Zur Geltung des Gesetzlichkeitsprinzips im Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuchs [1 ed.] 9783428544622, 9783428144624

Die Frage, ob bzw. inwieweit der Nullum-crimen-Satz nicht nur Anforderungen an die Tatbestände des BT, sondern auch an d

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Zur Geltung des Gesetzlichkeitsprinzips im Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuchs [1 ed.]
 9783428544622, 9783428144624

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Strafrechtliche Abhandlungen Neue Folge · Band 254

Zur Geltung des Gesetzlichkeitsprinzips im Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuchs Von

Florian Alexander Kirsch

Duncker & Humblot · Berlin

FLORIAN ALEXANDER KIRSCH

Zur Geltung des Gesetzlichkeitsprinzips im Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuchs

Strafrechtliche Abhandlungen · Neue Folge Begründet von Dr. Eberhard Schmidhäuser (†) em. ord. Prof. der Rechte an der Universität Hamburg

Herausgegeben von Dr. Dres. h. c. Friedrich-Christian Schroeder em. ord. Prof. der Rechte an der Universität Regensburg

und Dr. Andreas Hoyer ord. Prof. der Rechte an der Universität Kiel

in Zusammenarbeit mit den Strafrechtslehrern der deutschen Universitäten

Band 254

Zur Geltung des Gesetzlichkeitsprinzips im Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuchs

Von

Florian Alexander Kirsch

Duncker & Humblot · Berlin

Zur Aufnahme in die Reihe empfohlen von Prof. Dr. Carl-Friedrich Stuckenberg, Bonn Die Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Universität des Saarlandes hat diese Arbeit im Jahre 2014 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2014 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 0720-7271 ISBN 978-3-428-14462-4 (Print) ISBN 978-3-428-54462-2 (E-Book) ISBN 978-3-428-84462-3 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Für Axel, meinen Vater und Freund, in liebevoller Erinnerung

Vorwort Die vorliegende Schrift ist von der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität des Saarlandes im Sommersemester 2014 als Dissertation angenommen worden. Literatur und Rechtsprechung sind auf den Stand vom April 2014 gebracht. Zu danken habe ich meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Carl-Friedrich Stuckenberg, LL.M. (Harvard), für die umfassende Betreuung und wissenschaftlichen Freiräume, darüber hinaus für vieles, was ich während der Arbeit an seinem Lehrstuhl von ihm lernen durfte. Ich habe die Ehre und Freude, sein erster „fertiger“ Doktorand zu sein. Ferner danke ich Herrn Prof. Dr. Dr. h. c. Heike Jung nicht nur für die rasche Erstellung des Zweitgutachtens, sondern auch für anregende Diskussionen und Hinweise. Dank schulde ich überdies der Studienstiftung des Deutschen Volkes, die die Entstehung der Arbeit mit einem Promotionsstipendium ideell wie materiell förderte und somit ihre Vollendung wesentlich beschleunigte. Zuletzt bleibt mir, meine Dankbarkeit gegenüber meiner Familie und meinen Freunden zum Ausdruck zu bringen, die mich in der Promotionsphase unterstützt haben. Mein Freund Benedikt Eisele hat mir besonders bei Formatierungsfragen mit Rat und Tat zur Seite gestanden. Geduld und Verständnis für die gelegentlichen Leiden eines Doktoranden hat meine Partnerin Anna Burger aufgebracht, die die Dissertation außerdem mehrmals gründlich Korrektur las. Meine Eltern Axel und Christine Kirsch haben meinen Werdegang mit ihrer Liebe und Fürsorge stets unterstützt und begleitet, ich danke ihnen für alles von ganzem Herzen. Saarbrücken, im Juli 2014

Florian Kirsch

Inhaltsverzeichnis A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der Satz nullum crimen, nulla poena sine lege und seine Ausformungen im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verfassungsrechtliche Verankerung und einfachgesetzliche Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Ausformungen des Nullum-crimen-Satzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Nullum crimen, nulla poena sine lege certa (Bestimmtheitsgebot) . . b) Nullum crimen, nulla poena sine lege stricta (Analogieverbot) . . . . . c) Nullum crimen, nulla poena sine lege scripta (Verbot des Gewohnheitsrechts) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Nullum crimen, nulla poena sine lege praevia (Rückwirkungsverbot) III. Verhältnis der Einzelverbürgungen zueinander . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rückwirkungsverbot und Bestimmtheitsgebot bzw. Analogieverbot . . . . 2. Gewohnheitsrechtsverbot und Analogieverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bestimmtheitsgebot und Analogieverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Kritik am „strafrechtlichen Grundmodell“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das „verfassungsrechtliche Grundmodell“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Erwiderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Historische Entwicklung mit Blick auf die verfolgten Zwecke, internationaler Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Historische Entwicklung des Gesetzlichkeitsprinzips unter Berücksichtigung des Verhältnisses zum Allgemeinen Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Erste Ursprünge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Constitutio Criminalis Carolina . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Entwicklung im 17. und 18. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Absolutismus und Aufklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erste gesetzliche Fixierung des strafrechtlichen Gesetzlichkeitsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Erste deutschsprachige Strafrechtskodifikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Josephina . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Allgemeines Preußisches Landrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Feuerbach und Diskussion in der Wissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Nullum crimen, nulla poena sine lege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15 15 18 18 21 21 23 25 26 27 27 27 29 30 30 32 33 35 35 35 36 38 38 41 41 41 42 44 44

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Inhaltsverzeichnis b) Verhältnis des Nullum-crimen-Satzes zum AT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Weitere Entwicklung des Prinzips in Deutschland im 19. und frühen 20. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kodifikationen deutscher Partikularstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Preußisches StGB und Reichseinheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kritik in der Wissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Weimarer Republik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. NS-Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Entwicklung unter der Geltung des Grundgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Grundgedanken und Zwecke des Gesetzlichkeitsprinzips i. d. F. des Art. 103 II GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Pluralität der Zwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Schuldprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verhaltenssteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Demokratie und Gewaltenteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Rechtssicherheit, Freiheitssicherung, Sicherung der Rechte des Bürgers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rationes des Bestimmtheitsgebots und des Analogieverbots . . . . . . . . . . . III. Überblick über die internationale Entwicklung und Verbreitung des Gesetzlichkeitsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Nationale Rechtsordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Italien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Spanien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Portugal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) England und Wales, Schottland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Nordische Staaten (an den Beispielen Schweden, Dänemark, Norwegen, Finnland) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Österreich, Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Polen, Russland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . i) Türkei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . j) USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Internationale Bestimmungen und gewohnheitsrechtliche Geltung . . . . . IV. Zusammenfassung der Ergebnisse des Kapitels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

74 75 76 77 77 78 79 80

C. Bisheriger Verlauf der Diskussion um die Geltung des Gesetzlichkeitsprinzips im Allgemeinen Teil anhand des Beispiels Analogieverbot . . . . . . . . . . . . I. Streitstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Herrschende Meinung: Geltung des Analogieverbots im AT . . . . . . . . . . a) Stellung von § 1 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Wortlaut von Art. 103 II GG, § 1 StGB und Wesen des AT . . . . . . . . . c) Schutzzweck des Art. 103 II GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

83 83 85 85 86 87

46 47 47 48 50 50 52 54 56 56 57 59 60 63 67 69 70 70 71 72 72

Inhaltsverzeichnis

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2. Mindermeinung: keine Geltung des Analogieverbots im AT . . . . . . . . . . 89 a) Ansicht Feuerbachs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 b) Drohende umfassende Revision der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . 90 c) Analogieverbot als Generalisierungsverbot (Jakobs) . . . . . . . . . . . . . . 91 d) Lückenhafter Regelungszustand des AT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 3. Vermittelnde Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 II. Notwendigkeit eines Neuansatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 1. Einschränkungen innerhalb der h. M. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 a) Rechtfertigungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 b) Gewohnheitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 c) Erweiterte Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 2. Folgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 D. Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Allgemeiner Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Herkömmliches Verständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gesetzestechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Grundlagencharakter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Exkurs: begriffliche Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Trennung von AT und BT als vorzugswürdige Lösung . . . . . . . . . c) Herstellung materieller Gerechtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Eigenständiger Begriff des AT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Conduct rules und rules of adjudication . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) „Lücken im AT“ – Nauckes Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Rechtsgutsblindheit des AT – Fincke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Geltungs-, Zurechnungs- und Vorrangregeln – Tiedemann . . . . . . . . . 3. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Bestimmtheitsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Was bedeutet Gesetzesbestimmtheit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Bestimmtheit eines Gesetzes im System des Grundgesetzes . . . . . . a) Allgemeiner Bestimmtheitsgrundsatz aus Art. 20 III GG . . . . . . . . . . b) Besondere verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebote . . . . . . . . . . . . 3. Bestimmtheitsgebot im Strafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anforderungen an das Strafgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Skeptiker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . cc) Die 50-Prozent-Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Das Bestimmtheitsgebot im Lichte der sog. personalen Straftatlehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Abwägungslösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Drei-Stufen-Schema . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

104 104 105 106 108 109 111 112 114 115 118 120 121 123 126 127 133 134 135 136 137 137 139 143 144 145 147

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Inhaltsverzeichnis gg) Intersubjektivität der Bedeutungszuschreibung und Bestimmtheitsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . hh) Programmsicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ii) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bestimmtheitsgebot als Auslegungsregel: Präzisierungsgebot . . . . . . 4. Bestimmtheit und AT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Fahrlässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Kein Verstoß gegen Art. 103 II GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verstoß gegen Art. 103 II GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Verfassungskonforme Auslegung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) § 13 I StGB (Garantenstellung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Bundesverfassungsgericht und herrschende Auffassung . . . . . . . . bb) Gegenansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Analogieverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abgrenzung von „Analogie“ und Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Sinn und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Subjektive Auslegung: historisch ermittelbarer Wille und Zweck des Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Wortsinngrenze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. „Erweitertes“ Analogieverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Analogieverbot als Verlängerung des Bestimmtheitsgebots . . . . . . . . . . . . a) Adressat des Analogieverbots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Analogieverbot, „erweitertes“ Analogieverbot und Präzisierungsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Analogieverbot und Allgemeiner Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Streitfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

E. Verfassungsrechtliche Natur und Struktur des Art. 103 II GG: Einbettung der AT-Problematik in die Verfassungsstruktur des Art. 103 II GG . . . . . . . . I. Verfassungsrechtliche Natur von Art. 103 II GG: Grundrecht, grundrechtsähnliches Recht oder Schranken-Schranke? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Art. 103 II GG als Schranken-Schranke? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Grundrecht oder grundrechtsgleiches Recht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verfassungsrechtliche Struktur des Art. 103 II GG und die „immanenten Grenzen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einschränkbarkeit von nullum crimen, nulla poena sine lege? . . . . . . . . . 2. Präzisierung des Schutzbereichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Gewährleistungsgehalt des Art. 103 II GG bezüglich des Allgemeinen Teils

149 151 153 154 160 160 160 163 165 167 167 170 171 173 174 175 177 178 188 191 191 195 196 197 200 201 201 201 205 206 207 208 212 216

Inhaltsverzeichnis

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1. Bestimmtheitsgebot und Allgemeiner Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Historische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Systematische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Teleologische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Analogieverbot und Allgemeiner Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Präzisierungsgebot und Allgemeiner Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

217 217 220 222 229 231 233

F. Die Wirkungsweise von Art. 103 II GG im AT anhand von Beispielen . . . . . I. Versuchte Beihilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Fahrlässige Mittäterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kausalitätsprobleme als impetus des Streits . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zulässigkeit und Notwendigkeit einer fahrlässigen Mittäterschaft . . . . . a) Die fahrlässige Mittäterschaft im Lichte des Analogieverbots . . . . . . b) Die fahrlässige Mittäterschaft im Lichte des Präzisierungsgebots . . . aa) Fehlen eines gemeinsamen Tatplans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Rechtspflicht immer nur für ein Rechtssubjekt . . . . . . . . . . . . . . . cc) Unverhältnismäßige Strafbarkeitsausdehnung . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Entbehrlichkeit der fahrlässigen Mittäterschaft . . . . . . . . . . . . . . . (1) Einheitstäterbegriff und Nebentäterschaft – Ausweitung des Kausalzusammenhangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Unterlassungstäterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Kausalitätslösungen bei Gremienentscheidungen . . . . . . . . . c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Voraussetzungen der fahrlässigen Mittäterschaft als Beispiel der Herausarbeitung des AT im konstruktiven Sinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Modell nach Otto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Modell nach Renzikowski . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Modell nach Weißer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Modell nach Kamm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Bewertung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Actio libera in causa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Actio libera in causa und Art. 103 II GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ausnahmemodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Teleologische Reduktion von § 20 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Gewohnheitsrecht, Richterrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Tatbestandsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Actio praecedens als Tathandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Actio praecedens als Tatbeginn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis c) Ausdehnungsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Ex-post-Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) „Schuldtatbestand“ – Ausdehnende Interpretation des Tatbegriffs bei § 20 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

279 279 281 285

G. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331

A. Einleitung I. Problemaufriss „. . . wo bleibt die Garantie, wenn man nicht weiß, wofür sie gilt?“ 1

Jene Frage Engischs ist für das strafrechtliche Gesetzlichkeitsprinzip bis heute nicht ausreichend beantwortet. An einer befriedigenden Bestimmung seines genauen Geltungsbereichs mangelt es weiterhin. Gerade in Bezug auf den Allgemeinen Teil ist vieles ungeklärt.2 Dies vermag zu verwundern, herrschte doch noch bis in die achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts in Deutschland eine lebhafte Kontroverse, ob und, wenn ja, inwieweit das Gesetzlichkeitsprinzip auch im AT Geltung beansprucht. Die Diskussion betraf alle Ausprägungen des Gesetzlichkeitsprinzips, in ihrem Mittelpunkt aber stand das Analogieverbot: Während der überwiegende Teil der Lehre bei diesem ebenso keine Ausnahmen machte, trat eine Mindermeinung dafür ein, dass dem Richter im AT – zumindest teilweise – die Rechtsfindung per analogiam in malam partem erlaubt sei. Aktuell wird das Problem, ob der Geltungsbereich des Gesetzlichkeitsprinzips den Allgemeinen Teil umfasst, kaum noch ausführlich diskutiert. Allerdings hat sich Dannecker3 jüngst wieder mit ihm befasst. Mittlerweile erstreckt die ganz herrschende Meinung4 das Gesetzlichkeitsprinzip, allen voran das Analogieverbot, auf den Allgemeinen Teil des StGB, wenngleich dies mit Blick auf die Rechtfertigungsgründe oftmals mit Einschränkungen geschieht5. Diese Überzeugung hat sich nicht aufgrund überlegener Gründe oder eines bahnbrechenden Lösungsansatzes entwickelt. Die ins Feld geführten Argumente6 für die Geltung des Gesetzlichkeitsprinzips im Allgemeinen Teil sind weitgehend dieselben, die 1

Engisch, FS Mezger, 127, 132. So auch Haft, AT, C I 3; Roxin, AT/I, § 5 Rn. 41; s. a. Kraatz, Fahrlässige Mittäterschaft, S. 196; ferner im Text Kap. C. II. 2. Fn. 68. Eine weitere interessante Frage stellt sich bezüglich der Geltung des spezifisch strafrechtlichen Gesetzlichkeitsprinzips im Strafprozessrecht, vgl. dazu Jäger, GA 2006, 615 ff.; Kudlich, in: Gesetzlichkeit und Strafrecht, 233 ff. 3 Vgl. Dannecker, FS Otto, 25 ff. 4 An dieser Stelle seien stellvertretend genannt BGHSt 42, 158, 161; LK12-Dannecker, § 1 Rn. 82 ff.; Satzger/Schluckebier/Widmaier-Satzger, § 1 Rn. 10. 5 Vgl. nur Roxin, AT/I, § 5 Rn. 42 m.w. N. 6 Wenn überhaupt Argumente vorgebracht werden; teils wird lapidar die Geltung im AT mit einem Satz festgestellt, s. etwa BGHSt 42, 158, 161; Burkhardt, JZ 1971, 352, 355; Schönke/Schröder29-Eser/Hecker, § 1 Rn. 27; Krey/Esser, AT5, § 3 Rn. 97; Lackner/Kühl, § 1 Rn. 5. 2

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A. Einleitung

schon immer vorgetragen wurden. Vielmehr scheint das Erlahmen der Debatte, überspitzt ausgedrückt, mit dem „Aussterben“ der Vertreter der Mindermeinung zusammenzuhängen. Lediglich Jähnke schließt in diesen Tagen die Analogie im AT nicht kategorisch aus, sondern differenziert, d.h. will von Fall zu Fall ihre Zulässigkeit prüfen7. Mit einem gesunkenen Interesse an den genauen Konturen des strafrechtlichen Gesetzlichkeitsprinzips lässt sich der Missstand eigentlich nicht erklären. Besonders für das Bestimmtheitsgebot kann man konstatieren, dass es in jüngerer Vergangenheit eine erhöhte Aufmerksamkeit seitens der Rechtsprechung und der Lehre erfahren hat.8 Dabei erscheint es gleich in zweifacher Weise bedeutsam, sich mit dem Geltungsbereich des Nullum-crimen-Satzes auseinanderzusetzen. Erstens handelt es sich hierbei um eine verfassungsrechtliche Frage, denn im Grunde geht es um die Reichweite der Grundgesetzbestimmung des Art. 103 II GG. Es ist ein beklagenswerter Umstand, dass strafrechtliche Fragen – wie es die Diskussion um die Rechtsgüterlehre illustriert9 – oft10 losgelöst von der verfassungsrechtlichen Dimension erörtert werden. Nicht zuletzt das gestiegene Augenmerk seitens des Bundesverfassungsgerichts gibt Anlass, sich wieder in verstärktem Maße mit dem Nullum-crimen-Satz auseinanderzusetzen, zumal dieser gerne als „Säule rechtsstaatlichen Strafens“ 11 bezeichnet wird. In nunmehr einigen Entscheidungen hat das Gericht tradierten Rechtsprechungslinien ein Ende gesetzt, indem es diese als verbotene Analogie geißelte. Exemplarisch zu nennen sind die Judikate zur Einordnung des unvorsätzlichen Entfernens vom Unfallort als „entschuldigt“ im Sinne des § 142 II Nr. 2 StGB12 oder des PKWs als Waffe im Sinne des § 113 II Nr. 1 StGB13. 7

Jähnke, FS BGH, 393, 399 f. Reichenbach, JZ 2005, 405, 405; L. Schulz, FS Roxin II, 305, 305. Für Rotsch, ZJS 2008, 132, 132, hat das Bestimmtheitsgebot dagegen „derzeit keine Konjunktur“; er dürfte damit aber dessen zurückhaltende Anwendung meinen. 9 Vgl. dazu Stuckenberg, GA 2011, 653, 654 ff. 10 In den vergangenen zwei Jahrzehnten ist demgegenüber eine gegenläufige Entwicklung erkennbar, für die u. a. die Arbeiten von Appel (Verfassung und Strafe, 1998), Lagodny (Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte, 1996) und Tiedemann (Verfassungsrecht und Strafrecht, 1991) stehen. Kritisch zu diesem Prozess und zum Wert des Verfassungsrechts für das Strafrecht Greco, in: Strafrecht und Verfassung, 13, 14 („. . . kann . . . sogar schädlich sein.“), 20 ff. 11 Schünemann, ZStW 119 (2007), 945, 945; vgl. auch Jescheck, FS Miyazawa, 363, 381 (Grundpfeiler); Landau, NStZ 2011, 537, 541. 12 BVerfG NJW 2007, 1666, 1667 f. (mit Anm. Simon, 1668 f.). 13 BVerfG NJW 2008, 3627, 3629 = NStZ 2009, 83, 84 (mit Anm. Simon, 84 f.). Was das Bestimmtheitsgebot angeht, legt das Gericht weniger strenge Maßstäbe an, man vergleiche nur den – aus anderen Gründen bedeutsamen – Beschluss zur Untreue, BVerfGE 126, 170, 200 ff. = NJW 2010, 3209, 3212 ff., sowie den Beschluss zum unechten Unterlassungsdelikt, BVerfG NJW 2003, 1030, 1030 = JZ 2004, 303, 304 (mit Anm. Seebode, 305 ff.). 8

I. Problemaufriss

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Zweitens ist aus Sicht des materiellen Strafrechts eine Klärung notwendig; beispielsweise würde die Analogie, kommt man zu dem Ergebnis, dass sie im AT zulässig ist, Auswirkungen auf die Lösung von zahlreichen Problemen haben, die sich durch die fortschreitende Modernisierung für den eher „klassischen“ AT stellen. Man denke an die Diskussion um die sogenannte fahrlässige Mittäterschaft sowie an das Wirtschaftsstrafrecht, auf das der Allgemeine Teil des StGB, da dieser vorwiegend an den Gewaltdelikten ausgerichtet ist,14 häufig nur sehr mühevoll angewendet werden kann. Dabei sind die praktischen Folgen im Blick zu behalten. In besonderem Maße erscheint demnach das Analogieverbot von Interesse, gerade was seine Auswirkungen in Anschauung der bisherigen strafrechtlichen Methodenlehre anbelangt. Es soll daher einen Schwerpunkt dieser Untersuchungen bilden. Allerdings ist beim Analogieverbot zu berücksichtigen, dass es auf das engste mit dem Bestimmtheitsgebot zusammenhängt. Eine Untersuchung, ob das Analogieverbot im Allgemeinen Teil gilt, muss notwendigerweise zunächst klären, ob das Bestimmtheitsgebot hier im gleichen Umfang wie üblich gilt. Natürlich stellt sich sodann die durchaus problematische Frage, was beim Bestimmtheitsgebot der sonst übliche Umfang ist. Prima vista ergeben sich die skizzierten Zweifel aus Folgendem: Unter dem Allgemeinen Teil versteht man traditionell Regelungen, die für jeden Straftatbestand von Bedeutung sein können und aus diesem Grunde „vor die Klammer“ gezogen worden sind. Der AT muss somit für eine ungeheure Vielfalt von Fällen anwendbar sein. Dem trägt das StGB Rechnung durch Regelungen, die generalklauselartig formuliert, offen gefasst sind; teils fehlt es gar an gesetzlichen Bestimmungen zu ganzen Instituten des AT, teils enthält die jeweilige Regelung nur ein Blankettmerkmal, das lediglich bezüglich der Existenz des Instituts eine positive Aussage trifft15. Keinerlei Regelung findet sich etwa zur Kausalität, Vorsatz und Fahrlässigkeit werden nur genannt, aber nicht definiert. Der Konflikt dieses Zustandes mit dem Bestimmtheitsgebot und dem Analogieverbot sticht ins Auge. Es ist zu klären, ob er zwangsläufig und zulässig oder unangebracht und letztlich verfassungswidrig ist. Erkenntnisse, die für diese beiden Garantien gewonnen werden, lassen Rückschlüsse auf das Verbot strafbegründenden oder strafschärfenden Gewohnheitsrechts zu. Dieses wird dementsprechend auch angesprochen, jedoch keiner eigenständigen Untersuchung unterzogen. Auf das Rückwirkungsverbot soll hingegen nicht näher eingegangen werden, da es nicht im hier interessierenden Spannungsfeld der Wechselbezüge von Gesetzgebung und Rechtsanwendung secundum legem sowie praeter legem liegt. Bereits an dieser Stelle sei zudem angemerkt: Von 14 Tiedemann, GA 1976, 89, 89; vgl. auch ders., FS Lenckner, 411, 413; s. a. Schünemann, Grund und Grenzen, S. 70. 15 Sternberg-Lieben, Schranken, S. 322 Fn. 181; ähnlich Kudlich, Unterstützung, S. 262 („nur Eingangsdaten“).

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A. Einleitung

den vielfältigen Regelungsblöcken des AT soll es in erster Linie um die §§ 12 ff. StGB gehen; nur gelegentlich gestreift werden die Normen des internationalen Strafrechts sowie die Sanktionsregelungen der §§ 38 ff. StGB. Somit bilden den Ausgangspunkt für das Folgende die Fragen: Gelten das Analogieverbot und das ihm gleichsam vorgehende Bestimmtheitsgebot im Allgemeinen Teil des Strafrechts? Und wenn ja, im vollem Umfang, sind Abstufungen möglich und geboten?

II. Der Satz nullum crimen, nulla poena sine lege und seine Ausformungen im Überblick 1. Verfassungsrechtliche Verankerung und einfachgesetzliche Ausgestaltung [Nullum crimen], nulla poena sine lege, so heißt es erstmals in der berühmten lateinischen Parömie bei Feuerbach16. Im gegenwärtigen deutschen Recht kommt dem Grundsatz der Gesetzesgebundenheit im Strafrecht Verfassungsrang zu. Nach Art. 103 II GG kann eine Tat nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. Es handelt sich um ein subjektives grundrechtsgleiches Recht17 (einige nehmen sogar ein echtes Grundrecht an, da es zum klassischen Bestand verfassungsstaatlicher Grundrechts16 Feuerbach, Lehrbuch, § 20. Byrd/Hruschka, JZ 2007, 957, 960, führen diesen Satz Feuerbachs auf Kant zurück. Kritisch zum damit verbundenen deutschen Hang zur Formelhaftigkeit ohne Ertrag im Rahmen des Gesetzlichkeitsprinzips Dubber, in: From the Judge’s Arbitrium to the Legality Principle, 365, 379 f., 384 f. 17 BVerfGE 85, 69, 72; BVerfG NVwZ 2012, 504, 504; DStR 2014, 540, 541; D. Albrecht, Begründung, S. 137; Amelung, JZ 1982, 617, 620 (Grundrechtscharakter); Basak, in: Strafrecht und Verfassung, 71, 72; Böhm, Gesetzlichkeit, S. 28, 33; Bohnert, OWiG, § 3 Rn. 1; Brodowski, JuS 2012, 892, 892; Stern/F. Becker-Brüning, Art. 103 Rn. 2, 137; Sachs-Degenhart, Art. 103 Rn. 53; ders., Staatsrecht I, Rn. 377; Epping, Grundrechte, Rn. 921, 972; Frister, AT, Kap. 4 Rn. 9; Grabenwarter/Pabel, EMRK, § 24 Rn. 133; BeckOK StGB-v. Heintschel-Heinegg, § 1 Rn. 6a; Hettinger/Engländer, FS Meyer-Goßner, 145, 146; Friauf/Höfling-Höfling/Burkiczak, Art. 103 Rn. 1, 125; Hömig-Hömig, Art. 103 Rn. 2; Joecks, StGB, § 1 Rn. 1; Dörr/Grote/Marauhn-Kadelbach, Kap. 15 Rn. 4; G. Kirchhof, Allgemeinheit, S. 332; Paulduro, Verfassungsgemäßheit, S. 359 (grundrechtsähnlich); Jarass/Pieroth-Pieroth, Art. 103 Rn. 43; Pieroth/ Schlink/Kingreen/Poscher, Staatsrecht II, Rn. 1187; BeckOK GG-Radtke/Hagemeier, Art. 103 Rn. 18; SK8-Rudolphi, § 1 Rn. 1 (Grundrechtscharakter); Sax, in: Bettermann/ Nipperdey/Scheuner, S. 997 (den Grundrechten gleichgestellt); Schmidt-Bleibtreu/ Klein-Schmahl, Art. 103 Rn. 1; Maunz/Dürig-Schmidt-Aßmann, Art. 103 II Rn. 191; Schmitz, FS Samson, 181, 184; D. Schroeder, JA 2010, 167, 172; Dreier-Schulze-Fielitz, Art. 103 II Rn. 15; Sengbusch, Subsidiarität, S. 159 (Fn. 315); Sodan/Ziekow, GK ÖR, § 7 Rn. 46, § 49 Rn. 1; Stern, Staatsrecht III/1, § 63 IV 2 e, § 75 II 4 e d; Gröpl/Windthorst/v. Coelln-Windthorst, Art. 103 Rn. 1; Zuck, ZAP Fach 19 (2009), 703, 706 (anders aber ders., Verfassungsbeschwerde, Rn. 501: Grundrecht); i. E. offenlassend, obgleich offensichtlich in diese Richtung tendierend Kuhli, Völkerstrafgesetzbuch, S. 206 (vgl. aber ders., in: Strafrecht und Verfassung, 91, 98: Grundrecht).

II. Der Satz nullum crimen, nulla poena sine lege

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kataloge zähle)18, welches mit der Verfassungsbeschwerde nach Art. 93 I Nr. 4a GG, §§ 13 Nr. 8a, 90 ff. BVerfGG geltend gemacht werden kann. Außerdem wird Art. 103 II GG oft als Prozessgrundrecht oder auch als Justizgrundrecht bezeichnet.19 Dem wird zu Recht mit folgender Erwägung widersprochen: Bei Absatz 2 des Art. 103 GG passe die Bezeichnung als Prozessgrundrecht nicht, da dieser, anders als die Absätze 1 und 3, keine eigentlichen verfahrensrechtlichen Gewährleistungen enthalte,20 es gehe vielmehr um die materielle Bindung der Strafgewalt.21 Auf die genaue verfassungsrechtliche Natur und Struktur von Art. 103 II GG wird später (Kap. E. I., II.) noch näher eingegangen. Somit richtet sich der Nullum-crimen-Satz gegen die staatliche Strafgewalt,22 also sowohl gegen den Gesetzgeber als auch gegen den Richter: Das Strafrecht bildet die schärfste Waffe des Rechtsstaates, aus ihm resultieren die schwersten staatlichen Grundrechtseingriffe, die mit der hoheitlichen Missbilligung von

18 Hamann, GG und Strafgesetzgebung, S. 45; v. Mangoldt/Klein/Starck-Nolte, Art. 103 II Rn. 102; Otto, GK AT, § 2 Rn. 1; s. a. Bopp, Entwicklung, S. 1 f., 145, 195; Dannecker/Stoffers, JZ 1996, 490, 491; Fischer, StGB, § 1 Rn. 1; Geitmann, „Offene“ Normen, S. 69; Ipsen, Staatsrecht II, Rn. 919; Klose, ZStW 86 (1974), 33, 59; Kuhlen, in: Das Gesetzlichkeitsprinzip, 45, 45; Rengier, AT, § 4 Rn. 4 (Grundrechtsrang); KKOWiG-Rogall, § 3 Rn. 2, 8; BK-GG-Rüping, Art. 103 II Rn. 15; Schiemann, Schuldfähigkeitsfeststellungen, S. 10; Th. Schröder, Gesetzesumgehung, S. 182, 321; Seebode, FS Spendel, 317, 321; Seel, Tatbestandsmerkmale, S. 64; Simon, Gesetzesauslegung, S. 109 Fn. 250; Tiedemann, Tatbestandsfunktionen, S. 189; ders., Verfassungsrecht und Strafrecht, S. 44; Welp, Vorangegangenes Tun, S. 140; allerdings werden hieraus keine Konsequenzen gezogen, wie Maunz/Dürig-Schmidt-Aßmann, Art. 103 II Rn. 191, zutreffend bemerkt. 19 BVerfG DStR 2014, 540, 542; Bethge, FS Stern, 295, 300; Gröpl, Staatsrecht I, Rn. 495; Maunz/Dürig-Grzeszick, Art. 20 VII Rn. 29; Krey/Esser, AT5, § 3 Rn. 107; Kuhlen, Verfassungskonforme Auslegung, S. 102; ders., in: Das Bonner Grundgesetz, 39, 45 f.; v. Münch/P. Kunig-P. Kunig, Art. 103 Rn. 1; Löhr, Prozeßgrundrechte, S. 94 f.; NK4-Paeffgen, Vor §§ 32 ff. Rn. 57; IntKommEMRK-Renzikowski, Art. 7 Rn. 18; KKOWiG-Rogall, § 3 Rn. 8; Maunz/Dürig-Schmidt-Aßmann, Art. 103 II Rn. 191; D. Schroeder, JA 2010, 167, 167; F.-C. Schroeder, JuS 1995, 875, 876; L. Schulz, ARSPBeiheft 65 (1996), 173, 173; Schuster, in: Das Gesetzlichkeitsprinzip, 79, 85; Sodan/ Ziekow, GK ÖR, § 49 Rn. 1; Stern, Staatsrecht III/1, § 75 II 2 c. Konsequenzen hat diese Einordnung dann, wenn die Verbandsstrafe eingeführt würde, Zuck, ZAP Fach 19 (2009), 703, 707. 20 v. Mangoldt/Klein/Starck-Nolte, Art. 103 II Rn. 102; s. a. Appel, Verfassung und Strafe, S. 562; Tiedemann, Tatbestandsfunktionen, S. 189. 21 Sachs-Degenhart, Art. 103 Rn. 53; Schmidt-Bleibtreu/Klein-Schmahl, Art. 103 Rn. 1; s. a. Stern/F. Becker-Brüning, Art. 103 Rn. 8; Th. Schröder, Gesetzesumgehung, S. 321; Dreier-Schulze-Fielitz, Art. 103 II Rn. 16; Tiedemann, Verfassungsrecht und Strafrecht, S. 2 f.; Zuck, ZAP Fach 19 (2009), 703, 707. Dagegen handelt es sich bei Art. 103 II GG keinesfalls um die verfassungsrechtliche Rechtsgrundlage des staatlichen ius puniendi, sondern um eine Begrenzung von ebendiesem, vgl. Klose, ZStW 86 (1974), 33, 58 f. 22 Dannecker, FS Roxin II, 285, 287; I.-S. Kim, FS Roxin I, 119, 119 f.; DreierSchulze-Fielitz, Art. 103 II Rn. 11; s. a. Schier, Bestimmtheit, S. 3 (notwendige Bedingung aufgestellt).

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A. Einleitung

Schuld verbunden sind. Jene Besonderheit des Strafrechts ist es, die es erforderlich macht, Art. 103 II GG als lex specialis23 dem allgemeinen Rechtsstaatsprinzip zur Seite zu stellen. Denn die einzelnen Verbürgungen des Nullum-crimenSatzes lassen sich schon allgemein aus Art. 20 III GG selbst ableiten. Beispielsweise folgt das Gebot der Normenbestimmtheit aus einem Unterprinzip des Rechtsstaatsprinzips, der Rechtssicherheit, die zugleich den dem Rückwirkungsverbot zugrunde liegenden Vertrauensschutz mit sich bringt. Art. 103 II GG soll gleichsam als Verstärkung der Ausprägungen des Rechtsstaatsprinzips dienen,24 was das Bundesverfassungsgericht etwa dadurch verdeutlicht, dass es dem Rückwirkungsverbot aus Art. 103 II GG – im Gegensatz zu dem aus dem Vertrauensschutzgesichtspunkt des Rechtsstaatsprinzips abgeleiteten – absolute Wirkung zuspricht.25 Wortgleich zur Grundgesetzbestimmung findet sich das Gesetzlichkeitsprinzip seit dem 2. StrRG an der Spitze des Strafgesetzbuchs. Dabei ist § 1 StGB mit § 2 StGB, der weitere Regelungen zum Rückwirkungsverbot beinhaltet, zusammen zu lesen. Ferner enthält das Ordnungswidrigkeitengesetz eine entsprechende Vorschrift (§ 3 I OWiG), ebenso ist der Grundsatz – obgleich es an einer spezialgesetzlichen Normierung im BDG oder in der WDO mangelt – nach wohl h. M. im Disziplinarrecht26 zu beachten. Prima facie, d.h. ohne Berücksichtigung der ihm entnommenen Ausprägungen, bedeutet der Nullum-crimen-Satz zunächst, dass die Strafbarkeit überhaupt gesetzlich bestimmt sein muss. Dies kann durch formelles Gesetz, aber auch durch ausgestaltende Rechtsverordnungen27 (freilich nur unter sehr strenger Wahrung der Anforderungen des Art. 80 I 1 GG, womit wieder auf ein formelles Gesetz rekurriert wird) und Satzungen geschehen. Bei der Androhung von Freiheitsstrafen fordert Art. 104 I GG stets ein förmliches Gesetz.28 Insofern kann man den „klassischen“ Ausprägungen den Satz nullum crimen, nulla poena sine 23 Degenhart, Staatsrecht I, Rn. 377; Friauf/Höfling-Höfling/Burkiczak, Art. 103 Rn. 7; Krahl, Rechtsprechung, S. 112 f. 24 BVerfGE 109, 133, 171; v. Mangoldt/Klein/Starck-Nolte, Art. 103 II Rn. 169; L. Schulz, ARSP-Beiheft 65 (1996), 173, 173; s. a. Appel, Jura 2000, 571, 571. 25 BVerfGE 95, 96, 131; 109, 133, 172. 26 BVerfGE 26, 186, 203 f.; 42, 261, 262 f.; 45, 346, 351; 57, 29, 35; 60, 215, 233 f.; 66, 337, 355 f.; BGHSt 28, 333, 336 f.; 29, 124, 129; Matt/Renzikowski-Basak, § 1 Rn. 6; Schönke/Schröder29-Eser/Hecker, § 1 Rn. 5; SK8-Rudolphi, § 1 Rn. 3; a. A. Appel, Verfassung und Strafe, S. 125, 529 f.; Maunz/Dürig-Schmidt-Aßmann, Art. 103 II Rn. 196; MK-Schmitz, § 1 Rn. 18. 27 BVerfGE 14, 174, 185; 14, 245, 251; 14, 254, 257; 22, 21, 25; 32, 346, 362; 51, 60, 73; allerdings betont das Gericht an anderer Stelle den strengen Gesetzesvorbehalt, der aus Art. 103 II GG folgt, BVerfGE 47, 109, 120; BVerfG NJW 2010, 3209, 3210. Vgl. dazu jüngst Böse, FS Krey, 7, 8 ff.; Kuhlen, in: Das Gesetzlichkeitsprinzip, 45, 49 ff. 28 BVerfGE 14, 174, 186 f.; Schönke/Schröder29-Eser/Hecker, § 1 Rn. 8.

II. Der Satz nullum crimen, nulla poena sine lege

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lege parlamentaria zur Seite stellen. Erfasst sind vom strafrechtlichen Gesetzlichkeitsprinzip trotz des scheinbar engen Wortlauts der „Strafbarkeit“ sowohl das verbotene Verhalten (nullum crimen) als auch die Strafdrohung (nulla poena).29 Nicht erfasst sind dagegen die Maßregeln der Besserung und Sicherung,30 was § 2 VI StGB für das Rückwirkungsverbot ausdrücklich gesetzlich festlegt. 2. Die Ausformungen des Nullum-crimen-Satzes Üblicherweise31 werden dem Satz vier Garantien entnommen, nämlich drei Verbote und ein Gebot. An dieser Stelle sollen alle nur kurz erläutert werden, da ausführlichere Untersuchungen für die im Zentrum dieser Arbeit stehenden Ausformungen später (s. Kap. D. II., III.) noch erfolgen. a) Nullum crimen, nulla poena sine lege certa (Bestimmtheitsgebot) Neben dem Erfordernis, dass die Strafbarkeit überhaupt gesetzlich festgelegt sein muss, kann man dem Gesetzlichkeitsprinzip entnehmen, dass jenes Gesetz zudem ein gewisses Maß an Bestimmtheit erreichen muss. Dieses Bestimmtheitsgebot richtet sich primär an den Gesetzgeber, neuerdings wird außerdem, was noch genauer betrachtet werden soll, die Bindung des Richters betont32. Dem 29 Dies wird inzwischen nicht mehr bezweifelt, vgl. nur BVerfGE 105, 135, 153 f.; BVerfG NJW 1993, 321, 321. Freilich herrschte noch zur Zeit der Geltung von § 2 StGB a. F. sowie Art. 116 WRV Streit bezüglich des Inhalts der jeweiligen Norm: Während erstere die Bestimmtheit der „Strafe“ forderte, knüpfte letztere an die „Strafbarkeit“ an. Hieraus folgerten einige, dass nur der Satz nullum crimen sine lege durch die WRV abgesichert sei, § 2 StGB a. F. verbürge im Gegensatz dazu auch nulla poena sine lege. Da Art. 103 II GG seinem Vorgänger aus der WRV entspricht, schlossen manche, auch dieser enthalte nulla poena sine lege nicht. Roxin, AT/I, § 5 Rn. 6, weist aber darauf hin, dass „Strafbarkeit“ durchaus so ausgelegt werden kann, dass nicht nur das „Ob“, sondern auch das „Wie“ derselben gesetzlich zu bestimmen ist; anders würde der Sinn der Garantie, Willkür zu verhindern, unterlaufen. Dagegen führt Epping, Der Staat 34 (1995), 243, 257 f., teleologische Erwägungen ins Feld, um die Erfassung der Strafdrohung durch das Gesetzlichkeitsprinzip zu begründen. 30 Bis vor kurzem h. M. im deutschen Recht, vgl. BVerfGE 109, 133, 167; BGHSt 50, 121, 130; Appel, Verfassung und Strafe, S. 529; Brodowski, JuS 2012, 892, 893; LK12-Dannecker, § 1 Rn. 96; Krey, ZStW 101 (1989), 838, 853; Lackner/Kühl, § 1 Rn. 8; Jarass/Pieroth-Pieroth, Art. 103 Rn. 47. Anders sieht dies bekanntlich der EGMR mit Blick auf Art. 7 I EMRK, vgl. EGMR NStZ 2010, 263, 264 f. Neuerdings unterwirft das Bundesverfassungsgericht die Maßregeln dem Abstands- sowie dem Vertrauensschutzgebot (Art. 2 II i.V. m. Art. 20 III GG), lehnt aber weiterhin ihre Subsumtion unter den Begriff der Strafe i. S. d. Art. 103 II GG ab, s. BVerfGE 128, 326, 392 f. 31 Statt aller BVerfGE 26, 41, 42; Fischer, StGB, § 1 Rn. 2; Jescheck/Weigend, AT, § 15 III. Anders nunmehr Kuhlen, FS Otto, 89, 91 ff., näher dazu sogleich in Kap. A. IV. 32 Vgl. Nachweise in Kap. D. II. 3. b) Fn. 188.

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A. Einleitung

Gebot liegt nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts und des BGH zweierlei zugrunde: Zum einen soll der demokratische Gesetzgeber selbst über die Konturen der Strafbarkeit entscheiden;33 bei einem Gesetz mit sehr weiten Begriffen liegt diese Entscheidung größtenteils beim – gegebenenfalls unter dem Eindruck des Einzelfalles agierenden – Richter. Zum anderen soll jedermann vorhersehen können, welches Verhalten mit welcher Strafe bedroht ist, und sein Verhalten entsprechend einstellen können.34 Dies spricht positiv an, dass der Bürger nur so seine verfassungsrechtlich garantierte Freiheit vollkommen ausüben kann, negativ dagegen, dass nur so Einfluss auf das Verhalten des Normadressaten möglich ist. Jenes Gebot trägt jedoch die Gefahr in sich, bei einem absoluten Verständnis den Gesetzgeber zu überfordern,35 ein nahezu unerfüllbares Versprechen darzustellen. Schon der abstrakt-generelle Charakter jeder Rechtsnorm, die eine Vielzahl von Lebenssachverhalten erfassen soll, führt notwendigerweise zu einer gewissen Abstraktion und damit Unschärfe.36 Am ehesten soll sich eine bestimmte Norm über deskriptive Begriffe erreichen lassen; aber selbst diese sind keineswegs eindeutig, sondern ebenfalls auslegungsbedürftig, denn kaum ein Rechtsbegriff ist klar umgrenzbar.37 Bereits nach dieser kurzen Skizze überrascht es nicht, dass das Bestimmtheitsgebot vielfach Aufweichungen erfahren hat, steht doch sein Anliegen im ständigen Spannungsverhältnis zum Bedürfnis nach Flexibilität.38 So formuliert etwa die höchstrichterliche Rechtsprechung, dass nicht völlig auf allgemeine Begriffe und Generalklauseln verzichtet werden könne, um der Komplexität der Lebenssachverhalte gerecht zu werden.39 Folglich sind die Anforderungen, die sich an eine derart zu bestimmende Norm stellen, nicht leicht abstrakt zu formulieren, vielleicht ist dies schlicht unmöglich40. Untersucht werden soll es an späterer Stelle (Kap. D. II.) dennoch. Es besteht wohl Einigkeit, dass der Gesetzgeber für jede Norm die ihr mögliche

33 BVerfGE 47, 109, 120; 73, 206, 235; 126, 170, 197; 130, 1, 43. Daher liegt es nahe, Art. 103 II GG mit Lagodny, Schranken der Grundrechte, S. 16, als „positiv konstitutionelle Ausprägung der aus den materiellen Grundrechten abgeleiteten ,Wesentlichkeitstheorie‘“ zu bezeichnen. 34 BVerfGE 25, 269, 285; 26, 41, 42; BGHSt 23, 167, 171; 37, 226, 230. 35 Jakobs, AT, Ab. 4 Rn. 1; s. a. C. Becker, HRRS 2010, 383, 384. 36 Maunz/Dürig-Grzeszick, Art. 20 VII Rn. 59; BeckOK GG-Radtke/Hagemeier, Art. 103 Rn. 24; s. a. Weidemann, GA 1984, 408, 421. Näher zu dem Ganzen Kap. D. II. 1. 37 NK4-Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 30 ff., 35; Krey, Studien, S. 45, 71, 101; MKSchmitz, § 1 Rn. 40. Vgl. dazu ausführlich Kap. D. II. 1. 38 Schönke/Schröder29-Eser/Hecker, § 1 Rn. 20; s. a. Bott/Krell, ZJS 2010, 694, 695; kritisch Krahl, Rechtsprechung, S. 304 ff. 39 BVerfGE 92, 1, 12; 126, 170, 195 f.; BGHSt 30, 285, 287. 40 So BVerfGE 26, 41, 43; 28, 175, 183.

II. Der Satz nullum crimen, nulla poena sine lege

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höchste Präzision erreichen muss.41 Das Bundesverfassungsgericht greift hier oft auf eine Je-desto-Formel zurück: Je schwerer die angedrohte Strafe sei, desto präziser müsse das Gesetz die Strafbarkeitsvoraussetzungen bestimmen.42 b) Nullum crimen, nulla poena sine lege stricta (Analogieverbot) Eng mit dem Bestimmtheitsgebot hängt das sogenannte Analogieverbot zusammen: Letzteres wendet sich als „Verlängerung“ 43 des ersteren an den Richter. Streitig ist allerdings, ob es sich an den Gesetzgeber richtet: Teils wird vorgebracht, der Gesetzgeber könne nicht per Gesetz die Analogie seitens des Strafrichters erlauben, da das Verbot auch für ihn gelte;44 andere hingegen gestehen dem Gesetzgeber die Möglichkeit zu, in gewissen Fällen die Analogie zuzulassen.45 Die Frage soll an dieser Stelle zunächst dahinstehen; ihre Beantwortung hängt nach m. E. von einer näheren Untersuchung des Zusammenspiels von Analogieverbot und Bestimmtheitsgebot ab. Das Verbot bezweckt den Ausschluss der Strafbegründung oder Strafschärfung im Wege der Analogie, dem Strafrichter ist also insoweit nur die Rechtsanwendung secundum legem, nicht aber jene praeter legem46 erlaubt. Unter einer Analogie versteht man auf dem Gebiet der Rechtswissenschaft üblicherweise die Ausdehnung eines Rechtssatzes auf einen im Gesetz nicht geregelten Fall im Wege eines Ähnlichkeitsschlusses.47 Indes setzt die Analogie darüber hinaus voraus, dass eine (aus Sicht des Gesetzgebers) planwidrige Lücke sowie eine wertungsmäßige Gleichheit des gesetzlich erfassten mit dem nicht erfassten Fall besteht.48 Durch obige Definition wird hingegen nicht festgelegt, was noch als BVerfGE 45, 363, 371 f.; 92, 1, 12; Schönke/Schröder29-Eser/Hecker, § 1 Rn. 20; MK-Schmitz, § 1 Rn. 41. 42 BVerfGE 26, 41, 43; 105, 135, 155 f. Zur Kritik an dieser Formel später in Kap. D. II. 3. a) bb). 43 AK-StGB-Hassemer, § 1 Rn. 70; NK4-Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 70; I.-S. Kim, FS Roxin I, 119, 125; Ransiek, FS Tiedemann, 171, 181; s. a. D. Albrecht, Begründung, S. 158; Böse, Jura 2011, 617, 620. Dagegen sprechen Velten/Mertens, ARSP 1990, 516, 518, vom Analogieverbot als Kehrseite bzw. Vollzugsbedingung des Bestimmtheitsgebots; ähnlich Matt/Renzikowski-Basak, § 1 Rn. 19; ders., in: Strafrecht und Verfassung, 71, 76 (Gegenstück). 44 Krey, Studien, S. 32, 223; Ransiek, FS Tiedemann, 171, 183 f. 45 Arzt, JuS 1972, 515, 515; Bindokat, JZ 1969, 541, 541 f.; MK-Schmitz, § 1 Rn. 66. Kuhlen, FS Otto, 89, 98, meint, dass es sich im Fall der gesetzlichen Zulassung gar nicht um Analogien handele, da gerade keine Regelungslücke mehr bestehe; die Frage der Zulässigkeit solcher Normen sei am Bestimmtheitsgebot zu messen. 46 Krey, ZStW 101 (1989), 838, 842; SK8-Rudolphi, § 1 Rn. 22. 47 Roxin, AT/I, § 5 Rn. 8; ähnlich Bohnert, OWiG, § 3 Rn. 10; Rengier, AT, § 4 Rn. 31. 48 Engisch, in: Methoden der Rechtswissenschaft, 39, 69; Eser, Strafrecht I2, Nr. 2 A Rn. 60; Joerden, Logik im Recht, S. 357 f.; Larenz, Methodenlehre, S. 370 f., 381 f.; 41

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A. Einleitung

im Gesetz geregelter Fall anzusehen ist. Dabei gilt es, die Analogie von der Auslegung abzugrenzen (näher dazu Kap. D. III. 1.). Dies ist insbesondere aus dem Grunde schwierig, da ein Teil der Literatur überzeugend herausgearbeitet hat, dass jede Auslegung per Ähnlichkeitsvergleich und damit „analogisch“ vorgeht.49 Ebenso wie die strafbegründende und strafschärfende Analogie, die nach dem eben Gesehenen eine Erweiterung des gesetzlichen Anwendungsbereichs darstellt, ist die Figur der teleologischen Reduktion erfasst. Sie ist gleichsam der umgekehrte Fall der Analogie50, denn der Anwendungsbereich der Norm wird hier zu Lasten des Täters unter Berufung auf die ratio legis – die Norm ist in diesem Fall entgegen dem Willen des Gesetzgebers in ihrem Anwendungsbereich zu weit geraten – nicht über-, sondern unterschritten. Namentlich ist dies denkbar bei allen täterbegünstigenden Vorschriften wie etwa den Rechtfertigungsgründen. Sowohl die teleologische Reduktion als auch die Analogie sind allerdings nur zu Lasten des Täters, in malam partem verboten. Zu seinen Gunsten, in bonam partem, sind beide erlaubt, nach den Voraussetzungen der Analogie jedoch nur, wenn es sich um eine nicht gewollte Lücke (bzw. ungewollt zu weit geratene Norm) handelt.51 Marinucci, FS Tiedemann, 189, 191; Maurach/Zipf, AT/I8, § 10 II Rn. 23; Müller/ Christensen, Jur. Methodik I, Rn. 371; s. a. Puppe, Kleine Schule, S. 169 ff.; K. F. Röhl/ H. C. Röhl, Allg. Rechtslehre, § 80 S. 634 f. (jeweils mit Kritik am Erfordernis der planwidrigen Lücke). Dementsprechend wird im österreichischen Schrifttum die Ansicht vertreten, dass die Normierung des Gesetzlichkeitsprinzips bereits auf eine Lückenlosigkeit des Strafrechts hinweise; kritisch zu dieser Auffassung Lewisch, Verfassung und Strafrecht, S. 64 m.w. N.; vgl. dazu Montiel, Analogie, S. 43 (im Strafrecht ist Postulat der Rechtsvollständigkeit wahr). 49 Hassemer, in: Strafen im Rechtsstaat, 13, 29; ders., Einführung, S. 272 f.; ders., Tatbestand und Typus, S. 160; Arth. Kaufmann, Analogie, S. 4 f., 37 f., 61; Sax, Analogieverbot, S. 99 f., 152 f.; Schmidhäuser, GS Martens, 231, 240; Stratenwerth/Kuhlen, AT, § 3 Rn. 33. 50 Krey/Esser, AT5, § 3 Rn. 89 („Gegenstück“); s. a. Kuhn-Päbst, Problematik, S. 81 („Umkehrverfahren“); Lewisch, Verfassung und Strafrecht, S. 83 („Gegenstück“); Th. Schröder, Gesetzesumgehung, S. 230 f.; Simon, Gesetzesauslegung, S. 190 („. . . im Hinblick auf Art. 103 II GG nichts anderes . . .“). 51 Gropp, AT, § 2 Rn. 9; Joecks, StGB, § 1 Rn. 9, 16; Kindhäuser, AT, § 3 Rn. 6. Bei den Rechtfertigungsgründen kann aufgrund der spezifischen Doppelwirkungen derselbigen aber anderes gelten, vgl. nur Hillenkamp, Opferverhalten, S. 164 ff.; Hirsch, GS Tjong, 50, 53 f.; Joerden, in: Das Gesetzlichkeitsprinzip, 163, 180 (zum Gewohnheitsrechtsverbot); Krahl, Rechtsprechung, S. 59 ff.; Kuhli, Völkerstrafgesetzbuch, S. 100 ff. (zum Gewohnheitsrechtsverbot); NK4-Paeffgen, Vor §§ 32 ff. Rn. 60, 65; Sengbusch, Subsidiarität, S. 160 f.; Suppert, Studien, S. 293 ff.; ausführlich zu den Voraussetzungen und Grenzen der täterbegünstigenden Analogie nunmehr Montiel, Analogie, S. 41 ff., 139 ff. Früher wurde dagegen vereinzelt die Analogie (wie auch die teleologische Reduktion) im Strafrecht als gänzlich unzulässig angesehen, vgl. Meves, GA 1889, 397, 403.

II. Der Satz nullum crimen, nulla poena sine lege

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c) Nullum crimen, nulla poena sine lege scripta (Verbot des Gewohnheitsrechts) Der Nullum-crimen-Satz verlangt, dass die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt sein muss. Damit wird zugleich die vorrangige Rechtsquelle des Strafrechts festgelegt. Nur durch schriftliche (positive) Gesetze dürfen Straftatbestände geschaffen werden. Verboten ist mithin die Strafbegründung oder Strafschärfung durch Gewohnheitsrecht. Unter Gewohnheitsrecht versteht man hierbei ungeschriebenes Recht, dass kraft langanhaltender Übung (longus usus oder recta consuetudo) gilt, die auf einer Rechtsüberzeugung (opinio iuris ac necessitatis) der an den rechtlichen Regelungen interessierten Bevölkerungsteile beruht.52 Im Bereich des Strafrechts, das zum klassischen hoheitlichen Recht zählt, ist jener kreative Prozess aber nur durch die Gerichte möglich,53 an welche sich das Verbot deshalb in erster Linie richtet.54 Die Richter sollen sich an das geschriebene Recht halten. Allerdings gilt auch für das Verbot des strafbegründenden oder strafschärfenden Gewohnheitsrechts: Täterbegünstigende Regeln (wie etwa Rechtfertigungsgründe oder Schuldausschließungsgründe), die durch Gewohnheitsrecht geschaffen werden, sind nicht untersagt.55 Denkbar ist außerdem – gewissermaßen als größtmögliche Begünstigung des Täters – die gewohnheitsrechtliche Beseitigung ganzer Tatbestände (sog. desuetudo) durch Nichtanwendung selbiger.56 Daneben ist im hiesigen Zusammenhang das Folgende bemerkenswert: Während bei den übrigen Garantien des Gesetzlichkeitsprinzips (wie oben angedeutet) die herrschende Meinung eine Anwendung auf dem Gebiet des AT gleichfalls für zwingend erachtet, wird dies beim Gewohnheitsrechtsverbot anders beurteilt. Im Allgemeinen Teil und vor allem auf dem Gebiet der „allgemeinen Lehren“ wird (auch für den Täter nachteiliges) Gewohnheitsrecht vielfach für zulässig57, teils sogar für unentbehrlich58 gehalten. Doch was sind die Gründe, 52

BVerfGE 9, 109, 117; 15, 226, 232 ff.; 22, 114, 121. BK-GG-Rüping, Art. 103 II Rn. 52; MK-Schmitz, § 1 Rn. 24; Triffterer, AT, Kap. 2 Rn. 19; schon früher Hälschner, Gem. Dt. Strafrecht I, S. 83. 54 Haft, AT, C I 4 b; Krahl, Rechtsprechung, S. 42. 55 Bockelmann/Volk, AT, § 4 C I 3; Kuhli, Völkerstrafgesetzbuch, S. 99; HK-Rössner, § 1 Rn. 4; Satzger/Schluckebier/Widmaier-Satzger, § 1 Rn. 33; Wessels/Beulke/Satzger, AT43, Rn. 54; Zieschang, AT, Rn. 8. 56 BGHSt 5, 12, 23; 8, 360, 381. 57 Baumann, FS Jescheck, 104, 112; Haft, AT, C I 4 b; v. Münch/P. Kunig-P. Kunig, Art. 103 Rn. 25; Lackner/Kühl, § 1 Rn. 3; BeckOK GG-Radtke/Hagemeier, Art. 103 Rn. 41; BK-GG-Rüping, Art. 103 II Rn. 53; Schmitt, FS Jescheck, 223, 226; Welzel, Dt. Strafrecht, S. 23; Wessels/Beulke, AT42, Rn. 55 (anders nun aber Wessels/Beulke/Satzger, AT43, Rn. 55); a. A.: Matt/Renzikowski-Basak, § 1 Rn. 10; Dannecker, FS Otto, 25, 34 ff.; AnwK-Gaede, § 1 Rn. 13; Geppert, JK 97, StGB § 20/2 Probleme 2 d; NK4-Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 68; Hettinger, GA 1989, 1, 18; Hirsch, FS Nishihara, 88, 90; Jerouschek, JuS 1997, 385, 387; Krey, FS Blau, 123, 134; Krey/Esser, AT5, § 3 Rn. 99; Kuhli, Völkerstrafgesetzbuch, S. 106 (pauschal nicht haltbar); Neumann, StV 1997, 23, 25; Schiemann, Schuldfähigkeitsfeststellungen, S. 27; MK-Schmitz, § 1 Rn. 25; SK253

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A. Einleitung

die hierfür ins Feld geführt werden? Ist dies verfassungsrechtlich zulässig? Ergeben sich daraus Folgerungen für das Analogieverbot und das Bestimmtheitsgebot? Dies gilt es noch genauer zu beleuchten. d) Nullum crimen, nulla poena sine lege praevia (Rückwirkungsverbot) Von allen Verbürgungen des Grundsatzes der Gesetzesbindung im Strafrecht kann das Rückwirkungsverbot am weitesten in die Vergangenheit zurückverfolgt werden. Schon den Juristen des antiken Roms war es bekannt, in rudimentären Ansätzen findet es sich in den Spätzeiten der Republik beispielsweise bei Marcus Tullius Cicero59. Das Rückwirkungsverbot untersagt es, eine Tat, die zur Zeit der Begehung nicht unter Strafe stand, nachträglich für strafbar zu erklären oder rückwirkend mit einer schwereren Strafe zu belegen. Es richtet sich sowohl an den Gesetzgeber als auch an den Richter.60 Durch § 2 StGB hat das Verbot eine im Vergleich zu den es grundlegend statuierenden Art. 103 II GG sowie § 1 StGB nähere Ausgestaltung erfahren: Regelungen zur zeitlichen Geltung eines Strafgesetzes sind eine notwendige Vorfrage61 für die Beurteilung des Rückwirkungsverbots. Wie bei den übrigen Ausprägungen des Nullum-crimen-Satzes gilt hier gleichermaßen: Zu Gunsten des Täters ist eine Rückwirkung möglich. So enthält § 2 III StGB die sogenannte Meistbegünstigungsklausel. Demnach wird bei einer Änderung des Gesetzes, das zur Zeit der Beendigung der Tat galt, das mildere Gesetz angewendet, wobei der mildeste Fall natürlich Straflosigkeit ist. Bezüglich des Allgemeinen Teils, zumindest soweit dieser im StGB normiert ist, wird die Geltung des Rückwirkungsverbots nahezu einmütig bejaht.62 Frei-

H.-L. Schreiber, § 1 Rn. 20; Th. Schröder, Gesetzesumgehung, S. 356 f., 395; Schünemann, Nulla poena, S. 23; ders., Grund und Grenzen, S. 63; Seebode, FS Spendel, 317, 337 (s. a. die zunehmende Kritik an der – soweit als eigenständig aufgefassten – Figur des fehlgeschlagenen Versuchs; exemplarisch Gössel, GA 2012, 65, 66 f.; Wörner, Der fehlgeschlagene Versuch, S. 42 f., 49). 58 Maurach/Zipf, AT/I8, § 8 V Rn. 40 f. 59 Cicero, In Verrem II, 1 108 (zitiert nach „Die Reden gegen Verres“, Band I, Darmstadt 1995, S. 212; Übersetzung ibid. S. 213): „In lege Voconia non est ,Fecit Fecerit‘, neque in ulla praeteritum tempus reprehenditur nisi eius rei quae sua sponte tam scelerata et nefaria est ut, etiamsi lex non esset, magnopere vitanda fuerit.“ Näher dazu H.-L. Schreiber, Gesetz, S. 19 m.w. N.; vgl. auch Dannecker, Intertemporales Strafrecht, S. 32 f. 60 Basak, in: Strafrecht und Verfassung, 71, 72; Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 9 Rn. 4; LK12-Dannecker, § 1 Rn. 362; Kuhli, Völkerstrafgesetzbuch, S. 73. 61 Gropp, AT, § 2 Rn. 31. 62 Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 9 Rn. 27; LK12-Dannecker, § 1 Rn. 390; Eser, Strafrecht I2, Nr. 2 A Rn. 41; Eser/Burkhardt, Strafrecht I4, Nr. 2 A Rn. 45; Schönke/ Schröder29-Eser/Hecker, § 2 Rn. 3; Jäger, AT, Rn. 12; s. a. Matt/Renzikowski-Basak, § 2 Rn. 3.

III. Verhältnis der Einzelverbürgungen zueinander

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lich korrespondiert die Argumentation überwiegend mit der, die bezüglich der Geltung des Analogieverbots im AT vorgetragen wird.

III. Verhältnis der Einzelverbürgungen zueinander Wie bereits angedeutet, sind zahlreiche Verschränkungen bei den einzelnen Garantien zu beobachten. Teils hängen diese sehr eng miteinander zusammen.63 Aus diesem Grunde ist es zuweilen in den Grenzbereichen schwierig, die Verbürgungen trennscharf voneinander zu unterscheiden. Es erscheint daher nicht verwunderlich, dass häufig mal in Bezug auf die eine, mal in Bezug auf die andere Garantie vertreten wird, diese habe überhaupt keinen eigenständigen Gehalt. 1. Rückwirkungsverbot und Bestimmtheitsgebot bzw. Analogieverbot Auf der Hand liegt die Verbindung des Rückwirkungsverbots mit dem Gebot bestimmter Strafgesetze sowie dem Verbot strafbegründender oder strafschärfender Analogien. Der rechtsstaatliche Schutz, den das Rückwirkungsverbot bietet, wäre konterkariert, wenn es auf eine Strafbegründung oder Strafschärfung lege certa et stricta nicht ankäme. Denn bei einem unbestimmten, generalklauselartig gefassten Gesetz ist eine rückwirkende Bestrafung überhaupt nicht nötig;64 durch den weiten Anwendungsbereich der Norm lässt sich ohnehin das meiste erfassen. Ähnliches würde bei einer uneingeschränkten Zulassung der Analogie gelten: Auch dann bedürfte man zumeist nicht der rückwirkenden Anwendung von Strafgesetzen, da Strafbarkeitslücken oft durch eine entsprechende Anwendung der bestehenden Strafnormen gefüllt werden könnten. Immerhin würden hier unter Umständen die Erfordernisse einer planwidrigen Lücke und der wertungsmäßigen Gleichheit des gesetzlich erfassten mit dem nicht erfassten Fall noch Grenzen setzen. 2. Gewohnheitsrechtsverbot und Analogieverbot Zwischen den Garantien nullum crimen, nulla poena sine lege scripta und nullum crimen, nulla poena sine lege stricta besteht ebenfalls eine enge Verknüpfung.65 Es werden Fälle diskutiert, in denen Rechtfertigungs- bzw. Entschuldi63 NK4-Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 13; früh schon zu diesem besonders auf das Bestimmtheitsgebot zurückführenden Zusammenhang H. Mayer, AT, S. 35; ders., Strafrechtsreform, S. 104. 64 Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 9 Rn. 6; Duttge, Bestimmtheit, S. 146 f.; Eser/ Burkhardt, Strafrecht I4, Nr. 2 A Rn. 22; Krey, Keine Strafe ohne Gesetz, S. 126; s. a. Krahl, Rechtsprechung, S. 52 f.; SK8-Rudolphi, § 1 Rn. 11; SK2-H.-L. Schreiber, § 1 Rn. 10; L. Schulz, ARSP-Beiheft 65 (1996), 173, 177; Schürmann, Unterlassungsstrafbarkeit, S. 155. 65 Heinrich, AT, Rn. 35; Th. Schröder, Gesetzesumgehung, S. 356 (sehr nahe beieinander).

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A. Einleitung

gungsgründe per Gewohnheitsrecht – präziser gesagt durch gewohnheitsrechtlich verfestigte Auslegung – eingeschränkt werden sollen. In anderen Fällen werden strafbarkeitserweiternde Rechtsfiguren (wie etwa die Rechtsfiguren der actio libera in causa und der omissio libera in causa) zum Teil auf Gewohnheitsrecht gestützt. Jedenfalls die erste Anwendung dieser Einschränkungen bzw. Erweiterungen – denn auf eine solche erste Anwendung muss jedes Gewohnheitsrecht, soweit es nicht aus unvordenklicher Zeit stammt,66 zurückgehen – ist eine teleologische Reduktion bzw. Analogie67 (unter den Begriff der Analogie fällt im strafrechtsspezifischen Sinne auch die freie Rechtsfindung). Diese unterliegen aber beide dem Analogieverbot. Jener Zusammenhang beruht auf Folgendem: Beide Verbote richten sich primär an den Richter und begrenzen dessen Macht bei der Rechtsfindung. Dazu kommt die Schwierigkeit, dass im Strafrecht Gewohnheitsrecht nicht im sonst üblichen Sinn verstanden werden kann. Wie soeben gesehen, kann hier Gewohnheitsrecht nicht durch die übrigen „rechtsinteressierten Kreise“ geschaffen werden, sondern nur durch die andauernde Übung und Rechtsüberzeugung der Gerichte. Deshalb wird im Strafrecht unter den Begriff des Gewohnheitsrechts von Zeit zu Zeit desgleichen das Richterrecht gefasst, welches gleichfalls Strafe nicht begründen, sondern nur innerhalb der Grenzen des durch das Gesetz gesteckten Rahmens bleiben dürfe.68 Aus diesem Grunde folgert ein Teil der Literatur: Das Gewohnheitsrechtsverbot gehe im Analogieverbot auf, ersterem käme keine eigenständige Bedeutung zu.69 Dafür spricht, dass es nach dem vorher Gesagten so scheint, als ob es ausreicht, den Richter innerhalb der durch das Gesetz gesteckten Grenzen zu halten, was durch das Analogieverbot geschehen soll; denn dann kommt es auch nicht zur Bildung des durch Rechtsprechung begründeten Gewohnheitsrechts. Dagegen lässt sich einwenden, dass trotzdem zwischen einer unzulässigen analogen Anwendung einer Strafnorm und einer gewohnheitsrechtlich verfestigten Regel, nach der die Analogie erfolgt, unterschieden werden kann.70 Zudem er66 Soweit das Gewohnheitsrecht aus dem Gesetz vorgelagerten Zeiten stammt, ist entsprechend auf das erste Aufeinandertreffen des überkommenen Gewohnheitsrechts und des ihm entgegenstehenden Gesetzes abzustellen; dieses erste Aufeinandertreffen steht unter dem Regime von Art. 103 II GG der oben beschriebenen Begründung von Gewohnheitsrecht zum Geltungszeitpunkt des Gesetzes gleich. 67 Auf diesen Zusammenhang zwischen Analogie und Gewohnheitsrecht weist ähnlich Fincke, Verhältnis, S. 14, hin; vgl. auch Hardtung, Versuch und Rücktritt, S. 234. 68 Hassemer, Einführung, S. 268; vgl. zur Abgrenzung auch Bringewat, ZStW 84 (1972), 585, 594 ff.; zur hier vertretenen Auffassung unten [Kap. C. II. 1. b)]. 69 AK-StGB-Hassemer, § 1 Rn. 66; v. Mangoldt/Klein/Starck-Nolte, Art. 103 II Rn. 136; Maunz/Dürig-Schmidt-Aßmann, Art. 103 II Rn. 222; vgl. auch Sengbusch, Subsidiarität, S. 154 (kein eigenständiger Anwendungsbereich); Übler, Neue Entwicklungen, S. 63, 166 (Teil des Analogieverbots). 70 MK-Schmitz, § 1 Rn. 24; s. a. NK4-Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 66.

III. Verhältnis der Einzelverbürgungen zueinander

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scheint ein Verbot der Strafbegründung und Strafschärfung durch Gewohnheitsrecht weiterhin separat notwendig. Zwar ist die Analogie, das Überschreiten des gesetzlichen Rahmens, in malam partem stets verboten. Indes wird durch das zusätzliche Gewohnheitsrechtsverbot verhindert, dass ein dauerhafter Verstoß gegen das Analogieverbot nach einer gewissen Zeit mit der Erwägung gerechtfertigt wird, es handele sich bei diesem Verstoß inzwischen wenigstens um Gewohnheitsrecht. Trotz der nahen Verwandtschaft stehen nach dem Gesagten m. E. nach somit beide Verbürgungen eigenständig nebeneinander. 3. Bestimmtheitsgebot und Analogieverbot Besonders eng ist die Verbindung zwischen dem Bestimmtheitsgebot und dem Analogieverbot. Seinen Ausdruck findet dies bereits in der oben erwähnten Bezeichnung des Analogieverbots als Verlängerung des Bestimmtheitsgebots in die Praxis. Bekanntlich wäre es wertlos, dem Gesetzgeber die Fassung möglichst bestimmter Strafgesetze aufzutragen, wenn der Richter den durch das bestimmte Gesetz gegebenen Rahmen durch Rechtsanwendung praeter legem umgehen könnte.71 In die umgekehrte Richtung gewendet besteht dieses Verhältnis ebenso. Dies gilt besonders, wenn man den Wortlaut als Grenze zwischen Auslegung und Analogie ansieht. Bei völlig unbestimmten, farblosen Begriffen schützt kein noch so strenges Analogieverbot, denn solch unbestimmte Begriffe bedürfen überhaupt keiner Analogie, um ihren Anwendungsbereich weit auszudehnen. Der Wortlaut kann in diesem Fall eine Grenzziehung kaum gewährleisten. Insofern bewahrheitet sich durchaus der vielzitierte Satz, dass die wahre Gefahr nicht von Analogien, sondern von unbestimmten Strafgesetzen ausgeht.72 Freilich wird dieser enge Konnex vereinzelt bestritten. So wird zwar gesagt, dass das Analogieverbot eine sinnvolle Ergänzung zum Bestimmtheitsgebot sei; letzteres bleibe aber auch ohne das erstgenannte sinnvoll, die richterliche Bindung sei durch Art. 20 III GG gewährleistet.73

71 Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 9 Rn. 55; LK12-Dannecker, § 1 Rn. 241; MKSchmitz, § 1 Rn. 60; s. a. Duttge, FS Kohlmann, 13, 15; Eser/Burkhardt, Strafrecht I4, Nr. 2 A Rn. 27; Kudlich, Unterstützung, S. 248; Lewisch, Verfassung und Strafrecht, S. 64 f.; F.-C. Schroeder, NJW 1999, 89, 92; Schürmann, Unterlassungsstrafbarkeit, S. 155. 72 Welzel, Dt. Strafrecht, S. 23. Daher ordnen manche das Analogieverbot nur als Erscheinungsform des Bestimmtheitsgebots ein, vgl. Stern/F. Becker-Brüning, Art. 103 Rn. 8; Schmidt-Bleibtreu/Klein-Schmahl, Art. 103 Rn. 1; Dreier-Schulze-Fielitz, Art. 103 II Rn. 46 f. 73 Kuhlen, FS Otto, 89, 99.

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A. Einleitung

Darauf lässt sich jedoch erwidern, dass die Auslegung, solange sie jedenfalls auf externe Faktoren (wie etwa Wortlaut, Systematik und Historie) verweist, weiterer Grenzen bedarf.74 Zudem wurde bereits erwähnt, dass die Ausformungen des Gesetzlichkeitsprinzips der Verstärkung des Rechtsstaatsprinzips und somit von Art. 20 III GG dienen. Die Besonderheit, die sich aus der Eingriffsintensität des Strafrechts ergibt, macht eben doch die strikte Form der Bindung richterlicher Gewalt an das Gesetz notwendig. Art. 20 III GG allein erlaubt nämlich trotz der Gewaltenteilung und Gesetzesbindung eine Fortbildung des Rechts, wie z. B. das Zivilrecht zeigt, insofern hat Art. 103 II GG eine weitere, eigenständige Aufgabe.75

IV. Kritik am „strafrechtlichen Grundmodell“ Es soll nicht verhehlt werden, dass die bisherigen Darstellungen zum Nullumcrimen-Satz weitgehend – abgesehen von den Streitigkeiten in Einzelfragen – den „Mainstream“ der Strafrechtswissenschaft wiedergeben. Jenes Verständnis ist aber nicht ganz unumstritten, sondern hat vielmehr teils grundsätzliche Kritik erfahren. Hier ist vornehmlich auf die neue Konzeption Kuhlens76 einzugehen. Da seine grundsätzliche Kritik den Gang der nachfolgenden Untersuchung nicht unbeeinflusst lassen würde, muss schon an dieser Stelle eine nähere Betrachtung ihrer Stärken und Schwächen erfolgen. 1. Das „verfassungsrechtliche Grundmodell“ Kuhlen kritisiert das von ihm sogenannte strafrechtliche Grundmodell, also die übliche Vierteilung des Gesetzlichkeitsprinzips.77 Er zeigt Judikatur des Bundesverfassungsgerichts und des BGH auf, nach denen sich das Bestimmtheitsgebot auch an den Richter, das Analogieverbot auch an den Gesetzgeber richte, wohingegen umgekehrt manche Entscheidung den Eindruck erwecke, das Bundesverfassungsgericht leite das Analogieverbot aus dem Bestimmtheitsgebot ab. Hieraus zieht er den Schluss: Das Verhältnis beider Garantien sei problematisch, diese Probleme seien mit dem strafrechtlichen Grundmodell verknüpft. Aus diesem Grunde entwirft er ein neues Modell mit dem Ziel größerer Klarheit und Konsistenz, das sogenannte verfassungsrechtliche Grundmodell, das zu folgender Aufteilung führt: Zunächst könne man aus dem Gesetzlichkeitsprinzip NK4-Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 70a. Die genannten sind daher „extern“, da sie für den Richter (im Gegensatz zum telos) nicht völlig verfügbar sind; durch sie entwickelte Auslegungsergebnisse lassen sich falsifizieren. 75 Wiedemeyer, Begründung, S. 45 ff.; s. a. Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 9 Rn. 55. 76 Kuhlen, FS Otto, 89 ff. 77 Kuhlen, FS Otto, 89, 89 ff. 74

IV. Kritik am „strafrechtlichen Grundmodell‘‘

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das Rückwirkungsverbot sowie das Prinzip der Gesetzesbestimmtheit abspalten, wobei letzteres, welches ausschließlich an den Rechtsanwender gerichtet sei, bedeute, dass der Richter nur Taten bestrafen dürfe, deren Strafbarkeit gesetzlich bestimmt sei.78 Das Prinzip der Gesetzesbestimmtheit zerfalle nun wiederum in die Teilmomente Bestimmtheitsgrundsatz (woraus außerdem das Verbot des Gewohnheitsrechts folge)79 und Analogieverbot: Erstgenannter Grundsatz richte sich auch und normativ gesehen sogar primär an den Rechtsanwender, dem bei Fehlen eines ausreichend bestimmten Gesetzes die Bestrafung untersagt sei; das an zweiter Stelle genannte Verbot ergänze den Bestimmtheitsgrundsatz sinnvoll, da er die Gesetzesbindung des Rechtsanwenders verstärke.80 An späterer Stelle wird aus der Betrachtung des Grundsatzes der Gesetzesbestimmtheit eine weitere eigenständige Ausformung entnommen, nämlich die Handlungsanweisung an den Richter zur aktiven Bestimmung des Rechts, das Gebot bestimmter Gesetzesauslegung.81 Jene Aufteilung leitet Kuhlen daraus ab, dass das Gesetzlichkeitsprinzip im Verfassungsrecht oft als spezielle Ausprägung des rechtsstaatlichen Gesetzesvorbehalts verstanden wird.82 Aus diesem Verständnis ergäben sich mehrere Vorzüge. Erstens werde so deutlich, wer primärer Adressat des Gesetzlichkeitsprinzips sei, nämlich der Rechtsanwender, dagegen nur vermittelt der Gesetzgeber.83 Dafür spreche schon der Wortlaut des Art. 103 II GG, der die Voraussetzung dafür konstituiere, wann eine Tat bestraft werden kann, womit die Sanktionierung durch den Richter im Einzelfall gemeint sei. Der zweite Vorteil bestehe darin, dass der Zusammenhang der Teilmomente angemessen zum Ausdruck komme:84 Alle Einzelausprägungen seien sinnvoll als Konkretisierung bzw. Verschärfung des Gesetzesvorbehalts herzuleiten; dieser fordere, gemünzt auf das Strafrecht, dass Taten nur auf Grundlage eines ihre Strafbarkeit bestimmenden Gesetzes bestraft werden dürften, was sich, rechne man noch die zweifache Verschärfung durch Analogieverbot und Rückwirkungsverbot hinzu, mit dem Gesetzlichkeitsprinzip des Art. 103 II GG decke.

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Kuhlen, FS Otto, 89, 92 f. Kuhlen, FS Otto, 89, 94 Fn. 32. 80 Kuhlen, FS Otto, 89, 93 ff. 81 Kuhlen, FS Otto, 89, 103 f. 82 Kuhlen, FS Otto, 89, 91 m. Nachweisen. Ferner bzgl. des Zusammenhangs zum allgemeinen Gesetzesvorbehalt aus dem strafrechtlichen Schrifttum Krey, FS Blau, 123, 123 ff.; ders., ZStW 101 (1989), 838, 840 ff.; Seebode, FS Spendel, 317, 320 ff. 83 Kuhlen, FS Otto, 89, 91 f.; s. a. ders., in: Das Gesetzlichkeitsprinzip, 45, 46. Ähnlich auch BeckOK StGB-v. Heintschel-Heinegg, § 1 Rn. 6.1; Reichenbach, JR 2005, 405, 407; F.-C. Schroeder, JuS 1995, 875, 876. Kritisch L. Schulz, FS Roxin II, 305, 323 („gekünstelte Einschränkung“). 84 Kuhlen, FS Otto, 89, 92; zustimmend BeckOK StGB-v. Heintschel-Heinegg, § 1 Rn. 6.1. 79

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A. Einleitung

2. Erwiderung Indes ist das verfassungsrechtliche Modell seinerseits nicht bar jedes Einwandes. So sind etwa die in den Raum gestellten Vorzüge der Ableitung aus dem Gesetzesvorbehalt angreifbar. Wenn behauptet wird, das Gesetzlichkeitsprinzip richte sich in erster Linie an den Rechtsanwender, lässt sich dem85 entgegnen: Bei Art. 103 II GG handelt es sich jedenfalls (wenn nicht um ein Grundrecht, dann) um ein grundrechtsgleiches Recht. An ein solches sind nach Art. 1 III GG86 oder zumindest nach Art. 20 III GG87 alle drei Gewalten gebunden, folglich auch – und nicht nur „vermittelt“ – die Legislative. Im Übrigen zwingt selbst das Zurückführen von Art. 103 II GG auf den (allgemeinen) Gesetzesvorbehalt nicht zum Schluss, dass das Gesetzlichkeitsprinzip nur oder wenigstens primär auf den Rechtsanwender gemünzt sei; gleichzeitig ergibt sich aus dem Gesetzesvorbehalt der exklusive Gestaltungsauftrag an den demokratischen Gesetzgeber, regelnd tätig werden zu dürfen. Dies kann nicht mit der Erwägung überspielt werden, eine Verfassungsbeschwerde gestützt auf das „Justizgrundrecht“ des Art. 103 II GG sei erst möglich, wenn jemand aufgrund eines unbestimmten Gesetzes bestraft werde.88 Theoretisch ist es bei einem völlig unbestimmten Gesetz, bei dem der potenzielle Adressatenkreis (etwa im Wirtschaftsstrafrecht) schon erkennbar ist, möglich, bereits gegen dieses Gesetz Verfassungsbeschwerde zu erheben; insbesondere an der Beschwerdebefugnis besteht dann kein Zweifel, denn dem Grundrechtsträger ist es nicht zumutbar, erst die Verhängung einer Strafe abzuwarten. Daneben ist an die abstrakte Normenkontrolle nach Art. 93 I Nr. 2 GG zu denken, bei der freilich der Kreis der Antragsberechtigten klein ist. Außerdem wird behauptet, das verfassungsrechtliche Grundmodell bringe den Zusammenhang der Teilmomente besser zum Ausdruck, daneben seien diese als Konkretisierung bzw. Verschärfung des Gesetzesvorbehalts herzuleiten. Dagegen spricht aber: Der Zusammenhang der Teilmomente wird auch nach dem bisherigen strafrechtlichen Grundmodell betont und lässt sich zufriedenstellend lösen 85 Entgegenzuhalten ist darüber hinaus der logische Bruch Kuhlens auf S. 93, das Prinzip der Gesetzesbestimmtheit (als „Oberteilmenge“) richte sich nur an den Gesetzesanwender, der in diesem Prinzip enthaltene Bestimmtheitsgrundsatz (als „Unterteilmenge“) auch an diesen, also auch an Gesetzgeber; wie aber soll sich die Unterteilmenge an einen zweiten Adressaten richten können, wenn die Oberteilmenge sich nur an einen Adressaten wendet? Man kann deswegen schon bezweifeln, ob Kuhlens Modell – nicht zuletzt angesichts der zu Missverständnissen einladenden Terminologie Prinzip der Gesetzesbestimmtheit, Bestimmtheitsgrundsatz und Prinzip der Auslegungsbestimmtheit – tatsächlich zu einer größeren Klarheit gegenüber der „isolierenden Aufspaltung“ des Gesetzlichkeitsprinzips im strafrechtlichen Grundmodell (vgl. Kuhlen, FS Otto, 89, 91) führt. 86 Dürig, zitiert bei Krey, Keine Strafe ohne Gesetz, S. 103; Maunz/Dürig-SchmidtAßmann, Art. 103 II Rn. 191. 87 Krey, Keine Strafe ohne Gesetz, S. 103. 88 F.-C. Schroeder, JuS 1995, 875, 876.

V. Gang der Untersuchung

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(s. Kap. A. III.). Zudem fragt man sich, ob das Rückwirkungsverbot tatsächlich als eine Verschärfung des allgemeinen Gesetzesvorbehalts verstanden werden kann. Eine gesetzliche Grundlage für die Bestrafung zurückliegender Taten lässt sich durch den Gesetzgeber in präziser Weise schaffen, sodass dem Gesetzesvorbehalt genügt wäre; insofern besteht mit Blick auf die Rückwirkung im Strafrecht sogar ein Gesetzesverbot, das sich schwerlich als Verschärfung des Gesetzesvorbehalts, welcher die Schaffung oder Existenz eines Gesetzes im Blick hat, begreifen lässt. Vielmehr bringt das übergeordnete Rechtsstaatsprinzip die in Rede stehenden Anforderungen bei jedem Gesetz mit sich (s. Kap. A. II. 1.), zu diesem ist Art. 103 II GG daher die Verstärkung. Bilanzierend lässt sich somit feststellen: Kuhlens Modell bringt einige interessante Gedanken mit sich. Vor allem das Bemühen, den Nullum-crimen-Satz verstärkt in seiner verfassungsrechtlichen Dimension zu betrachten, ist durchaus nachahmenswert. Auf den Gedanken des Gebots bestimmter Gesetzesauslegung wird im Rahmen der Betrachtung des Bestimmtheitsgebots ebenfalls zurückzukommen sein. Allerdings überzeugt seine Konzeption m. E. nach nicht, die hergebrachte Unterteilung des Gesetzlichkeitsprinzips zu Gunsten der vorgeschlagenen aufzugeben. Dafür sind schon die Prämissen, wie gesehen, nicht stichhaltig genug.

V. Gang der Untersuchung Nach dem bislang Gesagten ergibt sich: Gilt das Bestimmtheitsgebot nicht oder nur eingeschränkt für den AT, so kann für das Analogieverbot nichts anderes gelten. Fasst man das Analogieverbot als Verlängerung des Bestimmtheitsgebots auf, folgt daraus: Wenn das Bestimmtheitsgebot auf den AT keine Anwendung findet, dann gibt es auch nichts, was verlängert werden kann. Gilt das Bestimmtheitsgebot nur eingeschränkt, muss auch das Analogieverbot Einschränkungen erfahren. Zur Erhellung der Frage, ob bzw. inwieweit das Bestimmtheitsgebot und das Analogieverbot im Allgemeinen Teil gelten, soll folgendermaßen vorgegangen werden. In einem ersten Schritt wird kurz die historische Entwicklung des Gesetzlichkeitsprinzips mit Blick auf das Bestimmtheitsgebot und das Analogieverbot beleuchtet. Dabei soll die Entstehung der Idee von einem Allgemeinen Teil im Strafrecht aufgezeigt und die Genese seines Verhältnisses zu den beiden genannten Garantien betrachtet werden. Ergänzend tritt ein kurzer rechtsvergleichender Überblick hinzu. Sinn dieses Abschnitts ist es, nach Belegen dafür zu suchen, dass eine streng verstandene Geltung des Gesetzlichkeitsprinzips im AT kaum vom Gesetzgeber zu realisieren ist. Sodann folgt eine Darstellung der bisherigen Kontroverse, ob der Geltungsbereich des Gesetzlichkeitsprinzips den Allgemeinen Teil umfasst, was am Beispiel

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A. Einleitung

der Debatte um das Analogieverbot geschieht. In diesem Zusammenhang soll verdeutlicht werden, warum dieser Streit fruchtlos blieb: Er greift letztlich zu kurz. Durch bloße Aufzählung und Bewertung der bislang vorgebrachten Argumente wäre nichts gewonnen. Aus ebendiesem Grunde soll der Streit nicht fortgesetzt, sondern vielmehr neu angesetzt werden. Hierfür ist notwendig, die Begriffe Analogieverbot, Bestimmtheitsgebot und Allgemeiner Teil genau zu untersuchen. Alle drei sind im Strafrecht Gegenstand von Kontroversen. Diese müssen jedenfalls im Hinblick auf die folgenden Schritte einer Klärung zugeführt werden. Auch eine nähere Auseinandersetzung mit ihrer Interdependenz erscheint tunlich. Anschließend folgt der eigentliche Kern der Untersuchung. Hier soll die verfassungsrechtliche Struktur des Art. 103 II GG, mit besonderem Augenmerk auf die in Rede stehenden Verbürgungen des Nullum-crimen-Satzes, herausgestellt werden. Ferner ist zu klären, wie weit Art. 103 II GG als zumindest grundrechtsgleiches Recht Schranken unterworfen ist, der Garantieumfang selbst ist bereits auf Differenzierungsmöglichkeiten zu untersuchen. Auf dem Boden dieser Vorüberlegungen ergibt sich schließlich die Antwort auf die Frage, ob der AT in den Geltungsbereich des Gesetzlichkeitsprinzips fällt und wie jenes sich dort verwirklichen lässt. In einem letzten Schritt wird diese Lösung anhand einzelner Beispiele des AT durchgeführt und damit gleichzeitig auf ihre Praktikabilität überprüft.

B. Historische Entwicklung mit Blick auf die verfolgten Zwecke, internationaler Überblick Der Blick auf die geschichtliche Entwicklung muss angesichts des Themas neben einer kurzen Gesamtschau der Entwicklung des Nullum-crimen-Satzes notwendigerweise auf die zu untersuchenden Einzelgarantien konzentriert werden. Außerdem soll der Zusammenhang mit dem aufkommenden AT-Gedanken geschildert und die sich wandelnde Wechselbeziehung zwischen AT und nullum crimen, nulla poena sine lege certa et stricta herausgestellt werden. Sodann gilt es, die Grundlagen des Gesetzlichkeitsprinzips zu diskutieren und die tragenden rationes von Bestimmtheitsgebot und Analogieverbot herauszuarbeiten. Zuletzt werden die internationale Verbreitung der Gesetzesbindung im Strafrecht und aktuelle Entwicklungen hierzu erörtert.

I. Historische Entwicklung des Gesetzlichkeitsprinzips unter Berücksichtigung des Verhältnisses zum Allgemeinen Teil 1. Erste Ursprünge Wie zuvor erwähnt1, wird schon in der Antike, nämlich in der späten römischen Republik, ein (rudimentäres) Rückwirkungsverbot angedacht. Dem liegt wohl einer der Kerngedanken des Gesetzlichkeitsprinzips zugrunde: die Verknüpfung mit der Schuld.2 Nur eine im Voraus existente Norm kann eine Richtschnur für den Rechtsunterworfenen sein. Freilich zeigt dies dagegen zugleich, dass es sich beim Gesetzlichkeitsprinzip keineswegs um einen Satz des römischen Rechts handelt.3 Denn eine solche Norm kann auch als Gewohnheitsrecht gelten oder per Analogie erweitert werden. Die übrigen Garantien setzen somit einen wesentlich weiter entwickelten Gesetzesbegriff, den Kodifikationsgedanken voraus.4 Ein Bestimmtheitsgebot oder gar ein Verbot strafschärfender oder strafbegründender Analogie sind dieser Entwicklungsstufe des Rechts noch fremd. Gleiches lässt sich bis ins Mittelalter hinein feststellen.

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Vgl. Kap. A. II. 2. d) Fn. 59. NK4-Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 6; Stratenwerth/Kuhlen, AT, § 3 Rn. 3; BK-GG-Rüping, Art. 103 II Rn. 2. 3 Welzel, Dt. Strafrecht, S. 20; so aber etwa Gruschke, Vagheit, S. 101 Fn. 256. 4 LK12-Dannecker, Entstehungsgeschichte § 1, S. 67; NK4-Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 7; s. a. Birkenstock, Bestimmtheit, S. 76, 78. 2

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B. Historische Entwicklung

Was die Ausgliederung allgemeiner Vorschriften in einem Allgemeinen Teil anbelangt, gilt nichts anderes: Zu einem derart frühen Zeitpunkt in der Geschichte des Strafrechts war eine solche Ausgestaltung noch nicht bekannt. Bei der Ausgliederung eines Allgemeinen Teils handelt es sich aus historischer Sicht um eine recht junge Entwicklung.5 2. Constitutio Criminalis Carolina Einen Fortschritt auf dem Weg zum Gesetzlichkeitsprinzip brachte sicherlich die Peinliche Halsgerichtsordnung von Kaiser Karl V. aus dem Jahre 1532. Zwar beinhaltet sie selbst noch nicht die Kriterien des Gesetzlichkeitsprinzips in unserem Sinne.6 Jedoch ist sie – wie die ihr als Vorbild zugrunde liegende Bamberger Halsgerichtsordnung von Schwarzenbergs aus 1507 – geprägt von dem Bemühen, richterliche Willkür zu begrenzen und die bestehende Rechtsunsicherheit der Zeit zu mildern,7 was besonders für die Verhängung der peinlichen Strafen (Leben, Leib, Ehre) gilt. Teilweise wird bereits versucht, ein gewisses Mindestmaß an Bestimmtheit sowohl auf der Tatbestands- wie auch auf der Rechtsfolgenebene zu erreichen.8 Interessant sind an dieser Stelle vor allem die Art. 104 und 105 CCC. Art. 104 CCC 9 lautet: „Eyn vorrede wie man mißthatt peinlich straffen soll. Item so jemandt vnsern gemeynen geschriben rechten nach, durch eyn verhandlung das leben verwürckt hat, soll man nach gutter gewonheyt oder nach ordnung eynes guten rechtuerstendigen richters, so gelegenheyt vnd ergernuß der übelthatt ermessen kan, die form vnd weiß der selben tödtung halten vnd vrtheylen. Aber inn fellen darumb (oder derselben gleichen) vnser Keyserlich recht nit setzen oder zulassen, jemandt zum todt zu straffen, haben wir inn diser vnser vnnd des Reichs ordnung auch keynerley todtstraff gesetzet, aber inn etlichen mißthatten, lassen die recht peinlich straff am leib, oder glidern zu, damit dannocht die gestrafften bei dem leben bleiben. Die selben straff mag man auch erkennen vnd gebrauchen, nach guoter gewonheyt eyns jeden lands, oder aber mach ermessung eyns jeden guten verstendigen richters, als oben von todten geschriben steht, Wann vnser Keyserlich recht, etlich peinlich straff setzen, die nach gelegenheyt diser zeit vnd land vnbequem, vnd eyns theyls nach den buchstaben nit wol müglich zu gebrauchen weren, darzu auch dieselben recht die form vnd maß, eyner jeglichen peinlichen straff nit anzeygen, sonder auch guter gewonheyt oder erkantnuß verstendiger Richter beuelhen vnd inn der selben wilküre setzen, die straff nach gelegenheyt vnd ergernuß der übelthatt, auß lieb der gerechtigkeyt vnd vmb gemeynes nutz willen zu ordnen vnd zu machen. Aber sonderlich ist zu mercken, inn was sachen (oder der selben gleichen) vnser Keyserlich 5

Fincke, Verhältnis, S. 3. Binding, Handbuch, S. 19; H.-L. Schreiber, Gesetz, S. 26 f. 7 Eb. Schmidt, Einführung, S. 111. 8 Vgl. Krey, Keine Strafe ohne Gesetz, S. 82 f. 9 Zitiert nach der Ausgabe „Die Peinliche Gerichtsordnung Kaiser Karls V. (Carolina)“, Stuttgart 2000, herausgegeben von F.-C. Schroeder. 6

I. Historische Entwicklung des Gesetzlichkeitsprinzips

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recht, keynerley peinlicher straff am leben, ehren, leib oder gliedern setzen oder verhengen, daß Richter vnd vrtheyler darwider auch niemant zum todt oder sunst peinlich straffen. Vnd damit richter vnd vrtheyler die solcher rechten nit gelert sein, mit erkantnuß solcher straff destoweniger wider die gemelten rechten, oder gute zulessig gewonheytten handeln, so wirt hernach vonn etlichen peinlichen straffen, wann vnnd wie die gedachten recht guoter gewonheyt, vnd vernunfft nach geschehen sollen, gesatzt.“

Dagegen lautet Art. 105 CCC: „Von vnbenanten peinlichen fellen vnnd straffen. Item ferner ist zuuermercken, inn war peinlichen fellen oder verklagungen, die peinlichen straff inn disen nachuolgenden artickeln nit gesetzt oder gnugsam erklert oder verstendig wer, sollen Richter vnd vrtheyler (so es zu schulden kompt) radts pflegen wie inn solchen zufelligen oder vnuerstendtlichen fellen, vnsern Keyserlichen rechten, vnd diser vnser ordnung am gemessigsten gehandelt vnnd geurtheylt werden soll, vnd alßdann jre erkantnuß darnach thun. Wann nit alle zufellige erkantnuß vnd straff inn diser vnser ordnung gnugsam mögen bedacht und beschriben werden.“

Danach erzeugt Art. 104 CCC für die peinlichen Strafen eine gewisse Bindung an das Gesetz, nicht aber für Maß und Art der Strafe. Art. 105 CCC spricht indes von „vnbenanten peinlichen fellen vnnd straffen“ und enthält letztlich ein Analogiegebot: Die Richter sollen in diesen Fällen „radts pflegen wie . . . gehandelt vnnd geurtheylt werden soll“. Somit ist dem Richter selbst nur die eigenständige Analogiebildung untersagt, hierfür ist die Einholung eines Rats erforderlich. Dies bildet in Zusammenschau mit Art. 219 CCC die Grundlage für das System der Aktenversendung. Im Übrigen kommt hinzu, dass die Carolina in ihrem Gesamtkonzept nicht abschließend gemeint ist, sondern in Art. 104 CC explizit auf das weitergeltende römische Recht verweist.10 Jene zumindest beschränkte Gesetzesbindung wird in der Folgezeit wieder mehr und mehr aufgebrochen.11 Namentlich der Rückgriff auf die Bibel als Strafrechtsquelle, das System der Aktenversendung, poenae arbitrariae, crimina extraordinaria sowie die Möglichkeit der Revision von Strafurteilen durch den Monarchen führen zu einem Rechtsklima der Willkür und Unsicherheit12. Dieses Klima ist es auch, das der Weiterentwicklung des Gesetzlichkeitsprinzips im 17. und 18. Jahrhundert den Weg bereitet. Im Hinblick auf den Weg zu allgemeinen Lehren oder gar einem Allgemeinen Teil stellt die Carolina einen ersten Schritt dar. Immerhin in Ansätzen enthält sie gegen Ende allgemeine Vorschriften für eine Vielzahl von Delikten (vgl. Art. 176–179 CCC: Sicherungshaft, Teilnahme, Versuch, Schuldunfähigkeit). Al10

H.-L. Schreiber, Gesetz, S. 27. Krey, Keine Strafe ohne Gesetz, S. 11; H.-L. Schreiber, Gesetz, S. 28 ff. 12 LK12-Dannecker, Entstehungsgeschichte § 1, S. 68; s. a. Bopp, Entwicklung, S. 42 ff. 11

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B. Historische Entwicklung

lerdings sind zahlreiche Vorschriften, die aus unserer heutigen Sicht zum AT zählen würden, verstreut bei dem jeweiligen Delikt geregelt oder sogar als eigene Tatbestände ausgestaltet. Trotzdem bildet die CCC die Ausgangsbasis, auf der die aufkommende deutsche Strafrechtswissenschaft ein System allgemeiner, d.h. für alle Delikte geltender Regeln entwickelt.13 Besonders ist für die Genese der allgemeinen Lehren die gemeinrechtliche Theorie hervorzuheben, die im 15. und 16. Jahrhundert durch die italienische Wissenschaft geprägt14 war. Im Zuge der zunehmenden Begrifflichkeit hatte etwa Tiberius Decianus in seinem Werk Tractatus Criminalis von 1590 erstmals systematisch allgemeine Lehren ausgesondert. 3. Entwicklung im 17. und 18. Jahrhundert a) Absolutismus und Aufklärung Ganz überwiegend wird die Wurzel des Gesetzlichkeitsprinzips in unserem Sinne in der Aufklärung und den naturrechtlichen Staatsvertragslehren gesehen.15 Auf Binding geht der Gedanke zurück, zwei Wurzeln des strafrechtlichen Gesetzesvorbehalts zu unterscheiden: Zum einen lässt sich von der strafrechtlichen (womit Feuerbachs psychologische Zwangstheorie gemeint ist), zum anderen von der staatsrechtlichen Grundlage (genannt wird Montesquieus Idee der Gewaltenteilung) sprechen.16 13 Tiedemann, FS Baumann, 7, 8. So verlief die Entwicklung über Petrus Theodoricus mit seinem Collegium Criminale zur beschleunigten Systematisierung durch Carpzov, anschließend floss mit Antonius Mattheus’ De Criminibus naturrechtliches Denken ein; schließlich stellte v. Boehmer in seinem Lehrbuch Elementa iuris prudentiae criminalis von 1732 erstmals allgemeine Lehren voran. Vgl. dazu Rüping/Jerouschek, Grundriss, Rn. 114 ff.; Schaffstein, Allgemeine Lehren, S. 8 ff. 14 Rüping/Jerouschek, Grundriss, Rn. 45, 113; s. a. Schaffstein, Allgemeine Lehren, S. 3 f., 13; Eb. Schmidt, Einführung, S. 117 ff. 15 Vgl. Binding, Handbuch, S. 19; Birkenstock, Bestimmtheit, S. 82; Böckenförde, ZStW 91 (1979), 888, 888; Epping, Der Staat 34 (1995), 243, 244; Eser/Burkhardt, Strafrecht I4, Nr. 2 A Rn. 1; LR-Esser, Art. 7 Rn. 2; Haft, JuS 1975, 477, 477; Hilgendorf, in: Gesetzlichkeit und Strafrecht, 17, 17; Friauf/Höfling-Höfling/Burkiczak, Art. 103 Rn. 11; Jähnke, ZIS 2010, 463, 463; Jakobs, AT, Ab. 4 Rn. 2; Jescheck/Weigend, AT, § 15 II 2; Jung, FS Wassermann, 875, 884; Kertai, JuS 2011, 976, 977; Kielwein, Annales Universitatis Saraviensis VIII (1960), 127, 130; I.-S. Kim, FS Roxin I, 119, 121; Kohlmann, Staatsgeheimnis, S. 168; Krey, FS Blau, 123, 127; Kudlich, Unterstützung, S. 247; Kuhlen, in: Das Gesetzlichkeitsprinzip, 45, 47; Luther, FS Bemmann, 202, 204; Mangakis, ZStW 81 (1969), 997, 1002; Nickel, Problematik, S. 15 f.; Paulduro, Verfassungsgemäßheit, S. 360; KK-OWiG-Rogall, § 3 Rn. 6; Roxin, AT/I, § 5 Rn. 18; SK8-Rudolphi, § 1 Rn. 2; H.-L. Schreiber, Gesetz, S. 32; Schürmann, Unterlassungsstrafbarkeit, S. 164; Seebode, FS Spendel, 317, 318; Seel, Tatbestandsmerkmale, S. 18; Stächelin, Gesetzgebung, S. 208; Stratenwerth/Kuhlen, AT, § 3 Rn. 4; Süß, in: Vom unmöglichen Zustand des Strafrechts, 207, 209. Auch der Allgemeine Teil wird gelegentlich als „Kind der Aufklärung“ bezeichnet, s. Sternberg-Lieben, Schranken, S. 317 Fn. 155 (vgl. aber v. Bitter, Strafrecht des Pr. ALR, S. 157 f., 191). 16 Binding, Handbuch, S. 19 ff.

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Um mit Letzterem zu beginnen: Die meisten Vertreter des „älteren“ Naturrechts (etwa Grotius, Pufendorf, Thomasius) kennen eine Gesetzesbindung des Strafrechts noch nicht im derartigen Sinn,17 auch die ersten Strafgesetze deutscher Staaten im 18. Jahrhundert, beispielsweise der Codex Juris Bavarici Criminalis von 1751 oder die Constituio Criminalis Theresiana von 1768, bringen keine Gesetzesbindung des Richters mit sich.18 In den Vordergrund tritt der Grundsatz der Gesetzesgebundenheit im Strafrecht dann mit der Kodifikationsidee. Diese basiert auf dem Gedanken der Ausschließlichkeit des gesetzlichen Rechts, welches das Gebot der Obrigkeit darstellt und zur Steuerung des Soziallebens dient. Hierbei lassen sich zwei verschiedene Grundströmungen unterscheiden, die sich freilich „getroffen“ haben19. Im absolutistischen Herrschaftssystem soll die strikte Bindung des Richters an möglichst exakt gefasste Gesetze die Durchsetzung des Willens des Herrschers gegenüber der Rechtsprechung ermöglichen.20 Dagegen dient den Vertretern des aufgeklärten Rechtsdenkens das Gesetz zur Sicherung bürgerlicher Freiheit und als Schutz vor richterlicher Willkür.21 Herausragende Vertreter sind dabei für den angelsächsischen Rechtskreis Locke (Two treaties of governement, 1690, II § 137), für Frankreich Montesquieu (De l’ Esprit des Lois, 1748, 11. Buch Kapitel 6) und für Italien Beccaria (Dei delitti e delle pene, 1764). Dabei wurde eine teils äußerst strikte Gesetzesbindung des Richters postuliert. Von Montesquieu stammt (vor dem Hintergrund seiner Forderung nach strikter Gewaltentrennung zur Machtbegrenzung) auch der berühmte Ausspruch: „Les juges ne sont que la bouche qui prononce les paroles de la loi.“ 22 Noch weiter geht Beccaria, wenn er dem Richter sogar die Gesetzesauslegung verbieten will. Der Richter habe sich strikt an das Gesetz zu halten und nur die Kompetenz, anhand des Gesetzes einen vollkommenen Syllogismus zu vollziehen; bei Problemen der Praxis müsse der Gesetzgeber Verbesserungen am Wortlaut vornehmen.23 Hingegen wird jene beabsichtigte Degenerierung des 17 H.-L. Schreiber, Gesetz, S. 39, 43 f. Dagegen beschäftigt sich Hobbes durchaus ausführlich mit der Frage der Bedeutung des Strafgesetzes wie auch seiner Rückwirkung, vgl. beispielsweise Hobbes, Leviathan, Kap. 27, S. 226 („Kein nach einer Tat erlassenes Gesetz kann sie zu einem Verbrechen machen.“). Eingehend und m.w. N. zur Lehre der strafrechtlichen Gesetzesbindung und zu den einschränkenden bzw. vom heutigen Verständnis abweichenden Gesichtspunkten bei Hobbes H.-L. Schreiber, Gesetz, S. 40 ff. 18 H.-L. Schreiber, Gesetz, S. 44 ff.; ferner Bopp, Entwicklung, S. 44 f. 19 Dannecker, FS Otto, 25, 27 f.; Roxin, AT/I, § 5 Rn. 13; s. a. Sinn, FS Wolter, 503, 504. 20 Dannecker, FS Otto, 25, 27; Otto, GK AT, § 2 Rn. 30; Roxin, AT/I, § 5 Rn. 13. 21 Krey, Keine Strafe ohne Gesetz, S. 12 f.; H.-L. Schreiber, Gesetz, S. 48 ff. 22 Montesquieu, De l’ Esprit, 11. Buch Kap. 6, S. 72. 23 Beccaria, Über Verbrechen und Strafen, Kap. IV, S. 63 ff. Zudem sieht er einen weiteren Mangel in der Unverständlichkeit der Gesetze, ebendiese ziehe die als negativ eingestufte Auslegung nach sich; das Gesetz müsse die Sprache des Volkes sprechen, a. a. O., S. 66.

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Richters zu einem bloßen Subsumtionsautomaten von unserem heutigen Erkenntnisstand (dazu später in Kap. D. II. 1.) aus als undurchführbar24 angesehen. Aus der damaligen Sicht dürfte sie nur konsequent gewesen sein. Zwar werden die einzelnen Verbürgungen i. S. eines Bestimmtheitsgebots bzw. eines Analogieverbots hier nicht expressis verbis ausgesprochen. Will man aber eine solch strikte Bindung der Rechtsprechung an das Gesetz erreichen, so ist eine exakt gefasste Sprache nötig. Untersagt man dem Richter sogar die Auslegung, so ist a fortiori die Analogie ausgeschlossen. Folglich sind beide Garantien dem Gesetzlichkeitsprinzip bereits zu diesem Zeitpunkt zu entnehmen.25 Zu der Frage, inwieweit die allgemeinen Lehren des Strafrechts vom postulierten Gesetzesvorbehalt betroffen sind, findet sich zu diesem Zeitpunkt noch wenig. Allerdings dürfte sich wiederum wegen der beabsichtigten strengen Richterbindung für sie nichts anderes ergeben: So fordert Beccaria, auch den Versuch und die Mittäterschaft bei Verbrechen unter Strafe zu stellen,26 nach seinen Prämissen aber ist für jede Strafandrohung ein präzises Gesetz nötig. Zugegebenermaßen ist dies eine recht spekulative Interpretation der Ausführungen Beccarias: In dieser Entwicklungsphase etablierte sich der Gedanke der gesetzlichen Aussonderung allgemeiner Regeln für das Strafrecht gerade erst. Den Boden hierfür bereitete Pufendorfs Imputationslehre, durch die die Kausalität als gemeinsames Merkmal aller Teilnahmeerscheinungen herausgefiltert werden konnte; hierdurch wurde eine weitere Abgrenzung des AT vom BT möglich.27 Dem vernunftsrechtlichen Denken kam eine solche natürlich entgegen, da sie Ausdruck weiterer Systematisierung und Abstrahierung war.28 So enthalten dann auch der bayerische Codex Iuris Bavarici mit einem „lückenhaften“, die österreichische Constitutio Criminalis Theresiana mit einem „ziemlich umfassenden“ Allgemeinen Teil29 einen großen rechtstechnischen Fortschritt.

LK12-Dannecker, § 1 Rn. 308; Frister, AT, Kap. 4 Rn. 12 („naiv“); Lenckner, JuS 1968, 249, 256; Roxin, AT/I, § 5 Rn. 27; Scheffler, Jura 1996, 505, 506. 25 So auch Binding, Handbuch, S. 22, 25; Krey, Keine Strafe ohne Gesetz, S. 73, 84 f.; H.-L. Schreiber, Gesetz, S. 55 f. 26 Beccaria, Über Verbrechen und Strafen, Kap. XXXVII, S. 158 f. Eingehend zum Gesetzlichkeitsprinzip bei Beccaria Hilgendorf, in: Gesetzlichkeit und Strafrecht, 17, 22 ff. 27 Fincke, Verhältnis, S. 3 f.; Schaffstein, Allgemeine Lehren, S. 36 f. 28 Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 5 Rn. 1; Tiedemann, FS Baumann, 7, 8; vgl. auch v. Bar, Geschichte, S. 153. 29 v. Bar, Geschichte, S. 155. Der Allgemeine Teil der Theresiana enthielt 17 Artikel. Gleichwohl ließ das Gesetz dem Richter weiterhin einen großen Spielraum, die Analogie blieb zulässig (Teil II Art. 104), vgl. Berner, Strafgesetzgebung, S. 20. 24

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b) Erste gesetzliche Fixierung des strafrechtlichen Gesetzlichkeitsprinzips In den siebziger Jahren des 18. Jahrhunderts fand das Prinzip seinen ersten Eingang in die Verfassungen einzelner amerikanischer Kolonien (wie etwa Virginia oder Maryland), das Rückwirkungsverbot wurde auch in der amerikanischen Bundesverfassung (Art. 1 Abschnitt 9 § 3) festgehalten.30 Damit wurde das Gesetzlichkeitsprinzip zum ersten Mal schriftlich festgelegt und als subjektives Recht gefasst.31 Eine weitere gesetzliche Fixierung erfährt der Grundsatz der Gesetzesbindung im Strafrecht (gerade das Rückwirkungsverbot und das Postulat der buchstabengetreuen Anwendung des Rechts) sodann in der französischen Declaration des Droits de l’homme et du citoyen von 1789 (Art. 7, 8) sowie in den nachfolgenden französischen Verfassungen von 1791, 1793 (Art. 10, 14) und 1795 (Art. 8, 14); einfachgesetzlich ist er zudem in Art. 3 des Code des délits et des peines aus dem Jahr 1795 (Art. 3) und schließlich im Code pénal von 1810 enthalten (Art. 4: „Nulle contravention, nul délit, nul crime ne peuvent être punis des peines qui n’étaient pas prononcées par la loi avant qu’ils fussent comis.“).32 4. Erste deutschsprachige Strafrechtskodifikationen a) Josephina Auch die ersten Kodifikationen des aufgeklärten Absolutismus nehmen das Prinzip auf. In der Josephina (dem „Allgemeinen Gesetzbuch über Verbrechen und derselben Bestrafung“ Österreichs von 1787) finden sich einige Bestimmungen (Teil I §§ 1, 13, 19), die eine Bindung des Richters an das Strafgesetz postulieren. Dennoch soll damit nach überwiegender Meinung weniger die Freiheitssicherung der einzelnen Bürger als vielmehr die Bindung des Richters an den Willen des Monarchen intendiert sein.33 § 13 in Teil I der Josephina spricht erstH.-L. Schreiber, Gesetz, S. 62, 64 f. m.w. N.; s. a. LK12-Dannecker, Entstehungsgeschichte § 1, S. 69 f. 31 H.-L. Schreiber, Gesetz, S. 67; freilich ist die Entwicklung in Nordamerika vom angelsächsischen Verständnis des „Rechts“ geprägt, was bedeutet, dass insbesondere Gewohnheitsrecht und Analogien nicht ausgeschlossen werden, vgl. H.-L. Schreiber, Gesetz, S. 66. 32 Bopp, Entwicklung, S. 29 f.; Löhr, Prozeßgrundrechte, S. 138; H.-L. Schreiber, Gesetz, S. 67 f. Heute lautet Art. 111-3 des Code pénal von 1993: „Nul ne peut être puni pour un crime ou pour un délit dont les éléments ne sont pas définis par la loi, ou pour une contravention dont les éléments ne sont pas définis par le règlement.“ 33 Kohlmann, Staatsgeheimnis, S. 180 f.; Maurach/Zipf, AT/I8, § 10 II Rn. 18; IntKommEMRK-Renzikowski, Art. 7 Rn. 10; Eb. Schmidt, Einführung, S. 256; v. Weber, ZStW 56 (1937), 653, 672; allerdings „traf“ sich auch dies wohl mit den aufklärerischen Vorstellungen, die den damaligen Monarchen und Gesetzgeber beeinflussten, vgl. Krey, Studien, S. 208 f.; ders., FS Blau, 123, 128; Lewisch, Verfassung und Strafrecht, S. 86; H.-L. Schreiber, Gesetz, S. 79. 30

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mals explizit – im Gegensatz zur Theresiana, die in Teil II Art. 104 die strafbegründende Analogie zuließ – das Analogieverbot aus,34 indem er bestimmt: „Der Criminalrichter ist an die buchstäbliche Beobachtung des Gesetzes gebunden, soweit in demselben auf die Missetat die Größe und Gattung der Strafe genau und ausdrücklich bestimmt ist. Es ist ihm bei strenger Verantwortung die gesetzmäßig vorgeschriebene Strafe weder zu lindern noch zu verschärfen erlaubt. Noch weniger ist er berechtigt, die Gattung der Strafe zu ändern, oder die Bestrafung gegen eine Ausgleichung zwischen dem Verbrecher und dem Beschädigten ganz aufzuheben.“

Was das Bestimmtheitsgebot angeht, zeigt bereits der erste Satz der genannten Vorschrift, dass eine Präzisierung des Gesetzes verfolgt wurde, um richterliche Rechtsschöpfung zurückzudrängen; allerdings war dies zum Schutz des Bürgers angesichts der im Vordergrund stehenden absolutistischen Vorstellungen nicht notwendigerweise angezeigt.35 Im Bezug auf den Allgemeinen Teil traf die Josephina im Vergleich zu den bislang erlassenen Strafgesetzen eine ausführlichere Regelung. So werden im 1. Kapitel des Ersten Theils (Art. 1–39) etwa Vorsatz, Fahrlässigkeit, Versuch, Teilnahme und Zurechnungsfähigkeit geregelt. b) Allgemeines Preußisches Landrecht Stärker als die Josephina war das ALR von 1794 von den Gedanken der Aufklärung beeinflusst. Besonders die beiden „Väter“ der Kodifikation, Großkanzler Johann Heinrich von Carmer und Carl Gottlieb Suarez, waren Anhänger des „jüngeren“ Naturrechts.36 Suarez spricht auch deutlich aus, dass die Gesetze zum Schutze des Bürgers deutlich und bestimmt sowie allgemein sein sollen.37 Am Ende enthielt das ALR bekanntermaßen (ungefähr 19.000) Paragraphen zu Öffentlichem Recht, Zivil- sowie Strafrecht. Letzteres ist im Titel 20 des Zweiten Teils verortet. Der Grundsatz der Gesetzesbindung im Strafrecht findet sich dabei in zwei Vorschriften. Während § 14 der Einleitung des ALR das Rückwirkungsverbot statuiert, lautet § 9 des 20. Titels im Zweiten Teil: „Handlungen und Unterlassungen, welche nicht von den Gesetzen verboten sind, können als eigentliche Verbrechen nicht angesehen werden, wenn gleich Einem oder dem Anderem daraus ein wirklicher Nachteil entstanden sein sollte.“

34 Berner, Strafgesetzgebung, S. 20; Lewisch, Verfassung und Strafrecht, S. 86; Maurach/Zipf, AT/I8, § 10 II Rn. 18. 35 Krey, Keine Strafe ohne Gesetz, S. 85 f. 36 H.-L. Schreiber, Gesetz, S. 87. Eingehend zum Einfluss beider und zum ideengeschichtlichen Kontext v. Bitter, Das Strafrecht des Preußischen Allgemeinen Landrechts von 1794 vor dem ideengeschichtlichen Hintergrund seiner Zeit. 37 Suarez, Vorträge, S. 13, 16.

