62

94,63

95,68

99,86

 

 

 

99,71

99,84

98,67

99,28

Wacker Chemie

99,99

99,99

99,12

98,25

98,55

98,8

99,93

Zalando

99,92

99,96

99,75

99,66

99,23

99,6

99,77

Durchschnitt

99,15

98,92

99,08

98,83

98,68

97,89

98,78

Uniper United Internet Varta

Die Werte stellen Prozentangaben dar.

84

B. Aktionärseinfluss durch das Entlastungsvotum

Betrachtet man diese Zustimmungswerte zu Entlastungen der MDAX-Unternehmen lassen sich im Wesentlichen die gleichen Ergebnisse finden wie für die DAX30-Unternehmen, allerdings in abgeschwächter Form. So zeigen die durchschnittlichen Werte ebenso eine fallende Tendenz. Im MDAX sinken die Zustimmungswerte zur Vorstandsentlastung, abgesehen von 2017 und 2021, stetig. 56,66 %, mithin 32 der 60 MDAX-Unternehmen haben 39 Gesellschaften ihre niedrigste Zustimmung zur Entlastung zwischen 2019 und 2021 erhalten. 13 der Gesellschaften, erreichten den höchsten Zustimmungswert zur Entlastung dagegen im Jahr 2015. Dementsprechend weisen die Vorstandsentlastungen im MDAX dieselbe Tendenz auf wie jene der DAX30.

3. Ergebnisse Vorstand SDAX Gesellschaft

2015

2016

2017

2018

2019

2020

2021

1&1 Drillisch

99,99

99,99

99,3

99,16

96,89

97,34

94,1

Aareal Bank

99,99

99,65

99,99

99,99

99,97

89,06

73,41

95,59

99,09

99,61

Adler Group AdvaOptical Amadeus Fire

51,9 99,98 100

100

100

99,99

99,89

99,81

98,89

98,21

99,99

98,69

99,25

99,9

99,9

98,6

99,99

Atoss Software BayWa

93,73 97,05

98,72

99,62

BEFESA

99

99,48

99,71

99,82

100

99,86

99,85

98,95

Bilfinger

91,77

98,72

98,72

99,95

96,69

99,44

99,87

Borussia ­Dortmund

99,88

99,88

99,89

99,97

99,69

99,8

99,8

Ceconomy

99,91

99,98

99,9

96,94

97,26

99,19

99,02

Cewe

99,98

99,99

99,8

92,86

97,4

97,94

99,24

99,99

99,99

99,32

97,94

Dermapharm Deutsche ­Euroshop

99,39

Deutsche ­Pfandbriefbank

99,72

99,42

99,85

93,33

99,43

99,8

99,99

99,64

99,99

99,67

99,8

99,93

Deutz

97,66

99,23

99,85

99,92

98,47

99,79

99,82

DIC Asset

98,3

99,79

99,75

99,54

99,05

99,02

99,99

85

II. Zustimmungswerte zur Entlastung 

Gesellschaft

2015

2016

2017

2018

2019

2020

2021

Drägerwerk

99,81

99,93

99,96

99,92

99,87

99,14

99,85

99,99

99,98

99,99

97,41

96,76

97,21

98,12

DWS Eckert & Ziegler

99,99

100

100

ElringKlinger

99,93

99,93

99,88

93,88

86,71

97,17

98,3

Fielmann

99,48

99,61

97,85

97,21

94,98

97,13

94,28

FlatexDegiro

99,75

99,88

99,86

99,96

99,19

97,18

96,94

Global Fashion Group

100

Grenke

99,91

99,99

98,45

98,71

90,21

97,22

92,72

Hamborner Reit

99,91

99,96

99,93

99,62

99,22

99,9

99,75

Hamburger Hafen

99,77

99,93

99,95

99,29

99,18

99,6

99,99

Hensoldt

99,99

Home24

100

Hornbach Holding

100

Hypoport

100

Indus Holding

99,99

99,99 100 99,75

95,9 100 98,84

Instone Jenoptik

99,98

99,98

99,98

Jost Werke Jungheinrich

100

100

99,99

96,17

93,44

90,93

99,98

99,87

99,6

99,33

99,63

98,16

98,58

98,92

99,96

99,95

97,53

96,24

99,36

99,93

99,92

99,68

99,55

98,67

93,78

99,99

100 100

99,99

100

100

100

100

Klöckner & Co

96,32

91,22

99,88

99,8

99,8

99,13

99,86

Krones

99,75

99,99

99,99

99,95

98,18

99,72

99,98

KWS Saat

99,99

99,99

99,86

99,29

99,18

99,98

99,99

LPKF Laser

99,75

98,97

99,89

99,7

99,97

99,57

99,75

MEDIOS

99,99

99,94

95,75

94,9

88,62

93,39

98,1

 

 

 

