Die Sachentscheidungsvoraussetzung des allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses im Verwaltungsprozeß [1 ed.] 9783428500246, 9783428100248

Im Mittelpunkt der Abhandlung steht das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis im Verwaltungsprozeß. Der Verfasser legt dar, d

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Die Sachentscheidungsvoraussetzung des allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses im Verwaltungsprozeß [1 ed.]
 9783428500246, 9783428100248

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VOLKER STEIN

Die Sachentscheidungsvoraussetzung des allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses im Verwaltungsprozeß

Schriften zum Prozessrecht Band 158

Die Sachentscheidungsvoraussetzung des allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses im Verwaltungsprozeß

Von Volker Stein

Duncker & Humblot . Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Stein, Volker: Die Sachentscheidungsvoraussetzung des allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses im Verwaltungsprozeß I von Volker Stein. - Berlin : Duncker und Humblot, 2000 (Schriften zum Prozessrecht ; Bd. 158) Zugl.: Mainz, Univ., Diss., 1999 ISBN 3-428-10024-7

Alle Rechte vorbehalten

© 2000 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Druck: Color-Druck Dorfi GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0219 ISBN 3-428-10024-7 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 97068

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Juni 1999 von der Juristischen Fakultät der Universität Mainz als Dissertation angenommen. Zu besonderem Dank verpflichtet bin ich Herrn Universitätsprofessor Dr. HansWemer Laubinger, der die Arbeit betreut hat und auch meine Tätigkeit als Lehrbeauftragter an der Universität Mainz maßgeblich gefördert hat. Mein Dank gilt auch Herrn Universitätsprofessor Dr. Friedhelm Hufen für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Besonderen Dank schulde ich außerdem Frau Petra Michaela Kirchmayer für das zuverlässige Schreiben des Manuskripts. Mainz, im April 2000

Volker Stein

Inhaltsverzeichnis Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

13

Erster Teil

Dogmatische Grundlagen des allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses als Sachentscheidungsvoraussetzung im Verwaltungsprozeß §

Begriff des allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses ..............................

18

§

2 Bedeutung und Aussagegehalt des allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses als Sachentscheidungsvoraussetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

20

§

3 Allgemeines Rechtsschutzbedürfnis und Justizgewährungsanspruch ......... . ...

31

§

4 Rechtsdogmatische Wurzeln und Geltungsgrund des allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses ....................................................................

34

A. Analogie zum berechtigten Interesse i. S. d. § 43 Abs. I, § 113 Abs. I Satz 4 VwGO ......................................................................

34

B. Das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis als Ausprägung der Prozeßökonomie

35

C. Das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis als Konkretisierung des jeweiligen Prozeßzwecks ...............................................................

37

D. Das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis als Verkörperung des Grundsatzes von Treu und Glauben im Prozeß ............................................

39

E. Das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis als Ausprägung des Verbots des institutionellen Mißbrauchs prozessualer Rechte .................................

41

F. Das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis als verfassungsimmanente Schranke des Justizgewährungsanspruchs ..............................................

43

Zweiter Teil

Abgrenzung des allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses von benachbarten verfahrensartübergreifenden Sachentscheidungsvoraussetzungen im Verwaltungsprozeß §

5 Allgemeines Rechtsschutzbedürfnis und Bestimmung der statthaften Verfahrensart - Verfahrenskonkurrenzen ...................................................

50

A. Die Systematik der Verfahrensarten und ihr Verhältnis zueinander ...........

50

8

Inhaltsverzeichnis B. Verfahrenskonkurrenzen, statthafte Klageart und allgemeines Rechtsschutzbedürfnis ....................................................................

53

§

6 Allgemeines Rechtsschutzbedürfnis und wirksame Erhebung eines Rechtsbehelfs ..........................................................................

60

§

7 Allgemeines Rechtsschutzbedürfnis und materielle Rechtskraft sowie anderweitige Rechtshängigkeit ...........................................................

66

§

8 Allgemeines Rechtsschutzbedürfnis und Prozeßführungs- sowie Klagebefugnis gemäß § 42 Abs. 2 VwGO ......................................................

