Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer signifikanten Erhöhung des Bundeszuschusses an die Gesetzliche Rentenversicherung [1 ed.] 9783428553211, 9783428153213

In der Gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) ist mittelfristig eine schwierige Finanzierungssituation absehbar. Prognost

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Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer signifikanten Erhöhung des Bundeszuschusses an die Gesetzliche Rentenversicherung [1 ed.]
 9783428553211, 9783428153213

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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1357

Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer signifikanten Erhöhung des Bundeszuschusses an die Gesetzliche Rentenversicherung Von

Hermann Butzer Anna-Lena Hollo

Duncker & Humblot · Berlin

HERMANN BUTZER / ANNA-LENA HOLLO

Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer signifikanten Erhöhung des Bundeszuschusses an die Gesetzliche Rentenversicherung

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1357

Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer signifikanten Erhöhung des Bundeszuschusses an die Gesetzliche Rentenversicherung

Von

Hermann Butzer Anna-Lena Hollo

Duncker & Humblot · Berlin

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

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© 2017 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: Konrad Triltsch GmbH, Ochsenfurt Druck: CPI buchbücher.de, Birkach Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 978-3-428-15321-3 (Print) ISBN 978-3-428-55321-1 (E-Book) ISBN 978-3-428-85321-2 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die Gesetzliche Rentenversicherung befindet sich wegen der anhaltend niedrigen Geburtenzahlen und der weiter ansteigenden Lebenserwartung mittelfristig in einer schwierigen Finanzierungssituation. Prognostiziert wird, dass sich etwa ab dem Jahre 2020 das Netto-Rentenniveau vor Steuern von derzeit 48,0 Prozent auf 41,7 Prozent im Jahr 2045 reduzieren und im gleichen Zeitraum der Beitragssatz zur Rentenversicherung von derzeit 18,7 Prozent auf 23,6 Prozent steigen wird. Dieses Szenario hat im politischen Raum – befördert auch durch den Wahlkampf zum 19. Deutschen Bundestag im September 2017 – verschiedenste Überlegungen hinsichtlich seiner Verhinderung bzw. Abmilderung ausgelöst. Das Diskussionsspektrum reicht von der Einbeziehung zusätzlicher Beitragszahler über eine Ausweitung des Versichertenkreises sowie Maßnahmen zur besseren Ausschöpfung der vorhandenen Beschäftigtenpotenziale bis hin zu einer höheren Netto-Zuwanderung und einer Anhebung der Altersgrenzen. Eine weitere Option besteht in der Erhöhung der Staatszuschüsse. Doch erhält der Haushalt der Deutschen Rentenversicherung Bund als Träger der Rentenversicherung bereits jetzt (2017) knapp 68 Mrd. Euro Staatszuschüsse und bezieht damit derzeit über 25 Prozent seiner Einnahmen aus dem Bundeshaushalt. Gegen eine weitere, mit Blick auf das genannte Szenario zu Rentenniveau- und Beitragssatzentwicklung in signifikanter Höhe erforderliche Anhebung dieser Zuschüsse erhebt sich – neben volkswirtschaftlichen Einwänden aller Art – spontan die Entgegnung, „das“ Versicherungsprinzip lasse es nicht zu, die Rentenversicherung allzu stark aus anderen Mitteln als aus den Beiträgen der Versicherten und ihrer Arbeitgeber zu finanzieren. Dass dieser Einwand allerdings so zu pauschal ist, zeigt sich darin, dass Staatszuschüsse seit jeher zum Rentensystem dazugehört haben und ihre Gewährung auch einfachgesetzlich abgesichert ist, so dass allenfalls eine Diskussion um ihre Höhe zu führen ist. Insoweit allerdings hat die Staats- und Sozialrechtswissenschaft die Frage, ob es für Bundeszuschüsse eine verfassungsrechtliche Obergrenze gibt und wo diese ggf. liegt, bislang nicht ausdrücklich gestellt und erst recht nicht inhaltlich näher untersucht und beantwortet. Dieser erstaunlich anmutende Befund hat den Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) veranlasst, die Verfasser um eine Untersuchung zu der Obergrenze-Frage zu bitten. Die Ergebnisse dieser Studie, die sich auf dem Stand vom 1. August 2017 befindet, sollen mit dieser Veröffentlichung der weiteren Diskussion zur Verfügung gestellt werden. Hannover, im September 2017

Hermann Butzer und Anna-Lena Hollo

Inhaltsverzeichnis 1. Teil Einführung in die Thematik

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2. Teil Erfordernis einer einfachgesetzlichen Rechtsgrundlage für einen zusätzlichen bzw. erhöhten Bundeszuschuss

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A. Vorüberlegung: Notwendigkeit oder Entbehrlichkeit einer einfachgesetzlichen Rechtsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 B. Eignung der bisherigen Regelungen in § 213 SGB VI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 I. § 213 Abs. 3, Abs. 4 SGB VI (Zusätzlicher Bundeszuschuss und Erhöhungsbetrag) als Rechtsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 1. Genese und Regelungszweck des § 213 Abs. 3 bis 5 SGB VI . . . . . . . . . . . . . . 19 2. Tatbestandliche Voraussetzungen des § 213 Abs. 3 SGB VI . . . . . . . . . . . . . . . 19 a) „Der Bund zahlt … einen zusätzlichen Bundeszuschuss“ . . . . . . . . . . . . . . . 20 b) „Zur pauschalen Abgeltung nicht beitragsgedeckter Leistungen“ . . . . . . . . . 20 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 II. § 213 Abs. 1 SGB VI (Allgemeiner Bundeszuschuss) als Rechtsgrundlage . . . . . 22 1. Vorgängerregelungen und Neukonzeptionierung im Jahre 1992 . . . . . . . . . . . . 22 2. Tatbestandliche Voraussetzungen des § 213 Abs. 1 SGB VI . . . . . . . . . . . . . . . 23 a) „Der Bund leistet … Zuschüsse“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 aa) Begrenzung der Erhöhung der Bundesmittel aus dem Begriff „Zuschuss“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 bb) Begriff „Zuschuss“: Zweckbestimmung erforderlich? . . . . . . . . . . . . . . 24 b) „Zu den Ausgaben der allgemeinen Rentenversicherung“ . . . . . . . . . . . . . . . 25 c) Aber: Unvereinbarkeit mit dem Anpassungsmechanismus in § 213 Abs. 2, Abs. 2a SGB VI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 C. Vorschlag: Neue Rechtsgrundlage durch Erweiterung des § 213 SGB VI . . . . . . . . . . 29 D. Ergebniszusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30

8

Inhaltsverzeichnis 3. Teil Einfach-, verfassungs- und unionsrechtliche Vorgaben für einen zusätzlichen bzw. erhöhten Bundeszuschuss

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A. Vorgaben aus Art. 110 GG und § 213 Abs. 6 SGB VI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 I. Aufnahme des Zuschusses in den Bundeshaushaltsplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 II. Festsetzung und Auszahlung durch das Bundesversicherungsamt . . . . . . . . . . . . . 32 B. Mögliche Vorgaben aus Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 I. Anwendbarkeit des Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 1. Erste Ansicht: Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG erfasst nur Zuschüsse zu kriegsbedingten Lasten der Sozialversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 2. Gegenansicht: Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG erfasst auch Zuschüsse zu Lasten der Sozialversicherung ohne Kriegszusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 3. Systematische, genetische, historische und teleologische Auslegung . . . . . . . . 35 II. Regelungsinhalte des Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG im Hinblick auf die Zuschussgewährung an die GRV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 1. Inhalt des verfassungsrechtlichen Begriffs „Zuschüsse“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 a) Arten von Zuschüssen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 b) Direktivkraft des Begriffs „Zuschüsse“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 2. „Lasten“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 3. „Sozialversicherung“ im Sinne von Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG . . . . . . . . . . . . . 47 a) Maßgaben bei der Interpretation des Begriffs „Sozialversicherung“ . . . . . . . 48 aa) Gleichlauf mit Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 bb) „Sozialversicherung“ als Strukturtypus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 cc) Erscheinungsbildvergleich anhand typischer Merkmale . . . . . . . . . . . . . 53 b) Die Verfassungsanforderungen für eine Zuschussgewährung an die Sozialversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 aa) Gesetzgebungskompetenz für die Zuschussregelung . . . . . . . . . . . . . . . . 54 bb) Grenzen hinsichtlich der Höhe von Bundeszuschüssen . . . . . . . . . . . . . . 57 (1) Betroffene Merkmale von Sozialversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 (a) Das Merkmal „Versicherung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 (b) Das Merkmal „Finanzierung durch Beiträge“ . . . . . . . . . . . . . . . 61 (2) Annäherung an eine konkrete Grenzziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 4. Ergebniszusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 C. Mögliche Vorgaben aus Art. 14 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 I. Berührung der Rechte der Beitragszahler und Bestandsrentner . . . . . . . . . . . . . . . 67 1. Art. 14 Abs. 1 GG: Negativwirkung trotz Begünstigung durch höheres Rentenniveau und niedrigere Beitragssätze für alle? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 2. Ausgangspunkt und Voraussetzungen des Eigentumsschutzes sozialversicherungsrechtlicher Positionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68

Inhaltsverzeichnis

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3. Eigentumsrechtliche Fernwirkungen eines „Demographiezuschusses“ . . . . . . . 72 a) Das Kriterium der „zurechenbaren, nicht unerheblichen Eigenleistung“ . . . 73 b) Arbeitsleistung und Beitragsleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 4. Ergebniszusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 II. Eingriff in die Rechte der Steuerzahler: Prospektiv höhere Steuerlast . . . . . . . . . . 77 1. Fehlende Eingriffswirkung in Art. 14 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 2. Eingriff in Art. 2 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 a) Schutzbereichsbetroffenheit und Eingriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 b) Rechtfertigungsfähigkeit des Eingriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 aa) Legitimer Zweck und Eignung zur Förderung desselben . . . . . . . . . . . . 80 bb) Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 cc) Angemessenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 3. Ergebniszusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 D. Mögliche Vorgaben aus Art. 3 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 I. Ungleichbehandlung GRV-versicherter Steuerzahler und nicht GRV-versicherter Steuerzahler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 II. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung: Betrachtung des Gesamt-„Systems“ erforderlich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 1. Gesteigerte Rechtfertigungsanforderungen für die Ungleichbehandlung aufgrund des „Grundsatzes“ der Systemgerechtigkeit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 a) Systemübergreifende Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 b) Rentenrechtssystematische Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 2. Geminderte Rechtfertigungsanforderungen für die Ungleichbehandlung aufgrund einer Betrachtung des Gesamt-„Systems“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 a) Wechselbezüglichkeit sozialversicherungsrechtlicher und steuerlicher Alterssicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 b) Weitere Aspekte der Gesamtbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 III. Ergebniszusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 E. Mögliche (zu vermeidende) Folge: Unternehmenseigenschaft nach Art. 101 AEUV 95 I. Die Rechtsprechung zur Unanwendbarkeit der Wettbewerbsregeln des AEUV auf Sozialversicherungsträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 II. Gefährdung der Nicht-Unternehmenseigenschaft der Deutschen Rentenversicherung Bund durch einen „Demographiezuschuss“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 1. Zentrale Bestandteile des „sozialen Ausgleichs“ in der GRV . . . . . . . . . . . . . . 98 2. Abschätzung der Gefährdungspotentiale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100

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Inhaltsverzeichnis 4. Teil Wesentliche Ergebnisse

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Verzeichnis der verwendeten Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117

1. Teil

Einführung in die Thematik Im Rahmen der aktuellen Diskussionen über die zukünftige Ausgestaltung der Alterssicherung hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) im November 2016 ein „Gesamtkonzept zur Alterssicherung“1 vorgelegt. Darin wird – bezogen auf die Gesetzliche Rentenversicherung (GRV) – als eine von mehreren kumulativen Maßnahmen die Erhöhung der bisherigen Bundeszuschüsse an die GRV durch die Einführung eines weiteren aus Bundesmitteln zu finanzierenden Zuschusses, eines sogenannten „Demographiezuschusses“2, für notwendig gehalten.3 Diese Initiative des Ministeriums liegt in § 154 Abs. 3 SGB VI begründet; denn danach hat die Bundesregierung dem Gesetzgeber zur Stabilisierung des Beitragssatzes und zur Sicherung des Rentenniveaus „geeignete Maßnahmen vorzuschlagen, wenn 1. der Beitragssatz in der allgemeinen Rentenversicherung in der mittleren Variante der 15jährigen Vorausberechnungen des Rentenversicherungsberichts bis zum Jahre 2020 20 vom Hundert oder bis zum Jahre 2030 22 vom Hundert überschreitet, 2. der Verhältniswert aus einer jahresdurchschnittlichen verfügbaren Standardrente und dem verfügbaren Durchschnittsentgelt in der mittleren Variante der 15-jährigen Vorausberechnungen des Rentenversicherungsberichts (Sicherungsniveau vor Steuern) bis zum Jahr 2020 46 vom Hundert oder bis zum Jahr 2030 43 vom Hundert unterschreitet […].“

Das BMAS befürchtet, dass bei unveränderter Beibehaltung des bisherigen Rentenrechts zwar voraussichtlich noch nicht bis zum Jahr 2030, aber jedenfalls nach 2030 spätestens bis zum Jahr 2045 die jeweils aufgeführten Szenarien der Nummern 1 und 2 eintreten würden.4 Nach den jüngsten Berechnungen des gemeinsamen Schätzerkreises von Deutscher Rentenversicherung Bund und Bundessozialministerium werde sich – so das Ministerium – bei unveränderter Rechtslage das NettoRentenniveau vor Steuern von derzeit 48,0 Prozent auf 41,7 Prozent im Jahr 2045 reduzieren. Der Beitragssatz zur Rentenversicherung werde im gleichen Zeitraum von derzeit 18,7 Prozent auf 23,6 Prozent steigen. Eine Stabilisierung des Netto1

BMAS, Gesamtkonzept zur Alterssicherung, 2016 (http://www.bmas.de/Shared Docs/ Downloads/DE/Thema-Rente/gesamtkonzept-alterssicherung-detail.pdf?__blob=publicationFi le&v=6). 2 So die Bezeichnung durch das BMAS, Gesamtkonzept zur Alterssicherung, 2016, S. 28. 3 So die Bezeichnung durch das BMAS, Gesamtkonzept zur Alterssicherung, 2016, S. 27 ff. 4 BMAS, Gesamtkonzept zur Alterssicherung, 2016, S. 10 f., 18 f., 23 ff.

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1. Teil: Einführung in die Thematik

Rentenniveaus vor Steuern auf dem aktuellen Niveau von 48,0 Prozent würde – unter sonst gleichen Annahmen – eine Erhöhung des Beitragssatzes bis auf 26,9 Prozent im Jahr 2045 zur Folge haben. Gegenüber der Fortschreibung bei sinkendem Rentenniveau wäre dies also eine nochmalige Mehrbelastung von 3,3 Prozentpunkten. In Reaktion auf diese Berechnungen des Schätzerkreises hat das BMAS in dem von ihm erstellten Gesamtkonzept zur Alterssicherung verschiedene Maßnahmen vorgestellt, die es als geeignet i.S.v. § 154 Abs. 3 SGB VI ansieht. Zu diesen Maßnahmen zählt das Ministerium, wie bereits erwähnt, die Erhöhung der Bundeszuschüsse durch die Einführung eines sogenannten „Demographiezuschusses“. Laut dem Gesamtkonzept zur Alterssicherung wird insoweit für das Jahr 2030 ein Betrag von 1,5 Prozent der Rentenausgaben (derzeit: 4,2 Mrd. Euro) angestrebt, der dann bis zum Jahr 2045 allmählich auf 2,5 Prozent der Rentenausgaben (derzeit: 7,8 Mrd. Euro) steigen soll. Ziel aller zu ergreifender Maßnahmen soll es sein, für das Rentenniveau eine „Haltelinie“ von 46 Prozent Netto-Rentenniveau nach unten und für den Beitragssatz eine „Haltelinie“ von 25 Prozent nach oben zu erreichen. Das Echo auf die beschriebenen BMAS-Vorschläge ist unterschiedlich. Ausweislich von Pressemeldungen hat sich der Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag Volker Kauder5 dahingehend geäußert, dass er keinen Handlungsbedarf zur Sicherung des Rentenniveaus sehe. Seiner Einschätzung nach führt die „gute wirtschaftliche Lage […] dazu, dass das Rentenniveau nicht so absinkt, wie es befürchtet worden war“. Der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände e. V. (BDA) Ingo Kramer6 erklärte, das Konzept enthalte „milliardenschwere Forderungen“, die weder in der Koalition noch mit den Sozialpartnern abgestimmt seien. Es handele sich um einen „Angriff auf die Beitragszahler“. Allein durch den höheren Rentenbeitrag könnten die gesamten Sozialbeiträge auf deutlich über 45 Prozent steigen. „Wer drastisch höhere Sozialbeiträge in Kauf nimmt, gefährdet massiv unsere Wettbewerbsfähigkeit und damit Arbeitsplätze und die Basis, von der auch die Rentenversicherung lebt“, warnte Kramer. Bei Gewerkschaften7 und Sozialverbänden stößt das Konzept dagegen eher auf Rückhalt. Bundesministerin Andrea Nahles und das BMAS werden aus diesen Reihen jedenfalls dafür gelobt, dass durch ihren Vorstoß Bewegung in die Debatte über das Rentenniveau gekommen sei. Allerdings geht die Initiative den Ge5 Zitiert nach einer Meldung der Online-Zeitung Welt/N 24 v. 25. 11. 2016 (https://www. welt.de/newsticker/news1/article159745224/Einige-Antworten-und-viele-Fragen-in-der-Renten politik.html, zuletzt aufgerufen am 1. 8. 2017, 16:00 Uhr). 6 Zitiert nach Meldungen der Online-Zeitungen Welt/N 24 v. 25. 11. 2016 (https://www. welt.de/newsticker/news1/article159745224/Einige-Antworten-und-viele-Fragen-in-der-Renten politik.html) und Onetz v. 26. 11. 2016 (http://www.onetz.de/deutschland-und-die-welt-r/politikde-welt/neuer-koalitionsstreit-bei-rente-keine-einigung-auf-doppelte-haltelinie-finanzierungteils-offen-d1713300.html, zuletzt aufgerufen am 1. 8. 2017, 16:05 Uhr). 7 Zitiert nach einer Meldung der Online-Ausgabe des Tagespiegels v. 26. 11. 2016 (http:// www.tagesspiegel.de/politik/dgb-chef-reiner-hoffmann-nichtstun-treibt-die-leute-in-richtungrechtspopulismus/14898222.html, zuletzt aufgerufen am 1. 8. 2017, 16:10 Uhr).

1. Teil: Einführung in die Thematik

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werkschaften und Sozialverbänden nicht weit genug: Das Konzept reiche bei weitem nicht aus, weil der Vorschlag die bislang gesetzlich vorgesehene Absenkung des Rentenniveaus nur abbremse, das Netto-Rentenniveau gegenüber dem heutigen Stand aber dennoch absinken lasse. Von Nöten sei vielmehr eine Erhöhung des gesetzlichen Netto-Rentenniveaus über die jetzigen 48 Prozent hinaus. Ähnlich wie auf Seiten des BMAS führt diese Einschätzung – will man nicht an (weitere) Leistungskürzungen oder an eine Erhöhung des Beitragssatzes bis in den Bereich von 26 bis 27 Prozent denken – zu der Frage, wie der GRV (über den in jedem Fall erforderlichen Beitragssatzanstieg hinaus) zusätzliche Einnahmen verschafft werden könnten. Eine8 der möglichen Handlungsoptionen liegt darin, zukünftig die Bundeszuschüsse an die GRV zu erhöhen bzw. einen gegenüber dem im Alterssicherungskonzept vorgesehenen Demographiezuschuss deutlich höheren Demographiezuschuss einzuführen. Soll das Netto-Rentenniveau zukünftig nicht (abgebremst) sinken, sondern sogar steigen, wäre dafür allerdings nicht nur eine „leichte“, sondern sogar eine signifikante Erhöhung der Bundeszuschüsse an die GRV geboten. Solche Überlegungen und Vorschläge treffen auf eine Situation, in der schon jetzt sehr hohe Bundeszuschüsse zu verzeichnen sind. So betrugen im Jahr 2015 die Einnahmen der allgemeinen Rentenversicherung (ohne knappschaftliche Rentenversicherung) insgesamt rd. 276,2 Mrd. Euro, von denen 207,3 Mrd. Euro auf Beiträge, 67,7 Mrd. Euro auf Bundeszuschüsse und 1,1 Mrd. Euro auf sonstige Finanzierungsmittel entfielen. Der Finanzierungsanteil der Bundeszuschüsse an den Gesamteinnahmen betrug im Jahr 2015 damit rd. 25 Prozent;9 der – aus Steuergeldern finanzierte – Bundeszuschuss war nach den Beiträgen der Versicherten und ihrer Arbeitgeber die zweitwichtigste Einnahmequelle der GRV. In historischer Betrachtung ist die Zuschussgewährung – auch in dieser Quote der Gesamteinnahmen – indessen nichts Neues. Zum Zeitpunkt der Rentenreform von 1957 betrug das Verhältnis von Bundeszuschüssen zu Renteneinnahmen10 31,8 Prozent.11 Dieser Anteil ist in den folgenden Jahren bis zum Jahr 1977 stetig zurückgegangen; damals 8

Weitere Handlungsoptionen wären etwa – wie bereits im Vorwort zu dieser Untersuchung kurz erwähnt – die Einbeziehung zusätzlicher Beitragszahler durch eine Ausweitung des Versichertenkreises sowie durch eine bessere Ausschöpfung der vorhandenen Beschäftigtenpotenziale, z. B. die Einbeziehung von bislang nicht beschäftigten Frauen und Älteren bzw. von Arbeitslosen oder durch mehr Vollzeit-und vollzeitnahe Beschäftigung, ferner eine höhere Netto-Zuwanderung oder auch die Verlängerung der durchschnittlichen versicherungspflichtigen Beitragsjahre, beispielsweise durch eine Anhebung der Altersgrenzen. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass diese Maßnahmen zeitversetzt immer auch zu höheren Ansprüchen gegen die Rentenversicherung führen, was ihren entlastenden Effekt jedenfalls relativiert. 9 BMAS, Alterssicherungsbericht, 2016, S. 26, 32. 10 Ausgenommen sind hier etwa die Beiträge der allgemeinen Rentenversicherung zur Krankenversicherung der Rentner (KVdR) und – früher – zur Pflegeversicherung der Rentner (PflVdR), die Leistungen nach dem Kindererziehungsleistungsgesetz (KLG) und die Verwaltungsausgaben. Entsprechende Zahlen, die diese Ausgaben einschließen, finden sich etwa in KomGRV, § 213 SGB VI Rn. 3.1. in Tabelle 2. 11 Angabe nach BT-Drucks. 11/4124 v. 7. 3. 1989, S. 139.

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1. Teil: Einführung in die Thematik

betrug er schließlich nur noch 15,2 Prozent. Bis zum Jahr 1990 schwankte das Verhältnis dann stets zwischen 14,6 und ca. 17 Prozent, bevor der Anteil der Bundeszuschüsse an den Einnahmen der GRV bis 2012 mit nur wenigen Ausnahmen (und mit einer signifikanten Erhöhung durch die Einführung des zusätzlichen Bundeszuschusses im Jahr 1998) stetig bis auf 27,8 Prozent angestiegen ist. Seit 2012 ist der Anteil wieder leicht zurückgegangen und betrug im Jahr 2015 die bereits genannten ca. 25 Prozent.12 Die Verhältniszahlen dürfen indes über eines nicht hinwegtäuschen: In der nominalen Betrachtung ist der Bundeszuschuss seit 1957 beinahe durchgängig jährlich erhöht worden.13 Er hat – wie bereits erwähnt – im Jahr 2015 eine Höhe von 67,7 Mrd. Euro erreicht; nach einem erwarteten leichten Absinken im Jahr 2016 (auf 64,46 Mrd. Euro) wird für 2017 erneut ein Zuschussbedarf von 67,7 Mrd. Euro erwartet. Bis 2020 werden dann Zuschüsse von 74,4 Mrd. Euro an die allgemeine Rentenversicherung prognostiziert, zu denen noch einmal 5,085 Mrd. Euro Zuschussbedarf für die knappschaftliche Rentenversicherung hinzukommen werden.14 Es ist ersichtlich, dass schon die jetzige Höhe der Bundeszuschüsse an die GRV, erst recht aber jede weitere Erhöhung bzw. die Einführung eines weiteren zusätzlichen Bundeszuschusses in erheblicher Milliardenhöhe nicht nur wichtige sozialpolitische Verteilungsfragen – in welchem Verhältnis sollen diese finanziellen Belastungen infolge der demographischen Veränderungen auf Rentner, Beitragszahler und Steuerzahler verteilt werden? – aufwirft, sondern auch verschiedene rechtliche Fragen berührt. Dazu gehört zunächst einmal die Frage, ob die weitere Erhöhung der bereits geleisteten Bundeszuschüsse bzw. die Einführung eines weiteren zusätzlichen Bundeszuschusses überhaupt einer einfachgesetzlichen Rechtsgrundlage bedarf und – bejahendenfalls – ob eine Erhöhung der Zuschüsse an die GRV dann auf die vorhandenen Regelungen in § 213 Abs. 1 und Abs. 3 SGB VI gestützt werden dürfte bzw. sollte. Sodann – und das steht im Zentrum der vorliegenden Untersuchung – muss der Gesetzgeber bei einer Erhöhung der Bundeszuschüsse auch verschiedene verfassungsrechtliche Vorgaben im Auge haben: Solche Vorgaben macht etwa Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG, der die Zuschusskompetenz des Bundes an die Sozialversicherung vorsieht. Ferner muss die Zuschussgewährung an die GRV mit verschiedenen Grundrechtspositionen vereinbar sein. Von Bedeutung sind hier namentlich Art. 14 Abs. 1 GG bzw. Art. 2 Abs. 1 GG und der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Schließlich ist noch ein Blick auf das Europäische Recht zu werfen und zu fragen, ob und gegebenenfalls inwieweit die Zuschussge-

12

23.

Die Berechnung basiert auf Zahlen aus DRV Rentenversicherung in Zahlen, 2016, S. 22,

13 S. etwa die Tabelle in: DRV Rentenversicherung in Zahlen, 2016, S. 22, S. 23, und Tabelle 1 (bis 2013) sowie die anschließenden Ausführungen in: KomGRV, § 213 SGB VI Rn. 3.1 bis einschließlich 3.3 (in 3.3 wird die Entwicklung der Bundeszuschüsse in vier Phasen dargestellt). 14 Zahlenangaben nach BMAS, Rentenversicherungsbericht, 2016, S. 30, S. 34.

1. Teil: Einführung in die Thematik

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währung Einfluss auf die Stellung der Deutschen Rentenversicherung Bund als Unternehmen i.S.d. Art. 101 ff. AEUV haben könnte. Allein diese Rechtsfragen sind Gegenstand der vorliegenden Studie. Ihr geht es mithin ausschließlich um die rechtliche Beurteilung der Zulässigkeit einer weiteren Erhöhung der Bundeszuschüsse an die Deutsche Rentenversicherung Bund. Die volkswirtschaftlichen Implikationen einer solchen weiteren Erhöhung sind dagegen nicht Gegenstand der Beurteilung.

2. Teil

Erfordernis einer einfachgesetzlichen Rechtsgrundlage für einen zusätzlichen bzw. erhöhten Bundeszuschuss Aufgrund des für alle staatliche Gewalt geltenden Grundsatzes vom Vorbehalt des Gesetzes aus Art. 20 Abs. 3 GG muss – bevor sich die Untersuchung den materiellen verfassungs- und unionsrechtlichen Problemkreisen zuwenden kann – zunächst eine grundlegende Vorfrage geklärt werden: Bedürfte die Gewährung eines solchen zusätzlichen bzw. erhöhten Bundeszuschusses einer einfachgesetzlichen Rechtsgrundlage oder wäre auch eine gesetzesfreie Gewährung zulässig?

A. Vorüberlegung: Notwendigkeit oder Entbehrlichkeit einer einfachgesetzlichen Rechtsgrundlage Für das Erfordernis einer einfachgesetzlichen Rechtsgrundlage spricht bereits das historische Herkommen1 der staatlichen Zuschüsse zur gesetzlichen Alterssicherung, da der Reichs- bzw. Bundeszuschuss mitsamt sämtlicher Erhöhungen und Kürzungen – man betrachte nur § 213 Abs. 1 bis Abs. 5 SGB VI – immer einfachgesetzlich geregelt war.2 Zwar ist dies kein zwingendes Argument dafür, dass dies auch verpflichtend war, doch stellt es zumindest ein starkes Indiz für eine einfachgesetzliche Regelungsnotwendigkeit dar. Jedenfalls scheint der Gesetzgeber bislang selber davon ausgegangen zu sein, dass etwaige Bundeszuschüsse zur GRV sowie sämtliche Veränderungen daran stets einer einfachgesetzlichen Grundlage bedurft hätten. An diesem Eindruck ändert auch der Umstand nichts, dass die Regelungen des allgemeinen und des zusätzlichen Bundeszuschusses in § 213 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 SGB VI keine typische Formulierung einer Rechtsgrundlage (etwa: „Der Bund hat/ muss/darf…“) aufweisen. Zumindest folgt nämlich aus dem Normzweck, dass eine Pflicht (und damit zugleich eine Befugnis) des Bundes geregelt werden sollte: Denn der Zweck des § 213 SGB VI liegt darin, die Zahlungen des Bundes an die GRV von 1

Ausführlich dazu und zu der Entwicklung bis 1956 und seit 1957: KomGRV, § 213 SGB VI Rn. 3. 2 Dies findet auch seine Bestätigung in § 20 Abs. 1 SGB IV und in § 221 SGB V, wo ebenfalls einfachgesetzliche Regelungen zur Leistung staatlicher Zuschüsse geregelt sind.

A. Vorüberlegung

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der Kassenlage des Bundes unabhängig zu machen, indem die Zahlungen als solche festgelegt und klare Richtlinien bezüglich ihrer Höhe und Weiterentwicklung festgeschrieben wurden.3 Angesichts der Tatsache, dass bisher stets sämtliche Reichs- bzw. Bundeszuschüsse einfachgesetzlich normiert worden sind, unterstützt auch das Gebot der Rechtsklarheit die Notwendigkeit einer einfachgesetzlichen Rechtsgrundlage. Anderenfalls bliebe der „Demographiezuschuss“ als einziger Bundeszuschuss zur GRV ohne einfachgesetzliche Normierung, während, worauf sogleich noch näher einzugehen ist, sowohl der allgemeine als auch der zusätzliche Bundeszuschuss sowie sämtliche bisher erfolgten Erhöhungen und Minderungen entsprechend geregelt sind. Dies erschiene widersprüchlich und systemfremd. Deshalb ist auch für den „Demographiezuschuss“ eine explizite gesetzliche Regelung zu verlangen. Diese Notwendigkeit einer einfachgesetzlichen Rechtsgrundlage für einen weiteren bzw. erhöhten Bundeszuschuss lässt sich mit Blick auf den Wesentlichkeitsgedanken bestätigen: Es handelt sich bei der zur Diskussion stehenden Erhöhung immerhin um zusätzliche Bundesmittel in hohen Milliardenbeträgen4, die von allen Steuerzahlern – die, auch dies trägt zur Wesentlichkeit bei, nicht alle von der GRV profitieren – zu finanzieren sind. Schon aufgrund dieser Höhe muss mithin eine für die letztlich zahlenden Bürger wesentliche Materie angenommen werden, so dass eine parlamentsgesetzliche Normierung zwingend erforderlich ist. Parallelen zur Leistungsverwaltung (Subventionen5), die sich zunächst aufdrängen mögen, sind also nicht zu ziehen, zumal dem Bundeszuschuss von der allgemeinen Ansicht ohnehin ein etwaiger Subventionscharakter abgesprochen wird.6

3 Marschner, in: Löschau, SGB VI, § 213 Rn. 21; Viebrok, in: jurisPK-SGB VI, § 213 Rn. 5. 4 S. dazu die Aufstellung für die Jahre 2030 bis 2045 bei BMAS, Gesamtkonzept zur Alterssicherung, 2016, S. 45. 5 Hierzu werden drei Ansichten vertreten: Nach der ersten Ansicht gilt für Subventionen kein Vorbehalt des Gesetzes, sondern nur der Vorrang von „Gesetz und Recht“ aus Art. 20 Abs. 3 GG. Nach der zweiten Ansicht, der sogenannten Lehre vom Totalvorbehalt, bedarf jedes staatliche Handeln einer einfachgesetzlichen Grundlage. Nach der dritten und herrschenden Ansicht gilt im Subventionsrecht ein abgeschwächter Gesetzesvorbehalt: Danach genügt die etatmäßige Bereitstellung der Mittel im Haushaltsplan und die Förderung eines öffentlichen Zwecks; ferner dürfe die Gewährung der Subvention nicht mit einfachgesetzlichem Recht oder mit Verfassungs- oder Unionsrecht unvereinbar sein (Vorrang von „Gesetz und Recht“). 6 Diel, in: Hauck/Noftz, SGB VI, § 213 Rn. 19; von der Heide, in: GK-SGB VI, § 213 Rn. 15; Kater, in: KassKomm. SGB VI, § 213 Rn. 3; KomGRV, § 213 SGB VI Rn. 2. Auch das BMAS (Rentenversicherungsbericht 2016, S. 26) scheint davon auszugehen, dass § 213 Abs. 1, Abs. 3 SGB VI eine gesetzliche Pflicht des Bundes normiert, wie die Formulierung: „Der entsprechend den gesetzlichen Vorschriften an die allgemeine Rentenversicherung zu leistende […] Bundeszuschuss […]“ deutlich macht.

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2. Teil: Rechtsgrundlage für einen zusätzlichen Bundeszuschuss

B. Eignung der bisherigen Regelungen in § 213 SGB VI De lege lata regelt seit dem Rentenreformgesetz von 19927 (RRG 1992) § 213 SGB VI einfachgesetzlich die finanzielle Beteiligung des Bundes an den Ausgaben der allgemeinen Rentenversicherung.8 § 213 SGB VI soll sicherstellen, dass sich der Bund angemessen an den Belastungen der GRV beteiligt.9 Die Norm enthält zwei Ausprägungen eines Bundeszuschusses zur GRV: § 213 Abs. 1 SGB VI sieht vor, dass der Bund „zu den Ausgaben der allgemeinen Rentenversicherung Zuschüsse“ leistet; dies ist der sogenannte allgemeine Bundeszuschuss. In § 213 Abs. 3 SGB VI ist normiert, dass der Bund „zur pauschalen Abgeltung nicht beitragsgedeckter Leistungen an die allgemeine Rentenversicherung in jedem Kalenderjahr einen zusätzlichen Bundeszuschuss“ zahlt; hierbei handelt es sich, wie schon der Wortlaut besagt, um den sogenannten zusätzlichen Bundeszuschuss. Abs. 4 regelt einen Erhöhungsbetrag zum zusätzlichen Bundeszuschuss. Angesichts des Befundes, dass bereits einfachgesetzliche Regelungen bezüglich eines Bundeszuschusses zur GRV (und sogar bezüglich eines Erhöhungsbetrags) existieren, liegt die Frage nahe, ob sich Abs. 1 oder Abs. 3 und Abs. 4 des derzeitigen § 213 SGB VI als Rechtsgrundlage für den in dieser Studie zu untersuchenden weiteren Zuschuss durch eine signifikante Erhöhung des aktuellen Bundeszuschusses eignet und es infolgedessen keiner neuen, zusätzlichen einfachgesetzlichen Regelung bedürfte.

I. § 213 Abs. 3, Abs. 4 SGB VI (Zusätzlicher Bundeszuschuss und Erhöhungsbetrag) als Rechtsgrundlage § 213 Abs. 3 SGB VI regelt, wie bereits erwähnt, die Zahlung eines zusätzlichen Bundeszuschusses. Ausweislich des Wortlautes soll dieser zusätzliche Zuschuss des Bundes – dies macht ihn gegenüber § 213 Abs. 1 SGB VI, der keine Spezifizierung enthält, zur lex specialis – ausschließlich nicht beitragsgedeckte Leistungen der allgemeinen Rentenversicherung pauschal abgelten.10 Abs. 4 regelt einen mit Wirkung vom 1. Januar 2000 eingeführten Erhöhungsbetrag zum zusätzlichen Bundeszuschuss, der in Abs. 5 ab dem Jahr 2003 wieder verringert wurde.

7

BGBl. I, S. 2261. von der Heide, in: GK-SGB VI, § 213 Rn. 1. 9 Kater, in: KassKomm. SGB VI, § 213 Rn. 2. 10 Eichenhofer, in: Wenner/Eichenhofer, SGB VI, § 213 Rn. 4; Stock, in: Reinhardt, SGB VI, § 213 Rn. 10; Viebrok, in: jurisPK-SGB VI, § 213 Rn. 24. 8

B. Eignung der bisherigen Regelungen in § 213 SGB VI

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1. Genese und Regelungszweck des § 213 Abs. 3 bis 5 SGB VI Der zusätzliche Bundeszuschuss wurde durch das Gesetz zur Finanzierung eines zusätzlichen Bundeszuschusses vom 19. 12. 199711 mit Wirkung zum 1. April 1998 in das SGB VI eingeführt.12 Während § 213 Abs. 3 Satz 1 SGB VI die Leistung eines zusätzlichen Bundeszuschusses dem Grunde nach vorsieht, regeln Absatz 3 Sätze 2 bis 6 sowie die Absätze 4 und 5 Einzelheiten zu seiner Höhe und zu deren Weiterentwicklung. Die Einführung eines zusätzlichen Bundeszuschusses lag darin begründet, dass anderenfalls für das Jahr 1998 nach prognostischen Berechnungen13 eine starke Anhebung des Beitragssatzes zur gesetzlichen Rentenversicherung erforderlich geworden wäre.14 Dies wurde durch die Einführung des zusätzlichen Bundeszuschusses verhindert.15 Auch die Einführung des Erhöhungsbetrags16 zum zusätzlichen Bundeszuschuss (§ 213 Abs. 4 SGB VI) durch das Haushaltssanierungsgesetz vom 22. Dezember 199917 diente der Senkung des Beitragssatzes zur gesetzlichen Rentenversicherung.18 2. Tatbestandliche Voraussetzungen des § 213 Abs. 3 SGB VI § 213 Abs. 3 Satz 1 SGB VI sieht vor: „Der Bund zahlt zur pauschalen Abgeltung nicht beitragsgedeckter Leistungen an die allgemeine Rentenversicherung in jedem Kalenderjahr einen zusätzlichen Bundeszuschuss.“

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BGBl. I, S. 3121. Ausführlich zu der Entwicklung des § 213 SGB VI mitsamt eingehender Hinweise auf die jeweiligen Materialien Marschner, in: Löschau, SGB VI, § 213 Rn. 1 – 15. 13 Diese Berechnungen gehen auf den Schätzerkreis zur finanziellen Entwicklung in der gesetzlichen Rentenversicherung mit Vertretern der gesetzlichen Rentenversicherung (damals Bundesversicherungsanstalt für Angestellte und Verband Deutscher Rentenversicherungsträger), des Bundesversicherungsamtes und des zuständigen damaligen Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung zurück (Viebrok, in: jurisPK-SGB VI, § 213 Rn. 23). 14 Hain/Müller, DRV 1998, 105 (109 ff.); KomGRV, § 213 SGB VI Rn. 6 m.w.N; Viebrok, in: jurisPK-SGB VI, § 213 Rn. 23. 15 von der Heide, in: GK-SGB VI, § 213 Rn. 18; Viebrok, in: jurisPK-SGB VI, § 213 Rn. 24. In der Begründung zu dem Entwurf des Gesetzes zur Finanzierung eines zusätzlichen Bundeszuschusses zur GRV (BT-Drucks. 13/8704 v. 7. 10. 1997, S. 8) heißt es dazu u. a.: „Um die Lohnzusatzkosten zu senken, soll der Bund an die gesetzliche Rentenversicherung einen zusätzlichen Bundeszuschuss zahlen […]. Damit kann der Beitragssatz dauerhaft niedriger als sonst erforderlich festgesetzt werden.“ 16 S. zum Erhöhungsbetrag insbesondere KomGRV, § 213 SGB VI Rn. 7. 17 BGBl. I, S. 2534. 18 von der Heide, in: GK-SGB VI, § 213 Rn. 20; Kater, in: KassKomm. SGB VI, § 213 Rn. 15; Viebrok, in: jurisPK-SGB VI, § 213 Rn. 27. 12

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2. Teil: Rechtsgrundlage für einen zusätzlichen Bundeszuschuss

a) „Der Bund zahlt … einen zusätzlichen Bundeszuschuss“ § 213 Abs. 3 SGB VI ist von vornherein nur dann als Rechtsgrundlage für die zu untersuchende signifikante Erhöhung des Bundeszuschusses geeignet, wenn diese Erhöhung – erstens – vom Bund getragen werden müsste und wenn sie – zweitens – „zusätzlich“ wäre, d. h. zu dem allgemeinen Zuschuss nach Abs. 1 hinzuträte. Beide Voraussetzungen sind hinsichtlich der infrage stehenden Erhöhung des Bundeszuschusses unproblematisch erfüllt: Zum einen besagt bereits die Terminologie „Erhöhung des Bundeszuschusses“, dass der Zahlungspflichtige derselbe bleiben soll (also der Bund). Zum anderen soll die Erhöhung zu dem allgemeinen Bundeszuschuss nach Abs. 1, dessen Berechnung in den Absätzen 2, 2a fest vorgegeben ist, hinzukommen, so dass es sich um eine „zusätzliche“ Leistung des Bundes handeln soll. b) „Zur pauschalen Abgeltung nicht beitragsgedeckter Leistungen“ Problematischer ist indes die Zweckbestimmung des § 213 Abs. 3 Satz 1 SGB VI: Die Finanzmittel nach § 213 Abs. 3 Satz 1 SGB VI dürfen ausweislich des Wortlautes nur der pauschalen Abgeltung nicht beitragsgedeckter Leistungen dienen. § 213 Abs. 3 Satz 1 SGB VI kommt mithin nur dann als einfachgesetzliche Rechtsgrundlage für eine etwaige (signifikante) Erhöhung des Bundeszuschusses in Betracht, wenn der Erhöhungsbetrag eindeutig nur zur Abgeltung solcher nicht beitragsgedeckter Leistungen bestimmt wäre und nicht anderweitig eingesetzt würde. Diese auch als versicherungsfremde Leistungen oder Fremdlasten bezeichneten Lasten sind im Gesetz nicht näher definiert19. Ihre Abgrenzung zu versicherungskonformen, d. h. beitragsgedeckten, Leistungen der GRV ist äußerst umstritten.20 Jedenfalls zählen zu den nicht beitragsgedeckten Leistungen i.S.d. § 213 Abs. 3 Satz 1 SGB VI Anrechnungszeiten, die Abgeltung von Kriegsfolgelasten (z. B. Ersatzzeiten, Fremdrentenrecht), Zurechnungszeiten, Leistungen des Fami-

19 Der Sachverständigenbeirat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung definiert den Begriff „versicherungsfremd“ in seinem Jahresgutachten von 2005/2006 (Jahresgutachten 2005/06 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, BT-Drucks. 16/65, S. 25, weiterführend auch S. 346 f. und S. 370 ff.) mit „Leistungen […], die nicht dem Ausgleich zwischen niedrigen und hohen Risiken dienen und nicht dem Versicherungszweck entsprechen“. Nach Auffassung der Bundesregierung sind in einer erweiterten Definition der versicherungsfremden Leistungen auch Ausgaben des „WestOst-Transfers“, die über den regulären regionalen Finanzausgleich hinausgehen, und Ausgaben für die Hinterbliebenenversorgung, soweit sie über das Ehegattensplitting hinausgehen, hinzuzurechnen. 20 Kater, in: KassKomm. SGB VI, § 213 Rn. 11. S. zu dem Problem der begrifflichen Abgrenzung insbesondere auch WD Deutscher Bundestag, Sachstand: Nicht beitragsgedeckte versicherungsfremde Leistungen, 28. 6. 2016, S. 4 f.

B. Eignung der bisherigen Regelungen in § 213 SGB VI

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lienlastenausgleichs, die Rente nach Mindesteinkommen sowie die rentenrechtliche Absicherung des Risikos der Arbeitslosigkeit.21 Die Verwendung des zur Diskussion stehenden „Demographiezuschusses“ müsste demzufolge auf solche und ähnliche Fremdlasten der GRV beschränkt sein, um von § 213 Abs. 3 Satz 1 SGB VI als Rechtsgrundlage gedeckt zu sein. Dies wird indes nicht gewährleistet sein und entspricht auch nicht dem Zweck der zur Begutachtung gegebenen Erhöhung. Zwar liegt die ausgemachte Notwendigkeit einer (signifikanten) Erhöhung der Bundeszuschüsse in gesamtgesellschaftlichen Phänomenen, die nicht allein auf die Versichertengemeinschaft beschränkt sind, begründet. So geht es darum, auf zukünftige Änderungen des Arbeitsmarktes aufgrund des technologischen Wandels, der Globalisierung, des demographischen Wandels und aufgrund neuer Ansprüche an Arbeit als solche reagieren zu können,22 damit die GRV „auch in Zukunft die zentrale und maßgebliche Säule des Alterssicherungssystems bleib[t]“.23 Abgegolten werden sollen aber daraus resultierende versicherungstypische Lasten. Konkret sollen die zusätzlichen Gelder die Einführung einer doppelten Haltelinie (mit-)finanzieren: Zum einen soll eine erste Haltelinie für den Beitragssatz eingeführt werden. Diese soll dazu dienen zu verhindern, dass der Beitragssatz zur GRV trotz der anstehenden Verrentung der sogenannten „Babyboomer-Generation“ und der Alterung der Bevölkerung bis zum Jahre 2030 22 Prozent (vgl. § 154 Abs. 3 Nr. 1 SGB VI) und bis zum Jahre 2045 25 Prozent überschreitet.24 Zum anderen soll eine zweite Haltelinie für das Rentenniveau eingeführt werden. Diese soll ermöglichen, dass das Rentenniveau trotz der Haltelinie für den Beitragssatz bis zum Jahre 2045 auf das aktuelle Niveau von knapp 48 Prozent festgeschrieben werden kann. Anderenfalls würde das Rentenniveau – den jüngsten Modellberechnungen zufolge – im Jahr 2045 voraussichtlich nur noch 41,7 Prozent betragen.25 Für die (Mit-)Finanzierung dieser doppelten Haltelinie ist eine Zuordnung der zusätzlichen Finanzmittel zu ganz bestimmten Lasten nicht nur nicht erforderlich, sondern würde den Einsatz der Gelder sogar unnötig verkomplizieren.

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Diel, in: Hauck/Noftz SGB VI § 213 Rn. 15; Eichenhofer, in: Wenner/Eichenhofer, SGB VI, § 213 Rn. 4; Kater, in: KassKomm. SGB VI § 213 Rn. 11; WD Deutscher Bundestag, Sachstand: Nicht beitragsgedeckte versicherungsfremde Leistungen, 28. 6. 2016, S. 6. 22 S. dazu BMAS, Gesamtkonzept zur Alterssicherung, 2016, S. 12. 23 BMAS, Gesamtkonzept zur Alterssicherung, 2016, S. 24. 24 BMAS, Gesamtkonzept zur Alterssicherung, 2016, S. 26. 25 BMAS, Gesamtkonzept zur Alterssicherung, 2016, S. 18 ff., S. 25; so etwa auch zu lesen in einem Online-Artikel der Süddeutschen Zeitung vom 25. 11. 2016, abrufbar unter http:// www.sueddeutsche.de/wirtschaft/rentenpaket-nahles-will-gesetzliche-untergrenze-fuer-rentenni veau-1.3266177, zuletzt aufgerufen am 1. 8. 2017, 16:15 Uhr.