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Entgegen § 49 der Einleitung des ALR, der dem Richter die Kompetenz zur Analogie zwecks der gesetzesergänzenden Lückenfüllung einräumt, wird somit durch § 9 im Strafrecht die Analogie ausgeschlossen, ein Analogieverbot ausgesprochen.38 Im Hinblick auf den Bestimmtheitsgrundsatz, dessen Verwirklichung eines der zentralen Anliegen bei der Schaffung des Allgemeinen Preußischen Landrechts war, ist zu konstatieren, dass sich dieses Bemühen (was das Strafrecht anbelangt) in 1577 Paragraphen – die allerdings jeweils nur einen Absatz hatten – niedergeschlagen hat. Gerade diese hohe Regelungsdichte des ALR hat immer wieder Kritik erfahren. Der kasuistische, belehrende Charakter39 des Landrechts wird als Ausdruck des überbesorgten Polizeistaates verstanden. Zudem birgt eine derartige Überregulierung die Gefahr, das genaue Gegenteil des angestrebten Ziels hervorzubringen. Kasuistische Gesetze können statt einer größeren Bestimmtheit Unklarheit, Unübersichtlichkeit, Starrheit und Widersprüche erzeugen.40 Unter diesem Aspekt muss man auch den im Strafrechtsabschnitt des ALR enthaltenen Allgemeinen Teil41 sehen. Den Straftatbeständen wird (nach den ersten sechs höchst unterschiedlichen Paragraphen, die teils die Grundhaltung des Gesetzgebers, teils Straf- und teils Zurechnungsvorschriften enthalten) ein erster Abschnitt „von Verbrechen und Strafen überhaupt“ vorangestellt. Dieser enthält 84 Vorschriften. Davon widmen sich allein der subjektiven Seite 13 Vorschriften (§§ 26–38), wobei sich an Legaldefinitionen des Vorsatzes (§ 26) und der Fahrlässigkeit (§ 28) versucht wird. Zu Mittäterschaft und Teilnahme sind 21 Paragraphen enthalten, in deren Rahmen auch Sonderdelikte aufgeführt sind, §§ 80–84, die eigentlich in den BT gehören; umgekehrt findet sich manche allgemeine Zurechnungsfrage erst, wie es im gemeinen Recht üblich war, bei den Tötungsdelikten (s. §§ 809 ff.). Insofern war das ALR schon nicht auf der Höhe seiner Zeit. Im Gegensatz dazu und zu späteren Gesetzen wird das österreichische „Strafgesetz über Verbrechen und schwere Polizeiübertretungen“ von 1803 bezüglich sei-

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Krey, Keine Strafe ohne Gesetz, S. 75; ders., Studien, S. 208. v. Bar, Geschichte, S. 163 f.; Krey, Keine Strafe ohne Gesetz, S. 87; s. a. Kohlmann, Staatsgeheimnis, S. 186. 40 BVerfGE 45, 363, 371; Calliess, NJW 1985, 1506, 1508; Duttge, Bestimmtheit, S. 179; Jescheck/Weigend, AT, § 15 I 2; P. Kirchhof, FS Univ. Heidelberg, 11, 28; Köhler, AT, S. 87; Krahl, Rechtsprechung, S. 89; Simon, Gesetzesauslegung, S. 124. Allerdings reagiert ein Rechtssystem auf derartige schriftliche Fixierungen durch Korrektive, wie dies auch in der Praxis des Landrechts geschehen ist, vgl. Schwennicke, in: 200 Jahre ALR, 79, 104. 41 Freilich wird noch nicht von einem „Allgemeinen Teil“ gesprochen. Zudem ist der Klammergesichtspunkt des AT hier noch nicht voll ausgeprägt, wie Verbindungen zu den anderen Rechtsgebieten (z. B. in §§ 28, 36) zeigen, auch die Trennung der Tatbestände von den allgemeinen Vorschriften wird nicht konsequent durchgehalten; vgl. Fincke, Verhältnis, S. 4 Fn. 13. Die Voranstellung eines AT an sich ist indes trotz dieser Mängel „zukunftsweisend[e]“, v. Bitter, Strafrecht des Pr. ALR, S. 17. 39

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nes AT als „mit weiser Zurückhaltung und . . . elastisch gefasst“ 42 gerühmt, die gegenläufige Entwicklung wird als Vorzug empfunden. Jene Überalterung, Überregulierung und das starre Strafsystem auf der einen sowie Lücken im Gesetz (was etwa die straferschwerenden oder mildernden Umstände angeht) auf der anderen Seite führten zu einer schwierigen Rechtsanwendung des Kapitels 20 in praxi.43 Indessen machte die Rechtsprechung dieses durch Korrekturen, Weiterbildung sowie Modernisierung (teils praeter et contra legem) praktikabel.44 Im Vorfeld der Schaffung des Preußischen StGB von 1851 wird eine bloße Reform des ALR bereits 1826 abgelehnt, da dieses in seiner ganzen Anlage, seinen Grundzügen und seinem System – was das Strafrecht anbelangt – unbrauchbar sei und im geltenden Recht große Mängel bestünden.45 In der Retrospektive wird das Strafrecht des Landrechts aus den gegebenen Gründen oft als der am wenigsten gelungene Teil der Kodifikation genannt, Volk bezeichnet es gar als „Dinosaurier“.46 5. Feuerbach und Diskussion in der Wissenschaft a) Nullum crimen, nulla poena sine lege Ob man unter Berücksichtigung des Vorangegangenen sagen kann, das Gesetzlichkeitsprinzip habe erst mit Feuerbach den „Sieg“ davongetragen,47 sei dahingestellt: Jedenfalls erfolgt mit Feuerbach eine weitere Fortentwicklung und Durchsetzung des Grundsatzes. Dieser formuliert in seinem Lehrbuch, wie bereits erwähnt, erstmals die berühmt gewordene lateinische Formel, der er am gleichen Ort noch die beiden Sätze nulla poena sine crimine (die Zufügung der Strafe ist bedingt durch das Dasein der bedrohten Handlung) und nullum crimen sine poena legali (die gesetzlich bedrohte Tat ist bedingt durch die gesetzliche Strafe) zur Seite stellt. Mit seiner Theorie vom psychologischen Zwang48 schafft Feuerbach darüber hinaus die (oben erwähnte) strafrechtliche Grundlage des Gesetzlichkeitsprinzips; das Gesetz dient für ihn dazu, allen Bürgern die Folgen aufzuzeigen, die mit Rechtsverletzungen verbunden sind, und sie so zur Vermeidung 42

v. Bar, Geschichte, S. 165. Jenes Lob der „weisen Zurückhaltung“ wird zuweilen auch dem heutigen Gesetzgeber zuteil, vgl. Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 5 Rn. 6. 43 Schwennicke, in: 200 Jahre ALR, 79, 82. 44 Schwennicke, in: 200 Jahre ALR, 79, 101. 45 Vgl. Goltdammer, Die Materialien zum Strafgesetzbuch für die Pr. Staaten, Einl. S. VII. 46 Volk, JuS 1991, 281, 282. Kritisch auch Berner, Strafgesetzgebung, S. 36 f., 213; Schwennicke, in: 200 Jahre ALR, 79 ff.; positiver bei der Bewertung des Strafrechtsteils dagegen Eb. Schmidt, Einführung, S. 251 ff.; ambivalent Krahl, Rechtsprechung, S. 86, 88. 47 v. Weber, ZStW 56 (1937), 653, 675. 48 Feuerbach, Lehrbuch, §§ 13 ff.

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der „Unlust“ anzutreiben, wobei durch die besondere Form des Gesetzes die Folge des Strafübels garantiert wird. Allerdings hat Feuerbach das Gesetzlichkeitsprinzip nicht nur in seine Strafrechtstheorie integriert. Vielmehr liegt dem Nulla-poena-Grundsatz bei ihm auch ein staatsrechtliches Fundament zugrunde,49 es geht ihm um die Beseitigung richterlicher Willkür und die Gewährleistung von Rechtssicherheit.50 Aus dieser Herleitung ergibt sich folgerichtig die Untergarantie des Bestimmtheitsgebots. Die Voraussetzungen der Straftat sowie die Straffolge müssen so genau wie möglich bestimmt werden.51 Um nämlich den Effekt psychologischer Unterdrückung zu erreichen, muss das Gesetz sich um eine denkbar klare Umschreibung bemühen. Außerdem sind nach Feuerbachs Ansicht „alle Arten analogischer Anwendung des Gesetzes“ untersagt.52 Nur ein solches Analogieverbot kann zu seinem Ideal einer vollständigen Gesetzgebung passen. Freilich gab es im 19. Jahrhundert vielfach Stimmen in der Wissenschaft, die das Gesetzlichkeitsprinzip nicht im vollen Umfange anerkannten. Herausragende Juristen wie Tittmann rekurrierten dabei auf die Lehre vom sog. „natürlichen“ Verbrechen: Demnach ist für die Strafbarkeit einer Handlung deren gesetzliche Festlegung nicht zwingend notwendig, wenn bereits die Vernunft diese verbietet.53 Auch für die Historische Schule Savignys spielte der Grundsatz naturgemäß eine geringere Rolle, denn nach ihr ist ein aus der „Volksüberzeugung“ hervorgehendes Gewohnheitsrecht ebenso bedeutend. Tatsächlich zog die Historische Schule diese Konsequenz aber, beispielsweise was das ihr eigentlich fremde Analogieverbot angeht,54 nicht, sondern behielt die Bindung des Richters an das Gesetz als „reifere Form“ 55 des Rechts bei. 49 LK12-Dannecker, Entstehungsgeschichte § 1, S. 69; Krey, FS Blau, 123, 129; Marinucci, FS Tiedemann, 189, 193; IntKommEMRK-Renzikowski, Art. 7 Rn. 10; H.-L. Schreiber, Gesetz, S. 110. Letzterer erblickt im staatsrechtlichen Fundament sogar den vorrangigen Gesichtspunkt, was dadurch belegt werde, dass auch Grolmann, obschon Anhänger einer spezialpräventiven Idee, das Gesetzlichkeitsprinzip übernimmt, vgl. H.-L. Schreiber, Gesetz, S. 112 ff.; ähnl. BK-GG-Rüping, Art. 103 II Rn. 6 f. Dagegen betont Binding, Handbuch, S. 21, ausschließlich das strafrechtliche Fundament; für Hruschka, JZ 1987, 161, 168, münden die Überlegungen zu Strafe und Gesetz erst in rechtsstaatliche Forderungen. 50 Feuerbach, Über Philosophie und Empirie, S. 23 f., 31. 51 Feuerbach, Kritik Bd. I, S. 5, 10 f., 20; Kritik Bd. III, S. 117 ff. 52 Feuerbach, Kritik Bd. II, S. 24 ff.; die Auslegung an sich will Feuerbach aber zulassen, vgl. Feuerbach, Kritik Bd. II, S. 21 f.; näher dazu Greco, Lebendiges und Totes, S. 52 ff. 53 Tittmann, Handbuch I, S. 63; ferner a. a. O., S. 18: Die Strafrechtspflege sei unmöglich nur nach ausdrücklichen Gesetzen zu betreiben. S. a. Abegg, Lehrbuch, S. 80; Grolmann, Grundsätze, S. 14 f. 54 Schinnerer, ZStW 55 (1936), 768, 770. 55 Köstlin, Neue Revision, § 177 (S. 661).

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b) Verhältnis des Nullum-crimen-Satzes zum AT Was das Verhältnis des Gesetzlichkeitsprinzips zum Allgemeinen Teil bei Feuerbach anbelangt, so fällt zunächst eines auf. Er unterteilt das peinliche Recht in einen philosophischen (allgemeinen) Teil, der die allgemeinen Grundsätze enthalte, und einen positiven (besonderen) Teil, der das Recht des Staates zur Sanktionierung einzelner Arten rechtswidriger Taten beinhalte.56 Daraus könnte man den Schluss ziehen, dass sich Feuerbach mit dem Nullum-crimen-Satz (und besonders mit dem Analogieverbot) nur auf den besonderen (positiven) Teil, nicht aber auf den der gesetzlichen Positivierung vorgehenden (philosophischen) allgemeinen Teil beziehen wollte.57 Doch greift dies zu kurz. Die Philosophie des Strafrechts ist für Feuerbach nur insoweit eine Quelle, als deren Anwendung nicht durch positive gesetzliche Bestimmungen beschränkt ist.58 Hier wird also anerkannt, dass es auch einen positiven AT geben muss. Im Übrigen hat Feuerbach selbst bei dem von ihm entwickelten Strafgesetzbuch für Bayern von 1813 im Hinblick auf den AT eine positivistische Haltung eingenommen.59 Der Ausgliederung des Allgemeinen Teils lag bei ihm zwar primär der Gedanke der Systematisierung und Abstrahierung zugrunde. Sekundär spielt indes der Gedanke der lex stricta eine Rolle, der AT müsse zumindest so vollständig formuliert sein, dass der Wille des Gesetzgebers sich nicht einfach missdeuten lässt.60 Folglich ist die These, Feuerbach habe den Nullum-crimen-Satz (und besonders das Analogieverbot) nicht auf den AT bezogen, in der Form nicht zu halten. Unklar ist allerdings, ob Feuerbach an den AT die gleichen hohen Anforderungen stellte. Etwas Erhellung bieten allenfalls die Ausführungen in seiner Kritik am Kleinschrodischen Entwurf für ein bayerisches Strafgesetzbuch. Auch die allgemeinen Lehren seien gesetzlich zu bestimmen, um diese nicht dem Richter zu überlassen.61 Eine Regelung als nur an den Richter gerichtete, gesonderte Einleitung – etwa mit der Begründung, die allgemeinen Lehren seien nur für den Richter, nicht aber für die Verhaltenssteuerung des Bürgers bedeutsam – sei ebenso abzulehnen.62 Andererseits führt Feuerbach aus, dass das Fehlen von Regeln nicht die einzige Art der Unvollständigkeit eines Gesetzbuchs begründe, diese könne des-

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Feuerbach, Lehrbuch, §§ 2, 4. So Hardwig, ZStW 78 (1966), 1, 8 Fn. 10. 58 Feuerbach, Lehrbuch, § 5; vgl. auch Wächter, Lehrbuch, S. 37 f., der vor der Gefahr warnt, den AT des positiven Strafrechts mit dem des philosophischen Strafrechts zu verwechseln. 59 Fincke, Verhältnis, S. 18 f. 60 Vgl. (die freilich nicht von Feuerbach selbst stammenden) Anmerkungen zum Strafgesetzbuche für das Königreich Bayern. Nach den Protokollen des königlichen geheimen Rhats. Erster Band, S. 49 f.; andererseits solle der AT aber auch keine Lehrsätze enthalten (a. a. O. S. 48 f.). Wiedergegeben auch bei Berner, Strafgesetzgebung, S. 87. 61 Feuerbach, Kritik Bd. I, S. 5, 8, 12. 62 Feuerbach, Kritik Bd. I, S. 6 f. 57

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gleichen durch eine gewisse Art der Ausführlichkeit entstehen;63 Präzision und Deutlichkeit dürften nicht mit Verständlichkeit (im Sinne von Ausführlichkeit) verwechselt werden.64 Somit kann man festhalten: Für Feuerbach galt das Gesetzlichkeitsprinzip auch für den positiven AT eines Strafgesetzbuchs, es ist vielmehr einer der Gründe für ihn, warum der AT positiv zu regeln ist. Dahingegen betont er immer wieder, dass damit keine Überregulierung intendiert sei, sondern dass allgemeine, umfassende Regeln zu treffen seien. In den Lehrbüchern des 19. Jahrhunderts hat sich die Aussonderung der allgemeinen Lehren jedenfalls theoretisch durchgesetzt.65 Vermehrt fordert man darüber hinaus die gesetzliche Aussonderung eines Allgemeinen Teils, da diese in gewisser Weise „natürlich“ 66 sei. Nur vereinzelt wird dabei verlangt, man müsse bei diesem zu schaffenden Allgemeinen Teil, etwa bei Vorsatz und Fahrlässigkeit, das Gebot bestimmter Strafgesetze befolgen.67 6. Weitere Entwicklung des Prinzips in Deutschland im 19. und frühen 20. Jahrhundert a) Kodifikationen deutscher Partikularstaaten Im weiteren 19. Jahrhundert fand das Gesetzlichkeitsprinzip zunehmend Eingang in die Gesetzbücher und Verfassungen der deutschen Partikularstaaten. Hervorzuheben ist das von Feuerbach selbst geprägte Bayerische Strafgesetzbuch von 1813. Dieses ist vom Bemühen getragen, richterliches Ermessen zu begrenzen, und statuiert bereits in Art. 1 den Nulla-poena-Grundsatz. Flankiert wird dies noch von einem Kommentierungsverbot, auch ist das Bayerische StGB in seinem Bemühen um Tatbestandsbestimmtheit recht gut gelungen. Außerdem stellt es den Regelungen über Verbrechen und Vergehen ausdrücklich einen Allgemeinen Teil voran und vollzieht somit als erstes die systematische Ausgliederung explizit: Der 1. Teil des Ersten Buchs enthält in den Art. 1 bis 141 allgemeine Bestimmungen; geregelt werden u. a. Vorsatz, Fahrlässigkeit sowie die actio libera in causa. Überhaupt geht der bayerische Gesetzgeber von der tiefgehenden Bedeutung des AT aus, von dessen Vollständigkeit und Gründlichkeit das 63

Feuerbach, Kritik Bd. I, S. 10. Feuerbach, Kritik Bd. I, S. 20 f. 65 Vgl. nur Abegg, Lehrbuch, S. 79 ff.; Grolmann, Grundsätze, S. 187 f.; Roßhirt, Lehrbuch, S. 27 ff. 66 Beidtel, Untersuchungen, S. 105; s. a. C. G. L. Meyer, Lehre vom Tatbestand und Täterschaft, S. 10 f.; Wächter, Lehrbuch, S. 37 f. 67 Wohl Beidtel, Untersuchungen, S. 106, 108. Vgl. dagegen zum Ende des 19. Jahrhunderts Hälschner, Gem. Dt. Strafrecht I, S. 184, der die These aufstellt, Begriffe wie Schuld, Zurechnung, Handlung oder Vorsatz würden vom Strafgesetz vorausgesetzt; solche der Psychologie und Ethik angehörige Begriffe seien der Wissenschaft zur Entwicklung zu überlassen. Dieser Gedanke hat sich – wenn auch modifiziert – in Teilen bis heute gehalten. 64

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Schicksal aller besonderen Bestimmungen abhänge und der daher nicht dem Richter überlassen werden dürfe.68 Die nachfolgenden Gesetzeswerke der deutschen Staaten bringen zunächst keine weiteren Besonderheiten mit sich. Einzig im Braunschweigischen Criminalgesetzbuch von 1840 wird die Gesetzesanalogie durch Art. 4 zugelassen.69 Jenes enthielt ebenfalls einen Allgemeinen Teil, der sich über neun Titel erstreckte. b) Preußisches StGB und Reichseinheit Das Preußische StGB von 1851 enthält den Grundsatz der Gesetzesbindung im Strafrecht in § 2, der eine wörtliche Übersetzung von Art. 4 des französischen Code pénal darstellt. § 2 PreußStGB lautet: „Kein Verbrechen, kein Vergehen und keine Übertretung kann mit einer Strafe belegt werden, die nicht gesetzlich bestimmt war, bevor die Handlung begangen wurde.“

Trotz einer Diskussion um die Zulassung der Analogie setzten sich deren Gegner durch70, die Übernahme des Wortlauts der französischen Vorschrift soll ebenso das aus ihr entnommene Analogieverbot sicherstellen.71 Auch was die Bestimmtheit des Gesetzes angeht, wird das Preußische StGB als gelungen bezeichnet, einige der Vorschriften gelten bis heute nahezu unverändert.72 Das ALR war für die Fassung des neuen Gesetzbuchs kein Vorbild,73 vielmehr bestand die Absicht, ebenfalls wissenschaftlichen Kriterien zu genügen und dem Richter einen weiteren Spielraum zu belassen.74 Der Allgemeine Teil wird zwar nicht als solcher benannt, aber im Wesentlichen durch die Einleitenden Bestimmungen (§§ 1–6) und den Ersten Teil (Von der Bestrafung der Verbrechen und 68 Anmerkungen zum Strafgesetzbuche für das Königreich Bayern I, S. 49; vgl. dazu Berner, Strafgesetzgebung, S. 87. Überhaupt war hier eine umfassende Darstellung der Grundbegriffe zum Zwecke der Systematik und Vereinfachung beabsichtigt. 69 Eick, Analogie, S. 16 f.; H.-L. Schreiber, Gesetz, S. 156 f. v. Bar, Geschichte, S. 180 f., preist vor allem dessen Kürze, die dem richterlichen Ermessen, gerade im AT, genügend Raum lasse. Bei anderen deutschen Strafgesetzbüchern war die Analogie zwar nicht explizit zugelassen, wurde aber, zusammen mit dem Gewohnheitsrecht, vielfach als notwendig erachtet, um gerade die geregelten Allgemeinen Teile trotz ihrer oft nicht abschließend gelungenen Fassung und der dort anzutreffenden Unbestimmtheit handhabbar zu machen, vgl. Bopp, Entwicklung, S. 77 ff. m.w. N. 70 Vgl. Goltdammer, Die Materialien zum Strafgesetzbuch für die Pr. Staaten, S. 54 f. Die Gegner lehnten diese ab, da der richterlichen Willkür zu großer Raum geschaffen würde und die Analogie daher „bedenklich und gefährlich“ sei. 71 Vgl. zu dem Ganzen H.-L. Schreiber, Gesetz, S. 165. 72 Krey, Keine Strafe ohne Gesetz, S. 91. 73 Goltdammer, Die Materialien zum Strafgesetzbuch für die Pr. Staaten, Vorwort S. III. 74 Goltdammer, Die Materialien zum Strafgesetzbuch für die Pr. Staaten, Vorwort S. IV f.

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Vergehen im Allgemeinen, §§ 7–60) vorangestellt. Schon der bloße Umfang ist mit 60 Vorschriften gegenüber dem ALR deutlich zurückgegangen. Zur Teilnahme enthält das PreußStGB nur noch 6 Vorschriften (§§ 34–39), wobei § 39 eigentlich einen dem BT zuzuordnenden Straftatbestand enthält. Darüber hinaus sind Begriffe wie Vorsatz und Fahrlässigkeit sowie ihre Anwendung überhaupt nicht mehr geregelt, was im Gegensatz zu den vorangehenden deutschen Strafrechtskodifikationen75 und auch im Widerspruch zur Aufgabe von Kodifikationen etwa bei Feuerbach steht. In den Gesetzesmaterialien wird dies überwiegend mit den als missglückt eingestuften Regelungen des ALR begründet; aus der Vergangenheit werde deutlich, dass alle Versuche einer Regelung unzureichend seien, somit sollten diese Begriffe der Entwicklung durch die Richter überlassen bleiben.76 Begriffe wie Vorsatz und Fahrlässigkeit müsse der Gesetzgeber aus der Wissenschaft voraussetzen, bei einer Positivierung ergebe sich die Gefahr, entweder zu viel oder zu wenig zu regeln und damit die richterliche Beurteilung zu weit zu beschränken.77 Schon zur Zeit der Genese des PreußStGB hat die Absicht, das Gesetz bezüglich Vorsatz und Fahrlässigkeit schweigen zu lassen, Zustimmung bei namhaften Vertretern der Lehre erfahren;78 auch nach seiner späteren Ablösung durch das RStGB wird der das Überflüssige und Doktrinäre weglassende Stil gelobt, der insbesondere im Bereich des AT der Wissenschaft eine größere Freiheit ermögliche.79 Das Strafgesetzbuch des Norddeutschen Bundes von 1870 brachte in Bezug auf das Gesetzlichkeitsprinzip keine wesentlichen Änderungen zu seinem preußischen Vorbild mit sich. Im Zuge der Reichseinheit von 1871 wurde der Nullumcrimen-Satz im RStGB in § 2 unverändert zur Regelung des Norddeutschen Bundes beibehalten: „Eine Handlung kann nur dann mit einer Strafe belegt werden, wenn diese Strafe gesetzlich bestimmt war, bevor die Handlung begangen wurde.“

Der Allgemeine Teil orientiert sich gleichermaßen an seinem preußischen Vorbild (Einleitende Bestimmungen §§ 1–12; Erster Teil: Von der Bestrafung der 75 Gerade die schlechten praktischen Erfahrungen bei ebendiesen Vorgängerkodifikationen, namentlich was die Regelungen zu Vorsatz und Fahrlässigkeit im bayStGB von 1813 betrifft (s. dazu Stuckenberg, in: Feuerbachs BayStGB, 241, 260 ff.), dürfte die abweichende Haltung des preußischen Gesetzgebers bestärkt haben. 76 Goltdammer, Die Materialien zum Strafgesetzbuch für die Pr. Staaten, S. 225 ff. 77 Goltdammer, Die Materialien zum Strafgesetzbuch für die Pr. Staaten, S. 235 f. Die Exotenstellung des PreußStGB, keine Regelung bezüglich des Vorsatzes und der Fahrlässigkeit zu treffen, werde am besten durch die Regelungsvielfalt in den anderen deutschen Strafrechtskodifikationen gerechtfertigt, Goltdammer, a. a. O., S. 240 ff. 78 Vgl. Zitate und Fundstellen von Kitka, Mittermaier sowie Böhmer bei Goltdammer, Die Materialien zum Strafgesetzbuch für die Pr. Staaten, S. 235 Fn. 1. 79 v. Bar, Geschichte, S. 185; ähnlich positiv Berner, Strafgesetzgebung, S. 254, der die Umsicht des Gesetzgebers und die Ausscheidung rein doktrineller Sätze wie Vorsatz, Fahrlässigkeit und Zurechnung hervorhebt.

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Verbrechen, Vergehen und Übertretungen im Allgemeinen §§ 13–79), enthält dagegen mit 79 Paragraphen wieder mehr Regelungen. Vorsatz und Fahrlässigkeit finden erneut keine explizite Regelung im AT. c) Kritik in der Wissenschaft Als einer der schärfsten Kritiker des Nullum-crimen-Satzes am Ende des 19. Jahrhunderts ist Binding hervorzuheben. Dieser geißelt die Tyrannei80 des Gesetzlichkeitsprinzips im Strafrecht anhand seiner Normtheorie: Binding unterscheidet zwischen der Norm, die den Befehl, das Verbot oder Gebot, enthält, und dem Strafgesetz, worunter er einen Rechtssatz versteht, der das Verhältnis zwischen Staat und Verbrecher regelt; nur die Norm müsse seiner Meinung nach schon zur Zeit der Begehung der Tat existent sein.81 Ungesatztes Recht aber sei zur Begründung von Strafe unentbehrlich. Besonders für die Zulassung der (auch strafbegründenden oder strafschärfenden) Analogie im Strafrecht tritt Binding vehement ein, er bezeichnet das Analogieverbot als unwürdige Fessel.82 Freilich ist die ganz überwiegende Meinung im Strafrecht dem nicht gefolgt. Sogar von Liszt, dessen spezialpräventiver Idee ein strenges Gesetzlichkeitsprinzip eigentlich widerspricht,83 bezeichnet das positivierte Strafrecht als unübersteigbare Schranke der Kriminalpolitik.84 Von ihm stammt auch der berühmt gewordene Ausspruch, das Strafgesetz sei die magna charta des Verbrechers85. 7. Weimarer Republik Nach dem Ersten Weltkrieg wird der Grundsatz als Art. 116 der Weimarer Reichsverfassung aufgenommen. Damit erhält er in Deutschland erstmalig Verfassungsrang, was seine für das Strafrecht herausragende Stellung verdeutlicht. Da der Wortlaut des Art. 116 WRV („Strafbarkeit“) von dem des § 2 StGB („Strafe“) divergiert, kommt es im Folgenden zum bekannten Streit, ob auch der 80 Binding, Handbuch, S. 17; s. a. dens., Lehrbuch, S. 21 (brutaler Machtanspruch). Ausführliche Nachweise und Kritik zu Binding finden sich bei Marinucci, FS Tiedemann, 189, 191 ff. 81 Binding, Handbuch, S. 18. 82 Binding, Handbuch, S. 28; kritisch auch ders., Lehrbuch, S. 21 f. (Verblendung höchsten Grades); ders., Grundriss, S. 70 (höchst unzweckmäßig). Folgt man der Langzeitprognose von Weigend, FS Frisch, 17, 29, so könnte dem Gesetzlichkeitsprinzip eingedenk des steigenden Sicherheitsbedürfnisses der Bürger künftig eine ähnliche Beurteilung drohen. 83 Lemmel, Strafbarkeitsvoraussetzungen, S. 26 Fn. 48; H.-L. Schreiber, Gesetz, S. 178. Letzterer sieht in diesem Umstand auch ein Indiz dafür, dass für das Gesetzlichkeitsprinzip weniger die Straftheorie als vielmehr die staatsrechtliche Begründung entscheidend ist. 84 v. Liszt, Aufsätze II, S. 80. 85 v. Liszt, Aufsätze II, S. 60.

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Satz nulla poena sine lege verfassungsrechtlich garantiert sei.86 Diese Kontroverse bleibt zur Weimarer Zeit zentral. Im Übrigen wird das Gesetzlichkeitsprinzip im Strafrecht kaum bestritten, seine Einzelverbürgungen im heute bekannten Sinne verstanden. Was das Analogieverbot betrifft, so wird die Analogie zum Strafausschluss, zur Strafmilderung sowie zur Strafaufhebung für zulässig gehalten.87 Kritik am Analogieverbot wird nur vereinzelt geübt, z. B. von Exner.88 Die des Öfteren anzutreffende Behauptung, das Bestimmtheitsgebot habe in der Weimarer Zeit kaum eine tiefer gehende Erörterung erfahren,89 hat Lemmel widerlegt: In jener politisch zerrissenen Periode der deutschen Geschichte standen zuweilen Richter unter dem Verdacht willkürlicher Rechtsprechung, was in der Literatur vermehrt zur Forderung genauerer Verbrechensbeschreibungen führte; für die allgemeine Strafrechtsreform wurden beinahe unisono den Richter weitgehend bindende Strafgesetze gefordert.90 Von Interesse ist aus den Erörterungen der Zeit im hiesigen Zusammenhang Folgendes. Im Allgemeinen Teil, in dem zahlreiche Begriffe (genannt werden der Kausalzusammenhang, Unterlassen, dolus eventualis) nicht eingehend geregelt sind, wird Gewohnheitsrecht zum Teil als unentbehrlich bezeichnet.91 Dieses sei insofern zulässig, weil das Gesetz durch Verwendung von Begriffen wie etwa Vorsatz und Fahrlässigkeit, die gesetzlich nicht näher konkretisiert seien, stillschweigend auf deren Ausfüllung durch Gewohnheitsrecht verweise, da diese gewohnheitsrechtlich entstanden seien.92 In leicht veränderter Form findet man diesen Gedankengang auch heute noch.

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Vgl. dazu Kap. A. II. 1. Fn. 29. Statt aller Frank, § 2 Anm. I 2. 88 Exner, Gerechtigkeit und Richteramt, S. 50 ff. Dieser schließt auf die Zulässigkeit der Analogie aufgrund des Wortlauts des § 2 StGB sowie Art. 116 WRV, dem ein solches Verbot nicht zu entnehmen sei, im Übrigen aus der Zulässigkeit der Analogie im Verfassungsrecht a maiore ad minus. Jedoch lässt Exner die Analogie vor allem deswegen zu, da seiner Meinung nach die Gefahr der Richterwillkür aufgrund der fortgeschrittenen Entwicklung des Richterstandes nicht mehr wie zur Zeit der Etablierung des Nullum-crimen-Satzes drohe. Die Entwicklungen im sog. Dritten Reich dürften ihn eines besseren belehrt haben. In der Endphase der Republik wird die rechtsstaatsfeindliche Tendenz schließlich in der Literatur sichtbar, auch was das Analogieverbot angeht, s. etwa Peters, JW 1933, 1561, 1564. 89 Kohlmann, Staatsgeheimnis, S. 206; Krey, Keine Strafe ohne Gesetz, S. 97; H.-L. Schreiber, Gesetz, S. 186 f. 90 Vgl. Lemmel, Strafbarkeitsvoraussetzungen, S. 27 f. mit zahlreichen Nachweisen. 91 Vgl. v. Hippel, Deutsches Strafrecht II, S. 41 m.w. N.; früher schon ders., ZStW 36 (1915), 501, 503. 92 Frank, § 2 Anm. I 1 a; Rittler, ZStW 49 (1929), 451, 456 ff., 461 f.; ähnlich, wenn auch ohne explizite Nennung des Allgemeinen Teils, Gerland, in: Nipperdey, Bd. I, S. 377. 87

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8. NS-Zeit Unter der Diktatur des Nationalsozialismus wird der Grundsatz als Produkt des bürgerlich-liberalen Rechtsstaats abgelehnt. Da das Individuum seine Stellung verliert und im Volk aufgeht,93 können Schutzinstrumente zur Sicherung individueller Freiheitssphären über Bord geworfen werden. Feuerbachs Satz nullum crimen sine poena wird zu der Forderung pervertiert, dass kein Verbrechen ohne Strafe bleiben dürfe.94 In Zukunft soll kein Verbrecher mehr aufgrund einer nun als überholt verstandenen Vorstellung von Rechtsstaatlichkeit „durch die Maschen des Gesetzes schlüpfen.“ 95 Andererseits darf der Richterschaft gegenüber der politischen Autorität auch keine zu große Macht zustehen: Der Richter soll an den Führerwillen gebunden werden.96 Einen ersten Schritt zur Erschütterung des Gesetzlichkeitsprinzips stellen die lex van der Lubbe, durch die die rückwirkende Strafverschärfungen bei Brandstiftung zugelassen wurde,97 und das darauf folgende Urteil des Reichsgerichts zum Reichstagsbrand dar, welches die rückwirkende Anordnung der Todesstrafe für zulässig erklärte98. In der Diskussion der folgenden Jahre werden Forderungen nach der Zulassung der strafbegründenden und strafschärfenden Analogie sowie nach der Aufweichung des Rückwirkungsverbots laut; allenfalls die Frage des Umfanges wird unterschiedlich bewertet. Schließlich fordert Freisler99 sogar die Schaffung eines Zentraltatbestandes, der zu den übrigen, nur beispielhaften Tatbeständen des Strafgesetzes subsidiär sein soll. Angesichts dessen setzt sich mit der Novelle des § 2 StGB vom 28.06.1935100 die wohl noch mildere Variante durch. § 2 StGB erhält die berüchtigte Fassung: „Bestraft wird, wer eine Tat begeht, die das Gesetz für strafbar erklärt, oder die nach dem Grundgedanken eines Strafgesetzes und nach gesundem Volksempfinden Bestrafung verdient. Findet auf die Tat kein bestimmtes Strafgesetz unmittelbare Anwendung, so wird die Tat nach dem Gesetz bestraft, dessen Grundgedanke auf sie am besten zutrifft.“

Mit dieser Fassung ist die Zulassung der Gesetzesanalogie beabsichtigt, was einen Kompromiss darstellt. Andere101 deuten das „natürliche Volksempfinden“ 93 Exemplarisch Schinnerer, ZStW 55 (1936), 768, 775, der an gleicher Stelle auch von einer „Überwindung“ individueller Freiheitssphäre und formeller Rechtssicherheit wie von einer Errungenschaft spricht. 94 Vgl. die Ausführungen von Gürtner, in: Das neue Strafrecht, 19, 22 f. 95 Freisler, in: Denkschrift des Zentralausschusses, S. 10. 96 Rüping, FS Oehler, 27, 29 f.; s. a. Engisch, Konkretisierung, S. 214. 97 Gesetz vom 31.3.1933, RGBl. 1933 I, S. 151. Ausführlich zum historischen Ablauf und den damaligen rechtlichen Streitpunkten Epping, Der Staat 34 (1995), 243, 245 ff. 98 Das Urteil findet sich in Auszügen bei LK12-Dannecker, Entstehungsgeschichte § 1, S. 72. 99 Freisler, Schutz des Volkes oder des Rechtsbrechers, S. 2 ff., 29 f. 100 RGBl. 1935 I, S. 839. 101 Beispielsweise Schinnerer, ZStW 55 (1936), 768, 779.

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freilich als neben dem Strafgesetz bestehende eigenständige Rechtsquelle. Die Übernahme der Novellierung durch die Freie Stadt Danzig wird in einem Gutachten des Ständigen Internationalen Gerichtshofs als Verstoß gegen die Verfassung der Stadt qualifiziert.102 In der Praxis wird von der Vorschrift überwiegend zurückhaltend Gebrauch gemacht, einige Anwendungen hebt das RG auch wieder auf,103 zum Teil mit der Begründung, die entsprechenden Ergebnisse hätten sich bereits durch die übliche Auslegung herleiten lassen. Diese Zurückhaltung gilt nur für die „vorrevolutionären“ Normen; bei den „nachrevolutionären“ Normen – wie beispielsweise die Rechtsprechung zum Blutschutzgesetz oder zum politischen Strafrecht zeigt – kann eine solche nicht festgestellt werden.104 Auch das Bestimmtheitsgebot wird von der nationalsozialistischen Gesetzgebung nicht geachtet: Die neu geschaffenen Straftatbestände enthalten zahlreiche generalklauselartige Formulierungen und weite Strafrahmen, trauriges Beispiel hierfür sind etwa §§ 3, 4 der Verordnung gegen Volksschädlinge105. Gemeinsam mit der zunehmenden Aufweichung des Rückwirkungsverbots (man denke an das „Autofallengesetz“ von 1938106) kann man nur von einem endgültigen Grab107 des Satzes nullum crimen, nulla poena sine lege sprechen. Dies darf im Vergleich zu den übrigen Rechtsverletzungen nicht bagatellisiert werden. Andererseits sollte aber aus der damaligen Unrechtsherrschaft kein Tabu108 jedweder 102 s. Entscheidungen des Ständigen Internationalen Gerichtshofs 12 (1935/1937), 55, 66 ff., 72. Näher hierzu Rüping, FS Oehler, 27, 31 ff. 103 Als Beispiele RGSt 70, 173, 175; 70, 367, 368 ff.; nach Maurach, AT/I2, § 10 II B 2, sollen nur weniger als zehn Prozent der auf Analogie gestützten Entscheidungen vor dem Reichsgericht Bestand gehabt haben; eine eingehende Analyse findet sich bei Priester, in: Juristische Methodenlehre, 155, 170 ff., 174. Bemerkenswert ist an dieser Stelle zudem, dass in Bezug auf den Allgemeinen Teil des StGB die Anwendbarkeit des § 2 StGB n. F. strittig war und wohl überwiegend verneint bzw. ihre praktische Tragweite bezweifelt wurde; selbst unter der Geltung des § 2 StGB war damit die Zulässigkeit der analogen Anwendung von Normen des AT keinesfalls selbstverständlich, vgl. dazu Sax, Analogieverbot, S. 108 ff. m.w. N. Im Gegensatz dazu wurde auf dem 4. Internationalen Strafrechtskongress von 1937 der Beschluss gefasst, „. . . que l’exclusion de la méthode analogique concerne uniquement les textes qui renferment les incriminations, qui déterminent les peines, ou qui prévoient des causes d’agravation de celles-ci.“, s. Resolution Nr. 3 zur Frage 3 des Kongresses, in: Quatrième Congrès international de Droit pénal, Actes du Congrès, Paris 1939, S. 442. 104 LK12-Dannecker, Entstehungsgeschichte § 1, S. 74; BK-GG-Rüping, Art. 103 II Rn. 10; ders., FS Oehler, 27, 39 ff. m.w. N.; s. a. Vogel, ZStW 115 (2003), 638, 652 Fn. 71. 105 Verordnung vom 5.9.1939, RGBl. 1939 I, S. 1679. 106 Gesetz vom 23.6.1938, RGBl. 1938 I, S. 651; s. a. Bopp, Entwicklung, S. 139 (Verzicht auf jegliche Abgrenzung der Strafbarkeit). Vormbaum, ZStW 123 (2011), 660, 681, hält angesichts derart unbestimmter Strafgesetze die Analogienovelle für weniger spektakulär, denn unbestimmte Gesetze bedürfen, wie gesehen, nur selten der Analogie; vgl. auch Schuster, in: Das Gesetzlichkeitsprinzip, 79, 83. 107 Eb. Schmidt, Einführung, S. 435. 108 Arth. Kaufmann, Analogie, S. 17.

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Diskussion um die Grenzen der Zulässigkeit analoger Rechtsanwendung erwachsen. Denn bloße Gedanken über die Stellung der Analogie im Strafrecht sind nicht Ausdruck nationalsozialistischen Gedankengutes; nur die damalige unselige Missachtung des Gesetzlichkeitsprinzips war es. 9. Entwicklung unter der Geltung des Grundgesetzes Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde der Nullum-crimen-Grundsatz durch die Proklamation Nr. 3 des alliierten Kontrollrats vom 20.10.1945 wiederhergestellt.109 Dagegen hob der Kontrollrat § 2 StGB n. F. auf, zunächst allerdings ohne die Wiedereinführung des § 2 StGB in seiner alten Fassung.110 Das Grundgesetz übernahm das Prinzip als überkommenen rechtsstaatlichen Grundsatz in Art. 103 II. Dabei wurde entgegen einiger Bedenken korrespondierend zum Wortlaut des Art. 116 WRV der Begriff der „Strafbarkeit“ statt des Begriffs der „Strafe“ übernommen. Freilich beabsichtigte man, mit dem Begriff auch den Satz nulla poena sine lege zu sichern.111 Trotzdem flackerte in den folgenden Jahren der alte Streit wieder auf, ob Strafe und Strafmaß von Art. 103 II GG verfassungsrechtlich abgesichert seien112. Inzwischen wird dies hingegen, wie erwähnt, kaum noch in Frage gestellt. 1953 wurde § 2 StGB wiederhergestellt, wobei er nun eine Wiederholung des Art. 103 II GG darstellte. Bei den Bemühungen um eine Strafrechtsreform seit den sechziger Jahren war die Beibehaltung des Gesetzlichkeitsprinzips im Strafrecht kein Streitpunkt, hierüber herrschte Einigkeit. Das Prinzip wird als einer der „Kernsätze rechtsstaatlichen Strafens überhaupt“ 113 angesehen. Diskutiert wurden allenfalls Einzelprobleme. So warf man die Frage auf, ob eine Wiederholung von Art. 103 II GG im Strafgesetzbuch überhaupt notwendig sei.114 Diesbezüglich wurde vorgebracht, die Wiederholung der Vorschrift an der Spitze des StGB diene der Verdeutli-

109 Vgl. Art. II Nr. 2, 3 Kontrollratsproklamation Nr. 3 vom 20.10.1945, ABl. des Kontrollrats in Deutschland Nr. 1 (1945), S. 22. 110 Vgl. Art. I, IV, V Kontrollratsgesetz Nr. 11 vom 30.1.1946, ABl. des Kontrollrats in Deutschland Nr. 3 (1946), S. 55, 56, 57. 111 Vgl. Stenogr. Protokoll der 8. Sitzung des Rechtspflegeausschusses vom 7.12. 1948, S. 32, zit. nach H.-L. Schreiber, Gesetz, S. 203 Fn. 14. 112 Für die verfassungsrechtliche Absicherung von nulla poena sine lege: Bopp, Entwicklung, S. 169; Stree, Deliktsfolgen und Grundgesetz, S. 27 ff., 32 (m.w. N.). Dagegen nur die Strafbarkeit als erfasst sehend: Peters, in: Verhandlungen des 41. Deutschen Juristentages, 5, 22 f. (nur Rechtsfolgeart ist festzulegen); H. Schröder, in: Verhandlungen des 41. Deutschen Juristentages, 61, 75 f.; wohl auch Welzel, Dt. Strafrecht, S. 20. Vgl. weiterhin zur Vorgeschichte und zum aktuellen Stand dieser Frage Kap. A. II. 1. Fn. 29. 113 E 1962, S. 105. 114 Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, Bd. 3, S. 288 f.

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chung und der Hervorhebung der fundamentalen rechtsstaatlichen Bedeutung des Grundsatzes, wofür zudem der internationale Vergleich spreche.115 Auch der alte Streit, was den genauen Wortlaut der Vorschrift angeht („Strafbarkeit“ oder „Strafe“), wurde erneut ausgefochten.116 Bemerkenswert ist im gegebenen Zusammenhang aber in erster Linie, dass die Frage des Geltungsbereichs des Nullum-crimen-Satzes zumindest angesprochen wurde: Es sei nicht tunlich, Einzelfragen wie etwa den Geltungsbereich der Vorschrift – nämlich ob diese nicht nur für den Besonderen, sondern auch für den Allgemeinen Teil gelten solle – gesetzlich zu regeln, da der Fragenkomplex dafür zu vielschichtig sei.117 Damit ist jedenfalls nach dem Willen der an der Gesetzgebung beteiligten Gremien eine Entscheidung dieser Frage offengelassen. Am Ende wurde der Nullum-crimen-Satz mit § 1, den Wortlaut von Art. 103 II GG wiederholend, seit Inkrafttreten des 2. StrRG am 1.1.1975118 an die Spitze des StGB gestellt. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts waren die Diskussionen in Wissenschaft und Praxis besonders vom Rückwirkungsverbot dominiert; man denke nur an die Diskussion um die Verjährungsvorschriften beim Mord im Zusammenhang mit den Verbrechen der nationalsozialistischen Diktatur119, später an die Frage der Strafbarkeit ehemaliger DDR-Funktionäre bzw. von Grenzsoldaten120. Allerdings wurde auch das Analogieverbot teils einer grundsätzlichen Kritik unterzogen, vereinzelt sogar gänzlich abgelehnt (dazu in Kap. D. III. 1.). Das Bestimmtheitsgebot wird schon seit Jahrzehnten als auf dem „Tiefpunkt“ 121 angekommen erachtet, was im Angesicht zunehmend generalklauselartiger Formulierungen speziell im Nebenstrafrecht oder etwa der Besonderheit der Blankettgesetzgebung nicht ganz fernliegend erscheint. Bezüglich des Verhältnisses des Gesetzlichkeitsprinzips zum Allgemeinen Teil wurde mit der These Maurachs, die Zulässigkeit der Analogie in malam partem sei herrschende Meinung,122 der Streit um die Zulässigkeit der Analogie im AT losgetreten (näher dazu s. Kap. C.), der einer der Anstöße der vorliegenden Arbeit ist.

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Niederschriften, Bd. 3, S. 293, 416; ebenso AE StGB, S. 29. Niederschriften, Bd. 3, S. 288 f., 296 f. 117 Niederschriften, Bd. 3, S. 293, 416. Vielmehr scheint der Ministerialrat Rösch in Niederschriften, Bd. 3, S. 416, sogar der These anzuhängen, auf dem Gebiet des Allgemeinen Teils sei auch dem Angeklagten nachteiliges Gewohnheitsrecht zulässig. 118 Gesetz vom 30.7.1973, BGBl. 1973 I, S. 909. 119 Vgl. etwa Böckenförde, ZStW 91 (1979), 888 ff.; Grünwald, MDR 1965, 521 ff.; H.-L. Schreiber, ZStW 80 (1968), 348 ff. (jeweils m.w. N.). 120 Dazu BVerfGE 95, 96, 130 ff.; Amelung, GA 1996, 51, 53 ff.; Classen, GA 1998, 215 ff.; Dannecker/Stoffers, JZ 1996, 490, 491 ff.; Arth. Kaufmann, NJW 1995, 81 ff.; F.-C. Schroeder, NJW 1999, 89 ff. (jeweils m.w. N.). 121 Schünemann, Nulla poena, S. 6. 122 Maurach, AT/I2, § 10 II C 2. 116

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II. Grundgedanken und Zwecke des Gesetzlichkeitsprinzips i. d. F. des Art. 103 II GG 1. Pluralität der Zwecke Was ist der Gedanke, der hinter dem Grundsatz der Gesetzesbindung im Strafrecht und damit hinter Art. 103 II GG steht? Die gewünschten Wirkungen sind bislang schon an verschiedenen Stellen der Betrachtung, besonders bei der Skizze der historischen Entwicklung, angeklungen. So werden zur Begründung immer wieder genannt: Rechtssicherheit, Vertrauensschutz, Vorhersehbarkeit, Berechenbarkeit, Verhinderung emotionsgetrübter Einzelfallentscheidungen, Willkürschutz, das Demokratieprinzip, der Grundsatz der Gewaltenteilung, der Gedanke der Generalprävention sowie das Schuldprinzip. Eine ähnliche Vielfalt lässt sich bei der Begründung auf internationaler Ebene antreffen. Damit liegt zwanglos die Folgerung nahe: Das Gesetzlichkeitsprinzip kann offensichtlich nicht auf einen einzelnen Begründungsstrang zurückgeführt werden. Seine einzelnen Unterausprägungen selbst scheinen schon darauf hinzudeuten, dass dem Gesetzlichkeitsprinzip nicht nur eine einzige ratio zugrunde liegt. Vielmehr sollen alle der genannten Ansätze mehr oder minder tragend sein, wobei jeder diese eine Ausprägung des Nullum-crimen-Satzes mehr, jene andere weniger (oder überhaupt nicht) zu begründen vermag123. Vergleicht man nur die historische Entwicklung, so ist erkennbar, dass einmal die eine, einmal die andere Wurzel betont wird; der jeweilig im Vordergrund stehende Zweck erklärt sich aus der Besonderheit der Zeit. Hatten etwa die Römer das Rückwirkungsverbot allenfalls unter Schuldaspekten anerkannt, liegt es auf der Hand, dass die Anhänger 123 Grünwald, ZStW 76 (1964), 1, 13; Krey, Keine Strafe ohne Gesetz, S. 129; ders., Studien, S. 206; offensichtlich auch Krahl, Rechtsprechung, S. 70 f.; s. a. Duttge, Bestimmtheit, S. 161; Kuhn-Päbst, Problematik, S. 80; Ransiek, Gesetz und Lebenswirklichkeit, S. 41 f.; Schiemann, Schuldfähigkeitsfeststellungen, S. 11 f., 15; zurückhaltend Greco, Lebendiges und Totes, S. 261, 263 ff. (Kombinationen scheinen nicht völlig unzutreffend, Gesetzlichkeitsprinzip hat aber keinen nur abgeleiteten, sondern einen intrinsischen Wert; vgl. dazu Böhm, Gesetzlichkeit, S. 219 [a priori begründbar]). Freilich wird dies auch anders gesehen. So meint etwa Lemmel, Strafbarkeitsvoraussetzungen, S. 84, es sei nicht nachgewiesen, dass der Grundsatz der Gesetzesbindung im Strafrecht auf unterschiedlichen Grundgedanken beruhe. Die Rückführung auf einen einzigen Grundgedanken sei vorzugswürdig, da man bislang immer versucht habe, den Grundsatz auf einen Gedanken zurückzuführen. Allerdings begründet die Tatsache, dass etwas lange Zeit praktiziert wurde, keinen Nachweis für die Richtigkeit. Angesichts der historischen Entwicklung und (wie sogleich zu sehen sein wird) der Kritikwürdigkeit eines jeden Ansatzes, der nur auf eine Begründung abhebt, erscheint der plurale Weg vorzugswürdig. Dieser lässt sich als Ausdruck des fundamentalen Charakters des Nullumcrimen-Satzes auffassen, vgl. Mangakis, ZStW 81 (1969), 997, 997; ferner Roxin, in: Das Gesetzlichkeitsprinzip, 113, 117 („In dem schlichten Satz steckt . . . ein Rechtskosmos.“). Im Gegensatz dazu sieht Dubber, in: From the Judge’s Arbitrium to the Legality Principle, 365, 383, das Gesetzlichkeitsprinzip in Deutschland gar „without foundation“.

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jener Staatsvertragskonzepte der Aufklärung den Satz mit Gewaltenteilung und letztlich der Freiheitssicherung des Bürgers zu begründen versuchten. Nun könnte man gegen diese Überlegungen erinnern, der bloße Umstand, dass mehrere Begründungsansätze kursieren, berechtige nicht zu dem Schluss, jene seien auch alle gemeinsam tragend. Dies gilt tatsächlich nur, wenn sich im Folgenden zeigen lässt, dass jeder Begründungsstrang des Nullum-crimen-Satzes einerseits kritikwürdig, andererseits aber (mit-)tragfähig ist. Will man die genannten Begründungen des Grundsatzes systematisieren, so ist zunächst grob zwischen der staatsrechtlichen und der strafrechtlichen Wurzel zu unterscheiden.124 Beiden kann man wiederum jeweils zwei Begründungslinien (als Oberbegriffe) entnehmen. Der staatsrechtlichen Wurzel sind dabei der Gedanke der Freiheitssicherung (bzw. allgemeiner der Sicherung der Rechte des Bürgers) sowie der demokratischen Gewaltenteilung zuzuordnen. Zum strafrechtlichen Zweig gehören dagegen der Gedanke der Verhaltenssteuerung sowie die Begründung, der Nullum-crimen-Satz sei Ausprägung des Schuldprinzips.125 a) Schuldprinzip Um mit dem zuletzt genannten (und schwächsten) Begründungsstrang zu beginnen: Hiernach soll das Gesetzlichkeitsprinzip primär garantieren, dass der Täter weiß oder zumindest wissen kann, dass etwas verboten ist. Nur dann sei ein Schuldvorwurf im Sinne persönlicher Vorwerfbarkeit möglich. Art. 103 II GG sei eine Spezifizierung der Menschenwürdegarantie, die aus Art. 1 I GG folgt. Jene Argumentation wurde früher vereinzelt vertreten, heute findet man sie kaum noch.126 Ganz überwiegend wird es abgelehnt, den Nullum-crimen-Satz (jedenfalls allein) auf den Schuldgrundsatz zurückzuführen.127 Es wird zutref124 Köhler, AT, S. 76, lehnt es ab, von einer staatsrechtlichen und strafrechtlichen Wurzel zu sprechen, da das Gesetzlichkeitsprinzip aus einem einheitlichen freiheitsund staatsrechtlichen Begründungszusammenhang stammen soll. Dies ist aber zumindest aus der historischen Perspektive zweifelhaft, da neben der staatsrechtlichen Fundierung durchaus spezifisch strafrechtliche Aspekte bei der Entwicklung des Gedankens eine Rolle spielten. 125 Ähnl. Unterteilung bei Schönke/Schröder29-Eser/Hecker, § 1 Rn. 2; Roxin, AT/I, § 5 Rn. 18 ff.; ders., in: Das Gesetzlichkeitsprinzip, 113, 114. 126 Früher Bockelmann, in: Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, Bd. 3, S. 288; Bopp, Entwicklung, S. 145 f., 155; Hamann, GG und Strafgesetzgebung, S. 45; Sax, in: Bettermann/Nipperdey/Scheuner, S. 998 ff.; heute noch Epping, Der Staat 34 (1995), 243, 260 (Fn. 108); Ipsen, Staatsrecht II, Rn. 920; Leibholz/Rinck, Art. 103 Rn. 1142; Maunz/Dürig-Schmidt-Aßmann, Art. 103 II Rn. 165; vgl. auch IntKommEMRK-Renzikowski, Art. 7 Rn. 5, 11. 127 D. Albrecht, Begründung, S. 143; LK12-Dannecker, § 1 Rn. 61 f.; Erb, ZStW 108 (1996), 266, 275 Fn. 41; Grünwald, ZStW 76 (1964), 1, 11 ff.; ders., FS Arth. Kaufmann, 433, 435; Jakobs, AT, Ab. 4 Rn. 3; Jung, FS Wassermann, 875, 884; Krey, Keine Strafe ohne Gesetz, S. 134; Lemmel, Strafbarkeitsvoraussetzungen, S. 93 ff.; Ransiek,

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fend darauf hingewiesen, dass der Grundsatz der Gesetzesbindung im Strafrecht nahezu bedeutungslos würde, wollte man ihn ausschließlich auf das Schuldprinzip stützen: Schuld setze nämlich nicht voraus, dass der Täter die Strafbarkeit oder gar Strafhöhe kenne, sondern nur, dass die Kenntnis möglich sei, dass das Verhalten zur Tatzeit verboten war. Bekanntlich würde ein anderes Verständnis von Schuld mit der gesetzlichen Regelung des deutschen Rechts nach § 17 StGB kollidieren. Jener setzt nach h. M.128 nur die Erkennbarkeit des Unrechts, nicht aber die der Strafbarkeit voraus. Folglich muss der Täter nur erkennen können, dass seine Tat (durch eine beliebige Norm) verboten ist. Somit wären das Rückwirkungsverbot oder das Analogieverbot im Bezug auf die Strafgesetze nicht zu begründen, wenn das Verhalten nur im Vorfeld durch irgendeine Norm verboten war.129 Lediglich letztere wäre von den Verboten erfasst. Außerdem wird angeführt, dass mit der Begründung über den Schuldgrundsatz das Erfordernis gesetzlich vor der Tat bestimmter Rechtsfolgen im Sinne des Satzes nulla poena sine lege nicht zu erklären ist.130 Trotzdem wird dem Schuldgrundsatz des Öfteren doch eine gewisse Bedeutung im Verhältnis zum Gesetzlichkeitsprinzip zuerkannt. Zwar setze die Schuld nur die Erkennbarkeit des Unrechts und nicht der Strafbarkeit voraus; andererseits könne praktisch nur dann von der Möglichkeit, Unrechtsbewusstsein zu erlangen, gesprochen werden, wenn der Täter die Strafbarkeit hätte erkennen können.131 Dies ist praktisch sicher ein zutreffender Einwand. Für die theoretische Begründung des Gesetzlichkeitsprinzips sollte dahingegen an der ebenfalls theoretischen Trennung zwischen Unrechtsbewusstsein und Kenntnis der Strafbarkeit festgehalten werden. Schlussendlich ist im Bezug auf das Schuldprinzip zu konstatieren, dass dieses einen Teilaspekt zur Begründung des Nullum-crimen-Satzes bildet. Allein geht letzterer, eben weil er die vorherige gesetzliche Bestimmung der Strafbarkeit und nicht bloß des Unrechts verlangt, über den Schuldgrundsatz hinaus.132 Gesetz und Lebenswirklichkeit, S. 25 f.; SK8-Rudolphi, § 1 Rn. 2; MK-Schmitz, § 1 Rn. 8; H.-L. Schreiber, Gesetz, S. 210 ff.; ders., ZStW 80 (1968), 348, 360; Schroth, in: Rechtskultur als Sprachkultur, 93, 94; Dreier-Schulze-Fielitz, Art. 103 II Rn. 12; Schünemann, Nulla poena, S. 15. 128 Vgl. nur BGHSt 45, 97, 100 f.; BGH NJW 2009, 3173, 3176; 2011, 1236, 1239; Fischer, StGB, § 17 Rn. 3; Krüger, NStZ 2011, 369, 371; Roxin, AT/I, § 5 Rn. 25, § 21 Rn. 12 ff.; a. A. etwa Matt/Renzikowski-Gaede, § 17 Rn. 9; Greco, Lebendiges und Totes, S. 256 Fn. 227; LK11-F.-C. Schroeder, § 17 Rn. 7 f. (jeweils m.w. N.). 129 Grünwald, ZStW 76 (1964), 1, 12; H.-L. Schreiber, Gesetz, S. 211; ders., ZStW 80 (1968), 348, 359 f. 130 Jakobs, AT, Ab. 4 Rn. 3; Montiel, Analogie, S. 118 f.; SK8-Rudolphi, § 1 Rn. 2. 131 Roxin, AT/I, § 5 Rn. 25; ders., in: Das Gesetzlichkeitsprinzip, 113, 116; zustimmend Duttge, Bestimmtheit, S. 156 f.; Schönke/Schröder29-Eser/Hecker, § 1 Rn. 2; ähnlich LK11-F.-C. Schroeder, § 17 Rn. 6 f. 132 Roxin, AT/I, § 5 Rn. 25; Schünemann, Nulla poena, S. 15; s. a. D. Albrecht, Begründung, S. 143.

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b) Verhaltenssteuerung Jünger als der Begründungsansatz des Schuldprinzips ist jener der Verhaltenssteuerung. Der Gedanke, das Gesetzlichkeitsprinzip auf generalpräventive Gedanken zu stützen, geht, wie schon erwähnt, maßgeblich auf Feuerbach zurück. Nach seiner Theorie des psychologischen Zwangs sollte der Schutz subjektiver Rechte durch Verhaltenssteuerung erfolgen. Darum sollte den Motiven des Rechtsbrechers mit der Strafbarkeit ein Gegenmotiv entgegenstehen, wobei vornehmlich dessen Voraussehbarkeit wichtig erschien; die strafrechtliche Bewertung sollte aus dem Gesetz erkennbar sein. Freilich hat Feuerbachs Gedanke der negativen Generalprävention bekanntermaßen durchgreifende Kritik erfahren und gilt vielen heute, zumindest was die Theorie des psychologischen Zwanges anbelangt, als überholt. Die Angreifbarkeit jener Theorie soll auch den Begründungsstrang der Verhaltenssteuerung insgesamt entfallen lassen.133 Allerdings kann das, selbst wenn man die Prämisse der Angreifbarkeit teilt, nur der Fall sein, wenn die Spielart der negativen Generalprävention der alleine denkbare Inhalt wäre. Indes lässt sich der Generalprävention auch ein positiver Aspekt entnehmen. Unter diesem Gesichtspunkt dient die gesetzliche Androhung von Strafe der Internalisierung und Stabilisierung des Normverständnisses beim rechtstreuen Teil der Bevölkerung. Aufgrund dieser Überlegung stützen dann einige das Gesetzlichkeitsprinzip (jedenfalls auch) auf den Gedanken der Generalprävention.134 Es sei zu unterscheiden: Der Normbereich des Kernstrafrechts sei bereits durch die Sozialisation internalisiert, die gesetzliche Androhung und allen voran die Bekräftigung der Norm durch den Strafvollzug dienten zu seiner Stabilisierung; im Gegensatz dazu löse bei Normbereichen wie dem Wirtschaftsstrafrecht oder dem Umweltstrafrecht erst die Strafandrohung den Präventionsaspekt aus, folglich diene die gesetzliche Fixierung dem erstmaligen Aufbau eines Normbewusstseins und von Verhaltensdispositionen.135 Es geht hier also um Bewusstseinsbildung (im Sinne eines Normbewusstseins) und letztlich um Verhaltenssteuerung. Gegen diesen Begründungsansatz wird wiederum vorgebracht, er leide am gleichen Grundmangel wie die negative Generalprävention: Man stütze sich im Grunde genommen auf eine Spekulation über psychologische Folgen, die empirisch nicht nachweisbar seien; außerdem sei die Reduzierung des Grundes des

133 Grünwald, ZStW 76 (1964), 1, 10. Eine ausführliche Kritik an diesem Begründungsstrang bietet Greco, Lebendiges und Totes, S. 253 ff. 134 Hervorzuheben ist vor allem Schünemann, Nulla poena, S. 12 ff.; zustimmend LK12-Dannecker, § 1 Rn. 60; ders., FS Roxin II, 285, 294; Landau, ZStW 121 (2009), 965, 973; Roxin, AT/I, § 5 Rn. 22 f.; ders., in: Das Gesetzlichkeitsprinzip, 113, 116; MK-Schmitz, § 1 Rn. 9; s. a. Duttge, FS Kohlmann, 13, 20; Sternberg-Lieben, Schranken, S. 315. 135 Schünemann, Nulla poena, S. 13 f.; ihm folgt Roxin, AT/I, § 5 Rn. 23.

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Gesetzlichkeitsprinzips auf die Generalprävention zu eng, viele Fragen – wie etwa die Verjährung oder eine moderate Erhöhung der Sanktion betreffend – würden so, weil präventiv bedeutungslos, nicht erfasst.136 Letzterem lässt sich aber entgegenhalten: Versteht man die positive Generalprävention, ähnlich wie das Schuldprinzip, nicht als alleinigen Grundgedanken des Nullum-crimen-Satzes, sondern als Teilaspekt, so ist es nicht schädlich, dass nicht alle Ausprägungen und zugedachten Funktionen des Gesetzlichkeitsprinzips über sie erklärbar sind. Was den Einwand angeht, die psychologischen Folgen einer gesetzlichen Strafandrohung seien empirisch nicht oder nur schwer nachweisbar, so kann an dieser Stelle schwerlich der Gegenbeweis angetreten werden. Trotzdem ist zu bemerken, dass in Zeiten des modernen Informations- und Medienzeitalters gelegentlich doch ein Prozess zu beobachten ist, der zumindest auf eine gewisse (positive) Wirkung gesetzlicher Androhung hinweist. Es sei nur an die Einführung von § 237 StGB erinnert, durch den seit dem 23.06.2011 die Zwangsheirat mit Strafe belegt wird. Die Einführung dieser Vorschrift ging durch zahlreiche Medien.137 Vermittelt über die modernen Massenmedien vermag die Einführung einer Strafnorm daher durchaus ein gewisses Normbewusstsein zu wecken. c) Demokratie und Gewaltenteilung Häufig wird für das Prinzip der Gesetzesbindung im Strafrecht ein staatsrechtlicher Begründungsansatz gewählt. Das Gesetzlichkeitsprinzip sei bedingt durch die demokratische Staatsform und die Gewaltenteilung. Dem liegt Folgendes zugrunde: Das Strafrecht stellt den schwersten denkbaren Eingriff seitens des Staates in die Grundrechte des Bürgers dar; infolgedessen dürfen jene Eingriffe ausschließlich vom Parlament als dem unmittelbar demokratisch legitimierten Organ selbst geregelt und keinesfalls der Judikative oder Exekutive überlassen werden.138 Somit wird vor allem die Macht des Strafrichters auf die Rechtsanwen136 Jakobs, AT, Ab. 4 Rn. 3 Fn. 5; kritisch mit Blick auf das Bestimmtheitsgebot Ransiek, Gesetz und Lebenswirklichkeit, S. 14 ff.; aus dem österreichischen Schrifttum Lewisch, Verfassung und Strafrecht, S. 56 f. 137 Vgl. nur für das Internet Spiegel-Online vom 17.03.2011 (http://www.spiegel.de/ politik/deutschland/0,1518,751628,00.html); FAZ-Online vom 27.10.2010 (http://www. faz.net/aktuell/politik/inland/strafrecht-kabinett-billigt-gesetzentwurf-gegen-zwangshei rat-1595714.html); Focus-Online vom 27.10.2010 (http://www.focus.de/politik/wei tere-meldungen/deutschland-zwangsheirat-wird-zur-straftat-_aid_566295.html); Sueddeutsche-Online vom 27.10.2010 (http://www.sueddeutsche.de/politik/bundesregie rung- zwangsheirat-wird-eine-straftat-1.1016679). 138 Dies hat vor allem Grünwald, ZStW 76 (1964), 1, 13 f., herausgearbeitet. Zumindest ergänzend wird darauf abgestellt bei BVerfGE 47, 109, 120; 73, 206, 235; Androulakis, Studien, S. 169 („Doch den Mut und die Verantwortung, Strafwürdigkeit authentisch als Strafbarkeit auszusprechen, kann im Rahmen des Rechtsstaates nur der Gesetzgeber tragen.“); Danckert, Grenze, S. 10; Dannecker, FS Roxin II, 285, 287; Deiters, Legalitätsprinzip, S. 236; Duttge, FS Kohlmann, 13, 17; Fischer, StGB, § 1 Rn. 1; Freund, FS Wolter, 35, 37; Frister, AT, Kap. 4 Rn. 2, 6; Geitmann, „Offene“ Normen,

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dung beschränkt, der Gesetzgeber dagegen darf keine Einzelfallentscheidungen treffen. Die Einwände gegen jene zugedachte Funktion des Gesetzlichkeitsprinzips liegen zum Teil nahe. Leicht entkräften lässt sich noch die These, die Gewaltenteilung spreche nicht gegen die Zulässigkeit der Analogie, da diese sonst auch im Zivilrecht verboten sein müsse.139 Dies schiebt die Besonderheit des Strafrechts, den mit ihm verbundenen gravierenden staatlichen Eingriff in die Rechte des Bürgers, zur Seite; denn eben wegen besagter Besonderheit existiert für dieses Rechtsgebiet die zusätzliche Verstärkung rechtsstaatlicher Sicherungsmechanismen in Form des Art. 103 II GG. Folglich kann hier der Gewaltbereich der Legislative durch striktere Vorgaben gesichert sein als etwa im Zivilrecht. Öfter140 wird gegen den Gesichtspunkt der Gewaltenteilung vorgebracht, dass dieser das Rückwirkungsverbot nicht zu erklären vermöge. Bei rückwirkend erlassenen Strafnormen, die Strafe begründen oder schärfen, entscheidet gerade der demokratisch legitimierte Gesetzgeber. Hiergegen lässt sich wiederum argumentieren, dass der Gesetzgeber durch den Erlass rückwirkender Gesetze selbst in einen Bereich der Judikative eingreife, nämlich Einzelfälle zu entscheiden.141 Allerdings muss dabei berücksichtigt werden, dass nicht jedes rückwirkende Gesetz automatisch eine Einzelfallentscheidung in dem Sinne ist, dass es sich am Einzelfall orientiert; dies kann lediglich – wie auch bei den Ad-hoc-Gesetzen, die pro futuro wirken – der Fall sein.142 Folglich lässt sich das Rückwirkungsverbot kaum auf das Gewaltenteilungsprinzip stützen. Dies entwertet aber den Ansatz nicht generell, sondern macht lediglich, wie bei den meisten anderen Begründungssträngen, dessen Natur als Teilaspekt des Ganzen deutlich.

S. 72; Grünwald, FS Arth. Kaufmann, 433, 436; Haft, AT, C I 2; Hamann, GG und Strafgesetzgebung, S. 48; Hettinger/Engländer, FS Meyer-Goßner, 145, 147; Jähnke, FS BGH, 393, 399 f.; ders., ZIS 2010, 463, 464; Jescheck/Weigend, AT, § 15 I 1; Kuhli, Völkerstrafgesetzbuch, S. 80, 93 (für das Gewohnheitsrechtsverbot); Landau, NStZ 2011, 537, 543; H. Mayer, Strafrechtsreform, S. 107 f.; Neumann, ZStW 103 (1991), 331, 345; BeckOK GG-Radtke/Hagemeier, Art. 103 Rn. 23; Ransiek, Gesetz und Lebenswirklichkeit, S. 40 ff., 123; Maunz/Dürig-Schmidt-Aßmann, Art. 103 II Rn. 180; Schünemann, Nulla poena, S. 9 ff.; Sternberg-Lieben, Schranken, S. 314, 334 f., 341; Welp, Vorangegangenes Tun, S. 141. 139 Wiedemeyer, Begründung, S. 49. 140 Jakobs, AT, Ab. 4 Rn. 5; Roxin, AT/I, § 5 Rn. 21; SK8-Rudolphi, § 1 Rn. 2; Schroth, in: Rechtskultur als Sprachkultur, 93, 94 f.; s. a. Dubber, in: From the Judge’s Arbitrium to the Legality Principle, 365, 382; Greco, Lebendiges und Totes, S. 257; Grünwald, FS Arth. Kaufmann, 433, 434; H.-L. Schreiber, Gesetz, S. 219. Letzterer meint zudem ebenda, dass auch bei einer demokratischen Gewaltenteilung eine Verfassung denkbar sei, nach der der Gesetzgeber zwar die Grundsätze der Strafbarkeit festlegen müsse, die nähere Ausgestaltung aber dem Richter im Einzelfall durch Gewohnheitsrecht und Analogie zukomme. 141 Schünemann, Nulla poena, S. 24. 142 Neumann, ZStW 103 (1991), 331, 346.

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Ferner meint Jakobs, die Problematik der Rückwirkung und der Bestimmtheit von Strafgesetzen seien nicht demokratiespezifisch; außerdem führe eine ideal verstandene Gewaltenteilung dergestalt, dass der Richter, wie von Montesquieu gefordert, bloßer Mund der Gesetze sei, tatsächlich zu einer völligen Unterordnung der Judikative.143 Letzteres wird aber, soweit ersichtlich, ohnehin von niemandem mehr ernsthaft vertreten. Daneben wird auf die verfassungsrechtliche Ausgestaltung des Art. 103 II GG hingewiesen.144 Dieser sei nach Art. 93 I Nr. 4a GG erkennbar als Individualrecht ausgestaltet. Läge der Hauptzweck des Gesetzlichkeitsprinzips nun in Demokratie und Gewaltenteilung, so müsste dem Gesetzgeber ein Klagerecht eingeräumt werden,145 nicht dem Bürger. Mit Recht wird jedoch angemahnt, dass die Begründung über Demokratie und Gewaltenteilung nicht völlig losgelöst vom Individualschutzaspekt gesehen werden darf.146 Schon für Montesquieu war die Gewaltenteilung ein Instrument zur gegenseitigen Beschränkung staatlicher Macht und damit zur Sicherung der Freiheitsrechte des Bürgers. Der scheinbar starre Gegensatz im Sinne Individualrecht versus Kompetenzverteilung lässt sich demnach nicht halten. Zuletzt wird entgegengehalten, Demokratie und Gewaltenteilung bildeten zwar einen wesentlichen Teil der Legitimation des Nullum-crimen-Satzes, verkürzten diese aber; beide setzten ihrerseits den Begriff des Gesetzes, das der Selbstbestimmung diene, voraus.147 Indes unterscheidet sich diese Begründung – die von der Systemindifferenz des Gesetzlichkeitsprinzips ausgeht – nur in ihrem Abstraktionsgrad von jener über Demokratie und Gewaltenteilung. Im Gefüge des Grundgesetzes kommt die durch das Gesetz ermöglichte Selbstbestimmung dem Volk zu, die dieses vermittelt durch das Parlament wahrnimmt. Die gewählte Regierungsform der Demokratie spezifiziert mithin verbindlich den Träger der Selbstbestimmung. Folglich gelangt man über die Frage der Selbstbestimmungsfunktion des Gesetzes unter dem aktuell maßgeblichen Regime des Grundgesetzes doch wieder zu der Aufgabe, das Kompetenzverhältnis von Gesetzgeber und Rechtsanwender auf dem Gebiet des Strafrechts auszutarieren, mutatis mutandis: zu der Frage demokratischer Selbstbestimmung und Gewaltenteilung. 143

Jakobs, AT, Ab. 4 Rn. 5. F.-C. Schroeder, JZ 1969, 775, 777; ders., JuS 1995, 875, 877. In eine ähnliche Richtung Neumann, ZStW 103 (1991), 331, 346, der darauf hinweist, dass mit der Betonung des Prinzips demokratischer Gewaltenteilung ein Problem, das das Verhältnis von Staat und Bürger betrifft, zu einer Frage interner staatlicher Machtverteilung gemacht werde; ferner Simon, Gesetzesauslegung, S. 109 Fn. 250. 145 So F.-C. Schroeder, JuS 1995, 875, 877. 146 Krahl, Rechtsprechung, S. 18 f.; Roxin, AT/I, § 5 Rn. 21; angedeutet bei Lemmel, Strafbarkeitsvoraussetzungen, S. 122; s. a. Joerden, in: Das Gesetzlichkeitsprinzip, 163, 170. 147 Köhler, AT, S. 76. Folglich sieht er für das Gesetzlichkeitsprinzip diese Selbstbestimmungsfunktion auch als entscheidend an. 144

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Mithin vermag kein Kritikpunkt so weit zu überzeugen, dass man sowohl das Demokratieprinzip als auch die Gewaltenteilung gänzlich als eine der Grundlagen des Gesetzlichkeitsprinzips ausschließen könnte. Für die derzeitige verfassungsrechtliche Ausgestaltung sind beide tragende Säulen. d) Rechtssicherheit, Freiheitssicherung, Sicherung der Rechte des Bürgers Am häufigsten wird der Grundsatz der Gesetzesbindung im Strafrecht mit Individualschutz und Sicherung der Rechte des Bürgers begründet. Doch geschieht dies nicht unbedingt einheitlich. Die Akzente werden verschieden gesetzt. Sehr verbreitet ist die Ansicht, das Gesetzlichkeitsprinzip auf Rechtssicherheitsaspekte (Vertrauensschutz, Vorhersehbarkeit, Berechenbarkeit) zu stützen.148 Der Bürger als Normadressat soll anhand des Strafgesetzes grob vorhersehen können, wann sein Verhalten strafbar ist, um selbiges entsprechend einstellen zu können. Das Bundesverfassungsgericht verwendet vielfach die Formel, dass zumindest das Risiko der Strafbarkeit erkennbar sein müsse. Freilich verweist es auch selbst darauf, dass dies, wörtlich verstanden, zu der paradoxen Folge führt, dass das Risiko der Strafbarkeit umso höher ist, je vager ein Straftatbestand formuliert ist.149 Andere dagegen meinen, der Nullum-crimen-Satz diene dazu, emotionsgetragene Einzelfallentscheidungen zu verhindern.150 Die Strafbarkeit solle vorher abstrakt festgelegt sein und nicht unter dem Eindruck des konkreten Falles bestimmt werden. Wieder andere betonen, dass das Gesetzlichkeitsprinzip dem 148 BVerfGE 25, 269, 285; 26, 41, 42; 32, 346, 362; 71, 108, 114; 73, 206, 234 ff.; 75, 329, 341; 95, 96, 130 f.; 105, 135, 153; 109, 133, 171 f.; BGHSt 23, 167, 171; D. Albrecht, Begründung, S. 143 f.; Matt/Renzikowski-Basak, § 1 Rn. 4; Bitzilekis, Neue Tendenz, S. 84; Erb, ZStW 108 (1996), 266, 274 ff.; Fischer, StGB, § 1 Rn. 1; Haft, AT, C I 2; NK4-Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 13; Hettinger/Engländer, FS Meyer-Goßner, 145, 146; Jähnke, FS BGH, 393, 399 f.; ders., ZIS 2010, 463, 464; Jescheck/Weigend, AT, § 15 I 1; Jung, FS Wassermann, 875, 884; Kohlmann, Staatsgeheimnis, S. 248 ff.; Kuhli, Völkerstrafgesetzbuch, S. 89 (für das Gewohnheitsrechtsverbot); Lackner/Kühl, § 1 Rn. 1; Landau, NStZ 2011, 537, 541 f.; Löhr, Prozeßgrundrechte, S. 59; Maurach/Zipf, AT/I8, § 10 Rn. 8; Murmann, GK, § 10 Rn. 5; v. Mangoldt/Klein/ Starck-Nolte, Art. 103 II Rn. 101; Paeffgen, StraFo 2007, 442, 443; BeckOK GGRadtke/Hagemeier, Art. 103 Rn. 23; Rath, JuS 1995, 405, 411, 412; SK8-Rudolphi, § 1 Rn. 2; BK-GG-Rüping, Art. 103 II Rn. 14; Maunz/Dürig-Schmidt-Aßmann, Art. 103 II Rn. 178 f.; MK-Schmitz, § 1 Rn. 8; H.-L. Schreiber, Gesetz, S. 214 f.; Seel, Tatbestandsmerkmale, S. 1; Tiedemann, Tatbestandsfunktionen, S. 193 ff., 208; Voßkuhle/Kaufhold, JuS 2011, 794, 794; Welp, Vorangegangenes Tun, S. 141 f.; Wiedemeyer, Begründung, S. 48 ff. 149 BVerfG NJW 1995, 1141, 1143. Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht diese Formel damit keinesfalls aufgegeben, vgl. etwa BVerfG NJW 2008, 3627, 3627. 150 Grünwald, ZStW 76 (1964), 1, 14 ff.; ders., FS Arth. Kaufmann, 433, 436 f.; Jakobs, AT, Ab. 4 Rn. 9; s. a. Colombi Ciacchi, Fahrlässigkeit, S. 16; Engels, GA 1982, 109, 118; Frister, AT, Kap. 4 Rn. 5; Kubiciel, Wissenschaft, S. 38; KK-StPO-Schädler/ S. Jakobs, Art. 7 Rn. 1. Das Erfordernis der Distanz zum Einzelfall leitet Kuhli, Völkerstrafgesetzbuch, S. 93, – insofern als unselbstständig – aus dem Demokratieprinzip ab.

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Schutz des Bürgers vor richterlicher Willkür diene,151 mithin eine spezielle Ausprägung des allgemeinen Willkürverbots sei. Letztlich geht es hier immer darum, eine Bindung der Gerichte, aber auch der Legislative und Exekutive an abstrakt im Voraus formulierte Gesetze zu erreichen, um den Freiheitsraum des Bürgers zu sichern. Alle drei Begründungslinien sind Gegenstand von Kritik. Soweit auf den Schutz vor Willkür oder emotionsgetrübten Einzelfallentscheidungen abgestellt wird, lässt sich dem entgegenhalten, dass über diesen Weg das Strafgesetz auf bloße Allgemeinheit reduziert wird.152 Außerdem weist Schünemann darauf hin, dass der Richter bei der Gesetzesauslegung selbst unter dem Eindruck des Einzelfalles steht, ja sogar der Gesetzgeber sich bei der Gesetzgebung zuweilen von Anlässen leiten lässt.153 Gegen den Gedanken des Vertrauensschutzes wird vorgebracht, dass das Vertrauen des Straftäters allein überhaupt nicht schutzwürdig sei.154 Im Übrigen sei das verfolgte Ziel der Vorhersehbarkeit eine Fiktion, da der Bürger in den seltensten Fällen alleine aus dem Gesetz die mit einem Verhalten verbundenen Rechtsfolgen ersehen könne.155 Zudem, und dies wiegt am schwersten, wird gegen die 151 BVerfGE 64, 389, 394; Krahl, Rechtsprechung, S. 22 f.; Leibholz/Rinck, Art. 103 Rn. 1447; Lemmel, Strafbarkeitsvoraussetzungen, S. 156 f.; SK8-Rudolphi, § 1 Rn. 2; Schmidt-Bleibtreu/Klein-Schmahl, Art. 103 Rn. 24; s. a. Böhm, Gesetzlichkeit, S. 78; Mangakis, ZStW 81 (1969), 997, 1000 f.; Seebode, FS Spendel, 317, 319. In diesem Zusammenhang ist auch Schroth, in: Rechtskultur als Sprachkultur, 93, 97 f., zu nennen, der den Bestimmtheitsgrundsatz in erster Linie als Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsprinzips einordnet. 152 Köhler, AT, S. 76. 153 Schünemann, Nulla poena, S. 16; Beispiele und Nachweise zu bekannten Ad-hocGesetzen wie etwa den „leges Baader-Meinhof“ ibid. Fn. 61. Aktuell denke man an das – wenn auch strafausschließende – „Beschneidungsgesetz“, mit dem ausdrücklich auf ein einzelnes Urteil des Landgerichts Köln reagiert wurde (s. BT-Drucks. 17/11295, S. 1). Kuhli, Völkerstrafgesetzbuch, S. 91 f., sieht in diesen Fällen gleichwohl die Distanz des Gesetzgebers zum konkreten Fall als gewahrt an. 154 Grünwald, ZStW 76 (1964), 1, 12 f.; ders., FS Arth. Kaufmann, 433, 436; Jakobs, AT, Ab. 4 Rn. 7; Lemmel, Strafbarkeitsvoraussetzungen, S. 74 f.; Meyer-Ladewig, MDR 1962, 262, 263; Neumann, ZStW 103 (1991), 331, 348. Zudem wird vorgebracht, das Abstellen auf Vorhersehbarkeit vertrage sich nicht mit der strafrechtlichen Irrtumsdogmatik, besonders mit Blick auf § 17 StGB, vgl. Krüger, NStZ 2011, 369, 371 f.; s. a. Ransiek, Gesetz und Lebenswirklichkeit, S. 21. Stellt man aber richtigerweise auf eine abstrakte Berechenbarkeit des Strafrechts für die Rechtsgemeinschaft ab, so verfängt dieses Argument nicht: Im Fokus steht dann nicht der Straftäter in seiner konkreten Situation, sondern die ganze Rechtsgemeinschaft bereits vor ebenjener konkreten Situation einer Straftat. 155 Lemmel, Strafbarkeitsvoraussetzungen, S. 57 f., 78 f.; Meyer-Ladewig, MDR 1962, 262, 263; Ransiek, Gesetz und Lebenswirklichkeit, S. 20 f.; Simon, Gesetzesauslegung, S. 438 f.; allgemein kritisch zur subjektiven Vorhersehbarkeit Geitmann, „Offene“ Normen, S. 96 ff. Zu Recht weist Hoffmann, in: Rechtskultur als Sprachkultur, 122, 135, darauf hin, dass wirkliches Gesetzesverständnis und damit auch Vorhersehbarkeit – nicht zuletzt angesichts der AT-BT-Technik – die systematische Durchdrin-

II. Grundgedanken und Zwecke des Gesetzlichkeitsprinzips

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Begründung des Nullum-crimen-Satzes über den Vertrauensgedanken eingewandt, dass mit dem Abstellen auf ein psychologisch verstandenes Vertrauen des Bürgers die Gefahr einhergeht, die Gewährleistungen des Gesetzlichkeitsprinzips zu verkürzen und zu schwächen.156 Jene Gefahr sehen auch die Vertreter des Vertrauensgedankens. Sie begegnen ihr mit der Erwägung, dass der Begriff des Vertrauens nicht individuell, sondern objektiv zu fassen sei;157 es komme nicht auf das Vertrauen des Einzelnen, sondern auf das der Rechtsgemeinschaft in eine abstrakt vorhandene Berechenbarkeit des Strafrechts an. Letztlich diene das Gesetzlichkeitsprinzip damit der Förderung eines solchen Zustandes des Staates, der ein gewisses Niveau an Vertrauen und Sicherheit verbürgt und Voraussetzung ist für ein auf Planung und Voraussicht beruhendes Leben.158 Sicherlich ist dem objektivierten Verständnis des Vertrauensschutzaspekts zuzustimmen. Jede andere Deutung würde den Gesetzgeber a priori überfordern und seine Tätigkeit zum Scheitern verurteilen. Zu einem auf diese Weise gedeuteten Vertrauensschutz ist auch der Gedanke des Willkürschutzes kein aliud: Denn einer auf willkürlicher Grundlage beruhenden Entscheidung fehlt von vornherein die geforderte abstrakt vorhandene Berechenbarkeit.159 Ähnliches dürfte für die meisten Fälle emotionsgetrübter Entscheidungen gelten. Ein etwas anderer Schwerpunkt bezüglich dieser Begründungslinie der Gesetzesbindung im Strafrecht findet sich bei Dannecker. Er will in jüngeren Entscheidungen160 des Bundesverfassungsgerichts eine Kehrtwende desselbigen dahin erblicken, dass das Gericht nunmehr die Verbürgung der Subjektsstellung des Bür-

gung des Gesetzes voraussetzt, was vom Laien kaum zu leisten und daher eine Unterstellung sei. 156 Dannecker, FS Otto, 25, 29; Greco, Lebendiges und Totes, S. 259; Grünwald, MDR 1965, 521, 523; Jakobs, AT, Ab. 4 Rn. 9; Krahl, Rechtsprechung, S. 265; Lemmel, Strafbarkeitsvoraussetzungen, S. 78; Ransiek, Gesetz und Lebenswirklichkeit, S. 23; F.-C. Schroeder, JZ 1969, 775, 776; Schünemann, Nulla poena, S. 16. Letzterer führt ebenda aus, das Abstellen auf einen psychologisierenden Vertrauensschutzaspekt sei eine bloße subjektive Reformulierung der objektiven Garantie des Gesetzlichkeitsprinzips. 157 Erb, ZStW 108 (1996), 266, 275; Jung, FS Wassermann, 875, 884; ders., Züchtigungsrecht, S. 60; Lenckner, JuS 1968, 305, 305 Fn. 79; Maunz/Dürig-Schmidt-Aßmann, Art. 103 II Rn. 178; H.-L. Schreiber, Gesetz, S. 215 f.; ders., ZStW 80 (1968), 348, 362 f. (mit Blick auf das Rückwirkungsverbot). Ähnlich auch LK12-Dannecker, § 1 Rn. 179; Lewisch, Verfassung und Strafrecht, S. 129; Neumann, ZStW 103 (1991), 331, 349; IntKommEMRK-Renzikowski, Art. 7 Rn. 56 (zu Art. 7 I EMRK); v. Rienen, Einschränkungen, S. 162 f. (Fn. 973); Warda, Dogmatische Grundlagen, S. 44. A.A. mit Blick auf das Bestimmtheitsgebot Ransiek, Gesetz und Lebenswirklichkeit, S. 33 [s. Kap. D. II. 3. a) gg)]. 158 H.-L. Schreiber, Gesetz, S. 216. 159 Ähnlich Leibholz/Rinck, Art. 103 Rn. 1446, allerdings wohl für die subjektiv verstandene Berechenbarkeit. 160 BVerfGE 109, 133, 171 f. = NJW 2004, 739, 745; BVerfGE 113, 273, 308 = NJW 2005, 2289, 2294.

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gers durch Art. 103 II GG betont. Dies teilt Dannecker. Entscheidend sei nicht ein subjektivierender Vertrauensaspekt, sondern dass der Maßstab strafrechtlicher Entscheidungen von Anfang an festgelegt sei, da man sich nur bei möglicher Kenntnis dieses Maßstabes auf die Rechtsfolgen seines Tuns einstellen könne, mithin nur dann verantwortliches Subjekt sei; folglich sei diese Verknüpfung des Gesetzlichkeitsprinzips mit der Subjektstellung des Bürgers und der Garantie seiner Freiheit maßgeblich.161 Allerdings stellt sich die Frage, ob diese Formulierung tatsächlich deutlich vom bislang vertretenen Ansatz abweicht. Eine mögliche Kenntnis des Maßstabes strafrechtlicher Entscheidungen bedeute, so Dannecker,162 dass in die Freiheit des Einzelnen nur aufgrund berechenbarer strafrechtlicher Regeln eingegriffen werden dürfe. Auf eine (abstrakt vorhandene) Berechenbarkeit des Strafrechts stellen auch die Vertreter des objektiven Vertrauensbegriffes ab. Zudem vermag der Kunstgriff, dass nur der Maßstab strafrechtlicher Entscheidungen – etwa statt des Risikos der Strafbarkeit selbst – potenziell bekannt sein müsse, die Bedenken, die gegen einen subjektiven Vertrauensbegriff bestehen, nicht auszuräumen. Die Annahme, dass der Bürger, wenn er den Maßstab der Entscheidung kennt, sich auf die Rechtsfolgen seines Tuns einstellen könne, erscheint nämlich ebenfalls fiktiv. In nur wenigen Fällen wird der Bürger aus dem Maßstab der Entscheidung sicher auf eine Rechtsfolge schließen und als verantwortliches Subjekt sein Verhalten einstellen können. Somit ist anzunehmen, dass auch Dannecker dies abstrakt versteht. In dem Fall aber unterscheidet sich sein Ansatz nicht nennenswert vom oben Dargestellten; denn jene (wie Schreiber es formuliert) Förderung des Zustandes eines Staates durch Verbürgung eines berechtigten Vertrauens der Rechtsgemeinschaft in die abstrakte Berechenbarkeit des Strafrechts ist in einem liberal-rechtsstaatlichen Staat gleichzusetzen mit der Sicherung der Subjektstellung und Freiheit des Einzelnen. Trotz aller Bedenken erscheint der Rechtssicherheitsaspekt, wird er objektiv verstanden, nach wie vor als tragend für die Begründung des Nullum-crimen-Satzes. Das Vertrauen der Rechtsgemeinschaft in eine abstrakt vorhandene Berechenbarkeit des Strafrechts ist schlechthin eine Voraussetzung für die Akzeptanz der Gesetze. Ohne ein Mindestmaß an Verlässlichkeit im Recht wird der Bürger zum bloßen Objekt staatlicher Machtausübung,163 was für das Strafrecht in hohem Maße gilt.

161 Dannecker, FS Otto, 25, 29 f., 40; ähnlich Colombi Ciacchi, Fahrlässigkeit, S. 16; Even, Unantastbarkeitsgarantie, S. 249 f.; Sternberg-Lieben, Schranken, S. 314, 334 f., 341. 162 Dannecker, FS Otto, 25, 40. Die Verlässlichkeit der Rechtsordnung und damit Berechenbarkeit ist eine Voraussetzung für Freiheitsausübung, vgl. Voßkuhle/Kaufhold, JuS 2011, 794, 794; s. a. BVerfGE 60, 253, 268; Gröpl, Staatsrecht I, Rn. 499; P. Kunig, Jura 1990, 495, 495. Sie geht damit der zuletzt Genannten vor und ist der primäre Zweck von Art. 103 II GG. 163 Maunz/Dürig-Grzeszick, Art. 20 VII Rn. 50.

II. Grundgedanken und Zwecke des Gesetzlichkeitsprinzips

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2. Rationes des Bestimmtheitsgebots und des Analogieverbots Mag auch der plurale Ansatz für das Gesetzlichkeitsprinzip insgesamt als richtig erscheinen, so wird man wenigstens für die einzelnen Verbürgungen mal die eine, mal die andere Begründungslinie als dominierend qualifizieren müssen. Im hiesigen Zusammenhang interessiert besonders, welcher der das Bestimmtheitsgebot und das Analogieverbot tragende Zweck ist. Beide Ausprägungen finden ihren Ursprung im Denken der Aufklärungszeit, werden dann aber zu Anfang des 19. Jahrhunderts näher präzisiert. Folglich liegt es zwar nahe, dass der staatsrechtliche Hintergrund zumindest früher prägend war; doch wurde diesem sehr schnell die strafrechtliche Fundierung zur Seite gestellt. Hieraus allein lässt sich somit kein Schluss ziehen, zumal ein früher dominierender Grund nicht mehr mit dem heutigen übereinstimmen muss. Zunächst zur Verhaltenssteuerung, gleichgültig, ob man sie positive oder negative Generalprävention oder pädagogischen Effekt nennt: Jener Gedanke ist in erster Linie für das Rückwirkungsverbot tragend, denn eine bloß rückwirkende Norm kann das menschliche Verhalten nicht in einer wie auch immer gearteten Weise determinieren. Sekundär ist dies durch bestimmte Gesetze, die die Norm präziser umschreiben, besser zu erreichen. Zudem kann es kaum zu einer Verhaltenssteuerung kommen, wenn die Strafbarkeit auf die für die Rechtsgemeinschaft nur schwer berechenbare Analogie gegründet wird. Bezüglich des Bestimmtheitsgebots wird vereinzelt noch die im Kontext etwas ungewöhnlich anmutende Erwägung angestellt, präzise gefasste Gesetze sparten bei der Rechtsanwendung im Alltag Zeit- und Arbeitsaufwand164. Unabhängig davon, ob Praktikabilitätserwägungen ein grundrechtsgleiches Recht wie Art. 103 II GG mitzutragen vermögen, wird man diese Wirkung als Nebeneffekt, nicht aber als eigentliches Ziel des Bestimmtheitsgrundsatzes qualifizieren müssen. Was die Begründungslinien Demokratie und Gewaltenteilung betrifft, so ist zunächst festzustellen, dass im System des Grundgesetzes keine derart strenge Gewaltenteilung im Sinne eines Montesquieus etabliert ist.165 Gerade durch Überschneidungen erreicht man eine gegenseitige Kontroll- und Begrenzungswirkung. Es ist mithin anerkannt, dass die Rechtsfindung seitens des Rechtsanwenders keineswegs ein rein mechanischer, sondern vielmehr ein in Teilen kreati-

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So offenbar in Schweden, vgl. Cornils, in: Sieber/Cornils, S. 119. Geitmann, „Offene“ Normen, S. 80 f.; Jarass/Pieroth-Jarass, Art. 20 Rn. 24; Kuhli, Völkerstrafgesetzbuch, S. 90 f.; Kohlmann, Staatsgeheimnis, S. 239; Lemmel, Strafbarkeitsvoraussetzungen, S. 82; Sachs-Sachs, Art. 20 Rn. 81, 85; Seel, Tatbestandsmerkmale, S. 120; Sternberg-Lieben, Schranken, S. 305; Thelen, Tatbestandsermessen, S. 157. Nach der Ansicht von Schünemann, FS Herzberg, 39, 43 f., soll Art. 103 II GG dagegen Ausdruck einer strikten Umsetzung der Gewaltenteilung sein. 165

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ver Akt ist.166 Man kann daher bezüglich des Bestimmtheitsgebots fragen, ob der Gesetzgeber überhaupt in der Lage ist, alleine ein Strafgesetz zu bestimmen. Jedenfalls wird man in einem demokratischen System, ohne dass man Bestimmtheit eines Gesetzes hier schon näher betrachtet, voraussetzen dürfen, dass der Gesetzgeber zumindest die Grundentscheidungen, den Rahmen für jene schwersten staatlichen Eingriffe selbst trifft. Noch einmal schwächer ist dagegen die Begründung des Analogieverbots auf diesem Wege. Denn will man die Grundentscheidung des Gesetzgebers bezüglich der Strafbarkeit schützen und nicht der Aufweichung durch die Rechtsprechung überlassen, müsste man die Rechtsfindung praeter legem generell untersagen. Wie zuvor gesehen, sind aber Analogien und teleologische Reduktionen zu Gunsten des Täters erlaubt. Als zentral für die Verbürgungen lege certa et stricta erweist sich die Wurzel beider im Rechtsstaatsprinzip. Äußerliches Indiz dafür ist bereits, dass Unrechtssysteme, wie etwa das NS-Regime, beide Grundsätze regelmäßig missachten. Die Gefahr willkürlicher, d.h. freier, aus sachfremden Erwägungen erfolgender Entscheidungen sowie der Trübung der Entscheidungsfähigkeit durch Emotionen wird durch einen rechtlich schärferen Rahmen, dessen Einhaltung nachprüfbar ist, immerhin begrenzt. Freilich sind beide Faktoren nie ganz ausschaltbar, da sie auch bei der Auslegung auftreten können.167 Die Gewährleistung des Vertrauens der Rechtsgemeinschaft in eine abstrakt vorhandene Berechenbarkeit des Strafrechts muss zumindest als Programmsatz bei der Strafrechtssetzung verfolgt werden, soll der Bürger innerhalb des Rechtssystems seine grundgesetzlich gesicherte Freiheit entfalten können. Jedoch kann dies durch die möglichst bestimmte Fassung der Strafgesetze i. S. v. Grundentscheidungen alleine nicht erreicht werden. Das Vertrauen der Rechtsgemeinschaft in die Berechenbarkeit wäre erschüttert, würde man dem Rechtsanwender die Rechtsfindung im Wege der Analogie in malam partem erlauben. Mithin ist das Analogieverbot als Sicherung dieses Vertrauens notwendig. Wendet man nun ein, dass das Vertrauen der Rechtsgemeinschaft auch enttäuscht werde, wenn eine Analogie in bonam partem vorgenommen werde, so lässt sich dem entgegnen: Jene formelle Garantie dient, wie gesehen, dem Schutz der Freiheitssphäre jedes Einzelnen der Rechtsgemeinschaft und setzt sich gegenüber Erwägungen der materiellen Gerechtigkeit durch. Bestehen aber Gründe, die die Straflosigkeit nahelegen, darf der täterbegünstigende Nullum-crimen-Satz, angesichts des Ultima-ratio-Charakters des Strafrechts, Lösungen in favorem rei nicht entgegenstehen, insofern nicht täterbeungünstigend wirken168. Das abstrakte Vertrauen der Rechtsgemeinschaft in 166 Calliess, NJW 1985, 1506, 1508; Kertai, JuS 2011, 976, 978; Kohlmann, Staatsgeheimnis, S. 242 ff.; Krey, Studien, S. 80 ff., S. 107; Lemmel, Strafbarkeitsvoraussetzungen, S. 82; s. a. Duttge, Bestimmtheit, S. 150 f. 167 Lemmel, Strafbarkeitsvoraussetzungen, S. 62 ff. 168 Vgl. Schönke/Schröder29-Eser/Hecker, § 1 Rn. 7; NK4-Paeffgen, Vor §§ 32 ff. Rn. 58; Satzger/Schluckebier/Widmaier-Satzger, § 1 Rn. 12; s. a. Engisch, in: Methoden

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die Berechenbarkeit muss dann zurücktreten. Es lassen sich insoweit zwei Inhaltsaspekte des abstrakten Vertrauens in die Berechenbarkeit des Strafrechts differenzieren. Einmal wird – negativ – das abstrakte Vertrauen geschützt, sine lege nicht bestraft zu werden bzw. Strafschärfungen zu erfahren. Andererseits besteht das – positive – Vertrauen, im Falle des Vorliegens der Voraussetzungen cum lege bestraft zu werden; dieses ist im Falle der Analogie in bonam partem betroffen. Dabei ist allerdings der erstgenannte Aspekt in einem Rechtsstaat der schützenswertere, letzterer dagegen Durchbrechungen zugänglich.

III. Überblick über die internationale Entwicklung und Verbreitung des Gesetzlichkeitsprinzips International hat sich das Gesetzlichkeitsprinzip im Strafrecht trotz aller kulturellen Unterschiede und eigenständigen Rechtstraditionen in nahezu allen Rechtsstaaten durchgesetzt169 und seine Aufnahme in die Verfassungen oder die Strafgesetze gefunden. Dennoch ist bei der Betrachtung des Gesetzlichkeitsprinzips (englisch principle of legality, spanisch legalidad, italienisch legalità) zu beachten, dass die Terminologie teils divergiert und insbesondere die Unterausprägungen (und deren Reichweite) nicht einheitlich verstanden werden. Wählt man für diese eine neutrale Terminologie als Ausgangspunkt (Anforderungen an Regelungsform sowie Bestimmtheit der Regelung, Grenzen der Auslegung und Rückwirkung von Strafvorschriften)170, so wird man indes in den meisten Rechtsordnungen fündig. Auch der Gedanke, aus dem Strafrecht einen Allgemeinen Teil, allgemeine Bestimmungen und Regeln, die prinzipiell für alle Straftatbestände gelten, auszugliedern, ist den meisten Strafrechtsordnungen bekannt. Oftmals ist diese Trennung im Strafgesetz vollzogen worden. Dies erscheint als Indiz, dass die Festschreibung jener Geltungs- und Zurechnungsregeln für den Schutz der Freiheitssphäre und der Rechtssicherheit ebenso bedeutend ist.171 Dementsprechend stellt sich das Problem, das sich für das deutsche Recht ergibt, in diesen Ländern oftmals mit der gleichen Dringlichkeit. Dort werden gleichfalls Zweifel angeführt, ob das Gesetzlichkeitsprinzip und damit die ihm innewohnenden Ableitungen, der Rechtswissenschaft, 39, 67 f.; Kuhli, Völkerstrafgesetzbuch, S. 108; Maunz/DürigSchmidt-Aßmann, Art. 103 II Rn. 197. 169 So schon vor 60 Jahren Jimenez de Asúa, ZStW 63 (1951), 166, 176; s. a. Jescheck, FS Miyazawa, 363, 364 (allgemein anerkannt); Roxin/Arzt/Tiedemann, Einführung, S. 39; ferner Jähnke, ZIS 2010, 463, 463: „universelle Geltung“. Eine lückenlose Zusammenstellung der einzelnen nationalen Verfassungsvorschriften und Strafgesetze findet sich im Hinblick auf das Rückwirkungsverbot bei Gallant, in: Gesetzlichkeit und Strafrecht, 281, 286 ff. Fn. 17 ff. 170 So in Sieber/Cornils, Nationales Strafrecht in rechtsvergleichender Darstellung, Bd. 2, S. 2. 171 Tiedemann, ZStW 110 (1998), 497, 502; ders., FS Lenckner, 411, 415 f.

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besonders aber das Bestimmtheitsgebot, im AT die gleiche Geltung wie im BT beanspruchen. Das wird nicht einheitlich beantwortet. Jedenfalls innerhalb von Europa wird unterschiedlich bewertet, bis zu welchem Grad eine Regelung des AT erfolgen soll: Man kann unterscheiden zwischen der philosophisch-rechtstheoretisch geprägten deutschen Sicht, die sich selbst bei Fundamentalfragen mit der Regelung des „Ob“ begnügt, und der Gegenauffassung, die etwa den untauglichen Versuch stärker gesetzlich eingrenzt oder die Garantenstellung beim unechten Unterlassungsdelikt abschließend regelt.172 Wirft man einen Blick auf die Entwicklung der europäischen Strafgesetze, so fällt auf, dass einige (vgl. die sogleich folgenden Erörterungen zu Portugal, Spanien, Norwegen, Finnland, Frankreich, der Schweiz sowie der Türkei) in den letzten zwanzig Jahren durchgreifende Reformen, gerade was den AT angeht, erfahren haben. Somit stellt man fest, dass zahlreiche europäische Gesetze nun Regelungen über den Vorsatz, die Fahrlässigkeit sowie die actio libera in causa enthalten, einige sogar die Garantenstellung beim Unterlassen oder die Einwilligung regeln. Bekanntlich fehlen Regelungen zu den genannten Instituten des AT im deutschen Strafgesetzbuch, teils werden sie nicht einmal erwähnt. Gleichwohl werden durch Reformen und Präzisierungen keinesfalls alle Probleme gelöst, wie sich noch zeigen wird. Vielfach werden die neu eingeführten Bestimmungen als nicht gelungen kritisiert. 1. Nationale Rechtsordnungen Primär soll hier auf die europäischen Rechtsordnungen eingegangen werden. Darüber hinaus werden an dieser Stelle auch Russland sowie die Vereinigten Staaten von Amerika behandelt.173 a) Italien In Italien findet sich das Gesetzlichkeitsprinzip (legalità) in Art. 1, 2, 199, 200 des italienischen Codice Penale, Art. 25 II, III der italienischen Verfassung. Verbürgt werden u. a. das Bestimmtheitsgebot (principio di determinatezza/tassati172

Tiedemann, ZStW 110 (1998), 497, 503; ders., FS Lenckner, 411, 417 f. Außer den hier näher betrachteten Rechtsordnungen seien folgende nationale Regelungen zumindest genannt: Art. 13 des Code pénal der Elfenbeinküste, Art. 22 der Verfassung der Elfenbeinküste; Art. 20 I der indischen Verfassung; § 1 des südkoreanischen StGB, Art. 12 I, 13 I der südkoreanischen Verfassung; Art. 39 der japanischen Verfassung; § 3 des chinesischen StGB; Art. 18 der argentinischen Verfassung; Art. 1 des brasilianischen Código Penal, Art. 5 XXXIX der brasilianischen Verfassung. Im Iran – vgl. dazu Tellenbach, ZStW 121 (2009), 1054 ff. – enthalten Art. 36, 166, 169 der Verfassung ebenfalls das strafrechtliche Gesetzlichkeitsprinzip, wobei die genannten Artikel aber in Konflikt mit Art. 167 stehen, nach dem auch religiöse Quellen einem Gesetz gleichstehen können, s. Tellenbach, ZStW 121 (2009), 1054, 1064 ff. Deutlicher sind sogar noch Art. 113-1, 114-2 des Entwurfs eines neuen Strafgesetzbuchs. 173

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vità) und das Analogieverbot (divieto di analogia), die sich beide den Art. 1, 199 Codice Penale entnehmen lassen. In Art. 1–240 c.p. wird ein Allgemeiner Teil ausgegliedert. Zunächst zum Bestimmtheitsgebot: In Italien trifft man ebenfalls die Meinung an, dass im Bezug auf den AT die Anforderungen an die Bestimmtheit der Normen herabzusetzen seien, da es sich hier um verallgemeinerte, für alle Tatbestände geltende Regeln handele.174 Im Angesicht der schieren Regelungsanzahl des italienischen AT vermag dieser Befund zu verwundern. So enthält Art. 43 c.p. eine Legaldefinition des Vorsatzes, Art. 40, 41 c.p. regeln sogar die Kausalität. Doch ist gerade letztere Regelung in Italien nicht unumstritten. In der Diskussion um die Schaffung eines neuen Strafgesetzbuchs wird aufgrund dessen auch erwogen, beispielsweise die objektive Zurechnung – zumindest was Eckpunkte belangt – zu kodifizieren.175 Dabei wird als Grund dieser Formalisierung ausdrücklich die bislang bestehende Unbestimmtheit sowie der Respekt vor dem strafrechtlichen Gesetzlichkeitsprinzip betont.176 Bezüglich des Analogieverbots ist erwähnenswert, dass der italienische Kassationshof den Text der Norm als Grenze zwischen Analogie und extensiver Auslegung ansieht.177 b) Spanien Art. 1, 2, 4 I des spanischen Código Penal, Art. 25 der Constitución Española legen den Grundsatz der Gesetzesbindung für das spanische Strafrecht fest. Der neue spanische Código von 1995 wurde explizit auf diesen Grundsatz gestützt.178 Dem Gesetzlichkeitsprinzip entnimmt man das Bestimmtheitsgebot (principio de taxatividad/tipicidad) sowie das Analogieverbot (prohibición de analogía in malam partem). Die Art. 1–137 CP bilden den Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuchs. Jener enthält zudem Regelungen zur actio libera in causa (Art. 20.1, 2 des spanischen CP) sowie zur Garantenstellung beim unechten Unterlassensdelikt (Art. 11 spanischer CP). Allerdings wird teils179 eingewandt, besonders die Insti174 Jarvers, in: Sieber/Cornils, S. 60. Überhaupt wird in Italien wie in Deutschland diskutiert, welchen Grad der Bestimmtheit eine Strafnorm erreichen muss, s. Maiwald, Einführung, S. 38 f. m.w. N. 175 Militello, GA 2006, 328, 328 f. m.w. N. Freilich soll dies nicht zu einer „Zwangsjacke“ für die objektive Zurechnung führen, sondern als offene Regelung Raum lassen, vgl. Militello, GA 2006, 328, 331. 176 Militello, GA 2006, 328, 328, 334. 177 Vgl. Corte di Cassazione, 3 Iuglio 1992, Il Foro Italiano 1992, Parte Seconda, 146, 149 („L’interpretazione estensiva è perciò pur sempre legata al testo della norma esistente . . .“); dazu Jarvers, in: Sieber/Cornils, S. 61. 178 Cerezo Mir, ZStW 108 (1996), 857, 860. Beispielsweise sei die Einführung des Art. 28 CP eine gesetzliche Ausprägung des Gesetzlichkeitsprinzips und eine Festlegung auf den restriktiven Täterbegriff, vgl. Pérez Alonso, ZStW 117 (2005), 431, 434. 179 Suárez Gonzáles, GA 1998, 111, 117.

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tute des AT hätten noch präziser ausformuliert werden müssen. Darüber hinaus sind viele Institute des AT, wie etwa Vorsatz und Fahrlässigkeit, im CP überhaupt nicht definiert. Somit wird auch in Spanien vertreten, dass hier deutlich geringere Anforderungen, was die Bestimmtheit der Regelung anginge, zu stellen seien.180 Außerdem werden die im Gesetz in Angriff genommenen Verbesserungen im Hinblick auf das Gebot der Bestimmtheit von Strafnormen durchaus kritisch betrachtet. So wird in Spanien die ausdrückliche Festschreibung der Quellen, aus denen Rechtspflichten beim Unterlassen entspringen (Gesetz, Vertrag und vorangegangenes Tun), vielfach als Mangel angesehen.181 c) Portugal Seit 2007 gilt in Portugal ein umfassend reformiertes182 Strafgesetzbuch. Der neue Código Penal enthält in Art. 1 sowie 2 I das Gesetzlichkeitsprinzip, wobei aus Art. 1 sowohl das Bestimmtheitsgebot als auch das Analogieverbot folgen. Im Allgemeinen Teil des Código Penal (Art. 1–130 CP) finden sich Regelungen zum Vorsatz (Art. 14 CP), zur Fahrlässigkeit (Art. 15 CP) sowie zur Einwilligung (Art. 38, 39 CP). Die beiden letzten Vorschriften sind besonders hervorzuheben, denn Bestimmungen zum bekannten Institut der Einwilligung finden sich in den wenigsten Strafgesetzbüchern. d) England und Wales, Schottland Das common law hat aufgrund seiner besonderen, historisch gewachsenen Struktur als case law in Bezug auf das Gesetzlichkeitsprinzip eine eigenständige Stellung inne. Bestimmtheit und Vorhersehbarkeit des Rechts werden hier in erster Linie durch die Stare-decisis-Bindung (was die ratio decidendi angeht) bei Präzedenzfällen der Obergerichte erreicht. Trotzdem ist das Gesetzlichkeitsprinzip im Recht von England und Wales gesetzlich verankert. Seit dem Human Rights Act von 1998 wird das Gesetzlichkeitsprinzip durch Art. 7 I EMRK in das

180 Manso Porto, in: Sieber/Cornils, S. 133 f.; ebenso mit Blick auf die Rechtfertigungsgründe Moreso, in: Gesetzlichkeit und Strafrecht, 145, 157 ff., 163 f. 181 Vgl. Arroyo Zapatero, ZStW 110 (1998), 438, 442; Cerezo Mir, ZStW 108 (1996), 857, 863; Suárez Gonzáles, GA 1998, 111, 116, jeweils m.w. N. Vor der Reform des Código Penal war die Garantenstellung in Spanien das Ergebnis einer auf außergesetzlichem Wege gefunden Regelung, worin teils ein Verstoß gegen das Analogieverbot gesehen wurde, vgl. Arroyo Zapatero, ZStW 110 (1998), 438, 443. Interessant ist an dieser Stelle zudem, dass das spanische Verfassungsgericht (Tribunal Constitucional) in Bezug auf die Vereinbarkeit außergesetzlicher Konstruktionen der Dogmatik mit dem Nullum-crimen-Satz vertreten hat, dieser dürfe nicht so mechanisch verstanden werden, dass er die Freiheit des Richters zu dogmatischen Konstruktionen aufhebe, Sentencia 89/1983 (II. 3.) vom 02.11.1983. 182 Zur Reform des Código s. Fernandes, ZStW 121 (2009), 1025 ff.

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englische Recht inkorporiert, wobei nicht die Verbürgung nullum crimen, nulla poena sine lege scripta geleistet werden soll.183 Dennoch sind (neben den common law offences) inzwischen zahlreiche gesetzlich festgelegte Straftatbestände vorhanden. In Bezug auf im AT zu erwartende Regeln herrscht im englischen Recht, das ohnehin den allgemeinen Lehren weniger Bedeutung beimisst und sie weniger theoretisch durchdringt, Richterrecht vor.184 Jedoch finden sich selbst in diesem Bereich inzwischen einige gesetzliche Regelungen.185 Auch die in den achtziger Jahren ausgearbeiteten Entwürfe einer Strafrechtskodifikation für England und Wales seitens der Law Commission gliedern sich in einen AT (u. a. mit Regelungen zum Unterlassen, zur Kausalität und zur subjektiven Tatseite) und einen BT;186 bislang ist es – jedenfalls insgesamt – bei jenen bloßen Entwürfen geblieben. Beim schottischen Recht ist, trotz aller Ähnlichkeit zum englischen Recht, zu bedenken, dass dieses aufgrund der geschichtlichen Entwicklung eine Sonderstellung einnimmt. Folglich ergibt sich bei der Betrachtung des Gesetzlichkeitsprinzips im Strafrecht Schottlands zwar Ähnliches zu dem bereits Gesagten: Es gilt Art. 7 I EMRK und damit das Gesetzlichkeitsprinzip, dem Bestimmtheitsgebot (legal certainity) wird ebenfalls nicht nur durch Strafgesetze, sondern auch durch die Präjudizienbindung genüge getan.187 Dahingegen kommt im schottischen Strafrecht dem Obersten Gerichtshof die sog. declaratory power of the High Court zu: Der High Court hat demnach die Kompetenz, neue Straftatbestände zu schaffen und damit Verhalten zu inkriminieren, das vorher nicht unter Strafe stand; freilich scheint die praktische Bedeutung dieser Kompetenz gering zu sein, wenn man bedenkt, dass ihr letzter konzedierter Anwendungsfall auf das Jahr 1838 datiert.188 Was das Analogieverbot anbelangt, gilt sowohl im englischen als auch im schottischen Recht, dass diesem nur eine eingeschränkte Bedeutung zukommt. Das common law stützt sich in der Fortentwicklung seines Systems wesentlich auf Analogieschlüsse; diese sind gleichfalls zu Ungunsten des Täters zwecks Ausdehnung von Straftatbeständen und sogar zur Schaffung neuer Straftatbe183 Näher zum Gesetzlichkeitsprinzip im englischen Recht Ashworth, ZStW 110 (1998), 461, 464; Forster, in: Sieber/Cornils, S. 29 ff.; Löhr, Prozeßgrundrechte, S. 251 ff. 184 Ashworth, ZStW 110 (1998), 461, 472. 185 Vogel, GA 1998, 127, 139. 186 s. Grünewald, JZ 2011, 972, 975 Fn. 26; näher Mansdörfer, in: Mansdörfer, S. 20 f. 187 Wobei hier teils subtile Hinweise bezüglich einer künftigen Rechtsprechungsänderung genügen, um dem Bestimmtheitsgebot zu entsprechen, vgl. Summers, in: Sieber/ Cornils, S. 109. 188 Summers, in: Sieber/Cornils, S. 108. Zur restriktiveren Haltung des – ehemals zuständigen – House of Lords für das englische Recht IntKommEMRK-Renzikowski, Art. 7 Rn. 44.

