Die strafrechtliche Rückverweisungstechnik: Verfassungsrechtliche Beurteilung einer besonderen Erscheinungsform der Blankettstrafgesetzgebung [1 ed.] 9783428586813, 9783428186815

Das Schicksal der Rückverweisungstechnik ist ungewiss, nachdem das Bundesverfassungsgericht ein Blankettstrafgesetz mit

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Die strafrechtliche Rückverweisungstechnik: Verfassungsrechtliche Beurteilung einer besonderen Erscheinungsform der Blankettstrafgesetzgebung [1 ed.]
 9783428586813, 9783428186815

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Schriften zum Strafrecht Band 400

Die strafrechtliche Rückverweisungstechnik Verfassungsrechtliche Beurteilung einer besonderen Erscheinungsform der Blankettstrafgesetzgebung

Von

Nils Ströle

Duncker & Humblot · Berlin

NILS STRÖLE

Die strafrechtliche Rückverweisungstechnik

Schriften zum Strafrecht Band 400

Die strafrechtliche Rückverweisungstechnik Verfassungsrechtliche Beurteilung einer besonderen Erscheinungsform der Blankettstrafgesetzgebung

Von

Nils Ströle

Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg hat diese Arbeit im Jahre 2021 als Dissertation angenommen.

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© 2022 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: L101 Mediengestaltung, Fürstenwalde Druck: CPI books GmbH, Leck Printed in Germany ISSN 0558-9126 ISBN 978-3-428-18681-5 (Print) ISBN 978-3-428-58681-3 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

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Meinen Eltern

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2021/22 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg als Dissertation angenommen. Die leicht überarbeitete Druckfassung berücksichtigt Gesetzgebung, Rechtsprechung und Literatur bis Anfang März 2022. Mein besonderer Dank gilt Herrn Professor Dr. Roland Hefendehl. Während der Erstellung der Arbeit und meiner Tätigkeit am Institut für Kriminologie und Wirtschaftsstrafrecht der Universität Freiburg hat er mich stets unterstützt und mir gleichwohl Raum gegeben, meine Ideen zu verwirklichen. Für die rasche Erstellung des Zweitgutachtens und die damit verbundenen wertvollen Anregungen danke ich Herrn Professor Dr. Dr. h. c. Walter Perron. Ich hatte das Glück, in ein tolles Lehrstuhl-Team eingebunden gewesen zu sein, das ich in bester Erinnerung behalten werde. Besonders danken möchte ich den Herren Jakob Bach und Marco Rehmet, deren Tür immer für mich offenstand. Meine Eltern Anne und Wolfram haben mich Zeit meines Lebens bedingungslos unterstützt und mir dadurch so vieles ermöglicht. Ihnen ist diese Arbeit gewidmet. Frankfurt am Main, im Mai 2022

Nils Ströle

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 I. Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 II. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 A. Grundlagen der Rückverweisungstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 I. Verweisung und Blankettstrafgesetz  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 II. Einführung in die Rückverweisungstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 III. Nationalrechtsakzessorische Rückverweisungstechnik . . . . . . . . . . . . . . 27 1. Regelungstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 2. Ursprünge und heutiger Einsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 3. Anwendung bei Bezugnahme auf Gesetze und Satzungen . . . . . . . . 30 4. Nähere Analyse der verwendeten Verweisungen . . . . . . . . . . . . . . . . 31 a) Konstitutive und deklaratorische Verweisung . . . . . . . . . . . . . . . . 31 b) Ausdrückliche und konkludente Verweisung  . . . . . . . . . . . . . . . . 33 c) Binnenverweisung und Außenverweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 d) Statische und dynamische Verweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 aa) Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 bb) Verwendung im Rahmen der Rückverweisungstechnik . . . . . 36 cc) Echte und unechte Blankettstrafgesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 e) Anzahl an Verweisungen und Verweisungsobjekten . . . . . . . . . . . 38 f) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 5. Wirkung der Verweisung auf die Rechtsverordnung . . . . . . . . . . . . . 41 a) Formale Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 b) Materielle Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 aa) Trennung von Verhaltens- und Sanktionsnorm . . . . . . . . . . . 42 bb) Bedeutung für die Rückverweisungstechnik . . . . . . . . . . . . . 43 6. Gründe für die nationalrechtsakzessorische Rückverweisungstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 IV. Unionsrechtsakzessorische Rückverweisungstechnik . . . . . . . . . . . . . . . 48 1. Regelungstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 2. Nähere Analyse der verwendeten Verweisungen . . . . . . . . . . . . . . . . 52 3. Wirkung der Verweisung auf die EU-Verordnung . . . . . . . . . . . . . . . 54 4. Gründe für die unionsrechtsakzessorische Rückverweisungstechnik . 56 a) Einsatz der Blankettgesetzgebung zur Bewehrung von Unionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 aa) Keine (generelle) Kompetenz der EU zur Strafrechtsetzung . 56

10 Inhaltsverzeichnis bb) Pflichten der Mitgliedstaaten zur Sanktionierung von Unions­recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 (1) Art. 4 Abs. 3 EUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 (2) Art. 83 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 cc) Umsetzung mittels Blankettgesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . 61 (1) Einfachste und effektivste Möglichkeit der Umsetzung . 61 (2) Alternativlose Gesetzestechnik? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 dd) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 b) Gründe für den Einsatz der Rückverweisungsklausel . . . . . . . . . . 66 5. Ergänzung um Entsprechungsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 a) Formellgesetzliches Ge- oder Verbot als Bezugsobjekt . . . . . . . . 69 b) Ermächtigungsgrundlage als Bezugsobjekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 V. Ergänzung um Negationsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 1. Tatbestandliche Abgrenzungsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 2. Subsidiaritätsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 VI. Zusammenfassung zu Kapitel A. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 B. Ermittlung eines verfassungsrechtlichen Maßstabs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 I. Gesetzlichkeitsprinzip des Art. 103 Abs. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 1. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 2. Bestimmtheitsgebot (freiheitsgewährleistende Komponente) . . . . . . . 79 a) Allgemeine verfassungs- und strafrechtliche Wurzeln . . . . . . . . . 80 b) Allgemeine Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 c) Anforderungen an Blankettstrafgesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 aa) Geltung des Bestimmtheitsgebots für das Ausfüllungs­ objekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 bb) Bestimmtheit der Verweisung und Gesamtregelung . . . . . . . 86 cc) Besondere Anforderungen im Expertenstrafrecht? . . . . . . . . 87 3. Vorbehalt des formellen Gesetzes (kompetenzwahrende Komponente) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 a) Herleitung des Gesetzesvorbehalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 aa) Den Gesetzesvorbehalt ablehnende Meinung . . . . . . . . . . . . 89 bb) Herleitung über allgemeine verfassungsrechtliche Wurzeln . 90 b) Gesetzesbegriff des Art. 103 Abs. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 c) Zulässigkeit von Spezifizierungen durch nichtformelle Gesetze . 96 d) Maß zulässiger Spezifizierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 aa) Allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 bb) Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 4. Verhältnis von freiheitsgewährleistender und kompetenzwahrender Komponente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 a) Eigenständige Bedeutung beider Komponenten . . . . . . . . . . . . . . 102 b) Abweichende Handhabung in Literatur und Rechtsprechung . . . . 103 5. Niedrigere Anforderungen im Ordnungswidrigkeitenrecht . . . . . . . . 107

Inhaltsverzeichnis11 a) Allgemeiner Gedanke einer abgestuften formellgesetzlichen Bestimmtheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 b) Niedrigere formellgesetzliche Regelungsdichte im Ordnungswidrigkeitenrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 c) Weitere Abstufungen innerhalb des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 II. Vorbehalt des formellen Gesetzes nach Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG . . . . . . 113 1. Nur kompetenzwahrende Komponente enthalten . . . . . . . . . . . . . . . . 113 2. Anwendbarkeit auf materielle Strafgesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 3. Anforderungen an Blankettstrafgesetze  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 III. Ermächtigungsgrundlage und Bestimmtheitsgebot(Art. 80 Abs. 1 S. 1, 2 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 1. Primäres Ziel der Kompetenzwahrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 2. Bedeutung für Blankettstrafgesetze und Verhältnis zu Art. 103 Abs. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 IV. Verkündungsgebot und Art. 82 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 V. Allgemeines Bestimmtheitsgebot und allgemeiner Vorbehalt des Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 VI. Gebot der Normenklarheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 VII. Unionsrechtlicher Grundsatz der Gesetzmäßigkeit(Art. 49 Abs. 1 S. 1 GRCh) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 1. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 2. Anwendbarkeit der Grundrechtecharta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 3. Verhältnis zu nationalen Grundrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 a) Position des EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 b) Position des BVerfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 4. Bestehender Gestaltungsspielraum im Strafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . 139 a) Materiell-rechtliche Vorgaben des Unionsrechts . . . . . . . . . . . . . . 139 b) Keine Vorgaben hinsichtlich der Gesetzestechnik . . . . . . . . . . . . . 142 5. Keine Beeinträchtigung des durch die GRCh gewährleisteten Schutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 a) Bestimmtheitsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 b) Erfordernis einer Rechtsgrundlage  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 6. Keine Beeinträchtigung der Wirksamkeit des Unionsrechts . . . . . . . 149 7. Berührung der Verfassungsidentität? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 VIII. Zusammenfassung zu Kapitel B. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 C. Verfassungsrechtliche Beurteilung der nationalrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 I. Die Verweisung auf Rechtsverordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 1. Ausgestaltung als dynamische Außenverweisung . . . . . . . . . . . . . . . . 157 a) Vorbehalt des formellen Gesetzes (kompetenzwahrende Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158

12 Inhaltsverzeichnis

II.

aa) Generelle Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Anwendung auf die Rückverweisungstechnik . . . . . . . . . . . . b) Bestimmtheitsgebot (freiheitsgewährleistende Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausgestaltung als pauschale Verweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Rückverweisungsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Beurteilung in Literatur und Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) BVerfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) 2 BvR 157/90 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) 2 BvR 374/90 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) 2 BvR 858/92 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) 2 BvR 1941/00 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das besondere Problem der Rückverweisungsklausel . . . . . . . . . . . . a) Zum Einwand des deklaratorischen Rückverweises . . . . . . . . . . . b) Zum Einwand des strukturellen Problems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zwischenergebnis und weiterer Verlauf der Untersuchung  . . . . . 3. Gesetzliche Ermächtigung zur Rückverweisung (Art. 80 Abs. 1 S. 1 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erforderlichkeit der Ermächtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Nichtstrafrechtliche Ermächtigung als Anknüpfungspunkt? . . . . . d) Rückverweisungsklausel als mittelbare Ermächtigung . . . . . . . . . 4. Vorbehalt des formellen Gesetzes (kompetenzwahrende Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Naheliegende Schlussfolgerung der Verfassungswidrigkeit . . . . . b) Rückverweisung als objektive Strafbarkeitsbedingung? . . . . . . . . c) Verpflichtung zum Rückverweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Rechtliche Einordnung: Entschließungsfreiheit des Verordnungsgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Stellungnahmen in Rechtsprechung und Literatur zur Rückverweisungsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Allgemeine Einschränkungsmöglichkeiten der Entschließungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Begründungsansätze im Öffentlichen Recht . . . . . . . . . . (2) Abgleich mit Stellungnahmen im Kontext der Rückverweisungstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Auslegung der Rückverweisungsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

158 160 163 168 172 172 173 173 175 175 176 177 177 179 179 180 181 182 185 188 189 189 191 191 191 194 194 195 195 196 198 199 200 203 204 204

Inhaltsverzeichnis13 (2) Gesetzgeberischer Wille . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 (3) Telos und verfassungskonforme Auslegung . . . . . . . . . . 206 ee) Umfang der Verpflichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 ff) Einwände gegen die verfassungskonforme Auslegung . . . . . 211 (1) Fehlende Übereinstimmung mit der Rechtswirklichkeit . 211 (2) Widerspruch zum fragmentarischen Charakter des Strafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 (a) Präzisierung des Einwands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 (b) Keine Kollision mit verfassungskonformer Auslegung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 d) Keine Verpflichtung zum Rückverweis im Ordnungswidrigkeitenrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 aa) Kein Konflikt mit kompetenzwahrender Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 bb) Entschließungsfreiheit zum Rückverweis . . . . . . . . . . . . . . . 218 cc) Unechte Mischtatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 e) Exkurs: Gestaltungsfreiheit des Verordnungsgebers hinsichtlich der Verhaltensnorm  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 f) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 5. Abgleich mit Rechtsprechung des BVerfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 6. Folgen der verfassungskonformen Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 a) Rückverweisung bleibt konstitutiv  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 b) Durchsetzung der Pflicht des Verordnungsgebers zum Rückverweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 c) Beachtung des strafrechtlichen Bestimmtheitsgebots durch den Verordnungsgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 d) Stärkere Verantwortung des parlamentarischen Gesetzgebers . . . 229 e) Verbleibender Sinn der Rückverweisungsklausel im Strafrecht . . 229 aa) Zweck der Rückverweisungsklausel bei verfassungskonformer Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 bb) Verzicht auf Rückverweisungsklausel? . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 III. Weiterverweisungen in der Rechtsverordnung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 1. Problemaufriss: Konflikt mit Bestimmtheitsgebot (freiheitsgewährleistender Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . 233 2. Bestimmtheit der einzelnen Verweisungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 3. Bestimmtheit der Gesamtregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 4. Kombination mit mehrfachen Verweisungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 5. Abschließende Bemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 IV. Zusammenfassung zu Kapitel C. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 D. Verfassungsrechtliche Beurteilung der unionsrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 I. Die Rückverweisungsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 1. Beurteilung in Literatur und Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243

14 Inhaltsverzeichnis

II.

a) Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 b) BVerfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 aa) 2 BvL 1/15 (RiFlEtikettG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 (1) Darstellung der Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 (2) Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 bb) 2 BvL 5/17 (LFGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 (1) Darstellung der Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 (2) Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 cc) Rückschlüsse auf Rückverweisungsklausel in nationalrechtsakzessorischen Blankettstrafgesetzen . . . . . . . . . . . . . . 254 2. Das besondere Problem der Rückverweisungsklausel . . . . . . . . . . . . 255 3. Gesetzliche Ermächtigung zur Rückverweisung (Art. 80 Abs. 1 S. 1 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 4. Vorbehalt des formellen Gesetzes (kompetenzwahrende Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 a) Verpflichtung zum Rückverweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 aa) Rechtliche Einordnung: Entschließungsfreiheit des Verordnungsgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 bb) Verpflichtung aus nationalem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 cc) Verpflichtung aus Unionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 dd) Umfang der Verpflichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 ee) Relevanz der Verpflichtung aus Unionsrecht auch für nationalrechtsakzessorische Rückverweisungstechnik . . . . . . . . . . 265 ff) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 b) Abweichende Beurteilung im Ordnungswidrigkeitenrecht? . . . . . 266 5. Abgleich mit Rechtsprechung des BVerfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 6. Folgen der verfassungs- und unionsrechtskonformen Auslegung . . . 268 Die Verweisung auf Unionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 1. Ausgestaltung als dynamische Außenverweisung . . . . . . . . . . . . . . . . 270 a) Vorbehalt des formellen Gesetzes (kompetenzwahrende Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 aa) Relevanz dieser Prüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 bb) Generelle Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 cc) Anwendung auf die Rückverweisungstechnik . . . . . . . . . . . . 276 dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 b) Bestimmtheitsgebot (freiheitsgewährleistende Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 aa) Relevanz dieser Prüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 bb) Verweisung in andere autonome Rechtsordnung . . . . . . . . . . 281 cc) Berücksichtigung aller Amtssprachen bei Auslegung der unionalen Verhaltensnorm  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 (1) Konflikt zwischen unionaler Sprachenvielfalt und Bestimmtheitsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282

Inhaltsverzeichnis15

III.

IV.

V.

VI. VII.

(2) Lösungsansätze im strafrechtlichen Kontext . . . . . . . . . . dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausgestaltung als pauschale Verweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Entsprechungsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorbehalt des formellen Gesetzes (kompetenzwahrende Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Einfluss des nationalen Verordnungsgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Formellgesetzliches Ge- oder Verbot als Bezugsobjekt . . . . bb) Ermächtigungsgrundlage als Bezugsobjekt . . . . . . . . . . . . . . b) Einfluss des Unionsgesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bestimmtheitsgebot (freiheitsgewährleistende Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gefahr eines Verstoßes gegen Unionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Weiterverweisungen in der nationalen und unionalen Verordnung . . . . . 1. Bestimmtheit der einzelnen Verweisungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bestimmtheit der Gesamtregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Umgestaltung verfassungswidriger Blankettgesetze . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ursache der zu weiten dynamischen Verweisung . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Aufnahme einer Entsprechungsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Statische Direktverweisung im formellen Gesetz . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Lösungsmöglichkeiten bezüglich sich häufig ändernder Rechtsgebiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Statische Direktverweisung in Kombination mit Ermächtigung des nationalen Verordnungsgebers zur Anpassung der Verweisung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Regelungstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Zulässigkeit „gesetzesändernder“ Rechtsverordnungen . . . . . cc) Vorbehalt des formellen Gesetzes (kompetenzwahrende Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Bestimmtheitsgebot (freiheitsgewährleistende Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Statische Direktverweisung in Kombination mit neuer Variante der Entsprechungsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Dynamische Direktverweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Umgestaltung verfassungskonformer Blankettgesetze . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung zu Kapitel D. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

284 288 288 289 289 290 290 291 294 296 299 299 301 304 305 306 306 308 308 309 310 311 312 312 313 315 317 318 318 319 321 322 324

E. Verfassungsrechtliche Beurteilung der Negationsklausel . . . . . . . . . . . . . . 327 I. Tatbestandliche Abgrenzungsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327

16 Inhaltsverzeichnis 1. Vorbehalt des formellen Gesetzes (kompetenzwahrende Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Abschließende Entscheidung über Sanktionsnorm . . . . . . . . . . . . b) Festlegung der erfassten Verhaltensnormen  . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bestimmtheitsgebot (freiheitsgewährleistende Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Subsidiaritätsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorbehalt des formellen Gesetzes (kompetenzwahrende Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Festlegung der erfassten Verhaltensnormen  . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Abschließende Entscheidung über Sanktionsnorm . . . . . . . . . . . . aa) Besondere Notwendigkeit der Verpflichtung zum Rückverweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Abgleich mit Praxis der Verordnungsgebung  . . . . . . . . . . . . 2. Bestimmtheitsgebot (freiheitsgewährleistende Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zusammenfassung zu Kapitel E. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Bewertung der gefundenen Erkenntnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Verfassungswidrigkeit und -konformität der Rückverweisungstechnik . II. Handlungsbedarf infolge von Zweckmäßigkeitserwägungen . . . . . . . . . III. Zusammenfassung zu Kapitel F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

327 327 328 330 331 331 331 332 332 335 336 336 337 337 340 342

Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 Anhang: Gesetzesbeispiele der Rückverweisungstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 Verzeichnis zitierter Rechtsakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385

Abkürzungsverzeichnis a. A.

andere Ansicht

a. a. O.

am angegebenen Ort

ABl.

Amtsblatt der Europäischen Union

Abs. Absatz a. F.

alte Fassung

AG Amtsgericht Art. Artikel Aufl. Auflage BAnz. Bundesanzeiger BayObLG

Bayerisches Oberstes Landesgericht

Bd. Band BGBl. Bundesgesetzblatt BGH Bundesgerichtshof BMJ/BMJV

Bundesministerium der Justiz/Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz

BR-Drs.

Drucksachen des Bundesrats

BSG Bundessozialgericht BT-Drs.

Drucksachen des Deutschen Bundestags

BVerfG Bundesverfassungsgericht BVerwG Bundesverwaltungsgericht BW Baden-Württemberg ders. derselbe dies. dieselbe(n) ebd. ebenda EG

Europäische Gemeinschaft

EGMR

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte

EL Ergänzungslieferung EU

Europäische Union

EuG

Gericht der Europäischen Union

EuGH

Europäischer Gerichtshof

EWG

Europäische Wirtschaftsgemeinschaft

f./ff. folgend/folgende

18 Abkürzungsverzeichnis Fn. Fußnote FS Festschrift GS Gedächtnisschrift GVBl. Gesetz und Verordnungsblatt für das Land Hessen Halbbd. Halbband Hrsg. Herausgeber Hs. Halbsatz i. Erg. im Ergebnis i. V. m. in Verbindung mit Kap. Kapitel KG Kammergericht LG Landgericht lit. littera LVerfG Landesverfassungsgericht m. w. N. mit weiteren Nachweisen Nr. Nummer NRW Nordrhein-Westfalen OLG Oberlandesgericht RG Reichsgericht RhPf Rheinland-Pfalz RL Richtlinie Rn. Randnummer S. Seite S-A Sachsen-Anhalt u. a. und andere UAbs. Unterabsatz VG Verwaltungsgericht VGH Verwaltungsgerichtshof vgl. vergleiche VO Verordnung WiGBl. Gesetzblatt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes

Einleitung I. Problemaufriss Zweimal hat das BVerfG in den letzten Jahren über die verfassungsrechtliche Zulässigkeit eines Blankettstrafgesetzes entschieden. Das erste, § 10 Abs. 1 RiFlEtikettG, verwarf es als verfassungswidrig,1 das zweite, § 58 Abs. 3 Nr. 2 LFGB, erklärte es für verfassungskonform.2 Blankettstrafgesetze enthalten einen noch unvollständigen Tatbestand, zu dessen näherer Konkretisierung sie auf einen anderen Inhalt verweisen. Die vom BVerfG überprüften Gesetze zeichneten sich dabei durch eine Besonderheit aus: Sie enthielten eine Rückverweisungsklausel. Werden Blankett­ gesetze bereits im Allgemeinen als „strafrechtliche Giftpflanzen“ verurteilt3 und wird dem Strafrecht infolge ihres ausufernden Einsatzes ein desolater Zustand attestiert,4 so ist mit der Verwendung einer Rückverweisungsklausel eine noch kompliziertere Art von Verweisungen im Strafrecht erreicht. Das Blankettgesetz verweist in diesem Fall zur Konkretisierung seines Tatbestands auf eine Rechtsverordnung. Die Bezugnahme steht jedoch unter der Bedingung, dass die Rechtsverordnung ihrerseits auf das Strafgesetz zurückverweist. Noch weiter verkompliziert wird diese Technik, wenn sie, wie auch in den vom BVerfG entschiedenen Fällen, im Kontext des europäisierten Strafrechts eingesetzt wird. Das Blankettstrafgesetz nimmt dann auf Unionsrecht Bezug. Die genauen unionsrechtlichen Vorschriften, die vom Strafgesetz erfasst werden, soll aber erst der nationale Verordnungsgeber in einer Rechtsverordnung bestimmen. Wiederum muss er dabei auf das Strafgesetz zurückverweisen. Blankettstrafgesetze mit Rückverweisungsklausel sind verfassungsrechtlich problematisch. In Rede steht vor allem, ob sie mit Art. 103 Abs. 2 GG vereinbar sind, wonach die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt sein muss. Er1  BVerfG

2 BvL 1/15, NJW 2016, 3648. 2 BvL 5/17, NZWiSt 2020, 263. Das BVerfG hat das Gesetz nur insofern untersucht, als es – über § 58 Abs. 1 Nr. 18 LFGB – auf § 13 Abs. 1 Nr. 1, 2 LFGB Bezug nimmt. 3  Schmitz, in: FS Schünemann, 235, 237 (zu den Blankettgesetzen im AMG und LFGB). 4  Hellmann, in: FS Krey, 169, 181. 2  BVerfG

20 Einleitung

gibt sich die Strafbarkeit erst aus dem Zusammenspiel mehrerer verschiedener Vorschriften, ist zum einen fraglich, ob sie hinreichend bestimmt ist. Kann der Normadressat noch vorhersehen, wie er sich verhalten muss, um keine Strafe zu riskieren? Zum anderen ist zweifelhaft, ob dem durch Art. 103 Abs. 2 GG aufgestellten Gesetzesvorbehalt genügt wird. Schließlich verlagert der parlamentarische Gesetzgeber strafrechtsrelevante Entscheidungen in hohem Maße auf den Verordnungsgeber beziehungsweise auch auf den Unions­gesetzgeber. Der damit angesprochenen Frage, wie Blankettstrafgesetze mit Rückverweisungsklausel verfassungsrechtlich zu bewerten sind, will diese Arbeit auf den Grund gehen. Sie wird in der Literatur kontrovers diskutiert.5 Dass das BVerfG zwei Blankettstrafgesetze mit Rückverweisungsklausel unterschiedlich bewertet, hat keinen Schlussstrich unter die Debatte zu ziehen vermocht. Infolge der ersten Entscheidung, in der § 10 Abs. 1 RiFlEtikettG für nichtig erklärt wurde, sahen sich Kritiker der Rückverweisungstechnik bestätigt. Der Beschluss wurde als „mächtiger Paukenschlag aus Karlsruhe“ begrüßt6 und die Rückverweisungstechnik damit insgesamt7 oder zumindest in ihrem unio­ nalen Kontext8 für hinfällig erklärt. Wider Erwarten der Kritiker9 wurde dann aber in der zweiten Entscheidung das Blankettstrafgesetz mit Rückverweisungsklausel des § 58 Abs. 3 Nr. 2 LFGB für verfassungskonform befunden. Vonseiten der Literatur werden dabei Widersprüche zum ersten bundesverfassungsgerichtlichen Beschluss ausgemacht.10 Andere sehen darin hingegen die schlüssige Fortführung der vorherigen Rechtsprechung11 und messen insofern schon dem Beschluss zum RiFlEtikettG keine vergleichbar weite Bedeutung zu. Offenbar hat sich das BVerfG nicht in klar erkennbarer Weise zur Rückverweisungstechnik positioniert. Dafür spricht ein erster Blick in die Begründungen beider Beschlüsse: Die Rückverweisungsklausel als zentraler Be5  Vgl. an dieser Stelle nur den Überblick bei Brand/Kratzer, JR 2018, 422, 429 ff. und Schützendübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 309 ff., 315 ff. 6  Hecker, NJW 2016, 3653. 7  Exemplarisch Dannecker, in: FS Höpfel, 577, 585 f., 600; Fischer, StGB, § 1 Rn. 16a; Gaede, in: AnwK, § 1 Rn. 16; Schmitz, wistra 2017, 455. 8  Exemplarisch Basak, in: Matt/Renzikowski, § 1 Rn. 13; Martell/Wallau, ZLR 2017, 67, 70 f.; Hecker, NJW 2016, 3653; Sturm, NStZ 2017, 553, 555. 9  Vor dem Beschluss des BVerfG die Verfassungswidrigkeit des § 58 Abs. 3 Nr. 2 LFGB annehmend Bülte, BB 2016, 3075, 3079; Dannecker, in: FS Höpfel, 577, 599 f.; Honstetter, NZWiSt 2017, 325, 327; dies., Lebensmittel(straf)rechtlicher Gesundheitsschutz, S. 88; Rohnfelder/Freytag, in: Erbs/Kohlhaas, § 58 LFGB Rn. 10a; Schmitz, wistra 2017, 455, 456. 10  Vgl. Pohlreich, HRRS 2020, 481, 487; Wallau, ZLR 2020, 376, 378. 11  Vgl. Heger/Widmann, EuR 2021, 356, 364.



I. Problemaufriss21

standteil der Blankettstrafgesetze wird dort gar nicht explizit erwähnt.12 Es verwundert daher nicht, dass weiterhin eine erhebliche Rechtsunsicherheit konstatiert13 und es als besondere Herausforderung bezeichnet wird, andere betroffene Strafgesetze verfassungsrechtlich zu beurteilen.14 Eine grund­ legende Aufarbeitung der Streitpunkte bleibt auch nach den Entscheidungen des BVerfG notwendig. Dabei sollen sowohl Blankettstrafgesetze mit Rückverweisungsklausel untersucht werden, die allein durch nationale Rechtsverordnungen ausgefüllt werden, als auch solche, die einen unionsrechtlichen Bezug aufweisen. Ferner sind Blankettgesetze des Ordnungswidrigkeitenrechts einzubeziehen. Weil insofern nicht einzelne Gesetze, sondern eine Gesetzestechnik in Rede steht, geht es darum, wie ein bestimmtes Verhalten unter Strafe gestellt werden kann. Angesprochen sind mit anderen Worten formelle Grenzen des Strafrechts, wie sie insbesondere aus Art. 103 Abs. 2 GG folgen.15 Materielle Vorgaben darüber, was bestraft werden darf, werden dagegen nicht untersucht.16 Zwar sind auch insoweit Konflikte infolge der Blankettstrafgesetz­ gebung denkbar,17 doch betreffen sie mehr die Blankettgesetzgebung im All­gemeinen und weniger die Rückverweisungstechnik im Besonderen. Die Rückverweisungstechnik wird nicht im Kern-, sondern nur im Nebenstrafrecht eingesetzt und hier oftmals in sehr speziellen wirtschaftsrechtlichen Zusammenhängen. Das zeigt symptomatisch der erste vom BVerfG entschiedene Fall, in dem es um die Etikettierung von Rindfleisch ging. Gleichwohl weist die Frage ihrer Zulässigkeit in ihrer Bedeutung über diese besonders gelagerten Fälle hinaus. Nicht nur finden sich Rückverweisungsklauseln auch in bekannteren Gesetzen wie dem AWG, BtMG oder StVG und haben sie in Summe eine erstaunliche Verbreitung erreicht, weshalb infolge der ersten Entscheidung des BVerfG die „Nichtigkeit nicht unerheblicher Teile des deutschen Wirtschaftsstrafrechts“18 beziehungsweise eine „bemerkens-

12  Auch der Rückverweis wird bloß nebenbei erwähnt, hauptsächlich im Rahmen einer bloßen Wiedergabe des Gesetzes, vgl. BVerfG 2 BvL 1/15, NJW 2016, 3648 Rn. 63; 2 BvL 5/17, NZWiSt 2020, 263, 270, 273. 13  Schneiderhan, wistra 2022, 50, 59. 14  Esser, in: Hilgendorf/Kudlich/Valerius, Handbuch des Strafrechts, Bd. 6, § 64 Rn. 147. 15  Zu diesem Umfang des Art. 103 Abs. 2 GG Cornelius, Verweisungsbedingte Akzessorietät, S. 295; Schulze-Fielitz, in: Dreier, Art. 103 II Rn. 28; vgl. BVerfG 2 BvR 1157/94, NJW 1994, 2412; 2 BvR 855/94, NJW 1995, 248. 16  Siehe aber noch unten S. 213 ff., 279, 299. 17  Vgl. etwa Hellmann, in: FS Krey, 169, 181, 185 f. (zum Ultima-ratio-Grundsatz); ferner Reus, Risikogesellschaft, S. 146 ff. 18  Bülte, BB 2016, 3075, 3081.

22 Einleitung

werte faktische Entkriminalisierung“19 konstatiert wurde. Mit der Rückverweisungsklausel ist darüber hinaus eine Gesetzestechnik betroffen, die jederzeit auch in weiteren Gesetzen des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts Anwendung finden könnte. Das hat sich zuletzt in der Corona-Pandemie gezeigt: Die von den Ländern im Zuge der Pandemiebekämpfung angedrohten Geldbußen, die in Rechtsverordnungen enthalten sind, beruhen auf einem im IfSG enthaltenen Blankettordnungswidrigkeitengesetz mit Rückverweisungsklausel.20 Dieses wurde während der Pandemie mehrmals weiter ausgebaut.21 Zu denken ist außerdem an das europäisierte Strafrecht: Die Rückverweisungstechnik wird oft genutzt, um unionsrechtlichen Sanktionierungspflichten im nationalen Recht nachzukommen. Mit zunehmender Bedeutung des Unionsrechts wächst daher auch ihr potenzielles Anwendungsgebiet.

II. Gang der Untersuchung Die Untersuchung beginnt in Kapitel A. mit einer Darstellung der Rückverweisungstechnik. Es wird Aufbau und Wirkungsweise eines Blankettstrafgesetzes mit Rückverweisungsklausel erläutert und die Gründe benannt, warum diese Gesetzestechnik eingesetzt wird. Bezogen ist dies zum einen auf den rein nationalen Anwendungsbereich der Rückverweisungstechnik, zum anderen auf den unionsrechtlich geprägten. Ist damit ein grundlegendes Verständnis des Untersuchungsgegenstands vermittelt, soll in Kapitel B. gezeigt werden, woran Blankettstrafgesetze mit Rückverweisungsklausel zu messen sind. Dafür ist aus der Verfassung ein Prüfungsmaßstab abzuleiten. Wiederum steht zunächst der nationale Kontext und damit das Grundgesetz im Fokus. Danach ist zu überlegen, ob Unionsrecht den nationalen Maßstab in bestimmten Konstellationen überlagert. Diese Vorgehensweise, den Prüfungsmaßstab zunächst abstrakt darzustellen, entspricht nicht nur derjenigen des BVerfG. Es soll dadurch auch vermieden werden, aus strafrechtlicher Sicht eventuell naheliegende oder wünschenswerte Ergebnisse ohne Weiteres verfassungsrechtlich aufzuladen. In Kapitel C. und D. wird die Rückverweisungstechnik im rein nationalen und im unionalen Kontext konkret verfassungsrechtlich geprüft. Es werden wistra 2017, 455, 456. Abs. 1a Nr. 24 IfSG. 21  Durch Gesetz vom 27.03.2020, BGBl. I 2020, 587; Gesetz vom 19.05.2020, BGBl. I 2020, 1018; Gesetz vom 18.11.2020, BGBl. I 2020, 2397; Gesetz vom 29.03.2021, BGBl. I 2021, 370; Gesetz vom 22.04.2021, BGBl. I 2021, 802; Gesetz vom 10.09.2021, BGBl. I 2021, 4147. 19  Schmitz, 20  § 73



II. Gang der Untersuchung23

dazu die beiden ersten Kapitel gewissermaßen zusammengeführt: Der gewonnene Prüfungsmaßstab wird angewandt auf die einzelnen Bestandteile eines Blankettgesetzes mit Rückverweisungsklausel, die in Kapitel A. dargestellt worden sind. Im Vordergrund steht die Rückverweisungsklausel. Ziel ist es, die verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Blankettgesetzen mit Rückverweisungsklausel generell zu klären. Soweit Verfassungswidrigkeiten ausgemacht werden, wird jeweils auch überlegt, wie sie behoben werden können. Auch auf Optimierungen der Gesetzestechnik de lege ferenda ist im jeweiligen Zusammenhang einzugehen. Anschließend ist die verfassungsrechtliche Beurteilung in Kapitel E. ergänzend auf eine weitere Erscheinungsform der Rückverweisungstechnik zu erstrecken, bei der Negationsklauseln zum Einsatz kommen. Da sich Nega­ tionsklauseln sowohl in rein nationalen Blankettgesetzen als auch in solchen mit einem unionalen Bezug finden, steht diese Untersuchung in einem eigenen Kapitel. Schließlich sollen die gewonnenen Erkenntnisse in Kapitel F. einer Bewertung unterzogen werden. Es ist hier nach ihrer Bedeutung für die Rückverweisungstechnik und das Strafrecht zu fragen. Zum Schluss werden die Ergebnisse der Arbeit zusammengefasst.

A. Grundlagen der Rückverweisungstechnik Zu Beginn der Untersuchung gilt es, ihren Gegenstand verständlich zu machen. Nach einer knappen allgemeinen Einführung in die Blankettstrafgesetzgebung (dazu I.) wird der Aufbau eines Blankettstrafgesetzes mit Rückverweisungsklausel dargestellt (dazu ab II.). Die hier verwendeten Verweisungen und ihre Wirkung sollen näher charakterisiert werden (dazu ab III. 4.). Nur auf Basis dessen können im weiteren Verlauf die verfassungsrechtlichen Probleme erkannt und richtig eingeordnet werden. Darüber hinaus ist zu erläutern, warum der Gesetzgeber die Rückverweisungstechnik einsetzt, das heißt, welche Vorteile er sich davon verspricht (dazu III. 6.). Wird insoweit zunächst die Rückverweisungstechnik im rein nationalen Kontext in den Blick genommen, ist im zweiten Teil dieses Kapitels auf Besonderheiten einzugehen, die im unionalen Kontext bestehen (dazu IV.): Entsprechende Blankettgesetze sind gesetzestechnisch anders konstruiert, zudem macht das Unionsrecht dem nationalen Gesetzgeber gewisse Vorgaben. Diese Besonderheiten herauszuarbeiten, ist erforderlich, weil sie auch die verfassungsrechtliche Prüfung beeinflussen können.

I. Verweisung und Blankettstrafgesetz Ein Strafgesetz lässt sich stets trennen in Tatbestand und Strafdrohung.1 Normalerweise sind beide in derselben Vorschrift enthalten, man spricht von Vollstrafgesetzen.2 Blankettstrafgesetze hingegen enthalten zwar selbst die Strafdrohung, nehmen zur Charakterisierung des strafbaren Verhaltens aber auf den Inhalt einer anderen Vorschrift Bezug.3 Als Bezugsobjekt kommen etwa förmliche Gesetze, Rechtsverordnungen, Satzungen oder Verwaltungs-

1  Ernst, Blankettstrafgesetze, S. 36; Karpen, Verweisung, S. 86; Müller, Gesetzgebungstechnik, S. 183; Warda, Abgrenzung von Tatbestands- und Verbotsirrtum, S. 5; Weidenbach, Blankettstrafgesetze, S. 5. 2  Karpen, Verweisung, S.  86 f.; Lohberger, Blankettstrafrecht, S. 4; Weidenbach, Blankettstrafgesetze, S. 5; Zellerhoff, Scheinselbständigkeit, S. 89. 3  Vgl. BVerfG 2 BvL 5/17, NZWiSt 2020, 263, 272; Domeier, Lebensmittelstrafrecht, S. 229; Ernst, Blankettstrafgesetze, S. 37; Krey, EWR 1981, 109, 172; Moll, Europäisches Strafrecht, S. 26; Satzger, Europäisierung, S. 217; Warda, Abgrenzung von Tatbestands- und Verbotsirrtum, S. 5.



I. Verweisung und Blankettstrafgesetz25

akte in Betracht.4 Der Begriff des Blankettstrafgesetzes geht zurück auf Binding.5 Ein Blankettstrafgesetz ist ein Spezialfall der Verweisung,6 worunter jede Bezugnahme einer Norm auf einen anderen, nicht in dieser Norm enthaltenen Inhalt zu verstehen ist.7 Dabei wird die Norm, die die Verweisung ausspricht, als Verweisungsnorm bezeichnet.8 Im spezielleren Fall der Blankettstrafgesetzgebung entspricht dem das Blankettstrafgesetz.9 Der in Bezug genommene Inhalt wird Verweisungsobjekt10 oder Bezugsnorm11 genannt beziehungsweise, bei der Blankettstrafgesetzgebung, auch Ausfüllungsobjekt12 oder Ausfüllungsnorm13. Abgegrenzt wird das Blankettstrafgesetz zum normativen Tatbestandsmerkmal, das ebenfalls eine Verweisung darstellt.14 Diese Abgrenzung ist umstritten,15 es muss darauf aber nicht näher eingegangen werden. Jedenfalls die hier interessierenden Gesetze sind unstrittig Blankettgesetze.16

Verweisung, S.  90 ff.; Raabe, Bestimmtheitsgrundsatz, S. 31. Normen, Bd. 1, S. 74; ders., Handbuch, S. 180. 6  Bräutigam-Ernst, Bedeutung von Verwaltungsvorschriften, S. 267; Ernst, Blankettstrafgesetze, S. 42; Krey, EWR 1981, 109, 172; Satzger, Europäisierung, S. 217 f.; Schützendübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 60; Veit, Rezeption technischer Regeln, S. 89. 7  Cornelius, Verweisungsbedingte Akzessorietät, S. 23; Debus, Verweisungen, S. 35. 8  Cornelius, Verweisungsbedingte Akzessorietät, S. 23; Debus, Verweisungen, S. 35; Guckelberger, ZG 2004, 62; Satzger, Europäisierung, S. 216. 9  Vgl. Krey, EWR 1981, 109, 172. 10  Cornelius, Verweisungsbedingte Akzessorietät, S. 23; Debus, Verweisungen, S. 35; Guckelberger, ZG 2004, 62 f.; Karpen, Verweisung, S. 19; Ossenbühl, DVBl 1967, 401; Satzger, Europäisierung, S. 216. 11  Schneider, Gesetzgebung, Rn. 385 f. 12  Cornelius, NStZ 2017, 682, 686; Diversy/Köpferl, in: GJW, Vor §§ 38, 39 WpHG Rn. 7. 13  Ernst, Blankettstrafgesetze, S. 38; Krey, EWR 1981, 109, 172; Moll, Europäisches Strafrecht, S. 25. 14  Cornelius, Verweisungsbedingte Akzessorietät, S. 23; Zellerhoff, Scheinselbständigkeit, S. 92. 15  Vgl. dazu die Darstellung bei Zellerhoff, Scheinselbständigkeit, S. 93 ff. 16  Vgl. Bräutigam-Ernst, Bedeutung von Verwaltungsvorschriften, S. 269; Kemme, Verletzung verwaltungsrechtlicher Pflichten, S. 85; Lackner, in: FS Kühl, 815, 828; Zellerhoff, Scheinselbständigkeit, S. 97 Fn. 480. 4  Karpen,

5  Binding,

26

A. Grundlagen der Rückverweisungstechnik

II. Einführung in die Rückverweisungstechnik Ist eine Rechtsverordnung das Ausfüllungsobjekt eines Blankettstrafgesetzes, verweist oft nicht nur das Blankettstrafgesetz auf die Rechtsverordnung, sondern auch die Rechtsverordnung ihrerseits zurück auf das Blankettstrafgesetz. Der Rückverweis wird vom Blankettstrafgesetz explizit gefordert. Eine Strafandrohung soll nur entstehen, wenn die Rechtsverordnung entsprechend verweist. Diese Art der Blankettstrafgesetzgebung wird diskutiert unter den synonym verwendeten Begriffen Rückverweisungstechnik,17 Rückverwei­ sungsmodell,18 qualifizierte Blankettgesetze19 oder Blankettverweisungen mit reflexivem Verweisungsobjekt20. Hier wird im Folgenden von Rückverweisungstechnik gesprochen. Der im Blankettstrafgesetz enthaltene Vorbehalt der Rückverweisung firmiert unter der Bezeichnung Rückverweisungsklausel,21 Rückverweisungsbedingung22 oder Öffnungsklausel23. In dieser Arbeit soll er als Rückverweisungsklausel bezeichnet werden. Weil die Terminologie insoweit zum Teil durcheinandergeht,24 sei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass diese Klausel nicht mit der in der Rechtsverordnung enthaltenen Rückverweisung gleichzusetzen ist.

17  Böse, in: FS Krey, 7, 11; Brand/Kratzer, JR 2018, 422, 429; Cornelius, Verweisungsbedingte Akzessorietät, S. 409; Freund, ZLR 1994, 261, 284; Hoven, NStZ 2016, 377, 380; Roxin/Greco, Strafrecht AT/I, § 5 Rn. 77c. 18  Schützendübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 237. 19  Volkmann, ZRP 1995, 220, 221; Domeier, Lebensmittelstrafrecht, S. 229; Enderle, Blankettstrafgesetze, S. 26; Freund, in: FS Rössner, 579, 580; ders., in: MüKoStGB, Vor § 95 AMG Rn. 53; Raabe, Bestimmtheitsgrundsatz, S. 33; Reus, Risikogesellschaft, S. 156. 20  Moll, Europäisches Strafrecht, S. 48, 178; Dietmeier, Blankettstrafrecht, S. 63. Rutkowski, in: Buddendiek/Rutkowski, Lexikon des Nebenstrafrechts, Stichwort Blankettvorschriften bezeichnet Blankettstrafgesetze mit Rückverweisungsklausel als unechte Blankette, unter diesem Begriff werden aber üblicherweise Blankettstrafgesetze mit Binnenverweis verstanden, vgl. unten S. 37 f. 21  BVerfG 2 BvL 4/17, BeckRS 2017, 119328 Rn. 23; BGH 2 StR 525/13, NJW 2016, 1251 Rn. 63; BT-Drs. 7/550, 194; BMJV, Handbuch des Nebenstrafrechts, Rn. 204; Gürtler/Thoma, in: Göhler, Vor § 1 Rn. 18; Hütwohl, Weinstrafrecht, S. 60; Kast, in: Rödig, Theorie der Gesetzgebung, 261, 266; Kühl, in: FS Lackner, 815, 820; Lenzen, JR 1980, 133, 136; Satzger, Europäisierung, S. 257; Schuster, Strafnormen und Bezugsnormen, S. 274; M. Wagner, Akzessorietät, Rn. 361, 518. 22  Schnell, Verweisungsbedingte Normkomplexität, S. 56. 23  Bülte, JuS 2015, 769, 772; ders., in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 379 AO Rn. 99; Dannecker/Bülte, in: Achenbach/Ransiek/Rönnau, Teil 2 Kap. 2 Rn. 49. 24  Die in der Rechtsverordnung enthaltene Rückverweisung als Rückverweisungsklausel bezeichnend LG Berlin (572) 242 AR 27/12 NS (82/12), NZWiSt 2016, 112, 116; BT-Drs. 12/6060, 53; 14/7758, 84; 15/3657, 71; Bode/Seiterle, ZIS 2016, 91, 93; Mitsch, Recht der Ordnungswidrigkeiten, § 5 Rn. 4.



III. Nationalrechtsakzessorische Rückverweisungstechnik27

Die Rückverweisungstechnik kommt im Nebenstrafrecht und Ordnungswidrigkeitenrecht zum Einsatz.25 Blankettordnungswidrigkeitengesetze werden im Folgenden ebenfalls in die Untersuchung einbezogen. Sofern nicht anders gekennzeichnet, gelten die Ausführungen zu Strafgesetzen auch für sie.

III. Nationalrechtsakzessorische Rückverweisungstechnik An dieser Stelle wird zunächst das nationalrechtsakzessorische Blankett­ gesetz mit Rückverweisungsklausel dargestellt, das heißt dasjenige, das allein auf nationales Recht verweist. Nimmt das Blankettgesetz auch Unionsrecht in Bezug, unterscheidet es sich leicht. Darauf ist später gesondert einzugehen. 1. Regelungstechnik Ein nationalrechtsakzessorisches Blankettgesetz mit Rückverweisungsklausel ist regelmäßig wie folgt formuliert: § x Parlamentsgesetz: „Mit … wird bestraft/Ordnungswidrig handelt, wer einer Rechtsverordnung nach § y zuwiderhandelt, soweit sie für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift/Bußgeldvorschrift verweist.“

Der parlamentarische Gesetzgeber erlässt hier ein Strafgesetz, dessen zweiter Teil die Rückverweisungsklausel enthält („soweit sie … verweist“). Im ersten Teil finden sich Strafdrohung und Tatbestand, wobei der Tatbestand durch eine Rechtsverordnung näher bestimmt werden soll. Es wird dabei keine konkrete Verordnung in Bezug genommen, sondern auf die Ermächtigungsgrundlage hierzu verwiesen („Rechtsverordnung nach § y“). Diese Ermächtigung findet sich meist an anderer Stelle desselben Gesetzes. Sie steht für sich genommen in einem nichtstrafrechtlichen Kontext. Ausnahmsweise benennt das Blankettstrafgesetz im Tatbestand keine genaue Ermächtigungsgrundlage, sondern verweist pauschal auf alle Ermächtigungen des gleichen Gesetzes (zum Beispiel in § 61 Abs. 1 Nr. 4 PBefG),26 oder auch auf Ermächtigungen in anderen Gesetzen (zum Beispiel in §§ 381 Abs. 1, 382 Abs. 1 AO).27 Adressiert ist die Ermächtigung an die Bundesregierung oder ein Bundesministerium, teilweise auch an die Landesregierungen.28 In diesem letzten ZRP 1995, 220, 221. Zu konkreten Beispielen sogleich S. 29 f. Enderle, Blankettstrafgesetze, S. 29. 27  Enderle, Blankettstrafgesetze, S. 25. Ebenso auch in § 41 Abs. 1 Nr. 17 SprengG, wo nicht nur speziell auf Rechtsverordnungen, sondern allgemein auf landesrecht­ liche Vorschriften verwiesen wird. 28  Zum Beispiel in § 53 Abs. 1 Nr. 23 i. V. m. § 42 Abs. 5 S. 1, Abs. 6 S. 1 WaffG; § 103 Abs. 1 Nr. 7a i. V. m. § 51 Abs. 1 S. 1 WHG. 25  Volkmann, 26  Vgl.

28

A. Grundlagen der Rückverweisungstechnik

Fall könnten die Länder statt durch Rechtsverordnung grundsätzlich auch durch Gesetz handeln (Art. 80 Abs. 4 GG). Gesetze vermögen allerdings nicht, das Blankettgesetz wirksam auszufüllen, da dieses ausdrücklich von einem Zuwiderhandeln gegen Rechtsverordnungen spricht. Macht der Verordnungsgeber von der Ermächtigung Gebrauch und sollen die von ihm erlassenen Vorschriften den Straftatbestand ausfüllen, müssen sie auf das Strafgesetz zurückverweisen. Erst der ausdrückliche Rückverweis wandelt die Vorschriften zum Ausfüllungsobjekt des Blankettstrafgesetzes.29 Ein solcher Rückverweis lautet dann so: § b Rechtsverordnung: „Nach § x [des Parlamentsgesetzes] wird bestraft/Ordnungswidrig im Sinne des § x [des Parlamentsgesetzes] handelt, wer entgegen § a [der Rechtsverordnung] [Handlung] vornimmt.“

Die rückverweisende Vorschrift in der Rechtsverordnung nimmt auf eine vorangestellte Verhaltensnorm in der gleichen Rechtsverordnung Bezug („entgegen § a“).30 Die Rechtsverordnung ist folglich wie ein typisches Nebenstrafgesetz aufgebaut: Zu Anfang werden Ge- und Verbote normiert, am Ende wird ein Zuwiderhandeln hiergegen in einer oder einigen wenigen Vorschriften mit Strafe bedroht, indem – unter Rückverweis auf das Strafgesetz – auf eines oder mehrere dieser Ge- und Verbote verwiesen wird. Grafisch lässt sich die Regelungstechnik so darstellen:

Europäisierung, S. 257 f.; vgl. BGH 4 StR 194/92, NStZ 1992, 535, 536. entspricht den Empfehlungen von BMJV, Handbuch des Nebenstrafrechts,

29  Satzger, 30  Dies

Rn. 385.



III. Nationalrechtsakzessorische Rückverweisungstechnik29

Bei Ausfüllung des Blankettstrafgesetzes lassen sich zwei Schritte unterscheiden: Zuerst muss der Verordnungsgeber – innerhalb der Grenzen seiner Ermächtigung – ein bestimmtes Ge- oder Verbot erlassen. Dieses gilt allgemein und strafrechtsunabhängig. Damit ein Verstoß hiergegen strafrechtlich geahndet werden kann, muss der Verordnungsgeber in einem zweiten Schritt auf das Blankettstrafgesetz verweisen. Im Ergebnis fallen diese beiden Schritte natürlich regelmäßig zusammen, weil sowohl das Ge- oder Verbot als auch der Rückverweis in derselben Rechtsverordnung enthalten sind und zeitgleich in Kraft treten. Sie gedanklich zu trennen, wird sich im weiteren Verlauf der Untersuchung aber als hilfreich erweisen. 2. Ursprünge und heutiger Einsatz Der Anfang der Rückverweisungstechnik wird oft, unter Berufung auf Schneider,31 auf eine Änderung im BtMG32 im Jahr 1971 datiert.33 Tatsächlich wurde sie indes schon im WiStG 194934 und dessen Nachfolgegesetz 195435 sowie im HdlKlG von 195136 verwendet und bereits Anfang der sechziger Jahre als „weitgehend üblich“ bezeichnet.37 Spätestens aber seit den siebziger Jahren hat sie größere Verbreitung gefunden.38 Insbesondere durch Erlass des EGStGB im Jahr 1974 wurden Rückverweisungsklauseln in eine Vielzahl bereits bestehender Straf- und Ordnungswidrigkeitengesetze eingefügt. Inzwischen lässt sich ein geradezu inflationärer Gebrauch der Rückverweisungstechnik feststellen.39 In einer Vielzahl nebenstrafrechtlicher Gesetze findet sich zumindest ein Tatbestand mit Rückverweisungsklausel. BeispielGesetzgebung, Rn. 77. 1971, 2092. 33  So etwa Freund, ZLR 1994, 261, 284 Fn. 66; Krach, Europäisierung, S. 217 Fn. 646; Satzger, Europäisierung, S. 257; Schützendübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 314; Volkmann, ZRP 1995, 220, 221; so auch – aber ohne Berufung auf Schneider  – Enderle, Blankettstrafgesetze, S. 27 und Schnell, Verweisungsbedingte Normkomplexität, S. 56 Fn. 34. Karpen, Verweisung, S. 41 stellte 1970 zwar fest, Rückverweisungen gebe es nur im Internationalen Privatrecht, umschreibt an anderer Stelle aber doch Rückverweisungen im Strafrecht, a. a. O., S. 87. Den Beginn der Rückverweisungstechnik dagegen auf 1994 datierend Boch, ZLR 2017, 317. 34  WiGBl. 1949, 193. 35  BGBl. I 1954, 175. Darauf hinweisend Schuster, Strafnormen und Bezugsnormen, S. 275; Tiedemann, Tatbestandsfunktionen, S.  266 f. 36  BGBl. I 1951, 970. 37  BayObLG 1 St 656/61, NJW 1962, 453, 455. 38  Schuster, Strafnormen und Bezugsnormen, S. 275. 39  Dahingehend Groß, Strafbarkeit des Eigendopings, S.  155; einschränkend Freund, in: MüKo-StGB, Vor § 95 AMG Rn. 54. Zu weitgehend Rutkowski, in: Bud31  Schneider, 32  BGBl. I

30

A. Grundlagen der Rückverweisungstechnik

haft genannt werden kann § 17 Abs. 1 AWG, § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 14 BtMG, § 75 Abs. 2 IfSG oder § 58 Abs. 1 Nr. 18 LFGB; weitere Beispiele sind im Anhang der Arbeit aufgeführt. Im StGB wird die Regelungstechnik nicht eingesetzt. Zahlenmäßig überwiegen Rückverweisungsklauseln im Ordnungswidrigkeitenrecht. Bekanntestes Beispiel ist insoweit die Sanktionierung von Verstößen gegen Vorschriften der StVO: § 49 StVO verweist dazu auf das Blankettordnungswidrigkeitengesetz des § 24 Abs. 1 StVG zurück. Zum Einsatz kommt die Klausel ferner etwa in § 97 Abs. 2 Nr. 31 AMG, § 334 Abs. 1 Nr. 6 HGB oder § 53 Abs. 1 Nr. 23 WaffG. Für weitere Beispiele sei wiederum auf den Anhang verwiesen. Neben diesen Bundesgesetzen finden sich Rückverweisungsklauseln auch auf Länderebene.40 Hier ist, soweit ersichtlich, ausschließlich das Ordnungswidrigkeitenrecht betroffen, da im Strafrecht bereits der Bund von der konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit (Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG) umfangreich Gebrauch gemacht hat. Unabhängig davon, ob die Rückverweisungsklausel im Straf- oder Ordnungswidrigkeitenrecht beziehungsweise auf Bundes- oder Landesebene zum Einsatz kommt, entspricht die Regelungstechnik den dargestellten Grundsätzen. 3. Anwendung bei Bezugnahme auf Gesetze und Satzungen In vereinzelten Fällen wird eine Rückverweisungsklausel auch dann eingesetzt, wenn das Blankettgesetz auf ein formelles Gesetz Bezug nimmt. So verhält es sich bei den Ordnungswidrigkeitengesetzen der §§ 381, 382 AO, die als Ausfüllungsobjekt Rechtsverordnungen, daneben aber zudem Verbrauchsteuergesetze beziehungsweise Zollvorschriften nennen. Die angehängte Rückverweisungsklausel bezieht sich auch auf diese zuletzt genannten Vorschriften. Insoweit muss folglich ein formelles Gesetz einen Rückverweis enthalten.41 Im Übrigen bleibt die Regelungstechnik gleich. Da hiermit nur einige wenige Fälle angesprochen sind, konzentriert sich die Untersuchung im Folgenden auf den ganz überwiegenden Anwendungsbereich der Rückverweisungstechnik, das heißt auf die Bezugnahme auf dendiek/Rutkowski, Lexikon des Nebenstrafrechts, Stichwort Blankettvorschriften: Rückverweisungen bestünden im Nebenstrafrecht „fast ausnahmslos“. 40  Zum Beispiel in § 75 Abs. 3 Nr. 2 LBO BW; § 37 Abs. 1 Nr. 2, 7, 18 LNatSchG RhPf; § 77 Abs. 1 Nr. 4, 8 LNatSchG NRW. In Bayern ist die Aufnahme eines Rückverweises sogar für alle untergesetzlichen Ausfüllungsobjekte eines Blankettgesetzes in Art. 4 Abs. 1 LStVG vorgeschrieben. 41  Einen Rückverweis auf § 381 AO enthält beispielsweise § 36 Abs. 1, 2 AlkStG; auf § 382 AO verweist etwa § 31 ZollVG zurück.



III. Nationalrechtsakzessorische Rückverweisungstechnik31

Rechtsverordnungen. Sofern nötig werden an den entsprechenden Stellen jedoch Hinweise zur Behandlung der genannten Konstellation gegeben. Auf Länderebene wird die Rückverweisungstechnik daneben teilweise auch bei der Bezugnahme auf Satzungen verwendet, zum Beispiel in dem Blankettordnungswidrigkeitengesetz des § 142 Abs. 1 GemO BW oder § 77 Abs. 1 Nr. 10 LNatSchG NRW. Dies bleibt im Folgenden außer Betracht. 4. Nähere Analyse der verwendeten Verweisungen Die im Rahmen der Rückverweisungstechnik verwendeten Verweisungen sollen nun näher untersucht werden. Verweisungen existieren nämlich in einer Vielzahl unterschiedlicher Erscheinungsformen. Die hier relevanten sollen dargestellt und ihr Einsatz innerhalb der Rückverweisungstechnik aufgezeigt werden. Konkret zu analysieren ist dabei die Ausgestaltung der Verweisung im Blankettstrafgesetz auf Rechtsverordnungen („einer Rechtsverordnung […] zuwiderhandelt“) sowie die Ausgestaltung der Rückverweisung in der Rechtsverordnung („Nach § x [des Parlamentsgesetzes] […]“) und schließlich der dortigen Verweisung auf ein vorangestelltes Ge- oder Verbot derselben Rechtsverordnung („entgegen § a [der Rechtsverordnung]“). Dies dient einerseits dazu, um an späterer Stelle zu verstehen, warum der Gesetzgeber die Rückverweisungstechnik einsetzt, andererseits ermöglicht es im Rahmen der verfassungsrechtlichen Beurteilung eine differenzierte Betrachtung. Die Verweisung im Blankettstrafgesetz auf die an den Verordnungsgeber adressierte Ermächtigung („nach § y“) interessiert hier nicht, weil ihre genaue Ausgestaltung für die verfassungsrechtliche Untersuchung nicht entscheidend sein wird. a) Konstitutive und deklaratorische Verweisung Verweisungen lassen sich zunächst in deklaratorische und konstitutive unterscheiden. Eine Verweisung ist deklaratorisch, wenn der in Bezug genommene Inhalt auch ohne den Verweis für den durch die Verweisungsnorm geregelten Sachverhalt gilt.42 Die Verweisung hat dann keine eigene Rechtswirkung.43 Sie macht lediglich auf die anderweitige Regelung aufmerksam,44 ist Blankettstrafgesetze, S. 11; vgl. Karpen, Verweisung, S.  20 f. Verweisungen, S. 39; Ernst, Blankettstrafgesetze, S. 12. 44  BMJ, Rechtsförmlichkeit, Rn. 230; Debus, Verweisungen, S. 39; Guckelberger, ZG 2004, 62, 63. 42  Ernst,

43  Debus,

32

A. Grundlagen der Rückverweisungstechnik

also nützlich, aber nicht notwendig.45 Bei einer konstitutiven Verweisung gilt der in Bezug genommene Inhalt demgegenüber erst aufgrund des Verweises für den durch die Verweisungsnorm geregelten Sachverhalt.46 Infolge der Verweisung wird der Geltungsbereich des Verweisungsobjekts erweitert, er gilt nun auch für einen zweiten Bereich.47 Umgekehrt betrachtet wird die Verweisungsnorm erst durch das Verweisungsobjekt vollständig.48 Würde man die Verweisung streichen, ergäbe die Verweisungsnorm keinen Sinn mehr.49 Ein Blankettstrafgesetz nimmt stets auf eine Regelung Bezug, die erst infolge des Verweises Geltung erlangt als irgendwie geartete Tatbestandsvoraus­ setzung der durch das Strafgesetz angeordneten Rechtsfolge. Beispielsweise verbietet es die ChemVerbotsV (eine Rechtsverordnung) in § 3 Abs. 2, bestimmte gesundheits- oder umweltschädliche Stoffe oder Gemische in den Verkehr zu bringen. Erst durch die Bezugnahme im Blankettgesetz des § 27 Abs. 1 Nr. 1 ChemG (sowie dem Rückverweis, dazu sogleich) kann dieses Verbot aber auch strafrechtlich relevant werden. Zugleich vervollständigt das Ausfüllungsobjekt das Blankettstrafgesetz. § 27 Abs. 1 Nr. 1 ChemG wäre angesichts seiner Formulierung „einer Rechtsverordnung nach § […] zuwiderhandelt“ nicht anwendbar, wenn es kein Verbot in einer Rechtsverordnung gäbe, dem zuwidergehandelt werden könnte. Blankettstrafgesetze enthalten daher – im Allgemeinen und damit auch im Rahmen der Rückverweisungstechnik – immer konstitutive Verweisungen.50 Der Inhalt einer Rechtsverordnung, der von einem Blankettstrafgesetz mit Rückverweisungsklausel in Bezug genommen wird, fällt allerdings nicht ­allein infolge der konstitutiven Verweisung im Blankettgesetz unter dessen Anwendungsbereich. Es muss dafür zudem die Rechtsverordnung auf das Blankettgesetz zurückverweisen. Im soeben genannten Beispiel ist dies in § 13 Abs. 1 Nr. 1 ChemVerbotsV geschehen. Diese Vorschrift verweist für das genannte Verbot in § 3 Abs. 2 ChemVerbotsV auf § 27 Abs. 1 Nr. 1 45  Ernst, Blankettstrafgesetze, S. 11; Karpen, Verweisung, S. 20; Schnell, Verweisungsbedingte Normkomplexität, S. 52. 46  Müller, Gesetzgebungstechnik, S. 169. 47  Brugger, VerwArch 78 (1987), 1, 4; Ernst, Blankettstrafgesetze, S. 9; Guckelberger, ZG 2004, 62, 64; Moll, Europäisches Strafrecht, S. 39 f. 48  BMJ, Rechtsförmlichkeit, Rn. 231; Brugger, VerwArch 78 (1987), 1, 4; Debus, Verweisungen, S. 41; Karpen, Verweisung, S.  21 f. 49  Guckelberger, ZG 2004, 62, 64. 50  Auf Blankettgesetze im Allgemeinen bezogen Ernst, Blankettstrafgesetze, S. 40, 55; Moll, Europäisches Strafrecht, S. 40; Schützendübel, Bezugnahme auf EUVerordnungen, S. 61; a. A. Lohberger, Blankettstrafrecht, S. 16 f. und Weidenbach, Blankettstrafgesetze, S. 23 f., was aber wohl auf einem abweichenden Verständnis der konstitutiven Verweisung beruht, vgl. dazu auch Ernst, a. a. O., S. 40 Fn. 286.



III. Nationalrechtsakzessorische Rückverweisungstechnik33

ChemG zurück. Fehlte dieser Rückverweis, drohte das Blankettstrafgesetz für ein Zuwiderhandeln gegen das in der Rechtsverordnung geregelte Verbot keine Strafe an. Der Rückverweis aktiviert also die im Blankettstrafgesetz ausgesprochene Sanktionsdrohung.51 Auch er ist daher konstitutiv.52 Sofern nicht anders gekennzeichnet, ist mit dem Begriff der Verweisung nachfolgend immer eine konstitutive Verweisung gemeint. b) Ausdrückliche und konkludente Verweisung Je nach Formulierung können ausdrückliche und konkludente Verweisungen unterschieden werden. Bei einer ausdrücklichen Verweisung ist die Bezugnahme aus dem Wortlaut ersichtlich.53 Sie erfolgt entweder mit oder ohne Nennung der Paragraphenangabe. Im ersten Fall wird sie voll-explizite Verweisung genannt, im zweiten halb-explizite Verweisung.54 Konkludent beziehungsweise stillschweigend55 ist die Verweisung hingegen, wenn sie erst durch Auslegung der Verweisungsnorm erkennbar wird.56 Blankettstrafgesetze mit Rückverweisungsklausel fordern in ihrem Tatbestand ein Zuwiderhandeln gegen eine „Rechtsverordnung“. Diese Verweisung ist im Text eindeutig als solche erkennbar und somit eine ausdrückliche. Weil sie die Rechtsverordnung nicht näher bezeichnet, ist sie halb-explizit ausgestaltet. Die genaue Verknüpfung von Blankettgesetz und Rechtsverordnung wird stattdessen dadurch gewährleistet, dass der Rückverweis in der Rechtsverordnung in voll-expliziter Weise erfolgt („Nach § x [des Parlamentsgesetzes] wird bestraft“).57 Voll-explizit ausgestaltet ist zudem der dortige Verweis 51  Hoven, NStZ 2016, 377, 380; Freund, in: MüKo-StGB, Vor § 95 AMG Rn. 55; Groß, Strafbarkeit des Eigendopings, S. 161. 52  BMJV, Handbuch des Nebenstrafrechts, Rn. 390 f.; Freund, in: MüKo-StGB, Vor § 95 AMG Rn. 55; ders./Rostalski, GA 2016, 443, 453; Heuser, HRRS 2021, 63, 69; Hoven, NStZ 2016, 377, 381; Hütwohl, Weinstrafrecht, S. 60 (anders aber a. a. O., S.  75); bezogen auf Blankettstrafgesetze mit zusätzlicher Entsprechungsklausel Schmitz, in: FS Schünemann, 235, 243. 53  Debus, Verweisungen, S. 49. 54  Cornelius, Verweisungsbedingte Akzessorietät, S.  244 f.; Debus, Verweisungen, S. 49; Ernst, Blankettstrafgesetze, S. 14; Schnell, Verweisungsbedingte Normkomplexität, S. 51. 55  Karpen, Verweisung, S. 34; Noll, Gesetzgebungslehre, S. 228. 56  Ernst, Blankettstrafgesetze, S. 15; Enderle, Blankettstrafgesetze, S. 11; Hohmann, ZIS 2007, 38, 39. 57  Eine Ausnahme bildet § 11 Verordnung PR Nr. 30/53, der halb-explizit auf die „Strafbestimmungen“ des WiStG in einer alten Fassung zurückverweist. In diesem Fall ist indes wegen § 3 Abs. 1 S. 2 i. V. m. § 16 S. 1 WiStG ein Rückverweis gar nicht erforderlich.

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A. Grundlagen der Rückverweisungstechnik

auf ein vorangestelltes Ge- oder Verbot in der gleichen Rechtsverordnung („wer entgegen § a [der Rechtsverordnung] [Handlung] vornimmt“). Konkludente Verweisungen sind kein Charakteristikum der Rückverweisungstechnik. c) Binnenverweisung und Außenverweisung Binnen- und Außenverweisungen lassen sich danach abgrenzen, worauf verwiesen wird. Eine Binnenverweisung nimmt Bezug auf ein Verweisungsobjekt im selben Gesetz oder in einem Gesetz desselben Gesetzgebers.58 Entscheidendes Merkmal ist also die Identität des Normgebers. Bei einer Außenverweisung stammt das Verweisungsobjekt demnach von einer anderen Instanz.59 Abweichend davon wird oft auch der Verweis auf ein anderes Gesetz desselben Gesetzgebers bereits als Außenverweisung bezeichnet.60 Die erstgenannte Kategorisierung ist aber mit Blick auf die hier vorzunehmende verfassungsrechtliche Untersuchung vorzugswürdig. Zwar mag es im Hinblick auf die Verständlichkeit eines Gesetzes auch einen Unterschied machen, ob das Verweisungsobjekt im gleichen oder in einem anderen Gesetz desselben Gesetzgebers geregelt ist. Vor allem aber wird die Differenzierung zwischen Binnen- und Außenverweisung relevant für die Frage, ob eine Regelung vom parlamentarischen Gesetzgeber oder einer anderen Instanz stammt. Maßgebliches Unterscheidungskriterium sollte also der Normgeber sein.61 Da im Anwendungsbereich der Rückverweisungstechnik auf Rechtsverordnungen verwiesen wird, kommt im Blankettgesetz eine Außenverweisung 58  Cornelius, Verweisungsbedingte Akzessorietät, S. 249; Dietmeier, Blankettstrafrecht, S. 43; Honstetter, Lebensmittel(straf)rechtlicher Gesundheitsschutz, S. 79; Krey, EWR 1981, 109, 128; Satzger, Europäisierung, S. 216; Schützendübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 60. 59  Cornelius, Verweisungsbedingte Akzessorietät, S. 250; Dannecker/Schuhr, in: LK, § 1 Rn. 148; Dietmeier, Blankettstrafrecht, S. 44; Hütwohl, Weinstrafrecht, S. 58; Krey, EWR 1981, 109, 128; Satzger, Europäisierung, S. 216; Schützendübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 60. 60  So BMJ, Rechtsförmlichkeit, Rn.  235; Enderle, Blankettstrafgesetze, S. 11; Hohmann, ZIS 2007, 38, 39; Karpen, Verweisung, S. 12; ders., in: Rödig, Theorie der Gesetzgebung, 221, 225; Schneider, Gesetzgebung, Rn. 384; Zellerhoff, Scheinselbständigkeit, S. 91; so auch, aber nicht präzise in der Formulierung Moll, Europäisches Strafrecht, S. 29 f. Von einem dritten, dieser Meinung entgegengesetzten Verständnis ausgehend Hecker, Europäisches Strafrecht, Kap. 7 Rn. 60 und Heger, in: Böse, Euro­päisches Strafrecht, § 5 Rn. 55: Ein Außenverweis sei nur der Verweis auf eine andere Rechtsordnung. 61  Ähnlich Cornelius, Verweisungsbedingte Akzessorietät, S. 249.



III. Nationalrechtsakzessorische Rückverweisungstechnik35

zum Einsatz. Nur sofern in seltenen Fällen auch formelle Gesetze Ausfüllungsobjekt sein können,62 ist die Verweisung insoweit eine Binnenverweisung. Stets eine Binnenverweisung ist hingegen die Bezugnahme in der rückverweisenden Vorschrift der Rechtsverordnung auf ein vorangestelltes Ge- oder Verbot in der gleichen Verordnung. d) Statische und dynamische Verweisung aa) Bedeutung Einen entscheidenden Unterschied in der Wirkung einer Verweisung macht es, ob die Verweisung statisch oder dynamisch ist. Wird das Verweisungsobjekt statisch in Bezug genommen, bezieht sich der Verweis auf das Objekt in einer bestimmten Fassung.63 Wird das Objekt hinterher geändert, hat dies keine Auswirkung auf die Verweisungsnorm; sie verweist weiterhin auf den ursprünglichen Inhalt.64 Eine dynamische Verweisung dagegen nimmt auf das Objekt in seiner jeweils geltenden Fassung Bezug.65 Änderungen des Verweisungsobjekts wirken sich folglich auf den Inhalt der Verweisungsnorm aus.66 Statische und dynamische Verweisungen werden anschaulich auch als starr und gleitend bezeichnet.67

62  Oben

S. 30. Verweisungen, S. 59; Ernst, Blankettstrafgesetze, S. 19; Hütwohl, Weinstrafrecht, S. 65; Krey, EWR 1981, 109, 128; Hohmann, ZIS 2007, 38, 40. 64  BVerfG 1 BvR 786/70 u. a., NJW 1978, 1475, 1476; 1 BvL 17/80, NJW 1985, 1329, 1330; Brugger, VerwArch 78 (1987), 1, 7; Cornelius, Verweisungsbedingte Akzessorietät, S. 247; Moll, Europäisches Strafrecht, S. 44. Zur Frage, ob der Verweis dann noch wirksam ist, unten S. 45. 65  BVerfG 2 BvL 13/79, NJW 1982, 2859, 2860; 2 BvL 1/15, NJW 2016, 3648 Rn. 43; 2 BvL 5/17, NZWiSt 2020, 263, 271 f.; Brugger, VerwArch 78 (1987), 1, 7; Fuß, in: FS Paulick, 293, 295; Hütwohl, Weinstrafrecht, S. 65; Krey, EWR 1981, 109, 129; Moll, Europäisches Strafrecht, S. 45; die Begrifflichkeiten stammen von Ossenbühl, DVBl 1967, 401. 66  Debus, Verweisungen, S. 61; Guckelberger, ZG 2004, 62, 65; Hütwohl, Weinstrafrecht, S. 65; Krey, EWR 1981, 109, 130; Moll, Europäisches Strafrecht, S. 45; Schenke, NJW 1980, 743. 67  OLG Köln Ss 605/86, NJW 1988, 657, 658; BMJ, Rechtsförmlichkeit, Rn. 239, 243; Marburger, Regeln der Technik, S. 384; Staats, in: Rödig, Theorie der Gesetzgebung, 244. 63  Debus,

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A. Grundlagen der Rückverweisungstechnik

bb) Verwendung im Rahmen der Rückverweisungstechnik Um zu ermitteln, ob eine Verweisung statisch oder dynamisch ist, muss die Verweisungsnorm ausgelegt werden.68 Dafür ist zunächst der Wortlaut in den Blick zu nehmen: Eindeutig statisch ist ein Verweis, wenn das Verweisungsobjekt in einer bestimmten Fassung zitiert wird.69 Hinter der Nennung des Ausfüllungsobjekts findet sich dann die Ergänzung „in der am … geltenden Fassung“70 oder „in der Fassung vom …“.71 Eindeutig dynamisch ist der Verweis hingegen, wenn das Verweisungsobjekt „in der jeweils geltenden Fassung“ in Bezug genommen wird.72 Blankettgesetze mit Rückverweisungsklausel enthalten in ihrem Wortlaut indes keinen derartigen Hinweis darauf, ob sie statisch oder dynamisch auf Rechtsverordnungen Bezug nehmen. Für einen dynamischen Charakter spricht jedoch der pauschal formulierte Verweis.73 Dies entspricht auch der – später genauer darzustellenden74 – vom Gesetzgeber verfolgten Intention, durch Einschaltung des Verordnungsgebers die Rechtslage schnell an geänderte Umstände anpassen zu können.75 Ein statischer Verweis hätte diesen Effekt gerade nicht. Vor allem aber wird die rückverweisende Rechtsverordnung erst nach Erlass des Blankettgesetzes erlassen.76 Die umgekehrte zeitliche Reihenfolge ist logisch nicht möglich, weil die Rechtsverordnung nicht voll-explizit auf ein noch nicht existieren68  BVerfG 2 BvL 13/79, NJW 1982, 2859, 2860; Ernst, Blankettstrafgesetze, S. 29; Satzger, Europäisierung, S. 216. 69  Satzger, Europäisierung, S. 216. 70  BMJ, Rechtsförmlichkeit, Rn. 240. Debus, Verweisungen, S. 64 hält diese Formulierung nur für eindeutig, sofern das Verweisungsobjekt an dem angegebenen Datum nicht geändert wurde. 71  Vgl. Krey, EWR 1981, 109, 153; a. A. Debus, Verweisungen, S. 64. 72  BMJ, Rechtsförmlichkeit, Rn. 243; Clemens, AöR 111 (1986), 63, 80; Debus, Verweisungen, S. 65; Satzger, Europäisierung, S. 216. 73  Zum pauschalen Charakter näher unten S. 39; zur dann bestehenden Indizwirkung für eine dynamische Verweisung OLG Köln Ss 605/86, NJW 1988, 657, 658; Satzger, Europäisierung, S. 216 f.; Schneider, Gesetzgebung, Rn. 385; vgl. Marburger, Regeln der Technik, S. 384. 74  Unten S. 45 ff. 75  Zur Indizwirkung für eine dynamische Verweisung, wenn das Verweisungsobjekt häufig geändert wird, Debus, Verweisungen, S. 70; Guckelberger, ZG 2004, 62, 65; Krey, EWR 1981, 109, 153; vgl. BVerfG 2 BvL 13/79, NJW 1982, 2859, 2861; Marburger, Regeln der Technik, S. 384. 76  Vgl. Rohnfelder/Freytag, in: Erbs/Kohlhaas, § 58 LFGB Rn. 6 (zu § 58 Abs. 1 Nr. 18 LFGB); allgemein zur Indizwirkung für eine dynamische Verweisung, wenn das Verweisungsobjekt erst noch erlassen werden muss, Debus, Verweisungen, S. 67; Krey, EWR 1981, 109, 153.



III. Nationalrechtsakzessorische Rückverweisungstechnik37

des Blankettgesetz zurückverweisen kann. Die Verweisung im Blankettgesetz auf Rechtsverordnungen ist daher dynamisch.77 Der Rückverweis in der Rechtsverordnung auf das Blankettgesetz ist ebenfalls nicht eindeutig als statischer oder dynamischer formuliert. Eine statische Ausgestaltung wäre hier theoretisch denkbar, denn bei Erlass der Verweisung existiert ihr Bezugsobjekt bereits. Doch kann ein statischer Charakter nicht gewollt sein. Ändert der parlamentarische Gesetzgeber das Blankettstrafgesetz, ist der dem Gesetz untergeordnete Verordnungsgeber nicht mehr befugt, auf eine alte Fassung des Blankettstrafgesetzes zu verweisen. Nähme er das Blankettstrafgesetz in der Rückverweisung statisch in Bezug, wäre er somit gezwungen, bei jeder Änderung des Blankettstrafgesetzes die Verweisung entsprechend anzupassen. Eine dynamische Verweisung vermeidet diesen unnötigen Zwischenschritt. Die neben dem Rückverweis auf das Blankettgesetz bestehende Verweisung der Rechtsverordnung auf ein vorangestelltes Ge- oder Verbot ist gleichfalls dynamisch. Hierfür spricht ihre Ausgestaltung als Binnenverweisung auf eine Norm desgleichen Normgebers. Dies legt einen dynamischen Charakter nahe, da ansonsten die Gefahr droht, dass ein Normenwerk nicht in sich stimmig ist.78 cc) Echte und unechte Blankettstrafgesetze Nachdem nun Binnen- und Außenverweisungen sowie statische und dynamische Verweisungen erläutert worden sind, kann die oft genutzte Terminologie der echten und unechten Blankettstrafgesetze erklärt werden. Im Anschluss an das Verständnis von Binding79 wurde unter einem Blankettstrafgesetz früher nur ein Gesetz verstanden, dessen Ausfüllung von einer anderen Stelle zu einer anderen Zeit vorgenommen wird,80 das also einen dynamischen Außenverweis enthält. Nach heutigem Verständnis können hingegen auch statische und Binnenverweise ein Gesetz zum Blankettstrafgesetz ma77  Unklar Heger, in: Böse, Europäisches Strafrecht, § 5 Rn. 76, wonach der Gesetzgeber den „Verordnungsgeber in Form einer statischen Verweisung gesetzlich ermächtigt“. Gemeint ist wahrscheinlich, der Gesetzgeber ermächtige den Verordnungsgeber, in Form einer statischen Verweisung zurückzuverweisen. Wenn Heger, ebd. im Folgenden feststellt, es bedürfe „im Blankett selbst keiner dynamischen Verweisung“, bezieht sich das wohl nur auf die im konkreten Kontext untersuchte dynamische Verweisung auf Unionsrecht. 78  Debus, Verweisungen, S. 68; vgl. Klindt, DVBl 1998, 373, 374. 79  Binding, Normen, Bd. 1, S. 74. 80  BGH 3 StR 12/54, NJW 1954, 970, 972; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, S. 111; in diesem Sinne auch RG IV 1018/12, RGSt 46, 393, 395.

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A. Grundlagen der Rückverweisungstechnik

chen.81 Das unterschiedliche Verständnis ist indes in der Bezeichnung als echtes oder unechtes Blankettstrafgesetz erhalten geblieben. Strafgesetze, die auf das gleiche Gesetz oder auf ein Gesetz des gleichen Gesetzgebers verweisen, werden unechte Blankettstrafgesetze oder Blankettstrafgesetze im weiteren Sinne genannt;82 Strafgesetze, die auf Vorschriften einer anderen Instanz Bezug nehmen, hingegen echte Blankettstrafgesetze oder Blankettstrafgesetze im engeren Sinne.83 Diese herkömmliche Unterscheidung ist, entsprechend dem früheren Verständnis des Blankettbegriffs, dahingehend zu ergänzen, dass echte Blankettstrafgesetze nur solche sind, die dynamisch auf Vorschriften einer anderen Instanz verweisen.84 Bei einer statischen Verweisung kennt der Gesetzgeber nämlich den in Bezug genommenen Inhalt und hat eine Änderung des Verweisungsobjekts keine Auswirkung auf die Verweisungsnorm. Der Tatbestand wird hier bei genauer Betrachtung gar nicht durch eine andere Instanz ausgefüllt.85 Blankettstrafgesetze mit Rückverweisungsklausel sind demnach echte Blankettstrafgesetze. e) Anzahl an Verweisungen und Verweisungsobjekten Eine weitere Unterscheidung kann nach der Anzahl der Verweisungen getroffen werden. Eine Verweisungsnorm kann auf genau ein Verweisungs­ objekt Bezug nehmen, es liegt dann eine einfache Verweisung vor.86 Das Gegenstück dazu bilden mehrfache Verweisungen: Hier nimmt die Verweisungsnorm auf mehrere Verweisungsobjekte Bezug.87 Anschaulich kann auch von parallelen Verweisungen gesprochen werden.88 Einschränkend wird zum Teil vertreten, mehrfache Verweisungen lägen nur vor, wenn die Inbezug-

81  Krey, EWR 1981, 109, 173 f.; Moll, Europäisches Strafrecht, S. 47; Satzger, Europäisierung, S. 218; Schützendübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 62 f.; so auch bereits Warda, Abgrenzung von Tatbestands- und Verbotsirrtum, S. 6 f.; Weidenbach, Blankettstrafgesetze, S. 5 f.; vgl. BVerfG 2 BvL 4/62, NJW 1962, 1563, 1564; 2 BvL 1/15, NJW 2016, 3648 Rn. 44; 2 BvL 5/17, NZWiSt 2020, 263, 272. 82  Karpen, Verweisung, S. 90; Warda, Abgrenzung von Tatbestands- und Verbotsirrtum, S. 11; Weidenbach, Blankettstrafgesetze, S. 6. 83  Karpen, Verweisung, S. 90; Warda, Abgrenzung von Tatbestands- und Verbotsirrtum, S. 11; Weidenbach, Blankettstrafgesetze, S. 7. 84  Ernst, Blankettstrafgesetze, S. 55. 85  Ernst, Blankettstrafgesetze, S. 55 f. 86  Ernst, Blankettstrafgesetze, S. 33; K. Wolff, Gesetzessprache, S. 8. 87  Ernst, Blankettstrafgesetze, S. 33; K. Wolff, Gesetzessprache, S. 8. 88  Ernst, Blankettstrafgesetze, S. 33.



III. Nationalrechtsakzessorische Rückverweisungstechnik39

nahme an verschiedenen Stellen der Verweisungsnorm erfolge.89 Da die Unterscheidung aber vor allem hinsichtlich der Verständlichkeit der Regelung relevant wird, ist ein solches Verständnis unnötig eng: Immer wenn gleich mehrere Verweisungsobjekte existieren, wird das Verständnis erschwert. Von mehrfachen Verweisungen kann man also auch sprechen, wenn an einer Stelle auf mehrere Normen verwiesen wird.90 Das kann dergestalt erfolgen,91 dass die Verweisungsnorm auf einen Normenkomplex Bezug nimmt, was Pauschalverweisung92 oder Globalverweisung93 genannt wird. Es können aber auch die Verweisungsobjekte einzeln aufgezählt werden. Dies wird als enumerative Verweisung bezeichnet.94 Ein Blankettstrafgesetz mit Rückverweisungsklausel verweist stets auf eine „Rechtsverordnung nach § y“. Die Bezugnahme ist nicht auf ein einzelnes Objekt beschränkt: Denn zum einen ist denkbar, dass in der einzelnen Rechtsverordnung mehrere Vorschriften existieren, die das Blankettgesetz ausfüllen. Und zum anderen werden gegebenenfalls mehrere Rechtsverordnungen auf die genannte Ermächtigungsgrundlage („§ y“) gestützt. Die Verweisung bezieht sich auf alle Rechtsverordnungen, die aufgrund der bezeichneten Ermächtigung ergehen. Dementsprechend kann das Blankettstrafgesetz durch mehrere Rechtsverordnungen ausgefüllt werden. So verweisen etwa auf das Blankettstrafgesetz des § 58 Abs. 1 Nr. 18 LFGB insgesamt 12 verschiedene Rechtsverordnungen zurück (wobei einschränkend darauf hinzuweisen ist, dass das Gesetz mehrere Ermächtigungsgrundlagen in Bezug nimmt).95 Im Blankettstrafgesetz wird mithin mehrfach auf Rechtsverordnungen verwiesen und zwar in Gestalt einer Pauschalverweisung. Die Anzahl an Verweisungen kann aber nicht nur mit Blick auf die Verweisungsnorm steigen. Die Verweisungsnorm kann auch auf ein Objekt Bezug nehmen und dieses Objekt seinerseits einen Verweis enthalten. Dieser 89  So Ernst, Blankettstrafgesetze, S. 33 f., der darüber zu enumerativen und pauschalen Verweisungen abgrenzt, wobei dann aber unklar bleibt, worin genau der Unterschied zwischen mehreren Verweisungen an verschiedenen Stellen (= mehrfache Verweisung) und einer Verweisung an einer Stelle, aber auf mehrere einzeln aufgezählte Normen (= enumerative Verweisung) liegen soll. 90  Ebenfalls ein solches Verständnis zugrunde legend Kretschmer, ZIS 2016, 763, 766 f. 91  Ernst, Blankettstrafgesetze, S. 34 betrachtet hingegen entsprechend seiner Definition der mehrfachen Verweisung (dazu Fn. 89) enumerative und Pauschalverweisungen nicht als Unterfall der mehrfachen Verweisung. 92  Debus, Verweisungen, S. 50; Ernst, Blankettstrafgesetze, S. 33. 93  Etwa Kretschmer, ZIS 2016, 763, 766 f.; Raabe, Bestimmtheitsgrundsatz, S. 89. 94  Debus, Verweisungen, S. 50; Ernst, Blankettstrafgesetze, S. 33. 95  Vgl. den Überblick unter https://www.buzer.de/s1.htm?a=58+lfgb&g=#build InZitate (abgerufen am 11.03.2022).

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A. Grundlagen der Rückverweisungstechnik

zweite Verweis wird Weiterverweisung genannt.96 Den Unterschied zur mehrfachen Verweisung verdeutlicht auch die Bezeichnung als lineare Verweisungen.97 Als Folge entsteht eine Verweisungskette.98 Im Rahmen der Rückverweisungstechnik findet sich eine Weiterverweisung in der rückverweisenden Vorschrift der Rechtsverordnung, da diese – neben einem Rückverweis auf das Blankettgesetz – auf ein vorstehendes Ge- oder Verbot in der gleichen Verordnung Bezug nimmt. Häufig verweist auch dieses Ge- oder Verbot nochmals weiter auf eine andere Vorschrift der Rechtsverordnung. Verschiedentlich wird im Kontext der dargestellten Verweisungsarten der Begriff des mehrstufigen Blanketts genutzt.99 „Mehrstufig“ deutet auf ein synonymes Verständnis zu Blankettgesetzen mit Weiterverweisungen hin.100 Ein solche Lesart ist aber nicht eindeutig belegbar.101 Die Terminologie wird hier daher nicht verwendet. f) Zusammenfassung Zusammenfassend zeichnet sich die Rückverweisungstechnik insbesondere durch folgende konstitutive Verweisungen aus: Das Blankettstrafgesetz verweist mit einer halb-expliziten, dynamischen und pauschalen Außenverweisung auf Rechtsverordnungen. Die ausfüllende Rechtsverordnung verweist voll-explizit und dynamisch zurück auf das Blankettgesetz. Zudem nimmt sie mit einem voll-expliziten und dynamischen Binnenverweis auf vorstehende Ge- oder Verbote Bezug, die ihrerseits häufig nochmals weiterverweisen.

96  Debus, Verweisungen, S.  50 f.; Karpen, Verweisung, S. 40; ders., in: Rödig, Theorie der Gesetzgebung, 221, 227; Müller, Gesetzgebungstechnik, S. 175; Veit, Rezeption technischer Regeln, S. 26. 97  Ernst, Blankettstrafgesetze, S. 32. 98  Dannecker/Schuhr, in: LK, § 1 Rn. 163; Ernst, Blankettstrafgesetze, S. 32; M. Wagner, Akzessorietät, Rn. 360. Debus, Verweisungen, S. 51 nimmt eine Kettenverweisung dagegen erst bei mehreren Weiterverweisungen an; ähnlich auch Karpen, in: Rödig, Theorie der Gesetzgebung, 221, 227, der von einer Kettenverweisung bei einer Häufung von Weiterverweisungen spricht. 99  Etwa Brand/Kratzer, JR 2018, 422, 425; Dorneck, in: Stam/Werkmeister, Der Allgemeine Teil des Strafrechts, 9, 25. 100  Vgl. das Verständnis bei Ernst, Blankettstrafgesetze, S. 40. 101  So beziehen Brand/Kratzer, JR 2018, 422, 425 und Dorneck, in: Stam/Werkmeister, Der Allgemeine Teil des Strafrechts, 9, 25 den Begriff auf die von § 10 Abs. 1 RiFlEtikettG a. F. ausgehenden Verweisungen, wo sich sowohl mehrfache als auch Weiterverweisungen finden.



III. Nationalrechtsakzessorische Rückverweisungstechnik41

5. Wirkung der Verweisung auf die Rechtsverordnung Nachdem die Ausgestaltung der Rückverweisungstechnik detailliert untersucht worden ist, soll die Wirkung der Verweisung im Tatbestand des Blankettstrafgesetzes geklärt werden. Dies ist nicht nur hilfreich, um den Gegenstand der Untersuchung zu verstehen, sondern wird auch für die spätere verfassungsrechtliche Betrachtung von Bedeutung sein. a) Formale Wirkung Durch die (konstitutive) Verweisung wird, formal betrachtet, der Inhalt des Verweisungsobjekts in den Tatbestand der Verweisungsnorm inkorporiert und damit zu deren Bestandteil.102 Dies folgt daraus, dass die Verweisung es erspart, den Inhalt des Verweisungsobjekts in der Verweisungsnorm zu wiederholen.103 Das Verweisungsobjekt gilt infolge des Geltungsbefehls der Verweisungsnorm für den Sachverhalt, den diese regelt. Es teilt insofern den Rechtscharakter der Verweisungsnorm.104 Im Rahmen der Rückverweisungstechnik wird der Inhalt der in Bezug genommenen Rechtsverordnung also Teil des Blankettstrafgesetzes. Insoweit zieht er seinen Geltungsbefehl aus dem förmlichen Gesetz. Freilich gilt dies nur innerhalb des Anwendungsbereichs des Blankettgesetzes, also innerhalb des Strafrechts. Außerhalb dessen bleibt der Inhalt des Verweisungsobjekts in seiner ursprünglichen Rechtsqualität bestehen.105 Die Rechtsverordnung gilt in ihrem originären nichtstrafrechtlichen Anwendungsbereich dementsprechend allein aufgrund ihres Charakters als Exekutivrecht. Diese Inkorporation ist freilich nur eine gedankliche Leistung, die erforderlich ist, um die Verweisungsnorm sinnvoll anwenden zu können. Sie besagt noch nichts über materielle Auswirkungen der Verweisung.106 102  Vgl. BVerfG 2 BvR 463/17, NJW 2018, 3091 Rn. 24; Satzger, Europäisierung, S. 219; Karpen, Verweisung, S. 32; ders., in: Rödig, Theorie der Gesetzgebung, 221, 232; Krey, EWR 1981, 109, 130; Ossenbühl, DVBl 1967, 401, 403; BMJV, Handbuch des Nebenstrafrechts, Rn. 49; Brugger, VerwArch 78 (1987), 1, 4 (der zwar von einer materiellen Wirkung spricht, im Ergebnis aber nichts Anderes meint); a. A. speziell zu Blankettstrafgesetzen Staats, in: Rödig, Theorie der Gesetzgebung, 244, 246. 103  Karpen, Verweisung, S. 32; ders., in: Rödig, Theorie der Gesetzgebung, 221, 232; Brugger, VerwArch 78 (1987), 1, 4; Satzger, Europäisierung, S. 219. 104  Karpen, Verweisung, S. 32; ders., in: Rödig, Theorie der Gesetzgebung, 221, 232; vgl. Brugger, VerwArch 78 (1987), 1, 4. 105  Karpen, in: Rödig, Theorie der Gesetzgebung, 221, 232; Satzger, Europäisierung, S. 219; Veit, Rezeption technischer Regeln, S. 33. 106  Deshalb kann der Kritik an der Inkorporationswirkung von Cornelius, Verweisungsbedingte Akzessorietät, S. 283 ff. nicht gefolgt werden. Weil das Zusammenle-

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A. Grundlagen der Rückverweisungstechnik

b) Materielle Wirkung Materiell betrachtet stellt sich die Frage, ob infolge der Bezugnahme im Blankettstrafgesetz neben dem im Verweisungsobjekt enthaltenen Ge- oder Verbot ein eigenes strafrechtliches Ge- oder Verbot entsteht. Es ist mit anderen Worten zu klären, ob die Verweisung zu zwei eigenständigen Normbefehlen führt. Dazu muss der normentheoretische Aufbau eines Strafgesetzes betrachtet werden. aa) Trennung von Verhaltens- und Sanktionsnorm Strafgesetze sind konditional strukturiert:107 Wenn jemand die im Gesetz umrissene Handlung vornimmt, dann wird er bestraft. Macht sich ein Täter strafbar, nimmt er genau die Handlung vor, die das Strafgesetz beschreibt. Der Täter verstößt nicht gegen das Strafgesetz, sondern er erfüllt es.108 Dem Strafgesetz vorgelagert sein müssen daher logischerweise Normen, die ein Verhalten ge- oder verbieten.109 In Ansicht dieses Befundes unterscheidet die heute herrschende Auffassung im strafrechtlichen Schrifttum, im Anschluss an Binding,110 zwischen Verhaltens- und Sanktionsnormen.111 Verhaltensnormen, auch Primärnormen genannt,112 ge- oder verbieten ein bestimmtes Verhalten.113 Sanktionsnormen ordnen für den Fall eines Verstosen allein gedanklich vorzunehmen ist, verschwindet das Verweisungsmerkmal weder, noch wird der Ursprung des Verweisungsobjekts verdeckt oder sind Schlüsse auf die materielle Wirkung zulässig. Zu pauschal auch BVerfG 2 BvR 463/17, NJW 2018, 3091 Rn. 24, wonach es wegen der Inkorporationswirkung nicht mehr darauf ankomme, „ob die Bezugsnorm […] bereits oder noch ‚gilt‘ “. 107  Binding, Handbuch, S. 176; Ernst, Blankettstrafgesetze, S. 47; Freund/Rostalski, Strafrecht AT, § 1 Rn. 69; Satzger, Europäisierung, S. 223. 108  Binding, Normen, Bd. 1, S. 4 f., 31; ders., Handbuch, S. 155; Freund/Rostalski, Strafrecht AT, § 1 Rn. 68; dies., GA 2020, 617 f.; Gössel, in: Maurach/Gössel/Zipf, Strafrecht AT/2, § 39 Rn. 3; Satzger, Europäisierung, S. 223. 109  Binding, Normen, Bd. 1, S. 4, 31; ders., Handbuch, S. 201; Freund/Rostalski, GA 2020, 617, 618; Vogel, Norm und Pflicht, S. 28; Dietmeier, Blankettstrafrecht, S.  16 f. 110  Binding, Normen, Bd. 1, S. 31, ders., Handbuch, S. 155, dieser nennt die Verhaltensnorm Norm und die Sanktionsnorm Strafgesetz. 111  Allgemein zu dieser Unterscheidung Appel, Verfassung und Strafe, S. 433 ff.; Bräutigam-Ernst, Bedeutung von Verwaltungsvorschriften, S. 313 ff.; Cornelius, Verweisungsbedingte Akzessorietät, S.  106 ff.; Frisch, Verwaltungsakzessorietät, S.  7 ff.; Kindhäuser/T. Zimmermann, Strafrecht AT, § 2 Rn. 2 ff.; Lagodny, Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte, S. 77 ff.; Gössel, in: Maurach/Gössel/Zipf, Strafrecht AT/2, § 39 Rn. 1 ff. 112  Bräutigam-Ernst, Bedeutung von Verwaltungsvorschriften, S. 313; Satzger, Europäisierung, S. 224.



III. Nationalrechtsakzessorische Rückverweisungstechnik43

ßes hiergegen Strafe an.114 Die Anknüpfung der Sanktions- an die Verhaltensnorm wird als Akzessorietät des Strafrechts bezeichnet115 oder das Strafrecht als sekundäre Rechtsordnung beschrieben.116 Der tiefere Grund dafür liegt im Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung. Danach ist es zwar nicht geboten, einen Sachverhalt in jedem Rechtsgebiet gleich zu behandeln.117 Jedenfalls aber sind Widersprüche innerhalb einer Rechtsordnung zu vermeiden.118 Ein Verhalten, das in anderen Rechtsgebieten erlaubt ist, kann daher nicht mit Strafe bedroht sein.119 Umgekehrt betrachtet folgt daraus: Ist ein Verhalten bereits außerhalb des Strafrechts verboten, knüpft das Strafrecht hieran an, schafft aber kein eigenes, selbstständiges Verbot.120 bb) Bedeutung für die Rückverweisungstechnik Die skizzierte Unterscheidung von Verhaltens- und Sanktionsnorm kann zumindest gedanklich bei jedem Strafgesetz vorgenommen werden. Bei Blankettstrafgesetzen mit Rückverweisungsklausel ist sie jedoch besonders offenkundig.121 Die der Sinnhaftigkeit der Differenzierung entgegengebrachte Kritik, es finde sich oft keine geschriebene Verhaltensnorm außerhalb des

113  Binding, Handbuch, S. 156; Freund, in: MüKo-StGB, Vor § 13 Rn. 69; ders./ Rostalski, Strafrecht AT, § 1 Rn. 29, 46; Gössel, in: Maurach/Gössel/Zipf, Strafrecht AT/2, § 39 Rn. 1; Lagodny, Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte, S. 79 (dieser nennt die Verhaltensnorm Verhaltensvorschrift); Vogel, Norm und Pflicht, S. 28. 114  Vgl. Kindhäuser/T. Zimmermann, Strafrecht AT, § 2 Rn. 4; Vogel, Norm und Pflicht, S. 27. 115  Appel, Verfassung und Strafe, S. 431 f.; Bräutigam-Ernst, Bedeutung von Verwaltungsvorschriften, S.  325 ff.; Freund/Rostalski, Strafrecht AT, § 1 Rn. 50; Satzger, Europäisierung, S. 220; Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht, Rn. 2; T. Walter, in: LK, Vor § 13 Rn. 4 f., 17. 116  Appel, Verfassung und Strafe, S. 432; Frisch, Verwaltungsakzessorietät, S. 7; Satzger, Europäisierung, S. 224; T. Walter, in: LK, Vor § 13 Rn. 4; Lüderssen, in: FS Eser, 163, 169, 172. 117  Vgl. Heghmanns, Grundzüge einer Dogmatik, S. 110. 118  Ossenbühl, DVBl 1990, 963, 967; Satzger, Europäisierung, S. 221; Lüderssen, in: FS Eser, 163, 171; näher dazu Bräutigam-Ernst, Bedeutung von Verwaltungsvorschriften, S.  330 ff. m. w. N. 119  Bräutigam-Ernst, Bedeutung von Verwaltungsvorschriften, S.  328  f.; Ernst, Blankettstrafgesetze, S. 52; Frisch, Verwaltungsakzessorietät, S. 8, 9 f. 120  Satzger, Europäisierung, S. 223. 121  Auf die Blankettstrafgesetzgebung im Allgemeinen bezogen vgl. Satzger, Europäisierung, S. 225; Tiedemann, Tatbestandsfunktionen, S.  46 f.; ders., Wirtschaftsstrafrecht, Rn. 2; ferner Ceffinato, NK 2017, 75, 84; Cornelius, Verweisungsbedingte Akzessorietät, S. 117, 121, 128, 131; Hohmann, ZIS 2007, 38, 38 und 40; Jescheck/ Weigend, Strafrecht AT, S. 53.

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A. Grundlagen der Rückverweisungstechnik

Strafgesetzes,122 greift hier nicht. Schließlich ist es gerade Kennzeichen eines Blankettstrafgesetzes mit Rückverweisungsklausel, dass zur Umschreibung des tatbestandlichen Verhaltens auf eine Norm verwiesen wird, die an anderer Stelle positiv geregelt ist.123 Denn nach einem solchen Gesetz wird bestraft, „wer einer Rechtsverordnung nach § y zuwiderhandelt“. Das strafbare Verhalten ist damit – abgesehen von dem für sich genommen inhaltsleeren „Zuwiderhandeln“ – noch nicht beschrieben. Auch die Ermächtigungsgrundlage, auf die das Blankettgesetz Bezug nimmt, ge- oder verbietet kein Verhalten. Die zu bewehrende Verhaltensnorm ist vielmehr erst in der Rechtsverordnung enthalten. Die räumliche Trennung, die durch die Verweisung überbrückt wird, macht die Unterscheidung von Verhaltens- und Sanktionsnorm offensichtlich. Mit der Sanktionsnorm möchte der Gesetzgeber bewusst an das unabhängig vom Strafrecht geltende Ge- oder Verbot in der Rechtsverordnung anknüpfen und es zusätzlich durch Strafandrohung absichern. Die Verhaltensnorm soll für die strafrechtliche Bewehrung nicht aus dem nichtstrafrechtlichen Regelungszusammenhang entfernt werden.124 Es liegt damit eine „gesetzgeberisch angeordnete Akzessorietät“ vor.125 Das bedeutet, das Blankettstrafgesetz stellt durch den Verweis keine eigene strafrechtliche Verhaltensnorm auf. Es kommt nicht zu einer Normbefehlsverdoppelung.126 Je nach konkreter Ausgestaltung wird die jeweilige Verhaltensnorm für das Strafrecht aber nur in einem Ausschnitt relevant, etwa nur insofern, als ein vorsätzlicher Verstoß sanktioniert wird.127 Das Strafgesetz kann nämlich zwar nicht über die anderweitig geregelte Verhaltensnorm hinaus­gehen, wohl aber enger gefasst sein.128 Das ist gemeint, wenn die Akzessorietät zum Teil als asymmetrisch bezeichnet wird.129 Freilich hat das nur klarstellende Bedeutung, weil mit Akzessorietät ohnehin lediglich eine einseitige Abhängigkeit verbunden ist.130

GA 2016, 737, 746 ff. Kritiker der akzessorischen Ausgestaltung des Strafrechts bestreiten sie daher nicht für Blankettgesetze, vgl. Greco, GA 2019, 684, 686; Herzberg, GA 2016, 737, 746. 124  Vgl. Heghmanns, Grundzüge einer Dogmatik, S. 81. 125  Greco, GA 2019, 684, 686 (Hervorhebung im Original). 126  Satzger, Europäisierung, S. 222 f., 226; Cornelius, Verweisungsbedingte Akzessorietät, S.  286 f. 127  Heghmanns, Grundzüge einer Dogmatik, S. 80 f. 128  Bräutigam-Ernst, Bedeutung von Verwaltungsvorschriften, S. 329. 129  Bräutigam-Ernst, Bedeutung von Verwaltungsvorschriften, S. 329; Lüderssen, in: FS Eser, 163, 170. 130  Vgl. Krell, in: FS Rengier, 261, 264. 122  Herzberg, 123  Auch



III. Nationalrechtsakzessorische Rückverweisungstechnik45

Die dargestellte Trennung von Verhaltens- und Sanktionsnorm ist im weiteren Verlauf der Untersuchung zu berücksichtigen. Sie wird sich als hilfreich erweisen, um die verfassungsrechtlichen Anforderungen an Blankettstrafgesetze zu präzisieren und die infolge der Rückverweisungsklausel entstehende Problemlage zu erfassen. 6. Gründe für die nationalrechtsakzessorische Rückverweisungstechnik Dass Verweisungen in der Gesetzgebung grundsätzlich erforderlich sind, ist unbestritten;131 das BVerfG bezeichnet sie als „übliche und notwendige“ gesetzgeberische Methode.132 Mit der Rückverweisungstechnik ist allerdings, das zeigt die bisherige Darstellung, eine besonders komplexe Gesetzestechnik betroffen. Dies wirft die Frage auf, warum der Gesetzgeber sie nutzt. Die Vorzüge der Rückverweisungstechnik ergeben sich zunächst aus der im Blankettstrafgesetz enthaltenen dynamischen Verweisung: Eine dynamische Verweisung hält das Blankettgesetz flexibel, weil es automatisch Änderungen des Ausfüllungsobjekts übernimmt und aktuell bleibt.133 Dadurch wird der Gesetzgeber entlastet, er muss bei einer Änderung des Ausfüllungsobjekts nicht stets das Blankettgesetz anpassen.134 Den Vorteil verdeutlicht ein Vergleich zu statischen Verweisungen: Diese laufen leicht Gefahr, auf eine mittlerweile geänderte oder gar aufgehobene Regelung zu verweisen. Weil dann der vom Blankettstrafgesetz in Bezug genommene Normbefehl nicht mehr existiert, an den die Sanktionsnorm anknüpfen könnte, geht die Verweisung ins Leere.135 Die daraus folgende Straflosigkeit hat weitreichende Folgen: Die Änderung des Ausfüllungsobjekts ist eine Gesetzesänderung im 131  Vgl. bereits Karpen, Verweisung, S. 11; Warda, Abgrenzung von Tatbestandsund Verbotsirrtum, S. 10. 132  BVerfG 1 BvR 786/70 u. a., NJW 1978, 1475, 1476; 2 BvR 871/04 u. a., wistra 2010, 396 Rn. 40; 2 BvL 1/15, NJW 2016, 3648 Rn. 42; 2 BvL 5/17, NZWiSt 2020, 263, 271. 133  Debus, Verweisungen, S. 101; Schenke, NJW 1980, 743. 134  Guckelberger, ZG 2004, 62, 66; Satzger, Europäisierung, S. 229; Schenke, in: FS Fröhler, 87, 90. 135  Vgl. Ernst, Blankettstrafgesetze, S. 54; Satzger, Europäisierung, S. 270; i. Erg. auch Heghmanns, Grundzüge einer Dogmatik, S. 98; Schneider, Gesetzgebung, Rn. 386. Die außerhalb des Strafrechts anzutreffende Auffassung, eine Verweisungsnorm mit statischer Verweisung werde auch nach Änderung des Verweisungsobjekts durch dessen ältere Fassung wirksam ausgefüllt (Guckelberger, ZG 2004, 62, 67 f.), kann im Strafrecht nur Geltung beanspruchen, wenn sich hinreichende Anhaltspunkte ergeben, dass gerade nicht akzessorisch an die Existenz eines anderweitigen Normbefehls angeknüpft werden soll.

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A. Grundlagen der Rückverweisungstechnik

Sinne des § 2 Abs. 3 StGB (im Ordnungswidrigkeitenrecht des § 4 Abs. 3 OWiG).136 Nach dem dort verankerten Lex-mitior-Prinzip gilt die Straflosigkeit – als mildeste Gesetzeslage137 – auch für noch nicht abgeurteilte Taten, die begangen wurden, bevor die Strafbarkeitslücke aufgebrochen ist. Freilich kann auch bei dynamischen Verweisungen die Verweisungsnorm infolge einer Änderung des Verweisungsobjekts eine ganz andere und vielleicht sogar sinnlose Bedeutung erlangen,138 etwa wenn der Inhalt des Verweisungsobjekts in eine andere als die in der Verweisungsnorm bezeichnete Vorschrift verschoben wird. Dieses Risiko ist im Rahmen der Rückverweisungstechnik aber minimiert. Denn das Blankettstrafgesetz verweist nicht voll-explizit auf eine konkrete Regelung einer Rechtsverordnung, sondern halb-explizit und pauschal auf alle Rechtsverordnungen, die aufgrund einer bestimmten Ermächtigung ergehen. Die Verknüpfung einer konkreten, einzelnen Verhaltensnorm mit dem Blankettstrafgesetz nimmt erst der Verordnungsgeber durch den Rückverweis vor. Wenn dieser die Rechtsverordnung hinterher ändert, kann er zugleich die Verknüpfung anpassen, ohne dass die dynamische Verweisung im Blankettgesetz geändert werden müsste. Da die dynamische Verweisung zugleich eine Außenverweisung ist, wird der Entlastungseffekt noch verstärkt: Der Gesetzgeber spart sich nicht nur die Anpassung der Verweisungsnorm, sondern auch die inhaltliche Regelung, da er das Ausfüllungsobjekt nicht selbst erlassen muss.139 Im Fall der Rückverweisungstechnik kann dadurch auf Ressourcen der Exekutive zurückgegriffen werden. Die Rechtsverordnung ist das Instrument, das den im modernen Staat mit zunehmend mehr Aufgaben konfrontierten Gesetzgeber von aufwendiger Detailarbeit befreien soll. Das ist sinnvoll, weil die Exekutive für die zu regelnden Spezialbereiche regelmäßig einen höheren Sachverstand besitzt.140 Da der Verordnungsgeber kein zeitintensives förmliches Gesetzgebungsverfahren durchführen muss, um eine Rechtsverordnung zu erlassen, ist es ihm zudem leichter als dem parlamentarischen Gesetzgeber 136  BGH 2 StR 49/64, NJW 1965, 981, 982; Schmitz, in: MüKo-StGB, § 2 Rn. 38; C. Schröder, ZLR 2004, 265, 269. 137  BGH 4 StR 194/92, NStZ 1992, 535, 536; OLG Hamburg 1-11/07 (RB), NZV 2007, 372; Hoven, NStZ 2016, 377, 378; C. Schröder, ZLR 2004, 265, 268; Schützendübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 79. 138  Guckelberger, ZG 2004, 62, 66. Zu Beispielen fehlerhafter Verweisungen in echten und unechten Blankettstrafgesetzen Cornelius, Verweisungsbedingte Akzessorietät, S.  416 ff.; Saliger/von Saucken/Graf, ZRP 2016, 54. 139  Karpen, Verweisung, S. 14, 89; Krey, EWR 1981, 109, 131; vgl. Honstetter, Lebensmittel(straf)rechtlicher Gesundheitsschutz, S. 88 f. 140  Brenner, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Art. 80 Rn. 12; vgl. BVerfG 2 BvL 5/17, NZWiSt 2020, 263, 273.



III. Nationalrechtsakzessorische Rückverweisungstechnik47

möglich, das Verweisungsobjekt jederzeit an sich ändernde Verhältnisse anzupassen.141 Dies erklärt, warum sich die Rückverweisungstechnik im Nebenstrafrecht großer Beliebtheit erfreut, im Kernstrafrecht dagegen nicht eingesetzt wird. Das Kernstrafrecht regelt tendenziell Unrechtsbereiche, die grundlegender Art sind. Der Gesetzgeber ist dort nicht auf eine schnelle Anpassung an geänderte Umstände angewiesen, sondern kann die Strafbarkeit selbst umfassend regeln. Demgegenüber betrifft das Nebenstrafrecht oft spezielle, inhaltlich hoch komplexe Bereiche. Die Blankettgesetzgebung ist hier im Allgemeinen weit verbreitet und gar „an der Tagesordnung“.142 Die dargestellten Vorzüge sind gleichwohl zu relativieren. Die Delegation auf den Verordnungsgeber ist selbstverständlich keine Garantie für eine sachlich angemessene und hinreichend schnell getroffene Regelung.143 Auch der Verordnungsgeber reagiert beispielsweise nicht immer schnell genug. Insbesondere wenn das Blankettstrafgesetz geändert wird, vergisst er manchmal, den Rückverweis in der Rechtsverordnung entsprechend anzupassen.144 So ist etwa das Blankettordnungswidrigkeitengesetz des § 11 Abs. 2 Nr. 3 ­RiFlEtikettG im Jahr 2019 in einen anderen Absatz verschoben worden und befindet sich nun in Abs. 1 Nr. 3.145 Die rückverweisende Vorschrift in § 10 RiFlEtikettV nimmt aber nach wie vor auf Abs. 2 Nr. 3 Bezug und geht dadurch ins Leere. Insoweit ist eine Sanktionslücke aufgebrochen, die sich gemäß § 4 Abs. 3 OWiG rückwirkend auf alle noch nicht abgeurteilten Taten erstreckt. Noch zu klären ist, warum neben der dynamischen Außenverweisung eine Rückverweisungsklausel in das Blankettstrafgesetz eingesetzt wird. Durch das Erfordernis der Rückverweisung in der Rechtsverordnung soll die Strafbarkeit in höherem Maße bestimmt sein.146 Dem liegt der Gedanke zugrunde, der Normadressat könne beim Lesen der Verordnung sofort erkennen, welche 141  BVerfG 2 BvL 5/17, NZWiSt 2020, 263, 273; Schützendübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 63 f.; vgl. BGH 2 StR 525/13, NJW 2016, 1251 Rn. 64; BMJV, Handbuch des Nebenstrafrechts, Rn. 202; Schmitz, in: FS Schünemann, 235, 240; Peine, ZG 1988, 121, 128. 142  Schützendübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 59. 143  Vgl. die Kritik von Domeier, Lebensmittelstrafrecht, S. 270 f.; Freund, ZLR 1994, 261, 285. 144  Vgl. BGH 4 StR 194/92, NJW 1992, 535, 536; OLG Karlsruhe 2 Rb 5 Ss 625/18, juris, Rn. 9; OLG Koblenz 2 Ss 124-98, NJW 1999, 3136; Patzak, in: Patzak/ Volkmer/Fabricius, § 29 BtMG Rn. 1512. 145  Gesetz vom 18.01.2019, BGBl. I 2019, 33. 146  BGH 2 StR 525/13, NJW 2016, 1251 Rn. 64; Dannecker/Schuhr, in: LK, § 1 Rn. 160; Enderle, Blankettstrafgesetze, S. 26; Kibele, VBlBW 2012, 1, 4; Rutkowski, in: Buddendiek/Rutkowski, Lexikon des Nebenstrafrechts, Stichwort Rückverweisung;

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A. Grundlagen der Rückverweisungstechnik

Ge- und Verbote nach welchem Gesetz bewehrt sind.147 Außerdem soll der Verordnungsgeber mit der Entscheidung über den Rückverweis nicht hinreichend bestimmte, nicht sanktionswürdige oder schon auf sonstige Weise bewehrte Verhaltensnormen vom Anwendungsbereich des Blankettgesetzes ausnehmen können.148 Damit soll die Entlastung des parlamentarischen Gesetzgebers nochmals verstärkt werden. Insbesondere mit dem Ziel einer höheren Bestimmtheit beziehungsweise der Aussonderung unbestimmter Verhaltensnormen ist ein Umstand angesprochen, der das Gesetzlichkeitsprinzip des Art. 103 Abs. 2 GG berührt. Inwieweit diese mit der Rückverweisungsklausel verbundenen Zwecke tatsächlich erreicht werden, kann daher erst im weiteren Verlauf der Untersuchung geklärt werden, wenn das Verfassungsrecht näher in den Blick genommen worden ist.

IV. Unionsrechtsakzessorische Rückverweisungstechnik Rückverweisungsklauseln werden auch eingesetzt, wenn die zu bewehrende Verhaltensnorm nicht einer nationalen Rechtsverordnung entstammt, sondern einer Verordnung der EU. Es entsteht dann ein unionsrechtsakzessorisches Blankettstrafgesetz. Dieser zweite Anwendungsbereich der Rückverweisungstechnik soll im Folgenden vorgestellt werden. Entsprechend der Vorgehensweise im nationalen Kontext wird die Regelungstechnik zunächst dargestellt und werden die verwendeten Verweisungen sowie ihre Wirkung näher analysiert. Sodann sind die Hintergründe zu erläutern, die zu dieser Technik geführt haben. 1. Regelungstechnik Würde man die Technik der Rückverweisung genau so, wie sie im rein nationalen Kontext ausgestaltet ist, auf die strafrechtliche Bewehrung einer unionalen Verhaltensnorm übertragen, müsste der Unionsgesetzgeber in seinem Rechtsakt auf das nationale Blankettstrafgesetz zurückverweisen. Das Schützendübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 314; vgl. BT-Drs. V/1812, 28; 7/550, 194. 147  Satzger, Europäisierung, S. 258. 148  Cornelius, Verweisungsbedingte Akzessorietät, S. 403; Enderle, Blankettstrafgesetze, S. 26; Gürtler/Thoma, in: Göhler, Vor § 1 Rn. 18; Jäger/Ebner, in: Joecks/ Jäger/Randt, § 381 AO Rn. 7; Rutkowski, in: Buddendiek/Rutkowski, Lexikon des Nebenstrafrechts, Stichwort Rückverweisung; Schützendübel, Bezugnahme auf EUVerordnungen, S. 314 f.; vgl. BT-Drs. VI/3250, 184; 7/550, 194; BMJV, Handbuch des Nebenstrafrechts, Rn. 398.



IV. Unionsrechtsakzessorische Rückverweisungstechnik49

ist praktisch nicht möglich, weil er dann auf die Strafgesetze sämtlicher Mitgliedstaaten Bezug nehmen müsste.149 Stattdessen wird für die Zwecke der Rückverweisung der nationale Verordnungsgeber eingeschaltet. Das Blankettgesetz ist dann so formuliert: § x Parlamentsgesetz: „Mit … wird bestraft/Ordnungswidrig handelt, wer einer unmittelbar geltenden Vorschrift in Rechtsakten der Europäischen Union150 zuwiderhandelt, soweit eine Rechtsverordnung nach § y/Abs. y/S. y für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift/Bußgeldvorschrift verweist.“ § y/Abs. y/S. y Parlamentsgesetz: „Die Bundesregierung/Das Bundesministerium wird ermächtigt, soweit dies zur Durchsetzung der Rechtsakte der Europäischen Union erforderlich ist, durch Rechtsverordnung die Tatbestände zu bezeichnen, die als Straftat nach § x zu ahnden sind/als Ordnungswidrigkeit nach § x geahndet werden können.“

Beispiele für unionsrechtsakzessorische Blankettgesetze mit Rückverweisungsklausel sind im Strafrecht § 27 Abs. 1 Nr. 3 ChemG, § 58 Abs. 3 Nr. 2 LFGB oder § 48 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 WeinG.151 Aus dem Ordnungswidrigkeitenrecht genannt werden kann § 382 Abs. 1 AO, § 26 Abs. 1 Nr. 11 ChemG oder § 32 Abs. 2 Nr. 8 TierGesG. Weitere Beispiele finden sich im Anhang der Arbeit. Der parlamentarische Gesetzgeber erlässt hier ein Blankettgesetz, dessen Tatbestand durch unmittelbar geltendes Unionsrecht ausgefüllt werden soll. Gemeint sind damit EU-Verordnungen, für die Art. 288 Abs. 2 AEUV die unmittelbare Geltung anordnet.152 Das schließt auch diejenigen Verordnungen ein, die als delegierte Verordnungen (Art. 290 AEUV) oder als Durchführungsverordnungen (Art. 291 Abs. 2 AEUV) erlassen werden.153 Vereinzelt ist der Wortlaut des Blankettgesetzes ausdrücklich auf eine dieser spe­ 149  Satzger, Europäisierung, S. 262; Schützendübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S.  244 f. 150  Zumeist wird daneben zusätzlich auf Rechtsakte der EG Bezug genommen, deren Rechtsnachfolgerin die EU ist (Art. 1 Abs. 3 S. 3 EUV). 151  In diesen Gesetzen wird zusätzlich eine Entsprechungsklausel verwendet, dazu unten S. 69 ff. 152  Schützendübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 242. Sofern dies., ebd. auch auf EU-Richtlinien abstellt, die wiederum auf EU-Verordnungen Bezug nehmen, erschließt sich dies nicht. Die Vorschrift einer Richtlinie darf der nationale Verordnungsgeber in der rückverweisenden Vorschrift nicht bezeichnen, weil diese nicht unmittelbar zulasten des Einzelnen gelten kann (vgl. EuGH C-168/95, Slg. 1996, I-4705 Rn. 36 f. – „Arcaro“), die Vorschrift einer EU-Verordnung darf er dagegen selbstverständlich auch dann bezeichnen, wenn diese von einer Richtlinie in Bezug genommen wird. 153  Auf Durchführungsverordnungen verweisen zum Beispiel §§  10, 12–18 LMRStV (als rückverweisende Vorschriften zu Blankettgesetzen des LFGB) oder ­ § 44 Abs. 2 LuftVO (als rückverweisende Vorschrift zu § 58 Abs. 1 Nr. 13 LuftVG).

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A. Grundlagen der Rückverweisungstechnik

ziellen Verordnungsformen bezogen. So fordern § 56 Abs. 1a KWG und § 120 Abs. 2 Nr. 16 WpHG ein Handeln entgegen „einer unmittelbar geltenden Vorschrift in delegierten Rechtsakten der Europäischen Union“. In diesem Fall können ausschließlich delegierte EU-Verordnungen den Tatbestand ausfüllen. Fehlt eine entsprechende Begrenzung im Wortlaut des Blankettgesetzes, bedeutet das aber umgekehrt nicht, dass nur Rechtsakte erfasst sind, die nicht delegierter Art sind. Vielmehr sind dann alle Formen von EU-Verordnungen gemeint. Die konkreten unionsrechtlichen Vorschriften, für deren Zuwiderhandeln Strafe angedroht werden soll, bezeichnet der Gesetzgeber nicht, sondern überlässt dies dem nationalen Verordnungsgeber. Dieser wird dazu ermächtigt, eine Rechtsverordnung zu erlassen, in der er die jeweils sanktionsbewehrten unionsrechtlichen Vorschriften genau bezeichnet und für sie auf das Blankettgesetz zurückverweist. Erst durch den Rückverweis in der Rechtsverordnung werden die unionsrechtlichen Vorschriften konkret mit dem Blankettgesetz verschaltet und damit zu dessen Ausfüllungsobjekt. Er lautet regelmäßig: § a Rechtsverordnung: „Nach § x [des Blankettstrafgesetzes] wird bestraft/Ordnungswidrig im Sinne des § x [des Blankettordnungswidrigkeitengesetzes] handelt, wer gegen die Verordnung (EU) … verstößt, indem er entgegen Artikel … [Handlung] vornimmt.“

Die Ermächtigung des Verordnungsgebers steht meist in unmittelbarem Anschluss an das Blankettgesetz,154 teils aber auch in einer separaten Vorschrift.155 Dass der Verordnungsgeber hiernach ermächtigt wird, die unionsrechtlichen Vorschriften zu „bezeichnen“, umfasst auch die Befugnis, die in der Rechtsverordnung einmal vorgenommene Bezeichnung zu ändern. Dies wird relevant, wenn sich das Unionsrecht, auf das der Verordnungsgeber verwiesen hat, hinterher ändert. Zum Teil ist dieser Aspekt in einer weiteren Ermächtigung gesondert festgehalten. So ist es dem Verordnungsgeber nach § 53 Abs. 2 WeinG erlaubt, „in den von ihm auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen Verweisungen auf Vorschriften in Rechtsakten der […] Europäischen Union zu ändern, soweit es zur Anpassung an Änderungen dieser Vorschriften erforderlich ist“.156 Derartige Ermächtigungen haben aber nur klarstellende Bedeutung.157 Bereits die Ermächtigung zum Erlass der

154  Vgl. BMJV, Handbuch des Nebenstrafrechts, Rn. 454. So zum Beispiel in § 27 Abs. 1 Nr. 3 S. 2 ChemG. 155  So zum Beispiel in § 62 LFGB, § 51 WeinG. 156  Weitere Beispiele sind § 15 Abs. 2 Nr. 1 DüG, § 70 Abs. 6 LFGB, § 12 Abs. 2 MilchMarG, § 8 Abs. 3 RiFlEtikettG. 157  Schützendübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 291.



IV. Unionsrechtsakzessorische Rückverweisungstechnik51

Rechtsverordnung erlaubt auch Änderungen hieran.158 Würde also § 53 Abs. 2 WeinG gestrichen, dürfte der Verordnungsgeber dennoch – aufgrund der Ermächtigung zur Bezeichnung des zu bewehrenden Unionsrechts in § 51 WeinG – die von ihm vorgenommenen Verweisungen auf Unionsrecht ändern. Grafisch lässt sich die Regelungstechnik wie folgt darstellen:

Abweichend von der bislang dargestellten Technik liefert manchmal schon das Blankettgesetz selbst eine grobe Beschreibung des tatbestandsmäßigen Verhaltens. Es ist dann nach folgendem Schema gefasst:159 § x Parlamentsgesetz: „Mit … wird bestraft/Ordnungswidrig handelt, wer entgegen einer unmittelbar geltenden Vorschrift in Rechtsakten der Europäischen Union [Handlung] vornimmt, soweit eine Rechtsverordnung nach § y/Abs. y/S. y für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift/Bußgeldvorschrift verweist.“

Diese Konstruktionen findet sich aber nur selten, beispielsweise in § 49 S. 1 Nr. 6 WeinG. Möglich ist auch, dass das Blankettgesetz bereits auf eine konkrete EUVerordnung Bezug nimmt. Der nationale Verordnungsgeber ist dann, wenn er die zu bewehrenden unionsrechtlichen Vorschriften bezeichnet und für sie auf das Blankettgesetz zurückverweist, auf die Vorschriften aus der genannten EU-Verordnung beschränkt. § x Parlamentsgesetz: „Mit … wird bestraft/Ordnungswidrig handelt, wer einer Vorschrift der Verordnung (EU) … zuwiderhandelt, soweit eine Rechtsverordnung nach § y/Abs. y/S. y für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift/ Bußgeldvorschrift verweist.“

158  Vgl.

Uhle, in: Kluth/Krings, Gesetzgebung, § 24 Rn. 100. Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 248 f. nennt dies das Substitutionsmodell, weil bereits im Gesetz bestimmte Tatobjekte und Tathandlungen aufgezählt werden. 159  Schützendübel,

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A. Grundlagen der Rückverweisungstechnik

Auch dies ist aber nur selten anzutreffen. Ein Beispiel ist § 8 Abs. 1 Nr. 1 lit. b, Nr. 2 lit. b, Nr. 4 lit. b FPersG.160 In jedem Fall entsteht durch die Bezugnahme auf Unionsrecht ein unionsrechtsakzessorisches Blankettgesetz. Sein genauer Inhalt ergibt sich erst aus dem Zusammenspiel von drei Ebenen: dem Parlamentsgesetz, der nationalen Rechtsverordnung und der EU-Verordnung. Im Vergleich zur nationalrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik ist die dem Verordnungsgeber zukommende Aufgabe von geringerem Umfang. Während er dort zur Ausfüllung des Blankettstrafgesetzes zwei Schritte unternehmen muss (erstens ein Ge- oder Verbot erlassen und zweitens für dieses zurückverweisen),161 fällt nun lediglich einer dieser Schritte an. Das Geoder Verbot wird bereits vom unionalen Gesetzgeber erlassen. Aufgabe des nationalen Verordnungsgebers ist es nur noch, hierfür auf das Blankettgesetz zurückzuverweisen. 2. Nähere Analyse der verwendeten Verweisungen Untersucht man die im Rahmen der unionsrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik verwendeten Verweisungen näher, kann zunächst auf die entsprechenden Ausführungen im nationalen Kontext Bezug genommen werden.162 Das Blankettgesetz enthält demnach eine konstitutive, halb-explizite, dynamische und pauschale Außenverweisung auf nationale Rechtsverordnungen. Im Unterschied zu nationalrechtsakzessorischen Blankettgesetzen ist diese freilich nicht im Tatbestand enthalten; dort wird schließlich auf Unions­ recht verwiesen. Die Verweisung findet sich stattdessen in der Rückverweisungsklausel („soweit eine Rechtsverordnung nach § y/Abs. y/S. y für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift/Bußgeldvorschrift verweist“). Der Rückverweis in der Rechtsverordnung auf das Blankettgesetz ist wiederum konstitutiv, voll-explizit und dynamisch. In seinem Tatbestand enthält das Blankettgesetz – in Gestalt der Bezugnahme auf Unionsrecht – eine Verweisung, die sich im rein nationalen Kontext nicht findet („wer einer unmittelbar geltenden Vorschrift in Rechtsakten der Europäischen Union zuwiderhandelt“). Es handelt sich um eine halbexplizite Außenverweisung auf Unionsrecht. Da sie nicht auf eine einzelne

160  Ferner § 9 Abs. 1 EU-FahrgRBusG, wo in der in Bezug genommenen Ermächtigung auf eine konkrete EU-Verordnung verwiesen wird. 161  Oben S. 29. 162  Oben S. 31 ff.



IV. Unionsrechtsakzessorische Rückverweisungstechnik53

unionale Vorschrift beschränkt ist, ist sie zudem pauschal ausgestaltet.163 Zugleich verweist sie dynamisch. Eine statische Inbezugnahme wäre zwar – im Gegensatz zur Verweisung auf nationale Rechtsverordnungen – logisch möglich, doch spricht ihr pauschaler Charakter sowie der Sinn der Regelungstechnik für eine Dynamik.164 Es soll mit dem Blankettgesetz nämlich, darauf ist später näher einzugehen,165 eine schnelle Anpassung an geändertes Unionsrecht ermöglicht werden. Auch wenn die Verweisung im Blankettgesetz ausnahmsweise auf eine bereits konkret bezeichnete EU-Verordnung bezogen ist, folgt daraus kein statischer Charakter.166 Vielmehr deutet der Sinn der Regelung wiederum auf eine dynamische Verweisung hin. Die nationale Rechtsverordnung enthält, indem sie die konkrete zu bewehrende Vorschrift der EU-Verordnung bezeichnet, eine Weiterverweisung auf Unionsrecht („wer gegen die Verordnung (EU) … verstößt, indem er entgegen Artikel … [Handlung] vornimmt“). Sie ist eine voll-explizite Außenverweisung. Nicht auf den ersten Blick ersichtlich ist hingegen, ob die Verweisung statischer oder dynamischer Art ist. Regelmäßig nennt die Rechtsverordnung das Datum, an dem die EU-Verordnung erlassen wurde, und deren Fundstelle im Verkündungsorgan, so zum Beispiel in § 17 ChemSanktionsV (als rückverweisende Vorschrift zu § 27 Abs. 1 Nr. 3 ChemG). Diese Angaben sprechen für eine statische Verweisung.167 Denn ohne weitere Anhaltspunkte muss der Normadressat Datum und Fundstellennachweis so verstehen, dass er ausschließlich an der genannten Stelle nachschauen muss, um den Verweisungsinhalt ermitteln zu können.168 Das gilt erst recht, wenn, wie etwa in § 6 Abs. 2 KmV (als rückverweisende Vorschrift zu § 58 Abs. 3 Nr. 1 LFGB), zusätzlich angegeben wird, wann die EU-Verordnung zuletzt geändert worden ist.

163  Satzger, Europäisierung, S. 281; vgl. ders., in: Sieber/Satzger/von HeintschelHeinegg, Europäisches Strafrecht, § 9 Rn. 28; vgl. Krey, EWR 1981, 109, 196. 164  Schützendübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 242; vgl. Satzger, Europäisierung, S. 281. 165  Unten S. 66 f. 166  Entgegen Schützendübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 253. Das von dieser als Beispiel genannte Blankettordnungswidrigkeitengesetz des § 8 Abs. 1 Nr. 1 lit. b, Nr. 2 lit. b, Nr. 4 lit. b FPersG verweist nicht statisch, sondern dynamisch, wie sich aus § 2 Nr. 1, 2 FPersG ausdrücklich ergibt. 167  Krey, EWR 1981, 109, 153; vgl. BGH 5 StR 532/16, NJW 2017, 966 Rn. 16; BMJV, Handbuch des Nebenstrafrechts, Rn. 449; Satzger, Europäisierung, S. 217; einschränkend Debus, Verweisungen, S.  63 f. 168  Eine andere Interpretation ist jedenfalls im Strafrecht mit dem Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG unvereinbar, dahingehend Ernst, Blankettstrafgesetze, S. 30.

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A. Grundlagen der Rückverweisungstechnik

Zum Teil wird auch an zentraler Stelle der nationalen Rechtsverordnung für alle in ihr enthaltenen Verweisungen festgelegt, auf welche Fassung verwiesen wird. Beispielsweise bestimmen § 19 LMRStV (als rückverweisende Verordnung zu Blankettgesetzen im LFGB) oder § 11 WeinSBV (als rückverweisende Verordnung zu Blankettgesetzen im WeinG), dass sich alle Verweisungen auf Rechtsakte der EU, die in der Rechtsverordnung enthalten sind, auf diejenigen Fassungen beziehen, die in einer Anlage angegeben sind. In den Anlagen werden die relevanten EU-Verordnungen mit Datum ihres Erlasses und Fundstelle zitiert und damit statisch in Bezug genommen. Im Ergebnis ist die Weiterverweisung in der nationalen Rechtsverordnung auf Unionsrecht daher immer statisch.169 Oft verweist auch die durch die Rechtsverordnung in Bezug genommene unionale Vorschrift ihrerseits nochmals weiter auf eine andere Vorschrift derselben EU-Verordnung. Dies geschieht durch eine voll-explizite Binnenverweisung, die als solche dynamischen Charakter hat. 3. Wirkung der Verweisung auf die EU-Verordnung Geklärt werden soll nun, wie die Verweisung auf unmittelbar geltendes Unionsrecht im Tatbestand des Blankettstrafgesetzes wirkt. Dies ist notwendig, weil sich daraus Konsequenzen für den verfassungsrechtlichen Maßstab und die verfassungsrechtliche Prüfung ergeben werden. Die formale Wirkung der Verweisung gleicht derjenigen einer Verweisung auf nationale Rechtsverordnungen: Der Inhalt der in Bezug genommenen Vorschrift der EU-Verordnung wird – über den Umweg der genauen Bezeichnung durch die rückverweisende nationale Rechtsverordnung – formal Bestandteil des Blankettstrafgesetzes.170 Er rückt insoweit in den Rang natio­ nalen Bundesrechts. Außerhalb des strafrechtlichen Anwendungsbereichs gilt die Vorschrift dagegen selbstverständlich allein als Teil des Unionsrechts. Der Begriff „unionsrechtsakzessorisches Blankettstrafgesetz“ impliziert bereits, dass in materieller Hinsicht die nationale Sanktionsnorm an die unions­rechtliche Verhaltensnorm anknüpft, ohne ein eigenes strafrechtliches Ge- oder Verbot im nationalen Recht zu statuieren. Diese fehlende Normbe169  I. Erg. auch LG Berlin (572) 242 AR 27/12 NS (82/12), NZWiSt 2016, 112, 116; Schützendübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 243, 246; in diesem Sinne wohl auch Heger, in: Böse, Europäisches Strafrecht, § 5 Rn. 76. 170  Ambos, Internationales Strafrecht, § 11 Rn. 31; Diversy/Köpferl, in: GJW, Vor §§ 38, 39 WpHG Rn. 7, 27; Honstetter, Lebensmittel(straf)rechtlicher Gesundheitsschutz, S. 128; Krey, EWR 1981, 109, 151; Satzger, Europäisierung, S. 230; ders., in: Sieber/Satzger/von Heintschel-Heinegg, Europäisches Strafrecht, § 9 Rn. 23.



IV. Unionsrechtsakzessorische Rückverweisungstechnik55

fehlsverdoppelung wurde für nationalrechtsakzessorische Blankettstrafgesetze bereits gezeigt.171 Der phänomenologischen Ähnlichkeit nach müsste der Befund auf unionsrechtsakzessorische Blankettstrafgesetze übertragbar sein. Allerdings kann hierzu argumentativ nicht auf den Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung abgestellt werden, weil mit der nationalen und der unionalen Rechtsordnung gerade zwei verschiedene Rechtsordnungen betroffen sind.172 Doch stehen auch diese beiden Rechtsordnungen nicht streng getrennt nebeneinander, sondern versuchen wie im innerstaatlichen Bereich, gegenseitige Widersprüche zu vermeiden. Das zeigt sich am Vorrang des Unionsrechts und an der Pflicht der Mitgliedstaaten aus Art. 4 Abs. 3 EUV, alle Maßnahmen zu unterlassen, die die Verwirklichung der Ziele der Union gefährden könnten.173 Auch Verweisungen auf EU-Verordnungen führen damit zu einem akzessorischen Gebilde; es kommt nicht zu einer Normbefehlsverdoppelung.174 Dies gilt selbst dann, wenn bereits das Blankettstrafgesetz das unter Strafe gestellte Verhalten grob umschreibt. Allein hierin liegt noch keine fertige Verhaltensnorm, schließlich beschreibt das Verweisungsobjekt das geoder verbotene Verhalten regelmäßig viel genauer.175 Das entstandene Konstrukt einer nationalen Norm, die im Umfang der Verweisung unionsrechtlich geprägt ist, kann mit Satzger als „janusköpfige“ Norm beschrieben werden.176 Aus der akzessorischen Ausgestaltung lassen sich Regeln zur Behandlung des Blankettstrafgesetzes ableiten. Weil das Verweisungsobjekt materiell Teil des Unionsrecht bleibt, muss es nach unionsrechtlichen Grundsätzen ausgelegt werden.177 Das bedeutet, dass der effet utile178 und alle verbindlichen Sprachfassungen der EU-Verordnung berück171  Oben

S. 42 ff. Europäisierung, S. 231; ders., Internationales und Europäisches Strafrecht, § 9 Rn. 64. 173  Satzger, Europäisierung, S. 231. 174  Satzger, Europäisierung, S. 231 f.; vgl. Bülte/Müller, NZG 2017, 205, 210. 175  Vgl. BMJV, Handbuch des Nebenstrafrechts, Rn. 146. 176  Satzger, Europäisierung, S. 233; ders., in: Sieber/Satzger/von Heintschel-Heinegg, Europäisches Strafrecht, § 9 Rn. 23; zustimmend Ambos, Internationales Strafrecht, § 11 Rn. 30; Cornelius, Verweisungsbedingte Akzessorietät, S. 380; Hecker, Europäisches Strafrecht, Kap. 7 Rn. 60. 177  Ambos, Internationales Strafrecht, § 11 Rn. 31; Diversy/Köpferl, in: GJW, Vor §§ 38, 39 WpHG Rn. 27; Hecker, Europäisches Strafrecht, Kap. 7 Rn. 60; Satzger, Europäisierung, S. 233; ders., in: Sieber/Satzger/von Heintschel-Heinegg, Europäisches Strafrecht, § 9 Rn. 23; Schützendübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 69; Schuster, Strafnormen und Bezugsnormen, S. 326 f.; Trüg, in: Achenbach/Ransiek/Rönnau, Teil 10 Kap. 2 Rn. 17. 178  EuGH C-437/97, Slg. 2000, I-1157 Rn. 41 – „EKW und Wein & Co.“; Cornelius, Verweisungsbedingte Akzessorietät, S. 389; Pauka/Link/Armenat, WM 2017, 172  Satzger,

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A. Grundlagen der Rückverweisungstechnik

sichtigt werden müssen.179 Bestehen Unklarheiten bei der Auslegung kann – und gegebenenfalls muss – die Meinung des EuGH im Wege des Vorabent­ scheidungsverfahrens nach Art. 267 AEUV eingeholt werden.180 4. Gründe für die unionsrechtsakzessorische Rückverweisungstechnik Im Rahmen der unionsrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik s­ pielen mit dem nationalen Gesetz, der nationalen Rechtsverordnung und der EU-Verordnung drei verschiedene Ebenen zusammen. Das führt zu der Frage, warum der Gesetzgeber diese umständliche Regelungstechnik wählt. Um sie zu beantworten, ist in einem ersten Schritt zu klären, warum Blankettgesetze im Allgemeinen zur Bewehrung von Vorschriften in EU-Verordnungen eingesetzt werden (dazu a)). In einem zweiten Schritt ist zu untersuchen, warum diese speziell mit einer Rückverweisungsklausel ausgestattet sind (dazu b)). a) Einsatz der Blankettgesetzgebung zur Bewehrung von Unionsrecht Dass Verstöße gegen EU-Verordnungen durch nationale Blankettgesetze sanktioniert werden, erklärt sich mit der Kompetenzverteilung zwischen EU und Mitgliedstaaten. Der EU steht keine eigene generelle Strafrechtsetzungskompetenz zu (dazu aa)). Strafgesetze müssen daher auf nationaler Ebene erlassen werden. Hierzu sind die Mitgliedstaaten zugleich unionsrechtlich verpflichtet (dazu bb)). In Umsetzung dieser Verpflichtung greift der Mitgliedstaat zur Blanketttechnik, weil sie die effektivste Lösung bietet (dazu cc)). aa) Keine (generelle) Kompetenz der EU zur Strafrechtsetzung Ein nationales Blankettstrafgesetz wäre nicht erforderlich, wenn die EU die von ihr erlassenen Verhaltensnormen mit eigenen Sanktionsnormen flankieren könnte. Entsprechende Sanktionsnormen müsste sie in Form einer EU-Verordnung erlassen, da nur Verordnungen nach Art. 288 Abs. 2 S. 2 2092, 2093; Satzger, in: Sieber/Satzger/von Heintschel-Heinegg, Europäisches Strafrecht, § 9 Rn. 23. 179  Diversy/Köpferl, in: GJW, Vor §§ 38, 39 WpHG Rn. 27; Esser, in: Hilgendorf/ Kudlich/Valerius, Handbuch des Strafrechts, Bd. 6, § 64 Rn. 132; Satzger, Europäisierung, S. 233; ders., in: Sieber/Satzger/von Heintschel-Heinegg, Europäisches Strafrecht, § 9 Rn. 23; ders./Langheld, HRRS 2011, 460, 464; Schuster, Strafnormen und Bezugsnormen, S. 327; vgl. OLG Stuttgart 1 Ss 142/12, NZWiSt 2014, 301, 302. 180  Harms/Heine, in: FS Amelung, 393, 410; Satzger, Europäisierung, S. 233.



IV. Unionsrechtsakzessorische Rückverweisungstechnik57

AEUV in allen Mitgliedstaaten unmittelbar gelten.181 Solch originäres supranationales Unionsstrafrecht existiert jedoch bisher nicht.182 Ob die EU überhaupt eine Rechtsetzungskompetenz hierzu innehat, ist umstritten. Überwiegend wird zumindest Art. 325 Abs. 4 AEUV eine derartige Kompetenz entnommen,183 zum Teil auch Art. 33 AEUV184 und Art. 79 Abs. 2 lit. c, d AEUV.185 Damit wäre der Erlass supranationalen Strafrechts zwar möglich, dies jedoch nur in einzelnen Bereichen. Im erstgenannten Beispiel wäre es etwa insoweit zulässig, als es um Betrügereien geht, die sich gegen die finanziellen Interessen der Union richten. Eine generelle Strafrechtsetzungskompetenz steht der EU, insoweit unstrittig, jedenfalls nicht zu.186 In Bezug auf Sanktionen ohne kriminalstrafrechtlichen Charakter, insbesondere Geldbußen, ergibt sich ein ähnliches Bild. Es bestehen zwar einzelne Kompetenzen; zum Beispiel kann die EU gemäß Art. 103 Abs. 2 lit. a AEUV Geldbußen im Bereich des Kartellrechts androhen.187 Wiederum aber fehlt es an einer generellen Kompetenz. 181  Zöller,

ZIS 2009, 340, 341. in: Sch/Sch, Vor § 1 Rn. 25; Weißer, in: Schulze/Janssen/Kadelbach,

182  Hecker,

§ 16 Rn. 24. 183  Ambos, Internationales Strafrecht, § 9 Rn. 22; Hecker, Europäisches Strafrecht, Kap. 4 Rn. 70; Langbauer, Strafrecht vor den Unionsgerichten, S. 101 f.; Plump, Europäisches Strafrecht, S. 421 ff.; Reinbacher, Mehrebenensystem, S. 458 ff.; Safferling, Internationales Strafrecht, § 10 Rn. 41 f.; Satzger, Internationales und Europäisches Strafrecht, § 8 Rn. 21 f.; ders., in: Streinz, Art. 325 Rn. 27; Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht, Rn. 114; a. A. Aksungur, Europäische Strafrechtsetzungskompetenzen, S.  414 ff.; Bechtel, ZStW 133 (2021), 1049, 1053 ff.; Böse, in: Böse, Europäisches Strafrecht, § 4 Rn. 24; Schützendübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 29 f.; Sturies, HRRS 2012, 273, 278 ff. 184  Reinbacher, Mehrebenensystem, S. 466; Safferling, Internationales Strafrecht, § 10 Rn. 43; Satzger, Internationales und Europäisches Strafrecht, § 8 Rn. 22; a. A. Böse, in: Böse, Europäisches Strafrecht, § 4 Rn. 25; Bechtel, ZStW 133 (2021), 1049, 1059; Dorra, Strafrechtliche Legislativkompetenzen, S. 290; Plump, Europäisches Strafrecht, S.  449 f. 185  Reinbacher, Mehrebenensystem, S. 467  ff.; Safferling, Internationales Strafrecht, § 10 Rn. 44 ff.; Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht, Rn. 117; a. A. Ambos, Internationales Strafrecht, § 9 Rn. 23; Böse, in: Böse, Europäisches Strafrecht, § 4 Rn. 25; Dorra, Strafrechtliche Legislativkompetenzen, S. 290; Plump, Europäisches Strafrecht, S.  448 f. 186  Aksungur, Europäische Strafrechtsetzungskompetenzen, S. 418; Hecker, Europäisches Strafrecht, Kap. 4 Rn. 58, 60. 187  Ambos, Internationales Strafrecht, § 9 Rn. 21; Cornelius, Verweisungsbedingte Akzessorietät, S. 374 f. Zur Abgrenzung von Kriminalstrafrecht und anderen Sanktionen vgl. Satzger, Europäisierung, S. 72 ff.; ders., Internationales und Europäisches Strafrecht, § 8 Rn. 9.