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2. Teil: Rechtsgrundlage für einen zusätzlichen Bundeszuschuss

3. Zwischenergebnis Im Ergebnis ist mithin zwar der historische Einführungsanlass des zusätzlichen Bundeszuschusses nach § 213 Abs. 3, Abs. 4 SGB VI mit dem Grund für die Diskussion über die Einführung eines neuen „Demographiezuschusses“ vergleichbar: Die bisher gezahlten Bundeszuschüsse reichen nicht aus, um eine gravierende Anhebung des Beitragssatzes zu verhindern und um die Funktionsfähigkeit der GRVals zentrales System der Alterssicherung dauerhaft zu gewährleisten. Die tatbestandsmäßige Verknüpfung des zusätzlichen Bundeszuschusses nach § 213 Abs. 3 SGB VI ausschließlich mit versicherungsfremden Leistungen macht die Regelung aber auf den zu untersuchenden Fall unanwendbar. Ein „Demographiezuschuss“ wäre mithin als „Aliud“ zu § 213 Abs. 3, Abs. 4 SGB VI einzuführen.

II. § 213 Abs. 1 SGB VI (Allgemeiner Bundeszuschuss) als Rechtsgrundlage Nicht auf versicherungsfremde Leistungen beschränkt, sondern gänzlich ohne nähere Konkretisierung im Wortlaut ist indes § 213 Abs. 1 SGB VI formuliert, der den sogenannten allgemeinen Bundeszuschuss vorsieht. Dort heißt es lediglich: „Der Bund leistet zu den Ausgaben der allgemeinen Rentenversicherung Zuschüsse“. 1. Vorgängerregelungen und Neukonzeptionierung im Jahre 1992 § 213 Abs. 1 SGB VI wurde mit Wirkung zum 1. Januar 1992 durch Art. 1 des RRG 199226 vom 18. Dezember 1989 in das SGB VI eingeführt. Seine Vorgängervorschrift war § 1389 RVO/§ 116 AVG. Während allerdings nach altem Recht die Zuschüsse ausdrücklich auf Ausgaben beschränkt waren, „die nicht Leistungen der Alterssicherung sind“ (sogenannte Fremdlastenabgeltung), verzichtete § 213 Abs. 1 SGB VI von Anfang an auf eine solche Einschränkung. Praktisch hatte dies indes keinerlei Auswirkungen gegenüber der vorherigen Rechtslage, da auch bezüglich der bisherigen Regelungen in § 1389 RVO/§ 116 AVG keine gesetzliche Konkretisierung erfolgt war. Schon damals fehlte eine nähere Bestimmung, wie die Rentenversicherungsträger den allgemeinen Bundeszuschuss zu verwenden hatten.27

26 27

Rn. 1.

BGBl. I, S. 2261. von der Heide, in: GK-SGB VI, § 213 Rn. 15; Kater, in: KassKomm. SGB VI, § 213

B. Eignung der bisherigen Regelungen in § 213 SGB VI

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2. Tatbestandliche Voraussetzungen des § 213 Abs. 1 SGB VI Um materiell von § 213 Abs. 1 SGB VI gedeckt zu sein, muss es sich – wie es auch soeben im Rahmen von § 213 Abs. 3 SGB VI schon als Grundvoraussetzung genannt wurde – bei dem in den Blick genommenen „Demographiezuschuss“ um eine Zahlung des Bundes handeln. Zudem muss diese Zahlung einen „Zuschuss“ im Sinne des § 213 Abs. 1 SGB VI darstellen und „zu den Ausgaben der allgemeinen Rentenversicherung“ geleistet werden. a) „Der Bund leistet … Zuschüsse“ Der neue „Demographiezuschuss“ soll aus Bundesmitteln finanziert werden, so dass auf die Voraussetzung „Zahlung des Bundes“ nicht weiter einzugehen ist. Eine eingehendere Beschäftigung hat indes mit dem von § 213 Abs. 1 SGB VI geforderten Charakter eines „Zuschusses“ zu erfolgen. aa) Begrenzung der Erhöhung der Bundesmittel aus dem Begriff „Zuschuss“? Auch bei einer etwaigen Erhöhung des Bundeszuschusses zur GRV müssen gemäß § 213 Abs. 1 SGB VI die Geldmittel, die aus dem Bundeshaushalt in die GRV fließen, weiterhin einen „Zuschuss“ darstellen. Im SGB VI selbst oder an anderer Stelle wird der Begriff des Zuschusses nicht näher definiert oder konkretisiert. Eine genaue Begriffsbestimmung ist aber unerlässlich, da sich aus dem Begriff des Zuschusses – insbesondere auch angesichts der Verwendung desselben Wortes im Grundgesetz, worauf noch näher einzugehen sein wird – womöglich Anhaltspunkte für die nähere Ausgestaltung der Bundeszuschüsse, gegebenenfalls sogar für eine Grenze bezüglich der zulässigen Gesamthöhe der Summe aller Bundeszuschüsse ergeben könnten. Deshalb ist die Bedeutung dieser verwendeten Terminologie durch Auslegung zu ermitteln. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird ein Zuschuss als ein „Betrag“ definiert, „der jemandem zur Verfügung gestellt wird, um ihm bei der Finanzierung einer Sache zu helfen“; es handelt sich mithin um eine „finanzielle Hilfe“.28 Ein finanzieller Zuschuss ist danach stets Geld, das zusätzlich zur Unterstützung gezahlt wird. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch muss ein Zuschuss demnach ein Betrag sein, der zur Aufstockung eines Hauptsachebetrages geleistet wird. Damit dieses Verhältnis (Hauptbetrag – Zuschuss) und damit der Charakter eines Zuschusses als (nur) unterstützender Betrag erhalten bleibt, muss letzterer hinsichtlich seiner Höhe stets hinter dem Hauptsachebetrag zurückbleiben. Anderenfalls entfiele die unterstüt28 Duden online, abrufbar unter http://www.duden.de/rechtschreibung/Zuschuss, zuletzt aufgerufen am 1. 8. 2017, 16:20 Uhr.

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2. Teil: Rechtsgrundlage für einen zusätzlichen Bundeszuschuss

zende Funktion; der bezuschussende Betrag bekäme die Funktion der Hauptfinanzierungsquelle. Eine finanzielle Zuwendung bleibt also nur solange ein Zuschuss, solange sie weniger als die Hälfte des gesamten Finanzbedarfs ausmacht. Mithin folgt aus dem allgemeinen Sprachgebrauch, wie ihn der in § 213 SGB VI enthaltene Begriff „Zuschuss“ vorgibt, für den Gesamtbetrag der Bundeszuschüsse zur GRV eine 50 Prozent-Grenze: Die Erhöhung der Bundesmittel darf nur so hoch ausfallen, dass die gesamten Bundeszuschüsse zur GRV weiterhin unterhalb von 50 Prozent der Gesamteinnahmen der GRV bleiben. bb) Begriff „Zuschuss“: Zweckbestimmung erforderlich? Während die Vorgängernormen des § 213 SGB VI – §§ 1389 RVO/116 AVG – noch vorsahen, dass der Bundeszuschuss zu den Ausgaben gezahlt wird, die nicht Leistungen der Alterssicherung sind,29 enthält § 213 SGB VI keine Zweckbestimmung mehr.30 Ein gewisser Zweck geht indes aus dem Begriff des Zuschusses selbst hervor: Wie soeben ausgeführt wurde, fordert die Bezeichnung eines Geldbetrags als „Zuschuss“ nach dem allgemeinen Sprachgebrauch, dass dieser Geldbetrag eine finanzielle Unterstützung eines Hauptsachebetrages darstellen muss. Damit muss der Zuschuss jedenfalls demselben Finanzierungsgegenstand dienen wie jener zu unterstützender Betrag. Die zu unterstützende Hauptsache ist indes in § 213 Abs. 1 SGB VI selbst nur höchst allgemein gehalten: Es handelt sich um die „Ausgaben der allgemeinen Rentenversicherung“. Die Bezuschussung dieser Ausgaben der GRV erfordert daher ebenfalls keine enge Zielbestimmung, sondern lediglich die Zahlung in denselben „Topf“ – also in den Topf „Gesetzliche Rentenversicherung“. Dies ist durch die Zweckbestimmung des „Demographiezuschusses“ unproblematisch gewährleistet, da er sich auf den Beitragssatz und auf das Rentenniveau auswirken und damit die Ausgaben der GRV unmittelbar unterstützen soll. Einer weiteren – engeren – Zielbestimmung i.S. einer Festlegung auf konkrete Ausgabeposten bedarf es nicht, um als „Zuschuss“ zu den „Ausgaben der allgemeinen Rentenversicherung“ zu gelten. 29

Eine weitere Konkretisierung durch den Gesetzgeber war aber auch zu der bisherigen Regelung nicht vorhanden, so dass ihr lediglich eine programmatische Funktion beizumessen war (vgl. KomGRV, § 213 SGB VI Rn. 4.1; von der Heide, in: GK-SGB VI, § 213 Rn. 15; Kater, in: KassKomm. SGB VI, § 213 Rn. 3). 30 von der Heide, in: GK-SGB VI, § 213 Rn. 2, Rn. 15; Kater, in: KassKomm. SGB VI, § 213 Rn. 3; KomGRV, § 213 SGB VI Rn. 4.1. Marschner, in: Löschau, SGB VI, § 213 Rn. 18 führt (mit anschließendem Beispiel) dazu aus, dass der Umstand, dass die Zweckrichtung des Bundeszuschusses in § 213 SGB VI nicht konkretisiert wird, zwar „sozialpolitisch durchaus kritisiert werden könnte, verfassungsrechtlich aber jedenfalls unbedenklich erscheint“, zumal „die mangelnde Präzisierung durchaus im Einklang damit [steht], dass angesichts der Kompliziertheit des Rentenleistungssystems nur schwer zu definieren ist, was sich in der gesetzlichen Rentenversicherung als ,versicherungsfremde Leistungen‘ darstellt bzw. mit welchem Gegenwert (absoluter oder auch nur prozentualer Anteil an den Rentenausgaben der allgemeinen Rentenversicherung) diese Leistungen anzusetzen sind.“

B. Eignung der bisherigen Regelungen in § 213 SGB VI

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b) „Zu den Ausgaben der allgemeinen Rentenversicherung“ Wie bereits festgestellt worden ist, soll der hier zu untersuchende zusätzliche Bundeszuschuss dadurch, dass er eine doppelte Haltelinie für den Beitragssatz und für das Rentenniveau (mit-)finanzieren soll, einen Beitrag zu den Ausgaben der allgemeinen Rentenversicherung leisten. Aus diesem weiten Tatbestandsmerkmal des § 213 Abs. 1 SGB VI ergibt sich die Multifunktionalität31 des allgemeinen Bundeszuschusses zur gesetzlichen Rentenversicherung. Um von § 213 Abs. 1 SGB VI als Rechtsgrundlage umfasst zu sein, müsste der zusätzliche Zuschuss dieselben Funktionen haben wie der bisher unter diese Norm fallende allgemeine Bundeszuschuss. Nach einhelliger Meinung hat der allgemeine Bundeszuschuss keinen reinen Subventionscharakter und ist keine „fürsorgerische Leistung“ und insoweit auch kein Element des sozialen Ausgleichs.32 Vielmehr erfüllt er verschiedene andere Funktionen, die sich grob in zwei Gruppen einteilen lassen: Zum einen sind dies besondere Entlastungs- und Ausgleichsfunktionen und zum anderen allgemeine Sicherungsfunktionen.33 Die besonderen Entlastungs- und Ausgleichsfunktionen gehen darauf zurück, dass der Solidargemeinschaft der GRV in der Vergangenheit eine Vielzahl gesamtgesellschaftlicher Aufgaben, die an sich von der Allgemeinheit zu tragen wären, sowie Kosten, die überwiegend dem Risikobereich anderer Sozialleistungsträger zuzuordnen wären, übertragen worden sind. Es handelt sich bei dem Bundeszuschuss in erster Linie um eine Entschädigung für die Übertragung gesamtgesellschaftlicher Lasten (z. B. Kriegsfolgelasten, Familienlastenausgleich, Ausbildungszeiten), für die Übertragung von Lasten anderer Sozialleistungsträger (z. B. Mehrkosten für Altersrenten an Schwerbehinderte oder wegen Arbeitslosigkeit, Kosten der rentenrechtlichen Anrechnung von Zeiten der Krankheit oder Arbeitslosigkeit ohne Beitragsleistung) und für die Berücksichtigung besonderer Lebenslagen (z. B. die ersten Berufsjahre, Rente nach Mindesteinkommen).34 Die Funktion des allgemeinen Bundeszuschusses kann aber nicht auf den Ausgleich der Übertragung gesamtgesellschaftlicher, d. h. nicht beitragsgedeckter,

31 So etwa die Kommission des Verbands Deutscher Rentenversicherungsträger (VDRKommission), vgl. von der Heide, in: GK-SGB VI, § 213 Rn. 16; KomGRV, § 213 SGB VI Rn. 4.1. 32 BVerfG, Beschl. v. 26. 3. 1980 – 1 BvR 121/76, 1 BvR 122/76, BVerfGE 54, 11 (30); Diel, in: Hauck/Noftz, SGB VI, § 213 Rn. 19; von der Heide, in: GK-SGB VI, § 213 Rn. 15; Kater, in: KassKomm. SGB VI, § 213 Rn. 3; KomGRV, § 213 SGB VI Rn. 2. 33 von der Heide, in: GK-SGB VI, § 213 Rn. 16; Hüfken, in: Handbuch der gesetzlichen Rentenversicherung, 2. Aufl. 2012, Kap. 23 Rn. 35; KomGRV, § 213 SGB VI Rn. 4.1. S. zur historischen Entwicklung der Funktionen der Reichs- und später Bundeszuschüsse Diel, in: Hauck/Noftz, SGB VI, § 213 Rn. 9 ff., Rn. 20 ff. 34 von der Heide, in: GK-SGB VI, § 213 Rn. 16; Kater, in: KassKomm. SGB VI, § 213 Rn. 4; Viebrok, in: jurisPK-SGB VI, § 213 Rn. 7; KomGRV, § 213 SGB VI Rn. 2, Rn. 4.1 mit vielen weiteren Nachweisen.

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2. Teil: Rechtsgrundlage für einen zusätzlichen Bundeszuschuss

Lasten auf die GRV beschränkt werden.35 Vielmehr hat er daneben seit jeher36 auch eine allgemeine Sicherungs- und Garantiefunktion für den Bestand der GRV als solche: Der Bundeszuschuss soll die Funktions- und Leistungsfähigkeit der GRV auch unter sich verändernden ökonomischen und demographischen Rahmenbedingungen und damit den Schutz der Beitragszahler und der Leistungsberechtigten vor übermäßiger Belastung gewährleisten.37 Ferner geht es darum, den Grundsatz der Generationengerechtigkeit zu wahren.38 Es herrscht politischer Konsens darüber, dass insbesondere die demographische Alterung der Gesellschaft „als eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung anzusehen [ist], die nicht allein von der Versichertengemeinschaft zu bewältigen ist“.39 In ihrer allgemeinen Sicherungsfunktion werden die Bundeszuschüsse aufgrund der Pflicht des Bundes zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit der GRV gezahlt. Diese Pflicht folgt aus der Entscheidung des Bundes, ein gesetzliches Rentenversicherungssystem zu schaffen, „das ganz überwiegend auf Zwang beruh[t]“40, ist also „Ausdruck und Folge der politischen Verantwortung des Staates für das von ihm organisierte Pflichtversicherungssystem“.41 Sie folgt mithin aus der Stellung des Bundes als letztverantwortlichem Organisator der Rentenversicherung.42 Ein neuer „Demographiezuschuss“ soll zwar, wie bereits ausgeführt, nicht speziell der Abgeltung nicht beitragsgedeckter Lasten dienen; er soll aber explizit den Bestand und die Funktionsfähigkeit der GRV als zentraler Säule der Altersversorgung trotz sich ändernder gesamtgesellschaftlicher Umstände sichern. Mithin teilte der neue Bundeszuschuss die Sicherungs- und Garantiefunktion, die § 213 Abs. 1

35 BMAS, Gesamtkonzept zur Alterssicherung, 2016, S. 26; von der Heide, in: GK-SGB VI, § 213 Rn. 17. 36 Diel, in: Hauck/Noftz, SGB VI § 213 Rn. 9; Sander, DRV 1968, 371 (372): Schon im Rahmen der Einführung eines Reichsbeitrags anlässlich der Einführung der Invalidenversicherung wurde ausgeführt, dass es „ein innerer Widerspruch [wäre], wenn das allgemeine Interesse des Reiches an einer möglichst normalen Gestaltung der sozialen Verhältnisse nicht auch in einer anteiligen Aufwendung von Reichsmitteln zur Bestreitung der zu erwartenden Gesamtbelastung seinen entsprechenden Ausdruck fände.“ S. ferner auch Diel, in: Hauck/ Noftz, SGB VI, § 213 Rn. 20 ff. 37 BMAS, Gesamtkonzept zur Alterssicherung, 2016, S. 26: „Dämpfung des Beitragssatzanstiegs“; Eichenhofer, in: Wenner/Eichenhofer, SGB VI, § 213 Rn. 1; von der Heide, in: GK-SGB VI, § 213 Rn. 4, Rn. 16 f.; Hüfken, in: Handbuch der gesetzlichen Rentenversicherung, 2. Aufl. 2012, Kap. 23 Rn. 35; Kater, in: KassKomm. SGB VI, § 213 Rn. 5; KomGRV, § 213 SGB VI Rn. 4.3; Stock, in: Reinhardt, SGB VI, § 213 Rn. 2 f., 6, 10; Viebrok, in: jurisPKSGB VI, § 213 Rn. 7. 38 KomGRV, § 213 SGB VI Rn. 4.3. 39 KomGRV, § 213 SGB VI Rn. 4.3. 40 Diel, in: Hauck/Noftz, SGB VI, § 213 Rn. 8. 41 Kater, in: KassKomm. SGB VI, § 213 Rn. 5; ähnlich von der Heide, in: GK-SGB VI, § 213 Rn. 16. 42 Diel, in: Hauck/Noftz, SGB VI, § 213 Rn. 8; von der Heide, in: GK-SGB VI, § 213 Rn. 16.

B. Eignung der bisherigen Regelungen in § 213 SGB VI

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SGB VI zugrunde liegt, so dass er auch hinsichtlich seiner Funktion und seines Zwecks von § 213 Abs. 1 SGB VI gedeckt wäre. c) Aber: Unvereinbarkeit mit dem Anpassungsmechanismus in § 213 Abs. 2, Abs. 2a SGB VI Während sich, wie gezeigt, der diskutierte „Demographiezuschuss“ an sich unter die Voraussetzungen des § 213 Abs. 1 SGB VI subsumieren ließe – jedenfalls solange die Bundeszuschüsse unterhalb von 50 Prozent der gesamten Einnahmen der GRV blieben –, muss § 213 Abs. 1 SGB VI angesichts der Regelungen in § 213 Abs. 2 und Abs. 2a SGB VI (und auch in § 287e SGB VI) nach der derzeitigen Gesetzeslage dennoch als ungeeignete Rechtsgrundlage angesehen werden. Denn diese Regelungen geben genau vor, wie sich die jeweiligen Zuschüsse zu berechnen haben, und lassen daher eine davon unabhängige Erhöhung „außer der Reihe“ nicht zu. § 213 Abs. 2 SGB VI regelt als Grundsatznorm für die Berechnung der jährlichen Höhe des allgemeinen Bundeszuschusses einen festen Anpassungsmechanismus. Nach diesem Anpassungsmechanismus des § 213 Abs. 2 SGB VI wird der Bundeszuschuss für jedes Kalenderjahr neu festgelegt (Satz 1), jedoch nicht nach freiem Ermessen des Gesetzgebers oder der Bundesregierung. Vielmehr ergibt sich die genaue Höhe des jeweils in einem Kalenderjahr zu zahlenden Bundeszuschusses aus zwei Faktoren: Dies ist zum einen die Entwicklung der Bruttolöhne und -gehälter im jeweils vorangehenden Kalenderjahr gegenüber den entsprechenden Bruttolöhnen und -gehältern des vorvergangenen Kalenderjahres (§§ 213 Abs. 2 Satz 1, 68 Abs. 2 Satz 1 SGB VI). Zum zweiten ist die Fortschreibung des allgemeinen Bundeszuschusses seit dem RRG 1992 an die Veränderung des Beitragssatzes vom Vorjahr zum jeweils laufenden Jahr gekoppelt. Aufgrund dessen ist der jeweils für ein Kalenderjahr zu zahlende Bundeszuschuss anhand einer ganz bestimmten Formel zu berechnen.43 Dadurch soll gewährleistet sein, dass der Bund an jeder Be- oder Entlastung der Versicherten infolge einer etwaigen Beitragssatzveränderung vergleichbar beteiligt wird.44 Soll von dieser Berechnungsvorgabe abgewichen werden, ist eine ausdrückliche gesetzliche Regelung erforderlich, wie auch Satz 4 des § 213 Abs. 2 SGB VI sowie Abs. 2a belegen. So ist für die Jahre 2019 bis 2022 in § 213 Abs. 2 Satz 4, 1. Halbs. SGB VI ausdrücklich eine entsprechende Erhöhung des allgemeinen Bundeszuschusses angeordnet worden; Abs. 2a enthält demgegenüber ab dem Jahr 2006 für bestimmte Jahre konkret festgelegte Verminderungsvorgaben.

43

S. zu dieser Formel im Einzelnen von der Heide, in: GK-SGB VI, § 213 Rn. 5 ff., zu der Ermittlung des Basisbetrages Rn. 9 ff.; sehr ausführlich und differenziert KomGRV, § 213 SGB VI Rn. 5. Auf die einzelnen Modifizierungen und Sonderregelungen in den Sätzen 2 und 3 des § 213 Abs. 2 SGB VI muss nicht näher eingegangen werden. Allein maßgeblich ist der Befund, dass ein fester Anpassungsmechanismus gesetzlich vorgegeben ist. 44 KomGRV, § 213 SGB VI Rn. 2.

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2. Teil: Rechtsgrundlage für einen zusätzlichen Bundeszuschuss

Mit diesen detaillierten gesetzlichen Vorgaben wäre eine davon unabhängig und ohne entsprechende Normierung abweichend festgesetzte Erhöhung der Bundesmittel nicht vereinbar. Die genaue Normierung der regulären Berechnung in § 213 Abs. 2 SGB VI, die explizite gesetzliche Vorgabe einer besonderen Erhöhung in Abs. 2 Satz 4, die genauen Regelungen im Falle abweichender Berechnungen in Abs. 2a und auch die Bestimmungen des § 287e SGB VI, der speziell die Veränderung des Bundeszuschusses in den Beitrittsgebieten regelt, machen deutlich, dass ein Abweichen von dem regulären Anpassungsmechanismus stets einer gesonderten gesetzlichen Regelung bedarf. Gestützt wird dieser Befund ferner dadurch, dass für eine irreguläre, signifikante Erhöhung der Bundesmittel im Jahr 1998 der zusätzliche Bundeszuschuss als unabhängiger – „neuer“ – Zuschuss in einem eigenständigen Absatz (Abs. 3) eingeführt wurde. Die im Rahmen eines „Demographiezuschusses“ zu erbringenden Finanzmittel des Bundes ergäben sich weder unter Zugrundelegung des § 213 Abs. 2 SGB VI noch nach Maßgabe des Abs. 2a. Schon der Ausgangspunkt der Berechnung des „Demographiezuschusses“ soll ein anderer sein als bei der Berechnung des bisherigen allgemeinen Bundeszuschusses: Es soll nicht von der Entwicklung der Bruttoentgelte und des Beitragssatzes in der Vergangenheit ausgegangen werden, sondern es sollen zunächst ein zukünftig gewünschter stabiler Beitragssatz sowie ein zukünftig gewünschtes stabiles Rentenniveau festgelegt und daraus dann anschließend die erforderlichen Bundesmittel errechnet werden. Dabei handelt es sich um eine gänzlich andere Herangehensweise als bei der bisherigen Berechnung des allgemeinen Bundeszuschusses. Dies führt nicht dazu, dass § 213 Abs. 1 SGB VI per se als Rechtsgrundlage für den „Demographiezuschusses“ – jedenfalls bis zu der besagten 50 Prozent-Grenze – ungeeignet wäre. Die Unvereinbarkeit mit dem bisherigen Anpassungsmechanismus bedeutet aber Folgendes: In jedem Fall bedürfte die Erfassung des neuen Bundeszuschusses von § 213 Abs. 1 SGB VI als Rechtsgrundlage einer gesonderten gesetzlich normierten Berechnungsregelung oder Höhenfestsetzung, etwa in Abs. 2, in Abs. 2a oder in einem eigenen Absatz in § 213 SGB VI. Dass solche von dem grundsätzlichen Anpassungsmechanismus abweichend festgesetzten gesetzlichen Regelungen nicht grundsätzlich ausgeschlossen oder unüblich sind, zeigen die Inhalte von § 213 Abs. 2 Satz 4, Abs. 2a SGB VI und von § 287e SGB VI.45

3. Zwischenergebnis Zusammenfassend ist zu der Frage nach der Geeignetheit des § 213 Abs. 1 SGB VI als Rechtsgrundlage für einen etwaigen „Demographiezuschuss“ festzuhalten: Der historische Einführungszweck aus dem Jahr 1992, wonach der all45 S. auch Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr, HdbRV II, § 213 SGB VI Rn. 5: „Der Gesetzgeber kann jederzeit […] den Mechanismus außer Kraft setzen, indem er durch Gesetz Leistungen und/oder Beitragssätze bzw. den Bundeszuschuss ändert.“

C. Vorschlag: Neue Rechtsgrundlage durch Erweiterung des § 213 SGB VI

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gemeine Bundeszuschuss nicht mehr nur für Fremdlasten, sondern als Ausdruck u. a. der staatlichen Verantwortung für das Funktionieren der GRV geleistet werden sollte, läuft mit dem übergeordneten Ziel des diskutierten Demographiezuschusses konform. Denn auch diese zusätzlichen Bundesmittel sollen, wie bereits dargestellt, die Funktionsfähigkeit der GRV als zentraler und verlässlicher Säule der Altersversorgung sicherstellen. Damit wäre ein „Demographiezuschuss“ – jedenfalls solange die Bundeszuschüsse in ihrer Gesamtheit nicht 50 Prozent der gesamten Einnahmen der GRV erreichen – dem Grunde nach von § 213 Abs. 1 SGB VI als Rechtsgrundlage gedeckt. Allerdings verlangte der Fortschreibungsmechanismus in § 213 Abs. 2, Abs. 2a SGB VI eine Gesetzesänderung bzw. -ergänzung zur Fixierung der genauen Höhe oder zumindest der genauen Berechnungsweise des zukünftigen (zusätzlichen) Erhöhungsbetrages.

C. Vorschlag: Neue Rechtsgrundlage durch Erweiterung des § 213 SGB VI Neben einem Rückgriff auf § 213 Abs. 1 SGB VI als Rechtsgrundlage – unter der soeben aufgezeigten Voraussetzung einer Änderung oder Ergänzung der Absätze 2 und 2a – könnte alternativ überlegt werden, in einem neuen Absatz (etwa einem Abs. 7) eine eigene – neue – Rechtsgrundlage für den „Demographiezuschuss“ zu schaffen. Dass dies ohne weiteres möglich wäre und nicht einmal erforderte, dass der „Demographiezuschuss“ ein „aliud“ zu dem von § 213 Abs. 3 SGB VI geregelten zusätzlichen Bundeszuschuss und/oder zu dem von § 213 Abs. 1 SGB VI gemeinten allgemeinen Bundeszuschuss darstellen müsste, zeigt bereits die Einführung des § 213 Abs. 3 SGB VI als gesonderte Rechtsgrundlage für den zusätzlichen Bundeszuschuss: Der zusätzliche Bundeszuschuss hätte keiner neuen, eigenen Rechtsgrundlage bedurft, sondern wäre angesichts des weiten Wortlautes des § 213 Abs. 1 SGB VI dem Grunde nach ebenfalls von dieser Rechtsgrundlage erfasst gewesen. Es hätte – wie in dem nun diskutierten Fall eines „Demographiezuschusses“ – nur einer Änderung oder Ergänzung der Absätze 2 und 2a bedurft. Der Gesetzgeber hat sich aber entschieden, einen neuen Absatz und einen separaten bzw. weiteren Bundeszuschuss zu schaffen. Dies könnte und dürfte er mithin auch hinsichtlich eines neuen weiteren Zuschusses tun. Ein solches Vorgehen auch im Rahmen der Einführung eines „Demographiezuschusses“ ist insbesondere aus zweierlei Gründen befürwortenswert und vorzugswürdig: Erstens schaffte die Einfügung einer gesonderten Rechtsgrundlage für einen weiteren bzw. erhöhten Zuschuss Rechtsklarheit und Transparenz46. Angesichts der 46 KomGRV, § 213 SGB VI Rn. 4.3 würde indes eine Zusammenlegung aller Bundeszuschüsse bevorzugen: Danach besteht angesichts der Unterscheidung zwischen allgemeinem und zusätzlichem Bundeszuschuss sowie dem Erhöhungsbetrag – allesamt mit unterschiedlichen Fortschreibungsmechanismen – mittlerweile ein hohes Maß an Intransparenz über die

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2. Teil: Rechtsgrundlage für einen zusätzlichen Bundeszuschuss

Vorgehensweise bei der Einführung des zusätzlichen Bundeszuschusses nach Abs. 3 wäre die Schaffung einer eigenen Rechtsgrundlage für einen weiteren (zweckgebundenen) Bundeszuschuss nur systemkonform und konsequent – mehr noch: Dies würde höchstwahrscheinlich sogar erwartet. Zweitens ermöglichte ein eigener Absatz eine einfachere, flexiblere, abgrenzbare und dadurch wiederum transparentere Anpassung jedes der Zuschüsse, denen jeweils unterschiedliche Zwecke bzw. Hintergründe zugrunde liegen, an sich verändernde Umstände und an neue Entwicklungen.

D. Ergebniszusammenfassung Im Ergebnis sind folgende wesentliche Erkenntnisse festzuhalten: - Die Gewährung eines zusätzlichen bzw. erhöhten Bundeszuschusses bzw. die Einführung eines neuen „Demographiezuschusses“ bedarf einer einfachgesetzlichen Rechtsgrundlage. Eine gesetzesfreie Gewährung ist nicht zulässig. - Der „Demographiezuschuss“ kann nicht dem zusätzlichen Bundeszuschuss i.S.d. § 213 Abs. 3 SGB VI und dem entsprechenden Erhöhungsbetrag i.S.d. § 213 Abs. 4 SGB VI zugeordnet werden; § 213 Abs. 3 SGB VI eignet sich als Rechtsgrundlage mithin nicht. - Der „Demographiezuschuss“ kann aber unter zwei Voraussetzungen dem allgemeinen Zuschuss i.S.d. § 213 Abs. 1 SGB VI zugeordnet werden: Erstens müsste aufgrund des Charakters als „Zuschuss“ die Gesamthöhe der Bundeszuschüsse zur GRV unterhalb von 50 Prozent der Gesamteinnahmen der GRV verbleiben; zweitens wäre eine Gesetzesänderung oder -ergänzung des § 213 Abs. 2, 2a SGB VI (Basisbetrag) notwendig. - Der „Demographiezuschuss“ kann aber auch eine gesonderte eigene Rechtsgrundlage in § 213 SGB VI erhalten. Das erforderte ebenfalls eine Gesetzesänderung in § 213 SGB VI durch die Schaffung eines neuen Absatzes, in dem dieser Zuschuss geregelt würde. Diese Lösung erscheint insbesondere aus Gründen der Systemkonformität, der Transparenz und der Rechtsklarheit vorzugswürdig. Beteiligung des Bundes an der Finanzierung der GRV. Es wäre begrüßenswert, „wenn es zu einer Vereinfachung in der Form einer Zusammenführung der unterschiedlichen Bundeszuschüsse käme“. Dem ist allerdings entgegenzuhalten, dass bei einem speziellen Beweggrund für eine Erhöhung der Bundesmittel – dies war bei der Einführung des zusätzlichen Bundeszuschusses (nur zur Abgeltung versicherungsfremder Lasten) der Fall und ist auch und noch mehr hinsichtlich des „Demographiezuschusses“ gegeben (zur Gewährleistung einer doppelten Haltelinie) – eine gesetzliche Trennung der einzelnen Bundesmittel eine Nachvollziehung der einzelnen Zweckbestimmungen transparenter zulassen, als dies bei einer Zusammenlegung sämtlicher Zuschüsse zu einem Pauschalzuschuss der Fall wäre. Freilich wäre es aber sicher nicht unangebracht, die Fortschreibungsmechanismen zu überdenken und insbesondere die Absätze 2, 2a und 4 durch eine Streichung der mittlerweile überholten Regelungen zu entlasten.

3. Teil

Einfach-, verfassungs- und unionsrechtliche Vorgaben für einen zusätzlichen bzw. erhöhten Bundeszuschuss Unabhängig davon, ob ein neu einzuführender „Demographiezuschuss“ eine gesonderte eigene gesetzliche Rechtsgrundlage in § 213 SGB VI erhalten oder ob eine Gesetzesänderung des § 213 Abs. 2, 2a SGB VI (Basisbetrag) vorgenommen werden würde, müsste der Gesetzgeber bei der Einführung eines solchen „Demographiezuschusses“ verschiedene weitere einfachgesetzliche, verfassungsrechtliche und unionsrechtliche Vorgaben beachten. Kurz abhandeln lassen sich dabei zwei Vorgaben aus Art. 110 GG und aus § 213 Abs. 6 SGB VI (nachfolgend A.). Sodann müsste die neue bzw. geänderte Rechtsgrundlage zum einen mit Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG, der die Kompetenz des Bundes für die Zuschussgewährung an die Sozialversicherung vorsieht, vereinbar sein (nachfolgend B.). Zum anderen müsste die neue bzw. geänderte Rechtsgrundlage mit den Vorgaben vereinbar sein, die sich im Hinblick auf die Zuschussgewährung an die GRV aus den Grundrechten ergeben. Von Bedeutung sind hier namentlich Art. 14 Abs. 1 GG bzw. Art. 2 Abs. 1 GG (unter C.) und der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG (unter D.). Schließlich ist noch ein Blick auf das Europäische Recht zu werfen und zu fragen, ob und gegebenenfalls inwieweit die Zuschussgewährung Einfluss auf die Stellung der Deutschen Rentenversicherung Bund als Unternehmen i.S.d. Art. 101 ff. AEUV haben könnte (unter E.).

A. Vorgaben aus Art. 110 GG und § 213 Abs. 6 SGB VI I. Aufnahme des Zuschusses in den Bundeshaushaltsplan Formell-rechtlich erfordert eine etwaige Erhöhung des Bundeszuschusses an die Gesetzliche Rentenversicherung gemäß Art. 110 Abs. 1, 1. Halbs. GG die betragsmäßige Festlegung im Bundeshaushaltsplan.1 Dieser ist gemäß Art. 110 Abs. 2 Satz 1 GG i.V.m. den Vorgaben des Haushaltsgrundsätzegesetzes (HGrG) als Anlage zum Bundeshaushaltsgesetz zu beschließen, nachdem dem Bundesrat nach Maßgabe des Art. 110 Abs. 3 GG die Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben worden ist.

1

von der Heide, in: GK-SGB VI, § 213 Rn. 7.

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3. Teil: Einfach-, verfassungs- und unionsrechtliche Vorgaben

II. Festsetzung und Auszahlung durch das Bundesversicherungsamt Die konkrete Festsetzung und Auszahlung2 des Bundeszuschusses (in Monatsraten) sowie die Abrechnung hat gemäß § 213 Abs. 6 SGB VI durch das Bundesversicherungsamt (BVA) zu erfolgen. Dabei legt das BVA nach § 227 Abs. 1 SGB VI die von der Deutschen Rentenversicherung Bund getroffenen Festlegungen über die Verteilung der Bundeszuschüsse zugrunde. Die Bundeszuschüsse sind gemäß § 219 Abs. 1 Satz 2 SGB VI an die Träger der allgemeinen Rentenversicherung nach dem Verhältnis ihrer Beitragseinnahmen zu verteilen.3

B. Mögliche Vorgaben aus Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG bestimmt: „Der Bund trägt die Zuschüsse zu den Lasten der Sozialversicherung mit Einschluss der Arbeitslosenversicherung und der Arbeitslosenhilfe.“ Diese Regelung stellt eine Abweichung vom Grundsatz der Konnexität des Art. 104a Abs. 1 GG4 dar, wonach Bund und Länder gesondert die Ausgaben tragen, die sich jeweils aus der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ergeben.5 Bei einer dementsprechenden konnexen Verteilung der Sozialversicherungslasten müssten auch die Länder einen Teil der Ausgabenlast tragen. Denn da es keinen Verfassungsrechtssatz gibt, nach dem der Bund alle Aufgaben, die sich als Aufgaben der Sozialversicherung darstellen, zu übernehmen hätte,6 richtet sich die Zustän-

2 Hüfken, in: Handbuch der gesetzlichen Rentenversicherung, 2. Aufl. 2012, Kap. 23 Rn. 44: Die Zahlung der monatlichen Raten erfolgt jeweils mit den Renten am Fälligkeitstag (gemäß § 118 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbs. SGB VI am letzten Bankarbeitstag des betreffenden Monats) direkt an den Postrentendienst der Deutschen Post AG, der die Renten für die Träger der allgemeinen Rentenversicherung auszahlt (§ 199 SGB VI). 3 Diel, in: Hauck/Noftz, SGB VI, § 213 Rn. 75 f.; von der Heide, in: GK-SGB VI, § 213 Rn. 25; Hüfken, in: Handbuch der gesetzlichen Rentenversicherung, 2. Aufl. 2012, Kap. 23 Rn. 44. 4 Art. 104a GG kam allerdings erst mit der Finanzreform 1969 in das Grundgesetz. Jedoch lag das heute in Art. 104a Abs. 1 festgelegte Konnexitätsprinzip bereits Art. 106 Abs. 1, Abs. 2 GG i. d. F. v. 23. 5. 1949 zugrunde (vgl. v. Mangoldt, GG, 1953, Art. 106, Anm. 2, S. 563). Durch das Finanzverfassungsgesetz von 1955 erfolgte dann zunächst eine Regelung in Art. 106 Abs. 4 Satz 2 GG a. F., in der es für den dort zugelassenen Fall der Änderung der Beteiligungsverhältnisse von Bund und Ländern an der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer hieß: „Hierbei ist von folgenden Grundsätzen auszugehen: 1. Der Bund und die Länder tragen gesondert die Ausgaben, die sich aus der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ergeben.“ Diese Regelung wurde in Art. 104a Abs. 1 GG übernommen. 5 Axer, in: Friauf/Höfling, GG, Art. 120 Rn. 1; Schaefer, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 120 Rn. 1; Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 120 Rn. 3; Trapp, Das Veranlassungsprinzip in der Finanzverfassung, 1997, S. 148 f. 6 BVerfG, Urt. v. 24. 7. 1962 – 2 BvL 15, 16/61, BVerfGE 14, 221 (234).

B. Mögliche Vorgaben aus Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG

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digkeit für die Aufgabenerfüllung grundsätzlich nach Art. 83 ff. GG.7 Danach aber sind – mit Ausnahme der in Art. 87 Abs. 2 GG enthaltenen abweichenden Aufgabenzuständigkeit für überregionale Sozialversicherungsträger und für die Bundesanstalt (Bundesagentur für Arbeit) – teils (auch) die Länder (und eben nicht nur der Bund) dafür zuständig, in ländereigener Verwaltung die Aufgabe der Durchführung der Sozialversicherung zu übernehmen. Nach dem Grundsatz der Konnexität müssten demnach auch die Länder an der Ausgabenlast für Sozialversicherungslasten beteiligt werden. Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG weist dagegen die vollständige Ausgabenlast für Sozialversicherungslasten unabhängig von der Aufgabenzuteilung pauschal dem Bund zu. Aufgaben- und Ausgabenverantwortung fallen also entgegen dem verfassungsrechtlichen Grundprinzip der Konnexität auseinander, was eine diese Abweichung gestattende verfassungsgesetzliche Sonderregelung erfordert, die in Gestalt des Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG besteht.

I. Anwendbarkeit des Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG könnte allerdings als mögliche verfassungsrechtliche Beschränkung der allgemeinen einfachgesetzlichen Zuschusskompetenz von vornherein außer Betracht zu bleiben haben, wenn die Regelung nur Zuschüsse zu kriegsbedingten Lasten der Sozialversicherung abdeckte. Dafür spricht – jedenfalls auf den ersten Blick – die systematische Stellung des Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG „inmitten von Finanzvorschriften über Kriegsfolgelasten, eingerahmt zwischen der Verteilung der Aufwendungen und einer Klarstellung hinsichtlich der Entschädigungsansprüche für Kriegsfolgelasten“8 in den Sätzen 1 bis 3 und 5 der Regelung. Das legt den Gedanken nahe, dass die Vorschrift lediglich als Interimsregelung für kriegsbedingte Lasten der Sozialversicherung gedacht ist. Dann aber wäre Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG für die hier interessierende Frage der Neugestaltung des Bundeszuschusses an die GRV irrelevant, da dann ein Bezug zu den Ereignissen des Zweiten Weltkriegs erforderlich wäre, den der zu untersuchende „Demographiezuschuss“ eindeutig nicht hätte. Anders als es die systematische Verortung im Grundgesetz zunächst nahezulegen scheint, wird jedoch weder aus dem Wortlaut der Regelung noch aus der Natur der Angelegenheit wirklich deutlich, ob Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG nur für solche Lasten der Sozialversicherung gilt, die gleichzeitig Kriegsfolgelasten sind, oder ob die Zuschussberechtigung des Bundes unabhängig von der kausalen Verknüpfung der Lasten mit Kriegsfolgen besteht. Diese Interpretationsoffenheit hat unterschiedliche Auslegungen befördert.

7 8

Schaefer, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 120 Rn. 7. Kranz, Die Bundeszuschüsse zur Sozialversicherung, 1998, S. 94 f.

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3. Teil: Einfach-, verfassungs- und unionsrechtliche Vorgaben

1. Erste Ansicht: Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG erfasst nur Zuschüsse zu kriegsbedingten Lasten der Sozialversicherung Diejenige Sichtweise9, die Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG auf kriegsbedingte Lasten der Sozialversicherung beschränken will, kann dabei neben der bereits erwähnten systematischen Betrachtung auf den Wortlaut des Art. 120 Abs. 1 Satz 5 GG verweisen, der wegen seiner Stellung am Ende des Absatzes alle vorgenannten Sätze (und damit auch Satz 4) unter der Überschrift „Verteilung von Kriegsfolgelasten“ verklammert.10 Einen Hinweis in diese Richtung scheint auch der übergeordnete systematische Zusammenhang zu geben, nämlich die Zuordnung des Art. 120 GG zu den Übergangs- und Schlussbestimmungen des XI. Abschnitts des Grundgesetzes. Damit verträgt sich nach dieser Ansicht eine Interpretation nur im Sinne einer Zuschussberechtigung für (zeitlich möglicherweise lang andauernde, aber letztlich doch zeitlich limitierte) kriegsbedingte Lasten der Sozialversicherung, nicht aber ein Verständnis des Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG als zeitlich unbeschränkt geltende grundgesetzliche Dauerregelung. Argumentiert wird schließlich auch mit der Ursprungsfassung von Art. 120 GG11: Die damalige Regelung habe einen thematischen Zusammenhang zwischen Kriegsfolgen und Lasten der Sozialversicherung zum Ausdruck gebracht.12 2. Gegenansicht: Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG erfasst auch Zuschüsse zu Lasten der Sozialversicherung ohne Kriegszusammenhang Die herrschende Meinung in der Literatur13, das Bundesverfassungsgericht14 und das Bundessozialgericht15 gehen demgegenüber davon aus, dass eine thematische 9 Diemer, VSSR 10 (1982), 31 (38 f., 40, 43, 56 f., 62, 65); Kranz, Die Bundeszuschüsse zur Sozialversicherung, 1998, S. 94 f., S. 132 ff.; W. Leisner, Sozialversicherung und Privatversicherung, 1974, S. 101; wohl auch Trapp, Das Veranlassungsprinzip in der Finanzverfassung, 1997, S. 47. 10 Vgl. Kranz, Die Bundeszuschüsse zur Sozialversicherung, 1998, S. 95. 11 Art. 120 Abs. 1 GG i. d. F. von 1949 lautete: „Der Bund trägt die Aufwendungen für Besatzungskosten und die sonstigen inneren und äußeren Kriegsfolgelasten nach näherer Bestimmung eines Bundesgesetzes und die Zuschüsse zu den Lasten der Sozialversicherung mit Einschluß der Arbeitslosenversicherung und der Arbeitslosenfürsorge“. 12 Diemer, VSSR 10 (1982), 31 (57). 13 Axer, in: Friauf/Höfling, GG, Art. 120 Rn. 2, Rn. 26; Bieback, VSSR 21 (1993), 1 (15 f.); Gitter/Nunius, in: Schulin, HS-UV, 1996, § 4 Rn. 9; Häde, Finanzausgleich, 1996, S. 99; Hebeler, in: BonnKomm. GG, Art. 120 (2015) Rn. 45 ff.; Heun, FS Selmer, 2004, S. 657 (662); Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 120 Rn. 7; Kaltenborn, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 120 Rn. 6; Kemmler, Die Anstaltslast, 2001, S. 158 f.; F. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, 3. Aufl. 2007, § 125 Rn. 48, Rn. 52; Kramer, in: AK-GG, Art. 120 Rn. 6; Lütjohann, Die Lasten der gesetzlichen Rentenversicherung, 1994, S. 9 ff., 19 ff.; Masing, in: Dreier, GG, Art. 120 Rn. 16; Maunz, in: Maunz/Dürig (Erstbearb. 1970) Art. 120 Rn. 1; Muckel, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, GG, Art. 120 Rn. 25 ff.; Reiter, FS F. Klein, 1994, S. 1101 (1105); Rodenbach, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Art. 120 Rn. 20; Schaefer, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 120 Rn. 17; Schenke, in: Sodan, GG, Art. 120 Rn. 9; Siekmann, in: Sachs, GG,

B. Mögliche Vorgaben aus Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG

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Beschränkung des Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG auf Kriegsfolgelasten nicht gewollt sei. Es handele sich um Dauerrecht, das Bezug zu den Ereignissen des Zweiten Weltkriegs (gehabt) haben könne (so vor allem in den Nachkriegsjahren und soweit die Kriegsgeneration noch betroffen ist), aber nicht haben müsse. 3. Systematische, genetische, historische und teleologische Auslegung Zugunster der Verfassungsinterpretation der zuletzt genannten Ansicht lassen sich Wortlautgründe, aber auch (andere) systematische Erwägungen anführen: An erster Stelle steht das Argument, dass die besondere Erwähnung der Lasten der Sozialversicherung überflüssig wäre, wenn nur Kriegsfolgelasten der SozialverArt. 120 Rn. 7, Rn. 24; Umbach, in: Umbach/Clemens, GG, Art. 120 Rn. 10; Wannagat, Lehrbuch des Sozialversicherungsrechts, Bd. I, 1965, S. 19, S. 139; P. Weber, Gemeinden und Landkreise als Garantieträger, 1970, S. 46 ff. 14 Das Bundesverfassungsgericht hat allerdings nie explizit ausgesprochen, dass es davon ausgeht, Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG umfasse nicht nur kriegsbedingte Lasten der Sozialversicherung. Aus allen Entscheidungen ist aber erkennbar, dass es die Regelung als Dauerregelung versteht. In seiner ersten einschlägigen Entscheidung zum Fremdrentengesetz (BVerfG, Urt. v. 24. 7. 1962 – 2 BvL 15, 16/61, BVerfGE 14, 221 ff.) konnte es dies zwar noch offenlassen, weil es sich bei den Fremdrenten um eine kriegsbedingte Last der Sozialversicherung handelte. Dass das Gericht von einem Nebeneinander von Kriegsfolgen- und Sozialversicherungslasten ausgeht, ist vor allem an der Feststellung erkennbar, dass Art. 120 Abs. 1 GG „neben den Kriegsfolgelasten die Zuschüsse zu den Lasten der Sozialversicherung als gesonderten, vom Bund zu übernehmenden Ausgabenblock aufzählt“ (BVerfGE 14, 221 [235]). Dass das Bundesverfassungsgericht keine Kriegsfolgenbezogenheit der Sozialversicherungslasten verlangt, macht eine im Jahre 2001 ergangene Entscheidung zu einer Begrenzung der Bezugsdauer von originärer Arbeitslosenhilfe durch eine Änderung des damaligen Arbeitsförderungsgesetzesnoch klarer (BVerfG, Urt. v. 14. 3. 2001 – 1 BvR 2402/97, NZS 2001, 531). Bei der Arbeitslosenhilfegewährung bestand evident kein Kriegsfolgenzusammenhang. Dennoch hat das Gericht ersichtlich an der grundsätzlichen Anwendbarkeit des Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG keine Zweifel gehabt, wenn es formuliert, dass Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG hinsichtlich der Frage der Begrenzung der Bezugsdauer nichts ändere, weil diese Bestimmung nur besage, „dass der Bund die notwendigen Zuschüsse zu den Lasten der Sozialversicherung mit Einschluss der Arbeitslosenhilfe trägt. Sie macht keine Vorgaben dazu, wie diese Leistung auszugestalten ist“ (BVerfG, NZS 2001, 531 [532]). Sehr eindeutig ist dann die im Jahre 2005 ergangene Entscheidung zum Risikostrukturausgleich in der Gesetzlichen Krankenversicherung nach §§ 266 ff. SGB V (BVerfG, Beschl. v. 18. 7. 2005 – 2 BvF 2/01, BVerfGE 113, 167 ff.). Auch hier fehlt es an jeglichem Kriegsfolgenzusammenhang, ohne dass das Gericht aber an der Anwendbarkeit des Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG irgendwelche Zweifel angemeldet hätte. Das Gericht spricht vielmehr aus, dass Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG zusammen mit Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG und Art. 87 Abs. 2 GG „ein in sich geschlossenes Regelungssystem für die Sozialversicherung und deren Finanzierung“ bilde (BVerfG, Beschl. v. 18. 7. 2005 – 2 BvF 2/01, BVerfGE 113, 167 [200]); auch diese Einstufung setzt – genauso wie in den zuvor genannten Entscheidungen – ein Verständnis als Dauerregelung voraus. 15 BSG, Urt. v. 24. 5. 1972 – 3 RK 9/71, BSGE 34, 177 (179); BSG, Urt. v. 16. 11. 1978 – 3 RK 29/76, BSGE 47, 148 (157). Siehe auch noch BSG, Urt. v. 24. 1. 2003 – B 12 KR 19/01 R, BSGE 90, 231 (262).