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stände erlaubt.189 Jene eingeschränkte Beachtung wird vom EGMR mit Blick auf Art. 7 EMRK recht großzügig gebilligt, indem er den Gerichten einen (sehr) weiten Auslegungsspielraum sowie Anpassungsmöglichkeiten an die Lebensumstände zugesteht.190 e) Nordische Staaten (an den Beispielen Schweden, Dänemark, Norwegen, Finnland) In Kap. 1 § 1 des schwedischen Brottsbalken (BrB) sowie in Kap. 2 § 10 I der schwedischen Verfassung (Regeringsformen) findet sich das Gesetzlichkeitsprinzip in positivierter Form. Diesem werden unter anderem das Gebot der Bestimmtheit der Strafnorm (obestämdhetsförbudet) sowie das Analogieverbot (analogiförbudet) entnommen. Eine Ausnahme in Europa stellt der Brottsbalken im Hinblick auf den Allgemeinen Teil dar: Dieser stellt den Straftatbeständen keinen AT voran, sondern verortet die allgemeinen Lehren bei den einzelnen Straftatbeständen (s. Kapitel 23, 24 BrB). Geregelt wird im BrB z. B. die actio libera in causa (s. Kap. 1 § 2 II BrB). Der schwedischen Lehre ist demgegenüber die Unterteilung in AT und BT geläufig. In Bezug auf das Bestimmtheitsgebot wird im schwedischen Schrifttum teilweise vertreten, dass die Regelungen des Allgemeinen Teils nicht an diesem zu messen seien.191 Das dänische Recht dagegen bildet in Europa hinsichtlich des Grundsatzes der Gesetzesbindung des Strafrechts einen Sonderfall. Es enthält das Gesetzlichkeitsprinzip zwar in § 1 des Straffeloven, allerdings nur in eingeschränktem Maße: Analogien im Strafrecht werden in gewissem Umfang zugelassen. § 1 des dänischen Strafgesetzbuchs bestimmt, dass eine Strafe nur für ein Verhalten verhängt werden kann, dessen Strafbarkeit gesetzlich bestimmt oder das einem solchen gleichzusetzen ist.192 Trotzdem soll der Analogie in praxi kaum eine nennenswerte Bedeutung zukommen, da die Gerichte davon nur in engen Grenzen Gebrauch machen.193 Gleichwohl ist etwa der Allgemeine Teil (Kap. 1–11, namentlich die allgemeinen Lehren, Kap. 3–5) des Straffeloven relativ knapp gefasst. Beispielsweise sind Vorsatz, Fahrlässigkeit und Unterlassen hier ungeregelt, sodass ohnehin vieles der Dogmatik und der Praxis überlassen bleibt. Im norwegischen Recht wird das Gesetzlichkeitsprinzip (legalitetsprinsippet) durch § 96 des norwegischen GG (Grunnlov) garantiert. Bemerkenswert ist für Norwegen, dass 2005 ein neuer Allgemeiner Teil für das Strafgesetz verabschie189

Forster, in: Sieber/Cornils, S. 36; Summers, in: Sieber/Cornils, S. 110. s. EGMR, S.W. v. United Kingdom, Judgment 22.11.1995, Appl.-No. 20166/92 (Serie A Nr. 335-B), §§ 36, 39 ff.; früher schon EKMR, Gay News Ltd. (X. Ltd. and Y.) v. United Kingdom, Decision 7.5.1982, Appl.-No. 8710/79, § 9. 191 Vgl. Cornils, in: Sieber/Cornils, S. 120. 192 Näher dazu Gomard, ZStW 83 (1971), 332, 341 ff. 193 Cornils/Greve, Das Dänische Strafgesetz, S. 3, 6 m.w. N. 190

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det wurde. Dieser ist aber noch nicht in Kraft. Bereits seit den achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts gibt es Bestrebungen, die allgemeinen Lehren möglichst vollständig und genau im Strafgesetz zu regeln.194 Im neuen AT finden sich nunmehr gesetzliche Regelungen zum Vorsatz (§ 22 norwegisches Straffelov) und zur Fahrlässigkeit (§ 23 norwegisches Straffelov). Beim Blick auf die nordischen Staaten ist im hiesigen Zusammenhang besonders ein Blick auf das finnische Recht fruchtbar. Das Gesetzlichkeitsprinzip findet sich in Kap. 3 § 1 des Rikoslaki sowie § 8 des finnischen GG. Ihm werden das Bestimmtheitsgebot und das Analogieverbot entnommen. In Finnland wurde der AT (Kapitel 1–10 Rikoslaki) 2003 reformiert und vor allem im Hinblick auf die allgemeinen Lehren in den Kapiteln 3 bis 5 relativ ausführlich gefasst. Die Reform war dabei ausdrücklich vom Gesetzlichkeitsprinzip geprägt, was sich auch durch die oft gewählte Technik der Legaldefinition ausdrückt: Man wollte gerade den AT ausführlicher als bislang regeln, die Neufassung der Kapitel 3 bis 6 bildete den Hauptteil der Reform.195 Nunmehr enthält der Rikoslaki Regelungen zum Vorsatz (Kap. 3 § 6), zur Fahrlässigkeit (Kap. 3 § 7), zur actio libera in causa (Kap. 3 § 4 V) sowie zur Garantenstellung beim unechten Unterlassungsdelikt (Kap. 3 § 2 II). Zugleich zeigt sich bei dieser Reform deutlich die Schwierigkeit, Institute wie etwa den Vorsatz zu regeln: Beim reformierten Rikoslaki wird darauf hingewiesen, dass Kap. 3 § 6 als Kompromiss nur den Erfolgsvorsatz regele, da die allgemeine Abgrenzung von Vorsatz und Fahrlässigkeit angesichts der zahlreichen divergierenden Ansichten den Gesetzgeber überfordern würde.196 Im Übrigen wird im finnischen Strafrecht ebenfalls darauf aufmerksam gemacht, dass ein überbetontes Bestimmtheitsgebot, das sich an den Gesetzgeber richte, hinsichtlich der allgemeinen Lehren nicht gut zutreffe; der AT sei in erster Linie an den Gesetzesanwender gerichtet, im Hinblick auf die Vorhersehbarkeit für den Bürger nicht im gleichen Maße wichtig.197 f) Österreich, Schweiz § 1 des österreichischen StGB stellt das Gesetzlichkeitsprinzip wie in Deutschland an die Spitze des Strafrechts. Dabei entnimmt man § 1 I Halbsatz 1 („. . . die unter eine ausdrückliche gesetzliche Strafdrohung fällt . . .“) sowohl die Verbürgung nullum crimen, nulla poena sine lege certa als auch lege stricta. §§ 1–74 öStGB bilden den Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuchs. Unter anderem trifft das Gesetz Bestimmungen zum Vorsatz (§ 5 öStGB) und zur Fahrlässigkeit (§ 6 194

Vgl. Lahti, ZStW 103 (1991), 521, 531 Fn. 21 m.w. N. Cornils/Frände/Matikkala, Das finnische Strafgesetzbuch, S. 12; Lahti, FS Eser, 1393, 1400 f.; ders., ZStW 115 (2003), 753, 760; ders., ZStW 103 (1991), 521, 533. 196 Cornils/Frände/Matikkala, Das finnische Strafgesetzbuch, S. 20; Lahti, FS Eser, 1393, 1407; ders., ZStW 115 (2003), 753, 761. 197 Lahti, FS Eser, 1393, 1404. 195

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öStGB). Was das Verhältnis des Nullum-crimen-Satzes und des Allgemeinen Teils anbelangt, so wird zwar überwiegend gesagt, dass das Gesetzlichkeitsprinzip für den AT gelte.198 Nichtsdestoweniger gibt es auch in Österreich Stimmen, die die Zulässigkeit von Gewohnheitsrecht im AT zur Ausfüllung des vorgegebenen weiten Rahmens postulieren199 oder jedenfalls als in der Praxis angewandt200 einräumen. Zum Teil wird (wie früher in Deutschland) die Ansicht vertreten, das Analogieverbot gelte für den AT nicht.201 Auch das schweizerische StGB wählt mit Art. 1 und 2 jene exponierte Stelle für den Grundsatz der Gesetzesbindung im Strafrecht. Diesem werden wiederum das Bestimmtheitsgebot sowie das Analogieverbot entnommen. Wie die meisten europäischen Strafgesetze enthält das schwStGB einen Allgemeinen Teil (1. Buch schwStGB: Allgemeine Bestimmungen). Ebender wurde 2007 komplett überarbeitet und enthält Bestimmungen zum Vorsatz (Art. 12 II schweizerisches StGB) sowie zur Fahrlässigkeit (Art. 12 III schwStGB). In Bezug auf den AT wird betont, dass das Gesetzlichkeitsprinzips für diesen gleichsam gelte.202 Dabei ist jedoch im Zusammenhang mit der Schweiz zu beachten, dass das Analogieverbot generell dahingehend eingeschränkt wird, dass der mögliche Wortsinn nicht als Grenze zwischen Analogie und Auslegung angesehen wird.203 Ferner wird trotz der scheinbar strengen Geltung des Gesetzlichkeitsprinzips eingestanden, dass dieses sich im Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot unterschiedlich verwirklicht habe.204 g) Frankreich Im französischen Strafrecht hat das Gesetzlichkeitsprinzip mit Art. 111-2, 1113 und 111-4 des Code pénal seine gesetzliche Fundierung erhalten. Daneben hat der Grundsatz Verfassungsrang, er gehört zum sog. bloc de constitutionnalité.205 Zum einen leitet man aus Art. 111-2 und 111-3 CP das Bestimmtheitsgebot ab, zum anderen folgt aus Art. 111-4 CP das Prinzip der engen Auslegung (principe

198 Fuchs, AT/I, Kap. 4 Rn. 31; Triffterer, AT, Kap. 2 Rn. 20, 27; Zerbes, in: Sieber/ Cornils, S. 84. 199 Reissig/Kunst, § 1 Anm. 2; generell ablehnend Triffterer, AT, Kap. 2 Rn. 20. 200 Fuchs, AT/I, Kap. 4 Rn. 45. 201 Schick, FS Walter, 625, 639; ders., ZStW 110 (1998), 473, 495; a. A. Höpfel, JBl 1979, 575, 584 ff.; Lewisch, Verfassung und Strafrecht, S. 79 f. 202 Trechsel/Jean-Richard, Art. 1 Rn. 9. 203 BGE 116 IV, 134, 139; Trechsel/Jean-Richard, Art. 1 Rn. 22 ff.; a. A. Seelmann, AT, S. 28 f. 204 Trechsel/Jean-Richard, Art. 1 Rn. 20. 205 Conseil constitutionnel 19–20 janv. 1981, JCP 1981.II.19701, note Franck, D. 1982.J.441; note A. Dekeuwer. S. a. Conte/Maistre du Chambon, Droit pénal général, Rn. 94; Lelieur/Pfützner/Volz, in: Sieber/Cornils, S. 42; Löhr, Prozeßgrundrechte, S. 144; Pin, Droit pénal général, Rn. 21.

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d’interprétation stricte). Letzteres besagt, dass im Strafrecht der Rückgriff auf die Analogie in malam partem verboten ist. Dagegen werden gewisse Einschränkungen bezüglich der sog. principes généraux du droit postuliert, bei ungenau formulierten Normen wird die bedeutende Rolle des Richters zur Präzisierung hervorgehoben.206 Der Allgemeine Teil des 1994 völlig neu aufgelegten Code befindet sich im 1. Buch. Von der bloßen Regelungsdichte bestehen gegenüber dem deutschen Strafrecht, was die allgemeinen Lehren angeht, keine gravierenden Unterschiede. h) Polen, Russland Mit Art. 1 des polnischen kodeks karny (k.k.) sowie Art. 42 I 1 der polnischen Verfassung ist das Gesetzlichkeitsprinzip in Polen sowohl einfachgesetzlich als auch verfassungsrechtlich verankert. Als Verbürgungen werden wie zumeist das Analogieverbot und das Bestimmtheitsgebot angesehen. Der AT des polnischen Strafgesetzbuchs erstreckt sich über Art. 1–116 k.k. Für diesen wird in Anbetracht seines großen Anwendungsbereichs vertreten, dass die gesetzliche Positivierung einzelner Begriffe des AT unterbleiben könne.207 Im Strafgesetzbuch der russischen Föderation findet sich das Gesetzlichkeitsprinzip in Art. 3, wobei Absatz 2 explizit ein Analogieverbot ausspricht; der Allgemeine Teil (Kapitel 1–15 russisches StGB) trifft Regelungen zum Vorsatz (Art. 25), zur Fahrlässigkeit (Art. 26) sowie zur actio libera in causa (Art. 23).208 i) Türkei Die Türkei hat in Art. 2 und 7 I des Türk Ceza Kanunu (TCK) sowie Art. 38 ihrer Verfassung das Gesetzlichkeitsprinzip aufgenommen. Aus dem Wortlaut des Art. 2 I TCK folgt dabei, dass die Straftatbestände präzise gefasst werden müssen (Bestimmtheitsgebot). Art. 2 III TCK verbietet darüber hinaus ausdrücklich die Analogie, wobei auch nicht zwischen der Anwendung in malam partem und in favorem unterschieden wird. 2005 trat das neue türkische Strafgesetzbuch in Kraft. Dieses ist das Ergebnis umfangreicher Reformen. Der neue Allgemeine Teil des TCK (Art. 1–75 TCK) enthält inzwischen Regelungen zum Vorsatz (Art. 21 TCK), zur Fahrlässigkeit (Art. 22 TCK), zur Einwilligung (Art. 26 II TCK) sowie zur actio libera in causa (Art. 34 II TCK). Folglich wird die detailreiche, zur Rechtssicherheit bei206 Conte/Maistre du Chambon, Droit pénal général, Rn. 125, 129; s. a. Pin, Droit pénal général, Rn. 69. 207 Vgl. E. Weigend, in: Sieber/Cornils, S. 97. 208 s. F.-C. Schroeder, Das Strafgesetzbuch der Russischen Föderation, S. 16 f., 20 f.; Übersetzung der Vorschriften a. a. O., S. 51 ff.

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tragende Kodifizierung der allgemeinen Voraussetzungen der Strafbarkeit positiv herausgestellt.209 Gleichwohl werden damit offensichtlich nicht alle Schwierigkeiten, die die Realisierung des Nullum-crimen-Satzes im AT mit sich bringt, befriedigend gelöst. So wird in der Türkei einerseits bemängelt, dass die fehlende Regelung des unechten Unterlassungsdelikts im Konflikt mit dem Gesetzlichkeitsprinzip stehe, das eine Definition im AT fordere;210 außerdem wird gegen die Einzelregeln zu den unechten Unterlassungsdelikten (diese sind sporadisch im BT geregelt, vgl. Art. 83 I, 88 II, 94 V TCK) eingewandt, diese knüpften an die überholte Garantentrias (Vertrag, Ingerenz, Gesetz) an.211 Andererseits werden die Regelungen des TCK zu Vorsatz und Fahrlässigkeit dahingehend kritisiert, dass sie nicht gelungen seien: Art. 21 II TCK verzichte beim Eventualvorsatz gänzlich auf ein voluntatives Element, die bewusste Fahrlässigkeit wiederum setze in Art. 20 III TCK ein solches mit dem Element „Nicht-Wollen“ voraus.212 Womöglich habe der Gesetzgeber durch die Regeln zur subjektiven Tatseite zu weit in den dogmatischen Bereich eingegriffen und die Lehre abgeschnitten.213 j) USA In den Vereinigten Staaten wird das Gesetzlichkeitsprinzip (principle of legality) als Komponente des Rechtsstaatsprinzips (rule of law) aufgefasst. Diesem werden das Bestimmtheitsgebot (void-for-vagueness-doctrine) sowie das Analogieverbot entnommen. Strafbegründendes common law ist hier überwiegend abgeschafft und durch statute law ersetzt worden. Es lässt sich sogar ein gewisser rechtspositivistischer Zug erkennen, wenn man auf den Grad der Kodifizierung von Regeln des Allgemeinen Teils durch statute law blickt: Spätestens seit den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurde in den Strafrechtssystemen der Bundesstaaten im Zuge des Model Penal Code der AT insgesamt in statute law überführt.214 209 Roxin/Isfen, GA 2005, 228, 243. Überhaupt wird auch in der Türkei die Geltung des Gesetzlichkeitsprinzips für den AT klargestellt, vgl. Tellenbach, in: Sieber/Cornils, S. 143 f. 210 Sözüer, in: Das neue türkische Strafrecht, S. 13, 17; ders., ZStW 119 (2007), 717, 719; Tellenbach, Das türkische Strafgesetzbuch, S. 6. Ähnlich wird auch gegen die Regelung zur rechtfertigenden Einwilligung nach Art. 26 II TCK eingewandt, dass i. S. d. Bestimmtheitsgebots neben dem Erfordernis der Disponibilität weitere Kriterien im Gesetz festgeschrieben sein müssten, vgl. Sözüer, ZStW 119 (2007), 717, 726. 211 Roxin/Isfen, GA 2005, 228, 236. 212 Roxin/Isfen, GA 2005, 228, 234 f.; Sözüer, ZStW 119 (2007), 717, 721. 213 Centel, in: Das neue türkische Strafrecht, S. 43; Sözüer, in: Das neue türkische Strafrecht, S. 19. 214 Vogel, GA 1998, 127, 138 f.; s. a. Mansdörfer, in: Mansdörfer, S. 21. In Teilen (etwa bei der Definition der verschiedenen Formen der culpability bzw. mens rea) soll

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2. Internationale Bestimmungen und gewohnheitsrechtliche Geltung Außer in die nationalen Rechtsordnungen wurde der Nullum-crimen-Satz (zumindest in gewissem Umfang) des Weiteren in zahlreiche internationale Regelungen aufgenommen. Zu erwähnen sind Art. 15 I IPBPR, Art. 7 II der AfrikaCharta der Menschen- und Völkerrechte sowie Art. 22, 23 des Rom-Statuts, nicht zuletzt aber Art. 7 I EMRK und Art. 49 I der Charta der Grundrechte der Europäischen Union. Art. 7 I EMRK und Art. 49 I der Grundrechts-Charta sind eng miteinander verwandt, wie schon ihre Formulierung zeigt; letzterer lehnt sich an ersteren an. So bestimmt Art. 52 III der Grundrechts-Charta, dass die Rechtsprechung des EGMR zu Art. 7 I EMRK desgleichen für die Auslegung von Art. 49 I GRCharta maßgeblich sein soll. Beide Normen erkennen darüber hinaus das internationale Recht als gesetzliche Grundlage des Strafrechts an, was im jeweiligen zweiten Absatz noch einmal verdeutlicht wird. Man entnimmt jeweils sowohl das Bestimmtheitsgebot215 als auch das Analogieverbot216. Ferner handelt es sich beim Gebot bestimmt gefasster Strafgesetze nach der Rechtsprechung des EuGH217 um einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts aus den Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedsstaaten (vgl. Art. 6 III EUV). Bezüglich der Anforderungen an die Bestimmtheit von Strafnormen erkennt der EGMR zwar ein gewisses Bedürfnis nach Flexibilität an,218 grundsätzlich soll Art. 7 I EMRK auch Bestimmungen, die dem Allgemeinen Teil des Strafrechts zugeordnet sind, erfassen219.

der Model Penal Code und die ihm folgenden Codes dem Gesetzlichkeitsprinzip sogar besser entsprechen als das deutsche StGB, vgl. Dubber, in: From the Judge’s Arbitrium to the Legality Principle, 365, 377; dazu auch Perron, in: Das Gesetzlichkeitsprinzip, 211, 213. 215 Vgl. zu Art. 49 I GR-Charta EuGH NJW 2007, 2237, 2239 (Rn. 50): „Aus diesem Grundsatz folgt, dass das Gesetz klar die Straftaten und die für sie angedrohten Strafen definieren muss. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn der Rechtsunterworfene anhand des Wortlauts der einschlägigen Bestimmung und nötigenfalls mit Hilfe ihrer Auslegung durch die Gerichte erkennen kann, welche Handlungen und Unterlassungen seine strafrechtliche Verantwortung begründen.“ Ähnlich zu Art. 7 I EMRK EGMR NJW 2001, 1935, 1936 (Rn. 30). 216 Zu Art. 49 I GR-Charta EuGH Rs. 99/04, Slg. 2008, II-1501 Rn. 140; J. MeyerEser, Art. 49 Rn. 10, 23 ff.; Jarass, NStZ 2012, 611, 615. Zu Art. 7 I EMRK EGMR NJW 2001, 1935, 1936 (Rn. 31); LR-Esser, Art. 7 Rn. 1, 19; Grabenwarter/Pabel, EMRK, § 24 Rn. 136; Meyer-Ladewig, EMRK, Art. 7 Rn. 5; IntKommEMRK-Renzikowski, Art. 7 Rn. 1, 59 ff.; KK-StPO-Schädler/S. Jakobs, Art. 7 Rn. 3. 217 EuGH NJW 2007, 2237, 2239 (Rn. 45 f.). Zur fortwährenden Bedeutung der das Strafrecht betreffenden allgemeinen Grundsätze für die Auslegung von Art. 49 GRCharta Jarass, NStZ 2012, 611, 612. 218 EGMR NJW 2001, 1935, 1936 (Rn. 39). 219 Grabenwarter/Pabel, EMRK, § 24 Rn. 134; Dörr/Grote/Marauhn-Kadelbach, Kap. 15 Rn. 11.

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B. Historische Entwicklung

Trotz seiner internationalen Verbreitung ist die völkergewohnheitsrechtliche Geltung des Nullum-crimen-Satzes – ironischerweise gerade wegen seiner häufigen Einschränkungen zugunsten des Völkerstrafrechts (s. Art. 7 II EMRK, Art. 15 II IPBPR) – bis heute streitig geblieben.220

IV. Zusammenfassung der Ergebnisse des Kapitels Die historische Entwicklung und der Grad der internationalen Verbreitung des Gesetzlichkeitsprinzips zeigen: Dieses hat sich durchgesetzt, es gilt heute als einer der Eckpfeiler eines rechtsstaatlichen Strafens. Seine Aufnahme in zahlreiche Staatsverfassungen spiegelt das wider, aber auch der Umstand, dass totalitäre Regime das Gesetzlichkeitsprinzip auszuhöhlen oder gar zu beseitigen suchen. Auf der internationalen Ebene kann man angesichts der Zustimmung zu diesem Prinzip davon sprechen, dass der Grundsatz der Gesetzesbindung im Strafrecht einen Teil des common sense einer übernationalen gemeinsamen Strafrechtsidee darstellt. Somit wird das Gesetzlichkeitsprinzip selbst, soweit ersichtlich, heute kaum noch ernstzunehmend bezweifelt. Allerdings findet dieses klare Ergebnis dort seine Grenzen, wo die Details beginnen. Was die Realisierung und Ausgestaltung des Gesetzlichkeitsprinzips angeht, stößt man auf Schwierigkeiten. Dabei ist nicht zu bestreiten, dass etwa die Verwirklichung des Bestimmtheitsgebots und des Analogieverbots in Bezug auf den Allgemeinen Teil vielfach als eines dieser Probleme angesehen wird. Bereits die kurze historische Skizze für Deutschland verdeutlicht: Seit der Ausgliederung allgemeiner, möglichst für alle Tatbestände geltender Vorschriften haben sich deren bloße Anzahl und Regelungsdichte zurückentwickelt. Beim – stark von der Aufklärung geprägten – Allgemeinen Landrecht für die Preußischen Staaten herrschte noch ein gewisser Regelungsenthusiasmus. Jedoch stieß der strafrechtliche Teil des Landrechts und damit auch die allgemeinen Bestimmungen bei Praxis und Wissenschaft auf wenig Gegenliebe. Somit dominierte schon bei der Schaffung des neuen Preußischen Strafgesetzbuchs die Devise, lehrbuchartige Ausführlichkeit zu vermeiden, insbesondere was den Allgemeinen Teil betrifft – man sehe nur auf die Überlegungen zur fehlenden Vorsatzregelung. Diese Gesetzgebungstechnik wurde vom zeitgenössischen Schrifttum begrüßt. Letztlich hat sich an jener Art, im AT vieles offen zu lassen und der „Aufde-

220 Offengelassen wird die Frage bei Dörr/Grote/Marauhn-Kadelbach, Kap. 15 Rn. 3 (Fn. 16); für eine gewohnheitsrechtliche Geltung Gallant, in: Gesetzlichkeit und Strafrecht, 281, 285 ff. (mit ausführlicher Argumentation bzgl. des Rückwirkungsverbots); Hollweg, JZ 1993, 980, 985; Satzger, in: Gesetzlichkeit und Strafrecht, 361, 367 (aber mit Einschränkung hinsichtlich der Verbürgungen lege scripta und certa); wohl auch Kuhli, Völkerstrafgesetzbuch, S. 109; Luther, FS Bemmann, 202, 208 ff.; skeptisch dagegen Cassese, International Criminal Law, S. 51; Epping, Der Staat 34 (1995), 243, 263 f.; s. a. BeckOK GG-Radtke/Hagemeier, Art. 103 Rn. 18.

IV. Zusammenfassung der Ergebnisse des Kapitels

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ckung“ durch Rechtsprechung und Lehre anheim zu stellen, in Deutschland bis heute wenig geändert. Wenn man auf die gesetzlich normierten Zurechnungsregeln blickt, so findet man im geltenden StGB nur die §§ 13 bis 37. Vorsatz und Fahrlässigkeit werden nicht näher bestimmt, bei Instituten wie der Kausalität, der Einwilligung und der actio libera in causa fehlt jedwede ausdrückliche Erwähnung. Die Regelung zum unechten Unterlassungsdelikt wurde erst durch die Strafrechtsreform von 1975 ins Gesetz aufgenommen, freilich ohne näher darauf einzugehen, wann man für etwas „rechtlich einzustehen“ hat. Bis auf § 13 StGB hat der Gesetzgeber trotz der Kenntnis dieser Umstände für die erwähnten Zurechnungsnormen keine gesetzliche Regelung getroffen. Dies ist nur vereinzelt auf ernsthaften Widerstand gestoßen. Aus dem bisher Gesagten ließe sich deshalb der Schluss ziehen, dass die Zurechnungsregeln offenbar nicht ausführlicher geregelt werden können; jedenfalls würde die Festschreibung zu Problemen führen. Das Bestimmtheitsgebot gilt im AT nur eingeschränkt. Andererseits ist es nicht von der Hand zu weisen, dass das deutsche StGB, was die Regelungsdichte des AT angeht, in Europa eine Sonderrolle einnimmt. Die jüngere Entwicklung der Strafgesetze, vornehmlich die zum Teil umfangreichen Reformbestrebungen, haben im Bereich der allgemeinen Regeln eine höhere Regelungsdichte mit sich gebracht. Diese wird bisweilen ausdrücklich als Verwirklichung des Gebots bestimmter Strafgesetze erachtet. Selbst das Rom-Statut von 2002, das größtenteils das Ergebnis eines politischen Kompromisses ist, hat etwa (wenn auch eher verunglückt) die subjektive Tatseite (Art. 30 Rom-Statut) und die actio libera in causa (Art. 31 I b Rom-Statut) geregelt. Ist die Regelungsarmut des deutschen AT also doch keine praktische Notwendigkeit? Hinkt Deutschland hinter der internationalen Entwicklung her, sind die fehlenden Regelungen nur das Ergebnis des Willens der deutschen Dogmatik sowie der Praxis, staatsund straftheoretische Vorstellungen durchzusetzen, ohne das Gesetz zu ändern221? Die internationale Entwicklung der Strafrechtsordnungen lässt eine derartige Folgerung nicht ohne Weiteres zu. Sogar bei Kodifikationen wie dem spanischen Código Penal oder dem italienischen Codice Penale, die sicherlich breiter und damit „lehrbuchhafter“ ausgearbeitet sind als das StGB, wird darüber diskutiert, ob der AT geringeren Bestimmtheitsanforderungen unterliegt. Die höhere Regelungsdichte führt eben nicht automatisch zu einer höheren Bestimmtheit. Zudem sind die durch die Reformen neu eingeführten Regelungen des AT oftmals als nicht gelungen kritisiert worden, es kommt zu Problemen in der Praxis. Demnach ist es ein in den meisten Strafrechtsordnungen anzutreffendes Phänomen, dass im Bezug auf den AT verschiedenartige Einschränkungen des Gesetzlichkeitsprinzips diskutiert werden. Teils will man hier Gewohnheitsrecht zu221 Naucke, Strafrecht, § 6 Rn. 20; nach seiner Ansicht ist dies der Grund, warum Praxis und Lehre den AT dem Nullum-crimen-Satz entziehen wollen.

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B. Historische Entwicklung

lassen, teils wird die Analogie als zulässig angesehen; wieder andere meinen, das Bestimmtheitsgebot gelte nur abgeschwächt, lediglich für einzelne Regelungen oder überhaupt nicht. Dies scheint aus einem sich für alle ergebenden Bedürfnis zu folgen. Offensichtlich bereitet die Realisierung des Gesetzlichkeitsprinzips im AT Probleme. Bereits der gegenüber dem BT stark erweiterte Anwendungsbereich, das Wesen des AT als prinzipiell für alle Tatbestände anwendbares Regelungskonglomerat, führt notwendigerweise zu einem höheren Grad der Abstraktion.222 Folglich legt die praktische Entwicklung des Allgemeinen Teils den Schluss nahe: Das Bestimmtheitsgebot lässt sich hier nicht in gleichem Maße verwirklichen, wenn man die Rechtspraxis nicht blockieren will. Gilt deswegen für die Verwirklichung des Bestimmtheitsgebots im AT für den Gesetzgeber der Satz ultra posse nemo obligatur? Bejaht man dies, so muss man auch zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit kommen. Dies wiederum ließe Schlüsse auf das Analogieverbot zu. Spätestens an dieser Stelle wird aber deutlich, dass alle bisherigen Ausführungen nur Behauptungen sind. Vom bloßen Sein (der historischen und aktuellen Rechtsentwicklung) kann nicht ohne Weiteres auf das Sollen geschlossen werden. Voraussetzung für die Verifizierung der These ist zunächst, dass erörtert wird, was unter einer bestimmten Strafnorm, der verbotenen „Analogie“ und dem Allgemeinen Teil zu verstehen ist.

222 Tiedemann, FS Baumann, 7, 15; ähnlich ders., ZStW 110 (1998), 497, 504; s. a. Dannecker, Intertemporales Strafrecht, S. 276; Frister, AT, Kap. 7 Rn. 2 f.; Gropp, AT, § 2 Rn. 5, 28; Jakobs, AT, Ab. 4 Rn. 13 ff.; H. Schneider, Gesetzgebungslehre, Rn. 337 („naturgemäß ziemlich abstrakt“).

C. Bisheriger Verlauf der Diskussion um die Geltung des Gesetzlichkeitsprinzips im Allgemeinen Teil anhand des Beispiels Analogieverbot I. Streitstand Bevor die nähere Begriffsbestimmung erfolgt, soll deren Notwendigkeit noch deutlicher aufgezeigt werden. Exemplarisch für den bisherigen, unbefriedigenden Verlauf der Debatte, ob das Gesetzlichkeitsprinzip den Allgemeinen Teil erfasst, ist die (besonders in der Mitte der siebziger und achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts unterschiedlich beantwortete) Frage, ob im AT die Rechtsfindung auch per Analogie in malam partem erfolgen dürfe. Was den Geltungsbereich des Nullum-crimen-Satzes anbelangt, dürfte sie zugleich den schillerndsten Teil der Problematik darstellen. Dies hängt zum einen damit zusammen, dass alleine der Begriff der täterbelastenden Analogie in unserem Strafrecht aufgrund der historischen Entwicklung emotional negativ besetzt ist, zum anderen mit dem Umstand, dass die Rechtsfindung praeter legem immer mit den schwierig zu bestimmenden Grenzen der Auslegung im engeren Sinne (der Rechtsanwendung intra legem) zusammenhängt. Jene Anziehungskraft hat dazu geführt, dass sich im Laufe der Jahre einige Stimmen zu Wort gemeldet haben und sich diese Fragestellung schärfer herausgebildet hat als jene, ob denn das Bestimmtheitsgebot den AT erfasst. Darin liegt letztlich der Grund, warum die bisherige Diskussion notwendigerweise unvollständig bleiben musste. Zudem fällt auf, dass vielfach en passant Stellung genommen wird. Dementsprechend trifft man zuweilen lapidare Behauptungen, aber keinerlei Begründungen des eingenommenen Standpunktes an. Dies lässt entweder auf eine empfundene Selbstverständlichkeit der eigenen Ansicht oder auf eine gewisse Ratlosigkeit schließen. Es können, geht man zunächst vergröbernd vor, drei Meinungslager ausgemacht werden. Die Grenzen zwischen diesen Lagern verlaufen allerdings nicht immer starr, wie sich zeigen wird. Zudem wird die Frage des Geltungsumfanges teils pauschal für Art. 103 II GG beantwortet, teils wird nicht genau zwischen den einzelnen Verbürgungen differenziert. Die (inzwischen ganz) herrschende Meinung steht auf dem Standpunkt, dass (zumindest grundsätzlich) auch im Allgemeinen Teil dem Richter der Rückgriff auf die täterbelastende Analogie verwehrt sei.1 Dagegen vertritt eine (nunmehr hingegen noch selten anzutreffende) 1 BGHSt 42, 158, 161; 42, 235, 241 f.; D. Albrecht, Begründung, S. 159 f., 225; Matt/Renzikowski-Basak, § 1 Rn. 6; Baumann, FS Jescheck, 105, 111; Baumann/We-

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C. Bisheriger Verlauf der Diskussion

Minderheit, dass der Allgemeine Teil nicht vom Analogieverbot – und zwar auch nicht in malam partem – erfasst sei.2 Wiederum andere meinen, die Frage dürfe ber/Mitsch, AT, § 9 Rn. 27, 100; Bitzilekis, Neue Tendenz, S. 85; Bockelmann/Volk, AT, § 4 C I 3; Burkhardt, JZ 1971, 352, 355; Choi, Notwehr, S. 58 f.; LK12-Dannecker, § 1 Rn. 82 ff., 259 ff.; ders., FS Otto, 25, 29 ff.; Duttge/Sotelsek, NJW 2002, 3756, 3757; Engels, GA 1982, 109, 119; Engisch, in: Methoden der Rechtswissenschaft, 39, 66; Eser, Strafrecht I2, Nr. 2 A Rn. 54; Schönke/Schröder29-Eser/Hecker, § 1 Rn. 27; Frister, AT, Kap. 4 Rn. 35; AnwK-Gaede, § 1 Rn. 7; LK11-Gribbohm, § 1 Rn. 73; Haft, AT, C I 3 (mit Einschr.; s. ferner a. a. O., E IV 2 c ee); Hardtung, Versuch und Rücktritt, S. 235 ff.; AK-StGB-Hassemer, § 1 Rn. 72; NK4-Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 72b; Heinrich, AT, Rn. 606; Hillenkamp, Opferverhalten, S. 168 f.; LK11-Hirsch, Vor § 32 Rn. 38; ders., GS Tjong, 50, 56, 67; ders., FS Nishihara, 88, 90; Jescheck/Weigend, AT, § 15 III 2c (mit Einschr.); Kaspar, Jura 2007, 69, 71; Knauer, Kollegialentscheidungen, S. 145 f.; M. Koch, Nothilfe, S. 67 f., 70; Kraatz, Fahrlässige Mittäterschaft, S. 197; Kratzsch, GA 1971, 65, 67 ff. (s. a. ders., Grenzen, S. 30); Krey, Strafanwendungsrecht, S. 88 ff.; ders., Studien, S. 228 ff.; ders., JZ 1979, 702, 712; ders., JR 1980, 45, 46 f. (zum internationalen Strafrecht); ders., AT3, Rn. 105, 107; Krey/Esser, AT5, Rn. 97; Kudlich, Unterstützung, S. 161 f. (bei weit verstandenem Auslegungsspielraum, s. a. ders., FS Puppe, 123, 123); Kuhn-Päbst, Problematik, S. 83 ff., 85 f.; Lackner/Kühl, § 1 Rn. 5 (mit Einschr.); Maurach/Zipf, AT/I8, § 10 II Rn. 21; Murmann, GK, § 10 Rn. 6; Noll, JZ 1964, 297, 298; Otto, GK, § 2 Rn. 26; Paeffgen, ZStW 97 (1985), 513, 522 Fn. 31 (s. a. NK4-Paeffgen, Vor §§ 32 ff. Rn. 58 ff., 62); Rath, JuS 1995, 405, 411; Rengier, AT, § 25 Rn. 9; KK-OWiG-Rogall, § 3 Rn. 62; LK12-Rönnau, Vor § 32 Rn. 62; HK-Rössner, § 1 Rn. 2; Roxin, AT/I, § 5 Rn. 41 f. (mit Einschr.); SK8-Rudolphi, § 1 Rn. 24; BK-GG-Rüping, Art. 103 II Rn. 50 (mit Einschr. in Rn. 53); Salger/ Mutzbauer, NStZ 1993, 561, 565; Satzger/Schluckebier/Widmaier-Satzger, § 1 Rn. 10, 36; Maunz/Dürig-Schmidt-Aßmann, Art. 103 II Rn. 231; MK-Schmitz, § 1 Rn. 13, 64; SK2-H.-L. Schreiber, § 1 Rn. 25; H. Schröder, FS Mayer, 377, 384; Th. Schröder, Gesetzesumgehung, S. 37, 354 ff., 358, 395; Seebode, FS Krause, 375, 381; Sengbusch, Subsidiarität, S. 155 ff., 160; Simon, Gesetzesauslegung, S. 191; Sinn, FS Wolter, 503, 508, 511 f.; Sternberg-Lieben, Schranken, S. 317 f.; ders., GS Schlüchter, 217, 239 (Fn. 131, 137); Straßburg, Analogieverbot, S. 12 f. (mit Einschr.); Tiedemann, Verfassungsrecht und Strafrecht, S. 36; ders., Anfängerübung, S. 85; Übler, Neue Entwicklungen, S. 166 f. (s. a. S. 63 ff., 173); AK-GG-Wassermann, Art. 103 Rn. 54; Zenker, Actio libera in causa, S. 104 f. Fn. 272 a. E.; wohl auch Sachs-Degenhart, Art. 103 Rn. 61; Gropp, AT, § 2 Rn. 5; Haas, ZStW 123 (2011), 226, 256 f.; ders., JR 2014, 104, 110; Hettinger, Actio libera in causa, S. 362 f., 448; Kohlrausch/Lange, § 46 VII 2 a; Konrad, Probleme, S. 119 f.; Krahl, Rechtsprechung, S. 56 f., 62; Kuhli, Völkerstrafgesetzbuch, S. 106 (grundsätzlich kann der AT Art. 103 II GG unterfallen); Marxen, Die sozialethischen Grenzen, S. 27; ders., JZ 1988, 286, 287 Fn. 18; NK3-Marxen/Böse, § 14 Rn. 7; Nickel, Problematik, S. 177 (s. a. S. 178); Nusser, Notwehr, S. 233 ff., 236 Fn. 842; Özaydın, Notwehr, S. 174; Rasmussen, Möglichkeit, S. 39 f. (s. a. S. 41); Reineke, Trunkenheit, S. 137 f., 140 (Ausnahme AT zweifelhaft); v. Rienen, Einschränkungen, S. 152 ff., 155 f., 162, 177 (Art. 103 II GG grundsätzlich auch im AT anwendbar); v. Scherenberg, Einschränkungen, S. 63 ff., 67; Schiemann, Schuldfähigkeitsfeststellungen, S. 24, 29, 31; Dreier-Schulze-Fielitz, Art. 103 II Rn. 23; Schünemann, Grund und Grenzen, S. 71; Schürmann, Unterlassungsstrafbarkeit, S. 145 Fn. 106; Vogel, Norm und Pflicht, S. 327; Welp, Vorangegangenes Tun, S. 150. Für Österreich Fuchs, AT, Kap. 4 Rn. 31; Höpfel, JBl 1979, 575, 584 f.; Lewisch, Verfassung und Strafrecht, S. 79 f. Für die Schweiz Pfander, Rechtspflicht, S. 94 m.w. N. 2 Hardwig, ZStW 78 (1966), 1, 8 f.; Hruschka, JuS 1968, 554, 558 f.; LK8-Jagusch, § 2 I 1 b bb; Jakobs, AT, Ab. 4 Rn. 43; Maurach, JZ 1964, 529, 536; ders., AT/I2, § 10 II C 2; Schmitt, FS Jescheck, 223, 231 f.; ders., Jura 1982, 549, 553; Suppert, Studien,

I. Streitstand

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nicht pauschal beantwortet werden, sondern bedürfe einer differenzierenden Behandlung.3 1. Herrschende Meinung: Geltung des Analogieverbots im AT Die Befürworter der Geltung des Analogieverbots im AT führen im Wesentlichen drei Argumente für sich ins Feld, die wie die Anwendung der klassischen Auslegungsschule anmuten. Zum Ersten wird mit der Systematik des StGB argumentiert, zum Zweiten ausgehend vom Wortlaut des Art. 103 II GG sowie von § 1 StGB und zum Dritten mit der ratio des Gesetzlichkeitsprinzips. Allerdings trifft man innerhalb der herrschenden Auffassung trotz des scheinbar rigorosen Standpunktes bei näherem Hinsehen nicht selten auf Relativierungen und Einschränkungen des Ergebnisses. a) Stellung von § 1 StGB Was das systematische Argument anbelangt, so drängt sich bei bloßer Betrachtung des Gesetzes auf, dass § 1 an die Spitze des StGB gestellt ist. Daher wird der Standpunkt eingenommen, es sei schon deshalb nicht einzusehen, warum die Norm gerade für den Allgemeinen Teil, an dessen Anfang sie stehe, nicht gelten solle.4 Dagegen lässt sich einwenden, dass ein Hinweis auf die bloße Anordnung des Gesetzes isoliert ohne inhaltliche Unterfütterung nicht ausreicht, das Analogie-

S. 297 ff.; LK10-Tröndle, § 1 Rn. 38; wohl auch in diese Richtung Welzel, Dt. Strafrecht, S. 22 f. (vgl. aber ders., JZ 1952, 617, 617); Wessels/Beulke, AT42, Rn. 55 (anders nun Wessels/Beulke/Satzger, AT43, Rn. 55); unklar Küper, FS Univ. Heidelberg, 451, 454; Stöckel, Gesetzesumgehung, S. 98 f., 104 f. (wohl nur bezüglich Rechtswidrigkeit und Schuld; gegen eine solche Ausnahme der Rechtswidrigkeit wiederum Androulakis, Studien, S. 248); früher schon Eick, Analogie, S. 9 f., 34; v. Liszt/Eb. Schmidt, Lehrbuch, S. 110; tendenziell auch RGSt 56, 161, 168. Für Österreich Schick, FS Walter, 625, 636, 639; ders., ZStW 110 (1998), 473, 495; für die Schweiz Schwander, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Nr. 113 f. Oft wird Fincke, Verhältnis, S. 13 ff., als Gegner der Analogie im AT genannt. Paradoxerweise wird derselbe Autor bisweilen als Anhänger der Analogie im AT aufgeführt. Beides ist so nicht richtig. Zwar meint Fincke, die Begründung der Befürworter einer Rechtsanwendung praeter legem sei falsch. Im Ergebnis treffe sie aber zu: Fincke lehnt (in Anlehnung an Sax) ein Analogieverbot sowohl im AT als auch im BT ab, da die Analogie ein unentbehrlicher Bestandteil der teleologischen Auslegung sei. Es bestehe vielmehr ein Analogiegebot. Vgl. Fincke, Verhältnis, S. 14 ff.; tendenziell kritisch dazu Ebert, JZ 1977, 199, 200. 3 Jähnke, FS BGH, 393, 400; ders., GS Schlüchter, 99, 105; zustimmend BeckOK StGB-v. Heintschel-Heinegg, § 1 Rn. 2; s. a. Jung, Züchtigungsrecht, S. 59. 4 Höpfel, JBl 1979, 575, 584; s. a. Pfander, Rechtspflicht, S. 94. Gegen dieses systematische Argument erinnert Kuhli, Völkerstrafgesetzbuch, S. 106, dass die einfachgesetzliche Ausgestaltung jedenfalls in Bezug auf die Reichweite der Verfassungsnorm des Art. 103 II GG nichts zu ändern vermöge.

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C. Bisheriger Verlauf der Diskussion

verbot plausibel auf den AT zu beziehen. Nur zur Stützung und Bekräftigung eines inhaltlich hergeleiteten Ergebnisses mag die Stellung des Nullum-crimenSatzes im StGB dienen. Zudem lässt sich die Begründung über die Stellung der Norm in Zweifel ziehen, wenn man, jedenfalls im deutschen Recht, an ihre Entstehung zurückdenkt. Wie zuvor gesehen, wurde das Gesetzlichkeitsprinzip durch die Strafrechtsreform mit Wirkung zum 1.1.1975 an die Spitze des StGB gestellt, nachdem es vormals in § 2 StGB enthalten war. Liest man in den Niederschriften der Sitzungen der Großen Kommission zur Reform des AT, so ergibt sich, dass es bewusst unterlassen wurde, den Geltungsbereich von § 1 StGB zu regeln.5 Die Stellung des Nullum-crimen-Satzes an jener prominenten Position sollte vielmehr Ausdruck des fundamentalen Charakters der Parömie für das Strafrecht sein.6 Dies ist immerhin als Indiz dafür zu werten, dass der Gesetzgeber – unabhängig davon, ob man nun der objektiven oder der historischen Methode folgen will – es gar nicht im Sinn hatte, mit der Stellung der Norm eine inhaltliche Aussage bezüglich der Geltung des Grundsatzes im Allgemeinen Teil zu treffen. b) Wortlaut von Art. 103 II GG, § 1 StGB und Wesen des AT Art. 103 II GG besagt ebenso wie § 1 StGB, dass die „Strafbarkeit“ gesetzlich bestimmt sein muss, bevor die Tat begangen wurde. Deshalb betonen einige, bereits der Wortlaut der Norm verlange es, das Gesetzlichkeitsprinzip insgesamt und somit das Analogieverbot auf den AT zu erstrecken. Durch den Begriff der Strafbarkeit sei ein „klarer Ausspruch“ 7 dahingehend getroffen, dass alle materiellen Voraussetzungen der Strafbarkeit dem Gesetzlichkeitsprinzip unterliegen sollen, gleichgültig, ob diese im AT oder BT geregelt werden. Eng mit dieser Argumentation verwandt ist der am häufigsten anzutreffende Grund für eine Geltung des Analogieverbots im AT. Es wird darauf hingewiesen, dass es sich bei den Vorschriften des AT um „vor die Klammer gezogene“ Regelungen des BT handele, was in erster Linie systematisch-technischen Zielen 5 Niederschriften, Bd. 3, S. 293, 416. Dies übersieht – jedenfalls in Bezug auf § 1 StGB – Hardtung, Versuch und Rücktritt, S. 235, wenn er sagt, aus den Materialien ergebe sich in Bezug auf den Anwendungsbereich des Analogieverbots keinerlei Hinweis für eine Differenzierung zwischen AT und BT. 6 Niederschriften, Bd. 3, S. 293, 416. 7 Baumann, FS Jescheck, 105, 111; ähnlich D. Albrecht, Begründung, S. 160; Engels, GA 1982, 109, 119; Frister, AT, Kap. 4 Rn. 35; Hardtung, Versuch und Rücktritt, S. 235; LK11-Hirsch, Vor § 32 Rn. 38 (vgl. LK12-Rönnau, Vor § 32 Rn. 63); Krey, Studien, S. 230; Kudlich, Unterstützung, S. 261 f.; Murmann, GK, § 10 Rn. 6; Rath, JuS 1995, 405, 411; Salger/Mutzbauer, NStZ 1993, 561, 565; Schiemann, Schuldfähigkeitsfeststellungen, S. 22; W. Schöne, Unterlassene Erfolgsabwendung, S. 278 f.; Schünemann, Grund und Grenzen, S. 71; Schürmann, Unterlassungsstrafbarkeit, S. 145 Fn. 106; Sengbusch, Subsidiarität, S. 155 f.; Sternberg-Lieben, Schranken, S. 317; Tiedemann, Verfassungsrecht und Strafrecht, S. 36; ders., Anfängerübung, S. 85; Vogel, Norm und Pflicht, S. 327; a. A. offenbar M. Koch, Nothilfe, S. 66 („keine eindeutige Aussage“).

I. Streitstand

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diene;8 vielfach seien die Regelungen des AT ergänzende Bestandteile der in den Straftatbeständen des BT vertypten Verhaltensnormen.9 Gestützt wird dies mit der Erwägung, dass die Abgrenzung von AT und BT nicht stets zwingend und folgerichtig sei,10 zumal die Anordnung einer Regel im AT ansonsten weitreichende, dem Gesetzgeber nicht bewusste Folgen habe.11 Folglich müsse im AT ebenso gelten, was unstreitig auch für die Tatbestände des BT gelte, nämlich das Analogieverbot. Die Grundlage dieser Erwägungen bildet ein herkömmliches Verständnis des Verhältnisses zwischen AT und BT. Jedoch lässt sich diese Argumentation nicht mehr so leicht vertreten, wenn man, wie es inzwischen zum Teil (s. dazu Kap. D. I. 2.) der Fall ist, den AT nicht als vor die Klammer gezogenen Regelkanon versteht, sondern als rein formale Anwendungsregeln, die sich in erster Linie an den Rechtsanwender richten. Selbst wenn man dies nicht anerkennt, so kann doch (beispielsweise in Anschauung des § 13 I StGB) nicht geleugnet werden, dass zwischen AT und BT oft gravierende Unterschiede des Abstraktionsgrades bestehen. Dies erschwert es bereits erheblich zu erkennen, wann überhaupt noch Auslegung, wann dagegen schon Analogie vorliegt. c) Schutzzweck des Art. 103 II GG Ein ebenfalls häufig anzutreffender Argumentationsansatz stellt auf die ratio des Art. 103 II GG ab. Der Schutzzweck der Norm gebiete es (neben dem Verbot 8 Eser, Strafrecht I2, Nr. 2 A Rn. 41, 54; Frister, AT, Kap. 4 Rn. 35; AK-StGB-Hassemer, § 1 Rn. 72; NK4-Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 72b; Höpfel, JBl 1979, 575, 584; Kratzsch, GA 1971, 65, 71; Krey, Studien, S. 228 f.; Murmann, GK, § 10 Rn. 6; Satzger/Schluckebier/Widmaier-Satzger, § 1 Rn. 10; in diese Richtung auch D. Albrecht, Begründung, S. 160; Duttge/Sotelsek, NJW 2002, 3756, 3757; LK11-Hirsch, Vor § 32 Rn. 37 (bzgl. der Rechtfertigungsgründe; s. a. LK12-Rönnau, Vor § 32 Rn. 63); ders., GS Tjong, 50, 56; Kuhli, Völkerstrafgesetzbuch, S. 106 (zum Gewohnheitsrechtsverbot); Lewisch, Verfassung und Strafrecht, S. 79; Roxin, AT/I, § 5 Rn. 41; Th. Schröder, Gesetzesumgehung, S. 354 f.; Seebode, FS Krause, 375, 381. 9 Krey, Studien, S. 229; ähnlich Haft, AT, C I 3; Pfander, Rechtspflicht, S. 94; Sengbusch, Subsidiarität, S. 156. 10 Bitzilekis, Neue Tendenz, S. 85 (Fn. 14); Choi, Notwehr, S. 59; Engels, GA 1982, 109, 119; M. Koch, Nothilfe, S. 68; Kraatz, Fahrlässige Mittäterschaft, S. 197; Marxen, JZ 1988, 286, 287 Fn. 18; Maurach/Zipf, AT/I8, § 10 II Rn. 21; v. Rienen, Einschränkungen, S. 155; ähnlich in Zusammenhang mit dem Bestimmtheitsgebot Duttge, FS Kohlmann, 13, 18 f.; ders., Bestimmtheit, S. 165; ders., JZ 2014, 261, 269; NK3-Marxen/Böse, § 14 Rn. 7; Schmitz, FS Samson, 181, 186. 11 Höpfel, JBl 1979, 575, 584. LK12-Dannecker, § 1 Rn. 84, weist außerdem auf die drohende Missbrauchsmöglichkeit für den Gesetzgeber hin; Sternberg-Lieben, Schranken, S. 318, erinnert dagegen, dass der Gesetzgeber nicht durch die Wahl der Gesetzestechnik über die Reichweite einer Verfassungsnorm bestimmen können dürfe; Schünemann, Grund und Grenzen, S. 71, spricht von der Gefahr der Umgehung des Art. 103 II GG; vgl. dazu Duttge, JZ 2014, 261, 269; Hettinger, GA 1989, 1, 18 Fn. 68; Rasmussen, Möglichkeit, S. 39, 41; v. Rienen, Einschränkungen, S. 157; v. Scherenberg, Einschränkungen, S. 67.

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C. Bisheriger Verlauf der Diskussion

der Schaffung neuer Tatbestände) ebenso, den AT zu erfassen.12 Freilich ist hier nun wieder ersichtlich, dass der Zweck des Gesetzlichkeitsprinzips (und damit des Analogieverbots) unterschiedlich bestimmt wird. Einige betonen die zu sichernde Subjektstellung und den Freiheitsschutz des Bürgers,13 andere wiederum den Vertrauensschutz14. Trotzdem ist ihnen gemeinsam, dass die befürchtete Ausdehnung von Strafbarkeit durch Rechtsfindung praeter legem im AT dem jeweils vertretenen Grundgedanken der Parömie zuwiderläuft. Lasse man die Analogie im Bereich des Allgemeinen Teils zu, so führe dies unter Umständen sogar zu einer viel weitreichenderen Ausdehnung von Strafbarkeit.15 Der jeweils angestrebte Zweck des Art. 103 II GG fordert in seiner Konsequenz aber eine Begrenzung der Strafbarkeit. Am Vertrauensschutz lässt sich dieser Gedankengang illustrieren. Auch im AT ziehe das Gesetz den Vertrauensschutz berührende Grenzen der Straflosigkeit, wie sich etwa am Beispiel der versuchten Beihilfe zeigen lasse.16 Ob das zuletzt genannte Beispiel als „Schreckgespenst“ gegen die Zulässigkeit der Analogie im AT taugt, mag an dieser Stelle noch dahinstehen. Es sei schon jetzt angemerkt, dass sich erhebliche Zweifel ergeben, ob die Voraussetzungen der Analogie in diesem Falle überhaupt gegeben wären. Denn die Erlaubnis der Rechtsfindung praeter legem beinhaltet nicht automatisch, dass auch die freie Rechtsfindung oder gar die Rechtsfindung contra legem zulässig ist. Somit erscheint es bedenkenswert, ob bei strikter Beachtung der Voraussetzungen der Analogie die befürchtete weitreichende Strafbarkeitsausdehnung zwangsläufig folgen muss. Darüber hinaus erstaunt man, wenn vereinzelt auch Gegner des 12 LK12-Dannecker, § 1 Rn. 85; ders., FS Otto, 25, 30, 40; Frister, AT, Kap. 4 Rn. 35; Hardtung, Versuch und Rücktritt, S. 237; AK-StGB-Hassemer, § 1 Rn. 72; NK4Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 72b; Kratzsch, GA 1971, 65, 71 f.; Krey, Studien, S. 230; Rath, JuS 1995, 405, 411; SK8-Rudolphi, § 1 Rn. 24; MK-Schmitz, § 1 Rn. 13; Sternberg-Lieben, Schranken, S. 317 f.; s. a. D. Albrecht, Begründung, S. 160 (sonst Gesetzesumgehung); Bitzilekis, Neue Tendenz, S. 85; Sinn, FS Wolter, 503, 508 (sonst Verweigerung von Kommunikation). 13 LK12-Dannecker, § 1 Rn. 85; ders., FS Otto, 25, 30, 40; Krey, Studien, S. 230; Sternberg-Lieben, Schranken, S. 317; Übler, Neue Entwicklungen, S. 64. 14 AK-StGB-Hassemer, § 1 Rn. 72; NK4-Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 72b; Rath, JuS 1995, 405, 411; s. a. Bitzilekis, Neue Tendenz, S. 85; Seebode, FS Krause, 375, 381 (StGB hat nicht die Garantiefunktion einer magna charta libertatis, wenn Art. 103 II GG es nur teilweise erfasst); Straßburg, Analogieverbot, S. 14. 15 Hillenkamp, Opferverhalten, S. 169; Maurach/Zipf, AT/I8, § 10 II Rn. 21; Sternberg-Lieben, Schranken, S. 317 f.; Übler, Neue Entwicklungen, S. 64; vgl. auch Baumann, FS Jescheck, 105, 112: „Doch kaum vernünftig, hier, bei größerem Wirkungsbereich der Regelungen im AT, einen geringeren Umfang der Geltung der Grundsätze des § 1 StGB anzunehmen.“ Ähnlich Duttge, FS Kohlmann, 13, 19; ders., JZ 2014, 261, 269; mit Blick auf das Gewohnheitsrechtsverbot Hettinger, Actio libera in causa, S. 446; Kuhli, Völkerstrafgesetzbuch, S. 106. 16 AK-StGB-Hassemer, § 1 Rn. 72; NK4-Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 72b; ähnlich Höpfel, JBl 1979, 575, 584.

I. Streitstand

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Analogieverbots im AT vorbringen, eine teleologische Auslegung des Art. 103 II GG gebiete vielmehr trotz des weiten Wortlauts „Strafbarkeit“ eine restriktive Interpretation dahin, dass nur die vom Gesetzgeber in den Tatbeständen vertypten Verhaltensmuster sowie die Strafdrohung vom Analogieverbot erfasst seien.17 Bedauerlicherweise wird jener telos nicht näher bezeichnet. Zudem wird bezweifelt, dass – unabhängig davon, was man als die Grundlage des Art. 103 II GG qualifiziert – eine der genannten Begründungen des Gesetzlichkeitsprinzips zwingend verlange, dass über den Tatbestand im engeren Sinne sowie die Strafandrohung hinaus Strafbarkeitselemente vom Analogieverbot erfasst seien.18 Ohne nähere Begründung bleibt dies aber eine reine Behauptung. Vielmehr fragt man sich, ob angesichts der bestehenden Regelungslage des AT ein postuliertes Analogieverbot hier die verfolgten Zwecke überhaupt zu erreichen vermag. Hinsichtlich der im AT mitunter anzutreffenden Offenheit einiger Normen – man denke nur an § 13 StGB – ist es durchaus zweifelhaft, ob man von einer bloß abstrakt vorhandenen Berechenbarkeit des Strafrechts anhand des Gesetzes sprechen kann. Verstärkt wird dieser Zweifel, wenn man sich die verschiedenartigen Relativierungen des Ergebnisses innerhalb der herrschenden Meinung vergegenwärtigt (dazu sogleich). 2. Mindermeinung: keine Geltung des Analogieverbots im AT Als Auslöser für die Renaissance des Streits ab den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts wird man Maurach bezeichnen können. Dieser hatte in seinem Lehrbuch die These aufgestellt, die Gesetzesanalogie sei auf dem Gebiet des Allgemeinen Teils uneingeschränkt zulässig, was herrschende Lehre sei.19 Besonders die Bezeichnung als h. L. spornte zahlreiche Gegner und auch Befürworter zur Stellungnahme an. Allerdings befanden sich letztere entgegen Maurach wohl immer rein zahlenmäßig in der Minderheit. Ob dies desgleichen für ihre Argumente gilt, soll im Folgenden erörtert werden. a) Ansicht Feuerbachs Als historische Erwägung wird angeführt, dass Feuerbach, der Begründer der Parömie nullum crimen, nulla poena sine lege, nicht daran gedacht habe, den Grundsatz auf den Allgemeinen Teil zu erstrecken; die allgemeinen Lehren habe dieser vor aller gesetzlicher Positivierung entwickelt, ihm sei es in erster Linie 17

Suppert, Studien, S. 298 (s. a. ibid. Fn. 289). Suppert, Studien, S. 299. 19 Maurach, AT/I2, § 10 II C 2. Neben der Beschränkung auf die Gesetzesanalogie (die Rechtsanalogie hielt auch er auf dem Gebiet des Strafrechts für völlig unzulässig) sprach Maurach, JZ 1964, 529, 536, von der grundsätzlichen Zulässigkeit der Gesetzesanalogie im AT. 18

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C. Bisheriger Verlauf der Diskussion

darum gegangen, die Straftatbestände im engeren Sinn und die Strafdrohung zu erfassen.20 Indessen krankt die Berufung auf Feuerbach bereits historisch an zwei Dingen: Zwar ist Feuerbach sicherlich von bestimmendem Einfluss für das Gesetzlichkeitsprinzip gewesen. Dieses beruht aber auf einer wesentlich breiteren historischen Fundierung, sodass man sich fragt, ob ein einzelner (wenn auch namhafter) Vertreter für eine diskussionswürdige Frage ausschlaggebend sein soll. Im Übrigen sind die auffindbaren Einlassungen Feuerbachs zur Geltung seiner Parömie im AT mindestens widersprüchlich,21 wenn nicht sogar in die entgegengesetzte Richtung interpretierbar.22 Außerdem, und dies wiegt für die geltende Rechtslage am schwersten, vermag die Vorstellung Feuerbachs, selbst wenn man diesem die soeben abgelehnte Vorstellung unterstellt, die Interpretation des Art. 103 II GG und auch des § 1 StGB natürlich nicht zu binden.23 Dies würde allenfalls für schlagkräftige Gründe gelten, die seiner Vorstellung zugrunde lagen. b) Drohende umfassende Revision der Rechtsprechung Weiterhin wird gegen die Geltung von nullum crimen, nulla poena sine lege stricta im AT erinnert, dass bei Annahme eines derart umfassenden Analogieverbots eine weitreichende Überprüfung der gesamten Rechtsprechung angezeigt wäre; eingedenk der Schwierigkeit, Auslegung und Analogie voneinander abzugrenzen, und der häufigen Fälle, bei denen die Rechtsprechung Analogien im AT anwende, sei als Folge eine tiefgreifende Rechtsunsicherheit zu befürchten.24 Außerdem erscheine unter Berücksichtigung der praktizierten Verstöße gegen das Analogieverbot im BT durch die Gerichte die generelle Zulassung im AT „erträglich“.25

20 Hardwig, ZStW 78 (1966), 1, 8 Fn. 10; Suppert, Studien, S. 297 f. Fn. 288. Hardwig meint ebenda, Feuerbach „wäre der letzte gewesen, der seinen Grundsatz auf den allgemeinen Teil bezogen hätte.“ 21 Dies räumen selbst Gegner des Analogieverbots im AT ein, vgl. Suppert, Studien, S. 297 f. Fn. 288. Für die Befürworter s. Krey, Studien, S. 231; Sengbusch, Subsidiarität, S. 157; offengelassen bei Kratzsch, GA 1971, 65, 67. 22 Vgl. dazu Kap. B. I. 5. b). Überhaupt betont beispielsweise Fincke, Verhältnis, S. 13 f., dass der AT aus historischer Sicht gerade zu dem Zweck geschaffen worden sei, die Analogie und das Gewohnheitsrecht auszuschalten, wobei er u. a. auf das von Feuerbach maßgeblich geprägte Bayerische StGB von 1813 hinweist. Vgl. ferner SternbergLieben, GS Schlüchter, 217, 239 Fn. 137. 23 Krey, Strafanwendungsrecht, S. 89; ders., Studien, S. 231; s. a. NK4-Paeffgen, Vor §§ 32 ff. Rn. 60; Sengbusch, Subsidiarität, S. 157. Andernfalls würde sogar eine inzwischen als falsch erkannte Annahme oder Folgerung eines Autors die Interpretation eines Rechtssatzes binden – ein kaum erträglicher Gedanke. 24 Hardwig, ZStW 78 (1966), 1, 8 f. (Fn. 10). 25 Schmitt, FS Jescheck, 223, 232.

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Letzteres kann günstigstenfalls dazu dienen, das eigene Unbehagen bezüglich der gängigen Praxis abzuschwächen. Keinesfalls kann ein klarer Verfassungsverstoß als Argument dafür genutzt werden, eine auf dem Prüfstand der Verfassungsmäßigkeit stehende Praxis gewissermaßen in einem Schluss a maiore ad minus als zulässig zu qualifizieren. Erstere Erwägung ist kein echtes Ausschlusskriterium für die Frage der Bestimmung des Geltungsbereichs, sondern wäre schlicht eine verfassungsrechtlich gebotene Notwendigkeit, wenn man das Verbot auf den AT erstrecken muss. Art. 103 II GG müsste dann als Prinzip der Verfassung Vorrang vor Zweckmäßigkeitserwägungen haben und seine Konsequenzen wären hinzunehmen.26 Bei einem umfassenden Analogieverbot läge in der Überprüfung der Rechtsprechung sogar eine Chance für einen Zugewinn an Rechtsstaatlichkeit.27 c) Analogieverbot als Generalisierungsverbot (Jakobs) Eine Sonderstellung, die auf den ersten Blick ungewöhnlich anmutet, nimmt innerhalb der Mindermeinung Jakobs ein. Dieser nennt das Analogieverbot aufgrund der missverständlichen Terminologie, da jede Auslegung analogisch erfolge, Generalisierungsverbot.28 Dabei geht er von der Prämisse aus, dass der Grundsatz der Gesetzesbindung im Strafrecht (einzig) dazu diene, Objektivität zu garantieren; strafbares Verhalten und Strafmaß sollten nicht unter dem Eindruck geschehener Taten bestimmt werden.29 Dies solle vielmehr im Voraus in Gesetzesform geschehen, also durch allgemeine, nicht nur für den Einzelfall oder gewisse Personen geltende Regeln, wobei ebenjene Allgemeinheit der Vermeidung von Willkür diene.30 Nun gelte der Bestimmtheitsgrundsatz umso strenger, je anfälliger ein Bereich gegen Wertungen sei, die wegen des zur Entscheidung stehenden Einzelfalles getroffen und nicht generalisierbar seien; dagegen sei ein Bereich wie etwa die Zurechnungslehren des AT, der schon kraft seiner alle oder nahezu alle Delikte umfassenden Weite gegen Einzelfallmanipulation gefeit sei, auch weniger genau zu bestimmen.31 Das im Gesetzlichkeitsprinzip enthaltene 26 Kratzsch, GA 1971, 65, 67; Krey, Strafanwendungsrecht, S. 89; s. a. D. Albrecht, Begründung, S. 160; Engels, GA 1982, 109, 119 Fn. 60; Kuhn-Päbst, Problematik, S. 85 (Revision der Rechtsprechung denkbar ungeeignetes Argument); Nusser, Notwehr, S. 236 Fn. 842; v. Rienen, Einschränkungen, S. 156; v. Scherenberg, Einschränkungen, S. 64 f.; Schiemann, Schuldfähigkeitsfeststellungen, S. 24; Sengbusch, Subsidiarität, S. 157. 27 Krey, Studien, S. 232; zustimmend v. Scherenberg, Einschränkungen, S. 67 (zur Notwehr). 28 Jakobs, AT, Ab. 4 Rn. 33; dazu Kudlich, Unterstützung, S. 253 Fn. 340: anschauliche Metapher. 29 Jakobs, AT, Ab. 4 Rn. 9; vgl. auch ders., FS Nishihara, 105, 106 Fn. 3. 30 Jakobs, AT, Ab. 4 Rn. 12. 31 Jakobs, AT, Ab. 4 Rn. 13, 15; s. a. ders., FS Nishihara, 105, 106 Fn. 3. Zwar müsse der Rechtsanwender hier stärker als üblich präzisieren, allerdings seien die Grenzen erlaubter Ergänzungen auch weiter gezogen, Jakobs, AT, Ab. 4 Rn. 16.

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Generalisierungsverbot bedeute, dass der Gesetzesanwender bei seiner Auslegung das Niveau der Generalisierung senken (und somit den Anwendungsbereich verengen), dieses aber nicht erhöhen (und damit den Anwendungsbereich erweitern) dürfe.32 Im Allgemeinen Teil gelte das Generalisierungsverbot jedenfalls für die Zurechnungslehre nicht, da bereits deren Generalität ausreichender Schutz vor willkürlichen Entscheidungen sei, wobei freilich der Gesetzgeber Mindestbedingungen und abschließende Regeln für die Zurechnungslehren festlegen könne.33 Zu kurz gegriffen wäre es nun, der Konzeption Jakobs’ entgegenzuhalten, dass sie nicht dem entspräche, was der Grundgesetzgeber mit Art. 103 II GG regeln wollte. Zwar wollte man mit Art. 103 II GG durchaus, wie zuvor gesehen, dem Grundsatz nullum crimen, nulla poena sine lege in seiner alten Gestalt wieder zur Geltung verhelfen. Allerdings bestand über den genauen Gehalt der Parömie – besonders in Einzelfragen – oft Streit, sodass eine eigenständige Interpretation möglich bleibt. Entscheidend ist vielmehr: Das von Jakobs vorgeschlagene Modell beruht wesentlich auf seiner Annahme, dass die alleinige Grundlage des Gesetzlichkeitsprinzips der Willkürschutz sei. Freilich ist dies bestreitbar. Der Nullum-crimen-Satz beruht keineswegs nur auf einer einzigen Grundlage (s. Kap. B. II. 1.).34 Bei einer einseitigen Betonung des Willkürschutzes wird das Gesetzlichkeitsprinzip auf Rationalitätsgesichtspunkte verkürzt,35 was vor allem zu Lasten seines Zwecks, die Gestaltungsmacht des Gesetzgebers zu sichern, geht. Darüber hinaus fragt sich, ob die bloße Generalität der allgemeinen Zurechnungslehren wirklich vor Willkür schützt. Gerade die Generalität dieser Materie unterbindet Willkürentscheidungen allenfalls formal, da auch solche nun abstrakt vorgezeichnet erscheinen. Tatsächlich wird alleine dadurch gegen Willkür nur wenig gewonnen, diese wird im Rahmen der Normweite antizipiert in Kauf genommen.36

32

Jakobs, AT, Ab. 4 Rn. 33. Jakobs, AT, Ab. 4 Rn. 43. 34 So dann auch Hardtung, Versuch und Rücktritt, S. 237 f.: Der Vorschrift dürfe nicht nur ein verabsolutierter Zweck (Schutz vor Willkür) untergelegt werden, sondern man müsse vielmehr erkennen, dass dieser mit dem Vertrauensschutzgedanken kumuliere. Vgl. auch Duttge, Bestimmtheit, S. 164; Sengbusch, Subsidiarität, S. 158 f. 35 Köhler, AT, S. 76; das Gesetz werde auf eine bloß formelle „Allgemeinheit“ reduziert. 36 Ähnlich Duttge, FS Kohlmann, 13, 19 Fn. 51; ders., Bestimmtheit, S. 164 Fn. 233, der darauf hinweist, dass die Manipulationsmöglichkeiten nun durch die unbestimmte Fassung des Gesetzes selbst eröffnet seien; kritisch zum Schutz vor Willkür durch Generalität auch Hardtung, Versuch und Rücktritt, S. 237 Fn. 966; Schiemann, Schuldfähigkeitsfeststellungen, S. 29; Sengbusch, Subsidiarität, S. 160. 33

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d) Lückenhafter Regelungszustand des AT Vielfach wird auf den Regelungszustand des AT hingewiesen: Dieser sei lückenhaft, ja sogar „fragmentarisch“ 37; aufgrund dieses Mangels an positiven Normen seien Analogie und Gewohnheitsrecht notwendig, um den AT überhaupt praktikabel zu machen.38 Zwar ist es nicht bestreitbar, dass der AT lückenhaft geregelt ist. – Als klassisches Beispiel mag man an die actio libera in causa denken. – Auf dieses Phänomen berufen sich, wie noch zu sehen sein wird, die Anhänger der h. M. ebenfalls, wenn es um eine nachträgliche Einschränkung des weit gezogenen Anwendungsbereichs des Analogieverbots geht. Doch weisen auch diejenigen, die das Bedürfnis nach der Zulässigkeit von Analogie und Gewohnheitsrecht bekräftigen, darauf hin, dass der „Gesetzgeber der eigentliche Schuldige“ 39 sei. Denn die drängendere Frage ist vielmehr, ob der skizzierte Zustand des AT überhaupt den Anforderungen des Gesetzlichkeitsprinzips entspricht. Wäre dies nicht der Fall, so könnte man auch nicht aus diesem bloßen (dann verfassungswidrigen) Missstand die Zulässigkeit der Analogie im AT folgern, es läge ein unzulässiger Sein-Sollens-Schluss vor. Möglicherweise kann jenem Zustand (wenn man auf die zunehmende Regelungsdichte des AT in den jüngeren europäischen Kodifikationen blickt) de lege ferenda abgeholfen werden. 3. Vermittelnde Ansätze Angesichts der scheinbar strikt verlaufenden Grenzlinien zwischen den beiden Meinungslagern verwundert es nicht, dass gelegentlich der Versuch unternommen wird, einen gewissen Ausgleich herzustellen. Allerdings ist dies in der Dis37 Hruschka, JuS 1968, 554, 558. Deshalb (und weil die Parömie überhaupt auf die Tatbestände des BT zugeschnitten sei) könne der Grundsatz im AT „nur sehr bedingt Anwendung“ finden. Vgl. auch Jakobs, FS Nishihara, 105, 106 Fn. 3. Kritisch dazu Hettinger, Actio libera in causa, S. 363 (Hinweis auf fragmentarischen Charakter legitimiert nicht dazu, sich über das wenige gesetzlich Positivierte auch noch hinwegzusetzen); Knauer, Kollegialentscheidungen, S. 145 f. (Vorgaben Verfassungsgeber werden ignoriert); Kuhn-Päbst, Problematik, S. 83; Landgraf, Schuldfähigkeit, S. 39 f.; Nickel, Problematik, S. 17 f.; Stühler, Actio libera in causa, S. 103 (zum Gewohnheitsrechtsverbot); differenzierend zu diesem „Lückeneinwand“ Paeffgen, in: Alkohol, Strafrecht und Kriminalität, 49, 58 (Fn. 32). Jener Hinweis ist dagegen nicht mit einem solchen auf den allgemein fragmentarischen Charakter des Strafrechts zu verwechseln, dazu jüngst Vormbaum, ZStW 123 (2011), 660, 664 ff. 38 Schmitt, FS Jescheck, 223, 226, 232; ders., Jura 1982, 549, 553; Schwander, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Nr. 113; ähnlich (allerdings nur in Bezug auf das Gewohnheitsrecht) Küper, FS Univ. Heidelberg, 451, 454; Wessels/Beulke, AT42, Rn. 55; früher schon Eick, Analogie, S. 9. 39 Schmitt, FS Jescheck, 223, 226, 232; ähnlich Hruschka, JuS 1968, 554, 559: „. . . daß das formale Rechtsstaatsprinzip dadurch eine gewisse Einbuße erleidet . . . ist beim heutigen Stand von Strafrechtsdogmatik und Gesetzgebung wohl nicht ganz zu vermeiden.“

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C. Bisheriger Verlauf der Diskussion

kussion eher selten anzutreffen. Hervorzuheben ist dabei Jähnke. Dieser behauptet nicht rigoros die Geltung bzw. Nichtgeltung des Art. 103 II GG (und damit letztlich des Analogieverbots) im AT, sondern will hinsichtlich des genauen Geltungsumfanges den Blick auf die einzelne Norm richten. Zutreffend weist Jähnke darauf hin, dass die herrschende Meinung verbal die uneingeschränkte Geltung von Art. 103 II GG postuliere, dies aber vielfältig wieder aufzuweichen versuche – etwa durch Grenzöffnung von der Analogie hin zur Auslegung oder Bereichsausnahmen bei den Rechtfertigungsgründen –; dadurch entstehe der Eindruck, dass doch eine gewisse Lockerung gewollt sei.40 Jähnke schlägt gegenüber diesen ungeordneten und ihn nicht überzeugenden Einschränkungen einen anderen Weg ein, um die Frage nach der „Bestimmtheit“ i. S. d. Art. 103 II GG für den AT zu erhellen: den Weg der teleologischen Auslegung. Auch er selbst geht zwar davon aus, es sei nicht zweifelhaft, dass der AT Art. 103 II GG grundsätzlich unterliegt; dennoch bestünden gewisse, durch die Auflockerung seitens der Rechtsprechung und Lehre belegte entgegengesetzte Sachgesetzlichkeiten, die dazu anregten, die Frage nach dem Umfang der Geltung von der ratio der Grundgesetzvorschrift her anzugehen.41 Jene soll in der Gewährleistung von Vertrauensschutz einerseits, andererseits in der Sicherung der Gestaltungsmacht des demokratisch legitimierten Gesetzgebers liegen.42 Die genannten rationes sieht Jähnke im AT als oft nicht einschlägig an: Zum letztgenannten Zweck, der eigentlich eine strikte Beachtung des Wortlauts fordere, sei zu sagen, dass im AT eine Vielzahl von Fragen bewusst vom Gesetzgeber der Ausgestaltung durch Rechtsprechung und Lehre überlassen werde, weshalb dem Richter, der zur Aufgabe ihrer Beantwortung besser geeignet sei, eine abwägende Ermessensentscheidung nicht versagt werden könne; dagegen werde Vertrauensschutz dort nicht verletzt, wo kein Anlass für Vertrauen bestünde, besonders wenn die Norm keinen Einfluss auf das Verhalten des Vertrauenden haben könne.43 Beide Gesichtspunkte seien anhand der einzelnen Norm des AT und nicht pauschal in Bezug auf den gesamten AT zu beurteilen; würden aber bei der Einzelbetrachtung einer Norm beide Säulen nicht berührt, so sei die Behauptung eines Analogieverbots reiner Formalismus.44 In der konkreten Anwendung führt dieses Kon40

Jähnke, FS BGH, 393, 396 ff. Jähnke, FS BGH, 393, 399. 42 Jähnke, FS BGH, 393, 399 f. 43 Jähnke, FS BGH, 393, 400; auch Jung, Züchtigungsrecht, S. 58, führt etwa mit Blick auf das Notwehrrecht aus, angesichts der traditionellen „Unsicherheitszone“ im Grenzbereich der Notwehr bestünde keine Grundlage für einen Vertrauensschutz. 44 Jähnke, FS BGH, 393, 400. Mit einer etwas anderen Betonung findet sich der Gedankengang der differenzierenden Vorgehensweise schon früher bei Jung, Züchtigungsrecht, S. 59 ff. Dieser geht ebenfalls davon aus, dass generell die allgemeinen Lehren des Strafrechts im Geltungsbereich des Gesetzlichkeitsprinzips liegen (a. a. O., S. 61). Überhaupt sei eine schematische Differenzierung zwischen AT und BT sachfremd, was die Bestimmung des Geltungsbereichs von Art. 103 II GG anbelangt; die Reichweite 41

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zept, die Betroffenheit der beiden Säulen des Gesetzlichkeitsprinzips zu prüfen, laut Jähnke zu folgenden (exemplarischen) Ergebnissen: Etwa sei der actio libera in causa Sinn und Zweck von Art. 103 II GG nicht entgegenzuhalten, eine teleologische Reduktion von § 20 StGB oder eine analoge Anwendung der §§ 17, 35, 213 StGB sei zulässig; denn auf der einen Seite habe der Gesetzgeber selbst ihre Grundsätze akzeptiert, weshalb der Parlamentsvorbehalt „zwingend“ nicht im Wege stünde, auf der anderen Seite seien Vertrauensschutzgesichtspunkte nicht einschlägig, da sich die innere Tatseite auf die Schuldfähigkeit meist nicht erstrecke oder jedenfalls das Vertrauen in den Fällen der zielgerichtet herbeigeführten Schuldunfähigkeit nicht schutzwürdig sei.45 Anders verhalte es sich bei den Rechtfertigungsgründen des Kernstrafrechts, da hier beide rationes betroffen seien und strikte Beachtung von Art. 103 II GG forderten: Der Gesetzgeber selbst müsse über den Rechtsgüterschutz und damit auch über dessen Durchbrechungen bestimmen, zudem seien die Rechtfertigungsgründe für den Normadressaten unmittelbar verhaltensbestimmend.46 Was diesen Ansatz scheinbar paradox macht, ist der Umstand, dass es einem Rechtssatz, der seinerseits Rechtssicherheit gewährleisten soll, im Hinblick auf seinen Anwendungsbereich an ebendieser mangelt.47 Wo bleibt die Rechtssicherheit, wenn von Norm zu Norm anders entschieden wird? Zudem wird man doch des Nullum-crimen-Satzes sei nicht nach formalen Kategorisierungen, sondern differenzierend nach Struktur und Funktion der jeweiligen Norm zu bestimmen (a. a. O., S. 59 f.). Vielfach seien „Reibungsverluste“ des Gesetzlichkeitsprinzips dem Umstand geschuldet, dass gewisse Sachgesetzlichkeiten der Gesetzgebungstechnik und strukturelle Unterschiede des jeweils gewählten rechtlichen Gestaltungsmittels diese mit sich brächten (a. a. O., S. 60). In dem zuletzt Genannten liegt in der Tat der Kern des Problems, wie noch zu sehen sein wird. 45 Jähnke, FS BGH, 393, 403 f. Auch bei § 13 StGB, der für den Richter den Auftrag zur Analogie enthalte und schon deswegen an Unbestimmtheit leide, sei dem Gesetzesvorbehalt wegen des bewussten Absehens von Präzisierungen genüge getan; für den Vertrauensschutz sei die Situation zwar misslich, aber aufgrund der Unmöglichkeit einer ins Einzelne gehenden Kodifizierung der Handlungspflichten hinzunehmen; vgl. Jähnke, FS BGH, 393, 401 f., 407. Eine lesenswerte Kritik des Ansatzes von Jähnke jedenfalls in Bezug auf die actio libera in causa findet man bei Sternberg-Lieben, GS Schlüchter, 217, 239 ff.: Der Parlamentsvorbehalt als Säule des Art. 103 II GG sei hier sehr wohl betroffen, denn einerseits habe der Gesetzgeber in Anbetracht von § 20 StGB gerade keine Generalklausel verwendet oder ganz auf eine Regelung verzichtet, wie dies im AT – notwendigerweise – häufig der Fall sei und was erst die Rechtsanwendungsfreiheit begründe; andererseits sei der gesetzgeberische Wille, was die actio libera in causa anbelangt, entgegen Jähnkes Darstellung belegbar ambivalent. Kritisch zu Jähnke auch Simon, Gesetzesauslegung, S. 191 Fn. 576; zu seinem Alic-Beispiel Kudlich, Unterstützung, S. 262; Schiemann, Schuldfähigkeitsfeststellungen, S. 28 f. 46 Jähnke, FS BGH, 393, 405 f. 47 Vgl. auch Kudlich, Unterstützung, S. 262: Art. 103 II GG ordne einen strengen Formalismus und Rigorismus an, deshalb sei es bedenkenswert, ob nicht auch dessen Auslegung, statt einer Einzelfalllösung zu folgen, eher formal und rigoros erfolgen müsse.

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manche der Prämissen hinterfragen und verifizieren müssen. Zunächst könnte man Jähnke, dessen Begründungsstruktur im Kern eine teleologische ist, prinzipielle Einwände gegen jene Argumentationsart entgegenhalten: Die Ermittlung von Sinn und Zweck des Gesetzes (und auch der Verfassungsnorm) sei das Ziel der Auslegung; bei der teleologischen Auslegung werde nun das, was es erst zu ermitteln gilt, vorausgesetzt.48 Teilt man dies nicht, so stellt sich darüber hinaus das Problem (welches Jähnke selbst sieht,49 später aber nicht mehr anspricht), ob der Gesetzgeber tatsächlich gewisse Bereiche wie Teile der allgemeinen Lehren offen lassen, quasi vor sich hin dümpeln lassen darf. Es lässt sich kaum leugnen, dass er dies tut. Ob er sich damit im Rahmen der Verfassung bewegt, steht auf einem ganz anderen Blatt und ist höchst klärungsbedürftig. Zu einfach ist es jedenfalls, wenn man wie Jähnke die Befolgung der ratio der Gewaltenteilung bzw. des Gesetzesvorbehalts gleichsam zur beliebigen Disposition des Gesetzgebers stellt; ohne weitergehende Begründung kann der Gesetzgeber sich seines Regelungsauftrages, den Art. 103 II GG für ihn enthält, auf dem für die Grundrechte hoch empfindlichen Gebiet des Strafrechts nicht entziehen. Darüber hinaus verdeutlicht die vorgefundene Argumentationsstruktur erneut50 die Gefahr, die sich stellt, wenn man die Vertrauensschutzgesichtspunkte subjektiv fasst. Dann nämlich erlauben es Zusatzerwägungen wie die Schutzwürdigkeit oder das Gleichsetzen von Vertrauen und Gegenstand der inneren Tatseite, den Nullum-crimen-Satz in starkem Maße abzuschwächen.

II. Notwendigkeit eines Neuansatzes Ich will an dieser Stelle nicht versuchen, eine Einzelbewertung der skizzierten Ansichten anhand der einzelnen Argumente vorzunehmen. Wie gezeigt, sind diese zumeist anzweifelbar, ja bisweilen zu widerlegen. Auch ein bloßes Anreihen weiterer Argumente pro und contra der einen oder anderen Meinung ist m. E. nach nicht zielführend und daher entbehrlich. Denn die Streitfrage, ob das Analogieverbot im Allgemeinen Teil gilt, trifft nicht den Kern des Problems, das sich hier für das Gesetzlichkeitsprinzip stellt, sondern streift nur seine Folge. Folglich ist es verfehlt, sie isoliert zu beantworten. Dieser Befund wird bestätigt, wenn man das Folgende im Blick behält.

48 Herzberg, ZIS 2011, 444, 446 f.: „Wer ,teleologisch‘ auslegt . . . will den Sinn des Gesetzes am Gesetzessinn erkennen.“ Ähnlich ders., in: Schünemann-Symposium, 31, 48; insgesamt kritisch zur teleologischen Auslegung ders., NJW 1990, 2525 ff. 49 Jähnke, FS BGH, 393, 397. 50 s. schon Kap. B. II. 1. d). Vgl. auch die allgemeine Kritik an Einschränkungen durch teleologische Reduktion des Art. 103 II GG bei Th. Schröder, Gesetzesumgehung, S. 344 f.

II. Notwendigkeit eines Neuansatzes

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1. Einschränkungen innerhalb der h. M. Prima facie scheint der Standpunkt der Befürworter des Analogieverbots im AT eindeutig und klar zu sein. Es entsteht der Eindruck, der Richter solle besonders konsequent an das Gesetz gebunden werden. Bereits im unmittelbaren Anschluss an die Bekräftigung dieses weit gezogenen Geltungsbereichs beginnen zumeist die ersten Einschränkungen. Diese geschehen auf verschiedene Weise: Zum Teil werden gewisse Bereichsausnahmen vorgeschlagen, öfter wird dagegen das entwickelte Ergebnis im Grunde sehr stark aufgeweicht. Die Regelmäßigkeit dieser Abfolge lässt darauf schließen, dass damit dem Bedürfnis Rechnung getragen wird, das soeben aufgestellte Postulat wieder abzuschwächen. Es erweist sich als Lippenbekenntnis. a) Rechtfertigungsgründe Einmal wird bei den Rechtfertigungsgründen angesetzt. Für diese wollen sogar einige erklärte Anhänger des Analogieverbots im AT eine Ausnahme machen: Die Rechtfertigungsgründe seien einer teleologischen Reduktion zugänglich, wenn ihr Anwendungsbereich zu weit geraten sei; jene Eingrenzung von Rechtfertigungsgründen bedeute zwar im Ergebnis eine Ausdehnung der Strafbarkeit, diese unterfalle gleichwohl nicht dem aus Art. 103 II GG entnommenen Verbot.51 Die Rechtfertigungsgründe entstammten allen Rechtsbereichen und seien keinesfalls eine originär strafrechtliche Materie. Es solle zu keiner unterschiedlichen Behandlung ein und desselben Rechtfertigungsgrundes kommen, indem man auf dem Feld des einen Rechtsgebietes die teleologische Reduktion zulasse, auf dem Gebiet des Strafrechts aber untersage. Kurz: Man beruft sich auf die Einheit der Rechtsordnung.52 Bis zu diesem Punkt wird man die getroffene Einschränkung von den in Rede stehenden Relativierungen noch am ehesten nachvollziehen können. Hier werden, unabhängig davon, ob man diese konzediert,53 Besonderheiten 51 Haft, AT, C I 3; Höpfel, JBl 1979, 575, 585; Krey, Studien, S. 236; ders., JZ 1979, 702, 712; Krey/Esser, AT5, § 3 Rn. 94; HK-Rössner, § 1 Rn. 8; Roxin, AT/I, § 5 Rn. 42; ders., Kriminalpolitik, S. 32; ders., ZStW 93 (1981), 68, 79 f. (etwas anders noch ders., Niedersächsisches Ärzteblatt 1965, 165, 167, 174 Fn. 21); ähnlich Bitzilekis, Neue Tendenz, S. 86 ff., 88; LK11-Gribbohm, § 1 Rn. 58; etwas unklar Choi, Notwehr, S. 62 (zur Notwehr); Nusser, Notwehr, S. 233 ff., 236, 242 f. (Geltung von Art. 103 II GG für Rechtfertigungsgründe wird bejaht, teleologische Reduktion aber i. R. des Merkmals der Gebotenheit verortet und zugelassen); generell gegen die Geltung von Art. 103 II GG für die Erlaubnissätze Günther, FS Grünwald, 213, 219; Özaydın, Notwehr, S. 174 f.; nur zur Notwehr Kühl, AT, § 7 Rn. 164; s. a. Amelung, JZ 1982, 617, 619 f.; Schönke/ Schröder26-Lenckner, Vor §§ 32 ff. Rn. 25. 52 Günther, FS Grünwald, 213, 216; Höpfel, JBl 1979, 575, 585; Krey, Studien, S. 235; Krey/Esser, AT5, § 3 Rn. 94; Roxin, AT/I, § 5 Rn. 42; ders., ZStW 93 (1981), 68, 80 Fn. 30; ähnlich Amelung, JZ 1982, 617, 620; Bitzilekis, Neue Tendenz, S. 87 f.; Haft, AT, C I 3. 53 Für die grundsätzliche Geltung aller Garantien des Art. 103 II GG in Bezug auf die Rechtfertigungsgründe und damit gegen die teleologische Reduktion derselben

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C. Bisheriger Verlauf der Diskussion

und Sachzwänge geltend gemacht, die ausschließlich für die Rechtfertigungsgründe bestehen sollen. Jedoch wird darüber hinaus die Erlaubnis der teleologischen Reduktion darauf gestützt, dass die Rechtfertigungsgründe nicht wie die Tatbestände als typisierte Deskriptionen von Wirklichkeitsbereichen gefasst werden könnten – anders sieht dies bekanntlich die Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalen54 –; sie seien vielmehr auf eine solche Vielzahl von Sachverhalten und Interessenskonflikten anwendbar, dass schon der Natur der Sache nach eine Regelung lediglich nach Prinzipien erfolgen könne und allein diese die Grenze der Auslegung bildeten.55 Sodann fragt sich der verständige Leser, ob der große Anwendungsbereich jener Rechtssätze nicht eine Eigenschaft ist, die sie jedenfalls mit den meisten Vorschriften des AT gemeinsam haben, zumal auch diesen teilweise56 die Funktion zugeschrieben wird, der Individualgerechtigkeit Matt/Renzikowski-Engländer, Vor §§ 32 ff. Rn. 10 f., § 32 Rn. 42; ders., Grund und Grenzen, S. 195, 298 ff., 307 ff.; Schönke/Schröder29-Eser/Hecker, § 1 Rn. 13; Fischer, StGB, § 1 Rn. 3; AnwK-Gaede, § 1 Rn. 7; Hillenkamp, Opferverhalten, S. 167 ff.; Konrad, Probleme, S. 120; Kratzsch, GA 1971, 65, 71 ff.; Kudlich, Unterstützung, S. 265 Fn. 393; Marxen, Die sozialethischen Grenzen, S. 28 f.; Montiel, Analogie, S. 134 f.; NK4-Paeffgen, Vor §§ 32 ff. Rn. 58 ff.; Reineke, Trunkenheit, S. 112; v. Rienen, Einschränkungen, S. 156 ff., 161; BK-GG-Rüping, Art. 103 II Rn. 50; Maunz/DürigSchmidt-Aßmann, Art. 103 II Rn. 231; MK-Schmitz, § 1 Rn. 13; Th. Schröder, Gesetzesumgehung, S. 356; Simon, Gesetzesauslegung, S. 191; Sinn, FS Wolter, 503, 509 ff.; Tiedemann, Tatbestandsfunktionen, S. 201; wohl auch Jung, Züchtigungsrecht, S. 62, 64 f. Jeweils nur in Bezug auf die strafrechtlich geregelten Rechtfertigungsgründe Engels, GA 1982, 109, 119; Hettinger, FS Geerds, 623, 633 f. Fn. 61; LK11-Hirsch, Vor § 32 Rn. 35 ff.; ders., GS Tjong, 50, 55 ff., 67 f.; KK-OWiG-Rogall, § 3 Rn. 63; SK8Rudolphi, § 1 Rn. 25a; v. Scherenberg, Einschränkungen, S. 68; Schünemann, GA 1985, 341, 367 f.; Seebode, FS Krause, 375, 381 ff.; darüber hinaus mit unterschiedlichen Abstrichen im Einzelnen Erb, ZStW 108 (1996), 266, 271 ff.; Frister, AT, Kap. 4 Rn. 36 Fn. 66 (nur in Bezug auf die Garantien lex praevia et stricta); M. Koch, Nothilfe, S. 70 f.; Kuhli, Völkerstrafgesetzbuch, S. 103 ff. (in Bezug auf das Gewohnheitsrechtsverbot); LK12-Rönnau, Vor § 32 Rn. 64 ff. (nur gesetzlich geregelte Rechtfertigungsgründe erfasst). Hauptsächlich wird mit den Grundlagen des Art. 103 II GG argumentiert. Die positive Aussage des Gesetzes, dass etwas nicht rechtswidrig sei, sei sogar in stärkerem Maße in der Lage, ein allgemeines Vertrauen zu bilden als die Verhaltensnormen selbst. Auch müssten diese Grundentscheidungen vom Gesetzgeber getroffen werden. Dem Vorwurf, die Einheit der Rechtsordnung werde verletzt, begegnet man mit der Erwägung, jene Einheit der Rechtsordnung dürfe nicht über die Verfassung selbst gestellt werden. Gerade das Grundgesetz hebe mit Art. 103 II GG die Einheit der Rechtsordnung ein Stück weit auf, indem es das Strafrecht strengeren Regeln unterwerfe. 54 Vgl. nur Hruschka, FS Roxin I, 441, 451 ff.; Kindhäuser, StGB, Vor §§ 32–35 Rn. 39 ff.; Schroth, FS Arth. Kaufmann, 595, 598 f.; Schünemann, GA 1985, 341, 347 ff., 351. Hirsch, GS Tjong, 50, 56 f. Fn. 26, 62 Fn. 45, weist darauf hin, dass für diese Lehre die Geltung des Analogieverbots bei Rechtfertigungsgründen konsequenterweise „gar kein Problem“ sein dürfte; ähnlich Bitzilekis, Neue Tendenz, S. 85 f. 55 Roxin, ZStW 93 (1981), 68, 80; s. a. Jung, Züchtigungsrecht, S. 61 f.; B. Koch, ZStW 104 (1992), 785, 818. Ähnlich, trotz eines grundsätzlich anderen Standpunkts, in Bezug auf das Bestimmtheitsgebot Erb, ZStW 108 (1996), 266, 290. Kritisch dazu Engländer, Grund und Grenzen, S. 299. 56 Duttge, FS Kohlmann, 13, 15; Fincke, Verhältnis, S. 9 f. Näher dazu Kap. D. I. 1. c).

II. Notwendigkeit eines Neuansatzes

99

zu dienen (ähnlich wie die Kollisionslösungen bei den Rechtfertigungsgründen). Deshalb könnte man bei diesen übrigen Vorschriften des AT ebenso erwägen, nur die zugrunde liegenden Prinzipien als Grenze der Auslegung anzusehen. b) Gewohnheitsrecht Ein anderer Weg zur Relativierung des umfassend verstandenen Analogieverbots führt über das Gewohnheitsrecht. Dieses wird, obgleich ebenfalls grundsätzlich von Art. 103 II GG untersagt, im Allgemeinen Teil in unterschiedlichem Maße für zulässig gehalten. Manche halten die Bildung von Gewohnheitsrecht auf dem Gebiet des AT, insbesondere bei den sog. allgemeinen Lehren (Kausalität, Vorsatz, Fahrlässigkeit), für zulässig, wenn gewisse Grundbegriffe und Zurechnungsregeln (z. B. die actio libera in causa) des Strafrechts vom Gesetz nicht näher geregelt werden; der Gesetzgeber habe diesen Bereich dann der Klärung durch Rechtsprechung und Lehre überlassen.57 Wieder andere grenzen die Zulässigkeit von Gewohnheitsrecht im AT etwas weiter ein. Nur in den Grenzen der Auslegung sei die Heranziehung von Gewohnheitsrecht zulässig; innerhalb des gesetzlichen Rahmens könne sich die Auslegung von Begriffen des Allgemeinen Teils zu Gewohnheitsrecht verfestigen.58 Offen wird auch der eigentliche Grund dieses Mittelweges ausgesprochen: Auf diese Weise werde eine rigorose Bindung der Rechtsprechung vermieden.59 Die erstgenannte Spielart verwickelt sich in Widersprüche, wenn sie gleichzeitig das Analogieverbot im AT aufrecht erhält. Dies lässt sich am Beispiel der actio libera in causa festmachen. § 20 StGB ist einer teleologischen Reduktion wegen des Analogieverbots nicht zugänglich. Darüber kann die bloße Erklärung, es handele sich bei der Rechtsfigur um Gewohnheitsrecht, ohne weitergehende Argumentation nicht hinweghelfen. Denn die erste Betätigung dieses Gewohnheitsrechts stellt sich als ebenjene verbotene teleologische Reduktion dar und hätte nicht erfolgen dürfen. Die schlichte Vielzahl von Verstößen gegen das Ana57 Blei, AT, S. 21; Schönke/Schröder29-Eser/Hecker, § 1 Rn. 14; Haft, AT, C I 4 b; Lemmel, Strafbarkeitsvoraussetzungen, S. 137; BeckOK GG-Radtke/Hagemeier, Art. 103 Rn. 41; BK-GG-Rüping, Art. 103 II Rn. 53; wohl auch Baumann, FS Jescheck, 104, 112; früher schon Granderath, Rechtspflicht, S. 135 f.; Peters, in: Verhandlungen des 41. Deutschen Juristentages, 5, 6. Kritisch zu diesem „Delegationskonzept“ Duttge, Bestimmtheit, S. 168. 58 LK11-Gribbohm, § 1 Rn. 71; Jescheck/Weigend, AT, § 15 III 1; Kuhli, Völkerstrafgesetzbuch, S. 107 (i. E. aber nur ausnahmsweise); Lackner/Kühl, § 1 Rn. 3; Maurach/ Zipf, AT/I8, § 8 V Rn. 40 f.; SK8-Rudolphi, § 1 Rn. 18, 21 (nur ausnahmsweise); Maunz/Dürig-Schmidt-Aßmann, Art. 103 II Rn. 223; Stratenwerth/Kuhlen, AT, § 3 Rn. 26; wohl auch v. Münch/P. Kunig-P. Kunig, Art. 103 Rn. 25. 59 Jescheck/Weigend, AT, § 15 III 1 Fn. 29.

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C. Bisheriger Verlauf der Diskussion

logieverbot, die dann zur gewohnheitsrechtlich anerkannten Figur der actio libera in causa führen soll, kann nicht insgesamt legitimierend wirken. Anders gewendet: Ein verfassungswidriger Verstoß gegen das Analogieverbot wird nicht durch eine anhaltende Übung verfassungsgemäß. Weniger treffen würde dieser Einwand vorkonstitutionelle Figuren, deren erste Übung noch auf Zeiten vor dem Analogieverbot zurückgeht. Bei ihnen ergeben sich indes Bedenken in zweierlei Hinsicht. Unter dem Regime des Art. 103 II GG ist dem Gewohnheitsrecht grundsätzlich die Bedeutung als strafbegründende oder strafschärfende Rechtsquelle zu versagen. Dies betrifft jedoch auch – da sich eine implizite Einschränkung zugunsten der vorkonstitutionellen Figuren seitens des Verfassungsgebers kaum belegen lassen wird – das vorkonstitutionelle (Gewohnheits-)Recht, wenn der Gesetzgeber es in seinen Willen aufgenommen hat; insoweit könnte man dem Gesetzgeber das Recht zur Delegation versagen und in Art. 103 II GG stattdessen die Aufforderung zur aktiven Regelung erblicken60. Ferner mag man schon bezweifeln, ob angesichts der Uneinigkeit in zahlreichen – auch vorkonstitutionellen – Fragen der Zurechnung überhaupt von einer opinio iuris und damit von Gewohnheitsrecht die Rede sein kann;61 freilich sind im Strafrecht für die von Rechtsüberzeugung getragene langanhaltende Übung allein die Anschauung und Praxis der Strafgerichte maßgeblich. Die zuletzt genannten Zweifel an der Gewohnheitsrechtsqualität kommen in gleichem Maße bei der zweiten Spielart zur Zulässigkeit des Gewohnheitsrechts im AT auf. Zudem: Wählt man den Weg, das Gewohnheitsrecht im Rahmen der Auslegung anzusiedeln, so gelangt man zur im Einzelnen schwierigen Abgrenzung des Gewohnheitsrechts vom Richterrecht. Unter Gewohnheitsrecht wird nach der hier vertretenen Auffassung eine außerhalb des Gesetzes liegende Rechtsquelle mit erhöhter (quasigesetzlicher) Geltungskraft verstanden; Richterrecht dagegen sei die verfestigte Auslegung des Strafgesetzes sowie die gesetzesorientierte Begriffsbildung, die zwar regelmäßig praktische Bindungen erzeugen, über die der Richter aber im Einzelfall bei entsprechendem Anlass und ausreichender Begründung hinweggehen kann. Vorzugswürdig erscheint es aus diesem Grunde, das als Rechtsschöpfung intra legem und damit als Richterrecht zu bezeichnen, was sich noch im Rahmen der Auslegung bewegt (oder bewegen soll), während man von Gewohnheitsrecht nur bei einer außerhalb des geschriebenen Rechts liegenden Rechtsquelle sprechen sollte.62 Denn Auslegungsänderungen 60

Vgl. Bopp, Entwicklung, S. 159 f. (unter Berufung auf Dürig). Duttge, Bestimmtheit, S. 169 f.; Rengier, AT, § 4 Rn. 14; Roxin, AT/I, § 5 Rn. 47; ders., in: Das Gesetzlichkeitsprinzip, 113, 126; SK2-H.-L. Schreiber, § 1 Rn. 20; Th. Schröder, Gesetzesumgehung, S. 357; Sternberg-Lieben, Schranken, S. 321 f.; im Hinblick auf § 13 I StGB Seebode, FS Spendel, 317, 336. Keine größeren Schwierigkeiten aufgrund der divergierenden Meinungen sieht für die Entstehung von Gewohnheitsrecht Granderath, Rechtspflicht, S. 130. 62 Kritisch zur Einordnung als Gewohnheitsrecht auch Matt/Renzikowski-Basak, § 1 Rn. 10; Bringewat, ZStW 84 (1972), 585, 594 ff.; Duttge, Bestimmtheit, S. 170; Hettin61

II. Notwendigkeit eines Neuansatzes

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werden unnötig erschwert, wenn man zur Ausfüllung des Rahmens entwickelte Sätze zu Gewohnheitsrecht erklärt.63 c) Erweiterte Auslegung Ähnlich, aber nicht deckungsgleich zu denen, die innerhalb des Rahmens der Auslegung Gewohnheitsrecht heranziehen wollen, argumentieren jene, die im Rahmen des AT den Anwendungsbereich der Auslegung weiter fassen. Letztlich geht es um eine Grenzöffnung von der Analogie hin zur Auslegung.64 Ein entschiedener Anhänger dieser Richtung ist Otto. So führt er zur Problematik des Analogieverbots im AT aus: Tatsächlich gehe es im AT primär gar nicht um die Zulässigkeit von Analogie und Gewohnheitsrecht, sondern um vom Gesetz nur vorausgesetzte Zurechnungsregeln, die es aufzudecken gelte; die Entfaltung jener Regeln, die der Gesetzgeber zum Teil nur andeute und lediglich in Ansätzen gesetzlich ausformuliert habe, sei die eigentliche Aufgabe, die sich im Allgemeinen Teil für Rechtsprechung und Lehre stelle.65 Vergleichbare, wenn auch begrifflich divergierende Einlassungen finden sich oft dahingehend, dass im Rahmen des AT der Auslegung ein größerer Spielraum eröffnet sei, da der Gesetzgeber vielfach Streitfragen offen gelassen und Begriffe nicht näher definiert habe.66

ger, Actio libera in causa, S. 446 f.; Nickel, Problematik, S. 135 ff.; v. Mangoldt/Klein/ Starck-Nolte, Art. 103 II Rn. 136; KK-OWiG-Rogall, § 3 Rn. 22; MK-Schmitz, § 1 Rn. 25; Th. Schröder, Gesetzesumgehung, S. 356 f.; Sternberg-Lieben, Schranken, S. 321 f.; AK-GG-Wassermann, Art. 103 Rn. 48. Früher schon M.E. Mayer, AT, S. 25 Fn. 12: „Der häufig erwähnte Gerichtsgebrauch . . . muß insofern völlig ausscheiden, als die übliche Auslegung niemals ihre Beachtlichkeit auf die Gebräuchlichkeit stützen kann, sondern in ihrer Richtigkeit . . . suchen muß.“ 63 SK8-Rudolphi, § 1 Rn. 21 (s. a. SK2-H.-L. Schreiber, § 1 Rn. 20); ähnlich Bringewat, ZStW 84 (1972), 585, 594 f.; Duttge, Bestimmtheit, S. 168 f.; Rengier, AT, § 4 Rn. 14; Roxin, AT/I, § 5 Rn. 48; ders., in: Das Gesetzlichkeitsprinzip, 113, 126. 64 Jähnke, FS BGH, 393, 396. 65 Otto, GK, § 2 Rn. 26; ders., Jura 1986, 426, 430 f.; ders., Jura 1999, 217, 218; vgl. auch dens., FS Frisch, 589, 609 f.; zustimmend LK12-Dannecker, § 1 Rn. 173 ff., 260; ders., FS Otto, 25, 32 ff. (nur Setzung des Normrahmens durch Gesetzgeber, Ausfüllung an Rechtsanwender delegiert). 66 SK8-Rudolphi, § 1 Rn. 21, 24; s. a. Matt/Renzikowski-Basak, § 1 Rn. 6; Baumann/ Weber/Mitsch, AT, § 9 Rn. 78; Frister, AT, Kap. 7 Rn. 4 f.; Geppert, JK 97, StGB § 20/ 2 Probleme 2 d; Krey, Studien, S. 225 f. (zu § 13: Konkretisierung des Regelungsrahmens); Krey/Esser, AT5, § 3 Rn. 99; Murmann, GK, § 10 Rn. 6, § 26 Rn. 29; Rengier, AT, § 4 Rn. 13 f.; KK-OWiG-Rogall, § 3 Rn. 22; Roxin, AT/I, § 5 Rn. 47; SK2-H.-L. Schreiber, § 1 Rn. 25; Th. Schröder, Gesetzesumgehung, S. 356 f.; Dreier-Schulze-Fielitz, Art. 103 II Rn. 30 (ergänzendes Richterrecht in Form der Handhabung der allgemeinen Lehren); Sternberg-Lieben, Schranken, S. 321 ff.; Tiedemann, FS Baumann, 7, 16 (Entwicklung von Kriterien für Anwendung der AT-Normen); AK-GG-Wassermann, Art. 103 Rn. 54.

102

C. Bisheriger Verlauf der Diskussion

Mit Blick auf die Grundlagen von Art. 103 II GG erscheint allerdings auch dieser Weg nicht unproblematisch. Selbst wenn man den Gedanken des Vertrauensschutzes objektiv fasst und auf ein Vertrauen der Rechtsgemeinschaft in eine abstrakt vorhandene Berechenbarkeit des Strafrechts abstellt: Was ist im Vergleich zur Rechtsanwendung praeter legem gewonnen, wenn der Bereich der Rechtsanwendung intra legem derart weit geraten ist? Kann man noch von einer gesetzlich gewährleisteten Berechenbarkeit sprechen? Sieht man auf den anderen vom Bundesverfassungsgericht als wesentlich qualifizierten Grundgedanken, die grundsätzliche Entscheidungsgewalt des demokratischen Gesetzgebers, so zweifelt man, ob sich dieser durch die unbestreitbare Delegation der Konturierung weiter Teilbereiche des AT nicht in bedenklicher Weise seiner Befugnisse begeben hat. 2. Folgerung Im Ergebnis lässt sich somit festhalten: Infolge der mannigfachen Einschränkungen innerhalb der h. M. ist der Gegensatz zu den Vertretern der Mindermeinung bei Weitem nicht derart gravierend, wie es anfangs scheint. Erstere dehnen den Bereich der Rechtsanwendung intra legem im AT sehr stark aus, denn der behauptete begrenzend wirkende Regelungsrahmen ist in Anbetracht der lückenhaften Gesetzeslage mehr oder weniger der Ansicht des Rechtsanwenders überlassen. Letztere dagegen lassen die Rechtsanwendung praeter legem zu. Hinsichtlich der Zwecke der Parömie erscheint beides fragwürdig. Überhaupt wundert man sich: Warum soll man im AT das Mittel der Analogie benötigen? Die gegebene Rechtslage eröffnet anscheinend derart umfassende Auslegungsmöglichkeiten, dass sich mit guter Begründung das meiste intra legem lösen lassen dürfte. Wie bekannt ist, wird die Abgrenzung der Analogie von der Auslegung nach der überwiegenden Ansicht anhand der Wortsinngrenze getroffen. Wo aber soll etwa bei der Bestimmung der Garantenstellung nach § 13 I StGB die Grenze liegen? Die Bestimmung der äußersten Grenze des Wortlauts bereitet schon bei den Normen des Besonderen Teils im Einzelfall große Schwierigkeiten. Im AT scheint sie schlechterdings unbrauchbar. Bei normativ-offenen Begriffen, wie der AT sie benutzt, bietet der Wortsinn selbst kaum eine Grenze, ergo ist eine strenge Richterbindung mittels des Analogieverbots nahezu unwirksam.67 Nennt man die Grenze zwischen Analogie und Auslegung generell schon fließend, so ist sie im AT zuweilen ein Strom. Schlussendlich reagieren beide Ansichten nur auf die gegebene Regelungslage des AT. Beiden ist das Ziel zu eigen, die allgemeinen Lehren anwendbar zu machen. Da im AT eine andere, lückenhafte und offene Regelungsart gewählt ist, 67 Fuchs, AT/I, Kap. 4 Rn. 35; s. a. Lewisch, Verfassung und Strafrecht, S. 65. Schon Baumann, in: Summum ius, 117, 124 f., hatte (freilich noch zur alten Rechtslage) daher etwas resignierend gefragt, was das Analogieverbot im AT eigentlich verbiete.

II. Notwendigkeit eines Neuansatzes

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erfolgt dies nicht über die ansonsten üblichen Auslegungskriterien, kann gar nicht erfolgen. Lediglich die Wege, die dazu eingeschlagen werden, sind terminologisch und technisch andere. Demzufolge darf nicht bei den Wegen direkt angesetzt werden. Vielmehr ist die Prämisse zu hinterfragen. Der Gesetzgeber hat den Allgemeinen Teil in Bereichen bewusst offen gelassen, der Entwicklung durch Rechtsprechung und Lehre überlassen. Aber darf er dies auch? Widersprechen normativ-offene Begrifflichkeiten, die teils zu bloßen Platzhaltern verkommen, nicht dem ebenfalls aus Art. 103 II GG folgenden Bestimmtheitsgebot? Auch das Verhältnis von gesetzlicher Bestimmtheit und AT ist kaum geklärt.68 Trotzdem wird es nur vereinzelt69 und anlässlich besonders gravierend erscheinender Beispiele des AT angesprochen. Will man aber über das Analogieverbot befinden, das als Verlängerung des Bestimmtheitsgebots fungieren soll, muss man zunächst das zuletzt genannte beleuchten. Unterstellt, dass das Bestimmtheitsgebot für den AT nicht gilt, so gibt es demnach nichts, was hier verlängert werden kann; gilt es nur in eingeschränktem Maße für den AT oder nur für gewisse Regelungen desselben, so kann seine Verlängerung, das Analogieverbot, nicht weiterreichen. Mithin ist zu untersuchen, welche Anforderungen man an die Bestimmtheit der AT-Normen stellen kann bzw. stellen darf. Unmögliches darf auch vom Gesetzgeber nicht verlangt werden.70 Allerdings wird zu berücksichtigen sein, dass bei der Frage, wann eine Norm ausreichend bestimmt ist, maßgeblich die Vorstellung der Aufklärung zugrunde liegt, das Gesetz könne diese Aufgabe alleine bewältigen. Den modernen Erkenntnissen von Rechtsanwendung und Rechtsschöpfung muss Rechnung getragen werden. Erste Ansätze hierfür finden sich bereits in der jüngeren Judikatur des Bundesverfassungsgerichts zu Normen des BT. Sie für den AT fruchtbar zu machen birgt möglicherweise eine Lösung, die sich mit der verfassungsrechtlichen Struktur der Grundgesetznorm in Einklang bringen lässt, ohne dieselbe auszuhöhlen.

68 LK12-Dannecker, § 1 Rn. 218; Rengier, AT, § 4 Rn. 30; Th. Schröder, Gesetzesumgehung, S. 377; für Österreich Lewisch, Verfassung und Strafrecht, S. 79 f. 69 Vgl. allgemein zu dieser Frage Kudlich, Unterstützung, S. 260 ff.; Sternberg-Lieben, Schranken, S. 323 ff.; Tiedemann, FS Baumann, 7, 15 f.; zur Fahrlässigkeit Duttge, FS Kohlmann, 13 ff.; Herzberg, ZIS 2011, 444 ff.; Schmitz, FS Samson, 181 ff. 70 Duttge, FS Kohlmann, 13, 23; Herzberg, NStZ 2004, 593, 594; ähnlich Jähnke, FS BGH, 393, 402; Sternberg-Lieben, Schranken, S. 325 (Gefahr der Überforderung des Gesetzgebers).

D. Begriffsbestimmung Es ist vielfach angeklungen, dass eine Lösung im Stile eines bloßen ceterum censeo nicht ausreicht. Will man die in Rede stehende Interpendenz innerhalb des Dreiecksverhältnisses Allgemeiner Teil-Bestimmtheitsgebot-Analogieverbot befriedigend klären, so muss man sich zunächst vergegenwärtigen, was man unter diesen Begriffen versteht, wie sie im Rechtsalltag realisiert werden und was ihre Konsequenzen sind. Schon früher wurde in Bezug auf das Analogieverbot erinnert, dass „die Bestimmung der Grenze des Analogieverbots eine richtige Begriffsbildung voraussetzt und darum nicht selbst als ein Hilfsmittel zur Begriffsbildung verwandt werden kann“ 1. Selbstredend ist dies leichter gesagt als getan. Alle drei genannten Rechtsbegriffe sind im Strafrecht Gegenstand von Kontroversen und somit im Einzelnen unklar, wobei besonders der genaue Inhalt des Bestimmtheitsgebots bestenfalls als vage, schlimmstenfalls als völlig offen bezeichnet werden kann.

I. Allgemeiner Teil Folglich bietet es sich an, bei der Betrachtung mit dem Allgemeinen Teil zu beginnen, da über seine Bedeutung innerhalb der Diskussion noch am ehesten ein Konsens erzielt werden kann. Der kurze historische Überblick hat gezeigt, dass die gesetzliche Trennung eines Allgemeinen von einem Besonderen Teil vornehmlich eine Errungenschaft der letzten 200 Jahre ist. Dieser Befund gilt bekanntermaßen nicht nur für das Strafrecht. Vielmehr hat diese Art der Gesetzgebung die legislative Technik in allen Bereichen des Rechts um eine zusätzliche Spielart erweitert. Von herausragender Bedeutung ist dabei der AT des BGB (§§ 1–240). Aber auch das Sozialrecht kennt mit dem SGB I einen Allgemeinen Teil, ebenso z. B. das AGG (vgl. §§ 1–5). Häufig findet sich zudem die Bezeichnung als „Allgemeine Vorschriften“, etwa im OWiG (§§ 1–34) oder im AktG (§§ 1–22). Die Aussonderung eines Allgemeinen Teils ist jedoch nicht die einzige Möglichkeit, ein Gesetz sinnvoll aufzubauen. So wird darauf hingewiesen, dass der sog. vertikale – im Gegensatz zum sog. waagerechten Aufbau, der die Vorschriften abstrakt zusammenstellt – und nach den zu regelnden Gegenständen geordnete Aufbau eines Gesetzes grundsätzlich bei der Gesetzgebung vorzuziehen sei, 1

Grünhut, FG Frank I, 1, 29; auch zitiert bei Höpfel, JBl 1979, 575, 576.

I. Allgemeiner Teil

105

da für den Bürger als Adressat der Norm die Lesbarkeit erleichtert werde.2 Dagegen sei die Verwendung Allgemeiner Teile bei großen Kodifikationen zu bevorzugen, um zu viele Wiederholungen innerhalb des Gesetzestextes zu vermeiden.3 Hierin verbirgt sich der historisch verfolgte Zweck der AT-Technik: die Gewährleistung von Systematik und Abstraktion. Im Sinne der Übersichtlichkeit soll der AT Regelungen, die bei vielen oder allen anderen Normen virulent werden können, vorab regeln. Allerdings lässt sich eine weitere Differenzierung vornehmen. Innerhalb dieses sog. Allgemeinen Teils im systematischen Sinn ist zu unterscheiden4: Einerseits existiert der AT im bekannten logischen Sinne, d.h. der AT soll Regelungen „vor die Klammer“ ziehen. Andererseits ist daneben der AT im konstruktiven Sinne abgrenzbar, welcher die Axiomatisierung eines Gesetzes ermöglichen will; jene Axiomatisierung bedeutet die Destillation einer Gruppe von analytischen Normen, die im Gesetz selbst nicht enthalten, nichtsdestoweniger für den richterlichen Syllogismus (oder vielleicht neutraler: die Rechtsanwendung) notwendig sind. Während es sich bei dem zuerst Besprochenen um den typischerweise in den Gesetzen geregelten Allgemeinen Teil handelt, dürfte der zuletzt Genannte das Produkt dogmatischer und praktischer Bemühungen darstellen. Die soeben aufgezeigten Erwägungen gelten als Bestandteil der allgemeinen Gesetzgebungstechnik natürlich gleichermaßen für das Strafrecht. Darüber hinaus stößt man auf beachtenswerte Besonderheiten, die sich aus der Struktur des Strafrechts als Eingriffsrecht sowie aus der Zugehörigkeit des hier allein interessierenden Regelungsbereichs der Verbrechenslehre zum AT ergeben. 1. Herkömmliches Verständnis Mögen die Partien des AT, die die Verbrechenslehre betreffen, zwar eine besondere Stellung im Strafrecht haben, so wird gleichwohl das Verhältnis von AT und BT nur selten näher beleuchtet. In zahlreichen zeitgenössischen Lehrbüchern und Äußerungen in der Literatur wird darauf allenfalls sehr knapp eingegangen.5

2 Homann, in: Rödig, S. 334; s. a. Noll, Gesetzgebungslehre, S. 210, 237 f.; H. Schneider, Gesetzgebungslehre, Rn. 337. 3 Homann, in: Rödig, S. 328; H. Schneider, Gesetzgebungslehre, Rn. 337. 4 Die folgende Unterscheidung trifft Rödig, zitiert bei Homann, in: Rödig, S. 335 f.; kritisch zu den zahlreichen Durchbrechungen des AT im logischen Sinne Noll, Gesetzgebungslehre, S. 210; allgemein zu solchen axiomatischen Systemen K. F. Röhl/H. C. Röhl, Allg. Rechtslehre, § 54 S. 439 f. 5 Tiedemann, FS Baumann, 7, 7 m.N. So entstammen zwei der wichtigsten Beiträge zu diesem Thema, nämlich die Monographie von Fincke, Das Verhältnis des AT zum BT, sowie der Aufsatz von Naucke, FS Welzel, 761 ff., bereits den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts; einen aktuellen Beitrag leistet Kubiciel, Wissenschaft, insbes. S. 287 ff.

