Einführung in die allgemeinen Konzilien 3534250591, 9783534250592

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Einführung in die allgemeinen Konzilien
 3534250591, 9783534250592

Table of contents :
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Titel
Impressum
Inhalt
Vorwort
I. Vom Apostelkonvent zum Ökumenischen Konzil: Begriffsbestimmungen
1. Der heutige Sprachgebrauch im römisch-katholischen Kirchenrecht
2. Das Apostelkonzil als Vorbild für Bischofsversammlungen
3. Der Bischof (episkopos) als Garant für den wahren Glauben
4. Erste Versammlungen von Bischöfen
5. Das ökumenische Konzil von Nicaea (325)
6. Das unterschiedliche Konzilsverständnis in Ost und West
7. Die lateinischen Konzilien des Mittelalters
8. Die Konzilien der Katholischen Konfessionskirche
9. Zusammenfassung
II. Die sieben Konzilien des Altertums
1. Einleitung: die drei Abschnitte der Formulierung des Christusglaubens
2. Von Nicaea (325) nach Konstantinopel (381): der christliche Trinitätsglaube
3. Von Ephesus (431) nach Konstantinopel III (680/681): der Glaube an den Christus
4. Das zweite Konzil von Nicaea (787) und der byzantinische Bilderstreit
5. Ein Nachspiel: die Synoden von Konstantinopel (861–880)
III. Die Päpstlichen Generalkonzilien des Mittelalters
1. Das Entstehen eines neuen Konzilstyps
2. Die drei Synoden im Lateran 1123, 1139 und 1179
3. Die Konzile im Lateran (1215), in Lyon (1245 und 1274) und Vienne (1311/1312)
IV. Die Auseinandersetzung um den Konziliarismus
1. Das Konzil von Pisa (1409)
2. Das Konzil von Konstanz (1414–1418)
3. Das Konzil von Basel bzw. Ferrara-Florenz (1431–1449)
4. Das fünfte Konzil im Lateran (1512–1517)
5. Zusammenfassung
V. Das Ringen um die Reformation: das Konzil von Trient (1545–1563)
1. Die Ausgangslage
2. Die Phasen des Konzils
3. Zusammenfassung
VI. Das Erste Konzil im Vatikan (1869/1870)
1. Die Ausgangslage.
2. Die kirchlichen Strömungen
3. Die Zusammensetzung und die Arbeitsweise des Konzils
4. Die öffentliche Begleitung des Konzils
5. Die Dogmatische Konstitution über den katholischen Glauben
6. Die Dogmatische Konstitution über die Kirche Christi
7. Die Rezeption des Konzils
VII. Das Zweite Konzil im Vatikan (1962–1965)
1. Die Ausgangslage
2. Die Einberufung und die Zusammensetzung
3. Der Ablauf des Konzils
4. Die Rezeption des Konzils
5. Ausgewählte Dokumente des Konzils
VIII. Schlussanmerkung
Abkürzungen
Kapitelübergreifende Literatur
Literatur zu den einzelnen Kapiteln
Register der Synoden und Konzilien
Register historischer Personen
Register moderner Autoren
Register konziliarer Dokumente
Sachregister

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Christian Lange

Einführung in die allgemeinen Konzilien

Wissenschaftliche Buchgesellschaft

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Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in und Verarbeitung durch elektronische Systeme. i 2012 by WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt Die Herausgabe des Werkes wurde durch die Vereinsmitglieder der WBG ermöglicht. Lektorat: Dr. Hildegard Mannheims Einbandgestaltung: schreiberVIS, Bickenbach Satz: Lichtsatz Michael Glaese GmbH, Hemsbach Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier Printed in Germany Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-wissenverbindet.de

ISBN 978-3-534-25059-2 Elektronisch sind folgende Ausgaben erhältlich: eBook (PDF): 978-3-534-72579-3 eBook (epub): 978-3-534-72580-9

Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vom Apostelkonvent zum Ökumenischen Konzil: Begriffsbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der heutige Sprachgebrauch im römisch-katholischen Kirchenrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Apostelkonzil als Vorbild für Bischofsversammlungen . . . 3. Der Bischof (episkopos) als Garant für den wahren Glauben . . 4. Erste Versammlungen von Bischöfen . . . . . . . . . . . . . . 5. Das ökumenische Konzil von Nicaea (325) . . . . . . . . . . . 6. Das unterschiedliche Konzilsverständnis in Ost und West . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Die lateinischen Konzilien des Mittelalters . . . . . . . . . . . 8. Die Konzilien der Katholischen Konfessionskirche . . . . . . . 9. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die sieben Konzilien des Altertums. . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einleitung: die drei Abschnitte der Formulierung des Christusglaubens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Von Nicaea (325) nach Konstantinopel (381): der christliche Trinitätsglaube . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Von Ephesus (431) nach Konstantinopel III (680/681): der Glaube an den Christus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Das zweite Konzil von Nicaea (787) und der byzantinische Bilderstreit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Ein Nachspiel: die Synoden von Konstantinopel (861 – 880) . .

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III. Die Päpstlichen Generalkonzilien des Mittelalters . . . . . . . . 1. Das Entstehen eines neuen Konzilstyps . . . . . . . . . . . . 2. Die drei Synoden im Lateran 1123, 1139 und 1179. . . . . . 3. Die Konzile im Lateran (1215), in Lyon (1245 und 1274) und Vienne (1311/1312) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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IV. Die Auseinandersetzung um den Konziliarismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Konzil von Pisa (1409). . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Konzil von Konstanz (1414 – 1418) . . . . . . . . . . 3. Das Konzil von Basel bzw. Ferrara-Florenz (1431 – 1449) . 4. Das fünfte Konzil im Lateran (1512 – 1517) . . . . . . . . 5. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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V. Das Ringen um die Reformation: das Konzil von Trient (1545 – 1563) 92 1. Die Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92

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Inhalt

2. Die Phasen des Konzils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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VI. Das Erste Konzil im Vatikan (1869/1870) . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Ausgangslage. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die kirchlichen Strömungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Zusammensetzung und die Arbeitsweise des Konzils. . . . 4. Die öffentliche Begleitung des Konzils. . . . . . . . . . . . . . 5. Die Dogmatische Konstitution über den katholischen Glauben. 6. Die Dogmatische Konstitution über die Kirche Christi. . . . . . 7. Die Rezeption des Konzils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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VII. Das Zweite Konzil im Vatikan (1962 – 1965) . . 1. Die Ausgangslage. . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Einberufung und die Zusammensetzung 3. Der Ablauf des Konzils . . . . . . . . . . . . 4. Die Rezeption des Konzils . . . . . . . . . . 5. Ausgewählte Dokumente des Konzils . . . .

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VIII.Schlussanmerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Abkürzungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Kapitelübergreifende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Literatur zu den einzelnen Kapiteln . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Register der Synoden und Konzilien . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Register historischer Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Register moderner Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Register konziliarer Dokumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Vorwort In der deutschen Übersetzung der von ihm herausgegebenen Storia dei Concili Ecumenici wird Giuseppe Alberigo wiedergegeben mit den Worten: „Die Feier großer Konzilsversammlungen ist ein roter Faden, der sich durch die ganze Christentumsgeschichte zieht“ (vgl. [0 – 1], S. 13); und Klaus Schatz nennt in seinem utb-Taschenbuch die allgemeinen Konzilien „Brennpunkte der Kirchengeschichte“ ([0 – 3]). In der Tat bieten die allgemeinen oder ökumenischen Konzilien eine Orientierung, einen Leitfaden durch 20 Jahrhunderte Kirchen- und Theologiegeschichte. Es ist daher das Anliegen dieses Studienbuches, eine allgemein verständliche Einführung in diejenigen 22 Bischofsversammlungen zu bieten, welche die traditionelle Konziliengeschichtsschreibung der katholischen Kirche nach dem Vorschlag von Robert Bellarmin (1542 – 1621) als ökumenische zählt – besonders in dem Jahr, in dem sich die Eröffnung des Zweiten Konzils im Vatikan (1962 – 1965) durch Papst Johannes XXIII. (1958 – 1963) am 11. Oktober 1962 zum 50. Mal jährt. Eine solche Einführung erscheint in der heutigen Ausbildungssituation an den Hochschulen gerade deshalb als notwendig, weil die Beschäftigung mit den fachlichen Anliegen, Themen und Fragestellungen der Historischen Theologie als Ergebnis des Bologna-Prozesses immer mehr abnimmt. Studierenden bleibt häufig gar nicht mehr die Zeit, sich intensiver mit der Geschichte des Christentums auseinanderzusetzen, geschweige denn die Sprachen zu erlernen, die für eine Originallektüre der Quellentexte notwendig sind. Ebenso ergeht es vielfach Lehrkräften, die angesichts von sich abwechselnden Reformen der Lehrpläne anspruchsvollen Religionsunterricht gestalten wollen und sollen. Auf diese veränderten Rahmenbedingungen will das vorliegende Studienbuch Rücksicht nehmen. Es will eine erste Einführung in das spannende Themenfeld der allgemeinen oder ökumenischen Konzilien auf dem aktuellen Stand der interdisziplinären Forschung bieten, die zur weiteren Beschäftigung anregen möge. Literaturhinweise werden daher auf ein Mindestmaß beschränkt, Quellentexte in deutscher Übersetzung geboten, Orts- wie Personennamen weitgehend latinisiert (z. B. Nicaea statt Nikaia) und Fachbegriffe aus dem Griechischen oder den orientalischen Sprachen in Umschrift wiedergegeben. Übersichtsgraphiken, Karten und Schaubilder fassen wichtige Gedankengänge zusammen. Ein Abkürzungsverzeichnis auf S. 144 vereinfacht die Identifikation der Quellentexte. Der Dank des Verfassers gilt dem Erzbistum Bamberg, vertreten durch H. H. Domkapitular Dr. Norbert Jung, für die großzügige Förderung der Druckvorbereitung. Herr Guido Apel (Bamberg) hat einmal mehr die Karten und Übersichtsgraphiken gezeichnet. Frau Marina Kral (Bamberg) und Herr Dominicus Maria Ludwig (Bamberg) haben sich als studentische Hilfskräfte Verdienste erworben. Mit Frau Johanna Konrad-Brey, Frau Dr. Melanie

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Vorwort

Kuhn, Herrn Björn Röhrer-Ertl, Herrn Professor Dr. Alfred E. Hierold und Herrn Professor Dr. Hubert Filser (p) konnte der Verfasser Abschnitte des Buches kritisch diskutieren. Hierfür ist er ihnen dankbar. Bei der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft haben Carolin Köhne und Benjamin Landgrebe dieses Buch mit viel Geduld und Verständnis begleitet. Auch ihnen gebührt aufrichtiger Dank. Es ist der Wunsch des Autors, dass dieses Studienbuch Studierenden, Lehrkräften und allen Interessierten eine spannende und verständliche Einführung in die allgemeinen Konzilien geben wird. Bamberg, am Hochfest Mariä Verkündigung 2012

Christian Lange

I. Vom Apostelkonvent zum Ökumenischen Konzil: Begriffsbestimmungen 1. Der heutige Sprachgebrauch im römischkatholischen Kirchenrecht Das lateinische Nomen concilium, das vielleicht vom Verbum calare = „rufen“ und der Präposition cum = „zusammen“ gebildet ist, bezeichnet im klassischen Wortsinn das bewirkte Zusammenkommen einer Gruppe von Menschen, beispielsweise in einem Verein oder bei einer Versammlung eines nicht-römischen Volksstammes (vgl. [1 – 1], S. 1391). Es entspricht daher dem Hauptwort synodos im klassischen Griechischen. Das römisch-katholische Kirchenrecht (can. 336 – 348 CIC) unterscheidet heute zwischen einem Konzil (concilium) und einer Synode (synodus). Nach can. 337 CIC ist das Konzil (concilium), genauer gesagt das ökumenische Konzil (concili[um] oecumenic[um]), dasjenige Instrument, mit welchem das Bischofskollegium (Collegium Episcoporum) die Amtsgewalt (potestatem) in Bezug auf die gesamte Kirche (in universam Ecclesiam) ausübt (exercet) (CIC can. 337). Ein Konzil (concilium) beschreibt demnach eine Versammlung aller Bischöfe, also des gesamten Bischofskollegiums. Nach can. 342 CIC unterscheidet sich von einem solchen allgemeinen Konzil (concilium) die Synode (synodus) dadurch, dass es sich bei einer Synode (synodus) um eine Versammlung von Bischöfen (coetus est Episcoporum) handelt, die, „aus den verschiedenen Gegenden der Erde ausgewählt“ (ex diversis orbis regionibus selecti), „zu bestimmten Zeiten“ (statutis temporibus) zusammenkommen, um (i.) die Verbundenheit zwischen Papst und Bischöfen zu fördern (ut arctam coniunctionem inter Romanum Pontificem et Episcopos foveant); (ii.) dem Papst „bei Wahrung und Wachstum von Glaube und Sitte, bei Wahrung und Festigung der kirchlichen Disziplin mit ihrem Rat hilfreich beizustehen“ (utque eidem Romano Pontifice ad incolumitatem incrementumque fidei et morum, ad disciplinam ecclesiasticam servandam et firmandam consiliis adiutricem operam praestent); und (iii.) „Fragen bezüglich des Wirkens der Kirche in der Welt“ (necnon quaestiones ad actionem Ecclesiae in mundo spectantes perpendant) zu beraten (CIC can. 342). Gemäß dieser Unterscheidung spricht die römisch-katholische Theologie heute beispielsweise vom Zweiten Vatikanischen Konzil (Concilium Universale Vaticanum II), weil an dieser Versammlung bis zu 2500 Bischöfe, also ein Großteil des Bischofskollegiums, teilgenommen haben. Diejenige Versammlung von Bischöfen (coetus Episcoporum), welche die Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962 – 1965) für die Kirche im deutschsprachigen Raum umgesetzt hat, wird hingegen nach ihrem Tagungsort als die Würzburger Synode bezeichnet.

Die Bedeutung von concilium

Das Konzil nach can. 336 – 348 CIC

Die Synode nach can. 342 CIC

Der heutige römischkatholische Sprachgebrauch

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I. Vom Apostelkonvent zum Ökumenischen Konzil: Begriffsbestimmungen Die Praxis der frühen Christen

Die frühen Christen kannten eine solche Unterscheidung nicht. Je nachdem, ob sie beispielsweise Griechisch, Lateinisch oder Syrisch sprachen, bezeichneten sie eine Versammlung von Bischöfen (episkopoi) ab dem zweiten Jahrhundert als synodos, concilium oder knuÐya¯. In dem folgenden Abschnitt soll daher aufgezeigt werden, wie sich der Begriff des Konzils in der Kirche bis zur heutigen Bedeutung entwickelt hat.

2. Das Apostelkonzil als Vorbild für Bischofsversammlungen Die Berichte über das Apostelkonzil

Kennzeichen des Apostelkonzils

Der Bischof als Nachfolger der Apostel und Ältesten

Als Vorbild für die Bischofsversammlungen diente der späteren Tradition der so genannte Apostelkonvent oder das Apostelkonzil, über das der Apostel Paulus im zweiten Kapitel seines Briefes an die Galater (Gal 2,1 – 21) sowie der Autor der Apostelgeschichte (Apg 15,1 – 35) berichten. Nach der Darstellung des Paulus ist es zwischen ihm und Simon/Petrus in der syrischen Stadt Antiochia am Orontes zu einer Auseinandersetzung über die Frage gekommen, ob die Forderungen des Gesetzes auch für Nicht-Juden, die Christen werden wollten, gelten sollten oder nicht (Gal 2,11 – 21). Laut Paulus legte er sein Evangelium der Gemeinde in Jerusalem sowie den ,Angesehenen‘ vor (Gal 2,2). Diese Angesehenen (Gal 2,6) – und insbesondere die drei ,Säulen‘ Jakobus, Kephas und Johannes (Gal 2,9) – hätten in seiner Verkündigung jedoch nichts Anstößiges erkannt und ihm die Hand zur Gemeinschaft gereicht mit dem Auftrag: „Wir sollten zu den Heiden gehen, sie zu den Beschnittenen. Nur sollten wir an ihre Armen denken“ (Gal 2,9 – 10). Auch nach der Darstellung der Apostelgeschichte traten die Apostel (hoi apostoloi) und die Ältesten (hoi presbyteroi) zusammen, um die Frage zu prüfen (Apg 15,6). Sie entschieden dabei, dass „keine weitere Last aufzuerlegen [sei] als diese notwendigen Dinge: Götzenopferfleisch, Blut, Ersticktes und Unzucht zu meiden“ (Apg 15,28 – 29). Das Ergebnis ihrer Beratungen hätten die „Apostel und die Ältesten“ (Apg 15,23) den „Brüdern aus dem Heidentum“ in Syrien und Kilikien mitgeteilt (Apg 15,23). Auch wenn sich die beiden Berichte unterscheiden, so stimmen sie doch in einigen Punkten überein, die sich so auch bei späteren Konzilien beobachten lassen. Zum einen wird eine in einer Ortsgemeinde aufgeworfene Streitfrage durch das Instrument einer Versammlung der Entscheidungsträger geklärt. Paulus selbst nennt diese die „Angesehenen“ (Gal 2,6), der Autor der Apostelgeschichte die „Apostel und die Ältesten“ (Apg 15,6). Zum anderen gilt das Urteil dieser Entscheidungsträger für den Verfasser der Apostelgeschichte als vom Heiligen Geist inspiriert; denn er schreibt: „Der Heilige Geist und wir haben beschlossen“ (Apg 15,28). Das Urteil der Versammlung wird der Ortsgemeinde schriftlich wie durch Boten mitgeteilt (Apg 15,23.27); und diese akzeptiert den Beschluss ohne weitere Diskussion (Apg 15,31). In diesen wichtigen Aspekten weist die Darstellung des Ablaufs des Apostelkonzils bei dem Verfasser der Apostelgeschichte also Bestandteile auf, die für die späteren Konzilien kennzeichnend wurden. Einen entscheiden-

3. Der Bischof (episkopos) als Garant für den wahren Glauben

den Unterschied jedoch gibt es: Galten für den Verfasser der Apostelgeschichte am Ende des ersten Jahrhunderts die Apostel und die Ältesten (presbyteroi) als die Garanten dafür, dass die Gemeinden nach dem Willen Gottes handelten (Apg 15,25), so dauerte es bis in das zweite Jahrhundert, bis der Bischof (episkopos) ihre Nachfolge in den Ortsgemeinden antreten – und damit den Weg für die Bischofsversammlungen des zweiten Jahrhunderts freimachen – konnte.

3. Der Bischof (episkopos) als Garant für den wahren Glauben Die im Canon des Neuen Testamentes überlieferten Briefe belegen, dass es zunächst verschiedene Formen der Gemeindestruktur gegeben hat. Die einen Gemeinden, die sich wohl eher am Modell der jüdischen Synagoge orientierten, wurden von Ältesten (presbyteroi) geführt. Solche Ältesten (presbyteroi) erwähnen beispielsweise der zu den katholischen Briefen gezählte Jakobusbrief (Jak 5,14) wie der Erste Petrusbrief (1Petr 5,1). In den Briefen des Apostels Paulus werden demgegenüber jedoch unterschiedliche Gaben (charismata) genannt. Zum Beispiel spricht der Apostel im Römerbrief von der prophetischen Rede, dem Dienen, dem Lehren oder dem Trösten (Röm 12,5 – 8). Paulus erwähnt jedoch auch bereits einen Vorstehenden (Röm 12,8); und im Ersten Brief an die Korinther legt er dar:

Die unterschiedlichen Ämter in den frühen Gemeinden

„So hat Gott in der Kirche die einen als Apostel eingesetzt, die anderen als Propheten, die dritten als Lehrer. Ferner verleiht er die Kraft, Wunder zu tun, sodann die Gaben, Krankheiten zu heilen, zu helfen, zu leiten, endlich die verschiedenen Arten von Zungenrede“ (1Kor 12, 28 – 29). Wie das Beispiel des so genannten Ersten Clemensbriefes nahelegt, scheint am Ende des ersten Jahrhunderts die Idee von der ,Tradition‘ (traditio) aufgekommen zu sein, die ihren Ausdruck im Bischof (episkopos) als Leiter und Vorsteher der Ortsgemeinde gefunden hat. Hierzu wird in dem gewöhnlich auf das Jahr 96 n. Chr. datierten und ab dem vierten Jahrhundert einem römischen Bischof mit dem Namen Clemens zugeschriebenen Schreiben ausgeführt: „Die Apostel empfingen die Frohe Botschaft für uns vom Herrn Jesus Christus; Jesus, der Christus, wurde von Gott gesandt. Christus kommt also von Gott, und die Apostel kommen von Christus her; beides geschah demnach in schöner Ordnung nach Gottes Willen. Sie empfingen also Aufträge, wurden durch die Auferstehung unseres Herrn Jesus Christus mit Gewissheit erfüllt und durch das Wort Gottes in der Treue gefestigt, zogen dann mit der Fülle des Heiligen Geistes aus und verkündeten die Frohe Botschaft von der Nähe des Gottesreiches. So predigten sie in Stadt und Land und setzten ihre Erstlinge [tas aparchas] nach vorhergegangener Prüfung im Geiste zu Bischöfen [episkopous] und Diakonen [diakonous] für die künftigen Gläubigen ein“ (vgl. [1 – 2], S. 76 – 79).

Die Theorie von der Tradition

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I. Vom Apostelkonvent zum Ökumenischen Konzil: Begriffsbestimmungen

Ignatius von Antiochia

In Abgrenzung zu rivalisierenden Gruppen nahmen die Gemeinden also nun an der Wende vom ersten zum zweiten Jahrhundert offenbar für sich in Anspruch, in der Nachfolge Jesu zu stehen und den Glauben unverfälscht weiterzugeben. Die Apostel hätten diesen nämlich vom Herrn selbst empfangen und ihren Erstlingen (aparchas) als Nachfolgern übertragen. Durch diese Weitergabe (traditio) war demnach gewährleistet, dass die Bischöfe (episkopoi) an allen Orten als Nachfolger der Apostel die gleiche Botschaft verkündeten, die ihnen Jesus selbst aufgetragen hatte. Im zweiten Jahrhundert vertiefte Ignatius, den Eusebius in seiner Kirchengeschichte als zweiten Bischof von Antiochia in Syrien zählt (GCS 9, S. 236), diese Theorie von der Tradition (traditio) auch im östlichen Raum. In einem Brief an die Gemeinde in Smyrna legte Ignatius dar: „Folgt alle dem Bischof, wie Jesus Christus dem Vater, und dem Presbyterium wie den Aposteln; die Diakone aber achtet wie Gottes Gebot! Keiner tue etwas ohne den Bischof, soweit es die Kirche betrifft. Nur jene Eucharistie werde als gültig anerkannt, die unter der Leitung des Bischofs oder eines von ihm Beauftragten stattfindet. Wo immer der Bischof erscheint, dort soll auch die Gemeinde sein, gleichwie dort, wo Jesus Christus ist, auch die katholische Kirche ist“ (vgl. [1 – 3], S. 210 – 211).

Irenaeus von Lyon

Zwar ist unklar, ob Ignatius in seinen Briefen einen Ist-Zustand beschreibt oder ein Idealbild für die Zukunft zeichnet, doch wird für ihn der Bischof (episkopos) zum Symbol für die Einheit der allumfassenden, der katholischen Kirche. Zur allgemeinen Anerkennung verholfen hat dieser Theorie von der Tradition (traditio), die er um die Lehre von der bischöflichen Sukzession (successio) erweitert hat, jedoch um das Jahr 180 der Bischof Irenaeus von Lyon (Lugdunum) in seinem Werk „Gegen die Häresien“ (Adversus Haereses). In diesem führt Irenaeus näher aus: „Darum ist die Tradition der Apostel auf der ganzen Welt offenkundig. Alle Menschen, welche die Wahrheit sehen wollen, können sie sich in jeder Kirche anschauen. Und wir können die Bischöfe aufzählen, die von den Aposteln in den einzelnen Kirchen eingesetzt wurden, und deren Nachfolger bis in unsere Zeit“ (FC 8/3, S. 28 – 29).

Die Theorie von Tradition und Sukzession

Der aus Kleinasien stammende Irenaeus spricht also davon, dass die Tradition (traditio) der Apostel auf der ganzen Welt verbreitet sei. Sie könne in jeder einzelnen Ortskirche (ecclesia) angetroffen werden, da die Apostel in diesen Ortsgemeinden Bischöfe (episcopi) eingesetzt hätten, denen wiederum Bischöfe nachgefolgt seien. Dadurch entwickelte der in Gallien lebende Grieche die Lehre von der Sukzession (von Lateinisch suc-cedere = „nachfolgen“). Die ununterbrochene Abfolge (successio) von Bischöfen (episcopi) stellte für ihn sicher, dass die Lehre der Apostel (traditio) unverfälscht weitergegeben worden sei. Daher gebe es in der allumfassenden Kirche (ecclesia catholica) auch nur ein und denselben Glauben (FC 8/1, S. 204 – 205). Dieser könne auf der ganzen Welt angetroffen werden (FC 8/1, S. 200 – 201). Wer von diesem abweiche, sei ein Spalter, ein Schismatiker, oder, noch schlimmer, ein Häretiker (FC 8/4, S. 206 – 207).

4. Erste Versammlungen von Bischöfen

4. Erste Versammlungen von Bischöfen Auch wenn durch die Lehre von Tradition (traditio) und Sukzession (successio) die Vorstellung geweckt wurde, alle Bischöfe verträten die gleiche Lehre, berichtet Eusebius im vierten Jahrhundert in seiner Kirchengeschichte davon, dass es am Ende des zweiten Jahrhunderts – zur Zeit des römischen Bischofs Victor (189 – 198) – eine Auseinandersetzung um die Frage nach dem richtigen Termin für die Osterfeier gegeben habe (GCS 9, S. 486 – 497). Die Bischöfe Asiens hätten das Osterfest am 14. Tag des jüdischen Monats Nisan gefeiert (GCS 9, S. 492), die Kirche von Rom jedoch am Sonntag danach (GCS 9, S. 488). Um die Frage zu lösen, hätten daher Konferenzen und gemeinsame Beratungen von Bischöfen stattgefunden, die ihre Meinung den anderen Gemeinden schriftlich mitgeteilt hätten (GCS 9, S. 488). Als Beispiele nennt Eusebius Bischofsversammlungen in Palästina unter dem Vorsitz der Bischöfe Theophilus von Caesarea und Narcissus von Jerusalem, in Pontus (Palmas), in Gallien (Irenaeus) und in Rom unter dem erwähnten Bischof Victor (GCS 9, S. 488 – 491). Als dieser daraufhin die Kirchen in Kleinasien als ketzerisch aus der Gemeinschaft der Kirche habe ausschließen wollen (GCS 9, S. 494), hätten andere Bischöfe wie Irenaeus von Lyon interveniert (GCS 9, S. 494). Dieser habe Victor daran erinnert, dass auch die Bischöfe Anicetus von Rom und Polycarpus von Smyrna die Kirchengemeinschaft aufrechterhalten hätten, obwohl sie unterschiedlichen liturgischen Gebräuchen gefolgt seien (GCS 9, S. 496). Wenn diese Darstellung aus dem vierten Jahrhundert zutrifft, dann lässt dieses von Eusebius berichtete Beispiel zwei Schlussfolgerungen zu: Zum einen hatte sich am Ende des zweiten Jahrhunderts der Bischof (episkopos) als Vertreter und Repräsentant seiner Gemeinde durchgesetzt; und zum anderen gab es anscheinend bereits das Instrument der Versammlung (synodos) von Bischöfen, um Streitfragen zu entscheiden. Diese traten aber regional zusammen; und zwar, so beschreibt es zumindest Eusebius, unter der Führung ihres jeweiligen Metropoliten, also des Oberhauptes einer Kirchenprovinz. Als solche nennt Eusebius stellvertretend die Bischöfe von Rom für Italien, Ephesus für Asien, Caesarea und Jerusalem für Palästina, Edessa für die Osrhoene sowie Lyon für Gallien (GCS 9, S. 488 – 490). Durch Schreiben tauschten sich diese Synoden mit anderen Kirchenprovinzen aus. Zum Selbstverständnis dieser Synoden des zweiten und dritten Jahrhunderts merkt Klaus Schatz an: „Gerade in Glaubensfragen haben diese Synoden durchaus schon das Bewußtsein, für die ganze Kirche zu sprechen. Ihr Spruch steht nicht unter Vorbehalt; sie sind sich selbstverständlich sicher, in der richtigen apostolischen Überlieferung zu stehen und in der Kraft des Heiligen Geistes zu sprechen. Wenn sie an die übrigen Kirchen schreiben, dann also nicht im Sinne einer Bitte um ,Bestätigung‘, […] sondern in der selbstverständlichen Gewissheit, daß die übrige Kirche ihnen ja zustimmen muß und daß durch den ,Beitritt‘ der übrigen Kirchen nur noch deutlicher wird, daß hier wirklich die ganze, d. h. die ,katholische‘ Kirche gesprochen hat“ (vgl. [0 – 3], S. 22).

Der Osterfeststreit

Synoden als Instrumente zur Beilegung von Konflikten

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I. Vom Apostelkonvent zum Ökumenischen Konzil: Begriffsbestimmungen

5. Das ökumenische Konzil von Nicaea (325) Die reichsweiten Synoden

Athanasius von Alexandria und die Theorie der ökumenischen Synode

Die Synoden des zweiten und dritten Jahrhunderts waren in erster Linie regionale Versammlungen von Bischöfen. Die Möglichkeit, dass reichsweite Konzilien agieren konnten, eröffnete sich erst, als das Christentum zu Beginn des vierten Jahrhunderts den Status einer im Imperium Romanum geduldeten Religion erlangte. Es war Kaiser Konstantin (306 – 337), der sich des Instrumentes – nach einem ersten Vorläuferversuch einer westlichen Synode in Arelate (314) – einer reichsweiten Synode erstmals bediente, als in Alexandria in Ägypten ein Streit zwischen dem Ortsbischof Alexander und dem Presbyter Arius entbrannt war (vgl. S. 22 – 24). Er berief im Jahr 325 die Synode der 318 Väter ein, und zwar nach Nicaea in Bithynien (vgl. S. 24). Auf dieser Synode sollte die in Alexandria entstandene Problematik für die Kirche des Imperiums insgesamt entschieden werden. Mit diesem Vorgehen des Kaisers Konstantin aber war das Instrument einer allgemeinen, einer reichsweiten Synode geboren. In der Auseinandersetzung mit den Anhängern des Arius (vgl. S. 22 – 24) scheint es dabei der Erzbischof Athanasius von Alexandria gewesen zu sein, der den Begriff der ,allgemeinen Synode‘ (synodos oikumenike¯) den ,Teilsynoden‘ (synodos merike¯) gegenüberstellte; denn in seiner vielleicht aus dem Jahr 367 stammenden Epistula ad Afros schreibt der Erzbischof von Alexandria: „Deswegen fand nämlich auch die Synode [synodos] in Nicaea als ökumenische [oikumenike¯] statt, bei der 318 Bischöfe sich betreffs des Glaubensbekenntnisses [peri te¯s pisteo¯s] versammelten wegen der arianischen Gottlosigkeit [dia te¯n areiane¯n asebeian], damit hinfort nicht mehr Teilsynoden [kata meros] unter dem Vorwand des Glaubens abgehalten würden“ (zit. nach [1 – 4], S. 101).

Die Herleitung des Begriffes ökumenisch

Um die Gültigkeit des Konzils von Nicaea (325) gegenüber anderen Synoden zu unterstreichen (vgl. S. 15), prägte Athanasius in diesem Schreiben den Begriff eines allgemeinen, eines ,ökumenischen‘ Konzils. Der Erzbischof von Alexandria wählte diesen Terminus technicus, um hervorzuheben, dass sich die Synode von Nicaea (325) aus Bischöfen aus der gesamten bewohnten Welt (he¯ oikumene¯ ge¯), d. h. der Welt des Imperium Romanum, zusammensetzte. Nach den Untersuchungen von Henry Chadwick entlehnten die Christen den Begriff aus dem üblichen Sprachgebrauch der Antike, nach dem von ,weltweiten‘ (world-wide), also ,ökumenischen‘ (ecumenical) Wettbewerben von Sportlern oder Künstlern gesprochen wurde (vgl. [1 – 5], S. 134). Hermann Josef Sieben hat darauf hingewiesen, dass Athanasius durch die These, Nicaea (325) sei also ein weltweites, ein ökumenisches Konzil gewesen, die Bedeutung dieser Bischofsversammlung gegenüber den anderen Synoden entscheidend abheben wollte: „Athanasius verteidigt die Überlegenheit des Nicaenums gegenüber den nach ihm durchgeführten Synoden mit dem Hinweis auf eine Eigenschaft, die ihm alleine zukommt und es zu einer anderen Kategorie von Synode macht: Nicaea ist keine Teil-, sondern eine Universalsynode,

6. Das unterschiedliche Konzilsverständnis in Ost und West

und so wie das Ganze dem Teil schlechthin vorzuziehen ist, ist Nicaea allen anderen Synoden überlegen“ (vgl. [1 – 6], S. 75).

6. Das unterschiedliche Konzilsverständnis in Ost und West Auch wenn dieses Verständnis eines ökumenischen Konzils die Christen außerhalb des Imperium Romanum außer Acht ließ, hat sich die Sichtweise des Nicaenums als eines ökumenischen Konzils im vierten und fünften Jahrhundert in der Reichskirche des Imperium Romanum durchgesetzt (vgl. [1 – 6], S. 75 – 77). Für die weitere Kirchengeschichte ist bedeutsam geworden, dass das von Cyrillus von Alexandria dominierte (vgl. S. 32 – 33) (Teil)Konzil von Ephesus (431) bestimmte, „dass es niemandem erlaubt sei, ein anderes Glaubensbekenntnis vorzubringen oder auch abzufassen oder zusammenzustellen als das, welches von den in Nicaea mit dem Heiligen Geist versammelten heiligen Vätern festgelegt worden ist“ (DH, Nr. 265). Die Anhänger des Cyrillus von Alexandria haben nämlich immer wieder auf diese Festlegung hingewiesen und eine jede neue Formulierung des Glaubens der Kirche abgelehnt. Noch heute erkennen die orientalischen Kirchen der Syrer, Kopten und Armenier, die in der theologischen Tradition des Cyrillus von Alexandria stehen, unter Berufung auf diese kirchenrechtliche Bestimmung nur die drei Synoden von Nicaea (325), Konstantinopel (381) und Ephesus (431) als allgemeine an. Wie schwer sich die Bischöfe der Reichskirche angesichts dieser kirchenrechtlichen Vorgabe damit taten, ein neues Glaubensbekenntnis vorzulegen, zeigt sich daran, dass die Teilnehmer am Konzil von Chalcedon (451) ihrer Definition des Christusgeheimnisses den Satz voranstellten, dass der Glaube des Konzils von Nicaea (325), die fides Nicaena, „zur vollständigen Erkenntnis und Festigung des Glaubens […] genüge“, weswegen „dieses hier versammelte heilige, große und allgemeine Konzil“ beschließe, dass „vornehmlich der Glaube der 318 heiligen Väter unangetastet bleibe“ (DH, Nr. 300). Weil trotz dieser Berufung auf das Nicaenum eine Mehrzahl der Christen in Ägypten, Syrien und Armenien die Synode von Chalcedon (451) unter Verweis auf einen Verstoß gegen den Kanon der ,cyrillischen‘ Synode von Ephesus (431) ablehnte (vgl. S. 36 – 37), zwang dies die Verteidiger des Chalcedonense dazu, eine eigene Konzilstheologie zu entwickeln. Zu diesem neuen Konzilsverständnis haben in erster Linie lateinische Theologen des Westens beigetragen. Zu ihnen zählt Papst Leo I. (440 – 461), der zwischen einem horizontalen und einem vertikalen Konsens der Kirche unterschieden hat (vgl. [1 – 7], S. 103 – 147). Den vertikalen Konsens der Kirche sah der römische Papst dadurch verwirklicht, dass der Apostolische Stuhl (Sedes Apostolica) in Rom die Tradition der Apostel unverfälscht bewahrt habe. Der horizontale Konsens sei jedoch dadurch verwirklicht, dass der apostolische Glaube auf dem ganzen Erdkreis bestätigt worden sei (vgl. [1 – 7], S. 139). Daher sei die Synode von Chalcedon (451) anzunehmen, weil sich in ihr alle drei Autoritäten (auctoritates) der Kirche vereinigten:

Das ,cyrillische‘ Konzil von Ephesus (431)

Die Herausforderung für die reichskirchliche Seite

Der horizontale und der vertikale Konsens

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I. Vom Apostelkonvent zum Ökumenischen Konzil: Begriffsbestimmungen

Die Theorie von neuen Konzilien

Kriterien für eine gute Synode

Die Sichtweise des Ostens

der römische Papst, eine allgemeine Synode sowie der christliche Kaiser (ACO II/4, S. 108,7 – 10). Am Ende des fünften Jahrhunderts führte der Nordafrikaner Vigilius von Thapsus ({ ca. 490) diese Gedanken weiter. In seiner Schrift „Gegen Eutyches“ (Contra Eutychetem) legte er dar, dass es für katholische Konzilien (conciliorum catholicorum) eine Regel (regulam) und Gewohnheit (consuetudinem) gebe, angesichts von ,neu‘ auftretenden Häretikern (necessitas emergentium haereticorum) durch neue Dekrete (decreta) das zu sichern, was auf früheren Konzilien (antiquioribus conciliis) gegen die ,alten‘ Häretiker (contra veteres haereticos) verkündet worden sei (PL 62, S. 135 D). Damit aber war die Möglichkeit theoretisch begründet, durch neue Konzile den alten Glauben neu zu bekräftigen. Hermann Josef Sieben hat daher festgehalten: „Damit ist die fides Nicaena grundsätzlich relativiert. Der Schritt ist getan vom ,Konzil der 318 Väter‘ zu den ,katholischen Konzilien der Kirche‘“ (vgl. [1 – 7], S. 268 – 269). Diesen ekklesiologischen Schritt vollzog für die lateinische Kirche Papst Gelasius (492 – 496), indem er Kriterien für gute – und deshalb von der gesamten Kirche anzunehmende – Synoden aufstellte: Diese müssten (i.) mit der Heiligen Schrift übereinstimmen; (ii.) sich mit der Tradition der Väter decken (secundum traditionem patrum); (iii.) unter Wahrung der rechtlichen Bestimmungen der Kirche zustande gekommen sein (secundum ecclesiasticas regulas); (iv.) von der ganzen Kirche angenommen (quam cuncta recepit ecclesia) und (v.) vom Apostolischen Stuhl bestätigt werden (quam maxime sedes apostolica conprobauit) (CSEL 35, S. 380, 5 – 9). Mit dieser Konzilstheorie des Gelasius waren am Ende des fünften Jahrhunderts für den lateinischen Westen Kriterien formuliert, mit denen die Päpste Synoden maßen, um zu entscheiden, ob diese als allgemeine, d. h. ökumenische, anerkannt werden könnten. Für den chalcedontreuen Osten stellten sich diese Kriterien für eine von der ganzen Kirche anzunehmende Synode nicht. Dort war es der christliche Kaiser in Konstantinopel, der allgemeine Synoden einberief. Wie in der Auseinandersetzung um die Synode von Hiereia (754) dargestellt werden wird (vgl. S. 55 – 56), wurde es aber ab dem fünften Jahrhundert als notwendig erachtet, dass die Erzbischöfe von Rom, Konstantinopel, Alexandria, Antiochia und Jerusalem vertreten sein sollten (vgl. [1 – 7], S. 76 – 77). Nach dieser Maßgabe gibt es heute sieben Konzile, die vom griechischsprachigen Osten wie vom lateinischsprachigen Westen beiderseitig anerkannt werden.

7. Die lateinischen Konzilien des Mittelalters Die Einengung des Begriffes katholisch

Im elften Jahrhundert vollzog Papst Gregor VII. (1073 – 1085) eine entscheidende Veränderung im Selbstverständnis der lateinischen Kirche, indem er in seinem Dokument mit dem Namen Dictatus Papae (1075) festlegte, dass ein Christ nicht „katholisch“ genannt werden dürfe (Quod catholicus non habeatur), wenn er nicht „in der Gemeinschaft mit der Kirche von Rom stehe“ (qui non concordat Romanae ecclesiae; MGH.ES II/1, S. 6).

9. Zusammenfassung

Mit dieser Einengung des Begriffs ,katholisch‘ (catholicus) entstand ein neuer Typus von Konzil, der sich allein auf den lateinischen Westen beschränkte (vgl. [1 – 6], S. 107 – 151). Der Osten war an diesen Synoden nicht mehr beteiligt, sondern nur noch dann, wenn über die Wiederherstellung der Kircheneinheit zwischen Ost und West verhandelt worden ist, wie etwa im Jahr 1439 auf dem Konzil von Basel-Ferrara-Florenz (vgl. S. 84 – 90). Insofern sind diese Konzilien ein Ausdruck für die weitere Entfremdung zwischen Ost und West. Unter einem – im modernen Wortsinn – ,ökumenischen‘ Ansatz ist daher seit der Mitte des 20. Jahrhunderts eine Diskussion – gerade auch in der katholischen Konziliengeschichtsschreibung – darüber im Gange, ob nicht nur allein die ersten sieben Konzilien als allgemeine Konzilien der Kirche anerkannt werden dürften (vgl. [1 – 6], S. 153 – 190; [0 – 3], S. 16 – 17).

Die aktuelle Diskussion in der Forschung

8. Die Konzilien der Katholischen Konfessionskirche Als im Zuge der Reformation im 16. Jahrhundert die Einheit der lateinischen Kirche selbst zerbrochen ist, hat sich eine weitere Bedeutungsbegrenzung des Begriffs eines allgemeinen Konzils ergeben. Klaus Schatz nennt das Konzil von Trient (1545 – 1563) sowie die beiden Konzile im Vatikan (1869/ 1870 und 1962 – 1965) aus diesem Grund die „Konzilien der neuzeitlichen katholischen Konfessionskirche“, weil sie

Die weitere Einengung des Begriffes

„Versammlungen nicht mehr des Abendlandes oder einer christlichen Welt, sondern nur noch der (katholischen) Kirche [sind]. Sie sind Standortbestimmungen der katholischen Kirche in einer Welt, die sich zur Hälfte bereits von der Autorität dieser Kirche getrennt hat (Trient), bzw. die sich fortschreitend säkularisiert (Vatikan I und II)“ (vgl. [0 – 3], S. 19).

9. Zusammenfassung Insofern lässt sich also zusammenfassend festhalten, dass der Begriff eines allgemeinen Konzils (synodos oikumenike¯ oder synodus generalis bzw. concilium universale) in der Kirchengeschichte immer mehr eine Einschränkung erfahren hat. Entstand der Begriff des ökumenischen Konzils zunächst für eine Synode, zu welcher der christliche Kaiser in Konstantinopel vermeintlich alle Bischöfe der Oikumene, der Welt des Imperium Romanum, geladen hatte, so bezieht sich diese Bezeichnung nach dem römisch-katholischen Kirchenrecht heute allein auf eine Versammlung von solchen Bischöfen, die in Gemeinschaft mit dem Apostolischen Stuhl (Sedes Apostolica) in Rom stehen. Die traditionelle katholische Theologie zählt heute, in Anlehnung an die Aufstellungen von Robert Bellarmin (1542 – 1621), 22 solcher Synoden (vgl. [1 – 6], S. 153 – 190). Als einzige dieser Bischofsversammlungen wird heute dabei das Konzil von Nicaea (325) von allen christlichen Kirchen anerkannt, weil es auch die außerhalb des Römischen Reiches lebenden Christen in Persien durch die

Der Wandel des Begriffes ökumenisch

Das Nicaenum als einzig allgemein anerkannte Synode

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I. Vom Apostelkonvent zum Ökumenischen Konzil: Begriffsbestimmungen

Synode von Seleucia-Ctesiphon (410) sowie die Christen in Armenien übernommen haben. Die gegenseitige Rezeption von Synoden zeigt die folgende Übersicht:

Abb. 1: Die 22 ökumenischen Konzilien der katholischen Kirche

II. Die sieben Konzilien des Altertums 1. Einleitung: die drei Abschnitte der Formulierung des Christusglaubens Die Konzilien des Altertums beschäftigten sich vor allem mit der Frage nach dem rechten Glauben. Angesichts von theologischen Streitfragen suchten die Kaiser in Konstantinopel ab dem vierten Jahrhundert nach Wegen, um diese durch Synoden zu lösen und die Einheit der Kirche im Imperium Romanum zu bewahren bzw. wiederherzustellen. Dabei lassen sich im Wesentlichen drei Abschnitte unterscheiden:

Die drei Abschnitte der Formulierung des Christusglaubens

Abb. 2: Die Formulierung des Christusglaubens in der Reichskirche

Die frühen Christen stellten sich die Frage, wie der eine christliche Gott einen Sohn haben könne, ohne dass die Überzeugung, dass nur ein einziger Gott existiere, aufgegeben werden müsse. Die frühen christologischen Modelle des ersten bis dritten Jahrhunderts schlugen für diese Problematik unterschiedliche Lösungen vor: Der ,Adoptianismus‘ oder ,dynamistische Monarchianismus‘ regte beispielsweise an, Jesus von Nazaret als einen gewöhnlichen Menschen anzusehen, in den der Heilige Geist während der Taufe im Jordan (Mt 3,13 – 17) eingefahren sei, so dass ihn der göttliche Vater als ,Sohn‘ habe annehmen bzw. adoptieren können (vgl. [2 – 1], S. 318 – 319). Eine Spielart dieses Adoptianismus soll beispielsweise Paulus von Samosata in Antiochia vertreten haben. Nach dem ,Modalismus‘ bzw. ,modalistischen Monarchianismus‘ waren die Bezeichnungen Vater, Sohn und Geist lediglich Beschreibungen für unterschiedliche Erscheinungsformen (modi) des einen Gottes. Dieser habe

Die Phase der frühen christologischen Modelle

Der Adoptianismus

Der Modalismus

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II. Die sieben Konzilien des Altertums

Die LogosChristologie

Origenes

Ontologie und Ökonomie

Tertullianus

sich im Alten Testament als „Vater“, in der Menschwerdung als „Sohn“ sowie in der Aussendung des Heiligen Geistes als „Geist“ offenbart (vgl. [2 – 1], S. 345 – 349). Eine Variante dieses christologischen Modells scheinen Sabellius in Rom oder Praxean im lateinischen Nordafrika vertreten zu haben. Großkirchlich durchgesetzt hat sich jedoch die Logos-Christologie. Sie ist für den griechischsprachigen Osten in erster Linie von Origenes von Alexandria (ca. 185 – 253) und für den lateinischsprachigen Westen durch Tertullianus von Carthago (ca. 160 – 220) geprägt worden. Für Origenes waren Vater und Sohn zwei unterscheidbare „Realitäten“ (hypostaseis), die dennoch nicht voneinander getrennt werden dürften, da sie nach einem Willen handelten (GCS 3, S. 229). Im Handeln Gottes gegenüber der Schöpfung zeigte sich, so Origenes, jedoch für eine jede der drei göttlichen Hypostasen eine besondere Tätigkeit (ut operationem specialem): Der Vater erreiche alles Geschaffene, da er allem, was sei, von seinem eigenen Sein mitteile. Der Sohn, als Wort oder Vernunft (logos), erreiche hingegen lediglich die Vernunftwesen (logika). Der Heilige Geist schließlich erreiche allein die „Heiligen“ (vgl. [2 – 2], S. 168 – 171). Insofern findet sich bei Origenes bereits eine Unterscheidung der Betrachtungsweise. Werde gefragt, ob der christliche Gott ein einziger Gott sei, werde also die Frage nach dem Sein Gottes, nach der Ontologie (Ontologia) gestellt, so laute die Antwort: ja, da Vater, Sohn und Geist das eine göttliche Wesen (ousia) seien. In ihrem Handeln gegenüber der Schöpfung, also in Bezug auf die Ökonomie (Oikonomia), hätten sich Vater, Sohn und Geist jedoch als drei unterscheidbare Verwirklichungen oder Realitäten (hypostaseis) zu erkennen gegeben. Als Ergebnis ihres Handelns gegenüber der Schöpfung gelangte Origenes zu dem Schluss, dass die Macht des Vaters weiter reiche als die des Sohnes und des Geistes, so dass er innerhalb der Trinität eine Abstufung feststellte (vgl. [2 – 2], S. 170 – 171). Die gleiche Unterscheidung zwischen der Ontologia und der Oikonomia nahm für die lateinische Theologie des Westens Tertullianus vor, indem er in seiner Schrift „Gegen Praxean“ (adversus Praxean) ausführte: „Wir aber glauben […] an einen einzigen Gott, jedoch in der Aufteilung, für die wir die Bezeichnung oikonomia haben, dass der einzige Gott auch einen Sohn hat, seinen Logos, der aus ihm hervorgegangen ist […]. [Und] dass dieser Maßstab vom Anfang der Verkündigung des Evangeliums stammt und älter ist als irgendwelche Häretiker, ganz zu schweigen von Praxean, […]. Unbeschadet dieser grundsätzlichen Einrede müssen wir […] überall die Gelegenheit zur erneuten Erörterung geben, damit nicht der Eindruck entsteht, jedwede Abirrung werde abgeurteilt nicht auf Grund einer Prüfung, sondern einer Vorverurteilung, vor allem die vorliegende, die von sich selbst dafürhält, sie besitze die reine Wahrheit, indem sie meint, an einen einzigen Gott dürfe nicht anders geglaubt werden, als dass man sage, derselbe sei Vater und Sohn und Hl. Geist [quam si ipsum eundemque et Patrem et Filium et Spiritum dicat]. Als ob nicht auch in der Weise einer alles sei, dass aus einem alles ist, und zwar durch die Einheit der Substanz, und trotzdem das Geheimnis der oikonomia gewahrt bleibt, welche die Einheit in der Dreiheit an-

1. Einleitung: die drei Abschnitte der Formulierung des Christusglaubens

ordnet und den Vater, den Sohn und den Hl. Geist als drei vor Augen stellt, als drei nicht der Beschaffenheit [non statu], sondern nach dem Grad [gradu] nach, nicht der Substanz [nec substantia], sondern der Form nach [sed forma], nicht der Macht [nec potestate], sondern der Erscheinungsweise nach [sed specie], dagegen von einer einzigen Substanz [unius autem substantiae], einzigen Beschaffenheit [et unius status] und einzigen Macht [et unius potestatis]. Denn es ist ein Gott [quia unus Deus], aus dem [ex quo] diese Grade [gradus isti], Formen [formae] und Erscheinungsweisen [et species] unter den Namen Vater, Sohn und Hl. Geist hergeleitet werden [deputantur]“ (FC 34, S. 102 – 107). In diesem Abschnitt legt Tertullianus dar, dass Vater, Sohn und Geist in Bezug auf ihre Daseinsart, ihr Wesen, eine einzige Substanz (substantia), ein einziges göttliches Wesen seien. Gegenüber der Schöpfung hätten sie sich jedoch als drei göttliche Personen (personae) zu erkennen gegeben. Durch den Rückgriff auf einen Fachbegriff aus dem römischen Theater, der persona, machte Tertullianus die Unterscheidung zwischen Einheit und Dreiheit in Gott anschaulich; denn so, wie im römischen Theater die Masken (personae), welche die Schauspieler trugen, die von ihnen dargestellten Personen repräsentierten, standen die drei Personen (personae) von Vater, Sohn und Geist für die drei unterscheidbaren göttlichen Hypostasen mit ihren jeweiligen charakteristischen Kennzeichen (proprietates). Östliche Kirchenväter verwendeten daneben häufig das Bild der Sonne. Auch wenn, in der Theorie, zwischen den eigenständigen Daseinsweisen (hypostaseis) des Sonnenkörpers als solchem, dem aus diesem hervorgehenden Strahl und der von diesem ausgehenden Wärme differenziert werden könne, bildeten diese doch nur ein einziges Wesen (ousia), d. h. die Sonne an sich (vgl. S. 24). Insofern endete die erste Phase der Formulierung des Christusglaubens der Kirche mit der Überzeugung, dass es neben dem göttlichen Vater auch ein göttliches Wort, den Gott-Logos, gebe. Im vierten Jahrhundert wurde die Frage diskutiert, ob dieser Gott-Logos ebenso vollständig Gott sein könne, wie dies der göttliche Vater selbst sei; oder ob der Gott-Logos nicht eher als ein Geschöpf (ktisma) des Vaters angesehen werden müsse, damit der christliche Gott als ein einziger bekannt werden könne. Die in Zusammenhang mit dieser Problematik stehenden Diskussionen werden unter dem Stichwort des Arianischen Streites zusammengefasst (vgl. S. 22 – 25). Mit ihm verbunden sind die Synoden von Nicaea (325) und Konstantinopel (381). Sobald die arianische Auseinandersetzung mit der Antwort, dass der Gott-Logos ebenso vollständig Gott sei wie der göttliche Vater, beendet worden war, stand im dritten Abschnitt vom ausgehenden vierten bis in das siebte Jahrhundert die Problematik im Mittelpunkt, ob der Gott-Logos denn auch ein vollständiger Mensch sei. Die Frage beschäftigte die Synoden von Ephesus (431), Chalcedon (451) und Konstantinopel II (553). Das dritte Konzil von Konstantinopel (680/681) zog dann einen Schlussstrich unter diese Erörterungen, indem es den Christusglauben für die Reichskirche endgültig formulierte (vgl. S. 52).

una substantia – tres personae

Die zweite Phase

Die dritte Phase

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II. Die sieben Konzilien des Altertums Die Abweichung von älteren Lehrbüchern

Mit dieser Dreigliederung weicht dieses Studienbuch von älteren Darstellungen ab, welche den ersten vier Konzilien, also Nicaea (325), Konstantinopel I (381), Ephesus (431) und Chalcedon (451), eine besondere Bedeutung zuschreiben (vgl. [0 – 3], S. 67 – 70). Die älteren Arbeiten folgten in dieser Praxis dem Beispiel des römischen Papstes Gregor I. (590 – 604), der in einem Synodalbrief an die östlichen Patriarchen aus dem Jahr 591 die ersten vier Konzilien mit den vier Evangelien verglich: „So wie die vier Bücher des heiligen Evangeliums, so bekenne ich, dass ich die vier Konzilien annehme und verehre“ (DH, Nr. 472), oder der Gesetzgebung des Kaisers Justinian (527 – 565) (vgl. [2 – 3], S. 654 – 655). Dementsprechend hat Lorenzo Perrone dargelegt: „Unter ihnen [sc. den ersten sieben Konzilien] ragen die ersten vier – von Nicaea (325) bis Chalcedon (451) – wegen ihrer Bedeutung für die Lehre und die geschichtliche Entwicklung der Kirche heraus. Ihre anerkannte Vorrangstellung rührt vor allem daher, daß sie die grundlegenden christlichen Dogmen formuliert haben: sie betreffen die Trinität (Nicaea und Konstantinopel I) und die Inkarnation (Ephesus und Chalcedon). Deshalb galten sie, gemeinsam mit den Evangelien, schon für Gregor den Großen […] als der Eckstein, auf dessen Fundament das Gebäude des Glaubens errichtet ist“ (vgl. [0 – 1], S. 22).

Begründung

Die ältere Forschung ist damit der pro-chalcedonensischen Sichtweise gefolgt. Jüngere Arbeiten haben aber unter dem Gesichtspunkt des Gespräches mit den Kirchen des Ostens darauf aufmerksam gemacht, dass sich dieser Vergleich bei den Gegnern des Konzils von Chalcedon (451) nicht findet. Weil sich die Anhänger der Christologie des Cyrillus von Alexandria bis zur Synode von Konstantinopel (536) gleichermaßen als Teil der einen Reichskirche verstanden und sich erst nach dieser Synode von ihr lösten (vgl. S. 47 – 48), wird in diesem Studienbuch den Synoden des sechsten und siebten Jahrhunderts ebenso Raum eingeräumt wie denen des vierten und fünften. Die Rezeptionsgeschichte des Konzils von Chalcedon (451) erscheint insofern als ein eigenständiger Abschnitt der Theologiegeschichte.

2. Von Nicaea (325) nach Konstantinopel (381): der christliche Trinitätsglaube 2.1 Die theologischen Positionen Das Rundschreiben des Alexander von Alexandria

In den ersten Jahrzehnten des vierten Jahrhunderts ist in Alexandria von einem Presbyter namens Arius/Areios die Frage neu aufgeworfen worden, ob der Gott-Logos ebenso vollständig Gott sein könne wie der göttliche Vater selbst. Über das Anliegen des Arius berichtet der Erzbischof Alexander von Alexandria – zumindest so, wie er es verstand – in einem Rundschreiben an die Bischöfe Ägyptens:

2. Von Nicaea (325) nach Konstantinopel (381): der christliche Trinitätsglaube

„Das ist es, was sie sich im Widerspruch zu den Schriften erdacht haben: ,Gott war nicht immer Vater; vielmehr gab es eine Zeit, da Gott nicht Vater war‘. [Auch] ist der Gott-Logos nicht immer gewesen, sondern [irgendwann einmal] aus dem Nichts entstanden; denn derjenige, der [unwandelbar] Gott ist, hat denjenigen, der dies nicht ist, aus dem Nichts erschaffen. So gab es denn eine Zeit, in der er [sc. der Gott-Logos] nicht war. Denn der Sohn ist ein Geschöpf [ktisma] und Gemachtes [poie¯ma]. Weder ist er in seinem Wesen [ousia] dem Vater gleich noch ist er in Wahrheit und von Natur aus der Logos des Vaters […]. Er, der Gott-Logos, ist [dem Wesen Gottes] fremd, von ihm unterschieden und von der Wesenheit Gottes ausgeschlossen“ (Opitz 4b; dt. Übers. nach Ritter, S. 131). Aus dieser Einschätzung des Erzbischofs Alexander von Alexandria geht hervor, dass es offenbar das theologische Ansinnen des Arius war, die Einzigartigkeit Gottes zu unterstreichen. Daher konnte für ihn allein Gott, der Vater, ohne Anfang (anarchos) und ungeworden (agenetos) sein. Um Vater und Sohn in Bezug auf ihre Daseinsart zu unterscheiden, war für Arius der aus dem Vater hervorgehende Gott-Logos deshalb ein „Geschöpf“ (ktisma) des Vaters. Folglich gab es eine Zeit, in der der geschaffene Gott-Logos noch nicht war – nämlich in der Zeit vor seiner Schaffung durch den göttlichen Vater. Aus diesem Grunde erklärte Arius den Gott-Logos als „von einem anderen Wesen“ oder „von einer anderen Hypostase“ (anhomoios) im Vergleich zum göttlichen Vater. Eine andere Position vertraten der Erzbischof Alexander von Alexandria sowie sein theologischer Berater und Nachfolger im Bischofsamt, Athanasius (ca. 295 – 373). Während Arius, augenscheinlich in Anlehnung an Origenes (vgl. S. 20), drei Hypostasen in Gott annahm, gingen Alexander und Athanasius offenbar nur von einer einzigen Hypostase (hypostasis) aus. Wenn der Gott-Logos daher ebenso Gott sein sollte wie der göttliche Vater, dann musste er das Wesen (ousia) des Vaters teilen, mit diesem also „eines Wesens“ (homoousios) sein. Diesen Gedanken führte Athanasius in seinem Brief „Über die Beschlüsse der nizänischen Synode“ (de decretis Nicaeni synodi) näher aus: „Die Bischöfe […] sahen sich genötigt, […] festzuhalten: Der Sohn sei eines Wesens [homoousion einai to ¯ patri] mit dem Vater. Damit wollten sie anzeigen, dass er [sc. der Gott-Logos] nicht nur von gleicher Beschaffenheit [hina me¯ monon homoion ton hyon], sondern in der Gleichbeschaffenheit identisch [tauton te¯ homoio¯sei] sei. […] Da jedoch […] der Sohn dem Vater nicht nur ähnlich, sondern auch untrennbar mit dem Wesen des Vaters verbunden ist [adiairetos esti te¯s tou patros ousias], und nach seinen eigenen Worten er [sc. der Sohn] und der Vater eins sind: der Vater immer im Logos und der Logos [immer] im Vater, so wie sich der Lichtstrahl zum Licht verhält, darum hat die Synode […] auch den treffenden Begriff aus einem Wesen [kalo¯s homoousion egrapsen] in ihr schriftlich niedergelegtes Bekenntnis aufgenommen“ (PG 25, S. 451 BC; dt. Übers. nach Ritter, S. 154).

Das Anliegen des Arius

Die Position des Alexander und des Athanasius

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II. Die sieben Konzilien des Altertums Ein- und DreiHypostasen-Lehre

In der rasch über Alexandria hinaus ausgreifenden Auseinandersetzung standen sich also offenbar Vertreter einer Ein- wie einer Drei-HypostasenLehre gegenüber.

Abb. 3: Ein- und Drei-Hypostasen-Lehre auf dem Konzil von Nicaea (325)

2.2 Das Konzil von Nicaea (325) Die Geschichte des Konzils

Nachdem Erzbischof Alexander den Arius aus der Kirche von Alexandria ausgeschlossen hatte und zwei lokale Synoden in Bithynien (wohl 320) und Antiochia (wohl 325) in der Angelegenheit zu einem unterschiedlichen Urteil gekommen waren, berief Kaiser Konstantin eine allgemeine Synode nach Nicaea, die im Mai des Jahres 325 zusammentrat. Da von der Synode keine Akten erhalten sind, ist ihr Ablauf schwierig zu rekonstruieren. Dennoch lässt sich als ihr Ergebnis festhalten, dass das Konzil verschiedene kirchenrechtliche Bestimmungen (canones) (COD, S. 6 – 19) sowie ein Glaubensbekenntnis (symbolum) verabschiedete. Es lautet in der deutschen Übersetzung:

Das Symbol des Konzils

„Wir glauben an [den] einen Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer alles Sichtbaren und Unsichtbaren, und an [den] einen Herrn Jesus den Christus, den Sohn des Gottes, als Einziggeborener [genne¯thenta monogene¯] aus dem Vater gezeugt, das heißt aus dem Wesen des Vaters [ek te¯s ousias tou Patros], Gott aus Gott, Licht aus Licht, wahrer Gott aus wahrem Gott, gezeugt, nicht geschaffen [genne¯thenta ou poiethenta], aus einem Wesen mit dem Vater [homoousion to ¯ patri], durch den alles geschaffen worden ist, was im Himmel und auf der Erde ist, der wegen uns Menschen und um unseres Heiles willen herabgestiegen und Fleisch und Mensch geworden ist [sarko¯thenta, enanthro¯pe¯santa], gelitten hat und auferstanden ist am dritten Tage, hinaufgestiegen ist in die

2. Von Nicaea (325) nach Konstantinopel (381): der christliche Trinitätsglaube

Himmel und kommt, um die Lebenden und die Toten zu richten, und an den Heiligen Geist. Die aber sagen: ,Es gab einmal eine Zeit, als er nicht war‘, und: ,bevor er gezeugt wurde, war er nicht‘, und: ,er ist aus dem Nichts geworden‘ oder die sagen, der Sohn Gottes sei aus einer anderen Hypostase oder Wesenheit [e¯ ex heteras hypostaseo ¯ s e¯ ousias] oder er sei geschaffen oder [?] wandelbar oder veränderlich, diese belegt die katholische Kirche mit dem Anathema“ (DH, Nr. 125 – 126). Aus diesem Bekenntnistext geht hervor, dass sich auf der Synode in Nicaea (325) die Vertreter der Richtung des Alexander und des Athanasius durchsetzten. Die Ablehnung der Vorstellungen des Arius zeigt sich vor allem in der Verurteilung derjenigen, welche die Ansicht vertraten, der Gott-Logos „sei aus einer anderen Hypostase oder Wesenheit“ (e¯ ex heteras hypostaseo¯s e¯ ousias) als der göttliche Vater. Damit aber bekannte sich das Konzil von Nicaea (325) zu einer Ein-Hypostasen-Lehre. Dieser Grundüberzeugung entspricht, dass der Haupttext betont, dass der Gott-Logos „aus dem Wesen des Vaters“ (ek te¯s ousias tou Patros) gezeugt worden sei; und weil der Gott-Logos aus dem Wesen (ousia) des Vaters geboren worden sei, sei er auch „eines Wesens“ (homoousion) mit diesem. Es ist unklar, weshalb sich die Synode für den Fachterminus „eines Wesens“ (homoousios) entschied. Karl Suso Frank hat hierzu angemerkt:

Interpretation des Textes

Der Fachbegriff des homoousios

„Die Herkunft des Begriffs homoousios ist umstritten: Neigten die Forscher früherer Jahre und Jahrzehnte zu der These, daß damit die numerische Einheit des göttlichen Wesens positiv umschrieben werden sollte, setzt sich heute die Ansicht durch, daß es den Vätern in erster Linie um einen pointierten Gegenbegriff zu den Formulierungen des Arius ging, ohne daß der Terminus in seinen theologischen Konsequenzen wirklich durchdacht war“ (vgl. [2 – 4], S. 246). Es blieb daher den folgenden Jahrzehnten vorbehalten, eine inhaltliche Klärung des Begriffes vorzunehmen. 2.3 Der Verlauf der weiteren Diskussion Die Rezeption der Synode von Nicaea (325) gestaltete sich insofern als schwierig, als der Terminus technicus „eines Wesens“ oder „wesensgleich“ (homoousios) bei vielen Bischöfen des Ostens auf Vorbehalte stieß. Für alle diejenigen, welche die Trinitätslehre des Origenes mit der Vorstellung von drei göttlichen Hypostasen (hypostaseis) studiert hatten (vgl. S. 20), erweckte diese Begrifflichkeit den Anschein, als ginge die individuelle Unterscheidbarkeit der drei göttlichen Personen oder Hypostasen verloren, wenn diese ein einziges göttliches Wesen teilen sollten. Eine klare Abgrenzung gegenüber dem Modalismus (vgl. S. 19 – 20) erschien auf diese Weise fraglich. Eine Mehrheit der Bischöfe im griechischsprachigen Osten bevorzugte es deshalb, die Dreiheit klarer hervorzuheben. Als ein Beispiel für diese weit verbreitete Meinung kann ein Text der so genannten Kirchweihsynode in Antiochia aus dem Jahr 341 gelten. In diesem wird ausgeführt:

Die Problematik des Begriffes homoousios

Die Kirchweihsynode von Antiochia (341)

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II. Die sieben Konzilien des Altertums

„[Wir glauben] an den Heiligen Geist, der den Gläubigen geschenkt ist zum Trost und zur Vollendung, wie auch unser Herr Jesus Christus befahl, indem er sagte: ,Gehet hin und lehret alle Völker, taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, d. h. eines Vaters, der wahrhaft [ale¯thino¯s] Vater ist, und eines Sohnes, der wahrhaft Sohn ist, und eines Heiligen Geistes, der wahrhaft Heiliger Geist ist, wobei die Namen nicht ohne Sinn oder Nutzen gegeben worden sind, sondern genau jeweils die besondere Hypostase [hypostasin], den Rang [taxin] und die Herrlichkeit [doxan] eines jeden der Genannten bezeichnen, so dass sie drei in der Hypostase [en te¯ hypostasei tria], aber einer in der Übereinstimmung [en te¯ sympho¯nia hen] sind“ (Kelly, S. 266 – 267). Die beiden DreiHypostasen-Modelle

Es gab im Osten des Imperiums also offenbar zwei unterschiedliche Deutungen der Drei-Hypostasen-Lehre. Während Arius und seine Anhänger den Gott-Logos als ein Geschöpf (ktisma) des Vaters betrachteten und diesen in Bezug auf sein Wesen dem Vater unterordneten, betonten verschiedene Synoden, wie die Kirchweihsynode von Antiochia (341), die Gleichrangigkeit der drei göttlichen Hypostasen (hypostaseis).