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3. Teil: Einfach-, verfassungs- und unionsrechtliche Vorgaben

sicherung gemeint wären.16 Als solche wären sie nämlich bereits von Satz 1 abgedeckt.17 Auch aus Art. 120 GG i. d. F. von 1949 lässt sich nichts Gegenteiliges schließen: Die Ursprungsfassung hatte beide Bereiche zwar in einem Satz behandelt, die Formulierung „die sonstigen inneren und äußeren Kriegsfolgelasten“ stellt aber bereits eine Verallgemeinerung gegenüber den in Art. 120 Abs. 1 GG i. d. F. von 1949 ebenso wie im heutigen Art. 120 Abs. 1 Satz 1 GG erwähnten „Besatzungskosten“ dar und ließe die nochmalige und nachherige Erwähnung eines weiteren Spezialfalls dieses Oberbegriffs (neben den Besatzungskosten) unlogisch und systematisch verfehlt erscheinen. Hinzu kommt, dass die Regelung zu den Besatzungskosten und den Kriegsfolgelasten mit ihrem Gesetzesvorbehalt („nach näherer Bestimmung von Bundesgesetzen“18) anders ausgestaltet ist als die Regelung zu den Sozialversicherungslasten, wo es gerade an einem solchen Gesetzesvorbehalt fehlt. Desgleichen differenziert der Verfassungsgeber sprachlich zwischen „Aufwendungen“ (für Besatzungskosten und sonstige Kriegsfolgelasten) und „Zuschüssen“ zu den Lasten der Sozialversicherung. Auch Art. 120 Abs. 1 Satz 5 GG („Die durch diesen Absatz geregelte Verteilung der Kriegsfolgelasten …“) – will man überhaupt mit dieser erst im Jahre 1965 eingeführten Regelung argumentieren – spricht nicht zwingend für eine einschränkende Auslegung des Satzes 4. Dort wird nur festgestellt, dass in Art. 120 Abs. 1 GG überhaupt „die“ „Verteilung der Kriegsfolgelasten“ geregelt ist. Dass Art. 120 Abs. 1 GG Regelungen über nichts anderes als Kriegsfolgen enthält, kann Satz 5 aber nicht entnommen werden.19 Schließlich darf auch das Argument der Platzierung in den Übergangsvorschriften des Grundgesetzes nicht überbewertet werden, da diese Einordnung der Vorschrift ohnehin nach allgemeiner Ansicht20 verfehlt ist – und zwar schon hinsichtlich der Regelung der Kriegsfolgelasten. Sauber zugeordnet hätte die Regelung in den X. Abschnitt gehört (vgl. oben S. 32 f.). Überdies lässt sich aus der Platzierung einer Norm in den Übergangs- und Schlussbestimmungen nicht stets ablesen, dass alle dort angesiedelten Regelungen bzw. alle Regelungsinhalte einer dort angesiedelten Norm zwingend Übergangscharakter haben müssen.21 16 Zutr. Axer, in: Friauf/Höfling, GG, Art. 120 Rn. 26; Schaefer, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 120 Rn. 17; Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 120 Rn. 24. 17 So auch Schaefer, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 120 Rn. 17. 18 Die Wendung „nach näherer Bestimmung eines Bundesgesetzes“ in Art. 120 Abs. 1 GG i. d. F. von 1949 wurde im Zuge der Verfassungsreform 1965 in den Plural gesetzt und lautet seither „nach näherer Bestimmung von Bundesgesetzen“. 19 Bieback, VSSR 21 (1993), 1 (16); P. Weber, Gemeinden und Landkreise als Garantieträger, 1970, S. 49. 20 Axer, in: Friauf/Höfling, GG, Art. 120 Rn. 1; Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 120 (Erstbearb. 1970) Rn. 1; Schaefer, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 120 Rn. 1. 21 Als Beispiele seien Art. 116, Art. 121, Art. 137, Art. 140, Art. 141 und Art. 142 GG genannt. In Art. 137 GG ist z. B. die Regelung in Abs. 1 Dauerregelung, die Regelungen in Abs. 2 und Abs. 3 sind dagegen Übergangsregelungen.

B. Mögliche Vorgaben aus Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG

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Ein eher unklares Bild bietet die Entstehungsgeschichte des Art. 120 GG. Hier stand ganz und gar das Ringen um die Besatzungskosten und die Kriegsfolgelasten im Vordergrund, das Thema der Zuschüsse zu den Lasten der Sozialversicherung lief immer nur mit. Eine klare Aussage zu der Frage, ob die Zuschussberechtigung des Bundes unabhängig von der kausalen Verknüpfung der Lasten mit Kriegsfolgen bestehen sollte oder nicht, findet sich jedenfalls an keiner Stelle der Beratungsmaterialien. Umgekehrt finden sich aber auch keine Erklärungen der Art, dass der Verfassungsgeber eine thematische Einschränkung auf kriegsbedingte Sozialversicherungszuschüsse gewollt oder auch nur erwogen hätte.22 Erklärt werden kann die Tatsache, dass sich die Beratungen zu Art. 120 GG ausweislich der noch vorhandenen Protokolle ausschließlich auf die Frage konzentrierten, „ob und in welchem Umfange der noch zu institutionalisierende Bund den Ländern die Finanzierung der spezifisch kriegsfolgebedingten Lasten abnehmen sollte“,23 damit, dass die Frage der Kriegsfolgelasten das zur Zeit der Beratungen dringendere Problem darstellte und deshalb im Vordergrund der Debatte stand. Ganz unergiebig sind die Verfassungsberatungen aber auch wieder nicht.24 Denn der Herrenchiemseer Entwurf für den späteren Art. 120 GG zeigt, dass die Besatzungskosten und die Zuschüsse zu den Sozialversicherungen nicht beide als Untermaterien von Kriegsfolgelasten gesehen wurden, sondern als getrennte Materien, was darin zum Ausdruck kam, dass im Herrenchiemseer Entwurf die Aufwendungen für Besatzungskosten und Kriegsfolgelasten und die Zuschüsse zu den Sozialversicherungen unter getrennten Nummern (Art. 121 Nr. 2 und Nr. 3 HChE) aufgeführt waren.25 Auch der Formulierungsvorschlag des Ausschusses für Finanzfragen des Parlamentarischen Rates vom 6. Oktober 194826 zu einem die Art. 121 (Ausgaben des Bundes) und Art. 122 (Einnahmen) zusammenziehenden Entwurf (damaliger Art. 122) behielt diese Trennung zwischen Kriegsfolgelasten und Lasten der Sozialversicherung in unterschiedlichen Nummern bei (Art. 122 Nr. 2 und Nr. 3 des Vorschlags). Erst vor der vierten Lesung des Hauptausschusses am 5. Mai 1949 wurden dann auf Vorschlag des Allgemeinen Redaktionsausschusses die vorher getrennten Nummern zusammengezogen und in einem neuen Art. 138c-5 in einem einzigen Absatz formuliert. 22

Anders Diemer, VSSR 10 (1982), 31 (56 f.), der sich auf die Darstellung der Entstehungsgeschichte bei Holtkotten, in: BonnKomm. GG, Art. 120 (Erstbearb. 1956), Abschnitt 1, S. 1 – 6 beruft, die in der Tat keine Diskussionen oder auch nur einzelne Äußerungen in diese Richtung erkennen lässt – freilich auch nicht solche in die entgegengesetzte Richtung, dass nur kriegsfolgebedingte Sozialversicherungslasten erfasst sein sollten. 23 Diemer, VSSR 10 (1982), 31 (56). 24 Zutr. Axer, in: Friauf/Höfling, GG, Art. 120 Rn. 26. 25 Füßlein, JöR n. F. Bd. 1 (1951), S. 835; Holtkotten, in: BonnKomm. GG, Art. 120 (Erstbearb. 1956), Abschnitt 1, S. 1. Diese Materientrennung von Beginn der Verfassungsberatungen an betont auch Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 120 Rn. 25. 26 Füßlein, JöR n. F. Bd. 1 (1951), S. 835; Holtkotten, in: BonnKomm. GG, Art. 120 (Erstbearb. 1956), Abschnitt 1, S. 3.

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3. Teil: Einfach-, verfassungs- und unionsrechtliche Vorgaben

Sozialversicherungshistorische Erwägungen kommen hinzu. Einen staatlichen Zuschuss hat es in der Alters- und Invaliden- und anschließend auch in der späteren Rentenversicherung der Arbeiter seit deren Einführung im Jahre 1889 immer gegeben.27 Seine Wurzeln hat er in dem anfänglichen Ziel Bismarcks, die Alters- und Invalidenversicherung weitgehend als Staatsbürgerversorgung zu konzipieren und aus Steuermitteln zu finanzieren.28 So war in dem Ersten Entwurf eines Gesetzes über die Einführung einer Invaliditäts- und Altersversicherung vom 22. November 188829 vorgesehen, dass die Mittel der einzuführenden Versicherung zu je einem Drittel von den Arbeitnehmern, den Arbeitgebern und dem Reich aufgebracht werden sollten.30 Zur Begründung hieß es damals: „Es wäre ein nicht zu rechtfertigender innerer Widerspruch, wenn das allgemeine Interesse des Reiches an einer möglichst normalen Gestaltung der sozialen Verhältnisse nicht auch in einer anteiligen Aufwendung von Reichsmitteln zur Bestreitung der zu erwartenden Gesamtbelastung seinen entsprechenden Ausdruck fände. Dazu kommt noch die Erwägung, dass durch die Alters- und Invaliditätsbelastung […] eine erhebliche Erleichterung einer anderen öffentlichen Last, der öffentlichen Armenpflege, eintritt.“31 Im Gesetzgebungsverfahren blieb von dieser Drittellösung dann ein fester Zuschuss zu jeder Rente übrig. Faktisch machten die Zahlungen des Reiches in den ersten Jahren der Invalidenund Altersversicherung (1891 bis 1895) sogar rund 40 Prozent der Rentenausgaben aus.32 In der Folgezeit sanken sie dann stetig, bis sie 1911 den Tiefstand mit 29,7 Prozent erreichten. Mit der durch die Reichsversicherungsordnung vom 19. Juli 1911 eingeführten Hinterbliebenenversicherung und den jährlichen Reichszuschüssen für jede Witwenrente schwankten die Zahlungen des Reiches danach wieder um 33 Prozent. Ab 1934 wurde zugunsten der Arbeiter-Rentenversicherung zusätzlich ein globaler Zuschuss und ab 1937 auch noch eine Reichsgarantie (§ 1384 Abs. 2 RVO)33 eingefügt. Es mag dahinstehen, ob das Reich mit der Bezuschussung der Invaliden- und Altersversicherung der Arbeiter (in der seit 1911 bestehenden 27

Eingehend zur historischen Entwicklung der finanziellen Grundlagen der Rentenversicherung Kaltenstein, Von der beitragsbezogenen „Zuschussrente“ zur produktivitätsorientierten „Arbeitswertrente“ und zu deren Aushöhlung, 2015; s. ferner Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, 2001, S. 311 ff.; Becker, Transfergerechtigkeit und Verfassung, 2001, S. 341 ff.; Schmidt/Thiede, in: Schulin, HS-RV, 1999, § 48 Rn. 9 ff. 28 Ausf. Kaltenstein, Von der beitragsbezogenen „Zuschussrente“ zur produktivitätsorientierten „Arbeitswertrente“ und zu deren Aushöhlung, 2015, S. 87 ff.; Wallrabenstein, Versicherung im Sozialstaat, 2009, S. 99 ff. 29 RT-StenBer 7. Legislaturperiode/IV. Session 1888/1889, Bd. I, Drucks. 10, zit. nach KomGRV, § 213 SGB VI Rn. 3.2. 30 Dazu etwa Hüfken, in: Handbuch der gesetzlichen Rentenversicherung, 2. Aufl. 2012, Kap. 23 Rn. 34; KomGRV, § 213 SGB VI Rn. 3.2; Mörschel, DRV 1990, 619 (620). 31 RT-StenBer 7. Legislaturperiode/IV. Session 1888/1889, Bd. I, Drucks. 10, zit. nach KomGRV, § 213 SGB VI Rn. 3.2. 32 Diese und die folgenden Zahlenangaben finden sich bei Sander, DRV 1968, 371 (375). 33 Kaltenstein, Von der beitragsbezogenen „Zuschussrente“ zur produktivitätsorientierten „Arbeitswertrente“ und zu deren Aushöhlung, 2015, S. 196.

B. Mögliche Vorgaben aus Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG

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Angestellten-Rentenversicherung gab es keine Zuschüsse) eine dauerhafte Subventionsverpflichtung begründen wollte oder ob der Zuschuss einen „Sündenfall“ gegenüber dem Versicherungsgedanken darstellte.34 Denn die Motive der Einführung sind letztlich ohne Bedeutung dafür, dass seit 1889 in der Alters- und Invalidenversicherung der Arbeiter faktisch immer Zuschüsse zu jeder Rente gezahlt wurden und seit 1934 zusätzlich auch noch ein globaler Zuschuss erbracht wurde. Es war somit für den Verfassungsgeber im Jahre 1949 eine vorgefundene Gegebenheit, dass es im deutschen Sozialversicherungssystem eine Mitfinanzierung durch staatliche Zuschüsse gab. Hätte sich der Verfassungsgeber von dieser Mitfinanzierungspraxis loslösen wollen oder hätte er erreichen wollen, dass Zuschüsse fortan nur noch im Hinblick auf kriegsbedingte Leistungen der Sozialversicherung zulässig sein sollten, müsste man dazu – wollte man nicht vom Verfassungsgeber sogar eine eindeutige, zweifelsfreie Beschränkung der Zuschüsse auf kriegsfolgenlastenbezogene Zuschüsse fordern, an der es in Art. 120 Abs. 1 GG i. d. F. von 1949 ebenso wie in Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG i. d. F. von 1965 fehlt – zumindest Hinweise in den (überlieferten) Verfassungsberatungen dahingehend finden, dass eine solche Beschränkung gewollt war. Das ist aber nicht der Fall (und wird auch nicht von den Befürwortern einer beschränkenden Sichtweise vorgetragen). Es ist daher davon auszugehen, dass der Herrenchiemseer Konvent ebenso wie der Parlamentarische Rat mit der Wendung „Zuschüsse zu den Lasten der Sozialversicherung“ nicht nur die Finanzierung kriegsbedingter Mehraufwendungen der Sozialversicherungsträger meinten, sondern diejenigen staatlichen Zuweisungen an die Sozialversicherung, wie sie in der Alters- und Invalidenversicherung der Arbeiter auch vor und während des Zweiten Weltkrieges immer gezahlt worden waren. Schließlich sprechen auch teleologische Erwägungen für ein Verständnis des Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG als Dauerregelung. Das Regelungsziel des Art. 120 Abs. 1 GG liegt ja nicht darin, Zuschüsse an die Sozialversicherung verfassungsrechtlich zu gestatten. Vielmehr liegt es darin – dies aber nur für den Fall, dass Zuschüsse gezahlt werden sollen oder müssen –, eine besondere, vom grundgesetzlichen Regelfall abweichende Lastentragungsregelung zu treffen und insoweit eine Zuweisung an den Bund vorzunehmen. Bliebe die verfassungsrechtliche „Befreiung“ vom (heute in Art. 104a GG explizit festgelegten) Prinzip der Konnexität von Aufgaben- und Ausgabenverantwortung auf die Besatzungskosten und Kriegsfolgelasten beschränkt, könnten die Zuschüsse nicht einheitlich einem gesamten Zweig der Sozialversicherung zur Verfügung gestellt werden, sondern müssten innerhalb der einzelnen Zweige teils vom Bund, teils von den Ländern erbracht werden, je nachdem, ob der empfangende Sozialversicherungsträger zum Bereich der Bundesverwaltung oder zum Bereich der Landesverwaltungen zu zählen ist (vgl. Art. 87 Abs. 2 GG). Dieses Argument hat nach der Organisationsreform 2004 der Rentenversicherung zwar an Bedeutung verloren, war aber zumindest so lange gewichtig, wie Angestellten- und Arbeiter-Rentenversicherung noch nicht zur Deutschen 34

So Diemer, VSSR 10 (1982), 31 (52).

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3. Teil: Einfach-, verfassungs- und unionsrechtliche Vorgaben

Rentenversicherung Bund vereinigt waren und die Aufgabe der Arbeiter-Rentenversicherung durch regionale, den Länderverwaltungen zugehörige Landesversicherungsanstalten wahrgenommen wurde.35 Zur Zeit der Verfassungsgebung war das der Fall. Deshalb wäre eine inhaltliche Einschränkung des Satzes 4 auf kriegsbedingte Sozialversicherungslasten funktional nicht angemessen (gewesen).36 Alles in allem ist Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG so zu verstehen, dass diese Regelung nicht lediglich als Interimsregelung für kriegsbedingte Lasten der Sozialversicherung gedacht ist. Demnach hat Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG für die Frage der Neugestaltung des Bundeszuschusses an die GRV verfassungsrechtliche Bedeutung; die Regelung bedarf folglich näherer Analyse.

II. Regelungsinhalte des Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG im Hinblick auf die Zuschussgewährung an die GRV Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG erfasst nach seinen tatbestandlichen Voraussetzungen „Zuschüsse“, die im Hinblick auf „Lasten“ der „Sozialversicherung“ von Seiten des Bundes an Sozialversicherungsträger gezahlt werden. Zu klären ist im Folgenden, ob sich aus diesen drei Komponenten des Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG Vorgaben oder Schranken hinsichtlich einer signifikanten Erhöhung des Bundeszuschusses an die GRV ergeben. Untersucht werden muss dazu zunächst, ob der grundgesetzliche Begriff „Zuschüsse“ den hier interessierenden „Demographiezuschuss“ umfassen würde, sodann, ob die mit dem „Demographiezuschuss“ zu finanzierende doppelte Haltelinie von dem grundgesetzlichen Begriff „Lasten“ umfasst wäre, und schließlich, ob eine durch einen „Demographiezuschuss“ signifikant erhöhte Steuerfinanzierung der GRV den Charakter der GRV als „Sozialversicherung“ im Sinne des Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG in Frage stellte, dies vor dem Hintergrund, dass die Regelung alleinig die „Sozialversicherung“ als Zuschussempfängerin vorsieht. 1. Inhalt des verfassungsrechtlichen Begriffs „Zuschüsse“ In Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG bleibt offen, ob das Grundgesetz den Begriff „Zuschüsse“ als pauschalen Sammelbegriff für alle Formen staatlicher Zuwendungen an die einzelnen Sozialversicherungszweige verwendet oder ob „Zuschüsse“ im Sinne des Art. 120 GG nur eine bestimmte Form staatlicher Zuwendung an die Sozialversicherung meint. Mit letzterem Verständnis ist auf diverse Unterscheidungen im einfachen Gesetzesrecht verwiesen,37 das drei Arten von staatlichen Zuwendungen 35

Gesetz zur Organisationsreform in der gesetzlichen Rentenversicherung v. 9. 12. 2004 (BGBl. I, S. 3242). 36 So im Ergebnis auch Bieback, VSSR 21 (1993), 1 (16). 37 Keinen Aufschluss bringt das Allgemeine Sozialversicherungsrecht des § 20 Abs. 1 SGB IV: Danach finanziert sich die Sozialversicherung aus Beiträgen der Versicherten, der

B. Mögliche Vorgaben aus Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG

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an die Sozialversicherung kennt, nämlich (echte) Zuschüsse, Erstattungen sowie Eventualzuschüsse.38 a) Arten von Zuschüssen Bei der ersten Zuwendungsform, den sogenannten „echten“ Zuschüssen, trägt der Bund (meist dauerhaft) einen bestimmten, vorher festgelegten Teil aller Ausgaben eines Sozialversicherungsträgers. Derartige Zuschüsse werden mithin als allgemeine Deckungsmittel geleistet. Sie stellen begriffsnotwendig eine Teilfinanzierung dar,39 neben der es zumindest eine weitere Finanzierungsquelle geben muss. (Echte) Zuschüsse sind also eine meist im Vorhinein erbrachte staatliche Ko-Finanzierung der Ausgaben eines Sozialversicherungszweigs oder -trägers, es gibt hier keine Anbindung an Leistungsfälle oder gar eine Abrechnung mit dem bezuschussten Träger. Der Zuschuss kann dabei als jeweils durch feste Faktoren errechenbare Größe festgelegt werden, wie das seit 1957/1992 beim Bundeszuschuss zur Rentenversicherung gemäß § 213 Abs. 1 SGB VI der Fall ist. Es kann aber auch ein fester Prozentsatz zu den jeweiligen Leistungsausgaben des Trägers, wie z. B. nach § 34 Abs. 1 KSVG (derzeit 20 Prozent der Ausgaben der Künstlersozialkasse), ein zweckgebundener Zuschuss zu jeder auszuzahlenden Rente (s. etwa § 26 Abs. 3 Invaliden- und Altersversicherungsgesetz v. 22. Juni 1889; § 1387 Abs. 2 RVO v. 19. Juli 1911)40 oder eine feste Summe, wie z. B. nach § 221 Abs. 1 SGB V oder nach § 363 Abs. 1 SGB III i. d. F. bis 1. Januar 2013, geleistet werden. Als zweite Zuwendungsform sind zweckgebundene Erstattungen aus Steuermitteln (vgl. § 30 Abs. 2 Satz 1, 2. Halbs. SGB IV) zu nennen, die heute vor allem an die Rentenversicherung (vgl. §§ 213 Abs. 3 SGB VI, 287d, 291a, 291b SGB VI) und in den Gesundheitsfonds der Gesetzlichen Krankenversicherung (§ 221 Abs. 1 SGB V) gezahlt werden, früher aber auch der Bundesanstalt/Bundesagentur für Arbeit geleistet wurden. Durch derartige Erstattungen trägt der Bund die Ausgaben für eine bestimmte dem jeweiligen Sozialversicherungsträger gesetzlich übertragene, für ihn aber „fremde“ Aufgabe, die nicht versicherungsspezifisch, sondern gesamtArbeitgeber und Dritter, durch staatliche Zuschüsse und durch sonstige Einnahmen. Auch hier wird also – genauso wie in Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG – der pauschale Sammelbegriff „Zuschüsse“ verwendet. 38 Vgl. auch Gössl, Die Finanzverfassung der Sozialversicherung, 1992, S. 110 ff., der rechtstechnisch die Begriffe „Beitrag“, „Erstattung“ und „Zuschuss“ unterscheidet, sowie Bieback, VSSR 21 (1993), 1 (3 f.) und Becker, Transfergerechtigkeit und Verfassung, 2001, S. 342, die Zuschüsse und Erstattungen voneinander abgrenzen. 39 Gössl, Die Finanzverfassung der Sozialversicherung, 1992, S. 110; F. Kirchhof, NZS 1999, 161 (162). 40 Gemeint sind nur Zuschüsse, die aus dem Reichs-/Bundeshaushalt in die Haushalte der Sozialversicherungsträger fließen. Nicht hierhin gehören demnach – entgegen Muckel, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 120 Rn. 32 – Zuschüsse, die Privatpersonen zu ihrer privaten Krankenversicherungsprämie nach § 4 Abs. 3, § 59 Abs. 3 i.V.m. § 37 Abs. 3 des Zweiten Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte (KVLG 1989) erhalten.

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3. Teil: Einfach-, verfassungs- und unionsrechtliche Vorgaben

gesellschaftlich veranlasst ist. Hierbei handelt es sich um die sog. „versicherungsfremden Leistungen“ oder „Fremdlasten“ der Sozialversicherung, wobei weder der Begriff „versicherungsfremd“ noch die konkret erfassten Fälle eindeutig geklärt sind.41 Insofern gilt, dass der Bund, wenn er eine Aufgabe der gesamtstaatlichen Solidargemeinschaft (d. h. eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe) organisatorisch über die Sozialversicherung abwickeln lassen will, aus einfachgesetzlichen (§ 30 Abs. 2 Satz 1, 2. Halbs. SGB IV) und aus verfassungsrechtlichen Gründen42 verpflichtet ist, den Trägern für diese Übernahme einer fremden Aufgabe einen finanziellen Ausgleich zu gewähren. Erstattungen basieren dabei grundsätzlich auf einer Abrechnung mit dem Sozialversicherungsträger zeitlich nach dem Auftreten konkreter Einzelfälle, werden also staatlicherseits erst nach Tätigung der jeweiligen Ausgabe erbracht.43 Sie können freilich, weil die Abgrenzung versicherungseigener von versicherungsfremden Leistungen schwierig und häufig umstritten ist, auch pauschal erbracht werden. Schließlich enthält das einfachgesetzliche Sozialrecht auch noch Vorschriften für eine dritte Zuwendungsform: die Eventualzuschüsse. Diese Zuschussform ist grundsätzlich subsidiär. Sie wird erst im Falle der vorübergehenden Illiquidität eines Sozialleistungsträgers nach Ausschöpfen aller anderen Mittel der Abhilfe aktiviert und grundsätzlich (nur) darlehensweise gewährt. Ausdrücklich geregelt sind solche Eventualzuschüsse für die Allgemeine Rentenversicherung (§ 214 SGB VI), für die knappschaftliche Rentenversicherung (§ 215 SGB VI)44, für die Alterssicherung der Landwirte (§ 78 ALG) und für die Arbeitslosenversicherung (§ 365 SGB III)45; 41 Vgl. Becker, Transfergerechtigkeit und Verfassung, 2001, S. 18 ff.; Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, 2001, S. 37 ff., S. 61 ff.; Schmidt/Thiede, in: Schulin, HS-RV, 1999, § 48 Rn. 73 ff. 42 Hier ist insbesondere Art. 3 Abs. 1 GG relevant, weil eine Ungleichbehandlung aller Versicherten, die diese Leistungen durch ihre Beitragszahlung alleine finanzieren, im Verhältnis zur Gesamtheit der Bevölkerung vorliegt. Siehe zu dieser grundrechtlichen Problematik Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, 2001, S. 356 ff.; Axer, in: Friauf/Höfling, GG, Art. 120 Rn. 30 Fn. 114; Kaltenborn, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 120 Rn. 12; Muckel, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 120 Rn. 38; Kingreen, Das Sozialstaatsprinzip im europäischen Verfassungsverbund, 2003, S. 180 f.; Wallrabenstein, Versicherung im Sozialstaat, 2009, S. 202 ff.; referierend auch Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 120 Rn. 27. 43 Gössl, Die Finanzverfassung der Sozialversicherung, 1992, S. 110. Siehe auch den Überblick über die vom Bund im Jahre 1992 an die einzelnen Versicherungszweige geleisteten Erstattungen, ebd., S. 77 ff. 44 Nach § 215 SGB VI und § 78 ALG trägt der Bund den Unterschiedsbetrag zwischen den Einnahmen und den Ausgaben eines Kalenderjahres. 45 Bei der Arbeitsförderung besteht insoweit ein gestuftes Verfahren: Wenn der Bedarf aus den Einnahmen und der Rücklage nicht gedeckt werden kann, sind nach § 364 SGB III vorrangig Darlehen zu gewähren, um eine überstürzte Auflösung der Rücklagen der Bundesanstalt für Arbeit (siehe § 366 SGB III) zu vermeiden. Reichen aber auch die Darlehen nicht aus und ist die gesamte Rücklage verbraucht, so setzt die Zuschusspflicht des Bundes ein. Tatsächlich hat die Bundesanstalt für Arbeit ab 1975 regelmäßig Liquiditätshilfen und (echte) Zuschüsse des Bundes erhalten, obwohl der Bund seine Garantiehaftung durch Leistungskürzungen und Beitragserhöhungen beständig zu mindern suchte; zwischenzeitlich hatte sich der Eventual-

B. Mögliche Vorgaben aus Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG

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richterrechtlich existieren sie auch für die Krankenversicherung46. Eventualzuschüsse, die als Ausfluss einer im Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1, 28 Abs. 1 Satz 1 GG) und in Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG wurzelnden Sicherungs- und Garantiefunktion des Staates für die Sozialversicherung angesehen werden, bürden dem Bund also eine in der Höhe nicht festgelegte allgemeine finanzielle Einstandspflicht („Garantie“) für die Zahlungsfähigkeit von Sozialversicherungsträgern auf.47 Der Bund muss zwar noch nicht bei vorübergehenden Finanzierungsschwierigkeiten, spätestens aber bei einer Existenzgefährdung eines Trägers einspringen. Da nach Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG für diese Zuschussfinanzierung im Fall drohender Illiquidität nur der Bund in die Pflicht genommen ist, wird zutreffenderweise von einer Bundesgarantie gesprochen. Keine „Zuschüsse“ i.S.d. Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG sind dagegen staatliche Leistungen in Form von Beiträgen. Solche Beiträge erbringt der Staat, wo er selbst als Arbeitgeber auftritt und in dieser Funktion beitragspflichtig ist. Dass es sich dabei nicht um die von Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG gemeinten Zuschüsse handelt, zeigt sich schon an der Konsequenz, die eine solche Zuordnung hätte. Denn dann müsste der Bund Sozialversicherungsbeiträge nicht nur für die Versicherten zahlen, die im Bundesdienst beschäftigt sind, sondern auch für Versicherte, die im öffentlichen Dienst der Körperschaften der Länder oder bei den Kommunen tätig sind.48 Keinen Zuschuss stellte auch die Erbringung von Sozialversicherungsbeiträgen dar, die der zuschuss in der Staatspraxis so in einen Regelzuschuss gewandelt (vgl. etwa Keller/Seifert, WSI-Mitteilungen 1992, 411 [413]). Seit 2011 kommt die Bundesagentur für Arbeit nun aber wieder ohne Eventualzuschüsse (und auch ohne [echte] Zuschüsse) aus und hat etwa im Jahr 2016 sogar einen Überschuss von 4,9 Mrd. Euro erzielt. Die allgemeine Rücklage betrug Ende 2016 ca. 9 Mrd. Euro und wird wegen der weiter starken Zunahme von sozialversicherungspflichtig Beschäftigten bei gleichzeitig günstiger Arbeitsmarktentwicklung bis 2018 voraussichtlich auf 15 Mrd. Euro und bis 2020 auf 22,2 Mrd. Euro ansteigen. Das hat zuletzt Diskussionen über eine (weitere) Senkung des Beitragssatzes (derzeit 3,0 Prozent; 2005/2006: 6,5 Prozent) hervorgerufen. 46 BSG, Urt. v. 24. 5. 1972 – 3 RK 9/71, BSGE 34, 177 (178 ff.); BSG, Urt. v. 16. 11. 1978 – 3 RK 29/76, BSGE 47, 148 (154 ff.). Das Bundessozialgericht hatte sich hier mit § 389 Abs. 2 Satz 2 RVO i. d. F. bis 30. 6. 1977 auseinanderzusetzen, der eine Garantiehaftung der Gemeinden für Allgemeine Ortskrankenkassen vorsah. Da das Gericht diese Regelung, die noch an die frühere Fürsorgeverantwortung der Gemeinden anknüpfte, für überholt und „obsolet“ erachtete, kam es zu dem Ergebnis, dass unter dem Grundgesetz eine Garantiehaftung des Bundes für eine Ortskrankenkasse bestehe, wenn die Existenz der Kasse bedroht und diese Lage mit anderen Mitteln nicht beseitigbar sei und zu einer unzumutbaren Beitragsbelastung führe. 47 Wegen der identischen verfassungsrechtlichen Ausgangslage sind die Garantieüberlegungen des Bundessozialgerichts auf die gesamte Sozialversicherung auszudehnen (BVerfG, Beschl. v. 30. 1. 1987 – 2 BvR 933/82, BVerfGE 76, 256 [302, 306 f.]; BVerwG, Urt. v. 14. 11. 1985 – 3 C 44.83, BVerwGE 72, 212 [216 f. ]; Bieback, VSSR 21 [1993], 1 [10 ff., 19 ff.]; F. Kirchhof, HStR V, 3. Aufl. 2007, § 125 Rn. 52; Lütjohann, Die Lasten der gesetzlichen Rentenversicherung, 1994, S. 83 ff.; Starck, SGb. 1979, 337 f.; Schmidt/Thiede, in: Schulin, HS-RV, 1999, § 48 Rn. 85 ff.; ablehnend mit verschiedenen Akzentuierungen nur Diemer, VSSR [10] 1982, 31 [65]; Gössl, Die Finanzverfassung der Sozialversicherung, 1992, S. 127; Stolleis, Verhandlungen des 55. DJT 1984, N 9 [N 27 f.]). 48 Muckel, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 120 Rn. 30.

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3. Teil: Einfach-, verfassungs- und unionsrechtliche Vorgaben

Bund (bis zur Aussetzung der Wehrpflicht zum 1. Juli 201149) für versicherungspflichtige Wehr- und Zivildienstleistende50 gezahlt hatte. Der Bund wurde hier zwar formal nicht als Arbeitgeber, sondern nur als Dritter von der Beitragslast für die Wehr- und Zivildienstleistenden betroffen; seine Dritten-Stellung kam materiell aber derjenigen eines Arbeitgebers gleich.51 Wiederum anders verhält es sich dagegen, wenn der Gesetzgeber durch § 3 Satz 1 Nr. 3 SGB VI Bezieher von Arbeitslosengeld II zu Pflichtversicherten in der Rentenversicherung macht. Hierdurch wird den Sozialversicherungsträgern nämlich eine Fremdlast aufgebürdet, weshalb die in § 170 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI festgelegte Beitragstragung durch den Leistungsträger den Fällen der Erstattungen vergleichbar ist und dementsprechend von Art. 120 GG erfasst wird.52 Es ist ersichtlich, dass der einfache Gesetzgeber alle vorgenannten Arten von staatlichen Zuwendungen, die sich in den vergangenen Jahrzehnten herausgebildet haben ([echte] Zuschüsse, Erstattungen, Eventualzuschüsse), dem verfassungsrechtlichen Begriff „Zuschüsse“, wie er in Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG genannt ist, zuordnet. Dass dies zulässig ist, entspricht auch der einhelligen Meinung in der Literatur53 : Es komme nicht darauf an, in welcher Form der Bund sich an den Lasten der Sozialversicherung beteilige. Deshalb werden alle einfachgesetzlich vorfindbaren Formen von dem Begriff „Zuschüsse“ im Sinne des Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG erfasst, mithin auch ein vom Bundesgesetzgeber neu einzuführender „Demographiezuschuss“. b) Direktivkraft des Begriffs „Zuschüsse“? Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG ist eine Regelung zur Lastenverteilung im Verhältnis von Bund und Ländern.54 Sie besagt nur, dass Zuschüsse zur Sozialversicherung, mithin (echte) Zuschüsse, Erstattungen und Eventualzuschüsse, sollte der Gesetzgeber sie für erforderlich halten und ihre Gewährung beschließen, vom Bund (und nicht von den Ländern) zu tragen sind. Keine Aussage enthält das Wort „Zuschüsse“ hingegen hinsichtlich der Frage, ob der Bund solche Zuschüsse leisten muss. Das 49

§ 2, §§ 54 ff. Wehrpflichtgesetz i. d. F. v. 15. 8. 2011 (BGBl. I, S. 1730). Vgl. § 251 Abs. 4 SGB V, § 59 Abs. 1 SGB XI, § 170 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI, § 347 Nr. 2 SGB III. 51 Im Ergebnis wie hier Axer, in: Friauf/Höfling, GG, Art. 120 Rn. 23; Maunz, in: Maunz/ Dürig, GG, Art. 120 (Erstbearb. 1970) Rn. 23; a.A. Muckel, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 120 Rn. 30. 52 Zutreffend Muckel, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 120 Rn. 30. 53 Axer, in: Friauf/Höfling, GG, Art. 120 Rn. 24; Gössl, Die Finanzverfassung der Sozialversicherung, 1992, S. 112, S. 216 f.; Hebeler, in: BonnKomm. GG, Art. 120 Rn. 50; Kilian, SDSRV 35 (1992), 87 ff.; Masing, in: Dreier, GG, Art. 120 Rn. 16; Muckel, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, GG, Art. 120 Rn. 30; referierend auch Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 120 Rn. 27. 54 BVerfG, Urt. v. 24. 7. 1962 – 2 BvL 15, 16/61, BVerfGE 14, 221 (237); BVerwG, Urt. v. 10. 11. 1965 – V C 100.64, BVerwGE 22, 314 (317); Masing, in: Dreier, GG, Art. 120 Rn. 5; Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 120 Rn. 4, 8; Schaefer, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 120 Rn. 3. 50

B. Mögliche Vorgaben aus Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG

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wird allseits verneint: Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG gestatte Zuwendungen an die Sozialversicherung, die dem verfassungsrechtlichen Begriff „Zuschüsse“ (sowie dem Begriff „Sozialversicherung“) zuordenbar sind, verpflichte aber nicht etwa zu ihrer Gewährung.55 Satz 4 verpflichte den Bund nur dazu, diejenigen Zuschüsse zu tragen, die er selbst durch Gesetz vorgesehen habe. Genauso wenig werde vom Verfassungstext vorgegeben, in welcher Höhe der Bund solche Zuwendungen leisten dürfe – weder nach unten hin noch nach oben hin.56 Vielmehr könnten die einfachgesetzlichen materiell-rechtlichen Vorschriften über die Höhe und die Voraussetzungen der zugunsten der Sozialversicherung erbrachten Leistungen jederzeit geändert werden. Eine neue bzw. geänderte Rechtsgrundlage zu Bundeszuschüssen mit einer signifikant erhöhten Zuschussleistung an die GRV gerät daher unter diesem Aspekt nicht in Konflikt mit Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG. Wenn sich also der einfache Gesetzgeber hinsichtlich der Höhe seiner Zuschüsse konkret festgelegt hat, etwa in § 34 Abs. 1 Satz 1 KSVG: „Der Zuschuß des Bundes beträgt für das Kalenderjahr 20 vom Hundert der Ausgaben der Künstlersozialkasse.“,

oder in § 213 Abs. 3 Satz 2 SGB VI: „Der zusätzliche Bundeszuschuss beträgt für die Monate April bis Dezember des Jahres 1998 9,6 Milliarden Deutsche Mark und für das Jahr 1999 15,6 Milliarden Deutsche Mark.“

oder in § 221 Abs. 1 SGB V: „Der Bund leistet zur pauschalen Abgeltung der Aufwendungen der Krankenkassen für versicherungsfremde Leistungen 10,5 Milliarden Euro für das Jahr 2014, 11,5 Milliarden Euro für das Jahr 2015, 14 Milliarden Euro für das Jahr 2016 und ab dem Jahr 2017 jährlich 14,5 Milliarden Euro in monatlich zum ersten Bankarbeitstag zu überweisenden Teilbeträgen an den Gesundheitsfonds.“

55 BVerfG, Urt. v. 24. 7. 1962 – 2 BvL 15, 16/61, BVerfGE 14, 221 (235): „… besagt aber nichts darüber, in welchem Umfang und für welche Leistungen die Sozialversicherungsträger Zuschüsse verlangen können. Solche Ansprüche können nicht aus Art. 120 Abs. 1 GG, sondern nur aus den Gesetzen über die Sozialversicherung hergeleitet werden.“; bestätigt durch BVerfG, Beschl. v. 18. 7. 2005 – 2 BvF 2/01, BVerfGE 113, 167 (211); zustimmend etwa: Masing, in: Dreier, GG, Art. 120 Rn. 16; Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 120 (Erstbearb. 1970) Rn. 24; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 120 Rn. 8; Isensee, SDSRV 35 (1992), 7 (38); Schaefer, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 120 Rn. 17. 56 BVerfG, Urt. v. 14. 3. 2001 – 1 BvR 2402/97, NZS 2001, 531 (532): Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG besage „nur, dass der Bund die notwendigen Zuschüsse zu den Lasten der Sozialversicherung mit Einschluss der Arbeitslosenhilfe trägt. Sie macht keine Vorgaben dazu, wie diese Leistung auszugestalten ist“. Anderes dürfte nur im Fall von Eventualzuschüssen gelten; hier muss der Tatbestand der Illiquidität beseitigt werden, wofür jeweils eine bestimmte Summe notwendig sein wird. Vgl. BSG, Urt. v. 16. 11. 1978 – 3 RK 29/76, BSGE 47, 148 (157); Axer, in: Friauf/Höfling, GG, Art. 120 Rn. 30; F. Kirchhof, HStR V, 3. Aufl. 2007, § 125 Rn. 41; Bieback, VSSR 21 (1993), 1 (24 ff.); Reiter, FS F. Klein, 1994, 1101 (1105 f.); Umbach, in: Umbach/Clemens, GG, Art. 120 Rn. 10.

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3. Teil: Einfach-, verfassungs- und unionsrechtliche Vorgaben

war das nicht verfassungsgeboten. Der Bundesgesetzgeber hätte prinzipiell auch ganz andere (niedrigere oder auch höhere) Zuschüsse festlegen können. Ebenso hätte er – Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG würde ihm dies gestatten – die Höhe der Bundeszuschüsse an die Künstlersozialkasse, die Deutsche Rentenversicherung Bund oder den Gesundheitsfonds sogar auf Null setzen, mithin also auf jegliche Zahlung eines Zuschusses verzichten können. Ganz ohne Direktivkraft hinsichtlich einer höhenmäßigen Begrenzung ist Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG aber nun auch wieder nicht. Denn der verfassungsrechtliche Begriff „Zuschüsse“ selbst setzt – genauso wie der einfachgesetzliche – zumindest eine Grenze hinsichtlich der maximalen Höhe fest. „Zuschüsse“ sind nämlich – wie bereits zu § 213 SGB VI dargestellt – vom Wortsinne her immer nur Teilfinanzierungen im Sinne von Ergänzungen einer Hauptfinanzierungsquelle. Das war schon erwähnt worden (vgl. oben S. 23 f.), und darauf wird auch noch einmal zurückzukommen sein (vgl. unten S. 62 ff.). 2. „Lasten“ Bundeszuschüsse werden zu den „Lasten“ der Sozialversicherung erbracht. Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG meint, wenn dort von Lasten der Sozialversicherung die Rede ist, alle Lasten aller Zweige der Sozialversicherung. Er gestattet es also, allen Zweigen der Sozialversicherung Zuschüsse zu ihren Lasten zu gewähren. Konkret müssen die Zuschüsse dabei an die jeweiligen Sozialversicherungsträger gewährt werden, die teils für einen ganzen Zweig stehen (Deutsche Rentenversicherung Bund; Bundesagentur für Arbeit; Künstlersozialkasse; Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau; Knappschaft-Bahn-See; Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung), teils aber auch Teile eines stark binnengegliederten Sozialversicherungszweiges sind (so in der Kranken- und Pflegeversicherung). Unter dem Begriff der „Lasten“ sind die Leistungsausgaben zu verstehen, die die Träger der Sozialversicherung im Zusammenhang mit der Erfüllung ihrer gesetzlichen Leistungspflichten zu tragen haben. Es geht also allein um die Sachausgaben der Sozialversicherungsträger.57 Ihre Verwaltungs- und Personalkosten werden hingegen von Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG nicht erfasst. Dies folgt zum einen aus dem Wortlaut von Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG, wo von „Lasten der Sozialversicherung“ und nicht etwa von „Lasten ihrer Träger“ die Rede ist.58 Zum anderen 57

Axer, in: Friauf/Höfling, GG, Art. 120 Rn. 1, Rn. 27; Bieback, VSSR 21 (1993), 1 (17); Hebeler, in: BonnKomm. GG, Art. 120 Rn. 43; Heintzen, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 104a Rn. 53; Hellermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 104a Rn. 141; Hoppe, DVBl. 1992, 117 (121 f.); Kaltenborn, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 120 Rn. 5; Masing, in: Dreier, GG, Art. 120 Rn. 5; Muckel, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 120 Rn. 31; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 104a Rn. 9; Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 120 Rn. 32. 58 Bieback, VSSR 21 (1993), 1 (17); Hebeler, in: BonnKomm. GG Art. 120 Rn. 43; Muckel, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 120 Rn. 31; Kaltenborn, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 120 Rn. 5.