76

9 Allgemeines Rechtsschutzbedürfnis und fehlende Justitiabilität behördlicher Verfahrenshandlungen gemäß § 44a VwGO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

81

§ 10 Allgemeines Rechtsschutzbedürfnis und Rechtsbehelfsverzicht .............. . . . .

86

§

Dritter Teil

Die Erscheinungsformen des fehlenden allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses im VerwaItungsprozeß § 11 Die vermeidbare Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes ................

94

A. Die mögliche AntragsteIlung auf Vornahme oder Unterlassung des begehrten Verhaltens bei der Behörde ..................................................

95

I. Grundsätzliche Konstellation im Verwaltungsprozeß ....................

95

11. Erforderlichkeit einer erfolglosen AntragsteIlung bei der Behörde im Verfahren der Hauptsache ...............................................

97

I. Verpflichtungsklage ..................................................

97

2. Anfechtungsklage ....................................................

97

3. Allgemeine Leistungsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

98

4. Feststellungsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

99

5. Nichtigkeitsfeststellungsklage ........................................ 100 III. Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes............................... 101 1. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO in den Fällen des § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ......................................................... 101

2. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO in den übrigen Fällen des § 80 Abs. 2 VwGO ........................................................ 102 3. Der Antrag nach § 80a Abs. 3 Satz I VwGO ......................... 102 4. Der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO ............................................................... 105 IV. Stellungnahme - Versuch einer einheitlichen Lösung .................... 106

Inhaltsverzeichnis

9

B. Die Möglichkeit der Behörde, die Streitigkeit durch Erlaß eines Verwaltungsaktes einseitig zu entscheiden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112

I. Grundsätzliche Konstellation im Verwaltungsprozeß .................... 112

11. Verfahren der Hauptsache.............................. . . . . . ...... . . . ... 113 111. Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ............................... 115 IV. Stellungnahme ...... . ............... . ................ . .......... . ....... 116 § 12 Die vermeidbare Inanspruchnahme des beschrittenen Rechtsweges..............

122

A. Privatrechtsgestaltende Verwaltungsentscheidungen ......................... 123

I. Ansätze zur Verneinung des allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses für verwaltungsprozessuale Rechtsbehelfe gegen privatrechtsgestaltende Verwaltungsakte ........................................................ 124

11. Stellungnahme .......................................................... 125 B. Nebeneinander von öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Abwehransprüchen .................................................................... 128 I. Ansätze zur Verneinung des allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses für verwaltungsprozessuale Rechtsbehelfe zur Durchsetzung privater Abwehransprüche .......................................................... 129

11. Begründung für das Vorliegen des allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses des verwaltungsprozessualen Rechtsbehelfs - Stellungnahme. . . . . . . . . . . . 130 § 13 Die Wahl einer unnötig aufwendigen Verfahrensart .............................. 132 § 14 Die Wahl einer ineffektiven Verfahrensart .......................................

136

A. Die isolierte Anfechtungsklage .............................................. 137

I. Die weitestgehende Zulassung der isolierten Anfechtungsklage unter Zurückstellung der aus dem allgemeinen Rechtsschutzbedürfnis resultierenden Bedenken ..................................................... 137

11. Stellungnahme .......................................................... 139 B. Die isolierte allgemeine Leistungsklage ...................................... 143 C. Der Widerspruchsbescheid als alleiniger Gegenstand einer verwaltungsgerichtlichen Klage ..... . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . .. . . . . . . . . . . . . . 144 I. Die Klage auf Erlaß eines Widerspruchsbescheides ...................... 145

11. Die isolierte Klage allein gegen den Widerspruchsbescheid .............. 151 D. Die allgemeine Feststellungsklage anstelle möglicher Gestaltungs- oder Leistungsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153

10

Inhaltsverzeichnis

§ 15 Die unnötige Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes

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155

A. Grundsätzliche Konzeption der VwGO zum vorbeugenden Rechtsschutz und allgemeines Rechtsschutzbedürfnis 155 000000000000000000000000000000000000000000

Bo Das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis bei der vorbeugenden allgemeinen Unterlassungsklage 0000000000000000000000000000000000000000000000000000

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157

C. Das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis bei der vorbeugenden Unterlassungsklage gegen einen drohenden Verwaltungsakt 159 00000000000000000000000000000000