Abb. 4: Die beiden Deutungsmöglichkeiten der Drei-Hypostasen-Lehre Die neuen Parteiungen ab ca. 350

Während die erste Phase des arianischen Streites von der Frage von der Absetzung oder Rehabilitierung einzelner Bischöfe geprägt war, lässt sich ab den Jahren nach 350 eine Verfeinerung der einzelnen Positionen beobachten. Je nach dem theologischen Fachbegriff, den die einzelnen Parteien bevorzugten, um das Verhältnis zwischen dem göttlichen Vater und dem

2. Von Nicaea (325) nach Konstantinopel (381): der christliche Trinitätsglaube

Gott-Logos zu beschreiben, werden diese Homoousianer, Homoiousianer, Homoier oder Anhomoier genannt. – Die ,Homoousianer‘ oder Nizäner hielten an ihrer Ein-Hypostasen-Lehre fest. Für sie war deshalb der Gott-Logos „eines Wesens“ (homoousios) mit dem göttlichen Vater. Als ihr Wortführer galt Athanasius von Alexandria, der mehrere Male seinen Bischofssitz verlassen musste. – Die ,Homoiousianer‘ gingen hingegen, wie die Bischöfe der Kirchweihsynode von Antiochia (341), von drei Hypostasen (hypostaseis) aus. Demzufolge waren der göttliche Vater und der Gott-Logos „von vergleichbarem Wesen“ oder „von einem Wesen gleicher Art“ (homoiousios), aber eben nicht „aus einem einzigen Wesen“ (homoousios). Für die Homoiousianer standen die drei göttlichen Personen also auf einer Stufe. Zu ihren führenden Vertretern gehörte beispielsweise der Bischof Basilius von Ancyra. – Die ,Anhomoier‘ hielten zwar gleichermaßen an einem Drei-Hypostasen-Modell fest, unterschieden aber zwischen den Hypostasen (hypostaseis) des Vaters und des Sohnes. Für sie war allein die Hypostase des göttlichen Vaters ohne Anfang und ungeworden. Den Sohn betrachteten sie dagegen als ein Geschöpf des Vaters. Die Anhomoier teilten damit die Anschauungen des Arius. – Schließlich entstand eine vierte Richtung, die Partei der ,Homoier‘. Diese Gruppe wollte dadurch einen Kompromiss herbeiführen, dass sie den Begriff des Wesens (ousia) als unbiblisch nicht länger auf die Trinität anwenden wollte. An Stelle dessen sollten Vater und Sohn als „ähnlich in Bezug auf alle Dinge“ (homoios kata panta) angesprochen werden. Eine Synode in Ariminum (Rimini) im Jahr 359 legte dementsprechend fest:

Die Homoousianer

Die Homoiousianer

Die Anhomoier

Die Homoier

„Weil das Wort Wesen [ousia] von den Vätern in Einfalt angenommen wurde, dem Volk jedoch unbekannt und auch nicht in der Schrift enthalten ist und darum Ärgernis erregt, ist es uns als richtig erschienen, es zu entfernen; und es soll auch in Bezug auf den Gott-Logos das Wort Wesen [ousia] nicht weiter erwähnt werden, weil die heiligen Schriften auch niemals von dem Wesen [ousia] des Vaters und des Sohnes sprechen. Aber wir sagen, der Sohn ist ähnlich dem Vater in allen Dingen [homoios kata panta], wie die heiligen Schriften selbst erklären und lehren“ (Kelly, S. 287). Von dem Kaiser Valens (364 – 378) im Osten nachhaltig gefördert, schien sich die homoiische Richtung als Konsenslösung durchzusetzen. Diese Entwicklung führte zur Annäherung der Homoousianer und der Homoiousianer, die auf einer Synode in Alexandria (362) bekräftigt wurde. Die theologische Vorarbeit für diese Lösung leistete die neu-nizänische Theologie, die beispielsweise von den drei kappadokischen Kirchenvätern Basilius von Caesarea (ca. 330 – 379), Gregorius von Nazianzus (ca. 329 – 390) und Gregorius von Nyssa (ca. 335 – 390) entwickelt worden ist. Sie unterschied die beiden bis dahin synonym gebrauchten Fachbegriffe des Wesens (ousia) wie der Hypostase (hypostasis). Demnach bezeichnete das Wesen (ousia) nunmehr den allgemeinen Charakter oder die Natur einer Sache, etwa die Gattung des Menschen. Den Terminus der Hypostase (hypostasis) wählte Basilius hingegen, um die konkrete Verwirklichung, Reali-

Der Neu-Nizänismus

Die Unterscheidung zwischen Wesen (ousia) und Hypostase (hypostasis)

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II. Die sieben Konzilien des Altertums

sierung oder Individualisierung eines Wesens (ousia) zu beschreiben, also etwa einen konkreten Menschen als Individualisierung der Gattung Mensch (PG 32, S. 883 AC).

Abb. 5: Das theologische Anliegen des Neu-Nizänismus

Die Übereinstimmung zwischen Homoousianern und Homoiousianern

Das Konzil von Konstantinopel (381)

Mit dieser Unterscheidung wurde es möglich, die Anliegen der beiden Seiten umzusetzen. Für die Homoousianer oder Nizäner blieb gewährleistet, dass der Gott-Logos das Wesen (ousia) des Vaters teilte, mit diesem also „eines Wesens“ (homoousios) sei. Durch die Bekräftigung, dass sich das eine göttliche Wesen (ousia) in drei göttlichen Hypostasen (hypostaseis) offenbart habe, konnte den Homoiousianern hingegen die Furcht vor einem Modalismus (vgl. S. 10 – 11) genommen werden. Die Homoiousianer konnten sich fortan zu der Synode von Nicaea (325) bekennen, die für Athanasius und seine Gefolgsleute mittlerweile zum Ausdruck der Rechtgläubigkeit geworden war (vgl. S. 25; 27). Ein Kaiserwechsel im Jahr 378 gab den entscheidenden Anstoß dafür, dass sich die neu-nizänische Theologie im Imperium Romanum durchsetzte. In dem Edikt Cunctos Populos aus dem Jahr 380 verpflichtete Kaiser Theodosius I. (379 – 394) alle Bewohner des Reiches auf den Glauben der Bischöfe Damasus von Rom und Petrus von Alexandria. Eine in Konstantinopel im Jahr 381 zusammentretende Synode bestätigte den neuen Kurs. In seiner „Kirchengeschichte“ (Historia ecclesiastica) berichtet Theodoretus von Cyrus (ca. 393 – 464) von einem Schreiben einer folgenden Synode im Jahr 382, welche die wesentlichen Beschlüsse der Synode des Jahres 381 bestätigt habe. In diesem heißt es: „Denn wenn wir Verfolgungen […] ertragen haben, so haben wir sie für den evangelischen Glauben auf uns genommen, und zwar den Glauben, der in Nicaea in Bithynien von den 318 Vätern beschlossen worden war. Diesem müsst ihr, müssen wir alle, die das Wort des wahren Glaubens

2. Von Nicaea (325) nach Konstantinopel (381): der christliche Trinitätsglaube

nicht verdrehen, zustimmen. Er ist sehr alt, geht aus der Taufe hervor und lehrt uns, an den Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes zu glauben. Dabei wird eindeutig an eine Gottheit [theote¯tos], eine Macht [dynameo¯s] und ein Wesen [ousias mias] des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes sowie an ihre gleiche Ehre und Würde und gleichewige Herrschaft in drei vollkommenen Hypostasen [en trisi teleiotatais hypostasesin], das heißt: drei vollkommenen Personen [en trisi teleiois proso¯pois] geglaubt. So darf weder die Krankheit des Sabellius Platz greifen, wonach die Hypostasen vermischt oder auch deren Eigentümlichkeiten aufgehoben werden, noch gar die Blasphemie der Eunomianer, Arianer und Pneumatomachen Einfluss haben“ (COD, S. 28). Auch wenn diese Synode erst durch das Konzil von Chalcedon (451) zu einer allgemeinen Synode aufgewertet worden ist (vgl. S. 41), beendete sie die Phase der Auseinandersetzungen zunächst. Zwei Herausforderungen verblieben jedoch: Zum einen warfen einige Theologen die Frage auf, wie es sich mit der Gottheit des Hl. Geistes verhalte. Zum anderen erlebte die homoiische Richtung eine Renaissance, als sich germanische Völker in den westlichen Provinzen des Imperiums niederließen.

Bleibende Herausforderungen

2.4 Die pneumatomachische Frage Aus den Briefen des Athanasius von Alexandria an den Bischof Serapio von Thmuis (358 – 362) geht hervor, dass in Ägypten neben der Frage, ob der Gott-Logos ebenso vollständig Gott sei wie Gott der Vater, eine weitere Diskussion in Gang gekommen ist: nämlich die, ob der Hl. Geist denn Gott oder ein Geschöpf des Vaters sei. Einige Theologen, die so genannten Pneumatomachen (von Griechisch pneuma = der (Heilige) Geist; machomai = ich kämpfe, bekämpfe) erkannten dabei zwar die Göttlichkeit des Gott-Logos an, ordneten aber den Hl. Geist der geschaffenen Welt zu. Ihnen antwortete Athanasius mit dem Argument, dass innerhalb des einen göttlichen Wesens (ousia) keine Spaltung eingeführt werden dürfe. Daher sei der Hl. Geist ebenso am Schöpfungswerk beteiligt wie Vater und Sohn. Deshalb unterstreicht der Erzbischof von Alexandria:

Die Zuordnung des Hl. Geistes zur geschaffenen Welt

Die Göttlichkeit des Heiligen Geistes

„Die Geschöpfe sind aus dem Nichts entstanden und haben einen Anfang ihres Seins; denn ,im Anfang schuf Gott Himmel und Erde‘ (Gen 1,1) und alles, was darinnen ist. Der Geist aber ist aus Gott und wird so, entsprechend dem Wort des Apostels (1Kor 2,11) prädiziert. Wenn es [daher] vernünftig sein dürfte, die Schlussfolgerung zu ziehen, dass der Sohn, eben weil er nicht aus dem Nichts, sondern aus Gott ist, kein Geschöpf sei, dann ergibt sich notwendigerweise, dass auch der Heilige Geist kein Geschöpf sei, weil anerkannt wurde, dass er aus Gott ist“ (PG 26, S. 627 B; dt. Übers. nach Ritter, S. 164). Diese Auffassung teilten verschiedene Synoden – beispielsweise eine in Rom im Jahr 380 (DH, Nr. 152 – 177) oder die Synode von Konstantinopel (381) (vgl. S. 28 – 29), die in canon 1 die Lehre der Pneumatomachen verur-

Die Formulierung der Göttlichkeit des Hl. Geistes

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II. Die sieben Konzilien des Altertums

teilte (DH, Nr. 151). Dennoch scheint die Diskussion um die Göttlichkeit des Hl. Geistes gerade im syrischen Raum noch einige Zeit angedauert zu haben. Beispielsweise musste der Bischof Theodorus von Mopsuestia (vgl. S. 32) im Jahr 392 in Anazarbus eine Disputatio mit Vertretern der pneumatomachischen Richtung abhalten. In seinen „Katechetischen Homilien“ (homiliae catecheticae) bezeichnete Theodorus das Hervorgehen des Hl. Geistes aus der Natur des Vaters (to ek te¯s physo¯s tou patros ekporeuomenon) nach der Rückübersetzung von Peter Bruns mit dem griechischen Verbum ekporeuesthai („hervorgehen“) (vgl. [2 – 5], S. 26). Durch diesen Terminus technicus unterschieden sich fortan Sohn und Geist. Während nach dem Glaubensbekenntnis, das das Konzil von Chalcedon (451) später mit dem Konzil von Konstantinopel (381) verbunden hat (vgl. S. 41), der Gott-Logos aus dem göttlichen Vater selbst „geboren“ worden sei (genne¯thenta ek tou patros), „gehe“ der Hl. Geist aus dem Vater hervor (to ek tou patros ekporeuomenon) (DH, Nr. 150). Beide sind aber aus dem einen göttlichen Wesen (ousia). 2.5 Das Weiterbestehen des homoiischen Christentums Das homoiische Christentum bei den Germanen

Die Durchsetzung des Neu-Nizänismus

Mit der Durchsetzung des Neu-Nizänismus innerhalb der Kirche des Imperiums endete die arianische Diskussion aber nicht. Die Erklärung dafür liegt in der Tatsache, dass sich der Westgote Wulfila (p 383), der in Konstantinopel zum Bischof geweiht worden ist, dem homoiischen Bekenntnis (vgl. S. 27) anschloss. Dies führte dazu, dass sich verschiedene germanische Stämme, die das Christentum durch seine Bibelübersetzung in das Gotische kennenlernten, gleichermaßen für die homoiische Richtung aussprachen. Dadurch erlebte das homoiische Christentum im vierten bis sechsten Jahrhundert eine Renaissance im lateinischsprachigen Westen. Diese kam zum einen dadurch zu einem Ende, dass sich der Frankenkönig Chlodwig (ca. 482 – 511) vielleicht im Jahr 498 von dem Bischof Remigius von Reims katholisch, d. h. neu-nizänisch, taufen ließ. Durch die Expansion der Franken hörte beispielsweise das homoiische Reich der Burgunder auf zu bestehen. Zum anderen unterwarf Kaiser Justinian (527 – 565) in der ersten Hälfte des sechsten Jahrhunderts die homoiischen Könige der Vandalen (533) sowie der Ostgoten (535 – 552) und gliederte ihre Kirchen in die katholische Kirche ein. Als letzte germanische Völker bekehrten sich die Westgoten im Jahr 589 sowie am Ende des siebten Jahrhunderts die Langobarden zum Katholizismus. Damit kam der arianische Streit auch im Westen zu einem Abschluss. 2.6 Das Ergebnis des „arianischen Streites“

Ein Wesen – drei Hypostasen

Als Ergebnis war dogmengeschichtlich für die Kirche des Imperiums festgehalten, dass der christliche Gott ein einziges göttliches Wesen (ousia) sei, das sich in drei vollkommenen konkreten Verwirklichungen oder Realitäten (hypostaseis) offenbart habe. Sowohl der Gott-Logos als auch der Hl. Geist teilten dabei das eine göttliche Wesen (ousia), waren also aus einem Wesen

3. Von Ephesus (431) nach Konstantinopel III (680/681): der Glaube an den Christus

(homoousios), d. h. ebenso vollständig Gott wie der göttliche Vater. Die Frage des fünften bis siebten Jahrhunderts aber lautete nun: Ist der Gott-Logos auch ebenso vollständig ein Mensch?

3. Von Ephesus (431) nach Konstantinopel III (680/681): der Glaube an den Christus 3.1 Die beiden christologischen „Schulen“ Sobald am Ende des vierten Jahrhunderts die Frage entschieden war, dass der Gott-Logos ebenso vollständig Gott sei wie der göttliche Vater, wurde die Problematik angesprochen, ob er denn auch ein vollständiger Mensch sei. In dieser Herausforderung standen sich zwei rivalisierende theologische Ansätze gegenüber, die gewöhnlich als Schulen bezeichnet werden. Damit ist gemeint, dass verschiedene Theologen vergleichbare Grundlinien in ihrer Lehre vertraten. Auf der einen Seite formierten sich in dieser Auseinandersetzung die Alexandriner, auf der anderen die Antiochener.

Zwei rivalisierende Schulen

Abb. 6: Das Logos-Anthro¯pos-Modell

Für die Vertreter der antiochenischen Richtung war es wichtig, herauszuarbeiten, dass der Sohn Gottes ein vollständiger Mensch sei; denn Jesu eigene Auferstehung galt für sie als Vorbild und Unterpfand für die Auferstehung aller Menschen. Wäre der Sohn Gottes daher kein vollständiger Mensch gewesen, dann könnte seine eigene Auferstehung auch nicht als Versicherung für alle Menschen zählen. Deshalb musste für die Antiochener der Sohn Gottes ein vollständiger Mensch gewesen sein. Der Kirchenvater Gregorius von Nazianzus brachte dies in dem klassisch gewordenen Satz zum Ausdruck: „Das, was nicht angenommen worden ist, kann auch nicht erlöst werden [quod non est assumptum, non est sanatum]. Was aber mit Gott ver-

Die Schule von Antiochia

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II. Die sieben Konzilien des Altertums

eint ist, das wird auch gerettet“ (PG 37, S. 181C – 183A). Daher sprachen die Antiochener davon, dass der Christus in zwei Naturen (physeis) und einer Person (prosopon) sei. Der vielleicht wichtigste Vertreter dieser Richtung, der Bischof Theodorus von Mopsuestia (ca. 350 – 428), beschrieb diese Terminologie in seinen „Katechetischen Homilien“ (homiliae catecheticae): „Vielmehr folgten sie [sc. die Väter] den heiligen Schriften, unterschiedlich über die Naturen zu sprechen, jedoch eine Person zu lehren auf Grund der genauen Verbindung, welche stattgefunden hatte, damit man nicht meine, die vollkommene Gemeinschaft zwischen dem Angenommenen und dem Annehmenden zu zertrennen“ (FC 17/1, S. 155). Die Stärke dieser Position bestand darin, dass der Christus klar als ein vollständiger Mensch (anthropos) angesehen worden ist. Deshalb trägt die antiochenische Auffassung auch die Bezeichnung Logos-Anthro ¯ pos-Schema. Problematisch blieb indes die Herausforderung, wie sich die Antiochener die Einung von Gottheit und Menschheit exakt vorstellten, wenn sie die Zweiheit des Christus als vollständiger Mensch und vollständiger Gott so sehr hervorhoben – auch wenn sie diese Einheit mit Umschreibungen wie der einer „unauflöslichen Verbindung“ begrifflich näher zu fassen suchten.

Abb. 7: Das Logos-Sarx-Modell

Die Schule von Alexandria

Im Unterschied zu dem eher soteriologischen Ansatz der Antiochener gingen die Vertreter der alexandrinischen Richtung von der Hl. Schrift aus; und in Joh 1,14 hieß es, dass „der [Gott-] Logos Fleisch geworden sei“. Daher, so argumentierten Anhänger dieser Schule wie Cyrillus von Alexandria (p 444), sei der Gott-Logos wirklich „Fleisch“ (sarx) geworden. Der Erzbischof der Stadt am Nil schrieb in diesem Sinn in seinem zweiten Brief an Nestorius von Konstantinopel: „Denn wir sagen nicht, dass die Natur des [Gott-] Logos [he¯ tou Logou physis] verwandelt wurde und Fleisch geworden ist; aber auch nicht, dass sie in einen ganzen Menschen aus Seele und Leib verwandelt wur-

3. Von Ephesus (431) nach Konstantinopel III (680/681): der Glaube an den Christus

de; vielmehr [sagen wir], dass der [Gott-] Logos auf unaussprechliche und unbegreifliche Weise Mensch geworden und Menschensohn genannt worden ist, indem er mit sich das mit einer vernunftbegabten Seele beseelte Fleisch [sarka epsycho ¯ menen psyche¯ logike¯] der Hypostase [kath’ hypostasin] nach einte – nicht alleine seinem Willen oder Gutdünken entsprechend, aber auch nicht gleichsam in der Annahme einer Person“ (DH, Nr. 250). In diesem Textabschnitt unterstreicht Cyrillus von Alexandria, in Anlehnung an Joh 1,14, dass der Gott-Logos selbst „Fleisch“ geworden sei – und zwar dadurch, dass er „das mit einer vernunftbegabten Seele beseelte Fleisch“ mit sich einte; das aber heißt: Ab der Inkarnation bildeten der Gott-Logos und sein Fleisch für Cyrillus eine einzige Hypostase (hypostasis) und eine einzige Natur (physis). Die Einung des Gott-Logos mit seinem Fleisch beschrieben die Alexandriner als natürliche (heno¯sis physike¯) oder hypostatische Union (heno¯sis kath’ hypostasin). Der Vorzug dieser alexandrinischen Auffassung bestand darin, dass der Gott-Logos als das handelnde Subjekt im Inkarnationsgeschehen festgeschrieben wurde. Er, das göttliche Wort (logos), war es, der beschloss, „Mensch“ und „Fleisch“ zu werden (Joh 1,14). Deswegen nennt die Dogmengeschichte dieses Modell auch das LogosSarx-Schema. Die Alexandriner selbst kleideten diese Überzeugung in die Formel von der einen Natur des Fleisch gewordenen Gott-Logos (mia physis tou theou logou sesarko ¯ mene¯). Auch wenn Cyrillus sich bemühte, zu unterstreichen, dass der Fleisch gewordene Gott-Logos ein vollständiger Mensch geblieben sei, entstand gegenüber der Redeweise von einer zusammengesetzten Natur (mia physis synthetos) nach der Einung der Vorwurf, die Alexandriner verkürzten die menschliche Natur in dem Christus und ließen diese in der göttlichen aufgehen. Dieses Anliegen erwies sich für die Alexandriner als umso schwieriger, als ein Vertreter ihrer Richtung, Apollinaris von Laodicea (ca. 315 – 392), dies offenbar bestritt. Vielleicht von dem aristotelischen Grundsatz ausgehend, dass zwei vollkommene Dinge nicht miteinander vereint werden könnten, lehrte Apollinaris, dass der Gott-Logos in dem Christus die Stelle des menschlichen Verstandes (nous) eingenommen habe (vgl. [2 – 6], S. 483 – 484). Daher bildeten der Gott-Logos und das mit diesem geeinte Fleisch eine einzige Natur (physis) und eine einzige Hypostase (hypostasis). Weil für Apollinaris der Christus insofern kein vollständiger Mensch mehr war, ist sein christologisches Modell als „extremes“ Logos-Sarx-Schema bezeichnet und auf verschiedenen Synoden des ausgehenden vierten Jahrhunderts verurteilt worden. Insofern standen sich auf den beiden Seiten zwei unterschiedliche Interpretationsmöglichkeiten der jeweiligen Schemata gegenüber. Auf der antiochenischen Seite ging die – im Sinn der späteren dogmengeschichtlichen Entwicklung – „rechtgläubige“ Deutung von einer wirklichen Einheit von Gottheit und Menschheit in dem einen Christus aus. Die später als „Nestorianismus“ verurteilte (vgl. S. 35 – 36) „irrgläubige“ Deutung negierte hingegen eine wirkliche Einung. Umgekehrt lehrten Cyrillus von Alexandria und seine Nachfolger ein „rechtgläubiges“ Logos-Sarx-Schema, indem sie die

Apollinaris von Laodicea

Die beiden Deutungsmöglichkeiten der beiden Schemata

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II. Die sieben Konzilien des Altertums

Vollständigkeit der menschlichen Natur in dem Christus verteidigten. Das „irrgläubige“ Schema, d. h. die Auffassung, dass der Fleisch gewordene Gott-Logos kein vollständiger Mensch mehr sei, wird hingegen als Apollinarismus oder Monophysitismus bezeichnet.

Abb. 8: Die beiden Deutungsmöglichkeiten

3.2 Die Auseinandersetzung zwischen Cyrillus und Nestorius und das Konzil von Ephesus (431) Die Streitfrage

Die Rivalität zwischen den beiden Bischofsstühlen von Alexandria und Konstantinopel sowie die unterschiedlichen christologischen Konzepte führten in den Jahren nach 428 zu einer ersten Auseinandersetzung. Sie ist ausgetragen worden zwischen den Erzbischöfen Cyrillus von Alexandria und Nestorius von Konstantinopel (ca. 381 – 451), der ursprünglich aus Antiochia stammte. Es ging um die Frage, ob Maria als die Mutter Gottes bzw.

3. Von Ephesus (431) nach Konstantinopel III (680/681): der Glaube an den Christus

Gebärerin Gottes (Theotokos) oder als Mutter des Christus (Christotokos) bezeichnet werden solle.

Abb. 9: Das Anliegen des Nestorius

Von seiner antiochenischen Richtung ausgehend, lehnte Nestorius die Bezeichnungen „Mutter Gottes“ (Theotokos) und „Mutter des Menschen“ (Anthro¯potokos) ab, als er in Konstantinopel auf diese stieß (ACO I/2, S. 13,7 – 21). Für ihn hieße es nämlich, dass die Menschheit in dem Christus verloren ginge, wenn Maria allein als „Mutter Gottes“ (Theotokos) bezeichnet würde; denn dann hätte sie allein den Gott-Logos zur Welt gebracht, nicht aber den von diesem angenommenen Menschen. Ebenso lehnte Nestorius den Titel „Mutter des Menschen“ (Anthro¯potokos) ab, weil dies bedeuten würde, dass Maria allein den gewöhnlichen Menschen Jesus geboren hätte, mit dem sich der Gott-Logos zu einem späteren Zeitpunkt geeint hätte. Daher regte Nestorius an, Maria als die „Mutter des Christus“ (Christotokos) anzusprechen, weil die Person (proso¯pon) des Christus für ihn das Ergebnis der Einung von Gottheit und Menschheit darstellte. In diesem Sinne schrieb Nestorius an Cyrillus:

Das Anliegen des Nestorius

„Darin nämlich ist Paulus ihr Lehrmeister, der, wo er an die göttliche Menschwerdung erinnert und das, was mit dem Leiden zusammenhängt, aufgreifen will, zuerst das [Wort] ,Christus‘ setzt, den, wie ich kurz zuvor sagte, gemeinsamen Namen der [beiden] Naturen“ (DH, Nr. 251b). Eine andere Auffassung vertrat Cyrillus von Alexandria. Für ihn stand fest, dass Maria die „Mutter Gottes“ (Theotokos) genannt werden müsse (DH, Nr. 252), weil sie ja den Gott-Logos „im Fleisch“ (sarkiko¯s) zur Welt gebracht habe. Verweigere Nestorius ihr diesen Ehrentitel, so legt es Cyrillus dar, dann gehe der Erzbischof von Konstantinopel in zwei Punkten in die Irre; denn dann müsse Nestorius entweder annehmen, dass Maria zunächst

Das Anliegen des Cyrillus

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II. Die sieben Konzilien des Altertums

Abb. 10: Das Anliegen des Cyrillus

Die Verurteilung des Nestorius in Rom und Alexandria

Der Verlauf der Synode

den gewöhnlichen Menschen geboren habe, mit dem sich der Gott-Logos erst zu einem späteren Zeitpunkt vereint habe (DH, Nr. 256). Eine solche Auffassung aber entspräche der Irrlehre des Adoptianismus, die bereits in den ersten Jahrhunderten lehramtlich verurteilt worden sei (vgl. S. 19 – 20). Oder aber Nestorius trenne den Gott-Logos und das mit diesem hypostatisch geeinte Fleisch in einer unzulässigen Art und Weise, indem er zwischen dem Gott-Logos einerseits und einem zu diesem „getrennt gedachten Menschen“ (ho¯s anthro¯po¯ para ton ek theou logon idiko ¯ s nooumeno ¯ ) andererseits unterscheide (DH, Nr. 255). Wie jüngere Arbeiten dargelegt haben, schuf Cyrillus mit diesen Vorhaltungen ein Zerrbild des eigentlichen Ansinnens des Nestorius, das als Nestorianismus in die Dogmengeschichte eingegangen ist und dem theologischen Ansatz des Nestorius von Konstantinopel kaum entspricht. Für Cyrillus erwies es sich in der Auseinandersetzung mit Nestorius als hilfreich, dass es ihm gelang, den Papst Caelestinus in Rom von seiner Position zu überzeugen. Vielleicht auf Grund mangelnder Griechischkenntnisse (ACO I/2, S. 7,21 – 23) und einseitiger Information gewann man im lateinischsprachigen Westen den Eindruck, Nestorius verehre einen „bloßen Menschen“ (solitarius homo) (CSEL 17, S. 239,5 – 240,4). Daher forderte eine Synode in Rom im Jahr 430 Nestorius dazu auf, seine Lehre zu widerrufen (ACO I/2, S. 15,22 – 25). Cyrillus tat es ihr gleich und verlangte von dem Erzbischof der Kaiserstadt, dass er die zwölf Lehrsätze (duodecima capitula) anerkenne, die er diesem in einem Brief übersandte (DH, Nr. 252 – 263). Um die Angelegenheit zu entscheiden, berief Kaiser Theodosius II. im Jahr 431 eine allgemeine Synode nach Ephesus ein. In Ephesus nutzte Cyrillus die Gunst der Stunde. Obwohl sich die Anreise des Erzbischofs Johannes von Antiochia (429 – 441) und seiner Bischöfe verzögerte, eröffnete der Alexandriner die Synode. Sie erklärte, dass die fides Nicaena, der Glaube von Nicaea (325), die alleinige Richtschnur für den Glauben der Kirche darstelle (ACO I/1,2, S. 12,23 – 27). Sodann hielt die

3. Von Ephesus (431) nach Konstantinopel III (680/681): der Glaube an den Christus

Synode fest, dass die Briefe des Cyrillus an Nestorius mit diesem Glauben übereinstimmten, während dies den Schreiben des Nestorius an Cyrillus abgesprochen wurde. Daher verurteilte das Konzil den Nestorius (ACO I/1,2, S. 64,6 – 11). Als nun die Antiochener eintrafen, traten sie zu einer eigenen Synode zusammen, die umgekehrt Cyrillus sowie den Erzbischof von Ephesus, Memno, absetzte (ACO I/1,5, S. 122,26 – 30). Auch wenn die noch einmal später ankommenden römischen Gesandten das Urteil der ,cyrillischen‘ Synode bekräftigten (ACO I/1,3, S. 57,25 – 27), erklärte der kaiserliche Beauftragte das Konzil für aufgelöst und die drei Bischöfe Cyrillus von Alexandria, Nestorius von Konstantinopel und Memno von Ephesus für abgesetzt (Mansi 4, Sp. 1398). Um die zerbrochene Kircheneinheit wiederherzustellen, fanden in den folgenden Jahren Verhandlungen zwischen den beiden Parteien statt. Dabei einigten sich im Jahr 433 die beiden Erzbischöfe Johannes von Antiochia und Cyrillus von Alexandria auf eine Kompromissformel, die Formula Unionis (DH, Nr. 271 – 273). Diese ging auf die inhaltlichen Anliegen der beiden Seiten ein. So hielt der Text beispielsweise aus Sicht der Antiochener fest, dass der „einziggeborene Sohn Gottes vollkommener Gott und vollkommener Mensch aus vernunftbegabter Seele und Leib“ sei (DH, Nr. 272). Der Gott-Logos sei „eines Wesens“ (homoousios) mit dem göttlichen Vater sowie gleichermaßen „eines Wesens“ (homoousios) mit uns Menschen (DH, Nr. 272). Im Sinne der Alexandriner wurde hingegen bekräftigt, dass zu dem Glauben der „heiligen Väter in Nicaea“ nichts hinzugefügt werden dürfe (DH, Nr. 271). Weil Maria den Gott-Logos geboren habe, der „schon von der Empfängnis an den Tempel [sc. die menschliche Natur], den er aus ihr empfing, mit sich geeint hat[te]“, könne sie als „Mutter Gottes“ (Theotokos) bekannt werden (DH, Nr. 272). Die Problematik, ob der Christus, nach der Auffassung der Antiochener, als „in zwei Naturen“ (en dyo physesin) oder, nach der Meinung der Alexandriner, als „aus zwei Naturen“ (ek dyo physeo¯n) bezeichnet werden dürfe, umging der Kompromisstext, indem er lediglich festhielt: „Zweier Naturen Einung geschah“ (DH, Nr. 272). Auch wenn die antiochenische Seite in der Formula Unionis ihre wichtigsten theologischen Anliegen durchsetzen konnte, ist Cyrillus als der vermeintliche Sieger aus der Auseinandersetzung mit Nestorius hervorgegangen. Einerseits bestätigte der Text nämlich den Fachbegriff der Mutter Gottes (Theotokos), für den sich der Alexandriner so sehr eingesetzt hatte; und andererseits blieb Nestorius verurteilt, während Cyrillus in seine Bischofsstadt zurückkehren konnte. Wenn spätere Synoden daher vom Konzil von Ephesus (431) sprachen, meinten sie zumeist nur noch die ,cyrillische‘ Teilsynode.

Die Formula Unionis des Jahres 433

Cyrillus als der vermeintliche Sieger

3.3 Das Konzil von Chalcedon (451) Obwohl Cyrillus von Alexandria aus diesen Gründen augenscheinlich der Sieger in der Auseinandersetzung mit Nestorius gewesen ist, empfanden radikale Anhänger seiner Anschauungen offenbar, dass der Alexandriner in der Formula Unionis zu weitreichende Zugeständnisse gemacht habe. Eine

Der Monophysitismus des Eutyches

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II. Die sieben Konzilien des Altertums

Die Verurteilung des Eutyches in Konstantinopel (448)

Der Tomus Leonis (449)

Generation später suchten sie daher nach Wegen, um das Konsenspapier des Jahres 433 wieder aufzuheben. Eine Möglichkeit eröffnete sich ihnen dazu, als der Klostervorsteher Eutyches im Jahr 448 in Konstantinopel die Auffassung vertrat, es gebe zwar zwei Naturen (physeis) vor der Einung des Gott-Logos mit seinem Fleisch, nach dieser aber nur noch eine einzige (ACO II/1,1, S. 143 – 144). Nach der Einschätzung des Papstes Leo I. (440 – 461) bestritt Eutyches durch diese Aussage, dass der Fleisch gewordene Gott-Logos „eines Wesens“ (homoousios) mit uns Menschen sei (DH, Nr. 292). Das aber heißt: Für Eutyches war der Fleisch gewordene Gott-Logos offenbar kein vollständiger Mensch mehr. Wenn diese Vermutung zutrifft, dann hat Eutyches in der Tat einen Monophysitismus vertreten – also die Vorstellung, dass der Fleisch gewordene Gott-Logos kein vollständiger Mensch mehr sei. Der der antiochenischen Richtung zuzuordnende Kirchenvater Theodoretus von Cyrus erhebt in seinem Dialog Eranistes jedenfalls gegenüber seinem Gegner, hinter dem sich vielleicht Eutyches verbergen könnte, den Vorwurf, dieser lasse die menschliche Natur des Christus so in der göttlichen aufgehen, wie sich ein Tropfen Honig im Meer auflöse (PG 83, S. 153 C). Um die von Eutyches aufgeworfene Streitfrage zu lösen, berief Erzbischof Flavianus von Konstantinopel im Jahr 448 eine synodos ende¯mousa, eine Versammlung von sich gerade in der Kaiserstadt befindenden Bischöfen. Als sich Eutyches auf dieser Synode weigerte, zwei Naturen nach der Einung von Gottheit und Menschheit in Christus zu bekennen, wurde er wegen Apollinarismus verurteilt (ACO II/1,1, S. 145,10 – 14). Das aber hieß: Die Synode nahm an, dass der Archimandrit gegen die Bestimmung der Formula Unionis des Jahres 433 verstieß, die festgeschrieben hatte, dass der Christus ein „vollkommener Mensch [sei] aus vernunftbegabter Seele und Leib“ (DH, Nr. 272). Daraus ist in der Forschung geschlossen worden, dass Eutyches durch seine Weigerung danach strebte, die Einigungsformel als verbindliches lehramtliches Dokument der Kirche in Frage zu stellen. Als Eutyches gegen den Spruch der Synode an die Erzbischöfe von Rom, Alexandria und Antiochia appellierte, reagierte Papst Leo I. mit einem Lehrschreiben, der Epistula dogmatica ad Flavianum Episcopum oder dem Tomus Leonis. In diesem Dokument legte der römische Papst die Grundlinien der lateinischen Christologie vor. Demnach sei der Christus eine „Person“ (persona), zu der sich die beiden Naturen (naturae) der Gottheit und der Menschheit vereint hätten, wobei sie ihre jeweiligen natürlichen Eigentümlichkeiten (proprietates) bewahrt hätten (Salva igitur proprietate utriusque naturae et in unam coeunte personam) (DH, Nr. 293). Folglich bewirke eine jede der beiden Naturen das, was ihr eigentümlich sei (agit enim utraque forma cum alterius communione quod proprium est) (DH, Nr. 294). Der Christus sei daher „wahrer Gott und wahrer Mensch“ (qui enim verus est Deus, idem verus est homo) (DH, Nr. 294). Mit diesen Ausführungen näherte sich der Papst der antiochenischen Position im Osten an und wandte sich gegen den Monophysitismus des Eutyches (DH, Nr. 292). Wahrscheinlich aus diesem Grunde suchte Erzbischof Dioscorus von Alexandria zu verhindern, dass dieses Schreiben verlesen werde, als Kaiser Theodosius II. im Jahr 449 zu einer neuen allgemeinen Synode einlud.

3. Von Ephesus (431) nach Konstantinopel III (680/681): der Glaube an den Christus

Abb. 11: Die Vorgeschichte des Konzils von Chalcedon (451)

Auf Grund der Appellation des Eutyches berief der Basileus in Konstantinopel nämlich im Jahr 449 eine allgemeine Synode ein, um den Fall des Konstantinopolitaner Archimandriten zu entscheiden; und zwar, wie im Jahr 431, wiederum nach Ephesus. Durch kaiserliches Eingreifen wurde sichergestellt, dass sich auf der Synode die Vertreter der alexandrinischen Richtung in der Mehrheit befanden; beispielsweise erhielt nicht der Erzbischof der Kaiserstadt, Flavianus, den Vorsitz über die Bischofsversammlung, sondern sein alexandrinischer Rivale Dioscorus. Auf welche Weise

Das Konzil von Ephesus (449)

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II. Die sieben Konzilien des Altertums

Der Verlauf des Konzils von Chalcedon (451)

der Alexandriner seine Position durchzusetzen versuchte, zeigte sich daran, dass das Konzilspräsidium verhinderte, dass der Tomus des Papstes Leo verlesen werde (ACO II/1,1, S. 83,1 – 17). Sodann bestätigte die Synode die Bestimmung des ,cyrillischen‘ Konzils von Ephesus (431), dass die fides Nicaena die alleinige Grundlage des Glaubens darstelle (ACO II/1,1, S. 89,1 – 4). Eutyches erklärte daraufhin, dass er stets an diesem Glauben von Nicaea (325) festgehalten habe. Als er, Eutyches, von Flavianus und der Synode von 448 aufgefordert worden sei, ein anderes Dokument anzuerkennen, habe er dies abgelehnt (ACO II/1,1, S. 95,11 – 18). Unter Berufung auf das Nicaenum wurde der in Konstantinopel (448) verurteilte Archimandrit deshalb von Dioscorus von Alexandria für rehabilitiert erklärt (ACO II/1,1, S. 141,25). Die Entscheidung der Konstantinopolitaner Synode des Jahres 448 wurde dadurch außer Kraft gesetzt. Diese Umkehr der konziliaren Entscheidung des Jahres 448 zeigte sich umso mehr, als der Erzbischof von Alexandria nun einen Angriff auf seinen Rivalen in der Kaiserstadt führte. Dieser habe schließlich gegen den canon 9 der ,cyrillischen‘ Synode verstoßen, weil er von Eutyches verlangt habe, er solle sich, über das Nicaenum hinausgehend, zur Formula Unionis bekennen (ACO II/1,1, S. 190,2 – 3). Daher wurde Flavianus als Erzbischof abgesetzt (ACO II/1,1, S. 191,8 – 28), obwohl die päpstlichen Legaten sogleich ihren Widerspruch einlegten (ACO II/1,1, S. 191,29 – 31). Als ägyptische Mönche die Konzilshalle stürmten und es zu Tumulten kam, in deren Folge Flavianus solche Verwundungen erlitt, dass er an diesen verstarb, sprach Papst Leo von Rom davon, in Ephesus sei nicht ein Konzil (concilium), sondern eine „Räuberansammlung“ (latrocinium) versammelt gewesen (ACO II/4, S. 51,2 – 5). Das Blatt wendete sich in diesem Ringen, als Kaiser Theodosius II. im Jahr 450 bei einem Unfall verstarb; denn sein Nachfolger Marcianus berief eine neue Synode nach Chalcedon (451). An ihr nahmen etwa 350 Bischöfe teil. Im Gegensatz zur Synode von Ephesus (449) bildeten die Vertreter Roms, Konstantinopels und Antiochias dieses Mal die Mehrheit – insbesondere, als Juvenalis von Jerusalem, der Verbündete des Dioscorus, die Seiten wechselte (ACO II/1,1, S. 115,25 – 26). Die römischen Legaten erhoben sogleich Anklage gegen den Alexandriner: Dieser habe ohne die Zustimmung der Sedes Apostolica eine allgemeine Synode einberufen (ACO II/1,1, S. 65,29 – 32). Eusebius von Dorylaeum erweiterte diese Anklage um die Vorwürfe, dass Dioscorus die Häresie des Eutyches teile, diesen durch äußeren Druck rehabilitiert und schließlich ihn selbst sowie Erzbischof Flavianus von Konstantinopel angegriffen habe (ACO II/1,1, S. 67,1 – 6). Als sich Dioscorus weigerte, weiter vor der Synode zu erscheinen, um sein Verhalten zu rechtfertigen, wurde der Erzbischof von Alexandria verurteilt und als Bischof abgesetzt (ACO II/1,2, S. 28,21 – 29,20) – allerdings, und das ist für das Gespräch mit den Kirchen des Orients wichtig, zu betonen – nicht aus dogmatischen, sondern aus disziplinarischen Gründen. Nach den griechischen Akten der Synode distanzierte sich Dioscorus nämlich von Eutyches (ACO II/1,1, S. 92,20 – 24) und deutete an, dass für ihn der Fleisch gewordene Gott-Logos ein vollständiger Mensch sei (ACO II/1,1, S. 92,5 – 8). Mit der Absetzung des Dioscorus ging jedoch die Vormachtstellung der Kirche von Alexandria im griechischsprachigen Osten des Imperiums verloren. Den

3. Von Ephesus (431) nach Konstantinopel III (680/681): der Glaube an den Christus

sichtbaren Ausdruck fand diese Machtverschiebung in der Reichskirche, als das Konzil im canon 28 bestimmte, dass der Bischof des ,neuen Rom‘, also derjenige von Konstantinopel, die gleichen Rechte besitzen sollte wie der Bischof des ,alten Rom‘, also der römische Papst (COD, S. 99 – 100). Die Festschreibung von besonders hervorgehobenen Bischöfen rundete die Synode dadurch ab, dass sie – wohl in Anerkennung des Seitenwechsels des Juvenalis – Jerusalem zum Patriarchat erhoben hat (ACO II/1,3, S. 5,16 – 19). Darüber hinaus rehabilitierte sie die beiden antiochenischen Bischöfe Theodoretus von Cyrus und Ibas von Edessa, welche die zweite Synode von Ephesus (449) verurteilt hatte (ACO II/1,3, S. 10,1 und S. 39,23 – 28). Auf Grund der Auseinandersetzungen um die Festlegung der ,cyrillischen‘ Synode von Ephesus (431), dass es keine andere Formulierung des Glaubens geben dürfe als diejenige des Konzil von Nicaea (325), mussten die Bischöfe des Konzils von Chalcedon (451) eine Begründung dafür finden, dass sie dennoch ein neues Glaubensbekenntnis vorlegten. Sie beschlossen daher, dass zunächst einmal „der Glaube der 318 heiligen Väter unangetastet bleibe“ (DH, Nr. 300). Weil es aber neu auftretende Häresien erforderlich machten, die fides Nicaena gegenüber den Neuerungen der Häretiker zu präzisieren, sei es nötig, sich denjenigen entgegenzustellen, die „das Geheimnis des Heilsgeschehens in eine Zweiheit von Söhnen zu zerreißen“ versuchten (DH, Nr. 300) oder eine „Vermengung oder Vermischung“ lehrten, deretwegen sie behaupteten, der Sohn sei „himmlisch oder von einer anderen Natur“ (DH, Nr. 300) als wir Menschen. Sie folgten darin dem Beispiel des Konzils von Konstantinopel (381), das den Glauben von Nicaea (325) gegenüber den Einwänden der Pneumatomachen präzisiert habe, „nicht um etwas [noch] Fehlendes zusätzlich zu den früheren Lehren einzuführen, sondern um ihre Auffassung vom Heiligen Geist […] durch Zeugnisse aus der Schrift zu erklären“ (DH, Nr. 300). Durch diese Berufung wurde die Synode von Konstantinopel (381) als allgemeines Konzil rezipiert. In Bezug auf die Lehre von dem Christus unterstrich das Konzil, dass dieser „eines Wesens“ (homoousios) mit Gott, dem Vater, sowie „eines Wesens“ (homoousios) mit uns Menschen sei (DH, Nr. 301). „Ein und derselbe Christus“ werde daher „in zwei Naturen (en dyo physesin) unvermischt (asygchyto¯s), unveränderlich (atrepto¯s), ungetrennt (adiaireto¯s) und unteilbar (achoristo¯s) erkannt“. Dabei werde, „nirgends wegen der Einung der Unterschied der Naturen aufgehoben“, sondern es blieben „vielmehr die Eigentümlichkeiten einer jeden der beiden Naturen gewahrt“, die sich zu einer Person (kai eis hen proso ¯ pon) und einer Hypostase (kai mian hypostasin) vereinigten (DH, Nr. 302). Daher werde der eine Herr Jesus der Christus „nicht in zwei Personen geteilt oder getrennt“; er sei vielmehr „ein und derselbe“ (DH, Nr. 302). In dieser christologischen Formulierung des Konzils von Chalcedon (451) wird erkennbar, dass sich die Bischöfe der Synode in erster Linie von den neuen Häresien des Nestorianismus wie des Eutychianismus abgrenzen wollten (DH, Nr. 300). Ihre Ablehnung des Nestorianismus zeigt sich darin, dass sie den einen Christus als „ungetrennt“ und „unteilbar“ beschrieben und hervorhoben, dass dieser „nicht in zwei Personen geteilt oder getrennt“

Der Horos von Chalcedon (451)

Die christologische Formel

Interpretation

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II. Die sieben Konzilien des Altertums

Abb. 12: Die christologische Formel des Konzils

Die Ablehnung des Konzils

werden dürfe. Durch die Wahl der Adjektive „unvermischt“ und „unveränderlich“ sowie die Unterstreichung, dass der Christus „eines Wesens“ (homoousios) mit uns Menschen sei, hoben sie sich darüber hinaus vom Monophysitismus des Eutyches ab. Neben dieser Abgrenzung gegenüber dem Nestorianismus wie dem Eutychianismus waren die Bischöfe des Konzils aber auch bestrebt, sich in die theologische Tradition des Leo von Rom wie des Cyrillus von Alexandria zu stellen (DH, Nr. 300). Dabei erfüllten sie durch die Entscheidung für die Formel „in zwei Naturen“ (en dyo physesin) und die Festlegung, dass der Christus eine einzige Person (kai eis hen prosopo ¯ n) sei, zentrale Anliegen sowohl der antiochenischen Richtung als auch der lateinischen Theologie, wie sie Papst Leo in seinem Tomus formuliert hatte (vgl. S. 38). Die ältere Forschung hat daher in dieser Formulierung einen entscheidenden Beitrag der leoninischen Christologie erkannt. Jüngere Arbeiten haben jedoch herausgestellt, dass sich die Konzilsväter ebenso darum bemühten, auf die Kernanliegen der Alexandriner einzugehen – insbesondere dadurch, dass sie den cyrillischen Fachbegriff der Hypostase (kai mian hypostasin) in den Text einfügten (vgl. [2 – 7], S. 161). Es wird dabei als wahrscheinlich angesehen, dass dieser Rückgriff auf den cyrillischen Terminus technicus der Hypostase (hypostasis) erfolgte, ohne dass von den Vätern des Konzils zu diesem Zeitpunkt bereits klar durchdacht gewesen wäre, was dies für die christologische Aussage des Konzils bedeute. Trotz dieses Eingehens auf einen zentralen Begriff der cyrillischen Christologie lehnten die Anhänger der Christologie des Alexandriners die Formel von Chalcedon (451) ab. Der Widerstand gegen das Konzil von Chalcedon (451) entzündete sich in erster Linie in drei Punkten: Zum einen wollten es die Alexandriner nicht

3. Von Ephesus (431) nach Konstantinopel III (680/681): der Glaube an den Christus

hinnehmen, dass die Synode ,ihren‘ Bischof abgesetzt hatte. Zum anderen schlossen die Verfechter der Christologie des Cyrillus aus der chalcedonensischen Aussage, dass der Christus „in zwei Naturen“ (en dyo physesin) sei, auch auf zwei getrennt gedachte Hypostasen, weswegen sie dem Konzil Nestorianismus unterstellten. Cyrillus selbst hatte in seinem vierten Anathema gegen Nestorius vor einer solchen Spaltung des Sohnes in zwei Hypostasen gewarnt: „Wer die Worte, die […] über den Christus ausgesagt […] worden sind, auf zwei Personen oder auch [zwei] Hypostasen verteilt und die einen gewissermaßen einem neben dem Gott-Logos getrennt gedachten Menschen zuschreibt, die anderen aber als Gott angemessen alleine dem Gott-Logos, […] der sei mit dem Anathema belegt“ (DH, Nr. 255). Schließlich ließ sich die chalcedonensische Unterscheidung zwischen den Fachbegriffen der Natur (kya¯na¯) und Hypostase (qno¯ma¯) im klassischen Syrischen sprachlich nicht abbilden, da es nur eine Natur und eine Hypostase oder zwei Naturen und zwei Hypostasen geben könne (vgl. [2 – 8], S. 130 – 131). Aus diesen Gründen bildete sich eine hartnäckige Opposition gegen das Konzil.

3.4 Die gescheiterte Rezeption des Konzils von Chalcedon (451) Die ältere Forschung hat die Gegner des Konzils von Chalcedon (451) zusammenfassend als Monophysiten angesprochen und dabei nicht zwischen den beiden Deutungsmöglichkeiten des alexandrinischen Logos-Sarx-Schemas unterschieden (vgl. S. 34). Demgegenüber betont die jüngere Forschung, dass eine Differenzierung sehr wohl angebracht sei; denn anti-chalcedonensische Bischöfe wie Timotheus Aelurus von Alexandria oder Severus von Antiochia grenzten sich gleichermaßen von Eutyches und dem von ihm offenbar vertretenen Monophysitismus ab. Sie unterstrichen, dass der Fleisch gewordene Gott-Logos zwar nicht „in zwei Naturen“, aber „eines Wesens“ (bar kya¯na¯) mit uns Menschen sei (vgl. [2 – 9], fol. 30a). Timotheus ging dabei so weit, zwei ,echte‘ Monophysiten mit dem Namen Isaias von Hermopolis und Theophilus von Alexandria aus seiner anti-chalcedonensischen Gemeinde in Alexandria auszuschließen (vgl. [2 – 9], fol. 30a). Die beiden Monophysiten bestritten nämlich, so legt es zumindest die syrische Bearbeitung der Kirchengeschichte des Zacharias Rhetor dar, die Wesensgleichheit oder Homoousie des Fleisch gewordenen Gott-Logos mit uns Menschen (CSCO 38, S. 185,24 – 186,8). Dabei sei diese, so betont Timotheus, zentral für die Christologie der Anti-Chalcedonenser (vgl. [2 – 9], fol. 30a). Infolge dieser Distanzierung vom Monophysitismus haben jüngere Arbeiten angeregt, die christologische Position dieser Gegner der Synode von Chalcedon (451) nicht länger als monophysitisch zu bezeichnen, sondern als miaphysitisch; denn durch diesen neuen Fachbegriff werde ersichtlich, dass die Gegner des Konzils von Chalcedon (451) zwar von der „einen Natur des Fleisch gewordenen Gott-Logos“ sprachen, diese eine Natur (mia

Der Miaphysitismus der Konzilsgegner

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II. Die sieben Konzilien des Altertums

Die Parteiungen

Die zwei Phasen der gescheiterten Rezeption

Das Enkyklion des Kaisers Basiliscus

physis) aber als eine aus vollständiger Gottheit und vollständiger Menschheit zusammengesetzte Natur verstanden. Der Christus war für diese antichalcedonensischen miaphysitischen Theologen ebenso ein vollständiger Mensch wie für die Vertreter der pro-chalcedonensischen Gegenseite. Trotz dieser inhaltlichen Nähe unterschieden sich die Pro- wie die AntiChalcedonenser in den folgenden Auseinandersetzungen in der Frage nach der Anerkennung von allgemeinen Synoden (vgl. S. 42 – 43). Während für die Gegner des Konzils von Chalcedon (451) die Festlegung der ,cyrillischen‘ Synode von Ephesus (431) Bestand hatte, nach der kein neuer Glaube im Vergleich zu der fides Nicaena eingeführt werden dürfe, entwickelten die Befürworter der Synode eine eigene Konzils- und Primatstheologie (vgl. S. 41). Insofern lassen sich einmal mehr zwei Lager beobachten: Auf der einen Seite sammelten sich die Anhänger der Christologie des Cyrillus von Alexandria in erster Linie in Ägypten und Syrien. Später gesellten sich die Armenier zu ihnen. Ihr christologisches Anliegen lässt sich am besten als miaphysitisch beschreiben. Auf der anderen Seite befanden sich die Unterstützer der Synode von Chalcedon (451), d. h. der römische Papst, die östlichen Anhänger der Synode in und um Konstantinopel sowie in den lateinischsprachigen Provinzen auf dem Balkan, sowie die Bischöfe und Mönche aus der Diözese von Jerusalem. In den Auseinandersetzungen hinsichtlich der Rezeption des Konzils von Chalcedon (451) lassen sich zwei Phasen unterscheiden: Bis zur Synode von Konstantinopel (536) rangen beide Seiten darum, ihre jeweilige christologische Position innerhalb der einen Reichskirche durchzusetzen. Ab dieser Synode erkannten die Gegner des Konzils die Aussichtslosigkeit dieses Unterfangens und etablierten eigenständige und von der Reichskirche unabhängige Kirchen. Die Einigungsversuche, welche die Kaiser in Konstantinopel bis in das siebte Jahrhundert unternahmen, beruhten aus diesem Grunde auch auf zwei unterschiedlichen Ausgangslagen. Zunächst bemühten sich die Kaiser Basiliscus (475 – 476), Zeno (474 – 491), Justinus (518 – 527) und Justinianus (527 – 565) um eine Einigung innerhalb der Reichskirche. Den Anfang machte dabei Basiliscus, der im Jahr 475 gegen den rechtmäßigen Kaiser Zeno putschte und diesen aus Konstantinopel vertrieb. Augenscheinlich um sich der Unterstützung der Ägypter zu versichern, erklärte der Thronusurpator in einem „Rundschreiben“ (Enkyklion), dass die fides Nicaena nicht angetastet werden dürfe (FC 57/2, S. 338,6 – 8). Zwar wurden sowohl die Aussagen der Synode von Konstantinopel (381) gegen die Pneumatomachen sowie jene der ,cyrillischen‘ Synode von Ephesus (431) gegen Nestorius anerkannt (FC 57/2, S. 338,11 – 18), in Bezug auf das Konzil von Chalcedon (451) erklärte der Kaiser jedoch etwas anderes: Er bestimmte nämlich, dass „das, was die Einheit und Wohlgeordnetheit der heiligen Kirchen Gottes und den Frieden auf der ganzen Welt zerstört [habe], nämlich der so genannte Tomus Leonis und alles, was in Chalcedon zur Definition des Glaubens […] als Neuerung gegenüber dem erwähnten Symbol der 318 heiligen Väter“ eingeführt worden sei, „hier und überall […] anathematisiert“ werden solle (FC 57/2, S. 338,19 – 29).

3. Von Ephesus (431) nach Konstantinopel III (680/681): der Glaube an den Christus

Abb. 13: Die zwei Phasen der Rezeption des Konzils von Chalcedon (451)

Auch wenn sich Basiliscus auf diese Weise den Rückhalt bei den Alexandrinern sicherte, geriet er in einen Gegensatz mit dem Erzbischof der Kaiserstadt, Acacius, als er auf einer Synode in Ephesus (475) versuchte, der Kirche von Konstantinopel diejenigen Metropolitanrechte zu entziehen, die ihr das Konzil von Chalcedon (451) zugesprochen hatte (CSCO 38, S. 216, 20 – 23). Acacius organisierte daraufhin den Widerstand gegen Basiliscus in der Stadt am Bosporus, weswegen dessen Herrschaft rasch zusammenbrach, obwohl er in einem Anti-Enkyklion einen erneuten Kurswechsel versuchte (CSCO 38, S. 219, 12 – 13). Der Aufstand des Basiliscus zeigte dem siegreich in seine Kaiserstadt zurückkehrenden Kaiser Zeno, dass die Frage der Anerkennung der Synode von Chalcedon (451) neu angegangen werden musste. Zusammen mit dem Erzbischof Acacius legte der Kaiser ein Dokument vor, das er an die Kirche Ägyptens richtete. In ihm bestimmte Zeno, dass „sowohl wir als auch die Kirchen an allen Orten kein anderes Symbol und keinen anderen Glauben“ (vgl. [2 – 10], S. 53,18 – 22) haben dürften als jenen des Konzils von Nicaea (325). Anerkannt wurden zwar die anti-pneumatomachischen Ausführungen des Konzils von Konstantinopel (381) sowie die anti-nestorianischen Erläuterungen der ,cyrillischen‘ Synode von Ephesus (431) – in Unterscheidung zum Enkyklion wurde nun im Henotikon jedoch Eutyches selbst verurteilt (vgl. [2 – 10], S. 52, 26 – 53,28). Es solle bekannt werden, dass der Fleisch gewordene Gott-Logos „eines Wesens“ (homoousios) sei (vgl.