B. Mögliche Vorgaben aus Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG

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spricht gegen eine Einbeziehung auch von Verwaltungs- und Personalkosten in den Lastenbegriff des Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG die Existenz von Art. 104a Abs. 5 GG. Diese Regelung bestimmt in Konsequenz aus dem in Art. 104a Abs. 1 GG geregelten Konnexitätsprinzip, dass der Bund und die Länder außer den „Ausgaben, die sich aus der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ergeben“ (Art. 104a Abs. 1 GG), auch die bei ihren jeweiligen Behörden entstehenden Verwaltungsausgaben je selbst zu tragen haben. Art. 120 Abs. 1 GG erlaubt nun nach allgemeiner Ansicht59 eine Abweichung von diesem Grundsatz der Konnexität60 nur im Hinblick auf Art. 104a Abs. 1 GG61, also nur für die Finanzierungsverantwortung, erfasst aber nicht auch die Verteilung der Verwaltungsausgaben der (Sozialversicherungs-)Behörden. Hier gilt weiterhin das Konnexitätsprinzip. Wer im Bereich der Sozialversicherungsträger die Verwaltungsausgaben nach Maßgabe von Art. 104a Abs. 5 GG zu tragen hat, richtet sich – wie oben schon kurz erwähnt (vgl. oben S. 39) – konkret nach Art. 87 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 GG. Danach besteht eine obligatorische mittelbare Bundesverwaltung nur für überregional zuständige Sozialversicherungsträger (z. B. die Deutsche Rentenversicherung Bund und die Bundesagentur für Arbeit). Überschreitet der Zuständigkeitsbereich eines Sozialversicherungsträgers das Gebiet eines Landes dagegen nicht, wird der Träger in landesmittelbarer Verwaltung als landesunmittelbare Körperschaft des öffentlichen Rechts geführt (z. B. die Allgemeinen Ortskrankenkassen). Da folglich die Trägerschaft im Bereich der Sozialversicherung je nach Zuständigkeitsbereich beim Bund oder bei den Ländern liegt, kann auch die Tragungspflicht hinsichtlich der Verwaltungsausgaben gem. Art. 104a Abs. 5 GG unterschiedlich verteilt sein. Das wiederum lässt den Rückschluss zu, das Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG die Verwaltungsausgaben nicht regelt, sondern ausschließlich die sog. Sach- oder Zweckausgaben der Sozialversicherung. Ein vom Bundesgesetzgeber neu einzuführender „Demographiezuschuss“ dürfte sich folglich nur auf die Sachausgaben, nicht hingegen auf die Verwaltungsausgaben eines Trägers erstrecken. 3. „Sozialversicherung“ im Sinne von Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG Die Zuschussberechtigung des Bundes besteht nach Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG nur zu den Lasten der „Sozialversicherung“. Zuschussempfänger muss also eine 59 Axer, in: Friauf/Höfling, GG, Art. 120 Rn. 1; Schaefer, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 120 Rn. 1; Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 120 Rn. 3; Trapp, Das Veranlassungsprinzip in der Finanzverfassung, 1997, S. 148 f. 60 Dazu ausführlich Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 104a Rn. 1 – 11; Prokisch, in: BonnKomm. GG, Art. 104a Rn. 48 ff.; s. auch Kranz, Die Bundeszuschüsse zur Sozialversicherung, 1998, S. 279 ff. 61 Art. 104a GG kam zwar, wie bereits auf S. 32 erwähnt, erst mit der Finanzreform 1969 in das Grundgesetz, doch lag das heute in Art. 104a Abs. 1 GG festgelegte Konnexitätsprinzip bereits Art. 106 Abs. 1, Abs. 2 GG i. d. F. v. 23. 5. 1949 zugrunde.

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3. Teil: Einfach-, verfassungs- und unionsrechtliche Vorgaben

Organisationsform sozialstaatlicher Aufgabenerfüllung sein, die als Träger von „Sozialversicherung“ anzusehen ist. a) Maßgaben bei der Interpretation des Begriffs „Sozialversicherung“ Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG definiert den Begriff „Sozialversicherung“ nicht näher. Außerhalb von Art. 120 GG verwendet das Grundgesetz den Begriff nur noch in Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG. Danach kommt dem Bund die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz u. a. für die Sozialversicherung zu. Auch dort erfolgt jedoch keine Begriffsdefinition. Diese Beschränkung des Grundgesetzes auf eine lapidarknappe Benennung wird auch nicht dadurch kompensiert, dass im einfachgesetzlichen Recht eine Definition auffindbar wäre, die dem Verfassungsinterpreten des Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG den methodisch zwar fragwürdigen, aber immerhin gangbaren Weg der induktiven Verfassungsauslegung, also den Schluss von der einfachgesetzlichen Definition auf die verfassungsgesetzliche Definition, ermöglichen würde. Die Verfassungsinterpretation war und ist hier folglich auf sich selbst gestellt, wobei – wie so oft – das Bundesverfassungsgericht den Weg gewiesen hat. aa) Gleichlauf mit Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG Fraglich ist zuallererst, ob der verfassungsrechtliche Begriff „Sozialversicherung“ in Art. 120 GG die gleiche Bedeutung wie in Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG hat. Für einen interpretatorischen Gleichlauf spricht etliches. Da ist zunächst der Grundsatz der Einheit der Verfassung62, wonach das Grundgesetz nicht ein Konglomerat zufällig aneinandergereihter Rechtssätze darstellt, sondern von einer einheitlichen Konzeption getragen ist. Die einzelnen grundgesetzlichen Bestimmungen dürfen folglich nicht isoliert betrachtet werden und sind so zu interpretieren, dass Widersprüche zu anderen Verfassungsnormen ausbleiben. Insofern entspricht es der „inneren Harmonie“ des Verfassungswerkes, das identische Begriffe wie „Sozialversicherung“, auch wenn sie in verschiedenen Normen des Grundgesetzes auftauchen63, einheitlich interpretiert werden. Eine willkürlich unterschiedliche Interpretation derselben Begriffe in demselben Gesetzeswerk träte überdies mit den verfassungsrechtlichen Grundsätzen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit in einen Konflikt. Für eine einheitliche Auslegung des in Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG und Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG wortgleich verwendeten Begriffs „Sozialversicherung“ spricht 62

BVerfG, Urt. v. 23. 10. 1951 – 2 BvG 1/51, BVerfGE 1, 14 (32); ferner z. B. BVerfG, Urt. v. 10. 12. 1980 – 2 BvF 3/77, BVerfGE 55, 274 (300); BVerfG, Beschl. 16. 7. 1998 – 2 BvR 1953/ 95, BVerfGE 99, 1 (12). 63 Das Grundgesetz kennt – wie erwähnt – den Begriff nur in Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG und Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG. Art. 87 Abs. 2 GG spricht dagegen von „soziale Versicherungsträger“ und nicht von Trägern der Sozialversicherung.

B. Mögliche Vorgaben aus Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG

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auch der funktionale (Wechsel-)Bezug beider Normen zueinander: Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG ist eine bundesstaatliche Lastenverteilungsregelung, die einen Empfänger der vom Bund ggf. zu tragenden Zuschüsse voraussetzt. Dieser Empfänger ist die Sozialversicherung, deren Ausgestaltung und ggf. auch (neue) Errichtung dem Sozialgesetzgeber anvertraut ist; als diesen Sozialgesetzgeber bestimmt das Grundgesetz in Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG – in konkurrierender Gesetzgebung – den Bund. Das Ansinnen des Verfassungsgebers, wechselbezügliche Regelungen zu schaffen, liegt auch deshalb nahe, weil es dem Erscheinungsbild der Sozialversicherung schon vor der Verabschiedung des Grundgesetzes nicht fremd war, dass der Reichsfiskus Zuschüsse gewährte.64 Dass zwischen Zuschüssen und Sozialversicherung eine funktionelle Beziehung besteht, war dem Verfassungsgeber also von vornherein bekannt. Hinzu kommt schließlich noch eine Art Akzessorietät der Zuschussregelung des Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG zu „Sozialversicherung“ im Sinne des Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG dahingehend, dass sich ein konkreter Zuschussbedarf und die konkrete Zuschusshöhe immer nur aus der Ausgestaltung von Einnahmen und Ausgaben des jeweiligen Sozialversicherungszweiges ergeben können. Der Sozialversicherungsgesetzgeber (wie gesagt: in konkurrierender Gesetzgebung der Bund, der zugleich in Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG als Zuschussgeber benannt ist) hat es folglich – wie auch dem Verfassungsgeber wegen der „Zuschusstradition“ der Sozialversicherung bewusst sein musste – in der Hand, über seine Gesetzgebung die Leistungsausgaben so zu steuern, dass sich Einnahmen und Ausgaben die Waage halten oder dass die Einnahmen die Ausgaben oder umgekehrt die Ausgaben die Einnahmen übersteigen. Nur im letztgenannten Fall entsteht ein Zuschussbedarf. Der Zuschussbedarf korrespondiert also mit der Art und Weise des Gebrauchmachens von der Gesetzgebungskompetenz, weshalb die Zuschussregelung des Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG quasi akzessorisch zu „Sozialversicherung“ im Sinne des Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG ist. bb) „Sozialversicherung“ als Strukturtypus Hat man folglich die Auslegung des Begriffs „Sozialversicherung“ in Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG mit derjenigen desselben Begriffs in Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG zu harmonisieren, was auch allseits angenommen65, aber nirgendwo begründet worden ist, verlagert sich der Blick auf letztere Norm, zu der reichhaltiges Rechtspre64 S. dazu oben S. 38 f. Vgl. ferner Kaltenstein, Von der beitragsbezogenen „Zuschussrente“ zur produktivitätsorientierten „Arbeitswertrente“ und zu deren Aushöhlung, 2015, S. 87 ff., S. 196; Kranz, Die Bundeszuschüsse zur Sozialversicherung, 1998, S. 48 ff.; ferner Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, 2001, S. 311 ff. 65 Axer, in: Friauf/Höfling, GG, Art. 120 Rn. 22; Hebeler, in: BonnKomm. GG, Art. 120 Rn. 29; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 120 Rn. 7; Muckel, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 120 Rn. 23; Schenkel, Sozialversicherung und Grundgesetz, 2008, S. 114, S. 115; Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 120 Rn. 26.

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3. Teil: Einfach-, verfassungs- und unionsrechtliche Vorgaben

chungsmaterial und Schrifttum vorliegen. So werden auch in den gerichtlichen Entscheidungen zu Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG ebenso wie in der (Kommentar-)Literatur zu dieser Vorschrift, soweit es um die Auslegung des Begriffs „Sozialversicherung“ geht, regelmäßig und richtigerweise die Erkenntnisse zur Auslegung des Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG herangezogen. Hier sind einerseits allgemeine Grundsätze zum (Kompetenz-)Verständnis von „Sozialversicherung“ erarbeitet worden; andererseits sind nähere inhaltliche Beschreibungen dessen, was der Verfassungsgeber unter „Sozialversicherung“ versteht und in welchen Fällen er die Inanspruchnahme der Kompetenz seitens des Bundesgesetzgebers zulässt, zu finden. Zunächst besteht in Rechtsprechung und Literatur zu Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG Einigkeit darüber, dass Sozialversicherung nicht soziale Sicherheit schlechthin meint.66 Nach herkömmlicher Einteilung umfasst der Bereich des Sozialrechts neben der Sozialversicherung auch die Versorgung und die Fürsorge, nach neuerer, auf Hans F. Zacher zurückgehender Einteilung Vorsorge (= Sozialversicherung), soziale Entschädigung sowie soziale Hilfe (= Fürsorge) und soziale Förderung.67 Die Gesetzgebungskompetenz des Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG für den Bereich der Sozialversicherung ist dementsprechend nur dann einschlägig, wenn ein Gesetz die Absicherung von Risiken im modus operandi der Sozialversicherung vorsieht.68 Der Kompetenztitel stellt somit gerade auf den spezifischen Modus der Zielerreichung ab.69 Daraus folgt für den Begriff der Sozialversicherung, dass die Verfolgung allein des Ziels, soziale Sicherheit zu gewährleisten, nicht ausreichend für seine Inanspruchnahme ist. Diese Beschränkung der Kompetenz – und damit des Begriffs – „Sozialversicherung“ auf eine bestimmte Form zur Gewährleistung sozialer Sicherheit zeigt sich insbesondere darin, dass das Grundgesetz dem Bund ausdrücklich weitere Kompetenzen im Bereich der sozialen Sicherheit zuweist. Gesetzgebungskompetenzen jenseits der Kompetenz für Sozialversicherung ergeben sich für den Bund etwa aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG (öffentliche Fürsorge), aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 9, Nr. 10 GG (Wiedergutmachung, Kriegsopfer) oder aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 13 GG (Ausbildungshilfen). Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG ist mithin keine „Universal-

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BVerfG, Urt. v. 10. 5. 1960 – 1 BvR 190, 363, 401, 409, 471/58, BVerfGE 11, 105 (111); BVerfG, Beschl. v. 8. 12. 1982 – 2 BvL 12/79, BVerfGE 62, 354 (366). 67 Zum Begriff Sozialrecht und zu seiner Einteilung sowie Systematisierung siehe etwa Kokemoor, Sozialrecht, 7. Aufl. 2016, Rn. 14, Rn. 15; Muckel/Ogorek, Sozialrecht, 4. Aufl. 2011, § 4 Rn. 3, Rn. 4; Waltermann, Sozialrecht, 12. Aufl. 2016, Rn. 78 ff.; Zacher, DÖV 1970, 3 (6, Fn. 41); ders., Einführung in das Sozialrecht der Bundesrepublik Deutschland, 1983, S. 20 ff. 68 Einhellige Ansicht, siehe für alle: BVerfG, Urt. v. 10. 5. 1960 – 1 BvR 190, 363, 401, 409, 471/58, BVerfGE 11, 105 (111); Axer, in: BonnKomm. GG, Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 Rn. 25; Degenhart, in: Sachs, GG, Art. 74 Rn. 56; Wittreck, in: Dreier, GG, Art. 74 Rn. 61. 69 Isensee, Umverteilung durch Sozialversicherungsbeiträge, 1973, S. 44.

B. Mögliche Vorgaben aus Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG

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kompetenz“70 des Bundes zur Regelung der sozialen Sicherheit, so dass auch der Begriff „Sozialversicherung“ nicht „universell“ mit der Schaffung sozialer Sicherheit definiert werden kann. Der Begriff „Sozialversicherung“ wird vom Bundesverfassungsgericht71 in ständiger Rechtsprechung nichtsdestotrotz als „weit gefasster, verfassungsrechtlicher Gattungsbegriff‘“ verstanden. Sozialversicherung ist danach „alles“, „was sich der Sache nach als Sozialversicherung darstellt“.72 Das Bundesverfassungsgericht73 stellt für die Einordnung neuer Sozialleistungen als Sozialversicherung darauf ab, ob „die neuen Sozialleistungen in ihren wesentlichen Strukturelementen, insbesondere in der organisatorischen Bewältigung ihrer Durchführung dem Bild entsprechen, das durch die ,klassische‘ Sozialversicherung geprägt ist“. Damit wird „Sozialversicherung“ eher beschrieben als definiert, wobei zur Beschreibung auf das „Bild der modernen Sozialversicherung“74 Bezug genommen wird. Der Begriff der Sozialversicherung erweist sich vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als Typusbegriff, in dem sich eine unabgeschlossene Fülle von Merkmalen zu einer Struktur ordnet und anschaulich wird.75 Zwar spricht das Gericht selbst nicht von „Typusbegriff“, sondern von „Gattungsbegriff“, doch bedeutet dies in der Sache keinen Unterschied.76 Sozialversicherung lässt sich daher nicht aufgrund einer deskriptiven und starren Definition bestimmen; vielmehr handelt es sich um einen normativen Typus, der sich nur beschreiben lässt als eine unabgeschlossene Vielzahl von Strukturen, die sich zu einer bestimmten Gestalt fügen. Über das Vorliegen von Sozialversicherung im kompetenzrechtlichen Sinne entscheidet ein Vergleich mit den prägenden Strukturele70

So der bekannte Titel eines Beitrags von W. Weber, Sozialversicherungsgesetzgebung als Universalregelungskompetenz, FS Möller, 1972, S. 499 (499, 509). 71 BVerfG, Beschl. v. 12. 1. 1983 – 2 BvL 23/81, BVerfGE 63, 1 (35); BVerfG, Beschl. v. 8. 4. 1987 – 2 BvR 909/82 u. a., BVerfGE 75, 108 (146); BVerfG, Urt. v. 7. 7. 1992, 1 BvL 51/ 86 u. a., BVerfGE 87, 1 (34); BVerfG, Urt. v. 28. 5. 1993 – 2 BvF 2/90 und 4, 5/92, BVerfGE 88, 203 (313); BVerfG, Beschl. v. 13. 9. 2005 – 2 BvF 2/03, NVwZ 2006, S. 191 (192); BVerfG, Beschl. v. 13. 9. 2005 – 2 BvF 2/03, BVerfGE 114, 196 (221). In BVerfG, Urt. v. 10. 5. 1960 – 1 BvR 190, 363, 401, 409, 471/58, BVerfGE 11, 105 (112) ist dagegen nur von einem verfassungsrechtlichen Gattungsbegriff die Rede, doch dürfte die spätere Hinzufügung von „weit gefasst“ keine Änderung in der Rechtsprechung bedeutet haben. 72 BVerfG, Urt. v. 10. 5. 1960 – 1 BvR 190, 363, 401, 409, 471/58, BVerfGE 11, 105 (112). 73 BVerfG, Urt. v. 10. 5. 1960 – 1 BvR 190, 363, 401, 409, 471/58, BVerfGE 11, 105 (112); BVerfG, Beschl. v. 8. 12. 1982 – 2 BvL 12/79, BVerfGE 62, 354 (366); BVerfG, Beschl. v. 12. 1. 1983 – 2 BvL 23/81, BVerfGE 63, 1 (34 f.); BVerfG, Urt. v. 28. 5. 1993 – 2 BvF 2/90 und 4, 5/92, BVerfGE 88, 203 (313). 74 BVerfG, Urt. v. 10. 5. 1960 – 1 BvR 190, 363, 401, 409, 471/58, BVerfGE 11, 105 (113). 75 Isensee, Umverteilung durch Sozialversicherungsbeiträge, 1973, S. 45. Zum Typusbegriff statt vieler: Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, 2001, S. 159 ff. 76 Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, 2001, S. 159 ff. Kritisch gegenüber der Einordnung als Typusbegriff: Berne, Die Aufgaben der Arbeitslosenversicherung aus sozialverfassungsrechtlicher Sicht, 2000, S. 170 ff.; Bieback, VSSR 31 (2003), 1 (9 ff.), der empfiehlt, die Bezeichnung „vager Begriff“ zu verwenden.

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3. Teil: Einfach-, verfassungs- und unionsrechtliche Vorgaben

menten der modernen Sozialversicherung, so wie sie sich seit der Bismarckschen Sozialversicherungsgesetzgebung der 1880er Jahre entwickelt hat. Die Ermittlung und Bestimmung dieser die Sozialversicherung prägenden Strukturelemente hat nach Rechtsprechung und Literatur ihren Ausgangspunkt in der klassischen Sozialversicherung, wie sie der Verfassungsgeber 1949 vor Augen hatte. Der Begriff ist aber nicht statisch, bedeutet also keine Zementierung der Sozialversicherung in Inhalt und Umfang auf den Stand des Jahres 1949.77 Dem Gesetzgeber steht es vielmehr frei, neue Bereiche sozialstaatlicher Fürsorge im Wege der Sozialversicherung zu organisieren (und damit indirekt auch die von Art. 120 GG erfasste Materie zu erweitern). Allerdings müssen die 1949 vorhandenen wesentlichen Strukturelemente auch bei neuen Sozialleistungen gegeben sein, was das Bundesverfassungsgericht etwa für die 1981 geschaffene Künstlersozialversicherung und die zum 1. Januar 1995 neu errichtete Pflegeversicherung bejaht, für das Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetz vom 27. Juli 1977 dagegen verneint hat.78 Neue Sozialleistungen müssen mithin, wenn sie auf die Sozialversicherungskompetenz gestützt werden sollen, durch einen Grundbestand von Prinzipien charakterisiert sein, der die Identität der Kompetenzmaterie Sozialversicherung ausmacht. Dabei können sie aber durchaus auch Unterschiede zu den traditionellen Zweigen der Sozialversicherung aufweisen. Der Gesetzgeber kann kraft seiner Kompetenz für die Sozialversicherung das geltende Recht ändern und fortentwickeln, darf dabei aber nicht die Sozialversicherung als kompetenzrechtlich vorgegebenen Typus antasten. Der Kompetenztitel gibt dem Bundesgesetzgeber also keine Blankovollmacht. Insbesondere wird eine Regelung nicht dadurch Teil der Sozialversicherung, dass der Gesetzgeber sie als Sozialversicherung etikettiert und in den Regelungszusammenhang z. B. des Unfall-, Kranken- oder Rentenversicherungsrechts stellt. Es kommt vielmehr darauf an, ob mehr oder minder starke Übereinstimmungen mit diesem Erscheinungsbild vorliegen, die es rechtfertigen, einen Sachverhalt noch als Sozialversicherung anzusehen. Für die Beantwortung der Frage, ob die Kompetenz 77

BVerfG, Urt. v. 10. 6. 2009 – 1 BvR 706/08 u. a., BVerfGE 123, 186 (235): „Entwicklungen nicht von vornherein verschlossen“; BVerfG, Beschl. v. 13. 9. 2005 – 2 BvF 2/03, BVerfGE 114, 196 (221): „Neue Lebenssachverhalte wie die Pflegeversicherung […] gehören in das Gesamtsystem ,Sozialversicherung‘, wenn sie ihm nach dem Zweck des Lastenausgleichs und der Art und Weise der Aufgabenerledigung durch beitragserhebende selbständige Sozialversicherungsträger zuzuordnen sind“. Siehe ferner Axer, in: BonnKomm. GG, Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 Rn. 27; Hebeler, in: BonnKomm. GG, Art. 120 Rn. 34; Muckel, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, GG, Art. 120 Rn. 23; Papier, in: v. Maydell/Ruland/Becker (Hrsg.), SRH, § 3 Rn. 12; Rolfs, Das Versicherungsprinzip im Sozialversicherungsrecht, 2000, S. 100 ff. 78 BVerfG, Beschl. v. 8. 4. 1987 – 2 BvR 909/82 u. a., BVerfGE 75, 108 (146 ff.) – KSVG; BVerfG, Urt. v. 3. 4. 2001 – 1 BvR 2014/95, BVerfGE 103, 197 (215) – PflVG; siehe zuvor auch BSG, Urt. v. 27. 1. 2000 – B 12 KR 29/98 R, BSGE 85, 250 (251 ff.) – PflVG; BVerfG, Beschl. v. 8. 12. 1982 – 2 BvL 12/79, BVerfGE 62, 354 (366) – KV-KG; Axer, in: BonnKomm. GG, Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 Rn. 22.

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„Sozialversicherung“ einschlägig ist, ist damit nicht die Subsumtion unter einen verfassungsrechtlich definierten Klassenbegriff gefordert, sondern die Zuordnung zum verfassungsrechtlich intendierten Typus „Sozialversicherung“ aufgrund eines Bauplan- und Strukturvergleichs (Erscheinungsbildvergleich). cc) Erscheinungsbildvergleich anhand typischer Merkmale In concreto hat das Bundesverfassungsgericht79 zur Bestimmung des Typus Sozialversicherung einen Kern von Strukturelementen herausgearbeitet, die unabdingbar sind, während andere Merkmale zwar das Bild der Sozialversicherung prägen, jedoch als solche allein nicht konstitutiv für das Vorliegen von Sozialversicherung sind.80 Diese Kriterien werden vom Bundessozialgericht81 und vom Schrifttum auch regelmäßig rezipiert und der Bestimmung dessen, was „Sozialversicherung“ meint, zugrunde gelegt. Im Einzelnen gehören zu den konstitutiven und unverzichtbaren Merkmalen, die die Identität der Kompetenzmaterie „Sozialversicherung“ ausmachen, folgende Elemente: - Das Vorliegen einer Versicherung als gemeinsame Deckung eines möglichen, in seiner Gesamtheit schätzbaren Bedarfs durch Verteilung auf eine organisierte Vielheit zur Absicherung eines den klassisch abgedeckten Risiken Krankheit, Alter, Invalidität, Tod und Unfall vergleichbaren Risikos, - ein sozialer Ausgleich innerhalb der Solidargemeinschaft der Versicherten, - die organisatorische Durchführung mittels selbstständiger Anstalten oder Körperschaften des öffentlichen Rechts und - die Finanzierung durch Beiträge der Beteiligten. Neben diesen im Grundsatz allseits anerkannten82 konstitutiven Strukturelementen existieren als weitere für die Sozialversicherung typische Merkmale, die 79 Im Hinblick auf die konstitutiven Merkmale verbindet das Bundesverfassungsgericht allerdings begriffliches sowie typologisches Vorgehen miteinander (näher Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, 2001, S. 172). 80 Bei genauem Hinsehen kann insoweit noch zwischen primären (= obligatorischen) und sekundären (= nicht obligatorischen) Merkmalen getrennt werden (näher Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, 2001, S. 165 ff.). 81 Siehe nur BSG, Urt. v. 27. 1. 2000 – B 12 KR 29/98 R, BSGE 85, 250 (251 ff. ). 82 Auch wenn die Kriterien anerkannt sind, haben jedoch die auf dieser Grundlage vom Bundesverfassungsgericht gewonnenen Interpretationsergebnisse häufig Kritik hervorgerufen. Siehe insoweit die Darstellung zentraler Entscheidungen und zugehöriger Literaturkritik bei Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, 2001, S. 177 ff. Streitig ist derzeit etwa, ob auch eine „Bürgerversicherung“, welche die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung auf Selbstständige und Beamte ausdehnt, noch vom verfassungsrechtlichen Begriff der Sozialversicherung erfasst wäre. Bejahend etwa Bieback, Sozial- und verfassungsrechtliche Aspekte der Bürgerversicherung, 2. Aufl. 2014, S. 70 ff.; Hebeler, BonnKomm. GG, Art. 120 Rn. 39; ablehnend etwa Axer, GS Heinze, 2005, S. 1 ff.; Hase, Versicherungsprinzip und sozialer Ausgleich, 2000, S. 369 ff., S. 372; Isensee, NZS 2004, 393 (395 f.). Zum Begriff der

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allesamt nicht notwendigerweise vorliegen müssen, sondern eher indiziellen Charakter haben, die Beschränkung auf Arbeitnehmer, die das Gericht83 aber ausdrücklich nicht zum Wesen der Sozialversicherung zählt, der Versicherungszwang84, die Gewährung staatlicher Zuschüsse, die Beteiligung der Arbeitgeber an der Finanzierung und ein umfassendes Leistungsspektrum, das nicht nur Geldleistungen, sondern auch Sach- und Dienstleistungen vorsieht. Diese weiteren Merkmale sind häufig bei Sozialversicherungen gegeben, auch wenn sie, wie bereits betont, nicht konstitutiv sind. Sie dienen dem Gericht als zusätzliche Argumentationshilfen zur Beantwortung der Frage, ob neue Sozialleistungen ihrem Erscheinungsbild nach dem Kompetenztitel Sozialversicherung zuzuordnen sind. b) Die Verfassungsanforderungen für eine Zuschussgewährung an die Sozialversicherung Im Kontext der Gewährung von Bundeszuschüssen verdichten sich die vorstehend genannten Maßgaben für die Interpretation des Begriffs „Sozialversicherung“ in Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG. Konkret ist zu fragen: Welche verfassungsrechtlichen Vorgaben sind zu beachten, wenn der Bundesgesetzgeber für einen Sozialversicherungszweig einen Bundeszuschuss neu einführen oder aber einen bereits gesetzlich vorgesehenen Bundeszuschuss in seinen Gewährungsvoraussetzungen oder – dies ist die verfassungsrechtlich brisanteste Frage – in seiner Höhe deutlich nach oben schieben möchte? aa) Gesetzgebungskompetenz für die Zuschussregelung Im Fall der Gewährung von Bundeszuschüssen sind hinsichtlich der Gesetzgebungskompetenz für die Zuschussregelung zwei Fälle zu unterscheiden: Zunächst kann der Bundesgesetzgeber einen neuen Zweig der Sozialversicherung errichten und hier eine Ko-Finanzierung durch Bundeszuschüsse vorsehen. In diesem Fall ist eindeutig, dass das neue Gesetz insgesamt (also ggf. einschließlich einer Zuschussregelung) kompentenziell wirksam erlassen werden und sich daher auf die Kompetenznorm des Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG stützen können muss. Hierfür kann die gesetzlich neu geschaffene Regelungsgesamtheit in ihrer Gesamterscheinung (einschließlich Zuschussregelung) mit dem hergebrachten Strukturtypus „Sozialversicherung“ verglichen und so über die Zuordenbarkeit zu Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG Sozialversicherung s. auch Rolfs, Das Versicherungsprinzip in der Sozialversicherung, 2000, S. 100 ff.; Schenkel, Sozialversicherung und Grundgesetz, 2008. 83 BVerfG, Beschl. v. 8. 4. 1987 – 2 BvR 909/82 u. a., BVerfGE 75, 108 (146); deutlich BSG, Urt. v. 27. 1. 2000 – B 12 KR 29/98 R, BSGE 85, 250 (252): „Ein Bezug des versicherten Personenkreises oder des versicherten Risikos zum Arbeitsleben ist nicht erforderlich.“ 84 Nach BVerfG, Urt. v. 3. 4. 2001 – 1 BvR 2014/95, BVerfGE 103, 197 (218) kann die Anordnung einer Versicherungspflicht auch auf die Kompetenznorm des Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG (privatrechtliches Versicherungswesen) gestützt werden.

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entschieden werden. Im Fall des Kindergeldgesetzes85, des Künstlersozialversicherungsgesetzes86 und des Pflegeversicherungsgesetzes87 ist dieser Vergleich dahingehend ausgegangen, dass das Bundesverfassungsgericht die Zuordnung zur Sozialversicherungskompetenz jeweils gebilligt hat, wenngleich in den beiden letztgenannten Fällen gegen kritische Stimmen in der Literatur.88 Anders verhält es sich dagegen, wenn der Bund nicht einen neuen Zweig der Sozialversicherung errichtet, sondern eine bereits vorhandene und als Sozialversicherung anerkannte Institution wie die Renten-, Unfall-, Kranken- oder Arbeitslosenversicherung durch Bundesgesetzgebung verändern will. Hier stellt sich die Kompetenzfrage anders: Will der Bundesgesetzgeber etwa die Vorschriften über den versicherten Personenkreis, die Anspruchsvoraussetzungen für Leistungen, den Umfang der Leistungen, das Leistungserbringungsrecht, die Organisation oder eben die Regelungen zur Finanzierung verändern, indem er einen Bundeszuschuss neu einführt oder einen bereits gesetzlich vorgesehenen Bundeszuschuss in seinen Gewährungsvoraussetzungen oder in seiner Höhe ändert, kann er sich nur auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG stützen, wenn er – erstens – mit der neuen Gesetzgebung den gesetzlichen Regelungszusammenhang (SGB V, SGB VI, SGB VII; SGB III) berührt, der derzeit als „Sozialversicherung“ im Sinne des Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG einzuordnen ist, und wenn er – zweitens – mit der Neuregelung dieses Regelungszusammenhangs den Strukturtypus „Sozialversicherung“ organisch fortentwickelt bzw. modernisiert. Von einer Fortentwicklung oder Modernisierung kann aber nicht mehr die Rede sein, wenn der Bundesgesetzgeber das Vorhandene so stark abwandelt, dass es nachher nicht mehr als „Sozialversicherung“ im Sinne des Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG angesehen werden kann, weil der Erscheinungsbildvergleich mit der klassischen Sozialversicherung in ihrem modernen Bild, wie es die anderen Sozialversicherungszweige – und bisher auch der betroffene Zweig – abgeben, zu dem Ergebnis führen würde, dass das neu geregelte System der klassischen Sozialversicherung in ihrem modernen Bild nicht mehr entspräche.

85 BVerfG, Urt. v. 10. 5. 1960 – 1 BvR 190, 363, 401, 409, 471/58, BVerfGE 11, 105 (110 ff.) zum Gesetz über die Gewährung von Kindergeld und die Errichtung von Familienausgleichskassen (Kindergeldgesetz) v. 13. 11. 1954 (BGBl. I, S. 333). 86 BVerfG, Beschl. v. 8. 4. 1987 – 2 BvR 909/82 u. a., BVerfGE 75, 108 (146 ff.). 87 BVerfG, Urt. v. 3. 4. 2001 – 1 BvR 2014/95, BVerfGE 103, 197 (215, 218). 88 Zum Künstlersozialversicherungsgesetz v. 27. 7. 1981 (BGBl. I, S. 705) siehe etwa: Arndt, Steuern, Sonderabgaben und Zwangsanleihen, 1983, S. 66 ff.; Bunge, JZ 1981, 119 (122 ff.); Osterloh, NJW 1982, 1617 (1621 f.); Ruland, in: Bieback (Hrsg.), Die Sozialversicherung und ihre Finanzierung, 1986, S. 141 (146). Zum Pflegeversicherungsgesetz v. 26. 5. 1994 (BGBl. I, S. 1014) etwa: Berenz/Brock/Worzalla, Der Arbeitgeber 43 (1991), 381 ff.; v. Einem, SGb. 1991, 53 (54); Friauf, DB 1991, 1773 (1775 ff.); Grabau, ZRP 1993, 142 ff.; Isensee, FS Gitter, 1995, 401 (408 ff.); Maschmann, SGb. 1991, 300 ff.; Rolfs, Das Versicherungsprinzip im Sozialversicherungsrecht, 2000, S. 485 ff.

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3. Teil: Einfach-, verfassungs- und unionsrechtliche Vorgaben

Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG beinhaltet insofern auch einen Veränderungsschutz:89 Eine Umformung des Vorhandenen durch neue Gesetzgebung lässt sich auf diese Kompetenznorm nur stützen, wenn die Umformung nicht eine so starke Veränderung (gleichsam eine „Denaturierung“) des Vorhandenen nach sich zieht, dass das Vorhandene nach der Umformung dem Anwendungsbereich der Kompetenznorm nicht mehr unterfiele. Denn dann müsste die Neuregelung auf eine andere Kompetenznorm als Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG gestützt werden (können), eben weil sie Sozialversicherung nicht fortentwickelt, sondern im Wege der Neuregelung ein aliud dazu schafft, etwa ein System öffentlicher Fürsorge im Sinne des Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG oder auch eine öffentlich-rechtliche Versicherung eigener Art (wie etwa die berufsständische Versorgung, die mangels Bundeskompetenz in die Gesetzgebungskompetenz der Länder fällt). Dieser Gedanke lässt sich durch eine Kontrollüberlegung noch festigen: Ginge der Bundesgesetzgeber daran, das SGB V, SGB VI, SGB VII oder SGB III mit der neuen Regelung, die den bisher bestehenden gesetzlichen Regelungszusammenhang teilweise änderte und ihn dadurch aus dem typischen Erscheinungsbild von „Sozialversicherung“ herausführte, neu zu erlassen, bestünde kein Zweifel daran, dass dieser Gesetzgebungsakt nicht auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG gestützt werden könnte, eben weil das neue Regelungswerk nicht mehr „Sozialversicherung“ wäre. Um einer Umgehung der Kompetenznorm nicht Tür und Tor zu öffnen, muss also schon das ändernde Gesetz mit der punktuellen Neuregelung den Anforderungen und Schranken des Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG unterworfen werden. Alles in allem gibt es also gewissermaßen eine Vorwirkung des Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG: Nicht erst der erste Gesetzgebungsakt und alle weiteren Gesetzgebungsakte nach der „Denaturierung“ des Vorhandenen müssen sich auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG stützen können, sondern bereits der denaturierende Gesetzgebungsakt selbst. Andernfalls könnte der Bund mit dem letzten Gesetzgebungsakt, für den er kompetenziell noch zuständig ist, in die Gesetzgebungssphäre der Länder eindringen, wodurch die Ländergesetzgeber eine Aushöhlung ihrer Gesetzgebungskompetenzen hinnehmen müssten. Die Länder müssten dann, bevor sie im 89

Das entspricht auch der (freilich nicht näher erläuterten) Denk- und Vorgehensweise des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschl. v. 18. 7. 2005 – 2 BvF 2/01, BVerfGE 113, 167 ff.) in seiner Entscheidung über die Verteilung des Beitragsaufkommens zwischen den Sozialversicherungsträgern durch einen Risikostrukturausgleich (§§ 267 ff. SGB V). Das wird etwa in dem Satz deutlich, die Einführung des Risikostrukturausgleichs sei „eine Maßnahme der Sozialversicherung im Sinne dieser Vorschrift“ (scil.: des Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG; BVerfGE 113, 167 [195]), oder in der Feststellung, dass der Risikostrukturausgleich, soweit er die finanziellen Auswirkungen von Unterschieden in der Anzahl der nach § 10 SGB V Versicherten ausgleiche, „innerhalb des von Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG vorgegebenen Rahmens“ bleibe (BVerfGE 113, 167 [196]). Ebenso ist BVerfG, Beschl. v. 13. 9. 2005 – 2 BvF 2/03, BVerfGE 114, 196 (221) zu verstehen, wonach die damals neue Regelung der §§ 130, 130a SGB V zu Rabatten der pharmazeutischen Unternehmen auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG gestützt werden kann, weil der Kompetenztitel auch „die Regelung der Finanzierung der zu erledigenden Aufgaben“ erfasse. „Dazu gehören […] auch Regelungen zur finanziellen Entlastung der Sozialversicherungssysteme.“

B. Mögliche Vorgaben aus Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG

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Wege eines abstrakten Normenkontrollverfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht diese Kompetenzverletzung abwehren könnten, abwarten, bis der Bundesgesetzgeber das nunmehr Geschaffene, das den Tatbestand „Sozialversicherung“ bereits nicht mehr erfüllt, ein nächstes Mal ändern will. Dies kann bundesstaatlich nicht gewollt sein. bb) Grenzen hinsichtlich der Höhe von Bundeszuschüssen Wegen der Akzessorietät der Zuschussregelung des Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG zu dem Begriff der „Sozialversicherung“ im Sinne des Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG dürfen Bundeszuschüsse – wie soeben gezeigt – nur zugunsten eines sozialen Regelungssystems bzw. zugunsten eines Sozialversicherungsträgers erbracht werden, wenn dieser Träger im Sinne der Kompetenznorm die Aufgabe „Sozialversicherung“ wahrnimmt. Will der Bundesgesetzgeber mithin die gesetzliche Regelung über einen Bundeszuschuss zu einem vorhandenen Sozialversicherungszweig ändern und diesen Bundeszuschuss z. B. erhöhen, muss das, was bisher als „Sozialversicherung“ galt, auch nach Inkrafttreten der neuen Zuschussregelung weiter „Sozialversicherung“ im Sinne des Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG bleiben. Anderenfalls darf der Bundeszuschuss nicht gewährt werden. Klarstellend muss allerdings gesagt werden, dass in die Berechnung der Zuschusshöhe nur die dem Träger geleisteten echten Zuschüsse sowie die geleisteten Eventualzuschüsse eingehen dürfen. Erstattungen dagegen, die z. B. „nicht beitragsgedeckte Leistungen“ (s. etwa § 213 Abs. 3 SGB VI) bzw. versicherungsfremde Leistungen abgelten, müssen bei der Berechnung außen vor bleiben. Mit diesen Erstattungen werden, beurteilt aus der Perspektive der Sozialversicherung, Aufgaben abgegolten, die nach dem Willen des Gesetzgebers, dies aus ganz unterschiedlichen Gründen, organisatorisch über die Sozialversicherung abgewickelt werden, obgleich es sich um sog. gesamtstaatliche Aufgaben, d. h. gerade nicht um spezielle Aufgaben einer Sozialversicherung, handelt. Diese Erstattungen werden kompetenziell zwar über Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG abgedeckt, tangieren aber nicht die konstitutiven Merkmale von Sozialversicherung. Will man demnach einen Prozentsatz der Bundeszuschüsse an den Einnahmen des Trägers ermitteln, müssen zuvor sowohl auf der Einnahmen- als auch auf der Ausgabenseite die geleisteten Erstattungen herausgerechnet werden. (1) Betroffene Merkmale von Sozialversicherung Klargestellt werden muss weiterhin, dass es gleichgültig ist, ob ein Bundesgesetz bewertet wird, das ein neues soziales System errichtet (Prototyp: Pflegeversicherung), oder ein solches, das ein bereits vorhandenes System, das „Sozialversicherung“ im Sinne des Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG ist, partiell verändert (Prototyp: Risikostrukturausgleich). Immer stellt sich entscheidend die Frage, ob die konstitutiven, soeben genannten (Kern- und Zusatz-)Merkmale von „Sozialversicherung“

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3. Teil: Einfach-, verfassungs- und unionsrechtliche Vorgaben

vorliegen bzw. noch vorhanden sind. Dass Bundeszuschüsse dabei an sich kein „Fremdkörper“ zu „Sozialversicherung“ sind, zeigt sich schon daran, dass Bundesverfassungsgericht und Schrifttum ihre Existenz in den Kreis der nicht-konstitutiven ergänzenden, ggf. die Zuordnung zum Strukturtypus „Sozialversicherung“ absichernden Merkmale aufgenommen haben (vgl. oben S. 53 f.). Dessen ungeachtet sind aber im Hinblick auf die Gewährung von Bundeszuschüssen und auf ihren maximal zulässigen Anteil an den Gesamteinnahmen eines Sozialversicherungsträgers dennoch zwei jeweils konstitutive Merkmale von „Sozialversicherung“ von konkretem Interesse: Das sind – erstens – das konstitutive Merkmal „Versicherung“ und – zweitens – das ebenfalls konstitutive Merkmal „Finanzierung durch Beiträge“. (a) Das Merkmal „Versicherung“ Das Merkmal „Versicherung“ grenzt die Sozialversicherung gegenüber Fürsorge und Versorgung, die auf anderen Kompetenztiteln beruhen, ab. Als Versicherung bezeichnet das Bundesverfassungsgericht im Anschluss an eine Definition von Alfred Manes „die gemeinsame Deckung eines möglichen, in seiner Gesamtheit schätzbaren Bedarfs durch Verteilung auf eine organisierte Vielheit“90. Im Unterschied zur Fürsorge, die – steuerfinanziert – bei Bedürftigkeit Leistungen vorsieht, und im Unterschied zur Versorgung, die – ebenfalls steuerfinanziert – dem Ausgleich besonderer Opfer dient oder auf besonderen Titeln, etwa der beamtenrechtlichen Alimentationsverpflichtung, beruht, ist es charakteristisch für eine Versicherung, einen im Einzelfall zufälligen, in seiner Gesamtheit aber schätzbaren Bedarf auf eine große Risikogemeinschaft zu verteilen und ihn damit für jedes ihrer Mitglieder tragbar zu machen.91 Durch seinen Beitrag gewährleistet das jeweilige Mitglied dieser Gemeinschaft der Versicherungsnehmer, dass der bei einigen Mitgliedern auftretende Bedarf gedeckt wird, und erhält dafür – gleichsam als Gegenleistung – die Zusage, dass ihm Gleiches widerfahren werde, wenn sich das Risiko bei ihm realisieren sollte (Prinzip des Risikoausgleichs).92 Deshalb wird der Charakter einer Versicherung schlagwortartig auch als „Gemeinschaft gleichartig Gefährdeter mit selbstständigen Rechtsansprüchen auf wechselseitige Bedarfsdeckung“ umschrieben.93

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BVerfG, Urt. v. 10. 5. 1960 – 1 BvR 190, 363, 401, 409, 471/58, BVerfGE 11, 105 (112); BVerfG, Beschl. v. 8. 4. 1987 – 2 BvR 909/82 u. a., BVerfGE 75, 108 (146) unter Bezugnahme auf BSG, Urt. v. 20. 12. 1957 – 7 RKg 4/56, BSGE 6, 213 (218, 227 f.); BVerfG, Urt. v. 7. 7. 1992, 1 BvL 51/86 u. a., BVerfGE 87, 1 (34); BVerfG, Urt. v. 28. 5. 1993 – 2 BvF 2/90 und 4, 5/ 92, BVerfGE 88, 203 (313). 91 Vgl. etwa BVerfG, Beschl. v. 4. 2. 2004 – 1 BvR 1103/03, NZS 2005, 479 (480); Fuchs/ Preis, Sozialversicherungsrecht, 2. Aufl. 2009, § 4 II S. 31 ff. 92 Siehe nochmals Fuchs/Preis, Sozialversicherungsrecht, 2. Aufl. 2009, § 4 II S. 31 ff.; ferner Bley/Kreikebohm/Marschner, Sozialrecht, 8. Aufl. 2001, Rn. 281. 93 So Bruck/Möller, Versicherungsvertragsgesetz, 8. Aufl. 1961, § 1 Anm. 3. Siehe auch BVerfG, Beschl. v. 8. 4. 1987 – 2 BvR 909/82 u. a., BVerfGE 75, 108 (146).

B. Mögliche Vorgaben aus Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG

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Unter kompetenzrechtlichen Gesichtspunkten ist es für die Sozialversicherung kennzeichnend, dass diese gemeinsame versicherungsmäßige Absicherung einem Risiko gilt, das dem Bild der (Fundamental-)Risiken entspricht, die bereits durch die klassische Sozialversicherung abgedeckt waren: Krankheit, Unfall, Alter, Invalidität und Tod.94 „Sozialversicherung“ verlangt zudem – genauso wie „Privatversicherung“ –, dass diese Absicherung durch Vorsorge in Form von Geldleistungen der Versicherten bzw. ihrer Arbeitgeber (mit-)finanziert sein muss. Andererseits dürfen jedoch angesichts des die Sozialversicherung ebenfalls kennzeichnenden sozialen Ausgleichs die versicherungsmäßigen Anforderungen, etwa im Hinblick auf die Schätzbarkeit des Bedarfs oder die Finanzierungsweise, nicht zu hoch gesetzt werden. Sozialversicherung ist keine Privatversicherung95 (für die es einen anderen Kompetenztitel gibt, vgl. Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG), sondern Versicherung mit sozialem Ausgleich96 ; sie bezweckt nicht nur einen versicherungsmäßigen Risikoausgleich, sondern „enthält von jeher auch ein Stück staatlicher Fürsorge“.97 Die Versicherungsnatur der Sozialversicherung ist also noch nicht in Frage gestellt, wenn die Sozialversicherung nicht vom Risikobegriff der Privatversicherung ausgeht und sich die Beitragshöhe zur Absicherung eines Risikos – anders als die Prämie der privaten Kranken-, Unfall- oder Invaliditätsversicherung – nicht nach dem individuellen Risiko (sog. Versicherungsprinzip98), sondern nach dem Einkommen bemisst, wodurch eine Umverteilung von Finanzmitteln zwischen den 94 Unzulässig auf der Kompetenzgrundlage des Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG wäre es vor diesem Hintergrund etwa, eine obligatorische Rechtsschutzversicherung in Formen der Sozialversicherung zu errichten. Beispiel nach Rolfs, Das Versicherungsprinzip im Sozialversicherungsrecht, 2000, S. 103; zustimmend Axer, in: BonnKomm. GG, Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 Rn. 31. 95 BVerfG, Beschl. v. 4. 2. 2004 – 1 BvR 1103/03, NZS 2005, 479 (480); ausführlich Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, 2001, S. 184 ff. 96 Statt von sozialem Ausgleich wird auch von Solidarausgleich gesprochen. Zur Terminologie Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, 2001, S. 221 ff. 97 BVerfG, Urt. v. 10. 5. 1960 – 1 BvR 190, 363, 401, 409, 471/58, BVerfGE 11, 105 (114); BVerfG, Beschl. v. 18. 7. 2005 – 2 BvF 2/01, BVerfGE 113, 167 (196); BVerfG, Beschl. v. 21. 7. 2010 – 1 BvR 2530/05 u. a., BVerfGE 126, 369 (389). Prägnant etwa Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr, HdbRV II, § 213 SGB VI Rn. 4: „Die Rentenversicherung ist eine ,soziale‘ Versicherung: Äquivalenz von Beitrag und Leistung in versicherungsmathematischem Sinn ist weder ein notwendiges noch ein hinreichendes Merkmal für sie.“ Zu dem die Sozialversicherung seit ihren Anfangstagen prägenden Streit zwischen Versicherungs- und Fürsorgetheorie vgl. Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, 2001, S. 212 ff.; Kingreen, Das Sozialstaatsprinzip im europäischen Verfassungsverbund, 2003, S. 178 ff.; Rolfs, Das Versicherungsprinzip im Sozialversicherungsrecht, 2000, S. 112 ff., S. 119 ff.; Schnapp, VSSR 23 (1995), 101 (103 ff.); Wallrabenstein, Versicherung im Sozialstaat, 2009, S. 56 ff., S. 335 ff. 98 Dieses Versicherungsprinzip ist auch keineswegs verfassungsrechtlich verankert. Näher Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, 2001, S. 184 ff.; Hase, Versicherungsprinzip und sozialer Ausgleich, 2000, S. 145 ff.; Kingreen, Das Sozialstaatsprinzip im europäischen Verfassungsverbund, 2003, S. 177 f.; Rolfs, Das Versicherungsprinzip im Sozialversicherungsrecht, 2000, S. 264 ff. Zur Unexaktheit dieses Begriffs Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, 2001, S. 208 f.