106

D. Begriffsbestimmung

a) Gesetzestechnik Überwiegend wird die gesetzliche Trennung von AT und BT als bloße Gesetzestechnik bezeichnet.6 Diese Ansicht wird, wenn nicht expressis verbis postuliert, anhand einiger ständig wiederkehrender Formulierungen offenbar. Der AT enthalte keine Deliktsbeschreibungen, sondern „vor die Klammer gezogene“ Regeln des Strafrechts,7 mithin Begriffe und Regeln, die für alle Tatbestände des Besonderen Teils relevant werden könnten8. Ihre Relevanz bestehe nun darin, die Anwendung des BT zu präzisieren, zu erweitern oder einzuschränken, somit eine Konkretisierung und Modifikation der Deliktsbeschreibungen zu ermöglichen.9 Jene Klammerfunktion, die dem AT zugesprochen wird, entspricht im Wesentlichen dem, was die Gesetzgebungslehre dem AT im systematisch-logischen Sinne an Aufgaben zuschreibt. Die Ausgliederung allgemeiner Vorschriften soll der Systematisierung und Abstrahierung dienen und helfen, Wiederholungen zu vermeiden. Um Übersichtlichkeit zu gewährleisten, sollen jene Regeln nicht bei jedem Tatbestand erneut aufgeführt werden. Keinesfalls hingegen stellt der AT das genus proximus für den BT in dem Sinne dar, dass der AT die Oberbegriffe und der BT die Unterbegriffe des Strafrechts enthält respektive der AT durch den BT in seine Einzelteile entfaltet wird.10

6 Bringewat, Grundbegriffe, Rn. 254; Duttge, FS Kohlmann, 13, 19; ders., Bestimmtheit, S. 165 (wobei dort – wie auch von Schiemann, Schuldfähigkeitsfeststellungen, S. 31 – zu Unrecht Tiedemann als Beleg herangezogen wird, der jene Ansicht lediglich darstellt); Duttge/Sotelsek, NJW 2002, 3756, 3757; Eser/Burkhardt, Strafrecht I4, Nr. 2 A Rn. 45; Jescheck/Weigend, AT, § 3 III 1; Sternberg-Lieben, Schranken, S. 318. 7 Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, BT, § 1 Rn. 14; Blei, AT, S. 2; Bringewat, Grundbegriffe, Rn. 255; Duttge, FS Kohlmann, 13, 19; Schönke/Schröder29-Eser/Hecker, Vor § 1 Rn. 7; Frister, AT, Kap. 1 Rn. 21, Kap. 7 Rn. 2 f.; Grünewald, JZ 2011, 972, 975; Hilgendorf/Valerius, AT, § 1 Rn. 5; Hoffmann-Holland, AT, Rn. 6; Höpfel, JBl 1979, 575, 584; Jescheck/Weigend, AT, § 3 III 2; Kindhäuser, StGB, Vor § 1 Rn. 2; ders., AT, § 1 Rn. 3; Krey/Esser, AT5, § 2 Rn. 32; Murmann, GK, § 10 Rn. 6; Rengier, AT, § 1 Rn. 2; Roxin, AT/I, § 1 Rn. 15; Roxin/Arzt/Tiedemann, Einführung, S. 45; Satzger/ Schluckebier/Widmaier-Satzger, § 1 Rn. 10; Th. Schröder, Gesetzesumgehung, S. 47, 355; Schünemann, Grund und Grenzen, S. 71; Sternberg-Lieben, Schranken, S. 318 Fn. 163; s. a. D. Albrecht, Begründung, S. 186; Lewisch, Verfassung und Strafrecht, S. 79; teils Krey, Studien, S. 228 f. 8 Vgl. Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 5 Rn. 1 f.; Maurach/F.-C. Schroeder/Maiwald, BT/I, Einl. Rn. 2; s. a. Gössel/Dölling, BT/I, Rn. 6; Hillenkamp, Opferverhalten, S. 169; Höpfel, JBl 1979, 575, 584; Köhler, AT, S. 64; Naucke, Strafrecht, § 6 Rn. 10; Schmidhäuser, Studienbuch AT, 1/7. 9 Frister, AT, Kap. 1 Rn. 21; Hassemer, Einführung, S. 89; Lackner/Kühl, Vor § 1 Rn. 17. Zur die Deliktstypen „ergänzenden“ Funktion des AT Jescheck/Weigend, AT, § 3 III 2. Im Vergleich dazu entgegengesetzt spricht Bottke, GA 2001, 463, 467 Fn. 4, davon, die Regeln des AT seien durch den BT, dem Vorrang zukomme, modifizierbar, sogar nivellierbar. 10 Bringewat, Grundbegriffe, Rn. 256; eingehend Fincke, Verhältnis, S. 20; s. a. Tiedemann, in: Strafrechtstheorie im Umbruch, 280, 282; Vogel, Norm und Pflicht, S. 302 f. Vgl. dagegen früher Hälschner, Gem. Dt. Strafrecht II, S. 1.

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Durch Art. 1 EGStGB wird für das geltende Strafrecht die Klammerfunktion des im StGB normierten AT in ihrer Bedeutung noch verstärkt. Demnach gelten die Vorschriften des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuchs auch für das gesamte übrige, außerhalb des StGB geregelte Strafrecht, sieht man von den Ausnahmen nach Art. 1 II 2 sowie Art. 2 EGStGB ab. Der AT des StGB stellt somit den positivierten Allgemeinen Teil des gesamten Strafrechts dar. Freilich kann seine Anwendung im Nebenstrafrecht Probleme bereiten.11 Qualifiziert man die Trennung von AT und BT in erster Linie formell, indem man sie als Mittel der Gesetzestechnik ansieht, so liegt folgender Schluss nahe: Die Ausgliederung eines Allgemeinen Teils ist auch für das Strafrecht nur relativ, eine bloße Option. Ebenso erscheint es möglich, dass der Gesetzgeber eine völlig andere Gesetzesaufteilung wählt, etwa die sogenannte vertikale Anordnung.12 Dieser Schluss wird von einigen gezogen. Er ist bereits als Argument gegen die Analogie im AT bemüht worden, wenn gesagt wurde, es handele sich bei den Regeln des AT um ergänzende Bestandteile der im BT vertypten Verhaltensnormen13. Noch deutlicher zeigt sich jene „relative“ Ansicht, wenn die These aufgestellt wird, es sei weitgehend beliebig, bestimmte allgemeine Strafbarkeitsvoraussetzungen vorab für alle Straftatbestände gemeinsam zu regeln oder sie in den jeweiligen Straftatbeständen aufzuführen14. Dies klingt vorerst plausibel. Aber unabhängig davon, ob man die Prämisse teilt, der AT sei primär ein gesetzestechnisches Instrument, mag man bei einem näheren Blick zweifeln, ob man die ATNormen tatsächlich ohne Weiteres in den BT eingliedern kann. Zunächst könnte man dem entgegnen, dass ein solcher Weg für eine Kodifikation wie das StGB – als solche wird man das StGB trotz des umfassenden Nebenstrafrechts noch bezeichnen dürfen – von der historischen Entwicklung her, was die Stufe der Gesetzgebung anbelangt, einen Rückschritt bedeuten würde. Die gesetzliche Ausgliederung eines Allgemeinen Teils war im Strafrecht das Ergebnis eines oft sehr mühevollen Prozesses innerer Klärung und Selbstreflexion. Ferner stelle man

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s. oben, insbesondere Kap. A. I. Fn. 14. Der vertikale Aufbau wäre, stellt man auf die Adressatennähe ab, im Strafrecht nicht zuletzt mit Blick auf Art. 103 II GG die vorzugswürdige Variante, wenn die Bedeutung des AT sich tatsächlich in bloßer, beliebig verfügbarer Gesetzestechnik erschöpfen würde. 13 s. oben, Kap. C. I. 1. b) Fn. 9; ähnlich auch R. Schreiber, Die Geltung von Rechtsnormen, S. 25 (Fn. 46). Kritisch dazu Jescheck/Weigend, AT, § 3 III 2 Fn. 15. 14 So Schmitz, FS Samson, 181, 186; ähnlich Lewisch, Verfassung und Strafrecht, S. 79 (Voranstellen vor einzelne Deliktsgruppen im BT); vgl. auch Grünewald, JZ 2011, 972, 976, die es ebenfalls für möglich hält, die Regelungen des AT in den BT einzugliedern, dies aber aus Gründen der Klarheit und Übersichtlichkeit ablehnt; ebenfalls in diese Richtung Th. Schröder, Gesetzesumgehung, S. 354 f. (nicht undenkbar, sondern nur undenkbar unpraktisch); s. a. Tiedemann, FS Lenckner, 411, 419 f., der auf den schwedischen Brottsbalken verweist. Zur „Relativität“ der Aussonderung eines Allgemeinen Teils, freilich in einem differenzierteren Sinne, Fincke, Verhältnis, S. 3 ff. 12

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sich die Unwägbarkeiten vor, die bei diesem Vorhaben auftreten würden. Bezeichnenderweise findet man im Anschluss an die These nie ein illustrierendes Beispiel, wie dies vonstattengehen soll. Schon die Anwendung mancher Regel des AT auf die Deliktsbeschreibungen des BT kann mitunter sehr schwierig sein. Ebendieser Schwierigkeit müsste auch bei der Gesetzgebung begegnet werden, wollte der Gesetzgeber die Normen von AT und BT zusammenführen. Hinzu käme, dass das Ganze innerlich kohärent sein müsste. Die Fehleranfälligkeit eines solchen Vorhabens ist leicht absehbar, wobei die Fehler dann noch gesetzlich zementiert wären. Angesichts der Vielfalt von Straftatbeständen wäre der Gesetzgeber überfordert, wenn er bei der Formulierung eines jeden Straftatbestandes wieder bei Null anfangen müsste.15 b) Grundlagencharakter Außer diesen – zugegebenermaßen nur praktischen – Einwänden gegen die These, die Einteilung in AT und BT sei für das Strafrecht beliebig, spricht nach dem gängigen AT-Verständnis noch etwas weiteres gegen sie. Den Vorschriften des AT wird häufig eine grundlegende Bedeutung für das gesamte Strafrecht zugesprochen.16 Jener Grundlagencharakter rühre daher, dass der AT des StGB in Ansätzen als Fundament für die allgemeine Straftatlehre diene.17 Es ist ein bekanntes Phänomen, dass der Allgemeine Teil gerade im Strafrecht eine besondere Aufmerksamkeit und damit erhöhte Bedeutung erlangt. Zahlreiche Grundfragen spielen sich im hier allein interessierenden zweiten Abschnitt des AT ab, der der Verbrechenslehre zuzuordnen ist. Bisweilen wird deshalb eine gewisse Überfrachtung des Allgemeinen Teils beklagt, während der Besondere Teil als zu wenig systematisiert gilt.18

15 Frister, AT, Kap. 7 Rn. 5, allerdings in etwas anderem Zusammenhang. Fincke, Verhältnis, S. 8 f., hält es für unverkennbar, dass ein modernes Strafrecht ohne AT-BTTrennung schon rein technisch nicht kodifizierbar wäre, da ein nicht mehr handhabbarer Gesetzesumfang drohe. 16 Vgl. D. Albrecht, Begründung, S. 186; Blei, AT, S. 2 f.; Bringewat, Grundbegriffe, Rn. 257; Roxin, AT/I, § 1 Rn. 15. 17 Bringewat, Grundbegriffe, Rn. 257. Nach Blei, AT, S. 2 f., ist im Strafrecht die Trennung zwischen AT und BT daher wichtiger, da im Strafrecht das Schwergewicht auf grundsätzlichen Erwägungen über Verbrechen und Strafen liege, die im AT ihre Stätte fänden. Kritisch zur „Grundsätzlichkeit“ des AT, allerdings was die Kodifikation allgemeiner Prinzipien betrifft, Fincke, Verhältnis, S. 20 ff. 18 Fincke, Verhältnis, S. 1, 7; Kubiciel, Wissenschaft, S. 1 f.; Schünemann, FS Bockelmann, 117, 118 f. Kritisch zur Verlagerung des strafrechtswissenschaftlichen Zentrums vom Besonderen auf den Allgemeinen Teil seit dem 19. Jahrhundert Naucke, JoJZG 5 (2011), 24, 25 f., da etwa die Beschäftigung mit dem „Blitzfall“ im Allgemeinen Teil weitgehend dem Gesetzlichkeitsprinzip entgehe; vgl. dazu auch Vormbaum, ZStW 123 (2011), 660, 680 Fn. 97 (Ausweitung der Strafbarkeit durch Verschiebung in AT).

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aa) Exkurs: begriffliche Abgrenzung An dieser Stelle, da von der allgemeinen Straftatlehre die Rede war, erscheint es zudem am rechten Platze, eine gewisse begriffliche Präzisierung und Abgrenzung vorzunehmen. Das Epitheton „allgemein“ kommt im Strafrecht, gerade bei Kategorisierungen, recht oft vor. In der Diskussion begegnet man an verschiedenen Stellen Begriffen, die sich zwar ähneln, aber doch völlig Unterschiedliches meinen. Trotzdem werden diese nicht immer trennscharf verwendet, sondern zum Teil synonym gebraucht. Begründet ist diese Unschärfe darin, dass die Begriffe verschiedene Bedeutungen haben, sich allerdings inhaltlich überschneiden können. Es geht um die Begriffe AT des Strafrechts, AT des StGB, die sogenannten allgemeinen Lehren und die allgemeinen Lehren des BT. Im Kern sind diese Begrifflichkeiten Ausdruck des im Einzelfall schwierig zu erfassenden, gleichwohl bedeutsamen Verhältnisses von gesetzlich geregeltem AT und der strafrechtlichen Dogmatik. Unter den allgemeinen Lehren des BT werden heute i. d. R. Erscheinungsformen verstanden, die sich zwar nicht „vor die Klammer“ des gesamten BT ziehen lassen, aber in zahlreichen Tatbeständen eine Rolle spielen19, wie dies etwa bei den Begriffsbestimmungen nach § 11 StGB der Fall ist. Zu denken wäre an Tatbestandsmerkmale wie die Zueignung oder den Vermögensschaden, außerdem an qualifizierende Merkmale wie die Waffe. Jene allgemeinen Lehren des BT sollen zwischen dem AT und dem BT ihren Platz finden.20 Freilich hatte Erik Wolf, der als erster den Versuch einer allgemeinen Lehre des Besonderen Teils unternommen hat, diese in einem weitergehenden Sinne begriffen. Ihm ging es darum, allgemeine Eigenschaften der gesetzlichen Tatbestände aufzudecken21, nicht nur um die Sammlung und Systematisierung wiederkehrender gesetzlicher Tatbestandsmerkmale. Seine Intention war es, systematische Zwischentypen zwischen der allgemeinen Verbrechens- und Tatbestandslehre und den Einzeltatbeständen herauszuarbeiten22. Indessen hat sich diese Einteilung nicht durchgesetzt, vielmehr wurden die von Wolf aufgedeckten Merkmale (wie etwa die Einteilung der BTTatbestände in Gruppen oder gemeinsame Handlungselemente) in den AT eingebunden.23

19 Maurach/F.-C. Schroeder/Maiwald, BT/I, Einl. Rn. 4; s. a. Arzt/Weber/Heinrich/ Hilgendorf, BT, § 1 Rn. 14; Roxin/Arzt/Tiedemann, Einführung, S. 45. 20 Maurach/F.-C. Schroeder/Maiwald, BT/I, Einl. Rn. 4. 21 Wolf, FS Pappenheim, 379, 379. 22 Wolf, FS Pappenheim, 379, 380 f.; seiner Einteilung und der ihr zugedachten Funkion folgt Tiedemann, FS Baumann, 7, 12 (s. a. ders., Anfängerübung, S. 4); positiv zu Tiedemanns Haltung Sternberg-Lieben, Schranken, S. 327 f.; Vogel, Norm und Pflicht, S. 303 f.; vgl. dagegen die vorpositive Konstruktion bei Kubiciel, Wissenschaft, S. 8, 127 ff. 23 Fincke, Verhältnis, S. 1.

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Oftmals trifft man dagegen, nun ohne Bezug auf den BT, einen Hinweis auf die sogenannten allgemeinen Lehren an. Diese Begriffskategorie ist ein Zeichen der eigentümlichen engen Verknüpfung zwischen gesetzlichem AT und den durch Praxis und Rechtswissenschaft entwickelten Erkenntnissen. Wie bereits gesehen, wurden vom historischen Standpunkt aus viele allgemeinen Lehren von Strafe und Straftat seitens der Wissenschaft entwickelt, lange bevor die Idee eines gesetzlich zu trennenden Allgemeinen Teils entstand.24 Man sollte meinen, dass mit dem Siegeszug des kodifizierten AT und unter der Herrschaft des Gesetzlichkeitsprinzips die Bedeutung jener allgemeinen Lehren stark abgenommen habe. Dies ist bekanntermaßen nicht der Fall. Auch heute noch erfreuen sich die allgemeinen Lehren einer überaus gesunden Wirkungskraft. Dass sie gesetzlich nicht – jedenfalls nicht ausdrücklich – geregelt sind, wird keinesfalls als Mangel, sondern vielmehr als natürlich empfunden, wobei unter den Begriff der allgemeinen Lehren einmal mehr, einmal weniger strafrechtliche Begriffe gefasst werden.25 Nichtsdestoweniger wird mit Recht zumindest ein gewisser Bezug zum gesetzlichen AT angemahnt,26 die Lehren sollen sich nicht im „rechtsfreien Raum“ bewegen. Zweifellos besteht diese Gefahr. Fasst man z. B. die actio libera in causa unter den Begriff der allgemeinen Lehren, so fragt sich, wie sich dies in den relativ deutlichen Normrahmen des § 20 StGB einfügen soll. Löst man sich von dem schillernden Begriff der allgemeinen Lehren, so ist bei den maßgeblich von der Rechtsdogmatik herausgebildeten Regeln zu unterschei-

24 s. Kap. B. I. 2.; dazu auch Frisch, in: Die Bedeutung der Rechtsdogmatik, 169, 178 ff.; ders., GA 2007, 250, 255 ff. 25 Dannecker, FS Otto, 25, 34 (z. B. Kausalität und objektive Zurechnung); Jähnke, FS BGH, 393, 395 (u. a. Kausalität, Vorsatz und Fahrlässigkeit); BK-GG-Rüping, Art. 103 II Rn. 53 (auch unechtes Unterlassungsdelikt, fehlgeschlagener Versuch, actio libera in causa); s. a. Baumann, FS Jescheck, 105, 112; Sax, Analogieverbot, S. 128. Unübersichtlich wird die Lage, wenn gelegentlich die „allgemeinen Lehren“ – auch aus stilistischen Gründen – als Synonym für den Allgemeinen Teil insgesamt verwendet werden, vgl. beispielsweise Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, BT, § 1 Rn. 15; Blei, AT, S. 2; Hardwig, ZStW 78 (1966), 1, 8; Jung, Züchtigungsrecht, S. 59; Lemmel, Strafbarkeitsvoraussetzungen, S. 137; Maunz/Dürig-Schmidt-Aßmann, Art. 103 II Rn. 223; schon früher v. Liszt/Eb. Schmidt, Lehrbuch, S. 110. 26 Baumann, in: Summum ius, 117, 124; Dannecker, FS Otto, 25, 34; s. a. Küper, FS Univ. Heidelberg, 451, 454. Dagegen geht es nach Hruschka, JZ 1985, 1, 8 f., bei der Axiomatisierung der allgemeinen Lehren vom Verbrechen nicht um die Auslegung des gesetzlichen AT, vielmehr werde das Strafgesetzbuch an der Strafrechtslehre ausgerichtet; der Gegenstand der allgemeinen Lehren sei es, Probleme herauszuarbeiten, die sich unabhängig vom jeweiligen Strafgesetz immer wieder stellen, wobei man im Großen und Ganzen ohne das Gesetz auskomme. Damit wird aber deutlich, dass Hruschka unter dem Begriff der allgemeinen Lehren offensichtlich etwas weitaus Grundsätzlicheres und Weitergehendes versteht, als es in unserem Zusammenhang der Fall ist. Zudem wird so, angesichts des Regimes von Art. 103 II GG, zwar eine theoretisch wertvolle Systematisierung angestrebt, allerdings ist der Praxis, die – anders als die Wissenschaft, die den Blick vom geltenden Recht auf Zukünftiges wenden darf und muss – das geltende Gesetz eben nicht derart ignorieren darf, so weniger geholfen.

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den. Einem Teil der dort genannten Institute wird, was auch der geforderte Bezug zum Gesetz zeigt, durchaus ein normativer Charakter zugeschrieben. Beispielsweise das Kausalitätserfordernis lässt sich, wenngleich es im Gesetz nicht explizit genannt wird, aus einer Gesamtanalyse der Erfolgsdelikte herauslesen. Gleiches dürfte für die Vorsatzformen gelten. Darüber hinaus gibt es Grenzfälle, in denen es strittig sein kann, ob das Gesetz ein Rechtsinstitut (etwa den fehlgeschlagenen Versuch)27 wirklich implizit enthält. Im Gegensatz dazu wird man einem Teil der dogmatischen Erkenntnisse nur schwer einen normativen Charakter zusprechen können, wobei an den Verbrechensaufbau oder die Handlungslehre zu denken ist. Jedoch wird auch die Verbrechenslehre, nach deutschem herrschenden Verständnis also der Dreiklang von Tatbestand, Rechtswidrigkeit und Schuld, im gesetzlichen AT immerhin in Teilen angedeutet28. Letztlich ändert die Unterscheidung zwischen normativ verbindlich vorgegebenen und verfügbaren Instituten aber an Folgendem nichts: Es handelt sich bei beiden um Erkenntnisse respektive Produkte der Strafrechtsdogmatik, sprich um Theorien und Modelle, die die aufgeworfene Frage in einen grundsätzlicheren Sachzusammenhang stellen und einer gangbaren Lösung zuführen29. Dementsprechend wird der Strafrechtsdogmatik und ihren allgemeinen Lehren ein bestimmender Einfluss auf die Anwendung und Erneuerung des Strafrechts eingeräumt.30 Nach dieser kurzen Skizze überrascht es nicht mehr, dass der Allgemeine Teil des StGB und der Allgemeine Teil des Strafrechts auseinanderfallen sollen. Der gesetzliche AT bildet aus Sicht der Strafrechtswissenschaft keinesfalls den gesamten Inhalt des Allgemeinen Teils des Strafrechts ab, sondern nur einen unvollständigen Ausschnitt.31 So gehört in den Allgemeinen Teil des Strafrechts auch die Diskussion um die Strafzwecke. Begegnet dem Leser in der Diskussion der Begriff des AT ohne jeden Bezug, ist stets zu fragen, was damit gemeint ist, will man Fehler vermeiden. bb) Trennung von AT und BT als vorzugswürdige Lösung Festzuhalten bleibt nach dieser notwendigen Unterscheidung dennoch: Der Grundlagencharakter des AT macht seine Ausgliederung vom BT zur vorzugswürdigen und nicht bloß beliebigen Option. Dies folgt nicht nur aus dem Umstand, dass der AT mit der allgemeinen Straftatlehre verknüpft sein soll. Viel27

Vgl. dazu etwa Gössel, GA 2012, 65, 68 ff. Schönke/Schröder26-Lenckner, Vor §§ 13 ff. Rn. 20; Tiedemann, FS Lenckner, 411, 420. 29 Frisch, in: Die Bedeutung der Rechtsdogmatik, 169, 173. 30 Frisch, in: Die Bedeutung der Rechtsdogmatik, 169, 172 ff., 182; Lahti, FS Eser, 1393, 1402; deutlich zurückhaltender zu diesem Einfluss Naucke, in: Strafrechtstheorie im Umbruch, 269, 271. 31 Naucke, Strafrecht, § 6 Rn. 14; Tiedemann, FS Baumann, 7, 10; ders., in: Strafrechtstheorie im Umbruch, 280, 282; vgl. auch Fincke, Verhältnis, S. 28 f. 28

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mehr resultiert dies auch daraus, dass durch den AT verfassungsrechtliche Anforderungen an das Strafrecht in exponierter Weise verdeutlicht werden. Dabei ist nicht lediglich an Art. 103 II GG und §§ 1 f. StGB zu denken. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts32 beruht das Strafrecht auf dem Schuldgrundsatz, der seine Grundlage in der Menschenwürde nach Art. 1 I GG findet und deswegen an der Ewigkeitsgarantie des Art. 79 III GG teilhat. Der AT bekräftigt diese Anforderungen einfachgesetzlich in §§ 19–21 StGB. Regelte man dies bei jedem Tatbestand, würde der grundsätzliche Charakter dieser Entscheidung verwischt. Gleiches gilt, wenn auch schwächer, angesichts des Menschenbildes des Grundgesetzes vom Bürger als innerhalb seiner Freiheit verantwortlich handelndes Subjekt für die grundsätzliche Ausnahme der Fahrlässigkeitsstrafbarkeit (§ 15 StGB) wie überhaupt für die Anforderungen an die Zurechnung (und die damit verbundene Absage an ein bloßes versari in re illicita). c) Herstellung materieller Gerechtigkeit Häufig, obgleich nicht derart durchgehend wie etwa die Klammerfunktion, trifft man in der Diskussion eine weitere Aufgabe an, die dem AT zugedacht wird: die Herstellung materieller Gerechtigkeit. Dies ist bereits angeklungen, wenn gesagt wurde, der AT präzisiere, erweitere oder beschränke die Anwendung des BT, er begründe die Möglichkeit, die Deliktsbeschreibungen zu konkretisieren und zu modifizieren. Sichtbarer wird jener Gesichtspunkt durch Erwägungen einiger Stimmen im Schrifttum. Der AT diene der (materiellen) Gerechtigkeit, indem er die durch den BT gesteckten Grenzen lockere, was zugunsten und zuungunsten des Täters, schärfend oder mildernd geschehen könne; folglich werde die notwendige Individualisierung und Anpassung gewährleistet.33 Im Einzelnen liegt dem Folgendes zugrunde. Ein anerkannter Aspekt der materiellen Gerechtigkeit ist es, Individualisierung zu gebieten, mithin die möglichst umfassende Berücksichtigung aller relevanten Umstände des individuellen Falles – sprich der Mannigfaltigkeit der inneren Veranlagung und der äußeren Lebensverhältnisse der Menschen – zu fordern,34 um 32

BVerfGE 123, 267, 413; s. a. BVerfGE 57, 250, 275; 80, 367, 378; 90, 145, 173. Fincke, Verhältnis, S. 9 f.; zustimmend Duttge, FS Kohlmann, 13, 15 (Fn. 18); ähnlich Tiedemann, FS Baumann, 7, 11 (Auskunft über die Anwendung der Normen des BT unter speziellen Aspekten); ders., in: Strafrechtstheorie im Umbruch, 280, 283; vgl. auch Baumann, in: Summum ius, 117, 128. Dagegen wirft Naucke, in: Strafrechtstheorie im Umbruch, 269, 277, dem AT des materiellen Strafrechts vor, primär der Ausdehnung des Strafbereichs zu dienen, die Begrenzungsfunktionen seien schwach. 34 Zu diesem Zusammenhang früher schon M. E. Mayer, Rechtsphilosophie, S. 79 f. (Individualisierung als „Seele der Gerechtigkeit“); s. a. Engisch, Konkretisierung, S. 201; in Bezug auf den individualisierenden Fahrlässigkeitsmaßstab Castaldo, GA 1993, 495, 496 f. Freilich weist Riezler, Rechtsgefühl, S. 97, darauf hin, dass zwar das Rechtsgefühl nach Individualisierung, nach Berücksichtigung der Mannigfaltigkeit der inneren Veranlagung und der äußeren Lebensverhältnisse der Menschen dränge, ande33

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richtig entscheiden zu können. Auf die Rechtsanwendung gemünzt meint dies, dass die jeweilige Entscheidungsgrundlage auf den umfassenden Kreis der Sondermerkmale des Einzelfalles erweitert wird35. Speziell für die Situation der strafrechtlichen Rechtsanwendung bedeutet es die „materiale[r] Bewertung auch der entlegensten Details einer Straftat zu Gunsten und zu Lasten des Täters und des Opfers.“ 36 Inwieweit dies ermöglicht wird, steuert der Gesetzgeber, indem er durch entsprechende Regelung den Blick des Rechtsanwenders hin zu besonders relevant erscheinenden Merkmalen des Einzelfalles lenkt. Zu beachten ist aber: Das Bedürfnis des Rechtsanwenders nach richtiger Entscheidung wird, da ebenjene Richtigkeit „sehr konkret, sehr gefühlsabhängig, also oft sehr unklar“ 37, subjektiv ist, am besten befriedigt, indem man ihm generalklauselartige Regeln an die Hand gibt. Mit jedem gesetzlichen Merkmal, mit jedem weiter konkretisierten Begriff schließt der Gesetzgeber einen berücksichtigungsfähigen Teil der Lebenswirklichkeit für den Rechtsanwender aus. Nun ist im Konflikt zwischen materieller und formeller Gerechtigkeit für das Strafrecht die Entscheidung verfassungsrechtlich vorgezeichnet. Art. 103 II GG räumt der formellen Gerechtigkeit einen Vorrang ein.38 Nichtsdestoweniger bedeutet dies nicht automatisch, dass für materielle Gerechtigkeit im Strafrecht keinerlei Raum ist. Mit Rücksicht auf die Intensität des Grundrechtseingriffs muss auch hier Individualisierung ermöglicht werden. Man wende dagegen nicht ein, dass schon die Anwendung von Rechtsnormen auf den Einzelfall stets eine ausreichend individualisierende Komponente beinhalte. Denn die Konkretisierung des Rechts auf den zur Entscheirerseits damit aber ein unjuristisches, der Ethik entnommenes Element hinzutrete. Engisch, Konkretisierung, S. 216, zeigt zudem die Gefahr auf, dass die individualisierende Betrachtungsweise angesichts der Großzahl der zu beachtenden Umstände die Gefahr von Fehlern und Irrtümern beinhalte. 35 Wurche, Generalklausel, S. 29; vgl. auch Engisch, Konkretisierung, S. 193, 216. Allerdings ist es dann schwierig zu wissen, was hier alles berücksichtigt werden muss, vgl. Engisch, Suche nach Gerechtigkeit, S. 163. 36 Naucke, Generalklauseln, S. 15. Dazu bereits früher Saleilles, L’individualisation de la peine, insbesondere – freilich unter starker Zugrundelegung einer Zweckstrafe – S. 12: „Si le criminel n’est pas un perverti à fond, il faut que la peine ne contribue pas à le pervertir davantage; il faut qu’au besoin elle le relève et l’aide à se rehabiliter; et, si le criminel est un incorrigible, il faut que la peine soit contre lui, et au profit de la société, une mésure de défense et de préservation radicales. Cette adaption de la peine à l’individu, c’est ce que l’on appelle aujourd’hui l’individualisation de la peine.“ 37 Naucke, Generalklauseln, S. 15. Man mag sich daher fragen, ob das genannte Streben nach der „richtigen“ Entscheidung tatsächlich mehr ist als die subjektive Einstellung, die Willkür des Rechtsanwenders. 38 BGHSt 18, 136, 140; Krahl, Rechtsprechung, S. 286 f.; BK-GG-Rüping, Art. 103 II Rn. 17; Th. Schröder, Gesetzesumgehung, S. 20 f.; Schürmann, Unterlassungsstrafbarkeit, S. 186 f.; s. a. I.-S. Kim, FS Roxin I, 119, 140 f. Zum Zusammenhang zwischen formeller und materieller Gerechtigkeit auch Baumann, in: Summum ius, 117 ff.; H.-L. Schreiber, ZStW 80 (1968), 348, 367. Dagegen betont Nickel, Problematik, S. 154 ff., dass Art. 103 II GG im Kontext der Verfassung, die auch auf Verwirklichung des materiellen Rechtsstaatsprinzips gerichtet sei, gesehen werden müsse.

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dung vorliegenden Sachverhalt bedeutet nicht automatisch Individualisierung, die Eigenart eines Falles kann beim Subsumtionsprozess „abgetötet“ werden.39 Das Recht bedarf immer eines Ausgleichs zwischen formeller und materieller Gerechtigkeit, es geht um ein Zusammenspiel40 beider Elemente. Dies bedeutet, dass das Recht präzise genug sein muss, um Berechenbarkeit zu erzeugen, ohne dabei die Berücksichtigung von Umständen des Einzelfalles zu weit zu beschneiden oder ganz auszuschließen. Somit ist der Konflikt zwischen zwei Seiten der gleichen Medaille nicht mit dem Ergebnis zu lösen, dass nur die eine oder die andere ihre Verwirklichung beanspruchen kann. Gleichwohl gebietet der verfassungsrechtlich abgesicherte prinzipielle Vorrang der formellen Gerechtigkeit, dass die Individualisierung im Strafrecht nur in eingeschränkten Bahnen erfolgen kann. Es ist zu differenzieren zwischen der Individualisierungsaufgabe, die der Gesetzgeber selbst durch die Anlage des Gesetzes dem AT zugewiesen hat, und jener, die durch seinen de lege lata bestehenden Regelungszustand lediglich zu beobachten ist. Zu der erstgenannten: Als Domäne der Rechtssicherheit erscheint der BT insoweit, dass er die Verhaltensnormen enthält, die der Rechtsgemeinschaft als Orientierung dienen sollen. Damit ist freilich nicht gemeint, der BT enthalte reines Erfolgsstrafrecht, das umstandsblind auf die Ermittlung des jeweiligen Erfolges (bzw. der jeweiligen Tätigkeit) gerichtet sei und immer der Korrektur durch den AT bedürfe. Vielmehr soll damit ausgedrückt werden, dass die Tatbestände, wollen sie eine klare Orientierung gewährleisten, gewisse – jedenfalls nicht alle – für die Entscheidung der Strafbarkeit maßgebliche Elemente des konkreten Sachverhalts nicht zu berücksichtigen vermögen. Dies geschieht vielfach auf der Ebene des AT. Was die an zweiter Stelle genannte Individualisierungsfunktion, die durch den „fragmentarischen“ Regelungszustand bedingt ist, anbelangt, genügt hier der Hinweis, dass sie mit ebenjenem Zustand stehen und fallen muss; wenn er den Anforderungen des Grundgesetzes nicht genügt, so erledigt sich die mit ihm verknüpfte Funktion ebenso [näher dazu Kap. E. III. 1. b)]. 2. Eigenständiger Begriff des AT Gegenüber der gängigen Auffassung, den AT mehr oder minder als Ausdruck einer bloßen gesetzestechnischen Entscheidung zu verstehen, werden durchaus 39 Engisch, Konkretisierung, S. 180, 200 ff. Insoweit ist G. Kirchhof, Allgemeinheit, S. 353, zuzustimmen, wenn er sagt, die Allgemeinheit des Gesetzes bilde einen Gegenpol zum individualisierenden Denken; s. a. Engisch, Konkretisierung, S. 216: „Das harte Schema hat auch etwas Beruhigendes, es stärkt das Bewusstsein, in einem Rechtsstaat zu leben.“ 40 Seelmann, Rechtsphilosophie, § 13 Rn. 25; ähnlich Engisch, Konkretisierung, S. 217. Im Hinblick auf die fortschreitende Komplexität sozialer Verhältnisse in einer modernen Gesellschaft scheint die Waage aber etwas zugunsten des Individualisierungsgedankens auszuschlagen, vgl. Seelmann, Rechtsphilosophie, § 13 Rn. 25.

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abweichende Auffassungen vertreten. Bereits der Blick auf den Grundlagencharakter und die Gerechtigkeitsfunktion des AT haben gezeigt, dass mit der Entscheidung für einen AT mehr verbunden zu sein scheint. Einige schreiben der gesetzlichen Aussonderung allgemeiner Regeln auch eine inhaltliche Entscheidung zu. Dabei sind die Ansätze dieses inhaltlichen Verständnisses verschieden. Zum Teil wird ein abweichendes Normverständnis vorgeschlagen, dessen Realisierung die Aufteilung in einen Allgemeinen und einen Besonderen Teil letztlich obsolet machen würde. a) Conduct rules und rules of adjudication In der angloamerikanischen Strafrechtswissenschaft hat sich in der jüngeren Vergangenheit eine Normtheorie entwickelt, die für die Normen des AT nach unserem Verständnis eine andere Einteilungsmöglichkeit bieten würde. Die Unterscheidung erfolgt unter dem Aspekt der gesellschaftlichen Funktion41 von Strafnormen. Es werden, ausgehend von diesen Funktionen, zwei Arten von Normen unterschieden. Einerseits existiere die Gruppe der sog. conduct rules, welche ex ante den Rechtsbefehl für die enthalten, deren Verhalten sie beeinflussen wollen, nämlich alle Mitglieder der Gesellschaft, die Allgemeinheit; andererseits seien davon die sog. rules of adjudication (oder decision rules) abzugrenzen, die Regeln für den Rechtsstab formulieren und diesem ex post zur Entscheidung darüber dienen, ob die Missachtung des Rechtsbefehls strafrechtliche Haftung begründet und, wenn ja, in welchem Maße.42 Um diese zwei Normgruppen deutlich und sauber zu trennen, wird – wegen der de lege lata in den Rechtsordnungen bestehenden Vermischung beider – vorgeschlagen, zwei getrennte Dokumente bzw. codes zu erschaffen. Der code of conduct soll nur die conduct rules enthalten, der code of adjudication dagegen nur die rules of adjudication bzw. decision rules.43 Daraus ergeben sich Folgen für die Formulierung und Ausgestaltung der 41

Eser, FS Lenckner, 25, 36 f. Vgl. Dan-Cohen, Harvard Law Review 97 (1984), 625, 630 f.; Robinson, Structure, S. 8, 125, 183; ders., Chicago Law Review 57 (1990), 729, 731, 758 f.; dazu aus dem deutschsprachigen Schrifttum Eser, FS Lenckner, 25, 36 ff.; Hruschka, Rechtstheorie 22 (1991), 449, 450; Lagodny, Schranken der Grundrechte, S. 84; Weik, Verbrechenselemente, S. 415 ff. Die in dieser Hinsicht vorgenommene Unterscheidung ist aber mitnichten eine völlig neue Entdeckung, sondern wurde vielmehr wieder fruchtbar gemacht. So verweist Dan-Cohen, Harvard Law Review 97 (1984), 625, 626 f., hinsichtlich ihres Ursprungs auf Bentham. Auch Feuerbach war sie nicht unbekannt, wie der historische Überblick zum Gesetzlichkeitsprinzip gezeigt hat. Bereits zu dieser Zeit gab es Bestrebungen, zwei Gesetzestexte zu erschaffen: einen für den Kriminalrichter (u. a. mit Regeln über die „allgemeinen feineren Regeln der Zurechnung einer Handlung und dergleichen“), einen für das Volk. Feuerbach hatte dies allerdings – auch unter Berufung auf andere – abgelehnt, da auf diese Weise der Zweck des Strafgesetzes, das Volk zu belehren und abzuschrecken, nicht erreichbar sei, vgl. Feuerbach, Kritik Bd. I, S. 6 f. 43 Robinson, Structure, S. 183 f.; ders., Chicago Law Review 57 (1990), 729, 765 f. 42

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getrennten Regelungswerke. Während dieser, da er sich an alle Bürger richte, in einfach zu verstehender, klarer und kurzer Sprache zu halten sei und leicht zugänglich sein solle, bedürfe jener, da er sich an den Rechtsstab wende, solcher Vereinfachungen nicht, sondern dürfe sich komplexer und subjektivierender Kriterien bedienen, um Individualisierung zu ermöglichen.44 Noch weiter geht DanCohen: Ihm schwebt, da er die acoustic separation als das Idealbild dieser zwei Regelungsgebiete ansieht, sogar vor, die decision rules dem Bürger völlig vorzuenthalten; dies könne in Teilen z. B. durch eine besonders vage Fassung der decision rules herbeigeführt werden.45 Geht man einmal von der Hypothese aus, dass dieses Normverständnis mit dem Grundgesetz vereinbar und jene gesetzliche Trennung herbeiführbar wäre, so ergibt sich folgendes Bild. Wenn es möglich wäre, alle Regeln, die nach unserem Verständnis dem gesetzlich fixierten AT angehören, den decision rules zuzuordnen, dann wäre im Hinblick auf die geforderte Regelungsdichte – und wohl auch auf die Zulässigkeit der Analogie – eine Weichenstellung getroffen. Sowohl Robinson als auch Dan-Cohen betonen, dass die Unterscheidung gleichsam dazu nützt, um in Bezug auf das Legalitätsprinzip46 bzw. die void-for-vagueness-doc44

Robinson, Structure, S. 183; ders., Chicago Law Review 57 (1990), 729, 732, 766. Dan-Cohen, Harvard Law Review 97 (1984), 625, 634 ff., 639 f., 667 f. Dahinter steht die Befürchtung, dass die Allgemeinheit, kennt sie die decision rules, daraus fälschlicherweise Verhaltensbotschaften ableitet. Freilich ist m. E. nach jene acoustic separation, selbst wenn man wie Dan-Cohen von einem gedanklichen Experiment ausgeht, kaum zu erreichen: Der Rechtsstab ist doch immer zugleich Teil der Rechtsgemeinschaft, sodass es schon dadurch zu Transparenz kommt. Kritisch zur acoustic separation Eser, FS Lenckner, 25, 39, 52; Robinson, Structure, S. 207 f.; Weik, Verbrechenselemente, S. 415 Fn. 4. 46 Robinson, Chicago Law Review 57 (1990), 729, 769 f.: „Still another reform this conceptualization might facilitate would be to vary the level of adherence to the legality principle. . . . One might tolerate still less precision in the doctrines of justification, which contain the permissive portion of the rules of conduct; an actor is not required to perform this conduct but rather is authorized to if she chooses. Indeed, reduced standards of precision may be necessary for justifications. The situationally-dependent nature of these doctrines means that, to remain communicable rules of conduct, justifications cannot be stated with great specificity. The nature of the doctrines adjudicating blame suggests a still lower level of precision. The doctrines of culpability and excuse play no part in stating the rules of conduct; an actor is not to guide her conduct by the formulation of these doctrines. In fact, many excuse defenses presume an actor’s incapacity to guide her conduct in accordance with the announced rules. Further, the individualized nature of the doctrines of excuse suggest that they can only be described in broader, more general terms. More specific, fixed criteria would not adequately take account of the full range of individual characteristics that might be relevant to blameworthiness. Different rationales support application of the legality principle to doctrines of adjudication than to the rules of conduct. . . . Instead of notice, the legality rationales include: increasing uniformity of application to similar cases, limiting the potential for abuse of discretion, and minimizing the improper delegation of criminalization authority from the legislature to the courts. These rationales are furthered by the codification of principles of adjudication. To demand great precision in the written principles is to compel a false precision that will distort the assessment of blameworthiness.“ 45

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trine47 notwendige Abstufungen zu ermöglichen, was die erforderliche Präzision des Gesetzes anbelangt. Offene, normative Begriffe, wie sie der AT vielfach benutzt, sind nach diesem Verständnis eine Tugend. Allein der Rechtsstab muss sie verstehen können, um die zu fordernde Individualisierung und Einzelfallbetrachtung gewährleisten zu können. Für die Rechtsgemeinschaft an sich ist nur die Kenntnis der conduct rules entscheidend. Zudem wäre nach diesem Konzept die entsprechende Anwendung jener Vorschriften auf nicht geregelte Fälle denkbar, wenn dies der optimalen Erfassung des Einzelfalles dient. Allerdings gestaltet sich die Lage selbst mit Hilfe der Doppelhypothese nicht derart einfach. Zwar trifft man zuweilen in der europäischen Diskussion den Hinweis an, die Regeln des Allgemeinen Teils richteten sich in erster Linie an den Rechtsanwender48. Bei den Befürwortern der Unterscheidung erfolgt die Einteilung durchaus in verschiedenem Zuschnitt. Einzig Dan-Cohen49 will im Grunde ausschließlich die den offences zugrunde liegenden Verbote den conduct rules zuschlagen. Dagegen ordnet Robinson zwar weite Teile, die nach unserem Verständnis zum AT gehören, den decision rules zu, aber keineswegs alle, wie seine Ausführungen zu einigen defences50 zeigen. Somit wäre auch nach diesem Konzept hinsichtlich des notwendigen Bestimmtheitsgrades der AT-Normen in unserem Sinne eine differenzierte Betrachtung angezeigt. Davon abgesehen muss man bei Berücksichtigung des geltenden deutschen Rechts konstatieren: Die Unterscheidung zwischen decision rules und conduct rules vermag es nicht, im Dunkel des Verhältnisses von AT und Gesetzlichkeitsprinzip für Erhellung zu sorgen. De lege lata gelingt dies schon deshalb nicht, da im geltenden deutschen Strafrecht decision rules und conduct rules gerade nicht derart sauber getrennt sind. Vielmehr ist der AT nach diesem Verständnis ein Mischbecken beider Erscheinungsformen. Wollte man dem geltenden Gesetzesrecht zwanghaft jene Unterscheidung oktroyieren, die aus ihm momentan in keiner Weise hervorgeht, so wäre die Verwirrung endgültig komplett. Allenfalls de lege ferenda mag die Trennung von Interesse sein. Doch hier trifft man auf nicht weniger gewichtige Einwände. Zunächst bestehen Bedenken, die an der grundlegenden Prämisse des Systems ansetzen. Es wird nämlich kaum untersucht, ob der beabsichtigte Steuerungseffekt der conduct rules angesichts der neueren psycho-

47 Dan-Cohen, Harvard Law Review 97 (1984), 625, 658 ff., insbesondere S. 661: „We cannot simply inquire whether a statute is vague, but instead we must always ask: vague for whom?“ In Bezug auf die rule of law meint Dan-Cohen, Harvard Law Review 97 (1984), 625, 667 ff., dass diese durch die angestrebte selective transmission nicht verletzt, sondern teilweise sogar gefördert werde. 48 Lahti, FS Eser, 1393, 1404. 49 Vgl. Dan-Cohen, Harvard Law Review 97 (1984), 625, 637 ff., 648 ff. Kritisch dazu Eser, FS Lenckner, 25, 47. 50 Vgl. Robinson, Structure, S. 188 ff.; ders., Chicago Law Review 57 (1990), 729, 741 f. Differenzierende Einteilung auch bei Eser, FS Lenckner, 25, 46 ff.

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logischen Erkenntnisse nicht eine bloße Fiktion ist, ob man folglich die Legitimität der Verhaltensregeln nicht hinterfragen sollte51. Ferner müssen Hürden bedacht werden, die das deutsche Verfassungsrecht einem derartigen Gesetzesvorhaben aufstellen würde. Die – insbesondere von Dan-Cohen geforderte – acoustic separation ist, will man die decision rules in Gesetzesform erlassen, nicht möglich, da Gesetzesvorschriften und Rechtsnormen förmlich bekannt gegeben werden müssen52. Es bliebe die Möglichkeit, diese, ähnlich wie etwa die RiStBV, die sich primär an Staatsanwalt und Richter wenden, als nur an den Richter gerichtete Verwaltungsvorschriften zu erlassen. Hiergegen streitet wiederum, dass der parlamentarische Gesetzgeber in Gesetzesform über die Grundlagen des Strafrechts entscheiden muss, dies fordert bereits der allgemeine Gesetzesvorbehalt. Letztlich steht auch Art. 103 II GG zumindest einer gewissen Ausgestaltung der Trennung zwischen decision rules und conduct rules entgegen: Zwar erlaubt das Gesetzlichkeitsprinzip, diese in verschiedene Gesetze zu gießen. Damit ist hingegen nicht automatisch eine völlige Freizeichnung der decision rules vom Bestimmtheitsgebot (und vom Analogieverbot) verbunden. Dies wäre nur der Fall, wenn man den subjektiven Vertrauensschutz als Grundlage von Art. 103 II GG auffassen würde. Sieht man diese jedoch zutreffend im objektiven Vertrauensschutz, in der Gewährleistung eines für die Rechtsgemeinschaft berechenbaren Strafrechts, so kann kein Zweifel bestehen, dass von Berechenbarkeit nur gesprochen werden kann, wenn die Entscheidungskriterien des Rechtsstabs prinzipiell zugänglich sind. Anders wäre dies lediglich, wenn die den decision rules zugrunde liegenden Grundsätze und Prinzipien derart vorpositiv in der Gesellschaft verankert sind, dass diese als selbstverständlich erscheinen. Davon wird man indes kaum ausgehen können. b) „Lücken im AT“ – Nauckes Kritik Zu einem der größten Kritiker des bestehenden Konzepts eines Allgemeinen Teils hat sich Naucke gewandelt. Ursprünglich hatte dieser noch mit einer Analyse des Verhältnisses von AT und BT auf sich aufmerksam gemacht. Dabei lag der Schwerpunkt seiner Untersuchung weniger auf der Wirkungsweise des gesetzlichen AT als vielmehr auf dem Einfluss der Dogmatik des AT für den BT. Demnach gestalte sich die Beziehung von AT und BT nicht auf eine einzige Weise, sondern es sei zu differenzieren zwischen der rechtsstaatlichen Funktion des AT, Wertungsprobleme des BT begrifflich nachvollziehbaren Lösungen zuzuführen, und der Ordnungsfunktion, die der AT zur Anwendung des BT biete,

51

Lagodny, Schranken der Grundrechte, S. 84. Lagodny, Schranken der Grundrechte, S. 84; s. a. Eser, FS Lenckner, 25, 48. Vgl. dagegen in Bezug auf das US-amerikanische Recht Dan-Cohen, Harvard Law Review 97 (1984), 625, 667 f. 52

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ohne Einzelergebnisse unmittelbar zu beeinflussen.53 Manche Zuordnung zum AT habe dagegen keinerlei praktische Konsequenzen.54 In diesem Rahmen wurde die Technik, einen Allgemeinen Teil überhaupt auszusondern, sowie ihre Umsetzung noch nicht bewertet. Freilich ändert sich das später. Nunmehr schreibt Naucke der Teilung des StGB in einen AT und einen BT generell erhebliche Konsequenzen für die juristische Arbeit55 zu. Diese ließen sich nicht allein mit einem Hinweis auf die Gesetzestechnik erklären, da es sich bei den Normen des AT nicht um bloße Ergänzungen der Normen des BT handele; bei der Anwendung einer AT-Norm auf eine BT-Norm werde nicht lediglich eine Summe von Regeln erschaffen, sondern über diese Summe hinausgehende, völlig neue Regeln.56 Vor allem führe die praktizierte Trennung zwischen gesetzlichem AT und dem AT des gesamten Strafrechts dazu, dass dem Rechtsanwender im AT vielfach unklare Begriffe begegneten, deren Festlegung insgesamt nur durch einen Rückgriff auf die Straf- und Staatstheorie zu bewältigen sei; jener Mechanismus diene dazu, staats- und straftheoretische Vorstellungen in die Praxis zu übersetzen, ohne das Gesetz ändern zu müssen, worin auch der Grund dafür liege, dass man den AT dem Gesetzlichkeitsprinzip zu entziehen versuche.57 Was die Funktionsanalyse Nauckes betrifft, so mag der Hinweis genügen, dass an dieser Stelle, da der gesetzliche AT im Mittelpunkt des Interesses steht, der Einfluss der Dogmatik des AT auf den BT beiseite gelassen werden soll. Anderes gilt natürlich für seine grundlegende Kritik an der gesetzlichen Trennung von AT und BT. Dabei muss man die Gefahr konzedieren, dass über unklare Begriffe rechtspolitische sowie rechtstheoretische Erwägungen unter dem Deckmantel der Auslegung in die Rechtspraxis einzugehen drohen. Es bleibt bei Naucke aber unklar, inwieweit jene „Permeabilität“ des AT vermeidbar bzw. unvermeidbar ist; auch er bleibt den Beweis schuldig, wie der AT bzw. das Strafrecht stattdessen geregelt werden soll. Mithin folgt aus seinen Ausführungen nicht, dass die gesetzliche Trennung von AT und BT aufzugeben ist. Im Gegenteil, es stellt sich die Aufgabe, Instrumente zu aktivieren, die den soeben geschilderten Effekt ver-

53 Naucke, FS Welzel, 761, 774; wohl zustimmend Maurach/F.-C. Schroeder/Maiwald, BT/I, Einl. Rn. 5. Zum „Zusammenspiel“ von AT und BT bei der Auslegung auch Simon, Gesetzesauslegung, S. 77 ff. 54 Naucke, FS Welzel, 761, 766. 55 Naucke, Strafrecht, § 6 Rn. 11; s. a. ders., in: Strafrechtstheorie im Umbruch, 269, 275. 56 Naucke, Strafrecht, § 6 Rn. 12 f. 57 Naucke, Strafrecht, § 6 Rn. 14 ff., 20. Vgl. auch ders., in: Strafrechtstheorie im Umbruch, 269, 270 f.: Das System des AT finde sich im StGB nicht, sondern knüpfe nur lose an dieses an, die Wissenschaft habe durch den Allgemeinen Teil einen großen Spielraum; der Rechtsanwender bediene sich „konzeptlos“ der Argumente der Wissenschaft.

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D. Begriffsbestimmung

hindern. Ob – und gegebenenfalls wie – das Gesetzlichkeitsprinzip für den AT ein solches Instrument ist,58 wird noch zu klären sein. c) Rechtsgutsblindheit des AT – Fincke Der überwiegenden Auffassung, die den Allgemeinen Teil des StGB als bloß „vor die Klammer gezogene“ Regeln ansieht, die prinzipiell für alle Tatbestände gelten sollen, ist bereits Fincke entgegengetreten. Dabei geht er zwar zunächst davon aus, dass die Einteilung eines Strafgesetzbuchs in einen AT und einen BT historisch und systematisch relativ sei.59 Dennoch erachtet er diese als notwendig, da ein modernes Strafrecht schon rein technisch ohne AT nicht kodifizierbar sei und dem AT zudem die gewichtige Funktion zukomme, der Gerechtigkeit zu dienen, indem er Individualisierung ermögliche, die der BT nicht leisten könne.60 Allerdings erschöpfe sich die Bedeutung des AT nicht in seiner Klammerfunktion: Dies zeige sich am Schwerpunkt des AT, den Regelungen zur Strafbarkeitserstreckung (Versuch und Teilnahme) und anderen vorweggenommenen Tatbestandsmerkmalen, bei denen es sich mitnichten um automatisch vor der Klammer stehende, sondern um „gekorene“ – infolge einer Sachentscheidung des Gesetzgebers bewusst ausgeklammerte – Bestandteile des AT handele; diese ließen sich nicht einfach ohne sachliche Änderung in den BT ziehen, wie man dies bei vor der Klammer stehenden Regeln erwarten dürfte.61 Vielmehr bestehe zwischen diesen Normen des AT und den Tatbeständen des BT der tragende Unterschied, dass die erstere Gruppe keine Rechtsgüter kenne und daher gleichsam in materiell blinder Formalität nur in Bezug auf den BT funktioniere, durch diesen Ergänzung bedürfe; die Normen des AT trügen nach der Auffassung des Gesetzge58 Kritisch zum Verhältnis von Gesetzlichkeitsprinzip und Kriminalpolitik insgesamt Naucke, JuS 1989, 862, 864 ff.: Das Gesetzlichkeitsprinzip diene nur noch der Kriminalpolitik, dabei müsse es zumindest auch deren Gegner sein, um diese wirksam zu begrenzen (ähnlich Lewisch, Verfassung und Strafrecht, S. 69); die historisch bedingte Verklammerung von Gesetz und Kriminalpolitik sei kritisch zu hinterfragen. Freilich lassen sich Gesetzlichkeit und Kriminalpolitik kaum völlig voneinander isolieren, denn auch wenn man das Gesetzlichkeitsprinzip als Gegner der Kriminalpolitik aufbaut, schafft man damit eine Wechselbeziehung. Die Entscheidung für ein die Kriminalpolitik begrenzendes Gesetzlichkeitsprinzip ist selbst im Kern eine kriminalpolitische. 59 Fincke, Verhältnis, S. 3 ff.; zustimmend Gössel, JA 1975, 385, 385; s. a. Ebert, JZ 1977, 199, 199. 60 Fincke, Verhältnis, S. 8 ff., 27, 39, 89. Kritisch zu einer durchgängigen Individualisierungsfunktion des AT Gössel, JA 1975, 385, 386 (Versuch und Teilnahme eher als generelle Bestimmungen über die Anwendbarkeit der Norm des BT). 61 Fincke, Verhältnis, S. 23 ff., s. a. S. 9, 18, 90. Zwar sei historisch der Gedanke der Vereinfachung durch Voranstellung das Motiv bei der Bildung des AT, aber bereits bei den ersten Kodifikationen seien keinesfalls alle AT-Normen auf alle Tatbestände anwendbar gewesen, vgl. Fincke, Verhältnis, S. 32. Zustimmend zum inhaltlichen Verständnis der Trennung Tiedemann, FS Baumann, 7, 13; ders., GA 1976, 89, 89 f.; s. a. Ebert, JZ 1977, 199, 200; Maurach/F.-C. Schroeder/Maiwald, BT/I, Einl. Rn. 4.

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bers die Unrechtsindikation nicht in sich selbst, sondern bezögen diese aus anderen Vorschriften.62 Gleichwohl ist für Fincke damit nicht die grundsätzliche Geltung von Art. 103 II GG für die genannten „gekorenen“ Bestandteile des AT ausgeschlossen. Zwar berufen sich die Befürworter des Analogieverbots im AT des Öfteren, wie gesehen, auf ebenjene umfassende Klammerfunktion. Für Fincke aber ist in erster Linie entscheidend, ob der AT strafbegründende oder strafschärfende Merkmale enthalte, was natürlich der Fall sei63. d) Geltungs-, Zurechnungs- und Vorrangregeln – Tiedemann In der Tradition von Finckes AT-Konzept lässt sich der Beitrag Tiedemanns verstehen. Er baut zum Teil auf Erkenntnissen auf, die Fincke erarbeitet hat, geht indes darüber hinaus. Zu Beginn seiner Ausführungen betont Tiedemann, es sei allgemeine Einsicht, dass die gesetzliche Trennung von AT und BT die Rechtssicherheit fördere, aus diesem Grunde komme ihr rechtsstaatliche Bedeutung zu64. Sodann folgt eine für seinen anschließenden Gedankengang grundlegende Analyse, welchen gesetzlichen Inhalt der AT des deutschen StGB habe: Neben den Regelungen zu den Rechtsfolgen und Strafzwecken enthalte der Allgemeine Teil im Grunde Geltungs- und Anwendungsregeln (§§ 1 ff. StGB), Zurechnungsregeln (namentlich Vorsatz, Fahrlässigkeit, Irrtum, Zwangslage, Zurechnung fremder Normbrüche) sowie Vorrangregeln für die Fälle der Kollision subjektiver Rechte wie etwa die Rechtfertigungsgründe; im Gegensatz dazu enthielten die Tatbestände des BT die dem Rechtsgüterschutz dienenden Verhaltensregeln.65 62 Fincke, Verhältnis, S. 27 f., 31 („notwendiges Ergänzungsverhältnis“), 90. Ebenfalls betont wird die Rechtsgutsblindheit des AT bei Gössel/Dölling, BT/I, Rn. 6 Fn. 7; Tiedemann, FS Baumann, 7, 13; s. a. Sternberg-Lieben, Schranken, S. 327; Vogel, Norm und Pflicht, S. 304. 63 Fincke, Verhältnis, S. 15. Hinsichtlich der Umsetzung des Gesetzlichkeitsprinzips im AT stellt er aber einerseits, was die Regelungsdichte angeht, geringere, andererseits, was das Analogieverbot angeht, vom herkömmlichen Verständnis stark abweichende Anforderungen, vgl. Fincke, Verhältnis, S. 8 ff., 15 ff., sowie oben im Text Kap. C. I. Fn. 2. 64 Tiedemann, FS Baumann, 7, 10; ders., in: Strafrechtstheorie im Umbruch, 280, 282; ähnlich D. Albrecht, Begründung, S. 186. 65 Tiedemann, FS Baumann, 7, 10 f., 19; ders., in: Strafrechtstheorie im Umbruch, 280, 282 f.; s. a. dens., Verfassungsrecht und Strafrecht, S. 36; zustimmend zu dieser Einteilung Dannecker, FS Otto, 25, 31; Jescheck/Weigend, AT, § 3 III 2 Fn. 15; Roxin, AT/I, § 7 Rn. 2; Vogel, Norm und Pflicht, S. 303; s. a. Sternberg-Lieben, Schranken, S. 328. A.A. etwa Hardtung, Versuch und Rücktritt, S. 238: Dieser spricht bei den §§ 22, 23, 26, 27, 30 StGB zunächst nur davon, dass diese Tatbeständen glichen; im nächsten Schritt erklärt er sie dann sogar zu im AT geregelten Tatbeständen, die allerdings (wie etwa § 138 StGB) nur in Verbindung mit einem anderen Tatbestand verständlich seien. Der Standort der Norm wird so zur bloßen „Formalie“, was ganz in der Tradition derer steht, die die Lozierung für beliebig austauschbar halten.

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D. Begriffsbestimmung

Wie für Fincke besteht für Tiedemann zwischen den AT-Normen und den BTNormen ein qualitativer Unterschied: Beispielsweise forderten die Zurechnungsnormen selbst kein Verhalten, sondern setzten ein solches voraus; dieser gravierende Unterschied verhindere, dass die Einordnung einer Norm im AT beliebig austauschbar sei, der vom Gesetzgeber getroffenen Trennung von AT und BT komme inhaltliche Bedeutung zu.66 Dementsprechend ließe sich die These, es handele sich bei den Regeln des AT um vor die Klammer gezogene Regeln im Sinne ergänzender Bestandteile der im BT vertypten Verhaltensnormen, nicht halten, denn die Geltungs- und Zurechnungsregeln seien keine solchen Bestandteile; diese Eigenschaft komme den von Wolf entwickelten allgemeinen Lehren des BT zu, denen als Produkte der Systematisierung eine Scharnierfunktion zwischen AT und BT zuwachse.67 Vielmehr handele es sich bei den Normen des AT auf Tatbestandsseite um Regeln, die der Anwendung der Verhaltensnormen des BT dienten.68 Anschließend erfolgt eine Beschreibung, wie der wechselseitige Einfluss der beiden Teile idealerweise auszusehen habe. Auf der einen Seite müsse bei der Interpretation der „rechtsgutsblinden“ Regeln des AT zwar Rücksicht auf die Besonderheiten des jeweiligen Tatbestandes genommen werden, primär sei sie aber mit Blick auf die Strafzwecke und nicht auf die Rechtsgüter vorzunehmen.69 Auf der anderen Seite dürfe dem AT bei der Auslegung der Verhaltensnormen des BT keinerlei Einfluss zukommen, da anderenfalls die i. S. d. Art. 103 II GG garantierten gesetzlichen Unrechtstypen in zu starkem Maße vom Sinn her geändert würden.70 Was Art. 103 II GG betrifft, so bezieht ihn Tiedemann offensichtlich auch auf die hier besonders interessierenden Zurechnungs- und Vorrangregeln, dispensiert diese dennoch qualitativ vom Bestimmtheitsgebot, wenn er sagt, sie müssten zwar im Gesetz benannt werden, ihre inhaltliche Unbestimmtheit sei jedoch hinzunehmen; jene Unbestimmtheit zwinge die Rechtsprechung zur Ausbildung von Metaregeln (wie etwa den allgemeinen Lehren des BT), also von Kriterien zur Anwendung der AT-Normen.71 Hierauf wird sogleich noch zurückzukommen sein. 66

Tiedemann, FS Baumann, 7, 11; ders., in: Strafrechtstheorie im Umbruch, 280,

283. 67 Tiedemann, FS Baumann, 7, 12; ders., in: Strafrechtstheorie im Umbruch, 280, 283. Positiv zur „Wiederentdeckung“ der allgemeinen Lehren des BT Sternberg-Lieben, Schranken, S. 327 f. 68 Tiedemann, FS Baumann, 7, 17; ders., in: Strafrechtstheorie im Umbruch, 280, 286. 69 Tiedemann, FS Baumann, 7, 12 f.; ders., in: Strafrechtstheorie im Umbruch, 280, 284; zustimmend Haas, ZStW 123 (2011), 226, 231. 70 Tiedemann, FS Baumann, 7, 18; ders., in: Strafrechtstheorie im Umbruch, 280, 287 f. 71 Tiedemann, FS Baumann, 7, 15 f., 19; ders., in: Strafrechtstheorie im Umbruch, 280, 285 f. Paradoxerweise bedürfen folglich die AT-Normen, die nach diesem Konzept

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3. Stellungnahme Die Analyse Tiedemanns hat, wie gesehen, Beifall erfahren, besonders was die Einteilung in Geltungs- und Anwendungsregeln, Zurechnungsregeln sowie Vorrangregeln angeht. Der Beifall ist berechtigt, bietet die Einteilung doch schlüssig die Möglichkeit, alle gesetzlichen Vorschriften des AT einzuordnen. Im Einzelnen und bei mancher Begriffsbildung mag man dagegen Einwände haben. Beispielsweise erscheint die Gegenüberstellung der Anwendungsregeln des AT und der Verhaltensnormen des BT im Gesetz nicht derart eindeutig. Dies hat sich schon bei der Betrachtung der im anglo-amerikanischen Recht diskutierten Gegenüberstellung von decision rules und conduct rules gezeigt. So kann man die Rechtfertigungsgründe in unserem Sinne, die Tiedemann den Vorrangregeln zurechnet, durchaus als Verhaltensnormen formulieren72. Versteht man die Rechtfertigungsgründe auf diese Art, so enthält der AT auch Verhaltensregeln. Aber unabhängig davon, ob man jede der Einteilungen Tiedemanns – oder Finckes – teilt, so ist jedenfalls der wichtigsten Erkenntnis ihrer Arbeiten zuzustimmen. Die Entscheidung des Gesetzgebers für die Aussonderung eines Allgemeinen Teils hat nicht bloß technische, sondern inhaltliche Bedeutung. Dies haben beide in überzeugender Weise dargelegt, indem sie darauf hingewiesen haben, dass durch einen Wechsel des Standorts eine Norm des AT sich sachlich73 ändern würde. Denn dann ist sie nicht länger rechtsgutsblind, sondern in Bezug auf das jeweilige, ihr zugeordnete Rechtsgut zu begreifen und auszulegen. Außerdem würde der Grundlagencharakter, der einigen Vorschriften des AT zukommt und durch die Stellung verdeutlicht wird, durch die Verschmelzung verwischt. Sieht man die Lozierung einer Norm im AT als beliebig austauschbar an, missachtet man die Formwahl des Gesetzgebers.74 Freilich ist damit die „Klammerfunktion“ des AT auch bei den Zurechnungsund Vorrangregeln nicht gänzlich vom Tisch. Man muss sich allerdings vergegenwärtigen, was man darunter versteht, wenn man sagt, die Regeln des AT seien vor die Klammer gezogen. Nötig ist dies, da die im Sinne Tiedemanns gebildeten Regelgruppen unterschiedlich umfassende Anwendungsbereiche haben.

selbst Anwendungsregeln und damit Metaregeln sind, ihrerseits Anwendungskriterien. Kritisch dazu Vogel, Norm und Pflicht, S. 304 Fn. 17. 72 Vgl. Robinson, Structure, S. 188 ff., 218 ff.; s. a. Eser, FS Lenckner, 25, 46 ff.; Hruschka, Rechtstheorie 22 (1991), 449, 450 f. 73 Vgl. Kap. D. I. 2. c) Fn. 61, D. I. 2. d) Fn. 66. Fincke, Verhältnis, S. 18, weist darauf hin, dass sich die Vorschriften des AT, wenn man diese im Wege der „Vertatbestandlichung“ in den BT überführen wollte, schon deshalb inhaltlich ändern würden, weil dann beispielsweise aus Vorbereitung und Versuch Vollendung sowie aus Teilnahme Täterschaft würde; zur Auswirkung der Formwahl bei den Rechtfertigungsgründen Montiel, Analogie, S. 167 f. 74 Tiedemann, FS Baumann, 7, 18; ders., in: Strafrechtstheorie im Umbruch, 280, 288.

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Wenn man behauptet, es handele sich hierbei um Regeln, die für alle Tatbestände des Besonderen Teils relevant werden könnten, dann ist dies (selbst wenn man von ausdrücklichen Regelungen wie § 23 I StGB absieht) nicht richtig.75 Diese Eigenschaft mag für die – hier nicht weiter interessierenden – Regeln des Strafanwendungsrechts gelten. Vielfach sind dahingegen Normen des AT nur auf bestimmte Deliktsgruppen des BT zugeschnitten, bei anderen können sie schwerlich Relevanz erlangen. Etwa lassen sich kaum Fälle konstruieren, in denen die §§ 331 ff. StGB in Notwehr begangen werden. Gleiches gilt für die Aussage, der AT enthalte ergänzende Bestandteile der Tatbestände des BT. Zwar lassen sich die Regeln zum Vorsatz und zur Fahrlässigkeit so sehen, nicht aber diejenigen zur Schuld. Die Schuldebene ergänzt nicht den Tatbestand, sondern bewertet – jedenfalls nach dem herrschenden normativen Schuldbegriff76 – das Unrecht als persönlich vorwerfbar, die Erfüllung des Tatbestands ist Gegenstand der Verantwortungszuschreibung. Auch enthält der AT keine ergänzenden Teile der Verhaltensnormen: Dies hat Tiedemann zutreffend widerlegt, indem er aufzeigt, dass Zurechnungsregeln keine Bestandteile der Verhaltensnormen selbst sind.77 Folglich trifft die Zuschreibung der genannten Eigenschaften immer nur auf gewisse Teile des AT zu. Es lässt sich lediglich insoweit von einer insgesamt bestehenden Klammerfunktion des AT sprechen, als im AT Regeln ausgeklammert sind, die immerhin bei einer Vielzahl von Tatbeständen virulent werden können. Jene Virulenz kommt den Zurechnungs- und Kollisionsregeln zu, indem sie, neutral ausgedrückt, gewisse beachtenswerte Sachverhaltskonstellationen erfassen, die die Tatbestände selbst nicht zu berücksichtigen vermögen. Somit gelangt man zur zweiten Funktion des gesetzlichen Allgemeinen Teils des StGB, was jedenfalls die hier im Mittelpunkt stehenden §§ 12 ff. StGB angeht. Während der BT notwendigerweise typisierend die Tatbestände umschreibt, wird durch den AT eine weitergehende Individualisierung geleistet, die der BT naturgemäß nicht bieten kann. Die Zurechnungsnormen ermöglichen es, Situationen zu erfassen, die eine Ausdehnung oder eine Begrenzung von Zurechnung nahelegen. Die Kollisionsnormen helfen, den Konflikt zweier Rechte zu erkennen und einer Lösung zuzuführen. Würde das Gesetz hierfür keinerlei Grundlagen der Problemlösung anbieten, so würden diese vom Rechtsanwender ohnehin entwickelt. Unterdessen relativiert sich die glanzvoll als Individualisierung 75 Vgl. insoweit auch D. Albrecht, Begründung, S. 186: Zwar seien die Regelungen des AT vor die Klammer gezogen und fänden allgemein Anwendung auf den BT; das setze aber nicht voraus, dass sie für alle besonderen Strafvorschriften in gleichem Maße Geltung gewännen und durchweg anwendbar seien. 76 MK-Streng, § 20 Rn. 128 m.w. N. 77 Kap. D. I. 2. d) Fn. 66, 67. Den Einwand, den Zurechnungsnormen des AT (wie etwa Teilnahme und Versuch) komme jedenfalls z. T. verhaltensdeterminierende Funktion zu, hat Tiedemann vorausgesehen. Zutreffend entgegnet er, die Primärnorm „Töte nicht“ umfasse die Verbote „Versuche nicht, zu töten“ bzw. „Stifte nicht zur Tötung an/ hilf nicht bei der Tötung eines anderen“ ebenso (Tiedemann, FS Baumann, 7, 11 f.).

I. Allgemeiner Teil

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bezeichnete Aufgabe etwas, da sie sich bei dem genannten Verständnis in der vom Gesetzgeber gesteuerten Funktion erschöpft, die den Zurechnungs- und Vorrangregeln zu eigen ist. Nun soll die gesetzliche Ausgestaltung der Zurechnungs- und Kollisionsregeln nach kundigem Urteil78 oft unbestimmt geraten sein. Um dem Rechtsanwender Kriterien zu geben, die ihre Anwendung erleichtern, haben die Lehre und – darauf aufbauend – die Praxis dogmatische Konstruktionen entwickelt bzw. aus der Gesetzesstruktur herausgearbeitet.79 Als jene Metaregeln lässt sich das begreifen, was bereits unter den Begriffen allgemeine Lehren bzw. allgemeine Lehren des BT begegnet ist. Will man einen unbelasteten Begriff benutzen, so sind diese Metaregeln mit den Worten Rödigs folgendermaßen zu benennen: Dem lückenhaften gesetzlichen AT wird ein (dogmatischer) AT im konstruktiven Sinne zur Seite gestellt. Dieser dient der Axiomatisierung des StGB, beinhaltet mithin analytische Normen, die im Gesetz selbst nicht ausdrücklich oder überhaupt nicht enthalten, für die Rechtsanwendung aber erforderlich sind. Ausgehend vom Oberbegriff des AT im konstruktiven Sinne ist der Grad der normativen Verbindlichkeit seiner Regeln zu unterscheiden. Ein Teil dieser Institute (wie die Kausalität) kann als eine Art DNA der Strafnormen verstanden werden, sie sind im Gesetz implizit enthalten und aufgrund dessen nicht verfügbar. Dagegen sind analytische Regeln wie der Verbrechensaufbau durch das Gesetz selbst nicht verbindlich vorgegeben. Sie sind nichtsdestoweniger im Zusammenspiel der Rechtsanwendung von AT und BT als Zwischenglied notwendig und sinnvoll. Zuletzt bleibt noch die Frage zu klären, wie sich das Verhältnis von Art. 103 II GG und den §§ 12 ff. StGB generell darstellt. Bei Lichte betrachtet ergibt sich aus den bisherigen Darstellungen, dass bezüglich der Geltung des Gesetzlichkeitsprinzips für den AT nicht das „Ob“ entscheidend ist, sondern vielmehr das „Wie“. Von den vorgebrachten Gründen, den AT ganz aus dem Geltungsbereich des Gesetzlichkeitsprinzips auszunehmen, überzeugt kein einziger, denn diese beruhen ganz wesentlich auf der petitio principii, der Regelungszustand des AT sei verfassungskonform und daher nur über die Analogie handhabbar zu machen. Geht man jedoch davon aus, dass Art. 103 II GG die Entscheidungsbefugnisse des demokratischen Gesetzgebers absichert und die Berechenbarkeit für die Rechtsgemeinschaft garantieren will, so gilt: Die Zurechnungsnormen des AT begründen und schärfen die Strafbarkeit, schließen diese dahingegen auch aus; die Kollisionsregeln können die Strafbarkeit zwar ausschließen, mittelbar aber auch

78 Vgl. beispielsweise Schiemann, Schuldfähigkeitsfeststellungen, S. 355 f. (zu § 20 StGB), sowie die Stimmen in Kap. D. II. 4. a) bb) Fn. 215 (zu § 15 StGB), D. II. 4. b) bb) Fn. 242 (zu § 13 StGB). 79 Es wird nicht verkannt, dass vom zeitlichen Ablauf die Entwicklung umgekehrt verlaufen ist. Nimmt man aber als Ausgangspunkt das geltende Gesetzesrecht, so stellt sich die Lage wie gerade beschrieben dar.

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D. Begriffsbestimmung

begründen. Dementsprechend gebietet es die ratio des Art. 103 II GG, den AT grundsätzlich in seinen Geltungsbereich einzubeziehen. Jedes andere Ergebnis, das durch Begriffe wie Anwendungsregeln oder decision rules darauf gegründet ist, dass die der Individualisierung dienenden Zurechnungs- und Kollisionsnormen sich primär an den Rechtsanwender richteten, geht von einem zu kurz greifenden subjektiven Vertrauensschutzgedanken aus. Die Frage, ob der Nullum-crimen-Satz im Allgemeinen Teil gilt, ist demnach eindeutig zu bejahen. Gleichzeitig bedeutet die generelle Geltung von Art. 103 II GG, dass der oben skizzierte Befund des Verhältnisses von gesetzlichem AT, seiner „Bestimmtheit“ und AT im konstruktiven Sinne nur den momentan beobachtbaren Ist-Zustand beschreibt. Ob dieser darüber hinaus dem verfassungsrechtlich gebotenen Soll-Zustand genügt, ist anhand der Anforderungen des Bestimmtheitsgebots zu klären.

II. Bestimmtheitsgebot Bei aller Unsicherheit bezüglich dessen, was man unter einem bestimmten Gesetz zu verstehen hat, wird man immerhin eines als sicheren Kenntnisstand bezeichnen dürfen: Der Gedanke, dass ein Gesetz bestimmt sein soll, umschreibt gewisse Anforderungen an den Inhalt des Gesetzes, an das „Was“ und das „Wie viel“ 80 einer gesetzlichen Regelung. Wenn man weiter fragt, welcher Inhalt eines Gesetzes genügen mag, um eine Norm bestimmt zu machen, so verlässt man schon den sicheren Boden. Der Begriff der „Bestimmtheit“ selbst vermag recht wenig darüber Auskunft zu geben, das „Was“ und das „Wie viel“ ergeben sich daraus schlicht nicht. Denn der Inhalt des Begriffes Bestimmtheit ist selbst das, was man aus seinem natürlichen Sprachgefühl heraus als unbestimmt bezeichnen würde. Man kann auch sagen: Der Begriff der Bestimmtheit lebt von seiner Unbestimmtheit.81 Gleichwohl ist damit nicht festgestellt, dass man sich den Anforderungen dieses Begriffs an eine Norm nicht zumindest annähern kann. Die Unbestimmtheit des Begriffs rechtfertigt nicht automatisch den Schluss auf seine Unbestimmbarkeit.82

80

Geitmann, „Offene“ Normen, S. 28, 163; so auch Gassner, ZG 1996, 37, 39. Vgl. Rüping, DStR 2004, 1780, 1781 (zu Art. 103 II GG); s. a. C. Becker, HRRS 2010, 383, 384; Colombi Ciacchi, Fahrlässigkeit, S. 23 (zu Art. 103 II GG); Duttge, Bestimmtheit, S. 174; dens., FS Kohlmann, 13, 21 f. (zu Art. 103 II GG); Geitmann, „Offene“ Normen, S. 24 („Blässe dieses Begriffs“); BeckOK StGB-v. Heintschel-Heinegg, § 1 Rn. 10; Kempf/Schilling, NJW 2012, 1849, 1851; Kuhlen, Verfassungskonforme Auslegung, S. 11 (zu Art. 103 II GG); ders., in: Recht ohne Regeln, 19, 22 f.; ders., in: Gesetzlichkeit und Strafrecht, 429, 431; Rotsch, ZJS 2008, 132, 134; F.-C. Schroeder, JZ 1969, 775, 777; Schünemann, Nulla poena, S. 29 (zu Art. 103 II GG); Stächelin, Gesetzgebung, S. 211; Tiedemann, Tatbestandsfunktionen, S. 187 f. (zu Art. 103 II GG). Auch Umschreibungen wie etwa Bedeutungsdichte sind ihrerseits wieder „unbestimmt“ und bringen daher wenig Gewinn, vgl. Lemmel, Strafbarkeitsvoraussetzungen, S. 52. 82 Müller-Dietz, FS Lenckner, 179, 183. 81

II. Bestimmtheitsgebot

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1. Was bedeutet Gesetzesbestimmtheit? Wann ist nun ein Gesetz generell „bestimmt“? Genügt die bloße Häufung sogenannter deskriptiver Tatbestandsmerkmale, um eine Norm vor dem Verdacht der Unbestimmtheit zu retten? Sind im Umkehrschluss normative Begriffe schon prima facie verdächtig und zu vermeiden? Ist eine Norm dann unbestimmt, wenn sich bei ihrer Anwendung nicht einmal die analoge Rechtsanwendung erkennen lässt, oder ist dies bloß die typische Schwierigkeit bei der Abgrenzung von Auslegung und Rechtsfortbildung? Man mag bezweifeln, ob allgemeine Aussagen über die gesetzliche Bestimmtheit angesichts der weiten und unterschiedlich intensiven rechtlichen Durchdringung der Gesellschaft überhaupt möglich sind. Versucht man sich an solchen, bietet es sich an, die bereits gewonnenen Erkenntnisse aus Rechtstheorie und Sprachforschung fruchtbar zu machen. Dabei erscheint es naheliegend, zunächst den einfacheren Weg zu wählen und negativ abzugrenzen, was die Forderung eines bestimmten Gesetzes nicht beinhaltet, gar nicht zu beinhalten vermag. Als gesichert gilt inzwischen, dass die Bestimmtheit eines Gesetzes zumindest nicht die Eindeutigkeit der in ihm verwendeten Begriffe meinen kann. Nahezu immer besteht bei Begriffen ein semantischer Spielraum, der Bedeutungsvariationen eines Wortes erlaubt, wobei dieser Spielraum allenfalls klar umrissen sein kann.83 Angesprochen ist damit das Phänomen der Mehrdeutigkeit von Begriffen; es kommt äußerst häufig vor, dass Begriffe in verschiedenen Kontexten nach verschiedenen semantischen Regeln gebraucht werden, verschiedene Eigenschaften ausdrücken.84 Dagegen ist die semantische Eindeutigkeit eine eher selten anzutreffende Ausnahme; von den im Gesetz verwendeten Begriffen sind im Grunde nur numerische, eindeutig relationale Merkmale sowie logische Verknüp83 Hassemer, Einführung, S. 179; ders., in: Strafen im Rechtsstaat, 13, 15; s. a. Calliess, NJW 1985, 1506, 1508; Eser/Burkhardt, Strafrecht I4, Nr. 2 A Rn. 12; NK4-Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 20, 30, 35; Hoffmann, in: Rechtskultur als Sprachkultur, 122, 144; P. Kirchhof, FS Univ. Heidelberg, 11, 19; Kuhlen, FS Otto, 89, 94 f.; Lenckner, JuS 1968, 249, 256; Roxin, AT/I, § 5 Rn. 27, 69; Schmidhäuser, GS Martens, 231, 232 („Die Problematik des ,Bestimmtheitsgebots‘ liegt in der Weite des Sprachverstehens.“); MK-Schmitz, § 1 Rn. 40; F.-C. Schroeder, JZ 1969, 775, 777; Stratenwerth/Kuhlen, AT, § 3 Rn. 15. 84 H.-J. Koch, in: Die juristische Methode im Staatsrecht, 15, 41; ders., Unbestimmte Rechtsbegriffe, S. 29 f.; s. a. Haft, in: Einführung in die Rechtsphilosophie6, 269, 279; Hassemer, Tatbestand und Typus, S. 68 ff.; dens., in: Einführung in die Rechtsphilosophie8, 251, 253; Klatt, Wortlautgrenze, S. 270; H.-J. Koch/Rüßmann, Juristische Begründungslehre, S. 191 f.; Schlehofer, JuS 1992, 572, 573; Streng, FS Küper, 629, 641 f. Beispielsweise kann der Begriff Ball das Spielgerät verschiedener Sportarten meinen, aber eben auch eine Tanzveranstaltung. Der Kontext, in dem der Begriff fällt, hilft hier oft, freilich auch nicht immer bei der Ermittlung der relevanten Bedeutung weiter, vgl. H.-J. Koch, in: Die juristische Methode im Staatsrecht, 15, 41; H.-J. Koch/Rüßmann, Juristische Begründungslehre, S. 192. Jenes Problem der Ambiguität kann sich auch für ganze Sätze stellen, vgl. Herberger/H.-J. Koch, JuS 1978, 810, 812.

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D. Begriffsbestimmung

fungen eindeutig.85 Einen bedeutenden und gerade in unserem Zusammenhang wichtigen Unterfall der Mehrdeutigkeit bilden die sogenannten vagen Begriffe: Ein Begriff gilt als vage, wenn die semantischen Regeln keine eindeutige Entscheidung über seine Anwendbarkeit auf ein Objekt zulassen.86 Dieses Phänomen ist deshalb mit besonderem Nachdruck anzusprechen, weil die Vagheit besonders eng mit der Unbestimmtheit eines Begriffes behandelt, fast schon synonym dafür verwendet wird. Dabei ist es für die hier verfolgten Zwecke gleichgültig, wie man den semantischen Spielraum bei vagen Begriffen näher verbildlicht. Während die einen dem Kandidatenschema („Drei-Bereiche-Modell“) folgen,87 hängen andere wiederum der Unterscheidung zwischen Begriffskern und Begriffshof an88. Beide Wege veranschaulichen, ohne näher auf die Stärken und 85 Hassemer, Einführung, S. 181; vgl. auch Engisch, Einführung, S. 193 (Fn. 8); NK4-Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 20, 31; Klatt, Wortlautgrenze, S. 264 ff.; Kohlmann, Staatsgeheimnis, S. 237, 258; Krey, Studien, S. 45; Lenckner, JuS 1968, 249, 256; Noll, JZ 1963, 297, 299; Ransiek, Gesetz und Lebenswirklichkeit, S. 4; Rüßmann, in: Sprache und Welterfahrung, 208, 227; Simon, Gesetzesauslegung, S. 57; Wiedemeyer, Begründung, S. 153. 86 H.-J. Koch, in: Die juristische Methode im Staatsrecht, 15, 42 f.; H.-J. Koch/Rüßmann, Juristische Begründungslehre, S. 194; s. a. Gruschke, Vagheit, S. 14 f.; Hassemer, Einführung, S. 181; NK4-Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 36; Herberger/H.-J. Koch, JuS 1978, 810, 812; K. F. Röhl/H. C. Röhl, Allg. Rechtslehre, § 3 S. 34; abweichend Dopslaff, Wortbedeutung, S. 64. Dabei soll nach H.-J. Koch/Rüßmann, Juristische Begründungslehre, S. 197, die charakteristische Eigenschaft in Folgendem liegen: „Ein Begriff ist genau dann vage, wenn die den Begriff bildenden Eigenschaften in Form von hinreichenden Bedingungen für das Zusprechen und Absprechen des sprachlichen Ausdrucks gegeben sind.“ s. dazu auch Rüßmann, in: Sprache und Welterfahrung, 208, 226. In der (Sprach-)Philosophie wird das Phänomen der Vagheit – je nach vertretener sprachphilosophischer und erkenntnistheoretischer Prämisse – nur mit sehr unterschiedlichem Ergebnis genauer beschrieben und definiert (vgl. Gruschke, Vagheit, S. 122 ff.; T. Schöne, Vagheit, S. 105 ff., 280 f.), sodass hieraus keine exakten Vorgaben für den juristischen Diskurs zu erwarten sind, s. a. Gruschke, ARSP-Beiheft 135 (2012), 55, 74 (Bilanz fällt eher mager aus). 87 Hier wird folgendermaßen unterschieden: Hinsichtlich der möglichen Bedeutung trennt man sogenannte positive Kandidaten, die in jedem Fall der Bedeutung eines Begriffs unterfallen, von den negativen Kandidaten, die nach gesicherter Kenntnis nicht zur Bedeutung des Begriffs gehören. Daneben existiert aber die dritte, problematische Kategorie der sog. neutralen Kandidaten, also solche, bei denen sich nicht mit Sicherheit sagen lässt, ob sie vom Bedeutungsgehalt eines Begriffs erfasst werden. Vgl. dazu Hassemer, Einführung, S. 181; NK4-Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 36; Herberger/H.-J. Koch, JuS 1978, 810, 812; H.-J. Koch, in: Die juristische Methode im Staatsrecht, 15, 43 f.; dens., Unbestimmte Rechtsbegriffe, S. 33 f.; H.-J. Koch/Rüßmann, Juristische Begründungslehre, S. 195 f.; Priester, in: Juristische Methodenlehre, 155, 159 f.; Puppe, Kleine Schule, S. 117 f.; Rüßmann, in: Sprache und Welterfahrung, 208, 227 f. Kritisch zu diesem Modell Klatt, Wortlautgrenze, S. 266 ff.; Müller/Christensen, Jur. Methodik I, Rn. 184; Schroth, in: Einführung in die Rechtsphilosophie8, 270, 288; ders., Theorie und Praxis, S. 110; Schünemann, FS Puppe, 243, 245 Fn. 12 („weniger glücklich“); Yi, Wortlautgrenze, S. 80 ff. 88 Nach dieser Ansicht, die auf Heck (s. etwa dens., Begriffsbildung, S. 52, 60) zurückgeht, gibt es bei jedem Begriff einen sicheren Begriffskern, also sichere Bedeutungen (Fälle positiver Gewissheit), sowie sicher nicht mehr abgedeckte Bereiche (Fälle

II. Bestimmtheitsgebot

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Schwächen des jeweiligen Modells einzugehen, die semantische Vielfalt eines solchen Wortes und die Ungewissheit an den Randbereichen. Damit steht fest, dass gewisse Spielräume, die die Bedeutung eines verwendeten Begriffs betreffen, durch das Wesen der Sprache selbst bedingt sind und sich – da man sich diesem Wesen nicht entziehen kann, sondern seiner bedienen muss – durch eine noch so kunstvolle Gesetzgebung nicht ausschalten lassen.89 Das ist jedenfalls für die Mehrdeutigkeit von Begriffen offensichtlich. Was die vagen Begriffe betrifft, so könnte man dies auch anders sehen. Gesetzt den Fall, dass Vagheit und Unbestimmtheit eines Begriffes tatsächlich größtenteils deckungsgleich wären, so könnte man aus dem Bestimmtheitsgebot das Postulat ableiten, auf vage Begriffe ganz zu verzichten. Dies ginge allerdings fehl. Erstens ist mit der Forderung nach insgesamt bestimmten Gesetzen nicht gleichzeitig festgesetzt, dass jeder unbestimmte Begriff zu vermeiden ist. Zweitens muss sich die Definition, die die Sprachtheorie für die Unbestimmtheit eines Begriffes herausgearbeitet hat, nicht zwingend mit der juristischen decken – wenngleich dies naheliegt. Drittens, und dies erscheint am wichtigsten, ist es für den Gesetzgeber fast unmöglich, vage Begriffe zu vermeiden. Zur Verifizierung dieser Behauptung muss man lediglich den Blick auf einen Unterfall der Vagheit richten. Bei den sogenannten porösen Begriffen tritt das Problem auf, dass auch bei Begriffen, die zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht vage sind, durch die Zukunftsoffenheit der Sprache Fälle entstehen, bei denen nach bloßer Heranziehung der semantischen Regeln keine Entscheidung über die Zugehörigkeit zum Bedeutungsgehalt des Begriffes getroffen werden kann (sog. potentielle Vagheit).90 Diese Entwicklung stets zu negativer Gewissheit); dazwischen werden im Begriffshof demgegenüber solche Phänomene verortet, deren Zugehörigkeit zum Bedeutungsgehalt eines Begriffs zum Rand hin immer unklarer, aber nicht ausgeschlossen ist; vgl. z. B. Engisch, Einführung, S. 193 f.; Krey, Studien, S. 46 ff.; Lenckner, JuS 1968, 249, 256; Ransiek, Gesetz und Lebenswirklichkeit, S. 4; F.-C. Schroeder, JZ 1969, 775, 777; Schünemann, FS Klug, 169, 177; dens., FS Hassemer, 239, 242; dens., FS Puppe, 243, 245; Thelen, Tatbestandsermessen, S. 146; Tiedemann, Tatbestandsfunktionen, S. 186; Wiedemeyer, Begründung, S. 159 ff. Kritisch zur Lehre vom Begriffskern Haft, JuS 1975, 477, 481; Herberger/H.-J. Koch, JuS 1978, 810, 812; H.-J. Koch, in: Die juristische Methode im Staatsrecht, 15, 44 f.; ders., Unbestimmte Rechtsbegriffe, S. 40 ff.; H.-J. Koch/Rüßmann, Juristische Begründungslehre, S. 199 f. 89 Vgl. Bierwisch, in: Rechtskultur als Sprachkultur, 42, 56; Duttge, Bestimmtheit, S. 177; Hassemer, Einführung, S. 195; Henkel, Einführung, S. 439; Lassahn, BLJ 2012, 52, 55; Lewisch, Verfassung und Strafrecht, S. 123; Ransiek, Gesetz und Lebenswirklichkeit, S. 4; Satzger/Schluckebier/Widmaier-Satzger, § 1 Rn. 20; Maunz/DürigSchmidt-Aßmann, Art. 103 II Rn. 185 („immanente Schranke“); Schünemann, FS Puppe, 243, 245 (ontologisch notwendige Kompetenz); Stächelin, Gesetzgebung, S. 213 f. Insofern kann man von einem Realitätsbezug des Strafrechts sprechen, vgl. NK4-Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 40; Schroth, in: Rechtskultur als Sprachkultur, 93, 101 f. Fn. 33. Generell skeptisch zur Leistungsfähigkeit von Sprache in Gesetzen Müller/Christensen, Jur. Methodik I, Rn. 67c, 166 f. 90 Hassemer, Einführung, S. 181 f.; NK4-Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 37; H.-J. Koch, in: Die juristische Methode im Staatsrecht, 15, 45; s. a. Kuhlen, in: Recht ohne Regeln, 19, 25; Schünemann, FS Puppe, 243, 249 f.; Simon, Gesetzesauslegung, S. 124; Yi, Wort-

130

D. Begriffsbestimmung

überblicken, überhaupt bei einem jeden Begriff die häufig anzutreffenden neutralen Kandidaten im Voraus zu erkennen, überfordert nur einen ideal gedachten Gesetzgeber nicht. Gerade die Vagheit von Begriffen macht es vielfach erforderlich, dass der Richter selbst über die Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit eines Gegenstandes zu einem Rechtsbegriff entscheidet, er muss selbst – gegebenenfalls unter Berücksichtigung der Ziele des Gesetzgebers – die entsprechende Sprachregel festsetzen.91 Sogar bei ermittelbaren Zielen des Gesetzgebers handelt es sich hierbei aber nicht um einen mechanischen, sondern um einen kreativen Akt. Somit erscheint es schon vom Wesen der Sprache her nicht verwunderlich, dass man – in geringerem Maße sicher auch bei bloß mehrdeutigen Begriffen, die durch den Kontext keine Festlegung erfahren – schon seit längerem vom (rechts-)schöpferischen Anteil des Richters92 bei der Auslegung spricht. Sagt man nun analog zum vagen Begriff, dass ein (Straf-)Gesetz unbestimmt ist, wenn sich seine Anwendbarkeit auf Sachverhalte in vertretbarer Weise unterschiedlich beurteilen lässt,93 bleibt dies erkennbar nur rechtstheoretisch:94 Wäre dies das Wesen von Unbestimmtheit im verfassungsrechtlichen Sinne, dann wäre, da diese Anwendungsunsicherheit bei zahlreichen Normen einmal der Fall sein wird, die Verfassungswidrigkeit weiter Teile des Strafrechts gegeben. Des Weiteren ergibt sich eine immanente Begrenzung der Leistungsfähigkeit des Bestimmtheitsbegriffs aus dem Wesen eines Gesetzes, aus seiner Funktion. Selbstredend bestehen hier starke Bezüge zu den soeben betrachteten Sprachphälautgrenze, S. 9 f. Der Begriff der Porosität wird in der (Sprach-)Philosophie allerdings durchaus verschieden bestimmt, manche sehen darin ein aliud zur Vagheit, so etwa Gruschke, Vagheit, S. 50 ff.; T. Schöne, Vagheit, S. 56 ff., 102. 91 Rüßmann, in: Sprache und Welterfahrung, 208, 227 f.; ferner Klatt, Wortlautgrenze, S. 276; H.-J. Koch, Unbestimmte Rechtsbegriffe, S. 34; s. a. Dopslaff, Wortbedeutung, S. 71 f.; Engels, GA 1982, 109, 118; Puppe, Kleine Schule, S. 118. 92 Hassemer, Einführung, S. 195; ders., in: Einführung in die Rechtsphilosophie8, 251, 252, 261; Hoffmann, in: Rechtskultur als Sprachkultur, 122, 144; P. Kirchhof, FS Univ. Heidelberg, 11, 16; Krey, Studien, S. 56 ff.; Lemmel, Strafbarkeitsvoraussetzungen, S. 68 f.; H. Mayer, AT, S. 38; s. a. Haft, in: Einführung in die Rechtsphilosophie6, 269, 281, 288; H.-J. Koch, in: Die juristische Methode im Staatsrecht, 15, 57; H.-J. Koch/Rüßmann, Juristische Begründungslehre, S. 23; Schlüchter, Mittlerfunktion, S. 2 f.; Th. Schröder, Gesetzesumgehung, S. 301; Schroth, in: Einführung in die Rechtsphilosophie8, 270, 273; Schünemann, FS Puppe, 243, 244 f. Die soeben getroffenen sprachtheoretischen Feststellungen machen auch umso deutlicher, weshalb die Vorstellung eines Montesquieus vom Richter als „Subsumtionsautomat“ heute als naiv und weltfremd bezeichnet wird. 93 Kuhlen, in: Recht ohne Regeln, 19, 23; s. a. Noll, Gesetzgebungslehre, S. 256. 94 Jenen von ihm selbst als rechtstheoretisch benannten Ansatz setzt Kuhlen, in: Recht ohne Regeln, 19, 23; ders., in: Gesetzlichkeit und Strafrecht, 429, 433; ders., in: Das Gesetzlichkeitsprinzip, 45, 58, dem verfassungsrechtlichen Begriff der Unbestimmtheit entgegen. Bei dieser Definition stellt sich zudem das Problem, dass die Entscheidung bestimmt-unbestimmt nur ex post möglich ist, das unbestimmte Gesetz wird nur durch das Ergebnis seiner Anwendung beschrieben. Die charakteristische Eigenschaft fehlt aber weiterhin.

II. Bestimmtheitsgebot

131

nomenen. In einem Rechtsstaat ist die Mehrzahl der Gesetze – sieht man von Ausnahmen ab – in abstrakt-genereller Form gefasst. Das betrifft in besonderem Maße die Strafgesetze. Ungeachtet zahlreicher Unstimmigkeiten, was die genauere Durchdringung dieses Begriffspaares anbelangt, genügt für unsere Zwecke ein Rückgriff auf die verwaltungsrechtliche Lesart. Der Begriff „generell“ deutet auf den von der Norm angesprochenen Adressatenkreis hin: Dieser ist zur Zeit des Erlasses der Regelung noch nicht abschließend bestimmbar.95 Dagegen knüpft der Begriff „abstrakt“ an das jeweils durch die Norm gebotene, verbotene oder erlaubte Verhalten an: Es soll nicht der Einzelfall, sondern vielmehr eine Vielzahl von Sachverhalten ähnlicher Art erfasst werden. Es liegt auf der Hand, dass in diesem Fall, will man tatsächlich einen nicht abschließend bestimmbaren Adressatenkreis und eine Vielzahl von Sachverhalten ähnlicher Art erfassen, ein gewisses Maß an semantischer Weite der verwendeten Begriffe notwendig ist; nur auf diese Weise kann im Rahmen der Normanwendung eine angemessene Einzelfallentscheidung garantiert, können überhaupt ausreichend viele Einzelfälle erfasst werden.96 Zwar ist nicht jeder abstrakte Begriff notgedrungen vage, da durchaus abstrakte Begriffe denkbar sind, bei denen sich stets bestimmen lässt, ob ein Kandidat darunter fällt; mit zunehmendem Abstraktionsgrad, der zur Erfassung immer weiter zueinander verschiedener Lebenssachverhalte erforderlich ist, geht die Vagheit von Begriffen allerdings z. T. notwendig einher.97 Aus diesem Grunde ist darauf zu achten, dass die Weite eines Gesetzes, d.h. seine allgemeine Fassung, um Einzelfälle zu erfassen, nicht stets mit seiner Unbestimmtheit verwechselt wird: Beide können zusammenfallen, müssen dies aber 95 s. etwa H.-J. Koch/Rüßmann, Juristische Begründungslehre, S. 81. Vgl. dagegen Noll, Gesetzgebungslehre, S. 201, der darauf hinweist, dass in der staatsrechtlichen Dogmatik abstrakt und generell auch synonym benutzt werden. Beispielsweise wird bei H. Schneider, Gesetzgebungslehre, Rn. 35, unter Generalität Allgemeinheit des Inhalts, also eine Aussage, die für unbestimmt viele Fälle gilt, verstanden. 96 Bierwisch, in: Rechtskultur als Sprachkultur, 42, 49; Geitmann, „Offene“ Normen, S. 46; Gröpl, Staatsrecht I, Rn. 506; Maunz/Dürig-Grzeszick, Art. 20 VII Rn. 59; P. Kirchhof, FS Univ. Heidelberg, 11, 18; s. a. Duttge, Bestimmtheit, S. 176; Hassemer, Tatbestand und Typus, S. 155; Henkel, Einführung, S. 439; Jakobs, AT, Ab. 4 Rn. 18, 23; Köhler, AT, S. 87; Müller/Christensen, Jur. Methodik I, Rn. 183; Papier/Möller, AöR 122 (1997), 177, 184, 186; BeckOK GG-Radtke/Hagemeier, Art. 103 Rn. 24; H. Schneider, Gesetzgebungslehre, Rn. 37. In Bezug auf das Strafrecht Herzberg, in: Schünemann-Symposium, 31, 55: Das Bestimmtheitsgebot könne vom Gesetzgeber, der das strafbare Tun abstrakt beschreiben müsse, nicht verlangen, was dieser nicht erreichen könne; vgl. auch Appel, Verfassung und Strafe, S. 118 f.; Rönnau/Soyka, NStZ 2009, 12, 13; F.-C. Schroeder, JZ 1969, 775, 777. G. Kirchhof, Allgemeinheit, S. 333, weist darauf hin, dass das Bestimmtheitsgebot gerade nicht Konkretheit, sondern Präzision erfordere, er spricht von der „Tiefenschärfe“ der allgemeinen Regel. 97 Vgl. Endicott, Legal Theory 7 (2001), 379, 382; Lassahn, BLJ 2012, 52, 55 (m.N.); s. a. Gruschke, Vagheit, S. 109; H. L. A. Hart, Concept of Law, S. 125 ff., 128 („. . . uncertainty at the borderline is the price to be paid for the use of general classifying terms . . .“); a. A. Sorensen, Legal Theory 7 (2001), 387, 405 f. (kontrollierbarer Nebeneffekt); etwas ambivalent T. Schöne, Vagheit, S. 18, 256 ff.

132

D. Begriffsbestimmung

nicht; denn die Weite eines Tatbestandes steht in Beziehung zum Anwendungsbereich einer Norm, während die Bestimmtheit eines Gesetzes mit seiner Berechenbarkeit zusammenhängt.98 Schließlich begründet die Forderung nach gesetzlicher Bestimmtheit nicht den Vorrang der sogenannten deskriptiven Tatbestandsmerkmale bei der Gesetzgebung. Zwar liegt dieser Schluss nahe, wenn man auf die gängigen Definitionen beider Begriffe blickt. Danach sind deskriptive Gesetzesbegriffe solche, die sich auf eine beschreibbare Tatsache bzw. ein wahrnehmbares Objekt oder Phänomen beziehen, während es sich bei normativen Gesetzesbegriffen um solche handeln soll, die nur anhand von Normen und Urteilen inhaltlich konkretisierbar seien.99 Dementsprechend trifft man von Zeit zu Zeit die Vorstellung an, dass deskriptive Tatbestandsmerkmale bei der Gesetzesfassung zum Erreichen gesetzlicher Bestimmtheit besser geeignet und daher vorzuziehen seien.100 Nichtsdestoweniger haben zahlreiche Autoren bereits nachgewiesen, dass deskriptive Begriffe trotz ihres scheinbar anschaulicheren, beschreibenden Charakters nicht automatisch bestimmter sind als die normativen Begriffe.101 Auf der einen wie auf der anderen Seite gibt es Anwendungsbeispiele102, bei denen die Bedeutung des Begriffes höchst präzise herausgefiltert wird, daneben aber auch solche, bei denen besonders die Grenzbereiche sehr unsicher bleiben. So genügt der normative Begriff der Fremdheit einer Sache durch seinen Bezug auf das Zivilrecht den Anforderungen an ein präzise gefasstes Gesetz ebenso wie etwa der deskriptive Begriff Kraftfahrzeug. Demgegenüber kann schon der deskriptive Begriff Mensch – ab wann ist man ein Mensch? – ähnliche Unklarheiten mit sich bringen wie der nor98

Noll, Gesetzgebungslehre, S. 255 f., 264; s. a. Engisch, Einführung, S. 217 f. Engisch, Einführung, S. 194 ff. 100 Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 9 Rn. 15; Hamann, GG und Strafgesetzgebung, S. 51; Krahl, Rechtsprechung, S. 300; Maurach/Zipf, AT/I8, § 10 Rn. 13; SK2-H.-L. Schreiber, § 1 Rn. 12; s. a. Kohlmann, Staatsgeheimnis, S. 236 ff., der allerdings die Problematik selbst erkennt, vgl. a. a. O., S. 236. Tiedemann, Tatbestandsfunktionen, S. 186, weist darauf hin, dass zwar auch deskriptive Begriffe einen unsicheren, aber immerhin enger gezogenen Begriffshof haben. Schlüchter, NStZ 1984, 300, 301 ff., sieht die normativen Tatbestandsmerkmale wegen deren Verweisung auf außerhalb der Norm liegende, u. U. durch die pluralistische Gesellschaft verschwommene Maßstäbe als problematisch an; sie ließen sich oft jedoch vor dem Verdikt der Unbestimmtheit durch ein Zurückgehen auf das „Mindestgemeinsame“ aller Meinungen im Wege der verfassungskonformen Auslegung retten; vgl. dazu auch Tiedemann, Verfassungsrecht und Strafrecht, S. 41. 101 Colombi Ciacchi, Fahrlässigkeit, S. 29; LK12-Dannecker, § 1 Rn. 199; Jakobs, AT, Ab. 4 Rn. 29; Krahl, Rechtsprechung, S. 5 (s. aber dagegen a. a. O., S. 300); Lemmel, Strafbarkeitsvoraussetzungen, S. 101; Noll, Gesetzgebungslehre, S. 257; s. a. Schönke/ Schröder29-Eser/Hecker, § 1 Rn. 19; Haft, JuS 1975, 477, 480; Jescheck/Weigend, AT, § 15 I 4; Lenckner, JuS 1968, 249, 256 f.; 305, 305; KK-OWiG-Rogall, § 3 Rn. 32; Roxin, AT/I, § 5 Rn. 27; Satzger/Schluckebier/Widmaier-Satzger, § 1 Rn. 21; MKSchmitz, § 1 Rn. 43; Schroth, in: Rechtskultur als Sprachkultur, 93, 101 f. Fn. 33. 102 Zu den folgenden Beispielen vgl. etwa Colombi Ciacchi, Fahrlässigkeit, S. 29; Lemmel, Strafbarkeitsvoraussetzungen, S. 101. 99

II. Bestimmtheitsgebot

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mative Begriff der Böswilligkeit. Hinzu tritt die Schwierigkeit, dass eine saubere Trennung beider Begriffsgruppen kaum möglich ist, da deskriptive Begriffe immer teils auch normativ sind, d.h. die Entscheidung über ihre unsicheren Kandidaten erfolgt gleichfalls anhand von Normen und Wertungen.103 Verlässt man nun den Weg der negativen Beschreibung hin zu den positiven Anforderungen, die die Forderung nach Gesetzesbestimmtheit aufstellt, so stößt man auf erhebliche Schwierigkeiten. Man läuft Gefahr, dass man sich, will man abstrakt Bedingungen angeben, ebenso unbestimmt ausdrückt. Dadurch wäre kaum etwas gewonnen. Zudem liefern Kriterien wie etwa die Praktikabilität, Willkürschutz, Vorhersehbarkeit, gerichtliche Nachprüfbarkeit104 zwar ex post Maßstäbe, um auf die Bestimmtheit eines Gesetzes zu schließen, sie vermögen aber kaum, den Gesetzgeber ex ante in die Lage zu versetzen, ein bestimmtes Gesetz zu erarbeiten. Ein „Rezept“, um Bestimmtheit zu erreichen, wird folglich nicht geliefert. Immerhin reicht der Ex-post-Schluss für die Prüfung, ob ein Gesetz dem jeweiligen Postulat der Verfassung genügt, aus. Insofern wird man sich mit den vorgeschlagenen Maßstäben begnügen müssen. Letztlich muss für den seinerseits vagen Begriff der Bestimmtheit auf seinen geschichtlich-dogmatischen Kontext zurückgegangen werden. Die Bestimmtheit eines Gesetzes soll helfen, gewisse Zwecke zu verfolgen, wobei diese je nach Rechtsgebiet durchaus unterschiedlich ausgeprägt sein können. Als bestimmt ist wenigstens das Gesetz zu qualifizieren, das in der Lage ist, die ins Auge gefassten Ziele zu erreichen bzw. zu sichern. Festzuhalten bleibt demzufolge nur der folgende – zugegeben dürre und wenig sagende – Satz: Unter der Bestimmtheit eines Gesetzes kann jedenfalls das Postulat verstanden werden, im Rahmen des sprachlich-gesetzestechnisch 105 Möglichen die dem Bestimmtheitsgebot zugrunde liegenden Ziele durch das Gesetz möglichst optimal zu erreichen bzw. sich ihnen anzunähern. 2. Die Bestimmtheit eines Gesetzes im System des Grundgesetzes Eine genaue Angabe, wann ein Gesetz generell bestimmt ist, welche Anforderungen bestehen, kann demnach mit Blick auf die Vielgestaltigkeit der Materie nicht getroffen werden.106 Es bietet sich an, aus pragmatischen Gründen für die 103 Colombi Ciacchi, Fahrlässigkeit, S. 29; Lemmel, Strafbarkeitsvoraussetzungen, S. 47, 101. 104 Vgl. dazu Geitmann, „Offene“ Normen, S. 91 ff.; nur für das Strafrecht Lemmel, Strafbarkeitsvoraussetzungen, S. 52 ff., 180 ff. 105 Dass eine sprachlich mögliche exaktere Formulierung den Zwecken der Gesetzesbestimmtheit nicht immer zuträglich ist, erscheint klar, deshalb räumen Papier/Möller, AöR 122 (1997), 177, 200, dem gesetzestechnisch Möglichen den Vorzug ein. 106 So im Ergebnis auch Geitmann, „Offene“ Normen, S. 18 f.; s. a. Lewisch, Verfassung und Strafrecht, S. 128; Maurer, Staatsrecht I, § 8 Rn. 47; Papier/Möller, AöR 122 (1997), 177, 185; KK-OWiG-Rogall, § 3 Rn. 32.

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D. Begriffsbestimmung

hier vorliegende Frage einen anderen Ansatz zu wählen. Am ehesten erscheint es möglich, die Anforderungen, die das Bestimmtheitsgebot an eine Strafnorm stellt, zu erfassen, indem man sie in den systematischen Kontext der generellen Kriterien einordnet, die das Grundgesetz zur Annäherung an eine lex certa aufstellt. Denn das Grundgesetz selbst drückt an verschiedenen Stellen aus, dass es – je nach Rechtsgebiet – unterschiedlich starke Anforderungen an Gesetze stellt. Kurz gesagt: Man weiß zwar nicht, was die Anforderungen genau beinhalten; trotzdem lassen sich bezüglich der Qualität der Anforderungen an den Regelungsgehalt eines Gesetzes zumindest Mehr- oder Weniger-Aussagen treffen. a) Allgemeiner Bestimmtheitsgrundsatz aus Art. 20 III GG Beginnt man damit, die verfassungsrechtliche Einbettung des strafrechtlichen Bestimmtheitsgebots aufzuzeigen, dann muss man gewissermaßen zu seinem Generalprinzip zurückgehen, nämlich dem allgemeinen Gebot, Gesetze in bestimmter Form zu fassen. Die Existenz des aus der Verfassung ableitbaren allgemeinen Bestimmtheitsgrundsatzes wird heute kaum noch ernstlich bestritten. Nach inzwischen ganz überwiegender Ansicht folgt aus dem in Art. 20 III GG enthaltenen Rechtsstaatsprinzip das Gebot der Rechtssicherheit, welches wiederum das Gebot bestimmter Gesetze mit sich bringt.107 Mindestanforderungen an die Bestimmtheit, also das „Was“ und das „Wie viel“ einer jeden gesetzlichen Regelung, statuiert das Grundgesetz somit zunächst ohne Ausnahme. Freilich überrascht es bei einem Verfassungsgebot mit derart weitem Anwendungsbereich nicht, dass innerhalb desselben stärker differenziert wird. Demgemäß trifft man in den gängigen Ausführungen zum allgemeinen Bestimmtheitsgrundsatz auf einiges, was sich – aus staatsrechtlicher Sicht – beim strafrechtlichen Bestimmtheitsgebot wiederholt respektive – aus strafrechtlicher Sicht – vom strafrechtlichen Bestimmtheitsgebot bereits bekannt erscheint. So soll das Gesetz nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in der Art bestimmt sein, dass der Bürger aus dem Gesetz erkennen können soll, was dieses fordert, um sein Verhalten entsprechend einstellen zu können.108 Der nötige Grad an ge-

107 Vgl. BVerfGE 49, 168, 181; 59, 104, 114; 78, 205, 212; 87, 234, 263; Gröpl, Staatsrecht I, Rn. 503; Maunz/Dürig-Grzeszick, Art. 20 VII Rn. 50; Jarass/Pieroth-Jarass, Art. 20 Rn. 57; P. Kunig, Jura 1990, 495, 495; auf die zusätzliche Verbindung des Bestimmtheitsgebots zu anderen aus der Rechtsstaatlichkeit folgenden Grundsätzen wie der Gewaltenteilung, der Gesetzesbindung, dem effektiven Rechtsschutz, der Grundrechtswahrnehmung, aber auch auf die eigenständige Ableitung des Gebots aus den Grundrechten selbst verweisen zu Recht Papier/Möller, AöR 122 (1997), 177, 179 ff., sowie Gassner, ZG 1996, 37, 40 ff., 56 („Amalgam“); s. a. Degenhart, Staatsrecht I, Rn. 374; Sodan/Ziekow, GK ÖR, § 7 Rn. 36. Kritisch zur Anerkennung eines allgemeinen Bestimmtheitsgrundsatzes dagegen Geitmann, „Offene“ Normen, S. 88 ff. 108 BVerfGE 8, 274, 325; 21, 73, 79; 31, 255, 264; 37, 132, 142; 45, 400, 420; 52, 1, 41; 56, 1, 12; 62, 169, 183; 78, 205, 212; 83, 130, 145; 84, 133, 149; 87, 234, 263; 108,

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setzlicher Bestimmtheit wachse dabei mit der Schwere der Auswirkungen für den Bürger, prägnant: je schwerer der Grundrechtseingriff, desto höher der erforderliche Bestimmtheitsgrad.109 Trotzdem sei die Verwendung sog. unbestimmter Rechtsbegriffe keineswegs untersagt, solange eine Auslegung durch die Rechtspraxis noch möglich sei bzw. Auslegungsprobleme gelöst werden könnten.110 Die hier angedeuteten mannigfaltigen Relativierungen des Grundsatzes in den Einzelfällen sowie die größtenteils zu beobachtende Zurückhaltung des Bundesverfassungsgerichts bei seiner Durchsetzung sind zweierlei Umständen geschuldet. Zum einen steckt dahinter sicherlich die Rücksichtnahme auf die Bedürfnisse der Praxis. Zum anderen spielt, wie angedeutet, der universale Anwendungsbereich des Grundsatzes eine große Rolle. Derart weit gefasst stellt sich das gleiche Inhaltsproblem wie oben bei der Skizze des Begriffs von Gesetzesbestimmtheit, die Unsicherheit der Anforderungen scheint Relativierungen stark zu begünstigen. b) Besondere verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebote Das Grundgesetz bleibt aber nicht auf der Ebene des allgemeinen Bestimmtheitsgrundsatzes stehen. Für die Strafgesetze wird die Latte der zu erreichenden Gesetzesbestimmtheit per se angehoben. Art. 103 II GG stellt insofern im Vergleich zum allgemeinen Bestimmtheitsgrundsatz strengere Anforderungen an das „Was“ und das „Wie viel“ der gesetzlichen Regelung.111 Sieht man davon ab,

52, 75; 108, 186, 235; 110, 33, 53 f. S. a. Maunz/Dürig-Grzeszick, Art. 20 VII Rn. 58; Maurer, Staatsrecht I, § 8 Rn. 47; Sodan/Ziekow, GK ÖR, § 7 Rn. 37. 109 BVerfGE 49, 168, 181; 56, 1, 13; 59, 104, 114; 83, 130, 145; 87, 234, 263; 93, 213, 238; 102, 254, 337; 105, 135, 159; 108, 186, 235. S. a. Degenhart, Staatsrecht I, Rn. 376; BeckOK GG-Huster/Rux, Art. 20 Rn. 182; Papier/Möller, AöR 122 (1997), 177, 187. 110 BVerfGE 8, 274, 326; 80, 103, 108; 87, 234, 263 f.; 90, 1, 16 f.; 102, 254, 337; 103, 21, 33. Vielen erscheint es allerdings paradox und unglücklich, im Rahmen des Bestimmtheitsgebots von zulässigen unbestimmten Rechtsbegriffen zu sprechen, zumal diese Begriffskategorie unklar sei; vgl. Papier/Möller, AöR 122 (1997), 177, 284 Fn. 27; H. Schneider, Gesetzgebungslehre, Rn. 70; s. a. P. Kunig, Jura 1990, 495, 497 („kategoriales Paradoxon“); Schiemann, Schuldfähigkeitsfeststellungen, S. 18 f. (zu Art. 103 II GG); Simon, Gesetzesauslegung, S. 431 Fn. 140 (zu Art. 103 II GG). 111 BVerfGE 49, 168, 181; BVerfG NJW 1988, 2593, 2594; Stern/F. Becker-Brüning, Art. 103 Rn. 57; LK12-Dannecker, § 1 Rn. 180; Sachs-Degenhart, Art. 103 Rn. 67; ders., Staatsrecht I, Rn. 377; Epping, Grundrechte, Rn. 979; BeckOK GG-Huster/Rux, Art. 20 Rn. 182.1; Jahn, JZ 1988, 545, 548; Jarass/Pieroth-Jarass, Art. 20 Rn. 57; v. Mangoldt/Klein/Starck-Nolte, Art. 103 II Rn. 138; Jarass/Pieroth-Pieroth, Art. 103 Rn. 51; Pieroth/Schlink/Kingreen/Poscher, Staatsrecht II, Rn. 1194; Schmidt-Bleibtreu/ Klein-Schmahl, Art. 103 Rn. 32; S. Schulz, Änderungsfeste Grundrechte, S. 549; Sodan/Ziekow, GK ÖR, § 7 Rn. 35; Zuck, ZAP Fach 19 (2009), 703, 705; s. a. Appel, Verfassung und Strafe, S. 571; Birkenstock, Bestimmtheit, S. 123 (zur Konzeption des BVerfG); Hamann, GG und Strafgesetzgebung, S. 47; Kühl, FS Stöckel, 117, 121; H. Schneider, Gesetzgebungslehre, Rn. 73; D. Schroeder, JA 2010, 167, 172; DreierSchulze-Fielitz, Art. 103 II Rn. 39. Für P. Kunig, Jura 1990, 495, 495, handelt es sich

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D. Begriffsbestimmung

dass das strafrechtliche Bestimmtheitsgebot historisch älter ist, so kann man Art. 103 II GG im System des Grundgesetzes als in Verfassungsrecht gegossenen Ausdruck des Je-desto-Gedankens auffassen: An das Strafrecht als Grundlage der denkbar schwersten rechtsstaatlichen Eingriffe in die Grundrechte müssen entsprechend strenge Anforderungen bei der Fassung ebenjener Gesetze gestellt werden. Dabei ist das Bestimmtheitsgebot aus Art. 103 II GG keineswegs die einzige Grundgesetzvorschrift, die die Anforderungen an die gesetzliche Bestimmtheit explizit ausspricht. Vielmehr finden sich explizite Postulate auch in Art. 101 I 2, II, 97 GG. Den höchsten Bekanntheitsgrad dürfte – neben dem Nullum-crimenSatz – das aus Art. 80 I 2 GG folgende Bestimmtheitsgebot innehaben. 3. Bestimmtheitsgebot im Strafrecht Korrespondierend zu der Unsicherheit, wie man nun ein Gesetz zu einem bestimmten Gesetz macht, ist der Inhalt des Bestimmtheitsgebots im Strafrecht streitig geblieben. Exemplarisch dafür ist, dass bereits die Ableitung des Bestimmtheitsgebots aus dem Wortlaut der Verfassungsvorschrift unterschiedlich vorgenommen wird. Während das Gebot überwiegend dem Partizip „bestimmt“ entnommen wird,112 wollen andere das Wort „gesetzlich“ als entscheidend erblickt haben113; wieder andere meinen, dass aus dem Begriffspaar „gesetzlich bestimmt“ gar kein Bestimmtheitsgebot folge, sondern dass schon eine bloße Anordnung der Strafbarkeit genüge.114 Auch die Uneinigkeit über die Zwecke des bei dieser These angesichts der Spruchpraxis des Bundesverfassungsgerichts mehr um ein Postulat als um eine Wiedergabe des Ist-Zustandes; skeptisch auch Dreier-SchulzeFielitz, Art. 103 II Rn. 42. In eine ähnliche Richtung geht die Kritik von Seebode, FS Spendel, 317, 323 f., der – etwa im Vergleich zum strengen Volkszählungsurteil, BVerfGE 65, 1, 64 ff. – die Anforderungen, die Art. 103 II GG entnommen werden, als deutlich geringer empfindet. Das ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Gleichwohl ist nach dem vom Grundgesetz vorgegebenen Gefüge ein strenger angelegtes strafrechtliches Bestimmtheitsgebot Ausdruck des Sollzustandes. Außerdem ist Seebodes Vergleichsbeispiel etwas irreführend: Der durch die Volkszählung erfolgende Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ist sehr intensiv; zwar ist dieser nicht – wie oft im Falle der Strafe – existenzvernichtend, es steht aber immerhin die schwere Beeinträchtigung eines gänzlich anderen Grundrechts als die durch Strafe betroffenen in Rede. Auch diese müssen effektiv geschützt werden. Bei intensiven Eingriffen in andere Grundrechte können sich die dem allgemeinen Bestimmtheitsgrundsatz zu entnehmenden Anforderungen dementsprechend erhöhen und denen des Art. 103 II GG annähern. 112 Roxin, AT/I, § 5 Rn. 67; s. a. Bopp, Entwicklung, S. 154; Kuhli, Völkerstrafgesetzbuch, S. 72; Rotsch, ZJS 2008, 132, 133; Schier, Bestimmtheit, S. 1 f., 91 ff. 113 F.-C. Schroeder, JZ 1969, 775, 776; s. a. Böhm, Gesetzlichkeit, S. 117. 114 Schmidhäuser, GS Martens, 231, 244; s. a. Kohlmann, Staatsgeheimnis, S. 157; Nickel, Problematik, S. 159. Dagegen aber Herzberg, in: Schünemann-Symposium, 31, 36 f.; Ransiek, Gesetz und Lebenswirklichkeit, S. 7 f.; D. Schroeder, JA 2010, 167, 172 („inzident“).