I. Die dogmatische Einordnung der vorbeugenden Unterlassungsklage 160 gegen Verwaltungsakte 00000000000000000000000000000000000000000000000000

Ho Die Statthaftigkeit der vorbeugenden Unterlassungsklage gegen drohende Verwaltungsakte 0

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IIIo Fall gruppen des qualifizierten Rechtsschutzbedürfnisses IV. Stellungnahme

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161 162 163

Do Aspekte des Rechtsschutzbedürfnisses bei vorbeugenden Feststellungsklagen

173

Eo Das a\lgemeine Rechtsschutzbedürfnis bei der Inanspruchnahme vorläufigen, vorbeugenden Rechtsschutzes

175

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§ 16 Die Verfolgung eines Rechtsschutzbegehrens ohne Nutzen für den Kläger oder Antragsteller 176 0

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A. Grundsätzliche Akzeptanz als Erscheinungsform des fehlenden allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses

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Bo Rechtsdogmatische Struktur und Ausrichtung

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I. Wehrpflichtrecht

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Co Die Nutzlosigkeit des Rechtsbehelfs im praktischen Anwendungsfall

Ho Schul-, Ausbi1dungs- und Prüfungsrecht

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UI. Ausstrahlungswirkung externer Faktoren in die streitgegenständliche öffentlich-rechtliche Entscheidung 185 0

Do Gesamtwürdigung

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§ 17 Die Unmöglichkeit der Erreichung des Klageziels

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188 195

A. Anerkennung als eigenständige Erscheinungsform des fehlenden allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses in Literatur und Rechtsprechung - Anwendungsbereich 195 0

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Bo Stellungnahme

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§ 18 Die Verfolgung mißbilligenswerter Ziele

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198 202

Ao Die Verfolgung mißbilligenswerter Ziele durch den Kläger oder Antragste\ler als Haupterscheinungsform rechtsmißbräuchlichen Verhaltens im Verwaltungsprozeß 202 0

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Inhaltsverzeichnis

II

B. Aussagegehalt, Struktur und Stellung im Gesamtgefüge der verwaltungsprozessualen Sachentscheidungsvoraussetzungen ............................ 205 C. Die Verfolgung mißbiIIigenswerter Ziele in der verwaltungsgerichtlichen Praxis ....................................................................... 208 D. Gesamtwürdigung ........... . ............................................... 212 § 19 Prozessual widersprüchliches Verhalten ......................................... 215

A. Prozessual widersprüchliches Verhalten als Erscheinungsform rechtsmißbräuchlichen Verhaltens im Verwaltungsprozeß .............................. 215 B. Aussagegehalt, Struktur und Stellung im Gesamtgefüge der verwaltungsprozessualen Sachentscheidungsvoraussetzungen ............................ 216

c.

Prozessual widersprüchliches Verhalten in der verwaltungsgerichtlichen Praxis ....................................................................... 219

§ 20 Prozessuale Verwirkung .......... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 225

A. Die Existenz einer prozessualen Verwirkung im Verwaltungsprozeß

226

B. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der prozessualen Verwirkung

231

C. Verhältnis zu anderen Sachentscheidungsvoraussetzungen sowie anderen Erscheinungsformen des allgemeinen Rechti\.schutzbedürfnisses ............. 239 D. Die prozessuale Verwirkung in der verwaltungsgerichtlichen Praxis... .. . . . .. 242

Zusammenfassung der Ergebnisse ......... . .......... . .......... . ................ . .. 246 Literaturverzeichnis .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 254 Sachregister ....................................................................... . .. 259