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A. Grundlagen der Rückverweisungstechnik

Die EU kann nach derzeitiger Rechtslage also nur sehr eingeschränkt unmittelbar anwendbare Sanktionsnormen setzen. Damit ist bereits erklärt, warum Verstöße gegen EU-Verordnungen nicht auf unionaler Ebene sanktioniert werden. Die EU ist insoweit vielmehr auf die Mitwirkung der Mitgliedstaaten angewiesen.188 bb) Pflichten der Mitgliedstaaten zur Sanktionierung von Unionsrecht Dabei muss die EU jedoch nicht auf das Wohlwollen der Mitgliedstaaten vertrauen. Die Mitgliedstaaten können nämlich verpflichtet sein, ihr Strafrecht zu unionsrechtlichen Zwecken einzusetzen. Derartige Pflichten ergeben sich zum einen unmittelbar aus dem Primärrecht, nämlich aus dem Loyalitätsgebot gemäß Art. 4 Abs. 3 EUV, zum anderen aus sekundärrechtlichen Richtlinien, die auf Art. 83 AEUV gestützt werden. (1) Art. 4 Abs. 3 EUV Nach Art. 4 Abs. 3 EUV sind EU und Mitgliedstaaten zur loyalen Zusammenarbeit verpflichtet. Gestützt auf diese Vorschrift hat der EuGH in der Entscheidung „Griechischer Mais“ Vorgaben entwickelt, wie Interessen der EU durch die nationalen Rechtsordnungen geschützt werden müssen,189 die er seitdem in ständiger Rechtsprechung bestätigt.190 Sieht eine unionsrecht­ liche Vorschrift bei Verstößen gegen sie keine Sanktionen vor oder verweist insoweit auf die nationalen Rechts- und Verwaltungsvorschriften, sind die Mitgliedstaaten „verpflichtet, alle geeigneten Maßnahmen zu treffen, um die Geltung und die Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts zu gewährleisten“.191 Verstöße müssen „nach ähnlichen sachlichen und verfahrensrechtlichen Regeln geahndet werden wie nach Art und Schwere gleichartige Verstöße gegen nationales Recht“, in jedem Fall müssen die Sanktionen „wirksam, verhältnismäßig und abschreckend“ sein.192

Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 30. C-68/88, Slg. 1989, 2965 Rn. 23 f. – „Griechischer Mais“. 190  EuGH C-326/88, Slg. 1990, I-2911 Rn. 17 – „Hansen“; C-7/90, Slg. 1991, I-4371 Rn. 11 – „Vandevenne u. a.“; C-341/94, Slg. 1996, I-4631 Rn. 24 – „Allain“; C-186/98, Slg. 1999, I-4883 Rn. 14 – „Nunes und de Matos“; C-387/02 u. a., Slg. 2005, I-3565 Rn. 53, 65 – „Berlusconi u. a.“; C-565/12, NJW 2014, 1941 Rn. 44 – „LCL Le Crédit Lyonnais“; C-102/16, DAR 2018, 73 Rn. 55 – „Vaditrans“. 191  EuGH C-68/88, Slg. 1989, 2965 Rn. 23 – „Griechischer Mais“. 192  EuGH C-68/88, Slg. 1989, 2965 Rn. 24 – „Griechischer Mais“. 188  Schützendübel, 189  EuGH



IV. Unionsrechtsakzessorische Rückverweisungstechnik59

Damit besteht zum einen ein Gleichstellungsgebot der Sanktionierung von Verstößen gegen nationales und unionales Recht.193 Wird ein nationales Rechtsgut durch Sanktionsvorschriften geschützt, muss der Mitgliedstaat ähnliche Vorschriften zum Schutz eines auf EU-Ebene existierenden vergleichbaren Rechtsguts treffen.194 Zum anderen werden mit der Mindest­ trias195 „wirksam, verhältnismäßig und abschreckend“ inhaltliche Vorgaben gemacht. Sie können einen Mitgliedstaat auch dann zum Handeln zwingen, wenn für vergleichbare Verstöße im nationalen Recht keine oder keine ausreichende Sanktion angedroht ist und das Gleichstellungsgebot daher leerläuft.196 Für das Strafrecht ergeben sich daraus keine unmittelbaren Vorgaben. Die Wahl der Sanktionsart bleibt, was auch der EuGH betont, bei den Mitgliedstaaten;197 es müssen nicht notwendig strafrechtliche Sanktionen geschaffen werden.198 Mittelbar kann sich im Einzelfall gleichwohl eine Pflicht ergeben, das Strafrecht einzusetzen: Mit Blick auf das Gleichstellungsgebot ist dies zunächst denkbar, wenn gleichartige Verstöße gegen na­ tionales Recht unter Strafe stehen.199 Freilich bleibt es dem Mitgliedstaat in diesem Fall immer noch möglich, die Ungleichbehandlung in die andere Richtung auflösen: Er könnte die Verstöße im nationalen Recht nicht mehr strafrechtlich, sondern etwa nur noch verwaltungsrechtlich ahnden.200 Eine echte Pflicht zum Einsatz des Strafrechts entsteht aber jedenfalls mit Blick auf die Mindesttrias, wenn die Wirksamkeit des Unionsrecht nicht anders als

193  Hecker, Europäisches Strafrecht, Kap. 7 Rn. 27, 43; Satzger, Europäisierung, S. 336. 194  Hecker, Europäisches Strafrecht, Kap. 7 Rn. 43 f.; vgl. Gröblinghoff, Verpflichtung des deutschen Strafgesetzgebers, S. 23 f. 195  Gröblinghoff, Verpflichtung des deutschen Strafgesetzgebers, S. 13. 196  Ambos, Internationales Strafrecht, § 11 Rn. 42; Gröblinghoff, Verpflichtung des deutschen Strafgesetzgebers, S. 24 f.; Hecker, Europäisches Strafrecht, Kap. 7 Rn. 47. 197  EuGH C-68/88, Slg. 1989, 2965 Rn. 24 – „Griechischer Mais“; C-326/88, Slg. 1990, I-2911 Rn. 17 – „Hansen“; C-7/90, Slg. 1991, I-4371 Rn. 11 – „Vandevenne u. a.“; C-341/94, Slg. 1996, I-4631 Rn. 24 – „Allain“; C-565/12, NJW 2014, 1941 Rn. 44 – „LCL Le Crédit Lyonnais“; C-102/16, DAR 2018, 73 Rn. 55 – „Vaditrans“. 198  Braum, Europäische Strafgesetzlichkeit, S. 202; Krach, Europäisierung, S. 121; Schützendübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 33; Zöller, ZIS 2009, 340, 343. 199  Aksungur, Europäische Strafrechtsetzungskompetenzen, S. 82; Gröblinghoff, Verpflichtung des deutschen Strafgesetzgebers, S. 14, 28; Heise, Europäisches Gemeinschaftsrecht, S. 198; Satzger, Europäisierung, S. 336. 200  Aksungur, Europäische Strafrechtsetzungskompetenzen, S.  82 Fn. 231; vgl. Langheld, Vielsprachige Normenverbindlichkeit, S. 211 Fn. 615; Satzger, Europäisierung, S. 380.

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A. Grundlagen der Rückverweisungstechnik

durch das Strafrecht gewährleistet werden kann.201 Letzteres nimmt der EuGH beispielsweise in Fällen schweren Mehrwertsteuerbetrugs an.202 Die Sanktionierungspflicht aus Art. 4 Abs. 3 EUV richtet sich nur an die Mitgliedstaaten, der Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit wird damit nicht zur Kompetenznorm.203 In Sekundärrechtsakten kann jedoch deklaratorisch auf die Pflicht hingewiesen werden.204 Dies geschieht in Verordnungen und Richtlinien regelmäßig. Beispielsweise müssen die Mitgliedstaaten nach Art. 17 Abs. 2 UAbs. 3 VO (EG) Nr. 178/2002 für Verstöße gegen das (durch diese und andere Verordnungen) geregelte Lebensmittel- und Futtermittelrecht wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen festlegen. Dem ist der deutsche Gesetzgeber (unter anderem) nachgekommen, indem er das unionsrechtsakzessorische Blankettstrafgesetz mit Rückverweisungsklausel in § 58 Abs. 3 LFGB erlassen hat.205 Engere Vorgaben als die aus Art. 4 Abs. 3 EUV folgenden können in Sekundärrechtsakten freilich nicht gemacht werden.206 Die grundsätzliche Wahlfreiheit hinsichtlich der Sanktionsart bleibt also bei den Mitgliedstaaten. (2) Art. 83 AEUV Schon dem Wortlaut nach auf das Strafrecht und nicht etwa auch auf verwaltungsrechtliche Sanktionen bezogen207 ist dagegen die Strafanweisungskompetenz in Art. 83 AEUV. Danach kann die EU per Richtlinie Mindestvorschriften für Straftatbestände festlegen. Die Mitgliedstaaten sind dann aus Art. 288 Abs. 3 AEUV und aus der Richtlinie selbst verpflichtet, sie im nati-

201  Aksungur, Europäische Strafrechtsetzungskompetenzen, S. 82; Gröblinghoff, Verpflichtung des deutschen Strafgesetzgebers, S. 14, 28 f.; Schützendübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 33. Generell eine Verpflichtung aus Art. 4 Abs. 3 EUV ablehnend aber Moll, Europäisches Strafrecht, S. 209 ff. 202  EuGH C-105/14, NZWiSt 2015, 390 Rn. 39 – „Taricco u. a.“; C-42/17, NJW 2018, 217 Rn. 34 – „M. A.S. und M.B.“. 203  Satzger, Europäisierung, S. 395; Schützendübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 34. 204  Gröblinghoff, Verpflichtung des deutschen Strafgesetzgebers, S. 21, 84 f.; Hütwohl, Weinstrafrecht, S. 192; Satzger, Europäisierung, S. 392, 395; Schützendübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 34, 56 f.; vgl. Hecker, Europäisches Strafrecht, Kap. 8 Rn. 9. Ein solcher Hinweis ist auch in einer Verordnung zulässig, weil auch Verordnungen den Mitgliedstaaten Handlungsspielräume einräumen dürfen, Schützendübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 55 ff. sowie unten S. 140 f. 205  Sackreuther, in: Streinz/Meisterernst, Vor §§ 58 ff. LFGB Rn. 23. 206  Vgl. C. Schröder, Richtlinien, S. 184; Schützendübel, Bezugnahme auf EUVerordnungen, S. 34. 207  Böse, in: Böse, Europäisches Strafrecht, § 4 Rn. 5.



IV. Unionsrechtsakzessorische Rückverweisungstechnik61

onalen Recht umzusetzen.208 Angestrebt wird damit eine Harmonisierung der nationalen Strafrechtsordnungen, genauer gesagt eine Mindestharmonisierung, weil eine überschießende Umsetzung in Form weiter gefasster Tatbestände oder höherer Strafen zulässig ist.209 Während Art. 83 Abs. 1 UAbs. 2 AEUV einzelne Bereiche besonders schwerer Kriminalität mit grenzüberschreitender Dimension aufzählt, in denen Mindestvorschriften möglich sind, sieht Art. 83 Abs. 2 AEUV darüber hinaus eine generelle Annexkompetenz210 für das Strafrecht vor: Wenn in einem bestimmten Bereich bereits nichtstrafrechtliche Harmonisierungsmaßnahmen erfolgt sind, darf die EU dort auch strafrechtliche Vorgaben machen, sofern sie unerlässlich sind für die wirksame Durchführung der entsprechenden Unionspolitik. Grundsätzlich ist ein strafrechtliches Tätigwerden der EU also in jedem Bereich denkbar, in dem sie auch sonstige Harmonisierungsmaßnahmen erlassen darf. cc) Umsetzung mittels Blankettgesetzgebung Die unionsrechtlichen Sanktionierungspflichten erklären, warum das nationale Recht eingesetzt wird, um Unionsrecht zu bewehren. Offen ist aber noch, wieso dies in Gestalt eines Blankettgesetzes – und nicht eines Vollstrafgesetzes – geschieht. (1) Einfachste und effektivste Möglichkeit der Umsetzung Im Rahmen der unionsrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik entstammt die bewehrte Verhaltensnorm einer EU-Verordnung. Die EU-Verordnung gilt gemäß Art. 288 Abs. 2 S. 2 AEUV in jedem Mitgliedstaat unmittelbar, weshalb die Verhaltensnorm nicht erst im nationalen Recht umgesetzt werden muss. Ein Umsetzungsbedarf besteht nur noch für die Sanktionsnorm, das heißt für das Blankettstrafgesetz. Unionsrechtsakzessorische Blankettstrafgesetze erweisen sich für den Mitgliedstaat somit als einfachste Möglichkeit, der Sanktionierungspflicht nachzukommen.211 208  EuGH C-72/95, Slg. 1996, I-5403 Rn. 55 – „Kraaijeveld u. a.“; Ruffert, in: Calliess/Ruffert, Art. 288 AEUV Rn. 24. Hinsichtlich des „Wie“ der Umsetzung wird ergänzend auf Art. 4 Abs. 3 EUV abgestellt, Kahl, in: Calliess/Ruffert, Art. 4 EUV Rn. 119; Streinz, in: Streinz, Art. 4 Rn. 47; vgl. EuGH C-507/04, Slg. 2007, I-5939 – „Kommission/Österreich“. 209  Safferling, Internationales Strafrecht, § 10 Rn. 59; Reinbacher, Mehrebenensystem, S. 474; Satzger, Internationales und Europäisches Strafrecht, § 9 Rn. 47. 210  BVerfG 2 BvE 2/08 u. a., NJW 2009, 2267 Rn. 352; Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht, Rn. 121. 211  Hütwohl, Weinstrafrecht, S. 184.

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A. Grundlagen der Rückverweisungstechnik

Zugleich stellen sie die effektivste Möglichkeit dar: Knüpfte der Mitgliedstaat nämlich nicht akzessorisch mit dem Blankettgesetz an die Verhaltensnorm einer EU-Verordnung an, sondern erließe er ein eigenes nationales Ge- oder Verbot, würde dieses nicht, wie oben beschrieben,212 nach unionalen, sondern nach nationalen Maßstäben ausgelegt. Es bestünde dann die Gefahr, dass das Ge- oder Verbot nicht genau die gleichen Verhaltensweisen erfasst wie sein unionsrechtliches Vorbild, womit der Sanktionierungspflicht nicht genügt wäre. Nebenbei bemerkt ist dieser Umstand, ergänzend zu oben, ein weiteres Indiz dafür, dass infolge der Verweisung auf Unionsrecht materiell kein zweiter, nationaler Normbefehl entsteht.213 Die beschriebene Konstellation einer bereits unmittelbar geltenden unionalen Verhaltensnorm und einer noch zu erlassenden nationalen Sanktionsnorm leuchtet im Zusammenhang mit Art. 4 Abs. 3 EUV ohne Weiteres ein. Im Rahmen des Art. 83 AEUV erscheint sie hingegen zunächst widersprüchlich, weil die EU dort auf das Handlungsinstrument der Richtlinie beschränkt ist und eine Richtlinie gerade keine unmittelbare Geltung hat. Verordnungen können hier jedoch mittelbar Bedeutung erlangen: Die nichtstrafrechtlichen Harmonisierungsmaßnahmen, die erforderlich sind, bevor ein strafrechtliches Tätigwerden nach Art. 83 Abs. 2 AEUV zulässig ist, können nämlich im Wege der Verordnung erfolgt sein. Die strafrechtsharmonisierende Richtlinie kann sich dann auf die in dieser Verordnung enthaltenen Verhaltensnormen beziehen und zu deren strafrechtlicher Flankierung anweisen.214 So hält beispielsweise die auf Art. 83 Abs. 2 AEUV gestützte Marktmissbrauchsrichtlinie (RL 2014/57/EU) die Mitgliedstaaten dazu an, Verstöße gegen das Verbot von Insidergeschäften und Marktmanipulationen zumindest in schweren Fällen und bei Vorsatz unter Strafe zu stellen (Art. 3 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1).215 Dieses Verbot ist an sich bereits in der – unmittelbar geltenden – VO (EU) Nr. 596/2014 enthalten (Art. 14, 15) und dort näher ausgestaltet (Art. 7 ff.). Die Mitgliedstaaten mussten folglich nur in Bezug auf die strafrechtliche Absicherung tätig werden. In Deutschland wurde mit § 119 Abs. 1, 3 WpHG ein Blankettstrafgesetz erlassen, das (in Abs. 1 über Verweis auf das Ordnungswidrigkeitengesetz in § 120 WpHG) auf die Verbotsvorschriften in der EU-Verordnung Bezug nimmt. Im Zusammenhang mit der Rückverweisungstechnik ist diese Konstellation bislang noch nicht konkret relevant geworden. Doch ist es denkbar, dass sie hier in Zukunft in gleicher Weise entsteht. 212  Oben

S. 55 f. Langheld, Vielsprachige Normenverbindlichkeit, S. 94. 214  Schützendübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 53. 215  Freilich unterlag das Kapitalmarktrecht auch schon zuvor zahlreichen unionsrechtlichen Einflüssen. 213  Ähnlich



IV. Unionsrechtsakzessorische Rückverweisungstechnik63

(2) Alternativlose Gesetzestechnik? Die Blankettgesetzgebung ist aber nicht nur der einfachste und effektivste Weg, um Verhaltensnormen einer EU-Verordnung zu bewehren. Ihr Einsatz wird für gewöhnlich sogar als alternativlos angesehen.216 Grund dafür sind Entscheidungen des EuGH, nach denen unmittelbar anwendbare unionsrechtliche Vorschriften im nationalen Recht nicht wiederholt werden dürfen.217 Das basiert auf Erwägungen, die bereits bei Darstellung der akzessorischen Struktur des Blankettgesetzes angeklungen sind. Wiederholte das nationale Recht eine unmittelbar anwendbare Vorschrift, würde deren europarechtliche Herkunft verschleiert und ihre unmittelbare Geltung gefährdet.218 Denn eine Wiederholung provozierte den Eindruck, es werde eine nationale Verhaltensnorm strafbewehrt,219 der ein solcher Anwendungsvorrang nicht mehr zugutekäme.220 In der Konsequenz würde die einheitliche Anwendung des Unionsrechts aufs Spiel gesetzt, weil es in den jeweiligen Mitgliedstaaten zu unterschied­ lichen Auslegungen des Ge- oder Verbots kommen könnte.221 Insbesondere würde nicht mehr der EuGH abschließend über dessen Auslegung entscheiden.222 EU-Verordnungen haben also eine Ausführungssperre zur Folge.223 216  Schützendübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 70; Cornelius, Verweisungsbedingte Akzessorietät, S. 376; ders., NStZ 2017, 682, 684; Ernst, Blankettstrafgesetze, S. 203; Heger, in: Böse, Europäisches Strafrecht, § 5 Rn. 60; Kretschmer, ZIS 2016, 763, 764; Satzger, Internationales und Europäisches Strafrecht, § 9 Rn. 68; ders./ Langheld, HRRS 2011, 460, 461; Schuster, Strafnormen und Bezugsnormen, S. 326. 217  EuGH C-39/72, Slg. 1973, 101 Rn. 16  f. – „Kommission/Italien“; C-34/73, Slg. 1973, 981 Rn. 10 f. – „Fratelli Variola Spa/Amministrazione delle finanze dello Stato“; vgl. EuGH C-50/76, Slg. 1977, 137 Rn. 4/7 – „Amsterdam Bulb“; C-94/77, Slg. 1978, 99 Rn. 22/27 – „Zerbone“. 218  EuGH C-39/72, Slg. 1973, 101 Rn. 17 – „Kommission/Italien“; C-34/73, Slg. 1973, 981 Rn. 11 – „Fratelli Variola Spa/Amministrazione delle finanze dello Stato“; C-50/76, Slg. 1977, 137 Rn. 4/7 – „Amsterdam Bulb“; C-94/77, Slg. 1978, 99 Rn. 22/27 – „Zerbone“; vgl. BMJ, Rechtsförmlichkeit, Rn. 289; Cornelius, Verweisungsbedingte Akzessorietät, S. 376; Satzger, Europäisierung, S. 214, 288 f.; Schuster, Strafnormen und Bezugsnormen, S. 326. 219  Satzger, Europäisierung, S. 289. 220  Ernst, Blankettstrafgesetze, S. 202; Klindt, DVBl 1998, 373, 377; Schützen­ dübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 71. 221  Vgl. EuGH C-39/72, Slg. 1973, 101 Rn. 17 – „Kommission/Italien“; C-50/76, Slg. 1977, 137 Rn. 4/7 – „Amsterdam Bulb“; C-94/77, Slg. 1978, 99 Rn. 22/27 – „Zerbone“; Cornelius, Verweisungsbedingte Akzessorietät, S. 376; Pohlreich, HRRS 2020, 481, 489; Schützendübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 71. 222  Vgl. EuGH C-34/73, Slg. 1973, 981 Rn. 11 – „Fratelli Variola Spa/Amminis­ trazione delle finanze dello Stato“; Klindt, DVBl 1998, 373, 377; vgl. Jähnke/ Schramm, Europäisches Strafrecht, Kap. 5 Rn. 3. 223  Cornelius, Verweisungsbedingte Akzessorietät, S. 376; ders., NStZ 2017, 682, 684; Debus, Verweisungen, S. 285; Jarass/Beljin, NVwZ 2004, 1, 7; dies anerken-

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A. Grundlagen der Rückverweisungstechnik

Dass dies Konsequenzen für den nationalen Strafgesetzgeber hat, bestreiten Harms und Heine. Weil die EU im Strafrecht nur eine Anweisungs- und keine (generelle) Rechtsetzungskompetenz habe, gebe es in Bezug auf das Strafrecht kein unmittelbar geltendes Unionsrecht, das nicht wiederholt werden dürfe.224 Strafrechtliche Gesetzgebung müsse sich zwar an den unionsrechtlichen Vorgaben orientieren, erfolge aber außerhalb der Zuständigkeit der EU. Die Verordnung werde im strafrechtlichen Kontext deshalb „funk­ tional zur Richtlinie“. Ebenso wie eine Richtlinie bei ihrer Umsetzung abgeschrieben werden dürfe, dürfe auch die Verordnung wiederholt werden.225 Damit verkennen Harms und Heine aber die akzessorische Struktur eines Blankettstrafgesetzes.226 Wie gesehen knüpft das nationale Blankettstrafgesetz an die unionale Verhaltensnorm an, ohne sie materiell zu einer Norm des nationalen Rechts zu machen. Über die Verhaltensnorm bestimmt folglich allein der Unionsgesetzgeber.227 Die Verordnung, in der sie enthalten ist, wird daher nicht funktional zur Richtlinie, sondern behält auch im strafrechtlichen Zusammenhang ihren Charakter als unmittelbar geltende Vorschrift, die im nationalen Recht nicht mehr umgesetzt werden muss. Die Folgerung, der nationale Gesetzgeber müsse die Blanketttechnik nutzen, um Vorschriften einer EU-Verordnung strafrechtlich abzusichern, erweist sich damit im Ausgangspunkt als richtig. Gleichwohl muss das insbesondere in der strafrechtlichen Literatur oft pauschal geratende Verdikt eines Normwiederholungsverbots relativiert werden. Der EuGH kennt kein striktes dahingehendes Verbot, sondern hat anerkannt, nationale Gesetze dürften „im Interesse ihres inneren Zusammenhangs und ihrer Verständlichkeit für die Adressaten bestimmte Punkte der Gemeinschaftsverordnungen wiederho­ len“.228 Freilich ist es nicht möglich, hieraus eine generelle Ausnahme für das Strafrecht abzuleiten. Denn die Verordnungen, die der EuGH erwähnt, waren im konkreten Fall auf ergänzende nationale Vorschriften angewiesen. Ohne solche nationalen Vorschriften waren sie trotz ihrer unmittelbaren Geltung praktisch nicht anwendbar.229 Die von einem Blankettstrafgesetz in nend BVerfG 2 BvL 1/15, NJW 2016, 3648 Rn. 45, während BVerfG 2 BvL 5/17, NZWiSt 2020, 263, 272 die Frage offenlässt. 224  Harms/Heine, in: FS Amelung, 393, 398 f. 225  Harms/Heine, in: FS Amelung, 393, 399; zustimmend Heger, in: Böse, Europäisches Strafrecht, § 5 Rn. 59 Fn. 108, anders aber in Rn. 60. 226  Vgl. Satzger, Europäisierung, S. 289. 227  Cornelius, Verweisungsbedingte Akzessorietät, S. 377. 228  EuGH C-272/83, Slg. 1985, 1057 Rn. 27 – „Kommission/Italien“. 229  Vgl. Generalanwalt Lenz, EuGH C-272/83, Slg. 1985, 1057, 1063 – „Kommission/Italien“. In der Literatur wird die Ausnahme daher generell auf ergänzungsbedürftige Verordnungen beschränkt, vgl. Debus, Verweisungen, S. 285; Jarass/Beljin, NVwZ 2004, 1, 7. Vgl. in diesem Sinne Erwägungsgrund 8 DSGVO (VO [EU]



IV. Unionsrechtsakzessorische Rückverweisungstechnik65

Bezug genommenen Verhaltensnormen einer EU-Verordnung sind hingegen für sich genommen regelmäßig nicht ergänzungsbedürftig.230 Praktische Wirkung entfalten sie auch ohne Strafbewehrung, indem sie ein bestimmtes Verhalten ge- oder verbieten. Doch auch wenn die dargestellte Ausnahme daher nicht unmittelbar auf Blankettstrafgesetze übertragen werden kann, zeigt sie, dass das Wiederholungsverbot nicht absolut zu verstehen ist. Dem EuGH geht es ersichtlich darum, die Geltung einer Norm als unionsrechtliche sicherzustellen. Im strafrechtlichen Kontext ist also die akzessorische Anknüpfung der nationalen Sanktionsnorm an die unionale Verhaltensnorm offenzulegen. Vor diesem Hintergrund ist es möglich, die Verhaltensnorm im nationalen Recht zu wiederholen, sofern das Gesetz auf deren unionale Herkunft hinweist.231 Dies kann etwa durch eine Ergänzung „entgegen VO (EU) …“ oder durch Aufnahme eines entsprechenden Klammerzusatzes232 geschehen. In diesem Fall wird keine eigene nationale Verhaltensnorm geschaffen, sondern die unionale rein deklaratorisch wiedergegeben.233 Der Anwendungsvorrang und die einheitliche Auslegung des Unionsrechts durch den EuGH bleiben gewährleistet. Solche Wiederholungen finden sich im Rahmen der Rückverweisungstechnik bereits regelmäßig in der das Blankettgesetz ausfüllenden nationalen Rechtsverordnung. Sie wiederholt jedenfalls einen Teil derjenigen unionalen Verhaltensnorm, die sie über den Rückverweis dem Anwendungsbereich des Blankettstrafgesetzes unterstellt. So ist es beispielsweise in § 8 Abs. 1 Nr. 1 KosmetikV: § 8 Abs. 1 Nr. 1 KosmetikV: „Nach § 58 Absatz 3 Nummer 2 […] des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches wird bestraft, wer gegen die Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 verstößt, indem er […] entgegen Artikel 5 Absatz 1 in Verbindung 2016/679), der den Mitgliedstaaten die Wiederholung einzelner Bestimmungen durch das nationale Recht erlaubt, sofern in der Verordnung „Präzisierungen oder Einschränkungen ihrer Vorschriften durch das Recht der Mitgliedstaaten vorgesehen sind“. 230  Schützendübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 71. 231  Böse, Strafen und Sanktionen, S. 437; Brand/Kratzer, JR 2018, 422, 433; Jähnke/Schramm, Europäisches Strafrecht, Kap. 5 Rn. 3; Langheld, Vielsprachige Normenverbindlichkeit, S. 82; Pohlreich, HRRS 2020, 481, 489; Satzger, Europäisierung, S. 289 f.; vgl. auch Cornelius, Verweisungsbedingte Akzessorietät, S. 392 und Schuster, Strafnormen und Bezugsnormen, S. 328, nach denen zumindest die Aufnahme präzisierender Tatbestandsmerkmale zulässig ist. Ähnlich Weber, Naturschutz, S. 81, der vorschlägt, die Verordnung im nationalen Recht deklaratorisch zu wiederholen und dies durch Kleindruck zu kennzeichnen. 232  Brand/Kratzer, JR 2018, 422, 433; Jähnke/Schramm, Europäisches Strafrecht, Kap. 5 Rn. 3. 233  Vgl. Langheld, Vielsprachige Normenverbindlichkeit, S. 82 f.

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A. Grundlagen der Rückverweisungstechnik

mit Artikel 14 Absatz 1 Buchstabe a nicht dafür sorgt, dass ein kosmetisches Mittel einen in Anhang II aufgeführten Stoff nicht enthält […].“ Art. 14 Abs. 1 lit. a VO (EG) Nr. 1223/2009: „Unbeschadet der Bestimmungen von Artikel 3 dürfen kosmetische Mittel Folgendes nicht enthalten: […] in Anhang II aufgeführte verbotene Stoffe […].“

dd) Zusammenfassung Die Frage, warum die Blankettgesetzgebung im Allgemeinen eingesetzt wird, um Vorschriften von EU-Verordnungen zu bewehren, lässt sich zusammenfassend so beantworten: Die EU darf zur strafrechtlichen Absicherung unionaler Normen keine eigenen Sanktionsnormen erlassen. Stattdessen sind die Mitgliedstaaten unionsrechtlich verpflichtet, die Normen durch Sanktionsandrohung auch strafrechtlicher Art zu bewehren. Die Blankettgesetzgebung ist für den nationalen Gesetzgeber dabei nicht nur der einfachste und effektivste Weg, seiner Pflicht nachzukommen. Sie ist darüber hinaus auch insoweit zwingend erforderlich, als er keine nationale Norm erlassen darf, die einer bereits unmittelbar geltenden unionalen Norm einer EU-Verordnung entspricht, sondern vielmehr akzessorisch an die unionale Norm anknüpfen muss. b) Gründe für den Einsatz der Rückverweisungsklausel Doch warum verwendet der Gesetzgeber im Blankettgesetz die Rückverweisungsklausel und schaltet dadurch den nationalen Verordnungsgeber ein? Denkbar wäre schließlich auch, mit einem voll-expliziten Verweis direkt auf die Verhaltensnorm einer EU-Verordnung Bezug zu nehmen, wie es zum Beispiel in § 58 Abs. 2, 2a LFGB geschehen ist. Diese Technik würde die zusätzliche Ebene der nationalen Rechtsverordnung überflüssig machen. Die Motive für die Verwendung einer Rückverweisungsklausel unterscheiden sich zunächst nicht von denen, die auch im rein nationalen Kontext geltend gemacht werden: Durch den Rückverweis soll die Strafbarkeit in höherem Maße bestimmt sein und der Verordnungsgeber nicht hinreichend bestimmte, nicht sanktionswürdige oder schon auf sonstige Weise bewehrte Verhaltensnormen vom Anwendungsbereich des Blankettgesetzes ausnehmen können.234 Inwiefern diese Ziele tatsächlich erreicht werden, kann aus den oben benannten Gründen erst im weiteren Verlauf der verfassungsrechtlichen Untersuchung festgestellt werden. Im Übrigen ist der Rekurs auf den Verordnungsgeber sinnvoll, weil es ihm möglich ist, das Verweisungsobjekt mit 234  Oben

S. 47 f.



IV. Unionsrechtsakzessorische Rückverweisungstechnik67

Auswirkung auf die Strafnorm ohne größeren Zeitaufwand anzupassen. Das Strafgesetz soll damit flexibel und aktuell bleiben. Bei unionsrechtsakzessorischen Blankettgesetzen steht dieser Zweck, das Blankettgesetz aktuell zu halten, besonders im Vordergrund. Die alternative Regelungstechnik – eine direkte Verweisung des nationalen Strafgesetzes auf die EU-Verordnung – wird insoweit als ungeeignet angesehen: Denn unionale Vorschriften werden öfter als nationale geändert.235 Verweisungen hierauf veralten daher schnell. Verweist bereits das formelle Gesetz direkt auf eine genau bezeichnete unionale Vorschrift, muss diese Verweisung also regelmäßig geändert werden. Dies führt zu einer „atemlosen“ und „gehetzten“ Gesetzgebung.236 Wenn es dagegen dem nationalen Verordnungsgeber überlassen bleibt, die genauen strafbewehrten unionsrechtlichen Vorschriften zu bezeichnen, können Verweisungen schneller an geändertes Unionsrecht angepasst werden. Es muss dazu kein langwieriges förmliches Gesetzgebungsverfahren durchlaufen werden.237 Eine zeitnahe Anpassung ist vor allem deshalb wichtig, weil, wie im nationalen Kontext bereits beschrieben,238 eine Strafbarkeitslücke, die infolge eines fehlerhaften Verweises aufbricht, nach § 2 Abs. 3 StGB beziehungsweise § 4 Abs. 3 OWiG auch auf zuvor begangene, aber noch nicht abgeurteilte Taten zurückwirkt.239 Mag dies schon mit Gerechtigkeitserwägungen nicht vereinbar sein, steht dieser Zustand unter Umständen auch in Widerspruch zu den mitgliedstaatlichen Pflichten aus Unionsrecht: Die schnelle Reaktion des nationalen Rechts auf geändertes Unionsrecht ist also auch vorteilhaft, damit der Gesetzgeber seine Sanktionierungspflicht aus Art. 4 Abs.  3 EUV oder einer strafrechtsharmonisierenden Richtlinie erfüllen kann.240 Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 296. in: FS Mehle, 597, 608; ders., ZLR 2004, 265, 269. 237  BMJV, Handbuch des Nebenstrafrechts, Rn. 441; Brand/Kratzer, JR 2018, 422, 429; Cornelius, Verweisungsbedingte Akzessorietät, S. 403; Dannecker, ZIS 2016, 723, 724; Dorneck, in: Stam/Werkmeister, Der Allgemeine Teil des Strafrechts, 9, 15; Esser, in: Hilgendorf/Kudlich/Valerius, Handbuch des Strafrechts, Bd. 6, § 64 Rn. 47, 140; Heger, in: Böse, Europäisches Strafrecht, § 5 Rn. 76; Hoven, NStZ 2016, 377, 378 f.; Hütwohl, Weinstrafrecht, S. 62; C. Schröder, ZLR 2004, 265, 269, 271. Schützendübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 237 bezeichnet die Regelungstechnik der Rückverweisung daher als Anpassungsmodell. 238  Oben S. 45 f. 239  Zur in Gestalt des Art. 49 Abs. 1 S. 3 GRCh hinzutretenden unionsrechtlichen Dimension Bülte/Müller, NZG 2017, 205, 212 ff.; Hecker, in: FS Rengier, 471, 477 f.; Schützendübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 112 ff. Zu gesetzgeberischen Reparaturversuchen und Lösungen de lege ferenda näher Hecker, a. a. O., 473 ff.; C. Schröder, in: FS Mehle, 597, 602 ff.; Schützendübel, a. a. O., S.  89 ff. 240  Brand/Kratzer, JR 2018, 422, 429. 235  Schützendübel, 236  C. Schröder,

68

A. Grundlagen der Rückverweisungstechnik

Allerdings sind diese Vorzüge mit Blick auf die Praxis der Verordnungs­ gebung erheblich zu relativieren. Der Verordnungsgeber passt die von ihm vorgenommene statische Verweisung auf eine EU-Verordnung selten rechtzeitig an Änderungen derselben an.241 Das zeigt sich beispielsweise anhand der WeinSBV. Diese Rechtsverordnung nimmt auf Vorschriften verschiedener EU-Verordnungen Bezug und verweist für sie zurück auf Blankettgesetze im WeinG. Im Anhang der Rechtsverordnung sind die relevanten Fassungen der jeweiligen EU-Verordnungen angegeben, auf die sich die Verweisungen beziehen. Die WeinSBV wurde aber seit Anfang 2016 nicht mehr geändert. Die dort angegebenen Fassungen der EU-Verordnungen sind dementsprechend zu einem großen Teil nicht mehr aktuell.242 Gleiches gilt für die LMRStV, die rückverweisende Rechtsverordnung zu Blankettgesetzen im LFGB: Das im dortigen Anhang enthaltene Fundstellenverzeichnis der in Bezug genommenen EU-Verordnungen ist ebenfalls veraltet.243 Ferner verweist die ChemSanktionsV, die Blankettgesetze des ChemG ausfüllt, unter anderem auf Art. 3 VO  (EG) Nr. 850/2004244 (§§ 1 f. ChemSanktionsV) und auf Art. 1 VO (EG) Nr. 1102/2008245 (§§ 9 f. ChemSanktionsV). Diese EU-Verordnungen sind mittlerweile jedoch aufgehoben beziehungsweise ersetzt worden. In allen genannten Beispielen gehen die Verweisungen daher ins Leere. Die Aufzählung ließe sich sogar noch weiter ergänzen.246 Der in der Theorie bestehende Vorteil, durch Einschaltung des Verordnungsgebers eine zeitlich lückenlose Bewehrung von Unionsrecht zu gewährleisten, existiert in der Praxis folglich nur sehr eingeschränkt. Insbesondere bleibt die Regelung der Strafbarkeit deutlich weniger aktuell als im Rahmen des rein nationalen Anwendungsbereichs der Rückverweisungstechnik. Das beruht wohl darauf, dass der Verordnungsgeber bei einem nationalrechtsakzessorischen Blankettstrafgesetz selbst für Änderungen des bewehrten Ge- oder Verbots verantwortlich ist. Immer wenn er es ändert, kann er zugleich die rückverweisende Vorschrift anpassen. Im unionalen Kontext hat er dagegen keine vergleichbare Kontrolle über das bewehrte Ge- oder Verbot, sondern muss auf Änderungen einer anderen Instanz, des Unionsgesetzgebers, reagieren.

241  Vgl.

auch Brehmeier-Metz, in: Erbs/Kohlhaas, Vor § 48 WeinG Rn. 8. gilt dies zum Beispiel bezüglich der VO (EG) Nr. 1333/2008. 243  Konkret gilt dies zum Beispiel bezüglich der VO (EG) Nr. 124/2009. 244  ABl. 2004 Nr. L 158, 7. 245  ABl. 2008 Nr. L 304, 75. 246  Vgl. etwa LG Nürnberg-Fürth 3 KLs 504 Js 2388/18, juris, Rn. 234. 242  Konkret



IV. Unionsrechtsakzessorische Rückverweisungstechnik69

5. Ergänzung um Entsprechungsklausel Die bislang dargestellte Regelung bildet den Grundtypus der unionsrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik. Zusätzlich findet sich in vielen der betroffenen Blankettgesetze eine Entsprechungsklausel247. Im Strafrecht wird sogar in der Mehrzahl aller Gesetze mit Rückverweisungsklausel auch eine Entsprechungsklausel verwendet. Innerhalb der nationalrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik existiert eine solche Klausel hingegen nicht. Zwei Varianten lassen sich danach unterscheiden, ob sich die Entsprechung auf ein gesetzliches Ge- oder Verbot bezieht oder auf eine Ermächtigung des nationalen Verordnungsgebers. a) Formellgesetzliches Ge- oder Verbot als Bezugsobjekt In der ersten Variante lauten Entsprechungsklauseln so: § x Parlamentsgesetz: „Mit … wird bestraft/Ordnungswidrig handelt, wer einer unmittelbar geltenden Vorschrift in Rechtsakten der Europäischen Union zuwiderhandelt, die inhaltlich einem in § a/Abs. a/Nr. a genannten Gebot oder Verbot entspricht, soweit eine Rechtsverordnung nach § y für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift/Bußgeldvorschrift verweist.“

Solche Entsprechungsklauseln finden sich im Strafrecht beispielsweise in § 58 Abs. 3 Nr. 1, § 59 Abs. 3 Nr. 1 LFGB oder § 34 Abs. 2 Nr. 1 TabakerzG. Im Ordnungswidrigkeitenrecht gibt es sie etwa in § 62 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BImSchG, § 60 Abs. 4 Nr. 1 LFGB oder § 28 Abs. 1 Nr. 12 ProdSG.248 Mit der Entsprechungsklausel möchte der Gesetzgeber sicherstellen, dass eine Sanktionsandrohung auch dann aufrechterhalten bleibt, wenn die ihr zugrunde liegende nationale Verhaltensnorm europäisiert wird.249 Dazu nimmt die Entsprechungsklausel Bezug auf ein nationalrechtsakzessorisches Strafgesetz (im Formulierungsbeispiel: § a/Abs. a/Nr. a). Dieses bewehrt ein im gleichen formellen Gesetz enthaltenes Ge- oder Verbot. Wird die EU nun in dem bislang national geregelten Bereich tätig und erlässt dort eine eigene 247  Diesen Begriff verwenden etwa BVerfG 2 BvL 5/17, NZWiSt 2020, 263, 268; LG Stade 600 KLs 1100 Js 7647/10 (1/15), NZWiSt 2017, 320 Rn. 35; BMJV, Handbuch des Nebenstrafrechts, Rn. 450; Cornelius, Verweisungsbedingte Akzessorietät, S. 409; Enderle, Blankettstrafgesetze, S. 57; Hecker, Europäisches Strafrecht, Kap. 7 Rn. 75; Satzger, Europäisierung, S. 282; C. Schröder, ZLR 2004, 265, 273; Schützendübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 249. Krey, EWR 1981, 109, 197 nennt sie „Gleichwertigkeitsklausel“, weil § 69a Abs. 1 Nr. 2 WeinG in der Fassung des Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Weingesetzes (BT-Drs. 9/785, 20), auf den Krey sich bezieht, statt „entsprechen“ das Wort „vergleichbar“ nutzte. 248  Weitere Beispiele finden sich im Anhang der Arbeit. 249  Vgl. Enderle, Blankettstrafgesetze, S. 58.

70

A. Grundlagen der Rückverweisungstechnik

Verhaltensnorm, löst diese aufgrund des unionsrechtlichen Anwendungsvorrangs die nationale Verhaltensnorm ab. Das nationalrechtsakzessorische Strafgesetz verweist dann auf eine nicht mehr anwendbare Verhaltensnorm und läuft dadurch ins Leere.250 Gleichen sich die abgelöste nationale und die neue unionale Verhaltensnorm inhaltlich, ist das eine missliche Lage. Das vom Gesetzgeber als sanktionswürdig erachtete Verhalten ist zwar weiterhin verboten (wenn auch nunmehr auf unionaler Ebene), auf einmal aber nicht mehr mit einer Sanktion bedroht. Um eine solche Ahndungslücke zu verhindern und gleichartige Verhaltensweisen weiterhin sanktionieren zu können, wird der nationale Verordnungsgeber daher ermächtigt, diejenigen unionalen Verhaltensnormen zu bestimmen, die den ursprünglich bewehrten nationalen Verhaltensnormen entsprechen. Durch Bezeichnung in einer Rechtverordnung und Rückverweis unterstellt er sie dem Anwendungsbereich des hierfür geschaffenen unions­ rechtsakzessorischen Blankettgesetzes (im Formulierungsbeispiel: § x). Die durch Unionsrecht abgelösten Verhaltensnormen des nationalen Rechts dienen ihm nun als Maßstab dafür, welche unionalen Ge- und Verbote bewehrt werden sollen.251 Weil unionsrechtsakzessorische Blankettgesetze mit Entsprechungsklausel auf diese Weise Strafandrohungen für den Fall der Europäisierung der bewehrten Ge- oder Verbote „überlebensfähig“ machen, finden sie sich meist als Ergänzung am Ende eines an sich nationalrechtsakzessorischen Blankettgesetzes.252 Im Vordergrund stehen hier gesetzesökonomische Ziele.253 Zugleich kommt der Gesetzgeber mit ihnen seiner Pflicht aus Art. 4 Abs. 3 EUV nach, Verstöße gegen Unionsrecht nach ähnlichen Regeln zu ahnden wie gleichartige Verstöße gegen nationales Recht.254 b) Ermächtigungsgrundlage als Bezugsobjekt Statt auf ein Ge- oder Verbot im formellen Gesetz kann die Entsprechung auch auf eine an den nationalen Verordnungsgeber adressierte Ermächtigung bezogen sein. Diese Variante der Entsprechungsklausel ist wie folgt formuliert: 250  Vgl. C. Schröder, ZLR 2004, 265, 266 f.; Schützendübel, Bezugnahme auf EUVerordnungen, S. 252. 251  C. Schröder, ZLR 2004, 265, 275; Schützendübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S.  252 f. 252  Vgl. Schützendübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 252; so zum Beispiel in § 34 Abs. 2 TabakerzG. 253  Schützendübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 252. 254  Schützendübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 253.



IV. Unionsrechtsakzessorische Rückverweisungstechnik71 § x Parlamentsgesetz: „Mit … wird bestraft/Ordnungswidrig handelt, wer einer unmittelbar geltenden Vorschrift in Rechtsakten der Europäischen Union zuwiderhandelt, die inhaltlich einer Regelung entspricht, zu der die in § a/Abs. a/Nr. a genannten Vorschriften ermächtigen, soweit eine Rechtsverordnung nach § y für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift/Bußgeldvorschrift verweist.“

Solche Entsprechungsklauseln existieren im Strafrecht beispielsweise in § 27 Abs. 1 Nr. 3 ChemG, § 58 Abs. 3 Nr. 2 LFGB oder § 48 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 WeinG. Im Ordnungswidrigkeitenrecht finden sie sich etwa in § 19 Abs. 4 S. 1 AWG, § 60 Abs. 4 Nr. 2 LFGB oder § 18 Abs. 3 Nr. 2 TierSchG.255 Auch mit dieser Variante der Entsprechungsklausel will der Gesetzgeber eine Sanktionsandrohung nach Europäisierung der ihr zugrunde liegenden Verhaltensnorm aufrechterhalten. Dazu nimmt die Entsprechungsklausel wiederum Bezug auf ein nationalrechtsakzessorisches Strafgesetz (im Formulierungsbeispiel: § a/Abs. a/Nr. a). Dieses verweist aber nicht auf die Verhaltensnorm eines formellen Gesetzes. Vielmehr nimmt es zur näheren Konkretisierung seines Tatbestands auf Rechtsverordnungen Bezug, die aufgrund bestimmter, näher bezeichneter Ermächtigungsgrundlagen ergehen. (Zumeist handelt es sich insofern um ein nationalrechtsakzessorisches Blankettgesetz mit Rückverweisungsklausel, wie es zu Beginn des Kapitels dargestellt worden ist.256) Eben jene Ermächtigungen bilden den Bezugspunkt der Entsprechungsklausel im unionsrechtsakzessorischen Blankettgesetz. Der nationale Verordnungsgeber darf nur solche unionale Verhaltensnormen in der rückverweisenden Rechtsverordnung bezeichnen, die er selbst im Rahmen dieser Ermächtigungen – zur Ausfüllung des nationalrechtsakzessorischen Blankettgesetzes – hätte erlassen können.257 Konkret sind dabei zwei Fälle denkbar, in denen die Entsprechungsklausel zur Anwendung kommt: Erstens kann im Ausgangspunkt tatsächlich eine Verhaltensnorm in einer Rechtsverordnung existiert haben, die das nationalrechtsakzessorische Blankettgesetz ausgefüllt hat. Erlässt die EU auf dem bislang national geregelten Gebiet nun eine eigene Verhaltensnorm, löst diese wegen des unionsrecht­ 255  Weitere

Beispiele finden sich im Anhang der Arbeit. nationalrechtsakzessorische Blankettgesetze mit Rückverweisungsklausel verweisen beispielsweise die Entsprechungsklauseln in § 58 Abs. 3 Nr. 2 LFGB, § 48 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 WeinG oder § 34 Abs. 2 Nr. 2 TabakerzG. Dagegen verweist die Entsprechungsklausel in § 60 Abs. 1 Nr. 27 lit. b MessEG auf nationalrechtsakzessorische Blankettgesetze ohne Rückverweisungsklausel. 257  BVerfG 2 BvL 5/17, NZWiSt 2020, 263, 273; Boch, ZLR 2017, 317, 319; Heger/Widmann, EuR 2021, 356, 357; Hütwohl, Weinstrafrecht, S. 63; Schützendübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 335. 256  Auf

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A. Grundlagen der Rückverweisungstechnik

lichen Anwendungsvorrangs das Ge- oder Verbot der nationalen Rechtsverordnung ab. Das nationalrechtsakzessorische Blankettgesetz geht dann ins Leere. Zweitens ist es möglich, dass der Verordnungsgeber von seiner Ermächtigung noch nicht Gebrauch gemacht hat und es daher im Ausgangspunkt gar keine nationale Verhaltensnorm gab, die das nationalrechtsakzessorische Blankettgesetz ausgefüllt hat. Erlässt die EU jetzt eine eigene Verhaltensnorm, ist der nationale Verordnungsgeber daran gehindert, von seiner Ermächtigung Gebrauch zu machen und eine inhaltlich gleiche oder gar abweichende Verhaltensnorm zu erlassen.258 Auch auf diesen Fall ist die Entsprechungsklausel anwendbar.259 Denn Bezugspunkt der Entsprechung ist nach dem eindeutigen Wortlaut nicht eine existierende Rechtsverordnung, sondern nur die Ermächtigungsgrundlage hierzu.260 Es ist mit anderen Worten ausreichend, wenn der nationale Verordnungsgeber eine das Blankettgesetz ausfüllende Verhaltensnorm hätte erlassen können. Zwar könnte eingewandt werden, die Ermächtigung erlaube es dem Verordnungsgeber ab dem Zeitpunkt, zu dem unionale Vorschriften bestehen, gerade nicht mehr, eigene Vorschriften zu erlassen, daher gehe die Entsprechungsklausel nun ins Leere.261 Das würde aber ihren Sinn verkennen. Die Entsprechungsklausel erfüllt unabhängig davon, ob der Verordnungsgeber von einer Ermächtigung bereits Gebrauch gemacht hat oder nicht, die gleiche Funktion: Sie will Strafandrohungen „überlebensfähig“ machen, die sich auf Verstöße gegen nationale Rechtsverordnungen beziehen. Dass die Entsprechung allein anhand der in Bezug genommenen Ermächtigungsgrundlagen beurteilt wird, gilt freilich auch im ersten Anwendungsfall der Entsprechungsklausel, wenn also der Verordnungsgeber von der Ermächtigung Gebrauch gemacht hat. Die Verhaltensnormen, die dann in der Rechtsverordnung existieren, sind für die konkrete Beurteilung der Entsprechung folglich irrelevant. Die Trennung in zwei Anwendungsfälle diente nur dazu, die Reichweite der Entsprechungsklausel zu verdeutlichen, ist für ihre praktische Anwendung aber unerheblich.

Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 252, 335. Lebensmittel(straf)rechtlicher Gesundheitsschutz, S. 227; Pauly, StoffR 2017, 265, 267; Sackreuther, in: GJW, § 58 LFGB Rn. 44; C. Schröder, ZLR 2004, 265, 276; Schützendübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 335; vgl. Al­ brecht/Kehr/von Loeper, DAR 2021, 438, 443. 260  Falsch daher LG Stade 600 KLs 1100 Js 7647/10 (1/15), NZWiSt 2017, 320 Rn. 35; Kühne, ZLR 2001, 379, 390 und Schmitz, wistra 2017, 455, 456, nach denen sich die Entsprechung auf Normen der Exekutive bezieht. 261  In diesem Sinne könnte Wallau, ZLR 2020, 376, 379 zu verstehen sein. 258  Schützendübel, 259  Honstetter,



V. Ergänzung um Negationsklausel73

V. Ergänzung um Negationsklausel Neben Entsprechungsklauseln gibt es noch eine weitere Möglichkeit, die Rückverweisungstechnik zu ergänzen: die Negationsklauseln262. Sie finden sich sowohl in nationalrechts- als auch in unionsrechtsakzessorischen Blankettgesetzen. Bei unionsrechtsakzessorischen können sie auch zusätzlich zu einer Entsprechungsklausel verwendet werden. Negationsklauseln sind kein Spezifikum der Rückverweisungstechnik, sie werden auch außerhalb davon eingesetzt.263 Im Folgenden interessieren sie nur, soweit sie mit Rückverweisungsklauseln zusammentreffen. Unterschieden werden können tatbestandliche Abgrenzungsklauseln und Subsidiaritätsklauseln. 1. Tatbestandliche Abgrenzungsklausel Eine tatbestandliche Abgrenzungsklausel lautet wie folgt: § x Parlamentsgesetz: „Mit … wird bestraft/Ordnungswidrig handelt, wer in anderen als den in § a/Abs. a/Nr. a bezeichneten Fällen einer Rechtsverordnung nach § y zuwiderhandelt, soweit sie für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift/Bußgeldvorschrift verweist.“

Bei einem unionsrechtsakzessorischen Blankettgesetz ist die Klausel gleich formuliert. Durch eine tatbestandliche Abgrenzungsklausel werden die vom Blankettgesetz erfassten Verhaltensnormen in negativer Weise eingegrenzt. Das Blankettgesetz bezieht sich nur auf solche Ge- oder Verbote, die nicht bereits von anderen Blankettgesetzen („den in § a/Abs. a/Nr. a bezeichneten Fällen“) erfasst sind. Eine tatbestandliche Abgrenzungsklausel findet sich zum Beispiel im Blankettstrafgesetz des § 58 Abs. 3 Nr. 2, § 59 Abs. 3 Nr. 2 LFGB oder § 48 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 WeinG oder dem Blankettordnungswidrigkeitengesetz des § 60 Abs. 4 Nr. 2 LFGB oder § 3 Abs. 1 S. 1 WiStG264. Weil die erfassten Verhaltensnormen lediglich negativ eingegrenzt sind, wird der Klausel eine Auffangfunktion zugesprochen.265 Sie wird dement262  Begriff von Schützendübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 254; ähnlich Enderle, Blankettstrafgesetze, S. 18, 59: Negationsmodell. 263  Zum Beispiel enthält § 48 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 WeinG eine tatbestandliche Abgrenzungsklausel und § 400 Abs. 1 AktG eine Subsidiaritätsklausel, beide Gesetze enthalten aber keine Rückverweisungsklausel. 264  Hier wird nicht speziell auf eine Rechtsverordnung, sondern allgemein auf Rechtsvorschriften Bezug genommen. 265  Enderle, Blankettstrafgesetze, S. 59; Schützendübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 254.

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A. Grundlagen der Rückverweisungstechnik

sprechend auch als „Auffangklausel“ bezeichnet.266 Das ist insofern richtig, als der Gesetzgeber eine über anderweitig geregelte Fälle hinausgehende Strafbarkeit ermöglichen möchte. Vornehmlich aber geht es ihm mit der Klausel darum, zu verhindern, dass sich mehrere Tatbestände überschneiden, das heißt um deren Abgrenzung. Hat der Gesetzgeber in einem Blankettstrafgesetz etwa selbst statisch auf bestimmte Vorschriften einer EU-Verordnung verwiesen, wie zum Beispiel in § 58 Abs. 2, 2a LFGB, soll der nationale Verordnungsgeber einen Verstoß gegen dieselben Vorschriften nicht auch unter den Anwendungsbereich eines unionsrechtsakzessorischen Blankettstrafgesetzes mit Rückverweisungsklausel stellen können – im Beispiel wäre dies § 58 Abs. 3 Nr. 2 LFGB. Es ist daher terminologisch treffender, von einer tatbestandlichen Abgrenzungsklausel zu sprechen. 2. Subsidiaritätsklausel Eine Subsidiaritätsklausel267 folgt diesem Schema: § x Parlamentsgesetz: „Mit … wird bestraft/Ordnungswidrig handelt, wer einer Rechtsverordnung nach § y zuwiderhandelt, soweit sie für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift/Bußgeldvorschrift verweist und die Tat nicht in § a/ Abs. a/Nr. a mit Strafe bedroht ist/nicht nach § a/Abs. a/Nr. a als Straftat geahndet werden kann.“

In einem unionsrechtsakzessorischen Blankettgesetz ist sie gleich formuliert. Auch eine Subsidiaritätsklausel dient dem Zweck, zu verhindern, dass eine Handlung nach mehreren Vorschriften bestraft wird. Im Gegensatz zur Abgrenzungsklausel werden aber nicht die Tatbestände voneinander abgegrenzt, sondern wird das Problem auf Konkurrenzebene gelöst: Überschneiden sich mehrere Tatbestände, tritt der eine hinter dem anderen zurück. Subsidiaritätsklauseln finden sich im Rahmen der Rückverweisungstechnik im Strafrecht beispielsweise in § 16 Abs. 1 Nr. 2, 3, Abs. 2 CWÜAG, im Ordnungswidrigkeitenrecht in § 381 Abs. 2, § 382 Abs. 3 AO268. Weil die Subsidiaritätsklausel nicht verhindert, dass ein Verhalten zwei verschiedene Tatbestände erfüllt, bestehen in der Rechtsfolge leichte Unterschiede gegenüber einer Abgrenzungsklausel. Beispielsweise kann die Verwirklichung des subsidiären Tatbestands, auch wenn er im Ergebnis zurücktritt, insofern von Bedeutung sein, als eine Teilnahme hieran möglich bleibt.269 266  So

Schützendübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 254. von BMJV, Handbuch des Nebenstrafrechts, Rn. 452. 268  In diesen Ordnungswidrigkeiten ist die Subsidiaritätsklausel nicht an den Tatbestand angehängt, sondern in einem gesonderten Absatz enthalten. 269  von Heintschel-Heinegg, in: MüKo-StGB, Vor § 52 Rn. 74. 267  Begriff



VI. Zusammenfassung zu Kapitel A.75

In der Gesetzgebung werden Subsidiaritätsklauseln im Zusammenspiel mit Rückverweisungsklauseln insbesondere zur Regelung des Verhältnisses von Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht eingesetzt. Die Klausel ist dann in einem Ordnungswidrigkeitengesetz enthalten und bezieht ihre Subsidiarität auf ein Strafgesetz. So ist es zum Beispiel in § 19 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 4 S. 1 AWG und in § 26 Abs. 1 Nr. 11 ChemG. Verweist der Verordnungsgeber für bestimmte Verhaltensnormen auf das Ordnungswidrigkeitengesetz zurück, können Zuwiderhandlungen hiergegen nur mit einer Geldbuße sanktioniert werden, wenn sie nicht zugleich schon eine Straftat darstellen. Damit gilt im Ergebnis das, was § 21 Abs. 1 S. 1 OWiG bereits im Allgemeinen anordnet. Auf diese Weise kann der Gesetzgeber auch dann abgestufte Sanktionen vorsehen, wenn er, wie bei der Rückverweisungstechnik, im Blankettgesetz nicht auf konkrete Verhaltensnormen Bezug nimmt, sondern auf Ermächtigungen zu Verhaltensnormen. Beispielsweise ist ein Zuwiderhandeln gegen Rechtsverordnungen, die aufgrund der Ermächtigung in § 4 Abs. 1 AWG erlassen werden, sowohl vom Strafgesetz des § 17 Abs. 1 AWG als auch vom Ordnungswidrigkeitengesetz des § 19 Abs. 3 Nr. 1 lit. a AWG erfasst (sofern die Rechtsverordnung entsprechend zurückverweist).270 Das Strafgesetz ist aber enger; es greift nur ein, wenn die jeweilige Rechtsverordnung weitere Kriterien erfüllt: Sie muss etwa zur Durchführung einer vom Rat der Europäischen Union beschlossenen wirtschaftlichen Sanktionsmaßnahme erlassen worden sein. Hingegen erfasst das Ordnungswidrigkeitengesetz alle Rechtsverordnungen ohne weitere Einschränkung. Über die dortige Subsidiaritätsklausel, die auf das Strafgesetz bezogen ist, wird jedoch vermieden, dass beide Sanktionsdrohungen parallel eingreifen. In diesen Fällen soll die Subsidiaritätsklausel außerdem verhindern, dem Verordnungsgeber die Wahl darüber zu belassen, auf ein Straf- oder ein Ordnungswidrigkeitengesetz zurückzuverweisen.271 Inwiefern dieser Zweck tatsächlich erreicht wird, wird die nähere Prüfung der Klausel zeigen.

VI. Zusammenfassung zu Kapitel A. Nationalrechtsakzessorische Blankettstrafgesetze mit Rückverweisungsklausel verweisen zur näheren Konkretisierung ihres Tatbestands dynamisch und pauschal auf Rechtsverordnungen. Gemäß der Rückverweisungsklausel muss die Rechtsverordnung auf das Blankettgesetz zurückverweisen. Nur dann wird die Sanktionsdrohung aktiviert. Normentheoretisch betrachtet enthält das Blankettgesetz die Sanktionsnorm, die ausfüllende Rechtsverordnung 270  Zu

den Normtexten unten S. 332 f. Handbuch des Nebenstrafrechts, Rn. 452; Schützendübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 255. 271  BMJV,

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A. Grundlagen der Rückverweisungstechnik

die Verhaltensnorm. Der Gesetzgeber möchte sich mit dieser Gesetzestechnik entlasten und das Strafgesetz flexibel halten sowie auf den Sachverstand der Exekutive zugreifen. Infolge der Rückverweisung soll die Strafbarkeit in höherem Maße bestimmt sein. Der Verordnungsgeber soll zudem Verhaltensnormen, die nicht hinreichend bestimmt, nicht sanktionswürdig oder schon auf sonstige Weise bewehrt sind, vom Anwendungsbereich des Blankettgesetzes ausnehmen können. Unionsrechtsakzessorische Blankettstrafgesetze mit Rückverweisungsklausel verweisen in ihrem Tatbestand dagegen dynamisch und pauschal auf EUVerordnungen. In der Rückverweisungsklausel wird darüber hinaus – wiederum über eine pauschale und dynamische Verweisung – der nationale Verordnungsgeber eingeschaltet. Dieser soll die genaue Verschaltung der nationalen Sanktions- mit der unionalen Verhaltensnorm vornehmen, indem er in einer Rechtsverordnung statisch und voll-explizit eine bestimmte Vorschrift einer EU-Verordnung in Bezug nimmt und für sie auf das Blankettgesetz zurückverweist. Die unionsrechtsakzessorische Rückverweisungstechnik entsteht infolge unterschiedlich verteilter Kompetenzen: Die EU darf nicht (generell) selbst Strafen androhen, stattdessen sind die Mitgliedstaaten aus dem allgemeinen Loyalitätsgebot des Art. 4 Abs. 3 EUV sowie aus strafrechtsharmonisierenden Richtlinien nach Art. 83 AEUV verpflichtet, unionale Verhaltensnormen mit Sanktionsdrohungen abzusichern. Dieser Pflicht kommt der Mitgliedstaat am effektivsten durch die Blankettgesetzgebung nach. Er knüpft dann, wozu er auch unionsrechtlich verpflichtet ist, akzessorisch an die Verhaltensnorm aus der EU-Verordnung an. Die unionale Verhaltensnorm bleibt also auch im strafrechtlichen Zusammenhang materiell Teil des Unionsrechts und wird nach unionsrechtlichen Grundsätzen ausgelegt. Die genaue Bezeichnung des bewehrten Unionsrechts wird dem nationalen Verordnungsgeber überlassen, weil dieser das nationale Recht schneller als der parlamentarische Gesetz­ geber an Änderungen des Unionsrechts anpassen können soll. In der Praxis zeigt sich dieser Effekt allerdings nur eingeschränkt. Ergänzt werden kann die unionsrechtsakzessorische Rückverweisungstechnik durch Entsprechungsklauseln. Mit ihnen soll eine Sanktionsdrohung auch nach Europäisierung einer ursprünglich nationalen Verhaltensnorm aufrecht erhalten bleiben. Sowohl für die unionsrechts- als auch für die nationalrechtsakzessorische Rückverweisungstechnik besteht eine weitere Ergänzungsmöglichkeit in Form von Negationsklauseln, mit denen mehrere Blankettgesetze voneinander abgegrenzt werden. Bei einer Negationsklausel in Gestalt einer tatbestandlichen Abgrenzungsklausel, geschieht dies auf Ebene des Tatbestands; bei einer Negationsklausel in Gestalt einer Subsidiaritätsklausel hingegen auf Ebene der Konkurrenzen.

B. Ermittlung eines verfassungsrechtlichen Maßstabs Soll eine Gesetzestechnik auf ihre Zulässigkeit hin überprüft werden, müssen zunächst die dafür relevanten verfassungsrechtlichen Vorschriften gefunden werden. Ziel dieses Kapitels ist es, aus dem Grundgesetz einen Prüfungsmaßstab für die Rückverweisungstechnik zu gewinnen, der für die weitere Untersuchung bestimmend sein wird. Das BVerfG prüft Blankettstrafgesetze mit Rückverweisungsklausel an Art. 103 Abs. 2 GG, Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG und Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG.1 Diese Vorschriften sind daher zuerst in den Blick zu nehmen (dazu ab I.), wobei mit der dem Wortlaut nach speziell auf das Strafrecht bezogenen Regelung des Art. 103 Abs. 2 GG begonnen wird. Weitere allgemeine verfassungsrechtliche Bestimmungen, namentlich das Verkündungsgebot (dazu IV.), das allgemeine Bestimmtheitsgebot und der allgemeine Vorbehalt des Gesetzes (dazu V.) sowie das Gebot der Normenklarheit (dazu VI.), sind erst danach zu untersuchen, da zu vermuten ist, dass die allgemeinen Anforderungen zumindest teilweise als leges generales zurücktreten werden. Schließlich ist zu überlegen, ob Unionsrecht den aus nationalem Recht gebildeten Prüfungsmaßstab in einzelnen Fällen überlagern kann (dazu VII.). Soweit die Rückverweisungstechnik auch auf Länderebene verwendet wird, wären streng genommen auch die einzelnen Landesverfassungen auf weitergehende Anforderungen hin zu untersuchen. Das kann hier nicht geleistet werden, ist aber auch insofern unnötig, als die Landesverfassungen entweder keine eigenen Bestimmungen enthalten, die im Folgenden zentralen Maßstabsnormen des Bundesverfassungsrechts inkorporieren oder aber ihnen ähnelnde Regelungen enthalten.2 Es ergeben sich hier also keine wesentlichen Unterschiede.

1  BVerfG 2 BvL 1/15, NJW 2016, 3648 Rn. 30 ff.; 2 BvL 5/17, NZWiSt 2020, 263, 270 ff. 2  Vgl. zu Art. 103 Abs. 2 GG den Überblick bei Remmert, in: Dürig/Herzog/ Scholz, Art. 103 Abs. 2 Rn. 24 ff. sowie zu Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG bei Mehde, in: Dürig/Herzog/Scholz, Art. 104 Rn. 28 f.

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B. Ermittlung eines verfassungsrechtlichen Maßstabs

I. Gesetzlichkeitsprinzip des Art. 103 Abs. 2 GG 1. Einführung Nach dem Gesetzlichkeitsprinzip des Art. 103 Abs. 2 GG kann eine Tat nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde (nulla poena sine lege3). Gleiches bestimmt § 1 StGB, was angesichts der normenhierarchisch höheren Verfassungsvorschrift nur deklaratorischer Natur ist.4 Aus Art. 103 Abs. 2 GG ergibt sich ein grundrechtsgleiches Recht,5 dessen Verletzung mit der Verfassungsbeschwerde gerügt werden kann (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG). Für die hier interessierenden Fragen werden zwei Ausformungen des Art. 103 Abs. 2 GG relevant, die sich an seinem Wortlaut aufhängen lassen: Die Strafbarkeit muss gesetzlich bestimmt sein und sie muss gesetzlich bestimmt sein.6 Mit der ersten Ausformung ist das Bestimmtheitsgebot angesprochen. Jedermann soll „vorhersehen können, welches Verhalten verboten und mit Strafe bedroht ist.“7 Es muss also im Vorhinein deutlich gemacht werden, unter welchen Voraussetzungen eine Strafe angedroht wird. Weil der Bürger daran sein Verhalten ausrichten kann,8 nennt man es auch die freiheitsgewährleistende (weil grundrechtssichernde9) Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG.10

3  Die

Latinisierung geht zurück auf Feuerbach, Lehrbuch, S. 24. Bedeutung von Verwaltungsvorschriften, S. 260; Dannecker/ Schuhr, in: LK, § 1 Rn. 1. 5  BVerfG 1 BvR 850/88, NJW 1992, 890; Degenhart, in: Sachs, Art. 103 Rn. 53; Schmahl, in: Hilgendorf/Kudlich/Valerius, Handbuch des Strafrechts, Bd. 1, § 2 Rn. 48. Die Bezeichnung variiert, teilweise wird das Gesetzlichkeitsprinzip auch als echtes Grundrecht bezeichnet, dazu Remmert, in: Dürig/Herzog/Scholz, Art. 103 Rn.  2 m. w. N. 6  Satzger, Europäisierung, S. 240. 7  BVerfG 1 BvL 13/76, NJW 1978, 933, 934; 2 BvL 11/85, NJW 1987, 3175; 2 BvR 858/92, NJW 1993, 1909, 1910; 2 BvR 1941/00, NStZ-RR 2002, 22; 2 BvR 2559/08 u. a., NJW 2010, 3209 Rn. 71; 1 BvR 519/10, NVwZ 2012, 504 Rn. 35; Degenhart, in: Sachs, Art. 103 Rn. 63. 8  BVerfG 2 BvR 238/68, NJW 1969, 1759; 2 BvR 1851/94 u. a., NJW 1997, 929, 930; 2 BvR 2029/01, NJW 2004, 739, 745; 2 BvR 167/18, NJW 2019, 2837 Rn. 27; Kment, in: Jarass/Pieroth, Art. 103 Rn. 74. 9  Bülte, NZV 2020, 12, 14. 10  BVerfG 2 BvL 11/85, NJW 1987, 3175; 2 BvR 2559/08 u. a., NJW 2010, 3209 Rn. 71; 2 BvL 1/15, NJW 2016, 3648 Rn. 37; 2 BvL 5/17, NZWiSt 2020, 263, 271; Bülte, in: GS Joecks, 365, 378; Debus, Verweisungen, S. 263; Satzger, Europäisierung, S. 240; Schuster, Strafnormen und Bezugsnormen, S. 256. 4  Bräutigam-Ernst,



I. Gesetzlichkeitsprinzip des Art. 103 Abs. 2 GG79

Die zweite Ausformung meint einen parlamentsgesetzlichen Vorbehalt: Gerade die Legislative in Gestalt des parlamentarischen Gesetzgebers und nicht die Exekutive oder Judikative muss über die Voraussetzungen der Strafbarkeit entscheiden.11 Dies wird als kompetenzwahrende Komponente bezeichnet.12 Üblicherweise wird auch sie dem Bestimmtheitsgebot zugerechnet.13 Weil aber mit der Vorhersehbarkeit für den Bürger einerseits und der Aufgabenzuweisung an den parlamentarischen Gesetzgeber andererseits unterschiedliche Zwecke verfolgt werden und sich die daraus folgenden Anforderungen trennen lassen, soll hier auch sprachlich unterschieden werden:14 Mit dem Bestimmtheitsgebot ist deshalb im Folgenden nur die freiheitsgewährleistende Komponente gemeint; die kompetenzwahrende wird dagegen als Vorbehalt des formellen Gesetzes beziehungsweise als Parlamentsvorbehalt15 bezeichnet. 2. Bestimmtheitsgebot (freiheitsgewährleistende Komponente) Zunächst ist das Bestimmtheitsgebot als freiheitsgewährleistende Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG in den Blick zu nehmen.

11  Vgl. BVerfG 1 BvL 13/76, NJW 1978, 933, 934; 2 BvL 11/85, NJW 1987, 3175; 2 BvR 858/92, NJW 1993, 1909, 1910; 1 BvR 718/89 u. a., NJW 1995, 1141; 2 BvR 1941/00, NStZ-RR 2002, 22; 2 BvR 2559/08 u. a., NJW 2010, 3209 Rn. 70; 2 BvL 1/15, NJW 2016, 3648 Rn. 36; 2 BvR 167/18, NJW 2019, 2837 Rn. 26; 2 BvL 5/17, NZWiSt 2020, 263, 270; Remmert, in: Dürig/Herzog/Scholz, Art. 103 Abs. 2 Rn. 87. 12  Böse, in: FS Krey, 7, 8; Bülte, in: GS Joecks, 365, 378; Cornelius, Verweisungs­ bedingte Akzessorietät, S. 306; Ernst, Blankettstrafgesetze, S. 74; Satzger, Europäisierung, S. 240; vgl. BVerfG 2 BvL 5/17, NZWiSt 2020, 263, 272: kompetenz­ sichernde Funktion. 13  BVerfG 2 BvL 5/17, NZWiSt 2020, 263, 271 ff.; Bülte, in: GS Joecks, 365, 366; Ernst, Blankettstrafgesetze, S. 73 f.; Nolte/Aust, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Art. 103 Rn. 140; Remmert, in: Dürig/Herzog/Scholz, Art. 103 Abs. 2 Rn. 87. Anders beispielsweise Gaede, in: AnwK, §  1 Rn.  14 und Schulze-Fielitz, in: Dreier, Art. 103 II, Rn. 14, 28, die den Vorbehalt des Parlamentsgesetzes unter das Verbot von Gewohnheitsrecht fassen. 14  So grundsätzlich auch Kment, in: Jarass/Pieroth, Art. 103 Rn. 70 f., 74 f. und Schmahl, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, Art. 103 Rn. 58 ff., 66 ff. 15  Streng genommen erfordert ein Parlamentsvorbehalt nur einen Entschluss des Parlaments, der nicht notwendig in Form eines Gesetzes ergehen muss, Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 6 Rn. 9. Der Einfachkeit halber wird im Folgenden gleichwohl unter Parlamentsvorbehalt nur der Vorbehalt eines Parlamentsgesetzes verstanden. Der Begriff des förmlichen Gesetzes wird hier synonym zum Begriff des Parlamentsgesetzes gebraucht, obgleich er in Einzelfällen weiter gefasst ist, vgl. Müller-Franken, in: Stern/Becker, Art. 104 Rn. 56 Fn. 213.

80

B. Ermittlung eines verfassungsrechtlichen Maßstabs

a) Allgemeine verfassungs- und strafrechtliche Wurzeln Um sich dem Inhalt des Bestimmtheitsgebots zu nähern, hilft es, sich der allgemeinen verfassungs- und strafrechtlichen Ansätze zu vergegenwärtigen, mit denen es begründet wird. Dabei existieren zahlreiche unterschiedliche Ansätze, die sich nicht gegenseitig ausschließen, sondern ergänzen.16 In erster Linie ist die Verbindung mit dem in Art. 20 Abs. 3 GG verorteten Rechtsstaatsprinzip zu betonen.17 Dessen Teilaspekt der Rechtssicherheit findet sich in Art. 103 Abs. 2 GG wieder, weil die Reaktion Strafe auf ein bestimmtes Verhalten in berechenbarer Weise erfolgen und der Bürger insoweit vor Willkür bewahrt werden soll.18 Auch die in Art. 1 Abs. 1 GG geschützte Menschenwürde wird als Grundlage des Gesetzlichkeitsprinzips genannt.19 Diese Verbindung erschließt sich über den in Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 2 Abs. 1 GG verwurzelten Schuldgrundsatz, der Art. 103 Abs. 2 GG zugrunde liegt: Er erfordert eine eigenverantwortliche Entscheidung des Handelnden zwischen Recht und Unrecht. Dies ist aber nur möglich, wenn die Strafbarkeit zu diesem Zeitpunkt überhaupt bestimmt war.20 Schließlich wird das Gesetzlichkeitsprinzip auch eigenständig strafrechtlich begründet: Die generalpräventive Wirkung, die dem Strafrecht zugewiesen ist, kann es in negativer wie positiver Hinsicht nur entfalten, wenn dem Handelnden klar ist, welche Verhaltensweisen mit Strafe bedroht sind.21

in: Dürig/Herzog/Scholz, Art. 103 Abs. 2 Rn. 32. 2 BvR 1851/94 u. a., NJW 1997, 929, 930; 2 BvR 2029/01, NJW 2004, 739, 745; Dannecker/Schuhr, in: LK, § 1 Rn. 52; Degenhart, in: Sachs, Art. 103 Rn. 53; Kargl, Gesetz und Gesetzlichkeit, Rn. 43 ff., 335; Kunig/Saliger, in: von Münch/Kunig, Art. 103 Rn. 30; Nolte/Aust, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Art. 103 Rn. 169; Tiedemann, Tatbestandsfunktionen, S.  193 f. 18  Krey, Strafe, Rn. 133  f.; Schulze-Fielitz, in: Dreier, Art. 103 II Rn. 12; vgl. Dannecker/Schuhr, in: LK, § 1 Rn. 52; vgl. BVerfG 2 BvR 200/81, NJW 1984, 225; 2 BvR 167/18, NJW 2019, 2837 Rn. 27. 19  Brüning, in: Stern/Becker, Art. 103 Rn. 9; Kargl, Gesetz und Gesetzlichkeit, Rn.  48 ff., 283 ff., 335; Krey, Strafe, Rn. 137; Kunig/Saliger, in: von Münch/Kunig, Art. 103 Rn. 30; Sax, in: Bettermann/Nipperdey/Scheuner, Bd. 3, Halbbd. 2, S. 998 f. 20  Vgl. BVerfG 2 BvL 15/68 u. a., NJW 1969, 1059, 1061; Brüning, in: Stern/ Becker, Art. 103 Rn. 124 f.; Nolte/Aust, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Art. 103 Rn. 167; vgl. Cornelius, GA 2015, 101, 117; Degenhart, in: Sachs, Art. 103 Rn. 55; Roxin/Greco, Strafrecht AT/I, § 5 Rn. 24 f.; ablehnend Grünwald, ZStW 76 (1964), 1, 11 f. und Schünemann, Nulla poena sine lege?, S. 15. 21  Schünemann, Nulla poena sine lege?, S. 13 f.; Cornelius, Verweisungsbedingte Akzessorietät, S. 346; Moll, Europäisches Strafrecht, S. 128 f.; vgl. Krey, Strafe, Rn. 136; Roxin/Greco, Strafrecht AT/I, § 5 Rn. 22 f. 16  Remmert, 17  BVerfG



I. Gesetzlichkeitsprinzip des Art. 103 Abs. 2 GG81

b) Allgemeine Anforderungen Das Bestimmtheitsgebot erfordert nach dem BVerfG, „die Voraussetzungen der Strafbarkeit so konkret zu umschreiben, dass Tragweite und Anwendungsbereich der Straftatbestände zu erkennen sind und sich durch Aus­legung ermitteln lassen“.22 Dabei stellt sich das Problem, dass Sprache praktisch immer mehrdeutig ist.23 So gut wie jeder Begriff hat nicht nur eine einzige, klar abgegrenzte Bedeutung;24 absolute Bestimmtheit gibt es nicht.25 Dementsprechend betont auch das BVerfG, die Anforderungen aus dem Bestimmtheitsgebot dürften nicht übersteigert werden.26 Das sei schon wegen der notwendig allgemeinen und abstrakten Formulierung der Strafgesetze erforderlich.27 Zudem würden die Gesetze ansonsten „zu starr und kasuistisch und könnten dem Wandel der Verhältnisse oder der Besonderheit des Einzelfalls nicht mehr gerecht werden“.28 Auch das Strafrecht müsse der Vielgestaltigkeit des Lebens Rechnung tragen können.29 Weitgehend anerkannt ist daher, dass sich allgemeine Aussagen zum erforderlichen Grad inhaltlicher Bestimmtheit nicht treffen lassen.30 22  BVerfG 2 BvR 2559/08 u. a., NJW 2010, 3209 Rn. 72; 2 BvR 871/04 u. a., wistra 2010, 396 Rn. 54; 2 BvR 167/18, NJW 2019, 2837 Rn. 25; 2 BvL 5/17, NZWiSt 2020, 263, 271; 1 BvR 781/21 u. a., NJW 2022, 139 Rn. 155; vergleichbar BVerfG 2 BvL 15/68 u. a., NJW 1969, 1059, 1061; 1 BvR 1053/82, NJW 1986, 1671; 1 BvR 713/83 u. a., NJW 1987, 43, 44; 2 BvR 234/87 u. a., NJW 1989, 1663; 1 BvR 718/89 u. a., NJW 1995, 1141; 2 BvR 794/95, NJW 2002, 1779. 23  Basak, in: Matt/Renzikowski, § 1 Rn. 14; Jäger, in: SK, § 1 Rn. 34; Krey, Studien zum Gesetzesvorbehalt, S. 45; Ransiek, Gesetz und Lebenswirklichkeit, S. 4 f.; Schmitz, in: MüKo-StGB, § 1 Rn. 48; Kargl, Gesetz und Gesetzlichkeit, Rn. 354. 24  Ernst, Blankettstrafgesetze, S. 74 f.; Roxin/Greco, Strafrecht AT/I, § 5 Rn. 27, 69. 25  Schmidhäuser, in: GS Martens, 231, 244; vgl. Bülte, NZWiSt 2017, 161, 169. 26  BVerfG 2 BvL 4/62, NJW 1962, 1563, 1564; 2 BvR 927/76, NJW 1978, 1423; 2 BvR 858/92, NJW 1993, 1909, 1910; 2 BvR 871/04 u. a., wistra 2010, 396 Rn. 55. 27  BVerfG 1 BvR 1053/82, NJW 1986, 1671, 1672; 1 BvR 713/83 u. a., NJW 1987, 43, 44; 2 BvL 11/85, NJW 1987, 3175; 2 BvR 858/92, NJW 1993, 1909, 1910; 2 BvR 2559/08 u. a., NJW 2010, 3209 Rn. 74. 28  BVerfG 2 BvL 2/73, BeckRS 1976, 705; vergleichbar BVerfG 2 BvL 4/62, NJW 1962, 1563, 1564; 2 BvR 927/76, NJW 1978, 1423; 2 BvR 858/92, NJW 1993, 1909, 1910; 2 BvR 2559/08 u. a., NJW 2010, 3209 Rn. 73; 2 BvL 1/15, NJW 2016, 3648 Rn. 40; 2 BvL 5/17, NZWiSt 2020, 263, 271; 1 BvR 781/21 u. a., NJW 2022, 139 Rn. 156. 29  BVerfG 2 BvR 125/60, BeckRS 1960, 278 Rn. 15; 2 BvL 2/73, BeckRS 1976, 705; 1 BvL 13/76, NJW 1978, 933, 934; 1 BvR 1053/82, NJW 1986, 1671, 1672; 1 BvR 713/83 u. a., NJW 1987, 43, 44; 2 BvL 5/17, NZWiSt 2020, 263, 271; 1 BvR 781/21 u. a., NJW 2022, 139 Rn. 156. 30  BVerfG 2 BvR 238/68, NJW 1969, 1759; 2 BvL 2/73, BeckRS 1976, 705; 2 BvR 858/92, NJW 1993, 1909, 1910; 2 BvR 2559/08 u. a., NJW 2010, 3209 Rn. 75;

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B. Ermittlung eines verfassungsrechtlichen Maßstabs

Weil die Bestimmtheit vielmehr einzelfallbezogen zu ermitteln ist, ist ein flexibler Maßstab zugrunde zu legen. Zu fragen ist danach, welches Maß an Bestimmtheit beziehungsweise Unbestimmtheit dem Bürger im Einzelfall zugemutet werden kann,31 das heißt, welchen Aufwand der Bürger betreiben muss, um zu erkennen, welches Verhalten strafbar ist.32 Maßstabsperson sind dabei alle Bürger, die von dem jeweiligen Strafgesetz betroffen sind. Dabei kommt es nicht auf die Perspektive des konkret Betroffenen, sondern auf eine generalisierende Sichtweise an, mithin auf den durchschnittlichen Adressaten.33 Unzulässig sind danach nicht nur Strafgesetze, die das verbotene Verhalten nicht erkennbar eingrenzen, weil sie eine zu geringe Regelungsdichte haben. Es ist auch umgekehrt denkbar, dass ein Tatbestand zu ausführlich und detailliert geregelt ist.34 Auch dann kann der dem Bürger zugemutete Aufwand bei Ermittlung des strafbaren Verhaltens zu groß sein, weil er mit dem Umfang des Textes überfordert ist. Es geht hier um die quantitative Komplexität eines Strafgesetzes.35 Dass der Inhalt des Strafgesetzes theoretisch eindeutig ermittelt werden kann, genügt für sich genommen nicht.36

2 BvL 5/17, NZWiSt 2020, 263, 271; 1 BvR 781/21 u. a., NJW 2022, 139 Rn. 156; Dannecker/Schuhr, in: LK, § 1 Rn. 200; Kunig/Saliger, in: von Münch/Kunig, Art. 103 Rn. 51; Krach, Europäisierung, S. 206; Nolte/Aust, in: von Mangoldt/Klein/ Starck, Art. 103 Rn. 144; Zellerhoff, Scheinselbständigkeit, S. 131. 31  Satzger, Europäisierung, S. 246; ders., JuS 2004, 943, 944; Cornelius, Verweisungsbedingte Akzessorietät, S. 356; ders., in: FS Rengier, 461, 466; Koch, ZLR 1989, 199, 200. Dieses Kriterium wird oft speziell auf das Auffinden des Verweisungsobjekts eines Blankettstrafgesetzes bezogen, vgl. OLG Koblenz 1 Ss 567/88, NStZ 1989, 188, 189; Debus, Verweisungen, S. 267; Ernst, Blankettstrafgesetze, S. 101; Gaede, in: AnwK, § 1 Rn. 24; Krach, Europäisierung, S. 202; Schützendübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 259. 32  Satzger, Europäisierung, S. 246. 33  Enderle, Blankettstrafgesetze, S.  129  f.; Ernst, Blankettstrafgesetze, S. 96  f.; Hütwohl, Weinstrafrecht, S. 69; Satzger, in: Sieber/Satzger/von Heintschel-Heinegg, Europäisches Strafrecht, § 9 Rn. 30; Schnell, Verweisungsbedingte Normkomplexität, S. 94. 34  Basak, in: Matt/Renzikowski, § 1 Rn. 14; Bode/Seiterle, ZIS 2016, 91, 92; vgl. Schmitz, in: MüKo-StGB, § 1 Rn. 51; hingegen will Hennecke, NZWiSt 2017, 369, 372 solche Fälle wohl über die allgemeinen Irrtumsregeln lösen. 35  Sie wird insbesondere als Problem von Verweisungen thematisiert, vgl. Debus, Verweisungen, S.  153 f.; Herb, Normenklarheit, S. 37 f., ist aber nicht auf Verweisungen begrenzt, Ernst, Blankettstrafgesetze, S. 117 Fn. 723; vgl. Schnell, Verweisungsbedingte Normkomplexität, S. 116, 135 ff. 36  Ernst, Blankettstrafgesetze, S. 101; Krach, Europäisierung, S. 221.



I. Gesetzlichkeitsprinzip des Art. 103 Abs. 2 GG83

c) Anforderungen an Blankettstrafgesetze aa) Geltung des Bestimmtheitsgebots für das Ausfüllungsobjekt Bei Blankettstrafgesetzen beziehen sich die skizzierten Anforderungen auch auf das Ausfüllungsobjekt des Blankettstrafgesetzes.37 Bei der Rückverweisungstechnik sind demnach die ausfüllende nationale Rechtsverordnung und – bei unionsrechtsakzessorischen Blankettgesetzen – die ausfüllende EU-Verordnung daran zu messen. Das ergibt sich nicht automatisch dann, wenn man den Gesetzesbegriff des Art. 103 Abs. 2 GG mit der überwiegenden Meinung materiell interpretiert (dazu später38). Denn während es hier um die Frage geht, was mit „Strafbarkeit“ im Sinne des Art. 103 Abs. 2 GG gemeint ist, hängt sich die Diskussion um den Gesetzesbegriff an der Formulierung „gesetzlich“ auf39 und betrifft nur die kompetenzwahrende Komponente. Es ist aber die notwendige Konsequenz daraus, dass ein Blankettstrafgesetz seinen Tatbestand in andere Normen auslagert. Allein daraus dürfen keine geringeren Anforderungen an die Bestimmtheit resultieren.40 Auch wenn der Tatbestand an anderer Stelle geregelt ist, muss die Strafbarkeit für den Bürger vorhersehbar sein.41 Zudem wird der Inhalt des Ausfüllungsobjekts wegen der Inkorporationswirkung zum Bestandteil des Strafge37  BVerfG 2 BvR 702/65, NJW 1968, 1515 f.; 2 BvR 1941/00, NStZ-RR 2002, 22; 1 BvR 519/10, NVwZ 2012, 504 Rn. 37; 2 BvL 1/15, NJW 2016, 3648 Rn. 46; 2 BvL 5/17, NZWiSt 2020, 263, 272; 1 BvR 781/21 u. a., NJW 2022, 139 Rn. 158; vgl. BVerfG 2 BvL 7/78, NJW 1979, 1981, 1982; 2 BvR 579/84, NJW 1988, 2593, 2594; 2 BvR 2559/08 u. a., NJW 2010, 3209 Rn. 74; Appel, Verfassung und Strafe, S. 128, 571; Böse, in: FS Krey, 7, 9 f.; Bräutigam-Ernst, Bedeutung von Verwaltungsvorschriften, S. 271; Dannecker/Schuhr, in: LK, § 1 Rn. 151, 216; Degenhart, in: Sachs, Art. 103 Rn. 65; Dietmeier, Blankettstrafrecht, S. 114, 116 f.; Enderle, Blankettstrafgesetze, S. 129, 173, 205; Ernst, Blankettstrafgesetze, S. 85 f.; Krey, EWR 1981, 109, 137 (dort auf das allgemeine Bestimmtheitsgebot bezogen), 179; Moll, Europäisches Strafrecht, S. 134; Schnell, Verweisungsbedingte Normkomplexität, S. 107; Schützendübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 259; Schulze-Fielitz, in: Dreier, Art. 103 II Rn. 31. 38  Unten S. 93 ff. 39  Vgl. die getrennte Darstellung bei M. Wagner, Akzessorietät, Rn. 488 ff. Anders vorgehend aber Bülte, JuS 2015, 769, 774 f., ders., in: GS Joecks, 365, 366 f., 372 ff., der nicht zwischen „Strafbarkeit“ und „gesetzlich“ trennt, sondern allein darauf abstellt, was „Strafgesetz“ im Sinne des Art. 103 Abs. 2 GG ist. Aus der Annahme, Strafgesetz sei nur das formelle Gesetz, folgert Bülte, innerhalb seiner Vorgehensweise konsequent, Art. 103 Abs. 2 GG gelte nur für Ausfüllungsobjekte, die in formellen Gesetzen enthalten seien. 40  Ernst, Blankettstrafgesetze, S. 84 f.; vgl. BVerfG 1 BvR 519/10, NVwZ 2012, 504 Rn. 39. 41  Böse, in: FS Krey, 7, 9 f.; Bräutigam-Ernst, Bedeutung von Verwaltungsvorschriften, S. 272.

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B. Ermittlung eines verfassungsrechtlichen Maßstabs

setzes, folglich unterliegt er auch dessen verfassungsrechtlichen Anforderungen.42 Sofern eine unionale Verhaltensnorm das Blankettgesetz ausfüllt, wird allerdings teilweise geltend gemacht, sie dürfe nicht am nationalen Bestimmtheitsmaßstab des Art. 103 Abs. 2 GG überprüft werden, da ansonsten gegen den Anwendungsvorrang des Unionsrechts verstoßen werde.43 Einzelne Stimmen unterstellen sogar generell, das heißt auch im rein nationalen Kontext, nur die Sanktions- und nicht auch die im Ausfüllungsobjekt enthaltene Verhaltensnorm dem Bestimmtheitsgebot.44 Auf diese Weise werde eine Normspaltung vermieden,45 also das Phänomen, dass die Verhaltensnorm in ihrem originären nichtstrafrechtlichen Kontext anders – nämlich über ihren Wortlaut hinaus – angewandt wird als im Kontext ihrer strafrechtlichen In­ bezugnahme.46 Kompetenzrechtlich sei es ohnehin unzulässig, wenn der „Strafgesetzgeber“ durch die Verweisung die verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine eigentlich nichtstrafrechtliche Norm erhöhen könnte.47 42  Dannecker/Schuhr, in: LK, § 1 Rn. 152; Heuser, HRRS 2021, 63, 65; Satzger, in: SSW, § 1 Rn. 61; speziell zu Unionsrecht als Ausfüllungsobjekt Böse, in: FS Krey, 7, 18 Fn. 46 und (S.) 19; Ernst, Blankettstrafgesetze, S. 206 f.; Fuß, in: FS Paulick, 293, 295; Hecker, Europäisches Strafrecht, Kap. 7 Rn. 62; Krey, EWR 1981, 109, 152; Moll, Europäisches Strafrecht, S. 61 f.; Pauka/Link/Armenat, WM 2017, 2092, 2093; Satzger, Europäisierung, S. 237; ders., in: Sieber/Satzger/von Heintschel-­ Hei­negg, Europäisches Strafrecht, § 9 Rn. 29; ders., in: SSW, § 1 Rn. 65; Schützen­ dübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 257; vgl. BGH 5 StR 532/16, NJW 2017, 966 Rn. 14. 43  Dannecker, in: Zipfel/Rathke, 174. EL 2019, Vor §§ 58–62 LFGB Rn. 39; ders., in: FS Höpfel, 577, 588 f.; ders./Schuhr, in: LK, § 1 Rn. 145; Enderle, Blankettstrafgesetze, S. 212, ferner S. 199, 207; Knierim, in: ERST, Vor §§ 58–61 LFGB Rn. 5 (wohl sogar bezogen auf das gesamte Blankettstrafgesetz); ebenso, aber ohne Begründung Sackreuther, in: GJW, Vor §§ 58–61 LFGB Rn. 24; ders., in: Streinz/Meisterernst, Vor §§ 58 ff. LFGB Rn. 24 (allerdings jeweils unter Verweis auf Satzger, der die Gegenansicht vertritt); Schübel-Pfister, Sprache und Gemeinschaftsrecht, S. 459; wohl auch Andrzejewski, Strafbewehrung, S. 114. 44  M. Wagner, Akzessorietät, Rn.  494 ff.; Groß, Strafbarkeit des Eigendopings, S. 144; i. Erg. auch Ransiek, Gesetz und Lebenswirklichkeit, S. 114 ff.; ders., in: NKStGB, Vor §§ 324 ff. Rn. 24; Steinbeck, Insolvenzverschleppung, S. 58. M. Wagner, a. a. O., Rn. 489 Fn. 86 und Ransiek, in: NK-StGB, Vor §§ 324 ff. Rn. 24 Fn. 69 nehmen Bezug auf Schmitz, in: MüKo-StGB, Vor § 324 Rn. 50. Ob dieser die Aussage tatsächlich zu stützen vermag, ist zweifelhaft. Schmitz sagt a. a. O. nur, Art. 103 Abs. 2 GG gelte nicht für Verwaltungsakte. An anderer Stelle (in: FS Schünemann, 235, 238 f.) hält Schmitz es für „unstrittig“, dass Blankett und Ausfüllungsobjekt Art. 103 Abs. 2 GG unterfallen. 45  M. Wagner, Akzessorietät, Rn. 502. 46  Tiedemann, in: FS Schaffstein, 195, 197; C. Schröder, in: FS Mehle, 597 f.; Schuster, in: Hilgendorf/Kudlich/Valerius, Handbuch des Strafrechts, Bd. 1, § 4 Rn. 11. 47  M. Wagner, Akzessorietät, Rn. 502.



I. Gesetzlichkeitsprinzip des Art. 103 Abs. 2 GG85

Dadurch laufe die freiheitsgewährleistende Komponente nicht leer, denn die Rechtskenntnis des Bürgers werde nicht durch positiv-rechtlich geregelte Verhaltensnormen, sondern durch „tägliche praktische Übung vermittelt, insbesondere durch die Justizpraxis.“48 Abgesehen von dem unbestreitbaren Vorteil, eine Normspaltung zu vermeiden, kann dies jedoch nicht überzeugen. Der Zweck der freiheitsgewährleistenden Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG wäre erheblich gefährdet, nähme man die Verhaltensnorm aus ihrem Anwendungsbereich heraus. Denn dass Rechtskenntnis nicht infolge der Lektüre positiv geregelter Verhaltensnormen erlangt wird, mag zwar in Alltagssituationen zutreffend sein. Wesentliche Bedeutung wird die Orientierungsfunktion des Bestimmtheitsgebots aber auch dann erlangen, wenn ein Bürger sich, etwa um einen Beruf ausüben zu können, aktiv um Rechtskenntnis bemüht. Der Zugang zum Recht wird ihm dann erleichtert, wenn sich die Strafbarkeit nicht aus Gewohnheitsrecht oder einer analogen Anwendung, sondern aus dem Wortlaut einer geschriebenen Norm ergibt. Unklar ist zudem, inwiefern ein Kompetenzkonflikt entstehen sollte, wenn das strafrechtliche Bestimmtheitsgebot auf die Verhaltensnorm angewandt wird.49 Füllt der nationale Verordnungsgeber das Blankettstrafgesetz aus, ist er dabei von einer gesetzlichen Ermächtigung nach Art. 80 Abs. 1 GG abhängig und dem parlamentarischen Gesetzgeber insoweit untergeordnet. Ein Kompetenzkonflikt ist ausgeschlossen. Sofern der Unionsgesetzgeber das Blankettgesetz ausfüllt, ist ein Konflikt zwar auf den ersten Blick näherliegend: Schließlich besteht hier kein Unterordnungsverhältnis – das Unionsrecht genießt, im Gegenteil, Anwendungsvorrang. Die nationalen verfassungsrechtlichen Anforderungen werden infolge der Verweisung jedoch nur auf die unionale Verhaltensnorm in ihrer Funktion als Ausfüllungsobjekt des Strafgesetzes erstreckt, das heißt nur auf die Norm in ihrer strafrechtlichen Wirkung auf nationaler Ebene.50 Ist die unionale Norm zu unbestimmt, kann sie also nach Art. 103 Abs. 2 GG kein taugliches Ausfüllungsobjekt des natio­nalen Blankettstrafgesetzes sein. Ihre nichtstrafrechtliche Geltung auf Unionsebene wird davon nicht berührt.51 Daher ist weder der AnwendungsAkzessorietät, Rn.  499 f. Akzessorietät, Rn. 502 unterscheidet insoweit den „Strafgesetzgeber“ vom „Fachgesetzgeber“, ohne zu erläutern, wer damit gemeint ist. Einen „Strafgesetzgeber“ als besonderes Organ gibt es aber nicht, Kühl, in: FS Lackner, 815, 829. 50  Ernst, Blankettstrafgesetze, S. 206 f.; Hecker, Europäisches Strafrecht, Kap. 7 Rn. 62; Satzger, Europäisierung, S. 237; Schützendübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 257. 51  Ernst, Blankettstrafgesetze, S. 207; Hecker, Europäisches Strafrecht, Kap. 7 Rn. 62; Heger, in: Böse, Europäisches Strafrecht, § 5 Rn. 62; Satzger, Europäisierung, S. 238; Schützendübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 258. 48  M. Wagner,

49  M. Wagner,

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B. Ermittlung eines verfassungsrechtlichen Maßstabs

vorrang des Unionsrechts betroffen noch besteht ein Kompetenzkonflikt, da der Unionsgesetzgeber im Strafrecht gar keine (generelle) Kompetenz zur Rechtsetzung hat.52 Art. 103 Abs. 2 GG gilt daher für die das Blankettstrafgesetz ausfüllende nationale und unionale Verhaltensnorm. bb) Bestimmtheit der Verweisung und Gesamtregelung Daneben wird betont, auch die Verweisung müsse bestimmt genug sein, das heißt, sie müsse klar erkennbar machen, welche Norm sie in Bezug nehme.53 Damit werden genau genommen keine weitergehenden Anforderungen aufgestellt, denn die Verweisung ist Teil des Blankettstrafgesetzes und muss schon deswegen bestimmt sein. Gleichwohl ist es sinnvoll, dies extra herauszustellen, um an diesen im Vergleich zu Vollstrafgesetzen besonderen Prüfungspunkt zu erinnern. Schließlich muss die aus Blankettstrafgesetz und Ausfüllungsobjekt zusammengesetzte Regelung als solche am Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG gemessen werden.54 Hier ist ein Gesamtwertungsakt vorzunehmen.55 Er ist notwendig, weil Blankettstrafgesetz, Verweisung und Ausfüllungsobjekt zwar jeweils für sich genommen bestimmt sein können, ihre Verschaltung aber möglicherweise die Gesamtregelung schwer durchschaubar macht.56 Angesprochen ist damit die strukturelle Komplexität von Verweisungssystemen.57 Das beruht auf dem mit dem Einsatz der Verweisungstechnik stets verbundenen Nachteil: Jede Verweisung erschwert es, die Regelung zu verstehen,58 weil der Text infolge der Verweisung in seinem Zusam52  Oben S. 56  f. Ergänzend zum Anwendungsvorrang und Art. 49 Abs. 1 S. 1 GRCh noch unten S. 131 ff. 53  BVerfG 2 BvL 7/78, NJW 1979, 1981, 1982; 2 BvR 871/04 u. a., wistra 2010, 396 Rn. 56; 2 BvL 1/15, NJW 2016, 3648 Rn. 42, 44; 2 BvL 5/17, NZWiSt 2020, 263, 272; Böse, in: FS Krey, 7, 10, 19; Enderle, Blankettstrafgesetze, S. 173 f.; Satzger, Europäisierung, S. 241; Schnell, Verweisungsbedingte Normkomplexität, S. 108; Schuster, in: Hilgendorf/Kudlich/Valerius, Handbuch des Strafrechts, Bd. 1, § 4 Rn. 9. 54  Ernst, Blankettstrafgesetze, S. 87, 115 f.; Moll, Europäisches Strafrecht, S. 135; Satzger, Europäisierung, S. 249; Schnell, Verweisungsbedingte Normkomplexität, S. 108; bezogen auf das allgemeine Bestimmtheitsgebot Debus, Verweisungen, S.  153; a. A. Heger, in: Böse, Europäisches Strafrecht, § 5 Rn. 63. 55  Satzger, Europäisierung, S. 249; ders./Langheld, HRRS 2011, 460, 461. 56  Vgl. Ernst, Blankettstrafgesetze, S. 116 f.; Satzger, Europäisierung, S. 250; bezogen auf das allgemeine Bestimmtheitsgebot Debus, Verweisungen, S.  153 f. 57  Debus, Verweisungen, S. 153; Moll, Europäisches Strafrecht, S. 134; Schnell, Verweisungsbedingte Normkomplexität, S. 116; Herb, Normenklarheit, S. 37 f. 58  Karpen, in: Rödig, Theorie der Gesetzgebung, 221, 236; Satzger, Europäisierung, S. 228; Veit, Rezeption technischer Regeln, S. 35.



I. Gesetzlichkeitsprinzip des Art. 103 Abs. 2 GG87

menhang zerstört wird.59 Dabei macht zwar eine Verweisung die Regelung nicht bereits notwendig unverständlich. Doch muss der Effekt im Auge behalten werden. Je nach Ausgestaltung der Verweisung(en), insbesondere je nach Anzahl und Formulierung, fällt er schwerer ins Gewicht. Kumulieren mehrere das Verständnis erschwerende, aber für sich genommen noch bestimmte Verweisungen, kann die Regelung in der Gesamtwertung unbestimmt sein. Insoweit ist daran zu erinnern, dass es nicht genügt, wenn der Inhalt eines Strafgesetzes nur theoretisch bestimmbar ist. Es muss dem Normadressaten vielmehr zumutbar sein, das Verweisungssystem zu überblicken. cc) Besondere Anforderungen im Expertenstrafrecht? Die Bestimmtheit ist aus generalisierender Perspektive der Adressaten eines Gesetzes zu ermitteln. Dies wird relevant, wenn der Adressatenkreis sich von der Allgemeinheit abhebt, weil er ein besonderes Fachwissen hat. Daraus folgende Besonderheiten werden in der Literatur unter dem Stichwort Expertenstrafrecht60 diskutiert. Auch das BVerfG nimmt hier Unterscheidungen vor.61 Ist ein Strafgesetz als Expertenstrafrecht zu qualifizieren, kann seine sprachliche Gestaltung daran angepasst werden. Es darf auf dem Wissensstand der Adressaten aufbauen und besondere Fachausdrücke verwenden.62 Von Bedeutung ist dies vor allem im Nebenstrafrecht, das sich oft an ausgewählte Berufsgruppen richtet, beispielsweise dem Lebensmittel- oder Arzneimittelstrafrecht.63 Weil im Nebenstrafrecht auch die Rückverweisungstechnik zum Einsatz kommt, ist zu überlegen, ob innerhalb des Expertenstrafrechts auch die Be59  BMJ, Rechtsförmlichkeit, Rn. 227; Debus, Verweisungen, S. 102; Ernst, Blankettstrafgesetze, S. 62; vgl. Karpen, Verweisung, S. 11, 222. 60  Bode/Seiterle, ZIS 2016, 91, 94; Ernst, Blankettstrafgesetze, S. 97; Moll, Europäisches Strafrecht, S. 139; Satzger, Europäisierung, S. 243; ders., JuS 2004, 943, 944; Schützendübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 260. 61  BVerfG 2 BvR 927/76, NJW 1978, 1423; 2 BvR 1206/87, LMRR 1988, 39; 2 BvR 1824/83, LMRR 1988, 53; 2 BvR 1941/00, NStZ-RR 2002, 22; 2 BvR 871/04 u. a., wistra 2010, 396 Rn. 55; 2 BvR 2559/08 u. a., NJW 2010, 3209 Rn. 75; 2 BvL 5/17, NZWiSt 2020, 263, 271. In BVerfG 2 BvL 1/15, NJW 2016, 3648 Rn. 52 wurde dies hingegen zwischenzeitlich offengelassen. 62  Erne, Bestimmtheitsgebot, S. 48; Heger/Widmann, EuR 2021, 356, 367; Moll, Europäisches Strafrecht, S. 139; Satzger, Europäisierung, S. 243; Schnell, Verweisungsbedingte Normkomplexität, S. 114; bezogen auf das Recht im Allgemeinen Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. II, § 20 Rn. 37. 63  Ernst, Blankettstrafgesetze, S. 97.

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stimmtheitsanforderungen an diese Gesetzestechnik modifiziert werden können. Indes ist das Verständnis einer Gesetzestechnik von juristischen Fähigkeiten umfasst und nicht vom besonderen Fachwissen anderer Berufsgruppen.64 Sein Sonderwissen „macht den Normadressaten nicht auch zum Experten der Gesetzgebungslehre“.65 Fachkundige Adressaten sind aufgrund ihres Berufs nicht stärker mit der Struktur von Verweisungssystemen vertraut und können sie nicht leichter verstehen als die Allgemeinheit.66 Alle Verständnisschwierigkeiten, die auf der Verwendung der Blankettgesetzgebung beruhen, sind vielmehr auch im Expertenstrafrecht gleich zu beurteilen. 3. Vorbehalt des formellen Gesetzes (kompetenzwahrende Komponente) Gemäß der kompetenzwahrenden Komponente des Gesetzlichkeitsprinzips soll nur die Legislative, das heißt der parlamentarische Gesetzgeber, über die Strafbarkeit entscheiden, nicht die Exekutive oder Judikative. Art. 103 Abs. 2 GG enthält in den Worten des BVerfG einen „strengen Gesetzesvorbehalt“67 (genauer: strengen parlamentsgesetzlichen Vorbehalt68). Wie sich die kompetenzwahrende Komponente zur freiheitsgewährleistenden verhält, wird später noch genauer erörtert. An dieser Stelle ist zunächst nur die jeweils eigenständige Bedeutung der Komponenten zu betonen: Ein klar verständ­ liches Strafgesetz kann vom nicht zuständigen Normgeber erlassen werden;69 umgekehrt kann der zuständige Normgeber ein unverständliches Strafgesetz erlassen.70 64  Schützendübel, Verweisungen auf EU-Verordnungen, S. 260; vgl. Ernst, Blankettstrafgesetze, S. 99; Schnell, Verweisungsbedingte Normkomplexität, S. 115; so auch Satzger, Europäisierung, S. 243 f. mit einer Ausnahme für Sachbereiche, „die durch eine sich sachlich gebotene häufig wechselnde Gesetzeslage oder eine komplizierte Kompetenzaufteilung zwischen mehreren Gesetzgebern geradezu geprägt werden“, a. a. O., S.  244. 65  Moll, Europäisches Strafrecht, S. 139. 66  A. A. Cornelius, Verweisungsbedingte Akzessorietät, S. 361. 67  BVerfG 1 BvR 1053/82, NJW 1986, 1671; 1 BvR 713/83 u. a., NJW 1987, 43, 44; 2 BvL 11/85, NJW 1987, 3175; 2 BvR 234/87 u. a., NJW 1989, 1663; 2 BvR 1463/88, NStZ 1990, 394; 2 BvR 858/92, NJW 1993, 1909, 1910; 1 BvR 718/89 u. a., NJW 1995, 1141; 2 BvR 2559/08 u. a., NJW 2010, 3209 Rn. 70; 1 BvR 519/10, NVwZ 2012, 504 Rn. 35; 1 BvR 1864/14, NJW 2016, 1229 Rn. 4; 2 BvL 1/15, NJW 2016, 3648 Rn. 36; 2 BvR 167/18, NJW 2019, 2837 Rn. 26; 2 BvL 5/17, NZWiSt 2020, 263, 270. 68  Vgl. BVerfG 2 BvR 1851/94 u. a., NJW 1997, 929, 930: „strengen Parlamentsvorbehalt“. 69  Bode/Seiterle, ZIS 2016, 91, 95. 70  Cornelius, Verweisungsbedingte Akzessorietät, S. 316.



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a) Herleitung des Gesetzesvorbehalts Das Erfordernis eines formellen Gesetzes klingt zwar im Wortlaut des Art. 103 Abs. 2 GG an. Gleichwohl ist es nicht eindeutig daraus ableitbar. In Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG wird nämlich ausdrücklich ein förmliches Gesetz gefordert. Weil Art. 103 Abs. 2 GG auf diesen Zusatz verzichtet und nur von „gesetzlich“ spricht, könnte der Gesetzesbegriff hier weiter gefasst sein: Er könnte im materiellen Sinne verstanden werden; dann erfasste er jede Rechtsnorm.71 Diese Frage kann nicht unter Verweis auf die ausdrückliche Regelung in Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG offengelassen werden.72 Zwar gilt dessen Forderung nach einem förmlichen Gesetz faktisch für alle Strafgesetze, weil heutzutage jedes Strafgesetz zumindest auch Freiheitsstrafe androht,73 weshalb der Anwendungsbereich des Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG immer eröffnet ist.74 Für Strafgesetze käme es folglich nicht darauf an, ob sich schon aus Art. 103 Abs. 2 GG ein Parlamentsvorbehalt ergibt. Doch bliebe unklar, was im Ordnungswidrigkeitenrecht gilt, auf das Art. 103 Abs. 2 GG, nicht aber Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG anwendbar ist.75 aa) Den Gesetzesvorbehalt ablehnende Meinung Einzelne Stimmen deuten das in Art. 103 Abs. 2 GG enthaltene „gesetzlich“ in einem rein materiellen Sinne und bestreiten die Existenz eines Parlamentsvorbehalts.76 Ihnen zufolge wirkt die Vorschrift nur insofern kompeJZ 1984, 685, 690; Schneider, Gesetzgebung, Rn. 14. vorgehend Basak, in: Matt/Renzikowski, § 1 Rn. 11; Bräutigam-Ernst, Bedeutung von Verwaltungsvorschriften, S. 262; Jäger, in: SK, § 1 Rn. 6; Schmitz, in: MüKo-StGB, § 1 Rn. 25. Auch das BVerfG macht dies verschiedentlich (unausgesprochen), wenn es Art. 103 Abs. 2 GG und Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG zusammenprüft und nicht klar zwischen den Regelungen trennt, vgl. BVerfG 2 BvL 4/62, NJW 1962, 1563, 1564 f.; 2 BvL 11/85, NJW 1987, 3175 f.; 2 BvR 858/92, NJW 1993, 1909, 1910. 73  Schuster, Strafnormen und Bezugsnormen, S. 267; Weigend, in: LK, Einleitung Rn. 13. 74  Näher dazu unten S. 115 f. 75  Unten S. 107, 115. 76  Bode/Seiterle, ZIS 2016, 91, 96, 98 f.; Schünemann, in: FS Lackner, 367, 379 Fn. 42; Schuster, Strafnormen und Bezugsnormen, S. 265 f.; ders., in: Hilgendorf/ Kudlich/Valerius, Handbuch des Strafrechts, Bd. 1, § 4 Rn. 13 f.; ders., NZWiSt 2016, 278, 280 (allerdings stimmt Schuster hier zugleich BGH 2 StR 525/13, NJW 2016, 1251 Rn. 60 zu, der BGH geht an dieser Stelle aber von einem Parlamentsvorbehalt aus); Spoerr, in: Assmann/Schneider/Mülbert, § 120 WpHG Rn. 131, 135 f.; Winkelbauer, Verwaltungsakzessorietät, S. 33. 71  Kloepfer, 72  So

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tenzwahrend, als sie – dies ist unstrittig77 – zumindest Gewohnheitsrecht verbietet. Eine Verlagerung der Strafgesetzgebung weg von der Legislative könne dagegen erst durch Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG78 beziehungsweise Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG79 begrenzt werden. Dafür wird angeführt, Art. 103 Abs. 2 GG besage nichts darüber, wer zur Bestimmung der Strafbarkeit berufen sei.80 Das ist insofern richtig, als der Begriff „gesetzlich“, wie eben gezeigt, nicht eindeutig ist. Er ist allerdings gleichwohl nicht völlig bedeutungslos. Wenn das Grundgesetz zum Beispiel in Art. 80 zwischen Gesetz und Rechtsverordnung trennt, kann dort mit „Gesetz“ auch ohne explizite Klarstellung nur das förmliche Gesetz gemeint sein. Nicht überzeugend ist auch der Vorwurf, die Existenz eines Parlamentsvorbehalts könne nur auf „nicht tragende verfassungsgerichtliche Formulierungen“ gestützt werden.81 Das BVerfG hat in mehreren Entscheidungen die Verpflichtung des parlamentarischen Gesetzgebers zur Regelung aller wesentlichen Strafbarkeitsvoraussetzungen ausdrücklich unter Art. 103 Abs. 2 GG subsumiert.82 bb) Herleitung über allgemeine verfassungsrechtliche Wurzeln Dass Art. 103 Abs. 2 GG einen Parlamentsvorbehalt enthält, zeigt sich, wenn man ihn mit allgemeinen verfassungsrechtlichen Bestimmungen in Beziehung setzt.83 Die Wurzeln der kompetenzwahrenden Komponente liegen im Grundsatz der Gewaltenteilung aus Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG84 und im 77  Vgl. BVerfG 2 BvR 15/62, NJW 1962, 1339; Nolte/Aust, in: von Mangoldt/ Klein/Starck, Art. 103 Rn. 136; Remmert, in: Dürig/Herzog/Scholz, Art. 103 Abs. 2 Rn. 80. 78  Schünemann, in: FS Lackner, 367, 379 Fn. 42; Schuster, Strafnormen und Bezugsnormen, S.  271 f.; ders., NZWiSt 2016, 278, 280; ders., in: Hilgendorf/Kudlich/ Valerius, Handbuch des Strafrechts, Bd. 1, § 4 Rn. 14. 79  Bode/Seiterle, ZIS 2016, 91, 96 ff.; vgl. Spoerr, in: Assmann/Schneider/Mülbert, § 120 WpHG Rn. 136. 80  Bode/Seiterle, ZIS 2016, 91, 96. 81  Schuster, Strafnormen und Bezugsnormen, S. 265; ders., in: Hilgendorf/Kudlich/Valerius, Handbuch des Strafrechts, Bd. 1, § 4 Rn. 13. 82  BVerfG 2 BvR 2559/08 u. a., NJW 2010, 3209 Rn. 70, 72; 2 BvL 1/15, NJW 2016, 3648 insbesondere Rn. 36, 38 f., 42, 47; 2 BvL 5/17, NZWiSt 2020, 263, 270 ff.; vgl. darüber hinaus die Nachweise in Fn. 67 f. 83  Schuster, Strafnormen und Bezugsnormen, S. 269 bringt die (sogleich zu erläuternde) Wesentlichkeitstheorie nur mit Art. 80 Abs. 1 GG in Verbindung; Bode/Seiterle, ZIS 2016, 91, 98 f. erkennen zwar die Verbindung zur Wesentlichkeitstheorie, lehnen diesen Weg aber als „unnötig und umständlich“ ab. 84  Cornelius, Verweisungsbedingte Akzessorietät, S. 308; ders., in: FS Rengier, 461, 465; Dannecker/Schuhr, in: LK, § 1 Rn. 55; Grünwald, ZStW 76 (1964), 1, 14,



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Demokratieprinzip aus Art. 20 Abs. 1, 2 GG85. Um das zu erklären, muss auf allgemeine Grundlagen des Öffentlichen Rechts eingegangen werden. Aus dem Grundgesetz wird ein allgemeiner Vorbehalt des (formellen86) Gesetzes für staatliches Handeln abgeleitet.87 Wie weit der Vorbehalt reicht, bestimmt das BVerfG mit der Wesentlichkeitstheorie. Der parlamentarische Gesetzgeber muss danach in grundlegenden normativen Bereichen selbst alle wesentlichen Entscheidungen treffen,88 wobei sich die Wesentlichkeit vor allem nach der Grundrechtsrelevanz beurteilt.89 Maßgebende Erwägung für diese Aufgabenzuweisung an die Legislative ist das Demokratieprinzip: Nur die Legislative ist unmittelbar demokratisch legitimiert.90 Ein förmliches Gesetzgebungsverfahren gewährleistet zudem „ein höheres Maß an Öffentlichkeit der Auseinandersetzung und Entscheidungssuche und damit auch 16; Kunig/Saliger, in: von Münch/Kunig, Art. 103 Rn. 30; Ransiek, Gesetz und Lebenswirklichkeit, S.  40 ff.; Roxin/Greco, Strafrecht AT/I, § 5 Rn. 20; vgl. BVerfG 2 BvL 5/17, NZWiSt 2020, 263, 272; 2 BvR 794/95, NJW 2002, 1779, 1780: „Das Bestimmtheitsgebot ist […] Handlungsanweisung an den Strafgesetzgeber und Handlungsbegrenzung für den Strafrichter“. 85  Cornelius, Verweisungsbedingte Akzessorietät, S. 308; ders., in: FS Rengier, 461, 465; Dannecker/Schuhr, in: LK, § 1 Rn. 55; Grünwald, ZStW 76 (1964), 1, 14, 16; Krey, Strafe, Rn. 135; Kunig/Saliger, in: von Münch/Kunig, Art. 103 Rn. 30; Ransiek, Gesetz und Lebenswirklichkeit, S. 40 ff.; Roxin/Greco, Strafrecht AT/I, § 5 Rn. 20; auf Distanz dazu gehen Nolte/Aust, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Art. 103 Rn. 170. 86  Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd.  V, § 101 Rn. 16. 87  BVerfG 2 BvR 883/73 u. a., NJW 1976, 34 f.; 2 BvR 624/83 u. a., NJW 1988, 1651, 1657; 2 BvF 3/90, NJW 1999, 3253, 3254; 2 BvF 1/12 u. a., NVwZ 2014, 1219 Rn. 102; Debus, Verweisungen, S. 237; Krey, EWR 1981, 109, 134 f.; ders./WeberLinn, in: FS Blau, 123, 137, 142 ff.; Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 6 Rn. 6; Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. V, § 101 Rn.  40 ff.; Uhle, Parlament und Rechtsverordnung, S. 329. 88  BVerfG 2 BvL 8/77, NJW 1979, 359, 360; 2 BvF 3/90, NJW 1999, 3253, 3254; 2 BvC 3/07 u. a., NVwZ 2009, 708 Rn. 132; 2 BvF 1/12 u. a., NVwZ 2014, 1219 Rn. 102; 2 BvF 1/15 u. a., NVwZ 2018, 1703 Rn. 191; vgl. BVerfG 2 BvR 624/83 u. a., NJW 1988, 1651, 1657; 1 BvR 402/87, NJW 1991, 1471, 1472; 1 BvR 48/94, NJW 1997, 1975, 1977; 2 BvR 1436/02, NJW 2003, 3111, 3116. Dazu Kloepfer, JZ 1984, 685, 689 ff.; Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. V, § 101 Rn.  52 ff.; Seiler, Parlamentsvorbehalt, S. 64 ff.; Staupe, Parlamentsvorbehalt, S. 104 ff. 89  BVerfG 1 BvR 402/87, NJW 1991, 1471, 1472; 1 BvR 48/94, NJW 1997, 1975, 1977; 2 BvF 3/90, NJW 1999, 3253, 3254; 2 BvR 1436/02, NJW 2003, 3111, 3116; 2 BvR 1322/12 u. a., NVwZ 2015, 1279 Rn. 52; 2 BvF 1/15 u. a., NVwZ 2018, 1703 Rn. 194. 90  Krey, Strafe, Rn. 124; ders./Weber-Linn, in: FS Blau, 123, 130 f.; Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 6 Rn. 6; C. Schröder, Richtlinien, S. 116; Uhle, Parlament und Rechtsverordnung, S. 329; vgl. BVerfG 2 BvR 883/73 u. a., NJW 1976, 34, 35.

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größere Möglichkeiten eines Ausgleichs widerstreitender Interessen.“91 Eine Rechtsverordnung beispielsweise kann demgegenüber größtenteils unter Ausschluss der Öffentlichkeit konzipiert werden.92 Zugleich wird durch die Wesentlichkeitstheorie die Machtverteilung zwischen Legislative und Exekutive bestimmt und damit der Gewaltenteilung Rechnung getragen.93 Die Wesentlichkeitstheorie stellt sich für den Gesetzgeber somit als teilweises Delegationsverbot dar, sie „schützt das Parlament gewissermaßen vor sich selbst.“94 Über sie wird der Gesetzgeber nicht nur überhaupt verpflichtet, sondern auch der Umfang dieser Pflicht bestimmt: Je wesentlicher eine bestimmte Frage ist, desto genauer muss der Gesetzgeber die Regelung treffen.95 Auch wenn damit keine besonders eindeutigen Kriterien formuliert sind,96 deutet die Wesentlichkeitstheorie zumindest für das Strafrecht in eine klare Richtung: Mit einer Strafe ist ein besonders schwerer Eingriff in die Freiheit des Bürgers verbunden. Dieser Eingriff muss durch den parlamentarischen Gesetzgeber als unmittelbar durch das Volk gewählte Instanz legitimiert werden.97 Die kompetenzwahrende Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG ist daher eine auf das Strafrecht bezogene Ausprägung des allgemeinen Vorbehalts des Gesetzes.98 Insoweit steht sie in engem Zusammenhang mit der Wesentlichkeitstheorie.99 Die Wesentlichkeitstheorie gilt nach dem 91  BVerfG 2 BvR 883/73 u. a., NJW 1976, 34, 35; vgl. D. Wolff/P. Zimmermann, Jura 2022, 18, 20. 92  Lassahn, Parlamentsgesetz, S. 129 f., der jedoch einschränkend darauf hinweist, dass auch formelle Gesetze oft in Ministerien und damit außerhalb der Öffentlichkeit vorbereitet werden, a. a. O., S. 130 Fn. 568. 93  Uhle, Parlament und Rechtsverordnung, S. 329. 94  Kloepfer, JZ 1984, 685, 690; vgl. Lassahn, Parlamentsgesetz, S. 139 ff. 95  BVerfG 1 BvR 402/87, NJW 1991, 1471, 1475; 2 BvF 3/90, NJW 1999, 3253, 3254; 2 BvR 1322/12 u. a., NVwZ 2015, 1279 Rn. 54; Grzeszick, in: Dürig/Herzog/ Scholz, Art. 20 VI. Rn. 106; Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 6 Rn. 14. 96  Kloepfer, JZ 1984, 685, 692: „Wesentlich ist, was das BVerfG dafür hält.“ 97  BVerfG 2 BvR 2559/08 u. a., NJW 2010, 3209 Rn. 70; 2 BvL 1/15, NJW 2016, 3648 Rn. 36; 2 BvL 5/17, NZWiSt 2020, 263, 270; vgl. BVerfG 2 BvR 167/18, NJW 2019, 2837 Rn. 26; Moll, Europäisches Strafrecht, S. 191; so auch, aber ohne explizite Bezugnahme auf die Wesentlichkeitstheorie Schmahl, in: Hilgendorf/Kudlich/ Valerius, Handbuch des Strafrechts, Bd. 1, § 2 Rn. 51; Roxin/Greco, Strafrecht AT/I, § 5 Rn. 20. 98  Ernst, Blankettstrafgesetze, S. 78; Krey, Studien zum Gesetzesvorbehalt, S. 38, 41; ders./Weber-Linn, in: FS Blau, 123; Schulze-Fielitz, in: Dreier, Art. 103 II Rn. 28; Veit, Rezeption technischer Regeln, S. 90; vgl. Karpen, Verweisung, S. 202; Lohberger, Blankettstrafrecht, S. 75, 90; Ransiek, Gesetz und Lebenswirklichkeit, S. 46. Dies klingt an in BVerfG 1 BvL 13/76, NJW 1978, 933, 934. 99  Auf diesen Zusammenhang hinweisend Burchard, StV 2019, 637, 640; Cornelius, Verweisungsbedingte Akzessorietät, S.  311 f.; ders., NStZ 2017, 682, 684;



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BVerfG „für den grundrechtssensiblen Bereich des materiellen Strafrechts besonders strikt.“100 Über die Verbindung zum Demokratieprinzip und Gewaltenteilungsgrundsatz kann folglich die Existenz eines Parlamentsvorbehalts in Art. 103 Abs. 2 GG hergeleitet werden. b) Gesetzesbegriff des Art. 103 Abs. 2 GG Die kompetenzwahrende Komponente ist eindeutig eingehalten, wenn sich die Strafbarkeit aus einem oder auch mehreren Parlamentsgesetzen ergibt. Problematisch wird es dagegen, sobald, wie bei der Rückverweisungstechnik, zwar ein Parlamentsgesetz existiert, es jedoch in seinem Tatbestand auf Normen einer anderen Instanz verweist. Die Untersuchung, wie weit der Parlamentsvorbehalt in diesen Fällen reicht, wird in der Literatur üblicherweise mit der Frage verknüpft, welcher Gesetzesbegriff Art. 103 Abs. 2 GG zugrunde liegt. Ein Teil dieser Diskussion, insoweit nämlich „gesetzlich“ rein materiell verstanden und die Existenz der kompetenzwahrenden Komponente mithin bestritten wird, ist bereits dargestellt worden. Im Folgenden geht es nur noch um die Meinungen, die zumindest im Ausgangspunkt ein formelles Gesetz für nötig erachten. Um der kompetenzwahrenden Komponente im oben umrissenen Sinne gerecht zu werden, läge es nahe, „gesetzlich“ im Sinne von Art. 103 Abs. 2 GG in einem förmlichen Sinne zu interpretieren.101 Dies entspräche am besDorneck, in: Stam/Werkmeister, Der Allgemeine Teil des Strafrechts, 9, 23; Ernst, Blankettstrafgesetze, S. 82; Freund, in: FS Rössner, 579, 581; ders., in: MüKo-StGB, Vor § 95 AMG Rn. 59; ders./Rostalski, GA 2016, 443, 448; Honstetter, Lebens­ mittel(straf)rechtlicher Gesundheitsschutz, S. 81; Krey, EWR 1981, 109, 182; ders., Strafe, Rn. 124; ders./Weber-Linn, in: FS Blau, 123, 130 f.; Moll, Europäisches Strafrecht, S.  126 f.; Ransiek, Gesetz und Lebenswirklichkeit, S. 46 f.; Reus, Risikogesellschaft, S. 158; Satzger, Europäisierung, S. 247; C. Schröder, Richtlinien, S. 116; Schützendübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 261; Volkmann, ZRP 1995, 220, 223. 100  BVerfG 2 BvL 1/15, NJW 2016, 3648 Rn. 38; 2 BvL 5/17, NZWiSt 2020, 263, 271; 1 BvR 781/21 u. a., NJW 2022, 139 Rn. 155; vergleichbar BVerfG 2 BvR 2559/08 u. a., NJW 2010, 3209 Rn. 72. 101  So Bülte, JuS 2015, 769, 775; ders., in: GS Joecks, 365, 367; Enderle, Blankettstrafgesetze, S. 216; Honstetter, Lebensmittel(straf)rechtlicher Gesundheitsschutz, S. 81; Lohberger, Blankettstrafrecht, S. 101 f.; Pohlreich, HRRS 2020, 481, 484; Schmidt-Aßmann, in: Dürig/Herzog/Scholz, 79. EL 2016, Art. 103 Abs. 2 Rn. 183; Tiedemann, Tatbestandsfunktionen, S. 253; M. Wagner, Akzessorietät, Rn.  513 ff. (dieser bezieht Art. 103 Abs. 2 GG allerdings nur auf die Sanktionsnorm, dazu oben S. 84 ff.). So auch Dannecker/Schuhr, in: LK, § 1 Rn. 118, die aber bezüglich der freiheitsgewährleistenden Komponente einen materiellen Gesetzesbegriff zugrunde

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B. Ermittlung eines verfassungsrechtlichen Maßstabs

ten der engen Verbindung mit dem Demokratieprinzip und Gewaltenteilungsgrundsatz.102 Vertreter eines förmlichen Gesetzesbegriffs verstehen dies aber nicht dahingehend, dass der Tatbestand ausschließlich in einem Parlamentsgesetz enthalten sein müsse. Es ist ihrer Ansicht nach zulässig, wenn nichtförmliche Rechtsakte den Tatbestand konkretisieren oder – synonym hierzu gebraucht – spezifizieren.103 Überwiegend wird der Gesetzesbegriff allerdings, zumindest im Ausgangspunkt, in einem materiellen Sinne verstanden104 und Rechtsverordnungen und Satzungen darin einbezogen.105 Auch das BVerfG ist dieser Ansicht,106 wenngleich es sich dadurch in Widerspruch setzt zu seiner Betitelung des legen. Dies entspricht im Ergebnis dem auch hier vertretenen Maßstab, ohne dass es dazu einer solchen Differenzierung bedürfte. Denn der Gesetzesbegriff wird von vornherein nur für eine der Komponenten, nämlich die kompetenzwahrende, relevant; vgl. dazu auch unten S. 102 f. 102  M. Wagner, Akzessorietät, Rn. 514 f.; vgl. Tiedemann, Tatbestandsfunktionen, S. 253; Lohberger, Blankettstrafrecht, S. 91 ff., 102. 103  Enderle, Blankettstrafgesetze, S. 216; Honstetter, Lebensmittel(straf)rechtlicher Gesundheitsschutz, S. 81; Schmidt-Aßmann, in: Dürig/Herzog/Scholz, 79. EL 2016, Art. 103 Abs. 2 Rn. 201, 210; Tiedemann, Tatbestandsfunktionen, S.  253 f.; i. Erg. auch Bülte, JuS 2015, 769, 775: Der an Art. 103 Abs. 2 GG zu messende Tatbestand dürfe zwar nur aus formellen Gesetzen bestehen, sofern darin aber die Grund­ entscheidung über die Strafbarkeit enthalten sei und das Verweisungsobjekt diese nur konkretisiere, sei der formellgesetzliche Tatbestand bereits vollständig, vgl. ders., in: GS Joecks, 365, 367, 375 (unklar aber a. a. O., 373), ebenso wohl Lohberger, Blankettstrafrecht, S.  112 ff. 104  Debus, Verweisungen, S.  264 f.; Ernst, Blankettstrafgesetze, S. 79; Karpen, Verweisung, S. 203; Krey, Studien zum Gesetzesvorbehalt, S. 42; ders., EWR 1981, 109, 182; Heghmanns, Grundzüge einer Dogmatik, S. 85 f.; Nolte/Aust, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Art. 103 Rn. 152; Satzger, Europäisierung, S. 247; ders., in: SSW, § 1 Rn. 15; Schmitz, in: MüKo-StGB, § 1 Rn. 25; Schuster, Strafnormen und Bezugsnormen, S. 266; Weidenbach, Blankettstrafgesetze, S. 48 f. 105  BGH 3 StR 506/95, NStZ 1996, 342; Jäger, in: SK, § 1 Rn. 6; Kemme, Verletzung verwaltungsrechtlicher Pflichten, S. 96 f.; Heghmanns, Grundzüge einer Dogmatik, S.  85 f.; Satzger, in: SSW, § 1 Rn. 15; Schmitz, in: MüKo-StGB, § 1 Rn. 25. 106  Auf Rechtsverordnungen bezogen BVerfG 2 BvR 15/62, NJW 1962, 1339; 2 BvL 36/71, NJW 1972, 860, 862; 2 BvL 5/74, NJW 1975, 727, 730; 2 BvL 7/78, NJW 1979, 1981, 1982; 2 BvR 374/90, NJW 1992, 2624; 2 BvR 1941/00, NStZ-RR 2002, 22; 2 BvL 1/15, NJW 2016, 3648 Rn. 34; 2 BvL 5/17, NZWiSt 2020, 263, 270; vgl. auch BVerfG 2 BvR 134/63, NJW 1967, 1555, wo ausdrücklich zwischen Art. 103 Abs. 2 GG und Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG unterschieden wird: „Die [Straf-] Vorschrift stellt […] eine ‚gesetzliche‘ Strafbestimmung (Art. 103 Abs. 2 GG) dar und ist als förmliches Gesetz (Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG) anzusehen.“ Nicht eindeutig, aber wegen des Verweises auf BVerfG 2 BvR 15/62, NJW 1962, 1339 wohl einen materiellen Gesetzesbegriff zugrunde legend BVerfG 2 BvR 534/62, NJW 1967, 1221; 2 BvL 11/85, NJW 1987, 3175; 2 BvR 234/87 u. a., NJW 1989, 1663. Auf Satzungen bezogen BVerfG 2 BvR 1463/88, NStZ 1990, 394; 2 BvL 1/15, NJW 2016, 3648 Rn. 34.



I. Gesetzlichkeitsprinzip des Art. 103 Abs. 2 GG95

Gesetzesvorbehalts als „streng“.107 Für ein solches materielles Verständnis wird ein Umkehrschluss aus Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG angeführt, der ausdrücklich ein förmliches Gesetz fordert.108 Freilich wird dies insoweit eingeschränkt, als Ausgangspunkt einer Strafandrohung dennoch das förmliche Gesetz sein muss. Aus der Verbindung mit der Wesentlichkeitstheorie folge, dass der parlamentarische Gesetzgeber die wesentlichen Entscheidungen über die Strafbarkeit selbst treffen müsse.109 Dem Verordnungsgeber dürften nur Konkretisierungen oder Spezifizierungen überantwortet werden.110 Der Gesetzesbegriff des Art. 103 Abs. 2 GG wird also in Teilen doch zum förmlichen Gesetzesbegriff aufgeladen. Dieses Ergebnis – ein förmliches Gesetz ist zwar erforderlich, die Strafbarkeit kann aber in konkretisierender Weise auch durch andere Rechtsakte bestimmt werden – entspricht demjenigen, zu dem auch Vertreter eines förmlichen Gesetzesbegriffs gelangen. So konträr die dargestellten Positionen im Ausgangspunkt wirken, macht es im Ergebnis also keinen Unterschied, ob man von einem förmlichen Gesetzesbegriff ausgeht und Konkretisierungen durch nichtförmliche Rechtsakte zulässt, oder aber von einem materiellen Gesetzesbegriff und für alles Wesentliche ein förmliches Gesetz verlangt.111 Auch die Argumentation über Gewaltenteilungs- und Demokratieprinzip Europäisches Strafrecht, S. 192; Volkmann, ZRP 1995, 220, 222. Blankettstrafgesetze, S. 79; vgl. Karpen, Verweisung, S. 203; Satzger, Europäisierung, S. 247; Schuster, Strafnormen und Bezugsnormen, S. 264; Weidenbach, Blankettstrafgesetze, S. 48; H. Wolff, in: Merten/Papier, Handbuch der Grundrechte, Bd. V, § 134 Rn. 44. Die Zulässigkeit eines Umkehrschlusses ist freilich fraglich, weil der Anwendungsbereich des Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG anders gelagert ist als derjenige des Art. 103 Abs. 2 GG, vgl. M. Wagner, Akzessorietät, Rn. 511 und unten S. 119. 109  BVerfG 2 BvL 7/78, NJW 1979, 1981; 2 BvR 2559/08 u. a., NJW 2010, 3209 Rn. 72; 2 BvL 1/15, NJW 2016, 3648 Rn. 38; Krey, EWR 1981, 109, 182; Moll, Europäisches Strafrecht, S. 191 f.; Satzger, Europäisierung, S. 247; Schützendübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 263; vgl. Kemme, Verletzung verwaltungsrecht­ licher Pflichten, S. 103; Schmahl, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, Art. 103 Rn. 60; Schulze-Fielitz, in: Dreier, Art. 103 II Rn. 31; so auch, aber ohne sich zum Gesetzesbegriff zu positionieren Cornelius, Verweisungsbedingte Akzessorietät, S. 311, 315, ders., NStZ 2017, 682, 684. 110  BVerfG 2 BvR 534/62, NJW 1967, 1221; 2 BvR 702/65, NJW 1968, 1515; 2 BvL 7/78, NJW 1979, 1981; 2 BvR 234/87 u. a., NJW 1989, 1663; 2 BvR 836/85, NVwZ-RR 1992, 521; 2 BvR 1941/00, NStZ-RR 2002, 22; 2 BvL 1/15, NJW 2016, 3648 Rn. 47; 2 BvL 5/17, NZWiSt 2020, 263, 272; Albrecht/Kehr/von Loeper, DAR 2021, 438, 442; Debus, Verweisungen, S. 266; Dorneck, in: Stam/Werkmeister, Der Allgemeine Teil des Strafrechts, 9, 24; Niehaus, wistra 2004, 206, 210; Satzger, Europäisierung, S. 247; Schützendübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 262. 111  Vgl. Cornelius, Verweisungsbedingte Akzessorietät, S. 316 f. und Remmert, in: Dürig/Herzog/Scholz, Art. 103 Abs. 2 Rn. 103, die zum Gesetzesbegriff daher auch keine Stellung beziehen. 107  Moll,

108  Ernst,

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läuft gleich. Die Diskussion zeigt nur, dass sich Art. 103 Abs. 2 GG nach einhelliger Meinung nicht gegen Blankettstrafgesetze mit Außenverweisungen sperrt, sondern die Einbindung anderer Instanzen als dem parlamentarischen Gesetzgeber in gewissem Umfang erlaubt. Entscheidend ist mehr die Frage, wann der Gesetzgeber die wesentlichen Voraussetzungen selbst festgelegt hat. c) Zulässigkeit von Spezifizierungen durch nichtformelle Gesetze Bevor darauf näher eingegangen wird, verlangt das bislang gefundene Ergebnis indes nach einer tieferen Begründung. Müsste mit Blick auf die Wesentlichkeitstheorie nicht argumentiert werden, wesentlich sei im Strafrecht alles?112 In der Tat spricht die besondere Rechtsfolge der Strafe dafür, die Wesentlichkeit eher weiter als enger zu sehen. Ein absoluter Schluss, wonach alles wesentlich ist, wäre aber dennoch zu pauschal. Andere Instanzen durch Außenverweisungen in die Gesetzgebung einzubinden, ist notwendig, um den Gesetzgeber zu entlasten und die Regelung flexibel zu halten.113 Das BVerfG betont immer wieder, das Strafrecht müsse dem Wandel der Verhältnisse114 und der Vielgestaltigkeit des Lebens115 gerecht werden können. Spezifizierungen durch andere Instanzen seien besonders „gerechtfertigt, wenn wechselnde und mannigfaltige Einzelregelungen erforderlich werden können“.116 Gerade die Notwendigkeit einer flexiblen Regelung kann innerhalb der Wesentlichkeitstheorie Indiz gegen die Wesentlichkeit sein.117 Die Entlastung des Gesetzgebers ist nämlich selbst Ausdruck des Demokratieprinzips: Der Bundestag muss sich auf grundsätzliche Fragen beschränken, damit die Abgeordneten in der Lage sind, mit Sachverstand eigenverantwortlich entscheiden zu können. Das Demokratieprinzip spricht damit nicht nur für das Beste112  So Ransiek, Gesetz und Lebenswirklichkeit, S. 47; ähnlich Moll, Europäisches Strafrecht, S. 127. 113  Dazu oben S. 45 ff. 114  BVerfG 2 BvL 2/73, BeckRS 1976, 705; 2 BvL 4/62, NJW 1962, 1563, 1564; 2 BvR 927/76, NJW 1978, 1423; 2 BvR 858/92, NJW 1993, 1909, 1910; 2 BvR 2559/08 u. a., NJW 2010, 3209 Rn. 73; 2 BvL 1/15, NJW 2016, 3648 Rn. 40; 2 BvL 5/17, NZWiSt 2020, 263, 271. 115  BVerfG 2 BvR 125/60, BeckRS 1960, 278 Rn. 15; 2 BvL 2/73, BeckRS 1976, 705; 1 BvL 13/76, NJW 1978, 933, 934; 1 BvR 1053/82, NJW 1986, 1671, 1672; 1 BvR 713/83 u. a., NJW 1987, 43, 44; 2 BvL 5/17, NZWiSt 2020, 263, 271. 116  BVerfG 2 BvL 4/62, NJW 1962, 1563, 1564; 2 BvL 7/78, NJW 1979, 1981; 2 BvL 11/85, NJW 1987, 3175; 2 BvR 338/09, NJOZ 2010, 1433, 1444. 117  Burchard, StV 2019, 637, 641; Grzeszick, in: Dürig/Herzog/Scholz, Art. 20 VI. Rn. 107; Kalscheuer/Jacobsen, DÖV 2018, 523, 526.



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hen eines formellgesetzlichen Vorbehalts, es begrenzt zugleich dessen Ausweitung.118 Wird, wie bei der Rückverweisungstechnik, die Exekutive eingebunden, ist außerdem in Rechnung zu stellen, dass diese Gewalt, wenn auch in geringerem Maße als die Legislative,119 selbst demokratisch legitimiert ist.120 Der parlamentarische Gesetzgeber bewegt sich also in einem Spannungsverhältnis zwischen Grundrechtsrelevanz des Strafrechts einerseits und Bedürfnis nach Flexibilität und Entlastung andererseits. Dies darf nicht einseitig aufgelöst werden: Weder darf das Bedürfnis nach Flexibilität und Entlastung ignoriert werden, noch darf die nichtparlamentarische Instanz nach Belieben Einfluss auf das Strafrecht erlangen. Mit der Formel der ganz herrschenden Meinung wird – vorausgesetzt, sie lässt sich durch konkrete Anforderungen handhabbar machen – ein tragfähiger Kompromiss121 gefunden: Wegen der Grundrechtsrelevanz muss der Gesetzgeber selbst immer das Wesentliche regeln, wegen des Bedürfnisses nach Flexibilität kann im Übrigen anderen Instanzen die Spezifizierung überlassen werden. d) Maß zulässiger Spezifizierungen Entscheidend für die konkrete Prüfung eines Blankettstrafgesetzes ist nun die Frage, wann der parlamentarische Gesetzgeber alle wesentlichen Voraussetzungen der Strafbarkeit selbst festgelegt hat und der anderen Instanz nur noch die Möglichkeit zur Spezifizierung verbleibt. aa) Allgemein Dafür ist zunächst maßgeblich, dass die wesentlichen Voraussetzungen in einem formellen Gesetz geregelt sind; unerheblich ist hingegen, wo im formellen Gesetz dies geschieht. Die Prüfung, ob der Gesetzgeber über das Wesentliche entschieden hat, ist deshalb nicht auf das Blankettstrafgesetz beschränkt – es können auch andere formellgesetzliche Bestimmungen herangezogen werden, beispielsweise die Ermächtigungsgrundlage zur ausfüllenden Rechtsverordnung. Ergibt sich die hinreichende gesetzliche Bestimmt118  Seiler, Parlamentsvorbehalt, S. 87; vgl. Bode/Seiterle, ZIS 2016, 91, 102, die im Rahmen des Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG die Funktionsfähigkeit des Bundestags als kollidierendes Verfassungsrecht ansehen. 119  von Danwitz, Gestaltungsfreiheit, S. 66. 120  Schmidt-Aßmann, in: Dürig/Herzog/Scholz, 79.  EL 2016, Art. 103 Abs. 2 Rn. 205. 121  Bräutigam-Ernst, Bedeutung von Verwaltungsvorschriften, S. 278; Kemme, Verletzung verwaltungsrechtlicher Pflichten, S. 104; Kühl, in: FS Lackner, 815, 833.

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heit erst aus Blankettgesetz und Ermächtigung beziehungsweise einer anderen formellgesetzlichen Bestimmung zusammen, ist das ausreichend.122 Dem Zweck der kompetenzwahrenden Komponente ist genügt: Allein der Gesetzgeber hat über das Wesentliche entschieden. Weil die kompetenzwahrende Komponente maßgeblich im Demokratieprinzip wurzelt, muss zudem berücksichtigt werden, welchen Grad an demokratischer Legitimation das Ausfüllungsobjekt hat. Es ist mithin je nach Art des ausfüllenden Rechtsakts zu differenzieren.123 Im Folgenden soll ein Maßstab für Verweisungen auf nationale Rechtsverordnungen entwickelt werden, weil diese sowohl bei der nationalrechts- als auch der unionsrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik zum Einsatz kommen. Ob der Maßstab in gleicher Weise gilt, wenn unionsrechtsakzessorische Blankettstrafgesetze zusätzlich auf EU-Verordnungen verweisen, wird erst bei der konkreten Prüfung in Kapitel D. erörtert. bb) Kriterien Was genau unter den wesentlichen Voraussetzungen zu verstehen ist, erläutert das BVerfG nur vage. Im formellen Gesetz müssten bereits „die Vo­ raussetzungen der Strafbarkeit sowie Art und Maß der Strafe […] hinreichend deutlich umschrieben werden“.124 Inhalt und Gegenstand möglicher Ausfüllungsobjekte müssten „genügend deutlich bezeichnet und abgegrenzt“ sein.125 122  Cornelius, Verweisungsbedingte Akzessorietät, S. 327; ders., NStZ 2017, 682, 686; Enderle, Blankettstrafgesetze, S. 251; Heghmanns, Grundzüge einer Dogmatik, S.  90 f.; Schützendübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 278; ebenso, wenn auch nicht speziell auf die kompetenzwahrende Komponente bezogen, Veit, Rezeption technischer Regeln, S. 100; vgl. BVerfG 2 BvL 4/62, NJW 1962, 1563, 1565; 2 BvR 134/63, NJW 1967, 1555, 1557; 2 BvL 7/78, NJW 1979, 1981, 1982; 2 BvL 11/85, NJW 1987, 3175, 3176; 2 BvR 374/90, NJW 1992, 2624; 2 BvR 836/85, NVwZ-RR 1992, 521; 2 BvR 858/92, NJW 1993, 1909, 1910; 2 BvL 1/15, NJW 2016, 3648 Rn. 46 f.; 2 BvL 5/17, NZWiSt 2020, 263, 272; BGH 2 StR 525/13, NJW 2016, 1251 Rn. 60; a. A. Tiedemann, Tatbestandsfunktionen, S. 250, allerdings wohl mehr aus Perspektive der freiheitsgewährleistenden Komponente, und (ohne Begründung) Winkelbauer, Verwaltungsakzessorietät, S. 34. 123  Cornelius, NStZ 2017, 682, 685. 124  BVerfG 2 BvL 4/62, NJW 1962, 1563, 1565; 2 BvR 702/65, NJW 1968, 1515; 2 BvL 11/85, NJW 1987, 3175; 2 BvR 858/92, NJW 1993, 1909, 1910; 2 BvR 1101/08, NVwZ 2009, 239, 240; ähnlich BVerfG 2 BvR 15/62, NJW 1962, 1339; 2 BvR 534/62, NJW 1967, 1221; 2 BvR 134/63, NJW 1967, 1555, 1557; 2 BvL 7/78, NJW 1979, 1981; 2 BvR 234/87 u. a., NJW 1989, 1663; 2 BvR 374/90, NJW 1992, 2624; 2 BvR 509/96 u. a., NJW 1998, 669, 670; 2 BvR 1941/00, NStZ-RR 2002, 22; 2 BvR 871/04 u. a., wistra 2010, 396 Rn. 57; 1 BvR 519/10, NVwZ 2012, 504 Rn. 37; 2 BvL 1/15, NJW 2016, 3648 Rn. 39; 2 BvL 5/17, NZWiSt 2020, 263, 272. 125  BVerfG 2 BvR 702/65, NJW 1968, 1515.