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3. Teil: Einfach-, verfassungs- und unionsrechtliche Vorgaben

Versicherten bewirkt wird.99 Auch die Einbeziehung eingebrachter Krankheiten oder Behinderungen in die Krankenversicherung und in das Rehabilitationsrecht ohne Risikoaufschläge auf den Beitrag100, die beitragsfreie Mitversicherung unterhaltsberechtigter Familienangehöriger nach § 10 SGB V oder die rentensteigernde Zurechnung von Zeiten, die nicht durch Beitragsleistung gedeckt sind (vgl. §§ 57, 58 SGB VI), hindert die Annahme von „Versicherung“ im Sinne des Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG nicht. Der Rahmen des Kompetenztitels101 wird nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts102 selbst dann nicht überschritten, wenn und soweit es zu einer vereinzelten Überdehnung des Solidarprinzips auf Kosten des Versicherungsprinzips kommen sollte. Der Vorschrift des Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG seien keine definitiven Aussagen über die materiellen Grenzen einer legislatorischen Erstreckung des Solidarprinzips zu entnehmen; für die Geltung eines Hälftigkeitsgrundsatzes zwischen den Elementen „sozial“ und „Versicherung“ fehle jeder Anhaltspunkt im Text der Kompetenznorm.103 Dagegen läge aber eindeutig keine Sozialversicherung mehr vor, wenn der Gesetzgeber die Absicherung z. B. des Krankheitsrisikos oder des Altersrisikos allein durch Steuern nach Bedürftigkeitskriterien organisierte104 oder vorsähe, dass Bundeszuschüsse in einer Höhe, die alle Leistungen abdeckten, an eine Körperschaft geleistet würden, die mit diesen Mitteln die Absicherung des Krankheitsrisikos oder des Altersrisikos übernähme. In diesen Fällen würde es sich vielmehr um Fürsorge handeln, so dass die Kompetenznorm des Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG einschlägig wäre. Entsprechend beruhte die steuerfinanzierte Arbeitslosenhilfe auf der Kompetenz für

99 Die konstitutive Funktion des Merkmals „sozialer Ausgleich“ für die Sozialversicherung kommt im Übrigen auch in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Qualifikation von Sozialversicherungsträgern als Unternehmen im Sinne des europäischen Wettbewerbsrechts (Art. 101 ff. AEUV) zum Ausdruck: Eine wesentliche Voraussetzung für die Ablehnung der Unternehmenseigenschaft – und damit für die Nichtanwendung des europäischen Wettbewerbsrechts – ist, dass die jeweilige Versicherung auf dem Grundsatz der Solidarität beruht, d. h. dass Beiträge und Leistungen nach dem Prinzip des sozialen Ausgleichs ausgestaltet sind (s. dazu noch unten S. 95 ff.). 100 Vgl. BSG, Urt. v. 28. 2. 1980 – 8a RK 13/79, BSGE 50, 47 (48); BSG, Urt. v. 22. 9. 1981 – 1 RA 11/80, BSGE 52, 117 (122 f.); Muckel, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 120 Rn. 24. 101 Davon zu trennen ist die Frage, inwieweit sich sozialer Ausgleich und Umverteilung innerhalb der Versichertengemeinschaft aus grundrechtlicher Sicht rechtfertigen lässt. Vgl. dazu Bieback, Sozial- und verfassungsrechtliche Aspekte der Bürgerversicherung, 2. Aufl. 2014, S. 95 ff.; Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, 2001, S. 31 ff., S. 320 ff. 102 BVerfG, Beschl. v. 18. 7. 2005 – 2 BvF 2/01, BVerfGE 113, 167 (196 f.) im Hinblick auf den Risikostrukturausgleich. 103 BVerfG, Beschl. v. 18. 7. 2005 – 2 BvF 2/01, BVerfGE 113, 167 (197); a.A. Sodan/Gast, Umverteilung durch „Risikostrukturausgleich“, 2002, S. 50 ff. 104 Beispiel nach Axer, in: BonnKomm. GG, Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 Rn. 33.

B. Mögliche Vorgaben aus Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG

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die öffentliche Fürsorge (Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG), während das beitragsfinanzierte Arbeitslosengeld seine Grundlage in Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG fand.105 (b) Das Merkmal „Finanzierung durch Beiträge“ Das zweite konstitutive Merkmal von Sozialversicherung, das im Umfeld der Gewährung von Bundeszuschüssen Bedeutung erlangt, ist das Merkmal, dass die Träger der Sozialversicherung „ihre Mittel durch Beiträge der Beteiligten aufbringen“.106 Der Sozialversicherungsbeitrag wird somit als Grundlage der Sozialversicherung gesehen, die ein integrales System von Leistungen und Lasten darstelle.107 Allerdings schließt nicht bereits jede Steuer(mit)finanzierung die Qualifikation eines Versicherungssystems als Sozialversicherung aus.108 Aufschlussreich ist insofern die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts109 zur Ablösung der beitragsfreien Mitversicherung der Ehegatten durch ein beitragsbezogenes System mit hohem Zuschussbedarf in der landwirtschaftlichen Alterssicherung. Hier äußert das Gericht trotz eines hohen Bundeszuschusses keine Zweifel an der Einordnung der landwirtschaftlichen Alterssicherung als besonderem Zweig der Sozialversicherung: „Auch dass der Bund den Unterschiedsbetrag zwischen Einnahmen und Ausgaben durch einen Zuschuss aus Steuermitteln deckt, steht der Einstufung als Sozialversicherung nicht entgegen. Für ein sozialversicherungsrechtliches Leistungssystem ist es grundsätzlich unschädlich, wenn neben Versichertenbeiträgen weitere Einnahmequellen bestehen. Soweit es sich um Zuschüsse aus Steuermitteln handelt, zeigt dies schon Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG.“ (2) Annäherung an eine konkrete Grenzziehung Mit Blick auf die Merkmale „Versicherung“ und „Finanzierung durch Beiträge“ sind – wie bereits erwähnt – Bundeszuschüsse, die in ihrer Höhe so bemessen sind, dass im Ergebnis die Sozialleistungen vollumfänglich vom Staat selbst finanziert sind, definitiv nicht mehr als beitragsfinanzierte Versicherungsleistungen zu qualifizieren.110 Es fehlt dann sowohl am Vorsorgecharakter von „Versicherung“ als auch 105 BVerfG, Urt. v. 23. 1. 1990 – 1 BvL 44/86 und 48/87, BVerfGE 81, 156 (185 f.); BVerfG, Beschl. v. 26. 9. 2005 – 1 BvR 1773/03, NZS 2006, 247 (248); BVerfG, Beschl. v. 7. 12. 2010 – 1 BvR 2628/07, BVerfGE 128, 90 (104). 106 BVerfG, Beschl. v. 8. 4. 1987 – 2 BvR 909/82 u. a., BVerfGE 75, 108 (146); BVerfG, Urt. v. 7. 7. 1992 – 1 BvL 51/86 u. a., BVerfGE 87, 1 (34). 107 Axer, in: BonnKomm. GG, Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 Rn. 39. 108 Vgl. BGH, Urt. v. 23. 9. 1965 – II ZR 144/63, BGHZ 44, 166 (169); BVerfG, Beschl. v. 9. 12. 2003 – 1 BvR 558/99, BVerfGE 109, 96 (110). 109 BVerfG, Beschl. v. 9. 12. 2003 – 1 BvR 558/99, BVerfGE 109, 96 ff. 110 BVerfG, Urt. v. 23. 1. 1990 – 1 BvL 44/86 und 48/87, BVerfGE 81, 156 (185 f.); BVerfG, Beschl. v. 26. 9. 2005 – 1 BvR 1773/03, NZS 2006, 247 (248); BVerfG, Beschl. v. 7. 12. 2010 – 1 BvR 2628/07, BVerfGE 128, 90 (104); BGH, Urt. v. 23. 9. 1965 – II ZR 144/63, BGHZ 44, 166 (169); Axer, in: BonnKomm. GG, Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 Rn. 33; Hase, Versicherungsprinzip und sozialer Ausgleich, 2000, S. 384; Gitter/Nunius, HS-UV, 1996, § 4 Rn. 19;

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3. Teil: Einfach-, verfassungs- und unionsrechtliche Vorgaben

an einem versicherungstypischen Risikoausgleich zwischen den Versicherten. Auch verlangt das dem Merkmal „Finanzierung durch Beiträge“ zugrundeliegende – versicherungstypische – Bild vom Geben (Beitragslasten) und Nehmen (Leistungen), dass es überhaupt noch ein „Geben“ gibt. Daran fehlte es, wenn die Leistungen zwar formal über die Sozialversicherungsträger abgewickelt würden, die Finanzierung aber nicht durch Beiträge der Mitglieder oder der Beteiligten, sondern durch Steuermittel erfolgte. Im Schrifttum ebenso wie in der Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist aber erkennbar, dass die Entscheidung, wann „Sozialversicherung“ in Fürsorge oder Versorgung umschlägt und dann Bundeszuschüsse – was verfassungsrechtlich unzulässig wäre – an eine Institution gegeben würden, die im Verfassungsrechtssinne nicht mehr „Sozialversicherung“ im Sinne des Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG wäre, nicht an einer 100-Prozent-Grenze staatlicher Vollfinanzierung festgemacht werden soll. „Sozialversicherung“ liegt vielmehr auch dann schon nicht mehr vor, wenn das Merkmal „Finanzierung durch Beiträge“ zwar noch vorhanden ist, aber dieses Merkmal so unbedeutend wird, dass es das Erscheinungsbild des Systems, das dem Kompetenztitel des Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG zugeordnet werden soll, nicht mehr prägt. Anders gewendet: Das dem Merkmal „Finanzierung durch Beiträge“ zugrundeliegende – versicherungstypische – Bild vom Geben (Beitragslasten) und Nehmen (Leistungen) setzt voraus, dass ein „Geben“ noch eine substanzielle Rolle spielt. Dafür muss die Beitragsfinanzierung, blickt man auf das Erscheinungsbild des zu beurteilenden Gegenstandes, einen sichtbaren Anteil an der Gesamtfinanzierung haben, mithin in quantitativ und qualitativ erheblichem Umfang erkennbar sein. Andernfalls kann sie das Erscheinungsbild des Neuen nicht prägen, so dass es an der Vergleichbarkeit mit dem Erscheinungsbild des Strukturtypus „Sozialversicherung“ fehlte. Zu der konkreten Frage jedoch, welcher Mindestumfang von Beitragsfinanzierung gegeben sein muss bzw. umgekehrt, wie hoch der Steuerfinanzierungsanteil maximal sein darf, finden sich seitens der Politik ebenso wie im Schrifttum bislang nur selten Aussagen – und dann auch nur eher vage Positionierungen. So spricht das Bundesministerium für Arbeit und Soziales111 etwa davon, dass die GRV „zu einem maßgeblichen Anteil“ ein von den Versicherten durch Beiträge finanziertes Sicherungssystem bleiben müsse. In der Rechtsprechung und im Schrifttum wird zumindest von einem Teil der Stimmen112 offenbar eine Grenze bei 50 Prozent Steu-

Isensee, ZRP 1982, 137 (141); ders., Umverteilung durch Sozialversicherungsbeiträge, 1973, S. 47; F. Kirchhof, NZS 1999, 161 (162); Maunz, in: Maunz/Dürig GG Art. 74 Rn. 173; Rolfs, Das Versicherungsprinzip im Sozialversicherungsrecht, 2000, S. 117 f. 111 BMAS, Gesamtkonzept zur Alterssicherung, 2016, S. 27. 112 Etwa Axer, in: BonnKomm. GG, Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 Rn. 33; ders., in: Friauf/Höfling, GG, Art. 120 Rn. 25; Isensee, Umverteilung durch Sozialversicherungsbeiträge, 1973, S. 47; ders., SDSRV 35 (1992), 7 (37); F. Kirchhof, NZS 1999, 161 (162); W. Leisner, Sozialversicherung und Privatversicherung, 1974, S. 75, S. 103 f.; Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 74

B. Mögliche Vorgaben aus Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG

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erfinanzierung gesehen. Ausdrücklich ausgesprochen – wenngleich ohne Begründung – hat das indes nur Walter Leisner113. Andere Stimmen sind aber wohl genauso zu verstehen: So sprechen der Bundesgerichtshof114 und ihm folgend Christian Rolfs115 davon, dass der Versicherungscharakter nicht ausgeschlossen sei, solange „primär“ Beiträge von den Mitgliedern erhoben würden. Peter Axer116 äußert, dass der Bundeszuschuss immer „nur subsidiäre und sekundäre Finanzquelle sein“ könne; werde er zur „maßgeblichen Finanzierungsquelle“, handele es sich nicht mehr um Sozialversicherung. Josef Isensee117 formuliert, dass der Staatszuschuss „der Sozialversicherung nicht den Charakter der versicherungsmäßigen Selbsthilfe [nimmt], solange sie ihren Finanzbedarf in erster Linie aus eigenen Beitragsaufkommen deckt“. Jan-Erik Schenkel118 weist demgegenüber dezidiert eine solche 50 ProzentGrenze zurück, verlangt aber ebenfalls, dass das neue „System zumindest auch durch einen Sockel aus Beitragsleistungen finanziert wird“. Auch das Bundesverfassungsgericht119 hat sich, soweit es um die Sozialversicherung im Ganzen geht (anders verhält es sich – dazu sogleich – hinsichtlich der Alterssicherung der Landwirte), nicht exakt festgelegt, wenn es meint, die von den Versicherten geleisteten Beiträge müssten „jedenfalls noch als erheblicher Anteil an der Finanzierung angesehen werden“ können. Im Kontext mit der Interpretation des Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG tritt hier – anders, als wenn man nur Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG in den Blick zu nehmen hätte, wo es allein auf die „Finanzierung durch Beiträge“ ankommt – freilich noch etwas hinzu. Das ist der Wortsinn des Begriffs „Zuschüsse“. Wie bereits an anderer Stelle (oben S. 23 f.) Rn. 173; Rolfs, Das Versicherungsprinzip im Sozialversicherungsrecht, 2000, S. 117 f.; Schenkel, Sozialversicherung und Grundgesetz, 2008, S. 117. 113 W. Leisner, Sozialversicherung und Privatversicherung, 1974, S. 75: „Die Beitragsgrundlage muß erhalten werden, die Zuschüsse dürfen – von Krisensituationen abgesehen – regelmäßig die Grenze von 50 % des Gesamtaufkommens nicht erreichen.“ 114 BGH, Urt. v. 23. 9. 1965 – II ZR 144/63, BGHZ 44, 166 (169). 115 Rolfs, Das Versicherungsprinzip im Sozialversicherungsrecht, 2000, S. 117 f. 116 Axer, in: Friauf/Höfling, GG, Art. 120 Rn. 25: „Allerdings ist nicht zu verkennen, dass ein hoher Anteil an Bundeszuschüssen an den Grundstrukturen der Sozialversicherung rührt und den Übergang von einer beitragsfinanzierten Sozialversicherung zu einem steuerfinanzierten Sozialleistungssystem bedeuten würde. Der Bundeszuschuss kann daher nur subsidiäre und sekundäre Finanzquelle sein, wenn die Absicherung im Alters-, Krankheits- oder Pflegefall weiterhin durch eine Sozialversicherung erfolgen soll. Wird der Bundeszuschuss dagegen zur maßgeblichen Finanzierungsquelle, handelt es sich nicht mehr um Sozialversicherung im Sinne des Grundgesetzes.“ Axer beruft sich dabei auf Isensee, SDSRV 35 (1992), 7 (37) und W. Leisner, Sozialversicherung und Privatversicherung, 1974, S. 75, S. 103 f. 117 Bei Isensee, Umverteilung durch Sozialversicherungsbeiträge, 1973, S. 47 findet sich der Satz: „Der ,Zuschuß‘ ist vom Begriff her Ergänzung einer vorauszusetzenden Eigenleistung.“ 118 Schenkel, Sozialversicherung und Grundgesetz, 2008, S. 117, der seinerseits u. a. Isensee, W. Leisner, Rolfs und „wohl auch“ Axer in das Lager der Befürworter einer 50 ProzentGrenze einsortiert. 119 BVerfG, Beschl. v. 9. 12. 2003 – 1 BvR 558/99, BVerfGE 109, 96 (110).

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3. Teil: Einfach-, verfassungs- und unionsrechtliche Vorgaben

dargestellt, ist unter einem Zuschuss ein Betrag zu verstehen, der zur Aufstockung eines Hauptsachebetrages gezahlt wird; etwas, was als „Zuschuss“ bezeichnet wird, muss hinsichtlich seiner Höhe stets hinter dem Hauptsachebetrag zurückbleiben.120 „Zuschuss“ meint demnach immer nur eine subsidiäre und sekundäre, nicht aber die maßgebliche Finanzquelle. Anderenfalls entfiele die unterstützende Funktion; der bezuschussende Betrag bekäme die Funktion der Hauptfinanzierungsquelle. Mithin folgt aus dem Wortsinn und dem allgemeinen Sprachgebrauch für den verfassungsrechtlich höchstzulässigen Gesamtbetrag der Bundeszuschüsse zu einem Sozialversicherungszweig eine Hälftigkeitsregel: Die Bundeszuschüsse dürfen nur so hoch ausfallen, dass die Summe der echten121 Bundeszuschüsse unterhalb von 50 Prozent der Gesamteinnahmen des Sozialversicherungszweiges bleibt. Ausnahmsweise mag man bei Vorliegen besonderer Umstände hinsichtlich dieser 50 Prozent-Grenze einmal großzügiger sein, etwa wenn aufgrund hoher Defizite in einem Jahr Steuermittel in besonders hohem Umfang in die Sozialversicherung fließen. Doch muss – über längere Zeiträume gesehen – die Summe der Beiträge der Versicherten und ihrer Arbeitgeber sowie anderer Beteiligter auch dann das im Durchschnitt maßgebende und prägende Finanzierungsinstrument bleiben. Es ist also festzuhalten: Ohne eine sich in einem Mehrjahresdurchschnitt ergebende Beitragsfinanzierung in Höhe von mindestens 50 Prozent liegt keine Sozialversicherung vor. „Lockerer“, als dies vorstehend vertreten wird, hat es das Bundesverfassungsgericht122 indes gesehen, als es die landwirtschaftliche Alterssicherung als besonderen Zweig der Sozialversicherung eingeordnet und mögliche Zweifel an dieser Einordnung auch nicht „angesichts der Höhe des Bundeszuschusses, der sich in den letzten Jahrzehnten zwischen 67,3 im Jahre 1985 und 78,4 im Jahre 1980 vom Hundert bewegt hat und nunmehr nach Jahren mit niedrigeren Anteilen wieder zwischen 70 und 75 vom Hundert der Leistungen liegt (vgl. BT-Drucks 10/2851, S. 135; 13/401, S. 133; 14/8202, Anhang S. 51; 15/405, S. 141)“ für durchgreifend erachtet hat. Ausweislich dieses Beschlusses sieht das Bundesverfassungsgericht offenbar sogar ein Verhältnis von etwa 75 Prozent Bundeszuschuss zu etwa 25 Prozent Beitragsfinanzierung noch als ausreichend an, um eine Regelung weiterhin dem Kompetenztitel „Sozialversicherung“ zuordnen zu können. Mehr noch: Das scheint 120 Isensee, Umverteilung durch Sozialversicherungsbeiträge, 1973, S. 47 (Hervorhebung nicht im Original). 121 Erstattungen und (einmalige) Eventualzuschüsse bleiben bei dieser Berechnung außen vor; erstere dienen dem – verfassungsgebotenen – Ausgleich versicherungsfremder Lasten, die der Träger gesetzlich zu übernehmen hat, letztere dienen funktionell der Beseitigung von Liquiditätsschwierigkeiten oder gar von Illiquidität und sind Ausdruck der Bundesgarantie für die Sozialversicherung, wie sie sich aus Art. 20 Abs. 1 GG (Sozialstaatsprinzip) i.V.m. Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG ergibt. Wandeln sich Eventualzuschüsse durch mehrfache Gewährung indessen zu einem Regelzuschuss, wie das in den 1980er Jahren zeitweise bei der Bundesanstalt für Arbeit der Fall war, gilt etwas anderes; dann müssen diese Eventualzuschüsse ebenfalls berücksichtigt werden. 122 BVerfG, Beschl. v. 9. 12. 2003 – 1 BvR 558/99, BVerfGE 109, 96 (110).

B. Mögliche Vorgaben aus Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG

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noch nicht einmal die absolute Obergrenze bei der Zuschussgewährung zu sein. Denn exakt „Farbe bekannt“ zu einer Maximalhöhe jenseits dieser Drei-Viertel-Grenze hat das Bundesverfassungsgericht123 nicht: „Wann ein Grad der staatlichen Finanzierung erreicht ist, der die Zuordnung eines sozialen Sicherungssystems zum ,Recht der Sozialversicherung‘ im Sinne des Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG in Frage stellt, ist“ – so fährt das Gericht fort – „hier nicht zu entscheiden.“ Und es fügt – wie bereits erwähnt – hinzu: „Bislang können die von den Versicherten geleisteten Beiträge jedenfalls noch als erheblicher Anteil an der Finanzierung angesehen werden, zumal die Höhe der späteren Leistungen an die Zahl der Beitragsmonate anknüpft.“124 Jedoch muss diese Entscheidung in zweifacher Hinsicht hinterfragt und mit Vorsicht behandelt werden: Zunächst bestehen erhebliche Zweifel, ob diese Rechtsprechung zu dem besonderen – kleinen – Zweig der Alterssicherung der Landwirte tatsächlich auf die allgemeine Rentenversicherung übertragen werden kann. Denn mit der Alterssicherung der Landwirte waren und sind seit jeher auch agrarstrukturelle Zielsetzungen wie etwa die Hofübergabe bzw. Hofabgabe bei Erreichen des Rentenalters oder die Höfekonzentration durch Verpachtung frei werdender Nutzflächen an andere Landwirte, die nicht Hofnachfolger sind, verbunden, was in der Vergangenheit immer als Grund für die hohen Staatszuschüsse benannt wurde. Anders gesagt: Die landwirtschaftliche Alterssicherung verfolgt – um den Strukturwandel in der Landwirtschaft voranzubringen – sozial- und agrarpolitische Ziele in einem statt in getrennten Gesetzen. Diese Besonderheit scheint in den Augen des Bundesverfassungsgerichts die Zuschusshöhe „duldungsfähig“ zu machen. Zudem – das ist ein zweiter wichtiger Aspekt, dessentwegen man die Übertragbarkeit der Entscheidung anzweifeln kann – stand in der Entscheidung die Zuordenbarkeit der Alterssicherung der Landwirte zum Kompetenztitel „Sozialversicherung“ (statt zu Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG [Fürsorge]) in Rede, nicht aber die Zulässigkeit der Höhe der Zuschüsse, die den Vorgaben des Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG, also auch dem Wortsinn von „Zuschüssen“, zu entsprechen haben. 4. Ergebniszusammenfassung Damit ergibt sich folgendes Gesamtergebnis: Ein „Demographiezuschuss“ wäre ein Zuschuss, der dem Grunde nach auf Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG gestützt werden könnte. Er müsste sich dafür ausschließlich auf die Sachausgaben der GRV beziehen. Zur maximalen Höhe lässt sich sagen, dass Bundeszuschüsse bis zu einer Höhe von 123

BVerfG, Beschl. v. 9. 12. 2003 – 1 BvR 558/99, BVerfGE 109, 96 (110). Mit letzterer Bemerkung soll vermutlich der Bogen zum Merkmal „Versicherung“ geschlagen werden, an dem es, wie auf S. 60 f. erwähnt, fehlt, wenn eine Sozialleistung vollumfänglich vom Staat selbst finanziert ist. Auch insoweit scheinen nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts Zuschusshöhen von 75 Prozent und mehr der Gesamteinnahmen eines Sozialversicherungszweigs die Versicherungsnatur des betroffenen Sozialversicherungszweigs noch nicht auszuschließen, solange jedenfalls noch eine versicherungsmäßige Ausgestaltung des Systems im Sinne von „Höhere Beiträge führen zu höheren Leistungen“ vorliegt. 124

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3. Teil: Einfach-, verfassungs- und unionsrechtliche Vorgaben

50 Prozent der Gesamteinnahmen eines Sozialversicherungszweigs (ohne Erstattungsleistungen) eine bestehende Sozialversicherung im Sinne des Kompetenztitels nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG noch nicht so weit umformen, dass das neue System nicht mehr als Sozialversicherung angesprochen werden könnte, was dann die Folge nach sich zöge, dass dieses neue System auch nicht mehr Empfänger von Bundeszuschüssen nach Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG sein könnte. Will man dem Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss zur landwirtschaftlichen Alterssicherung folgen, würde diese Umformung bzw. Denaturierung sogar erst bei noch weitaus höheren Zuschussquoten, nämlich von 75 Prozent der Einnahmen und mehr, einsetzen. Dann allerdings setzten Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG i.V.m. Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG den Bundeszuschüssen an die Sozialversicherung kaum noch eine Grenze; allenfalls die Vollfinanzierung könnte dann, wie die Entscheidung des Gerichts zur Arbeitslosenhilfe zeigt125, sicher als verfassungsrechtlich unzulässig betrachtet werden. Die kompetenzrechtliche Abgrenzung von „Sozialversicherung“ und „Fürsorge“ wäre damit freilich ins Belieben gestellt. Eines lässt sich aber sicher sagen: Ob man nun, wie hier, der Ansicht ist (bzw. ihr folgt), dass eine 50 Prozent-Grenze besteht, oder ob man den Steueranteil der GRV als noch weiter ausbaufähig ansieht – angesichts der bisherigen Höhe der Staatszuschüsse ist jedenfalls ersichtlich, dass auch bei einer signifikanten Erhöhung der Bundeszuschüsse die Gefahr eines Verlustes der Eigenschaft der GRV als „Sozialversicherung“ noch lange nicht besteht. Das wird schon daran augenscheinlich, dass allein zur Wiedererreichung des im Jahre 1957 zum Zeitpunkt der großen Rentenreform bestehenden Zuschussniveaus von 31,8 Prozent der Rentenversicherungseinnahmen126 eine Erhöhung des Bundeszuschusses um einen Betrag von rund 20 Mrd. Euro notwendig wäre.

C. Mögliche Vorgaben aus Art. 14 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG Schranken oder Maßgaben für einen „Demographiezuschuss“ könnten sich unter dem Aspekt des Eigentumsgrundrechts sowohl der Beitragszahler und Bestandsrentner als auch der Steuerzahler, die die zu seiner Gewährung erforderlichen Steuermittel zu finanzieren haben, ergeben. In welcher Weise das Eigentumsgrundrecht überhaupt einschlägig sein könnte und ob sich infolgedessen aus Art. 14 Abs. 1 GG verfassungsrechtliche Schranken bzw. Zulässigkeitsprobleme für einen „Demographiezuschuss“ ergeben könnten, soll Gegenstand der nachfolgenden Überlegungen sein.

125 126

BVerfG, Beschl. v. 26. 9. 2005 – 1 BvR 1773/03, NZS 2006, 247 (248). Angabe nach BT-Drucks. 11/4124 v. 7. 3. 1989, S. 139.

C. Mögliche Vorgaben aus Art. 14 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG

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I. Berührung der Rechte der Beitragszahler und Bestandsrentner Ein „Demographiezuschuss“, der der GRV neben den bisherigen Bundeszuschüssen nach § 213 Abs. 1, Abs. 3 SGB VI gewährt würde, soll nach Aussagen verschiedener Stimmen in der Literatur auch für die Beitragszahler und die Bestandsrentner eigentumsrechtliche Relevanz besitzen. So heißt es, dass ein „zu starker Anstieg des Bundesanteils […] problematisch [wäre], weil er das beitragsbezogene System in Gefahr brächte“127. Gleichsinnig findet sich die Ansicht, dass „ein wachsender Staatsanteil […] den Eigentumsschutz der Renten [mindere] und […] das Versicherungssystem [korrumpiere]“128. Auch der frühere Bundesfinanzminister Hans Eichel hat davor gewarnt, dass „die Begründung eines eigentumsähnlichen Anspruchs in der Rentenversicherung“129 umso schwieriger würde, je mehr die Rentenversicherung über Steuern finanziert würde.130 1. Art. 14 Abs. 1 GG: Negativwirkung trotz Begünstigung durch höheres Rentenniveau und niedrigere Beitragssätze für alle? Zur Frage ihres dogmatischen Zugriffs äußern sich solche Aussagen allerdings nicht. Auf den ersten Blick scheinen sie sogar in eine ganz falsche Richtung zu gehen, zielen doch die Bundeszuschüsse an die GRV und auch ein möglicher „Demographiezuschuss“ darauf ab, die anderenfalls erforderliche signifikante Erhöhung der Beiträge zur GRV und/oder ein sonst absehbares signifikantes Absinken des Rentenniveaus zu verhindern. Insofern erscheint die Bezuschussung als eine ausschließlich günstige Regelung für die Beitragszahler und die Bestandsrentner. Wie soll diese Begünstigung dann – wie es teilweise angenommen wird – einen Grundrechtseingriff gegenüber eben diesen Personengruppen darstellen können? Im Kern geht es um eine Doppelwirkung, aus der diese gegenläufigen Auswirkungen gegenüber ein und derselben Personengruppe resultieren könnten. In einem so komplexen und vielschichtigen System, wie es die GRV darstellt, wirken sich Bundeszuschüsse nämlich womöglich nicht nur positiv und begünstigend für die Versicherten aus. Allein günstig ist die Wirkung für Beitragszahler und Bestandsrentner, daran besteht kein Zweifel, hinsichtlich der unmittelbaren „Nahwirkung“ auf der Ebene der Gegenwart; hier besteht für Überlegungen zu einem Eingriff in den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG kein Anlass. Doch darf dies nicht darüber 127

KomGRV, § 213 SGB VI Rn. 4.3. Ruland, DRV 1985, 13 (21); ebenso Kannengießer, Deutsches Ärzteblatt 1999, 1451 f. 129 So Eichel (SPD) in einem Interview im „Tagesspiegel“ vom 9. 7. 1999, zit. nach KomGRV, § 213 SGB VI Rn. 4.3. 130 So Eichel (SPD) in einem Interview im „Tagesspiegel“ vom 9. 7. 1999, zit. nach KomGRV, § 213 SGB VI Rn. 4.3. 128

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3. Teil: Einfach-, verfassungs- und unionsrechtliche Vorgaben

hinwegtäuschen, dass der „Demographiezuschuss“ – gleichsam „getarnt“ durch die vordergründige gegenwärtige und offensichtliche Begünstigung – auf einer anderen, nämlich die Zukunft betreffenden Ebene zugleich nachteilige Fernwirkungen für dieselben Personengruppen nach sich ziehen könnte. Grund dafür ist das Prinzip „zukünftiger Rentenerhalt gegen gegenwärtige Beitragszahlung“, das der GRV seit jeher zugrunde liegt: Der Anspruch auf zukünftigen Rentenbezug folgt aus der Erlangung entsprechender Anwartschaften durch gegenwärtige Eigenleistungen der Versicherten zur GRV, namentlich durch die Beitragszahlung in der Gegenwart. Diese Anwartschaften – und hier kommt nun das Eigentumsgrundrecht ins Spiel – unterliegen, wie noch näher aufzuzeigen sein wird, nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und der heute einhelligen Meinung im Schrifttum dem Eigentumsschutz des Art. 14 Abs. 1 GG. Als Folge dieser grundrechtlichen Zuordnung sind hinsichtlich des Rentenbezugs sowohl die Vollrechte als auch die Anwartschaften der GRV-Versicherten eine verfassungsrechtlich geschützte und gestützte und damit eine entsprechend starke Position – solange der Grund für die Existenz dieses so gesicherten Anspruchs bestehen bleibt. Hier aber könnte sich nun der diskutierte „Demographiezuschuss“ mittelbar belastend im Sinne von nachteilig auswirken: Die Befürchtung, dass durch die Einführung des neuen Zuschusses die verfassungsrechtlich gesicherte Position der Versicherten geschwächt würde, resultiert nämlich genau daraus, dass der diskutierte Zuschuss den anteiligen Beitrag der Versicherten an der Begründung ihres zukünftigen Anspruchs auf Rentenbezug verhältnismäßig verringerte. Das den eingangs zitierten Äußerungen zugrunde liegende verfassungsrechtliche Szenario ist damit zumindest „greifbar“: Die durch das eigentumsrechtlich gesicherte Anwartschaftsrecht erzeugte starke Anspruchsposition der GRV-Versicherten auf Rentenbezug liefe womöglich Gefahr, „nach hinten heraus“ teilweise entwertet zu werden. 2. Ausgangspunkt und Voraussetzungen des Eigentumsschutzes sozialversicherungsrechtlicher Positionen Ob diese Befürchtung der nachteiligen mittelbaren Fernwirkung eines „Demographiezuschusses“ tatsächlich zutrifft, bedarf indes einer genaueren Analyse und Entfaltung der Rechtsprechung zum Eigentumsschutz sozialversicherungsrechtlicher Positionen einschließlich ihrer Genese und ihrer Beweggründe. Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleistet Eigentum und Erbrecht. Als eigentumsfähig werden alle konkreten vermögenswerten Rechtspositionen angesehen, die dem Einzelnen als Ausschließlichkeitsrechte zur privaten Nutzung und zur eigenen Verfügung zugeordnet sind.131 Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um dingliche 131 Ständige Rechtsprechung, zuletzt etwa BVerfG, Beschl. v. 8. 5. 2012 – 1 BvR 1065/03, BVerfGE 131, 66 (79); Sodan, in: Sodan, GG, Art. 14 Rn. 8; Wendt, in Sachs, GG, Art. 14 Rn. 5.

C. Mögliche Vorgaben aus Art. 14 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG

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oder sonstige absolute, d. h. gegenüber jedermann wirkende, Rechte oder um relative Rechtspositionen handelt.132 Eine Festlegung zu der Frage, ob diese Voraussetzungen auch für sozialversicherungsrechtliche Ansprüche gelten, hat das Bundesverfassungsgericht133 lange, nämlich bis 1980, offengehalten. Anfänglich war das Gericht diesbezüglich auf eher anderem Kurs und stellte fest, dass Art. 14 GG „jedenfalls grundsätzlich Vermögenswerte des öffentlichen Rechts nicht umfaßt“. Zur Begründung führte es aus, vor 1933 seien sich Rechtsprechung und Literatur weitgehend einig gewesen, dass der dem Art. 14 GG entsprechende Art. 153 WRV nur private Vermögensrechte geschützt habe. Der Grundgesetzgeber habe dieses Verständnis der Eigentumsgarantie gekannt und sich zu eigen gemacht.134 Ebenfalls von Anfang an nahm das Bundesverfassungsgericht Art. 14 GG allerdings ausdrücklich nicht von der Möglichkeit der dynamischen Auslegung von Verfassungsbestimmungen aus, erkannte jedoch zunächst keinen Bedeutungswandel der Eigentumsgarantie, der eine vom Willen des Verfassungsgebers abweichende Deutung des Art. 14 GG gerechtfertigt hätte.135 Das Gericht war vielmehr weiterhin der Ansicht, dass solche Ansprüche, die der Staat lediglich in Erfüllung seiner Fürsorgepflicht gewähre, nicht von der Eigentumsfreiheit gedeckt sein könnten.136 Den Durchbruch in seiner Rechtsprechung zum grundrechtlichen Eigentumsschutz sozialversicherungsrechtlicher Ansprüche vollzog das Bundesverfassungsgericht erst im Anschluss an Günter Dürig, Werner Weber und Waltraud Rupp-v. Brünneck137 mit seinem Urteil zum Versorgungsausgleich vom 28. Februar 1980138 ; darin nahm es erstmals an, dass Versichertenansprüche und -anwartschaften aus der GRV den Schutz des Art. 14 GG genießen.

132 Ständige Rechtsprechung, zuletzt etwa BVerfG, Beschl. v. 8. 5. 2012 – 1 BvR 1065/03, BVerfGE 138, 66 (79 f.); Sodan, in: Sodan, GG, Art. 14 Rn. 8. 133 BVerfG, Urt. v. 1. 7. 1953 – 1 BvL 23/51, BVerfGE 2, 380 (399). 134 BVerfG, Urt. v. 1. 7. 1953 – 1 BvL 23/51, BVerfGE 2, 380 (399 f.). 135 BVerfG, Urt. v. 1. 7. 1953 – 1 BvL 23/51, BVerfGE 2, 380 (401). Nachweise zur reichsgerichtlichen Rechtsprechung und zum Weimarer Schrifttum finden sich etwa bei Wendt, in: Sachs, GG, Art. 14 Rn. 22, Fn. 79. 136 BVerfG, Urt. v. 1. 7. 1953 – 1 BvL 23/51, BVerfGE 2, 380 (402); ferner auch BVerfG, Beschl. v. 21. 7. 1955 – 1 BvL 33/51, BVerfGE 4, 219 (242); BVerfG, Beschl. v. 7. 5. 1963 – 2 BvR 481/60, BVerfGE 16, 94 (113). S. dazu und zu etwaigen „praktischen Erwägungen“ des Bundesverfassungsgerichts im Rahmen seiner Interpretation der Eigentumsgarantie auch Adam, Eigentumsschutz in der gesetzlichen Rentenversicherung, 2009, S. 62. 137 Dürig, FS Apelt, 1958, S. 13 ff.; W. Weber, AöR 91 (1966), 382 ff.; Rupp-v. Brünneck, Sondervotum zu BVerfG Beschl. v. 12. 12. 1973, 1 BvL 19/72 – Nachentrichtungsberechtigung in der Rentenversicherung, BVerfGE 32, 247 ff. Eine zusammenfassende Wiedergabe des Sondervotums gibt etwa Adam, Eigentumsschutz in der gesetzlichen Rentenversicherung, 2009, S. 63 f. 138 BVerfG, Urt. v. 28. 2. 1980 – 1 BvL 17/77 u. a., BVerfGE 53, 257 (289 ff.).

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3. Teil: Einfach-, verfassungs- und unionsrechtliche Vorgaben

Als inhaltliche Begründung dieser Neuorientierung gab das Bundesverfassungsgericht139 an, dass in der heutigen Gesellschaft „die große Mehrzahl der Staatsbürger ihre wirtschaftliche Existenzsicherung weniger durch privates Sachvermögen als durch den Arbeitsertrag und die daran anknüpfende solidarisch getragene Daseinsvorsorge [erlange]“.140 Eine Grundrechtsinterpretation, die den Eigentumsschutz nur für Sacheigentum, private Rechte, Depot- oder Konteneigentum gewähre, nicht aber für diejenigen existenziell-personalen Sicherungsformen, die die Stelle privater Vorsorge und Sicherung eingenommen hätten und nunmehr in ganz überwiegendem Maße zur ökonomischen Basis freiheitlicher Entfaltung der einzelnen Bürgerin und des einzelnen Bürgers geworden seien, sei daher nicht mehr zeitgemäß. Diese „Rechtfertigung“ der Neuorientierung und ihre Notwendigkeit wird – soweit ersichtlich – nach anfänglicher Kritik141 heute nicht mehr bestritten.142 In dogmatischer Hinsicht sind jedoch auch nach dieser Öffnung des Art. 14 GG zur Annahme eigentumsrechtlichen Schutzes für öffentlich-rechtliche Rechtspositionen noch zwei Hürden zu überspringen (gewesen). Zunächst einmal muss dem Inhaber einer vermögenswerten Position des öffentlichen Rechts eine Rechtsstellung zugebilligt werden können, die derjenigen des Eigentümers privater Rechte entspricht. Bei öffentlich-rechtlichen Rechten kann das aber dadurch, dass der Staat an deren Entstehung ganz wesentlich beteiligt ist, nur dann der Fall sein, wenn der Staat bei der Einräumung des Rechts dieses aus seinem eigenen Verfügungsbereich entlässt und es der Bürgerin oder dem Bürger so zu eigen zuordnet, dass es – ähnlich wie ein privates Vermögensrecht – dem Verfügungs- und Verwendungsbereich der Bürgerin oder des Bürgers überantwortet ist.143 Eine derartige Zuweisung wird aber der Staat nur dann vornehmen, wenn der Einzelne ihm gegenüber (zuvor) als Äquivalent eine (Vor-)Leistung erbracht hat.144 Bei sozialversicherungsrechtlichen Anspruchspositionen kam und kommt – wie erwähnt – noch eine zweite Hürde hinzu. Aufgrund der Umlagefinanzierung (kein Kapitalstock; in der GRV: „Generationenvertrag“145) besteht ein zuweisungsfähiges 139

BVerfG, Urt. v. 28. 2. 1980 – 1 BvL 17/77 u. a., BVerfGE 53, 257 (290); inhaltlich wiederholt etwa in BVerfG, Urt. v. 28. 4. 1999 – 1 BvL 11/94 u. a., BVerfGE 100, 138 (182); BVerfG, Beschl. v. 8. 5. 2012 – 1 1065/03, BVerfGE 138, 66 (79 f.). 140 Zur inhaltlichen Rechtfertigung dieser Grundrechtsinterpretation s. z. B. Isensee, in: Zacher (Hrsg.), Die Rolle des Beitrags in der sozialen Sicherung, 1979, S. 461 (492 ff.). 141 Kritisch seinerzeit P. Krause, Eigentum an subjektiv-öffentlichen Rechten, 1982, S. 40 ff.; später Depenheuer, AöR 120 (1995), 417 (423 ff.). Nur gegenüber dem Erfordernis der Existenzsicherung skeptisch etwa Herzog, NZA 1989, S. 1 (3, 5); Rolfs, Das Versicherungsprinzip im Sozialversicherungsrecht, 2000, S. 165 ff. 142 Siehe die umfangreichen Nachweise etwa bei Bryde, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 14 Rn. 26 Fn. 165. Zu den unterschiedlichen Literaturauffassungen mit entsprechenden Nachweisen auch Adam, Eigentumsschutz in der gesetzlichen Rentenversicherung, 2009, S. 67 f. 143 Prägnant aufgezeigt etwa bei Wendt, in: Sachs, GG, Art. 14 Rn. 28, Rn. 30. 144 Wendt, in: Sachs, GG, Art. 14 Rn. 31. 145 Dazu Butzer, FS Schnapp, 2008, S. 367 ff.

C. Mögliche Vorgaben aus Art. 14 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG

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Recht zu Gunsten des Versicherten eigentlich erst bei Eintritt des Versicherungsfalles (Erreichen der Altersgrenze, Eintritt des Erwerbsminderungsfalls, Tod, Krankheit, Pflegebedürftigkeit u.s.w.). Vorher existiert noch kein fest umrissenes, objektiv konkretisierbares Recht auf eine bestimmte oder jedenfalls bestimmbare Leistung (z. B. auf einen konkreten Monatsbetrag). Vielmehr handelt es sich bloß um einen Anspruch auf künftige relative (beitrags- und lebensarbeitszeitbezogene) Teilhabe am jeweiligen Finanzaufkommen nach Maßgabe und in Relation zu den früher erbrachten eigenen Vorleistungen (sog. Beitrags- oder Teilhabeäquivalenz). Bis zum Eintritt des Versicherungsfalls steht der Anwartschaft kein Vermögenssubstrat gegenüber; sie ist bis dahin noch „anonym“ eingebettet in die Gesamtheit aller Anwartschaften der übrigen Versicherten und repräsentiert allein eine prozentuale Rangstelle im Sinne eines anteilsgerechten Versicherungsschutzes. Vor diesem Hintergrund sind die nachfolgenden, vom Bundesverfassungsgericht seit 1980 entwickelten Kriterien für eine Einbeziehung sozialversicherungsrechtlicher Positionen in den Eigentumsschutz zu sehen. Nach ständiger Rechtsprechung146 soll (nur) solchen öffentlich-rechtlichen Leistungsrechten Eigentumsschutz nach Art. 14 Abs. 1 GG zukommen, die – erste Voraussetzung – nicht nur eine bloße „Aussicht“ darstellen, sondern nach Art eines Ausschließlichkeitsrechts für die Berechtigten privatnützig sind, die ferner – zweite Voraussetzung – auf einer zurechenbaren, nicht unerheblichen Eigenleistung des Rechteinhabers beruhen und die schließlich – dritte Voraussetzung – eine existenzsichernde Funktion besitzen. Die ersten beiden Voraussetzungen reflektieren die für jede Eigentumsposition – des Privatrechts ebenso wie des öffentlichen Rechts – geltenden Kriterien (Ausschließlichkeitsrecht; Eigenleistung als Äquivalent für die Zuordnung), mit der dritten soll der den sozialversicherungsrechtlichen Positionen teils (noch) fehlende Vermögenswert substituiert werden. Im Bereich des Rentenversicherungsrechts hat das Bundesverfassungsgericht anhand dieser Trias von Kriterien judiziert, dass Leistungsansprüche (Vollrechte) auf Altersrenten (heute §§ 35 – 42, §§ 236 – 238 SGB VI) und Erwerbsminderungsrenten (heute §§ 43, 45, §§ 240, 241 SGB VI) nach Erfüllung der allgemeinen Wartezeit dem Grundrechtsschutz des Art. 14 GG ebenso unterstellt sind wie Anwartschaften auf diese Ansprüche. Für Renten wegen Todes (heute §§ 46 – 48

146 BVerfG, Urt. v. 28. 2. 1980 – 1 BvL 17/77 u. a., BVerfGE 53, 257 (289 ff.); BVerfG, Urt. v. 16. 7. 1985 – 1 BvL 5/80 u. a., BVerfGE 69, 272 (298); BVerfG, Urt. v. 8. 4. 1987 – 1 BvR 564/ 84 u. a., BVerfGE 75, 78 (96 f.); BVerfG, Urt. v. 15. 7. 1987 – 1 BvR 488/86 u. a., BVerfGE 76, 220 (235 ff.); BVerfG, Urt. v. 4. 7. 1995 – 1 BvF 2/86 u. a., BVerfGE 92, 365 (405 ff.); BVerfG, Urt. v. 12. 11. 1996 – 1 BvL 4/88, BVerfGE 95, 143 (160); BVerfG, Urt. v. 28. 4. 1999 – 1 BvL 11/94 u. a., BVerfGE 100, 138 (182); BVerfG, Beschl. v. 11. 5. 2005 – 1 BvR 368/97, BVerfGE 112, 368 (396); BVerfG, Beschl. v. 7. 12. 2010 – 1 BvR 2628/07, BVerfGE 128, 90 (101); BVerfG (3. Kammer des Ersten Senats), Beschl. v. 3. 6. 2014 – 1 BvR 79/09 u. a., NJW 2014, 3634; ferner etwa BSG, Urt. v. 27. 2. 1986 – 1 RA 5/85, BSGE 60, 18 (26 f.); BSG, Urt. v. 10. 8. 1993 – 9 RV 4/93, BSGE 73, 41 (42). Rechtsprechung und Meinungsstand zusammenfassend Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14 (Stand: 2010) Rn. 123 ff., bes. Rn. 136 ff.