95,41

98,92

99,89

99,86

Metro Nagarro

99,41

New Work

99,99

99,99

99,62

99,86

99,79

99,93

99,99

Norma Group

97,25

98,87

99,13

99,17

99,15

99,35

98,39

86

B. Aktionärseinfluss durch das Entlastungsvotum

Gesellschaft

2015

2016

2017

2018

2019

2020

2021

Patrizia

99,96

99,95

91,1

89,65

99,36

98,78

99,95

Pfeiffer Vacuum

99,46

99,99

97,95

99,08

99,01

98,57

99,74

RTL Group

99,98

99,99

99,51

99,53

99,99

93,71

S&T

100

100

100

SAF Holland

99,28

99,47

93,49

Salzgitter

99,98

99,98

96,16

Schaeffler SGL Carbon

100 99,05

Siltronic

100

100

100

99,81

99,48

100

89,97

99,99

99,96

92,79

99,96

99,93

96,43 100

100

100

100

100

99,82

99,86

99,88

98,27

99,16

99,64

99,83

99,99

99,9

96,27

99,87

99,89

Sixt

98,86

99,99

99,54

98,94

95,58

96,85

92,17

SMA Solar

99,99

99,85

99,99

99,99

99,99

99,98

99,99

99,7

99,7

99,99

99,98

99,97

98,07

97,21

99,89

99,93

99,62

97,42

99,01

99,2

99,81

99,94

99,71

99,94

Stabilus

100

STRATEC Südzucker

98,81

100

SÜSS MicroTec

100

100

96,7

Takkt

97,87

99,47

99,47

99,08

98,03

97,95

99,99

Talanx

99,99

99,99

99,97

99,99

99,65

99,64

99,98

Traton

99,95

VantageTowers

99,99

Verbio

99,99

99,99

99,95

99,99

99,99

99,99

99,99

Vossloh

99,94

99,88

95,92

99,97

90,93

91,59

99,74

Wacker Neuson

99,96

97,91

99,97

98,5

99,77

94,01

97,87

Westwing

98,46

Zeal Network

100

99,78

96,47

99,95

Zooplus

93,27

99,87

99,73

97,89

99,19

99,44

99,99

Durchschnitt

99,22

98,70

99,10

98,83

97,84

98,40

98,67

Die Werte stellen Prozentangaben dar.

87

II. Zustimmungswerte zur Entlastung 

Auch die Entlastungswerte im SDAX bestätigen die Untersuchung der Zustimmung zu Entlastungen der DAX30 und des MDAX. So zeigen die durchschnittlichen Werte ebenso eine fallende Tendenz. Ebenso wie die Werte des MDAX gehen sie bis 2019 mit Ausnahme von 2017 zurück. Parallel zu den Entlastungswerten der DAX30 lässt sich von 2019 auf 2020 wieder ein leichter Anstieg erkennen. 46 der 70 SDAX-Unternehmen erhielten die niedrigste Zustimmung zur Entlastung zwischen 2019 und 2021. Der Vorstand von 28,57 % SDAX-Gesellschaften (20) wurde dagegen 2015 mit der höchsten Zustimmung entlastet. Die Vorstandsentlastungen im MDAX weisen mithin dieselbe Tendenz wie jene der DAX30 und des MDAX auf.

4. Ergebnisse Aufsichtsrat DAX30 Gesellschaft

2015

2016

2017

2018

2019

2020

2021

Adidas

93,6

94,36

98,01

97,97

99,35

97,26

89,62

Allianz

99,73

99,05

98,53

95,25

98,26

97,79

98,18

BASF

98,91

98,99

98

99,63

98,9

98,25

80,1

Bayer

96,91

95,67

95,35

97,97

66,38

93,98

92,58

BMW

98,75

97,86

93,65

96,79

92,34

94,71

82,32

Continental

99,57

95,87

94,78

97,09

96,7

96,17

95,81

96,9

99,97

99,86

99,52

98,78

94,64

98,77

96,42

93,96

93,51

88,45

95,17

96,2

95,47

96,48

97,71

Covestro Daimler

99,71

Delivery Hero Deutsche Bank

91,47

86,91

93,19

84,53

74,47

98,24

97,31

Deutsche Börse

98,45

99,85

86,97

80,6

96,71

99,72

99,62

Deutsche Post

97,8

99,77

90,51

99,59

98,99

98,63

96,58

Deutsche Telekom

99,8

96,6

96,87

92,15

90,55

91,3

88,61

Deutsche Wohnen

96,96

97,99

95,31

95,81

88,18

92,98

91,79

E.ON

99,18

99,59

99,67

99,75

99,37

98,59

99,4

Fresenius

97,99

99,52

91,81

88,99

87,53

85,14

91,34

Fresenius ­Medical Care

99,81

99,92

86,51

95,46

52,32

94,58

95,64

Heidelberg ­Cement

99,37

98,62

99,35

99,09

99,81

98,65

94,59

88

B. Aktionärseinfluss durch das Entlastungsvotum

Gesellschaft

2015

2016

2017

2018

2019

2020

2021

Henkel

99,96

99,64

98,79

99,55

99,1

99,71

96,94

Infineon

99,68

97,81

93,81

99,68

92,27

98,39

99,59

Linde

97,37

97,78

96,29

96,33

Merck

96,46

96,48

91,85

96,56

91,77

94,3

88,56

MTU Aero ­Engines

99,43

93,56

92,03

99,91

98,74

89,37

79,03

Münchener Rück

96,02

98,56

99,72

99,39

99,13

98,91

98,62

RWE

95,84

99,14

95,49

99,72

99,14

98,64

96,44

SAP

91,07

93,29

50,49

98,62

99,13

94,38

84,87

Siemens

98,98

99,33

99,28

99,62

96,19

93,73

99,34

 

 

 

 

 

 

99,78

Volkswagen

99,93

97,72

99,09

99

98,43

98,51

99,49

Vonovia

99,88

97,65

99,8

97,92

97,39

91,83

97,79

Durchschnitt

97,87

97,4

93,98

96,45

92,84

95,62

93,84

Siemens Energy

Die Werte stellen Prozentangaben dar.

Die Zustimmungswerte zu den Entlastungen der Aufsichtsräte der DAX30 zeigen zunächst, dass die Aufsichtsratsentlastung in jedem Jahr schwächer ausgefallen ist als die Entlastungen des Vorstands. Dies zeigt auf, dass die Aktionäre die Aufsichtsratsarbeit in geringerem Maße billigen bzw. diesem weniger Vertrauen entgegenbringen. Weiterhin ist festzustellen, dass die Zustimmung der Aktionäre stetig abnimmt. 2015 wies für die Aufsichtsräte den höchsten und 2019 den niedrigsten Durchschnittswert der Zustimmung auf. Für 21 der 30 Unternehmen erfolgte die schwächste Aufsichtsratsentlastung im betrachteten Siebenjahreszeitraum zwischen 2019 und 2022. Dies zeigt, dass die Abschwächung der Ergebnisse neben mehreren negativen Ausreißern wie Bayer, Deutsche Bank oder Fresenius Medical Care auch mit grundsätzlich schwächeren Zustimmungswerten zu erklären ist. Dies gilt gleichermaßen für Unternehmen, die nicht nur knapp entlastet wurden.