I. Gesetzlichkeitsprinzip des Art. 103 Abs. 2 GG99

Die Literatur ist sich einig darüber, dass das Parlamentsgesetz wenigstens das geschützte Rechtsgut erkennen lassen muss,126 auch das BVerfG prüft dies verschiedentlich.127 Die Festlegung des Rechtsguts ist sinnvoll, werden damit doch wichtige Anhaltspunkte für die Auslegung des Gesetzes vorgegeben.128 Dies allein kann der Wesentlichkeitstheorie aber noch nicht gerecht werden. Verschiedentlich wird gefordert, das Parlamentsgesetz müsse zusätzlich das strafbare Verhalten angeben. Zum Teil spiegelt sich dies auch in Prüfungen des BVerfG wider.129 Wird es dahingehend verstanden, dass das Gesetz „mehr als die bloße Tatsache eines Verstoßes gegen verwaltungsrechtliche Pflichten“ umschreiben muss,130 ist damit allerdings nicht viel gewonnen. Konkretere Forderungen sprechen davon, das Gesetz müsse eine zumindest „generische Umschreibung oder Aufzählung der strafbaren Verhaltensweisen geben“131 beziehungsweise müsse die „strafrechtlich relevanten Verhaltens­ umschreibungen“ enthalten.132 Dem ist zuzustimmen. Die nötige Verhaltens­ umschreibung darf freilich nicht in einem zu strengen Sinne verstanden werden. Es kann nicht um eine abschließende Beschreibung des strafbaren Verhaltens gehen, sondern vielmehr darum, eine „Gruppe von Verhaltensanweisungen“ kenntlich zu machen.133 Das Parlamentsgesetz muss das erfasste Verhalten zumindest grob umreißen, etwa durch enumerative Aufzählung möglicher Tatvarianten.134 126  Bräutigam-Ernst, Bedeutung von Verwaltungsvorschriften, S. 282; Cornelius, Verweisungsbedingte Akzessorietät, S. 330; Dannecker, in: FS Höpfel, 577, 591; Degenhart, in: Sachs, Art. 103 Rn. 65; Dietmeier, Blankettstrafrecht, S. 128; Heghmanns, Grundzüge einer Dogmatik, S. 90; Schützendübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 277; Tiedemann, Tatbestandsfunktionen, S. 257; Winkelbauer, Verwaltungsakzessorietät, S. 34. 127  BVerfG 2 BvR 871/04 u. a., wistra 2010, 396 Rn. 70; 2 BvL 5/17, NZWiSt 2020, 263, 273. 128  Entsprechend den aus Art. 103 Abs. 2 GG erwachsenden formellen Anforderungen an das Strafrecht geht es dabei um einen formellen Rechtsgutsbegriff und nicht um einen systemkritischen, wie er aus materiellen Vorgaben folgen könnte. 129  BVerfG 2 BvR 871/04 u. a., wistra 2010, 396 Rn. 71 f.; 2 BvL 5/17, NZWiSt 2020, 263, 273. 130  Winkelbauer, Verwaltungsakzessorietät, S. 34. 131  Tiedemann, Tatbestandsfunktionen, S. 258 (Hervorhebungen im Original); ähnlich Cornelius, Verweisungsbedingte Akzessorietät, S. 330; ders., NStZ 2017, 682, 686. 132  Dannecker, in: Zipfel/Rathke, 174. EL 2019, Vor §§ 58–62 LFGB Rn. 36; ders./Schuhr, in: LK, § 1 Rn. 127; ähnlich Dannecker, in: FS Höpfel, 577, 591. 133  Heghmanns, Grundzüge einer Dogmatik, S. 90. 134  Heghmanns, Grundzüge einer Dogmatik, S. 90, nach dem darüber hinaus der Adressatenkreis festgelegt sein muss; ähnlich Dannecker, in: FS Höpfel, 577, 591: „Gruppe der zu pönalisierenden Verhaltensvorgaben“.

100

B. Ermittlung eines verfassungsrechtlichen Maßstabs

Eine weitere Anforderung kommt ergänzend hinzu, mit der die unterschiedliche Bedeutung von Verhaltens- und Sanktionsnorm berücksichtigt wird.135 Ein Blankettstrafgesetz mit Rückverweisungsklausel ist akzessorisch ausgestaltet: Die strafrechtliche Sanktionsnorm knüpft an eine anderweitig geregelte Verhaltensnorm an, worüber diese neben ihrer originären nichtstrafrechtlichen eine sekundäre strafrechtliche Bedeutung erlangt.136 In Bezug auf die Gesetzgebung folgt aus dieser Unterscheidung eine klare Auf­ gabenverteilung: Die Sanktionsnorm bestimmt, dass ein Verhalten bestraft wird; sie hat eine unmittelbar und ausschließlich strafrechtliche Bedeutung. Damit fällt sie in die Kompetenz des parlamentarischen Gesetzgebers.137 Ihre Reichweite darf allein durch ihn festgelegt werden.138 Hier Relativierungen vorzunehmen, hieße, den Kern der strafrechtlichen Regelung aus dem Verantwortungsbereich des Gesetzgebers zu entlassen. Verhaltensnormen haben dagegen primär eine nichtstrafrechtliche Bedeutung und werden nur mittelbar strafrechtlich relevant. Das bedeutet nicht, dass der parlamentarische Gesetzgeber ihre Regelung vollumfänglich der Exekutive überlassen dürfte. Die Exekutive darf jedoch an der konkreten Ausgestaltung der Verhaltensnormen mitwirken.139 Im Parlamentsgesetz müssen sie nur in abstrakter Weise festgelegt sein.140 Dafür kann auf die eben dargestellten Voraussetzungen zurückgegriffen werden: Die Verhaltens-

135  Soweit ersichtlich erstmals ausführlicher entwickelt von Domeier, Lebensmittelstrafrecht, S. 269; zuvor bereits im Ansatz Freund, ZLR 1994, 261, 275, 286. 136  Dazu oben S. 43 f. 137  Domeier, Lebensmittelstrafrecht, S. 269. 138  Freund, ZLR 1994, 261, 286. 139  Domeier, Lebensmittelstrafrecht, S.  269; ebenso differenzierend Cornelius, Verweisungsbedingte Akzessorietät, S. 331; Dietmeier, Blankettstrafrecht, S. 127; Kemme, Verletzung verwaltungsrechtlicher Pflichten, S. 106; Reus, Risikogesellschaft, S. 159; i. Erg. auch M. Wagner, Akzessorietät, Rn. 516, der Art. 103 Abs. 2 GG nur auf die Sanktionsnorm bezieht (a. a. O., Rn. 494 ff.), insoweit aber einen formellen Gesetzesbegriff zugrunde legt, der keiner Relativierung in Form untergesetz­ licher Spezifizierungen zugänglich ist (a. a. O., Rn. 513 ff.), ähnlich Groß, Strafbarkeit des Eigendopings, S. 137, 144, 160 f.; in diese Richtung ferner Heghmanns, Grundzüge einer Dogmatik, S. 89 ff.; Hoven, NStZ 2016, 377, 381. Ebenso Freund, JZ 2014, 362 f., ders., in: FS Rössner, 579, 583 f., ders., in: MüKo-StGB, Vor § 95 AMG Rn. 56 ff., der das jedenfalls in Freund/Rostalski, GA 2016, 443, 450 aber begrifflich wohl nicht als Spezifizierung des Tatbestands einordnet. Denn die Exekutive dürfe von Verfassungs wegen nicht die Tatbestandsmerkmale genauer festlegen, ein verfassungsgemäßes Strafgesetz sei mit seinen Tatbestandsmerkmalen stets in sich abgeschlossen. 140  Freund, JZ 2014, 362, 363; ders./Rostalski, GA 2016, 443, 445; vgl. Freund, in: FS Rössner, 579, 584; Cornelius, Verweisungsbedingte Akzessorietät, S. 331; Dietmeier, Blankettstrafrecht, S. 113.



I. Gesetzlichkeitsprinzip des Art. 103 Abs. 2 GG101

normen sind durch das geschützte Rechtsgut und eine grobe Umschreibung der strafbaren Verhaltensweisen zu definieren. Der Gesetzgeber ist im Ausgangspunkt also sowohl für die Sanktionsnorm als auch die Verhaltensnorm zuständig. Während er aber über die Sanktionsnorm in jedem Fall allein zu entscheiden hat, muss er die Verhaltensnorm nur in den Grundzügen festlegen und darf die Details dem Verordnungsgeber überantworten. Auf diese Weise kann die Exekutive – in begrenzter Weise – mittelbar, nie aber unmittelbar über die Voraussetzungen der Strafbarkeit bestimmen.141 Solche mittelbaren Einflüsse zeigen sich besonders bei Blankettgesetzen, finden sich gleichwohl aber auch bei Vollstrafgesetzen. Beispielsweise hat der Gesetzgeber mit der Sanktionsnorm des § 222 StGB festgelegt, dass jede fahrlässige Tötung bestraft wird und alle Verhaltensnormen erfasst werden, die dazu dienen, das Leben zu schützen. Im Einzelfall muss eine Verhaltensnorm, die zur Bestimmung der Fahrlässigkeit herangezogen wird, aber nicht vom Gesetzgeber, sondern kann ebenso etwa von einer Behörde erlassen worden sein, die die erlaubte Geschwindigkeit an einer gefährlichen Straßenstelle begrenzt hat.142 Indem die Exekutive die Verhaltensnorm mitgestaltet, kommt sie weiterhin allein ihren verwaltungsrechtlichen Aufgaben nach, ohne sich zum Strafgesetzgeber zu wandeln.143 Das zeigt folgende Kontrollüberlegung: Die Exekutive berücksichtigt bei Erlass der Verhaltensnorm allein allgemeine öffentlich-rechtliche, nicht aber kriminalpolitische Belange. Kriminalpolitische Erwägungen dürfte sie in diesem Rahmen gar nicht anstellen.144 Wenn das BVerfG „Art und Maß der Strafe“ durch das Parlamentsgesetz festgelegt sehen will, legt dies ebenfalls eine abschließende Entscheidung über die Sanktionsnorm nahe. Die gefundenen Vorgaben widersprechen also nicht notwendig denen des Gerichts. Allerdings lässt sich nicht sicher sagen, ob das BVerfG seinen Maßstab in der Praxis tatsächlich in einem entsprechend strengen Sinne versteht.145 Jedenfalls aber vermögen die hier entwickelten Anforderungen die eher vagen bundesverfassungsgerichtlichen Formeln deutlich handhabbarer zu machen.

Lebensmittelstrafrecht, S. 269; Dietmeier, Blankettstrafrecht, S. 127. Domeier, Lebensmittelstrafrecht, S. 269; Freund, JZ 2014, 362, 363; ders., in: FS Rössner, 579, 583 f. 143  Hoven, NStZ 2016, 377, 381. 144  Ransiek, Gesetz und Lebenswirklichkeit, S. 114. 145  Die Entscheidungen zur Rückverweisungstechnik deuten nicht darauf hin, andererseits übersieht das BVerfG in ihnen bereits die spezielle Problemlage, dazu unten S. 175 ff., 245 ff. 141  Domeier, 142  Vgl.

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B. Ermittlung eines verfassungsrechtlichen Maßstabs

4. Verhältnis von freiheitsgewährleistender und kompetenzwahrender Komponente Wurde bislang nur vereinzelt auf die unterschiedliche Bedeutung von freiheitsgewährleistender und kompetenzwahrender Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG hingewiesen, soll nun noch einmal ausführlicher auf ihr Verhältnis zueinander eingegangen werden. Dessen Ausgestaltung ist von entscheidender Bedeutung für die konkrete Prüfung der Rückverweisungstechnik. a) Eigenständige Bedeutung beider Komponenten Die freiheitsgewährleistende und die kompetenzwahrende Komponente haben eine grundlegend unterschiedliche Bedeutung, denn sie betrachten ein Strafgesetz aus verschiedenen Blickwinkeln.146 Die inhaltliche Bestimmtheit im Sinne der freiheitsgewährleistenden Komponente bezieht sich auf alle Regelungen, aus denen sich die Strafbarkeit ergibt, das heißt auf Blankettgesetz und auf (ein oder mehrere) Ausfüllungsobjekte. Ob der inhaltlichen Bestimmtheit genügt ist, kann nur mit Blick auf das sich aus allen einzelnen Komponenten ergebende Normenwerk beurteilt werden.147 Die maßgebliche Frage lautet: Ist das strafbare Verhalten – egal durch welche Norm – für den Normadressaten erkennbar? Die freiheitsgewährleistende Komponente richtet sich mithin an die das Blankettstrafgesetz erlassende Legislative und die das Blankett ausfüllende Exekutive gleichermaßen.148 Sie fragt aber nicht, wer die Voraussetzungen der Strafbarkeit regelt. Ihr kann selbst dann entsprochen sein, wenn sich die Strafbarkeit allein aus nichtformellgesetzlichen Normen, etwa einer Rechtsverordnung, ergibt.149

146  Besonders deutlicher Ausdruck dessen ist die Ansicht von Dannecker/Schuhr, in: LK, § 1 Rn. 118, wonach der Gesetzesvorbehalt (wenn auch unnötigerweise, vgl. oben Fn. 101) für freiheitsgewährleistende und kompetenzwahrende Komponente unterschiedlich zu verstehen ist. 147  Kibele, VBlBW 2012, 1, 5; Gärditz, in: Böse, Europäisches Strafrecht, § 6 Rn. 57, 61 (enger hingegen in Rn. 59); Hüfler, RIW/AWD 1979, 133, 134; vgl. Dann­ecker/Schuhr, in: LK, § 1 Rn. 118, 216; Heghmanns, Grundzüge einer Dogmatik, S. 100; Böse, in: FS Krey, 7, 9 f. 148  Vgl. in Bezug auf das allgemeine Bestimmtheitsgebot Busch, Verhältnis, S. 141; Staupe, Parlamentsvorbehalt, S. 141; Schnelle, Fehlerfolgenlehre für Rechtsverordnungen, S. 31. 149  Cornelius, Verweisungsbedingte Akzessorietät, S. 316; ders., NStZ 2017, 682, 683 f.; Schmidt-Aßmann, in: Dürig/Herzog/Scholz, 79. EL 2016, Art. 103 Abs. 2 Rn. 181; vgl. Dannecker, ZIS 2016, 723, 725; Heghmanns, Grundzüge einer Dogmatik, S. 92; Remmert, in: Dürig/Herzog/Scholz, Art. 103 Abs. 2 Rn. 111; bezogen auf das allgemeine Bestimmtheitsgebot Lassahn, Parlamentsgesetz, S. 127 f.



I. Gesetzlichkeitsprinzip des Art. 103 Abs. 2 GG103

Wer über die Strafbarkeit entschieden hat, ist das Anliegen des Parlamentsvorbehalts im Sinne der kompetenzwahrenden Komponente. Jede Strafandrohung muss im Ausgangspunkt in einem formellen Gesetz enthalten sein. Die kompetenzwahrende Komponente richtet sich daher allein an die Legislative und wird nur mit Blick auf das formelle Gesetz beurteilt. Die maßgebliche Frage lautet hier: Ist die Strafbarkeit im Wesentlichen bereits durch den parlamentarischen Gesetzgeber bestimmt, damit Exekutive und Judikative keinen unzulässig großen Einfluss erlangen? Indem der Gesetzgeber die wesentlichen Voraussetzungen festlegt, nimmt er zugleich inhaltliche Bestimmungen vor. Darüber ist die kompetenzwahrende Komponente ansatzweise mit der freiheitsgewährleistenden Komponente verbunden. Einem Gesetzesvorbehalt wird immer nur entsprochen, wenn das Gesetz auch in einem gewissen Maße inhaltlich bestimmt ist. Damit sichert die kompetenzwahrende Komponente mittelbar auch die Zwecke der freiheitsgewährleistenden Komponente ab, also die Orientierungsfunktion für den Normadressaten.150 Gleichwohl hat die kompetenzwahrende Komponente nicht primär zum Ziel, die Regelung für den Bürger verständlich zu machen.151 Ist das Wesentliche durch den Gesetzgeber festgelegt, kann der Normadressat allein daraus regelmäßig noch nicht erkennen, welches konkrete Verhalten sanktioniert wird.152 Die wesentlichen Entscheidungen müssen dafür erst noch im nichtformellen Gesetz weiter konkretisiert werden. Eine Regelung, die der kompetenzwahrenden Komponente genügt, wahrt also nicht zwangsläufig zugleich die freiheitsgewährleistende. b) Abweichende Handhabung in Literatur und Rechtsprechung Die dargestellte Trennung zwischen freiheitsgewährleistender und kompetenzwahrender Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG wird in der Literatur oft nicht hinreichend beachtet. Es wird dann der Vorbehalt des formellen Gesetzes unmittelbar mit dem Zweck der freiheitsgewährleistenden Komponente

150  Vgl. Moll, Europäisches Strafrecht, S. 191; Ernst, Blankettstrafgesetze, S. 73; bezogen auf das Verhältnis von allgemeinem Bestimmtheitsgebot und allgemeinem Gesetzesvorbehalt Busch, Verhältnis, S. 142 sowie im Ansatz D. Wolff/P. Zimmermann, Jura 2022, 18, 22. 151  Heghmanns, Grundzüge einer Dogmatik, S. 91; vgl. Schmidt-Aßmann, in: Dürig/Herzog/Scholz, 79. EL 2016, Art. 103 Abs. 2 GG Rn. 181. 152  Vgl. Cornelius, Verweisungsbedingte Akzessorietät, S. 316; ders., in: FS Rengier, 461, 465.

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B. Ermittlung eines verfassungsrechtlichen Maßstabs

verknüpft153 oder darauf abgestellt, ob der Normadressat das strafbare Verhalten aus dem förmlichen Gesetz erkennen kann.154 Jedenfalls der Formulierung nach genügte es demnach nicht, wenn die Strafbarkeit erst durch ein nichtförmliches Gesetz so konkretisiert würde, dass sie für den Adressaten vorhersehbar wird. Einzelne Stimmen äußern sich explizit in diesem Sinne: Die inhaltliche Bestimmtheit dürfe nicht erst durch die Exekutive hergestellt werden.155 Eine von ihr vorgenommene Spezifizierung der Strafbarkeit sei daher verfassungsrechtlich überobligatorisch.156 Auch das BVerfG vollzieht die Trennung nicht immer. So führt es regelmäßig aus, die „Voraussetzungen der Strafbarkeit und die Art der Strafe [müssten] für den Bürger schon aufgrund des Gesetzes und nicht erst aufgrund der hierauf gestützten Rechtsverordnung vorhersehbar sein“.157 Es vermischt dadurch die kompetenzwahrende Komponente („aufgrund des Gesetzes“) mit der freiheitsgewährleistenden („für den Bürger […] vorhersehbar“). Dass zwischen ihnen nur ein mittelbarer Zusammenhang besteht, gerät dabei aus dem Blick. Bei der Prüfung der freiheitsgewährleistenden Komponente, das heißt der Vorhersehbarkeit der Regelung, bezieht das BVerfG verschiedentlich, wie es gemäß dem Vorstehenden erforderlich ist, ausdrücklich das nichtformellgesetzliche Ausfüllungsobjekt mit ein.158 An anderer Stelle prüft es dagegen – trotz eigentlich klarer Trennung zwischen kompetenzwahrender und freiheitsgewährleistender Komponente – „die Erkennbarkeit des strafbaren Verhaltens anhand des formal-gesetzlichen Regelungsgehaltes“.159 Das BVerfG verfolgt mithin keine ganz einheitliche

153  Schmahl, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, Art. 103 Rn. 58; dies., in: Hilgendorf/Kudlich/Valerius, Handbuch des Strafrechts, Bd. 1, § 2 Rn. 51; SchulzeFielitz, in: Dreier, Art. 103 II Rn. 28; Wallau, LMuR 2016, 229, 230. 154  Hecker, Europäisches Strafrecht, Kap. 7 Rn. 73; Heuser, HRRS 2021, 63, 67; Hoven, NStZ 2016, 377, 380; Hütwohl, Weinstrafrecht, S.  73 f.; Schneiderhan, wistra 2022, 50, 55; Volkmann, ZRP 1995, 220, 223; Weißenberger, HRRS 2020, 166, 171. 155  Gaede, in: AnwK, § 1 Rn. 24; Pohlreich, HRRS 2020, 481, 485, vgl. ders., in: BK, Art. 103 Abs. 2 Rn. 62. 156  Gaede, in: AnwK, § 1 Rn. 24. 157  BVerfG 2 BvL 5/17, NZWiSt 2020, 263, 272 (Hervorhebungen nur hier); vergleichbar BVerfG 2 BvR 702/65, NJW 1968, 1515; 2 BvL 11/85, NJW 1987, 3175; 2 BvR 234/87 u. a., NJW 1989, 1663; 2 BvR 871/04 u. a., wistra 2010, 396 Rn. 57; 2 BvL 1/15, NJW 2016, 3648 Rn. 39; ähnlich auch BGH 2 StR 525/13, NJW 2016, 1251 Rn. 60. 158  BVerfG 2 BvL 7/78, NJW 1979, 1981, 1982; 2 BvL 11/85, NJW 1987, 3175, 3176; 2 BvR 374/90, NJW 1992, 2624; 2 BvR 1941/00, NStZ-RR 2002, 22; 1 BvR 519/10, NVwZ 2012, 504 Rn. 41 ff. 159  BVerfG 2 BvL 5/17, NZWiSt 2020, 263, 275 (Hervorhebung nur hier); vgl. ferner BVerfG 2 BvR 134/63, NJW 1967, 1555, 1557.



I. Gesetzlichkeitsprinzip des Art. 103 Abs. 2 GG105

Linie, neigt überwiegend aber dazu, nicht strikt zwischen den Komponenten zu trennen. Der Grund für die teils fehlende Trennung liegt möglicherweise im Wortlaut des Art. 103 Abs. 2 GG: Die Formulierung, die Strafbarkeit müsse „gesetzlich bestimmt“ sein, scheint auf einen Gleichlauf von Parlamentsvorbehalt und Bestimmtheitsgebot hinzudeuten, weil sich beide Wörter, „gesetzlich“ und „bestimmt“, aufeinander beziehen. Dass dies aber keineswegs zwingend ist, zeigt sich an der herrschenden Meinung, die „gesetzlich“ als „materiellgesetzlich“ versteht. Die geforderte Bestimmtheit muss in Verbindung mit der Wesentlichkeitstheorie eben nur zu einem Teil formellgesetzlich bestimmt sein. Dass es für die freiheitsgewährleistende Komponente im Gegensatz zur kompetenzwahrenden nicht allein auf das formelle Gesetz ankommt, entspricht ihrer unterschiedlichen Zielsetzung. Ob das strafbare Verhalten aus einem Parlamentsgesetz oder einer Rechtsverordnung erkennbar ist, spielt für den Bürger keine Rolle, denn in jedem Fall kann er es einer schriftlichen Norm entnehmen.160 Dieses Ergebnis ist zudem die logische Konsequenz, wenn der Gesetzesbegriff des Art. 103 Abs. 2 GG, entsprechend der herrschenden Meinung, in einem materiellen Sinne interpretiert und das Bestimmtheitsgebot, ebenfalls entsprechend der herrschenden Meinung, auch auf das Ausfüllungsobjekt eines Blankettstrafgesetzes erstreckt wird. Denn müsste das Blankettstrafgesetz für sich genommen die Anforderungen der freiheitsgewährleistenden Komponente erfüllen, wäre dem Zweck der Vorhersehbarkeit bereits dadurch genügt.161 Es bestünde kein Bedarf mehr, das strafrechtliche Bestimmtheitsgebot darüber hinaus auf zusätzliche, überobligatorische Präzisierungen in einem Ausfüllungsobjekt anzuwenden.162 Deshalb ist es zu kritisieren, wenn das BVerfG prüft, ob die Strafbarkeit anhand des formellen Gesetzes erkennbar ist. In der gleichen Entscheidung geht das BVerfG schließlich, wie auch sonst, von einem materiellen Gesetzesbegriff aus163 und betont, auch die das Blankettstrafgesetz „ausfüllenden Vorschriften [müssten] die sich aus Art. 103 Abs. 2 GG ergebenden Anforderungen erfüllen“.164 Grundzüge einer Dogmatik, S. 86; Krey, EWR 1981, 109, 182. BVerfG spricht dem Ausfüllungsobjekt denn auch nur eine „bestimmtheitssichernde Wirkung“ zu, 2 BvL 5/17, NZWiSt 2020, 263, 275. 162  Nach Gaede, in: AnwK, § 1 Rn. 24 muss der Bürger gegebenenfalls ergangene Spezifizierungen zur Orientierung nutzen und darauf vertrauen dürfen, dass ihr Wortsinn eingehalten wird. Das betrifft dann aber mehr die allgemeine Gesetzesbindung der Judikative und das Analogieverbot. 163  BVerfG 2 BvL 5/17, NZWiSt 2020, 263, 270. 164  BVerfG 2 BvL 5/17, NZWiSt 2020, 263, 272. 160  Heghmanns, 161  Das

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B. Ermittlung eines verfassungsrechtlichen Maßstabs

Eine gegenteilige Ansicht würde überdies unerwünschte Folgen mit sich bringen: Entweder müsste man einen Großteil aller echten Blankettstrafgesetze für verfassungswidrig erklären. Die meisten von ihnen bieten nämlich für sich genommen kaum Orientierung, sondern leisten dies erst in Verbindung mit ihrem Ausfüllungsobjekt. Das gilt insbesondere für Blankettstraf­ gesetze mit Rückverweisungsklausel. Im Ergebnis müsste der Gesetzgeber dann ausführlicher gefasste Gesetze erlassen.165 Damit wäre jedoch der Sinn der (echten) Blankettstrafgesetzgebung in Abrede gestellt: Was für einen Nutzen hätte es für den parlamentarischen Gesetzgeber, auf die Exekutive zurückzugreifen, wenn er selbst schon das Gesetz so deutlich fassen muss, dass die Strafbarkeit allein daraus vorhersehbar ist? In diesem Fall wäre es – im Gegenteil – vorteilhafter, auf die zusätzliche Ebene der Rechtsverordnung zu verzichten, da zum einen die Gefahr fehlerhafter Verweisungen nicht entstünde und zum anderen in der Rechtsverordnung enthaltene Präzisierungen die Regelung nur unnötig starr zu machen drohten. Oder aber – das wäre die alternative Folge, wenn man die freiheitsgewährleistende und kompetenzwahrende Komponente in eins setzte – man akzeptierte den status quo der echten Blankettgesetzgebung, müsste dann aber faktisch erhebliche Abstriche an das Niveau inhaltlicher Bestimmtheit von Strafgesetzen hinnehmen.166 In diesem Zusammenhang wird sich teils mit der Erwägung beholfen, in Bereichen des Expertenstrafrechts sei der fachkundige Normadressat dazu verpflichtet, sich über die ihn treffenden Pflichten zu informieren, er habe folglich Kenntnis vom nichtformellgesetzlichen Ausfüllungsobjekt.167 Das soll es ermöglichen, die freiheitsgewährleistende Komponente als gewahrt anzusehen, ohne ein ausführlicher gefasstes Parlamentsgesetz fordern zu müssen. Dieser Ansatz kann jedoch nicht überzeugen: Allein die Kenntnis einer Regelung besagt noch nichts über deren Bestimmtheit.168 Es ist folglich an der Trennung der freiheitsgewährleistenden und kompetenzwahrenden Komponente festzuhalten. Wenn im weiteren Verlauf die 165  Gaede, in: AnwK, § 1 Rn. 15 kritisiert insofern jedenfalls, die Praxis gehe „von einem zu weiten Begriff der Spezifizierung aus.“ 166  Das entspricht der Kritik von Schuster, Strafnormen und Bezugsnormen, S. 265, ders., NZWiSt 2016, 278, 279, ders., in: Hilgendorf/Kudlich/Valerius, Handbuch des Strafrechts, Bd. 1, § 4 Rn. 13, die dieser jedoch gegen die Existenz der kompetenzwahrenden Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG zugunsten der Legislative richtet, ablehnend dazu oben S. 90 ff. 167  Besonders deutlich BVerfG 2 BvL 5/17, NZWiSt 2020, 263, 275, wonach gegebenenfalls sogar „fachkundige Beratung“ erforderlich sein soll; ferner BVerfG 2 BvR 858/92, NJW 1993, 1909, 1910; Pohlreich, HRRS 2020, 481, 488. 168  Dazu näher unten S. 167 f. Dass normativ die Kenntnis aller Rechtsakte erwartet werden kann (unten S. 165 ff., 169), bedeutet daher keinen Widerspruch.



I. Gesetzlichkeitsprinzip des Art. 103 Abs. 2 GG107

einzelnen Bestandteile eines Blankettstrafgesetzes mit Rückverweisungsklausel auf ihre verfassungsrechtliche Zulässigkeit hin untersucht werden, ist immer sauber zwischen den Komponenten zu trennen, um sich zu vergewissern, worin genau ein verfassungsrechtlicher Konflikt liegt. 5. Niedrigere Anforderungen im Ordnungswidrigkeitenrecht Die Rückverweisungstechnik findet sich nicht nur im Strafrecht, sondern ist – zahlenmäßig sogar überwiegend – auch im Ordnungswidrigkeitenrecht verbreitet. Art. 103 Abs. 2 GG fordert seinem Wortlaut nach zwar eine hinreichend bestimmte Strafbarkeit, wird von der einhelligen Meinung aber auch auf Ordnungswidrigkeitengesetze angewandt.169 Die einfachgesetzliche Anordnung in § 3 OWiG ist vor diesem Hintergrund nur deklaratorisch.170 Das BVerfG hat verschiedentlich Sympathie dafür bekundet, an Ordnungswidrigkeiten geringere Anforderungen aus Art. 103 Abs. 2 GG zu stellen als an Strafgesetze. Denn im Gegensatz zu einer Strafe sei mit einer Geldbuße kein sozialethischer Tadel verbunden.171 In der Literatur wird dieser Gedanke nur selten und kaum vertieft aufgegriffen. Konkrete Konsequenzen werden jedenfalls nicht gezogen,172 sondern der Hinweis auf den Charakter als Ord169  BVerfG 2 BvR 435/76, NJW 1976, 1883; 2 BvR 1172/79 u. a., NJW 1981, 1087, 1088; 1 BvR 1053/82, NJW 1986, 1671; 2 BvR 1491/87 u. a., NJW 1990, 1103; 1 BvR 88/91 u. a., NJW 1993, 581; 2 BvR 1473/89, NJW 1995, 3050, 3051; 1 BvR 2717/08, NJW 2010, 754 Rn. 15; 1 BvR 1864/14, NJW 2016, 1229 Rn. 4; 1 BvR 781/21 u. a., NJW 2022, 139 Rn. 154; Brüning, in: Stern/Becker, Art. 103 Rn. 54; Kibele, VBlBW 2012, 1, 3; Kunig/Saliger, in: von Münch/Kunig, Art. 103 Rn. 32; Nolte/Aust, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Art. 103 Rn. 104 f.; Petersohn, Abhängigkeit von Geldbußtatbeständen, S. 63; Remmert, in: Dürig/Herzog/Scholz, Art. 103 Abs. 2 Rn. 56; Rogall, in: KK, § 3 Rn. 2; Schmahl, in: Hilgendorf/Kudlich/ Valerius, Handbuch des Strafrechts, Bd. 1, § 2 Rn. 49; Schulze-Fielitz, in: Dreier, Art. 103 II Rn. 19. 170  Rogall, in: KK, § 3 Rn. 2. 171  BVerfG 2 BvL 1/15, NJW 2016, 3648 Rn. 56. Diese Überlegung stellt das BVerfG zwar innerhalb der Prüfung des Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG an; nach hier vertretener Auffassung ist die Bestimmtheit einer auch strafrechtsrelevanten Ermächtigung indes bereits eine Frage des Art. 103 Abs. 2 GG, dazu unten S. 122 ff. Ohne Begründung von geringeren Anforderungen ausgehend BVerfG 1 BvR 781/21 u. a., NJW 2022, 139 Rn. 159. Vgl. bereits BVerfG 2 BvR 270/67, DAR 1968, 329 hinsichtlich einer sogenannten Übertretung. 172  Vgl. die ansatzweise Behandlung des Themas bei Gerhold, in: BeckOK-OWiG, § 3 Rn. 26; Gürtler/Thoma, in: Göhler, § 3 Rn. 5; Lemke, in: Lemke/Mosbacher, § 3 Rn. 5; Petersohn, Abhängigkeit von Geldbußtatbeständen, S. 64; Raisch, ZHR 128 (1966), 161, 167, 172 f.; Schübel-Pfister, Sprache und Gemeinschaftsrecht, S. 388; Volkmann, ZRP 1995, 220, 225; ferner Spoerr, in: Assmann/Schneider/Mülbert, § 120 WpHG Rn. 136, nach dem Art. 103 Abs. 2 GG aber bereits überhaupt keine kompetenzwahrende Komponente enthält.

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nungswidrigkeit allenfalls als unterstützendes Argument für die Konformität einer Regelung mit dem Gesetzlichkeitsprinzip herangezogen.173 Überwiegend wird (stillschweigend) das gleiche Niveau wie im Strafrecht zugrunde gelegt.174 a) Allgemeiner Gedanke einer abgestuften formellgesetzlichen Bestimmtheit Die Idee abgestufter Anforderungen aus dem Gesetzlichkeitsprinzip ist in dieser Allgemeinheit nicht neu in der Rechtsprechung. Losgelöst vom Ordnungswidrigkeitenrecht postuliert das BVerfG in ständiger Rechtsprechung, ein Tatbestand müsse umso präziser sein, je schwerer die angedrohte Strafe sei.175 Das ist Kritik ausgesetzt: Eine Abstufung der gebotenen Bestimmtheit sei im Wortlaut des Art. 103 Abs. 2 GG nicht angelegt.176 Der das schwerere Delikt verwirklichende Täter sei auch nicht schutzwürdiger.177 Zumindest diesem letzten Argument ist zuzustimmen. Soweit dem Bürger Orientierung gegeben werden soll, gibt es keinen Anlass für eine abgestufte Bestimmtheit. Der Fokus liegt dabei auf der freiheitsgewährleistenden Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG. Insofern spielt die Schwere der angedrohten Strafe keine Rolle.178 Erklären lässt sich die Rechtsprechung aber, wenn man sie mit der Wesentlichkeitstheorie in Verbindung bringt.179 Ein Strafgesetz ermöglicht nämlich umso wesentlichere Grundrechtseingriffe, je schwerer die angedrohte Strafe ist. Abgestufte Anforderungen können mithin im Rahmen der kompetenzwahrenden Komponente fruchtbar gemacht werden. Je höher die Strafe, 173  Hunsmann, in: Hüls/Reichling, § 381 AO Rn. 6; Jäger, in: Klein, § 381 AO Rn. 20; ders./Ebner, in: Joecks/Jäger/Randt, § 381 AO Rn. 11. 174  Explizit von den gleichen Bestimmtheitsanforderungen ausgehend Kämpfer/ Travers, in: BeckOK-WpHR, § 120 WpHG Rn. 52.2; Mitsch, Recht der Ordnungswidrigkeiten, § 5 Rn. 6; vgl. zudem den uneingeschränkten Verweis auf Literatur und Rechtsprechung zu § 1 StGB bei Lemke, in: Lemke/Mosbacher, § 3 Rn. 1. 175  BVerfG 2 BvL 4/62, NJW 1962, 1563, 1564; 2 BvR 238/68, NJW 1969, 1759; 2 BvL 2/73, BeckRS 1976, 705; 2 BvL 11/85, NJW 1987, 3175; 2 BvR 858/92, NJW 1993, 1909, 1910; 2 BvR 2559/08 u. a., NJW 2010, 3209 Rn. 75; 2 BvL 1/15, NJW 2016, 3648 Rn. 39; 2 BvL 5/17, NZWiSt 2020, 263, 271; 1 BvR 781/21 u. a., NJW 2022, 139 Rn. 156. 176  Erne, Bestimmtheitsgebot, S. 47; Kunig, in: von Münch/Kunig, 6. Aufl. 2012, Art. 103 Rn. 29; A. Sinn, ZJS 2018, 381, 383; Zellerhoff, Scheinselbständigkeit, S. 27. 177  Remmert, in: Dürig/Herzog/Scholz, Art. 103 Abs. 2 Rn. 95. 178  Vgl. Remmert, in: Dürig/Herzog/Scholz, Art. 103 Abs. 2 Rn. 95; a.  A. Bülte, NZV 2020, 12, 16, dieser versteht dies aber nicht als Möglichkeit zur Absenkung, sondern allein zur Steigerung der Bestimmtheitsanforderungen. 179  Enderle, Blankettstrafgesetze, S. 119.



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desto detaillierter muss der Gesetzgeber selbst den Tatbestand festlegen.180 Dem steht die fehlende Differenzierung im Wortlaut des Art. 103 Abs. 2 GG nicht entgegen: Schon der dort verwendete Gesetzesbegriff ist im Ausgangspunkt nicht eindeutig als formell- oder materiellgesetzlich festgelegt und erst recht nicht die genauen Anforderungen, die mit der gesetzlichen Bestimmtheit verbunden sind. Ob das BVerfG die von ihm postulierte Abstufung ebenfalls in diesen Kontext einordnet, lässt sich nicht sicher sagen, weil das Gericht auch in diesem Zusammenhang nicht immer klar zwischen den beiden Komponenten trennt.181 Am Ergebnis der Entscheidungen lässt es sich gleichfalls nicht ablesen, da die Abstufung, obwohl seit Langem im Prüfungsmaßstab enthalten, kaum je mit praktischen Auswirkungen judiziert wird.182 b) Niedrigere formellgesetzliche Regelungsdichte im Ordnungswidrigkeitenrecht Die vom BVerfG geäußerte Überlegung, im Ordnungswidrigkeitenrecht geringere Anforderungen aus Art. 103 Abs. 2 GG zu stellen, kann in den Kontext der dargestellten allgemeinen Rechtsprechung eingeordnet werden.183 Entsprechend dem bisher Gesagten kommen niedrigere Anforderungen zwar nicht im Rahmen der freiheitsgewährleistenden Komponente in Betracht: An Tatbestände des Ordnungswidrigkeitenrechts ist folglich der gleiche inhaltliche Bestimmtheitsmaßstab wie an Strafgesetze anzulegen.184 180  Cornelius, NStZ 2017, 682, 684; Volkmann, ZRP 1995, 220, 224; Remmert, in: Dürig/Herzog/Scholz, Art. 103 Abs. 2 Rn. 107. 181  Jedenfalls in BVerfG 1 BvR 781/21 u. a., NJW 2022, 139 Rn. 159 stellt es die Abstufung wohl in den Kontext der freiheitsgewährleistenden Komponente, da in der Entscheidung nur diese zu prüfen war. 182  Nolte/Aust, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Art. 103 Rn. 145; kritisch auch Erne, Bestimmtheitsgebot, S. 47: Auffallend sei, dass „das BVerfG die Abhängigkeit des Bestimmtheitsgebots von der Höhe der angedrohten Strafe gewöhnlich dann hervorhebt, wenn es die Bestimmtheit von Normen mit geringem Strafrahmen überprüft“. 183  Vgl. OLG Köln Ss 605/86, NJW 1988, 657, 658; Petersohn, Abhängigkeit von Geldbußtatbeständen, S. 64; Satzger, in: SSW, § 1 Rn. 24; Volkmann, ZRP 1995, 220, 225; vgl. BVerfG 2 BvR 270/67, DAR 1968, 329; BGH 4 StR 560/77, NJW 1978, 652. Klesczewksi, Ordnungswidrigkeitenrecht, Rn. 72, 83 stützt Besonderheiten des Gesetzlichkeitsprinzips im Ordnungswidrigkeitenrecht auch auf die dortige Notwendigkeit einer raschen Anpassung der Vorschriften an geänderte Umstände. Das gilt aber ebenso für weite Teile des Nebenstrafrechts und markiert keinen generellen Unterschied zwischen Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht. 184  Remmert, in: Dürig/Herzog/Scholz, Art. 103 Abs. 2 Rn. 95; Rogall, in: KK, § 3 Rn. 34; i. Erg. auch Bohnert/Krenberger/Krumm, in: Krenberger/Krumm, § 3 Rn. 6. Nicht überzeugen kann daher BVerfG 2 BvR 270/67, DAR 1968, 329, wo die gerin-

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B. Ermittlung eines verfassungsrechtlichen Maßstabs

Für die Zwecke der kompetenzwahrenden Komponente hingegen sind niedrigere Anforderungen als im Strafrecht denkbar.185 Freilich scheint die schwierige Grenzziehung zwischen Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht dagegen zu sprechen. Bis heute haben sich keine klaren Kriterien zur Trennung beider Sanktionsregime durchgesetzt.186 Das BVerfG billigt dem Gesetzgeber im Grenzbereich einen Entscheidungsspielraum zu, ob er ein Verhalten als Straftat oder als Ordnungswidrigkeit einordnet.187 Angesichts einer solch fließenden Grenze könnten unterschiedliche verfassungsrechtliche Anforderungen verfehlt sein. Indes kreist die Diskussion um die Abgrenzung der Rechtsgebiete allein um das erfasste Unrecht. Die Differenzierung nach der Schwere der angedrohten Sanktion stellt hingegen auf die Rechtsfolge ab. Dies liegt insofern nahe, als diese über die Schwere des dem Bürger drohenden Eingriffs bestimmt und damit maßgeblich die Wesentlichkeit beeinflusst. Richtet man den Blick aber auf die Rechtsfolge, zeigt sich eine Abstufung. Sozialethische Erwägungen einmal außer Betracht gelassen, ist zwar die konkret festgesetzte Geldbuße nicht notwendig weniger eingriffsintensiv als eine niedrige Geldstrafe.188 Das wäre aber wiederum der falsche Fokus. Weil es um die durch den Gesetzgeber zu treffenden wesentlichen Voraussetzungen geht, darf nicht auf die konkret festgesetzte, sondern muss auf die abstrakte Sanktionsdrohung abgestellt werden. Auch diese ist mitunter sehr hoch; es sei insofern nur § 120 Abs. 18 S. 1 WpHG genannt, der Geldbußen bis zu fünf Millionen Euro vorsieht. Dennoch ergibt sich ein Stufenverhältnis: Denn Ordnungswidrigkeitengesetze sind auf die Androhung von Geldbußen beschränkt, während Strafgesetze in der Praxis stets zumindest auch Freiheitsstrafe androhen.189 Infolge der fehlenden Möglichkeit der Freiheitsstrafe bleiben die Rechtsfolgen eines Ordnungswidrigkeitengesetzes immer qualitageren Anforderungen an die Regelung der sogenannten Übertretung ersichtlich auf die freiheitsgewährleistende Komponente bezogen sind. 185  In diesem Sinne wohl auch Albrecht/Kehr/von Loeper, DAR 2021, 438, 442 und Klesczewksi, Ordnungswidrigkeitenrecht, Rn. 83, die dies auch aus einem Umkehrschluss aus Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG herleiten, kritisch zu diesem Umkehrschluss oben Fn. 108; noch weitergehend entnimmt LVerfG S-A LVG 4/21, BeckRS 2021, 9553 Rn. 128 dem Art. 103 Abs. 2 GG im Ordnungswidrigkeitenrecht überhaupt keine kompetenzwahrende Komponente. 186  Vgl. den Befund bei Rogall, in: KK, Vorbemerkungen Rn. 2; zur Abgrenzung näher Hefendehl, ZIS 2016, 636, 640 ff. 187  BVerfG 2 BvL 2/69, NJW 1969, 1619, 1621; 2 BvR 70/75 u. a., NJW 1977, 1629. 188  Vgl. Spoerr, in: Assmann/Schneider/Mülbert, § 120 WpHG Rn. 136; Wallau, LMuR 2016, 229, 230 Fn. 9. 189  Reus, Risikogesellschaft, S. 94, die daneben auch auf den weniger intensiven sozialethischen Tadel abstellt.



I. Gesetzlichkeitsprinzip des Art. 103 Abs. 2 GG111

tiv hinter denen eines Strafgesetzes zurück.190 Im weniger eingriffsintensiven Ordnungswidrigkeitenrecht darf der parlamentarische Gesetzgeber damit einen größeren Teil der Normsetzung auf eine andere Instanz verlagern. Bülte hält dem entgegen, Art. 103 Abs. 2 GG sei „eine typisierende Festlegung für das Strafrecht innerhalb der Wesentlichkeitssystematik“. Da die Vorschrift nicht näher differenziere, fingiere sie alles als wesentlich, auch eine geringe Geldbuße.191 Jedoch lässt sich das Zusammenspiel von Bestimmtheitsgebot und Wesentlichkeitstheorie auch anders begreifen: Die Wesentlichkeitstheorie zeigt, inwiefern die nach Art. 103 Abs. 2 GG geforderte gesetzliche Bestimmtheit eine formellgesetzliche sein muss. Innerhalb der Wesentlichkeitstheorie muss aber stets differenziert werden und folglich ist auch zwischen Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht zu unterscheiden. Was bedeutet das nun konkret? Für Strafgesetze hat sich gezeigt, dass der parlamentarische Gesetzgeber die wesentlichen Voraussetzungen geregelt hat, wenn er allein über die Sanktionsnorm entschieden hat, während er die das Blankettgesetz ausfüllenden Verhaltensnormen nur abstrakt über das geschützte Rechtsgut und eine grobe Umschreibung der tatbestandlichen Handlung definieren muss.192 Im Ordnungswidrigkeitenrecht ist an dieser Unterscheidung der Zuständigkeit für Sanktions- und Verhaltensnorm nicht in gleicher Weise festzuhalten. Die wesentlichen Voraussetzungen sind hier weniger umfangreich als im Strafrecht. Daher ist die Alleinzuständigkeit des Gesetzgebers für die Sanktionsnorm zu lockern. Er muss die Sanktionsnorm nicht vollständig in eigener Verantwortung festlegen. Auch die Exekutive darf, soweit sie dazu ermächtigt wird, in gewissem Rahmen auf die Sanktions­ norm Einfluss nehmen.193 Einen solchen Einfluss übt sie im geltenden Recht beispielsweise über Bußgeldkataloge aus,194 deren prominentester Vertreter die BußgeldkatalogVerordnung ist. Gestützt auf § 26a StVG enthält sie unter anderem Regelsätze zur Bemessung der Geldbuße straßenverkehrsrechtlicher Ordnungswidrigkeiten.195 Begrenzt wird die Regelungsbefugnis der Exekutive durch den 190  A. A. bezogen auf das Kapitalmarktrecht Kämpfer/Travers, in: BeckOK-WpHR, § 120 WpHG Rn. 52.2; ferner Raisch, ZHR 128 (1966), 161, 172 f., der eine Abstufung nur hinsichtlich Ordnungswidrigkeiten mit geringerer Geldbußenandrohung für angezeigt hält. 191  Bülte, BB 2016, 3075, 3081; keine vergleichbaren Bedenken äußert dieser aber in NZV 2020, 12, 16 f. 192  Oben S. 98 ff. 193  Vgl. Cornelius, Verweisungsbedingte Akzessorietät, S. 313, 329. 194  Cornelius, Verweisungsbedingte Akzessorietät, S. 313; darauf hinweisend auch Schuster, Strafnormen und Bezugsnormen, S. 268. 195  Nach BVerfG 2 BvR 616/91 u. a., NJW 1996, 1809, 1810 ist dies verfassungskonform.

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B. Ermittlung eines verfassungsrechtlichen Maßstabs

vom Gesetzgeber festgelegten Rahmen für die Geldbuße – im Allgemeinen in § 17 Abs. 1 OWiG und ansonsten in der konkreten Vorschrift. Verallgemeinernd lässt sich sagen: Es genügt, wenn der parlamentarische Gesetzgeber im Blankettordnungswidrigkeitengesetz einen generellen Rahmen für die Sanktionsnorm vorgibt und den Verordnungsgeber diesen näher ausfüllen lässt. Die Verhaltensnormen muss er, wie im Strafrecht, durch das geschützte Rechtsgut und eine grobe Handlungsbeschreibung definieren. Insoweit bestehen keine Besonderheiten im Ordnungswidrigkeitenrecht. c) Weitere Abstufungen innerhalb des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts Wenn, wie gezeigt, die Anforderungen der kompetenzwahrenden Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG von der Schwere der angedrohten Sanktion abhängen, hat dies weitere Folgen: Es ist nicht nur zwischen Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht zu unterscheiden. Auch innerhalb dieser Rechtsgebiete kann die angedrohte Sanktion unterschiedlich hoch sein und ist demnach weiter zu differenzieren. Beispielsweise muss der Gesetzgeber bei einem Strafgesetz, das eine hohe Freiheitsstrafe androht, die erfassten Verhaltensnormen genauer definieren als bei einem solchen, das eine niedrige Freiheitsstrafe vorsieht. Die hiesige Untersuchung, die sich nicht auf einzelne Gesetze, sondern auf eine Regelungstechnik bezieht, kann dem nur schwer Rechnung tragen. Wie hoch die angedrohte Sanktion ist, hängt vom jeweiligen Blankettgesetz ab. Insoweit ergibt sich innerhalb der Rückverweisungstechnik aber kein einheitliches Bild. Das kann beispielhaft anhand des Strafrechts gezeigt werden: Es ließe sich hier überlegen, ob die formellgesetzliche Regelungsdichte generell niedriger anzusetzen ist, weil die Rückverweisungstechnik Gesetze mit niedrigeren Strafandrohungen betrifft. Das kann in dieser Allgemeinheit aber nicht festgestellt werden. Die Rückverweisungstechnik kommt zwar auch bei einer geringeren Strafdrohung von Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr zum Einsatz, zum Beispiel in § 59 Abs. 1 Nr. 21 LFGB oder § 34 Abs. 1 Nr. 5 TabakerzG. Doch findet sie sich ebenso bei Blankettstrafgesetzen mit schwererer Rechtsfolge. So drohen etwa § 38a Abs. 1 BJagdG, § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 14 BtMG und § 69 Abs. 1 Nr. 2 PflSchG eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren an. § 17 Abs. 1 AWG ist mit einer angedrohten Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren sogar als Verbrechen ausgestaltet. Angesichts solch unterschiedlicher Sanktionsandrohungen beschränkt sich die Untersuchung auf die vorstehend skizzierten Anforderungen der kompetenzwahrenden Komponente und vernachlässigt weitere Differenzierungen im Einzelfall. Sie haben ohnehin nur geringe Auswirkungen und vermögen



II. Vorbehalt des formellen Gesetzes nach Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG 113

jedenfalls an der grundsätzlichen und für die Arbeit zentralen Unterscheidung nichts zu ändern, dass der Gesetzgeber im Strafrecht über die Sank­ tionsnorm allein entscheiden muss und im Ordnungswidrigkeitenrecht die Exekutive diesbezüglich einbeziehen darf. Um dem qualitativ deutlichen Unterschied zwischen Geldbuße und Freiheitsstrafe gerecht zu werden, ist an dieser grundsätzlichen Abstufung auch dann festzuhalten, wenn innerhalb beider Sanktionsregime noch einmal im Einzelfall differenziert werden kann.

II. Vorbehalt des formellen Gesetzes nach Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG Neben Art. 103 Abs. 2 GG werden Blankettstrafgesetze, insbesondere vom BVerfG, auch an Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG gemessen.196 Zum Teil wird sogar überlegt, ob diese Vorschrift nicht stärker als bislang bei der verfassungsrechtlichen Prüfung berücksichtigt werden müsse.197 Es ist daher zu untersuchen, ob sich aus ihr weitere verfassungsrechtliche Anforderungen ergeben. 1. Nur kompetenzwahrende Komponente enthalten Nach Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG kann die Freiheit einer Person nur aufgrund eines förmlichen Gesetzes beschränkt werden. Die Vorschrift enthält einen ausdrücklich formulierten parlamentsgesetzlichen Vorbehalt. Mit Freiheit ist der auch durch Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG geschützte Bereich gemeint.198 Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG ist eine den einfachen Gesetzesvorbehalt des Art. 2 Abs. 2 S. 3 GG verschärfende Regelung199 beziehungsweise kann als „SchrankeSchranke“ dazu verstanden werden.200 196  BVerfG 2 BvL 1/15, NJW 2016, 3648 Rn. 30 ff.; 2 BvL 5/17, NZWiSt 2020, 263, 270 ff.; Freund, in: MüKo-StGB, Vor § 95 AMG Rn. 54 ff.; ders./Rostalski, GA 2016, 443, 444, 447 ff.; Hütwohl, Weinstrafrecht, S. 70; Moll, Europäisches Strafrecht, S.  119 ff. 197  Roxin/Greco, Strafrecht AT/I, § 5 Rn. 77e. 198  Degenhart, in: Sachs, Art. 104 Rn. 4; Schulze-Fielitz, in: Dreier, Art. 104 Rn. 23; Schmahl, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, Art. 104 Rn. 10; Wittreck, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. VII, § 151 Rn. 12. 199  BVerfG 1 BvR 226/70, NJW 1970, 2205, 2207; vgl. BVerfG 2 BvR 309/15 u. a., NJW 2018, 2619 Rn. 79; 2 BvR 252/19, NJW 2020, 1501 Rn. 23; Müller-Franken, in: Stern/Becker, Art. 104 Rn. 56; Schmahl, in: Hilgendorf/Kudlich/Valerius, Handbuch des Strafrechts, Bd. 1, § 2 Rn. 75; Tiedemann, Tatbestandsfunktionen, S. 251; Weidenbach, Blankettstrafgesetze, S. 44; Wittreck, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. VII, § 151 Rn. 27. 200  Mehde, in: Dürig/Herzog/Scholz, Art. 104 Rn. 2; Müller-Franken, in: Stern/ Becker, Art. 104 Rn. 4; Radtke, in: BeckOK-GG, Art. 104 Vor Rn. 1; Schulze-Fielitz, in: Dreier, Art. 104 Rn. 17.

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B. Ermittlung eines verfassungsrechtlichen Maßstabs

Als parlamentsgesetzlicher Vorbehalt steht die Vorschrift mit der kompetenzwahrenden Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG in Verbindung. Sie kann denn auch auf die gleichen allgemeinen verfassungsrechtlichen Bestimmungen gestützt werden, wurzelt also im Demokratieprinzip201 und ist insofern auch mit der Wesentlichkeitstheorie verbunden.202 Im Gegensatz zu Art. 103 Abs. 2 GG enthält Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG nur eine kompetenzwahrende Komponente, nicht auch eine freiheitsgewährleistende.203 Literatur und Rechtsprechung verstehen ihn allerdings, in Ermangelung einer konsequenten Trennung von freiheitsgewährleistender und kompetenzwahrender Komponente, zumeist so, dass er (auch) unmittelbar freiheitsgewährleistend wirke.204 Schon der Wortlaut spricht aber nur von einem förmlichen Gesetz und nicht von einem bestimmten Gesetz. Das förmliche Gesetz muss freilich, ansonsten wäre es sinnlos und könnte die anderen Gewalten nicht hinreichend binden, die Voraussetzungen einer Freiheitsbeschränkung näher festlegen und trifft insoweit zugleich inhaltliche Bestimmungen. Sie sind jedoch allein die notwendige Folge des formell­ gesetzlichen Vorbehalts: Kompetenzwahrende und freiheitsgewährleistende Komponente sind, wie es zu Art. 103 Abs. 2 GG gezeigt wurde,205 insofern verbunden, als einem Gesetzesvorbehalt immer nur entsprochen wird, wenn das Gesetz auch in einem gewissen Maße inhaltlich bestimmt ist. Das darf nicht dahingehend verstanden werden, Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG enthalte eine eigenständige freiheitsgewährleistende Komponente.206

EWR 1981, 109, 174 f., 184. in: MüKo-StGB, Vor § 95 AMG Rn. 59; Grabitz, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. VI, 2. Aufl. 2001, § 130 Rn. 17; Gusy, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Art. 104 Rn. 26; Moll, Europäisches Strafrecht, S. 126 f., 191 f.; Volkmann, ZRP 1995, 220, 223. 203  Vgl. Ernst, Blankettstrafgesetze, S. 82 Fn. 561; Satzger, Europäisierung, S. 240, 248. 204  BVerfG 2 BvR 252/19, NJW 2020, 1501 Rn. 23; Mehde, in: Dürig/Herzog/ Scholz, Art. 104 Rn. 44 ff.; Schulze-Fielitz, in: Dreier, Art. 104 Rn. 31 ff.; Volkmann, ZRP 1995, 220, 222; ferner wohl BVerfG 2 BvR 15/62, NJW 1962, 1339, 1340; 2 BvR 2029/01, NJW 2004, 739, 749; 2 BvR 2302/11 u. a., NJW 2013, 3151 Rn.  111 f.; Kunig/Saliger, in: von Münch/Kunig, Art. 104 Rn. 15. Im Sinne des hiesigen Verständnisses aber BVerfG 2 BvR 238/68, NJW 1969, 1759; 1 BvL 13/76, NJW 1978, 933; 2 BvR 927/76, NJW 1978, 1423: In diesen Entscheidungen prüft das BVerfG die inhaltliche Bestimmtheit allein an Art. 103 Abs. 2 GG, obwohl die betroffenen Gesetze (auch) Freiheitsstrafe androhen. 205  Oben S. 103. 206  Die Vorschrift ist daher keine Konkretisierung des aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden allgemeinen Bestimmtheitsgebots, das keine kompetenzwahrende Komponente enthält, vgl. unten S. 128. Anders aber BVerfG 2 BvR 1165/86, NJW 1988, 897, 898; 2 BvR 2029/01, NJW 2004, 739, 749 f.; 2 BvR 2302/11 u. a., NJW 2013, 201  Krey,

202  Freund,



II. Vorbehalt des formellen Gesetzes nach Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG 115

2. Anwendbarkeit auf materielle Strafgesetze Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG wird im Rahmen der verfassungsrechtlichen Prüfung von Strafgesetzen meist ohne nähere Begründung herangezogen.207 Dass die Vorschrift auf das materielle Strafrecht anwendbar ist, ergibt sich aber nicht ohne Weiteres. Ihr Anwendungsbereich ist durch die Rechtsfolge der Freiheitsbeschränkung definiert. Das meint jede Form staatlicher Freiheitsbeeinträchtigung,208 inklusive der Freiheitsentziehung als intensivste Freiheitsbeschränkung.209 Für Ordnungswidrigkeiten scheidet Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG insoweit von vornherein aus.210 Dagegen könnte die Vorschrift das gesamte materielle Strafrecht erfassen, weil alle Strafgesetze heutzutage zumindest auch Freiheitsstrafe androhen.211 Allerdings wird eingewandt, Strafgesetze beziehungsweise auf sie gestützte Strafurteile seien für sich genommen noch keine Freiheitsentziehung. Sie beeinträchtigten nicht die Bewegungsfreiheit, sondern die durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Handlungsfreiheit.212 Nach dieser Ansicht erfasst Art. 104 GG im Strafrecht nur die verfahrensrechtliche Seite der Strafvollstreckung.213 Das zeige die historische Auslegung: Der Verfassungs-

3151 Rn. 111; 2 BvR 309/15 u. a., NJW 2018, 2619 Rn. 79; Schmahl, in: SchmidtBleibtreu/Hofmann/Henneke, Art. 104 Rn. 17. 207  So Bräutigam-Ernst, Bedeutung von Verwaltungsvorschriften, S.  260  ff.; Freund, in: MüKo-StGB, Vor § 95 AMG Rn. 54 ff.; ders./Rostalski, GA 2016, 443, 444, 447 ff.; Hütwohl, Weinstrafrecht, S. 70; Moll, Europäisches Strafrecht, S. 119 ff.; Raabe, Bestimmtheitsgrundsatz, S. 15, 41; Satzger, Europäisierung, S. 240 ff.; Schmitz, in: MüKo-StGB, § 1 Rn. 25, 66. 208  Kunig/Saliger, in: von Münch/Kunig, Art. 104 Rn. 9; Schulze-Fielitz, in: Dreier, Art. 104 Rn. 24. 209  BVerfG 2 BvR 309/15 u. a., NJW 2018, 2619 Rn. 67; Degenhart, in: Sachs, Art. 104 Rn. 5; Wittreck, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. VII, § 151 Rn. 18. 210  Relevanz kann sie aber für die Erzwingungshaft nach §§ 96 f. OWiG erlangen, Rogall, in: KK, § 3 Rn. 13. 211  Schuster, Strafnormen und Bezugsnormen, S. 267; Weigend, in: LK, Einleitung Rn. 13. 212  Heghmanns, Grundzüge einer Dogmatik, S. 93 (auf Strafgesetze bezogen); Tiedemann, Tatbestandsfunktionen, S. 252 (auf Strafurteile bezogen); vgl. Cornelius, Verweisungsbedingte Akzessorietät, S. 314. Das Gegenargument von Bode/Seiterle, ZIS 2016, 91, 96 f., es sei unschlüssig, warum das Grundgesetz ein förmliches Gesetz nur für den Vollzug fordere, greift nicht, wenn man, wie hier, einen Vorbehalt des formellen Gesetzes für Straftatbestände aus Art. 103 Abs. 2 GG ableitet. 213  Cornelius, Verweisungsbedingte Akzessorietät, S. 314; Heghmanns, Grundzüge einer Dogmatik, S. 93 f.; Tiedemann, Tatbestandsfunktionen, S. 252 f.; in der Tendenz auch Veit, Rezeption technischer Regeln, S. 99.

116

B. Ermittlung eines verfassungsrechtlichen Maßstabs

geber habe mit der Norm in Reaktion auf den Nationalsozialismus214 den Schutz vor willkürlichen Verhaftungen vor Augen gehabt.215 Die Vorschrift auf materielle Strafgesetze zu beziehen, sei auch deswegen nicht möglich, weil sie die „Beachtung der […] vorgeschriebenen Formen“ fordere, mate­ rielle Strafgesetze selbst aber keine derartigen Formvorschriften enthielten.216 Materielle Strafgesetze zu erfassen, war historisch in der Tat wohl nicht beabsichtigt. Ursprünglich sollte der Inhalt des Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG zusammen mit dem des Art. 2 Abs. 2 GG im Abschnitt zu den Grundrechten geregelt werden.217 Die spätere Trennung und Regelung in unmittelbarer Nähe des Art. 103 Abs. 2 GG erfolgte allein aus ästhetischen Gründen, um den Grundrechtsteil nicht zu überfrachten.218 Das macht es indes nicht notwendig, die Vorschrift auf im Nationalsozialismus vorgenommene Eingriffe zu beschränken219 und vom Wortlaut erfassbare Eingriffe auszunehmen. Was aber den Wortlaut betrifft, ist zwar zuzugeben, dass Tatbestand und Strafurteil allein noch nicht in die Bewegungsfreiheit eingreifen. Diese formalistische Unterscheidung zur Vollstreckung lässt sich jedoch überwinden, indem die auf dem Tatbestand beruhende Verurteilung in Verbindung mit der Vollstreckung als „Gesamtvorgang des Freiheitsentzugs“ interpretiert wird.220 Die nach Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG zu beachtenden Formen sind kein durchschlagendes Gegenargument. Formvorschriften müssen danach zwar in ­förmlichen Gesetzen enthalten sein, der Wortlaut zwingt allerdings nicht zur Annahme, Tatbestand und Formvorschriften müssten in demselben Gesetz geregelt sein.221 Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG kommt damit als Prüfungsmaßstab für materielle Strafgesetze in Betracht. 214  Dazu

Gusy, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Art. 104 Rn. 5 ff. 1 St 656/61, NJW 1962, 453, 455; Heghmanns, Grundzüge einer Dogmatik, S. 93; so auch Schuster, Strafnormen und Bezugsnormen, S. 267. 216  BayObLG 1 St 656/61, NJW 1962, 453 f.; Heghmanns, Grundzüge einer Dogmatik, S. 93 f.; vgl. Tiedemann, Tatbestandsfunktionen, S. 252. 217  Kunig/Saliger, in: von Münch/Kunig, Art. 104 Rn. 1; Schulze-Fielitz, in: Dreier, Art. 104 Rn. 7; Weidenbach, Blankettstrafgesetze, S. 43 f. 218  BVerfG 2 BvR 15/62, NJW 1962, 1339, 1340; Gusy, in: von Mangoldt/Klein/ Starck, Art. 104 Rn. 6; Schulze-Fielitz, in: Dreier, Art. 104 Rn. 7. 219  Kunig/Saliger, in: von Münch/Kunig, Art. 104 Rn. 5. Bode/Seiterle, ZIS 2016, 91, 98 und Weidenbach, Blankettstrafgesetze, S. 104 weisen zudem darauf hin, dass im Nationalsozialismus nicht nur willkürliche Verhaftungen vorgenommen, sondern auch durch Rechtsverordnungen missbräuchlich Strafrecht geschaffen wurde. 220  BVerfG 2 BvR 15/62, NJW 1962, 1339, 1340; Kunig/Saliger, in: von Münch/ Kunig, Art. 104 Rn. 9; Mehde, in: Dürig/Herzog/Scholz, Art. 104 Rn. 68. 221  Lohberger, Blankettstrafrecht, S.  130  f.; Weidenbach, Blankettstrafgesetze, S. 102. 215  BayObLG



II. Vorbehalt des formellen Gesetzes nach Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG 117

3. Anforderungen an Blankettstrafgesetze Deshalb ist nun zu klären, welche Anforderungen aus Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG folgen. Zur näheren Bestimmung der dort allein enthaltenen kompetenzwahrenden Komponente wird, teils ausdrücklich,222 auf die zur kompetenzwahrenden Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG entwickelten Maßstäbe zurückgegriffen. Demnach muss der Gesetzgeber selbst hinreichend deutlich die Voraussetzungen der Freiheitsentziehung regeln, Spezifizierungen darf er dagegen anderen Instanzen überlassen.223 Zulässig sollen solche Spezifi­ zierungen deshalb sein, weil die Freiheitsbeschränkung dem Wortlaut nach nicht „durch“, sondern nur „auf Grund“ eines förmlichen Gesetzes erfolgen muss.224 Im Ergebnis stellt Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG dann dieselben Anforderungen an Blankettstrafgesetze wie Art. 103 Abs. 2 GG.225 Das BVerfG verwendet verschiedentlich zwar Formulierungen, die leicht vom Prüfungsmaßstab des Art. 103 Abs. 2 GG abweichen; doch ergeben sich in der Sache keine Unterschiede.226 Das Gericht differenziert ohnehin kaum zwischen den Vorschriften,227 sondern zieht beide zu einer Art Gesamtanfor222  BVerfG 2 BvR 234/87 u. a., NJW 1989, 1663; 2 BvR 509/96 u. a., NJW 1998, 669, 670; Hohmann, ZIS 2007, 38, 43; Schulze-Fielitz, in: Dreier, Art. 104 Rn. 30. 223  BVerfG 2 BvR 15/62, NJW 1962, 1339, 1340; 2 BvL 4/62, NJW 1962, 1563, 1564 f.; 2 BvL 7/78, NJW 1979, 1981; 2 BvL 11/85, NJW 1987, 3175; 2 BvR 234/87 u. a., NJW 1989, 1663; 2 BvR 858/92, NJW 1993, 1909, 1910; 2 BvR 1101/08, NVwZ 2009, 239 f.; 2 BvL 1/15, NJW 2016, 3648 Rn. 47; Degenhart, in: Sachs, Art. 104 Rn. 10; Hohmann, ZIS 2007, 38, 43; Schulze-Fielitz, in: Dreier, Art. 104 Rn.  29 f.; Schmahl, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, Art. 104 Rn. 17; Winkelbauer, Verwaltungsakzessorietät, S. 33. 224  Dannecker/Schuhr, in: LK, § 1 Rn. 124; Ernst, Blankettstrafgesetze, S. 81; Krey, EWR 1981, 109, 184; Satzger, Europäisierung, S. 248; Schützendübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 263. 225  So ausdrücklich Degenhart, in: Sachs, Art. 104 Rn. 10; Ernst, Blankettstrafgesetze, S.  81 f.; Hütwohl, Weinstrafrecht, S. 70; Krach, Europäisierung, S. 209; Krey, EWR 1981, 109, 183 f.; Radtke, in: BeckOK-GG, Art. 104 Rn. 6; Satzger, Europäisierung, S. 240, 248; Schützendübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 263; Veit, Rezeption technischer Regeln, S. 98. Besonders deutlich wird dies in BVerfG 2 BvR 702/65, NJW 1968, 1515, wo das BVerfG dem Vortrag der Beschwerdeführer, mit dem eine Verletzung des Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG gerügt wird, auch eine Berufung auf Art. 103 Abs. 2 GG entnimmt und sodann nur diese Vorschrift prüft, obwohl der Sachverhalt (worauf Heghmanns, Grundzüge einer Dogmatik, S. 95 aufmerksam macht) mit gleichem Ergebnis auch auf Grundlage von Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG hätte entschieden werden können. 226  Moll, Europäisches Strafrecht, S. 142 f.; Volkmann, ZRP 1995, 220, 222. 227  Klar getrennt wird noch in BVerfG 2 BvR 15/62, NJW 1962, 1339 f., in späteren Entscheidungen hingegen nicht mehr, vgl. BVerfG 2 BvL 4/62, NJW 1962, 1563, 1564 f.; 2 BvR 134/63, NJW 1967, 1555 ff.; 2 BvL 7/78, NJW 1979, 1981; 2 BvL 11/85, NJW 1987, 3175 f.; 2 BvR 234/87 u. a., NJW 1989, 1663 ff.; 2 BvR 858/92,

118

B. Ermittlung eines verfassungsrechtlichen Maßstabs

derungsprofil228 zusammen. Insgesamt messen seine Entscheidungen dem Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG, gerade im Verhältnis zu Art. 103 Abs. 2 GG, kaum Bedeutung zu. Auch der BGH prüft zum Teil nur anhand des Art. 103 Abs. 2 GG.229 Von älteren Stimmen abgesehen230 fordern heutzutage einzig Bode und Seiterle einen strengeren Maßstab: Da die Bewegungsfreiheit nie allein mittels eines Gesetzes beschränkt werden könne, sei das Wortlautargument der herrschenden Meinung, das sich auf die Differenzierung zwischen einer Freiheitsbeschränkung „durch“ und „auf Grund“ eines förmlichen Gesetzes stützt, nicht triftig.231 Als deswegen schrankenlos gewährleistetes Recht könne Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG nur durch kollidierendes Verfassungsrecht eingeschränkt werden.232 Dieser Ansatz hat den Vorzug, einer Aufweichung des formellgesetzlichen Vorbehalts entgegenzutreten, wie sie infolge der unbestimmten Formel der Wesentlichkeit drohen könnte. Dies wird jedoch gleichermaßen erreicht, wenn die wesentlichen Voraussetzungen, wie hier, durch klare Kriterien konturiert sind. Bode und Seiterle unterscheiden „durch“ und „auf Grund“ eines Gesetzes danach, ob das Gesetz noch eines Vollzugsakts bedarf. Die Formulierungen können aber auch – und das ist die Lesart der herrschenden Meinung zu Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG – so verstanden werden, dass der Eingriff einmal allein auf den Voraussetzungen eines Gesetzes beruht („durch“), das andere Mal zusätzlich auf einer zwischengeschalteten Rechtsverordnung („auf Grund“).233 Der Sprachgebrauch ist hier also nicht einheitlich, der Wortlaut daher nicht ausschlaggebend.234 Wie gesehen sind sowohl Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG als auch die kompetenz­ wahrende Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG als spezielle Gesetzesvorbehalte Ausformungen des Demokratieprinzips. Insofern kann die zu Art. 103 NJW 1993, 1909, 1910; 2 BvR 1101/08, NVwZ 2009, 239 f.; 2 BvL 1/15, NJW 2016, 3648 Rn. 30, 34 ff.; 2 BvL 5/17, NZWiSt 2020, 263, 270 ff. 228  Enderle, Blankettstrafgesetze, S. 214; Cornelius, Verweisungsbedingte Akzessorietät, S. 314; ders., NStZ 2017, 682, 684; Dannecker/Schuhr, in: LK, § 1 Rn. 124; Debus, Verweisungen, S. 269. 229  BGH 2 StR 525/13, NJW 2016, 1251 Rn. 57 ff. 230  Dürig, NJW 1961, 1831; Grabitz, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. VI, 2. Aufl. 2001, § 130 Rn. 17, 21; Lohberger, Blankettstrafrecht, S. 150. 231  Bode/Seiterle, ZIS 2016, 91, 100 f.; vgl. dazu Weidenbach, Blankettstrafgesetze, S. 51; kritisch auch Schuster, Strafnormen und Bezugsnormen, S. 268. 232  Bode/Seiterle, ZIS 2016, 91, 102; nach ihnen kommt hier als kollidierendes Verfassungsrecht die aus dem Demokratieprinzip folgende Funktionsfähigkeit des Parlaments in Betracht. 233  Lohberger, Blankettstrafrecht, S. 148. 234  Debus, Verweisungen, S. 270.



III. Ermächtigungsgrundlage und Bestimmtheitsgebot119

Abs. 2 GG entwickelte Argumentation235 übertragen werden. Das Bedürfnis nach einer flexiblen Regelung infolge von Außenverweisungen darf auch im Rahmen des Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG nicht einfach ignoriert werden. Es ergibt sich hier gleichermaßen ein Spannungsverhältnis aus Grundrechtsrelevanz und Flexibilität, das darüber aufzulösen ist, dass der Gesetzgeber stets zumindest das Wesentliche, aber nicht notwendig alles selbst festlegen muss. Dass einer anderen Instanz Spezifizierungen überlassen werden dürfen, erweist sich damit als richtig. Somit stellen Art. 103 Abs. 2 GG und Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG die gleichen Anforderungen an die gesetzliche Bestimmtheit. Teilweise wird nun Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG als lex specialis angesehen.236 Genauso gut könnte aber auch Art. 103 Abs. 2 GG die Spezialvorschrift sein. Ein Spezialitätsverhältnis lässt sich hier nicht feststellen, weil keiner der beiden Anwendungsbereiche im jeweils anderen vollständig enthalten ist: Art. 103 Abs. 2 GG geht insoweit über Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG hinaus, als er auch das Ordnungswidrigkeitenrecht erfasst.237 Umgekehrt erstreckt sich Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG auch auf Freiheitsbeschränkungen, die nicht strafrechtlicher Art sind, zum Beispiel die Sistierung zur Identitätsfeststellung oder den Polizeigewahrsam.238 Da sich kein Mehrwert daraus ergibt, auf beide Verfassungsvorschriften abzustellen oder je nach Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht nur eine oder aber beide zu prüfen, wird im Folgenden allein anhand von Art. 103 Abs. 2 GG geprüft.

III. Ermächtigungsgrundlage und Bestimmtheitsgebot (Art. 80 Abs. 1 S. 1, 2 GG) Da ein Blankettstrafgesetz mit Rückverweisungsklausel auf Rechtsverordnungen verweist, könnte bei seiner verfassungsrechtlichen Beurteilung auch Art. 80 Abs. 1 GG zu berücksichtigen sein. Die Vorschrift wird von BVerfG und Literatur üblicherweise neben Art. 103 Abs. 2 GG und Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG als Prüfungsmaßstab genannt.239 235  Oben

S. 96 f.

in: von Münch/Kunig, Art. 103 Rn. 36; Pohlreich, in: BK, Art. 103 Abs. 2 Rn. 47. 237  Nach herrschender Meinung zudem Sanktionen nach dem Berufs- und Disziplinarrecht, BVerfG 2 BvR 518/66, NJW 1969, 2192, 2194 f.; 2 BvL 2/76, NJW 1978, 101; Kment, in: Jarass/Pieroth, Art. 103 Rn. 64; Schulze-Fielitz, in: Dreier, Art. 103 II Rn. 19. 238  Vgl. die Beispiele bei Degenhart, in: Sachs, Art. 104 Rn. 5a f.; Müller-Franken, in: Stern/Becker, Art. 104 Rn. 35 f.; Schulze-Fielitz, in: Dreier, Art. 104 Rn. 26 f. 239  BVerfG 2 BvL 1/15, NJW 2016, 3648 Rn. 30 ff.; 2 BvL 5/17, NZWiSt 2020, 263, 270 ff.; Dannecker, ZIS 2016, 723, 728; Dorneck, in: Stam/Werkmeister, Der Allgemeine Teil des Strafrechts, 9, 23; Hütwohl, Weinstrafrecht, S.  70 f. 236  Kunig/Saliger,

120

B. Ermittlung eines verfassungsrechtlichen Maßstabs

1. Primäres Ziel der Kompetenzwahrung Jede Rechtsverordnung bedarf nach Art. 80 Abs. 1 S. 1 GG einer gesetz­ lichen Ermächtigung als Grundlage. Die Ermächtigung muss gemäß S. 2 nach Inhalt, Zweck und Ausmaß umrissen sein, unterliegt also einem Bestimmtheitsgebot.240 Der parlamentarische Gesetzgeber wird auf diese Weise davor geschützt, sich selbst zu entmachten.241 Die Vorschrift ist Ausdruck des Demokratieprinzips242 und gestaltet die Gewaltenteilung aus, indem sie das Verhältnis von Legislative und Exekutive austariert.243 Das BVerfG beurteilt das Bestimmtheitsgebot verschiedentlich aus Perspektive des Bürgers. Eine gesetzliche Ermächtigung sei bestimmt, „wenn der Bürger schon nach dem Gesetz hinreichend deutlich vorhersehen kann, […] welchen möglichen Inhalt die auf Grund der Ermächtigung erlassenen Verordnungen haben können“.244 Es versteht Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG insofern als Konkretisierung des allgemeinen rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebots.245 Dem entspricht es, wenn in der Literatur der auf den Schutz des Bürgers

240  Bauer, in: Dreier, Art. 80 Rn. 32; Brenner, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Art. 80 Rn. 38; Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. V, § 103 Rn. 20. 241  BVerfG 1 BvR 640/80, NJW 1982, 921, 924; 2 BvL 9/85 u. a., NJW 1988, 2529, 2531; 2 BvL 1/15, NJW 2016, 3648 Rn. 54; 2 BvF 1/15 u. a., NVwZ 2018, 1703 Rn. 199; 2 BvL 5/17, NZWiSt 2020, 263, 275; Brenner, in: von Mangoldt/ Klein/Starck, Art. 80 Rn. 13; Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, Art. 80 Rn. 6. 242  BVerfG 2 BvF 1/15 u. a., NVwZ 2018, 1703 Rn. 199; vgl. BVerfG 2 BvL 9/85 u. a., NJW 1988, 2529, 2531; Bauer, in: Dreier, Art. 80 Rn. 14; Brenner, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Art. 80 Rn. 15; Kment, in: Jarass/Pieroth, Art. 80 Rn. 1; Remmert, in: Dürig/Herzog/Scholz, Art. 80 Rn. 7; Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu/ Hofmann/Henneke, Art. 80 Rn. 5; Wallrabenstein, in: von Münch/Kunig, Art. 80 Rn. 4. 243  BVerfG 2 BvL 23/62, BeckRS 1964, 30421875; 2 BvL 51/69, NJW 1973, 451; 2 BvF 1/15 u. a., NVwZ 2018, 1703 Rn. 199; Bauer, in: Dreier, Art. 80 Rn. 14; Brenner, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Art. 80 Rn. 15; Kment, in: Jarass/Pieroth, Art. 80 Rn. 1; Remmert, in: Dürig/Herzog/Scholz, Art. 80 Rn. 6; Sannwald, in: SchmidtBleibtreu/Hofmann/Henneke, Art. 80 Rn. 5. 244  BVerfG 2 BvR 618/68, NJW 1970, 2155, 2156; ähnlich BVerfG 2 BvL 13/61, NJW 1963, 196, 197; 2 BvR 509/96 u. a., NJW 1998, 669, 670; 2 BvL 1/15, NJW 2016, 3648 Rn. 54; 2 BvL 5/17, NZWiSt 2020, 263, 275; anders aber BVerfG 2 BvR 179/64 u. a., NJW 1967, 339, 340: Der Gesetzgeber „muß dem Verordnunggeber die Grenzen zeigen, die er einzuhalten hat“ (Hervorhebung nur hier). 245  Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd.  V, § 103 Rn. 20. Wie das BVerfG auf das allgemeine rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot abstellend Braun, VerwArch 76 (1985), 24, 54 f.; Haratsch, in: Sodan, Art. 80 Rn. 14; Mann, in: Sachs, Art. 80 Rn. 23; Nierhaus, in: BK, Art. 80 Rn. 78.



III. Ermächtigungsgrundlage und Bestimmtheitsgebot121

zielende Grundsatz der Rechtssicherheit mit Art. 80 GG in Verbindung gebracht wird.246 Das primäre Ziel der Vorschrift bleibt jedoch allein die Ausgestaltung des Demokratie- und Gewaltenteilungsprinzips.247 Das Bestimmtheitsgebot enthält keine freiheitsgewährleistende, sondern nur eine kompetenzwahrende Komponente.248 Diese Deutung ist gerade vor dem Entstehungshintergrund der Norm gerechtfertigt: Von der Weimarer Reichsverfassung, die der Ermächtigung der Exekutive zur Rechtsetzung keine inhaltlichen Grenzen setzte und damit der nationalsozialistischen Herrschaft den Weg ebnete,249 wollte das Grundgesetz bewusst abkehren und die Machtverhältnisse zwischen Legislative und Exekutive absichern.250 Der Schutz des Bürgers, indem er den Inhalt der Verordnung vorhersehen kann, wird dadurch nur mittelbar intendiert,251 nämlich nur insofern als die kompetenzwahrende Komponente, gleich wie bei Art. 103 Abs. 2 GG und Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG, notwendig mit einem gewissen Maß an inhaltlicher Bestimmtheit verbunden ist. 2. Bedeutung für Blankettstrafgesetze und Verhältnis zu Art. 103 Abs. 2 GG Für die verfassungsrechtliche Untersuchung der Rückverweisungstechnik ist Art. 80 Abs. 1 GG zunächst insoweit relevant, als nach S. 1 die Exekutive nur aufgrund einer gesetzlichen Ermächtigung tätig werden kann. Dieser Aspekt ist jedenfalls nicht notwendig schon von Art. 103 Abs. 2 GG erfasst, der mehr den Gesetzgeber im Blick hat und ihn dazu verpflichtet, selbst Regelungen zu treffen. Damit ist noch keine positive Aussage darüber getroffen, wie die Exekutive im Übrigen eingeschaltet werden kann – nämlich nur durch eine gesetzliche Bestimmung. 246  Bauer, in: Dreier, Art. 80 Rn. 14; Haratsch, in: Sodan, Art. 80 Rn. 2; Mann, in: Sachs, Art. 80 Rn. 4, 26. 247  Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd.  V, § 103 Rn. 20; Uhle, Parlament und Rechtsverordnung, S. 340 (jeweils nur auf das Demokratieprinzip bezogen); vgl. Brenner, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Art. 80 Rn. 40; auch die Rechtsprechung des BVerfG in diese Zielsetzung einordnend Remmert, in: Dürig/Herzog/Scholz, Art. 80 Rn. 67. 248  Busch, Verhältnis, S. 141; vgl. Schneider, Gesetzgebung, Rn. 237; Schnelle, Fehlerfolgenlehre für Rechtsverordnungen, S. 31, 32 f.; Staupe, Parlamentsvorbehalt, S. 180; Niehaus, wistra 2004, 206, 209; ferner Brand/Kratzer, JR 2018, 422, 426: „[m]it den Vorgaben der kompetenziellen Seite des Art. 103 Abs. 2 GG eng verwandt“. 249  Dazu Schuster, Strafnormen und Bezugsnormen, S. 270 f. 250  Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd.  V, § 103 Rn. 15, 20; vgl. Uhle, Parlament und Rechtsverordnung, S. 340. 251  Vgl. Busch, Verhältnis, S. 142; ferner Brenner, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Art. 80 Rn. 45: Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG dient „letztlich“ auch der Rechtssicherheit.

122

B. Ermittlung eines verfassungsrechtlichen Maßstabs

Näherer Untersuchung bedarf hingegen die Frage, inwiefern das Bestimmtheitsgebot des Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG eigenständige Bedeutung erlangt. Weil es allein Ausdruck einer kompetenzwahrenden Komponente ist, muss dafür sein Verhältnis zur kompetenzwahrenden Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG bestimmt werden.252 Auf den ersten Blick scheinen freilich zwei Über­ legungen gegen eine Überschneidung mit Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG und damit gegen ein Konkurrenzproblem zu sprechen: Erstens ließe sich einwenden, der Parlamentsvorbehalt des Art. 103 Abs. 2 GG regele nur das „Ob“ der Aufgabenzuweisung, Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG hingegen das „Wie“, das heißt den erforderlichen Regelungsumfang.253 Eine solche Trennung besteht tatsächlich aber nicht. Die kompetenzwahrende Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG besagt nicht nur, dass der Gesetzgeber überhaupt über die Strafbarkeit entscheiden, sondern auch, dass er zugleich über alle wesentlichen Fragen befinden muss. Ihr wird also nur entsprochen, wenn das formelle Gesetz bereits so ausführlich gefasst ist, dass es eine Machtverschiebung zwischen den Gewalten verhindert. Der zweite denkbare Einwand gründet auf folgendem Befund: Die Ermächtigung, die dem Verordnungsgeber erlaubt, Verhaltensnormen zu erlassen, die ein Blankettstrafgesetz mit Rückverweisungsklausel ausfüllen, ist nicht im Blankettgesetz selbst enthalten, sondern findet sich in einer gesonderten, primär nichtstrafrechtlichen Vorschrift.254 Art. 103 Abs. 2 GG und Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG hätten deshalb, so könnte geschlussfolgert werden, einen unterschiedlichen Anwendungsbereich. Die eine Vorschrift sei auf das Blankettstrafgesetz, die andere auf die Ermächtigung bezogen. Auch diese Trennung existiert tatsächlich aber nicht: Für die Zwecke der kompetenzwahrenden Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG ist nicht entscheidend, ob der Gesetzgeber alle wesentlichen Entscheidungen im Blankettstrafgesetz getroffen hat, sondern ob er dies in irgendwelchen formellen Gesetzen getan hat. Ausreichend ist es, wenn sich das Wesentliche erst aus Blankettstraf­ gesetz und Ermächtigung zusammen ergibt.255 Soweit eine Ermächtigungs252  Dieses Konkurrenzproblem steht im Kontext des allgemeinen Problems, wie sich (allgemeiner und spezielle) Gesetzesvorbehalte und Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG zueinander verhalten, soll hier aber nur in Bezug auf das Strafrecht geklärt werden; vgl. zum übergreifenden Problem Bauer, in: Dreier, Art. 80 Rn. 21; Staupe, Parlamentsvorbehalt, S.  142 ff., jeweils m. w. N. 253  In diesem Sinne Krach, Europäisierung, S. 203 f., der zwar einen Parlamentsvorbehalt aus Art. 103 Abs. 2 GG ableitet, dessen Maßstäbe jedoch allein Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG entnimmt. 254  Oben S.  27. Nur bei unionsrechtsakzessorischen Blankettstrafgesetzen mit Rückverweisungsklausel steht die Ermächtigungsgrundlage in einem unmittelbar strafrechtlichen Zusammenhang. 255  Oben S. 97 f.



III. Ermächtigungsgrundlage und Bestimmtheitsgebot123

grundlage für ein Strafgesetz relevant wird, gerät sie mithin in den Sog des Art. 103 Abs. 2 GG. Unterfällt die Ermächtigung damit ohnehin dem strafrechtlichen Gesetzesvorbehalt, ist fraglich, ob Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG daneben noch eigenständige Bedeutung zukommt. Das Verhältnis der beiden Vorschriften ist weitgehend ungeklärt. Das BVerfG hat sie in der Vergangenheit ohne klare Trennung zusammengeprüft, wenn auch mit deutlichem Schwerpunkt auf Art. 103 Abs. 2 GG. Es hat Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG dadurch in das bereits aus Art. 103 Abs. 2 GG und Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG gebildete Gesamtanforderungsprofil eingebunden.256 In den neueren Entscheidungen zum RiFlEtikettG und LFGB prüft es Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG hingegen getrennt. Dabei berücksichtigt es die Ermächtigungsgrundlage aber jeweils auch im Rahmen der Prüfung, ob das Blankettstrafgesetz mit Art. 103 Abs. 2 GG vereinbar ist.257 Praktische Unterschiede im Prüfungsmaßstab sind daher nicht erkennbar. Im Ergebnis entnimmt das BVerfG beiden Vorschriften die gleichen Anforderungen.258 In der Literatur wird zwar im Ausgangspunkt differenziert, indem die auf die Verordnungsgebung im Allgemeinen zugeschnittenen Maßstäbe des Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG als weniger streng erachtet werden. Im Ergebnis werden aber doch beide Vorschriften gleichgesetzt: Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG gelte für den Bereich des Strafrechts in einer „strafrechtstypischen Verschärfung“, seine Anforderungen seien insoweit denen des Art. 103 Abs. 2 GG angeglichen.259 256  BVerfG 2 BvR 15/62, NJW 1962, 1339 f.; 2 BvL 4/62, NJW 1962, 1563, 1564 f.; 2 BvR 534/62, NJW 1967, 1221 f.; 2 BvL 11/85, NJW 1987, 3175 f.; 2 BvR 374/90, NJW 1992, 2624; 2 BvR 858/92, NJW 1993, 1909; 2 BvR 509/96 u. a., NJW 1998, 669, 670 f.; 2 BvR 1941/00, NStZ-RR 2002, 22. Dem entspricht es, wenn das BVerfG in nichtstrafrechtlichen Entscheidungen die Anforderungen aus Wesentlichkeitstheorie und Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG für deckungsgleich hält, so etwa BVerfG 2 BvF 1/15 u. a., NVwZ 2018, 1703 Rn. 200. 257  BVerfG 2 BvL 1/15, NJW 2016, 3648 Rn. 34 ff.; 2 BvL 5/17, NZWiSt 2020, 263, 270 ff.; zuvor bereits BVerfG 2 BvL 7/78, NJW 1979, 1981 f.; in BVerfG 2 BvL 5/17, NZWiSt 2020, 263, 270 ff. wird bei Prüfung des unionsrechtsakzessorischen Blankettstrafgesetzes mit Rückverweisungs- und Entsprechungsklausel anhand von Art. 103 Abs. 2 GG nur die den Bezugspunkt der Entsprechungsklausel bildende Ermächtigung berücksichtigt. 258  Dietmeier, Blankettstrafrecht, S. 121  f.; Veit, Rezeption technischer Regeln, S. 100. 259  Dannecker/Schuhr, in: LK, § 1 Rn. 124; Schmidt-Aßmann, in: Dürig/Herzog/ Scholz, 79. EL 2016, Art. 103 Abs. 2 Rn. 210; Satzger, Europäisierung, S. 248; Schützendübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 262; vgl. Brüning, in: Stern/ Becker, Art. 103 Rn. 59; Heger/Widmann, EuR 2021, 356, 365; Kment, in: Jarass/ Pieroth, Art. 103 Rn. 80; Kunig/Saliger, in: von Münch/Kunig, Art. 103 Rn. 37; Schmahl, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, Art. 103 Rn. 60; Volkmann, ZRP 1995, 220, 226.

124

B. Ermittlung eines verfassungsrechtlichen Maßstabs

Vor diesem Hintergrund ist unklar, welche über Art. 103 Abs. 2 GG hinausgehende Bedeutung Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG zukommen sollte. Denn es besteht jedenfalls Einigkeit darüber, dass Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG keinen höheren Maßstab formellgesetzlicher Bestimmtheit enthält.260 Daran, dass der Gesetzgeber das Wesentliche und der Verordnungsgeber nur Spezifizierungen festlegen darf, ändert sich mithin nichts. Mit Blick auf Sinn und Zweck beider Vorschriften ist das einleuchtend: Sowohl Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG als auch die kompetenzwahrende Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG gründen primär auf dem Demokratieprinzip und Gewaltenteilungsgrundsatz. Sie haben folglich die gleiche Stoßrichtung. Bei der verfassungsrechtlichen Untersuchung eines Blankettstrafgesetzes erübrigt sich somit eine gesonderte Prüfung des Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG.261 Dieses Ergebnis wird dadurch bestätigt, dass das BVerfG bei Blankettstraf­ gesetzen, die auf Satzungen Bezug nehmen, Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG nicht anwendet, im Ergebnis jedoch einen identischen Prüfungsmaßstab allein aus Art. 103 Abs. 2 GG ableitet.262 Außerhalb ihres strafrechtlichen Zusammenhangs ist die Ermächtigung natürlich weiterhin allein an Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG zu messen.263 Widersprüche zum Ergebnis, das im Rahmen des Art. 103 Abs. 2 GG gefunden worden ist, sind jedoch ausgeschlossen, da die Prüfung der Bestimmtheit nicht allein anhand der Ermächtigung erfolgen muss, sondern andere Bestimmungen im formellen Gesetz berücksichtigt werden können.264 So wie bei Prüfung der gesetzlichen Bestimmtheit des Blankettstrafgesetzes zusätzlich auf die Ermächtigung abgestellt werden kann, kann also umgekehrt bei Prüfung der Bestimmtheit der Ermächtigung auch das Blankettstrafgesetz herangezogen werden. Es ist daher ausgeschlossen, dass Blankettstrafgesetz und 260  Vgl. nur Cornelius, Verweisungsbedingte Akzessorietät, S. 326; ders., NStZ 2017, 682, 686. 261  I. Erg. ebenso Lohberger, Blankettstrafrecht, S. 108 f.; Degenhart, in: Sachs, Art. 103 Rn. 65; Remmert, in: Dürig/Herzog/Scholz, Art. 103 Abs. 2 Rn. 113; SchulzeFielitz, in: Dreier, Art. 103 II Rn. 33; wohl auch Heghmanns, Grundzüge einer Dogmatik, S. 90; H. Wolff, in: Merten/Papier, Handbuch der Grundrechte, Bd. V, § 134 Rn. 46; in diese Richtung BVerfG 2 BvR 1101/08, NVwZ 2009, 239: Art. 103 Abs. 2 GG ist „[ü]ber die Anforderungen des Art. 80 I 2 GG hinaus“ zu beachten. 262  Vgl. BVerfG 2 BvL 36/71, NJW 1972, 860, 861 f. 263  Vgl. Cornelius, Verweisungsbedingte Akzessorietät, S.  326 f.; ders., NStZ 2017, 682, 686. 264  BVerfG 2 BvL 4/56 u. a., NJW 1959, 475, 476; Mann, in: Sachs, Art. 80 Rn. 30; darüber hinaus nach BVerfG 2 BvR 871/04 u. a., wistra 2010, 396 Rn. 39, 2 BvL 1/15, NJW 2016, 3648 Rn. 58, 2 BvF 1/15 u. a., NVwZ 2018, 1703 Rn. 203, 2 BvL 5/17, NZWiSt 2020, 263, 275 f. auch in Bezug genommene Regelungen anderer Normgeber, was jedenfalls dann richtig ist, wenn statisch darauf verwiesen wird und sich der Gesetzgeber ihren Inhalt daher zu eigen gemacht hat (vgl. unten S. 158 f.).



IV. Verkündungsgebot und Art. 82 Abs. 1 GG125

Ermächtigungsgrundlage mit der kompetenzwahrenden Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG vereinbar sind, die Ermächtigung in ihrem nichtstrafrechtlichen Zusammenhang jedoch an Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG scheitert (womit sie auch für strafrechtliche Zwecke nichtig wäre).

IV. Verkündungsgebot und Art. 82 Abs. 1 GG Wurden bislang Vorschriften untersucht, die auch das BVerfG bei Blankettstrafgesetzen mit Rückverweisungsklausel ausdrücklich anspricht, sind nun weitere Bestimmungen allgemeinerer Art in den Blick zu nehmen. Dadurch kann sichergestellt werden, keine relevante verfassungsrechtliche Vorschrift zu übersehen. Dabei ist zunächst das Verkündungsgebot näher zu untersuchen. Dieses Gebot ist für Blankettstrafgesetze deshalb relevant, weil diskutiert wird, ob hieraus besondere Anforderungen an Verweisungen folgen. Dass alle Rechtsnormen zu verkünden sind, ergibt sich aus dem Rechtsstaatsprinzip.265 Die Verkündung ist Teil des Rechtsetzungsverfahrens;266 fehlt sie, wird die Rechtsnorm überhaupt nicht existent.267 Über die Publikation soll es dem Normadressaten ermöglicht werden, sich über die Rechtslage verlässlich zu informieren.268 Dies ist unerlässlich für die Durchsetzung der Rechtsordnung: Nur eine verkündete Rechtsnorm kann vom Adressaten befolgt werden.269 Damit ist die Verkündung auch Voraussetzung dafür, dass die freiheitsgewährleistende Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG ihren Zweck erfüllen kann.270 Konkretisiert wird das rechtsstaatliche Verkündungsgebot durch Art. 82 Abs. 1 S. 1 GG, wonach Gesetze im Bundesgesetzblatt zu verkünden sind. Weil damit das Gesetz in seinem gesamten Umfang gemeint ist,271 wird zum 265  BVerfG 2 BvL 25/81, NVwZ 1984, 430, 431; Ernst, Blankettstrafgesetze, S. 106, 111; Krey, EWR 1981, 109, 138; Satzger, Europäisierung, S. 264; Schneider, Gesetzgebung, Rn. 482. 266  BVerfG 2 BvL 25/81, NVwZ 1984, 430, 431. 267  BVerfG 2 BvR 475/78, NJW 1983, 2757; 2 BvL 2/83, NJW 1987, 1749; Bauer, in: Dreier, Art. 82 Rn. 16; Brugger, VerwArch 78 (1987), 1, 9; Ossenbühl, DVBl 1967, 401, 405, 407; Satzger, Europäisierung, S. 264; Schneider, Gesetzgebung, Rn. 482. 268  BVerfG 2 BvL 22/60, NJW 1963, 1443, 1444; 2 BvL 25/81, NVwZ 1984, 430, 431; Bauer, in: Dreier, Art. 82 Rn. 17; Mann, in: Sachs, Art. 82 Rn. 21. 269  Ambos, Internationales Strafrecht, §  11 Rn. 34; Butzer, in: Dürig/Herzog/ Scholz, Art. 82 Rn. 1; Cornelius, Verweisungsbedingte Akzessorietät, S. 354. 270  Veit, Rezeption technischer Regeln, S. 78. 271  Butzer, in: Dürig/Herzog/Scholz, Art. 82 Rn. 237; Pieper, in: BeckOK-GG, Art. 82 Rn. 21a.

126

B. Ermittlung eines verfassungsrechtlichen Maßstabs

Teil gefordert, bei einem Gesetz, das eine Verweisung enthalte, müsse auch das zugehörige Verweisungsobjekt im Bundesgesetzblatt abgedruckt werden.272 Dessen Inhalt werde schließlich in das verweisende Gesetz inkor­ poriert und damit zu seinem Bestandteil.273 Es müssten folglich diejenigen nationalen beziehungsweise unionalen Verordnungen, die ein Blankettstraf­ gesetz mit Rückverweisungsklausel ausfüllen, im Bundesgesetzblatt veröffentlicht werden. Allerdings drohte das Bundesgesetzblatt überfrachtet zu werden, müsste es stets auch das Verweisungsobjekt abdrucken.274 Vor allem wenn, wie bei der Rückverweisungstechnik, mehrfach verwiesen wird oder das Verweisungsobjekt eine Weiterverweisung enthält, würde es leicht unübersichtlich werden.275 Der Wortlaut des Art. 82 Abs. 1 S. 1 GG fordert einen Abdruck des Verweisungsobjekts im Bundesgesetzblatt aber auch nicht zwingend: Er kann so verstanden werden, dass er nur den beschlossenen Gesetzestext, das heißt die Verweisungsnorm, meint.276 Für das Verweisungsobjekt gilt dann nicht Art. 82 Abs. 1 S. 1 GG, sondern nur das allgemeine rechtsstaatliche Verkündungsgebot. Es muss demnach nicht notwendig im Bundesgesetzblatt, sondern nur in einer zugänglichen und für amtliche Anordnungen geeigneten Quelle veröffentlicht werden.277 Ohnehin ist zweifelhaft, ob die zuerst genannte engere Ansicht tatsächlich die beschriebene Konsequenz für Blankettstrafgesetze mit Rückverweisungsklausel ziehen würde. Denn auch nach einigen ihrer Vertreter muss das Verweisungsobjekt zumindest dann nicht im Verkündungsblatt der Verweisungsnorm veröffentlicht werden, wenn seine Veröffentlichung in einem für den Betroffenen bestimmten Verkündungsblatt erfolgt ist.278 Das wird explizit zwar nur auf Verweisungen zwischen Bundes- und Landesrecht bezogen, 272  Karpen, Verweisung, S. 142; Lücke, in: Sachs, 3. Aufl. 2003, Art. 82 Rn. 9; Ossenbühl, DVBl 1967, 401, 406; Rambow, DVBl 1968, 445, 446 f. 273  Lücke, in: Sachs, 3. Aufl. 2003, Art. 82 Rn. 9; Rambow, DVBl 1968, 445, 446 f. 274  Butzer, in: Dürig/Herzog/Scholz, Art.  82 Rn.  238; Debus, Verweisungen, S. 119; Schenke, in: FS Fröhler, 87, 97. 275  Ernst, Blankettstrafgesetze, S. 108. 276  Arndt, JuS 1979, 784, 788; Debus, Verweisungen, S. 120; Ernst, Blankettstrafgesetze, S.  110 f.; Guckelberger, ZG 2004, 62, 71; a. A. Clemens, AöR 111 (1986), 63, 86, der Art. 82 Abs. 1 S. 1 GG im Folgenden aber teleologisch reduziert, a. a. O., 89, ebenso Schenke, in: FS Fröhler, 87, 97 f. 277  BVerwG I C 14/61, NJW 1962, 506; 1 C 102/76, NJW 1978, 1450, 1453; 3 C 21.12, NJOZ 2013, 1754 Rn. 20; Arndt, JuS 1979, 784, 788; Brenner, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Art. 82 Rn. 35; Brugger, VerwArch 78 (1987), 1, 13; Clemens, AöR 111 (1986), 63, 89; Guckelberger, ZG 2004, 62, 71; Schenke, in: FS Fröhler, 87, 98; ders., NJW 1980, 743, 744. 278  Karpen, Verweisung, S.  143 f.; Ossenbühl, DVBl 1967, 401, 407.



IV. Verkündungsgebot und Art. 82 Abs. 1 GG127

nach dem Sinn der Ausnahme muss es für Verweisungen auf nationale und unionale Verordnungen aber ebenfalls gelten.279 Stellt sich somit nur noch die Frage, wann eine zugängliche und für amtliche Anordnungen geeignete Quelle vorliegt, ist dies hauptsächlich bei Verweisungen auf Regelungen Privater problematisch, für die kein amtliches Verkündungsblatt existiert.280 Ist das Verweisungsobjekt dagegen eine staat­ liche Regelung, die über ein amtliches Verkündungsorgan publiziert wird, ist es zweifelsfrei über eine zugängliche, für amtliche Anordnungen geeignete Quelle erreichbar.281 Auf dieser Linie bewegt sich auch das BVerfG, das das Problem bislang zwar nicht klar thematisiert hat, in Entscheidungen zu Verweisungen auf staatliche Regelungen aber lediglich darauf hinweist, die in Bezug genommene Norm müsse durch eine frühere ordnungsgemäße Veröffentlichung zugänglich sein.282 Obwohl in diesem Kapitel eigentlich erst ein abstrakter Prüfungsmaßstab gefunden werden soll, kann das Verkündungsgebot bereits an dieser Stelle abschließend behandelt werden, da es keine tiefere Prüfung mehr erfordert. Nationale Rechtsverordnungen werden nach Art. 82 Abs. 1 S. 2 GG wie formelle Gesetze im Bundesgesetzblatt verkündet, wobei Abweichungen durch einfachgesetzliche Regelung möglich sind. Als solche lässt § 2 Abs. 1 Hs. 1 VkBkmG wahlweise auch die Verkündung im Bundesanzeiger genügen,283 was im Bereich der Rückverweisungstechnik besonders dann relevant werden kann, wenn diese Verkündungsform nach Hs. 2 zwingend vorgeschrieben ist, weil die Durchführung oder Umsetzung von Unionsrecht erfordert, dass die Rechtsverordnung unverzüglich in Kraft tritt. Verordnungen der EU werden nach Art. 297 Abs. 1 UAbs. 3 S. 1 AEUV im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht.284 Weil damit jeweils ein amtliches Verkündungsblatt 279  Für

Verweisungen auf unionale Verordnungen Satzger, Europäisierung, S. 266 f. dazu Brugger, VerwArch 78 (1987), 1, 10 ff.; Guckelberger, ZG 2004, 62,

280  Vgl.

72 f.

DVBl 1998, 373, 375. 1 BvR 786/70 u. a., NJW 1978, 1475, 1476; 2 BvR 836/85, NVwZ-RR 1992, 521; 2 BvR 871/04 u. a., wistra 2010, 396 Rn. 40; 2 BvL 1/15, NJW 2016, 3648 Rn. 42; 2 BvR 463/17, NJW 2018, 3091 Rn. 24; 2 BvL 5/17, NZWiSt 2020, 263, 271; vgl. BVerfG 2 BvF 1/64, VerwRspr 1970, 142, 147. 283  Dies mit dem Verkündungsgebot für vereinbar haltend BVerfG 2 BvR 871/04 u. a., wistra 2010, 396 Rn. 43; Debus, Verweisungen, S. 123; Ernst, Blankettstrafgesetze, S. 112; vgl. BVerfG 2 BvL 7/64 u. a., BeckRS 1967, 104162 Rn. 57. 284  Dies mit dem Verkündungsgebot für vereinbar haltend BVerfG 2 BvR 871/04 u. a., wistra 2010, 396 Rn. 43, 66; 2 BvR 463/17, NJW 2018, 3091 Rn. 24; vgl. BVerfG 2 BvR 1086/77, RIW/AWD 1979, 132, 133; 2 BvR 836/85, NVwZ-RR 1992, 521, 522; Ambos, Internationales Strafrecht, § 11 Rn. 34; Debus, Verweisungen, S. 123; Ernst, Blankettstrafgesetze, S. 228; Klindt, DVBl 1998, 373, 377 f.; Krey, 281  Klindt,

282  BVerfG

128

B. Ermittlung eines verfassungsrechtlichen Maßstabs

bereitsteht, ist dem Verkündungsgebot im Rahmen der Rückverweisungstechnik genügt. Für die weitere Untersuchung kann es außer Betracht bleiben.

V. Allgemeines Bestimmtheitsgebot und allgemeiner Vorbehalt des Gesetzes Das allgemeine Bestimmtheitsgebot und der allgemeine Vorbehalt des Gesetzes sind Gebote, die vergleichbar sind zur freiheitgewährleistenden und kompetenzwahrenden Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG, aber nicht spe­ ziell für das Strafrecht, sondern für die gesamte Gesetzgebung gelten. Was den allgemeinen Vorbehalt des Gesetzes betrifft, so wurde die kompetenzwahrende Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG bereits bei ihrer Herleitung als spezielle Ausprägung davon gesehen. Eigenständige Bedeutung hat der Vorbehalt für das Strafrecht daher nicht. Auch in Bezug auf das allgemeine Bestimmtheitsgebot spricht schon der engere Anwendungsbereich des Art. 103 Abs. 2 GG dafür, dessen freiheitsgewährleistende Komponente als lex specialis zu sehen. Als spezifisch strafrechtsrelevantes Gebot enthält Art. 103 Abs. 2 GG außerdem gerade höhere Anforderungen.285 Das allgemeine Bestimmtheitsgebot spielt für die verfassungsrechtliche Beurteilung von Blankettstrafgesetzen daher keine Rolle.

VI. Gebot der Normenklarheit Dem Gebot der Normenklarheit wird für die Prüfung von Blankettstrafgesetzen teils eigenständige Bedeutung zugemessen.286 Oft wird aber auch – andererseits – eine eindeutige Abgrenzung dieses Gebots zum allgemeinen Bestimmtheitsgebot nicht für möglich gehalten;287 vielfach werden die Begriffe Bestimmtheit und Klarheit ohne jede Trennung synonym genutzt.288 In EWR 1981, 109, 148; Heger, in: Böse, Europäisches Strafrecht, § 5 Rn. 64; Satzger, Europäisierung, S. 267; vgl. Clemens, AöR 111 (1986), 63, 93. 285  BVerfG 1 BvR 525/77, NJW 1978, 2446, 2447; vgl. BVerfG 2 BvR 579/84, NJW 1988, 2593, 2594; Bräutigam-Ernst, Bedeutung von Verwaltungsvorschriften, S.  263 f.; Dannecker/Schuhr, in: LK, § 1 Rn. 181; Ernst, Blankettstrafgesetze, S. 83; Kibele, VBlBW 2012, 1, 4; Krey, EWR 1981, 109, 179; Kunig/Saliger, in: von Münch/Kunig, Art. 103 Rn. 43; Moll, Europäisches Strafrecht, S. 121; Satzger, Europäisierung, S. 239; Tiedemann, Tatbestandsfunktionen, S.  197 f., 230 f. 286  Ernst, Blankettstrafgesetze, S. 65 ff. 287  Bülte/Krell, StV 2013, 713; Debus, Verweisungen, S. 136; Grzeszick, in: Dürig/ Herzog/Scholz, Art. 20 VII. Rn. 58; Sachs, in: Sachs, Art. 20 Rn. 126. 288  So etwa BVerfG 1 BvR 209/83 u. a., NJW 1984, 419, 424; 1 BvF 3/92, NJW 2004, 2213, 2215 ff.; 1 BvR 781/21 u. a., NJW 2022, 139 Rn. 165; Heger, in: Böse, Europäisches Strafrecht, § 5 Rn. 61; Krey, EWR 1981, 109, 137; Satzger, Europäisie-



VI. Gebot der Normenklarheit129

Anbetracht der bereits sprachlichen Ähnlichkeit beider Begriffe und der gleichen Zwecksetzung der Gebote liegt eine synonyme Bedeutung nahe: Ebenso wie das allgemeine Bestimmtheitsgebot bezweckt auch das Gebot der Normenklarheit, dass der Adressat den Inhalt einer jeden Norm erkennen und sein Verhalten danach ausrichten kann,289 wozu die Norm verständlich290 und in sich widerspruchsfrei291 sein muss. Soweit teilweise dennoch eine unterschiedliche Stoßrichtung angenommen wird, soll sich dies in Folgendem zeigen: Das allgemeine Bestimmtheitsgebot erfordere präzise Normen mit hoher Regelungsdichte.292 Es tendiere deshalb zu langen Normen.293 Das Gebot der Normenklarheit erfordere dagegen übersichtliche Normen mit niedriger Regelungsdichte294 und betreffe mehr die Gesetzestechnik, insbesondere Aufbau und sprachliche Gestaltung.295 Es stehe langen verschachtelten Sätzen und Normen mit zahlreichen Absätzen entgegen,296 tendiere also zu kurzen Normen.297 Wegen dieser Unterschiede sollen klare, aber unbestimmte Normen möglich sein298 sowie umgekehrt unklare, aber bestimmte Normen.299 Diese Abgrenzung zwischen Klarheit und Bestimmtheit geht wohl ursprünglich auf Geitmann zurück. Allerdings versteht dieser das allgemeine rung, S. 282; Schützendübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 351; Sommermann, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Art. 20 Rn. 289. 289  BVerfG 1 BvR 169/63, NJW 1967, 619; 1 BvF 3/92, NJW 2004, 2213, 2215; Ernst, Blankettstrafgesetze, S. 66; Gassner, Genehmigungsvorbehalte, S. 118; Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, Art. 20 Rn. 91. 290  Ernst, Blankettstrafgesetze, S. 66; Grzeszick, in: Dürig/Herzog/Scholz, Art. 20 VII. Rn. 53; Schulze-Fielitz, in: Dreier, Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 141. 291  Grzeszick, in: Dürig/Herzog/Scholz, Art. 20 VII. Rn. 56; Hofmann, in: SchmidtBleibtreu/Hofmann/Henneke, Art. 20 Rn. 91; Sachs, in: Sachs, Art. 20 Rn. 125; Schulze-Fielitz, in: Dreier, Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 141. 292  Ernst, Blankettstrafgesetze, S. 70. 293  Braun, VerwArch 76 (1985), 24, 46; Debus, Verweisungen, S. 135; Gassner, Genehmigungsvorbehalte, S. 119. 294  Ernst, Blankettstrafgesetze, S. 70. 295  Braun, VerwArch 76 (1985), 24, 46; Debus, Verweisungen, S. 135; Ernst, Blankettstrafgesetze, S.  66 f. 296  Braun, VerwArch 76 (1985), 24, 47. 297  Braun, VerwArch 76 (1985), 24, 46; Debus, Verweisungen, S. 135; Ernst, Blankettstrafgesetze, S. 70; Gassner, Genehmigungsvorbehalte, S. 119. 298  Braun, VerwArch 76 (1985), 24, 46; Geitmann, „offene“ Normen, S. 28; Debus, Verweisungen, S. 136; Ernst, Blankettstrafgesetze, S. 70; Gassner, Genehmigungsvorbehalte, S. 119; Messer, Verständlichkeit, S. 60. 299  Gassner, Genehmigungsvorbehalte, S. 120; Geitmann, „offene“ Normen, S. 28; Messer, Verständlichkeit, S. 60; einschränkend Debus, Verweisungen, S. 136: Unklarheit schlage jedenfalls ab einem bestimmten Punkt in Unbestimmtheit um.

130

B. Ermittlung eines verfassungsrechtlichen Maßstabs

Bestimmtheitsgebot anders. Er führt es auf das Demokratieprinzip zurück300 und setzt es dementsprechend in eins mit dem allgemeinen Vorbehalt des Gesetzes.301 Ob der Inhalt einer Norm vorhersehbar ist, begreift er hingegen gar nicht als Frage der Bestimmtheit.302 Nach heute üblichem Verständnis wird indes die Bestimmtheit mit Verständlichkeit verbunden. Dass das Klarheitsgebot, sofern es auf die inhaltliche Verständlichkeit einer Norm bezogen ist,303 einen selbstständigen Gehalt hat, ist vor diesem Hintergrund schon im Allgemeinen zu bezweifeln. Das Gebot der Normenklarheit geht aber jedenfalls bereits vollständig in Art. 103 Abs. 2 GG auf. Denn ein Strafgesetz ist nach dessen freiheitsgewährleistender Komponente nicht schon dann hinreichend bestimmt, wenn sein Inhalt theoretisch eindeutig ist. Es kommt vielmehr darauf an, ob der Normadressat sich den Inhalt mit zumutbarem Aufwand erschließen kann.304 Die verwendete Gesetzestechnik wird auf diese Weise bereits vom Bestimmtheitsgebot berücksichtigt. Werden zum Beispiel zahlreiche Weiterverweisungen verwendet, genügt es nicht, wenn sich die Gesamtregelung aus Blankettgesetz und allen Ausfüllungsobjekten in der Theorie erschließen lässt. Das Gesetz ist schon dann unbestimmt, wenn der Normadressat damit überfordert ist, das Verweisungssystem zu durchschauen. Dies kann man unter dem Stichwort Klarheit diskutieren, die Klarheit ist dann aber nur ein Gesichtspunkt der Bestimmtheit.305 Ein unklares Strafgesetz ist deshalb immer auch unbestimmt.306 Die Normenklarheit als eigenständiges Gebot zu begreifen, ist somit überflüssig.

„offene“ Normen, S. 78, 164. „offene“ Normen, S. 24 f., 164. 302  Vgl. Geitmann, „offene“ Normen, S. 26 f., 96 ff. 303  Daneben werden aus dem Klarheitsgebot verschiedentlich auch andere Anforderungen abgeleitet (vgl. Grzeszick, in: Dürig/Herzog/Scholz, Art. 20 VII. Rn. 52 ff.), die hier aber nicht relevant werden. 304  Oben S. 82. 305  I. Erg. auch Braun, VerwArch 76 (1985), 24, 46. 306  I. Erg. auch Ernst, Blankettstrafgesetze, S. 71, der dazu auf die gleichen Zwecke von Bestimmtheit und Normenklarheit abstellt: Eine unklare Norm könne keine Orientierungsgewissheit geben und sei daher auch unbestimmt. Mit dieser Argumentation müsste Ernst freilich (entgegen a. a. O., S. 70) auch den umgekehrten Schluss ziehen und eine unbestimmte Norm, weil sie keine Orientierungsgewissheit bietet, für unklar erklären, zumal er ausdrücklich festhält, die Wirkung einer unklaren oder unbestimmten Norm sei identisch (a. a. O., S. 68). 300  Geitmann, 301  Geitmann,



VII. Unionsrechtlicher Grundsatz der Gesetzmäßigkeit131

VII. Unionsrechtlicher Grundsatz der Gesetzmäßigkeit (Art. 49 Abs. 1 S. 1 GRCh) Der bislang gefundene Maßstab für Blankettstrafgesetze mit Rückverweisungsklausel wurde aus dem nationalen Verfassungsrecht abgeleitet. Möglicherweise könnte das nationale Verfassungsrecht aber in bestimmten Fällen durch Unionsrecht verdrängt werden. Primär von Bedeutung ist diese Frage für die Prüfung der unionsrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik, da das Ausfüllungsobjekt des Blankettstrafgesetzes hier einer EU-Verordnung entstammt und damit ein unmittelbarer Bezug zum Unionsrecht besteht. 1. Einführung Der Grundsatz nulla poena sine lege ist auch auf unionaler Ebene in der Grundrechtecharta verankert. Nach Art. 49 Abs. 1 S. 1 GRCh darf niemand wegen einer Handlung oder Unterlassung verurteilt werden, die zur Zeit ihrer Begehung nach innerstaatlichem oder internationalem Recht nicht strafbar war. Daraus abgeleitet wird unter anderem ein Bestimmtheitsgebot und das Erfordernis einer Rechtsgrundlage.307 Diese Anforderungen könnten Pendants zum Bestimmtheitsgebot und Parlamentsvorbehalt des Art. 103 Abs. 2 GG bilden. Ebenso wie im nationalen Verfassungsrecht beziehen sie sich nicht nur auf Kriminalstrafen, sondern auch auf Geldbußen wie sie im deutschen Ordnungswidrigkeitenrecht vorgesehen sind.308 Im Folgenden ist zunächst zu klären, ob und inwiefern Art. 49 Abs. 1 S. 1 GRCh überhaupt anwendbar ist (dazu 2.). Innerhalb seines Anwendungsbereichs ist sodann sein Verhältnis zum nationalen Gesetzlichkeitsprinzip des Art. 103 Abs. 2 GG zu bestimmen, das heißt zu untersuchen, ob dieser tatsächlich verdrängt wird (dazu ab 3.). Insofern muss auch auf die inhaltlichen Anforderungen des unionsrechtlichen Gesetzmäßigkeitsgrundsatzes eingegangen werden.

307  Dannecker/Bülte, in: Wabnitz/Janovsky/Schmitt, Kap. 2 Rn. 209; Dannecker/ Schuhr, in: LK, § 1 Rn. 33; Eser/Kubiciel, in: Meyer/Hölscheidt, Art. 49 Rn. 11; Frenz, Handbuch Europarecht, Bd. 4, Rn. 5112; R. Schröder, in: Frankfurter Kommentar, Art. 49 GRCh Rn. 5; Streinz, in: Streinz, Art. 49 GRCh Rn. 4. 308  EuGH C-189/02, Slg. 2005, I-5425 Rn. 202; Dannecker, in: FS Fuchs, 111, 132 f.; Gaede, wistra 2011, 365, 369; Jarass, GRCh, Art. 49 Rn. 7; Lemke, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, Art. 49 GRCh Rn. 4; Roffael/Wallau, LMuR 2020, 10, 11; Rothenfußer/Jäger, NJW 2016, 2689, 2694; Schuhr, in: Kudlich/Montiel/Schuhr, Gesetzlichkeit und Strafrecht, 255, 276; vgl. zur Einordnung der Ordnungswidrigkeiten als Straftaten im Sinne der EMRK EGMR NJW 1985, 1273 Rn. 51 ff.

132

B. Ermittlung eines verfassungsrechtlichen Maßstabs

Zu dessen Auslegung kann dabei, wie es auch der EuGH macht,309 Rechtsprechung des EGMR zum weitgehend gleich formulierten Recht in Art. 7 Abs. 1 S. 1 EMRK berücksichtigt werden. Denn die Unionsgrundrechte stehen gemäß Art. 52 Abs. 3 S. 1 GRCh in Bedeutung und Tragweite ihren Pendants in der EMRK gleich. Beide Grundrechtsordnungen sind im Übrigen auch darüber miteinander verknüpft, dass die Grundrechte der EMRK nach Art. 6 Abs. 3 EUV als allgemeine Grundsätze Teil des Unionsrechts sind. 2. Anwendbarkeit der Grundrechtecharta Anforderungen aus Art. 49 Abs. 1 S. 1 GRCh können überhaupt nur dann eine Rolle spielen, sofern die Grundrechtecharta in den hier interessierenden Konstellationen anwendbar ist. Nach Art. 51 Abs. 1 S. 1 GRCh sind die Mitgliedstaaten an die Unionsgrundrechte ausschließlich bei Durchführung des Unionsrechts gebunden. Daran ist im Rahmen der Prüfung nationaler Gesetze zu denken, wenn diese dazu dienen, unionale Vorgaben umzusetzen. Unstreitig wird Unionsrecht insoweit durchgeführt, wenn ein Mitgliedstaat Vorgaben in nationales Recht umsetzt, ohne dabei einen eigenen Handlungsspielraum zu haben.310 Der EuGH legt den Begriff der Durchführung darüber hinausgehend weit aus: Die Unionsgrundrechte sind demnach bereits anwendbar, sobald das nationale Recht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fällt.311 Nicht ausreichend ist jedoch der alleinige Umstand, dass die EU in dem betroffenen Bereich eine Kompetenz hat.312 Es muss ein hinreichender „Zusammenhang von einem gewissen Grad“ zwischen der nationalen Maßnahme und dem Unionsrecht bestehen.313 Danach sind auch Fälle erfasst, in denen ein Mitgliedstaat bei der Umsetzung von Unionsrecht einen ihm gewährten Spielraum ausnutzt.314 309  Vgl. etwa EuGH C-72/15, EuZW 2017, 529 Rn. 164 ff. – „Rosneft“; C-42/17, NJW 2018, 217 Rn. 55 – „M. A.S. und M.B.“ 310  Langbauer, Strafrecht vor den Unionsgerichten, S. 124 f.; Ludwigs/Sikora, JuS 2017, 385, 388. 311  EuGH C-260/89, Slg. 1991, I-2925 Rn. 42 – „ERT“; C-309/96, Slg. 1997, I-7493 Rn. 13 – „Annibaldi“; C-256/11, Slg. 2011, I-11315 Rn. 72 – „Dereci u. a.“; C-27/11, BeckRS 2012, 81169 Rn. 58 – „Vinkov“; C-617/10, NJW 2013, 1415 Rn. 19 – „Åkerberg Fransson“; C-206/13, NVwZ 2014, 575 Rn. 21 – „Siragusa“; C-198/13, EuZW 2014, 795 Rn. 33 – „Julian Hernández u. a.“; C-650/13, BeckRS 2015, 81268 Rn. 26, 28 – „Delvigne“. 312  EuGH C-198/13, EuZW 2014, 795 Rn. 36 – „Julian Hernández u. a.“; C-609/17 u. a., NJW 2020, 35 Rn. 46 – „TSN“. 313  EuGH C-206/13, NVwZ 2014, 575 Rn. 24 – „Siragusa“; vgl. EuGH C-198/13, EuZW 2014, 795 Rn. 34 – „Julian Hernández u. a.“; C-562/12, BeckRS 2014, 81856 Rn. 62 – „Liivimaa Lihaveis“.



VII. Unionsrechtlicher Grundsatz der Gesetzmäßigkeit133

Damit geraten zahlreiche Blankettstrafgesetze mit Rückverweisungsklausel unter den Anwendungsbereich des Art. 49 Abs. 1 S. 1 GRCh. Dies gilt in erster Linie für diejenigen, die unionsrechtsakzessorisch ausgestaltet sind. Hier bestehen gleich mehrere Anknüpfungspunkte, die eine Durchführung von Unionsrecht nahelegen. Nicht nur verweist ein entsprechendes Blankettstrafgesetz auf ein Ge- oder Verbot einer EU-Verordnung, sodass die bewehrte Verhaltensnorm unmittelbar unionsrechtlich determiniert ist.315 Auch die Sanktionsnorm und damit das Blankettstrafgesetz selbst unterliegt unionalen Einflüssen, weil der Mitgliedstaat regelmäßig unionsrechtlich verpflichtet war, eine Sanktionsandrohung zu erlassen. Dabei ist unerheblich, ob die Pflicht aus einer strafrechtsharmonisierenden Richtlinie nach Art. 83 AEUV316 oder aus dem allgemeinen Loyalitätsgebot des Art. 4 Abs. 3 EUV317 folgt. Zudem ist die Grundrechtecharta im Einzelfall auf nationalrechtsakzessorische Blankettstrafgesetze mit Rückverweisungsklausel anwendbar. Denn auch wenn die zugrunde liegende Verhaltensnorm eine solche des nationalen Rechts ist, kann sie der Umsetzung von Unionsrecht dienen.318 Die hierfür 314  EuGH C-540/03, Slg. 2006, I-5769 Rn. 104 f. – „Parlament/Rat“; C-406/15, NZA 2017, 439 Rn. 52 f. – „Milkova“; C-258/14, BeckRS 2017, 112718 Rn. 48 – „Florescu u. a.“; C-476/17, NJW 2019, 2913 Rn. 79 – „Pelham u. a.“; C-516/17, GRUR 2019, 940 Rn. 20 – „Spiegel Online“; Ladenburger/Vondung, in: Stern/Sachs, Art. 51 GRCh Rn. 45; Langbauer, Strafrecht vor den Unionsgerichten, S. 125 f.; Lange, NVwZ 2014, 169, 170; Meyer, ZStW 128 (2016), 1089, 1092; Satzger, Internationales und Europäisches Strafrecht, § 7 Rn. 20; Streinz/Michl, in: Streinz, Art. 51 GRCh Rn. 12; a. A. Hammen, WM 2019, 341, 346, nach dem die aus Unionsrecht folgende Pflicht, Verwaltungssanktionen zu ergreifen, die Anwendbarkeit der Grundrechtecharta begründen, die Anwendbarkeit sich hingegen nicht auf die den Mitgliedstaaten darüber hinaus belassene Möglichkeit erstrecken soll, strafrechtliche Sanktionen zu ergreifen. Diese Differenzierung ist wenig einleuchtend. 315  Die Anwendbarkeit der Grundrechtecharta bei einem Verweis auf Sekundärrecht bejahend wohl Bülte/Krell, StV 2013, 713, 715; Hecker, in: FS Rengier, 471, 477; Jarass, NStZ 2012, 611, 613; vgl. EuGH C-405/10, Slg. 2011, I-11035 Rn. 48 – „QB“; Langbauer, Strafrecht vor den Unionsgerichten, S. 123; Gaede, wistra 2011, 365, 369; Lange, NVwZ 2014, 169, 170. 316  Ladenburger/Vondung, in: Stern/Sachs, Art. 51 GRCh Rn. 55; Meyer, ZStW 128 (2016), 1089, 1100. 317  Lange, NVwZ 2014, 169, 170; Meyer, ZStW 128 (2016), 1089, 1100; vgl. EuGH C-387/02 u. a., Slg. 2005, I-3565 Rn. 53 ff., 67 ff. – „Berlusconi u. a.“; Ladenburger/Vondung, in: Stern/Sachs, Art. 51 GRCh Rn. 55; insoweit a. A. Jarass, GRCh, Art. 51 Rn. 34. 318  Die Anwendbarkeit der Grundrechtecharta bei einem Verweis auf eine unionsrechtlich determinierte nationale Verhaltensnorm bejahend Bülte/Krell, StV 2013, 713, 715, 717; Jarass, NStZ 2012, 611, 613; ders., GRCh, Art. 51 Rn. 34; Langbauer, Strafrecht vor den Unionsgerichten, S. 123; vgl. EuGH C-74/95 u. a., Slg. 1996, I-6609 Rn. 25, 31 – „Strafverfahren gegen X“; Gaede, wistra 2011, 365, 369; Lange,

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B. Ermittlung eines verfassungsrechtlichen Maßstabs

vorgesehene Sanktionsnorm wird dann ebenfalls oft unionsrechtlich be­ einflusst, nämlich Ausfluss zumindest des allgemeinen Loyalitätsgebots sein. Insofern genügt es nach dem EuGH sogar, wenn das jeweilige Gesetz nicht in der ursprünglichen Absicht erlassen worden ist, damit unionsrechtliche Vorgaben umzusetzen, sofern es jedenfalls nun (auch) dazu dient.319 Es ist für die Anwendbarkeit der Grundrechtecharta folglich nicht zwingend notwendig, dass der Tatbestand unionsrechtsakzessorisch ausgestaltet ist. Cornelius wendet ein, ein so weiter Anwendungsbereich der Grundrechtecharta missachte die fehlende (generelle) Kompetenz der EU zur Setzung materiellen Strafrechts: Wenn die im Vergleich zu Art. 103 Abs. 2 GG niedrigeren Anforderungen des unionsrechtlichen Bestimmtheitsgebots – dazu sogleich – gälten, könne Unionsrecht einem nach nationalen Maßstäben nichtigen Tatbestand zur Gültigkeit verhelfen.320 In ähnlicher Weise argumentiert Bülte, der Anwendungsvorrang des Unionsrechts dürfe nicht in einen Geltungsvorrang verkehrt werden.321 Die Einwände überzeugen jedoch nicht. Die Kompetenzverteilung ist nur betroffen, wenn es der EU möglich wäre, selbst Strafrecht zu setzen. Diese Aufgabe verbleibt aber nach wie vor bei den Mitgliedstaaten. Sie sind, abgesehen von den unionsrechtlichen Einflüssen im Rahmen der bestehenden Kompetenzen, frei darin, ein Gesetzgebungsverfahren zu initiieren und das Strafgesetz inhaltlich auszugestalten. Daran ändert sich nichts, wenn die Grundrechtecharta anwendbar ist. Nur das Ergebnis der mitgliedstaatlichen Gesetzgebung wird dann im Hinblick auf seine Wirksamkeit nach Unionsrecht beurteilt. Auch der Mechanismus des Anwendungsvorrangs bleibt unverändert. In Rede steht nämlich, ob Art. 103 Abs. 2 GG infolge der Anwendbarkeit von Art. 49 Abs. 1 S. 1 GRCh unanwendbar wird. Dass in der Folge eine eigentlich gegen Art. 103 Abs. 2 GG verstoßende Norm wirksam bleiben könnte, ist allein mittelbare Auswirkung dessen, verkehrt den Anwendungsvorrang dagegen nicht in einen Geltungsvorrang. 3. Verhältnis zu nationalen Grundrechten In den Fällen, in denen die Grundrechtecharta anwendbar ist, liegt es nahe, den Maßstab für die Prüfung der Rückverweisungstechnik nicht Art. 103 NVwZ 2014, 169, 170; Sturm, NStZ 2017, 553, 557; ablehnend Ladenburger/Vondung, in: Stern/Sachs, Art. 51 GRCh Rn. 55; Meyer, ZStW 128 (2016), 1089, 1100 f. 319  Vgl. EuGH C-617/10, NJW 2013, 1415 Rn. 28 – „Åkerberg Fransson“; bestätigend EuGH C-217/15, BeckRS 2017, 105871 Rn. 16 – „Orsi“; C-524/15, MWStR 2018, 551 Rn. 18 ff. – „Menci“; Bülte/Krell, StV 2013, 713, 715. 320  Cornelius, Verweisungsbedingte Akzessorietät, S. 382. 321  Bülte, BB 2016, 3075, 3077 f.



VII. Unionsrechtlicher Grundsatz der Gesetzmäßigkeit135

Abs. 2 GG, sondern allein Art. 49 Abs. 1 S. 1 GRCh zu entnehmen. Denn der Anwendungsvorrang des Unionsrechts bezieht sich, wie es gerade bereits angeklungen ist, auch auf nationales Verfassungsrecht,322 was das BVerfG seit seiner „Solange II“-Entscheidung im Grundsatz akzeptiert.323 Das Verhältnis zwischen unionalen und nationalen Grundrechten ist tatsächlich aber komplexer. Ein anwendbares Unionsgrundrecht verdrängt nicht immer das ihm entsprechende nationale Grundrecht. a) Position des EuGH Der EuGH erlaubt ausnahmsweise die parallele Anwendung nationaler und unionaler Grundrechte.324 Argumentativ kann das auf Art. 53 GRCh gestützt werden, wonach die Unionsgrundrechte nicht so auszulegen sind, dass sie die in nationalen Verfassungen anerkannten Grundrechte einschränken.325 Diese Regelung ist eine Meistbegünstigungsklausel: Der Betroffene kann sich auf das weitergehende Grundrecht berufen.326 322  Daher Art. 49 GRCh hinsichtlich der freiheitsgewährleistenden Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG für vorrangig haltend Honstetter, Lebensmittel(straf)recht­ licher Gesundheitsschutz, S. 109 f.; zum Anwendungsvorrang EuGH C-11/70, Slg. 1970, 1125 Rn. 3 – „Internationale Handelsgesellschaft mbH“; C-409/06, Slg. 2010, I-8015 Rn. 61 – „Winner Wetten“; C-399/11, NJW 2013, 1215 Rn. 59 – „Melloni“; C-516/17, GRUR 2019, 940 Rn. 19 – „Spiegel Online“; Böse, Strafen und Sanktionen, S. 436; Risse, HRRS 2014, 93, 105. 323  BVerfG 2 BvR 197/83, NJW 1987, 577, 580  ff.; bestätigend etwa BVerfG 2 BvL 1/97, NJW 2000, 3124, 3125; 1 BvR 276/17, NJW 2020, 314 Rn. 47. 324  EuGH C-399/11, NJW 2013, 1215 Rn. 60 – „Melloni“; C-617/10, NJW 2013, 1415 Rn. 29 – „Åkerberg Fransson“; C-112/13, EuZW 2014, 950 Rn. 44 – „A“; C-42/17, NJW 2018, 217 Rn. 47 – „M. A.S. und M.B.“; C-476/17, NJW 2019, 2913 Rn. 80 – „Pelham u. a.“; C-516/17, GRUR 2019, 940 Rn. 21 – „Spiegel Online“; C-357/19 u. a., BeckRS 2021, 39583 Rn. 211 – „Euro Box Promotion u. a.“. 325  EuGH C-399/11, NJW 2013, 1215 Rn. 60 – „Melloni“; Bülte/Krell, StV 2013, 713, 716; Dannecker, ZIS 2016, 723, 729; Franzius, EuGRZ 2015, 139, 142; Krämer, in: Stern/Sachs, Art. 53 GRCh Rn. 7; Ladenburger/Vondung, in: Stern/Sachs, Art. 51 GRCh Rn. 39; Streinz/Michl, in: Streinz, Art. 51 GRCh Rn. 26. 326  Dannecker, in: FS Fuchs, 111, 121; Jarass, GRCh, Art. 53 Rn. 2, 15; Streinz/ Michl, in: Streinz, Art. 51 GRCh Rn. 26, Art. 53 GRCh Rn. 3; Terhechte, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, Art. 53 GRCh Rn. 9; anders Kingreen, in: Calliess/Ruffert, Art. 53 GRCh Rn. 9 und Risse, HRRS 2014, 93, 104: Art. 53 GRCh besage nur, dass nationale Grundrechte außerhalb des Anwendungsbereichs des Unionsrechts weiter fortgälten. – In mehrpoligen Grundrechtsverhältnissen, wenn also widerstreitende Positionen mehrerer Grundrechtsträger in Ausgleich gebracht werden müssen, kann nicht zugunsten des einen auf das weitergehende nationale Grundrecht abgestellt werden, weil dies auf Kosten des jeweils anderen ginge, Ludwigs/Sikora, JuS 2017, 385, 391; a. A. Hoppe, in: Meyer/Hölscheidt, Art. 53 Rn. 32. Wird ein Strafgesetz auf seine Zulässigkeit hin untersucht, liegt eine solche Konstellation aber nicht vor, dazu Rönnau/Wegner, GA 2013, 561, 575.

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B. Ermittlung eines verfassungsrechtlichen Maßstabs

Das Prinzip der Meistbegünstigung gilt allerdings nur eingeschränkt. Es darf nicht dazu führen, dass ein Mitgliedstaat die Anwendung von Unionsrecht umfänglich verweigert, obwohl das Unionsrecht der Grundrechtecharta entspricht. Dies wäre mit dem Anwendungsvorrang nicht vereinbar.327 Der EuGH hat daher darauf hingewiesen, Art. 53 GRCh erlaube nicht immer einen höheren nationalen Grundrechteschutz. Nationale Grundrechte sind nur in Sachverhalten anwendbar, die nicht vollständig unionsrechtlich determiniert sind.328 Und auch im Übrigen gilt ihre parallele Anwendung nur insofern, als dadurch weder der durch die Unionsgrundrechte gewährleistete Schutz noch Vorrang, Einheit und Wirksamkeit des Unionsrechts beeinträchtigt werden.329 Diese zweite Einschränkung könnte zu dem Schluss verleiten, nationale Grundrechte dürften im Ergebnis doch allenfalls einen gleichrangigen, nicht aber einen höheren Schutz gewährleisten.330 Bei einem solchen Verständnis würde die Aussage des EuGH aber überflüssig werden. Neben den ohnehin einschlägigen Unionsgrundrechten weitere in ihrem Schutzumfang gleiche oder dahinter zurückbleibende nationale Grundrechte anzuwenden, wäre nutzlos.331 Der EuGH muss deshalb so verstanden werden, dass der durch die Unionsgrundrechte gewährleistete Schutz in keinem Fall unterschritten werden darf.332 Parallel anwendbare nationale Grundrechte dürfen aber, in 327  EuGH

C-399/11, NJW 2013, 1215 Rn. 58 – „Melloni“. C-617/10, NJW 2013, 1415 Rn. 29 – „Åkerberg Fransson“; C-476/17, NJW 2019, 2913 Rn. 80 – „Pelham u. a.“; C-516/17, GRUR 2019, 940 Rn. 21 f. – „Spiegel Online“; C-357/19 u. a., BeckRS 2021, 39583 Rn. 211 – „Euro Box Promotion u. a.“; Dannecker, in: FS Fuchs, 111, 121 f.; Jarass, GRCh, Art. 53 Rn. 14 f.; vgl. Ladenburger/Vondung, in: Stern/Sachs, Art. 51 GRCh Rn. 40; Streinz/Michl, in: ­Streinz, Art. 53 GRCh Rn. 4. Entgegen dieser herrschenden Lesart wird der EuGH zum Teil dahingehend verstanden, dass es nicht auf den Grad der Harmonisierung des jeweiligen Regelungsbereichs, sondern auf das Bestehen eines unionsrechtlich harmonisierten Grundrechtestandards ankomme, so etwa Burchardt, EuR 2018, 248, 253 f. Überzeugend zur Einordnung im hiesigen Sinne aber Generalanwalt Bobek, EuGH C-310/16, BeckRS 2018, 16356 Rn. 84 ff. – „Dzivev u. a.“ und Franzius, EuGRZ 2015, 139, 142 ff. 329  EuGH C-399/11, NJW 2013, 1215 Rn. 60 – „Melloni“; C-617/10, NJW 2013, 1415 Rn. 29 – „Åkerberg Fransson“; C-112/13, EuZW 2014, 950 Rn. 44 – „A“; C-42/17, NJW 2018, 217 Rn. 47 – „M. A.S. und M.B.“; C-476/17, NJW 2019, 2913 Rn. 80 – „Pelham u. a.“; C-516/17, GRUR 2019, 940 Rn. 21 – „Spiegel Online“; C-357/19 u. a., BeckRS 2021, 39583 Rn. 211 – „Euro Box Promotion u. a.“. 330  Bülte, ZWH 2013, 219, 223; Satzger, Internationales und Europäisches Strafrecht, § 7 Rn. 27; vgl. Safferling, NStZ 2014, 545, 550; in der Tendenz auch Bülte/ Krell, StV 2013, 713, 719. 331  Risse, HRRS 2014, 93, 106. 332  Generalanwalt Bobek, EuGH C-310/16, BeckRS 2018, 16356 Rn. 88, 94 – „Dzivev u. a.“; Jarass, GRCh, Art. 53 Rn. 16; Rönnau/Wegner, GA 2013, 561, 575 Fn. 114; Streinz/Michl, in: Streinz, Rn. 53 GRCh Rn. 6. 328  EuGH



VII. Unionsrechtlicher Grundsatz der Gesetzmäßigkeit137

den genannten Grenzen, einen über die Unionsgrundrechte hinausgehenden Schutz bieten.333 b) Position des BVerfG Das BVerfG hält in Sachverhalten, die durch zwingende unionsrechtliche Vorgaben determiniert sind, aufgrund des Anwendungsvorrangs nur Unionsgrundrechte für einschlägig,334 stimmt insofern also mit dem EuGH überein. Sofern dem Mitgliedstaat bei der Umsetzung von Unionsrecht dagegen ein Handlungsspielraum gewährt ist, prüfte es früher allein die nationalen Grundrechte.335 Dies wurde in der Literatur für gewöhnlich so verstanden, dass nationale und unionale Grundrechte nicht parallel, sondern nur alternativ anwendbar sein könnten.336 Seit der Entscheidung zum „Recht auf Vergessen“ hält der Erste Senat des BVerfG in dieser Konstellation indes neben den nationalen auch die unionalen Grundrechte für anwendbar337 und will sie in bestimmten Konstellationen sogar selbst prüfen.338 Der – für das Strafrecht zuständige – Zweite Senat hat sich dieser Rechtsprechung angeschlossen.339 Zwar stellte er im wenige Monate später ergangenen Beschluss zum Blankettstrafgesetz im LFGB noch ausdrücklich fest, im nicht vollständig unionsrechtlich determinierten Bereich sei „ausschließ-

333  In diesem Sinne kann tendenziell auch EuGH C-42/17, NJW 2018, 217 – „M. A.S. und M.B.“ verstanden werden, vgl. Burchardt, EuR 2018, 248, 251 ff.; ­Streinz/Michl, in: Streinz, Art. 51 GRCh Rn. 29. Die Entscheidung dagegen als Anerkennung der nationalen Verfassungsidentität interpretierend Heger, in: Böse, Euro­ päisches Strafrecht, § 5 Rn. 72; Satzger, Internationales und Europäisches Strafrecht, § 7 Rn. 32, § 10 Rn. 30; zu Recht gegen ein solches Verständnis Burchardt, EuR 2018, 248, 261 f.; Staffler, ZStW 130 (2017), 1147, 1174. 334  BVerfG 1 BvF 1/05, NVwZ 2007, 937, 938; 1 BvR 256/08, NStZ 2008, 290 Rn. 2; 1 BvR 256/08 u. a., NJW 2010, 833 Rn. 181; 2 BvR 871/04 u. a., wistra 2010, 396 Rn. 28; 1 BvR 895/16, NVwZ 2016, 1171 Rn. 29; 2 BvL 1/15, NJW 2016, 3648 Rn. 32; 1 BvR 276/17, NJW 2020, 314 Rn. 43. 335  BVerfG 1 BvF 1/05, NVwZ 2007, 937, 938; 1 BvR 256/08, NStZ 2008, 290 Rn. 2; 1 BvR 256/08 u. a., NJW 2010, 833 Rn. 182; 1 BvR 895/16, NVwZ 2016, 1171 Rn. 30; 2 BvL 1/15, NJW 2016, 3648 Rn. 32. 336  Vgl. Franzius, EuGRZ 2015, 139, 140; Kingreen, in: Calliess/Ruffert, Art. 51 GRCh Rn. 10, 12. 337  BVerfG 1 BvR 16/13, NJW 2020, 300 Rn. 43 f.; 1 BvQ 82/20, NVwZ 2020, 1500 Rn. 19; vgl. BVerfG 1 BvR 3214/15, NVwZ 2021, 226 Rn. 65. 338  Vgl. BVerfG 1 BvR 16/13, NJW 2020, 300 Rn. 63 ff.; 1 BvQ 82/20, NVwZ 2020, 1500 Rn. 24; näher dazu sogleich. 339  Dies ebenfalls annehmend Safferling/Rückert, NJW 2021, 287 Rn. 23; wohl auch Brodowski, StV 2021, 682, 683, 687 f.

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B. Ermittlung eines verfassungsrechtlichen Maßstabs

lich“ das Grundgesetz zu prüfen.340 Mittlerweile hat er indes in weiteren Entscheidungen der neuen Rechtsprechung zugestimmt.341 Im Übrigen muss er sich mit seiner einschränkenden Haltung im Beschluss zum LFGB nicht notwendig zu den Aussagen des Ersten Senats in Widerspruch gesetzt haben. Während diese im Rahmen von Verfassungsbeschwerden erfolgten, lag dem Beschluss zum LFGB eine konkrete Normenkontrolle zugrunde. Hier sind möglicherweise auch nach der Rechtsprechungsänderung des Ersten Senats verfassungsprozessual allein die nationalen Grundrechte durch das BVerfG zu prüfen,342 ohne dass dies materiell-rechtlich bedeuten muss, die unionalen Grundrechte seien daneben nicht ebenfalls anwendbar. Das BVerfG bewegt sich damit in der Grundsatzfrage, ob nationale und unionale Grundrechte parallel anwendbar sein können, auf der Linie des EuGH. Auch die vom EuGH aufgestellten Einschränkungen der parallelen Anwendbarkeit greift es jedenfalls zum Teil auf. Zwar prüft es im nicht vollständig unionsrechtlich determinierten Bereich primär die nationalen Grund­ rechte,343 da zu vermuten sei, dass sie die Gewährleistungen der Unionsgrundrechte mitumfassten.344 Bei konkreten und hinreichenden Anhaltspunkten, die hiergegen sprechen, könne diese Vermutung aber widerlegt werden. Dann prüft das Gericht doch die Unionsgrundrechte.345 Dies entspricht der Rechtsprechung des EuGH, nach der die Anwendung nationaler Grundrechte nicht den durch die Unionsgrundrechte gewährleisteten Schutz beeinträchtigen darf. Die zweite vom EuGH vorgenommene Einschränkung, nach der die parallele Anwendbarkeit nationaler Grundrechte Vorrang, Einheit und Wirksamkeit des Unionsrechts nicht beeinträchtigen darf, greift das BVerfG hingegen nicht ausdrücklich auf. Eine lose Verbindung lässt sich nur insofern herstel340  BVerfG 2 BvL 5/17, NZWiSt 2020, 263, 270; einen Widerspruch zum Ersten Senat annehmend Heger/Huthmann, ZStW 133 (2021), 777, 796. 341  Vgl. den umfassenden Verweis auf die Rechtsprechung des Ersten Senats in BVerfG 2 BvR 2216/20 u. a., GRUR 2021, 1157 Rn. 70. Zuvor bereits der in BVerfG 1 BvR 276/17, NJW 2020, 314 Rn. 50 für möglich gehaltenen Prüfung von Unionsgrundrechten durch das BVerfG im vollharmonisierten Bereich zustimmend BVerfG 2 BvR 1845/18 u. a., NJW 2021, 1518 Rn. 36; 2 BvR 1285/20, BeckRS 2021, 432 Rn. 22 f.; 2 BvR 206/14, NVwZ 2021, 1211 Rn. 35 f. 342  Hierfür Scheffczyk, NVwZ 2020, 977, 982; dagegen für eine Einbeziehung der Prüfung von Unionsgrundrechten Calliess, Jura 2021, 1302, 1311; Kämmerer/Kotzur, NVwZ 2020, 177, 183; Meickmann, DVBl 2022, 278, 281. 343  BVerfG 1 BvR 16/13, NJW 2020, 300 Rn. 45 ff.; 1 BvQ 82/20, NVwZ 2020, 1500 Rn. 19, 24. 344  BVerfG 1 BvR 16/13, NJW 2020, 300 Rn. 55; 1 BvQ 82/20, NVwZ 2020, 1500 Rn. 19, 24. 345  BVerfG 1 BvR 16/13, NJW 2020, 300 Rn. 66, 69; 1 BvQ 82/20, NVwZ 2020, 1500 Rn. 24.