Einleitung Es zählt zu den gesicherten Erkenntnissen des Verwaltungsprozeßrechts wie des Prozeßrechts insgesamt, daß bei jedem Rechtsbehelf zwischen dessen Zulässigkeit und Begründetheit zu differenzieren ist. Kann ein Rechtsbehelf die Hürde der Zulässigkeit nicht nehmen, so darf keine Entscheidung in der Sache ergehen!. Betrifft der in Rede stehende Zulässigkeitsmange1 bei einem verwaltungsprozessualen Rechtsbehelf den Rechtsweg gemäß § 40 VwGO oder die sachliche oder örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts gemäß §§ 45 ff., § 52 VwGO, so ergeht gemäß § 17a Abs. 2 GVG, § 83 Abs. 1 Satz 1 VwGO ein Verweisungsbeschluß, mit dem die Streitigkeit an das zuständige Gericht verwiesen wird. Bei sonstigen, nicht behebbaren Zulässigkeitsmängeln ist der Rechtsbehelf aus dem jeweiligen Grunde heraus abzuweisen (zurückzuweisen, zu verwerfen etc.), ohne daß eine Begründetheitsprüfung erfolgt. Die Beantwortung der Frage, ob ein Rechtsbehelf zum Verwaltungsgericht zulässig ist, bemißt sich anhand eines weitestgehend feststehenden Katalogs von Prüfungskriterien, den Sachentscheidungsvoraussetzungen. Nahezu alle Lehrbücher und Kommentare zum Verwaltungsprozeßrecht enthalten Zusammenstellungen der zu beachtenden Sachentscheidungsvoraussetzungen 2 . Dabei besteht im Ergebnis weitestgehend Einigkeit, welche prozessualen Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit ein Rechtsbehelf zulässig ist. In diesem Katalog der Sachentscheidungsvoraussetzungen fällt bereits formal ein Prüfungspunkt auf, weil er in den meisten Übersichten ganz am Ende steht3 und im Gegensatz zu den anderen Prüfungspunkten nicht mit einer Verweisung auf gesetzliche Vorschriften versehen ist - das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis, vielfach auch nur als Rechtsschutzbedürfnis bezeichnet. Dieser - an sich zunächst äußerliche - Befund macht deutlich, daß I Hufen, Verwaltungsprozeßrecht, § 10 Rdnr. 3; Pietzner / Ronellenfitsch, Assessorexamen, § 4 Rdnr. 3 ff.; Schenke, Verwaltungsprozeßrecht, Rdnr. 58; Schmitt Glaeser. Verwaltungsprozeßrecht, Rdnr. 30; relativierend Gierth, DÖV 1980, 893 (898); Sendler. DVBI. 1982,923 (929); relativierend in Bezug auf das Rechtsschutzbedürfnis Pietzner/ Ronellenjitsch, Assessorexamen, § 4 Rdnr. 5 Fn. 8; Schenke, Verwaltungsprozeßrecht, Rdnr. 64, Fn. 18; relativierend für das einstweilige Anordnungsverfahren Finkeinburg / Jank, Vorläufiger Rechtsschutz, Rdnr.49. 2 Hufen, Verwaltungsprozeßrecht, § 10 Rdnr. 3; Kopp/Schenke, VwGO, Vorb. § 40 Rdnr. 17; Pietzner/Ronellenjitsch, Assessorexamen, § 4 Rdnr. 7; Redeker/von Oertzen, VwGO, § 109 Rdnr. 3; Schenke, Verwaltungsprozeßrecht, Rdnr. 65; Schmitt Glaeser. Verwaltungsprozeßrecht, Rdnr. 31; Ehlers, in: Schoch I Schmidt-Aßmann I Pietzner, VwGO, Vorb. § 40 Rdnr. 8; Ule, Verwaltungsprozeßrecht, S. 147 f. 3 Hufen, a. a. 0.; Pietzner/ Ronellenjitsch, a. a. 0.; Redeker/von Oertzen, a. a. 0.; Schmitt Glaeser. a. a. 0.; Ehlers, in: Schoch I Schmidt-Aßmann I Pietzner, a. a. 0.; Ule, a. a. O.