89

II. Zustimmungswerte zur Entlastung 

5. Ergebnisse Aufsichtsrat MDAX Gesellschaft

2015

2016

2017

2018

2019

2020

2021

Airbus

98,99

98,97

97,33

97,41

99,08

75,19

99,44

Aixtron

86,16

87,7

88,97

98,36

94,44

97,95

90,56

Alstria Office Reit

96,17

98,44

99,35

98,49

95,56

94,25

90,92

 

 

99,73

99,08

98,68

96,94

89,45

98,26

98,62

96,82

99,89

98,15

99,29

99,52

 

 

 

 

 

 

94,91

Bechtle

94,63

90,33

84,43

85,97

91,45

91,1

92

Beiersdorf

98,43

98,89

98,65

97,32

97,76

99,35

92,3

Brenntag

99,99

99,96

98,84

97,68

96,97

96,37

95,65

Cancom

 99,7

97,07

95,19

98,76

98,43

96,28

96,51

Carl Zeiss Meditec

99,99

99,44

98,69

99,85

98,65

96,61

97,73

Commerzbank

99,63

99,8

99,79

99,33

99,23

89,42

86,69

CompuGroup

98,84

98,23

96,02

96,65

96,85

93,02

83,14

CTS Eventim

99,61

95,57

97,58

95,35

92,19

97,44

91,65

Dürr Group

98,26

99,64

92,2

96,37

97,71

98,14

99,19

Encavis

 

95,95

92,71

86,87

83,59

90,06

90,26

Evonik

99,64

99,99

99,99

99,92

99,72

99,54

99,72

Evotec

91,16

87,66

99,99

92,8

98,67

96,89

97,73

Fraport

98,42

97,12

96,05

97,14

94,73

98,19

98,25

Freenet

97,02

91,66

89,17

89,28

83,27

83,42

89,9

Fuchs Petrolub

99,3

69,85

99,96

99,99

99,95

99,96

89,89

GEA

98,16

96,34

94,29

89,02

98,4

98,81

98,61

Gerresheimer

99,02

99,64

97,87

98,14

81,6

96,43

91,25

 

 

 

99,47

99,5

99,81

98,93

Hannover Rück

98,42

94,22

96,12

93,31

93,91

93,01

88,57

Hella

97,44

95,65

95,72

96,29

96,2

93,41

95,32

 

 

 

 

70,83

79,24

89,19

Aroundtown Aurubis Auto1 Group

Grand City ­Properties

Hello Fresh

90

B. Aktionärseinfluss durch das Entlastungsvotum

Gesellschaft

2015

2016

2017

2018

2019

2020

2021

Hochtief

99,74

97,37

99,34

98,82

97,34

96,9

97,23

Hugo Boss

97,83

96,47

95,09

95,1

91,86

86,07

89,63

K+S

92,6

71,84

90,5

95,42

97,77

93,27

74,91

Kion Group

96,63

96,22

98,82

94,39

93,32

90,8

87,71

99,69

99,58

99,85

Knorr-Bremse Lanxess

99,74

98,15

99,41

93,25

99,61

99,29

98,22

LEG Immobilien

98,64

98,86

99,48

98,02

88,8

93,12

96,75

Deutsche ­Lufthansa

99,09

91,98

98,72

99,77

97,11

94,75

98,35

MorphoSys

99,97

99,74

99,54

94,77

99,56

99,4

99,26

Nemetschek

88,43

95,48

98,58

98,15

97,83

96,77

93,49

Nordex

95,26

89,36

88,26

94,48

91,14

85,13

92,24

Porsche Holding

100

100

100

100

100

100

100

ProSieben Sat1

99,45

99,49

95,94

91,12

92,41

91,48

98,81

Puma

99,26

97,82

96,05

98,75

95,27

94,83

84,78

Qiagen

98,29

98,17

99,96

99,72

99,62

97,89

97,5

Rational

92,69

93,47

97,71

98,93

97,57

96,29

95,81

Rheinmetall

92,79

96,69

99,11

95,16

95,13

97,59

94,9

Sartorius

99,88

99,99

99,99

99,89

99,97

99,98

99,99

Scout 24

 

99,17

97,18

96,6

71,27

99,95

88,91

Shop Apotheke Europe

 

 

100

Siemens ­Healthineers

 

 

 

 

99,94

99,52

99,6

Software

99,99

99,99

99,99

98,15

90,84

95,07

89,28

Ströer

98,86

98,62

98,69

92,14

87,96

74,96

76,29

Symrise

96,43

93,83

97,63

96,71

91,67

92,24

98,36

TAG Immobilien

87,53

99,91

86,68

99,95

91,34

95,82

84,5

 

 

 

 

 

96,54

89,26

Team Viewer

99,99

100

100

94,57

91

II. Zustimmungswerte zur Entlastung 

Gesellschaft

2015

2016

2017

2018

2019

2020

2021

Telefonica Deutschland

98,8

98,7

99,35

99,64

99,37

98,17

96,48

ThyssenKrupp

99,2

99,69

98,42

94,32

94,99

98,6

95,21

 

 

99,55

99,92

99,91

96,58

94,48

99,18

98,95

93,87

97,9

89,51

95,76

93,09

 

 

 

86,51

93,3

88,22

89,45

Wacker Chemie

97,4

97,48

96,65

95,77

96,36

95,52

95,78

Zalando

97,42

94,75

96,32

96,85

98,56

98,19

99,75

Durchschnitt

97,34

95,85

96,72

96,42

94,73

94,72

93,53

Uniper United Internet Varta

Die Werte stellen Prozentangaben dar.