VII. Unionsrechtlicher Grundsatz der Gesetzmäßigkeit139

len, als es eine Prüfung von Unionsgrundrechten auch dann für nötig hält, wenn das unionsrechtliche Fachrecht ausnahmsweise engere grundrechtliche Vorgaben enthält und keine Grundrechtsvielfalt zulässt.346 Jedenfalls aber setzt sich das BVerfG nicht offen in Widerspruch zu der vom EuGH aufgestellten Einschränkung. 4. Bestehender Gestaltungsspielraum im Strafrecht Entsprechend der im Grundsatz übereinstimmenden Rechtsprechung von EuGH und BVerfG ist nun das Verhältnis von Art. 103 Abs. 2 GG und Art. 49 Abs. 1 S. 1 GRCh in Bezug auf die Prüfung der Rückverweisungstechnik zu bestimmen. In einem ersten Schritt ist demnach zu untersuchen, ob Blankettstrafgesetze mit Rückverweisungsklausel auf zwingenden unionalen Vorgaben beruhen und damit vollständig unionsrechtlich determiniert sind (dazu sogleich). Wäre dies der Fall, wäre allein das Unionsgrundrecht anwendbar. Nutzte der Gesetzgeber aber einen Gestaltungsspielraum aus, wäre neben dem unionalen auch das nationale Grundrecht einschlägig. Dann müsste in einem zweiten Schritt noch danach gefragt werden, ob es genügt, allein Art. 103 Abs. 2 GG zu prüfen. Würde dadurch das Schutzniveau der Grundrechtecharta unterschritten (dazu 5.) beziehungsweise Vorrang, Einheit und Wirksamkeit des Unionsrechts beeinträchtigt (dazu 6.), bildete doch Art. 49 Abs. 1 S. 1 GRCh den relevanten Maßstab. Was den zunächst zu untersuchenden Grad an Determinierung nationaler Blankettstrafgesetze durch das Unionsrecht betrifft, so lassen sich zwei Aspekte unterscheiden: Der erste bezieht sich auf materiell-rechtliche Vorgaben des Unionsrechts, mithin darauf, was für inhaltliche Anforderungen das Unions­recht im Strafrecht vorgibt. Der zweite ist formaler Art und darauf bezogen, wie diese Vorgaben aus unionsrechtlicher Sicht gesetzestechnisch umzusetzen sind. a) Materiell-rechtliche Vorgaben des Unionsrechts Nationale strafrechtliche Gesetzgebung kann unionsrechtlich veranlasst sein durch das allgemeine Loyalitätsgebot des Art. 4 Abs. 3 EUV oder durch auf Art. 83 AEUV gestützte Richtlinien.347 Das allgemeine Loyalitätsgebot enthält mit dem Gleichstellungsgebot und der Mindesttrias nur grobe Vorgaben. Grundsätzlich kann der Mitgliedstaat die Sanktionsart selbst wählen, nur 346  BVerfG 1 BvR 16/13, NJW 2020, 300 Rn. 68; 1 BvQ 82/20, NVwZ 2020, 1500 Rn. 24. 347  Dazu oben S. 58 ff.

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B. Ermittlung eines verfassungsrechtlichen Maßstabs

in seltenen Fällen sind überhaupt strafrechtliche Maßnahmen gefordert. Dem nationalen Gesetzgeber verbleibt dadurch ein Gestaltungsspielraum. Ebenso ist es, wenn eine Verordnung oder Richtlinie die Vorgaben des Loyalitätsgebots aufgreift, weil in diesen Fällen nur deklaratorisch auf die Pflicht aus dem Loyalitätsgebot hingewiesen wird. Der nationale Gesetzgeber behält hier seinen Gestaltungsspielraum.348 Demnach sind beispielsweise die beiden vom BVerfG untersuchten unionsrechtsakzessorischen Blankettstrafgesetze mit Rückverweisungsklausel im RiFlEtikettG und LFGB nicht vollständig unionsrechtlich determiniert. Die § 10 Abs. 1 RiFlEtikettG a. F. zugrunde liegende VO (EG) Nr. 1760/2000 bestimmt in Art. 22 Abs. 1 UAbs. 1 S. 1 lediglich:349 „Die Mitgliedstaaten treffen alle erforderlichen Maßnahmen, um die Einhaltung dieser Verordnung zu gewährleisten.“ Mit Erlass des Blankettstrafgesetzes nutzte der Gesetz­ geber mithin seine Freiheit, darüber bestimmen zu können, welche konkreten Maßnahmen er ergreifen möchte.350 Der für § 58 Abs. 3 Nr. 2 LFGB maßgebliche Art. 17 Abs. 2 UAbs. 3 VO (EG) Nr. 178/2002 fordert in ähnlich unspezifischer Form wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sank­ tionen. Auch hier hat der Gesetzgeber mit dem Blankettstrafgesetz eigenständig Umfang und Art der Rechtsfolge festgelegt.351 Sind die unionsrechtlichen Vorgaben in Richtlinien enthalten, die auf Art. 83 AEUV gestützt werden, sind sie demgegenüber insofern enger, als sie in jedem Fall strafrechtliche Maßnahmen erfordern. Freilich müssen die Vorgaben erst noch im nationalen Recht umgesetzt werden. Es liegt nahe, darin einen maßgeblichen Unterschied zum Handlungsinstrument der Verordnung zu sehen und bei Umsetzung einer Richtlinie stets einen Gestaltungsspielraum des Mitgliedstaats anzunehmen.352 Anerkanntermaßen können im Einzelfall aber auch Richtlinien zwingende und abschließende Vorgaben enthalten353 sowie umgekehrt Verordnungen den Mitgliedstaaten in einzelnen 348  Vgl. BVerfG 2 BvL 1/15, NJW 2016, 3648 Rn. 33; 2 BvL 5/17, NZWiSt 2020, 263, 270; Andrzejewski, Strafbewehrung, S. 113 f.; Bülte, BB 2016, 3075, 3077; Cornelius, NStZ 2017, 682, 683; ders., in: FS Rengier, 461, 468. 349  Inhaltsgleiches bestimmte vor Inkrafttreten dieser Verordnung Art. 21 S. 1 VO (EG) Nr. 820/97, ABl. 1997 Nr. L 117, 1. 350  Vgl. BVerfG 2 BvL 1/15, NJW 2016, 3648 Rn. 33; Bülte, BB 2016, 3075, 3077; Cornelius, NStZ 2017, 682, 683. 351  BVerfG 2 BvL 5/17, NZWiSt 2020, 263, 270. 352  So Gaede, in: Böse, Europäisches Strafrecht, § 3 Rn. 37; wohl auch Gärditz, in: Böse, Europäisches Strafrecht, § 6 Rn. 55; vgl. ferner Cornelius, Verweisungsbedingte Akzessorietät, S. 385. 353  EuGH C-52/00, Slg. 2002, I-3827 Rn.  16  ff. – „Kommission/Frankreich“; C-495/10, Slg. 2011, I-14155 Rn. 20 – „Dutrueux und Caisse primaire d’assurance maladie du Jura“; Schroeder, in: Streinz, Art. 288 AEUV Rn. 54; vgl. Gundel, in:



VII. Unionsrechtlicher Grundsatz der Gesetzmäßigkeit141

Punkten Handlungsspielräume gewähren.354 Das gewählte Handlungsinstrument – Richtlinie oder Verordnung – erlaubt daher für sich genommen noch keine abschließende Beurteilung,355 sondern ist nur ein Indiz.356 Strafrechtsharmonisierende Richtlinien dürfen nach dem Wortlaut des Art. 83 Abs. 1, 2 AEUV immer nur Mindestvorschriften machen. Damit zeigt das Unionsrecht eine klare Intention: Die nationalen Strafrechtsordnungen sollen auf ein gemeinsames Mindestniveau gehoben werden, eine gleichförmige Rechtsanwendung in Gestalt einer Vollharmonisierung aber nicht umfassend ermöglicht werden.357 Davon geht auch das BVerfG aus, das für die Mitgliedstaaten „substanzielle Ausgestaltungsspielräume“ im Strafrecht fordert.358 Jedenfalls in Bezug auf den überobligatorischen Teil der Umsetzung ist das Strafgesetz dann nicht vollständig unionsrechtlich determiniert. Im Übrigen muss jeweils im Einzelfall geprüft werden, inwiefern die Richtlinie abschließende Vorgaben macht. Denkbar ist dies insbesondere dann, wenn die Verhaltensnorm einer EU-Verordnung abgesichert werden soll. In diesem Fall spricht wegen des Handlungsinstruments der Verordnung viel dafür, dass das Unionsrecht mit der (außerstrafrechtlichen) Verhaltensnorm eine abschließende Regelung vorgibt. Zumindest in Bezug auf diese wären dann nicht beide Grundrechtsordnungen parallel anwendbar.359

Frankfurter Kommentar, Art. 288 AEUV Rn. 29; Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 288 AEUV Rn. 113. 354  Vgl. EuGH C-230/78, Slg. 1979, 2749 Rn. 34 – „Eridania“; C-251/91, Slg. 1992, I-5599 Rn. 13 – „Teulie/Cave coopérative ‚les Vignerons de Puissalicon‘ “; Geismann, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, Art. 288 AEUV Rn. 35; Gundel, in: Frankfurter Kommentar, Art. 288 AEUV Rn. 16. Ein Beispiel dafür sind die bereits angesprochenen, als Hinweis auf die Sanktionierungspflicht aus Art. 4 Abs. 3 EUV zu verstehenden Bestimmungen in Verordnungen, nach denen der Mitgliedstaat Sanktionen für Verstöße hiergegen vorsehen muss, Schützendübel, Bezugnahme auf EUVerordnungen, S. 56. 355  BVerfG 1 BvR 276/17, NJW 2020, 314 Rn. 79; 2 BvR 206/14, NVwZ 2021, 1211 Rn. 43. 356  Neumann/Eichberger, JuS 2020, 502, 503; vgl. BVerfG 1 BvR 276/17, NJW 2020, 314 Rn. 38; Brodowski, StV 2021, 682, 684. 357  Hadding, Strafrechtliche Aspekte, S. 134; Spoerr, in: Assmann/Schneider/Mülbert, Vor § 119–126 WpHG Rn. 28 (zu Art. 83 Abs. 2 AEUV); vgl. EuGH C-634/18, BeckRS 2020, 11912 Rn. 41  – „Prokuratura Rejonowa w Słupsku“ (bezogen auf einen Rahmenbeschluss); ferner Satzger, in: Streinz, Art. 83 AEUV Rn. 40; Rückert, NStZ 2020, 391, 394. Anders aber Böse, in: Böse, Europäisches Strafrecht, § 4 Rn. 13: In Ausnahmekonstellationen dürfe die EU den Tatbestand abschließend regeln. 358  BVerfG 2 BvE 2/08 u. a., NJW 2009, 2267 Rn. 363. 359  Vgl. die Überlegung bei Heger/Huthmann, ZStW 133 (2021), 777, 801.

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B. Ermittlung eines verfassungsrechtlichen Maßstabs

b) Keine Vorgaben hinsichtlich der Gesetzestechnik Letztlich müssen diese Fragen nicht weiter vertieft werden. Denn mit der Rückverweisungstechnik steht nicht der Inhalt einzelner Gesetze, sondern eine Gesetzestechnik in Rede. Entsprechend kommt es weniger auf die materiell-rechtlichen Vorgaben des Unionsrechts an als mehr auf dessen Anforderungen an deren gesetzestechnische Umsetzung im nationalen Recht. Insofern gibt das Unionsrecht jedoch nichts Spezielles vor. Ist die durch ein Blankettstrafgesetz mit Rückverweisungsklausel angedrohte Sanktion unionsrechtlich gefordert, bezieht sich dies nur auf das Ergebnis der gesetzgeberischen Tätigkeit: Im Mitgliedstaat muss eine wirksame Sanktionsdrohung ausgesprochen werden. Über den Weg dorthin können die Mitgliedstaaten aber selbst entscheiden. So ist eine strafrechtsharmonisierende Richtlinie nach Art. 288 Abs. 3 AEUV hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich, überlässt den innerstaatlichen Stellen jedoch die Wahl der Form und der Mittel. Angesprochen ist damit die vom Mitgliedstaat verwendete Rechtstechnik.360 Das bedeutet, die innerstaatliche Kompetenzordnung bleibt durch die Richtlinie unangetastet.361 Der Mitgliedstaat kann also wählen, welche Stelle das Unionsrecht umsetzt. Damit verbunden ist zugleich die Frage, in welchem Verfahren und in welcher Rechtsform die Umsetzung erfolgt, ob beispielsweise durch formelles Gesetz oder durch Rechtsverordnung.362 Soweit die unionsrechtlichen Vorgaben im Ergebnis aus einer verbindlichen Außenrechtsnorm hervorgehen,363 fordert das Unionsrecht keine bestimmte Regelungstechnik.364 Entsprechendes gilt für eine Sanktionierungspflicht aus dem Loyalitätsgebot des Art. 4 Abs. 3 EUV.365

360  Geismann, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, Art.  288 AEUV Rn. 44; Schroeder, in: Streinz, Art. 288 AEUV Rn. 72. 361  Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 288 AEUV Rn. 113. 362  Aksungur, Europäische Strafrechtsetzungskompetenzen, S. 385; Frenz, Handbuch Europarecht, Bd. 5, Rn. 918; Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 288 AEUV Rn. 132; vgl. EuGH C-263/96, Slg. 1997, I-7453 Rn. 33 – „Kommission/ Belgien“. 363  Vgl. EuGH C-339/87, Slg. 1990, I-851 Rn. 6 f. – „Kommission/Niederlande“; C-361/88, Slg. 1991, I-2567 Rn. 15, 20 – „Kommission/Deutschland“; C-59/89, Slg. 1991, I-2607 Rn. 18, 23 – „Kommission/Deutschland“; Schroeder, in: Streinz, Art. 288 AEUV Rn. 79. 364  Vgl. BVerfG 2 BvL 5/17, NZWiSt 2020, 263, 270. 365  BVerfG 2 BvL 5/17, NZWiSt 2020, 263, 270, 274; Satzger, Europäisierung, S. 238; Streinz, in: Streinz, Art. 4 EUV Rn. 47  f.; vgl. Böhringer/Marauhn, in: Schulze/Janssen/Kadelbach, Europarecht, § 7 Rn. 36.



VII. Unionsrechtlicher Grundsatz der Gesetzmäßigkeit143

Verwendet der Gesetzgeber in Umsetzung unionaler Verpflichtungen die Blankettgesetzgebung, ist dies deshalb grundsätzlich nicht durch das Unionsrecht vorgegeben.366 Entstammt, wie bei der Rückverweisungstechnik, die zu bewehrende Verhaltensnorm einer EU-Verordnung, ist die Blanketttechnik zwar aus den oben ausgeführten Gründen insofern unionsrechtlich gefordert, als das nationale Recht akzessorisch an diese Verhaltensnorm anknüpfen muss.367 Aber auch dann zwingt das Unionsrecht nicht zu einer bestimmten Form der Blankettgesetzgebung, also beispielsweise nicht dazu, über eine dynamische Außenverweisung den nationalen Verordnungsgeber einzuschalten. Erst recht indifferent verhält es sich gegenüber der Aufnahme einer Rückverweisungsklausel. Die technische Ausgestaltung eines Blankettstrafgesetzes mit Rückverweisungsklausel beruht mithin nicht auf zwingenden unionsrechtlichen Vorgaben. Damit ist Art. 103 Abs. 2 GG grundsätzlich weiterhin anwendbar. 5. Keine Beeinträchtigung des durch die GRCh gewährleisteten Schutzes Nach dem EuGH ist das nationale Grundrecht nur dann parallel anwendbar, wenn dadurch der durch die Unionsgrundrechte gewährleistete Schutz nicht beeinträchtigt wird.368 Nach dem BVerfG ist zwar zu vermuten, dass von Art. 103 Abs. 2 GG das unionsrechtlich gewährleistete Schutzniveau mitumfasst ist, doch kann die Vermutung widerlegt werden.369 Zu klären ist folglich, ob Art. 49 Abs. 1 S. 1 GRCh in seiner Ausprägung als Bestimmtheitsgebot und als Erfordernis einer gesetzlichen Grundlage strengere Anforderungen stellt als Art. 103 Abs. 2 GG. Solche strengeren Anforderungen müssten bei der Prüfung der Rückverweisungstechnik berücksichtigt werden. a) Bestimmtheitsgebot Nach dem in Art. 49 Abs. 1 S. 1 GRCh enthaltenen Bestimmtheitsgebot müssen die Tatbestandsmerkmale eines Strafgesetzes hinreichend deutlich umschrieben werden,370 damit der Normadressat zu erkennen vermag, wel-

366  Vgl.

Lienert, HRRS 2017, 265, 268. S. 63 ff. 368  Oben S. 136. 369  Oben S. 138. 370  Jarass, NStZ 2012, 611, 615; ders., GRCh, Art. 49 Rn. 11; Langbauer, Strafrecht vor den Unionsgerichten, S. 149; Rückert, NStZ 2020, 391, 394. 367  Oben

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B. Ermittlung eines verfassungsrechtlichen Maßstabs

che Handlungen mit Strafe bedroht sind,371 und er sein Handeln danach ausrichten kann.372 Das Bestimmtheitsgebot dient dadurch der Rechtssicherheit.373 Auch im Unionsrecht sind die Anforderungen an die Bestimmtheit nicht zu streng zu verstehen: Wie auf nationaler Ebene kann eine absolute Bestimmtheit nicht erreicht werden.374 Läuft das Bestimmtheitsgebot insoweit gleich mit der freiheitsgewährleistenden Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG, lassen sich darüber hinaus kaum genauere Aussagen zum erforderlichen Bestimmtheitsniveau treffen. Das liegt daran, dass der EuGH – vor allem in früheren Entscheidungen – keine oder nur knappe Ausführungen zum Prüfungsmaßstab macht. Unsicher ist insbesondere, ob der EuGH das Bestimmtheitsgebot so versteht, dass im Strafrecht eine höhere Bestimmtheit verlangt wird als allgemein im Recht. In einer älteren Entscheidung eines Vorabentscheidungsverfahrens betont er, Unionsrecht dürfe nicht unterschiedlich ausgelegt werden, wenn es einmal in strafrechtlichem und ein andermal in außerstrafrechtlichem Zusammenhang stehe.375 Das hat in der strafrechtlichen Literatur viel Kritik erfahren und wird als Beleg für geringere Anforderungen des unionalen Bestimmtheitsgebots gegenüber dem nationalen Recht gesehen.376 Die Entscheidung wird dabei so verstanden, dass eine Normspaltung im Strafrecht nicht zulässig sei, das Strafrecht vielmehr stets die nichtstrafrechtlich gefundene Auslegung der Verhaltensnorm übernehmen müsse.377 371  EuGH C-303/05, Slg. 2007, I-3633 Rn. 50 – „Advocaten voor de Wereld“; C-308/06, EuZW 2008, 439 Rn. 71 – „Intertanko u. a.“; C-546/09, Slg. 2011, I-2531 Rn. 42 – „Aurubis Balgaria“; C-194/14 P, EuZW 2016, 19 Rn. 40 – „AC-Treuhand/ Kommission“; C-102/16, DAR 2018, 73 Rn. 51 – „Vaditrans“; C-72/15, EuZW 2017, 529 Rn. 162 – „Rosneft“; C-42/17, NJW 2018, 217 Rn. 56 – „M. A.S. und M.B.“; C-634/18, BeckRS 2020, 11912 Rn. 49  – „Prokuratura Rejonowa w Słupsku“; C-906/19, BeckRS 2021, 26157 Rn. 46 – „Ministère public“; Jarass, NStZ 2012, 611, 615; ders., GRCh, Art. 49 Rn. 11; Lemke, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, Art. 49 GRCh Rn. 8; Rückert, NStZ 2020, 391, 394; Schaut, Europäische Strafrechtsprinzipien, S. 143. 372  Eser/Kubiciel, in: Meyer/Hölscheidt, Art.  49 Rn. 22; vgl. EuGH C-72/15, EuZW 2017, 529 Rn. 161 – „Rosneft“; EuG T-99/04, Slg. 2008, II-1501 Rn. 139 – „AC-Treuhand/Kommission“. 373  Dannecker/Schuhr, in: LK, § 1 Rn. 35; Langbauer, Strafrecht vor den Unionsgerichten, S. 148. 374  EuGH C-72/15, EuZW 2017, 529 Rn. 164 f. – „Rosneft“; EuG T-99/04, Slg. 2008, II-1501 Rn. 141 – „AC-Treuhand/Kommission“; vgl. EGMR 14307/88, ÖJZ 1994, 59, 60; EuGRZ 1999, 193 Rn. 31; 50425/06, NJW-RR 2012, 1502 Rn. 51. 375  EuGH C-238/84, Slg. 1986, 795 Rn. 15 – „Röser“. 376  Cornelius, Verweisungsbedingte Akzessorietät, S.  378 f.; Dannecker, in: FS Fuchs, 111, 133 f.; ders./Bülte, in: Wabnitz/Janovsky/Schmitt, Kap. 2 Rn. 211; ders./ Schuhr, in: LK, § 1 Rn. 36 f., 349. 377  Vgl. Spoerr, in: Assmann/Schneider/Mülbert, Vor § 119 WpHG Rn. 43.



VII. Unionsrechtlicher Grundsatz der Gesetzmäßigkeit145

Indes muss der EuGH nicht zwangsläufig so verstanden werden. Das der Entscheidung vorgeschaltete nationale Verfahren betraf die Strafbarkeit nach einem deutschen Blankettstrafgesetz, das auf die Vorschrift einer EU-Verordnung verwies. Im Verfahren vor dem EuGH spielte das Blankettstrafgesetz aber keine Rolle. Die Vorlagefrage des nationalen Gerichts zielte nur auf die Auslegung der unionalen Vorschrift – entsprechend der Befugnis des EuGH zur Auslegung allein des unionalen, nicht des nationalen Rechts (vgl. Art. 267 AEUV). Die unionale Vorschrift in der Verordnung stand für sich genommen in einem nichtstrafrechtlichen Zusammenhang und war dementsprechend nicht nach spezifisch strafrechtlichen Grundsätzen auszulegen. Der Aussagewert der Entscheidung beschränkt sich wohl auf diese Klarstellung. Dafür spricht auch, dass das strafrechtliche Bestimmtheitsgebot gar keine Erwähnung fand.378 Über die Auslegung des nationalen Blankettstrafgesetzes hat der EuGH damit nichts gesagt. Sie fällt in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten und umfasst die Frage, ob das Ergebnis der nichtstrafrechtlichen Auslegung der Verhaltensnorm auch unter das Blankettstrafgesetz subsumiert werden kann; mit anderen Worten, ob es mit dem strafrechtlichen Bestimmtheitsgebot vereinbar ist.379 Das erkennt der EuGH an, wenn er an anderer Stelle festhält, es sei Angelegenheit der nationalen Gerichte zu beurteilen, ob unionale Vorschriften „hinreichend präzise sind, um in Übereinstimmung mit dem strafrechtlichen Bestimmtheitsgebot Tatbestandsmerkmale nationaler Strafrechtsvorschriften sein zu können“.380 In der unionsgerichtlichen Rechtsprechung kommt dem Bestimmtheitsgebot zunehmend mehr Bedeutung zu. Dabei sieht der EuGH den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit als besondere Ausprägung des allgemeinen Grundsatzes der Rechtssicherheit381 und misst ihm „hohe Bedeutung“ zu.382 Das legt es nahe, dass er höhere Maßstäbe an die strafrechtliche Bestimmtheit als an die Bestimmtheit im Übrigen stellt. Andererseits aber zieht er diese Schlussfol-

378  Das vorlegende Gericht fragte insbesondere nicht danach, ob das unionsrechtliche Bestimmtheitsgebot so zu verstehen sei, dass es eine bestimmte (einschränkende) Auslegung der Verordnung im strafrechtlichen Kontext erfordere. 379  Vgl. Cornelius, Verweisungsbedingte Akzessorietät, S. 391; C. Schröder, in: FS Mehle, 597, 599. 380  EuGH C-405/10, Slg. 2011, I-11035 Rn. 48 – „QB“. 381  EuGH C-308/06, EuZW 2008, 439 Rn. 70 – „Intertanko u. a.“; C-72/15, EuZW 2017, 529 Rn. 162 – „Rosneft“; C-102/16, DAR 2018, 73 Rn. 50 – „Vaditrans“. In C-352/09 P, Slg. 2011, I-2359 Rn. 80 f. wendet der EuGH dagegen Art. 49 Abs. 1 S. 1 GRCh und den allgemeinen Grundsatz der Rechtssicherheit nebeneinander an, ohne zwischen ihren Anforderungen zu differenzieren. 382  EuGH C-42/17, NJW 2018, 217 Rn. 51 – „M. A.S. und M.B.“.

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B. Ermittlung eines verfassungsrechtlichen Maßstabs

gerung nicht ausdrücklich und auch die jeweiligen Ausführungen zu den Grundsätzen lassen kein Stufenverhältnis erkennen.383 Im Ergebnis sprechen entscheidende Indizien gegen ein dem nationalen Recht vergleichbares Niveau: Die Ermittlung hinreichender Bestimmtheit durch den EuGH wird nach wie vor sehr knapp abgehandelt. Ausführungen dazu erfolgen in wenigen Sätzen und mehr durch Feststellungen als infolge einer Subsumtion.384 Vertiefte Auseinandersetzungen mit einzelnen Regelungen finden nicht statt. Das mag auch damit zusammenhängen, dass der EuGH Grundrechtsfragen bislang vor allem als Kompetenzfragen behandelt. Die eigentlich maßgebliche Perspektive des Grundrechtsträgers verliert er dabei aus dem Blick.385 Restriktives Potenzial kann das Bestimmtheitsgebot dann kaum entwickeln. Jedenfalls in Bezug auf die Auslegung von Unionsrecht misst der EuGH außerdem dem Wortlaut einer Regelung keine große Bedeutung zu: Seine sprachenvergleichende Auslegung führt, darauf ist an späterer Stelle noch genauer einzugehen,386 regelmäßig dazu, dass einer bestimmten Sprachfassung der Vorzug gegeben wird, eine andere hingegen zurücktreten muss. Letztlich setzt der EuGH das erforderliche Maß an Bestimmtheit daher wohl niedriger an, als es im nationalen Verfassungsrecht getan wird.387 Insoweit wird das durch die Grundrechtecharta gewährleistete Schutzniveau bei einer Prüfung allein des Art. 103 Abs. 2 GG also nicht beeinträchtigt. b) Erfordernis einer Rechtsgrundlage Daneben muss die Strafbarkeit nach Art. 49 Abs. 1 S. 1 GRCh auf einer Rechtsgrundlage beruhen. Die damit verbundenen Anforderungen sind im Folgenden nur insofern zu untersuchen, als sie sich an das nationale Recht richten. Ob das Unionsrecht (möglicherweise weitergehende) Anforderungen an den Unionsgesetzgeber stellt, interessiert hier nicht. Dass die geforderte Rechtsgrundlage in einem weniger strengen Sinne als im nationalen Verfassungsrecht zu verstehen ist, liegt nahe: Nach Art. 103 383  Ebenso

Langheld, Vielsprachige Normenverbindlichkeit, S. 127. etwa EuGH C-72/15, EuZW 2017, 529 Rn. 165 ff. – „Rosneft“. 385  Swoboda, ZIS 2018, 276, 294. 386  Unten S. 282 f. 387  Ebenso Cornelius, Verweisungsbedingte Akzessorietät, S. 379; ders., in: FS Rengier, 461, 467; Dannecker/Bülte, in: Wabnitz/Janovsky/Schmitt, Kap. 2 Rn. 211 (relativierend aber in Rn. 213); Dannecker/Schuhr, in: LK, § 1 Rn. 37; Knierim, in: ERST, Vor §§  58–61 LFGB Rn.  5; Schaut, Europäische Strafrechtsprinzipien, S.  148 f.; relativierend Honstetter, Lebensmittel(straf)rechtlicher Gesundheitsschutz, S. 109: „nahezu identischer Schutz“. 384  Vgl.



VII. Unionsrechtlicher Grundsatz der Gesetzmäßigkeit147

Abs. 2 GG muss die Strafbarkeit „gesetzlich“ bestimmt sein. Unbestritten ist damit zumindest ein Verbot von Gewohnheitsrecht verbunden.388 Das Unions­grundrecht spricht hingegen in seiner Überschrift vom Grundsatz der „Gesetzmäßigkeit“; die Tat muss ferner nach innerstaatlichem oder interna­ tionalem „Recht“ – und nicht „Gesetz“ – strafbar sein. Auf ähnliche Begriffe stellen auch andere Sprachfassungen ab, beispielsweise ist in der englischen von „law“ und in der französischen von „droit“ die Rede.389 Damit muss die geforderte Rechtsgrundlage nicht zwangsläufig als schriftliche Rechtsgrundlage interpretiert werden. Die Verhängung einer Strafe könnte sich dann auch auf Gewohnheitsrecht stützen.390 Ein entsprechendes Verständnis legt der EGMR in seiner Rechtsprechung zum fast gleichlautenden Art. 7 Abs. 1 S. 1 EMRK zugrunde.391 Fehlte es aber an einem Verbot von Gewohnheitsrecht, erübrigt sich die Frage, ob Art. 49 Abs. 1 S. 1 GRCh auch einen Parlamentsvorbehalt kennt; schließlich ist ein Parlamentsgesetz ein schriftliches Gesetz. Der EuGH hat sich zur Problematik bislang nicht eindeutig geäußert.392 In verschiedenen Entscheidungen fordert er, nicht speziell auf das Strafrecht bezogen, für hoheitliche Eingriffe eine Rechtsgrundlage.393 Das wird teilweise so verstanden, er erkenne zumindest insoweit einen Vorbehalt des schriftlichen Gesetzes an.394 Allerdings kommt als „Rechtsgrundlage“, von 388  Oben

S. 89 f. dieser Argumentation Eser/Kubiciel, in: Meyer/Hölscheidt, Art. 49 Rn. 13 f.; dies zugestehend auch Schaut, Europäische Strafrechtsprinzipien, S. 127. 390  So Braum, Europäische Strafgesetzlichkeit, S. 41; Dannecker/Schuhr, in: LK, § 1 Rn. 34, 41; Eser/Kubiciel, in: Meyer/Hölscheidt, Art. 49 Rn. 14; Frenz, Handbuch Europarecht, Bd. 4, Rn. 5114, 5122; Gaede, in: Böse, Europäisches Strafrecht, § 3 Rn. 90; Heger, in: Böse, Europäisches Strafrecht, § 5 Rn. 122; Langbauer, Strafrecht vor den Unionsgerichten, S. 148 f.; R. Schröder, in: Frankfurter Kommentar, Art. 49 GRCh Rn. 6. 391  EGMR 20166/92, ÖJZ 1996, 356, 357; 23536/94 u. a., NJW 2001, 1995 Rn. 36; 34044/96 u. a., NJW 2001, 3035 Rn. 50. Diese Rechtsprechung wird von EuG T-99/04 Slg. 2008, II-1501 Rn. 140 – „AC-Treuhand/Kommission“ zusammengefasst, was ein Zueigenmachen nahelegt. 392  Bezogen auf das Gebot eines Parlamentsgesetzes Bülte, BB 2016, 3075, 3077 (bezogen auf das EuG); vgl. ders., NZWiSt 2017, 161, 164 Fn. 49; Honstetter, Lebensmittel(straf)rechtlicher Gesundheitsschutz, S. 109. Auch in EuGH C-240/90, Slg. 1992, I-5383 Rn. 30 ff. – „Deutschland/Kommission“ wird kein Parlamentsvorbehalt anerkannt; der von Schaut, Europäische Strafrechtsprinzipen, S. 206 ff. aus dieser Entscheidung gezogene Umkehrschluss ist zu weitgehend. 393  EuGH C-46/87 u. a., Slg. 1989, 2859 Rn. 19 – „Hoechst“; bezogen auf Sank­ tionen EuGH C-117/83, Slg. 1984, 3291 Rn. 11 – „Könecke/Balm“; C-172/89, Slg. 1990, I-4677 Rn. 9 – „Vandemoortele“. 394  Hilf/Classen, in: FS Selmer, 71, 81; wohl auch Gröblinghoff, Verpflichtung des deutschen Strafgesetzgebers, S. 117 f.; Rieckhoff, Vorbehalt des Gesetzes, S. 227. 389  Zu

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der in den Entscheidungen überwiegend gesprochen wird,395 auch Gewohnheitsrecht in Betracht. In neueren Entscheidungen heißt es zwar, die Strafbarkeit müsse „gesetzlich“ definiert396 beziehungsweise aus dem „Gesetz“ erkennbar sein.397 Weitere erläuternde Ausführungen zu diesen Begriffen fehlen indes. Die Terminologie des EuGH muss deshalb nicht zwangsläufig als Bekenntnis zu einem Schriftlichkeitsgebot verstanden werden. Das Gericht orientiert sich offenbar vielmehr unbewusst an schriftlichen Gesetzen, weil die meisten Rechtsordnungen in der EU ohnehin ein Schriftlichkeitsgebot kennen398 und sich das Problem vor dem EuGH daher bislang nie stellte. Vereinzelt wird in der Literatur dagegen ein Schriftlichkeitsgebot angenommen.399 Aus den der EU zugrunde liegenden Werten der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit (vgl. Art. 2 EUV) ergebe sich ein allgemeiner Gesetzesvorbehalt, der auch im Strafrecht und damit innerhalb des Art. 49 Abs. 1 S. 1 GRCh greifen müsse.400 In eine ähnliche Richtung zielen Versuche, einen Parlamentsvorbehalt (womit zugleich ein Schriftlichkeitsgebot anerkannt würde) als allgemeinen Rechtsgrundsatz des Unionsrechts aus den mitgliedstaatlichen Verfassungen abzuleiten.401 Entsprechende Untersuchungen zei395  EuGH C-117/83, Slg. 1984, 3291 Rn. 11 – „Könecke/Balm“; C-172/89, Slg. 1990, I-4677 Rn. 9 – „Vandemoortele“; in EuGH C-46/87 u. a., Slg. 1989, 2859 Rn. 19 – „Hoechst“ ist einmal von „Rechtsgrundlage“ und einmal von den „gesetzlich vorgesehenen Gründen“ die Rede. 396  EuGH C-194/14 P, EuZW 2016, 19 Rn. 40 – „AC-Treuhand/Kommission“. 397  EuGH C-74/95 u. a., Slg. 1996, I-6609 Rn. 25 – „Strafverfahren gegen X“; C-303/05, Slg. 2007, I-3633 Rn. 50 – „Advocaten voor de Wereld“; C-546/09, Slg. 2011, I-2531 Rn. 42 – „Aurubis Balgaria“; EuGH C-72/15, EuZW 2017, 529 Rn. 162 – „Rosneft“; C-42/17, NJW 2018, 217 Rn. 56 – „M. A.S. und M.B.“. 398  Vgl. Dannecker/Schuhr, in: LK, § 1 Rn. 34, 45. Schuhr, in: Kudlich/Montiel/ Schuhr, Gesetzlichkeit und Strafrecht, 255, 265 folgert daraus „eine zumindest unterschwellig starke Tendenz zugunsten eines Schriftlichkeitserfordernisses“. 399  Schaut, Europäische Strafrechtsprinzipien, S. 129 ff.; Schulze-Fielitz, in: Dreier, Art. 103 II Rn. 8; ebenso Lemke, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, Art. 49 GRCh Rn. 8, die das jedoch verfehlt als Frage der Rechtfertigung aus Art. 52 GRCh herleitet, während es hier um den Schutzbereich geht. Satzger, in: Böse, Europäisches Strafrecht, § 2 Rn. 64 nimmt sogar ein Gebot des Parlamentsgesetzes an, belegt dies aber mit Rechtsprechung des BVerfG. 400  Schaut, Europäische Strafrechtsprinzipien, S. 129 ff. 401  Fromm, Schutz der Finanzinteressen, S. 189 f., 233 ff.; Gröblinghoff, Verpflichtung des deutschen Strafgesetzgebers, S. 119  ff.; Moll, Europäisches Strafrecht, S. 247 ff.; vgl. zum Strafrecht im weiten, das heißt nicht nur kriminalstrafrechtlichen Sinne Heitzer, Punitive Sanktionen, S. 158 ff.; auf diese Untersuchungen Bezug nehmend Aksungur, Europäische Strafrechtsetzungskompetenzen, S. 444; Rieckhoff, Vorbehalt des Gesetzes, S. 227; Satzger, Europäisierung, S. 129; Schaut, Europäische Strafrechtsprinzipien, S. 203.



VII. Unionsrechtlicher Grundsatz der Gesetzmäßigkeit149

gen, dass in allen Rechtsordnungen die Strafgesetzgebung im Ausgangspunkt zur Kompetenz des Parlaments gehört. Delegationen an die Exekutive sind aber zumeist in größerem Umfang als in Deutschland möglich. Die in Deutschland bestehenden Grenzen finden sich in dieser Ausgestaltung nicht.402 Nur in diesem Umfang eines „gelockerten Parlamentsvorbehalts“403 kann auch auf unionaler Ebene ein entsprechender Grundsatz, der zugleich ein Schriftlichkeitsgebot enthält, anerkannt werden. Gefordert ist dann ein Mindestmaß der Möglichkeit inhaltlicher Einflussnahme durch das Parlament.404 Die durch die EU anerkannten und für den Parlamentsvorbehalt zentralen Werte der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit streiten hierfür. Jedoch unterschreiten die so ermittelten Ansätze eines Parlamentsvorbehalts die Anforderungen, die Art. 103 Abs. 2 GG an eine formellgesetzliche Grundlage stellt. c) Zwischenergebnis Im Ergebnis zeigt sich: Die Vorgaben des Art. 49 Abs. 1 S. 1 GRCh in seinen Ausprägungen als Bestimmtheitsgebot und als Erfordernis einer Rechtsgrundlage sind weniger streng als die des nationalen Gesetzlichkeitsprinzips. Eine Prüfung allein anhand von Art. 103 Abs. 2 GG beeinträchtigt somit nicht, wie es der EuGH fordert, den durch die Unionsgrundrechte gewährleisteten Schutz. Vielmehr ist mit ihr, in den Worten des BVerfG, das unionale Schutzniveau mitabgedeckt. 6. Keine Beeinträchtigung der Wirksamkeit des Unionsrechts Gleichwohl steht noch nicht endgültig fest, dass es allein darauf ankommt, Art. 103 Abs. 2 GG zu prüfen. Zuvor muss die weitere vom EuGH aufgestellte Voraussetzung untersucht werden, wonach die parallele Anwendbarkeit des nationalen Grundrechts nicht Vorrang, Einheit und Wirksamkeit des Unionsrechts beeinträchtigen darf.405 Soweit dabei auf den Vorrang abgestellt 402  Fromm, Schutz der Finanzinteressen, S. 190; Gröblinghoff, Verpflichtung des deutschen Strafgesetzgebers, S. 125; Moll, Europäisches Strafrecht, S. 255 f. 403  Aksungur, Europäische Strafrechtsetzungskompetenzen, S. 445. 404  Aksungur, Europäische Strafrechtsetzungskompetenzen, S. 445; Fromm, Schutz der Finanzinteressen, S. 234; Gröblinghoff, Verpflichtung des deutschen Strafgesetzgebers, S. 125; Moll, Europäisches Strafrecht, S. 257 f.; Rieckhoff, Vorbehalt des Gesetzes, S. 228; Satzger, Europäisierung, S. 130; Schaut, Europäische Strafrechtsprinzipien, S. 204. 405  Oben S. 136.

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B. Ermittlung eines verfassungsrechtlichen Maßstabs

wird, ist dies freilich zirkulär, da gerade zu klären ist, ob der Vorrang greift.406 Und auch die Einheit des Unionsrechts ist nicht schon dann beeinträchtigt, wenn die Grundrechte der verschiedenen Mitgliedstaaten zu unterschiedlichen Ergebnissen führen.407 Das maßgebliche Kriterium ist folglich die Wirksamkeit. Angesprochen ist damit der unionsrechtliche effet utile.408 Es ließe sich in diesem Zusammenhang argumentieren, nur mit der Rückverweisungstechnik könne Sanktionierungspflichten aus Unionsrecht effektiv nachgekommen werden. Wie gesehen wird die Einschaltung des nationalen Verordnungsgebers als vorteilhaft betrachtet, um das nationale Strafrecht schnell an das sich häufig ändernde Unionsrecht anzupassen und dem Entstehen von Strafbarkeitslücken vorzubeugen.409 Müsste diese Gesetzestechnik an den gegenüber Art. 49 Abs. 1 S. 1 GRCh höheren Anforderungen des Art. 103 Abs. 2 GG gemessen und eventuell für verfassungswidrig erklärt werden, könnte dies also die Wirksamkeit des Unionsrechts berühren.410 Ob die Rückverweisungstechnik nach dem nationalen Gesetzlichkeitsprinzip tatsächlich verfassungswidrig, nach dem unionalen Grundsatz der Gesetzmäßigkeit hingegen zulässig ist, lässt sich zwar ohne Vorgriff auf die konkrete Prüfung nicht endgültig feststellen. Doch genügt an dieser Stelle der Hinweis, dass es durchaus möglich erscheint: Art. 49 Abs. 1 S. 1 GRCh steht der Rückverweisungstechnik, zumindest was die Frage nach der Rechtsgrundlage betrifft, kaum entgegen,411 da insoweit allenfalls ein Mindestmaß inhaltlicher Einflussnahme durch das Parlament gefordert ist. In Bezug auf Art. 103 Abs. 2 GG ist dagegen fraglich, ob der Verordnungsgeber nicht einen unzulässig großen Einfluss insbesondere auf die Sanktionsnorm erlangt. Grundrechtsschutz, S. 105. Rung, Grundrechtsschutz, S. 105 f. 408  Vgl. Dannecker, ZIS 2016, 723, 729; Staffler, ZStW 130 (2018), 1147, 1161; anders Streinz/Michl, in: Streinz, Art. 53 GRCh Rn. 6: Die vom EuGH aufgestellte Einschränkung diene nur dazu, zu Fällen zwingender unionsrechtlicher Vorgaben abzugrenzen. 409  Dazu oben S. 66 f. 410  Vgl. die Erwägung bei Dannecker, ZIS 2016, 723, 729; ders., in: FS Höpfel, 577, 601; in diese Richtung, aber nicht im Kontext des unionalen Gesetzmäßigkeitsgrundsatzes, Boch, ZLR 2017, 317, 325 für das Lebensmittelrecht. Nach Pohlreich, HRRS 2020, 481, 483 droht keine Beeinträchtigung des effet utile, wenn das Unionsrecht dem Mitgliedstaat keine bestimmte Sanktionsart vorgibt. Das überzeugt nicht. Erfüllt ein Mitgliedstaat die Sanktionierungspflicht durch Erlass eines Strafgesetzes und ist dieses nach nationalen Maßstäben verfassungswidrig, ist der Mitgliedstaat seiner Verpflichtung nicht nachgekommen. Das beeinträchtigt den effet utile, unabhängig davon, welchen Spielraum der Mitgliedstaat bei Umsetzung seiner Verpflichtung theoretisch gehabt hätte. 411  Vgl. Bülte, BB 2016, 3075, 3077; Dannecker, ZIS 2016, 723, 729; Honstetter, NZWiSt 2017, 325, 328. 406  Rung, 407  Vgl.



VII. Unionsrechtlicher Grundsatz der Gesetzmäßigkeit151

Indes ist der Verweis darauf, Sanktionierungspflichten aus Unionsrecht könne nur über die Rückverweisungstechnik effektiv nachgekommen werden, zu pauschal. Es müsste jeweils auch im Einzelfall gezeigt werden, dass Unionsrecht so schnell und häufig geändert wird, dass die Anpassung des nationalen Rechts hieran dem Verordnungsgeber überlassen werden muss. Für das Blankettstrafgesetz des § 10 Abs. 1 RiFlEtikettG a. F. wurde dies beispielsweise verneint. Die insofern relevanten Vorschriften der VO (EG) Nr. 1760/2000 wurden während ihrer rund 15 Jahre langen Bewehrung durch die nationale Strafvorschrift im RiFlEtikettG nur zweimal geändert.412 Darüber hinaus sprechen aber auch generelle Erwägungen gegen die Gefahr, der effet utile werde zwingend beeinträchtigt: EU-Verordnungen haben, von Ausnahmen abgesehen, bis zu ihrem Erlass und Inkrafttreten eine längere Vorlaufzeit, der Mitgliedstaat kann sich folglich auf ihre Geltung vorbereiten.413 Dazu trägt bei, dass die EU nach Art. 12 lit. a EUV die nationalen Parlamente über Entwürfe von Gesetzgebungsakten informiert. Zudem kann die Exekutive in Gestalt der einzelnen Ministerien Veränderungen im Unions­ recht überwachen und auf diese Weise dem parlamentarischen Gesetzgeber – wie sie es ohnehin bereits tut – zuarbeiten.414 Es ist somit denkbar, unionale Verhaltensnormen auch mittels einer anderen gesetzestechnischen Ausgestaltung wirksam zu bewehren, bei der der parlamentarische Gesetzgeber alles oder jedenfalls mehr selbst festlegt.415 Zweifelsohne erleichtert die Rückverweisungstechnik die Bewehrung, ist also für den Gesetzgeber nützlich. Sie ist aber, und das ist entscheidend, nicht das einzige mögliche Mittel, mit dem er seine unionsrechtlichen Pflichten erfüllen kann. Gestützt wird dieses Ergebnis durch den obigen Befund, wonach der nationale Verordnungsgeber die statische Verweisung, mit der er in der das Blankettgesetz ausfüllenden Rechtsverordnung auf eine EU-Verordnung Bezug nimmt, oft nicht rechtzeitig anpasst.416 Die Rückverweisungstechnik gewährleistet somit in der Praxis ohnehin nicht immer eine effektive, lückenlose Bewehrung von Unionsrecht. Entsprechend kann der effet utile im Fall ihrer Verfassungswidrigkeit kaum wesentlich beeinträchtigt sein. Damit ist auch die letzte Hürde genommen, um Art. 103 Abs. 2 GG weiterhin anwenden zu können. Als Ergebnis kann daher festgehalten werden: Die Rückverweisungstechnik ist auch in den Fällen, in denen Unionsgrund412  Vgl. LG Berlin (572) 242 AR 27/12 NS (82/12), NZWiSt 2016, 112, 117, dort auf den Zeitraum bis zum Tatzeitpunkt bezogen und daher nur von einer Änderung ausgehend. 413  Dannecker, ZIS 2016, 723, 730; ders., in: FS Höpfel, 577, 602. 414  Vgl. LG Berlin (572) 242 AR 27/12 NS (82/12), NZWiSt 2016, 112, 117. 415  Dazu noch unten S. 310 ff. 416  Oben S. 68.

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B. Ermittlung eines verfassungsrechtlichen Maßstabs

rechte anwendbar sind, einer Kontrolle nach Art. 103 Abs. 2 GG zugänglich. Eine Prüfung auch anhand des Art. 49 Abs. 1 S. 1 GRCh erübrigt sich. 7. Berührung der Verfassungsidentität? In der strafrechtlichen Literatur zur Rückverweisungstechnik wird zum Teil ein anderer Weg gewählt, der im Ergebnis ebenfalls darauf hinausläuft, den nationalen Grundrechteschutz für anwendbar zu erklären: Die Inhalte des Art. 103 Abs. 2 GG sollen Teil der von Art. 79 Abs. 3 GG geschützten Verfassungsidentität sein.417 Auf diesen Ansatz ist nun ergänzend einzugehen. Die Verfassungsidentität ist nach Art. 23 Abs. 1 S. 3 GG integrationsfest, kann also nicht durch Übertragung hoheitlicher Gewalt auf die EU berührt werden.418 Freilich nimmt Art. 79 Abs. 3 GG nicht unmittelbar auf Art. 103 Abs. 2 GG Bezug. Das strafrechtliche Gesetzlichkeitsprinzip als solches ist nicht Teil der Verfassungsidentität. Eine Verbindung kann aber über seine allgemeinen verfassungsrechtlichen Wurzeln hergestellt werden: die in Art. 1 Abs. 1 GG geschützte Menschenwürde und die in Art. 20 GG verankerten Grundsätze der Rechtssicherheit,419 der Demokratie und der Gewaltenteilung.420 Sofern bestimmte Inhalte des strafrechtlichen Gesetzlichkeitsprinzips schon allein aus diesen Grundsätzen ableitbar sind, nehmen sie an der Verfassungsidentität teil. Es zeigt sich dadurch bereits, dass Art. 103 Abs. 2 GG der Europäisierung zumindest nicht in allen seinen Facetten entzogen sein kann. Nur für seinen Kerngehalt kommt ein Schutz in Betracht.421 Zudem ist eine weitere Ein417  Bülte, BB 2016, 3075, 3078; Honstetter, NZWiSt 2017, 325, 328; Schmitz, wistra 2017, 455, 456. 418  BVerfG 2 BvE 2/08 u. a., NJW 2009, 2267 Rn. 219 ff.; 2 BvR 2661/06, NJW 2010, 3422 Rn. 55; 2 BvR 2728/13 u. a., BeckRS 2014, 46922 Rn. 27; 2 BvR 2735/14, NJW 2016, 1149 Rn. 41 f.; 2 BvR 2728/13 u. a., NJW 2016, 2473 Rn. 120, 136 f.; 2 BvR 1685/14 u. a., NJW 2019, 3204 Rn. 119; 2 BvR 1845/18, NJW 2021, 1518 Rn. 58. 419  Der Grundsatz der Rechtssicherheit ist eine Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips. Inwiefern das Rechtsstaatsprinzip, das nicht ausdrücklich in Art. 20 GG genannt wird, als solches von der Verfassungsidentität geschützt wird, ist strittig, dazu Dreier, in: Dreier, Art. 79 III Rn. 49 ff. Das muss in dieser abstrakten Form nicht weiter vertieft werden, denn hier interessiert nur der Teilaspekt der Rechtssicherheit, auf den sogleich näher eingegangen wird. 420  Oben S. 80, 90 ff. 421  Grünwald, MDR 1965, 521, 525; Krey, Strafe, Rn. 99, vgl. C. Schröder, Richtlinien, S.  361 f.; Heise, Europäisches Gemeinschaftsrecht, S. 139; hingegen ohne Beschränkung auf den Kerngehalt Pohlreich, in: BK, Art. 103 Abs. 2 Rn. 43; Remmert, in: Dürig/Herzog/Scholz, Art. 103 Abs. 2 Rn. 7; Roxin/Greco, Strafrecht AT/I, § 5 Rn. 89.



VII. Unionsrechtlicher Grundsatz der Gesetzmäßigkeit153

schränkung zu berücksichtigen: Art. 79 Abs. 3 GG bezieht sich seinem Wortlaut nach nur auf die in Art. 1 und Art. 20 GG enthaltenen „Grundsätze“, sperrt also nur die Aufgabe ihrer grundlegenden Elemente und nicht einzelne Modifikationen.422 Es muss daher ermittelt werden, welche durch Art. 103 Abs. 2 GG gewährleisteten Aspekte zugleich zum Grundsätzlichen der Art. 1 GG und Art. 20 GG gehören. Zum zentralen Gehalt des Rechtsstaatsprinzips in seiner Ausprägung als Prinzip der Rechtssicherheit, wie es von der Verfassungsidentität geschützt wird, wird ein Mindestmaß an inhaltlicher Bestimmtheit einer Norm gezählt.423 Dafür spricht die gewichtige Bedeutung des Bestimmtheitsgebots: Eine Norm kann nur befolgt werden, wenn sie verständlich ist. Insoweit ist auch der Inhalt der freiheitsgewährleistenden Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG Teil der Verfassungsidentität. Entsprechend den genannten Einschränkungen umfasst dies aber nicht das dort vorgesehene Niveau an Bestimmtheit. Vielmehr geht es nur um einen Mindeststandard. Die von Art. 79 Abs. 3 GG geschützte Bestimmtheit ist folglich eine weniger strenge, sie schützt vor gänzlich unbestimmten Normen, die gar keine Rechtssicherheit vermitteln können.424 Vergleichbares ergibt sich, wenn man auf den Bezug der freiheitsgewährleistenden Komponente zur Menschenwürde abstellt. Auch dann wird nur ein Mindestmaß an Bestimmtheit geschützt, denn nur insoweit kann das strafrechtliche Bestimmtheitsgebot überhaupt als Ausprägung der Menschenwürde gesehen werden.425 422  BVerfG 2 BvF 1/69 u. a., NJW 1971, 275, 278; 1 BvR 1170/90 u. a., NJW 1991, 1597, 1599; 2 BvR 1938/93 u. a., NVwZ 1996, 700, 706; Dreier, in: Dreier, Art. 79  III Rn. 26; Herdegen, in: Dürig/Herzog/Scholz, Art. 79 Rn. 110; vgl. Dietz, AöR 142 (2017), 78, 95 f. 423  Vgl. Dietz, AöR 142 (2017), 78, 101 Fn. 151; Herdegen, in: Dürig/Herzog/ Scholz, Art. 79 Rn. 154 (jeweils bezogen auf den Grundsatz der Normenklarheit, der aber wohl im Sinne von Normenbestimmtheit verstanden wird, vgl. dazu auch oben S. 128 ff.); Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. II, § 21 Rn. 86; Sachs, in: Sachs, Art. 79 Rn. 78. 424  Ähnlich Satzger, Europäsierung, S. 113 (bezogen auf unionsrechtliche Kompetenzen); weitergehend Schulz, Änderungsfeste Grundrechte, S. 549 und Heise, Europäisches Gemeinschaftsrecht, S. 140 ff., 150, die das strafrechtliche Bestimmtheitsgebot inhaltlich im von Art. 79 Abs. 3 GG geschützten allgemeinen Bestimmtheitsgebot enthalten sehen. (Heise spricht zwar vom allgemeinen Gesetzesvorbehalt, meint der Sache nach aber das, was hier als allgemeines Bestimmtheitsgebot bezeichnet wird.) Das ist schon deshalb nicht überzeugend, weil Art. 103 Abs. 2 GG insoweit dann nur noch deklaratorischen Charakter hätte. 425  Insoweit ebenso Schulz, Änderungsfeste Grundrechte, S. 547; weitergehend Remmert, in: Dürig/Herzog/Scholz, Art. 103 Abs. 2 Rn. 7; wohl ebenfalls weiter Cornelius, Verweisungsbedingte Akzessorietät, S. 387, ders., in: FS Rengier, 461, 468 f. und Schmitz, wistra 2017, 455, 456.

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B. Ermittlung eines verfassungsrechtlichen Maßstabs

Das Unionsrecht gewährleistet mit Art. 49 Abs. 1 S. 1 GRCh bereits die inhaltliche Bestimmtheit eines Strafgesetzes. Der Maßstab ist hier zwar weniger streng als bei Art. 103 Abs. 2 GG, ein Mindestbestand an Rechtssicherheit ist aber garantiert. Das von der Verfassungsidentität geschützte Niveau ist damit erreicht. Diesbezüglich sperrt die Verfassungsidentität also nicht die Anwendbarkeit der Grundrechtecharta. Zu den zentralen Bestandteilen des Demokratie- und Gewaltenteilungsgrundsatzes gehört der Vorbehalt des Gesetzes. Weil seine genaue Reichweite jedoch unklar ist, sollte er nur in einem engen Anwendungsbereich von Art. 79 Abs. 3 GG erfasst sein, nämlich insofern, als es um den besonders wichtigen Schutz des Bürgers vor belastenden Eingriffen in subjektive Rechte geht.426 Das Strafrecht ermächtigt zu derartigen Eingriffen, weswegen auch der Inhalt der kompetenzwahrenden Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG Teil der Verfassungsidentität ist.427 Wiederum bedeutet das aber nur, dass sein Kerngehalt geschützt ist und nicht das in Rechtsprechung und Literatur gefundene konkrete Niveau.428 Ein Strafgesetz muss also in jedem Fall unter Beteiligung des Parlaments zustande kommen. Die Art der Beteiligung und der konkrete Umfang ist durch Art. 79 Abs. 3 GG nicht vorgegeben. Im Unionsrecht besteht ein – wenn auch gelockerter – Parlamentsvorbehalt als allgemeiner aus den Verfassungen der Mitgliedstaaten abgeleiteter Grundsatz. Er gewährleistet ein Mindestmaß an inhaltlicher Einflussnahme durch das Parlament. Der Verfassungsidentität ist damit ausreichend Rechnung getragen. Art. 79 Abs. 3 GG erfasst folglich zwar grundlegende Inhalte des Art. 103 Abs. 2 GG, dies aber nur in einem Umfang, den das Unionsrecht bereits berücksichtigt. Für die Bestimmtheit und den Gesetzesvorbehalt vermag es die Verfassungsidentität nicht, einen über die Grundrechtecharta hinausgehenden nationalen Grundrechteschutz zu begründen. Dass Art. 103 Abs. 2 GG bei

426  Ähnlich Herdegen, in: Dürig/Herzog/Scholz, Art. 79 Rn. 154, 140; Bryde, in: von Münch/Kunig, Art. 79 Rn. 60; Dreier, in: Dreier, Art. 79 III Rn. 52; Sachs, in: Sachs, Art. 79 Rn. 76; wohl weitergehend Bülte, BB 2016, 3075, 3078, Dietlein, in: BeckOK-GG, Art. 79 Rn. 46, Dietz, AöR 142 (2017), 78, 101 und Kment/Fimpel, Jura 2021, 1288, 1293, die den Vorbehalt des Gesetzes ohne Einschränkung nennen. Die Genannten hängen den Vorbehalt des Gesetzes zum Teil auch am Rechtsstaatsprinzip auf. 427  I. Erg. ebenso Bülte, BB 2016, 3077, 3078; Honstetter, NZWiSt 2017, 325, 328; Remmert, in: Dürig/Herzog/Scholz, Art. 103 Abs. 2 Rn. 7; Schünemann, GA 2004, 193, 201; M. Wagner, Akzessorietät, Rn. 569; vgl. Honstetter, Lebensmittel(straf)­ rechtlicher Gesundheitsschutz, S. 110. 428  Vgl. Satzger, Europäisierung, S. 114 (bezogen auf unionsrechtliche Kompetenzen); weitergehend Schulz, Änderungsfeste Grundrechte, S. 550.



VIII. Zusammenfassung zu Kapitel B.155

der hier vorzunehmenden Prüfung anwendbar ist, lässt sich allein mit der zuvor vorgenommenen Untersuchung begründen.

VIII. Zusammenfassung zu Kapitel B. Für die Prüfung der Rückverweisungstechnik bildet vor allem das Gesetzlichkeitsprinzip des Art. 103 Abs. 2 GG den relevanten Maßstab. Seine freiheitsgewährleistende Komponente – das Bestimmtheitsgebot – erfordert, dass der Normadressat das strafbare Verhalten mit zumutbarem Aufwand aus Blankettstrafgesetz und dessen Ausfüllungsobjekten ermitteln kann. Dabei spielt es keine Rolle, ob und inwiefern die Strafbarkeit formellgesetzlich bestimmt ist. Auch nichtformellgesetzliche Ausfüllungsobjekte, wie nationale Rechtsverordnungen und EU-Verordnungen, sind in die Prüfung einzubeziehen. Nach der kompetenzwahrenden Komponente – dem Vorbehalt des formellen Gesetzes – hat der parlamentarische Gesetzgeber selbst alle wesentlichen Entscheidungen über die Strafbarkeit zu treffen, anderen Instanzen darf er nur Spezifizierungen überlassen. Das bedeutet, dass er im förmlichen Gesetz abschließend über die Sanktionsnorm entscheiden und die erfassten Verhaltensnormen wenigstens abstrakt festlegen muss, indem er das geschützte Rechtsgut definiert und die erfassten Verhaltensweisen grob umschreibt. Die kompetenzwahrende Komponente ist somit, anders als die freiheitsgewährleistende, allein mit Blick auf das formelle Gesetz zu beurteilen. Das Gesetzlichkeitsprinzip gilt ebenfalls im Ordnungswidrigkeitenrecht, hinsichtlich seiner kompetenzwahrenden Komponente sind dabei jedoch Abstriche zu machen: Die nichtparlamentarische Instanz darf auch begrenzten Einfluss auf die Sanktionsnorm nehmen. Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG ist zwar ebenfalls anwendbar, stellt aber keine abweichenden Anforderungen und kann daher außer Betracht bleiben. Nach Art. 80 Abs. 1 S. 1 GG muss der Verordnungsgeber zur Ausfüllung des Blankettstrafgesetzes gesetzlich ermächtigt sein. Das Bestimmtheitsgebot des S. 2 hat hingegen neben Art. 103 Abs. 2 GG keine eigenständige Bedeutung. Aus dem Verkündungsgebot ergeben sich keine Probleme bei Verweisungen auf nationale Rechtsverordnungen und EU-Verordnungen. Allgemeinere Bestimmungen, wie das allgemeine Bestimmtheitsgebot und der allgemeine Vorbehalt des Gesetzes treten hinter Art. 103 Abs. 2 GG zurück. Ein Gebot der Normenklarheit als eigenständiges Gebot anzuerkennen, ist überflüssig; seine Inhalte sind bereits in Art. 103 Abs. 2 GG enthalten. Der unionsrechtliche Grundsatz der Gesetzmäßigkeit aus Art. 49 Abs. 1 S. 1 GRCh ist zwar auf viele Blankettstrafgesetze mit Rückverweisungsklau-

156

B. Ermittlung eines verfassungsrechtlichen Maßstabs

sel anwendbar, insbesondere wenn sie unionsrechtsakzessorisch ausgestaltet sind. Doch bleibt das nationale Gesetzlichkeitsprinzip daneben anwendbar. Weil dieses die strengeren Anforderungen enthält und der unionsrechtliche effet utile dadurch nicht zwangsläufig beeinträchtigt wird, kommt es im Ergebnis auf Art. 49 Abs. 1 S. 1 GRCh nicht mehr an. Er kann für die Prüfung außer Betracht bleiben.

C. Verfassungsrechtliche Beurteilung der nationalrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik Es gilt nun, den verfassungsrechtlichen Maßstab auf die Rückverweisungstechnik anzuwenden. Dabei soll in diesem Kapitel die nationalrechtsakzessorische Rückverweisungstechnik in den Blick genommen werden. Die unionsrechtsakzessorische Rückverweisungstechnik wird im anschließenden Kapitel untersucht. Bei der Entwicklung des verfassungsrechtlichen Maßstabs hat sich bereits gezeigt, dass die Blankettstrafgesetzgebung nicht grundsätzlich unzulässig ist. Über die Zulässigkeit der konkreten Ausgestaltung eines Blankettstrafgesetzes mit Rückverweisungsklausel ist damit aber noch nichts gesagt. Um diese Frage zu beantworten, sind dessen einzelne Bestandteile zu untersuchen: Begonnen werden soll mit der im Blankettstrafgesetz enthaltenen Verweisung auf Rechtsverordnungen (dazu I.). Sodann wird die daran angehängte Rückverweisungsklausel näher beleuchtet (dazu II.). Zuletzt sind die in der Rechtsverordnung enthaltenen Weiterverweisungen zu prüfen sowie die dadurch entstehende Verweisungskette (dazu III.).

I. Die Verweisung auf Rechtsverordnungen Die Verweisung auf Rechtsverordnungen ist im ersten Teil des Blankettstrafgesetzes enthalten: „Mit … wird bestraft/Ordnungswidrig handelt, wer einer Rechtsverordnung nach § y zuwiderhandelt“. Es handelt sich um eine Außenverweisung, die dynamisch, pauschal und halb-explizit ausgestaltet ist.1 1. Ausgestaltung als dynamische Außenverweisung Zunächst ist die Ausgestaltung als dynamische Außenverweisung auf den Prüfstand zu stellen. Dynamische Außenverweisungen auf Rechtsverordnungen werfen Probleme hinsichtlich beider Komponenten des Art. 103 Abs. 2 GG auf. Befürchtet wird nicht nur eine Entmachtung des parlamentarischen Gesetzgebers, was die kompetenzwahrende Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG betrifft, sondern auch erhöhte Schwierigkeiten im Verständnis der Rege1  Oben

S. 33 ff.

158 C. Beurteilung der nationalrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik

lung, womit die freiheitsgewährleistende Komponente angesprochen ist. Dynamische Außenverweisungen wurden insbesondere früher, zum Teil aber auch heute noch als verfassungswidrig angesehen,2 während die nunmehr herrschende Meinung sie als grundsätzlich zulässig anerkennt.3 Zur näheren Untersuchung der genannten Einwände ist zwischen den beiden Komponenten des Art. 103 Abs. 2 GG zu trennen. a) Vorbehalt des formellen Gesetzes (kompetenzwahrende Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG) aa) Generelle Zulässigkeit Wird dynamisch auf eine Rechtsverordnung verwiesen, erlangt die Exe­ kutive Einfluss auf die Regelung der Strafbarkeit. Dies markiert den Unterschied zu Binnenverweisungen, bei denen der Gesetzgeber auch für das Verweisungsobjekt zuständig ist,4 sowie zu statischen Außenverweisungen: Bei einer statischen Außenverweisung existiert die in Bezug genommene Rechtsverordnung im Zeitpunkt des Erlasses des Blankettstrafgesetzes bereits. Der parlamentarische Gesetzgeber konnte daher ihren Inhalt prüfen5 2  Hassemer/Kargl, in: NK, § 1 Rn. 22; Hohmann, ZIS 2007, 38, 45; ebenso Bülte, JuS 2015, 769, 772 und Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht, Rn. 250, die dynamische Verweisungen in statische umdeuten möchten; im nichtstrafrechtlichen Zusammenhang Arndt, JuS 1979, 784, 786; Fuß, in: FS Paulick, 293, 299; Karpen, in: Rödig, Theorie der Gesetzgebung, 221, 233, 238; ders., Verweisung, S. 122, 162, 180, der aber im Rahmen des Art. 103 Abs. 2 GG wohl doch dynamische Außenverweisungen für zulässig hält, sofern das Blankettstrafgesetz selbst bereits die Strafbarkeit hinreichend deutlich umschreibt (a. a. O., S. 204); Ossenbühl, DVBl 1967, 401, 404. 3  BVerfG 2 BvR 871/04 u. a., wistra 2010, 396 Rn. 56; 2 BvL 1/15, NJW 2016, 3648 Rn. 43; 2 BvL 5/17, NZWiSt 2020, 263, 272; in diesem Sinne bereits BVerfG 2 BvL 4/62, NJW 1962, 1563, 1564 f.; 2 BvR 836/85, NVwZ-RR 1992, 521; BMJV, Handbuch des Nebenstrafrechts, Rn. 104; Böse, in: FS Krey, 7, 10; Cornelius, Verweisungsbedingte Akzessorietät, S. 323; Debus, Verweisungen, S.  265 f.; Dorneck, in: Stam/Werkmeister, Der Allgemeine Teil des Strafrechts, 9, 27; Enderle, Blankettstrafgesetze, S. 181; Ernst, Blankettstrafgesetze, S. 125 f.; Harms/Heine, in: FS Amelung, 393, 395; Heghmanns, Grundzüge einer Dogmatik, S. 99; Heuser, HRRS 2021, 63, 68; Niehaus, wistra 2004, 206, 208; Pohlreich, in: BK, Art. 103 Abs. 2 Rn. 84; Satzger, Europäisierung, S. 257; Veit, Rezeption technischer Regeln, S. 101; i. Erg. auch Krey, EWR 1981, 109, der dynamische Außenverweisungen zwar grundsätzlich für verfassungswidrig hält (a. a. O., 146), davon aber von ihm so bezeichnete normkonkretisierende Verweisungen ausnimmt (a. a. O., 158 f., 187); im nichtstrafrechtlichen Zusammenhang BVerfG 1 BvR 786/70 u. a., NJW 1978, 1475, 1476; 2 BvL 26/84, BeckRS 1988, 6636 Rn. 23. 4  Cornelius, Verweisungsbedingte Akzessorietät, S.  317 f. 5  BVerfG 1 BvR 786/70 u. a., NJW 1978, 1475, 1476; 1 BvL 17/80, NJW 1985, 1329, 1330; 2 BvR 836/85, NVwZ-RR 1992, 521; Brugger, VerwArch 78 (1987), 1, 21.



I. Die Verweisung auf Rechtsverordnungen159

und nimmt ihn durch den Verweis in seinen Willen auf.6 Eine statische Verweisung stellt sich damit als bloßer Verzicht dar, die in Bezug genommene Regelung noch einmal zu wiederholen;7 Rechtsetzungskompetenzen werden nicht verlagert.8 Bei einer dynamischen Außenverweisung hingegen kann die Rechtsverordnung, selbst wenn sie bei Erlass des Blankettstrafgesetzes bereits existierte, vom Verordnungsgeber nachträglich mit Auswirkung auf das Strafgesetz geändert werden. Im Rahmen der Rückverweisungstechnik existiert die in Bezug genommene Rechtsverordnung zunächst sogar nicht einmal.9 Der Gesetzgeber verweist somit auf einen ihm von Anfang an unbekannten Inhalt. Seine Verweisung führt also zu einer versteckten Verlagerung von Gesetzgebungsbefugnissen.10 Zu kurz greift es, dies mit dem Gedanken zu rechtfertigen, der Gesetzgeber könne die dynamische Verweisung bei einer ungewollten Entwicklung des Verweisungsobjekts jederzeit aufheben.11 Denn die grundsätzliche Pro­ blematik der automatischen Auswirkung des Inhalts des Verweisungsobjekts auf die Verweisungsnorm bleibt und wird durch die Möglichkeit einer bloß nachträglichen Reaktion des Gesetzgebers kaum entschärft: Zum einen wird der ungewollte Zustand bis dahin bereits für einige Zeit Wirkung entfaltet haben,12 zum anderen verpflichten Gesetzesvorbehalte zu einer Entscheidung vor Inkrafttreten der Regelung.13

6  BVerfG 2 BvL 1/15, NJW 2016, 3648 Rn. 43; 2 BvL 5/17, NZWiSt 2020, 263, 271; Clemens, AöR 111 (1986), 63, 100 f.; Marburger, Regeln der Technik, S. 387; Ossenbühl, DVBl 1967, 401, 402; Dorneck, in: Stam/Werkmeister, Der Allgemeine Teil des Strafrechts, 9, 13. 7  BVerfG 1 BvR 786/70 u.  a., NJW 1978, 1475, 1476; Debus, Verweisungen, S. 200; Erne, Bestimmtheitsgebot, S. 73; Kühl, in: FS Lackner, 815, 831; Marburger, Regeln der Technik, S. 387; Moll, Europäisches Strafrecht, S. 73; Satzger, Europäisierung, S. 249. 8  Cornelius, Verweisungsbedingte Akzessorietät, S. 318; Krey, EWR 1981, 109, 140, 176; Marburger, Regeln der Technik, S. 387; Veit, Rezeption technischer Regeln, S. 94. 9  Oben S. 36 f. 10  BVerfG 1 BvR 786/70 u. a., NJW 1978, 1475, 1476; 2 BvR 871/04 u. a., wistra 2010, 396 Rn. 40; 2 BvL 1/15, NJW 2016, 3648 Rn. 59; Arndt, JuS 1979, 784, 785; Krey, EWR 1981, 109, 129; Heuser, HRRS 2021, 63, 68; Moll, Europäisches Strafrecht, S. 68; Veit, Rezeption technischer Regeln, S. 44. 11  So aber Debus, Verweisungen, S. 227; Klindt, DVBl 1998, 373, 376; Brugger, VerwArch 78 (1987), 1, 37. 12  Arndt, JuS 1979, 784, 785; Fuß, in: FS Paulick, 293, 297; Guckelberger, ZG 2004, 62, 76; Veit, Rezeption technischer Regeln, S. 45. 13  Guckelberger, ZG 2004, 62, 76 (auf das Demokratieprinzip bezogen).

160 C. Beurteilung der nationalrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik

Stattdessen ist auf die oben herausgearbeiteten Grenzen abzustellen, wonach der parlamentarische Gesetzgeber die wesentlichen Voraussetzungen der Strafbarkeit festlegen muss: Er muss abschließend über die Sanktionsnorm bestimmen und die erfassten Verhaltensnormen über das geschützte Rechtsgut und eine grobe Verhaltensumschreibung charakterisieren.14 Darüber wird die Verlagerung von Gesetzgebungsbefugnissen effektiv beschränkt. Im Übrigen erlaubt Art. 103 Abs. 2 GG die Einbindung anderer Instanzen über dynamische Außenverweisungen. bb) Anwendung auf die Rückverweisungstechnik Misst man Blankettstrafgesetze mit Rückverweisungsklausel an diesen Anforderungen, ist demnach beispielsweise die dynamische Außenverweisung in § 58 Abs. 1 Nr. 18 LFGB zulässig. Dieses Blankettstrafgesetz nimmt gleich mehrere Ermächtigungen in Bezug. Exemplarisch herausgegriffen werden soll die Bezugnahme auf § 13 Abs. 1 Nr. 1, 2 LFGB. § 58 Abs. 1 Nr. 18 LFGB: „Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer […] einer Rechtsverordnung nach […] § 13 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 […] zuwiderhandelt, soweit die Rechtsverordnung für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift verweist.“ § 13 Abs. 1 Nr. 1, 2 LFGB: „Das Bundesministerium wird ermächtigt, […] soweit es zur Erfüllung der in § 1 Absatz 1 Nummer 1 […] genannten Zwecke erforderlich ist, 1. bei dem Herstellen oder Behandeln von Lebensmitteln

a) die Verwendung bestimmter Stoffe oder Gemische aus Stoffen, Gegenstände oder Verfahren zu verbieten oder zu beschränken,



b) die Anwendung bestimmter Verfahren vorzuschreiben,

2. für bestimmte Lebensmittel Anforderungen an das Herstellen, das Behandeln oder das Inverkehrbringen zu stellen […].“ § 1 Abs. 1 Nr. 1 LFGB: „Zweck des Gesetzes ist es, […] bei Lebensmitteln […] den Schutz der Endverbraucher durch Vorbeugung gegen eine oder Abwehr einer Gefahr für die menschliche Gesundheit sicherzustellen […].“

Blendet man die Rückverweisungsklausel an dieser Stelle noch aus, ist im Blankettstrafgesetz die Rechtsfolge der Geld- oder Freiheitsstrafe festgelegt. Die dynamische Außenverweisung auf Rechtsverordnungen bezieht sich allein auf die bewehrten Verhaltensnormen. Zu deren näherer Charakterisierung liefert § 58 Abs. 1 Nr. 18 LFGB keine Anhaltspunkte. Er stellt allein – dem typischen Aufbau eines Blankettgesetzes mit Rückverweisungsklausel 14  Oben

S. 98 ff.



I. Die Verweisung auf Rechtsverordnungen161

entsprechend – darauf ab, dass der Täter der Rechtsverordnung „zuwiderhandelt“, was für sich genommen inhaltsleer bleibt. Doch genügt es, wenn die Festlegungen, welche Verhaltensnormen erfasst sind, an anderer Stelle im formellen Gesetz als die Strafandrohung enthalten sind. Relevant werden damit die formellgesetzlichen § 13 Abs. 1 Nr. 1, 2 und § 1 Abs. 1 Nr. 1 LFGB. Aus § 1 Abs. 1 Nr. 1 LFGB ergibt sich das geschützte Rechtsgut, die Gesundheit. In Verbindung mit der Ermächtigung des § 13 Abs. 1 Nr. 1, 2 LFGB sind zudem die erfassten Verhaltensweisen näher beschrieben, wie etwa das Verwenden eines gesundheitsgefährdenden Stoffes beim Herstellen eines Lebensmittels. Der parlamentarische Gesetzgeber hat folglich die wesentlichen Voraussetzungen hinsichtlich der erfassten Verhaltensnormen definiert. Dem Verordnungsgeber ist über die dynamische Verweisung nur die konkrete Festlegung der bewehrten Verhaltensnormen überlassen: Er benennt beispielsweise diejenigen Stoffe, die zu einer Gesundheitsgefahr führen können, und verbietet beziehungsweise beschränkt ihre Verwendung. Ihm verbleibt also die Regelung technischer Details.15 Dieses Ergebnis lässt sich auf eine Vielzahl weiterer Blankettstrafgesetze mit Rückverweisungsklausel übertragen, da sie ähnlich gestaltet sind wie das eben thematisierte Beispiel im LFGB. Das Blankettgesetz selbst macht nie inhaltliche Vorgaben zu den erfassten Verhaltensnormen. Ebenso wie im LFGB finden sich stattdessen in der Ermächtigung des Verordnungsgebers genauere Angaben. Der Gesetzgeber schränkt die Ermächtigung zu Beginn auf einen bestimmten Zweck ein und listet im Folgenden einzelne, näher beschriebene Aspekte auf, die in der Rechtsverordnung geregelt werden können. Indem der Gesetzgeber die Ermächtigung in diesem Sinne differenziert gestaltet, gelingt es ihm, die wesentlichen Voraussetzungen festzusetzen. Es sind demnach zum Beispiel auch die dynamischen Außenverweisungen in den Blankettstrafgesetzen der § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 14 BtMG, § 27 Abs. 1 Nr. 1 ChemG, § 75 Abs. 2 IfSG, § 69 Abs. 1 Nr. 2 PflSchG oder § 34 Abs. 1 Nr. 5 TabakerzG mit der kompetenzwahrenden Komponente vereinbar. Ferner sind diese Ausführungen auf das Ordnungswidrigkeitenrecht übertragbar. Denn dem Verordnungsgeber wird über die dynamische Außenverweisung nur Einfluss auf die Verhaltensnorm gewährt. In Bezug auf sie ergeben sich für das Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht die gleichen Anforderungen aus der kompetenzwahrenden Komponente.16 In einzelnen Blankettgesetzen mit Rückverweisungsklausel ist die dynamische Außenverweisung dennoch nicht zulässig. Beispielsweise genannt wer15  BVerfG 2 BvL 5/17, NZWiSt 2020, 263, 273; a. A. Schneiderhan, wistra 2022, 50, 52. 16  Oben S. 112.

162 C. Beurteilung der nationalrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik

den kann der Verweis im Blankett­­ ordnungswidrigkeitengesetz des § 58 Abs. 1 Nr. 10 LuftVG. § 58 Abs. 1 Nr. 10 LuftVG: „Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig […] einer Rechtsverordnung nach § 32 […] zuwiderhandelt, soweit die Rechtsverordnung für einen bestimmten Tatbestand auf diese Bußgeldvorschrift verweist […].“ § 32 Abs. 1 S. 1 LuftVG: „Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur erläßt […] Rechtsverordnungen über 1. das Verhalten im Luftraum und am Boden, insbesondere Flugvorbereitungen, Verhalten bei Start und Landung, die Benutzung von Flughäfen, 2. die Bestimmung der näheren Einzelheiten über Zulassung und Marktzugang von Luftfahrtunternehmen, Preisgestaltung, Wettbewerb und Wirtschaftsregulierung im Luftverkehr, 3. die Einteilung, die Größe, die Lage, die Beschaffenheit, die Ausstattung und den Betrieb von Flugplätzen sowie die Verhinderung von Störungen der Flugsicherungseinrichtungen […].“

Die erfassten Verhaltensnormen sind in § 58 Abs. 1 Nr. 10 LuftVG nicht näher eingegrenzt, sodass es wiederum allein auf die Ermächtigung in § 32 LuftVG ankommt. Sie ermächtigt zu einer Vielzahl unterschiedlicher Regelungen und ist hier nur auszugsweise wiedergegeben. In Bezug auf § 32 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 LuftVG kann bei großzügiger Lesart immerhin noch angenommen werden, es gehe darum, die Sicherheit des Luftverkehrs zu schützen. Das vom Verordnungsgeber regelbare Verhalten ist dagegen so pauschal umschrieben, dass bereits viel für die Verfassungswidrigkeit spricht. Spätestens aber bei § 32 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, 3 LuftVG ist die Schwelle zur Verfassungswidrigkeit überschritten. Welches Verhalten sanktioniert werden soll, ist hier allein durch Schlagwörter wie „Preisgestaltung“, „Wettbewerb“ oder „Betrieb von Flugplätzen“ festgelegt. Das ist weit entfernt von einer substanziellen inhaltlichen Beschreibung. Auch ist, etwa hinsichtlich des Betriebs von Flugplätzen, nicht immer erkennbar, was überhaupt geschützt werden soll. Der Gesetzgeber hat also nicht die wesentlichen Voraussetzungen festgelegt. Die dynamische Außenverweisung im Blankettgesetz verlagert somit Regelungsbefugnisse in unzulässigem Ausmaß. Es stellt sich in einem solchen Fall die Frage, ob die verfassungswidrige dynamische Verweisung mittels einer verfassungskonformen Auslegung als statische aufrechterhalten werden kann.17 Das Verweisungsobjekt würde dann ausschließlich in der Fassung in Bezug genommen, in der es bei Verab17  Diese Möglichkeit ist im Grundsatz anerkannt, vgl. BVerfG 1 BvR 786/70 u. a., NJW 1978, 1475, 1477; 1 BvL 17/80, NJW 1985, 1329 f.; Clemens, AöR 111 (1986), 63, 118; Debus, Verweisungen, S.  306 f.; Ernst, Blankettstrafgesetze, S. 128 f.; Krey, EWR 1981, 109, 154; Marburger, Regeln der Technik, S. 394; Ossenbühl, DVBl



I. Die Verweisung auf Rechtsverordnungen163

schiedung des Blankettgesetzes18 galt und vom Gesetzgeber in seinen Willen aufgenommen werden konnte; die verfassungsrechtlichen Bedenken erledigten sich. Denkbar ist das jedoch nur, wenn zum Zeitpunkt der Verabschiedung des Blankettgesetzes das Verweisungsobjekt bereits existierte.19 Da im Rahmen der Rückverweisungstechnik die ausfüllende Rechtsverordnung zeitlich nach dem Blankettgesetz erlassen wird,20 kommt eine verfassungskonforme Auslegung nicht in Betracht. Die Untersuchung zeigt aber, dass die dynamische Außenverweisung ohnehin nur in Einzelfällen mit der kompetenzwahrenden Komponente unvereinbar ist. Zumeist gelingt es dem Gesetzgeber, die wesentlichen Voraussetzungen der Strafbarkeit festzulegen und dadurch die Verlagerung von Gesetzgebungsbefugnissen zu begrenzen. b) Bestimmtheitsgebot (freiheitsgewährleistende Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG) Mit dem Bestimmtheitsgebot, der freiheitsgewährleistenden Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG, sollen dynamische Außenverweisungen deswegen in Konflikt geraten, weil sie – im Gegensatz zu statischen Verweisungen – nie die Fundstelle der ausfüllenden Rechtsverordnung angeben können.21 Auch bleibe es dem Normadressaten überlassen, die jeweils aktuelle Fassung des sich möglicherweise jederzeit ändernden Ausfüllungsobjekts zu finden.22 Die damit aufgeworfene Frage der Zulässigkeit ist im Folgenden für Blankettgesetze des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts gleich zu beantworten, da im Rahmen der freiheitsgewährleistenden Komponente nicht zwischen beiden Rechtsgebieten zu differenzieren ist.23 1967, 401, 408; zum Teil wird auch von verfassungskonformer Umdeutung gesprochen, so etwa Bülte, JuS 2015, 769, 772. 18  Zur Maßgeblichkeit dieses Zeitpunkts Debus, Verweisungen, S. 71; Ernst, Blankettstrafgesetze, S.  19 f. 19  Bode/Seiterle, ZIS 2016, 91, 96. 20  Oben S. 36 f. 21  BVerfG 2 BvR 871/04 u. a., wistra 2010, 396 Rn. 43; Satzger, Europäisierung, S. 254; ders./Langheld, HRRS 2011, 460, 463. Weber, Naturschutz, S. 92 ff. fordert, die Verweisungsnorm müsse die Fundstelle der jeweils aktuellen Version des Verweisungsobjekts angeben. Der Zweck einer dynamischen Verweisung wäre damit indes verkannt: Änderungen des Verweisungsobjekts würden gerade nicht mehr automatisch, sondern erst nach Anpassung der Verweisungsnorm übernommen. 22  Dorneck, in: Stam/Werkmeister, Der Allgemeine Teil des Strafrechts, 9, 26; Hohmann, ZIS 2007, 38, 45; Niehaus, wistra 2004, 206, 208; Satzger, JuS 2004, 943, 948; auf das allgemeine Bestimmtheitsgebot bezogen Karpen, Verweisung, S. 161; ders., in: Rödig, Theorie der Gesetzgebung, 221, 237. 23  Oben S. 109.

164 C. Beurteilung der nationalrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik

Infolge ihrer dynamischen Ausgestaltung ist der Rechtsfindungsaufwand regelmäßig erhöht, den der Bürger betreiben muss, möchte er wissen, worauf sich die Verweisung bezieht. Allein durch das Fehlen einer konkreten Fundstellenangabe wird er aber nicht unzumutbar hoch. Gerade in Zeiten, in denen immer mehr Informationen online zur Verfügung stehen, wird der Normadressat die ausfüllende Rechtsverordnung regelmäßig finden können. Verwiesen sei hier nur auf den kostenlosen Bürgerzugang des Bundesgesetz­ blattes24 oder die vom BMJV und dem Bundesamt für Justiz betriebene Sammlung des Bundesrechts unter www.gesetze-im-internet.de. Beide Seiten enthalten freilich keine amtlichen Normfassungen;25 auch wenn eine rein elektronische Veröffentlichung des Bundesgesetzblattes zumindest geplant ist.26 Faktisch wird die Rechtsfindung durch diese Informationsmöglichkeiten aber dennoch erleichtert. Denn ausgehend von einer unverbindlichen Version des Verweisungsobjekts, die womöglich bereits eine amtliche Fundstelle nennt, findet der Adressat, der sichergehen und den Inhalt mit der amtlichen Version abgleichen möchte,27 leichter die amtliche Fassung. Soweit diese Informationsmöglichkeiten existieren, dürfen sie daher auch berücksichtigt werden.28 Ist die Rechtsverordnung im Bundesanzeiger veröffentlicht, ist im Übrigen bereits heute allein ihre online verfügbare Version verbindlich (§ 5 Abs. 1 VkBkmG) und die Rechtsfindung folglich noch einfacher. Damit schadet es nicht, dass bei dynamischen Verweisungen nie eine Fundstelle angegeben werden kann. Die Stimmigkeit dieses Ergebnisses zeigt sich bei einem Vergleich mit den an statische Verweisungen gestellten Anforderungen: Auch bei ihnen wird eine Fundstellenangabe des Ausfüllungsobjekts nicht als zwingend notwendig erachtet.29 24  https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav 25  Bezogen

(abgerufen am 11.03.2022). auf den Online-Auftritt des Bundesgesetzblattes Mann, in: Sachs,

Art. 82 Rn. 21. 26  Dazu Pieper, in: BeckOK-GG, Art. 82 Rn. 21b. 27  Vgl. in diesem Zusammenhang den Hinweis von Cornelius, Verweisungsbedingte Akzessorietät, S. 357, fehlerhafte Wiedergaben auf www.gesetze-im-internet. de seien bislang wohl noch nicht vorgekommen. 28  Ausführlich Cornelius, Verweisungsbedingte Akzessorietät, S. 354  ff., der sie „als Indiz für eine von Anfang an bestehende Informationsmöglichkeit, die die Bestimmtheit beeinflusst“, versteht, a. a. O., S. 355; Angaben der amtlichen Fundstelle in nichtamtlichen Textfassungen ebenfalls berücksichtigend Krach, Europäisierung, S. 234; trotz Berücksichtigung elektronischer Recherchemöglichkeiten i. Erg. anders Hohmann, ZIS 2007, 38, 46, was jedenfalls heute nicht mehr überzeugt. 29  Ernst, Blankettstrafgesetze, S.  122; Moll, Europäisches Strafrecht, S. 155; Schuster, in: Hilgendorf/Kudlich/Valerius, Handbuch des Strafrechts, Bd. 1, § 4 Rn. 9; auf das allgemeine Bestimmtheitsgebot bezogen Clemens, AöR 111 (1986), 63, 84; Debus, Verweisungen, S. 143; Krey, EWR 1981, 109, 143; vgl. BVerfG 2 BvF 1/64,



I. Die Verweisung auf Rechtsverordnungen165

Die im Rahmen der Rückverweisungstechnik verwendete Verweisung auf Rechtsverordnungen verzichtet freilich nicht nur auf eine Fundstellenangabe, sondern überdies auf eine genaue Bezeichnung der Rechtsverordnung. Dieses Problem ist jedoch nicht Ausfluss des dynamischen Charakters, sondern resultiert aus der Ausgestaltung als Pauschalverweisung und wird daher erst später thematisiert.30 Präzisiert werden muss der weitere Einwand, es sei schwierig, das derzeit aktuelle Ausfüllungsobjekt zu finden. Nicht überzeugen kann er, sofern die Schwierigkeiten dahingehend verstanden werden, der Normadressat müsse sich auf tägliche Änderungen des Ausfüllungsobjekts einstellen.31 Dieser Umstand haftet dem Recht im Allgemeinen an und nicht allein dynamischen Verweisungen. Der Bürger muss schließlich bei jeder Norm – unabhängig von der verwendeten Gesetzestechnik – damit rechnen, dass sie sich künftig ändert.32 So muss er bei einer statischen Verweisung, wenn auch nicht die Entwicklung des Ausfüllungsobjekts, doch zumindest die Entwicklung des Blankettstrafgesetzes verfolgen. Bei einem Vollstrafgesetz muss er auf Änderungen dieses Gesetzes achten. Eine echte strukturelle Besonderheit besteht bei dynamischen Verweisungen allein darin, dass beim Adressaten eine gewisse Unsicherheit darüber verbleiben kann, tatsächlich die aktuelle Version des Ausfüllungsobjekts, das heißt der rückverweisenden Rechtsverordnung, gefunden zu haben.33 Auch dieser Umstand wiegt aber nicht so schwer, dass die Ermittlung der Rechtslage unzumutbar würde. Über die genannten und berücksichtigungsfähigen Internetquellen lassen sich auch konsolidierte Fassungen von Rechtsverordnungen ohne größeren Aufwand finden, etwa unter www.gesetze-im-internet. de. Auch wenn sie nicht amtlich sind, geben sie faktisch wichtige Aufschlüsse über die Aktualität der Regelung. Ein weiterer Umstand kommt auf normativer Ebene hinzu: Tatsächlich hat wohl niemand Kenntnis von allen erlassenen Rechtsverordnungen. Normativ kann jedoch für die Zwecke der Bestimmtheit die Kenntnis eines ordnungsgemäß veröffentlichten Ge- oder Verbots erwartet werden.34 Der Bürger hat VerwRspr 1970, 142, 147; einschränkend Satzger, Europäisierung, S. 250: nur, wenn Verweisungsobjekt aus allgemein bekanntem Gesetz stammt. 30  Dazu unten S. 168 ff. 31  So Bode/Seiterle, ZIS 2016, 91, 95, die das im Folgenden aber zu Recht weniger als Problem der freiheitsgewährleistenden Komponente sehen; Heuser, HRRS 2021, 63, 78. 32  Debus, Verweisungen, S. 147; vgl. Moll, Europäisches Strafrecht, S. 69. 33  Darauf abstellend Satzger/Langheld, HRRS 2011, 460, 464. 34  Cornelius, Verweisungsbedingte Akzessorietät, S.  401 f.; Harms/Heine, in: FS Amelung, 393, 396.

166 C. Beurteilung der nationalrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik

demnach die aktuelle Fassung des Ausfüllungsobjekts zu kennen.35 Ähnliche Erwägungen werden gelegentlich im Zusammenhang mit dem Expertenstrafrecht angestellt: Dort könne von der Kenntnis der relevanten Verhaltensnormen ausgegangen werden, da die fachkundigen Adressaten dazu verpflichtet seien, sich entsprechend zu informieren.36 In Bereichen des Expertenstrafrechts wird eine entsprechende Kenntnis wohl regelmäßig auch in tatsäch­ licher Hinsicht vorliegen. Bewegt sich jemand etwa beruflich in einem bestimmten Wirtschaftsbereich, wird er sich über die dort geltenden Regeln informieren, um seinen Beruf überhaupt sinnvoll ausüben zu können. Die normativ geforderte Rechtskenntnis ist aber nicht auf das Expertenstrafrecht begrenzt. Denn umgekehrt davon auszugehen, außerhalb des Expertenstrafrechts könne die Kenntnis ordnungsgemäß veröffentlichter Verhaltensnormen nicht erwartet werden, führte zu absurden Konsequenzen: Die Annahme, das regelmäßige Lesen der Gesetzesblätter sei unzumutbar,37 bedeutete, auf die Spitze getrieben, der Bürger müsste kein Recht kennen. Über die offiziellen Verkündungsblätter kann er sich schließlich nicht nur über die ein Blankettgesetz ausfüllenden Verhaltensnormen, sondern schlicht über alle Normen informieren. Mit gleicher Argumentation könnte also die Bestimmtheit eines formellen Vollstrafgesetzes deswegen angezweifelt werden, weil es in einem eigens dafür geschaffenen und insofern zwangsläufig (noch) unbekannten Nebenstrafgesetz enthalten ist, von dessen Erlass der Bürger weniger über alltäglich vermittelte Rechtskenntnis erfahren kann als vielmehr über das Verkündungsblatt. Auch wenn Rechtskenntnis im Alltag vielfach anderweitig vermittelt wird, enthalten allein die offiziellen Verkündungsblätter die verbindliche Rechtslage und sind die Quelle, um zumindest im Bedarfsfall Recht zu er35  Eine Ausnahme ist nur denkbar, wenn der Normadressat wegen einer Vielzahl zu unterschiedlichen Zeitpunkten erlassener und auf unterschiedlichen Hierarchiestufen geltender Normen Schwierigkeiten hat, zu erkennen, welches die zu einem bestimmten Zeitpunkt maßgeblichen sind; vgl. dazu den BVerfG 1 BvF 3/53, NJW 1956, 1025, 1026 zugrunde liegenden Sachverhalt, wo auf diejenigen Bestimmungen verwiesen wurde, „die am 1. Oktober 1945 in den einzelnen Ländern des Bundesgebietes galten.“ 36  BVerfG 2 BvL 11/85, NJW 1987, 3175, 3176; 2 BvR 858/92, NJW 1993, 1909, 1910; 2 BvL 5/17, NZWiSt 2020, 263, 275; vgl. BVerfG 2 BvR 374/90, NJW 1992, 2624; Böse, in: FS Krey, 7, 10; Heger/Widmann, EuR 2021, 356, 366; M. Wagner, Akzessorietät, Rn. 592; vgl. Petzsche, NZWiSt 2015, 210, 213; ferner Dannecker/Schuhr, in: LK, § 1 Rn. 211 und Ernst, Blankettstrafgesetze, S. 98, die die Informationspflicht aber nicht speziell auf Blankettstrafgesetze beziehen; ablehnend Niehaus, wistra 2004, 206, 209 f.; Schmitz, in: MüKo-StGB, § 1 Rn. 65; zu dieser Erwägung in einem leicht anderen Zusammenhang auch oben S. 106. 37  So, bezogen auf das Amtsblatt der Europäischen Union, Niehaus, wistra 2004, 206, 209.



I. Die Verweisung auf Rechtsverordnungen167

mitteln. Unbillige Ergebnisse folgen aus der normativ geforderten Rechtskenntnis nicht: Der Umstand, ob der Täter tatsächlich Kenntnis von der aktuellen Rechtslage hat, kann innerhalb der Irrtumsregeln berücksichtigt werden. Bei Unkenntnis kommt ein Verbotsirrtum nach § 17 StGB, im Ordnungswidrigkeitenrecht nach § 11 Abs. 2 OWiG, in Betracht.38 Der Einwand, der Normadressat werde infolge der dynamischen Verweisung mit der Unsicherheit konfrontiert, die aktuelle Version der ausfüllenden Rechtsverordnung zu finden, erweist sich somit bei genauer Betrachtung als bereits dem Grunde nach unberechtigt. Er kann unabhängig davon überwunden werden, wie streng die freiheitsgewährleistende Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG verstanden wird. In diesem Zusammenhang ist vor einem Fehlschluss zu warnen: Die vorstehenden Ausführungen haben gezeigt, dass der Bürger zumindest nach normativer Wertung die jeweils aktuelle auf das Blankettstrafgesetz rückverweisende Rechtsverordnung kennt. Kenntnis bedeutet aber nur das Wissen um die Existenz und den Wortlaut der Norm. Sie besagt nichts darüber, ob der Bürger die Norm versteht.39 Von der (normativen oder auch tatsächlichen) Kenntnis um den Inhalt des Ausfüllungsobjekts kann deshalb nicht auf die Bestimmtheit des Blankettstrafgesetzes, der ausfüllenden Rechtsverordnung und der aus ihnen zusammengesetzten Gesamtregelung geschlossen werden.40 Bestimmtheit und Kenntnis einer Norm sind voneinander un­ abhängige Größen. Ein inhaltlich bestimmtes Strafgesetz erleichtert es, sich über die Rechtslage verlässlich zu informieren; das Strafgesetz bleibt aber auch hinreichend bestimmt, wenn niemand von ihm Kenntnis nimmt.41 Umgekehrt hat der Bürger möglicherweise Kenntnis von Strafgesetz und Ausfüllungsobjekt und versteht die Regelung, weil sie nicht hinreichend bestimmt 38  Vgl. die Erwägung bei BVerfG 2 BvR 1086/77, RIW/AWD 1979, 132, 133; 2 BvL 11/85, NJW 1987, 3175, 3176; Heger, in: Böse, Europäisches Strafrecht, § 5 Rn. 64. Im Rahmen der Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums wird in Bereichen des Expertenstrafrechts freilich wiederum eine Informationspflicht diskutiert, vgl. BGH 2 StR 246/20, NZWiSt 2021, 325, 326; Joecks/Kulhanek, in: MüKo-StGB, § 17 Rn. 77. 39  Anders möglicherweise BVerfG 2 BvL 5/17, NZWiSt 2020, 263, 275, wonach der Normadressat verpflichtet ist, „fachkundige Beratung“ einzuholen, womit auch Beratung über den Inhalt einer Norm gemeint sein könnte. Dies kann jedoch nur innerhalb des Verbotsirrtums relevant werden und ist keine Frage der Bestimmtheit, Herz, NZWiSt 2020, 253, 255. 40  In diese Richtung aber BVerfG 2 BvL 5/17, NZWiSt 2020, 263, 275, möglicherweise als Folge der Prüfung der freiheitsgewährleistenden Komponente allein anhand des formellen Gesetzes (dazu oben S. 104 f.); missverständlich Satzger, Europäisierung, S. 244: „Die Kenntnis verwaltungsrechtlicher und europarechtlicher Vorfragen wird […] zur Voraussetzung der Bestimmtheit der Strafrechtsnorm.“ 41  Weißenberger, HRRS 2020, 166, 171.

168 C. Beurteilung der nationalrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik

ist, inhaltlich dennoch nicht. Die Bestimmtheit der aus Blankettgesetz und Ausfüllungsobjekt zusammengesetzten Gesamtregelung ist kein spezifisches Problem der dynamischen Verweisung und wird erst später untersucht.42 Die Ausgestaltung als dynamische Außenverweisung ist somit auch mit der freiheitsgewährleistenden Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG vereinbar. 2. Ausgestaltung als pauschale Verweisung Die dynamische Außenverweisung im Blankettstrafgesetz ist zugleich eine pauschale. Die in Bezug genommene Rechtsverordnung wird nur mittelbar konkretisiert, indem im Blankettgesetz ihre Ermächtigungsgrundlage genannt wird. Gegen eine solche pauschale Verweisung wird eingewandt, es sei unklar, wie dem Normadressaten der „Sprung“ vom Blankettstrafgesetz zur ausfüllenden Rechtsverordnung gelingen könne.43 Er habe kaum Anhaltspunkte, wonach er suchen müsse,44 und stochere „wie mit einer Stange im Nebel“ nach dem Ausfüllungsobjekt.45 Das Ermitteln der Rechtslage drohe zum „Puzzlespiel nach Zufallsprinzip“ zu werden.46 Erschwerend komme hinzu, dass aufgrund der im Blankettstrafgesetz genannten Ermächtigung nicht nur eine, sondern gleich mehrere rückverweisende Rechtsverordnungen erlassen worden sein könnten. Selbst wenn der Adressat eine ausfüllende Verordnung gefunden habe, könne er sich also nicht sicher sein, alle Verhaltensweisen zu kennen, die nach dem Blankettgesetz strafbar sind.47 Um Sicherheit darüber zu erlangen, alle rückverweisenden Rechtsverordnungen gefunden zu haben, müsse er vielmehr das gesamte Verordnungsrecht durchsuchen.48 In Rede steht folglich, ob die pauschale Verweisung mit der freiheitsgewährleistenden Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG vereinbar ist.49 Dabei gelten die folgenden Ausführungen für Blankettgesetze des Straf- und Ord42  Unten

S. 235 ff. ZIS 2016, 91, 93 f. 44  Schmitz, in: FS Schünemann, 235, 239. 45  Bezogen auf § 325 StGB Lenzen, JR 1980, 133, 137. 46  Bode/Seiterle, ZIS 2016, 91, 93; ähnlich kritisch Hilgendorf, ZLR 2011, 303, 306: „Suchaufgabe für Fachleute“. 47  Kretschmer, ZIS 2016, 763, 764; Schmitz, in: FS Schünemann, 235, 239 f. 48  Vgl. Raabe, Bestimmtheitsgrundsatz, S. 89 (allgemein auf pauschale Verweisungen bezogen). 49  Keine Bedenken hinsichtlich Pauschalverweisungen äußernd BVerfG 2 BvR 534/62, NJW 1967, 1221 f.; 2 BvR 702/65, NJW 1968, 1515; 2 BvR 1101/08, NVwZ 2009, 239, 240; die Zulässigkeit auf wenige Fallgruppen beschränkend Kretschmer, ZIS 2016, 763, 767, der die Problematik indes mehr bei der kompetenzwahrenden Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG verortet. 43  Bode/Seiterle,



I. Die Verweisung auf Rechtsverordnungen169

nungswidrigkeitenrechts gleichermaßen. Der zuletzt genannte Kritikpunkt scheint zunächst berechtigt: Auf das Blankettstrafgesetz des § 58 Abs. 1 Nr. 18 LFGB verweisen beispielsweise insgesamt 12 verschiedene Rechtsverordnungen zurück.50 Allerdings beruht die Kritik auf der stillschweigenden Prämisse, der Normadressat habe keine Kenntnis von den ausfüllenden Rechtsverordnungen. Er müsse also erst einmal die untergesetzliche Rechtslage sondieren, um sich einen Überblick über potenzielle Ausfüllungsobjekte zu verschaffen. Jedoch kann, das wurde bereits erläutert,51 normativ vom Bürger die Kenntnis eines jeden ordnungsgemäß veröffentlichten Ge- oder Verbots erwartet werden. Dafür lässt sich an dieser Stelle ein weiteres Argument anführen: Der Sache nach wird diese Überlegung nämlich ohnehin bereits in anderen Zusammenhängen zugrunde gelegt. Prüft man etwa, ob ein Täter fahrlässig gehandelt hat, sind bei Ermittlung der konkreten Sorgfaltspflichten alle ordnungsgemäß veröffentlichten Ge- und Verbote einzubeziehen, ohne dass das jeweilige Fahrlässigkeitsdelikt explizit auf sie verweisen würde und müsste.52 Das Problem von Pauschalverweisungen liegt somit nicht darin, dass der Normadressat erst einmal auf die Suche nach der Existenz möglicher Ausfüllungsobjekte gehen muss. Vielmehr steht er vor der Schwierigkeit, die Verknüpfung zwischen Blankettgesetz und Ausfüllungsobjekt herzustellen.53 Er muss mit anderen Worten erkennen können, dass genau diese Rechtsverordnung das Ausfüllungsobjekt zu genau jenem Blankettgesetz ist. Damit ist zu den Bedenken übergeleitet, der Normadressat habe Schwierigkeiten, den „Sprung“ vom Gesetz zum Ausfüllungsobjekt zu schaffen. In genau dieser Formulierung ist das freilich ungenau. Denn dabei wird davon ausgegangen, der Normadressat müsse gerade ausgehend vom Blankettstrafgesetz auf das Ausfüllungsobjekt stoßen.54 Ob er es finden könne, dürfe also allein mit Blick auf das Strafgesetz beurteilt werden. Unerheblich 50  Siehe bereits oben S. 39. Einschränkend ist darauf hinzuweisen, dass das Blankettgesetz gleich mehrere Ermächtigungsgrundlagen in Bezug nimmt. 51  Oben S. 165 ff. 52  Cornelius, Verweisungsbedingte Akzessorietät, S. 402; vgl. Böse, Strafen und Sanktionen, S. 440; ders., in: FS Krey, 7, 24. Brand/Kratzer, JR 2018, 422, 426 Fn. 29 wenden ein, bei Fahrlässigkeitsdelikten wisse der Normadressat zumindest, dass das Unrecht im Außerachtlassen der verkehrsüblichen Sorgfalt liege, während er bei Blankettstrafgesetzen mit schwer durchschaubaren Verweisungen nichts Vergleichbares erkennen könne. Allerdings wird mit dem Außerachtlassen der verkehrsüblichen Sorgfalt im Wesentlichen ein Begriff durch einen anderen ausgetauscht, ohne dass in der Sache viel gewonnen wäre. Allein daraus erlangt der Normadressat noch keine „Grundklarheit“. 53  Vgl. Heghmanns, Grundzüge einer Dogmatik, S. 100. 54  So ausdrücklich Bode/Seiterle, ZIS 2016, 91, 93; Krach, Europäisierung, S. 217; Satzger, Europäisierung, S. 258.

170 C. Beurteilung der nationalrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik

wäre es hingegen, wenn die Rechtsverordnung Anhaltspunkte dafür lieferte, das passende Ausfüllungsobjekt zu sein. Doch ist es für die Zwecke der freiheitsgewährleistenden Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG unerheblich, ob die Strafbarkeit im formellen Gesetz bestimmt ist. Sie muss durch irgendeine schriftliche Norm beziehungsweise Normen erkennbar sein, seien es formelle oder materielle Gesetze.55 Dementsprechend muss nicht zwangsläufig das formelle Gesetz den Ausganspunkt zur Ermittlung der Strafbarkeit bilden. Es genügt, wenn sich die Strafbarkeit ausgehend von der Rechtsverordnung ermitteln lässt. Dagegen spricht nicht, der Bürger rechne wegen Art. 103 Abs. 2 GG mit einer formellgesetzlichen Regelung und müsse daher nur in formellen Gesetzen suchen.56 Denn Art. 103 Abs. 2 GG erlaubt die Regelung der Strafbarkeit in gewissem Umfang gerade auch in materiellen Gesetzen und folglich kann sich der Bürger nur darauf verlassen, dass die Strafbarkeit auch im formellen Gesetz geregelt ist. Die Frage, ob der Normadressat die Verknüpfung von Blankettgesetz und Ausfüllungsobjekt mit zumutbarem Aufwand erkennen kann, ist mithin unter Einbeziehung beider Normebenen zu klären. Erforderlich sind konkrete Anhaltspunkte im Blankettgesetz oder in der Rechtsverordnung, die auf die Verknüpfung beider Regelungen hindeuten.57 Einen solchen Anhaltspunkt bildet die in der Rechtsverordnung enthaltene Rückverweisung auf das Blankettstrafgesetz. Damit gibt die Rechtsverordnung eindeutig zu erkennen, Bezugsobjekt der pauschalen Verweisung zu sein. Die Rückverweisung erfolgt stets voll-explizit,58 sodass eine Zuordnung leicht möglich ist. Der Normadressat ist ohne Weiteres in der Lage, Blankettstrafgesetz und Ausfüllungsobjekt miteinander zu verknüpfen.59 So kann er beispielsweise § 26 Abs. 1 DiätV aufgrund des die Vorschrift einleitenden Rückverweises als Ausfüllungsobjekt zu § 58 Abs. 1 Nr. 18 LFGB identifizieren. § 26 Abs. 1 DiätV: „Nach § 58 Abs. 1 Nr. 18, Abs. 4 bis 6 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches wird bestraft, wer […].“

55  Oben

S. 102. aber Bode/Seiterle, ZIS 2016, 91, 93. 57  In ähnlicher Weise spricht Raabe, Bestimmtheitsgrundsatz, S. 90 davon, Verweisungsnorm und -objekt müssten „offensichtlich einen geschlossenen Regelungsbereich darstellen“. 58  Oben S. 33. 59  Vgl. Raabe, Bestimmtheitsgrundsatz, S. 68; Winkelbauer, Verwaltungsakzessorietät, S. 28. 56  So



I. Die Verweisung auf Rechtsverordnungen171

Das BVerfG berücksichtigt diesen Effekt der Rückverweisung bislang weder in seiner Entscheidung zum RiFlEtikettG noch in der zum LFGB;60 wohl deshalb, weil es dort, wie oben bereits kritisiert,61 die Vorhersehbarkeit allein anhand des formellen Gesetzes prüft. Das mit der Rückverweisungstechnik verfolgte Ziel einer erhöhten Bestimmtheit62 wird somit tatsächlich erreicht.63 Präzisierend bleibt lediglich anzumerken, dass mit der erhöhten Bestimmtheit keine formellgesetzliche Bestimmtheit im Sinne der kompetenzwahrenden Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG gemeint ist, sondern eine inhaltliche Bestimmtheit im Sinne der freiheitsgewährleistenden Komponente. Zudem wird die Bestimmtheit nicht in dem Sinne erhöht, dass sie über das erforderliche Maß hinausgeht. Vielmehr stellt die Rückverweisung die erforderliche Bestimmtheit überhaupt erst her, indem sie die mit der pauschalen Verweisung im Blankettgesetz verbundenen Schwierigkeiten bei der Rechtsfindung ausgleicht. Auch die pauschale Ausgestaltung der Verweisung im Blankettstrafgesetz ist damit verfassungskonform. Es ist an dieser Stelle noch auf zwei Punkte hinzuweisen: Erstens können Pauschalverweisungen zu einer hohen quantitativen Komplexität der Regelung führen. Weil dieses Problem aber nicht notwendig mit ihnen verknüpft ist, wird es erst später im Rahmen der Weiterverweisungen thematisiert.64 Zweitens erübrigt sich nun, da die Zulässigkeit der Pauschalverweisung geklärt ist, eine gesonderte Prüfung der Ausgestaltung der Verweisung als halb-explizit. Die damit verbundenen Probleme hinsichtlich der Ermittlung der Rechtslage, weil das Verweisungsobjekt nicht mittels einer genauen Paragraphenangabe bezeichnet wird, gehen nicht über die soeben erörterten hinaus.

60  Hier waren zwar unionsrechtsakzessorische Blankettstrafgesetze mit Rückverweisungsklausel betroffen, doch stellt sich das Problem der Verknüpfung von Blankettgesetz und nationaler Rechtsverordnung bei ihnen gleichermaßen, vgl. unten S. 243. 61  Oben S. 104 ff. 62  Oben S. 47 f. 63  Ebenso Dannecker, in: LK, 12. Aufl. 2007, § 1 Rn. 160 (unklar demgegenüber jetzt Dannecker/Schuhr, in: LK, § 1 Rn. 160); ders., in: FS Höpfel, 577, 593; Lenzen, JR 1980, 133, 136; vgl. Nuxoll, Vereinbarkeit des Artenschutzstrafrechts, S. 131. Hingegen aufgrund der hier abgelehnten einschränkenden Ansicht keine erhöhte Bestimmtheit annehmend Bode/Seiterle, ZIS 2016, 91, 93; Satzger, in: Sieber/Satzger/ von Heintschel-Heinegg, Europäisches Strafrecht, § 9 Rn. 34; einschränkend ders., Europäisierung, S. 258: nur geringes Plus an Normklarheit; ähnlich Krach, Europäisierung, S. 217 f.; zweifelnd auch Freund, ZLR 1994, 261, 284 Fn. 67. 64  Unten S. 233 ff.

172 C. Beurteilung der nationalrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik

3. Ergebnis Die im Blankettstrafgesetz enthaltene Verweisung auf Rechtsverordnungen ist grundsätzlich zulässig. Im Einzelfall ist wegen ihres dynamischen Charakters stets darauf zu achten, dass die Voraussetzungen der kompetenzwahrenden Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG eingehalten werden. Die daneben bestehenden Bedenken hinsichtlich der freiheitsgewährleistenden Komponente konnten überwunden werden. Die pauschale Ausgestaltung wird durch die präzise Rückverweisung in der ausfüllenden Rechtsverordnung kompensiert. Auf Basis dieses Ergebnisses erweist es sich als überflüssig, die – im Rahmen der Rückverweisungstechnik ohnehin nur vereinzelt anzutreffende – Konstellation gesondert zu untersuchen, in der das Blankettgesetz dynamisch und pauschal auf formelle Gesetze verweist.65 Ein Konflikt mit der kompetenzwahrenden Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG ist hier von vornherein ausgeschlossen und in freiheitsgewährleistender Hinsicht können die Bedenken nicht über die bereits untersuchten hinausgehen.

II. Die Rückverweisungsklausel Nun ist die Rückverweisungsklausel in den Blick zu nehmen – und damit der zweite Teil des Blankettstrafgesetzes: „[…] soweit eine Rechtsverordnung für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift/Bußgeldvorschrift verweist.“ Die bisherige Untersuchung hat bereits ergeben, dass die durch diese Klausel geforderte Rückverweisung der inhaltlichen Bestimmtheit der Regelung dient, indem sie Blankettgesetz und Ausfüllungsobjekt eindeutig miteinander verknüpft.66 Aus Sicht der freiheitsgewährleistenden Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG ist die Rückverweisungsklausel daher nicht nur unbedenklich, sondern sogar erwünscht. Möglicherweise entsteht jedoch an anderer Stelle ein Problem, insbesondere hinsichtlich einer eventuell größeren Regelungsbefugnis des Verordnungsgebers. Um einen Anhaltspunkt zu erhalten, ob und warum die Rückverweisungsklausel verfassungsrechtlich bedenklich ist, soll zunächst dargestellt werden, wie Rechtsprechung und Literatur sie beurteilen (dazu 1.). Hierauf aufbauend wird dann das besondere Problem der Rückverweisungsklausel herausgearbeitet (dazu 2.). Dieses ist anschließend verfassungsrechtlich zu bewerten (dazu ab 3.).

65  Dazu

66  Oben

oben S. 30. S. 170 f.



II. Die Rückverweisungsklausel173

1. Beurteilung in Literatur und Rechtsprechung Zunächst ist darzustellen, wie Rechtsprechung und Literatur sich zur Rückverweisungsklausel verhalten. Da die Position der Rechtsprechung schwerer zu bestimmen ist, wird mit der Literatur begonnen, um ein klares Meinungsspektrum aufzuwerfen, das es im Folgenden erleichtert, die Ansicht der Rechtsprechung zu verorten. a) Literatur Wenn die Rückverweisungstechnik in der Literatur zum Teil als „rechtsstaatliche Errungenschaft“67 und „modernste und präziseste Verweisung auf Rechtsverordnungsvorschriften“68 hervorgehoben wird, meint das wohl mehr den bereits festgestellten Gewinn für die freiheitsgewährleistende Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG. Allein diesen haben wahrscheinlich auch diejenigen im Blick, nach denen Blankettstrafgesetze, die auf Rechtsverordnungen verweisen, eine Rückverweisungsklausel enthalten müssen.69 Ob mit ihr aber ein besonderes Problem verbunden ist, wird kontrovers beurteilt. Ein Teil der Literatur hält die Rückverweisungsklausel, im Anschluss an die erstmals von Freund und Volkmann ausführlicher geäußerte Kritik,70 für unzulässig.71 Durch die Klausel entstehe eine Kompetenzverschiebung, die gegen die kompetenzwahrende Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG verstoße.72 Mit der Rückverweisung auf das Blankettgesetz entscheide der Verord67  Tiedemann, Tatbestandsfunktionen, S. 267 (kritischer aber ders., Wirtschaftsstrafrecht, Rn. 251); ähnlich Kühl, in: FS Lackner, 815, 823. 68  Enderle, Blankettstrafgesetze, S. 27. 69  Besonders nachdrücklich, bezogen auf Blankettordnungswidrigkeitengesetze, Kibele, VBlBW 2012, 1, 3, der das sogar für verfassungsrechtlich geboten hält, a. a. O., 4; ferner Klesczewski, Ordnungswidrigkeitenrecht, Rn. 80; Mitsch, Recht der Ordnungswidrigkeiten, § 5 Rn. 4. 70  Freund, ZLR 1994, 261, 286 f., 290; Volkmann, ZRP 1995, 220, 221, 224 f.; zuvor bereits im Ansatz Lenzen, JR 1980, 133, 136 Fn. 27. 71  Neben den in den folgenden Fn. Genannten Bülte, BB 2016, 3075, 3079; Dietmeier, Blankettstrafrecht, S. 132 f.; Eschelbach, in: GJW, § 95 AMG Rn. 4, 12; Gae­de, in: AnwK, § 1 Rn. 16; Groß, Strafbarkeit des Eigendopings, S. 160; Hilgendorf, ZLR 2011, 303, 306; Heuser, HRRS 2021, 63, 69; Honstetter, Lebensmittel(straf)rechtlicher Gesundheitsschutz, S. 225; Krumm, in: Tipke/Kruse, § 369 AO Rn. 11; Reus, Risikogesellschaft, S. 159; Schulze-Fielitz, in: Dreier, Art. 103 II Rn. 33; M. Wagner, Akzessorietät, Rn. 521. 72  Freund, ZLR 1994, 261, 286 f.; ders., JZ 2014, 362; ders., in: FS Rössner, 579, 581 f.; ders., in: MüKo-StGB, Vor § 95 AMG Rn. 54; ders./Rostalski, GA 2016, 443, 444, 446 f.; Volkmann, ZRP 1995, 220, 221, 224 f.

174 C. Beurteilung der nationalrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik

nungsgeber nämlich nicht nur, welcher Tatbestand, sondern ob überhaupt ein bestimmter Tatbestand mit Strafe abgesichert werde.73 Dies sei keine bloße Spezifizierung des formellen Gesetzes, sondern als grundlegende Entscheidung über den Eintritt der Rechtsfolge den inhaltlichen Einzelfragen vorgelagert.74 Der Verordnungsgeber bestimme dadurch über das „Ob“ der Strafbarkeit.75 Der parlamentarische Gesetzgeber hingegen habe zur Strafbarkeit weder eindeutig „Ja“ noch „Nein“ gesagt, sondern lediglich „Vielleicht“.76 Daneben wird teilweise auch ein Verstoß gegen Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG ausgemacht.77 Das hat nach hier gefundenem Prüfungsmaßstab keine eigenständige Bedeutung.78 Demgegenüber wird die Rückverweisungsklausel von einem anderen Teil der Literatur für zulässig gehalten.79 Nach dieser Ansicht besteht kein Konflikt mit der kompetenzwahrenden Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG. Das gründet sich auf zwei eng miteinander verbundenen Annahmen: Zum einen habe der Rückverweis keine konstitutive, sondern nur deklaratorische Wirkung.80 Deshalb entscheide der Verordnungsgeber nicht über die Strafbarkeit eines bestimmten Tatbestands.81 Ähnliches ist wohl gemeint, wenn davon die Rede ist, die Rückverweisung habe selbst keine strafbegründende Wirkung.82 73  Volkmann, ZRP 1995, 220, 221; Freund, in: MüKo-StGB, Vor § 95 AMG Rn. 54. 74  Hoven, NStZ 2016, 377, 381. 75  Volkmann, ZRP 1995, 220, 221; Freund, in: MüKo-StGB, Vor § 95 AMG Rn. 54; ders./Rostalski, GA 2016, 443, 449; Bülte, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 381 AO Rn. 25; Domeier, Lebensmittelstrafrecht, S. 271; Satzger, Europäisierung, S. 259. 76  Volkmann, ZRP 1995, 220, 224. 77  Bülte, BB 2016, 3075, 3079; Satzger, Europäisierung, S. 260. 78  Vgl. oben S. 122 ff. 79  Neben den in den folgenden Fn. Genannten Drüen, in: Tipke/Kruse, § 379 AO Rn. 60; Oğlakcıoğlu, in: MüKo-StGB, § 29 BtMG Rn. 1561; Knierim, in: ERST, Vor §§ 58–61 LFGB Rn. 7; wohl auch Schmitz, in: MüKo-StGB, § 1 Rn. 66 (anders aber noch ders., wistra 2017, 455 f.); i. Erg. auch Böse, in: FS Krey, 7, 11 f. 80  Dannecker/Schuhr, in: LK, § 1 Rn. 162; Enderle, Blankettstrafgesetze, S. 187, 252; Cornelius, Verweisungsbedingte Akzessorietät, S. 407; ders., NStZ 2017, 682, 688; Krach, Europäisierung, S. 218; vgl. Esser, in: ERST, § 1 StGB Rn. 25; Schützendübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 317 f., 320; Spoerr, in: Assmann/ Schneider/Mülbert, § 120 WpHG Rn. 132. Zum Teil wird die deklaratorische Wirkung auf die Rückverweisungsklausel bezogen, gemeint sein muss aber die Rückverweisung, vgl. zur Terminologie oben S. 26. 81  Enderle, Blankettstrafgesetze, S. 187. 82  BT-Drs. 12/6060, 53; 15/3657, 71; Heine, in: GJW, § 381 AO Rn. 6; Raum, in: Kügel/Müller/Hofmann, Vor §§ 95–98a AMG Rn. 7; dort jeweils bezogen auf die Rückverweisungsklausel, gemeint sein muss aber die Rückverweisung, vgl. bereits Fn. 80.



II. Die Rückverweisungsklausel175

Zum anderen sei der Umstand, dass das Blankettstrafgesetz erst infolge der rückverweisenden Rechtsverordnung anwendbar werde – womit der Verordnungsgeber über das „Ob“ der Strafbarkeit entscheide –, ein strukturelles Problem dynamischer Außenverweisungen. Der Umstand bestehe also unabhängig davon, ob eine Rückverweisungsklausel eingesetzt werde:83 Immer wenn der parlamentarische Gesetzgeber die Konkretisierung des Tatbestands einer anderen Instanz überlasse, sei das Blankettstrafgesetz nur anwendbar, wenn diese Instanz im Folgenden tatsächlich ein Ausfüllungsobjekt erlasse.84 Begründete dieser Aspekt einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 GG, müssten konsequenterweise nicht nur Blankettstrafgesetze mit Rückverweisungsklausel, sondern alle dynamisch verweisenden Blankettgesetze unzulässig sein.85 Blankettstrafgesetze mit Rückverweisungsklausel unterschieden sich somit, was die zwischen Legislative und Exekutive aufgeteilten Regelungsbefugnisse betrifft, nicht von solchen ohne Rückverweisungsklausel. Eine „ ‚besondere‘ Rückverweisungsproblematik“ existiere nicht.86 Die Literatur zeigt sich folglich gespalten. Während die einen den Einsatz einer Rückverweisungsklausel als verfassungswidrig bewerten, vermögen andere darin keinen Unterschied gegenüber einem dynamisch verweisenden Blankettstrafgesetz ohne entsprechende Klausel zu erkennen. b) Rechtsprechung Vor dem Hintergrund dieser Kontroverse ist nun zu untersuchen, wie sich die Rechtsprechung zu Rückverweisungsklauseln verhält. aa) BVerfG Dabei ist zunächst an die neueren Beschlüsse des BVerfG zum R ­ iFlEtikettG und LFGB zu denken. Sie betreffen allerdings unionsrechtsakzessorische Blankettstrafgesetze und werden dementsprechend erst im nächsten Kapitel 83  Enderle, Blankettstrafgesetze, S. 187; Cornelius, Verweisungsbedingte Akzessorietät, S. 405; ders., in: GJW, Vor §§ 17–20 AWG Rn. 105; ders., NStZ 2017, 682, 688; Dannecker, in: Zipfel/Rathke, 174. EL 2019, Vor §§ 58–62 LFGB Rn. 59; ders./ Schuhr, in: LK, § 1 Rn. 162; Debus, Verweisungen, S. 271; Krach, Europäisierung, S. 219; Schützendübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 317 Fn. 1390; vgl. Pohlreich, HRRS 2020, 481, 487; Raabe, Bestimmtheitsgrundsatz, S. 82. 84  Enderle, Blankettstrafgesetze, S. 187; Dannecker/Schuhr, in: LK, § 1 Rn. 162; Schützendübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 317; vgl. Schuster, Strafnormen und Bezugsnormen, S. 278; ders., NZWiSt 2016, 278, 280. 85  Cornelius, NStZ 2017, 682, 688. 86  Cornelius, Verweisungsbedingte Akzessorietät, S. 407; ders., NStZ 2017, 682, 688.

176 C. Beurteilung der nationalrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik

näher dargestellt. Soweit sich aus ihnen Rückschlüsse auch für den nationalen Kontext ziehen lassen, wird dann darauf hingewiesen.87 Mit nationalrechtsakzessorischen Blankettgesetzen mit Rückverweisungsklausel hat sich das BVerfG hingegen in einigen früheren Verfahren, allesamt Verfassungsbeschwerden, befasst. Diese Blankettgesetze entsprechen dem insoweit typischen Aufbau, weshalb im Folgenden auf einen Abdruck verzichtet wird. Es interessiert weniger das konkrete Gesetz als mehr die Aussagen des BVerfG zu der in ihm enthaltenen Rückverweisungsklausel. (1) 2 BvR 157/90 Soweit ersichtlich thematisiert das BVerfG erstmals88 1990 eine Rückverweisungsklausel der Sache nach. Die damalige Verfassungsbeschwerde hatte Erfolg. Das BVerfG stellt fest, die vom Strafgericht angenommene Straf­ barkeit nach dem Blankettgesetz des § 68 Abs. 2 Nr. 3 WeinG a. F.89 sei von vornherein ausgeschlossen gewesen: Die Rechtsverordnung, die aufgrund der im Blankettgesetz genannten Ermächtigung (§ 57 WeinG a. F.) ergangen sei,90 habe keinen Rückverweis auf das Blankettgesetz enthalten.91 Dies wäre angesichts des klaren Wortlauts der Rückverweisungsklausel erforderlich gewesen.92 Ob das Gesetz verfassungsrechtlich bedenklich ist, thematisiert das BVerfG nicht. Immerhin scheint es den Handlungsspielraum des Verordnungsgebers als sehr groß einzustufen, wenn es ausführt: „Sie [die ausfüllenden Rechtsverordnungen] haben nicht nur den Charakter der erläuternden Spezifizierung eines bereits fest umrissenen Tatbestandes, sondern legen erst selbst Umfang und Art der strafbaren Handlungen fest.“93 Daraus folgert das BVerfG jedoch nur, die jeweilige Rechtsverordnung müsse hinreichend bestimmt sein und auf das Strafgesetz verweisen.94 Diese Anforderungen betreffen der Sache

87  Unten

S. 254 f. 2 BvL 2/69, NJW 1969, 1619 hatte zwar ein Blankettordnungswidrigkeitengesetz mit Rückverweisungsklausel zum Gegenstand, dort wurde aber weder die Rückverweisungsklausel noch überhaupt die Vereinbarkeit mit Art. 103 Abs. 2 GG thematisiert. 89  Vom 27.08.1982, BGBl. I 1982, 1196. 90  Wein-Überwachungs-Verordnung vom 15.07.1971, BGBl. I 1971, 951, in der Fassung vom 22.01.1977, BGBl. I 1977, 117. 91  BVerfG 2 BvR 157/90, BeckRS 1990, 07003 Rn. 26. 92  Vgl. BVerfG 2 BvR 157/90, BeckRS 1990, 07003 Rn. 25. 93  BVerfG 2 BvR 157/90, BeckRS 1990, 07003 Rn. 25. 94  BVerfG 2 BvR 157/90, BeckRS 1990, 07003 Rn. 25. 88  BVerfG



II. Die Rückverweisungsklausel177

nach die freiheitsgewährleistende Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG. Seine kompetenzwahrende Komponente wird hingegen nicht angesprochen. (2) 2 BvR 374/90 Alle weiteren nun darzustellenden Verfassungsbeschwerden wurden nicht zur Entscheidung angenommen. In der ersten von ihnen95 wandte sich der Beschwerdeführer gegen das Blankett­ordnungswidrigkeitengesetz mit Rückverweisungsklausel des § 33 Abs. 1 AWG a. F.96 Das BVerfG prüft hier, ob die Ermächtigungsgrundlagen im AWG, auf die das Blankettgesetz Bezug nimmt, hinreichend bestimmt sind. Damit untersucht es die kompetenzwahrende Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG. Ganz eindeutig ist dies gleichwohl nicht, denn zuvor stellt es fest, das Gesetzlichkeitsprinzip verlange, dass „der Bürger bereits aus der gesetzlichen Ermächtigung entnehmen kann, welches Verhalten verboten ist“,97 und vermischt dadurch die kompetenzwahrende mit der freiheitsgewährleistenden Komponente.98 Im Ergebnis habe der Gesetzgeber dem Verordnungsgeber in zulässiger Weise die Spezifizierung des Tatbestands überlassen.99 Die Rückverweisungsklausel und der daraufhin erlassene Rückverweis in der ausfüllenden Rechtsverordnung, der AWV, werden vom BVerfG nicht erwähnt. (3) 2 BvR 858/92 Im nächsten Verfahren100 stand das Blankettstrafgesetz des § 34 Abs. 1 Nr.  3 AWG a. F.101 in Rede. Es verwies auf das – dem zuvor dargestellten Beschluss zugrunde liegende – Blankettordnungswidrigkeitengesetz des § 33 Abs. 1 AWG a. F. und stufte das von diesem erfasste Verhalten unter bestimmten zusätzlichen Voraussetzungen zur Straftat hoch. Nur das Ordnungswidrigkeitengesetz enthielt eine Rückverweisungsklausel, nicht aber das Strafgesetz. Der in der ausfüllenden Rechtsverordnung, der AWV, enthaltene 95  BVerfG 96  Vom

2 BvR 374/90, NJW 1992, 2624. 28.04.1961, BGBl. I 1961, 481, in der Fassung vom 29.03.1976, BGBl. I

1976, 869. 97  BVerfG 2 BvR 374/90, NJW 1992, 2624 (Hervorhebung nur hier). 98  Vgl. dazu bereits oben S. 104 f. Eine Prüfung nur der freiheitsgewährleistenden Komponente annehmend AG Potsdam 86 Ds 75/16, BeckRS 2017, 119329 Rn. 37, 39; K. Walter, RIW 2012, 763, 767 Fn. 41. 99  BVerfG 2 BvR 374/90, NJW 1992, 2624. 100  BVerfG 2 BvR 858/92, NJW 1993, 1909. 101  Vom 28.04.1961, BGBl. I 1961, 481, in der Fassung vom 29.03.1976, BGBl. I 1976, 869.

178 C. Beurteilung der nationalrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik

Rückverweis102 nahm dementsprechend nicht (auch) auf das Strafgesetz, sondern nur auf das Ordnungswidrigkeitengesetz Bezug. Die Rückverweisungsklausel war somit nur mittelbar für das Strafgesetz relevant. Wäre sie verfassungswidrig gewesen, wäre das Ordnungswidrigkeitengesetz und in der Folge auch das darauf Bezug nehmende Strafgesetz nichtig gewesen. Das BVerfG stellt fest, der parlamentarische Gesetzgeber habe durch die Vorschriften im AWG bereits hinreichend deutlich die Voraussetzungen der Strafbarkeit festgelegt, die AWV enthalte nur eine verfassungsrechtlich zulässige Präzisierung.103 Die Rückverweisung wird kurz erwähnt: Es sei zulässig, dass die Rechtsverordnung nicht auf das Strafgesetz des § 34 Abs. 1 AWG verweise. Die Strafbarkeit könne „durch die geschlossene Verweisungskette in verfassungsrechtlich ausreichender Weise erkannt werden.“104 Das ist einleuchtend, schließlich forderte § 34 Abs. 1 AWG selbst keinen Rückverweis. Durch dessen Verweis auf § 33 Abs. 1 AWG, von dort auf die AWV und dann, entsprechend der in § 33 Abs. 1 AWG enthaltenen Rückverweisungsklausel, allein auf diesen zurück lag in der Tat eine geschlossene Verweisungskette vor. Dass die Rückverweisungsklausel im Blankettordnungswidrigkeitengesetz verfassungsrechtlich problematisch sein könnte, wird vom BVerfG, wie bereits in der vorhergehenden Entscheidung, nicht in Erwägung gezogen. In dem Abschnitt, der sich auf den Rückverweis bezieht, hat es wohl nur die freiheitsgewährleistende Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG im Blick: Es spricht davon, infolge der geschlossenen Verweisungskette könne die Strafbarkeit „erkannt“ werden. Im unmittelbaren Anschluss daran leitet es zu Erwägungen des Expertenstrafrechts über: Vom Betroffenen sei zu erwarten, dass er sich über die einschlägigen (das Blankettgesetz ausfüllenden) Vorschriften informiere.105 Beide Aspekte beziehen sich auf die Verständlichkeit des Strafgesetzes und damit auf die freiheitsgewährleistende Komponente. Die kompetenzwahrende Komponente thematisiert das BVerfG insoweit nicht.106

102  § 70

Abs. 1 Nr. 1 AWV a. F. (vom 18.12.1986, BGBl. I 1986, 2671). 2 BvR 858/92, NJW 1993, 1909, 1910. 104  BVerfG 2 BvR 858/92, NJW 1993, 1909, 1910. 105  BVerfG 2 BvR 858/92, NJW 1993, 1909, 1910; dazu bereits oben S. 106. 106  I. Erg. ebenso Freund, in: FS Rössner, 579, 581 Fn. 6; Volkmann, ZRP 1995, 220, 223; M. Wagner, Akzessorietät, Rn. 520. 103  BVerfG



II. Die Rückverweisungsklausel179

(4) 2 BvR 1941/00 Die letzte hier anzusprechende Verfassungsbeschwerde107 betraf das Blankettstrafgesetz mit Rückverweisungsklausel des § 51 Abs. 1 Nr. 2 LMBG a. F.108. Wiederum führt das BVerfG aus, der parlamentarische Gesetzgeber habe dem Verordnungsgeber nur „die nähere Spezifizierung des Tatbestands überlassen“.109 Insoweit prüft es die kompetenzwahrende Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG. Im Folgenden stellt es fest, der „dem Schutz des Normadressaten dienende Bestimmtheitsgrundsatz“ sei nicht verletzt, wobei es dafür, ähnlich wie im zuvor erörterten Beschluss, auf die besonderen Anforderungen im Expertenstrafrecht verweist.110 In diesem Zusammenhang legt das BVerfG dar, die Verhaltensnormen der ausfüllenden Rechtsverordnung, der Hühnereier-Verordnung a. F.111, seien hinreichend bestimmt, die Verordnung verweise zudem auf das Strafgesetz zurück.112 Mit diesen Aspekten wird, entsprechend der Analyse des zuvor dargestellten Beschlusses, die freiheitsgewährleistende Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG angesprochen. Weitere Ausführungen zur Rückverweisungsklausel finden sich nicht. Das BVerfG untersucht die Rückverweisung somit wiederum allein aus Perspektive des Bestimmtheitsgebots. Ein etwaiges kompetenzrechtliches Problem denkt es dagegen nicht an.113 (5) Fazit In allen untersuchten Entscheidungen beanstandet das BVerfG den Einsatz der Rückverweisungsklausel nicht. Soweit es die Klausel überhaupt erwähnt, geschieht dies nur, um festzustellen, ob ein Rückverweis vorhanden ist und die Strafbarkeit daher erkannt werden kann. Damit stellt das Gericht allein auf die freiheitsgewährleistende Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG ab. In Bezug auf die kompetenzwahrende Komponente prüft es, ob dem Verordnungsgeber bloße Spezifizierungen des Tatbestands verbleiben, greift also 107  BVerfG

2 BvR 1941/00, NStZ-RR 2002, 22. und Bedarfsgegenständegesetz vom 09.09.1997, BGBl. I 1997, 2296. Dieses Blankettstrafgesetz enthielt – entgegen Pohlreich, HRRS 2020, 481, 483 und wohl auch Bülte, BB 2016, 3075, 3078 – keine Entsprechungsklausel. 109  BVerfG 2 BvR 1941/00, NStZ-RR 2002, 22. 110  BVerfG 2 BvR 1941/00, NStZ-RR 2002, 22. 111  Vom 05.07.1994, BAnz. 1994, 6973. 112  BVerfG 2 BvR 1941/00, NStZ-RR 2002, 22. 113  Hoven, NStZ 2016, 377, 380; vgl. Bülte, BB 2016, 3075, 3078; Honstetter, NZWiSt 2017, 325, 327. 108  Lebensmittel-

180 C. Beurteilung der nationalrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik

lediglich die mit einer dynamischen Außenverweisung auf Rechtsverordnungen im Allgemeinen verbundenen Bedenken auf, die zu Beginn dieses Kapitels untersucht worden sind. Es behandelt Blankettstrafgesetze mit Rückverweisungsklausel aus Sicht der kompetenzwahrenden Komponente also wie dynamisch verweisende Blankettstrafgesetze ohne solche Klausel. Freilich hat das BVerfG nie ausdrücklich klarstellt, die Rückverweisungsklausel sei zulässig.114 Zudem stammen die Beschlüsse aus einer Zeit, in der die verfassungsrechtliche Diskussion um Rückverweisungsklauseln noch wenig geführt wurde. Insofern ist also die Aussagekraft der dargestellten Rechtsprechung begrenzt und ist es umso interessanter, welche Rückschlüsse sich aus den Beschlüssen zum RiFlEtikettG und LFGB ziehen lassen werden. Nach bisheriger Analyse aber entspricht die Position des BVerfG der oben dargestellten Literaturansicht, die im Einsatz einer Rückverweisungsklausel kein spezifisches Kompetenzproblem sieht. Das BVerfG hält also Blankettstrafgesetze mit und ohne Rückverweisungsklausel aus verfassungsrecht­ licher Perspektive für vergleichbar. bb) BGH Auch der BGH hat sich zu einem Blankettstrafgesetz mit Rückverweisungsklausel geäußert115 und zwar zeitlich gesehen nach den eben dargestellten Beschlüssen des BVerfG, aber noch vor denjenigen zum RiFlEtikettG und LFGB. In der Entscheidung ging es um § 52 Abs. 2 Nr. 1 VTabakG a. F.116. Der BGH hielt die Vorschrift für mit Art. 103 Abs. 2 GG vereinbar. Der parlamentarische Gesetzgeber habe in Blankettstrafgesetz und Ermächtigung die wesentlichen Voraussetzungen der Strafbarkeit festgelegt.117 Der Einsatz der Rückverweisungsklausel ändere daran nichts. Verfassungsrechtlich sei diese Gesetzgebungstechnik bislang nicht durch die Rechtsprechung beanstandet worden.118 Sie sei eine im Ergebnis zulässige „deklaratorische Verweisungstechnik“.119 Die Rückverweisungsklausel diene der „zusätzli­ BB 2016, 3075, 3081. 2 StR 525/13, NJW 2016, 1251. Zuvor hatte der BGH die Zulässigkeit von Rückverweisungsklauseln nicht thematisiert, vgl. etwa BGH 4 StR 194/92, NStZ 1992, 535, 536. 116  Vorläufiges Tabakgesetz vom 09.09.1997, BGBl. I 1997, 2296, in der Fassung vom 13.04.2006, BGBl. I 2006, 855. 117  BGH 2 StR 525/13, NJW 2016, 1251 Rn. 62. Die Vorinstanz LG Frankfurt a. M. 5/26 KLs 13/12 – 8920 Js 236334/11, BeckRS 2013, 17492 hatte die Verfassungskonformität nicht thematisiert. 118  BGH 2 StR 525/13, NJW 2016, 1251 Rn. 63 unter Verweis auf BVerfG 2 BvR 374/90, NJW 1992, 2624 und 2 BvR 858/92, NJW 1993, 1909. 119  BGH 2 StR 525/13, NJW 2016, 1251 Rn. 64. 114  Bülte, 115  BGH



II. Die Rückverweisungsklausel181

che[n] Sicherung, um dem Bürger für einen etwaigen Rechtsnormverstoß die Sanktion vor Augen zu führen.“ Das dürfe nicht so gedeutet werden, dass die Exekutive über die Beschreibung der Strafbarkeit entscheide. Der Gesetzgeber mache die Strafbarkeit lediglich von dem Rückverweis abhängig. Nehme der Verordnungsgeber keinen Rückverweis vor, sei der Normadressat „nicht beschwert, weil sein Verhalten keine Strafbarkeit auslöst.“120 Im Gegensatz zum BVerfG geht der BGH also ausdrücklich auf die Rückverweisungsklausel ein. Soweit er dabei auf den zusätzlichen Schutz des Normadressaten abstellt, untersucht er der Sache nach die freiheitsgewährleistende Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG.121 Indem er auf die Regelungsmacht der Exekutive eingeht, spricht er außerdem die kompetenzwahrende Komponente an. Hier macht er, auch wenn er seine Aussagen auf Konstellationen „wie im vorliegenden Fall“ beschränkt,122 jedenfalls keinen generellen gegen die Rückverweisungsklausel sprechenden Umstand aus. Mit dem angenommenen deklaratorischen Charakter der Rückverweisung greift der BGH das Argument auf, das auch die Literatur für die Zulässigkeit der Rückverweisungsklausel anführt. Soweit er darauf abstellt, der Norm­ adressat sei bei einem fehlenden Rückverweis nicht beschwert, wechselt er hingegen zu einer Überlegung, die eher die freiheitsgewährleistende Komponente berührt. Damit lässt sich der BGH ins Lager derjenigen einordnen, die hinsichtlich der Regelungsverteilung zwischen Legislative und Exekutive keinen Unterschied zwischen dynamisch verweisenden Blankettstrafgesetzen mit und ohne Rückverweisungsklausel ausmachen. Dies passt zu der analysierten bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung, ergibt sich hier aber noch eindeutiger als beim BVerfG. 2. Das besondere Problem der Rückverweisungsklausel Die Darstellung der Positionen in Literatur und Rechtsprechung zeigt: Der Streit um die Rückverweisungsklausel kreist weniger um die rechtliche Bewertung einer Problemlage. Vielmehr ist schon die vorgelagerte Frage umstritten, ob eine spezielle Problemlage überhaupt besteht. BVerfG, BGH und ein Teil der Literatur gehen nicht davon aus, sondern beurteilen Blankettstrafgesetze mit Rückverweisungsklausel wie andere dynamisch verweisende Blankettstrafgesetze. Es muss deshalb in einem ersten Schritt näher unter120  BGH 2 StR 525/13, NJW 2016, 1251 Rn. 65 unter Verweis auf Raum, in: Kügel/Müller/Hofmann, Vor §§ 95–98a AMG Rn. 7. 121  Nur eine Prüfung der freiheitsgewährleistenden Komponente annehmend Hoven, NStZ 2016, 377, 378. 122  BGH 2 StR 525/13, NJW 2016, 1251 Rn. 65.

182 C. Beurteilung der nationalrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik

sucht werden, ob das von der Gegenansicht angenommene, gerade durch die Rückverweisungsklausel aufgeworfene Kompetenzproblem besteht (dazu im Folgenden). Nur sofern dies der Fall ist, kann es in einem zweiten Schritt rechtlich bewertet werden (dazu 3. und 4.). Es ist also zunächst danach zu fragen, ob der Verordnungsgeber infolge der Rückverweisungsklausel eine größere Regelungsbefugnis erhält und worin die zusätzliche Befugnis gegebenenfalls besteht. Dieser Frage kann nicht mit der vom BGH und Teilen der Literatur bemühten Erwägung von vornherein jegliche Relevanz abgesprochen werden, die Rückverweisungsklausel intendiere im Sinne des Normadressaten eine höhere Bestimmtheit und dürfe daher nicht im Sinne einer Kompetenzverschiebung interpretiert werden.123 Dass die Klausel der inhaltlichen Bestimmtheit dient, trifft zwar zu, doch rechtfertigt dies nicht etwaige anderweitig entstehende Probleme, mögen diese auch ungewollter Art sein. Näher auseinandergesetzt werden muss sich hingegen mit den beiden Einwänden, der Rückverweis wirke bloß deklaratorisch (dazu a)) und seine Auswirkung auf die Anwendbarkeit des Blankettstrafgesetzes sei ein strukturelles Problem dynamischer Außenverweisungen (dazu b)). a) Zum Einwand des deklaratorischen Rückverweises Wirkte die Rückverweisung lediglich deklaratorisch, käme ihr keinerlei Rechtswirkung zu. Entsprechend erhielte der Verordnungsgeber durch die Rückverweisungsklausel keine Regelungsbefugnis. Bereits zu Beginn dieser Arbeit wurde der Rückverweis indes als konstitutive Verweisung charakterisiert. Denn erst durch ihn wird die Verhaltensnorm einer Rechtsverordnung zum Ausfüllungsobjekt des Blankettstrafgesetzes. Fehlt er, wird die Strafbarkeit nicht aktiviert.124 Diese Wirkung ist allgemein anerkannt und zwar auch von denen, die den Rückverweis als deklaratorisch ansehen.125 Insbesondere legen diese sie ihrem zweiten Einwand – der Verordnungsgeber entscheide nicht nur hier, sondern bei jeder dynamischen Außenverweisung über die Anwendbarkeit des Blankettgesetzes – selbst zugrunde. Alles andere wäre auch mit dem Bestimmtheitsgebot nicht vereinbar: Schließlich muss der Norm­

123  BGH 2 StR 525/13, NJW 2016, 1251 Rn. 65; Oğlakcıoğlu, in: MüKo-StGB, § 29 BtMG Rn. 1561; Raum, in: Kügel/Müller/Hofmann, Vor §§ 95–98a AMG Rn. 7; vgl. Heine, in: GJW, § 381 AO Rn. 6. 124  Oben S. 32 f. 125  Vgl. BGH 2 StR 525/13, NJW 2016, 1251 Rn. 47; Enderle, Blankettstrafgesetze, S. 26, 206, 252; implizit Cornelius, NStZ 2017, 682, 688; Schützendübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 243 f., 314 f.