14

Einleitung

es sich beim allgemeinen Rechtsschutzbedürfnis, verglichen mit anderen Sachentscheidungsvoraussetzungen im Verwaltungsprozeß, um ein eigenartiges, nur schwer faßbares Phänomen handelt. Das al1gemeine Rechtsschutzbedürfnis ist zwar als Sachentscheidungsvoraussetzung im Verwaltungsprozeß inzwischen einhel1ig anerkannt; auch in der verwaltungsprozessualen Praxis erfreut es sich einer gewissen Beliebtheit und wird in den verschiedenartigsten Konstellationen in gerichtlichen Entscheidungen als Unzulässigkeitsgrund genannt. Andererseits dürfte es aber kaum eine Sachentscheidungsvoraussetzung geben, bei der so viele Fragen offen sind wie bei der des al1gemeinen Rechtsschutzbedürfnisses. Bereits terminologisch besteht keine völlige Klarheit. In letzter Zeit hat sich zwar zunehmend die Bezeichnung "allgemeines Rechtsschutzbedürfnis" oder schlicht "Rechtsschutzbedürfnis" eingebürgert; es finden sich aber auch Termini wie "Rechtsschutzinteresse", "rechtliches Interesse" oder "berechtigtes Interesse", mit denen Fragestellungen des al1gemeinen Rechtsschutzbedürfnisses erfaßt werden sollen - zuweilen bis hin zu eindeutig anderweitig besetzten Begriffen wie "Klagebefugnis" oder "Prozeßführungsbefugnis". Unklarheit besteht des weiteren bei der Frage, wo das al1gemeine Rechtsschutzbedürfnis als Sachentscheidungsvoraussetzung im Verwaltungsprozeß dogmatisch festzumachen und damit auch zu legitimieren ist. Immerhin läuft seine Anerkennung auf eine weitreichende Einschränkung der staatlichen Justizgewährung durch ein ungeschriebenes Rechtsinstitut hinaus. Trotz im Laufe der vergangenen Jahrzehnte immer wieder unternommener Untersuchungen zu dieser Frage4 ist es bisher nicht gelungen, eine dogmatisch befriedigende Antwort zu finden, die al1seitige Akzeptanz genießt und auch in der praktischen Anwendung die verschiedenen Erscheinungsformen des allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses zu erklären vermag. Erst recht besteht Unklarheit beim konkreten Anwendungsbereich und Aussagegehalt des al1gemeinen Rechtsschutzbedürfnisses im Verwaltungsprozeß. Es scheint äußerst schwierig zu sein, per Definition festzulegen, was genau unter dieser Sachentscheidungsvoraussetzung inhaltlich zu verstehen ist und wann sie zu verneinen ist. Diese bereits im grundsätzlichen Ansatz bestehende Unklarheit setzt sich naturgemäß fort: Sie erfaßt zum einen die Abgrenzung des vielschichtigen und vielgestaltigen Rechtsinstituts des al1gemeinen Rechtsschutzbedürfnisses von anderen, ihm thematisch nahekommenden Sachentscheidungsvoraussetzungen, zum anderen die konkrete Festlegung, in welchen Fal1konstel1ationen das al1gemeine Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage oder für einen Antrag zu den Verwaltungsgerichten zu verneinen ist. Der Beantwortung dieser Fragen widmet sich die vorliegende Arbeit. Der Gang der Untersuchung orientiert sich im wesentlichen an den soeben umrissenen Frage4 An Einze1abhandlungen und Monographien sind vor allem zu nennen: Bock, Das Rechtsschutzbedürfnis im Verwaltungsprozeß, 1971; Schänke, Das Rechtsschutzbedürfnis - Studien zu einern zivilprozessualen Grundbegriff, 1950; Stephan, Das Rechtsschutzbedürfnis - Eine Gesamtdarstellung unter besonderer Berücksichtigung des Verfassungsprozesses, 1967; Wiesero Das Rechtsschutzinteresse des Klägers im Zivilprozeß, 1971.