Die für die DAX30-Unternehmen gefundenen Ergebnisse lassen sich weitgehend anhand der Entlastungsvoten der MDAX-Unternehmen bestätigen. Die Aufsichtsratsentlastung im MDAX zeigt sodann eine klar absteigende Tendenz. Die Zustimmung ist mit Ausnahme von 2017 jedes Jahr gesunken. Bestätigen lässt sich darüber hinaus, dass DAX30 und MDAX-Aktionäre über die Aufsichtsratsentlastung kritischer votieren als wenn es um die Vorstandsentlastung geht. Jeder Durchschnittswert der sechs Hauptversammlungssaisons liegt unter seinem Analogon zur Vorstandsentlastung. Diese Tendenz lässt sich auch daran festmachen, dass 18 der 60 MDAX-Unternehmen ihren höchsten Entlastungswert in 2015 erhielten. 38 der 60 Unternehmen hatten ihren schwächsten Entlastungswert zwischen 2019 und 2021. Dementsprechend lässt sich festhalten, dass der Abwärtstrend, der sich für die Aufsichtsratsentlastung der DAX30-Unternehmen feststellen ließ, durch die Werte des MDAX klar bestätigt wird. 6. Ergebnisse Aufsichtsrat SDAX Auch die Entlastungswerte des Aufsichtsrats der SDAX-Unternehmen bestätigen die für den DAX und MDAX gefundenen Ergebnisse. So zeigt auch die Aufsichtsratsentlastung des SDAX eine absteigende Tendenz. Die Zustimmung ist im Zeitraum von 2015 bis 2019 jährlich gesunken. Eine Parallele zu den DAX30 zeigt sich darin, dass sich auch im SDAX die Entlastungswerte im ersten Jahr der virtuellen Hauptversammlungen 2020 leicht erhöht haben, der Trend insgesamt daher unterbrochen wurde.

92

B. Aktionärseinfluss durch das Entlastungsvotum

Diese Tendenz lässt sich auch daran festmachen, dass 20 Aufsichtsräte der 70 SDAX-Unternehmen ihren höchsten Entlastungswert in 2015 erhielten. 47 Unternehmen haben ihren niedrigsten Entlastungswert zwischen 2019 und 2021 erzielt. Der Trend sinkender Zustimmung bei Entlastungsentscheidungen lässt sich daher auch anhand der Zahlen des SDAX ablesen. Auch ein Blick auf die Häufigkeit von niedrigen Entlastungswerten zeugt von einem Abwärtstrend. Die Aufsichtsratsentlastung wurde im SDAX, insoweit lassen sich auch die diesbezüglichen Feststellungen aus DAX und MDAX bestätigen, deutlich kritischer beurteilt als die Vorstandsentlastung. Jeder Durchschnittswert der sechs Hauptversammlungssaisons ist niedriger als seine Entsprechung im Bereich der Vorstandsentlastung. Gesellschaft