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Gesetzlichkeitsprinzips, die zuvor gezeigt wurde, spielt hier eine Rolle. Neben der Diskussion um die Anforderungen an die Ausgestaltung des Gesetzes wird neuerdings – verstärkt durch die Untreue-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts – des Öfteren die Frage aufgeworfen, ob sich das Bestimmtheitsgebot als Auslegungsregel an den Rechtsanwender richtet. a) Anforderungen an das Strafgesetz Blickt man zunächst auf das Gebot, das Art. 103 II GG an den Gesetzgeber richtet, so fällt auf: Es werden im strafrechtlichen Schrifttum sowie von der Rechtsprechung höchst unterschiedliche Anforderungen an den Gesetzgeber abgeleitet. Diese reichen von einer stark skeptischen Haltung, die den Gesetzgeber nicht oder kaum binden will, bis hin zu einer optimistischen, strengen Auffassung, was die Leistungsfähigkeit des Bestimmtheitsgebots betrifft. aa) Skeptiker Nicht selten findet man im Schrifttum Autoren, die den Gedanken gesetzlicher Bestimmtheit als schlichte „Utopie“ 115 bezeichnen. Diese Autoren, hier der Einfachheit halber „Skeptiker“ genannt, vertreten, dass sich das Bestimmtheitsgebot in der herkömmlichen Lesart nicht realisieren lasse und daher abzulehnen sei. Die dafür – außer den genannten sprachbedingten Schwierigkeiten – ins Feld geführten Gründe sind folgende. Zum einen wird darauf hingewiesen, dass das Bestimmtheitsgebot durch die Praxis so gut wie nicht beachtet werde und somit scheinbar kaum Bindungen erzeuge.116 Zum anderen sei zu beachten, dass der Wert der materiellen Gerechtigkeit im Strafrecht ebenfalls eine gewisse Durchsetzung benötige; mithin sei eine Abwägung zwischen Rechtssicherheit und Gerechtigkeit – auch bei der Gesetzesfassung – immer nötig,117 was natürlich gegen ein überbetontes Bestimmtheitsgebot spreche. Freilich sind die Folgerungen, die aus diesen Erwägungen gezogen werden, durchaus unterschiedlich. Rund heraus negiert wird das Bestehen eines aus Art. 103 II GG abzuleitenden, an den Gesetzgeber gerichteten Bestimmtheitsgebots von Nickel. Ausschließlich der Richter sei der Adressat des grundrechtsgleichen Rechts; dem Gesetzgeber komme es zu, im Gesetz die Abwägung zwischen 115 Kielwein, Annales Universitatis Saraviensis VIII (1960), 127, 135; Schmidhäuser, GS Martens, 231, 241. Kritisch dazu Süß, in: Vom unmöglichen Zustand des Strafrechts, 207, 215. 116 Kielwein, Annales Universitatis Saraviensis VIII (1960), 127, 132 f.; Schmidhäuser, GS Martens, 231, 233 ff., 238. 117 Nickel, Problematik, S. 159 ff.; Schmidhäuser, GS Martens, 231, 242 f.; s. a. Kielwein, Annales Universitatis Saraviensis VIII (1960), 127, 131 f.

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Gerechtigkeit und Rechtssicherheit zu treffen, wobei diese nicht justiziabel sei.118 Andere wollen das Bestimmtheitsgebot inhaltlich im Vergleich zur herrschenden Auffassung lediglich abschwächen, um so der Rechtsrealität näher zu kommen. So spricht Schmidhäuser von einem Gebot der relativen Bestimmtheit des Strafgesetzes, da das Grundgesetz selbst nur die Anordnung der Strafbarkeit fordere; dementsprechend seien die Anforderungen an die Gesetzgebung bloß im Rahmen des Möglichen zu stellen, im Übrigen sei auf die Vertretbarkeit der richterlichen Entscheidung zu vertrauen.119 Dagegen will Herzberg nur dann eine verfassungswidrige Unbestimmtheit von Strafgesetzen annehmen, wenn ein Tatbestand nicht auf eine bestimmte inkriminierte Handlung begrenzt ist.120 Um den Skeptikern entgegenzutreten, muss man sich nicht auf einen Verweis auf die aus § 31 BVerfGG folgende Gesetzeskraft der Entscheidungen – und der dieselben tragenden Entscheidungsgründe – des Bundesverfassungsgerichts zum Bestimmtheitsgebot beschränken,121 die der soeben vorgestellten Interpretation entgegenstünde. Immerhin ist es nie ausgeschlossen, dass das Bundesverfassungsgericht seine Rechtsprechung einst einmal „korrigiert“ und damit anderen Auffassungen zur Gesetzeskraft verhilft. Folglich begründen seine Entscheidungen keine Denkverbote für Literatur und Wissenschaft. Bedenken ergeben sich vielmehr daraus, dass das im Vorgehenden skizzierte verfassungsrechtliche Gefüge fast vollständig ignoriert wird. Mögen auch die Grundlagen des Bestimmtheitsgebots für einige utopisch sein, so fußt doch das Grundgesetz erkennbar auf diesen. Wenn dahingegen auf die fehlende Beachtung des Bestimmtheitsgebots in der Praxis verwiesen wird, dann ist dies selbst noch kein zwingender Grund, jenes aufzugeben oder abzuschwächen: Das faktische würde sonst zum inhaltsprägenden Moment erhoben.122 Die Möglichkeit, aufgrund des Strafgesetzes eine – objektiv verstandene – Berechenbarkeit des Strafrechts zu gewährleisten, muss in einem Rechtsstaat zumindest als Fiktion vorausgesetzt werden.123 Dies hindert 118 Nickel, Problematik, S. 172 ff. Dabei wird man Nickel zweierlei entgegenhalten können: Erstens fragt sich, wie ein grundrechtsgleiches Recht wie Art. 103 II GG, das alle Gewalten bindet, nur an den Richter adressiert sein soll. Zweitens erscheint es als bloße Behauptung, der Abwägung zwischen Rechtssicherheit und Einzelfallgerechtigkeit die Justiziabilität abzusprechen – dem Gesetzgeber würde so eine vom Verfassungsrecht erkennbar nicht gewollte Einschätzungsprärogative zugestanden. Für die Aufgabe von Art. 103 II GG insgesamt anscheinend Kielwein, Annales Universitatis Saraviensis VIII (1960), 127, 134 f. 119 Schmidhäuser, GS Martens, 231, 242 ff.; s. a. v. Mangoldt/Klein/Starck-Nolte, Art. 103 II Rn. 142; früher schon zur „relativen Bestimmtheit“ Schütze, AT, S. 45 f. Kritisch dazu mit Recht Duttge, Bestimmtheit, S. 179 f. („. . . stellt die Verhältnisse gleichsam auf den Kopf.“). 120 Herzberg, in: Schünemann-Symposium, 31, 53 f. 121 So aber beispielsweise in der Diskussion um die Wortsinngrenze beim Analogieverbot Krey, ZStW 101 (1989), 838, 846 f.; ders., AT3, Rn. 89. 122 Krahl, Rechtsprechung, S. 294. 123 Ähnlich in Bezug auf die Gesetzesbindung Schlothauer, StraFo 2011, 459, 470.

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allerdings nicht, die Begrenzungen dieser Möglichkeit auszusprechen. Im Hinblick auf Letzteres sind die Einlassungen der „Skeptiker“, besonders was den Einfluss der materiellen Gerechtigkeit, die ihrerseits verfassungsrechtlich verbürgt ist, und die Grenzen der Sprache angeht, durchaus bemerkenswert. Sie vermögen lediglich nicht, den Leser zum derart weitgehenden Schluss zu überzeugen, das Bestimmtheitsgebot ganz aufzugeben oder bis zur Bedeutungslosigkeit aufzuweichen. bb) Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Über die vergangenen Jahrzehnte hinweg hat das Bundesverfassungsgericht einen Kanon an wiederkehrenden Formeln zum Bestimmtheitsgebot entwickelt. Zu beobachten ist hier ein stetiges Wechselspiel zwischen scheinbar strengen Voraussetzungen und auf dem Fuße folgenden Relativierungen derselben. Darum wird dem Bundesverfassungsgericht vielfach eine (zu) große Zurückhaltung124 gegenüber dem Gesetzgeber attestiert. In einem ersten Schritt leitet das Bundesverfassungsgericht stets aus Art. 103 II GG die Verpflichtung für den Gesetzgeber ab, die Voraussetzungen der Strafbarkeit so konkret zu umschreiben, dass Anwendungsbereich und Tragweite der strafrechtlichen Regel sich schon aus dem Wortlaut ergeben oder jedenfalls durch Auslegung ermittelbar sind.125 In einem zweiten Schritt begründet es diese Ableitung: Art. 103 II GG diene einem doppelten Zweck, nämlich einerseits dem Bürger Vorhersehbarkeit zu gewähren, andererseits zu sichern, dass der Gesetzgeber die Entscheidung über die Voraussetzungen der Strafbarkeit eines strafwürdigen Verhaltens selbst treffe; insofern beinhalte Art. 103 II GG einen strengen Gesetzesvorbehalt.126 Den dritten Schritt des Bundesverfassungsgerichts prägen dann in der Regel Relativierungen der soeben aufgestellten Postulate. Jene bedürfen hier besonderer Aufmerksamkeit. Dem Gesetzgeber sei keinesfalls die Verwendung von Begriffen verboten, die in besonderem Maße der Auslegung durch die Gerichte bedürften; auch im Straf124 Ausführliche Analyse und Kritik der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zumindest bis 1986 bei Krahl, Rechtsprechung. Vgl. auch Geitmann, „Offene“ Normen, S. 13; Greco, GA 2012, 452, 458 („zahnlos“); dens., in: Strafrecht und Verfassung, 13, 22; Grünwald, FS Arth. Kaufmann, 433, 439; Landau, NStZ 2011, 537, 542; Rotsch, ZJS 2008, 132, 132; Roxin, JöR 59 (2011), 1, 24 („lax“); Schiemann, Schuldfähigkeitsfeststellungen, S. 6 Fn. 20, 19; Seebode, JZ 2004, 305, 306 f.; dens., FS Spendel, 317, 326 f.; Simon, Gesetzesauslegung, S. 432 f.; Stächelin, Gesetzgebung, S. 213, 216; Vormbaum, ZStW 123 (2011), 660, 684 (zu kleinster Münze gehandelt); mit der gleichen Kritik beim allgemeinen Bestimmtheitsgrundsatz Papier/Möller, AöR 122 (1997), 177, 197; Sodan/Ziekow, GK ÖR, § 7 Rn. 40. 125 BVerfGE 71, 108, 114; 73, 206, 234; 75, 329, 341; 92, 1, 12; 126, 170, 195; BVerfG NJW 2002, 1779, 1779; 2003, 1030, 1030. 126 BVerfGE 71, 108, 114; 73, 206, 235; 75, 329, 341; 92, 1, 12; 126, 170, 194.

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D. Begriffsbestimmung

recht bestünde angesichts der Vielgestaltigkeit des Lebens ein Bedarf an Vagheit, im Übrigen erzeuge bereits die Allgemeinheit und die damit verbundene Abstraktion eines Strafgesetzes hinzunehmende Zweifel.127 Unbedenklich seien solche Begriffe insbesondere, wenn sie die Grundlage für eine zuverlässige Auslegung und Anwendung des Gesetzes bildeten; ausreichend sei aber ebenso, wenn eine gefestigte Rechtsprechung die Bedenken beseitigen könne und die Norm hieraus eine hinreichende Bestimmtheit gewinne.128 Den Grad der zu erreichenden Bestimmtheit oder gar deren genaue qualitative Anforderungen an ein Strafgesetz vermag auch das Bundesverfassungsgericht nicht zu definieren; neben einem Verweis auf eine vorzunehmende Gesamtbetrachtung behilft es sich mit der – schon vom allgemeinen Bestimmtheitsgrundsatz bekannten – Je-destoFormel: Je schwerer die im Strafgesetz angedrohte Strafe sei, desto präziser müssten die Voraussetzungen der Strafbarkeit gesetzlich festgelegt werden.129 Besonders der dritte Schritt, den das Bundesverfassungsgericht bei seiner Prüfung, ob ein Strafgesetz ausreichend bestimmt ist, als Programm vorausschickt, ist auf vehemente Kritik gestoßen. Herauszugreifen sind dabei die behauptete richterliche Präzisierung eines an sich unbestimmten Gesetzes sowie die Je-desto-Formel. Wenn darauf abgestellt wird, es reiche für das Bestimmtheitsgebot aus, dass sich eine gefestigte Rechtsprechung herausgebildet habe, so ist dem mit der ganz h. M. zu entgegnen: Durch eine gefestigte Rechtsprechung lässt sich ein in verfassungswidriger Weise unbestimmtes Strafgesetz nicht heilen, gesetzliche Bestimmtheit ist eben etwas anderes als interpretatorische Bestimmtheit.130 Sähe 127

BVerfGE 71, 108, 114 f.; 73, 206, 235; 75, 329, 342 f.; 92, 1, 12; 126, 170,

195 f. 128

BVerfGE 26, 41, 43; 28, 175, 185; 37, 201, 208; 45, 363, 372; 48, 48, 56; 57, 250, 262; 73, 206, 243; 86, 288, 311; 87, 209, 226 f.; 92, 1, 18; 93, 266, 292; 126, 170, 196 f.; BVerfG NJW 2003, 1030, 1030. 129 BVerfGE 14, 245, 251; 26, 41, 43; 41, 314, 320; 75, 329, 342 f.; 105, 135, 155; 126, 170, 196; BVerfG NJW 2002, 1779, 1780. 130 So Jakobs, AT, Ab. 4 Rn. 14 Fn. 34a, Rn. 28; vgl. auch Amelung, NJW 1995, 2584, 2587; Bohnert, ZStW 94 (1982), 68, 71; Böse, Jura 2011, 617, 620; Colombi Ciacchi, Fahrlässigkeit, S. 18 ff.; LK12-Dannecker, § 1 Rn. 201; Duttge, Bestimmtheit, S. 172 f.; Grünwald, FS Arth. Kaufmann, 433, 437 f., 439; NK4-Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 70b; Köhler, AT, S. 89; Krahl, Rechtsprechung, S. 261 f.; Krüger, NStZ 2011, 369, 371; Kuhlen, FS Otto, 89, 104; dens., JR 2011, 246, 248 Fn. 33 (offen aber ders., Verfassungskonforme Auslegung, S. 98); v. Münch/P. Kunig-P. Kunig, Art. 103 Rn. 29; dens., Jura 1990, 495, 495 Fn. 12; Paeffgen, StraFo 2007, 442, 443 Fn. 33; BeckOK GG-Radtke/Hagemeier, Art. 103 Rn. 24.1, 28; Rengier, AT, § 4 Rn. 28; Roxin, AT/I, § 5 Rn. 70; dens., JöR 59 (2011), 1, 24; dens., in: Das Gesetzlichkeitsprinzip, 113, 134; Satzger/Schluckebier/Widmaier-Satzger, § 1 Rn. 22; Schier, Bestimmtheit, S. 178; Maunz/Dürig-Schmidt-Aßmann, Art. 103 II Rn. 225; MK-Schmitz, § 1 Rn. 47; F.-C. Schroeder, JZ 1969, 775, 778; Schroth, in: Rechtskultur als Sprachkultur, 93, 97 Fn. 17; L. Schulz, FS Roxin II, 305, 320; dens., ARSP-Beiheft 65 (1996), 173, 177; Schünemann, Nulla Poena, S. 32 f.; Seebode, JZ 2004, 305, 307; Stächelin, Gesetzgebung, S. 219 f.; ferner Matt/Renzikowski-Basak, § 1 Rn. 15; Engländer, Grund und Grenzen,

II. Bestimmtheitsgebot

141

man dies anders, so ließe sich die Anweisung an den Gesetzgeber gänzlich aushöhlen, der demokratisch-gewaltenteilende Aspekt wäre preisgegeben.131 Zudem käme es zu der eigenartigen Situation, dass für die Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes entscheidend wäre, ob die Rechtsprechung schon die Gelegenheit zur Präzisierung hatte;132 eine solchermaßen „schwebende Verfassungswidrigkeit“ ist wenig erträglich. Höchstens kann man die Tatsache, dass sich eine gefestigte Rechtsprechung gebildet hat, als Indiz dafür werten, dass die Norm von Anfang an in ausreichendem Maße bestimmt war.133 Freilich ist der Nachteil dieses indiziellen Schlusses leicht ersichtlich. Dadurch wird lediglich ex post feststellbar, ob eine Norm den Anforderungen des Art. 103 II GG genügt. Für eine Betrachtung ex ante, auf die es beim Gesetzgebungsakt für den Gesetzgeber ankommt, gibt dies wenig her. Es muss aber konzediert werden, dass dies für die meisten der vorgeschlagenen Lösungswege zum Bestimmtheitsgebot gilt. Dagegen scheint sich der Je-desto-Gedanke, den das Bundesverfassungsgericht ins Spiel bringt, recht gut einzufügen, wenn man sich die theoretische grundgesetzliche Konzeption vor Augen führt. Auch hier gelten für das Strafrecht als Quelle potentiell schwerer Eingriffe im Vergleich zu anderen Eingriffsermächtigungen höhere Anforderungen. Nichtsdestoweniger wird man die Je-desto-Formel mit der überwiegenden Auffassung im Schrifttum134 ablehnen müssen. WeS. 309 f.; Geitmann, „Offene“ Normen, S. 30, 43; Greco, in: Strafrecht und Verfassung, 13, 23; Heinrich, AT, Rn. 30; Lenckner, JuS 1968, 305, 306 („. . . auch der bekannte Schurkenparagraph würde nicht deshalb mit Art. 103 II GG zu vereinbaren sein, weil es Richter gibt, die vernünftig mit ihm umgehen.“); Marxen, JZ 1988, 286, 288; NK3-Marxen/Böse, § 14 Rn. 7; Jarass/Pieroth-Pieroth, Art. 103 Rn. 52; IntKommEMRK-Renzikowski, Art. 7 Rn. 58; Rotsch, ZJS 2008, 132, 134 f. Zur insoweit der des BVerfG ähnelnden Rechtsprechung des US-amerikanischen Supreme Court s. Dan-Cohen, Harvard Law Review 97 (1984), 625, 658 f. 131 Amelung, NJW 1995, 2584, 2587; Böse, Jura 2011, 617, 620; Colombi Ciacchi, Fahrlässigkeit, S. 18 f.; Duttge, Bestimmtheit, S. 172 f.; Jakobs, AT, Ab. 4 Rn. 28; Roxin, AT/I, § 5 Rn. 70; MK-Schmitz, § 1 Rn. 47; Seebode, JZ 2004, 305, 307 („eingeleitete Erosion“); s. a. D. Albrecht, Begründung, S. 147; Frister, AT, Kap. 4 Rn. 14; Köhler, AT, S. 89; Kühl, FS Stöckel, 117, 131 (zweifelnd auch ders., FS Seebode, 61, 65 f.); P. Kunig, Jura 1990, 495, 495 Fn. 12; Satzger/Schluckebier/Widmaier-Satzger, § 1 Rn. 22; Th. Schröder, Gesetzesumgehung, S. 368, 374; Schroth, in: Rechtskultur als Sprachkultur, 93, 97 Fn. 17. 132 Bohnert, ZStW 94 (1982), 68, 71; Böse, Jura 2011, 617, 620; Colombi Ciacchi, Fahrlässigkeit, S. 18; Krüger, NStZ 2011, 369, 371; Kuhlen, FS Otto, 89, 104; ders., Verfassungskonforme Auslegung, S. 98; Schünemann, Nulla Poena, S. 33 (keine Heilung eines Verfassungsverstoßes durch weitere Verfassungsverstöße); s. a. Rengier, AT, § 4 Rn. 28; Schier, Bestimmtheit, S. 175; MK-Schmitz, § 1 Rn. 47; Simon, Gesetzesauslegung, S. 449. 133 Simon, Gesetzesauslegung, S. 449; ebenso L. Schulz, FS Roxin II, 305, 320. 134 Appel, Verfassung und Strafe, S. 119 f.; LK12-Dannecker, § 1 Rn. 186; Duttge, Bestimmtheit, S. 180; ders., FS Kohlmann, 13, 28; Gropp, AT, § 2 Rn. 28; Haft, JuS 1975, 477, 480 („seltsame[n] Theorie“); Köhler, AT, S. 89; Krahl, Rechtsprechung, S. 319 f.; v. Münch/P. Kunig-P. Kunig, Art. 103 Rn. 29; ders., Jura 1990, 495, 495 f.; MüllerDietz, FS Lenckner, 179, 189 f.; Paulduro, Verfassungsgemäßheit, S. 379 f.; KK-OWiG-

142

D. Begriffsbestimmung

niger trägt dabei nach m. E. die Erwägung, Abstufungen der Bestimmtheit zwischen schweren und weniger schweren Strafen seien aus dem Wortlaut des Grundgesetzes nicht ersichtlich und alle demgemäß am gleichen Maßstab zu messen.135 Bei einer Verfassungsvorschrift wird sich selten allein aus dem Wortlaut Raum für derartige Differenzierungen ergeben. Diese würden sich mit sachlichen, aus der Verfassung abgeleiteten Begründungen durchaus legitimieren lassen. Allerdings fehlt es an solchen in Bezug auf die Je-desto-Formel. Denn die dem Gesetzlichkeitsprinzip zugrunde liegenden Zwecke (Gewaltenteilung, Vorhersehbarkeit, Freiheitsschutz) sind unabhängig von der Schwere der Rechtsfolge gleich betroffen.136 Beispielsweise erschüttert eine auf unzureichend bestimmter Gesetzesgrundlage basierende Geldstrafe ebenfalls das Vertrauen der Rechtsgemeinschaft in die Berechenbarkeit des Strafrechts – mit jeder Strafe ist nun einmal die hoheitliche Missbilligung von Schuld verbunden137. In der Etablierung der Je-desto-Formel liegt ferner die Gefahr begründet, dass die vom Grundgesetz beabsichtigten verschärften Anforderungen an die Bestimmtheit des Strafgesetzes eingeebnet und denen des allgemeinen Bestimmtheitsgrundsatzes – da auch bei diesem bekanntlich ein Je-desto-Gedanke bemüht wird – aus Art. 20 III GG gleichgeschaltet werden.138 Außerdem ist mit Schünemann der mit der Je-destoFormel verbundene Gewinn zu bezweifeln, werden doch durch sie zwei unbestimmte Maßstäbe schlicht verkoppelt.139 Während der Wert der Je-desto-Formel bereits für die Tatbestände im Dunkeln bleibt, ist sie für die Prüfung einzelner AT-Vorschriften schlechterdings unbrauchbar, da diese nicht einfach mit den Tatbeständen zusammengelesen werden dürfen. Es bleibt als Fazit: Die von der Literatur ins Visier genommene These der „Heilung“ eines unbestimmten Strafgesetzes durch eine gefestigte Rechtsprechung sowie die Je-desto-Formel überzeugen nicht. Gleichwohl enthalten die

Rogall, § 3 Rn. 34; Roxin, AT/I, § 5 Rn. 70; Schier, Bestimmtheit, S. 204 ff.; F.-C. Schroeder, JZ 1969, 775, 778; Schünemann, Nulla poena, S. 32 f.; Seel, Tatbestandsmerkmale, S. 65 Fn. 9; AK-GG-Wassermann, Art. 103 Rn. 52; kritisch auch Greco, in: Strafrecht und Verfassung, 13, 22 f. („Sog der unaufhaltsamen Dynamik des Verhältnismäßigkeitsprinzips“). 135 v. Münch/P. Kunig-P. Kunig, Art. 103 Rn. 29; ders., Jura 1990, 495, 495; s. a. Müller-Dietz, FS Lenckner, 179, 190; Roxin, AT/I, § 5 Rn. 70; dens., JöR 59 (2011), 1, 24; dens., in: Das Gesetzlichkeitsprinzip, 113, 134; Schier, Bestimmtheit, S. 207. 136 Duttge, Bestimmtheit, S. 180; ders., FS Kohlmann, 13, 28; Gropp, AT, § 2 Rn. 28; Köhler, AT, S. 89; v. Münch/P. Kunig-P. Kunig, Art. 103 Rn. 29; Schünemann, Nulla poena, S. 32 f.; s. a. Schier, Bestimmtheit, S. 206 f.; Th. Schröder, Gesetzesumgehung, S. 373 f. 137 Das sozialethische Unwerturteil – der Missbilligungscharakter – macht die Strafe zur einschneidendsten Sanktion des Staates, unterscheidet sie von anderen Sanktionen und gebietet die an sie zu stellenden erhöhten Anforderungen, vgl. Kühl, FS Stöckel, 117, 124 f. 138 Appel, Verfassung und Strafe, S. 120; s. a. Schier, Bestimmtheit, S. 201 f. 139 Schünemann, Nulla poena, S. 33.

II. Bestimmtheitsgebot

143

Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts vieles, was im vorliegenden Rahmen selbst schon erarbeitet und festgestellt wurde. Leider versäumt es das Bundesverfassungsgericht, die verfassungsrechtliche Struktur des Art. 103 II GG genauer herauszuarbeiten und seine Gedanken darin einzubetten. Besonders bedauerlich ist, dass der Anforderungsrahmen in keinerlei Weise differenziert, sondern stets durch pauschale Aussagen für alle Teile des Strafgesetzes gesteckt wird. In einer verstärkten Differenzierung läge vielleicht der Schlüssel, um die beklagten Widersprüchlichkeiten zu vermeiden. cc) Die 50-Prozent-Lösung Schünemann versucht, die Grenze zwischen unbestimmten und bestimmten Strafgesetzen quantitativ festzulegen. Demnach soll ein Strafgesetz dann in verfassungsgemäßer Weise bestimmt sein, wenn über 50 Prozent seiner Tatbestandsmerkmale hinreichend bestimmt sind; auf diese Zahl komme man, wenn man sich vergegenwärtige, dass der Gesetzgeber den Regelfall (also mehr als 50 Prozent) und der Richter nur die Ausnahmefälle (also weniger als 50 Prozent) entscheiden müsse bzw. dürfe.140 Jener Vorschlag ist im Schrifttum auf wenig Gegenliebe gestoßen. Vielfach wird eingewandt, dass man 100 Prozent Bestimmtheit fordern müsse, denn dem von Schünemann dispensierten Anteil des Gesetzes fehle eben die geforderte demokratische Legitimation.141 Darüber hinaus frage es sich, wie man genau den erforderlichen Bestimmtheitsanteil ermitteln solle.142 Im Übrigen sei es zweifelhaft, verschiedene Tatbestandsmerkmale als homogene, gleichwertige Masse zu sehen und dann gegeneinander aufzurechnen; dies führe zu paradoxen Ergebnissen, wenn man einfach beliebige bestimmte Tatbestandsmerkmale hinzufüge.143

140

Schünemann, Nulla poena, S. 35 f. Duttge, Bestimmtheit, S. 185; ders., FS Kohlmann, 13, 23; s. a. Colombi Ciacchi, Fahrlässigkeit, S. 26; Ransiek, Gesetz und Lebenswirklichkeit, S. 61; Roxin, AT/I, § 5 Rn. 74 („. . . 49 Prozent Unbestimmtheit schwerlich mit dem Grundgesetz vereinbar . . .“); MK-Schmitz, § 1 Rn. 41. Ablehnend zu Schünemanns Konzept auch KK-OWiGRogall, § 3 Rn. 32; Stächelin, Gesetzgebung, S. 223 f.; kritisch Herzberg, in: Schünemann-Symposium, 31, 51 f.; Krüger, NStZ 2011, 369, 371 Fn. 29; Kuhli, in: Strafrecht und Verfassung, 91, 101 f.; Velten/Mertens, ARSP 1990, 516, 536 Fn. 95. 142 Schroth, in: Rechtskultur als Sprachkultur, 93, 101 Fn. 33; ähnlich D. Albrecht, Begründung, S. 149; Roxin, AT/I, § 5 Rn. 74; BK-GG-Rüping, Art. 103 Rn. 25 Fn. 41; Schiemann, Schuldfähigkeitsfeststellungen, S. 54. Diesen Einwand hat Schünemann, Nulla poena, S. 36, freilich vorausgesehen: Es bedürfe einer zugegebenermaßen pauschalen Schätzung, die sich aber an der Vorstellung des Gesetzgebers orientiere; sei letztgenannte nicht feststellbar, so sei die Verletzung des Bestimmtheitsgebots schon dadurch gegeben. Man fragt sich jedoch, ob jene propagierte Schätzung nicht letztlich zur bloßen Wertung, ob Bestimmtheit vorliegt, verkommt; s. a. Duttge, Bestimmtheit, S. 185 („rein spekulatives Gedankenspiel“). 143 Colombi Ciacchi, Fahrlässigkeit, S. 26; Th. Schröder, Gesetzesumgehung, S. 376. 141

144

D. Begriffsbestimmung

Weniger wird man Schünemann dabei aber vorwerfen können, dass er die Vorfrage, wann ein einzelnes Tatbestandsmerkmal qualitativ unbestimmt sei, nicht geklärt habe.144 Tatsächlich geht Schünemann davon aus, dass numerische und deskriptive Begriffe („Klassifikationsbegriffe“) den Bestimmtheitsanforderungen genügten, zudem auch normative Begriffe („Funktionsbegriffe“) „hinreichend“ bestimmt seien; schädlich seien der Bestimmtheit vor allem die Wertbegriffe.145 Gerade diese Prämissen sind fragwürdig: Wie zuvor gesehen, können selbst deskriptive Begriffe durchaus vage sein. Ihnen schlechthin den Vorrang einzuräumen, überzeugt kaum. Wollte man Schünemanns Konzept ergänzen, indem man einfach einen Anteil von größer gleich 50 Prozent vager Begriffe untersagt, stößt man auf die Unsicherheit, die die porösen Begriffe mit sich bringen. Außerdem ist dieses Konzept erkennbar auf Tatbestände gemünzt. Für die Beurteilung von Vorschriften des Allgemeinen Teils lässt es sich kaum heranziehen, denn bei diesen handelt es sich nicht um bloße Ergänzungen der Tatbestände des BT [s. o. Kap. D. I. 1. a), 3.]. Schon aus diesem Grund hilft das Konzept für die hier interessierende Frage kaum weiter. dd) Das Bestimmtheitsgebot im Lichte der sog. personalen Straftatlehre Ein neuer Ansatz, den Birkenstock erarbeitet hat, versucht, das Bestimmtheitsgebot anhand der sog. personalen Straftatlehre mit Leben zu füllen. Nach dieser Lehre ist die Unterscheidung zwischen objektivem und subjektivem Straftatbestand als verfehlt zu verwerfen; zu unterscheiden sei, da die Legitimation des Strafrechts im Rechtsgüterschutz liege und dieses deswegen pro futuro wirken müsse, vor allem die Verhaltensnorm von der Sanktionsnorm.146 Nur die erstere gebiete dem Einzelnen ein Verhalten und diene dem Rechtsgüterschutz, letztere dagegen habe als Schutzobjekt die Erhaltung der Geltungskraft der Verhaltensnorm im Blick.147 Betont wird also, dass die Verhaltensnorm der Sanktionsnorm – dem Strafgesetz – vorgelagert ist. Davon ausgehend folgert Birkenstock, dass es mithin nicht die Aufgabe des Bestimmtheitsgebots sei, einzelne Tatbestandsmerkmale zu untersuchen, sondern ob die Sanktionsnorm insgesamt den Anforderungen des Art. 103 II GG genüge.148 Dies erfordere die Frage nach der verfassungsmäßigen Bestimmtheit der generellen Strafbarkeitsandrohung für Verhaltensnormverstöße und innerhalb die-

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So aber Duttge, Bestimmtheit, S. 184 f.; ders., FS Kohlmann, 13, 23. Schünemann, Nulla poena, S. 29 ff. Zweifelnd zur Praktikabilität dieser Abgrenzungen Ransiek, Gesetz und Lebenswirklichkeit, S. 61. 146 Freund, AT, § 1 Rn. 5 ff., 38 ff. 147 Freund, AT, § 1 Rn. 9; vgl. Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 77 f. Fn. 33, 79 f. 148 Birkenstock, Bestimmtheit, S. 68. 145

II. Bestimmtheitsgebot

145

ser Prüfung nach der Bestimmbarkeit der Verhaltensnorm gem. Art. 20 III GG; letztlich sei ein Strafgesetz bestimmt, wenn für alle in Frage kommenden Sachlagen, die der Betroffene vor Augen habe, die Grenzen des strafbaren Verhaltens durch den Gesamttatbestand bestimmt sind.149 Sicherlich ist hier nicht der Ort, das Für und Wider der einzelnen Straftatlehren gegeneinander abzuwägen. Selbst wenn man aber die personale Straftatlehre nicht ablehnt, bleiben gegen das in ihrem Lichte entwickelte Bestimmtheitsprogramm doch Bedenken. Einmal ist jenes durch das Abstellen auf die Sicht des „Betroffenen“ allen Einwänden ausgesetzt, die bereits einer reinen Ableitung des Nullum-crimen-Satzes aus dem Prinzip der subjektiven Vorhersehbarkeit entgegengehalten wurden [vgl. Kap. B. II. 1. d)]. Weiterhin wundert man sich, wie eine an den Strafgesetzen entwickelte Straftatlehre sozusagen im Nachhinein zum inhaltsstiftenden Moment des Bestimmtheitsgebots werden kann. Zuletzt bleibt unklar, wie denn nun eine einzelne Norm des Allgemeinen Teils als lex certa geprüft werden soll; nach dieser Konzeption dürfte es sich bei den AT-Vorschriften lediglich um Ergänzungen der Sanktionsnormen handeln, sodass die Bestimmtheit des „Gesamttatbestandes“ genügen würde – dies ist mit den oben zum AT entwickelten Erkenntnissen schwer in Einklang zu bringen. ee) Abwägungslösungen Schon bei den Gegnern des „strengen“ Bestimmtheitsgebots ist das Bedürfnis nach materieller Gerechtigkeit, dem sich auch das Strafrecht nicht verschließen kann, ins Feld geführt worden. Dieses Bedürfnis wird von Lenckner und Seel zum bestimmenden Element ihrer sich ähnelnden Interpretationen des Bestimmtheitsgebots erhoben. Art. 103 II GG dürfe nicht lediglich isoliert und somit als einzige an das Strafgesetz gerichtete Zielvorgabe des Grundgesetzes betrachtet werden.150 Der von einigen behauptete Vorrang der Rechtssicherheit vor der materiellen Gerechtigkeit, der sich im Strafrecht durch Art. 103 II GG ausdrücke, bestehe nicht.151 Vielmehr müsse bei Strafgesetzen gleichermaßen ein „Ventil“ für den Eingang von Gerechtigkeitserwägungen bestehen, was durch die Entscheidung des Grundgesetzes für den materiellen Rechtsstaat verfassungsrechtlich legitimiert sei.152 Folglich müsse es das Ziel der Strafgesetzgebung sein, so viel Rechtssicherheit und Gerechtigkeit wie möglich zu gewährleisten; es bedürfe einer – auf einer Wertung des Gesetzgebers beruhenden – Abwägung beider Ele-

149

Birkenstock, Bestimmtheit, S. 71, 145 f. Lenckner, JuS 1968, 305, 305; Seel, Tatbestandsmerkmale, S. 108. 151 Seel, Tatbestandsmerkmale, S. 114; s. a. Thelen, Tatbestandsermessen, S. 154. 152 Seel, Tatbestandsmerkmale, S. 109 ff., 132. Lenckner, JuS 1968, 249, 256, sieht ohne diese im Gesetz selbst angelegte Möglichkeiten die Gefahr, dass der Richter sich solche außerhalb des Gesetzes suchen würde. 150

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D. Begriffsbestimmung

mente, bei einem Überwiegen von Gerechtigkeitsgesichtspunkten könnten unbestimmte Elemente im Strafgesetz nicht zur Verfassungswidrigkeit führen.153 Nach dieser Konzeption kann Art. 103 II GG regelmäßig aufgrund kollidierenden Verfassungsrechts eingeschränkt werden, wenn dies sich aus der vorzunehmenden Abwägung ergibt. Ungeachtet der Frage, die später noch interessieren wird, ob nämlich Art. 103 II GG überhaupt einschränkbar ist, folgt die überwiegende Meinung154 der Abwägungslösung nicht. Auch das Bundesverfassungsgericht ist dieser nicht ausdrücklich nähergetreten – wenngleich die oftmals auftauchende Betonung, das Strafrecht müsse der Vielgestaltigkeit des Lebens Rechnung tragen, durchaus in diese Richtung weist. Es wird bereits bestritten, dass durch unbestimmte Tatbestände die materielle Gerechtigkeit überhaupt gefördert werde: Versteht man unter Gerechtigkeit die Übereinstimmung der einzelnen Falllösung mit den jeweils herrschenden rechtlichen und kulturellen Überzeugungen, dann besteht bei einer diffusen Gesetzesfassung nur Wertepluralismus und gerade keine materielle Gerechtigkeit, es entscheidet die Willkür des Richters;155 wenn man dagegen unter materieller Gerechtigkeit das Streben nach der Bestrafung des Strafwürdigen versteht, so muss man zum Ergebnis kommen, dass dieses eigentlich nur dem Gesetzgeber zusteht.156 Ferner wird gegen die Abwägungslösung vorgebracht, dass letztlich das Rechtsgefühl über den Abwägungsvorgang entscheide und die Maßstäbe selbst unklar seien.157 Dieser Missstand ist allerdings, wie gesehen, nicht auf die Abwägungslösung beschränkt, sondern durchzieht die gesamte Diskussion, wann ein Strafgesetz ausreichend bestimmt ist. Überzeugender ist demgegenüber der Hinweis auf das Gesamtgefüge des Grundgesetzes: Dieses spricht gerade dafür, dass sich formelle und materielle Gerechtigkeit im Strafrecht nicht gleichrangig gegenüber stehen.158 Welchen an153

Lenckner, JuS 1968, 305, 306; Seel, Tatbestandsmerkmale, S. 109 ff., 114; vgl. auch SK8-Rudolphi, § 1 Rn. 13; Thelen, Tatbestandsermessen, S. 156. 154 Duttge, Bestimmtheit, S. 181 ff.; Lemmel, Strafbarkeitsvoraussetzungen, S. 103 ff.; Ransiek, Gesetz und Lebenswirklichkeit, S. 56 ff.; Roxin, AT/I, § 5 Rn. 72; Th. Schröder, Gesetzesumgehung, S. 375; F.-C. Schroeder, JZ 1969, 775, 778; Schünemann, Nulla poena, S. 32; Schürmann, Unterlassungsstrafbarkeit, S. 186 f.; Sternberg-Lieben, Schranken, S. 312 ff.; Wiedemeyer, Begründung, S. 92; s. a. D. Albrecht, Begründung, S. 148; LK12-Dannecker, § 1 Rn. 204. Kritisch auch Nickel, Problematik, S. 169, der zwar dem Konzept an sich folgt, aber daraus einen anderen Schluss, nämlich die Aufgabe des Bestimmtheitsgebots [s. o. Kap. D. II. 3. a) aa)], zieht. 155 Schünemann, Nulla poena, S. 32; s. a. Schürmann, Unterlassungsstrafbarkeit, S. 187. 156 Schürmann, Unterlassungsstrafbarkeit, S. 186; vgl. auch Ransiek, Gesetz und Lebenswirklichkeit, S. 57. 157 Lemmel, Strafbarkeitsvoraussetzungen, S. 111; s. a. D. Albrecht, Begründung, S. 148; Duttge, Bestimmtheit, S. 182; Ransiek, Gesetz und Lebenswirklichkeit, S. 56; Th. Schröder, Gesetzesumgehung, S. 375. Für Sternberg-Lieben, Schranken, S. 313, fehlt es für eine nachvollziehbare Abwägung an einem tertium comparationis. 158 Lemmel, Strafbarkeitsvoraussetzungen, S. 108, 111; F.-C. Schroeder, JZ 1969, 775, 778; vgl. auch Duttge, Bestimmtheit, S. 182; Sternberg-Lieben, Schranken, S. 313 f.

II. Bestimmtheitsgebot

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deren Grund als verschärfte Anforderung an das Strafgesetz soll die ausdrückliche Normierung des Gesetzlichkeitsprinzips sonst haben? Ob sich dieser prima facie bestehende Vorrang am Ende immer durchzusetzen vermag bzw. durchsetzen darf, steht natürlich auf einem anderen Blatt. Stellt man allerdings von vorneherein das Strafgesetz allen anderen Gesetzen gleich und ermöglicht immer Abschwächungen aus Gerechtigkeitserwägungen, dann wird die vom Grundgesetz gewollte Asperation gänzlich aufgegeben. Denn wann lassen sich bei einigermaßen sorgfältiger Arbeit des Gesetzgebers nicht einmal triftige Gründe für die Berücksichtigung der materiellen Gerechtigkeit finden?159 Mit Recht weisen daher zahlreiche Autoren darauf hin, dass durch die Abwägungslösung das Gesetzlichkeitsprinzip besonders mit Blick auf seine Zwecke bis zur Unkenntlichkeit relativiert würde, nur in den von Art. 103 II GG gesteckten Grenzen sei der materiellen Gerechtigkeit Rechnung zu tragen.160 Damit ist der entscheidende Punkt angesprochen. Die Grenzen des Bestimmtheitsgebots, die sich aus der Sache selbst ergeben, sind das entscheidende. Sie dürfen aber nicht von vorneherein völlig verwischt werden, indem man sie zum Inhalt des Gebots macht. ff) Drei-Stufen-Schema Einen der wenigen Vorschläge, die dem Gesetzgeber Kriterien an die Hand geben, wie ein Strafgesetz in dem Gesetzlichkeitsprinzip genügender Weise bestimmt abgefasst werden kann, hat Kohlmann vorgelegt. Selbiger geht im Ansatzpunkt davon aus, dass Art. 103 II GG Berechenbarkeit gewährleisten soll, um die Freiheitssphäre des einzelnen Bürgers abzusichern, dies folge aus dem Rechtsstaatsprinzip.161 Vor dem Hintergrund der im GG angelegten Stellung des Richters sowie der Besonderheit des Strafrechts sei zwar nicht an der utopisch strengen Auffassung der Aufklärung festzuhalten, dass ein Strafgesetz rein deskriptiv, lediglich die Subsumtion ermöglichend abzufassen sei, modernisiert gelte indes: Trotz der partiellen Unbestimmtheit, die bei deskriptiven Begriffen ebenfalls bestehe, seien diese – auch historisch gesehen – am ehesten geeignet, Berechenbarkeit zu gewährleisten; ihnen komme, da sie keinen Raum für das richterliche Werturteil ließen, bei der Gesetzgebung der Vorrang vor den normativen Begrif159 Lemmel, Strafbarkeitsvoraussetzungen, S. 111 f.; ähnlich Nickel, Problematik, S. 170. 160 Roxin, AT/I, § 5 Rn. 72; s. a. Lemmel, Strafbarkeitsvoraussetzungen, S. 108, 111 f.; F.-C. Schroeder, JZ 1969, 775, 778; Schünemann, Nulla poena, S. 32. 161 Kohlmann, Staatsgeheimnis, S. 248 ff. Gleichzeitig sieht Kohlmann mit der Aufnahme von Art. 103 II GG eine Absage an das Gerechtigkeitsprinzip verbunden (s. a. a. O., S. 296). Dies ist aber so pauschal kaum haltbar, denn das Rechtsstaatsprinzip fordert eben nicht nur formelle, sondern auch materielle Gerechtigkeit. Von einem Vorrang der erstgenannten mag man im Strafrecht zwar sprechen, gleichwohl muss auch der letztgenannten ein gewisser Raum verbleiben, will man Lösungen praeter und contra legem vermeiden.

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D. Begriffsbestimmung

fen (1. Stufe) zu.162 Könne der Gesetzgeber die deskriptive Methode, möglicherweise gezwungen durch die Fülle der Lebenssachverhalte, nicht wählen, so sei ein Rückgriff auf normative Begriffe zulässig; hier seien nun solche normative Begriffe vorzuziehen, die in der Rechtsordnung wurzelten (2. Stufe), dagegen seien solche, die auf die Bereiche der Moral als Wertordnung rekurrierten (3. Stufe), nur ultima ratio für den Gesetzgeber.163 Die Einwände gegen Kohlmanns Drei-Stufen-Schema liegen zum Teil nahe. Einmal wird seine Prämisse infrage gestellt, das Bestimmtheitsgebot finde seinen Grund darin, Berechenbarkeit zu gewährleisten; der Bürger informiere sich nicht aus dem Strafgesetz, alles andere sei Fiktion.164 Dieser Einwand lässt sich freilich widerlegen, wenn man richtigerweise die Berechenbarkeit objektiv und nicht subjektiv versteht. Mehr tragen dagegen Bedenken, die bereits erwähnt wurden. Kohlmanns Schema fußt in starkem Maße auf seinem Vertrauen in die Leistungsfähigkeit deskriptiver Begriffe. Sein Schema verleitet zu der Annahme, dass deskriptive Begriffe immer bestimmter sind als normative Begriffe.165 Das ist aber, was Kohlmann selbst sieht, nur regelmäßig, nicht jedoch stets der Fall. Es gibt durchaus normative Begriffe, die sehr exakt beschreiben, worauf das Gesetz abzielt, während deskriptive Begriffe höchst unklar sein können. In besagten Fällen können sich die Stufen deshalb verschieben. Man kann dem Gesetzgeber kaum einen Vorwurf machen, wenn der normative Begriff sogar präziser ist als der deskriptive; der erstgenannte kann somit auch zur ersten Stufe gehören. Wenn Kohlmann mit dem deskriptiven Begriff den Spielraum des richterlichen Werturteils ausschließen will, so ist zu erinnern: Ganz ausschließen lässt sich ein richterlicher Spielraum schon aufgrund des Wesens der Sprache nicht. Bei der Existenz von neutralen Kandidaten eines Begriffs trifft der Rechtsanwender selbst die Entscheidung über die Festlegung der semantischen Regel. Zudem wird darauf hingewiesen, dass das Drei-Stufen-Schema, das im Grunde ein Optimierungsgebot darstellt, etwas zu weit geht, wenn es jede unglückliche Gesetzesfassung gleich zu einer verfassungswidrigen erklären will.166 Der Gesetzgeber werde so verleitet, die Strafbarkeit möglichst weit (etwa durch Auffangtatbestände) auszudehnen, wobei dann wiederum die Einfügung wertungsausfüllungsbedürftiger Begriffe zur Restriktion der Strafbarkeit unvermeidbar und damit verfassungsgemäß sei – ein paradoxes Ergebnis.167 Entgegengewirkt werden kann 162

Kohlmann, Staatsgeheimnis, S. 256, 266 ff. Kohlmann, Staatsgeheimnis, S. 259 ff., 266 ff. 164 Im hiesigen Zusammenhang Lemmel, Strafbarkeitsvoraussetzungen, S. 101; vgl. allgemein zur Kritik an der Zurückführung von Art. 103 II GG auf den subjektiven Vertrauensschutz bzw. die Berechenbarkeit den Text um Fn. 154, 155, 156 in Kap. B. II. 1. d). 165 Lemmel, Strafbarkeitsvoraussetzungen, S. 101 f.; s. o. Kap. D. II. 1. 166 Roxin, AT/I, § 5 Rn. 71; ähnlich Schroth, in: Rechtskultur als Sprachkultur, 93, 101 Fn. 33; in diese Richtung auch D. Albrecht, Begründung, S. 148. 167 Duttge, Bestimmtheit, S. 187; Ransiek, Gesetz und Lebenswirklichkeit, S. 57 f.; Roxin, AT/I, § 5 Rn. 71; Schünemann, Nulla poena, S. 33 f. Duttge führt diese Gefahr 163

II. Bestimmtheitsgebot

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jener beschriebenen Gefahr nur, wenn man der Strafbarkeitsausdehnung selbst Grenzen setzen würde. Angesichts des weiten Spielraums, den das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber beim Inkriminieren von Verhaltensweisen lässt,168 ist sie zumindest aus praktischer Sicht nicht fernliegend. gg) Intersubjektivität der Bedeutungszuschreibung und Bestimmtheitsgebot Stark von sprachtheoretischen Erwägungen ist die Konzeption Ransieks beeinflusst. Für diesen besteht der einzige Zweck bei Art. 103 II GG, aus dem Anforderungen an eine gesetzliche Bestimmtheit abzuleiten seien, in der Festlegung der Funktionsverteilung zwischen den Gewalten; allein der Gesetzgeber selbst dürfe die Wertung über die Erforderlichkeit und Zweckmäßigkeit des Eingreifens mittels des Strafrechts treffen.169 Überraschend gering sind vor diesem Hintergrund die Bedingungen, die dem Gesetzgeber für die Gesetzesfassung gemacht werden. Lediglich das Rechtsgut und dessen Verletzung müssten im Tatbestand vom Gesetzgeber festgelegt werden.170 Jene Zurückhaltung bezüglich der inhaltlichen Anforderungen an das Strafgesetz begründet Ransiek wie folgt: Die kriminalpolitische Entscheidung des Gesetzgebers müsse durch Sprache ausgedrückt werden; durch Sprache werde intersubjektiv-zuschreibend Wirklichkeit geschaffen, wobei Bestimmtheit schlicht durch intersubjektive Übereinstimmung („Eindeutigkeit“) der Lebenswelt171 gekennzeichnet sei, folglich müsse die Unterscheidung bestimmt-unbestimmt sowie deskriptiv-normativ aufgegeben werden.172 darauf zurück, dass mit einem solchen Optimierungsgebot – als formal rechtstheoretische Kategorie – eben doch keine inhaltlichen Kriterien geliefert würden, sondern dass es lediglich zu einer Verschiebung hin zu der Frage nach der Sorgfaltspflicht des Gesetzgebers komme; vgl. Duttge, Bestimmtheit, S. 186 f.; dens., FS Kohlmann, 13, 24. 168 Vgl. nur BVerfGE 120, 224, 239 f. (Inzesturteil; vgl. dazu Stuckenberg, in: Verfassungsrechtsprechung, 846, 849 f.). Zu diesem Spielraum des Gesetzgebers auch Ransiek, Gesetz und Lebenswirklichkeit, S. 48; ders., FS Tiedemann, 171, 176; Roxin, JöR 59 (2011), 1, 3 ff.; Stuckenberg, GA 2011, 653, 658 ff. Ebendieser Spielraum wird durch das insofern „formale“ Gesetzlichkeitsprinzip gerade nicht begrenzt, s. BVerfG NJW 1995, 248, 248; Lagodny, Schranken der Grundrechte, S. 16; Lewisch, Verfassung und Strafrecht, S. 57; Tiedemann, Verfassungsrecht und Strafrecht, S. 59. 169 Ransiek, Gesetz und Lebenswirklichkeit, S. 48 f., 55; ders., FS Tiedemann, 171, 176. 170 Ransiek, Gesetz und Lebenswirklichkeit, S. 87; ders., FS Tiedemann, 171, 176. 171 Mit dem Begriff der „Lebenswelt“ bezieht sich Ransiek, Gesetz und Lebenswirklichkeit, S. 72 f., auf die von Recht und Wissenschaft unabhängig strukturierten, zur sozialen Ordnung durch die Gesellschaft selbst konstruierten Regeln, von denen das Recht wiederum nur eine besondere, abhängige Ordnung sei; freilich gebe es mehrere „Lebenswelten“, vgl. a. a. O., S. 88 ff. Vgl. zu dem Ganzen etwa Habermas, Der philosophische Diskurs, S. 346 ff. (insbes. S. 348 f.). 172 Ransiek, Gesetz und Lebenswirklichkeit, S. 69 ff.; s. a. dens., FS Tiedemann, 171, 175 f. Dagegen meint Duttge, Bestimmtheit, S. 195, es müsse zur Bestimmung einer Wortbedeutung doch einen irgendwie gearteten („objektiven“) verbindlichen Maßstab

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D. Begriffsbestimmung

Vielmehr sei der Rechtsanwender an die Intersubjektivität der Bedeutungszuschreibung von Wirklichkeit zu einem Sprachzeichen gebunden; im Rechtsanwendungsprozess sei dann, wenn keine Intersubjektivität in Bezug auf einen Begriff festgestellt werden könne, zugunsten des Betroffenen zu entscheiden, da hier der klare Maßstab, der ansonsten durch die gemeinsame Zuschreibung bestehe, fehle.173 Während die Gesetzesfassung somit einerseits – infolge der sprachtheoretischen Konzeption folgerichtig – großzügig gehandhabt wird, wird andererseits einer restriktiven Auslegung das Wort geredet. Die Bedenken, die gegen seine Konzeption vorgebracht werden, hat Ransiek zum Teil bereits selbst174 vorausgesehen. Einmal lässt sich bei seiner Grundannahme ansetzen, ob tatsächlich ausschließlich aus der Gewaltenteilung und dem Demokratieprinzip Anforderungen an die gesetzliche Bestimmtheit gewonnen werden können. Nach der hier vertretenen Ansicht ist es ein weiterer Zweck des Bestimmtheitsgebots, objektive Berechenbarkeit zu erzeugen.175 Dies folgt nicht zuletzt daraus, dass Art. 103 II GG im Gesamtkonzept der Verfassung und damit anknüpfend an Art. 20 III GG gesehen werden muss. Die Herstellung von Rechtssicherheit ist demnach im Strafrecht ein sich noch dringlicher stellendes Gebot und für dieses kommt als das geben, da andernfalls in einer pluralen Gesellschaft das Entstehen eines allgemeinen Verständnisses kaum möglich sei. 173 Ransiek, Gesetz und Lebenswirklichkeit, S. 74 f., 81. Das Interpretationsrisiko liege insoweit beim Staat. Vgl. zum Interpretationsrisiko auch Krahl, Rechtsprechung, S. 381; Naucke, Generalklauseln, S. 16, 21 ff. 174 Ransiek, Gesetz und Lebenswirklichkeit, S. 77 f., 124 f. 175 Dabei überzeugen seine Einwände, mit denen er die objektive Berechenbarkeit als Grundlage des Bestimmtheitsgebots negiert, m. E. nach nicht. Zwar konzediert Ransiek, Gesetz und Lebenswirklichkeit, S. 33, dass durch die gesetzliche Bestimmtheit eines Tatbestandes eine objektive Vorhersehbarkeit strafrechtlicher Eingriffe gegeben sei, aus der objektiven Berechenbarkeit ergäben sich indes keine Anforderungen an die gesetzliche Bestimmtheit; Berechenbarkeit sei beispielsweise ebenfalls durch die Rechtsprechung herstellbar. Aber was sagt Letzteres genau genommen aus? Nichts. Das bloße Faktum, dass Berechenbarkeit anders herstellbar ist, beseitigt nicht den Umstand, dass das Grundgesetz offensichtlich das Strafgesetz als vorzugswürdiges Medium zur Festlegung der Strafbarkeitsvoraussetzungen ansieht (vgl. Duttge, Bestimmtheit, S. 196: „. . . gibt es eben doch noch eine dritte Möglichkeit: den Rechtsanwender, der so weit als möglich strikt an das hinreichend bestimmt normierte Strafgesetz gebunden ist.“). Daneben gilt der von Ransiek angeprangerte Umstand doch ein Stück weit für seine eigene Konzeption. Wenn nach seiner Ansicht Bestimmtheit im Strafprozess durch Kommunikation und gegenseitige Vergewisserung der Intersubjektivität herstellbar ist (vgl. a. a. O., S. 97 ff.), dann wird die letztlich durch Gesetzesbestimmtheit zu sichernde Funktionsverteilung anscheinend auch auf diesem Wege – durch Rechtsanwendung – gefördert. Im Übrigen wird zu Recht kritisiert, Ransiek vernachlässige das Freiheitsinteresse der Rechtsunterworfenen, das mit dem Demokratieprinzip verbunden sei, vgl. Zaczyk, GA 1990, 571, 572; zustimmend Duttge, Bestimmtheit, S. 195 Fn. 470. Wie bereits gesehen, haben die Prinzipien Gewaltenteilung und Demokratie auch eine individualschützende Seite.

II. Bestimmtheitsgebot

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primäre Medium eben nur das Strafgesetz in Frage. Es braucht nicht betont zu werden, dass vor dem Hintergrund von Berechenbarkeit ein stets erfolgender Verweis auf bloße „lebensweltliche“ Intersubjektivität problematisch erscheint. Weiterhin mutet es in Ransieks Konzeption widersprüchlich an, dass er zunächst die Zwecke Demokratie und Gewaltenteilung hervorhebt, den Gesetzgeber demgegenüber im Verlauf der Existenz eines Gesetzes entmündigt sehen will; durch die zu berücksichtigenden flexiblen intersubjektiven Bedeutungszuschreibungen kann dessen kriminalpolitische Entscheidung an den Rand gedrängt und geändert werden – die „Gesellschaft“ selbst wird in eine normsetzende Position erhoben.176 Gerade deren Anschauungen, die intersubjektiven Zuschreibungen, werden – in einer fortschreitend pluralen Gesellschaft – aber nicht selten äußerst schwer zu ermitteln sein.177 Spätestens an diesem Punkt wird in praxi der ratlose Rechtsanwender einfach seine eigene Anschauung zur Geltung bringen. Zudem besteht, räumt man der Intersubjektivität eine derartige Position ein, das Risiko, einer laxen oder gar unfairen Moral Vorschub zu leisten.178 hh) Programmsicherung Eine weitere Strömung innerhalb der Lehre lässt sich pauschal mit dem Wort „Programmsicherung“ 179 zusammenfassen. Hierbei handelt es sich um in den Details unterschiedliche Lösungsansätze, die letztlich alle darauf abzielen, das Primat des Gesetzgebers vor dem Rechtsanwender zumindest in gewissem Maße abzusichern. Schreibt man sich die „Programmsicherung“ durch das Strafgesetz auf die Fahnen, die zu gewährleisten zum Überspringen der Hürden des Bestimmtheitsgebots genügen soll, so wird damit eng an die Art. 103 II GG zugrunde liegenden rationes Gewaltenteilung und Demokratieprinzip, aber auch an die Berechenbarkeit angeknüpft. Nach Hassemer/Kargl könne es beim Bestimmtheitsgebot wegen der Schwäche des Mediums Sprache nicht um Ergebnissicherung, sondern um Programmsicherung durch den Gesetzgeber gehen; diese sei gewährleistet, wenn der Gesetzgeber dem Rechtsanwender ein Prüf- und Argumentationsprogramm an die Hand gebe, somit sei die Berechenbarkeit eine Qualität des Rechtsanwendungs-

176 Vgl. Duttge, Bestimmtheit, S. 195 f. Vor diesem Hintergrund verwundert Ransieks vorher bei Vertrauensschutz und Berechenbarkeit geäußertes Misstrauen bezüglich der Mitwirkung der Gesetzesanwender durchaus; freilich erkennt er deren Spielräume zum Teil an, vgl. Ransiek, Gesetz und Lebenswirklichkeit S. 83. 177 Duttge, Bestimmtheit, S. 196 f.; früher schon Lenckner, JuS 1969, 249, 251. 178 Duttge, Bestimmtheit, S. 196; Zaczyk, GA 1990, 571, 573; s. a. Schiemann, Schuldfähigkeitsfeststellungen, S. 55 f. 179 So NK4-Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 20; s. a. Duttge, Bestimmtheit, S. 201; dens., FS Kohlmann, 13, 24 f.; Fischer, StGB, § 1 Rn. 4, 13; Schroth, in: Rechtskultur als Sprachkultur, 93, 101 Fn. 33; Sternberg-Lieben, Schranken, S. 295 Fn. 37.

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D. Begriffsbestimmung

programms.180 Ähnlich dazu sieht Schroth das Entscheidungsprogramm dann als gesichert an, wenn das Strafgesetz in konsensfähiger Weise interpretationsfähig sei; nicht interpretationsfähig und somit unbestimmt sei ein Strafgesetz, wenn die Festlegung der unrechtskonstituierenden Merkmale auf andere Institutionen übertragen und richterlicher Überprüfung entzogen sei, wenn die Konstitution der zu bestrafenden Interessenverletzung allein in der Hand des Richters liege oder wenn durch die gesetzgeberische Formulierung das „Wie weit“ des Interessenschutzes nicht deutlich werde.181 Für Roxin genügt dagegen zur Einhaltung des Bestimmtheitsgebots, wenn sich der Strafvorschrift ein klarer gesetzlicher Schutzzweck entnehmen lasse und der Wortlaut einer beliebigen Auslegung noch Grenzen setze.182 Vergleichsweise strenger sind die Anforderungen, die Duttge setzt, wenn der Gesetzgeber das Anwendungsprogramm ausreichend festlegen will. Im Gesetz selbst seien die Anforderungen des Rechtsanwendungsprogramms dergestalt zu formulieren, dass der Rechtsanwender für die Auslegung ersehen könne, in welche Richtung und unter welchem Blickwinkel die Konkretisierung auf den Einzelfall erfolgen müsse; das Strafgesetz müsse deshalb einen möglichst konkreten Ausschnitt der fassbaren Wirklichkeit bezeichnen, wodurch die übrige Wirklichkeit ausgeschlossen und der Spielraum bei der Rechtsanwendung eingegrenzt werde.183 Der Ansatz, Programmsicherung für die Einhaltung des Bestimmtheitsgebots genügen zu lassen, hat den Vorzug, dass an eine der wenigen Konstanten des Gesetzlichkeitsprinzips, nämlich an seine aus der Historie ableitbaren Zwecke, di180 NK4-Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 20; s. a. AK-StGB-Hassemer, § 1 Rn. 12 ff.; dens., Einführung, S. 258 f.; in diese Richtung auch Schroth, in: Rechtskultur als Sprachkultur, 93, 101 Fn. 33; Sternberg-Lieben, Schranken, S. 295 Fn. 37. Nach Jakobs, AT, Ab. 4 Rn. 24, muss das Gesetz selbst seinen Missbrauch für illegitime Regelungszwecke sperren. 181 Schroth, in: Rechtskultur als Sprachkultur, 93, 101 ff. 182 Roxin, AT/I, § 5 Rn. 75; ders., in: Das Gesetzlichkeitsprinzip, 113, 135 ff.; zustimmend Gropp, AT, § 2 Rn. 29 (Rahmen der Auslegung möglichst eng); s. a. D. Albrecht, Begründung, S. 149 ff.; BK-GG-Rüping, Art. 103 Rn. 26. Gegen Roxin wendet nun Duttge, Bestimmtheit, S. 197 f.; ders., FS Kohlmann, 13, 24, ein, dass Tatbestände wie § 185 StGB gerade zeigten, dass die Bestimmung eines Zwecks bzw. Rechtsguts – genauer erscheint es, hier von Schutzzweck zu sprechen, da etwa die Vorschriften des AT rechtsgutsblind sind – alleine eben nicht ausreiche, um eine Vorschrift bestimmt zu machen. Fraglich ist aber in diesen Fällen m. E. nach, ob überhaupt ein klarer gesetzgeberischer Schutzzweck herausgefiltert werden kann; irgendein Schutzzweck genügt natürlich nicht, es müssen qualitative Anforderungen gestellt werden. Lemmel, Strafbarkeitsvoraussetzungen, S. 180 ff., sieht ein Strafgesetz dann als unbestimmt an, wenn der Gesetzgeber seiner Rechtsetzungspflicht gar nicht oder nur unvollständig nachgekommen sei, was beispielsweise bei mangelhafter Wertung des Gesetzgebers der Fall sei; zustimmend Köhler, AT, S. 87. Stächelin, Gesetzgebung, S. 224 f., schlägt sogar vor, das geschützte Rechtsgut und die Angriffswege mit in den Tatbestand aufzunehmen. 183 Duttge, Bestimmtheit, S. 198 ff.; ders., FS Kohlmann, 13, 24 f.; ders., JZ 2014, 261, 265; s. zum „Wirklichkeitsausschnitt“ auch Hassemer, Tatbestand und Typus, S. 155.

II. Bestimmtheitsgebot

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rekt angeknüpft wird. Zudem ist er verwandt mit den Thesen einiger Stimmen aus der Rechtstheorie, die diese anhand der begrenzten Leistungsfähigkeit von Sprache aufstellen. Bei Bestimmtheit handele es sich nicht um eine Eigenschaft des Gesetzes, vielmehr sei Bestimmbarkeit eine Aufgabe, eine Strategie; es gehe um die Beeinflussung der Entscheidungen des Rechtsanwenders, um die Bestimmbarkeit des Entscheidungsverfahrens.184 Insofern ist ihm – nicht zuletzt mangels Alternativen – zuzustimmen. Freilich teilt der Ansatz den Nachteil der rationes. Im Einzelnen klingen die auf diese Weise gewonnen Vorgaben zunächst schillernd, versetzen im konkreten Fall aber kaum in die Lage, anhand objektiver Kriterien das Verdikt bestimmt-unbestimmt zu fällen. Es wird offen eingeräumt, dass im Grunde nur eine grobe Richtung vorgegeben wird.185 Letztlich bietet dieses Verständnis von gesetzlicher Bestimmtheit im Strafrecht im Vergleich zur oben bereits gewonnenen, kaum aussagekräftigen Formel wenig Gewinn. Es werden einzig die Zwecke, die dem strafrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz zugrunde liegen sollen, eingefügt. Paraphrasiert bedeutet das: Unter der Bestimmtheit eines Gesetzes kann im Strafrecht das Postulat verstanden werden, im Rahmen des sprachlich-gesetzestechnisch Möglichen das Entscheidungsprogramm des demokratisch legitimierten Gesetzgebers durch das Gesetz möglichst genau für den Rechtsanwender vorzugeben und damit Berechenbarkeit zu gewährleisten. ii) Fazit Das Bestimmtheitsgebot leidet an einem schier unlösbaren Dilemma. Der Begriff der Bestimmtheit selbst ist anerkanntermaßen unbestimmt. Dementsprechend fallen die Bemühungen, seinen Inhalt und seine Anforderungen gänzlich abstrakt-objektiv festzulegen, nahezu in den Bereich des Unmöglichen. Dies ist in dem Umstand begründet, dass die Festlegung von Anforderungen, die sich aus Art. 103 II GG für das Strafgesetz ergeben, selbst Auslegung eines unbestimmten Begriffes ist. Denn ein unbestimmter Begriff verweist gerade darauf, anhand eines irgendwo befindlichen, kaum falsifizierbaren Maßstabes186 eine Wertung zu treffen; dieser Wertungsmaßstab lässt sich der Norm selbst nicht entnehmen. Würden die heranzuziehenden Maßstäbe indes allesamt außerhalb der Norm feststehen, dann wäre der Begriff in der Tat immerhin objektiv bestimmbar. Dies ist jedoch nicht der Fall. Wesentliche Grundlagen des Bestimmtheitsgebots, etwa der übersteigerte Glaube an die Leistungsfähigkeit des Gesetzes, sind historisch überholt und spätestens mit den Erkenntnissen moderner Sprachforschung weggebrochen. Tatsächlich wird aufgrund dessen stets ein Teil der Anforderungen, die aus 184

Vgl. Müller/Christensen, Jur. Methodik I, Rn. 166, 177 ff. Duttge, Bestimmtheit, S. 200. 186 Vgl. Jescheck/Weigend, AT, § 15 I 4 („unscharfe, außerrechtliche Maßstäbe“); K. F. Röhl/H. C. Röhl, Allg. Rechtslehre, § 80 S. 633; s. a. Lenckner, JuS 1968, 249, 250 f. 185

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D. Begriffsbestimmung

dem Bestimmtheitsgebot folgen sollen, nicht vom Vorhandenen abgeleitet, sondern vom Interpretierenden geschaffen. Das zeigen schon die mannigfaltigen, in völlig verschiedene Richtungen gehenden Lösungsansätze. Über die bloße Festlegung semantischer Regeln, die bei vagen Begriffen sonst nötig ist, geht dies hinaus. Es handelt sich um Rechtsschöpfung, die davon abhängt, welche Ziele der Rechtsanwender verfolgt und von welchen Axiomen er ausgeht. Somit sind alle Versuche, die Bestimmtheitsanforderungen vollends objektiv zu klären, zum Scheitern verurteilt. Ehrlicher ist es dagegen, die Realität offen einzugestehen. Die Entscheidung, wann und ob ein (Straf-)Gesetz als bestimmt respektive unbestimmt anzusehen ist, enthält bei jeder Lösung zugleich ein – über das bei jeder Rechtsanwendung anzutreffende Maß hinausgehendes – subjektives Element.187 Dieses subjektive Element betrifft sowohl den Gewinn der Anforderungen selbst als auch das – da diese wiederum weit sind – anhand ihrer Vorgaben zu treffende Verdikt über das Gesetz. Paradoxerweise ist folglich dem Bestimmtheitsgebot, das die subjektiven Elemente bei der Auslegung zumindest begrenzen soll, seinerseits eine subjektive Komponente eigen. Gleichwohl ist damit nicht der reinen Willkür Tür und Tor geöffnet. Soweit als möglich muss sich die Entscheidung, ob der Gesetzgeber dem Rechtsanwender ausreichend das Rechtsanwendungsprogramm vorgegeben hat, an den ermittelbaren, vorgegebenen objektiven Maßstäben orientieren. Dafür bieten sich besonders die in der Sprachtheorie gewonnenen Erkenntnisse an. Die relationale Skalierung mithilfe des Systems des Grundgesetzes (Mehr- oder Weniger-Aussagen) gehört ebenfalls dazu. Es ist somit ein möglichst an der (primär fach-)sprachlichen Realität orientiertes, präzises Strafrecht zu fordern. Wann nun „möglichst“ erreicht wird, hängt zu einem nicht negierbaren Teil von den subjektiven Prämissen des Rechtsanwenders ab. b) Bestimmtheitsgebot als Auslegungsregel: Präzisierungsgebot Bislang ging es ausschließlich um die Frage, welche Anforderungen an das Gesetz durch Art. 103 II GG aufgestellt werden. Davon ist nahezu selbstverständlich ausgegangen worden. Dabei gibt es zwar durchaus Überschneidungen zur Rechtsprechung hin, wenn man etwa wie das Bundesverfassungsgericht sagt, eine unbestimmte Norm sei durch eine gefestigte Rechtsprechung präzisierbar; im Kern stellte sich immer die Frage der Bestimmtheit der Norm selbst. Bemerkenswert erscheint in diesem Zusammenhang eine Entwicklung, die sich schon seit geraumer Zeit andeutet und die im hiesigen Zusammenhang unbedingt zu beachten ist. Nicht wenige in der Literatur haben die These aufgestellt, das Bestimmtheitsgebot dürfe nicht ausschließlich an den Gesetzgeber gewendet werden. Vielmehr müsse sich das Bestimmtheitsgebot auch an den Rechtsanwender 187 Dies wird bei zahlreichen Autoren meist durch sehr kleine Wörter deutlich, z. B. möglichst, noch, etc.

II. Bestimmtheitsgebot

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richten,188 eine Auslegungsregel darstellen. Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat bereits angedeutet, dass sie dieser Auffassung zuneigt.189 Eine erstaunliche und verfassungsrechtlich bedeutsame190 Konkretisierung hat diese Ansicht durch das Bundesverfassungsgericht im Rahmen seines Beschlusses zur Verfassungsmäßigkeit des Untreuetatbestandes erfahren. Hierin liegt der vorläufige Kulminationspunkt einer Weiterentwicklung von Art. 103 II GG, welche freilich noch nicht beendet und im Einzelnen stark klärungsbedürftig ist. Bevor das Bundesverfassungsgericht zur – hier nicht weiter interessierenden191 – Prüfung des § 266 StGB gelangt, stellt es in ausführlicher Weise sein aus 188 Grundlegend Kuhlen, FS Otto, 89, 102 ff. („Gebot bestimmter Gesetzesauslegung“); vgl. NK4-Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 70a f.; Krahl, Rechtsprechung, S. 342 f.; Krey, Keine Strafe ohne Gesetz, S. 126 f.; Kudlich, Unterstützung, S. 248 f.; NK3-Marxen/Böse, § 14 Rn. 7; Otto, FS Seebode, 81, 81 f.; Schönke/Schröder29-Stree/Bosch, § 13 Rn. 5/6; s. a. Bartel, FS Frisch, 1255, 1272; Britz/Jung, JuS 2000, 1194, 1197 Fn. 40; Sachs-Degenhart, Art. 103 Rn. 53, 69; Jung, Richterbilder, S. 45 f.; Krey/Esser, AT5, § 3 Rn. 105; Marxen, JZ 1988, 286, 288 (Konsequenz aus praktischer Perspektive); Roxin, in: Das Gesetzlichkeitsprinzip, 113, 139; Rüthers/Höpfner, JZ 2005, 21, 23 f.; Satzger, Jura 2012, 786, 794; aus dem österreichischen Schrifttum Fuchs, AT, Kap. 4 Rn. 48; früher schon (wenn auch in etwas anderem Sinne) Warda, Dogmatische Grundlagen, S. 40. Kritisch dagegen Amelung, NJW 1995, 2584, 2587; Basak, in: Strafrecht und Verfassung, 71, 79 ff.; Greco, GA 2012, 452, 458 f.; ders., in: Strafrecht und Verfassung, 13, 23; Kempf/Schilling, NJW 2012, 1849, 1852; I.-S. Kim, FS Roxin I, 119, 128; v. Münch/P. Kunig-P. Kunig, Art. 103 Rn. 29; BeckOK GG-Radtke/Hagemeier, Art. 103 Rn. 28 f., 37 f.; MK-Schmitz, § 1 Rn. 48; ders., FS Samson, 181, 183 Fn. 24; Schuster, in: Das Gesetzlichkeitsprinzip, 79, 88; Vormbaum, JoJZG 8 (2014), 15, 19: Diese gehen aber noch von der Prämisse aus, durch ein solches an den Rechtsanwender gerichtetes Gebot solle eine gesetzliche Unbestimmtheit geheilt werden bzw. abgeschwächte Anforderungen an die gesetzliche Bestimmtheit legitimiert werden (in diese Richtung nämlich z. B. Kuhlen, in: Gesetzlichkeit und Strafrecht, 429, 437, 439). Gegen eine Begrenzung der Auslegung über das Analogieverbot hinaus auch Jähnke, ZIS 2010, 463, 463 Fn. 10; ders., GS Schlüchter, 99, 105; KK-OWiG-Rogall, § 3 Rn. 26; ebenfalls in der Tendenz kritisch Simon, Gesetzesauslegung, S. 440 ff., 445, 449 f. 189 BVerfGE 87, 209, 224; 92, 1, 16; s. a. BGHSt 43, 158, 167 f.; 49, 34, 41. 190 So das Urteil der überwiegenden Lit., vgl. A. H. Albrecht, FS Dencker, 1, 3 („Neuerungen“); Bartel, FS Frisch, 1255, 1282 f. (Bewegung in festgefügtes Eingriffsinstrumentarium, „Trendwende“); Basak, in: Strafrecht und Verfassung, 71, 77 („Neujustierung“); Begemeier, HRRS 2013, 179, 181 („grundlegend“); Böse, Jura 2011, 617, 620 („bemerkenswert“); Sachs-Degenhart, Art. 103 Rn. 69 Fn. 631 („grundlegend“); Hüls, NZWiSt 2012, 12, 13 („Neuland“); Kuhlen, JR 2011, 246, 247 („Meilenstein“); dens., HRRS 2012, 114, 114 („grundlegende Bedeutung“); dens., in: Gesetzlichkeit und Strafrecht, 429, 436 („grundlegende[r] Bedeutung“); dens., in: Das Gesetzlichkeitsprinzip, 45, 59 („neue Bedeutung“); Saliger, ZIS 2011, 902, 902 („wirkungsmächtige Grundsatzentscheidung“); dens., NJW 2010, 3195, 3195 („Grundsatzentscheidung“); Schünemann, StraFo 2010, 477, 480 („ambitioniert“); dens., in: Das Gesetzlichkeitsprinzip, 1, 4 f. („beachtliche[n] Initiativen“); zurückhaltend dagegen Kraatz, JR 2011, 434, 435; Krüger, NStZ 2011, 369, 371. 191 BVerfGE 126, 170, 200 ff. Vgl. dazu die Besprechungen bei Beckemper, ZJS 2011, 88, 90 ff.; C. Becker, HRRS 2010, 383, 388 ff.; Böse, Jura 2011, 617, 618 ff.; Hüls, NZWiSt 2012, 12, 13 f.; Krüger, NStZ 2011, 369, 373 ff.; Kuhlen, JR 2011, 246,

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D. Begriffsbestimmung

Art. 103 II GG folgendes Prüfungsprogramm dar. Zu Beginn des Beschlusses erfolgt das übliche und kaum überraschende Wechselspiel zwischen Inhalt, Zwecken und Relativierung des Gesetzlichkeitsprinzips.192 Dann aber schließen sich schon die für Art. 103 II GG bedeutsamen Ausführungen an. Der Satz nulla poena sine lege enthalte für die Strafgerichte Verpflichtungen in mehrfacher Hinsicht.193 Bereits dieser Satz verdeutlicht, in welche Richtung es im Folgenden geht: Die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die fachgerichtliche Auslegung werden präzisiert. Es liegt daher nahe, dass das Bundesverfassungsgericht zunächst Ausführungen zum Analogieverbot194 macht, das die traditionell aus der Grundgesetzesnorm abgeleitete Begrenzung strafrechtlicher Auslegung darstellt. Allerdings bleibt man an dieser Stelle nicht stehen, sondern verdeutlicht, dass, wie zuvor angekündigt, Verpflichtungen in mehrfacher, über das übliche Analogieverbot hinausgehender Hinsicht bestünden. So führt das Bundesverfassungsgericht im Weiteren aus: „Art. 103 II GG enthält zudem Vorgaben für die Handhabung weit gefasster Tatbestände und Tatbestandselemente. Die Gerichte dürfen nicht durch eine fernliegende Interpretation oder ein Normverständnis, das keine klaren Konturen mehr erkennen lässt, dazu beitragen, bestehende Unsicherheiten über den Anwendungsbereich einer Norm zu erhöhen, und sich damit noch weiter vom Ziel des Art. 103 II GG entfernen (vgl. BVerfGE 71, 108 [121] = NJW 1986, 1671; BVerfGE 87, 209 [224ff., 229] = NJW 1993, 1457; BVerfGE 92, 1 [19] = NJW 1995, 1141). Andererseits ist die Rechtsprechung gehalten, verbleibende Unklarheiten über den Anwendungsbereich einer Norm durch Präzisierung und Konkretisierung im Wege der Auslegung nach Möglichkeit auszuräumen (Präzisierungsgebot). Besondere Bedeutung hat diese Pflicht bei solchen Tatbeständen, die der Gesetzgeber im Rahmen des Zulässigen durch Verwendung von Generalklauseln verhältnismäßig weit und unscharf gefasst hat. Gerade in Fallkonstellationen, in denen der Normadressat nach dem gesetzlichen Tatbestand nur noch die Möglichkeit einer Bestrafung erkennen kann und in denen sich erst auf Grund einer gefestigten Rechtsprechung eine zuverlässige Grundlage für die Auslegung und Anwendung der Norm gewinnen lässt (vgl. BVerfGE 26, 41 [43] = NJW 1969, 1759; BVerfGE 45, 363 [371f.] = NJW 1977, 1815), trifft die Rechtsprechung eine besondere Verpflichtung, an der Erkennbarkeit der Voraussetzungen der Strafbarkeit mitzuwirken.“ 195 250 ff.; Safferling, NStZ 2011, 376, 377 ff.; Saliger, ZIS 2011, 902, 905 ff.; dems., NJW 2010, 3195, 3196 ff.; Schünemann, StraFo 2010, 477, 481 f. 192 BVerfGE 126, 170, 194 ff. = NJW 2010, 3209, 3210 f. 193 BVerfGE 126, 170, 197 = NJW 2010, 3209, 3211; vgl. BVerfG NJW 2012, 907, 915. 194 BVerfGE 126, 170, 197 f. = NJW 2010, 3209, 3211. Genaueres dazu später in Kap. D. III. 2. 195 BVerfGE 126, 170, 198 f. = NJW 2010, 3209, 3211 (Hervorhebungen vom Verf.); dies wird im Wesentlichen, obgleich knapp, durch BVerfG NJW 2013, 365, 366, bestätigt. Bedeutsam ist für eine weitere Teilgarantie des Art. 103 II GG der folgende Nachsatz, vgl. BVerfGE 126, 170, 199 = NJW 2010, 3209, 3211 f.: „Sie [die besondere Mitwirkungspflicht der Rechtsprechung] kann sich auch in über die allgemeinen Grundsätze

II. Bestimmtheitsgebot

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Doch verbleiben nach diesen Sätzen einige Restfragen. Zum einen erscheint unklar, ob man das Präzisierungsgebot aus dem Bestimmtheitsgebot ableitet oder es unter das Analogieverbot fasst. Für letztgenannte Variante spricht, dass es sich – wie beim Analogieverbot – um eine die Auslegung lenkende Regel handelt.196 Trotzdem erscheint es vorzugswürdig, das Präzisierungsgebot als an den Rechtsanwender gewandte Ausprägung des Bestimmtheitsgebots anzusehen. Während nämlich das Analogieverbot negativ äußere Grenzen der Auslegung zieht, fordert das Präzisierungsgebot positiv die aktive Mitwirkung des Rechtsanwenders bei der Präzisierung und Konkretisierung des Anwendungsbereichs einer Norm; dies steht dem mit einem positiven Auftrag an den Gesetzgeber gerichteten Bestimmtheitsgebot näher.197 Zum anderen wird diskutiert, ob die übrigen vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Auslegungsregeln, etwa das sog. „Verschleifungsverbot“, auch unter den Oberbegriff des Präzisierungsgebots zu fassen seien. Jene scheinen aber, da sie die Auslegung negativ begrenzen, eher dem Analogieverbot zuzuordnen zu sein.198 des Vertrauensschutzes . . . hinausgehenden Anforderungen an die Ausgestaltung von Rechtsprechungsänderungen niederschlagen.“ Damit deutete das Bundesverfassungsgericht an, dass Rechtsprechungsänderungen künftig in gewisser Form an Art. 103 II GG gemessen werden könnten. Dies ist zu begrüßen: Die gefestigte, teils formelhafte Rechtsprechung spielt in der Rechtsrealität für die Berechenbarkeit des Strafrechts eine enorme Rolle, somit erscheint es nur folgerichtig, die Verfassungsvorschrift, die ebenjene Berechenbarkeit schützt, insoweit fortzuentwickeln. In der Literatur wird daher schon seit längerer Zeit die Forderung erhoben, das Rückwirkungsverbot – zumindest in gewissem Maße – auch auf Rechtsprechungsänderungen zu erstrecken, vgl. etwa NK4Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 51 ff.; Hettinger/Engländer, FS Meyer-Goßner, 145, 152 ff.; Kempf/Schilling, NJW 2012, 1849, 1853 f.; Kohlmann, Staatsgeheimnis, S. 274 ff.; Neumann, ZStW 103 (1991), 331, 334 ff.; MK-Schmitz, § 1 Rn. 33; SK2-H.-L. Schreiber, § 1 Rn. 6. Wenigstens für eine verstärkte Berücksichtigung von Vertrauensschutzaspekten bei Änderung einer ständigen Rechtsprechung nunmehr auch Böse, Jura 2011, 617, 620 f.; Kuhlen, JR 2011, 246, 249 f.; ders., HRRS 2012, 114, 114 ff.; ders., in: Gesetzlichkeit und Strafrecht, 429, 438 f.; ders., in: Das Gesetzlichkeitsprinzip, 45, 62 f. („Abweichungsverbot“); NK4-Paeffgen, Vor §§ 32 ff. Rn. 63; L. Schulz, FS Roxin II, 305, 313 ff.; wohl auch A. H. Albrecht, FS Dencker, 1, 7 ff., die zudem die analoge Anwendung von Normen des einfachen Rechts, die an die Vorhersehbarkeit der Gesetzesgrundlage anknüpfen (beispielsweise §§ 2 I, III, 16 I, 17 StGB), auf die von ihr als gesetzesergänzend bezeichnete Rechtsprechung erwägt (a. a. O., 10 ff.). Kritisch dazu, das Rückwirkungsverbot auf die Änderung höchstrichterlicher Rechtsprechung zu erstrecken, u. a. Basak, in: Strafrecht und Verfassung, 71, 87 (etwas anders Matt/Renzikowski-Basak, § 1 Rn. 27); Ransiek, Gesetz und Lebenswirklichkeit, S. 22 f.; Roxin, JöR 59 (2011), 1, 26; ders., in: Das Gesetzlichkeitsprinzip, 113, 129; Schuster, in: Das Gesetzlichkeitsprinzip, 79, 86 Fn. 36. 196 Vgl. NK4-Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 70a f.; s. a. Hömig-Hömig, Art. 103 Rn. 15; L. Schulz, FS Roxin II, 305, 310. 197 Im Ergebnis wie hier A. H. Albrecht, FS Dencker, 1, 5 f.; Böse, Jura 2011, 617, 621; a. A. wohl Brodowski, JuS 2012, 892, 894. Dagegen sieht Kuhlen, in: Gesetzlichkeit und Strafrecht, 429, 435 f.; ders., in: Das Gesetzlichkeitsprinzip, 45, 59 Fn. 93, im Präzisierungsgebot eine eigenständige, zu den übrigen Garantien hinzutretende Verbürgung. 198 Vgl. Kuhlen, JR 2011, 246, 248; so nun auch BVerfG NJW 2013, 365, 366.

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D. Begriffsbestimmung

In der strafrechtlichen Literatur ist die Passage des Beschlusses zu den gesteigerten Anforderungen an die Auslegung größtenteils auf Zustimmung gestoßen.199 Ist die per Rechtsfortbildung gewonnene Konstruktion einer weiteren Auslegungsregel in Form des Präzisierungsgebots tatsächlich positiv zu bewerten? Durchaus. Bereits die systematische Stellung und die zumindest grundrechtsähnliche Natur von Art. 103 II GG weisen in die Richtung, dass das Gesetzlichkeitsprinzip sich insgesamt an alle Gewalten richtet. Besonders mit Blick auf die Zwecke, die dem Gesetzlichkeitsgrundsatz zugrunde liegen, erscheint es naheliegend, den Rechtsanwender vermehrt in die Pflicht zu nehmen. Denn die Berechenbarkeit des Strafrechts wird auch und gerade durch eine gefestigte200 Rechtsprechung erzeugt. Das zeigt nicht nur ein Blick in die Rechtspraxis. Vor allem die erarbeiteten Erkenntnisse der Hermeneutik und der Rechtstheorie machen deutlich, dass bei nahezu jeder Norm ein gewisser Anteil des Richters an der Rechtsschöpfung besteht. Dieser Anteil lässt sich durch kein noch so strenges Auslegungs- oder Kommentierungsverbot ausschließen. Jede andere Ansicht beruht im Grunde auf einer – im späten 18. Jahrhundert weit verbreiteten – Überschätzung der Leistungsfähigkeit eines Gesetzes. Somit bildet die Anerkennung und Einbeziehung der Rechtsprechung bei der Normkonkretisierung den einzig realistischen Ansatz, um Berechenbarkeit in möglichst optimaler Weise zu gewährleisten.201 In ausländischen Rechtsordnungen, vornehmlich – obgleich stark 199 Vgl. C. Becker, HRRS 2010, 383, 386; Böse, Jura 2011, 617, 620; AnwK-Gaede, § 1 Rn. 17, 20; Kuhlen, JR 2011, 246, 253; ders., in: Gesetzlichkeit und Strafrecht, 429, 434 ff.; dens., in: Das Gesetzlichkeitsprinzip, 45, 60 ff., 64; Safferling, NStZ 2011, 376, 376 f.; Saliger, ZIS 2011, 902, 918; dens., NJW 2010, 3195, 3196; L. Schulz, FS Roxin II, 305, 327 f.; Schünemann, StraFo 2010, 477, 480; ferner Brodowski, JuS 2012, 892, 894; NK4-Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 19; mit Lob und Kritik Satzger/Schluckebier/Widmaier-Satzger, § 1 Rn. 19a. Kritisch wird dagegen die daraus folgende erweiterte Prüfungsbefugnis des Bundesverfassungsgerichts beurteilt, s. Krüger, NStZ 2011, 369, 372 f.; s. a. Saliger, ZIS 2011, 902, 905; relativierend dazu aber Bartel, FS Frisch, 1255, 1284 f.; C. Becker, HRRS 2010, 383, 387 f.; Böse, Jura 2011, 617, 621; Kraatz, JR 2011, 434, 435 f.; Kuhlen, JR 2011, 246, 249 f.; s. a. Leibholz/Rinck, Art. 103 Rn. 1286. Auf scharfe Ablehnung trifft die in Rede stehende Passage des Untreue-Beschlusses bei Matt/Renzikowski-Basak, § 1 Rn. 17 (Kapitulation); dems., in: Strafrecht und Verfassung, 71, 80 ff., 88; kritisch auch Eser, in: Das Gesetzlichkeitsprinzip, 259, 262; Perron, in: Das Gesetzlichkeitsprinzip, 211, 212 f. 200 Allerdings verweisen Kempf/Schilling, NJW 2012, 1849, 1852, darauf, dass klare Maßstäbe fehlen, wann nun eine Rechtsprechung als gefestigt anzuerkennen ist; zudem sei fraglich, was für die Zeit vor der Präzisierungsleistung der Rechtsprechung zu gelten habe; kritisch auch Basak, in: Strafrecht und Verfassung, 71, 81 f.; Schier, Bestimmtheit, S. 173 f. (freilich in Bezug auf die Herstellung der Bestimmtheit unbestimmter Strafgesetze durch gefestigte Rechtsprechung); Vormbaum, JoJZG 8 (2014), 15, 19. 201 Vgl. Kuhlen, JR 2011, 246, 248 f.; dens., in: Gesetzlichkeit und Strafrecht, 429, 434; dens., in: Das Gesetzlichkeitsprinzip, 45, 57 f., 64; s. a. C. Becker, HRRS 2010, 383, 386; AnwK-Gaede, § 1 Rn. 24; Safferling, NStZ 2011, 376, 376 f. („. . . systemimmanent, dass Rechtsprechung und Wissenschaft zur Normkonkretisierung beitragen.“); L. Schulz, FS Roxin II, 305, 308; ferner Krey, Keine Strafe ohne Gesetz, S. 127.

II. Bestimmtheitsgebot

159

betont – in denen, die dem Common-law-Rechtskreis angehören, wird dieses Leistungsvermögen der Rechtsprechung schon sehr lange anerkannt.202 Wo das Leistungsvermögen der gesetzlichen Sprache – aus welchen Gründen auch immer – seine Grenzen findet, muss die Leistung der Präzisierung durch den Rechtsanwender einsetzen, um Berechenbarkeit zu gewährleisten. Er selbst hat nun die Aufgabe, das Rechtsanwendungsprogramm deutlich herauszuarbeiten. Was dagegen die zweite Säule des Nullum-crimen-Satzes, die Sicherung der Entscheidung des demokratischen Gesetzgebers, anbelangt, so ist daran zu erinnern, dass das System des Grundgesetzes keine strikte Gewaltentrennung begründet; vielmehr bestehen mitunter fließende Grenzen bezüglich der einzelnen Kompetenzbereiche.203 Ist der Gesetzgeber in verfassungsrechtlich legitimer Weise nicht in der Lage, eine nähere Regelung zu treffen, dann kann eine Verlagerung der Aufgabe an den Rechtsanwender seinen Kompetenzbereich nicht verletzen. Im Gegenteil kann es seine grundsätzliche Entscheidung nur stärken, wenn man den Rechtsanwender vermehrt – durch die verfassungsrechtliche Absicherung in Form des Präzisierungsgebots – in ihrem Sinne in die Pflicht nimmt. Zum Teil wird allerdings befürchtet, dass die Anerkennung des Präzisierungsgebots als Argument dazu missbraucht werden könne, generell die Anforderungen an die gesetzliche Bestimmtheit abzuschwächen. Solche Befürchtungen sind nicht ganz unbegründet, lassen sich aber letzten Endes zerstreuen. Zwar wird mit dem Präzisierungsgebot der Blick auf den Rechtsanwender gerichtet. Nichtsdestoweniger entbindet dieses den Gesetzgeber nach alledem nicht von der Pflicht, seinerseits dem Bestimmtheitsgebot nachzukommen.204 Stattdessen kommt dem Präzisierungsgebot, wie das Bundesverfassungsgericht richtig ausführt, gerade dann besondere Bedeutung zu, wenn der Gesetzgeber im Rahmen des Zulässigen einen

202

Vgl. oben Kap. B. III. 1. d). Ebenfalls positiv zum Präzisierungsgebot im Lichte der Gewaltenteilung L. Schulz, FS Roxin II, 305, 325 ff.; anders dagegen Kuhlen, JR 2011, 246, 249; ders., in: Gesetzlichkeit und Strafrecht, 429, 437, der meint, dass dieser Begründungsstrang des Gesetzlichkeitsprinzips hier gerade nicht trage. Basak, in: Strafrecht und Verfassung, 71, 85, meint, die Gewaltenteilung werde auf diesem Wege zu einer Gewaltenergänzung umgedeutet, später ist sogar von „Gewaltenkomplizenschaft“ (a. a. O., 89) die Rede. 204 Krey, Keine Strafe ohne Gesetz, S. 127 f.; ferner NK4-Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 70b; Satzger/Schluckebier/Widmaier-Satzger, § 1 Rn. 19a („subsidiärer Natur“); vgl. auch Böse, Jura 2011, 617, 620, der darin sogar einen Hauptzweck der eigenständig an die Rechtsprechung gerichteten Pflicht zur Präzisierung sieht; in die richtige Richtung Kuhlen HRRS 2012, 114, 114; ders., in: Gesetzlichkeit und Strafrecht, 429, 433; ders., in: Das Gesetzlichkeitsprinzip, 45, 59 Fn. 93, der mit Recht zwischen rechtstheoretischer und verfassungsrechtlich geforderter Bestimmtheit eines Strafgesetzes differenziert (weniger präzise dagegen ders., JR 2011, 246, 248 f. [s. a. ibid. Fn. 37]). Unzutreffend m. E. nach Saliger, ZIS 2011, 902, 904 Fn. 23: Für ihn ist entscheidend, ob ein weit gefasster Straftatbestand mit Blick auf die konkretisierende Rechtsprechung noch als gesetzesbestimmt gelten kann; dem stehen aber alle Einwände entgegen, die oben [Kap. D. II. 3. a) bb)] aufgezeigt wurden, wenn man darin mehr als eine bloße Indizwirkung erblickt. 203

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D. Begriffsbestimmung

Tatbestand weit und unscharf 205 gefasst hat. Ebendieses Zulässige ist weiterhin begründungsbedürftig und kann nicht einfach behauptet werden. Keinesfalls darf man mit Blick auf das ohnehin eingreifende Präzisierungsgebot bei der Auslegung die Bestimmtheitsanforderungen an das Strafgesetz pauschal absenken. Durch Art. 103 II GG verdeutlicht die Verfassung, dass sie dem Gesetz als Instrument einen größeren Stellenwert zubilligt. Demnach stellt eine gefestigte Rechtspraxis, die präzisierend wirkt, nur die zweitbeste Lösung dar. Da sie die Schwächen der erstbesten Lösung ausgleicht, begründet sie für die Herstellung von Berechenbarkeit lediglich eine Verbesserung. Somit hat sich die Frage, ob der Gesetzgeber im AT seinem Regelungsauftrag in ausreichendem Maße nachgekommen ist, mit der Anerkennung des Präzisierungsgebots in keiner Weise erledigt. 4. Bestimmtheit und AT Die bisweilen anzutreffende These, das Verhältnis von Allgemeinem Teil und dem Bestimmtheitsgebot harre noch einer befriedigenden Klärung, lässt sich prägnant verifizieren. So gibt es doch zwei Normen bzw. Rechtsinstitute, die dem AT zuzuordnen sind und seit langer Zeit Gegenstand heftiger, im Ergebnis aber unbefriedigender Debatten sind. Ein zumindest skizzenhafter Überblick erscheint hier lohnenswert. Es geht dabei um § 15 StGB, sprich den Begriff der Fahrlässigkeit, sowie um § 13 I StGB, genauer gesagt die Garantenstellung. In beiden Fällen wird die Frage aufgeworfen, ob das Gesetz den Ansprüchen, die Art. 103 II GG stellt, genügt oder nicht. a) Fahrlässigkeit Die Zweifel, ob der Begriff der Fahrlässigkeit bestimmt ist, sind bereits relativ alt. Vor allem im letzten Jahrzehnt hat die Diskussion erneut „Fahrt aufgenommen“ und das Problem wieder in den Mittelpunkt des Interesses gerückt. Maßgeblich dafür ist die Kontroverse zwischen Duttge und Schmitz auf der einen sowie Herzberg auf der anderen Seite. aa) Kein Verstoß gegen Art. 103 II GG Dabei steht Herzberg stellvertretend für die (wohl) überwiegende Ansicht im Schrifttum. Diese ist der Auffassung, dass der Begriff der Fahrlässigkeit nicht 205 In diese Richtung auch Beckemper, ZJS 2011, 88, 90; s. a. Leibholz/Rinck, Art. 103 Rn. 1317. Dagegen fragt Basak, in: Strafrecht und Verfassung, 71, 80 Fn. 50, worin für den Gesetzgeber ein Zwang liegen soll, Normen „weit“ zu fassen. Für den hier interessierenden AT ist das im Folgenden zu untersuchen und aufzuzeigen; generell dürften die Grenzen des Bestimmtheitsgebots durch das Medium Gesetzessprache bereits durch das bisher Gesehene deutlich geworden sein.

II. Bestimmtheitsgebot

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gegen das Bestimmtheitsgebot verstößt,206 mithin verfassungskonform ist. Im Wesentlichen beruft man sich auf vier Argumente, die das Ergebnis stützen sollen. Zunächst rekurriert man auf den Willen des Gesetzgebers. Der Grundgesetzgeber habe mit der Einführung des Art. 103 II GG keinesfalls im Sinn gehabt, alle Fahrlässigkeitsdelikte des Strafrechts als unbestimmt und damit verfassungswidrig zu brandmarken.207 Demnach widerspräche es dem Willen des Verfassungsgesetzgebers, wenn man den Begriff der Fahrlässigkeit für unbestimmt erklärte. Zweitens wird auf die Folgen hingewiesen208, die das Urteil, der Fahrlässigkeitsbegriff sei unbestimmt, für die Praxis habe. Wenn der Begriff der Fahrlässigkeit wirklich gegen das Bestimmtheitsgebot verstieße, dann wären alle Fahrlässigkeitsdelikte verfassungswidrig und damit nichtig. Somit wären die Fahrlässigkeitsdelikte nicht mehr anwendbar, was zu einem großen Bereich der Straflosigkeit an sich strafwürdiger Handlungen führen würde. Ein solcher Zustand sei kaum erstrebenswert, mehr noch, „unerträglich“ 209. Kurz: Es wird ein düsteres Bild des Chaos gezeichnet. Drittens wird vorgebracht, die Fahrlässigkeitsdelikte seien bei Lichte betrachtet keineswegs weniger bestimmt als die Vorsatzdelikte. Diese Argumentation verläuft allerdings in verschiedenen Varianten. Teils werden Vergleiche zu anderen Tatbestandsmerkmalen (etwa bei § 240 StGB) gezogen, die man als unbestimmt erkannt zu haben glaubt; gegenüber diesen Begriffen sei die Verwendung des Fahrlässigkeitsbegriffes nicht nennenswert bedenklicher.210 Andere wiederum konzipieren das Fahrlässigkeitsdelikt nicht als „offen“, son206 Herzberg, ZIS 2011, 444, 451 f.; ders., in: Schünemann-Symposium, 31, 54 f.; ders., NStZ 2004, 593, 593 ff.; mit etwas anderer Begründung noch ders., Unterlassung, S. 254. Vgl. außerdem Bohnert, ZStW 94 (1982), 68, 80; Schönke/Schröder29-Eser/ Hecker, § 1 Rn. 19; Freund, AT, § 5 Rn. 3; dens., FS Küper, 63, 65; dens., FS Wolter, 35, 38 f.; Frister, AT, Kap. 4 Rn. 13; Matt/Renzikowski-Gaede, § 15 Rn. 32; Haft, AT, F III 2 b aa; Jähnke, GS Schlüchter, 99, 105; Jescheck/Weigend, AT, § 54 I 3; Kuhlen, in: Recht ohne Regeln, 19, 23; H. Mayer, JZ 1953, 105, 105; KK-OWiG-Rogall, § 3 Rn. 39; Roxin, in: Das Gesetzlichkeitsprinzip, 113, 135; Sternberg-Lieben, GS Schlüchter, 217, 239; Stratenwerth/Kuhlen, AT, § 15 Rn. 9 Fn. 3; LK12-Vogel, Vor § 15 Rn. 41; Weidemann, GA 1984, 408, 423; Welzel, Fahrlässigkeit, S. 15; dens., JZ 1952, 617, 617; s. a. NK4-Puppe, § 15 Rn. 12 f.; unklar W. Schöne, GS H. Kaufmann, 649, 657 f., 667. 207 Herzberg, in: Schünemann-Symposium, 31, 49; ders., NStZ 2004, 593, 594; s. a. früher schon Jescheck, Aufbau, S. 11; allgemein mit dieser Begründung Kuhlen, FS Otto, 89, 95; Lewisch, Verfassung und Strafrecht, S. 131. Freilich verspürt Herzberg bei diesem Argument anscheinend selbst ein gewisses Unbehagen, wie seine eigene Relativierung zeigt, vgl. Herzberg, ZIS 2011, 444, 451 Fn. 34. 208 Herzberg, ZIS 2011, 444, 446 f.; ders., in: Schünemann-Symposium, 31, 37; ders., NStZ 2004, 593, 594; unabhängig vom Problem der Fahrlässigkeit Kuhlen, FS Otto, 89, 95. 209 Herzberg, NStZ 2004, 593, 594. 210 Bockelmann, Verkehrsstrafrechtliche Aufsätze, S. 208 f.; Herzberg, NStZ 2004, 593, 594. Außerdem sieht Herzberg, ZIS 2011, 444, 448 f., beim Fahrlässigkeitsbegriff keinen Unterschied zu anderen Tatbestandsmerkmalen wie etwa der körperlichen Misshandlung, bei denen sich Grenzfragen der Auslegung stellen können.

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dern – parallel zum Vorsatzdelikt – als „geschlossen“: Bei den Fahrlässigkeitsdelikten trete die Sorgfaltspflicht, die bei den Vorsatzdelikten subsidiär existent sei und darum bloß nicht auffalle, stärker zu Tage; der Unterschied zwischen Vorsatz- und Fahrlässigkeitsdelikt bestehe lediglich in der inneren Beziehung des Täters zur Kausalität.211 In eine ähnliche Richtung geht Herzberg. Dieser weist daraufhin, dass nach richtigem Verständnis Elemente, die traditionell zur Fahrlässigkeit gezählt werden (Sorgfaltsregeln), mit denen der objektiven Zurechnung (unerlaubte Risiken) gleichgesetzt werden müssen; wolle man nun jene Elemente als unbestimmt bezeichnen, so gelte das Verdikt der Unbestimmtheit, da die objektive Zurechnung auch Bestandteil der Vorsatzdelikte sei, für nahezu alle Delikte.212 Wohl am häufigsten wird die ausreichende Bestimmtheit des Begriffs der Fahrlässigkeit und damit seine Verfassungsmäßigkeit mit dem sog. „Unmöglichkeitsargument“ begründet: Anders als durch die Rechtspraxis und die Lehre lasse sich der Begriff gar nicht näher konkretisieren; einer präziseren gesetzlichen Fassung der „Fahrlässigkeit“ stünde das weite Feld höchst heterogener Sorgfaltspflichtverletzungen entgegen.213 Gewiss wird man – jedenfalls im StGB214 – die Ausformulierung von allen denkbaren Sorgfaltsregeln (bzw. unerlaubten Risi211 Bohnert, ZStW 94 (1982), 68, 75 ff.; s. a. Jakobs, FS Nishihara, 105, 120 f.: „Das vorsätzliche Verhalten ist in seinem objektiven Teil keinen Deut anders zusammengesetzt als das fahrlässige . . .“. Gegen Bohnerts Auffassung vom „geschlossenen“ Fahrlässigkeitsdelikt eingehend Mikus, Verhaltensnorm, S. 34; W. Schöne, GS H. Kaufmann, 649, 660 ff.; Weidemann, GA 1984, 408, 420 f.; s. a. Struensee, JZ 1987, 53, 55. 212 Herzberg, ZIS 2011, 444, 448 f.; ders., in: Schünemann-Symposium, 31, 38 f.; ders., NStZ 2004, 593, 599. Ähnlich zum Verhältnis von Vorsatz und Fahrlässigkeit Freund, FS Herzberg, 225, 228, 242 Fn. 47. Diese Ansicht geht – zu Recht – von einem Plus-Minus-Verhältnis zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit aus. Der objektive Tatbestand beider Elemente ist identisch (Setzen eines unerlaubten Risikos), lediglich die subjektiven Anforderungen der beiden Formen individueller Vermeidbarkeit (ErkennenErkennbarkeit) divergieren. Dabei schließt das Erkennen (Vorsatz) aber notwendigerweise die Erkennbarkeit (Fahrlässigkeit) mit ein. 213 Vgl. Schönke/Schröder29-Eser/Hecker, § 1 Rn. 19; Freund, AT, § 5 Rn. 3; dens., FS Küper, 63, 65; Haft, AT, F III 2 b aa; Herzberg, ZIS 2011, 444, 450 f.; dens., in: Schünemann-Symposium, 31, 35; Hirsch, ZStW 94 (1982), 239, 267; Jescheck, Aufbau, S. 11 f.; Jescheck/Weigend, AT, § 54 I 3; KK-OWiG-Rogall, § 3 Rn. 39; Weidemann, GA 1984, 408, 422; Welzel, Fahrlässigkeit, S. 15; s. a. H. Schröder, in: Verhandlungen des 41. Deutschen Juristentages, 61, 73; Schönke/Schröder29-Stree/Bosch, § 13 Rn. 5/6. Eng mit diesem Argument hängt der sog. Untauglichkeitseinwand zusammen: Die bewusste Zurückhaltung des Gesetzgebers (s. nur den 2. Schriftl. Bericht des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform, BT-Drucks. V/4095, S. 8 f.) bei den Begriffen Fahrlässigkeit und Vorsatz sei begrüßenswert, denn solche Begriffe ließen sich besser durch die Rechtsdogmatik und die Rechtsprechung präzisieren und weiterentwickeln, vgl. NK4-Puppe, § 15 Rn. 12 f.; in diese Richtung auch die Mahnung von Arm. Kaufmann, ZStW 80 (1968), 34, 39, im Vorfeld der Reform des dogmatischen AT. Kritisch dazu Colombi Ciacchi, Fahrlässigkeit, S. 40; MK-Duttge, § 15 Rn. 34; ders., JZ 2014, 261, 269; NK4-Paeffgen, Vor §§ 32 ff. Rn. 58. 214 Im besonderen Verwaltungsrecht (etwa im Straßenverkehrsrecht) und im Nebenstrafrecht bzw. Bußgeldbereich sind ohnehin zahllose Sorgfaltsregeln positiviert und sanktionsbewehrt.

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ken) nicht ernstlich fordern können. Andernfalls gelangt man zu Regeln, dass niemand unverzinntes kupfernes Geschirr benutzen (vgl. II 20 § 728 ALR) oder nachts Schlitten ohne Schellengeläut fahren soll (vgl. II 20 § 761 ALR) – eine kaum wünschenswerte Aussicht für das Kernstrafrecht. bb) Verstoß gegen Art. 103 II GG Dagegen hält eine starke Mindermeinung, zu der Schmitz und Duttge zählen, den Begriff der Fahrlässigkeit zumindest für unbestimmt und erblickt darin einen Verstoß gegen Art. 103 II GG.215 Der Begriff der Fahrlässigkeit sei im StGB allenfalls sporadisch umrissen, der Gesetzgeber komme hier seinem Auftrag nicht in ausreichendem Maße nach.216 Gerade mit Blick auf die rationes des Art. 103 II GG erscheine die Gesetzesfassung bedenklich, da keinerlei Berechenbarkeit gewährleistet werde.217 Die Argumente der Befürworter der Fahrlässigkeitsregelung werden allesamt abgelehnt. Soweit man sich auf den Willen des Verfassungsgesetzgebers berufe, lasse sich einwenden, dass es auch möglich sei, dass dieser die Fahrlässigkeitsdelikte implizit verworfen habe, indem er Art. 103 II GG einführte; zudem habe sich die Grundrechtsdogmatik verfeinert, die damaligen Maßstäbe und Ergebnisse gälten daher nicht zwingend für heute.218 In der Tat fragt man sich bei einer derartigen 215 MK-Duttge, § 15 Rn. 33 ff.; ders., Bestimmtheit, S. 202 ff.; ders., FS Kohlmann, 13, 26 ff.; ders., JZ 2014, 261, 269; MK-Schmitz, § 1 Rn. 51 f.; ders., FS Samson, 181, 182, 198; außerdem Colombi Ciacchi, Fahrlässigkeit, S. 33 ff., 41; Th. Schröder, Gesetzesumgehung, S. 379; Walther, JZ 2005, 686, 687. Ebenfalls in diese Richtung Dannecker, FS Otto, 25, 33 f. (s. dagegen dens., Intertemporales Strafrecht, S. 276); NK4Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 23; Kühl, AT, § 17 Rn. 6; Mikus, Verhaltensnorm, S. 38; Rotsch, ZJS 2008, 132, 138; LK11-F.-C. Schroeder, Vor § 15 Rn. 2 ff.; ders., ZStW 91 (1979), 257, 261; Simon, Gesetzesauslegung, S. 433 Fn. 157. 216 MK-Duttge, § 15 Rn. 33; ders., FS Kohlmann, 13, 24 ff.; MK-Schmitz, § 1 Rn. 51; ders., FS Samson, 181, 190. 217 Schmitz, FS Samson, 181, 183. Gegen den Weg einer teleologischen Interpretation tritt, wie bereits gesehen, Herzberg (s. Kap. C. I. 3. Fn. 48) ein: Den Sinn des Gesetzes zu finden, dazu könne nicht der Gesetzessinn verhelfen. Dem lässt sich Folgendes entgegenhalten: Abgesehen davon, dass durch eine solche Verkürzung Bedeutungen – einmal der Sinn als Absicht, als Zweck, einmal als Inhalt des Gesetzes – vermengt werden, ist die Grundrechtsnorm sicherlich nicht willkürlich, sinnlos ins Grundgesetz aufgenommen worden (vgl. Schmitz, FS Samson, 181, 184). Wer den Willen des Verfassungsgesetzgebers selbst so hoch hält wie Herzberg, der muss seinerseits akzeptieren, dass dieser nullum crimen, nulla poena sine lege in seiner Bedeutung als überkommener Rechtssatz wiedererstarken lassen wollte; damit werden aber zugleich die – historisch gewachsenen – Zwecke miteinbezogen. 218 Schmitz, FS Samson, 181, 187 f.; ähnlich auch Colombi Ciacchi, Fahrlässigkeit, S. 28. Im Übrigen können Rechtssätze im Laufe der Zeit ihren Sinn und ihre Tragweite durchaus ändern, vgl. Tiedemann, Tatbestandsfunktionen, S. 186. Ebenfalls kritisch hinsichtlich eines solchen Rekurrierens auf den Willen des Verfassungsgesetzgebers – allerdings im Kontext des § 13 I StGB – Seebode, FS Spendel, 317, 336; Vogel, Norm und Pflicht, S. 327 f.; Welp, Vorangegangenes Tun, S. 140 f. Fn. 2.