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stellungen. Nicht von ungefähr sollen dabei auch Parallelen zur Vorgehensweise des Gerichts entstehen, das einen Rechtsbehelf einer Zulässigkeitsprüfung unterzieht und dabei Vorabschichtungen speziellerer Problemfelder der Zulässigkeit vorzunehmen hat, bevor am Ende gegebenenfalls die Beschäftigung mit der subsidiären Problematik des allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses steht. Dabei soll das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis nicht nur für das Hauptsacheverfahren des Verwaltungsprozesses, sondern auch für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes Berücksichtigung finden. Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes haben gegenüber den Hauptsacheverfahren in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten zunehmend an Bedeutung gewonnen; mit dieser Entwicklung hat die dogmatische Durchdringung der Zulässigkeitsprobleme im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht Schritt halten können. Probleme des allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses, die bei verwaltungs prozessualem Rechtsschutz gegen normatives Unrecht auftreten, sind hingegen nicht mehr Gegenstand der vorliegenden Untersuchung. Die prinzipale Normenkontrolle gemäß § 47 VwGO folgt ihren Eigengesetzlichkeiten. Abgrenzungsschwierigkeiten zu den vor den Verwaltungsgerichten üblichen, auf Einzelakte bezogenen Klage- und Antragsarten der VwGO treten kaum auf. Die Sonderstellung des Verfahrens gemäß § 47 VwGO wird bereits formal daran erkennbar, daß es in erstinstanzIicher Zuständigkeit vom Oberverwaltungsgericht entschieden wird. Auch in der Sache weist die verwaltungs prozessuale abstrakte Normenkontrolle Bezüge zum Verfassungsprozeßrecht, insbesondere zur abstrakten Normenkontrolle gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG auf. Insgesamt betrifft der Rechtsschutz bei normativem Unrecht andere Problemfelder als der Rechtsschutz gegen Einzelakte, so daß diese Fragestellungen ausgeklammert bleiben. Auch das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis im Rechtsmittelverfahren soll in der vorliegenden Untersuchung unberücksichtigt bleiben, weil es seinen Eigengesetzlichkeiten folgt und ihm zudem nicht jene Dimension und Bedeutung zukommt, wie dem allgemeinen Rechtsschutzbedürfnis bei erstinstanzlichen Rechtsbehelfen. Letzteres zeigt sich vor allem unter verfassungsrechtlicher Betrachtungsweise: Bereitet die Sachentscheidungsvoraussetzung des allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses als Einschränkung der staatlichen Justizgewährung durch ein ungeschriebenes Rechtsinstitut bei erstinstanzlich erhobenen Rechtsbehelfen erhebliche Schwierigkeiten, so verliert die diesbezügliche Rechtfertigungsproblematik im Rechtsmittelverfahren gänzlich an Gewicht. Das Grundgesetz gewährleistet keine zweite oder weitere Instanz, so daß Beschränkungen der Möglichkeiten zur Einlegung von Rechtsmitteln verfassungsrechtlich unbedenklich sind5 . Auch in der Sache wird das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis im verwaltungsgerichtlichen Rechtsmittelverfahren durch dessen vielfältige Besonderheiten modifiziert und in seiner Bedeutung zurückgedrängt. So verlagert sich die Frage nach dem Vorliegen 5

Vgl. stall vieler Kopp/Schenke, VwGO, Vor § 124 Rdnr. I.

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des allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses im Rechtsmittelverfahren insgesamt von der Zulässigkeit in die Begründetheit, denn die Sachentscheidungsvoraussetzungen der Vorinstanz werden in der Rechtsmittelinstanz zu Fragen der Begründetheit, da hier Gegenstand des Verfahrens nicht die Streitsache in ihrer Gesamtheit, sondern die angegriffene Entscheidung der Vorinstanz ist. Für den verbleibenden originären Anwendungsbereich des allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses als Sachentscheidungsvoraussetzung im Rechtsmittelverfahren ist zu sehen, daß die jeweils einschlägigen gesetzlichen Vorschriften die Erhebung von Rechtsmitteln an spezifische Erfordernisse knüpfen, die den üblichen Anwendungsbereich des allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses wesentlich modifizieren und zurückdrängen. Zu nennen ist hier vor allem das zentrale Kriterium der Beschwer6 sowie die vom Gesetzgeber zunehmend statuierten besonderen Zulassungstatbestände7 • Diese Besonderheiten gebieten es, das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis im Rechtsmittelverfahren vorliegend auszublenden. Es geht dieser Untersuchung nicht darum, für jeden konkreten Einzelfall festzulegen, wann das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage oder einen Antrag zum Verwaltungsgericht zu bejahen oder zu verneinen ist. Angesichts der unüberschaubaren Fülle gerichtlicher Entscheidungen zu Fragen des allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses und angesichts der noch unüberschaubareren Fülle potentieller Interessenkonflikte und Streitigkeiten, die im Falle ihrer gerichtlichen Anhängigmachung Probleme des allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses heraufbeschwören könnten, wäre dies auch ein von vornherein aussichtsloses Unterfangen. Das entscheidende Anliegen besteht vielmehr in dem Versuch, dogmatisch, begrifflich und systematisch Klarheit in Bezug auf die doch sehr nebulöse Sachentscheidungsvoraussetzung des allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses zu schaffen. Es sollen Erscheinungsformen des fehlenden allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses im Verwaltungsprozeß herausgearbeitet werden und diese zu subsumtionstauglichen Termini verdichtet werden, die hinreichend bestimmt und aussagekräftig sind, um in der Praxis der verwaltungsgerichtlichen Rechtsanwendung ihre Feuertaufe bestehen können. Auch soll deren Verhältnis zu anderen Sachentscheidungsvoraussetzungen sowie untereinander bestimmt werden. Aus dieser anzustrebenden terminologischen und systematischen Klarheit heraus ergibt sich dann die Einordnung des zu entscheidenden Einzelfalles. Eine Einzelfallkasuistik ohne festes zugrundeliegendes dogmatisches Fundament wäre hingegen in Bezug auf ein so schwer faßbares und umstrittenes Rechtsinstitut wie das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis ohne Wert. Die Untersuchung fühlt sich dabei vor allem der Herausarbeitung der allgemeinen Strukturen verpflichtet. Durch die zunehmende spezi al gesetzliche Normierung bestimmter Problemfelder wird der Blick auf die allgemeinen Grundsätze des VerKopp/Schenke, VwGO, Vor § 124 Rdnr. 39ff. Für die Berufung § 124 Abs. 2 VwGO, für die Revision § 132 Abs. 2 VwGO, für die Beschwerde § 146 Abs. 4 VwGO. 6