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3. Teil: Einfach-, verfassungs- und unionsrechtliche Vorgaben

SGB VI) hat das Bundesverfassungsgericht147 dies dagegen (allerdings zu Unrecht148) verneint. 3. Eigentumsrechtliche Fernwirkungen eines „Demographiezuschusses“ Problematisch im Falle der signifikanten Erhöhung der Bundeszuschüsse bzw. ihrer Ergänzung um einen „Demographiezuschuss“ ist von den drei genannten Kriterien allein die zweite Voraussetzung: Ein rentenrechtliches Vollrecht oder eine rentenrechtliche Anwartschaftsposition kann nur eigentumsgeschützt sein, wenn es oder wenn sie „auf einer zurechenbaren, nicht unerheblichen Eigenleistung des Rechteinhabers beruht“. Dazu hat das Bundesverfassungsgericht149 bereits in seiner bahnbrechenden ersten Entscheidung zum Versorgungsausgleich aus dem Jahre 1980 ausgeführt, dass der Schutzgrund für die Eigentümerposition wesentlich darin liegen müsse, „daß die in Betracht kommende Rechtsposition durch die persönliche Arbeitsleistung der Versicherten mitbestimmt ist, die in den einkommensbezogenen Leistungen [scil.: der Sozialversicherung] lediglich einen Ausdruck findet“. Handele es sich dagegen um eine Rechtsposition, die nicht durch die persönliche Arbeitsleistung der Versicherten mitbestimmt sei, komme ein Eigentumsschutz nicht in Betracht. Demgemäß unterstellt das Bundesverfassungsgericht150 in ständiger Rechtsprechung Ansprüche auf Sozialleistungen, die ausschließlich darauf beruhen, dass der Staat sie in Erfüllung seiner Fürsorgepflicht durch Gesetz eingeräumt hat, nach wie vor nicht dem Schutz des Art. 14 GG. Das gilt etwa für Ansprüche auf Sozialhilfe, auf Grundsicherungsleistungen151, auf Ausbildungsförderung, auf Jugendhilfe152 oder auf Kindergeld153 ; keinen Eigentumsschutz genoss auch die 2005 abgeschaffte Arbeitslosenhilfe154.

147

BVerfG, Beschl. v. 18. 2. 1998 – 1 BvR 1318/86, BVerfGE 97, 271 (283 ff.). Begründung etwa in BSG, Urt. v. 29. 1. 2004 – B 4 RA 29/03 R, BSGE 92, 113 (122 ff.); Butzer, FS Isensee, 2007, S. 667, S. 678 ff.; Mielke, Verfassungsfragen des Rechts der Witwenund Witwerrenten, 2011, S. 25 ff.; Adam, Eigentumsschutz in der gesetzlichen Rentenversicherung, 2009, S. 68 ff. 149 Zitiert nach BVerfG, Urt. v. 28. 4. 1999 – 1 BvL 32/95, 1 BvR 2105/95, BVerfGE 100, 1 (34). Zuvor bereits BVerfG, Urt. v. 28. 2. 1980 – 1 BvL 17/77 u. a., BVerfGE 53, 257 (291 f.); BVerfG, Urt. v. 16. 7. 1985 – 1 BvL 5/80 u. a., BVerfGE 69, 272 (301). Danach etwa BVerfG, Beschl. v. 7. 10. 2008 – 1 BvR 2995/06, BVerfGK 14, 287 (291). 150 BVerfG, Urt. v. 1. 7. 1953 – 1 BvL 23/51, BVerfGE 2, 380 (402 f.) zu (Fürsorge-)Ansprüchen nach dem nordrhein-westfälischen Haftentschädigungsgesetz; BVerfG, Beschl. v. 7. 12. 2010 – 1 BvR 2628/07, BVerfGE 128, 90 (101 ff.) zur früheren Arbeitslosenhilfe. Ersichtlich auch aus BVerfG, Urt. v. 28. 2. 1980 – 1 BvL 17/77 u. a., BVerfGE 53, 257 (292). 151 BVerfG, Beschl. v. 8. 11. 2011 – 1 BvR 2007/11, NZS 2012, 176 (177). 152 Axer, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 14 Rn. 60. 153 BSG, Urt. v. 22. 1. 1986 – 10 RKg 24/84, NJW 1987, 463 (464). 154 BVerfG, Beschl. v. 7. 12. 2010 – 1 BvR 2628/07, BVerfGE 128, 90 (101 ff.). 148

C. Mögliche Vorgaben aus Art. 14 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG

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a) Das Kriterium der „zurechenbaren, nicht unerheblichen Eigenleistung“ Im Bereich der Sozialversicherung wird es immer eine Eigenleistung der Versicherten geben. Ausschließlich auf staatlicher Gewährung beruhende Ansprüche kommen nicht vor; denn wie bereits an anderer Stelle (siehe oben S. 69 f.) dargelegt, fehlte es dann am Sozialversicherungscharakter (und damit auch an der Fähigkeit des Systems, Zuweisungsempfänger i.S.d. Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG sein zu können). Was die Bemessung dieser Eigenleistung der Versicherten bei sozialversicherungsrechtlichen Ansprüchen angeht, ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts155 stets zu beachten, dass sozialversicherungsrechtliche Ansprüche, speziell diejenigen der GRV, über lange Zeiträume erworben werden. Eine anwartschaftsrechtliche Position wird deshalb allein schon aufgrund phasenweise unterschiedlicher Einkommen (und damit auch unterschiedlicher Beitragsleistungen), was dann auch den Arbeitgeberanteil mitbeeinflusst, nie ganz gleichmäßig aufgebaut (worden) sein. Die erworbenen Entgeltpunkte werden vielmehr für jedes (Berufs-)Jahr von Jahr zu Jahr differieren. Auch kann die Gesetzgebung wechseln und für den einzelnen Versicherten günstige oder ungünstige Folgen hinsichtlich des Entgeltpunkterwerbs nach sich ziehen. Deswegen – so die Rechtsprechung156 – kann ein Sozialversicherungsanspruch „nicht je nach dem Zeitpunkt, in dem er fällig wird, unterschiedlicher Beurteilung hinsichtlich der Frage unterliegen, ob er auf nicht unerheblichen Eigenleistungen der Versicherten beruht“. Vielmehr soll bei der Bestimmung des Grades der Eigenleistung immer eine Gesamtbetrachtung erforderlich sein. Ebenso wenig, wie sozialversicherungsrechtliche Leistungsansprüche und Anwartschaften ausschließlich auf staatliche Gewährung zurückgehen, beruhen sie jemals nur auf persönlichen Leistungen der Versicherten. Vielmehr beruhen sie immer auch auf Leistungen ihrer Arbeitgeber und ggf. anderer Beitragszahler. Deshalb nimmt das Bundesverfassungsgericht157 an, dass als Eigenleistungen des Versicherten nicht nur die von ihm selbst erbrachten Beiträge zu berücksichtigen sind, sondern „in aller Regel auch solche Beiträge, die von Dritten zu seinen Gunsten dem Träger der Sozialversicherung zugeflossen sind“. Ebenso sieht das Bundesverfassungsgericht158, dass die Leistungsansprüche in der Sozialversicherung teils auch auf staatliche Gewährung (Bundeszuschüsse) zurückgehen. Es hat deshalb in seiner Entscheidung vom 16. Juli 1985 ausdrücklich festgestellt:

155

BVerfG, Urt. v. 16. 7. 1985 – 1 BvL 5/80 u. a., BVerfGE 69, 272 (301). BVerfG, Urt. v. 16. 7. 1985 – 1 BvL 5/80 u. a., BVerfGE 69, 272 (301). 157 BVerfG, Urt. v. 16. 7. 1985 – 1 BvL 5/80 u. a., BVerfGE 69, 272 (301); BVerfG, Urt. v. 28. 4. 1999 – 1 BvL 32/95, 1 BvR 2105/95, BVerfGE 100, 1 (34). 158 BVerfG, Urt. v. 16. 7. 1985 – 1 BvL 5/80 u. a., BVerfGE 69, 272 (301); BVerfG, Urt. v. 28. 4. 1999 – 1 BvL 32/95, 1 BvR 2105/95, BVerfGE 100, 1 (34); BVerfG, Beschl. v. 7. 10. 2008 – 1 BvR 2995/06, BVerfGK 14, 287 (291). 156

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3. Teil: Einfach-, verfassungs- und unionsrechtliche Vorgaben „Der Annahme einer nicht unerheblichen Eigenleistung steht es nicht entgegen, wenn die Rechtsposition auch oder überwiegend auf staatlicher Gewährung beruht; dies schließt den Eigentumsschutz ebenso wenig von vornherein aus wie bei Sachgütern, die mit Hilfe von Subventionen oder Steuererleichterungen erworben wurden.“

Diese Aussage hat das Bundesverfassungsgericht 14 Jahre später in einer Entscheidung159 zu Fragen des rentenrechtlichen Überleitungsrechts aus dem Einigungsvertrag (DDR-Zusatzversorgungssysteme) wiederholt: Es stehe der Annahme einer nicht unerheblichen Eigenleistung nicht „von vornherein“ entgegen, dass „eine rentenrechtliche Position – ebenso wie Sachgüter, die mit Hilfe von Subventionen oder Steuererleichterungen erworben wurden – auch oder überwiegend auf staatliche Gewährung zurückgeht, wenn der Versicherte sie jedenfalls als ,seine‘, ihm ausschließlich zustehende Rechtsposition betrachten kann.“ Diese Ausführungen sind für die eigentumsrechtliche Bewertung einer Ko-Finanzierung der GRV durch Bundeszuschüsse von zentraler Bedeutung. Bemerkenswert ist an ihnen, dass nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts die sozialversicherungsrechtliche Rechtsposition des Versicherten selbst dann nicht ihren Eigentumscharakter verlieren können soll, wenn sie „auch oder überwiegend auf staatlicher Gewährung beruht“. Zugespitzt: Auch ein Anteil von über 50 Prozent Staatsfinanzierung hindert also nicht die Annahme einer zurechenbaren, nicht unerheblichen Eigenleistung (und damit den eigentumsrechtlichen Schutz einer Anwartschaft oder eines Vollrechts). Es kann an dieser Stelle also festgehalten werden, dass die eingangs geäußerten Annahmen, etwa des früheren Finanzministers Eichel, von unzureichender Kenntnis der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zeugen.160 Die Gewährung eines „Demographiezuschusses“ zöge selbst dann, wenn sie zusammen mit den anderen Bundeszuschüssen zu einer überwiegenden Steuer159 BVerfG, Urt. v. 28. 4. 1999 – BvL 32/95, 1 BvR 2105/95, BVerfGE 100, 1 (34), unter Bezugnahme auf BVerfG, Urt. v. 16. 7. 1985 – 1 BvL 5/80 u. a., BVerfGE 69, 272 (301). 160 Es geht zudem – auch wenn das in den Äußerungen anzuklingen scheint – nicht etwa um einen Totalverlust der Eigentumsfähigkeit der Anwartschaften oder Rentenansprüche. Vielmehr ist der Umfang der Eigenleistung nur für die weitere Frage wesentlich, inwieweit der Gesetzgeber Inhalt und Schranken einer unter die Eigentumsgarantie fallenden Position regeln kann (BVerfG, Beschl. v. 1. 7. 1981 – 1 BvR 874/77 u. a., BVerfGE 58, 81 [112]; BVerfG, Urt. v. 16. 7. 1985 – 1 BvL 5/80 u. a., BVerfGE 69, 272 [301]). Je höher der einem Anspruch zugrunde liegende Anteil eigener Leistung ist, desto stärker tritt der verfassungsrechtlich wesentliche personale Bezug und mit ihm ein tragender Grund des Eigentumsschutzes hervor (BVerfG, Beschl. v. 7. 10. 2008 – 1 BvR 2995/06, BVerfGK 14, 287 [291], unter Bezugnahme auf BVerfG, Urt. v. 28. 2. 1980 – 1 BvL 17/77 u. a., BVerfGE 53, 257 [291 f.]; BVerfG, Beschl. v. 1. 7. 1981 – 1 BvR 874/77 u. a., BVerfGE 58, 81 [112]; BVerfG, Urt. v. 16. 7. 1985 – 1 BvL 5/ 80 u. a., BVerfGE 69, 272 [301]. Zustimmend etwa Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 14 Rn. 44). Mit anderen Worten: Solange überhaupt ein Eigenanteil an Beiträgen (Arbeitnehmerund Arbeitgeberanteil) für die Gewährung eines Rentenanspruchs maßgeblich ist, handelt es sich noch nicht um eine staatliche Fürsorgeleistung, die überhaupt keinen Eigentumsschutz genießt. Allerdings wäre ggf. der Eigentumsschutz gering ausgeprägt und schützte kaum noch vor auf Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG gestützte beschränkende Regelungen. Vgl. auch Butzer, Denkschrift 60 Jahre BSG, 2015, S. 3 (12 f.).

C. Mögliche Vorgaben aus Art. 14 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG

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finanzierung der GRV führte, nicht den Verlust des Eigentumsschutzes der Anwartschaften oder des Vollrechts auf Rentenleistungen nach sich. b) Arbeitsleistung und Beitragsleistung Diese Verfassungsauslegung wird weiter gestützt durch eine in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts angelegte und zur Dogmatik des Eigentumsschutzes öffentlich-rechtlicher Rechtspositionen gut passende Akzentverschiebung. In der bereits erwähnten Entscheidung zu den DDR-Zusatzversorgungssystemen wurde die Relation von „nicht unerheblicher Eigenleistung“ und „staatlicher Gewährung“ nämlich noch in anderer Weise gelockert. Das Bundesverfassungsgericht nahm hier an, dass „der Eigentumsschutz auch dann zum Tragen [kommt], wenn die Rentenansprüche und -anwartschaften nicht in erster Linie durch Beitragszahlungen, sondern maßgeblich durch Arbeitsleistung erworben wurden.“ Das heißt: Bei der Beurteilung des Kriteriums „zurechenbare, nicht unerhebliche Eigenleistung des Rechteinhabers“ muss nicht nur auf die konkret erbrachten Beitragsleistungen (durch den Versicherten und „seinen“ Arbeitgeber), sondern es kann – anstelle dieser Beitragsleistungen – auch auf die erbrachte Arbeitsleistung abgestellt werden. Die Argumentation führt dabei exakt zu den gedanklichen Grundlagen des Eigentumsschutzes öffentlich-rechtlicher Rechtspositionen zurück: Entscheidend ist, dass überhaupt eine Leistung erbracht worden ist, die es dem Staat erlaubt, dem Einzelnen als Äquivalent einer ihm – dem Staat – gegenüber erbrachten Leistung eine öffentlich-rechtliche Rechtspositionen zuzuordnen, die eigentumsgeschützt sein kann (vgl. soeben S. 70). Diese Vorweg-Leistung des Einzelnen bestand im Fall der früheren DDR-Zusatzversorgungssysteme in der besonderen Arbeitsleistung der Versicherten (die stets für den Staat erbracht wurde).161 Obwohl nie Beiträge gezahlt wurden (weder von den Versicherten, noch vom Staat als Arbeitgeber), genügte diese besondere, vorweg erbrachte Arbeitsleistung dem Bundesverfassungsgericht, um den Eigentumsschutz der Ansprüche früherer DDR-Bürgerinnen und Bürger auf Leistungen aus diesen – somit rein auf staatlicher Gewährung beruhenden – Zusatzversorgungssystemen zu bejahen. „Gekoppelt“ wurden mithin Zusatzversorgung und Arbeitsleistung, nicht aber Zusatzversorgung und Beitragsleistung. Dieser Gedanke ist vom Bundesverfassungsgericht162 in einem Beschluss vom 7. Oktober 2008 erneut aufgegriffen worden. Hier hat das Gericht163 explizit her161 Solche Zusagen einer verhältnismäßig hohen Altersversorgung sollten nicht selten auch fehlende leistungsgerechte Entlohnungen ausgleichen, da der Staat aufgrund seiner Finanzlage leistungsgerechte Arbeitsentgelte nicht durchweg zahlen konnte (vgl. Bienert, ZSR 1993, S. 349 [351 f.]). 162 BVerfG, Beschl. v. 7. 10. 2008 – 1 BvR 2995/06, BVerfGK 14, 287 (291). In der Entscheidung ging es um die Zahllast für Pflegeversicherungsbeiträge. Anfänglich trug der Rentenversicherungsträger für in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversicherte Rentner die Hälfte der Beiträge zur Pflegeversicherung (§ 59 Abs. 1 Satz 1 SGB XI i.V.m. § 249a

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3. Teil: Einfach-, verfassungs- und unionsrechtliche Vorgaben

vorgehoben, dass bei den Leistungen der Sozialversicherung die Berechtigung des Inhabers „in einem direkten Zusammenhang mit seiner eigenen Leistung zu würdigen [ist], die als besonderer Schutzgrund für die Eigentümerposition anerkannt ist“. Sodann wurde ausgeführt, dass die Beschwerdeführer nach 1995 nur sechs bzw. vier Jahre als versicherungspflichtig Beschäftigte mit Beiträgen zur Rentenversicherung belastet gewesen seien, deren Nachwirkung (bis zum 1. April 2004) die hälftige Tragungspflicht der Pflegeversicherungsbeiträge durch die GRV gewesen sei. Im Vergleich mit einem so genannten „Eckrentner“ mit 45 Versicherungsjahren handele es sich dabei um kurze Zeiträume. Scheint das Bundesverfassungsgericht hier nun zunächst doch auf die Beitragsleistung abzustellen, heißt es indes anschließend weiter: „Von einer erheblichen Eigenleistung, die durch die persönliche Arbeitsleistung des Versicherten auch nur in annähernd gleicher Weise wie die seiner Rente zugrunde liegende Beitragsleistung mitbestimmt wäre, kann angesichts dessen nicht gesprochen werden.“ Erneut wird also auf die „Arbeitsleistung“ der Versicherten abgestellt: „Verkoppelt“ werden die hälftige Beitragstragungspflicht der GRV und die (nur kurze) Arbeitsleistung der Beschwerdeführer, nicht aber die hälftige Beitragstragungspflicht der GRV und die (nur geringe) Beitragsleistung. Bricht man diese Überlegungen auf den Fall der Gewährung eines „Demographiezuschusses“ herunter, muss man zwar konstatieren, dass die Rentenanwartschaften und -ansprüche der Versicherten mit einem solchen zusätzlichen Zuschuss weniger stark auf eigenen Beitragsleistungen beruhten als ohne einen solchen Zuschuss. An der Arbeitsleistung der Versicherten, mit der diese ihre Anwartschaften und späteren Ansprüche erwürben, würde sich aber nichts ändern. Durch die mit einem „Demographiezuschuss“ verbesserte Finanzausstattung der GRV würde sich vielmehr allein der aktuelle Rentenwert (§ 68 SGB VI) pro erworbenem Entgeltpunkt (§ 66 SGB VI) ändern; es würden aber nicht zusätzliche Entgeltpunkte gewährt (wie es etwa bei einem verstärkten sozialen Ausgleich der Fall wäre). Die Versicherten müssten also – wenn die GRV einen „Demographiezuschuss“ (und außerdem weiterhin die bisherigen Bundeszuschüsse) erhielte – immer noch unverändert ihre Arbeitsleistung als Vorleistung erbringen. Das aber würde es weiter (und nicht anders als ohne den „Demographiezuschuss“) rechtfertigen, den Versicherten als Äquivalent eigener Leistung eine öffentlich-rechtliche Rechtsposition zuzuordnen. Insofern bestünde der Unterschied zu staatlichen Fürsorgeleistungen unverändert weiter. Denn für diese ist ja gerade kennzeichnend, dass es keiner Vorleistung in Form einer Arbeits- oder Beitragsleistung bedarf und die Leistungen empfangen werden können, ohne je einen einzigen Monat gearbeitet und damit eine „eigene Leistung“ erbracht zu haben.

SGB Va. F.). Das wurde mit Wirkung zum 1. 4. 2004 geändert. Seither sind die Beiträge aus der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung von dem jeweiligen Mitglied allein zu tragen. Hiergegen richtete sich die Verfassungsbeschwerde. 163 BVerfG, Beschl. v. 7. 10. 2008 – 1 BvR 2995/06, BVerfGK 14, 287 (291).

C. Mögliche Vorgaben aus Art. 14 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG

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4. Ergebniszusammenfassung In Ansehung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist somit Folgendes festzuhalten: - Der Eigentumsschutz sozialversicherungsrechtlicher Positionen ist auch dann nicht ausgeschlossen, wenn die Anwartschaften oder Vollrechte „auch oder überwiegend“ bzw. „maßgeblich“ auf staatlicher Gewährung beruhen. Auch ein Anteil von über 50 Prozent Staatsfinanzierung hindert also nicht die Annahme einer nicht unerheblichen Eigenleistung (und damit den eigentumsrechtlichen Schutz einer Anwartschaft oder eines Vollrechts). Eine Kombination der bisherigen Bundeszuschüsse zuzüglich eines „Demographiezuschusses“, die den Steuerfinanzierungsanteil der GRV in den Bereich von 50 Prozent führte, wäre folglich für den Eigentumsschutz der Anwartschaften und Vollrenten der GRVVersicherten ohne Konsequenzen. - Diese Verfassungsauslegung wird gestützt durch eine in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts angelegte Akzentverschiebung. Danach kommt es für die Feststellung einer dem jeweiligen Versicherten zurechenbaren, nicht ganz unerheblichen Eigenleistung (zweite Voraussetzung des Eigentumsschutzes) nicht zwingend auf die Höhe der eigenen Beitragsleistung des Versicherten an. Berücksichtigt werden muss vielmehr auch der Umfang der eigenen Arbeitsleistung des Versicherten. An der Erfüllung der Voraussetzung einer vorher zu erbringenden Arbeitsleistung, die für den eigentumsrechtlichen Schutz der sozialversicherungsrechtlichen Positionen erforderlich ist, würde die Gewährung eines „Demographiezuschusses“ rein gar nichts ändern. Da nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aber das Abstellen auf die erbrachte Arbeitsleistung für die Abgrenzung zu staatlichen Fürsorgeleistungen vollständig genügt, würde der diskutierte Zuschuss die bisherige Abgrenzung in keiner Weise berühren.

II. Eingriff in die Rechte der Steuerzahler: Prospektiv höhere Steuerlast Mögliche grundrechtliche Vorgaben für einen „Demographiezuschuss“ könnten sich indes ergeben, wenn die Einführung dieses weiteren Zuschusses angesichts einer prospektiv höheren Steuerlast in die Rechte der Steuerzahler aus Art. 14 Abs. 1 GG bzw. subsidiär aus Art. 2 Abs. 1 GG eingriffe. Es herrscht Einigkeit darüber, dass „jeder Bürger ohne weiteres der Steuergewalt unterworfen ist“164. Eine dezidierte Auseinandersetzung mit der Frage, ob dabei die Verpflichtung, Steuern zu zahlen, konkret an Art. 14 Abs. 1 GG oder aber an Art. 2 Abs. 1 GG zu messen ist, kann

164

BVerfG, Beschl. v. 8. 4. 1987 – 2 BvR 909/82 u. a., BVerfGE 75, 108 – 165, Ls. 4.

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3. Teil: Einfach-, verfassungs- und unionsrechtliche Vorgaben

dahinstehen165, da jedenfalls, wie sich sogleich zeigen wird, keines dieser beiden Grundrechte durch die Einführung eines „Demographiezuschusses“ verletzt würde. 1. Fehlende Eingriffswirkung in Art. 14 GG Konkret zu Art. 14 Abs. 1 GG vertreten Bundesverfassungsgericht und Schrifttum166 ganz überwiegend die Ansicht, der Steuer- oder sonstige Abgabenzugriff könne das Eigentum grundsätzlich überhaupt nicht verletzen, weil diese Verpflichtung dem Schuldner weder einen gegenständlich bestimmten Geldbetrag entziehe noch aus dem abgabentatbestandlichen Wirtschaftsgut erbracht werde, sondern als Wert-(summen-)schuld aus dem Gesamtvermögen des Schuldners zu erfüllen sei; das Vermögen als solches werde aber – so die ständige Rechtsprechung seit dem Investitionshilfe-Urteil vom 20. Juli 1954167 – durch Art. 14 Abs. 1 GG nicht geschützt. Diese anfangs ganz apodiktische Position wurde in den folgenden Jahren dann dahingehend eingeschränkt, dass die Auferlegung von Geldleistungspflichten die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG jedenfalls „grundsätzlich“ unberührt lasse.168 Ausnahmsweise komme eine Verletzung des Art. 14 GG unter ganz engen Voraussetzungen in Betracht, wenn nämlich „die Geldleistungspflichten den Betroffenen übermäßig belasten und seine Vermögensverhältnisse grundlegend beeinträchtigen […], also eine Konfiskation darstellen“169. Diese – bislang nicht praktisch gewordenen – Ausnahmeerwägungen, eine Art salvatorische Klausel für unverhältnismäßige Abgaben- bzw. Steuerzugriffe, die dem Bürger keinen angemessenen Spielraum mehr belassen, um sich „wirtschaftlich frei zu entfalten“170, werden üblicherweise in der Wendung der „erdrosselnden Wirkung“171 gebündelt. Eine solche 165 S. dazu nur BVerfG, Urt. v. 20. 7. 1954 – 1 BvR 459/52 u. a., BVerfGE 4, 7 (17); BVerfG, Beschl. v. 8. 4. 1987 – 2 BvR 909/82 u. a., BVerfGE 75, 108 (154); BVerfG, Beschl. v. 12. 10. 1994 – 1 BvL 19/90, BVerfGE 91, 207 (220); BVerfG, Beschl. v. 8. 4. 1997 – 1 BvR 48/94, BVerfGE 95, 267 (300). 166 Ganz überwiegend st. Rspr. seit BVerfG, Urt. v. 20. 7. 1954 – 1 BvR 459/52 u. a., BVerfGE 4, 7 (17). Vgl. Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 2 Rn. 26 und Art. 14 Rn. 29; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 80, Rn. 161. 167 BVerfG, Urt. v. 20. 7. 1954 – 1 BvR 459/52 u. a., BVerfGE 4, 7 (17); sachlich übereinstimmend z. B. BVerfG, Urt. v. 12. 10. 1994 – 1 BvL 19/90, BVerfGE 91, 207 (220). Weitere Nachweise etwa bei Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 14 Rn. 29. 168 BVerfG, Urt. v. 29. 7. 1959 – 1 BvR 394/58, BVerfGE 10, 89 (116). 169 BVerfG, Urt. v. 24. 7. 1962 – 2 BvL 15, 16/61, BVerfGE 14, 221 (241); seither st. Rspr., etwa BVerfG, Beschl. v. 14. 5. 1968 – 2 BvR 544/63, BVerfGE 23, 288 (315); BVerfG, Beschl. v. 31. 5. 1990 – 2 BvL 12, 13/88 u. a., BVerfGE 82, 159 (190); BVerfG, Urt. v. 8. 4. 1997 – 1 BvR 48/94, BVerfGE 95, 267 (301). 170 BVerfG, Beschl. v. 8. 4. 1987 – 2 BvR 909/82 u. a., BVerfGE 75, 108 (154 f., m.w.N.); BVerfG, Beschl. v. 12. 10. 1994 – 1 BvL 19/90, BVerfGE 91, 207 (220). 171 BVerfG, Beschl. v. 8. 3. 1983 – 2 BvL 27/81, BVerfGE 63, 312 (327); BVerfG, Beschl. v. 31. 5. 1988 – 1 BvL 22/85, BVerfGE 78, 232 (423); BVerfG, Beschl. v. 31. 5. 1990 – 2 BvL 12, 13/88 u. a., BVerfGE 82, 159 (190); BVerfG, Urt. v. 8. 4. 1997 – 1 BvR 48/94, BVerfGE 95, 267 (301).

C. Mögliche Vorgaben aus Art. 14 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG

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Erdrosselungswirkung für die Steuerzahler ist indes im Zusammenhang mit einem „Demographiezuschuss“ nicht ersichtlich. Doch selbst die geringeren Anforderungen der Mindermeinung172, die bei typisierender Betrachtung von Einkünften, abziehbaren Aufwendungen und sonstigen Entlastungen eine abgabenmäßige Belastungsobergrenze in der Nähe einer hälftigen Teilung zwischen privater und öffentlicher Hand ins Spiel bringt („Halbteilungsgrundsatz“) und sich dafür auf die Einheitswertbeschlüsse des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts173 berufen kann, wird die Belastung der Steuerzahler auch bei Hinzutreten eines zusätzlichen „Demographiezuschusses“ kaum zu erreichen vermögen. Alles in allem wird die zusätzliche Steuerlast infolge eines etwaigen „Demographiezuschusses“ somit nach beiden Ansichten nicht zu einem Eingriff in die Grundrechte der Steuerzahler aus Art. 14 Abs. 1 GG führen. 2. Eingriff in Art. 2 Abs. 1 GG Weil der mit einem „Demographiezuschuss“ verbundene Abgabeneingriff mangels Erdrosselungswirkung und mangels Erreichen der Halbteilungsgrenze unter keinen Umständen in den Schutzbereich174 von Art. 14 Abs. 1 GG eingreift, verlagert sich die Grundrechtsverletzungsprüfung auf den gegenüber Art. 14 Abs. 1 GG subsidiären Art. 2 Abs. 1 GG. a) Schutzbereichsbetroffenheit und Eingriff Art. 2 Abs. 1 GG schützt aufgrund seines weiten Schutzbereichs auch vor der Auferlegung von Steuern und sonstigen Abgaben.175 Jeder Steuerzugriff ist daher ein Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit der betroffenen Steuerpflichtigen.

172 P. Kirchhof, AöR 128 (2003), 1 (19 f.); ihm folgend etwa Axer, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 14 Rn. 55; nuancierend etwa Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 14 Rn. 29. 173 BVerfG, Beschl. v. 22. 6. 1995 – 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121 (138). Davon ist der Zweite Senat indes später wieder abgerückt und hat in BVerfG, Beschl. v. 18. 1. 2006 – 2 BvR 2194/99 (BVerfGE 115, 97 [108]) erklärt, dem Beschluss v. 22. 6. 1995 sei keine verbindliche verfassungsrechtliche Obergrenze für die Gesamtbelastung mit der Einkommen- und Gewerbesteuer zu entnehmen. 174 Das Bundesverfassungsgericht argumentiert – vgl. auch Starck, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 80 – hier widersprüchlich, indem es einen Verstoß gegen Art. 14 GG für den Fall in Betracht zieht, dass die Geldleistungspflichten den Schuldner übermäßig belasten (= „erdrosseln“). Für die rechtsdogmatische Frage, ob die Eigentumsgarantie berührt ist, kann es aber nicht auf die Höhe der Abgabenbelastung ankommen. 175 BVerfG, Urt. v. 20. 7. 1954 – 1 BvR 459/52 u. a., BVerfGE 4, 7 (17); Jarass, in: Jarass/ Pieroth, GG, Art. 2 Rn. 13, m.w.N.; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 80, Rn. 161 (allerdings mit Kritik).

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3. Teil: Einfach-, verfassungs- und unionsrechtliche Vorgaben

b) Rechtfertigungsfähigkeit des Eingriffs Die allgemeine Handlungsfreiheit reicht indes nur so weit, wie ihre Nutzung nicht gegen die „verfassungsmäßige Ordnung“ verstößt. Zur verfassungsmäßigen Rechtsordnung gehören alle formell und materiell verfassungsmäßigen Gesetze.176 Die zusätzliche Steuerbelastung durch einen gesetzlich angeordneten „Demographiezuschuss“ dürfte allerdings den Maßgaben des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht widersprechen.177 aa) Legitimer Zweck und Eignung zur Förderung desselben Mit der Sicherung der Existenz und Funktionsfähigkeit der GRV (eine aus Art. 20 Abs. 1 GG ebenso wie aus Art. 2 Abs. 1 GG abzuleitenden Pflichtaufgabe des Staates als Initiator von Sozialversicherungen) soll die Einführung eines „Demographiezuschusses“ einem legitimen Zweck dienen. An seiner Eignung zur Förderung dieses legitimen Zwecks bestehen keine Zweifel. Denn die angestrebte Finanzierung einer doppelten Haltelinie ermöglichte es, das Rentenniveau stabil zu halten, ohne den Beitragssatz signifikant anheben zu müssen, wodurch das Funktionieren der GRVals zentralem System der Alterssicherung gesichert würde. bb) Erforderlichkeit Der „Demographiezuschuss“ müsste ferner zur Erreichung seines Zwecks erforderlich sein. Erforderlich ist stets das zur Zweckerreichung mildeste Mittel, wobei unter mehreren Mitteln mit gleicher Erfolgseignung stets dasjenige zu wählen ist, das die geringste Eingriffsintensität aufweist.178 Bei dieser Beurteilung erkennt das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber allerdings einen weiten Einschätzungsund Prognosespielraum zu.179 Ein solcher weiter Spielraum besteht im Zusammenhang mit der GRV umso mehr, da den Bund als Initiator dieser Zwangsversicherung sogar eine verfassungsrechtliche Pflicht trifft, die Funktionsfähigkeit und die Existenz der GRV zu sichern. Die Erforderlichkeit einer gesetzgeberischen Maßnahme verneint das Bundesverfassungsgericht180 ohnehin nur dann, wenn „die 176 Für alle: Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 2 Rn. 13 m.w.N.; Kunig, in: v. Münch/ Kunig, GG, Art. 2 Rn. 22; Murswiek, in: Sachs, GG, Art. 2 Rn. 89. 177 Erneut für alle: Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 2 Rn. 13, m.w.N.; Kunig, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 2 Rn. 24; Murswiek, in: Sachs, GG, Art. 2 Rn. 101. 178 S. etwa Epping, Grundrechte, 7. Aufl. 2017, Rn. 55. 179 S. nur BVerfG, Beschl. v. 19. 7. 2000 – 1 BvR 539/96, BVerfGE 102, 197 (218); BVerfG, Urt. v. 16. 3. 2004 – 1 BvR 1778/01, BVerfGE 110, 141 (157); BVerfG, Beschl. v. 12. 12. 2006 – 1 BvR 2576/04, BVerfGE 117, 163 (189). 180 Ständige Rechtsprechung, s. etwa BVerfG, Beschl. v. 16. 3. 1971 – 1 BvR 52/66 u. a., BVerfGE 30, 292 (319); BVerfG, Beschl. v. 9. 3. 1994 – 2 BvL 43/92, BVerfGE 90, 145 (173); BVerfG, Beschl. v. 5. 2. 2002 – 2 BvR 305/93 und 348/93, BVerfGE 105, 17 (36).

C. Mögliche Vorgaben aus Art. 14 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG

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sachliche Gleichwertigkeit zur Zweckerreichung […] bei dem als Alternative vorgeschlagenen geringeren Eingriff in jeder Hinsicht eindeutig“ feststeht. Denkbare Alternativen, die die Steuerzahler weniger belasten würden, wären gegenüber der Einführung eines steuerfinanzierten „Demographiezuschusses“ etwa die Erhöhung des Beitragssatzes zur Stabilisierung des Rentenniveaus, die Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze oder die Kürzung von Leistungen der GRV. Allerdings führten diese Maßnahmen allesamt zu einer höheren Belastung der GRVVersicherten, so dass diese Alternativen zur Erreichung des Ziels, die Funktionsfähigkeit der GRV hinsichtlich ihrer Alterssicherungsziele gerade zu fördern und zu schützen, schon gar nicht geeignet wären. Auch die Vermehrung der Zahl der Beitragszahler zur GRV, etwa durch eine mittelfristige Eingliederung der Freien Berufe, die derzeit in berufsständischen Versorgungswerken versichert sind, oder durch eine Eingliederung der (bisher nicht GRV-pflichtversicherten) Beamten, wäre, ungeachtet der erheblichen Verfassungsrechtsfragen, die sich dabei stellen würden, keine gleich geeignete mildere Maßnahme, weil – erstens – hier, wenn überhaupt, nur „neue“ Freiberufler und „neue“ Beamte erfasst werden könnten und weil – zweitens – diese Personenkreise ihrerseits Ansprüche gegen die GRV erwürben, so dass die Finanzprobleme der GRV bestenfalls zeitlich aufgeschoben würden. Schließlich wäre auch eine lediglich darlehensweise Gewährung finanzieller Bundesmittel in Anlehnung an § 214 SGB VI nicht gleichsam effizient wie die Einführung eines „Demographiezuschusses“, da Darlehen – anders als ein „echter“ Zuschuss, wie ihn der diskutierte „Demographiezuschuss“ darstellen soll – stets zurückzuzahlen sind (vgl. auch § 214 Abs. 2 SGB VI). Dadurch würden die Probleme der GRVebenfalls nur zeitlich aufgeschoben, aber nicht aufgehoben und auch nicht einmal zumindest abgemildert. Die darlehensbasierte Bundesgarantie aus § 214 SGB VI ist überdies ohnehin nur „als letzte Absicherung der Zahlungsfähigkeit der RV-Träger zu sehen, wenn ,alle Stricke reißen‘ sollten“181, so dass eine vergleichbare Maßnahme schon deshalb nicht als reguläres Mittel zur Sicherung der Existenz und der Funktionsfähigkeit der GRV in Betracht kommt. cc) Angemessenheit Auch die Angemessenheit eines „Demographiezuschusses“ zur Zweckerreichung ist zu bejahen. Die Nachteile seiner Einführung stünden nicht außer Verhältnis zu der Bedeutung des angestrebten Ziels. Zum einen kommt dem Zweck der Sicherung der Funktionsfähigkeit der GRVeiniges Gewicht zu. Demgegenüber wiegt die Belastung der Steuerzahler, sollte eine solche tatsächlich angenommen werden, schon allein deshalb nicht gleich schwer, weil die Steuerzahler, die nicht in der GRV versichert sind, wie an anderer Stelle noch näher auszuführen sein wird (siehe dazu unten S. 91 f.), auch ohne die Einführung eines „Demographiezuschusses“ nicht minder an der Abfederung der Probleme, die sich der GRV aufgrund sich verändernder Rah181

von der Heide, in: GK-SGB VI, § 214 Rn. 6.

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3. Teil: Einfach-, verfassungs- und unionsrechtliche Vorgaben

menbedingungen gegenwärtig und zukünftig stellen (werden), beteiligt würden: Denn dann müsste der Bund, sollte er keinen „Demographiezuschuss“ als GRVimmanente Maßnahme einführen, letzten Endes über das SGB II und das SGB XII auf Steuermittel zurückgreifen. Aus diesem Grund zieht auch das Argument nicht, dass ein steuerfinanzierter „Demographiezuschuss“ nicht die Gewähr für eine dauerhafte Unterstützung der GRV böte, da nicht mit Sicherheit feststehe, dass der Bund langfristig immer Steuermittel in erforderlicher Höhe zuschieße bzw. zuschießen könne. Dieses Argument könnte zum einen jeder steuerfinanzierten staatlichen Maßnahme entgegengehalten werden – d. h. auch einer Abfederung über die Sozialleistungssysteme des SGB II und des SGB XII – und kann deshalb nicht speziell gegen den diskutierten „Demographiezuschuss“ geltend gemacht werden. Zum anderen können womöglich irgendwann einmal fehlende Mittel nicht als Grund dafür herangezogen werden, den Bund nicht in die Pflicht zu nehmen. Dies gilt umso mehr im Zusammenhang mit der GRV als Pflichtversicherung, da hier wieder der verfassungsrechtlich verankerten Letztverantwortlichkeit des Bundes für die GRV eine entscheidende Bedeutung zukommt, wodurch der Einwand fehlender finanzieller Mittel ohnehin ausgeschlossen ist. Darüber hinaus besteht auch nicht die Gefahr, dass die Akzeptanz der GRV als Versicherungssystem mit Vorsorgecharakter bei großer Steuerfinanzierung „unterhöhlt“ werden könnte. Dies wurde bereits ausführlich behandelt; deshalb sei nur noch einmal wiederholt, dass das Gesetz Bundeszuschüsse gleichwertig neben den Beiträgen als Finanzierungsquelle der GRV aufführt, steuerfinanzierte Bundesmittel also nichts Neues und nichts von Gesetzes wegen „Untergeordnetes“ sind, wenn nicht der Charakter von „Zuschuss“ und „Sozialversicherung“ verloren geht. Was letztere Eigenschaften im Einzelnen voraussetzen, wurde bereits detailliert dargestellt. Es gilt unterschiedslos auch hier: Durch die Einführung des diskutierten „Demographiezuschusses“ besteht – vor allem, wenn die erörterte 50 ProzentGrenze angesetzt würde – nicht die Gefahr, dass von einem „Zuschuss“ nicht mehr gesprochen werden oder dass die GRV ihre Einordnung als „Sozialversicherung“ verlieren könnte. 3. Ergebniszusammenfassung Nach alledem ist deutlich: Die Einführung eines „Demographiezuschusses“ wäre selbst unter der Annahme einer Grundrechtsbetroffenheit der Steuerzahler aufgrund einer prospektiv erhöhten Steuerlast eine verhältnismäßige und damit verfassungsrechtlich gerechtfertigte Maßnahme des Bundes, um die Existenz und die Funktionsfähigkeit der GRV zu sichern. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die prospektiv erhöhte Steuerlast den Steuerpflichtigen den gebotenen Spielraum nähme, sich frei zu entfalten. Materiell-rechtliche Vorgaben für die Einführung eines „Demographiezuschusses“ lassen sich hieraus mithin nicht ableiten.

D. Mögliche Vorgaben aus Art. 3 Abs. 1 GG

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D. Mögliche Vorgaben aus Art. 3 Abs. 1 GG Materiell-rechtliche Vorgaben für die konkrete Ausgestaltung eines „Demogragraphiezuschusses“ könnten sich aus dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG ergeben, wenn nämlich die Einführung eines solchen zusätzlichen Bundeszuschusses eine Benachteiligung einer abgrenzbaren Personengruppe mit sich brächte, die verfassungsrechtlich entweder gar nicht oder jedenfalls nur unter bestimmten Voraussetzungen und Vorgaben gerechtfertigt wäre. Art. 3 Abs. 1 GG besagt, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind. Ungeachtet der Gesetzesformulierung (vor dem Gesetz) enthält Art. 3 Abs. 1 GG nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine Garantie sowohl der Rechtsanwendungs- als auch der Rechtsetzungsgleichheit, so dass auch der Gesetzgeber selbst Adressat des allgemeinen Gleichheitssatzes ist.182 In seiner objektivrechtlichen Dimension verpflichtet Art. 3 Abs. 1 GG alle staatliche Gewalt zur Gleichbehandlung aller Menschen.183 Das Gleichheitsgebot garantiert ferner als derivatives Leistungsrecht die gleichberechtigte Teilhabe an staatlichen Leistungen, Förderungen und Einrichtungen.184 Die bestehenden Ressourcen sollen durch eine „gleiche, chancengleiche und qualifikationsgerechte Zuteilung von Ansprüchen“185 gerecht verteilt werden. Der Grundgedanke des allgemeinen Gleichheitssatzes lässt sich dabei in einem Satz zusammenfassen: Gleiche Sachverhalte dürfen nicht unterschiedlich, unterschiedliche dürfen nicht gleich behandelt werden, es sei denn, ein abweichendes Vorgehen wäre sachlich gerechtfertigt.186

I. Ungleichbehandlung GRV-versicherter Steuerzahler und nicht GRV-versicherter Steuerzahler Betrachtet man den diskutierten „Demographiezuschuss“ punktuell, d. h. vom gesamten Regelungsgefüge der Alterssicherung und des Sozialleistungsrechts isoliert, so könnte sich eine Ungleichbehandlung derjenigen Steuerzahler, die nicht in der GRV versichert sind, gegenüber denjenigen Steuerzahlern, die in der GRV versichert sind, ergeben. Denn der „Demographiezuschuss“ soll nicht nur von denjenigen Steuerzahlern, die in der GRV versichert sind und deshalb als Leistungsberechtigte der GRV unmittelbar von dem zusätzlichen Zuschuss profitieren, 182 BVerfG, Urt. v. 23. 10. 1951 – 2 BvG 1/51, BVerfGE 1, 14 (52); Epping, Grundrechte, 7. Aufl. 2017, Rn. 769; Spitzlei, Die Gesetzgebungstechnik der Pauschalierung und ihre verfassungsrechtliche Bewertung, 2016, S. 278, m.w.N. 183 Epping, Grundrechte, 7. Aufl. 2017, Rn. 770. 184 BVerfG, Beschl. v. 21. 6. 2011 – 1 BvR 2035/07, BVerfGE 129, 49 (68); Epping, Grundrechte, 7. Aufl. 2017, Rn. 771. 185 Epping, Grundrechte, 7. Aufl. 2017, Rn. 771. 186 Vgl. Kischel, AöR 124 (1999), 174 (180, m.w.N.); ders., in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 3 Rn. 14; Osterloh/Nußberger, in: Sachs, GG, Art. 3 Rn. 9.

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3. Teil: Einfach-, verfassungs- und unionsrechtliche Vorgaben

getragen werden, sondern gleichermaßen auch von denjenigen Steuerzahlern, die nicht gesetzlich rentenversichert sind, mithin nicht unmittelbar von der GRV profitieren. Dies führte im Falle seiner Einführung dazu, dass die der GRV angehörigen Steuerzahler im Gegenzug für ihre möglicherweise187 höhere Steuerbelastung aufgrund des höheren Bundeszuschusses niedrigere Beiträge für die Leistungen der GRV erbringen müssten, als sie dies ohne einen solchen zusätzlichen Zuschuss tun müssten. Dagegen erhielten die nicht in der GRV versicherten Steuerzahler keine vergleichbare Kompensation durch die GRV in Form niedrigerer Beitragslasten und/ oder höherer Leistungsansprüche.

II. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung: Betrachtung des Gesamt-„Systems“ erforderlich Die Benachteiligung einer Personengruppe im Vergleich zu einer anderen führt indes nicht stets und unmittelbar zu einem Gleichheitsverstoß. Vielmehr kann sie durch einen sachlichen Grund verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein. Die Kontrolldichte der Rechtfertigungsprüfung steigt je nach Schwere der Ungleichbehandlung von einer bloßen Willkürkontrolle bis zu einer strengen Prüfung nach Verhältnismäßigkeitserwägungen.188 Dabei sind an die Rechtfertigung umso höhere Anforderungen zu stellen, je mehr die Benachteiligung „an Persönlichkeitsmerkmale anknüpft, wobei sich die verfassungsrechtlichen Anforderungen umso mehr verschärfen, je weniger die Merkmale für den Einzelnen verfügbar sind oder je mehr sie sich denen des Art. 3 Abs. 3 GG annähern“.189 Auch die besondere Betroffenheit von Freiheitsrechten kann zu einem strengeren Rechtfertigungsmaßstab führen.190 Davon unabhängig sind ferner die dem Gesetzgeber allgemein zustehenden Beurteilungsspielräume, etwa hinsichtlich der Bewertung von historischen Tatsachen,191 im 187 Unter den Gesamtsteuereinahmen des Bundes von rd. 290 Mrd. Euro im Jahr 2016 machte freilich der von Privatpersonen unmittelbar erbrachte Lohn- und Einkommensteuerbetrag zzgl. Solidaritätszuschlag (78,5 Mrd. Euro) neben den Einnahmen aus der Umsatzsteuer (106,5 Mrd. Euro) und den Energiesteuern (40,1 Mrd. Euro) und einer Vielzahl kleinerer Bundessteuern (etwa Tabaksteuer 14,2 Mrd. Euro; Kfz-Steuer 9,0 Mrd. Euro) nur einen Anteil von knapp 25 Prozent der Einnahmen des Bundes aus. An den Kosten der Finanzierung eines erhöhten Bundeszuschusses wären Privatpersonen daher mit ihrer direkten und indirekten Steuerlast nur teilweise und zudem auch nur nach dem Maßstab ihrer individuellen steuerlichen Leistungsfähigkeit entsprechend beteiligt. 188 BVerfG, Beschl. v. 26. 1. 1993 – 1 BvL 38/92 u. a., BVerfGE 88, 87 (96); Kischel, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 3 Rn. 26 ff.; Osterloh/Nußberger, in: Sachs, GG, Art. 3 Rn. 8 ff. 189 BVerfG, Beschl. v. 21. 6. 2011 – 1 BvR 2035/07, BVerfGE 129, 49 (69, m.w.N.); s. ebenfalls m.w.N. Kischel, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 3 Rn. 45 ff.; Osterloh/Nußberger, in: Sachs, GG, Art. 3 Rn. 32. 190 BVerfG, Beschl. v. 26. 1. 1993 – 1 BvL 38/92 u. a., BVerfGE 88, 87 (96, m.w.N.); BVerfG, Beschl. v. 21. 6. 2011 – 1 BvR 2035/07, BVerfGE 129, 49 (69). 191 BVerfG, Urt. v. 7. 12. 1999 – 2 BvR 1533/94, BVerfGE 101, 275 (292).