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Betonung des Gesetzgeberwillens: Hätte es (hypothetisch gesehen) der bloße Wille der Schöpfer der Verfassung vermocht, einen im Gesetz anzutreffenden Schurkenparagraphen hinsichtlich des Bestimmtheitsgebots zu legitimieren? Im Ergebnis würde ein solcher animus contra factum proprium des Gesetzgebers die von ihm selbst erschaffene Regel nahezu inkonsistent machen. Was den Hinweis auf die Folgen der Nichtigkeit der Fahrlässigkeitsdelikte für die Praxis anbelangt, so folge aus einer erschreckenden These nicht ihre Unrichtigkeit, da das Grundgesetz insofern Konsequenz gebiete.219 Hinzu kommt, dass man diese praktischen Befürchtungen auch mit einem praktischen Hinweis etwas abmildern kann, wenn man die Spruchpraxis des Bundesverfassungsgerichts ins Auge fasst. Es besteht die Möglichkeit einer sog. Unvereinbarkeitserklärung, d.h. eine Norm wird nicht für nichtig, sondern für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt, wobei häufig – bis der Gesetzgeber einen verfassungsgemäßen Zustand geschaffen hat – die befristete Weitergeltung der Norm vorgesehen wird; dies soll es ermöglichen, den Eintritt eines „noch verfassungswidrigeren“ Zustandes zu vermeiden.220 Auch die Parallele, die die Befürworter des Fahrlässigkeitsbegriffs zum Vorsatzdelikt zögen, überzeuge nicht. Zum einen sei Herzbergs Verständnis des Verhältnisses von Vorsatz und Fahrlässigkeit lediglich eines unter mehreren möglichen.221 Zum anderen führe die bloße Implementation der unbestimmten Strafbarkeitsvoraussetzung in die Vorsatzdelikte nicht zum Ergebnis, dass die Strafbarkeitsvoraussetzung bestimmt sei.222 Letzteres geht in die richtige Rich219 Schmitz, FS Samson, 181, 187; vgl. auch Bohnert, ZStW 94 (1982), 68, 71; Duttge, JZ 2014, 261, 270; W. Schöne, GS H. Kaufmann, 649, 657. 220 Auf diese Möglichkeit weist Duttge, FS Kohlmann, 13, 20, hin; sogar Herzberg, in: Schünemann-Symposium, 31, 33 f., erwähnt diese Möglichkeit. Freilich meint Herzberg ebenda, dass im Falle der befristeten Weitergeltung die Terminologie der Unvereinbarkeit in der Sache falsch sei; tatsächlich komme damit zum Ausdruck, dass die betreffende Norm mit dem Grundgesetz vereinbar, nur eben nicht gut vereinbar sei. Das überzeugt jedoch nach dem gerade Gesehenen nicht. Die Verfassungswidrigkeit wird durchaus mit Recht festgestellt, nur der Vergleich zu dem „noch verfassungswidrigeren“ Zustand bringt das Bundesverfassungsgericht dazu, die Norm zu halten. Deshalb unterbleibt die Erklärung der Nichtigkeit. Es wird also aus praktischen Gründen eine folgenorientierte Abstufung zwischen verschiedenen Graden der Verfassungswidrigkeit vorgenommen. Ob dies theoretisch überzeugt, sei dahingestellt; wer selbst mit praktischen Erwägungen argumentiert, muss sich solche wiederum entgegenhalten lassen. Dass man generell an der Zulässigkeit der – ursprünglich ausschließlich auf Richterrecht gegründeten – Entscheidungsform Zweifel haben kann, sei zugestanden; vgl. zur Kritik an der Unvereinbarkeitserklärung Seer, NJW 1996, 285, 289 ff.; zum aktuellen Stand Bethge, FS Stern, 295, 305 ff. 221 Duttge, FS Kohlmann, 13, 28 Fn. 125; Schmitz, FS Samson, 181, 190. 222 Schmitz, FS Samson, 181, 192. Ähnlich wird gegen den Verweis auf andere unbestimmt Begriffe innerhalb des Strafrechts argumentiert: Der bloße Hinweis auf andere unbestimmte Begriffe innerhalb eines Rechtsgebiets vermöge die Unbestimmtheit des Fahrlässigkeitsbegriffs nicht zu heilen, vgl. MK-Duttge, § 15 Rn. 34; ders., Bestimmt-

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tung. Zwar ist Herzberg zuzustimmen, dass das Setzen des unerlaubten Risikos sowohl bei Vorsatz- als auch bei Fahrlässigkeitsdelikten Teil des objektiven Tatbestandes ist. Im nächsten Schritt ist allerdings zu fragen, ob die objektive Zurechnung, sprich die Festlegung des unerlaubten Risikos ausreichend bestimmt ist. Praktisch spielt diese Frage bei den Fahrlässigkeitsdelikten eine größere Rolle, da die vorsätzlich gesetzten Risiken in der Regel eindeutig unerlaubt sind. Wenn dagegen daraufhin gewiesen werde, die Konkretisierung des Fahrlässigkeitsbegriffes sei angesichts der Vielgestaltigkeit der Sorgfaltspflichten nur durch Praxis und Lehre zu leisten, so sei dem entgegen zu halten: Art. 103 II GG verlange, dass sich der Bürger aus den Gesetzen unterrichten können solle,223 was bei einer Konkretisierung des Begriffs durch Praxis und Lehre schwerlich möglich sei. Andere Rechtsordnungen zeigten durchaus, dass die Voraussetzungen des Fahrlässigkeitsdelikts gesetzlich normierbar seien.224 Außerdem sei eine Konkretisierung offener Normen durch Rechtsprechung und Lehre deshalb bedenklich, weil der erste denkbare Anwendungsfall einer solchermaßen offenen Norm den Bürger ungerecht treffen würde; erst im Nachhinein sei für ihn einsehbar, welcher Rechtsverstoß ihm eigentlich vorgeworfen werde.225 cc) Verfassungskonforme Auslegung? Erstaunlich erscheint aber das Folgende: Ein Teil der Anhänger der Mindermeinung fällt mit dem Urteil über die Unbestimmtheit der Norm noch keines darüber, ob die Fahrlässigkeitsdelikte somit als verfassungswidrig anzusehen sind. Dies würde sich in Anbetracht des Verstoßes gegen Art. 103 II GG eigentlich aufdrängen. Stattdessen wird vorgebracht, dass die Norm einer verfassungskonformen Auslegung zugänglich sei, die dem Ergebnis der Verfassungswidrigkeit vorzuziehen sei.226 Ohne nun näher auf die Wege einzugehen, die für diese heit, S. 216; dens., FS Kohlmann, 13, 28; dens., JZ 2014, 261, 269; W. Schöne, GS H. Kaufmann, 649, 657 f.; s. a. Colombi Ciacchi, Fahrlässigkeit, S. 37. 223 Duttge, FS Kohlmann, 13, 28; s. a. MK-Duttge, § 15 Rn. 34. Nach Colombi Ciacchi, Fahrlässigkeit, S. 38, soll das sog. Unmöglichkeitsargument auf einem „grundsätzlichen Irrtum“ der h. M. beruhen: Eine kasuistische Beschreibung der Handlungen betreffe nicht den Fahrlässigkeitsbegriff, sondern die Kausalität. Freilich bezieht die h. M. ihr Argument nicht auf die gefährlichen Handlungen, sondern auf die Sorgfaltspflichten, was nicht zwingend gleichzusetzen ist. 224 Colombi Ciacchi, Fahrlässigkeit, S. 40 f.; MK-Schmitz, § 1 Rn. 52; ders., FS Samson, 181, 189. Beide räumen aber ein, dass diese nur mehr oder minder gelungen, kritisierbar sind. Daher auch skeptisch zum rechtsvergleichenden Blick Duttge, Bestimmtheit, S. 220 ff., 253. 225 Bohnert, ZStW 94 (1982), 68, 71; s. a. W. Schöne, GS H. Kaufmann, 649, 656. 226 Duttge, Bestimmtheit, S. 206; ders., FS Kohlmann, 13, 29 f.; ders., JZ 2014, 261, 270; s. a. Walther, JZ 2005, 686, 687; ferner Colombi Ciacchi, Fahrlässigkeit, S. 42. Bei der letztgenannten Autorin überrascht dies besonders, bezeichnet sie doch bereits vorher (vgl. Colombi Ciacchi, Fahrlässigkeit, S. 41) den Fahrlässigkeitsbegriff expressis

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Auslegungsvariante angeführt werden, fragt es sich primär, ob die verfassungskonforme Auslegung hier überhaupt gangbar ist. Dies wird stark bestritten. Art. 103 II GG spiele bei der Auslegung selbst keine Rolle, es sei nur entscheidend, ob die Norm gesetzlich bestimmt sei.227 Verfassungskonform auszulegen sei eine Norm ausschließlich, wenn sie selbst nicht nichtig, kein „nullum“ sei, d.h. für sich genommen dem Bestimmtheitsgebot genüge.228 Dagegen wiederum wenden die Befürworter einer verfassungskonformen Auslegung ein, dies sei zu einfach gedacht: Wenn man konzediere, dass unbestimmte Begriffe im Recht nötig seien, dann bestünde eine Wechselwirkung zwischen Gesetz und Rechtsanwender; das Verdikt der Unbestimmtheit ergebe sich nicht allein anhand des Gesetzestextes, sondern sei unter Einbeziehung der Möglichkeit richterlicher Gesetzesinterpretation zu beurteilen.229 Die Frage, inwieweit Art. 103 II GG bei der Gesetzesauslegung seine Wirkung entfaltet, sprich, ob sich das Bestimmtheitsgebot auch an den Gesetzesanwender richtet, wurde oben in Einklang mit dem Bundesverfassungsgericht bejaht. Begrüßenswert ist es deshalb sicherlich, wenn man mit Kuhlen genauer differenziert, wodurch Bestimmtheit geleistet werden kann. Freilich muss man weitergehen. Eine Norm, von der man mit guten Gründen behaupten kann, dass ihre Wortlautweite notwendig ist,230 kann man schwerlich als gesetzlich unbestimmt i. S. d. Art. 103 II GG bezeichnen. Nur eine solche, ihrerseits dem Bestimmtheitsgebot genügende Norm kann Gegenstand des an den Rechtsanwender gerichteten Präzisierungsgebots sein. Eines muss man sich nämlich vergegenwärtigen: Ist eine Norm tatsächlich gesetzlich unbestimmt i. S. des Art. 103 II GG, d.h. liegen keine legitimierende Gründe für ihre vage Fassung vor, dann ist sie nichtig und verbis als verfassungswidrig. Dieses Urteil müsste sich eigentlich verbieten, wenn tatsächlich eine verfassungskonforme Auslegung möglich wäre; denn diese setzt gerade einen Auslegungsweg, der verfassungsgemäß ist, voraus und lässt die Norm durch die Begrenzung auf diesen verfassungsgemäß erscheinen, vgl. dazu Kuhlen, Verfassungskonforme Auslegung, S. 1. Zudem verwundert, dass an früherer Stelle (Colombi Ciacchi, Fahrlässigkeit, S. 20) festgestellt wurde, dass interpretatorische Bestimmtheit keine gesetzliche Bestimmtheit bedeute und nicht ausreiche, später dann aber doch auf die einengende Auslegung umgeschwenkt wird. Ein ähnlicher Widerspruch findet sich bei Duttge, Bestimmtheit, S. 170 ff. 227 Herzberg, ZIS 2011, 444, 445; zweifelnd auch Schmitz, FS Samson, 181, 182 Fn. 16; F.-C. Schroeder, JZ 1969, 775, 778. 228 Herzberg, in: Schünemann-Symposium, 31, 33; ders., NStZ 2004, 593, 594; vgl. auch BVerfGE 105, 135, 153; BGH NStZ 2005, 105, 106 („Die Nachbesserung eines unbestimmten Gesetzes ist dem Strafrichter versagt.“). 229 Kuhlen, Verfassungskonforme Auslegung, S. 98. 230 Man sollte hier nicht von der zulässigen und notwendigen Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe sprechen. Dies führt nur dazu, dass der Eindruck entsteht, man habe damit bereits einen Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot festgestellt. So werden die Unterschiede verwischt. Besteht tatsächlich die Notwendigkeit und Zulässigkeit eines solchen weiten Begriffs, dann ist vielmehr geklärt, dass die vom Bestimmtheitsgebot gestellten Hürden in diesem Fall abgesenkt werden.

II. Bestimmtheitsgebot

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kein Gegenstand verfassungskonformer Auslegung mehr. Sähe man dies anders, so wäre letztlich durch verfassungskonform präzisierende Auslegung nahezu immer eine Heilung jener Unbestimmtheit möglich. Denn welche Norm, welcher Rechtsbegriff lässt sich nicht durch eine einengende231 Praxis und Dogmatik näher konkretisieren? Das Bestimmtheitsgebot verlöre so – wenn nicht angesichts der Gesetzgebungspraxis und ihrer verfassungsrechtlichen Kontrolle bereits geschehen – jeden „Schrecken“ für den Gesetzgeber. b) § 13 I StGB (Garantenstellung) Im Vergleich zur Diskussion um den Fahrlässigkeitsbegriff trifft man bei der um § 13 I StGB auf durchaus ähnliche Erwägungen. Die Besonderheit besteht aber darin, dass § 13 I StGB eine der wenigen Vorschriften des „dogmatischen“ Abschnitts des Allgemeinen Teils ist, zu der das Bundesverfassungsgericht im Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot Stellung bezogen hat. aa) Bundesverfassungsgericht und herrschende Auffassung Wenig überraschend ist sein Ergebnis. § 13 I StGB verstoße nicht gegen das Bestimmtheitsgebot. Dabei argumentiert das höchste deutsche Gericht folgendermaßen: Nach einigen einleitenden Ausführungen zum Inhalt des Bestimmtheitsgebots nach Art. 103 II GG und den zugrunde liegenden Zwecken232 folgen schon die wohlbekannten Relativierungen. Das Verfassungsgebot der Gesetzesbestimmtheit schließe die Verwendung von Begriffen, die in besonderem Maße der Deutung durch den Richter bedürften, nicht generell aus, auch im Strafrecht stehe der Gesetzgeber vor der Notwendigkeit, der Vielgestaltigkeit des Lebens 231 Überhaupt muss Präzisierung der Anwendungsvoraussetzungen einer Norm nicht zwingend Einengung bedeuten. Diese will der Gesetzgeber regelmäßig auch nicht, wenn er sich für einen vagen Begriff oder eine Generalklausel entscheidet: Die Weite der Norm soll gerade der Vielgestaltigkeit des Lebens Rechnung tragen können. Jener Wille des Gesetzgebers aber wird ganz überwiegend als eine der Grenzen einer verfassungskonformen Auslegung anerkannt; vgl. BVerfGE 93, 37, 81; 101, 312, 329; 110, 226, 267; Sauer, Wortlautgrenze, S. 2 f. m.w. N. Ähnlich wie hier auch F.-C. Schroeder, JZ 1969, 775, 778. 232 BVerfG NJW 2003, 1030, 1030 = JZ 2004, 303, 303 f. (mit kritischer Anmerkung von Seebode, 305 ff.): Das Bestimmtheitsgebot verpflichte den Gesetzgeber, die Voraussetzungen der Strafbarkeit so genau zu umschreiben, dass Tragweite und Anwendungsbereich der Straftatbestände für den Normadressaten schon aus dem Gesetz selbst zu erkennen seien und sich durch Auslegung ermitteln und konkretisieren ließen. Das Grundgesetz wolle sicherstellen, dass jeder vorhersehen könne, welches Verhalten verboten und mit Strafe bedroht ist, damit er sein Tun oder Unterlassen auf die Strafrechtslage eigenverantwortlich einrichten könne und willkürliche staatliche Reaktionen nicht befürchten müsse. Art. 103 II GG sorge zugleich dafür, dass im Bereich des Strafrechts mit seinen weitreichenden Folgen für den Einzelnen allein der Gesetzgeber abstrakt-generell über die Strafbarkeit entscheide. Er dürfe diese Entscheidung nicht der Strafjustiz überlassen. Vgl. auch BVerfGE 96, 68, 97 = NJW 1998, 50, 56.

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D. Begriffsbestimmung

Rechnung tragen zu müssen; Generalklauseln oder unbestimmte, wertausfüllungsbedürftige Begriffe seien im Strafrecht allerdings nur dann verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn die Norm eine zuverlässige Grundlage für ihre Auslegung und Anwendung biete oder wenn sie eine gefestigte Rechtsprechung übernehme und damit aus dieser Rechtsprechung hinreichende Bestimmtheit gewinne.233 Gemessen an diesen Anforderungen bejaht das Bundesverfassungsgericht die Vereinbarkeit der gesetzlichen Vorschrift des § 13 I StGB mit Art. 103 II GG: Die Vorschrift stelle das Unterlassen einer Erfolgsabwendung unter Strafe, wenn eine Rechtspflicht hierfür bestehe (sog. „Garantenstellung“) und das Unterlassen bei wertender Betrachtungsweise der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestands durch aktives Tun entspreche.234 Eine Garantenstellung als Voraussetzung für eine mögliche Strafbarkeit schlichten Untätigbleibens setze mithin nach dem Wortlaut des Gesetzes obligatorisch eine Rechtspflicht zur Abwendung des deliktischen Erfolgs voraus; eine sittliche Pflicht oder die rein faktische Möglichkeit zur Erfolgsabwendung genügten nicht.235 Zwar sei damit der Kreis möglicher Garantenpflichten nicht ohne Weiteres dem StGB zu entnehmen; die Anbindung an das Erfordernis normativ begründeter Pflichten und eine auf langjähriger Tradition beruhende einheitliche und klare richterrechtliche Umschreibung möglicher Garantenstellungen gewährleisteten aber, dass das Risiko einer Bestrafung für den Normadressaten voraussehbar werde.236 Dem folgt die herrschende Auffassung in der Lehre, wenngleich mit einem gewissen Unbehagen. Zahlreiche Autoren erblicken in § 13 I StGB durchaus einen Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot, verneinen jedoch die Verfassungswidrigkeit im Hinblick auf Art. 103 II GG.237 Von der Begründung her liegen 233 BVerfG NJW 2003, 1030, 1030 = JZ 2004, 303, 304; s. a. BVerfGE 96, 68, 97 f. = NJW 1998, 50, 56. 234 BVerfG NJW 2003, 1030, 1030 = JZ 2004, 303, 304. 235 BVerfG NJW 2003, 1030, 1030 = JZ 2004, 303, 304. 236 BVerfG NJW 2003, 1030, 1030 = JZ 2004, 303, 304; s. a. BVerfGE 96, 68, 98 f. = NJW 1998, 50, 56: Die gesetzliche Regelung jedes einzelnen Unterlassungsdelikts sei wegen der Vielzahl der Tatbestände dagegen nur schwer realisierbar. 237 Vgl. Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 15 Rn. 40 f.; Jähnke, FS BGH, 393, 401 f. (Preisgabe des Bestimmtheitsgebots der Sache nach, aber kein Verfassungsverstoß); LK11-Jescheck, § 13 Rn. 14; Jescheck/Weigend, AT, § 58 IV 4 (§ 13 I genügt dem Bestimmtheitsgebot eigentlich nicht); Kühl, FS Herzberg, 177, 190 f. („nicht die optimale Lösung“); Lackner/Kühl, § 13 Rn. 21 (verfassungsrechtliche Problematik durch § 13 nicht voll ausgeräumt); Roxin, AT/II, § 31 Rn. 33 (s. a. dens., in: Das Gesetzlichkeitsprinzip, 113, 135); LK12-Weigend, § 13 Rn. 18 f.; ferner Fischer, StGB, § 13 Rn. 2; Seebode, JZ 2004, 305, 305 f.; ders., FS Spendel, 317, 333 ff. Einen Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot bestreiten dagegen D. Albrecht, Begründung, S. 156 f., 182, 288 (Garantenstellung sowie deren Begründung und Ergänzung ergeben sich aus schlichter wortlautorientierter [sic!] Auslegung); Freund, FS Herzberg, 225, 240 f.; Herzberg, in: Schünemann-Symposium, 31, 42 f.; Satzger/Schluckebier/Widmaier-Kudlich, § 13 Rn. 3; Kuhlen, in: Recht ohne Regeln, 19, 23; ders., FS Otto, 89, 98 Fn. 68; v. Mangoldt/Klein/Starck-Nolte, Art. 103 II Rn. 147; Nickel, Problematik, S. 177 ff. (dieser

II. Bestimmtheitsgebot

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diese ganz auf der Linie des Bundesverfassungsgerichts. Die Garantenpflichten seien ausreichend durch die Rechtsprechung und die Lehre ausgearbeitet, insoweit richte sich das Bestimmtheitsgebot auch an den Rechtsanwender.238 Dagegen sei eine Einzelregelung der Unterlassungsdelikte als eigenständige Tatbestände utopisch, ebenso – in Anbetracht des konfusen Diskussionsstandes – eine genaue Festlegung der einzelnen Garantenstellungen.239 Ansonsten wird ins Feld geführt, dass schon die alte Rechtslage vor Inkrafttreten des § 13 StGB, als noch gar keine nähere Regelung zum unechten Unterlassungsdelikt existierte, mit Art. 103 II GG vereinbar gewesen sei; die Modalität des Unterlassens lasse sich unter die normierten Begehungsdelikte subsumieren, folglich könne § 13 StGB die bereits vorher verfassungsgemäßen Bestrafungen nicht verfassungswidrig gemacht haben.240 Gewisse Restzweifel scheinen bei einigen Vertretern der h.A. zu bleiben. Anders lässt es sich jedenfalls kaum erklären, wie oft und wie variantenreich angesichts der bestehenden gesetzlichen Regelungslage eine restriktive Interpretation der Rechtspflicht gefordert wird.241 negiert allerdings völlig, dass ein Bestimmtheitsgebot überhaupt besteht); Paulduro, Verfassungsgemäßheit, S. 424 f. (anhand der Anforderungen des BVerfG); KK-OWiGRogall, § 3 Rn. 39; Schmidt-Bleibtreu/Klein-Schmahl, Art. 103 Rn. 33; Stratenwerth/ Kuhlen, AT, § 3 Rn. 16, § 13 Rn. 13; Schönke/Schröder29-Stree/Bosch, § 13 Rn. 5/6; HK-Tag, § 13 Rn. 1 (gesetzliche Grundaussagen räumen Vorwurf mangelnder gesetzlicher Bestimmtheit aus); Vogel, Norm und Pflicht, S. 330 ff. 238 Schönke/Schröder29-Stree/Bosch, § 13 Rn. 5/6; s. a. Schmidt-Bleibtreu/KleinSchmahl, Art. 103 Rn. 33. 239 Vgl. zum Erstgenannten Otto, GK, § 9 Rn. 18; v. Mangoldt/Klein/Starck-Nolte, Art. 103 II Rn. 147; Schönke/Schröder29-Stree/Bosch, § 13 Rn. 5/6; zum zuletzt Genannten Gallas, ZStW 80 (1968), 1, 17; Jähnke, FS BGH, 393, 402; Jakobs, AT, Ab. 29 Rn. 5; LK11-Jescheck, § 13 Rn. 14; Jescheck/Weigend, AT, § 58 IV 4; H. Schröder, in: Verhandlungen des 41. Deutschen Juristentages, 61, 73. S. a. 2. Schriftl. Bericht des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform, BT-Drucks. V/4095, S. 8: Es sei unmöglich, die einzelnen Entstehungsgründe der Handlungspflicht erschöpfend gesetzlich festzulegen; die Zeit für eine sachgemäße Regelung dieser Problematik sei angesichts des Streitstandes noch nicht reif. Ferner dazu Granderath, Rechtspflicht, S. 136 f., 255 ff. 240 Herzberg, in: Schünemann-Symposium, 31, 42; s. a. Freund, FS Herzberg, 225, 240 f.; Otto, GK, § 9 Rn. 20 f.; Schmidhäuser, Studienbuch AT, 12/9. Näher zu dieser strittigen Frage und zur alten Gesetzeslage Herzberg, Unterlassung, S. 254 f.; Nickel, Problematik, S. 111 ff.; W. Schöne, Unterlassene Erfolgsabwendung, S. 235 ff.; Schünemann, Grund und Grenzen, S. 56 ff.; Schürmann, Unterlassungsstrafbarkeit, S. 137 ff.; Seebode, FS Spendel, 317, 328 f.; differenzierend Androulakis, Studien, S. 178 f. Ein Überblick über den Streitstand vor Einführung des § 13 StGB, ob die Bestrafung der unechten Unterlassungsdelikte mit Art. 103 II GG vereinbar sei, findet sich bei Welp, Vorangegangenes Tun, S. 146 Fn. 28. 241 Vgl. Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 9 Rn. 41; Otto, GK, § 9 Rn. 47; Roxin, AT/ II, § 31 Rn. 33; Seebode, JZ 2004, 305, 305 f.; dens., FS Spendel, 317, 339 ff. (Handlungspflicht nur aus Gesetz oder Vertrag); Stratenwerth/Kuhlen, AT, § 13 Rn. 13; Schönke/Schröder29-Stree/Bosch, § 13 Rn. 5/6; Vogel, Norm und Pflicht, S. 330 ff. (verfassungskonforme Handhabung durch Entwicklung der Garantenstellung mit Hilfe von Prinzipienargumenten); LK12-Weigend, § 13 Rn. 19. Soweit man hier aber auf eine

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D. Begriffsbestimmung

bb) Gegenansicht Demgegenüber zeigt sich ein Teil des Schrifttums konsequenter. Den Anforderungen des Bestimmtheitsgebots sei mit der Regelung zur Garantenstellung nicht genügt, folglich sei § 13 StGB verfassungswidrig.242 Die Typisierung der Garantenstellung sei vom Gesetzgeber bewusst offen gelassen worden; damit ermangele § 13 I StGB einer näheren Regelung, wann überhaupt eine rechtliche Pflicht zur Erfolgsabwendung bestehe.243 Das von der h. M. angeführte Argument, der Gesetzgeber könne sich auf ad impossibilia nulla obligatio berufen, greife nicht durch: Wenn es tatsächlich nicht gesetzlich typisierbar sei, wann eine Handlungspflicht entsteht, dürfe eben gar keine Regelung erfolgen.244 Die entstehende Strafbarkeitslücke wäre dann hinzunehmen. Freilich bestehe jene behauptete Unmöglichkeit überhaupt nicht. Eine genauere Ausgestaltung der Garantenstellung hätte durchaus erfolgen können, wie etwa ein Blick auf § 12 AE oder in ausländische Strafrechtsordnungen belege.245 Im Übrigen sei der Weg der herrschenden Ansicht widersprüchlich, einerseits die gesetzliche Unbestimmtheit der Norm anzunehmen, andererseits aber den Verfassungsverstoß durch Hinweis auf eine Heilung durch Auslegung bzw. Konkretisierung der Rechtspraxis beiseite zu schieben.246 Soweit dagegen der Versuch unternommen werde, das Unterlassen bereits in den Begehungsdelikten selbst unterzubringen, so lasse sich dieser Nachweis zum einen widerlegen, zum anderen habe der Gesetzgeber diese Auffassung mit der Schaffung von § 13 StGB erkennbar verneint.247 verfassungskonforme Auslegung rekurriert, stellt sich erneut das Problem, dass der Gesetzgeber eine einengende Interpretation – etwa i. d. S., dass nur Vertrag und Gesetz eine Garantenstellung begründen – gar nicht wollte, vgl. BT-Drucks. V/4095, S. 8; näher dazu oben Kap. D. II. 4. a) cc) Fn. 231. 242 Köhler, AT, S. 89; MK-Schmitz, § 1 Rn. 49 f.; W. Schöne, Unterlassene Erfolgsabwendung, S. 324 ff.; Th. Schröder, Gesetzesumgehung, S. 379; Schürmann, Unterlassungsstrafbarkeit, S. 187 f.; weniger klar dagegen Dannecker, FS Otto, 25, 33 f.; ders., Intertemporales Strafrecht, S. 276 f. (§ 13 bleibe hinter den Bestimmtheitsanforderungen zurück); Matt/Renzikowski-Haas, § 13 Rn. 6; NK4-Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 23; Kargl, ZStW 119 (2007), 250, 271 („eklatante Zurückhaltung des Gesetzgebers“); Rotsch, ZJS 2008, 132, 138; Maunz/Dürig-Schmidt-Aßmann, Art. 103 II Rn. 232; Simon, Gesetzesauslegung, S. 433 Fn. 157; NK4-Wohlers/Gaede, § 13 Rn. 3 (gut begründete Zweifel); s. a. Grünwald, ZStW 76 (1964), 1, 7 (§ 13 E 1962 als Analogiegebot). 243 NK4-Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 23; Köhler, AT, S. 89; MK-Schmitz, § 1 Rn. 49. 244 Schürmann, Unterlassungsstrafbarkeit, S. 128, 188; s. a. Seebode, FS Spendel, 317, 338 f.; Vogel, Norm und Pflicht, S. 328. 245 Dannecker, Intertemporales Strafrecht, S. 277; Köhler, AT, S. 89; MK-Schmitz, § 1 Rn. 52 (s. a. ibid. Fn. 195 f.). Maunz/Dürig-Schmidt-Aßmann, Art. 103 II Rn. 232, sieht in der gesetzlichen Nennung der Hauptgruppen der Garantenstellung eine Art. 103 II GG besser entsprechende Lösung. W. Schöne, Unterlassene Erfolgsabwendung, S. 344 ff., plädiert dagegen für die Kodifikation einiger besonders wichtiger unterlassener Erfolgsabwendungen als Straftatbestände im BT; zweifelnd, aber für ein Inbetrachtziehen dieses Vorschlages plädierend Roxin, AT/II, § 31 Rn. 36. 246 Schürmann, Unterlassungsstrafbarkeit, S. 131 ff.; s. a. Seebode, FS Spendel, 317, 337 f.

II. Bestimmtheitsgebot

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c) Bewertung Nicht zuletzt der Blick auf die Unstimmigkeiten bei den unechten Unterlassungsdelikten verdeutlicht erneut, dass der Diskussionsstand nicht befriedigend ist. Die h. M. verstrickt sich in unlösbare Widersprüche. Wenn man ernstlich der Meinung ist, eine Norm sei verfassungsgemäß, da der Gesetzgeber gar keine „bessere“ Regelung treffen könne, fragt sich, warum man im gleichen Atemzug einen Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot bejaht. Hier wäre es angezeigt, genauer zu arbeiten, insbesondere sprachlich exakt zu bleiben. Ein Autor, der keine i. S. d. Bestimmtheitsgebots inhaltlich noch näher umrissene Regelung für möglich hält – warum auch immer –, sollte nicht von einem Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot sprechen. Mit seiner Argumentation wäre es vielmehr konsequent, die Anforderungen des Bestimmtheitsgebots als erfüllt anzusehen. Voraussetzung für eine solche Folgerung ist es dahingegen, präzise zu ermitteln, was das Bestimmtheitsgebot von der jeweiligen Norm überhaupt fordert und vernünftigerweise fordern kann. Gerade der soeben genannte Aspekt wird von denjenigen, die die Verfassungsmäßigkeit der Regelungen von Fahrlässigkeit und Garantenstellung bezweifeln, kaum berücksichtigt. Stattdessen verabsolutiert man das Bestimmtheitsgebot, indem man dieses isoliert von jedem anderen Gebot der Verfassung und ohne erkennbare Berücksichtigung bestehender sprachlicher Grenzen versteht. Dementsprechend werden kaum Abschichtungen vorgenommen. Zwar soll nicht bestritten werden, dass die Argumentationsverläufe nachvollziehbar sind, im Kern gehen sie jedoch an der Sache vorbei: Selten wird in der Diskussion vertieft der Frage nachgegangen, ob etwa die Fahrlässigkeit überhaupt den gleichen Anforderungen seitens des Bestimmtheitsgebots unterliegt wie beispielsweise die Typisierung des Diebstahls. Diese Frage liegt für Regelungen des Allgemeinen Teils nahe,248 zu denen auch diejenigen der subjektiven Zurechnung oder der Garan247 Vgl. einerseits Schürmann, Unterlassungsstrafbarkeit, S. 337 ff.; Vogel, Norm und Pflicht, S. 328; andererseits Seebode, FS Spendel, 317, 335. In Frankreich ist die Strafbarkeit wegen Unterlassen, besonders nach dem schon weit zurückliegenden Urteil des Cour d’appel von Poitiers, nur dann strafbar und mit dem Nullum-crimen-Satz vereinbar, wenn sie ohne Weiteres dem gesetzlich normierten Verhaltensgebot entnommen werden kann, s. Poitiers, 20 nov. 1901, S., 1902.2.305; vgl. dazu Merle/Vitu, Traité de Droit Criminel, S. 612; aus dem deutschen Schrifttum Androulakis, Studien, S. 191 f.; Jung, Richterbilder, S. 45. 248 Durchaus zutreffend kritisiert daher Jähnke, GS Schlüchter, 99, 105, dass die Frage, ob und inwieweit das Bestimmtheitsgebot im AT gilt, in der Diskussion oft gar nicht gesehen werde; dementsprechend werde das große Problem verkannt. Gleichwohl gibt es – sowohl bei den Befürwortern als auch den Gegnern eines strengen Bestimmtheitsgebots – zuweilen Stimmen, die die Frage aufwerfen. Dabei bleibt es dann leider auch. Viel zu vorschnell wird meistens das Urteil gefällt, Art. 103 II GG gelte im AT zweifellos, ohne damit die Frage des Geltungsgrades auch nur anzureißen. Demgemäß fehlt eine Auseinandersetzung mit dem Phänomen des Allgemeinen Teils selbst. Illustrierend dazu etwa die Darstellung bei Herzberg, in: Schünemann-Sympo-

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D. Begriffsbestimmung

tenstellung gehören. Die Problemstellung ist einfach am Beispiel des Fahrlässigkeitsbegriffs klarzumachen. Jener gilt einerseits für § 222 StGB, in gleichem Maße aber auch für § 15a InsO. Dass sich hinter diesen Normen mannigfaltige und völlig heterogene unerlaubte Risiken („Sorgfaltspflichten“) verbergen, braucht nicht näher betont zu werden. Aus diesem Grunde ist der Schluss nicht einfach von der Hand zu weisen, dass man, will man die subjektive Zurechnung für beide Delikte in einer Norm gemeinsam – „vor die Klammer“ gezogen – regeln, diese kaum am gleichen erforderlichen Grad inhaltlicher Beschreibung messen kann wie etwa einen Tatbestand. Diesbezüglich ist Herzberg beizupflichten, wenn er zu Recht darauf hinweist, dass die von der Mindermeinung angeführten Alternativregelungen wiederum gemessen an den von ihr gestellten Bestimmtheitsanforderungen kaum einen Gewinn brächten.249 Allzu oft räumen die Vertreter des streng verstandenen Bestimmtheitsgebots selbst ein, dass die vorgefundene – historische oder ausländische – Regelung selbst keineswegs frei von jeder Kritik sei; unser bereits oben unternommener kursorischer Überblick zum Ausland bestätigt das.250 Darum muss doch folgender Zweifel erlaubt sein: Ist irgendwie mehr geregelt zwangsläufig gut geregelt? Werden die Zwecke des Bestimmtheitsgebots durch eine schlechte – und im Übrigen kaum näher umrissene – Regelung denn tatsächlich oder nicht vielmehr bloß prima facie gefördert? Den Ausweg aus dieser Lage hat W. Schöne schon vor geraumer Zeit gewiesen: „Es geht also nicht um die Forderung, daß die Verfassung vor der Kriminalpolitik zu kapitulieren habe, sondern um die immanenten Grenzen des Grundsatzes ,nullum crimen sine lege‘. Ihnen nachzugehen ist Sache des Verfassungsrechts.“ 251

Dabei darf der letzte Satz nicht dahingehend (miss-)verstanden werden, dass die Strafrechtswissenschaft darauf warten solle, dass die Verfassungsrechtswissenschaft hier Ergebnisse präsentiert. Im Gegenteil, jene auf der Schnittstelle zwischen Strafrecht und Verfassungsrecht liegende Problemstellung stellt sich sium, 31, 42 (anders noch ders., Unterlassung, S. 254 f.); Schmitz, FS Samson, 181, 186; Schürmann, Unterlassungsstrafbarkeit, S. 145 Fn. 106; ausführlicher dagegen Duttge, FS Kohlmann, 13, 15 ff.; ders., Bestimmtheit, S. 162 ff. 249 Herzberg, ZIS 2011, 444, 450 f.; zweifelnd Matt/Renzikowski-Gaede, § 15 Rn. 32; LK12-Vogel, § 15 Rn. 204. In diesem Sinne früher schon H. Schröder, in: Verhandlungen des 41. Deutschen Juristentages, 61, 73 f.: Auf diese Weise werde der Teufel mit dem Beelzebub ausgetrieben, da dies nur zu einer anderen sprachlichen Fassung führe, das Problem aber gleich bliebe. Exemplarisch genannt sei die von MK-Schmitz, § 1 Rn. 52 Fn. 195, ins Spiel gebrachte Regelung zur Fahrlässigkeit in Art. 12 III schweizerisches StGB: „Fahrlässig begeht ein Verbrechen oder Vergehen, wer die Folge seines Verhaltens aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit nicht bedenkt oder darauf nicht Rücksicht nimmt. Pflichtwidrig ist die Unvorsichtigkeit, wenn der Täter die Vorsicht nicht beachtet, zu der er nach den Umständen und nach seinen persönlichen Verhältnissen verpflichtet ist.“ Vgl. dazu die zutreffende Kritik von Herzberg, ZIS 2011, 444, 451. Näher zum Wert von solchen – vermeintlichen – gesetzlichen Remeduren unten [Kap. E. III. 1. c)]. 250 Vgl. Kap. B. III. 1. Fn. 181, 213, 224. 251 W. Schöne, GS H. Kaufmann, 649, 657 f.

III. Analogieverbot

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dem Strafrechtler selbst; nur die Untersuchung des Verfassungsrechts kann seine strafrechtliche Frage beantworten. Kurz gesagt: Der von Schöne gewiesene Weg muss auch einmal gegangen werden. Dies soll mit dem Folgenden geschehen.

III. Analogieverbot Vorher verbleibt es noch, den letzten der im vorgegebenen Zusammenhang relevanten Begriffe näher zu beleuchten: das Analogieverbot. Außerhalb des Strafrechts gehört es i. d. R. ungeachtet der aus Art. 20 III GG folgenden Gesetzesbindung eines jeden Rechtsanwenders zu den üblichen und erlaubten Methoden der Rechtsfortbildung, den Rahmen des Gesetzes bei gewissen Anlässen zu überschreiten oder hinter ihm zurückzubleiben. In den erstgenannten Fällen bedient man sich der Analogie, der Ausdehnung des betroffenen Rechtssatzes auf einen im Gesetz nicht geregelten Fall im Wege eines Ähnlichkeitsschlusses, wobei der Anwendungsbereich erweitert wird; in den zuletzt erwähnten Fällen hilft die teleologische Reduktion, wobei der Anwendungsbereich der Norm unter Berufung auf die ratio legis verengt wird. Freilich geschieht beides bekanntermaßen nicht zügellos. Die Analogie setzt eine (aus Sicht des Gesetzgebers) planwidrige Lücke sowie eine wertungsmäßige Gleichheit des gesetzlich erfassten mit dem nicht erfassten Fall voraus, während umgekehrt für die teleologische Reduktion nötig ist, dass der Wortlaut der Norm entgegen dem Willen des Gesetzgebers zu weit geraten ist. Nun ist dem Gesetzgeber im Strafrecht seitens der Verfassung aufgegeben, im Rahmen des sprachlich-gesetzestechnisch Möglichen sein Entscheidungsprogramm durch das Strafgesetz möglichst genau für den Rechtsanwender vorzugeben und damit Berechenbarkeit zu gewährleisten. Jene Aufgabe wäre entwertet, wenn die genannten Möglichkeiten der Rechtsfortbildung – jedenfalls in malam partem – dem Richter an die Hand gegeben würden. Aus diesem Grunde verlangt Art. 103 II GG neben der Erfüllung der gestiegenen Bestimmtheitsanforderungen eine verschärfte Gesetzesbindung des Rechtsanwenders im Strafrecht252. Das Bestimmtheitsgebot muss in die Praxis verlängert werden. Ebendiese Aufgabe soll das Analogieverbot erfüllen. Der Begriff legt es nahe, dass damit der Ausschluss der Rechtsfortbildung im Wege analoger Anwendung des Strafgesetzes zuungunsten des Täters gemeint ist. Das erscheint in zweierlei Hinsicht bedenklich. Erstens wurde der Begriff des Analogieverbots (nulla poena sine lege stricta) in einer Zeit herausgearbeitet, in der die theoretische Trennbarkeit von Auslegung und Analogie noch nicht in Zweifel gezogen wurde und im Hinblick auf ihre logische Verwobenheit keine Hassemer, in: Einführung in die Rechtsphilosophie8, 251, 259; NK4-Hassemer/ Kargl, § 1 Rn. 70; Jescheck/Weigend, AT, § 15 III 2 a; Kudlich, Unterstützung, S. 257; Kuhlen, FS Otto, 89, 96; Schlothauer, StraFo 2011, 459, 460; Sternberg-Lieben, GS Schlüchter, 217, 239 Fn. 129. 252

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D. Begriffsbestimmung

Untersuchungen angestellt worden waren. Zweitens ist der Begriff des Analogieverbots einerseits – die teleologische Reduktion wird erfasst, ebenso natürlich die Auslegung contra legem bzw. die freie Rechtsfindung, d.h. es kommt auf das Vorliegen der Voraussetzungen der Analogie für die Überschreitung des Anwendungsbereichs nicht an – zu eng, andererseits – in bonam partem ist die Rechtsfortbildung erlaubt – zu weit.253 Des Öfteren wird deswegen in der Literatur vorgeschlagen, an seiner statt eine andere Terminologie zu wählen;254 vorzugswürdig erscheint es somit, von der vom Grundgesetz geforderten Abgrenzung erlaubter Rechtsanwendung intra legem und verbotener Rechtsanwendung praeter legem255 respektive von erlaubter und verbotener Analogie zu sprechen, wenngleich die Verwendung der traditionellen Terminologie bei diesem Verständnis unschädlich ist. Äußerlich ist damit eine Inhaltsbestimmung des Gebots der Rechtsanwendung lege stricta gewonnen, sachlich leitet dies erst zu den massiven Problemen über, aufgrund deren das Analogieverbot als schon von seinem Inhalt her unklar256 bezeichnet wird. So hat bereits M.E. Mayer konstatiert: „Hiermit sind nun keineswegs alle denkbaren Zweifel beseitigt, denn im problematischen Fall spitzt sich die Frage gerade dahin zu, ob das Ergebnis des Analogieschlusses noch intra legem liegt. Wie aber mehr als eine methodische Klarlegung von allgemeinen Erörterungen dieser Art nicht erwartet werden kann, so darf doch das Ergebnis nicht unterschätzt werden; es weist den Weg.“ 257

1. Abgrenzung von „Analogie“ und Auslegung Wenn das Gesetzlichkeitsprinzip eine verstärkte Gesetzesbindung des Rechtsanwenders verlangt, so muss es der Rechtsanwendung deutliche Grenzen setzen, das Verbotene muss vom Erlaubten unterscheidbar sein. In Bezug auf diese Grenzen besteht jedoch bekanntermaßen kein Konsens. Welches das zur Abgrenzung von Rechtsanwendung intra und praeter legem taugliche Unterscheidungskriterium ist, wird nach wie vor unterschiedlich beurteilt. Dabei ist ohne ein solches 253 Vgl. Höpfel, JBl 1979, 575, 580; kritisch zur Terminologie auch Danckert, Grenze, S. 25 f.; Germann, in: Methodische Grundfragen, 104, 120; Kudlich, Unterstützung, S. 253 (irreführend); Nickel, Problematik, S. 178; Rüthers/Höpfner, JZ 2005, 21, 24 f. 254 s. etwa Grünwald, FS Arth. Kaufmann, 433, 440 (Verbot der Überschreitung der Wortsinngrenze); Jakobs, AT, Ab. 4 Rn. 33 [Generalisierungsverbot, s. o. Kap. C. I. 2. c)]; Lewisch, Verfassung und Strafrecht, S. 63 (Verbot jeder belastenden Rechtsfindung, die sich nicht auf ausdrückliche gesetzliche Vorschriften stützen kann); Priester, in: Juristische Methodenlehre, 155, 160 (Ausdehnung der für den Bereich der positiven Kandidaten geltenden Regel in den Bereich der negativen Kandidaten); Seebode, FS Krause, 375, 381 f. (Gesetzeswortlaut überschreitende Rechtsanwendung bei Ausdehnung der Strafbarkeit). 255 Krey, Studien, S. 26. 256 NK4-Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 75; früher schon Germann, in: Methodische Grundfragen, 104, 120. 257 M. E. Mayer, AT, S. 28.

III. Analogieverbot

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Kriterium das Analogieverbot völlig undurchführbar; seine Stärke hängt in wesentlichem Maße von der Tauglichkeit der Auslegungsgrenze ab. Perfekte Grenzen können, ähnlich wie es kein vollkommen bestimmtes Gesetz gibt, nicht erwartet werden. Zu verlangen ist dagegen eine zumindest im Regelfall taugliche Scheidelinie. a) Sinn und Zweck Eine ganze Reihe namhafter Stimmen sieht nicht den Gesetzestext, sondern den Zweck des Gesetzes als das maßgebliche Kriterium an, um die Auslegung von der verbotenen Rechtsfindung zu separieren.258 Lediglich die Rechtsanwendung, die nicht mehr von der ratio legis gedeckt ist, könne demnach als Verstoß gegen Art. 103 II GG gewertet werden. Diese Einsicht wird teilweise daraus gefolgert, dass die „wertkritische“ Methode der teleologischen Auslegung gegenüber der formal positivistischen Methode Eingang in das Strafrecht gefunden habe.259 Der Vorzug des Zwecks liege gegenüber dem Wortlaut des Gesetzes darin, dass jener Wortlaut den Sinn des Gesetzes oft nur unvollkommen auszudrücken vermöge und dem Gesetzgeber oft misslinge;260 aus diesem Grunde hält man es für naheliegend, direkt auf den „unverfälschten“ Sinn des Gesetzes zu rekurrieren. Ferner hat diese Methode für sich, dass sie zwanglos auch die teleologische Reduktion bzw. die Analogie zugunsten des Täters als zulässig kennzeichnet, ohne dass weitere Erklärungen notwendig wären. Dem Abstellen auf den Zweck des Gesetzes stehen aber umso gewichtigere Bedenken entgegen. Einmal lässt sich fragen, wie der Normzweck, der die tra258 s. Germann, in: Methodische Grundfragen, 104, 121; dens., SchwZStr 67 (1952), 1, 4; Hanack, NStZ 1986, 263, 263; Stratenwerth/Kuhlen, AT, § 3 Rn. 32; ferner BGHSt 6, 394, 396; 10, 157, 159 f.; 10, 375, 375; Schmidhäuser, Lehrbuch AT, 2/4, 5/ 42; ders., Studienbuch AT, 3/53; unklar Welzel, Dt. Strafrecht, S. 22. Offen propagiert dagegen Sax, Analogieverbot, S. 152 ff., die völlige Aufgabe der Verbürgung nullum crimen, nulla poena sine lege stricta, denn verboten sei nur die freie Rechtsfindung, wozu die teleologische Auslegung zwar keine kognitiv fassbare, wohl aber eine methodologisch greifbare Grenze biete; ähnlich Arth. Kaufmann, Analogie, S. 52 f. (vgl. aber a. a. O., S. 66 ff.), der den zugrunde liegenden Unrechtstypus (oder anders ausgedrückt: die Grenze der teleologischen Auslegung) als Scheidelinie erblickt. In diese Richtung geht auch Höpfel, JBl 1979, 575, 581 f. Ransiek, FS Tiedemann, 171, 185 f., will das Analogieverbot in Ausnahmefällen aufgeben, wenn der Zweck der Norm die Wortlautüberschreitung eindeutig gebiete und ohne eine solche eine willkürliche Ungleichbehandlung gegeben sei – freilich weist er selbst auf die schwierige Feststellung hin, wann solche eindeutigen Fälle anzunehmen sind (a. a. O., 186). Noch weiter geht – zumindest terminologisch – Schick, FS Walter, 625, 641, der die kriminalpolitische Grundwertung zur Trennung von Verbotenem und Erlaubtem heranziehen will. 259 Germann, SchwZStr 67 (1952), 1, 4; s. a. dens., in: Methodische Grundfragen, 104, 110 ff., 121. 260 Stratenwerth/Kuhlen, AT, § 3 Rn. 32.

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D. Begriffsbestimmung

gende Grundlage der teleologischen Reduktion wie auch der Analogie bildet, gleichzeitig als Unterscheidungskriterium zur Auslegung taugen kann.261 Allerdings würden die Befürworter des Zwecks daraufhin antworten, dass eine Unterscheidung von Auslegung und Analogie bzw. teleologischer Reduktion aufgrund des analogischen Vorgehens jeder Auslegung nicht der springende Punkt sei, dass vielmehr die Abgrenzung verbotener und erlaubter Auslegung notwendig sei. Sodann stellen sich aber die allgemeinen Schwierigkeiten der teleologischen Methode262: Der Zweck ist nicht leicht und sauber zu ermitteln; in den Fällen, in denen schon der Wortlaut unklar ist, kann man die These263 wagen, dass oftmals erst recht über den verfolgten Zweck in gewissem Maße, zumindest über die allgemeine Benennung hinaus, Unklarheit herrscht. Somit lässt sich, ähnlich wie es der Wortlautgrenze vorgeworfen wird, der Einwand erheben, dass der Zweck vom Rechtsanwender eben nicht vorgefunden, sondern festgelegt wird und diesem daher keine ausreichende Grenze zu setzen vermag264. Abgesehen von diesen methodischen Problemen, die die Begrenzungsfunktion des Zwecks fraglich erscheinen lassen, ist dahingegen folgender Gesichtspunkt entscheidend: Worin soll, sieht man die Grenze der Auslegung im Zweck, überhaupt die im Vergleich zu den anderen Rechtsgebieten verschärfte Gesetzesbindung im Strafrecht liegen? Untersagt wird durch den Zweck allein die freie Rechtsfindung, die in den anderen Rechtsgebieten ebenso unzulässig ist; insofern wird jegliche Verschärfung und damit die Bedeutung von Art. 103 II GG in Bezug auf die Rechtsanwendung aufgegeben.265 Bei aller möglichen Kritik und allen denkbaren Zweifeln am strafrechtlichen „Analogieverbot“ kann es doch nicht zweifelhaft sein, dass die Väter und Mütter der Verfassung in Kenntnis der Vergangenheit und der Tradition des Rechtssatzes nullum crimen, nulla poena sine lege auch unter Beachtung künftiger neuer Erkenntnisse der Rechtstheorie eine jedenfalls irgendwie geartete schärfere Gesetzesbindung durch Art. 103 II GG sichern wollten. Mit einem Abstellen auf die ratio legis wird die Besonderheit des Strafrechts indes völlig negiert. Anders als der überwiegende Teil der Verfechter des Gesetzeszwecks geht aus diesen Gründen Jakobs vor. Wie die Gegner der Auslegungsgrenze der ratio for261

Amelung, NJW 1995, 2584, 2587. Vgl. Bindokat, JZ 1969, 541, 544 f.; NK4-Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 77, 114b; s. a. Grünwald, ZStW 76 (1964), 1, 15 f.; Schroth, Theorie und Praxis, S. 111; Simon, Gesetzesauslegung, S. 106; Velten/Mertens, ARSP 1990, 516, 537; Wiedemeyer, Begründung, S. 63 (nur das „Wohin“ der Auslegung, nicht aber das „Wie weit“ wird gewiesen); eingehend Herzberg (Fn. 48 in Kap. C. I. 3.); ähnlich MK-Schmitz, § 1 Rn. 63. 263 Ähnlich wie hier Priester, in: Juristische Methodenlehre, 155, 168. 264 AK-StGB-Hassemer, § 1 Rn. 77; NK4-Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 77 („. . . macht den Bock zum Gärtner.“); s. a. Frister, AT, Kap. 4 Rn. 22. 265 Treffend Roxin, AT/I, § 5 Rn. 38; ders., in: Das Gesetzlichkeitsprinzip, 113, 122 f.; ferner Köhler, AT, S. 92 (Auslegung wird zu viel zugestanden); Krey, ZStW 101 (1989), 838, 844 f. 262

III. Analogieverbot

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dert Jakobs, dass der Zweck des Gesetzes, wolle er schon dem Erfordernis der lex scripta genügen, sich nicht nur aus dem Zusammenhang ergeben dürfe; vielmehr müsse der Sinn dem Gesetz beigelegt werden können.266 Freilich ist das Verständnis dieses Beilegens bei Jakobs weit. Der Auslegung sei im Strafrecht keine starre Grenze gesetzt, sondern diese richte sich grundsätzlich nach der praktischen Interpretationskultur (beilegbarer Sinn).267 Der Rechtsanwender sei hingegen nicht an jenen üblichen strafrechtlichen Sprachgebrauch (also die bislang übliche Interpretation einer Norm) gebunden; er gehe zwar von diesem aus, könne über ihn aber, wenn der für die ungewöhnliche Auslegung erwogene Grund generalisierbar – auf ähnliche Fälle übertragbar und ins System passend – sei, hinausgehen.268 Voraussetzung für eine solche generalisierende Interpretation sei, dass sich zum Ersten die Bedeutungsverschiebung noch innerhalb der üblichen Kontinuität der Begriffsentwicklung bewege, zum Zweiten ohne die angestrebte Erweiterung Wertungswillkür zum bereits erfassten Fall bestehe, zum Dritten die Regelungsbedürftigkeit des neuen Falles gleichrangig und zum Vierten die intendierte Auslegung zur Erledigung des Problems geeignet sei.269 Die zuletzt genannten Voraussetzungen verdeutlichen das Dilemma. Sie sind teils noch abstrakter und interpretierbarer als der Wortlaut der meisten Gesetzesvorschriften selbst; stellt man dies der Wertung des Rechtsanwenders anheim, ist in der Tat „jede Begrenzungswirkung dahin“ 270. Willkür wird auf diesem Wege kaum verhindert. b) Subjektive Auslegung: historisch ermittelbarer Wille und Zweck des Gesetzgebers Eine weitere Möglichkeit, die Grenze strafrechtlicher Auslegung zu ziehen, erblicken manche in der sog. subjektiven Auslegungsmethode. So meint Schroth, dass ein Verstoß gegen das Analogieverbot in jedem Fall dann gegeben sei, wenn zuungunsten des Betroffenen gegen klar feststellbare Regelungs- und Bewertungsvorstellungen des Gesetzgebers verstoßen werde.271 Weiter gehen im Vergleich dazu Rüthers/Höpfner, die den Begriff des Analogieverbots zugunsten eines sog. Anwendungsverbots verwerfen: Auch im Strafrecht finde die Auslegung ihre Grenze im historisch-genetisch ermittelbaren Zweck des Gesetzgebers, wobei dieses Auslegungsergebnis in einem nächsten Schritt über den durch Art. 103 II GG verbürgten Vertrauensschutz korrigiert werden könne, wenn es über den 266

Jakobs, AT, Ab. 4 Rn. 36 f. Jakobs, AT, Ab. 4 Rn. 37; ähnlich Silva Sánchez, in: Gesetzlichkeit und Strafrecht, 55, 68. 268 Jakobs, AT, Ab. 4 Rn. 39. 269 Jakobs, AT, Ab. 4 Rn. 41. 270 Roxin, AT/I, § 5 Rn. 39; ferner Scheffler, Jura 1996, 505, 507. 271 Schroth, in: Einführung in die Rechtsphilosophie6, 344, 364; eingehend ders., Theorie und Praxis, S. 113 ff. 267

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D. Begriffsbestimmung

Wortlaut des Gesetzes hinausgehe.272 Vorzuziehen sei dies, da mit dieser Lösung Fälle der subjektiven Regelungslücke – der Gesetzgeber konnte eine vom Wortlaut erfasste Konstellation nicht erkennen oder hat eine solche nachweislich übersehen – klar offengelegt und als erlaubte, innerhalb des Wortlauts erfolgende Analogie gekennzeichnet würden.273 Hier ist nicht der Ort, näher auf die Problematik der subjektiven Auslegungsmethode und die sich für jene stellenden mannigfaltigen Streitpunkte einzugehen. Dazu besteht zudem kein Anlass. Denn im Wesentlichen halten die Befürworter dieser Methode übereinstimmend mit der h. M. an der Wortlautgrenze, die den Verstoß gegen das Verbot einer Bestrafung sine lege stricta kennzeichnet, fest. Ob man dies als Grenze der Auslegung selbst oder als Beschränkung des Auslegungsergebnisses274 bezeichnet, macht in der Sache keinen Unterschied.275 Nur Letzteres ist für den Inhaber des subjektiven Rechts aus Art. 103 II GG, den Grundrechtsträger, von Bedeutung. Neu ist ausschließlich, dass mit dem historisch-genetisch ermittelten Zweck des Gesetzgebers innerhalb der Wortlautgrenze eine weitere, engere Scheidelinie hinzutreten kann, die die unzulässige Auslegung markiert. Dies ähnelt jedoch dem, was vielfach auch von denen, die den Wortsinn als Grenze der Auslegung ansehen, gefordert wird und unter dem sogleich zu betrachtenden Stichwort des „verstärkten Analogieverbots“ firmiert. c) Wortsinngrenze Seit geraumer Zeit werden gewichtige Bedenken dagegen geltend gemacht,276 die Grenze zwischen verbotener Rechtsanwendung praeter legem und erlaubter Rechtsanwendung intra bzw. secundum legem im semantischen Gehalt des Gesetzes zu sehen: Der Wortsinn biete keine Grenze, sondern sei beliebig manipulierbar, jene Grenzsetzung falle dem Rechtsanwender selbst zu; ohnehin bestehe zwischen der Auslegung eines Gesetzes und seiner analogen Anwendung kein logischer Unterschied, die Bemühungen zur Abgrenzung beider anhand der Wortlautgrenze seien damit vergeblich. Trotz dieser Einwände hält die immer noch ganz überwiegende Ansicht277 mit Recht daran fest, in den durch den Text des Gesetzes semantisch vorgegebenen 272 Rüthers/Höpfner, JZ 2005, 21, 24 f.; ähnlich i. E. Th. Schröder, Gesetzesumgehung, S. 317, 348 f. (Wortlautgrenze und subjektiv-historische Auslegungszielbestimmung); wohl auch Perron, in: Das Gesetzlichkeitsprinzip, 211, 224, 231. 273 Rüthers/Höpfner, JZ 2005, 21, 22 ff. 274 Rüthers/Höpfner, JZ 2005, 21, 24. 275 Wie hier Kuhlen, in: Recht ohne Regeln, 19, 29 Fn. 40. 276 Vgl. die in Kap. A. II. 2. b) Fn. 49, D. III. 1. c) Fn. 287, 290, 292, 293 und 294 genannten Autoren. 277 U. a.: BVerfGE 47, 109, 121; 64, 389, 393; 71, 108, 115; 73, 206, 235 f.; 82, 236, 269; 85, 69, 73; 87, 209, 224 f.; 87, 363, 392; 92, 1, 12; 105, 135, 157; 110, 226, 248;

III. Analogieverbot

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Grenzen278 die Linie zwischen zulässiger und verbotener Auslegung zu erblicken. Schon begrifflich ist darauf hinzuweisen, dass der Text eines Gesetzes den 126, 170, 197 f.; 130, 1, 43; BGHSt 26, 95, 96; 28, 224, 229 f.; 29, 129, 133; 35, 390, 395; 37, 226, 230; 42, 235, 241 f.; 48, 354, 357 f.; 50, 370, 372; D. Albrecht, Begründung, S. 150, 161 f.; Appel, Jura 2000, 571, 572; Matt/Renzikowski-Basak, § 1 Rn. 19; ders., in: Strafrecht und Verfassung, 71, 76; Baumann, MDR 1958, 394, 394 f.; Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 9 Rn. 84; Blei, AT, S. 31; Bindokat, JZ 1969, 541, 545 f.; Bringewat, Grundbegriffe, Rn. 230; Brodowski, JuS 2012, 892, 894; Stern/F. BeckerBrüning, Art. 103 Rn. 73 f.; Danckert, Grenze, S. 105 ff.; LK12-Dannecker, § 1 Rn. 238, 301; Duttge, FS Krey, 39, 40 f., 46 ff.; Engels, GA 1982, 109, 122 f.; Engisch, in: Methoden der Rechtswissenschaft, 39, 62, 66; Epping, Grundrechte, Rn. 980; Eser/Burkhardt, Strafrecht I4, Nr. 2 A Rn. 32 f.; Schönke/Schröder29-Eser/Hecker, § 1 Rn. 37; Fischer, StGB, § 1 Rn. 21; Freund, AT, § 1 Rn. 28; Frisch, Vorsatz und Risiko, S. 241; Frister, AT, Kap. 4 Rn. 22 f.; Fuchs, AT, Kap. 4 Rn. 26 f.; AnwK-Gaede, § 1 Rn. 28; Greco, GA 2012, 452, 453 (Fn. 6); Grünwald, ZStW 76 (1964), 1, 2; ders., FS Arth. Kaufmann, 433, 440 f.; NK4-Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 78; Heinrich, AT, Rn. 36, 136 ff.; BeckOK StGB-v. Heintschel-Heinegg, § 1 Rn. 12; Hilgendorf/Valerius, AT, § 1 Rn. 30; Hirsch, GS Tjong, 50, 53 Fn. 18; Hoffmann-Holland, AT, Rn. 26 f.; Jescheck/Weigend, AT, § 17 IV 5; Kertai, JuS 2011, 976, 979 f.; I.-S. Kim, FS Roxin I, 119, 125 ff., 130 ff.; Knauer, Kollegialentscheidungen, S. 145; Köhler, AT, S. 92 f.; Kraatz, Fahrlässige Mittäterschaft, S. 195 f.; Kratzsch, GA 1971, 65, 73 ff.; Krey, Studien, S. 146 ff.; ders., ZStW 101 (1989), 838, 842; Krey/Esser, AT5, § 3 Rn. 80 ff.; Kuhlen, Verfassungskonforme Auslegung, S. 12; ders., in: Recht ohne Regeln, 19, 28 f.; Küper, FS Univ. Heidelberg, 451, 463 f.; Lackner, FS Univ. Heidelberg, 39, 55 f.; Lackner/Kühl, § 1 Rn. 6; Leibholz/Rinck, Art. 103 Rn. 1272; Lewisch, Verfassung und Strafrecht, S. 65 ff.; Müller-Dietz, FS Lenckner, 179, 191; Nickel, Problematik, S. 22 Fn. 52; v. Mangoldt/Klein/Starck-Nolte, Art. 103 II Rn. 158 ff.; Otto, GK, § 2 Rn. 60 f.; Paeffgen, StraFo 2007, 442, 443; Priester, in: Juristische Methodenlehre, 155, 157 ff., 168; Puppe, Kleine Schule, S. 119 f., 163 ff.; Rengier, AT, § 4 Rn. 31; KK-OWiG-Rogall, § 3 Rn. 53; Rönnau/Soyka, NStZ 2009, 12, 13; Roxin, AT/I, § 5 Rn. 28; ders., JöR 59 (2011), 1, 23; SK8-Rudolphi, § 1 Rn. 35; Matt/Renzikowski-Safferling, § 20 Rn. 81; Satzger/Schluckebier/Widmaier-Satzger, § 1 Rn. 38; Scheffler, Jura 1996, 505, 509; Schlothauer, StraFo 2011, 459, 462 f.; Schlüchter, NStZ 1984, 300, 303; dies., Mittlerfunktion, S. 128 f.; Maunz/Dürig-Schmidt-Aßmann, Art. 103 II Rn. 228; Schmitt, FS Jescheck, 223, 233; MK-Schmitz, § 1 Rn. 63, 72; H.-L. Schreiber, Gesetz, S. 230; F.-C. Schroeder, JZ 1969, 775, 777; Dreier-Schulze-Fielitz, Art. 103 II Rn. 46; Schünemann, Nulla poena, S. 18 ff.; ders., FS Bockelmann, 117, 125 f.; ders., FS Klug, 169, 180 ff.; ders., FS Puppe, 243, 249; Schürmann, Unterlassungsstrafbarkeit, S. 154; Seelmann, AT, S. 28 f.; Simon, Gesetzesauslegung, S. 101; Sternberg-Lieben, Schranken, S. 320 Fn. 170; ders., GS Schlüchter, 217, 240 f.; Streng, FS Küper, 629, 641 f.; Velten/Mertens, ARSP 1990, 516, 540 f.; Wiedemeyer, Begründung, S. 21 ff., 72 ff.; Gröpl/Windthorst/v. Coelln-Windthorst, Art. 103 Rn. 18; Zuck, ZAP Fach 19 (2009), 703, 705; s. a. Klatt, Wortlautgrenze, S. 21, 280 ff.; dens., in: Gesetzlichkeit und Strafrecht, 121, 123 f., 140 ff. Freilich differiert innerhalb dieser Auffassung (vgl. die Übersichten bei AK-StGBHassemer, § 1 Rn. 82; I.-S. Kim, FS Roxin I, 119, 130) in starkem Maße die Bezeichnung der semantischen Grenzen: Mal wird auf den Wortlaut abgestellt (so etwa BVerfGE 47, 109, 121; 126, 170, 197; Lewisch, Verfassung und Strafrecht, S. 65; Schmitt, FS Jescheck, 223, 233; Schürmann, Unterlassungsstrafbarkeit, S. 154), mal auf den noch möglichen Wortsinn (BVerfGE 71, 108, 115; 73, 206, 235; 110, 226, 248; Appel, Jura 2000, 571, 572; Engels, GA 1982, 109, 122 f.; Engisch, in: Methoden der Rechtswissenschaft, 39, 63 f.; Frisch, Vorsatz und Risiko, S. 241; Krey, ZStW 101 (1989), 838, 842; Küper, FS Univ. Heidelberg, 451, 463; Lackner, FS Univ. Heidelberg,

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D. Begriffsbestimmung

Gegenstand der Auslegung bildet,279 von seiner Auslegung kann mithin nur die Rede sein, wenn man sich innerhalb der durch ihn gesetzten semantischen Grenzen hält. Im Hinblick auf die Rechtsrealität mag man zudem die Bindungswirkung der Judikatur des Bundesverfassungsgerichts nach § 31 I BVerfGG ins Gedächtnis rufen, das die Wortsinngrenze in ständiger Rechtsprechung als Grenze der im Strafrecht zulässigen Auslegung annimmt;280 zu bezweifeln steht – neben der Frage, warum dies Denkverbote für die Wissenschaft begründen soll [vgl. Kap. D. II. 3. a) aa)] – allerdings, ob damit der Satz Roma locuta, causa finita gilt, denn zwar hat Karlsruhe gesprochen, es ist aber nach wie vor denkbar, dass es seinen Spruch dereinst zugunsten vermeintlich besserer Argumente verwirft. Fruchtbarer erscheint es im Vergleich dazu, daran zu erinnern, was zuvor beim Bestimmtheitsgebot gesehen wurde. Art. 103 II GG enthält den Auftrag an den Gesetzgeber, sein Entscheidungsprogramm durch das Strafgesetz möglichst genau für den Rechtsanwender vorzugeben und damit Berechenbarkeit zu gewährleisten. Was bleibt dem Gesetzgeber hier anderes übrig, als seinen Willen in Worten auszudrücken?281 Insoweit geht Art. 103 II GG implizit von dem Axiom aus, dass sprachliche Begriffe zur Fixierung des Regelungsbereichs einer Strafnorm geeignet sind.282 Schließlich bringt die Bindung der Gesetzesauslegung an den Wortsinn zumindest theoretisch einen Vorzug mit sich, der geeignet ist, die verschärfte Gesetzesbindung des Rechtsanwenders in gewissem Umfange durchzusetzen. Der Wortsinn bietet ein externes, d.h. dem Rechtsanwender entzogenes

39, 55; Rengier, AT, § 4 Rn. 31; KK-OWiG-Rogall, § 3 Rn. 53; Scheffler, Jura 1996, 505, 507; F.-C. Schroeder, JZ 1969, 775, 777); manche sehen die Grenze im Umgangssprachgebrauch [vgl. Kap. D. III. 1. c) Fn. 296], wieder andere meinen sogar, man dürfe bei Zweifeln am Umfang des Wortlauts in dubio mitius keine Strafbarkeit annehmen (vgl. Bindokat, JZ 1969, 541, 545; ähnlich dazu nunmehr Joerden, in: Das Gesetzlichkeitsprinzip, 163, 170, 182 Fn. 32; Sarrabayrouse, in: Gesetzlichkeit und Strafrecht, 403, 423 ff.). 278 Für diese genauere Terminologie, weil der Begriff des Wortlauts – es gehe weder um das einzelne Wort, da sich dessen Bedeutung von der des Satzes ableite, noch um die Phonetik einer Norm – unglücklich sei, plädiert Klatt, Wortlautgrenze, S. 37; ders., in: Gesetzlichkeit und Strafrecht, 121, 122; s. a. Duttge, FS Krey, 39, 46 (semantischer Rahmen). Vergleichbar kritisch äußern sich Bringewat, Grundbegriffe, Rn. 231; Kuhlen, in: Recht ohne Regeln, 19, 29; Priester, in: Juristische Methodenlehre, 155, 157. 279 Appel, Jura 2000, 571, 572; Krey, Studien, S. 147; Rengier, AT, § 4 Rn. 31. 280 Krey, ZStW 101 (1989), 838, 846 f.; Krey/Esser, AT5, § 3 Rn. 82; Roxin, in: Das Gesetzlichkeitsprinzip, 113, 120; dies erwägt auch Kertai, JuS 2011, 976, 979. 281 Roxin, AT/I, § 5 Rn. 30; ders., in: Das Gesetzlichkeitsprinzip, 113, 120; s. a. Engels, GA 1982, 109, 122; Engisch, in: Methoden der Rechtswissenschaft, 39, 62; Hoffmann-Holland, AT, Rn. 26; Krey, Studien, S. 147; Lackner, FS Univ. Heidelberg, 39, 56; Müller-Dietz, FS Lenckner, 179, 191. 282 Engels, GA 1982, 109, 122; zustimmend Sternberg-Lieben, Schranken, S. 320 Fn. 171; ähnlich Roxin, AT/I, § 5 Rn. 36 (unabhängige staats- und strafrechtliche Prämissen); s. a. I.-S. Kim, FS Roxin I, 119, 131; Krey, Studien, S. 141; Schünemann, Nulla poena, S. 20; Simon, Gesetzesauslegung, S. 101, 106.

III. Analogieverbot

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Kriterium für die Grenze der Auslegung, da er nicht beliebig verfügbar, sondern feststellbar ist.283 Dass die Wortsinngrenze in der Praxis und Lehre vielfach nicht beachtet und über die Grenzen des Möglichen ausgedehnt wird, mag einen Hinweis wert sein284, sagt indes selbst als bloßes Faktum noch nichts über ihre Wertigkeit und Sinnhaftigkeit. Ebenso gut kann man behaupten, ein besseres Kriterium als der Wortsinn habe sich bislang nicht finden lassen und dieser sei immerhin in der Regel praktikabel.285 Was aber kann man den oben genannten Einwänden entgegenhalten, die die Tauglichkeit der Wortsinngrenze in Zweifel ziehen? Jene betreffen im Kern die soeben für die Wortsinngrenze aufgezeigten Vorzüge und würden, träfen sie zu, in der Tat eine Neuausrichtung notwendig machen. Bei näherem Hinsehen vermögen die Bedenken, die geäußert werden, die Untauglichkeit nicht zu belegen. Bereits seit nunmehr einiger Zeit wird – aufbauend auf nicht unbedingt neuen Erwägungen zur logischen Struktur von Auslegung und Analogie286 – das Verbot der Analogie i. S. der Scheidung von verbotener Analogie und zulässiger Auslegung anhand des Wortsinnes in Zweifel gezogen. Die Abgrenzung zwischen Auslegung und Analogie sei aus logischer Sicht unhaltbar, da jede Auslegung sich immer im Bereich des Analogischen bewege, jede Rechtsfindung wegen der Unterschiedlichkeit von Sachverhalt und Norm auf Ähnlichkeitsvergleiche angewiesen sei und somit die Strukturen der Analogie aufweise.287 Rein isoliert gesehen steht die soeben genannte Auffassung einer möglichen Wortsinnbindung nicht entgegen. Vielfach behaupten auch Anhänger der Wortsinngrenze den qualitati283 AK-StGB-Hassemer, § 1 Rn. 79; NK4-Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 79 f.; in diese Richtung auch Bindokat, JZ 1969, 541, 542; Danckert, Grenze, S. 107 (formal); ferner Klatt, Wortlautgrenze, S. 126; ders., in: Gesetzlichkeit und Strafrecht, 121, 141; Perron, in: Das Gesetzlichkeitsprinzip, 211, 220; Th. Schröder, Gesetzesumgehung, S. 316. 284 Vgl. Ransiek, FS Tiedemann, 171, 184 f.; Schlehofer, JuS 1992, 572, 574 f.; Schmidhäuser, GS Martens, 231, 238 (Unmögliches wird möglich gemacht). 285 Küper, FS Univ. Heidelberg, 451, 464 Fn. 45; s. a. Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 9 Rn. 89 (einigermaßen praktikabel); Bringewat, Grundbegriffe, Rn. 230 (einigermaßen praktikabel); Greco, GA 2012, 452, 453 Fn. 6 (bislang kein besseres Kriterium, auch Gegner kehren zur Wortlautgrenze zurück); Kertai, JuS 2011, 976, 979 (Abgrenzung mit weniger Streitfragen nicht denkbar); Lackner, FS Univ. Heidelberg, 39, 56 (immerhin brauchbar); Lewisch, Verfassung und Strafrecht, S. 65 ff. (nicht untauglich); Schlothauer, StraFo 2011, 459, 462 f. (brauchbare Ergebnisse); Simon, Gesetzesauslegung, S. 101 (überlegene Konzeptionen nicht ersichtlich); Sternberg-Lieben, Schranken, S. 320 Fn. 171 (immerhin brauchbar). 286 Schon bei M. E. Mayer, AT, S. 27, liest man, dass die Analogie intra legem ein einwandfreies Mittel der Auslegung sei. 287 Vgl. Kap. A. II. 2. b) Fn. 49; ferner Fincke, Verhältnis, S. 15 f.; Haft, in: Einführung in die Rechtsphilosophie6, 269, 275; Heller, Logik und Axiologie, S. 140 ff.; Jakobs, AT, Ab. 4 Rn. 33 Fn. 60; Müller/Christensen, Jur. Methodik I, Rn. 526; Schroth, in: Einführung in die Rechtsphilosophie8, 270, 278; ders., Theorie und Praxis, S. 107 f.; Yi, Wortlautgrenze, S. 188 ff., 193, 302.

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D. Begriffsbestimmung

ven Unterschied zwischen Auslegung und Analogie nicht mehr und gestehen das analogische Schlussverfahren der Auslegung zu.288 Gleichwohl lässt sich bestreiten, dass das gemeinsame Schlussverfahren daran hindert, zwischen der Auslegung innerhalb sowie außerhalb der semantischen Grenzen zu unterscheiden und nur erstgenannte angesichts Art. 103 II GG – nicht zuletzt mit Blick auf dessen Zwecke – als verfassungsrechtlich zulässig anzuerkennen.289 Und genau hier besteht der Dissens. Zwar wollen diejenigen, die auf die analogische Struktur jeder Rechtsanwendung verweisen, ebenfalls zwischen verbotener und erlaubter Rechtsfindung (bzw. verbotener und erlaubter Analogie) differenzieren.290 Allein wird für diese Differenzierung die Wortsinngrenze als ungeeignet erachtet: Denn schon beim Bestimmen der Wortsinngrenze befinde man sich mitten in der Analogie.291 Letzteres leitet zur entscheidenden Frage über, nämlich nach der Leis-

288 Bringewat, Grundbegriffe, Rn. 214 f.; Grünwald, FS Arth. Kaufmann, 433, 441; NK4-Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 95; Jescheck/Weigend, AT, § 15 III 2 a; I.-S. Kim, FS Roxin I, 119, 131; Krey, Studien, S. 141; Lackner/Kühl, § 1 Rn. 7; Otto, GK, § 2 Rn. 60; Priester, in: Juristische Methodenlehre, 155, 162; Roxin, AT/I, § 5 Rn. 36; SK8-Rudolphi, § 1 Rn. 35; Schlüchter, Mittlerfunktion, S. 126 f.; MK-Schmitz, § 1 Rn. 61; H.-L. Schreiber, Gesetz, S. 230; s. a. Androulakis, Studien, S. 172 f.; Matt/Renzikowski-Basak, § 1 Rn. 20; Jähnke, FS BGH, 393, 397. Lewisch, Verfassung und Strafrecht, S. 67, leitet dies daraus ab, dass jedes menschliche Denken intuitiv vergleichend, also analogisch vorgehe; zustimmend Sternberg-Lieben, Schranken, S. 320 Fn. 171. Dagegen weist Köhler, AT, S. 92 f., darauf hin, dass bei Auslegung und Analogie zwar das logische Verfahren gleich, der Allgemeinheitsgrad des Analogschlusses angesichts des jeweiligen tertium comparationis aber unterschiedlich sei. Kritisch zum Ganzen Calliess, NJW 1985, 1506, 1508; Simon, Gesetzesauslegung, S. 199 ff.; Velten/Mertens, ARSP 1990, 516, 526 ff. 289 Krey, Studien, S. 141, 149; ders., ZStW 101 (1989), 838, 844; Roxin, AT/I, § 5 Rn. 36; ders., in: Das Gesetzlichkeitsprinzip, 113, 122; ferner Androulakis, Studien, S. 173; Bringewat, Grundbegriffe, Rn. 217; Engels, GA 1982, 109, 123; Schönke/ Schröder29-Eser/Hecker, § 1 Rn. 54; Grünwald, FS Arth. Kaufmann, 433, 441; NK4Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 95; Jähnke, FS BGH, 393, 397; Jescheck/Weigend, AT, § 15 III 2 a; Kertai, JuS 2011, 976, 979; Lewisch, Verfassung und Strafrecht, S. 69; Otto, GK, § 2 Rn. 60; Priester, in: Juristische Methodenlehre, 155, 162; KK-OWiG-Rogall, § 3 Rn. 53; SK8-Rudolphi, § 1 Rn. 35; Schlüchter, Mittlerfunktion, S. 128; H.-L. Schreiber, Gesetz, S. 230; Sternberg-Lieben, Schranken, S. 320 Fn. 171; Wiedemeyer, Begründung, S. 36. Velten/Mertens, ARSP 1990, 516, 527, differenzieren dagegen wie folgt: Die verbotene Analogie, bei der lediglich ein neuer Anwendungsfall des Gesetzes vorliege, sei unterscheidbar vom sich innerhalb des Wortsinnes vollziehenden analogischen Prozess, bei dem ein neuer Anwendungsfall des jeweiligen Wortes gegeben sei. 290 So erachtet es auch Arth. Kaufmann, Analogie, S. 62, 68, als notwendig, insoweit die Grenze zwischen erlaubter und verbotener Analogie zu finden. Unter dem Gesichtspunkt, die hermeneutisch notwendige Rechtfertigung für eine extensive Auslegung zu gewährleisten (ähnlich Straßburg, Analogieverbot, S. 108 f.; Yi, Wortlautgrenze, S. 198 ff., 265 ff., 310), spricht Hassemer, Tatbestand und Typus, S. 164, sogar dem möglichen Wortsinn eine gewisse Bedeutung zu, wobei dieser allerdings keine Unterscheidung zwischen analoger Anwendung und extensiver Interpretation leiste. Kritisch angesichts dieses „etwas kläglichen Ergebnisses“ Schünemann, Nulla poena, S. 18 f. 291 Arth. Kaufmann, Analogie, S. 4 f.

III. Analogieverbot

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tungsfähigkeit der semantischen Grenzen. Taugen diese als der Rechtsanwendung vorgegebene Scheidelinien? Nicht selten wird vorgebracht, dass der Wortsinn keine effektive Grenze zu bieten vermöge, da die Mehrdeutigkeit von Sprache in Anbetracht des unterschiedlichen Gebrauchs zu einer derart großen Anzahl möglicher Bedeutungen führe, dass Beliebigkeit und Manipulierbarkeit die Folge seien.292 Das, was man als Grenze erkannt zu haben glaube, sei vielmehr das Ergebnis der Festsetzung durch den Rechtsanwender; der Rechtsanwender selbst treffe die Entscheidung über die Lozierung der Wortsinngrenze.293 Moderater wird dies an anderer Stelle ausgedrückt: Es existiere keine vorfindbare Wortsinngrenze, sondern diese sei vom Rechtsanwender zu ziehen und könne damit selbst nur das Ergebnis von Auslegung sein.294 Träfen diese Einwände zu, so wäre in der Tat die Tauglichkeit der Wortsinngrenze tief erschüttert. Denn die erste Kritik besagt, dass gerade keine Grenze existiert. Die zweite dagegen würde den Vorzug der Wortsinngrenze widerlegen, ein externes Kriterium für die Scheidung der Rechtsanwendung intra legem von einer solchen praeter legem zu bieten; wenn jeder Rechtsanwender die Grenze vornehmlich selbst setzt, ist die Bindungswirkung weitestgehend unbrauchbar. Zunächst zum zuerst genannten Punkt, der Beliebigkeit der Wortbedeutung: Wäre diese realiter zu beklagen, so wäre eine Kommunikation selbst zwischen Angehörigen der gleichen Sprache nicht möglich, da jedem Wort stets jede beliebige Bedeutung zukommen könnte; zumindest der Kontext, in dem ein Wort – auch in juristischen Texten – gebraucht wird, und der Konsens über seinen Gebrauch in diesem Kontext engen seine möglichen Bedeutungen deutlich ein.295 292 Jakobs, AT, Ab. 4 Rn. 35; ferner Depenheuer, Wortlaut, S. 39 f. (in neuem Kontext keine Hilfe); Höpfel, JBl 1979, 505, 515 (aleatorisch); Kriele, Theorie der Rechtsgewinnung, S. 223; Schmidhäuser, Lehrbuch AT, 5/42; Schroth, in: Einführung in die Rechtsphilosophie8, 270, 288 (Frage sprachlicher Toleranz). 293 Hassemer, Tatbestand und Typus, S. 163; ders., in: Einführung in die Rechtsphilosophie8, 251, 260; ders., in: Strafen im Rechtsstaat, 13, 31; s. a. Sax, Analogieverbot, S. 81 (irrational); Schick, FS Walter, 625, 628 (Willensentscheidung des Rechtsanwenders); Schmidhäuser, Lehrbuch AT, 5/43; Schroth, Theorie und Praxis, S. 108 f. (Festsetzung erforderlich); in diese Richtung auch Kielwein, Annales Universitatis Saraviensis VIII (1960), 127, 134. 294 Hanack, NStZ 1986, 263, 263; Kudlich, JR 2009, 210, 211 (Fn. 16); ders., FS Puppe, 123, 129 f.; ders., FS Stöckel, 93, 95, 103 ff., 116; s. a. Kudlich/Christensen, ARSP 2007, 128, 138 ff. (Normtext gewinnt seine wörtliche Bedeutung erst am Ende des Verfahrens); Müller/Christensen, Jur. Methodik I, Rn. 531 ff.; ebenfalls in diese Richtung Gössel, JR 1979, 87, 88; Jakobs, AT, Ab. 4 Rn. 35; Kubiciel, Wissenschaft, S. 33 ff.; Lemmel, Strafbarkeitsvoraussetzungen, S. 58 Fn. 13; Yi, Wortlautgrenze, S. 140, 303. 295 Vgl. die Erwiderungen auf Jakobs bei Frister, AT, Kap. 4 Rn. 28; Roxin, AT/I, § 5 Rn. 37; zustimmend Bringewat, Grundbegriffe, Rn. 231; F.-C. Schroeder, NJW 1999, 89, 91; ähnlich äußern sich Engels, GA 1982, 109, 122; NK4-Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 96; Köhler, AT, S. 93; Krey, Studien, S. 153, 156 ff.; ders., ZStW 101 (1989), 838, 844; Lackner, FS Univ. Heidelberg, 39, 56; Lewisch, Verfassung und Strafrecht,

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D. Begriffsbestimmung

Dies soll umso mehr der Fall sein, wenn man gleichsam als Metasprache ausschließlich auf den umgangssprachlichen Gebrauch296 abstellt, um Wortverständnisse „im juristischen Sinne“ zu vermeiden. Dies impliziert, dass die juristische S. 67 f.; Priester, in: Juristische Methodenlehre, 155, 163; KK-OWiG-Rogall, § 3 Rn. 54; MK-Schmitz, § 1 Rn. 61; Th. Schröder, Gesetzesumgehung, S. 316 (semantischer Nihilismus erscheint als stark übertrieben); Schünemann, Nulla poena, S. 21; ders., FS Klug, 169, 176 f. („elementare Alltagserfahrung“); Sternberg-Lieben, Schranken, S. 320 Fn. 171; allgemein H.-J. Koch/Rüßmann, Juristische Begründungslehre, S. 192 ff. Hinter dieser im Vorliegenden arg verkürzten Argumentation verbirgt sich die These der semantischen Normativität: Diese geht davon aus, dass in einer intersubjektiv gültigen Weise zwischen richtigem und falschem Gebrauch sprachlicher Ausdrücke unterschieden werden kann, da es sonst unmöglich wäre, etwas Sinnvolles zu sagen; vgl. hierzu die eingehende Darstellung und überzeugende Verteidigung bei Klatt, in: Gesetzlichkeit und Strafrecht, 121, 127 ff., der auf die Erkenntnisse Brandoms aufbaut; noch ausführlicher ders., Wortlautgrenze, S. 122 ff.; kritisch dazu Kudlich/Christensen, ARSP 2007, 128, 130 ff. Die begrenzende Wirkung des Kontextes erkennt Jakobs, AT, Ab. 4 Rn. 35, ebenfalls an, freilich mit Verweis darauf, dass sich Sicherheit über den relevanten Kontext erst nach der Interpretation einstelle. Völlige Sicherheit über den Kontext ist indes auch gar nicht zu verlangen; eine sichere Ahnung, die man aus der Stellung des Gesetzes und seinem Regelungsbereich gewinnen kann, genügt. Dagegen wendet Kudlich, FS Puppe, 123, 129 (vgl. auch dens., Unterstützung, S. 256 Fn. 357, sowie dens., FS Stöckel, 93, 104 Fn. 56), gegen das dargestellte Funktionsargument ein, dass im Normalfall beide Sprachpartner am Funktionieren der Sprache interessiert seien und gegenseitig Nachsicht übten; vor Gericht stehe die Bedeutung im Streit und die Parteien übten keine Nachsicht hinsichtlich des Verständnisses des anderen. Aber darin liegt nach m. E. der springende Punkt, der für die Existenz semantischer Grenzen spricht. Nicht die Konfliktsituation darf ausschlaggebend sein, sondern eben der Normalfall des Lebens. Die regelmäßig erfolgende gegenseitige Anerkennung von Bedeutungen eines Begriffs soll und kann dem Verfahren ein externes, auffindbares Kriterium an die Hand geben, um den Konflikt zu lösen. Anders ausgedrückt: Die Begrenzungsfunktion liegt gerade darin, dass in der Konfliktsituation nicht plötzlich neue, sondern die üblichen Bedeutungskonventionen gelten. 296 BVerfGE 71, 108, 115; 82, 236, 269; 92, 1, 12; 126, 170, 197; BVerfG NJW 2012, 907, 915; 2013, 365, 366. Aus dem Schrifttum v. a. Schünemann, Nulla poena, S. 19 f.; ders., FS Bockelmann, 117, 126; ders., FS Klug, 169, 176, 181 ff.; ders., FS Hassemer, 239, 246; ders., FS Puppe, 243, 245, 249; zustimmend Roxin, AT/I, § 5 Rn. 28, 37; ders., in: Das Gesetzlichkeitsprinzip, 113, 120; Schlüchter, Mittlerfunktion, S. 8 f., 22; Sternberg-Lieben, Schranken, S. 320 Fn. 171; s. a. Matt/Renzikowski-Basak, § 1 Rn. 21; Duttge, FS Krey, 39, 54 Fn. 78 (regelmäßig); AK-StGB-Hassemer, § 1 Rn. 80; Joerden, in: Das Gesetzlichkeitsprinzip, 163, 179 f.; Knauer, Kollegialentscheidungen, S. 145; Perron, in: Das Gesetzlichkeitsprinzip, 211, 219; Priester, in: Juristische Methodenlehre, 155, 168; Rengier, AT, § 4 Rn. 31; ferner Baumann, MDR 1958, 394, 395; Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 9 Rn. 84 f. (jeweils natürliche Wortbedeutung); AnwK-Gaede, § 1 Rn. 28; Krey, Studien, S. 153 (Sprachgebrauch des täglichen Lebens); Paeffgen, StraFo 2007, 442, 443. Kritisch dagegen zu einem rein alltagssprachlichen Verständnis Hanack, NStZ 1986, 263, 263; Jakobs, AT, Ab. 4 Rn. 35 Fn. 63 (Umgangssprache hat mehrere Bereiche); Kudlich, JR 2009, 210, 211 (Bedeutungsüberschuss der Umgangssprache); Schroth, Theorie und Praxis, S. 109 (nicht ersichtlich, warum Strafrecht daran gebunden sein soll); Simon, NJW 2007, 1668, 1668 (praxisfremd, da Gesetzessprache fachsprachliche Begriffe gebraucht oder Alltagsbegriffen fachsprachliche Bedeutung gibt); ders., NStZ 2009, 84, 85; ausführlich ders., Gesetzesauslegung, S. 82 ff., 92, 111 ff., 116, 201.

III. Analogieverbot

185

Fachsprache vielfach weiter sei als der umgangssprachliche Gebrauch; freilich wird in einigen Fällen gerade das Gegenteil der Fall sein, man denke an den Begriff der Waffe.297 Tatsächlich erweist sich das Verhältnis von Umgangssprache und juristischer Fachsprache als äußerst komplex.298 An dieser Stelle mögen die folgenden, zwangsläufig oberflächlich bleibenden Erwägungen genügen: Grundsätzlich bedient sich das Gesetz der Alltagssprache. Jedoch verwendet es zum einen – im Strafgesetz zwar seltener als die strafrechtliche Dogmatik, wenngleich doch erkennbar – auch fachsprachliche Begriffe, die sich alltagssprachlich gar nicht erklären lassen,299 zum anderen gibt es Alltagsbegriffen durch die Einbettung in den Normkontext eine besondere fachsprachliche Bedeutung300. Warum soll angesichts dessen nur eine Bindung an den Umgangssprachgebrauch am Platze sein? Davon verspricht man sich, wie gesehen, dass einerseits der Rechtsanwendung ein externes, begrenzendes Kriterium an die Hand gegeben wird, andererseits steckt dahinter der Gedanke, auf diese Weise dem an subjektiven Vertrauensgesichtspunkten ausgerichteten Abwehrrecht aus Art. 103 II GG besser zu entsprechen301. Der zuletzt erwähnte Gesichtspunkt ist nach der hier vertretenen Auffassung indes zu verwerfen: Eine wesentliche Aufgabe von Art. 103 II GG ist nicht der subjektive Vertrauensschutz des sich aus dem Gesetz informierenden idealen Bürgers, sondern der Schutz des Vertrauens der Rechtsgemeinschaft in die Berechenbarkeit des Strafrechts. Eingedenk dieses Zwecks spricht vieles dafür, den fachsprachlichen Gebrauch, so er denn exakt ermittelbar ist, als Grenze heranzuziehen, da für die Rechtsgemeinschaft nicht nur die Umgangssprache, sondern eben auch die Fachsprache ein zur Berechenbarkeit beitragendes Medium ist. Es fragt sich deshalb lediglich, ob die Anbindung an die Fachsprache gleichfalls in der Lage ist, Externalität zu gewährleisten. Begegnet werden muss nämlich der Gefahr, dass Begriffe in weitem Umfang vom einzelnen Rechtsanwender mit einem Verweis auf ein angeblich in diese Richtung bestehendes fach297

Simon, Gesetzesauslegung, S. 112. Eine nähere Erörterung würde den gegebenen Rahmen sprengen. Hingewiesen sei u. a. auf die Aufgabe, Fach- und Umgangssprache trennscharf voneinander abzugrenzen (dazu etwa Neumann, in: Rechtskultur als Sprachkultur, 110 ff.; gegen die Existenz einer juristischen Fachsprache überhaupt Haft, JuS 1975, 477, 481 f.), auf die gegenseitige Beeinflussung beider Bereiche (dazu Stuckenberg, Vorstudien, S. 65) sowie auf das Manko, was die methodische Ermittlung des Umgangssprachgebrauchs anbelangt (vgl. nur Hassemer, in: Strafen im Rechtsstaat, 13, 28 f.; Simon, Gesetzesauslegung, S. 121 ff.; Stuckenberg, Vorstudien, S. 65). 299 Simon, Gesetzesauslegung, S. 84, 112 (mit Beispiel des rechtlichen Einstehenmüssens bei § 13 StGB); ders., NJW 2007, 1668, 1668; s. a. Neumann, in: Rechtskultur als Sprachkultur, 110, 111. Gerade die Feststellung, ob ein Begriff eine spezifisch technische oder eine normale Verwendung aufweist, ist indes ein Problem, vgl. Stuckenberg, Vorstudien, S. 64. 300 Simon, NJW 2007, 1668, 1668. 301 BVerfGE 71, 108, 115; 82, 236, 269; 92, 1, 12. Auf diesen Gesichtspunkt verweisen, ohne ihn zu teilen, Hassemer, in: Strafen im Rechtsstaat, 13, 27, und Simon, Gesetzesauslegung, S. 111 f. 298

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D. Begriffsbestimmung

sprachliches Verständnis normativ aufgeladen werden;302 selbst wenn dies wohlbegründet wäre, entschiede so doch letzten Endes der Rechtsanwender über den Anwendungsbereich der Norm. Jene Gefahr lässt sich bannen, indem man bloß insofern auf die Fachsprache abstellt, als sie eine eindeutig feststellbare, klare303 Bedeutung des juristischen Begriffs kennt. Im Gegensatz zur pauschalen Lösung, einzig die Umgangssprache als für die semantischen Grenzen maßgebend heranzuziehen, ist, im Wesentlichen Simon304 folgend, zu differenzieren: Bei fachsprachlich geprägten Gesetzesbegriffen im obigen Sinne sind die fachsprachlichen Maßstäbe entscheidend, wenn sich in der Fachsprache eine klare Bedeutung ermitteln lässt – jene besagte Bedeutung kann weiter oder enger als die Umgangssprache sein; dagegen sind die Maßstäbe der Umgangssprache heranzuziehen, wenn sich eine Bedeutung in der Fachsprache nicht fundiert und eindeutig belegen lässt oder der für die Auslegung in Rede stehende Begriff vom Gesetz nicht fachsprachlich besetzt gebraucht wird.305 Zugestandenermaßen ergeben sich bei einer auf diese Weise verstandenen Wortsinngrenze oftmals Zweifel und problematische Grenzfälle, welche aber nicht den Schluss auf die generelle Untauglichkeit der Wortsinngrenze erlauben.306 Eher verfängt dagegen der Hinweis, die Wortsinngrenze sei nicht vorgegeben, sondern werde vom Rechtsanwender festgelegt bzw. durch Auslegung gezogen. Bereits bei der Betrachtung des Bestimmtheitsgebots ist deutlich geworden, dass dies bei den sogenannten vagen Begriffen zutreffen kann. Dort lassen die semantischen Regeln nicht immer eine eindeutige Entscheidung über ihre Anwendbarkeit auf ein Objekt zu, es existieren neutrale Kandidaten. Um auch diese zuordnen zu können, muss der Rechtsanwender selbst über die Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit eines Gegenstandes zu einem Rechtsbegriff entscheiden, selbst die entsprechende Sprachregel festsetzen.307 Diese kann er allein 302

Ähnlich Simon, Gesetzesauslegung, S. 118 f. Simon, Gesetzesauslegung, S. 118 ff.; ders., NJW 2007, 1668, 1668; s. a. NK4Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 79 f. Zu konzedieren ist allerdings, dass solche Kriterien wiederum sehr vage sind, vgl. Simon, Gesetzesauslegung, S. 118 f. 304 Simon, Gesetzesauslegung, S. 92, 116 ff., 121; ders., NJW 2007, 1668, 1668 f.; unterstützt wird Simons Ansicht von Kudlich, FS Stöckel, 93, 101. 305 Ebenfalls für eine zumindest differenzierende Lösung Bringewat, Grundbegriffe, Rn. 231 f. (Teile der Fachsprache ebenfalls umfasst, soweit sie in die Umgangssprache eingegangen sind); LK12-Dannecker, § 1 Rn. 303 f.; Eser, in: Das Gesetzlichkeitsprinzip, 259, 264; Schönke/Schröder29-Eser/Hecker, § 1 Rn. 37; NK4-Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 106a f.; MK-Schmitz, § 1 Rn. 73 (soweit enger als Umgangssprachgebrauch); s. a. Lewisch, Verfassung und Strafrecht, S. 68; Wessels/Beulke/Satzger, AT43, Rn. 57. 306 Engels, GA 1982, 109, 122; s. a. Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 9 Rn. 89; Frister, AT, Kap. 4 Rn. 28; Kertai, JuS 2011, 976, 979; Krey, ZStW 101 (1989), 838, 845; Roxin, AT/I, § 5 Rn. 37. 307 Hier liegt auch für Klatt, Wortlautgrenze, S. 276, der ansonsten ein wirkungsmächtiges System semantischer Grenzen (a. a. O., S. 262 f.) entwickelt, der wunde Punkt: Zwar gälten im positiven wie im negativen Bedeutungsbereich für die vagen Be303

III. Analogieverbot

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durch Auslegung gewinnen. Die Probleme, die sich für das Bestimmtheitsgebot aus dem Wesen von Sprache ergeben haben, kehren selbstverständlich bei seiner „Verlängerung“, dem Analogieverbot, wieder. Wie stark die Bindungswirkung durch das Analogieverbot letztlich ist, hängt stets von der Verwirklichung des Bestimmtheitsgebots ab. Gäbe es Strafgesetze, die im Sinne von Eindeutigkeit bestimmt wären, so wäre auch die Abgrenzung von erlaubter und verbotener Auslegung leicht. Leider ist dies nicht der Fall. Trotzdem bietet die Wortsinngrenze immerhin in der Regel ein brauchbares externes Abgrenzungskriterium. Sogar die Festlegung der Sprachregel bzw. die Konturierung der Wortsinngrenze im Wege der Auslegung liegt nicht im völligen Belieben des Rechtsanwenders, vielmehr muss sich dieser innerhalb anerkannter semantischer Argumentationsstrukturen bewegen; allerdings ist einzuräumen, dass die Bindung des Rechtsanwenders recht schwach ausgeprägt ist und ergänzende Begrenzungen gefunden werden müssen. Außerdem stellt sich jene Problematik eben nur308 für die neugriffe die semantischen Grenzen; im neutralen Bereich bestünde aber mangels Stabilität der impliziten Wortgebrauchsregeln bis auf Ausnahmefälle keine Geltung semantischer Grenzen, die Bedeutungsfestsetzung müsse – immerhin nicht völlig ungebunden – durch den Rechtsanwender erfolgen. Vgl. dazu H.-J. Koch, Unbestimmte Rechtsbegriffe, S. 62: Bei vagen Begriffen seien teils semantische Interpretationen notwendig, die nicht durch einen Hinweis auf den empirisch ermittelbaren Sprachgebrauch gerechtfertigt werden könnten. Auch bei Schünemann, FS Klug, 169, 179, 182 ff. (ähnlich ders., FS Hassemer, 239, 242 f.), liest man, dass bei subsumtionsmöglichen Begriffen, die nur dem „Begriffshof“ zugeordnet werden könnten, die erste Stufe der semantischen Interpretation nichts tauge, auf der zweiten Stufe seien darum die üblichen Auslegungsmethoden heranzuziehen; versagten auch diese, so sei auf der dritten Stufe ein nur beschränkt szientischen Anforderungen genügendes Werturteil nötig. Vgl. zu den Genannten auch Herberger/H.-J. Koch, JuS 1978, 810, 813; H.-J. Koch/Rüßmann, Juristische Begründungslehre, S. 200; Simon, Gesetzesauslegung, S. 202 (letzte Sicherheit im Bereich von Begriffshof und Begriffsumwelt nie zu erreichen, aber Mangel an besseren Alternativen zum Wortsinn); Velten/Mertens, ARSP 1990, 516, 529. 308 Dagegen stellt sich für die Befürworter einer per Auslegung festlegbaren Wortsinngrenze diese Frage immer. So ist nach Ansicht von Kudlich, FS Puppe, 123, 130 ff., zwar der normtextnahe Kontext – die grammatikalischen Regelungen – durchaus von herausgehobener Bedeutung, zu berücksichtigen seien aber eben auch normtextferne Kontexte wie die ratio oder die historisch-genetische Entwicklung. Die Wortsinngrenze sei argumentativ zu ziehen, bei hinreichend gewichtigen Gründen könne diese gegenüber einer isoliert sprachlichen Betrachtung nach außen verschoben werden (a. a. O., 133 f.). Abgesehen davon, dass Kudlich hier also doch davon auszugehen scheint, dass eine isoliert sprachliche Betrachtung zu einer feststellbaren Grenze führt, fragt man sich, wo demnach für den Rechtsanwender die Grenzen liegen. Legt man sein Verständnis zugrunde, so läuft man Gefahr, dem Rechtsanwender, der die „hinreichend gewichtigen Gründe“ oft ergebnisorientiert konstruieren wird, einen Freifahrtschein zu erteilen; denn die „normtextfernen Kontexte“ sind für den Rechtsanwender – wie gesehen – eben nicht extern. Damit wird eine der tragenden Säulen von Art. 103 II GG, der Schutz des Entscheidungsprimats des demokratisch legitimierten Gesetzgebers, erschüttert. Dies vernachlässigt Kudlich, wenn er nur die – subjektiv verstandene und daher als utopisch konnotierte – Orientierungssicherheit des Bürgers betroffen sieht (vgl. a. a. O., 132). Welchen Sinn hat bei diesem Verständnis das Bestimmtheitsgebot noch? Der Gesetz-

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D. Begriffsbestimmung

tralen Kandidaten bei den vagen Begriffen. Ansonsten steht für jeden positiven oder negativen Kandidaten zumindest abstrakt-theoretisch von vornherein – bezogen auf den jeweiligen Moment – die Zuordnung zum Bedeutungsgehalt eines Wortes fest. Davon jedenfalls geht das Grundgesetz aus: Dass faktisch dem Rechtsanwender Konkretisierungsmacht zukommt, ändert nichts an der normativen Bindung an den Gesetzestext, die anhand von Art. 103 II GG durch das Bundesverfassungsgericht überprüft und durchgesetzt wird.309 2. „Erweitertes“ Analogieverbot Wenn auch die semantischen Grenzen der Strafnorm als äußere Scheidelinie zwischen erlaubter Rechtsanwendung secundum legem und verbotener Rechtsanwendung praeter legem erkannt sind, ist damit gleichwohl das letzte Wort für die Verbürgung nullum crimen, nulla poena sine lege stricta noch nicht gesprochen. Denn an der äußerst gelegenen möglichen Grenze muss man nicht zwingend stehen bleiben. Demgemäß werden in unterschiedlichen Varianten weitere, innerhalb der Wortsinngrenze verlaufende Auslegungsgrenzen vertreten. Bildlich gesprochen bildet die Wortsinngrenze – obgleich diese natürlich, wie gesehen, nicht derart feststehend, sondern durchaus fließend ist – nur den äußersten Ring der zulässigen Rechtsanwendung, wobei sich innerhalb dieses Ringes weitere Zäune auftun können. So liest man bei Krey, dass für die Rechtsanwendung neben der formalen, äußeren Grenze310 des Wortsinnes eine weitere, materiale Grenze zwingend heranzuziehen sei; diese erblickt Krey im telos der Norm, wobei dieser i. S. der rechtspolitischen Entscheidung des historischen Gesetzgebers verstanden wird.311 Folgt man dem, wären Auslegungsergebnisse, die sich zwar innerhalb der Wortsinngrenze, aber „außerhalb“ der rechtspolitischen Entscheidung des Gesetzgebers befinden, ebenfalls als Verstoß gegen das Analogieverbot zu werten. Eine zulässige strafrechtliche Rechtsanwendung müsste demzufolge

geber kann am Ende von der möglichst präzisen Konturierung seines Anwendungsprogramms absehen, wenn der Rechtsanwender ohnehin bei „hinreichend gewichtigen Gründen“ den Anwendungsbereich des Strafgesetzes selbst festlegen darf. 309 Krey, ZStW 101 (1989), 838, 845 f.; s. a. Schünemann, Nulla poena, S. 126 (normative Bindung). Dagegen sieht Klatt, in: Gesetzlichkeit und Strafrecht, 121, 124, in den verfassungsrechtlichen Gründen alleine keine ausreichende Basis für ein Festhalten an der Bedeutung der semantischen Grenzen, wenn diese sprachphilosophisch haltlos seien – was er freilich nicht annimmt. 310 Krey, Studien, S. 173. 311 Grundlegend Krey, Studien, S. 53 f., 182 ff.; s. a. dens., ZStW 101 (1989), 838, 842; ders., FS Blau, 123, 134. Ähnlich dazu auch BVerfGE 92, 1, 16 ff., 20 (Letzteres i. R. des Sondervotums der Richter Haas, Seidl und Söllner); Friauf/Höfling-Höfling/ Burkiczak, Art. 103 Rn. 152 (eindeutiger Wille); Jescheck/Weigend, AT, § 17 IV 4; Krey/ Esser, AT5, § 3 Rn. 95; Küper, FS Univ. Heidelberg, 451, 463 f.; v. Mangoldt/Klein/ Starck-Nolte, Art. 103 II Rn. 160 f. (gesetzgeberischer Wille); vgl. ferner Kap. D. III. 1. b) Fn. 272.

III. Analogieverbot

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innerhalb der Wortsinngrenze liegen und vom gesetzgeberischen Regelungszweck gedeckt sein. Die Überschreitung der materialen wie der formalen Grenze wäre jeweils hinreichende Bedingung für einen Verstoß gegen Art. 103 II GG. Diese Auffassung Kreys hat in jüngerer Zeit eine Aufwertung erfahren. Blickt man zurück auf den im Rahmen des Präzisierungsgebots bereits näher besehenen Untreue-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts, findet man dort folgende Ausführungen zum Analogieverbot: „Aus dem Erfordernis gesetzlicher Bestimmtheit folgt anerkanntermaßen ein Verbot analoger oder gewohnheitsrechtlicher Strafbegründung. Dabei ist ,Analogie‘ nicht im engeren technischen Sinn zu verstehen; ausgeschlossen ist vielmehr jede Rechtsanwendung, die – tatbestandsausweitend – über den Inhalt einer gesetzlichen Sanktionsnorm hinausgeht, wobei der mögliche Wortlaut als äußerste Grenze zulässiger richterlicher Interpretation aus der Sicht des Normadressaten zu bestimmen ist . . . In Betracht kommt [neben dem hier nicht interessierenden Verschleifungsverbot] aber auch, dass bei methodengerechter Auslegung ein Verhalten nicht strafbewehrt ist, obwohl es vom Wortlaut des Strafgesetzes erfasst sein könnte. Auch in einem solchen Fall darf ein nach dem Willen des Gesetzgebers strafloses Verhalten nicht durch eine Entscheidung der Gerichte strafbar werden (vgl. BVerfGE 87, 209 [224] = NJW 1993, 1457 m.w. Nachw.). Vielmehr haben die Gerichte dies zu respektieren und erforderlichenfalls durch restriktive Auslegung eines weiter gefassten Wortlauts der Norm sicherzustellen (vgl. BVerfGE 82, 236 [270f.] = NJW 1991, 91; BVerfGE 87, 399 [411] = NJW 1993, 581), im Ergebnis also freizusprechen.“ 312

Folglich sieht auch das deutsche Verfassungsgericht die Notwendigkeit, innerhalb der semantischen Grenzen den Willen des Gesetzgebers und die Systematik als zu Gunsten des Bürgers auslegungsbeschränkend anzusehen. Erforderlich ist mithin die „richtige“, d.h. methodisch begründbare Auslegung innerhalb der Wortsinngrenze. Ob man dies negativ als materiale Grenze oder positiv als Gebot richtiger Rechtsanwendung – etwa als Gebot der teleologischen Reduktion – auffasst, spielt m. E. nach eine sekundäre Rolle. Angesichts dessen erstaunt es nicht, dass inzwischen von einem „erweiterten“ Analogieverbot313 die Rede ist. Im ersten Zugriff mag man dies begrüßen. Wenn man zurück an die Art. 103 II GG zu312 BVerfGE 126, 170, 197 f. = NJW 2010, 3209, 3211 (Einschub und Hervorhebung vom Verfasser); zustimmend zu diesem im Analogieverbot enthaltenen und sanktionierbaren Gebot der methodengerechten Auslegung C. Becker, HRRS 2010, 383, 386 (Wortsinn äußerste, nicht nur einzige Grenze); AnwK-Gaede, § 1 Rn. 30; vgl. ferner Böse, Jura 2011, 617, 621; Kuhlen, JR 2011, 246, 248; Perron, in: Das Gesetzlichkeitsprinzip, 211, 218 f.; Saliger, NJW 2010, 3195, 3195 f. Kritisch etwa Basak, in: Strafrecht und Verfassung, 71, 82 f.: Dies gehe genau genommen schon deshalb ins Leere, weil es keine konsentierte und stabile Methodenlehre für die Normauslegung gebe. Ablehnend auch Satzger/Schluckebier/Widmaier-Satzger, § 1 Rn. 23b, 38. 313 AnwK-Gaede, § 1 Rn. 27 ff. Dieser gibt (a. a. O., Rn. 29) noch weitere einengende Kriterien an, die freilich m. E. nach größtenteils schon beim Auffinden der semantischen Grenzen zu beachten sind. Vgl. zum Begriff des „erweiterten“ Analogieverbots auch Begemeier, HRRS 2013, 179, 181 f.; Saliger, ZIS 2011, 902, 903 Fn. 19.

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grunde liegenden Säulen denkt, erinnert man sich, dass das Gesetzlichkeitsprinzip im besonderen Maße im Blick hat, die gesetzliche Grundentscheidungen des demokratisch legitimierten Gesetzgebers zu sichern. Aus diesem Grunde314 liegt es nahe, in bonam partem die den gesetzlichen Entscheidungen zugrunde liegenden Erwägungen, so sie sich denn ermitteln lassen und Konturen haben, als verbindlich zu berücksichtigen. Zu bedenken bleibt freilich, dass dies prinzipiell auf ein durch Art. 103 II GG abgesichertes Verbot jeder gesetzeswidrigen Auslegung hinausläuft.315 Keineswegs wird von anderen Autoren bestritten, dass die strafrechtliche Auslegung ende, wenn man das Auslegungsergebnis innerhalb der semantischen Grenzen verortet habe; vielmehr werden letztere nur als erster Filter gesehen, auf den dann die übrigen Auslegungsmethoden folgen.316 Der Unterschied besteht allerdings darin, dass nach der letztgenannten Spielart z. B. die Missachtung des vom Gesetzgeber verfolgten Zwecks keinen Verstoß gegen das Analogieverbot, sondern schlicht eine fehlerhafte Anwendung des sachlichen Rechts darstellt. Stünde lediglich eine solche in Rede, läge das letzte Wort beim Bundesgerichtshof. Liegt dagegen tatsächlich in der methodisch falschen Auslegung ein Verstoß gegen Art. 103 II GG, so wäre der Weg zum Bundesverfassungsgericht geebnet. Dies bereitet offensichtlich deshalb Unbehagen, weil das Bundesverfassungsgericht auf diese Weise für das Strafrecht wird, was es ansonsten für die Überprüfung des einfachen Rechts nicht sein soll: eine Superrevisionsinstanz.317 Zwar versucht man jenes Unbehagen mit dem Hinweis zu zerstreuen, dass das Bundesverfassungsgericht sich in Zurückhaltung üben bzw. sich auf eine Vertretbarkeitskontrolle beschränken solle;318 allein ist dies, gesteht man dem Bundes314 v. Mangoldt/Klein/Starck-Nolte, Art. 103 II Rn. 160; s. a. C. Becker, HRRS 2010, 383, 387; in diese Richtung wohl auch Krey, Studien, S. 184 ff. 315 Küper, NStZ 2008, 597, 600; Simon, Gesetzesauslegung, S. 109. 316 s. beispielsweise Danckert, Grenze, S. 107 f.; Scheffler, Jura 1996, 505, 509 f. Deswegen plädiert Simon, Gesetzesauslegung, S. 109, für eine über Art. 20 III, 97 I GG erfolgende verfassungsrechtliche Willkürkontrolle; ein weitergehender Kontrollmaßstab hebe den Unterschied zwischen Fach- und Verfassungsgerichtsbarkeit auf. 317 Vgl. die Bedenken bei Krüger, NStZ 2011, 369, 372 f.; s. a. Matt/RenzikowskiBasak, § 1 Rn. 20; dens., in: Strafrecht und Verfassung, 71, 84. AnwK-Gaede, § 1 Rn. 30, scheint darin, jedenfalls bei verantwortungsvoller Handhabung durch das BVerfG, durchaus einen Vorzug zu sehen. Auch Saliger, NJW 2010, 3195, 3196, begrüßt angesichts der Bedeutung des Art. 103 II GG die intensivierte verfassungsrechtliche Prüfung, wobei er ebenfalls auf die prinzipielle Verantwortung der Strafgerichte für die Strafrechtsanwendung hinweist; ähnlich Böse, Jura 2011, 617, 623; s. a. C. Becker, HRRS 2010, 383, 387 (nur erkennbar unvertretbare Auslegungsergebnisse); Kuhlen, JR 2011, 246, 249 f. (nur Vertretbarkeitskontrolle). Kudlich, FS Stöckel, 93, 104 f., sieht das genannte Problem für seine bereits betrachtete Auffassung, dass die Wortsinngrenze nur im Wege der Auslegung vom Rechtsanwender gezogen werden könne, ebenso und beschränkt daher die Fälle der Verletzung von Art. 103 II GG gleichfalls auf die der unvertretbaren Auslegung. 318 Vgl. die Autoren in Kap. D. III. 2. Fn. 317.