II. Die Rückverweisungsklausel183

adressat das Blankettstrafgesetz so verstehen, dass er nur bestraft wird, falls die Verordnung zurückverweist.126 Warum wird der Rückverweis dennoch als deklaratorisch bezeichnet? Offenbar wird dabei von einem anderen Verständnis dieses Begriffs ausgegangen. Die Grenze zwischen deklaratorisch und konstitutiv läuft danach parallel zu der Frage, ob die kompetenzwahrende Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG bei Verwendung einer dynamischen Außenverweisung erfüllt ist, das heißt, ob der parlamentarische Gesetzgeber selbst über die wesentlichen Voraussetzungen der erfassten Verhaltensnormen entschieden hat. Habe er dies getan – das wurde bereits zu Anfang dieses Kapitels untersucht und für einen Großteil der Blankettstrafgesetze bejaht127 – und bewege sich der Verordnungsgeber innerhalb der dadurch vorgegebenen Grenzen, sei der Rückverweis deklaratorisch.128 Ob eine Verweisung deklaratorisch oder konstitutiv ist, wird also nicht auf ihre Bedeutung für den Geltungsbereich des Verweisungsobjekts bezogen, sondern auf ihre Bedeutung für den Unrechtsgehalt der Strafvorschrift. Dies ist aber nicht nur irreführend, weil es dem im Rahmen der Verweisungstechnik üblichen Verständnis von deklaratorisch und konstitutiv widerspricht.129 Es ist darüber hinaus vom Ergebnis her gedacht und deshalb zirkelschlüssig: Der Bedeutungsgehalt des Wortes „deklaratorisch“ wird mit dem verfassungsrechtlichen Maßstab an die Zulässigkeit eines dynamisch verweisenden Blankettstrafgesetzes aufgeladen, um die Charakterisierung als deklaratorisch sodann als Argument für die verfassungsrechtliche Zulässigkeit des Gesetzes heranzuziehen. Besonders entlarvend sind in dieser Hinsicht Aussagen, nach denen der deklaratorische Charakter der Rückverweisung „zutreffend [ist], da eine konstitutive Rückverweisung der Verwaltung die Entscheidung über die Strafbarkeit bestimmter Verhaltensweisen übertragen würde.“130 Hier wird damit argumentiert, dass nicht sein kann, was nicht sein darf.

126  Vgl.

BVerfG 2 BvR 157/90, BeckRS 1990, 07003 Rn. 25. S. 160 ff. 128  Vgl. Enderle, Blankettstrafgesetze, S. 271; Cornelius, Verweisungsbedingte Akzessorietät, S. 341; ders., in: GJW, Vor §§ 17–20 AWG Rn. 106; Schützendübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 317 f., 320; Spoerr, in: Assmann/Schneider/ Mülbert, § 120 WpHG Rn. 132, 137. Zum abweichenden Begründungsansatz von Böse, in: FS Krey, 7, 11 unten S. 225 insbesondere Fn. 298 f. 129  Vgl. Freund, in: MüKo-StGB, Vor § 95 AMG Rn. 55: „Ausfluss einer merkwürdigen Begriffsverwirrung“; ähnlich ders./Rostalski, GA 2016, 443, 453. 130  Enderle, Blankettstrafgesetze, S. 187 (Hervorhebung im Original). 127  Oben

184 C. Beurteilung der nationalrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik

Das abweichende Verständnis des Begriffs deklaratorisch beruht wahrscheinlich auf zwei missverstandenen Entscheidungen des BVerfG.131 In der ersten prüft das Gericht die Verfassungsmäßigkeit des § 327 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 StGB, wonach bestraft wird, wer eine nach dem BImSchG genehmigungs­ bedürftige Anlage ohne Genehmigung betreibt. Die Strafbarkeit sei hier hinreichend erkennbar, „selbst wenn das strafbewehrte Verwaltungsrecht [das BImSchG] keinen (deklaratorischen) Hinweis auf die Strafbestimmung enthält“.132 Diese Erwähnung einer deklaratorischen Verweisung hat nichts mit der Frage zu tun, ob der Gesetzgeber seiner Pflicht zur Festlegung der wesentlichen Voraussetzungen der Strafbarkeit nachgekommen ist. Schließlich ist das BImSchG selbst ein formelles Gesetz. Das Problem, ob der Gesetzgeber schon im StGB über die wesentlichen Voraussetzungen der Strafbarkeit entschieden hat, stellt sich im Verhältnis zum BImSchG also gar nicht. Der Grund für die vom BVerfG angenommene deklaratorische Wirkung liegt vielmehr darin, dass § 327 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 StGB keine Rückverweisungsklausel enthält. Weil das Strafgesetz mithin keinen Rückverweis im BImSchG fordert, können die Vorschriften des BImSchG den Tatbestand auch ohne Rückverweis wirksam ausfüllen. Ein dennoch vorgenommener Rückverweis hätte keine Rechtswirkung, wäre also deklaratorisch. Zu einem Blankettstrafgesetz mit Rückverweisungsklausel kann aus dem Beschluss aber nichts Vergleichbares abgeleitet werden. Die zweite Entscheidung ist die zum Blankettstrafgesetz des § 34 Abs. 1 Nr. 3 AWG a. F. ergangene, die bereits oben behandelt worden ist.133 Das BVerfG sagt hier, es sei „unschädlich“, dass die Vorschriften in der ausfüllenden Rechtsverordnung, der AWV, „keinen Hinweis auf die Strafbestimmung“ enthielten. Die Strafbarkeit könne dennoch erkannt werden.134 Aus dieser Aussage kann im Umkehrschluss gefolgert werden, ein trotzdem existierender Hinweis, das heißt ein Rückverweis, müsse deklaratorisch sein. Das ist richtig, denn wie schon oben dargestellt, enthielt das Blankettstrafgesetz selbst keine Rückverweisungsklausel. Es verwies in seinem Tatbestand lediglich auf das Blankettordnungswidrigkeitengesetz des § 33 Abs. 1 AWG a. F. Nur dieses war mit einer Rückverweisungsklausel ausgestattet. Ein Rückverweis war gesetzlich somit hinsichtlich des Ordnungswidrigkeiten­ gesetzes gefordert (darauf verwies die AWV auch zurück), nicht jedoch hin131  BVerfG 2 BvL 11/85, NJW 1987, 3175; 2 BvR 858/92, NJW 1993, 1909. Auf diese Entscheidungen die Annahme der deklaratorischen Wirkung stützend BGH 2 StR 525/13, NJW 2016, 1251 Rn. 64; Enderle, Blankettstrafgesetze, S. 186 f., 252 f.; Dannecker/Schuhr, in: LK, § 1 Rn. 162; nur auf die erste Entscheidung stützt sich Krach, Europäisierung, S. 218. 132  BVerfG 2 BvL 11/85, NJW 1987, 3175, 3176. 133  Oben S. 177 f. 134  BVerfG 2 BvR 858/92, NJW 1993, 1909, 1910.



II. Die Rückverweisungsklausel185

sichtlich des Strafgesetzes. Wäre auch auf das Strafgesetz zurückverwiesen worden, wäre dies folglich deklaratorisch gewesen. Weil sich die Aussage des BVerfG, ebenso wie in der zuvor erwähnten Entscheidung, auf ein Gesetz ohne eigene Rückverweisungsklausel bezieht, kann daraus wiederum nichts für ein Blankettgesetz mit Rückverweisungsklausel geschlussfolgert werden.135 Aus beiden Beschlüssen ergibt sich daher nur, dass die Rückverweisung dann deklaratorisch ist, wenn sie nicht durch eine Rückverweisungsklausel gefordert wird. Das entspricht dem im Rahmen der Verweisungstechnik üblichen Verständnis. Eine abweichende Lesart des Begriffs deklaratorisch kann hingegen nicht auf das BVerfG gestützt werden. Deklaratorisch ist danach beispielsweise der Rückverweis in § 22 Abs. 2 GefStoffV auf das Blankettstrafgesetz des § 27 Abs. 2 ChemG oder derjenige in § 53 Abs. 1 WeinV auf das Blankettordnungswidrigkeitengesetz des § 50 Abs. 1 WeinG, weil beide Blankettgesetze keine Rückverweisungsklausel enthalten. Existiert aber eine Rückverweisungsklausel, bleibt es bei der konstitutiven Wirkung der Rückverweisung. b) Zum Einwand des strukturellen Problems Kommt dem Rückverweis eine eigene Rechtswirkung zu, liegt es nahe, dass der Verordnungsgeber dadurch eine größere Regelungsmacht besitzt als bei einem dynamisch verweisenden Blankettgesetz ohne Rückverweisungsklausel. Schließlich kann er mit dem Rückverweis das Blankettgesetz anwendbar machen. Wie sieht es aber mit dem Einwand aus, es handele sich hier um ein strukturelles Problem einer jeden dynamischen Außenverweisung? Veranschaulichen lässt sich der Einwand anhand von § 184f StGB. § 184f StGB: „Wer einem durch Rechtsverordnung erlassenen Verbot, der Prostitution an bestimmten Orten überhaupt oder zu bestimmten Tageszeiten nachzugehen, beharrlich zuwiderhandelt, wird […] bestraft.“

Obwohl dieser Tatbestand keine Rückverweisungsklausel enthält, kann eine Bestrafung auf seiner Grundlage gleichwohl erst erfolgen, sobald der 135  Aus dem gleichen Grund kann aus dem Beschluss nicht gefolgert werden, die Rückverweisungsklausel sei verfassungsrechtlich nicht zwingend geboten, so aber Böse, in: FS Krey, 7, 12 Fn. 21 und (S.) 23; Debus, Verweisungen, S. 271; Enderle, Blankettstrafgesetze, S. 186 f. Umgekehrt meint H. Wolff, in: Merten/Papier, Handbuch der Grundrechte, Bd. V, § 134 Rn. 75 dem Beschluss ein Rückverweisungsgebot zu entnehmen. Dies beruht wohl auf einem missverstandenen Begriff des Blankettgesetzes.

186 C. Beurteilung der nationalrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik

Verordnungsgeber eine Sperrbezirksverordnung erlassen hat.136 Dass der Verordnungsgeber mit dem Rückverweis über die Anwendbarkeit des Strafgesetzes entscheide, soll daher nur Ausdruck der Zukunftsgerichtetheit der dynamischen Verweisung und kein Spezifikum der Rückverweisungsklausel sein.137 Bei näherer Betrachtung überzeugt dies indes nicht. Der Einsatz einer Rückverweisungsklausel begründet einen wesentlichen Unterschied. Er zeigt sich, wenn man das Problem normentheoretisch betrachtet. Bei einem Blankettstrafgesetz ohne Rückverweisungsklausel hat der Verordnungsgeber infolge der dynamischen Verweisung im Tatbestand nur auf die Verhaltensnorm Einfluss. Er legt – innerhalb der formellgesetzlichen Vorgaben zum geschützten Rechtsgut und den erfassten Verhaltensweisen – die konkreten Verhaltensnormen fest. Über die Sanktionsnorm kann der Verordnungsgeber hingegen nicht bestimmen. Denn immer wenn er eine Verhaltensnorm schafft, die unter die Vorgaben des Blankettgesetzes fällt, ist sie automatisch strafbewehrt, ohne dass er über diese Rechtsfolge eigens entschieden hätte. Das Blankettgesetz erfasst also ohne weitere Zwischenschritte alle, auch zukünftig erlassenen138 ausfüllungsgeeigneten Verhaltensnormen. Bei einem Blankettstrafgesetz mit Rückverweisungsklausel bleibt der Einfluss hinsichtlich der Verhaltensnorm gleich: Innerhalb der formellgesetz­ lichen Vorgaben gestaltet der Verordnungsgeber die konkreten Ge- und Verbote. Was die Sanktionsnorm betrifft, zeigt sich hingegen ein Unterschied: Zwar sind im Blankettgesetz etwa die Art der Sanktion und der Sanktionsrahmen festgelegt. Der Verordnungsgeber legt aber mittels der Rückverweisung fest, ob und auf welche Verhaltensnormen die Sanktionsnorm überhaupt anwendbar ist.139 Nimmt er einen Rückverweis für eine Verhaltensnorm auf, 136  Enderle, Blankettstrafgesetze, S. 187 (zum damaligen § 184a StGB); Cornelius, Verweisungsbedingte Akzessorietät, S. 405; ders., in: GJW, Vor §§ 17–20 AWG Rn. 105 (zum damaligen § 184e StGB). 137  Cornelius, Verweisungsbedingte Akzessorietät, S.  404 f.; ders., in: GJW, Vor §§ 17–20 AWG Rn. 105; ders., NStZ 2017, 682, 688. 138  Der Unterschied zur Rückverweisungstechnik besteht also – entgegen Hoven, NStZ 2016, 377, 381 und M. Wagner, Akzessorietät, Rn. 522 – nicht darin, dass der Gesetzgeber auf bestehende verwaltungsrechtliche Vorschriften verweist. Auch eine dynamische Verweisung ohne Rückverweisungsklausel kann erst nach ihrem Erlass durch verwaltungsrechtliche Vorschriften ausgefüllt werden. 139  Freund, ZLR 1994, 261, 286; ders./Rostalski, GA 2016, 443, 449; M. Wagner, Akzessorietät, Rn. 519, 521; vgl. Domeier, Lebensmittelstrafrecht, S. 268 ff.; Groß, Strafbarkeit des Eigendopings, S. 161; Hoven, NStZ 2016, 377, 381; Schmitz, in: FS Schünemann, 235, 241. Freund/Rostalski, GA 2016, 443, 447 bezeichnen das Blankettgesetz daher nicht als Strafgesetz, sondern als Ermächtigung, eine Strafvorschrift zu schaffen.



II. Die Rückverweisungsklausel187

greift die Sanktionsnorm insoweit. Unterlässt er den Rückverweis,140 trifft den Normadressaten zwar der Normbefehl der Verhaltensnorm, verstößt er dagegen, hat er aber keine Sanktion zu befürchten. Das Blankettgesetz erfasst die Verhaltensnormen, die zu seiner Ausfüllung geeignet sind, also nicht automatisch. Dadurch hat der Verordnungsgeber eine besondere Regelungsbefugnis inne. Er befindet nicht nur darüber, ob und welche Verhaltensnormen er erlässt, sondern zusätzlich, ob diese Normen durch ein Blankettgesetz bewehrt sind oder nicht.141 Der Unterschied wird deutlich, wenn man ihn auf § 184f StGB bezieht: Sobald der Verordnungsgeber eine Sperrbezirksverordnung erlassen hat, ist die darin enthaltene Verhaltensnorm ohne weiteres Zutun des Verordnungsgebers strafbewehrt. Die Rechtsfolge der Strafbarkeit beruht allein auf dem Blankettstrafgesetz des § 184f StGB. Der Verordnungsgeber kann dies nicht konterkarieren. Es ist ihm mit anderen Worten nicht möglich, eine Sperrbezirksverordnung zu erlassen, die nicht strafbewehrt wäre. Denkt man sich nun eine Rückverweisungsklausel in § 184f StGB hinzu, bestünde eben diese Möglichkeit. Der Verordnungsgeber könnte dann eine Sperrbezirksverordnung erlassen, die auf das Blankettstrafgesetz zurückverweist, oder eine Sperrbezirksverordnung erlassen, ohne auf das Blankettstrafgesetz zurückzuverweisen. Nur im ersten Fall wäre ein Verstoß gegen die Verordnung (bei Vorliegen der zusätzlichen Voraussetzungen des § 184f StGB) strafbar. Entsprechend kann der Verordnungsgeber im Rahmen des § 58 Abs. 1 Nr. 18 LFGB – dem bereits oben angesprochenen Blankettstrafgesetz mit Rückverweisungsklausel142 – die Verwendung gesundheitsgefährdender Stoffe bei der Herstellung von Lebensmitteln verbieten und dabei auf das Blankettgesetz zurückverweisen oder eben nicht zurückverweisen. Fehlte dagegen die Rückverweisungsklausel im Blankettgesetz, wäre ein dahingehendes Verbot in der Verordnung automatisch von § 58 Abs. 1 Nr. 18 LFGB erfasst. Freilich entscheidet der Verordnungsgeber auch bei Blankettgesetzen ohne Rückverweisungsklausel mittelbar über die Sanktionsnorm, da sie nur anwendbar wird, wenn eine Verhaltensnorm existiert, im Beispiel des § 184f StGB also eine Sperrbezirksverordnung.143 Darin liegt tatsächlich ein struk140  Zur Frage, ob er frei darüber entscheiden darf, sogleich S. 195 ff. An dieser Stelle geht es nur um die faktische Regelungsmacht, um die Besonderheit der Rückverweisungsklausel zu zeigen. 141  Dietmeier, Blankettstrafrecht, S. 129; Kemme, Verletzung verwaltungsrecht­ licher Pflichten, S. 107; Reus, Risikogesellschaft, S. 158; vgl. (wenn auch in unkritischer Absicht) BayObLG 1 St 656/61, NJW 1962, 453, 455: „Nur die Höhe der Strafdrohung [… ist] seinem Ermessen entzogen.“ 142  Oben S. 160 f. 143  Theoretisch wäre es denkbar, dass der Verordnungsgeber eine Sperrbezirksverordnung grundsätzlich für angemessen befindet, diese aber nicht strafbewehrt wissen

188 C. Beurteilung der nationalrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik

turelles Problem dynamischer Außenverweisungen, das hingenommen werden muss, will man die echte Blankettstrafgesetzgebung nicht insgesamt verwerfen. Nur durch die Rückverweisungsklausel aber – und das ist der entscheidende Unterschied – befindet der Verordnungsgeber unmittelbar über die Sanktionsnorm. Dieser Befund korrespondiert mit dem für die Rückverweisungstechnik geltend gemachten Zweck: Dem Verordnungsgeber soll es ermöglicht werden, nicht hinreichend bestimmte, nicht sanktionswürdige oder schon auf sonstige Weise bewehrte Verhaltensnormen vom Anwendungsbereich des Blankettstrafgesetzes auszunehmen.144 Damit ist der Sache nach sein unmittelbarer Einfluss auf die Sanktionsnorm angesprochen. Den Bedenken gegen die Rückverweisungsklausel kann demnach nicht entgegengehalten werden, es handele sich um ein strukturelles Problem. Es ist zu pauschal, allein darauf abzustellen, ob ein Blankettstrafgesetz durch Erlass des Ausfüllungsobjekts anwendbar wird oder nicht. Das ist zwar das Ergebnis des Normgebungsprozesses, blendet aber alle dafür nötigen vorhergehenden Schritte aus und verkennt die besondere Wirkung des Rückverweises. Eine normentheoretische Betrachtung zeigt demgegenüber, dass der Verordnungsgeber über die Rückverweisungsklausel unmittelbaren Einfluss auf die Sanktionsnorm erlangt. Bei dynamisch verweisenden Blankettstrafgesetzen ohne Rückverweisungsklausel ist das nicht der Fall. Damit kann die Kritik an der Rückverweisungsklausel, der Verordnungsgeber entscheide über das „Ob“ der Strafbarkeit, auf den Punkt gebracht werden: Er entscheidet über das „Ob“ der Sanktionsnorm. c) Zwischenergebnis und weiterer Verlauf der Untersuchung Bei einem dynamisch verweisenden Blankettgesetz ohne Rückverweisungsklausel bestimmt der Verordnungsgeber nur über die Verhaltensnorm. Auf die Sanktionsnorm wirkt sich sein Tätigwerden nur mittelbar aus. Enthält das Gesetz hingegen eine Rückverweisungsklausel, bestimmt der Verordnungsgeber mittels der Rückverweisung auch unmittelbar über die Reichweite der Sanktionsnorm. Dynamisch verweisende Blankettstrafgesetze mit und ohne Rückverweisungsklausel sind insofern nicht vergleichbar. Es existiert daher eine spezielle Rückverweisungsproblematik. Diese muss im Folgenden rechtlich bewertet werden. Konkret sind zwei Punkte fraglich: Zum einen steht in Rede, ob der Verordnungsgeber zum will und daher lieber keine Verordnung erlässt. Dieses Beispiel wirkt aber bereits konstruiert, zudem ließe sich der Verordnungsgeber dann rechtswidrig von sachfremden Erwägungen leiten, vgl. oben S. 101. 144  Oben S. 48.



II. Die Rückverweisungsklausel189

Rückverweis gesetzlich ermächtigt und Art. 80 Abs. 1 S. 1 GG damit gewahrt ist (dazu 3.). Dies ist zuerst zu klären, denn existiert keine Ermächtigungsgrundlage für den Rückverweis, ist jeder Rückverweis in einer Rechtsverordnung schon deswegen unzulässig und nichtig. Sollte aber eine entsprechende Ermächtigung dem Grunde nach bestehen, ist zum anderen zu untersuchen, ob sie mit der kompetenzwahrenden Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG vereinbar ist (dazu 4.). Insoweit steht die Frage im Fokus, ob der parlamentarische Gesetzgeber den Verordnungsgeber zum Rückverweis ermächtigen durfte. 3. Gesetzliche Ermächtigung zur Rückverweisung (Art. 80 Abs. 1 S. 1 GG) Möchte der Verordnungsgeber ein Blankettstrafgesetz mit Rückverweisungsklausel ausfüllen, muss er erstens eine Verhaltensnorm erlassen und zweitens auf das Blankettgesetz zurückverweisen. Für den ersten Schritt, dem Erlass der Verhaltensnorm, ist eine Rechtsgrundlage im Sinne des Art. 80 Abs. 1 S. 1 GG stets gegeben. Es ist dies die Ermächtigung, auf die das Blankettstrafgesetz in seinem Tatbestand Bezug nimmt.145 Fraglich ist jedoch, ob und wo der Verordnungsgeber zum zweiten Schritt, dem Rückverweis, ermächtigt wird. a) Problemaufriss Diskutiert wird diese Frage hauptsächlich im Steuerrecht, bezogen auf die dortigen Blankettordnungswidrigkeitengesetze der §§ 381, 382 AO. Diese Gesetze sind insofern besonders, als sie auch formelle Gesetze in Bezug nehmen, die ebenfalls auf das Blankettordnungswidrigkeitengesetz zurückverweisen müssen.146 Das kann im Folgenden jedoch ausgeblendet bleiben: Der parlamentarische Gesetzgeber, dem die originäre Rechtsetzungskompetenz zugewiesen ist, bedarf für einen Rückverweis keiner Ermächtigung. Soweit die §§ 381, 382 AO hingegen auf Rechtsverordnungen Bezug nehmen, ergeben sich im Rahmen der Untersuchung des Art. 80 Abs. 1 S. 1 GG keine Unterschiede zu anderen Blankettgesetzen mit Rückverweisungsklausel.147 Die im Steuerrecht geführte Diskussion soll daher nachfolgend verall145  Diese wurde bereits im Rahmen der dynamischen Verweisung untersucht, vgl. oben S. 161 f. 146  Dazu oben S. 30. 147  Insbesondere spielt es keine Rolle, dass die §§ 381, 382 AO im Gegensatz zu typischen Blankettgesetzen mit Rückverweisungsklausel nicht voll-explizit auf Ermächtigungen zu Verhaltensnormen Bezug nehmen.

190 C. Beurteilung der nationalrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik

gemeinert dargestellt werden, auch wenn sie sich nur auf die §§ 381, 382 AO ausdrücklich bezieht. Voß meint, bei einem Blankettgesetz mit Rückverweisungsklausel einen Verstoß gegen Art. 80 Abs. 1 S. 1 GG zu erkennen. Die Ermächtigungsgrundlage, auf die sich das Blankettgesetz im Tatbestand beziehe, erlaube beispielsweise Vorschriften über die verwaltungsmäßige Durchführung der Gesetze. Sie sei aber nicht darauf bezogen, mit diesen Vorschriften den Tatbestand eines Ordnungswidrigkeitengesetzes (beziehungsweise eines Strafgesetzes) zu bestimmen.148 Der Sache nach spricht Voß damit den Rückverweis an, denn über ihn wird der Bezug zum ordnungswidrigkeiten- beziehungsweise strafrechtlichen Tatbestand hergestellt. Präzisiert man seine Kritik mittels der Kategorien Verhaltens- und Sanktionsnorm, lautet sie wie folgt: Die Ermächtigung, auf die ein Blankettgesetz mit Rückverweisungsklausel Bezug nimmt, sei immer nur auf (nichtstrafrechtliche) Verhaltensnormen bezogen. Sie erlaube dem Verordnungsgeber hingegen nicht, die Verhaltensnormen über einen Rückverweis dem Anwendungsbereich der Sanktionsnorm zu unterstellen. Voß untersucht zudem, ob dem Blankettgesetz selbst eine entsprechende Ermächtigung zu entnehmen ist, verneint dies aber. Das Blankettgesetz bilde keine Ermächtigungsgrundlage, schließlich lege es nicht einmal fest, an wen der in Art. 80 Abs. 1 S. 1 GG genannten Adressaten es sich richte.149 Folglich dürfte insbesondere die im Blankettgesetz enthaltene Rückverweisungsklausel nie als Ermächtigung zur Vornahme des Rückverweises verstanden werden.150 Da es an einer gesetzlichen Grundlage fehle, verletzen Voß zufolge alle Rechtsverordnungen, die das Blankettgesetz ausfüllen wollen, zudem das Zitiergebot des Art. 80 Abs. 1 S. 3 GG, wonach die Rechtsverordnung ihre jeweilige Rechtsgrundlage angeben muss.151 Letzteres wäre freilich nur die notwendige Folge der fehlenden Ermächtigung und kein eigenständiger Rechtsverstoß. Erwiesen sich die Bedenken als richtig, hätte das weitreichende Konsequenzen: Weil alle in Rechtsverordnungen bestehenden Rückverweisungen mangels gesetzlicher Grundlage nichtig wären,152 wäre die nationalrechtsakzessorische Rückverweisungstechnik in der momentan praktizierten Form hinfällig. 148  Voß, BB 1996, 1695, 1696; i. Erg. ebenso von Briel, in: von Briel/Ehlscheid, § 1 Rn. 557. 149  Voß, BB 1996, 1695, 1696; ders., in: Franzen/Gast/Joecks, 6. Aufl. 2005, § 381 AO Rn. 8; wohl zustimmend von Briel, in: von Briel/Ehlscheid, § 1 Rn. 557. 150  Dies annehmend Kast, in: Rödig, Theorie der Gesetzgebung, 261, 266. 151  Voß, BB 1996, 1695, 1696 f. 152  Vgl. Voß, BB 1996, 1695, 1697.



II. Die Rückverweisungsklausel191

b) Erforderlichkeit der Ermächtigung Das aufgeworfene Problem erledigte sich, wenn eine Ermächtigung zum Rückverweis überhaupt nicht erforderlich wäre.153 Indes ist diese Annahme nur unter der Prämisse haltbar, dass der Rückverweis keine Rechtswirkung entfaltet, also rein deklaratorisch wirkt.154 Es wurde aber schon gezeigt, dass die Rückverweisung konstitutiven Charakter hat, weil erst durch sie die ­Verhaltensnorm im Rahmen der Sanktionsnorm anwendbar wird. Für diese Rechtswirkung bedarf es einer entsprechenden Ermächtigungsgrundlage. c) Nichtstrafrechtliche Ermächtigung als Anknüpfungspunkt? Als solche kommt zunächst die Ermächtigung in Betracht, auf die das Blankettstrafgesetz im Tatbestand verweist. Entsprechend den Bedenken von Voß ist sie indes nicht derart weit gefasst. Unabhängig von ihrer konkreten Ausgestaltung erlaubt sie stets nur den Erlass von Verhaltensnormen, besagt aber nichts darüber, inwiefern diese Normen auch strafrechtliche Relevanz erlangen dürfen, indem sie – über den Rückverweis – einer Sanktionsnorm zugeordnet werden. Den Verordnungsgeber dennoch auf ihrer Grundlage dazu ermächtigt zu sehen, auf das Blankettgesetz zurückzuverweisen, stellte eine Interpretation dar, die mit der kompetenzwahrenden Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG (unabhängig davon, ob es auch aus sonstigen Gründen unzulässig ist) nicht vereinbar wäre.155 Dieses Ergebnis bestätigt sich bei einem Vergleich zu Ermächtigungen, auf die Blankettstrafgesetze ohne Rückverweisungsklausel Bezug nehmen. Im Rahmen jener Blankettgesetze entscheidet der Verordnungsgeber allein über die Verhaltensnorm und muss folglich nur insoweit ermächtigt werden. Die dortigen Ermächtigungen sind nun aber strukturell gleich wie die im Rahmen der Rückverweisungstechnik genutzten. d) Rückverweisungsklausel als mittelbare Ermächtigung Als Anknüpfungspunkt für die Ermächtigung zum Rückverweis bleibt allein die im Blankettstrafgesetz enthaltene Rückverweisungsklausel. Geltend 153  So Heine, in: GJW, § 381 AO Rn. 6; in diesem Sinne auch Kast, in: Rödig, Theorie der Gesetzgebung, 261, 266. 154  Insoweit konsequent Heine, in: GJW, § 381 AO Rn. 6: Rückverweis wirke nicht sanktionsbegründend. 155  Und ebenso wenig mit Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG, was nicht gesondert geprüft werden muss, vgl. oben S. 122 ff. So i. Erg. auch Volkmann, ZRP 1995, 220, 225 insbesondere Fn. 61.

192 C. Beurteilung der nationalrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik

gemacht wird insoweit, die Klausel müsse als Ermächtigungsgrundlage interpretiert werden, weil die Rückverweisungstechnik ansonsten strenger beurteilt würde als andere Blankettstrafgesetze, die auf Rechtsverordnungen Bezug nehmen.156 Das wäre jedoch nur richtig, wenn Blankettstrafgesetze mit und ohne Rückverweisungsklausel im Hinblick auf die Regelungsbefugnis des Verordnungsgebers vergleichbar wären. Dem ist aber nicht so, denn der Verordnungsgeber erhält durch die Rückverweisungsklausel eine größere Entscheidungsbefugnis.157 Hierfür muss auch eine entsprechende Rechtsgrundlage bestehen. Dadurch werden an Blankettstrafgesetze mit Rückverweisungsklausel keine strengeren Anforderungen gestellt, denn der Prüfungsmaßstab bleibt gleich. Dass der Gesetzgeber die Rückverweisungsklausel als Ermächtigung versteht, ist zweifelhaft. Im Vergleich zu herkömmlichen Ermächtigungen ist die Klausel untypisch formuliert. Sie enthält keine der üblicherweise genutzten Wendungen, wie etwa „wird ermächtigt“ oder „kann bestimmen“. Bei der unionsrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik existiert außerdem, worauf im nächsten Kapitel genauer einzugehen ist,158 eine gesonderte und als solche eindeutig erkennbare Ermächtigung zum Rückverweis. Dies spricht dagegen, die Rückverweisungsklausel als Ermächtigung zu interpretieren.159 Doch folgt daraus nicht, dass man sie nicht als Ermächtigung verstehen darf. Der Intention des Gesetzgebers würde schließlich offenkundig noch weniger entsprochen, wenn der Verordnungsgeber nie auf das Blankettgesetz zurückzuverweisen dürfte und Blankettgesetze mit Rückverweisungsklausel jeder Wirksamkeit beraubt wären. Nach dem Wortlaut der Rückverweisungsklausel soll eine Strafandrohung nur entstehen, „soweit“ eine Rechtsverordnung auf das Strafgesetz zurückverweist. Das setzt voraus, dass es dem Verordnungsgeber möglich ist, in seiner Verordnung auf das Blankettgesetz zu verweisen. Damit enthält die Rückverweisungsklausel mittelbar die Ermächtigung zum Rückverweis.160 156  Matthes, in: Kohlmann, § 381 AO Rn. 15; ebenso Jäger, in: Klein, § 381 AO Rn. 20; ders./Ebner, in: Joecks/Jäger/Randt, § 381 AO Rn. 11, die den Vergleich zur Rückverweisungstechnik zwar auf Blankettstrafgesetze beziehen, die auf eine „Verwaltungsanordnung“ verweisen, damit aber, wie der Verweis auf die zu § 327 Abs. 2 Nr. 1 StGB ergangene Entscheidung BVerfG 2 BvL 11/85, NJW 1987, 3175 zeigt, eine Rechtsverordnung meinen. 157  Vgl. Bülte, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, §  381 AO Rn. 29 und oben S. 181 ff. 158  Unten S. 257. 159  Vgl. Voß, BB 1996, 1695, 1697. 160  Volkmann, ZRP 1995, 220, 225; vgl. Bode/Seiterle, ZIS 2016, 173, 174 Fn. 14; Jäger, in: Klein, § 381 AO Rn. 20, § 382 AO Rn. 16; ders./Ebner, in: Joecks/Jäger/ Randt, § 381 AO Rn. 11, § 382 AO Rn. 18; Matthes, in: Kohlmann, § 381 AO Rn. 15;



II. Die Rückverweisungsklausel193

Diese Lesart ist zulässig: Eine Ermächtigung muss nicht zwingend ausdrücklich als solche formuliert sein.161 Im konkreten Fall ist sie für den Verordnungsgeber klar als ihn ermächtigende Rechtsgrundlage erkennbar, wie die Praxis der Verordnungsgebung zeigt, in der regelmäßig Rückverweisungen vorgenommen werden. Es besteht dabei die Besonderheit, dass die Rückverweisungsklausel nicht zu einer selbstständigen Rechtsverordnung ermächtigt. Der Rückverweis soll schließlich nicht isoliert in einer eigenen Verordnung stehen, sondern in diejenige aufgenommen werden, die die relevante Verhaltensnorm enthält. Die Klausel knüpft folglich an die Ermächtigung zur Verhaltensnorm an und ermächtigt – als Annex hierzu – zu einem weiteren Inhalt, dem Rückverweis. Beide Ermächtigungen hängen insofern eng zusammen. Vor diesem Hintergrund lässt sich besser verstehen, warum die Rückverweisungsklausel nicht wie eine typische Ermächtigung formuliert ist. Über den Annexcharakter erklärt sich auch, wer von den in Art. 80 Abs. 1 S. 1 GG genannten Adressaten zur Rückverweisung ermächtigt wird. Die Antwort folgt aus der Ermächtigung zur Verhaltensnorm. Derjenige, der die Verhaltensnorm erlässt, soll sie auch der Sanktionsnorm zuordnen. Eine Aufspaltung der Zuständigkeiten wäre hier unsinnig, weil dann der Zweck der Rückverweisungstechnik, die Rechtslage infolge der schnelleren Reaktionsfähigkeit des Verordnungsgebers zu flexibilisieren, verloren zu gehen drohte. Art. 80 Abs. 1 S. 1 GG ist somit gewahrt. Die rückverweisenden Rechtsverordnungen genügen ferner dem Zitiergebot des Art. 80 Abs. 1 S. 3 GG. Danach muss die Verordnung die Ermächtigungsgrundlage (nach Paragraph, Absatz etc.) so genau zitieren, dass klar ist, welche Vorschrift gemeint ist.162 Das ist durch den Rückverweis gewährleistet. Er benennt immer ausdrücklich die Sanktionsnorm und damit die Norm, die auch die Ermächtigung enthält:163 „Nach § x [des Blankettstrafgesetzes] wird bestraft/Ordnungswidrig im Sinne des § x [des Blankettordnungswidrigkeitengesetzes] handelt […].“

Traut, in: Flore/Tsambikakis, § 381 AO Rn. 9, § 382 AO Rn. 10; wohl auch Domeier, Lebensmittelstrafrecht, S. 272 f.; BVerfG 2 BvR 374/90, NJW 1992, 2624: „Die Ermächtigung zur Unterstellung eines Tatbestands unter die Bußgeldandrohung des § 33 I AWG ist ebenfalls im Gesetz unzweideutig ausgesprochen“; AG Potsdam 86 Ds 75/16, BeckRS 2017, 119329 Rn. 33. 161  Wilke, AöR 98 (1973), 196, 220; offenlassend Volkmann, ZRP 1995, 220, 225. 162  Remmert, in: Dürig/Herzog/Scholz, Art. 80 Rn. 125. 163  Bezogen auf §§ 381, 382 AO Jäger, in: Klein, § 381 AO Rn. 20; ders./Ebner, in: Joecks/Jäger/Randt, § 381 AO Rn. 11, § 382 AO Rn. 18; Matthes, in: Kohlmann, § 381 AO Rn. 15; Sprenger, in: NK-WSS, § 381 AO Rn. 3.

194 C. Beurteilung der nationalrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik

4. Vorbehalt des formellen Gesetzes (kompetenzwahrende Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG) Zu klären ist nun, ob die Ermächtigung zum Rückverweis zulässig ist. Es geht dabei um die Vereinbarkeit der Rückverweisungsklausel mit der kompetenzwahrenden Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG. a) Naheliegende Schlussfolgerung der Verfassungswidrigkeit Die bisherige Untersuchung deutet auf ein eindeutiges Ergebnis hin: Wie gezeigt gibt die Rückverweisungsklausel dem Verordnungsgeber die Macht, über die Reichweite der Sanktionsnorm zu bestimmen.164 Die Entscheidung über die Sanktionsnorm gehört indes zu den wesentlichen Voraussetzungen der Strafbarkeit, deren Festlegung allein dem parlamentarischen Gesetzgeber obliegt.165 Indem die Exekutive über die Zuordnung einer Verhaltensnorm zur Sanktionsnorm befindet, muss sie auch über kriminalpolitische Belange entscheiden166 und wird – entgegen der verfassungsrechtlich vorgesehenen Kompetenzverteilung – zum Strafgesetzgeber. Umgekehrt hat der Gesetzgeber bei Einsatz einer Rückverweisungsklausel nur eine neutrale Haltung zum Ausdruck gebracht, in dem Sinne, dass er innerhalb der gesetzlichen Vorgaben nichts gegen eine Bestrafung einzuwenden hat, es aber gleichermaßen akzeptiert, wenn keine Sanktionsandrohung durch die Exekutive erfolgt.167 Damit wäre gegen Art. 103 Abs. 2 GG verstoßen. Diese Schlussfolgerung ist unabhängig davon, ob die übrigen Voraussetzungen der kompetenzwahrenden Komponente erfüllt sind. Das formelle Gesetz kann noch so präzise Vorgaben über das geschützte Rechtsgut und die erfassten Verhaltensweisen machen – infolge der Rückverweisungsklausel ist jedenfalls über die Sanktionsnorm nicht abschließend entschieden.168 Nur soweit formelle Gesetze das Blankettstrafgesetz ausfüllen und dafür zurückverweisen müssen, wie es zum Teil bei den §§ 381, 382 AO der Fall ist, besteht kein Problem. Ferner kommt eine andere Beurteilung im Ordnungswidrigkeitenrecht in Betracht, da der Gesetzgeber dort nicht abschließend über die Sanktionsnorm entschieden haben muss.169

164  Oben

S. 186 ff. S. 100. 166  Kemme, Verletzung verwaltungsrechtlicher Pflichten, S. 91. 167  Volkmann, ZRP 1995, 220, 224; Domeier, Lebensmittelstrafrecht, S. 272; Moll, Europäisches Strafrecht, S. 176; Satzger, Europäisierung, S. 259. 168  Freund/Rostalski, GA 2016, 443, 447. 169  Oben S. 111 f. 165  Oben



II. Die Rückverweisungsklausel195

Trotzdem kann noch kein endgültiges Urteil gefällt werden. Vielmehr ist zu überlegen, ob sich an der soeben gezogenen Schlussfolgerung durch Berücksichtigung weiterer Umstände etwas ändert (dazu ab b)). Dabei gelten die nachstehenden Ausführungen allein für das Strafrecht, weil die Rückverweisungsklausel, nur soweit sie dort eingesetzt wird, mutmaßlich verfassungswidrig ist. Auf das Ordnungswidrigkeitenrecht ist anschließend gesondert einzugehen (dazu d)). b) Rückverweisung als objektive Strafbarkeitsbedingung? Um die Rückverweisungsklausel für verfassungskonform zu halten, ist vorgeschlagen worden, diese Gesetzestechnik parallel zum Institut der objektiven Strafbarkeitsbedingung zu verstehen: Der parlamentarische Gesetzgeber wolle grundsätzlich alle Verhaltensnormen, die aufgrund der im Blankettstrafgesetz genannten Ermächtigung ergangen sind, strafbewehrt wissen.170 Die erforderliche Rückverweisung wirke demnach quasi als objektive Strafbarkeitsbedingung. Dass der Verordnungsgeber sie vornehmen könne oder eben nicht, begründe folglich keine Kompetenz zur Strafrechtsetzung, sondern nur zur Strafrechtsreduktion.171 An der mutmaßlichen Verfassungswidrigkeit der Rückverweisungsklausel im Strafrecht kann dies jedoch nichts ändern. Es ist damit nur eine Lösung durch Umformulierung des Problems gefunden.172 Daran, dass der Verordnungsgeber eigenständig über die Reichweite der Sanktionsnorm entscheidet, ändert sich nichts. Auch geht die Parallele zur objektiven Strafbarkeitsbedingung fehl: Eine Strafbarkeitsbedingung, wie etwa die Rauschtat in § 323a Abs. 1 StGB oder der Eintritt des Todes beziehungsweise einer schweren Körperverletzung in § 231 Abs. 1 StGB, bezieht sich auf das tatsächliche Geschehen, nicht auf normative Vorgaben der Exekutive. Sie berührt nicht die Kompetenzabgrenzung zwischen den Gewalten. c) Verpflichtung zum Rückverweis Möglicherweise lässt sich aber zumindest an den Ausgangspunkt des soeben dargestellten Vorschlags anknüpfen, der parlamentarische Gesetzgeber wolle alle Verhaltensnormen strafbewehrt wissen, die aufgrund der im Blankettstrafgesetz genannten Ermächtigung ergangen sind. Wenn nun sichergestellt wäre, dass der Verordnungsgeber bei Ausfüllung des Blankettgesetzes JR 2018, 422, 430. JR 2018, 422, 430 f. 172  Das erkennen Brand/Kratzer, JR 2018, 422, 431 selbst: Es müsse mit dem Vorwurf der spitzfindigen, sophistischen Wortklauberei gerechnet werden. 170  Brand/Kratzer, 171  Brand/Kratzer,

196 C. Beurteilung der nationalrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik

diesem Willen tatsächlich entsprechen muss, könnte die Rückverweisungsklausel als mit Art. 103 Abs. 2 GG vereinbar angesehen werden. Dazu müsste der Verordnungsgeber verpflichtet sein, auf das Blankettstrafgesetz zurückzuverweisen, wenn er eine Verhaltensnorm erlässt, die sich auf die im Blankettgesetz genannte Ermächtigung stützt.173 Er dürfte also nicht die Wahl haben, einen Rückverweis aufzunehmen oder nicht. Nur wenn er nämlich eine solche Wahlmöglichkeit hätte, wäre ihm das Ergebnis, dass die Sanktionsnorm auf eine bestimmte Verhaltensnorm anwendbar ist, zurechenbar und erschiene als „seine“ Entscheidung. Hätte er sie hingegen nicht, träfe er keine eigene Entscheidung, sondern vollzöge nur eine Anordnung des parlamentarischen Gesetzgebers. Dieser hätte abschließend vorgegeben, welche Verhaltensnormen durch das Blankettgesetz zu bewehren sind. Weil der Verordnungsgeber hieran nichts ändern könnte, hätte allein er, der Gesetzgeber, über die Sanktionsnorm entschieden. Ein Verstoß gegen die kompetenzwahrende Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG ist somit davon abhängig, ob der Verordnungsgeber einen freien Einfluss auf die Sanktionsnorm hat oder nicht. aa) Rechtliche Einordnung: Entschließungsfreiheit des Verordnungsgebers Ob der Verordnungsgeber zur Vornahme des Rückverweises verpflichtet ist, steht im Kontext der allgemeinen Frage, welche Gestaltungsfreiheit im Rahmen der Verordnungsgebung besteht.174 Unterschieden wird hier eine Entschließungs- und eine inhaltliche Gestaltungsfreiheit. Erstere betrifft das grundsätzliche „Ob“ des Tätigwerdens, das heißt die Freiheit, eine Rechtsverordnung zu erlassen oder nicht; letztere den konkreten Inhalt der Rechtsverordnung.175 Die Rückverweisungsklausel als Ermächtigungsgrundlage für den Rückverweis ermächtigt nicht zum Erlass einer selbstständigen Rechtsverordnung, sondern dazu, einen zusätzlichen Inhalt in diejenige Verordnung aufzunehmen, die die zu bewehrende Verhaltensnorm enthält.176 Das legt es 173  Enderle, Blankettstrafgesetze, S. 187 hält diese Frage wohl für überflüssig, wenn sie es für begründungsbedürftig hält, dass der Verordnungsgeber „ein Interesse daran habe könnte, das Blankett nicht auszufüllen.“ Darauf kommt es aber nicht an, denn allein die rechtlich bestehende Möglichkeit, über die Reichweite der Sanktionsnorm zu entscheiden, stünde zu Art. 103 Abs. 2 GG in Widerspruch. 174  Die Gestaltungsfreiheit wird als eigenständige, weder mit der legislativen Gestaltungsfreiheit noch dem herkömmlichen Verwaltungsermessen gleichzusetzende Kategorie verstanden, dazu von Danwitz, Gestaltungsfreiheit, S. 167 ff.; Nierhaus, in: BK, Art. 80 Rn. 334 ff.; Schwanengel, Normsetzung der Exekutive, S. 80 f. 175  von Danwitz, Gestaltungsfreiheit, S. 179, 185; Nierhaus, in: BK, Art. 80 Rn. 340. 176  Oben S. 193.



II. Die Rückverweisungsklausel197

nahe, die dabei in Rede stehende Freiheit als Teil der inhaltlichen Gestaltungsfreiheit zu begreifen. Andererseits ist mit der Rückverweisung ein eigenständiger Teil der Rechtsverordnung betroffen. Für ihn existiert mit der Rückverweisungsklausel eine gesonderte Ergänzung der die Verhaltensnorm betreffenden Ermächtigung. Aus diesem Blickwinkel betrachtet, geht es darum, ob der Verordnungsgeber gezwungen ist, von dieser ergänzenden Ermächtigung Gebrauch zu machen – mithin um die Entschließungsfreiheit. Diese Einordnung überzeugt, weil sie einen Gleichlauf zu unionsrechtsakzessorischen Blankettstrafgesetzen herstellt. Bei ihnen lässt sich die Vornahme eines Rückverweises, wie noch gezeigt werden wird,177 ausschließlich als Aspekt der Entschließungsfreiheit einordnen: Die entsprechende Ermächtigung bildet dort nämlich nicht bloß eine Ergänzung zu einer anderweitigen Ermächtigung. Eine inhaltliche Gestaltungsfreiheit wird jedoch teilweise in Bezug auf einen anderen Umstand thematisiert. Sie sei zu bejahen, falls der Verordnungsgeber frei darüber befinden dürfe, für welche Verhaltensnorm(en) er einen Rückverweis aufnehme.178 Eine solche inhaltliche Gestaltungsfreiheit existiert bei genauer Betrachtung allerdings von vornherein nicht. Denn die Rückverweisungsklausel ermächtigt weder zu verschiedenen Regelungen, zwischen denen der Verordnungsgeber eventuell wählen könnte, noch zu wertenden, prognostischen Bestimmungen, die eine inhaltliche Gestaltungsfreiheit nahelegten. Ermächtigt wird vielmehr zu einem einzigen möglichen Inhalt: die Rückverweisung aufzunehmen. Wäre der Verordnungsgeber verpflichtet, von der Rückverweisungsklausel Gebrauch zu machen, stünde folglich zugleich das Ergebnis des Tätigwerdens fest.179 Weil eine inhaltliche Gestaltungsfreiheit mithin nicht existiert, betreffen die folgenden Ausführungen nur die Entschließungsfreiheit. Um zu untersuchen, ob der Verordnungsgeber eine Entschließungsfreiheit zum Rückverweis innehat, soll zunächst dargestellt werden, ob und inwiefern sich die zur Rückverweisungsklausel ergangene Rechtsprechung und Literatur dazu verhält (dazu bb)). Anschließend wird untersucht, welche generellen Begründungsansätze im Öffentlichen Recht dafür bestehen, eine Verpflichtung des Verordnungsgebers zum Tätigwerden anzunehmen (dazu cc)). Die damit ge177  Unten

S. 258 f. diesem Sinne Volkmann, ZRP 1995, 220, 224; Moll, Europäisches Strafrecht, S. 177, die von „Auswahlentscheidung“ beziehungsweise „Auswahlermessen“ sprechen. 179  Stützt der Verordnungsgeber auf eine Ermächtigung gleich mehrere Verhaltensnormen, stellt sich freilich die Frage, ob die Entschließungsfreiheit derart aufgehoben ist, dass der Verordnungsgeber den Rückverweis für alle Verhaltensnormen oder nur in genauer festgelegten Fällen vornehmen muss; dazu unten S. 209 f. 178  In

198 C. Beurteilung der nationalrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik

wonnenen Anhaltspunkte sind sodann auf ihren Nutzen innerhalb der Rückverweisungstechnik zu prüfen (dazu dd)). bb) Stellungnahmen in Rechtsprechung und Literatur zur Rückverweisungsklausel Rechtsprechung und Literatur, die sich mit der Rückverweisungsklausel beschäftigen, thematisieren die Frage der Entschließungsfreiheit kaum. Insbesondere in den Entscheidungen des BVerfG zur nationalrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik fehlen jegliche Ausführungen hierzu.180 In der Literatur wird meist ohne nähere Ausführung zugrunde gelegt, dass der Verordnungsgeber in seiner Entscheidung über den Rückverweis nicht gebunden sei.181 Implizit hiervon ausgegangen wird insbesondere dann, wenn der Zweck der Rückverweisungsklausel darin gesehen wird, der Verordnungsgeber solle nicht hinreichend bestimmte, nicht sanktionswürdige oder schon auf sonstige Weise bewehrte Verhaltensnormen vom Anwendungsbereich des Blankettstrafgesetzes ausnehmen können.182 Nur vereinzelt finden sich explizite Äußerungen:183 Nach geltendem Verständnis des Art. 80 GG sei der Verordnungsgeber frei darin, ob er von einer Ermächtigung Gebrauch mache.184 Diese Freiheit zeige sich im konkreten Fall auch einfachgesetzlich und zwar anhand des Wortlauts der Rückverweisungsklausel185 sowie dem Willen des Gesetzgebers186. Demgegenüber wird teilweise von einer generellen Verpflichtung des Verordnungsgebers ausgegangen und auf diese Weise die Vereinbarkeit der 180  In der die unionsrechtsakzessorische Rückverweisungstechnik betreffenden Entscheidung zum LFGB thematisiert das BVerfG die Frage hingegen, dazu unten S. 261. 181  Vgl. etwa Reus, Risikogesellschaft, S. 177: Der Verordnungsgeber sei „völlig frei“. Dass diese die Rückverweisung an anderer Stelle (a. a. O., S. 160) als „obligatorisch“ bezeichnet, bezieht sich wohl nur auf die Erkennbarkeit der Strafbarkeit für den Normadressaten. 182  Oben S. 48. 183  Ohne nähere Begründung Moll, Europäisches Strafrecht, S. 176: Verordnungsgeber habe Entschließungsermessen; Pohlreich, HRRS 2020, 481, 487: im nationalen Kontext sei „ein solcher [die Gestaltungsfreiheit des Verordnungsgebers einengender Umstand] auch sonst nicht ersichtlich“. 184  Hoven, NStZ 2016, 377, 380; Dorneck, in: Stam/Werkmeister, Der Allgemeine Teil des Strafrechts, 9, 28. 185  Volkmann, ZRP 1995, 220, 225, der das freilich für mit Art. 80 Abs. 1 GG unvereinbar hält, a. a. O., 225 f.; Heuser, HRRS 2021, 63, 69. 186  AG Potsdam 86 Ds 75/16, BeckRS 2017, 119329 Rn. 48; Bülte, wistra 2020, 251, 252.



II. Die Rückverweisungsklausel199

Rückverweisungsklausel mit Art. 103 Abs. 2 GG begründet.187 Böse erreicht dies über eine verfassungskonforme Auslegung der Rückverweisungsklausel188. Die Aufnahme einer Rückverweisung sei nicht Ausfluss einer eigenen Entscheidungsbefugnis der Exekutive, sondern bedeute eine „Obliegenheit“ für sie.189 Einen inhaltlichen Ansatz zur Begründung einer Verpflichtung liefert Schützendübel: Der Verordnungsgeber werde aus dem Grundsatz der Verfassungsorgantreue und dem allgemeinen Rechtsstaatsprinzip zum Tätigwerden gezwungen.190 Damit sind erste Anhaltspunkte gewonnen, das Thema aber noch nicht ausreichend beleuchtet worden. Mit der Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung ist aufgezeigt, wie sich eine Verpflichtung eventuell konstruktiv in die Rückverweisungsklausel integrieren ließe. Zuvor aber müsste geklärt werden, ob dieses Ergebnis im Wege der Auslegung überhaupt gewonnen werden kann, wird doch mit dem Verweis auf Art. 80 GG gerade die Verfassungskonformität dieses Ergebnisses bestritten. Und auch was den sonstigen Auslegungsprozess betrifft, stehen sich die Aussagen diametral gegenüber: einerseits Wortlaut und gesetzgeberischer Wille gegen eine Verpflichtung, andererseits der Grundsatz der Verfassungsorgantreue und das Rechtsstaatsprinzip für eine Verpflichtung. Insgesamt erweist sich der Befund in Rechtsprechung und Literatur als unbefriedigend. Eine vertiefte Auseinandersetzung mit der Entschließungsfreiheit des Verordnungsgebers findet nicht statt. cc) Allgemeine Einschränkungsmöglichkeiten der Entschließungsfreiheit Um die zur Entschließungsfreiheit bei der Rückverweisungsklausel vertretenen Meinungen bewerten und das aufgeworfene Problem grundlegend klä187  Ohne nähere Begründung Heine, in: GJW, § 382 AO Rn. 3, dort auf die unions­ rechtsakzessorische Rückverweisungstechnik bezogen, aber wohl nicht darauf begrenzt, vgl. ders., in: GJW, § 381 AO Rn. 6. Ohne nähere Begründung auch Domeier, Lebensmittelstrafrecht, S. 266, 271, die sodann jedoch – im Widerspruch dazu – ein Ermessen des Verordnungsgebers annimmt, ob er von der Ermächtigung Gebrauch macht (a. a. O., S. 272), und die Rückverweisungsklausel folglich doch für unzulässig hält. 188  Böse, in: FS Krey, 7, 11 spricht genau genommen von einer verfassungskonformen Auslegung „der gesetzlichen Ermächtigung“, ohne zu präzisieren, welche Vorschrift er damit meint. 189  Böse, in: FS Krey, 7, 11. 190  Schützendübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 294, generell zur Verpflichtung auch a. a. O., S. 291. Die Aussage steht zwar jeweils im unionalen Kontext, ist aber nicht darauf beschränkt, vgl. a. a. O., S. 317.

200 C. Beurteilung der nationalrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik

ren zu können, gilt es, sich zunächst derjenigen Begründungsansätze zu vergewissern, die generell im Öffentlichen Recht dafür bestehen, eine Verpflichtung der Exekutive anzunehmen. Damit wird eine rechtlich gesicherte Ausgangsbasis geschaffen, mit der die soeben dargestellten Ansätze im Kontext der Rückverweisungstechnik abzugleichen sind. Anhand des auf diese Weise gewonnenen Maßstabs kann im nächsten Schritt beurteilt werden, ob der Verordnungsgeber bei der Entscheidung über den Rückverweis frei ist. (1) Begründungsansätze im Öffentlichen Recht Im Öffentlichen Recht ist allgemein anerkannt, dass der Verordnungsgeber im Grundsatz die Entschließungsfreiheit innehat, ob und wann er von einer Ermächtigung Gebrauch macht.191 Dies ergibt sich aus der Funktion der Verordnungsgebung als Rechtsetzung192 und klingt auch im Begriff der „Ermächtigung“ an.193 Dem Grundsatz entsprechend sind die meisten Ermächtigungen so gefasst, dass sie die Entschließungsfreiheit sprachlich zum Ausdruck bringen. Sie nutzen beispielsweise Formulierungen wie „wird ermächtigt“ oder „kann durch Rechtsverordnung bestimmen“.194 Gleichwohl ist ebenso anerkannt, dass der Verordnungsgeber in seiner Entschließungsfreiheit ausnahmsweise eingeschränkt und zum Erlass einer Rechtsverordnung verpflichtet sein kann.195 Eine „Ermächtigung“ muss „nicht notwendig im Sinne völliger Freiheit der ermächtigten Stelle verstan191  BVerwG 9 C 272/86, NJW 1988, 1161; Bauer, in: Dreier, Art. 80 Rn. 56; Brenner, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Art. 80 Rn. 74; von Danwitz, Gestaltungsfreiheit, S.  179 f.; Müller, Gesetzgebungstechnik, S. 312; Nierhaus, in: BK, Art. 80 Rn. 341; Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. V, § 103 Rn. 50; Remmert, in: Dürig/Herzog/Scholz, Art. 80 Rn. 119; Schwanengel, Normsetzung der Exekutive, S. 82; Schneider, Gesetzgebung, Rn. 248; Uhle, Parlament und Rechtsverordnung, S. 85, 158, 464; ders., in: BeckOK-GG, Art. 80 Rn. 30; Unruh/Strohmeyer, NuR 1998, 225, 226; Wilke, AöR 98 (1973), 196, 234; Peine, ZG 1988, 121, 129 ff. (skeptisch aber ders., NuR 1988, 115, 116: „jedenfalls nach herrschender Meinung“); vgl. BVerfG 2 BvL 18/56, NJW 1958, 540, 542; 1 BvR 1137/59 u. a., NJW 1962, 147. 192  Vgl. Unruh/Strohmeyer, NuR 1998, 225, 226; Brenner, in: von Mangoldt/ Klein/Starck, Art. 80 Rn. 72; Lepa, AöR 105 (1980), 337, 347; Schwanengel, Normsetzung der Exekutive, S. 80. 193  Müller, Gesetzgebungstechnik, S. 312; Schwanengel, Normsetzung der Exekutive, S. 82. 194  BMJ, Rechtsförmlichkeit, Rn. 392; Schneider, Gesetzgebung, Rn. 248 Fn. 42; Schwanengel, Normsetzung der Exekutive, S. 88; Uhle, Parlament und Rechtsverordnung, S. 85; vgl. von Danwitz, Gestaltungsfreiheit, S. 180. 195  Zum Teil wird insoweit von einer Ermessensreduktion auf Null gesprochen, so Unruh/Strohmeyer, NuR 1998, 225, 226. Da eine Ermessensreduzierung aber nie bereits auf abstrakt-generellerer Ebene einer Norm ansetzt (vgl. Hain/Schlette/Schmitz, AöR 122 [1997], 32, 39), ist dies nur richtig, wenn die Pflicht lediglich in einzelnen



II. Die Rückverweisungsklausel201

den werden.“196 Ob eine Verpflichtung besteht, ist durch Auslegung zu ermitteln. Die Ermächtigungsgrundlage kann zunächst dem Wortlaut nach eine Pflicht formulieren.197 Sie lautet dann etwa „hat durch Rechtsverordnung … zu erlassen“ oder schlicht „bestimmt“ beziehungsweise „erlässt“.198 So wie der Gesetzgeber dem Verordnungsgeber in der Ermächtigung inhaltliche Vorgaben macht, kann er also auch die Entschließungsfreiheit als Bestandteil der Ermächtigung zurücknehmen, quasi als Minus zur umfassenden Ermächtigung.199 Eine Verpflichtung des Verordnungsgebers ist ferner anzunehmen, wenn das Gesetz ohne die Verordnung nicht praktikabel200 oder nicht anwendbar wäre.201 Beide Formulierungen werden synonym verstanden. Nach dem Fällen besteht. Was eine Norm hingegen generell besagt, ist eine Frage der Auslegung. 196  BVerfG 1 BvR 1137/59 u. a., NJW 1962, 147. 197  Brenner, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Art. 80 Rn. 75; Lepa, AöR 105 (1980), 337, 347; Mann, in: Sachs, Art. 80 Rn. 5; Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. V, § 103 Rn. 50; Peine, ZG 1988, 121, 133 f.; Remmert, in: Dürig/Herzog/Scholz, Art. 80 Rn. 119; Schneider, Gesetzgebung, Rn. 248; Schnelle, Fehlerfolgenlehre für Rechtsverordnungen, S. 38; Schwanengel, Normsetzung der Exekutive, S. 83, 86; Uhle, Parlament und Rechtsverordnung, S. 159, 161; ders., in: Kluth/Krings, Gesetzgebung, § 24 Rn. 63; ders., in: BeckOK-GG, Art. 80 Rn. 30; Unruh/Strohmeyer, NuR 1998, 225, 226 f.; vgl. BMJ, Rechtsförmlichkeit, Rn. 391; Moll, Europäisches Strafrecht, S. 177; vgl. BVerfG 2 BvL 18/56, NJW 1958, 540, 542; 1 BvR 1137/59 u. a., NJW 1962, 147; 1 BvR 230/70 u. a., NJW 1973, 133, 137; 2 BvL 9/85 u. a., NJW 1988, 2529, 2531; 1 BvR 1301/84, NJW 1989, 1271, 1272 f.; BVerwG VII C 27/72, VerwRspr 1974, 374, 378; 3 C 6/83, NJW 1986, 2387, 2388. 198  BMJ, Rechtsförmlichkeit, Rn. 393; Mann, in: Sachs, Art. 80 Rn. 5; Schneider, Gesetzgebung, Rn. 248; Uhle, Parlament und Rechtsverordnung, S. 86; a. A. hinsichtlich „erlässt“ aber Nierhaus, in: BK, Art. 80 Rn. 342. 199  Uhle, Parlament und Rechtsverordnung, S. 465 f.; ähnlich Schwanengel, Normsetzung der Exekutive, S. 82, der auf die Gesetzesakzessorietät der Verordnungsgebung abstellt. 200  BVerfG 1 BvR 1137/59 u. a., NJW 1962, 147; 1 BvR 265/62, BeckRS 1963, 103696; BVerwG I C 86/64, NJW 1969, 1589, 1591; Kment, in: Jarass/Pieroth, Art. 80 Rn. 32; Mann, in: Sachs, Art. 80 Rn. 5; Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. V, § 103 Rn. 50; Peine, ZG 1988, 121, 133; Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, Art. 80 Rn. 134; Sturmhöfel, Verordnungsrecht, S. 30 f., 81; Uhle, Parlament und Rechtsverordnung, S. 161; ders., in: Kluth/Krings, Gesetzgebung, § 24 Rn. 63; ders., in: BeckOK-GG, Art. 80 Rn. 30; Unruh/Strohmeyer, NuR 1998, 225, 229; i. Erg. auch von Danwitz, Gestaltungsfreiheit, S. 181 und Nierhaus, in: BK, Art. 80 Rn. 345, die dazu jedoch im Wege einer Reduzierung der Entschließungsfreiheit beziehungsweise des Entschließungsermessens auf Null gelangen. 201  BGH VIII ZR 135/17, NJW-RR 2018, 942 Rn. 20; Bauer, in: Dreier, Art. 80 Rn. 56; Brenner, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Art. 80 Rn. 75; Mann, in: Sachs, Art. 80 Rn. 5; Schwanengel, Normsetzung der Exekutive, S. 87; Uhle, Parlament und

202 C. Beurteilung der nationalrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik

BVerfG muss sich die Pflicht in diesem Fall an hinreichenden normativen Anhaltspunkten festmachen lassen.202 Dies wird in der Literatur kaum auf­ gegriffen; wahrscheinlich, weil es im Ergebnis kaum eine Einschränkung darstellt: Das BVerfG stellt keine hohen Anforderungen an die geforderten Anhaltspunkte.203 Sie müssen sich nicht notwendig ausdrücklich aus der Ermächtigungsgrundlage ergeben, sondern können auch aus dem Gesamtzusammenhang des Gesetzes und dem gesetzgeberischen Ziel folgen.204 Der Gesetzgeber muss bereits eine „Programmentscheidung“205 getroffen haben, in dem Sinne, dass er zu erkennen gibt, ein bestimmtes Ziel erreichen zu wollen, dem der Verordnungsgeber dann verpflichtet ist. Der Grund für die Verpflichtung liegt hier im Telos der Verordnungsgebung. Die Verordnungsgebung hat neben ihrer Rechtsetzungs- auch eine Rechtsanwendungsfunktion.206 Das zeigt sich daran, dass eine Rechtsverordnung dem formellen Gesetz untergeordnet ist. Sie wird durch gesetzgeberische Vorgaben bestimmt und soll das Gesetz näher konkretisieren. Gesetz und Rechtsverordnung bilden deshalb eine funktionale Zweckeinheit.207 Könnte der Verordnungsgeber aber frei über die Anwendbarkeit eines Gesetzes entscheiden, liefe das dem im Gesetz vorgegebenen Zweck entgegen. Es wäre Ausdruck eines originären politischen Gestaltungswillens, der dem Verordnungsgeber nicht zusteht.208 Zum Teil wird die Verpflichtung des Verordnungsgebers auf Fälle beschränkt, in denen der Gesetzgeber ganz oder zum Teil auf den Verordnungsgeber angewiesen ist.209 Eine solche Abhängigkeit könne sich zum Beispiel Rechtsverordnung, S.  161 f.; Zuleeg, DVBl 1970, 157; vgl. BVerfG 2 BvL 9/85 u. a., NJW 1988, 2529, 2531; Kloepfer, Verfassungsrecht I, Rn. 363; Müller, Gesetzgebungstechnik, S. 312; Remmert, in: Dürig/Herzog/Scholz, Art. 80 Rn. 119; der Sache nach auch BVerfG 1 BvL 1/18 u. a., NJW 2019, 3054 Rn. 45, wobei hier in missverständlicher Weise vom „Inkrafttreten eines Gesetzes“ die Rede ist. 202  BVerfG 2 BvL 9/85 u. a., NJW 1988, 2529, 2531; 1 BvL 1/18 u. a., NJW 2019, 3054 Rn. 45; anders hingegen noch BVerfG 1 BvR 1137/59 u. a., NJW 1962, 147. 203  Vgl. Unruh/Strohmeyer, NuR 1998, 225, 228 Fn. 43. 204  BVerfG 2 BvL 9/85 u. a., NJW 1988, 2529, 2531; 1 BvL 1/18 u. a., NJW 2019, 3054 Rn. 45. 205  BVerfG 2 BvL 9/85 u. a., NJW 1988, 2529, 2531; 1 BvL 1/18 u. a., NJW 2019, 3054 Rn. 45. 206  von Danwitz, Gestaltungsfreiheit, S. 54 f.; Unruh/Strohmeyer, NuR 1998, 225, 226. 207  Unruh/Strohmeyer, NuR 1998, 225, 226; vgl. Lepa, AöR 105 (1980), 337, 347 f.; Schwanengel, Normsetzung der Exekutive, S. 83. 208  BVerfG 2 BvL 9/85 u. a., NJW 1988, 2529, 2531; Schnelle, Fehlerfolgenlehre für Rechtsverordnungen, S. 39. 209  Unruh/Strohmeyer, NuR 1998, 225, 228, 230. Lepa, AöR 105 (1980), 337, 347 f. fordert – jedenfalls bezogen auf die Möglichkeit des Gesetzgebers, in der Er-



II. Die Rückverweisungsklausel203

daraus ergeben, dass die zu regelnde Materie besonders dynamisch und fachwissenschaftlich sei und der Verordnungsgeber daher den größeren Sachverstand habe.210 Die Einschränkung soll die Exekutive davor schützen, zu viele Verpflichtungen auferlegt zu bekommen, für die sie zugleich die politische Verantwortung tragen müsste.211 Diese Argumentation überzeugt jedoch nicht und folglich ist auch keine Einschränkung vorzunehmen: Ist die Exekutive zum Tätigwerden verpflichtet, trägt die diese Pflicht veranlassende Legislative die letztliche politische Verantwortung für das „Ob“ der Regelung.212 Soweit die Exekutive im Übrigen aber frei bleibt, etwa was die inhaltliche Gestaltung der Verordnung betrifft, kann sie insofern eigenständige Entscheidungen treffen, die sie dann auch selbst zu verantworten hat.213 Als erstes Zwischenergebnis kann mithin festgehalten werden: Nach allgemeiner öffentlich-rechtlicher Dogmatik bestehen einige Möglichkeiten, wie die grundsätzlich bestehende Entschließungsfreiheit des Verordnungsgebers zurückgenommen sein kann. (2) Abgleich mit Stellungnahmen im Kontext der Rückverweisungstechnik Vergleicht man dieses Ergebnis mit den dargestellten Meinungen zur Rückverweisungsklausel, zeigen sich Inkongruenzen, die es aufzulösen gilt: Dem Verordnungsgeber hinsichtlich der Rückverweisung eine Entschließungsfreiheit zuzugestehen, indem allein auf das geltende Verständnis des Art. 80 GG verwiesen wird, ist nach nunmehrigem Kenntnisstand zu einfach, weil ausnahmsweise auch eine Pflicht zum Tätigwerden zulässig ist. Auf der anderen Seite werden im strafrechtlichen Schrifttum mit dem Grundsatz der Verfassungsorgantreue und dem allgemeinen Rechtsstaatsprinzip Ansätze verwendet, um eine Pflicht zum Rückverweis herzuleiten, die sich, obgleich nicht strafrechtsspezifisch anmutend, im allgemeinen Öffent­ lichen Recht nicht wiederfinden.214 Soweit dabei auf das Rechtsstaatsprinzip abgestellt wird, erschließt sich nicht, auf welche Weise dieser – als Oberbemächtigung eine Pflicht vorzuschreiben, – ein „legitimes Interesse an einer Ermächtigung“. Dies sei gegeben, wenn das Gesetz ohne Rechtsverordnung „sein Ziel nicht erreichen könnte“, was dem hier innerhalb der teleologischen Auslegung erwähnten Aspekt entsprechen dürfte. 210  Unruh/Strohmeyer, NuR 1998, 225, 232 Fn. 91. 211  Unruh/Strohmeyer, NuR 1998, 225, 228. 212  Zu diesem Gedanken auch unten S. 226 f. 213  I. Erg. ebenfalls die Einschränkung ablehnend Schwanengel, Normsetzung der Exekutive, S.  84 f.; Uhle, Parlament und Rechtsverordnung, S. 466. 214  Auch Schützendübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 294 belegt diese von ihr herangezogenen Begründungsansätze nicht näher.

204 C. Beurteilung der nationalrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik

griff für zahlreiche Einzelprinzipien genutzte – Grundsatz eine Verpflichtung zu begründen vermag. Erwägenswert wäre allenfalls, auf die Gesetzesbindung der Exekutive aus Art. 20 Abs. 3 GG abzustellen. Sie kann aber nur erklären, dass der Verordnungsgeber eine im Gesetz vorgesehene Verpflichtung zu beachten hat, nicht jedoch, ob eine entsprechende Pflicht besteht. Eher geeignet, die Entschließungsfreiheit aufzuheben, erscheint der Grundsatz der Verfassungsorgantreue. Er knüpft an ein zwischen Verfassungsorganen bestehendes Rechtsverhältnis an und gestaltet es näher aus,215 indem er die Organe zur gegenseitigen Rücksichtnahme verpflichtet.216 Es ist denkbar, an die Beziehung anzuknüpfen, die zwischen Gesetz- und Verordnungsgeber auf Basis der Ermächtigungsgrundlage existiert, und unter einer Rücksichtnahmepflicht im Einzelfall die Pflicht zu verstehen, von der Ermächtigung Gebrauch zu machen. Doch fehlt es dann noch an einem materiellen Kriterium, wann diese Rücksichtnahmepflicht besteht. Insoweit bieten die bereits dargestellten Ansätze die Lösung: Der Verordnungsgeber ist zur besonderen Rücksichtnahme angehalten, wenn die Rechtsverordnung nötig ist, um das Gesetz anwendbar zu machen. Vor diesem Hintergrund kann der Grundsatz der Verfassungsorgantreue zwar unterstützend herangezogen werden, um eine Verpflichtung des Verordnungsgebers zu begründen, hat aber keinen echten Mehrwert. Im Folgenden bleibt er daher außer Betracht. dd) Auslegung der Rückverweisungsklausel Die so gefundenen Maßstäbe, anhand derer die Entschließungsfreiheit zu beurteilen ist, sind jetzt auf die Rückverweisungstechnik anzuwenden. Dafür muss die Rückverweisungsklausel als die Ermächtigungsgrundlage bildende Vorschrift ausgelegt werden. Fraglich ist, ob der Verordnungsgeber dann, wenn er eine Verhaltensnorm in einer Rechtsverordnung erlässt, gezwungen ist, von der Rückverweisungsklausel Gebrauch zu machen und in die Verordnung einen weiteren Inhalt, den Rückverweis, aufzunehmen. (1) Wortlaut Die Rückverweisungsklausel, die sich nur mittelbar als Ermächtigung zu erkennen gibt, nutzt keine Formulierung, wie sie typischerweise bei Ermächtigungsgrundlagen verwendet wird. Die üblichen Hinweise im Wortlaut, die auf eine Entschließungsfreiheit beziehungsweise eine Verpflichtung hindeu215  BVerfG

2 BvR 2436/10 u. a., NVwZ 2013, 1468 Rn. 183. 2 BvE 3/92 u. a., NJW 1994, 2207; 2 BvF 1/04, NVwZ 2007, 1405, 1407; Maurer, Staatsrecht I, § 10 Rn. 54; Schenke, Verfassungsorgantreue, S. 29. 216  BVerfG



II. Die Rückverweisungsklausel205

ten, helfen daher nicht weiter. Freilich macht das eine Wortlautauslegung nicht überflüssig. Die Formulierung „soweit sie … verweist“ kann als „falls sie … verweist“ verstanden werden. Es wird hier also eine Bedingung gesetzt. Nähere Aussagen dazu, wann der Verordnungsgeber die Bedingung, das heißt den Rückverweis, eintreten lassen soll, enthält die Klausel nicht.217 Das spricht für eine darauf bezogene Freiheit des Verordnungsgebers.218 Auch die Formulierung, wonach die Rückverweisung für einen „bestimmten“ Tatbestand erfolgt, kann in diesem Sinne interpretiert werden. Versteht man „bestimmten“ als „einzelnen“,219 lässt sich argumentieren, das Gesetz fordere jedenfalls nicht für jede Verhaltensnorm eine Rückverweisung, benenne im Übrigen indes keine Kriterien, wann die Rückverweisung vorzunehmen sei. Die Entschließungsfreiheit wäre damit im Ergebnis nicht eingeschränkt. Der Wortlaut sperrt sich aber auch nicht gegen eine Auslegung, nach der eine Verpflichtung zum Rückverweis besteht. Die Formulierung „soweit“ kann nämlich lediglich dazu dienen, dem Bürger deutlich zu machen, dass nur eine Strafe droht, falls die Verordnung zurückverweist. Der Wortlaut erklärt sich dann also aus Perspektive der freiheitsgewährleistenden Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG, und will nichts darüber besagen, ob dem Verordnungsgeber eine Entschließungsfreiheit zusteht. Auch dass der Rückverweis für einen „bestimmten“ Tatbestand erfolgt, kann lediglich bedeuten, er dürfe nur für Tatbestände erfolgen, die ausreichend inhaltlich bestimmt im Sinne der freiheitsgewährleistenden Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG sind. Eine Entschließungsfreiheit wäre mit der Formulierung dann nicht notwendig verbunden. Ebenso ist es, wenn man „bestimmten“ als „genau bezeichneten“ beziehungsweise „eindeutig benannten“ versteht.220 Bei dieser Interpretation erschöpft sich die Aussagekraft des Wortlauts darin, dem Verordnungsgeber vorzuschreiben, die Verhaltens- und Sanktionsnorm möglichst eindeutig miteinander zu verknüpfen: Der Verordnungsgeber soll den Rückverweis nicht pauschal auf den gesamten Verordnungsinhalt beziehen, sondern im Rahmen der Rückverweisung die jeweiligen, zur Ausfüllung des Blankettstrafgesetzes geeigneten Verhaltensnormen voll-explizit auflisten.221 Der Wortlaut ist folglich offen gefasst.

217  Vgl.

Heuser, HRRS 2021, 63, 69. Volkmann, ZRP 1995, 220, 224: keine Einschränkung für den Verordnungsgeber erkennbar, a. a. O., 225: nach eindeutigem Wortlaut keine Verpflichtung; a. A. Domeier, Lebensmittelstrafrecht, S. 266, 271, die ohne nähere Begründung eine „ausdrücklich[e]“ Verpflichtung zum Rückverweis annimmt. 219  In diesem Sinne Volkmann, ZRP 1995, 220, 225. 220  In diesem Sinne OLG Brandenburg 1 OLG 53 Ss-OWi 71/21, juris, Rn. 17. 221  Näher zu diesen Interpretationsmöglichkeiten noch unten S. 209 f. 218  Vgl.

206 C. Beurteilung der nationalrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik

(2) Gesetzgeberischer Wille Sucht man nach dem Willen des Gesetzgebers, könnte in Anknüpfung an den offen gefassten Wortlaut angeführt werden, der Gesetzgeber hätte die Rückverweisungsklausel anders – sprich eindeutiger – formuliert, wäre er von einer umfassenden Pflicht zur Rückverweisung ausgegangen.222 Das ist aber nur ein schwaches Argument. Ausgehend von der insgesamt ungewöhnlich konzipierten Ermächtigungsgrundlage der Rückverweisungsklausel ließe sich auch der umgekehrte Schluss ziehen: Die deutlichen Unterschiede im Vergleich zu üblichen Ermächtigungen könnten gerade darauf beruhen, dass der Gesetzgeber zum Ausdruck bringen wollte, keine „richtige“ Ermächtigung mit umfassender Gestaltungsfreiheit zu schaffen.223 In älteren Gesetzesbegründungen ist verschiedentlich, wenn auch ohne weitere Begründung, sogar ausdrücklich von einer „Pflicht zur Rückverweisung“ die Rede.224 In der neueren Gesetzgebung finden sich hingegen keine Ausführungen zur Entschließungsfreiheit beziehungsweise Verpflichtung des Verordnungsgebers.225 Insgesamt ergibt sich damit kein klares Bild dessen, was der Gesetzgeber wollte. Ein sicherer Schluss in die eine oder andere Richtung kann nicht gezogen werden.226 (3) Telos und verfassungskonforme Auslegung Eindeutigere Ergebnisse könnte eine teleologische Auslegung liefern. Die Rückverweisung wirkt konstitutiv. Erst durch sie wird die konkrete Verhaltensnorm dem Anwendungsbereich der Sanktionsnorm unterstellt und das Blankettstrafgesetz insoweit anwendbar. Nach den im Öffentlichen Recht anerkannten Maßstäben folgt daraus eine Verpflichtung des Verordnungsgebers zum Rückverweis, sofern sich dies an hinreichenden normativen Anhaltspunkten festmachen lässt. Dazu ist auf den Zweck der Rückverweisungstechnik abzustellen. Der Rückverweis soll die Verbindung zwischen Sanktions- und Verhaltensnorm deutlich machen und dadurch dazu beitragen, die Strafbarkeit hinreichend bestimmt im Sinne der freiheitsgewährleistenden Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG zu machen.227 Insoweit soll dem Verordnungsgeber mit der Rückwistra 2020, 251, 252. auch oben S. 192. 224  BT-Drs. VI/3250, 184; 7/550, 194. 225  Vgl. BT-Drs. 14/7758, 84; 16/33, 15; 18/4713, 29; 19/15620, 163. 226  Dagegen ohne Begründung den Verordnungsgeber als nach dem gesetzgeberischen Willen frei ansehend AG Potsdam 86 Ds 75/16, BeckRS 2017, 119329 Rn. 48. 227  Oben S. 170 f. 222  Bülte, 223  Vgl.



II. Die Rückverweisungsklausel207

verweisungsklausel keine Sachentscheidungskompetenz gewährt werden. Zwar bezwecken Blankettstrafgesetze mit dynamischer Außenverweisung im Allgemeinen auch, auf den Sachverstand des Verordnungsgebers zuzugreifen. Auf den Sachverstand wird jedoch bereits dadurch zugegriffen, dass der Verordnungsgeber die konkrete Verhaltensnorm erlässt – und nicht dadurch, dass er diese mit der Sanktionsnorm verschaltet. Die Rückverweisungsklausel, die nicht den Erlass der Verhaltensnorm, sondern allein deren Verknüpfung mit der Sanktionsnorm regelt, betrifft den Sachverstand folglich nicht.228 Darüber hinaus wird der Zweck der Rückverweisungsklausel allerdings zusätzlich darin gesehen, den Verordnungsgeber die strafwürdigen Verhaltensweisen auswählen zu lassen.229 Im Lichte dessen würde sich das bisherige Ergebnis ändern. Dem Verordnungsgeber wäre mit der Rückverweisungsklausel doch eine Sachentscheidungskompetenz in Bezug auf die Sanktionsnorm übertragen. Die Rückverweisungsklausel setzt bei dieser Betrachtungsweise nämlich voraus, dass der Verordnungsgeber frei darüber befinden kann, welche Verhaltensnormen er unter den Anwendungsbereich der Sanktionsnorm stellt. Es fehlte dann an normativen Anhaltspunkten, die eine Verpflichtung zum Rückverweis begründeten. Weil der Verordnungsgeber somit einen freien Einfluss auf die Sanktionsnorm hätte, würde gegen die kompetenzwahrende Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG verstoßen. Wenn man dagegen diese zuletzt genannte Zwecksetzung nicht anerkennt, das heißt, den Zweck der Rückverweisungsklausel auf ihren Beitrag zur inhaltlichen Bestimmtheit beschränkt, ist das in verfassungsrechtlicher Hinsicht vorteilhaft. Die Aufnahme des Rückverweises stellt sich dann als rein technischer Vorgang ohne materielle Entscheidungsbefugnis dar. Es steht hier nicht die Rechtsetzungs-, sondern die Rechtsanwendungsfunktion der Verordnungsgebung im Vordergrund. Der Rückverweis ist allein deshalb dem Verordnungsgeber überantwortet, weil er erst zu dem Zeitpunkt vorgenommen werden kann, zu dem die Verhaltensnorm erlassen wird. Diese befindet sich in einer Rechtsverordnung und folglich muss auch der Rückverweis in der Rechtsverordnung enthalten sein. Der parlamentarische Gesetzgeber hat mit dem Blankettstrafgesetz aber bereits die Programmentscheidung getroffen, die aufgrund einer bestimmten Ermächtigung ergangenen Verhaltensnormen mit Strafe zu bewehren. Den Verordnungsgeber trifft die Pflicht, diese Entscheidung umzusetzen, indem er den Rückverweis für ausfüllungsgeeignete Verhaltensnormen aufnimmt. Eine Entschließungsfreiheit hat er diesbezüglich nicht, die kompetenzwahrende Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG ist gewahrt. 228  Zur beim Erlass der Verhaltensnorm bestehenden Gestaltungsfreiheit unten S. 222 f. 229  Oben S. 48.

208 C. Beurteilung der nationalrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik

Es ergeben sich also unterschiedliche Ergebnisse, je nachdem, wie weit man die mit einer Rückverweisungsklausel verfolgten Zwecke fasst. Nur bei Beschränkung auf ihren Beitrag zur inhaltlichen Bestimmtheit der Strafbarkeit kann die Rückverweisungsklausel als verfassungskonform gehalten werden. Diese Interpretation ist deshalb bei verfassungskonformer Auslegung geboten: Von mehreren möglichen Auslegungsergebnissen ist den verfassungskonformen der Vorzug vor den verfassungswidrigen zu geben.230 Dabei darf die verfassungskonforme Auslegung nicht zu einem Ergebnis führen, das gegen den Wortlaut und den klar erkennbaren gesetzgeberischen Willen verstößt.231 Das ist hier nicht der Fall, denn der Wortlaut der Rückverweisungsklausel hat sich als offen erwiesen232 und ein gesetzgeberischer Wille ließ sich weder in die eine noch die andere Richtung eindeutig feststellen. Nach verfassungskonformer Auslegung der Rückverweisungsklausel hat der Verordnungsgeber deshalb keine Entschließungsfreiheit hinsichtlich der Aufnahme eines Rückverweises. Ihm steht insoweit sogar überhaupt keine Gestaltungsfreiheit zu, weil, wie erläutert, auch eine inhaltliche Gestaltungsfreiheit nicht in Betracht kommt.233 Dieses Ergebnis ist mit Art. 80 Abs. 1 GG vereinbar. Der dort genutzte Begriff der „Ermächtigung“ indiziert zwar eine gewisse Freiheit.234 Er setzt sie aber gleichwohl nicht zwingend voraus, sondern kann auch allein die Befugnis zur Rechtsetzung ausdrücken.235 230  BVerfG 1 BvR 346/61, NJW 1965, 1427; 2 BvR 831/76, NJW 1979, 151; 2 BvF 3/02, NVwZ 2007, 1396, 1401; Kuhlen, verfassungskonforme Auslegung, S. 1. 231  BVerfG 1 BvR 1299/89 u. a., NJW 1994, 2475, 2476; 2 BvR 1447/05 u. a., NJW 2007, 2977 Rn. 91; 1 BvL 1/18 u. a., NJW 2019, 3054 Rn. 110; Kuhlen, verfassungskonforme Auslegung, S. 60. Geht es um die Erkennbarkeit der Strafbarkeit für den Normadressaten, muss wegen Art. 103 Abs. 2 GG bereits allein der Wortlaut die Grenze der verfassungskonformen Auslegung zulasten des Adressaten bilden, Kuhlen, a. a. O., S. 61. Das ist hier aber nicht der Fall, denn ob der Verordnungsgeber zum Rückverweis verpflichtet ist, kann dem Normadressaten egal sein: Für ihn zählt nur, ob ein Rückverweis und damit eine wirksame Strafdrohung existiert. 232  Daher kann eine Auseinandersetzung mit der Ansicht dahinstehen, nach der eine verfassungskonforme Auslegung generell nur innerhalb der Grenzen des Wortlauts möglich ist, so Ernst, Blankettstrafgesetze, S. 129; Hecker, in: Sch/Sch, § 1 Rn. 37; Schmitz, in: MüKo-StGB, § 1 Rn. 99; in diesem Sinne auch BVerfG 2 BvF 3/02, NVwZ 2007, 1396, 1401. 233  Oben S. 197. 234  Oben S. 200. 235  BVerwG 2 C 1/04, DVBl 2005, 1520, 1523 (dort bezogen auf die einfachgesetzliche Ebene); dies entspricht wohl auch der Meinung des BVerfG, nach dem der „Ausdruck ‚Ermächtigung‘ […] nicht notwendig im Sinne völliger Freiheit der ermächtigten Stelle verstanden werden“ muss (BVerfG 1 BvR 1137/59 u. a., NJW 1962, 147) und das auch in seiner neueren Rechtsprechung (auf einfachgesetzlicher Ebene) keine Spannung zwischen einer Verpflichtung und dem Wortlaut „ermächtigt“ sieht (vgl. BVerfG 1 BvL 1/18 u. a., NJW 2019, 3054 Rn. 46, 110 f.); in diesem Sinne auch



II. Die Rückverweisungsklausel209

Selbst wenn man den Begriff aber enger verstünde und davon ausginge, er sei notwendig mit einer gewissen Freiheit verknüpft,236 wäre dem genügt: Die Rückverweisungsklausel bildet schließlich nur einen Annex zur andernorts geregelten Ermächtigung bezüglich der Verhaltensnorm. Jedenfalls diese wird dem Verordnungsgeber regelmäßig eine Gestaltungsfreiheit belassen.237 ee) Umfang der Verpflichtung Im Anschluss hieran ist zu klären, in welchem Umfang die Entschließungsfreiheit aufgehoben ist. Muss der Verordnungsgeber für jede ausfüllungsgeeignete Verhaltensnorm einen Rückverweis vornehmen oder gibt die Rückverweisungsklausel in ihrem Tatbestand vor, in welchen Fällen der Rückverweis erforderlich ist? Eine entsprechende Vorgabe könnte darin zu sehen sein, dass der Rückverweis gemäß der Rückverweisungsklausel für einen „bestimmten“ Tatbestand erfolgen muss. Diese Formulierung wurde soeben schon untersucht, im Rahmen der grundsätzlichen Frage, ob eine Entschließungsfreiheit besteht.238 Die dort dargestellten Auslegungsmöglichkeiten, die sich mit dem mittlerweile feststehenden Ergebnis der fehlenden Entschließungsfreiheit vertragen, sind nun noch einmal aufzugreifen. Demnach könnte man „bestimmt“ einerseits im technischen Sinne begreifen, das heißt als bestimmt im Sinne der freiheitsgewährleistenden Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG. Der Verordnungsgeber wäre dann verpflichtet, für inhaltlich ausreichend präzise Verhaltensnormen einen Rückverweis aufzunehmen und ihn für alle anderen Verhaltensnormen zu unterlassen. In diesem Sinne ist der Gesetzgeber möglicherweise zu verstehen, wenn er in älteren Gesetzesbegründungen von einer „Pflicht zur Rückverweisung“ spricht und zugleich auf den Zweck abstellt, der Verordnungsgeber könne über die Rückverweisung die nicht hinreichend bestimmten Ge- und Verbote herausfiltern.239 Sicher feststellen lässt sich ein entsprechender Wille aber nicht, da vergleichbare Ausführungen in neueren Gesetzesbegründungen fehlen.240

Schnelle, Fehlerfolgenlehre für Rechtsverordnungen, S. 94: fehlende Gestaltungsfreiheit sei kaum denkbar, dies aber weniger aus kompetenziellen Bedenken. 236  Vgl. Unruh/Strohmeyer, NuR 1998, 225, 227; Peine, NuR 1988, 115, 119 (großzügiger hinsichtlich des Wortlauts dagegen ders., ZG 1988, 115, 136); dahingehend auch, aber weniger entschieden Schwanengel, Normsetzung der Exekutive, S. 82. 237  Näher unten S. 222  f. Dazu, dass dies genügt, vgl. allgemein Unruh/Stroh­ meyer, NuR 1998, 225, 227; Schwanengel, Normsetzung der Exekutive, S. 84. 238  Oben S. 205. 239  BT-Drs. VI/3250, 184; 7/550, 194. 240  Vgl. BT-Drs. 14/7758, 84; 16/33, 15; 18/4713, 29.

210 C. Beurteilung der nationalrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik

Andererseits könnte „bestimmt“ lediglich „genau bezeichnet“ beziehungsweise „eindeutig benannt“ bedeuten. Die Rückverweisungsklausel verlangte demnach eine möglichst klare Verknüpfung von Verhaltens- und Sanktionsnorm, bezöge sich aber nicht darauf, wann zurückverwiesen werden muss. Diese Interpretation berücksichtigt maßgeblich den Zweck, mit der Rückverweisung die Strafbarkeit inhaltlich hinreichend bestimmt auszugestalten. Weil die Fälle, in denen zurückverwiesen werden muss, nicht näher eingegrenzt wären, hätte die Aufhebung der Entschließungsfreiheit zur Folge, dass der Verordnungsgeber für jede Verhaltensnorm zurückverweisen muss. Versteht man den Wortlaut „bestimmt“ nach der ersten Interpretation als inhaltlich bestimmt im Sinne der freiheitsgewährleistenden Komponente, droht der Verordnungsgeber einen weiten Spielraum zu erhalten. Formal gesehen hätte freilich allein der parlamentarische Gesetzgeber über die Reichweite der Sanktionsnorm entschieden, da er abschließend vorgegeben hat, wann der Rückverweis vorzunehmen ist. Insbesondere wäre die Beurteilung der Bestimmtheit durch den Verordnungsgeber gerichtlich vollständig nachprüfbar. Könnte der Verordnungsgeber unter Verweis auf die zu bejahende beziehungsweise zu verneinende inhaltliche Bestimmtheit differenzieren, für welche Verhaltensnormen er einen Rückverweis aufnimmt, wäre ihm jedoch ein erheblicher argumentativer Spielraum eröffnet. Denn im Einzelfall kann die Beurteilung, ob ein Tatbestand ausreichend bestimmt ist, äußerst schwierig und strittig sein. Ob der Verordnungsgeber die Bestimmtheit beziehungsweise Unbestimmtheit nur vorschiebt, um doch auch über die Strafwürdigkeit eines Verhaltens entscheiden zu können, ließe sich kaum beurteilen. Die zweite mögliche Interpretation vermeidet diese Schwierigkeiten; sie ist daher vorzugswürdig. Die Rückverweisungsklausel ist folglich so zu verstehen, dass sie die Vornahme eines Rückverweises nicht auf einzelne Fälle beschränkt. Immer wenn der Verordnungsgeber eine Verhaltensnorm erlässt, die das Blankettstrafgesetz mit Rückverweisungsklausel ausfüllen könnte, muss er für diese Verhaltensnorm auf das Blankettstrafgesetz zurückverweisen und sie dadurch tatsächlich zum Ausfüllungsobjekt machen.241 Die bisherige Untersuchung zeigt damit: Die Reichweite der Sanktionsnorm ist vom parlamentarischen Gesetzgeber abschließend festgelegt. Dieser hat mit dem Blankettstrafgesetz dementsprechend keine rein neutrale Haltung zum Ausdruck gebracht, sondern bereits selbst über die Rechtsfolge Strafe entschieden.

241  Die Verhaltensnormen, die aufgrund der vom Blankettstrafgesetz in Bezug genommenen Ermächtigung ergehen, müssen folglich stets dem strafrechtlichen Bestimmtheitsgebot genügen, dazu unten S. 228.



II. Die Rückverweisungsklausel211

ff) Einwände gegen die verfassungskonforme Auslegung Die hier vorgenommene verfassungskonforme Auslegung der Rückverweisungsklausel, wonach der Verordnungsgeber zum Rückverweis verpflichtet ist, ist auf mögliche Einwände hin zu untersuchen. (1) Fehlende Übereinstimmung mit der Rechtswirklichkeit Gegen eine verfassungskonforme Auslegung wird geltend gemacht, ihr Ergebnis entspreche nicht der Praxis der Verordnungsgebung. Regelmäßig nehme der Verordnungsgeber einen Rückverweis auf das Blankettstrafgesetz nur für einzelne Verhaltensnormen einer Rechtsverordnung vor und wähle dadurch bewusst aus, welche Normverstöße er für strafwürdig befinde.242 Tatsächlich lassen sich hierfür Beispiele finden. So hat der Verordnungsgeber in § 52 Abs. 1 WeinV für zahlreiche in der Verordnung enthaltenen Verhaltensnormen Rückverweisungen auf das Blankettstrafgesetz des § 48 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WeinG aufgenommen, dabei jedoch § 13 WeinV ausgelassen, obgleich auch diese Vorschrift geeignet ist, das Blankettstrafgesetz auszufüllen.243 Auf das Blankettstrafgesetz des § 34 Abs. 1 Nr. 5 TabakerzG verweist keine einzige Vorschrift zurück, obwohl mit § 5 Abs. 1 TabakerzV eine ausfüllungsgeeignete Verhaltensnorm existiert.244 Ferner werden selektive Rückverweisungen im Zusammenhang mit dem Blankettstrafgesetz des § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 14 BtMG konstatiert.245 Dieses Strafgesetz nimmt mehrere Ermächtigungen in Bezug, von denen der Verordnungsgeber mit Erlass der BtMVV, der BtMAHV und der BtMBinHV jeweils Gebrauch gemacht hat. Nur in der BtMVV sind aber – in ihrem § 16 – Rückverweisungen auf das Blankettstrafgesetz enthalten. Bei genauer Betrachtung zeigt sich indes, dass die beiden anderen Rechtsverordnungen gar keine ausfüllungsgeeigneten Normen enthalten, für die der Verordnungsgeber hätte zurückverweisen können.246

242  Hoven, NStZ 2016, 377, 380; Brand/Kratzer, JR 2018, 422, 430; Dorneck, in: Stam/Werkmeister, Der Allgemeine Teil des Strafrechts, 9, 28. 243  Beispiel angelehnt an Böse, in: FS Krey, 7, 12 Fn. 22. 244  Dass der erforderliche Rückverweis fehlt, verkennt Rohnfelder, in: Erbs/Kohlhaas, § 9 TabakerzG Rn. 4. 245  Oğlakcıoğlu, in: MüKo-StGB, § 29 BtMG Rn. 1559; vgl. bereits Volkmann, ZRP 1995, 220, 224; Schuster, Strafnormen und Bezugsnormen, S. 277. 246  Allenfalls diskutiert werden könnte, ob die §§ 2 Abs. 1, 2 und 8 Abs. 1 Nr. 2 BtMAHV ausschnittsweise mit dem Blankettstrafgesetz hätten verknüpft werden müssen.

212 C. Beurteilung der nationalrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik

In den zuvor genannten Beispielen der WeinV und TabakerzV verträgt sich das Verhalten des Verordnungsgebers aber nicht mit einer gesetzlichen Verpflichtung zum Rückverweis. Der Verordnungsgeber ist sich offensichtlich nicht im Klaren über seine Bindung. Welche Auswirkungen hat das? Böse, der eine verfassungskonforme Auslegung grundsätzlich befürwortet, sieht deren Grenzen erreicht, wenn der Verordnungsgeber bei den Rückverweisen selektiert.247 Er scheint also im Einzelfall eine Ausnahme davon machen zu wollen. Doch kann die Verfassungskonformität eines Gesetzes grundsätzlich nicht vom Verhalten des Verordnungsgebers abhängig sein.248 Der nach Art. 20 Abs. 3 GG gesetzesgebundenen Exekutive wäre es ansonsten möglich, sich ihrer Gesetzesbindung – in diesem Fall der Verpflichtung zum Rückverweis – durch deren Nichtbeachtung zu entziehen249 und den parlamentarischen Gesetzgeber auf diese Weise zu einer Neuregelung zu zwingen. Das Recht bestimmt die Praxis und nicht die Praxis das Recht.250 Wie das BVerfG in seiner Entscheidung zu Verständigungen im Strafverfahren festgestellt hat, kann ein Gesetz, dessen Vorgaben in verfassungswidriger Weise von der Praxis missachtet werden, nur ausnahmsweise in Anbetracht dieses Umstands selbst verfassungswidrig sein. Dafür muss die fehlerhafte Praxis bereits im Gesetz angelegt, das heißt „Ausdruck eines strukturbedingt zu dieser Praxis führenden normativen Regelungsdefizits“ sein.251 Dieser Maßstab gilt auch in der hiesigen Konstellation. Die verfassungswidrige Praxis besteht hier zwar in der abstrakt-generellen Verordnungsgebung und nicht, wie bei den Verständigungen, in der Anwendung einer gesetzlichen Norm im Einzelfall. Doch ist die Verordnungsgebung gleichfalls Rechtsanwendung und muss sie dabei die gesetzlichen Vorgaben beachten.252 Für ein bestehendes normatives Regelungsdefizit könnte der Wortlaut der Rückverweisungsklausel einen Anhaltspunkt bilden, der die Verpflichtung des Verordnungsgebers nicht ausdrücklich festschreibt. Allerdings lässt sich die verfassungswidrige Praxis durch einen viel einfacheren Umstand erkläin: FS Krey, 7, 12. NStZ 2016, 377, 380. 249  Vgl. Hofmann, NJW 2014, 442, 444. 250  BVerfG 2 BvR 2628/10 u. a., NJW 2013, 1058 Rn. 119. 251  BVerfG 2 BvR 2628/10 u. a., NJW 2013, 1058 Rn. 118; ebenso BVerfG 1 BvR 97/14 u. a., NJW 2018, 3007 Rn. 83; 2 BvR 1961/09, NJW 2018, 3374 Rn. 32. 252  Dass die verfassungswidrige Praxis nicht notwendig in der Anwendung einer Norm im Einzelfall bestehen muss, zeigen auch Entscheidungen mit Bezug zum Steuer­recht: Das BVerfG hält ein Steuergesetz für verfassungswidrig, wenn es in ein normatives Umfeld – etwa eine Verwaltungsvorschrift – eingebettet ist, das seinen Vollzug gleichheitswidrig macht, und dieser Umstand dem Gesetzgeber zurechenbar ist, BVerfG 2 BvR 1493/89, NJW 1991, 2129, 2130; 2 BvL 17/02, NJW 2004, 1022, 1023. 247  Böse,

248  Hoven,



II. Die Rückverweisungsklausel213

ren: Eine Verpflichtung zum Rückverweis ist, von einzelnen Stimmen in der Literatur abgesehen, in der Vergangenheit nicht angenommen beziehungsweise überhaupt thematisiert worden. Insbesondere haben sich weder BVerfG noch BGH dazu verhalten, weil sie das spezifische Problem der Rückverweisungsklausel nicht erkannt haben.253 Für den Verordnungsgeber bestand mithin kein Anlass, sein Verhalten zu ändern. Darauf – und nicht auf ein normatives Regelungsdefizit – lässt sich das Unterlassen einzelner Rückverweisungen zurückführen. Es ist damit nicht notwendig, von der verfassungskonformen Auslegung abzurücken. Noch nicht geklärt ist freilich, wie mit unterlassenen Rückverweisungen umzugehen ist. Darauf ist an späterer Stelle einzugehen.254 (2) Widerspruch zum fragmentarischen Charakter des Strafrechts Eine Auslegung der Rückverweisungsklausel, wonach der Verordnungsgeber zum Rückverweis verpflichtet ist, soll zudem in Widerspruch zum fragmentarischen Charakter des Strafrechts treten.255 (a) Präzisierung des Einwands Dieser nicht näher ausgeführte Einwand beruht wohl auf dem Gedanken, die Strafbarkeit werde zu sehr ausgeweitet, wenn der Verordnungsgeber nicht selektiv Rückverweisungen vornehmen dürfe, entsprechend einer eigenen Beurteilung, welchen Verhaltensnormverstoß er für strafbedürftig halte.256 Insoweit kann eine Verbindung zum eben festgestellten Befund gezogen werden, wonach der Verordnungsgeber nicht immer umfassend Rückverweisungen vornimmt. Möglicherweise beruht dies darauf, dass er in diesen Fällen keine Strafe für nötig erachtet. Interpretiert man den Vorwurf auf diese Weise, lässt er sich zugleich präziser verorten. Der fragmentarische Charakter des Strafrechts wird hier als Resultat der grundsätzlich subsidiären Funktion von Strafe angesehen.257 253  Oben S. 179  ff. Nur in der neueren Entscheidung zum LFGB nimmt das BVerfG – im unionalen Kontext – eine Verpflichtung an, dazu unten S. 261. 254  Unten S. 225 ff. 255  Bülte, wistra 2020, 251, 252; Dannecker, ZIS 2016, 723, 728; ders., in: FS Höpfel, 577, 594. 256  Dahingehend lassen sich auch Kämpfer/Travers, in: BeckOK-WpHR, § 120 WpHG Rn. 52.2 verstehen. 257  Zu diesem Zusammenhang von fragmentarischem Charakter und Subsidiarität vgl. das Verständnis bei Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter, S. 101; Roxin/Greco, Strafrecht AT/I, § 2 Rn. 97.

214 C. Beurteilung der nationalrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik

Strafe soll nur als ultima ratio, das heißt als letztes in Betracht kommendes Mittel gegen sozialschädliches Verhalten eingesetzt werden.258 Ein Verstoß hiergegen begründet freilich keinen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 GG. Dessen Anforderungen besagen nichts über die Erforderlichkeit der angedrohten Strafe. Das strafrechtliche Gesetzlichkeitsprinzip enthält keine materiellen, sondern allein formelle Anforderungen an das Strafrecht.259 Innerhalb der Untersuchung, ob Art. 103 Abs. 2 GG gewahrt ist, könnte der Ultima-ratio-Grundsatz jedoch mittelbar Einfluss entfalten: Wäre sein Inhalt anderweitig verfassungsrechtlich verbürgt und verstieße eine den Verordnungsgeber zum Rückverweis verpflichtende Auslegung hiergegen, wäre diese Auslegung gerade nicht als verfassungskonforme geboten. Es bliebe dann allein die Deutung, nach der die Rückverweisungsklausel dem Verordnungsgeber die freie Entscheidung über die Anwendbarkeit der Sanktionsnorm überlässt, womit allerdings Art. 103 Abs. 2 GG nicht entsprochen würde. Während ein verfassungsrechtlicher Bezug des Ultima-ratio-Grundsatzes teilweise bestritten wird,260 wird er vielfach in dem – aus dem Rechtsstaatsprinzip und den einzelnen Grundrechten folgenden261 – Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verankert.262 Konkret wird der Bezug über die insoweit zu prüfende Erforderlichkeit hergestellt,263 nach der eine Maßnahme nur gerechtfertigt ist, wenn kein milderes gleich geeignetes Mittel in Betracht 258  Cornelius, Verweisungsbedingte Akzessorietät, S. 300. Ultima-ratio-Grundsatz und Subsidiaritätsprinzip werden jedenfalls insoweit synonym verstanden, vgl. Hefendehl, JA 2011, 401; Prittwitz, in: Institut für Kriminalwissenschaften Frankfurt a. M., Vom unmöglichen Zustand des Strafrechts, 387, 391. 259  Oben S. 21. 260  Appel, Verfassung und Strafe, S. 546; Gärditz, JZ 2016, 641, 644 ff.; zweifelnd auch Prittwitz, ZStW 129 (2017), 390, 395 f. 261  BVerfG 1 BvL 34/80 u. a., NJW 1983, 559; 2 BvL 43/92 u. a., NJW 1994, 1577, 1579; Huster/Rux, in: BeckOK-GG, Art. 20 Rn. 190. 262  Kühl, in: FS Tiedemann, 29, 41 sowie die in der folgenden Fn. Genannten; i. Erg. auch, aber mit anderem Ausgangspunkt Jahn/Brodowski, JZ 2016, 969, 978; dies., ZStW 129 (2017), 363, 379 f.; ferner Landau, NStZ 2015, 665, 668, der zusätzlich auf den Schuldgrundsatz abstellt; den Ultima-ratio-Grundsatz dagegen als der Verhältnismäßigkeit vorgelagert ansehend Hamm, NJW 2016, 1537, 1541, der ihn stattdessen als Teil des Rechtsstaatsprinzips betrachtet (a. a. O., 1537), ohne dies näher herzuleiten. 263  Cornelius, Verweisungsbedingte Akzessorietät, S. 305; Eisele, in: Sch/Sch, Vor §§ 13 ff. Rn. 10a; Hefendehl, JA 2011, 401, 404; Roxin/Greco, Strafrecht AT/I, § 2 Rn. 98; Weigend, in: LK, Einleitung Rn. 1, 6; Jäger, in: SK, Vor § 1 Rn. 24 (dort allerdings unter der Überschrift „Angemessenheit“). Kaspar, Verhältnismäßigkeit, S.  244 f. und Puschke, Vorbereitungstatbestände, S. 176 stellen zusätzlich auf die Angemessenheit ab.



II. Die Rückverweisungsklausel215

kommt.264 Auch das BVerfG erwähnt die Funktion der ultima ratio verschiedentlich und scheint sie dabei in Verbindung mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu bringen.265 Dabei ist strittig, ob mit der ultima ratio aus verfassungsrechtlicher Per­ spektive lediglich auf die Prüfung der Erforderlichkeit hingewiesen wird oder die Erforderlichkeit für die Zwecke des Strafrechts in besonderer Weise geprägt werden soll.266 Im ersten Fall bestünde ein verfassungsrechtlicher Bezug nur insoweit, als die Erforderlichkeit nach den allgemeinen Maßstäben zu prüfen wäre.267 Hierzu neigt das BVerfG, das den Ultima-ratioGrundsatz in seiner Rechtsprechung kaum als strenge Anforderung handhabt.268 Im zweiten Fall wären im Rahmen der Erforderlichkeit strafrechtsspezifisch höhere Anforderungen zu stellen.269 (b) Keine Kollision mit verfassungskonformer Auslegung In diese Diskussion, die mit der Frage verknüpft ist, welche materiellen Schranken dem Gesetzgeber im Strafrecht gezogen sind, kann in einer Arbeit, die sich formellen Schranken widmet, nicht vertieft eingestiegen werden. Auf Basis der bisherigen Ausführungen zeigt sich aber bereits, dass der Ultima-ratio-Grundsatz, unabhängig von seinen konkreten Grenzen, einer verfassungskonformen Auslegung der Rückverweisungsklausel nicht generell entgegensteht. Allgemein gesprochen ist es zunächst nicht denklogisch ausgeschlossen, dass der Gesetzgeber dem Verordnungsgeber Spezifizierungen der Strafbarkeit überlässt und dennoch materielle Grenzen hinsichtlich der Erforderlichkeit von Strafe beachtet. Denn auch dynamisch verweisende Blankettstrafgesetze ohne Rückverweisungsklausel erfassen alle ausfüllungsgeeigneten 264  BVerfG 2 BvL 43/92 u. a., NJW 1994, 1577, 1579; Grzeszick, in: Dürig/Herzog/Scholz, Art. 20 VII. Rn. 113. 265  Vgl. BVerfG 1 BvF 1/74 u. a., NJW 1975, 573, 576; 2 BvF 2/90 u. a., NJW 1993, 1751, 1754; 2 BvR 1371/96, NJW 1998, 443; 2 BvR 392/07, NJW 2008, 1137, 1138; 2 BvR 450/11, NVwZ 2015, 361 Rn. 23. 266  Zudem muss ein Bezugspunkt der ultima ratio gefunden, also geklärt werden, wozu das Strafrecht das letzte Mittel sein soll; darauf hinweisend Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter, S. 6; ders., JA 2011, 401. 267  In diesem Sinne Kaspar, Verhältnismäßigkeit, S. 246; Roxin/Greco, Strafrecht AT/I, § 2 Rn. 98, 101. 268  Nach Gärditz, JZ 2016, 641, 644 nutzt das BVerfG ihn sogar nur zur Beschreibung eines legislativen Leitbilds. Konkretere Aussagen des BVerfG waren für den Beschluss zum RiFlEtikettG erhofft worden (Hamm, NJW 2016, 1537, 1538 ff.), erfolgten dann aber doch nicht. 269  Jahn/Brodowski, JZ 2016, 969, 976, 978; dies., ZStW 129 (2017), 363, 379 f.

216 C. Beurteilung der nationalrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik

Normen, ohne dass der Verordnungsgeber insoweit auswählen könnte, welche bewehrt sein sollen.270 Ein Verstoß gegen den Ultima-ratio-Grundsatz wird ihnen aber nicht pauschal vorgeworfen. Zugegebenermaßen ist in einem Blankettstrafgesetz mit Rückverweisungsklausel die strukturelle Gefahr angelegt, das Strafgesetz zu weit zu fassen. Solche Blankettstrafgesetze umschreiben die zu bewehrenden Verhaltensnormen schließlich nur in abstrakter Weise, indem sie auf die Ermächtigung zu einer Rechtsverordnung Bezug nehmen. Der Gesetzgeber riskiert deshalb, wenn auch nicht zwingend, so doch eher, die Strafbarkeit nicht ausreichend eng beschrieben zu haben und auch Fälle zu erfassen, in denen eine Strafdrohung nicht erforderlich ist. Dann gerät die verfassungskonforme Auslegung, nach der dem Verordnungsgeber kein Auswahlrecht über die zu bewehrenden Verhaltensnormen zusteht, in Konflikt mit dem Ultima-ratio-Grundsatz, soweit man ihn in der Verfassung verankert sieht. Bei den bestehenden Blankettstrafgesetzen mit Rückverweisungsklausel ist indes nicht ersichtlich, dass gerade infolge einer verfassungskonformen Auslegung die Strafbarkeit zu weit gerät. Wie oben beschrieben gestaltet der Gesetzgeber die Ermächtigung, auf die das Blankettstrafgesetz im Tatbestand Bezug nimmt, regelmäßig differenziert und gibt dort bereits konkrete mög­ liche Regelungen vor.271 Die Ermächtigung ist damit so eng gefasst, dass die Strafbarkeit auch dann, wenn der Verordnungsgeber jede darauf gestützte Verhaltensnorm unter den Anwendungsbereich des Blankettstrafgesetzes stellen muss, nicht unvorhergesehen ausgeweitet wird. So ist es aus Sicht des Ultima-ratio-Grundsatzes nicht erforderlich, dem Verordnungsgeber im Rahmen des oben bereits erwähnten Blankettstrafgesetzes des § 58 Abs. 1 Nr. 18 LFGB272 die freie Wahl hinsichtlich der zu bewehrenden Verhaltensnormen zu belassen. Verbietet oder beschränkt er den Einsatz mehrerer gesundheitsgefährdender Stoffe bei der Herstellung von Lebensmitteln, gibt es keinen Grund, hinsichtlich der Strafbarkeit zwischen den Verboten zu unterscheiden und nur einige von ihnen dem Strafgesetz zu unterstellen. Insbesondere den Grad der jeweiligen Gesundheitsgefahr kann der Verordnungsgeber bereits über eine mehr oder weniger strenge Beschränkung berücksichtigen. Gleiches lässt sich etwa sagen für das Blankettstrafgesetz in § 34 Abs. 1 Nr. 5 TabakerzG. Es erfasst (unter anderem) Zuwiderhandlungen gegen Rechtsverordnungen nach § 9 Nr. 1 TabakerzG. Danach dürfen Höchstmengen gesundheitsschädlicher Pflanzenschutzmittel und ihrer Abbau- und Reaktionsprodukte festgesetzt werden, die in oder auf 270  Dazu

oben S. 186 f. S. 161. 272  Zum Normtext oben S. 160. 271  Oben



II. Die Rückverweisungsklausel217

Tabakerzeugnissen nicht überschritten sein dürfen. Wiederum ist kein Grund ersichtlich, zwischen mehreren gesundheitsgefährdenden Mitteln bezüglich der Strafbarkeit zu unterscheiden. Fraglich ist eher, ob es in solchen Fällen grundsätzlich einer Strafandrohung bedarf, das heißt, ob überhaupt – unabhängig vom Einsatz einer Rückverweisungsklausel – ein Strafgesetz in dem betreffenden Bereich nötig ist. Angesprochen ist damit ein im Nebenstrafrecht allgemein problematischer Umstand: Ein Unrechtsgehalt ist hier oft schwer fassbar.273 Wenn der Verordnungsgeber nicht immer umfassend Rückverweisungen vornimmt, lässt sich das ganz in diesem Sinne deuten. So hat er von der Ermächtigung in § 9 Nr. 1 TabakerzG zwar Gebrauch gemacht und in § 5 Abs. 1 TabakerzV Höchstwerte für diverse Pflanzenschutzmittel festgesetzt. Er hat aber für keine Überschreitung eines Höchstwertes auf das Blankettstrafgesetz des § 34 Abs. 1 Nr. 5 TabakerzG zurückverwiesen.274 Dieses vollständige Unterlassen jeglicher Rückverweisung – und nicht etwa einzelner Rückverweisungen – ist weniger dahingehend zu verstehen, der Verordnungsgeber erachte die Ermächtigung für die Zwecke des Strafrechts in einzelnen Fällen zu weit. Eher muss es bedeuten, der Verordnungsgeber halte eine Strafdrohung generell nicht für erforderlich.275 Dies betrifft aber nicht die verfassungskonforme Auslegung der Rückverweisungsklausel und muss daher nicht weiter geklärt werden. Ein der Rückverweisungstechnik immanentes Problem ist mit dem Ultimaratio-Grundsatz somit nicht betroffen. Der sich daraus ergebende fragmentarische Charakter des Strafrechts steht der verfassungskonformen Auslegung der Rückverweisungsklausel nicht generell entgegen. Es bleibt bei dem bislang gefundenen Ergebnis: Dem Verordnungsgeber steht kein Entschließungsermessen darüber zu, ob er für eine Verhaltensnorm einen Rückverweis auf das Blankettstrafgesetz aufnimmt. d) Keine Verpflichtung zum Rückverweis im Ordnungswidrigkeitenrecht aa) Kein Konflikt mit kompetenzwahrender Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG Findet eine Rückverweisungsklausel im Ordnungswidrigkeitenrecht Anwendung, wird ihre verfassungsrechtliche Zulässigkeit, sofern sie überhaupt 273  Vgl.

Neumann, in: NK-StGB, § 17 Rn. 90. oben S. 211. 275  Die Verordnungsbegründung (BR-Drs. 17/16) verhält sich dazu nicht. Vorausgesetzt ist im Übrigen freilich, dass der Verordnungsgeber die Möglichkeit (und Pflicht) zur Rückverweisung nicht einfach übersehen hat. 274  Bereits

218 C. Beurteilung der nationalrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik

gesondert angesprochen wird, zumeist gleich wie im Strafrecht bewertet, da derselbe Prüfungsmaßstab zugrunde gelegt wird.276 Wie auch das BVerfG andeutet, ist hier der Maßstab des Art. 103 Abs. 2 GG in Bezug auf seine kompetenzwahrende Komponente jedoch weniger strikt. Der Verordnungsgeber ist im Ordnungswidrigkeitenrecht nicht darauf beschränkt, die Verhaltensnormen zu konkretisieren, sondern darf auch auf die Sanktionsnorm Einfluss nehmen.277 Insofern begründet die Rückverweisungsklausel im Ordnungswidrigkeitenrecht kein besonderes Problem. Der parlamentarische Gesetzgeber hat im Blankettordnungswidrigkeitengesetz bereits den Rahmen möglicher Geldbußen abgesteckt. Ein im Übrigen bestehender Einfluss des Verordnungsgebers hinsichtlich der Reichweite der Sanktionsnorm schadet nicht. Das ist unabhängig davon, ob es sich dabei um einen freien Einfluss handelt oder aber der Verordnungsgeber zur Vornahme des Rückverweises verpflichtet ist. Die Rückverweisungsklausel ist auch dann mit Art. 103 Abs. 2 GG vereinbar, wenn sie dem Verordnungsgeber insoweit eine Entschließungsfreiheit einräumt. bb) Entschließungsfreiheit zum Rückverweis Ob der Verordnungsgeber eine Entschließungsfreiheit innehat, soll im Folgenden gleichwohl untersucht werden. Das Ergebnis ist nämlich relevant, um beurteilen zu können, ob der Verordnungsgeber Rückverweisungen korrekt vornimmt. Zur Klärung der Frage kann auf die oben vorgenommene Aus­ legung der Rückverweisungsklausel verwiesen werden.278 Denn abgesehen davon, dass die Rückverweisungsklausel nicht einen Rückverweis auf eine „Strafvorschrift“, sondern eine „Bußgeldvorschrift“ verlangt, ist sie im Ordnungswidrigkeitenrecht gleich wie im Strafrecht formuliert und können die Ergebnisse der Auslegung deshalb übernommen werden. Im Unterschied zu oben besteht aber aus Perspektive des Art. 103 Abs. 2 GG kein Bedürfnis danach, den Zweck der Rückverweisungsklausel verfassungskonform auf ihren Beitrag zur Bestimmtheit im Sinne der freiheitsgewährleistenden Komponente zu verengen und darüber eine Verpflichtung zum Rückverweis zu begründen. Ebenso gut kann dem Verordnungsgeber zugestanden werden, die strafwürdigen Verhaltensweisen innerhalb des gesetzlich vorgegebenen Rahmens selbst zu bestimmen, mithin frei über den Rückverweis zu entscheiden. Wie oben gezeigt, ist auch diese Interpretation 276  Vgl. etwa Bülte, BB 2016, 3075, 3080 f.; i. Erg. auch ders., NZV 2020, 12, 17 f., dort aber einen anderen Prüfungsmaßstab zugrunde legend. 277  Oben S. 111 f. 278  Oben S. 204 ff.



II. Die Rückverweisungsklausel219

mit dem Wortlaut der Rückverweisungsklausel und dem Willen des Gesetzgebers vereinbar. Sie liegt vom Wortlaut her sogar etwas näher und kommt dem Interesse an einer flexiblen Rechtslage innerhalb der verfassungsrechtlichen Grenzen weiter entgegen. Im Ordnungswidrigkeitenrecht ist es daher vorzugswürdig, dem Verordnungsgeber eine Entschließungsfreiheit hinsichtlich des Rückverweises zuzugestehen.279 Allerdings hat sich das BVerfG in der Vergangenheit kritisch gegenüber Ermächtigungen gezeigt, die ihrem Wortlaut nach keine Verpflichtung zum Tätigwerden begründen, sofern die Anwendbarkeit des Gesetzes vom Erlass der Rechtsverordnung abhängt. Könnten solche Ermächtigungen nicht derart ausgelegt werden, dass für den Verordnungsgeber ersichtlich sei, wann er von ihnen Gebrauch machen müsse, verstießen sie gegen Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG.280 Das bedeutete im hier interessierenden Fall: Es wäre zwar nicht nach der kompetenzwahrenden Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG, wohl aber nach Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG geboten, diejenige Auslegung der Rückverweisungsklausel vorzuziehen, nach der der Verordnungsgeber keine Entschließungsfreiheit innehat.281 Jedoch ist zweifelhaft, ob das BVerfG tatsächlich zu diesem Ergebnis käme. Die Bedenken gegenüber nicht ausdrücklich verpflichtenden Ermächtigungen, von deren Gebrauch die Anwendbarkeit eines Gesetzes abhängt, finden sich in dieser Strenge in nur einer, bereits älteren Entscheidung.282 In jüngerer Zeit hat das BVerfG sie zwar noch einmal aufgegriffen, doch formuliert es nun bereits vorsichtiger: Unter den genannten Umständen „kann“ – nicht „muss“ – die Ermächtigung verfassungswidrig sein.283 Innerhalb der oben dargestellten Rechtsprechung zu Blankettstrafgesetzen mit Rückverweisungsklauseln284 problematisiert das Gericht darüber hinaus an keiner Stelle, dass die Anwendbarkeit der untersuchten Blankettstrafgesetze von dem Erlass einer rückverweisenden Rechtsverordnung abhängt.285 279  Dem parlamentarischen Gesetzgeber bleibt es natürlich unbenommen, den Verordnungsgeber ausdrücklich zur Vornahme eines Rückverweises zu verpflichten; zu einer möglichen Formulierung unten S. 228. 280  BVerfG 2 BvL 9/85 u. a., NJW 1988, 2529, 2531. 281  Der von Volkmann, ZRP 1995, 220, 226 angedachte Einwand, das BVerfG habe mit dem Gesetz, dessen Anwendbarkeit nicht von der Rechtsverordnung abhängen dürfe, eventuell das Gesetz als Ganzes und nicht die einzelne Regelung gemeint, hat sich mit der Entscheidung BVerfG 1 BvL 1/18 u. a., NJW 2019, 3054 Rn. 44 f. erledigt. Dort bezieht das BVerfG die Anwendbarkeit klar auf eine Einzelregelung. 282  Siehe Fn. 280. 283  BVerfG 1 BvL 1/18 u. a., NJW 2019, 3054 Rn. 45. 284  Oben S. 175 ff. 285  Auch in den zu unionsrechtsakzessorischen Blankettstrafgesetzen im ­RiFlEtikettG und LFGB ergangenen Entscheidungen, bei denen die Anwendbarkeit

220 C. Beurteilung der nationalrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik

Das BVerfG hält also zumindest im Bereich der Blankettstrafgesetzgebung wohl nicht an seiner früheren Meinung fest. Daher ist es auch nach Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG nicht notwendig, die Entschließungsfreiheit des Verordnungsgebers aufzuheben. Das passt zum im vorigen Kapitel gefundenen Ergebnis, wonach sich aus Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG keine höheren Anforderungen ergeben als aus Art. 103 Abs. 2 GG.286 Im Ordnungswidrigkeitenrecht darf der Verordnungsgeber also selbst entscheiden, ob und für welche der von ihm erlassenen Verhaltensnormen er einen Rückverweis aufnimmt. Die Rückverweisungsklausel dient hier auch dazu, den Verordnungsgeber über die Sanktionswürdigkeit der vom Blankettgesetz erfassten Verhaltensweisen bestimmen zu lassen. Mit diesem Befund korrespondiert die Praxis der Verordnungsgebung. Auch im Ordnungswidrigkeitenrecht verweist der Verordnungsgeber regelmäßig nicht für alle ausfüllungsgeeigneten Verhaltensnormen auf das Blankettgesetz zurück, sondern bezieht den Rückverweis nur auf einzelne von ihnen. Beispielsweise ent­ halten die Rechtsverordnungen, die von den Ländern zur Bekämpfung der ­Corona-Pandemie erlassen worden sind, zu Beginn teils allgemein gehaltene Verhaltensnormen, für die nicht auf das Blankettordnungswidrigkeitengesetz des § 73 Abs. 1a Nr. 24 IfSG zurückverwiesen wird.287 Anders als im Strafrecht ist dies zulässig.288 cc) Unechte Mischtatbestände In manchen Fällen wird die Rückverweisungsklausel eines Blankettordnungswidrigkeitengesetzes auch für ein Strafgesetz relevant. So verhält es sich immer dann, wenn das Strafgesetz zur näheren Beschreibung des Tatbestands auf ein Ordnungswidrigkeitengesetz mit Rückverweisungsklausel Bezug nimmt und das ordnungswidrige Verhalten zur Straftat hochstuft, sofern der Täter bestimmte zusätzliche Merkmale verwirklicht (sogenannter unechter Mischtatbestand289). Auf diese Weise ausgestaltet ist beispielsweise § 33 des Gesetzes ebenfalls vom Erlass der rückverweisenden Rechtsverordnung abhängt, problematisiert das BVerfG dies nicht (vgl. 2 BvL 1/15, NJW 2016, 3648; 2 BvL 5/17, NZWiSt 2020, 263) und das, obwohl es in der Entscheidung zum LFGB sogar eingangs für einen nebensächlichen Punkt auf die einschlägige ältere Rechtsprechung verweist (vgl. BVerfG 2 BvL 5/17, NZWiSt 2020, 263, 274). 286  Oben S. 122 ff. 287  Vgl. etwa §§  1 Abs. 3, 30 Hessische Coronavirus-Schutzverordnung vom 24.11.2021, GVBl. 2021, 742, in der Fassung vom 21.02.2022, GVBl. 2022, 102. 288  Die allgemein gehaltenen Verhaltensnormen in den Corona-Verordnungen wären meist gar nicht hinreichend inhaltlich bestimmt im Sinne des Art. 103 Abs. 2 GG, vgl. OLG Oldenburg 2 Ss (OWi) 286/20, COVuR 2021, 119 Rn. 9 ff. 289  Rutkowski, in: Buddendiek/Rutkowski, Lexikon des Nebenstrafrechts, Stichwort Mischtatbestände.



II. Die Rückverweisungsklausel221

MuSchG. Die Rückverweisungsklausel ist hier nur im Ordnungswidrigkeitengesetz des § 32 Abs. 1 Nr. 17 MuSchG enthalten, auf das § 33 MuSchG verweist. § 33 MuSchG: „Wer eine in § 32 Absatz 1 Nummer […] 17 bezeichnete vorsätzliche Handlung begeht und dadurch die Gesundheit der Frau oder ihres Kindes gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.“ § 32 Abs. 1 Nr. 17 MuSchG: „Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig […] einer Rechtsverordnung nach § 31 Nummer 4 […] zuwiderhandelt, soweit die Rechtsverordnung für einen bestimmten Tatbestand auf diese Bußgeldvorschrift verweist.“

In konstruktiv gleicher Weise nimmt das Strafgesetz des § 20 ESVG auf die Ordnungswidrigkeit in § 19 Abs. 1 Nr. 1 lit. a ESVG Bezug, § 74 IfSG auf § 73 Abs. 1a Nr. 24 IfSG und § 58 Abs. 5 JArbSchG auf § 58 Abs. 1 Nr. 26 JArbschG.290 Es stellt sich dabei die Frage, ob die Rückverweisungsklausel nach den für das Strafrecht oder den für das Ordnungswidrigkeitenrecht gefundenen Maßstäben zu beurteilen ist. Für letzteres spricht, dass der Verordnungsgeber mit Aufnahme eines Rückverweises nur über die Anwendbarkeit der ordnungswidrigkeitenrechtlichen Sanktionsnorm unmittelbar befindet. Über die strafrechtliche Sanktionsnorm hat hingegen der parlamentarische Gesetzgeber bereits abschließend entschieden, indem er im Gesetz die Merkmale formuliert hat, die erfüllt sein müssen, um die Ordnungswidrigkeit zur Straftat zu qualifizieren. An dieser Entscheidung kann der Verordnungsgeber nichts ändern. Er kann mit anderen Worten nicht auf das Ordnungswidrigkeitengesetz zurückverweisen, ohne dass zugleich das Strafgesetz anwendbar wird. Der Rückverweis auf das Ordnungswidrigkeitengesetz wirkt sich zwar faktisch auch auf den Anwendungsbereich der strafrechtlichen Sanktionsnorm aus. Doch ist dies nur ein mittelbarer Einfluss, vergleichbar demjenigen wie er allgemein bei Ausfüllung eines dynamisch verweisenden Blankettgesetzes durch die Exekutive besteht.291 Die Rückverweisungsklausel ist daher allein nach den für das Ordnungswidrigkeitenrecht geltenden Maßstäben zu beurteilen. Sie ist demnach zulässig, ohne dafür verfassungskonform ausgelegt werden zu müssen.

290  Eine solche Konstruktion lag auch BVerfG 2 BvR 858/92, NJW 1993, 1909 zugrunde, dazu oben S. 177 f. 291  Dazu oben S. 187 f. Deshalb ist auch eine gesonderte Ermächtigung, entgegen der dahingehend geäußerten Zweifel von Volkmann, ZRP 1995, 220, 225 Fn. 62, nicht erforderlich.

222 C. Beurteilung der nationalrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik

e) Exkurs: Gestaltungsfreiheit des Verordnungsgebers hinsichtlich der Verhaltensnorm Die im Strafrecht bestehende Pflicht des Verordnungsgebers bezieht sich darauf, eine Rückverweisung vorzunehmen. Davon zu unterscheiden ist die – logisch vorgelagerte – Frage, welche Gestaltungsfreiheit dem Verordnungsgeber zukommt, wenn er die Verhaltensnorm erlässt. Dies ist schon deshalb gesondert zu beantworten, weil nicht die Rückverweisungsklausel zur Verhaltensnorm ermächtigt, sondern die Ermächtigung, auf die das Blankettstrafgesetz im Tatbestand verweist. Auf ihre Auslegung, nicht auf diejenige der Rückverweisungsklausel, kommt es also an. Ob und welche Gestaltungsfreiheit bei Erlass der Verhaltensnorm besteht, ist für die Zulässigkeit der Rückverweisungsklausel indes nicht entscheidend. Eine insoweit existierende Gestaltungsfreiheit wäre mit Art. 103 Abs. 2 GG vereinbar, sofern die Verhaltensnormen über das zu schützende Rechtsgut und eine ungefähre Verhaltensbeschreibung im formellen Gesetz festgelegt sind. Auf die Sanktionsnorm wirkte sich die Gestaltungsfreiheit lediglich mittelbar aus, indem erst dann, wenn eine Verhaltensnorm erlassen worden ist, ein Anknüpfungspunkt für einen (zwingend vorzunehmenden) Rückverweis besteht. Ein solcher mittelbarer Einfluss ist zulässig. Er findet sich bei jedem Blankettstrafgesetz mit dynamischer Außenverweisung.292 Welche Gestaltungsfreiheit hinsichtlich der Verhaltensnorm besteht, kann daher dahinstehen. Dies lässt sich ohnehin nicht generell, sondern nur im Einzelfall beurteilen. Denn die entsprechende Ermächtigung ist je nach Gesetz unterschiedlich formuliert – im Gegensatz zur Rückverweisungsklausel, die immer gleich lautet. Jedenfalls regelmäßig wird dem Verordnungsgeber aber eine Entschließungs- oder inhaltliche Gestaltungsfreiheit zustehen (oder auch beides),293 weil der parlamentarische Gesetzgeber ansonsten keinen Grund gehabt hätte, die Regelung zu delegieren. Mit der Ermächtigung, die Verhaltensnorm zu gestalten, will er gerade auf den Sachverstand des Verordnungsgebers zugreifen.294 Ergänzend ist auf einen weiteren Punkt hinzuweisen: Es ließe sich überlegen, die Argumentation, mit der eine Pflicht zum Rückverweis hergeleitet wurde, auf die Ermächtigung zur Verhaltensnorm zu übertragen. Ohne Verhaltensnorm fehlt schließlich der Anknüpfungspunkt für den Rückverweis und ohne Rückverweis wird das Blankettstrafgesetz nicht anwendbar. Der 292  Oben

S. 187 f.

293  Beispielsweise

ist in § 38 Abs. 1 S. 1 Nr. 5, Abs. 2 S. 1 Nr. 4 IfSG (relevant für das Blankettstrafgesetz des § 75 Abs. 2 IfSG) die Entschließungsfreiheit ausweislich des Wortlauts reduziert, eine inhaltliche Gestaltungsfreiheit aber gegeben. 294  Im Gegensatz zur Rückverweisungsklausel, oben S. 206 ff.



II. Die Rückverweisungsklausel223

Erlass der Verhaltensnorm setzt daher ebenfalls eine Bedingung für die Anwendbarkeit des Blankettstrafgesetzes. Entsprechend den obigen Ausführungen müsste der Verordnungsgeber somit auch dazu verpflichtet sein, die Verhaltensnorm zu erlassen. Dies gälte dann sogar nicht nur im Rahmen der Rückverweisungstechnik, sondern für alle dynamisch verweisenden Blankettstrafgesetze. Denn auch wenn das Blankettstrafgesetz keinen Rückverweis auf sich selbst fordert, ist es doch erst anwendbar, wenn eine ausfüllende Verhaltensnorm existiert. Eine solche Verpflichtung ginge jedoch zu weit.295 Grund dafür ist der bloß mittelbare Zusammenhang zwischen dem Erlass der Verhaltensnorm und der Anwendbarkeit der Sanktionsnorm. Wenn der Verordnungsgeber von der Ermächtigung zur Verhaltensnorm Gebrauch macht, kann er die Entscheidung, die der Gesetzgeber hinsichtlich der Strafbarkeit getroffen hat, nicht in Frage stellen: Bei einem Blankettstrafgesetz mit Rückverweisungsklausel deshalb nicht, weil er verpflichtet ist, einen Rückverweis vorzunehmen, sobald er eine ausfüllungsgeeignete Norm erlässt. Bei einem Blankettstrafgesetz ohne Rückverweisungsklausel ergibt es sich daraus, dass eine vom Verordnungsgeber erlassene ausfüllungsgeeignete Norm automatisch unter den Anwendungsbereich des Strafgesetzes fällt.296 Bezogen auf das Strafrecht liegt damit in beiden Fällen bereits eine abgeschlossene Regelung vor, deren Anwendbarkeit nicht in das Belieben des Verordnungsgebers gestellt ist. Dass das Blankettstrafgesetz faktisch erst anwendbar wird, wenn eine ausfüllende Verhaltensnorm erlassen worden ist, ist nur die natürliche Folge der akzessorischen Ausgestaltung des Strafrechts. f) Ergebnis Der Einsatz einer Rückverweisungsklausel ist zulässig. Im Strafrecht gilt dies aber nur, sofern die Klausel verfassungskonform ausgelegt wird. Danach ist der Verordnungsgeber verpflichtet, in seiner Rechtsverordnung für jede Verhaltensnorm, die geeignet ist, das Blankettstrafgesetz auszufüllen, einen Rückverweis aufzunehmen. Im Ordnungswidrigkeitenrecht ist eine verfassungskonforme Auslegung wegen des weniger strikten Maßstabs der kompetenzwahrenden Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG nicht notwendig. Hier ist der Verordnungsgeber frei darin, ob er einen Rückverweis aufnimmt. 295  Auch das BVerfG hält den Verordnungsgeber nicht zum Erlass einer ausfüllenden Verhaltensnorm verpflichtet, wenn es, bezogen auf § 184f StGB (damals § 184d StGB), vom „Spielraum der Exekutive“ spricht, „von der Ermächtigung zum Erlass von Sperrgebietsverordnungen […] überhaupt Gebrauch zu machen“, 2 BvR 1101/08, NVwZ 2009, 239, 240. 296  Oben S. 186 f.

224 C. Beurteilung der nationalrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik

5. Abgleich mit Rechtsprechung des BVerfG An dieser Stelle soll die entwickelte Lösung noch einmal zusammenfassend mit der Rechtsprechung des BVerfG abgeglichen werden. Dem BVerfG ist im Ergebnis grundsätzlich Recht zu geben: Es hat nationalrechtsakzessorische Blankettstrafgesetze mit Rückverweisungsklausel bislang nicht für verfassungswidrig erklärt und auch nach hier vertretener Auffassung ist die Rückverweisungsklausel verfassungskonform. Auf dem Weg zu diesem Ergebnis zeigen sich jedoch deutliche Unterschiede: Das BVerfG sieht schließlich überhaupt kein speziell infolge der Rückverweisungsklausel auftretendes Problem, während hier ein solches herausgearbeitet wurde und nur über eine verfassungskonforme Auslegung überwunden werden konnte. Dass das BVerfG die Entscheidungsbefugnis des Verordnungsgebers nicht ebenfalls über eine verfassungskonforme Auslegung begrenzt, kann ihm innerhalb seiner Vorgehensweise dementsprechend nicht als Inkonsequenz vorgeworfen werden. Dies ist lediglich die Folge davon, dass es die besondere Rückverweisungsproblematik übersieht. Jedenfalls in Bezug auf diesen vorgelagerten Umstand ist ein Vorwurf aber gerechtfertigt. Selbst wenn das BVerfG den Prüfungsmaßstab bezüglich der Sanktionsnorm nicht so strikt wie hier verstehen297 und den durch die Rückverweisungsklausel entstehenden unmittelbaren Einfluss auf die Sanktionsnorm für verfassungskonform halten sollte, müsste es ihn zumindest ansprechen und mit eigenen Erwägungen rechtfertigen. Allein die Rechtsprechung zu Blankettgesetzen ohne Rückverweisungsklausel zu übernehmen, wie es das BVerfG macht, greift dagegen zu kurz, weil bei diesen ein vergleichbarer Einfluss auf die Sank­ tionsnorm fehlt. 6. Folgen der verfassungskonformen Auslegung Mit der verfassungskonformen Auslegung der Rückverweisungsklausel, wonach der Verordnungsgeber zum Rückverweis verpflichtet ist, sind einige weitere Folgen verbunden, die es nun darzustellen gilt. Relevant ist dies nur für das Strafrecht. Im Ordnungswidrigkeitenrecht hat sich eine verfassungskonforme Auslegung nicht als erforderlich erwiesen.

297  Dazu

oben S. 101.



II. Die Rückverweisungsklausel225

a) Rückverweisung bleibt konstitutiv Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Rückverweisung auch dann, wenn der Verordnungsgeber hierzu verpflichtet ist, konstitutiv bleibt.298 Denn wenn sie fehlt, kann eine Strafbarkeit nicht begründet werden. Eine Strafbarkeit trotz fehlender Rückverweisung anzunehmen, wäre mit der freiheitsgewährleistenden Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG unvereinbar.299 b) Durchsetzung der Pflicht des Verordnungsgebers zum Rückverweis Wie gesehen hat der Verordnungsgeber in der Vergangenheit nicht immer eine mögliche Rückverweisung tatsächlich vorgenommen.300 Dies führt zu der praktisch wichtigen Frage, wie einem solchen Unterlassen abgeholfen, das heißt, wie die Verpflichtung des Verordnungsgebers durchgesetzt werden kann. Das Unterlassen einer gebotenen Rückverweisung ist rechtswidrig. Der Verordnungsgeber verstößt dadurch gegen seine Bindung an Verfassung und Gesetz aus Art. 20 Abs. 3 GG.301 Zugleich ist ein Verstoß gegen die kompetenzwahrende Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG gegeben, weil der Verordnungsgeber mit der eigenständigen Entscheidung darüber, ob ein Zuwiderhandeln gegen eine bestimmte Verhaltensnorm mit Strafe bedroht werden soll, eine Befugnis in Anspruch nimmt, die allein dem parlamentarischen Gesetzgeber zugewiesen ist. Wegen der freiheitsgewährleistenden Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG darf der unterbliebene Rückverweis nicht einfach fingiert werden.302 Vielmehr muss der Verordnungsgeber dazu angehalten werden, die unterlassene Rückverweisung nachzuholen. Denkbar ist dies zunächst durch Maßnahmen der Judikative. Ein Gericht kann das rechtswidrige Unterlassen des Verord-

298  A. A. Böse, in: FS Krey, 7, 11; Kämpfer/Travers, in: BeckOK-WpHR, § 120 WpHG Rn. 52.2. 299  Oben S. 182 f. Insoweit unklar Böse, in: FS Krey, 7, 11 f., nach dem der Gesetzgeber bei fehlendem Rückverweis auf eine Ahndung „verzichtet“, was mehr nach einem freiwilligen Akt denn einem verfassungsrechtlich zwingenden Erfordernis klingt. 300  Oben S. 211. 301  Vgl. Unruh/Strohmeyer, NuR 1998, 225, 230. 302  Vgl. soeben und oben S. 182  f. Außerhalb des Strafrechts beziehungsweise außerhalb belastender Eingriffe kann hingegen eine Verordnungsbestimmung durch die Gerichte antizipiert werden, sofern der Verordnungsgeber die Bestimmung inhaltlich nur auf eine Art und Weise vornehmen konnte, vgl. BVerwG 3 C 29/96, NJW 1997, 956, 957.

226 C. Beurteilung der nationalrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik

nungsgebers feststellen.303 Freilich wird sich dazu selten Anlass bieten: Wenn für eine bestimmte Verhaltensnorm, die verletzt wurde, ein Rückverweis auf das Strafgesetz fehlt, wird sich die Staatsanwaltschaft regelmäßig überhaupt nicht veranlasst sehen, ein Strafverfahren zu initiieren. Eher relevant werden dürfte die Feststellung des rechtswidrigen Unterlassens, wenn das BVerfG über die Verfassungskonformität eines ihm vorgelegten Blankettstrafgesetzes mit Rückverweisungsklausel entscheidet und dabei eine umfassende Prüfung vornimmt. Angesprochen sind damit jedoch nur Einzelfälle. Aber auch die Legislative kann tätig werden. Der parlamentarische Gesetzgeber kann einen einfachen Parlamentsbeschluss erlassen, in dem er den Verordnungsgeber zur Nachholung der versäumten Pflicht anhält. Dieser ist zwar rechtlich unverbindlich.304 Dennoch mag er in vielen Fällen genügen, um den Verordnungsgeber zur umfassenden Vornahme von Rückverweisungen zu motivieren; schließlich darf man diesem nicht unterstellen, bewusst gegen Handlungspflichten verstoßen zu wollen. Gleichwohl erweisen sich die dargestellten Handlungsoptionen jedenfalls im Konfliktfall als wenig effektiv. Ein (teilweises) Unterlassen des Verordnungsgebers darf dann aber nicht letztlich akzeptiert werden. Diesem Zustand abzuhelfen, obliegt dem parlamentarischen Gesetzgeber. Er ist es, dem qua Verfassung die Festlegung der Sanktionsnorm überantwortet ist. Es ist zwar mit der Verfassung vereinbar, den Verordnungsgeber über die Rückverweisungsklausel einzuschalten, sofern dieser zum Rückverweis verpflichtet ist. Die Verantwortung des Gesetzgebers für die Sanktionsnorm endet damit aber nicht.305 Vielmehr bleibt er – als der eigentlich Zuständige – dafür verantwortlich, zu überwachen, ob die Verpflichtung zum Rückverweis eingehalten wird. Sieht der Gesetzgeber, dass der Verordnungsgeber nicht konsequent einen Rückverweis aufnimmt, mithin seine Bindung missachtet, und hilft auch ein unverbindlicher Parlamentsbeschluss nicht weiter, muss er weitere Maßnahmen ergreifen. Ansonsten träfe ihn der Vorwurf, eine verfassungswidrige, weil gegen Art. 103 Abs. 2 GG verstoßende,306 VerordVerfassungsrecht I, Rn. 363. ZG 1988, 121, 137. 305  Vergleichbar argumentiert Peine, ZG 1988, 121, 136 für den Fall, dass der Gesetzgeber aus einer grundrechtlichen Schutzpflicht zum Erlass eines Gesetzes verpflichtet ist. Eine solche Pflicht zum Gesetzeserlass besteht im Strafrecht im Allgemeinen zwar nicht (zu Ausnahmen BVerfG 1 BvF 1/74 u. a., NJW 1975, 573, 576 f.; 2 BvF 2/90 u. a., NJW 1993, 1751, 1754 ff.; Roxin/Greco, Strafrecht AT/I, § 2 Rn. 96), wohl aber eine Pflicht zur vollständigen Regelung der Sanktionsnorm, immer wenn ein Strafgesetz erlassen wird. 306  Die Verordnungsgebung verstößt, wie gezeigt, auch gegen Art. 20 Abs. 3 GG; insoweit ist aber nicht vergleichbar offensichtlich, ob der Gesetzgeber darauf mit eigenen Maßnahmen reagieren muss. 303  Kloepfer, 304  Peine,



II. Die Rückverweisungsklausel227

nungsgebung zu dulden.307 Auf die Spitze getrieben ließe sich bei jedem weiteren Erlass eines Blankettstrafgesetzes mit Rückverweisungsklausel sogar sagen, er ermögliche sie, womit er selbst gegen Art. 103 Abs. 2 GG verstieße.308 Konkret folgt daraus die Pflicht, gesetzgeberisch tätig zu werden. Zu überlegen ist zunächst, ob der parlamentarische Gesetzgeber selbst den bislang unterlassenen Rückverweis in die Rechtsverordnung einfügen kann. Änderungen einer Rechtsverordnung durch die Legislative werden im Allgemeinen für zulässig gehalten.309 Das BVerfG erlaubt sie aber nur, wenn der Gesetzgeber im Zuge der Änderung eines ganzen Sachbereichs auch Verordnungsrecht anpasst, nicht hingegen, wenn er unabhängig von sonstigen gesetzgeberischen Maßnahmen in eine Rechtsverordnung eingreift.310 Einen Rückverweis einzufügen, ist dem Gesetzgeber demnach nur begrenzt möglich. Im Übrigen ist an eine Änderung des Strafgesetzes zu denken: Der Gesetzgeber kann die Verhaltensnormen, für die ein Rückverweis fehlt, vom Anwendungsbereich der Rückverweisungsklausel ausnehmen und stattdessen bereits im Strafgesetz voll-explizit auf diese Normen verweisen. Wie er dies im Detail ausgestaltet, zum Beispiel durch statische oder dynamische Bezugnahme, bleibt ihm – in den Grenzen des verfassungsrechtlich Zulässigen – überlassen. Entscheidend ist nur, dass die Folgen des rechtswidrigen Unterlassens des Verordnungsgebers behoben werden. Im Ergebnis kann folglich sichergestellt werden, dass entweder der Verordnungsgeber seiner Verpflichtung zur Vornahme einer Rückverweisung nachkommt oder der Gesetzgeber das Strafgesetz umgestaltet. Auf beide Weisen wird die kompetenzwahrende Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG gewahrt.