D. Mögliche Vorgaben aus Art. 3 Abs. 1 GG

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Hinblick auf sozialpolitische Entscheidungen192 oder hinsichtlich wirtschaftsordnender Maßnahmen193, für die Kontrolldichte beachtlich.194 Gerade im Sozialrecht hat das Bundesverfassungsgericht195 stets die große sozialpolitische Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers betont. Eine Besonderheit gilt für die Bewertung von Benachteiligungen in komplexen Systemen: Dort genügt es für die gleichheitsrechtliche Bewertung nicht, jede Leistung, die in diesem System einer Personengruppe gewährt wird und einer anderen nicht, punktuell, d. h. einzeln und isoliert vom Gesamtgefüge, zu betrachten.196 Gerade komplexe Leistungssysteme sind vielmehr stets als Gesamtheit zu bewerten. Dies liegt vor allem an der Relativität von Begünstigungen bzw. Belastungen, das heißt an dem Umstand, dass jede differenzierende Regelung – je nach eingenommener Perspektive und betrachteter Vergleichsgruppe – zugleich begünstigend und belastend wirken kann.197 Aus der erforderlichen Gesamtbetrachtung können sich einerseits höhere Anforderungen an eine Gleichheitsprüfung ergeben, andererseits folgen aber aus der Aufgabe des Gesetzgebers, ein komplexes System mit allen Folgewirkungen im Blick zu behalten, mitunter auch größere Toleranzspektren. 1. Gesteigerte Rechtfertigungsanforderungen für die Ungleichbehandlung aufgrund des „Grundsatzes“ der Systemgerechtigkeit? Erhöhte Anforderungen an den Rechtfertigungsmaßstab bei der Prüfung eines möglichen Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz, soweit die Ungleichbehandlung in einem komplexen System von Belastungen und Begünstigungen stattfindet, können sich aus dem sogenannten „Grundsatz“ der Systemgerechtigkeit ergeben. Diesem „Grundsatz“, der speziell im Rahmen der Verteilung staatlicher Aufgaben und Lasten Bedeutung entfalten kann, liegt der Gedanke zugrunde, dass der Gesetzgeber an einem einmal gewählten Ordnungsprinzip festhalten muss, wenn nicht eine Systemabweichung im konkreten Fall durch überzeugende sachliche Gründe

192

BVerfG, Beschl. v. 8. 2. 1994 – 1 BvR 1237/85, BVerfGE 89, 365 (376). Grundlegend BVerfG, Urt. v. 1. 3. 1979 – 1 BvR 532/77 u.a., BVerfGE 50, 290 (338). 194 Kischel, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 3 Rn. 55; Osterloh/Nußberger, in: Sachs, GG, Art. 3 Rn. 37. 195 BVerfG, Beschl. v. 8. 2. 1994 – 1 BvR 1237/85, BVerfGE 89, 365 (376, m.w.N.); BVerfG, Beschl. (3. Kammer des Ersten Senats) v. 7. 7. 2010 – 1 BvR 2556/09, NJW 2010, 2866 (2867); BVerfG, Urt. v. 3. 4. 2001 – 1 BvR 2014/95, BVerfGE 103, 197 (221 ff.). Vgl. auch Osterloh/Nußberger, in: Sachs, GG, Art. 3 Rn. 176. 196 So etwa ausdrücklich BVerfG, Urt. v. 12. 2. 2003 – 1 BvR 624/01, BVerfGE 107, 205 (215 f.). 197 S. zur Relativität der Begünstigung auch Kischel, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 3 Rn. 71.2. 193

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3. Teil: Einfach-, verfassungs- und unionsrechtliche Vorgaben

gerechtfertigt ist.198 Dabei geht es zum einen um Systemgerechtigkeit im Verhältnis zwischen verschiedenen Systemen, zum anderen um die Frage der Binnenkonsequenz in einem bestimmten System.199 Aus dem Prinzip grundsätzlicher Systemtreue folgt allerdings nur, „dass sie angestrebt werden sollte, nicht [hingegen] […], dass die Wertungseinheitlichkeit und Abgestimmtheit einfachgesetzlicher Normen eine Verfassungsanforderung an den Gesetzgeber ist, die letztlich zur Nichtigkeit oder Unvereinbarkeit von Gesetzen mit dem Grundgesetz führt“.200 Insbesondere stellen Systemgerechtigkeit und Systembruch keine selbstständigen Normenkontrollmaßstäbe dar, die als solche etwaige Gleich- oder Ungleichbehandlungen rechtfertigen könnten.201 Sie sind allenfalls „Indizien“202 bzw. „Hilfsgesichtspunkte“203, die sich auf den Rechtfertigungsmaßstab bei der Prüfung eines möglichen Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz dahingehend auswirken können, dass „Systemkontinuität mit einmal gewählten grundlegenden Werten und Interessenabwägungen […] zu einer geringeren Begründungs- und Rechtfertigungslast des Gesetzgebers für eine Ungleichbehandlung [führt], ein Systembruch umgekehrt zu einer höheren Begründungslast“.204 Dabei darf der Gesetzgeber im Rahmen eines umfassenden Systems aber durchaus mehrere Regelungsziele gleichzeitig verfolgen und sie auf verschiedene Weise miteinander in einen Ausgleich bringen.205 Denn ein System bzw. die Feststellung eines Bruchs dieses Systems, der im Rahmen einer Gleichheitsprüfung dann höhere Rechtfertigungsanforderungen nach sich ziehen kann, ergibt sich nicht aus einer punktuellen Betrachtung einzelner Regelungen,206 sondern vielmehr „aus der Gesamtschau aller einschlägigen Normen und der Vielzahl einschlägiger Wer198 BVerfG, Urt. v. 24. 1. 1962 – 1 BvR 845/58, BVerfGE 13, 331 (340 f.); BVerfG, Beschl. v. 8. 10. 1963 – 2 BvR 108/62, BVerfGE 17, 122 (132); Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, 2001, S. 545 f. m.w.N.; Osterloh/Nußberger, in: Sachs, GG, Art. 3 Rn. 98. 199 Degenhart, Systemgerechtigkeit und Selbstbindung des Gesetzgebers an das Verfassungspostulat, 1976, S. 6 ff., S. 19 ff.; Peine, Systemgerechtigkeit, 1985, S. 208 ff., S. 222 ff. Zusammenfassend Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, 2001, S. 548; Osterloh/ Nußberger, in: Sachs, GG, Art. 3 Rn. 101. 200 Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, 2001, S. 546 f. 201 Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, 2001, S. 547 mit vielen weiteren Nachweisen aus Rechtsprechung und Literatur. 202 St. Rspr., s. nur BVerfG, Urt. v. 23. 1. 1990 – 1 BvL 44/86 u. a., BVerfGE 81, 156 (207, m.w.N.); BVerfG, Beschl. v. 10. 10. 2001 – 1 BvL 17/00, BVerfGE 104, 74 (87, m.w.N.); s. a. Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, 2001, S. 547; Rüfner, in: BonnKomm. GG, Art. 3 Rn. 38. 203 Hesse, Diskussionsbeitrag in: Link, Der Gleichheitssatz im modernen Verfassungsstaat, 1982, S. 75 (77). 204 Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, 2001, S. 548. 205 BVerfG, Beschl. v. 14. 10. 2008 – 1 BvF 4/05, BVerfGE 122, 1 (36); Kischel, in: Epping/ Hillgruber, GG, Art. 3 Rn. 96. 206 So etwa ausdrücklich BVerfG, Urt. v. 12. 2. 2003 – 1 BvR 624/01, BVerfGE 107, 205 (215 f.).

D. Mögliche Vorgaben aus Art. 3 Abs. 1 GG

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tungsgesichtspunkte, die in verschiedenster Weise miteinander und gegeneinander wirken“207. Gegen eine zu eng verstandene Systembindung spricht zudem auch die „Verkrustungsgefahr“208, die dem Gesetzgeber die Möglichkeit nähme, flexibel auf die sich ständig ändernden tatsächlichen Rahmenbedingungen der Lebenswirklichkeit zu reagieren; er könnte nur noch ein System in seiner Gesamtheit gegen ein anderes austauschen, obwohl die Lebenswirklichkeit häufig gerade Feinjustierungen verlangt.209 a) Systemübergreifende Betrachtung Hinsichtlich des hier untersuchten „Demographiezuschusses“ stellt sich zunächst systemübergreifend die Frage, ob sich der zusätzliche Zuschuss im Vergleich zu den übrigen Zweigen der Sozialversicherung als systemkonform oder als systemfremd darstellt. Diese Frage lässt sich mit einem Blick in § 20 Abs. 1 SGB IV, der als Bestandteil des „allgemeinen Teils“ des Sozialversicherungsrechts für alle Zweige der Sozialversicherung gleichermaßen gilt, eindeutig dahingehend beantworten, dass die Mittel der Sozialversicherung generell neben Beiträgen insbesondere auch „durch staatliche Zuschüsse […] aufgebracht“ werden. Eine weitere Ausgestaltung des § 20 Abs. 1 SGB IV – und damit eine Parallelvorschrift zu § 213 SGB VI – findet sich etwa für die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) in der bereits mehrfach erwähnten Regelung des § 221 Abs. 1 SGB V, aber auch in § 34 Abs. 1 KSVG für die Künstlersozialversicherung oder in § 78 ALG für die Alterssicherung der Landwirte. Systemübergreifend betrachtet wäre ein „Demographiezuschuss“ damit eindeutig systemkonform. In seiner absoluten Höhe mag er zwar die Zuschüsse in anderen Zweigen der Sozialversicherung nominal deutlich übersteigen, bei relativer Betrachtung zu den Gesamteinnahmen der GRV ragte er aber selbst bei signifikanter Erhöhung gegenüber den Zuschüssen an andere Zweige nicht derart heraus, dass man bereits von einem Systembruch sprechen könnte oder müsste. b) Rentenrechtssystematische Betrachtung Aber auch binnensystematisch, d. h. allein hinsichtlich des Regelungsgefüges der GRV, lässt sich die Systemgerechtigkeit des „Demographiezuschusses“ bejahen. Bereits der Blick auf die Historie macht deutlich, dass von einem Systembruch nicht die Rede sein kann; denn Staatszuschüsse zur GRV hat es – wie bereits ausgeführt – immer schon gegeben. Stets wurde die gesetzliche Alterssicherung von Gesetzes wegen neben den Beiträgen der Versicherten durch steuerfinanzierte Reichs- bzw. Bundeszuschüsse als zweitwichtigste Finanzquelle finanziert. So betrug der Reichszuschuss in den Anfangsjahren 1891 bis 1895 etwa 40 Prozent der Einnah207

Kischel, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 3 Rn. 96. Kischel, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 3 Rn. 96. 209 Kischel, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 3 Rn. 96; a.A. P. Kirchhof, HStR VIII, 3. Aufl. 2010, § 181 Rn. 214. 208

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3. Teil: Einfach-, verfassungs- und unionsrechtliche Vorgaben

men, danach sank er bis 1911 auf 29,7 Prozent, stieg dann in der Weimarer Zeit aber wieder auf durchgängig rund ein Drittel der Einnahmen der Arbeiter-Rentenversicherung an. 1957 betrug er noch 31,8 Prozent (zu den Zahlenangaben siehe auch oben S. 38 f.). Mit der sehr günstigen demographischen Entwicklung der Nachkriegszeit sind die Bundeszuschüsse danach bis etwa zur Wiedervereinigung zwar deutlich abgesunken, doch zeigt gerade dieses an der demographischen Entwicklung orientierte Absinken des Bundeszuschusses, dass es nicht systemfremd sein kann, ihn spiegelbildlich bei einer ungünstigen demographischen Entwicklung, wie sie für die Jahre bis etwa 2045 absehbar ist, auch wieder deutlich höher ausfallen zu lassen. Hinsichtlich etwaiger finanzieller Bundesbeteiligungen, die versicherungsfremde Leistungen der GRV finanzieren sollen, kann zudem ohnehin nicht von einer Systeminadäquanz die Rede sein. Da diese Lasten in keinem spezifischen Zusammenhang mit den in der GRV Versicherten stehen, sondern alle Bürger gleichermaßen betreffen, wäre es gleichheitsrechtlich vielmehr problematisch, keine steuerfinanzierten Bundeszuschüsse an die GRV zu leisten.210 Denn warum sollte die Versichertengemeinschaft der GRV allein für gesamtgesellschaftliche Lasten aufkommen, die über die GRV hinausgehen? Insofern sind Bundeszuschüsse in Form von Erstattungen für die Übertragung versicherungsfremder Leistungen auf die GRV sogar systemimmanent; Bundeszuwendungen in Form von Kostenerstattungen sind deshalb in § 30 Abs. 2 Satz 1, 2. Halbs. SGB IV vom einfachen Gesetzgeber auch ausdrücklich vorgesehen. Die GRV-Versicherten tragen heute aber – ungeachtet der schwierige Wertungsfragen berührenden (und deshalb vielfach sehr streitigen211) Detailabgrenzung von sozialversicherungseigenen Leistungen des sozialen Ausgleich und sozialversicherungsfremden Leistungen in gesamtgesellschaftlichem Interesse – nach wie vor Lasten, die eigentlich steuerfinanziert sein müssten, mit anderen Worten: Lasten, für die die GRV eigentlich eine Kostenerstattung erhalten müsste. Denn jedenfalls unter Zugrundelegung der erweiterten Definition nicht beitragsgedeckter Leistungen, wie sie die Bundesregierung vertritt212, soll derzeit trotz sämtlicher (echter) Bundeszu-

210 Näher etwa BT-Drucks. 17/11740 v. 29. 11. 2012, S. 78 (Bericht der Bundesregierung); Axer, in: Friauf/Höfling, GG, Art. 120 Rn. 30 Fn. 114; Kaltenborn, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 120 Rn. 12; Muckel in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 120 Rn. 38; Kingreen, Das Sozialstaatsprinzip im europäischen Verfassungsverbund, 2003, S. 180 f.; Wallrabenstein, Versicherung im Sozialstaat, 2009, S. 202 ff.; ausf. Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, 2001, S. 356 ff. 211 S. zu dem Problem der begrifflichen Abgrenzung erneut (vgl. S. 20 f.) Becker, Transfergerechtigkeit und Verfassung, 2001, S. 18 ff.; Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, 2001, S. 37 ff., S. 61 ff.; Schmidt/Thiede, in: Schulin, HS-RV, 1999, § 48 Rn. 73 ff.; WD Deutscher Bundestag, Sachstand: Nicht beitragsgedeckte versicherungsfremde Leistungen, 28. 6. 2016, S. 4 f. 212 Diel, in: Hauck/Noftz, SGB VI, § 213 Rn. 16: Nach Auffassung der Bundesregierung sind in einer erweiterten Definition der versicherungsfremden Leistungen auch Ausgaben des „West-Ost-Transfers“, die über den regulären regionalen Finanzausgleich hinausgehen, und

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schüsse (§ 213 Abs. 1 SGB VI) und Erstattungen (§ 213 Abs. 3 SGB VI) an die GRV nach wie vor eine Unterdeckung hinsichtlich der von der GRV zu tragenden Fremdlasten in Höhe von ca. 7 Mrd. Euro bestehen. Deshalb war im Rahmen der Bundeszuschusserhöhung durch die Anfügung des Satzes 6 an § 213 Abs. 2 SGB VI für die Jahre 2019 bis 2022 etwa auch zu vernehmen, dass „[v]ieles aus sozialpolitischer Sicht dafür [spricht], dass diese Bundeszuschusserhöhung ,zu spät‘ kommt (deutlich später nämlich als 2014213) und auch insgesamt (bei langfristiger Betrachtung) zu niedrig angelegt ist“.214 Aber auch hinsichtlich solcher finanzieller Bundesbeteiligungen, die versicherungskonforme Leistungen der GRV mitfinanzieren sollen, wie es bei einem „Demographiezuschuss“ der Fall wäre, kann nicht von einer Systeminadäquanz die Rede sein. Denn der Staat ist aufgrund des Sozialstaatsgebots des Art. 20 Abs. 1 GG dazu verpflichtet, seinen Bürgerinnen und Bürgern eine Absicherung gegenüber den Elementarrisiken Alter, Invalidität, Tod, Krankheit, Unfall, Pflegebedürftigkeit und Arbeitslosigkeit zu bieten. Entscheidet er sich dafür, diese Absicherungsaufgabe durch ein Pflichtversicherungssystem (und nicht durch ein steuerfinanziertes, bedürftigkeitsorientiertes Versorgungssystem) wahrnehmen zu lassen,215 ist er aus sozialstaatlichen Gründen ebenso wie aus den dann hinzutretenden grundrechtlichen Gründen gehalten, darauf zu achten, dass diese staatlicherseits auferlegte Pflichtversicherung mit Blick auf ihren Grundrechtseingriffscharakter (Art. 2 Abs. 1 GG, ggf. zusammengeführt mit dem Sozialstaatsgedanken nach Art. 20 Abs. 1 GG) gegenüber den Versicherten stets rechtfertigungsfähig bleibt. Dies bleibt sie aber nur, wenn sie eine wirksame, vom Leistungsumfang her – zumindest216 – dem sozialstaatlich gebotenen Mindestumfang entsprechende Absicherung gegenüber den Wechselfällen des Lebens beibehält und sich diese Absicherung den Versicherten gegenüber in Anbetracht der ihnen auferlegten Beitragsbzw. Vorleistungspflichten als verhältnismäßig im Hinblick auf die Höhe dieser Vorleistungen erweist.217 Dies zu gewährleisten, ist Kehrseite des Umstandes, dass Ausgaben für die Hinterbliebenenversorgung, soweit sie über das Ehegattensplitting hinausgehen, hinzuzurechnen. 213 Satz 6 wurde mit Wirkung vom 1. 7. 2014 im Rahmen des Gesetzes über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-LeistungsverbesserungsG) vom 23. 6. 2014 (BGBl. I, S. 787) an § 213 Abs. 2 SGB VI angefügt. 214 Marschner, in: Löschau, SGB VI, § 213 Rn. 25. 215 Zur insoweit bestehenden Wahlfreiheit des Gesetzgebers s. BVerfG, Beschl. v. 9. 4. 1975 – 2 BvR 879/73, BVerfGE 39, 302 (315); Axer, Normsetzung der Exekutive in der Sozialversicherung, 2000, S. 270 f.; Muckel, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 120 Rn. 41. 216 Es muss zusätzlich noch einen Abstand zwischen Versicherungseinkommen und Grundsicherung geben. Vgl. BVerfG, Urt. v. 21. 7. 1998 – 1 BvL 11/94, 33/95 u. a., BVerfGE 100, 138 (182); BSG, Urt. v. 8. 2. 1996 – 11 RAr 63/95, SozR 3 – 4100 § 111 AFG Nr. 12, S. 39; Bieback, NZS 1994, 193 (200); Butzer, Denkschrift 60 Jahre BSG, 2015, S. 3 (23 f.); Heintzen, VSSR 23 (1995), 1 (22 f., Fn. 87); Neumann, NZS 1998, 401 (406). 217 S. schon BVerfG, Beschl. v. 18. 2. 1998 – 1 BvR 1318, 1484/86, BVerfGE 97, 271 (286); BSG, Urt. v. 14. 3. 2006 – B 4 RA 55/04 R, BSGE 96, 83 (87), das von dem „Systemverspre-

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3. Teil: Einfach-, verfassungs- und unionsrechtliche Vorgaben

der Einzelne typischerweise keinen unmittelbaren Einfluss auf die Höhe seines Beitrags und auf Art und Ausmaß der aus seinem Versicherungsverhältnis geschuldeten Leistung besitzt.218 Es handelt sich – wie bereits erwähnt – um eine aus Art. 20 Abs. 1 GG ebenso wie aus Art. 2 Abs. 1 GG abzuleitende Pflichtaufgabe des Staates als Initiator von Sozialversicherungen. Konkret wird der Bund dieser Aufgabe dadurch gerecht, dass er das „System“ ausgestaltet und den Sozialversicherungsträgern dabei insbesondere auch den Leistungsumfang weitgehend verbindlich vorgibt. Der Bund hat es deshalb – bis zur Grenze der sozialstaatlich gebotenen Mindestabsicherung – aber auch selbst in der Hand, durch geeignete „Vorsorgemaßnahmen“ den Eintritt des Falles höherer Ausgaben als Einnahmen zu verhindern und so eine Pflicht zur Gewährung von Bundeszuschüssen zu vermeiden. Unterlässt der Bund entsprechende Maßnahmen und entstehen deshalb Defizite bei den Sozialversicherungsträgern, so ist er zur Tragung der Defizite als „Lasten der Sozialversicherung“ verpflichtet. Mit Blick auf die geschilderte verfassungsrechtliche Ausgangslage und die Defizite abwehrenden Handlungsmöglichkeiten ist es also nur folgerichtig, dass der Bund – gleichsam aus vorangegangenem Tun – dafür haftet, dass die finanzielle Leistungskraft des von ihm eingerichteten und ausgestalteten Systems erhalten bleibt und sich die Leistungsansprüche realisieren lassen.219 Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG „sieht“ diesen Fall und gibt dem Bund dafür die Kompetenz. Ersichtlich wird diese (Letzt-)Verantwortlichkeit für etwaige Defizite des Systems im Übrigen an den Regelungen zu Eventualzuschüssen, die für die Allgemeine Rentenversicherung (§ 214 SGB VI), für die knappschaftliche Rentenversicherung (§ 215 SGB VI), für die Alterssicherung der Landwirte (§ 78 ALG) und für die Arbeitslosenversicherung (§ 365 SGB III) bestehen und die richterrechtlich ferner für die Krankenversicherung anerkannt sind (vgl. oben S. 42 f.). Im Gesamtbild gehören deshalb auch die sogenannten „echten“ Bundeszuschüsse, d. h. diejenigen Bundeszuschüsse, die beitragskonforme Leistungen mitfinanzieren sollen, originär zum „System“ der GRV als staatlicherseits auferlegtem System. Demzufolge sind im Rahmen von Art. 3 Abs. 1 GG hinsichtlich der Gewährung weiterer Bundeszuschüsse keine höheren Rechtfertigungsanforderungen aufgrund eines etwaigen

chen“ der gesetzlichen Rentenversicherung spricht. Näher analysiert bei Axer, FS Isensee, 2007, S. 976 ff. Leitentscheidung ist ansonsten der Nikolausbeschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschl. v. 6. 12. 2005 – 1 BvR 347/98, BVerfGE 115, 25 ff. [Anspruch eines GKVVersicherten auf Behandlung einer lebensbedrohlichen Muskelerkrankung mit einer Bioresonanztherapie, die von der GKV nicht als kostenübernahmepflichtig anerkannt war]). 218 So explizit jetzt BVerfG, Beschl. v. 10. 11. 2015 – 1 BvR 2056/12, NJW 2016, 1505 (1506); zuvor gleichsinnig BVerfG, Beschl. v. 6. 12. 2005 – 1 BvR 347/98, BVerfGE 115, 25 (44 f.). 219 BSG, Urt. v. 24. 5. 1972 – 3 RK 9/71, BSGE 34, 177 (170); BSG, Urt. v. 16. 11. 1978 – 3 RK 29/76, BSGE 47, 148 (158); siehe ferner Isensee, SDSRV 35 (1992), 7 (12, 39); ihm folgend Axer, in: Friauf/Höfling, GG, Art. 120 Rn. 29.

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„Systembruchs“ des Rechts der Gesetzlichen Rentenversicherung zu berücksichtigen. 2. Geminderte Rechtfertigungsanforderungen für die Ungleichbehandlung aufgrund einer Betrachtung des Gesamt-„Systems“ Während sich innerhalb komplexer Systeme aus dem sogenannten „Grundsatz“ der Systemgerechtigkeit erhöhte Anforderungen an den Rechtfertigungsmaßstab von Systemabweichungen ergeben können sollen, gilt anderes, wenn die Maßnahme gerade keinen Systembruch nach sich zieht, sondern „ins System passt“. Hier stellt das Bundesverfassungsgericht eher mildere Rechtfertigungsanforderungen an Ungleichbehandlungen. Nach seiner Rechtsprechung ist nämlich „eine punktuelle gesetzliche Benachteiligung […] hinzunehmen, wenn die allgemeine Tendenz des Gesetzes auf Ausgleich [bestimmter] Belastungen abzielt, dabei [die betroffene Personengruppe] teilweise begünstigt und teilweise benachteiligt, die gesetzliche Regelung im Ganzen betrachtet aber keine Schlechterstellung [der betroffenen Personengruppe] bewirkt“.220 Es kommt also für die gleichheitsrechtliche Bewertung einer staatlichen Maßnahme nicht (allein) darauf an, ob sie für sich betrachtet gegebenenfalls zu einer Benachteiligung einer Personengruppe führt. Vielmehr ist es entscheidend, ob das Gesamtgefüge eines „Systems“ insgesamt zu einer gerechten Behandlung verschiedener Vergleichsgruppen führt. a) Wechselbezüglichkeit sozialversicherungsrechtlicher und steuerlicher Alterssicherung Diese Voraussetzung wäre im Falle der Einführung des diskutierten „Demographiezuschusses“ bei einer Betrachtung des gesamten Alterssicherungssystems erfüllt. Denn würden die bisherigen Bundeszuschüsse nicht durch einen solchen weiteren Zuschuss erhöht, würde zum einen der Beitragssatz in der GRV in den nächsten Jahren stark ansteigen und zum anderen zugleich das Rentenniveau auf einen Prozentsatz sinken, der die Abdeckung der Lebenshaltungskosten im Alter oft nicht mehr sichern könnte. Beide Effekte – der Anstieg des Beitragssatzes und das Absinken des Rentenniveaus – zögen eine verstärkte und weiter steigende Beanspruchung der steuerfinanzierten Sozialleistungssysteme, namentlich des SGB II und des SGB XII, nach sich. So führte – erstens – der steigende Beitragssatz dazu, dass die berufstätigen Beitragszahler immer geringere Nettolöhne ausgezahlt bekämen und dadurch die 220 So zum Ausschluss der beitragsfreien Mitversicherung von Kindern in der Familienversicherung nach § 10 Abs. 3 SGB V etwa BVerfG, Urt. v. 12. 2. 2003 – 1 BvR 624/01, BVerfGE 107, 205 (215 f.); vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 14. 6. 2011 – 1 BvR 429/11, NJW 2011, 2867 (2868 f.).

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Zahl derer, die ihren Lebensunterhalt nicht mehr vollständig aus der eigenen Erwerbstätigkeit oder aus anderen Einkunftsquellen bestreiten könnten, zunähme. Dies hätte eine Zunahme der sogenannten „Aufstocker“ nach dem SGB II zur Folge. Das sinkende Rentenniveau hätte – zweitens – für eine immer größere Zahl an Rentnern eine vergleichbare Folge, nur dass nicht das SGB II, sondern das SGB XII einschlägig wäre: Dadurch, dass bei einem sinkenden Rentenniveau die Renten zunehmend nicht mehr ausreichten, um die Lebenshaltungskosten zu bestreiten, müssten in Zukunft immer mehr Rentner ihre Altersbezüge ebenfalls „aufstocken“, und zwar durch Leistungen nach dem SGB XII. Die Leistungen nach dem SGB II und dem SGB XII sind, wie bereits erwähnt, steuerfinanziert, so dass auch ohne die Einführung eines „Demographiezuschusses“ diejenigen Steuerzahler, die nicht in der GRV versichert sind, letzten Endes die Folgen von gesamtgesellschaftlichen Veränderungen für die GRV zu einem Gutteil mittragen müssten. Durch die Leistung eines zusätzlichen „Demographiezuschusses“ begünstigte der Gesetzgeber mithin nicht einseitig die Steuerzahler, die in der GRV versichert sind, sondern diente im Ergebnis der Erfüllung einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe aller Steuerzahler. Dies hatte schon der Gesetzgeber der Invaliditäts- und Altersversicherung im Jahre 1888 erkannt; denn dort hieß es in der Gesetzesbegründung – wie bereits wiedergegeben –, dass „durch die Alters- und Invaliditätsbelastung […] eine erhebliche Erleichterung einer anderen öffentlichen Last, der öffentlichen Armenpflege, eintritt“.221 Derselbe Zusammenhang wurde bei den Beratungen zur Reichsversicherungsordnung im Jahre 1911 betont, als in § 389 RVO eine Regelung eingeführt wurde, der zufolge den Gemeinden die Pflicht auferlegt wurde, die Leistungsfähigkeit der Allgemeinen Ortskrankenkassen zu garantieren.222 Den Gemeinden wurden durch die Sozialversicherung erhebliche Lasten abgenommen, weil nunmehr der entsprechende Personenkreis in Notfällen von der Sozialversicherung und nicht mehr von den örtlichen Armenverbänden zu betreuen war. Deshalb wurde die Garantieverpflichtung der Gemeinden als eine Fortsetzung der Armenunterstützung in den Formen der Sozialversicherung bzw. als eine Weiterentwicklung der Idee, die der staatlichen Armenpflege zugrunde lag, begriffen. In dieser Situation einer Wechselbezüglichkeit sozialversicherungsrechtlicher und steuerlicher Alterssicherung in Verbindung mit dem Gesamtdeckungsprinzip bzw. dem Non-Affektationsprinzip bei der Verwendung von Steuermitteln223 ist es 221

RT-StenBer 7. Legislaturperiode/IV. Session 1888/1889, Bd. I, Drucks. 10, zit. nach KomGRV, § 213 SGB VI Rn. 3.2. 222 Begründung des Entwurfs einer RVO auf RT-StenBer 12. Legislaturperiode/II. Session 1909/1910, Bd. I, Drucks. 340, S. 223 f.; 1. Bericht der 16. Kommission über den Entwurf einer RVO auf RT-StenBer 12. Legislaturperiode/II. Session 1909/1910, Bd. I, Drucks. 946, S. 363, S. 365 f.), jeweils zitiert nach BSG, Urt. v. 16. 11. 1978 – 3 RK 29/76, BSGE 47, 148 (150 f.). 223 Das Gesamtdeckungsprinzip ist ein Haushaltsgrundsatz (§ 7 Satz 1 HGrG, § 8 Satz 1 BHO) mit dem Inhalt, dass sämtliche Einnahmen eines öffentlichen Haushalts zur Deckung sämtlicher Ausgaben dienen, also nicht zweckgebunden sind. Das Prinzip sichert die Be-

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dem Gesetzgeber überlassen, an welcher „Stellschraube“ er dreht. Er kann frei wählen, ob er alle Steuerzahler unmittelbar durch die Einführung eines „Demographiezuschusses“ an Abhilfemaßnahmen zur Lösung der Probleme der GRV beteiligt oder ob er die Steuerzahler über eine – im Falle eines Verzichts auf die Einführung eines zusätzlichen Bundeszuschusses zur GRV vorprogrammierte – verstärkte Beanspruchung der steuerfinanzierten Sozialleistungssysteme mittelbar zur Abfederung der sich ändernden Rahmenbedingungen für die GRV heranzieht. b) Weitere Aspekte der Gesamtbetrachtung Darüber hinaus sind in die Gesamtbetrachtung auch weitere Überlegungen einzustellen. Das ist zunächst der bereits angemerkte Umstand, dass die GRV seit jeher Fremdlasten trägt, die eigentlich steuerfinanziert sein müssten, und dass diese Fremdlasten bislang regelmäßig nicht vollständig durch steuerfinanzierte Bundeszuschüsse abgegolten worden sind (vgl. oben S. 88 f.). Dadurch sind die Steuerzahler, die nicht in der GRV versichert sind, bisher (und schon seit langem) gegenüber den Beitragszahlern der GRV bevorteilt worden, so dass die Einführung eines steuerfinanzierten „Demographiezuschusses“ letztendlich einer Art „Neutralisierung“ der bisherigen Begünstigung der nicht in der GRV versicherten Steuerzahler gleichkäme. Sodann ist die zum 1. Januar 2005 eingeführte „nachgelagerte“ Rentenbesteuerung nach § 22 EStG zu bedenken. Seither werden die Aufwendungen für die Altersvorsorge zunehmend steuerfrei, während später die Renteneinkünfte oberhalb des Grundfreibetrages (2017: 8.820 Euro) besteuert werden. Das erfolgt nach und nach in einer langen Übergangszeit von 35 Jahren. Der Besteuerungsanteil bestimmt sich nach dem Jahr des Renteneintritts. Der steuerpflichtige Rentenanteil beträgt im Jahr 2017 74 Prozent und steigt noch bis 2020 in Schritten von 2 Prozent-Punkten und danach in Schritten von einem Prozent-Punkt bis 100 Prozent im Jahre 2040 an. Nach Angaben des Bundesfinanzministeriums müssen im Jahr 2017 bereits 4,25 Mio. Steuerpflichtige mit Rentenbezug Steuern zahlen. Würde das Rentenniveau infolge eines steuerfinanzierten „Demographiezuschusses“ höher gehalten, würden die Renten vieler Bezieher über die Steuerfreigrenze hinauswachsen. Da zudem der steuerpflichtige Anteil der Renten steigt, bedeutet dies eine Art von „Refinanzierung“ des „Demographiezuschusses“ durch die GRV-Versicherten. Nicht unberücksichtigt bleiben darf schließlich das System der Beamtenversorgung, das nicht beitrags-, sondern steuerfinanziert ist. Diesbezüglich ergibt sich im Verhältnis von GRV-versicherten Steuerzahlern und nicht GRV-versicherten Steuerzahlern die spiegelbildliche Situation im Vergleich zu den Einwänden gegen weglichkeit des Haushalts; die Unabhängigkeit bestimmter Einnahmen von bestimmten Ausgaben gewährleistet demokratische Entscheidungsfreiheit und rechtstaatliche Distanz. Näher etwa Heintzen, HStR V, 3. Aufl. 2007, § 120 Rn. 47; Waldhoff, HStR V, 3. Aufl. 2007, § 116 Rn. 140 f., je m.w.N.

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Bundeszuschüsse zur GRV: Denn die GRV-versicherten Steuerzahler finanzieren die Altersversorgung der nicht GRV-versicherten Steuerzahler mit, ohne dafür einen unmittelbaren Gegenwert bzw. eine etwaige Kompensation zu erhalten. Und auch hier gilt: Durch die Altersversorgung der Beamten fallen die Pensionäre später regelmäßig nicht dem steuerfinanzierten SGB XII zur Last, sondern können ihren Lebensunterhalt regelmäßig durch ihre Pension decken.

III. Ergebniszusammenfassung Die erforderliche Gesamtbetrachtung aller Wirkungen führt zu einer Rechtfertigungsfähigkeit der (möglichen) Benachteiligung, die die Einführung eines „Demographiezuschusses“ für diejenigen Steuerzahler, die nicht in der GRV versichert sind, gegenüber den GRV-versicherten Steuerzahlern mit sich brächte. Denn es kommt – wie oben auf S. 85 dargelegt – für die gleichheitsrechtliche Bewertung einer staatlichen Maßnahme nicht (allein) darauf an, ob sie für sich betrachtet gegebenenfalls zu einer Benachteiligung einer Personengruppe führt. Vielmehr ist entscheidend, ob das Gesamtgefüge eines komplexen „Systems“ insgesamt zu einer gerechten Behandlung verschiedener Vergleichsgruppen führt. Hierbei ist aber nun zu berücksichtigen, dass das GRV- und das Steuersystem stark ineinandergreifen und miteinander verschränkt sind. Die Wechselwirkungen zwischen den beiden Systemen mögen in den Summen nicht genau quantifizierbar und daher die Belastungen und Begünstigungen nicht genau aufrechenbar sein, zumal die Höhe etwaiger Belastungen wie auch die Höhe etwaiger Begünstigungen nicht sicher feststeht, sondern von unterschiedlichsten unsicheren Faktoren wie etwa dem Wirtschaftswachstum, dem Stand der Beschäftigung, den Jahressteuererträgen und dem Zinsniveau abhängig ist. Doch ist an der Wechselbezüglichkeit von GRV- und Steuersystem selbst nicht zu zweifeln: Belastungen in dem einen System können mit Begünstigungen in dem jeweils anderen einhergehen – und zwar für die einzelne Bürgerin und den einzelnen Bürger genauso wie für die beiden betroffenen Haushaltssysteme der GRV und des Bundes. Die Belastungen und Begünstigungen, die durch einen neuen „Demographiezuschuss“ entstünden, würden sich in einer Gesamtbetrachtung von GRV- und Steuersystem für fast jeden GRV-Versicherten und für fast jeden nicht GRV-Versicherten teils ungünstig, teils günstig auswirken, wobei – über lange Zeiträume betrachtet (in denen sich Lebensumstände auch einmal grundlegend verändern können) – noch nicht einmal sicher feststeht, wer in der Addition der Belastungen und Begünstigungen zu den „Gewinnern“ und wer zu den „Verlierern“ gehören würde. Berücksichtigt man überdies den dem Gesetzgeber zustehenden Beurteilungs- und Prognosespielraum auf dem Feld der Steuer- und Sozialpolitik, kann die mögliche Ungleichbehandlung von Steuerzahlern, die in der GRV versichert sind, und solchen, die es nicht sind, verfassungsrechtlich jedenfalls gerechtfertigt werden. Die Einführung eines „Demographiezuschusses“ verstieße daher nicht gegen den

E. Unternehmenseigenschaft nach Art. 101 AEUV

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Gleichheitsgrundsatz. Folglich ergeben sich aus Art. 3 Abs. 1 GG keine materiellrechtlichen Vorgaben für einen solchen zusätzlichen Bundeszuschuss.

E. Mögliche (zu vermeidende) Folge: Unternehmenseigenschaft nach Art. 101 AEUV Die Regelungen der Art. 101 bis 109 AEUV dienen der Aufrechterhaltung und dem Schutz eines funktionsfähigen Wettbewerbs auf dem europäischen Binnenmarkt; ihre Geltung brächte einerseits die derzeitige Monopolstellung der Deutschen Rentenversicherung Bund in Gefahr und würfe andererseits – vergleichsweise noch wichtiger – die gleichsam an den Grundfesten der GRV rührende Frage des Beibehaltenkönnens der Versicherungspflicht auf (Art. 102 AEUV). Auch stellte sich die Frage, ob das Beihilfeverbot des Art. 107 Abs. 1 AEUV eingriffe, wonach Beihilfen gleich welcher Art verboten sind, die „durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen … den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen“. Bundeszuschüsse an die GRV könnten dann als verbotene Beihilfe zu qualifizieren sein.

I. Die Rechtsprechung zur Unanwendbarkeit der Wettbewerbsregeln des AEUV auf Sozialversicherungsträger Die Adressaten der Wettbewerbsregeln der Art. 101 – 106 AEUV und des Beihilfeverbots nach Art. 107 AEUV sind „Unternehmen“; dementsprechend trägt der 1. Abschnitt des 1. Kapitels (Wettbewerbsregeln) des VII. Titels im AEUV die Überschrift: „Vorschriften für Unternehmen“. Der Begriff des Unternehmens ist deshalb für die Anwendung und die Reichweite der Wettbewerbsregeln grundlegend; gleichwohl hat der AEUV – wie schon zuvor EGV und EG – darauf verzichtet, eine Legaldefinition224 für das in ihm verwendete Unternehmenskonzept aufzunehmen. In der Verwaltungspraxis der Kommission und in der Rechtsprechung der Unionsgerichte225 wird der Unternehmens-Begriff „funktional“ und nicht „institutionell“ gefasst. Die Unternehmenseigenschaft richtet sich also nicht nach dem Rechtsstatus des Akteurs, sondern nach dem Gehalt der vorgenommenen Handlungen:226 Als Unternehmen wird „jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einrichtung (oder: Einheit) unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung“ aufge224 Es geht hier um eine europarechtliche, für alle Mitgliedstaaten geltende Definition, nicht um einen nationalrechtliche, wie sie etwa in § 136 Abs. 3 SGB VII zu finden wäre. 225 St. Rspr., siehe etwa EuGH, Urt. v. 23. 4. 1991 – Rs. C-41/90, Slg. 1991, I-1979, Rn. 21 – Höfner und Elser; EuGH, Urt. v. 19. 2. 2007 – Rs. C-309/99, Slg. 2002, I-1577, Rn. 46 – Wouters; EuG, Urt. v. 4. 3. 2003 – Rs. T-319/99, Slg. 2003, II-357, Rn. 35 – FENIN. 226 EuGH, Urt. v. 23. 4. 1991 – Rs. C-41/90, Slg. 1991, I-1979, Rn. 21 – Höfner und Elser.

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3. Teil: Einfach-, verfassungs- und unionsrechtliche Vorgaben

fasst. Damit ist verbunden, das es für die Anwendbarkeit der Wettbewerbsregeln keine Rolle spielt, ob es sich um öffentliche oder um private Unternehmen handelt (vgl. Art. 106 Abs. 1, Abs. 2 AEUV). Ebenso wenig kommt es auf die Rechtsform an, die der betreffende Staat für sein Tätigwerden gewählt hat. Privatrechtliche oder öffentlich-rechtliche Organisationsformen werden gleich behandelt. Infolgedessen hängt die Abgrenzung der „Unternehmen“ i.S.d. Art. 101 ff. AEUV von anderen Einrichtungen des sozialen Lebens, die nicht den Wettbewerbsregeln des AEUV unterliegen, im Wesentlichen davon ab, ob eine Einheit eine „wirtschaftliche Tätigkeit“ ausübt.227 Hierfür wiederum soll das Angebot von Waren und Dienstleistungen auf einem bestimmten Markt in der Regel gegen Entgelt kennzeichnend sein;228 unerheblich soll hingegen sein, ob der Leistungserbringer die Absicht der Gewinnerzielung verfolgt. Auch eine bestimmte Dauerhaftigkeit der wirtschaftlichen Betätigung soll nicht Voraussetzung des Unternehmensbegriffs sein. Die nähere Prüfung der Unternehmenseigenschaft von Sozialversicherungsträgern nach den genannten Maßgaben und damit die Anwendbarkeit der Wettbewerbsregeln haben den Europäischen Gerichtshof bereits vielfach beschäftigt.229 Gleich in seiner ersten einschlägigen Entscheidung, der Rechtssache Höfner und Elser230, hat der Europäische Gerichtshof die Unternehmenseigenschaft der vormaligen Bundesanstalt für Arbeit bejaht und im deutschen Arbeitsvermittlungsmonopol einen Verstoß gegen Art. 86 EGV (heute Art. 102 AEUV) gesehen. Kurz darauf stellte der Europäische Gerichtshof in der Rechtssache Poucet und Pistre231 fest, dass Krankenkassen oder Einrichtungen, die bei der Verwaltung der öffentlichen Aufgabe der sozialen Sicherheit mitwirken, eine Aufgabe mit ausschließlich so227 Bei der Unterscheidung wirtschaftlicher von nicht-wirtschaftlicher Betätigung ist auch der Sinn und Zweck des Unternehmensbegriffs im Rahmen der Wettbewerbsregeln des AEUV zu berücksichtigen. Art. 51 Abs. 1 und Art. 62 AEUV lässt sich entnehmen, dass der AEUV keine Anwendung auf Tätigkeiten finden soll, die die Mitgliedstaaten in Ausübung ihrer Hoheitsgewalt vornehmen. Ferner dient die Definition des Unternehmensbegriffs dazu, private Verbraucher außerhalb des Anwendungsbereichs der Wettbewerbsregeln zu halten. Daher begründet die Nachfragetätigkeit des privaten Endverbrauchers nicht seine Unternehmenseigenschaft i.S. dieser Bestimmungen (EuGH, Urt. v. 12. 9. 2000 – verb. Rs. C-180/98, C-184/98, Slg. 2000, I-6451, Rn. 75 ff. – Pavlov). 228 Kriterien hier nach Kingreen, Das Sozialstaatsprinzip im Europäischen Verfassungsverbund, 2003, S. 313, m.w.N. zur einschlägigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. 229 Eingehende Rechtsprechungsüberblicke bringen etwa Kingreen, Das Sozialstaatsprinzip im Europäischen Verfassungsverbund, 2003, S. 319 ff.; Lenze, Staatsbürgerversicherung und Verfassung, 2005, S. 433 ff.; Tiemann, Einwirkungen des Rechts der Europäischen Union, 2011, S. 149 ff. 230 EuGH, Urt. v. 23. 4. 1991 – Rs. C-41/90, Slg. 1991, I-1979, Rn. 21– Höfner und Elser; desgleichen zum italienischen Sozialversicherungsmonopol EuGH, Urt. v. 11. 12. 1997 – Rs. C 55/96, Slg. 1997, I-7119, Rn. 21 – Job Centre. 231 EuGH, Urt. v. 17. 2. 1993 – Rs. C 159/91 und 160/91, Slg. 1993, I-637, Rn. 18 – Poucet und Pistre.

E. Unternehmenseigenschaft nach Art. 101 AEUV

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zialem Charakter ausführten, weshalb sie keine Unternehmen im Sinne der Art. 101 ff. AEUV seien. Dies hat der Europäische Gerichtshof in der Rechtssache AOK Bundesverband232 für Zusammenschlüsse von Krankenkassen bekräftigt, auch wenn sie gemäß §§ 35, 36 SGB V Festbeträge festsetzen, bis zu deren Erreichen die Krankenkassen die Kosten von Arzneimitteln übernehmen. Abgelehnt hat der Europäische Gerichtshof die Unternehmenseigenschaft in der Rechtssache INAIL233 auch für einen italienischen Unfallversicherungsträger; letztere Entscheidung erlaubte den Rückschluss, dass auch die deutschen Unfallversicherungsträger nicht als Unternehmen im Sinne des Art. 101 AEUV anzusehen sind, so dass das deutsche Unfallversicherungsmonopol mit dem Unionsrecht in Einklang steht. Diese Linie hat der Europäische Gerichtshof inzwischen in der Rechtssache Kattner234 bestätigt. Inhaltlich sind alle vorgenannten und weitere einschlägige Entscheidungen235 damit begründet, dass Einrichtungen der Sozialversicherung Aufgaben von ausschließlich sozialem Charakter erfüllen, diese ohne Gewinnzweck ausüben (obgleich der EuGH ursprünglich nicht auf eine etwaige Gewinnerzielungsabsicht abzustellen meinte; siehe soeben S. 96) und dass diese Tätigkeit auf dem Grundsatz der nationalen Solidarität beruht, weil die Leistungen gesetzlich vorgesehen sind und durch Beiträge finanziert werden, deren Höhe nicht streng proportional zum versicherten Risiko ist.236 Für die Alterssicherung wurde etwa betont, dass die Solidarität dadurch zum Ausdruck komme, dass die Renten nicht nach dem Kapitalisierungs-, sondern nach dem Umlageverfahren finanziert würden; sie zeige sich zudem „in der Gewährung von Rentenansprüchen, denen keine Gegenleistung in Form von Beiträgen gegenübersteht“.237 Auch wird – bei Kranken- und Unfallversicherungsträgern – darauf verwiesen, dass zwischen den beteiligten Systemen eine Art Risikostrukturausgleich stattfinde.238 Zentral ist in allen einschlägigen Entscheidungen der Gedanke, dass Solidarprinzip und Versicherungspflicht untrennbar zusammenge232 EuGH, Urt. v. 16. 3. 2004 – verb. Rs. C-264/01, C-306/01, C-354/01 und C-355/01, Slg. 2004, I-2524, Rn. 47 – AOK-Bundesverband. 233 EuGH, Urt. v. 22. 1. 2002 – Rs. C-218/00, Slg. 2002, I-691, Rn. 44 f. – INAIL. 234 EuGH, Urt. v. 5. 3. 2009 – Rs. C-350/07, Slg. 2009, I-1513 ff. – Kattner. 235 Siehe nochmals Kingreen, Das Sozialstaatsprinzip im Europäischen Verfassungsverbund, 2003, S. 319 ff.; Lenze, Staatsbürgerversicherung und Verfassung, 2005, S. 433 ff.; Tiemann, Einwirkungen des Rechts der Europäischen Union, 2011, S. 149 ff. 236 EuGH, Urt. v. 16. 11. 1995 – Rs. C-244/94, Slg. 1995, I-4013, Rn. 22 – Fédération française des sociétés d’assurances; EuGH, Urt. v. 16. 3. 2004 – verb. Rs. C-264/01, C-306/01, C-354/01 und C-355/01, Slg. 2004, I-2524, Rn. 47 – AOK-Bundesverband; EuG, Urt. v. 4. 3. 2003 – Rs. T-319/99, Slg. 2003, II-357, Rn. 37 – FENIN; EuGH, Urt. v. 21. 9. 1999 – Rs. C-67/ 96, Slg. 1999, I-5751, Rn. 60 ff. – Albany International. 237 EuGH, Urt. v. 17. 2. 1993 – Rs. C 159/91 und 160/91, Slg. 1993, I-637, Rn. 18; EuGH, Urt. v. 22. 1. 2002 – Rs. C-218/00, Slg. 2002, I-691, Rn. 44 f. – INAIL; EuGH, Urt. v. 16. 11. 1995 – Rs. C-244/94, Slg. 1995, I-4013, Rn. 22 – Fédération française des sociétés d‘assurances (hier wurde das Vorliegen der Merkmale indes verneint). 238 EuGH, Urt. v. 17. 2. 1993 – Rs. C 159/91 und 160/91, Slg. 1993, I-637, Rn. 9 ff. – Poucet und Pistre.