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verfassungsgericht mit dem erweiterten Analogieverbot einmal den genannten weiten Prüfungsumfang zu, lediglich ein frommer Wunsch, der seine Berechtigung aus der praktischen Auslastung des Gerichts speist. Unter Berücksichtigung dieser Einwände ist es abzulehnen, innerhalb der semantischen Grenzen weitere, durch das Analogieverbot sanktionierbare Schranken – wie den systematischen Zusammenhang oder einen erkennbaren Verstoß gegen den gesetzgeberischen telos – aufzustellen; ein ausreichender Schutz ergibt sich in Fällen willkürlicher bzw. grob unvertretbarer Auslegung ohnedies aus Art. 20 III, 97 I GG319. Gleichzeitig bedeutet das soeben Gesagte, dass keineswegs stets eine restriktive Auslegung der Strafgesetze am Platze ist, sondern diese nur angebracht ist, wenn die Auslegungsmittel zu ihr hin drängen.320 3. Analogieverbot als Verlängerung des Bestimmtheitsgebots Das Analogieverbot sichert nach der herkömmlichen Lesart die Mühe, die sich der Strafgesetzgeber bei der Sicherung seines Entscheidungsprogrammes macht bzw. machen soll, in die Rechtsanwendung hinein. Vielfach wird von der Verlängerung des Bestimmtheitsgebots gesprochen, welchem nachzukommen nicht vergebens sein darf. Mit dieser groben Schilderung des Verhältnisses der beiden Verbürgungen zueinander werden indes gleich zwei neue Fragen aufgeworfen. Erstens erscheint es erwägenswert, ob jene „Verlängerung“ auch den Gesetzgeber, der seinerseits der primäre Adressat des „Ausgangsgebots“ ist, trifft und verpflichtet. Zweitens ist zu klären, wie sich das Analogieverbot zu den übrigen im Strafrecht zu beachtenden Rechtsanwendungsgeboten und -verboten verhält. a) Adressat des Analogieverbots Üblicherweise wird der Gesetzgeber als Adressat des Bestimmtheitsgebots, der Rechtsanwender als Adressat des Analogieverbots aufgefasst. Wie aber schon beim Bestimmtheitsgebot beobachtet, beginnen diese starren Zuordnungen nach und nach zu bröckeln. Nach zutreffender Ansicht muss desgleichen der Rechtsanwender Adressat des Bestimmtheitsgebots sein und als solcher im Rahmen des auf verfassungsrechtlich zulässige Weise Geregelten zur weiteren Präzisierung 319

Vgl. Simon (Fn. 316 in Kap. D. III. 2.). Im Ergebnis wie hier Bringewat, Grundbegriffe, Rn. 232; Eser, in: Das Gesetzlichkeitsprinzip, 259, 265; Frisch, Vorsatz und Risiko, S. 241; NK4-Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 76; Jescheck/Weigend, AT, § 17 IV 4; KK-OWiG-Rogall, § 3 Rn. 56; Roxin, in: Das Gesetzlichkeitsprinzip, 113, 120 f.; Scheffler, Jura 1996, 505, 507; Th. Schröder, Gesetzesumgehung, S. 303; Vogel, Norm und Pflicht, S. 337; a. A. Bindokat, JZ 1969, 541, 545 f.; Köhler, AT, S. 92 f. Saliger, NJW 2010, 3195, 3195 f., wertet das vom BVerfG im Untreue-Beschluss entwickelte Gebot zwar als das Gebot restriktiver Auslegung, dessen Voraussetzung jedoch darin bestehe, dass bei methodengerechter Auslegung ein Verhalten nicht strafbewehrt sei. 320

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beitragen. Dies legt die Erwägung nahe, in umgekehrter Richtung den Gesetzgeber ebenfalls dem Analogieverbot zu unterwerfen. Während diese streitige Frage vor allem bei Tatbeständen des Besonderen Teils aufgeworfen wird (genannt seien etwa §§ 211 II, 238 I Nr. 5, 263a I Var. 4, 315 I Nr. 4, 315b I Nr. 3 StGB321), entwickelt sie auch für den hier besonders interessierenden Allgemeinen Teil eine gewisse Relevanz. Beispielsweise ist bei der allgemeinen Regelung bezüglich der unechten Unterlassungsdelikte in § 13 StGB zuweilen davon die Rede, der Gesetzgeber habe die Analogie gesetzlich angeordnet, es bestehe gar ein Analogiegebot.322 Angesichts der oftmals vagen Fassung, die den AT beherrscht und letztlich seine Anwendbarkeit auf weite Teile des BT sichern soll, mag man bei anderen Vorschriften und Begriffen von Öffnungsklauseln sprechen. Hat der Gesetzgeber in diesen Fällen den Rechtsanwender einfachgesetzlich zur Analogie ermächtigt, befindet er sich damit nicht in einem eklatanten Widerspruch zum Verbot der die semantischen Grenzen überschreitenden Auslegung, indem er diese erlaubt? Ein möglichst effektiv gehandhabtes Analogieverbot scheint zum Ergebnis hinzuführen, dass selbstverständlich der Gesetzgeber den Rechtsanwender nicht seinerseits zur Analogie ermächtigen darf. Dennoch steht zu bedenken, dass der Gesetzgeber schon primärer Adressat des Bestimmtheitsgebots ist. Es ist folglich zweifelhaft, ob er bereits diesem in den in Rede stehenden Fällen genügend nachgekommen ist. In diesen aufgezeigten Argumentationsstrukturen verläuft die Diskussion, ob der Gesetzgeber im Falle solcher virulenter Öffnungs- und Entsprechungsklauseln dem Analogieverbot unterliegen soll. Die wohl überwiegende Meinung323 lehnt dies ab. Freilich wird damit zumeist324 dem Gesetzgeber keineswegs die Kompetenz zugestanden, den Rechtsanwender durch einfaches Gesetz zur Analogie ermächtigen zu dürfen. Vielmehr liege bei einer derartigen gesetzlichen Fas321

Vgl. dazu Greco, GA 2012, 452, 454 ff. m.w. N. So Grünwald, ZStW 76 (1964), 1, 7 (zu § 13 E 1962); NK3-Marxen/Böse, § 14 Rn. 5; vgl. ferner NK4-Böse, § 14 Rn. 4; Ceffinato, Legitimation, S. 111; Krey, Studien, S. 32 f., 225 f. (i. E. aber nur innertatbestandliche Analogie); Schönke/Schröder29Stree/Bosch, § 13 Rn. 5/6 (Garantenstellung im Wege eines Analogieschlusses zu ermitteln). Auch bei § 14 StGB ist ab und an von der gesetzlichen Absicherung eines Analogieschlusses die Rede, Ceffinato, Legitimation, S. 102, 388; Marxen, JZ 1988, 286, 287; NK3-Marxen/Böse, § 14 Rn. 5 (ebenso NK4-Böse, § 14 Rn. 4). 323 NK4-Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 71; Kuhlen, FS Otto, 89, 97 f.; s. a. BGHSt 22, 365, 366 f.; Ceffinato, Legitimation, S. 91 Fn. 214; LK12-Dannecker, § 1 Rn. 256; LK12-König, § 315 Rn. 41; Kühl, FS Seebode, 61, 71 Fn. 34; Th. Schröder, Gesetzesumgehung, S. 384 f.; LK12-Vogel, § 243 Rn. 5; wohl auch AnwK-Gaede, § 1 Rn. 26 (Fn. 170); Zieschang, Jura 1999, 561, 564 (bezüglich der Regelbeispiele). 324 Anders allerdings Arzt, JuS 1972, 515, 515; Bindokat, JZ 1969, 541, 541 f.; Ceffinato, Legitimation, S. 91; wohl auch Kratzsch, GA 1971, 65, 74. MK-Schmitz, § 1 Rn. 66, will diese gesetzliche Zulassung der Analogie nur in engen Grenzen zugestehen, da sonst ein Konflikt mit dem Bestimmtheitsgebot entstehe; ähnlich Marxen, JZ 1988, 286, 287. 322

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sung in Anbetracht der gesetzlichen Anordnung überhaupt keine für die Analogie notwendige Regelungslücke vor; mit Blick auf die weite Regelung stelle sich im Anschluss allerdings die Frage, ob dem Bestimmtheitsgebot in ausreichendem Maße genügt wurde.325 Selbst der unter nationalsozialistischer Herrschaft geltende § 2 RStGB a. F. begründe daher nur einen Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot, nicht aber gegen das Analogieverbot.326 Dagegen soll nach anderer Auffassung der Gesetzgeber dem Analogieverbot unterworfen werden (Analogiegestattungsverbot).327 Das Bestimmtheitsgebot habe sich letztlich in der Anwendung als zahnlos erwiesen und bedeute – nicht zuletzt unter Berücksichtigung der Entwicklung des Präzisierungsgebots, durch welches der Rechtsanwender auch unbestimmte Normen präzisieren könne – eine weitgehende Freistellung des Gesetzgebers; werde die genannte Problematik der Öffnungsklauseln folglich ihm statt dem Analogieverbot zugeordnet, läge darin ein Freibrief.328 Beide Ansichten enthalten einen wahren Kern, sind jedoch in ihrer Absolutheit zu überprüfen. Sicherlich ist es zutreffend, dass das gesetzgeberische Handeln primär am Bestimmtheitsgebot zu messen ist. Zwar ist daran zu erinnern, dass die „verbotene Analogie“ im Strafrecht weit verstanden wird und es mithin auf die Voraussetzung einer planwidrigen Lücke nicht ankommt; gleichwohl bedeutet die Verwendung der genannten vagen Begriffe in einzelnen Straftatbeständen – wie etwa „andere vergleichbare Handlungen“ in § 238 I Nr. 5 StGB –, dass die semantische Grenze aufgrund der beachtlichen Anzahl an neutralen Kandidaten sehr weit nach außen geschoben und ihre Überschreitung aus diesem Grunde oftmals nur schwer zu belegen sein wird. Somit liegt die entscheidende Frage darin, ob der Gesetzgeber mit solchermaßen weiten Begriffen sein Entscheidungsprogramm im Rahmen des sprachlich-gesetzestechnisch Erreichbaren möglichst genau vorgegeben hat. Auf die geäußerten Bedenken wegen der in praxi laxen Handhabung des Bestimmtheitsgebots ist folgendermaßen zu antworten: Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass das Bestimmtheitsgebot praktisch oft zur Seite geschoben wird. Dieser Missstand lässt sich aber nicht noch weiter durch die Erwägung verschärfen, mit der Anerkennung des Präzisierungsgebots sei endgültig eine Freistellung für den Gesetzgeber erfolgt, denn das Präzisierungsgebot ändert am Regelungsauftrag des Gesetzgebers nichts. Deshalb erscheint es NK4-Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 71; Kuhlen, FS Otto, 89, 98; ähnlich LK12-Dannecker, § 1 Rn. 256; Kühl, FS Seebode, 61, 71 Fn. 34; Th. Schröder, Gesetzesumgehung, S. 384; LK12-Vogel, § 243 Rn. 5. 326 Kuhlen, FS Otto, 89, 98. Vgl. dazu in Bezug auf ein mögliches, im AT zu platzierendes „Umgehungsverbot“ Th. Schröder, Gesetzesumgehung, S. 382 ff. 327 Greco, GA 2012, 452, 459 ff., 465 f.; ferner Krey, Studien, S. 31 f., 223 f.; Ransiek, FS Tiedemann, 171, 183 f.; Stöckel, Gesetzesumgehung, S. 142 ff.; wohl auch Calliess, NJW 1998, 929, 935 (Fn. 38). 328 Greco, GA 2012, 452, 458 f. 325

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bedenklich, die Verortung der genannten Problematik beim Bestimmtheitsgebot als Freibrief zu bezeichnen und auf diesem Wege das Bestimmtheitsgebot zur übergehbaren Größe herabzusetzen.329 Umgekehrt lässt sich nämlich trefflich darüber streiten, ob die sich beim Bestimmtheitsgebot stellenden Schwierigkeiten nicht in bloß veränderter Form wiederkehren, wenn man sein Heil lediglich in einer Neuverortung der Problematik in Gestalt des Analogiegestattungsverbots sucht.330 Wenngleich somit die in Rede stehenden Tatbestandsmerkmale primär am Maßstab des Bestimmtheitsgebots zu messen sind, ist eine zumindest subsidiäre Bindung des Strafgesetzgebers an das Analogieverbot anzuerkennen. Von den in einzelnen Tatbeständen verwendeten generalklauselartigen Begriffen zu unterscheiden ist es, wenn sich der Gesetzgeber entschließen sollte, eine allgemeine Dispensregel vom Verbot der Wortsinnüberschreitung zu erlassen. In diesem Fall stellt sich der Gesetzgeber offen gegen das verfassungsrechtlich verbürgte Analogieverbot. Versucht der Gesetzgeber also, durch einfaches Gesetz eine Verfassungsnorm zu derogieren, ohne dafür mit der entsprechenden Mehrheit das Grundgesetz zu ändern,331 so steht der Verstoß gegen das entsprechende Verfassungsverbot als kennzeichnend im Vordergrund. Ein auf diese Weise zu verste-

329 Auch Greco, GA 2012, 452, 459, selbst scheint hierbei Bedenken zu hegen, wie sein dreifacher Konjunktiv-Vorbehalt verdeutlicht: „Wenn schon das Bestimmtheitsgebot in der Regel enttäuscht und wenn schon der Gesetzgeber unbestimmte Gesetze erlassen darf, dann könnte es sein, dass die nachfolgenden Überlegungen einen teilweisen Ausweg anzeigen.“ Warum er das Bestimmtheitsgebot als derart enttäuschend und nicht einmal in der Theorie beachtenswert ansieht, obgleich er selbst davon ausgeht, dass es taugliche und damit gesetzlich erfassbare semantische Grenzen geben kann (vgl. a. a. O., 453), bleibt unklar; allein die beobachtbare Handhabung in der Praxis sollte so weit nicht führen, denn was wäre für das Analogiegestattungsverbot anderes zu erwarten? 330 Greco, GA 2012, 452, 461 ff., schlägt mehrere Testverfahren vor, um den Verstoß des Gesetzgebers gegen das an ihn adressierte Analogieverbot zu erkennen. Diese verdeutlichen aber, dass sein Analogiegestattungsverbot letztlich mit den gleichen Unwägbarkeiten und subjektiven Einflüssen bemakelt ist wie auch das Bestimmtheitsgebot. So lautet sein erstes Testverfahren (vgl. a. a. O., 461 f.): Lägen in einem Tatbestand Spezifizierungen und ein auf diese folgendes generalklauselartiges Merkmal vor, so sei zu prüfen, ob das generalklauselartige Merkmal, denke man die engeren Spezifizierungen hinweg, noch auf Fälle anwendbar sei. Dies bejaht er für das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe, freilich nur unter Heranziehung der über die Jahre für diese entwickelten Definition. Wie die Entscheidung für ein Tatbestandsmerkmal vor der Entwicklung einer solchen Definition ausfallen soll, bleibt offen. Der zweite Test (vgl. a. a. O., 462 f.) verweist darauf, dass bei Öffnungsmerkmalen ohne Spezifizierungen der Gesetzgeber einen Vergleichsmaßstab anbieten müsse, um die Öffnung der Wortlautgrenze wieder zu schließen. Wann aber liegt überhaupt eine „Öffnung“ der Wortlautgrenze vor? Völlig öffnen lassen sich semantische Grenzen nie, in gewissem Umfang sind immer negative Kandidaten vorhanden; allenfalls von einer Ausdehnung der semantischen Grenzen kann die Rede sein. 331 In diesem Sinne auch die Argumentation bei Ransiek, FS Tiedemann, 171, 184; in eine ähnliche Richtung Krey, Studien, S. 223.

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hendes Analogiegestattungsverbot332 besteht. Aus ebendiesen Erwägungen wäre § 2 a. F. RStGB aufgrund seiner Stoßrichtung als Verstoß gegen das Analogieverbot verfassungswidrig und nichtig. Allein liegt darin wenig Überraschendes, denn es versteht sich von selbst, dass der Gesetzgeber nicht im Wege des einfachen Gesetzes geltendes Verfassungsrecht negieren darf. Der eigenständige Wert dieses Verbots erscheint damit zweifelhaft333. b) Analogieverbot, „erweitertes“ Analogieverbot und Präzisierungsgebot Dem Rechtsanwender stellt sich im Strafrecht eine wahre Herkulesaufgabe. Zunächst muss er die semantischen Grenzen einer Strafnorm möglichst genau ergründen und sich innerhalb dieser bewegen, will er seine Auslegung nicht dem Verdikt der Verfassungswidrigkeit anheim fallen lassen, Stichwort Analogieverbot. – Weiter gehen im Vergleich dazu die Anhänger des „erweiterten“ Analogieverbots, zu denen neuerdings das Bundesverfassungsgericht zählt: Nach dieser (abzulehnenden) Ansicht können sich für den Rechtsanwender, legen die Systematik des Gesetzes oder die erkennbare rechtspolitische Entscheidung des Gesetzgebers das nahe, innerhalb der Wortsinngrenze weitere, zwingend zu beachtende Scheidelinien ergeben, Stichwort Gebot der methodengerechten Auslegung. – Bis dahin ist immerhin noch von Kriterien die Rede, die grundsätzlich jeder Rechtsanwender bei der Auslegung zu beachten hat, freilich ohne das Damoklesschwert der Verfassungswidrigkeit. Doch damit nicht genug. Darüber hinaus muss der Rechtsanwender im Strafrecht an der Präzisierung von Normen mitwirken, die der Gesetzgeber in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise weit geregelt hat, Stichwort Präzisierungsgebot. Selbst wenn man von den ferner kursierenden Verboten (Verschleifungs- und Entgrenzungsverbot) absieht, scheint der Rechtsanwender sich in einer bedauernswerten Lage zu befinden; die Fallstricke für die Auslegung sind zahlreich. Trotzdem wird man weniger von ihm nicht fordern dürfen. Art. 103 II GG trägt nicht zuletzt der Besonderheit des Strafrechts Rechnung, die für den Grundrechtsträger massivsten staatlichen Eingriffe zu beinhalten. Insofern wird man das Rechtsanwendungsprogramm, das sich hier stellt, als Ausdruck des Ultimaratio-Charakters des Strafrechts verstehen dürfen; in jenem Auslegungsprogramm liegt in gewisser Weise ein Aufruf zur Selbstreflexion und kritischer Hinterfragung der eigenen Entscheidung. 332 A.A. Greco, GA 2012, 452, 460, der darauf verweist, dass die bloße Quantität der Dispensregeln keine Rolle spielen dürfe. 333 Nach der hier vertretenen Auffassung sind demnach punktuelle „Ausnahmen“ vom Analogieverbot im BT primär am Bestimmtheitsgebot zu messen. Einer Überlegung wert ist es indes, wann die Häufung solcher Öffnungsklauseln – soweit diese isoliert betrachtet in Einklang mit dem Bestimmtheitsgebot stehen – in einen „getarnten“ Angriff gegen das Analogieverbot umschlägt und wie eine allgemeine Öffnungsklausel an diesem zu messen ist.

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Will man die aus Art. 103 II GG folgenden auslegungsleitenden Gebote und Verbote grob einordnen, so bietet sich eine Zweiteilung an. Einmal besteht für die verfassungsrechtlich legitime Auslegung im Strafrecht weniger Raum als üblich, sie wird negativ begrenzt. Hierhin gehört das Analogieverbot. Gleichzeitig ist die Bedeutung der Auslegung im Strafrecht partiell sogar höher, Art. 103 II GG enthält einen positiven Gestaltungsauftrag: die Präzisierung und Konkretisierung des Anwendungsbereichs der Normen, das Präzisierungsgebot. Ihm mag man etwa durch die Ausbildung von Fallgruppen genügen. Allerdings kann diese positive Komponente einen negativen Effekt haben. Wurde eine Norm bereits durch die Rechtsanwendungspraxis weitestgehend präzisiert, so kann man, auch wenn das Analogieverbot dies noch erlaubt, nicht ohne Weiteres über die entwickelten Grundsätze hinausgehen. Aufgabe des an den Rechtsanwender gerichteten Präzisierungsgebots ist es folglich, die Wunden zu heilen, die die notwendigerweise unvollkommene Realisierung des an den Gesetzgeber gerichteten Bestimmtheitsgebots reißt. Demgegenüber ist es Aufgabe des Analogieverbots, jenen Wunden vorzubeugen, die der Rechtsanwender reißen würde. 4. Analogieverbot und Allgemeiner Teil Dass einige AT-Vorschriften wie der in § 15 StGB geregelte Fahrlässigkeitsbegriff oder § 13 I StGB unter Gesichtspunkten der gesetzlichen Bestimmtheit deutlicher Kritik ausgesetzt sind, wurde zuvor umrissen. Auch zur Regelung des Rücktritts in § 24 StGB liest man, dass diese allenfalls lückenhaft gelungen sei und infolgedessen die Arbeit am Rechtstext teils ganz durch dogmatische Konstruktionen verdrängt werde.334 Sporadisch werden bei der Abgrenzung von Vorsatz und Fahrlässigkeit zumindest Bedenken angemeldet, ob diese ausreichend durch das Gesetz geleistet sei.335 Andere Institute regelt das Gesetz jedenfalls expressis verbis gar nicht. Jener fragmentarische Regelungszustand wird bekanntlich von denjenigen, die den AT vom Anwendungsbereich des Analogieverbots ausnehmen wollen, als Argument für genau diese Ansicht herangezogen. Mit guten Gründen kann man bezweifeln, was die Wortsinngrenze bei unbestimmten gesetzlichen Regelungen gewährleistet, denn bei einem unbestimmten Strafgesetz lässt sie sich kaum überschreiten.336 Nun soll an dieser Stelle indessen noch nicht präjudiziert werden, ob der AT oder Teile von ihm tatsächlich 334

Streng, FS Küper, 629, 640. Behrendt, FS Simson, 11 ff.; freilich werden die Zweifel letztlich zerstreut, vgl. a. a. O., 31. 336 Duttge, FS Kohlmann, 13, 19 Fn. 51; ders., Bestimmtheit, S. 164 Fn. 233: Wenn die gesetzliche Regelung sehr unbestimmt sei, könne die Grenze des bei korrekter Sprachverwendung noch möglichen Wortsinnes kaum überschritten werden; ähnlich Perron, in: Das Gesetzlichkeitsprinzip, 211, 212; Straßburg, Analogieverbot, S. 18, 26. 335

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i. S. d. Art. 103 II GG unbestimmt sind. Dazu bedarf es noch der Untersuchung, ob dem Gesetzlichkeitsprinzip insofern Grenzen innewohnen. Nichtsdestoweniger kann bereits jetzt „neutral“ der aktuelle Regelungszustand skizziert werden. Insgesamt lässt sich für den Allgemeinen Teil des StGB konstatieren, dass dieser für viele Fragen zu einem großen Teil keine oder lediglich peripher normierte Regelungen enthält.337 Zudem bedient sich der Gesetzgeber zweifelsohne vager, weiter Begriffe. Und in ebendiesen liegt für das im klassischen Sinne verstandene Analogieverbot ein grundsätzliches Problem: Bei einer vagen Formulierung ist die verbotene Analogie nur sehr schwer zu erkennen.338 Führt man dies näher mit Blick auf die semantischen Grenzen aus, ergibt sich, dass ein vager Begriff eine gewisse Anzahl „neutraler“ Kandidaten hat. Bei solchen besteht zunächst – ohne weitere Argumentation – ein non liquet, ob diese der Bedeutung des Begriffs angehören. Wenn man einen solchen Kandidaten dem Begriff zuordnet, wird man sich selten dem Vorwurf aussetzen, man habe die semantischen Grenzen nicht beachtet. Ist die Wortsinngrenze im AT wirkungslos, taugt sie dort nicht zur Unterscheidung von Rechtsanwendung secundum und praeter legem? a) Streitfälle Einige Streitfragen, die in Wissenschaft und Rechtsprechung diskutiert werden, deuten im Gegensatz dazu in eine andere Richtung. Der Vorwurf, eine Auslegung habe die nach Art. 103 II GG zulässige Grenze überschritten, ist dem AT nicht fremd. Fast schon traditionell wird der Verstoß gegen das Analogieverbot der Rechtsfigur der – vorsätzlichen – actio libera in causa entgegengehalten. Hier steht Art. 103 II GG sogar gleich mehrfach im Brennpunkt der Bedenken. Soweit man die Rechtsfigur über das sog. Ausnahmemodell zu stützen versucht und somit als Ausnahme von § 20 StGB ansieht,339 wird darauf erwidert, dass einer solchen teleologischen Reduktion die unübersteigbare Hürde des Gesetzlichkeitsprinzips entgegenstehe.340 Hingegen meinen andere, dass man sich noch innerhalb der 337

Sternberg-Lieben, GS Schlüchter, 217, 239; s. a. dens., Schranken, S. 321 f. NK4-Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 15, 71; s. a. Basak, in: Strafrecht und Verfassung, 71, 86; AnwK-Gaede, § 1 Rn. 27; Kuhlen, JR 2011, 246, 249 (je unklarer die Gesetze, desto weniger Angriffsfläche für das Analogieverbot); dens., in: Gesetzlichkeit und Strafrecht, 429, 436; dens., in: Das Gesetzlichkeitsprinzip, 45, 59 Fn. 95; Simon, Gesetzesauslegung, S. 448. 339 Jähnke, FS BGH, 393, 405, hält es – freilich auf Grundlage seiner oben betrachteten differenzierenden Bestimmung des Anwendungsbereichs von Art. 103 II GG – für erlaubt, den Wortlaut von § 20 StGB „beiseitezuschieben“; vgl. dazu Hruschka, JuS 1968, 554, 558 f.; Otto, Jura 1986, 426, 429 ff.; dens., Jura 1999, 217, 218. 340 BGHSt 42, 235, 241; Ambos, NJW 1997, 2296, 2297 f.; Bringewat, Grundbegriffe, Rn. 514; Brodowski, JuS 2012, 892, 893; Eschenbach, Jura 1992, 637, 639; Eser/Burkhardt, Strafrecht I4, Nr. 17 A Rn. 11 f.; Freund, AT, § 4 Rn. 34; Geppert, JK 97, StGB § 20/2 Probleme 2 d; Gropp, AT, § 7 Rn. 56; Hettinger, Actio libera in causa, 338

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D. Begriffsbestimmung

zulässigen Auslegung bewege, da § 20 StGB sich eines anderen Tatbegriffs bediene (Ausdehnungsmodell)341 bzw. eine bloß restriktive Auslegung vorliege342. Auch dem zweiten Legitimationsansatz, der sog. Tatbestandslösung, wird, soweit sie sich direkt oder jedenfalls sinngemäß auf den Gedanken der mittelbaren Täterschaft stützt, eine Überschreitung des Wortsinns vorgeworfen; § 25 I Alt. 2 StGB verlange eine Personenverschiedenheit von mittelbarem Täter und Werkzeug, an der es bei der Situation des sich in den Rauschzustand versetzenden Täters gerade mangele.343 Darauf replizieren wiederum einige Befürworter dieser Auffassung, der Begriff des „anderen“ sei im juristischen Sinne zu verstehen und der berauschte Täter demnach erfasst.344 Bei den „sozialethischen Grenzen“ der Notwehr wird der Verstoß gegen das Analogieverbot ebenfalls des Öfteren diskutiert. Wolle man das Notwehrrecht sozialethisch eingrenzen, so bedeute dies im Ergebnis eine teleologische Reduktion S. 362 f., 444 ff.; ders., GA 1989, 1, 17 ff.; ders., FS Geerds, 623, 628, 633 f.; Hirsch, NStZ 1997, 230, 230; ders., FS Nishihara, 88, 90; ders., FS Geppert, 233, 235; Jerouschek, JuS 1997, 385, 386 f.; Kindhäuser, AT, § 23 Rn. 9 f.; Mitsch, FS Küper, 347, 349; NK4-Paeffgen, Vor § 323a Rn. 25 ff.; ders., ZStW 97 (1985), 513, 522 ff.; Roxin, FS Lackner, 307, 309 ff.; ders., AT/I, § 20 Rn. 58; NK4-Schild, § 20 Rn. 111; MKStreng, § 20 Rn. 138 f.; ders., in: Alkohol, Strafrecht und Kriminalität, 69, 89. Vgl. dazu auch die Ausführungen von Sternberg-Lieben, GS Schlüchter, 217, 238 ff.: Es sei gerade der Sinn von Art. 103 II GG, plausible Überschreitungen des Wortsinnes zu untersagen (a. a. O., 241). 341 MK-Streng, § 20 Rn. 133 ff.; ders., JZ 2000, 20, 22 f.; ders., in: Alkohol, Strafrecht und Kriminalität, 69, 77 ff.; ders., in: Gesetzlichkeit und Strafrecht, 179, 184 ff.; wohl auch ders., FS Küper, 629, 641 (Fn. 54). Kritisch dazu etwa Hirsch, FS Nishihara, 88, 90 f.; Paeffgen, in: Alkohol, Strafrecht und Kriminalität, 49, 53 f. Fn. 18, 22. 342 Krey, AT3, Rn. 674; in diese Richtung Stratenwerth/Kuhlen, AT, § 10 Rn. 47 f. 343 Ambos, NJW 1997, 2296, 2297; Brodowski, JuS 2012, 892, 893; Eser/Burkhardt, Strafrecht I4, Nr. 17 A Rn. 8; Gropp, AT, § 7 Rn. 52; Kindhäuser, AT, § 23 Rn. 18; NK4Paeffgen, Vor § 323a Rn. 7; ders., ZStW 97 (1985), 513, 518; ders., in: Alkohol, Strafrecht und Kriminalität, 49, 56 (Fn. 28); MK-Streng, § 20 Rn. 122; ders., JZ 2000, 20, 21; ders., in: Alkohol, Strafrecht und Kriminalität, 69, 74; ders., in: Gesetzlichkeit und Strafrecht, 179, 182; Zieschang, AT, Rn. 339. Diesen Einwand halten einige allerdings für einen „eher formalen Hinweis“ (so Mitsch, FS Küper, 347, 351) bzw. für schwach (s. Hirsch, FS Nishihara, 88, 96; Jerouschek, JuS 1997, 385, 387), was frappierend erscheint, da doch die formale Grenze des Wortsinnes mit Blick auf Art. 103 II GG gerade der schwerste Einwand ist, den man im Strafrecht einer intendierten Rechtsanwendung entgegenhalten kann. Überhaupt fällt auf, dass in der Diskussion um die actio libera in causa die Auseinandersetzung mit Art. 103 II GG bisweilen offenbar als eher lästiges Übel empfunden wird, s. etwa Jakobs bei Dietmeier, ZStW 110 (1998), 393, 407 (rechtsstaatliches Gemäkel); Spendel, FS Hirsch, 379, 379 (theoretische Spitzfindigkeiten). 344 Jakobs, FS Nishihara, 105, 119: Der Gesetzgeber sei nicht an offenbaren Äußerlichkeiten klebengeblieben, gemeint sei mit dem „anderen“ i. S. d. § 25 I Alt. 2 StGB vielmehr „ein Mensch, der sich verhält, aber jedenfalls nicht schuldhaft verhält, der also nach dem Genotyp Natur ist.“ Vgl. ferner Eschenbach, Jura 1992, 637, 640 Fn. 40, Hirsch, FS Nishihara, 88, 95 ff., sowie Spendel, FS Hirsch, 379, 383 f., die jene Form der „mittelbaren Begehung“ als Unterfall von § 25 I Alt. 1 StGB einordnen. Haft, AT, E IV 2 c ee, ist sogar ausdrücklich für eine Analogie zur mittelbaren Täterschaft.

III. Analogieverbot

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von § 32 StGB; denn weder das Merkmal der Erforderlichkeit noch das Merkmal der Gebotenheit lasse semantisch gesehen Raum für derartige Restriktionen.345 Doch auch an aktuelleren Beispielen mangelt es nicht: Zunächst sei die Debatte um den Rücktritt vom erfolgsqualifizierten Versuch, sodann der Streit um die sog. fahrlässige Mittäterschaft ins Gedächtnis gerufen. Letztere hat sich seit dem Ende der neunziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts gewissermaßen zu einem Lieblingskind der Dogmatik entwickelt. Im Grunde geht es bekanntlich darum, ob § 25 II StGB auf die Fahrlässigkeitsdelikte Anwendung finden kann. Ein Argument gegen eine solche Anwendbarkeit lautet, dass sie schon mit dem Wortsinn des in § 25 II StGB gebrauchten Begriffs „begehen“ nicht vereinbar sei; das Präfix „be-“ sei ein Zeichen dafür, dass bei der mittäterschaftlichen Begehung stets Vorsatz bezüglich des gesamten Tatbestandes einschließlich des Erfolgs notwendig sei.346 Selbst Gegner der fahrlässigen Mittäterschaft sind allerdings der Ansicht, der reine Wortlaut biete für eine solche Restriktion keine Stütze.347 Ähnlich kontrovers wird der Umfang der semantischen Grenzen beim in § 24 I StGB verwendeten Tatbegriff beurteilt, soweit es um die Frage geht, ob der Täter, der bei einem erfolgsqualifizierten Delikt die Erfolgsqualifikation verwirklicht hat und sich beim Grunddelikt noch im Versuchsstadium befindet, strafbefreiend vom „erfolgsqualifizierten Versuch“ zurücktreten kann. Die wohl überwiegende Ansicht bejaht diese Frage u. a. mit dem Hinweis, dass unter „Tat“ eben das Grunddelikt zu verstehen sei und eine Versagung der Rücktrittsmöglichkeit wegen der „materiellen Vollendung“ eine nach Art. 103 II GG unzulässige teleologische Reduktion darstelle.348 Im Gegensatz dazu sehen diejenigen, die den Rücktritt vom erfolgsqualifizierten Versuch nicht zulassen wollen, im Wortsinn von § 24 I StGB kein Hindernis; mit der Tat sei – nicht zuletzt in Ansehung von § 11 II StGB – das gesamte erfolgsqualifizierte Delikt gemeint, von dem der Täter wegen der Teilverwirklichung nicht mehr zurücktreten könne.349 345 Vgl. Engels, GA 1982, 109, 124 f.; Kratzsch, GA 1971, 65, 75 ff.; dens., Grenzen, S. 31 ff., 52 f.; Marxen, Die sozialethischen Grenzen, S. 26 ff.; s. a. Matt/Renzikowski-Engländer, § 32 Rn. 42; Hillenkamp, Opferverhalten, S. 167 ff.; B. Koch, ZStW 104 (1992), 785, 819 f.; Konrad, Probleme, S. 129; v. Rienen, Einschränkungen, S. 167 ff., 177 f. (i. E. Verstoß gegen Bestimmtheitsgebot); LK12-Rönnau/Hohn, § 32 Rn. 228; v. Scherenberg, Einschränkungen, S. 78 f.; MK-Schmitz, § 1 Rn. 14; Seebode, FS Krause, 375, 380 ff.; Sinn, FS Wolter, 503, 517 f.; Zenker, Actio libera in causa, S. 25 (Fn. 57). 346 Bottke, GA 2001, 463, 474 f. 347 Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 22 Rn. 74. 348 BGHSt 42, 158, 160 f.; MK-Hardtung, § 18 Rn. 77 ff.; Joecks, StGB, § 251 Rn. 17; Kudlich, JuS 1999, 349, 355; Satzger/Schluckebier/Widmaier-Kudlich/Schuhr, § 24 Rn. 73; Kühl, Jura 2003, 19, 22 f.; LK12-Lilie/D. Albrecht, § 24 Rn. 461; SK8-Rudolphi/Stein, § 18 Rn. 40; Simon, Gesetzesauslegung, S. 51, 193 f.; Schönke/Schröder29-Sternberg-Lieben/Schuster, § 18 Rn. 13. 349 Streng, FS Küper, 629, 632 ff., 636; NK4-Zaczyk, § 24 Rn. 81; s. a. Jäger, NStZ 1998, 161, 163 ff.; Roxin, AT/II, § 30 Rn. 290. Der Hinweis findet sich auch bei

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D. Begriffsbestimmung

b) Fazit Es geht hier – jedenfalls noch – nicht darum, der Legion an Stimmen eine weitere hinzuzufügen. Absicht dieser kurzen Darstellung war es vielmehr zu zeigen, dass die Überschreitung der semantischen Grenzen, mag diese auch im Streit stehen, doch von einigen angenommen und damit immerhin diskutiert wird. Völlig wirkungslos sind die semantischen Grenzen bereits angesichts des momentanen Regelungszustandes des AT offensichtlich nicht. Das können sie nicht sein. Denn zumindest im Hinblick auf die positiven wie die negativen Kandidaten, die der vage Begriff gleichfalls hat, lassen sich Angaben treffen. Zu konzedieren ist freilich, dass die Begrenzungsfunktion im AT viel schwächer als bei den meisten Tatbeständen des BT ist. Mehr kann man vom Analogieverbot, verstanden als Verbot der Überschreitung der semantischen Grenzen, im momentan normierten AT schlechterdings nicht erwarten. Erneut zeigt sich die Abhängigkeit von der Umsetzung des Bestimmtheitsgebots. Erst wenn man die Vorfrage klärt, was das Bestimmtheitsgebot vom Gesetzgeber im AT fordert, kann man nähere Aussagen zum Analogieverbot oder zu etwaig bestehenden Alternativen, was die Gewährleistung einer verschärften Bindung des Rechtsanwenders anbelangt, machen.

Anders, GA 2000, 64, 66 f., Kostuch, Versuch und Rücktritt, S. 97 f., und Küper, JZ 1997, 229, 231 f., die jedoch mit der überwiegenden Meinung, wenn auch aus anderen Gründen, den Rücktritt zulassen wollen.

E. Verfassungsrechtliche Natur und Struktur des Art. 103 II GG: Einbettung der AT-Problematik in die Verfassungsstruktur des Art. 103 II GG Im Folgenden soll es um die „immanenten Grenzen“ des Nullum-crimen-Satzes gehen. Es ist zu untersuchen, ob es solche überhaupt gibt, ja geben darf. Eine notwendige Vorfrage für die Betrachtung solcher Grenzen ist aber, an welchen Stellen und mit welchen Figuren die Verfassung es generell ermöglicht, immanente Grenzen von Verfassungsinstituten zu berücksichtigen und in Anklang zu bringen. Dabei hängt die Beantwortung jener Vorfrage von der verfassungsrechtlich-dogmatischen Natur des Art. 103 II GG ab. Ist sie geklärt, so kann man sich der Problematik zuwenden, was man unter den bisher nur behaupteten „immanenten Grenzen“ des Art. 103 II GG zu verstehen hat, wo diese auftreten und ob diese letztlich begründbar sind. Anschließend ist man in der Lage, Schlüsse für den Allgemeinen Teil zu ziehen und sowohl den Grad der Geltung als auch die hieraus resultierenden Anforderungen von Bestimmtheitsgebot und Analogieverbot näher zu bestimmen.

I. Verfassungsrechtliche Natur von Art. 103 II GG: Grundrecht, grundrechtsähnliches Recht oder Schranken-Schranke? Es wurde schon an anderer Stelle erwähnt (vgl. Kap. A. II. 1.), dass die Rechtsnatur von Art. 103 II GG durchaus mit unterschiedlichem Ergebnis bestimmt wird. Bei diesen Deutungen wird einmal gestritten, ob man es mit einem „grundrechtsartigen“ subjektiven Recht oder mit einer lediglich an den übrigen Grundrechten anhängenden Schranken-Schranke zu tun hat. Ferner wird innerhalb der Vertreter, die von der grundrechtsartigen Natur des Gesetzlichkeitsprinzips ausgehen, diskutiert, ob es sich nun um ein echtes Grundrecht oder bloß um ein grundrechtsähnliches Recht handelt. 1. Art. 103 II GG als Schranken-Schranke? Da die zuerst genannte Frage für die Untersuchung etwaiger immanenter Grenzen des Nullum-crimen-Satzes sicherlich die größeren Weichenstellungen beinhaltet, soll mit ihr begonnen werden. In der jüngeren Vergangenheit ist die bislang nahezu einhellige Auffassung, die bei Art. 103 II GG von einem zumindest

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E. Verfassungsrechtliche Natur und Struktur des Art. 103 II GG

grundrechtsartigen Recht ausging,1 vermehrt infrage gestellt worden. Nunmehr wollen einige Stimmen in der Literatur in Art. 103 II GG eine bloße SchrankenSchranke2 erblicken, also eine Regel, die die Rechtfertigung von Eingriffen in die übrigen Grundrechte durch das Strafrecht wiederum begrenzt, unter Bedingungen stellt. Aus dem gleichen Grund wird folgerichtig die traditionell dreigliedrige Grundrechtsprüfung (Schutzbereich-Eingriff-Rechtfertigung) für Art. 103 II GG abgelehnt.3 Jene Einordnung ist im Wesentlichen auf die Untersuchungen Appels zurückzuführen. Dieser geht von der Prämisse aus, dass es sich einerseits bei Art. 103 II GG, den die h. M. als zumindest grundrechtsgleiches Recht erkannt zu haben glaubt, um eine Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips handele, andererseits jede strafrechtliche Maßnahme stets einen Grundrechtseingriff impliziere, der auf der Rechtfertigungsebene an den allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsätzen zu messen sei; somit bestünden für die Prüfung staatlicher Strafmaßnahmen zwei an unterschiedlichen Stellen zu berücksichtigende „Regime“ – die Grundrechte mit den allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsätzen als Schranken-Schranken und daneben der „grundrechtsgleiche“ Art. 103 II GG –, obwohl Art. 103 II GG doch strukturgleich zu den allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsätzen sei.4 Aus diesem Grund hält Appel die Einordnung als grundrechtsähnliches Recht nicht für überzeugend. Vielmehr handele es sich bei Art. 103 II GG grundrechtsdogmatisch um eine Schranken-Schranke, mithin um eine Beschränkung, die für den Staat gelte, wenn er den Grundrechten durch das Strafrecht Grenzen ziehe.5 Für diese Einordnung sprächen die folgenden Gesichtspunkte: Einmal sei es eigenartig, warum es sich bei den allgemeinen rechtsstaatlichen Garantien um Schranken-Schranken, bei Art. 103 II GG als bloße Verstärkung der soeben genannten dagegen um ein grundrechtsgleiches Recht handeln solle; gegen letztere Einord-

1

Vgl. Kap. A. II. 1. Fn. 17, 18. Appel, Verfassung und Strafe, S. 560 ff.; ders., Jura 2000, 571, 576 ff.; eingeschränkt zustimmend Jarass/Pieroth-Pieroth, Art. 103 Rn. 43 („systematisch . . . Schranken-Schranke“); Pieroth/Schlink/Kingreen/Poscher, Staatsrecht II, Rn. 1187 („systematisch . . . Schranken-Schranke“); Schmidt-Bleibtreu/Klein-Schmahl, Art. 103 Rn. 1 („systematisch . . . Schranken-Schranke“); Dreier-Schulze-Fielitz, Art. 103 II Rn. 15 („grundrechtssystematisch noch plausibler“); Gröpl/Windthorst/v. Coelln-Windthorst, Art. 103 Rn. 1 (systematisch Schranken-Schranke); s. a. Stern/F. Becker-Brüning, Art. 103 Rn. 9 (systematisch Schranken-Schranke, aber Doppelfunktion); Lagodny, Schranken der Grundrechte, S. 397 ff.; offengelassen bei v. Münch/P. Kunig-P. Kunig, Art. 103 Rn. 2. Gleichwohl halten von den soeben genannten einige an der dreigliedrigen Prüfung fest, vgl. Stern/F. Becker-Brüning, Art. 103 Rn. 9; Jarass/Pieroth-Pieroth, Art. 103 Rn. 44 ff.; Pieroth/Schlink/Kingreen/Poscher, Staatsrecht II, Rn. 1188 ff.; Gröpl/Windthorst/v. Coelln-Windthorst, Art. 103 Rn. 14 ff. 3 Appel, Jura 2000, 571, 578; s. a. Lagodny, Schranken der Grundrechte, S. 398 f. 4 Appel, Verfassung und Strafe, S. 44 f., 558 ff.; ders., Jura 2000, 571, 571, 576; ähnlich Dreier-Schulze-Fielitz, Art. 103 II Rn. 15 (enge Verwandtschaft). 5 Appel, Verfassung und Strafe, S. 560 f.; ders., Jura 2000, 571, 576. 2

I. Verfassungsrechtliche Natur von Art. 103 II GG

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nung spreche zudem, dass durch Art. 103 II GG dem Bürger überhaupt kein eigenständiger Freiheitsbereich gewährleistet werde.6 Im Übrigen mache es Mühe, die Grundrechtsdogmatik auf Art. 103 II GG anzuwenden, was sich z. B. daran zeige, dass Eingriffe in ihn nach h.A. nie gerechtfertigt werden könnten; soweit man die Nennung der Vorschrift in Art. 93 I Nr. 4a GG als Gegenargument heranziehe, sei darauf hinzuweisen, dass dieser von einem „nicht mehr zeitgemäß[en]“ Verständnis ausginge.7 Handelt es sich demnach bei Art. 103 II GG nicht um ein subjektives Recht, das die Verfassung dem Bürger gewährt und welches er im Wege der Verfassungsbeschwerde geltend machen kann? M. E. nach widerlegen die von Appel angeführten Bedenken keineswegs die Einordnung als zumindest grundrechtsgleiches Recht. Bereits der Grundeinwand, der die Paradoxie zweier im Grunde deckungsgleicher Regime heraufbeschwört, lässt sich bekämpfen. So ist schon entgegenzuhalten, dass die rechtsstaatlichen Grundsätze entgegen Appel nicht stets reine Schranken-Schranken darstellen, sondern in gewissen Fällen – etwa über Art. 2 I GG – am grundrechtlichen Schutzbereich teilhaben können.8 Auch der Schrecken, den das gemeinsame Regime Grundrechte sowie Rechtsstaatsprinzip einerseits und Gesetzlichkeitsprinzip andererseits bedeuten soll, erschließt sich nicht ganz. Es ist doch keine strafrechtsspezifische Eigenschaft, dass staatliche Maßnahmen gleichzeitig in mehrere Grundrechte eingreifen können9, man denke an Art. 2 I GG; das ist eben eine Frage der Grundrechtskonkurrenz. Wenn nun Art. 103 II GG eine zum grundrechtsähnlichen Recht verdichtete Ausprägung der allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsätze darstellt, ist dieser das speziellere Recht und die Prüfung der allgemeinen Grundsätze insofern entbehrlich, wenn er einschlägig ist. Im Übrigen besteht die Konkurrenz von Grundrechten und Art. 103 II GG, sieht man einmal von Art. 2 I GG ab, nicht immer. Wie erwähnt, gibt es die theoretische Situation eines völlig unbestimmten (Straf-)Gesetzes, bei dem der mögliche Adressatenkreis schon erkennbar ist. Hier ist es möglich, bereits gegen dieses Gesetz selbst Verfassungsbeschwerde zu erheben. An einem Eingriff durch Strafe oder eine strafrechtsähnliche Maßnahme,10 die 6 Appel, Verfassung und Strafe, S. 563 ff.; ders., Jura 2000, 571, 576 f.; s. a. DreierSchulze-Fielitz, Art. 103 II Rn. 15. 7 Appel, Verfassung und Strafe, S. 565 ff.; ders., Jura 2000, 571, 577. Was den Verweis auf die fehlende Rechtfertigungsmöglichkeit anbelangt, wenden jedoch Friauf/ Höfling-Höfling/Burkiczak, Art. 103 Rn. 128, zu Recht ein, dies sei keine allein bei Art. 103 II GG bestehende Besonderheit; auch Art. 1 I GG sei bekanntlich nicht einschränkbar und werde trotzdem als Grundrecht eingeordnet. 8 Friauf/Höfling-Höfling/Burkiczak, Art. 103 Rn. 128. 9 Vgl. Friauf/Höfling-Höfling/Burkiczak, Art. 103 Rn. 127. 10 Auch der Gesetzgeber kann bekanntlich, wenn er hinter den aus dem Nullum-crimen-Satz folgenden Anforderungen zurückbleibt, in Art. 103 II GG eingreifen, vgl. nur Kuhli, Völkerstrafgesetzbuch, S. 151; Pieroth/Schlink/Kingreen/Poscher, Staatsrecht II, Rn. 1200.

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E. Verfassungsrechtliche Natur und Struktur des Art. 103 II GG

Appel voraussetzt, fehlt es in diesem Fall jedoch gerade. Es existiert demnach kein in allen Fällen doppeltes Regime, was den eigenständigen Charakter von Art. 103 II GG noch verdeutlicht. Am schwersten wiegt aber gegen die Einordnung als Schranken-Schranke die Vorgabe, die das Grundgesetz selbst macht. Art. 93 I Nr. 4a GG stellt das Gesetzlichkeitsprinzip ausdrücklich neben die Grundrechte und macht dieses zum Gegenstand der Verfassungsbeschwerde. Nach Art. 93 I Nr. 4a GG kann jedermann Verfassungsbeschwerde erheben mit der Behauptung, „. . . in einem seiner Grundrechte oder in einem seiner in Artikel 20 Abs. 4, 33, 38, 101, 103 und 104 enthaltenen Rechte verletzt zu sein.“ 11 Deutlicher als durch das Possessivpronomen kann die Verfassung kaum machen, dass sie dem Bürger eine subjektive Rechtsposition zubilligt. Der Kontext der Grundrechte und der übrigen genannten subjektiven Rechte verdeutlicht dies. Gegenüber einer rein formalen Hürde wie etwa dem Zitiergebot in Art. 19 I 2 GG erfährt das Gesetzlichkeitsprinzip eine ausdrückliche Hervorhebung, die gegen seine Einordnung als Annex, als Schranken-Schranke spricht. Zwar ist selbstredend nicht alles, dessen Verletzung man rügen kann, als subjektive Rechtsposition einzuordnen. Die Möglichkeit, die Verfassungsbeschwerde maßgeblich auf Art. 103 II GG zu stützen, deutet dahingegen für das Gesetzlichkeitsprinzip stark in diese Richtung: Die Verfassungsbeschwerde ist ein Verfahren, das primär dem Rechtsschutz des Einzelnen dient12 – wenn auch sekundär der Wahrung und Fortentwicklung des Grundgesetzes – und aus diesem Grunde die Trägerschaft13 der ins Feld geführten Rechte verlangt. Zudem ist die Entstehungsgeschichte der Norm, die Appel selbst darstellt14, ein Indiz dafür, dass die Grundrechtsväter zumindest eine grundrechtsähnliche Regelung wollten. Besonders der Wortlaut des Grundgesetzes lässt sich nicht einfach mit der Behauptung überspielen, dass diesem ein nicht mehr zeitgemäßes Verständnis zugrunde läge.15 Geltendes Verfassungsrecht ist vom Rechtsanwender zu respektieren und darf, gesetzt, es bestünde wirklich ein unzeitgemäßes Verständnis, nur 11 Art. 104 GG gilt ebenfalls als grundrechtsgleiches Recht – mit verfahrensrechtlichem Gehalt (vgl. Jarass/Pieroth-Jarass, Art. 104 Rn. 1 m.w. N.) –, das allerdings bei Eingriffen in Art. 2 II 2 GG als Schranken-Schranke „wirken“ soll (s. Gröpl/Windthorst/v. Coelln-Windthorst, Art. 104 Rn. 1 m.w. N.). 12 Gröpl/Windthorst/v. Coelln-v. Coelln, Art. 93 Rn. 66; Fleury, Verfassungsprozessrecht, Rn. 247; Gusy, Verfassungsbeschwerde, Rn. 15; s. a. Zuck, Verfassungsbeschwerde, Rn. 80 ff., 96. 13 Fleury, Verfassungsprozessrecht, Rn. 301 f. Fn. 333; s. a. Gusy, Verfassungsbeschwerde, Rn. 62, 102; zumindest enthalten also die in Art. 93 I Nr. 4a GG genannten Vorschriften subjektive Rechtspositionen, selbst wenn sie schon nicht in ihrer Gesamtheit als solche zu verstehen sind, s. Stern, Staatsrecht III/1, § 63 IV 2; dazu auch Zuck, Verfassungsbeschwerde, Rn. 386. 14 s. Appel, Jura 2000, 571, 577. 15 Vgl. Friauf/Höfling-Höfling/Burkiczak, Art. 103 Rn. 129 („zirkelschlüssig“).

I. Verfassungsrechtliche Natur von Art. 103 II GG

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vom Verfassungsgesetzgeber geändert werden. Natürlich kann die Dogmatik den Grundgesetzgeber für Systembrüche kritisieren und Abhilfe verlangen, gegebenenfalls sogar auf die „wahre“ dogmatische Natur einer Norm und die daraus folgenden Konsequenzen verweisen. Vorher sollte immerhin einmal erwogen werden, ob angesichts der Schwierigkeit der Übertragung der üblichen dogmatischen Kriterien auf Art. 103 II GG für diesen aufgrund seiner Sonderstellung nicht neue dogmatische Erwägungen angestellt werden müssen respektive die entwickelte Dogmatik angepasst werden kann. Es ist nicht in Stein gemeißelt, dass die für die Grundrechte entwickelte Dogmatik völlig deckungsgleich mit derjenigen ist, die für die – nicht ohne Grund gesondert geregelten – grundrechtsgleichen Rechte am Platze ist. 2. Grundrecht oder grundrechtsgleiches Recht? Folglich muss daran festgehalten werden, Art. 103 II GG als zumindest grundrechtsgleiches Recht zu behandeln und zu prüfen. Nicht geklärt ist damit aber, ob es sich um ein „echtes“ Grundrecht handelt. Dass man es bei Art. 103 II GG mit einem solchen zu tun hat, wird nicht selten vertreten.16 Gleichwohl findet man kaum einmal eine nähere Begründung, warum es sich um ein „echtes“ Grundrecht handeln soll. Vereinzelt geblieben ist der Hinweis, es handele sich deshalb um ein Grundrecht, da das Recht aus Art. 103 II GG verfassungsbeschwerdefähig sei und zum klassischen Bestand der Grundrechtskataloge zähle.17 Allerdings ist die – aus historischer Sicht zu belegende – Tatsache, dass man das Prinzip der Gesetzesbindung im Strafrecht jedenfalls in den letzten hundert Jahren traditionell als Grundrecht ansieht, noch kein Indiz dafür, wie das Grundgesetz als geltende Verfassung jenes einordnet. Auch der Verweis auf die Möglichkeit, unter Berufung auf Art. 103 II GG Verfassungsbeschwerde zu erheben, bringt alleine keine Entscheidung. Denn für eine solche müsste man davon ausgehen, dass ausschließlich Grundrechte verfassungsbeschwerdefähig wären; in diesem Fall nämlich müsste es sich bei allen in Art. 93 I Nr. 4a GG aufgeführten subjektiven Rechten um Grundrechte handeln. Gerade die Systematik18 und der Wortlaut19 des Art. 93 I Nr. 4a GG („. . . in einem seiner Grundrechte oder in einem seiner in Artikel 20 Abs. 4, 33, 38, 101, 103 und 104 enthaltenen Rechte . . .“) sprechen dafür, dass es sich bei Art. 103 II GG eben um kein „echtes“ Grundrecht handelt. Dafür lässt sich im Übrigen die Überschrift

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Vgl. Kap. A. II. 1. Fn. 18. v. Mangoldt/Klein/Starck-Nolte, Art. 103 II Rn. 102; vgl. dazu Th. Schröder, Gesetzesumgehung, S. 321. 18 Maunz/Dürig-Schmidt-Aßmann, Art. 103 II Rn. 191. 19 Kuhli, Völkerstrafgesetzbuch, S. 206; allgemein Stern, Staatsrecht III/1, § 63 IV 1; Zuck, Verfassungsbeschwerde, Rn. 382. 17

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E. Verfassungsrechtliche Natur und Struktur des Art. 103 II GG

des ersten Abschnitts der Verfassung („Die Grundrechte“) anführen, unter die die übrigen genannten subjektiven Rechte erkennbar nicht gefasst, sondern separiert geregelt worden sind. Somit handelt es sich bei Art. 103 II GG mit der überwiegenden Meinung20 lediglich um ein grundrechtsgleiches Recht. Letztlich sollte die soeben besehene Kontroverse in ihrer Bedeutung nicht überschätzt werden. Die Einordnung als grundrechtsgleiches Recht machte in der Vergangenheit kaum einen Unterschied. Wohlgemerkt ziehen auch diejenigen, die in Art. 103 II GG ein echtes Grundrecht sehen, daraus keine über den rein terminologischen Unterschied hinausreichenden Konsequenzen.21 Hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Struktur und Prüfung von Art. 103 II GG kommen beide Ansichten zu vergleichbaren Ergebnissen. 3. Fazit Die vorstehenden Ausführungen haben ergeben: Bei Art. 103 II GG handelt es sich im Kontext der Verfassung um ein grundrechtsgleiches Recht. Dagegen liegt keinesfalls bloß eine Schranken-Schranke vor. Die Schwierigkeit der Übertragung grundrechtsdogmatischer Lehren allein kann nicht dazu führen, die Entscheidung des GG für das Gesetzlichkeitsprinzip als eigenständiges subjektives Recht zu überspielen. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass derjenige, der von der zumindest grundrechtsgleichen Natur von Art. 103 II GG ausgeht, ebenfalls nicht unbesehen die Prüfung der übrigen Freiheitsrechte auf Art. 103 II GG übertragen darf.22 Die von Appel völlig richtig gesehenen Schwierigkeiten, die sich bei der Übertragung der allgemeinen Grundrechtsdogmatik ergeben, können demnach nicht einfach ignoriert werden. Es handelt sich bei Art. 103 II GG in der Tat nicht um ein klassisches freiheitssicherndes Recht i. S. der Freiheitsgrundrechte. Wäre dies der Fall, hätten die Mütter und Väter des Grundgesetzes das Gesetzlichkeitsprinzip genauso gut bei den Grundrechten regeln können; es ist daher nicht gesagt, dass jede durch die Verfassung – über die „echten“ Grundrechte hinaus – gewährte subjektive Rechtsposition unmittelbar einen Freiheitsbereich gewährleisten muss. Mittelbar schützt Art. 103 II GG freilich durchaus die Freiheit, die Berechenbarkeit des Strafrechts ist eine Voraussetzung für die Entfaltung von Freiheit im von den Grundrechten gesicherten Rahmen. Insofern ist bei Art. 103 II GG von einem subjektiven Abwehrrecht23 zu sprechen: Be20

Vgl. Kap. A. II. 1. Fn. 17. Maunz/Dürig-Schmidt-Aßmann, Art. 103 II Rn. 191. Dies verwundert auch nicht, denn im Rang stehen die grundrechtsgleichen Rechte den Grundrechten nicht nach, vgl. Dreier-Dreier, Vor Art. 1 Rn. 65; Epping, Grundrechte, Rn. 921. 22 Friauf/Höfling-Höfling/Burkiczak, Art. 103 Rn. 130; s. schon Lemmel, Strafbarkeitsvoraussetzungen, S. 106 f. 23 Bethge, FS Stern, 295, 302; Hömig-Hömig, Art. 103 Rn. 13; Ipsen, Staatsrecht II, Rn. 929; v. Münch/P. Kunig-P. Kunig, Art. 103 Rn. 36; v. Mangoldt/Klein/Starck-Nolte, 21

II. Verfassungsrechtliche Struktur des Art. 103 II GG

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gründet wird der Anspruch des Bürgers gegenüber dem Staat, strafrechtliche Maßnahmen ohne die Berücksichtigung der in Art. 103 II GG statuierten Anforderungen zu unterlassen. Ins Positive gewendet ist mit jener freiheitssichernden Dimension eng verwandt, dass dem einzelnen Bürger auf diese Weise ein gewisser, durchsetzbarer Qualitätsanspruch gegenüber der gesetzgeberischen sowie der rechtsanwendenden Arbeit zukommt bzw. garantiert wird. Zusammenfassend: Einige allgemein aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Gesichtspunkte werden durch Art. 103 II GG aufgrund der Besonderheit des Strafrechts als ultima ratio eines Rechtsstaats in verschärfter Form subjektiviert, um dem einzelnen Bürger eine gestärkte Kontrollstellung einzuräumen; im Wege der Verfassungsbeschwerde kann der Bürger sein Abwehrrecht geltend machen, welches mittelbar freiheitssichernd wirkt. Aus den gegebenen Gründen ist es bedenkenswert, ob in diesem Zusammenhang der Begriff des Schutzbereichs zu verwenden ist. Statt vom Schutzbereich sollte man besser vom Gewährleistungsgehalt24 des Art. 103 II GG sprechen.

II. Verfassungsrechtliche Struktur des Art. 103 II GG und die „immanenten Grenzen“ Mit der Klärung der Vorfrage, welche verfassungsrechtliche Natur Art. 103 II GG hat, ist der Weg geebnet, sich der Untersuchung seiner „immanenten“ Grenzen zuzuwenden. Geht man bei der verfassungsrechtlichen Normierung des Gesetzlichkeitsprinzips von einem grundrechtsgleichen Recht aus, das in seiner Funktion als Abwehrrecht aktiviert wird, so bietet es sich an, unter Berücksichtigung der soeben genannten Besonderheiten an der üblichen dreigliedrigen Grundrechtsprüfung entlang zu gehen. Dabei interessiert weniger die Frage des Eingriffs: Im hiesigen Blickwinkel möglicher Grenzen des Rechts sind naheliegenderweise die beiden Punkte Schutzbereich bzw. Gewährleistungsgehalt sowie Rechtfertigung eines Eingriffs von größerer Bedeutung.

Art. 103 II Rn. 102; Schmidt-Bleibtreu/Klein-Schmahl, Art. 103 Rn. 1; Maunz/DürigSchmidt-Aßmann, Art. 103 II Rn. 191; Dreier-Schulze-Fielitz, Art. 103 II Rn. 15; s. a. Frister, AT, Kap. 4 Rn. 9; Löhr, Prozeßgrundrechte, S. 60; F.-C. Schroeder, JuS 1995, 875, 876; Simon, Gesetzesauslegung, S. 118. A.A. wohl Friauf/Höfling-Höfling/Burkiczak, Art. 103 Rn. 125, 130: Art. 103 II GG verbiete nicht die Verkürzung grundrechtlicher Freiheiten, sondern sei vom Verhalten des Grundrechtsträgers unabhängig. 24 Generell für die Einführung dieses Begriffs aufgrund der verschiedenen Dimensionen der Grundrechte Hoffmann-Riem, in: Haben wir wirklich Recht?, 53, 57; ders., Der Staat 43 (2004), 203, 226 f.; s. a. Volkmann, JZ 2005, 261, 264; zurückhaltender dagegen Isensee/P. Kirchhof-Hillgruber, § 200 Rn. 1; Merten/Papier-Merten, § 56 Rn. 34, 48; skeptisch Pérez Barberá, FS I. Roxin, 29, 33 f. Fn. 32 (nur terminologischer Unterschied); explizit anderer Auffassung Rusteberg, Gewährleistungsgehalt, S. 231 f.

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E. Verfassungsrechtliche Natur und Struktur des Art. 103 II GG

1. Einschränkbarkeit von nullum crimen, nulla poena sine lege? Entgegen der sich aufdrängenden Reihenfolge soll nicht mit der Untersuchung des Schutzbereichs, sondern mit der Frage der Rechtfertigung möglicher Eingriffe in Art. 103 II GG begonnen werden. Die Gründe werden sich sogleich zeigen. Nach dem wohlbekannten Wortlaut des Art. 103 II GG steht das Gesetzlichkeitsprinzip nicht unter Gesetzesvorbehalt, es wird scheinbar vorbehaltlos gewährleistet; infrage kommt demnach allenfalls die Rechtfertigung von Eingriffen aufgrund kollidierenden Verfassungsrechts.25 Doch ist wenigstens eine solche möglich? Es braucht nicht allzu viel Phantasie, sich von der Verfassung anerkannte Rechte und Werte zu denken, die in Einzelfällen dem Gesetzlichkeitsprinzip in erhöhtem Maße widerstreiten. Etwa mag man an die Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege oder gar umfassend an die ebenfalls aus Art. 20 III GG ableitbare materielle Gerechtigkeit denken. Dementsprechend werden – vereinzelt – Versuche und Überlegungen angestellt, zumindest als letzten Rettungsanker eine Einschränkung des Gesetzlichkeitsprinzips aufgrund besonders hochstehender Verfassungsgüter zu ermöglichen. Berühmt geworden ist dabei die im Kontext des Rückwirkungsverbots beheimatete Behandlung der Schießbefehle an der innerdeutschen Grenze durch das Bundesverfassungsgericht.26 Indessen kann jene Entscheidung, gefallen vor dem Hintergrund außergewöhnlicher historischer Gegebenheiten und begrenzt auf das im Vorliegenden nicht im Zentrum des Interesses stehende Rückwirkungsverbot, hier als Ausnahmefall beiseite gelassen werden. Dagegen wird von einigen stets eine ungeschriebene Grundrechtsschranke angenommen: Diese könne jedenfalls aktiviert werden, wenn der Schutz elementarer Rechtsgüter in Rede stehe und dieser nur mit Hilfe wertender Kriterien abgegrenzt werden könne.27 Vereinzelt wird sogar behauptet, das strafrechtliche Bestimmtheitsgebot gelte keineswegs ohne Einschränkung, sondern finde regel-

25 Appel, Verfassung und Strafe, S. 565 f.; ders., Jura 2000, 571, 577; Epping, Grundrechte, Rn. 987; Kuhli, Völkerstrafgesetzbuch, S. 205; ders., in: Strafrecht und Verfassung, 91, 108; Jarass/Pieroth-Pieroth, Art. 103 Rn. 54; Dreier-Schulze-Fielitz, Art. 103 II Rn. 58. 26 BVerfGE 95, 96, 132 f.; zustimmend Sachs-Degenhart, Art. 103 Rn. 74 f.; Ipsen, Staatsrecht II, Rn. 928; gegen solche ungeschriebenen Ausnahmen wiederum Classen, GA 1998, 215, 217 ff.; Jarass/Pieroth-Pieroth, Art. 103 Rn. 54, 68 ff.; Th. Schröder, Gesetzesumgehung, S. 322 ff.; Dreier-Schulze-Fielitz, Art. 103 II Rn. 56 f. 27 So in Bezug auf das Bestimmtheitsgebot F.-C. Schroeder, JZ 1969, 775, 778; derartige Beschränkungen durch kollidierendes Verfassungsrecht sieht Dreier-Schulze-Fielitz, Art. 103 II Rn. 58, einer kaum zu bewältigenden Begründungslast gegenüber. Die in diesem Zusammenhang ebenfalls zu nennenden Abwägungstheorien von Lenckner und Seel wurden bereits oben [Kap. D. II. 3. a) ee)] ausführlich erörtert; vgl. in deren Zusammenhang Thelen, Tatbestandsermessen, S. 156 („Einschränkung“). Auch bei Gropp, AT, § 2 Rn. 5, ist von Einschränkungen des Gesetzlichkeitsprinzips (etwa beim AT und den Schüssen an der innerdeutschen Grenze) zu lesen.

II. Verfassungsrechtliche Struktur des Art. 103 II GG

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mäßig seine Begrenzung durch die anderen Verfassungsnormen – Stichwort Einheit der Verfassung.28 Demgegenüber sieht die ganz herrschende Ansicht29 das aus Art. 103 II GG folgende grundrechtsgleiche Recht als nicht einschränkbar, als abwägungsresistent an. Insoweit begründeten Eingriffe in den Gewährleistungsgehalt des Nullum-crimen-Satzes zugleich dessen Verletzung. Prima vista verwundert dieses Ergebnis. Sieht man das Gesetzlichkeitsprinzip tatsächlich als nicht einschränkbar an, stünde Art. 103 II GG damit in einer exklusiven Reihe. Völlig schrankenlos30 wird durch das Grundgesetz im Grunde nur Art. 1 I GG 28 Schlehofer, JuS 1992, 572, 573 f. Überraschend erscheint vor allem, dass jener seine These als „anerkannt“ (vgl. a. a. O., 573) bezeichnet, obgleich doch ganz überwiegend vom Gegenteil ausgegangen wird. Zwar mag der Hinweis auf die Einheit der Verfassung üblicherweise für die Begrenzung von Grundrechten und grundrechtsgleichen Rechten tragfähig sein, Art. 103 II GG begründet dahingegen aufgrund seiner strukturellen Besonderheiten einen Sonderfall, welcher der näheren Untersuchung bedurft hätte. Nach Kuhli, Völkerstrafgesetzbuch, S. 207 ff., 225 f., 248 f. (s. a. dens., in: Strafrecht und Verfassung, 91, 110 ff.), soll jedenfalls das Verbot des strafbegründenden oder strafschärfenden Gewohnheitsrechts regelmäßig durch kollidierendes Verfassungsrecht einschränkbar sein. Es bestünden weder zwingende Gründe gegen noch für die Einschränkbarkeit, daher greife eine – letztlich aus Gründen der Verfassungseinheit von ihm selbst postulierte – Vermutung für die Einschränkbarkeit von Verfassungsnormen durch kollidierendes Verfassungsrecht. Dazu soll folgender Hinweis genügen: Die vom Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung praktizierte Einschränkung scheinbar vorbehaltlos gewährter Grundrechte und grundrechtsgleicher Rechte durch „kollidierendes Verfassungsrecht“ steht in der verfassungsrechtlichen Literatur zunehmend und mit durchaus gewichtigen Gründen in der Kritik, s. u. (Kap. E. II. 2.); vgl. aus dem strafrechtlichen Schrifttum Th. Schröder, Gesetzesumgehung, S. 342 ff., 345. 29 BVerfGE 109, 133, 171 f.; Brodowski, JuS 2012, 892, 892; Stern/F. Becker-Brüning, Art. 103 Rn. 114, 126; Classen, GA 1998, 215, 225; LK12-Dannecker, § 1 Rn. 196, 204; Dannecker/Stoffers, JZ 1996, 490, 493; Duttge, FS Kohlmann, 13, 22; ders., Bestimmtheit, S. 182; Epping, Grundrechte, Rn. 987; Freund, FS Wolter, 35, 43; Hamann, GG und Strafgesetzgebung, S. 45 f.; Hardtung, Versuch und Rücktritt, S. 240 f. (zum Analogieverbot); Friauf/Höfling-Höfling/Burkiczak, Art. 103 Rn. 132; Ipsen, Staatsrecht II, Rn. 930; v. Münch/P. Kunig-P. Kunig, Art. 103 Rn. 17; Lagodny, Schranken der Grundrechte, S. 398 f.; Lemmel, Strafbarkeitsvoraussetzungen, S. 106 ff. (insbes. Fn. 63); Luther, FS Bemmann, 202, 205, 208; Manssen, Staatsrecht II, Rn. 803; NK4Paeffgen, Vor §§ 32 ff. Rn. 57; Jarass/Pieroth-Pieroth, Art. 103 Rn. 54; Pieroth/ Schlink/Kingreen/Poscher, Staatsrecht II, Rn. 1201; Ransiek, Gesetz und Lebenswirklichkeit, S. 58 f. (zum Bestimmtheitsgebot); BK-GG-Rüping, Art. 103 II Rn. 17; Maunz/Dürig-Schmidt-Aßmann, Art. 103 II Rn. 177; H.-L. Schreiber, ZStW 80 (1968), 348, 367 f.; Th. Schröder, Gesetzesumgehung, S. 334 ff., 346, 412 f.; D. Schroeder, JA 2010, 167, 173; Dreier-Schulze-Fielitz, Art. 103 II Rn. 58; Sternberg-Lieben, Schranken, S. 312 ff. (insbes. Fn. 138); Stuckenberg, JA 2001, 221, 222; Süß, in: Vom unmöglichen Zustand des Strafrechts, 207, 223 (zum Bestimmtheitsgebot); Tiedemann, Tatbestandsfunktionen, S. 189 f.; Gröpl/Windthorst/v. Coelln-Windthorst, Art. 103 Rn. 20; wohl auch BGHSt 18, 136, 139 f. (zum Analogieverbot); Grünwald, FS Arth. Kaufmann, 433, 446; Jakobs, AT, Ab. 4 Rn. 8; Roxin, AT/I, § 5 Rn. 72; etwas zurückhaltender dagegen v. Mangoldt/Klein/Starck-Nolte, Art. 103 II Rn. 166 („weitestgehend“); Sodan/Ziekow, GK ÖR, § 49 Rn. 7 („regelmäßig“). 30 Dagegen besteht bei Grundrechten, die nur ihrem Wortlaut nach schrankenlos gewährleistet werden, zumindest nach Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bekanntermaßen die Möglichkeit der Einschränkung durch kollidierendes Verfassungs-

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E. Verfassungsrechtliche Natur und Struktur des Art. 103 II GG

gewährleistet. Warum soll dem strafrechtlichen Gesetzlichkeitsprinzip eine solche Sonderrolle innerhalb der Grundrechte und grundrechtsgleichen Rechte zukommen? Ist es für die Erhaltung des Rechtsstaats von derart überlebenswichtiger Bedeutung? Allzu oft finden sich nur halbherzige Versuche, diesen an sich erstaunlichen Umstand zu begründen. Vereinzelt lassen sich allerdings brauchbare Ansätze aufspüren, die die Uneinschränkbarkeitsthese zu stützen versuchen. Wenig gibt dafür die Beantwortung der Frage her, ob Art. 103 II GG an der sog. Ewigkeitsgarantie des Grundgesetzes gem. Art. 79 III GG teilnimmt. Zwar wird dies von manchen31 angenommen, was zeigt, welche Bedeutung dem Grundsatz der Gesetzesbindung im Strafrecht im Gefüge der Verfassung eingeräumt wird. Selbst wenn man dies konzediert, ergibt sich für die Problematik, ob Art. 103 II GG als uneinschränkbar anzusehen ist, kaum etwas. Auch andere Verfassungsgüter wie Art. 20 III GG, die unstreitig von der Ewigkeitsgarantie erfasst werden, finden in der aktuellen Ordnung des Grundgesetzes ihre Begrenzung zumindest in mit ihnen kollidierendem Verfassungsrecht. Ähnliches zeigt sich, wenn man die Verbindung von Art. 103 II GG zur Menschenwürdegarantie des Art. 1 I GG näher ins Auge fasst. Es gibt durchaus einige Stimmen, die das Gesetzlichkeitsprinzip insgesamt32 oder immerhin in Teilen33 in Art. 1 I GG verankert sehen wollen. Nun könnte man annehmen, dass in diesem Fall, da das Grundrecht aus Art. 1 I GG selbst nicht einschränkbar ist, das mit ihm verbundene grundrechtsgleiche Recht ebenso keine Einschränkung erfährt. Dies ist jedoch offensichtlich zu kurz gegriffen: Andere Verfassungsgüter recht. Man denke einerseits an Art. 4 I, II GG (vgl. dazu BVerfGE 108, 282, 299), den ein Teil des Schrifttums – s. nur Epping, Grundrechte, Rn. 317, 319 m.w. N. – ohnehin durch Art. 140 GG i.V. m. Art. 136 I WRV einschränken will, und Art. 4 III 1 GG (dazu BVerfGE 28, 243, 260 f.; 69, 1, 21 ff.), andererseits an Art. 5 III 1 GG (s. BVerfGE 30, 173, 193; 75, 369, 379). 31 So etwa Sinn, FS Wolter, 503, 510. Nach Even, Unantastbarkeitsgarantie, S. 249 f., soll Art. 103 II GG vermittelt über Art. 1 I GG insgesamt der Ewigkeitsgarantie unterfallen (ähnlich Böhm, Gesetzlichkeit, S. 35 f.). Epping, Der Staat 34 (1995), 243, 259 ff., sieht den Kerngehalt des Rechtsprinzips – aber nicht das Prinzip an sich – als abänderungsfest an (ähnlich Stächelin, Gesetzgebung, S. 208). Demgegenüber erfasst Art. 79 III GG für S. Schulz, Änderungsfeste Grundrechte, S. 545 ff., nur das Rückwirkungsverbot über Art. 1 I GG, die übrigen Verbürgungen hingegen über Art. 20 III GG. Gänzlich gegen eine Teilnahme des Gesetzlichkeitsprinzips am Bestand des Art. 79 III GG spricht sich Lemmel, Strafbarkeitsvoraussetzungen, S. 95, aus, da dieses nicht derart fundamental sei. 32 Even, Unantastbarkeitsgarantie, S. 249 f. („in engstem Zusammenhang“); s. a. Stern/F. Becker-Brüning, Art. 103 Rn. 114; Epping, Der Staat 34 (1995), 243, 260 (Konkretisierung); Hamann, GG und Strafgesetzgebung, S. 45; Landau, NStZ 2011, 537, 542; BK-GG-Rüping, Art. 103 II Rn. 86. 33 S. Schulz, Änderungsfeste Grundrechte, S. 545, 547: Beim Rückwirkungsverbot sei der Bezug zu Art. 1 I GG am engsten, beim Analogieverbot und Bestimmtheitsgebot bestehe er dagegen nur „in ihrem Kern“; ähnlich auch Dannecker, Intertemporales Strafrecht, S. 260 ff.; v. Mangoldt/Klein/Starck-Nolte, Art. 103 II Rn. 167.

II. Verfassungsrechtliche Struktur des Art. 103 II GG

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und Rechte wie Art. 102 GG oder überhaupt die übrigen Grundrechte finden ihre Grundlage gleichfalls in der Menschenwürdegarantie, dennoch sind sie ihrerseits einschränkbar. Grundsätzlich fußt unsere gesamte Verfassung auf den historisch schmerzhaften Erfahrungen des Dritten Reiches und damit auf der zwingenden Anerkennung einer dem Menschen nicht absprechbaren Würde.34 Allein die Nähe zu Art. 1 I GG begründet damit noch nicht die These der Uneinschränkbarkeit für Art. 103 II GG. Häufiger trifft man beim Versuch, die Uneinschränkbarkeitsthese zu stützen, auf Aussagen, die zunächst apodiktisch anmuten. So wird gesagt, die Verfassung kenne bei Art. 103 II GG keine ungeschriebenen Ausnahmen für besondere Situationen.35 Vielmehr sei dieses Ergebnis Resultat der klaren Vorgaben und der strukturellen Besonderheiten der besagten Verfassungsnorm.36 Lasse man Einschränkungen bzw. eine Abwägungsmöglichkeit im Rahmen des Nullum-crimen-Satzes zu, sei damit der Aushöhlung dieses Prinzips der Weg geebnet.37 Im Ergebnis mag man dem sicherlich zustimmen können. Aber warum soll es zu einer Aushöhlung dieses Prinzips kommen, wo doch die meisten anderen Grundrechte diesen Prozess durchaus erfolgreich überstehen? Mit welcher Begründung soll de constitutione lata keine ungeschriebene Ausnahme bestehen? Was ist mit den „klaren Vorgaben“ gemeint – erscheinen nach dem bisher Betrachteten die Vorgaben von Art. 103 II GG nicht gerade unklar? Dies alles bleibt ungewiss, wenn man keine weiteren Erläuterungen gibt. Eine überzeugende Begründung, die diese Thesen stützt, hat demgegenüber nunmehr Lagodny geliefert. Art. 103 II GG beruhe auf den eindeutigen Abwägungsergebnissen einer Vielzahl von Grundrechtsprüfungen, wobei diese Ergebnisse wiederum zu einer selbstständigen Regel verdichtet seien; dieser Regel, die erfüllt sein könne oder nicht, sei eine Abwägung fremd, Art. 103 II GG sei gewissermaßen Ausdruck einer Vorabwägung des Verfassungsgesetzgebers.38 Letzteres steht in Einklang mit dem, was bereits an anderer Stelle angedeutet wurde: Durch Art. 103 II GG wird zumindest prima facie der formellen Gerechtigkeit der Vorrang zugebilligt. Art. 103 II GG wird durch das Grundgesetz schrankenlos – jedenfalls im Sinne der üblichen verfassungsrechtlichen Dogmatik – gewährleistet. Ein Zurückbleiben hinter den Anforderungen, die der Nullum-crimen-Satz aufstellt, führt automatisch zu einem Verfassungsverstoß. 34

Vgl. etwa Epping, Grundrechte, Rn. 594 f. Jarass/Pieroth-Pieroth, Art. 103 Rn. 54; Pieroth/Schlink/Kingreen/Poscher, Staatsrecht II, Rn. 1201. 36 Maunz/Dürig-Schmidt-Aßmann, Art. 103 II Rn. 177; zustimmend Sternberg-Lieben, Schranken, S. 313 Fn. 138; s. a. Classen, GA 1998, 215, 215; Hamann, GG und Strafgesetzgebung, S. 45. 37 Vgl. Kap. D. II. 3. a) ee) Fn. 160. 38 Lagodny, Schranken der Grundrechte, S. 398 f.; zustimmend Duttge, Bestimmtheit, S. 182; in diese Richtung auch Hardtung, Versuch und Rücktritt, S. 241 (zum Analogieverbot); v. Münch/P. Kunig-P. Kunig, Art. 103 Rn. 17; BK-GG-Rüping, Art. 103 II Rn. 17; Dreier-Schulze-Fielitz, Art. 103 II Rn. 58. 35

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E. Verfassungsrechtliche Natur und Struktur des Art. 103 II GG

2. Präzisierung des Schutzbereichs Freilich hat sich damit die Frage nach den immanenten Grenzen des Gesetzlichkeitsprinzips noch keinesfalls erledigt. Auch wenn man zutreffend davon ausgeht, dass Art. 103 II GG im Gegensatz zu den anderen Grundrechten nicht einschränkbar ist, bleibt umso offener, wie genau sein Schutzbereich bzw. Garantiegehalt zu bestimmen ist. Dies wird deutlich, wenn man sich vergegenwärtigt, was zahlreiche Anhänger der Uneinschränkbarkeit im Anschluss an jene These äußern. Lagodny weist etwas kryptisch auf vom Verfassungsgeber vorgesehene Ausnahmen39 hin. Ähnlich dazu spricht Sternberg-Lieben in Bezug auf das Bestimmtheitsgebot von den „immanenten Einschränkungen, die dem Verfassungsgeber bekannt und von ihm . . . zu akzeptieren waren.“ 40 Andernorts findet sich der Hinweis, der abstrakte Charakter von Bestimmtheitsgebot und Analogieverbot öffne diese Regeln doch in recht starkem Maße der Beeinflussung durch andere Verfassungsnormen bzw. Verfassungsentwicklungen.41 Es ist unverkennbar, warum man nach dem zunächst eindeutigen Ergebnis, das Gesetzlichkeitsprinzip sei nicht einschränkbar, sogleich wieder etwas zurück rudert. Ist man auf der Rechtfertigungsebene völlig gebunden, so erscheint es umso dringlicher, genau zu klären, was Art. 103 II GG zu garantieren vermag. Andernfalls läuft man Gefahr, dies auf verschleiertem Wege zu tun. Das Gesetzlichkeitsprinzip gilt nicht zu seinem Selbstzweck, isoliert, sondern muss im Gefüge des Rechts zwangsläufig gewisse Beeinflussungen erfahren. Würde man den Nullum-crimen-Satz verabsolutieren, ist das Versagen von Gesetzgebung und Rechtsanwendung nahezu unausweichlich. Anders ausgedrückt: Geht man mit Lagodny von einer selbständigen Regel aus, die erfüllt sein kann oder eben nicht, ist es in diesem Fall notwendig, die Regel derart genau zu umreißen, dass die Entscheidung über ihre Erfüllung tatsächlich getroffen werden kann. Dafür wiederum darf die Regel, will sie keine bloße Utopie bleiben, nicht zu uferlos geraten, sondern muss ihrerseits die auftretenden Beeinflussungen, die sich stellenden „immanenten“ Grenzen berücksichtigen. Als Ansatzpunkt, um jene in grundrechtsdogmatisch stimmiger Weise berücksichtigen zu können, bietet sich eine Figur an, die in der verfassungsrechtlichen Literatur in der jüngeren Vergangenheit verstärkt unter dem – negativ konnotierten – Schlagwort Schutzbereichsbegrenzung42 diskutiert wird. Im Wesentlichen 39

Lagodny, Schranken der Grundrechte, S. 399. Sternberg-Lieben, Schranken, S. 323. 41 v. Mangoldt/Klein/Starck-Nolte, Art. 103 II Rn. 166. 42 s. Arnold, Schutzbereichsbegrenzung, S. 20; zu den weiteren in diesem Zusammenhang gebrauchten termini wie Schutzbereichsverengung oder Grundrechtskonkretisierung vgl. ibid. Von der Schutzbereichsbegrenzung zu unterscheiden ist wiederum die sog. Grundrechtsausgestaltung: Nur erstere erfolgt im Wege der Grundrechtsdeutung durch den Rechtsanwender bzw. die Verfassungsgerichtsbarkeit, Arnold, Schutzbereichsbegrenzung, S. 21 ff. 40

II. Verfassungsrechtliche Struktur des Art. 103 II GG

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geht es bei dieser Debatte um das Problem, wie präzise bei der Grundrechtsprüfung schon auf der Ebene, die üblicherweise Schutzbereich genannt wird, vorzugehen ist. Vergröbernd lassen sich zwei Strömungen ausmachen, wobei man sich gewahr sein muss, dass innerhalb derselben erhebliche Differenzen im Hinblick auf die Ziele, den Weg und den Effekt des eingeschlagenen Pfades bestehen43. Einmal wird dafür gestritten, im Schutzbereich eine genauere Prüfung anzustellen, welche Lebenssachverhalte genau erfasst und welche bereits auf dieser Ebene durch den normativen Filter auszuscheiden sind.44 Dabei lehnen einige Anhänger dieser sog. Tatbestandslösung es ab, sich von vorneherein für eine enge oder eine weite Auslegung zu entscheiden.45 Vielmehr müsse man sich zunächst den Unterschied zwischen Regelungsbereich und Schutzbereich (bzw. Gewährleistungsgehalt) eines Grundrechts vergegenwärtigen: Während es sich beim weit zu verstehenden Regelungsbereich um den Wirklichkeitsausschnitt handele, auf den sich das Grundrecht thematisch beziehe, sei der Schutzbereich bzw. Gewährleistungsgehalt oftmals enger, da er innerhalb des Regelungsbereiches als normativer Filter wirke.46 Es müsse – wie bei jeder Norm – darum gehen, die Reichweite des Gewährleistungsgehaltes möglichst exakt zu bestimmen, um so die Konturen des Grundrechts scharf herausarbeiten zu können; dies erfordere schlicht die schulmäßige Auslegung des jeweiligen Grundrechts.47 Innerhalb des

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Deutlich bei Rusteberg, Gewährleistungsgehalt, S. 93 ff. Böckenförde, Der Staat 42 (2003), 165, 174 f.; Isensee/P. Kirchhof-Hillgruber, § 200 Rn. 16 ff., § 201 Rn. 19; Hoffmann-Riem, in: Haben wir wirklich Recht?, 53, 71 ff.; ders., Der Staat 43 (2004), 203, 228 f.; Rusteberg, Gewährleistungsgehalt, S. 168 ff.; Volkmann, JZ 2005, 261, 270 f.; wohl auch Maunz/Dürig-Herdegen, Art. 1 III Rn. 34 f.; Merten/Papier-Merten, § 56 Rn. 1 f., 34, 58 ff., 80; Murswiek, Der Staat 45 (2006), 473, 478 f., 500; Pérez Barberá, FS I. Roxin, 29, 33 f. (Fn. 32), 37 (allerdings unter Einbau in sein zweistufiges, lediglich in Eingriff und Rechtfertigung unterteiltes Prüfungsschema, a. a. O., 38); Pieroth/Schlink/Kingreen/Poscher, Staatsrecht II, Rn. 243, 333; teilweise (in Bezug auf die vorbehaltlos gewährleisteten Grundrechte) Epping, Grundrechte, Rn. 81; früher schon Ramsauer, AöR 72 (1981), 89, 102 f.; ambivalent Möllers, NJW 2005, 1973, 1976, 1978. Auch der 1. Senat des Bundesverfassungsgerichts hat in mehreren Entscheidungen, obschon auf verschiedene Weise, diesen Weg beschritten; vgl. dazu die ausführliche Rechtsprechungsanalyse bei Arnold, Schutzbereichsbegrenzung, S. 91 ff. m.w. N. 45 Isensee/P. Kirchhof-Hillgruber, § 200 Rn. 18 f.; Hoffmann-Riem, Der Staat 43 (2004), 203, 229; Pieroth/Schlink/Kingreen/Poscher, Staatsrecht II, Rn. 241 ff.; s. a. Merten/Papier-Merten, § 56 Rn. 58, 73; v. Münch, Staatsrecht II, Rn. 236; Murswiek, Der Staat 45 (2006), 473, 478. 46 Isensee/P. Kirchhof-Hillgruber, § 200 Rn. 16; s. a. Pieroth/Schlink/Kingreen/Poscher, Staatsrecht II, Rn. 214, 219 ff.; Volkmann, JZ 2005, 261, 265 f. Dagegen unterscheidet Rusteberg, Gewährleistungsgehalt, S. 171 ff., innerhalb des Schutzbereichs zwischen dem sog. Sachbereich und dem enger zu verstehenden Gewährleistungsgehalt. 47 Rusteberg, Gewährleistungsgehalt, S. 3, 111, 169 f.; s. a. Isensee/P. Kirchhof-Hillgruber, § 200 Rn. 17, 23; Hoffmann-Riem, in: Haben wir wirklich Recht?, 53, 71 ff.; Pieroth/Schlink/Kingreen/Poscher, Staatsrecht II, Rn. 243 (richtige Bestimmung); Volkmann, JZ 2005, 261, 267; in diese Richtung Maunz/Dürig-Herdegen, Art. 1 III Rn. 34. 44

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E. Verfassungsrechtliche Natur und Struktur des Art. 103 II GG

Auslegungskanons werden allerdings die Akzente unterschiedlich gesetzt. So betonen manche die Bedeutung der ratio der Grundrechtsnorm48, andere dagegen heben die historische Auslegung49 und wieder andere den Wortlaut50 als wichtig hervor. Bemerkenswert ist zudem im vorliegenden Zusammenhang, dass von einigen die fehlenden Schranken bei einem nach dem Grundgesetz zunächst vorbehaltlos gewährleisteten Grundrecht als Indiz für eine von vorneherein bestehende, tatbestandsmäßige Begrenzung der Reichweite der Freiheitsgarantie angesehen werden; es bedürfe dort der besonders sorgfältigen Bestimmung des Schutzbereichs, um die Schranken auch entbehrlich zu machen.51 A minore ad maius dürfte dies erst recht gelten, wenn ein Grundrecht oder ein grundrechtsgleiches Recht gar nicht, also nicht einmal durch kollidierendes Verfassungsrecht einschränkbar ist. Die Gegenansicht (sog. Schranken- oder Rechtfertigungslösung) entspricht im Vergleich dazu dem, was in der Grundrechtsdogmatik der vergangenen Jahrzehnte als die überwiegend praktizierte Methode zu bezeichnen ist. Demnach soll der Schutzbereich weit und möglichst alles zu dem betroffenen Lebensbereich Gehörende darunter gefasst werden; beabsichtigt ist auf diese Weise ein sog. Prima-facie-Schutz, während sich der ernstliche Grundrechtsschutz erst auf der Rechtfertigungsebene entscheidet.52 Den Stein des Anstoßes bildet mithin die Frage, ob die Bedeutung eines Grundrechts besser über die Rechtfertigungsebene im Wege der Abwägung oder durch Tatbestandspräzisierung im Schutzbereich und unter Vermeidung der Abwägungsebene ermittelt werden soll. Letzteres vertritt die Tatbestandslösung: Ausschließlich auf diesem Wege könne reale Freiheit statt des bloßen Scheins von Freiheit gewährleistet werden;53 bei einer weiten Auslegung des Schutzbe48 Hoffmann-Riem, in: Haben wir wirklich Recht?, 53, 73 (Frage nach den normativen Prämissen, auf denen der Freiheitsschutz der Grundrechtsnorm aufbaut); Ramsauer, AöR 72 (1981), 89, 102 f.; Rusteberg, Gewährleistungsgehalt, S. 178 ff., 264. 49 Böckenförde, Der Staat 42 (2003), 165, 175, 191; Rusteberg, Gewährleistungsgehalt, S. 169 ff.; s. a. Möllers, NJW 2005, 1973, 1978. Kritisch zur Betonung der historischen Auslegung wegen der drohenden „Versteinerungsgefahr“ Arnold, Schutzbereichsbegrenzung, S. 230; vgl. dazu wiederum die Replik bei Böckenförde, Der Staat 42 (2003), 165, 186 ff.; Rusteberg, Gewährleistungsgehalt, S. 265 f. 50 Möllers, NJW 2005, 1973, 1978. 51 Isensee/P. Kirchhof-Hillgruber, § 201 Rn. 16; ähnlich Epping, Grundrechte, Rn. 81 f.; Maunz/Dürig-Herdegen, Art. 1 III Rn. 34; Pieroth/Schlink/Kingreen/Poscher, Staatsrecht II, Rn. 333; kritisch zu einer pauschalen (jedenfalls verengenden) Tatbestandslösung bei den vorbehaltlos gewährleisteten Grundrechten Merten/Papier-Papier, § 64 Rn. 8 ff. 52 Arnold, Schutzbereichsbegrenzung, S. 89, 218 f., 262; Höfling, Jura 1994, 168, 169 f.; Kahl, Der Staat 43 (2004), 167, 199 ff.; Zuck, JZ 2008, 287, 291 f.; s. a. Breyer, NVwZ 2008, 824, 825. 53 Böckenförde, Der Staat 42 (2003), 165, 167 ff., 190 ff.; vgl. auch Isensee/P. Kirchhof-Hillgruber, § 200 Rn. 19; Hoffmann-Riem, in: Haben wir wirklich Recht?, 53, 54,

II. Verfassungsrechtliche Struktur des Art. 103 II GG

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reichs verliere das Grundrecht seine Konturen, womit die Berechenbarkeit für den Grundrechtsträger schwinde54 und darüber hinaus der Ausnahmecharakter der Rechtfertigung verloren ginge55. Die Argumentation der Rechtfertigungslösung verläuft dazu gerade diametral. Die Präzisierung des Schutzbereichs selbst führe zu einem Verlust an Bestimmtheit, da es nun zu einer verschleierten und zudem verkürzten Abwägung schon auf der Tatbestandsebene komme;56 ein abwägungsfreies Programm sei nicht realisierbar, da sich der definitive grundrechtliche Schutz immer nur durch eine Bestimmung des Verhältnisses von Grund für diesen Schutz und zulässigem Gegengrund ermitteln lasse57. Im Wege der Schutzbereichspräzisierung werde der Gehalt des Grundrechts nicht ermittelt, sondern richterrechtlich fixiert, gefunden58, wobei es letztlich zu einer Verringerung des Grundrechtsschutzes komme59. Bereits dieser skizzenhafte Überblick über den Streitstand zeigt: Die Argumente beider Seiten sind Legion und inzwischen Gegenstand mehrerer Monographien geworden. In signifikantem Umfang ließen sich These und Gegenthese weiter aufführen und vertiefen. Dazu besteht in unserem Zusammenhang aber keine Notwendigkeit. Nota bene: Die hier umrissene Debatte betrifft die „normalen“ bzw. klassischen Freiheitsgrundrechte wie etwa die im Fokus stehenden Art. 5, 8 und 12 GG. Um ein solches handelt es sich jedoch beim grundrechtsgleichen Recht des Art. 103 II GG nicht. Dessen Besonderheit, was seine verfassungsrechtliche Natur angeht, 68; dens., Der Staat 43 (2004), 203, 229; Merten/Papier-Merten, § 56 Rn. 60; Murswiek, Der Staat 45 (2006), 473, 474 ff.; bezüglich der vorbehaltlosen Grundrechte Epping, Grundrechte, Rn. 80. 54 Hoffmann-Riem, in: Haben wir wirklich Recht?, 53, 71; Rusteberg, Gewährleistungsgehalt, S. 64, 69 ff., 264; ähnlich Merten/Papier-Merten, § 56 Rn. 68; Murswiek, Der Staat 45 (2006), 473, 477 f. Dagegen wirft Kahl, Der Staat 43 (2004), 167, 194 f., gerade der Tatbestandslösung einen Verlust an Rechtssicherheit und Bestimmtheit vor; dazu wiederum die Duplik bei Hoffmann-Riem, Der Staat 43 (2004), 203, 204 Fn. 8. 55 Pieroth/Schlink/Kingreen/Poscher, Staatsrecht II, Rn. 241 f.; ähnlich HoffmannRiem, in: Haben wir wirklich Recht?, 53, 55; Rusteberg, Gewährleistungsgehalt, S. 264. 56 Arnold, Schutzbereichsbegrenzung, S. 242 ff.; Kahl, Der Staat 43 (2004), 167, 192 f.; Zuck, JZ 2008, 287, 292; dagegen wiederum Isensee/P. Kirchhof-Hillgruber, § 200 Rn. 25 f.; Hoffmann-Riem, Der Staat 43 (2004), 203, 205; Volkmann, JZ 2005, 261, 267 f. 57 Höfling, Jura 1994, 168, 170; s. a. Arnold, Schutzbereichsbegrenzung, S. 44, 218 f.; dagegen Hoffmann-Riem, in: Haben wir wirklich Recht?, 53, 74. 58 Zuck, JZ 2008, 287, 291. Vgl. dazu den Vorwurf des Dezisionismus bei Kahl, Der Staat 43 (2004), 167, 190 ff.; dazu erwidernd Hoffmann-Riem, Der Staat 43 (2004), 203, 206 f. 59 Arnold, Schutzbereichsbegrenzung, S. 240 ff.; Kahl, Der Staat 43 (2004), 167, 185 f., 201. Diese Verringerung sieht Zuck, JZ 2008, 287, 292, u. a. darin, dass der Bürger enttäuscht werde, da sein individuelles Problem von der Verfassung nicht einmal erfasst werde. Böckenförde, Der Staat 42 (2003), 165, 188, verweist dagegen darauf, dass immer noch der Schutz über Art. 2 I GG bleibe; s. a. Murswiek, Der Staat 45 (2006), 473, 485 f.

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E. Verfassungsrechtliche Natur und Struktur des Art. 103 II GG

lässt es nicht zu, Erkenntnisse zum Schutzbereich der übrigen Grundrechte unbesehen zu übertragen. Art. 103 II GG begründet kein echtes Freiheitsrecht, der Freiheitsschutz wird lediglich mittelbar gewährleistet, ein selbstständiger Freiraum dem Grundrechtsadressaten nicht verbürgt. Am schwersten wiegt, dass es sich bei Art. 103 II GG um ein nicht einschränkbares Recht handelt. Was bleibt bei ihm übrig, als den Schutzbereich genau zu bestimmen, den Gewährleistungsgehalt durch Auslegung exakt zu ermitteln? Der bei den Freiheitsgrundrechten postulierte Weg über Grund und Gegengrund durch die Abwägung ist versperrt. Rechtsunsicherheit wird in diesem besonderen Fall erzeugt, wenn man die genaue Konkretisierung des Gesetzlichkeitsprinzips versäumt. Damit verfängt eines der Hauptargumente der „Abwägungslösung“ zumindest bei Art. 103 II GG nicht. Eine präzise Bestimmung des Gewährleistungsgehaltes entwertet auch keinesfalls die unbeschränkte Gewährleistung, sondern ist im Gegenteil durch ebendiese bedingt. Zieht man den Gewährleistungsgehalt des Gesetzlichkeitsprinzips zu weit, so kommt es regelmäßig zu Konflikten mit anderen Verfassungsgütern, wobei diese im Gegensatz zu den übrigen Grundrechten nicht reguliert werden können. Stattdessen ist es nötig, sich an Lagodnys Worte zu erinnern. Der Verfassungsgesetzgeber selbst hat bei Art. 103 II GG die Vorabwägung zwischen den Verfassungsgütern getroffen. Jene Vorabwägungen müssen zur Exploration des Gewährleistungsgehaltes herausgearbeitet und offengelegt werden, ebenso die vorgesehenen Ausnahmen. Auf anderem Wege erscheint eine Handhabung von Art. 103 II GG nicht möglich.60 Folglich ist die soeben vorgenommene Betrachtung der „Tatbestandslösung“ keineswegs umsonst gewesen. Ihre Grundtendenzen lassen sich allemal berücksichtigen. Die bisher allgemein als immanente Grenzen des Gesetzlichkeitsprinzips bezeichneten Abstufungen bedeuten nichts anderes als den Bedarf, den tatsächlichen Gewährleistungsgehalt durch Interpretation zu destillieren. Nun stellt sich hier glücklicherweise nicht die Aufgabe, den gesamten Gewährleistungsgehalt von Art. 103 II GG herauszuarbeiten. Angesichts der eigentlichen Problemstellung genügt es, den Gewährleistungsgehalt des Nullumcrimen-Satzes bezüglich des Allgemeinen Teils des StGB offenzulegen. Dazu bedarf es schlicht der Auslegungsmethoden, die durch die Vertreter der „Tatbestandslösung“ als präferiert hervorgehoben wurden.

III. Gewährleistungsgehalt des Art. 103 II GG bezüglich des Allgemeinen Teils Durch die Ermittlung des Gewährleistungsgehaltes des Gesetzlichkeitsprinzips soll es ermöglicht werden, sein Verhältnis zum AT in befriedigender und stimmi60 Für eine genauere Bestimmung des Gewährleistungsgehalts von Art. 103 II GG plädieren auch Hettinger/Engländer, FS Meyer-Goßner, 145, 146.

III. Gewährleistungsgehalt des Art. 103 II GG

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ger Weise zu klären. Es versteht sich von selbst, dass es dafür vonnöten ist, mit dem Bestimmtheitsgebot zu beginnen. Hat man erst einmal seinen Gewährleistungsgehalt in Bezug auf den AT herausgearbeitet, so lassen sich leicht Folgerungen für den Gewährleistungsgehalt des Analogieverbots als seine „Verlängerung“ ziehen. 1. Bestimmtheitsgebot und Allgemeiner Teil Schon früh in dieser Arbeit wurde deutlich, dass der Regelungszustand des Allgemeinen Teils des StGB sich im Hinblick auf die Verbürgung der Strafbarkeit lege certa als gelinde gesagt problematisch erweist. Es sei nochmals kurz erinnert: Die subjektive Tatseite erfährt keine Definition, es existiert allenfalls eine mittelbare Bestimmung des Vorsatzes aus § 16 StGB. An einer expliziten Regelung der actio libera in causa fehlt es ganz. Ebenso existieren keine gesetzlichen Regelungen zur Kausalität, zur objektiven Zurechnung sowie zur Einwilligung. § 13 I StGB beschränkt sich für das „unechte“ Unterlassungsdelikt mit einem scheinbar lapidaren Verweis auf eine irgendwie geartete rechtliche Verpflichtung. Es ließen sich weitere Beispiele anführen. Kann man in Anbetracht eines derartigen Zustandes des AT davon sprechen, der Gesetzgeber habe sein Programm ausreichend gesichert, das Rechtsanwendungsprogramm genügend beeinflusst? Jene Behauptung fällt schwer, wenn man ein gleiches Maß an gesetzlicher Bestimmtheit wie bei § 264 StGB erwartet. Die Unterschiede, die in der Regelungsdichte zwischen AT und BT zumindest größtenteils – Abweichungen gibt es auf beiden Seiten – bestehen, lassen sich nicht leugnen. Fordert das Bestimmtheitsgebot mehr? Ins Gedächtnis gerufen sei die vormals noch recht apodiktisch genannte These, dem AT stelle das Bestimmtheitsgebot nicht in gleichem Maße wie dem BT Hürden auf. Was hier noch eine bloße Behauptung ist, das gilt es im Folgenden im Wege der Auslegung von Art. 103 II GG zu verifizieren. Der erwartbaren Kritik, mit jener Behauptung sei auch das Auslegungsergebnis vorweggenommen, ist zu entgegnen: Die maßgeblichen Gesichtspunkte wurden bereits im Vorangehenden entwickelt und aufgezeigt. Sie sind demzufolge selbst schon das Ergebnis von Interpretation und erfahren lediglich ihre Einbettung in die Bestimmung des Garantiegehaltes. Weitestgehend außer Acht lassen kann man demnach die lexikalische Auslegung von Art. 103 II GG. Wenn sich aus dem Wortlaut jener Vorschrift nicht einmal zwingend die Existenz des Bestimmtheitsgebots ergibt, so erweist er sich erst recht für die Konkretisierung von dessen Gehalt als wenig zielführend. a) Historische Auslegung Bekanntlich ist es bei der historischen Auslegung im Recht generell streitig, ob sie objektiv, subjektiv oder gar gemischt objektiv-subjektiv erfolgen soll. Für die Bestimmung des Gewährleistungsgehalts von Art. 103 II GG bedeutet das: Auf

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E. Verfassungsrechtliche Natur und Struktur des Art. 103 II GG

der einen Seite kann man auf den Willen des Gesetzgebers, in unserem Fall des Verfassungsgebers, abstellen. Auf der anderen Seite kann man nach der historischen Gefährdungslage, aus der das Grundrecht entstanden ist, fragen, mithin dessen historisch-genetische Entwicklung als Ausgangspunkt der Argumentation betrachten.61 Eine Entscheidung zwischen den beiden Methoden kann jedenfalls dann dahinstehen, wenn beide im Hinblick auf den AT nichts Eindeutiges ergeben. Zunächst zur – objektiven – historischen Gefährdungslage: Die Mütter und Väter des Grundgesetzes haben das Gesetzlichkeitsprinzip als überkommenen rechtsstaatlichen Fundamentalsatz gerade in Anerkennung seiner historischen Genese als grundrechtsgleiches Recht in die Verfassung aufgenommen. Zu jener Genese gehört die doppelte, nämlich sowohl staatsrechtliche als auch strafrechtliche Fundierung des Nullum-crimen-Satzes. Ebenso zählt dazu aber, dass historisch betrachtet selbst vor dem Hintergrund der zunehmenden Gesetzesbindung des Strafrechts der Allgemeine Teil nach anfänglich verstärkten Regelungsbemühungen einer konträren Entwicklung unterlegen ist. Jene bis heute erhaltene fragmentarische Regelung des AT ist zudem kein reiner deutscher Sonderweg, sondern findet sich, sieht man einmal von Nuancen in die eine oder andere Richtung ab, desgleichen in einigen anderen europäischen Staaten, die dem AT-BT-System folgen. Demgemäß trifft man zuweilen auf den Hinweis, historisch besehen betreffe das Gesetzlichkeitsprinzip primär den BT62 – der AT wäre also nur sekundär betroffen. Vor den Hintergründen der staatsrechtlich-strafrechtlichen Fundierung erscheint dies frappierend, konstituiert doch der AT grob betrachtet gleichfalls Voraussetzungen der Strafbarkeit, die die Zwecke der Gewaltenteilung, Berechenbarkeit sowie der positiven Generalprävention jedenfalls tangieren. Grundsätzlich hatte auch Feuerbach den Gedanken der lex stricta auf den kodifizierten Allgemeinen Teil bezogen.63 Dies leitet eher zu der anerkannten Regel, dass aus einem Sein wie dem rudimentären Regelungszustand nicht auf das Sollen der Unausweichlichkeit dieses Zustandes zu schließen ist. Immerhin kann die bloße historische Entwicklung eines nur fragmentarisch geregelten Allgemeinen Teils ebenso das Ergebnis einer schlichten Fehlentwicklung sein, die einfach nie korrigiert wurde. Aus der historischen Gefährdungslage, die den Hintergrund der Entstehung des Art. 103 II GG bildet, lässt sich die schwach ausgestaltete Regelungsdichte des AT nicht erklären. Stellt man dagegen subjektiv auf den Willen des Verfassungsgebers ab, so ergeben sich gewisse Parallelen zu dem soeben Betrachteten. Angesichts der legis61

Rusteberg, Gewährleistungsgehalt, S. 175 f. BVerfGE 105, 135, 172 f. = NJW 2002, 1779, 1785 (Sondervotum der Richter Jentsch, di Fabio und Mellinghoff); Appel, Verfassung und Strafe, S. 123; ders., Jura 2000, 571, 572; vgl. auch Duttge, FS Kohlmann, 13, 15. 63 Vgl. Kap. B. I. 5. b). 62

III. Gewährleistungsgehalt des Art. 103 II GG

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lativ-historischen Entwicklung des Allgemeinen Teils des StGB und seines Regelungszustandes zur Zeit der verfassungskonstituierenden Gremien ist davon auszugehen, dass diesen bei der Aufnahme von Art. 103 II GG jener fragmentarische Zustand bekannt war. Fraglich ist allerdings, welche Schlüsse aus dem Umstand gezogen werden. Etwa lässt sich mit Roxin folgern: Da der AT zur Zeit des Verfassungsschöpfers sogar noch fragmentarischer geregelt war als heute, müsse dieser den Regelungszustand in Kauf genommen und darüber hinaus gewollt haben; man habe eine immanente und sachlich wohlbegründete Einschränkung des Gesetzlichkeitsprinzips aufgestellt.64 Eine ähnliche Argumentation ist bereits bei der Diskussion um die ausreichende Bestimmtheit der Fahrlässigkeit zu beobachten gewesen.65 Freilich ist die genannte Folgerung nicht zwingend, wie Colombi Ciacchi nachgewiesen hat. Aus dem mangelnden Willen des Verfassungsgebers, eine Gesetzesreform durchzuführen, lasse sich noch keine Stellungnahme für die Vereinbarkeit der von den Reformüberlegungen betroffenen Gesetzesvorschriften mit der Verfassung erblicken; im Übrigen sei der heutige Verfassungsanwender – unterstellt, es existiere ein dahingehender Wille des Verfassungsgebers – an diese Vorstellung nicht gebunden.66 Es bestehe kein Grund zur Relativierung des Bestimmtheitsgebots im Hinblick auf den AT, unabhängig vom Teil des Strafgesetzbuchs sei der höchste Bestimmtheitsgrad zu erreichen.67 Im Kern ihrer Begründung ist Colombi Ciacchi zuzustimmen, nicht jedoch in ihrer abschließenden Schlussfolgerung. Die Schlussfolgerung wäre allein zutreffend, wenn das historische Argument das einzige für eine Differenzierung bei der Regelungsdichte von AT und BT wäre. Letzteres ist aber, wie noch zu sehen sein wird, nicht der Fall. Richtig bleibt: Aus der Kenntnis des Verfassungsschöpfers vom Regelungszustand ergibt sich isoliert betrachtet gar nichts. Bedeutung käme dieser Kenntnis erst zu, wenn gleichermaßen deren Prämisse, was unter dem Bestimmtheitsgebot genau zu verstehen ist, bekannt wäre. Gerade dies bleibt unklar und lässt sich lediglich unterstellen. Gesetzt den Fall, dass der Verfassungsgeber von umfassend strengen Anforderungen an die gesetzliche Regelung ausging, würden daraus neue Maßstäbe für das gesamte Strafrecht und eben auch den Allgemeinen Teil konstituiert. Durch die bloße Kenntnis vom Regelungszustand des AT würde keine Ausnahme begründet, ansonsten würde sich der Verfassungsgeber in Widerspruch zu sich selbst setzen, die Paradoxie eines animus contra factum pro64 Roxin, AT/I, § 5 Rn. 78; vgl. ders., AT/II, § 31 Rn. 33. In diese Richtung, aber mit weitergehender Begründung Sternberg-Lieben, Schranken, S. 324; ders., ZIS 2011, 583, 588 f. 65 Vgl. Kap. D. II. 4. a) Fn. 207, 218. 66 Colombi Ciacchi, Fahrlässigkeit, S. 28. 67 Ibid. Geht man davon aus, dass das Bestimmtheitsgebot im AT tatsächlich nur abgeschwächt gilt, so erweist sich der Begriff der Relativierung des Bestimmtheitsgebots als falsch: Relativiert werden kann ein Gebot nur, wenn es einst einmal in gewissem Umfange bestand. Dies wäre aber bei einem zulässig fragmentarischen AT nie der Fall gewesen.

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E. Verfassungsrechtliche Natur und Struktur des Art. 103 II GG

prium entstünde. Anders ist die Lage, wenn dem Verfassungsgesetzgeber von ihm selbst nicht ausgesprochene, nichtsdestoweniger zwingend zu beachtende Gründe bekannt waren, die den Sonderstatus des AT zu legitimieren vermögen. Jene Gründe sind vom Willen und der Kenntnis des Verfassungsgebers unabhängig und letztgenannte folglich nicht maßgeblich. Unterstellt, derartige Gründe bestanden, dann hat sich auch der Verfassungsgeber diesen nur – gerechtfertigt oder nicht – gebeugt. Entscheidend ist, ob sich im Wege der Verfassungsauslegung Gründe herausfiltern lassen, die den Regelungszustand des AT legitimieren oder verwerfen. b) Systematische Auslegung Die Stellung von Art. 103 II GG im System des Grundgesetzes war bereits an anderer Stelle, nämlich bei der Annäherung an den generellen Inhalt des strafrechtlichen Bestimmtheitsgebots von Interesse. Dabei wurde die in der Verfassung zum Ausdruck kommende Stufenfolge bei den Bestimmtheitsanforderungen an das Gesetz aufgezeigt. Im Vergleich zum aus Art. 20 III GG folgenden allgemeinen Bestimmtheitsgrundsatz muss das strafrechtliche Bestimmtheitsgebot höhere Hürden festlegen, ansonsten wäre Art. 103 II GG zumindest insoweit obsolet. Nun stellt sich weitergehend die Frage, ob sich aus der Systematik des Grundgesetzes Gründe ergeben, die es erfordern, partiell – im AT als Teilgebiet des Strafgesetzbuchs – die Anforderungen an das Strafrecht wieder zurückzunehmen. Paradoxerweise ist es wiederum Art. 20 III GG, der hierbei von gesteigerter Bedeutung sein könnte. Wie schon angesprochen, erfordert das in Art. 20 III GG verortete Rechtsstaatsprinzip nicht nur die Berücksichtigung der Belange formeller, sondern auch materieller Gerechtigkeit. Die aufgrund ihrer zentralen Stellung und durch Art. 79 III GG herausgehobene Bedeutung dieser Norm legt das Ergebnis nahe: Alle Rechtsgebiete sind davon betroffen, somit auch das Strafrecht als Eingriffsrecht, bei dem die Individualisierung des Einzelfalles besonders geboten erscheint. Zwar bringt Art. 103 II GG zum Ausdruck, dass im Strafrecht grundsätzlich die formelle Gerechtigkeit den Vorrang genießen soll. Dennoch erscheint es nicht ausgeschlossen, dass davon eine Ausnahme statuiert wird. Der Allgemeine Teil könnte als das Einfallstor im Strafrecht aufgefasst werden, das der materiellen Gerechtigkeit, dem Bedürfnis nach Individualisierung in diesem Rechtsgebiet zur Geltung verhilft. Dies ist zuvor bei einigen Stimmen in der Literatur angeklungen, indem gesagt wurde, eine der zentralen Aufgaben des Allgemeinen Teils sei die Herstellung materieller Gerechtigkeit, der AT diene dieser gleichsam.68 Wohlgemerkt: Materielle Gerechtigkeit wird hier nicht im Sinne von Strafwürdigkeit, sondern möglichst umfassender Individualisierung des Einzelfalles verstanden. Gerade jenes Streben nach Individualisierung, nach Einzelfall68

Vgl. Kap. D. I. 1. c) Fn. 33.

III. Gewährleistungsgehalt des Art. 103 II GG

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gerechtigkeit lässt sich aber nicht durch möglichst exakte, sondern durch sprachlich eher weit gefasste und vage gehaltene gesetzliche Vorschriften begünstigen; insofern besteht ein Zusammenhang zwischen sprachlicher Weite und der Berücksichtigung der Belange der Einzelfallgerechtigkeit.69 Sieht man diesen Weg als gangbar, so wäre der fragmentarische Charakter, der teils rudimentäre Regelungszustand des AT legitimiert. Dient dieser originär der materiellen Gerechtigkeit, dann ist es gerade eine Tugend, wenn man der Individualisierung einen möglichst breiten Raum belässt. Lediglich auf diese Weise könnte der AT seiner zugedachten Funktion möglichst optimal nachkommen. Würde dagegen weiter am Postulat unverminderter Bestimmtheitsanforderungen festgehalten, befände sich der Gesetzgeber in der merkwürdigen Pflichtenkollision, einen AT schaffen zu müssen, der einerseits seiner Individualisierungsaufgabe nachzukommen, andererseits den Ansprüchen höchster Präzision zu genügen vermag. Freilich lässt sich der Vorwurf voraussehen, der gegen diese Konzeption erhoben würde. Geht man auf diese Weise vor, so verlagert man im Grunde die Rechtfertigungs- bzw. Abwägungsebene auf die Ebene der Schutzbereichsbestimmung, der Erfassung des Gewährleistungsgehaltes.70 Die vorbehaltlose Gewährleistung von Art. 103 II GG wird so umgangen und ließe sich völlig aushöhlen. Denn was bedeutet die Interpretation im Lichte des vorgehenden Art. 20 III GG im Wesentlichen anderes als die Kollision zweier Verfassungswerte, als die Herstellung praktischer Konkordanz, indem man einen Teil des Strafrechts zumindest qualitativ dispensiert? Schließlich lassen sich mit dieser Lesart auch Vorschriften des BT als der Einzelfallgerechtigkeit dienend und somit als unter Bestimmtheitsgesichtspunkten qualitativ dispensiert bezeichnen; man denke nur an § 240 II StGB oder § 193 StGB. Vielmehr ist die Frage zu stellen: Kommt dem AT tatsächlich bereits von seiner grundsätzlichen Konzeption die Aufgabe zu, der materiellen Gerechtigkeit zu dienen? Die originäre Idee eines gesetzlichen Allgemeinen Teils liegt in der systematischen Durchdringung, Regelung und damit einhergehender Abstraktion. Dahingegen fußt die zugeschriebene Individualisierungsaufgabe – soweit sie sich nicht in der vom Gesetzgeber gesteuerten Funktion, die Zurechnungs- und Vorrangregeln zu eigen ist, erschöpft – auf einer schlichten Beobachtung seines gesetzlichen Ist-Zustandes, der es aufgrund seiner Weite und Vagheit verspricht, die Einzelfallbelange korrigierend zu berücksichti69 Zu diesem Zusammenhang schon Naucke, Generalklauseln, S. 15; s. a. C. Becker, HRRS 2010, 383, 384 f.; Gassner, ZG 1996, 37, 41; Geitmann, „Offene“ Normen, S. 79; Kielwein, Annales Universitatis Saraviensis VIII (1960), 127, 131 ff.; Lassahn, BLJ 2012, 52, 57 (Vagheit kann Einzelfallgerechtigkeit Vorschub leisten); Lenckner, JuS 1968, 249, 255; 305, 306 f.; Nickel, Problematik, S. 160; Paulduro, Verfassungsgemäßheit, S. 378; K. F. Röhl/H. C. Röhl, Allg. Rechtslehre, § 29 S. 241; Seel, Tatbestandsmerkmale, S. 116 f.; Thelen, Tatbestandsermessen, S. 154. 70 Keinen negativen Aspekt erblickt in dieser „vorgezogenen“ Abwägung generell bei der Bestimmung des Gewährleistungsgehaltes Hoffmann-Riem, in: Haben wir wirklich Recht?, 53, 74.