Das Henotikon des Kaisers Zeno

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II. Die sieben Konzilien des Altertums

Das Acacianische Schisma

Die pro-chalcedonensische Wende des Justinus (518)

Die Einigungsbemühungen des Justinianus (527 – 536)

[2 – 10], S. 54, 1 – 3). Ein jeder, der „anders gedacht ha[be] oder denk[e]“, sei aus der Gemeinschaft der Kirche auszuschließen, sei es „in Chalcedon oder anderswo“ (vgl. [2 – 10], S. 54, 12 – 15). Auch wenn Zeno und Acacius durch diese Formulierungen den inhaltlichen Anliegen der Alexandriner sehr entgegenkamen, waren sie doch auch darum bemüht, Rücksicht auf die Sedes Apostolica zu nehmen – beispielsweise durch die Verurteilung des Eutyches oder die Betonung, dass der Fleisch gewordene Gott-Logos „eines Wesens“ (homoousios) mit uns Menschen sei. Weil beide Seiten in dem kaiserlichen Dokument ihre Argumentation unterstützende Abschnitte finden konnten, war gerade die Regierungszeit des Kaisers Anastasius (491 – 518) von der Auseinandersetzung um die Frage geprägt, ob das Henotikon eher ein Instrument der Gegner oder der Befürworter der Synode von Chalcedon (451) sei. Bei Papst Felix III. in Rom stießen Kaiser und Erzbischof jedoch auf taube Ohren. Weil es Zeno und Acacius gestatteten, dass der in Rom als Anti-Chalcedonenser angesehene Petrus Mongus als Erzbischof nach Alexandria zurückkehrte und Acacius die Kirchengemeinschaft mit ihm aufnahm (FC 57/2, S. 336, 23 – 27), sprach eine römische Synode im Jahr 484 den Kirchenbann gegen den Erzbischof von Konstantinopel aus (vgl. [2 – 11], S. 77, 8 – 10). Damit nahm das erste Schisma zwischen den Kirchen von Rom und Konstantinopel seinen Anfang, das, in den Worten des Salzburger Kirchenhistorikers Dietmar W. Winkler, „ebenso richtig als das Schisma des Papstes Felix bezeichnet“ werden könne (vgl. [2 – 12], S. 127). Es endete erst, als Kaiser Justinus (518 – 527) im Jahr 518 eine pro-chalcedonensische Wende im Imperium vornahm. Hatten die Kaiser Basiliscus und Zeno eher versucht, auf die Gegner der Synode von Chalcedon (451) zuzugehen, so erstrebte es der aus den lateinischsprachigen Provinzen des Reiches stammende Kaiser Justinus (518 – 527), das Schisma mit dem Apostolischen Stuhl zu beenden. Dies geschah dadurch, dass der Basileus durch seine eigene Unterschrift die in der so genannten Formula Hormisdae zusammengefassten Forderungen des Papstes Hormisda (514 – 523) erfüllte (CSEL 35, S. 520, 28 – 522,6). Daher wurden nicht nur Nestorius und Eutyches, sondern auch Timotheus Aelurus, Petrus Mongus oder Acacius von Konstantinopel verurteilt (CSEL 35, S. 521, 5 – 22). Der Tomus Leonis wurde angenommen (CSEL 35, S. 521, 22 – 24); und der Kaiser bekräftigte, dass die Sedes Apostolica stets den Glauben der Apostel bewahrt habe (CSEL 35, S. 520, 24 – 28). Der anti-chalcedonensische Erzbischof Severus von Antiochia wurde schließlich zwar nach Konstantinopel zitiert, entzog sich dieser Vorladung jedoch durch die Flucht nach Ägypten, wo er weiter im Untergrund wirkte. Nach der syrischen Tradition wurden zusammen mit ihm 52 anti-chalcedonensische Bischöfe in Syrien aus ihren Bistümern vertrieben (CSCO 5, S. 225, 1 – 228,1). Obwohl sich eine Synode in Konstantinopel (518) zu den vier Konzilien einschließlich des Chalcedonense bekannte (ACO III, S. 63, 25 – 32), erkannte der auf Justinus folgende Kaiser Justinianus die Gefahr, dass die Gegner der Synode von Chalcedon (451) eigene Bischofsweihen vornähmen und dadurch eine eigene bischöfliche Sukzession etablierten. In den ersten Jahren seiner Regierung war er daher bemüht, eine Einigung mit ihnen her-

3. Von Ephesus (431) nach Konstantinopel III (680/681): der Glaube an den Christus

beizuführen. Einen wichtigen Schritt auf diesem Weg stellte ein Austausch im Jahr 532 statt, zu dem der Kaiser Vertreter der ,severianischen‘ Partei nach Konstantinopel einlud. Nach der syrischen historischen Tradition schlug der Kaiser den Anti-Chalcedonensern während der so genannten Collatio cum Severianis vor, Chalcedon als eine Synode anzuerkennen, die Eutyches verurteilt habe (PO 13, S. 195, 11 – 12). Die ,Nestorianer‘ sollten aus der Kirche ausgeschlossen (PO 13, S. 195, 8 – 10) und Nestorius selbst sowie die längst verstorbenen antiochenischen Bischöfe Theodorus von Mopsuestia, Theodoretus von Cyrus und Ibas von Edessa verurteilt werden (PO 13, S. 195, 3 – 5). Schließlich sollten die beiden christologischen Aussagen des chalcedonensischen „in zwei Naturen“ wie die anti-chalcedonensische „eine Natur des Fleisch gewordenen Gott-Logos“ als rechtgläubig angesehen werden (PO 13, S. 195, 6 – 8). Dafür müssten diese aber davon ablassen, eigene Bischofsweihen vorzunehmen (PO 13, S. 193, 13 – 14). Es scheint, als ob die Anti-Chalcedonenser zumindest auf den letzten Punkt eingegangen seien. Im Jahr 535 stellte der Erzbischof Anthimus von Konstantinopel darüber hinaus die Kircheneinheit mit dem anti-chalcedonensischen Erzbischof Timotheus von Alexandria wieder her – und zwar auf der Grundlage eines Glaubensbekenntnisses, das nur in der syrischen Überlieferung erhalten ist (CSCO 39, S. 143, 18 – 145, 21). In ihm machte Anthimus – wahrscheinlich im Auftrag des Kaisers Justinianus – weitgehende Zugeständnisse. Sein Ansatz ist in der Forschung daher als ein Versuch gedeutet worden, zur henotischen Politik der Kaiser Zeno und Anastasius zurückzukehren. Es dürfte aber eher wahrscheinlich sein, dass der Erzbischof von Konstantinopel im Auftrag des Kaisers versucht hat, die Gegner der Synode von Chalcedon (451) auf die Kompromisslinie der Collatio cum Severianis festzulegen. In beiden Fällen scheiterte der Ansatz, der die Kircheneinheit im Osten noch einmal wiederherstellte, jedoch, als der römische Papst Agapetus im Jahr 536 als Gesandter des Gotenkönigs in Konstantinopel eintraf; denn Agapetus weigerte sich, Anthimus als Erzbischof von Konstantinopel anzuerkennen, weil er zuvor Bischof von Trapezuntum gewesen sei (CSCO 39, S. 138, 3 – 4). Eine „Versetzung“ (translatio) auf einen anderen Bischofsstuhl widerspreche aber den kirchenrechtlichen Bestimmungen des Konzils von Nicaea (325) (COD, S. 13). Dem Kaiser, der sich als Bewahrer des Konzils von Nicaea (325) präsentierte, blieb daher gar nichts anderes übrig, als Anthimus fallen zu lassen. Eine Synode in Konstantinopel (536) bestätigte daraufhin die endgültige pro-chalcedonensische Wende in der Reichskirche. Der Kirchenhistoriker Evagrius Scholasticus berichtet, dass das Konzil von Chalcedon (451) seitdem „in allen Kirchen verkündet“ worden sei (FC 57/2, S. 472, 5 – 6). Keiner habe es seitdem mehr gewagt, das Konzil von Chalcedon (451) in Frage zu stellen (FC 57/2, S. 472, 6 – 9). Für die miaphysitischen Gegner der Synode war freilich kein Platz mehr in dieser nun einseitig pro-chalcedonensischen Reichskirche. Die Synode von Konstantinopel (536) stellt insofern den entscheidenden Wendepunkt in den Streitigkeiten um die Rezeption des Konzils von Chalcedon (451) dar; denn als Justinianus nach Anthimus von Konstantinopel im Jahr 537 auch den anti-chalcedonensischen Erzbischof Theodosius von Alexandria ab- und durch einen Pro-Chalcedonenser ersetzte, hielten sich die-

Die Synode von Konstantinopel (536)

Das Auseinanderbrechen der Reichskirche

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II. Die sieben Konzilien des Altertums

Weitere theologische Entwicklungen: der Neu-Chalcedonismus und die Lehre von der Enhypostasie

se nicht mehr an ihre Zusagen gebunden und begannen damit, im Untergrund eigene Bischofsweihen vorzunehmen. Durch diese Weihen entstanden eigenständige und von der Reichskirche getrennte Kirchen der antichalcedonensischen Ägypter, Syrer wie Armenier. Wie die Reichskirche führten sie sich auf die apostolische Sukzession zurück und nahmen für sich in Anspruch, an der Tradition der Väter festzuhalten. Heute bilden diese Kirchen die Familie der orientalisch-orthodoxen Kirchen. Trotz dieses Ausscheidens der Anti-Chalcedonenser aus dem Verbund der Reichskirche war die Ära des Justinianus in den Jahren nach der Synode von Konstantinopel (536) von einer weiteren wichtigen Diskussion geprägt: der Frage nach dem Neu-Chalcedonismus. Nach jüngeren Definitionsvorschlägen wird mit dem Fachbegriff des Neu-Chalcedonismus der Versuch umschrieben, die christologische Formel des Konzils von Chalcedon (451) neu zu interpretieren – und zwar unter Rückgriff auf die Christologie des Cyrillus von Alexandria. Dabei bemühten sich Theologen wie Leontius von Jerusalem in den Jahren zwischen 536 und 544 darum, die chalcedonensische Hypostase als die Hypostase des Fleisch gewordenen Gott-Logos zu definieren; denn auf diese Weise konnte eine entscheidende Schwäche der christologischen Formulierung des Konzils von Chalcedon (451) hinweggenommen werden. Nun war die Hypostase des (Fleisch gewordenen) Gott-Logos das handelnde Subjekt in dem Christus. Um dieses Ziel zu erreichen, entwickelten die neu-chalcedonensischen Theologen die Lehre von der Enhypostasie.

Abb. 14: Die Lehre von der Enhypostasie

3. Von Ephesus (431) nach Konstantinopel III (680/681): der Glaube an den Christus

Hatten die Theologen bis dahin die Auffassung vertreten, eine Natur (physis) benötige eine eigene Hypostase (hypostasis), um konkrete individuelle Existenz zu erlangen, so gingen neu-chalcedonensische Autoren einen anderen Weg: Nun konnte eine Natur auch in der Hypostase einer anderen Natur verwirklicht werden. Im Fall des Christus hieß dies: Die menschliche Natur erlangte ihre natürliche Existenz in der Hypostase des ewigen GottLogos, d. h. durch die Aufnahme in die Hypostase des Gott-Logos (PG 86, S. 1593 BC). Damit aber war ein entscheidender Vorbehalt gegen die christologische Formel von Chalcedon aufgehoben: Durch die Lehre von der Enhypostasie war gewährleistet, dass der Gott-Logos das handelnde Subjekt im Inkarnationsgeschehen war. Neu-Chalcedonenser wie Cyrillianer stimmten fortan in dieser Frage überein. Es hat jedoch den Anschein, als weigerte sich eine ganze Reihe von prochalcedonensischen Theologen, diese Identifikation der chalcedonensischen Hypostase mit der Hypostase des [Fleisch gewordenen] Gott-Logos anzunehmen. War die ältere Forschung eher der Meinung, die Verurteilung der antiochenischen Bischöfe Theodorus von Mopsuestia, Theodoretus von Cyrus sowie Ibas von Edessa durch Kaiser Justinianus habe einen Versuch dargestellt, auf die Gegner der Synode von Chalcedon (451) zuzugehen, scheint der so genannte Drei-Kapitel-Streit nach jüngeren Arbeiten eher ein anderes Motiv zu verfolgen: nämlich das Anliegen, den Neu-Chalcedonismus in der verbliebenen Reichskirche durchzusetzen. Daher verurteilte Justinianus im Jahr 544 vermeintliche Lehrsätze (capitula) aus den Werken der drei Antiochener; und eine später als fünftes ökumenisches Konzil anerkannte Synode von Konstantinopel (553) bestätigte diesen Spruch (DH, Nr. 421 – 438). In Bezug auf die neu-chalcedonensische Lehre von der Enhypostasie bekräftigte das Konzil:

Der Drei-KapitelStreit

„Wer [den Ausdruck] ,eine Hypostase unseres Herrn Jesus des Christus‘ so versteht, als ob sie die Bedeutung von vielen Hypostasen annehmen könnte, und dadurch im Geheimen zwei Hypostasen bzw. zwei Personen einzuführen versucht, […] aber leugnet, dass sich der Gott-Logos in der Hypostase mit dem Fleisch geeint hat und es deshalb eine Hypostase bzw. eine Person desselben gibt, und dass in diesem Sinne auch das heilige Konzil in Chalkedon eine Hypostase unseres Herrn Jesus des Christus bekannt hat, der sei mit dem Anathema belegt“ (DH, Nr. 426). Auch wenn sich gegen diese Verurteilung der Drei Kapitel vor allem im lateinischsprachigen Nordafrika Widerstand regte, war der Neu-Chalcedonismus seit dieser Synode von Konstantinopel (553) in der Reichskirche lehramtlich durchgesetzt. Als Kaiser Heraclius (610 – 641) in den ersten Jahrzehnten des siebten Jahrhunderts einen letzten Einigungsversuch mit den Gegnern des Konzils von Chalcedon (451) unternahm, stellte sich die Ausgangslage für ihn daher anders dar. Hatten die anti-chalcedonensischen Severianer bis zur Synode von Konstantinopel (536) davon abgesehen, eigene Bischöfe zu weihen (vgl. S. 46 – 47), so stieß der Basileus in Ägypten, Syrien und Armenien auf eine etablierte eigenständige kirchliche Organisation. Den Ausschlag zu diesem letzten Unionsunterfangen scheint die Eroberung der Ostprovinzen

Der Einigungsversuch des Kaisers Heraclius

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II. Die sieben Konzilien des Altertums

des Imperiums durch die persischen Sassaniden in den Jahren zwischen 609 und 619 dargestellt zu haben; denn der Kaiser und seine Berater führten den raschen Zusammenbruch der (ost)römischen Position wohl auch auf die Zerstrittenheit der Christen zurück. Die theologische Grundlage für den Kompromissversuch bildete die Lehre von der einen „Wirkweise“ (energeia).

Abb. 15: Die Lehre von der Mia Energeia Die Lehre von der Mia Energeia

Bereits Cyrillus von Alexandria hatte in seinem Kommentar zum Johannesevangelium dargelegt, dass von dem Fleisch gewordenen Gott-Logos eine einzige „Wirkweise“ (energeia) ausgehe (PG 73, S. 577 C). In Anlehnung an Dionysius Areopagita nannte der Anti-Chalcedonenser Severus von Antiochia diese die eine „gott-menschliche Wirkweise“ (he¯ mia theandrike¯ energeia) (DP, S. 309, 16 – 25). Daher war die Aussage von der einen Wirkweise (energeia) für die Gegner der Synode von Chalcedon (451) eine Folge ihrer Betonung des Fleisch gewordenen Gott-Logos als des handelnden Subjekts in dem einen Christus. Wenn die vollkommene Gottheit und die vollkommene Menschheit des Christus nur eine Natur (physis) und Hypostase

3. Von Ephesus (431) nach Konstantinopel III (680/681): der Glaube an den Christus

(hypostasis) bildeten, dann stand für die anti-chalcedonensischen Severianer fest, dass von dieser auch nur eine zusammengesetzte Wirkweise (energeia) ausgehe. Wie es Cyrillus von Alexandria in der Deutung der Auferweckung des Lazarus (Joh 11, 1 – 44) nämlich betonte, wirkten der Gott-Logos und sein Fleisch miteinander: Der Gott-Logos ließ die heilende Kraft ausströmen (PG 73, S. 577 C); das mit diesem hypostatisch geeinte Fleisch übertrug diese durch die Berührung auf den Toten. Dadurch konnte dieser wieder ins Leben erweckt werden. Insofern war die eine Wirkweise des Fleisch gewordenen Gott-Logos eine – aus dem Wirken des Gott-Logos und des mit ihm hypostatisch geeinten Fleisches – zusammengesetzte. Es erscheint deshalb theologisch zutreffender, diesen christologischen Ansatz – in Anlehnung an die Unterscheidung zwischen Mia- und Monophysitismus – als Miaenergetismus und nicht als Monenergetismus zu bezeichnen. Patriarch Sergius von Konstantinopel erkannte offenbar die Brückenfunktion, die sich aus diesem Ansatz ergab. Wenn der Neu-Chalcedonismus ebenso die Hypostase des [Fleisch gewordenen] Gott-Logos zum handelnden Subjekt in dem Christus erklärte, wie dies die Anti-Chalcedonenser taten, dann musste auch die Aussage von einer zusammengesetzten Wirkweise (energeia), die von dieser Hypostase ausgehe, gleichermaßen für NeuChalcedonenser hinnehmbar sein. Durch Anfragen an pro-chalcedonensische Bischöfe wie Theodorus von Pharan erhielt der Erzbischof von Konstantinopel die Antwort, dass die Lehre von der einen Wirkweise (energeia) auch für reichskirchliche und pro-chalcedonensische Bischöfe akzeptabel sei. Daher verhandelten der Kaiser und seine Berater mit Vertretern der antichalcedonensischen Kirchen und erzielten nach dem entscheidenden Sieg über die Perser im Jahr 627 noch einmal Übereinkünfte, die letzten in der bisherigen Kirchengeschichte: im Jahr 629 wahrscheinlich mit dem syrischen Erzbischof von Antiochia, Athanasius Gammala; im Jahr 631 mit dem Katholikos der Armenier, Esdras; sowie im Jahr 633 mit den Severianern Ägyptens. Im Jahr 630 stellten der Kaiser und der Katholikos der ostsyrischen Kirche des Ostens im Perserreich in Aleppo sogar die Übereinstimmung im Glauben zwischen ihren Kirchen fest. Es schien, als gelänge noch ein letztes Mal die Wiederherstellung der Kircheneinheit. Gescheitert sind diese Kirchenunionen jedoch an dem Widerstand, den der pro-chalcedonensische Erzbischof von Jerusalem, Sophronius, ihnen entgegensetzte. Im Unterschied zu anderen neu-chalcedonensischen Autoren leitete Sophronius den christologischen Terminus technicus der Wirkweise (energeia) nicht von der Hypostase (hypostasis) her, sondern von der Natur (physis). Wenn es demnach – im Sinne der christologischen Formulierung des Konzils von Chalcedon (451) – in dem einen Christus zwei Naturen gebe (en dyo physesin), dann müssten in diesem auch zwei von diesen beiden Naturen (physeis) ausgehende Wirkweisen (energeiai) angenommen werden (PO 39, S. [58] 222, 7 – 9). Alles andere führe zu einer Vermischung der beiden Naturen, also zu Monophysitismus. Auch wenn Patriarch Sergius noch einmal einen neuen Kompromissvorschlag unterbreitete, musste er die Aussichtslosigkeit seines Unterfangens erkennen. In dem Ekthesis genannten Dokument (ACO II/1, S. 156, 27 – 162, 23) untersagte der Erzbischof der Kaiserstadt daher jede weitere Diskussion über die Frage nach der oder den

Die letzten Kirchenunionen

Das Scheitern der Unionen

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II. Die sieben Konzilien des Altertums

Der Henotheletismus und das Konzil von Konstantinopel (680/681)

Wirkweisen. An Stelle dessen schlug er vor, anzuerkennen, dass es in dem einen Christus auch nur einen Willen (thelema) gebe; denn selbst Nestorius, der den einen Christus in zwei Söhne gespalten habe, sei niemals auf die Idee gekommen, in dem einen Christus zwei sich widerstrebende Willen anzunehmen (ACO II/1, S. 160, 20 – 22). Die letzten Einigungsbemühungen zwischen den Christen endeten damit in dem selben Jahr 638, in dem die Muslime die Heilige Stadt Jerusalem eroberten. Auch wenn der Vorstoß, in dem Christus nur einen Willen (thele¯ma) zu bekennen, wohl auf die anti-chalcedonensischen Severianer abzielte, nahmen diese an den folgenden Auseinandersetzungen nicht mehr teil. Seit der Niederlage der (ost)römischen Truppen in der Schlacht am Yarmuk (636) standen ihre Länder unter der Herrschaft der Muslime. Wie der Drei-Kapitel-Streit (vgl. S. 49) war daher die Auseinandersetzung um den Henotheletismus eher eine inner-chalcedonensische Diskussion. Sie wurde hauptsächlich von griechischsprachigen Mönchen geprägt, die vor Persern wie Muslimen in den lateinischen Westen flohen und ihren Pro-Chalcedonismus vertraten. Die Untersuchungen von Heinrich Riedinger haben beispielsweise gezeigt, dass die Verhandlungen auf der Synode im Lateran (649) im Original auf Griechisch geführt worden sind. Das dritte bzw. sechste ökumenische (DH, Nr. 553) Konzil von Konstantinopel (680/681) beendete die inner-chalcedonensische Diskussion und formulierte abschließend den Christusglauben der Reichskirche bis heute lehramtlich verbindlich: „Ebenso verkünden wir gemäß der Lehre der heiligen Väter, dass sowohl zwei natürliche Weisen des Wollens bzw. Willen (dyo physikas thele¯seis e¯toi thele¯mata) als auch zwei natürliche Tätigkeiten (dyo physikas energeias) ungetrennt, unveränderlich, unteilbar und unvermischt in ihm sind; und die zwei natürlichen Willen sind einander nicht entgegengesetzt […], wie die ruchlosen Häretiker behaupten; vielmehr ist sein menschlicher Wille folgsam und widerstrebt und widersetzt sich nicht, sondern ordnet sich seinem göttlichen und allmächtigen Willen unter“ (DH, Nr. 556).

Die Verurteilung des Honorius

Mit diesem Konzil hat sich der (Neu-)Chalcedonismus endgültig in der Reichskirche durchgesetzt; denn ebenso, wie dies Sophronius von Jerusalem getan hatte (vgl. S. 51), wurden die Wirkweise (energeia) wie der Wille (thele¯ma) von der Natur (physis) unter Berufung auf den Satz des Tomus Leonis, dass eine jede der beiden Gestalten das tue, was ihr eigentümlich sei (vgl. S. 38), hergeleitet (DH, Nr. 557). Unter den von dem Konzil von Konstantinopel (680/681) Verurteilten befand sich neben dem Patriarchen Sergius von Konstantinopel (DH, Nr. 551) auch der Papst Honorius (DH, Nr. 552), der, wie es sein Nachfolger Papst Leo II. erklärte, „diese apostolische Kirche nicht durch die Lehre der apostolischen Überlieferung reinigte, sondern zuließ, dass die unbefleckte [Kirche] durch unheiligen Verrat befleckt werde“ (DH, Nr. 563). Dabei hatte Honorius lediglich deshalb einen Willen in dem Christus angenommen, weil er erklärte, dass das mit dem Gott-Logos geeinte Fleisch ohne Sünde gewesen sei, weswegen keine zwei sich widersprechenden „Willen“ (thele¯-

4. Das zweite Konzil von Nicaea (787) und der byzantinische Bilderstreit

mata) in dem einen Christus angenommen werden dürften (ACO II/1, S. 552, 12 – 14). Mit dem sechsten ökumenischen Konzil von Konstantinopel (680/681) war die Formulierung des Christusglaubens für die Reichskirche lehramtlich zu einem Abschluss gebracht. Nach seiner Definition gab es als Konsequenz der beiden chalcedonensischen Naturen (en dyo physesin) in dem einen Christus auch zwei natürliche Wirkweisen (dyo energeia) und zwei natürliche „Willen“ (thele¯mata). Diese liegen aber deshalb nicht mit sich selbst im Widerspruch, weil sich der menschliche Willen freiwillig dem göttlichen unterwirft (DH, Nr. 556). Bis heute bekennen sich sowohl die Christen des lateinischen Westens wie die des griechischen Ostens zu diesem Christusglauben. Die Christen des Orients erkennen hingegen entweder, wie die Kirche des Perserreiches, allein die durch das erste Konzil von Konstantinopel (381) erweiterte fides Nicaena an oder aber, wie die Ägypter, Syrer und Armenier, die ersten drei Konzilien von Nicaea (325), Konstantinopel (381) und Ephesus (431). Trotz der unterschiedlichen Formeln hat das seit dem zweiten Vatikanischen Konzil angestoßene Gespräch unter den Christen zum Ergebnis erbracht, dass die Worte zwar differieren, manchmal aber einen gemeinsamen Inhalt meinen können.

Zusammenfassung

4. Das zweite Konzil von Nicaea (787) und der byzantinische Bilderstreit Nach den Auseinandersetzungen um die Rezeption des Konzils von Chalcedon (451) vom fünften bis zum siebten Jahrhundert entstand im achten und neunten Jahrhundert ein ebenso erbitterter Streit über die Frage, ob Christusbilder überhaupt angefertigt und in der Liturgie der Kirche verwendet werden dürften. Der byzantinische Bilderstreit nahm seinen Anfang. Er wurde in erster Linie in der nach dem Verlust der östlichen Provinzen an die muslimischen Araber geschrumpften Reichskirche ausgetragen (vgl. [2 – 15], S. 27 – 73). Doch auch der lateinischsprachige Westen und die Patriarchate des Ostens wurden in ihn hineingezogen (vgl. [2 – 15], S. 63 – 64). Wie in den christologischen Diskussionen bekämpften sich im byzantinischen Bilderstreit zwei Richtungen: die Ikonenbefürworter, die Ikonodoulen, sowie die Bildergegner, die Ikonoklasten. Die Ikonoklasten argumentierten gegen die Christusikonen in erster Linie mit dem Bilderverbot des Dekaloges: „Du sollst dir kein Gottesbild machen und keine Darstellung von irgendetwas am Himmel oben, auf der Erde unten oder im Wasser unter der Erde“ (Ex 20,4). Wenn Gott selbst es verboten hatte, dass sich die Menschen ein Bild von ihm anfertigten, dann stelle es einen Verstoß gegen diese göttliche Anweisung dar, wenn die Gläubigen Bilder von Christus verehrten. Des Weiteren wiesen die Bildergegner auf ein christologisches Problem hin. Da es nicht möglich sei, die göttliche Natur des Christus abzubilden, führe eine Christusikone entweder zu Eutychianismus oder Nestorianismus; zu Nestorianismus, wenn die beiden Naturen der Gottheit wie der Menschheit in dem Christus in einer unzulässigen Art

Der „Bilderstreit“

Die beiden Parteien

Argumente der Bildergegner

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II. Die sieben Konzilien des Altertums

und Weise auseinandergerissen würden; oder zu Eutychianismus, wenn die beiden Naturen in dem Christusbild miteinander vermischt dargestellt würden (vgl. [2 – 13], S. 70). Dementsprechend hielt die ikonoklastische Synode von Hiereia (754) fest: „Denn dieser verfertigte ein Bild und nannte es ,Christus‘; und es bedeutet der Name Christus Gott und Mensch. Folglich ist es auch ein Bild Gottes und des Menschen. Und folglich stellte er [sc. der Mensch], wie es seiner Eitelkeit gefiel, das Nichtdarstellbare der Gottheit mit der Darstellung des geschaffenen Fleisches zusammen dar, beziehungsweise vermischte jene unvermischbare Einheit, wobei er der Gesetzlosigkeit der Vermischung verfiel und dadurch der Gottheit zwei Lästerungen zufügte durch die Darstellung und durch die Vermischung. Eben diesen Lästerungen unterliegt nun auch derjenige, der das Bild verehrt. Und das ,Wehe‘ folgt den beiden auf dem Fuße, weil sie zusammen mit Arius, Dioskur, Eutyches und der Häresie der Akephaloi [sc. einer Gruppe von anti-chalcedonensischen Ägyptern] in die Irre gegangen sind“ (vgl. [2 – 14], S. 40 – 41, 252 AB). Argumente der Bilderbefürworter

Für die liturgische Verwendung der Christusbilder warben hingegen die Ikonodoulen. Sie antworteten auf die Einwände der Bildergegner mit dem Hinweis darauf, dass Gott selbst durch seine Menschwerdung das Bilderverbot des Alten Testamentes aufgehoben habe. Wenn Gott selbst als Mensch sichtbar geworden sei, dann sei es auch zulässig, ihn als menschgewordenen Gott abzubilden. Insbesondere der Kirchenvater Johannes von Damaskus (ca. 650 – 750), der selbst unter arabischer Herrschaft außerhalb des Reiches lebte, unterstrich diesen Aspekt: „Wenn der Körperlose um deinetwillen Mensch wird, dann darfst du das Bild seiner menschlichen Gestalt malen. Wenn der Unsichtbare im Fleisch sichtbar wird, dann darfst du ein Bild des sichtbar Gewordenen machen. Wenn er, der ohne Gestalt und Grenze, unermesslich in der Grenzenlosigkeit seiner eigenen Natur, als Gott existierend, die Gestalt eines Knechtes in Wesen und Statur auf sich nimmt, dazu einen Körper aus Fleisch, dann darfst du sein Abbild malen und es jedem zeigen, der es betrachten will“ (PG 94, S. 1240 A). Darüber hinaus griffen die Ikonodoulen auf die Ideenlehre des griechischen Philosophen Platon (ca. 428 – 348 v. Chr.) zurück, indem sie zwischen der kultischen „Verehrung“ (Proskynesis katha time¯n) eines Christusbildes und der kultischen „Anbetung“ (Proskynesis katha latreian) unterschieden. Die kultische Verehrung eines Christusbildes beziehe sich, so wurde argumentiert, auf das Abbild (eiko¯n), d. h. den Spiegel der verborgenen göttlichen Wirklichkeit in der realen Welt der Menschen. Die dem Abbild (eiko¯n) in der Welt der Menschen erwiesene kultische Verehrung (proskynesis) gelte jedoch dem Urbild (pro¯totypon), der verborgenen Wirklichkeit Gottes. In Rückgriff auf den kappadokischen Kirchenvater Basilius von Caesarea (PG 32, S. 149 C) erklärten die Bilderbefürworter deshalb, dass die dem Christusbild erwiesene kultische „Verehrung“ direkt auf das hinter diesem Abbild verborgene Urbild, d. h. Christus selbst, übergehe. Das heißt, wer das Chris-

4. Das zweite Konzil von Nicaea (787) und der byzantinische Bilderstreit

tusbild kultisch verehre, bete auf eine rechte Art und Weise Christus selbst an. Die später als siebtes ökumenisches Konzil rezipierte Synode von Nicaea (787) bestätigte dementsprechend: „,Denn die Verehrung des Bildes geht über auf das Urbild‘, und wer das Bild verehrt (ho proskyno ¯ n te¯n eikona), verehrt in ihm die Hypostase des darin Abgebildeten (proskynei en aute¯ tou eggraphomenou te¯n hypostasin)“ (DH, Nr. 601). Da nach dem Ende der Auseinandersetzungen vor allem die Schriften der Bildergegner, der Ikonoklasten, verloren gegangen sind, lassen sich die genauen Gründe für den Beginn des Vorgehens gegen die Bilder kaum umfassend feststellen. Nach dem (ost)römischen Historiker Theophanes (ca. 760 – 817) begann Kaiser Leon III. im Jahr 726 damit, „von der Wegnahme der heiligen und verehrungswürdigen Bilder zu reden“ (PG 108, S. 816 B). Als Begründung berief sich der Kaiser in Konstantinopel auf einen unterseeischen Vulkanausbruch nordöstlich der Insel Kreta, den der Kaiser augenscheinlich als Zeichen für Gottes Unwillen deutete (vgl. [2 – 15], S. 43). Wenn diese Darstellung den tatsächlichen Ereignissen entspricht, dann setzte mit diesem Vorgehen des Kaisers Leon III. die erste ikonoklastische Periode ein, die in der Synode von Hiereia (754) ihren Höhepunkt fand. Diese Synode verstand sich selbst als eine allgemeine Synode (vgl. [2 – 14], S. 30 – 31, 209 CD).

Der Verlauf des Bilderstreites

Abb. 16: Der Verlauf des byzantinischen Bilderstreites

Die Synode von Hiereia (754) erklärte, dass sich durch die Verehrung der Christusikonen der Götzendienst in die Kirche eingeschlichen habe (vgl. [2 – 14], S. 221 CD), da die Gläubigen die Bilder verehrten und tatsächlich anbeteten (vgl. [2 – 14], S. 221 CD). An Stelle dessen forderte das Konzil die Verehrung Gottes im Geist und in Wahrheit (vgl. [2 – 14], S. 216 BC). Eine Spaltung oder Vermischung der beiden Naturen der Gottheit und der Menschheit in dem einen Christus sei nämlich in keiner Weise zulässig (vgl. [2 – 14], S. 245 DE). Auch wenn die einzelnen Maßnahmen sicher unterschiedlich ausgeführt worden sein dürften, wurden in dieser ersten ikonoklastischen Periode in den Kirchengebäuden häufig Fresken entweder abgewaschen oder übertüncht, die bisherige Bemalung durch Bäume, Blumen,

Die Synode von Hiereia (754)

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II. Die sieben Konzilien des Altertums

Der Konzil von Nicaea (787)

Vögel oder Kreuzdarstellungen ersetzt. Ein Beispiel für diese Art von Kirchenausstattung stellen die Höhlenkirchen von Göreme in Kappadokien dar. Ein Umschwung setzte ein, als im Jahr 780 mit Irene (780 – 802 Kaiserin mit Unterbrechungen) eine Bilderbefürworterin die Regentschaft für ihren minderjährigen Sohn Konstantin VI. (780 – 797) übernahm. Sie strebte danach, durch eine neue Synode die bilderfeindlichen Beschlüsse des Konzils von Hiereia (754) aufzuheben. Als Begründung für die Möglichkeit, die Bestimmungen der allgemeinen Synode von Hiereia (754) für ungültig zu erklären, verwies die von Irene nach Nicaea einberufene Synode darauf, dass die Patriarchate des Orients in Hiereia nicht vertreten gewesen seien. Daher könne die Synode von Hiereia kein allgemeines Konzil gewesen sein (vgl. [0 – 3], S. 90). In Nicaea verhalte es sich dagegen anders; denn neben Vertretern der Metropolitansitze des Orients sei auch der Apostolische Stuhl durch Legaten repräsentiert (vgl. [2 – 15], S. 61). Hinsichtlich der Zulässigkeit von Bildern im liturgischen Gebrauch der Kirche bestimmte das Konzil: „Gleichsam den königlichen Pfad schreitend und folgend der Gott verkündenden Lehre unserer heiligen Väter und der Überlieferung der katholischen Kirche, […] beschließen wir […], in den heiligen Kirchen Gottes, auf den heiligen Geräten und Gewändern, Wänden und Tafeln, Häusern und Wegen, ebenso wie die Darstellung des kostbaren und lebendig machenden Kreuzes die ehrwürdigen und heiligen Bilder – seien sie aus Farben, Stein oder sonst einem geeigneten Material – anzubringen; [dies gilt] für das Bild unseres Herrn und Gottes und Erlösers Jesus dem Christus, unserer unbefleckten Herrin, der heiligen Gottesgebärerin, der ehrwürdigen Engel und aller heiligen und frommen Menschen“ (DH, Nr. 600).

Der weitere Verlauf des byzantinischen Bilderstreites

Je häufiger nämlich die Gläubigen die bildliche Darstellung betrachteten, desto zahlreicher würden sie emporgerichtet „ zur Erinnerung an die Urbilder und zur Sehnsucht nach ihnen“ (DH, Nr. 601). Durch die „achtungsvolle Verehrung“ der Bilder beteten die Gläubigen in Wahrheit Gott selbst an (DH, Nr. 601). Zwar folgte auf die ikonodoulische Wende unter Kaiserin Irene eine zweite, unter der Herrschaft des Kaisers Leon V. (813 – 820) umso heftiger ausgetragene ikonoklastische Periode, doch war es wiederum eine Frau, welche die kultische Verehrung der Christusbilder in der Reichskirche durchsetzte: Theodora. Als sie im Jahr 842 die Regentschaft für ihren minderjährigen Sohn Michael III. (842 – 867) ausübte, sorgte sie dafür, dass sich die Bilderverehrung endgültig in der Reichskirche durchsetzte. Symbolisch zum Ausdruck gebracht wurde dieser Wandel durch einen feierlichen Gottesdienst am 11. März 843 in der Kathedrale der Hl. Weisheit, der Hagia Sophia, in Konstantinopel, in welchem die kultische Verehrung der Bilder feierlich vollzogen wurde. Seitdem feiern die orthodoxen Kirchen der byzantinischen Tradition bis zum heutigen Tag in Erinnerung an diese endgültige Entscheidung des Streites das „Fest der Orthodoxie“, und zwar am ersten Sonntag der Großen Fastenzeit. Hans-Dieter Döppmann hat daher zusammenfassend festgehalten: „Für die gottesdienstliche Praxis der ortho-

5. Ein Nachspiel: die Synoden von Konstantinopel (861 – 880)

doxen Kirchen wurden die Bilder zu einem nicht mehr fortzudenkenden Bestandteil“ (vgl. [2 – 15], S. 73). Für die Annahme des Konzils von Nicaea (787) im lateinischen Westen erwies es sich als problematisch, dass im Frankenreich zu jener Zeit Karl der Große (768 – 814) regierte, der mit Kaiserin Irene im Streit lag. Der Frankenherrscher verlangte nämlich die Anerkennung als „römischer Kaiser“ (imperator Romanorum), welche ihm der Osten aus seinem eigenen Selbstverständnis heraus nicht gewähren konnte; denn aus der Sicht von Konstantinopel residierte der „römische Kaiser“ (ho basileus to¯n Rho¯maio¯n) im Imperium Romanum, d. h. in den Gebieten des Ostens, die unter der Herrschaft des Basileus in Konstantinopel standen. Die Forderung Karls stellte insofern eine Provokation für das (ost)römische Empfinden dar. Karl nutzte die Beschlüsse der Synode von Nicaea (787) insofern, um gegen das Kaiserreich im Osten zu agitieren. Zum einen erklärte eine in Frankfurt am Main im Jahr 794 einberufene Synode des Westens, dass das Konzil von Nicaea (787) deshalb nicht anerkannt werden könne, weil es sich um eine „Pseudosynode der Griechen“ (contra synodum, que in partibus Graetiae […] gesta est [MGH. Conc. 2, S. 97]) gehandelt habe, an welcher die Kirche im Frankenreich nicht beteiligt gewesen sei. Zum anderen behaupteten die so genannten Libri Carolini, eine im lateinischen Westen publizierte Sammlung von Aussagen zur Bild- und Worttheologie, dass die Griechen in Nicaea (787) die Anbetung der Bilder beschlossen hätten (pro adorandis imaginibus [MGH. Conc. 2, S. 97]) – was, in den Worten von Klaus Schatz, „natürlich eine groteske Verzerrung“ (vgl. [0 – 3], S. 93) des wahren Anliegens des Konzils von Nicaea (787) mit seiner Unterscheidung zwischen der kultischen Verehrung (proskynesis) und der Anbetung Gottes (latreia) darstelle. In einem Brief forderte Karl der Große Papst Hadrian I. (772 – 795) dazu auf, der Synode die Anerkennung zu versagen (MGH.EKA III, S. 5 – 57). Der römische Papst verteidigte zwar unter Berufung auf einen Brief von Papst Gregor dem Großen den liturgischen Gebrauch der Bilder (aliud est enim picturam adorare, aliud per picturae historiam quid sit adorandum addiscere [PL 77, S. 1128 C]), die formale Anerkennung der Synode von Nicaea (787) als siebtes ökumenisches Konzil sprachen die Vertreter des Apostolischen Stuhles jedoch erst auf einer Synode in Konstantinopel (880) aus (Mansi 17a, S. 494 DE). Zu dieser Zeit war freilich der Streit im (ost)römischen Reich bereits entschieden.

Die Ablehnung der Synode im Frankenreich

5. Ein Nachspiel: die Synoden von Konstantinopel (861– 880) Die Auseinandersetzungen um die Frage des rechten Umgangs mit den Christusbildern führen vor Augen, wie sehr sich der lateinische Westen und der griechische Osten bereits in ihrer Theologie voneinander entfernt hatten. Die inhaltlichen Differenzen brachten hierarchische Auseinandersetzungen mit sich, weil die Kaiser in Konstantinopel in der ersten ikonoklastischen Periode diejenigen Gebiete dem Einfluss Roms entzogen, auf welche

Hierarchische Auseinandersetzungen

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II. Die sieben Konzilien des Altertums

Differenzen in der Mission

Das Konzil von Konstantinopel (869/ 870)

der Apostolische Stuhl seit der Antike einen Anspruch erhob. Dies sind die lateinischsprachigen Regionen in Griechenland und im Illyricum sowie die griechischsprachigen Gebiete Süditaliens (vgl. [0 – 3], S. 89). Dies geschah wohl in erster Linie deshalb, weil die Herrscher in der Stadt am Bosporus ihre bilderfeindliche Politik im Reichsgebiet durchsetzen wollten, während die Päpste in Rom den Gebrauch der Bilder zur Unterweisung der des Lesens Unkundigen verteidigten. Neue Spannungen zwischen den Kirchen von Konstantinopel und Rom eröffnete das Ringen um die Missionierung der slavischen Völker im neunten und zehnten Jahrhundert. Sowohl im Großmährischen Reich, in dem die später als Apostel der Slaven verehrten Brüder Konstantin/Cyrillus und Methodius aus Thessaloniki wirkten, als auch in Bulgarien sowie im Reich der Kiever Rus’ wetteiferten lateinische wie griechische Missionare miteinander. Im Zuge dieser Differenzen kam es in Konstantinopel in den Jahren zwischen 861 und 880 zu drei Synoden unter Beteiligung des Apostolischen Stuhles. Sie standen in einem Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen um den Patriarchen Photius (ca. 810 – 890), der zunächst eingesetzt, dann abgesetzt und später wieder in sein Amt eingeführt wurde. Die lateinische Kirche zählt heute die zweite dieser Synoden im Jahr 869/870 als achtes ökumenisches Konzil. Griechische Autoren bezeichnen hingegen entweder die dritte der Synoden, die im Jahr 879/880 in der Kaiserstadt am Bosporus tagte, als das achte ökumenische Konzil, oder sie gestehen diesen Titel keiner der Bischofsversammlungen in Konstantinopel zu (vgl. [0 – 3], S. 94 – 95; [0 – 1], S. 170 – 172). Unter den Verfügungen des von der lateinischen Kirche anerkannten Konzils von 879/880 ragen drei Punkte heraus: Zum einen erkannte die Bischofsversammlung in Konstantinopel die Synode von Nicaea (787) als siebtes ökumenisches Konzil an (Sicut etiam septimam sanctam et universalem in Nicaea secundo celebratam synodum orthodoxe dogmatizasse novimus; COD, S. 162). Damit wurde die Synode endgültig in West und Ost rezipiert. Zum anderen verfügte sie die Absetzung des Photius als Erzbischof der Kaiserstadt am Bosporus, der es durch Intrigen versucht habe, den rechtmäßigen Patriarchen Ignatius zu vertreiben (COD, S. 163). Schließlich bestätigte die Synode die bestehende Rangordnung innerhalb der Pentarchie, der fünf besonderen Erzbischofssitze in der Kirche: An erster Stelle komme der Papst in Rom, sodann der Patriarch von Konstantinopel und dann diejenigen von Alexandria, Antiochia und Jerusalem (praecipue quidem sanctissimum papam senioris Romae, deinceps autem Constantinopoleos patriarcham, deinde vero Alexandriae, ac Antiochiae, atque Hierosolymorum; COD, S. 182). Es sei niemandem unter dem Vorwand von angeblich umhergehenden Gerüchten erlaubt, entweder Schriften gegen den Papst im alten Rom zu verfassen noch diesen durch Reden zu schmähen, wie dies der abgesetzte Patriarch Photius getan habe (Sed nec alium quemcumque conscriptiones contra sanctissimum papam senioris Romae, ac verba complicare et componere, sub occasione quasi diffamatorum quorumdam criminum, quod et nuper Photius fecit; COD, S. 182). Auch wenn sich die päpstlichen Legaten in diesen Punkten durchgesetzt zu haben scheinen, fand sich der Osten nicht dazu bereit, die im achten Jahrhundert verlorenen Gebiete an

5. Ein Nachspiel: die Synoden von Konstantinopel (861 – 880)

den Papst zurückzugeben. Diese Forderung ließ sich insbesondere deshalb nicht durchsetzen, als der von Rom geförderte Patriarch Ignatius im Jahr 877 verstarb, weshalb Photius als sein Nachfolger auf seinen Bischofsthron zurückkehren konnte. Die fehlende gemeinsame Anerkennung einer der Konstantinopolitaner Synoden zeigt, dass sich die Kirchen des Ostens und des Westens im neunten Jahrhundert auseinandergelebt hatten. Nach den beiden Synoden gab es keine Versuche der Kaiser in Konstantinopel mehr, ein allgemeines Konzil unter Beteiligung des Apostolischen Stuhles sowie der Patriarchen des Orients einzuberufen. Die Konzilien der lateinischen Kirche ab dem zwölften Jahrhundert setzen insofern einen neuen Begriff von einem ökumenischen Konzil voraus (vgl. S. 60 – 62). An seinen Beratungen waren – mit der Ausnahme des zweiten Konzils von Lyon (1274) und den Verhandlungen in Florenz (1439) – nur noch diejenigen Personen beteiligt, welche in der Gemeinschaft mit dem Papst in Rom standen und von diesem berufen worden sind (vgl. S. 60). Da es auch andere regionale päpstliche Synoden gab, setzten sich die so genannten Päpstlichen Generalkonzilien im lateinischen Westen erst in der Rückschau des 16. Jahrhunderts als allgemeine Synoden der westlichen Kirche durch (vgl. [0 – 3], S. 103 – 104; [0 – 1], S. 198 – 202). Die orthodoxen Kirchen der byzantinischen Tradition zählen diese Synoden freilich nicht als ökumenische; ebenso wenig die orientalischen Kirchen.

Schlussfolgerung

59

III. Die Päpstlichen Generalkonzilien des Mittelalters 1. Das Entstehen eines neuen Konzilstyps Konziliare Tätigkeit in West und Ost

Lateinische Synoden im Spannungsfeld zwischen Kaiser und Papst

Die Synoden der päpstlichen Reform

Auch wenn es nach den beiden Synoden der Jahre 869/870 bzw. 879/880 in Konstantinopel im ersten Jahrtausend keine gemeinsamen Konzile der westlichen wie der östlichen Christenheit mehr gab, kamen in beiden Kirchen eigene Synoden zusammen. Im Osten riefen die Patriarchen von Konstantinopel, wie bisher, im Auftrag und in Absprache mit dem Basileus die Bischöfe der östlichen Reichskirche zu lokalen Versammlungen zusammen. Diese berieten intern über die Angelegenheiten der Kirche im Osten. Ebenso hielten es die Patriarchen der orientalischen Kirchen außerhalb des Imperiums. Im Westen gab es solche Synoden entweder als Reichssynoden des fränkischen und später deutschen Reiches, wie etwa das Concilium Germanicum des Missionars Wynfreth/Bonifatius im Jahr 742 (vgl. [0 – 3], S. 84 – 86), oder als Synoden, zu denen der Papst in Rom einlud ([0 – 1], S. 200 – 202; [0 – 2], S. 39). Im zehnten und elften Jahrhundert lassen sich darüber hinaus Synoden beobachten, auf denen der westliche Kaiser und der römische Papst entweder zusammenwirkten oder einander bekämpften (vgl. [0 – 3], S. 101). Zu ihnen gerechnet werden etwa die Synoden von Sutri und Rom im Jahr 1046, auf welchen unter dem Druck des westlichen Kaisers Heinrich III. (1039 – 1056) zunächst Papst Gregor VI. (1045 – 1046) abgesetzt und danach der Bischof Suidger von Bamberg zum neuen Papst erhoben worden ist. Ausgangspunkt für die Päpstlichen Generalkonzilien des Mittelalters sind jedoch diejenigen Synoden geworden, zu denen der Papst im Zeichen der Kirchenreform des elften Jahrhunderts in Rom anwesende Bischöfe um sich versammelte. Insbesondere der streitbare Papst Gregor VII. (1073 – 1085) hat durch seine ,Fastensynoden‘ wesentliche Punkte der Kirchenreform vorangetrieben, beispielsweise durch Beschlüsse gegen den Kauf von klerikalen Ämtern (Simonie), die Priesterehe oder die Laieninvestitur (vgl. [0 – 3], S. 102 – 103). Hubert Jedin hat zu der Entstehung dieses neuen Konzilstyps im lateinischen Westen daher angemerkt: „Die Generalkonzilien des Mittelalters – so bezeichnen sie sich selbst – sind hervorgegangen aus den Synoden, die von den Päpsten der Reformzeit anfangs mit beschränktem, jedoch über Italien hinausgehendem Teilnehmerkreis teils in Rom, teils außerhalb versammelt wurden und sich mit kirchlichen Fragen allgemeiner Natur befassten. Ihre ökumenische Reichweite und Autorität ist durchaus abhängig vom Aufstieg des Reformpapsttums und dessen universaler Geltung, die sich in schwerem Kampf durchsetzte“ ([0 – 2], S. 39).

1. Das Entstehen eines neuen Konzilstyps

Als ihr eigentliches Anliegen bestimmt Alberto Melloni: „Diese Papstkonzilien […] waren der eigentliche Stützpunkt der Päpste in ihrem Bestreben, ihre Macht von den Einschränkungen zu befreien, die ihr die Koexistenz mit der Autorität des Kaisers sowie örtliche Traditionen und Rechte und das Prinzip der Kollegialität der Kardinäle auferlegten“ (vgl. [0 – 1], S. 198 – 199). Da sich diese lateinischen Synoden des Mittelalters aus dem Bestreben der Kirchenreform entwickelten und/oder das Verhältnis zwischen der weltlichen und der geistlichen Macht im lateinischen Westen neu zu regeln suchten, veränderte sich auch der Teilnehmerkreis an einer solchen Synode. Waren es auf den Konzilien des Altertums in der Regel die Kaiser in Konstantinopel gewesen, welche die Bischöfe der Reichskirche versammelten, so lässt sich nun eine andere Zusammensetzung einer solchen westlichen Synode beobachten: Beispielsweise bezogen die Päpste des elften Jahrhunderts auch Äbte von Klöstern des Westens in die Versammlungen ein – wahrscheinlich um das Mönchtum für die Anliegen der Kirchenreform zu gewinnen (vgl. [0 – 1], S. 201). Dazu kamen Vertreter der gleichermaßen von den Zielen der Kirchenreform betroffenen weltlichen Fürsten (vgl. [0 – 2], S. 40). Sie werden beispielsweise auf dem Konzil von Clermont im Jahr 1095 sichtbar, auf dem Papst Urban II. (1088 – 1099) die weltlichen Fürsten und Ritter zum Kreuzzug in das Hl. Land aufgerufen hat (vgl. [0 – 3], S. 103). Auf diese Weise erweiterten die päpstlichen Versammlungen ihren Einfluss und ihre Bedeutung für die lateinische Christenheit (vgl. [0 – 1], S. 198 – 199; [0 – 2], S. 40; [0 – 3], S. 103). In den Worten von Klaus Schatz wurden sie zu „Marksteinen einer kirchlichen ,Bewegung‘“, auch wenn sie den Päpsten lediglich als „Beratungsgremien“ dienten, „bei [denen] es auf Kompetenz und Einfluß und nicht auf selbstständige Amtsautorität ankam“ (vgl. [0 – 3], S. 103). Kennzeichnend für diese Konzilien und Synoden blieb jedoch ein Grundsatz des Dictatus Papae von Papst Gregor VII.: „Keine Synode darf ohne seine [sc. des Papstes] Entscheidung allgemein heißen“ (zit. nach [0 – 2], S. 39). Haben die Konzilien des Altertums in erster Linie dogmatische Fragestellungen entschieden, so treten diese Verhandlungsgegenstände auf den lateinischen Synoden des Mittelalters zurück. Lediglich das vierte Konzil im Lateran (1215) befasste sich ausführlich mit der Lehre der Sekte der Katharer (vgl. S. 66 – 67). Stattdessen rückten Anliegen der Kirchenreform, wie etwa die Begründung des Zölibats, also der Verpflichtung zur Ehelosigkeit für Geistliche, oder der Kampf gegen den Ämterkauf, die Simonie, stärker in den Fokus dieser Synoden (vgl. S. 63). Verschiedene westliche Versammlungen, beispielsweise das zweite und das dritte Konzil im Lateran (1139 und 1179), beendeten päpstliche Schismata, also das Problem, dass es mehr als nur einen Papst gab (vgl. S. 64 – 65). Andere westliche Synoden waren das Ergebnis von Auseinandersetzungen zwischen der weltlichen wie der geistlichen Macht, wie das erste Konzil von Lyon (1245), auf dem sich der westliche Kaiser Friedrich II. und der römische Papst Innocentius IV. (1243 – 1254) gegenüberstanden (vgl. S. 69 – 70). Geprägt waren diese Synoden jedoch schließlich auch von den Veränderungen, welche die Kreuzzü-

Der sich verändernde Teilnehmerkreis

Die neuen Themen

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III. Die Päpstlichen Generalkonzilien des Mittelalters

Der ökumenische Charakter dieser Synoden

ge im elften bis dreizehnten Jahrhundert mit sich brachten. Während beispielsweise das vierte Konzil im Lateran (1215) Bestimmungen hinsichtlich des Verhältnisses zwischen den griechischen und den lateinischen Christen im Lateinischen Kaiserreich von Konstantinopel (1204 – 1261) festsetzte (vgl. S. 67 – 68), führte das Konzil von Vienne (1311) das Ende des Kreuzritterordens der Templer herbei (vgl. S. 75 – 76). Insofern hoben sich die lateinischen Synoden des Mittelalters auch in ihren Beratungsgegenständen von den allgemeinen Konzilien des Altertums ab. Auch wenn sich diese päpstlichen Synoden des elften und zwölften Jahrhunderts in ihrem Adressatenfeld erweiterten, wurde die Frage unterschiedlich diskutiert, ob sie als allgemeine Konzilien anerkannt werden dürften. Klaus Schatz notiert zu dieser Frage, dass die drei ersten Synoden im Lateran in den Jahren 1123, 1139 und 1179 allgemeine Synoden „von ihrem Selbstverständnis her noch nicht im strengen Sinn“ gewesen seien (vgl. [0 – 3], S. 103 – 104). Alberto Melloni hat darauf hingewiesen, dass sich noch im 15. Jahrhundert das Konzil von Florenz (1438 – 1439) darum bemühte, als „achtes ökumenisches Konzil“ anerkannt zu werden (vgl. [0 – 1], S. 199), weil auf ihm Vertreter der Kirchen des Ostens wie des Westens miteinander verhandelten (vgl. S. 87). Es habe diesen Titel zumindest auf den im Jahr 1526 in Rom herausgegebenen Akten beansprucht (vgl. [0 – 1], S. 199). Diese Beobachtungen lassen die These zu, dass es noch im 15. Jahrhundert auch im lateinischen Westen das Verständnis gegeben hat, dass eine allgemeine Synode die ganze Christenheit repräsentieren müsse. In der Bewertung von Alberto Melloni wurden die Päpstlichen Generalkonzilien von der katholischen Kirche daher erst in der Zeit des Konzils von Trient (1545 – 1563) anerkannt, um dessen Autorität als allgemeine Synode gegenüber den Einwänden der Protestanten zu stärken (vgl. [0 – 1], S. 199 – 200). Wie Klaus Schatz es ausdrückt, haben die „Umstände“ und der „historische Hintergrund“ diesen Konzilien erst „nachträglich zu ökumenischem Rang [sc. für die katholische Kirche] verholfen“ (vgl. [0 – 3], S. 104).

2. Die drei Synoden im Lateran 1123, 1139 und 1179 2.1 Das erste Konzil im Lateran (1123) Das Ende des Investiturstreites

Das Konzil, das vom 18. März bis zum 06. April des Jahres 1123 in der Basilika San Giovanni in Laterano tagte, verfolgte in erster Linie das Ziel, den Investiturstreit zu beenden (vgl. [3 – 1], S. 513 – 521). Im Jahr zuvor hatten sich der westliche Kaiser Heinrich V. (1111 – 1125) und Papst Calixtus II. (1119 – 1124) im so genannten Wormser Konkordat auf dem Reichstag vom 23. September 1122 darauf verständigt, die Auseinandersetzung über die Frage, wer die lateinischen Bischöfe in ihr Amt einführen (lateinisch: in = „ein, hinein“ und vestire = „anziehen, bekleiden“) dürfe, in einem Kompromiss zu beenden (vgl. [3 – 1], S. 521). Für den Kaiser war es von Bedeutung, Einfluss auf die Benennung von Bischöfen zu haben, weil diese als Reichsfürsten eine wichtige Stelle im Gefüge des westlichen Imperiums einnahmen (vgl. [3 – 1], S. 507 – 508). Die Päpste der Ära der Kirchenreform woll-

2. Die drei Synoden im Lateran 1123, 1139 und 1179

ten die Kirche hingegen bewusst von dieser Verzahnung mit der weltlichen Gewalt unter dem Schlagwort der „Freiheit der Kirche“, der libertas ecclesiae, freimachen (vgl. [3 – 1], S. 514). Das Wormser Konkordat (1122) zog unter den Streit einen Schlussstrich mit einem Kompromiss: Demnach fanden die Bischofswahlen innerkirchlich weitgehend frei von weltlicher Einmischung statt. Dafür vergab der westliche Kaiser den Bischöfen ihre weltlichen Rechte, die so genannten Regalien (vgl. [0 – 3], S. 104). Das erste Konzil im Lateran diente nun dazu, die Vereinbarung zwischen Kaiser und Papst kirchlich zu bekräftigen. Auch wenn strenge Verfechter der Anliegen der Kirchenreform gegen allzu große Zugeständnisse an die weltliche Seite protestierten, bestätigte die Synode mehrheitlich die ausgehandelte Vereinbarung (vgl. [0 – 1], S. 202 – 203). Mit Blick auf diesen Widerstand auf dem Konzil kommentiert Klaus Schatz: „So sehr auf diesen Konzilien der Papst dominierte und die entscheidende Autorität darstellte, einfach passive und gehorsame Vollstrecker des päpstlichen Willens waren sie nicht“ (vgl. [0 – 3], S. 105). Die kirchenrechtlichen Bestimmungen (canones) der Synode unterstrichen die Kompromisspunkte: Wer seine kirchliche Weihe oder Beförderung erkauft habe (si quis vero in Ecclesia ordinationem vel promotionem taliter acquisierit), verliere diese (DH, Nr. 710). Zum Bischof dürfe nur erhoben werden, wer in Übereinstimmung mit dem kirchlichen Recht geweiht worden sei (Nullus in episcopum nisi canonice electum consecret; COD, S. 190). Priestern, Diakonen und Subdiakonen wurde es untersagt, mit Konkubinen oder Ehefrauen zusammenzuleben (Presbyteris, diaconibus vel subdiaconibus concubinarum et uxorum contubernia penitus interdicimus; DH, Nr. 711) – außer mit solchen Frauen, bei denen das allgemeine Konzil von Nicaea (325) den Geistlichen auf Grund von verwandtschaftlichen Beziehungen eine Ausnahme erteilt habe (praeter quas Synodus Nicaena propter solas necessitudinum causas habitare permisit; DH, Nr. 711). Laien, auch wenn sie Ordensleute seien, dürften keine Verfügungsgewalt über kirchliche Güter haben (laici, quamvis religiosi sint, nullam tamen de ecclesiasticis rebus aliquid disponendi habeant facultatem; DH, Nr. 712). Schließlich wurde noch den Teilnehmern am Kreuzzug die Vergebung der Sünden (Eis qui in Hierosolymam proficiscuntur […] suorum peccatorum remissionem concedimus; COD, S. 191) sowie der Schutz ihres Eigentums (et domos et familias atque omnia bona eorum in beati Petri et Romanae ecclesiae protectione […] suscipimus; COD, S. 191) zugestanden und ein allgemeiner Gottesfriede verkündet (Quicquid vero de pace et trevia Dei vel de incendio seu de publicis stratis ab antecessoribus nostris Romanis pontificibus constitutum est, nos sancti Spiritus auctoritate confirmamus; COD, S. 193). Insofern bestätigte die erste Synode im Lateran (1123) die Kernpunkte des Programms der Kirchenreform im kirchlichen Recht.

2.2 Das zweite Konzil im Lateran (1139) Das unter Papst Innocentius II. (1130 – 1143) ebenfalls in der Lateranbasilika vom 05. bis 22. März des Jahres 1139 tagende Konzil erneuerte die Bestim-

Der Widerstand der Synode

Die canones der Synode

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III. Die Päpstlichen Generalkonzilien des Mittelalters Die Bestimmungen des zweiten Konzils im Lateran

Das Ende des päpstlichen Schismas

mungen gegen die Simonie (COD, S. 197) und gegen den Konkubinat (COD, S. 198), wobei es die Forderung nach der Ehelosigkeit (caelibatus) auf Nonnen ausdehnte (Id ipsum quoque de sanctimonialibus feminis si, quod absit, nubere attentaverint, observari decernimus; COD, S. 198). Es untersagte Mönchen, das weltliche Recht und Medizin zu studieren (leges temporales et medicinam; COD, S. 198). Es verschärfte die Bestimmungen gegen den Kirchenbesitz von Laien (COD, S. 199); und es insistierte auf der Forderung nach einem Gottesfrieden „von Mittwoch ab Sonnenuntergang bis zum Sonnenaufgang am Montag“ sowie „vom Advent bis zum Oktavtag von Epiphanie“ und „von Quinquagesima bis zur Osteroktav“ (COD, S. 199 – 200). Die Synode wandte sich aber auch bereits gegen häretische Gruppen, welche „das Sakrament des Leibes und des Blutes des Herrn“ (Domini corporis et sanguinis sacramentum), die Kindertaufe (baptisma puerorum), das Priestertum (sacerdotium) und die übrigen kirchlichen Ämter (et ceteros ecclesiasticos ordines) sowie den Ehebund (foedera nuptiarum) ablehnten (COD, S. 202). An solche konziliaren Aussagen sollte das vierte Konzil im Lateran (1215) etwa ein Jahrhundert später anknüpfen (vgl. S. 67; 68 – 69). Vor allem aber gewann das zweite Konzil im Lateran (1139) dadurch bleibende Bedeutung, dass es das nach dem Tod von Papst Honorius II. im Jahr 1130 entstandene päpstliche Schisma beendete. Eine Minderheit der Kardinäle hatte nämlich Gregor Papareschi gewählt, der sich Innocentius II. nannte, eine Mehrheit sich hingegen für Pietro Pierleoni entschieden, der den Namen Anacletus II. annahm (vgl. [0 – 1], S. 204). Da Anacletus II. jedoch im Jahr 1138 starb, eröffnete sich der Synode die Möglichkeit, die Spaltung der Kirche, das Schisma, zu beenden. Im canon 30 wurden alle Weihen, die Anacletus II. vorgenommen hatte, für ungültig erklärt (Ad haec ordinationes factas a Petro Leonis et aliis schismaticis et haereticis evacuamus et irritas esse censemus; COD, S. 203).

2.3 Das dritte Konzil im Lateran (1179) Die Beendigung des Papstschismas

Wie die zweite Synode, zog auch das dritte Konzil im Lateran (1179) einen Schlussstrich unter ein päpstliches Schisma. Nach dem Tod von Papst Honorius II. im Jahr 1159 erkor eine Mehrheit Alexander III. (1159 – 1181), eine Minderheit hingegen Victor IV. (1159 – 1164). Da der westliche Kaiser Friedrich Barbarossa (1152 – 1190) Victor IV. unterstützte, spiegelte die Spaltung innerhalb der lateinischen Kirche die Gegensätze zwischen Kaiser Friedrich Barbarossa und Papst Alexander III. wider. Um die Frage zu entscheiden, sprach sich der westliche Imperator Romanorum für eine Synode aus, die er als Schutzherr der Kirche einberief. Sie trat im Jahr 1160 in Pavia zusammen (vgl. [0 – 3], S. 106). Angesichts der Tatsache, dass sich die Versammlung überwiegend aus Reichsbischöfen zusammensetzte, überrascht es wenig, dass sich die vom westlichen Kaiser einberufene Synode für Victor IV. aussprach. Alexander III. erkannte daher die Synode nicht an und berief sich auf den Grundsatz des Dictatus Papae, dass der Apostolische Stuhl von niemandem gerichtet werden könne (prima sedes a nemine iudicatur;

2. Die drei Synoden im Lateran 1123, 1139 und 1179

vgl. S. 61). Weil der Kaiser an ,seinem‘ Papst festhielt, dauerte das Schisma bis zum Jahr 1177 an, in dem sich Kaiser und Papst in Venedig arrangierten. Das Opfer dieser Übereinkunft war der zweite Nachfolger Victors IV., der Abt Johannes von Struma mit dem Namen Calixtus II. (1168 – 1178). Um die Spaltung innerhalb der lateinischen Kirche zu überwinden, versammelte sich daher vom 05. bis 22. März des Jahres 1179 im Lateran eine neue Synode, das dritte Konzil im Lateran (1179). An ihm wirkten etwa 300 Bischöfe mit; dazu eine große Anzahl an Äbten (vgl. [0 – 3], S. 107). Von den Anwesenden stammten unter anderen 51 Teilnehmer aus Rom, 112 aus Italien, 16 aus Deutschland, 25 aus Burgund und 35 aus Frankreich (vgl. [0 – 1], S. 209). Insofern konnte die Synode in der Tat für sich den Anspruch erheben, den lateinischen Westen umfassend zu repräsentieren. Unter den Festlegungen (canones) des Konzils sind in erster Linie zwei von bleibender Bedeutung gewesen. Zum einen erklärte canon 2

Die Zusammensetzung des Konzils

Die Beschlüsse des Konzils

„alle Weihen der Anführer der Häresie, Octavianus und Guido, und ihres Nachfolger Johannes von Struma sowie die Ordinationen, die jene vornahmen, die von ihnen ordiniert wurden, für ungültig“ (ordinationes ab Octaviano et Guidone haeresiarchis necon et Iohanne Strumensi, qui eos secutus est, factas, et ab ordinatis ab eis, irritas esse censemus; COD, S. 211). Zum anderen legte das Konzil Richtlinien für die Wahl von Päpsten vor, um künftige Schismata zu vermeiden. In dem Dekret Licet de evitanda discordia wurde zunächst Einstimmigkeit unter den Kardinälen gefordert (si […] inter cardinales de substituendo pontifice non potuerit concordia plena esse; COD, S. 211). Sei diese nicht zu erreichen, so gelte derjenige als neuer Papst, für den sich eine Zweidrittelmehrheit ausspreche (et si […] a duabus partibus concordantibus tertia pars noluerit concordare aut sibi alium praesumpserit ordinare, ille Romanus pontifex habeatur, qui a duabus partibus fuerit electus et receptus; COD, S. 211). Wer sich diesem Votum nicht anschließe, verfalle dem Ausschluss aus der Kirche, der Exkommunikation (Si quis autem de tertiae partis nominatione confisus, quia rem non potest, sibi nomen episcopi usurpaverit, tam ipse quam qui eum receperint, excommunicationi subiaceant; COD, S. 211). Weitere Bestimmungen sahen beispielsweise vor, dass an den Kathedralkirchen für einen Lehrer (magistr[o]) Benefizien bereitgestellt werden sollten, damit dieser die Kinder der Armen unterrichte (COD, S. 220). Wie dargestellt, hatten die drei Synoden im Lateran 1123, 1139 und 1179 einen konkreten Anlass, deretwegen sie einberufen wurden. Beendete die erste Synode den Investiturstreit, so zogen die folgenden beiden Konzile einen Schlussstrich unter zwei entstandene Schismata in der lateinischen Kirche. Mit dem vierten Konzil im Lateran (1215) kündigte sich daher ein anderer Typ von Konzil an; denn diese Synode verstand sich bewusst als allgemeine Synode der einen Kirche; denn ihre kirchenrechtlichen Festsetzungen betrafen auch die griechischsprachigen Christen des Ostens, die in den Herrschaftsgebieten der lateinischen Kreuzfahrer lebten.