2015

2016

2017

2018

2019

2020

2021

1&1 Drillisch

89,58

99,99

96,61

99,34

98,4

96,72

93,87

Aareal Bank

99,99

92,45

99,98

99,98

98,01

88,88

80,54

95,59

99,09

99,61

Adler Group

51,9

100

100

AdvaOptical

99,99

88,1

98,7

80,14

98,46

98,12

98,11

Amadeus Fire

98,02

98,68

74,39

98,3

74,28

77,29

94,15

ATOSS Software BayWa

97,82 98

98,25

99,58

BEFESA

98,51 100

98,91

98,27

96,98

99,86

99,85

98,95

Bilfinger

90,12

96,45

99,72

98,24

98,32

99,21

97,93

Borussia ­Dortmund

99,94

99,75

99,86

99,84

99,11

99,65

99,65

Ceconomy

99,31

98,86

97,9

96,5

97,24

95,17

98,2

Cewe

96,63

98,48

99,66

85,77

87,22

85,52

95,6

89,6

87,61

90,95

87,24

Dermapharm Deutsche ­Euroshop

94,7

Deutsche Pfandbriefbank

99,62

91,95

86,42

87,89

87,87

89,97

99,99

98,3

99,99

98,7

98,95

99,93

Deutz

96,12

96,02

99,37

94,02

84,34

90,57

99,78

DIC Asset

93,9

97,71

98,62

98,7

96,08

97,74

94,66

93

II. Zustimmungswerte zur Entlastung 

Gesellschaft

2015

2016

2017

2018

2019

2020

2021

Drägerwerk

99,79

99,94

99,95

98,49

98,37

99,4

96,44

99,99

99,98

99,83

DWS Eckert & Ziegler

98,86

96,67

99,99

98,95

98,4

98,67

93,89

ElringKlinger

95,51

97,25

96,5

76,92

86,71

97,07

97,29

Fielmann

99,37

98,58

99,27

98,61

98,54

97,74

96,56

FlatexDegiro

99,56

99,69

92,31

84,64

86,61

93,24

96,55

Global Fashion Group Grenke

100 100

97,94

97,38

96,9

88,58

94,36

91,13

Hamborner Reit

99,88

99,95

99,21

98,42

98,97

99,88

99,67

Hamburger Hafen

98,27

96,93

98,02

99,22

97,95

99,4

82,5

Hensoldt

95,26

Home24

100

99,99

97,83

Hornbach Holding

100

99,99

95,76

91,85

93,21

90,52

97,54

Hypoport

100

91,75

90,74

99,49

91,08

93,5

94,35

99,48

98,2

97,17

98,52

89,36

89,4

99,95

97,42

96,28

97,65

98,98

97,96

94,21

72,96

95,2

95,91

92,43

95,16

Indus Holding

99,96

Instone Jenoptik

93,49

99,97

99,97

Jost Werke Jungheinrich

100

100

100

100

100

100

100

Klöckner & Co

96,34

91,25

83

99,28

99,28

98,05

99,16

Krones

99,34

98,3

92,72

94,02

92,45

96,81

99,52

KWS Saat

99,99

96,32

98,78

98,81

98,5

98,62

97,61

LPKF Laser

99,53

97,85

97,21

96,46

95,52

98,46

98,88

MEDIOS

99,99

99,93

99,25

95,94

92,77

93,67

95,16

 

 

 

94,09

98,64

99,81

99,81

Metro Nagarro

92,01

New Work

99,99

99,99

99,48

96,04

93,83

95,12

95,83

Norma Group

98,01

98,8

98,18

98,27

98,76

98,36

94,01

94

B. Aktionärseinfluss durch das Entlastungsvotum

Gesellschaft

2015

2016

2017

2018

2019

2020

2021

Patrizia

99,53

93,44

94,17

90,57

92,17

91,88

99,67

Pfeiffer Vacuum

95,55

99,85

90,95

94,01

95,99

97,56

98,96

RTL Group

99,99

99,99

99,51

99,53

99,99

93,71

S&T

100

100

100

SAF Holland

99,28

99,47

93,49

Salzgitter

88,34

93,23

95,1

Schaeffler SGL Carbon

100 96,21

Siltronic

100

100

100

99,79

93,42

98,01

100

89,97

99,99

99,96

88,85

97,4

99,75

84,77 100

100

100

100

99,65

99,2

90,74

92,4

98,82

96,33

99,49

99,71

95,31

88,25

92,01

96,52

Sixt

99,81

94,64

94,7

93,84

91,77

90,36

86,68

SMA Solar

99,11

94,92

93,79

95,65

97,57

98,29

98,8

Stabilus

94,62

99,7

99,7

99,99

98,72

99,96

97,76

97,08

95,99

99,06

99,35

96,17

98,93

96,74

98,05

90,75

67,61

90,75

STRATEC Südzucker

98,67

100

SÜSS MictroTec

100

100

93,72

Takkt

97,33

97,48

97,48

95,97

92,62

97,59

96,62

Talanx

99,8

99,21

99,23

98,64

97,55

96,65

96,65

Traton

98,46

Vantage Towers

98,46

Verbio

99,99

99,99

99,96

99,99

99,52

99,27

98,23

Vossloh

87,55

85,9

60,51

74,96

82,29

91,32

90,38

Wacker Neuson

94,67

93,74

94,06

97,24

95,59

63,81

94,04

92,28

94,67

96,13

93,51

95,25

Westwing Zeal Network Zooplus

99,01

86,62

88,72

91,32

94,43

89,11

88,28

Durchschnitt

97,62

96,55

96,09

95,45

94,86

94,78

95,55

Die Werte stellen Prozentangaben dar.

95

II. Zustimmungswerte zur Entlastung 

7. Umstellung auf DAX40 Durch Umstellung am 20. 09. 2021 wurde der DAX30 auf den DAX40 umgestellt, der nunmehr die 40 Unternehmen mit der größten Börsenmarktkapitalisierung enthält. Obwohl die Hauptversammlungssaison 2021 noch in der DAX30Zusammensetzung abgehalten wurde, soll im Folgenden geprüft werden, ob die gefundenen Ergebnisse sich auch auf die Zusammensetzung des DAX40 übertragen lassen. Hierfür werden die Entlastungsergebnisse der heutigen DAX40-Unternehmen im Zeitraum von 2015 bis 2021 herangezogen. a) DAX40 Vorstand Die gesammelten Entlastungsbeschlüsse der DAX40-Unternehmen bestätigen im Wesentlichen die gefundenen Ergebnisse. So zeigt sich auch hier eine abfallende Tendenz. Mit Ausnahme von 2016 fallen auch die Werte von 2015 bis 2019 stetig ab. Es bestätigt sich zudem, dass die virtuelle Hauptversammlung zu einer Zunahme der Zustimmungswerte geführt hat. Die Zunahmen fielen dabei erheblich aus, sodass 2021 der höchste Zustimmungswert im Beobachtungszeitraum erfolgte. Gesellschaft

2015

2016

2017

2018

2019

2020

2021

Adidas

97,59

99,85

99,65

99,61

99,67

93,24

99,89

Airbus

98,47

98,97

97,33

96,73

99,08

77,37

99,44

Allianz

99,74

99,07

98,6

99,47

99,33

98,9

99,35

BASF

99,72

99,57

98,32

99,62

99,49

98,26

98,91

Bayer

98,49

98,4

96,69

97,19

44,48

92,57

90,08

Beiersdorf

99,34

99,91

99,98

99,81

99,86

99,77

99,21

BMW

99,73

99,74

99,86

98,36

97,69

98,25

98,82

Brenntag

99,99

99,96

99,94

99,84

99,64

99,8

99,2

Continental

99,99

99,99

99,72

99,88

99,82

99,81

99,81

99,95

99,97

99,86

99,4

99,51

98,73

98,92

99,22

94,64

93,89

96,6

97,94

97,34

99,4

99,29

99,88

Covestro Daimler

99,69

Delivery Hero Deutsche Bank

61,04

90,08

94,14

94,61

72,88

98,09

97,84

Deutsche Börse

99,67

99,85

83,94

78,97

99,78

99,85

99,62

Deutsche Post

99,71

99,77

98,98

99,67

99,75

99,55

99,64

96

B. Aktionärseinfluss durch das Entlastungsvotum

Gesellschaft

2015

2016

2017

2018

2019

2020

2021

Deutsche Telekom

99,82

99,82

98,76

97,83

96,08

95,39

99,7

Eon

99,19

99,61

99,43

99,74

99,76

99,12

99,84

Fresenius

99,61

99,64

99,95

97,5

98,49

99,68

99,28

Fresenius ­Medical Care

99,83

99,92

99,82

99,23

56,81

96,6

99,69

Heidelberg ­Cement

99,4

99,25

99,9

99,94

99,82

99,94

99,7

 