307  Ähnlich die auf Schutzpflichten bezogene Argumentation bei Hofmann, NJW 2014, 442, 445. 308  Vgl. BVerfG 2 BvR 2628/10 u. a., NJW 2013, 1058 Rn. 118. 309  Uhle, in: BeckOK-GG, Art. 80 Rn. 49; Wallrabenstein, in: von Münch/Kunig, Art. 80 Rn. 28. Dass die Rechtsverordnung selbst geändert wird, gilt freilich nur nach Sichtweise des BVerfG, wonach das Ergebnis der Änderung durch den Gesetzgeber selbst Verordnungscharakter hat, BVerfG 2 BvF 2/03, NVwZ 2006, 191 Rn. 210; 2 BvL 11/02 u. a., NVwZ 2006, 322, 323. Nach anderer Auffassung wird nicht die Rechtsverordnung selbst geändert, sondern ein formelles Gesetz erlassen, dessen vorrangiger Inhalt den der Rechtsverordnung ersetzt, Bauer, in: Dreier, Art. 80 Rn. 50 Fn. 221; Remmert, in: Dürig/Herzog/Scholz, Art. 80 Rn. 90; Uhle, Parlament und Rechtsverordnung, S.  172 f. 310  BVerfG 2 BvF 2/03, NVwZ 2006, 191 Rn. 212; ebenso Brenner, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Art. 80 Rn. 31; Horsch, ZRP 2009, 48; Sannwald, in: SchmidtBleibtreu/Hofmann/Henneke, Art. 80 Rn. 17.

228 C. Beurteilung der nationalrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik

De lege ferenda ist es sinnvoll, die Verpflichtung zur Aufnahme von Rückverweisungen im Gesetz ausdrücklich klarzustellen. Möglich ist das durch einen Zusatz im Blankettstrafgesetz oder in der Ermächtigung, auf die im Tatbestand Bezug genommen wird. Letzteres ist vorzugswürdig, weil eine entsprechende Regelung nur für den Verordnungsgeber relevant ist, nicht aber für den Normadressaten, der ermitteln möchte, was strafbar ist. Das Blankettstrafgesetz gerät dann nicht in Gefahr, infolge der Erweiterung unübersichtlich zu werden. Die Ermächtigungsgrundlage könnte etwa folgendermaßen ergänzt werden: „Die Bundesregierung/Das Bundesministerium/Die Landesregierung wird ermächtigt … In der Rechtsverordnung ist auf die Strafvorschrift in § x zu verweisen.“

Auf diese Weise wird dem Verordnungsgeber die Verpflichtung klar vor Augen geführt. Auch dies trägt dazu bei, sie in der Praxis der Verordnungsgebung durchzusetzen. c) Beachtung des strafrechtlichen Bestimmtheitsgebots durch den Verordnungsgeber Der Verordnungsgeber muss für alle ausfüllungsgeeigneten Verhaltensnormen auf das Strafgesetz zurückverweisen. Jede Verhaltensnorm, die aufgrund der vom Strafgesetz in Bezug genommenen Ermächtigung ergeht, ist folglich zugleich strafrechtlich relevant. Als Ausfüllungsobjekt des Blankettstrafgesetzes unterfällt sie dem Bestimmtheitsgebot aus Art. 103 Abs. 2 GG. Dies hat der Verordnungsgeber zu beachten, wenn er von der Ermächtigung Gebrauch macht. Er kann auf ihrer Grundlage demnach keine weit gefasste verwaltungsrechtliche Generalklausel erlassen, die für die Zwecke des Strafrechts nicht hinreichend bestimmt wäre. Für den Verordnungsgeber stellt sich die Situation insoweit gleich dar wie bei Ausfüllung eines dynamisch verweisenden Blankettstrafgesetzes ohne Rückverweisungsklausel. Auch dort muss er stets das strafrechtliche Bestimmtheitsgebot einhalten, da diese Blankettstrafgesetze ebenfalls alle ausfüllungsgeeigneten Verhaltensnormen erfassen. Sofern es verwaltungsrechtlich sinnvoll ist, auch den Erlass weiter gefasster Verhaltensnormen zu ermöglichen, die nur am allgemeinen Bestimmtheitsgebot zu messen sind, muss der Gesetzgeber für sie eine gesonderte Ermächtigungsgrundlage schaffen, die nicht vom Blankettstrafgesetz in Bezug genommen wird. Als Vorbild kann die Ermächtigung in § 11 Abs. 2 BtMG dienen: Sie enthält in S. 1 eine Generalklausel, die in S. 2 durch einzelne näher beschriebene Aspekte konkretisiert wird. Das Blankettstrafgesetz



II. Die Rückverweisungsklausel229

des § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 14 BtMG nimmt nur auf einen dieser enger gefassten Aspekte Bezug, nämlich auf S. 2 Nr. 1. Nur auf dieser Grundlage erlassene Verhaltensnormen müssen dem strafrechtlichen Bestimmtheitsgebot genügen. Weitere nicht strafrechtlich relevante Verhaltensnormen, die nur dem allgemeinen Bestimmtheitsgebot entsprechen müssen, bleiben möglich. d) Stärkere Verantwortung des parlamentarischen Gesetzgebers Infolge der verfassungskonformen Auslegung der Rückverweisungsklausel wird der parlamentarische Gesetzgeber stärker in die Verantwortung genommen. Er kann die Entscheidung, welche konkreten Verhaltensnormen strafbewehrt sein sollen, nicht dem Verordnungsgeber überlassen, sondern muss selbst darüber befinden. Die konkret daraus erwachsenden Konsequenzen sind bereits in den vorigen Ausführungen enthalten, sollen hier aber noch einmal gebündelt zusammengefasst werden: Bei Erlass des Blankettstrafgesetzes muss sich der Gesetzgeber bewusst sein, die Sanktionsnorm abschließend zu bestimmen. Er muss sicherstellen, dass vom Blankettstrafgesetz nur die tatsächlich strafbedürftigen Fälle erfasst werden. Der Einsatz des Strafrechts als ultima ratio311 obliegt allein seiner Verantwortung. Dazu hat er insbesondere darauf zu achten, die Ermächtigungsgrundlage, auf die das Blankettstrafgesetz Bezug nimmt, ausreichend differenziert und eng zu gestalten.312 Nach Erlass des Blankettstrafgesetzes steht der Gesetzgeber in der Pflicht zu überprüfen, ob der Verordnungsgeber die erforderlichen Rückverweisungen tatsächlich vornimmt; gegebenenfalls muss er das Blankettstrafgesetz umgestalten.313 e) Verbleibender Sinn der Rückverweisungsklausel im Strafrecht Wird der parlamentarische Gesetzgeber doch wieder stärker in die Verantwortung genommen, muss die Sinnhaftigkeit von Rückverweisungsklauseln noch einmal unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Grenzen neu bewertet werden. Es ist also danach zu fragen, welcher Zweck damit zulässigerweise verfolgt werden kann. In einem zweiten Schritt kann überlegt werden, ob der Einsatz einer Rückverweisungsklausel überhaupt noch lohnenswert ist.

311  Dazu

oben S. 213 ff. oben S. 216 f. 313  Dazu oben S. 226 f. 312  Bereits

230 C. Beurteilung der nationalrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik

aa) Zweck der Rückverweisungsklausel bei verfassungskonformer Auslegung Zu Beginn der Untersuchung wurden folgende mit der Rückverweisungsklausel üblicherweise verbundenen Zwecke ausgemacht: Die Strafbarkeit soll in höherem Maße bestimmt sein und der Verordnungsgeber nicht hinreichend bestimmte, nicht sanktionswürdige oder schon auf sonstige Weise bewehrte Verhaltensnormen vom Anwendungsbereich des Blankettgesetzes ausnehmen können.314 Dadurch soll der parlamentarische Gesetzgeber entlastet und die Rechtslage flexibel gehalten werden. Bereits geklärt wurde, dass die Rückverweisung tatsächlich der inhalt­ lichen Bestimmtheit der Strafbarkeit dient, weil Rechtsverordnung und Blankettstrafgesetz darüber eindeutig miteinander verknüpft werden. Auf diese Weise wird das erforderliche Maß an Bestimmtheit überhaupt erst hergestellt.315 Die verfassungskonforme Auslegung der Rückverweisungsklausel ändert an dieser Wirkung nichts. Hingegen führt die verfassungskonforme Auslegung dazu, dass der Verordnungsgeber nicht die hinreichend bestimmten, sanktionswürdigen und noch nicht anderweitig bewehrten Verhaltensnormen auswählen darf. Vielmehr muss er alle Verhaltensnormen, die er auf die strafrechtlich relevante Ermächtigung stützt, hinreichend bestimmt im Sinne des Art. 103 Abs. 2 GG fassen316 und sie unter den Anwendungsbereich des Strafgesetzes stellen. Die Sanktionswürdigkeit zu gewährleisten und doppelte Bewehrungen derselben Verhaltensnorm zu vermeiden, ist Aufgabe des parlamentarischen Gesetzgebers bei Erlass des formellen Gesetzes. Im Hinblick auf die Sanktionsnorm kann die Rückverweisungsklausel folglich nicht dazu dienen, den parlamentarischen Gesetzgeber zu entlasten und die Rechtslage zu flexibilisieren. Der Gesetzgeber darf sich – ganz im Gegenteil – nicht einfach mit dem Erlass der Sanktionsnorm begnügen, sondern muss im Folgenden überwachen, ob der Verordnungsgeber die erforderlichen Rückverweisungen vornimmt.317 Insofern steht er hier sogar stärker in der Verantwortung, als wenn er ein dynamisch verweisendes Blankettstrafgesetz ohne Rückverweisungsklausel erlässt. Die Zwecke, die Rechtslage zu flexibilisieren und den Gesetzgeber zu entlasten, beziehen sich zulässigerweise nur auf die Verhaltensnorm. Sie sind insoweit nicht Ausfluss der Rück-

314  Oben

S. 47 f. S. 170 f. 316  Oben S. 228. 317  Oben S. 226 f. 315  Oben



II. Die Rückverweisungsklausel231

verweisungsklausel, sondern der dynamischen Außenverweisung im Blankettstrafgesetz. bb) Verzicht auf Rückverweisungsklausel? Können die mit einer Rückverweisungsklausel geltend gemachten Zwecke nur teilweise erreicht werden, stellt sich die Frage, ob der Einsatz einer solchen Klausel überhaupt noch lohnenswert ist oder ob nicht jedenfalls bei ­einem Teil aller Blankettstrafgesetze darauf verzichtet werden kann.318 Letzteres wäre insoweit vorteilhaft, als dem Verordnungsgeber von vornherein jeder unmittelbare Einfluss auf die Sanktionsnorm genommen würde, ohne dass dafür eine verfassungskonforme Auslegung bemüht werden müsste. Zugleich erledigte sich das Problem, dass der Verordnungsgeber nicht immer die erforderlichen Rückverweisungen vornimmt oder aber vergisst, sie bei Änderungen des Blankettstrafgesetzes anzupassen.319 Auf der anderen Seite fehlte mit der Rückverweisung der Anhaltspunkt, mittels dessen der Normadressat Blankettstrafgesetz und Ausfüllungsobjekt miteinander verknüpfen kann. In manchen Fällen vermag er die konkrete Verhaltensnorm freilich auch ohne Rückverweis als Ausfüllungsobjekt zu identifizieren. Dies kommt umso eher in Betracht, je enger die vom Blankettstrafgesetz in Bezug genommene Ermächtigung gefasst ist, das heißt, je spezifischer sie bereits eine bestimmte Verhaltensnorm vorgibt. Die für das Blankettstrafgesetz des § 34 Abs. 1 Nr. 5 TabakerzG relevante Ermächtigungsgrundlage in § 9 Nr. 1 TabakerzG320 konturiert beispielsweise die zu bewehrende Verhaltensnorm schon in engen Grenzen: Es geht um das Überschreiten von Höchstmengen gesundheitsschädlicher Pflanzenschutzmittel und deren Abbau- und Reaktionsprodukte in oder auf Tabakerzeugnissen bei ihrem Inverkehrbringen. Ist in einer Rechtsverordnung von Höchstmengen für Pflanzenschutzmittel die Rede, wie in § 5 Tabak­erzV, kann der Norm­ adressat die Regelung ohne Weiteres als Ausfüllungsobjekt des Blankettstrafgesetzes identifizieren. Ausdrücklich über einen Rückverweis darauf aufmerksam gemacht werden muss er nicht.321 Das Blankettstrafgesetz des § 34 Abs. 1 Nr. 5 TabakerzG könnte insoweit auf eine Rückverweisungsklausel verzichten. 318  Verfassungsrechtlich gefordert ist dies freilich nicht, denn die Rückverweisungsklausel ist schließlich verfassungskonform. 319  Zu diesem letzten Aspekt oben S. 47. 320  Dazu bereits oben S. 216 f. 321  De lege lata ist ein Rückverweis aufgrund der Rückverweisungsklausel in § 34 Abs. 1 Nr. 5 TabakerzG freilich zwingend erforderlich; zum in der TabakerzV fehlenden Rückverweis oben S. 211.

232 C. Beurteilung der nationalrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik

Vergleichbar eindeutig ist die Verknüpfung von Verhaltensnormen mit den Blankettstrafgesetzen des § 39 Abs. 1 GenTG und § 69 Abs. 1 Nr. 2 PflSchG. Anders ist es aber bei § 17 Abs. 1 AWG. Dieses Blankettstrafgesetz erfasst Verstöße gegen Rechtsverordnungen nach § 4 Abs. 1 AWG, sofern die Rechtsverordnung dazu dient, eine vom UN-Sicherheitsrat oder vom Rat der Europäischen Union beschlossene wirtschaftliche Sanktionsmaßnahme durchzuführen. Dem Normadressaten ist es nicht zumutbar, diese Eignung selbst zu beurteilen. In diesem und in vergleichbaren Fällen kann auf eine Rückverweisung in der Rechtsverordnung folglich nur verzichtet werden, wenn die Möglichkeit, die Verknüpfung zwischen Blankettstrafgesetz und Ausfüllungsobjekt herzustellen, anderweitig sichergestellt ist. Weiterhelfen könnte ein Vorschlag von Kretschmer: Danach soll der Gesetzgeber der Exekutive vorgeben, wie die ausfüllende Rechtsverordnung zu benennen ist.322 Der Normadressat wüsste dann, in welchem Normenwerk die bewehrte Verhaltensnorm enthalten ist. Eine entsprechende Vorgabe dient zweifelsohne der inhaltlichen Bestimmtheit. Sie vermag allerdings nicht das gleiche Bestimmtheitsniveau zu gewährleisten, wie es mit einer Rückverweisung erreicht wird. Kennt der Norm­ adressat die Bezeichnung der das Blankettstrafgesetz ausfüllenden Rechtsverordnung, kann er zwar die Rechtsverordnung als solche als Bezugsobjekt der Verweisung identifizieren. Er weiß aber noch nicht, welche konkreten Verhaltensnormen derjenigen, die in der Rechtsverordnung enthalten sind, das Blankettstrafgesetz ausfüllen. Schließlich sind in einer Rechtsverordnung regelmäßig nicht nur Verhaltensnormen enthalten, die sich auf die vom Blankettstrafgesetz in Bezug genommene Ermächtigung stützen (und dieses daher ausfüllen), sondern daneben weitere Verhaltensnormen auf Grundlage anderer Ermächtigungen. Dem Verordnungsgeber einen Namen für die ausfüllende Rechtsverordnung vorzugeben, bietet also keine Alternative zur Rückverweisungsklausel. Insoweit verbleibt der Klausel noch ein Anwendungsbereich. Jedenfalls aber kommt eine entsprechende Vorgabe in ergänzender Weise in Betracht. Diese Ergänzung ist sinnvoll, weil der Normadressat dann nicht nur ausgehend von der Rechtsverordnung auf das Blankettstrafgesetz stößt, sondern auch ausgehend vom Blankettstrafgesetz einen Hinweis auf das Ausfüllungsobjekt erhält. Zudem gibt die Bezeichnung der Rechtsverordnung dem Normadressaten Sicherheit darüber, alle Ausfüllungsobjekte zu kennen, da nur Vorschrif322  Kretschmer, ZIS 2016, 763, 764; vgl. ferner den Vorschlag von Weber, Naturschutz, S. 83, nach dem das Gesetz die einmal erlassene Rechtsverordnung bezeichnen soll. Dann müsste der Gesetzgeber jedoch nach Erlass der Rechtsverordnung noch einmal tätig werden, die Verweisung würde erst mit verzögerter Wirkung hinreichend bestimmt.



III. Weiterverweisungen in der Rechtsverordnung233

ten der bezeichneten Rechtsverordnung und nicht auch weitere in anderen Verordnungen enthaltene das Blankettstrafgesetz ausfüllen können.323 Das ist verfassungsrechtlich zwar wie gesehen nicht erforderlich, weil die Kenntnis aller ordnungsgemäß veröffentlichten Ge- und Verbote normativ erwartet werden kann.324 Es spricht aber nichts dagegen, die Bestimmtheit der Regelung über das verfassungsrechtlich geforderte Maß hinaus zu erhöhen, zumal es sich um eine für den Gesetzgeber leicht umsetzbare Maßnahme handelt.

III. Weiterverweisungen in der Rechtsverordnung Die Vorschrift einer Rechtsverordnung, die auf ein Blankettstrafgesetz mit Rückverweisungsklausel zurückverweist, enthält eine Weiterverweisung auf ein vorstehendes Ge- oder Verbot derselben Rechtsverordnung.325 Darüber hinaus können zusätzliche Weiterverweisungen entstehen, indem das Geoder Verbot seinerseits auf weitere Vorschriften Bezug nimmt. Diese Verweisungen sowie die dadurch entstehende Verweisungskette sind nun, zum Schluss der verfassungsrechtlichen Beurteilung, in den Blick zu nehmen. 1. Problemaufriss: Konflikt mit Bestimmtheitsgebot (freiheitsgewährleistender Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG) Eine Weiterverweisung muss im Lichte der freiheitsgewährleistenden Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG untersucht werden. Die nachfolgende Untersuchung gilt demnach für Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht gleichermaßen. Zunächst einmal muss jede Verweisung in der Verweisungskette für sich genommen bestimmt sein. Damit ist aber noch nicht das spezifische Problem von Weiterverweisungen angesprochen. Die Weiterverweisung erschwert das Verständnis der Regelung, weil der Normadressat nicht nur zwei Normen finden und zusammensetzen muss – was an sich bereits schwierig ist –, sondern drei Normen oder mehr. Das spezielle Problem liegt also in der Bestimmtheit der aus Blankettgesetz und allen Ausfüllungsobjekten zusammengesetzten Regelung326 und damit in der strukturellen Komplexität des Verweisungssystems.327 Außerdem muss besondere Aufmerksamkeit auf die quantitative Komplexität gelegt werden.328 Denn je mehr Weiterverweisun323  Kretschmer, ZIS 2016, 763, 764, auch dieser sieht seinen Vorschlag nicht als Alternative zur Rückverweisungsklausel. 324  Oben S. 165 ff.; 169. 325  Oben S. 40. 326  Vgl. Satzger, Europäisierung, S. 251. 327  Dazu oben S. 86 f. 328  Dazu oben S. 82.

234 C. Beurteilung der nationalrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik

gen verwendet werden, desto umfangreicher wird regelmäßig der textliche Umfang der Gesamtregelung. Zur Untersuchung der im Rahmen der Rückverweisungstechnik typischerweise verwendeten Weiterverweisungen kann exemplarisch auf die von § 38a Abs. 1 BJagdG ausgehenden Verweisungen abgestellt werden. § 38a Abs. 1 BJagdG: „Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer einer Rechtsverordnung nach § 36 Absatz 1 Nummer 2a Buchstabe a […] zuwiderhandelt, soweit die Rechtsverordnung für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift verweist.“ § 5a Abs. 1 BWildSchV: „Nach § 38a Absatz 1 des Bundesjagdgesetzes wird bestraft, wer entgegen § 2 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 ein dort genanntes Tier oder ein Teil oder ein Erzeugnis eines solchen Tieres gewerbsmäßig ankauft, verkauft oder tauscht.“ § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BWildSchV: „Es ist verboten, […] Tiere der in Anlage 1 Teil B genannten Arten oder Teile oder Erzeugnisse solcher Tiere gewerbsmäßig anzukaufen, zu verkaufen oder zu tauschen“.

2. Bestimmtheit der einzelnen Verweisungen Die verwendeten Verweisungen sind für sich genommen jeweils bestimmt. Auf der ersten Stufe verweist das Blankettstrafgesetz mit einer dynamischen, pauschalen und halb-expliziten Außenverweisung auf die Rechtsverordnung. Die Zulässigkeit dessen wurde oben bereits festgestellt.329 Auf der zweiten Stufe verweist die Rechtsverordnung dynamisch und voll-explizit auf Geoder Verbote in derselben Rechtsverordnung. Da eine voll-explizite Ausgestaltung weniger Schwierigkeiten im Verständnis mit sich bringt als eine pauschale und halb-explizite, ist die Verweisung erst recht verfassungskonform. Dies gilt ebenso für die gleich ausgestaltete Verweisung auf der dritten Stufe, der Weiterverweisung in der Verhaltensnorm der Rechtsverordnung. Eine weitere Verweisung besteht schließlich in Gestalt der Verweisung im Blankettstrafgesetz auf die Ermächtigungsgrundlage. Sie kann für die Untersuchung indes außen vor bleiben. Die Ermächtigung ist nur für den Verordnungsgeber relevant. Der Normadressat muss sich nicht mit ihr beschäftigen. Er kann die Strafbarkeit allein aus Blankettstrafgesetz und den ausfüllenden Normen der Rechtsverordnung heraus ermitteln.330

329  Oben

S. 163 ff., 168 ff. die Frage, ob sich der Verordnungsgeber bei Ausfüllung des Blankettstrafgesetzes innerhalb der Grenzen der Ermächtigung bewegt hat, ist für die inhalt­ liche Bestimmtheit nicht relevant, vgl. unten S. 300. Streicht man freilich, wie vorgeschlagen, in bestimmten Blankettgesetzen die Rückverweisungsklausel (oben ­ 330  Auch



III. Weiterverweisungen in der Rechtsverordnung235

3. Bestimmtheit der Gesamtregelung In einem zweiten Schritt sind die einzelnen Verweisungen insgesamt in den Blick zu nehmen. Entstanden ist eine Verweisungskette aus vier Gliedern: § 38a Abs. 1 BJagdG, § 5a Abs. 1 BWildSchV, § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BWildSchV und Anlage 1 Teil B der BWildSchV. Die Rechtsfindung wird dadurch erleichtert, dass jede Verweisung jeweils einfach, das heißt auf genau ein Ausfüllungsobjekt verweist. Solche Verweisungsketten sind verhältnismäßig unproblematisch:331 Verweist eine Norm auf genau eine andere und diese wiederum auf genau eine andere (und so weiter), entsteht eine lineare Verweisungskette, der der Normadressat Schritt für Schritt folgen kann.332 Je länger die Verweisungskette, desto schwieriger wird es für ihn allerdings, die gefundenen Ausfüllungsobjekte zu einer Regelung zusammenzulesen. Vergleichbar einem Jongleur, der umso mehr Geschick aufwenden muss, je mehr Bälle ihm zugeworfen werden, muss der Normadressat umso mehr Konzentration aufbringen, je mehr Einzelregelungen er zugleich im Kopf behalten muss, um sie miteinander verschalten zu können. Auch die dadurch entstehende Textmenge wird ihn stark beanspruchen. Besonders lange Verweisungsketten sind daher unbestimmt.333 Wo genau die Grenze verläuft, lässt sich nicht pauschal sagen.334 Als Faustformel kann auf maximal etwa fünf Glieder in der Kette abgestellt werden.335 Abweichungen nach oben oder unten sind je nach Ausgestaltung der einzelnen Verweisungen möglich. Je nachdem, ob etwa voll-explizit, halb-explizit oder pauschal verwiesen wird, ist die Verweisung leichter oder schwerer verständlich und schlägt sich dies in der Gesamtwertung nieder.336

S. 231 f.), wird die Ermächtigung auch für den Normadressaten relevant und ist in die Prüfung einzubeziehen. 331  Vgl. Moll, Europäisches Strafrecht, S. 181. 332  Brand/Kratzer, JR 2018, 422, 425 sprechen anschaulich davon, dass das Gesetz den Normadressaten an die Hand nimmt und rechtssicher durch das Regelungslabyrinth führt. 333  Ähnlich Ernst, Blankettstrafgesetze, S. 131; vgl. Glock, LMuR 2017, 157, 159; ferner Pauka/Link/Armenat, WM 2017, 2092, 2093: Zweifel an Bestimmtheit müssen proportional zur Länge der Verweisungskette wachsen. Zu pauschal BGH 1 StR 745/95, NJW 1996, 3220, 3221, wonach eine lange Verweisungskette das Blankettstrafgesetz nicht unbestimmt macht. 334  Nuxoll, Vereinbarkeit des Artenschutzstrafrechts, S. 86, 104. 335  Schnell, Verweisungsbedingte Normkomplexität, S.  134, wobei die Obergrenze bei „besonders komplexen Bezugnahmen“ bei drei Gliedern liegen soll; ebenso im nichtstrafrechtlichen Kontext Debus, Verweisungen, S. 154. 336  Vgl. Cornelius, Verweisungsbedingte Akzessorietät, S. 413.

236 C. Beurteilung der nationalrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik

Die Länge der hier untersuchten Verweisungskette bewegt sich innerhalb der nach der Faustformel gezogenen Grenze. Erschwerend in Rechnung zu stellen ist jedoch, dass das Blankettstrafgesetz nur pauschal verweist. Der dadurch verursachte Rechtsfindungsaufwand wird andererseits aber ausgeglichen, indem die Rechtsverordnung eine voll-explizite Rückverweisung enthält und sich so als Ausfüllungsobjekt zu erkennen gibt.337 Auch die Weiterverweisungen in der Rechtsverordnung sind voll-explizit ausgestaltet, weshalb ihnen leicht gefolgt werden kann. Alle Verweisungen – diejenige im Blankettstrafgesetz und diejenigen in der Rechtsverordnung – sind zwar dynamisch, die damit verbundenen Probleme konnten jedoch oben bereits erheblich relativiert werden.338 Hinzu kommt, dass die Weiterverweisungen in der Rechtsverordnung Binnenverweisungen sind. Hier wirkt sich das Fehlen einer konkreten Fundstelle des Verweisungsobjekts nicht erschwerend aus, schließlich steht das Verweisungsobjekt im gleichen Normenwerk. Der textliche Umfang der Gesamtregelung ist zwar erhöht, gleichwohl aber noch handhabbar. Die Verweisungskette ist damit im Grundsatz verfassungsrechtlich zulässig. Der Rückverweisungstechnik kann insoweit also kein genereller Einwand entgegengehalten werden. Im Einzelfall ist die Zulässigkeit gleichwohl bei jedem Blankettgesetz noch einmal gesondert zu prüfen. Untersucht wurde eben nur die typischerweise entstehende Verweisungskette. Wie die Verweisungskette konkret ausgestaltet ist, variiert naturgemäß von Fall zu Fall. So hängt etwa die quantitative Komplexität nicht nur von der bloßen Zahl der Weiterverweisungen ab, sondern auch davon, wie umfangreich die Regelungen der jeweiligen Glieder der Verweisungskette für sich genommen bereits sind. Diesen Besonderheiten ist mit einer Einzelfallprüfung Rechnung zu tragen. Auf keinen Fall darf die Verfassungskonformität allein unter Rückgriff auf die vorstehenden generellen Erwägungen vorschnell bejaht werden. Zu den Besonderheiten, die demnach zu berücksichtigen sind, kann beispielsweise eine Verweisungsverjüngungsklausel gehören. Solche Klauseln leiten eine Verweisung, die sich auf eine mittlerweile veraltete Vorschrift bezieht, auf deren neue Fassung um.339 Der Gesetzgeber nutzt sie im Rahmen der Rückverweisungstechnik zum Teil, um bestehende Rückverweisungen in Rechtsverordnungen auf ein neu gefasstes Blankettgesetz zu beziehen. Ein Beispiel ist § 8 Abs. 3 HdlKlG. § 8 Abs. 3 HdlKlG: „Soweit in Bußgeldvorschriften Verweisungen auf § 7 des in Absatz 1 genannten Gesetzes [= Blankettgesetz in der alten Fassung des HdlKlG]

337  Dazu

oben S. 170. S. 163 ff. 339  Debus, Verweisungen, S. 52; Ernst, Blankettstrafgesetze, S. 35. 338  Oben



III. Weiterverweisungen in der Rechtsverordnung237 enthalten sind, gelten diese als Verweisungen auf § 7 Abs. 1 Nr. 3 dieses Gesetzes [= Blankettgesetz in der neuen Fassung des HdlKlG].“

Damit wird die Grenze zur Unbestimmtheit überschritten. Mit der Verweisungsverjüngungsklausel kommt nicht nur eine zusätzliche Vorschrift hinzu, die der Normadressat zu berücksichtigen hat, wenn er das strafbare Verhalten ermitteln möchte. Es wird zugleich auch das Verständnis der pauschalen Verweisung im Blankettgesetz erschwert. Denn der Rückverweis, der die insoweit bestehenden Schwierigkeiten normalerweise auszugleichen vermag, verliert seinen Nutzen: Aufgrund der Verweisungsverjüngungsklausel kann sich der Normadressat gerade nicht mehr auf ihn verlassen. Die Gesamtregelung ist damit unbestimmt und verfassungswidrig. 4. Kombination mit mehrfachen Verweisungen Über die bislang untersuchten Konstellationen hinaus ist auch denkbar, dass Weiterverweisungen mit mehrfachen Verweisungen kombiniert werden, also ein Ausfüllungsobjekt nicht auf eine, sondern auf mehrere Normen weiterverweist. Die Verweisungskette ist dann nicht mehr rein linear, sondern geht auch in die Breite; es existieren parallele Ketten. Der Normadressat kann der Kette nicht mehr Stück für Stück nachgehen, sondern muss zugleich sämtlichen Abzweigungen folgen. Dadurch wird die Bestimmtheit der Gesamtregelung erheblich herabgesetzt. Der Adressat muss die Normen, je nachdem, auf welcher Verweisungsstufe sie stehen, unterschiedlich zusammenlesen und gerät leicht in Gefahr, überfordert zu sein. Solche Verweisungsketten sind nach dem BVerfG bedenklich, wenn sie „bei gleichzeitiger Verzweigung in die Breite den Charakter von Kaskaden annehmen“.340 Das könnte für die Rückverweisungstechnik insofern von Bedeutung sein, als auf die Ermächtigung, auf die das Blankettstrafgesetz Bezug nimmt, mehrere verschiedene Rechtsverordnungen gestützt werden können.341 Außerdem kann die rückverweisende Vorschrift in der Rechtsverordnung auf mehrere Verhaltensnormen derselben Rechtsverordnung Bezug nehmen. Beispielsweise ist § 24 Abs. 2 GefStoffV – die rückverweisende Vorschrift zum Blankettstrafgesetz des § 27 Abs. 1 Nr. 1 ChemG – in elf Nummern unter­teilt: In jeder wird auf eigenständige Verhaltensnormen der Rechtsverordnung verwiesen. § 24 Abs. 2 GefStoffV: „Nach § 27 Absatz 1 Nummer 1, Absatz 2 bis 4 des Chemikaliengesetzes wird bestraft, wer vorsätzlich oder fahrlässig

340  So im nichtstrafrechtlichen Zusammenhang BVerfG 1 BvF 3/92, NJW 2004, 2213, 2218. 341  Beispielsweise im Rahmen des § 58 Abs. 1 Nr. 18 LFGB, dazu oben S. 39.

238 C. Beurteilung der nationalrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik 1. entgegen § 8 Absatz 8 in Verbindung mit Anhang I Nummer 2.4.2 Absatz 3 Satz 1 oder Absatz 4 Satz 1342 Abbruch-, Sanierungs- oder Instandhaltungsarbeiten durchführt, […] 11. entgegen § 16 Absatz 2 in Verbindung mit Anhang II Nummer 5 Absatz 1 die dort aufgeführten Stoffe, Gemische oder Erzeugnisse herstellt oder verwendet.“

Betrachtet man den gesamten Anwendungsbereich des Blankettstrafgesetzes, existieren, ausgehend von § 24 Abs. 2 GefStoffV, parallele Verweisungsketten. Um eine einzelne Tatvariante zu verstehen, muss der Normadressat allerdings bloß einer linearen Verweisungskette folgen. So zeigt ihm die Verweisungskette, bestehend aus § 27 Abs. 1 Nr. 1 ChemG, § 24 Abs. 2 Nr. 1 GefStoffV, § 8 Abs. 8 GefStoffV sowie dem Weiterverweis auf den Anhang der Rechtsverordnung, eine in sich verständliche Strafandrohung. Den anderen Nummern des § 24 Abs. 2 GefStoffV muss der Normadressat dafür nicht folgen. Nur wenn er herausfinden möchte, was insgesamt durch das Blankettstrafgesetz unter Strafe gestellt ist, muss er die parallelen Ketten berücksichtigen, das heißt die anderen Nummern des § 24 Abs. 2 GefStoffV. Diesen kann er aber jeweils wiederum Glied für Glied folgen. Die parallelen Verweisungsketten sind hier also nur Folge davon, dass ein Blankettstrafgesetz mehrere Tatvarianten erfassen kann, weil die von ihm in Bezug genommene Ermächtigung regelmäßig nicht zum Erlass einer einzigen Verhaltensnorm ermächtigt. Sie sind aber nicht inhaltlich ineinander verschränkt und erschweren das Verständnis der Strafbarkeit daher nicht. Im Einzelfall gibt es freilich auch innerhalb einer Tatvariante Kombinationen aus Weiterverweisungen und mehrfachen Verweisungen. So bestimmt § 80 Abs. 1 Nr. 2 AWV etwa: § 80 Abs. 1 Nr. 2 AWV: „Nach § 17 Absatz 1, Absatz 2 bis 5 des Außenwirtschaftsgesetzes wird bestraft, wer […] entgegen § 75 Absatz 1, auch in Verbindung mit § 75 Absatz  2, jeweils auch in Verbindung mit § 79, ein Handels- oder Vermittlungsgeschäft vornimmt […].“

Hier kann der Normadressat den drei bezeichneten Vorschriften nicht jeweils isoliert nachgehen. Weil § 75 Abs. 2 AWV an § 75 Abs. 1 AWV anknüpft und § 79 AWV an diese beiden Vorschriften, was sprachlich durch das „auch in Verbindung mit“ hervorgeht, muss er die Vorschriften zusammensetzen. Da die Weiterverweisungen voll-explizit sind und ihr Bezugsobjekt im gleichen Normenwerk steht, ist ihm das jedenfalls in diesem Umfang 342  Dieser Verweis auf den Anhang begründet keine parallele Verweisungskette, weil der Verweis eigentlich in § 8 Abs. 8 GefStoffV enthalten ist und durch § 24 Abs. 2 Nr. 1 GefStoffV nur eingeschränkt wird. Gleiches gilt für die in den anderen Nummern des § 24 Abs. 2 GefStoffV enthaltenen Verweisungen auf den Anhang.



III. Weiterverweisungen in der Rechtsverordnung239

noch zumutbar. Doch ist damit eine Grenze der Weiterverweisungstechnik erreicht. Die Kombination aus Weiterverweisungen und mehrfachen Verweisungen ist bei der Prüfung des Blankettgesetzes stets besonders erschwerend in Rechnung zu stellen. Es gilt die Faustformel, wonach die Verweisungskette umso kürzer sein muss, je breiter sie ist.343 5. Abschließende Bemerkung Die Weiterverweisungen und die dadurch begründete Verweisungskette genügen jedenfalls so, wie sie typischerweise im Rahmen der Rückverweisungstechnik bestehen, dem strafrechtlichen Bestimmtheitsgebot. Es ist aber darauf hinzuweisen, dass sich Gesetz- und Verordnungsgeber auch innerhalb des verfassungsrechtlich Zulässigen um eine noch höhere Bestimmtheit bemühen können. So wäre es etwa leicht möglich, die Verweisungskette kürzer zu halten. Der Rückverweis muss nämlich nicht notwendig in einer eigenständigen Vorschrift am Ende der Rechtsverordnung enthalten sein. Er könnte stattdessen in die jeweilige Vorschrift integriert werden, auf die er sich bezieht, das heißt in die jeweilige Verhaltensnorm. Im oben genannten Beispiel der von § 38a Abs. 1 BJagdG ausgehenden Verweisungskette könnte der Rückverweis also in § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BWildSchV aufgenommen werden. Auf diese Weise könnte man sich die Vorschrift des § 5a Abs. 1 BWildSchV sparen. Eine eigenständige rückverweisende Vorschrift am Ende der Rechtsverordnung mag zwar insoweit vorteilhaft sein, als man – insbesondere wenn der Rückverweis dort für mehrere Verhaltensnormen zugleich erfolgt – auf einen Blick alle bewehrten Vorschriften der Verordnung sieht. Dieser Aspekt ist aber mehr für den Rechtsanwender von Vorteil, wenn er eine mögliche Strafbarkeit prüft. Für den Bürger bringt er keinen großen Mehrwert. Dieser wird regelmäßig ohnehin alle ihn betreffenden Verhaltensnormen der Rechtsverordnung studieren wollen. Folglich genügte es, wenn er jeweils dort über den Rückverweis auf die Strafbewehrung aufmerksam gemacht wird. Wenn auch nicht verfassungsrechtlich gefordert, so ist es damit doch sinnvoll, von der bisherigen Praxis abzurücken und die zentrale rückverweisende Vorschrift am Ende der Rechtsverordnung zugunsten von Rückverweisungen bei den Verhaltensnormen aufzulösen.

343  Vgl. Schnell, Verweisungsbedingte Normkomplexität, S. 134, die die zulässige Länge der Verweisungskette bei „besonders komplexen Bezugnahmen“ einschränkt; ebenso im nichtstrafrechtlichen Kontext Debus, Verweisungen, S. 154.

240 C. Beurteilung der nationalrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik

IV. Zusammenfassung zu Kapitel C. Die nationalrechtsakzessorische Rückverweisungstechnik ist grundsätzlich verfassungskonform. Zulässig ist zunächst die dynamische Verweisung auf Rechtsverordnungen. Insbesondere die kompetenzwahrende Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG ist dabei in den meisten Fällen eingehalten, weil der Gesetzgeber die Ermächtigungsgrundlage, auf die das Blankettgesetz Bezug nimmt, ausreichend eng gefasst hat. Auch die pauschale Ausgestaltung der Verweisung auf Rechtsverordnungen ist zulässig, da der Rückverweis in der Rechtsverordnung eine eindeutige Verknüpfung von Blankettgesetz und Ausfüllungsobjekt gewährleistet. Die Rückverweisungsklausel ist eine Ermächtigungsgrundlage, die dem Verordnungsgeber die Möglichkeit gibt, unmittelbar über die Reichweite der Sanktionsnorm zu bestimmen. Darin liegt die besondere Problematik, die Blankettgesetze mit Rückverweisungsklausel von solchen ohne entsprechende Klausel unterscheidet. Dürfte der Verordnungsgeber frei über die Vornahme des Rückverweises entscheiden, verstieße dies im Strafrecht gegen die kompetenzwahrende Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG. Bei verfassungskonformer Auslegung der Rückverweisungsklausel steht dem Verordnungsgeber indes keine Entschließungsfreiheit hierüber zu. Immer wenn er eine Verhaltensnorm erlässt, die geeignet ist, das Blankettstrafgesetz auszufüllen, muss er sie mittels eines Rückverweises mit dem Blankettstrafgesetz verknüpfen. Der Verordnungsgeber hat mithin keinen freien Einfluss auf die Reichweite der Sanktionsnorm, sie ist vielmehr bereits abschließend durch den parlamentarischen Gesetzgeber festgelegt. Art. 103 Abs. 2 GG wird auf diese Weise gewahrt. Im Ordnungswidrigkeitenrecht ist eine verfassungskonforme Auslegung wegen des weniger strikten Maßstabs der kompetenzwahrenden Komponente nicht notwendig. Hier ist der Verordnungsgeber frei darin, einen Rückverweis aufzunehmen oder nicht. Infolge der im Strafrecht erforderlichen verfassungskonformen Auslegung wird der Gesetzgeber doch wieder stärker in die Pflicht genommen: Er kann dem Verordnungsgeber nicht die Auswahl der strafwürdigen Verhaltensnormverstöße überlassen, sondern muss den Kreis der bewehrten Verhaltensnormen im formellen Gesetz abschließend bestimmen. Sodann hat er die ordnungsgemäße Vornahme aller erforderlichen Rückverweisungen zu überwachen. Der Gesetzgeber kann sich im Strafrecht daher nur in Bezug auf die konkrete Gestaltung der Verhaltensnorm durch die dynamische Verweisung auf Rechtsverordnungen entlasten. Die Rückverweisungsklausel kann aber nicht einer zusätzlichen Entlastung hinsichtlich der Sanktionsnorm dienen. Ihr Nutzen liegt vielmehr allein in ihrem Beitrag zur inhaltlichen Bestimmtheit der Strafbarkeit. Damit steht und fällt auch ihr berechtigter Anwen-



IV. Zusammenfassung zu Kapitel C.241

dungsbereich: Sofern die Verknüpfung von Sanktions- und Verhaltensnorm auch ohne den Rückverweis gewährleistet ist, weil die Ermächtigung bereits eine spezifische Verhaltensnorm vorgibt, empfiehlt es sich, auf die Rückverweisungsklausel zu verzichten. Im Übrigen ist es im Sinne einer noch höheren inhaltlichen Bestimmtheit vorzugswürdig, dem Verordnungsgeber im formellen Gesetz den Namen der ausfüllenden Rechtsverordnung vorzugeben. Schließlich halten sich auch die in der ausfüllenden Rechtsverordnung t­ypischerweise enthaltenen Weiterverweisungen noch im Rahmen des Zulässigen. Unbestimmt wird die Regelung aber dann, wenn eine Verweisungsverjüngungsklausel verwendet wird. Wiederum im Sinne einer höheren inhalt­ lichen Bestimmtheit ist es allgemein sinnvoll, die Länge der Verweisungskette dadurch zu verkürzen, dass der Rückverweis direkt in der jeweiligen Verhaltensnorm erfolgt statt in einer gesonderten Vorschrift.

D. Verfassungsrechtliche Beurteilung der unionsrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik Nach der nationalrechtsakzessorischen wird an dieser Stelle die unionsrechtsakzessorische Rückverweisungstechnik auf ihre verfassungsrechtliche Zulässigkeit hin untersucht. Hier ergibt sich die Strafbarkeit nicht nur aus formellem Gesetz und nationaler Rechtsverordnung, vielmehr kommt mit der EU-Verordnung eine dritte Ebene hinzu. Die Prüfung der nationalrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik wurde mit der Verweisung im Tatbestand des Blankettgesetzes eröffnet, der Verweisung auf nationale Rechtsverordnungen. Ginge man bei Prüfung der unionsrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik analog hierzu vor, müsste, weil ein unionsrechtsakzessorisches Blankettstrafgesetz in seinem Tatbestand auf Unionsrecht Bezug nimmt, mit dieser Verweisung begonnen werden. Dagegen spricht aber, dass erst der nationale Verordnungsgeber die Verweisung des Blankettgesetzes auf Unionsrecht konkretisiert. Die nationale Rechtsverordnung bildet dadurch das maßgebliche Scharnier zwischen formellem Gesetz und EU-Verordnung. Daher soll zunächst die Einschaltung des nationalen Verordnungsgebers in den Blick genommen werden. Angesprochen ist damit die Rückverweisungsklausel, über die der Verordnungsgeber ins Spiel kommt (dazu I.). Erst im Anschluss hieran ist die Inbezugnahme von Unionsrecht zu prüfen, das heißt die Verweisung des Blankettgesetzes auf Unionsrecht (dazu II.). Sodann kann auf die Erweiterung der Rückverweisungstechnik um Entsprechungsklauseln eingegangen werden (dazu III.). Danach gilt es, die komplette Verweisungskette in den Blick zu nehmen, die im Rahmen eines unionsrechtsakzessorischen Blankettstrafgesetzes mit Rückverweisungsklausel entsteht (dazu IV.). Zuletzt wird überlegt, inwiefern Blankettstrafgesetze, die für verfassungswidrig befunden worden sind, verfassungskonform umgestaltet werden können (dazu V.), und ob auch eine Umgestaltung verfassungskonformer Blankettstrafgesetze sinnvoll wäre (dazu VI.).

I. Die Rückverweisungsklausel Die Rückverweisungsklausel ist im zweiten Teil des Blankettstrafgesetzes enthalten: „[…] soweit eine Rechtsverordnung nach § y/Abs. y/S. y für einen



I. Die Rückverweisungsklausel243

bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift/Bußgeldvorschrift verweist.“ Die in der Klausel enthaltene dynamische und pauschale Verweisung auf nationale Rechtsverordnungen ist, entsprechend der Untersuchung im vorigen Kapitel,1 mit der freiheitsgewährleistenden Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG vereinbar. Dass die im vorigen Kapitel untersuchte Verweisung im Tatbestand des Blankettstrafgesetzes enthalten war und nicht in der Rückverweisungsklausel, ändert daran nichts. Insbesondere die mit der pauschalen Ausgestaltung verbundenen Verständnisschwierigkeiten werden durch den Rückverweis in der Rechtsverordnung ausgeglichen, der Blankettgesetz und Rechtsverordnung eindeutig miteinander verknüpft.2 Die durch die Klausel geforderte Rückverweisung dient folglich auch im unionalen Kontext dazu, die Strafbarkeit inhaltlich hinreichend bestimmt zu machen. Der Rückverweis stellt die nötige Bestimmtheit überhaupt erst her. In Bezug auf die Frage, ob durch die Rückverweisungsklausel ein anderweitiges Problem entsteht, liegt es gleichfalls nahe, auf den Überlegungen im nationalen Kontext aufzubauen. Wiederum könnte die Regelungsaufteilung zwischen Gesetz- und Verordnungsgeber problematisch sein, mithin die Vereinbarkeit mit der kompetenzwahrenden Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG. Dem ist im Folgenden nachzugehen. 1. Beurteilung in Literatur und Rechtsprechung Bevor insofern konkrete Erkenntnisse der bisherigen Untersuchung übertragen werden, soll zunächst das Meinungsbild in Literatur und Rechtsprechung zur Rückverweisungsklausel im unionsrechtsakzessorischen Blankettstrafgesetz dargestellt werden. Dadurch kann die Untersuchung auf einer bestehenden Argumentationsbasis aufbauen beziehungsweise werden im Verlauf der hier zu entwickelnden Lösung die Unterschiede zur bisherigen Behandlung der Klausel deutlich. a) Literatur In der Literatur finden sich die gleichen Argumente wie im nationalen Kontext. Das bestätigt die Vermutung einer ähnlichen Problemlage. Ein Teil der Literatur hält die Rückverweisungsklausel eines unionsrechtsakzessorischen Blankettstrafgesetzes dementsprechend für unzulässig, weil der 1  Oben

S. 163 ff., 168 ff. Wirkung der Rückverweisung hingegen nicht berücksichtigend Brand/ Kratzer, JR 2018, 422, 425; Dorneck, in: Stam/Werkmeister, Der Allgemeine Teil des Strafrechts, 9, 25. Diese beurteilen die inhaltliche Bestimmtheit wohl allein anhand des formellen Gesetzes, ablehnend dazu bereits oben S. 102 ff. 2  Diese

244 D. Beurteilung der unionsrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik

Verordnungsgeber entgegen Art. 103 Abs. 2 GG über das „Ob“ der Strafbarkeit bestimmen könne.3 Andere halten die Klausel hingegen für zulässig.4 Sie behandeln unionsrechtsakzessorische Blankettstrafgesetze mit Rückverweisungsklausel wie solche Blankettstrafgesetze, die dynamisch auf Rechtsverordnungen verweisen, ohne eine Rückverweisungsklausel zu enthalten. Vereinzelt wird die Zulässigkeit der Rückverweisungsklausel im unionalen Kontext hingegen anders beurteilt als im nationalen: Nur wenn sie in einem unionsrechtsakzessorischen Blankettstrafgesetz eingesetzt werde, sei sie unzulässig.5 Denn dann entscheide der nationale Verordnungsgeber über das „Ob“ der Strafbarkeit, während die Rückverweisung im nationalen Kontext nur deklaratorisch wirke.6 Diese Differenzierung kann bereits in Anbetracht der bisherigen Ergebnisse der Untersuchung nicht überzeugen: Da die Rückverweisung schon im nationalen Kontext nicht rein deklaratorisch ist,7 existiert das Kriterium nicht, aus dem unterschiedliche Folgen abgeleitet werden. Die Unterscheidung erweist sich damit insgesamt als hinfällig.8 3  Esser, in: Hilgendorf/Kudlich/Valerius, Handbuch des Strafrechts, Bd. 6, § 64 Rn.  145 f.; Heger/Widmann, EuR 2021, 356, 366; Jäger, in: SK, § 1 Rn. 10; Moll, Europäisches Strafrecht, S. 175; Satzger, Europäisierung, S. 281; ders., in: Sieber/ Satzger/von Heintschel-Heinegg, Europäisches Strafrecht, § 9 Rn. 35; ders., in: SSW, § 1 Rn. 65; i. Erg. auch Martell/Wallau, ZLR 2017, 67, 69; Pauly, StoffR 2017, 265, 268; Remmert, in: Dürig/Herzog/Scholz, Art. 103 Abs. 2 Rn. 116. 4  Cornelius, Verweisungsbedingte Akzessorietät, S.  404  f., 408; ders., NStZ 2017, 682, 688; Hecker, Europäisches Strafrecht, Kap. 7 Rn. 77, 80; Schützendübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 320 f. (dass diese eine Vielzahl unionsrechtsakzessorischer Blankettstrafgesetze mit Rückverweisungsklausel als verfassungswidrig betrachtet [a. a. O., S. 324 ff.], beruht nicht speziell auf der Rückverweisungsklausel); i. Erg. auch Böse, in: FS Krey, 7, 23 f. 5  Dannecker, in: LK, 12. Aufl. 2007, § 1 Rn. 160 (zur Zulässigkeit im nationalen Kontext a. a. O., Rn.  162); ders., in: Zipfel/Rathke, 174. EL 2019, Vor §§ 58–62 LFGB Rn. 57 (zur Zulässigkeit im nationalen Kontext a. a. O., Rn. 59); ebenso wohl Esser, in: ERST, § 1 StGB Rn. 25. In späteren Veröffentlichungen hat Dannecker diese Ansicht eventuell aufgegeben, zumindest differenziert er dort nicht mehr ausdrücklich, bezieht sich andererseits aber auch allein auf unionsrechtsakzessorische Blankettstrafgesetze, vgl. ders., ZIS 2016, 723, 728 f.; ders., FS Höpfel, 577, 593 ff. Inwiefern die Differenzierung bei Dannecker/Schuhr, in: LK, § 1 Rn. 160 ff. beibehalten wird, ist nicht eindeutig. 6  Dannecker, in: LK, 12. Aufl. 2007, § 1 Rn. 160, 162; vgl. Esser, in: ERST, § 1 StGB Rn. 25. Für zulässig hält Dannecker es hingegen, wenn Rückverweisungen für unionale Normen erfolgen, die wörtlich mit nationalen Verhaltensnormen übereinstimmen, sie wirkten nur deklaratorisch, Dannecker, ZIS 2016, 723, 729; ders., in: FS Höpfel, 577, 596. Dem ist zu widersprechen: Weil die unionale Verhaltensnorm erst infolge des Rückverweises im Rahmen des Blankettstrafgesetzes anwendbar wird, ist dieser in jedem Fall konstitutiv. 7  Oben S. 32 f., 182 ff. 8  Vgl. Hoven, NStZ 2016, 377, 381.



I. Die Rückverweisungsklausel245

b) BVerfG Um die Position des BVerfG zu ermitteln, sind dessen Beschlüsse zum RiFlEtikettG und LFGB in den Blick zu nehmen. Bei nationalrechtsakzessorischen Blankettstrafgesetzen sieht das BVerfG im Einsatz einer Rückverweisungsklausel kein besonderes Problem.9 Da im unionalen Kontext mutmaßlich eine ähnliche Problemlage besteht, wäre es konsequent, wenn es hier ebenfalls kein strukturelles Problem ausmacht. Gleichwohl sind die Beschlüsse noch einmal eigens dahingehend zu analysieren. Denn zum einen stammen sie aus wesentlich neuerer Zeit als die im vorigen Kapitel untersuchten Beschlüsse zu nationalrechtsakzessorischen Blankettstrafgesetzen. Zum anderen wird aus der Entscheidung zum RiFlEtikettG oft die Unzulässigkeit der unionsrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik abgeleitet.10 Auch der Gesetzgeber verzichtete nach der Entscheidung zunächst darauf, neue unionsrechtsakzessorische Blankettstrafgesetze mit Rückverweisungsklausel zu erlassen.11 Ferner wird der Schluss der Verfassungswidrigkeit vielfach auch auf die nationalrechtsakzessorische Rückverweisungstechnik erstreckt.12 Möglicher­ weise lassen sich also nach einer näheren Analyse weitere Rückschlüsse auf die eigentlich bereits im vorigen Kapitel ermittelte Position des BVerfG zur Rückverweisungsklausel im nationalen Kontext ziehen. Eventuell muss diese sogar noch einmal neu bestimmt werden.

9  Oben

S. 179 f. in: Matt/Renzikowski, § 1 Rn. 13; Martell/Wallau, ZLR 2017, 67, 70 f.; Hecker, NJW 2016, 3653; ders., JuS 2017, 79, 81; ders., in: FS Rengier, 471, 472; Sturm, NStZ 2017, 553, 555. 11  Vgl. BMJV, Handbuch des Nebenstrafrechts, Vor Rn. 441. Dort findet sich zudem der lapidare Hinweis, es bleibe abzuwarten, ob die Rechtsprechung des BVerfG „Bestand haben“ werde oder „modifiziert werden könnte“. 12  Bülte, BB 2016, 3075, 3079  f. (mit Ausnahme der nicht näher erläuterten „höchst seltenen ausschließlich deklaratorischen Rückverweisungen“, a. a. O., 3080); ders., in: GS Joecks, 365, 370 (weniger entschieden hingegen ders., NZV 2020, 12, 16); Dannecker, in: FS Höpfel, 577, 585 f., 600; Fischer, StGB, § 1 Rn. 16a; Gaede, in: AnwK, § 1 Rn. 16; Schmitz, wistra 2017, 455; wohl auch Saurer, Die Verwaltung 50 (2017), 339, 349; in der Tendenz auch Honstetter, NZWiSt 2017, 325, 328; dies., Lebensmittel(straf)rechtlicher Gesundheitsschutz, S. 87 f.; 226, 277. Heger, in: Böse, Europäisches Strafrecht, § 5 Rn. 80 leitet daraus sogar die Unzulässigkeit dynamischer Verweisungen auf Rechtsverordnungen ab, was der Entscheidung aber klar widerspricht, vgl. BVerfG 2 BvL 1/15, NJW 2016, 3648 Rn. 43. 10  Basak,

246 D. Beurteilung der unionsrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik

aa) 2 BvL 1/15 (RiFlEtikettG) Gegenstand des ersten Beschlusses war das Blankettstrafgesetz des § 10 Abs. 1 RiFlEtikettG a. F.13, das dem insoweit typischen Aufbau entsprach. § 10 Abs. 1 RiFlEtikettG: „Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer einer unmittelbar geltenden Vorschrift in Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 zuwiderhandelt, soweit eine Rechtsverordnung nach Absatz 3 für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift verweist.“ § 10 Abs. 3 RiFlEtikettG: „Das Bundesministerium14 wird ermächtigt, soweit es zur Durchsetzung der Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft erforderlich ist, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates die Tatbestände zu bezeichnen, die als Straftat nach Absatz 1 zu ahnden sind.“ § 1 Abs. 1 RiFlEtikettG: „Dieses Gesetz dient der Durchführung der Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft über die Etikettierung von Rindfleisch und Rindfleischerzeugnissen sowie über die Verkehrsbezeichnung und Kennzeichnung von Fleisch von bis zu zwölf Monate alten Rindern.“

Der Tatbestand wurde ausgefüllt durch die RiFlEtikettStrV a. F.15 Im konkreten Fall ging es um deren § 1 Abs. 1 Nr. 2, der auf Etikettierungsvorschriften in Art. 13, 14 VO (EG) Nr. 1760/200016 Bezug nahm und für sie auf das Blankettstrafgesetz zurückverwies. (1) Darstellung der Entscheidung Den Anstoß zur Entscheidung gab das LG Berlin. Es legte Strafgesetz und Ermächtigung im Wege der konkreten Normenkontrolle nach Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG vor.17 Das BVerfG folgte im Ergebnis den Bedenken des LG und erklärte § 10 Abs. 1, 3 RiFlEtikettG für unvereinbar mit Art. 103 Abs. 2 und Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG. Den Vorschriften ließen sich auch unter Berücksichtigung des § 1 RiFlEtikettG die bewehrten unionalen Vorschriften nicht entnehmen. Der parlamentarische Gesetzgeber habe das strafbare Verhalten 13  Vom 26.02.1998, BGBl. I 1998, 380, in der Fassung vom 17.11.2000, BGBl. I 2000, 1510. 14  Aus dieser unspezifischen Bezeichnung des Ermächtigungsadressaten folgt noch nicht die Verfassungswidrigkeit, da im Wege der historischen Auslegung ermittelt werden kann, welches Ministerium gemeint ist, vgl. BVerfG 2 BvL 1/15, NJW 2016, 3648 Rn. 61. 15  Rindfleischetikettierungs-Strafverordnung vom 05.03.2001, BGBl. I 2001, 339, in der Fassung vom 13.03.2008, BGBl. I 2008, 291. 16  ABl. 2000 Nr. L 204, 1, (damals) zuletzt geändert durch VO (EG) Nr. 1791/2006, ABl. 2006 Nr. L 363, 1. 17  LG Berlin (572) 242 AR 27/12 NS (82/12), NZWiSt 2016, 112.



I. Die Rückverweisungsklausel247

damit nicht festgelegt, stattdessen habe der nationale Verordnungsgeber hierüber entschieden. Die Strafbarkeit sei folglich erst aufgrund der RiFlEtikettStrV vorhersehbar. Das Blankettstrafgesetz stelle eine unzulässige pauschale Blankoermächtigung dar.18 Ferner verstoße § 10 Abs. 3 RiFlEtikettG gegen Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG. Denn die Ermächtigung grenze die unionalen Normen, die der Verord­ nungsgeber bezeichnen könne, nicht ein.19 Eine Konkretisierung ergebe sich auch nicht aus § 10 Abs. 1 RiFlEtikettG, der allein das Strafmaß näher regele.20 Ebenso wenig hilfreich sei der dort in Bezug genommene § 1 Abs. 1 RiFlEtikettG, der ebenfalls nur pauschal auf Unionsrecht verweise.21 Der ­ Verordnungsgeber sei also in seiner Entscheidung, welche Verstöße gegen Unionsrecht als strafwürdig anzusehen seien, völlig frei.22 (2) Analyse Angesichts des Ergebnisses der Entscheidung scheint der bereits erwähnte Schluss, das BVerfG habe die unionsrechtsakzessorische Rückverweisungstechnik insgesamt verworfen, auf den ersten Blick berechtigt. Das BVerfG trifft in seinem Beschluss aber, ebenso wenig wie in den Verfahren zu nationalrechtsakzessorischen Blankettstrafgesetzen, keine explizite dahingehende Aussage.23 Das Stichwort „Rückverweisungsklausel“ findet sich in der Begründetheit kein einziges Mal.24 Eine entsprechende Annahme könnte dem Beschluss daher allenfalls implizit zugrunde liegen. Dafür muss in einem ersten Schritt geklärt werden, an welcher Anforderung des Art. 103 Abs. 2 GG das Blankettstrafgesetz scheiterte. Insofern wirkt sich erschwerend aus, dass das BVerfG bereits in den Ausführungen zum Prüfungsmaßstab nicht klar zwischen freiheitsgewährleistender und kompetenzwahrender Komponente trennt, wenn es ausführt, die „Voraussetzungen der Strafbarkeit und die Art der Strafe [müssten] für den Bürger schon aufgrund des Gesetzes, nicht erst aufgrund der hierauf gestützten Ver-

18  BVerfG 2 BvL 1/15, NJW 2016, 3648 Rn. 51 sowie (dort zusätzlich auf § 10 Abs. 3 RiFlEtikettG bezogen) Rn. 64. 19  BVerfG 2 BvL 1/15, NJW 2016, 3648 Rn. 62. 20  BVerfG 2 BvL 1/15, NJW 2016, 3648 Rn. 63. 21  BVerfG 2 BvL 1/15, NJW 2016, 3648 Rn. 65 f. 22  BVerfG 2 BvL 1/15, NJW 2016, 3648 Rn. 66. 23  Vgl. A. Sinn, ZJS 2018, 381, 384 f. 24  Nur das Stichwort „Rückverweis“ findet sich einmal, im Rahmen einer bloßen Wiedergabe des Regelungsgehalts des § 10 Abs. 1 RiFlEtikettG, vgl. BVerfG 2 BvL 1/15, NJW 2016, 3648 Rn. 63.

248 D. Beurteilung der unionsrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik

ordnung erkennbar sein“.25 Auch in der Subsumtion erfolgt keine ausdrückliche Zuordnung zu einer der beiden Komponenten. Die Argumentation, nicht der Gesetzgeber, sondern der Verordnungsgeber entscheide über die Strafbarkeit, ist der Sache nach Ausdruck der kompetenz­ wahrenden Komponente.26 Dazu passt die in diesem Kontext erfolgende Berücksichtigung des gleichfalls formellgesetzlichen § 1 RiFlEtikettG und die Bezeichnung des Blankettstrafgesetzes als „Blankoermächtigung“. Zwar spricht das BVerfG zugleich davon, die Strafbarkeit sei dem Tatbestand „nicht hinreichend klar zu entnehmen“27 und lasse sich erst aufgrund der Rechtsverordnung „voraussehen“,28 was einen Anklang an die freiheitsgewährleistende Komponente darstellt. Das ist aber wohl mehr die Folge da­ raus, dass das BVerfG die freiheitsgewährleistende Komponente hier allein anhand des formellen Gesetzes beurteilt und so mit der kompetenzwahrenden Komponente in eins setzt.29 Alles in allem hat das BVerfG das Blankettstrafgesetz damit primär infolge der kompetenzwahrenden Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG für nichtig erklärt.30 In einem zweiten Schritt muss nun geklärt werden, worin genau das Kompetenzproblem nach Ansicht des Gerichts besteht: Folgt es aus dem generellen Umstand, dass der nationale Verordnungsgeber über die Rückverweisungsklausel eingeschaltet wird, oder aber ist dies grundsätzlich zulässig und nur im konkreten Fall die Regelungsmacht zu groß, die dem Verordnungsgeber zukommt? Einiges spricht für die zweite Deutung. Das LG Berlin war in seiner Vorlage ausdrücklich auf die Rückverweisungsklausel eingegangen und hatte argumentiert, sie ermögliche es dem Verordnungsgeber, über das „Ob“ der Strafbarkeit zu entscheiden.31 Damit hatte es die Literaturansicht aufgegriffen, wonach die Klausel stets gegen Art. 103 Abs. 2 GG verstößt.32 25  BVerfG 2 BvL 1/15, NJW 2016, 3648 Rn. 39 (Hervorhebungen nur hier); dazu bereits oben S. 104. 26  Vgl. Brand/Kratzer, JR 2018, 422, 431. 27  BVerfG 2 BvL 1/15, NJW 2016, 3648 Rn. 52. 28  BVerfG 2 BvL 1/15, NJW 2016, 3648 Rn. 51. 29  Zur Kritik hieran bereits oben S. 105 f. 30  Ebenso Heger/Widmann, EuR 2021, 356, 362  f., 366; bereits vor dem Beschluss des BVerfG die Problemlage hier verortend Dannecker, ZIS 2016, 723, 725. Das LG Berlin hatte daneben auch einen Verstoß gegen die freiheitsgewährleistende Komponente angesprochen, (572) 242 AR 27/12 NS (82/12), NZWiSt 2016, 112, 113 ff. 31  LG Berlin (572) 242 AR 27/12 NS (82/12), NZWiSt 2016, 112, 116. 32  Vgl. Bülte, NZWiSt 2016, 117, 119. Das LG Berlin verhält sich zur konkret betroffenen Verfassungsvorschrift nur vage. Der Gesetzgeber habe sich „in unzulässiger Weise seiner Rechtsetzungskompetenz und -pflicht aus Art. 103 Abs. 2, 104 Abs. 1 GG begeben“. Dies erfolgt indes innerhalb der Prüfung, ob § 10 Abs. 3 ­RiFlEtikettG mit Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG vereinbar ist. Im Anschluss hieran stellt das



I. Die Rückverweisungsklausel249

Diese generelle Argumentation greift das BVerfG mit keinem Wort auf. Auch die in der Literatur geführte Diskussion wird nicht erwähnt; in der Entscheidung wird ausschließlich Rechtsprechung zitiert.33 Das BVerfG behandelt das Blankettstrafgesetz vielmehr wie jedes andere Blankettstrafgesetz, das – ohne eine Rückverweisungsklausel zu verwenden – mittels einer dynamischen Außenverweisung auf nationale Rechtsverordnungen verweist. Es bezieht den Umstand, dass der Gesetzgeber zu wenig selbst geregelt hat, also nicht speziell auf die Rückverweisungsklausel. Damit stimmt das Gericht der Sache nach mit der Literaturansicht überein, die die Rückverweisungsklausel für zulässig hält. Auch in der Literatur wurde § 10 Abs. 1 RiFlEtikettG von Autoren als verfassungswidrig eingestuft, die nicht grundsätzlich an der Zulässigkeit von Rückverweisungsklauseln zweifeln.34 Vor diesem Hintergrund lässt sich aus dem Beschluss aber nur ableiten, dass Blankettstrafgesetze mit dynamischem Außenverweis (mit und ohne Rückverweisungsklausel) nichtig sein müssen, bei denen der parlamentarische Gesetzgeber im formellen Gesetz vergleichbar wenig wie im RiFlEtikettG bestimmt hat. Die Rückverweisungsklausel hat das BVerfG dagegen nicht generell für unzulässig erklärt.35 Hätte der Gesetzgeber die Voraussetzungen der Strafbarkeit im RiFlEtikettG ausführlicher gefasst, das heißt, Rechtsgut festgelegt und grob das strafbare Verhalten umschrieben, wäre der Tatbestand wohl ungeachtet der Rückverweisungsklausel für verfassungskonform befunden worden.36 Diesem Ergebnis entspricht auch die Reaktion, die der Beschluss zum RiFlEtikettG in der Rechtsprechung ausgelöst hat.37 Verschiedene Gerichte LG eine Verletzung des Gewaltenteilungsgrundsatzes fest, um sodann zu dem Ergebnis zu gelangen, „daher“ verstoße § 10 Abs. 3 RiFlEtikettG „gegen Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG sowie gegen Art. 103 Abs. 2 und 104 Abs. 1 Satz 2 [sic] GG“, (572) 242 AR 27/12 NS (82/12), NZWiSt 2016, 112, 116. 33  Darauf hinweisend Wallau, LMuR 2016, 229, 230. 34  Vgl. Cornelius, NStZ 2017, 682, 687. 35  I. Erg. ebenso Boch, ZLR 2017, 317, 327; Brand/Kratzer, JR 2018, 422, 431; Dorneck, in: Stam/Werkmeister, Der Allgemeine Teil des Strafrechts, 9, 29; Drüen, in: Tipke/Kruse, § 379 AO Rn. 60. 36  Vgl. Brand/Kratzer, JR 2018, 422, 431; dazu noch unten S. 277. 37  In der fachgerichtlichen Rechtsprechung wurde die Verfassungskonformität zuvor nicht thematisiert, vgl. etwa BayObLG 3 Ob OWi 140/89, NVwZ-RR 1990, 215; OLG Koblenz (Zweiter Strafsenat) 2 Ss 124-98, NJW 1999, 3136. Auch die kritischen obiter dicta des Ersten Strafsenats des OLG Koblenz in 1 Ss 544/88, ZLR 1989, 197, 199 und 1 Ss 567/88, NStZ 1989, 188, 189 hinsichtlich des Entwurfs eines Vierten Änderungsgesetzes zum Weingesetz (BT-Drs. 9/785) beziehen sich wohl nicht auf die im dortigen § 69a WeinG-E vorgesehene Rückverweisungsklausel, sondern auf § 71a WeinG-E, dazu noch unten Fn. 328.

250 D. Beurteilung der unionsrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik

haben in der Folge zwar die Verfassungsmäßigkeit einzelner Blankettstraf­ gesetze mit Rückverweisungsklausel bezweifelt, da der parlamentarische Gesetzgeber nicht selbst im formellen Gesetz über das strafbare Verhalten entschieden, sondern dies dem Verordnungsgeber überlassen habe.38 Dies beziehen sie aber, ebenso wie das BVerfG, nicht speziell auf die Rückverweisungsklausel. bb) 2 BvL 5/17 (LFGB) Nur einige Jahre später hat sich das BVerfG auf Vorlage des LG Stade erneut mit einem unionsrechtsakzessorischen Blankettstrafgesetz mit Rückverweisungsklausel befasst. Sowohl eine vom AG Potsdam initiierte konkrete Normenkontrolle zu einem Blankettgesetz mit Rückverweisungsklausel im ChemG39 als auch eine des KG zu einem solchen im AWG40 hatte es zuvor wegen mangelnder Darlegung der Entscheidungserheblichkeit für unzulässig befunden.41 Gegenstand des nunmehrigen Verfahrens waren § 58 Abs. 3 Nr. 2, § 62 Abs. 1 Nr. 1 LFGB42. § 58 Abs. 3 Nr. 2 LFGB: „Ebenso [wie nach Abs. 1] wird bestraft, wer […] einer anderen als in Absatz 2 genannten unmittelbar geltenden Vorschrift in Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union zuwiderhandelt, die inhaltlich einer Regelung entspricht, zu der die in Absatz 1 Nr. 18 genannten Vorschriften ermächtigen, soweit eine Rechtsverordnung nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 für einen bestimmten Straftatbestand auf diese Strafvorschrift verweist.“ § 62 Abs. 1 Nr. 1 LFGB: „Das Bundesministerium wird ermächtigt, soweit dies zur Durchsetzung der Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft, der Europäischen 38  VGH BW 9 S 584/19, LMuR 2019, 170, 176; VG Regensburg RN 5 E 19.1890, BeckRS 2019, 32294 Rn. 31 (jeweils zu § 60 Abs. 4 Nr. 2 lit. a LFGB); VG Stuttgart 16 K 2470/19, BeckRS 2019, 26031 Rn. 27 (zu § 60 Abs. 2 Nr. 26 lit. a LFGB). 39  AG Potsdam 86 Ds 75/16, BeckRS 2017, 119329 zu § 27 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 i. V. m. § 26 Abs. 1 Nr. 8 lit. b ChemG. Das AG hält die gesamte Rückverweisungstechnik für unzulässig, weil damit dem Verordnungsgeber die Entscheidung über die Strafbarkeit überlassen werde, a. a. O., Rn. 34 ff. 40  KG (1) 3 StE 1/16-1 (1/16), BeckRS 2017, 136822 zu § 34 Abs. 2 i. V. m. § 33 Abs. 1 AWG a. F. (vom 27.05.2009, BGBl. I 2009, 1150, in der Fassung vom 04.11.2010, BGBl. I 2010, 1480). 41  BVerfG 2 BvL 4/17, BeckRS 2017, 119328 Rn. 22; 2 BvL 12/17, BeckRS 2017, 136817 Rn. 20 ff. 42  Vom 24.07.2009, BGBl. I 2009, 2205. Weil sich der Tatzeitraum von Ende 2008 bis Anfang 2010 erstreckte, waren mehrere Fassungen des LFGB sowie der LMRStV und VO (EG) Nr. 853/2004 relevant. Sie unterscheiden sich nur in minimalen, hier nicht interessierenden Aspekten und werden daher nicht alle aufgezählt (genauer dazu BVerfG 2 BvL 5/17, NZWiSt 2020, 263, 264 ff.). Die jüngste leichte Änderung des Strafgesetzes (Gesetz vom 27.07.2021, BGBl. I 2021, 3274) hat keine Auswirkung auf die Relevanz der Entscheidung.



I. Die Rückverweisungsklausel251 Union oder der Europäischen Atomgemeinschaft erforderlich ist, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates die Tatbestände zu bezeichnen, die […] als Straftat nach § 58 Abs. 3 […] zu ahnden sind […].“

Im Gegensatz zum Blankettstrafgesetz im RiFlEtikettG enthält § 58 Abs. 3 Nr. 2 LFGB neben der Rückverweisungs- auch eine Entsprechungsklausel. Sie wird hier insoweit relevant, als darüber auf § 58 Abs. 1 Nr. 18 LFGB und dort wiederum auf die Ermächtigung in § 13 Abs. 1 Nr. 1, 2 LFGB Bezug genommen wird.43 Im Übrigen soll die Besonderheit der Entsprechungsklausel an dieser Stelle noch ausgeblendet bleiben,44 es interessiert zunächst nur die Beurteilung der Rückverweisungsklausel. Auf das Blankettstrafgesetz verweist § 3 Abs. 1 Nr. 2 LMRStV45 zurück und benennt dabei Normen aus der VO (EG) Nr. 853/2004.46 (1) Darstellung der Entscheidung Während nach Ansicht des LG Stade das Blankettstrafgesetz gegen Art. 103 Abs. 2, 104 Abs. 1 S. 1 GG und die Ermächtigung gegen Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG verstieß,47 hielt das BVerfG die Vorschriften für verfassungskonform. Dabei trennt es in der Prüfung des § 58 Abs. 3 Nr. 2 LFGB deutlich: Was die freiheitsgewährleistende Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG betreffe, sei der zum Verständnis der Regelung nötige Aufwand zwar deutlich erhöht.48 Unter Rückgriff auf die speziellen Anforderungen im Expertenstrafrecht bewertet das BVerfG ihn aber noch nicht als zu hoch.49 Der Schwerpunkt der Prüfung liegt bei der – diesmal gesondert angesprochenen – kompetenzwahrenden Komponente. Das LG Stade hatte das Blankettstrafgesetz für vergleichbar mit § 10 Abs. 1 RiFlEtikettG gehalten. Es

43  Zum Normtext oben S. 160. § 58 Abs. 1 Nr. 18 LFGB nimmt daneben auch auf andere Ermächtigungen Bezug; im konkreten Fall war aber nur die Bezugnahme auf § 13 Abs. 1 Nr. 1, 2 LFGB relevant, BVerfG 2 BvL 5/17, NZWiSt 2020, 263, 268. 44  Dazu dann unten S. 289 ff. 45  Vom 19.09.2006, BGBl. I 2006, 2136. 46  ABl. 2004 Nr. L 139, 55, (damals) zuletzt geändert durch VO (EG) Nr. 1020/ 2008, ABl. 2008 Nr. L 277, 8. 47  LG Stade 600 KLs 1100 Js 7647/10 (1/15), NZWiSt 2017, 320 Rn. 32  ff., 42 ff. Der BGH hatte in einer vorhergehenden Revisionsentscheidung zu diesem Verfahren keine verfassungsrechtlichen Bedenken geäußert, vgl. 3 StR 9/15, wistra 2015, 392 Rn. 6, 10. 48  BVerfG 2 BvL 5/17, NZWiSt 2020, 263, 274. 49  BVerfG 2 BvL 5/17, NZWiSt 2020, 263, 275. Zur Inkonsequenz, dass das BVerfG hier nur die Erkennbarkeit anhand formeller Gesetze prüft und zur Kritik am Rückgriff auf das Expertenstrafrecht in diesem Zusammenhang bereits oben S. 104 ff.

252 D. Beurteilung der unionsrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik

entscheide wiederum der Verordnungsgeber über die Strafbarkeit.50 Dagegen grenzt das BVerfG beide Blankettstrafgesetze voneinander ab. Auch im LFGB habe der Verordnungsgeber zwar eine „weitreichende Regelungskom­ petenz“.51 Im Gegensatz zum RiFlEtikettG stehe ihm aber kein „vorbehaltsloses Bezeichnungsrecht“ hinsichtlich der konkreten zu bewehrenden unionalen Vorschriften zu. Der parlamentarische Gesetzgeber habe selbst bereits über die wesentlichen Voraussetzungen der Strafbarkeit entschieden. Über den Verweis auf § 58 Abs. 1 Nr. 18 und von dort auf § 13 Abs. 1 Nr. 1, 2 LFGB seien das geschützte Rechtsgut52 und die Tathandlung festgelegt.53 Damit ist auch das Ergebnis für § 62 Abs. 1 Nr. 1 LFGB vorgezeichnet. Unter Berücksichtigung von § 58 Abs. 3 Nr. 2 LFGB und den dort in Bezug genommenen Vorschriften sei die Ermächtigung hinreichend bestimmt und mit Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG vereinbar. Anders als bei § 10 Abs. 3 R ­ iFlEtikettG sei der Verordnungsgeber in der Auswahl der zu bewehrenden unionsrecht­ lichen Vorschriften nicht völlig frei, vielmehr ergäben sich aus den genannten Vorschriften inhaltliche Vorgaben.54 (2) Analyse Damit ist jedenfalls klargestellt, dass die Rückverweisungsklausel nach Ansicht des BVerfG nicht generell verfassungswidrig ist.55 Ein dahingehender, aus dem Beschluss zum RiFlEtikettG gezogener Schluss56 ist spätestens im Lichte dieser Entscheidung nicht mehr haltbar. Sofern das BVerfG im Rahmen der kompetenzwahrenden Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG zum ­RiFlEtikettG abgrenzt, bestätigt dies zudem die Annahme, § 10 Abs. 1 RiFl­ EtikettG sei wegen eines Kompetenzproblems für nichtig erklärt worden.57 50  LG Stade 600 KLs 1100 Js 7647/10 (1/15), NZWiSt 2017, 320 Rn. 36. Das LG trennt hier zwar nicht klar zwischen den Anforderungen des Gesetzlichkeitsprinzips – so stellt es zugleich fest, der Normadressat sei nicht in der Lage „selbst zu ersehen, welche Zuwiderhandlungen im Einzelnen strafbewehrt sind“ (a.  a.  O., Rn. 35) –, verortet das Problem aber wohl primär bei der kompetenzwahrenden Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG. 51  BVerfG 2 BvL 5/17, NZWiSt 2020, 263, 273. 52  Vgl. insoweit die vom BVerfG nicht eigens thematisierte Weiterverweisung in § 13 Abs. 1 LFGB auf § 1 Abs. 1 Nr. 1 LFGB. 53  BVerfG 2 BvL 5/17, NZWiSt 2020, 263, 273; dazu noch unten S. 297 f. 54  BVerfG 2 BvL 5/17, NZWiSt 2020, 263, 276. 55  Hecker, Europäisches Strafrecht, Kap. 7 Rn. 77. 56  Oben Fn. 10, 12. 57  Dies macht das BVerfG zudem in dem Beschluss deutlich, mit dem es die vom AG Potsdam initiierte konkrete Normenkontrolle für unzulässig befindet, vgl. 2 BvL 4/17, BeckRS 2017, 119328 Rn. 23.



I. Die Rückverweisungsklausel253

Genauer zu untersuchen ist wiederum, ob das Gericht den Einsatz der Rückverweisungsklausel im Ausgangspunkt überhaupt als generell problematisch erachtet. Das BVerfG geht abermals nicht ausdrücklich auf die Rückverweisungstechnik ein. Das Stichwort „Rückverweisungsklausel“ findet sich in der Begründetheit nicht.58 Dass der noch weit ausführlicher als der zum RiFlEtikettG begründete Beschluss kein Wort zu einem generellen mit der Rückverweisungsklausel zusammenhängenden Problem verliert, deutet stark darauf hin, dass das Gericht ein solches – ungeachtet des Umstands, inwiefern die hinzutretende Entsprechungsklausel hierauf Einfluss nimmt – nicht sieht. Auch das LG Stade war in seiner Vorlage nicht gesondert auf die Rückverweisungsklausel eingegangen.59 Ebenso wie im Beschluss zum RiFlEtikettG behandelt das BVerfG das Blankettstrafgesetz vielmehr gleich wie Blankettstrafgesetze, die dynamisch auf Rechtsverordnungen verweisen, ohne eine Rückverweisungsklausel zu enthalten: Indem es nämlich feststellt, das geschützte Rechtsgut und das ungefähre strafbare Verhalten seien formellgesetzlich festgelegt, prüft es die Voraussetzungen, die mit einer dynamischen Außenverweisung im Allgemeinen verbunden sind.60 Die Vermutung, auch das Blankettstrafgesetz im RiFlEtikettG sei bei vergleichbar ausführlichen Angaben trotz Rückverweisungsklausel für verfassungskonform erklärt worden, verdichtet sich vor diesem Hintergrund. Darin, dass der nationale Verordnungsgeber über die Rückverweisungsklausel eingeschaltet wird, liegt dann kein generelles Problem. Legt man diese Sichtweise zugrunde, fügt sich der Beschluss zum LFGB nahtlos in die vorhergehende Rechtsprechung ein.61 Die Entscheidung enthält zudem ein ausdrückliches Indiz in diesem Sinne. Das Gericht erwähnt das „einer Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen immanente Risiko eines später […] nicht tätig werdenden Verordnungs­ gebers“.62 Das entspricht der Literaturansicht, nach der der Umstand, dass das Blankettstrafgesetz erst infolge der rückverweisenden Rechtsverordnung anwendbar wird, nicht eine Eigenart der Rückverweisungstechnik, sondern ein strukturelles Problem dynamischer Außenverweisungen sei. Zwar sieht das BVerfG, worauf später zurückzukommen ist, den Verordnungsgeber aus Unionsrecht dazu verpflichtet, das Blankettstrafgesetz auszufüllen, weshalb 58  Auch der Rückverweis wird nur nebenbei erwähnt: zum einen bei der Frage, inwieweit die Vorschrift unionsrechtlich determiniert ist, zum anderen im Rahmen der bloßen Wiedergabe des Gesetzes, vgl. BVerfG 2 BvL 5/17, NZWiSt 2020, 263, 270, 273. 59  Vgl. LG Stade 600 KLs 1100 Js 7647/10 (1/15), NZWiSt 2017, 320. 60  Vgl. oben S. 160. 61  Vgl. Heger/Widmann, EuR 2021, 356, 364; dagegen einen Bruch mit der Entscheidung zum RiFlEtikettG andeutend Wallau, ZLR 2020, 376, 378. 62  BVerfG 2 BvL 5/17, NZWiSt 2020, 263, 274.

254 D. Beurteilung der unionsrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik

dieses Problem im konkreten Fall gerade nicht bestehe.63 Allein dass es das Risiko aber als einer – und damit jeder – Delegation immanent bezeichnet, zeigt, dass es insoweit keinen Unterschied zwischen dynamisch verweisenden Blankettstrafgesetzen mit und ohne Rückverweisungsklausel sieht. Es bleibt aber misslich, dass das BVerfG seine Meinung zur Rückverweisungsklausel nicht ausdrücklich klargestellt hat. Bei Prüfung der Zulässigkeit der Normenkontrolle hält es fest, das LG Stade habe seine Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit des Blankettstrafgesetzes ausreichend dargelegt, wenn es auch „nicht alle Einzelheiten der auch in der Literatur geführten Diskussion zur Zulässigkeit der Verwendung von Blankettstrafnormen mit Rückverweisungs- und Entsprechungsklauseln“ aufgegriffen habe. Dabei führt es viel Literatur auf, die sich mit generellen Problemen der Rück­ verweisungsklausel auseinandersetzt.64 Den weit überwiegenden Teil dieser Literatur greift es in der Begründetheit aber überhaupt nicht und im Übrigen nur äußerst sparsam auf. Auch der Sache nach thematisiert es kaum die von ihm erwähnten, in der Literatur diskutierten „Einzelheiten“. Gerade vor dem Hintergrund der Erkenntnis, es bestehe hierüber eine Diskussion, hätte ein Anlass zu deutlicheren Aussagen durchaus bestanden. cc) Rückschlüsse auf Rückverweisungsklausel in nationalrechtsakzessorischen Blankettstrafgesetzen An dieser Stelle ist noch einmal auf die bereits im vorigen Kapitel untersuchte nationalrechtsakzessorische Rückverweisungstechnik zurückzukommen. Die dargestellten Entscheidungen unterstützen das dort gefundene Ergebnis, wonach das BVerfG die Rückverweisungsklausel auch im nationalen Kontext für zulässig hält.65 Nicht nur enthalten die Beschlüsse zum RiFl­ EtikettG und LFGB keine Anhaltspunkte für eine Differenzierung zwischen nationalem und unionalem Anwendungsbereich. Das BVerfG behandelt unionsrechtsakzessorische Blankettstrafgesetze mit Rückverweisungsklausel zu63  Dazu

unten S. 261, 267. 2 BvL 5/17, NZWiSt 2020, 263, 269. 65  Vgl. Bülte, wistra 2020, 251, 252, der annimmt, das BVerfG sei im Beschluss zum LFGB implizit von der Verfassungskonformität des nationalrechtsakzessorischen Blankettstrafgesetzes mit Rückverweisungsklausel des § 58 Abs. 1 Nr. 18 LFGB ausgegangen, auf das sich die Entsprechungsklausel in § 58 Abs. 3 Nr. 2 LFGB bezieht. Das folge daraus, dass das Gericht an einer Stelle sage (gemeint ist BVerfG 2 BvL 5/17, NZWiSt 2020, 263, 274), durch die Entsprechungsklausel entstünden gegenüber dem nationalrechtsakzessorischen Blankettstrafgesetz keine zusätzlichen Defizite in kompetenzwahrender Hinsicht, sodass § 58 Abs. 3 Nr. 2 LFGB noch verfassungs­ gemäß sei. – Das ist insofern zweifelhaft, als sich genau dieser Schluss (keine zusätzlichen Defizite und daher verfassungskonform) so nicht beim BVerfG findet. 64  BVerfG



I. Die Rückverweisungsklausel255

dem wie Blankettstrafgesetze, die dynamisch auf nationale Rechtsverordnungen verweisen, ohne eine Rückverweisungsklausel zu enthalten. Wenn es aber diese beiden Regelungstechniken gleichsetzt, muss es erst recht dynamisch auf nationale Rechtsverordnungen verweisende Blankettstrafgesetze mit und ohne Rückverweisungsklausel für gleich halten. Das BVerfG hält die Rückverweisungsklausel also weder im nationalen noch im unionalen Kontext für generell problematisch. 2. Das besondere Problem der Rückverweisungsklausel Angesichts der unterschiedlichen Beurteilung der Rückverweisungsklausel in Literatur und Rechtsprechung ist – entsprechend dem Vorgehen im Rahmen der nationalrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik – zunächst zu klären, ob und worin eine besondere Problemlage besteht (dazu im Folgenden). Sofern eine solche existiert, muss sie anschließend rechtlich bewertet werden (dazu ab 3.). Bei nationalrechtsakzessorischen Blankettstrafgesetzen hat sich gezeigt, dass die Rückverweisungsklausel dem Verordnungsgeber einen besonderen Einfluss gibt: Während dieser bei einem dynamisch verweisenden Blankettstrafgesetz ohne Rückverweisungsklausel (nur) die konkrete Verhaltensnorm festlegt, ermöglicht ihm die Rückverweisungsklausel darüber hinaus, die Verhaltensnorm der Sanktionsnorm zuzuordnen.66 Eine solche unmittelbare Einflussmöglichkeit auf die Sanktionsnorm existiert auch im unionalen Kontext. Sie zeigt sich hier sogar besonders deutlich. Denn im Gegensatz zur nationalrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik hat der nationale Verordnungsgeber nur Einfluss auf die Sanktionsnorm und keinen daneben bestehenden auf die Verhaltensnorm. Der Tatbestand des Blankettstrafgesetzes wird schließlich nicht dadurch erfüllt, dass Vorschriften einer nationalen Rechtsverordnung, sondern dass Vorschriften des Unionsrechts zuwidergehandelt wird. Die relevanten Verhaltensnormen stammen also vom unionalen Gesetzgeber. Sie sind in EU-Verordnungen enthalten und gelten für den Normadressaten daher bereits unmittelbar. Eines Mitwirkens des nationalen Verordnungsgebers bedarf es insoweit nicht. Der Verordnungsgeber soll lediglich die – bereits geltenden – Verhaltensnormen heraussuchen und dem Anwendungsbereich des Blankettstrafgesetzes unterstellen. Er entscheidet folglich allein über die Reichweite der Sanktionsnorm.67

66  Oben

S. 186 ff. LG Berlin (572) 242 AR 27/12 NS (82/12), NZWiSt 2016, 112, 116; Hoven, NStZ 2016, 377, 381; Heger/Widmann, EuR 2021, 356, 365 f. 67  Vgl.

256 D. Beurteilung der unionsrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik

Das im vorigen Kapitel herausgearbeitete besondere Problem der Rückverweisungsklausel stellt sich damit in aller Schärfe auch bei der unionsrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik. Vor diesem Hintergrund erweist sich die Ansicht, nach der der nationale Verordnungsgeber über das „Ob“ der Strafbarkeit entscheidet, als im Ausgangspunkt richtig. Die gegenteilige Ansicht insbesondere des BVerfG, die unionsrechtsakzessorische Blankettstrafgesetze mit Rückverweisungsklausel mit solchen Blankettstrafgesetzen gleichsetzt, die dynamisch auf Rechtsverordnungen verweisen, ohne eine Rückverweisungsklausel zu enthalten, ist hingegen nicht überzeugend. Eine solche Gleichsetzung ist im Rahmen der nationalrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik zumindest noch insoweit berechtigt, als der Einfluss des Verordnungsgebers auf die Verhaltensnorm gleich bleibt, unabhängig davon, ob eine Rückverweisungsklausel existiert. Bei einem unionsrechtsakzessorischen Blankettstrafgesetz hingegen wird dieser Einfluss infolge der Gleichsetzung falsch verortet, nämlich beim nationalen Verordnungsgeber anstatt beim EU-Gesetzgeber.68 Der unmittelbare Einfluss auf die Sanktionsnorm, der dem Verordnungsgeber darüber hinaus zukommt, wird – wie bei der nationalrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik – schlicht übersehen. Das zeigt sich besonders deutlich, wenn das BVerfG im Beschluss zum LFGB von dem einer Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen immanenten Risiko des später untätig bleibenden Verordnungsgebers spricht.69 Es übergeht damit den Unterschied, dass sich die Untätigkeit des Verordnungsgebers bei einem Blankettstrafgesetz ohne Rückverweisungsklausel nur mittelbar auf die Anwendbarkeit der Sanktionsnorm auswirkt; der Verordnungsgeber infolge einer Rückverweisungsklausel hingegen unmittelbar darüber befinden kann.70 Diese Kritik gilt unabhängig davon, ob man die Möglichkeit, unmittelbar über die Reichweite der Sanktionsnorm bestimmen zu können, im Ergebnis für verfassungskonform hält oder nicht. In jedem Fall müsste sie zumindest ausdrücklich angesprochen und problematisiert werden. Schließlich lässt sich ein Blankettstrafgesetz mit Rückverweisungsklausel insoweit nicht mit einem solchen ohne Rückverweisungsklausel gleichsetzen. Der zusätzlich bestehende Einfluss muss gesondert bewertet werden.71

68  Dazu

noch unten S. 271 f. S. 253. 70  Oben S. 187 f. 71  Dem BVerfG kann insoweit zugutegehalten werden, dass es im Beschluss zum LFGB eine Verpflichtung des Verordnungsgebers annimmt und damit im Ergebnis das Problem dieses zusätzlichen Einflusses löst, wenngleich dies innerhalb seiner Vorgehensweise widersprüchlich ist, dazu unten S. 267. 69  Oben



I. Die Rückverweisungsklausel257

3. Gesetzliche Ermächtigung zur Rückverweisung (Art. 80 Abs. 1 S. 1 GG) Das aufgezeigte Kompetenzproblem muss im Folgenden rechtlich bewertet werden. Bei nationalrechtsakzessorischen Blankettstrafgesetzen hat sich die Frage als problematisch erwiesen, in welcher Vorschrift der Verordnungsgeber zum Rückverweis ermächtigt wird. Im unionalen Kontext stellen sich keine vergleichbaren Schwierigkeiten. Es ist hier eine gesonderte, das Strafrecht betreffende Ermächtigungsgrundlage vorhanden, die es der Exekutive erlaubt, die zu sanktionierenden Tatbestände der jeweiligen EU-Verordnung zu bezeichnen. Diese Ermächtigung wird von der Rückverweisungsklausel in Bezug genommen: „[…] soweit eine Rechtsverordnung nach § y/Abs. y/S. y für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift/Bußgeldvorschrift verweist“. In den vom BVerfG untersuchten Fällen war die Ermächtigung in § 10 Abs. 3 RiFlEtikettG beziehungsweise § 62 Abs. 1 Nr. 1 LFGB enthalten. Insoweit wird Art. 80 Abs. 1 S. 1 GG unproblematisch gewahrt.72 Es ist nicht notwendig, der Rückverweisungsklausel mittelbar eine Ermächtigungsgrundlage zu entnehmen. Zwar ist in der Ermächtigung – im Gegensatz zur Rückverweisungsklausel – nicht ausdrücklich von einer Rückverweisung die Rede. Doch kann die Rückverweisungsklausel bei Auslegung der Ermächtigung berücksichtigt werden und wird darüber die Berechtigung ersichtlich, einen Rückverweis zu erlassen. Im Übrigen muss der nationale Verordnungsgeber, um eine unionale Verhaltensnorm mit der nationalen Sanktionsnorm zu verschalten, ohnehin notwendigerweise auf die Sanktionsnorm Bezug nehmen. Auch insoweit ist die Befugnis zur Rückverweisung also in der Ermächtigung enthalten. 4. Vorbehalt des formellen Gesetzes (kompetenzwahrende Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG) Weil die Rückverweisungsklausel dem Verordnungsgeber – wie unter 2. aufgezeigt – die Möglichkeit gibt, unmittelbar über die Reichweite der Sanktionsnorm zu bestimmen, könnte sie gegen die kompetenzwahrende Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG verstoßen.

72  Bezogen auf § 382 Abs. 4 AO Voß, BB 1996, 1695, 1697; vgl. ders., in: Franzen/Gast/Joecks, 6. Aufl. 2005, § 382 AO Rn. 11, 13.

258 D. Beurteilung der unionsrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik

a) Verpflichtung zum Rückverweis Möglicherweise aber ist dieser Einfluss auf die Sanktionsnorm, analog zu den Überlegungen im Rahmen der nationalrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik, durch eine Verpflichtung kompensiert, eine rückverweisende Rechtsverordnung zu erlassen.73 Dann läge die Bestimmungsgewalt über die Reichweite der Sanktionsnorm doch allein beim parlamentarischen Gesetzgeber. Diese Frage erlangt dadurch besondere Relevanz, dass auch das BVerfG im Beschluss zum LFGB eine Verpflichtung des Verordnungsgebers thematisiert.74 Freilich ist dies überraschend, weil das Gericht im Ausgangspunkt gar kein generelles mit der Rückverweisungsklausel verbundenes Problem sieht. Auf diesen Widerspruch ist später noch einmal zurückzukommen.75 Die Überlegungen des BVerfG passen aber gut zur hier vertretenen Ansicht, wonach eine besondere Rückverweisungsproblematik besteht und es entscheidend auf die Verpflichtung ankommt. Wenn im Folgenden eine Verpflichtung näher untersucht wird, so gilt dies zunächst nur für das Strafrecht. Auf das Ordnungswidrigkeitenrecht ist im Anschluss daran (unter b)) gesondert einzugehen, da der parlamentarische Gesetzgeber dort nicht abschließend über die Sanktionsnorm entschieden haben muss. aa) Rechtliche Einordnung: Entschließungsfreiheit des Verordnungsgebers Übersetzt in die Kategorien der Gestaltungsfreiheit beim Verordnungs­ erlass,76 ist zu untersuchen, ob dem Verordnungsgeber eine Entschließungsfreiheit darüber zukommt, eine rückverweisende Rechtsverordnung zu erlassen. Als Aspekt der inhaltlichen Gestaltungsfreiheit lässt sich die aufgeworfene Frage hingegen in keinem Fall begreifen – im Gegensatz zu nationalrechtsakzessorischen Blankettstrafgesetzen, wo diese Möglichkeit zumindest angedacht wurde.77 Denn bei unionsrechtsakzessorischen Blankettstrafgesetzen ist die Ermächtigung zum Rückverweis in einer allein hierfür bestehenden Vorschrift enthalten.78 Fraglich ist also nur, ob hiervon Gebrauch ge73  Für eine dahingehende verfassungskonforme Auslegung des Gesetzes, jedoch ohne nähere Herleitung Böse, in: FS Krey, 7, 23 f. 74  Dazu sogleich unten S. 261. 75  Unten S. 267. 76  Dazu oben S. 196. 77  Oben S. 197. 78  Soeben S. 257.



I. Die Rückverweisungsklausel259

macht werden muss. Ferner ist es dem Verordnungsgeber nur erlaubt, die zu ahndenden Tatbestände zu „bezeichnen“. Er kann sie also nur benennen, um sie durch den Rückverweis auf das Strafgesetz mit diesem zu verknüpfen, nicht aber inhaltlich ausgestalten. Auf die Ergebnisse des vorigen Kapitels kann nicht unmittelbar zurückgegriffen werden. Denn während dort zur Ermittlung der Entschließungsfreiheit die Rückverweisungsklausel ausgelegt wurde, muss hier die eigenständige Vorschrift ausgelegt werden, die im unionalen Kontext zum Rückverweis ermächtigt. Außerdem könnte nun auch Unionsrecht die Untersuchung beeinflussen. bb) Verpflichtung aus nationalem Recht Bevor auf etwaige aus Unionsrecht folgende Besonderheiten eingegangen wird, soll zunächst anhand der bereits bekannten Begründungsansätze aus dem nationalen Recht79 beurteilt werden, ob der Verordnungsgeber zum Tätigwerden verpflichtet ist. Dazu ist die Ermächtigungsgrundlage zur rückverweisenden Rechtsverordnung auszulegen. Die Ermächtigung beginnt stets wie folgt: „Die Bundesregierung/Das Bundesministerium wird ermächtigt […]“. Die Formulierung „wird ermächtigt“ ist, entsprechend den obigen Ausführungen, ein Indiz für eine bestehende Entschließungsfreiheit.80 Zugleich wird die Ermächtigung allerdings darauf bezogen, dass die Sanktionierung „zur Durchsetzung der Rechtsakte der Euro­päischen Union erforderlich ist“. Den Wortlaut „erforderlich“ wertet das BVerfG in der Entscheidung zum LFGB als Anhaltspunkt für eine Verpflichtung des Verordnungsgebers.81 Sprachlich ist das nicht zwingend. Der Einschub „soweit dies […] erforderlich ist“ liest sich mehr als allgemeine Grenze der Ermächtigung: Der Verordnungsgeber darf nur tätig werden, wenn es unionsrechtlich geboten ist, beziehungsweise – negativ gewendet – nicht tätig werden, wenn es nicht unionsrechtlich geboten ist. Es ist damit jedoch keine Aussage verbunden, welche Pflichten innerhalb dieser Grenze bestehen.

79  Zu

diesen oben S. 200 ff. deshalb eine Entschließungsfreiheit bejahend Pohlreich, in: BK, Art. 103 Abs. 2 Rn. 88 (am Beispiel des § 27 Abs. 1 Nr. 3 S. 2 ChemG). 81  BVerfG 2 BvL 5/17, NZWiSt 2020, 263, 274; im nichtstrafrechtlichen Zusammenhang auch BVerfG 1 BvR 1301/84, NJW 1989, 1271, 1272; ebenso Bülte, wistra 2020, 251, 252, wenn er eine Verpflichtung aus § 13 Abs. 1 LFGB ableitet, wonach der Verordnungsgeber ermächtigt wird, „soweit es zur Erfüllung der in § 1 Absatz 1 Nummer 1 […] genannten Zwecke erforderlich ist“. 80  Wohl

260 D. Beurteilung der unionsrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik

Jedenfalls aber könnte der Gesetzgeber den Verordnungsgeber damit auf eine in seinen Augen bestehende (sogleich näher zu untersuchende) Verpflichtung aus Unionsrecht hinweisen wollen. Insofern spricht dann zwar nicht die grammatikalische, wohl aber die historische Auslegung für eine Verpflichtung. Was die teleologische Auslegung betrifft, ergibt sich ein ähnliches Bild wie bei der Rückverweisungsklausel im nationalen Kontext: Das Blankettstrafgesetz wird erst anwendbar, wenn der nationale Verordnungsgeber für unionale Verhaltensnormen auf es zurückverweist und die Verhaltensnormen dadurch seinem Anwendungsbereich unterstellt. Diese Abhängigkeit des formellen Gesetzes von der Rechtsverordnung könnte dazu führen, dass die Entschließungsfreiheit des Verordnungsgebers aufgehoben ist. Über den Zweck der Rückverweisungsklausel lässt sich dies wiederum hinreichend normativ festmachen: Der parlamentarische Gesetzgeber möchte mit der Rückverweisungsklausel dem Verordnungsgeber ermöglichen, das Strafrecht rasch an geändertes Unionsrecht anzupassen. Dadurch entlastet sich der Gesetzgeber selbst. Die Erreichung dieses Zwecks ist aber nur dann sichergestellt, wenn der Verordnungsgeber das Strafrecht tatsächlich anpassen muss, das heißt, zum Tätigwerden verpflichtet ist.82 Wie im nationalen Kontext soll der Rückverweis zudem der klaren Verknüpfung von Sanktionsund Verhaltensnorm dienen. Eine Sachentscheidungskompetenz dahingehend, welche unionalen Verhaltensnormen durch Strafandrohung abgesichert werden sollen, wird dem Verordnungsgeber indes nicht gewährt.83 Eine ver­ fassungskonforme Auslegung der Ermächtigung schneidet dahingehende Erwägungen ab. Die formellgesetzlich getroffene Entscheidung, bestimmtes Unionsrecht durch Strafe abzusichern, darf der Verordnungsgeber nicht mehr durch Untätigsein konterkarieren, weil ihm diese politische Entscheidungsmacht nicht zusteht. Folglich ist die Entschließungsfreiheit des Verordnungsgebers schon nach nationalen Maßstäben aufgehoben. Bei verfassungskonformer Auslegung der Ermächtigung ist er verpflichtet, eine rückverweisende Rechtsverordnung zu erlassen, sofern ausfüllungsgeeignetes Unionsrecht existiert. Ihm steht dabei im Ergebnis sogar überhaupt keine Gestaltungsfreiheit zu. Anders als im Rahmen der nationalrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik84 hat er nämlich auch in Bezug auf die Verhaltensnorm keinen Einfluss, stammt diese 82  Vgl. zu dieser Argumentation Uhle, Parlament und Rechtsverordnung, S. 161; Peine, ZG 1988, 121, 128. 83  Anders Schmitz, in: FS Schünemann, 235, 242  f.; LG Berlin (572) 242 AR 27/12 NS (82/12), NZWiSt 2016, 112, 115: „Übertragung der Auswahl der als strafwürdig anzusehenden Tatbestände auf den nationalen Verordnungsgeber“. 84  Oben S. 222 f.



I. Die Rückverweisungsklausel261

doch vom EU-Gesetzgeber. Der in Art. 80 Abs. 1 GG genutzte Begriff der „Ermächtigung“ fordert eine Gestaltungsfreiheit, wie gesehen, aber auch nicht notwendig.85 cc) Verpflichtung aus Unionsrecht Daneben verpflichtet möglicherweise auch das Unionsrecht den nationalen Verordnungsgeber zum Tätigwerden. Entsprechende Erwägungen finden sich vereinzelt in der auf die Rückverweisungstechnik bezogenen Literatur. Eine Verpflichtung folge aus dem allgemeinen Loyalitätsgebot nach Art. 4 Abs. 3 EUV.86 Diesen Gedanken hat auch das BVerfG aufgegriffen. Im Beschluss zum RiFlEtikettG sieht es den Verordnungsgeber zwar als „völlig frei [darin], zu bestimmen, welche Verstöße gegen das in Bezug genommene Gemeinschaftsrecht als strafwürdig angesehen werden“,87 geht also von einer Entschließungsfreiheit aus. In der neueren Entscheidung zum LFGB bejaht es jedoch eine Verpflichtung aus dem Loyalitätsgebot.88 Das Schrifttum zum allgemeinen Öffentlichen Recht stimmt mit dem Begründungsansatz überein: Dabei wird primär die mitgliedstaatliche Pflicht zur Umsetzung einer unionalen Richtlinie in den Blick genommen. Treffe den Gesetzgeber eine solche Umsetzungspflicht und ermächtige er in diesem Rahmen die Exekutive, sei nun auch sie gleichermaßen zum Tätigwerden verpflichtet.89 Seltener wird die Konstellation thematisiert, in der eine Pflicht 85  Oben

S. 208.

Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 293 f.; ähnlich J. Wagner, in: MüKo-StGB, Vor § 17 AWG Rn. 35. 87  BVerfG 2 BvL 1/15, NJW 2016, 3648 Rn. 66. 88  BVerfG 2 BvL 5/17, NZWiSt 2020, 263, 274, dort zwar auf die Entsprechungsklausel bezogen („Die Entsprechungsklausel eröffnet einen zwingend auszufüllenden Rahmen.“), die weiteren Ausführungen lassen aber nicht erkennen, dass die Aussage darauf beschränkt wäre. Merkwürdig ist jedoch, dass das BVerfG die Verpflichtung des Verordnungsgebers innerhalb der Prüfung des Art. 103 Abs. 2 GG untersucht, in der sich anschließenden gesonderten Prüfung des Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG aber nicht darauf Bezug nimmt, vgl. a. a. O., 275 f. Die Entscheidung kann an dieser Stelle vielmehr so verstanden werden, dass das BVerfG eine Verpflichtung allein aus nationalem Recht herleitet. – Den verbindlichen Charakter der vom BVerfG angenommenen Pflicht verkennt offenkundig Wallau, ZLR 2020, 376, 381, wenn er in kritischer Absicht vom „große[n] Vertrauen des Gerichts in den Verordnungsgeber“ spricht. 89  Bauer, in: Dreier, Art. 80 Rn. 56; Brenner, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Art. 80 Rn. 75; Kloepfer, Verfassungsrecht I, Rn. 363; Nierhaus, in: BK, Art. 80 Rn. 347; Mann, in: Sachs, Art. 80 Rn. 5; Streinz, in: Streinz, Art. 4 EUV Rn. 47; Unruh/Strohmeyer, NuR 1998, 225, 232; vgl. Peine, ZG 1988, 121, 131 f.; Uhle, in: Kluth/Krings, Gesetzgebung, § 24 Rn. 63. 86  Schützendübel,

262 D. Beurteilung der unionsrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik

zur Anpassung des nationalen Rechts aus Art. 4 Abs. 3 EUV folgt. Auf Basis des Vorstehenden muss es sich hier aber in gleicher Weise verhalten.90 Mit dem Loyalitätsgebot und der Pflicht zur Umsetzung einer Richtlinie bestehen mithin zwei Begründungsansätze, um eine Entschließungsfreiheit aufzuheben. Weil ein unionsrechtsakzessorisches Blankettstrafgesetz mit Rückverweisungsklausel regelmäßig dazu dient, eine unionale Sanktionierungspflicht aus dem allgemeinen Loyalitätsgebot oder einer strafrechtsharmonisierenden Richtlinie umzusetzen,91 müsste der Verordnungsgeber demnach auch aus Unionsrecht verpflichtet sein. Allerdings wird in der strafrechtlichen Literatur eingewandt, das allgemeine Loyalitätsgebot besage nichts über die Kompetenzzuweisung im innerstaatlichen Bereich.92 Es könne also zwar den Mitgliedstaat als solchen, nicht aber speziell den Verordnungsgeber verpflichten. Das ist im Ausgangspunkt richtig und könnte auch auf strafrechtsharmonisierende Vorgaben aus Richtlinien bezogen werden. Wie bereits gezeigt, schreibt das Unionsrecht weder über Art. 4 Abs. 3 EUV noch über Art. 288 Abs. 3 AEUV vor, welche innerstaatliche Instanz unionale Vorgaben umsetzen muss. Beide Vorschriften verhalten sich neutral zum Umsetzungsverfahren, solange jedenfalls im Ergebnis die Umsetzung gelingt.93 Gleichwohl steht dies nicht der Möglichkeit entgegen, eine Verpflichtung des Verordnungsgebers aus Unionsrecht abzuleiten. Aus der Indifferenz des Loyalitätsgebots gegenüber der innerstaatlichen Kompetenzordnung folgt nur, dass eine Pflicht der Exekutive nicht entgegen der innerstaatlichen Kompetenzordnung konstruiert werden kann. Innerhalb des nach nationalem (Verfassungs-)Recht Zulässigen bindet das Loyalitätsgebot aber umfassend. Gerade aufgrund seiner Indifferenz gegenüber dem innerstaatlichen Bereich richtet es sich, quasi als Kehrseite dessen, nicht an eine einzige, sondern an alle Gewalten und somit auch an Legislative und Exekutive.94 Wird die Exe-

90  Ausdrücklich Kahl, in: Calliess/Ruffert, Art. 4 EUV Rn. 123; Franzius, in: Frankfurter Kommentar, Art. 4 EUV Rn. 119; während die in Fn. 89 Genannten diese Fallgruppe nicht ausdrücklich thematisieren. 91  Dazu oben S. 58 ff. 92  Hoven, NStZ 2016, 377, 380 f. 93  Oben S. 142. 94  Vgl. EuGH C-14/83, Slg. 1984, 1891 Rn. 26 – „Von Colson und Kamann/ Land Nordrhein-Westfalen“; C-268/06, Slg. 2008, I-2483 Rn. 41, 85 – „Impact“; C-115/08, Slg. 2009, I-10265 Rn. 138  – „ČEZ“; Böse, Strafen und Sanktionen, S. 425; Kahl, in: Calliess/Ruffert, Art. 4 EUV Rn. 109; Schützendübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 294 Fn. 1291; Böhringer/Marauhn, in: Schulze/Janssen/ Kadelbach, Europarecht, § 7 Rn. 36.



I. Die Rückverweisungsklausel263

kutive im Einklang mit nationalem Verfassungsrecht95 in die Gesetzgebung eingeschaltet, ist sie demnach an alle aus Art. 4 Abs. 3 EUV folgenden Vorgaben gebunden. Gleiches gilt im Rahmen der Umsetzungsverpflichtung, die aus einer strafrechtsharmonisierenden Richtlinie erwächst.96 In beiden Fällen gibt es auch aus Perspektive des nationalen Verfassungsrechts keinen Grund, der Exekutive eine größere Freiheit einzuräumen als dem parlamentarischen Gesetzgeber. Damit steht bereits die grundsätzliche Möglichkeit fest, den Verordnungsgeber durch unionale Vorgaben zu binden. Bevor nun eine entsprechende Pflicht auch im hier interessierenden Fall angenommen werden kann, muss ein weiterer Einwand der strafrechtlichen Literatur überwunden werden: Danach sind die unionsrechtlichen Vorgaben im Bereich der Rückverweisungstechnik nicht konkret genug, um eine Pflicht zum Erlass einer rückverweisenden Rechtsverordnung zu rechtfertigen. Dem Mitgliedstaat werde im Rahmen des Art. 4 Abs. 3 EUV nämlich ein Spielraum hinsichtlich der konkreten Sanktion belassen: Er könne wählen, ob sie straf- oder verwaltungsrechtlicher Art sein solle.97 Auch diese Bedenken sind im Ausgangspunkt zutreffend: Nur in seltenen Ausnahmefällen fordert das Loyalitätsgebot tatsächlich strafrechtliche Sanktionen.98 Der Einwand lässt sich wiederum sogar auch auf Richtlinien nach Art. 83 Abs. 1, 2 AEUV beziehen. Sie betreffen zwar das Strafrecht, erlauben also keine rein verwaltungsrechtlichen Sanktionen, doch jedenfalls bei der 95  Weil die nationale Kompetenzordnung als rein nationale Angelegenheit den äußeren Rahmen bildet, kann der EuGH nicht selbst die Verpflichtung einer bestimmten innerstaatlichen Gewalt feststellen. Auch der Entscheidung C-263/96, Slg. 1997, I-7453 Rn. 26, 33 ff. – „Kommission/Belgien“ kann, entgegen dahingehender Einschätzungen (Böhringer/Marauhn, in: Schulze/Janssen/Kadelbach, Europarecht, § 7 Rn. 36 Fn. 177; Kahl, in: Calliess/Ruffert, Art. 4 EUV Rn. 123 Fn. 440; Pohlreich, HRRS 2020, 481, 487 Fn. 60; Streinz, in: Streinz, Art. 4 EUV Rn. 47 Fn. 188), keine Feststellung einer Verpflichtung des (belgischen) Verordnungsgebers entnommen werden; auch wenn die Entscheidung einer entsprechenden Verpflichtung freilich nicht entgegensteht. 96  Vgl. EuGH C-14/83, Slg. 1984, 1891 Rn. 26 – „Von Colson und Kamann/ Land Nordrhein-Westfalen“; C-268/06, Slg. 2008, I-2483 Rn. 41, 85 – „Impact“; Nierhaus, in: BK, Art. 80 Rn. 347: Bindung nur an das Ziel der Richtlinie, nicht an das Mittel zu ihrer Ausführung, kann Verordnungspflicht nicht relativieren. 97  Hoven, NStZ 2016, 377, 381; Bülte, BB 2016, 3075, 3077. Vgl. Pohlreich, HRRS 2020, 481, 487, der im Folgenden aber dennoch eine „Ermessensreduzierung“ des Verordnungsgebers annimmt, diese aber nicht für ausreichend hält, weil der Verordnungsgeber „faktisch“ weiterhin über die Anwendbarkeit des Blankettgesetzes entscheide, weshalb der Gesetzgeber selbst die Exekutive verpflichten müsse. Diese Differenzierung erschließt sich nicht. 98  Oben S. 59 f.

264 D. Beurteilung der unionsrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik

konkreten Ausgestaltung im nationalen Recht besteht auch hier regelmäßig ein Spielraum.99 Wenn aber das Unionsrecht in beiden Fällen nur mehr oder weniger ungefähre Vorgaben macht, wie kann es dann den nationalen Verordnungsgeber verpflichten, mittels einer rückverweisenden Rechtsverordnung eine ganz spezielle, nämlich die im Blankettstrafgesetz vorgesehene Rechtsfolge anzuordnen? Dafür ist zu berücksichtigen, dass der Verordnungsgeber, weil er nicht von sich aus tätig werden kann, immer erst im zweiten Akt der nationalen Umsetzung ins Spiel kommt. Zunächst muss der parlamentarische Gesetzgeber Blankettgesetz und Ermächtigungsgrundlage erlassen. Im Blankettgesetz legt er bereits die konkrete Rechtsfolge fest, insbesondere ob Strafe oder Geldbuße angedroht werden soll. Zudem bestimmt er, gegebenenfalls in Verbindung mit der Ermächtigung, die zu bewehrenden unionalen Verhaltensnormen.100 Dies ist die den unionsrechtlichen Spielraum konkretisierende Entscheidung.101 Dem Verordnungsgeber steht im Folgenden nur eine einzige Möglichkeit offen, dem Loyalitätsgebot beziehungsweise den Richtlinienvorgaben, die ihn binden, nachzukommen. Hat der Gesetzgeber beispielsweise ein strafrechtliches Blankettgesetz erlassen, kann der Verordnungsgeber darunter subsumierbares Unionsrecht nur durch Rückverweis auf dieses Strafgesetz absichern. Die Möglichkeit, Geldbuße anzudrohen, ist ihm verwehrt. Dadurch führen die unionsrechtlichen Vorgaben doch zu einer konkreten Pflicht: Der Verordnungsgeber muss die ihm einzig offenstehende Möglichkeit nutzen, das unionsrechtlich geforderte Ergebnis zu erreichen. Er muss mit anderen Worten die ausfüllungsgeeigneten Verhaltensnormen in der rückverweisenden Rechtsverordnung benennen. Auch bei unionsrechtskonformer Auslegung der Ermächtigung ist der Verordnungsgeber damit zum Tätigwerden verpflichtet. dd) Umfang der Verpflichtung Besteht eine Verpflichtung dem Grunde nach, ist im Anschluss hieran zu klären, in welchem Umfang die Entschließungsfreiheit aufgehoben ist. Nach dem Wortlaut der Ermächtigung darf der Verordnungsgeber nur tätig werden, „soweit dies zur Durchsetzung der Rechtsakte der Europäischen Union erforderlich ist“. Darüber wird die Ermächtigung im Allgemeinen begrenzt102 und folglich auch die Verpflichtung des Verordnungsgebers. Er darf (und 99  Oben

S. 141. näher unten S. 271 ff. 101  In diesem Sinne auch BVerfG 2 BvL 5/17, NZWiSt 2020, 263, 274. 102  Bereits oben S. 259. 100  Dazu



I. Die Rückverweisungsklausel265

muss) nur dann eine rückverweisende Rechtsverordnung erlassen, wenn eine unionsrechtliche Sanktionierungspflicht besteht. Auf die Sanktionierungspflicht wird er in einer auf Art. 83 AEUV gestützten strafrechtsharmonisierenden Richtlinie eindeutig aufmerksam gemacht. Sofern sie hingegen aus dem allgemeinen Loyalitätsgebot des Art. 4 Abs. 3 EUV folgt, wird sie schwerer erkennbar sein. Regelmäßig aber weisen Sekundärrechtsakte deklaratorisch auf ihr Bestehen hin. So verhält es sich beispielsweise in Art. 17 Abs. 2 UAbs. 3 VO (EG) Nr. 178/2002, wo Sanktionen für den Bereich des Lebensmittel- und Futtermittelrechts gefordert werden. Dies wird für den Verordnungsgeber (unter anderem) bei Ausfüllung des § 58 Abs. 3 LFGB relevant.103 Soweit eine Sanktionierungspflicht besteht, muss der Verordnungsgeber alle ausfüllungsgeeigneten unionalen Verhaltensnormen in seiner Rechtsverordnung benennen und für sie auf das Blankettstrafgesetz zurückverweisen. Er darf dabei nicht selektieren und nur für einzelne Verhaltensnormen den Rückverweis vornehmen.104 ee) Relevanz der Verpflichtung aus Unionsrecht auch für nationalrechtsakzessorische Rückverweisungstechnik Die aus Unionsrecht folgende Verpflichtung des Verordnungsgebers wurde hier aufgrund der inhaltlichen Nähe im Rahmen der unionsrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik thematisiert. Gleichwohl ist der Begründungsansatz, darauf sei an dieser Stelle noch hingewiesen, nicht notwendig beschränkt auf unionsrechtsakzessorisch ausgestaltete Blankettstrafgesetze: Der Mitgliedstaat kann unionalen Sanktionierungspflichten unterliegen, die zu bewehrende Verhaltensnorm aber nicht in einer EU-Verordnung enthalten sein, sondern, wenn auch ihrerseits unionsrechtlich determiniert, im nationalen Recht. Flankiert der nationale Gesetzgeber sie mittels eines Blankettstrafgesetzes, verweist dieses demnach auf nationales Recht, ist also nationalrechtsakzessorisch. Auch dann kann der nationale Verordnungsgeber – entsprechend den vorstehenden Ausführungen – aus Unionsrecht zum Erlass der rückverweisenden Rechtsverordnung verpflichtet sein. Die im vorigen Kapitel angestellten Überlegungen zur Gestaltungsfreiheit im nationalen Kontext bleiben daneben natürlich aktuell: Auch sie begründen eine entsprechende Verpflichtung.

103  Bereits 104  Vgl.

oben S. 60. Schützendübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 294.

266 D. Beurteilung der unionsrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik

ff) Ergebnis Wird die Rückverweisungsklausel in einem unionsrechtsakzessorischen Blankettstrafgesetz eingesetzt, hat der Verordnungsgeber, ebenso wie im nationalen Kontext, keine Entschließungsfreiheit. Dies folgt aus einer verfassungskonformen sowie einer unionsrechtskonformen Auslegung. Damit ist die Reichweite der Sanktionsnorm allein durch den parlamentarischen Gesetzgeber festgelegt. Der kompetenzwahrenden Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG wird genügt. b) Abweichende Beurteilung im Ordnungswidrigkeitenrecht? Im Ordnungswidrigkeitenrecht stellt die Rückverweisungsklausel wegen der weniger strengen Anforderungen, die aus der kompetenzwahrenden Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG folgen, kein besonderes Problem dar.105 Sie ist auch dann zulässig, wenn dem Verordnungsgeber eine Entschließungsfreiheit darüber zusteht, ob er eine rückverweisende Rechtsverordnung erlässt. Aus Perspektive des nationalen Rechts ist von einer solchen Entschließungsfreiheit auszugehen, da kein Bedürfnis danach besteht, die Ermächtigung zur rückverweisenden Rechtsverordnung einschränkend verfassungskonform auszulegen.106 An die unionsrechtlichen Vorgaben bleibt der Verordnungsgeber hingegen auch im Ordnungswidrigkeitenrecht gebunden. Er ist daher zur Ausfüllung mittels Rückverweises verpflichtet, soweit eine unionsrechtliche Sanktionierungspflicht besteht. Im Ergebnis ist die Entschließungsfreiheit also doch aufgehoben, auch wenn es in Bezug auf Art. 103 Abs. 2 GG nicht gefordert ist. 5. Abgleich mit Rechtsprechung des BVerfG Die hier entwickelte Lösung stimmt mit der Rechtsprechung des BVerfG insoweit überein, als die Rückverweisungsklausel im Ergebnis verfassungskonform ist. Auch der Weg hin zu diesem Ergebnis ist stärker als im nationalen Kontext von der Rechtsprechung gedeckt, da das BVerfG in seiner Entscheidung zum LFGB ebenfalls eine Verpflichtung des Verordnungsgebers annimmt. Ein entscheidender Unterschied besteht allerdings im unterschiedlichen Ausgangspunkt der Betrachtung: Während hier ein generelles durch die Rückverweisungsklausel entstehendes Problem ausgemacht worden ist, sieht das BVerfG keinen Unterschied zwischen dynamisch verweisenden Blankettstrafgesetzen mit und ohne Rückverweisungsklausel. 105  Vgl.

bereits oben S. 218. oben S. 218 ff.

106  Ausführlich



I. Die Rückverweisungsklausel267

Hieraus folgt ein Widerspruch innerhalb der Vorgehensweise des BVerfG: Legt man dessen Ausgangspunkt zugrunde, ist es nicht stimmig, überhaupt eine Verpflichtung des Verordnungsgebers zu thematisieren.107 Dass der Verordnungsgeber eventuell frei darin ist, untätig zu bleiben, bezieht das BVerfG nicht speziell auf die Rückverweisungstechnik, in dem Sinne, der Verordnungsgeber könne auf diese Weise unmittelbar über die Reichweite der Sanktionsnorm entscheiden (dies erkennt das BVerfG ja gar nicht). Stattdessen begreift es dies – insofern noch konsequent – als generelles Problem dynamischer Außenverweisungen.108 Indem es dieses vermeintlich generelle Problem jedoch über eine Verpflichtung des Verordnungsgebers löst, erweckt es den Eindruck, es müsse bei jeder dynamischen Außenverweisung, egal ob mit oder ohne Rückverweisungsklausel, eine Pflicht des Verordnungsgebers konstruiert werden, um die Verweisung als verfassungskonform betrachten zu können. Das ist aber falsch und entspricht auch sicher nicht der Intention des BVerfG.109 Eigentlich hätte das Gericht die Gefahr einer möglichen Untätigkeit als strukturelle Eigenschaft echter Blankettstrafgesetze abtun müssen, so wie es auch in der Literatur geschieht.110 Auf diese Weise ist das BVerfG, zumindest stillschweigend, noch im Beschluss zum RiFlEtikettG verfahren: Dort sieht es den Verordnungsgeber als „völlig frei“ in seinen Handlungsmöglichkeiten111 und thematisiert die Gefahr einer möglichen Untätigkeit nicht weiter, obgleich die unionsrechtliche Argumentation gleichermaßen gepasst hätte.112 Auf Basis der in dieser Arbeit vertretenen Meinung sind die Ausführungen in der Entscheidung zum LFGB gleichwohl zu begrüßen, weil sie jedenfalls indirekt auf das besondere Problem der Rückverweisungsklausel aufmerksam machen. Dieses zu erkennen, ist für das BVerfG von hier aus kein großer Schritt mehr.

107  Diese Inkonsequenz bemängelt auch Pohlreich, HRRS 2020, 481, 487, der freilich selbst kein besonderes Problem der Rückverweisungsklausel ausmacht. 108  Vgl. bereits oben S. 253 f. 109  Jedenfalls im nationalen Kontext der Rückverweisungstechnik ist aber eine Pflicht begründet (oben S. 204 ff.), insoweit liegt daher, entgegen Bülte, wistra 2020, 251, 252 und Pohlreich, HRRS 2020, 481, 487, kein Widerspruch vor. 110  Oben S. 175. 111  BVerfG 2 BvL 1/15, NJW 2016, 3648 Rn. 66. 112  Darauf hinweisend Pohlreich, HRRS 2020, 481, 487.

268 D. Beurteilung der unionsrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik

6. Folgen der verfassungs- und unionsrechtskonformen Auslegung Was die Folgen betrifft, die mit der verfassungs- und unionsrechtskonformen Auslegung im Strafrecht verbunden sind, gelten die dazu im nationalen Kontext angestellten Überlegungen grundsätzlich entsprechend.113 Insbesondere wird der parlamentarische Gesetzgeber auch mit dem Erlass eines unions­rechtsakzessorischen Blankettstrafgesetzes mit Rückverweisungsklausel nicht aus der weiteren Verantwortung für die Sanktionsnorm entlassen. Er hat vielmehr im Folgenden zu überwachen, ob der nationale Verordnungsgeber alle erforderlichen Rückverweisungen vornimmt. Um den Verordnungsgeber auf seine Verpflichtung aufmerksam zu machen, bietet es sich wiederum an, dies de lege ferenda im Wortlaut des Gesetzes klarzustellen. Dazu sollte die Ermächtigung, auf die das Blankettstrafgesetz Bezug nimmt, leicht angepasst werden: „Die Bundesregierung/Das Bundesministerium bezeichnet, soweit dies zur Durchsetzung der Rechtsakte der Europäischen Union erforderlich ist, durch Rechtsverordnung die Tatbestände, die als Straftat nach § x zu ahnden sind.“

Der Gesetzgeber muss sich zudem, wie im nationalen Kontext, bei Erlass des Blankettstrafgesetzes bewusst sein, die Sanktionsnorm abschließend zu bestimmen. Er muss sicherstellen, dass vom Blankettstrafgesetz nur die tatsächlich strafbedürftigen Fälle erfasst werden. Damit die Strafbarkeit nicht unvorhergesehen ausgedehnt wird, wenn der Verordnungsgeber verpflichtet ist, alle passenden unionalen Verhaltensnormen dem Anwendungsbereich des Blankettstrafgesetzes zu unterstellen (was dem Ultima-ratio-Grundsatz zuwiderliefe), muss das formelle Gesetz ausreichend eng gefasst sein. Ob die derzeit bestehenden Blankettstrafgesetze dem genügen, kann an dieser Stelle noch nicht gesagt werden.114 Es ist dazu erst noch die Verweisung auf Unions­recht im Tatbestand des Blankettgesetzes zu untersuchen. Diese Anforderungen gelten freilich nur, soweit dem Mitgliedstaat die Wahl der Sanktionsart überlassen bleibt. Zwingt das Unionsrecht zum Ein113  Oben

S. 224 ff. noch unten S. 279, 299. Was im Übrigen die Vereinbarkeit der verfassungs- und unionsrechtskonformen Auslegung mit dem Ultima-ratio-Grundsatz betrifft, richten sich dahingehende Bedenken auch im unionalen Kontext meist gegen den vorgelagerten Umstand, ob es überhaupt einer Strafdrohung bedarf (vgl. bereits oben S. 217). So zielte die im Hinblick auf den Ultima-ratio-Grundsatz geäußerte Kritik an § 10 Abs. 1 RiFlEtikettG (dazu Hamm, NJW 2016, 1537, 1538; anders Kretschmer, ZIS 2016, 763, 764) darauf, dass der Gesetzgeber hierfür eine Strafandrohung vorsah (und nicht darauf, dass der Verordnungsgeber dies infolge der rückverweisenden Rechtsverordnung tat). 114  Dazu



II. Die Verweisung auf Unionsrecht269

satz des Strafrechts, ist der nachgelagerte nationale Ultima-ratio-Grundsatz insoweit gar nicht anwendbar.115 Die verfassungs- und unionsrechtskonforme Auslegung beeinträchtigt im Übrigen nicht den Zweck, der speziell im unionalen Kontext mit der Rückverweisungsklausel verbunden wird, nämlich das nationale Strafrecht schnell an geändertes Unionsrecht anpassen zu können.116 Indem der Verordnungsgeber zum Erlass einer rückverweisenden Rechtsverordnung verpflichtet wird, ist schließlich gerade sichergestellt, dieses Ziel auch tatsächlich zu erreichen.

II. Die Verweisung auf Unionsrecht Mit der Rückverweisungsklausel ist bislang das Verhältnis von Blankettstrafgesetz und nationaler Rechtsverordnung untersucht worden. Nun soll die daneben bestehende Bezugnahme auf Unionsrecht in den Blick genommen werden. Auf Unionsrecht verweist das Blankettstrafgesetz in seinem Tatbestand, das heißt in seinem ersten Teil: „Mit … wird bestraft/Ordnungswidrig handelt, wer einer unmittelbar geltenden Vorschrift in Rechtsakten der Europäischen Union zuwiderhandelt […].“ Es handelt sich um eine dynamische, pauschale und halb-explizite Außenverweisung.117 Dass Blankettstrafgesetze überhaupt auf Unionsrecht und damit auf eine andere Rechtsordnung verweisen dürfen, ist anerkannt.118 Nach dem BVerfG dürfen solche Verweisungen nicht anders als Verweisungen auf nationales Recht beurteilt werden.119 Denn auch wenn hier verschiedene Rechtsordnungen betroffen seien, stünden diese „nicht unverbunden nebeneinander, sondern greifen auf mannigfache Weise ineinander.“120 Doch ist noch die 115  Auch auf unionaler Ebene dürfen strafrechtliche Vorgaben aber nur in zurückhaltender Weise gemacht werden, wie die in Art. 83 Abs. 2 AEUV geforderte Unerlässlichkeit im Speziellen und der Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in Art. 5 Abs. 1 S. 2, Abs. 3, 4 EUV im Allgemeinen zeigen. 116  Oben S. 66 f. 117  Oben S. 52 f. 118  BVerfG 2 BvL 5/17, NZWiSt 2020, 263, 271; Dannecker/Schuhr, in: LK, § 1 Rn. 145; Remmert, in: Dürig/Herzog/Scholz, Art. 103 Abs. 2 Rn. 115; Schuster, Strafnormen und Bezugsnormen, S. 327; Schützendübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 65. 119  BVerfG 2 BvR 618/68, NJW 1970, 2155, 2156; 2 BvR 871/04 u. a., wistra 2010, 396 Rn. 39; 2 BvL 1/15, NJW 2016, 3648 Rn. 42; 2 BvL 5/17, NZWiSt 2020, 263, 271. 120  BVerfG 2 BvL 1/15, NJW 2016, 3648 Rn. 42; 2 BvL 5/17, NZWiSt 2020, 263, 271; vergleichbar BVerfG 2 BvR 618/68, NJW 1970, 2155, 2156; 2 BvR 871/04 u. a., wistra 2010, 396 Rn. 39.

270 D. Beurteilung der unionsrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik

konkrete Ausgestaltung der Verweisung zu untersuchen, das heißt ihr dynamischer, pauschaler und halb-expliziter Charakter. An dieser Unterscheidung orientiert sich die nachstehende Untersuchung. Weil das Verweisungsobjekt einer anderen Rechtsordnung entstammt, kann dabei, auch wenn es beim BVerfG anders anklingt, nicht einfach auf die Ergebnisse des vorigen Ka­ pitels verwiesen werden, wonach die gleich ausgestaltete Verweisung auf natio­nale Rechtsverordnungen zulässig ist.121 Vielmehr sind eigene Erwägungen nötig. 1. Ausgestaltung als dynamische Außenverweisung Die dynamische Ausgestaltung der Außenverweisung auf Unionsrecht ist mit Blick auf Art. 103 Abs. 2 GG fraglich. Die heute überwiegende Meinung erkennt sie als grundsätzlich zulässig an,122 doch auch nicht wenige sprechen sich für ihre Verfassungswidrigkeit aus.123 Zur näheren Untersuchung ist zwischen den beiden Komponenten des Art. 103 Abs. 2 GG zu trennen. 121  Vgl.

Satzger, Europäisierung, S. 252. 2 BvR 871/04 u. a., wistra 2010, 396 Rn. 39 f., 56 f.; 2 BvL 1/15, NJW 2016, 3648 Rn. 43, 45; 2 BvL 5/17, NZWiSt 2020, 263, 272; Cornelius, Verweisungsbedingte Akzessorietät, S. 397 f., 402; Dannecker/Schuhr, in: LK, § 1 Rn. 159; Dorneck, in: Stam/Werkmeister, Der Allgemeine Teil des Strafrechts, 9, 27; Ernst, Blankettstrafgesetze, S. 223, 226 f.; Harms/Heine, in: FS Amelung, 393, 395 f.; Niehaus, wistra 2004, 206, 208; Sackreuther, in: GJW, Vor §§ 58–61 LFGB Rn. 25; Schmitz, in: MüKo-StGB, § 1 Rn. 68; Schuster, Strafnormen und Bezugsnormen, S. 332; ders., in: Hilgendorf/Kudlich/Valerius, Handbuch des Strafrechts, Bd. 1, § 4 Rn. 22; i. Erg. auch Krey, EWR 1981, 109, der dynamische Verweisungen auf EUVerordnungen zwar grundsätzlich für verfassungswidrig hält (a. a. O., 149), davon aber von ihm so bezeichnete normkonkretisierende Verweisungen ausnimmt (a. a. O., 158 f., 187), ebenso Moll, Europäisches Strafrecht, S. 154, 194 f. 123  OLG Koblenz 1 Ss 544/88, ZLR 1989, 197, 199; Diversy/Köpferl, in: GJW, Vor §§ 38, 39 WpHG Rn. 8; Enderle, Blankettstrafgesetze, S. 200, 266; Esser, in: ERST, § 1 StGB Rn. 24; Hecker, Europäisches Strafrecht, Kap. 7 Rn. 67 (mit einer Ausnahme für Bereiche des Expertenstrafrechts); Hohmann, ZIS 2007, 38, 45; Koch, ZLR 1989, 199, 202; Krach, Europäisierung, S. 215 f.; Roxin/Greco, Strafrecht AT/I, § 5 Rn. 88; H. Wolff, in: Merten/Papier, Handbuch der Grundrechte, Bd. V, § 134 Rn. 86; Bülte, JuS 2015, 769, 772, der dynamische Verweisungen in statische umdeuten möchten; Satzger, Europäisierung, S. 263 f. (mit einer Ausnahme, sofern sich eine Norm des Expertenstrafrechts an einen klar abgegrenzten Adressatenkreis richtet, dem es aufgrund seiner Tätigkeit zumutbar ist, sich über Unionsrecht zu informieren, oder ein Tatbestand mit geringer Strafandrohung in Rede steht), ebenso ders., in: Sieber/Satzger/von Heintschel-Heinegg, Europäisches Strafrecht, § 9 Rn. 33, ders./ Langheld, HRRS 2011, 460, 463 f., Ambos, Internationales Strafrecht, § 11 Rn. 33; dagegen offengelassen bei Satzger, in: SSW, § 1 Rn. 65; im nichtstrafrechtlichen Zusammenhang wohl auch Fuß, in: FS Paulick, 293, 299 ff.; vgl. ferner die Entscheidung OLG Koblenz 1 Ss 567/88, NStZ 1989, 188, 189, die vom gleichen Senat wie die zu Beginn dieser Fn. angeführte Entscheidung stammt, allerdings nicht gleicher122  BVerfG



II. Die Verweisung auf Unionsrecht271

a) Vorbehalt des formellen Gesetzes (kompetenzwahrende Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG) Begonnen werden soll mit der Prüfung, ob die kompetenzwahrende Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG eingehalten ist. aa) Relevanz dieser Prüfung Vorab muss jedoch erklärt werden, warum dies überhaupt geprüft wird. Im Rahmen der Rückverweisungstechnik kann Unionsrecht schließlich nie unmittelbar zum Ausfüllungsobjekt eines Blankettstrafgesetzes werden: Erlässt der Unionsgesetzgeber eine Verhaltensnorm, ist diese nicht automatisch durch das Blankettstrafgesetz bewehrt. Es muss dafür erst noch der nationale Verordnungsgeber für die Verhaltensnorm auf das Strafgesetz zurückverweisen. Wegen dieser Zwischenschaltung des Verordnungsgebers ließe sich einwenden, ein etwaiger Kompetenzkonflikt könne gar nicht zwischen nationalem Gesetzgeber und Unionsgesetzgeber entstehen, sondern nur zwischen nationalem Gesetzgeber und nationalem Verordnungsgeber. In der auf die Rückverweisungstechnik bezogenen Literatur wird dementsprechend zumeist nur dieses Verhältnis problematisiert,124 das hier bereits mit Prüfung der Rückverweisungsklausel abgehandelt worden ist. Ebenso macht es das BVerfG. In den Entscheidungen zum RiFlEtikettG und LFGB stellt es im Rahmen der abstrakten Ausführungen zum Prüfungsmaßstab zwar (unter anderem) die Anforderungen an Verweisungen auf Unionsrecht dar.125 Im Folgenden greift es diese aber nicht mehr auf, sondern prüft allein, ob der nationale Verordnungsgeber einen zu großen Einfluss erlangt.126

maßen eindeutig ist: Das OLG meint zwar, es sei verfassungswidrig, wenn der Gesetzgeber „bestimmen würde, daß die jeweils in Kraft befindliche Verordnung der EWG gelte“, bezieht das aber auf eine Änderung des „betreffenden“ Gesetzes und muss deshalb nicht notwendig verallgemeinert verstanden werden, zumal das OLG zuvor Krey zustimmt, der dynamische Verweisungen in Grenzen für zulässig hält, vgl. Fn. 122. 124  Vgl. etwa Hecker, Europäisches Strafrecht, Kap. 7 Rn. 73; Schützendübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 313 ff. Cornelius, Verweisungsbedingte Akzessorietät, S.  405 ff., ders., NStZ 2017, 682, 688 stellt auf die Anforderungen einer Verweisung auf nationale Rechtsverordnungen ab, an anderer Stelle (Verweisungsbedingte Akzessorietät, S. 410 f.; NStZ 2017, 682, 687) aber doch auf die Anforderungen einer Verweisung auf Unionsrecht. 125  BVerfG 2 BvL 1/15, NJW 2016, 3648 Rn. 42, 45, 47; 2 BvL 5/17, NZWiSt 2020, 263, 271, 272. 126  BVerfG 2 BvL 1/15, NJW 2016, 3648 Rn. 51 f.; 2 BvL 5/17, NZWiSt 2020, 263, 272 ff., dazu bereits oben S. 246 ff., 251 ff.

272 D. Beurteilung der unionsrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik

Problematisierte man unter dem Aspekt der kompetenzwahrenden Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG aber allein das Verhältnis von Gesetz- und Verordnungsgeber, würde damit verkannt, was oben bereits festgestellt worden ist: Der Einfluss des nationalen Verordnungsgebers ist darauf beschränkt, die Reichweite der Sanktionsnorm festzulegen. An der Verhaltensnorm wirkt er nicht mit, sie wird allein vom Unionsgesetzgeber ausgestaltet.127 In Bezug auf die Verhaltensnorm werden also Rechtsetzungsbefugnisse nicht auf die nationale Exekutive, sondern auf die EU verlagert. An diesem Ergebnis könnte allerdings noch aus einem weiteren Grund gezweifelt werden: Der nationale Verordnungsgeber nimmt die unionale Verhaltensnorm in seiner rückverweisenden Rechtsverordnung statisch in ­ Bezug.128 Eine statische Verweisung auf Unionsrecht verlagert eigentlich keine Rechtsetzungsbefugnisse,129 da die verweisende Instanz auf eine bereits existente Vorschrift Bezug nimmt und sie dadurch in ihren Willen aufnimmt.130 Wie die Untersuchung der Rückverweisungsklausel ergeben hat, ist der Verordnungsgeber aber dazu gezwungen, die statische Verweisung vorzunehmen: Er muss in seiner Rechtsverordnung jede ausfüllungsgeeignete Verhaltensnorm unter Rückverweis auf das Strafgesetz benennen. Die statische Verweisung erweist sich aus Sicht der kompetenzwahrenden Komponente mithin als lediglich formaler Zwischenschritt, der nicht geeignet ist, einer Verlagerung von Rechtsetzungsbefugnissen vorzubeugen. Mit ihr wird schlicht eine Anordnung des parlamentarischen Gesetzgebers vollzogen. Somit kann es allein auf die Begrenzung ankommen, die der parlamentarische Gesetzgeber getroffen hat. Dieser aber verweist im Blankettstrafgesetz dynamisch auf Unionsrecht. Diese dynamische Verweisung ist daher im Folgenden zu prüfen. Zwischen Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht muss dabei nicht differenziert werden. Denn wie gesehen betrifft die Verweisung allein die Verhaltensnorm. Im Hinblick darauf, wie die bewehrten Verhaltensnormen im formellen Gesetz definiert sein müssen, stellt die kompetenzwahrende Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG im Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht die gleichen Anforderungen.131

127  Oben

S. 255. S. 53 f. 129  Bezogen auf statische Verweisungen im formellen Gesetz Krey, EWR 1981, 109, 141; Safferling, Internationales Strafrecht, § 11 Rn. 67; dies verkennen Jäger, in: SK, § 1 Rn. 30 und Schmitz, in: MüKo-StGB, § 1 Rn. 68. 130  Bezogen auf statische Verweisungen im formellen Gesetz BGH 5 StR 532/16, NJW 2017, 966 Rn. 17; Dorneck, in: Stam/Werkmeister, Der Allgemeine Teil des Strafrechts, 9, 13; Enderle, Blankettstrafgesetze, S. 266; Satzger, in: SSW, § 1 Rn. 65. 131  Oben S. 112. 128  Oben



II. Die Verweisung auf Unionsrecht273

bb) Generelle Zulässigkeit Aus Perspektive des Parlamentsvorbehalts des Art. 103 Abs. 2 GG wäre die Verweisung unproblematisch, wenn Verordnungen der EU mit nationalen formellen Gesetzen gleichgesetzt werden könnten. Das wird aber zu Recht abgelehnt.132 Zwar ist am Erlass einer unionalen Verordnung im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren133 nach Art. 294 AEUV das Europäische Parlament beteiligt und somit ein unmittelbar durch die Unionsbürger gewähltes Organ (vgl. Art. 14 Abs. 3 EUV). Das Europäische Parlament hat jedoch kein allgemeines Initiativrecht (vgl. Art. 294 Abs. 2 AEUV) und ist zudem auf die Mitwirkung des Rats angewiesen.134 Ferner ist es degressiv proportional zusammengesetzt (Art. 14 Abs. 2 UAbs. 1 S. 3 EUV), das heißt, bei Verteilung der Wählerstimmen auf die einzelnen Mandate wird je nach Mitgliedstaat unterschieden. Auf bevölkerungsreiche Mitgliedstaaten entfallen, relativ zur Einwohnerzahl gesehen, weniger Abgeordnete im Vergleich zu bevöl­ kerungsschwachen Mitgliedstaaten. Das Prinzip der Wahlgleichheit ist damit nicht voll verwirklicht.135 Ob dies demokratischen Anforderungen auf Unions­ebene entspricht, muss nicht näher untersucht werden. Entscheidend ist allein, dass das Europäische Parlament deshalb im Vergleich zur nationalen Ebene weniger stark demokratisch legitimiert ist.136 Nimmt das Strafgesetz dynamisch auf EU-Verordnungen Bezug, entsteht daher eine den Verweisungen auf nationale Rechtsverordnungen vergleichbare Problemlage: Es erlangt eine Instanz Einfluss auf die Strafgesetzgebung, der dies im Grundsatz verfassungsrechtlich verwehrt ist.137 Dem entspricht es aus unionaler Perspektive, dass der EU jedenfalls keine generelle Strafrechtsetzungskompetenz übertragen worden ist.138 132  Heger, in: Böse, Europäisches Strafrecht, § 5 Rn. 65; Hüfler, RIW/AWD 1979, 133; Schuster, Strafnormen und Bezugsnormen, S. 332; M. Wagner, Akzesso­rietät, Rn. 568. 133  Im besonderen Gesetzgebungsverfahren (Art. 289 Abs. 2 AEUV) ist die Mitwirkung des Parlaments dagegen zumeist geringer, vgl. dazu Krajewski/Rösslein, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 289 AEUV Rn. 49 ff. 134  Hecker, Europäisches Strafrecht, Kap. 4 Rn. 17; Kaufhold, in: Dauses/Ludwigs, A. II. Rn. 108. Im Falle des Art. 294 Abs. 7 lit. a AEUV muss das Parlament sogar nicht einmal aktiv zustimmen. 135  BVerfG 2 BvE 2/08 u. a., NJW 2009, 2267 Rn. 281 ff.; Nettesheim, in: Grabitz/ Hilf/Nettesheim, Art. 10 EUV Rn. 68 f.; Plump, Europäisches Strafrecht, S. 108 f., 153; vgl. Rieckhoff, Vorbehalt des Gesetzes, S. 100. 136  BVerfG 2 BvE 2/08 u. a., NJW 2009, 2267 Rn. 276 ff.; Hecker, Europäisches Strafrecht, Kap. 4 Rn. 17. 137  Schützendübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 271 (jedoch mit leicht anderer Herleitung). 138  Dazu oben S. 56 f.