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waltungsprozeßrechts verstellt und ihre Anwendung erschwert8 . Die übergreifenden Prinzipien sind es aber, die das Gesamtgefüge als geschlossene Einheit zusammenhalten, die Prozeßrechtsdogmatik ausmachen und die bereichsspezifischen Besonderheiten erst sinnvoll zu erklären vennögen sowie deren Einordnung ohne Wertungswidersprüche ennöglichen. Sie verdienen daher gegenüber dem jeweils Bereichsspezifischen und Besonderen mehr Betonung und insgesamt eine Aufwertung.

8 Auch das Verwaltungsprozeßrecht wird zunehmend zersplittert, so daß die allgemeine Dogmatik immer mehr systematische Bruchstellen zeigt und letztendlich zu zerfallen droht. Es ist nicht allein der Umstand, daß das Gerichtsverfahrensrecht für öffentlich-rechtliche Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art ohnehin in drei Gerichtszweige geteilt ist: Verwaltungsgerichtsbarkeit mit VwGO, Sozialgerichtsbarkeit mit SGG und Finanzgerichtsbarkeit mit FGO; darüber hinaus etabliert sich auch innerhalb der Verwaltungsgerichtsbarkeit zunehmend spezialgesetzlich kreiertes Sonderprozeßrecht. Zu nennen sind hier vor allem die prozessualen Eigengesetzlichkeiten der Disziplinar- und Personalvertretungsgesetze von Bund und Ländern sowie in jüngerer Zeit die eigenständige Entwicklung des Asylverfahrensrechts. Auch auf diese Besonderheiten soll im Rahmen der vorliegenden Arbeit nur soweit eingegangen werden, als es für die Herausarbeitung der allgemeinen Strukturen erforderlich ist.

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Erster Teil

Dogmatische Grundlagen des allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses als Sachentscheidungsvoraussetzung im Verwaltungsprozeß § 1 Begriff des allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses Der Tenninus "allgemeines Rechtsschutzbedürfnis" wird im Verwaltungs prozeßrecht nicht einheitlich verwandt. Vor allem in der älteren verwaltungsprozessualen Literatur und in der Rechtsprechung tauchen ähnliche Bezeichnungen auf bzw. werden heutzutage gemeinhin mit dem allgemeinen Rechtsschutzbedürfnis assoziierte Problem felder mit ähnlichen Bezeichnungen erfaßt. So ist vielfach die Rede vom "rechtlichen Interesse", vom "berechtigten Interesse", vom "Rechtsschutzinteresse" oder schlicht vom "Rechtsschutzbedürfnis". Diese Schwierigkeiten einer exakten tenninologischen Festlegung verwundern nicht. Das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis ist im Gegensatz zu den