 

 

 

96,52

97,66

99,7

Henkel

99,97

99,96

99,99

99,95

99,93

99,94

99,88

Infineon

99,71

99,9

99,83

99,87

98,02

99,08

99,68

Linde

99,5

99,6

96,11

98,83

Merck

99,93

99,19

99,45

99,25

99,25

99,28

99,5

MTU Aero ­Engines

99,83

99,89

99,75

99,62

99,87

99,75

99,55

Münchener Rück

99,66

98,51

99,89

99,4

99,65

99,3

99,42

Hello Fresh

Porsche

100

100

100

100

100

100

100

Puma

99,26

99,98

97,57

98,84

98,91

98,16

99,14

Qiagen

98,21

98,17

99,96

99,72

99,62

99,65

97,48

RWE

99,66

97,44

99,69

99,87

97

99,1

99,95

SAP

99,03

98,86

99,57

99,11

99,35

98,21

99,32

Sartorius VZ

99,95

99,99

99,99

99,99

99,99

99,99

Siemens

99,52

99,63

99,52

99,61

96,62

94,59

99,38

Siemens Energy

 

 

 

 

 

 

99,79

Siemens ­Healthineers

 

 

 

 

99,97

99,97

99,96

Symrise

97,58

98,08

99,69

99,24

99,02

97,5

98,59

Volkswagen

99,99

97,64

99,19

99,01

98,49

98,59

99,51

Vonovia

99,88

97,8

99,8

99,81

99,64

97,76

99,88

Zalando

99,92

99,96

99,75

99,66

99,23

99,6

99,77

Durschnitt

98,31

99,05

98,69

98,39

95,59

97,84

99,12

100

97

II. Zustimmungswerte zur Entlastung 

b) DAX40 Aufsichtsrat Auch die Entlastungsbeschlüsse gegenüber den Aufsichtsräten der DAX40Unternehmen bestätigen die zuvor gefundenen Ergebnisse. So zeigt sich auch hier eine abnehmende Tendenz von 2015 bis 2019. Nur 2018 nahmen die Zustimmungswerte wieder leicht zu. Auch hier führte die Hauptversammlungssaison 2020 zu einem Wiederanstieg der Zustimmungswerte. Dieser bewegte sich aber auf niedrigerem Niveau als für die Vorstände der DAX40-Unternehmen. Gesellschaft

2015

2016

2017

2018

2019

2020

2021

Adidas

93,6

94,36

98,01

97,97

99,35

97,26

89,62

Airbus

98,99

98,97

97,33

97,41

99,08

75,19

99,44

Allianz

99,73

99,05

98,53

95,25

98,26

97,79

98,18

BASF

98,91

98,99

98

99,63

98,9

98,25

80,1

Bayer

96,91

95,67

95,35

97,97

66,38

93,98

92,58

Beiersdorf

98,43

98,89

98,65

97,32

97,76

99,35

92,3

BMW

98,75

97,86

93,65

96,79

92,34

94,71

82,32

Brenntag

99,99

99,96

98,84

97,68

96,97

96,37

95,65

Continental

99,57

95,87

94,78

97,09

96,7

96,17

95,81

96,9

99,97

99,86

99,52

98,78

94,64

98,77

96,42

93,96

93,51

88,45

95,17

96,2

95,47

96,48

97,71

Covestro Daimler

99,71

Delivery Hero Deutsche Bank

91,47

86,91

93,19

84,53

74,47

98,24

97,31

Deutsche Börse

98,45

99,85

86,97

80,6

96,71

99,72

99,62

Deutsche Post

97,8

99,77

90,51

99,59

98,99

98,63

96,58

Deutsche Telekom

99,8

96,6

96,87

92,15

90,55

91,3

88,61

Eon

99,18

99,59

99,67

99,75

99,37

98,59

99,4

Fresenius

97,99

99,52

91,81

88,99

87,53

85,14

91,34

Fresenius ­Medical Care

99,81

99,92

86,51

95,46

52,32

94,58

95,64

Heidelberg ­Cement

99,37

98,62

99,35

99,09

99,81

98,65

94,59

 

 

 

 

70,83

79,24

89,19

99,96

99,64

98,79

99,55

99,1

99,71

96,94

Hello Fresh Henkel

98

B. Aktionärseinfluss durch das Entlastungsvotum

Gesellschaft

2015

2016

2017

2018

2019

2020

2021

Infineon

99,68

97,81

93,81

99,68

92,27

98,39

99,59

Linde

97,37

97,78

96,29

96,33

Merck

96,46

96,48

91,85

96,56

91,77

94,3

88,56

MTU Aero Engines

99,43

93,56

92,03

99,91

98,74

89,37

79,03

Münchener Rück

96,02

98,56

99,72

99,39

99,13

98,91

98,62

Porsche

100

100

100

100

100

100

100

Puma

99,26

97,82

96,05

98,75

95,27

94,83

84,78

Qiagen

98,29

98,17

99,96

99,72

99,62

97,89

97,5

RWE

95,84

99,14

95,49

99,72

99,14

98,64

96,44

SAP

91,07

93,29

50,49

98,62

99,13

94,38

84,87

Sartorius VZ

99,88

99,99

99,99

99,89

99,97

99,98

99,99

Siemens

98,98

99,33

99,28

99,62

96,19

93,73

99,34

Siemens Energy

 