274 D. Beurteilung der unionsrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik

Die Verlagerung von Gesetzgebungsbefugnissen ist indes auch hier begrenzt, wenn der nationale parlamentarische Gesetzgeber die wesentlichen Entscheidungen selbst getroffen hat. Zur Beurteilung, wann dies der Fall ist, überträgt die herrschende Meinung, darunter das BVerfG, die zu Verweisungen auf nationale Rechtsverordnungen entwickelten Anforderungen.139 Dementsprechend müsste der Gesetzgeber die erfassten Verhaltensnormen zumindest durch das geschützte Rechtsgut und eine grobe Handlungsumschreibung charakterisieren.140 Teilweise werden demgegenüber die Anforderungen im unionalen Kontext herabgesetzt: Weil EU-Verordnungen stärker demokratisch legitimiert seien als nationale Rechtsverordnungen, könne ein größerer Teil der Regelung auf unionaler Ebene getroffen werden.141 Der nationale Gesetzgeber müsse zwar weiterhin das geschützte Rechtsgut festlegen.142 Im Übrigen genüge es zur näheren Bestimmung der Verhaltensnormen aber, wenn er statt einer Verhaltensbeschreibung einen genau bezeichneten Aufgabenbereich der EU nenne, wie beispielsweise das Wein- oder Außenwirtschaftsrecht.143 Die dem zugrunde liegende Annahme, eine EU-Verordnung sei stärker demokratisch legitimiert, erweist sich im Grundsatz als zutreffend. Grund dafür ist die bei ihrem Erlass notwendige Beteiligung des Europäischen Parlaments. Auch wenn dessen demokratische Legitimation nicht die des Bundestags erreicht – eine vergleichbare Beteiligung durch unmittelbar gewählte Vertreter gibt es im Erlassverfahren nationaler Rechtsverordnungen nicht. Freilich scheint dafür an anderer Stelle demokratischer Einfluss verloren zu gehen: Die EU kann über ihre Anweisungskompetenz aus Art. 83 AEUV Vorgaben machen, die den nationalen Gesetzgeber binden. Indes ist dies 139  BVerfG 2 BvR 1086/77, RIW/AWD 1979, 132, 133; 2 BvR 871/04 u. a., wistra 2010, 396 Rn. 57; 2 BvL 1/15, NJW 2016, 3648 Rn. 45 ff.; 2 BvL 5/17, NZWiSt 2020, 263, 272; Ambos, Internationales Strafrecht, § 11 Rn. 33; Harms/Heine, in: FS Amelung, 393, 395; Hecker, Europäisches Strafrecht, Kap. 7 Rn. 62 Fn. 70; Knierim, in: ERST, Vor §§ 58–61 LFGB Rn. 5; Krey, EWR 1981, 109, 186; Satzger, Europäisierung, S. 260; Schützendübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 270 f.; Veit, Rezeption technischer Regeln, S. 103 f. 140  Dazu oben S. 98 ff. Dass der Gesetzgeber auch die Sanktionsnorm abschließend festlegen muss, ist an dieser Stelle nicht relevant, weil die Verweisung auf Unionsrecht allein die Verhaltensnorm betrifft, oben S. 255, 272. 141  Cornelius, Verweisungsbedingte Akzessorietät, S.  398 ff.; ders., NStZ 2017, 682, 686 f.; diese Überlegung findet sich auch bei Böse, in: FS Krey, 7, 16 f. sowie Schuster, Strafnormen und Bezugsnormen, S. 332 f., ders., in: Hilgendorf/Kudlich/ Valerius, Handbuch des Strafrechts, Bd. 1, § 4 Rn. 22, beide nehmen daraus aber keine konkreten Ableitungen für den Prüfungsmaßstab vor. 142  Cornelius, Verweisungsbedingte Akzessorietät, S.  399 f.; ders., in: GJW, Vor §§ 17–20 AWG Rn. 80; ders., NStZ 2017, 682, 686 f. 143  Cornelius, Verweisungsbedingte Akzessorietät, S. 399.



II. Die Verweisung auf Unionsrecht275

Folge der nach Art. 23 Abs. 1 GG zulässigen Delegation von Hoheitsrechten auf die supranationale Ebene.144 Die Union bewegt sich hier also innerhalb der ihr zustehenden Kompetenzen. Soweit dies der Fall ist, werden aber keine Gesetzgebungsbefugnisse verlagert.145 Insoweit unterscheidet sich das Verhältnis zwischen nationalem Parlament und Unionsgesetzgeber von demjenigen zwischen nationalem Parlament und nationalem Verordnungsgeber. Jedoch erfasst ein unionsrechtsakzessorisches Blankettstrafgesetz mit Rückverweisungsklausel nicht ausschließlich Vorschriften aus EU-Verordnungen, an deren Erlass das Europäische Parlament unmittelbar beteiligt war. Auch Vorschriften aus delegierten Verordnungen und Durchführungsverordnungen sind geeignete Ausfüllungsobjekte.146 Ihnen kommt aber keine höhere demokratische Legitimation zu: Delegierte Verordnungen ähneln einer Rechtsverordnung im deutschen Sinne.147 Sie werden von der Kommission erlassen, um unionale Rechtsakte zu ergänzen oder zu ändern (Art. 290 Abs. 1 AEUV). Das Europäische Parlament hat zwar gewisse Kontrollmöglichkeiten (vgl. Art. 290 Abs. 2 AEUV),148 ist an ihrer Entstehung aber nicht in vergleichbar unmittelbarer Weise wie bei herkömmlichen Verordnungen beteiligt.149 Auch Durchführungsverordnungen obliegen der Kommission, in Ausnahmefällen dem Rat (Art. 291 Abs. 2 AEUV). Hier nehmen die Mitgliedstaaten gewisse Kontrollrechte wahr (vgl. Art. 291 Abs. 3 AEUV),150 an der Beteiligung eines unmittelbar demokratisch legitimierten Organs fehlt es indes.151 Dass das Blankettstrafgesetz faktisch zumeist nicht durch eine delegierte Verordnung oder Durchführungsverordnung, sondern durch eine unter unmittelbarer Beteiligung des Europäischen Parlaments erlassene Verordnung ausgefüllt wird, spielt dabei keine Rolle. Denn der nationale parlamentarische Gesetzgeber hat keine rechtlichen Vorkehrungen getroffen, damit nur diese letzteren Verordnungen zum Ausfüllungsobjekt werden können. Sobald in 144  Vgl. Böse, in: FS Krey, 7, 17; ähnlich Heger, in: Böse, Europäisches Strafrecht, § 5 Rn. 67; zur Zulässigkeit BVerfG 2 BvE 2/08 u. a., NJW 2009, 2267 Rn.  352 ff. 145  Cornelius, Verweisungsbedingte Akzessorietät, S. 397; ders., NStZ 2017, 682, 685 f. 146  Oben S. 49 f. 147  Gellermann, in: Streinz, Art. 290 AEUV Rn. 2; Sydow, JZ 2012, 157, 159. 148  Hierzu Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 290 AEUV Rn. 60  ff.; Ruffert, in: Calliess/Ruffert, Art. 290 AEUV Rn. 22 ff. 149  Vgl. Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 290 AEUV Rn. 2: keine erhöhte demokratisch-parlamentarische Dignität delegierter Rechtsakte. 150  Näher bestimmt in der VO (EU) Nr. 182/2011. 151  Das Europäische Parlament hat nur ein Informations- und Hinweisrecht, vgl. Art. 10 Abs. 3, 4, Art. 11 VO (EU) Nr. 182/2011.

276 D. Beurteilung der unionsrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik

dem vom Blankettstrafgesetz erfassten Bereich eine delegierte Verordnung oder eine Durchführungsverordnung erlassen wird, vermag auch sie das Gesetz auszufüllen. Im Rahmen der Rückverweisungstechnik können die Anforderungen der kompetenzwahrenden Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG demnach nicht herabgesetzt werden. Unter den wesentlichen Voraussetzungen der Strafbarkeit, die der parlamentarische Gesetzgeber zu treffen hat, ist vielmehr das Gleiche zu verstehen wie bei Verweisungen auf nationale Rechtsverordnungen. cc) Anwendung auf die Rückverweisungstechnik Es gilt nun, unionsrechtsakzessorische Blankettstrafgesetze an diesen Maßstäben zu messen. Dabei werden an dieser Stelle nur Gesetze geprüft, die nicht auch eine Entsprechungsklausel enthalten. Betroffen sind insofern hauptsächlich solche des Ordnungswidrigkeitenrechts. Inwiefern die insbesondere in Strafgesetzen zumeist verwendete Entsprechungsklausel in diesem Zusammenhang Einfluss nimmt, ist später genauer zu untersuchen.152 Blankettgesetze mit Rückverweisungsklausel (aber ohne Entsprechungsklausel) stellen in ihrem Tatbestand typischerweise auf ein Zuwiderhandeln unionaler Vorschriften ab. Letztere werden nur darüber charakterisiert, dass sie einem bestimmten näher bezeichneten Aufgabenbereich entstammen oder den Anwendungsbereich des jeweiligen Gesetzes betreffen müssen. Beispielhaft ist insoweit § 26 Abs. 1 Nr. 11 S. 1 ChemG. § 26 Abs. 1 Nr. 11 S. 1 ChemG: „Ordnungswidrig handelt, wer […] einer unmittelbar geltenden Vorschrift in Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaften oder der Europäischen Union zuwiderhandelt, die Sachbereiche dieses Gesetzes betrifft, soweit eine Rechtsverordnung nach Satz 2 für einen bestimmten Tatbestand auf diese Bußgeldvorschrift verweist und die Zuwiderhandlung nicht nach § 27 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 als Straftat geahndet werden kann.“153

Versteht man den Verweis auf „Sachbereiche dieses Gesetzes“ als Begrenzung auf die in § 1 ChemG genannten Zwecke, den Schutz vor Gefahren für die Gesundheit und die Umwelt,154 ist damit zumindest das geschützte Rechtsgut festgelegt.155 Schon diese Lesart des Begriffs der „Sachbereiche“ begegnet jedoch Zweifeln. Jedenfalls aber werden die erfassten Handlungsweisen nicht näher bestimmt. Auch die Ermächtigungsgrundlage, auf die in 152  Unten

S. 296 ff. hier enthaltenen, an dieser Stelle noch nicht interessierenden Subsidiaritätsklausel unten S. 331 ff. 154  Vgl. auch § 3a Abs. 1 ChemG. 155  In diese Richtung Glaser, in: GJW, Vor §§ 26–27d ChemG Rn. 4. 153  Zur



II. Die Verweisung auf Unionsrecht277

der Rückverweisungsklausel verwiesen wird, hilft nicht weiter. In ihrer typischerweise verwendeten Formulierung grenzt sie die unionalen Verhaltensnormen, die der nationale Verordnungsgeber bezeichnen muss, nur dahingehend ein, dass eine Bewehrung zur Durchsetzung von Unionsrecht erforderlich sein muss. Das kann wiederum anhand des ChemG gezeigt werden. § 26 Abs. 1 Nr. 11 S. 2 ChemG: „Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die einzelnen Tatbestände der Rechtsakte, die nach Satz 1 als Ordnungswidrigkeiten mit Geldbuße geahndet werden können, zu bezeichnen, soweit dies zur Durchführung der Rechtsakte erforderlich ist.“

Auch insoweit fehlt es also an Angaben zu den erfassten Verhaltensweisen. Die dynamische Verweisung auf Unionsrecht genügt damit nicht der kompetenzwahrenden Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG.156 Mit gleicher Begründung erweisen sich eine Vielzahl weiterer, ähnlich gestalteter Blankettgesetze als verfassungswidrig. Beispielsweise genannt werden können die Blankettordnungswidrigkeitengesetze der § 14 Abs. 2 Nr. 6 DüG, § 8 Abs. 1 Nr. 4 FischEtikettG, § 58 Abs. 1 Nr. 13 LuftVG und § 32 Abs. 2 Nr. 8 TierGesG. Selbst wenn das Blankettgesetz bereits eine konkrete EU-Verordnung benennt, wie etwa in § 8 Abs. 1 Nr. 1 lit. b, Nr. 2 lit. b, Nr. 4 lit. b FPersG, ist es noch zu offen formuliert. Schließlich verstieß auch die im Blankettstrafgesetz des § 10 Abs. 1 RiFl­ EtikettG a. F. verwendete Verweisung gegen die kompetenzwahrende Komponente. Die formellgesetzlichen §§ 1 Abs. 1, 10 Abs. 1, 3 RiFlEtikettG157 bestimmten zusammengenommen nur, es werde derjenige bestraft, der einer unmittelbar anwendbaren unionsrechtlichen Vorschrift über die Etikettierung von Rindfleisch zuwiderhandle. Damit war weder das geschützte Rechtsgut erkennbar noch das strafbare Verhalten auch nur grob umschrieben.158 Insofern hat das BVerfG das Gesetz zu Recht für nichtig erklärt.159 Zugleich bestätigt sich das oben gefundene Ergebnis, wonach das Gericht die Verfassungswidrigkeit nicht auf den Einsatz einer Rückverweisungsklausel im Allgemeinen gestützt hat.160 Es zeigt sich hier ein grundlegender Unterschied zur nationalrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik. Das Blankettgesetz ist zwar in beiden Anwendungsbereichen der Rückverweisungstechnik ähnlich offen gefasst. Im nationalen Kontext gelingt es dem parlamentarischen Gesetzgeber indes 156  I. Erg.

auch Schützendübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 324 f. Normtext oben S. 246. 158  Heger/Widmann, EuR 2021, 356, 363; hinsichtlich des fehlenden Rechtsguts auch Cornelius, NStZ 2017, 682, 687. 159  Oben S. 246. 160  Oben S. 248 f. 157  Zum

278 D. Beurteilung der unionsrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik

ganz überwiegend, die wesentlichen Voraussetzungen der Strafbarkeit festzulegen, indem er die Ermächtigung des Verordnungsgebers ausreichend eng gestaltet.161 Im unionalen Kontext fehlt es an einer vergleichbar eng gefassten Ermächtigung.162 Darin liegt das entscheidende Problem dieser Blankettgesetze. Nur in einzelnen Gesetzen ist die dynamische Verweisung durch Festlegung der wesentlichen Voraussetzungen ausreichend eingegrenzt. Hilfreich ist es insofern, wenn das Blankettstrafgesetz, entgegen seiner typischen Formulierung, nicht allein auf ein Zuwiderhandeln abstellt, sondern das strafbare Verhalten bereits näher beschreibt. So ist es etwa in § 49 S. 1 Nr. 6 WeinG. § 49 S. 1 Nr. 6 WeinG: „Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer entgegen einer unmittelbar geltenden Vorschrift in Rechtsakten […] der Europäischen Union ein Erzeugnis mit irreführenden Bezeichnungen, Hinweisen, sonstigen Angaben oder Aufmachungen in den Verkehr bringt, einführt, ausführt oder zum Gegenstand der Werbung macht, soweit eine Rechtsverordnung nach § 51 für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift verweist […].“

Hier gibt das Blankettgesetz das strafbare Verhalten in grober Form vor, ergänzt wird dies durch die Definitionen in § 2 Nr. 1, 18–20 WeinG. Das Gesetz gibt außerdem zu erkennen, den Verbraucher vor Irreführung bewahren zu wollen, mithin dessen Dispositionsfreiheit zu schützen.163 Der Einfluss des unionalen Gesetzgebers ist folglich begrenzt, die kompetenzwahrende Komponente ist gewahrt.164 Freilich gibt es auch Blankettgesetze, die trotz näherer Verhaltensumschreibung nicht der kompetenzwahrenden Komponente genügen. Beispielsweise sind in § 48 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 WeinG über den Verweis auf Nr. 1 die zu sanktionierenden Verhaltensweisen erkennbar, es bleibt aber unklar, welches Rechtsgut überhaupt geschützt werden soll. § 48 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 WeinG: „Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer […] in anderen als den in Nummer 4, § 49 Satz 1 Nummer 6 oder Nummer 7 bezeichneten Fällen entgegen einer unmittelbar geltenden Vorschrift in Rechtsakten der […] Europäischen Union eine der in Nummer 1 bezeichneten Handlungen begeht, soweit eine Rechtsverordnung nach § 51 für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift verweist […].“165

161  Oben

S. 161.

Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 324. Schützendübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 327 f.; a.  A. Cornelius, Verweisungsbedingte Akzessorietät, S. 408: kein Rechtsgut festgelegt. 164  Zu einem weiteren Beispiel (§ 382 Abs. 1 AO) noch unten S. 331. 165  Zur hier enthaltenen, an dieser Stelle noch nicht interessierenden tatbestand­ lichen Abgrenzungsklausel unten S. 327 ff. 162  Schützendübel, 163  Ähnlich



II. Die Verweisung auf Unionsrecht279

Unterm Strich hat der parlamentarische Gesetzgeber folglich bei der Mehrzahl aller unionsrechtsakzessorischen Blankettgesetze mit Rückverweisungs-, aber ohne Entsprechungsklausel die wesentlichen Voraussetzungen der Strafbarkeit nicht festgelegt. Die in ihnen verwendete dynamische Verweisung verstößt gegen die kompetenzwahrende Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG. Ist hiervon ein Blankettgesetz des Strafrechts betroffen, wie in § 48 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 WeinG, spricht viel dafür, dass in der Folge auch die dort verwendete Rückverweisungsklausel verfassungswidrig ist. Der oben vorgenommenen verfassungs- beziehungsweise unionsrechtskonformen Auslegung, wonach der Verordnungsgeber zum Tätigwerden verpflichtet ist, steht dann der Ultima-ratio-Grundsatz entgegen (sofern man ihn in der Verfassung verankert sieht).166 Denn hat der Gesetzgeber nicht einmal die wesentlichen Voraussetzungen im Sinne des Art. 103 Abs. 2 GG festgelegt, müsste der Verordnungsgeber eine Vielzahl verschiedener unionaler Verhaltensnormen über den Rückverweis dem Blankettstrafgesetz zuordnen. Die Strafbarkeit würde dadurch überaus ausgedehnt. Hierzu muss freilich nicht abschließend Stellung genommen werden. Schließlich ist das Blankettstrafgesetz in diesem Fall bereits wegen der dynamischen Verweisung auf Unionsrecht nichtig. dd) Zwischenergebnis Abstrakt gesehen kann eine dynamische Verweisung auf Unionsrecht zulässig sein: Der Gesetzgeber muss dazu, ebenso wie bei einer dynamischen Verweisung auf nationale Rechtsverordnungen, im formellen Gesetz das geschützte Rechtsgut festlegen und eine ungefähre Verhaltensbeschreibung liefern. Bei konkreter Betrachtung der derzeit bestehenden Blankettgesetze mit Rückverweisungsklausel zeigt sich indes, dass die dynamische Verweisung dann, wenn nicht auch eine Entsprechungsklausel verwendet wird, häufig nicht diesen Anforderungen genügt und damit verfassungswidrig ist.

166  Zum Ultima-ratio-Grundsatz oben S. 213  ff. Mit der unionsrechtskonformen Auslegung kann ein Widerspruch zum Ultima-ratio-Grundsatz nicht überwunden werden, weil sie anerkanntermaßen nur innerhalb der Grenzen des nach nationalem (Verfassungs-)Recht Möglichen zum Einsatz kommt, vgl. EuGH C-14/83, Slg. 1984, 1891 Rn. 28 – „Von Colson und Kamann/Land Nordrhein-Westfalen“.

280 D. Beurteilung der unionsrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik

b) Bestimmtheitsgebot (freiheitsgewährleistende Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG) aa) Relevanz dieser Prüfung Geht es darum, ob der Normadressat die im Wege der dynamischen Verweisung begründete Strafbarkeit vorhersehen kann, steht wiederum zunächst in Rede, ob dies überhaupt geprüft werden muss. Geschuldet ist dies einmal mehr dem Umstand, dass erst der nationale Verordnungsgeber die unionale Verhaltensnorm mit der nationalen Sanktionsnorm verschaltet. Dieser verweist dabei – im Gegensatz zum Gesetzgeber – nicht dynamisch, sondern statisch auf das Unionsrecht.167 Im Rahmen der kompetenzwahrenden Komponente konnte diese statische Verweisung nicht berücksichtigt werden, weil sie zwingend vorzunehmen ist und daher eine Verlagerung von Rechtsetzungsbefugnissen nicht verhindern kann. Hinsichtlich der Erkennbarkeit der Strafandrohung spielt diese Erwägung aber keine Rolle. Der Normadressat kann sich vielmehr allein an der statischen Verweisung in der Rechtsverordnung orientieren und die dynamische im Blankettstrafgesetz außer Acht lassen. Alle Bedenken, die im All­ gemeinen bezüglich der Vereinbarkeit einer dynamischen Verweisung auf Unions­ recht mit dem Bestimmtheitsgebot geäußert werden,168 sind damit innerhalb der Rückverweisungstechnik von vornherein irrelevant. Die statische Verweisung gleicht gewissermaßen die dynamische aus.169 Zu diskutieren bleibt nur noch, ob aus der Bezugnahme auf Unionsrecht Probleme folgen, die allgemeiner Art sind, das heißt nicht speziell für dynamische, sondern auch für statische Verweisungen gelten. Nur um solche geht es im Folgenden. Dabei gelten die Ausführungen für das Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht gleichermaßen, da die freiheitsgewährleistende Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG in beiden Rechtsgebieten dieselben Anforderungen stellt.170

167  Oben

S. 53 f. Safferling, Internationales Strafrecht, § 11 Rn. 67; Satzger, JuS 2004, 943, 948; ders., Internationales und Europäisches Strafrecht, § 9 Rn. 78 f. 169  Vgl. Schützendübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 272; hingegen problematisiert Satzger, Europäisierung, S. 282 die Vereinbarkeit der dynamischen Verweisung mit dem Bestimmtheitsgebot. 170  Oben S. 109. 168  Dazu



II. Die Verweisung auf Unionsrecht281

bb) Verweisung in andere autonome Rechtsordnung Weil die Verweisung in eine andere autonome Rechtsordnung führt, wird kritisch eingewandt, der Normadressat werde mit einer ihm fremden Regelungstechnik konfrontiert.171 Dieser Gedanke erstaunt: Die unionale Rechtsordnung ist keine dem Normadressaten fremde Rechtsordnung,172 sondern genauso seine eigene wie sie die nationale für ihn ist. Mit zunehmender Europäisierung bislang national geregelter Bereiche wird sie für ihn auch praktisch immer relevanter. Es kann deshalb vom Normadressaten erwartet werden, mit ihr umzugehen. Auch muss der Normadressat zwar, möchte er den Inhalt eines unionsrechtsakzessorischen Blankettstrafgesetzes ermitteln, zwei unterschiedliche Verkündungsblätter konsultieren.173 Der sich daraus ergebende Aufwand fällt aber ebenso bei einem Verweis auf eine nationale Rechtsverordnung an, die entweder an einer anderen Stelle des Bundesgesetzblattes oder im Bundesanzeiger veröffentlicht worden ist. Gegenüber dem dort erforderlichen Aufwand ist er hier sogar tendenziell geringer: Während die im Internet einsehbare Version des Bundesgesetzblattes nicht verbindlich ist, wird das Amtsblatt der EU in seiner verbindlichen Fassung gemäß Art. 1 VO (EU) Nr. 216/2013 allein elektronisch veröffentlicht und ist frei zugänglich unter https://eur-lex.europa.eu. Das EUR-Lex-Portal lässt sich zudem deutlich komfortabler bedienen als der kostenlose Online-Zugang zum Bundesgesetzblatt, der beispielsweise keine Suchfunktion bietet.174 cc) Berücksichtigung aller Amtssprachen bei Auslegung der unionalen Verhaltensnorm Ein weiterer Aspekt muss indes genauer untersucht werden. Weil die Regelung einer EU-Verordnung auch bei ihrer Inbezugnahme durch nationales Recht materiell Unionsrecht bleibt, muss sie nach unionsrechtlichen Maßstäben ausgelegt werden.175 Es sind dabei alle Amtssprachen der EU zu 171  Jäger, in: SK, § 1 Rn. 9; Satzger, Internationales und Europäisches Strafrecht, § 9 Rn. 78; vgl. Safferling, Internationales Strafrecht, § 11 Rn. 66. 172  Vgl. Cornelius, Verweisungsbedingte Akzessorietät, S. 401; Harms/Heine, in: FS Amelung, 393, 396. 173  Safferling, Internationales Strafrecht, § 11 Rn. 66; Satzger, Internationales und Europäisches Strafrecht, § 9 Rn. 78. 174  Vgl. Cornelius, Verweisungsbedingte Akzessorietät, S. 401; Harms/Heine, in: FS Amelung, 393, 396 Fn. 14. 175  Oben S. 55 f. In dieser Allgemeinheit begründet dies freilich keinen erhöhten Rechtsfindungsaufwand, anders aber Doepner, ZLR 2005, 679, 691 und Satzger, Europäisierung, S. 253.

282 D. Beurteilung der unionsrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik

berücksichtigen. Darunter leidet die Vorhersehbarkeit der Strafbarkeit erheblich. (1) Konflikt zwischen unionaler Sprachenvielfalt und Bestimmtheitsgebot Dass sämtliche Sprachfassungen einer Verordnung gleichermaßen verbindlich sind, entspricht der Rechtsprechung des EuGH: Bei Auslegung des Unionsrechts sind danach stets alle Sprachfassungen zu berücksichtigen176 und ist keine Fassung gegenüber anderen vorrangig.177 Einen normativen Anhaltspunkt hierfür liefert Art. 4 VO (EWG) Nr. 1/58178, nach dem Verordnungen in allen 24 Amtssprachen der Unionsorgane (dazu Art. 1 VO [EWG] Nr. 1/58) abgefasst werden.179 Infolge der unionalen Sprachenvielfalt können in zweierlei Hinsicht Spannungen zu der freiheitsgewährleistenden Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG entstehen: Zunächst entsteht eine Spannung immer dann, wenn die verschiedenen Sprachfassungen nicht übereinstimmen. Solche sprachlichen Divergenzen können etwa auf Übersetzungsfehlern beruhen,180 sind aber auch schon insofern unvermeidlich, als das in einer Sprache Ausgedrückte nie mit exakt derselben Bedeutung in eine andere Sprache übersetzt werden kann.181 Untersuchungen dazu, wie der EuGH eine sprachliche Divergenz behandelt, zeigen keine einheitliche Methode. Der Gerichtshof stellt beispielsweise verschiedentlich auf die Mehrheit der übereinstimmenden Sprachfassungen ab, mal aber auch auf die klarere Sprachfassung oder auf die für den Bürger günstigere.182 Neben dem Wortlaut untersucht er zudem Systematik und 176  EuGH C-29/69, Slg. 1969, 419 Rn. 3 – „Stauder/Stadt Ulm“; C-9/79, Slg. 1979, 2717 Rn. 6 – „Koschniske/Raad van Arbeid“; C-283/81, Slg. 1982, 3415 Rn. 18 – „CILFIT/Ministero della Sanità“; C-488/11, NJW 2013, 2579 Rn. 26 – „Asbeek Brusse und de Man Garabito“; C-239/17, BeckRS 2018, 16230 Rn. 38 – „Tegl­ gaard und Fløjstrupgård“. In der Praxis wird der EuGH diesem Anspruch längst nicht immer gerecht, vgl. dazu Schübel-Pfister, Sprache und Gemeinschaftsrecht, S. 205 ff. 177  EuGH C-558/11, BeckRS 2012, 82445 Rn. 48 – „Kurcums Metal“; C-125/12, BeckRS 2013, 81207 Rn. 22 – „Promociones y Construcciones BJ 200“; C-239/17, BeckRS 2018, 16230 Rn. 37 – „Teglgaard und Fløjstrupgård“. 178  Zu dieser Verordnung ermächtigt Art. 342 AEUV. 179  Vgl. Langheld, Vielsprachige Normenverbindlichkeit, S. 28. Für die europäischen Verträge bestimmen Art. 55 EUV und Art. 358 AEUV ihre Verbindlichkeit in eben diesen 24 Sprachen. 180  Afrosheh, ZEuS 2017, 93, 97; Langheld, Vielsprachige Normenverbindlichkeit, S. 30; Schübel-Pfister, Sprache und Gemeinschaftsrecht, S. 109 ff. 181  Schübel-Pfister, Sprache und Gemeinschaftsrecht, S. 113; vgl. Braselmann, EuR 1992, 55, 58 f. 182  Dazu Langheld, Vielsprachige Normenverbindlichkeit, S. 114 ff., 116 f., 119 f.; Schübel-Pfister, Sprache und Gemeinschaftsrecht, S. 267 ff., 275 ff., 278 ff.; Anweiler,



II. Die Verweisung auf Unionsrecht283

Zweck der Regelung.183 Entscheidend für die hiesige Untersuchung ist, dass das Ergebnis der Auslegung, entgegen der im Ausgangspunkt postulierten Gleichrangigkeit der Sprachfassungen, nicht zwangsläufig mit allen verschiedenen Wortlauten übereinstimmt.184 Einzelne Sprachfassungen werden vernachlässigt.185 Es könnte somit eine Strafbarkeit begründet werden, obwohl der deutsche Wortlaut der das Blankettstrafgesetz ausfüllenden unionalen Norm keinen Anlass dazu gibt. Diese Gefahr hat sich beispielsweise in einem Verfahren gezeigt, in dem einem Niederländer vorgeworfen wurde, sich strafbar gemacht zu haben, weil er Kälber entgegen einer EU-Richtlinie falsch angebunden habe. Der EuGH stellte fest, die niederländische Fassung der Richtlinie meine mit dem Wort „Ketten“ („kettingen“) zwar eine metallische Anbindevorrichtung.186 Angesichts der deutschen, englischen, französischen und italienischen Fassung, die demgegenüber weiter gefasste Begriffe wie „Anbindevorrichtung“ beziehungsweise vergleichbare Wörter verwendeten, was dem Zweck der Richtlinie entspreche, dürfe auf den engeren niederländischen Wortlaut aber keine Rücksicht genommen werden.187 Die zweite zum Bestimmtheitsgebot entstehende Spannung ist allgemeinerer Natur. Es liegt die Frage auf der Hand, ob der zur Ermittlung der Rechtslage erforderliche Aufwand dem Norm­adressaten zumutbar ist, wenn er dabei 24 verschiedene Sprachfassungen studieren muss. Dieser Aufwand fällt unabhängig davon an, ob die Sprachfassungen übereinstimmen oder nicht. Zwar sieht das BVerfG in der Sprachenvielfalt kein grundsätzliches Hindernis, sofern „Anhaltspunkte für konkrete, mehrsprachigkeitsbedingte Unklarheiten“ nicht ersichtlich seien188 und verlagert das Problem damit auf die Auslegungsmethoden des Gerichtshofs, S. 153 ff., 158 f.; Zedler, Mehrsprachigkeit, S.  251 ff., 257 ff. 183  Dazu Langheld, Vielsprachige Normenverbindlichkeit, S. 113; Schübel-Pfister, Sprache und Gemeinschaftsrecht, S. 237 ff.; Zedler, Mehrsprachigkeit, S. 275 ff. 184  Vgl. Schübel-Pfister, Sprache und Gemeinschaftsrecht, S. 248. 185  Dörr, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 55 EUV Rn. 13; vgl. Afrosheh, ZEuS 2017, 93, 100; Kreße, ZRP 2014, 11, 12 f. Dass dies der Rechtssicherheit zuwiderläuft, erkennt auch der EuGH in C-80/76, Slg. 1977, 425 Rn. 11/12 – „North Kerry Milk Products/Minister for Agriculture“, zieht daraus aber nur die Konsequenz, es dürfe keine Sprachfassung bevorzugt werden. 186  EuGH C-187/07, Slg. 2008, I-2115 Rn. 21 – „Endendijk“. 187  EuGH C-187/07, Slg. 2008, I-2115 Rn. 25 f. – „Endendijk“; dazu Afrosheh, ZEuS 2017, 93, 99 f., Messer, Verständlichkeit, S.  136 ff. 188  BVerfG 2 BvR 871/04 u. a., wistra 2010, 396 Rn. 66; zustimmend Dannecker/ Schuhr, in: LK, § 1 Rn. 216; Gärditz, in: Böse, Europäisches Strafrecht, § 6 Rn. 58; Heger, in: Böse, Europäisches Strafrecht, § 5 Rn. 61. Ein „Widerspruch zum Amts­ ermittlungsgrundsatz im deutschen Strafprozessrecht“ (so Satzger/Langheld, HRRS 2011, 460, 464) liegt darin nicht. Abgesehen davon, dass sich den Ausführungen des

284 D. Beurteilung der unionsrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik

Ebene des Einzelfalls.189 Das ist aber nicht zutreffend: Auch wenn alle Sprachfassungen im Ergebnis inhaltlich das Gleiche ausdrücken, kann der Normadressat dies nach Lesen einer oder einiger weniger Sprachfassungen nur vermuten. Um es sicher feststellen zu können, muss er einen Abgleich sämtlicher Versionen vornehmen.190 Die Sprachenvielfalt begründet also ein strukturelles und damit generelles Problem.191 Bereits für sich genommen begründet der erforderliche Abgleich aller Sprachfassungen einen enormen Aufwand, selbst wenn der Normadressat, was jedoch völlig unrealistisch ist,192 alle 24 Sprachen sicher beherrschen würde. Zudem müsste er eine etwaige sprachliche Divergenz unter Anwendung der – wie gesehen nicht einheitlichen – Auslegungsmethoden des EuGH auflösen.193 Infolge der Verweisung auf Unionsrecht würde die Rechtsfindung für den Normadressaten daher nicht nur unzumutbar, sondern nahezu unmöglich.194 (2) Lösungsansätze im strafrechtlichen Kontext Doch obwohl insoweit Kritik an unionsrechtsakzessorischen Blankettstrafgesetzen geübt wird, werden daraus oft keine Konsequenzen gezogen.195 BVerfG schon keine Begründung einer Darlegungslast vor einem Strafgericht entnehmen lässt, bezieht sich der Amtsermittlungsgrundsatz auf die Ermittlung des Sachverhalts, nicht auf die Rechtskenntnis des Gerichts, vgl. Trüg/Habetha, in: MüKo-StPO, § 244 Rn. 24. 189  Satzger, in: Sieber/Satzger/von Heintschel-Heinegg, Europäisches Strafrecht, § 9 Rn. 32; ders./Langheld, HRRS 2011, 460, 464; vgl. M. Wagner, Akzessorietät, Rn. 603. 190  Satzger, Internationales und Europäisches Strafrecht, § 9 Rn. 77; ders., in: Sieber/Satzger/von Heintschel-Heinegg, Europäisches Strafrecht, § 9 Rn. 32; vgl. Ernst, Blankettstrafgesetze, S. 212. 191  Langheld, Vielsprachige Normenverbindlichkeit, S. 36; Satzger, in: Sieber/ Satzger/von Heintschel-Heinegg, Europäisches Strafrecht, § 9 Rn. 32; ders., Internationales und Europäisches Strafrecht, § 9 Rn. 77; ders./Langheld, HRRS 2011, 460, 464. 192  Vgl. Ernst, Blankettstrafgesetze, S. 215. 193  Vgl. Ernst, Blankettstrafgesetze, S. 214. 194  Satzger, Internationales und Europäisches Strafrecht, § 9 Rn. 77; Afrosheh, ZEuS 2017, 93, 103; Esser, in: Hilgendorf/Kudlich/Valerius, Handbuch des Strafrechts, Bd. 6, § 64 Rn. 148; vgl. Satzger, in: Sieber/Satzger/von Heintschel-Heinegg, Europäisches Strafrecht, § 9 Rn. 32; ders./Langheld, HRRS 2011, 460, 464; Cornelius, Verweisungsbedingte Akzessorietät, S.  390 f.; Jäger, in: SK, § 1 Rn. 9; Langheld, Vielsprachige Normenverbindlichkeit, S. 35. 195  Vgl. Diversy/Köpferl, in: GJW, Vor §§ 38, 39 WpHG Rn. 27; Jäger, in: SK, § 1 Rn. 9 f.; Petzsche, NZWiSt 2015, 210, 213; Safferling, Internationales Strafrecht, § 11 Rn. 66 f.; Satzger, JuS 2004, 943, 948; ders./Langheld, HRRS 2011, 460, 464.



II. Die Verweisung auf Unionsrecht285

Satzger betont mit Blick auf Art. 103 Abs. 2 GG zwar die nötige Beachtung des Wortlauts. Es müssten dabei aber alle Sprachfassungen berücksichtigt werden.196 Er geht also wohl von einer durch Abstellen auf andere Sprachfassungen erweiterten Wortlautgrenze aus. Das grundlegende Problem wird dadurch nicht behoben. Angesichts des unzumutbaren Rechtsfindungsaufwands müssten eigentlich sämtliche strafrechtliche Verweisungen auf Unions­ recht als unzulässig angesehen werden.197 Das wiederum wäre in Anbetracht der immer weiter fortschreitenden Verbindung der nationalen und unionalen Rechtsordnung ein realitätsfremdes Ergebnis.198 Es könnte deshalb auf Unionsebene gefordert werden, die verbindlichen Sprachfassungen von Sekundärrechtsakten de lege ferenda – durch Änderung der VO (EWG) Nr. 1/58 – auf eine199 oder einige wenige200 zu reduzieren. Abgesehen davon, ob sich dies überhaupt mit dem Primärrecht verträgt,201 wäre der Rechtsfindungsaufwand zwar reduziert, an der grundlegenden Problematik änderte sich aber nichts.202 Der Normadressat bliebe, sofern die verbindliche Amtssprache nicht (allein) Deutsch ist, mit mindestens einer fremden Sprache konfrontiert, deren sichere Kenntnis von Rechts wegen nicht vorausgesetzt werden darf.203 196  Satzger, Europäisierung, S. 588. Ferner fordert Satzger, eine statische Verweisung müsse neben einer genauen (wohl voll-expliziten) Nennung der Regelung der EU-Verordnung auch ihre Fundstelle im Amtsblatt angeben, Satzger, Europäisierung, S. 253; ders., in: Sieber/Satzger/von Heintschel-Heinegg, Europäisches Strafrecht, § 9 Rn. 33. Das ist aber wahrscheinlich mehr Folge eines allgemein für höher befundenen Rechtsfindungsaufwands und nicht speziell auf das Sprachenproblem bezogen. 197  Treffend Ernst, Blankettstrafgesetze, S. 213. 198  Vgl. bereits Satzger, JuS 2004, 943, 948. 199  So Afrosheh, ZEuS 2017, 93, 106; Braselmann, EuR 1992, 55, 73 f.; Kreße, ZRP 2014, 11, 14. 200  So (mit Unterschieden im Detail) C. Luttermann/K. Luttermann, JZ 2004, 1002, 1008; Schübel-Pfister, Sprache und Gemeinschaftsrecht, S. 495 ff. 201  Ablehnend mit Blick auf Art. 342 AEUV oder einen allgemeinen Rechts­ grundsatz des Unionsrechts Ernst, Blankettstrafgesetze, S. 209, 217; Mayer, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 342 AEUV Rn. 11, 21 ff.; Wichard, in: Calliess/Ruffert, Art. 342 AEUV Rn. 3; dagegen für die Zulässigkeit Afrosheh, ZEuS 2017, 93, 105 f.; Bieber, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, Art. 342 AEUV Rn. 7; Langheld, Vielsprachige Normenverbindlichkeit, S. 121; Schübel-Pfister, Sprache und Gemeinschaftsrecht, S. 380, 488 f.; jedenfalls einen entsprechenden allgemeinen Rechtsgrundsatz des Unionsrechts ablehnend auch EuGH C-361/01 P, Slg. 2003, I-8283 Rn. 82 – „Kik/HABM“, C-377/16, BeckRS 2019, 4164 Rn. 37 – „Spanien/Parlament“. 202  Ernst, Blankettstrafgesetze, S. 217. 203  Die in diesem Zusammenhang geäußerte bildungspolitische Forderung, in allen Mitgliedstaaten dieselbe Sprache, nämlich die verbindliche Amtssprache, zu unterrichten (Afrosheh, ZEuS 2017, 93, 107), müsste zunächst umgesetzt werden, bevor sich das Recht daran anpassen kann.

286 D. Beurteilung der unionsrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik

Vorzugswürdig ist daher eine – zunehmend vertretene – Lösung auf nationaler Ebene. An der unionsrechtlichen Auslegung unter Berücksichtigung aller Sprachfassungen ändert sich dabei nichts. Geht es aber um die Funktion der unionalen Norm als Ausfüllungsobjekt des deutschen Blankettstrafgesetzes, bildet allein ihre deutsche Sprachfassung die maßgebliche Grenze. Ist nach unionsrechtlicher Auslegung ein Verhalten von der Norm erfasst, vom deutschen Wortlaut jedoch nicht, scheidet eine Strafbarkeit somit aus.204 Davon unberührt bleibt das ursprünglich gefundene Auslegungsergebnis auf Unionsebene. Die Verhaltensnorm in der EU-Verordnung besteht also in ihrem ursprünglichen Umfang fort. Sie ist, soweit sie keine Entsprechung im deutschen Wortlaut findet, lediglich nicht strafbewehrt.205 Zum Teil wird – pauschaler – vertreten, im Anwendungsbereich des Blankettstrafgesetzes komme es für die Auslegung einzig auf die deutsche Sprachfassung der EU-Verordnung an.206 Im Unterschied zur vorstehenden Lösung ist eine unionsrechtliche Auslegung des Ausfüllungsobjekts hiernach bereits im Ausgangspunkt überflüssig. Die deutsche Sprachfassung bildete also nicht nur die Grenze für das nach unionsrechtlicher Auslegung gefundene Ergebnis, sondern wäre bereits die einzige für die Auslegung relevante Version.207 Das führt dann zu einem unterschiedlichen Ergebnis, wenn ein 204  Cornelius, Verweisungsbedingte Akzessorietät, S. 390; ders., in: FS Rengier, 461, 469; Hammen, WM 2019, 341, 348; Harms/Heine, in: FS Amelung, 393, 404 f.; Messer, Verständlichkeit, S. 153; Schübel-Pfister, Sprache und Gemeinschaftsrecht, S. 458; Spoerr, in: Assmann/Schneider/Mülbert, Vor §§ 119–126 WpHG Rn. 47; wohl auch C. Schröder, in: FS Mehle, 597, 599; K. Walter, RIW 2012, 763, 768; in der Tendenz Andrzejewski, Strafbewehrung, S. 128; ähnlich Greco, GA 2016, 195, 211, der bei einem Handlungsort im fremdsprachigen EU-Ausland zusätzlich auf die dortige Sprachfassung abstellen will (unklar bleibt aber, ob eine vorherige unionsrecht­ liche Auslegung erforderlich ist), ebenso Roxin/Greco, Strafrecht AT/I, § 5 Rn. 84, Pohlreich, in: BK, Art. 103 Abs. 2 Rn. 89 und Schmitz, in: MüKo-StGB, § 1 Rn. 68. Weitergehend Langheld, Vielsprachige Normenverbindlichkeit, S. 218 ff., nach dem die Sanktionsnorm dann sogar nichtig ist (insoweit unklar aber a. a. O., S. 219), dieser macht zudem bereits auf Unionsebene eine weitere Einschränkung: Der Bürger dürfe sich nach dem unionalen Bestimmtheitsgebot auf die Sprachfassungen verlassen, die er verstehe, a. a. O., S.  156 ff. Anders Esser, in: Hilgendorf/Kudlich/Valerius, Handbuch des Strafrechts, Bd. 6, § 64 Rn. 149: Der Bürger dürfe sich zu seinen Gunsten auf eine beliebige Sprachfassung berufen. 205  Cornelius, Verweisungsbedingte Akzessorietät, S.  391 f. 206  M. Wagner, Akzessorietät, Rn. 603; in diesem Sinne wohl auch Ernst, Blankettstrafgesetze, S. 217; Glock, LMuR 2017, 157, 158. 207  Vgl. M. Wagner, Akzessorietät, Rn. 603; wohl auch Ernst, Blankettstrafgesetze, S. 219: „Bezugsobjekt […] von Art. 103 Abs. 2 GG [ist] einzig die landessprachliche Fassung“, ferner a. a. O., S. 217, 221, wonach nur die nationale Sprachfassung im Rahmen des Strafrechts verbindlich ist, andere Sprachfassungen also wohl in keiner Weise zu berücksichtigen sind. Andererseits verweist Ernst auf S. 220 Fn. 1198 auf Schübel-Pfister, die den anderen Lösungsansatz vertritt (siehe Fn. 204).



II. Die Verweisung auf Unionsrecht287

Verhalten unter den deutschen Wortlaut der unionalen Verhaltensnorm subsumiert werden kann, bei unionsrechtlicher Auslegung unter Berücksichtigung anderer Sprachfassungen, aber nicht erfasst ist. Legt man, der zuerst dargestellten Lösung entsprechend, zunächst unionsrechtlich aus und überprüft dieses Ergebnis sodann auf die Vereinbarkeit mit dem deutschen Wortlaut, wäre das Verhalten nicht strafbar.208 Stellt man für die Auslegung hingegen von vornherein ausschließlich auf den deutschen Wortlaut ab, ist es strafbar. Die unionsrechtliche Auslegung ganz außen vor zu lassen, trägt indes der akzessorischen Struktur des Blankettstrafgesetzes, das heißt der Anknüpfung der nationalen Norm an die unionale, nicht ausreichend Rechnung. Es ist verfassungsrechtlich aber auch nicht nötig. Wenn die unionsrechtliche Auslegung allein zu Restriktionen des Tatbestands innerhalb der deutschen Wortlautgrenze führen kann, ist der Bürger nicht belastet. Art. 103 Abs. 2 GG steht Einschränkungen zugunsten des Bürgers, wie zum Beispiel teleologischen Reduktionen, anerkanntermaßen nicht entgegen.209 Natürlich wird bereits dadurch, dass auf den deutschen Wortlaut als maßgebliche Grenze abgestellt wird, die akzessorische Struktur im Ansatz eingeschränkt, weil das unionale Ausfüllungsobjekt – im strafrechtlichen Kontext – nicht mehr rein unionsrechtlich behandelt wird und eine Normspaltung entstehen kann. Diese Gefahr besteht aber auch bei einem nationalrechtsakzessorischen Blankettstrafgesetz, wenn das nationale Ausfüllungsobjekt in seinem originären Geltungsbereich über den Wortlaut hinaus angewandt wird. Hier wie dort ist die Akzessorietät eben nur eine asymmetrische.210 Immer wenn infolge der deutschen Wortlautgrenze nicht das gesamte von der unionalen Norm erfasste Verhalten strafbar ist, verstößt der Mitgliedstaat gegen eine gegebenenfalls bestehende unionale Sanktionierungspflicht. Dann muss er das Blankettstrafgesetz ändern und dort ausdrücklich klarstellen, für die Zukunft auch die über den deutschen Wortlaut hinausgehenden Fälle der EU-Verordnung zu erfassen. Aus unionsrechtlicher Perspektive muss dieser Konflikt zum Unionsrecht hingenommen werden. Er ist die Konsequenz daraus, dass die EU jedenfalls keine generelle Strafrechtsetzungskompetenz innehat, weswegen nationale Strafgesetze erforderlich sind, die nationalem Verfassungsrecht unterliegen. Das Konfliktpotenzial hält sich ohnehin in Grenzen, weil von Wortlautdifferenzen nur Einzelfälle betroffen sind. Im Übrigen kann in einem solchen Fall auch die EU selbst tätig werden und auf Unionsebene die deutsche Fassung der Verordnung nachbessern. Darüber hinaus drohen keine Spannungen mit dem Unionsrecht. Insbesondere entSprache und Gemeinschaftsrecht, S. 458. Hecker, in: Sch/Sch, § 1 Rn. 7; Satzger, in: SSW, § 1 Rn. 14. 210  Dazu oben S. 44. 208  Schübel-Pfister, 209  Vgl.

288 D. Beurteilung der unionsrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik

scheidet der EuGH nicht darüber, ob unionale Vorschriften als Ausfüllungsobjekt eines nationalen Blankettgesetzes mit dem Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG vereinbar sind,211 sodass insoweit keine Konflikte zwischen unionaler und nationaler Rechtsprechung zu erwarten sind. Mit der so gezogenen Beschränkung kann die statische Verweisung auf Unionsrecht auch in freiheitsgewährleistender Hinsicht als zulässig angesehen werden. dd) Zwischenergebnis Im Rahmen der Rückverweisungstechnik kommt es aus Sicht des strafrechtlichen Bestimmtheitsgebots nicht auf den dynamischen Charakter der Verweisung auf Unionsrecht an. Denn die nationale Rechtsverordnung, die die konkrete unionale Verhaltens- mit der nationalen Sanktionsnorm verschaltet, verweist statisch auf die unionale Norm. Dies gleicht die mit der dynamischen Ausgestaltung verbundenen Schwierigkeiten aus. Die statische Verweisung ist aber nur verfassungskonform, sofern die deutsche Fassung der in Bezug genommenen EU-Verordnung die maßgebliche Wortlautgrenze bei Ermittlung der Strafbarkeit bildet. 2. Ausgestaltung als pauschale Verweisung Konflikte mit dem Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG können auch deshalb entstehen, weil die Verweisung auf Unionsrecht im Blankettstrafgesetz pauschal ausgestaltet ist. Allerdings nimmt der nationale Verordnungsgeber die unionale Verhaltensnorm, wenn er diese mit dem Blankettstrafgesetz verknüpft, voll-explizit in Bezug. Dies gleicht die mit der pauschalen Verweisung verbundenen Schwierigkeiten bei der Rechtsfindung aus212 – ebenso wie die statische Verweisung in der nationalen Rechtsverordnung die Probleme ausgleichen konnte, die mit der dynamischen Verweisung im Blankettstrafgesetz verbunden sind.213 Der Normadressat kann sich

211  Oben

S. 145. hingegen nicht berücksichtigend Brand/Kratzer, JR 2018, 422, 425 und Dorneck, in: Stam/Werkmeister, Der Allgemeine Teil des Strafrechts, 9, 25. Diese beurteilen die inhaltliche Bestimmtheit wohl allein anhand des formellen Gesetzes, dazu ablehnend bereits oben S. 105 f. Anders auch LG Berlin (572) 242 AR 27/12 NS (82/12), NZWiSt 2016, 112, 114: Die Verweisung auf Unionsrecht zeige nicht, worauf genau sie sich beziehe. Deshalb dürfe das Unionsrecht auch nicht im Rahmen der Bestimmtheitsprüfung berücksichtigt werden, a. a. O., 115. 213  Oben S. 280. 212  Dies



III. Die Entsprechungsklausel289

allein an der voll-expliziten Verweisung orientieren und findet dadurch zuverlässig das jeweilige unionale Ausfüllungsobjekt. Die pauschale Ausgestaltung ist demnach hinreichend bestimmt. Auf Basis dessen erübrigt sich eine gesonderte Untersuchung des halb-expliziten Charakters der Verweisung. 3. Ergebnis Die im Blankettgesetz enthaltene Verweisung auf Unionsrecht ist grundsätzlich zulässig, sofern der deutsche Wortlaut der jeweiligen EU-Verordnung die Grenze ihrer Bezugnahme markiert. In ihrer momentanen Ausgestaltung hat sich allerdings ein Großteil aller unionsrechtsakzessorischen Blankettgesetze mit Rückverweisungsklausel als verfassungswidrig erwiesen: Der Gesetzgeber hat dort nicht die wesentlichen Voraussetzungen hinsichtlich der erfassten unionalen Verhaltensnormen festgelegt und die dynamische Verweisung daher nicht hinreichend im Sinne der kompetenzwahrenden Kom­ ponente des Art. 103 Abs. 2 GG eingegrenzt. Darauf, wie dem abgeholfen werden kann, ist an späterer Stelle einzugehen.214

III. Die Entsprechungsklausel In unionsrechtsakzessorischen Blankettstrafgesetzen wird neben der Rückverweisungsklausel oft eine Entsprechungsklausel eingesetzt. Der Verordnungsgeber soll danach nur solche unionalen Verhaltensnormen in der rückverweisenden Rechtsverordnung benennen, die näher bezeichneten gesetz­ lichen Ge- oder Verboten inhaltlich entsprechen beziehungsweise die er aufgrund einer gesetzlichen Ermächtigung selbst hätte erlassen können. Weil damit der Handlungsspielraum des nationalen Verordnungsgebers betroffen ist, liegt es nahe, die Entsprechungsklausel zunächst am Maßstab der kompetenzwahrenden Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG zu messen (dazu 1.). Sodann ist die Vereinbarkeit mit dessen freiheitsgewährleistender Komponente zu prüfen (dazu 2.). Schließlich ist auf eine im Zusammenhang mit Entsprechungsklauseln bestehende Gefahr einzugehen, dass gegen Unionsrecht verstoßen wird (dazu 3.).

214  Unten

S. 308 ff.

290 D. Beurteilung der unionsrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik

1. Vorbehalt des formellen Gesetzes (kompetenzwahrende Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG) Für die Prüfung der kompetenzwahrenden Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG ist an die bei der unionsrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik bestehende Ausgangslage zu erinnern: Über die Rückverweisungsklausel wird der nationale Verordnungsgeber eingeschaltet und bestimmt über die Reichweite der Sanktionsnorm. Über die Verweisung im Tatbestand des Blankettgesetzes hingegen erlangt der Unionsgesetzgeber Einfluss auf die Verhaltensnorm.215 Es fragt sich, inwiefern die Entsprechungsklausel in diesem Zusammenhang wirkt. Entsprechend der Prüfung der Blankettgesetze ohne Entsprechungsklausel sind dazu beide Einflussnahmen zu untersuchen: die des nationalen Verordnungsgebers (dazu a)) und die des unionalen Gesetzgebers (dazu b)). a) Einfluss des nationalen Verordnungsgebers Begonnen werden soll mit der Einschaltung des nationalen Verordnungsgebers. Dessen faktisch bestehende Möglichkeit, mit der rückverweisenden Rechtsverordnung unmittelbar über die Reichweite der Sanktionsnorm zu bestimmen, ist im Ordnungswidrigkeitenrecht von vornherein unproblematisch.216 Dementsprechend kann das Ordnungswidrigkeitenrecht im Folgenden außer Betracht bleiben. Im Strafrecht ist der unmittelbare Einfluss auf die Sanktionsnorm zulässig, weil der Verordnungsgeber zum Erlass der rückverweisenden Rechtsverordnung verpflichtet ist und insoweit keinen eigenen Gestaltungsspielraum hat.217 An dieser Verpflichtung ändert sich grundsätzlich nichts, wenn zur Rückverweisungs- eine Entsprechungsklausel hinzutritt. Mit dem Kriterium der Entsprechung werden dem Verordnungsgeber lediglich weitere Vorgaben gemacht, wann er Unionsrecht unter den Anwendungsbereich des Blankettstrafgesetzes zu stellen hat. Muss er bei einem Blankettstrafgesetz ohne Entsprechungsklausel für jede ausfüllungsgeeignete unionale Verhaltensnorm zurückverweisen, muss er dies bei einem solchen mit Entsprechungsklausel nur 215  Oben

S. 255, 272. S. 266. 217  Oben S. 258 ff. Die Entsprechungsklausel kann daher nicht allein deswegen verworfen werden, weil der Verordnungsgeber infolge der Rückverweisungsklausel über das „Ob“ der Strafbarkeit entscheide und die Entsprechungsklausel daran nichts ändere; in diesem Sinne argumentieren Dannecker/Bülte, in: Achenbach/Ransiek/ Rönnau, Teil 2 Kap. 2 Rn. 54; Honstetter, NZWiSt 2017, 325, 327 f.; dies., Lebens­ mittel(straf)rechtlicher Gesundheitsschutz, S. 87 f.; Martell/Wallau, ZLR 2017, 67, 70; Wallau, LMuR 2016, 229, 232. 216  Oben



III. Die Entsprechungsklausel291

für diejenigen Verhaltensnormen, für die das Entsprechungskriterium bejaht werden kann. Allerdings könnte die Entscheidung, ob ein Entsprechen vorliegt, gesetzlich so wenig vorgezeichnet sein, dass dem Verordnungsgeber dabei ein weiter Beurteilungsspielraum zukäme. Trotz der Verpflichtung, für alle entsprechenden Verhaltensnormen den Rückverweis vorzunehmen, hätte er dann faktisch einen weitreichenden Einfluss auf die Verknüpfung von Verhaltensund Sanktionsnormen. Das wäre mit Art. 103 Abs. 2 GG unvereinbar. Am Begriff der Entsprechung setzt denn auch die gegen Entsprechungsklauseln erhobene Kritik an. Es fehle an näheren Kriterien für die Art der Entspre­ chung,218 der Begriff allein sei nicht bestimmbar.219 Der Verordnungsgeber erhalte dadurch eine große Entscheidungsfreiheit.220 Ihm komme eine zusätzliche Entscheidungsmacht im Vergleich zu Blankettgesetzen ohne Entsprechungsklausel zu.221 Demgegenüber werden unionsrechtsakzessorische Blankettstrafgesetze mit Entsprechungsklausel von anderen als verfassungskonform erachtet.222 Auch das BVerfG hat in seiner Entscheidung zu § 58 Abs. 3 Nr. 2 LFGB jedenfalls die Variante von Entsprechungsklausel gebilligt, die auf eine gesetzliche Ermächtigung zu Rechtsverordnungen bezogen ist.223 Es ist mithin zu klären, wie der Begriff der Entsprechung zu verstehen ist. Weil sich die Entsprechung je nach Klausel auf zwei unterschiedliche Arten von Objekten bezieht, ist dafür im Folgenden zu unterscheiden. aa) Formellgesetzliches Ge- oder Verbot als Bezugsobjekt In der ersten Ausgestaltungsmöglichkeit nimmt die Entsprechungsklausel auf ein oder mehrere im formellen Gesetz enthaltene Verhaltensnormen Be218  LG Stade, 600 KLs 1100 Js 7647/10 (1/15), NZWiSt 2017, 320, 324; Bülte, BB 2016, 3075, 3078; vgl. Hilgendorf, ZLR 2011, 303, 308. 219  Bülte, BB 2016, 3075, 3078 f.; vgl. Dannecker, ZIS 2016, 723, 728; ders., in: FS Höpfel, 577, 595. 220  Bülte, BB 2016, 3075, 3079; Dannecker, in: FS Höpfel, 577, 600; Honstetter, NZWiSt 2017, 325, 327. 221  Vgl. Schmitz, in: FS Schünemann, 235, 242  f.; ders., in: MüKo-StGB, § 1 Rn. 66; bezogen auf eine Entsprechungsklausel mit Bezugsobjekt einer Ermächtigungsvorschrift auch Enderle, Blankettstrafgesetze, S. 267 f.; Pauly, StoffR 2017, 265, 268; Schmitz, wistra 2017, 455, 456. 222  Schützendübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 331 f.; Cornelius, Verweisungsbedingte Akzessorietät, S.  410 f.; Knierim, in: ERST, Vor §§ 58–61 LFGB Rn. 7; Sackreuther, Vor §§ 58–61 LFGB Rn. 26; ders., in: Streinz/Meisterernst, Vor §§ 58 ff. LFGB Rn. 22. 223  BVerfG 2 BvL 5/17, NZWiSt 2020, 263, 273 f.

292 D. Beurteilung der unionsrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik

zug. Der Verordnungsgeber darf in seiner rückverweisenden Rechtsverordnung nur solche unionalen Verhaltensnormen benennen, die ihnen inhaltlich entsprechen. Dabei lässt sich „entsprechen“, ausgehend vom allgemeinen Sprachgebrauch, als „übereinstimmen“ verstehen,224 wobei aber keine exakte „äußerliche“ Übereinstimmung zweier Objekte gemeint ist, sondern eine Vergleichbarkeit der Sache nach. Das stellt das Gesetz auch ausdrücklich klar, indem es nur ein „inhaltlich[es]“ Entsprechen fordert. Daraus folgt, dass die zu bezeichnende unionale Norm nicht wörtlich mit dem Vergleichsobjekt im nationalen Recht übereinstimmen muss.225 Vielmehr muss sich das von der nationalen und unionalen Norm erfasste Unrecht gleichen.226 Dieses Ergebnis entspricht dem Zweck der Entsprechungsklausel: Der Gesetzgeber möchte sicherstellen, dass Verhaltensweisen, die nach nationalem Recht strafbar sind, auch dann mit Strafe bedroht bleiben, wenn die zugrunde liegende nationale Verhaltensnorm durch eine unionale abgelöst wird.227 Es geht ihm nicht um eine Ausweitung der Strafbarkeit, sondern um eine Bewahrung des status quo, sprich des bisher erfassten Unrechts. Konkret bedeutet das für den Verordnungsgeber: Er muss prüfen, ob sich die von einer unionalen Verhaltensnorm erfassten Fälle auch unter die – von der Entsprechungsklausel in Bezug genommene – nationale Verhaltensnorm subsumieren lassen.228 Nur wenn dies möglich ist, entsprechen sich beide Normen und muss der Verordnungsgeber die unionale in der rückverweisenden Rechtsverordnung benennen. Beispielsweise statuierte im nationalen Lebensmittelrecht § 27 Abs. 1 S. 1 LFGB a. F.229 früher das Verbot, ein kosmetisches Mittel in irreführender Weise in den Verkehr zu bringen oder zu bewerben. Ein Verstoß hiergegen wurde vom nationalrechtsakzessorischen Blankettstrafgesetz des § 59 Abs. 1 Nr. 13 LFGB a. F. mit Strafe bedroht. Für den Fall der Europäisierung des Verbots hatte der Gesetzgeber das unionsrechtsakzessorische Blankettstrafgesetz des § 59 Abs. 3 Nr. 1 LFGB geschaffen. Es nahm in seiner Entsprechungsklausel auf das nationalrechtsakzessorische Blankettgesetz und darüber auf das Irreführungsverbot Bezug. MittlerBlankettstrafgesetze, S. 270. ZLR 2004, 265, 273; Sackreuther, in: GJW, § 58 LFGB Rn. 43; ders., in: Streinz/Meisterernst, § 58 LFGB Rn. 29; Schützendübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 330. 226  C. Schröder, ZLR 2004, 265, 274; Sackreuther, in: GJW, § 58 LFGB Rn. 43; ders., in: Streinz/Meisterernst, § 58 LFGB Rn. 29; Schützendübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 330, 340. 227  Oben S. 69. 228  C. Schröder, ZLR 2004, 265, 274; Schützendübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 340. 229  Vom 03.06.2013, BGBl.  I 2013, 1426, in der Fassung vom 12.05.2021, BGBl. I 2021, 1087. 224  Enderle,

225  C. Schröder,



III. Die Entsprechungsklausel293

weile ist die nationale Verhaltensnorm tatsächlich europäisiert worden. Mit Art. 20 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1223/2009 existiert ein entsprechendes Irreführungsverbot auf unionaler Ebene. Der Verordnungsgeber verwies deshalb in § 8 Abs. 3 KosmetikV a. F.230 für das unionale Verbot auf das Blankettstrafgesetz mit Entsprechungsklausel zurück und unterstellte es dadurch dessen Anwendungsbereich. (Inzwischen existiert diese rückverweisende Vorschrift nicht mehr, weil der Gesetzgeber in § 59 Abs. 2 Nr. 8 LFGB nunmehr direkt auf die unionale Verhaltensnorm Bezug nimmt, ohne den Verordnungsgeber zwischenzuschalten.231) Können hingegen bestimmte Fälle nur unter die unionale, nicht aber unter die nationale Verhaltensnorm subsumiert werden, besteht ein „gemeinschaftsrechtlicher Überhang“.232 Der Verordnungsgeber muss dann, soweit dies möglich ist, die Verweisung in seiner Rechtsverordnung auf das Unionsrecht in ihrem Umfang einschränken, sodass der Überhang nicht erfasst wird.233 Es zeigt sich damit, dass der Verordnungsgeber lediglich eine Vergleichsarbeit zu leisten hat.234 Die Prüfung der Entsprechung mag freilich im konkreten Fall schwieriger sein als ihre theoretische Darstellung vermuten lässt. So sind bei Auslegung der unionalen Verhaltensnorm die unionsrechtlichen Besonderheiten zu beachten.235 Gemäß den obigen Ausführungen müssen dabei ihre verschiedenen Sprachfassungen berücksichtigt werden, darf das Ergebnis der Auslegung aber nicht den Wortlaut der deutschen Fassung übersteigen.236 Entscheidend aber ist, dass klare Kriterien bestehen, um die Entsprechung zu beurteilen. Wann sie vorliegt, ist gesetzlich hinreichend bestimmt vorgezeichnet. Die Reichweite der Sanktionsnorm ist folglich auch bei Einsatz dieser Entsprechungsklausel bereits vom parlamentarischen Gesetzgeber abschließend festgelegt. Dementsprechend kann die nationale Rechtsverordnung als das Ergebnis der vom Verordnungsgeber vorzunehmenden Entsprechungsprüfung gerichtlich vollumfänglich kontrolliert werden.237 Stellt sich dabei heraus, dass die 230  Kosmetik-Verordnung vom 16.07.2014, BGBl. I 2014, 1054, in der Fassung vom 26.01.2016, BGBl. I 2016, 108. 231  Zugleich sind § 27 Abs. 1 S. 1 LFGB und § 59 Abs. 1 Nr. 13 LFGB an das vorrangige Unionsrecht angepasst worden, wie es unionsrechtlich gefordert ist (dazu noch unten S. 301 ff.), vgl. Gesetz vom 27.07.2021, BGBl. I 2021, 3274. 232  C. Schröder, ZLR 2004, 265, 274. 233  Vgl. Schützendübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 334, 340. 234  Schützendübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 331. 235  C. Schröder, ZLR 2004, 265, 275; Schützendübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S.  330 f. 236  Oben S. 286 f. 237  Vgl. Cornelius, Verweisungsbedingte Akzessorietät, S. 411; ders., in: GJW, Vor §§ 17–20 AWG Rn. 111.

294 D. Beurteilung der unionsrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik

Entsprechung falsch beurteilt wurde, ist die Rechtsverordnung nichtig, weil der Verordnungsgeber sich nicht in den Grenzen seiner Ermächtigung bewegt hat.238 Wenn die in der Rechtsverordnung bezeichneten unionalen Normen inhaltlich zwar dem nationalen Bezugsobjekt entsprechen, der Verordnungsgeber seinem Regelungsauftrag aber nicht vollständig nachgekommen ist, das heißt, nicht alle Normen benannt hat, für die ein Entsprechen bejaht werden kann, ist die Rechtsverordnung dagegen wirksam.239 Der Verordnungsgeber bleibt aber aus nationalem und unionalem Recht verpflichtet, auch die übrigen Normen unter den Anwendungsbereich des Blankettstrafgesetzes zu stellen. bb) Ermächtigungsgrundlage als Bezugsobjekt In ihrer zweiten Variante bezieht sich die Entsprechungsklausel auf eine an den nationalen Verordnungsgeber adressierte Ermächtigungsgrundlage. Dabei kann im Ausgangspunkt an die soeben ermittelte Bedeutung des Entsprechens angeknüpft werden. Abzustellen ist also wiederum auf das inhaltlich erfasste Unrecht. Im Gegensatz zu der ersten Variante der Entsprechungsklausel ist das Unrecht, mit dem die unionale Verhaltensnorm übereinstimmen muss, im nationalen Recht aber nicht konkret in Gestalt einer vom parlamentarischen Gesetzgeber formulierten Verhaltensnorm festgelegt, sondern nur abstrakt durch die Vorgaben in der Ermächtigung. Der Verordnungsgeber muss deshalb prüfen, ob er den Inhalt des unionalen Ge- oder Verbots – gäbe es dieses nicht – aufgrund der Ermächtigung selbst in einer Rechtsverordnung hätte erlassen können.240 Ist das der Fall, ist die Entsprechung zu bejahen und muss er die unionale Norm unter Rückverweis auf das Blankettstrafgesetz benennen. Hätte er den Inhalt dagegen nur teilweise, nicht aber in ganzem Umfang erlassen können, muss er die Bezugnahme auf das Unionsrecht, sofern möglich, einschränken.241 238  Vgl. Schützendübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 341; vgl. allgemein BVerfG 2 BvL 7/64 u. a., BeckRS 1967, 104162 Rn. 46; Bauer, in: Dreier, Art. 80 Rn. 58; Remmert, in: Dürig/Herzog/Scholz, Art. 80 Rn. 137. 239  A. A. Schützendübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 341: Nichtigkeit wegen Verstoßes gegen Art. 23 Abs. 1 GG i. V. m. den Vorschriften des EUV/AEUV. Weil dann aber (zwischenzeitlich) keine der inhaltlich entsprechenden unionalen Verhaltensnormen bewehrt wäre, bestünde im Ergebnis ein Zustand, der mit den nationalen und unionalen Vorgaben noch weniger vereinbar wäre. 240  BVerfG 2 BvL 5/17, NZWiSt 2020, 263, 273; Boch, ZLR 2017, 317, 319, 323; Schützendübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 335. Nicht überzeugen kann damit die Kritik von Enderle, Blankettstrafgesetze, S. 267, die entsprechende unionale Norm verfolge möglicherweise eine andere Zielsetzung als das nationale Recht. 241  Vgl. Schützendübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 340.



III. Die Entsprechungsklausel295

Eine vergleichbare Prüfung obliegt dem Verordnungsgeber auch im ursprünglichen Anwendungsbereich der durch die Entsprechungsklausel in Bezug genommenen Ermächtigung, in dem diese der Ausfüllung eines nationalrechtsakzessorischen Blankettstrafgesetzes diente.242 Während er dort prüft, ob eine selbst formulierte Verhaltensnorm den Vorgaben der Ermächtigung genügt, hat er diese Vorgaben nun auf eine vom Unionsgesetzgeber erlassene Norm zu beziehen. Die Prüfung selbst bleibt dabei gleich: In beiden Fällen geht es darum, ob sich eine Verhaltensnorm innerhalb der Grenzen der Ermächtigung hält. Lediglich der Prüfungsgegenstand verändert sich.243 Auch diese Variante von Entsprechungsklausel gibt damit klare Kriterien vor. Wann ein Entsprechen vorliegt, ist gesetzlich vorgezeichnet.244 Das Ergebnis der Beurteilung, die rückverweisende Rechtsverordnung, kann gerichtlich wiederum vollumfänglich kontrolliert werden.245 Soweit gerügt wird, die Entsprechungsklausel stelle auf Verhaltensnormen in Rechtsverordnungen ab, das heißt auf Maßstäbe der Exekutive,246 verfängt das nach den vorstehenden Ausführungen nicht. Maßstab für die Entsprechung bleibt auch bei dieser Variante der Klausel ein formelles Gesetz, denn die Entsprechung wird allein anhand der formellgesetzlichen Ermächtigung beurteilt, nicht auch anhand einer gegebenenfalls existierenden, auf die Ermächtigung gestützten Rechtsverordnung. Bei Anwendung der Entsprechungsklausel ist es schlicht egal, ob der nationale Verordnungsgeber von der in Bezug genommenen Ermächtigung Gebrauch gemacht hat.247 Die aus der kompetenzwahrenden Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG folgenden Bedenken sind damit ausgeräumt. Im Hinblick auf den praktischen Nutzen ist diese Variante der Entsprechungsklausel sogar derjenigen Klausel überlegen, die auf gesetzliche Ge- oder Verbote bezogen ist. Bei jener muss der Verordnungsgeber, wenn er das Entsprechen prüft, zunächst alle denkbaren von der unionalen Norm erfassten Verhaltensweisen ermitteln, um diese sodann daraufhin zu untersuchen, ob sie auch von der nationalen Norm erfasst sind. Die abschließende Ermittlung aller denkbaren Verhaltensweisen, die unter den Anwendungsbereich einer Verhaltensnorm fallen, ist aber schwer möglich. Insbesondere bei auf den ersten Blick ähnlichen Verhaltensnormen zeigen sich die Fälle, in denen im Detail doch Unterschiede zur na242  Zum

ursprünglichen Anwendungsbereich oben S. 71. 2 BvL 5/17, NZWiSt 2020, 263, 274. 244  Vgl. BVerfG 2 BvL 5/17, NZWiSt 2020, 263, 274. 245  Vgl. die Prüfung bei AG Kehl 2 Cs 207 Js 10531/17 (2), GRUR-RS 2020, 21298 Rn.  5 ff. 246  So LG Stade 600 KLs 1100 Js 7647/10 (1/15), NZWiSt 2017, 320 Rn. 35; Schmitz, wistra 2017, 455, 456; vgl. Kühne, ZLR 2001, 379, 390. 247  Oben S. 72. 243  BVerfG

296 D. Beurteilung der unionsrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik

tionalen Norm bestehen, oft erst später, bei Anwendung der Norm im Einzelfall. Die Entsprechungsklausel, die auf eine Ermächtigung bezogen ist, ist in diesem Punkt praxistauglicher, weil hier nur zu prüfen ist, ob die unionale Verhaltensnorm aufgrund der nationalen Ermächtigung hätte ergehen können. Die Prüfung bleibt also auf abstrakte Vorgaben bezogen. Die andere Variante der Entsprechungsklausel ist deshalb gleichwohl nicht untauglich. Ihre Schwäche kann auf Rechtsfolgenseite eingefangen werden. Entsprechen die in der Rechtsverordnung benannten unionalen Vorschriften ihren nationalen Pendants überwiegend und ist ein Entsprechen nur in Einzelfällen zu verneinen, ist die Rechtsverordnung nicht als Ganze nichtig. Stattdessen kann die in ihr enthaltene Bezugnahme auf Unionsrecht im Wege einer geltungserhaltenden Reduktion beschränkt werden.248 b) Einfluss des Unionsgesetzgebers Neben dem bislang untersuchten Einfluss des nationalen Verordnungsgebers, der sich auf die Sanktionsnorm bezieht, könnte die Entsprechungsklausel auch den Einfluss modifizieren, den der Unionsgesetzgeber – infolge der dynamischen Verweisung im Blankettgesetz – auf die Verhaltensnorm erlangt.249 Bei der Mehrzahl unionsrechtsakzessorischer Blankettstrafgesetze, die eine Rückverweisungs-, aber keine Entsprechungsklausel enthalten, hat sich dieser Einfluss als zu groß erwiesen, weil der parlamentarische Gesetzgeber nicht das geschützte Rechtsgut und die die erfassten Verhaltensweisen festgelegt hat.250 Mit der Entsprechungsklausel kommen nun aber weitere formellgesetzliche Kriterien hinzu, welche unionalen Verhaltensnormen bewehrt werden sollen. Dadurch wird die dynamische Verweisung in höherem Maße eingegrenzt. Dies ist für straf- als auch für ordnungswidrigkeitenrechtliche Blankettgesetze in gleicher Weise von Bedeutung. Besonders deutlich zeigt sich die Eingrenzung bei der ersten Variante der Entsprechungsklausel. Das formellgesetzlich geregelte Ge- oder Verbot, auf das die Klausel Bezug nimmt, ist als bereits fertige Verhaltensnorm nicht weiter konkretisierungsbedürftig. Freilich ist dies in jedem Einzelfall noch gesondert zu prüfen.251 In der Regel aber lässt die Norm ein geschütztes Rechtsgut erkennen und umschreibt das bewehrte Verhalten abschließend. 248  Vgl.

Schützendübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 341. Einfluss auf die Verhaltensnorm wird in Literatur und Rechtsprechung, wie bereits ausgeführt (oben S. 271), zumeist nicht beim Unionsgesetzgeber, sondern beim nationalen Verordnungsgeber verortet. 250  Oben S. 276 ff. 251  Schützendübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 332. 249  Der



III. Die Entsprechungsklausel297

Indem die Entsprechungsklausel hieran anknüpft, gelten diese Festlegungen gleichermaßen für das unionsrechtsakzessorische Blankettstrafgesetz. Die dort verwendete dynamische Verweisung genügt dann ebenfalls der kompetenzwahrenden Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG.252 Einen ähnlich positiven Effekt hat auch die zweite Variante der Entsprechungsklausel, die auf eine Ermächtigung des nationalen Verordnungsgebers Bezug nimmt. Zwar ist eine Ermächtigung notwendigerweise viel offener gefasst als eine bereits fertige Verhaltensnorm. Es ist hier mithin weniger bestimmt, als wenn die Entsprechungsklausel auf ein formellgesetzliches Geoder Verbot bezogen ist.253 Dennoch ist die Ermächtigung regelmäßig – es muss dies natürlich noch in jedem Einzelfall gesondert geprüft werden254 – ausreichend eng. Insofern kann auf ihre Untersuchung im Rahmen der nationalrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik im vorigen Kapitel verwiesen werden. Dort hat sich gezeigt, dass die Ermächtigung des nationalen Verordnungsgebers in der Regel ein zu schützendes Rechtsgut erkennen lässt und eine ungefähre Handlungsbeschreibung liefert.255 Indem die Entsprechungsklausel an diese Festlegungen anknüpft, werden sie auch für das unionsrechtsakzessorische Blankettstrafgesetz relevant. Sie begrenzen dann nicht mehr, wie in ihrem ursprünglichen Anwendungsbereich, die Verlagerung von Gesetzgebungsbefugnissen auf den nationalen Verordnungsgeber, stattdessen aber die Verlagerung von Gesetzgebungsbefugnissen auf den Unionsgesetzgeber. Da die kompetenzwahrende Komponente, ob nun dynamisch auf nationale Rechtsverordnungen oder auf EUVerordnungen verwiesen wird, jeweils die gleichen Anforderungen stellt,256 entfaltet eine ausreichend enge Ermächtigung in beiden Fällen die gleiche Wirkung: Sofern sie im Rahmen des nationalrechtsakzessorischen Blankettstrafgesetzes den Einfluss auf die Strafgesetzgebung wirksam begrenzt, gilt dies auch im Rahmen des unionsrechtsakzessorischen Blankettgesetzes.257 Beispielsweise nimmt der parlamentarische Gesetzgeber über die Entsprechungsklausel in § 58 Abs. 3 Nr. 2 LFGB258 auf das nationalrechtsakzessorische Blankettstrafgesetz des § 58 Abs. 1 Nr. 18 LFGB Bezug. Dort wiederum wird (unter anderem) auf die Ermächtigung in § 13 Abs. 1 Nr. 1, 2 252  I. Erg.

auch Schützendübel, Bezugnahme auf Rechtsverordnungen, S. 333 f. Bülte, BB 2016, 3075, 3079; ferner Dorneck, in: Stam/Werkmeister, Der Allgemeine Teil des Strafrechts, 9, 29. 254  Heger/Widmann, EuR 2021, 356, 364; Schützendübel, Bezugnahme auf EUVerordnungen, S. 332. 255  Oben S. 161. 256  Oben S. 274 ff. 257  I. Erg. auch Schützendübel, Bezugnahme auf Rechtsverordnungen, S. 336. 258  Zum Normtext oben S. 250. 253  Vgl.

298 D. Beurteilung der unionsrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik

LFGB259 verwiesen. In dieser Ermächtigung sind, wie im vorigen Kapitel gezeigt,260 sowohl das geschützte Rechtsgut als auch die ungefähren Verhaltensweisen festgelegt. Auf diese Weise genügt zunächst die dynamische Verweisung im Blankettstrafgesetz des § 58 Abs. 1 Nr. 18 LFGB der kompetenzwahrenden Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG. Zugleich werden – über die Entsprechungsklausel – die in der Ermächtigung getroffenen Festlegungen für das unionsrechtsakzessorische Blankettstrafgesetz des § 58 Abs. 3 Nr. 2 LFGB relevant.261 Da hier unter den wesentlichen Voraussetzungen der Strafbarkeit, über die der parlamentarische Gesetzgeber bestimmen muss, das Gleiche wie bei einem nationalrechtsakzessorischen Blankettstrafgesetz zu verstehen ist, kann das festgestellte Ergebnis übertragen werden: Auch in § 58 Abs. 3 Nr. 2 LFGB genügt die dynamische Verweisung (die hier auf Unionsrecht verweist) der kompetenzwahrenden Komponente.262 Dass das BVerfG dieses Blankettstrafgesetz für verfassungskonform hält, ist daher überzeugend.263 Es besteht auch kein Widerspruch zur Entscheidung bezüglich des RiFlEtikettG: Dort fehlte es nämlich an einer Festlegung des geschützten Rechtsguts und der erfassten Verhaltensweisen.264 Insbesondere existierte keine Entsprechungsklausel, die nähere Kriterien aufgestellt hätte. Die vom BVerfG vorgenommene Prüfung des Blankettstrafgesetzes im LFGB ist nur insoweit zu kritisieren, als das Gericht, worauf bereits hingewiesen worden ist,265 den Kompetenzkonflikt bei parlamentarischem Gesetzgeber und nationalem Verordnungsgeber verortet und nicht bei parlamentarischem Gesetzgeber und Unionsgesetzgeber. Die Entsprechungsklausel ist aus Sicht der kompetenzwahrenden Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG mithin nicht nur zulässig. Es ist sogar vorteilhaft, die Klausel zu verwenden, weil sie regelmäßig gewährleistet, dass hinsichtlich der erfassten Verhaltensnormen die wesentlichen Voraussetzungen der Strafbarkeit im formellen Gesetz festgelegt sind.

259  Zum

Normtext oben S. 160. S. 161. 261  Vgl. Sackreuther, in: Streinz/Meisterernst, Vor §§ 58 ff. LFGB Rn. 22. 262  I. Erg. auch Cornelius, Verweisungsbedingte Akzessorietät, S. 410; Heger/Widmann, EuR 2021, 356, 363. 263  BVerfG 2 BvL 5/17, NZWiSt 2020, 263, 272  ff., dazu oben S. 251 ff. Das BVerfG hat die Verfassungsmäßigkeit freilich nur insoweit ausdrücklich festgestellt, als über die Entsprechungsklausel § 13 Abs. 1 Nr. 1, 2 LFGB in Bezug genommen wird (vgl. BVerfG, a. a. O., 268) und sich zu den anderen in Bezug genommenen Ermächtigungen nicht verhalten. 264  Oben S. 277. 265  Oben S. 256, 271. 260  Oben



III. Die Entsprechungsklausel299

Damit lässt sich die verfassungsrechtliche Beurteilung der Rückverweisungsklausel nun noch um einen Aspekt ergänzen. Der oben vorgenommenen verfassungs- beziehungsweise unionsrechtskonformen Auslegung, wonach der Verordnungsgeber im Strafrecht zum Tätigwerden verpflichtet ist, wird bei Einsatz einer Entsprechungsklausel regelmäßig nicht der Ultima-ratioGrundsatz entgegenstehen. Es gilt insofern das im vorigen Kapitel Gesag­ te:266 Weil die gesetzliche Verhaltensnorm beziehungsweise die Ermächtigung, auf die das Blankettstrafgesetz in der Entsprechungsklausel Bezug nimmt, bereits eng gefasst ist, wird die Strafbarkeit nicht gerade dadurch unzulässig weit ausgedehnt, dass der Verordnungsgeber die zu bewehrenden Verhaltensnormen innerhalb der formellgesetzlichen Grenzen nicht frei aussuchen darf. Sofern Bedenken bestehen, ob eine Strafandrohung erforderlich ist, werden diese vielmehr auf dem vorgelagerten Umstand beruhen, ob es überhaupt eines Strafgesetzes bedarf. Sie beziehen sich dann nicht speziell auf den Einsatz einer Rückverweisungsklausel. c) Zwischenergebnis Die Entsprechungsklausel ändert nichts an der Verpflichtung des Verordnungsgebers, eine rückverweisende Rechtsverordnung zu erlassen. Die Verpflichtung wird lediglich auf gesetzlich vorgezeichnete Fälle beschränkt: Die unionalen Verhaltensnormen, die in der Rechtsverordnung zu bezeichnen sind, müssen in ihrem materiellen Unrechtsgehalt demjenigen entsprechen, der in den durch die Entsprechungsklausel in Bezug genommenen Vorschriften beschrieben ist. Diese Vorschriften stellen zugleich formellgesetzliche Kriterien dar, die die dynamische Verweisung des Blankettgesetzes auf Unions­recht und damit den Einfluss des Unionsgesetzgebers enger begrenzen. Die Verweisung genügt daher – anders als bei Blankettgesetzen ohne Entsprechungsklausel – regelmäßig der kompetenzwahrenden Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG. 2. Bestimmtheitsgebot (freiheitsgewährleistende Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG) Mit dem Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG kommt die Entsprechungsklausel nicht in Konflikt. Möchte der Normadressat herausfinden, was strafbar ist, hat er den gleichen Aufwand wie bei einem Blankettstrafgesetz ohne Entsprechungsklausel.267 Im einen wie im anderen Fall ergibt sich aus der rückverweisenden nationalen Rechtsverordnung genau, welche unionalen 266  Oben 267  Vgl.

S. 216 f. Schützendübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 332.

300 D. Beurteilung der unionsrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik

Verhaltensnormen strafbewehrt sind. Das Merkmal des Entsprechens begründet keinen erhöhten Rechtsfindungsaufwand, denn hierüber zu urteilen obliegt allein dem Verordnungsgeber bei Erlass seiner rückverweisenden Rechtsverordnung. Der Normadressat muss sich darum nicht kümmern.268 Für ihn zählt nur das Ergebnis der Prüfung, das heißt die rückverweisende Rechtsverordnung. Natürlich kann für den Adressaten die Frage relevant sein, ob der Verordnungsgeber das Entsprechen zu Recht bejaht hat.269 Schließlich wird bei einer fälschlicherweise angenommenen Entsprechung keine Strafbarkeit begründet. Der Aufwand, der zur Klärung dieser Frage anfällt, kann die Regelung jedoch nicht unbestimmt werden lassen.270 Erstens ist er bereits kein Spezifikum der Entsprechungsklausel. Auch wenn der Normadressat beurteilen möchte, ob der Verordnungsgeber ein Blankettstrafgesetz ohne Entsprechungsklausel wirksam ausgefüllt hat, muss er prüfen, ob die Rechtsverordnung sich in den Grenzen der Ermächtigung hält. Und zweitens ist der insoweit anfallende Aufwand im Rahmen der freiheitsgewährleistenden Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG ohnehin nicht zu berücksichtigen. Er betrifft nämlich nicht den Inhalt der Norm, sondern ihr wirksames Zustandekommen. Letzteres zu beurteilen ist aber das Risiko, das der Adressat stets trägt, ohne dass die Norm deswegen verfassungswidrig werden könnte. Da die Entsprechungsklausel für den Adressaten irrelevant ist, bietet es sich an, die betroffenen Blankettstrafgesetze de lege ferenda umzugestalten: Die Entsprechungsklausel sollte aus dem Blankettstrafgesetz herausgenommen und stattdessen in die Ermächtigung zum Erlass der rückverweisenden Rechtsverordnung eingesetzt werden.271 Dies ist zwar nicht verfassungsrechtlich notwendig, doch würde auch ungeachtet einer zwingenden Notwendigkeit das Blankettgesetz dadurch übersichtlicher. Für den Normadressaten wäre zugleich noch klarer erkennbar, dass er nicht selbst über das Entsprechen befinden muss. 268  Vgl. BVerfG 2 BvL 5/17, NZWiSt 2020, 263, 275: „Der Normadressat kann erkennen, dass die verbindliche Entsprechungsprüfung durch den Verordnungsgeber vorzunehmen ist“. Anders Heger/Widmann, EuR 2021, 356, 367 f., nach denen die Entsprechungsklausel dem Normadressaten eben dies nicht klar zeige. Anders auch Satzger, Europäisierung, S. 283, der die Beurteilung der Entsprechung als schwierige, die inhaltliche Bestimmtheit beeinträchtigende Frage sieht; ebenso ders., Internationales und Europäisches Strafrecht, § 9 Rn. 81; ders., in: SSW, § 1 Rn. 65. 269  Dahingehend die Kritik von Schmitz, in: FS Schünemann, 235, 243: Dem ­Adressaten werde „das Risiko auferlegt, sich nicht an eine möglicherweise rechtswidrige Bezeichnung bestimmter Ge- oder Verbote zu halten.“ 270  Auch Schmitz, in: FS Schünemann, 235, 243 bezieht seine Kritik jedenfalls nicht ausdrücklich auf Art. 103 Abs. 2 GG, hält den Einsatz von Entsprechungsklauseln infolgedessen aber zumindest für unverhältnismäßig. 271  So der Vorschlag von Heger/Widmann, EuR 2021, 356, 368.



III. Die Entsprechungsklausel301

3. Gefahr eines Verstoßes gegen Unionsrecht Steht die Vereinbarkeit mit nationalem Verfassungsrecht nun fest, stellt sich aus Sicht des Unionsrechts noch ein Problem. Zwar ist der unionsrechtliche Grundsatz der Gesetzmäßigkeit nicht als relevanter Prüfungsmaßstab für die Rückverweisungstechnik angesehen worden.272 Im Zusammenhang mit Entsprechungsklauseln droht jedoch ein Verstoß gegen anderweitiges Unionsrecht. Als Grund für die unionsrechtsakzessorische Blankettstrafgesetzgebung ist zu Beginn der Untersuchung die Ausführungssperre von EU-Verordnungen identifiziert worden: Der Mitgliedstaat darf die in EU-Verordnungen enthaltenen unmittelbar anwendbaren Verhaltensnormen nicht ohne Hinweis auf die unionale Herkunft im nationalen Recht wiederholen, um ihren unionsrechtlichen Charakter nicht zu verschleiern.273 Sobald eine Entsprechungsklausel, die auf gesetzliche Ge- oder Verbote Bezug nimmt, angewandt werden kann, besteht aber gerade eine solche Situation.274 Auf Unionsebene existiert dann nämlich eine Verhaltensnorm, die sich mit gleichem Inhalt auch im nationalen Recht findet. Die nationale Verhaltensnorm ist zwar wegen des vorrangigen Unionsrechts nicht mehr anwendbar. Doch besteht sie als Bezugs­objekt der Entsprechungsklausel unverändert fort und könnte den Normadressaten darüber täuschen, dass das einzig relevante Ge- oder Verbot nunmehr auf Unionsebene angesiedelt ist. Diese Gefahr bestand beispielsweise hinsichtlich der nationalen Verhaltensnorm des § 26 S. 1 LFGB a. F.275, die durch § 58 Abs. 1 Nr. 11 LFGB a. F. strafbewehrt wurde. Seit dem Jahr 2013 wurde § 26 S. 1 LFGB a. F. durch die diesem inhaltlich entsprechenden276 unionalen Normen der Art. 5 Abs. 1, Art. 3 S. 1 lit. a, b, c VO (EG) Nr. 1223/2009 überlagert.277 Für diesen Fall hatte der Gesetzgeber das unionsrechtsakzessorische Blankettstrafgesetz mit Entsprechungsklausel des § 58 Abs. 3 Nr. 1 LFGB vorgesehen. 272  Oben

S. 131 ff. S. 63 ff. 274  Im Rahmen der Entsprechungsklausel, die auf eine Ermächtigung Bezug nimmt, besteht dieses Problem hingegen insofern nicht, als die Ermächtigung selbst keine unmittelbar anwendbare Verhaltensnorm ist. Sofern indes darauf gestütztes nationales Verordnungsrecht ergangen ist, das von inhaltlich entsprechendem Unionsrecht abgelöst wird, entsteht insoweit die gleiche Situation. 275  Vom 03.06.2013, BGBl.  I 2013, 1426, in der Fassung vom 12.05.2021, BGBl. I 2021, 1087. 276  Vgl. Rathke, in: Zipfel/Rathke, § 26 LFGB Rn. 9 f. Das ist im Detail nicht unumstritten (dazu Reinhart, in: Meyer/Streinz, § 26 LFGB Rn. 4 f.), soll hier aber nicht vertieft werden. 277  BT-Drs. 19/25319, 51; Sackreuther, in: Streinz/Meisterernst, § 58 LFGB Rn. 8. 273  Oben

302 D. Beurteilung der unionsrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik

Der daraus entstehenden Pflicht zum Erlass einer rückverweisenden Rechtsverordnung kam der nationale Verordnungsgeber nach und verwies für die genannten unionalen Normen in § 8 Abs. 1 KosmetikV a. F.278 auf das Blankettstrafgesetz zurück. Die ursprünglich vom nationalrechtsakzessorischen Blankettstrafgesetz erfassten Verhaltensweisen waren seitdem vom unionsrechtsakzessorischen Blankettstrafgesetz erfasst. Die durch das Unionsrecht abgelösten Vorschriften der §§ 26 S. 1, 58 Abs. 1 Nr. 11 LFGB wurden aber erst im Jahr 2021 in ihrer bisherigen Form aufgehoben,279 also acht Jahre nach Geltungsbeginn der VO (EG) Nr. 1223/2009. (Zugleich ist der Rückverweis in § 8 Abs. 1 KosmetikV aufgehoben worden, weil der Gesetzgeber nun selbst im LFGB direkt auf die unionalen Normen Bezug nimmt.280) Für Normadressat und Rechtsanwender war damit lange Zeit nicht unmittelbar ersichtlich, dass die nationalen Vorschriften unionsrechtlich überlagert wurden. Selbst die Kommentarliteratur enthielt zum Großteil keinen Hinweis darauf, dass das nationalrechtsakzessorische Strafgesetz des § 58 Abs. 1 Nr. 11 LFGB nicht mehr anwendbar war.281 Dadurch war der Anwendungsvorrang des Unionsrechts gefährdet. Freilich könnte ein Unterschied darin gesehen werden, dass das gleichlautende nationale Recht hier nicht nach Erlass der EU-Verordnung gesetzt worden ist, sondern schon zuvor bestand. Die Ausführungssperre von EU-Verordnungen könnte sich mit anderen Worten in einer Unterlassungspflicht erschöpfen. Sie würde dann nicht auch zu dem aktiven Handeln zwingen, das bereits bestehende nationale Recht zu ändern. Ihr Zweck spricht allerdings nicht dafür, insoweit zu unterscheiden: Die Gefahr, eigentlich auf Unionsebene angesiedelte Vorschriften als nationale zu behandeln, besteht unabhängig davon, ob die gleichlautende nationale Vorschrift schon vor oder erst nach Inkrafttreten der unionalen erlassen wird.282 Entsprechend unterscheidet auch der EuGH 278  Kosmetik-Verordnung vom 16.07.2014, BGBl. I 2014, 1054, in der Fassung vom 26.01.2016, BGBl. I 2016, 108. 279  Gesetz vom 27.07.2021, BGBl. I 2021, 3274. § 26 S. 1 und § 58 Abs. 1 Nr. 11 LFGB gelten nun nicht mehr für kosmetische Mittel, sondern für Mittel zum Tätowieren. 280  § 58 Abs. 2a Nr. 2 LFGB. 281  Ein entsprechender Hinweis fand sich bei Ballke, in: Streinz/Meisterernst, § 26 LFGB Rn. 10 und Sackreuther, in: Streinz/Meisterernst, § 58 LFGB Rn. 8; nicht aber bei Bach, in: ERST, § 58 LFGB Rn. 14; Dannecker/Bülte, in: Achenbach/Ransiek/Rönnau, Teil 2 Kap. 2 Rn. 222 ff.; Domeier, in: Zipfel/Rathke, § 58 LFGB Rn.  45 ff.; Rohnfelder/Freytag, in: Erbs/Kohlhaas, § 58 LFGB Rn. 4. 282  Ausdrücklich für eine Pflicht zur Aufhebung inhaltsgleichen nationalen Rechts Jarass/Beljin, NVwZ 2004, 1, 7; Lauber-Rönsberg/Hartlaub, NJW 2017, 1057, 1061; vgl. ferner Eckert, ZLR 1990, 518, 536.



III. Die Entsprechungsklausel303

jedenfalls in Fällen, in denen nationales Recht dem Unionsrecht widerspricht, nicht danach, ob das nationale Recht vor oder nach dem unionalen Rechtsakt erlassen worden ist. Er sieht den betroffenen Mitgliedstaat in jedem Fall verpflichtet, das kollidierende nationale Recht anzupassen.283 Dass der Mitgliedstaat zu einer Änderung des nationalen Rechts gezwungen ist, mag zunächst widersprüchlich erscheinen, weil der Anwendungsvorrang des Unionsrechts gerade kein Geltungsvorrang ist.284 Der Unterschied zwischen Anwendungs- und Geltungsvorrang bleibt jedoch erhalten. Das zeigt sich, wenn die nationale Norm einen weiter gefassten Anwendungsbereich als die unionale hat. Während sie bei einem Geltungsvorrang automatisch nichtig würde, muss sie bei bloßem Anwendungsvorrang zwar gesetzgeberisch angepasst werden, kann innerhalb des weitergehenden Anwendungsbereichs aber nach wie vor ununterbrochen Rechtswirkung entfalten. Zwingt das Unionsrecht also zu einer Aufhebung bereits existierenden inhaltsgleichen Rechts, hat das Konsequenzen für die Variante der Entsprechungsklausel, die auf formellgesetzliche Ge- oder Verbote Bezug nimmt. Freilich ist es nach wie vor möglich, sie einzusetzen, damit der Verordnungsgeber sicherstellen kann, dass keine Sanktionslücke aufbricht, wenn eine bewehrte nationale Verhaltensnorm europäisiert wird. Sobald die Entsprechungsklausel zum Einsatz gekommen ist, muss aber die nationale Verhaltensnorm aufgehoben285 beziehungsweise, sofern ihr in bestimmten Fällen noch ein eigener Anwendungsbereich verbleibt, zumindest eingeschränkt werden. Diese Anpassung kann ebenfalls dem Verordnungsgeber überlassen werden. Entsprechende Regelungen existieren teilweise sogar schon, so auch im beispielhaft herangezogenen LFGB. § 70 Abs. 7 LFGB: „Das Bundesministerium wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung […] Vorschriften dieses Gesetzes […] zu streichen oder in ihrem Wortlaut einem verbleibenden Anwendungsbereich anzupassen, soweit sie durch den Erlass entsprechender Vorschriften in unmittelbar geltenden Rechtsakten der […] Euro­

283  EuGH C-74/86, Slg. 1988, 2139 Rn.  10  f. – „Kommission/Deutschland“; C-160/99, Slg. 2000, I-6137 Rn. 22 – „Kommission/Frankreich“. 284  Zu dieser Unterscheidung Ruffert, in: Calliess/Ruffert, Art. 1 AEUV Rn. 18. 285  Es ließe sich zwar argumentieren, es falle dann ein Teil der Verordnungsermächtigung weg, da die nationale Verhaltensnorm als Bezugsobjekt der Entsprechungsklausel Vorgaben für den nationalen Verordnungsgeber enthält. Die eigentliche Ermächtigung zur rückverweisenden Rechtsverordnung (dazu oben S. 257), besteht aber fort. Zudem hat nach herrschender Meinung selbst der vollständige Wegfall der Ermächtigung keine automatische Auswirkung auf die Wirksamkeit einer bereits erlassenen Rechtsverordnung, BVerfG 1 BvR 482/84 u. a., NJW 1988, 2290, 2292; Wallrabenstein, in: von Münch/Kunig, Art. 80 Rn. 12 m. w. N.

304 D. Beurteilung der unionsrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik päischen Union im Anwendungsbereich dieses Gesetzes unanwendbar geworden sind.“286

Der Verordnungsgeber ist dann unionsrechtlich verpflichtet, von der Ermächtigung Gebrauch zu machen. Im genannten Beispiel des § 26 S. 1 LFGB a. F. hat er es freilich versäumt, tätig zu werden. Alternativ hierzu ist denkbar, dass der Gesetzgeber, wie im LFGB geschehen, selbst die Verhaltensnorm aufhebt und zugleich auch das Strafgesetz umgestaltet, indem er dort direkt auf die unionale Verhaltensnorm verweist, ohne den Verordnungsgeber zwischenzuschalten. Das unionsrechtsakzessorische Blankettstrafgesetz mit Rückverweisungsklausel hat dann lediglich vorübergehende Bedeutung. Es stellt sicher, dass die Strafdrohung ab Europäisierung der zugrunde liegenden Verhaltensnorm aufrechterhalten bleibt, dies aber nur bis zu dem Zeitpunkt, zu dem der parlamentarische Gesetzgeber das formelle Gesetz ändert. Nimmt dieser selbst auf genau bezeichnetes Unionsrecht Bezug, muss er die Verweisung freilich selbst an künftige unionsrechtliche Änderungen anpassen. Den dabei anfallenden Aufwand kann er aber jedenfalls minimieren, indem er die Verweisung dynamisch ausgestaltet. Darauf ist an späterer Stelle noch einmal genauer einzugehen.287 4. Ergebnis Die Entsprechungsklausel schränkt in ihren beiden Varianten die Pflicht des Verordnungsgebers zum Erlass einer rückverweisenden Rechtsverordnung lediglich auf gesetzlich vorgezeichnete Fälle ein und ist daher mit der kompetenzwahrenden Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG vereinbar. Darüber hinaus begrenzt die Klausel den Einfluss, der dem Unionsgesetzgeber infolge der dynamischen Verweisung im Blankettstrafgesetz zukommt, in effektiver Weise. Die dynamische Verweisung in unionsrechtsakzessorischen Blankettstrafgesetzen ist deshalb eher verfassungskonform, wenn eine Entsprechungsklausel eingesetzt wird. Aus Sicht der freiheitsgewährleistenden Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG bestehen ebenfalls keine Bedenken. Das BVerfG hat die Verfassungskonformität bislang nur für diejenige Entsprechungsklausel festgestellt, die sich auf eine Ermächtigungsgrundlage bezieht. Da diese aber die verfassungsrechtlich umstrittenere Variante ist, ist zu vermuten, dass das Gericht auch die andere Variante für verfassungskonform erachten würde.

286  Zur Zulässigkeit solcher „gesetzesändernder“ Rechtsverordnungen unten S. 313 ff. 287  Unten S. 310 f., 319 ff.



IV. Weiterverweisungen in der nationalen und unionalen Verordnung 305

Aus unionsrechtlicher Perspektive ist darauf zu achten, dass dann, wenn formellgesetzliche Verhaltensnormen das Bezugsobjekt der Entsprechungsklausel bilden, nicht gegen die Ausführungssperre einer EU-Verordnung verstoßen wird. Sobald die nationalen durch unionale Normen abgelöst worden sind, müssen sie aufgehoben werden.

IV. Weiterverweisungen in der nationalen und unionalen Verordnung Zum Schluss der verfassungsrechtlichen Beurteilung sollen alle Weiter­ verweisungen, die im Rahmen der unionsrechtsakzessorischen Rückver­ weisungstechnik zum Einsatz kommen, sowie die dadurch entstehende Verweisungskette in den Blick genommen werden. Ebenso wie im nationalen Kontext stellt sich dabei maßgeblich die Frage, ob die aus allen Vorschriften zusammengesetzte Regelung mit der freiheitsgewährleistenden Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG vereinbar ist, insbesondere mit Blick auf ihre strukturelle und quantitative Komplexität.288 Dies ist für Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht in gleicher Weise zu beantworten. Die typischerweise verwendeten Weiterverweisungen lassen sich exemplarisch untersuchen anhand der von § 58 Abs. 3 Nr. 2 LFGB ausgehenden Verweisungen. § 58 Abs. 3 Nr. 2 LFGB: „Ebenso [wie nach Abs. 1] wird bestraft, wer […] einer […] unmittelbar geltenden Vorschrift in Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union zuwiderhandelt, die inhaltlich einer Regelung entspricht, zu der die in Absatz 1 Nr. 18 genannten Vorschriften ermächtigen, soweit eine Rechtsverordnung nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 für einen bestimmten Straftatbestand auf diese Strafvorschrift verweist.“ § 7 Nr. 1 LMRStV: „Nach § 58 Absatz 3 Nummer 2 […] des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches wird bestraft, wer gegen die Verordnung (EG) Nr. 124/ 2009 verstößt, indem er vorsätzlich oder fahrlässig […] entgegen Artikel 1 Absatz 1 Unterabsatz 1 ein Lebensmittel in den Verkehr bringt […].“289 Art. 1 Abs. 1 UAbs. 1 VO (EG) Nr. 124/2009: „Die im Anhang dieser Verordnung aufgeführten Lebensmittel dürfen nicht in Verkehr gebracht werden, wenn sie einen der im Anhang aufgeführten Kontaminanten mit einem Anteil enthalten, der mehr als die im Anhang festgelegten Höchstgehalte ausmacht.“

288  Zum

grundsätzlichen Problem oben S. 233 f. hier bestehenden Problem der veralteten statischen Verweisung oben S. 68. Im Übrigen sei klarstellend darauf hingewiesen, dass in der LMRStV weitere rückverweisende Vorschriften existieren. 289  Zum

306 D. Beurteilung der unionsrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik

1. Bestimmtheit der einzelnen Verweisungen Für sich genommen sind die jeweiligen Verweisungen hinreichend bestimmt. Auf der ersten Stufe verweist das Blankettstrafgesetz in der Rückverweisungsklausel dynamisch, pauschal und halb-explizit auf die nationale Rechtsverordnung. Auf der zweiten Stufe verweist die Rechtsverordnung mit einer voll-expliziten und statischen Außenverweisung auf die Vorschrift einer EU-Verordnung. Beide Verweisungen wurden oben schon für zulässig befunden.290 Die Weiterverweisung auf der dritten Stufe, der unionalen Verhaltensnorm, ist als voll-explizite und dynamische Binnenverweisung ebenfalls verfassungskonform.291 Eine solche Verweisung existiert im Übrigen gar nicht stets, aber doch häufig.292 Die im Blankettstrafgesetz enthaltene dynamische, pauschale und halbexplizite Verweisung auf Unionsrecht spielt an dieser Stelle keine Rolle. Sie nimmt, wie bereits erwähnt,293 keinen Einfluss auf die inhaltliche Bestimmtheit der Strafbarkeit, weil sich der Normadressat allein an der voll-expliziten und statischen Verweisung auf Unionsrecht in der Rechtsverordnung orientieren kann. Gleiches gilt für die Verweisung im Blankettstrafgesetz auf die an den nationalen Verordnungsgeber adressierte Ermächtigungsgrundlage. Auch um sie muss sich der Normadressat nicht kümmern.294 2. Bestimmtheit der Gesamtregelung Insgesamt ist eine Verweisungskette mit einer Länge von vier Gliedern entstanden. Das gleicht im Umfang derjenigen Verweisungskette, die im Rahmen der nationalrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik typischerweise besteht. Auch die einzelnen Weiterverweisungen sind ähnlich wie im nationalen Kontext ausgestaltet. Die dortigen Ausführungen, wonach die Verweisungskette noch hinreichend bestimmt ist, gelten daher grundsätzlich auch hier.295 Im Unterschied zur nationalrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik ist die Weiterverweisung in der nationalen Rechtsverordnung jedoch eine Außenverweisung. Dadurch tritt – neben das formelle Gesetz und die Rechtsverordnung – eine dritte Ebene in Gestalt des Unionsrechts hinzu. Für den Normadressaten erhöht dies den Rechtsfindungsaufwand, weil er, ausgehend 290  Oben

S. 243, 280 ff. oben S. 234. 292  Oben S. 54. 293  Oben S. 280, 288 f. 294  Vgl. bereits oben S. 234; a. A. Heger/Widmann, EuR 2021, 356, 367. 295  Oben S. 235 f. 291  Vgl.



IV. Weiterverweisungen in der nationalen und unionalen Verordnung 307

von der rückverweisenden Vorschrift in der nationalen Rechtsverordnung, die Verhaltensnorm nicht im gleichen Normenwerk findet.296 Andererseits darf dieser Aufwand auch nicht überbewertet werden. Beide Rechtsordnungen, die nationale und die unionale, sind dem Bürger vertraut.297 Berücksichtigt man im Übrigen die statische und voll-explizite Ausgestaltung der Außenverweisung, ist nicht anzunehmen, dass gerade sie die Verweisungskette unbestimmt macht. Die Weiterverweisungen sind damit auch bei einer Gesamtbetrachtung verfassungskonform. Ebenso wie bei Untersuchung der nationalrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik bezieht sich dieses Ergebnis auf die im unionalen Kontext typischerweise entstehende Verweisungskette. Ihre Zulässigkeit ist daher für jedes Blankettgesetz stets noch einmal gesondert zu prüfen, um allen Besonderheiten des Einzelfalls Rechnung zu tragen. Zu berücksichtigen ist insbesondere, dass die Wahrscheinlichkeit zusätzlicher Weiterverweisungen auf unionaler Ebene tendenziell etwas größer ist. EU-Verordnungen sind häufig komplizierter aufgebaut als nationale Rechtsverordnungen: Sie enthalten weniger einzelne, in sich abgeschlossene Regelungen; die Vorschriften sind vielmehr untereinander durch zahlreiche Binnenverweisungen verbunden. Wird auf eine dieser verschalteten Vorschriften durch die rückverweisende nationale Rechtsverordnung verwiesen, erhöht das die strukturelle und quantitative Komplexität erheblich. Der nationale Verordnungsgeber bemüht sich, dem zu entgehen, indem er in der rückverweisenden Vorschrift nicht unbesehen das gesamte Verweisungssystem einer EU-Verordnung in Bezug nimmt, sondern nur einzelne miteinander verschaltete Vorschriften benennt. Dadurch bleibt es dem Normadressaten erspart, dem kompletten Verweisungssystem eigenständig nachgehen zu müssen. Dennoch können die vom Blankettgesetz ausgehenden Verweisungen zu komplex werden, insbesondere wenn mehrfache Verweisungen hinzukommen. Beispielsweise bestimmt § 5 Nr. 3 WeinSBV: § 5 Nr. 3 WeinSBV: „Ordnungswidrig im Sinne des § 50 Absatz 2 Satz 1 Nummer 12 des Weingesetzes handelt, wer gegen die Verordnung (EG) Nr. 436/2009 verstößt, indem er […] entgegen Artikel 36 Absatz 1, auch in Verbindung mit Artikel 38 Absatz 2 Unterabsatz 3, jeweils in Verbindung mit Artikel 36 Absatz 3 Satz 1, Artikel 38 Absatz 1 Unterabsatz 1 oder Absatz 2 Unterabsatz 1, Artikel 39 Absatz 1 Unterabsatz 1 Buchstabe b, Buchstabe c, Buchstabe d oder Buchstabe e, Artikel 39 Absatz 1 Unterabsatz 3, Artikel 40 Absatz 1 oder Absatz 4, Artikel 41 Absatz 2, Artikel 42, Artikel 43 Absatz 1 Unterabsatz 1 oder Absatz 2, Artikel 45 Absatz 1 Unterabsatz 1 oder Artikel 46 Satz 3 oder Satz 4, ein Buch nicht, nicht richtig oder nicht vollständig führt […].“ 296  Sehr kritisch deshalb Böse, in: FS Krey, 7, 23; ferner Heger, in: Böse, Europäisches Strafrecht, § 5 Rn. 78; Petzsche, NZWiSt 2015, 210, 216. 297  Bereits oben S. 281.

308 D. Beurteilung der unionsrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik

Hier wird eine Vielzahl an Vorschriften einer EU-Verordnung miteinander kombiniert. Der Normadressat muss nicht nur die beiden erstgenannten Artikel zusammenlesen, sondern diese nochmals mit einem der nachstehenden Artikel. Zusätzlich muss er den so ermittelten Inhalt über § 5 Nr. 3 WeinSBV mit dem Blankettordnungswidrigkeitengesetz des § 50 Abs. 2 S. 1 Nr. 12 WeinG kombinieren. Dies begründet einen unzumutbaren Rechtsfindungsaufwand und verstößt damit gegen Art. 103 Abs. 2 GG.

V. Umgestaltung verfassungswidriger Blankettgesetze Die Untersuchung hat gezeigt, dass Blankettgesetze ohne Entsprechungsklausel oft nicht den Anforderungen der kompetenzwahrenden Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG genügen. Die im Tatbestand verwendete dynamische Verweisung auf Unionsrecht ist bei ihnen nicht ausreichend eingegrenzt, weil im formellen Gesetz nicht das geschützte Rechtsgut und die erfassten Verhaltensweisen erkennbar sind.298 Zahlenmäßig betraf dies hauptsächlich das Ordnungswidrigkeitenrecht, da im Strafrecht zumeist eine Entsprechungsklausel eingesetzt wird, mit der die dynamische Verweisung hinreichend begrenzt wird. Bei dieser verfassungsrechtlichen Beurteilung des status quo soll es nicht belassen werden. Vielmehr ist nun der Frage nachzugehen, inwiefern die betroffenen Gesetze zu verfassungskonformen umgestaltet werden können. Geboten ist diese Untersuchung auch aus unionsrechtlichen Gründen. Die Ausführungen zum verfassungsrechtlichen Maßstab haben gezeigt, dass eine Prüfung von Blankettgesetzen allein anhand des nationalen Gesetzlichkeitsgrundsatzes nicht den effet utile des Unionsrechts beeinträchtigen darf.299 Eben dies wäre aber der Fall, wenn sich unionsrechtsakzessorische Blankettstrafgesetze mit Rückverweisungsklausel, die nach nationalem Recht verfassungswidrig sind, nicht verfassungskonform umgestalten ließen. 1. Ursache der zu weiten dynamischen Verweisung Um eine Lösung zu finden, ist der tiefere Grund für die zu offen gefassten und daher verfassungswidrigen Blankettgesetze in den Blick zu nehmen. Er wurzelt im Verhältnis zwischen nationalem und unionalem Gesetzgeber. Der nationale Gesetzgeber möchte mit dem Blankettgesetz unionsrechtlichen Sanktionierungspflichten möglichst umfassend nachkommen. Deshalb nimmt er über die dynamische und pauschale Verweisung nicht nur bestehendes, 298  Oben 299  Oben

S. 276 ff. S. 136, 149 f.



V. Umgestaltung verfassungswidriger Blankettgesetze309

sondern auch künftig zu erlassendes Unionsrecht in Bezug. Wie das künftige Unionsrecht, das vom nationalen Recht bewehrt werden muss, aussehen wird, weiß er aber nicht, denn er kann dem unionalen Gesetzgeber keine Vorgaben machen, welches Recht dieser erlassen darf. Der Unionsgesetzgeber muss schließlich nicht zu Regelungen in einem bestimmten Sachbereich gesetzlich ermächtigt werden, sondern kann innerhalb der durch die europäischen Verträge übertragenen Kompetenzen von sich aus tätig werden. Der nationale Gesetzgeber fasst das Blankettgesetz daher möglichst weit, sodass es alle relevanten unionalen Verhaltensnormen erfassen kann. Es zeigt sich hier ein entscheidender Unterschied zur nationalrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik. Mit dieser will der Gesetzgeber zwar gleichfalls auch erst künftig zu erlassendes (nationales) Verordnungsrecht erfassen. Er kann aber genauer vorgeben, worin das künftige Verordnungsrecht besteht. Der nationale Verordnungsgeber darf – anders als der unionale Gesetzgeber – nicht von sich aus tätig werden, sondern muss dazu erst ermächtigt werden. In der Ermächtigung macht der Gesetzgeber genaue Vorgaben und grenzt dadurch die dynamische Verweisung ein.300 2. Aufnahme einer Entsprechungsklausel Dem dargestellten Problem entgeht der Gesetzgeber, wenn er eine Entsprechungsklausel verwendet und darüber auf genauere formellgesetzliche Kriterien Bezug nimmt. Seit der bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidung zum LFGB, in der die Entsprechungsklausel für zulässig erklärt worden ist, bemüht er sich denn auch darum, sie vermehrt einzusetzen. Er hat sie etwa in § 55 Abs. 1 Nr. 3 AgrarOLkG, § 18 Abs. 2 Nr. 11 SeeFischG und § 50 Abs. 2 S. 1 Nr. 12 WeinG neu eingefügt.301 Eine Entsprechungsklausel aufzunehmen, bietet aber nicht für alle zu weit gefassten unionsrechtsakzessorischen Blankettgesetze eine Lösung. Denn damit wird vor allem bezweckt, ein ursprünglich nach nationalem Recht geoder verbotenes Verhalten weiterhin mit einer Sanktion zu bedrohen, wenn das Ge- oder Verbot europäisiert wird. War das nunmehr unionsrechtlich geregelte Verhalten zuvor gar nicht oder jedenfalls auf andere Weise im natio­nalen Recht geregelt, hilft eine Entsprechungsklausel nicht weiter. Es gibt dann kein nationales Recht, dem entsprochen werden könnte.

300  Oben

S. 161. BT-Drs. 19/21984, 11 (zu § 55 Abs. 1 Nr. 3 AgrarOLkG, damals geregelt in § 8 Abs. 1 Nr. 3 AgrarMSG [Agrarmarktstrukturgesetz]); 19/23749, 19 (zu § 50 Abs. 2 S. 1 Nr. 12 WeinG); 19/26840, 14 (zu § 18 Abs. 2 Nr. 11 SeeFischG). 301  Dazu

310 D. Beurteilung der unionsrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik

3. Statische Direktverweisung im formellen Gesetz Für die damit angesprochenen Fälle liegt eine Lösung darin, die zeitliche Abfolge von nationalem Blankettgesetz und unionalem Ausfüllungsobjekt umzukehren: Der nationale Gesetzgeber wartet zunächst ab, welches Recht die EU erlässt, und wird erst in der Folge selbst aktiv. Weil dann bereits eine unionale Verhaltensnorm existiert, kann er sie – ohne den Umweg über eine nationale rückverweisende Rechtsverordnung – direkt im formellen Gesetz statisch in Bezug nehmen. Dadurch werden keine Gesetzgebungsbefugnisse verlagert;302 Art. 103 Abs. 2 GG wird eingehalten. Dieses Vorgehen liegt auch deshalb nahe, weil die Initiative dazu, bestimmte Verhaltensnormen zu bewehren, anders als bei der Bewehrung von nationalem Verordnungsrecht, nicht vom nationalen, sondern vom EU-Gesetzgeber ausgeht.303 Der Vorschlag einer direkten statischen Verweisung im formellen Gesetz ist nicht neu304 und wird auch bereits im geltenden Recht praktiziert, zum Beispiel in § 69 Abs. 4, 5 BNatSchG oder § 58 Abs. 2, 2a LFGB. Doch ist er als Alternative zur in Teilen verfassungswidrigen unionsrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik noch einmal besonders hervorzuheben. Die Regelungstechnik wird auch vom Gesetzgeber in diesem Sinne genutzt. Nachdem das BVerfG § 10 Abs. 1 RiFlEtikettG für nichtig erklärt hatte, strich der Gesetzgeber dieses Blankettstrafgesetz ersatzlos und ergänzte stattdessen den Ordnungswidrigkeitentatbestand des § 11 RiFlEtikettG um neue Absätze.305 Dort verweist das Gesetz nun selbst statisch und voll-explizit auf unionale Vorschriften. Unter Berufung auf die Rechtsprechung des BVerfG306 wurde zugleich das ähnlich offen gefasste unionsrechtsakzessorische Blankettstrafgesetz des § 8 MilchMarG geändert. Es verzichtet seitdem ebenfalls auf eine Rückverweisungsklausel und nimmt (über den Umweg einer Verweisung auf § 4a Abs. 2 MilchMarG) direkt unionale Vorschriften in Bezug. Freilich ist mit einer statischen Verweisung im Gesetz stets das beschriebene Risiko ungewollter Sanktionslücken verbunden, wenn die Verweisung in der Folgezeit nicht rechtzeitig an Änderungen des Ausfüllungsobjekts angepasst wird.307 Auch Unionsrecht, darauf wurde schon an früherer Stelle

302  Oben

S. 272. Schützendübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 345. 304  Vgl. etwa Hecker, NJW 2016, 3653; Wiemers, DVBl 2017, 191, 192. 305  Gesetz vom 18.01.2019, BGBl. I 2019, 33. 306  BT-Drs. 19/4728, 19. 307  Dazu oben S. 45 f. Daher die Alternative der direkten statischen Verweisung ablehnend Brand/Kratzer, JR 2018, 422, 432; Dorneck, in: Stam/Werkmeister, Der Allgemeine Teil des Strafrechts, 9, 29. 303  Vgl.



V. Umgestaltung verfassungswidriger Blankettgesetze311

hingewiesen,308 wird jedoch nicht immer so schnell und häufig geändert, dass der parlamentarische Gesetzgeber dem nie rechtzeitig nachkommen könnte. Dies gilt insbesondere, da das förmliche Gesetzgebungsverfahren verschiedene Möglichkeiten bietet, es zu beschleunigen.309 Und im Übrigen ist die Delegation an den Verordnungsgeber in der Praxis längst nicht so gewinnbringend, wie ihre theoretisch bestehenden Vorteile vermuten lassen. Wie gesehen passt der Verordnungsgeber seine Verweisung auf Unionsrecht nämlich in vielen Fällen nicht rechtzeitig an Änderungen an.310 Der besondere Vorteil, den Blankettgesetze mit Rückverweisungsklausel bieten sollen, besteht dann ohnehin nicht. Eine statische Direktverweisung sollte folglich immer als primäre Option erwogen werden, um einer unionsrechtlichen Sanktionierungspflicht nachzukommen. 4. Lösungsmöglichkeiten bezüglich sich häufig ändernder Rechtsgebiete Für den Fall, dass aber doch ein Rechtsgebiet betroffen ist, das sehr häufig Änderungen erfährt, sollen im Folgenden drei weitere Regelungstechniken vorgestellt werden. Die erste wird bereits de lege lata praktiziert, die anderen beiden sind Vorschläge de lege ferenda. Alle Techniken werden zunächst dargestellt und verfassungsrechtlich untersucht. Sodann sind sie mit Blick auf ihren Nutzen als Alternative zur bisherigen Ausgestaltung verfassungswidriger unionsrechtsakzessorischer Blankettgesetze zu bewerten.

308  Oben

S. 151. indem die Frist zu Stellungnahmen des Bundesrats beziehungsweise der Bundesregierung gemäß Art. 76 Abs. 2 S. 4, Abs. 3 S. 4 GG verkürzt oder nach § 80 Abs. 2 S. 1 GO-BT auf eine Überweisung an einen Ausschuss verzichtet wird; darauf aufmerksam machend Satzger, Europäisierung, S. 287 f.; Schützendübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 300. Satzger, a. a. O., S. 287 schlägt zudem eine durch Verfassungsänderung zu erreichende Verlagerung der die Anpassung von Verweisungen betreffenden Gesetzgebung auf einen Ausschuss vor (zustimmend Hecker, NJW 2016, 3653; ders., JuS 2017, 79, 81; Schützendübel, a. a. O., S. 301). Da dieser Vorschlag kaum Aussicht auf Realisierung hat (zu Recht zweifelnd Brand/Kratzer, JR 2018, 422, 432), wird darauf nicht näher eingegangen. 310  Oben S. 68. 309  Etwa

312 D. Beurteilung der unionsrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik

a) Statische Direktverweisung in Kombination mit Ermächtigung des nationalen Verordnungsgebers zur Anpassung der Verweisung aa) Regelungstechnik In manchen Gesetzen verweist der Gesetzgeber statisch und voll-explizit auf die Verhaltensnorm einer EU-Verordnung und ermächtigt zugleich den nationalen Verordnungsgeber, die Verweisung entsprechend anzupassen, wenn die in Bezug genommene unionale Verhaltensnorm geändert wird: § x Parlamentsgesetz: „Das Bundesministerium wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung Verweisungen in diesem Gesetz, insbesondere Verweisungen auf Vorschriften in der Verordnung (EU) …, zu ändern, soweit es zur Anpassung an Änderungen dieser Vorschriften erforderlich ist. Von der Ermächtigung nach Satz 1 darf nur zur Anpassung an redaktionelle Änderungen, einschließlich der Änderung der Nummern oder der Bezeichnungen von Rechtsakten oder von Einzelnormen, sowie zur Anpassung von Änderungshinweisen Gebrauch gemacht werden.“311

Die Ermächtigung ist ausdrücklich begrenzt auf Fälle, in denen die in Bezug genommene Vorschrift der EU-Verordnung allein redaktionell geändert wird. Zu denken ist insbesondere daran, dass die Vorschrift infolge einer anderweitigen Ergänzung der EU-Verordnung in einen anderen Absatz oder Artikel verschoben wird. Außerdem darf der nationale Verordnungsgeber die in der statischen Verweisung regelmäßig enthaltene Angabe aktualisieren, wann die EU-Verordnung zuletzt geändert wurde. Sofern das Ausfüllungsobjekt hingegen auch inhaltlich geändert wird, eine Anpassung der Verweisung also materiell-rechtliche Auswirkungen im nationalen Strafrecht hätte, ist eine Grenze erreicht.312 Dann darf der Verordnungsgeber nicht tätig werden. Diese Regelungstechnik wird etwa im RiFlEtikettG und MilchMarG genutzt. Die dortigen unionsrechtsakzessorischen Blankettgesetze mit Rückverweisungsklausel wurden, wie soeben beschrieben, infolge der Nichtigerklärung von § 10 Abs. 1 RiFlEtikettG gestrichen. Die neuen Tatbestände verweisen nun selbst statisch und voll-explizit auf unionale Vorschriften.313 In § 8 Abs. 3 RiFlEtikettG und § 12 Abs. 2 MilchMarG wird der Verordnungsgeber auf die beschriebene Weise ermächtigt, die statischen Verweisungen zu ändern. 311  Zugleich wird der Verordnungsgeber zudem ermächtigt, Verweisungen in auf Grund des betroffenen Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen zu ändern, dazu bereits oben S. 50 f. Ausschließlich auf diesen Aspekt bezieht sich die Untersuchung von Schützendübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 289 ff. 312  Vgl. BT-Drs. 19/4728, 17, 19. 313  Oben S. 310.



V. Umgestaltung verfassungswidriger Blankettgesetze313

Aber auch bereits vor dem bundesverfassungsgerichtlichen Beschluss zum RiFlEtikettG hat der Gesetzgeber der Exekutive die Anpassung von Verweisungen erlaubt, etwa in § 15 Abs. 2 Nr. 1 DüG, § 70 Abs. 6 LFGB oder § 8 Abs. 2 Nr. 1 TierErzHaVerbG. Diese Ermächtigungen sind allerdings, auch heute noch, weiter gefasst: § x Parlamentsgesetz: „Das Bundesministerium wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung Verweisungen auf Vorschriften in Rechtsakten der Europäischen Union in diesem Gesetz zu ändern, soweit es zur Anpassung an Änderungen dieser Vorschriften erforderlich ist.“

Es fehlt hier an einer Beschränkung, wonach der Verordnungsgeber nur bei redaktionellen Änderungen des Unionsrechts tätig werden darf. Zwar sind darüber hinausgehende Befugnisse ausweislich einer Gesetzesbegründung, die bloß von redaktionellen Anpassungen spricht, wohl nicht intendiert.314 Doch ist dies jedenfalls im Wortlaut nicht ausdrücklich festgehalten. bb) Zulässigkeit „gesetzesändernder“ Rechtsverordnungen In beiden Varianten der Ermächtigung stellt sich die Frage ihrer verfassungsrechtlichen Zulässigkeit. Insoweit ist zunächst zu klären, ob der Verordnungsgeber überhaupt grundsätzlich zu Änderungen eines formellen Gesetzes ermächtigt werden kann. In einer solchen Befugnis zu „gesetzesändernden“ Rechtsverordnungen315 wird teils ein Widerspruch zum Vorrang des Gesetzes gesehen. Da der Vorrang des Gesetzes aus dem Rechtsstaatsprinzip folge und daher Verfassungsrang habe, könne ihn der parlamentarische Gesetzgeber nicht durchbrechen.316 Die Ermächtigung sei folglich unzulässig.317 Jedoch ist es auch in anderen Kontexten unbestritten möglich, die Verwaltung von gesetzlichen Vorgaben abweichen zu lassen,318 etwa im Rahmen gesetzlicher Verbote mit Erlaubnisvorbehalt, bei denen die Erlaubnis im Ermessen der Behörde steht.319 Ein Verstoß gegen den Vorrang des Gesetzes existiert bei näherer Betrachtung weder hier noch bei einer „gesetzesändern314  Vgl.

BT-Drs. 17/10572, 35. AöR 105 (1980), 337, 352; H. Sinn, Änderung gesetzlicher Regelungen,

315  Lepa,

S. 9.

316  Uhle, Parlament und Rechtsverordnung, S. 420 f.; ders., in: Kluth/Krings, Gesetzgebung, § 24 Rn. 27; ders., in: BeckOK-GG, Art. 80 Rn. 7, 49. 317  Uhle, Parlament und Rechtsverordnung, S. 421; dahingehend, aber weniger entschieden ders., in: Kluth/Krings, Gesetzgebung, § 24 Rn. 30, ders., in: BeckOKGG, Art. 80 Rn. 7, 49. 318  Guckelberger, DVBl 2020, 1441, 1444; H. Sinn, Änderung gesetzlicher Regelungen, S. 31. 319  Vgl. BVerfG 2 BvL 37/56 u. a., NJW 1959, 235, 237; H. Sinn, Änderung gesetzlicher Regelungen, S. 32.

314 D. Beurteilung der unionsrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik

den“ Rechtsverordnung. Schließlich ordnet das formelle Gesetz gerade nur seine, innerhalb der Grenzen der Ermächtigung bestehende, subsidiäre Geltung an.320 Dementsprechend ändert die Rechtsverordnung das Gesetz auch nicht im wahrsten Sinne des Wortes.321 Sie bleibt eine Rechtsverordnung und geht lediglich im Einzelfall der gesetzlichen Regelung vor. Der Vorrang des Gesetzes zwingt den Gesetzgeber nicht dazu, die Geltung seiner Gesetze absolut anzuordnen. Er greift nämlich immer nur, wenn und soweit eine gesetzliche Regelung existiert.322 Die Frage, wann die Legislative etwas durch eigene Vorschriften abschließend selbst regeln muss, betrifft die Existenz von Gesetzesvorbehalten.323 Diese können einer „gesetzesändernden“ Rechtsverordnung, so wie einer Delegation im Allgemeinen, Grenzen setzen. Im hier interessierenden Fall muss also die kompetenzwahrende Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG geprüft werden. Im Grundsatz ist eine Ermächtigung zur Änderung formeller Gesetze somit zulässig. Einschränkend verlangt das BVerfG zwar einen sachlichen Grund dafür.324 Doch liegt ein solcher – abgesehen davon, dass schon unklar bleibt, warum das Gericht dies fordert325 – in der hier zu untersuchenden Konstellation vor: Der Verordnungsgeber soll Verweisungen auf Unionsrecht

320  BVerfG 2 BvL 37/56 u. a., NJW 1959, 235, 236; 2 BvR 509/96 u. a., NJW 1998, 669, 670; BSG B 7 AL 102/03 R, BeckRS 2004, 41136; Horsch, ZRP 2009, 48, 49; Lepa, AöR 105 (1980), 337, 354; H. Sinn, Änderung gesetzlicher Regelungen, S. 24. 321  Bauer, in: Dreier, Art. 80 Rn. 20; Guckelberger, DVBl 2020, 1441, 1444; Mann, in: Sachs, Art. 80 Rn. 11; Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. V, § 103 Rn. 27. 322  Vgl. Grzeszick, in: Dürig/Herzog/Scholz, Art. 20 VI. Rn. 73. Soweit H. Sinn, Änderung gesetzlicher Regelungen, S. 35 ff. und Wallrabenstein, in: von Münch/Kunig, Art. 80 Rn. 10 die Zulässigkeit „gesetzesändernder“ Rechtsverordnungen auf Abweichungen vom Gesetz beschränken, die Änderung des formellgesetzlichen Wortlauts hingegen davon ausnehmen wollen, erschließt sich der Sinn nicht (so auch Lepa, AöR 105 [1980], 337, 352). Ob das eine oder das andere vorliegt, hängt regelmäßig allein von der Formulierung der Ermächtigung ab. 323  In diesem Sinne BVerfG 2 BvR 509/96 u. a., NJW 1998, 669, 670. Darüber wird, wie BVerfG 2 BvL 37/56 u. a., NJW 1959, 235, 236 anmahnt, eine so weitgehende Anordnung der subsidiären Geltung formeller Gesetze verhindert, dass es zu einer „Gewichtsverschiebung zwischen gesetzgebender Gewalt und Verwaltung“ käme. 324  BVerfG 2 BvR 509/96 u. a., NJW 1998, 669, 670; ebenso Bauer, in: Dreier, Art. 80 Rn. 20. 325  Das BVerfG bezieht sich auf Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. V, § 103 Rn. 27. Dieser fordert einen sachlichen Grund, damit das Verhältnis von Gesetz und Rechtsverordnung nicht umgekehrt werde. Das wird aber bereits durch etwaige bestehende Gesetzesvorbehalte gewährleistet.



V. Umgestaltung verfassungswidriger Blankettgesetze315

zeitlich schnell anpassen können, um dem Entstehen von Strafbarkeitslücken vorzubeugen.326 cc) Vorbehalt des formellen Gesetzes (kompetenzwahrende Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG) Wie erwähnt müsste die Ermächtigung zur „gesetzesändernden“ Rechtsverordnung auch im konkreten Fall mit dem aus Art. 103 Abs. 2 GG folgenden Vorbehalt des formellen Gesetzes vereinbar sein. Die Problemlage ähnelt dabei derjenigen, die bei Einsatz einer Rückverweisungsklausel besteht: In beiden Fällen erlangt der nationale Verordnungsgeber unmittelbaren Einfluss auf die Verknüpfung von Verhaltens- und Sanktionsnorm. Im Gegensatz zur Rückverweisungstechnik hat der Gesetzgeber in der nun zu untersuchenden Konstellation zwar bereits im Blankettgesetz eine konkrete unionale Verhaltensnorm in Bezug genommen. Damit besteht von Anfang an ein anwend­ bares Strafgesetz, ohne dass der Verordnungsgeber erst tätig werden und eine rückverweisende Rechtsverordnung erlassen müsste. Sobald aber die unionale Norm geändert wird, ändert sich dies: Jetzt obliegt es dem Verordnungsgeber, die geänderte Fassung mit dem Blankettgesetz zu verknüpfen. Nur wenn er eine Rechtsverordnung erlässt, in der er die Verweisung anpasst, besteht die Strafdrohung fort.327 Folglich wird auch hier der aus der Diskussion um die Rückverweisungsklausel bekannte Einwand erhoben, der nationale Verordnungsgeber entscheide über das „Ob“ der Strafbarkeit.328 Angesichts der Ähnlichkeit beider Problemlagen gelten die dazu im Rahmen der Rückverweisungsklausel angestellten Überlegungen329 entsprechend. Der Verordnungsgeber ist aus den gleichen Gründen wie oben verpflichtet, von der Ermächtigung Gebrauch zu machen, sobald sich das in Bezug genommene Unionsrecht ändert. Die Ermächtigung ist insoweit verfassungs- und unionsrechtskonform auszulegen. Damit allein steht die Zulässigkeit der Ermächtigung indes noch nicht fest. Auch die tatbestandlichen Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage dürften nicht so weit gefasst sein, dass dem Verordnungsgeber trotz fehlender 326  Auch in BVerfG 2 BvR 509/96 u. a., NJW 1998, 669, 671 wird als sachlicher Grund auf die schnellere Reaktionsfähigkeit des Verordnungsgebers abgestellt. 327  Vgl. Satzger, Europäisierung, S. 278. 328  Satzger, Europäisierung, S. 278; ebenfalls die Verfassungswidrigkeit annehmend OLG Koblenz 1 Ss 544/88 ZLR 1989, 197, 199, 1 Ss 567/88, NStZ 1989, 188, 189, jeweils hinsichtlich des leicht anders konstruierten § 71a WeinG in der Fassung des Entwurfs eines Vierten Änderungsgesetzes zum Weingesetz (BT-Drs. 9/785), vgl. dazu auch oben Fn. 37. 329  Oben S. 258 ff.

316 D. Beurteilung der unionsrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik

Entschließungsfreiheit ein unzulässig großer Handlungsspielraum verbliebe. Unproblematisch ist insofern die neuere Fassung der Ermächtigung, wie sie sich im MilchMarG und RiFlEtikettG findet. Der Verordnungsgeber darf danach nur tätig werden, um die Verweisung an redaktionelle Änderungen anzupassen.330 Es verhält sich hier im Ergebnis gleich wie bei einer Entsprechungsklausel, die auf ein formellgesetzliches Ge- oder Verbot Bezug nimmt: So wie der Verordnungsgeber dort eine nationale und eine unionale Verhaltensnorm vergleicht, vergleicht er nun zwei unionale Verhaltensnormen. Dabei scheinen die Grenzen hier sogar noch enger gezogen, weil die beiden Normen sich nicht nur inhaltlich entsprechen, sondern gleichen müssen. Das könnte zu einem Unterschied führen, wenn der von der neuen Norm erfasste Unrechtsgehalt enger ist als der von der alten Norm erfasste, aber jedenfalls nicht anders gelagert ist oder darüber hinausgeht: Beide Normen würden sich dann entsprechen,331 ein inhaltliches Gleichbleiben könnte hingegen zu verneinen sein. Da ein lediglich engerer Unrechtsgehalt aber nach wie vor als Minus im ursprünglichen gesetzgeberischen Willen enthalten ist, spricht der Sinn der Ermächtigung dafür, dem Verordnungsgeber auch in diesem Fall eine Anpassung der Verweisung zu erlauben. Die Ermächtigung hat also den identischen Umfang wie eine Entsprechungsklausel. Trotz der Ermächtigung, die formellgesetzliche Verweisung zu ändern, hat mithin der parlamentarische Gesetzgeber abschließend über die Reichweite der Sanktionsnorm entschieden.332 Der Verordnungsgeber leistet nur eine rein technische Arbeit, die zu keinen materiell-rechtlichen Änderungen führt. Die kompetenzwahrende Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG ist gewahrt. Als problematischer erweist sich dagegen die ältere Fassung der Ermächtigung. Sie beschränkt den Verordnungsgeber ihrer Formulierung nach nicht darauf, nur bei redaktionellen Änderungen des Verweisungsobjekts einzuschreiten, sondern erlaubt die Änderung der Verweisung immer dann, wenn 330  Wenn Moll, Europäisches Strafrecht, S.  180 und Satzger, Europäisierung, S. 284 kritisieren, der Verordnungsgeber könne zu einer falschen Einschätzung kommen, ob lediglich eine redaktionelle Änderung vorliege, ist damit nur das mit jeder Ermächtigung verbundene Risiko der richtigen Beurteilung ihrer Voraussetzungen betroffen. Werden die Voraussetzungen der Ermächtigung fälschlicherweise bejaht, ist die Rechtsverordnung zudem nicht wirksam, weshalb es an der von Moll (ebd.) in diesem Fall angenommenen „strafrechtskonstituierende[n] Wirkung“ fehlt. 331  Vgl. oben S. 292. 332  Heghmanns, Grundzüge einer Dogmatik, S. 92 sieht hingegen eine Verlagerung der Strafrechtsetzung auf den unionalen Gesetzgeber, ähnlich Moll, Europäisches Strafrecht, S. 179. Wenn der Verordnungsgeber aber auf Anpassungen an redaktionelle Änderungen beschränkt ist, erschließt sich nicht, inwiefern der EU-Gesetzgeber einen größeren Einfluss erlangen sollte.



V. Umgestaltung verfassungswidriger Blankettgesetze317

dies zur Anpassung erforderlich ist. Das umfasst dem Wortlaut nach auch die Möglichkeit, bei inhaltlichen Änderungen der unionalen Verhaltensnorm tätig zu werden.333 Allein das Kriterium, die Änderung der Verweisung müsse erforderlich sein, wirkt insoweit kaum einschränkend. Erforderlich sein kann die Änderung beispielsweise auch dann, wenn sie der unionsrechtlich geforderten Bewehrung einer unionalen Norm dient, obwohl sich deren Inhalt so verändert hat, dass die Norm mit der ursprünglich vom formellen Gesetz in Bezug genommenen kaum mehr etwas gemein hat. Die kompetenzwahrende Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG würde bei einer so weitreichenden Ermächtigung unterlaufen. Jedoch kann die Ermächtigung im Wege der verfassungskonformen Auslegung auf die Fälle begrenzt werden, in denen das in Bezug genommene Unionsrecht lediglich redaktionell geändert wird.334 Weder der Wortlaut noch der klar erkennbare gesetzgeberische Wille sprechen hiergegen. Im Gegenteil entspricht diese Auslegung sogar eher dem vom Gesetzgeber intendierten Zweck. Die Gesetzesmaterialien lassen nämlich, wie bereits erwähnt, die Intention erkennen, dass der Verordnungsgeber auf die Anpassung an redaktionelle Änderungen beschränkt sein sollte.335 Im Ergebnis hat die Ermächtigung dann den gleichen Umfang wie diejenige, die ausdrücklich auf redaktionelle Änderungen beschränkt ist. Die kompetenzwahrende Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG ist gewahrt. dd) Bestimmtheitsgebot (freiheitsgewährleistende Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG) Im Hinblick auf die freiheitsgewährleistende Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG ergeben sich keine Bedenken. Der Normadressat wird nicht darüber getäuscht, welche Fassung der unionalen Verhaltensnorm durch das Blankettgesetz bewehrt wird.336 Sobald der nationale Verordnungsgeber die Verweisung in einer Rechtsverordnung geändert hat, ergibt sich das maßgebliche Ausfüllungsobjekt zwar nicht mehr allein aus dem formellen Gesetz. Doch da der Adressat normativ die Rechtsverordnung zu kennen hat, die die Verweisung ändert,337 ist ihm dies bewusst.338 Er kann Rechtsverordnung und ZLR 1989, 199, 204; ders., ZLR 1990, 188, 191. die Überlegung bei Koch, ZLR 1990, 188, 191. 335  Oben S. 313. 336  So aber Satzger, Europäisierung, S. 279. 337  Dazu oben S. 165 ff., 169. 338  Wollte man dies bestreiten, könnte man in diesem Zusammenhang mit gleichen Gründen bestreiten, dass der Normadressat eine durch formelles Gesetz vorgenommene Änderung der Verweisung kennt. Das würde wohl niemand vertreten. 333  Koch,

334  Ebenso

318 D. Beurteilung der unionsrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik

Gesetz auch ohne Aufwand miteinander verknüpfen. Denn um eine Verweisung zu ändern, muss die Rechtsverordnung das sie enthaltende Blankettgesetz genau benennen. ee) Zwischenergebnis Eine statische Verweisung des formellen Gesetzes auf Unionsrecht, kombiniert mit einer Ermächtigung des nationalen Verordnungsgebers, die Verweisung an redaktionelle Änderungen des Unionsrechts anzupassen, ist verfassungskonform. Damit ist eine erste Möglichkeit gefunden, ein verfassungswidriges unionsrechtsakzessorisches Blankettgesetz auch dann mittels einer statischen Direktverweisung umzugestalten, wenn das betreffende Unionsrecht häufig geändert wird. b) Statische Direktverweisung in Kombination mit neuer Variante der Entsprechungsklausel Als zweite in Betracht kommende Möglichkeit ist auf einen Vorschlag de lege ferenda einzugehen: Eine statische Direktverweisung auf Unionsrecht könnte mit einer neuen Form von Entsprechungsklausel kombiniert werden.339 Die entstehende Gesetzeskonstruktion lautete dann so:340 § w Parlamentsgesetz: „Mit … wird bestraft/Ordnungswidrig handelt, wer entgegen Art. … der VO (EU) … [Handlung] vornimmt.“ § x Parlamentsgesetz: „Mit … wird bestraft/Ordnungswidrig handelt, wer einer unmittelbar geltenden Vorschrift in Rechtsakten der Europäischen Union zuwiderhandelt, die inhaltlich einem in § w genannten Gebot oder Verbot entspricht, soweit eine Rechtsverordnung nach § y/Abs. y/S. y für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift/Bußgeldvorschrift verweist.“

Der parlamentarische Gesetzgeber verweist im ersten Blankettgesetz (im Formulierungsbeispiel: § w) statisch und voll-explizit auf die Verhaltensnorm einer EU-Verordnung. Für den Fall, dass diese Verweisung veraltet, weil die EU-Verordnung geändert wird, wird ein zweites Blankettgesetz geschaffen (im Formulierungsbeispiel: § x). Dieses nimmt auf eine nationale Rechtsverordnung Bezug, in der die neue unionale Vorschrift zu bezeichnen ist, das heißt diejenige, die die vom ersten Gesetz statisch in Bezug genommene ablöst. Zu diesem Zweck enthält das zweite Blankettgesetz eine Entsprechungsklausel. Sie ist ähnlich formuliert wie eine Entsprechungsklausel, die sich auf ein nationales formellgesetzliches Ge- oder Verbot bezieht. Doch Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 349. an Schützendübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 349 f.

339  Schützendübel, 340  Angelehnt



V. Umgestaltung verfassungswidriger Blankettgesetze319

bildet nun das unionale Ge- oder Verbot den relevanten Maßstab, anhand dessen die Entsprechung zu beurteilen ist.341 Der EU-Gesetzgeber erlangt infolge dieser Maßstabsfunktion seiner eigenen Verhaltensnorm nur scheinbar verstärkten Einfluss auf das Strafrecht. Denn auf die Norm hat zuvor der nationale parlamentarische Gesetzgeber statisch verwiesen und sie dadurch in seinen Willen aufgenommen.342 Auch der nationale Verordnungsgeber hat, wie bei den herkömmlichen Entsprechungsklauseln, lediglich eine Vergleichsarbeit zu leisten:343 Nur sofern die neue unionale Verhaltensnorm in ihrem Unrechtsgehalt nicht über denjenigen der alten Norm hinausgeht, darf er sie in der rückverweisenden Rechtsverordnung benennen und dadurch dem Anwendungsbereich des Blankett­ gesetzes unterstellen. Genauer gesagt ist er dazu, entsprechend den obigen Ausführungen,344 verpflichtet. Das oben festgestellte Ergebnis, wonach die Entsprechungsklausel verfassungskonform ist, gilt demnach auch hier.345 Auch mit diesem Vorschlag existiert daher eine verfassungskonforme Alternative zu allen zu weit gefassten unionsrechtsakzessorischen Blankettgesetzen. c) Dynamische Direktverweisung Als weitere Alternative ist schließlich denkbar, im formellen Gesetz mit einem voll-expliziten Verweis direkt auf die Verhaltensnorm einer EU-Verordnung Bezug zu nehmen, die Verweisung jedoch nicht statisch, sondern – insofern unverändert gegenüber den bisherigen Blankettgesetzen – dynamisch auszugestalten. Damit die dynamische Verweisung dennoch ausreichend eingegrenzt und die kompetenzwahrende Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG gewahrt ist, wiederholt das Blankettgesetz zugleich die in Bezug genommene unionale Verhaltensnorm.346 Es ist dann wie folgt konstruiert:

341  Vgl.

Schützendübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 350. oben S. 272. 343  Schützendübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 351. 344  Oben S. 259 ff. 345  Nach Schützendübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 351 muss das Blankettgesetz (gemeint ist wohl dasjenige, das die unionale Verhaltensnorm statisch in Bezug nimmt) in gewissen Zeitabständen an das geänderte Unionsrecht angepasst werden, damit das Bestimmtheitsgebot nicht verletzt wird. Das ist indes überflüssig, denn sobald das Blankettgesetz mit Entsprechungsklausel zur Anwendung kommt, kommt es auf die Erkennbarkeit aus dem statisch verweisenden Blankettgesetz nicht mehr an. 346  Ähnlich bereits Brand/Kratzer, JR 2018, 422, 433; Pohlreich, HRRS 2020, 481, 489; vgl. Böse, in: FS Krey, 7, 24. 342  Vgl.