Zusammenfassung

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III. Die Päpstlichen Generalkonzilien des Mittelalters

3. Die Konzile im Lateran (1215), in Lyon (1245 und 1274) und Vienne (1311/1312) 3.1 Das vierte Konzil im Lateran (1215) Die Synode als allgemeines Konzil

Die Ziele der Synode

Die Konstitution über den „katholischen Glauben“

Allein schon von der Einladung, Zusammensetzung und Teilnehmerzahl her unterschied sich das vierte Konzil im Lateran vom 01. bis 21. November 1215 von den drei vorangegangenen Synoden in dem Gotteshaus; denn zum einen lud Papst Innocentius III. (1198 – 1216) neben den Bischöfen auch die Generaläbte der monastischen Gemeinschaften wie der Ritterorden, Vertreter der Domkapitel sowie die Fürsten des Westens ein (COD, S. 227) – „weil auf diesem allgemeinen Konzil vieles von dem zu verhandeln sei, was [ihren] Stand betreffe“ (PL 216, S. 826 C). Zum anderen waren auf der Synode bis zu 1200 Teilnehmer zugegen, die sich aus allen wichtigen Ländern des Westens sowie den Kreuzritterstaaten im Orient und Griechenland zusammensetzten (vgl. [0 – 3], S. 110). Insofern kam Papst Innocentius seinem Ziel, an die Tradition der allgemeinen Konzilien des ersten Jahrtausends anzuknüpfen, einen guten Schritt näher (PL 216, S. 824). Im Vergleich zu den ersten drei Synoden im Lateran hatte sich die Ausgangslage für den Papst verändert. Auf der einen Seite hatten die Kreuzritter nach den Niederlagen gegen Saladin im Jahr 1187 die heilige Stadt Jerusalem an die Muslime verloren (vgl. [3 – 1], S. 538 – 539). Der vierte Kreuzzug, der eigentlich dazu gedacht war, das Hl. Land für die Christen zurückzuerobern, hatte im Jahr 1204 zur Einnahme der Stadt Konstantinopel durch lateinische Kreuzfahrer geführt. In der Folge dieser ersten Erstürmung der Kaiserstadt am Bosporus überhaupt war ein ,Lateinisches Kaiserreich‘ entstanden, das nun auch griechische Kerngebiete umfasste (vgl. [3 – 1], S. 548 – 551). Das Konzil musste daher nach einer Lösung suchen, wie das Verhältnis zwischen den lateinischen und den griechischen Christen gestaltet werden sollte. Zum anderen war in Südfrankreich die religiöse Bewegung der ,Katharer‘ entstanden, gegen die christliche Ritter im Namen der Kirche zu Felde zogen (vgl. [3 – 1], S. 460 – 461). Die Synode hatte daher auf diese Herausforderung inhaltlich zu reagieren. In seiner Bulle formulierte Papst Innocentius III. als Ziele für die neue Synode unter anderen die Beseitigung der Häresien, die Reform der liturgischen Bräuche sowie die Gewinnung der christlichen Fürsten für die Hilfe und Unterstützung des Heiligen Landes (PL 216, S. 824). In der ersten Konstitution „über den katholischen Glauben“ (de fide catholica) antwortete die Synode auf die theologische Herausforderung der Katharer. Diese scheinen im Sinne eines altkirchlichen Dualismus zwischen einem guten und einem bösen Gott, also zwischen zwei göttlichen Prinzipien, unterschieden zu haben (vgl. [0 – 3], S. 110). Den einen Gott verbanden sie augenscheinlich mit der geschaffenen Welt der Materie, den anderen hingegen mit der geistigen Welt (vgl. [3 – 1], S. 459 – 460). In Entgegnung auf diese Sichtweise betonte die Synode, dass es nur einen Gott gebe (quod unus solus est verus Deus; COD, S. 230). Dieser habe „von Beginn der Zeit an die […] Schöpfung aus dem Nichts geschaffen“ (utramque de

3. Die Konzile im Lateran (1215), in Lyon (1245 und 1274) und Vienne (1311/1312)

nihilo condidit creaturam; COD, S. 229). Daher seien auch der Teufel und die Dämonen – als Geschöpfe Gottes – zwar von Gott von Natur aus gut erschaffen, jedoch von sich selbst aus böse geworden (Diabolus enim et daemones alii a Deo quidem natura creati sunt boni, sed ipsi per se facti sunt mali; COD, S. 230). Das Böse sei deshalb nicht selbst göttlichen Ranges, sondern es entstehe durch das Fehlverhalten der Engel wie der Menschen, die ihre wahre Natur verlören. Die Menschen, so unterstreicht die Konstitution, haben beispielsweise auf Grund der Einflüsterung des Teufels [sc. im Paradies] gesündigt (Homo vero diaboli suggestione peccavit; COD, S. 230). Da der Text die ganze Schöpfung als ein Werk des unteilbaren Gottes (trinitas […] individua; COD, S. 230) betrachtet, betont er, dass auch der göttliche Sohn selbst wahrhaft Mensch geworden sei. Die Vertreter des altkirchlichen Gnostizismus hatten diese Vorstellung abgelehnt und angenommen, der Erlöser habe nur zum Schein einen Leib besessen (vgl. S. 20). Auf diese Weise grenzten sie die Ebene des guten Gottes von der materiellen Welt der Menschen ab (vgl. [3 – 1], S. 448). Die Konstitution über den katholischen Glauben vertrat hier eine andere Lehre. Für sie hat sich der Christus nicht nur dem Schein nach mit einem Leib bekleidet; er ist vielmehr selbst Mensch (Joh 1,14) und – aus diesem Grunde – leidensfähig und sterblich geworden (secundum humanitatem factus est passibilis et mortalis; COD, S. 230). Er hat am Kreuz gelitten (in ligno crucis passus), ist mit seiner Seele in die Unterwelt hinabgestiegen (descendit in anima) und im Fleisch auferstanden (et resurrexit in carne; COD, S. 230). Daher werde er am Ende der Zeiten die Lebenden und die Toten richten (venturus in fine saeculi iudicare vivos et mortuos; COD, S. 230). In Christus ist deshalb der eine Schöpfergott selbst Teil der Schöpfung geworden. Da die Katharer offenbar eigene Gemeinschaften bildeten (vgl. [3 – 1], S. 447), legt die Synode dar, dass nur eine allgemeine Kirche für alle Gläubigen sei (Una vero est fidelium universalis ecclesia; COD, S. 230). Außer dieser gebe es keine Erlösung (extra quam nullus omnino salvatur; COD, S. 230). Nur in ihr könne das wahre Sakrament der Eucharistie empfangen werden (cuius corpus et sanguis in sacramento altaris sub speciebus panis et vini veraciter continentur) – und zwar dann, wenn durch göttliche Vollmacht das Brot und der Wein von einem gültig geweihten Priester (sacerdos, qui fuerit rite ordinatus secundum claves ecclesiae) in ihrem Wesen verwandelt, d. h. transsubstantiiert, werden (transsubstantiatis pane in corpus et vino in sanguinem potestate divina; COD, S. 230). An dieser Stelle taucht somit zum ersten Mal in einem synodalen Text (COD, S. 230) derjenige Fachbegriff auf, der die weitere katholische Lehre vom Sakrament der Eucharistie entscheidend geprägt hat (vgl. S. 101 – 102). In der dritten Konstitution werden alle diejenigen aus der einen Kirche ausgeschlossen, die „sich gegen diesen heiligen, rechtgläubigen und katholischen Glauben“ erheben (COD, S. 233). Mit dem zweiten dringenden Problem, dem Verhältnis zu den unter lateinischer Herrschaft lebenden Griechen, befassten sich in erster Linie die vierte und die neunte Konstitution. Der vierte Artikel betonte dabei einerseits, dass diejenigen Griechen (Graec[i]), die in die Gemeinschaft mit dem Apostolischen Stuhl zurückkehren wollten, ihre eigenen Lebensweisen und Riten

Die Lehre von der Kirche und vom Sakrament der Eucharistie

Das Verhältnis zu den Griechen

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III. Die Päpstlichen Generalkonzilien des Mittelalters

Das Reformcorpus

behalten dürften (mores ac ritus eorum […] sustinendo; COD, S. 235). Der neunte legte sogar fest, dass in Städten oder Diözesen, in denen Völker verschiedener Sprachen zusammenlebten, eigens Männer eingesetzt werden sollten, die „in den verschiedenen Riten und Sprachen Gottesdienste feiern und die kirchlichen Sakramente darreichen“ sollten (qui secundum diversitates rituum et linguarum divine officia […] celebrent et ecclesiastica sacramenta ministrent; COD, S. 239). Allerdings bekräftigte derselbe Artikel, dass eine Stadt nur einen Bischof haben könne (Prohibemus autem omnino, ne una eademque civitas sive dioecesis diversos pontifices habeat; COD, S. 239) – was, de facto, eine Unterordnung der griechischen Geistlichen unter die lateinische Hierarchie verlangte (vgl. [0 – 3], S. 112). Diesem Verständnis entspricht es, wenn Artikel 5 die besondere Würde der Erzbischofssitze von Konstantinopel, Alexandria, Antiochia und Jerusalem nicht von deren apostolischer Gründung oder den canones der altkirchlichen Konzilien herleitet (vgl. S. 41), sondern von der Einsetzung durch den Papst in Rom: „Nachdem ihre Vorsteher vom römischen Bischof als Insignie der bischöflichen Amtsfülle das Pallium empfangen und ihm dabei den Treu- und Gehorsamseid geleistet haben“ (postquam eorum antistites a Romano pontifice receperint pallium, quod est plenitudinis officio pontificalis insigne, praestito sibi fidelitatis et obedientiae iuramento; COD, S. 236). Da die Lateiner insofern wenig Verständnis für die Belange der Griechen aufbrachten, verwundert es wenig, dass es Artikel 4 ausdrücklich untersagen musste, Altäre, an denen ein lateinischer Priester zelebriert hatte, erst zu reinigen, bevor sie ein griechischer Priester benutzte (non prius ipsi sacrificari volebant in illis, quam ea tamquam per hoc inquinata lavissent; COD, S. 235). Auch die Praxis, von lateinischen Priestern getaufte Christen erneut selbst zu taufen, bedurfte eines ausdrücklichen Verbotes (COD, S. 234). Diese Beispiele belegen, auf welche Weise sich das vierte Konzil im Lateran (1215) die Kircheneinheit vorstellte: nämlich durch die Unterordnung der Griechen. „Sie [sc. die Griechen] sollen sich wie gehorsame Söhne ihrer Mutter, der hochheiligen römischen Kirche, anpassen, auf dass ,eine Herde und ein Hirte‘ sei“ (conformantes se tamquam obedientiae filii sacrosanctae Romanae ecclesiae matri suae, ut ,sit unum ovile et unus pastor‘ [Joh 10, 16]; COD, S. 236). Als es den (Ost)Römern gelang, im Jahr 1261 die Stadt Konstantinopel von den Lateinern zurückzuerobern, beschränkten sich diese kirchenrechtlichen Bestimmungen allein auf die unter lateinischer Herrschaft verbleibenden Gebiete im heutigen Griechenland und auf den Inseln wie Kreta oder Zypern. Schließlich verabschiedete das Konzil noch eine ganze Reihe von Satzungen zur Reform der Kirche. Diese betreffen beispielsweise das Ordensleben (COD, S. 240), die Bestellung von Lehrern (COD, S. 240), den Lebenswandel der Kleriker (COD, S. 242) oder die Eignung von Kandidaten für kirchliche Ämter (COD, S. 249). Nachhaltiger gewirkt hat die Vorschrift, dass sich die Juden und Sarazenen durch ihre Kleidung von den Christen unterscheiden müssten (qualitate habitus publice ab aliis populis distinguantur; COD, S. 266). Des Weiteren wurde für jeden Gläubigen zumindest ein Beichtgespräch im Jahr verpflichtend gemacht (Omnis utriusque sexus fidelis […] omnia sua solus peccata confiteatur fideliter; COD, S. 245). Darüber hinaus

3. Die Konzile im Lateran (1215), in Lyon (1245 und 1274) und Vienne (1311/1312)

sollte jeder Gläubige an Ostern die Eucharistie empfangen (suscipiens reverenter ad minus in pascha eucharistiae sacramentum; COD, S. 245). Wie sich der Papst einen neuen Kreuzzug zur Befreiung des Hl. Landes vorstellte, beschreibt schließlich der lange Artikel 71 Ad liberandam Terram sanctam (COD, S. 267 – 271).

3.2 Das erste Konzil in Lyon (1245) Das erste Konzil in Lyon (1245) befasste sich mit ähnlichen Themen wie die vorangegangenen Synoden: dem Verhältnis zu den Griechen, der Unterstützung des Hl. Landes sowie der Auseinandersetzung mit dem westlichen Kaiser. Insbesondere in Bezug auf den dritten Gegenstand ging die Synode jedoch über bisherige Konzilien hinaus: Sie sprach am 17. Juli 1245 die Exkommunikation gegen den westlichen Kaiser Friedrich II. (1215 – 1250) aus (COD, S. 278 – 283). Von daher wird das Konzil zumeist unter diesem Gesichtspunkt diskutiert (vgl. [0 – 1], S. 219 – 220; [0 – 2], S. 50 – 52; [0 – 3], S. 113 – 114). Es tagte vom 26. Juli bis zum 17. Juli in Lyon, d. h. einer Stadt, die formal zum Reichsgebiet gehörte. Zu seinen rund 150 Teilnehmern zählten in erster Linie Franzosen, Engländer und Spanier (vgl. [0 – 3], S. 114). Der Auslöser für den Aufruf zu einem neuen Kreuzzug war der erneute und endgültige Verlust der Hl. Stadt an die Muslime im Jahr 1244 (vgl. [3 – 1], S. 541). Es war zwar dem westlichen Kaiser Friedrich II. im Jahr 1227 gelungen, durch Verhandlungen mit den Muslimen die Herrschaft über Jerusalem zurückzugewinnen, doch besetzten muslimische Truppen des ägyptischen Sultans erneut die Stadt. „Betrübt ist unser Herz über die beklagenswerte Gefahr für das Heilige Land“, lautet daher die Einleitung zu Artikel 5 (COD, S. 297). Der Papst forderte alle Kreuzfahrer auf, sich bereitzuhalten, um in das Hl. Land aufzubrechen (COD, S. 297 – 301). Für ihre Mühen wurde den Gläubigen ein allgemeiner Ablass zugesichert (peccatorum suorum indulgentia tribuatur; COD, S. 298). Die Kleriker sollten für den Kreuzzug werben (COD, S. 298). Denjenigen, die sich weigerten, am Kreuzzug teilzunehmen, wurde ein Urteilsspruch am Jüngsten Gericht angedroht (ut se sciant super hoc nobis in novissimo districti examinis die coram tremendo iudice responsuros; COD, S. 299). Zur Finanzierung sollte eine Sonderabgabe erhoben werden (COD, S. 298 – 299). In der Tat brach der französische König Ludwig IX. (1226 – 1270) zu Feldzügen in den Orient auf, konnte jedoch das Blatt nicht nachhaltig zu Gunsten der Christen wenden (vgl. [3 – 1], S. 525). Zur Unterstützung des Lateinischen Kaiserreiches von Konstantinopel rief die zweite Konstitution auf (COD, S. 295 – 296). Der Text bedauert, dass „dieses Reich vergeblich auf die Hilfe der Gläubigen warte“ und „den Feinden zu ungehinderten Angriffen überlassen“ werde (COD, S. 295). Daher habe die Synode fest vor, „diesem Reich wirksam und schnell zu Hilfe zu kommen“, damit „die Kirche sich mit Leidenschaft zu seinem Beistand erheb[e]“ (firma intentione proponimus eidem imperio efficaci et celeri subsidio subvenire, ut ecclesia ferventi ad illius exurgente succursum manumque

Die Zusammensetzung und die Verhandlungsgegenstände des Konzils

Die Unterstützung des Hl. Landes

Die Unterstützung des Lateinischen Kaiserreiches von Konstantinopel

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III. Die Päpstlichen Generalkonzilien des Mittelalters

Die Absetzung Kaiser Friedrichs II.

porrigente munitam; COD, S. 295). Aus dem Text bleibt unklar, wer mit den „Feinden“ (hostibus bzw. inimicorum) gemeint ist. Da die (Ost)Römer verständlicherweise danach strebten, die Stadt Konstantinopel wieder in ihren eigenen Besitz zu bringen, ist es gut denkbar, dass die westliche Synode hier mit den „Feinden“ die griechischen Christen umschreibt; denn das Konzil unterstreicht, dass die Kirche „schmerzliche Schwäche zu ertragen [hätte], wenn [sie] eines so lieb gewonnenen Gliedes, nämlich dieses Kaiserreiches, entbehren müsste“ (Quia tamen ecclesiae corpus ex membri causa cari, videlicet imperii praefati carentia notam probrosae deformitatis incurreret; COD, S. 295). Wie zur Finanzierung des Kreuzzuges in das Hl. Land, wurden für das Lateinische Kaiserreich Subsidienzahlungen festgesetzt (COD, S. 295 – 296). Weil die Unterstützung dieses Reiches „auch zur Rückeroberung des Hl. Landes“ beitrage (COD, S. 296), wurde den Rittern gleichermaßen „die Vergebung ihrer Sünden“ gewährt (COD, S. 296). Trotz dieses Aufrufs nahm ein (ost)römisches Heer im Jahr 1261 die Stadt Konstantinopel ein und beendete die Geschichte des Lateinischen Kaiserreiches von Konstantinopel. In das historische Gedächtnis des lateinischen Westens hat sich die Synode jedoch in erster Linie dadurch eingeprägt, dass sie den westlichen Kaiser Friedrich II. aus der Gemeinschaft der Kirche ausschloss. Die entscheidende Textstelle lautet: „Der erwähnte Fürst, der sich als Kaiser und mehrfacher König seiner hohen Stellung derart unwürdig erwiesen hat und der wegen seiner Verbrechen von Gott als Kaiser und König verworfen ist, ist durch seine Sünden gebunden und verworfen und vom Herrn aller Ehre und Würde enthoben. […] Alle, die ihm durch Treueeid verpflichtet sind, entbinden wir für immer von diesem Eid und untersagen kraft apostolischer Autorität nachdrücklich, dass künftig jemand ihm als Kaiser oder König gehorche oder Bedeutung schenke“ (COD, S. 283). Als Begründung für diesen Schritt dienten verschiedene Vorwürfe, von der Häresie (COD, S. 282) über die Plünderung des Kirchenstaates (COD, S. 283) oder den Verstoß gegen das Gottesfriedensgebotes (COD, S. 280) bis hin zum vielfachen Eidbruch (COD, S. 280). Zusammenfassend hat Hubert Jedin angesichts dieses Schrittes des römischen Papstes festgehalten: „Es war in der Tat der Anfang des Untergangs der Staufer und des Niedergangs der Kaisermacht, freilich auch eine Kraftprobe der päpstlichen Gewaltenfülle […], der das Papsttum auf Dauer nicht gewachsen war“ (vgl. [0 – 2], S. 52). Auch wenn es Friedrich II. gelang, seine Position bis zu seinem Tod im Jahr 1250 im Großen und Ganzen zu behaupten, glückte dies seinen Nachfolgern nicht mehr. Im Jahr 1268 endete mit der Hinrichtung von Konradin die Linie der staufischen Kaiser (vgl. [3 – 1], S. 531). Im westlichen Kaiserreich begann die Epoche des so genannten Interregnums (vgl. [3 – 1], S. 557).

3. Die Konzile im Lateran (1215), in Lyon (1245 und 1274) und Vienne (1311/1312)

3.3 Das zweite Konzil in Lyon (1274) Der Niedergang des westlichen Kaisertums und der Untergang des Lateinischen Kaiserreiches von Konstantinopel (1261) brachten es mit sich, dass sich die Ausgangslage für die zweite Synode in Lyon (1274) anders darstellte. Auf der einen Seite fürchteten die (ost)römischen Kaiser, dass die Sizilianer unter der Führung von Karl von Anjou (1227 – 1285) einen neuen Anlauf unternehmen würden, um die Stadt Konstantinopel zu erstürmen (vgl. [3 – 2], S. 43 – 46). In den Augen des Ostens war der Einzige, der dazu im Stande zu sein schien, den süditalischen Fürsten von einem Angriff abzuhalten, offenbar Papst Gregor X. (1271 – 1276) (COD, S. 304). Dieser wiederum erblickte auf der anderen Seite in der Wiedervereinigung der lateinischen mit der griechischen Kirche eine Voraussetzung für einen erfolgreichen Kreuzzug (vgl. [0 – 3], S. 115; COD, S. 303). Daher gewann die Union mit den Griechen eine besondere Bedeutung für das Konzil. Die drei Themen, mit denen sich das zweite Konzil in Lyon (1274) nach dem Willen des römischen Papstes insbesondere beschäftigten sollte, waren: die Kirchenunion mit den Griechen, die Zurückeroberung des Hl. Landes sowie die Reform der Kirche (vgl. [0 – 1], S. 222; [0 – 3], S. 115; COD, S. 303 – 304). Die Synode tagte vom 07. Mai 1274 bis zum 17. Juli des Jahres. An ihr wirkten etwa 250 Bischöfe mit, darunter etwa 90 aus Italien, 35 aus Frankreich, 28 aus Deutschland, 28 aus Spanien, 26 von den britischen Inseln und sieben aus dem Orient. Dazu kamen Vertreter der Ordensgemeinschaften einschließlich der Ritterorden sowie der Domkapitel und der weltlichen Fürsten (vgl. [0 – 3], S. 115 – 116). Angesichts der militärischen Bedrohung durch Karl von Anjou eröffnete sich dem (ost)römischen Kaiser Michael VIII. (1259 – 1289) kaum Verhandlungsspielraum. Dies wurde daran ersichtlich, dass der Basileus der Synode ein Glaubensbekenntnis vorlegte, über das nicht näher verhandelt wurde. Klaus Schatz hat zur Entstehung des Textes angemerkt:

Die Ausgangslage

Ziele und Zusammensetzung der Synode

Das Verhandlungsangebot des Kaisers

„Die ,Union‘, die auf dem Konzil mit den griechischen Gesandten abgeschlossen wurde, war ,Diktat statt Dialog‘. Ihr theologisches ,Konsensdokument‘, das Glaubensbekenntnis des Kaisers, war nicht Ergebnis eines bilateralen theologischen Dialogs, sondern Niederschlag westlicher theologischer Entwicklung, die den Griechen ohne Rücksicht auf ihre andersartigen theologischen und geschichtlichen Voraussetzungen aufoktroyiert wurde. Es war dem Kaiser bereits 1267 von Papst Clemens IV. vorgelegt worden; eine Diskussion darüber fand weder in den Jahren vorher noch auf dem Konzil selbst statt“ (vgl. [0 – 3], S. 116). Insofern bedeutete das Dokument, das der Kaiser unterzeichnete, die Anerkennung der lateinischen Positionen durch den Kaiser des Ostens. In dem vom Kaiser dargereichten Schreiben wurde beispielsweise in Bezug auf das Hervorgehen des Hl. Geistes festgelegt, dass dieser „aus dem Vater und dem Sohn hervorgehe“ (Credimus et Spiritum Sanctum, plenum et perfectum verumque Deum ex Patre Filioque procedentem; DH, Nr. 853) – obwohl der Osten, in Treue zu der griechischen Überlieferung, die Aussage bevorzugte, dass der Hl. Geist allein „aus dem Vater“ (ek tou

Die Auseinandersetzung um das Filioque

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III. Die Päpstlichen Generalkonzilien des Mittelalters

Die Interpretation des Johannes Bekkos

patros ekporeuomenon; DH, Nr. 150) durch den Sohn hervorgehe. In den beiden Formulierungen trat ein Lehrunterschied zwischen den Kirchen des Ostens und des Westens zutage. Dieser betraf sowohl das Verständnis von der Gültigkeit einer allgemeinen Synode als auch die Thematik der charakteristischen Eigentümlichkeiten (idio¯mata) der drei göttlichen Personen. Hinsichtlich des ersten Unterschiedes vertrat die griechische Seite die Auffassung, dass allein der (griechische) Text der allgemeinen Konzilien von Nicaea (325) und Konstantinopel (381) Gültigkeit besitze (vgl. S. 24 – 25). Dieser dürfe nicht verändert werden; denn so besagten es die Beschlüsse der altkirchlichen Konzilien, insbesondere das ,cyrillische‘ Konzil von Ephesus (431) (vgl. [3 – 2], S. 309). Im lateinischen Westen kam jedoch offenbar im sechsten und siebten Jahrhundert die Vorstellung auf, dass der Hl. Geist vom Vater und vom Sohn (ex Patre Filioque) ausgehe (vgl. [3 – 1], S. 267 – 268). Obwohl sich mehrere Päpste gegen diesen Zusatz wandten, hielt er zu Beginn des elften Jahrhunderts Einzug in die in Rom geübte Liturgie (vgl. [3 – 1], S. 255). Von da an begründeten die Vertreter der lateinischen Seite die Hinzufügung mit der Autorität des Apostolischen Stuhles (vgl. [3 – 3], S. 309). Wenn der Apostolische Stuhl die Lehre vertrete, der Hl. Geist gehe vom Vater und vom Sohn aus, dann irre er in dieser Glaubensüberzeugung nicht. Daher entspreche das Filioque dem Glauben der Kirche. Hans-Georg Beck fasst die gegenseitigen Positionen mit den Worten zusammen: „Die Griechen scheinen ihrerseits schon damals [sc. zur Zeit Karls des Großen] die Offensive ergriffen zu haben; sie machten offenbar den Lateinern einen Verstoß gegen das Ephesinum zum Vorwurf, während die Lateiner bald behaupten werden, die Griechen hätten das Filioque aus dem Symbolum gestrichen“ (vgl. [3 – 3], S. 310). Der eigentliche theologische Lehrunterschied trat hinter diese Frage der Ekklesiologie eher zurück. Die griechische Theologie gebrauchte nämlich gewisse Fachtermini, wie etwa das ,Hervorgehen‘ (ekporeuesthai), allein für eine der göttlichen Personen. Insofern war das ,Ausgießen‘ (probole¯) des Hl. Geistes ausschließlich ein natürliches Kennzeichen des göttlichen Vaters. Es kam allein ihm zu, nicht aber dem göttlichen Sohn (vgl. [3 – 3], S. 311). Die lateinische Theologie differenzierte hingegen nicht ebenso eindeutig. Dadurch kam „die Kongruenz mit der griechischen Terminologie mehr und mehr abhanden“ ([3 – 3], S. 307). Für das griechische Denken zu der Zeit des zweiten Konzils von Lyon (1274) erweist sich insofern die Auffassung des Patriarchen von Konstantinopel, Johannes Bekkos, aufschlussreich. Ihn ernannte Kaiser Michael VIII. zum neuen Patriarchen von Konstantinopel, als sich der Erzbischof der Kaiserstadt weigerte, die Union mit den Lateinern anzuerkennen (vgl. [0 – 3], S. 117). Demnach blieb für Johannes Bekkos der göttliche Vater der alleinige Urgrund (aition archikon) allen Seins, also auch das Hl. Geistes. Der Sohn fungiert in diesem innergöttlichen Hervorgehen hingegen als Ursache. Auf diese Weise wirke der göttliche Vater ,durch‘ (dia) den göttlichen Sohn. Daher müssten auch keine zwei innertrinitarischen ,Hervorgehensschritte‘ angenommen werden. Insofern seien beide Ausdrucksweisen zulässig: „Richtig verstanden seien die Formeln ek [sc. ,aus‘] und dia [sc. ,durch‘] durchaus identisch und besagten dasselbe, nur habe das ek patros [sc. ,aus

3. Die Konzile im Lateran (1215), in Lyon (1245 und 1274) und Vienne (1311/1312)

dem Vater‘] eine andere Bedeutung als das ek hyou [sc. ,aus dem Sohn‘] (vgl. [3 – 3], S. 316). Mit einem solchen Verständnis konnte der Patriarch von Konstantinopel das lateinische Filioque rechtgläubig verstehen. Mehrere Artikel des Glaubensbekenntnisses des Kaisers befassen sich mit der lateinischen Lehre vom Fegefeuer (Purgatorium) (DH, Nr. 856 – 859). Ihr standen die Griechen eher weniger interessiert gegenüber, weil sie „über keine sehr klare Eschatologie verfügten“ (vgl. [3 – 3], S. 319). In dem Dokument erkannte Kaiser Michael nun an, dass die Seelen der „in wahrer Buße“ Verschiedenen nach dem Tod „durch Reinigungs- bzw. Milderungsstrafen gereinigt“ werden könnten (eorum animas poenis purgatoriis seu catharteriis […] post mortem purgari; DH, Nr. 856). Deshalb kämen ihnen „Fürbitten der lebendigen Gläubigen zu Hilfe, d. h. Messopfer, Gebete, Almosen und andere Werke der Frömmigkeit“, wenn sie nach den Anordnungen der Kirche für andere verrichtet würden (DH, Nr. 856). „Einen sehr wesentlichen Punkt der lateinisch-griechischen Kontroverse bildete der Gegenstand [indes] nie“ ([3 – 3], S. 319). Anders verhielt es sich eher mit der unterschiedlichen Praxis des eucharistischen Brotes. Während die Lateiner ungesäuertes Brot (azymus) verwendeten, bevorzugten die Griechen gesäuertes Brot. Für sie ging es um die Frage, ob die Lateiner dadurch nicht dem jüdischen Brauch des Paschamahles anhingen, obwohl verschiedene Synoden des Altertums ebendieses untersagt hätten (vgl. [3 – 3], S. 318). Darüber hinaus zählten die ungesäuerten Brote (azymi) im griechischsprachigen Osten nicht als Brot im eigentlichen Sinne. Wenn ungesäuerte Brote aber nicht eigentlich Brot seien, dann könne mit ihnen auch keine eucharistische Wandlung herbeigeführt werden (vgl. [3 – 3], S. 318). Nun musste der Kaiser anerkennen, dass die lateinische Praxis wahrhaft eine Wandlung des ungesäuerten Brotes in den wahren Leib Christi bewirkte:

Die Lehre vom Purgatorium

Die Eucharistiefeier aus ungesäuertem Brot

„Das Sakrament der Eucharistie bringt die Römische Kirche aus ungesäuertem Brot (ex azymo) dar, indem sie festhält und lehrt, dass in eben diesem Sakrament das Brot wahrhaft wesenhaft verwandelt wird in den Leib (quod in ipso sacramento panis vere transsubstantiatur in corpus) und der Wein in das Blut unseres Herrn Jesus Christus“ (DH, Nr. 860). Das aber heißt: Der Kaiser bestätigte nun die Gültigkeit der lateinischen Eucharistiefeier. Schließlich bekräftigte der Basileus, dass die Römische Kirche den vollen Primat über die ganze Kirche innehabe (sumum et plenum primatum et principatum super universam Ecclesiam catholicam obtinet; DH, Nr. 861). Deshalb würden alle Fragen des Glaubens durch ihr Urteil entschieden (sic et si quae de fide subortae fuerint quaestiones, suo debent iudicio definiri; DH, Nr. 861). Jeder Gläubige könne an die Kirche von Rom appellieren (Ad quam potest gravatus quilibet […] appellare; DH, Nr. 861), da ihr alle Kirchen unterstellt seien (et eidem omnes ecclesiae sunt subiectae; DH, Nr. 861). Zwar bestätigte die griechische Gesandtschaft auf der vierten Sitzung des Konzils die Union, doch gab es von Anfang an entschiedenen Widerstand gegen die Pläne des Kaisers (vgl. [0 – 1], S. 299 – 300; [0 – 3], S. 117; COD,

Der Primat des Papstes

Das Scheitern der Union

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III. Die Päpstlichen Generalkonzilien des Mittelalters

Das Papstwahldekret

S. 305). In der Kirche des (ost)römischen Reiches herrschte weitgehend die Auffassung vor, ein Glaubensbekenntnis könne nicht allein vom Kaiser verändert werden. Hierzu sei eine Synode notwendig, „zu de[r] die Bischöfe des Ostens und des Westens unter Vorsitz des Papstes oder seiner Legaten zusammengekommen wären, um sich auseinanderzusetzen und frei zu diskutieren“ (vgl. [0 – 1], S. 303 – 304). Insofern hielt die Union bis zum Tod des Hauptbefürworters, des Kaisers Michael VIII., im Jahr 1282. Sein Sohn Andronicus II. (1282 – 1328) kündigte sie alsbald auf. Aber auch im Westen erwies sich die Kircheneinheit als brüchig. Immer mehr auf den politischen Kurs von Karl von Anjou einschwenkend, exkommunizierte Papst Martin IV. im Jahr 1281 den Kaiser in Konstantinopel (vgl. [0 – 2], S. 54; [0 – 3], S. 118). Karls Pläne der Eroberung von Konstantinopel scheiterten jedoch im Jahr 1282 in der so genannten Sizilianischen Vesper, in der Karl und seine engsten französischen Anhänger in Sizilien erschlagen wurden (vgl. [0 – 1], S. 302). Damit endete für die (Ost)Römer die Notwendigkeit, an der Union mit den Lateinern festzuhalten; und Andronicus II. hat rasch gehandelt (vgl. [0 – 1], S. 303). Ein Kreuzzug zur Rettung der lateinischen Besitzungen im Hl. Land kam angesichts dieses Gegeneinanders nicht mehr zustande. Von länger tragender Bedeutung als die Union mit den Griechen erwies sich für die lateinische Kirche das Papstwahldekret Ubi Periculum (COD, S. 314 – 318). Die Satzungen des dritten Konzils im Lateran (1179) hatten zwar bestimmt, dass für die Wahl eines Papstes eine Zweidrittelmehrheit erforderlich sei (vgl. S. 65); diese Bestimmung konnte jedoch nicht verhindern, dass sich die Kardinäle über einen längeren Zeitraum hinweg nicht mit einer solchen Mehrheit verständigen konnten. Daher verfügte das zweite Konzil von Lyon (1274) nun das Konklave (vgl. [0 – 3], S. 117). Die Kardinäle hatten sich zur Wahl in einem einzigen Gemach ohne Zwischenwand oder sonstige Abtrennung einzufinden (In eodem autem palatio unum conclave, nullo intermedio pariete seu alio velamino, omnes habitent in communi; COD, S. 315). War nach drei Tagen noch kein Nachfolger Petri bestimmt, so sollten den Kardinälen Speis und Trank gekürzt werden (singulis diebus tam in prandio quam in cena uno solo ferculo sint contenti; COD, S. 315). Nach weiteren fünf Tagen sollten sie nur noch Brot, Wein und Wasser gereicht bekommen (Quibus provisione non facta decursis, extunc tantummodo panis, vinum et aqua ministrentur eisdem, donec eadem provisio subsequatur; COD, S. 315). In abgewandelter Form ist dieses Verfahren bis heute gültig (vgl. [0 – 3], S. 117 – 118).

3.4 Das Konzil von Vienne (1311/1312) Die neue Abhängigkeit des Papsttums

Am 18. November 1302 erließ Papst Bonifatius VIII. (1294 – 1303) die Bulle Unam sanctam (DH, Nr. 870 – 875). In ihr betonte der Papst nicht nur, dass nur eine Kirche – und deren Haupt der Stellvertreter Christi, der Nachfolger des Petrus – sei (Igitur Ecclesiae unius et unicae unum corpus, unum caput, non duo capita quasi monstrum, Christus videlicet et Christi vicarius Petrus Petrique successor; DH, Nr. 872); Bonifatius VIII. formulierte auch neu die Lehre von den zwei Schwertern, d. h. dem geistlichen und dem weltlichen

3. Die Konzile im Lateran (1215), in Lyon (1245 und 1274) und Vienne (1311/1312)

(In hac eiusque potestate duos esse gladios, spiritualem videlicet et temporalem; DH, Nr. 873). Das eine sei ,für die Kirche‘, das andere aber ,von der Kirche‘ zu handhaben (Sed is quidem pro Ecclesia, ille vero ab Ecclesia exercendus; DH, Nr. 873). Daher sei es die Aufgabe der geistlichen Gewalt (potestas), die irdische Gewalt einzusetzen und zu richten (Nam Veritate testante, spiritualis potestam terrenam potestatem instituere habet, et iudicare; DH, Nr. 873). In diesem Dokument unterstrich Papst Bonifatius VIII. den Anspruch der päpstlichen Gewalt aufs Neue. Es schien, als habe das Papsttum einen weiteren Höhepunkt seiner Geschichte erreicht. Der Sturz erfolgte indes umso rascher; denn im Jahr 1303 wurde der Papst vom Kanzler des französischen Königs Philipp des Schönen (1285 – 1314) gefangen genommen (vgl. [0 – 3], S. 118). Zwar kam der Papst wieder frei, doch verstarb er binnen kurzer Zeit. Zu seinem Nachfolger wurde der Erzbischof von Bordeaux, der Franzose Bertrand de Got, gewählt, der den Namen Clemens V. (1305 – 1314) annahm. Dieser nahm seinen Sitz nicht in Rom, wie es seit der Antike der Fall gewesen war, sondern in Avignon. Damit nahm das ,Exil von Avignon‘ seinen Anfang, das von 1309 bis 1376 andauerte (vgl. [0 – 2], S. 56; [0 – 3], S. 119). Das Papsttum war unter die Vorherrschaft des französischen Königs geraten. Auch wenn der Papst als Ziele einer neuen Synode einmal mehr die Angelegenheit des Hl. Landes und die Kirchenreform vorgab (COD, S. 333), wurde der Prozess gegen den Kreuzritterorden der Templer zum Hauptdiskussionspunkt. Nach dem Verlust des Hl. Landes (1292 Fall von Akkon), hatten sich die Brüder in den Westen zurückgezogen. „Die finanziellen Ressourcen [sc. des Ordens] weckten die Begehrlichkeit des französischen Königs“ (vgl. [0 – 3], S. 119). Im Jahr 1307 ließ Philipp der Schöne alle Ordensritter in Frankreich, unter ihnen den Großmeister, festnehmen. Unter der Folter gestanden diese Verfehlungen. In den Worten von Alberto Melloni erpresste Philipp der Schöne diese Geständnisse, „um die Verurteilung Bonifaz’ VIII. zu erreichen“ (vgl. [0 – 1], S. 226) und den Papst unter Druck zu setzen. Auf diese Weise wollte sich der französische König offenbar als Schutzherr der Christenheit präsentieren. Wahrscheinlich deshalb, um Einfluss auf das Verfahren zu erlangen, strengte Clemens V. selbst eigene kirchliche Untersuchungen in Bezug auf den Ritterorden an (vgl. [0 – 3], S. 119). An dem Konzil nahmen um die 230 Bischöfe und Vertreter der Orden wie der Könige teil. Von ihnen dürfte fast die Hälfte aus Frankreich gestammt haben (vgl. [0 – 3], S. 120). Insofern zeigte sich auch in dieser Zusammensetzung des Konzils, welch Übergewicht der König von Frankreich über die lateinische Kirche des Westens gewonnen hatte. Das Konzil tagte vom 16. Oktober 1311 bis zum 06. Mai 1312. Es hat den Anschein, als erstrebte die von dem Konzil eingesetzte Kommission, die sich mit der Templerfrage beschäftigte, ein ordentliches Verfahren, in dem den Rittern die Möglichkeit zur Verteidigung gegeben würde (vgl. COD, S. 334; [0 – 3], S. 120). In den Worten von Klaus Schatz hätte dies zur „Rehabilitierung [sc. des Ordens] geführt und die Haltlosigkeit der abstrusen Beschuldigungen erwiesen“ (vgl. [0 – 3], S. 120). Daher konnte ein solches Vorgehen offenbar nicht im Sinne des französischen Königs lie-

Das Hauptthema des Konzils

Die Zusammensetzung des Konzils

Die Auflösung des Templerordens

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III. Die Päpstlichen Generalkonzilien des Mittelalters

gen. Nach geheimen Verhandlungen mit dem Papst erschien Philipp der Schöne am 20. März in Vienne (COD, S. 334). Daraufhin gab Clemens V. nach und verurteilte in einer Bulle den Templerorden (COD, S. 334). Sie wurde in der Sitzung vom 03. April 1312 von der Synode bestätigt (COD, S. 336 – 343). Der Urteilsspruch lautete: „Dies alles vor Augen, heben wir, nicht ohne Bitterkeit und Betrübnis des Herzens, den besagten Templerorden, seinen Stand, seine Ordenstracht und seinen Namen nicht in der Art eines definitiven Urteilsspruches (non per modum diffinitivae sententiae), wohl aber in der Weise der apostolischen Verfügung und Anordnung (sed per modum provisionis seu ordinationis apostolicae) mit Billigung des Hl. Konzils unwiderruflich und für immer auf und unterwerfen ihn einem immerwährenden Verbot (valitura tollimus sanctione ac perpetuae prohibitioni subicimus). Wir untersagen einem jeden in aller Strenge, in Zukunft in den Orden einzutreten, das Ordenskleid zu empfangen oder zu tragen oder als Templer aufzutreten. Wer zuwiderhandelt, verfällt ipso facto der Exkommunikation“ (COD, S. 342). Als Begründung wurde angeführt, die Tempelritter seien „zu Gegnern unseres Herrn Jesus Christus selbst geworden und […] dem Frevel einer unaussprechlichen Apostasie (in scelus apostasiae nefandae), dem verabscheuungswürdigen Laster der Idololatrie (detestabile idolatriae vitium), der schrecklichen Sünde der Sodomie (exsecrabile facinus Sodomorum) und verschiedenen Häresien verfallen (et haereses varias erant lapsi)“ (COD, S. 337).

Die unvollendete Reform der Kirche

Wie groß der Einfluss des französischen Königs auf die Vorgänge war, zeigt sich daran, dass der Papst erklärte, Philipp habe ihm „zu unserer eigenen Unterrichtung […] viel und umfangreiches Material“ zur Verfügung gestellt, wobei dieser „nicht von Habgier, sondern […] vom Eifer für den Glauben entbrannt“ gewesen sei (COD, S. 337). Diese Unterlagen habe sich der „erlauchte König“ zugetragen, „der sich selbst über die Vorfälle, wie es ihm erlaubterweise möglich war, unterrichtete“ (COD, S. 337). Die Güter des aufgelösten Ordens wurden jedoch nicht dem König oder einem anderen neuen Ritterorden, sondern dem Kreuzritterorden der Johanniter übertragen (COD, S. 343 – 346). Zwar hatte der Papst um Vorschläge zur Reform der Kirche gebeten (vgl. [0 – 3], S. 120), doch bleibt aus den erhaltenen Unterlagen unklar, welche Reformdekrete in der Tat vom Konzil verabschiedet worden sind (zur Problematik vgl. COD, S. 334 – 335). Daher blieb die Reform der Kirche unvollendet. Sie sollte in den Diskussionen der folgenden Jahrhunderte eine neue Dringlichkeit gewinnen.

IV. Die Auseinandersetzung um den Konziliarismus 1. Das Konzil von Pisa (1409) Das Konzil von Vienne (1311/1312) hatte gezeigt, dass das Papsttum zu Beginn des 14. Jahrhunderts in die Abhängigkeit vom französischen König geraten war (vgl. S. 74 – 75). Deutlich sichtbar wurde diese Vormachtstellung Frankreichs, als sich Papst Clemens V. (1305 – 1314) nicht in Rom niederließ, wie es seit der Antike üblich war, sondern in Avignon residierte (vgl. S. 75). Damit nahm das päpstliche ,Exil in Avignon‘ seinen Anfang, das mehrere Jahrzehnte andauerte. Zur Spaltung der lateinischen Kirche des Westens führte dieses Exil, als im Jahr 1378 der italienische Erzbischof Bartolomeo Prignano von Bari in Rom zum neuen Papst gewählt wurde und den Namen Urban VI. (1378 – 1389) annahm (vgl. [0 – 3], S. 123). Französische Kardinäle waren nämlich mit den Umständen der Wahl nicht einverstanden. Sie erhoben Robert von Genf, einen Verwandten des französischen Königs, gleichermaßen zum Papst. Unter dem Namen Clemens VII. (1378 – 1394) regierte er in Avignon. Seit dieser Doppelwahl standen sich also nun zwei rivalisierende Papstlinien mit ihren jeweiligen Anhängern gegenüber. Die Frage, die sich angesichts dieser Doppelwahl stellte, war, wie dieses Schisma, diese Kirchenspaltung, behoben werden könne. Die Antwort, die offenbar vergleichsweise rasch in Umlauf gekommen ist, lautete: ein allgemeines Konzil. Dieses müsse angesichts der verfahrenen Situation von zwei miteinander wetteifernden Papstlinien als Vertretung der Gesamtkirche – mit der die westliche lateinische Kirche gemeint war – ein Urteil in der Ausnahmesituation fällen und die Einheit der Kirche wiederherstellen (vgl. [0 – 2], S. 63; [0 – 3], S. 126 – 128). Zwar dauerte es noch etwa zwanzig Jahre, bis dieser Weg der Problemlösung angegangen worden ist, doch ist aus der eigentlich angedachten Ausnahmesituation eine Grundsatzdiskussion entstanden: nämlich diejenige, ob das Konzil als Vertretung der Gesamtkirche generell über dem Papst oder dieser als Inhaber aller kirchlichen Gewalt auch über dem Konzil stehe (vgl. [0 – 2], S. 61 – 62; [0 – 3], S. 126 – 130). Bei dem Weg der via concilii zur Überwindung der Kirchenspaltung erwies es sich für die Anhänger der ersteren Position von Vorteil, dass sich unter den Kanonisten des Mittelalters die Lehre vom Papa haereticus, vom ,häretischen Papst‘, ausgebildet hatte (vgl. [0 – 2], S. 62; [0 – 3], S. 127). Diese Theorie besagte, dass zwar nach wie vor der Grundsatz gelte, dass der Apostolische Stuhl von niemandem gerichtet werden dürfe (prima sedes a nemine iudicatur; vgl. S. 64) – , doch wurde es nun als möglich betrachtet, dass ein einzelner Papst als Mensch gegen den Glauben der Kirche verstoßen, also selbst zum Häretiker werden könne (vgl. [0 – 2], S. 62). Durch diesen persön-

Die Ausgangslage

Ein allgemeines Konzil als Lösung

Die Idee vom Papa haereticus

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IV. Die Auseinandersetzung um den Konziliarismus

Die Einberufung des Konzils

Die Wahl von Johannes XXIII.

lichen Abfall vom Glauben verlor der Betroffene – als Häretiker – sein päpstliches Amt gleichsam aus sich selbst heraus. Es bedurfte hierzu keines formalen Gerichtes der Kirche; doch konnte die Kirche den persönlichen Amtsverlust feststellen und bestätigen (vgl. [0 – 3], S. 127). Mit dieser Argumentation wurde nun ein Weg eröffnet, um durch die Absetzung von einzelnen Päpsten die Spaltung der lateinischen Kirche zu überwinden und die Einheit dieser Kirche durch ein allgemeines Konzil wiederzugewinnen. Mit Blick auf die Situation des 15. Jahrhunderts hat Klaus Schatz jedoch zur Schärfe dieses juristischen Instrumentes angemerkt: „Da jedoch ,Häresie‘ meist einen weiteren Sinn hatte als bloß formellen Widerspruch gegen den klaren und definierten Glauben der Kirche, da auch Simonie ,Häresie‘ war, ließ sich in Krisensituationen gegen den Papst leicht der Häresievorwurf erheben“ (vgl. [0 – 3], S. 127). Als im Jahr 1408 vermittelnde Gespräche zwischen den Päpsten Benedikt XIII. (seit 1394) in Avignon und Gregor XII. (seit 1406) in Rom scheiterten (vgl. [0 – 3], S. 125 – 126), beriefen verschiedene Kardinäle ein allgemeines Konzil nach Pisa. Es nahm seine Beratungen am 25. März des Jahres 1409 auf und bestand insgesamt wohl aus über 600 Teilnehmern (vgl. [0 – 3], S. 131). Die Synode lud die beiden Päpste vor, um die Kirchenspaltung zu überwinden. Als diese sich jedoch weigerten, persönlich zu erscheinen, wurden beide unter Berufung auf die Lehre vom Papa haereticus für abgesetzt erklärt; denn sie seien deshalb zu Häretikern geworden, weil sie durch ihre Weigerung, ihr Papstamt aufzugeben, gegen die Glaubensaussage von der einen Kirche (vgl. S. 74 – 75) verstoßen hätten (vgl. [0 – 3], S. 131). Daher wurde zunächst Alexander V. (1409 – 1410) zum neuen Papst gewählt. Als dieser jedoch nach kurzer Zeit verstarb, folgte ihm Johannes XXIII. (1410 – 1415) nach (vgl. [0 – 2], S. 64). Da sowohl Benedikt XIII. als auch Gregor XII. darauf beharrten, weiterhin rechtmäßige Päpste zu sein, führte das Konzil von Pisa nicht zur Lösung des Problems. Im Gegenteil: An Stelle von zwei miteinander konkurrierenden Päpsten gab es nun drei – allerdings mit unterschiedlich starkem Anhang unter den Gläubigen. Hinsichtlich der späteren Beurteilung des Konzils von Pisa (1409) hat daher Klaus Schatz festgehalten: „Daß Pisa vom Regen in die Traufe geführt habe und insofern als kompletter Misserfolg die Lage der Kirche nur verschlimmert habe, war vor allem später immer wieder die Sicht der papalistischen Autoren. Aus der Sicht der Konzilsanhänger aber war es ein erster Erfolg, […]. Die reduzierte Anhängerschaft der beiden ,Häretiker‘ Angelo Correr (Gregor XII.) und Pedro de Luna (Benedikt XIII.) war in dieser Sicht ein Restproblem. […] Historisch muß man dieser letzteren Sicht Recht geben. Denn Konstanz war nur auf der Basis von Pisa möglich“ (vgl. [0 – 3], S. 133).

2. Das Konzil von Konstanz (1414–1418) Der Anstoß zu einem neuen Konzil

In der Forschung besteht weithin ein Konsens darüber, dass der Anstoß dazu, die Kirchenspaltung im lateinischen Westen doch noch durch ein all-

2. Das Konzil von Konstanz (1414 – 1418)

gemeines Konzil zu überwinden, von dem deutschen König Sigismund (1410 – 1437) ausgegangen ist (vgl. [0 – 2], S. 65; [0 – 3], S. 133). Dieser dürfte es gewesen sein, der den von der Synode in Pisa (1409) gewählten Papst Johannes XXIII. dazu bewegte, eine neue Synode einzuberufen. Daher fand das Konzil nicht nur auf dem Boden des westlichen Reichs statt; es setzte sich zunächst auch nur überwiegend aus Anhängern von Johannes XXIII. zusammen (vgl. [0 – 3], S. 133). Mit den anderen beiden Päpsten wurden jedoch Verhandlungen geführt. Allein schon durch seine Dauer von vier Jahren hob sich das Konzil von Konstanz von den anderen Synoden ab, die ihre Aufgabe zumeist in wenigen Wochen oder Monaten erledigt hatten. Darüber hinaus unterschied es sich durch seine Zusammensetzung und Arbeitsweise von bisherigen Bischofsversammlungen; denn zum einen umfasste es etwa 2000 Teilnehmer, von denen nur etwa ein Zehntel Bischöfe waren. Die anderen Teilnehmer kamen beispielsweise von den Ordensgemeinschaften, den Universitäten oder den weltlichen Fürsten (vgl. [0 – 2], S. 65 – 66). Zum anderen wurde nicht nach Köpfen abgestimmt, sondern nach nationes (vgl. [0 – 2], S. 65 – 66; [0 – 3], S. 135 – 137). Unter diesen nationes verstand man an den mittelalterlichen Universitäten zumeist lockere Zusammenschlüsse von Vertretern aus den unterschiedlichen Kulturkreisen (vgl. [0 – 3], S. 136). Daher zählten zur germanischen Nation (natio germanica) beispielsweise nicht nur die eigentlichen Deutschen, sondern auch die Skandinavier, die Tschechen, die Ungarn, die Polen und die Kroaten; zu der anglikanischen nicht nur die Engländer, sondern auch die Schotten und die Iren (vgl. [0 – 2], S. 65). Im Laufe der Beratungen bildeten sich auf diese Weise die nationes der Deutschsprachigen (natio germanica), der Französischsprachigen (natio gallicana), der Italienischsprachigen (natio italica), der Englischsprachigen (natio anglicana) sowie der Spanisch- und Portugiesischsprachigen (natio iberica) (vgl. [0 – 3], S. 136). Insofern entstanden in den nationes verschiedene Unterausschüsse, deren Arbeit von einem Hauptausschuss, der sich aus Bevollmächtigten der einzelnen nationes zusammensetzte, koordiniert wurden (vgl. [0 – 3], S. 135 – 136). Als von der Synode von Pisa (1409) bestätigter Papst erhoffte sich Johannes XXIII., von der Versammlung in Konstanz als rechtmäßiger Nachfolger Petri bestätigt zu werden (vgl. [0 – 2], S. 65). Nach der Argumentation seiner – in erster Linie wohl italienischen – Anhänger gab es offensichtlich keine Kirchenspaltung mehr; denn die Synode von Pisa (1409) hatte ja Gregor XII. und Benedikt XIII. abgesetzt. Da die Synode von Pisa (1409) den Weg der Bestätigung eines neuen Papstes durch die Wahl von Johannes XXIII. gegangen sei, müsse die neue Versammlung an dieser festhalten; sonst führe man die Autorität einer allgemeinen Synode ad absurdum (vgl. [0 – 3], S. 134). Die Gegenposition fußte auf einer anderen Interpretation des Konzils von Pisa (1409). Wenn die Synode das Prinzip durchgesetzt hatte, dass eine allgemeine Synode im Falle von mehreren Päpsten eine Entscheidung über die Rechtmäßigkeit dieser Päpste treffen könne, dann stehe dies auch der neuen Synode in Konstanz (1414 – 1418) zu. Daher solle Johannes XXIII. bereit sein, auf sein Papstamt zu verzichten, um der Einheit der Herde Christi willen (vgl. [0 – 3], S. 134 – 135). Als Johannes XXIII. angesichts dieser Auffor-

Die Arbeitsweise des Konzils

Die Auseinandersetzung mit Johannes XXIII.

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IV. Die Auseinandersetzung um den Konziliarismus

Das Dekret Haec sancta

derung zur Resignation offenbar seine Chancen schwinden sah, stürzte er das Konzil in eine Krise, indem er am 20. März 1415 aus Konstanz nach Schaffhausen floh und seine Anhänger dazu aufrief, ihm nachzufolgen (vgl. [0 – 2], S. 66). Der römische Papst unternahm also den Versuch, die Synode aufzulösen oder zumindest zu verlegen. Es war König Sigismund, der in dieser Situation das Konzil rettete. Er ließ die Stadt absperren und verbot es einem jeden, Konstanz zu verlassen (vgl. [0 – 3], S. 138). Nach weiteren insgesamt eher erfolglosen Verhandlungen wurde Johannes XXIII. schließlich gefangen gesetzt und am 29. Mai als Papst für abgesetzt erklärt (vgl. [0 – 2], S. 66 – 67; COD, S. 417 – 418). Von bleibender Bedeutung ist diese Auseinandersetzung zwischen dem Papst und dem Konzil dadurch geworden, dass das Konzil von Konstanz (1414 – 1418) in der Situation der Flucht des Papstes das Dekret Haec sancta (COD, S. 408 – 410) verfasst hat. Das Dekret Haec sancta, das als eines der wichtigsten Dokumente des Konziliarismus gilt (vgl. [0 – 3], S. 139), ist in zwei Fassungen überliefert: einer kürzeren, die Kardinal Franciscus Zabarella, der zwischen Johannes XXIII. und dem Konzil zu vermitteln suchte, öffentlich verlesen hat und die in der Sitzung vom 30. März 1415 angenommen worden ist (COD, S. 408 – 409); sowie einer längeren, die in der Sitzung vom 06. April 1415 beschlossen worden ist (COD, S. 409 – 410). Beide Versionen erklären übereinstimmend die Synode von Konstanz zum allgemeinen Konzil (generale concilium; COD, S. 408). Dieses sei zusammengekommen, um das Schisma zu überwinden (pro exstirpatione praesentis schismatis; COD, S. 408) „zur Verwirklichung der Einheit“ (et unione; COD, S. 408) sowie zur „Reform der Kirche Gottes an Haupt und Gliedern“ (ac reformatione ecclesiae Dei in capite et in membris; COD, S. 408). Des Weiteren erklären beide Fassungen, dass die allgemeine Synode ihre Gewalt von Christus selbst habe, der ein jeder, „unabhängig von seinem Stand oder Würde, wäre sie auch päpstlich, in dem, was den Glauben und die Ausrottung des Schismas betrifft, zum Gehorsam verpflichtet“ sei (quod ipsa synodus in Spiritu sancto legitime congregata, generale concilium faciens, […] potestatem a Christo immediate habeat, cui quilibet cuiuscumque status vel dignitatis, etiam si papalis exsistat, obedire tenetur in his quae pertinent ad fidem et exstirpationem dicti schismatis; COD, S. 408). Es sei daher dem Papst Johannes XXIII. untersagt, das Konzil zu verlegen (COD, S. 408/409) oder die Beamten dazu aufzurufen, ihm zu folgen (COD, S. 408/409). Die längere Fassung vom 06. April 1415 geht über die kürzere dadurch hinaus, dass sie hervorhob, dass das Konzil in der Frage der Reform der Kirche über dem Papst stehe: „Zweitens erklärt sie [sc. die Synode]: Jeder – unabhängig von Stellung, Stand und Würde, wäre sie auch päpstlich – , der den Befehlen, Bestimmungen, Anordnungen oder Vorschriften dieser Hl. Synode oder eines anderen rechtmäßig versammelten Generalkonzils, die bezüglich des oben Gesagten oder dazu Gehörenden erlassen sind oder noch erlassen werden, hartnäckig den Gehorsam verweigert, unterliegt, falls er nicht wieder zur Vernunft kommt, der entsprechenden Buße und wird gebührend bestraft, wobei nötigenfalls auch auf andere Rechtsmittel zurückge-

2. Das Konzil von Konstanz (1414 – 1418)

griffen wird“ (Item, declarat, quod quicumque cuiuscumque conditionis, status, dignitatis, etiam si papalis exsistat, qui mandatis, statutis seu ordinationibus, aut praeceptis huius sacrae synodi et cuiuscumque alterius concilii generalis legitime congregati, super praemissis, seu ad ea pertinentibus, factis, vel faciendis, obedire contumaciter contempserit, nisi resipuerit, condignae poenitentiae subiiciatur, et debite puniatur, etiam ad alia iuris subsidia, si opus fuerit, recurrendo; COD, S. 409). Insofern bildete das Dekret Haec sancta die juristische Basis dafür, dass das Konzil von Konstanz (1414 – 1418) auch ohne Papst Johannes XXIII. seine Arbeit fortsetzen konnte (vgl. [0 – 3], S. 140). Angesichts dieser Bedeutung, die Haec sancta für das Konzil von Konstanz (1414 – 1418) gewonnen hat, ist in den folgenden Jahrhunderten eine Diskussion um die Verbindlichund Gültigkeit des Textes entstanden (vgl. [0 – 3], S. 145 – 147). Auf der einen Seite argumentierten strenge papalistische Autoren, dass nur die Papstlinie von Gregor XII. die gültige sei. Daher sei das Dokument bereits aus sich heraus ungültig; denn es sei von einer Synode beschlossen worden, die nicht rechtmäßig von einem römischen Papst einberufen worden sei (vgl. [0 – 3], S. 145). Auf der anderen Seite betrachteten Anhänger der konziliaren Idee, vornehmlich in Frankreich, Haec sancta als ein verbindliches Dokument (vgl. [0 – 3], S. 145). Einen Mittelweg schlug eine moderat papalistische Linie ein, die das Konzil von Pisa (1409) als gültig anerkannte und demzufolge seit dem Jahr 1409 nicht mehr Gregor XII., sondern Johannes XXIII. als rechtmäßigen Papst zählte. Für sie ist Haec sancta daher ein Instrument zur Lösung eines Dilemmas, nämlich eines Papstschismas, das auf keine andere Art und Weise als durch ein allgemeines Konzil gelöst werden könne (vgl. [0 – 3], S. 145 – 146). Für die Stärke dieser Position spricht die Beobachtung, dass die Reihe von Papstporträts in der Kirche San Paolo fuori le Mura in Rom auch Johannes XXIII. unter die rechtmäßigen Päpste zählt (vgl. [0 – 3], S. 146). Nach der Flucht und Absetzung von Johannes XXIII. (vgl. S. 80) stellte sich dem Konzil von Konstanz (1414 – 1418) die Frage nach dem Umgang mit den anderen beiden amtierenden Päpsten Gregor XII. und Benedikt XIII. Während die Synode von Pisa (1409) die beiden kurzerhand abgesetzt hatte (vgl. S. 78), wählte das Konzil von Konstanz (1414 – 1418) den Weg der Verhandlung und der Rücksichtnahme auf deren juristische Argumentation. So gelang es, Gregor XII. am 04. Juli 1415 zum Rücktritt zu bewegen (vgl. [0 – 2], S. 67; [0 – 3], S. 140). Obwohl die Versammlung in dem Dekret Haec sancta betont hatte, dass sie ein allgemeines Konzil sei, akzeptierte sie eine Einberufungsbulle dieses Papstes, um auf dessen Befindlichkeiten Rücksicht zu nehmen (vgl. [0 – 3], S. 140). Anders verliefen die Diskussionen mit Benedikt XIII. (vgl. [0 – 2], S. 67 – 68; [0 – 3], S. 140 – 141). Diese führten zu keinem Ausgleich (vgl. S. 84). Als er sich in die Bergfestung Peniscola im Königreich Aragon zurückzog, sagten sich die meisten Königreiche auf der Iberischen Halbinsel von ihm los und bildeten die fünfte Konzilsnation, die natio iberica (vgl. [0 – 2], S. 68). In der Sitzung vom 26. Juli 1417 wurde Benedikt XIII. als Papst abgesetzt (COD, S. 437 – 438; vgl. [0 – 2], S. 68).

Die Wiederherstellung der Kircheneinheit

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IV. Die Auseinandersetzung um den Konziliarismus Papstwahl oder Reform

Das Dekret Frequens

Nach der Absetzung bzw. dem Rücktritt von Johannes XXIII., Gregor XII. und Benedikt XIII. eröffnete sich dem Konzil die Möglichkeit, durch die Wahl eines neuen Papstes die Einheit der westlichen Kirche wiederherzustellen. Auf diese drängten die Vertreter der kurialen Richtung. Müsse eine Reform der Kirche nicht vom Haupt selbst ausgehen? Und: Sei das Konzil ohne gültig gewählten Papst nur ein Instrument der Notsituation, der rasch Abhilfe geschaffen werden müsse? (Vgl. [0 – 3], S. 143). Bedenken gegen eine zügige Papstwahl äußerten hingegen in erster Linie die Vertreter der deutschen (natio germanica) und der britischen Nation (natio anglicana). Bestehe nicht die Gefahr, dass ein neu gewählter Papst eine grundlegende Reform verschleppen werde? Und: Wie solle der neu Ernannte an die Beschlüsse des Konzils gebunden werden, wenn er vor einer Beratung über die Kirchenreform in das Petrusamt erhoben werde? (Vgl. [0 – 3], S. 143). Gelöst wurde die Frage scheinbar durch einen Kompromiss. Auf der einen Seite wurde am 11. November 1417 mit Martin V. (1417 – 1431) ein neuer Papst gewählt. Auf der anderen Seite verabschiedete das Konzil in der Sitzung vom 09. Oktober eine Reihe von Reformdekreten, unter denen das Dekret Frequens hervorragt. Es bestimmte in Bezug auf die regelmäßige Einberufung von allgemeinen Konzilien: „Die häufige Feier der Generalkonzilien ist eine vorzügliche Weise, den Acker des Herrn zu pflegen. […] Daher verfügen, bestimmen, entscheiden und verordnen wir durch diesen für immer gültigen Erlass, dass von jetzt an Generalkonzilien in folgender Weise gefeiert werden: Das erste fünf Jahre nach Beendigung dieses Konzils, das zweite sieben Jahre danach. Von da an wird in Zukunft alle zehn Jahre ein Konzil gefeiert, und zwar an Orten, die der Papst einen Monat vor Beendigung des jeweiligen Konzils mit Billigung und Zustimmung des Konzils, oder – falls er es versäumt – das Konzil selbst bestimmen und festsetzen muss“ (Propter hoc edicto perpetuo sancimus, statuimus, decernimus atque ordinamus, ut amodo concilia generalia celebrentur: ita quod primum a fine huius concilii in quinquennium immediate sequens, secundum vero a fine illius immediate sequentis concilii in septennium, et deinceps de decennio in decennium perpetuo celebrentur, in locis quae summus pontifex per mensem ante finem cuiuslibet concilii, approbante et consentiente concilio, vel in eius defectu ipsum concilium, deputare et assignare teneatur; COD, S. 439). Auf diese Weise sollte offenbar die Herausforderung der Kirchenreform beständig auf die Tagesordnung der Kirchenpolitik gesetzt werden. Dazu zählte, dass die 40. Sitzung vom 30. Oktober 1417 festsetzte, dass der neu zu wählende Papst eine Reihe von Reformen in Angriff nehmen müsse, zu denen beispielsweise die Festsetzung einer Höchstzahl der Kardinäle zählte (COD, S. 444). Der neue Papst Martin V. wählte den Weg von Vereinbarungen mit den einzelnen nationes. Damit schuf er im Grundsatz das spätere Instrument des Konkordates, d. h. einer vertraglichen Vereinbarung zwischen dem Apostolischen Stuhl und den einzelnen modernen Staaten (vgl. [0 – 2], S. 70; [0 – 3], S. 145).