 

 

 

 

 

99,78

Siemens ­Healthineers

 

 

 

 

99,94

99,52

99,6

Symrise

96,43

93,83

97,63

96,71

91,67

92,24

98,36

Volkswagen

99,93

97,72

99,09

99

98,43

98,51

99,49

Vonovia

99,88

97,65

99,8

97,92

97,39

91,83

97,79

Zalando

97,42

94,75

96,32

96,85

98,56

98,19

99,75

Durchschnitt

98,14

97,62

94,99

96,91

93,58

95,11

94,38

c) Zwischenergebnis Damit finden sich für die DAX40-Unternehmen im Wesentlichen die gleichen Ergebnisse wie zuvor für die übrigen Indizes. Dementsprechend haben die zuvor gefundenen Feststellungen auch für die DAX40 Geltung.

II. Zustimmungswerte zur Entlastung 

99

8. Hauptversammlungssaisons 2020 und 2021 Die Einführung der rein virtuellen Hauptversammlung wirkte sich auch auf die Zustimmungswerte zum Entlastungsbeschluss in den Hauptversammlungssaisons 2020 und 2021 aus. Besonders stark zeigt sich dies an der Vorstandsentlastung der DAX30. Hier betrug die Verweigerungsquote 2020 nur noch ein Drittel des Vorjahreswertes. Die gleiche Tendenz lässt sich aber auch an den übrigen Börsenindizes und Organen feststellen. Der Trend abfallender Zustimmungswerte zum Entlastungsbeschluss scheint unterbrochen zu sein. Bezüglich der Gründe, die hierzu führten, lässt sich ein Verdacht formulieren. Der wesentlichste und offenkundigste Unterschied der Hauptversammlungssaison 2019 und 2020 war die Neuregelung der Möglichkeit einer reinen Online-Hauptversammlung infolge der Covid-19-Pandemie. Besonders schwer wog wohl die Tatsache, dass eine Online-Teilnahme der Aktionäre – wie beschrieben – nicht verpflichtend war und nur von 3 % der Gesellschaften ermöglicht wurde.20 Gem. § 120 Abs. 3 AktG soll die Verhandlung über die Entlastung mit der Verhandlung über die Verwendung des Bilanzgewinns verbunden werden. Die Verhandlung über die Entlastung ist also im besonderen Maße von der Aussprache in der Hauptversammlung abhängig. Aktionäre äußern hier Sorgen und Kritik. Sie haben die Möglichkeit, Zweifel an der Leitung der Gesellschaft zu formulieren. Die Entlastungsaussprache ist für die kollektive Willensbildung wichtig. Sie fällt bei einer virtuellen Hauptversammlung ohne Teilnahmemöglichkeit weg. Auch das entfallende Auskunftsrecht könnte erhebliche Auswirkungen gehabt haben. Kritische Nachfragen mussten im Zuge des freien Ermessens des Vorstands bei der Auswahl der Fragen nicht beantwortet werden.21 Durch die Änderung des § 1 Abs. 2 S. 2 C19-AuswBekG wurde durch die Aufwertung der Fragemöglichkeit zu einem Fragerecht22 zumindest die verpflichtende Beantwortung von Fragen ab dem 28. 02. 2021 geregelt. Reaktionen auf gegebene Antworten sind nach wie vor nicht möglich.23 Mangels Nachfragerechts konnte ein Dialog dennoch nicht entstehen. Die Lage der Gesellschaft wurde möglicherweise einseitig dargestellt. Es ist wahrscheinlich, dass dieser erhebliche Einschnitt in die Aktionärsdemokratie dazu

20 Danwerth, AG 2020, 418, 425; Tröger, BB 2020, 1092, 1095 sieht für die Einräumung von Aktionärsrechten nur ein eingeschränktes Ermessen, soweit die Einräumung der Rechte mit vertretbaren Kosten realisiert werden können; andere Ansicht wohl Schäfer, NZG 2020, 481, 483. 21 Schäfer, NZG 2020, 481, 484; Simons / Hauser, NZG 2020, 488, 495; Weber / Sieber, in: Fritz, COVAbmildG, Art. 1, § 2 Rn. 63 ff.; kritisch bezüglich der fehlenden Verpflichtung zur Fragenbeantwortung Spindler, in: Schmidt / Lutter, 2020, § 118 Rn. 63j. 22 Siehe Fn. 18 in Kapitel B. und Fn. 19 in Kapitel B. 23 Zu beachten ist, dass das Auskunftsrecht nicht nur für die Entlastungsentscheidung von erheblicher Wichtigkeit ist, sondern auch als Mittel gegen die beschriebenen Informationsasymmetrien (siehe hierzu unter A. I. 1. c)) verstanden werden muss, Redenius-Hövermann / Bannier, ZIP 2020, 1885, 1894.

100

B. Aktionärseinfluss durch das Entlastungsvotum

führte, dass kritische Inhalte nicht zu Tage traten oder sich Teile der Aktionäre über problematische Entwicklungen nicht im Klaren waren. Dadurch votierten sie womöglich weniger kritisch, sobald es zur Beurteilung der Leitungsorgane kam.