320 D. Beurteilung der unionsrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik § x Parlamentsgesetz: „Mit … wird bestraft/Ordnungswidrig handelt, wer entgegen Art. … der VO (EU) … in der jeweils geltenden Fassung [Handlung] vornimmt.“

Die unionale Verhaltensnorm muss mindestens so umfänglich wiederholt werden, dass darüber das geschützte Rechtsgut und eine grobe Handlungs­ beschreibung im formellen Gesetz festgelegt sind. Auf diese Weise wird die Verlagerung von Gesetzgebungsbefugnissen effektiv begrenzt. Änderungen der unionalen Verhaltensnorm werden nur dann automatisch vom Blankettgesetz übernommen, wenn sie sich innerhalb der durch die Wiederholung gezogenen Grenzen halten. Aus unionsrechtlicher Perspektive ist die Wiederholung zulässig. Wie gesehen darf die unmittelbar geltende Vorschrift einer EU-Verordnung im nationalen Recht wiederholt werden, sofern dabei auf ihre unionsrechtliche Herkunft hingewiesen wird.347 Ein solcher Hinweis existiert hier in Gestalt der vollexpliziten Verweisung auf die Verordnung („Art. … der VO [EU] …“). Infolge der dynamischen Verweisung verringert sich der Aufwand, den der Gesetzgeber hat, um die Rechtslage an Änderungen des Unionsrechts anzupassen. Wenn die EU-Verordnung geändert wird, die Änderung inhaltlich aber nicht die vom nationalen Recht in Bezug genommene Verhaltensnorm betrifft, muss er nicht tätig werden. Die Verweisung im Blankettgesetz, die sich auf die jeweils geltende Fassung bezieht, behält weiterhin ihren Sinn. Nur wenn die in Bezug genommene Verhaltensnorm selbst geändert wird, muss der Gesetzgeber die Wiederholung im Blankettgesetz gegebenenfalls entsprechend modifizieren.348 Zum Teil wird der Vorzug dieser Gesetzestechnik sogar noch weiter gesehen: Auch wenn die im Blankettgesetz bezeichnete EU-Verordnung durch eine andere ersetzt werde, die bewehrte Verhaltensnorm dabei aber inhaltlich erhalten bleibe, bestehe die Sanktionsdrohung fort. Denn die Bezeichnung der Verordnung diene nur dazu, auf die unionsrechtliche Herkunft der Verhaltensnorm aufmerksam zu machen.349 Eben dieser Zweck, auf die unionsrechtliche Provenienz hinzuweisen, wird in diesem Fall aber nicht mehr mit der dabei erforderlichen Präzision gewährleistet. Eine neue Verordnung, die die ursprüngliche Verordnung ersetzt, hat nämlich eine andere Bezeichnung als die im Blankettgesetz angegebene. Infolge der veralteten Bezeichnung im Blankettgesetz wird die unionsrechtliche Auslegung der Verhaltensnorm faktisch erschwert. Es besteht etwa die Gefahr, dass die Norm weiterhin mit Blick auf Systematik und Telos der alten Verordnung ausgelegt wird. Damit wird gegen die Ausführungssperre von EU-Verordnungen verstoßen, eine 347  Oben

S. 65. Brand/Kratzer, JR 2018, 422, 433. 349  Brand/Kratzer, JR 2018, 422, 433; Pohlreich, HRRS 2020, 481, 489. 348  Vgl.



V. Umgestaltung verfassungswidriger Blankettgesetze321

Wiederholung der Norm ist nicht mehr zulässig. Das Unionsrecht zwingt somit dazu, die Verweisung im Blankettgesetz anzupassen. Zudem spricht auch das Bestimmtheitsgebot aus Art. 103 Abs. 2 GG gegen die geltend gemachte Wirkung: Das Blankettgesetz nimmt auf eine genau bezeichnete Verordnung Bezug. Dies lässt sich nicht als Bezugnahme auch auf die neue, anderslautende Verordnung interpretieren.350 Die Dynamik der Verweisung ändert daran nichts, denn verwiesen wird nur auf eine Verordnung in der jeweils geltenden Fassung und nicht in der jeweils geltenden Bezeichnung.351 Sobald also die EU-Verordnung durch eine neue ersetzt wird, muss der parlamentarische Gesetzgeber tätig werden und die dynamische, voll-explizite Verweisung anpassen. Gleiches gilt natürlich, wenn zwar nicht die EUVerordnung ersetzt, aber die Verhaltensnorm in einen anderen Artikel oder Absatz verschoben wird. Auch dann würde die voll-explizite Verweisung ansonsten ins Leere führen. d) Bewertung Alle drei dargestellten Regelungstechniken bieten zulässige Alternativen zu verfassungswidrigen Blankettstrafgesetzen mit Rückverweisungsklausel. Offen ist noch, welche von ihnen vorzugswürdig ist. Den beiden zuerst dargestellten Techniken ist gemein, dass sie den Verordnungsgeber einschalten. Der Unterschied zwischen ihnen ist gering, hält man sich vor Augen, dass eine „gesetzesändernde“ Rechtsverordnung das formelle Gesetz nicht wirklich ändert, sondern ihr Inhalt lediglich dem des formellen Gesetzes vorgeht. Die Strafbarkeit ergibt sich in jedem Fall, wie auch bei der herkömmlichen Rückverweisungstechnik, aus drei Ebenen: dem formellen Gesetz, der nationalen Rechtsverordnung und der EU-Verordnung. Eine dynamische Direktverweisung erübrigt es hingegen, den nationalen Verordnungsgeber einzuschalten. Die Regelung der Strafbarkeit wird dadurch weniger komplex (auch wenn sich die unionsrechtsakzessorische Rückverweisungstechnik aus Sicht des Bestimmtheitsgebots als zulässig erwiesen hat). Weil das Blankettstrafgesetz selbst eine konkrete unionale Norm be350  OLG Koblenz 1 Ss 544/88, ZLR 1989, 197, 198 f.; 1 Ss 567/88, NStZ 1989, 188, 189; Dannecker/Schuhr, in: LK, § 1 Rn. 146; Moll, Europäisches Strafrecht, S. 166; insofern konsequent will Pohlreich, HRRS 2020, 481, 489 die Möglichkeit der Ersetzung der EU-Verordnung auch im Wortlaut des Gesetzes klarstellen (es bleiben dann die vorstehend beschriebenen unionsrechtlichen Bedenken); a. A. OLG Oldenburg 1 Ws 71/21, BeckRS 2021, 10047 Rn. 59; LG Heilbronn 1 Ns 159/89, ZLR 1990, 187; Sackreuther, in: Streinz/Meisterernst, Vor §§ 58 ff. LFGB Rn. 27. 351  Vgl. Moll, Europäisches Strafrecht, S. 160.

322 D. Beurteilung der unionsrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik

nennt und wiederholt, ist es jedoch nicht mehr so flexibel, wie es infolge der Einschaltung des nationalen Verordnungsgebers ist.352 Alle nach Erlass des Blankettgesetzes erforderlichen Anpassungen muss der Gesetzgeber selbst vornehmen. Insoweit sind die beiden zuerst dargestellten Regelungstechniken vorteilhafter. Dennoch ist eine dynamische Direktverweisung im Ergebnis vorzugswürdig. Die dadurch erzielte geringere Komplexität überwiegt die Nachteile, die entstehen, wenn auf die Delegation an den Verordnungsgeber verzichtet wird. Denn zum einen ist der dem Gesetzgeber anfallende Aufwand gegenüber einer statischen Direktverweisung bereits deutlich reduziert und im verbleibenden Umfang zumutbar. Und zum anderen konnte in der Vergangenheit durch die Einschaltung des Verordnungsgebers ohnehin nicht die erwünschte lückenlose Bewehrung von Unionsrecht gewährleistet werden. Der Verordnungsgeber hat seine Verweisungen auf Unionsrecht nämlich längst nicht immer rechtzeitig angepasst.353 Sofern es nicht genügt, eine im Blankettgesetz enthaltene verfassungswidrige dynamische Verweisung durch eine statische Direktverweisung auszutauschen, weil das in Bezug genommene Unionsrecht häufig geändert wird, sollte also eine dynamische Direktverweisung verwendet werden. Diese ist darüber auf das verfassungsrechtlich Zulässige einzugrenzen, dass die in Bezug genommene unionale Verhaltensnorm jedenfalls zu einem Teil im Blankettgesetz wiederholt wird.

VI. Umgestaltung verfassungskonformer Blankettgesetze Nach Alternativen zu unionsrechtsakzessorischen Blankettgesetzen mit Rückverweisungsklausel in ihrer bisherigen Ausgestaltung zu suchen, war deswegen notwendig, weil manche dieser Blankettgesetze gegen den Parlamentsvorbehalt aus Art. 103 Abs. 2 GG verstoßen. Aus Perspektive des strafrechtlichen Bestimmtheitsgebots hat sich die unionsrechtsakzessorische Rückverweisungstechnik hingegen als im Grundsatz verfassungskonform erwiesen. Trotzdem ist sie, allein schon durch das Zusammenspiel dreier verschiedener Ebenen, komplex. Letztlich manifestiert sich hier das tieferliegende Problem, dass die Rechtsetzungskompetenzen zwischen EU und Mit352  Vgl. Satzger, Europäisierung, S. 290. Insofern passt es nicht, wenn Brand/ Kratzer, JR 2018, 422, 433 und Pohlreich, HRRS 2020, 481, 489 Wiederholungen der bewehrten unionalen Norm als generelle, gleichwertige Alternative zur Rückverweisungstechnik betrachten. Brand/Kratzer und Pohlreich übersehen, dass das Normwiederholungsverbot zwar zu einer akzessorischen Ausgestaltung des Strafgesetzes, nicht aber speziell zum Einsatz einer Rückverweisungsklausel zwingt. 353  Oben S. 68.



VI. Umgestaltung verfassungskonformer Blankettgesetze323

gliedstaat unterschiedlich aufgeteilt sind:354 Die EU kann zwar innerhalb ihrer Kompetenzen Verhaltensnormen erlassen, zu strafrechtlichen Sanktionsnormen aber – jedenfalls abgesehen von einzelnen bereichsspezifischen Ausnahmen – nur anweisen. Die eigentliche Rechtsetzung der Sanktionsnormen obliegt den Mitgliedstaaten. Da mit unionalem und nationalem Gesetzgeber zwei eigenständige und grundsätzlich voneinander unabhängige Instanzen agieren, sind Konflikte im Zusammenspiel vorprogrammiert, die zu Regelungen wie der Rückverweisungstechnik geführt haben. Unabhängig von der verfassungsrechtlichen Notwendigkeit wäre es jedenfalls rechtspolitisch wünschenswert, einfachere Regelungen zu schaffen. Dazu könnte die Zuständigkeit für Verhaltens- und Sanktionsnorm auf einer der beiden Ebenen gebündelt werden. Überhaupt denkbar ist das angesichts der fortschreitenden Europäisierung nur in eine Richtung: Der EU müsste eine Zuständigkeit zum Erlass der Sanktionsnorm zugestanden werden.355 Dazu wäre aber zunächst zu untersuchen, ob dies im Allgemeinen sinnvoll ist. Jedenfalls in der Umsetzung bleibt es indes ohnehin auf absehbare Zeit unerreichbar.356 Zumindest jedoch könnte die bisherige Regelungstechnik dadurch weniger komplex gestaltet werden, indem auf die Ebene der Rechtsverordnung verzichtet wird. Das Blankettstrafgesetz könnte stattdessen, wie es soeben als Alternative zu verfassungswidrigen Blankettgesetzen beschrieben wurde,357 mit einem voll-expliziten – statischen oder dynamischen – Verweis direkt eine unionale Verhaltensnorm in Bezug nehmen. Eine solche Regelungstechnik bietet sich also auch als generelle Alternative zur unionsrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik an.358 Die für sie streitenden Erwägungen beschränken sich nicht nur auf diejenigen Blankettgesetze, deren dynamische Verweisung verfassungswidrig ist. Die unionsrechtsakzessorische Rückverweisungstechnik durch eine einfachere Regelung zu ersetzen, bietet sich insbesondere deshalb an, weil das mit ihr verfolgte Ziel, die nationale Rechtslage schnell an Änderungen des Unionsrechts anzupassen, in der Vergangenheit ohnehin häufig nicht erreicht wurde: Schließlich hat der Verord-

354  Dazu

oben S. 56 ff. Konsequenz ziehen Satzger, Europäisierung, S. 286; ders., in: Sieber/ Satzger/von Heintschel-Heinegg, Europäisches Strafrecht, § 9 Rn. 38; Schützendübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 354. 356  Schützendübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 354; ebenso bereits Satzger, Europäisierung, S. 286. 357  Oben S. 310 f., 319 ff. 358  Vgl. Böse, in: FS Krey, 7, 23 f., allerdings unter verfehltem Verweis auf das BVerfG, dazu oben S. 185 Fn. 135. 355  Diese

324 D. Beurteilung der unionsrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik

nungsgeber seine Verweisungen auf Unionsrecht selten rechtzeitig angepasst.359 Auch soweit die unionsrechtsakzessorische Rückverweisungstechnik verfassungskonform ist, sollte sie daher gleichwohl nicht mehr eingesetzt werden. Alternative Regelungstechniken sind wegen ihrer einfacheren Struktur vorzugswürdig.

VII. Zusammenfassung zu Kapitel D. Die unionsrechtsakzessorische Rückverweisungstechnik ist in ihrer derzeitigen Ausgestaltung zum Teil verfassungskonform. Die in der Rückverweisungsklausel enthaltene dynamische und pauschale Verweisung auf nationale Rechtsverordnungen ist, wie auch bei nationalrechtsakzessorischen Blankettgesetzen, aus Sicht der freiheitsgewährleistenden Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG zulässig. Wiederum dient die Rückverweisung dabei dazu, die nötige Bestimmtheit zu gewährleisten. Aus Sicht der kompetenzwahrenden Komponente ist die Rückverweisungsklausel im Strafrecht hingegen problematisch, weil sie dem Verordnungsgeber ermöglicht, unmittelbar über die Reichweite der Sanktionsnorm zu befinden. Bei verfassungs- und unionsrechtskonformer Auslegung der Ermächtigung zur rückverweisenden Rechtsverordnung handelt es sich aber nicht um einen freien Einfluss auf die Sanktionsnorm. Der Verordnungsgeber ist vielmehr verpflichtet, eine Rechtsverordnung zu erlassen, in der er alle ausfüllungsgeeigneten unionalen Verhaltensnormen nennt und für sie auf das Strafgesetz zurückverweist. Diese Verpflichtung besteht, sobald eine unionsrechtliche Sanktionierungspflicht existiert. Art. 103 Abs. 2 GG wird dadurch gewahrt. De lege ferenda sollte die Verpflichtung in der Ermächtigung zur rückverweisenden Rechtsverordnung klargestellt werden. Im Ordnungswidrigkeitenrecht ist eine vergleichbar einschränkende Auslegung zwar nicht aus Sicht des nationalen Rechts notwendig, doch ergibt sich eine Verpflichtung weiterhin aus unionsrechtlichen Vorgaben. Auf die Ausgestaltung der bewehrten Verhaltensnorm kann der nationale Verordnungsgeber – im Gegensatz zur nationalrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik – nicht einwirken. Weil das Blankettstrafgesetz dynamisch und pauschal auf Unionsrecht verweist, erlangt stattdessen der Unionsgesetzgeber Einfluss hierauf. Dabei ist die dynamische Ausgestaltung der Verweisung zulässig, sofern im formellen Gesetz, entsprechend den Anforderungen an dynamische Verweisungen auf nationale Rechtsverordnungen, die erfassten Verhaltensnormen über das geschützte Rechtsgut und eine unge359  Oben

S. 68.



VII. Zusammenfassung zu Kapitel D.325

fähre Verhaltensbeschreibung charakterisiert sind. Indes genügt ein Großteil aller derzeit bestehenden Blankettgesetze, die keine Entsprechungsklausel verwenden, nicht diesen Anforderungen. Die in ihnen verwendete dynamische Verweisung verstößt insoweit gegen die kompetenzwahrende Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG. Aus Sicht der freiheitsgewährleistenden Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG ist der dynamische Charakter der Verweisung auf Unionsrecht unerheblich. Der in der rückverweisenden nationalen Rechtsverordnung enthaltene statische Verweis auf Unionsrecht gleicht nämlich die mit der dynamischen Ausgestaltung verbundenen Schwierigkeiten aus. Die statische Verweisung ist aber nur verfassungskonform, sofern die deutsche Fassung der in Bezug genommenen EU-Verordnung die maßgebliche Wortlautgrenze bei Ermittlung der Strafbarkeit bildet. Auch die pauschale Ausgestaltung der Verweisung im Blankettgesetz ist zulässig. Insofern wirkt sich erleichternd aus, dass die nationale Rechtsverordnung voll-explizit auf Unionsrecht verweist. Wird eine Entsprechungsklausel eingesetzt, ändert dies nichts an der Verpflichtung des Verordnungsgebers, eine rückverweisende Rechtsverordnung zu erlassen. Die Verpflichtung ist lediglich dahingehend modifiziert, dass der Verordnungsgeber nur solche unionalen Verhaltensnormen benennen darf, deren Unrechtsgehalt demjenigen gleicht, der in den durch die Entsprechungsklausel in Bezug genommenen Vorschriften beschrieben ist. Diese Vorschriften stellen zugleich formellgesetzliche Kriterien dar, die die dynamische Verweisung des Blankettgesetzes auf Unionsrecht enger begrenzen. Auf diese Weise genügt die Verweisung regelmäßig der kompetenzwahrenden Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG. Die Entsprechungsklausel wirkt sich insoweit positiv aus. Die freiheitsgewährleistende Komponente wird durch die Klausel nicht verletzt, weil der Normadressat das Entsprechen nicht selbst beurteilen muss. Um die Bestimmtheit aber – über das erforderliche Niveau hinaus – zu steigern, ist es sinnvoll, die Entsprechungsklausel aus dem Blankettgesetz herauszunehmen und stattdessen in die Ermächtigung zur rückverweisenden Rechtsverordnung aufzunehmen. Ferner ist im Zusammenhang mit Entsprechungsklauseln darauf zu achten, nationale Verhaltensnormen, die durch unionale abgelöst worden sind, aufzuheben, damit nicht gegen die Ausführungssperre einer EU-Verordnung verstoßen wird. Die typischerweise verwendeten Weiterverweisungen halten sich ebenfalls noch im Rahmen des Zulässigen. Allerdings ist die Gefahr der inhaltlichen Unbestimmtheit größer als bei der nationalrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik.

326 D. Beurteilung der unionsrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik

Blankettstrafgesetze, deren dynamische Verweisung auf Unionsrecht gegen die kompetenzwahrende Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG verstößt, sollten verfassungskonform umgestaltet werden, indem der nationale Gesetzgeber im formellen Gesetz statisch auf eine genau bezeichnete unionale Verhaltensnorm Bezug nimmt. Sofern der Gesetzgeber überfordert erscheint, diese Verweisung rechtzeitig an geändertes Unionsrecht anzupassen, weil es in dem betroffenen Gebiet häufig zu Änderungen kommt, empfiehlt es sich dagegen, die dynamische Verweisung beizubehalten, dabei jedoch voll-explizit auf eine konkrete Verhaltensnorm Bezug zu nehmen. Zugleich sollte die Verhaltensnorm in so großem Umfang wiederholt werden, dass darüber das geschützte Rechtsgut und die ungefähre Handlungsbeschreibung im formellen Gesetz festlegt sind und die dynamische Verweisung somit hinreichend eingrenzt ist. Eine solche Regelungstechnik bietet sich darüber hinaus als generelle Alternative zur unionsrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik an, weil die Regelung der Strafbarkeit – auch wenn sie verfassungskonform ist – dadurch weniger komplex wird.

E. Verfassungsrechtliche Beurteilung der Negationsklausel Die verfassungsrechtliche Untersuchung der Rückverweisungstechnik ist nun noch um einen weiteren Aspekt zu ergänzen. Angesprochen sind Blankettstrafgesetze, die neben einer Rückverweisungsklausel auch eine Nega­ tionsklausel enthalten, sei es in Form einer tatbestandlichen Abgrenzungsklausel (dazu I.) oder aber einer Subsidiaritätsklausel (dazu II.). Deren Zulässigkeit ist im Folgenden für die national- und unionsrechtsakzessorische Rückverweisungstechnik gleichermaßen zu prüfen.

I. Tatbestandliche Abgrenzungsklausel 1. Vorbehalt des formellen Gesetzes (kompetenzwahrende Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG) Mit einer tatbestandlichen Abgrenzungsklausel werden die durch das ­ lankettstrafgesetz erfassten Verhaltensnormen in negativer Weise eingeB grenzt. Nach in der Literatur vertretener Auffassung ist dies unvereinbar mit der kompetenzwahrenden Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG. Das Gesetz erhalte dadurch einen generalklauselartigen Charakter.1 Der Gesetzgeber wolle Fälle erfassen, an die er bei Erlass des Gesetzes noch nicht gedacht habe.2 Die Anforderung, dass er die wesentlichen Voraussetzungen der Straf­ barkeit festlegen müsse, werde „komplett ausgehebelt“.3 a) Abschließende Entscheidung über Sanktionsnorm Zu den wesentlichen Voraussetzungen, über die der Gesetzgeber entscheiden muss, gehört es, die Sanktionsnorm abschließend festzulegen sowie die erfassten Verhaltensnormen über das geschützte Rechtsgut und eine ungefähre Verhaltensbeschreibung zu charakterisieren.4 Zunächst soll geprüft werden, ob der Gesetzgeber bei der Kombination einer Rückverweisungsmit einer tatbestandlichen Abgrenzungsklausel über die Sanktionsnorm abBezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 343. Blankettstrafgesetze, S. 247 (bezogen auf § 3 Abs. 1 WiStG). 3  Schützendübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 343. 4  Oben S. 98 ff. 1  Schützendübel, 2  Enderle,

328

E. Verfassungsrechtliche Beurteilung der Negationsklausel

schließend entschieden hat. Nach der obigen Untersuchung erlangt der nationale Verordnungsgeber infolge der Rückverweisungsklausel die Möglichkeit, unmittelbar über die Reichweite der Sanktionsnorm zu entscheiden. Während dies im Ordnungswidrigkeitenrecht unproblematisch ist,5 ist der Verordnungsgeber im Strafrecht zur Vornahme der Rückverweisung verpflichtet, weshalb er insoweit keinen freien Einfluss hat.6 Die tatbestandliche Abgrenzungsklausel ändert weder etwas an dem grundsätzlich bestehenden Einfluss auf die Sanktionsnorm noch an der Verpflichtung. Letztere modifiziert sie lediglich insoweit, als der Verordnungsgeber vor Aufnahme eines Rückverweises prüfen muss, ob die betroffene Verhaltensnorm bereits von einem in der Abgrenzungsklausel genannten Strafgesetz bewehrt ist. Nur wenn dies nicht der Fall ist, darf und muss er zurückverweisen. Einen mit Art. 103 Abs. 2 GG unvereinbaren Spielraum erhält er infolge dieser Prüfung nicht. b) Festlegung der erfassten Verhaltensnormen Was aber ist mit dem Erfordernis, dass das formelle Gesetz die erfassten Verhaltensnormen näher charakterisieren muss? Diese Frage ist für Strafund Ordnungswidrigkeitenrecht in gleicher Weise zu beantworten.7 Dem gegen die Abgrenzungsklausel erhobenen Einwand zufolge ist das formelle Gesetz insoweit nicht ausreichend eng gefasst. In der Folge wäre der Einfluss auf die Verhaltensnorm zu groß, den der nationale Verordnungsgeber beziehungsweise der EU-Gesetzgeber durch die dynamische Außenverweisung im Tatbestand des Blankettgesetzes erhalten. Der Einwand resultiert aus dem der Klausel zugeschriebenen Auffang­ charakter. Diese Charakterisierung wurde bereits oben relativiert.8 Entsprechend trifft auch die angenommene Unvereinbarkeit mit der kompetenzwahrenden Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG nicht zu. Zwar gibt es Blankettstrafgesetze mit Rückverweisungs- und tatbestandlicher Abgrenzungsklausel, in denen der parlamentarische Gesetzgeber die erfassten Verhaltensnormen nicht ausreichend eingegrenzt hat. Beispielsweise ist in § 48 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 WeinG, wie bereits gezeigt, kein Rechtsgut festgelegt, das geschützt werden

5  Oben

S. 218, 266. S. 195 ff., 258 ff. 7  Vgl. oben S. 112. 8  Oben S. 74. Weil die Klausel keinen generellen Auffangcharakter hat, trifft auch die auf den Ultima-ratio-Grundsatz bezogene Kritik (vgl. Schützendübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 343) nur insoweit zu, als dies generell bei der Rückverweisungstechnik der Fall ist, dazu oben S. 215 ff. 6  Oben



I. Tatbestandliche Abgrenzungsklausel329

soll.9 Ist die hier verwendete dynamische Außenverweisung auf Unionsrecht damit nichtig, hat das jedoch nichts mit der tatbestandlichen Abgrenzungsklausel zu tun.10 Die Klausel verhindert, umgekehrt betrachtet, nicht notwendig, dass der parlamentarische Gesetzgeber über die wesentlichen Voraussetzungen selbst entscheidet. Das zeigt sich etwa an § 58 Abs. 3 Nr. 2 LFGB.11 Das BVerfG hat die dort enthaltene Abgrenzungsklausel in seinem Beschluss zum LFGB zu Recht überhaupt nicht thematisiert.12 Über den Verweis in der Entsprechungsklausel auf § 58 Abs. 1 Nr. 18 LFGB und die in dieser Vorschrift genannten Ermächtigungsgrundlagen werden, wie gezeigt, das geschützte Rechtsgut und die erfassten Verhaltensweisen näher beschrieben.13 Die dynamische Außenverweisung im Blankettstrafgesetz erweist sich folglich als verfassungskonform, obwohl das Gesetz eine Abgrenzungsklausel enthält. Der gerügte generalklauselartige Charakter, der durch die Abgrenzungsklausel entstehen soll, bezieht sich bei genauer Betrachtung allein auf die genaue Herkunft der Verhaltensnormen. Das Blankettstrafgesetz bestimmt eben nicht positiv, in welchem Rechtsakt die zu bewehrenden Normen enthalten sein müssen, sondern – über die Klausel – allein negativ, in welchem sie nicht enthalten sein dürfen. Die kompetenzwahrende Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG erfordert in dieser Hinsicht aber keine präzisere Fest­ legung. Es genügt, wenn die erfassten Verhaltensnormen der Sache nach – über das geschützte Rechtsgut und eine ungefähre Handlungsbeschreibung – bestimmt sind. Dass die Herkunft der konkret zu bewehrenden Verhaltensnormen nicht näher festgelegt ist, ist im Übrigen auch keine Eigenheit, die ausschließlich bei tatbestandlichen Abgrenzungsklauseln anzutreffen ist. Die meisten Blankettstrafgesetze mit Rückverweisungs-, aber ohne Abgrenzungsklausel sind insoweit nicht enger gefasst: Schließlich verweisen sie in ihrem Tatbestand pauschal auf nationale Rechtsverordnungen oder EU-Verordnungen, ohne dabei ein konkretes Normenwerk zu benennen. So charakterisiert etwa § 49

9  Hierzu

und zum Normtext oben S. 278. die Verfassungswidrigkeit annehmend Rathke, in: Zipfel/Rathke, § 48 WeinG Rn. 7, 13 f., wobei unklar bleibt, ob Rathke ein generelles Problem der Abgrenzungsklausel ausmacht. 11  Zum Normtext oben S. 250. 12  Vgl. BVerfG 2 BvL 5/17, NZWiSt 2020, 263, 270 ff. 13  Oben S. 297 f. Das stellt auch Schützendübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 339 bei Untersuchung der Entsprechungsklausel fest, was in Widerspruch gerät zu ihrer späteren Argumentation, infolge einer Abgrenzungsklausel könne der Gesetzgeber nicht über das Wesentliche entschieden haben. 10  Ebenfalls

330

E. Verfassungsrechtliche Beurteilung der Negationsklausel

S. 1 Nr. 6 WeinG14, als insoweit typisches unionsrechtsakzessorisches Blankettstrafgesetz, die Herkunft der erfassten Verhaltensnormen allein darüber, dass sie unmittelbar geltenden Vorschriften in Rechtsakten der Europäischen Union entstammen müssen. Die konkreten EU-Verordnungen, in denen die Verhaltensnormen enthalten sein müssen, sind damit sogar noch weniger eingegrenzt, als wenn durch eine Abgrenzungsklausel bestimmt wäre, aus welchen EU-Verordnungen die Normen nicht stammen dürfen. Doch lässt § 49 S. 1 Nr. 6 WeinG das geschützte Rechtsgut und die ungefähren straf­ baren Verhaltensweisen erkennen und genügt damit dem Parlamentsvorbehalt.15 Tatbestandliche Abgrenzungsklauseln sind im Lichte der kompetenzwahrenden Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG folglich für sich genommen nicht bedenklich. Wie bei jedem Blankettgesetz mit dynamischer Außen­ verweisung ist im Einzelfall zu prüfen, ob der Gesetzgeber das geschützte Rechtsgut und die strafbaren Verhaltensweisen festgelegt hat. Ist dies der Fall und besteht (im Strafrecht) eine Verpflichtung zur Rückverweisung, sind die wesentlichen Voraussetzungen formellgesetzlich bestimmt, ohne dass die Abgrenzungsklausel hierauf Einfluss nimmt. 2. Bestimmtheitsgebot (freiheitsgewährleistende Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG) Auch das Bestimmtheitsgebot ist nicht verletzt. Der Normadressat kann sich nach wie vor maßgeblich an der rückverweisenden Rechtsverordnung orientieren: Nur die dort genannten Verhaltensnormen sind strafbewehrt. Um die Abgrenzungsklausel muss er sich nicht kümmern, ihre Anwendung obliegt nur dem Verordnungsgeber.16 Die Klausel kann für den Adressaten allenfalls dann interessant sein, wenn er beurteilen möchte, ob der Verordnungsgeber unzulässigerweise zurückverwiesen hat, das heißt für Verhaltensnormen, die bereits von den in der Klausel genannten anderen Strafgesetzen erfasst sind. Wie bereits zur Entsprechungsklausel gezeigt,17 ist der dafür erforderliche Aufwand aber nicht im Rahmen des Art. 103 Abs. 2 GG zu berücksichtigen.

14  Zum

Normtext oben S. 278. oben S. 278. 16  Anders Kretschmer, ZIS 2016, 763, 767 (bezogen auf § 48 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 WeinG); missverständlich Schützendübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 342: es werde „der Normunterworfene bzw. der Rechtsverordnungsgeber zu einem Suchund Findspiel aufgefordert“ (Hervorhebung nur hier). 17  Oben S. 300. 15  Bereits



II. Subsidiaritätsklausel331

II. Subsidiaritätsklausel 1. Vorbehalt des formellen Gesetzes (kompetenzwahrende Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG) Auch Subsidiaritätsklauseln wird ein generalklauselartiger Charakter attestiert, weshalb der parlamentarische Gesetzgeber im formellen Gesetz nicht die wesentlichen Voraussetzungen der Strafbarkeit festgelegt habe.18 a) Festlegung der erfassten Verhaltensnormen Zur Untersuchung dieses Einwands ist zunächst die für Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht in gleicher Weise geltende Anforderung in den Blick zu nehmen, wonach der Gesetzgeber die erfassten Verhaltensnormen über das geschützte Rechtsgut und eine Handlungsbeschreibung eingrenzen muss. Dem genügt zwar nicht jedes Blankettgesetz mit Subsidiaritätsklausel. Beispielsweise liefert das Blankettordnungswidrigkeitengesetz des § 26 Abs. 1 Nr. 11 ChemG19, wie bereits festgestellt, keine Beschreibung der zu sanktionierenden Handlungsweisen. Die dort enthaltene dynamische Verweisung auf Unionsrecht ist daher verfassungswidrig.20 Dies beruht aber nicht speziell auf der Subsidiaritätsklausel. Die Klausel bezieht sich schließlich überhaupt nicht auf die tatbestandlichen Festlegungen und kann sie mithin auch nicht unzulässig weit ausdehnen. Sie regelt allein das Verhältnis verschiedener Gesetze auf Konkurrenzebene. Ein Konflikt mit der kompetenzwahrenden Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG ist insofern ausgeschlossen. Deutlich wird dies etwa beim Ordnungswidrigkeitengesetz des § 382 Abs. 1 AO. Hier sind die erfassten Verhaltensnormen formellgesetzlich festgelegt: In der Beschreibung des Tatbestands wird deutlich, dass es um den Schutz vor abstrakten Gefahren für das Zoll- und Steueraufkommen geht.21 Zudem beschreibt die Ermächtigung in Abs. 4 die ungefähre Handlung, die die unionale Verhaltensnorm regeln muss, um das Blankettgesetz ausfüllen zu können. Die Subsidiaritätsklausel in § 382 Abs. 3 AO ändert daran nichts. Sie regelt lediglich das Verhältnis dieses Gesetzes zu § 378 AO.

Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 343, 344. Normtext oben S. 276. 20  Bereits oben S. 276 f. 21  Vgl. Heine, in: GJW, § 382 AO Rn. 1. 18  Schützendübel, 19  Zum

332

E. Verfassungsrechtliche Beurteilung der Negationsklausel

b) Abschließende Entscheidung über Sanktionsnorm Im Übrigen muss der Gesetzgeber – im Strafrecht – die Sanktionsnorm abschließend festgelegt haben. Auch in diesem Zusammenhang nimmt die Subsidiaritätsklausel keinen Einfluss. Der Verordnungsgeber hat infolge der Rückverweisungsklausel zwar die Möglichkeit, unmittelbar über die Reichweite der Sanktionsnorm zu bestimmen,22 ist jedoch zugleich zum Rückverweis verpflichtet.23 Um die Subsidiaritätsklausel, die erst auf Konkurrenzebene greift, hat er sich bei Vornahme der Rückverweisung nicht zu kümmern. Insoweit besteht ein Unterschied zur tatbestandlichen Abgrenzungsklausel: Während der Verordnungsgeber auf ein Blankettstrafgesetz mit Abgrenzungsklausel nur zurückverweisen darf (und muss), wenn die Verhaltensnorm nicht bereits durch ein anderes in der Klausel genanntes Strafgesetz bewehrt ist, muss er auf ein Blankettstrafgesetz mit Subsidiaritätsklausel immer zurückverweisen, auch wenn die Verhaltensnorm bereits von einem anderen in der Klausel genannten Strafgesetz erfasst ist. Eine tatbestandliche Überschneidung verhindert die Subsidiaritätsklausel gerade nicht. aa) Besondere Notwendigkeit der Verpflichtung zum Rückverweis Sähe man den Verordnungsgeber dagegen frei in seiner Entscheidung über die Aufnahme eines Rückverweises, hätte der Verordnungsgeber einen verfassungswidrigen unmittelbaren Einfluss auf die Sanktionsnorm, der durch die Subsidiaritätsklausel in manchen Fällen noch verstärkt würde. Gemeint sind Konstellationen, in denen die Subsidiaritätsklausel das Verhältnis von Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht regeln soll. Dafür wird die Klausel in eine Bußgeldvorschrift eingesetzt und die Subsidiarität auf ein Strafgesetz bezogen.24 Das ist problematisch, sofern dieses Strafgesetz seinerseits eine Rückverweisungsklausel enthält. Wäre der Verordnungsgeber nicht zum Rückverweis verpflichtet, hätte er dann nicht nur die Macht, eigenständig über Anwendbarkeit und Reichweite einer einzelnen Sanktionsnorm zu entscheiden. Er könnte darüber hinaus sogar über die Einordnung eines Verhaltens als Straftat oder Ordnungswidrigkeit befinden. Das kann beispielhaft an § 19 Abs. 3 Nr. 1 lit. a und § 17 Abs. 1 AWG gezeigt werden. § 19 Abs. 3 Nr. 1 lit. a AWG: Ordnungswidrig handelt, wer […] einer Rechtsverordnung nach […] § 4 Absatz 1 […] zuwiderhandelt, soweit die Rechtsverordnung für einen bestimmten Tatbestand auf diese Bußgeldvorschrift verweist und die Tat nicht in § 17 Absatz 1 […] mit Strafe bedroht ist […].“ 22  Oben

S. 186 f., 255 f. S. 195 ff., 258 ff. 24  Oben S. 75. 23  Oben



II. Subsidiaritätsklausel333 § 17 Abs. 1 AWG: „Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer einer Rechtsverordnung nach § 4 Absatz 1, die der Durchführung 1. einer vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen nach Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen oder 2. einer vom Rat der Europäischen Union im Bereich der Gemeinsamen Außenund Sicherheitspolitik beschlossenen wirtschaftlichen Sanktionsmaßnahme dient, […] zuwiderhandelt, soweit die Rechtsverordnung […] für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift verweist.“

Beide Blankettgesetze erfassen ein Zuwiderhandeln gegen eine Rechtsverordnung nach § 4 Abs. 1 AWG und zwar jeweils unter dem Vorbehalt, dass die Rechtsverordnung auf das Gesetz zurückverweist. Das Strafgesetz kann indes nicht durch jede auf die genannte Ermächtigung gestützte Rechtsverordnung ausgefüllt werden. Die Verordnung muss dazu vielmehr weiteren Kriterien genügen. Das Ordnungswidrigkeitengesetz enthält diese Einschränkung nicht, ist dafür aber subsidiär gegenüber dem Strafgesetz. Dürfte der Verordnungsgeber frei über den Rückverweis befinden, könnte er, wenn er eine Rechtsverordnung nach § 4 Abs. 1 AWG erlässt und diese den in § 17 Abs. 1 AWG bezeichneten Kriterien entspricht, auf § 17 Abs. 1 AWG und auf § 19 Abs. 3 Nr. 1 lit. a AWG zurückverweisen. In diesem Fall macht sich ein Täter nach dem Strafgesetz des § 17 Abs. 1 AWG strafbar. Hinsichtlich der Ordnungswidrigkeit greift die Subsidiaritätsklausel ein. Der Verordnungsgeber könnte aber auch nur auf § 19 Abs. 3 Nr. 1 lit. a AWG zurückverweisen. Dann handelt der Täter lediglich ordnungswidrig. Die Subsidiaritätsklausel ist nicht einschlägig: Denn da ein Rückverweis auf das Strafgesetz fehlt, besteht keine anwendbare Strafdrohung nach § 17 Abs. 1 AWG und damit keine Konkurrenz, die über die Subsidiaritätsklausel gelöst werden müsste. Der Verordnungsgeber könnte mit der Rückverweisung also über die Rechtsfolge Strafe oder Geldbuße entscheiden.25 Als unmittelbare Entscheidung darüber, welche Sanktionsnorm anwendbar ist, fällt dies indes in die Zuständigkeit des parlamentarischen Gesetzgebers. Zudem stünde dieser Befund in Widerspruch zum Zweck der Subsidiaritätsklausel, der – auch in offiziellen Leitfäden zur Gesetzgebung – darin gesehen wird, dem Verordnungsgeber eine solche Wahlmöglichkeit gerade zu verwehren.26 Die Klausel ist in den Fällen, in denen das vorrangige Straf25  So denn auch Schuster, NZWiSt 2016, 278, 280; ders., in: Hilgendorf/Kudlich/Valerius, Handbuch des Strafrechts, Bd. 1, § 4 Rn. 16; ähnlich bereits K. Walter, RIW 2012, 763, 766, dort indes bezogen auf eine leicht anders ausgestaltete alte Fassung der Straf- und Ordnungswidrigkeitengesetze des AWG. 26  BMJV, Handbuch des Nebenstrafrechts, Rn. 452; Schützendübel, Bezugnahme auf EU-Verordnungen, S. 255; bereits oben S. 75.

334

E. Verfassungsrechtliche Beurteilung der Negationsklausel

gesetz eine Rückverweisungsklausel enthält, offensichtlich anders gemeint, als in ihrem Wortlaut zum Ausdruck gekommen ist. Intendiert ist, dass die Subsidiarität nicht erst eingreift, wenn die Tat nach dem Strafgesetz tatsächlich geahndet werden kann, sondern bereits dann, wenn die Tat nach dem Strafgesetz theoretisch, das heißt ungeachtet der Existenz eines darauf bezugnehmenden Rückverweises, geahndet werden könnte.27 Legt man die Rückverweisungsklausel nun, dem Ergebnis der bisherigen Untersuchung entsprechend, verfassungskonform aus, erledigt sich dieses Problem.28 Denn ist der Verordnungsgeber verpflichtet, für alle ausfüllungsgeeigneten Verhaltensnormen auf das Blankettstrafgesetz zurückzuverweisen, ist dieses insoweit immer anwendbar und greift die Subsidiaritätsklausel im Überschneidungsbereich zum Blankettordnungswidrigkeitengesetz stets ein. Nur das Strafgesetz kommt dann zur Anwendung. Dem Verordnungsgeber ist die Wahl genommen, ein Verhalten als Straftat oder Ordnungswidrigkeit einzuordnen. Im Kontext von Subsidiaritätsklauseln zeigt sich mithin besonders deutlich die Notwendigkeit, die Rückverweisungsklausel verfassungskonform auszulegen. Weil darüber der mit einer Subsidiaritätsklausel intendierte Zweck gewährleistet werden kann, entspricht dies in diesem Zusammenhang wohl – jedenfalls eindeutiger als bei der Rückverweisungstechnik im Allgemeinen – auch dem vom Gesetzgeber Gewollten. In der Konsequenz verliert die Subsidiaritätsklausel freilich insoweit ihren Sinn, als für den Verordnungsgeber regelmäßig kein Anlass bestehen wird, für eine Verhaltensnorm, für die er bereits auf ein Strafgesetz zurückverweisen musste, zusätzlich auch auf ein Ordnungswidrigkeitengesetz zurückzuverweisen.29 Die Subsidiaritätsklausel wird dann gar nicht erst anwendbar. Dennoch bleibt der Klausel ein Anwendungsbereich. Denkbar ist etwa, dass sich zwei Verhaltensnormen einer Rechtsverordnung teilweise miteinander überschneiden und beide das Ordnungswidrigkeitengesetz ausfüllen können, aber nur eine von ihnen das Blankettstrafgesetz. Der Verordnungsgeber muss für diese eine auf das Strafgesetz verweisen und kann für die andere auf das Ordnungswidrigkeitengesetz verweisen. Nimmt er den zweiten Rückverweis auf das Ordnungswidrigkeitengesetz vor, greift die Subsidiaritätsklausel im Überschneidungsbereich beider Verhaltensnormen.

27  Vgl.

Nestler, in: ERST, § 19 AWG Rn. 8. unionalen Kontext ist nicht die Rückverweisungsklausel, sondern die gesondert bestehende Ermächtigung zur rückverweisenden Rechtsverordnung verfassungskonform auszulegen. 29  Eine Pflicht besteht (im Rahmen der nationalrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik) insoweit nicht, dazu oben S. 218 ff. 28  Im



II. Subsidiaritätsklausel335

Im Ergebnis sind die Bedenken hinsichtlich der kompetenzwahrenden Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG somit ausgeräumt. bb) Abgleich mit Praxis der Verordnungsgebung Wie bei der Rückverweisungstechnik im Allgemeinen30 spiegelt sich die Verpflichtung zum Rückverweis auch im Zusammenhang mit Subsidiaritätsklauseln nicht konsequent in der Praxis der Verordnungsgebung wider. Das kann am Beispiel des § 50 Abs. 2 S. 1 Nr. 12 WeinG a. F.31 gezeigt werden, einem unionsrechtsakzessorischen Blankettordnungswidrigkeitengesetz. Dieses enthielt eine Subsidiaritätsklausel zugunsten des unionsrechtsakzessorischen Blankettstrafgesetzes des § 49 S. 1 Nr. 7 WeinG. Der nationale Verordnungsgeber benannte in seiner ausfüllenden Rechtsverordnung, in § 10 Nr. 7 WeinSBV32, eine unionale Verhaltensnorm33 und verwies für sie allein auf das Ordnungswidrigkeitengesetz zurück. Möglich gewesen wäre hingegen auch ein Rückverweis auf das Strafgesetz.34 Der Verordnungsgeber entschied sich also gegen die Einordnung des unionsrechtlich verbotenen Verhaltens als Straftat und für die Einordnung als Ordnungswidrigkeit. Die Regelungsmacht, die er damit unzulässigerweise in Anspruch genommen hat, zeigt sich noch deutlicher, wenn man die vorherige Rechtslage betrachtet: Ursprünglich hatte der nationale Verordnungsgeber für die gleiche unionale Verhaltensnorm35 auf das Strafgesetz zurückverwiesen (damals über den Rückverweis in § 4 Abs. 1 Nr. 1 EU-WeinRV36). Ein zunächst strafbares Verhalten änderte er somit später bewusst zu einem bloß ordnungswidrigen Verhalten. Nach hier gefundener Lösung war der Verordnungsgeber 30  Dazu

oben S. 211. 18.01.2011, BGBl. I 2011, 66, in der Fassung vom 14.11.2020, BGBl. I 2020, 2425. 32  Vom 20.02.2014, BGBl. I 2014, 143, in der Fassung vom 04.01.2016, BGBl. I 2016, 2. 33  Konkret ging es um das Verbot, bei der Weinherstellung Weintrauben vollständig auszupressen, Anhang VIII Teil II Abschnitt D Nr. 1 UAbs. 1 S. 1 VO (EU) Nr. 1308/2013. 34  Nicht möglich war indes, entgegen Kretschmer, ZIS 2016, 763, 768, ein Rückverweis auf § 50 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 WeinG, weil der von diesem Gesetz in Bezug genommene § 16 Abs. 3 Nr. 1a WeinG dazu ermächtigt, begleitende Vorschriften zum unionsrechtlichen Verbot zu erlassen, nicht aber das Verbot selbst betrifft. 35  Damals war das Verbot in Anhang XVb Abschnitt D Nr. 1 UAbs. 1 S. 1 VO (EG) 1234/2007 geregelt, ABl. 2007 Nr. L 299, 1. 36  Verordnung zur Durchsetzung des gemeinschaftlichen Weinrechts vom 07.08.2001, BGBl. I 2001, 2159, in der Fassung vom 12.12.2013, BGBl. I 2013, 4144. 31  Vom

336

E. Verfassungsrechtliche Beurteilung der Negationsklausel

dagegen verpflichtet, auf das Strafgesetz zurückzuverweisen. Diesen Rückverweis hätte er nicht hinterher ändern dürfen. 2. Bestimmtheitsgebot (freiheitsgewährleistende Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG) Auch die freiheitsgewährleistende Komponente steht der Subsidiaritätsklausel nicht im Weg. Unabhängig von der Frage, ob das strafrechtliche Bestimmtheitsgebot überhaupt für Subsidiaritätsklauseln gilt,37 wird der Rechtsfindungsaufwand für den Normadressaten jedenfalls kaum vergrößert. Er muss, nachdem er das subsidiäre Gesetz konsultiert hat, lediglich prüfen, ob auch das vorrangige Gesetz einschlägig ist. Dieser Abgleich ist für sich genommen leicht durchführbar. Schwierig wird es nur, wenn das vorrangige Gesetz inhaltlich nicht ausreichend bestimmt ist. Dies ist dann aber keine Eigenheit der Subsidiaritätsklausel.

III. Zusammenfassung zu Kapitel E. Negationsklauseln begründen sowohl in Gestalt von tatbestandlichen Abgrenzungsklauseln als auch von Subsidiaritätsklauseln für sich genommen keinen Widerspruch zu Art. 103 Abs. 2 GG. Insbesondere ist für jedes Blankettstrafgesetz anhand der allgemeinen Kriterien zu prüfen, ob der Gesetzgeber über die wesentlichen Voraussetzungen der Strafbarkeit entschieden hat. Die Negationsklausel nimmt hierauf keinen besonderen Einfluss. Auch daran, dass der Verordnungsgeber zum Rückverweis verpflichtet ist, ändert sich nichts. Diese Verpflichtung ist in den Fällen, in denen eine Subsidiaritätsklausel das Verhältnis zwischen einem Straf- und Ordnungswidrigkeiten­ gesetz regelt, notwendig, damit die Exekutive nicht eigenständig über die Rechtsfolge der Strafe oder Geldbuße entscheiden kann.

37  Befürwortend BGH 1 StR 730/96, NJW 1998, 465, 466; 1 StR 513/01, NJW 2002, 2188; Duttge/Sotelsek, NJW 2002, 3756, 3757; ablehnend Freund/Putz, NStZ 2003, 242, 245; Rissing-van Saan, in: LK, Vor § 52 Rn. 147.

F. Bewertung der gefundenen Erkenntnisse Die verschiedenen Varianten der Rückverweisungstechnik sind in den vorigen Kapiteln im Detail untersucht worden. Auf die Konsequenzen, die sich daraus ergeben, insbesondere den gesetzgeberischen Handlungsbedarf, ist im jeweiligen Zusammenhang bereits hingewiesen worden. An dieser Stelle nun werden die gefundenen Erkenntnisse einer Bewertung unterzogen. Dazu soll ein Schritt zurückgetreten und das Gesamtbild in den Blick genommen werden. Welche Bedeutung haben die Ergebnisse für die Rückverweisungstechnik und das Strafrecht? Wie dringend besteht welcher Handlungsbedarf? Dabei muss notwendig verallgemeinert werden. Sofern in einer der nachfolgend aufgeführten Kategorien im Einzelfall auch abweichend zu beurteilende Fälle existieren, ergeben sich diese aus den vorstehenden Ausführungen, werden hier jedoch ausgeblendet.

I. Verfassungswidrigkeit und -konformität der Rückverweisungstechnik Ein Teil aller Blankettgesetze mit Rückverweisungsklausel hat sich als verfassungswidrig erwiesen. Dies betraf die Mehrzahl aller unionsrechtsakzessorischen Blankettgesetze, die keine Entsprechungsklausel verwenden.1 Insoweit besteht also eine Sanktionslücke. Sie erstreckt sich auf eine nicht unerhebliche Anzahl an Gesetzen, wie die beispielhafte Aufzählung im Anhang der Arbeit zeigt. Gleichwohl bleibt ihre Bedeutung überschaubar. So ist zwar beispielsweise das Blankettstrafgesetz des § 48 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 WeinG verfassungswidrig, doch nennt die Polizeiliche Kriminalstatistik für das Jahr 2020 für Straftaten nach dem WeinG nur drei Verdachtsfälle2 – und diese Zahl umfasst sogar alle Straftaten nach dem WeinG, das heißt auch solche nach den übrigen Varianten des § 48 WeinG sowie nach § 49 WeinG. Auch wenn in der Wirtschaftskriminalität generell von einem hohen Dunkelfeld ausgegangen wird,3 dürfte der Anwendungsbereich des nichtigen Blankettstrafgesetzes somit gering sein. Allgemein gesprochen erstreckt sich die Sanktionslücke nur auf Gesetze in speziellen wirtschaftsrechtlichen Zusammenhängen und abgesehen von dem genannten Beispiel im WeinG vor allem 1  Oben

S. 276 ff. 2020, Grundtabelle Wirtschaftskriminalität, Schlüssel 716300. 3  Dessecker, in: Momsen/Grützner, § 1 Rn. 14; Wittig, in: GJW, Einführung Rn. 27. 2  PKS

338

F. Bewertung der gefundenen Erkenntnisse

auf solche des Ordnungswidrigkeitenrechts. Gewichtige Auswirkungen dürften nicht mit ihr verbunden sein. Freilich muss der Gesetzgeber dennoch schnellstmöglich reagieren und die Gesetze, entsprechend den dargestellten Vorschlägen,4 umgestalten. Denn auch wenn die Sanktionslücke keine gravierenden Auswirkungen hat, ist jedenfalls das Risiko unbedingt zu vermeiden, dass eines der Gesetze trotz Verfassungswidrigkeit doch angewandt wird. Daher besteht hier ein dringender Handlungsbedarf. Infolge der Entscheidungen des BVerfG zum RiFl­ EtikettG und LFGB hat der Gesetzgeber bislang nur punktuell nachgebessert.5 Er muss aber nun die unionsrechtsakzessorischen Blankettgesetze einer systematischen Revision6 unterziehen. Dies ist im Übrigen auch – und in noch viel größerem Umfang – aus Zweckmäßigkeitserwägungen heraus erforderlich; darauf ist an späterer Stelle einzugehen.7 Abgesehen von den eben erwähnten Gesetzen ist die Rückverweisungstechnik im Grundsatz verfassungskonform. Die betroffenen Gesetze bleiben insoweit anwendbar. Dies gilt im Ordnungswidrigkeitenrecht ohne Einschränkung – insbesondere eine verfassungskonforme Auslegung der Rückverweisungsklausel ist hier nicht nötig.8 Da die Rückverweisungstechnik im Ordnungswidrigkeitenrecht öfter zum Einsatz kommt als im Strafrecht, bleibt ihr größter Anwendungsbereich damit unverändert erhalten. Dem parlamentarischen Gesetzgeber steht weiterhin ein Instrument zur Verfügung, mit dem er die Exekutive umfangreich in die Normgebung einbinden kann. Die praktische Bedeutung dessen scheint zunächst gering, betrachtet man die Ordnungswidrigkeitengesetze, in denen sich eine Rückverweisungsklausel findet: Zwar sind es rein zahlenmäßig sehr viele Gesetze, doch handelt es sich, ebenso wie bei den erwähnten verfassungswidrigen Gesetzen, oft um spezielle wirtschaftsrechtliche Normen, die mutmaßlich keine große Anwendung finden.9 Trotzdem hat die Rückverweisungstechnik im Ordnungswidrigkeitenrecht mitunter entscheidende Bedeutung. Beispielsweise kann eine Vielzahl alltäglicher Verkehrsverstöße, wie etwa eine Geschwindigkeitsüberschreitung oder Vorfahrtsmissachtung, auf Grundlage des Blankettordnungswidrigkeitengesetzes mit Rückverweisungsklausel des § 24 Abs. 1

4  Oben

S. 309 ff. S. 309 f. 6  Vgl. bereits Wallau, LMuR 2016, 229: „Plädoyer für eine konzertierte Revision des Lebensmittelstrafrechts“. 7  Unten S. 341. 8  Oben S. 218 f. 9  Zahlen hierzu finden sich nicht; jedenfalls aber sind zu den betreffenden Gesetzen keine relevanten Urteile aus den letzten Jahren bekannt. 5  Oben



I. Verfassungswidrigkeit und -konformität der Rückverweisungstechnik 339

StVG sanktioniert werden.10 Eine wichtige Rolle hat die Rückverweisungstechnik ferner im Zuge der Corona-Pandemie gespielt. Schutzmaßnahmen wie Maskenpflicht und Kontaktbeschränkungen wurden ganz überwiegend durch das flexible Instrument der Rechtsverordnung erlassen. Das Blankettordnungswidrigkeitengesetz mit Rückverweisungsklausel des § 73 Abs. 1a Nr. 24 IfSG ermöglichte es, die Maßnahmen mittels Androhung von Geldbuße durchzusetzen. Dass die Rückverweisungstechnik im Ordnungswidrigkeitenrecht erhalten bleibt, verhindert also zumindest in bestimmten Bereichen das Aufbrechen erheblicher Sanktionslücken. Im Strafrecht ist die Rückverweisungstechnik ebenfalls zulässig. Die er­ forderliche verfassungskonforme Auslegung der Rückverweisungsklausel, wonach der Verordnungsgeber verpflichtet ist, für eine ausfüllungsgeeignete Verhaltensnorm auf das Blankettgesetz zurückzuverweisen, schränkt zwar die mit ihr verbundenen Zwecke ein: Eine vergleichbar große Flexibilität wie im Ordnungswidrigkeitenrecht kann nicht erreicht werden, weil der Gesetzgeber abschließend über die Sanktionsnorm entscheiden muss.11 Doch ist diese Einschränkung primär als Handlungsanweisung für den Verordnungsgeber von Bedeutung, der zu überprüfen hat, ob er weitere Rückverweisungen vornehmen muss, sowie für den Gesetzgeber, der zu kontrollieren hat, ob er dem Verordnungsgeber einen unzulässig in Anspruch genommenen Handlungsspielraum entziehen muss.12 Sanktionslücken entstehen dadurch aber nicht. Aus gesamtstrafrechtlicher Perspektive erscheinen die Folgen zunächst wenig bedeutend. Dies beruht wiederum darauf, dass die Rückverweisungstechnik auch im Strafrecht in speziellen nebenstrafrechtlichen Zusammenhängen anzutreffen ist, aber kaum grundlegende Unrechtsbereiche berührt. Für Straftaten nach § 27 ChemG i. V. m. der GefStoffV weist die Polizeiliche Kriminalstatistik für das Jahr 2020 beispielsweise acht Verdachtsfälle aus.13 Für das BJagdG und PflSchG ist es sogar kein einziger.14 Eine größere 10  Vgl.

die Rückverweisungen in § 49 StVO. S. 230 f., 268. 12  Dazu oben S. 226 f., 268. 13  PKS 2020, Grundtabelle Wirtschaftskriminalität, Schlüssel 741001. Dies bildet nicht exakt die Fallzahlen des Blankettstrafgesetzes mit Rückverweisungsklausel des § 27 Abs. 1 Nr. 1 ChemG ab: Einerseits umfasst die genannte Zahl auch Straftaten nach § 27 Abs. 2 ChemG, das heißt einem Gesetz ohne Rückverweisungsklausel. Andererseits wird § 27 Abs. 1 Nr. 1 ChemG neben der GefStoffV auch durch andere Rechtsverordnungen ausgefüllt. Für alle Straftaten nach dem ChemG nennt die Polizeiliche Kriminalstatistik 10 Verdachtsfälle (PKS 2020, Grundtabelle Wirtschaftskriminalität, Schlüssel 741000). 14  PKS 2020, Grundtabelle Wirtschaftskriminalität, Schlüssel 743030, 743040. Beide Gesetze enthalten auch Strafgesetze ohne Rückverweisungsklausel. 11  Oben

340

F. Bewertung der gefundenen Erkenntnisse

Rolle spielt hingegen das Lebensmittelstrafrecht und hier hauptsächlich die Blankettgesetze des LFGB. Die Polizeiliche Kriminalstatistik nennt für Straftaten nach dem LFGB 266 Verdachtsfälle (wobei darauf hinzuweisen ist, dass in diesem Gesetz auch Strafgesetze ohne Rückverweisungsklausel existieren).15 Entsprechend finden sich in der Rechtsprechung einige Urteile, die sich mit den dortigen Blankettstrafgesetzen mit Rückverweisungsklausel beschäftigen.16 Auch die analysierten Entscheidungen des BVerfG und BGH zu Blankettgesetzen mit Rückverweisungsklausel im RiFlEtikettG, LFGB und VTabakG sind im Kontext des Lebensmittelstrafrechts angesiedelt. Diese bundesgerichtlichen Entscheidungen zeigen zudem, dass Blankettstrafgesetze mit Rückverweisungsklausel, wenn sie auch zahlenmäßig keinen großen Anteil aller Verfahren ausmachen, die Praxis doch in verhältnismäßig hohem Umfang beschäftigen. Immerhin haben BVerfG und BGH gleich dreimal innerhalb von fünf Jahren entsprechende Gesetze untersucht. Zwischen den beiden bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidungen legten überdies zwei Gerichte weitere Gesetze im Wege der konkreten Normenkontrolle vor.17 Da das BVerfG keine explizite Aussage zur Zulässigkeit der Rückverweisungsklausel getroffen hat und die Rückverweisungstechnik zudem in verschiedenen Varianten existiert, bestehen in der Praxis offenkundig Unsicherheiten bei der Anwendung betroffener Gesetze. Die Erkenntnisse dieser Arbeit können dabei helfen, diese Unsicherheiten zu vermeiden.

II. Handlungsbedarf infolge von Zweckmäßigkeitserwägungen Bislang wurden diejenigen Erkenntnisse in den Blick genommen, die sich unmittelbar aus dem Verfassungsrecht ergeben. Abseits des verfassungsrechtlich zwingend Erforderlichen haben Zweckmäßigkeitserwägungen darüber hinaus weiteren Änderungsbedarf gezeigt. Bei einem großen Teil der Rückverweisungstechnik, nämlich bei allen nationalrechtsakzessorischen Blankettgesetzen (des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts), kann die Verweisungskette kürzer gehalten werden, indem die zentrale rückverweisende Vorschrift am Ende der Rechtsverordnung aufgelöst wird und stattdessen Rückverweisungen bei den jeweiligen Verhaltensnormen erfolgen.18 Im 15  PKS

2020, Grundtabelle Wirtschaftskriminalität, Schlüssel 716100. OLG Karlsruhe 2 (7) Ss 340/13, LMRR 2014, 6; AG Kehl 2 Cs 207 Js 10531/17 (2), GRUR-RS 2020, 21298. 17  KG (1) 3 StE 1/16-1 (1/16), BeckRS 2017, 136822; AG Potsdam 86 Ds 75/16, BeckRS 2017, 119329. Beide Vorlagen wurden als unzulässig abgewiesen, oben S. 250. 18  Oben S. 239. 16  Etwa



II. Handlungsbedarf infolge von Zweckmäßigkeitserwägungen341

Strafrecht sollte außerdem im Wortlaut der Ermächtigungsgrundlage, die für ein Blankettgesetz relevant ist, die Verpflichtung des Verordnungsgebers zum Rückverweis klargestellt werden.19 Diese Änderungen sind nicht gleichermaßen dringlich wie diejenigen, die erforderlich sind, um den bestehenden Verfassungsverstößen abzuhelfen. Der Verordnungs- beziehungsweise – im zweiten Fall – der Gesetzgeber kann sie nach und nach vornehmen, wenn er den jeweiligen Bereich ohnehin inhaltlich ändert. Der dabei anfallende Aufwand ist überschaubar. Ein sehr umfangreicher Änderungsbedarf ergibt sich hingegen daraus, dass der Anwendungsbereich der Rückverweisungstechnik insgesamt verringert werden sollte. Das gilt in erster Linie für unionsrechtsakzessorische Blankettgesetze. Bei ihnen führt die Rückverweisungsklausel zu so komplexen Regelungen, dass sie nie zweckmäßig ist. Der Gesetzgeber muss daher nicht nur die verfassungswidrigen Gesetze umgestalten, sondern ist dazu angehalten, alle unionsrechtsakzessorischen Gesetze mit Rückverweisungsklausel zu ändern.20 Im unionalen Kontext führt die hiesige Untersuchung mithin zu einschneidenden Folgen: Die Rückverweisungstechnik hat hier keinen berechtigten Anwendungsbereich. Die Gesetzgebung der letzten Jahre weist insofern schon in die richtige Richtung. Gerne verwendet werden zwar immer noch Blankettgesetze, in denen eine Rückverweisungs- mit einer Entsprechungsklausel kombiniert wird.21 Doch auch statische Direktverweisungen ohne Rückverweisungsklausel finden sich vermehrt, etwa in den in neuester Zeit erweiterten Strafgesetzen der §§ 58 Abs. 2a, 59 Abs. 2 ­LFGB.22 Freilich ist nun die eben bereits angemahnte systematische Revision aller bestehenden unionsrechtsakzessorischen Blankettgesetze mit Rückverweisungsklausel erforderlich. Nicht ganz so gravierend sind die Auswirkungen bei nationalrechtsakzessorischen Blankettgesetzen. Die Rückverweisungsklausel ist dort in vielen Fällen, jedoch nicht durchweg entbehrlich.23 Ihr Anwendungsbereich wird nicht überflüssig, aber jedenfalls zurückgedrängt. Ist der Einsatz der Rückverweisungstechnik damit insgesamt zu reduzieren, ist dies insofern von Bedeutung, als von einfacher gestalteten Blankettgesetzen eine höhere Wirkungskraft erhofft werden kann.24 Zum einen kann der Bürger das Gesetz leichter verstehen und infolgedessen eher befol19  Oben

S. 228. den Umgestaltungsmöglichkeiten oben S. 309 ff. 21  Dazu oben S. 309. 22  Vgl. bereits oben S. 293, 302. 23  Oben S. 231 f. 24  Vgl. Karpen, Verweisung, S. 9: Eine gute Gesetzgebungstechnik erleichtert die Durchsetzung des Gesetzes. 20  Zu

342

F. Bewertung der gefundenen Erkenntnisse

gen. Zum anderen wird auch die Strafverfolgung erleichtert. Denn je komplizierter die Struktur eines Strafgesetzes ist, desto eher besteht die Gefahr, dass es in der praktischen Anwendung vernachlässigt wird.25 Bei komplexen Regelungen droht mithin ein Strafverfolgungsdefizit. Indem in dieser Arbeit dafür plädiert wird, den Anwendungsbereich der Rückverweisungstechnik zu beschneiden, wird also dazu beigetragen, Strafgesetze zu schaffen, die in der Praxis eine größere Rolle spielen könnten. Eine kritische Überprüfung bestehender Blankettgesetze durch den Gesetzgeber dahingehend, ob die Rückverweisungsklausel entbehrlich ist, ist folglich dringend erforderlich. Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass die hier gefundenen Erkenntnisse nicht nur für die aktuell bestehende Gesetzeslage relevant sind. Ihre Bedeutung weist auch in die Zukunft. Bei der Umgestaltung bestehender oder dem Erlass neuer Strafgesetze darf der Gesetzgeber die Rückverweisungstechnik nur innerhalb der aufgezeigten Grenzen nutzen. Die praktische Relevanz dessen liegt auf der Hand: Der Trend hin zur Flexibilisierung des Rechts, der als entscheidender Motor der Rückverweisungstechnik aus­ gemacht wurde, ist ungebrochen. Es werden daher auch in Zukunft weitere potenzielle Anwendungsfelder der Rückverweisungstechnik entstehen. Vor allem zu erwarten ist dies im unionalen Kontext wegen der fortschreitenden Europäisierung des Strafrechts. Gerade in diesem Bereich aber ist die weitere Anwendung der Rückverweisungstechnik gesperrt.

III. Zusammenfassung zu Kapitel F. Alles in allem verliert die Rückverweisungstechnik an Bedeutung. Ein Teil von ihr ist verfassungswidrig. Insoweit besteht eine Sanktionslücke, die allerdings überschaubare Auswirkungen hat. Doch auch sofern die Rückverweisungstechnik verfassungskonform ist, ist sie gleichwohl zu einem guten Teil, nämlich in ihrem unionalen und teilweise im nationalen strafrechtlichen Kontext, nicht zweckmäßig und sollte daher in deutlich weniger Gesetzen verwendet werden. Der Gesetzgeber ist aufgefordert, primär die verfassungswidrigen Gesetze zu ändern und sodann auch die anderen genannten Bereiche systematisch auf Änderungsbedarf durchzusehen. Größere Bedeutung verbleibt der Rückverweisungstechnik künftig hauptsächlich im rein nationalen Ordnungswidrigkeitenrecht.

25  Allgemein auf den Zusammenhang der Verweisungstechnik und einer schwierigeren Rechtsanwendung hinweisend Karpen, Verweisung, S. 222.

Zusammenfassung 1.  Nationalrechtsakzessorische Blankettstrafgesetze mit Rückverweisungsklausel nehmen zur näheren Konkretisierung ihres Tatbestands auf Rechtsverordnungen Bezug. Die Verweisung bezieht sich auf alle künftigen Rechtsverordnungen, die aufgrund einer bestimmten Ermächtigungsgrundlage ergehen; sie ist insofern pauschal und dynamisch. Gemäß der Rückverweisungsklausel füllt die Rechtsverordnung das Blankettgesetz nur dann wirksam aus, wenn sie einen Rückverweis hierauf enthält. Der Rückverweis aktiviert also die im Blankettgesetz ausgesprochene Sanktionsdrohung. Normentheoretisch betrachtet enthält das Blankettgesetz die Sanktionsnorm, die ausfüllende Rechtsverordnung die Verhaltensnorm. Der Gesetzgeber möchte mit dieser Gesetzestechnik auf den besonderen Sachverstand der Exekutive zugreifen und sich zugleich entlasten und das Strafgesetz flexibel halten. Infolge der Rückverweisung soll die Strafbarkeit zudem in höherem Maße bestimmt sein. Unionsrechtsakzessorische Blankettstrafgesetze mit Rückverweisungsklausel nehmen in ihrem Tatbestand auf unmittelbar geltende Vorschriften in Rechtsakten der Europäischen Union Bezug, das heißt auf EU-Verordnungen. Dies erfolgt über eine dynamische und pauschale Verweisung. Darüber hi­ naus wird – wiederum mittels einer pauschalen und dynamischen Verweisung – der nationale Verordnungsgeber eingeschaltet. Diese Verweisung ist im Gegensatz zu nationalrechtsakzessorischen Blankettgesetzen nicht im Tatbestand, sondern in der Rückverweisungsklausel enthalten. Der nationale Verordnungsgeber soll die genaue Verschaltung der nationalen Sanktionsmit der unionalen Verhaltensnorm vornehmen, indem er in einer Rechtsverordnung statisch und voll-explizit auf eine bestimmte Vorschrift einer EUVerordnung Bezug nimmt und für sie auf das Blankettgesetz zurückverweist. Die unionsrechtsakzessorische Rückverweisungstechnik erklärt sich dadurch, dass die EU nicht (generell) selbst Strafen androhen darf, dafür aber die Mitgliedstaaten aus Unionsrecht verpflichtet sind, unionale Verhaltensnormen durch nationale Sanktionsdrohungen abzusichern. Eine solche Pflicht folgt, in unspezifischer Form, aus dem allgemeinen Loyalitätsgebot des Art. 4 Abs. 3 EUV sowie, speziell auf strafrechtliche Sanktionen bezogen, aus Richtlinien nach Art. 83 AEUV. Die Blankettgesetzgebung ist für den Mitgliedstaat die effektivste Art, seiner Sanktionierungspflicht nachzukommen. Er knüpft damit, wozu er auch unionsrechtlich verpflichtet ist, akzesso-

344 Zusammenfassung

risch an die bereits unmittelbar geltende unionale Verhaltensnorm einer EUVerordnung an. Die unionale Verhaltensnorm bleibt also auch im strafrechtlichen Zusammenhang materiell Teil des Unionsrechts und wird nach unionsrechtlichen Grundsätzen ausgelegt. Die genaue Bezeichnung des bewehrten Unionsrechts wird dem nationalen Verordnungsgeber überlassen, weil dieser das nationale Recht schneller als der parlamentarische Gesetzgeber an Änderungen des Unionsrechts anpassen können soll. In der Praxis zeigt sich dieser Effekt allerdings nur eingeschränkt. Ergänzt werden kann die unionsrechtsakzessorische Rückverweisungstechnik durch Entsprechungsklauseln. Mit ihnen soll eine Sanktionsdrohung auch nach Europäisierung einer ursprünglich nationalen Verhaltensnorm aufrecht erhalten bleiben. Eine weitere Ergänzungsmöglichkeit, auch für die nationalrechtsakzessorische Rückverweisungstechnik, besteht in Gestalt von Negationsklauseln, wobei sich tatbestandliche Abgrenzungsklauseln und Subsidiaritätsklauseln unterscheiden lassen. Sie dienen dazu, Blankettgesetze voneinander abzugrenzen. Dies geschieht bei einer tatbestandlichen Abgrenzungsklausel auf Ebene des Tatbestands, bei einer Subsidiaritätsklausel auf Ebene der Konkurrenzen. 2. Für die Prüfung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Rückverweisungstechnik bildet primär das Gesetzlichkeitsprinzip des Art. 103 Abs. 2 GG den relevanten Maßstab. Das daraus folgende Bestimmtheitsgebot – die freiheitsgewährleistende Komponente – erfordert, dass der Normadressat das strafbare Verhalten mit zumutbarem Aufwand aus Blankettstrafgesetz und dessen – nicht formellgesetzlichen – Ausfüllungsobjekten ermitteln kann. Nach dem ebenfalls aus Art. 103 Abs. 2 GG abgeleiteten Vorbehalt des formellen Gesetzes – der kompetenzwahrenden Komponente – hat der unmittelbar demokratisch legitimierte parlamentarische Gesetzgeber selbst alle wesentlichen Entscheidungen über die Strafbarkeit zu treffen. Das bedeutet, dass er im förmlichen Gesetz abschließend über die Sanktionsnorm entscheiden und die erfassten Verhaltensnormen wenigstens abstrakt festlegen muss, indem er das geschützte Rechtsgut definiert und die erfassten Verhaltensweisen grob umschreibt. Einer anderen Instanz darf nur die konkrete Festlegung der Verhaltensnormen überlassen werden. Im Ordnungswidrigkeitenrecht gilt das Bestimmtheitsgebot uneingeschränkt, während der Parlamentsvorbehalt nur in abgeschwächter Form besteht: Die nichtparlamentarische Instanz darf auch begrenzten Einfluss auf die Sanktionsnorm nehmen. Eine Prüfung auch des Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG erübrigt sich. Die Vorschrift ist zwar auf materielle Strafgesetze anwendbar, stellt aber keine über Art. 103 Abs. 2 GG hinausgehenden oder hiervon abweichenden Anforderungen. Art. 80 Abs. 1 GG ist nur insoweit relevant, als nach dessen S. 1 der

Zusammenfassung345

Verordnungsgeber zur Ausfüllung des Blankettstrafgesetzes gesetzlich ermächtigt sein muss. Das Bestimmtheitsgebot des S. 2 hat hingegen neben Art. 103 Abs. 2 GG keine eigenständige Bedeutung. Keiner ausführlichen Prüfung bedarf das Verkündungsgebot: Es ist dadurch eingehalten, dass die das Blankettgesetz ausfüllenden nationalen Rechtsverordnungen im Bundesgesetzblatt oder im Bundesanzeiger beziehungsweise EU-Verordnungen im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht werden. Abseits dieser nationalen Maßstäbe ist auch der unionsrechtliche Grundsatz der Gesetzmäßigkeit aus Art. 49 Abs. 1 S. 1 GRCh in vielen Fällen anwendbar, insbesondere auf unionsrechtsakzessorisch ausgestaltete Blankettstrafgesetze mit Rückverweisungsklausel. Dennoch ist dies im Ergebnis nicht relevant. Weil dem Mitgliedstaat bezüglich der Gesetzestechnik der Rückverweisung ein Umsetzungsspielraum verbleibt und eine Prüfung anhand des nationalen Gesetzlichkeitsprinzips weder das durch die Grundrechtecharta gewährleistete Schutzniveau noch den unionsrechtlichen effet utile beeinträchtigt, bleibt Art. 103 Abs. 2 GG daneben weiterhin anwendbar. Da er strengere Anforderungen als Art. 49 Abs. 1 S. 1 GRCh enthält, kommt es auf letzteren nicht mehr an. 3.  Die konkrete Prüfung der Rückverweisungstechnik anhand des verfassungsrechtlichen Maßstabs hat ergeben, dass sie in ihrem rein nationalen Anwendungsbereich grundsätzlich verfassungskonform ist. Die dynamische Verweisung auf Rechtsverordnungen im Tatbestand des Blankettstrafgesetzes ist abstrakt betrachtet mit dem Vorbehalt des formellen Gesetzes aus Art. 103 Abs. 2 GG vereinbar. Auch in ihrer konkreten Ausgestaltung in den derzeit bestehenden Blankettgesetzen ist sie zumeist zulässig, weil der Gesetzgeber die erfassten Verhaltensnormen zwar nicht im Blankettgesetz festgelegt hat, dafür aber in der Ermächtigungsgrundlage, auf die das Blankettgesetz Bezug nimmt. Das strafrechtliche Bestimmtheitsgebot aus Art. 103 Abs. 2 GG ist ebenfalls eingehalten: Angesichts online verfügbarer Informationsangebote und der normativen Wertung, wonach ein Bürger jedes ordnungsgemäß veröffentlichte Ge- oder Verbot zu kennen hat, findet der Normadressat die ausfüllende Rechtsverordnung mit zumutbarem Aufwand. Die pauschale Ausgestaltung der Verweisung ändert daran nichts: Die damit verbundenen Schwierigkeiten bei der Rechtsfindung werden dadurch ausgeglichen, dass der Rückverweis in der Rechtsverordnung Blankettgesetz und Ausfüllungsobjekt eindeutig miteinander verknüpft. Insoweit erreicht die Rückverweisungsklausel ihr Ziel, zu einer höheren inhaltlichen Bestimmtheit der Strafbarkeit beizutragen. Dabei geht es nicht um eine höhere Bestimmtheit, sondern darum, das erforderliche Maß an Bestimmtheit überhaupt erst herzustellen.

346 Zusammenfassung

Der durch die Rückverweisungsklausel geforderte Rückverweis ist weder eine rein deklaratorische Verweisung noch liegt in dem Umstand, dass erst durch ihn das Blankettstrafgesetz anwendbar wird, ein strukturelles Problem, das in vergleichbarer Weise bei jeder dynamischen Außenverweisung bestünde. Mit dem Rückverweis erlangt der Verordnungsgeber nämlich die Möglichkeit, unmittelbar über die Reichweite der Sanktionsnorm zu bestimmen. Entgegen zahlreichen Stimmen in der Literatur und dem BVerfG begründet die Klausel deshalb ein besonderes Problem, das allein Blankettgesetzen mit Rückverweisungsklausel eigen ist. Die Rückverweisungsklausel ist insofern, als sie den Verordnungsgeber über die Sanktionsnorm bestimmen lässt, eine Ermächtigungsgrundlage im Sinne des Art. 80 Abs. 1 S. 1 GG. Dürfte der Verordnungsgeber frei entscheiden, ob er einen Rückverweis vornimmt, verstieße dies im Strafrecht gegen die kompetenzwahrende Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG. Bei verfassungskonformer Auslegung der Rückverweisungsklausel steht dem Verordnungsgeber indes keine solche Entschließungsfreiheit zu. Immer wenn er eine Verhaltensnorm erlässt, die geeignet ist, das Blankettstrafgesetz auszufüllen, muss er sie mittels Rückverweises mit dem Blankettstrafgesetz verknüpfen. Der Verordnungsgeber hat mithin keinen freien Einfluss auf die Reichweite der Sanktionsnorm, sie ist vielmehr bereits abschließend durch den parlamentarischen Gesetzgeber festgelegt. Art. 103 Abs. 2 GG wird auf diese Weise gewahrt. Im Ordnungswidrigkeitenrecht ist eine verfassungskonforme Auslegung wegen des weniger strikten Maßstabs der kompetenzwahrenden Komponente nicht notwendig. Hier ist der Verordnungsgeber frei darin, einen Rückverweis aufzunehmen oder nicht. Die im Strafrecht erforderliche verfassungskonforme Auslegung hat zur Konsequenz, dass der Gesetzgeber stärker in die Pflicht genommen wird. Er muss den Kreis der bewehrten Verhaltensnormen im formellen Gesetz abschließend bestimmen. Sodann hat er die ordnungsgemäße Vornahme aller erforderlichen Rückverweisungen zu überwachen. Nötigenfalls muss er das Blankettgesetz umgestalten und dem Verordnungsgeber den unmittelbaren Einfluss auf die Sanktionsnorm entziehen. Es bietet sich an, die Verpflichtung de lege ferenda im Wortlaut der Ermächtigungsgrundlage klarzustellen; insbesondere deshalb, weil der Verordnungsgeber in der Vergangenheit nicht immer, wenn es möglich war, auch tatsächlich zurückverwiesen hat. Der Nutzen der Rückverweisungsklausel liegt im Strafrecht somit allein in ihrem Beitrag zur inhaltlichen Bestimmtheit. Dem Verordnungsgeber kann nicht auch, wie aber geltend gemacht wird, die Auswahl der hinreichend bestimmten, sanktionswürdigen und noch nicht anderweitig bewehrten Verhaltensnormen überlassen werden. Normentheoretisch gesprochen kann sich der Gesetzgeber im Strafrecht nur in Bezug auf die konkrete Gestaltung der

Zusammenfassung347

Verhaltensnorm (infolge der dynamischen Verweisung auf die Rechtsverordnung) entlasten. Eine Entlastung auch hinsichtlich der Sanktionsnorm (wie es infolge der Rückverweisungsklausel denkbar wäre) ist ausgeschlossen. Mit dem so beschnittenen Zweck der Rückverweisungsklausel steht und fällt ihr berechtigter Anwendungsbereich: Sofern die Verknüpfung von Sanktionsund Verhaltensnorm auch ohne den Rückverweis gewährleistet ist, weil die Ermächtigung bereits eine spezifische Verhaltensnorm vorgibt, empfiehlt es sich, auf die Rückverweisungsklausel zu verzichten. Generell ist es im Übrigen im Sinne einer noch höheren inhaltlichen Bestimmtheit vorzugswürdig, dem Verordnungsgeber im formellen Gesetz den Namen der ausfüllenden Rechtsverordnung vorzugeben. Die in der ausfüllenden Rechtsverordnung typischerweise enthaltenen Weiterverweisungen und die dadurch entstehende Verweisungskette halten sich noch im Rahmen des nach dem strafrechtlichen Bestimmtheitsgebot Zulässigen. Gleichwohl ist es für eine höhere inhaltliche Bestimmtheit sinnvoll, die Länge der Verweisungskette dadurch zu verkürzen, dass der Rückverweis zukünftig direkt in der jeweiligen Verhaltensnorm erfolgt statt wie bisher in einer gesonderten Vorschrift am Ende der Rechtsverordnung. Die Grenze zur Unbestimmtheit ist überschritten, sobald bestehende Rückverweisungen durch eine Verweisungsverjüngungsklausel auf eine neue Fassung des Blankettgesetzes umgeleitet werden. 4. Hinsichtlich der unionsrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik hat die verfassungsrechtliche Untersuchung gezeigt, dass die betroffenen Blankettstrafgesetze in ihrer derzeitigen Ausgestaltung nur zum Teil verfassungskonform sind. Die in der Rückverweisungsklausel enthaltene Verweisung auf nationale Rechtsverordnungen ist – wie bei der nationalrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik – aus Sicht des Bestimmtheitsgebots nach Art. 103 Abs. 2 GG zulässig. Die Klausel ermöglicht es dem Verordnungsgeber allerdings wiederum, unmittelbar über die Reichweite der Sanktionsnorm zu befinden. Das ist im Strafrecht hinsichtlich des Vorbehalts des formellen Gesetzes aus Art. 103 Abs. 2 GG problematisch. Doch wird der Vorbehalt gewahrt, weil es sich bei verfassungs- und unionsrechtskonformer Auslegung der Ermächtigung zur rückverweisenden Rechtsverordnung nicht um einen freien Einfluss auf die Sanktionsnorm handelt. Soweit eine unionsrechtliche Sanktionierungspflicht existiert, ist der Verordnungsgeber vielmehr verpflichtet, eine Rechtsverordnung zu erlassen, in der er alle ausfüllungsgeeigneten unionalen Verhaltensnormen benennt und für sie auf das Strafgesetz zurückverweist. Belässt die unionsrechtliche Sanktionierungspflicht dem Mitgliedstaat einen Spielraum, etwa hinsichtlich der Sanktionsart, ändert sich daran nichts: Mit Erlass des Blankettgesetzes hat der Gesetzgeber diesen Spielraum konkreti-

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siert und – aus Sicht des Verordnungsgebers – verengt. Der Verordnungsgeber hat nunmehr lediglich eine einzige Möglichkeit, die unionale Verhaltensnorm zu bewehren, und muss diese nutzen. Auch im unionalen Kontext kann dem Verordnungsgeber über die Rückverweisungsklausel somit nicht die Auswahl der strafwürdigen Verhaltensnormverstöße überlassen werden. Die Klausel dient allein der inhaltlichen Bestimmtheit der Strafbarkeit sowie dazu, über die Einschaltung des Verordnungsgebers eine schnelle Anpassung des nationalen Rechts an geändertes Unionsrecht zu ermöglichen. Es bietet sich an, die Verpflichtung de lege ferenda in der Ermächtigung zur rückverweisenden Rechtsverordnung klarzustellen. Im Ordnungswidrigkeitenrecht ist die Rückverweisungsklausel unabhängig davon zulässig, ob die Entschließungsfreiheit des Verordnungsgebers aufgehoben ist. Eine einschränkende verfassungskonforme Auslegung ist nicht nötig. Weil der Verordnungsgeber aber weiterhin an die unionsrechtlichen Vorgaben gebunden bleibt, ist er gleichwohl verpflichtet, eine rückverweisende Rechtsverordnung zu erlassen, sofern eine unionale Sanktionierungspflicht existiert. Auf die Ausgestaltung der bewehrten Verhaltensnorm hat der nationale Verordnungsgeber – anders als bei der nationalrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik – keinen Einfluss. Für die Zwecke der Verhaltensnorm verweist das Blankettstrafgesetz in seinem Tatbestand nämlich dynamisch und pauschal auf Unionsrecht. Insoweit erlangt also der Unionsgesetzgeber Einfluss auf das nationale Strafrecht. Die dynamische Ausgestaltung der Verweisung ist abstrakt gesehen zulässig, wenn im formellen Gesetz die wesentlichen Voraussetzungen der Strafbarkeit hinsichtlich der erfassten Verhaltensnormen festgelegt sind. Hierunter ist das Gleiche zu verstehen wie bei dynamischen Verweisungen auf nationale Rechtsverordnungen: Der parlamentarische Gesetzgeber muss das geschützte Rechtsgut festlegen und eine ungefähre Verhaltensbeschreibung liefern. Eine konkrete Betrachtung der derzeit bestehenden Blankettgesetze hat indes ergeben, dass die dynamische Verweisung dann, wenn nicht auch eine Entsprechungsklausel verwendet wird, häufig nicht diesen Anforderungen genügt. Die betreffenden Blankettgesetze verstoßen gegen die kompetenzwahrende Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG. Aus Sicht des strafrechtlichen Bestimmtheitsgebots kommt es auf den dynamischen Charakter der Verweisung auf Unionsrecht nicht an. Die nationale Rechtsverordnung, die die konkrete unionale Verhaltens- mit der nationalen Sanktionsnorm verschaltet, verweist nämlich statisch auf die unionale Norm. Dies gleicht die mit der dynamischen Ausgestaltung verbundenen Schwierigkeiten aus. Die statische Verweisung ist aber nur verfassungskonform, sofern die deutsche Fassung der in Bezug genommenen EU-Verordnung die maß-

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gebliche Wortlautgrenze bei Ermittlung der Strafbarkeit bildet. Uneingeschränkt zulässig ist der pauschale Charakter der Verweisung im Blankett­ gesetz. Die dadurch verursachten Schwierigkeiten bei der Rechtsfindung werden ausgeglichen, indem die nationale Rechtsverordnung voll-explizit auf Unionsrecht verweist. Wird zusätzlich zur Rückverweisungs- auch eine Entsprechungsklausel eingesetzt, ändert dies nichts an der Verpflichtung des Verordnungsgebers, eine rückverweisende Rechtsverordnung zu erlassen. Die Verpflichtung wird lediglich auf gesetzlich vorgezeichnete Fälle beschränkt: Die unionalen Verhaltensnormen, die in der Rechtsverordnung zu bezeichnen sind, müssen in ihrem materiellen Unrechtsgehalt demjenigen entsprechen, der in den durch die Entsprechungsklausel in Bezug genommenen Vorschriften beschrieben ist. Diese Vorschriften stellen zugleich formellgesetzliche Kriterien dar, die die dynamische Verweisung des Blankettgesetzes auf Unionsrecht enger begrenzen. Diese genügt daher – anders als bei Blankettgesetzen ohne Entsprechungsklausel – regelmäßig der kompetenzwahrenden Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG. Insoweit wirkt sich die Entsprechungsklausel positiv aus. Das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG wird durch die Entsprechungsklausel nicht verletzt. Der Normadressat muss nicht selbst über das Entsprechen urteilen; dies obliegt allein dem Verordnungsgeber. Um die Bestimmtheit über das erforderliche Niveau hinaus weiter zu steigern, ist es sinnvoll, die Entsprechungsklausel de lege ferenda aus dem Blankettgesetz herauszunehmen und stattdessen in die Ermächtigung zur rückverweisenden Rechtsverordnung aufzunehmen. Ferner ist im Zusammenhang mit Entsprechungsklauseln darauf zu achten, nationale Verhaltensnormen, die durch unionale abgelöst worden sind, aufzuheben, damit nicht gegen das Normwiederholungsverbot einer EU-Verordnung verstoßen wird. Die im Rahmen der unionsrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik typischerweise verwendeten Weiterverweisungen und die dadurch entstehende Verweisungskette sind ebenfalls noch hinreichend bestimmt, wenn auch die Gefahr der inhaltlichen Unbestimmtheit größer ist als bei der nationalrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik. Weil bei vielen Blankettgesetzen ohne Entsprechungsklausel die dynamische Verweisung auf Unionsrecht gegen die kompetenzwahrende Komponente des Art. 103 Abs. 2 GG verstößt, besteht gesetzgeberischer Handlungsbedarf. In den betroffenen Gesetzen sollte der nationale Gesetzgeber darauf verzichten, den Verordnungsgeber einzuschalten, und stattdessen selbst statisch und voll-explizit auf eine konkrete unionale Verhaltensnorm Bezug nehmen. Sofern es ihm nicht möglich erscheint, diese Verweisung rechtzeitig an geändertes Unionsrecht anzupassen, weil es in dem betroffenen Gebiet

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häufig zu Änderungen kommt, sollte er zwar dennoch voll-explizit auf eine konkrete unionale Verhaltensnorm verweisen, dies aber in dynamischer Form. Dabei muss das Gesetz die Verhaltensnorm in so großem Umfang wiederholen, dass darüber das geschützte Rechtsgut und die ungefähre Handlungsbeschreibung formellgesetzlich festlegt sind und die dynamische Verweisung somit hinreichend eingegrenzt ist. Solche direkten Verweisungen auf Unionsrecht, die eine Zwischenschaltung des nationalen Verordnungsgebers erübrigen, vermögen Blankettgesetze darüber hinaus auch dann weniger komplex zu gestalten, wenn diese bereits in ihrer bisherigen Ausgestaltung verfassungskonform sind. Es besteht hierin eine in rechtspolitischer Hinsicht generell vorzugswürdige Alternative zur unionsrechtsakzessorischen Rückverweisungstechnik. 5. Negationsklauseln verstoßen für sich genommen weder in nationalrechts- noch in unionsrechtsakzessorischen Blankettstrafgesetzen gegen Art. 103 Abs. 2 GG. Dies ist unabhängig davon, ob die Negationsklausel als tatbestandliche Abgrenzungsklausel oder als Subsidiaritätsklausel ausgestaltet ist. Für jedes Blankettstrafgesetz ist anhand der allgemeinen Kriterien zu prüfen, ob der Gesetzgeber über die wesentlichen Voraussetzungen der Strafbarkeit entschieden hat. Die Negationsklausel spielt in diesem Zusammenhang keine besondere Rolle. Der Verordnungsgeber bleibt weiterhin zum Rückverweis verpflichtet. Regelt die Subsidiaritätsklausel das Verhältnis zwischen einem Straf- und Ordnungswidrigkeitengesetz, ist diese Verpflichtung notwendig, damit der Verordnungsgeber nicht eigenständig zwischen der Rechtsfolge der Strafe oder Geldbuße wählen kann. 6. Soweit die Rückverweisungstechnik verfassungswidrig ist, das heißt vor allem hinsichtlich der unionsrechtsakzessorischen Blankettgesetze ohne Entsprechungsklausel, besteht eine Sanktionslücke. Sie hat überschaubare Auswirkungen. Dennoch muss der Gesetzgeber dem Verfassungsverstoß schnellstmöglich abhelfen. Auch sofern die Rückverweisungstechnik im Übrigen verfassungskonform ist, besteht Handlungsbedarf: Weil die Technik in ihrem gesamten unionalen und teilweise auch in ihrem nationalen strafrechtlichen Kontext nicht zweckmäßig ist, ist der Gesetzgeber dazu aufgefordert, alle betroffenen Blankettgesetze systematisch durchzusehen und umzugestalten. Insgesamt verliert die Rückverweisungstechnik dadurch an Bedeutung. Größere Relevanz verbleibt ihr künftig hauptsächlich im rein nationalen Ordnungswidrigkeitenrecht.

Anhang: Gesetzesbeispiele der Rückverweisungstechnik Existiert für das Gesetz eine amtliche Abkürzung oder ein Kurzname, ist nur diese Bezeichnung hier aufgeführt. Sofern das Gesetz in der Untersuchung thematisiert wird, ist in Klammern die jeweilige Fundstelle angegeben. (+): Gesetze, die in der Untersuchung (explizit oder implizit) für verfassungskonform befunden worden sind (–): Gesetze, die in der Untersuchung (explizit oder implizit) für verfassungswidrig befunden worden sind

Nationalrechtsakzessorische Blankettgesetze mit Rückverweisungsklausel Strafrecht § 17 Abs. 1 AWG (+) (S. 75, 112, 232, 332 f.) § 38a Abs. 1, 2 BJagdG (+) (S. 112, 234 f.) § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 14 BtMG (+) (S. 112, 161, 211, 228 f.) § 27 Abs. 1 Nr. 1 ChemG (+) (S. 32 f., 161, 237 f., 339) § 16 Abs. 1 Nr. 2, 3, Abs. 2 CWÜAG (S. 74) § 39 Abs. 1 GenTG (+) (S. 232) § 75 Abs. 2 IfSG (+) (S. 161, 222)

§ 58 Abs. 1 Nr. 18 LFGB (+) (S. 39, 160 f., 169 f., 187, 216) § 59 Abs. 1 Nr. 21 LFGB (S. 112) § 93 Abs. 1 Nr. 5 MPDG § 69 Abs. 1 Nr. 2 PflSchG (+) (S. 112, 161, 232) § 34 Abs. 1 Nr. 5 TabakerzG (+) (S. 112, 161, 211, 216 f., 231) § 31 Abs. 1 Nr. 2 TierGesG § 48 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WeinG (S. 211) § 49 S. 1 Nr. 3 WeinG § 1 Abs. 1 WiStG1

1  Hier ist die Rückverweisungsklausel in den formellgesetzlichen Vorschriften enthalten, auf die § 1 Abs. 1 WiStG Bezug nimmt.

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Anhang: Gesetzesbeispiele der Rückverweisungstechnik

Ordnungswidrigkeitenrecht § 18 Abs. 1 Nr. 10 AbfVerbrG § 28 Abs. 1 Nr. 6 AEG § 55 Abs. 1 Nr. 2 AgrarOLkG § 97 Abs. 2 Nr. 31 AMG § 379 Abs. 2 Nr. 1b AO § 381 Abs. 1 AO (S. 27, 30, 74, 189 f., 194) § 382 Abs. 1 AO (S. 27, 30, 74, 189 f., 194) § 25 Abs. 1 Nr. 1 ArbSchG § 22 Abs. 1 Nr. 4 ArbZG § 98 Abs. 3 Nr. 7 AufenthG § 19 Abs. 3 Nr. 1 AWG (+) (S. 75, 332 f.) § 58 Abs. 1 Nr. 3 BAföG § 26 Abs. 1 Nr. 1 BBodSchG § 62 Abs. 1 Nr. 2, 7, 8, Abs. 2 Nr. 3b BImSchG § 39 Abs. 2 Nr. 5 BJagdG § 69 Abs. 2 Nr. 6 BNatSchG § 32 Abs. 1 Nr. 6 BtMG § 26 Abs. 1 Nr. 6, 7, 8, 10a ChemG § 15 Abs. 1 Nr. 1 CWÜAG § 14 Abs. 2 Nr. 1 DüG § 7 Abs. 5 EGGenTDurchfG § 66c Abs. 1 EnergieStG § 15 Abs. 1 Nr. 1 EnVKG § 19 Abs. 1 Nr. 1 ESVG (S. 221) § 13 Abs. 1 Nr. 5 EVPG § 8 Abs. 1 Nr. 1 FischEtikettG § 16 Abs. 2 Nr. 4 Flaggenrechtsgesetz § 16 Abs. 1 Nr. 3 FleischG § 8 Abs. 1 Nr. 1 lit. a, Nr. 2 lit. a, Nr. 4 lit. a FPersG § 26 Abs. 1 Nr. 3 GenDG § 38 Abs. 1 Nr. 12 GenTG § 144 Abs. 2 Nr. 1, 1a, 1b, 6 Gewerbeordnung § 19 Abs. 1 Nr. 2 GüKG § 81 Abs. 2 Nr. 5a GWB § 7 Abs. 1 Nr. 3 HdlKlG (S. 236 f.)

§ 32 Abs. 1 Nr. 1 Heimarbeitsgesetz § 334 Abs. 1 Nr. 6 HGB § 12 Abs. 1 Nr. 1 HNSG § 3 Abs. 1 Nr. 1 Hopfengesetz § 73 Abs. 1a Nr. 24 IfSG (+) (S. 22, 220, 221, 339) § 58 Abs. 1 Nr. 26 JArbSchG (S. 221) § 22b Abs. 1 Nr. 3a Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen § 69 Abs. 1 Nr. 8, Abs. 2 Nr. 15 KrWG § 6 Abs. 1 KSG § 56 Abs. 2 Nr. 2 lit. a KWG § 24 Abs. 1 Nr. 1 lit. b, Nr. 2 lit. b Gesetz über den Ladenschluss § 60 Abs. 2 Nr. 26 LFGB § 8 Abs. 2 Nr. 2 LSpG § 58 Abs. 1 Nr. 10 LuftVG (–) (S. 161 f.) § 145 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG § 60 Abs. 1 Nr. 26 MessEG § 9 Abs. 2 Nr. 2 MilchMarG § 30 Abs. 1 Nr. 9 Milch- und Fettgesetz § 11 Abs. 1 Nr. 1 MilchSoPrG § 94 Abs. 2 Nr. 9 MPDG § 32 Abs. 1 Nr. 17 MuSchG (S. 220 f.) § 4 Abs. 2 ÖkoKennzG § 9 Abs. 1 Nr. 1 ÖlSG § 61 Abs. 1 Nr. 4 PBefG (S. 27) § 68 Abs. 1 Nr. 3 PflSchG § 28 Abs. 1 Nr. 7 ProdSG § 11 Abs. 1 Nr. 3 RiFlEtikettG § 15 Abs. 1 Nr. 2, 3 SeeAufgG § 18 Abs. 2 Nr. 4 SeeFischG § 404 Abs. 2 Nr. 9, 16 SGB III § 111 Abs. 1 Nr. 8 SGB IV § 41 Abs. 1 Nr. 16 SprengG § 194 Abs. 1 StrlSchG § 24 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 StVG (+) (S. 30, 338 f.) § 7 Abs. 1 Nr. 4 TierErzHaVerbG § 32 Abs. 2 Nr. 4 TierGesG § 14 Abs. 1 Nr. 8, Abs. 2 Nr. 5 TierNebG



Anhang: Gesetzesbeispiele der Rückverweisungstechnik353

§ 18 Abs. 1 Nr. 3 TierSchG § 20 Abs. 1 Nr. 11 TPG § 32 Abs. 1 Nr. 14 ÜAnlG § 22 Abs. 1 UmweltHG § 26a Abs. 2 Nr. 6 UStG § 20 Abs. 1 Nr. 4 UWG

§ 332 Abs. 1 Nr. 11, Abs. 2 Nr. 2, 4, Abs. 3 Nr. 5 VAG § 53 Abs. 1 Nr. 23 WaffG (S. 27) § 50 Abs. 2 S. 1 Nr. 4, 6 WeinG § 103 Abs. 1 Nr. 3, 7a, 8a WHG (S. 27) § 3 Abs. 1 S. 1 WiStG2 (S. 33, 73)

II. Unionsrechtsakzessorische Blankettgesetze mit Rückverweisungsklausel … … ohne Entsprechungsklausel: Strafrecht § 48 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 WeinG (–) (S. 73, 278 f., 328 f., 337)

§ 49 S. 1 Nr. 6 WeinG (+) (S. 51, 278, 329 f.)

Ordnungswidrigkeitenrecht § 18 Abs. 1 Nr. 18 lit. a, b AbfVerbrG § 28 Abs. 1 Nr. 9 AEG § 382 Abs. 1 AO (+) (S. 30, 74, 331) § 26 Abs. 1 Nr. 11 ChemG (–) (S. 75, 276 f., 331) § 14 Abs. 2 Nr. 6 DüG (–) (S. 277) § 9 Abs. 1 EU-FahrgRBusG (S. 52) § 9 Abs. 1 EU-FahrgRSchG § 8 Abs. 1 Nr. 4 FischEtikettG (–) (S. 277)

§ 8 Abs. 1 Nr. 1 lit. b, Nr. 2 lit. b, Nr. 4 lit. b FPersG (–) (S. 52, 53, 277) § 3 Abs. 1 Nr. 2 Hopfengesetz § 56 Abs. 1a KWG (S. 50) § 58 Abs. 1 Nr. 13 LuftVG (–) (S. 49, 277) § 32 Abs. 2 Nr. 8 TierGesG (–) (S. 277) § 120 Abs. 2 Nr. 16 WpHG (S. 50)

… mit Entsprechungsklausel, die auf ein formellgesetzliches Ge- oder Verbot bezogen ist:3 Strafrecht § 58 Abs. 3 Nr. 1 LFGB (S. 53, 301 f.) § 59 Abs. 3 Nr. 1 LFGB (S. 292 f.)

§ 34 Abs. 2 Nr. 1 TabakerzG (S. 70) § 87 Abs. 2 TAMG

2  Hier wird nicht speziell auf eine Rechtsverordnung, sondern allgemein auf Rechtsvorschriften Bezug genommen. 3  Bei diesen Gesetzen kann grundsätzlich von der Verfassungskonformität ausgegangen werden, da sie über die (zulässige) Entsprechungsklausel auf eine regelmäßig nicht weiter konkretisierungsbedürftige Verhaltensnorm Bezug nehmen, vgl. oben S. 296 f.

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Anhang: Gesetzesbeispiele der Rückverweisungstechnik

Ordnungswidrigkeitenrecht § 18 Abs. 1 Nr. 18 lit. c AbfVerbrG § 62 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BImSchG § 60 Abs. 4 Nr. 1 LFGB § 60 Abs. 1 Nr. 27 lit. a MessEG

§ 61 Abs. 1 Nr. 5 PBefG § 28 Abs. 1 Nr. 12 ProdSG § 89 Abs. 4 TAMG § 18 Abs. 3 Nr. 1 TierSchG

… mit Entsprechungsklausel, die auf eine Ermächtigungsgrundlage bezogen ist:4 Strafrecht § 27 Abs. 1 Nr. 3 ChemG (+) (S. 50, 53) § 58 Abs. 3 Nr. 2 LFGB (+) (S. 19 f., 71, 73 f., 140, 250 ff., 297 f., 305 ff., 329)

§ 59 Abs. 3 Nr. 2 LFGB (S. 73) § 34 Abs. 2 Nr. 2 TabakerzG (+) (S. 70, 71) § 48 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 WeinG (S. 71) § 49 S. 1 Nr. 7 WeinG (S. 335 f.)

Ordnungswidrigkeitenrecht § 55 Abs. 1 Nr. 3 AgrarOLkG (S. 309) § 19 Abs. 4 S. 1 AWG (+) § 62 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 BImSchG § 15 Abs. 1 Nr. 5 EnVKG § 13 Abs. 1 Nr. 6 EVPG § 60 Abs. 4 Nr. 2 LFGB (S. 73) § 60 Abs. 1 Nr. 27 lit. b MessEG (S. 71) § 9 Abs. 2 Nr. 4 MilchMarG

§ 28 Abs. 1 Nr. 13 ProdSG § 18 Abs. 2 Nr. 11 SeeFischG (S. 309) § 24 Abs. 2 Nr. 2 StVG (+) § 14 Abs. 1 Nr. 9, Abs. 2 Nr. 6 TierNebG § 18 Abs. 3 Nr. 2 TierSchG § 50 Abs. 2 S. 1 Nr. 12 WeinG (S. 307 f., 309, 335 f.)

4  Als verfassungskonform markiert sind hier auch solche Gesetze, die zwar nicht in der Untersuchung thematisiert werden, deren Entsprechungsklausel sich aber auf Ermächtigungen bezieht, die zugleich Gegenstand eines für verfassungskonform befundenen nationalrechtsakzessorischen Blankettgesetzes sind.

Verzeichnis zitierter Rechtsakte Existiert für den Rechtsakt ein amtlicher Kurzname, ist nur dieser hier aufgeführt. Soweit in der Arbeit auf alte Fassungen oder mittlerweile aufgehobene Rechtsakte Bezug genommen wird, wird die Fundstelle im jeweiligen Zusammenhang angegeben. AEUV

Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union in der Fassung der Bekanntmachung vom 09.05.2008, ABl. 2008 Nr. C 115, 47, zuletzt geändert durch Beschluss 2012/419/EU vom 11.07.2012, ABl. 2012 Nr. L 204, 131.

AgrarOLkG

Agrarorganisationen-und-Lieferketten-Gesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 24.08.2021, BGBl. I 2021, 4036.

AktG

Aktiengesetz vom 06.09.1965, BGBl. I 1965, 1089, zuletzt geändert durch Gesetz vom 10.08.2021, BGBl. I 2021, 3436.

AlkStG

Alkoholsteuergesetz vom 21.06.2013, BGBl. I 2013, 1650, zuletzt geändert durch Gesetz vom 30.03.2021, BGBl. I 2021, 607.

AMG

Arzneimittelgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 12.12.2005, BGBl. I 2005, 3394, zuletzt geändert durch Gesetz vom 27.09.2021, BGBl. I 2021, 4530.

AO

Abgabenordnung vom 01.10.2002, BGBl. I 2002, 3866, I 2003, 61, zuletzt geändert durch Gesetz vom 05.10.2021, BGBl. I 2021, 4607.

AWG

Außenwirtschaftsgesetz vom 06.06.2013, BGBl. I 2013, 1482, zuletzt geändert durch Verordnung vom 25.08.2021, BAnz. AT 07.09.2021 V 1.

AWV

Außenwirtschaftsverordnung vom 02.08.2013, BGBl.  I 2013, 2865, zuletzt geändert durch Verordnung vom 25.08.2021, BAnz. AT 07.09.2021 V 1.

BImSchG

Bundes-Immissionsschutzgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 17.05.2013, BGBl. I 2013, 1274, I 2021, 123, zuletzt geändert durch Gesetz vom 24.09.2021, BGBl. I 2021, 4458.

BJagdG

Bundesjagdgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 29.09.1976, BGBl. I 1976, 2849, zuletzt geändert durch Verordnung vom 19.06.2020, BGBl. I 2020, 1328.

356 BNatSchG BtMAHV BtMBinHV BtMG BtMVV Bußgeldkatalog-   Verordnung BWildSchV ChemG ChemSanktionsV ChemVerbotsV CWÜAG DiätV DüG EGStGB EMRK

Verzeichnis zitierter Rechtsakte Bundesnaturschutzgesetz vom 29.07.2009, BGBl. I 2009, 2542, zuletzt geändert durch Gesetz vom 18.08.2021, ­BGBl. I 2021, 3908. Betäubungsmittel-Außenhandelsverordnung vom 16.12.1981, BGBl. I 1981, 1420, zuletzt geändert durch Gesetz vom 06.03.2017, BGBl. I 2017, 403. Betäubungsmittel-Binnenhandelsverordnung vom 16.12.1981, BGBl. I 1981, 1425, zuletzt geändert durch Verordnung vom 17.08.2011, BGBl. I 2011, 1754. Betäubungsmittelgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 01.03.1994, BGBl. I 1994, 358, zuletzt geändert durch Verordnung vom 08.11.2021, BGBl. I 2021, 4791. Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung vom 20.01.1998, BGBl. I 1998, 74, zuletzt geändert durch Verordnung vom 18.05.2021, BGBl. I 2021, 1096. Bußgeldkatalog-Verordnung vom 14.03.2013, BGBl. I 2013, 498, zuletzt geändert durch Verordnung vom 13.10.2021, BGBl. I 2021, 4688. Bundeswildschutzverordnung vom 25.10.1985, BGBl.  I 1985, 2040, zuletzt geändert durch Verordnung vom 28.06.2018, BGBl. I 2018, 1159. Chemikaliengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 28.08.2013, BGBl. I 2013, 3498, 3991, zuletzt geändert durch Gesetz vom 10.08.2021, BGBl. I 2021, 3436. Chemikalien-Sanktionsverordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 10.05.2016, BGBl. I 2016, 1175. Chemikalien-Verbotsverordnung vom 20.01.2017, BGBl. I 2017, 94, I 2018, 1389, zuletzt geändert durch Verordnung vom 19.06.2020, BGBl. I 2020, 1328. Ausführungsgesetz zum Chemiewaffenübereinkommen vom 02.08.1994, BGBl. I 1994, 1954 zuletzt geändert durch Gesetz vom 13.04.2017, BGBl. I 2017, 872. Diätverordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 28.04.2005, BGBl. I 2005, 1161, zuletzt geändert durch Verordnung vom 02.06.2021, BGBl. I 2021, 1362. Düngegesetz vom 09.01.2009, BGBl. I 2009, 54, 136, zuletzt geändert durch Gesetz vom 10.08.2021, BGBl. I 2021, 3436. Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch vom 02.03.1974, BGBl. I 1974, 469, I 1975, 1916, I 1976, 507, zuletzt geändert durch Gesetz vom 14.09.2021, BGBl. I 2021, 4250. Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten in der Fassung der Bekanntmachung vom 22.10.2010, BGBl. II 2010, 1198, zuletzt geändert durch EMRK-Protokoll vom 24.06.2013, BGBl. II 2014, 1034.

EnVKG ESVG EU-FahrgRBusG EUV

FischEtikettG FPersG GefStoffV GemO BW

GenTG GG GO-BT

GRCh HdlKlG HGB

Verzeichnis zitierter Rechtsakte357 Energieverbrauchskennzeichnungsgesetz vom 10.05.2012, BGBl. I 2012, 1070, zuletzt geändert durch Gesetz vom 16.07.2021, BGBl. I 2021, 3026. Ernährungssicherstellungs- und -vorsorgegesetz vom 04.04.2017, BGBl. I 2017, 772, zuletzt geändert durch Gesetz vom 09.12.2020, BGBl. I 2020, 2863. EU-Fahrgastrechte-Kraftomnibus-Gesetz vom 23.07.2013, BGBl. I 2013, 2547, zuletzt geändert durch Gesetz vom 30.11.2019, BGBl. I 2019, 1942. Vertrag über die Europäische Union in der Fassung des Vertrags von Lissabon vom 13.12.2007, ABl. 2007 Nr. C 306, 1, zuletzt geändert durch EU-Beitrittsakte 2013 vom 09.12.2011, ABl. 2012 Nr. 112, 21. Fischetikettierungsgesetz vom 01.08.2002, BGBl. I 2002, 2980, zuletzt geändert durch Gesetz vom 20.10.2015, BGBl. I 2015, 1736. Fahrpersonalgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 19.02.1987, BGBl. I 1987, 640, zuletzt geändert durch Gesetz vom 20.11.2019, BGBl. I 2019, 1626. Gefahrstoffverordnung vom 26.11.2010, BGBl.  I 2010, 1643, zuletzt geändert durch Verordnung vom 21.07.2021, BGBl. I 2021, 3115. Gemeindeordnung für Baden-Württemberg in der Fassung der Bekanntmachung vom 24.07.2000, GBl. 2000, 581, 698, zuletzt geändert durch Gesetz vom 02.12.2020, GBl. 2020, 1095. Gentechnikgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 16.12.1993, BGBl. I 1993, 2066, zuletzt geändert durch Gesetz vom 27.09.2021, BGBl. I 2021, 4530. Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23.05.1949, BGBl. 1949, 1, zuletzt geändert durch Gesetz vom 29.09.2020, BGBl. I 2020, 2048. Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages in der Fassung der Bekanntmachung vom 02.07.1980, BGBl. I 1980, 1237, zuletzt geändert durch Gesetz vom 10.12.2021, BGBl. I 2021, 5203. Charta der Grundrechte der Europäischen Union vom 12.12.2007, ABl. 2007 Nr. C 303, 1, ABl. 2016 Nr. C 202, 389. Handelsklassengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 23.11.1972, BGBl. I 1972, 2201, zuletzt geändert durch Gesetz vom 16.01.2016, BGBl. I 2016, 52. Handelsgesetzbuch vom 10.05.1897, RGBl. 1897, 219, zuletzt geändert durch Gesetz vom 10.08.2021, BGBl. I 2021, 3436.

358 IfSG JArbSchG KmV KosmetikV KWG LBO BW

LFGB

LMRStV

LNatSchG NRW LNatSchG RhPf LStVG (Bayern) LuftVG LuftVO MessEG

Verzeichnis zitierter Rechtsakte Infektionsschutzgesetz vom 20.07.2000, BGBl.  I 2000, 1045, zuletzt geändert durch Gesetz vom 10.12.2021, ­BGBl. I 2021, 5162. Jugendarbeitsschutzgesetz vom 12.04.1976, BGBl. I 1976, 965, zuletzt geändert durch Gesetz vom 16.07.2021, BGBl. I 2021, 2970. Kontaminanten-Verordnung vom 19.03.2010, BGBl. I 2010, 286, zuletzt geändert durch Verordnung vom 01.07.2020, BGBl. I 2020, 1540. Kosmetik-Verordnung vom 16.07.2014, BGBl.  I 2014, 1054, zuletzt geändert durch Gesetz vom 27.07.2021, ­BGBl. I 2021, 3274. Kreditwesengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 09.09.1998, BGBl. I 1998, 2276, zuletzt geändert durch Gesetz vom 10.08.2021, BGBl. I 2021, 3436. Landesbauordnung für Baden-Württemberg in der Fassung der Bekanntmachung vom 05.03.2010, GBl. 2010, 357, zuletzt geändert durch Verordnung vom 21.12.2021, GBl. 2022, 1. Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 03.06.2013, BGBl. I 2013, 1426, zuletzt geändert durch Gesetz vom 27.09.2021, BGBl. I 2021, 4530. Lebensmittelrechtliche Straf- und Bußgeldverordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 09.05.2017, BGBl. I 2017, 1170, I 2018, 1389, zuletzt geändert durch Verordnung vom 13.12.2018, BGBl. I 2018, 2588. Landesnaturschutzgesetz (Nordrhein-Westfalen) vom 15.11.2016, GV. NRW 2016, 934, zuletzt geändert durch Gesetz vom 01.02.2022, GV. NRW 2022, 139. Landesnaturschutzgesetz (Rheinland-Pfalz) vom 06.10.2015, GVBl. 2015, 283, zuletzt geändert durch Gesetz vom 26.06.2020, GVBl. 2020, 287. Landesstraf- und Verordnungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 13.12.1982, BayRS II 1982, 241, zuletzt geändert durch Gesetz vom 27.04.2020, GVBl. 2020, 236. Luftverkehrsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 10.05.2007, BGBl. I 2007, 698, zuletzt geändert durch Gesetz vom 10.08.2021, BGBl. I 2021, 3436. Luftverkehrs-Ordnung vom 29.10.2015, BGBl.  I 2015, 1894, zuletzt geändert durch Gesetz vom 14.06.2021, ­BGBl. I 2021, 1766. Mess- und Eichgesetz vom 25.07.2013, BGBl. I 2013, 2722, zuletzt geändert durch Gesetz vom 09.06.2021, BGBl. I 2021, 1663.



Verzeichnis zitierter Rechtsakte359

MilchMarG

Milch- und Margarinegesetz vom 25.07.1990, BGBl. I 1990, 1471, zuletzt geändert durch Gesetz vom 27.07.2021, ­BGBl. I 2021, 3274.

MuSchG

Mutterschutzgesetz vom 23.05.2017, BGBl. I 2017, 1228, zuletzt geändert durch Gesetz vom 12.12.2019, BGBl. I 2019, 2652.

OWiG

Gesetz über Ordnungswidrigkeiten in der Fassung der Bekanntmachung vom 19.02.1987, BGBl. I 1987, 602, zuletzt geändert durch Gesetz vom 05.10.2021, BGBl. I 2021, 4607.

PBefG

Personenbeförderungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 08.08.1990, BGBl. I 1990, 1690, zuletzt geändert durch Gesetz vom 16.04.2021, BGBl. I 2021, 822.

PflSchG

Pflanzenschutzgesetz vom 06.02.2012, BGBl. I 2012, 148, 1281, zuletzt geändert durch Gesetz vom 18.08.2021, ­BGBl. I 2021, 3908.

ProdSG

Produktsicherheitsgesetz vom 27.07.2021, BGBl. I 2021, 3146.

RiFlEtikettG

Rindfleischetikettierungsgesetz vom 26.02.1998, BGBl. I 1998, 380, zuletzt geändert durch Gesetz vom 27.07.2021, BGBl. I 2021, 3274.

RiFlEtikettV

Rindfleischetikettierungsverordnung vom 30.06.2009, ­ GBl. I 2009, 1715, zuletzt geändert durch Verordnung vom B 22.07.2015, BGBl. I 2015, 1408.

RL 2014/57/EU

Marktmissbrauchsrichtlinie vom 16.04.2014, ABl. 2014 Nr. L 173, 179.

SeeFischG

Seefischereigesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 06.07.1998, BGBl. I 1998, 1791, zuletzt geändert durch Gesetz vom 26.05.2021, BGBl. I 2021, 1170.

SprengG

Sprengstoffgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 10.09.2002, BGBl. I 2002, 3518, zuletzt geändert durch Gesetz vom 27.07.2021, BGBl. I 2021, 3146.

StGB

Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 13.11.1998, BGBl. I 1998, 3322, zuletzt geändert durch Gesetz vom 22.11.2021, BGBl. I 2021, 4906.

StVG

Straßenverkehrsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 05.03.2003, BGBl. I 2003, 310, 919, zuletzt geändert durch Gesetz vom 12.07.2021, BGBl. I 2021, 3108.

StVO

Straßenverkehrs-Ordnung vom 06.03.2013, BGBl. I 2013, 367, zuletzt geändert durch Gesetz vom 12.07.2021, BGBl. I 2021, 3091.

TabakerzG

Tabakerzeugnisgesetz vom 04.04.2016, BGBl. I 2016, 569, zuletzt geändert durch Gesetz vom 19.11.2020, BGBl. I 2020, 2456.

360

Verzeichnis zitierter Rechtsakte

TabakerzV

Tabakerzeugnisverordnung vom 27.04.2016, BGBl. I 2016, 980, zuletzt geändert durch Gesetz vom 23.10.2020, BGBl. I 2020, 2229.

TierErzHaVerbG

Tiererzeugnisse-Handels-Verbotsgesetz vom 08.12.2008, BGBl. I 2008, 2394, zuletzt geändert durch Gesetz vom 10.08.2021, BGBl. I 2021, 3436.

TierGesG

Tiergesundheitsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 21.11.2018, BGBl. I 2018, 1938, zuletzt geändert durch Gesetz vom 10.08.2021, BGBl. I 2021, 3436.

TierSchG

Tierschutzgesetz vom 18.05.2006, BGBl. I 2006, 1206, zuletzt geändert durch Gesetz vom 10.08.2021, BGBl. I 2021, 3436.

Verordnung PR Nr. 30/53 Verordnung PR Nr. 30/53 über die Preise bei öffentlichen Aufträgen vom 21.11.1953, BAnz. 1953, Nr. 244, zuletzt geändert durch Verordnung vom 25.11.2021, BGBl. I 2021, 4968. VkBkmG

Verkündungs- und Bekanntmachungsgesetz vom 30.01.1950, BGBl.  1950, 23, zuletzt geändert durch Gesetz vom 11.06.2019, BGBl. I 2019, 754.

VO (EG) Nr. 1760/2000 Verordnung (EG) Nr. 1760/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juli 2000 zur Einführung eines Systems zur Kennzeichnung und Registrierung von Rindern und über die Etikettierung von Rindfleisch und Rindfleisch­ erzeugnissen sowie zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 820/97 des Rates, ABl. 2000 Nr. L 2000, 1, zuletzt geändert durch Verordnung (EU) 2016/429 vom 09.03.2016, ABl. 2016 Nr. L 84, 1. VO (EG) Nr. 178/2002 Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit, ABl. 2002 Nr. L 31, 1, zuletzt geändert durch Verordnung (EU) 2019/1381 vom 20.06.2019, ABl. 2019 Nr. L 231, 1. VO (EG) Nr. 1333/2008 Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über Lebensmittelzusatzstoffe, ABl. 2008 Nr. L 354, 16, zuletzt geändert durch VO (EU) 2021/1175 vom 16.07.2021, ABl. 2021 Nr. L 256, 53. VO  (EG) Nr.  124/2009 Verordnung (EG) Nr.  124/2009 der Kommission vom 10. Februar 2009 zur Festlegung von Höchstgehalten an Kokzidiostatika und Histomonostatika, die in Lebensmitteln aufgrund unvermeidbarer Verschleppung in Futtermittel für Nichtzieltierarten vorhanden sind, ABl. 2009 Nr. L 40, 7,



Verzeichnis zitierter Rechtsakte361 zuletzt geändert durch VO (EU) 2020/499 vom 03.04.2020, ABl. 2020 Nr. L 109, 1.

VO (EG) Nr. 1223/2009 Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 über kosmetische Mittel, ABl. 2009 Nr. L 342, 59, zuletzt geändert durch Verordnung (EU) 2022/135 vom 31.01.2022, ABl. 2022 Nr. L 22, 2. VO (EU) Nr. 182/2011 Verordnung (EU) Nr. 182/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 zur Festlegung der allgemeinen Regeln und Grundsätze, nach denen die Mitgliedstaaten die Wahrnehmung der Durchführungsbefugnisse durch die Kommission kontrollieren, ABl. 2011 Nr. L 55, 13. VO (EU) Nr. 216/2013 Verordnung (EU) Nr. 216/2013 des Rates vom 7. März 2013 über die elektronische Veröffentlichung des Amtsblatts der Europäischen Union, ABl. 2013 Nr. L 69, 1, zuletzt geändert durch VO (EU) 2018/2056 vom 06.12.2018, ABl. 2018 Nr. L, 329, 1. VO (EU) Nr. 1308/2013 Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über eine gemeinsame Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 922/72, (EWG) Nr. 234/79, (EG) Nr. 1037/2001 und (EG) Nr. 1234/2007, ABl. 2013 Nr. L 347, 671, zuletzt geändert durch VO (EU) 2021/2117 vom 02.12.2021, ABl. 2021 Nr. L 435, 262. VO (EU) Nr. 596/2014 Marktmissbrauchsverordnung vom 16.04.2014, ABl. 2014 Nr. L 173, 1, zuletzt geändert durch Verordnung (EU) 2019/2115 vom 27.11.2019, ABl. 2019 Nr. L 320, 1. VO (EU) 2016/679

Datenschutz-Grundverordnung vom 27.04.2016, ABl. 2016 Nr. L 119, 1.

VO (EU) 2017/852

Verordnung (EU) 2017/852 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Mai 2017 über Quecksilber und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1102/2008, ABl. 2017 Nr. L 137, 1.

VO (EWG) Nr. 1/58

Verordnung Nr. 1 des Rates vom 15. April 1958 zur Regelung der Sprachenfrage für die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, ABl. 1958 Nr. 17, 385, zuletzt geändert durch VO (EU) Nr. 517/2013, ABl. 2013 Nr. L 158, 1.

WaffG

Waffengesetz vom 11.10.2002, BGBl. I 2002, 3970, 4592, I 2003, 1957, zuletzt geändert durch Verordnung vom 19.06.2020, BGBl. I 2020, 1328.

WeinG

Weingesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 18.01.2011, BGBl. I 2011, 66, zuletzt geändert durch Gesetz vom 10.08.2021, BGBl. I 2021, 3436.

362 WeinSBV

WeinV

WHG

WiStG

WpHG

ZollVG

Verzeichnis zitierter Rechtsakte Weinrechtliche Straf- und Bußgeldverordnung vom 20.02.2014, BGBl. I 2014, 143, zuletzt geändert durch Verordnung vom 04.01.2016, BGBl. I 2016, 2. Weinverordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 21.04.2009, BGBl. I 2009, 827, zuletzt geändert durch Verordnung vom 22.12.2021, BGBl. I 2021, 5259. Wasserhaushaltsgesetz vom 31.07.2009, BGBl.  I 2009, 2585, zuletzt geändert durch Gesetz vom 18.08.2021, ­BGBl. I 2021, 3901. Wirtschaftsstrafgesetz 1954 in der Fassung der Bekanntmachung vom 03.06.1975, BGBl. I 1975, 1313, zuletzt geändert durch Gesetz vom 10.08.2021, BGBl. I 2021, 3436. Wertpapierhandelsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 09.09.1998, BGBl. I 1998, 2708, zuletzt geändert durch Gesetz vom 10.08.2021, BGBl. I 2021, 3436. Zollverwaltungsgesetz vom 21.12.1992, BGBl.  I 1992, 2125, I 1993, 2493, zuletzt geändert durch Gesetz vom 05.07.2021, BGBl. I 2021, 2274.

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Stichwortverzeichnis Akzessorietät  43 f., 54 f., 64 f., 223, 287 Amtsblatt der EU  127, 281 Annexkompetenz  61 Anpassung  45 ff., 50 f., 66 ff., 150 f., 269, 312 ff., 323 f. Anwendungsvorrang  55, 63 ff., 71 f., 84 ff., 134, 135 ff., 301 Art. 103 Abs. 2 GG  78 ff. –– Bestimmtheitsgebot siehe dort –– Ordnungswidrigkeitenrecht  107 ff. –– Verfassungsidentität  152 ff. –– Vorbehalt des formellen Gesetzes siehe dort Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG  90, 95, 113 ff., 246 –– Anwendungsbereich  89, 115 f. –– Verhältnis zu Art. 103 Abs. 2 GG  119 Art. 4 Abs. 3 EUV  58 ff., 67, 70, 133 f., 139 f., 142, 261 ff. Art. 49 Abs. 1 S. 1 GRCh  131 ff. –– Bestimmtheitsgebot  143 ff. –– Erfordernis der Rechtsgrundlage  146 ff. –– Verhältnis zu Art. 103 Abs. 2 GG  134 ff. Art. 80 Abs. 1 GG  85, 90, 119 ff. –– Ermächtigung siehe dort –– Rechtsverordnung siehe dort –– Rückverweisungsklausel  174, 189 ff., 247, 252, 257 –– Verhältnis zu Art. 103 Abs. 2 GG  121 ff. –– Verordnungsgeber siehe dort –– Verpflichtung des Verordnungsgebers  198, 203, 208 f., 219 f., 261 –– Zitiergebot  190, 193 Art. 82 Abs. 1 GG  125 ff.

Art. 83 AEUV  60 f., 62, 67, 133, 140 ff., 261 ff. ausdrückliche Verweisung  33 –– halb-explizite siehe dort –– voll-explizite siehe dort Ausführungssperre  63 ff. –– dynamische Direktverweisung  320 f. –– Konflikt bei Entsprechungsklausel  301 ff. Ausfüllungsobjekt  25 –– Änderung  35, 45 f., 67 f. –– Bestimmtheitsgebot  83 ff., 102 ff. –– EU-Verordnung  49 f., 84 ff., 275 f. –– Gesetz  28, 30, 35, 172, 189, 194 –– normative Kenntnis  165 ff., 169, 317 –– Satzung  31 –– Verkündung  126 f. Außenverweisung  34 –– Blankettgesetz  34 f., 52 –– Verfassungskonformität  157 ff., 270 ff. –– Zweck  46 f., 207 Bestimmtheitsgebot  79 ff. –– Abgrenzung zum Gesetzesvorbehalt  88, 102 ff. –– allgemeines  128 –– Austausch EU-Verordnung  320 f. –– dynamische Verweisung  163 ff., 243, 280 –– Entsprechungsklausel  299 f. –– Expertenstrafrecht  87 f., 106, 166, 178, 251 –– Geltung für Ausfüllungsobjekt  83 ff. –– gesetzesändernde Rechtsverordnung  317 f. –– Maßstab der Zumutbarkeit  82

386 Stichwortverzeichnis –– Normenklarheit  128 ff. –– Ordnungswidrigkeitenrecht  107 ff. –– Pauschalverweisung  168 ff., 243, 288 f. –– Rückverweisung  170 f., 173, 230, 243 –– Sprachenvielfalt  55 f., 281 ff., 293 –– Subsidiaritätsklausel  336 –– tatbestandliche Abgrenzungsklausel  330 –– unionales siehe Art. 49 Abs. 1 S. 1 GRCh BGH zu Rückverweisungsklausel  180 f., 182 Binnenverweisung  34 f., 158, 236, 306 Blankettgesetz  24 f. –– Anwendbarkeit durch Rückverweisung  32 f., 175, 182 ff. –– echte/unechte  37 f. –– nationalrechtsakzessorisches  27 ff. –– Umgestaltung  231 ff., 239, 300, 308 ff., 322 ff., 338, 340 f. –– unionsrechtsakzessorisches  48 ff. –– Verhaltens-/Sanktionsnorm  42 ff. –– Verweisung siehe dort Bundesanzeiger  127, 164, 281 Bundesgesetzblatt  125 ff., 164, 281 BVerfG –– Entsprechungsklausel  291, 298 –– Gesamtanforderungsprofil  117 f., 123 –– gesetzesändernde Rechtsverordnung  314 –– Kontrolle von Unionsrecht  137 f. –– Kritik  104 ff., 224, 256, 267, 298 –– LFGB  123, 137 f., 171, 250 ff., 256, 259, 261, 266 f., 271, 298 –– Maßstab Gesetzesvorbehalt  98 f., 101, 104 f., 117 f., 123 –– Maßstab Ordnungswidrigkeitenrecht  107, 109 –– Prüfung Art. 80 Abs. 1 GG  123 –– RiFlEtikettG  123, 171, 245 ff., 252 f., 261, 267, 271, 277, 298

–– Rückverweisungsklausel  175 ff., 245 ff. –– tatbestandliche Abgrenzungsklausel  329 –– Verkündungsgebot  127 –– Verpflichtung zur Rückverweisung  258, 261, 267 Corona-Pandemie  22, 220, 339 deklaratorische Verweisung  31 f., 174, 180 f., 182 ff., 244 Demokratieprinzip  91 ff., 96 f., 114, 120 f., 148 f., 154 deutsche Wortlautgrenze  286 f. Direktverweisung  66, 310 ff., 341 dynamische Verweisung  35 –– Blankettgesetz  36 f., 52 –– Direktverweisung auf Unionsrecht  319 ff. –– Rückverweisung  37, 52 –– Verfassungskonformität  157 ff., 243, 270 ff., 296 ff., 319 f., 328 ff., 331 –– Weiterverweisung  37, 53 f. –– Zweck  45 f. effet utile  55 f., 150 f., 308 EGMR  132, 147 einfache Verweisung  38, 235 Einheit der Rechtsordnung  43, 55 EMRK  132, 147 Entlastung  45 ff., 66 f., 96 f., 230 f., 260 Entschließungsfreiheit  196, 258 f. –– bei Rückverweisungstechnik  204 ff., 218 ff., 259 ff., 328, 332 ff. –– Einschränkung  199 ff., 261 ff. Entsprechungsklausel  69 ff., 316 –– Konflikt mit Ausführungssperre  301 ff. –– neue Variante  318 f. –– Praxistauglichkeit  295 f. –– Umgestaltung  300 –– Verfassungskonformität  289 ff. –– verstärkter Einsatz  309

Stichwortverzeichnis387 –– Zweck  69 f., 71, 292 enumerative Verweisung  39 Ermächtigung –– Art. 80 Abs. 1 GG siehe dort –– Bedeutung für Gesetzesvorbehalt  97 f., 122 f., 161, 276 ff., 297 f. –– Bezugsobjekt der Entsprechungsklausel  70 ff. –– differenzierte Ausgestaltung  161, 216, 277 f. –– Rechtsverordnung siehe dort –– Verordnungsgeber siehe dort –– zur Änderung der Verweisung  312 ff. –– zur Bezeichnung von Unionsrecht  50 f., 257 –– zur Rückverweisung  189 ff., 257 –– zur Verhaltensnorm  27, 189, 193, 222 EuGH –– Kontrolle Ausfüllungsobjekt  56, 133, 145 –– Maßstab Bestimmtheit  143 ff. –– Maßstab Rechtsgrundlage  147 f. EU-Recht siehe Unionsrecht EU-Richtlinie  60 f., 62, 67, 133, 140 ff., 261 ff. EU-Verordnung –– als Ausfüllungsobjekt  49 f., 84 ff., 275 f. –– delegierte  49 f., 275 f. –– demokratische Legitimation  274 f. –– Durchführungs-  49, 275 f. –– Hinweis auf Sanktionierungspflicht  60, 140, 265 –– nationales Bestimmtheitsgebot  83 ff. –– Sprachenvielfalt  55 f., 281 ff., 293 –– Verkündung  127 Exekutive siehe Verordnungsgeber Expertenstrafrecht  87 f., 106, 166, 178, 251 Flexibilität  45,  67, 96 f., 119, 219, 230 f., 339, 342 formale Wirkung  41, 54

formelles Gesetz  89, 93 f. fragmentarischer Charakter  213 freiheitsgewährleistende Komponente siehe Bestimmtheitsgebot Gebot siehe Verhaltensnorm Gebot der Normenklarheit  128 ff. Gesamtregelung  86 f., 235 ff., 306 ff. Gesetz –– als Ausfüllungsobjekt  28, 30, 35, 172, 189, 194 –– Bezugsobjekt der Entsprechungsklausel  69 f. –– formelles  89, 93 f. –– materielles  89 f., 94 f., 105 Gesetzesvorbehalt –– allgemeiner  91 ff., 128, 148, 154, 314 –– strafrechtlicher siehe Vorbehalt des formellen Gesetzes Gesetzgebungsverfahren  46 f., 91 f., 273, 311 Gesetzlichkeitsprinzip siehe Art. 103 Abs. 2 GG Gestaltungsfreiheit bei Verordnungsgebung  196 ff. –– bei Rückverweisung  196 ff., 258 ff., 290 f., 328, 332 ff. –– bei Verhaltensnorm  222 f., 255 Gewaltenteilung  90 ff., 120 f., 122, 154, 262 Gleichstellungsgebot  58 f., 139 f. Grundsatz der Gesetzmäßigkeit siehe Art. 49 Abs. 1 S. 1 GRCh halb-explizite Verweisung  33 –– Blankettgesetz  33, 52 –– Verfassungskonformität  171, 289 Handlungsbeschreibung  99 ff., 112, 160, 222, 274, 296 f., 320, 329 f., 331 Harmonisierung  61, 141 inhaltliche Gestaltungsfreiheit siehe Gestaltungsfreiheit

388 Stichwortverzeichnis Inkorporation  41, 83 f., 126 Irrtum  167 kompetenzwahrende Komponente siehe Vorbehalt des formellen Gesetzes konkludente Verweisung  33 f. Konkretisierungen  94 ff., 104, 117 ff., 124, 174 f. konstitutive Verweisung  32 –– Blankettgesetz  32, 52 –– Rückverweisung  32 f., 52, 182 ff., 191, 206, 225, 244 Landesverfassungen  77 Lex-mitior-Prinzip  45 f., 67 LFGB –– Beschluss BVerfG  123, 137 f., 171, 250 ff., 256, 259, 261, 266 f., 271, 298 –– dynamische Verweisung  160 f. –– Entsprechungsklausel  291 ff., 297 f., 301 ff. –– Pauschalverweisung  169 f. –– Rückverweisungen  39, 53 f., 169 f., 187 –– tatbestandliche Abgrenzungsklausel  329 –– ultima ratio  216 –– unionale Vorgaben  60, 140, 265 –– Weiterverweisungen  305 ff. Loyalitätsgebot  58 ff., 67, 70, 133 f., 139 f., 142, 261 ff. materielle Wirkung  42 ff., 54 ff. materielles Gesetz  89 f., 94 f., 105 mehrfache Verweisungen  38 f. –– enumerative Verweisung  39 –– Pauschalverweisung siehe dort –– Verfassungskonformität  237 ff., 307 f. mildestes Gesetz  45 f., 67 Mindestharmonisierung  61, 141 Mindesttrias  58 ff., 139 f. Mischtatbestände  220 f.

Nebenstrafrecht  21, 27, 29, 47, 87, 217, 339 Negationsklausel  73 ff., 327 ff. –– Subsidiaritätsklausel  74 f., 331 ff. –– tatbestandliche Abgrenzungsklausel  73 f., 327 ff. normative Kenntnis  165 ff., 169, 317 normatives Tatbestandsmerkmal  25 Normbefehlsverdoppelung  42 ff., 54 f., 62 Normenklarheit  128 ff. Normspaltung  84 f., 144, 287 nulla poena sine lege siehe Art. 103 Abs. 2 GG „Ob“ der Strafbarkeit  174 f., 188, 243 f., 248, 256 Objektive Strafbarkeitsbedingung  195 Online-Fundstellen  164, 281 Ordnungswidrigkeitenrecht –– Art. 103 Abs. 2 GG  107 ff., 119 –– Art. 49 Abs. 1 S. 1 GRCh  131 –– Mischtatbestände  220 f. –– Rückverweisungsklausel  30, 217 ff., 266 –– Subsidiaritätsklausel  75, 332 ff. Parlamentsvorbehalt siehe Vorbehalt des formellen Gesetzes Pauschalverweisung  39 –– Blankettgesetz  27, 39, 52 f. –– Verfassungskonformität  168 ff., 237, 243, 288 f. quantitative Komplexität  82, 171, 233 ff., 305 ff. Rechtsgut  59, 99 ff., 111 f., 160, 222, 274, 296 f., 320, 328 ff., 331 Rechtsstaatsprinzip  80, 114, 120 f., 125 f., 148 f., 152 f., 199, 203 f., 214, 313 Rechtsverordnung –– Änderung durch Legislative  227

Stichwortverzeichnis389 –– Art. 80 Abs. 1 GG siehe dort –– Ermächtigung siehe dort –– Funktion  46 f., 66 f., 200, 202, 207 –– gesetzesändernde  312 ff., 321 –– Gestaltungsfreiheit siehe dort –– Namensvorgabe  232 f. –– normative Kenntnis  165 ff., 169, 317 –– Öffentlichkeit  92 –– Rückverweisung siehe dort –– Verkündung  127 –– Verordnungsgeber siehe dort redaktionelle Änderung  312 f., 316 f. Richtlinie  60 f., 62, 67, 133, 140 ff., 261 ff. RiFlEtikettG –– Beschluss BVerfG  123, 171, 245 ff., 252 f., 261, 267, 271, 277, 298 –– dynamische Verweisung  277, 298 –– Rückverweisung  47 –– Umgestaltung  310, 312, 316 –– unionale Vorgaben  140, 151 Rückverweisung  26, 28, 50 –– Bestimmtheit  47 f., 66, 170 f., 173, 230, 243 –– dynamisch  37, 52 –– fehlende Anpassung  47, 231 –– konstitutiv/deklaratorisch  32 f., 52, 174, 180 f., 182 ff., 191, 206, 225, 244 –– objektive Strafbarkeitsbedingung  195 –– Umgestaltung  239, 340 f. –– unterlassene  211, 220, 225 ff. –– Verpflichtung zur siehe dort –– voll-explizit  33, 52 Rückverweisungsklausel  26 f., 48 f. –– als Ermächtigung  190, 191 ff., 257 –– Anwendungsbereich  21 f., 29 f., 112, 338, 341 f. –– Beurteilung in Literatur  173 ff., 243 f. –– Beurteilung in Rechtsprechung  175 ff., 245 ff. –– Einfluss auf Sanktionsnorm  186 ff., 255 f. –– Länderebene  31

–– Problemlage  181 ff., 255 f. –– unionale Determinierung  150 f. –– Ursprung  29 –– verfassungskonforme Auslegung  199, 208 f., 211 ff., 218 f., 221, 224 ff., 334, 338 f. –– Verfassungskonformität  172 ff., 242 ff. –– Verzicht  231 f., 310, 312 ff., 323 f., 341 f. –– Zweck  47 f., 66, 170 f., 188, 198, 230 f., 243, 269 Sanktionierungspflicht –– aus Loyalitätsgebot  58 ff., 67, 70, 133 f., 139 f., 142, 261 ff. –– aus Richtlinie  60 f., 62, 67, 133, 140 ff., 261 ff. Sanktionslücke  45 ff., 67, 70, 310 f., 337 ff. Sanktionsnorm  42 ff., 54 –– Einfluss des Verordnungsgebers  101, 186 ff., 196 ff., 255 f., 258 ff., 272, 315, 328, 332 ff. –– Vorbehalt des formellen Gesetzes  100 f., 111 f. Satzung  31 Spezifizierungen  94 ff., 104, 117 ff., 124, 174 f. Sprachenvielfalt  55 f., 281 ff., 293 sprachliche Divergenz  282 ff. statische Verweisung  35 –– Direktverweisung auf Unionsrecht  74, 310 f., 312 ff., 322, 323, 341 –– fehlende Anpassung  68, 151, 311, 323 f. –– Nachteil  45 f. –– Rechtsverordnung  53 f., 272, 280, 306 –– Verfassungskonformität  158 f., 164, 272, 280 ff. Strafrechtsetzungskompetenz  56 f., 64, 85 f., 273, 287, 323 Strafverfolgungsdefizit  342

390 Stichwortverzeichnis strukturelle Komplexität  86 f., 233 ff., 305 ff. Subsidiaritätsklausel  74 f., 331 ff. tatbestandliche Abgrenzungsklausel  73 f., 327 ff. ultima ratio  213 ff., 229, 268 f., 279, 299 Umgestaltung  228, 231 ff., 239, 268, 300, 308 ff., 322 ff., 338, 340 f. Unionsrecht –– Änderung  67 f., 150 f., 310 ff. –– Anwendungsvorrang  55, 63 ff., 71 f., 84 ff., 134, 135 ff., 301 –– Art. 49 Abs. 1 S. 1 GRCh siehe dort –– Auslegung  55 f., 62, 281 ff. –– Bestandteil Blankettgesetz  49 f., 54 ff., 83 ff. –– Durchführung  132 ff. –– effet utile  55 f., 150 f., 308 –– Einfluss auf Verhaltensnorm  52, 255 f., 272, 290 –– EU-Richtlinie  60 f., 62, 67, 133, 140 ff., 261 ff. –– EU-Verordnung siehe dort –– Loyalitätsgebot  58 ff., 67, 70, 133 f., 139 f., 142, 261 ff. –– Sanktionierungspflicht siehe dort –– Sprachenvielfalt  55 f., 281 ff., 293 –– Strafrechtsetzungskompetenz  56 f., 64, 85 f., 273, 287, 323 –– Umsetzung  61 ff., 139 ff., 261 ff., 308 f. unionsrechtsakzessorisch  54 f., 62, 64 f., 287 unionsrechtskonforme Auslegung  261 ff., 266, 268 f., 279, 299, 315 Verbot siehe Verhaltensnorm Verfassungsidentität  152 ff. verfassungskonforme Auslegung –– dynamische Verweisung  162 f. –– Ermächtigung im unionalen Kontext  260 f., 266, 268 f., 279, 299

–– Ermächtigung zu gesetzesändernder Rechtsverordnung  315, 317 –– Rückverweisungsklausel  199, 208 f., 211 ff., 218 f., 221, 224 ff., 334, 338 f. Verfassungsorgantreue  199, 203 f. Verhaltensnorm  42 ff., 54 f. –– aufgehoben  45 f., 67, 320 f. –– Bestimmtheitsgebot  83 ff. –– Festlegung Herkunft  329 f. –– Vorbehalt des formellen Gesetzes  100 f., 112 Verhältnismäßigkeitsgrundsatz  214 f., 269 Verkündungsgebot  125 ff. Verordnung siehe EU-Verordnung und Rechtsverordnung Verordnungsgeber –– Art. 80 Abs. 1 GG siehe dort –– Beachtung Bestimmtheitsgebot  102, 228 f. –– Einfluss auf Sanktionsnorm  101, 186 ff., 196 ff., 255 f., 258 ff., 272, 315, 328, 332 ff. –– Entscheidung über Strafwürdigkeit  48, 66, 188, 198, 207, 210 f., 218 ff., 230, 260 f. –– Ermächtigung siehe dort –– Gestaltungsfreiheit siehe dort –– Rechtsverordnung siehe dort –– unterlassene Anpassung  47, 68, 151, 231, 311, 323 f. –– Vergleichsarbeit  293, 319 –– Verpflichtung siehe dort Verordnungsgebung siehe Rechtsverordnung Verpflichtung zu gesetzesändernder Rechtsverordnung  315 Verpflichtung zur Rückverweisung  195 ff., 258 ff. –– bei Entsprechungsklausel  290 f., 319 –– bei Subsidiaritätsklausel  332 ff. –– bei tatbestandlicher Abgrenzungsklausel  328 –– BVerfG  258, 261, 267 –– Durchsetzung  225 ff., 268

Stichwortverzeichnis391 –– Klarstellung im Gesetz  228, 268, 340 f. –– Konflikt mit ultima ratio  213 ff., 229, 268 f., 279, 299 –– Ordnungswidrigkeitenrecht  218 ff., 266 –– Rechtswirklichkeit  211, 220, 335 f. –– Umfang  209 f., 264 f. Verweisung  25 –– ausdrückliche  33 –– Außen- siehe dort –– Binnen-  34 f., 158, 236, 306 –– deklaratorische  31 f., 174, 180 f., 182 ff., 244 –– Direkt-  66, 310 ff., 341 –– dynamische siehe dort –– einfache  38, 235 –– enumerative  39 –– formale Wirkung  41, 54 –– halb-explizite siehe dort –– konkludente  33 f. –– konstitutive siehe dort –– materielle Wirkung  42 ff., 54 ff. –– mehrfache siehe dort –– Pauschal- siehe dort –– statische siehe dort –– voll-explizite siehe dort –– Weiter- siehe dort Verweisungskette  40, 178 –– Kürzung  239, 340 f. –– Verfassungskonformität  235 ff., 306 ff. Verweisungsnorm  25 Verweisungsobjekt  25 –– siehe auch Ausfüllungsobjekt Verweisungsverjüngungsklausel  236 f. voll-explizite Verweisung  33 –– Blankettgesetz  237, 310, 312 ff. –– Rückverweisung  33, 52 –– Verfassungskonformität  170, 234, 306

–– Weiterverweisung  33 f., 53 f. Vollstrafgesetz  24, 101, 165 f. Vorbehalt des formellen Gesetzes  88 ff. –– Abgrenzung zum Bestimmtheitsgebot  88, 102 ff. –– Abstufung nach Schwere  108 f., 112 f. –– Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG siehe dort –– Art. 80 Abs. 1 GG siehe dort –– dynamische Außenverweisung  158 ff., 271 ff. –– Entsprechungsklausel  290 ff. –– gesetzesändernde Rechtsverordnung  315 ff. –– Ordnungswidrigkeitenrecht  107 ff. –– Rückverweisungsklausel  194 ff., 257 ff. –– Subsidiaritätsklausel  331 ff. –– tatbestandliche Abgrenzungsklausel  327 ff. –– unionaler siehe Art. 49 Abs. 1 S. 1 GRCh –– wesentliche Entscheidungen  95, 97 ff., 274 ff. Vorbehalt des Gesetzes siehe Gesetzesvorbehalt Vorrang des Gesetzes  313 f. Weiterverweisung  39 f. –– Außenverweisung  53 –– Binnenverweisung  35, 54 –– dynamisch  37, 54 –– statisch  53 f. –– Verfassungskonformität  233 ff., 305 ff. –– voll-explizit  33 f., 53 f. Wesentlichkeitstheorie  91 ff., 95 ff. Wortlautwiederholungsverbot siehe Ausführungssperre Zitiergebot  190, 193