2. Das Konzil von Konstanz (1414 – 1418)

Während das Konzil von Konstanz (1414 – 1418) in der Frage der Wiederherstellung der Einheit der westlichen lateinischen Kirche, der causa unionis, einen Erfolg errang und die causa reformationis zumindest in Ansätzen anging (COD, S. 403), traf es klare Entscheidungen in der der causa fidei: Zum einen wurden in der Sitzung vom 04. Mai 1415 insgesamt 45 Lehrsätze des Engländers John Wycliff ({ 1384) (COD, S. 411 – 413) sowie dessen Bücher (COD, S. 413 – 415) verurteilt. Zum anderen sprach die Synode in der Sitzung vom 06. Juli 1415 das Urteil gegen den tschechischen Reformator Jan Hus (COD, S. 428 – 429), der dem weltlichen Gerichtshof (curiae saeculari) zum Tod auf dem Scheiterhaufen überantwortet wurde (COD, S. 429). Die vom Konzil zitierten Lehrsätze des Briten John Wycliff bezogen sich unter anderem auf die Frage der Sakramente (COD, S. 411). Vor allem wenden sich die dem Engländer zugeschriebenen Aussagen gegen das Selbstverständnis der westlichen Kirche. So untersagt es etwa Satz 10, dass ein Kirchenmann Besitz habe (Contra scripturam sacram est, quod viri ecclesiastici habeant possessiones; COD, S. 412). Satz 7 erklärt, dass die äußere Beichte – d. h. wohl die Beichte vor einem Priester – für einen Menschen überflüssig sei, wenn er gebührend bereut habe (Si homo debite fuerit contritus, omnis confessio exterior est sibi superflua et inutilis; COD, S. 411). Satz 14 unterstreicht, dass es einem jeden Priester und Diakon gestattet sei, das Wort Gottes auch ohne die Vollmacht des Apostolischen Stuhles auszulegen (Licet alicui diacono vel presbytero praedicare verbum Dei, absque auctoritate sedis apostolicae vel episcopi catholici; COD, S. 412). Schließlich wird in Satz 42 hervorgehoben, dass es naiv sei, den Ablässen des Papstes oder der Bischöfe zu glauben (Fatuum est credere indulgentiis papae et episcoporum; COD, S. 413). In seinem Spruch gegen den Engländer betont das Konzil, dass diese Thesen von herausragenden Kardinälen, Bischöfen, Äbten, Magistern der Theologie sowie Doktoren der Rechte geprüft und für häretisch befunden worden seien (Haec autem sancta synodus praefatos articulos quadragintaquinque examinari fecit; COD, S. 414). Daher müssten diese als häretisch verurteilt werden (Quibus articulis examinatis, fuit repertum, prout in veritate est, aliquos et plures ex ipsis fuisse et esse notorios haereticos et a sanctis patribus dudum reprobatos, alios non catholicos, sed erroneos, alios scandalosos et blasphemos; COD, S. 414). Die Gebeine des John Wycliff sollten exhumiert und zerstreut werden (Decernitque et ordinat, corpus et eius ossa, si ab aliis fidelium corporibus discerni possint, exhumari, et procul ab ecclesiastica sepultura iactari, secundum canonicas et legitimas sanctiones; COD, S. 416). Wie in Bezug auf den Engländer John Wycliff erklärte die Synode Lehrsätze für häretisch, die sie dem an der Universität in Prag lehrenden Jan Hus zuschrieb (COD, S. 429 – 431). Dieselbe 15. Sitzung vom 06. Juli 1415, welche das Urteil gegen die Thesen John Wycliffs sprach (vgl. S. 83), erklärte, dass der Tscheche „mehrere Irrtümer und Häresien Wycliffs“ (errores eius plures et haereses; COD, S. 427) „lehrte, behauptete und verkündete“ (dogmatizavit, asseruit et praedicavit; COD, S. 427). Sie stellte daher fest, dass Hus ein „wahrer und offenkundiger Häretiker“ (esse verum et manifestum haereticum; COD, S. 428) sei; denn er „verachtete die Schlüsselgewalt der

Die Verurteilung von Jan Hus und John Wycliff

Das Urteil gegen John Wycliff

Das Urteil gegen Jan Hus

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IV. Die Auseinandersetzung um den Konziliarismus

Zusammenfassung

Kirche sowie die kirchlichen Zensuren“ (claves etiam ecclesiae et censuras ecclesiasticas vilipendisse; COD, S. 428). Die Glaubensartikel, die Hus zugeschrieben wurden, berühren in der Tat Aspekte der Lehre von der Kirche. So unterstellt die Synode, Hus habe gelehrt, dass nur „eine einzige heilige und universale Kirche“ sei, welche „die Gesamtheit der zum Heil Vorherbestimmten“ umfasse (Unica est sancta universalis ecclesia, quae est praedestinatorum universitas; COD, S. 429). Darüber hinaus soll er die Auffassung vertreten haben, Petrus sei weder das „Haupt der heiligen katholischen Kirche“ gewesen noch sei er es jetzt (Petrus non fuit nec est caput sanctae ecclesiae catholicae; COD, S. 429). Daher falle niemandem die Stelle Christi oder Petri zu, „es sei denn, er folge ihm in der Lebensführung nach“ (Nemo gerit vicem Christi, vel Petri, nisi sequatur eum in moribus; COD, S. 430). Es ist in der Forschung umstritten, ob das Konzil diese Lehrartikel Jan Hus zu Recht zugeschrieben hat (vgl. [0 – 1], S. 242 – 243). Es hat jedoch den Anschein, als habe sich Hus selbst von den Aussagen distanziert. Da er sie in der Analyse von Klaus Schatz jedoch offenbar nicht als die eigenen angesehen hat, war er auch nicht bereit, sich von ihnen zu distanzieren; denn dies hätte wohl bedeutet, einzugestehen, dass sie aus seiner Feder stammten (vgl. [0 – 3], S. 142). Angesichts von dessen Weigerung, sich von den Lehrsätzen zu distanzieren, verhängte die Synode das Urteil gegen den Tschechen. Von den ihm gestellten drei Aufgaben (vgl. S. 79; 81; 82) hat das Konzil von Konstanz (1414 – 1418) zwei erfolgreich angegangen: Am Ende der Synode gab es mit Martin V. wieder einen einzigen von der lateinischen Christenheit anerkannten Papst; und durch die Verurteilung von Lehrsätzen, welche dem Briten John Wycliff und dem Tschechen Jan Hus zugeschrieben wurden, hat die Synode die Lehre der Kirche erneuert. Hinsichtlich des Verhältnisses zwischen dem Papst und dem Konzil haben die Dekrete Haec sancta sowie Frequens in die Zukunft gewirkt. Dem letzten Dokument entsprach es, wenn Papst Martin V. eine neue Synode einberief.

3. Das Konzil von Basel bzw. Ferrara-Florenz (1431–1449) Die Vorgeschichte

In Übereinstimmung mit dem Dekret Frequens unternahm Papst Martin V. im Jahr 1423 den Versuch, in Pavia eine neue Synode abzuhalten. Diese wurde jedoch nur von wenigen Teilnehmern besucht. Sie sollte in erster Linie die Problematik um Benedikt XIII. lösen, der zu jener Zeit noch immer in Peniscola in Aragon residierte (vgl. [0 – 3], S. 147 – 148). Nachdem dieser dort verstorben war, wählten seine Anhänger mit Clemens VIII. noch einmal einen eigenen Papst. Als Alfons V., der König von Aragon, vor diesem Hintergrund eine allgemeine Synode forderte, um die Frage der Rechtmäßigkeit der beiden Päpste zu beantworten, löste Martin V. das Konzil auf. Erst sieben Jahre später versammelte sich daher in Basel die nächste allgemeine Synode (vgl. [0 – 2], S. 72).

3. Das Konzil von Basel bzw. Ferrara-Florenz (1431 – 1449)

Im Unterschied zu dem Konzil von Konstanz (1414 – 1418) wurde auf der Synode von Basel die Einteilung in nationes fallen gelassen (vgl. [0 – 3], S. 149). An ihre Stelle traten vier Ausschüsse, die sich mit den Fragen nach dem Glauben, dem Frieden der christlichen Staaten untereinander, der Kirchenreform und sonstigen Angelegenheiten beschäftigten (vgl. [0 – 2], S. 73). Eine Eigenheit stellte es dar, dass das Konzil selbst neue Teilnehmer aufnahm (vgl. [0 – 3], S. 149). Auf diese Weise wuchs seine Anzahl auf ca. 3350 Inkorporierte an, von denen sich etwa 300 bis 400 ständig in Basel aufgehalten haben dürften (vgl. [0 – 3], S. 149). Angesichts dieser Kooptationen bildeten die Bischöfe nur eine Minderheit. Die überwiegende Mehrheit der Teilnehmer entstammte den Ordensgemeinschaften, den Universitäten oder den Domkapiteln (vgl. [0 – 2], S. 73). Die erste Phase des Konzils war von der Auseinandersetzung mit Papst Eugen IV. (1431 – 1447) geprägt. Dieser suspendierte sogleich die Synode und verlegte sie nach Bologna (vgl. S. [0 – 3], S. 151 – 152). Unter Berufung auf das Dekret Haec sancta weigerte sich die Versammlung jedoch, sich aufzulösen (vgl. [0 – 2], S. 72 – 73). Auf seiner zweiten Sitzung vom 15. Februar 1432 hielt das Konzil daran fest:

Die Zusammensetzung des Konzils

Die Auseinandersetzung mit Papst Eugen IV.

„Mit Bezug auf diese und einige andere Texte des Konzils von Konstanz, zumal des Kapitels Frequens, das in der ersten Sitzung der Basler Synode verlesen wurde, entscheidet die oben genannte Synode von Basel und erklärt: Sie ist zur Ausrottung der Häresien und zur allgemeinen Sittenreform der Kirche an Haupt und Gliedern sowie zur Heraufführung des Friedens unter den Christen, wie oben dargelegt, im Hl. Geist rechtmäßig versammelt und durfte oder konnte, darf oder kann deshalb jetzt und in Zukunft von niemandem, mit welcher Autorität auch immer, wäre sie auch von päpstlicher Würde, ohne Beratung und Zustimmung dieser Synode von Basel aufgelöst, an einen anderen Ort verlegt oder auf einen anderen Termin vertagt werden“ (COD, S. 457). Stattdessen forderte die Versammlung Papst Eugen IV. dazu auf, „die angebliche Auflösung, die er de facto vornahm, de facto auch zu widerrufen“ und „diesen Widerruf, wie schon die Auflösung, überall auf der Welt zu verbreiten und zu veröffentlichen sowie von jeder Behinderung des Konzils völlig abzulassen“ (COD, S. 458). Zwar akzeptierte Eugen IV. am 15. Dezember 1433 diese Forderung der Versammlung, indem er seine Auflösungsbulle zurücknahm (vgl. [0 – 2], S. 73), doch ergriff er eine neue Gelegenheit, die Versammlung in Basel aufzuheben, die sich ihm bot, als im Jahr 1437 Gesandte des (ost)römischen Kaisers Johannes VIII. erneut über die Kirchenunion verhandeln wollten (vgl. [0 – 2], S. 74 – 75; [0 – 3], S. 153). Bevor es jedoch zu Verhandlungen mit dem (ost)römischen Kaiser gekommen ist, verabschiedete die Synode von Basel einige Reformdekrete. Diese berührten einerseits die Reform der Kirche, andererseits die finanzielle Ausstattung des Apostolischen Stuhles. So bestimmte die 15. Sitzung vom 26. November 1433, dass in den einzelnen Kirchenprovinzen regelmäßige Provinzialsynoden abzuhalten seien – „mindestens einmal im Jahr – sofern es nicht zweimal üblich ist“ (ad minus semel in anno, ubi non est consuetudo bis; COD, S. 473). Andere Bestimmungen betrafen die Feier der Stun-

Die Reformdekrete des Konzils von Basel

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IV. Die Auseinandersetzung um den Konziliarismus

denliturgie (COD, S. 489 – 499) oder die Anwesenheitspflichten beim Chorgebet (COD, S. 490). Die 20. Sitzung vom 22. Januar 1435 erneuerte die Bestimmungen gegen den Konkubinat (COD, S. 486). Die 21. Sitzung vom 09. Juli 1435 untersagte schließlich jede Form von Zahlungen an die römische Kurie: „An der römischen Kurie wie auch anderswo dürfen in Zukunft für oder bei Bestätigungen von Wahlen, für Zulassung von Postulationen, Ausstattung mit Präsentationsrechten, bei Verleihung, Verteilung, Wahl, Postulation, Präsentation – auch von Laienseite – , bei Einsetzung, Installierung und Investitur zuvor oder danach grundsätzlich keine Gebühren mehr direkt oder indirekt erhoben werden, wenn es sich dabei um Kirchen – auch Kathedral- oder Metropolitankirchen – , Klöster, Dignitäten, Benefizien und sonstige kirchliche Ämter handelt“ (COD, S. 488).

Die Verlegung des Konzils nach Ferrara bzw. Florenz

Die Synode in Basel

Durch diesen Beschluss wurden die finanziellen Einkünfte der römischen Kurie empfindlich beschnitten (vgl. [0 – 3], S. 153). Hubert Jedin hat daher sogar davon gesprochen, dass ihr „auf diese Weise der Großteil ihrer Einkünfte ohne Ersatz entzogen“ worden sei (vgl. [0 – 2], S. 74). Vor diesem Hintergrund wird verständlich, weshalb Papst Eugen IV. zugriff, um das Konzil erneut zu verlegen, als ihm die Verhandlungen mit den (Ost)Römern in die Hände spielten. Die Gelegenheit, sich „dieser Umklammerung zu entziehen“ (vgl. [0 – 3], S. 153), stellte sich ein, als Gesandte des (ost)römischen Kaisers Johannes VIII. eintrafen, um noch ein Mal über eine neue Kirchenunion zwischen den Kirchen des Ostens und des Westens zu verhandeln (vgl. [0 – 2], S. 74; [0 – 3], S. 153). Die Notwendigkeit zu diesem Schritt ergab sich für den (ost)römischen Kaiser, dessen Vorgänger einst ein Weltreich beherrscht hatten, daraus, dass die osmanischen Türken in der Zwischenzeit sein Herrschaftsgebiet auf die Stadt Konstantinopel selbst sowie einige Randgebiete beschränkt hatten. In dieser Notsituation erhoffte sich Johannes VIII., wie vor ihm die Kaiser Alexius (vgl. S. 61) und Michael VIII. (vgl. S. 71), militärische Hilfe (vgl. [0 – 3], S. 153); und die konnte im Westen eben eher der Papst als die Synode in Basel liefern. Daher stimmten die Vertreter Konstantinopels dem verkehrstechnisch günstiger gelegenen Ferrara als Ort für die Verhandlungen zu (vgl. [0 – 2], S. 74). Dadurch spaltete der Papst das Konzil; denn während eine Minderheit – unter ihnen allerdings beispielsweise der Gelehrte Nicolaus von Cues – dem päpstlichen Verlegungsdekret Folge leisteten, verblieb eine Mehrheit in Basel (vgl. [0 – 2], S. 74). Nach dem Weggang der päpstlichen Anhänger setzte sich unter den in Basel verbliebenen Synodalen ein strenger Konziliarismus durch. In dem am 16. Mai 1439 angenommenen Dekret Sacrosancta Synodus wurde nun endgültig festgesetzt, dass das allgemeine Konzil über dem Papst stehe. Seine entscheidenden Sätze werden in der Widerlegung des Dekretes Moysis vir Dei vom 04. September 1439 in Florenz zitiert (DH, Nr. 1309). Demnach verfügte die Synode in Basel, dass es eine katholische Glaubenswahrheit sei, dass „das allgemein[e] Konzil, das die gesamte Kirche repräsentiert, über den Papst und einen jeden anderen“ (Veritas de potestate concilii generalis universam Ecclesiam repraesentantis supra papam et quemlibet alter-

3. Das Konzil von Basel bzw. Ferrara-Florenz (1431 – 1449)

um […] est veritas fidei catholicae) die „volle Gewalt“ habe (DH, Nr. 1309). Daher dürfe kein Papst ein „rechtmäßiges versammeltes Konzil, das die gesamte Kirche repräsentiere […] ohne dessen Zustimmung auflösen, […] verschieben oder von einem Ort zum anderen verlegen“ (quod papa concilium generale universalem Ecclesiam repraesentans […] sine eius consensu nullatenus auctoritate potest dissolvere, aut ad aliud tempus prorogare, aut de loco ad locum transferre; DH, Nr. 1309). Wer schließlich gegen diese beiden Sätze verstoße, sei ein Häretiker (Veritatibus praedictis pertinaciter repugnans est censendus haereticus; DH, Nr. 1309). In Übereinstimmung mit diesem Dokument, wählte die Synode den Herzog Amadeus von Savoyen als Felix V. (1439 – 1449) zum neuen Papst (vgl. [0 – 2], S. 74 – 75; [0 – 3], S. 158). In den Folgejahren gelang es Eugen IV. jedoch, Felix und die Synode in Basel immer stärker zu isolieren (vgl. [0 – 3], S. 159 – 160). Daher dankte Felix im Jahr 1449 ab (vgl. [0 – 3], S. 160). Hubert Jedin hat in dieser Inthronisation eines Gegenpapstes den entscheidenden Fehler der Anhänger der konziliaren Idee ausgemacht (vgl. [0 – 2], S. 75). Denn war die via concilii ursprünglich gewählt worden, um im Falle eines Papstschismas die Einheit wiederherzustellen (vgl. S. 80), so führte das Konzil in Basel nun selbst eine solche Spaltung innerhalb der lateinischen Kirche herbei (vgl. [0 – 2], S. 75). Für die Position Eugens IV. wirkte es sich förderlich aus, dass es ihm gelang, die Verhandlungen mit den Orientalen über die Kirchenunion zum Erfolg zu führen (vgl. [0 – 2], S. 75 – 76; [0 – 3], S. 153 – 158). Dies war Papst Eugen IV. wohl in erster Linie deshalb möglich, weil sowohl er als auch der (ost)römische Kaiser Johannes VIII. auf einen Erfolg der Gespräche angewiesen waren. Im Gegensatz zu dem zweiten Konzil von Lyon (1274), in welchem den Vertretern des griechischsprachigen Ostens Vorgaben ohne nähere Diskussion gemacht worden waren (vgl. S. 71 – 72), wurden diesmal theologische Gespräche zwischen den beiden Parteien aufgenommen (vgl. [0 – 3], S. 153 – 154). Sie fanden nach dem 16. Januar 1439 allerdings nicht länger in Ferrara, sondern in Florenz statt – vor allem wohl auf Grund der niedrigeren Kosten (vgl. [0 – 2], S. 75). Am 06. Juli 1439 wurde deshalb in Florenz – und nicht in Ferrara – die Union zwischen der lateinischen und der griechischen Kirche in dem Dekret Laetentur coeli (COD, S. 523 – 528) verkündet. In diesem Dokument tritt der Versuch zur Einigung auf beiden Seiten sichtbar zu Tage. So erklärte die Synode in Florenz, dass der Hl. Geist zwar „aus dem Vater und dem Sohn von Ewigkeit her sei“ (quod Spiritus Sanctus ex Patre Filioque aeternaliter est; DH, Nr. 1300) und „sein Wesen und sein in sich ständiges Sein zugleich aus dem Vater und dem Sohn“ (et essentiam suam suumque esse subsistens habet ex Patre simul et Filio; DH, Nr. 1300 ) habe, aber „aus beiden von Ewigkeit her als aus einem Prinzip und durch eine einzige Hauchung hervorgehe“ (et ex utroque aeternaliter tamquam ab uno principio et unica spiratione procedit; DH, Nr. 1300). Um die beiden unterschiedlichen Sichtweisen von West und Ost miteinander zu versöhnen, wurde hinzugefügt, „dass der Hl. Geist aus dem Vater durch den Sohn hervorgehe“ (ex Patre per Filium procedere; DH, Nr. 1301), was bedeute, dass „der Sohn gemäß den Griechen Ursache, gemäß den Lateinern jedoch das Prinzip des Daseins

Die Kirchenunionen mit den Orientalen

Das Dekret Laetentur coeli

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IV. Die Auseinandersetzung um den Konziliarismus

des Hl. Geistes sei“ (Filium quoque esse secundum Graecos quidem causam, secundum Latinos vero principium subsistentiae Spiritus Sancti; DH, Nr. 1301), nämlich ebenso wie der göttliche Vater (sicut et Patrem; DH, Nr. 1301). Daher gestand die griechische Seite zu, dass das Filioque „zum Zwecke der Verdeutlichung der Wahrheit und auf Grund einer damals bestehenden dringenden Notwendigkeit erlaubtermaßen und vernünftigerweise dem Bekenntnis hinzugefügt worden sei“ (Diffinimus insuper, explicationem verborum illorum Filioque veritatis declarandae gratia, et inaminente tunc necessitate, licite ac rationabiliter Symbolo fuisse appositam; DH, Nr. 1302). Auf diese Weise wurde, in den Worten von Klaus Schatz, „die Rechtgläubigkeit der beiden Standpunkte anerkannt“ (vgl. [0 – 3], S. 155). Der gleiche Wille zum Kompromiss zeigt sich in der Übereinkunft, dass der Leib Christi sowohl mit ungesäuertem wie mit gesäuertem Brot „wahrhaft zustande gebracht“ (in azymo sive fermentato pane triticeo corpus Christi veraciter confici; DH, Nr. 1303) werde. Die Priester der beiden Kirchen sollten die Wandlung daher „nach der Gewohnheit [ihrer] Kirche“ bewirken (unumquemque scilicet iuxta suae Ecclesiae sive occidentalis sive orientalis consuetudinem; DH, Nr. 1303). Schließlich erkannten die Griechen ebenso, wie sie es in Lyon (1274) getan hatten (vgl. S. 73), die lateinische Vorstellung vom Purgatorium an (DH, Nr. 1304 – 1306). Während in diesen Festlegungen des Dekretes die Anerkennung der gegenseitigen Positionen deutlicher zu Tage tritt, blieb die Frage nach der Gestalt der Kirche eher offen; denn das Konzil stellte zwei unterschiedliche Abschnitte nebeneinander, deren Inhalte sich, streng genommen, widersprachen. So verfügte das Konzil mit Blick auf den Primatsanspruch des Papstes in Rom: „Ebenso bestimmen wir, dass der Hl. Apostolische Stuhl und der Römische Bischof den Primat über den gesamten Erdkreis innehat und [dass] der Römische Bischof selbst der Nachfolger des seligen Apostelfürsten Petrus und der wahre Stellvertreter Christi, das Haupt der ganzen Kirche und der Vater und der Lehrer aller Christen“ sei (Item diffinimus, sanctam Apostolicam Sedem, et Romanum Pontificem, in universum orbem tenere primatum, et ipsum Pontificem Romanum successorem esse beati Petri principis Apostolorum et verum Christi vicarium; DH, Nr. 1307). Daher sei ihm „von unserem Herrn Jesus Christus im seligen Petrus“ (ipsi in beato Petro […] a Domino nostro Iesu Christo; DH, Nr. 1307) die „volle Gewalt“ (plenam potestatem; DH, Nr. 1307) übertragen worden, „die gesamte Kirche zu weiden, zu leiten und zu lenken“ (pascendi, regendi ac gubernandi universalem Ecclesiam […] traditam esse; DH, Nr. 1307); und zwar „wie es auch in den Akten der ökumenischen Konzilien und in den heiligen Kanones festgehalten“ werde (quemadmodum etiam in gestis oecumenicorum conciliorum et in sacris canonibus continetur; DH, Nr. 1307). Durch die Wahl der Worte, dass der Bischof von Rom als Nachfolger des Apostelfürsten Petrus die „volle Gewalt“ (plenam potestatem) besitze, war der römische Anspruch auf den Primat über die gesamte Kirche eigentlich festgeschrieben. Allerdings geschah dies nur mit der Einschränkung, gemäß den „Akten der ökumenischen Konzilien“ sowie deren canones (vgl. [0 – 2],

3. Das Konzil von Basel bzw. Ferrara-Florenz (1431 – 1449)

S. 75). In gleicher Weise bestätigte der folgende Abschnitt die alte konziliare Rangordnung der fünf besonders ausgezeichneten Patriarchate: „Wir erneuern überdies die in den canones überlieferte Rangordnung der übrigen ehrwürdigen Patriarchen, dass [nämlich] der Patriarch von Konstantinopel der zweite ist nach dem heiligsten Bischof von Rom, der dritte aber derjenige von Alexandria, der vierte aber derjenige von Antiochia und der fünfte derjenige von Jerusalem – selbstverständlich unter Wahrung all ihrer Privilegien und Rechte“ (salvis videlicet privilegiis omnibus et iuribus eorum; DH, Nr. 1308). Die nicht nur juristisch, sondern vor allem auch ekklesiologisch spannende Frage, wie die „volle Gewalt“ (plena potestas) des römischen Papstes mit der Bestätigung der „Privilegien und Rechte“ (salvis privilegiis omnibus et iuribus eorum) der Patriarchen des Ostens in Einklang gebracht werden könne, ließ das Konzil offen (vgl. [0 – 3], S. 156). Neben der Kirchenunion mit der Kirche von Konstantinopel erzielte das Konzil von Florenz auch Übereinkünfte mit Vertretern der Armenier (COD, S. 534 – 559). In dem Dokument erkannten die Armenier nicht nur die lateinischen sieben Sakramente an (COD, S. 540 – 553), sondern bestätigten auch das Konzil von Chalcedon (COD, S. 539) sowie die Aussage über die zwei Willen und zwei Wirkweisen (COD, S. 539) des dritten Konzils von Konstantinopel (vgl. S. 51 – 52). Mit den gleichen Inhalten schloss die Synode gleichermaßen eine Vereinbarung mit syrischen (COD, S. 586 – 589) und koptischen Christen (COD, S. 567 – 583). Durch diese Kirchenunionen, die Bischöfe, Priester und Gläubige der anti-chalcedonensischen Kirchen des Orients (vgl. S. 43 – 44) mit dem Apostolischen Stuhl eingingen, entstanden die so genannten katholischen ,Unierten Kirchen‘. Auch wenn diese nur einen Teil der alten Kirchen des Orients umfassten, betrachteten die Lateiner die – wenigstens teilweise geglückte – Überwindung der seit dem sechsten Jahrhundert bestehenden Kirchenspaltung offenbar als einen großen Erfolg (vgl. [0 – 2], S. 75 – 76). Daher kommt es, dass die lateinische Theologie seit der Synode von Florenz zwischen der katholischen und der lateinischen bzw. römischen Kirche unterschied (vgl. [0 – 3], S. 157); denn auch wenn die unierten Christen die Liturgie in ihrer eigenen Sprache feierten und einer eigenen bischöflichen Hierarchie unterstanden – also nicht römisch waren –, bildeten sie einen wesentlichen Bestandteil der – nach dem lateinischen Verständnis – einen allumfassenden, also der katholischen Kirche. Auch wenn in dem Dekret Laetentur coeli der Wille zum Ausgleich zwischen den in Florenz verhandelnden Vertretern der lateinischen wie der griechischen Kirche zum Ausdruck kommt, vermochte sich die Union in Konstantinopel nicht durchzusetzen (vgl. [0 – 1], S. 323 – 325; [0 – 2], S. 76; [0 – 3], S. 156 – 157). Hierfür gibt es mehrere Gründe: Zum einen hatten die (Ost)Römer mit den Lateinern gerade in der Folge des vierten Kreuzzuges sehr negative Erfahrungen gemacht (vgl. S. 66). Daher überwog in der alten Kaiserstadt am Bosporus offenbar der Widerstand gegen eine Union (vgl. [0 – 3], S. 157). Dazu kam zum anderen, dass ein lateinisches Hilfsheer, das im Jahr 1444 auf dem Balkan gegen die Muslime auszog, bei Varna besiegt wurde (vgl. [0 – 1], S. 321). Schließlich ist das (ost)römische Kaiserreich mit

Die weiteren Kirchenunionen

Das Scheitern der Kirchenunion mit den Griechen

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IV. Die Auseinandersetzung um den Konziliarismus

der Eroberung der Stadt Konstantinopel durch die osmanischen Türken im Jahr 1453 untergegangen. Umberto Proch hat daher zum Scheitern der Union von Florenz festgehalten: „Von 1453 an dauert die Union nur in dem einen oder anderen venezianischen Herrschaftsgebiet (Euböa, Zypern) und im Kreis der vielen Griechen weiter, die in den Westen geflüchtet sind und ihn kulturell und religiös bereichern. Nach 1453 ist die Sache der Union verloren, denn das Verschwinden des Reiches beseitigt auch den entscheidenden Hauptgesprächspartner. Von nun an – und bis in unsere Tage – muß das Einheitsbestreben der politischen und religiösen Zerstückelung des orthodoxen christlichen Ostens Rechnung tragen“ (vgl. [0 – 1], S. 324).

4. Das fünfte Konzil im Lateran (1512–1517) Der Grund für die Einberufung

Die Dekrete zur Kirchenreform

Nach dem Ende des Konzils von Basel-Ferrara-Florenz (vgl. [0 – 2], S. 76) dauerte es über 70 Jahre, bis es wieder zu einer allgemeinen Synode der lateinischen Kirche kam. Der Auslöser für die Einberufung dieses neuen Konzils war ein militärischer Konflikt zwischen dem französischen König Ludwig XII. und dem römischen Papst Iulius II. (1503 – 1513). In dieser Auseinandersetzung bediente sich der König von Frankreich des Instruments der Synode, indem er von einigen ihm gewogenen Kardinälen im Jahr 1511 in Pisa unter Berufung auf das Dekret Frequens eine allgemeine Synode einberufen ließ (vgl. [0 – 2], S. 78; [0 – 3], S. 162). Allerdings gelang es diesen Parteigängern des französischen Königs nicht, mehr als etwa 30 französische Teilnehmer zu versammeln (vgl. [0 – 3], S. 162). Um dieser Konkurrenz den Wind aus den Segeln zu nehmen, lud Papst Iulius II. seinerseits zum fünften Konzil im Lateran (1512 – 1517). An ihm wirkten wesentlich mehr Teilnehmer – insgesamt wohl um die 430 Mitglieder – mit (vgl. [0 – 3], S. 163). In seiner Zusammensetzung knüpfte es nicht an die Synoden von Konstanz (1414 – 1418) oder Basel (1431 – 1449) an, sondern an die Päpstlichen Generalkonzilien des Mittelalters (vgl. [0 – 2], S. 78). Auf ihm waren mehrheitlich nur mehr wieder Bischöfe und Gesandte der Ordensgemeinschaften vertreten, nicht mehr aber Repräsentanten der Universitäten (vgl. [0 – 3], S. 163). In seinem Ansinnen, der Versammlung in Pisa den Boden unter den Füßen zu entziehen, war der römische Papst mit seiner Synode erfolgreich (COD, S. 595 – 596). In dogmatischer Hinsicht bestimmte das Konzil, dass die individuelle Seele des Menschen unsterblich sei (DH, Nr. 1440). Hinsichtlich der Reform der Kirche wurde festgehalten, dass sorgsam geprüft werden müsse, ob Kandidaten für die Weihe zum Bischof oder Abt geeignet seien (ut aetas, morum gravitas, ac literarum scientia in personis promovendis in episcopos et abbates diligenter inquirantur; COD, S. 615). Gerade die Kardinäle sollten „alle übrigen in der Kirche an Ehre und Würde übertreffen“ (sanctae Romanae ecclesiae cardinales ceteros omnes in ipsa ecclesia post summum pontificem honore ac dignitate praecedant; COD, S. 617). Weitere Dekrete betrafen die Reform der kirchlichen Pfandhäuser (COD, S. 625 – 627), den Druck von Büchern (COD, S. 632 – 633) und die rechte Art und Weise der Predigt (COD, S. 634 – 638).

5 Zusammenfassung

Auch wenn Hubert Jedin diese Reformansätze „sehr nützlich“ nennt (vgl. [0 – 2], S. 79), hat Klaus Schatz hinzugefügt, dass sie an dem fehlenden Willen zur Umsetzung gescheitert seien. „Woran es fehlte und woran das Konzil scheiterte, war der fehlende ernsthafte Wille zur Durchführung auf päpstlicher Seite“ (vgl. [0 – 3], S. 164). Es ging im März 1517 in demselben Jahr zu Ende, in dem die Thesen Martin Luthers in Deutschland auf großen Widerhall stießen (vgl. [0 – 2], S. 79).

5 Zusammenfassung Durch die Konzilien von Pisa (1409), Konstanz (1414 – 1418) und Basel-Ferrara-Florenz (1431 – 1449) hat sich das Gesicht der lateinischen Kirche entscheidend verändert. Zum einen wurde als Ergebnis der Kirchenunionen mit den Orientalen aus dem Jahr 1439 in der westlichen Theologie die mittelalterliche Gleichsetzung der katholischen Kirche mit der römischen Kirche endgültig aufgegeben. Von nun bestand die katholische Kirche aus der lateinischen bzw. römischen und den mit ihr ,unierten‘ Kirchen des Ostens, die ihre eigene Liturgie pflegten und ein eigenes Kirchenrecht erhielten. Zum anderen hat sich das Instrument einer allgemeinen Synode zur Überwindung eines Papstschismas als insgesamt erfolgreich erwiesen. Aus der Auseinandersetzung mit der Baseler Synode ist Eugen IV. durch die Abdankung von Felix V. als Sieger hervorgegangen. Die von dem Baseler Konzil in dem Dekret Sacrosancta beschlossene Überordnung des allgemeinen Konzils über den Papst (vgl. S. 86 – 87) hat sich in der lateinischen Kirche nicht durchsetzen können. Mit der allgemeinen Anerkennung eines einzigen – und wieder in Rom residierenden – Papstes war das Zeitalter der päpstlichen Schismata im Westen zu Ende gegangen. Doch war in dem Urteil von Klaus Schatz dieser „Sieg des Papsttums ein Pyrrhussieg“ (vgl. [0 – 3], S. 160); denn zum einen musste der Papst den Fürsten in Konkordaten entscheidende Zugeständnisse machen, um deren Anerkennung als rechtmäßiger oberster Hirte der Kirche zu erlangen. Diese Vereinbarungen zwischen dem Apostolischen Stuhl und den einzelnen Fürsten bildeten die vertragliche Grundlage für ,staatliche‘ Eingriffsmöglichkeiten in die Angelegenheiten der Kirche, beispielsweise durch das Zugeständnis, dass der weltlichen Autorität, je nach der einzelnen Übereinkunft, eine Veröffentlichungsgenehmigung für kirchliche Erlasse eingeräumt wurde (vgl. [0 – 3], S. 160). Zum anderen gestand Rom den entstehenden Staaten entscheidende Rechte bei der Bestimmung von Bischöfen zu (vgl. [0 – 3], S. 160). Dies „entsprach [einer] Wiederherstellung der Wahl [sc. der Bischöfe] durch die Domkapitel“ (vgl. [0 – 3], S. 160). Für die strengen Verfechter des Programms von der libertas ecclesiae der gregorianischen Reform (vgl. S. 63) wären solche Einschränkungen eher schwer vereinbar gewesen. Insofern stellt das fünfte Konzil im Lateran (1512 – 1517) lediglich ein Nachspiel zu den ersten drei Synoden dar. Mit der Reformation stand im 16. Jahrhundert nun die Einheit der lateinischen Kirche auf dem Spiel. Das von 1545 bis 1563 andauernde Konzil von Trient verkörpert insofern einen neuen Typus vom allgemeinen Konzil.

Die problematische Umsetzung

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V. Das Ringen um die Reformation: das Konzil von Trient (1545–1563) 1. Die Ausgangslage Die Ausgangslage

Das Mühen um eine Reform der Kirche hatte alle mittelalterlichen lateinischen Konzilien des Westens durchzogen. Sie erhielt in den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts eine neue Dringlichkeit – und das anscheinend nicht nur durch das Auftreten von Reformatoren wie Martin Luther (1483 – 1546); denn Klaus Schatz hat mit Blick auf die religiösen Erwartungen in Deutschland die Beobachtung angestellt: „Daß nur eine durchgreifende ,Reform an Haupt und Gliedern‘ der Kirche helfen und die Krise heilen und daß diese nur durch ein Konzil geschehen könne, war auch die Überzeugung jener Reichsstände, die nicht die Reformation mitmachten; ja es war die Überzeugung aller religiös lebendigen Kreise in Deutschland“ (vgl. [0 – 3], S. 165).

Die Ablehnung eines Konzils durch Clemens VII.

Die Einberufung des Konzils durch Paul III.

Das Konzil, das schließlich die Antwort auf diese Herausforderung der Reform der Kirche geben sollte, war die Synode von Trient (1545 – 1563) – allerdings nur noch für denjenigen Teil der lateinischen Kirche, der in der Gemeinschaft mit dem Apostolischen Stuhl verblieben ist. Um eine grundlegende Reform der Kirche herbeizuführen, setzten die Reformatoren wie Martin Luther ihre Hoffnung wohl durchaus zunächst auch auf ein allgemeines Konzil; d. h., sie erstrebten eine Veränderung innerhalb der einen [lateinischen] Kirche (vgl. [0 – 2], S. 81; [0 – 3], S. 166). Konstantinopel war ja im Jahr 1453 an die osmanischen Türken gefallen, weshalb sich eine Reform der Kirche im gemeinsamen Handeln und im Austausch mit den Kirchen des Ostens nicht mehr verwirklichen ließ. Nach einem Reichstag in Nürnberg, auf dem die verschiedenen Reichsstände eine ökumenische Synode forderten (vgl. [0 – 2], S. 82), scheint auch der römische Kaiser Karl V. im Jahr 1524 einen Versuch unternommen zu haben, den Papst in Rom zu einer neuen Synode zu bewegen (vgl. [0 – 3], S. 165 – 166). Doch Clemens VII. (1523 – 1534) lehnte ab (vgl. [0 – 2], S. 83). In der Weigerung des Papstes erblickt Klaus Schatz eine verpasste Chance, um die reformatorischen Bestrebungen innerhalb der einen Kirche zu behalten und die Spaltung der lateinischen Kirche zu vermeiden: „Die Tragik ist, daß das Konzil, von welchem Viele das letzte entscheidende Wort erwarteten und auf das sie noch gehört hätten, wenn es um 1530 gesprochen hätte, erst zustandekam, als es dafür zu spät war“ (vgl. [0 – 3], S. 166). Angesichts der Weigerung von Clemens VII. war es erst Papst Paul III. (1534 – 1549), der im Jahr 1537 einen Anlauf zu einem neuen Konzil unternahm (vgl. [0 – 2], S. 84 – 85; [0 – 3], S. 172) – allerdings in einer Situation, die sich verändert hatte. Auf der einen Seite hatten die Anhänger der Refor-

2. Die Phasen des Konzils

mation auf einem Reichstag in Augsburg (1530) ein eigenes Bekenntnis, die Confessio Augustana, vorgelegt (vgl. [5 – 1], S. 62 – 63) und sich in politischen Zusammenschlüssen wie dem ,Schmalkaldischen Bund‘ zusammengetan (vgl. [5 – 1], S. 64). Auf der anderen Seite löste Henry VIII. die englische Kirche aus der Einheit mit dem Apostolischen Stuhl (vgl. [0 – 2], S. 85); und in der heutigen Schweiz wirkten Reformer wie Johannes Calvin (1509 – 1564) oder Ulrich Zwingli (1484 – 1531) (vgl. [5 – 1], S. 75 – 78; 84 – 89). Insofern standen die Verfechter der Reform der Kirche dem neuen Papst stärker gefestigt und organisiert als zu Zeiten Clemens’ VII. gegenüber (vgl. [0 – 3], S. 166). Dennoch berief Paul III. – wahrscheinlich auch auf Drängen des westlichen Kaisers (vgl. [0 – 3], S. 172) – ein neues Konzil. Dieses Vorhaben war jedoch deshalb nicht erfolgreich, weil sich zu wenige der Geladenen in der Stadt Mantua einfanden. Darüber hinaus weigerten sich die Anhänger Luthers, über die Alpen zu gehen (vgl. [0 – 3], S. 175). Aus diesem Grunde wurde das Unterfangen auf unbestimmte Zeit verschoben (vgl. [0 – 3], S. 172). Da jedoch Kaiser Karl V. die Hoffnung auf einen Ausgleich mit den Anhängern der Reformation nicht aufgegeben zu haben scheint, trat an die Stelle eines Konzils der Vermittlungsansatz der Religionsgespräche (vgl. [5 – 1], S. 65). Solche fanden im Jahr 1539 in Leipzig und in den Jahren 1540 und 1541 in Hagenau, Worms und Regensburg statt (vgl. [5 – 1], S. 65). Als diese jedoch keinen Konsens herbeizuführen vermochten (vgl. [0 – 2], S. 85 – 86; [0 – 3], S. 172 – 173), berief der Papst im Jahr 1542 eine neue Synode: diesmal nach Trient (vgl. [0 – 3], S. 173). Von einem Krieg zwischen Kaiser Karl V. und dem französischen König Franz I. noch einmal verzögert, wurde das Konzil von Trient schließlich am 13. Dezember 1545 eröffnet (vgl. [0 – 2], S. 87). Als seine Aufgaben wurden benannt: (i.) die Ausrottung der Häresien (ad extirpationem haeresum); (ii.) die Wiederherstellung von Frieden und Einheit der Kirche (ad pacem et unionem ecclesiae); (iii.) die Reform des Klerus und des christlichen Volkes (ad reformationem cleri et populi christiani); sowie (iv.) die Vernichtung der Feinde des christlichen Glaubens (ad depressionem et extinctionem hostium christiani nominis; COD, S. 660).

2. Die Phasen des Konzils 2.1 Die erste Konzilsphase (1545 – 1547) Auch wenn die neue Synode zunächst nur von etwa 50 bis 70 Bischöfen besucht worden ist (vgl. [0 – 3], S. 177), fanden sich neben diesen theologische Berater ein, welche die inhaltlich aufgeworfenen Fragen systematisch diskutierten und die Konzilsväter berieten (vgl. [0 – 2], S. 88; [0 – 3], S. 179). In der ersten Periode des Konzils wurden daher neben positiven Beschreibungen der kirchlichen Lehre auch Listen zusammengestellt, in denen aus der Sicht des Konzils diejenigen Irrtümer aufgeführt wurden, denen die Reformatoren erlegen seien (vgl. [0 – 3], S. 179). Die Sitzungen leitete dabei ein Gremium von drei Kardinälen (vgl. [0 – 3], S. 179).

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V. Das Ringen um die Reformation: das Konzil von Trient (1545 – 1563) Das Dekret über die Schrift und die Tradition

Um die systematischen theologischen Beratungen auf eine solide Grundlage zu stellen (vgl. [0 – 3], S. 180 – 181), verabschiedete das Konzil in der vierten Sitzung vom 8. April 1546 das Dekret über die Annahme der Hl. Bücher sowie die Überlieferungen der Apostel (Decretum primum: recipiuntur libri sacri et traditiones apostolorum). In diesem lehramtlichen Dokument wurde festgehalten, dass es die Aufgabe der Kirche sei, „die wahre Reinheit des Evangeliums“ (ut sublatis erroribus puritas ipsa evangelii in ecclesia conservetur) zu bewahren, „das, vor Zeiten verheißen durch die Propheten […], unser Herr Jesus Christus […] mit seinem eigenen Mund promulgiert habe“ (quod promissum ante per prophetas in scripturis sanctis dominus noster Iesus Christus Dei Filius proprio ore primum promulgavit; COD, S. 663). Dieses hätten sodann die Apostel im Auftrag des Herrn „als Quelle aller heilbringenden Wahrheit und Sittenordnung aller Kreatur verkündet“ (deinde per suos apostolos tamquam fontem omnis et salutaris veritatis et morum disciplinae omni creaturae praedicari iussit; COD, S. 663). Daher sei diese göttliche Wahrheit und Ordnung enthalten „in den geschriebenen Büchern und den ungeschriebenen Überlieferungen, die, von den Aposteln aus dem Munde Christi selbst angenommen oder von ebendiesen Aposteln durch Eingebung des Hl. Geistes gleichsam von Hand zu Hand überliefert, bis zu uns gelangt ist“ (perspiciensque hanc veritatem et disciplinam contineri in libris scriptis et sine scripto traditionibus, quae ab ipsius Christi ore ab apostolis acceptae, aut ab ipsis apostolis Spiritu sancto dictante quasi per manus traditae ad nos usque pervenerunt; COD, S. 663).

Das Dekret über den Gebrauch der lateinischen Bibel

Auf diese Weise stellte das Konzil für die in der Gemeinschaft mit dem Apostolischen Stuhl stehende Kirche die Schrift und die Tradition als Quellen für die Selbstmitteilung Gottes gegenüber den Menschen, die Offenbarung, fest (vgl. [0 – 3], S. 181). Die Synode hob sich daher von dem Ansatz Martin Luthers ab, der allein die Schrift – nach dem Schlagwort sola scriptura – als Quelle der Offenbarung verstanden haben wollte (vgl. [5 – 1], S. 35). Diese sei, in den Augen Luthers, „in sich klar“ und lege „sich selbst“ aus, weshalb sie [keiner] lehramtlichen Auslegungsautorität bedürfe“, an der „alle Traditionen und Lehren zu messen“ seien (vgl. [5 – 1], S. 35). Durch die Betonung, dass auch die nicht in der Schrift enthaltenen Überlieferungen (traditiones) die göttliche Wahrheit und Ordnung enthielten, stellte das Konzil einen grundlegenden Gegensatz in der Lehre zu Martin Luther fest. Was jedoch genau mit diesen Glaubensüberlieferungen (traditiones) gemeint sei, blieb indes nicht näher beantwortet; die Meinungen der Konzilsväter differierten offenbar zu stark (vgl. [0 – 3], S. 180 – 182). In gleicher Weise mündeten die Diskussionen über die Frage, inwieweit diese Traditionen die Aussagen der Schrift selbst ergänzen könnten und dürften, nicht in einer lehramtlichen Äußerung (vgl. [0 – 3], S. 182). War auf diese Weise die Hl. Schrift als göttlich inspiriert festgehalten worden, erörterte das zweite Dekret die Frage nach deren rechtem Wortlaut (Decretum secundum: recipitur vulgata editio bibliae). Diesbezüglich legte die Synode fest, dass die lateinische Version der Bibel, die so genannte Vulgata, die authentische Fassung der Hl. Schrift sei:

2. Die Phasen des Konzils

„Darum bestimmt und erklärt sie [sc. die Synode], dass eben diese alte und verbreitete Ausgabe, die durch eine lange Verwendung so vieler Jahrhunderte in der Kirche anerkannt ist, bei öffentlichen Vorlesungen, Disputationen, Predigten und Auslegungen als authentisch gilt und dass niemand es wage oder sich herausnehme, die Vulgata unter irgendeinem Vorwand abzulehnen“ (statuit et declarat, ut haec ipsa vetus et vulgata editio, quae longo tot saeculorum usu in ipsa ecclesia probata est, in publicis lectionibus, disputationibus, praedicationibus et expositionibus pro authentica habeatur, et quod nemo illam reiicere quovis praetextu audeat vel praesumat; COD, S. 664). Um einen einheitlichen Wortlaut der Vulgata zu verbreiten, wurde es den Druckern zur Auflage gemacht, die Vulgata „möglichst fehlerfrei“ zu reproduzieren (haec ipsa vetus et vulgata editio quam emendatissime imprimatur; COD, S. 665). Bücher, die das Heilige beträfen, dürften deshalb nur mit Genehmigung des Ortsbischofs gedruckt werden (nisi primum examinati probatique fuerint ab ordinario; COD, S. 665). Die gleiche Vorgabe solle für die Kopisten von Handschriften angewandt werden (COD, S. 665). Während in einigen Ländern (z. B. in Spanien) Verbote für die Anfertigung von Bibelübersetzungen in der Volkssprache bestanden, in anderen (z. B. in Deutschland durch die Übertragung von Martin Luther) hingegen solche existierten, erklärte das Konzil, dass die lateinische Version der Bibel „authentisch“ (authentica) sei. Diese konziliare Erklärung besagt in den Worten von Klaus Schatz, dass „die Vulgata keine Glaubensirrtümer enthält, aber nicht, daß sie den ursprünglichen Sinn einer Stelle immer richtig wiedergibt. Der Rekurs auf den griechischen bzw. hebräischen Urtext wird dadurch nicht überflüssig“ (vgl. [0 – 3], S. 183). Insofern führte die konziliare Kanonisierung der Vulgata auf der einen Seite dazu, dass sich das Konzil von Trient und die Reformatoren auch in der Frage des Bibeltextes voneinander entfernten, da diese eigene Übersetzungen in die jeweilige Landessprache, also zum Beispiel in das Englische oder in das Deutsche, verwendeten und diesen Übertragungen zumindest einen ebenso authentischen Charakter zusprachen wie der lateinischen Vulgata-Bibel. Auf der anderen Seite brachte die Entscheidung für die Vulgata eine Vereinheitlichung des biblischen Wortlautes auf der römischen Seite mit sich; denn nun mussten alle theologischen Lehrer, die in der Gemeinschaft mit dem Apostolischen Stuhl verblieben, mit der lateinischen Fassung der Bibel argumentieren. Ihr Wortlaut galt insofern als verbindliche Vorgabe. Auf der fünften Sitzung vom 17. Juli 1546 wurde das Dekret über die Ursünde (super peccato originale) verabschiedet (COD, S. 665 – 667). In Übereinstimmung mit altkirchlichen Konzilien gegen den Pelagianismus (vgl. [0 – 3], S. 183) unterstrich das Dokument, dass Adam, der erste Mensch, „die Heiligkeit und Gerechtigkeit, in der er konstituiert worden war“ (statim sanctitatem et iustitiam, in qua constitutus fuerit, amisisse; COD, S. 666), verloren habe, indem er das Gebot Gottes im Paradies [sc. von der Frucht des Paradiesesbaumes nicht zu essen (Gen 3,3)] übertreten habe (cum mandatum Dei in paradiso fuisset transgressus; COD, S. 666). Diese Auflehnung gegen Gottes Gebot habe nicht nur Adam allein betroffen (sibi soli; COD,

Das Dekret über die Ursünde

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V. Das Ringen um die Reformation: das Konzil von Trient (1545 – 1563)

Das Dekret über die Rechtfertigung

S. 666), sondern „auch uns“ Menschen (sibi soli et non nobis etiam eum perdidisse; COD, S. 666). Daher unterlägen alle Menschen der Sünde (aut inquinatum illum per inoboedientiae peccatum mortem et poenas corporis tantum in omne genus humanum transfudisse, non autem et peccatum, quod mors est animae, anathema sit; COD, S. 666). Diese werde nämlich „nicht durch Nachahmung“, sondern „durch Fortpflanzung“ verbreitet (propagatione, non imitatione transfusum omnibus inest unicuique proprium; COD, S. 666). Aus diesem Grunde werde die auf diese Weise durch natürliche Zeugung von Mensch zu Mensch weitergegebene Ursünde allein „durch das Verdienst des einen Mittlers, unseres Herrn Jesus Christus“, hinweggenommen (per aliud remedium asserit tolli, quam per meritum unius mediatoris domini nostri Iesu Christi; COD, S. 666), der die Menschen durch sein Blut am Kreuz mit Gott wieder versöhnt habe (qui nos Deo reconciliavit in sanguine suo; COD, S. 666) – und zwar durch „das rechtmäßig gespendete Sakrament der Taufe“ (per baptismi sacramentum, in forma ecclesiae rite collatum; COD, S. 666). Die Taufe sei deshalb bereits für die Neugeborenen, also die kleinen Kinder, nötig (Si quis parvulos recentes ab uteris matrum baptizandos negat; COD, S. 666). In diesem Verständnis von der Ursünde (peccatum originale) ergab sich ein weiterer Lehrunterschied zu Martin Luther. Dieser ging offenbar davon aus, dass die auch nach der Taufe in ihm verbleibende Begehrlichkeit (concupiscentia) den Menschen zum bleibenden Sünder mache. Der Mensch sei daher sogleich ein Gerechter als auch ein Sünder (simul iustus et peccator) (vgl. [5 – 1], S. 35); ein Sünder, da er auch nach der Taufe der Sünde der concupiscentia unterliege und auf Gottes Gnade (gratia) angewiesen bleibe; aber ebenso ein Gerechter, weil Christus ihm beständig das Geschenk der Gerechtigkeit anbiete (vgl. [5 – 1], S. 35). Im Gegensatz zu Luther legte das Konzil dar, dass die Begehrlichkeit (concupiscentia) nicht im eigentlichen Sinn eine Sünde sei, sondern nur im übertragenen; denn die Kirche „habe niemals gemeint, sie [sc. die concupiscentia] werde Sünde genannt, weil sie in den [sc. in der Taufe] Wiedergeborenen wahrhaft und eigentlich Sünde ist, sondern weil sie aus der Sünde stammt und zur Sünde geneigt macht“ (sancta synodus declarat, ecclesiam catholicam nunquam intellexisse, peccatum appellari, quod vere et proprie in renatis peccatum sit, sed quia ex peccato est at ad peccatum inclinat; COD, S. 667). Deshalb werde für den Menschen in der Taufe der „Zustand der Ursünde“ vergeben (reatum originalis peccati remitti negat; COD, S. 667), weil der Mensch in der Taufe neu – und von der Ursünde befreit – geboren werde. Die sechste Sitzung vom 13. Januar 1547 behandelte die „zentrale theologische Kontroversfrage“ (vgl. [0 – 3], S. 184) der Rechtfertigung (iustificatio). Das vom Konzil verabschiedete Dokument gliedert sich in zwei Teile: In den ersten Abschnitten formuliert es positiv, was der Glaube der Kirche sei (COD, S. 671 – 678). In 33 canones (COD, S. 679 – 681) verurteilt es sodann Lehrsätze, die es den Reformatoren zuschrieb (DH, Nr. 502). Als Rechtfertigung (iustificatio) wurde dabei die „Überführung von dem Stand, in dem der Mensch als Sohn oder Tochter des ersten Adam geboren wird, in den Stand der Gnade und der Annahme der Söhne und Töchter Gottes durch den zweiten Adam, unseren Erlöser Jesus Christus“ verstanden (ut sit

2. Die Phasen des Konzils

translatio ab eo statu, in quo nemo nascitur filius primi Adae, in statum gratiae et adoptionis filiorum Dei, per secundum Adam Iesum Christum salvatorem nostrum; COD, S. 672). Diese Veränderung des Daseins des Menschen setzt eine „zuvorkommende Gnade“ (praeveniens gratia) voraus, die von Gott allein ausgeht. Ihr können die Menschen frei zustimmen oder sich gegen sie entscheiden: „Der Anfang dieser Rechtfertigung bei Erwachsenen ist in der zuvorkommenden Gnade Gottes, die durch Jesus Christus gegeben ist, zu sehen, d. h. in seinem Ruf, durch den sie gerufen werden ohne all ihre Verdienste, so dass diejenigen, die sich durch die Sünden von Gott abgewandt hatten, durch seine anregende und helfende Gnade zu ihrer Bekehrung und zu ihrer eigenen Rechtfertigung disponiert werden, indem sie eben dieser Gnade zustimmen und mit ihr mitwirken“ (Declarat praeterea, ipsius iustificationis exordium in adultis a Dei per Christum Iesum praeveniente gratia sumendum esse, hoc est, ab eius vocatione, qua nullis eorum existentibus meritis vocantur, ut qui per peccata a Deo aversi erant, per eius excitantem atque adiuvantem gratiam ad convertendum se ad suam ipsorum iustificationem, eidem gratiae libere assentiendo et cooperando, disponantur; COD, S. 672). Gott selbst ist auf diese Weise als alleiniger Ausgangspunkt für die Rechtfertigung des Menschen festgeschrieben (vgl. [0 – 3], S. 186). Doch auch dem Menschen fällt eine Aufgabe zu: nämlich der Auftrag, sich seines Daseins als sündhafter Mensch bewusst zu sein und aus seinem eigenen freien Willen die von Gott ausgehende Gnade anzunehmen (assentiendo et cooperando). Akzeptiert der Mensch aber diese Einladung Gottes, dann führt die Rechtfertigung für ihn „nicht nur [zur] Vergebung der Sünden, sondern auch [zur] Heiligung und Erneuerung des inneren Menschen durch die willentliche Annahme der Gnade und der Gaben“ (Hanc dispositionem seu praeparationem iustificatio ipsa consequitur, quae non est sola peccatorum remissio, sed ed sanctificatio et renovatio interioris hominis per voluntariam susceptionem gratiae et donorum; COD, S. 673) – und zwar so, wie der Hl. Geist es will, d. h. je nach der „eigenen Disposition und Kooperation eines jeden einzelnen“ (quam Spiritus sanctus partitur singulis prout vult, et secundum propriam cuiusque dispositionem et cooperationem; COD, S. 673). Deshalb sei der Glaube ohne ihn begleitende gute Werke „tot und nutzlos“ (Qua ratione verissime dicitur, fidem sine operibus mortuam et otiosam esse; COD, S. 674). Diejenigen jedoch, welche die zuvorkommende Gnade (praeveniens gratia) freiwillig annähmen und gute Werke vollbrächten, erführen ein Wachstum der empfangenen Rechtfertigung: „Die so gerechtfertigt wurden und zu Freunden und Hausgenossen Gottes geworden sind, schreiten ,von Tugend zu Tugend‘ voran und werden – wie der Apostel sagt – von Tag zu Tag erneuert, indem sie die Glieder ihres Fleisches töten und sie als Waffen der Gerechtigkeit zur Heiligung verwenden durch die Beobachtung der Gebote Gottes und der Kirche. In dieser durch Christi Gnade empfangenen Gerechtigkeit und unter Mitwirkung des Glaubens mit den guten Werken wachsen sie und werden

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V. Das Ringen um die Reformation: das Konzil von Trient (1545 – 1563)

noch mehr gerechtfertigt (Sic ergo iustificati et amici Dei domestici facti, euntes de virtute in virtutem, renovantur (ut Apostolus inquit) de die in diem, hoc est, mortificando membra carnis suae et exhibendo ea arma iustitiae in sanctificationem per observationem mandatorum Dei et ecclesiae: in ipsa iustitia per Christi gratiam accepta, cooperante fide bonis operibus, crescuntur atque magis iustificantur; COD, S. 675).

Die verurteilten Lehrsätze

Dieses Wachsen in der Rechtfertigung verlangt jedoch vom Menschen Wachsamkeit – und nicht das bloße Vertrauen darauf, dass er schon zu den von Gott vorherbestimmten Gerechten gehören werde (Nemo quoque, quamdiu in hac mortalitate vivitur, de arcano divinae praedestinationis mysterio usque adeo praesumere debet, ut certo statuat, se omnino esse in numero praedestinatorum; COD, S. 676). Als häretisch werden in dem Dekret nach dieser positiven Beschreibung des Glaubens durch das Konzil hingegen verschiedene Lehrsätze verurteilt. Zu diesen zählt beispielsweise die Auffassung, der Mensch werde „allein durch Glauben gerechtfertigt“ (sola fide impium iustificari), was sich auf das Prinzip sola fide Martin Luthers beziehen dürfte (vgl. [5 – 1], S. 35): „Wenn jemand sagt, der Gottlose werde alleine durch den Glauben gerechtfertigt, so dass er meint, nichts anderes sei erforderlich, wodurch er mitwirkt, um die Gnade der Rechtfertigung zu erlangen, und es sei keinesfalls nötig, dass er sich durch die Regung seines Willens vorbereite und disponiere, dem gelte das Anathema“ (Si quis dixerit, sola fide impium iustificari, ita ut intelligat, nihil aliud requiri, quo ad iustificationis gratiam consequendam cooperetur, et nulla ex parte necesse esse, eum suae voluntatis motu praeparari atque disponsi, anathema sit; COD, S. 679). Es hat darüber hinaus den Anschein, als spiele ein weiterer canon auf das Prinzip sola gratia Luthers an, das besagte, der Mensch könne allein auf Grund göttlicher Gnade (gratia), nicht aber auch auf Grund guter Taten, Erlösung erlangen (vgl. [5 – 1], S. 35): „Wenn jemand sagt, die guten Werke eines gerechtfertigten Menschen seien so sehr Geschenke Gottes, dass sie nicht auch die guten Verdienste des Gerechtfertigten sind, oder der Gerechtfertigte verdiene sich durch die guten Werke, die von ihm durch Gottes Gnade und das Verdienst Jesu Christi, dessen lebendiges Glied er ist, getan werden, nicht wirklich die Vermehrung der Gnade, das ewige Leben und, sofern er im Stand der Gnade verscheidet, den Eintritt in das ewige Leben, wie auch die Vermehrung der Herrlichkeit, gelte das Anathema“ (Si quis dixerit, hominis iustificati bona opera ita esse dona Dei, ut non sint etiam bona ipsius iustificati merita, aut ipsum iustificatum bonis operibus, quae ab eo per Dei gratiam et Iesu Christi meritum (cuius vivum membrum est) fiunt, non vere mereri augmentum gratiae, vitam aeternam et ipsius vitae aeternae (si tamen in gratia decesserit) consecutionem, atque etiam gloriae augmentum, anathema sit; COD, S. 681).