III. Lehren aus der Untersuchung der Hauptversammlungssaisons 2020 und 2021 Die Regelungen des C19-AuswBekG wurden durch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz gem. § 8 C19-AuswBekG zunächst bis zum 31. 12. 2021 und in einem zweiten Schritt bis zum 31. 08. 2022 verlängert.24 Ab der Hauptversammlung 2023 stellt sich jedoch die Frage, welche Lehren aus der Anwendung des C19-AuswBekG zu ziehen und inwieweit die Regelungen erhaltenswert sind, sofern es zu einer dauerhaften Regelung einer rein virtuellen Hauptversammlung kommen sollte.25 Die empirische Untersuchung legt nahe, dass sich das virtuelle Abhalten der Hauptversammlung ohne Teilnahmemöglichkeit der Aktionäre negativ auf die kritische Auseinandersetzung der Aktionäre auswirkt. Um diese als Kontrollinstanz wiederzubeleben, bedarf es einer Anpassung der Aktionärsrechte im Rahmen der virtuellen Hauptversammlung an die Rechtslage, die vor Erlass des C19-Ausw­BekG galt. Mit Blick auf die technische Durchführbarkeit einer virtuellen Teilnahme aller Aktionäre sollte dies eine Tatbestandsvoraussetzung der virtuellen Hauptversammlung sein, um den Austausch von Aktionären und Leitungsorganen sicherzustellen.26 Hierbei muss das Auskunftsrecht der Aktionäre gewährleistet sein, indem diese nach vorheriger Anmeldung für Wortbeiträge analog zur Präsenzveranstaltung zugeschaltet werden.27 In diesem Fall sind weder eine „Fragenflut“28, 24 Die erste Verlängerung erfolgte durch die Verordnung zur Verlängerung von Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie, BGBl. I 2020, 2258. Die zweite Verlängerung der Regelung erfolgte durch Art. 15 des Gesetz zur Errichtung eines Sondervermögens „Aufbauhilfe 2021“ und zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht wegen Starkregenfällen und Hochwassern im Juli 2021 sowie zur Änderung weiterer Gesetze (AufbhG), BGBl. I 2021, 4147. 25 Am 09. 02. 2022 hat das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz einen Entwurf einer dauerhaften Regelung der virtuellen Abhaltung der Hauptversammlung vorgelegt, der umfangreiche Neuregelungen, insbesondere zur Einbindung der Aktionäre vorsieht: Gesetz zur Einführung virtueller Hauptversammlungen von Aktiengesellschaften vom 09. 02. 2022. 26 So bereits Redenius-Hövermann / Bannier, ZIP 2020, 1885, 1895 f. 27 Begrüßenswert ist insoweit § 118a Abs. 1 Nr. 4 AktG-E des Referentenentwurf zur Einführung virtueller Hauptversammlungen von Aktiengesellschaften vom 09. 02. 2022, nach welchem ein Auskunftsrecht im Wege elektronischer Kommunikation garantiert werden muss. Gem. § 131b Abs. 1 S. 1 AktG-E kann der Vorstand jedoch bestimmen, dass Fragen bis zu vier Tage vor der Hauptversammlung eingericht werden müssen. 28 Dem Versammlungsleiter stehen die aus der Präsenzversammlung bekannten Mittel der Begrenzung der Redezeit oder der Schließung der Rednerliste zur Verfügung.

101

IV. Feststellbare Trends & Schlussfolgerungen 

noch „inhaltlich nicht akzeptable“ Nachfragen,29 die den Gesetzgeber zur Verkürzung des Auskunftsrechts hin zu einem Fragerecht motiviert haben, zu erwarten.30 Auch angesichts der Tatsache, dass das nach dem ARUG noch angeführte Anfechtungsrisiko bei technischen Problemen durch § 1 Abs. 7 C19-AuswBekG auf vorsätzliche Verstöße beschränkt und damit aufgelöst wurde31 und erhalten bleiben kann, gibt es keinen sachlichen Grund für die Ungleichbehandlung von Präsenzund virtueller Hauptversammlung.

IV. Feststellbare Trends & Schlussfolgerungen Stellt man die gefundenen Ergebnisse nun nochmals gesammelt dar, ist dem zunächst voranzustellen, dass bereits kleine Abweichungen im Durchschnitt einen erheblichen Unterschied darstellen. Grund dafür ist, dass der Regelfall einer Entlastung nach wie vor eine Zustimmung von über 99 % aufweist. Die gesammelten Daten belegen einen signifikaten Abfall der Zustimmungswerte.32 Angesichts dieser Tatsache sind die gefundenen Ergebnisse beachtlich. Die Zustimmungswerte sinken in allen Börsenindizes für beide Organe. Der Anteil der die Entlastung verweigernden Aktionäre hat sich bis 2019 im Durchschnitt mehr als verdoppelt. 100 99 98 97

99,17 99,32 98,14 98,31 97,79

98,97 99,05 98,48 97,62

98,69

98,98

95

98,93

98,74

98,81

98,09

98,39

98,14 98,42

99,12 98,45

97,84

96,91 96,85

96

99,04 99,19

96,85 94,99

95,53

94

95,59 95,24

95,11 95,24

95,84

2020

2021

94,38

93,58

93 2015

2016

2017

2018

2019

Aufsichtsratsentlastung DAX 30

Aufsichtsratsentlastung MDAX

Vorstandsentlastung DAX 30

Vorstandsentlastung MDAX

Vorstandsentlastung SDAX

Aufsichtsratsentlastung SDAX

Abbildung 3: Entlastungen nach Börsenindizes 29

BT-Drucks. 19/18110, S. 26. Redenius-Hövermann / Bannier, ZIP 2020, 1885, 1895 f. 31 Dazu auch Danwerth, AG 2020, 418, 425. 32 In einem Zweistichproben -t-Test unter der Annahme gleicher Varianzen bei Zugrundelegung sämtlicher Entlastungswerte der jeweiligen Jahreszeiträume lässt sich nachweisen, dass die Zustimmungswerte im Vergleich der Werte von 2015 und 2019 sowie von 2015 und 2020 signifikant gesunden sind (p-Wert jeweils