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3. Teil: Einfach-, verfassungs- und unionsrechtliche Vorgaben

hören. Folge dieser Rechtsprechung mit ihrer Ausgrenzung der Sozialversicherungsträger aus dem Unternehmensbegriff des Wettbewerbsrechts ist, dass den Mitgliedstaaten die Ausgestaltung dieser Einrichtungen überlassen wird, ohne dass dabei die Regelungen der Art. 101 ff. AEUV beachtet werden müssen.239

II. Gefährdung der Nicht-Unternehmenseigenschaft der Deutschen Rentenversicherung Bund durch einen „Demographiezuschuss“? Vor diesem (Rechtsprechungs-)Hintergrund ist zu untersuchen, ob ein „Demographiezuschuss“ bewirken könnte, dass die GRV den „geschützten Bereich“ verlässt und in der Auslegung des Europäischen Gerichtshofs zu einem „Unternehmen“ i.S.d. Art. 101 ff. AEUV wird, mit der Folge, dass sie den Regeln des europäischen Wettbewerbsrechts unterfiele. Entscheidender Gefahrpunkt ist insoweit – wie die geschilderte Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zeigt – das Fortbestehen und der Umfang des sozialen Ausgleichs innerhalb des einzelnen Rentenversicherungsträgers und zwischen den Rentenversicherungsträgern; die Versicherungspflicht und das Umlageverfahren würden dagegen von der Gewährung eines „Demographiezuschusses“ nicht berührt. 1. Zentrale Bestandteile des „sozialen Ausgleichs“ in der GRV Es muss deshalb an dieser Stelle in gebotener Kürze240, aber doch in einer über die Ausführungen auf S. 59 f. hinausgehenden Weise aufgezeigt werden, was den „sozialen Ausgleich“ in der GRV maßgeblich ausmacht, um davon ausgehend beurteilen zu können, ob ein „Demographiezuschuss“ hierauf überhaupt einwirkt. Eine erste Form des sozialen Ausgleichs ergibt sich dadurch, dass in der GRV die Versicherungstechnik „Prämie nach Risiko(-eintrittswahrscheinlichkeit)“ nicht gilt. Anders als in der Privatversicherung wird hier nämlich zur Bemessung der Beitragshöhe der Versichertenbestand nicht nach Gruppen gleichwertiger individueller Risiken („Gefahrklassen“) aufgegliedert, denen nach den Gesetzen der Wahrscheinlichkeit das gleiche mittlere Risiko des Eintritts des Versicherungsfalls zuzurechnen ist (sog. „Individualäquivalenz“ oder – treffender – „[Risiko-]Gruppenäquivalenz“). Vielmehr zahlen alle Versicherten den gleichen Beitragssatz. In der Rentenversicherung führt diese Versicherungstechnik zu Umverteilungen vor allem in drei Richtungen: 239 EuGH, Urt. v. 22. 1. 2002 – Rs. C-218/00, Slg. 2002, I-691, Rn. 32 – INAIL; EuGH, Urt. v. 5. 3. 2009 – Rs. C-350/07, Slg. 2009, I-1513, Rn. 49 – Kattner. 240 Ausführliche Analysen bei Bieber/Stegmann, DRV 2002, 642 ff.; Hase, Versicherungsprinzip und sozialer Ausgleich, 2000, S. 267 ff.; Heidel/Loose, DAngVers 2004, 221 ff.; Kolb, DRV 1984, 177 ff. Siehe ferner Butzer, DRV-Schriften Bd. 66, 2006, S. 137 ff.

E. Unternehmenseigenschaft nach Art. 101 AEUV

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- Es wird – erstens – eine Umverteilung von Rentenversicherten mit einer geringen hin zu solchen mit einer hohen Lebenserwartung in Gang gesetzt. Diese Umverteilung basiert auf der Nichtbeachtung von statistischen Unterschieden in der Lebenserwartung bestimmter Gruppen von Versicherten. Konkret führt etwa das individuelle Risiko „Langlebigkeit“ nicht dazu, dass Frauen, die im Durchschnitt eine höhere Lebenserwartung haben und damit durchschnittlich auch längere Rentenbezugszeiten aufweisen als Männer, einen höheren Beitragssatz zahlen als Männer. - Weil (frühere) Ehepartner und Kinder von Versicherten im Falle des Todes des Versicherten Witwen-, Witwer-, Erziehungs- und Waisenrenten erhalten (vgl. §§ 46 ff. SGB VI), ergibt sich – zweitens – eine Umverteilung von Versicherten ohne Ehepartner und Kinder hin zu solchen mit Familienangehörigen. Denn diese Renten werden von unverheirateten und/oder kinderlosen Beitragszahlern mitfinanziert, obwohl diese selbst keine Angehörigen haben, die im Falle ihres Todes Anspruch auf die entsprechende Versicherungsleistung hätten. - Schließlich kommt es – drittens – zu einer intragenerativen Umverteilung von Versicherten mit einem geringen Risiko, dass sie Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (vgl. §§ 9 ff., § 15 SGB VI) oder Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (§ 16 SGB VI) oder Erwerbsminderungsrenten (vgl. § 43 SGB VI) in Anspruch nehmen werden, hin zu Versicherten mit hohen diesbezüglichen Risiken. Denn auch in Bezug auf diese Versicherungsleistungen der GRV wird die individuelle Risikoeintrittswahrscheinlichkeit, die z. B. mit dem jeweiligen Beruf, mit Vorerkrankungen, mit dem Geschlecht oder mit dem Alter des Versicherten variiert, in der GRV – anders als in der Privatversicherung – bei der Beitragsbemessung nicht berücksichtigt241. Eine zweite, anders als die erstgenannte nicht auf der spezifischen Versicherungstechnik der Sozialversicherung beruhende Form des „sozialen Ausgleichs“ unter den Rentenversicherten resultiert daraus, dass bestimmte Versicherte einer Alterskohorte über ihre durch Erwerbstätigkeit erworbenen Anwartschaften hinaus bei Vorliegen bestimmter gesetzlicher Tatbestände begünstigt werden. Das beginnt – will man die einzelnen Tatbestände in eine gewisse biographische Reihenfolge bringen – mit der Phase der schulischen bzw. beruflichen Ausbildung, setzt sich sodann fort mit der Zeit von Wehrdienst oder Zivildienst, Schwangerschaft, Kindererziehung und Kinderpflege, betrifft sodann Phasen der Arbeitslosigkeit mit Bezug von Arbeitslosengeld II oder Phasen der Arbeitsunfähigkeit bzw. Krankheit und berücksichtigt schließlich in Form der Ersatzzeiten – heute mit vergleichsweise geringer quantitativer Relevanz – frühere außergewöhnliche Lebensumstände sowie

241 So zahlen etwa Gleisbauer und Estrichleger, die zu den Berufsgruppen mit dem höchsten Erwerbsminderungsrisiko gehören, denselben Beitrag für diesen Risikoschutz wie z. B. Mathematiker, die statistisch ein besonders geringes Erwerbsminderungsrisiko haben. Berichtet bei Heidel/Loose, DAngVers 2004, 221 (224).

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3. Teil: Einfach-, verfassungs- und unionsrechtliche Vorgaben

– ebenfalls heutzutage an Bedeutung verlierend – frühere langjährige niedrige Pflichtbeiträge. Als Begünstigung können entweder zusätzlich Entgeltpunkte zugeordnet, vorhandene Entgeltpunkte erhöht oder Zuschläge gewährt werden; außerdem können die soeben genannten Tatbestände für die Wartezeitenerfüllung herangezogen oder im Rahmen der Gesamtleistungsbewertung berücksichtigt werden. Wegen des Grundsatzes der Globaläquivalenz ist die auf diese Weise bewirkte Vermehrung der Gesamtsumme aller Entgeltpunkte einer Alterskohorte grundsätzlich geeignet, den späteren relativen Gegenwert jedes einzelnen Entgeltpunktes zu mindern. Das wiederum verkürzt relativ den Rentenanspruch derjenigen Versicherten dieser Alterskohorte, die ihre Entgeltpunkte relativ stärker aufgrund ihrer Erwerbstätigkeit erworben haben. Kurz gesagt: Durch die Gewährung beitragsloser Entgeltpunkte kommt es zu einer Verschlechterung der Beitrag-Leistungs-Proportionalität der Rentenversicherungsbeiträge aus Erwerbstätigkeit. Und in dieser Proportionalitätsverschlechterung für diejenigen Versicherten mit einem hohen Anteil an durch Erwerbstätigkeit erworbenen Entgeltpunkten zu Gunsten solcher mit einem geringeren Anteil solcher Entgeltpunkte an der individuell erreichten Gesamtanwartschaft liegt der Sache nach eine zweite Form des sozialen Ausgleichs. 2. Abschätzung der Gefährdungspotentiale Mit Recht ist geäußert worden, dass ein „irgendwie gearteter sozialer Ausgleich, der zudem noch vollständig durch einen staatlichen Steuerzuschuss kompensiert wird“, nicht ausreicht, „um einem System der sozialen Sicherheit den Grundsatz der Solidarität zu attestieren“.242 In der Tat: Bei einer vollständigen oder einer zumindest fast vollständigen Äquivalenz von Beiträgen und Rentenleistungen wegen gleichzeitiger staatlicher Bezuschussung des sozialen Ausgleichs würde die Deutsche Rentenversicherung Bund trotz Fortbestehens von Umlageverfahren und Zwangsversicherungscharakter vermutlich zu einem „Unternehmen“ im Sinne des europäischen Wettbewerbsrechts werden. Insbesondere wäre dann das Sozialversicherungsmonopol mit einhergehendem Versicherungszwang nicht mehr zu rechtfertigen, denn Beispiele in anderen europäischen Mitgliedstaaten zeigen, dass sich das Alterssicherungssystem auch vollständig über den Markt regeln lässt. Indessen sollte hier – wenn es um die Unternehmenseigenschaft der Deutschen Rentenversicherung Bund geht – sauber zwischen den beiden soeben dargestellten Formen des „sozialen Ausgleichs“ differenziert werden.243 Während sich die erste 242

Lenze, Staatsbürgerversorgung und Verfassung, 2005, S. 441. Daran fehlt es bei Lenze, Staatsbürgerversorgung und Verfassung, 2005, S. 441, die von der – wie gezeigt: unzutreffenden – Annahme ausgeht, dass „sozialer Ausgleich“ und versicherungsfremde Leistungen stets ein und dasselbe bezeichneten. Wäre das richtig, wäre es in der Tat – wie Lenze meint – mit Blick auf Art. 101 ff. AEUV „bedenklich“, wenn die versicherungsfremden Leistungen in der GRV zur Gänze durch den Bundeszuschuss gedeckt wären. 243

E. Unternehmenseigenschaft nach Art. 101 AEUV

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Form gewissermaßen als Folge des sozialversicherungsrechtlichen Prinzips „Beitrag nach Einkommen“ (anstatt Beitrag nach Risiko) ergibt, resultiert die zweite Form aus Transfertatbeständen, deren Bewertung als versicherungseigen oder versicherungsfremd mit Wertungsfragen verbunden und umstritten ist (vgl. oben S. 20 f., 88). Erhält die GRV für die aufgrund dieser Transfertatbestände gewährten Rentenleistungen (sofern sie der Gesetzgeber als versicherungsfremd eingestuft hat) eine finanzielle Kompensation in Form von Bundeszuschüssen („Erstattungen“)244, kommt es in der Höhe dieser Zuschüsse nicht zu „sozialem Ausgleich“ zwischen den Versicherten. Wäre der gewährte Bundeszuschuss also hoch genug bemessen, um alle Fälle versicherungsfremder Transfertatbestände finanziell voll abzudecken, würde diese zweite Form des „sozialen Ausgleichs“ sogar ganz entfallen.245 Dieser Entfall ist allerdings für die Bewertung des Unternehmenscharakters der GRV ohne Belang, da der Europäische Gerichtshof mit seiner Wendung, der Solidarcharakter der Sozialversicherung zeige sich „in der Gewährung von Rentenansprüchen, denen keine Gegenleistung in Form von Beiträgen gegenübersteht“246, wohl kaum nach nationalem Recht verfassungswidrige Fremdlasten des Sozialversicherungsträgers im Auge gehabt haben dürfte. Vielmehr geht es ihm um diejenigen Formen des „sozialen Ausgleichs“, die sich versicherungsimmanent als Folge des sozialversicherungsrechtlichen Prinzips „Beitrag nach Einkommen“, d. h. der sozialen Umverteilung zwischen den Versicherten untereinander, ergeben. Dennoch ist zu beachten: Steckte in den gewährten Bundeszuschüssen auch noch eine „Überzahlung“ – wovon derzeitig aber wohl nicht die Rede sein kann247 –, könnten die Zuschüsse – theoretisch – auf die erstgenannte Form des sozialen Ausgleichs ausgreifen und im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen GeTatsächlich „vertiefen“ versicherungsfremde Leistungen zwar den durch die spezifische Versicherungstechnik der Sozialversicherung („Beitrag nach Einkommen“) entstehenden sozialen Ausgleich, dies aber in verfassungswidriger Weise, wenn der Träger für diese versicherungsfremden Leistungen keine Erstattung erhält. 244 Erstattungen für versicherungsfremde (= nicht beitragsgedeckte) Leistungen sind definitiv im zusätzlichen Bundeszuschuss (vgl. § 213 Abs. 3 SGB VI) enthalten, können aber seit 1992 auch mit dem allgemeinen Bundeszuschuss nach § 213 Abs. 1 SGB VI „abgegolten“ sein. Siehe oben S. 24 ff. 245 Es sei hier nochmals (vgl. bereits S. 42 f.) darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber, wenn er die Versicherungsfremdheit anerkennt, aus Gründen des Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) und auch einfachgesetzlich (§ 30 Abs. 2 Satz 1, 1. Halbsatz SGB IV) verpflichtet wäre, einen Bundeszuschuss zu gewähren; das Problem liegt hier allein darin, dass die Abgrenzung schwierig und umstritten ist, der Gesetzgeber dabei zu anderen Ergebnissen als die Deutsche Rentenversicherung Bund gelangt und beide wiederum zu anderen Ergebnissen als das Schrifttum oder interessierte Organisationen aus dem politischen Raum. 246 EuGH, Urt. v. 17. 2. 1993 – Rs. C 159/91 und 160/91, Slg. 1993, I-637, Rn. 18; EuGH, Urt. v. 22. 1. 2002 – Rs. C-218/00, Slg. 2002, I-691, Rn. 44 f. – INAIL; EuGH, Urt. v. 16. 11. 1995 – Rs. C-244/94, Slg. 1995, I-4013, Rn. 22 – Fédération française des sociétés d‘assurances (hier wurde das Vorliegen der Merkmale indes verneint). 247 Die Bundesregierung geht von einer Unterdeckung in Höhe von 7 Mrd. Euro aus, andere Stimmen nennen noch höhere Beträge. Siehe nochmals oben S. 88 f.

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3. Teil: Einfach-, verfassungs- und unionsrechtliche Vorgaben

richtshofs die Unternehmenseigenschaft der GRV begründen. Das wäre aber nur dann der Fall, wenn mit dieser „Überzahlung“ bislang stattfindende, sich als Folge des sozialversicherungsrechtlichen Prinzips „Beitrag nach Einkommen“ ergebende Formen des „sozialen Ausgleichs“ eliminiert werden sollten, z. B. der Ausgleich der unterschiedlichen Lebenserwartung von Frauen und Männern oder der Ausgleich zwischen Kinderlosen und Kinderhabenden im Bereich der Hinterbliebenenrenten. So dürfte der Gesetzgeber nicht verfahren, denn dann liefe er mit der Gewährung weiterer Bundeszuschüsse Gefahr, die Deutsche Rentenversicherung Bund aus dem „geschützten Bereich“ heraus und in den voraussetzungsvollen Bereich des europäischen Wettbewerbsrechts hinein zu führen. Solange allerdings eine diesbezügliche Zweckbindung der Bundeszuschüsse nicht erfolgt, gingen überschießende Beträge der Bundeszuschüsse nach § 213 Abs. 1 und Abs. 3 SGB VI (wenn es sie denn irgendwann einmal gäbe) nicht in die Verminderung des sozialen Ausgleichs (der ersten Form) ein, sondern dienten allein dem Zweck der Leistungserhöhung bzw. Beitragssenkung für alle Versicherten. Dies würde für einen möglichen „Demographiezuschuss“ gelten. Denn dieser soll von seiner Zweckrichtung her den Beitragssatz und das Netto-Rentenniveau stabilisieren, nicht aber Teile des sozialen Ausgleichs in der GRVeliminieren. Es käme durch einen solchen „Demographiezuschuss“ dann nur zu einer sozialen Umverteilung auf höherem Niveau, nicht aber zu einer Verminderung der Tatbestände des sozialen Ausgleichs. Aber auch Bundeszuschüsse ohne den Zweck, den sich infolge des sozialversicherungsrechtlichen Prinzips „Beitrag nach Einkommen“ ergebenden „sozialen Ausgleich“ zurückzudrängen, sind verfassungs- und europarechtlich nicht völlig unbedenklich. Denn der Umfang auch dieses sozialen Ausgleichs geht umso mehr zurück, je höher die Bundeszuschüsse im Verhältnis zum Beitragsaufkommen des Trägers ausfallen. Bei der derzeitigen Zuschussfinanzierung der GRV in Höhe von etwa 25 Prozent bleiben immerhin noch 75 Prozent Beitragsmittel übrig, mit denen dann sozialer Ausgleich finanziert werden kann. Jede extensivere Zuschussfinanzierung verschlechtert diese Relation und damit die faktische Bedeutung des sozialen Ausgleichs in Relation zum Gesamtvolumen der Rentenleistungen. Es ist deshalb naheliegend und gut vorstellbar, dass der Europäische Gerichtshof ab einer noch zu benennenden Grenze staatlicher Mitfinanzierung eines Rentenversicherungsträgers den Solidaranteil als zu gering einstuft, um die Unternehmenseigenschaft dieses Trägers weiterhin verneinen zu können. Insofern erfährt die Annahme, dass die Bundeszuschüsse inklusive eines etwaigen „Demographiezuschusses“ zumindest in eine deutliche verfassungsrechtliche „Gefahrenzone“ geraten, wenn sie einen bestimmten Anteil an den Gesamteinnahmen und Gesamtausgaben der GRV überschreiten, Unterstützung durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Neben den bereits dargestellten Gefahren aus der Wortlaut- und Wortsinngrenze des verfassungsrechtlichen Begriffs „Zuschüsse“ in Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG, der nach hier vertretener Ansicht eine maximal hälftige

E. Unternehmenseigenschaft nach Art. 101 AEUV

103

Zuschussfinanzierung gestattet, und hinsichtlich des drohenden „Verlusts“ des von Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG i.V.m. Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG zwingend geforderten Sozialversicherungscharakters der GRV als Zuschussempfängerin besteht bei einer Überschreitung der 50 Prozent-Grenze auch noch die weitere – folgenreiche – Gefahr, dass dadurch der Anwendungsbereich des europäischen Wettbewerbsrechts eröffnet werden könnte.

4. Teil

Wesentliche Ergebnisse Politik, Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände und andere interessierte Kreise beschäftigen sich derzeit mit der Frage, welche Handlungsoptionen bestehen, um in den Jahren ab 2020 sowohl das prognostizierte Absinken des Rentenniveaus als auch das Ansteigen des Beitragssatzes abzuflachen. Eine denkbare Handlungsoption wäre eine signifikante Erhöhung der Bundeszuschüsse an die GRV bzw. die Einführung eines weiteren Bundeszuschusses, der in seiner Höhe aber weit über den im BMASGesamtkonzept zur Alterssicherung vorgeschlagenen „Demographiezuschuss“ (ab 2030 ein Betrag von 1,5 Prozent der Rentenausgaben [derzeit: 4,2 Mrd. Euro]; ansteigend bis 2045 auf 2,5 Prozent der Rentenausgaben [derzeit: 7,8 Mrd. Euro]) hinauszugehen hätte. Die vorliegende Untersuchung sucht zu klären, ob und inwieweit eine signifikante Erhöhung der Bundeszuschüsse an die Deutsche Rentenversicherung Bund verfassungsrechtlich zulässig wäre. Die volkswirtschaftlichen Implikationen einer solchen signifikanten Erhöhung des Zuschusses sind dagegen nicht Gegenstand der Beurteilung. Folgende Ergebnisse sind festzuhalten: 1. Die Gewährung eines zusätzlichen bzw. erhöhten Bundeszuschusses bzw. die Einführung eines neuen „Demographiezuschusses“ bedarf einer einfachgesetzlichen Rechtsgrundlage. Eine gesetzesfreie Gewährung ist nicht zulässig. Ein „Demographiezuschuss“ könnte dabei gesetzgeberisch nicht dem zusätzlichen Bundeszuschuss i.S.d. § 213 Abs. 3 SGB VI und dem entsprechenden Erhöhungsbetrag i.S.d. § 213 Abs. 4 SGB VI zugeordnet werden, wohl aber dem allgemeinen Zuschuss i.S.d. § 213 Abs. 1 SGB VI. Dafür wäre allerdings eine Gesetzesänderung oder -ergänzung der § 213 Abs. 2, Abs. 2a SGB VI (Basisbetrag) notwendig. Aus Gründen der Systemkonformität, der Transparenz und der Rechtsklarheit scheint indes eine gesonderte eigene Rechtsgrundlage in § 213 SGB VI durch die Schaffung eines neuen Absatzes, in dem dieser weitere Zuschuss geregelt würde, als die vorzugswürdige Lösung. 2. Ein „Demographiezuschuss“ wäre ein Zuschuss, der auf Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG gestützt werden könnte. Diese Regelung ist nicht lediglich als Interimsregelung für kriegsbedingte Lasten der Sozialversicherung gedacht. Demnach hat diese Vorschrift für die Frage der Neugestaltung des Bundeszuschusses an die GRV verfassungsrechtliche Bedeutung. Ein auf Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG gestützter „Demographiezuschuss“ müsste sich ausschließlich auf die Sachausgaben der GRV beziehen. Zur maximalen Höhe ist festzuhalten, dass in die Berechnung nur die dem

4. Teil: Wesentliche Ergebnisse

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Träger geleisteten echten Zuschüsse sowie die geleisteten Eventualzuschüsse eingehen dürfen. Erstattungen dagegen, die z. B. „nicht beitragsgedeckte Leistungen“ (s. etwa § 213 Abs. 3 SGB VI) abgelten, müssen bei der Berechnung außen vor bleiben. Mit dieser Maßgabe lässt sich sagen, dass (echte) Bundeszuschüsse bis zu einer Höhe von 50 Prozent der Gesamteinnahmen eines Sozialversicherungszweigs eine bestehende Sozialversicherung im Sinne des Kompetenztitels nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG noch nicht so weit umformen, dass das neue System nicht mehr als Sozialversicherung angesprochen werden könnte. Dies aber ist zwingend, da der Verlust des Sozialversicherungscharakters die Folge nach sich zöge, dass dieses neue System auch nicht mehr Empfänger von Bundeszuschüssen nach Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG sein könnte. Will man dagegen dem Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss zur landwirtschaftlichen Alterssicherung (BVerfGE 109, 96 [110]) folgen, würde diese Umformung bzw. Denaturierung sogar erst bei noch weitaus höheren Zuschussquoten, nämlich von 75 Prozent der Einnahmen und mehr, einsetzen. Dann allerdings setzten Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG i.V.m. Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG den Bundeszuschüssen an die Sozialversicherung kaum noch eine Grenze; allenfalls die Vollfinanzierung könnte dann sicher als verfassungsrechtlich unzulässig betrachtet werden. Doch wäre so die kompetenzrechtliche Abgrenzung von „Sozialversicherung“ und „Fürsorge“ ins Belieben des einfachen Gesetzgebers gestellt. 3. Schranken oder Maßgaben für einen neuen „Demographiezuschuss“ ergeben sich nicht unter dem Aspekt des Eigentumsgrundrechts (Art. 14 Abs. 1 GG). Hinsichtlich der Beitragszahler und Bestandsrentner könnte sich ein „Demographiezuschuss“ zwar deshalb mittelbar belastend auswirken, weil er den anteiligen Beitrag der Versicherten an der Begründung ihres zukünftigen Anspruchs auf Rentenbezug verringerte. Etwaige Befürchtungen sind jedoch zurückzuweisen. Denn der Eigentumsschutz sozialversicherungsrechtlicher Positionen ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch dann nicht ausgeschlossen, wenn die Anwartschaften oder Vollrechte „auch oder überwiegend“ (BVerfGE 69, 272 [301]; 100, 1 [34]; BVerfGK 14, 287 [291]) bzw. „maßgeblich“ (BVerfGE 100, 1 [34]) auf staatlicher Gewährung beruhen. Auch ein Anteil von über 50 Prozent Staatsfinanzierung hindert also nicht die Annahme einer nicht unerheblichen Eigenleistung (und damit den eigentumsrechtlichen Schutz einer Anwartschaft oder eines Vollrechts). Im Übrigen würde sich auch an der Erforderlichkeit einer vorher zu erbringenden Arbeitsleistung als Voraussetzung für den eigentumsrechtlichen Schutz der sozialversicherungsrechtlichen Positionen nichts ändern. Die Einführung eines „Demographiezuschusses“ wäre ferner selbst unter der Annahme einer Grundrechtsbetroffenheit der Steuerzahler nach Art. 2 Abs. 1 GG aufgrund einer prospektiv erhöhten Steuerlast eine verhältnismäßige und damit verfassungsrechtlich gerechtfertigte Maßnahme des Bundes, um die Existenz und die Funktionsfähigkeit der GRV zu sichern. Es ist nicht ersichtlich, dass die prospektiv erhöhte Steuerlast den Steuerpflichtigen den gebotenen Spielraum nähme, sich frei zu entfalten, sie gleichsam wirtschaftlich „erdrosseln“ würde.

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4. Teil: Wesentliche Ergebnisse

4. Materiell-rechtliche Vorgaben für die konkrete Ausgestaltung eines „Demographiezuschusses“ ergeben sich ferner nicht aus dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Zwar müsste der „Demographiezuschuss“ nicht nur von denjenigen Steuerzahlern, die in der GRV versichert sind und deshalb als Leistungsberechtigte der GRV unmittelbar von dem zusätzlichen Zuschuss profitieren, getragen werden, sondern gleichermaßen auch von denjenigen Steuerzahlern, die nicht gesetzlich rentenversichert sind, mithin nicht unmittelbar von der GRV profitieren. Für das verfassungsrechtliche Ergebnis ist entscheidend, ob auch in Ansehung eines komplexen „Systems“ wie dasjenige des wechselseitig verschränkten GRV- und des Steuersystems eine ungerechte Behandlung der beiden Vergleichsgruppen vorliegt. Die Analyse zeigt insofern, dass sich die Belastungen und Begünstigungen, die durch einen neuen „Demographiezuschuss“ entstünden, in einer Gesamtbetrachtung von GRV- und Steuersystem für fast jeden GRV-Versicherten und für fast jeden nicht GRV-Versicherten teils ungünstig, teils günstig auswirken, wobei – über lange Zeiträume betrachtet (in denen sich Lebensumstände auch einmal grundlegend verändern können) – noch nicht einmal sicher feststeht, wer in der Addition der Belastungen und Begünstigungen zu den „Gewinnern“ und wer zu den „Verlierern“ gehören würde. Berücksichtigt man überdies den dem Gesetzgeber zustehenden Beurteilungs- und Prognosespielraum auf dem Feld der Steuerund Sozialpolitik, kann die mögliche Ungleichbehandlung von Steuerzahlern, die in der GRV versichert sind, und solchen, die es nicht sind, verfassungsrechtlich jedenfalls gerechtfertigt werden. 5. Ein „Demographiezuschuss“ bringt die Deutsche Rentenversicherung Bund – zumindest wenn eine Grenze von 50 Prozent Gesamtzuschussfinanzierung nicht erreicht wird –, auch noch nicht in die Nähe der „Unternehmens“-Eigenschaft im Sinne des Art. 101 AEUV; letzteres würde die Wettbewerbsregeln des AEUV (Art. 101 – 109 AEUV) anwendbar machen. Kritischer Punkt ist, dass der Europäische Gerichtshof die Unternehmenseigenschaft von Sozialversicherungsträgern vom Vorliegen eines „sozialen Ausgleichs“ abhängig macht. Ein „Demographiezuschuss“ gefährdete diesen zwar grundsätzlich nicht, weil er von seiner Zweckrichtung her den Beitragssatz und das Netto-Rentenniveau stabilisieren, nicht aber Teile des sozialen Ausgleichs eliminieren soll. Dennoch geht der Umfang des sozialen Ausgleichs umso mehr zurück, je höher die Bundeszuschüsse im Verhältnis zum Beitragsaufkommen des Trägers ausfallen, so dass jede extensivere Zuschussfinanzierung die Relation und damit die faktische Bedeutung des sozialen Ausgleichs in Relation zum Gesamtvolumen der Leistungen verschlechtert. Bei Einhaltung einer 50 Prozent-Grenze bewegte sich der Gesetzgeber aber wohl noch auf sicherem Boden. 6. Die Untersuchung kommt zu dem Gesamtergebnis, dass eine Erhöhung der Bundeszuschüsse an die GRV bis maximal 50 Prozent der Gesamteinnahmen der Deutschen Rentenversicherung Bund noch keinen verfassungs- und unionsrechtlichen Bedenken begegnet. Bei einer Überschreitung dieser 50 Prozent-Grenze träte der Gesetzgeber jedoch entgegen der allzu „sorglosen“ (vermutlich aber auch nicht

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verallgemeinerbaren) Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Altershilfe der Landwirte (BVerfGE 109, 96 [110]) in eine verfassungsrechtliche und zugleich auch unionsrechtliche „Gefahrenzone“ ein. Diese wird markiert – erstens – aus der Wortlaut- und Wortsinngrenze des verfassungsrechtlichen Begriffs „Zuschüsse“ in Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG, – zweitens – aus der Gefahr des „Verlusts“ des von Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG i.V.m. Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG zwingend geforderten Sozialversicherungscharakters der GRV als Zuschussempfängerin und – drittens – aus der Gefahr, dass dadurch der Anwendungsbereich des europäischen Wettbewerbsrechts eröffnet werden könnte.

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Sachverzeichnis Abgrenzung zwischen Zuschuss und Beitrag, 43 f. Allgemeiner Bundeszuschuss, 18, 22 ff. – Fortschreibung nach § 213 Abs. 2, Abs. 2a SGB VI, 27 – Fortschreibung nach § 287e SGB VI, 27 – Multifunktionalität, 25 – Neukonzeptionierung 1992, 22 – Vorgängervorschriften des § 213 Abs. 1 SGB VI, 22 – Zweck der Zuschussgewährung, 24 Anpassungsmechanismus in § 213 Abs. 2, Abs. 2a SGB VI, 27 f. Anwendbarkeit der Wettbewerbsregeln des AEUV auf Sozialversicherungsträger, 95 ff. Anwendungsbereich des Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG, 33 ff. – Abweichung von Art. 104a Abs. 1 GG, 32, 47 – Argumente der genetischen Auslegung, 37 – Argumente der historischen Auslegung, 38 f. – Argumente der systematischen Auslegung, 34, 35 ff. – Argumente der teleologischen Auslegung, 39 f. – Herrschende Meinung: Dauerregelung, 34 – Mindermeinung: Übergangsrecht zur Kriegsfolgenbewältigung, 34 f. – Position des BVerfG, 34, Fn. 14 Ausgaben der allgemeinen Rentenversicherung, 25 ff. Auszahlung der Bundeszuschüsse, 32 Babyboomer-Generation, 21 – Folgen ihrer Verrentung, 21 Beamtenversorgung, 93 f. – Auswirkung der Steuerfinanzierung, 93 f. – Deckung ihres Lebensunterhalts im Alter, 94

– Spiegelbild der Einwände gegen Bundeszuschüsse zur GRV, 93 f. Beiträge durch den Staat, 43 f. – Beitragspflicht des Staates, 43 – für Arbeitslosengeld II-Bezieher, 44 – für Wehr- und Zivildienstleistende, 43 f. – Staat als Arbeitgeber, 43 f. – Verhältnis zum Zuschussbegriff, 43 f. Beitragssatzanstieg bis 2045, 11, 21, 22 Bundeshaushaltsplan, 31 Bundesversicherungsamt, 32 Bundesverfassungsgericht (BVerfG) – DDR-Zusatzversorgungssysteme, Urt. v. 28. 4. 1999, 74 f. – Investitionshilfe, Urt. v. 20. 7. 1954, 78 – Kindergeld, Urt. v. 11. 5. 1960, 51 ff. – Krankenversicherung der Rentner, Urt. v. 16. 7. 1985, 73 – Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetz, Beschl. v. 8. 12. 1982, 52 – Künstlersozialversicherung, Beschl. v. 8. 4. 1987, 52 – Landwirtschaftliche Alterssicherung, Beschl. v. 9. 12. 2003, 64 f. – Pflegeversicherung, Urt. v. 3. 4. 2001, 52 – Risikostrukturausgleich, Beschl. v. 18. 7. 2005, 60 – Versorgungsausgleich, Urt. v. 28. 2. 1980, 69 f. – Zahllast für Pflegeversicherungsbeiträge, Beschl. v. 7. 10. 2008, 75 f. Bundeszuschüsse – Berechnungsfragen, 57 – eigentumsrechtliche Relevanz, 67 ff. – Finanzierungsanteil an GRV, 13 – gesetzesfreie Gewährung?, 16 f. – historische Entwicklung, 12 f., 38 f., 87 f. – keine Verpflichtung zur Gewähr, 45 – „Lasten“ der Sozialversicherung, 46 ff. – Prognose für 2020, 14

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– Rechtsgrundlagen, 16 ff. – Tragung durch den Bund, 44 Demographiezuschuss, s. auch Bundeszuschüsse – Alternativen, 81 – Angemessenheit, 81 f. – Erforderlichkeit, 80 f. – Festsetzung und Auszahlung durch BVA, 32 – Geeignetheit, 80 – legitimer Zweck, 80 – (Mit-)Finanzierung einer doppelten Haltelinie, 12, 21, 25, 30, 40, 80 – Verankerung im Bundeshaushaltsplan, 31 – Vorgaben zur Höhe aus Art. 101 AEUV, 95 ff. – Vorgaben zur Höhe aus Art. 2 Abs. 1 GG, 77 ff. – Vorgaben zur Höhe aus Art. 3 Abs. 1 GG, 83 ff. – Vorgaben zur Höhe aus Art. 14 Abs. 1 GG, 66 ff. – Vorgaben zur Höhe aus Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG, 32 ff. – Vorschlag der Erweiterung des § 213 SGB VI, 29 ff. Denaturierung von „Sozialversicherung“, 56, 66 Deutsche Rentenversicherung Bund als Unternehmen i.S.d. Art. 101 AEUV, 95 ff. Direktivkraft des Zuschussbegriffs, 44 ff. Eigentumseingriff durch höhere Steuerbelastung, Ablehnung desselben, 78 ff. – Entwicklung der Rechtsprechung, 78 ff. – Halbteilungsgrundsatz, 79 – keine erdrosselnde Wirkung, 78 Eigentumsfähigkeit, 68 Eigentumsschutz der Rentenanwartschaften, Entwertung, 66 ff. – Arbeitgeberleistungen, 73 – Arbeitsleistung als Vorleistung, 76 – Arbeitsleistung statt Beitragsleistung, 75 – Ausschließlichkeitsrecht, 68 – Berücksichtigung der Bundeszuschüsse zugunsten der Versicherten, 74 f.

– DDR-Zusatzversorgungssysteme, BVerfG, Urt. v. 28. 4. 1999, 74 f. – Eigenleistungen des Versicherten, 73, 76 – Entwicklung der Dogmatik, 69 ff. – Erforderlichkeit einer existenzsichernden Funktion, 71 – Erforderlichkeit einer Vorleistung, 70 – Erscheinungsbildvergleich, 53 ff. – Krankenversicherung der Rentner, BVerfG; Urt. v. 16. 7. 1985, 73 – Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetz, BVerfG; Beschl. v. 8. 12. 1982, 52 – mögliche Entwertung durch höhere Bundeszuschüsse, 68 – Privatnützigkeit, 71 – Rechtsprechung und Literatur, 68 ff., 71 f. – sachliche Rechtfertigung, 70 – Versorgungsausgleich, BVerfG, Urt. v. 28. 2. 1980, 69 f. – Zahllast für Pflegeversicherungsbeiträge, BVerfG; Beschl. v. 7. 10. 2008, 75 f. Eingriff in Art. 2 Abs. 1 GG durch höhere Steuerbelastung, 77 ff. – Angemessenheit, 81 f. – Darlehen als Alternative, 81 – Einschätzungs- und Prognosespielraum, 80 – Erforderlichkeit, 80 f. – Fehlen milderer Alternativen, 81 – Investitionshilfe, BVerfG; Urt. v. 20. 7. 1954, 78 – legitimer Zweck, 80 – Nichteinschlägigkeit von Art. 14 Abs. 1 GG, 78 f. – Rechtfertigungsfähigkeit, 80 ff. – Schutzbereichsbetroffenheit, 79 Erscheinungsbildvergleich, 53 ff. Erstattungen, 41 f. Erweiterung des § 213 SGB VI, 29 Europäischer Gerichtshof (EuGH) – Anwendbarkeit der Wettbewerbsregeln des AEUV auf Sozialversicherungsträger, 95 ff. – Rs. AOK-Bundesverband, Urt. v. 16. 3. 2004, 97 – Rs. Höfner und Elser, Urt. v. 23. 4. 1991, 96 – Rs. INAIL, Urt. v. 22. 1. 2002, 97 – Rs. Kattner, Urt. v. 5. 3. 2009, 97

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– Rs. Poucet und Pistre, Urt. v. 17. 2. 1993, 96 f. – Unternehmen i.S.d. Art. 101 AEUV, 95 ff. Eventualzuschüsse, 42 f., 90 – Garantie, 43, 92 – Beispiele, S. 42 f.

Landwirtschaftliche Alterssicherung, 64 f. „Lasten“ der Sozialversicherung, 46 f. – Fremdlasten, 21, 28, 42, 89, 93, 101 – Sach- bzw. Zweckausgaben, 46 f. – Verwaltungs- und Personalkosten, 46 f. Lehre vom Totalvorbehalt, 17

Festsetzung der Bundeszuschüsse, 32 Formell-rechtliche Vorgaben, 31 f. Fremdlasten der Sozialversicherung, 21, 28, 42, 89, 93, 101 Fremdlastenabgeltung, 22

Negativwirkung trotz Begünstigung, 67 – begünstigende Nahwirkung, 67 – nachteilige Fernwirkung, 68 Netto-Rentenniveau bis 2045, 11, 21 Nicht beitragsgedeckte Leistungen der GRV, 18, 20, 21, 28, 42, 89, 93, 101 – Beispiele, 20 f. Non-Affektationsprinzip, 92 f.

Garantiefunktion für Bestand der GRV, 26, 43, 90, 92 Generationenvertrag, 70 Genese des § 213 Abs. 3 bis Abs. 5 SGB VI, 19 Gesamtdeckungsprinzip, 92 Gesamtkonzept zur Alterssicherung (BMAS), 11, 12 Grenze der Zuschussfinanzierung (50 Prozent), 23 f., 61 ff., 102 ff. Haltelinie, doppelte, 12, 21, 25, 30, 40, 80 Herrenchiemseer Entwurf, 37 Initiator der GRV, Verantwortung als, 80, 90 Kompetenz des Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG (Fürsorge), 50, 60 ff., 65 Kompetenz des Art. 74 Abs. 1 Nr. 9 GG (Kriegsschäden und Wiedergutmachung), 50 Kompetenz des Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG (Privatversicherung), 59 Kompetenz des Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG (Sozialversicherung), s. Sozialversicherung Konnexitätsprinzip, 32 f. – Durchbrechungsregelung des Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG, 33 – Regelung mit der Finanzreform 1969, 32, Fn. 4 Kriegsfolgelasten, 33 f. Künstlersozialversicherung, 52, 55

Organisationsreform der Rentenversicherung (2004), 39 f. Pflegeversicherung, 52, 55 Pflichtversicherung, 82, 89 Pflichtversicherungssystem, 26, 89 Rechte der Steuerzahler aus Art. 2 Abs. 1 GG, 77 ff. Rechtsgrundlage für Bundeszuschuss, einfachgesetzliche, 16 ff. Regelungszweck des § 213 Abs. 3 bis Abs. 5 SGB VI, 19 Rentenbesteuerung nach § 22 EStG, 93 Risikostrukturausgleich in der GKV, 56, Fn. 89, 57 Sicherungsfunktion für Bestand der GRV, 26 Sozialer Ausgleich in der Sozialversicherung, 59 f., 98 ff. – Berücksichtigung bestimmter biographischer Tatbestände, 99 f. – Nichtberücksichtigung von Vorerkrankungen, 99 – Prämie nach Einkommen, 98 – Umverteilungswirkungen, 99 Sozialversicherung, Zuschüsse zu den Lasten – Abgrenzung zu Fürsorge, 60 f. – Abgrenzung zu soziale Sicherheit, 50 – Akzessorietät des Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG zu Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG, 49 – Begriff „Sozialversicherung“, 48 ff.

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– – – –

Denaturierung, 56, 66 Erscheinungsbildvergleich, 53 ff. Gattungsbegriff, 51 Gleichlauf mit Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG, 48 ff. – Grenze bei 50 Prozent an Bundeszuschussfinanzierung, 62 ff. – keine „Universalregelungskompetenz“, 50 f. – konstitutive Merkmale, 53 f. – maximale Höhe des Bundeszuschusses, 57 ff. – Merkmal „Finanzierung durch Beiträge“, 61 – Merkmal „sozialer Ausgleich“, 59 f., 98 ff. – Merkmal „Versicherung“, 58 ff. – Strukturtypus, 49 ff. – typische Merkmale, 53 f. – Typusbegriff, 51 f. Steuerbelastung, höhere, durch höhere Bundeszuschüsse, 77 ff., s. auch Eingriff in Art. 2 Abs. 1 GG Subventionscharakter, 17, 25 Systemgerechtigkeit, 85 ff. – Gesamtbetrachtung, 85 – Indiz und Hilfsgesichtspunkt, 86 – Inhalt, 86 – Systembruch, 86, 87, 91 – Verkrustungsgefahr, 87

– staatliche Garantieverpflichtung für Funktionieren der GRV, 89 – Systemgerechtigkeit, 85 ff. – Systemimmanenz von Zuschüssen zur Abdeckung nicht beitragsgedeckter Leistungen, 88 f. – systemübergreifende Betrachtung, 87 ff. – Ungleichbehandlung GRV-versicherter Steuerzahler und nicht GRV-versicherter Steuerzahler, 83 ff. – Verfassungsrechtliche Rechtfertigung, 84 ff. – Verhältnismäßigkeitskontrolle, 84 – Wechselbezüglichkeit sozialversicherungsrechtlicher und steuerlicher Alterssicherung, 91 ff. – Willkürkontrolle, 84 Versicherungsfremde Leistungen, 18, 20, 21, 42, 89, 93, 101 – erweiterte Definition der Bundesregierung, 20 Fn. 19, 88 Versicherungsprinzip in der Sozialversicherung, 58 ff. – Begriff „Versicherung“, 58 ff. – Definition, 58 – Geben und Nehmen, 62 – Risiken, 59 – Vorsorgecharakter, 58, 61 f. Vorgängervorschriften des § 213 Abs. 1 SGB VI, 22

Ungleichbehandlung durch höhere Bundeszuschüsse, 77 ff., s. auch Vereinbarkeit mit Art. 3 Abs. 1 GG Unternehmen i.S.d. Art. 101 AEUV, 95 ff.

Wesentlichkeitsgedanke, 17 Wettbewerbsregeln des AEUV, 95 ff. – Abschätzung der Gefährdungspotentiale, 100 ff. – Absicht der Gewinnerzielung, 96 – Adressaten, 95 – Aufgaben von ausschließlich sozialem Charakter, 97 – Begriff „Unternehmen“, 95 f. – EuGH, Rs. AOK-Bundesverband, Urt. v. 16. 3. 2004, 97 – EuGH, Rs. Höfner und Elser, Urt. v. 23. 4. 1991, 96 – EuGH, Rs. INAIL, Urt. v. 22. 1. 2002, 97 – EuGH, Rs. Kattner, Urt. v. 5. 3. 2009, 97 – EuGH, Rs. Poucet und Pistre, Urt. v. 17. 2. 1993, 96 f.

Vereinbarkeit mit Art. 3 Abs. 1 GG – Bewertung von Benachteiligungen in komplexen Systemen, 85 ff. – Garantie von Rechtsanwendungs- und Rechtsetzungsgleichheit, 83 – Gesamtbetrachtung des „Systems“, 91 ff. – Gewinner und Verlierer, 94 – Kontrolldichte, 84 – „Refinanzierung“ durch Rentenbesteuerung, 93 – rentenrechtssystematische Betrachtung, 87

Sachverzeichnis – Gefahrenzone, 102 f. – „wirtschaftliche Tätigkeit“, 96 – zentrale Bestandteile des sozialen Ausgleichs in der GRV, 98 ff. Zusätzlicher Bundeszuschuss, 18 ff. – Erhöhungsbetrag (§ 213 Abs. 4, Abs. 5 SGB VI), 18, 19 – Fremdlasten, 18, 20, 21, 28, 42, 89, 93, 101 – Genese und Regelungszweck, 19 – lex specialis ggb. § 213 Abs. 1 SGB VI – nicht beitragsgedeckte Leistungen der GRV, 18, 20, 21, 42, 89, 93, 101 – Rechtsgrundlage, 18 – tatbestandliche Voraussetzungen, 19 ff. – versicherungsfremde Leistungen, 18, 20, 21, 42, 89, 93, 101

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Zusatzversorgungssysteme der früheren DDR, 74 f. Zuschuss an GRV – Begriffsdefinition, 23, 40 ff., 63 f. – BVerfG: 75 Prozent-Grenze in der landwirtschaftlichen Alterssicherung, 64 f. – (echte) Zuschüsse, 41 – Erstattungen, 41 f. – Eventualzuschüsse, 42 f. – Grenze der Bundeszuschussfinanzierung (50 Prozent), 23 f., 61 ff., 102 ff. – Multifunktionalität, 25 – unterstützender Charakter, 23, 24 – Zurückbleiben hinter Hauptsachebetrag, 23 – Zweck der Zuschussgewährung, 24 Zuschuss an knappschaftliche Rentenversicherung, 14