2. Die Phasen des Konzils

Auf die Prädestinationslehre Calvins, der annahm, Gott habe die Menschen von vornherein zur Erlösung oder zur Verdammnis eingeteilt (vgl. [5 – 1], S. 87), dürfte schließlich ein anderer Urteilsspruch anspielen: „Wenn jemand sagt, der wiedergeborene und gerechtfertigte Mensch sei aus Glauben gehalten, zu glauben, er gehöre mit Gewissheit zu den Vorherbestimmten, gelte das Anathema“ (Si quis dixerit, hominem renatum et iustificatum teneri ex fide ad credendum, se certo esse in numero praedestinatorum, anathema sit; COD, S. 680). Insofern grenzte das Konzil von Trient auch die Lehre in Bezug auf die Ursünde von den Gedanken der Reformatoren ab. In der siebten Sitzung vom 03. März 1547 befasste sich das Konzil in einem ersten Dekret mit den Sakramenten (decretum primum de sacramentis). In dem Dokument wurden als die sieben Sakramente der in der Gemeinschaft mit dem Apostolischen Stuhl verbleibenden Kirche festgeschrieben: die Taufe (baptismus), die Firmung (confirmatio), die Eucharistie (eucharistia), die Buße (poenitentia), die Letzte Ölung (extrema unctio), die Weihe (ordo) sowie die Ehe (matrimonium; COD, S. 684). Sie werden vom Konzil als „von Jesus Christus, unserem Herrn, [selbst] eingesetzt“ betrachtet (Si quis dixerit, sacramenta novae legis non fuisse omnia a Iesu Christo domino nostro instituta; COD, S. 684). Sie sind deshalb „zum Heil notwendig“ (Si quis dixerit, sacramenta novae legis non esse ad salutem necessaria; COD, S. 684); denn sie „enthalten die Gnade, die sie bezeichnen“ (Si quis dixerit, sacramenta novae legis non continere gratiam, quam significant; COD, S. 684). Sie sind kein bloßes „äußeres Zeichen“ (quasi signa tantum externa; COD, S. 684). Daher prägen die Sakramente der Taufe, der Firmung sowie der Weihe der Seele „ein Merkmal“, also ein „geistliches und unzerstörbares Zeichen“, ein (Si quis dixerit, in tribus sacramentis, baptismo scilicet, confirmatione et ordine, non imprimi characterem in anima, hoc est signum quoddam spirituale et indelebile; COD, S. 685). Deshalb dürfen diese drei Sakramente nicht wiederholt werden (unde ea iterari non possunt; COD, S. 685). Aus diesem Grunde werden die Sakramente auf Grund des rechten Vollzugs des Sakramentes, aber nicht „aus dem Glauben an die göttliche Verheißung“ allein bewirkt (Si quis dixerit, per ipsa novae legis sacramenta ex opere operato non conferri gratiam, sed solam fidem divinae promissionis ad gratiam consequendam sufficere, anathema sit; COD, S. 685). Das Dekret behandelt schließlich die Taufe (COD, S. 685 – 686) sowie die Firmung (COD, S. 686) näher. Während in den Fragen der Definition der Glaubensüberzeugungen eine große Mehrheit unter den Konzilsteilnehmern gegeben gewesen zu sein scheint (vgl. [0 – 2], S. 91; [0 – 3], S. 188), gingen die Meinungen in der Frage der Festschreibung einer Residenzpflicht für die Bischöfe offenbar auseinander. Diese erwies sich augenscheinlich als notwendig, weil sich viele Oberhirten von dieser Vorgabe vom Papst in Rom dispensieren ließen, um beispielsweise an Fürstenhöfen oder der Kurie zu verweilen (vgl. [0 – 3], S. 169). Die Herausforderung also lautete: Ist der Bischof, was seine Funktion und Aufgabe angeht, der Hirte einer konkret bestehenden Einzelkirche? Oder ist er das Mitglied einer Schicht von mobil einsetzbaren Angehörigen

Das Dekret über die Sakramente

Der Streit um die Residenzpflicht der Bischöfe

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V. Das Ringen um die Reformation: das Konzil von Trient (1545 – 1563)

einer elitären Führungsschicht, deren Vollmacht vom Papst selbst verliehen werde – weshalb es diesem auch gestattet sei, den einzelnen Bischof von der Vorgabe, sich um eine Ortskirche zu kümmern, zu befreien (vgl. [0 – 3], S. 188). Das Dekret über die Residenz der Bischöfe und den niederen Klerus (Decretum de residentia episcoporum et aliorum inferiorum) vom 13. Januar 1547 betonte zwar die Residenzpflicht der Bischöfe (Implere autem illud se nequaquam posse sciant, si greges sibi commissos mercenariorum more deserant atque ovium suarum, quarum sanguis de eorum est manibus a supremo iudice requirendus, custodiae minime incumbant; COD, S. 682), klammerte aber die Problematik der Herkunft der bischöflichen Würde aus (vgl. [0 – 3], S. 188). Die Frage nach dem Verhältnis zwischen der päpstlichen und der bischöflichen Vollmacht sollte die in Gemeinschaft mit dem Apostolischen Stuhl verbleibende Kirche bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil beschäftigen (vgl. S. 133 – 134).

2.2 Die mittlere Konzilsphase (1547 – 1561) Die Verlegung nach Bologna

Die Wiedereröffnung des Konzils in Trient

Als am 24. April 1547 die kaiserlichen Truppen die Verbände des Schmalkaldischen Bundes besiegten, verbreitete sich unter den Teilnehmern am Konzil offenbar die Furcht, dass der westliche Kaiser nun auf neuen Verhandlungen über die bereits beschlossenen Dekrete bestehen werde (vgl. [0 – 3], S. 189). Dafür sprach, dass sich Karl V. weigerte, das Dekret über die Rechtfertigung (vgl. S. 96 – 99) zu publizieren (vgl. [0 – 3], S. 189). Als einzelne Fälle von Flecktyphus in Trient beobachtet wurden, bot dies einer Mehrheit unter den Konzilsvätern den Anlass dafür, das Konzil nach Bologna – also aus dem Reichsgebiet in den Kirchenstaat selbst – zu verlegen (vgl. [0 – 2], S. 92). Nur eine kaisertreue Minderheit verblieb in Trient (vgl. [0 – 2], S. 92). Die Absicht des Kaisers, auf dem Konzil in Trient mit den Vertretern der protestantischen Seite zu verhandeln, ließ sich auf diese Weise nicht mehr umsetzen (vgl. [0 – 3], S. 189). Daher versuchte er, den Parteigängern der Reformation durch das Augsburger Interim (1548) den weiteren Fortgang der Reformen zu untersagen, bis es zu einem allgemeinen Konzil kommen werde (vgl. [5 – 1], S. 66). Einen scheinbaren Erfolg konnte diese Politik erzielen, als der neue Papst Iulius III. (1550 – 1555) in der Tat den erneuten Zusammentritt des Konzils in Trient für den 01. Mai 1551 anordnete (vgl. [0 – 3], S. 190). Denn zum einen wirkten nun auch deutsche katholische Fürstbischöfe, wie jene von Mainz und Trier (vgl. [0 – 2], S. 94), an der Synode mit; und zum anderen erschienen am Ende des Jahres Gesandte der protestantischen Kurfürsten von Brandenburg und Sachsen, des Herzogs von Württemberg sowie der Reichsstadt Straßburg in Trient (vgl. [0 – 3], S. 193). Diese stellten jedoch Forderungen. Vor allem aber verlangten sie ein ,freies Konzil‘, d. h., sie bestanden darauf, dass die Bischöfe von ihrem Treueeid gegenüber dem Papst entbunden und dieser sich dem Konzil im Sinne der Dekrete des Konzils von Konstanz (vgl. S. 80 – 81) unterwerfen müsse (vgl. [0 – 2], S. 95). Darüber hinaus traten sie dafür ein, dass die bisher in Trient beschlossenen Dekrete – und insbesondere das über die Rechtfertigung – neu erörtert wer-

2. Die Phasen des Konzils

den sollten (vgl. [0 – 3], S. 193). Auf diese Bedingungen ließen sich die kaiserlichen Verhandlungsführer nicht ein (vgl. [0 – 2], S. 95). Als in Deutschland im Sommer 1551 Kurfürst Moritz von Sachsen erneut den Krieg gegen Kaiser Karl V. eröffnete, suspendierte sich das Konzil (vgl. [0 – 2], S. 96). „Das war im Grunde das Ende der Hoffnung auf ein eigentliches Unionskonzil, welches der Spaltung der Christenheit ein Ende bereiten könnte. Jetzt wurde die Spaltung mehr und mehr als gegebene Tatsache hingenommen“, hat daher Klaus Schatz kommentiert. Der Augsburger Religionsfriede vom 25. September 1555 schrieb die konfessionelle Trennung Deutschlands fest (vgl. [5 – 1], S. 67). Nach dem später formulierten Grundsatz, cuius regio eius religio, wurde die Aufteilung Deutschlands in reformierte Gebiete und solche, die in der Gemeinschaft mit dem Apostolischen Stuhl verblieben, zementiert (vgl. [0 – 3], S. 194 – 195). Bevor die Vertreter der protestantischen Fürsten in Trient eingetroffen waren, hat das Konzil in der 13. Sitzung vom 11. Oktober 1551 und während der 14. Sitzung vom 25. November 1551 noch ein Dekret über die Eucharistie (Decretum de sanctissimo eucharistiae sacramento; COD, S. 693 – 698) und einen Lehrtext über die Sakramente der Buße und der Letzten Ölung (Doctrina de sanctissimis poenitentiae et extremae unctionis sacramentis) verabschiedet (COD, S. 703 – 713). In dem ersten Dokument hielt die Synode fest, dass „im segensreichen Sakrament der Hl. Eucharistie nach der Konsekration von Brot und Wein unser Herr Jesus Christus […] wahrhaft, wirklich und substanzhaft unter der Gestalt jener sinnlichen Dinge enthalten sei“ (sancta synodus aperte et simplificiter profitetur in almo sanctae eucharistiae sacramento post panis et vini consecrationem dominum nostrum Iesum Christum […] vere, realiter et substantialiter sub specie illarum rerum sensibilium contineri; COD, S. 693). Der Herr selbst habe das Sakrament der Eucharistie beim letzten Abendmahl eingesetzt, „als er nach der Segnung von Brot und Wein mit klaren Worten bezeugte, er biete ihnen [sc. den Aposteln] seinen eigenen Leib und sein Blut dar“ (hoc tam admirabile sacramentum in ultima coena Redemptorem nostrum instituisse, cum post panis vinique benedictionem se suum ipsius corpus illis praebere ac suum sanguinem disertis et perspicuis verbis testatus est; COD, S. 694). Das Sakrament der Eucharistie sei deshalb „als geistliche Speise der Seelen“ (tanquam spiritalem animarum cibum; COD, S. 694) notwendig, sowie als Gegenmittel (antidotum), „durch das wir von täglichen Verfehlungen befreit und vor Todsünden bewahrt werden“ (et tanquam antidotum, quo liberemur a culpis quotidianis et a peccatis mortalibus praeservemur; COD, S. 694). Die Wandlung der eucharistischen Gaben von Brot und Wein in den Leib und das Blut Christi werde dabei durch eine Transsubstantiation (transsubstantiatio) bewirkt. Das heißt, das Brot und der Wein behielten zwar nach der Wandlung (conversio) ihre natürlichen Kennzeichen (accidentia) bei, weswegen sie den Menschen nach wie vor als Brot und Wein erschienen. Durch das Wirken des Hl. Geistes würden sie jedoch in ihrer Substanz (substantia) verändert. Sie seien nun wahrhaft der Leib und das Blut Christi: „Da Christus, unser Erlöser, sagte, das, was er unter der Gestalt des Brotes darbrachte, sei wahrhaft sein Leib, deshalb war man in der Kirche

Das Dekret über die Eucharistie

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Gottes immer davon überzeugt, und diese Hl. Synode erklärte es jetzt noch einmal, dass durch die Konsekration von Brot und Wein eine Verwandlung der ganzen Substanz des Brotes in die Substanz des Leibes Christi, unseres Herrn, und der ganzen Substanz des Weines in die Substanz des Blutes geschieht. Diese Verwandlung ist von der heiligen katholischen Kirche zutreffend und im eigentlichen Sinn Transsubstantiation genannt worden“ (Quoniam autem Christus redemptor noster corpus suum id, quod sub specie panis offerebat, vere esse dixit, ideo persuasum semper in ecclesia Dei fuit, idque nunc denuo sancta haec synodus declarat, per consecrationem panis et vini conversionem fieri totius substantiae panis in substantiam corporis Christi domini nostri et totius substantiae vini in substantiam sanguinis eius. Quae conversio convenienter et proprie a sancta catholica ecclesia transsubstantiatio est appellata; COD, S. 695).

Die Lehre über die Buße

Weil auf diese Weise festgehalten wurde, dass der Herr Jesus Christus selbst in den gewandelten eucharistischen Gaben gegenwärtig sei, wurden die Gläubigen dazu angehalten, „dieses hohe und verehrungswürdige Sakrament mit einzigartiger Verehrung und Festlichkeit zu feiern und in Prozessionen ehrfürchtig und ehrenvoll durch die Straßen und öffentlichen Plätze zu tragen“ (ut singulis annis peculiari quodam et festo die praecelsum hoc et venerabile sacramentum singulari veneratione ac solemnitate celebraretur, utque in processionibus reverenter et honorifice illud per vias et loca publica circunferretur; COD, S. 695). Durch diese Bestimmungen haben die Fronleichnamsprozessionen einen Auftrieb und „gegenreformatorischen Charakter“ erhalten (vgl. [0 – 3], S. 191). Durch die Bekräftigung der Lehre von der Wesensverwandlung der eucharistischen Gaben, der Transsubstantiation, war die Theologie des Konzils freilich in einem weiteren Punkt gegenüber den Anschauungen der Reformatoren abgegrenzt (vgl. [5 – 1], S. 43 – 44). Auch das Lehrdokument über die Buße und die Letzte Ölung (Doctrina de sanctissimis poenitentiae et extremae unctionis sacramentis) bekräftigte die kirchliche Lehre gegenüber den Vorstellungen der Reformatoren (vgl. [0 – 3], S. 192). Während Martin Luther – wohl nicht unbeeinflusst von der kirchlichen Praxis des Ablasshandels (vgl. [5 – 1], S. 36 – 37) – gerade den Wert von Bußleistungen (satisfactiones) einschränkte (vgl. [0 – 3], S. 192), verfügte das Konzil, dass zur Materie des Sakramentes (sunt autem quasi materia huius sacramenti ipsius poenitentis actus; COD, S. 704) die Bußakte des Gläubigen selbst, „nämlich Reue, Bekenntnis und Genugtuung“ (nempe contritio, confessio et satisfactio; COD, S. 704) gehörten. Sie seien „zur völligen und vollkommenen Vergebung der Sünden aus Gottes Eingebung erforderlich (Qui quatenus in poenitente ad integritatem sacramenti, ad plenamque et perfectam peccatorum remissionem ex Dei institutione requiruntur; COD, S. 704), weshalb sie „Teile der Buße“ genannt würden (hac ratione poenitentiae partes dicuntur; COD, S. 704). Die Reue (contritio) bestehe dabei in „dem Schmerz und in der Abscheu der Seele vor der begangenen Sünde mit dem Vorsatz, fortan nicht mehr zu sündigen“ (Contritio, […] animi dolor ac detestatio est de peccato commisso, cum proposito

2. Die Phasen des Konzils

non peccandi de caetero; COD, S. 705). Zur Vergebung sei darüber hinaus das vollständige Bekenntnis notwendig (institutam etiam esse a Domino integram peccatorum confessionem; COD, S. 705); denn der Herr selbst habe Priester als seine Stellvertreter zurückgelassen (quia dominus noster Iesus Christus, […] sacerdotes sui ipsius vicarios reliquit; COD, S. 706), die als „Vorsitzende und Richter“ (tanquam praesides et iudices; COD, S. 706) „kraft der Schlüsselgewalt [der Kirche] den Urteilsspruch der Sündenvergebung oder ihrer Behaltung verkünden“ (quo pro potestate clavium remissionis aut retentionis peccatorum sententiam pronuncient; COD, S. 706). An dieser Stelle wird damit die Berufung auf die Bibelstelle Mt 16, 18 sichtbar, nach welcher der Herr dem Petrus versprochen habe, was er auf Erden löse, werde auch im Himmel gelöst sein („Du bist Petrus, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen, und die Mächte der Unterwelt werden sie nicht überwältigen. Ich werde dir die Schlüssel des Himmelreichs geben; was du auf Erden binden wirst, das wird auch im Himmel gebunden sein; und was du auf Erden lösen wirst, das wird auch im Himmel gelöst sein“; Mt 16, 18 – 19). Schließlich wird die Notwendigkeit, Werke der Genugtuung (satisfactio) zu tun, begründet. Sie seien deshalb erforderlich, weil sie „zur Rückkehr von der Sünde“ aufforderten (Procul dubio enim magnopere a peccato revocant; COD, S. 709), den Menschen im Zaum hielten (et quasi freno quodam cohercent haec satisfactoriae poenae; COD, S. 709) und die Büßenden „in Zukunft vorsichtiger und wachsamer machten“ (cautioresque et vigilantiores in futurum poenitentes efficiunt; COD, S. 709). Sie „heil[t]en die Rückstände der Sünde“ (medentur quoque peccatorum reliquiis; COD, S. 709) und höben „die durch einen schlechten Lebenswandel erworbenen lasterhaften Haltungen durch gegenteilige, tugendhafte Handlungen auf“ (et vitiosos habitus male vivendo comparatos contrariis virtutum actionibus tollunt; COD, S. 709). „Niemals sah man in der Kirche Gottes einen sichereren Weg zur Abwendung der vom Herrn drohenden Strafe, als dass Menschen diese Werke der Buße mit echtem Seelenschmerz ausdauernd verrichteten“ (Neque vero securior ulla via in ecclesia Dei unquam existimate fuit ad amovendam imminentem a Domino poenam, quam ut haec poenitentiae opera homines cum vero animo dolore frequentent; COD, S. 709). In derselben 14. Sitzung vom 25. November 1551 wurde schließlich das Sakrament der Letzten Ölung (Doctrina de sacramento extremae unctionis) als vom Herrn selbst als „den Gläubigen empfohlen“ gekennzeichnet (Instituta est autem sacra haec unctio infirmorum tanquam vere et proprie sacramentum novi testamenti a Christo domino nostro, apud Marcum quidem insinuatum, per Iacobum autem apostolum ad Domini fratrem fidelibus commendatum ac promulgatum; COD, S. 710). Ihre sakramentale Wirkung bestehe in der „Gnade des Hl. Geistes, dessen Salbung bisher ungesühnte Vergehen und die Reste der Sünde hinwegnimmt“ (Res etenim haec gratia est Spiritus sancti, cuius unctio delicta, si qua sint adhuc expianda ac peccati reliquias abstergit; COD, S. 710).

Das Lehrdokument über die Letzte Ölung

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V. Das Ringen um die Reformation: das Konzil von Trient (1545 – 1563)

2.3 Die dritte Konzilsphase (1562 – 1563) Die veränderte Gesamtlage

Ein neues Konzil? Oder eine Fortsetzung des ,alten‘?

Die Verhandlungsgegenstände der dritten Periode

Die Dekrete über die Reform

Hatte in den ersten beiden Konzilsphasen die Beschäftigung mit den reformatorischen Ansätzen in erster Linie im deutschsprachigen Gebiet den ausführlichsten Raum in den theologischen Debatten eingenommen, so veränderte sich nun in der dritten Konzilsphase (1562 – 1563) der Schwerpunkt der Beratungen (vgl. [0 – 2], S. 96 – 97; [0 – 3], S. 194 – 195). Nun wurde eher Frankreich zum Thema – besonders, als sich die deutschen protestantischen Fürsten im Februar 1561 dafür entschieden, dem Konzil fern zu bleiben (vgl. [0 – 2], S. 97). Ebenso versagte sich Königin Elizabeth I. in London (vgl. [0 – 2], S. 97). Schließlich hatte Kaiser Karl V. im Jahr 1556 abgedankt. An Stelle eines einzelnen Kaisers sahen sich die Vertreter der Kirche nun drei Regenten in Wien, Paris und Madrid gegenüber, die in der Kirchengemeinschaft mit dem Apostolischen Stuhl standen (vgl. [0 – 3], S. 194 – 195); und diese unterschiedlichen und teilweise miteinander rivalisierenden Interessen unter diesen drei europäischen Mächten führten zu verschiedenen Krisen auf dem Konzil (vgl. [0 – 3], S. 197). Die Frage, worum es auf der neuen Synode gehen sollte, wurde bereits vor der Einberufung durch Papst Pius IV. (1559 – 1565) diskutiert: nämlich diejenige, ob die neue Versammlung eine Fortsetzung des suspendierten Konzils von Trient darstelle oder als eine neue Synode angesehen werden müsse (vgl. [0 – 1], S. 97; [0 – 3], S. 196). Diejenigen, die sich, wie der westliche Kaiser Ferdinand I., einen neuen Versuch des Ausgleichs mit den Protestanten erhofften, bevorzugten ein neues Konzil; denn auf diesem konnten die für die Anhänger der Reformation problematischen Dekrete aus den ersten beiden Sitzungsperioden neu verhandelt werden (vgl. [0 – 3], S. 197). Die umgekehrte Sichtweise propagierte beispielsweise König Philipp II. von Spanien. Den Befürwortern dieser Richtung ging es eher darum, die Spaltung der lateinischen Kirche „hinzunehmen und den katholischen Rest [zu] festigen“ (vgl. [0 – 3], S. 196). Zwar blieb die päpstliche Einberufungsbulle in dieser grundsätzlichen Frage unbestimmt, doch erledigte sich der Streit durch die Entscheidung der deutschen protestantischen Fürsten, nicht an dem Konzil mitzuwirken (vgl. [0 – 3], S. 196), von selbst. Angesichts dieser Entscheidung beschäftigte sich die dritte Konzilsphase eher mit der inneren Reform der mit Rom in Gemeinschaft verbliebenen Kirche. Da sich die einzelnen Strömungen in dieser Kirche unterschiedliche Reformschritte vorstellten, mündeten die theologischen Debatten in mehreren Punkten in Krisen und Auseinandersetzungen (vgl. [0 – 2], S. 98 – 100). Wie bereits während der ersten Konzilsphase (vgl. S. 93 – 100), wurde beispielsweise erneut über die Herkunft der bischöflichen Jurisdiktion gestritten (vgl. [0 – 2], S. 100; [0 – 3], S. 198 – 202). Die Diskussionen der Konzilsväter endeten in dem Kompromiss der Dekrete „Über die Reform“ (Decretum de reformatione) aus der 23. Sitzung vom 15. Juli 1563 und der 24. Sitzung vom 11. November 1563. Zunächst stellte das Lehrdokument über das Sakrament der Weihe (doctrina de sacramento ordinis) fest, dass das Priestertum vom Herrn selbst eingesetzt worden sei (Cum igitur in novo testamento sanctum eucharistiae sacrificium visibile ex Domini institutione catholica ecclesia acceperit; COD, S. 742). Daher hätten die Apostel und

2. Die Phasen des Konzils

ihre Nachfolger im Priesteramt die Vollmacht erhalten, „seinen [sc. des Herrn] Leib und sein Blut zu konsekrieren, darzubringen und darzureichen wie auch die Sünden zu vergeben und zu behalten“ (Hoc autem ab eodem Domino salvatore nostro institutum esse, atque apostolis eorumque successoribus in sacerdotio potestatem traditam consecrandi, offerendi et ministrandi corpus et sanguinem eius, nec non et peccata dimittendi et retinendi; COD, S. 742). Auf dieser Grundlage behandelten die Reformdekrete, an deren Entstehen der Kardinal Giovanni Morone offenbar entscheidend mitgewirkt hatte (vgl. [0 – 2], S. 100 – 101; [0 – 3], S. 200), die Amts- und Lebensführung der Kleriker. Mit Blick auf diese Dokumente hat Hubert Jedin daher notiert: „[D]iese Moroneschen Reformdekrete bilden den Kern dessen, was man gewöhnlich als ,tridentinische Reform‘ bezeichnet. Ihr inneres Gesetz lautet: Das Heil der Seelen ist maßgebend!“ (vgl. [0 – 2], S. 101). Durch die Unterstreichung, dass die priesterlichen und bischöflichen Weihen vom Herrn selbst eingesetzt worden seien, hob sich das Konzil freilich in einem weiteren Punkt von der Lehre Martin Luthers ab, der die Kirche als eine Gemeinschaft aller Christusgläubigen ansah (vgl. [5 – 1], S. 43). Wenn sich die Kirche aber aus allen Gläubigen zusammensetze, dann gebe es auch ein allgemeines Priestertum für alle Gläubigen. Ein eigener klerikaler und durch gültige Weihen von den ,gewöhnlichen‘ Gläubigen abgegrenzter Stand sei nicht länger erforderlich (vgl. [5 – 1], S. 43). Die kirchlichen Ämter seien daher nicht sakramental, sondern rein funktional, weil es eine Notwendigkeit gebe, das Wort Gottes, die Hl. Schrift, durch gelehrtes Personal korrekt auszulegen und die Sakramente der Taufe und der Eucharistie liturgisch korrekt zu vollziehen (vgl. [5 – 1], S. 43). Dem widersprach das Konzil: „Wenn jemand sagt, es gebe im Neuen Testament kein sichtbares und äußeres Priestertum oder es gebe keine Vollmacht, den wahren Leib und das Blut des Herrn zu konsekrieren und darzubringen sowie die Sünden zu vergeben und zu behalten, sondern nur das Amt und den bloßen Dienst der Evangeliumsverkündigung, oder diejenigen, die nicht predigen, seien überhaupt keine Priester, gelte das Anathema“ (Si quis dixerit, non esse in novo testamento sacerdotium visibile et externum, vel non esse potestatem aliquam consecrandi et offerendi verum corpus et sanguinem Domini, et peccata remittendi et retinendi, sed officium tantum et nudum ministerium praedicandi evangelium, vel eos, qui non praedicant, prorsus non esse sacerdotes, anathema sit; COD, S. 743). Damit eine Reform der Kirche wirklich herbeigeführt werden könne, bestimmte der canon 1 der tridentinischen Reformdekrete, dass „alle, die irgendwelchen Patriarchats, Primats, Metropolitan- und Kathedralkirchen unter welchem Namen oder Titel auch immer vorstehen, […] in ihrer Kirche oder Diözese zur persönlichen Residenz verpflichtet sind“ (illis inhaerendo declarat sacrosancta synodus, omne patriarchalibus, primatialibus, metropolitanis ac cathedralibus ecclesiis quibuscumque quocumque nomine et titulo praefectos […] obligari ad personalem in sua ecclesia vel dioecesi residentiam; COD, S. 744). Die Bischöfe sollten die Weihen in den Klerus selbst vornehmen (Episcopi per semetipsos ordines conferant; COD, S. 746) und auf die Eignung der Bewerber achten (Ad minores ordines promovendi

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bonum a parocho et a magistro scholae, in qua educantur, testimonium habeant. Ii vero, qui ad singulos maiores erunt assumendi, per mensem ante ordinationem epicopum adeant, qui parocho aut alteri, cui magis expedire videbitur, committat, ut nominibus ac desiderio eorum, qui volent promoveri, publice in ecclesia propositis, de ipsorum ordinandorum natalibus, aetate, moribus et vita a fide dignis diligenter inquirat et litteras testimoniales, ipsam inquisitionem factam continentes, ad ipsum episcopum quamprimum transmittat; COD, S. 746). Damit die Ausbildung der künftigen Kleriker auf einer soliden Grundlage erfolgen könne, wurde im canon 18 die Einrichtung von Seminaren angeordnet (COD, S. 750 – 753): „Die einzelnen Kathedral, Metropolitan- oder noch größeren Kirchen sind […] gehalten, eine bestimmte Anzahl an Jungen der Stadt und der Diözese […] in einem Kolleg, das der Bischof dafür nahe bei diesen Kirchen oder an einem anderen passenden Ort aussucht, zu verpflegen, religiös zu erziehen und in den kirchlichen Lehren zu unterrichten“ (sancta synodus statuit, ut singulae cathedrales, metropolitanae atque his maiores ecclesiae pro modo facultatum et dioecesis amplitudine certum puerorum ipsius civitatis et dioecesis […] numerum in collegio, ad hoc prope ipsas ecclesias vel alio in loco convenienti, ab episcopo eligendo, alere ac religiose educare et ecclesiasticis disciplinis instituere teneantur; COD, S. 750). Hatte sich das erste Reformdekret eher auf die Auswahl der Kleriker und deren theologische Ausbildung konzentriert, nahm das zweite aus der 24. Sitzung nun mehr die Bischöfe und ihre Aufgaben in den Blick. So wurde betont, dass nur geeignete Bewerber zu Bischöfen ernannt werden dürften: „Die Hl. Synode mahnt alle einzelnen, die vom Apostolischen Stuhl irgendein begründetes Recht zur Besetzung der Spitze haben […] sich darum zu bemühen, dass die nach ihrem eigenen Urteil Würdigsten und für die Kirche Tauglichsten ins Amt kommen, wobei sie sich in ihrem Urteil nicht von Bitten, von menschlichen Emotionen oder einschmeichelnden Reden der Bewerber leiten lassen dürfen, sondern von den Verdiensten, die ihre Berufung in das Vorsteheramt geradezu verlangen. Von den Kandidaten müssen sie wissen, dass sie aus rechtmäßiger Ehe stammen und nach Lebensführung, Alter, Bildung und allen anderen Kriterien qualifiziert sind“ (Omnes vero et singulos, qui ad promotionem praeficiendorum quodcumque ius quacumque ratione a sede apostolica habent, […] hortatur et monet, ut in primis meminerint, nihil se ad Dei gloriam et populorum salutem utilius posse facere, quam si bonos pastores et ecclesiae gubernandae idoneos promoveri studeant, eosque, alienis peccatis communicantes, mortaliter peccare, nisi quos digniores et ecclesiae magis utiles ipsi iudicaverint, non quidem precibus vel humano affectu aut ambientium suggestionibus, sed eorum exigentibus meritis praefici diligenter curaverint; COD, S. 760). Da die Ortskirchen in den verschiedenen Ländern eigene Auswahlverfahren bevorzugten, seien eigene lokale Wege zu formalisieren, die vom Apostolischen Stuhl gebilligt werden müssten (mandat sancta synodus, ut in provin-

2. Die Phasen des Konzils

ciali synodo, per metropolitanum habenda, praescribatur quibusque locis et provinciis propria examinis seu inquisitionis aut instructionis faciendae forma, sanctissimi Romani pontificis arbitrio approbanda, quae magis eisdem locis utilis atque opportuna esse videbitur; COD, S. 760). „Zur Mäßigung der Sitten, zur Besserung der Missstände, zur Beseitigung der Streitigkeiten und aus anderen, von den heiligen Kanones erlaubten Gründen“ (pro moderandi moribus, corrigendis excessibus, controversiis componendis, aliisque ex sacris canonibus permissis renoventur; COD, S. 761) sollten Provinzialsynoden (provincialia concilia; COD, S. 761) regelmäßig abgehalten werden. Der Bischof wurde schließlich verpflichtet, seine eigene Diözese regelmäßig zu visitieren, d. h. sich über die Art und Weise des Glaubenslebens vor Ort ein persönliches Urteil zu machen (Patriarchae, primates, metropolitani et episcopia propriam dioecesim per se ipsos aut, si legitime impediti fuerint, per suum generalem vicarium aut visitatorem, si quotannis totam propter eius latitudinem visitare non potuerunt, saltem maiorem eius partem, ita tamen, ut tota biennio per se vel sivitatores suos compleatur, visitare non praetermittant; COD, S. 761 – 762). Dabei sollten die Bischöfe das „Predigtamt, das Hauptaufgabe der Bischöfe ist“, regelmäßig ausüben (Praedicationis munus, quod episcoporum praecipuum est, cupiens sancta synodus, quo frequentius possit, ad fidelium salutem exerceri; COD, S. 763). Durch diese und andere Bestimmungen wurde „die bischöfliche Gewalt […] generell gestärkt, auch gegenüber den Domkapiteln und den exemten Klöstern“ (vgl. [0 – 3], S. 202). Aus der dritten Sitzungsperiode des Konzils von Trient (1545 – 1563) stammen schließlich noch weitere Dokumente, die sich beispielsweise mit der Lehre über die Kommunion unter beiden Gestalten (Doctrina de communione sub utraque specie; COD, S. 726 – 728), dem Sakrament der Ehe (de sacramento matrimonii; COD, S. 753 – 759), dem Messopfer (de sanctissimo missae sacrificio; COD, S. 732 – 737), dem Reinigungsort der Seelen (decretum de purgatorio; COD, S. 774) und der Heiligen- und Reliquienverehrung sowie den Hl. Bildern (De invocatione, veneratione et reliquis sanctorum, et de sacris imaginibus; COD, S. 774 – 776) befassen. Auch sie grenzen eher die Lehrinhalte der mit Rom in Gemeinschaft verbliebenen Kirche weiter gegenüber den Anschauungen der Reformatoren ab (vgl. [0 – 2], S. 102). Die lehramtliche Aussage über die Kommunion unter beiden Gestalten (Doctrina de communione sub utraque specie) aus der 21. Sitzung vom 16. Juli 1562 stellte fest, dass „Laien und nicht zelebrierende Kleriker“ (laios et clericos non conficientes; COD, S. 726) nicht dazu gezwungen seien, „das Sakrament der Eucharistie unter beiden Gestalten zu empfangen“ (nullo divino praecepto […] obligari ad eucharistiae sacramentum sub utraque specie sumendum; COD, S. 726). Vielmehr genüge es, wenn sie die Eucharistie unter einer der beiden Gestalten, d. h. entweder im eucharistisch gewandelten Brot oder im gleichfalls in seiner Substanz veränderten Wein, empfingen (neque ullo pacto (salva fide) dubitari posse, quin illis alterius speciei communio ad salutem sufficiat; COD, S. 726). Zwar habe der Herr selbst während des letzten Abendmahles das Sakrament unter beiderlei Gestalten eingesetzt, doch „ziel[e] diese Einsetzung und Überlieferung nicht

Die weiteren Dokumente

Die Lehre über die Kommunion unter beiden Gestalten

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V. Das Ringen um die Reformation: das Konzil von Trient (1545 – 1563)

Die Lehre über das Hl. Messopfer

darauf ab, dass alle Christgläubigen durch Anordnung des Herrn zum Empfang unter beiderlei Gestalten verpflichtet seien“ (Nam etsi Christus dominus in ultima coena venerabile hoc sacramentum in panis et vini speciebus instituit et apostolis tradidit: non tamen illa institutio et traditio eo tendunt, ut omnes christifideles statuto Domini ad utramque speciam accipiendam adstringantur; COD, S. 726); denn „auch unter nur einer Gestalt [werde] der ganze und unversehrte Christus und das wahre Sakrament empfangen“ (tamen fatendum esse, etiam sub altera tantum specie totum atque integrum Christum verumque sacramentum sumi; COD, S. 727). Deshalb sei es, so betonte die Synode wohl in Abgrenzung zu den Anschauungen der Reformatoren, nicht geboten, dass „kraft Gottes Gebot oder aus Gründen der Heilsnotwendigkeit […] alle Christgläubigen ohne Ausnahme beide Gestalten des heiligsten Sakramentes der Eucharistie empfangen“ müssten (Si quis dixerit, ex Dei praecepto vel ex necessitate salutis omnes et singulos christifideles utramque speciem sanctissimi eucharistiae sacramenti sumere debere, anathema sit; COD, S. 727). Wie das lehramtliche Dokument über den Empfang der Eucharistie in beiderlei Gestalten, schrieb das Konzil in seiner Lehre über das Hl. Messopfer (Doctrina de sanctissimo missae sacrificio) aus der 22. Sitzung vom 17. September 1562 einen weiteren Lehrunterschied zu den Befürwortern der Reformation fest. Während Martin Luther die Messe offenbar nicht als ein Opfer – und daher eine ,gute Tat‘ – betrachtete (vgl. [5 – 1], S. 43), unterstrich das Konzil diesen Charakter (COD, S. 732 – 736): „Die hochheilige ökumenische und allgemeine Synode von Trient […] lehrt und erklärt, […] das nun Folgende über die Eucharistie als wirkliches und einzigartiges Opfer“ (Sacrosancta oecumenica et generalis Tridentina synodus […] [docet, declarat] de ea, quatenus verum et singulare sacrificium est; COD, S. 732). Zwar habe der Herr sich selbst auf dem „Altar des Kreuzes“ (in ara crucis; COD, S. 733) dem göttlichen Vater als Opfer dargebracht, „um ewige Erlösung [sc. für die gefallenen Menschen] zu bewirken“ (se ipsum […] Deo Patri oblaturus erat, ut aeternam illis redemptionem operaretur; COD, S. 733); doch habe der Herrn beim letzten Abendmahl der Kirche „ein sichtbares Opfer“ (visibile reliquit sacrificium; COD, S. 733) hinterlassen, „wodurch jenes blutige Opfer, das ein und für allemal erst am Kreuz dargebracht werden sollte, vergegenwärtigt werden, sein Gedächtnis bis zum Ende der Weltzeit fortdauern und dessen heilbringende Kraft der Vergebung der von uns täglich begangenen Sünden zugewendet werden solle“ (quo cruentum illud semel in cruce peragendum repraesentaretur eiusque memoria in finem usque saeculi permaneret, atque illius salutaris virtus in remissionem eorum, quae a nobis quotidie committuntur, peccatorum applicaretur; COD, S. 733). Das aber heißt: Für das Konzil ist die Messe ein Nachvollzug, eine Vergegenwärtigung des Opfers, das Christus am Kreuz zur Erlösung der gesamten Menschheit erbracht habe (vgl. [0 – 3], S. 204). Die Kirche erfülle daher den Auftrag des Herrn: „Tut dies zu meinem Gedächtnis“ (1Kor 11, 24). Dieses Opfer (sacrificium) dient als Sühneopfer, durch das die Gläubigen „Barmherzigkeit empfangen und Gnade finden als Hilfe zur rechten Zeit“ (Hebr 4,15) – wenn diese „mit aufrichtigem Herzen und rechtem Glauben, mit Furcht und Ehrerbietung reuevoll und bußfertig vor Gott hintreten“

2. Die Phasen des Konzils

(docet sancta synodus, sacrificium istud vere propitiatorium esse, per ipsumque fieri, ut, si cum vero corde et recta fide, cum metu ac reverentia, contriti ac poenitentes ad Deum accedamus, misericordiam consequamur et gratiam inveniamus in auxilio opportuno; COD, S. 733); denn „[d]urch dessen Darbringung gewährt der Herr endlich das Gnadengeschenk der Buße und vergibt auch noch so große Vergehen und Sünden“ (Huius quippe oblatione placatus Dominus, gratiam et donum poenitentiae concedens, crimina et peccata etiam ingentia dimittit; COD, S. 733). Damit das sakramentale Opfer der Eucharistie in der rechten Weise dargebracht werden könne, verfügte die Synode eine Reihe von Einzelbestimmungen, die den liturgischen Vollzug betrafen. So wurde eine Vereinheitlichung der liturgischen Riten dadurch verfügt, dass allein der römische Messkanon als verbindlich vorgeschrieben wurde (Et cum sancta sancte administrari conveniat, sitque hoc omnium sanctissimum sacrificium: ecclesia catholica, ut digne reverenterque offerretur ac perciperetur, sacrum canonem multis ante saeculis instituit; COD, S. 734). Dieser sei „frei von Irrtum“ (ita ab omni errore purum; COD, S. 734), da er „einerseits aus Worten des Herrn selbst, andererseits aus den Überlieferungen der Apostel und ferner aus frommen Unterweisungen heiliger Bischöfe“ bestehe (is enim constat cum ex ipsis Domini verbis, tum ex apostolorum traditionibus ac sanctorum quoque pontificium piis institutionibus; COD, S. 734). Dementsprechend beinhalte er „Zeremonien […], wie z. B. mystische Segnungen, Lichter, Weihrauch, Gewänder und vieles andere von dieser Art aus apostolischer Lehre und Überlieferung“ (caeremonias item adhibuit, ut mysticas benedictiones, lumina, thymiamata, vestes aliaque id genus multa ex apostolica disciplina et traditione; COD, S. 734). Durch diese sollten „die Erhabenheit dieses so großen Opfers hervorgehoben“ (quo et maiestas tanti sacrificii commendaretur; COD, S. 734) und „der Geist der Gläubigen […] durch diese sichtbaren Zeichen […] zur Kontemplation der höchsten Dinge, die in diesem Opfer verborgen sind, angeregt werden“ (et mentes fidelium per haec visibilia religionis ac pietatis signa ad rerum altissimarum, quae in hoc sacrificio latent, contemplationem excitarentur; COD, S. 734). Ebenso, wie sich das Konzil auf die althergebrachte Praxis des römischen Messkanons berief, bestimmte sie, dass die Messe weiterhin auf Lateinisch gefeiert werde, weil „der alte, von der Hl. Römischen Kirche, der Mutter und Lehrmeisterin aller Kirchen, gutgeheißene Ritus einer jeden Kirche beibehalten werden solle“ (Quamobrem, retento ubique cuiusque ecclesiae antiquo et a sancta Romana ecclesia, omnium ecclesiarum matre et magistra, probato ritu; COD, S. 735) – auch wenn die Messe „zur Unterweisung des gläubigen Volkes“ diene (Etsi missa magnam contineat populi fidelis eruditionem; COD, S. 735). Die Zelebranten wurden daher angehalten, „etwas von dem, was in der Messe gelesen w[erde], zu erläutern und unter anderem das Mysterium des hochheiligen Opfers zu erklären“ (mandat sancta synodus patoribus et singulis curam animarum gerentibus, ut […] ex his, quae in missa leguntur, aliquid exponant atque inter cetera sanctissimi huius sacrificii mysterium aliquod declarent; COD, S. 735). Auch wenn diese Reform der Messfeier eine Vereinheitlichung innerhalb der mit dem Apostolischen Stuhl in Gemeinschaft stehenden Kirche mit sich brachte, hat Klaus Schatz

Ausführungsbestimmungen zur Messe

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V. Das Ringen um die Reformation: das Konzil von Trient (1545 – 1563)

Die Lehre über das Sakrament der Ehe

kritisch angemerkt: „Die Kehrseite dieser ,Reinigung‘ ist die Rubrizierung und Erstarrung. War bisher die Liturgie noch bei aller Angleichung an die römische Liturgieform variabel und im Fluß, so war sie nun erst im strikten Sinne Reservat Roms und damit bis zum 2. Vatikanum fixiert“ (vgl. [0 – 3], S. 206 – 207). Als problematisch erwies sich diese Konformisierung der Liturgie für die liturgische Vielfalt der mit Rom unierten Kirchen, die eine Anpassung an den römischen Kanon erlebten. Gerade in Indien zerstörten nach einer Synode in Diamper (1599) portugiesische Missionare alte syrische liturgische Handschriften (vgl. [5 – 2], S. 87). Wiederum in Abgrenzung zu den Lehren Martin Luthers (vgl. [5 – 1], S. 44) verfügte das Konzil darüber hinaus, dass die Ehe unter die sieben Sakramente zu zählen sei: „Da also die Ehe im Gesetz des Evangeliums durch Christus die alten ehelichen Verbindungen an Gnade übertrifft, haben unsere heiligen Väter, die Konzilien und die Überlieferung der universalen Kirche zu Recht immer gelehrt, dass die Ehe unter die Sakramente des Neuen Testamentes zu zählen sei“ (Cum igitur matrimonium in lege evangelica veteribus connubiis per Christum gratia praestet: merito inter novae legis sacramenta annumerandum sancti patres nostri, concilia et universalis ecclesiae traditio semper docuerunt; COD, S. 754). Auch wenn die Synode die Ehe als ein „immerwährendes und unauflösliches Band“ bezeichnete (Matrimonii perpetuum indissolubilemque nexum; COD, S. 753), listet die Versammlung von Trient eine Reihe von Hindernissen auf, welche eine Ehe für von vornherein ungültig erklärten (COD, S. 754 – 759). Unter diese wird beispielsweise die Nötigung aufgelistet: „Irdische Wünsche und Begierden machen die geistigen Augen weltlicher Herren und Magistrate oft so blind, dass sie Männer und Frauen unter ihrer Rechtsprechung, zumal reiche und solche mit Aussicht auf eine große Erbschaft, mit Drohungen und Strafen dazu bewegen, gegen ihren Willen mit denen eine Ehe zu schließen, die diese Herren und Magistrate für sie bestimmen“ (Ita plerumque temporalium dominorum ac magistratuum mentis oculos terreni affectus atque cupiditates excaecant, ut viros et mulieres sub eorum iurisdictione degentes, maxime divites vel spem magnae haereditatis habentes, minis et poenis adigant, cum iis matrimonium invitos contrahere, quos ipsi domini vel magistratus praescripserint; COD, S. 759).

Das Dekret über den Reinigungsort

War der Ablasshandel ein Grund für Martin Luther gewesen, seine reformatorischen Thesen zu veröffentlichen (vgl. S. 102), so bekräftigte das Konzil in seiner 25. Sitzung vom 03. und 04. Dezember 1563 die Lehre vom Reinigungsort (Purgatorium). Daher wurde wiederholt, dass es für die Seelen der Verstorbenen einen Reinigungsort gebe, in dem sie nach ihrem irdischen Tod das Jüngste Gericht erwarteten (purgatorium esse; COD, S. 774). In diesem könne ihnen „die Fürbitte der Gläubigen“ hilfreich sein, „am meisten aber durch das wohlgefällige Opfer des Altares“ (animasque ibi detentas fidelium suffragiis, potissimum vero acceptabili altaris sacrificio iuvari; COD, S. 774). Daher hätten die Bischöfe dafür Sorge zu tragen, dass „die

3. Zusammenfassung

Fürsprachen der Gläubigen, nämlich Messopfer, Gebete, Almosen und andere Werke der Frömmigkeit […] nach den Satzungen der Kirche fromm und andächtig vollzogen werden“ (Curent autem episcopi, ut fidelium vicorum suffragia, missarum scilicet sacrificia, orationes, eleemosynae aliaque pietatis opera, quae a fidelibus pro aliis fidelibus defunctis fieri consueverunt, secundum ecclesiae instituta pie et devote fiant; COD, S. 774). Während derselben Sitzung verabschiedete das Konzil schließlich auch das Dekret über die Heiligen- und Reliquienverehrung und die Hl. Bilder (de invocatione, veneratione et reliquiis sanctorum, et de sacris imaginibus). Wiederum in Unterscheidung zu den Lehren der Reformatoren unterstrich das Dokument, dass es „gut und nützlich sei“, die Heiligen „inständig anzurufen und zur Erlangung von Wohltaten von Gott […] zu ihren Gebeten und ihrer mächtigen Hilfe Zuflucht zu suchen“ (bonum atque utilem esse, suppliciter eos invocare et ob beneficia impetranda a Deo per Filium […] ad eorum orationes, opem auxiliumque confugere; COD, S. 774 – 775). Es sei deshalb falsch, wenn einige leugneten, man solle „die Heiligen im Himmel, die ewige Glückseligkeit genießen, anrufen“ (Illos vero, qui negant, sanctos, aeterna felicitate in coelo fruentes, invocandos esse; COD, S. 775), oder behaupteten, „sie [sc. die Heiligen] würden für die Menschen Fürbitte einlegen“ (aut qui asserunt, vel illos pro hominibus non orare; COD, S. 775) oder „ihre Fürbitte auch für einzelne von uns sei Götzendienst und stehe im Widerspruch zum Wort Gottes“ (vel eorum, ut pro nobis etiam singulis orent, invocationem esse idolatriam, vel pugnare cum verbo Dei; COD, S. 775). Weil die Fürsprache der Heiligen deshalb den Gläubigen vor Gott hilfreich sei, sollten auch „die heiligen Leiber der heiligen Märtyrer und die der anderen mit Christus Lebenden […] verehrt werden“ (Sanctorum quoque martyrum et aliorum cum Christo viventium sancta corpora […] a fidelibus veneranda esse; COD, S. 775). In gleicher Weise seien die Gläubigen dazu angehalten, „die Bilder Christi, der jungfräulichen Gottesgebärerin und der anderen Heiligen, die vor allem in den Gotteshäusern seien, die schuldige Hochachtung und Verehrung“ zu erweisen (Imagines porro Christi, deiparae Virginis et aliorum sanctorum, in templis praesertim imperti habendas, eisque debitum honorem et venerationem impertiendam; COD, S. 775) – nicht etwa, weil in ihnen eine göttliche Kraft wirke, sondern weil die ihnen erwiesene Ehre auf das Urbild übergehe, wie es das zweite ökumenische Konzil von Nicaea (787) beschlossen habe (non quod credatur inesse aliqua in iis divinitas vel virtus […], sed quoniam honos, qui eis exhibetur, refertur ad prototypa, quae illae repraesentant. […] Id quod conciliorum, praesertim vero secundae Nicaena synodi, decretis contra imaginum oppugnatores est sancitum; COD, S. 775).

3. Zusammenfassung Das Konzil von Trient (1545 – 1563), von dem sich der westliche Kaiser erhoffte, es werde einen Versuch unternehmen, die drohende Kirchenspaltung vor allem in Deutschland zu verhindern (vgl. S. 92 – 93), hat aus verschiedenen Gründen nicht zu diesem Ziel geführt. Der Konzilshistoriker Klaus

Das Dekret über die Heiligen- und Reliquienverehrung

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V. Das Ringen um die Reformation: das Konzil von Trient (1545 – 1563)

Schatz macht dafür dennoch in erster Linie das späte Datum seiner Einberufung verantwortlich (vgl. [0 – 3], S. 166). Als es im Jahr 1545 endlich seine Arbeit aufnahm, hatten sich die protestantischen Parteien bereits so gefestigt, dass sie offenbar nicht mehr ohne Weiteres dazu bereit waren, sich auf ein Konzil einzulassen, wie es sich Rom und die Kurie vorstellten [zu den unterschiedlichen Konzilsvorstellungen vgl. [0 – 2], S. 82 – 83; [0 – 3], S. 174 – 176). Auf der anderen Seite fühlten Vertreter der mit Rom in Gemeinschaft verbliebenen Kirche nach dem Scheitern der Unionsüberlegungen augenscheinlich das Bedürfnis, die kirchliche Reform selbst herbeizuführen (vgl. [0 – 2], S. 96). Daher ist das Konzil von Trient (1545 – 1563) in der Beurteilung von Hubert Jedin zur „Antwort des höchsten kirchlichen Lehramtes auf die protestantische Reformation und die, wenn auch nicht vollkommene, so doch eben erreichbare Erfüllung des lang angestauten Verlangens nach einer inneren Erneuung der Kirche“ geworden (vgl. [0 – 2], S. 102). Diese habe der Theologie „klare Normen“ gegeben und lehramtlich das abgegrenzt, was künftig – in einem konfessionellen Blickwinkel – als römisch-katholisch betrachtet wurde (vgl. [0 – 2], S. 102). Diese neue Beschreibung dessen, was katholisch sei, sei jedoch nicht einfach eine Restauration des Mittelalters gewesen, sondern habe „Verfassung und Seelsorge“ modernisiert (vgl. [0 – 2], S. 102). Aus solchen Beobachtungen heraus hat Klaus Schatz daher davon gesprochen, dass das Konzil „die ,katholische Konfessionskirche‘ geprägt und ihr lehrmäßig und disziplinär ihre Ordnung und Gestalt gegeben“ habe (vgl. [0 – 3], S. 211); denn die ,Konfessionalisierung‘ der in der Gemeinschaft mit Rom verbliebenen Kirche habe „sozialdisziplin[ierend]“ gewirkt, indem sie den Glauben dieser Kirche ebenso klar von den Vorstellungen der Reformatoren abgegrenzt wie das Konzil die liturgische Praxis für die Gläubigen geregelt habe (vgl. [0 – 3], S. 211 – 212). Da sich auf der protestantischen Seite ein ähnliches Phänomen eingestellt habe, spreche die Forschung heute eher vom „Konfessionellen Zeitalter“ (vgl. [0 – 3], S. 211). Insofern stellt das Konzil von Trient (1545 – 1563) innerhalb der allgemeinen Synoden einen Einschnitt dar. War auf der Synode in Basel-Ferrara-Florenz (1431 – 1449) der letzte Versuch eines Konzils unter Beteiligung der lateinischen wie der griechischen Kirche gescheitert, so setzte zumindest die dritte Phase des Konzils von Trient (1545 – 1563) die Spaltung innerhalb der lateinischen Kirche voraus. Wie im, liturgisch gesehen, griechischsprachigen Osten standen sich nun auch im lateinischsprachigen Westen verschiedene Kirchen und kirchliche Gemeinschaften gegenüber. Von diesen hat nur die in der Gemeinschaft mit dem Apostolischen Stuhl verbliebene Kirche das Konzil von Trient (1545 – 1563) sowie die folgenden beiden Konzile im Vatikan (1869/1870 und 1962 – 1965) anerkannt. Der Begriff der allumfassenden, der katholischen Kirche, hat insofern – im Vergleich zu Antike und Mittelalter – eine neue Einschränkung erfahren, auch wenn die Reformen, die das Konzil von Trient (1545 – 1563) herbeigeführt hat, nicht nur die römische Kirche betroffen haben, sondern auch die – im 16. Jahrhundert mittlerweile – weltweit verbreiteten unierten Kirchen in der Gemeinschaft mit dem Apostolischen Stuhl von Rom.

VI. Das Erste Konzil im Vatikan (1869/1870) 1. Die Ausgangslage Als Papst Pius IX. (1846 – 1878) am 29. Juli 1868 mit der Bulle Aeterni Patris ein neues Konzil einberief, waren seit dem Ende des Konzils von Trient (1563) über dreihundert Jahre vergangen (vgl. [0 – 2], S. 108 – 109). Seitdem hatte sich die Welt verändert. Als Ergebnis der französischen Revolution waren beispielsweise in Deutschland die geistlichen Fürstbistümer verschwunden (vgl. [0 – 3], S. 215). Die Industrialisierung hatte die Lebensbedingungen für die Menschen einschneidend gewandelt (vgl. [6 – 1], S. 98 – 99). In der Form des Liberalismus – und später des Sozialismus bzw. des Kommunismus – kamen neue politische Ideen auf (vgl. [6 – 1], S. 38 – 40). Die nationale Einigungsbewegung in Italien stellte die Existenz des Kirchenstaates in Frage (vgl. [0 – 3], S. 219 – 220). Ein westliches Kaisertum, das in der Person von Karl V. noch Einfluss auf die Synode in Trient (1545 – 1563) genommen hatte, gab es am Ende des 19. Jahrhunderts nicht mehr (vgl. [0 – 3], S. 231). Die Frage war, wie sich die in der Gemeinschaft mit Rom stehende Kirche zu diesen politischen, sozialen und philosophisch-weltanschaulichen Veränderungen stellen würde (vgl. [0 – 3], S. 218). Auch innerkirchlich gab es im 19. Jahrhundert andere Rahmenbedingungen für eine allgemeine Synode als zur Zeit des Tridentinums. Zum einen war in Frankreich und in Deutschland die starke Stellung der Bischöfe als Ergebnis der Umwälzungen, die durch die Französische Revolution (1789) ausgelöst worden waren, zu Ende gegangen (vgl. [0 – 3], S. 214 – 215; [6 – 1], S. 23 – 26). Daher orientierten sich Kleriker wie Laien in einem zunehmenden Maße nicht mehr am eigenen Episkopat, sondern blickten verstärkt auf den Papst in Rom (vgl. [0 – 3], S. 217). Dies hob dessen binnenkirchliche Stellung hervor. Dazu kam, dass sich nach den Erschütterungen der Säkularisation eine neue Art von Glaubensleben einstellte, die sich „weniger intellektuell, mehr emotional, mehr an sinnlichen Formen und am Bedürfnis nach dem Konkreten orientiert[e]“ (vgl. [6 – 1], S. 57). Ausdruck dieser Veränderungen waren etwa die Verehrung des Herzens Jesu (vgl. [6 – 1], S. 57 – 58), das Wiederaufleben von Wallfahrten (vgl. [6 – 1], S. 57), der Neuaufbau des Ordenslebens (vgl. [6 – 1], S. 59 – 62) oder andere Impulse in der Mission (vgl. [6 – 1], S. 62 – 65). Schließlich entstand in Ländern, in denen die mit Rom verbundenen Katholiken eine Minderheit bildeten, ein neues kirchliches Leben, das mit dem Fachbegriff der Katholizismen beschrieben wird (vgl. [6 – 1], S. 44 – 45). Dieses Phänomen sorgte, zusammen mit den im Vergleich zum Tridentinum verbesserten Reisebedingungen, dafür, dass an dem neuen Konzil auch die Vertreter des überseeischen Episkopates teilnehmen konnten, gerade aus Nord- und Lateinamerika (vgl. [0 – 3], S. 239).

Die politische Ausgangslage

Die innerkirchliche Situation

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VI. Das Erste Konzil im Vatikan (1869/1870)

2. Die kirchlichen Strömungen Der kirchliche Liberalismus

Der Ultramontanismus

Vereinfacht dargestellt, entwickelten sich im 19. Jahrhundert zwei unterschiedliche Richtungen mit einer jeweils eigenen Antwort auf die Herausforderung, wie die Kirche mit den beschriebenen Veränderungen umgehen solle. Die eine von ihnen, der kirchliche Liberalismus, wurde beispielsweise von den beiden Franzosen Félicité de Lamenais (p 1860) und seinem Schüler Charles de Montalembert (p 1870) vertreten. Der kirchliche Liberalismus setzte eher auf die freie Selbstbestimmung der Menschen (vgl. [6 – 1], S. 68 – 69). Da sich der wahre Glaube von allein durchsetzen werde, wenn er sich nur frei entfalten könne, so meinten die Vertreter dieser Denkschule, stelle die liberale Forderung nach der Religionsfreiheit für die Kirche keine Gefahr, sondern eine Chance dar (vgl. [6 – 1], S. 69). Als gelungenes Beispiel für diese These führten Anhänger dieser Richtung das Exempel Belgiens an, in dem Liberale und Katholiken im Jahr 1830 gemeinsam die politische Eigenständigkeit von den Niederlanden herbeigeführt hatten. In der Folge dieser politischen Selbstbestimmtheit garantierte die belgische Verfassung von 1831 die kirchlichen Rechte der Katholiken – und zwar nicht als Ergebnis einer Vereinbarung zwischen dem Apostolischen Stuhl und der nationalen Regierung, wie im Falle eines Konkordates, sondern in der selbst gegebenen Verfassung des modernen Staates selbst (vgl. [6 – 1], S. 68). Eine vergleichbare Freiheit erhofften sich die Vertreter des liberalen Katholizismus für die katholischen Polen, die im russisch-orthodox bestimmten Zarenreich lebten, sowie die irischen Katholiken, die vom mehrheitlich anglikanischen London aus regiert wurden (vgl. [6 – 1], S. 69). Einer anderen Idee folgte der so genannte Ultramontanismus. Beispielsweise von Joseph de Maistre ({ 1821) in seinem Werk Du Pape einer breiteren Öffentlichkeit vorgestellt, setzten die auf das Rom ,jenseits der Berge‘ (lateinisch: ultra montes) ausgerichteten Ultramontanen auf die Stabilität und den Halt, den das römische Papsttum angesichts der Erschütterungen des 19. Jahrhunderts geben könne (vgl. [6 – 1], S. 66). Während die liberalen Katholiken das Bündnis mit den staatstragenden bürgerlichen Gruppierungen suchten, traten auch die Parteigänger des Ultramontanismus für die Freiheit der Kirche vom modernen Staat ein, die sie indes anders deuteten: Für sie ging es in erster Linie darum, eine eigene, sozusagen katholische Welt, eine societas christiana, aufzubauen, mit eigenen katholischen Vereinen, politischen Parteien, Presseorganen – und das frei von dem entstehenden modernen Staat (vgl. [6 – 1], S. 218). Diese Forderung trat beispielsweise in Bezug auf die universitäre Ausbildung des Klerus zutage. Waren die alten Fakultäten Teil einer katholischen Welt gewesen, so unterstanden die neuen, und vielfach in Konkordaten juristisch abgesicherten, staatlichen Fakultäten einer weltlichen Aufsicht. Nun ging es den Ultramontanen darum, die Priesterausbildung gleichermaßen frei von staatlicher Kontrolle zu gestalten. Klaus Schatz hat diesbezüglich zusammengefasst: „In Trient war es keineswegs darum gegangen, den Klerus von den Universitäten fernzuhalten, sondern ihm in den Seminarien eine zusätzlich geistlich-asketische Formung zu sichern. Jetzt wurde dieses Dekret auf

2. Die kirchlichen Strömungen

die ganze, auch wissenschaftliche Ausbildung bezogen und erhielt damit eine Spitze gegen die Universitätsausbildung: man forderte ausschließliche Ausbildung des Klerus in rein kirchlich geleiteten Seminarien“ (vgl. [6 – 1], S. 54). Während des Pontifikates von Pius IX. (1846 – 1878) gewann der Ultramontanismus immer mehr an Zulauf (vgl. [6 – 1], S. 74 – 85). Der Vormarsch dieser Ideen fand seinen Ausdruck auch in lehramtlichen Dokumenten wie der Enzyklika Quanta cura vom 08. Dezember 1864, dem Syllabus Errorum vom 08. Dezember 1864 oder der Verkündigung der Immaculata Conceptio in der Bulle Ineffabilis Deus vom 08. Dezember 1854. Die Forderung, die Kirche von staatlichem Einfluss zu befreien, findet sich beispielsweise in der Enzyklika Quanta cura (DH, Nr. 2890 – 2896). In ihr wird unter anderem beklagt, dass die Liberalen darauf abzielten, „die heilbringende Kraft der katholischen Kirche von der Ausbildung und Erziehung der Jugend völlig auszuschließen“ (ut salutifera catholicae Ecclesiae doctrina ac vis a iuventutis institutione et educatione prorsus eliminetur; DH, Nr. 2892). Des Weiteren wird die Auffassung zurückgewiesen, „die Verlautbarungen und Dekrete der Römischen Bischöfe, die sich auf Religion und Kirche beziehen, bedürften der Bestätigung und Billigung wenigstens der Zustimmung der bürgerlichen Gewalt“ (acta et decreta Romanorum Pontificium ad religionem et Ecclesiam spectantia indigere sanctione et approbatione vel minimum assensu potestatis civilis; DH, Nr. 2894). Schließlich wird unterstrichen, dass die Auffassung irrig sei, die „kirchliche Gewalt sei nicht kraft göttlichen Rechtes von der bürgerlichen Gewalt verschieden und unabhängig“ (Ecclesiasticam potestatem non esse iure divino distinctam et independetem a potestate civili; DH, Nr. 2895). All diese Lehren „verwerfen, ächten und verurteilen wir kraft unserer apostolischen Autorität“ (Itaque omnes et singulas pravas opiniones ac doctrinas […] Auctoritate nostra Apostolica reprobamus; DH, Nr. 2896), erklärte Papst Pius IX. Eine vergleichbare Abwehrhaltung gegenüber modernen Ideen lässt sich ebenfalls im Syllabus Errorum beobachten – einer Aufstellung von insgesamt 80 Lehrsätzen, die von der Kirche verworfen wurden (vgl. [6 – 1], S. 83). Geradezu programmatisch erscheint dabei der abgelehnte 80. Lehrsatz, der die Auffassung vertreten hatte: „Der Römische Bischof kann und soll sich mit dem Fortschritt, mit dem Liberalismus und mit der modernen Kultur versöhnen“ (Romanus Pontifex potest ac debet cum progressu, cum liberalismo et cum recenti civilitate sese reconciliare et componere; DH, Nr. 2980). Zurückgewiesen werden in dem lehramtlichen Dokument daher Sätze wie: „Die menschliche Vernunft ist – ohne dass Gott irgendwie berücksichtigt würde – der einzige Richter über Wahr und Falsch sowie Gut und Böse“ (Humana ratio, nullo prorsus Dei respectu habito, unicus est veri et falsi, boni et mali arbiter; DH, Nr. 2903); oder: „Alle Wahrheiten der Religion fließen aus der angeborenen Kraft der menschlichen Vernunft; daher ist die Vernunft die hauptsächliche Richtschnur, nach welcher der Mensch zur Erkenntnis aller Wahrheiten jedweder Art gelangen kann und soll (Omnes religionis veritates ex nativa humanae rationis vi derivant; hinc ratio est princeps norma, qua homo cognitionem omnium cuiuscunque generis ver-

Die Enzyklika Quanta cura

Der Syllabus Errorum

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VI. Das Erste Konzil im Vatikan (1869/1870)

Die Immaculata Conceptio

itatum assequi possit ac debeat; DH, Nr. 2904); oder: „Es steht jedem Menschen frei, diejenige Religion anzunehmen und zu bekennen, die man, vom Licht der Vernunft geführt, für wahr erachtet“ (Liberum cuique homini est eam amplecti ac profiteri religionem, quam rationis lumine quis ductus veram putaverit; DH, Nr. 2915). Aber auch mit der Forderung nach der Freiheit der Kirche befassen sich verurteilte Lehrsätze wie: „Die bürgerliche Autorität kann sich in Dinge einmischen, welche die Religion, die Sitten und die geistliche Leitung betreffen“ (Civilis auctoritas potest se immiscere rebus, quae ad religionem, mores et regimen spirituale pertinent; DH, Nr. 2944); oder: „Die weltliche Regierung hat sogar das Recht, Bischöfe von der Ausübung ihres Hirtenamtes abzuberufen“ (Immo laicum gubernium habet ius deponendi ab exercitio pastoralis ministerii episcopos; DH, Nr. 2951); und: „Die Kirche ist vom Staat und der Staat von der Kirche zu trennen“ (Ecclesia a statu statusque ab Ecclesia seiungendus est; DH, Nr. 2955). Schließlich wird am Fortbestand des Kirchenstaates festgehalten: „Die Abschaffung der bürgerlichen Herrschaft, in deren Besitz der Apostolische Stuhl ist, trüge in höchstem Maß zur Freiheit und zum Glück der Kirche bei“ (Abrogatio civilis imperii, quo Apostolica Sedes potitur, ad Ecclesiae libertatem felicitatemque vel maxime conduceret; DH, Nr. 2976). Als eine Stärkung der Stellung des römischen Papstes wurde schließlich die dogmatische Festschreibung der Unbefleckten Empfängnis Mariens angesehen. Mit dem Fachbegriff der Immaculata Conceptio wird die katholische Glaubensaussage umschrieben, dass Maria, die Mutter Gottes, frei von der Ursünde (peccatum originale) von ihrer Mutter Anna empfangen worden sei: „[Wir] erklären, verkünden und definieren […], dass die Lehre, welche festhält, dass die seligste Jungfrau Maria im ersten Augenblick ihrer Empfängnis durch die einzigartige Gnade und Bevorzugung des allmächtigen Gottes im Hinblick auf die Verdienste Christi Jesu, des Erlösers des Menschengeschlechtes, von jeglichem Makel der Urschuld unversehrt bewahrt wurde, von Gott geoffenbart und deshalb von allen Gläubigen fest und beständig zu glauben ist“ (declaramus, pronuntiamus et definimus, doctrinam, quae tenet, beatissimam Virginem Mariam in primo instanti suae conceptionis fuisse singulari omnipotentis Dei gratia et privilegio, intuitu meritorum Christi Iesu Salvatoris humani generis, ab omni originalis culpae labe praeservatam immunem, esse a Deo revelatam atque idcirco ab ominibus fidelibus firmiter constanterque credendam; DH, Nr. 2803). Auch wenn der Papst zuvor die Bischöfe um ihre Meinung über diese lehramtliche Aussage befragte, stellt sie nach Klaus Schatz „die erste bewusste und eindeutige ,Ex-cathedra-Entscheidung‘ [sc. eines römischen Papstes] dar“ (vgl. [0 – 3], S. 219), d. h., der römische Papst erhob den Anspruch, in Glaubensangelegenheiten auf Grund des Beistand des Hl. Geistes den Glauben der Kirche frei von Irrtum formulieren zu können. Diese Frage sollte sich zum Hauptstreitpunkt auf dem ersten Konzil im Vatikan (1869/1870) entwickeln.

3. Die Zusammensetzung und die Arbeitsweise des Konzils

3. Die Zusammensetzung und die Arbeitsweise des Konzils An den Beratungen des ersten Konzils im Vatikan (1869/1870) nahmen etwa 600 bis 700 Bischöfe, Präsidenten der Mönchskongregrationen und Generaloberen der Ordensgemeinschaften teil (vgl. [0 – 2], S. 108; [0 – 3], S. 236). Wie auf dem Konzil von Trient (1545 – 1563) ergab sich ein Übergewicht für die Teilnehmer aus den romanischen Ländern, die zusammen rund 64 Prozent der Anwesenden stellten. Aus dem angelsächsischen Bereich – unter Einschluss der Vereinigten Staaten von Amerika – stammten um die 14 Prozent der Mitwirkenden, aus dem deutschsprachigen Raum etwa 8 Prozent. 46 Teilnehmer gehörten den Unierten Kirchen an, 50 waren aus Lateinamerika angereist (vgl. [0 – 3], S. 239). Insofern bildete der Teilnehmerkreis an dem Konzil die weltweite mit Rom verbundene katholische Kirche ab. Die Kirchen des Ostens lehnten indes eine Teilnahme an dem Konzil ebenso ab wie die Vertreter der reformatorischen kirchlichen Gemeinschaften (vgl. [0 – 2], S. 109). In Bezug auf die inhaltliche Ausrichtung der Konzilsväter hat Klaus Schatz festgehalten: „Von Anfang an spaltete die Unfehlbarkeitsfrage die Konzilsväter in zwei unversöhnliche Blöcke, die sich praktisch wie politische Parteien gegenüberstanden“ (vgl. [0 – 3], S. 239). Die Minderheit, die etwa 20 Prozent der Stimmberechtigten auf sich vereinen konnte, setzte sich aus den meisten deutschsprachigen Bischöfen, einer beachtlichen Anzahl der französischen sowie der US-amerikanischen Bischöfe zusammen. Die Mehrheit konzentrierte sich auf die hispanische Gruppe, aber auch Bischöfe aus den kleineren europäischen Nationen gehörten ihr an (vgl. [0 – 3], S. 239). Auf der Seite der Minderheit fanden sich Bischöfe wie die Deutschen Ketteler (Breslau) und Hefele (Rottenburg), die Österreicher Rauscher (Wien), Schwarzenberg (Prag) und Stroßmayer (Djakovo) sowie die Franzosen Darboy (Paris) und Dupanloup (Orléans). Auf der anderen Seite bildeten „[d]en eigentlichen Aktionskern der Infallibilisten […] von Anfang an Bischof Senestrey von Regensburg und Erzbischof Manning von Westminster“ (vgl. [0 – 3], S. 240). Abgestimmt wurde auf dem Konzil in den Vollversammlungen (Generalkongregationen); jedoch bereiteten Spezialkommissionen (Deputationen) die Beratungen vor (vgl. [0 – 3], S. 225). Angesichts dieser Arbeitsweise wirkte es sich für die Angehörigen der Minderheitenposition erschwerend aus, dass ihre Vertreter bei den Wahlen in die vorbereitenden Kommissionen durchfielen (vgl. [0 – 3], S. 241). „Die Minderheit, die nicht in der Deputation vertreten war, konnte zwar in der Konzilsdebatte Einwände erheben und Defensivgefechte führen. Die Texte aber wurden dann in der Deputation umgearbeitet. Eine solche Minderheit saß gewissermaßen nur an der Bremse, aber nicht am Steuer“ (vgl. [0 – 3], S. 241).

Die Zusammensetzung

Die Strömungen auf dem Konzil

Die Vorgehensweise

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VI. Das Erste Konzil im Vatikan (1869/1870)

4. Die öffentliche Begleitung des Konzils Die öffentliche Kommentierung des Konzils

Angesichts der sich gegenüberstehenden starren Fronten versuchten beide Strömungen, Einfluss auf die öffentliche Meinung zu nehmen (vgl. [6 – 1], S. 88). Auf der einen Seite warb der Franzose Veuillot in seiner Zeitschrift Univers oder die französische Ausgabe der Civiltà Cattolica der Jesuiten in Frankreich für eine Erklärung des Konzils in der Frage der Unfehlbarkeit (vgl. [0 – 3], S. 235 – 236). Auf der anderen Seite argumentierte „das anerkannte Haupt der historischen Theologenschule in Deutschland, der Münchner Professor Ignaz Döllinger“ (vgl. [0 – 2], S. 110), unter dem Decknamen Janus in der Augsburger Allgemeinen Zeitung gegen eine solche Definition (vgl. [0 – 2], S. 111). Dabei wurde auch verschiedentlich der Versuch unternommen, die internationale Politik zur Intervention zu bewegen – was jedoch unterblieb, obwohl französische Truppen den Fortbestand des Kirchenstaates gegenüber der italienischen Einigungsbewegung sicherten (vgl. [0 – 3], S. 232 – 234).

5. Die Dogmatische Konstitution über den katholischen Glauben Die Konstitution über den katholischen Glauben

Obwohl von den insgesamt 65 von fünf vorbereitenden Kommissionen (vgl. [0 – 2], S. 109 – 110) vorgelegten Schemata lediglich fünf auf der ersten Synode im Vatikan (1869/1870) näher verhandelt worden sind (vgl. [6 – 1], S. 86), hat das Konzil letztlich nur zwei Dokumente verabschiedet. Nach dem Ausbruch des deutsch-französischen Krieges, dem Abzug der französischen Truppen und dem Einmarsch italienischer Verbände in Rom am 20. September 1870 wurde die Synode aufgehoben (vgl. [6 – 1], S. 86). Während die Frage über die Unfehlbarkeit des päpstlichen Lehramts kontrovers diskutiert wurde, ergab sich in der Beratung der Dogmatischen Konstitution über den katholischen Glauben, Dei Filius, von 24. April 1870 eine hohe Übereinstimmung (vgl. [0 – 3], S. 248 – 249). Diese betonte zunächst, dass es nur einen Schöpfer, nämlich Gott selbst, gebe (DH, Nr. 3001). Dieser sei allmächtig, und deshalb „an Vernunft und Willen sowie jeglicher Vollkommenheit unendlich“ (omnipotentem, aeternum, immensum, incomprehensibilem, intellectu ac voluntate omnique perfectione infinitum; DH, Nr. 3001). Da die Welt von diesem Schöpfer „aus völlig freiem Entschluss“ (liberrimo consilio; DH, Nr. 3002) geschaffen worden sei, könne er „mit dem natürlichen Licht der menschlichen Vernunft aus den geschaffenen Dingen gewiss erkannt werden“ (tenet et docet, Deum, […] naturali humanae rationis lumine e rebus creatis certo cognosci posse; DH, Nr. 3004); d. h., das Konzil bekannte sich zur natürlichen Theologie. Um den Geschöpfen über sein eigenes Sein Aufschluss zu geben, habe sich dieser Schöpfergott jedoch den Menschen gegenüber darüber hinaus noch auf einem „übernatürlichen Weg“ offenbart (supernaturali via; DH, Nr. 3004) – und zwar, wie es das Konzil von Trient (1545 – 1563) formuliert habe, „in geschriebenen Büchern und ungeschriebenen Überlieferungen“ (Haec por-

5. Die Dogmatische Konstitution über den katholischen Glauben

ro supernaturalis revelatio, secundum universalis Ecclesiae fidem a sancta Tridentina synodo declaratam continetur in libris scriptis et sine scripto traditionibus; DH, Nr. 3006). Weil der Mensch „ganz von Gott als seinem Schöpfer und Herrn abhängt und die geschaffene Vernunft der ungeschaffenen Wahrheit unterworfen ist, sind wir gehalten, dem offenbarenden Gott im Glauben vollen Gehorsam des Verstandes und des Willens zu leisten“ (Cum homo a Deo tamquam creatore et Domino suo totus dependeat et ratio creata increatae Veritati penitus subiecta sit, plenum revelanti Deo intellectus et voluntatis obsequium fide praestare tenemur; DH, Nr. 3008). Der Herr habe daher die Kirche „als Hüterin und Lehrerin des geoffenbarten Wortes“ (custos et magistra; DH, Nr. 3012) eingesetzt, damit dieses „von allen erkannt“ werden könne (ut […] verbi revelati ab omnibus posset agnosci; DH, Nr. 3012). Weil die Kirche auf diese Weise gewährleiste, den „wahren Glauben zu umfassen und in ihm beständig zu verharren“ (Ut autem officio veram fidem amplectendi in eaque constanter perseverandi satisfacere possemus; DH, Nr. 3012), gebe es auch keinen Widerspruch zwischen dem Glauben (fides) und der menschlichen Vernunft (ratio) (DH, Nr. 3017); denn „derselbe Gott, der die Geheimnisse offenbart und den Glauben eingießt, hat in den menschlichen Geist das Licht der Vernunft gelegt“ (Cum idem Deus, qui mysteria revelat et fidem infundit, animo humano rationis lumen indiderit; DH, Nr. 3017). Daher entstehe der „unbegründete Anschein eines solchen Widerspruches vor allem daraus, dass entweder die Lehrsätze des Glaubens nicht im Sinne der Kirche verstanden und erläutert […] oder Hirngespinste für Aussagen der Vernunft gehalten“ würden (Inanis autem huius contradictionis species inde potissimum oritur, quod vel fidei dogmata ad mentem Ecclesiae intellecta et exposita non fuerint vel opinionum commenta pro rationis effatis habeantur; DH, Nr. 3017). Deshalb seien „Glaube und Vernunft nicht nur niemals untereinander unstimmig […], sondern leiste[te]n sich auch wechselseitig Hilfe“ (Neque solum fides et ratio inter se dissidere numquam possunt, sed opem quoque sibi mutuam ferunt; DH, Nr. 3019). Der Garant für die Weitergabe des rechten Glaubens sei freilich die Kirche, die diesen hüte und frei von Irrtum erkläre: „Die Lehre des Glaubens, die Gott offenbart hat, wurde nämlich nicht wie eine philosophische Erfindung den menschlichen Geistern zur Vervollkommnung vorgelegt, sondern als göttliche Hinterlassenschaft der Braut Christi anvertraut, damit sie treu gehütet und frei von Irrtum erklärt werde. Daher ist auch immerdar derjenige Sinn der heiligen Glaubenssätze beizubehalten, den die heilige Mutter Kirche einmal erklärt hat, und niemals von diesem Sinn unter dem Anschein und dem Namen einer höheren Einsicht abzuweichen“ (Neque enim fidei doctrina, quam Deus revelavit, velut philosophicum inventum proposita est humanis ingeniis perficienda, sed tamquam divinum depositum Christi Sponsae tradita, fideliter custodienda et infallibiliter declaranda; DH, Nr. 3020).

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VI. Das Erste Konzil im Vatikan (1869/1870)

6. Die Dogmatische Konstitution über die Kirche Christi Die Beratungen über die Konstitution

Die Sicht der Minderheit

Die Position der Mehrheit

Die Annahme der Konstitution

Ausgelöst von einer Unterschriftenliste, die 380 Namen trug, rückte die Frage nach der Klärung des Verhältnisses zwischen der päpstlichen wie der bischöflichen Gewalt in den Mittelpunkt der weiteren Beratungen auf dem Konzil (vgl. [0 – 2], S. 116 – 121; [0 – 3], S. 251 – 259). Das am 29. April 1870 den Konzilsvätern übergebene Schema über das Papstamt umfasste vier Abschnitte: (i.) die Einsetzung des päpstlichen Primates durch Christus selbst; (ii.) die Fortdauer dieses Primates in den Nachfolgern des Apostels Petrus; (iii.) die Natur dieses Primates; sowie (iv.) die Irrtumsfreiheit des Papstes in lehramtlichen Aussagen (vgl. [0 – 3], S. 251). Der Streit zwischen den beiden Parteien fokussierte sich in erster Linie auf das vierte Kapitel (vgl. [0 – 3], S. 251). Die Vertreter der Minderheit arbeiteten dabei heraus, dass der Papst Fragen des Glaubens und der Sittenlehre nur dann frei von Irrtum formulieren könne, wenn er dies als Repräsentant der gesamten Kirche, d. h. in Rückkoppelung mit dieser, tue (vgl. [6 – 1], S. 92). Der Beistand des Hl. Geistes, der den Papst dabei vor Irrtum bewahre, falle keinem einzelnen Menschen durch eine besondere Erleuchtung zu, sondern werde dem Nachfolger des Apostels Petrus dann geschenkt, wenn er auf den in der Kirche wirkenden Geist Gottes höre (vgl. [6 – 1], S. 92). Deshalb regten die Parteigänger der Minderheit Formulierungen an, welche diese Rückbindung einer lehramtlichen Entscheidung des Papstes an den Episkopat der gesamten Kirche zum Ausdruck bringen sollten (vgl. [6 – 1], S. 92). Eine andere Auffassung verfochten die Anhänger der Mehrheit. Für sie war der Papst als Nachfolger des Petrus ebenso selbst die Quelle der Irrtumsfreiheit der Kirche, wie es dieser für das Kollegium der Apostel gewesen sei (vgl. [6 – 1], S. 92). Petrus habe schließlich nicht auch erst alle Apostel um ihre Meinung fragen, sondern rasch und eigenständig handeln können (vgl. [6 – 1], S. 92 – 93). Dieses zügige Entscheiden lasse sich aber in der Kirche nicht durch eine langwierige Befragung der Glaubensüberzeugung aller Gläubigen, des consensus fidelium, herbeiführen, die bis zu Jahre andauern könne (vgl. [6 – 1], S. 92 – 93). Aus diesem Grunde dürfe die Irrtumsfreiheit des Papstes in lehramtlichen Äußerungen nicht an Bedingungen – wie etwa die Befragung der Gesamtkirche – geknüpft werden (vgl. [6 – 1], S. 93); denn es stehe fest, dass der Papst in einer lehramtlichen Äußerung an die Tradition der Kirche gebunden und nichts von dieser Abweichendes verkünden dürfe (vgl. [0 – 3], S. 258). Nach einer längeren Debatte wurde am 13. Juli 1870 über das Schema abgestimmt (vgl. [0 – 2], S. 122; [0 – 3], S. 258). Da sich die Vertreter der Mehrheitenposition weigerten, auf die Einwände der Minderheit einzugehen, ergab sich ein Ergebnis von 451 Zustimmungen (placet), 88 Ablehnungen (non placet) sowie 62 Zustimmungen nur unter Vorbehalt (placet iuxta modum). Während die Minderheit offenbar weiterhin auf Zugeständnisse hoffte, verhärtete sich angesichts der vielen Nein-Stimmen augenscheinlich die Sichtweise des Papstes (vgl. [0 – 3], S. 259). Hierzu hat Klaus Schatz betont:

6. Die Dogmatische Konstitution über die Kirche Christi

„Pius IX. war über diesen Widerstand äußerst verbittert. Wie es seine Art war, reagierte er bei Widerstand nicht flexibel, sondern erst recht mit Verhärtung. Ärgerlich über den ewig vermittelnden Kardinal Bilio, gab er nun am folgenden Tage den Befehl, einen Zusatz in die Formel einzuführen, der von den extremen Infallibilisten verlangt wurde. Hinter den bereits dastehenden Satz, daß die Definitionen des Papstes ,aus sich‘ (ex sese) unwiderruflich seien, wurde noch einmal verschärfend die Präzisierung ,non autem ex consensu Ecclesiae‘ (nicht aber aus der Zustimmung der Kirche) eingefügt“ (vgl. [0 – 3], S. 259). Die Vertreter der Minderheit reisten daher mehrheitlich vom Konzil ab und nahmen nicht mehr an der Schlussabstimmung teil (vgl. [0 – 3], S. 259). Die Dogmatische Konstitution wurde sodann am 18. Juli mit 533 Ja-Stimmen und nur zwei Nein-Stimmen angenommen (vgl. [0 – 2], S. 123). Inhaltlich besagte die Dogmatische Konstitution Pastor aeternus, dass Christus selbst die Kirche erbaut habe, damit in ihr, „gleichsam als in dem Haus des lebendigen Gottes, alle Gläubigen durch das Band des einen Glaubens und der einen Liebe zusammengehalten“ würden (Pastor aeternus […] sanctam aedificare Ecclesiam decrevit, in qua veluti in domo Dei viventis fideles omnes unius fidei et caritatis vinculo continerentur; DH, Nr. 3050). Der Herr habe dabei – nach Mt 16,18 und Joh 14,2 – den „Jurisdiktionsprimat über die gesamte Kirche“ dem „seligen Apostel Petrus verheißen und übertragen“ (Docemus itaque et declaramus, iuxta Evangelii testimonia primatum iurisdictionis in universam Dei Ecclesiam immediate et directe beato Petro Apostolo promissum atque collatum a Christo Domino fuisse; DH, Nr. 3053). Dieser Primat wirke aber über Petrus hinaus: „Was aber der Fürst der Hirten und große Hirt der Schafe, der Herr Christus Jesus, im seligen Apostel Petrus zum ewigen Heil und immerwährenden Wohl der Kirche eingesetzt hat, das muss auf sein Geheiß hin in der Kirche, die, gegründet auf diesen Felsen, bis zum Ende der Zeiten sicher stehen wird, beständig fortdauern“ (Quod autem in beato Apostolo Petro princeps pastorum et pastor magnus ovium Dominus Christus Iesus in perpetuam salutem ac perenne bonum Ecclesiae instituit, id eodem auctore in Ecclesia, quae fundata super petram ad finem saeculorum usque firma stabit, durare iugiter necesse est; DH, Nr. 3056). Daher „hat jeder, der auf diesem Stuhle dem Petrus nachfolgt, gemäß der Einsetzung durch Christus selbst den Primat des Petrus über die gesamte Kirche inne“ (Unde quicumque in hac cathedra Petro succedit, is secundum Christi ipsius institutionem primatum Petri in universam Ecclesiam obtinet; DH, Nr. 3057). In Bezug auf das Verhältnis zwischen der päpstlichen wie der bischöflichen Gewalt (potestas) wählte das Dokument einen Kompromiss. Auf der einen Seite erklärte es, dass „die Römische Kirche auf Anordnung des Herrn den Vorrang der ordentlichen Vollmacht über alle anderen innehabe“ (Docemus proinde et declaramus, Ecclesiam Romanam, disponente Domino, super omnes alias ordinariae potestatis obtinere principatum; DH, Nr. 3060) und dass „diese Jurisdiktionsvollmacht des Römischen Bischofs, die wahrhaft bischöflich ist, unmittelbar ist“ (et hanc Romani Pon-

Der Inhalt der Konstitution

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VI. Das Erste Konzil im Vatikan (1869/1870)

tificis iurisdictionis potestatem, quae vere episcopalis est, immediatam esse; DH, Nr. 3060) – weswegen ihr die „Hirten und Gläubigen jeglichen Ritus und Ranges […] zu hierarchischer Unterordnung und wahrem Gehorsam verpflichtet“ seien (erga quam cuiuscumque ritus et dignitatis pastores atque fideles, […] officio hierarchicae subordinationis veraeque oboedientiae obstringuntur; DH, Nr. 3060). Auf der anderen Seite unterstrich das Konzil jedoch, dass „diese Vollmacht des Papstes nicht jene ordentliche und unmittelbare Vollmacht der bischöflichen Jurisdiktion [beeinträchtige], mit der die Bischöfe, die, eingesetzt vom Hl. Geist, an die Stelle der Apostel nachgefolgt sind, als wahre Hirten die ihnen jeweils zugewiesenen Herden jeweils weiden und leiten“ (Tantum autem abest, ut haec Summi Pontificis potestas officiat ordinariae ac immediatae illi episcopalis iurisdictionis potestati, qua episcopi, qui positi a Spiritu Sancto in Apostolorum locum successerunt, tamquam veri pastores assignatos sibi greges singuli singulos pascunt et regunt; DH, Nr. 3061). In Bezug auf das Lehramt des Papstes bestimmte die Synode zunächst, dass die römischen Bischöfe durch Konzilien, Erkundung der Auffassung der Gläubigen oder Teilsynoden „das festzuhalten bestimmt [hätten], was sie mit Gottes Hilfe als mit den Hl. Schriften und apostolischen Überlieferungen übereinstimmend anerkannt hatten“ (ea tenenda definiverunt, quae sacris scripturis et apostolicis traditionibus consentanea, Deo adiutore, cognoverant; DH, Nr. 3069). Den Nachfolgern des Petrus sei der Hl. Geist nämlich nicht verheißen worden, „damit sie durch seine Offenbarung eine neue Lehre ans Licht brächten, sondern damit sie mit seinem Beistand die durch die Apostel überlieferte Offenbarung bzw. die Hinterlassenschaft des Glaubens heilig bewahrten und getreu auslegten“ (Neque enim Petri successoribus Spiritus Sanctus promissus est, ut eo revelante novam doctrinam patefacerent, sed ut, eo assistente, traditam per Apostolos revelationem seu fidei depositum sancte custodirent et fideliter exponerent; DH, Nr. 3070). In Treue zu diesen Glaubensüberlieferungen der Apostel in der Kirche wurde daher festgehalten: „Wenn der Römische Bischof ,ex cathedra‘ spricht, d. h., wenn er in Ausübung seines Amtes als Lehrer und Hirte aller Christen kraft seiner apostolischen Autorität entscheidet, dass eine Glaubens- oder Sittenlehre von der gesamten Kirche festzuhalten ist, dann besitzt er mittels des ihm im seligen Petrus verheißenen göttlichen Beistandes jene Irrtumsfreiheit, mit welcher der göttliche Erlöser seine Kirche bei der Definition der Glaubens- und Sittenlehre ausgestattet sehen wollte; und daher sind solche Definitionen des Römischen Bischofs aus sich selbst heraus, nicht aber auf Grund der Zustimmung der Kirche, unabänderlich“ (Romanum Pontificem, cum ex cathedra loquitur, id est, cum omnium Christianorum pastoris et doctoris munere fungens pro suprema sua apostolica auctoritate doctrinam de fide vel moribus ab universa ecclesia tenendam

7. Die Rezeption des Konzils

definit, per assistentiam divinam ipsi in beato Petro promissam, ea infallibilitate pollere, qua divinus Redemptor Ecclesiam suam in definienda doctrina de fide vel moribus instructam esse voluit; ideoque eiusmodi Romani Pontificis definitiones ex sese, non autem ex consensu ecclesiae, irreformabiles esse; DH, Nr. 3074; zur aktuellen Diskussion um das Dokument vgl. [7 – 3], S. 300 – 303).

7. Die Rezeption des Konzils Auch wenn die meisten Vertreter der Minderheit das Konzil vor der Verabschiedung der Dogmatischen Konstitution Pastor aeternus verlassen hatten, unterzeichneten sie im Laufe der nächsten Jahre das Dokument (vgl. [0 – 2], S. 124 – 125). Eine Gruppe um den deutsche Kirchenhistoriker Ignaz von Döllinger wollte sich zu diesem Schritt jedoch nicht entschließen (vgl. [0 – 2], S. 125 – 125; [0 – 3], S. 261 – 262). Auf einem Kongress im fränkischen Nürnberg am 26. August 1870 verfassten 14 Professoren der Theologie eine öffentliche Erklärung gegen die Konstitution (vgl. [0 – 2], S. 125; [0 – 3], S. 260). Als er sich weigerte, das konziliare Lehrdokument anzuerkennen, wurde Döllinger ab 17. April 1871 aus der katholischen Kirche ausgeschlossen (vgl. [0 – 2], S. 125). Seine Anhänger gründeten daraufhin am 14. Juli 1873 in Köln die Altkatholische Kirche. Daher führte auch das erste Konzil im Vatikan (1869/1870) zu einer weiteren Spaltung innerhalb der westlichen Kirche.

Die Abspaltung der Altkatholischen Kirche

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VII. Das Zweite Konzil im Vatikan (1962–1965) 1. Die Ausgangslage Die Ausgangslage

Wie in Bezug auf das erste Konzil im Vatikan (1869/1870), begann die zweite Synode in dem Gotteshaus (1962 – 1965) in einer veränderten Zeit (vgl. [0 – 2], S. 129 – 130). Das 20. Jahrhundert hatte zwei Weltkriege (1914 – 1918 und 1939 – 1945) und den jüdischen Holocaust gesehen. In Osteuropa waren kommunistische Regime entstanden. Die europäischen Kolonialmächte zogen sich aus ihren Kolonien zurück. Dies führte zu einer neuen Welt. In ihr hatte sich auch die Kirche gewandelt (vgl. [0 – 2], S. 127 – 128; [0 – 3], S. 263 – 270). Zu den kirchlichen Erscheinungen der Neuzeit zählt das Entstehen des Sozialkatholizismus, der, auf der Grundlage der Enzyklika Rerum novarum aus dem Jahr 1891, gerade in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg eine neue Sicht auf die moderne Gesellschaft eröffnete (vgl. [0 – 3], S. 265). Darüber hinaus sollten und wollten sich die Laien stärker in der Kirche und in der modernen Gesellschaft engagieren (vgl. [0 – 2], S. 128). Der Wunsch nach Veränderung zeigte sich des Weiteren in der Liturgischen Bewegung, die auf eine Reform der tridentinischen Liturgie abzielte (vgl. [0 – 2], S. 127 – 128). Auf ein verstärktes Miteinander aller Christen zielte ferner die ökumenische Bewegung ab, die im 20. Jahrhundert an Zulauf gewann (vgl. [0 – 3], S. 267). Schließlich ergaben sich neue Strömungen in der römischen Theologie, getragen beispielsweise von dem Jesuiten Jean Daniélou oder dem Dominikaner Yves Congar, welche die vorherrschende scholastische Methode kritisch hinterfragten und, von biblischen wie patristischen Ansätzen ausgehend, neue wissenschaftliche Ansätze suchten (vgl. [0 – 3], S. 267 – 268).

2. Die Einberufung und die Zusammensetzung Die Einberufung

Am 25. Januar 1959 kündigte Papst Johannes XXIII. (1958 – 1963) ein neues allgemeines Konzil an (vgl. [0 – 2], S. 131; [0 – 3], S. 270). Als Ziele der neuen Synode benannte der Papst (i.) die Entwicklung des katholischen Glaubens zu fördern; (ii.) das christliche Leben der Gläubigen zu erneuern; sowie (iii.) die kirchliche Disziplin den Bedingungen unserer Zeit anzupassen (vgl. [0 – 3], S. 273). Das übergeordnete Ziel, das der Papst offenbar mit dem Konzil verfolgte, wird häufig mit dem Schlagwort der „Verheutigung“, italienisch: aggiornamento, beschrieben (vgl. [0 – 2], S. 132; [7 – 1], S. 60 – 63). In den Worten von Hubert Jedin strebte Johannes XXIII. unter diesem Leitwort danach, dass die Kirche „getreu den Hl. Grundsätzen, auf die sie sich stützt, und der unwandelbaren Lehre, die der göttliche Gründer ihr anvertraut hat, […] mit herzhaftem Schwung ihr Leben und ihren Zusammenhalt wieder

2. Die Einberufung und die Zusammensetzung

stärken [wollte], auch im Hinblick auf alle Gegebenheiten und Anforderungen des Tages“ (vgl. [0 – 2], S. 131 – 132). Damit die Kirche diese ,Verheutigung‘ erreichen könne, wurden von der römischen Kurie alle Bischöfe, Ordensoberen und kirchlichen Universitäten um Vorschläge für Beratungsgegenstände gebeten (vgl. [0 – 2], S. 132; [7 – 1], S. 65 – 75). Entsprechend den eingegangenen Antworten, wurden am 05. Juli 1960 zehn Vorbereitende Kommissionen (Commissiones praeparatoria) eingerichtet, die entsprechende Vorlagen für das Konzil erarbeiten sollten (vgl. [0 – 3], S. 277 – 278). Daneben wurde am 06. August 1962 eine Geschäftsordnung erlassen, welche die Vorgehensweise auf dem Konzil regelte (vgl. [0 – 3], S. 282 – 283). Demnach gab es, wie auf dem ersten Konzil im Vatikan (1869/1870), wieder Generalversammlungen und Spezialdiskussionen (vgl. S. 117). Allerdings wurde dieses Mal die erforderliche Mehrheit, damit ein Dekret als angenommen angesehen werden könne, auf 2/3 der Stimmberechtigten festgesetzt (vgl. [0 – 3], S. 282). Konzilssprache war Latein (vgl. [7 – 1], S. 82 – 85). Allerdings weigerte sich beispielsweise der unierte katholische Erzbischof Maximus von Antiochia, Lateinisch zu reden – mit der Begründung, dass die katholische Kirche nicht identisch mit der lateinischen Kirche sei (vgl. [0 – 3], S. 283). Kein Stimmrecht auf der Synode besaßen die Beobachter der anderen christlichen Kirchen und Gemeinschaften (vgl. [0 – 2], S. 135 – 136) sowie die theologischen Berater (periti), welche den Konzilsvätern zur Seite standen (vgl. [0 – 3], S. 284). Der starke Einfluss der deutschsprachigen und französischen Theologie zumindest auf die erste Periode des Konzils wird daran ersichtlich, dass zu diesen Beratern Theologen wie Yves Congar, Jean Daniélou, Hans Küng, Karl Rahner, Michael Schmaus, Romano Guardini, Josef Ratzinger oder Alois Grillmeier gehörten (vgl. [0 – 3], S. 290 – 291). Hatten auf dem ersten Konzil im Vatikan die europäischen Konzilsteilnehmer überwogen, so verschoben sich auf der zweiten Synode nun die Gewichte (zu den einzelnen Zahlen vgl. die Übersicht bei [0 – 3], S. 288). Zu nahm in erster Linie der Anteil der Teilnehmer aus Lateinamerika, der, im Vergleich zum ersten Vaticanum, von 6,3 auf 22 Prozent anstieg. Aber auch die Afrikaner (von 1,0 auf 10 Prozent) sowie die Asiaten (von 4,8 auf 10 Prozent) und die Nordamerikaner (von 8,3 auf 13 Prozent) erhöhten ihre zahlenmäßigen Anteile. Das Konzil repräsentierte daher in einem hohen Maße die katholische Weltkirche (vgl. [0 – 3], S. 288). In Bezug auf die innere Einstellung der Konzilsteilnehmer hat Klaus Schatz dargelegt, dass sich auf der Synode eine ,konservative‘ Minderheit bildete, die sich um die Kardinäle Ottaviani (Kurie), Siri (Genua) und Ruffini (Palermo) sammelte (vgl. [0 – 3], S. 288). Zu der zahlenmäßig stärkeren reformorientierten Richtung gehörten hingegen beispielsweise die Kardinäle und Bischöfe Frings (Köln), Döpfner (München und Freising), König (Wien), Alfrink (Utrecht), Suenens (Brüssel), Liénart (Lille), Montini (Mailand), Cushing (Boston) oder Spellman (New York) (vgl. [0 – 3], S. 291). Allerdings erstrebte diese Mehrheit, im Gegensatz zum ersten Konzil im Vatikan (1869/1870), ein möglichst hohes Maß an Übereinstimmung – was teilweise zu einem Nebeneinanderstehen von eigentlich widersprüchlichen Ansätzen in den Lehrdokumenten des Konzils führen konnte (vgl. [0 – 3], S. 289).

Die Vorbereitenden Kommissionen

Die Zusammensetzung

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VII. Das Zweite Konzil im Vatikan (1962 – 1965)

3. Der Ablauf des Konzils 3.1 Die erste Konzilsphase (Oktober – Dezember 1962) Eine Sitzungsperiode ohne konkrete Abschlüsse

Bereits bei der für den Oktober 1962 angesetzten Wahl der zehn Konzilskommissionen zeigte sich, dass das Konzil nicht bereit war, vorbereitete Kandidatenlisten zu akzeptieren, sondern eigene Wahlvorschläge erarbeiten wollte (vgl. [0 – 2], S. 140 – 141; [0 – 3], S. 293 – 294). Dieses Vorgehen sollte typisch für das Zweite Konzil im Vatikan (1962 – 1965) werden; denn, in den Worten von Hubert Jedin, das Konzil bekundete auf diese Weise „seinen Willen, nach eigenem Ermessen und Gewissen seine Entscheidungen zu treffen, [und] nicht einfach zu approbieren, was ihm vorgeschlagen oder vorgelegt wurde“ (vgl. [0 – 2], S. 141). Vor diesem Hintergrund fanden die in der ersten Sitzungsperiode vorgelegten Entwürfe über die Quellen der Offenbarung (vgl. [0 – 3], S. 295 – 298), über den Ökumenismus (vgl. [0 – 3], S. 298), die Liturgie (vgl. [0 – 2], S. 141 – 142) und die Kirche (vgl. [0 – 3], S. 298 – 299) keine qualifizierende Mehrheit; sie wurden zur Überarbeitung zurückgegeben. Daher endete die erste Sitzungsperiode ohne eine Verabschiedung der Entwürfe (vgl. [0 – 2], S. 145; [0 – 3], S. 301). Zur Koordinierung der weiteren Abstimmung der Schemata wurde eine Koordinierungskommission eingesetzt (vgl. [0 – 2], S. 145 – 146). 3.2 Die zweite Konzilsphase (Herbst 1963)

Die Wahl von Paul VI.

Die ersten beiden Dokumente

In der Zeit des Überdenkens der ersten Entwürfe verstarb am 03. Juli 1963 Papst Johannes XXIII. (vgl. [0 – 2], S. 147; [0 – 3], S. 303). Es bestand daher die Gefahr, dass ein anderer Papst die Konzilsidee fallen lassen würde (vgl. [0 – 2], S. 146). Doch die Wahl des Erzbischofs von Mailand, Montini, in dem Konklave vom 19. bis 21. Juli 1963, der sich den Namen Paul VI. (1963 – 1978) gab, sorgte dafür, dass das Konzil fortgesetzt wurde (vgl. [0 – 3], S. 303). Die Beratungen wurden daher im Herbst des Jahres wieder aufgenommen (vgl. [0 – 2], S. 149 – 155). Sie endeten mit der Verabschiedung der ersten beiden Dokumente: dem Dekret über die sozialen Kommunikationsmittel (Decretum de instrumentis communicationis socialis) (COD, S. 843 – 849) und die Konstitution über die Hl. Liturgie, Sacrosanctum Concilium (COD, S. 820 – 843). 3.3 Die dritte Konzilsphase (Herbst 1964)

Weitere Beratungen und Verabschiedungen

Auch wenn in den weiteren Diskussionen über die Fragen des Kirchenschemas, der Position der Bischöfe oder der Religionsfreiheit große Meinungsunterschiede unter den Konzilsvätern sichtbar wurden (vgl. [0 – 2], S. 157 – 166; [0 – 3], S. 312 – 322), standen am Abschluss der dritten Tagungsperiode drei weitere Dokumente, die alle in der fünften Sitzung vom 21. November 1964 verabschiedet worden sind: die Kirchenkonstitution Lumen Gentium (COD, S. 849 – 898), das Dekret über die unierten Ostkir-

4. Die Rezeption des Konzils

chen (Decretum de ecclesiis orientalibus catholicis; COD, S. 900 – 907) sowie das Ökumenismusdekret (Decretum de oecumenismo; COD, S. 908 – 920).

3.4 Die vierte Konzilsphase (Herbst 1965) Während der vierten Sitzungsperiode wurden schließlich weitere wichtige Dokumente des Konzils beraten und verabschiedet: Zu ihnen gehören neben einigen Dekreten, wie jenen über die christliche Erziehung (Declaratio de educatione christiana; COD, S. 959 – 968) oder das Hirtenamt der Bischöfe (Decretum de pastorali episcoporum munere in ecclesia; COD, S. 921 – 939), und weiteren Dokumenten vor allem vier: (i.) die Erklärung über das Verhältnis der Kirche zu den nicht-christlichen Religionen Nostra aetate (Declaratio de ecclesiae habitudine ad religiones non-christianas; COD, S. 968 – 971) aus der siebten Sitzung vom 28. Oktober 1965; (ii.) die Dogmatische Konstitution über die göttliche Offenbarung Dei Verbum (Constitutio dogmatica de divina revelatione; COD, S. 971 – 981); (iii.) die Erklärung über die Religionsfreiheit Dignitatis humanae aus der neunten Sitzung vom 07. Dezember 1965 (Declaratio de libertate religiosa; COD, S. 1001 – 1011); sowie (iv.) die Pastoralkonstitution Gaudium et Spes (Constitutio pastoralis de ecclesia in mundo huius temporis; COD, S. 1069 – 1135) gleichermaßen aus der neunten Sitzung.

Die weiteren Dokumente

4. Die Rezeption des Konzils Als das Zweite Konzil im Vatikan (1962 – 1965) am 08. Dezember 1965 zu Ende ging, hatte es insgesamt 16 Dokumente verabschiedet und, in den Worten von Klaus Schatz, „praktisch zu allen Bereichen kirchlichen Lebens und Interesses gesprochen“ (vgl. [0 – 3], S. 333). Nur bestimmte, aber für das Bild der Kirche in der Öffentlichkeit wichtige Fragestellungen, wie die Reform der römischen Kurie, die Zukunft des Zölibats oder die Erlaubtheit von Maßnahmen und Mitteln zur Geburtenregelung, habe sich der Papst selbst vorbehalten (vgl. [0 – 3], S. 333). In den letzten fünfzig Jahren hat daher derjenige Prozess eingesetzt, der als die Rezeption der Synode bezeichnet wird. Hat Hubert Jedin in seiner Konzilsdarstellung noch die Frage aufgeworfen, „ob dieses Konzil epochebildend“ wirken könne (vgl. [0 – 2], S. 175), so hat Klaus Schatz etwa zwanzig Jahre später bereits festgehalten: „Sicher bildet das 2. Vatikanum einen Einschnitt in der Kirchen- und Konziliengeschichte, von ganz anderer und grundlegenderer Art, als dies z. B. für Trient gilt“ (vgl. [0 – 3], S. 333). Kardinal Karl Lehmann hat während eines Vortrags in Bamberg im Jahr 2004 drei Perioden der Rezeption des Zweiten Konzils im Vatikan (1962 – 1965) unterschieden (vgl. [7 – 4], S. 70 – 71). In der ersten Phase hätten Aufbruch und Überschwang vorgeherrscht (vgl. [7 – 4], S. 70 – 71). Diese hätten einer Periode der Enttäuschung und Ernüchterung Platz gemacht (vgl. [7 – 4], S. 71). In ihr hätten „die progressiven Reformer […] über die Be-

Der Abschluss des Konzils

Die Rezeption des Konzils

Die Phasen der Rezeption

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VII. Das Zweite Konzil im Vatikan (1962 – 1965)

Der Prozess der Rezeption

harrungskraft der Institution Kirche“ geklagt, während die „Konservativen“ von „Auflösungserscheinungen“ gesprochen hätten“ (vgl. [7 – 4], S. 71). Daher sei in einem dritten Abschnitt die „Unfruchtbarkeit der bisherigen Auseinandersetzungen“ erkannt worden (vgl. [7 – 4], S. 71). Es habe „Hinweise für eine Neuorientierung und Neubesinnung“ gegeben, in der freilich „restriktive Maßnahmen“ die Bemühungen um die Umsetzung des Konzils „gelähmt“ hätten (vgl. [7 – 4], S. 71). Dennoch sei auf der anderen Seite in der Kirche „das Feuer des Zweiten Vatikanischen Konzils […] nicht erloschen“ (vgl. [7 – 4], S. 71). Einer solchen Einschätzung dürfte die Aussage des heutigen Papstes Benedikt XVI. in seinem Interview mit Peter Ewald aus dem Jahr 1996 entsprechen, mit welcher der damalige Präfekt der römischen Glaubenskongregation ein drittes Konzil im Vatikan mit den Worten ausschloss: „Im Augenblick sind wir mit der Aufarbeitung des zweiten Vatikanums beschäftigt“ (vgl. [7 – 5], S. 270). Was die Ergebnisse des Zweiten Konzils im Vatikan (1962 – 1965) angeht, so ist der Prozess von dessen Rezeption noch nicht abgeschlossen (vgl. [0 – 3], S. 334). Auf der einen Seite haben sich viele Neuansätze ergeben, die von den einen als Fortschritte, den anderen als problematische Entwicklungen angesehen werden. Unter den dauerhaften Ergebnissen des Konzils nennt Otto Herrmann Pesch unter anderen den Ersatz des Lateinischen als Sprache der Liturgie der Kirche, die Anerkennung, dass es auch in den nicht-christlichen Weltreligionen die aufrichtige Suche nach Gott und Anteile an der göttlichen Offenbarung gebe, das Bekenntnis der Kirche zur Religionsfreiheit oder ein neues Verständnis des innerchristlichen Dialoges: „Man wird nicht wieder sagen können, die nicht-katholischen Kirchen seien keine Kirchen, in denen sich ,Elemente der Heiligung und der Wahrheit‘ finden, die der Kirche Jesu Christi angehören – so daß die Glieder dieser Kirchen durch diese und nicht trotz ihrer in der Gnade Gottes leben“ (vgl. [7 – 1], S. 354 – 355). Wolfgang Klausnitzer hat zur Kirchenkonstitution kommentiert, dass das Konzil einige Fragestellungen in Bezug auf die Lehre von der Kirche offengelassen habe: „Es fehlen bisher eine mit konziliarer Autorität lehramtlich ausgeführte Theologie des Priesteramtes, des Amtes insgesamt (und der vielen einzelnen Ämter) und des allgemeinen Priestertums“ (vgl. [7 – 2], S. 337); und die Herausgeber und Kommentatoren von Herders Theologischem Kommentar zum Zweiten Vatikanischen Konzil benennen schließlich verschiedene Problemkreise, die noch nicht abschließend gelöst seien (vgl. [7 – 6], S. 466 – 467). Zu diesen zählten die Ausgestaltung des Verhältnisses zwischen den Ortskirchen und der Universalkirche, „angefangen von den Bischofsernennungen bis hin zu den ins Einzelne gehenden pastoralen Anweisungen der Kurie“ (vgl. [7 – 6], S. 466). Ein weiterer Punkt betreffe die „Stellung der Laien in der Kirche und die Wahrnehmung ihrer Verantwortung in synodalen Gremien auf allen Ebenen“ (vgl. [7 – 6], S. 466 – 467). Dazu stelle sich die Herausforderung des „Ministeriums in der Kirche“, da die Frage, „wie jene zahlreichen Männer und Frauen, die durch ihre Arbeit wesentliche Dienste für die Kirche leiste[te]n, in einer sinnvollen Weise in den Klerus integriert werden können“, sich nicht länger aufschieben lassen werde (vgl. [7 – 6], S. 467). Schließlich sei „die Frage nach der Stellung der Frauen in der Kirche und ihre Zulassung zu amtlichen Funktio-

5. Ausgewählte Dokumente des Konzils

nen neu und in einer differenzierten Weise zu stellen“ (vgl. [7 – 6], S. 467). Angesichts solcher unterschiedlicher Meinungen ist die Frage, wie in kommenden Abschnitten der Kirchengeschichte auf das Zweite Konzil im Vatikan (1962 – 1965) zurückgeblickt werden wird, derzeit noch nicht abschließend zu beantworten. Klaus Schatz hält ein solches Urteil erst dann für möglich, wenn der epochale Geist, der die Synode getragen habe, der Vergangenheit angehöre: „Wahrscheinlich dürfte sich auch für das 2. Vatikanum bewahrheiten, was meist für die Rezeption der Konzilien gilt: Wie tief sie in das Leben der Kirche eingegangen sind, zeigt sich erst, wenn der epochale ,Geist‘, der sie beseelte, d. h. die Mentalität und Zeitströmung, in der ihre Beschlüsse entstanden sind, der Vergangenheit angehört“ (vgl. [0 – 3], S. 336). Das 50-jährige Jubiläum der Eröffnung des Konzils im Jahr 2012 könnte einen Anlass dazu bieten, eine solche erste Bilanz der Rezeption der Synode zu ziehen.

5. Ausgewählte Dokumente des Konzils Bereits die erste Synode im Vatikan (1869/1870) hat sich mit der Frage nach der Selbst-Offenbarung Gottes gegenüber der Schöpfung beschäftigt (vgl. S. 118 – 119). An sie knüpft die dogmatische Lehraussage des Zweiten Konzils im Vatikan (1962 – 1965) an (COD, S. 972 – 981; [7 – 1], S. 283 – 285; [7 – 2], S. 167 – 196). In Ergänzung zu dieser (vgl. S. 119) hebt die Dogmatische Konstitution die Rolle des Fleisch gewordenen ,Wortes Gottes‘, des Gottes und Menschen Jesus dem Christus, hervor (vgl. [7 – 2], S. 199 – 202). So betont das Dokument einerseits, dass „Gott […] in seiner Güte und Weisheit beschlossen [habe], sich selbst zu offenbaren und das Geheimnis seines Willens kundzutun“ (Placuit Deo in sua bonitate et sapientia seipsum revelare et notum facere sacramentum voluntatis suae; COD, S. 972; vgl. [7 – 1], S. 283). Diese Offenbarung geschehe freilich in Wort und Tat, da „die Werke nämlich, die Gott im Verlauf der Heilsgeschichte wirkt, […] die Lehre und die durch die Worte bezeichneten Wirklichkeiten [offenbaren und bekräftigen]“ (Haec revelationis oeconomia fit gestis verbisque intrinsece inter se connexis, ita ut opera, in historia salutis a Deo patrata, doctrinam et res verbis significatas manifestent ac corroborent; COD, S. 972; [7 – 1], S. 283; [7 – 2], S. 200 – 201), während „die Worte die Werke verkündigen“ (verba autem opera proclament et mysterium in eis contentum elucident; COD, S. 972). Daher gebe sich Gott in den geschaffenen Dingen zu erkennen (Deus, per Verbum omnia creans et conservans, in rebus creatis perenne sui testimonium hominibus praebet; COD, S. 972). Andererseits unterstreicht das Dokument jedoch: „Nachdem Gott viele Male und auf viele Weisen zu den Propheten gesprochen hatte, ,hat er zuletzt in diesen Tagen gesprochen im Sohn (Hebr 1,1‘). Er hat seinen Sohn, den ewigen Logos, das Licht aller Men-

Die Dogmatische Konstitution über die Offenbarung

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VII. Das Zweite Konzil im Vatikan (1962 – 1965)

schen, gesandt, damit er unter den Menschen wohne und ihnen vom Inneren Gottes Kunde bringe (Joh 1,1 – 18).“ (Postquam vero multifariam multisque modis Deus locutus est in prophetis, novissime diebus istis locutus est nobis in Filio (Hebr 1,1 – 2) . Misit enim Filium suum, aeternum scilicet Verbum, qui omnes homines illuminat, ut inter homines habitaret iisque intima Dei enarraret; COD, S. 972; [7 – 2], S. 201 – 202). Aus diesem Grunde sei es der göttliche Logos, der „die Offenbarung erfüllt und abschließt und durch göttliches Zeugnis bekräftigt, dass Gott mit uns ist, um uns aus der Finsternis von Sünde und Tod zu befreien und zu ewigem Leben zu erwecken“ (Quapropter ipse […] revelationem complendo perficit ac testimonio divino confirmat, Deum nempe nobiscum esse ad nos ex peccati mortisque tenebris liberandos et in aeternam vitam resuscitandos; COD, S. 972 – 973). Daher wiederholt der Text, dass „dem offenbarenden Gott […] der Gehorsam des Glaubens zu leisten“ sei (Deo relevanti praestanda est oboeditio fidei; COD, S. 973) – und zwar dadurch, dass sich der Mensch in Freiheit dem offenbarenden Gott unterwerf[e] und dessen Selbstmitteilung „willig zustimm[e]“ (qua homo se totum libere Deo committit, plenum revelanti Deo intellectus et voluntatis obsequium praestando et voluntarie revelationi ab eo datae assentiendo; COD, S. 973; [7 – 2], S. 202). Um diesen Glauben freiwillig annehmen zu können, bedürfe der Mensch jedoch der „zuvorkommenden und helfenden Gnade Gottes“ (Quae fides ut praebeatur, opus est praeveniente et adiuvante gratia Dei; COD, S. 973) sowie des Beistandes des Hl. Geistes (et internis Spiritus sancti auxiliis; COD, S. 973). Deshalb „vervollkommnet [der Hl. Geist] den Glauben ständig durch seine Gaben, um das Verständnis der Offenbarung mehr und mehr zu vertiefen“ (Quo vero profundior usque evadat revelationis intelligentia, idem Spiritus sanctus fidem iugiter per dona sua perficit; COD, S. 973). Weil der offenbarende Gott gewollt habe, dass das, was er „zum Heil aller Völker offenbart habe“ (Quae Deus ad salutem cunctarum gentium revelaverat; COD, S. 973), „für alle Zeiten unversehrt erhalten bleibe“ (eadem benignissime disposuit ut in aevum integra permanerent; COD, S. 973), habe Christus den Aposteln geboten, „das Evangelium, das er als die Erfüllung der früher ergangenen prophetischen Verheißung selbst gebracht und persönlich öffentlich verkündet hat, allen zu predigen“ (Ideo Christus dominus, in quo summi Dei tota revelatio consummatur, mandatum dedit apostolis, ut evangelium, quod promissum ante per prophetas ipse adimplevit et proprio ore promulgavit, […] omnibus praedicarent; COD, S. 973; [7 – 2], S. 202 – 203). Damit der vom Herrn den Aposteln überantwortete wahre Glaube in der Kirche treu bewahrt werde, haben „die Apostel Bischöfe als ihre Nachfolger zurückgelassen und ihnen ihr eigenes Evangelium überliefert“ (Ut autem evangelium integrum et vivum iugiter in ecclesia servaretur, apostoli successores reliquerunt episcopos, ipsis suum ipsorum locum magisterii tradentes; COD, S. 974). Aus diesem Grunde sei es die Aufgabe der Kirche „die apostolische Predigt, die in den inspirierten Büchern besonders deutlichen Ausdruck gefunden hat, in ununterbrochener Folge bis zur Vollendung [zu] bewahr[en]“ (Itaque praedicatio apostolica, quae in inspiratis libris speciali modo exprimitur, continua successione us-

5. Ausgewählte Dokumente des Konzils

que ad consummationem temporum conservari debeat; COD, S. 974; [7 – 1], S. 284). Gerade durch diese Feststellung, dass die Selbstmitteilung Gottes in der Hl. Schrift festgehalten worden sei, die von der Tradition her verbindlich ausgelegt werden müsse, stellt das Konzil in der Analyse von Wolfgang Klausnitzer zwei sich eigentlich widersprechende Modelle von Offenbarung gegenüber (vgl. [7 – 2], S. 197 – 203): auf der einen Seite das Verständnis, dass Jesus, als das Wort, als der Logos Gottes, direkt zu den Menschen gesprochen habe. Die Selbstmitteilung Gottes erfolge also durch das Wort, das in den Schriften festgehalten worden sei, sowie die Tat, d. h. Gottes Eingreifen in die Geschichte. Die Aufgabe der Kirche sei es daher, diese Selbstmitteilung Gottes durch die Jahrhunderte hinweg zu erkennen und stets neu zu deuten. Es gebe also eine Dogmenentwicklung (vgl. [7 – 2], S. 202). Auf der anderen Seite habe das Konzil, in Anlehnung an das Erste Vatikanische Konzil (1869 – 1870), jedoch erneut unterstrichen, dass sich Gott den Menschen in einem System von Sätzen mitgeteilt habe, die durch das Lehramt der Kirche verbindlich ausgelegt werden müssten (vgl. [7 – 2], S. 203). In den Augen von Otto Herrmann Pesch hat ein solches Verständnis die Frage nach der Freiheit der theologischen Forschung aufgeworfen (vgl. [7 – 1], S. 288 – 290). Vereint sind die beiden unterschiedlichen Ansätze in der Konstitution nach der Analyse von Wolfgang Klausnitzer nicht. Sie stehen „unvermittelt“ nebeneinander (vgl. [7 – 2], S. 198). Sie sind ein „Formelkompromiß, der nicht durch eine Übereinkunft in der Sache zustande kommt, sondern eben durch die gemeinsame Zustimmung zu zunächst durchaus unterschiedlichen Aussagen, die nebeneinander gestellt werden“ (vgl. [7 – 1], S. 198). Wie die Offenbarungskonstitution Dei Verbum (vgl. [7 – 1], S. 132 – 208; [7 – 3], S. 309 – 337) verbindet die Kirchenkonstitution Lumen Gentium die dogmatischen Aussagen der beiden Konzilien im Vatikan miteinander. In gleicher Weise sieht das Dokument einen Zusammenhang mit der Offenbarungskonstitution, indem es eingangs festhält, dass es die Aufgabe der Kirche sei, „das Evangelium allen Geschöpfen zu verkünden“ (omni creaturae evangelium annuntiando; COD, S. 849; [7 – 3], S. 322). In dieser Verpflichtung sei die Kirche „in Christus gleichsam das Sakrament, d. h. Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Freiheit der ganzen Menschheit“ (Cum autem ecclesia sit in Christo veluti sacramentum seu signum et instrumentum intimae cum Deo unionis totiusque generis humani unitatis; COD, S. 849; [7 – 1], S. 161 – 173; [7 – 3], S. 324 – 327). Den Anfang der Kirche habe der Herr daher selbst bestimmt, indem er die „frohe Botschaft verkündigte, die Ankunft nämlich des Reiches Gottes, das von alters her in den Schriften verheißen war“ (Ecclesiae sanctae mysterium in eiusdem fundatione manifestatur. Dominus enim Iesus ecclesiae sua initium fecit praedicando faustum nuntium, adventum scilicet regni Dei a saeculis in scripturis promissi; COD, S. 851; [7 – 3], S. 326 – 327). Für diesen Auftrag ausgestattet hat er sie, als er nach seiner Auferstehung seinen Geist „auf die Jünger ausgegossen habe“ (Cum autem Iesus, mortem crucis pro hominibus passus, resurrexerit, […] Christus […] Spiritum a Patre promissum in discipulos suos effudit; COD, S. 851). Als ihr Haupt (Huius corporis caput est Christus; COD, S. 853) habe Christus daher die Kirche zu „seiner Braut“ ge-

Die Kirchenkonstitution Lumen Gentium

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macht, gleichsam als das „Urbild des Mannes, der seine Gattin liebt wie seinen eigenen Leib“ (Christus vero diligit ecclesiam ut sponsam suam, exemplar factus viri diligentis uxorem suam ut corpus suum; COD, S. 854). Die auf der Erde den Menschen sichtbare und die himmlische – und deshalb den Menschen verborgene – Kirche sind deshalb keine Gegensätze, sondern „bilden eine einzige komplexe Wirklichkeit, die aus menschlichem und göttlichem Element zusammenwächst“ (sed unam realitatem complexam efformant, quae humano et divino coalescit elemento; COD, S. 854; [7 – 3], S. 327). Die sichtbare und die unsichtbare Kirche sind deshalb ebenso wesensmäßig verbunden wie der Gott-Logos und das mit diesem hypostatisch geeinte Fleisch: „Deshalb ist sie [sc. die Kirche] in einer nicht unbedeutenden Analogie dem Mysterium des Fleisch gewordenen Logos ähnlich. Wie nämlich die angenommene Natur dem Gott-Logos als lebendiges, ihm unauflöslich geeintes Heilsorgan dient, so dient auf eine ganz ähnliche Weise das gesellschaftliche Gefüge der Kirche dem Geist Christi, der es belebt, zum Wachstum seines Leibes“ (Ideo ob non mediocrem analogiam incarnati Verbi mysterio assimilatur. Sicut enim natura assumpta Verbo divino ut vivum organum salutis, et indissolubiliter unitum, inservit, non dissimili modo socialis compago ecclesiae Spiritui Christi, eam vivificanti, ad augmentum corporis inservit; COD, S. 854; [7 – 3], S. 327). Dieses „komplexe Gebilde“ stellt aus diesem Grunde die „einzige Kirche Christi [dar], die wir im Glaubensbekenntnis als die eine, heilige, katholische und apostolische bekennen“ (Haec est unica Christi ecclesia, quam in symbolo unam, sanctam, catholicam et apostolicam profitemur; COD, S. 854; [7 – 1], S. 213 – 215; [7 – 3], S. 327 – 331). Sie zu weiden, habe der Herr dem Petrus und den übrigen Aposteln anvertraut (quam salvator noster, post resurectionem suam Petro pascendam tradidit, eique ac ceteris apostolis diffundendam et regendam commisit; COD, S. 854). „Diese Kirche, in dieser Welt als Gesellschaft verfasst und geordnet, ist verwirklicht in der katholischen Kirche, die vom Nachfolger Petri und von den Bischöfen in Gemeinschaft mit ihm geleitet wird“ (Haec ecclesia, in hoc mundo et societas constituta et ordinata, subsistit in ecclesia catholica, a successore Petri et episcopis in eius communione gubernata; COD, S. 854). Durch die Wortwahl, dass die im Glaubensbekenntnis gemeinte eine, allumfassende Kirche in der – im römischen Sinn – katholischen Kirche verwirklicht sei (subsistit in), eröffnete sich das Konzil die Möglichkeit, anzuerkennen, dass es auch in anderen Gemeinschaften von Christen Elemente des Kirche-Seins geben könne: „Das schließt nicht aus, dass außerhalb ihres [sc. der katholischen Kirche in Gemeinschaft mit dem Papst] Gefüges vielfältige Elemente der Heiligung und der Wahrheit zu finden sind, die als der Kirche Christi eigene Gaben auf die katholische Einheit hindrängen“ (licet extra eius compaginem elementa plura sanctificationis et veritatis inveniantur, quae ut dona ecclesiae Christi propria, ad unitatem catholicam impellunt; COD, S. 854; [7 – 3], S. 327 – 331). Diese Grundsicht sollte das Öku-

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menismusdekret vertiefen – gerade auch mit Blick auf die katholischen Ostkirchen sowie die anderen christlichen Kirchen und Gemeinschaften (vgl. S. 135 – 136). Kritisch zum Prozess der Rezeption dieser Aussage des Konzils hat Wolfgang Klausnitzer jedoch angemerkt: „Am 10. Juli 2007 veröffentlichte die Kongregation für die Glaubenslehre [fünf] ,Antworten auf Fragen zu einigen Aspekten bezüglich der Lehre über die Kirche‘. In den Antworten wird noch einmal eingeschärft, dass das Vaticanum II ,die vorhergehende Lehre über die Kirche‘ nicht verändert, sondern sie (lediglich) entfaltet habe, dass die ,eine‘ Kirche des Glaubensbekenntnisses (nur) in der katholischen Kirche subsistiere, dass außerhalb dieser Kirche aber ,vielfältige Elemente der Heiligung und der Wahrheit‘ zu finden seien, die zu einer sichtbaren Einheit der Christen ,hindrängen‘, dass zur Einheit der Kirche wesensmäßig der Dienst des Bischofs von Rom gehöre und dass die evangelischen Kirchen nach diesem katholischen Verständnis eben nicht als Kirchen ,im eigentlichen Sinn‘ gelten können“ (vgl. [7 – 3], S. 330 – 331). In Bezug auf die mit dem Papst verbundene Kirche betonte die Konstitution unter anderem die Bedeutung des gesamten Volkes Gottes (COD, S. 855 – 862; [7 – 3], S. 331 – 337). Dabei wird unterstrichen, dass es ein gemeinsames Priestertum aller Gläubigen gebe (Sacerdotium autem commune fidelium; COD, S. 857). Zwar unterschieden sich das „gemeinsame Priestertum der Gläubigen“ und „das Priestertum des Dienstes“, und zwar „dem Wesen und nicht bloß dem Grade nach“ (licet essentia et non gradu tantum differant; COD, S. 857), beide seien jedoch „einander zugeordnet: das eine wie das andere nämlich nimmt je auf besondere Weise am Priestertum Christi teil“ (ad invicem tamen ordinantur; unum enim et alterum suo peculiari modo de uno Christi sacerdotio participant; COD, S. 857; [7 – 1], S. 173 – 179). Dennoch habe der Herr in seiner Kirche „verschiedene Ämter eingesetzt, die auf das Wohl des gesamten Leibes ausgerichtet sind“ (Christus dominus […] in ecclesia sua varia ministeria instituit, quae ad bonum totius corporis tendunt; COD, S. 862), um „Gottes Volk zu weiden und immerfort zu mehren“ (ad populum Dei pascendum semperque augendum; COD, S. 862). In Fortsetzung des Weges des Ersten Konzils im Vatikan (1869/1870), erklärt die Synode, dass der Herr selbst Petrus „an die Spitze der übrigen Apostel gestellt und in ihm ein immerwährendes und sichtbares Prinzip und Fundament der Glaubenseinheit und der Gemeinschaft eingesetzt habe“ (beatum Petrum ceteris apostolis praeposuit in ipsoque instituit perpetuum ac visibile unitatis fidei et communionis principium et fundamentum; COD, S. 863) – und zwar, damit „der Episkopat einer und ungeteilt sei“ (Ut vero episcopatus ipse unus et indivisus esset; COD, S. 863). Insofern bilde der Gesamtepiskopat das Kollegium der Apostel ab, „an deren Spitze er [sc. Christus] den aus ihrer Mitte erwählten Petrus stellte“ (quos apostolos ad modum collegii seu coetus stabilis instituit, cui ex iisdem electum Petrum praefecit; COD, S. 863). In den Worten von Klaus Schatz wurde auf diese Weise die jahrhundertealte Streitfrage nach dem Verhältnis zwischen der päpstlichen wie der bischöflichen Gewalt (potestas) gelöst:

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„Jetzt erhält der Bischof seine Vollmacht direkt durch Christus in der Weihe; aber gerade die Bischofsweihe macht ihn nicht zu einem Episcopus vagans und verleiht ihm daher auch nicht als isoliertem Einzelnen irgendwelche Einzelvollmachten. Vielmehr macht sie ihn zum Glied eines Kollegiums; und dies bedeutet, daß die in der Weihe verliehene Vollmacht nur im Kollegium, also in Einheit mit Haupt und Gliedern des Kollegiums ausgeübt werden kann, und d. h. auch in kirchlicher Gemeinschaft mit dem Papst und in Unterordnung unter ihn. Durch den neuen Begriff der Kollegialität ist schließlich nicht mehr ,jurisdictio‘ und Unterordnung Zentralbegriff der Kirchenordnung, sondern Communio; die Antinomie, daß entweder alles vom Papst kommt oder ,unabhängig‘ von ihm ist, ist überwunden“ (vgl. [0 – 3], S. 307 – 308; [7 – 1], S. 188 – 192).

Das Ökumenismusdekret

In das achte Kapitel (COD, S. 891 – 898) des Kirchenschemas wurden auch die lehramtlichen Aussagen der Kirche über die Gottesmutter Maria integriert (de beata Maria virgine deipara in mysterio Christi et ecclesiae; [7 – 1], S. 192 – 204). Die Festlegung des Konzils, dass die im Glaubensbekenntnis beschriebene eine Kirche zwar in der Kirche in Gemeinschaft mit dem römischen Papst verwirklicht, aber nicht mit dieser identisch sei (vgl. S. 132), öffnete der Kirche die Tür für einen neuen Ansatz für das Gespräch mit den anderen Christen (vgl. [7 – 1], S. 215 – 237). Als logische Folge dieser Bescheidung bestimmte das Konzil, dass „die Einheit aller Christen wiederherstellen helfen […] eine Hauptaufgabe des Hl. Ökumenischen Zweiten Vatikanischen Konzils“ sei (Unitatis redintegratio inter universos christianos promovenda unum est es praecipuis sanctae oecumenicae synodi vaticanae secundae propositis; COD, S. 908); denn Christus habe „nur eine einige und einzige Kirche gegründet (Una enim atque unica a Christo domino condita est ecclesia; COD, S. 908); dennoch erhöben „mehrere christliche Gemeinschaften vor den Menschen den Anspruch, das wahre Erbe Jesu Christi darzustellen“ (plures tamen christianae communiones sese ut Iesu Christi veram haereditatem hominibus proponunt; COD, S. 908) – gleichsam so, „als ob Christus selbst geteilt wäre“ (si Christus ipse divisus sit; COD, S. 908). Eine solche Spaltung widerspreche aber „ganz offenbar dem Willen Christi. Sie ist ein Ärgernis für die Welt und ein Schaden für die heilige Sache der Verkündigung des Evangeliums vor den Geschöpfen“ (Quae sane divisio et aperte voluntati Christi contradicit et scandalo est mundo atque sanctissimae causae praedicandi evangelium omni creaturae affert detrimentum; COD, S. 908). Dabei sei es das eigentliche Ziel des Herrn, „dass sein Volk durch die gläubige Predigt des Evangeliums und die Verwaltung der Sakramente durch die Apostel und ihre Nachfolger, die Bischöfe mit dem Nachfolger Petri als Haupt, sowie durch ihre Leitung in Liebe unter der Wirksamkeit des Hl. Geistes wachse, und er vollendet seine Gemeinschaft in der Einheit: im Bekenntnis des einen Glaubens, in der gemeinsamen Feier des Gottesdienstes und in der brüderlichen Eintracht der Familie Gottes“ (Iesus Christus per apostolorum eorumque successorum, nempe episcoporum cum Petri successore capite, fidelem Evangelii praedicationem sacramentorumque administrationem, et per

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gubernationem in dilectione, Spiritu sancto operante, populum suum crescere vult eiusque communionem perficit in unitate: in confessione unius fidei, in divini cultus communi celebratione, necnon in familiae Dei fraterna concordia; COD, S. 909). Im Laufe der Geschichte seien jedoch „schon von den ersten Zeiten an Spaltungen entstanden“ (In hac una et unica Dei ecclesia iam a primordiis scissurae quaedam exortae sunt; COD, S. 909 – 910). „[I]n den späteren Jahrhunderten [seien] ausgedehnte Verfeindungen [aufgetreten], und es kam zur Trennung recht großer Gemeinschaften von der vollen Gemeinschaft der katholischen Kirche, oft nicht ohne Schuld der Menschen auf beiden Seiten“ (posterioribus vero saeculis ampliores natae sunt dissensiones, et communitates haud exiguae a plena communione ecclesiae catholicae seiunctae sunt, quandoque non sine hominum utriusque partis culpa; COD, S. 910). Daher stellt das Konzil fest, dass es dem Wirken des Hl. Geistes entspreche, wenn es nun Bestrebungen gebe, „durch Gebet, Wort und Werk zu jener Fülle der Einheit zu gelangen, die Jesus Christus will“ (Cum hodie in pluribus orbis partibus, afflante Spiritus sancti gratia, oratione, verbo et opere multi conatus fiant accedendi ad illam plenitudinem unitates, quam Christus vult; COD, S. 911). Aus diesem Grund „mahnt dieses Hl. Konzil alle katholischen Gläubigen, dass sie, die Zeichen der Zeit erkennend, mit Eifer an dem ökumenischen Werk teilnehmen“ (haec sancta synodus cunctos fideles catholicos hortatur ut, signa temporum agnoscentes, operi oecumenico sollerter participent; COD, S. 911). Dieses ökumenische Wirken der katholischen Christen solle jedoch „unter der Aufsicht ihrer Hirten mit Klugheit und Geduld vollzogen werden“ (Quae omnia, cum a fidelibus ecclesiae catholicae sub pastorum vigilantia prudenter et patienter perficiuntur; COD, S. 911) und in dem Darlegen der gesamten katholischen Glaubenslehre bestehen (Integra doctrina lucide exponatur omnino oportet; COD, S. 914), da „nichts […] dem ökumenischen Geist so fern [sei] wie jener falsche Irenismus, durch den die Reinheit der katholischen Lehre Schaden leidet und ihr ursprünglicher und sicherer Sinn verdunkelt wird“ (Nil ab oecumenismo tam alienum est quam ille falsus irenismus, quo puritas doctrinae catholicae detrimentum patitur et eius sensu genuinus et certus obscuratur; COD, S. 914). Mit Blick auf die anderen christlichen Gemeinschaften unterstreicht das Konzil dabei, dass die „Kirchen [sc. des christlichen Ostens] trotz ihrer Trennung wahre Sakramente besitzen, vor allem aber in der Kraft der apostolischen Sukzession das Priestertum und die Eucharistie, wodurch sie in ganz enger Verwandtschaft bis heute mit uns verbunden sind, so [dass] eine gewisse Gottesdienstgemeinschaft unter gegebenen geeigneten Umständen mit Billigung der kirchlichen Autorität nicht nur möglich, sondern auch ratsam“ sei (Cum autem illae ecclesiae, quamvis seiunctae, vera sacramenta habeant, praecipue vero, vi successionis apostolicae, sacerdotium et eucharistiam, quibus arctissima necessitudine adhuc nobiscum coniunguntur, quaedam communicatio in sacris, datis opportunis circumstantiis et approbante auctoritate ecclesiastica, non solum possibilis est sed etiam suadetur; COD, S. 917).

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Daher erklärte die Synode, dass „dies ganze geistliche und liturgische, disziplinäre und theologische Erbe mit seinen verschiedenen Traditionen zur vollen Katholizität und Apostolizität der Kirche“ gehöre (Haec sancta synodus […] declarat, totum hoc patrimonium spirituale ac liturgicum, disciplinare ac theologicum in diversis suis traditionibus ad plenam catholicitatem et apostolicitatem ecclesiae pertinere; COD, S. 918). Deshalb sage das Konzil Gott dafür Dank, „dass viele orientalische Söhne der katholischen Kirche, die dies Erbe bewahren und den Wunsch haben, es reiner und vollständiger zu leben, schon jetzt mit den Brüdern, welche die abendländische Tradition pflegen, in voller Gemeinschaft leben“ (Haec sancta synodus, gratias agens Deo quod multi orientales ecclesiae catholicae filii, qui hoc patrimonium custodiunt et illud plurius pleniusque vivere cupiunt, iam cum fratribus traditionem occidentalem colentibus in plena communione vivunt; COD, S. 918). Eine andere Sicht nimmt das Konzil in Bezug auf diejenigen „Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften“ (ecclesiae et communitates ecclesiasticae; COD, S. 918) ein, die aus der Reformation hervorgegangen seien (vgl. [7 – 1], S. 232 – 234). Es müsse eingestanden werden, „dass es zwischen diesen Kirchen und Gemeinschaften und der katholischen Kirche Unterschiede von großem Gewicht gibt, nicht nur in historischer, soziologischer, psychologischer und kultureller Beziehung, sondern vor allem in der Interpretation der offenbarten Wahrheit“ (Attamen agnoscendum est inter has ecclesias et communitates atque ecclesiam catholicam magni ponderis discrepantias adesse, non tantum indolis historicae, sociologicae, psychologicae, culturalis, sed imprimis interpretationis revelatae veritatis; COD, S. 918). Mit ihnen empfiehlt das Konzil den Dialog: „Obgleich bei den von uns getrennten Kirchlichen Gemeinschaften die aus der Taufe hervorgehende volle Einheit mit uns fehlt und obgleich sie nach unserem Glauben vor allem wegen des Fehlens des Weihesakramentes die ursprüngliche und vollständige Wirklichkeit (substantia) des eucharistischen Mysteriums nicht bewahrt haben, bekennen sie doch bei der Gedächtnisfeier des Todes und der Auferstehung des Herrn im Hl. Abendmahl, dass hier die lebendige Gemeinschaft mit Christus bezeichnet werde, und sie erwarten seine glorreiche Wiederkunft. Deshalb sind die Lehre vom Abendmahl des Herrn, von den übrigen Sakramenten, von der Liturgie und von den Dienstämtern der Kirche notwendig Gegenstand des Dialogs“ (Communitates ecclesiales a nobis seiunctae, quamvis deficiat earum plena nobiscum unitas ex baptismate profluens, et quamvis credamus illas, praesertim propter sacramenti ordinis defectum, genuinam atque integram substantiam mysterii eucharistici non servasse, tamen, dum in sancta coena mortis et resurrectionis Domini memoriam faciunt, vitam in Christi communione significari profitentur atque gloriosum eius adventum exspectant. Quapropter doctrina circa coenam Domini, cetera sacramenta et cultum ac ecclesiae ministeria obiectum dialogi constituat oportet; COD, S. 919 – 920).

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Trotz der Fortschritte, die das Dokument für das Gespräch zwischen den Christen mit sich gebracht hat (vgl. [7 – 1], S. 235), hat jedoch Otto Herrmann Pesch kritisch angemerkt: „Das Ergebnis dieser Weisungen ist eine harte Wahrheit, die oft übersehen wird oder verfälscht im Gedächtnis haftet: […] Das Zweite Vatikanische Konzil hat keinen konkreten Weg zur Einheit der Kirche gewiesen, ja nicht einmal einen größeren Freiraum abgesteckt, innerhalb dessen nach ihm zu suchen sei“ (vgl. [7 – 1], S. 215). In der Konstitution über die Hl. Liturgie (vgl. [7 – 1], S. 105 – 131) hebt das Konzil hervor, dass sich in der Liturgie – und besonders im Hl. Opfer der Eucharistie – „das Werk unserer Erlösung“ vollziehe (opus nostrae redemptionis exercetur; COD, S. 820). Dadurch trage die Kirche dazu bei, „dass das Leben der Gläubigen Ausdruck und Offenbarung des Mysteriums Christi und des eigentlichen Wesens der wahren Kirche werde“ (ut fideles vivendo exprimant et aliis manifestent mysterium Christi et genuinam vera ecclesiae naturam; COD, S. 820); denn die Liturgie baue diejenigen, „welche drinnen [sc. in der Kirche] sind, zum Hl. Tempel im Herrn auf, zur Wohnung Gottes im Geist“ (Unde, cum liturgia eos qui intus sunt cotidie aedificet in templum sanctum in Domino, in habitaculum Dei in Spiritu; COD, S. 820). Deshalb habe es das Konzil als seine Aufgabe erachtet, „sich um Erneuerung und Pflege der Liturgie zu sorgen“ (suum esse arbitratur peculiari ratione etiam instaurandam atque fovendam liturgiam curare; COD, S. 820); denn „eine jede liturgische Feier [ist] als Werk Christi, des Priesters, und seines Leibes, der die Kirche ist, in vorzüglichem Sinn heilige Handlung, deren Wirksamkeit kein anderes Tun der Kirche an Rang und Maß erreicht“ (Proinde omnis liturgia celebratio, utpote opus Christi sacerdotis eiusque corporis, quod est ecclesia, est actio sacra praecellenter, cuius efficacitatem eodem titulo eodemque gradu nulla alia actio ecclesiae adaequat; COD, S. 822). Das Ziel der Liturgiereform besteht für die Synode in der aktiven Teilnahme des Volkes an den liturgischen Handlungen: „Die Mutter Kirche wünscht sehr, alle Gläubigen möchten zu der vollen, bewussten und tätigen Teilnahme an den liturgischen Feiern geführt werden“ (Valde cupit mater ecclesia ut fideles universi ad plenam illam, consciam atque actuosam liturgicarum celebrationum participationem ducantur; COD, S. 824). Daher sollten die liturgischen Kommissionen der einzelnen Bischofskonferenzen bei der Überarbeitung der liturgischen Bücher „den Akklamationen des Volkes, den Antworten, dem Psalmengesang, den Antiphonen, den Liedern sowie den Handlungen und Gesten und den Körperhaltungen Sorge zuwenden“ (Ad actuosam participationem promovendam, populi acclamationes, responsiones, psalmodia, antiphonae, cantica, necnon actiones seu gestus et corporis habitus foveantur; COD, S. 827). Da Christus selbst in der Liturgie der Kirche das gläubige Volk belehre (Etsi sacra liturgia est praecipue cultus divinae maiestatis, magnam etiam continet populi fidelis eruditionem; COD, S. 827), sei darauf zu achten, dass die Riten „den Glanz edler Einfachheit an sich tragen und knapp, durchschaubar und frei von unnötigen Wiederholungen“ seien (Ritus nobili simplicitate fulgeant, sint brevitate perspicui et repetitiones inutiles evitent; COD, S. 827). Sie sollten der „Fassungskraft der Gläubigen angepasst sein“ (sint fidelium captui accommodati; COD, S. 827). Daher solle die Schriftlesung „reicher, mannigfacher und

Die Liturgiekonstitution Sacrosanctum Concilium

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Die Erklärung über die Religionsfreiheit

passender ausgestaltet werden“ (In celebrationibus sacris abundantior, varior et aptior lectio sacrae scripturae instauretur; COD, S. 827). Der Dienst der Predigt solle getreulich und recht erfüllt werden (et fidelissime ac rite adimpleatur ministerium praedicationis; COD, S. 827). An den „Vorabenden der höheren Feste, an Wochentagen, im Advent oder in der Quadragesima sowie an den Sonn- und Feiertagen sollten Wortgottesdienste (sacrae verbi Dei celebratio) gefeiert werden – vor allem da, „wo kein Priester zur Verfügung steht“ (Foveatur sacrae verbi Dei celebratio in solemniorum festorum pervigiliis, in aliquibus feriis adventus et quadragesimae, atque in dominicis et diebus festis, maxime in locis quae sacerdote carent; COD, S. 828). Zwar bleibe „der Gebrauch der lateinischen Sprache […] in den lateinischen Riten erhalten“ (Linguae latinae usus, salvo particulari iure, in ritibus latinis servetur; COD, S. 828; [7 – 1], S. 119 – 121), doch solle es gestattet sein, „bei der Messe, bei der Sakramentenspendung und in anderen Bereichen der Liturgie“ der Muttersprache „einen weiteren Raum zuzubilligen“ – vor allem in Lesungen und Hinweisen und in einigen Orationen und Gesängen“ (Cum tamen, sive in missa, sive in sacramentorum administratione, sive in aliis liturgiae partibus, haud raro linguae vernaculae usurpatio valde utilis apud populum existere possit, amplior locus ipsi tribui valeat, imprimis autem in lectionibus et admonitionibus, in nonnullis orationibus et cantibus; COD, S. 828). Diesem neuen Ziel der aktiven Beteiligung des Volkes an den liturgischen Handlungen (participatio actuosa; vgl. [7 – 1], S. 121) entspricht es, wenn das Konzil festhält, dass „unter Wahrung der Einheit des römischen Ritus im Wesentlichen […] berechtigter Vielfalt und Anpassung an die verschiedenen Gemeinschaften, Gegenden und Völker […] Raum zu belassen“ ist (Servat a substantiali unitate ritus romani, legitimis varietatibus et aptationibus ad diversos coetus, regiones, populos, praesertim in missionibus, locus relinquatur; COD, S. 828). Es wird aus diesem Grunde der „zuständigen kirchlichen Autorität“ (competenti auctoritate ecclesiastica) die Aufgabe übertragen, „sorgfältig und klug [zu] erwägen, welche Elemente aus der Überlieferung und [der] geistige[n] Anlage der einzelnen Völker geeignet sind, zur Liturgie zugelassen zu werden“ (sedulo et prudenter consideretur quid, hoc in negotio, ex traditionibus ingenioque singulorum populorum opportune in cultum divinum admitti possit; COD, S. 828 – 829). Mit dem Ziel der Erneuerung wurden schließlich alle wichtigen Bereich des liturgischen Lebens der Kirche überdacht: beispielsweise das Stundengebet (COD, S. 835 – 837), das Kirchenjahr (COD, S. 838 – 839), das liturgische Gerät sowie die liturgische Gewandung (COD, S. 841 – 843). Die Umsetzung der einzelnen Bestimmungen für die einzelnen Teilkirchen wurde daher konsequenterweise den Bischofskonferenzen überlassen (vgl. [0 – 1], S. 156). Wie die Konstitution über die Hl. Liturgie eröffneten auch die beiden Erklärungen über die Religionsfreiheit (Declaratio de libertate religiosa) und das Verhältnis der Kirche zu den nicht-christlichen Religionen (Declaratio de ecclesiae habitudine ad religiones non-christianae) der Kirche neue Ansatzpunkte (vgl. [7 – 1], S. 306 – 308). Hatte sich der Syllabus Errorum von 1864 noch sehr skeptisch gegenüber der Religionsfreiheit geäußert (vgl. S. 115 – 116), so sagte das Zweite Konzil im Vatikan (1962 – 1965) nun aus,

5. Ausgewählte Dokumente des Konzils

„dass die menschliche Person das Recht auf religiöse Freiheit hat“ (Haec Vaticana synodus declarat personam humanam ius habere ad libertatem religiosam; COD, S. 1002). „Diese Freiheit besteht darin, dass alle Menschen frei sein müssen von jedem Zwang sowohl von Seiten einzelner wie gesellschaftlicher Gruppen, wie jeglicher menschlichen Gewalt, so dass in religiösen Dinge niemand gezwungen wird, gegen sein Gewissen zu handeln“ (Huiusmodi libertas in eo consistit, quod omnes homines debent immunes esse a coercitione ex parte sive singulorum sive coetuum socialium et cuiusvis potestatis humanae […] ad agendum contra suam conscientiam; COD, S. 1002). Diese Freiheit erklärt sich für das Konzil aus der personalen Würde des einzelnen Menschen (Insuper declarat ius ad libertatem religiosam esse revera fundatum in ipsa dignitate personae humanae; COD, S. 1002). Sie führt dazu, dass ein jeder Mensch die Wahrheit auf eine Art und Weise suche, „welche der Würde der menschlichen Person und ihrer sozialen Natur eigen ist, d. h. auf dem Weg der freien Forschung, mit Hilfe des Lehramtes oder der Unterweisung, des Gedankentausches und des Dialogs“ (Veritas autem inquirenda est modo dignitati humanae personae eiusque naturae sociali proprio, libera scilicet inquisitione, ope magisterii seu institutionis, communicationis atque dialogi COD, S. 1003). In Bezug auf das Verhältnis der Kirche zu den nicht-christlichen Weltreligionen (vgl. [7 – 1], S. 291 – 310) stellte das Konzil schließlich fest, dass „alle Völker […] eine einzige Gemeinschaft seien, [da] sie denselben Ursprung [haben]“ (Una enim communitas sunt omnes gentes, unam habent originem; COD, S. 968). „Von den ältesten Zeiten bis zu unseren Tagen findet sich [daher] bei den verschiedenen Völkern eine gewisse Wahrnehmung jener verborgenen Macht“ (Iam ab antiquo usque ad tempus hodiernum apud diversas gentes invenitur quaedam perceptio illius arcanae virtutis; COD, S. 969). Aus diesem Grund lehnt „die katholische Kirche […] nichts von alledem ab, was in diesen Religionen wahr und heilig ist“ (Ecclesia catholica nihil eorum, quae in his religionibus vera et sancta sunt, reicit; COD, S. 969). Dennoch bleibe es ihre Aufgabe, „unablässig […] Christus [zu verkünden]“ (Annuntiat vero et annuntiare tenetur indesinenter Christum; COD, S. 969); denn in ihm fänden die Menschen „die Fülle des religiösen Lebens, in dem Gott alles mit sich versöhnt hat“ (in quo homines plenitudinem vitae religiosae inveniunt, in quo Deus omnia sibi reconciliavit; COD, S. 969). Für den Würzburger Fundamentaltheologen Wolfgang Klausnitzer ergibt sich aus diesen scheinbar widersprüchlichen Aussagen der Erklärung ein Spannungsbogen, eine „Dialektik“, in der die christliche Theologie der Religionen stattzufinden habe (vgl. [7 – 7], S. 54 – 55). Auf der einen Seite bleibe es die Aufgabe der Kirche, Christus zu bezeugen, da in ihm „das Heil“ sei (vgl. [7 – 7], S. 54). Auf der anderen Seite halte die Kirche daran fest, dass Gott „alle Menschen zum Heil“ rufe (vgl. [7 – 7], S. 54). Mit Blick auf Mt 28, 8 – 10 stellt Klausnitzer daher fest:

Die Erklärung Nostra aetate

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„Hier steht also beides nebeneinander, der Auftrag, Christus zu bezeugen (,In Jesus Christus ist das Heil‘), und die Überzeugung, dass Gott alle diejenigen rettet, die seinen Willen tun, auch wenn sie Christus nicht kennen. In dieser Dialektik, die nicht aufgehoben wird, lebt eine christliche Theologie der Religionen“ (vgl. [7 – 7], S. 55). Trotz dieser Zentrierung der göttlichen Offenbarung auf den Christus erkennt die Kirche in der Erklärung Nostra aetate an, dass „auch die Muslime […] den alleinigen Gott“ anbeteten (Ecclesia cum aestimatione quoque muslimos respicit qui unicum Deum adorant; COD, S. 969); oder dass die Hindus das göttliche Geheimnis „in einem unerschöpflichen Reichtum von Mythen und in tief dringenden philosophischen Versuchen zum Ausdruck brächten“ (Ita in hinduismo homines mysterium divinum scrutantur et exprimunt inexhausta fecunditate mythorum et acutis conatibus philosophiae; COD, S. 969). Vor allem aber, so hebt es die Erklärung hervor, sei die Kirche des Bandes eingedenk, welches das Volk des Neuen Bundes mit dem Stamm Abrahams geistig verbinde (Mysterium ecclesiae perscrutans, sacra haec synodus meminit vinculi, quo populus novi testamenti cum stirpe Abrahae spiritualiter coniunctus est; COD, S. 970). So habe beispielsweise Christus selbst „dem Fleisch nach“ ebenso dem Judentum entstammt (et ex quibus est Christus secundum carnem; COD, S. 970) wie „die Apostel […], die Grundfesten und Säulen der Kirche“ (Recordatur etiam ex populo iudaico natos esse apostolos, ecclesiae fundamenta et columnas; COD, S. 970). Auch wenn einige jüdische Obrigkeiten auf die Kreuzigung Jesu hingewirkt hätten, dürfe dafür nicht das gesamte jüdische Volk verantwortlich gemacht werden: „Obgleich die jüdischen Obrigkeiten mit ihren Anhängern auf den Tod Christi gedrungen haben, kann man dennoch die Ereignisse seines Leidens weder allen damals lebenden Juden ohne Unterschied noch den heutigen Juden zur Last legen. Gewiss ist die Kirche das neue Volk Gottes, trotzdem darf man die Juden nicht als von Gott verworfen oder verflucht darstellen, als wäre dies aus der Hl. Schrift zu folgern. Darum sollen alle dafür Sorge tragen, dass niemand in der Katechese oder bei der Predigt des Gotteswortes etwas lehre, das mit der evangelischen Wahrheit und dem Geiste Christi nicht im Einklang steht“ (Etsi auctoritates Iudaeorum cum suis asseclis mortem Christi urserunt, tamen ea quae in passione eius perpetrata sunt nec omnibus indistincte Iudaeis tunc viventibus, nec Iudaeis hodiernis imputari possunt. Licet autem ecclesia sit novus populus Dei, Iudaei tamen neque ut a Deo reprobati neque ut maledicti exhibeantur, quasi hoc ex sacris litteris sequatur. Ideo curent omnes ne in catechesi et in verbi Dei praedicatione habenda quidquam doceant, quod com veritate evangelica et spiritu Christi non congruat; COD, S. 970 – 971). Deswegen, so erklärt das Konzil abschließend, „verwirft die Kirche jede Diskriminierung eines Menschen oder jeden Gewaltakt gegen ihn um seiner Rasse oder Farbe, seines Standes oder seiner Religion willen, weil dies dem Geist Christi widerspricht“ (Ecclesia igitur quamvis hominum discriminatio-

5. Ausgewählte Dokumente des Konzils

nem aut vexationem stirpis vel coloris, condicionis vel religionis causa factam tamquam a Christi mente alienam, reprobat; COD, S. 971). Mit Blick auf die anderen Weltreligionen schließt sich das Zweite Konzil im Vatikan (1962 – 1965) also derjenigen Sichtweise an, die in der Theologie der Religionen als Inklusivismus bezeichnet wird (vgl. [7 – 7], S. 52). Es vertritt demnach die Auffassung, dass das Christentum zwar die „Fülle der Wahrheit“ besitze, die „anderen Religionen“ jedoch auch „Elemente oder sogar einen großen Teil dieser Wahrheit“ enthielten (vgl. [7 – 7], S. 51). Deshalb riefen Muslime wie Juden den gleichen Gott an wie die Christen. Sie besäßen jedoch nicht die volle Offenbarung über diesen (vgl. [7 – 7], S. 51 – 52). Daher kann es, nach katholischem Verständnis, auch kein gemeinsames interreligiöses Gebet zum gleichen Zeitpunkt am gleichen Ort zum gleichen Gott geben (vgl. [7 – 7], S. 41). Dennoch hält die katholische Theologie daran fest, dass Gott allen Menschen die Möglichkeit zur Erlösung eröffnet – nämlich dann, wenn sie auf die „Berufung“ (vocatio) durch den Hl. Geist hören. In diesem Sinn sagt die Pastoralkonstitution Gaudium et Spes: „Das gilt nicht nur für die Christgläubigen, sondern für alle Menschen guten Willens, in deren Herzen die Gnade sichtbar wirkt. Da nämlich Christus für alle gestorben ist und da es in Wahrheit nur eine letzte Berufung des Menschen gibt, die göttliche, müssen wir festhalten, dass der Hl. Geist allen die Möglichkeit anbietet, diesem österlichen Geheimnis in einer Gott bekannten Weise verbunden zu sein“ (Quod non tantum pro christifidelibus valet, sed et pro omnibus hominibus bonae voluntatis in quorum corde gratia invisibili modo operatur. Cum enim pro omnibus mortuus sit Christus cumque vocatio hominis ultima revera una sit, scilicet divina, tenere debemus Spiritum sanctum cunctis possibilitatem offerre ut, modo Deo cognito, huic paschali mysterio consocientur; COD, S. 1082).

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VIII. Schlussanmerkung Die Behandlung der 22 allgemeinen Synoden, welche die traditionelle katholische Konziliengeschichtsschreibung heute als allgemeine oder ökumenische zählt, hat gezeigt, dass die Annahme dieser Versammlungen im Laufe der Geschichte der Kirche immer mehr zurückgegangen ist. Fanden die sieben Synoden des Altertums zumindest noch die Anerkennung durch die lateinische wie die griechische Kirche, markiert das Konzil von Trient (1545 – 1563) die Spaltung der lateinischen Kirche des Westens an sich. Theologische Veränderungen, wie sie etwa das Tridentinum oder das Zweite Konzil im Vatikan (1962 – 1965) mit sich gebracht haben, berührten insofern nur mehr diejenige Kirche, die in der Gemeinschaft mit dem Apostolischen Stuhl in Rom verblieben ist – auch wenn Giuseppe Alberigo in seiner Geschichte des Zweiten Vatikanischen Konzils darauf hingewiesen hat, dass dieses Konzil eine neue „ökumenische Perspektive“ eröffnet habe. Dies zeige „das Echo, das es in den nichtrömischen christlichen Kreisen gefunden hat“ (vgl. [8 – 1], S. 735). Mit der Verengung der Rezeption von diesen Synoden hat sich auch die Bedeutung des Begriffes einer ökumenischen bzw. allgemeinen Synode gewandelt. Allerdings hat bereits das Konzil von Basel-Ferrara-Florenz (1431 – 1439) zwischen der lateinischen und der katholischen Kirche unterschieden, da seit den Unionen mit Teilkirchen der Syrer, Armenier und Kopten eigene unierte katholische Ostkirchen entstanden sind, die ebenfalls in der Gemeinschaft mit dem Papst in Rom stehen. Wie das Beispiel des unierten Patriarchen Maximus von Antiochia auf der Zweiten Synode im Vatikan (1962 – 1965) unterstreicht, konnten Christen seitdem katholisch sein, ohne römisch sein zu müssen (vgl. S. 125). Insofern entsprach es diesem Verständnis, wenn das Zweite Vatikanische Konzil (1962 – 1965) in seiner Kirchenkonstitution Lumen Gentium betonte, dass die katholische Kirche zwar in der römischen Kirche verwirklicht sei, es jedoch auch neben ihr in anderen christlichen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften Elemente des KircheSeins gebe (vgl. S. 132 – 133). Dadurch ergeben sich neue Möglichkeiten, gerade im Gespräch mit den Kirchen des Ostens, den Begriff einer allgemeinen Synode neu zu füllen – um vielleicht auf diesem Weg zu einer Wiederherstellung der Kircheneinheit zu gelangen, die im Mittelalter und in der frühen Neuzeit verloren gegangen ist. In diesem Sinne hat Papst Johannes Paul II. (1978 – 2005) in der Enzyklika Ut unum sint vom 25. Mai 1995 dargelegt: „Es geht also [im ökumenischen Gespräch] nicht darum, alle Reichtümer, die in den christlichen Gemeinschaft verstreut sind, zu summieren, um zu einer Kirche zu gelangen, die Gott für die Zukunft anstrebt. Gemäß der großen Tradition, welche die Kirchenväter des Ostens und des Westens bezeugen, glaubt die katholische Kirche, dass Gott im Pfingstereignis bereits die Kirche in ihrer eschatologischen Wahrheit offenbar gemacht hat […] Aus diesem Grund sind wir bereits in der Endzeit. Die

VIII. Schlussanmerkung

Elemente dieser bereits gegebenen Kirche existieren, in ihrer Fülle verbunden, in der katholischen Kirche und, ohne diese Fülle, in den anderen Gemeinschaften, wo gewisse Aspekte des christlichen Geheimnisses bisweilen wirkungsvoller ins Licht gesetzt sind. Der Ökumenismus strebt eben danach, die teilweise Gemeinschaft, die zwischen den Christen besteht, zu einer vollen Gemeinschaft in der Wahrheit und in der Liebe wachsen zu lassen“ (Non agitur de summa facienda omnium divitiarum, quae in Communitatibus christianis sunt disseminatae, ut ad Ecclesiam perveniatur, ad quam Deus spectet in futurum. Secundum magnam traditionem, quam patres orientales et occidentales testantur, ecclesia catholica credit Deum in Eventu Pentecostes iam ostendisse ecclesiam in sua veritate eschatologica […]. Iam data est. Ob eam causam nos iam in ultimis sumus temporibus. Elementa huius ecclesiae iam datae exsistunt, in sua plenitudine coniuncta, in ecclesia catholica, et, sine hac plenitudine, in ceteris communitatibus, ubi mysterii christiani quidam aspectus efficacius interdum sunt in luce positi. Oecumenismus plane contendit ut communionem ex parte, quae est inter christianos, augeat ad plenam communionem in veritate inque caritate; DH, Nr. 5001). Um zu dem Ziel einer Annäherung zwischen den Christen beizutragen, hat Papst Paul VI. (1963 – 1978) im Jahr 1974 mit Blick auf das von der West- wie der Ostkirche gemeinsam geteilte Erbe das zweite Konzil von Lyon (1274) als die „sechste der im Westen abgehaltenen allgemeinen Synoden“ bezeichnet (vgl. [8 – 2], S. 132); und in der Erklärung der Gemeinsamen internationalen Kommission für den theologischen Dialog zwischen der Katholischen Kirche und der Orthodoxen Kirche vom 13. Oktober 2007 in Ravenna heißt es: „Anders als die diözesanen und regionalen Synoden ist ein ökumenisches Konzil keine ,Institution‘, deren Häufigkeit durch Kanones geregelt werden kann; vielmehr ist es ein ,Ereignis‘, ein Kairos, inspiriert vom Hl. Geist, der die Kirche leitet, um in ihr die Institutionen hervorzubringen, die sie benötigt und die ihrem Wesen entsprechen. Diese Harmonie zwischen der Kirche und den Konzilen ist so tief, dass selbst nach dem Bruch zwischen Ost und West, der das Abhalten von ökumenischen Konzilien im strengen Sinne des Wortes unmöglich machte, beide Kirchen weitere Konzile abhielten, wann immer ernste Krisen auftraten. Diese Konzile versammelten die Bischöfe von Ortskirchen in Communion mit dem Sitz von Rom oder, wenn auch in anderer Weise verstanden, mit dem Sitz von Konstantinopel“ (vgl. [8 – 3], S. 843). Die beiden Aussagen belegen, dass in der katholischen Theologie gerade eine neue Diskussion in Gang gekommen ist, den Begriff eines allgemeinen oder ökumenischen Konzils erneut nur auf diejenigen sieben Konzilien zu beschränken, die von West und Ost beiderseitig anerkannt sind. Im Gegensatz zu ihnen, wären, nach dem Diktus von Papst Paul VI., die lateinischen Konzilien des Mittelalters und der Neuzeit „allgemeine im Westen abgehaltene Synoden“. Auf diese Weise könnte die erneute lehramtliche Reflexion über das Wesen und den Gehalt der allgemeinen Konzile der Kirche in der Tat auf dem Weg zur Wiederherstellung der Einheit zwischen Ost und West einen Schritt weiterführen.

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Abkürzungen Die verwendeten Abkürzungen richten sich nach den Vorschlägen von Schwertner, Siegfried M.: Internationales Abkürzungsverzeichnis für Theologie und Grenzgebiete. Berlin 21992. Darüber hinaus werden die folgenden Reihen und Textausgaben kurz zitiert: ACO CIC COD CSCO CSEL DH DP FC GCS Kelly Mansi MGH Opitz PL PG PO Ritter

Schwartz, E.: Acta conciliorum oecumenicorum. Berlin. Aymans, W./Alii (Hg.): Codex Iuris Canonici. Lateinisch-deutsche Ausgabe. Kevelaer 1983. Alberigo, G./Wohlmuth, J. (Hg.): Conciliorum Oecumenicorum Decreta [in drei Bänden]. Paderborn/München/Wien/Zürich 32002. Corpus Scriptorum Christianorum Orientalium. Hg. v. J. B. Chabot. Paris. Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum Latinorum. Hg. v. der Wiener Akademie der Wissenschaften. Wien. Denzinger, H./Hünermann, P. (Hg.): Kompendium der Glaubensbekenntnisse und kirchlichen Lehrentscheidungen. Freiburg/Basel/Wien 392001. Doctrina Patrum de Incarnatione verbi. Ein griechisches Florilegium aus der Wende des 7. und 8. Jahrhunderts. Hg. v. F. Diekamp/E. Chrysos. Münster 2 1981. Fontes Christiani. Hg. v. N. Brox. Freiburg/Basel/Wien. Die griechischen christlichen Schriftsteller der ersten drei Jahrhunderte. Hg. v. der Kirchenväterkommission der Preußischen Akademie der Wissenschaften. Berlin. Kelly, J. N. D.: Altchristliche Glaubensbekenntnisse. Geschichte und Theologie. Göttingen 21993. Sacrorum Conciliorum nova et amplissima collectio. Hg. v. J. Mansi. Florenz/Venedig 1759 – 1827. Monumenta Germaniae Historica. Hannover/Berlin. Opitz, G.: Urkunden zur Geschichte des arianischen Streites 318 – 328. Tübingen 1934/35. Migne, J. P.: Patrologiae cursus completus. Series latina. Paris. Migne, J. P.: Patrologiae cursus completus. Series graeca. Paris. Patrologia Orientalis. Hg. v. R. Graffin. Paris. Ritter, A. M.: Kirchen- und Theologiegeschichte in Quellen. I. Alte Kirche. Neukirchen-Vluyn 72002.

Kapitelübergreifende Literatur [0 – 1] Alberigo, G. (Hg.): Geschichte der Konzilien. Vom Nicaenum bis zum Vaticanum II. Wiesbaden 1998. [0 – 2] Jedin, H.: Kleine Konziliengeschichte. Freiburg/Basel/Wien 81978.

[0 – 3] Schatz, K.: Allgemeine Konzilien – Brennpunkte der Kirchengeschichte. Paderborn/ München/Zürich/Wien 2008 (utb-Taschenbuch 1976).

Literatur zu den einzelnen Kapiteln I Vom Apostelkonvent zum Ökumenischen Konzil: Begriffsbestimmungen [1 – 1] Georges, K. E.: Ausführliches LateinischDeutsches Wörterbuch. Darmstadt 81992. [1 – 2] Fischer, J.: Der Klemensbrief, in: Die Apostolischen Väter. Darmstadt 101993, 1 – 108. [1 – 3] Fischer, J.: Die sieben Ignatius-Briefe, in: Die Apostolischen Väter. Darmstadt 101993, 109 – 226. [1 – 4] Stockhausen, A. von: Athanasius von Alexandria. Epistula ad Afros. Berlin/New York 2002. [1 – 5] Chadwick, H.: The origin of the title ,ecumenical council‘, in: JThS 23, 1972, 132 – 135. [1 – 6] Sieben, H. J.: Studien zum Ökumenischen Konzil. Definitionen und Begriffe, Tagebücher und Augustinus-Rezeption. Paderborn/ München/Wien/Zürich 2010. [1 – 7] Sieben, H. J.: Die Konzilsidee in der Alten Kirche. Paderborn/München/Wien/Zürich 1979. II Die sieben Konzilien des Altertums [2 – 1] Hippolytus: Refutatio omnium haeresium. Hg. v. Marcovich, M. Berlin/New York 1986. [2 – 2] Origenes: Vier Bücher von den Prinzipien. Hg. v. Görgemanns, H./Karpp, H. Darmstadt 3 1992. [2 – 3] Schöll, R.: Corpus Iuris Civilis III. Berlin 1954. [2 – 4] Frank, K. S.: Lehrbuch der Geschichte der Alten Kirche. Paderborn/München/Zürich 2 1997. [2 – 5] Bruns, P.: Theodor von Mopsuestia. Katechetische Homilien, Freiburg/Basel/Wien/Barcelona/Rom/New York 1994 (FC 17/1 – 2). [2 – 6] Grillmeier, A.: Jesus der Christus im Glauben der Kirche I. Von der Apostolischen Zeit bis zum Konzil von Chalcedon (451). Freiburg/ Basel/Wien 31990. [2 – 7] Halleux, A. de: La définition christologique à Chalcedoine, in: RTL 7, 1976, 3 – 23 und 155 – 170. [2 – 8] Brock, S. P.: The Christology of the Church of the East in the Synods of the fifth to early

[2 – 9] [2 – 10]

[2 – 11] [2 – 12] [2 – 13] [2 – 14]

[2 – 15]

seventh centuries, in: Studies in Syriac Christianity – History, Literature, and Theology. Hampshire 1992, XI. Ebied, R. Y./Wickham, L. R.: A Collection of Unpublished Letters of Timothy Aelurus, in: JThS 21, 1970, 321 – 369. Schwartz, E.: Codex Vaticanus gr. 1431, eine antichalkedonensische Sammlung aus der Zeit Kaisers Zenons. ABAW.PH 32. München 1927. Schwartz, E.: Publizistische Sammlungen zum Acacianischen Schisma. ABAW.PH 10. München 1934. Winkler, D. W.: Koptische Kirche und Reichskirche. Altes Schisma und neuer Dialog. Innsbruck/Wien 1997. Thümmel, H.-G.: Die Konzilien zur Bilderfrage im 8. und 9. Jahrhundert. Paderborn/ München/Wien/Zürich 2005. Krannich, Th./Schubert, Chr./Sode, Cl.: Die ikonoklastische Synode von Hiereia. Einleitung, Text, Übersetzung und Kommentar ihres Horos. Tübingen 2002. Döppmann, H.-D.: Die Ostkirchen vom Bilderstreit bis zur Kirchenspaltung von 1054. Berlin 1990 (KiE I/8).

III Die Päpstlichen Generalkonzilien des Mittelalters [3 – 1] Hauschild, W.-D.: Lehrbuch der Kirchenund Dogmengeschichte I. Alte Kirche und Mittelalter. Gütersloh 2000. [3 – 2] Roberg, B.: Das Zweite Konzil von Lyon [1274]. Paderborn/München/Wien/Zürich 1990. [3 – 3] Beck, H.-G.: Geschichte der orthodoxen Kirche im byzantinischen Reich, Göttingen 1980. V Das Ringen um die Reformation: das Konzil von Trient (1545 – 1563) [5 – 1] Smolinsky, H.: Kirchengeschichte der Neuzeit I. Düsseldorf 22008. [5 – 2] Pinggéra, K.: Die Kirchen der syrisch-orthodoxen Tradition, in: Die altorientalischen

Literatur zu den einzelnen Kapiteln Kirchen. Glaube und Geschichte. Hg. v. Lange, C./Pinggéra, K. Darmstadt 2010, 77 – 88. VI Das Erste Konzil im Vatikan (1869/1870) [6 – 1] Schatz, K.: Kirchengeschichte der Neuzeit II. Düsseldorf 32008. VII Das Zweite Konzil im Vatikan (1962 – 1965) [7 – 1] Pesch, H. O.: Das Zweite Vatikanische Konzil. Vorgeschichte – Verlauf – Ergebnisse – Nachgeschichte. Würzburg 2001. [7 – 2] Klausnitzer, W.: Glaube und Wissen. Lehrbuch der Fundamentaltheologie für Studierende und Religionslehrer. Regensburg 2 2008. [7 – 3] Klausnitzer, W.: Kirche, Kirchen und Ökumene. Lehrbuch der Fundamentaltheologie für Studierende, Religionslehrer und -lehrerinnen. Regensburg 2010. [7 – 4] Lehmann, K.: Hermeneutik für einen künftigen Umgang mit dem Konzil, in: Zweites Vatikanisches Konzil – Ende oder Anfang? Hg. v. Hierold, A. Bamberg 2004, 57 – 74. [7 – 5] Ratzinger, J.: Salz der Erde. Christentum und katholische Kirche an der Jahrtausendwende.

Ein Gespräch mit Peter Seewald. Stuttgart 1996. [7 – 6] Hünermann, P./Hilberath, B. J.: Herders Theologischer Kommentar zum Zweiten Vatikanischen Konzil 5. Die Dokumente des Zweiten Vatikanischen Konzils: Theologische Zusammenschau und Perspektiven. Freiburg/ Basel/Wien 2006. [7 – 7] Klausnitzer, W.: Gott und Wirklichkeit. Lehrbuch der Fundamentaltheologie für Studierende und Religionslehrer. Regensburg 2000.

VIII Schlussanmerkung [8 – 1] Alberigo, G.: Geschichte des Zweiten Vatikanischen Konzils (1959 – 1965) V. Ein Konzil des Übergangs. Leuven/Ostfildern 2008. [8 – 2] Papst Paul VI.: 700 Jahre seit dem II. Konzil von Lyon, in: 20 Jahre Ökumenismus. Hg. v. Piffl-Percˇevic´, Th./Stirnemann, A. Innsbruck/ Wien 1984, 132 – 135. [8 – 3] Dokumente wachsender Übereinstimmung. Sämtliche Berichte und Konsenstexte interkonfessioneller Gespräche auf Weltebene 4. 2001 – 2010. Hg. v. Oeldemann, J. u. a. Paderborn 2012.

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Register der Synoden und Konzilien Die Übersicht gibt an, auf welchen Seiten die Synoden und Konzilien im laufenden Text erwähnt werden. Alexandria (362) 27 Antiochia (ca. 325) 24 Antiochia (341) 25, 26, 27 Ariminum (359) 27 Basel-Ferrara-Florenz (1431 – 1439) 17, 62, 84, 85, 86, 87, 91, 112 Bithynien (ca. 320) 24 Chalcedon (451) 15, 21, 22, 29, 30, 37, 39, 40, 41, 42, 43, 44, 45, 46, 47, 48, 49, 50, 51 Ephesus I (431) 15, 21, 22, 31, 36, 37, 40, 41, 44, 53, 72 Ephesus (449) 38, 39, 40, 41 Ephesus (475) 45 Frankfurt (794) 57 Hiereia (754) 16, 54, 55, 56 Konstantinopel I (381) 21, 22, 28, 29, 30, 41, 53, 72 Konstantinopel II (553) 21, 49 Konstantinopel III (680 – 681) 21, 31, 52, 53 Konstantinopel IV (879 – 880) 57, 58 Konstantinopel (448) 38, 39, 40 Konstantinopel (518) 46 Konstantinopel (536) 22, 44, 45, 47, 48

Konstanz (1414 – 1418) 78, 79, 80, 81, 82, 83, 84, 91, 100 Lateran I (1123) 62 Lateran II (1139) 61, 62, 63 Lateran III (1179) 61, 62, 64, 65 Lateran IV (1215) 61, 62, 63, 65, 66 Lateran V (1512 – 1517) 90, 91 Lyon I (1245) 61, 69 Lyon II (1274) 71, 143 Nicaea I (325) 14, 15, 17, 18, 21, 22, 24, 25, 28, 29, 40, 41, 47, 53 72 Nicaea II (787) 53, 55, 56, 57, 58 Pavia (1160) 64 Pisa (1409) 77, 78, 79, 91 Rom (380) 29 Rom (430) 36 Rom (484) 46 Seleucia-Ctesiphon (410) 18 Trient (1545 – 1563) 17, 62, 92, 93, 111, 112, 113, 118, 142 Vaticanum I (1869 – 1870) 17, 112, 113, 116, 117, 123, 125, 131 Vaticanum II (1962 – 1965) 7, 112, 124, 126, 127, 128, 142 Vienne (1311 – 1312) 62, 74, 77

Register historischer Personen Die Übersicht gibt die im laufenden Text erwähnten historischen Personen an. Die Inhaber des Apostolischen Stuhls von Rom werden dabei vereinfacht als Papst bezeichnet, römische und (ost-)römische Kaiser als Kaiser angesprochen. Um von ihnen die mittelalterlichen westlichen Kaiser zu unterscheiden, werden diese als „westliche Kaiser“ gekennzeichnet. Mittelalterliche und neuzeitliche Personen werden in der Reihenfolge Vorname – Nachname angegeben, also zum Beispiel Robert Bellarmin oder Martin Luther. Acacius von Konstantinopel 45, 46 Adam 95, 96, 97 Agapetus (Papst) 47 Alexander von Alexandria 14, 22, 23, 24, 25 Alexander III. (Papst) 64 Alexander V. (Papst) 78 Alexius I. (Kaiser) 86 Alfons V. (König von Aragon) 84 Anacletus II. (Papst) 64 Anastasius (Kaiser) 46, 47 Andronicus II. (Kaiser) 74 Anicetus von Rom 13 Anthimus von Konstantinopel 47 Apollinaris von Laodicea 33 Arius von Alexandria 14, 22, 23, 24, 25, 26, 54 Athanasius von Alexandria 14, 23, 25, 27, 28, 29 Athanasius Gammala 51 Basiliscus (Kaiser) 44, 45, 46 Basilius von Ancyra 27 Basilius von Caesarea 27, 54 Benedikt XIII. (Papst) 78, 79, 81, 82, 84 Bonifatius/Wynfreth 60 Bonifatius VIII. (Papst) 74, 75 Caelestinus (Papst) 36 Calixtus II. (Papst) 62, 65 Charles de Montalembert 114 Chlodwig (Frankenkönig) 30 Clemens von Rom 11 Clemens V. (Papst) 75, 76, 77 Clemens VII. (Papst) 77, 92, 93 Cyrillus von Alexandria 15, 22, 32, 33, 34, 35, 36, 37, 42, 43, 44, 48, 50, 51 Dionysius Areopagita 50 Dioscorus von Alexandria 38, 39, 40 Eirene (Kaiserin) 56, 57 Elizabeth I. (englische Königin) 104 Esdras (Katholikos) 51

Eugen IV. (Papst) 85, 86, 87, 91 Eusebius von Caesarea 12, 13 Eutyches von Konstantinopel 38, 39, 40, 42, 43, 45, 46, 47, 54 Evagrius Scholasticus 47 Franz I. (französischer König) 93 Félicité de Lamenais 114 Felix III. (Papst) 46 Felix V. (Papst) 87, 91 Flavianus von Konstantinopel 38, 39, 40 Friedrich I. (westlicher Kaiser) 64 Friedrich II. (westliche Kaiser) 61, 69, 70 Gelasius (Papst) 16 Giovanni Morone 105 Gregor I. (Papst) 22, 57 Gregor VII. (Papst) 16, 60 Gregor X. (Papst) 71 Gregor XII. (Papst) 78, 79, 81, 82 Gregorius von Nazianzus 27, 31 Gregoris von Nyssa 27 Hadrian I. (Papst) 57 Hans Küng 125 Heinrich III. (westlicher Kaiser) 60 Heinrich V. (westlicher Kaiser) 62 Heinrich VIII. (englischer König) 93 Heraclius (Kaiser) 45, 49 Honorius (Papst) 52 Honorius II. (Papst) 64 Hormisda (Papst) 46 Ibas von Edessa 41, 47, 49 Ignatius von Antiochia 12 Ignatius (Patriarch von Konstantinopel) 58 Ignaz von Döllinger 118, 123 Innocentius II. (Papst) 63, 64 Innocentius III. (Papst) 66 Innocentius IV. (Papst) 61 Irenaeus von Lyon 12, 13 Isaias von Hermopolis 43

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Register historischer Personen Jakobus (Apostel) 10 Jan Hus 83, 84 Jean Danielou 124, 125 Jesus Christus 11, 12, 26, 31, 73, 76, 88, 94, 96, 97, 99, 101, 102, 135, 140 Johannes (Apostel) 10 Johannes XXIII. (Papst) 7, 124, 126 Johannes XXIII. („Pisaner Papst“) 78, 79, 80, 81, 82 Johannes von Damaskus 54 Johannes VIII. (Kaiser) 85, 86 Johannes Bekkos (Patriarch) 72 Johannes Calvin 93, 99 John Wycliff 83 Josef Ratzinger/Benedikt XVI. 125, 128 Joseph de Maistre 114 Julius II. (Papst) 90 Julius III. (Papst) 100 Justinianus (Kaiser) 22, 30, 44, 46, 47, 48, 49 Justinus (Kaiser) 44, 46 Juvenalis von Jerusalem 40 Karl der Große 57 Karl V. (westlicher Kaiser) 92, 93, 100, 101, 104, 113 Karl von Anjou 71, 72, 74 Karl Rahner 125 Kephas/Petrus 10 Konstantin der Große 14, 24 Konstantin (Slavenapostel) 58 Konstantin VI. (Kaiser) 56 Lazarus 51 Leo I. von Rom 15, 38, 40, 42 Leon III. (Kaiser) 55 Leon V. (Kaiser) 56 Leontius von Jerusalem 48 Ludwig XII. (französischer König) 90 Marcianus (Kaiser) 40 Maria (Mutter Gottes) 34, 35, 37 Martin V. (Papst) 74, 82, 84 Martin Luther 91, 92, 93, 94, 95, 96, 98, 102, 105, 108, 110 Maximus von Antiochia 125, 142 Memno von Ephesus 37 Methodius (Slavenapostel) 58 Michael III. (Kaiser) 56 Michael VIII. (Kaiser) 71, 72, 73, 74, 86 Michael Schmaus 125 Moritz von Sachsen 101 Narcissus von Jerusalem 13 Nestorius von Konstantinopel 32, 34, 35, 36, 37, 43, 44, 46, 47, 52 Nicolaus von Kues 86

Origenes von Alexandria 20, 25 Paulus (Apostel) 10, 11, Paulus von Samosata 19 Paul III. (Papst) 92, 93 Paul VI. (Papst) 126, 143 Petrus Mongus von Alexandria 46 Philipp der Schöne 75 Photius (Patriarch) 58 Philipp II. (spanischer König) 104 Pius IV. (Papst) 104 Pius IX. (Papst) 113, 115, 121 Platon 54 Polycarpus von Smyrna 13 Praxean 20 Remigius von Reims 30 Robert Bellarmin 7, 17 Romano Guardini 125 Sabellius 20 Serapio von Thmuis 29 Sergius von Konstantinopel 51, 52 Severus von Alexandria 43, 46, 50 Sigismund (westlicher Kaiser) 79, 80 Sophronius von Jerusalem 51, 52 Tertullianus von Carthago 20, 21 Theodora (Kaiserin) 56 Theodoretus von Cyrus 28, 38, 41, 47, 49 Theodorus von Mopsuestia 30, 32, 47, 49 Theodorus von Pharan 51 Theodosius I. (Kaiser) 28 Theodosius II. (Kaiser) 36, 38, 40 Theophanes (Historiker) 55 Theophilus von Alexandria 43 Theophilus von Caesarea 13 Timotheus Aelurus 43, 46 Timotheus von Alexandria 47 Ulrich Zwingli 93 Urban II. (Papst) 61 Urban VI. (Papst) 77 Valens (Kaiser) 27 Victor (Papst) 13 Victor IV. (Papst) 64, 65 Vigilius von Thapsus 16 Wulfila 30 Yves Congar 124, 125 Zacharias Rhetor 43 Zeno (Kaiser) 44, 45, 46, 47

Register moderner Autoren Alberigo, Giuseppe 7, 142

Melloni, Alberto 61, 62, 75

Beck, Hans-Georg 72

Perrone, Lorenzo 22 Pesch, Otto Hermann 128, 131, 137 Proch, Umberto 90

Döppmann, Hans-Dieter 56 Frank, Karl Suso 25 Jedin, Hubert 60, 70, 86, 87, 91, 105, 112, 124, 126, 127

Schatz, Klaus 7, 13, 17, 57, 61, 62, 63, 71, 75, 78, 84, 88, 91, 92, 95, 101, 109, 112, 114, 116, 117, 120, 125, 127, 129, 133 Sieben, Hermann Josef 14, 16

Klausnitzer, Wolfgang 128, 131, 133, 139 Winkler, Dietmar 46 Lehmann, Karl 127

Register konziliarer Dokumente Die Übersicht gibt konziliare Dokumente an, die im laufenden Text näher besprochen werden, und zwar auf der Seite, auf der sie erstmals erwähnt werden. Basel (1439) Sacrosancta Synodus 86

Nicaea II (787) Horos 56

Ephesus I (431) Canon 9 15

Trient (1545 – 1563) Dekret über die hl. Bücher 94 Dekret de peccato originale 95 Dekret de iustificatione 96 Dekret de sacramentis 99 Dekret de sanctissimo eucharistiae sacramento 101 Doctrina de sanctissimis poenitentiae et extremae unctionis sacramentis 102 Dekret de reformatione 104 Doctrina de communione sub utraque specie 107 Doctrina de sanctissimo missae sacrificio 108

Chalcedon (451) Canon 28 41 Horos 41 Ferrara-Florenz (1439) Lehraussage über den Primat 88 Konstantinopel III (680 – 681) Horos 52 Konstanz (1414 – 1418) Frequens 82 Haec sancta 80 Lateran I (1123) Canones 63 Lateran III (1179) Canon 2 65 Dekret Licet de evitanda discordia 65 Lateran IV (1215) Konstitution De fide catholica 66 Lyon I (1245) Absetzung Friedrichs II. 70 Lyon II. (1274) Dekret Ubi periculum 74

Vaticanum I (1869/1870) Dogmatische Konstitution Dei Filius 118 Dogmatische Konstitution Pastor Aeternus 121 Vaticanum II (1962 – 1965) Dogmatische Konstitution Dei Verbum 127 Dogmatische Konstitution Lumen Gentium 131 Dekret Unitatis Redintegratio 134 Konstitution Sacrosanctum Concilium 137 Dekret de libertate religiosa 138 Erklärung Nostra Aetate 139 Konstitution Gaudium et Spes 141 Vienne (1311/1312) Aufhebung des Ordens der Tempelritter 76

Sachregister Dieser Sachindex gibt wichtige Sachbegriffe in Auswahl an. Ablasshandel 102, 110 Adoptianismus siehe Christologie Älteste (presbyteroi) 10, 11 Anhomoier 26, 27 Anhomoios 23, 26, 27 Apollinarismus 34, 38 Apostel 10, 11, 12, 94, 95 Apostelkonzil 10 Apostolischer Stuhl (vom Rom) 15, 16, 40, 46, 57, 58, 72, 82, 91, 92, 94, 101, 104, 114 Arianischer Streit 14, 21, 30 Augsburger Interim 100 Augsburger Religionsfriede 101 Avignoneser Exil 75, 77 Azymen(streit) 73 Begehrlichkeit (concupiscentia) 96 Bild (eikon) 54, 55 Bilderstreit 54, 55 Bischof/Bischöfe 11, 12, 13, 14, 23, 63, 90, 91, 99, 100, 105, 106, 133, 134 Bischofskollegium 9 Bologna-Prozess 7 Buße 99, 101, 102, 103 Canon (des NT) 11, Christologie/Christusglaube 19 – Adoptianismus 19, 36 – Alexandrinische Schule 32 – Antiochenische Schule 31 – Eigentümlichkeiten (idiomata, proprietates) 21, 29, 38 – Enhypostasie 48 – Fleisch (sarx) 32 – Gott-Logos 19, 20, 21, 22, 23, 25, 26, 27, 30, 31, 32, 33, 35, 36, 39, 40, 43, 47, 48, 49, 51 – Henotheletismus 51, 52 – Hypostase 20, 21, 23, 24, 25, 26, 27, 28, 29, 33, 39, 41, 42, 43, 48, 49, 50, 51, 55 – Hypostatische Union 33, 50, 51 – Logos-Anthro¯pos-Schema 31, 32 – Logos-Sarx-Schema 32, 33, 43 – Miaenergetismus 45, 50, 51 – Miaphysitismus 34, 43, 44, 51 – Modalismus 19, 20, 25

– – – – –

Monophysitismus 34, 38, 41, 42, 43, 51, 53, 54 Mutter Gottes (Theotokos) 35, 37 Mutter des Christus (Christotokos) 35 Mutter des Menschen (Anthro¯potokos) 35 Natur (physis, natura) 31, 32, 33, 37, 38, 39, 41, 42, 43, 47, 48, 49, 50, 51, 52, 53 – Natürliche Einung (heno¯sis physike¯) 33 – Nestorianismus 33, 36, 41, 42, 43, 47, 53 – Person (proso¯pon, persona) 21, 29, 31, 32, 35, 38, 39, 41, 42, 43, 49 – Verstand (nous) 33 – Wirkweise (energeia) 50, 51, 52, 53 – Wille (thelema) 52, 53 Collatio cum Severianis 47 Concilium Germanicum 60 Confessio Augustana 93 Consensus fidelium 120 Cuius regio, eius religio 101 Diakon 11, 12 Dictatus Papae 16, 61, 64 Dispens 99 Drei-Kapitel-Streit 49, 52 Dualismus 66 Ehe 110 Ekthesis 51 Enkyklion 44, 45 Eucharistie 67, 73, 99, 101, 105, 107, 108 Fest der Orthodoxie 55, 56 Fides Nicaena 15, 24, 28, 29, 36, 40, 41, 44, 53 Filioque(streit) 71, 72, 87, 88 Formula Hormisdae 46 Formula Unionis (433) 37, 38, 40 Fronleichnam 102 Generalkonzilien 60, 143 Gerechte 98 Geschöpf 21, 23, 26 Glauben 12, 14, 16, 98 Glaubensbekenntnis 15, 47 Gnade (gratia) 97, 98, 99 Gott 21, 23, 24, 29

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Sachregister Heiligenverehrung 111 Henotheletismus siehe Christologie Henotikon 45 Hl. Geist 10, 11, 13, 15, 19, 20, 21, 26, 29, 30, 41, 43, 71, 87, 88, 97, 103 – probole¯ 72, siehe auch Filioque(streit) Homoier 27, 29, 30 Homoios 27 Homoiousianer 27, 28 Homoiousios 27 Homoousianer (= Nizäner) 27, 28 Homoousios 23, 25, 27, 28, 37, 38, 41, 42, 45, 46 Hypostase siehe Christologie Ikonodoulen 54 Ikonoklasten 53, 54 Immaculata conceptio 115, 116 Inspiration 94 Investitur(streit) 60, 62, 63 Katharer 61, 66, 67 Kirche 12, 13, 16, 17, 67, 83, 84, 91, 121, 122, 123, 131, 132, 133, 134 Kirchenstaat 113, 116 Kirchenunion 73, 74, 86, 87, 88, 89, 90, 91, 142 Kirchlicher Liberalismus 114 Konfessionelles Zeitalter 112 Konsens der Kirche 15 Konzil 10 – Begriffsbestimmung 9, 17, 18 – Ökumenisches 9, 13, 14, 15, 16, 17, 18 Konziliarismus 77, 86 Kurie 99 Lateinisches Kaiserreich von Konstantinopel 62, 66, 68, 69, 70, 71 Letzte Ölung 99, 101, 102, 103 Libertas ecclesiae 63, 91 Libri Carolini 57 Liturgiereform 137, 138 Messe 108, 109, 110, 137, 138 Miaenergetismus siehe Christologie Miaphysitismus siehe Christologie Modalismus siehe Christologie Monenergetismus siehe Miaenergetismus Monophysitismus siehe Christologie Monotheletismus siehe Henotheletismus Nationes 79, 80 Neu-Chalcedonismus 48, 49, 51 Neu-Nizänismus 27, 28, 30 Ökonomie 20

Ökumene 132, 133, 134, 135, 136, 137, 142, 143 Offenbarung 94, 118, 119, 129, 130 Ontologie 20 Ortskirche/Ortsgemeinde 10, 11, 12, 13, 100 Osterfeststreit 13 Papa haereticus 77, 78 Paradies 95 Pentarchie 16, 58, 68, 88, 89 Pneumatomachen 29, 30, 41 Prädestination 99 Predigt 90, 107 Priestertum 104, 105 Primat des Römischen Papstes 44, 73, 87, 88, 89 Purgatorium 73, 107, 110, 111 Quanta cura 115 Rechtfertigung (iustificatio) 95, 96, 97, 98, 100, 101 Reformation 17, 91, 92, 93 Religionsfreiheit 114, 138 Rerum novarum 124 Reue 102 Sakramente 99, 101, 102, 104 Schisma/Schismatiker 12, 61, 87, 91 Schmalkaldischer Bund 93, 100 Schöpfung 21 Seele 90, 102 Simonie 60, 61, 64 Simul iustus et peccator 96 Sizilianische Vesper 74 Societas christiana 114 Sola Fide 98 Sola Gratia 98 Sola Scriptura 94 Sonne 21 Sünde 96, 102, 105 Sünder 96, 97 Substanz (substantia) 21 Sukzession (apostolische) 12, 13, 46, 105 Syllabus errorum 115 Synode 9, 13, 17 Taufe 96, 99, 105 Templer/Tempelritter 62, 76 Tomus Leonis 38, 40, 42, 46, 52 Tradition 11, 12, 13, 16, 94 Transsubstantiation 67, 102 Ultramontanismus 114 Ursünde 95, 96, 99 Unfehlbarkeit des päpstlichen Lehramtes 117, 120, 121, 122, 123

Sachregister Ut unum sint 142 Väter 15, 27 Verehrung eines Christusbildes 53, 54 Vernunft 118, 119 Vulgata 94, 95 Weihe 99, 104, 105

Wesen (ousia) 23, 25, 27, 28, 29 Wormser Konkordat 62, 63 Würzburger Synode 9 Zölibat 61, 64 Zwölf Anathemata 36

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