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E. Verfassungsrechtliche Natur und Struktur des Art. 103 II GG

gen. Man kann mithin sagen: Während diese Aufgabe – Systematisierung und Abstraktion – die originäre Idee der Gesetzestechnik ausmacht, ist jene Aufgabe – die Individualisierungsfunktion – keine ursprüngliche, sondern eine bloß nachträglich dem Allgemeinen Teil zugeschriebene. Der Verlauf ist hier also umgekehrt. Erst aufgrund seines Ist-Zustandes wird der Allgemeine Teil zum Scharnier der Individualisierung, für Gerechtigkeitserwägungen fruchtbar gemacht. Mit jener ex post zugeschriebenen Aufgabe lässt sich der Regelungszustand des Allgemeinen Teils nicht erklären, geschweige denn legitimieren. c) Teleologische Auslegung Will man den Gewährleistungsgehalt des Bestimmtheitsgebots für den AT im Wege der teleologischen Auslegung ergründen, stellt sich erneut die Frage nach den normativen Prämissen, auf denen jenes zumindest grundrechtsgleiche Recht aufbaut. Man erinnere sich an die vormals unternommene abstrakte Inhaltsbeschreibung. Eine lex certa wird im Strafrecht erreicht, wenn im Rahmen des sprachlich-gesetzestechnisch Möglichen das Entscheidungsprogramm des demokratisch legitimierten Gesetzgebers durch das Gesetz möglichst genau für den Rechtsanwender vorgegeben und damit Berechenbarkeit gewährleistet wird. Nun behaupten einige, die Verfassungsnorm dulde aufgrund der Betroffenheit ihrer rationes auch in einem AT-BT-System keinerlei Abschwächungen.71 Dem ist entschieden zu widersprechen. Die Zwecke des Nullum-crimen-Satzes dürfen nicht derart isoliert betrachtet werden. Die Sicherung der zugrunde liegenden Zwecke muss dort enden, wo das für sie genutzte Medium selbst seine Grenzen findet.72 Andernfalls ist es unvermeidlich, dass die Arbeit des Gesetzgebers zu einer steten Folge von Enttäuschungen und Versagen wird; in diesem Fall wird, da man die Limitierungen des Mediums ausblendet, das Bestimmtheitsgebot zur nichtssagenden Utopie. Folglich ist die Gewährleistung von Berechenbarkeit und Sicherung des Primats des demokratisch legitimierten Gesetzgebers73 nur im Rah71 Schmitz, FS Samson, 181, 186; s. a. Dannecker, FS Otto, 25, 40 (anders aber für die allgemeinen Lehren, vgl. ibid.); Duttge, FS Kohlmann, 13, 19. Dagegen sieht Jähnke, FS BGH, 393, 400 ff., bei einigen Instituten des AT die Zwecke des Nullumcrimen-Satzes sogar als weniger betroffen an und lässt aus diesem Grunde Abschwächungen zu. 72 Vgl. dazu F.-C. Schroeder, JZ 1969, 775, 777: Der Bestimmtheitsgrundsatz gehe schon aufgrund seiner Zwecke nicht von einer abstrakten Bestimmtheit aus, zu der die generalisierende Regel von vorneherein in Widerspruch trete, sondern vom Vorbehalt einer generalisierenden [und eben sprachlichen] Normierung; ähnlich Haft, in: Einführung in die Rechtsphilosophie6, 269, 275; s. a. Kempf/Schilling, NJW 2012, 1849, 1851 (Vorbehalt des Möglichen); Stächelin, Gesetzgebung, S. 222 f. (Verzicht auf Bestimmtheit legitim, wenn das Medium der Sprache Grenzen setzt). Gegen eine bloß an der „Reinheit der Idee“ orientierte Interpretation auch Jakobs, AT, Ab. 4 Rn. 1. 73 Anders argumentiert, wie schon gesehen, Jakobs, AT, Ab. 4 Rn. 13 ff., 43 f., der in erster Linie vom Zweck des Willkürschutzes ausgeht: Das Bestimmtheitsgebot gelte

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men des sprachlich Möglichen zu verlangen. Dies bedeutet zugleich, dass solche sprachlichen Besonderheiten und Grenzen, die zuvörderst den AT betreffen, aufzudecken und nachzuweisen sind. Schon bei der Negativbestimmung der Grenzen des Bestimmtheitsgebots wurde deutlich, dass mit diesem Postulat keinesfalls die Verwendung von eindeutigen Begriffen und Normen verlangt werden kann. Insofern ist die Mehrdeutigkeit von Begriffen ein völlig übliches Phänomen der sprachlichen und damit der gesetzestechnischen Realität. Gleichzeitig ist mit dem Erfordernis einer lex certa selbstverständlich nicht untersagt, der Aufgabe des Gesetzes, im Wege abstraktgenereller Formulierung eine Vielzahl von Einzelfällen zu erfassen, nachzukommen. Freilich stellen sich die beiden genannten sprachlichen Begrenzungen gesetzlicher Bestimmtheit für den gesetzlichen Allgemeinen Teil des StGB in verschärfter Form. Dies ist bei den Anforderungen, die an das vom Gesetzgeber vorzugebende „Entscheidungsprogramm“ gestellt werden, zu beachten. Wendet man sich zunächst der notwendig abstrakt-generellen Formulierung des Strafgesetzes zu, so sollte die Funktion, die dem gesetzlichen AT eingeräumt wird, erneut ins Auge springen. Historisch gesehen wurde der Allgemeine Teil gerade dazu geschaffen, das Gesetz stärker zu systematisieren und zu abstrahieren. Es wird allgemein konzediert, dass dem AT jedenfalls auch eine Klammerfunktion zukommt, er soll mithin dazu dienen, Anwendungsregeln für möglichst große Teile des Besonderen Teils oder gar für den gesamten BT bereitzustellen. Dadurch ergibt sich ein äußerst weit gezogener Anwendungsbereich des AT, der tendenziell den gesamten BT und damit auch das Nebenstrafrecht erfassen soll. In einem solchen AT-BT-System sind aber doch ein hoher Abstraktionsgrad der verwendeten Begriffe und Abschwächungen etwa im Vergleich zu der im BT zu erreichenden Bestimmtheit unvermeidlich,74 wenn man tatsächlich seine Anwendbarkeit auf ein Feld mannigfaltiger und höchst verschiedener Einzelfälle sichern will. Wählt man dagegen nicht ausreichend abstrakte, sondern Vagheit umso strenger, je anfälliger sich der Regelungsbereich für Wertungen des Einzelfalles, die nicht generalisierbar seien, erweise; die allgemeinen Merkmale der Strafbarkeit seien somit schon aufgrund ihrer Weite gegen die Einzelfallmanipulation gefeit und dürften daher in ihrer Regelung auch weniger genau ausfallen. Es genüge die Regelung der Grundzüge (a. a. O., Rn. 26). Tendenziell ähnlich Gropp, AT, § 2 Rn. 5; zu den Einwänden gegen das Konzept „Willkürschutz durch Generalität“ vgl. Kap. C. I. 2. c). 74 Für verringerte Bestimmtheitsanforderungen im AT aufgrund seines Anwendungsbereichs auch Dannecker, Intertemporales Strafrecht, S. 276; Gropp, AT, § 2 Rn. 5; Kudlich, Unterstützung, S. 264; ders., FS Puppe, 123, 123 f.; Sternberg-Lieben, Schranken, S. 324 f.; ders., ZIS 2011, 583, 589; Tiedemann, FS Baumann, 7, 15; ders., in: Strafrechtstheorie im Umbruch, 280, 285. S. a. Köhler, AT, S. 87 f.: Der AT müsse nur auf seiner Allgemeinheitsstufe auseinandergesetzt werden, bei der Schuld genüge die Klärung des allgemeinen Begriffsstatus. Ferner D. Albrecht, Begründung, S. 146, 173 f. (AT notwendig abstrakt gehalten); Matt/Renzikowski-Basak, § 1 Rn. 6 (wegen systematischer Funktion notwendig allgemein formuliert), 14; Fincke, Verhältnis, S. 10; Schick, FS Walter, 625, 636; Schünemann, Grund und Grenzen, S. 70.

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möglichst meidende75 Begriffe, so läuft man Gefahr, zu viele Sachverhalte aufgrund der Formulierung auszuschließen und den AT seiner originären Aufgabe teils zu berauben. Insofern gilt der bereits erwähnte Satz Nolls76: Die Weite eines Tatbestandes hängt mit dem Anwendungsbereich der Norm zusammen und darf nicht mit der Bestimmtheit des Gesetzes gleichgesetzt werden. Nun bedeutet ein erhöhter Abstraktionsgrad zwar Abschwächungen gesetzlicher Bestimmtheit, ist aber noch nicht mit Unbestimmtheit zu verwechseln. Es soll sogar möglich sein, dass damit eine gewisse „Tiefenschärfe“ 77 einhergeht. Allerdings tritt zur gesteigerten Abstraktion im AT des StGB hinzu bzw. geht mit ihr einher, dass außerdem die Mehrdeutigkeit der Sprache aufgrund der folgenden bestehenden Besonderheiten in ihrer der Bestimmtheit unzuträglichen Form verstärkt auftritt. Zum einen muss der Gesetzgeber hier oftmals vage Begriffe wählen, bei denen das Feld der problematischen neutralen Kandidaten weit ist. Begründet ist diese Notwendigkeit in zweifacher Weise. Erstens fordert der umfassende Anwendungsbereich, da der AT das sich fortentwickelnde Nebenstrafrecht gleichfalls erfassen soll, in gewissem Maße Zukunftsoffenheit der verwendeten Sprache. Damit ist die Verwendung poröser Begriffe, die als Fälle potentieller Vagheit bezeichnet werden, nahezu unausweichlich.78 Zweitens wird darüber hinaus der Bedarf nach vagen Begriffen noch dadurch erhöht, dass einigen Normen des AT Grundlagencharakter zukommt und auch zukommen soll. Man denke nur an die Regelungen zur Schuld oder die mit den Zurechnungsnormen verbundene Absage an ein bloßes versari in re illicita, das für die Strafbarkeit genügen würde. Solche Regelungen können als Ausdruck von Leitideen verstanden werden. Ein zu beobachtendes Phänomen ebenjener Leitideen, denen ein solcher Grundlagencharakter zukommt, ist die sog. higher-order-vagueness, welche allen höherstufigen Metasprachen gemein ist79. 75 Nicht jeder abstrakte Begriff ist notwendig vage. Bei zunehmendem Abstraktionsgrad ist die Wahrscheinlichkeit indes höher, dass der gewählte Begriff neutrale Kandidaten hat und damit vage ist, vgl. dazu den Text um Fn. 97 in Kap. D. II. 1. Der gesetzliche AT im logischen Sinne muss sich aufgrund seines Anwendungsbereichs auf einem derart hohen Abstraktionsniveau bewegen, dass sich vage Begriffe schon deshalb nicht vermeiden lassen; in diese Richtung auch Jakobs, AT, Ab. 4 Rn. 16 (Genauigkeit der gesetzlichen Bestimmung nimmt mit zunehmender Generalität ab). 76 Vgl. Kap. D. II. 1. Fn. 98. 77 So G. Kirchhof (Fn. 96 in Kap. D. II. 1.). 78 Jedoch erreichen auch solchermaßen poröse Begriffe irgendwann die Grenze ihrer möglichen Extension, wie die aktuelle und zuletzt beim 69. DJT zu beobachtende Diskussion um den am körperlichen Datenträger orientierten Schriftenbegriff des § 11 III StGB angesichts der Herausforderung der Internetkriminalität verdeutlicht. 79 Vgl. dazu Klatt, Wortlautgrenze, S. 266. Somit wird entgegen Duttge, FS Kohlmann, 13, 18, nicht das allgemeine, von Hassemer pointiert benannte „Bedürfnis nach Vagheit“, das bei der Rechtsanwendung besteht, für das komplette Rechtsgebiet pauschal in Anspruch genommen; vielmehr besteht aufgrund der Konzeption des Allgemeinen Teils ein besonderes Bedürfnis nach Vagheit.

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Zum anderen begegnet man neben der beschriebenen Vagheit im AT vermehrt einer weiteren problemträchtigen Begriffskategorie der Mehrdeutigkeit. Die Rede ist von den sog. Dispositionsbegriffen.80 Unter Dispositionsbegriffen versteht die Rechtstheorie solche Begriffe, die Dispositionen, d.h. Neigungen und Strebungen eines Menschen, seine innere Seite, beschreiben; derartige Phänomene sind naturgemäß nicht äußerlich beobachtbar und daher bei der Auslegung des Begriffs nur kompliziert und fehlerträchtig mittels eines Indizienschlusses feststellbar.81 Die Zuordnung zu einem solchen Begriff erfolgt nicht über einen einfachen Gebrauch der semantischen Regeln, sondern durch einen Schluss anhand eines Arsenals von Zuordnungsregeln (Indikatoren). Dies erscheint einerseits unter Bestimmtheitsgesichtspunkten im Hinblick auf die Berechenbarkeit und das zu sichernde Entscheidungsprogramm des Gesetzgebers bedenklich; in der Regel liegen nämlich jene Indikatoren nicht offen, zudem führen ihre Zahl und die durch sie eröffneten Fehlerchancen dazu, dass sich die Bindung des Richters an das Gesetz nur schwer sichern lässt82. Andererseits liegt es auf der Hand, dass Begriffe dieser Art etwa bei der allgemein gültigen gesetzlichen Normierung der Voraussetzungen subjektiver Zurechnung kaum vermeidbar sind.83 Im Kern läuft die Beachtung der sprachlichen Besonderheiten auf einen Gedanken hinaus, der bereits sporadisch erwähnt wurde. Der Gesetzgeber scheint sich im Allgemeinen Teil auf den Grundsatz ultra posse nemo obligatur/ad impossibilia nulla obligatio berufen zu können. Denn mehr als das sprachlich Erreichbare kann nach dem Vorstehenden aufgrund der Wesenszüge des AT vom Gesetzgeber schlechterdings nicht verlangt werden.84 Sicherlich würde der mo80 Für den AT können beispielhaft der Vorsatz (besonders wegen des voluntativen Elements, vgl. NK4-Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 39; Mylonopoulos, FS Frisch, 349 ff., 357 ff.) sowie das Merkmal „freiwillig“ aus § 24 StGB (Hassemer, Einführung, S. 183) genannt werden. 81 Hassemer, Einführung, S. 183; NK4-Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 39; H.-J. Koch, in: Die juristische Methode im Staatsrecht, 15, 55; ders., Unbestimmte Rechtsbegriffe, S. 18 f.; Schroth, in: Rechtskultur als Sprachkultur, 93, 100. Kritisch darum zur von ihm selbst als „Dispositionsbegriff“ eingestuften Fahrlässigkeit Duttge, Bestimmtheit, S. 204 – freilich betrifft die nach der herkömmlichen Auffassung nötige Sorgfaltspflichtverletzung keine Neigung und Strebung, nur die erforderliche Vorhersehbarkeit ist ein Dispositionsbegriff. 82 Hassemer, Einführung, S. 185. Die Dispositionsbegriffe erweisen ihre Unbestimmtheitsproblematik demnach in Gänze erst im Verfahren, so NK4-Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 39. Zur Unbestimmtheitsproblematik auch Duttge, Bestimmtheit, S. 204 (Leerformel); Schroth, in: Rechtskultur als Sprachkultur, 93, 100 f. Nach Mylonopoulos, FS Frisch, 349, 355, 358, 361 f., sollen Dispositionsbegriffe einer vollständigen Explizitdefinition nicht zugänglich sein. 83 Vgl. Schroth, in: Rechtskultur als Sprachkultur, 93, 101; s. a. Hassemer, Einführung, S. 185 f.; NK4-Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 40. 84 Sternberg-Lieben, Schranken, S. 324 f. (Überforderung); ders., GS Schlüchter, 217, 239; ders., ZIS 2011, 583, 589; allgemein P. Kirchhof, FS Univ. Heidelberg, 11, 27 f.; Schroth, in: Rechtskultur als Sprachkultur, 93, 101.

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mentan anzutreffende Regelungszustand auf diese Weise zu einem gewissen Teil zementiert, worauf sich einige zu dem Einwand herausgefordert fühlen dürften: Die Argumentation über die sprachlichen Notwendigkeiten laufe letztlich auf ein bloßes „was nicht sein darf, darf nicht sein“ 85 hinaus. Mit anderen Worten könnte man pointiert – wenngleich untechnisch – zweifeln: Der Allgemeine Teil darf also allgemein gefasst werden, weil er allgemein ist? Zugegebenermaßen liegt darin auf den ersten Blick ein gewisser Zirkel. Die Kritik an der soeben vorgeschlagenen Argumentationsstruktur wird folglich an zwei Stellen des Ultraposse-Gedankens ansetzen. Es kann schon bezweifelt werden, ob die genannten sprachlichen Besonderheiten überhaupt die Unmöglichkeit, das ultra posse einer präziseren Gesetzesfassung begründen können; außerdem kann, selbst wenn dies einzugestehen wäre, danach gefragt werden, ob den Gesetzgeber überhaupt die Verpflichtung, eine obligatio zur Normierung eines solchermaßen dispensierten AT trifft oder ob er letztere nicht vielmehr unterlassen und andere Lösungen erarbeiten muss.86 Bekanntlich wird von einem Teil der Literatur durchaus behauptet, dass im Allgemeinen Teil ausführlichere Regelungen möglich seien. Der Gesetzgeber habe es selbst in der Hand, die bestehende Generalität abzumildern und sich für differenzierende Vorgaben zu entscheiden.87 Träfe dies zu, bestünde in der Tat keine Unmöglichkeit. Dergestalt differenzierende Vorgaben mag man sich auf zweierlei Wegen vorstellen: Der Gesetzgeber könnte sich daran versuchen, den AT in seiner momentanen Form zu erhalten und zu den einzelnen Begriffen präzisierende Regelungen, etwa in Form von Legaldefinitionen, hinzuzufügen. Weitergehend könnte man daran denken, dass der Gesetzgeber dergestalt differenzierende Vorgaben trifft, indem er das in Gesetzesform gießt, was von Tiedemann als Metaregeln bezeichnet wird. Angesprochen ist damit die Möglichkeit einer Teilkodifikation des Allgemeinen Teils im konstruktiven Sinne, der Anwendungsregeln (AT im konstruktiven Sinne) der Anwendungsregeln (AT im bekannten logischen Sinne) selbst. Beide Wege erscheinen m. E. nach tiefgreifenden Bedenken ausgesetzt. Betrachtet man zuerst die Möglichkeit, ausführlichere Regelungen zu schaffen, aber das System des AT im Wesentlichen in der jetzigen Form beizubehalten, stellt sich die Schwierigkeit, dass bei diesem Vorgehen oftmals das „Unsicherheitszentrum“ bloß auf einen anderen innerhalb der neuen Regelung gelegenen Begriff verlagert wird. Deutlich hat dies Herzberg am – obschon nicht ausdrücklich als solchen deklarierten – Vorschlag Duttges für eine scheinbar präzisere Regelung der Fahrlässigkeit gemacht: Schlägt man als Umschreibung für die Fahrlässigkeit vor, darunter sei ein „Zuwiderhandeln gegen 85

s. Duttge, Bestimmtheit, S. 163; Schmitz, FS Samson, 181, 187. Vgl. Schürmann, Unterlassungsstrafbarkeit, S. 128. 87 Duttge, Bestimmtheit, S. 164; s. a. ders., FS Kohlmann, 13, 20; wohl auch Schiemann, Schuldfähigkeitsfeststellungen, S. 30; in Bezug auf § 13 I StGB Schmitz, FS Samson, 181, 188 ff.: Es stelle sich nur die Frage nach der Weite des Möglichen. 86

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das Verbot, trotz triftigen Anlasses (in den äußeren Gegebenheiten unter Einschluss des eigenen Wissens) von dem weiteren Geschehensverlauf in Richtung einer Rechtsgutsbeeinträchtigung nicht oder nicht rechtzeitig Abstand genommen zu haben“ 88 zu verstehen, so wird auf diese Weise der vage Begriff vom definiendum Fahrlässigkeit einfach zum definiens des triftigen Anlasses verschoben89. Dies ist bei Lichte betrachtet nicht vermeidbar, wenn man den AT in seiner momentanen Form beibehalten will. Nur solche Begriffe vermögen es, seinen umfassenden Anwendungsbereich zu sichern. Auf das notwendige Abstraktionsniveau des AT im logischen Sinne können die vorgeschlagenen Alternativregeln ebenso wenig verzichten. Ein Gewinn für die Bestimmtheit des Strafgesetzes liegt in solchen Reparaturen nicht – ihr Preis kann im Gegensatz dazu ungleich höher sein.90 Am Ende bleibt die Möglichkeit einer grundlegenden Änderung des AT, indem man tatsächlich umfassend detaillierte Anforderungen gibt. Beispielhaft für eine solche Normierung des AT im konstruktiven Sinne wäre es, bei den Dispositionsbegriffen die für jene erforderlichen Zuordnungsregeln hinsichtlich der Wirklichkeit der Herausarbeitung durch den Gesetzgeber anheim zu stellen91. Selbst wenn man von der enormen Schwierigkeit dieses Unterfangens absieht, läge darin letztlich die Abkehr vom Allgemeinen Teil seiner Aufgabe nach. Der Umfang, der für eine wahrhaft präzisere Regelung nötig wäre, müsste derartige Ausmaße annehmen, dass von Abstraktion und Systematisierung nicht mehr die 88

MK-Duttge, § 15 Rn. 122; ders., JZ 2014, 261, 266. Herzberg, ZIS 2011, 444, 450 f. 90 Es gibt, wie gesehen, im internationalen Vergleich durchaus regelungsfreudigere Gesetzgeber, die teils dichtere Regelungen zum AT im logischen Sinne, teils partielle Regelungen des AT im konstruktiven Sinne treffen. Aber hier gilt ebenfalls, dass die Regelungsdichte nicht mit Präzision/erhöhter Bestimmtheit zu verwechseln ist. Warum sonst wird auch in diesen Ländern die volle Geltung des Bestimmtheitsgebots im AT bezweifelt (s. Kap. B. III. 1. Fn. 174, 180, 197)? Warum sonst bemängelt man auch in diesen Ländern mit höherer Regelungsdichte, der AT sei immer noch nicht ausreichend bestimmt (Kap. B. III. 1. Fn. 175, 179, 210)? Die Jagd nach Bestimmtheit wird durch bloße Mehrregelungen nicht beendet, kann nicht beendet werden. Gleichzeitig eignen sich diese Länder als Anschauungsmaterial für den Preis, zu dem man sich die höhere Regelungsdichte erkauft (vgl. Kap. B. III. 1. Fn. 181, 196, 211 ff.). Regelungen zum AT verlangen dem Gesetzgeber generell eine anspruchsvolle Leistung ab. Die gesamte Entwicklung und Lehre zum AT sind für den Gesetzgeber nur schwer zu überblicken, noch schwerer – wegen des umfassenden Anwendungsbereichs – die Konsequenzen von Gesetzgebung in diesem Teil des Strafrechts. Bei Regelungen zum AT im logischen Sinne bzw. Teilkodifizierung des AT im konstruktiven Sinne besteht in erhöhtem Maße die Gefahr gesetzgeberischer Fehler – besonders dort, wo sich die wissenschaftliche Durchdringung noch im Fluss befindet. Die erforderliche Entwicklung durch die Lehre würde überdies abgeschnitten. Soll der Gesetzgeber zu solchen Wagnissen ohne nennenswerten Ertrag gezwungen sein? 91 Vgl. Duttge, Bestimmtheit, S. 200 (s. a. a. a. O., S. 205), unter Berufung auf Schroth, in: Einführung in die Rechtsphilosophie8, 270, 292. Letzterer hatte seinen Gedanken freilich nicht ausdrücklich auf den Gesetzgeber gemünzt, sondern allgemein gefordert, man müsse jene Zuordnungsregeln transparent machen. Zustimmend zu Duttge Schiemann, Schuldfähigkeitsfeststellungen, S. 57. 89

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Rede sein könnte. Jene Funktion kann der Allgemeine Teil nur erfüllen, wenn er sich vager Begriffe bedienen darf. Es besteht keine objektive Unmöglichkeit, die bloße Regelungsdichte zu erhöhen, sondern eine Gemengelage (Beibehaltung des AT im logischen Sinne – sprachliche Besonderheiten – sachliche Schwierigkeit der Gesetzgebung), die einer qualitativen Unmöglichkeit präziserer Regelungen nahekommt, wenn nicht gleichzusetzen ist. Damit ist das letzte Wort allerdings nicht gesprochen. Die Trennung eines Strafgesetzbuchs in AT und BT ist nicht sakrosankt, die Verfassung fordert sie jedenfalls nicht ausdrücklich. Dementsprechend mag man bei der obligatio ansetzen: Einen nicht konkretisierbaren Gegenstand sei der Gesetzgeber nicht zu regeln verpflichtet, nein, er dürfe ihn gar nicht regeln, sondern er müsse auf seine Normierung (und damit auch auf die Anwendung seiner Regeln) verzichten.92 Natürlich kann damit nicht gemeint sein, der Regeln, die der AT enthält, in Gänze zu entbehren. Diese sind einem funktionierenden Strafrecht immanent. Eher wäre diese These wohl so zu verstehen, dass damit eine Absage an die bestehende Trennung von AT und BT verbunden ist. Die Regeln des Allgemeinen Teils müssten demnach mit denen des Besonderen Teils zusammengeführt und beim jeweiligen Delikt speziell geregelt werden. Rein gesetzestechnisch ist es nicht ausgeschlossen, dass im Strafrecht ebenfalls die Möglichkeit besteht, anstelle des horizontalen Aufbaus jenen vertikalen Aufbau zu wählen. Erst recht muss diese Erwägung für diejenigen gelten, die die Lozierung der AT-Regeln für austauschbar halten.93 Wäre es ernsthaft begrüßenswert, den Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuchs aufzugeben? Auch hier sollen die Schwierigkeiten, die sich dem Gesetzgeber stellen würden, ausgeblendet werden.94 Mit dieser Neuregelung wäre ein Rückschritt, was den Stand der allgemeinen und international zu beobachtenden Gesetzestechnik angeht, verbunden. Zudem würde die Formwahl des Gesetzgebers, der sich für einen vom BT auch inhaltlich zu unterscheidenden AT ausgesprochen hat, aufgehoben und geändert; eine völlige Neukonstruktion des 92 Vogel, Norm und Pflicht, S. 328 (nicht konkretisierbarer Gegenstand der Gesetzgebung entzogen); ähnlich Schürmann, Unterlassungsstrafbarkeit, S. 128; s.a Mikus, Verhaltensnorm, S. 35 (Fn. 104): Wenn der erforderliche Grad der Bestimmtheit nicht erreichbar sei, dann liege der Fehler beim Gesetzgeber und nicht beim Grundgesetz. Ferner weist W. Schöne, Unterlassene Erfolgsabwendung, S. 280, darauf hin, dass ein Bürger sich nach einer nicht klar fassbaren Norm eben auch nicht richten könne. Ähnlich zu den Genannten auch Welp, Vorangegangenes Tun, S. 149. 93 Vgl. Kap. D. I. 1. a) Fn. 13 f. 94 Fincke, Verhältnis, S. 8, geht sogar davon aus, dass das Strafrecht ohne das AT-BTSystem rein technisch nicht kodifizierbar sei. Vom praktischen Standpunkt aus mag man sich zudem ins Gedächtnis rufen, dass der Rechtsanwender sich schon an verunglückte Regelungen des AT nicht hält, vgl. Herzberg, Unterlassung, S. 255; was mag dann erst geschehen, wenn die Einbettung der Regeln des AT insgesamt oder jedenfalls in weiten Teilen nicht gelingt? Vgl. zu den praktischen Schwierigkeiten einer Regelung der Modalität des Unterlassens beim jeweiligen BT-Tatbestand die Ausführungen bei D. Albrecht, Begründung, S. 186 f.

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Strafrechts wäre notwendig. Darum sei an dieser Stelle ein praktisches Argument erlaubt: Soll das Grundgesetz wirklich die Aufgabe eines derart renommierten und in der internationalen Rechtsgemeinschaft gleichermaßen anerkannten wie verbreiteten Instituts der Gesetzgebung für das Strafrecht fordern? Dies erscheint eingedenk eines im Großen und Ganzen funktionierenden Strafrechts doch zweifelhaft; es ist nicht erkennbar, dass das Vertrauen der Rechtsgemeinschaft in die Berechenbarkeit des Strafrechts durch die traditionelle Ausgliederung des AT bislang eine tiefgreifende Erschütterung erfahren hätte. Angesichts dessen dürften von einem Gesetzgeber, der die anerkannte Aufgabe hat, ein funktionierendes Strafrecht zu schaffen, solchermaßen weitgehende Experimente nicht zu verlangen sein, an deren Ende man nicht mehr weiß, was vom bisherigen Strafrecht noch übrig und funktionsfähig ist. d) Ergebnis Im Ergebnis bleibt festzuhalten: Der Allgemeine Teil unterliegt dem Bestimmtheitsgebot in nur abgeschwächtem Maße, aus den dargelegten (größtenteils) sprachlich gesetzten Grenzen sind die Anforderungen weniger streng als dies im BT der Fall ist.95 Es ist, wenn der Gesetzgeber die abgesenkten Hürden einmal genommen hat, nicht von Unbestimmtheit i. S. d. Art. 103 II GG zu sprechen.

Im Ergebnis wie hier LK12-Dannecker, § 1 Rn. 218 ff.; ders., Intertemporales Strafrecht, S. 276 (anders nun aber ders., FS Otto, 25, 40); Gropp, AT, § 2 Rn. 5; Herzberg, Unterlassung, S. 254 f. (anders nun aber ders., in: Schünemann-Symposium, 31, 42); Jakobs, AT, Ab. 4 Rn. 13 ff., 44, Ab. 29 Rn. 5; Kudlich, Unterstützung, S. 262 ff.; ders., FS Puppe, 123, 123 f.; Roxin AT/I, § 5 Rn. 78; ders., AT/II, § 31 Rn. 33; Sternberg-Lieben, Schranken, S. 324 f. (s. a. ders., ZIS 2011, 583, 588 f.); Tiedemann, FS Baumann, 7, 15; ders., in: Strafrechtstheorie im Umbruch, 280, 285; wohl auch BVerfGE 105, 135, 172 f. = NJW 2002, 1779, 1785 (Sondervotum der Richter Jentsch, di Fabio und Mellinghoff); D. Albrecht, Begründung, S. 173 f., 187 (vgl. aber a. a. O., S. 141 f., 146); Matt/Renzikowski-Basak, § 1 Rn. 6, 14; Fincke, Verhältnis, S. 10, 27; LK11-Hirsch, Vor § 32 Rn. 40; ders., GS Tjong, 50, 62 f. Fn. 47 (bzgl. der Rechtfertigungsgründe; vgl. dazu LK12-Rönnau, Vor § 32 Rn. 69, sowie Nusser, Notwehr, S. 238 f.); Jähnke, GS Schlüchter, 99, 105 (differenzierend ders., FS BGH, 393, 400 ff.); Köhler, AT, S. 87 f.; NK4-Paeffgen, Vor §§ 32 ff. Rn. 58; Puppe, in: Gesetzlichkeit und Strafrecht, 165, 165, 170; v. Rienen, Einschränkungen, S. 156 Fn. 930; Satzger/Schluckebier/Widmaier-Satzger, § 1 Rn. 10 (Abstraktionsgrad AT denknotwendig höher); Schick, FS Walter, 625, 636; Th. Schröder, Gesetzesumgehung, S. 377 ff., 379 (gewisse Abmilderung der Maßstäbe unausweichlich); Schünemann, Grund und Grenzen, S. 70; ders., Nulla poena, S. 23 f.; Vogel, Norm und Pflicht, S. 331 Fn. 154. A.A.: Colombi Ciacchi, Fahrlässigkeit, S. 28; Duttge, Bestimmtheit, S. 163 ff.; ders., FS Kohlmann, 13, 18 ff.; ders., JZ 2014, 261, 269; Marxen, JZ 1988, 286, 287 f. (Fn. 18); NK3-Marxen/Böse, § 14 Rn. 7; Murmann, GK, § 10 Rn. 7; v. Mangoldt/Klein/ Starck-Nolte, Art. 103 II Rn. 110, 147; Schiemann, Schuldfähigkeitsfeststellungen, S. 29 ff.; Maunz/Dürig-Schmidt-Aßmann, Art. 103 II Rn. 197; Schmitz, FS Samson, 181, 186 (s. a. MK-Schmitz, § 1 Rn. 49 ff.); wohl auch BVerfG NJW 1992, 223, 223; AnwK-Gaede, § 1 Rn. 7 (differenzierende Untersuchung jedes Einzelgegenstandes notwendig); Reineke, Trunkenheit, S. 263. 95

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E. Verfassungsrechtliche Natur und Struktur des Art. 103 II GG

Die Sicherung des Entscheidungsprogramms, welches die Argumentation des Rechtsanwenders beeinflussen soll, beschränkt sich auf die Anordnung der Leitgedanken durch den Gesetzgeber.96 Zumindest jenen grundlegenden Weichenstellungen darf sich der Gesetzgeber in keinem Falle entziehen. Die für das Strafrecht im Vergleich zum übrigen Eingriffsrecht geltenden verschärften Anforderungen werden damit partiell für einen Teil des Strafrechts wieder zurückgenommen, eine Stufe zurückgesetzt. Die bloße Anordnung der allgemeinen Regel ist hier ausreichend, aber auch notwendig.97 Nach dieser Maßgabe genügt auch § 13 I StGB dem Bestimmtheitsgebot. Dadurch, dass der Gesetzgeber die Erfordernisse der Garantenstellung und der aus ihr folgenden Garantenpflicht festschreibt, ordnet er die von ihm zu verlangenden Leitgedanken an.98 Hat der Gesetzgeber seiner Pflicht zur Anordnung genügt, so kann ihm der Vorwurf der Delegation weiterer Konturierungen an Rechtsprechung und Lehre nicht gemacht werden; er ist dann seiner Aufgabe vollumfänglich nachgekommen.99 Wer die hier vertretene Präzisierung des Gewährleistungsgehalts von Art. 103 II GG ablehnt, muss zeigen, wie der im Vorliegenden dargestellten qualitativen Unmöglichkeit begegnet werden kann bzw. dass eine nicht nur scheinbar präzisere Regelung des AT im logischen Sinne (insgesamt) möglich ist. Darin besteht gerade der notwendige Argumentationsschritt, wenn man die Behauptung der Verfassungswidrigkeit begründen will. Somit wird dem Gesetzgeber beim Allgemeinen Teil im logischen Sinne ein weiter Entscheidungsspielraum bei der legislativen Arbeit eingeräumt. Bei den sog. allgemeinen Lehren und dem übrigen AT im konstruktiven Sinne ist nicht einmal eine ausdrückliche Regelung nötig; für grundlegende Anwendungsregeln wie etwa die Kausalität oder die objektive Zurechnung reicht es aus, dass sie implizit im Gesetz angelegt sind und auf diese Weise normatives Gewicht erhalten. Beispielsweise findet das Erfordernis der Kausalität vereinzelt im BT immerhin ausdrücklich Erwähnung (vgl. §§ 222, 227, 229, 251 StGB), daneben ist es in den Verben zahlreicher Tatbestände enthalten.100 Unbenommen bleibt es 96

Sternberg-Lieben, Schranken, S. 325 (Wertentscheidung). Dagegen zweifelnd, ob überhaupt eine Vertypungspflicht besteht, Sternberg-Lieben, Schranken, S. 327. 98 Ähnlich wie hier HK-Tag, § 13 Rn. 1; im Ergebnis ebenso die Stimmen in Kap. D. II. 4. b) aa) Fn. 236, 237. 99 Delegieren kann man nur eigene Pflichten/Aufgaben, nicht aber solche, die überobligatorisch sind. Ohnehin ist schon mit der gesetzgeberischen Grundentscheidung, überhaupt einen AT im logischen Sinne auszugliedern, in gewisser Weise Delegation verbunden; denn die hierfür erforderlichen vagen Begriffe haben delegierende Wirkung (s. etwa Gruschke, Vagheit, S. 142; Lassahn, BLJ 2012, 52, 57). 100 Manche nehmen zudem an, das Erfordernis der Kausalität greife gewissermaßen eine „vorpositive“ Vorstellung in der Gesellschaft auf, was für die Zurechnung eines Erfolges erforderlich ist, vgl. Kühl, AT, § 4 Rn. 7, mit Verweis auf Hassemer, Einführung, S. 221; s. a. MK-Schmitz, § 1 Rn. 15. 97

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dem Gesetzgeber natürlich, über die bloße Anordnung hinausgehende Einzelregelungen zu treffen101 oder gar Teile des AT im konstruktiven Sinne in Gesetzesform zu fassen. Verpflichtet ist er dazu vom Bestimmtheitsgebot gleichwohl nicht. 2. Analogieverbot und Allgemeiner Teil Aus dem Gesagten ergeben sich Folgerungen für die verschärfte Gesetzesbindung des Rechtsanwenders im Strafrecht. Zwar ist diese mit der abgeschwächten Geltung des Bestimmtheitsgebots im AT nicht gänzlich utopisch geworden. Jedoch ist zu konstatieren, dass die Bindung des Rechtsanwenders, jedenfalls soweit sie auf die limitierende Wirkung der semantischen Grenzen vertraut, auf Schwierigkeiten stößt. Die „Verlängerung“ muss dort versagen, wo das „zu Verlängernde“ selbst versagt. Dem Bestimmtheitsgebot und dem Analogieverbot sind ihre immanenten, in der Sprache liegenden Grenzen gemein. Vormals hat der Überblick über die im AT diskutierten Verstöße gegen das Analogieverbot gezeigt, dass auch im AT gewisse äußere Scheidelinien durch den Wortsinn für den Rechtsanwender gezogen zu sein scheinen. An einem simplen Beispiel wird dies deutlich: Schwerlich wird man behaupten können, dass eine völlige Nichtkenntnis sich unter den Begriff des Vorsatzes fassen lässt; nach dem fachsprachlichen wie dem allgemeinen Sprachgebrauch schließt der Vorsatz sein als solches verstandenes kontradiktorisches Gegenteil aus.102 Demgemäß schließen die vagen Begriffe geringstenfalls hinsichtlich ihrer negativen Kandidaten die Subsumtion aus, während sie sie hinsichtlich ihrer positiven Kandidaten gebieten. Dennoch ist auch angesichts dieser rudimentären Begrenzungsfunktion die limitierende Wirkung der semantischen Grenzen im AT schwach ausgeprägt, da diese sehr weit geraten sind und oftmals alleine keine Antwort darüber zu geben vermögen, ob eine Bedeutung einem Begriff unterfällt bzw. unterfallen soll. Daher wird bei den umstrittenen Fragen des AT selten eine nur annähernde Einmütigkeit darüber erzielt, ob ein Verstoß gegen das Analogieverbot gegeben ist. Anders stellt sich dies im BT dar, man denke an 101

So auch Sternberg-Lieben, Schranken, S. 326 Fn. 208. Jene These wird man mit Blick auf das nackte Nichtwissen wagen dürfen. Schwieriger wird es jedoch schon, wenn man Lehren berücksichtigt, die Tatsachenblindheit in den Vorsatzbegriff einbeziehen wollen. Da solche in der deutschen Strafrechtsdogmatik durchaus vertreten werden bzw. wurden (jüngst Jakobs, System, S. 56 f.; vgl. die umfangreichen Nachweise bei Stuckenberg, Vorstudien, S. 52 Fn. 232, 433 f. Fn. 2337), fehlt es in dieser Hinsicht an einer klaren, eindeutig feststellbaren fachsprachlichen Bedeutung. Dies bewirkt zweierlei: Die fachsprachliche Konvention vermag es in diesem Fall weder, die Einbeziehung als von den semantischen Grenzen gedeckt zu begründen, noch, sie als verbotene Analogie zu entlarven. Gleichwohl ist ein normativer Vorsatzbegriff, der auch Tatsachenblindheit einschließt, nach der hier vertretenen Auffassung nicht mit dem Analogieverbot vereinbar; derart weitgehende normative Begriffsverständnisse sind nicht vom „subsidiär“ greifenden Umgangssprachgebrauch gedeckt. 102

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E. Verfassungsrechtliche Natur und Struktur des Art. 103 II GG

die Frage, ob Elektrizität als (körperliche) Sache103 oder ein Kraftfahrzeug als bespanntes Fuhrwerk104 verstanden werden kann. Der Grund für diese Diskrepanz ist schon lange bekannt. Er liegt darin, dass sich der Allgemeine Teil aus den soeben genannten Gründen vager, oftmals sogar hochgradig vager Sprache bedient und bedienen muss. Ebendiese vagen Begriffe sind die Achillesferse der semantischen Grenzen, die im AT gleichsam zum Normalfall wird. Bei ihrer Bestimmung trifft man vielfach auf die sog. neutralen Kandidaten, bei denen rein semantisch keine Zuordnung zum positiven oder negativen Bereich erfolgen kann. Es kommt dem Rechtsanwender zu, für diese die einschlägige Sprachregel zu setzen und sie damit den Kandidaten zuzuordnen. Hierin liegt der rechtsschöpferische, dezisionistische Anteil, der dem Rechtsanwender zufällt. Nun mag es vielfach im AT diskursiv entwickelte Sprachregeln geben, die relativ sicher die Zuordnung zu den negativen oder positiven Kandidaten gestatten. Indes verbleibt ein neutraler Bereich, in dem es an dieser Stabilität mangelt;105 jener muss auf dem gleichen diskursiven Wege zurückgedrängt werden. Böte dagegen das vom Bundesverfassungsgericht propagierte Gebot der methodengerechten Auslegung bzw. das „erweiterte“ Analogieverbot im AT erfolgversprechender ein Mittel, um den Rechtsanwender zu binden? Dies gilt es mit Fug und Recht zu bezweifeln. Zwar mag man ergänzend den systematischen Zusammenhang, den Zweck des Gesetzes oder gar den Willen des Gesetzgebers begrenzend heranziehen. Aber auch von diesen ist im AT nicht allzu viel zu erwarten. Bei einer Regelung der Grundentscheidung, wie sie im AT lediglich getroffen ist, werden die genannten Kriterien kaum konkreter sein als der Wortsinn der Regelung. Vielmehr ist zu vermuten, dass sich hier die ratio respektive der Wille des Gesetzgebers auf einer ähnlichen Abstraktionshöhe106 bewegen wird und oftmals, jedenfalls ohne weitere Arbeitsschritte, zur Entscheidung, ob im konkreten Einzelfall die Scheidelinie zur verbotenen Rechtsanwendung überschritten ist, wenig an Erhellung beiträgt. Überhaupt keine Grenzen bieten Wortsinn, Wille und Zweck in den Bereichen, in denen der Gesetzgeber größtenteils untätig geblieben ist und dies auch durfte. Hat man bei den allgemeinen Lehren wie der Kausalität, deren Erfordernis sich ausschließlich aus einer Gesamtanalyse der Tatbestände ergibt, jemals von einem Verstoß gegen das Analogieverbot gehört? Für das Analogieverbot und seine Geltung im Allgemeinen Teil verbleibt damit die Feststellung: Jenes Verbot gilt in diesem Bereich des strafbegründenden, strafschärfenden oder strafbefreienden Strafrechts ebenso. Freilich erschwert der 103

Verneinend RGSt 29, 111, 112 ff.; 32, 165, 172 ff., 188. So aber BGHSt 10, 375, 375 f.; exemplarisch dazu die Kritik bei Frister, AT, Kap. 4 Rn. 24 f.; NK4-Hassemer/Kargl, § 1 Rn. 92; Roxin, AT/I, § 5 Rn. 34; Simon, Gesetzesauslegung, S. 124 f. 105 Vgl. Klatt, Wortlautgrenze, S. 276. 106 s. Kap. D. III. 1. a) Fn. 263. 104

III. Gewährleistungsgehalt des Art. 103 II GG

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verfassungsrechtlich legitime Zustand des Allgemeinen Teils, z. B. eine Erweiterung der strafrechtlichen Zurechnungsmechanismen als unerlaubte Rechtsanwendung zu qualifizieren107. Der rechtsschöpferische Anteil, der der Rechtsanwendung und der Theorie „zugestanden“ wird, ist zu akzeptieren, was die Wirkungskraft des Analogieverbots korrespondierend zum Bestimmtheitsgebot deutlich abschwächt. Aus den gegebenen Gründen muss man sich darauf besinnen, was als Mittel zur Bindung des Rechtsanwenders an das Gesetz noch übrig bleibt. Grenzen für den Rechtsanwender können daneben aus einer bestimmten Interpretationskultur108, aus einer ständigen, wenngleich sich fortentwickelnden Praxis erwachsen. Selbiges beinhaltet die Forderung, den neutralen Bereich der vagen Begriffe durch eine diskursive Herausarbeitung der – juristischen – Sprachregeln zurückzudrängen. Mit Blick darauf ist es selbstverständlich, dass eine solche Interpretationskultur, ein solcher Diskurs, kultiviert werden muss und positiv von der Rechtsanwendung zu verlangen ist. Den tauglichen Ansatz für ebendiese Aufgabe bietet mithin das Präzisierungsgebot. 3. Präzisierungsgebot und Allgemeiner Teil Dass der Gesetzgeber sich mit der gesetzlichen Regelung des Allgemeinen Teils im Rahmen des Zulässigen bewegt, haben die Betrachtungen zum Bestimmtheitsgebot ergeben. Die weite Regelungstechnik genügt den Anforderungen. In diesen Fällen aber erwächst dem Präzisierungsgebot besondere Bedeutung. Es steht somit nicht die Herstellung gesetzlicher Bestimmtheit durch präzisierende Auslegung in Rede; vielmehr ist gerade bei einer zulässig weit getroffenen gesetzlichen Regelung die Präzisierung und Konkretisierung des Anwendungsbereichs der Norm im Wege der Auslegung vonnöten. Diese Aufgabe fällt nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts dem Rechtsanwender zu. Durch eine gefestigte Rechtsprechung muss eine solide Grundlage für die zuverlässige Anwendung der Normen des AT gewährleistet werden. Blickt man auf die Art. 103 II GG maßgeblich zugrunde liegenden Zwecke, so erscheint dies begrüßenswert, jene werden keineswegs aufgegeben. Für das abstrakte Vertrauen der Rechtsgemeinschaft in die Berechenbarkeit des Strafrechts stellt die gegebene immerhin die zweitbeste Lösung dar, die die Schwächen der erstbesten Lösung abmildert. Das Demokratieprinzip steht ebenso nicht entgegen. 107 So Kudlich, FS Puppe, 123, 123 f. (ähnlich ders., Unterstützung, S. 262, 264). Auch Anders, GA 2000, 64, 66 f., verweist auf jene Schwierigkeit angesichts der im AT generell bestehenden allgemeinen Fassung der Vorschriften; E. v. Savigny, in: Juristische Dogmatik und Wissenschaftstheorie, 60, 66 f., folgert daher, dass die Berufung auf den Wortlaut im AT von vorneherein nicht so häufig zu erwarten sei. Ferner Tiedemann, Anfängerübung, S. 84: Die Frage nach der Abgrenzung von Auslegung und verbotener Analogie stelle sich im AT seltener. 108 Jakobs, AT, Ab. 4 Rn. 37.

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E. Verfassungsrechtliche Natur und Struktur des Art. 103 II GG

Der Gesetzgeber hat sich nicht in bedenklicher Weise seiner Befugnisse begeben, sondern sich größtenteils Zwängen gebeugt, die zu einer Arbeitsteilung hin drängen. Im Gegenteil erscheint die Aktivierung der Rechtsprechung, indem man diese im Sinne des Gesetzgebers in die Pflicht nimmt, sogar als einziges Mittel, um seine im AT getroffenen Grundentscheidungen zu stärken. Die geforderte Präzisierungsleistung ist für den Allgemeinen Teil, vergegenwärtigt man sich die Praxis sowie den Stand der Dogmatik, bereits vielfach geleistet. Gleichwohl ist sie, nicht zuletzt aufgrund der Porosität der gewählten Begriffe, eine sich stets aufs neue stellende Aufgabe, die sich fortentwickelt. Wie geht sie im Einzelnen vonstatten, wie genügt man dem Präzisierungsgebot im Allgemeinen Teil? Selbstredend ist es nicht die Rechtsprechung alleine, die dies zu bewerkstelligen vermag. Zwar leistet sie durch Herstellung einer gefestigten Rechtsprechung, die die Normen des AT quasi-verbindlich präzisiert, den Schlussstein und damit einen wesentlichen Teil. Grundlegende Vorarbeiten für jene gefestigte Rechtsprechung werden hingegen von der Lehre geliefert, die in dieser Hinsicht in einem ständigen Wechselspiel109 mit der Rechtsprechung steht. Zentrale Bedeutung kommt in diesem Rahmen der zum AT entwickelten Dogmatik110 zu. Treffend ist demnach davon die Rede, dass es in Bezug auf den Allgemeinen Teil des StGB in erster Linie um Systembildung111 geht. Als Mittel für diese und folglich auch für eine Präzisierung des gesetzlichen AT erweist sich der Allgemeine Teil im konstruktiven Sinne. In ihm sind die zu entfaltenden „Metaregeln“ 112 für die im gesetzlichen AT enthaltenen Anwendungsregeln zu verorten, er umfasst jene analytischen Normen, die die Rechtsanwendung in die Lage versetzen, bei einem neutralen Kandidaten eine nachvollziehbare Entscheidung zu treffen. Auf diskursivem Wege sind deshalb von der Dogmatik die für die jeweilige Norm geltenden Sprachregeln zu erstellen, um den neutralen Bereich, den dezisionistischen Machtbereich des Richters weiter zurückzudrängen. Durch die Aufnahme und offengelegte Anwendung ebenjener Metaregeln in eine gefestigte Rechtsprechung bedient sich die Richterschaft demzufolge Entschei-

109 Allgemein zur Kommunikation von Rechtsprechung und Wissenschaft sowie zu ihrer Bedeutung im Hinblick auf das Gesetzlichkeitsprinzip Neumann, GS Brugger, 249, 251 ff., 259; Schünemann, in: Das Gesetzlichkeitsprinzip, 1, 7; vgl. zur Frage nach jenem „Dialog“ auch Janzarik, Dialog, S. 45 ff. 110 Vgl. dazu die eingehende Darstellung bei Frisch, in: Die Bedeutung der Rechtsdogmatik, 169, 172 ff. 111 Jakobs, AT, Ab. 4 Rn. 16, 45 (Beachtung der gesetzlichen Fixpunkte, ansonsten aber freie Systembildung); Kudlich, FS Puppe, 123, 124; Sternberg-Lieben, Schranken, S. 322 f. (Fn. 183); Tiedemann, Anfängerübung, S. 84 („. . . nicht so sehr Auslegungsals vielmehr Systemfragen und allgemeine Lehren im Vordergrund . . .“); s. a. KKOWiG-Rogall, § 3 Rn. 22; ferner Otto, GK, § 2 Rn. 26; ders., Jura 1986, 426, 430 f.; NK4-Paeffgen, Vor §§ 32 ff. Rn. 58; Schick, FS Walter, 625, 639; Simon, Gesetzesauslegung, S. 19 f. (Tätigkeit der Normexegese tritt hinter einer Arbeit am System zurück). 112 Tiedemann [Fn. 71 in Kap. D. I. 2. d)].

III. Gewährleistungsgehalt des Art. 103 II GG

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dungshilfen der Wissenschaft; gleichzeitig setzt sie sich selbst zu beachtende Regeln und Begrenzungen der Rechtsanwendung. Der Allgemeine Teil im konstruktiven Sinne wurde zuvor als Mittel zur Axiomatisierung des Gesetzes definiert, als Destillation einer Gruppe von analytischen Normen, die im Gesetz selbst nicht enthalten sind. Im Strafrecht ist, beruhend auf der Besonderheit der historischen Entwicklung des gesetzlichen AT angesichts der engen Verknüpfung zur Vorarbeit der Rechtswissenschaft, unter jenem Begriff demgegenüber mehr zu verstehen. Im Einzelnen ist zu unterscheiden zwischen dem dogmatischen und dem normativen Teil, die den AT im konstruktiven Sinne ausmachen. Zunächst zum dogmatischen Teil: Darunter sind in der Tat jene analytischen Normen zu verstehen, die nicht im Gesetz selbst enthalten sind. Sie dienen der Vereinfachung der Rechtsanwendung, ohne dass sie strafbegründenden, strafschärfenden oder strafausschließenden Charakter hätten. Hierbei ist etwa an die Lehre vom Verbrechensaufbau zu denken. Im Gegensatz dazu sind mit dem normativen Teil jene Regelungen gemeint, die das Strafgesetzbuch zumindest implizit enthält und die exploriert werden müssen. Man denke an die allgemeinen Lehren, beispielshalber ergibt sich das strafbegründende Erfordernis der ursächlichen Herbeiführung bei den Erfolgsdelikten durch eine Gesamtschau. Sieht man den gesetzlichen Allgemeinen Teil, den AT im logischen Sinne, als Haus an, so wird er, um bei dem Bild zu bleiben, durch den AT im konstruktiven Sinne mit Leben gefüllt. Erst dieser ermöglicht eine berechenbare Rechtsanwendung, indem er vorhersehbare Abläufe und Argumentationsstrukturen an die Hand gibt. Aufgenommen durch die Rechtsprechung erlangt er einen quasi-verbindlichen Charakter. Die revolvierende Natur des Präzisierungsgebots kann natürlich dafür streiten, neue Regeln hinzuzufügen bzw. bestehende als falsch zu verwerfen. Immerhin ist dafür ein deutlich erhöhter Argumentationsaufwand erforderlich, wovor jedenfalls die Untergerichte in den meisten Fällen zurückschrecken dürften. Nach dem hier vorgelegten Verständnis bleibt es mithin dabei, dass strafbegründende wie auch strafschärfende Regeln einen Ansatz im Gesetz benötigen, andernfalls bewegt man sich im Rahmen der verbotenen freien Rechtsfindung. Erst an dieser Stelle kann Otto also zugestimmt werden. Es geht im Allgemeinen Teil um die „Aufdeckung“ 113 der Zurechnungsprinzipien. Vor dem dargestellten Hintergrund hat man die gelegentlich anzutreffende These zu verstehen, dass die Überlassung der präzisen Konturierung des Allgemeinen Teils an Lehre und Rechtsprechung vorzugswürdig und begrüßenswert sei.114 Dies hat nichts mit ei113 Vgl. Kap. C. II. 1. c) Fn. 65. Das bringt eine höhere Argumentationslast mit sich, s. Kudlich, Unterstützung, S. 262 Fn. 380. 114 NK4-Puppe, § 15 Rn. 12 f.; s. a. Herzberg, Unterlassung, S. 254; Jakobs, AT, Ab. 4 Rn. 15; Streng, in: Gesetzlichkeit und Strafrecht, 179, 191. Ferner führt Kudlich, Unterstützung, S. 264, mit Recht aus, dass der Rechtsanwender dem Programm des Art. 103

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E. Verfassungsrechtliche Natur und Struktur des Art. 103 II GG

nem irgendwie gearteten Primat der Lehre zu tun, sondern mit der Notwendigkeit, wie der AT im konstruktiven Sinn zu entwickeln ist. Lediglich auf diskursivem Wege ist das möglich, nur die Gemeinschaft von Lehre und Praxis kann dies aufgrund ihrer Kapazitäten leisten, nicht der Gesetzgeber allein. Nichtsdestoweniger bleibt es dem Gesetzgeber selbstverständlich unbenommen, die Zurechnungsanforderungen bei Bedarf und eigenem Vermögen eingehender zu regeln115 und Teilen des entwickelten AT im konstruktiven Sinne explizit zu gesetzlicher Verbindlichkeit zu verhelfen. Dies bewegt sich im Rahmen seiner Entscheidungsprärogative, was die Formwahl anbetrifft. Durch das auf diese Weise verstandene Präzisierungsgebot wird ein Ausgleich116 für die im AT abgeschwächten Anforderungen an die gesetzliche Bestimmtheit geleistet. Es ermöglicht ein präziseres Verständnis vom Anwendungsbereich der Norm, womit einhergeht, dass in gewissem Maße anhand der tradierten Auslegung schärfer beurteilt werden kann, ob die jeweils im Zweifel stehende Auslegung sich noch im zulässigen oder schon im unzulässigen Bereich bewegt. Die Lösung, die den Ausweg aus dem Dilemma weist, das im (Bermuda-)Dreieck AT-Bestimmtheitsgebot-Analogieverbot begründet ist, liegt demnach in seiner Erweiterung zum Viereck.

II GG dadurch dienen könne, indem er klare und wenig überraschende Kriterien entwickele und so die Voraussetzung für die „Bestimmtheit zweiter Stufe“ schaffe. 115 Jakobs, AT, Ab. 4 Rn. 43; vgl. dazu auch Sternberg-Lieben [Fn. 101 in Kap. E. III. 1. d)]. Selbstredend unterstehen auch solche Normen, die über den Bestand des verfassungsrechtlich geforderten Positivierungsminimums hinausgehen, dann dem Regime des Analogieverbots, s. Jerouschek, JuS 1997, 385, 386; in diese Richtung anhand des Vergleichs von Vorsatz und § 20 StGB auch Paeffgen, in: Alkohol, Strafrecht und Kriminalität, 49, 58 Fn. 32. 116 Simon, Gesetzesauslegung, S. 448, sieht im an den Rechtsanwender gerichteten Bestimmtheitsgebot einen Kompromiss: Wo das Analogieverbot aufgrund der Weite des Wortsinnes keine Hürden aufstelle, sei nach weiteren Schutzmechanismen für den Bürger zu fragen und zu kalkulierbaren Lösungen zu gelangen, indem man die Rechtsprechung dazu anhalte, sich in vorhersehbaren Bahnen zu bewegen; s. a. Kuhlen, in: Gesetzlichkeit und Strafrecht, 429, 435 f.

F. Die Wirkungsweise von Art. 103 II GG im AT anhand von Beispielen Die soeben gezeigte Wirkungsweise des Gesetzlichkeitsprinzips im AT soll im Anschluss anhand von drei Beispielen deutlicher demonstriert werden. Dabei gilt es, erneut zu zeigen: Bereits die sprachliche Fassung des Gesetzes verbürgt auch im AT einen gewissen Schutz des Normunterworfenen; als entscheidend erweist sich in diesem Bereich des Strafgesetzes aber zumeist die diskursive Herausarbeitung des Allgemeinen Teils im konstruktiven Sinne.

I. Versuchte Beihilfe Das Beispiel der versuchten Beihilfe wird von denjenigen, die das Analogieverbot zu Recht auf den Allgemeinen Teil erstrecken, des Öfteren als Drohkulisse bemüht, um zu verdeutlichen, dass die durch das Analogieverbot verfolgten Zwecke auch im AT tangiert werden können [vgl. Kap. C. I. 1. c)]. Und in der Tat, dem Vertrauen der Rechtsgemeinschaft in die Berechenbarkeit des Strafrechts sowie der Sicherung der Entscheidung des demokratisch legitimierten Gesetzgebers würde ein schlechter Dienst erwiesen, ließe man die versuchte Beihilfe zu. Freilich steht es auf einem anderen Blatt, ob die Konstruktion der versuchten Beihilfe im Wege der Analogie gangbar wäre. Jedenfalls wird man davon ausgehen dürfen, dass in Anbetracht der deutlichen Beschränkung von § 30 I StGB („Wer einen anderen zu bestimmen versucht, . . .“) die Teilnahmeform der Beihilfe in den gesetzten semantischen Grenzen nicht unterzubringen ist. Demnach ist kaum zu bestreiten, dass die versuchte Beihilfe eine Überschreitung der semantischen Grenzen erfordern würde. Aber selbst wenn man, um eine solche zu ermöglichen, die Analogie im AT zuließe, wäre es nicht möglich, die Wortsinngrenze zu passieren. Dies gilt dann, wenn man die Analogie zumindest an die üblichen Voraussetzungen der planwidrigen Lücke und der vergleichbaren Lage binden würde. An den genannten Voraussetzungen fehlt es im Falle der versuchten Beihilfe jedoch offensichtlich. Es liegt keine planwidrige Lücke vor. § 30 I StGB nimmt explizit einzig auf die Anstiftung Bezug. Eingedenk der wenige Paragraphen früher erfolgten kategorialen Unterscheidung der Teilnahme in Anstiftung und Beihilfe müsste man dem Gesetzgeber schon einen bedenklichen „Gedächtnisschwund“ unterstellen, um zum Ergebnis der Planwidrigkeit zu kommen. Anders wäre dieses Ergebnis, wenn man mit der Zulässigkeit der Analogie im AT zugleich die freie Rechtsfindung bzw. in diesem Fall die Rechtsanwendung contra legem für erlaubt hielte. Ebendiese hat das – weit zu verstehende –

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F. Die Wirkungsweise von Art. 103 II GG im AT

Analogieverbot ebenfalls im Blick, nur insofern gewinnt das gewählte Beispiel der Befürworter des Analogieverbots im AT seine Berechtigung. Damit ergibt sich, dass die versuchte Beihilfe angesichts der grundsätzlichen Geltung von Art. 103 II GG für den AT nicht auf verfassungskonforme Weise konstruiert werden kann. Wegen der klaren Entscheidung des Gesetzgebers wird die versuchte Beihilfe nicht ernstlich in Erwägung gezogen.1 Die Sicherungsfunktion der semantischen Grenzen lässt sich in diesem Fall auch im AT beobachten; die Bedeutung dieser Beobachtung wird allerdings relativiert, wenn man sich vergegenwärtigt, dass das Ergebnis kein anderes wäre, wenn man die Analogie unter ihren üblichen Voraussetzungen im AT zuließe.

II. Fahrlässige Mittäterschaft Der Streit, ob § 25 II StGB auf die Fahrlässigkeitsdelikte Anwendung findet, eignet sich, da er noch in keiner Weise abgeschlossen ist, in besonderem Maße dazu, die Wirkungsweise von Art. 103 II GG im AT und speziell den schwierigen Prozess der Präzisierung zu betrachten. Zwar wurde die Frage nach der Existenz einer „fahrlässigen Mittäterschaft“ bereits zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts, beispielsweise bei Binding2, ausgiebig in der Literatur diskutiert. Insbesondere die Haltung des Reichsgerichts, eine Mittäterschaft nur bei – im Sinne eines animus auctoris – vorsätzlichem, bewusstem und gewolltem Zusammenwirken aller Beteiligten anzunehmen3, entzog indes der Diskussion den rechten Boden und ließ diese in der Folgezeit erlahmen4. Seit den neunziger Jahren hat die Kontroverse, ausgelöst von zwei berühmt gewordenen Entscheidungen, eine neue Dynamik im Schrifttum erfahren. Hierbei handelt es sich um die „Lederspray“Entscheidung des BGH5 sowie den vom Schweizerischen Bundesgericht ent1

Statt vieler Geppert, Jura 1997, 546, 552. Binding, Die Normen und ihre Übertretung, S. 620 ff., 637 f.; ausführliche Überblicke über den historischen Streit in Wissenschaft und Rechtsprechung finden sich bei Kamm, Fahrlässige Mittäterschaft, S. 70 ff.; S.-R. Kim, Analyse, S. 7 ff.; Kraatz, Fahrlässige Mittäterschaft, S. 31 ff. Auch in anderen Strafrechtssystemen ist die fahrlässige Mittäterschaft umstritten, vgl. etwa für Polen Kalisz, ZJS 2010, 167, 171 f., für Korea S.-R. Kim, Analyse, S. 317 ff., für Japan Utsumi, ZStW 119 (2007), 771 ff. 3 RGSt 5, 306, 307; 23, 196, 196; 63, 101, 102. 4 Kamm, Fahrlässige Mittäterschaft, S. 70. 5 BGHSt 37, 106 ff. = NJW 1990, 2560 ff. Dem Lederspray-Fall lag folgender (hier verkürzt wiedergegebener) Sachverhalt zugrunde: Die X-GmbH produzierte und vertrieb ein Lederspray. Es gingen Meldungen über Gesundheitsschädigungen bei den Benutzern des Sprays ein. Diese ließen sich möglicherweise, aber naturwissenschaftlich nicht nachweisbar auf dessen Anwendung zurückführen. Im Rahmen einer Sondersitzung der Geschäftsführung des Unternehmens wurde eine Rückrufaktion abgelehnt. Erst nach weiteren Gesundheitsschädigungen in der Folgezeit und der Intervention der Behörden kam es zu einem Verkaufsstopp und einer Rückrufaktion. Die an der Be2

II. Fahrlässige Mittäterschaft

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schiedenen Fall der „Rolling Stones“ 6. Diese tauchen wie „Leitmotive“ 7 immer wieder in der Debatte auf. 1. Kausalitätsprobleme als impetus des Streits Beiden Fällen wohnt eine gemeinsame Problematik inne. Es erscheint jeweils zweifelhaft, ob das individuelle Verhalten der Beteiligten für den jeweils eingetretenen Erfolg überhaupt ursächlich war. Im Lederspray-Fall tritt eine typische Schwierigkeit der sog. Gremienentscheidungen auf. Da das nötige Abstimmungsquorum übertroffen ist, lassen sich die einzelnen Abstimmungen der Geschäftsführungsmitglieder im Sinne der Äquivalenztheorie hinwegdenken, ohne dass der tatbestandsmäßige Erfolg des § 229 StGB entfiele. Auch ohne den einzelnen zustimmenden Akt wäre doch insgesamt ein Rückruf nicht erfolgt und es somit zu weiteren Gesundheitsschädigungen gekommen. Bei den Steinewerfern im „Rolling Stones“-Fall könnte man in dubio pro reo davon ausgehen, dass der Stein des jeweils anderen kausal für den Tod des Opfers wurde und daher eine Strafbarkeit nach § 222 StGB verneinen. Hier setzen verschiedene Lösungsvorschläge an. Einen solchen bieten die Vertreter einer fahrlässigen Mittäterschaft – oder genauer: einer „mittäterschaftlichen Begehung beim Fahrlässigkeitsdelikt“ 8. Bei der Annahme einer gemeinschaftlichen Begehung in den oben genannten Fällen kommt es nicht darauf an, ob die eigene Tathandlung für den konkreten Erfolg kausal war,9 da über mittäterschaftliche wechselseitige Zurechnung vom anderen schlussfassung beteiligten Personen wurden unter anderem wegen § 229 StGB angeklagt. 6 BGE 113 IV, 58 ff. Bei der Entscheidung des Schweizerischen Bundesgerichts stellte sich die Tatsachenlage (verkürzt) folgendermaßen dar: A und B entschlossen sich, zwei neben der Straße liegende schwere Gesteinsbrocken einen Abhang herunterzurollen. Beiden war bekannt, dass sich im Gefahrenbereich am Fuße des Abhangs regelmäßig Menschen aufhielten. Nachdem sie sich durch Rufe und Beobachtung vergewissert hatten, dass sich unten keine Menschen befanden, rollten beide jeweils einen Stein herab. Von einem dieser beiden Steine wurde der unerkannt am Abhang befindliche C tödlich getroffen, wobei nicht geklärt werden konnte, von welchem der beiden. 7 Gropp, GA 2009, 265, 265. 8 Für diese exaktere Formulierung Bloy, GA 2000, 392, 395; s. a. C. Becker, Gemeinschaftliches Begehen, S. 170; Fischer, StGB, § 25 Rn. 49. 9 Dies wird bestritten, vgl. C. Becker, Gemeinschaftliches Begehen, S. 182 f.; Puppe, GA 2004, 129, 131; dies., ZIS 2007, 234, 240 f.; Rotsch, FS Puppe, 887, 896 f.; Schlehofer, FS Herzberg, 355, 369 Fn. 44; Weißer, Kollegialentscheidungen, S. 155 (anders aber dies., JZ 1998, 230, 238): Der Mittäter müsse bereits durch seinen eigenen Tatbeitrag für den Erfolg (mit-)ursächlich geworden sein. Hiergegen wendet Hoyer, FS Puppe, 515, 524 ff., ein, dass sich die Kausalität des einzelnen Mittäters schon aus seiner Mitwirkung am gemeinsamen Tatplan ergebe (ähnlich auch Mitsch, JuS 2001, 105, 109; kritisch zu dieser Argumentation dagegen Dencker, Kausalität und Gesamttat, S. 132 ff.; Pfeiffer, Jura 2004, 519, 522 Fn. 58), eine doppelte Kausalität könne nicht verlangt werden. Die h. M. verlangt indes keine Erfolgskausalität des einzelnen Tatbeitrages, vgl. Beulke/Bachmann, JuS 1992, 737, 743; Bloy, GA 2000, 392, 393; Greco, ZIS 2011, 674, 687; Schönke/Schröder28-Heine, Vor § 25 Rn. 73; Knauer, Kollegialentscheidun-

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F. Die Wirkungsweise von Art. 103 II GG im AT

begangene Tatbeiträge jedem Mittäter als eigene zugerechnet werden. Dies bedeutet letztlich eine Erweiterung der Täterstrafbarkeit10, weil jeder Mittäter für das Verhalten einer anderen Person verantwortlich gemacht wird. Bekanntlich wird unterschiedlich bewertet, inwieweit bei den Fahrlässigkeitsdelikten zwischen Täterschaft und Teilnahme zu differenzieren ist. Während ein Teil der Literatur einen restriktiven Täterbegriff – also Unterscheidung zwischen den Beteiligungsformen – auch im Fahrlässigkeitsbereich befürwortet11, vertritt die bislang herrschende Meinung den Einheitstäterbegriff12: Hiernach ist jeder für sich Täter, der durch seine Sorgfaltswidrigkeit in zurechenbarer Weise einen Beitrag zur Tatbestandsverwirklichung leistet.13 Das Gewicht des Beitrags wird insoweit erst auf Ebene der Strafzumessung berücksichtigt.14 Die Befürworter der fahrlässigen Mittäterschaft wollen nunmehr bei den Fahrlässigkeitsdelikten ebenfalls zwischen Alleintäterschaft und Mittäterschaft differenzieren. Neben dem erwähnten Ziel, Probleme auf der Ebene der Kausalität zu überwinden, begründen durchaus dogmatische Erwägungen dieses Streben: Es gelte gleichsam das Verantwortungsprinzip, sodass die Notwendigkeit bestehe, eine gemeinschaftliche, gleichgeordnete Verantwortung von der üblichen Alleinverantwortung für eigenes Handeln zu unterscheiden.15 Den rechtlichen Ausgangspunkt für die Rechtsfigur bildet § 25 II StGB als gesetzliche Zurechnungsnorm. Entscheidend ist hierbei, wie noch zu sehen sein wird, eine genaue Präzisierung des Merkmals der gemeinschaftlichen Begehung für die besonderen Fälle der Fahrlässigkeit. 2. Zulässigkeit und Notwendigkeit einer fahrlässigen Mittäterschaft Während der BGH sich seit 1960 – damals hatte er eine fahrlässige Mittäterschaft explizit abgelehnt16 – nicht mehr ausführlich geäußert hat, ist der Streit in der Lehre unterdessen umso heftiger geworden. Der inzwischen wohl herrschenden Ansicht17 der Befürworter steht eine – zumindest bezüglich einer direkten gen, S. 136 ff., 158; Pfeiffer, Jura 2004, 519, 522 (Fn. 58); Renzikowski, Täterbegriff, S. 286 f.; Roxin, AT/I, § 25 Rn. 241; Schaal, Verantwortung, S. 211; S. Schneider, Risikoherrschaft, S. 280; Schumann, StV 1994, 106, 110. 10 Kühl, AT, § 20 Rn. 6. 11 SK8-Hoyer, § 25 Rn. 151; Renzikowski, Täterbegriff, S. 259. 12 MK-Freund, Vor §§ 13 ff. Rn. 494 f.; Matt/Renzikowski-Gaede, § 15 Rn. 37; Jescheck/Weigend, AT, § 61 II 2, § 63 I 3; Kindhäuser, AT, § 38 Rn. 57 ff.; BeckOK StGB-Kudlich, § 25 Rn. 2. 13 Kühl, AT, § 20 Rn. 10. 14 MK-Duttge, § 15 Rn. 215; MK-Freund, Vor §§ 13 ff. Rn. 496. 15 Otto, Jura 1998, 408, 411. 16 BGH VRS 18 (1960), 416, 421 f. 17 C. Becker, Gemeinschaftliches Begehen, S. 181 f.; Brammsen, Jura 1991, 533, 537; Brammsen/Kaiser, Jura 1992, 35, 39 f.; Dencker, Kausalität und Gesamttat,

II. Fahrlässige Mittäterschaft

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Anwendung von § 25 II StGB – immer noch starke Gegnerschaft gegenüber18, während ein weiterer Teil von Autoren gewisse Sympathien zu hegen scheint, sich aber noch nicht expressis verbis auf die eine oder andere Seite geschlagen hat19. Möglich ist die Anwendung von § 25 II StGB auf die FahrlässigkeitsdeS. 177 ff.; Eschenbach, Jura 1992, 637, 643 f.; Frister, AT, Kap. 26 Rn. 4 ff.; Greco, ZIS 2011, 674, 687 f.; Matt/Renzikowski-Haas, Vor §§ 25 ff. Rn. 28 f., § 25 Rn. 100; ders., Tatherrschaft, S. 141 ff.; Heinrich, AT, Rn. 999; SK8-Hoyer, § 25 Rn. 154; ders., FS Puppe, 515, 516 f., 530; Hilgendorf, NStZ 1994, 561, 563; MK-Joecks, § 25 Rn. 283; S.-R. Kim, Analyse, S. 281 ff.; Knauer, Kollegialentscheidungen, S. 181 ff., 191 f.; Küpper, GA 1998, 519, 526 f.; Lampe, ZStW 106 (1994), 683, 692 f.; Lesch, GA 1994, 112, 119 ff.; Otto, GK, § 21 Rn. 114 f.; ders., Jura 1990, 47, 48 ff.; ders., Jura 1998, 409, 412; Pfeiffer, Jura 2004, 519, 525 f.; Ransiek, Unternehmensstrafrecht, S. 70 f., 73; ders., ZGR 1999, 613, 644 f.; Rengier, AT, § 53 Rn. 3; Renzikowski, Täterbegriff, S. 284; Rodríguez Montañés, FS Roxin I, 307, 326; Roxin, AT/II, § 25 Rn. 242; Sánchez Lázaro, Täterschaft, S. 45 ff.; Schaal, Verantwortung, S. 209 ff., 239 ff.; Schlehofer, FS Herzberg, 355, 368 f.; S. Schneider, Risikoherrschaft, S. 273 ff.; LK12-Schünemann, § 25 Rn. 217; Utsumi, Jura 2001, 538, 540; Weißer, JZ 1998, 230, 236; dies., Kollegialentscheidungen, S. 146 ff.; s. a. Bindokat, JZ 1979, 434, 434; Schmidhäuser, Studienbuch AT, 10/68 f. (Anm. 34); stark einschränkend Kamm, Fahrlässige Mittäterschaft, S. 192 ff.; stärker differenzierend auch v. Weezel, Beteiligung, S. 13, 171 ff., 286 ff., 363 ff. 18 OLG Schleswig, NStZ 1982, 116, 116; Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 20 Rn. 74, § 29 Rn. 90; Bottke, GA 2001, 463, 473 ff., 481; Deutscher/Körner, wistra 1996, 327, 333; MK-Duttge, § 15 Rn. 214; Gropp, AT, § 10 Rn. 82a; ders., GA 2009, 265, 273 (jedenfalls gegen direkte Anwendung von § 25 II StGB); Günther, JuS 1988, 386, 386 (Erl. 3); Schönke/Schröder28-Heine, Vor §§ 25 ff. Rn. 115 f. (anders nun Schönke/ Schröder29-Heine/Weißer, Vor §§ 25 ff. Rn. 114 ff.); Herzberg, Täterschaft, S. 72 ff.; Hoffmann-Holland, AT, Rn. 477, 544; Jäger, AT, Rn. 366; Jähnke, Jura 2010, 582, 585 (Fn. 23); Jescheck/Weigend, AT, § 63 I 3 a; Kraatz, Fahrlässige Mittäterschaft, S. 249 ff., 294 f.; Krey/Esser, AT5, § 50 Rn. 1342; Lackner/Kühl, § 25 Rn. 13; Maurach/Gössel/Zipf, AT/II, § 47 Rn. 103; Satzger/Schluckebier/Widmaier-Murmann, § 25 Rn. 33 f.; ders., GK, § 27 Rn. 54 f.; Puppe, GA 2004, 129, 129; dies., ZIS 2007, 234, 237, 241; Rotsch, FS Puppe, 887, 901 ff., 907 f.; NK1-Schild, Vor §§ 25 ff. Rn. 230 (etwas anders nun NK4-Schild, Vor §§ 25 ff. Rn. 3); Vassilaki, FS H.-L. Schreiber, 499, 502 ff.; s. a. Jakobs, AT, Ab. 21 Rn. 112 (Stufung nach § 25 II StGB analog); Köhler, AT, S. 540. 19 Fischer, StGB, § 25 Rn. 51 f., erwägt eine Beschränkung auf Fälle der bewussten Fahrlässigkeit (kritisch zu einer solchen Differenzierung MK-Joecks, § 25 Rn. 277; v. Weezel, Beteiligung, S. 14 Fn. 4; Weißer, JZ 1998, 230, 231; dies., Kollegialentscheidungen, S. 149 f.). Mitsch, JuS 2001, 105, 109 f., meint zwar, dass das StGB die fahrlässige Mittäterschaft nicht vorsehe, hält aber eine solche offensichtlich in sehr engen Grenzen (bei gegenseitiger Pflicht zur Vermeidung des pflichtwidrigen Handelns des jeweils anderen) konstruktiv für denkbar. Der Möglichkeit, § 25 II StGB auch auf die Fahrlässigkeitsdelikte anzuwenden, scheinen einige Autoren immerhin zuzuneigen, vgl. Matt/Renzikowski-Gaede, § 15 Rn. 37 (langfristig erwägenswert); MK-Hardtung, § 222 Rn. 69, 71 ff. (klarstellende, aber nicht strafbarkeitsausdehnende Anwendung von § 25 II StGB); HK-Ingelfinger, § 25 Rn. 57 (beachtliche Gründe); Kindhäuser, StGB, Vor §§ 25–31 Rn. 48 (praktischer Reiz); dens., AT, § 38 Rn. 59; Kühl, AT, § 20 Rn. 116a ff. (gewisses Bedürfnis); Schumann, StV 1994, 106, 110 f.; Wessels/Beulke/Satzger, AT43, Rn. 507, 659 (sachgerecht). Offengelassen wird die Frage bei Beulke/Bachmann, JuS 1992, 737, 744; Geppert, Jura 2011, 30, 34; Hilgendorf/Valerius, AT, § 12 Rn. 45; BeckOK StGB-Kudlich, § 25 Rn. 58.

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F. Die Wirkungsweise von Art. 103 II GG im AT

likte nach dem bislang Gesagten unter zwei Bedingungen: Zum Ersten darf das Analogieverbot dem nicht entgegenstehen. Zum Zweiten ist es mit Blick auf das Präzisierungsgebot notwendig, dass sich die in seinem Zuge zu entwickelnden Voraussetzungen der mittäterschaftlichen Begehung beim Fahrlässigkeitsdelikt ohne Brüche in das bislang gesicherte System des AT im konstruktiven Sinne einfügen lassen. a) Die fahrlässige Mittäterschaft im Lichte des Analogieverbots Wegen des Analogieverbots, verstanden als Verbot, die semantisch durch das Gesetz gesetzten Grenzen zu überschreiten, muss die mittäterschaftliche Begehung beim Fahrlässigkeitsdelikt zunächst dem Wortsinn nach unter § 25 II StGB gefasst werden können. Wie bereits erwähnt, wird vorgetragen, eine fahrlässige Mittäterschaft sei schon mit dem Wortsinn von § 25 II StGB nicht vereinbar. Begründet wird diese Ansicht unter anderem mit dem Wort „begehen“: Das Präfix „be-“ sei, korrespondierend zu ähnlichen Verben wie zum Beispiel „befühlen“, ein Zeichen dafür, dass bei der mittäterschaftlichen Begehung stets Vorsatz – bezüglich des gesamten Tatbestandes einschließlich des Erfolgs – notwendig sei; betasten, befühlen u. ä. könne man nur etwas, bei dem man sich vorsetze, es zu tasten, fühlen etc.20 Folglich sei ein Fahrlässigkeitsdelikt, das gerade nicht auf die vorsätzliche Herbeiführung des Erfolges gerichtet sei, dem Wortlaut nicht zuzuordnen und stelle eine nach Art. 103 II GG, § 1 StGB verbotene Analogie zu Lasten des Täters dar. Ein derartiges Verständnis von Verben mit dem Präfix „be-“ ist freilich nicht zwingend. Man kann sich – ungewollt! – in Gefahr begeben oder jemandem begegnen. Begeht man einen Fehler, liegt eine Situation vor, in deren Rahmen dem Handelnden das Resultat höchst unerwünscht und selten „vorgesetzt“ sein wird. Es widerspricht nicht dem (allgemeinen wie auch Fach-)Sprachgebrauch, wenn man sagt, der Täter habe eine fahrlässige Tötung begangen.21 Das Präfix „be-“ macht die Fahrlässigkeit nicht zu einem negativen Kandidaten von § 25 II StGB. Ebenso wenig dürfte das Wort „gemeinschaftlich“ hinderlich sein. Dies wird gelegentlich behauptet, selten aber näher begründet. Oftmals werden dagegen verschiedene Fragen mit dem Wortsinnargument vermischt. Wenn man nämlich sagt, Gemeinschaftlichkeit könne nicht schicksalshaft oder kenntnislos begründet werden, sondern bedürfe, um die Zurechnung zu legitimieren, eines auf den ge-

20

Bottke, GA 2001, 463, 468, 474 f. So mit Recht in Bezug auf alle Fahrlässigkeitsdelikte Schlehofer, FS Herzberg, 355, 366; s. a. C. Becker, Gemeinschaftliches Begehen, S. 173 f. Zweifel an Bottkes Begründung äußern auch Pfeiffer, Jura 2004, 519, 522 Fn. 60 („Mit diesem Sprachverständnis steht Bottke aber ziemlich alleine da.“); v. Weezel, Beteiligung, S. 364 Fn. 408 (Ungereimtheit in Bezug auf §§ 16 I 2, 13 StGB). 21

II. Fahrlässige Mittäterschaft

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samten Tatbestand gerichteten Tatprojekt-Konsenses,22 geht man damit weit über die bloßen semantischen Vorgaben hinaus. Vielmehr befindet man sich schon auf der Ebene der Argumentation mit der ratio legis und weiteren Systemaspekten. Will sagen: Gemeinschaftlich begehen kann man dem Wortsinn nach auch Fahrlässigkeitsdelikte, wobei sich das gemeinschaftliche Vorgehen der Täter auf die Vornahme des sorgfaltswidrigen Verhaltens beziehen muss.23 Nach alledem bietet der Wortlaut für eine Restriktion keine Stütze, was sogar Gegner einer fahrlässigen Mittäterschaft zugestehen.24 Es werden weder Vorsatz noch Fahrlässigkeit erwähnt oder gar gefordert.25 Auch die Anhänger des „erweiterten“ Analogieverbots, für die jene Rechtsfigur zusätzlich dem Gebot der methodengerechten Auslegung genügen, mithin unter den Gesichtspunkten der gesetzlichen Systematik und des telos der Norm als erlaubte Interpretation erscheinen müsste, dürften zu keinem anderen Ergebnis kommen. Denn ein Blick auf die Systematik stützt die gefundene Ansicht. §§ 26, 27 StGB beinhalten eine ausdrückliche Beschränkung auf vorsätzlich begangene Straftaten, § 25 II StGB hingegen fehlt eine solche Differenzierung.26 Dies lässt den Schluss zu, dass letzterer fahrlässig begangene Delikte erfasst. Ferner widerstreitet § 15 StGB einer fahrlässigen Mittäterschaft nicht. Zwar ist hiernach fahrlässiges Handeln nur strafbar, wenn es das Gesetz ausdrücklich normiert. Indes betrifft § 15 StGB die Vorfrage, ob ein Fahrlässigkeitstatbestand

22 Bottke, GA 2001, 463, 468, 474; ähnlich Gropp, GA 2009, 265, 273. Auch Krey/ Esser, AT5, § 50 Rn. 1342, bejahen einen Verstoß gegen das Analogieverbot unter Berufung auf Wortlaut und Sinn der Norm, ohne beide zu benennen; sie scheinen aber, da sodann auf § 15 StGB rekurriert wird, das Analogieverbot im erweiterten Sinn zu verstehen. Ähnliches gilt für Haas, Tatherrschaft, S. 141 f.: Dieser erachtet die Anwendung von § 25 II StGB auf die Fahrlässigkeitsdelikte aus formalen Gründen im Hinblick auf Art. 103 II GG als problematisch, wobei zwar der Wortlaut nicht entgegenstehe, u. U. aber der Wille des Gesetzgebers. 23 Pfeiffer, Jura 2004, 519, 525; Weißer, JZ 1998, 230, 233; generell für bloßen Handlungsbezug des Tatplans Frister, AT, Kap. 26 Rn. 3. 24 Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 22 Rn. 74; Herzberg, Täterschaft, S. 73; Satzger/ Schluckebier/Widmaier-Murmann, § 25 Rn. 33; s. a. Puppe, ZIS 2007, 234, 237 (begrifflich möglich). 25 Roxin, AT/II, § 25 Rn. 242; Weißer, JZ 1998, 230, 232 f.; ferner Geppert, Jura 2011, 30, 33; MK-Hardtung, § 222 Rn. 71; S.-R. Kim, Analyse, S. 84 f., 116; Rengier, AT, § 53 Rn. 3; S. Schneider, Risikoherrschaft, S. 256, 276 f.; ähnlich i. E. Schlehofer, FS Herzberg, 355, 367 ff., über eine Auslegung unter Berücksichtigung von § 30 II StGB, woraus er die strafrechtlich missbilligte Verabredung der gegenseitigen Beiträge als maßgeblichen und gesetzlich verankerten Zurechnungsgrund entnimmt. 26 C. Becker, Gemeinschaftliches Begehen, S. 174; Kamm, Fahrlässige Mittäterschaft, S. 176 f.; Knauer, Kollegialentscheidungen, S. 191; Rengier, AT, § 53 Rn. 3; Weißer, JZ 1998, 230, 233. Umgekehrt sei auch das argumentum a fortiori ausgeschlossen, die „höhere“ Beteiligungsstufe der Mittäterschaft erfordere ebenso Vorsatz, v. Weezel, Beteiligung, S. 363.

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F. Die Wirkungsweise von Art. 103 II GG im AT

existiert; auf § 25 II StGB findet er keine Anwendung.27 Ein Blick auf den Wortlaut und die Systematik der §§ 25 ff. StGB bringt folglich keine tieferen Aufschlüsse. Beide stehen immerhin einer fahrlässigen Mittäterschaft gestützt auf § 25 II StGB nicht entgegen. Anders könnte das Ergebnis lauten, wenn man auf die ratio legis abstellt. Unglücklicherweise hat man es bei § 25 II StGB mit einer Norm zu tun, bei der der konkrete Grund, warum und wann die Zurechnung erfolgen darf, nicht vollends geklärt ist. Vielmehr werden durchaus divergierende Begründungen verfolgt.28 Isoliert betrachtet wird man aus dem Zweck von § 25 II StGB keine Entscheidungshilfe über die Zulässigkeit der fahrlässigen Mittäterschaft erwarten können. Dies dürfte eher der Fall sein, wenn man diese Frage in die Systembildung zu § 25 II StGB einbettet. b) Die fahrlässige Mittäterschaft im Lichte des Präzisierungsgebots Sowohl der Begriff der Fahrlässigkeit nach § 15 StGB als auch jener der Mittäterschaft nach § 25 II StGB sind nach der hier vertretenen Auffassung angesichts der im AT geltenden abgeschwächten Anforderungen ausreichend bestimmt. In beiden Fällen hat der Gesetzgeber die von ihm zu verlangende kategoriale Grundunterscheidung getroffen (Vorsatz-Fahrlässigkeit einerseits, Alleintäterschaft, mittelbare Täterschaft und Mittäterschaft andererseits) und im Fall von § 25 II StGB darüber hinaus gewisse Vorgaben zur Bildung des AT im konstruktiven Sinn gemacht. Gleichzeitig bedeutet die vage Fassung des Gesetzes, dass ein erheblicher Teil der Präzisierungsleistung beider Normen in den vergangenen Jahrzehnten bereits durch das diskursive Zusammenwirken von Rechtsprechung und Lehre geleistet wurde. Damit zeigt sich sogleich der negative Aspekt des Präzisierungsgebots, seine Begrenzungswirkung für den Rechtsanwender: Zahlreiche im Rahmen der Herausarbeitung des Allgemeinen Teils im konstruktiven Sinn erarbeitete Metanormen zur vorsätzlichen Mittäterschaft werden als Einwände benutzt, die der fahrlässigen Mittäterschaft entgegengehalten werden. Jedoch kann dies lediglich überzeugen, falls sie sich zwingend aus dem entwickelten Gesamtsystem ergeben oder, anders gewendet, falls sich die fahrlässige Mittäterschaft nicht in dieses einpassen lässt.

27 Weißer, JZ 1998, 230, 233; dies., Kollegialentscheidungen, S. 148 f.; s. a. Kamm, Fahrlässige Mittäterschaft, S. 176; Knauer, Kollegialentscheidungen, S. 190; Kraatz, Fahrlässige Mittäterschaft, S. 99; Pfeiffer, Jura 2004, 519, 524; Renzikowski, Täterbegriff, S. 288 Fn. 109; v. Weezel, Beteiligung, S. 14 Fn. 4; a. A. Krey/Esser, AT5, § 50 Rn. 1342: § 25 II StGB als Ergänzung zu den Tatbeständen des BT [zur Kritik dieses Verständnisses s. o. Kap. D. I. 1. a), 3.]. 28 Vgl. nur die Übersicht bei Greco, ZIS 2011, 674, 687 Fn. 136, sowie im Text Kap. F. II. 2. b) aa) Fn. 41 f.

II. Fahrlässige Mittäterschaft

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aa) Fehlen eines gemeinsamen Tatplans Nirgendwo in der Diskussion zeigt sich die gesetzesergänzende Wirkung des AT im konstruktiven Sinne und ihre Verankerung im Bewusstsein des Rechtsanwenders so deutlich wie bei dem Argument, das am häufigsten gegen eine mittäterschaftliche Begehung beim Fahrlässigkeitsdelikt bemüht wird: das Fehlen eines gemeinsamen Tatplans im Sinne des § 25 II StGB.29 Einen solchen setze die Mittäterschaft stets voraus, da gerade dieser wegen der bewusst eingegangenen Arbeitsteilung eine wechselseitige Zurechnung erst erlaube30. Gestützt wird dies auf ein weiteres Wortlautargument. § 25 II StGB erwähne „die Straftat“, darum müsse beim Erfolgsdelikt der gesamte Tatbestand einschließlich des Erfolgs vom Tatplan umfasst sein; der „Tatplan“ der Fahrlässigkeitstäter sei unvollständig.31 Sicherlich müsste bei Erforderlichkeit eines Tatplans im genannten Sinne eine fahrlässige Mittäterschaft ausscheiden; bezieht sich der Tatplan der Beteiligten obligatorisch auf den Erfolg, so befindet man sich schon im Bereich des dolus eventualis. Diesem Einwand wird aber regelmäßig entgegnet, dass die Forderung eines Tatplans im genannten Sinne eine reine Übertragung der dogmatischen Kriterien für die vorsätzliche Mittäterschaft wäre.32 Diese könnten beim Fahrlässigkeitsdelikt naturgemäß nicht gegeben sein. Wolle man die anerkannte Strukturverschiedenheit zwischen Vorsatz- und Fahrlässigkeitsdelikt beibehalten, so folge bereits hieraus, dass das Spezifikum der vorsätzlichen Mittäterschaft im Fahrlässigkeitsbereich nicht kompatibel sei: Bei dem einen gehe es um Tatplanverwirklichung, bei dem anderen um Sorgfaltspflichtverletzung.33 Die Gleichsetzung des Tatplans mit dem Vorsatz sei insofern unzutreffend.34 – Verwunderlich erscheint sie kaum, zeigt sie doch, wie sehr die dogmatisch entwickelten Voraussetzungen das Gesetz verdrängt haben. – § 25 II StGB fordere ein gemeinschaftliches Begehen (also 29 Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 20 Rn. 74, § 29 Rn. 90; Deutscher/Körner, wistra 1996, 327, 333; Günther, JuS 1988, 386, 386; Schönke/Schröder28-Heine, Vor §§ 25 ff. Rn. 116; Hoffmann-Holland, AT, Rn. 544; Jäger, AT, Rn. 366; Jescheck/Weigend, AT, § 63 I 3 a; Krey/Esser, AT5, § 50 Rn. 1342; Lackner/Kühl, § 25 Rn. 13; s. a. Kühl, AT, § 20 Rn. 116a. 30 Satzger/Schluckebier/Widmaier-Murmann, § 25 Rn. 31. 31 Gropp, GA 2009, 265, 272 f. 32 In diesem Sinne Brammsen, Jura 1991, 533, 537; Kamm, Fahrlässige Mittäterschaft, S. 107 f.; Knauer, Kollegialentscheidungen, S. 182; Otto, Jura 1998, 408, 412; ders., Jura 1990, 47, 48; Roxin, AT/II, § 25 Rn. 242; LK12-Schünemann, § 25 Rn. 217; Utsumi, ZStW 119 (2007), 771, 786; s. a. C. Becker, Gemeinschaftliches Begehen, S. 175; MK-Hardtung, § 222 Rn. 71; Herzberg, Täterschaft, S. 73 Fn. 49; Hoyer, FS Puppe, 515, 523 f. (Tatplan bezogen auf die fahrlässige Ausführungshandlung); Renzikowski, Täterbegriff, S. 284; Schaal, Verantwortung, S. 211; Sánchez Lázaro, Täterschaft, S. 45. 33 Weißer, JZ 1998, 230, 232; s. a. dies., Kollegialentscheidungen, S. 146, 150. 34 Dencker, Kausalität und Gesamttat, S. 176; s. a. Frister, AT, Kap. 26 Rn. 3 f.; Schlehofer, FS Herzberg, 355, 368 f.; S. Schneider, Risikoherrschaft, S. 275 f.

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F. Die Wirkungsweise von Art. 103 II GG im AT

Ausführen) einer Straftat, nicht einen den Erfolg einschließenden Vorsatz.35 Auch das vorgebrachte Wortlautargument, der Tatplan erstrecke sich bei Fahrlässigkeitsdelikten denklogisch nicht auf die gesamte Straftat, greife nicht durch. Gerade die allgemein gehaltene Terminologie von „Straftaten“ bei § 25 II StGB streite eher für eine Erfassung von Fahrlässigkeitsdelikten; denn bei Fahrlässigkeitsdelikten handele es sich gleichermaßen um Straftaten.36 Jene setzten keinen Vorsatz bezüglich des Erfolges voraus. § 25 II StGB spreche nicht von einer „vorsätzlichen Straftat“, die das Postulat eines derartigen Tatplans für die Mittäterschaft legitimieren würde. Vielmehr sei es zulässig und notwendig, ein für die Fahrlässigkeitstat passendes Analogon zum Tatplan zu entwickeln.37 Prima facie ist man geneigt, dem sofort zuzustimmen, da es sich beim Tatplan im Sinne eines den Erfolg einschließenden Vorsatzes letztlich nicht um eine im Gesetz geforderte38, sondern rechtswissenschaftlich für die vorsätzliche Mittäterschaft entwickelte Komponente handelt – eben um eine Präzisierungsleistung, um eine herausgefilterte Metanorm. Gleichwohl wäre es zu vorschnell, das Argument des fehlenden Tatplans als das am einfachsten zu widerlegende abzutun.39 Dahinter verbirgt sich der Versuch, sich auf den telos von § 25 II StGB zu berufen: Nur ein Tatentschluss, der einen Erfolgsbezug habe, könne die Rechtsfolge der gegenseitigen Zurechnung legitimieren, wozu das bloße Bewusstsein gemeinsamer Gefahrschaffung ein aliud sei.40 An dieser Stelle befindet man sich gänzlich in der Systemdiskussion. Aufgestellt wird nämlich die These, ausschließlich der Tatentschluss, der sich auch auf den Erfolg beziehe, sei ein der ratio legis gemäßes Merkmal des AT im konstruktiven Sinne; die fahrlässige Mittäterschaft wäre demnach systemfremd. Was aber legitimiert es, durch Anwendung von § 25 II StGB Tatbeiträge gegenseitig zuzurechnen? Im ersten Zugriff liegt es nahe, den Grund dieser Erweiterung darin zu sehen, dass bei mehreren rechtsgutsgefährdenden Handlungen verschiedener Akteure die Gefahr des Erfolgseintritts erhöht wird (Gefahrerhöhung).41 Allein dieser Umstand würde die Zurechnung

35 Ransiek, Unternehmensstrafrecht, S. 70; ders., ZGR 1999, 613, 644 f.; Renzikowski, Täterbegriff, S. 288; Roxin, AT/II, § 25 Rn. 242; Sánchez Lázaro, Täterschaft, S. 46 f.; Schumann, StV 1994, 106, 110 f.; LK12-Schünemann, § 25 Rn. 217. 36 Knauer, Kollegialentscheidungen, S. 191 f.; Schaal, Verantwortung, S. 211. 37 Otto, GK, § 21 Rn. 115 f. 38 Schumann, StV 1994, 106, 110 f.; ähnlich Ransiek, Unternehmensstrafrecht, S. 70; ders., ZGR 1999, 613, 644; v. Weezel, Beteiligung, S. 363 f. 39 So die Kritik von Kraatz, Fahrlässige Mittäterschaft, S. 100, 109 f., 366, an Weißer, JZ 1998, 230, 232. 40 Schönke/Schröder28-Heine, Vor §§ 25 ff. Rn. 116; s. a. Herzberg, Täterschaft, S. 73; Satzger/Schluckebier/Widmaier-Murmann, § 25 Rn. 34; Vassilaki, FS H.-L. Schreiber, 499, 503 f. 41 Dencker, Kausalität und Gesamttat, S. 124 f.; Kamm, Fahrlässige Mittäterschaft, S. 179 f.; Knauer, Kollegialentscheidungen, S. 195; dazu Greco, ZIS 2011, 674, 687 Fn. 136 (nicht falsch, aber einseitig).

II. Fahrlässige Mittäterschaft

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ebenso bei unabhängig voneinander agierenden, wenngleich sich zufällig ergänzenden „Nebentätern“ begründen. Darüber hinaus ist es somit der sich im gemeinschaftlich-planmäßigen Zusammenwirken mehrerer manifestierende Wille, dass Handlungen der übrigen Mitwirkenden für die eigene Person gelten sollen, der die Zurechnung legitimiert (Solidarität).42 Lediglich eine derartige gegenseitige Verbundenheit wird durch das im Gesetz verwendete Adverb „gemeinschaftlich“ angedeutet. Beide Aspekte liegen – bei entsprechender Konstruktion, wie noch zu sehen ist – auch bei Tätern vor, die im Rahmen von Fahrlässigkeitsdelikten gemeinsam, obgleich nicht erfolgsbezogen handeln. bb) Rechtspflicht immer nur für ein Rechtssubjekt Daneben wird gegen eine mittäterschaftliche Begehung beim Fahrlässigkeitsdelikt eingewandt, Sorgfaltspflichten träfen immer nur eine Person, ebenso begründe nur jeder für sich eine unerlaubte Gefahr; demgemäß könne eine diesbezügliche Gemeinsamkeit den Tatplan im Sinne der Vorsatzdelikte nicht für eine Zurechnung ersetzen.43 Ein anderes Verständnis laufe auf die Verantwortungsbegründung eines Kollektivs hinaus, da die Verantwortlichkeit des Einzelnen alleine nicht begründbar sei.44 Doch gilt diesbezüglich bei der vorsätzlichen Mittäterschaft zunächst nichts anderes: Ohne die jeweiligen Mittäter kann dem Einzeltäter oftmals keine vollendete Tat vorgeworfen werden. Grundsätzlich trifft das aus dem Verbot der jeweiligen Begehungsdelikte sprechende Gebot, die in den Straftatbeständen genannten Taten zu unterlassen, immer nur einen Täter. Erst durch § 25 II StGB wird die Verantwortlichkeit des Einzelnen für „Außenstehende“ begründet.45 Um 42 Vgl. Herzberg, Täterschaft, S. 73; Kamm, Fahrlässige Mittäterschaft, S. 179; Knauer, Kollegialentscheidungen, S. 156; Pfeiffer, Jura 2004, 519, 523 f.; s. a. Lampe, ZStW 106 (1994), 683, 693 (bewusstes Solidarverhalten); Ransiek, Unternehmensstrafrecht, S. 70; ders., ZGR 1999, 613, 644 (wechselseitig Verhalten als eigenes und als fremdes gewollt); Schumann, StV 1994, 106, 111; etwas anders dagegen Greco, ZIS 2011, 674, 687 (gegenseitige Zurechnung als Preis für Erweiterung der eigenen Handlungsmöglichkeit durch Arbeitsteilung und Koordination); Schaal, Verantwortung, S. 222 (Erweiterung der eigenen Macht). Gänzlich a. A. Hoyer, FS Puppe, 515, 526, 528 (gegenseitige Senkung der psychischen Hemmschwelle); Kraatz, Fahrlässige Mittäterschaft, S. 285 f. (Planung von Handlung, die Unrecht in sich trägt); Puppe, ZIS 2007, 234, 235 f. (gegenseitige Anstiftung); Schlehofer, FS Herzberg, 355, 367 f. (Gefahr der Tatbestandsverwirklichung wegen Bindung durch Abrede i. S. d. § 30 II StGB). 43 Puppe, GA 2004, 129, 135 f. 44 Puppe, GA 2004, 129, 135; NK1-Schild, Vor §§ 25 ff. Rn. 227. 45 Kühl, AT, § 20 Rn. 6; Renzikowski, Täterbegriff, S. 287. Soweit darauf repliziert wird, im Bereich der vorsätzlichen Mittäterschaft sei eine Haftungsausdehnung eben akzeptabel, weil jeder Mittäter durch die Beteiligung am Tatplan das rechtswidrige Verhalten des Mittäters mitverursacht habe (so Mitsch, JuS 2001, 105, 109), fragt sich, wo der Unterschied – jedenfalls bei angemessener Konstruktion eines Analogons zum Tatplan – zur fahrlässigen Mittäterschaft liegt.

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F. Die Wirkungsweise von Art. 103 II GG im AT

diese Zurechnungserweiterung auf solche „Außenstehende“ auch beim Fahrlässigkeitsdelikt zu begründen, bedarf es gerade der Figur der fahrlässigen Mittäterschaft. cc) Unverhältnismäßige Strafbarkeitsausdehnung Des Weiteren wird entgegengehalten, eine fahrlässige Mittäterschaft habe inakzeptable Strafbarkeitsausdehnungen zur Folge. Dies gelte allen voran für Fälle, in denen feststehe, dass das Verhalten eines der Beteiligten nicht kausal für den fahrlässig herbeigeführten Erfolg wurde; hier werde im Wege der mittäterschaftlichen Zurechnung der sonst straflos Bleibende letztlich von der Strafbarkeitsausdehnung erfasst.46 Eine Ursache für diese Strafbarkeitsausdehnung wird darin gesehen, dass bei der fahrlässigen Mittäterschaft die zurechnungsbegrenzende Funktion des deliktischen Sinnbezugs im Tatplan fehle.47 Dieser Vorwurf schließt eine mittäterschaftliche Begehung beim Fahrlässigkeitsdelikt jedoch nicht aus. Er verdeutlicht stattdessen, dass es Aufgabe der Befürworter ist, ein geeignetes, die Zurechnung und damit die Strafbarkeit ausreichend begrenzendes Analogon zum Tatplan der Vorsatztat zu entwickeln. Ein solches muss in der Gemeinsamkeit hinsichtlich der beiderseitigen – i. S. v. gleichstufigen – Sorgfaltspflichtverletzung gesucht werden.48 Diese stellt in ausreichendem Maße die geforderte Verbindung zum jeweiligen Tatbestand des Fahrlässigkeitsdelikts her. In Bezug auf eine angebliche Strafbarkeitsausdehnung bei Konstellationen, in denen die fehlende Kausalität eines der Beteiligten feststeht, muss gefragt werden, inwieweit sich diese von Fällen unterscheiden, in denen die Kausalität der Beteiligten nicht feststeht. Auch bei letzteren besteht kein Zweifel, dass in jedem Fall einer der beiden Beteiligten nicht kausal für den Erfolg wurde. Beispielhaft ist der Fall der „rollenden Steine“: Es ist unstreitig, dass nur das Rollen eines der beiden Steine kausal für den Tod des C war, da er nur von einem tödlich getroffen wurde. Trotzdem besteht Einigkeit, dass beide als Täter bestraft werden sollen, wobei lediglich die Begründung (fahrlässige Mittäterschaft oder Nebentäterschaft auf wahldeutiger Grundlage) divergiert. Falls nun ein Beteiligter unzweifelhaft nicht kausal im strengeren Sinne war, aber die

46 Puppe, GA 2004, 129, 145 f. Kritisch dazu Utsumi, ZStW 119 (2007), 771, 786 (zur Diskussion in Japan): Der Vorwurf der Strafausdehnung überzeuge nicht, wenn das Gesetz die fahrlässige Mittäterschaft erlaube. Damit wird m. E. nach lediglich eine Voraussetzung zur Legitimation der fahrlässigen Mittäterschaft benannt: Im „fragmentarisch“ geregelten AT kann es nicht genügen, dass die – weiten – semantischen Vorgaben eine Rechtsfigur abdecken, sondern es ist darüber hinaus nach der Einpassung in das herausgearbeitete System zu fragen. 47 Puppe, GA 2004, 129, 133; s. a. dies., ZIS 2007, 234, 236; ferner Pfeiffer, Jura 2004, 519, 523 f.; Schaal, Verantwortung, S. 223; in diese Richtung wohl auch Jähnke, Jura 2010, 582, 585. 48 Pfeiffer, Jura 2004, 519, 524 f.

II. Fahrlässige Mittäterschaft

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Kriterien der fahrlässigen Mittäterschaft (oder der vorverlagernden Nebentäterschaft) erfüllt, kann nichts anderes gelten. dd) Entbehrlichkeit der fahrlässigen Mittäterschaft Darüber hinaus wird neben den grundsätzlichen, gegen die dogmatische Begründung der fahrlässigen Mittäterschaft gerichteten Kritikpunkten vorgebracht, diese sei zumindest vielfach entbehrlich49 und damit überflüssig. Über andere, bereits ausgearbeitete Wege ließen sich vielfach angemessene Ergebnisse finden, ohne auf eine solch zweifelhafte Figur zurückgreifen zu müssen. Ob alternative Lösungsmöglichkeiten einer Eingliederung in das entwickelte System und damit einer weiteren Präzisierung des Gesetzes hin zur Herausbildung der Voraussetzungen einer mittäterschaftlichen Begehung beim Fahrlässigkeitsdelikt entgegenstehen, erscheint zweifelhaft. Dies mag offen bleiben, wenn jedenfalls die in Rede stehenden Wege selbst hinsichtlich ihrer Systemkohärenz kritikwürdig sind. Jene werden daher im Folgenden kurz umrissen und zur fahrlässigen Mittäterschaft in Vergleich gezogen. (1) Einheitstäterbegriff und Nebentäterschaft – Ausweitung des Kausalzusammenhangs Nach dem in der Fahrlässigkeitsdogmatik bislang herrschenden Einheitstäterbegriff ist jeder Täter, der durch „sein Agieren“ die Tat erwirkt.50 Der Begriff des Einheitstäters ist folglich sehr weit. Er erlaubt es, die Sorgfaltspflichtverletzung zu verlagern51, da grundsätzlich jeder (im Sinne der Äquivalenztheorie) erfolgsursächliche Beitrag von der Fahrlässigkeitshaftung erfasst wird. Auf diese Weise kann eine (teils52 als Nebentäterschaft bezeichnete) Alleintäterschaft der Beteiligten erreicht werden und zwar auch in Fällen, in denen nicht aufklärbar ist, wessen unmittelbar sorgfaltswidriges Verhalten zum Taterfolg führte. Hier kommt eine wahldeutige Begründung des jeweiligen Fahrlässigkeitsvorwurfs in Betracht.53 Am Beispiel des Falles der „rollenden Steine“ des schweizerischen BG lässt sich das aufzeigen. Aufgrund der Tatsachenalternativität ist einmal da49 Gropp, GA 2009, 265, 279; Herzberg, Täterschaft, S. 72 f.; BeckOK StGB-Kudlich, § 25 Rn. 58; Lackner/Kühl, § 25 Rn. 13; Satzger/Schluckebier/Widmaier-Murmann, § 25 Rn. 33; Rotsch, FS Puppe, 887, 905, 907; in diese Richtung auch Hilgendorf/Valerius, AT, § 9 Rn. 74; Mitsch, JuS 2001, 105, 110; NK4-Schild, § 25 Rn. 148. 50 Bottke, GA 2001, 463, 479. 51 Kühl, AT, § 20 Rn. 116b. 52 Gropp, GA 2009, 265, 279; Roxin, AT/II, § 25 Rn. 240; kritisch zu dieser Bezeichnung im „Rolling Stones“-Fall – wegen der fehlenden Unabhängigkeit der Täter – Vassilaki, FS H.-L. Schreiber, 499, 500. 53 Vassilaki, FS H.-L. Schreiber, 499, 506 f.; s. a. Günther, JuS 1988, 386, 386; Satzger/Schluckebier/Widmaier-Murmann, § 25 Rn. 34.

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F. Die Wirkungsweise von Art. 103 II GG im AT

von auszugehen, dass der Stein des A traf, im anderen Fall der Stein des B. Voraussetzung einer Täterschaft auf wahldeutiger Tatsachengrundlage ist, dass der Täter in jeder Sachverhaltsalternative den gleichen Tatbestand erfüllt.54 Der Treffende erfüllt durch das Herabrollen des Steins den Tatbestand des § 222 StGB. Den sorgfaltswidrigen Beitrag des in der jeweiligen Alternative Nicht-Treffenden kann man in der Beteiligung am auslösenden Entschluss, die Steine herabzurollen55, oder im den anderen bestärkenden Mit-Herabrollen des Steins56 erblicken. Es ist ferner möglich, dies als psychische Mitwirkung zu bewerten. Da es aber eine psychische Beihilfe nach der Einheitstäterlehre nicht gibt, kommt man zu einer Alleintäterschaft des jeweils Nicht-Treffenden gem. § 222 StGB. Damit sind A und B Alleintäter einer fahrlässigen Tötung in unechter (gleichartiger) Wahlfeststellung. Einen Nachteil dieser Lösung belegt folgendes Beispiel: A und B veranstalten auf einem abgesperrten Gelände ein illegales Autorennen, wobei der Passant C von einem der beiden Autos – es lässt sich nicht ermitteln, von welchem – verletzt wird. Bei zwei Teilnehmern kann man sagen, dass die Sorgfaltspflichtverletzung des Nicht-Treffenden in der Teilnahme an der Wettfahrt liegt, da diese ohne ihn nicht durchführbar ist.57 Allerdings versagt die Lösung bereits, wenn mehr als zwei Teilnehmer vorhanden sind.58 Ähnliches lässt sich im obigen Fall denken, wenn mehr als zwei Beteiligte Steine den Abhang herabrollen, da jetzt die Teilnahme von einem Mithandelnden nicht alleine die psychische Unterstützung vermittelt. Außerdem werden mit Recht weitere, grundsätzlichere Bedenken gegen den obigen Lösungsweg vorgebracht. Der Einheitstäterlösung wohne eine gewisse Konturlosigkeit inne, die die Gefahr einer zu weiten Haftungsausdehnung begründe.59 Es bleibe im Prinzip offen und verschieden begründbar, welche Pflichtwidrigkeit dem Täter eigentlich vorgeworfen werde.60 Selbst wenn man in 54

Vgl. nur Stuckenberg, JA 2001, 221, 222. Roxin, AT/II, § 25 Rn. 240; s. a. Rotsch, FS Puppe, 887, 906. 56 Gropp, GA 2009, 265, 275. 57 Günther, JuS 1988, 386, 387. 58 Kamm, Fahrlässige Mittäterschaft, S. 96; Kühl, AT, § 20 Rn. 116b. Verteidigt wird Günthers Argument dagegen von Gropp, GA 2009, 265, 271 Fn. 31, der auf die Gefahrerhöhung durch das Hinzutreten eines Dritten als tauglichen Anknüpfungspunkt verweist. In den Fällen der Gremienentscheidungen hilft die Lösung ebenfalls nicht weiter, s. LK12-Schünemann, § 25 Rn. 216. 59 Brammsen/Kaiser, Jura 1992, 35, 38 (Schwäche der Äquivalenztheorie, der regressus ad infinitum, werde ausgenutzt); Geppert, Jura 2011, 30, 33; Kamm, Fahrlässige Mittäterschaft, S. 96 Fn. 89; S.-R. Kim, Analyse, S. 103; Knauer, Kollegialentscheidungen, S. 187; Kraatz, Fahrlässige Mittäterschaft, S. 104 f.; Otto, Jura 1998, 408, 411; Pfeiffer, Jura 2004, 519, 520; Utsumi, Jura 2001, 538, 540; Weißer, JZ 1998, 230, 235; vgl. auch S. Schneider, Risikoherrschaft, S. 281. 60 Weißer, JZ 1998, 230, 235; in diese Richtung auch Knauer, Kollegialentscheidungen, S. 187. 55

II. Fahrlässige Mittäterschaft

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dem Verhalten des einen Beteiligten eine „mitgesetzte“ Gefahr erblicke, so habe sich doch bloß die vom anderen geschaffene Gefährdung im Erfolg verwirklicht und sei diesem zurechenbar, da nach dem Prinzip der Eigenverantwortung der Zurechnungszusammenhang hinsichtlich der anderen Gefährdung abbreche.61 Zudem sei es inkonsequent, bei Fahrlässigkeitsdelikten Verhaltensweisen für eine Alleintäterschaft ausreichen zu lassen, die bei Vorsatzdelikten nur unter den Voraussetzungen der Mittäterschaft erfassbar seien.62 Daneben lässt sich ein weiteres Argument für die Vorzugswürdigkeit der fahrlässigen Mittäterschaft gegenüber der Einheitstäterlösung auf wahldeutiger Grundlage aus der Natur der Wahlfeststellung ableiten. Diese knüpft an eine bestimmte prozessuale Situation, im Falle der unechten Wahlfeststellung nämlich an Tatsachenalternativität, an und bildet eine prozessuale Entscheidungsregel.63 Bei Anwendung der fahrlässigen Mittäterschaft bedarf es aufgrund der wechselseitigen Zurechnung eines solchen Rückgriffes nicht. Somit wird eine Lösung schon auf materiell-rechtlicher Ebene ermöglicht. (2) Unterlassungstäterschaft Ein weiterer Lösungsweg, die Zurechnungs- und Kausalitätsprobleme in den genannten Fällen zu überwinden, führt über die Grundsätze des unechten Unterlassungsdelikts. Demnach soll die Kausalität des Verhaltens eines jeden der Beteiligten konstruiert werden, indem man auf ein der konkret erfolgsverursachenden Sorgfaltspflichtverletzung vorgelagertes Unterlassen – etwa von Sicherungsmaßnahmen – abstellt.64 So hatte das Bayerische Oberste Landesgericht in einem Fall von fahrlässiger Brandstiftung mit Kerzen an das Unterlassen von Sicherungsmaßnahmen und nicht an das nicht mehr aufklärbare Aufstellen und Anzünden der Kerzen angeknüpft.65 Dies führt zu einer Einzelunterlassungstäterschaft, wobei die Garantenstellung des jeweiligen Täters aus Ingerenz folgen soll. Bei einer solchen Annahme ließen sich dann jedenfalls Kausalität, objektive und subjektive Sorgfaltspflichtverletzung, Vorhersehbarkeit und Schutzzweckzusammenhang für jeden der Beteiligten bejahen, ohne auf die unechte Wahlfeststellung zurückgreifen zu müssen. Jedoch spricht gegen diesen Ansatz, dass es zweifelhaft ist, den Schwerpunkt des Fehlverhaltens auf dem besagten Unterlassen und nicht auf der unmittelbar in

61

Pfeiffer, Jura 2004, 519, 520 f. Utsumi, Jura 2001, 538, 540; s. a. Brammsen, Jura 1991, 533, 537. 63 Stuckenberg, JA 2001, 221, 222; kritisch zu diesem Verständnis Freund, FS Wolter, 35, 51 f. 64 BayObLG NJW 1990, 3032, 3032; Walder, FS Spendel, 363, 368 f.; wohl auch für eine Unterlassungslösung Schönke/Schröder28-Heine, Vor §§ 25 ff. Rn. 116. 65 BayObLG NJW 1990, 3032, 3032. 62

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F. Die Wirkungsweise von Art. 103 II GG im AT

den Erfolg mündenden Handlung zu sehen.66 Der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit soll gerade die Abgrenzung zwischen Begehungs- und Unterlassungsdelikt ermöglichen.67 Dieser liegt aber, stellt man sich den Fall der rollenden Steine mit einem erwiesenermaßen kausalen Täter vor, eindeutig auf dem aktiven Tun; es drängt sich der Verdacht auf, dass aufgrund von Beweisschwierigkeiten ein Begehungsdelikt in ein Unterlassungsdelikt umgedeutet werden soll.68 Außerdem wird von einigen eine weitere Schwäche der Unterlassungslösung in der Garantenstellung aus Ingerenz gesehen. Zum einen sei es zweifelhaft, eine Ingerenz-Garantenstellung zu konstruieren, die hinsichtlich des Verhaltens des anderen gegeben sei;69 denn auch auf das Verhalten des Komplizen als „Gefahrenquelle“ beziehe sich eine derartige Garantenstellung. Dies sei schwer mit dem Zurechnungs- und Verantwortungsprinzip vereinbar.70 Im Grunde stellt sich bei jener Lösung die bei der fahrlässigen Mittäterschaft angerissene Frage einer Zurechnung fremden Verhaltens erneut. Zum anderen wird bezweifelt, dass es möglich ist, die Garantenstellung aus einem nachfolgenden gefährlichen Tun abzuleiten.71 (3) Kausalitätslösungen bei Gremienentscheidungen Im Falle der besonderen Konstellation der Gremienentscheidungen werden variantenreich Ansätze vertreten, das Kausalitätsproblem, das sich bei strikter Anwendung der Äquivalenztheorie ergibt, bereits auf Ebene der Kausalität zu lösen. Einigkeit besteht unter den verschiedenen Vertretern dieser Ansätze wenigstens darin, dass der einzelne Geschäftsführer bzw. Abstimmende nicht geltend machen können soll, der Beschluss wäre ohne seine Stimme ebenfalls zustande gekommen.72 Diese Erwägungen sollen auch für Fälle gelten, in denen es durch Gremienentscheidungen zur Verwirklichung von fahrlässigen Erfolgsdelikten kommt. Gemeinsam ist dabei allen Ansätzen – von denen hier lediglich einige kurz skizziert werden – der Versuch, Ausnahmen von der Äquivalenztheorie zu begründen. Solche seien zulässig, da die Äquivalenztheorie aufgrund ihrer logi-

66 Günther, JuS 1988, 386, 387 (Erl. 11); Kamm, Fahrlässige Mittäterschaft, S. 96 f.; Kühl, AT, § 20 Rn. 116b; Vassilaki, FS H.-L. Schreiber, 499, 501; Weißer, JZ 1998, 230, 236; dies., Kollegialentscheidungen, S. 155 f. 67 BGHSt 6, 46, 59; Schönke/Schröder29-Stree/Bosch, Vor §§ 13 ff. Rn. 158 f. 68 Weißer, JZ 1998, 230, 236; so auch Kraatz, Fahrlässige Mittäterschaft, S. 107 f.; Vassilaki, FS H.-L. Schreiber, 499, 501 f.; s. a. S.-R. Kim, Analyse, S. 106 (Kunstgriff). 69 Otto, Jura 1998, 408, 412; Pfeiffer, Jura 2004, 519, 520; Utsumi, Jura 2001, 538, 540; ebenfalls zweifelnd Geppert, Jura 2011, 30, 33; Kamm, Fahrlässige Mittäterschaft, S. 97 f.; Kühl, AT, § 20 Rn. 116b; Renzikowski, Täterbegriff, S. 291. 70 Pfeiffer, Jura 2004, 519, 520. 71 Pfeiffer, Jura 2004, 519, 520; Weißer, JZ 1998, 230, 236. 72 BGHSt 37, 106, 131 f.; Dencker, Kausalität und Gesamttat, S. 175; Hilgendorf, NStZ 1994, 561, 562; Puppe, GA 2004, 129, 137 f.

II. Fahrlässige Mittäterschaft

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schen Schwachpunkte bekanntermaßen nur Ausgangspunkt einer Kausalitätsbestimmung sein könne.73 Die Rechtsprechung vertritt zuweilen bei Kollegialentscheidungen mit „klarer“ oder absoluter Mehrheit, dass die Stimmen der einzelnen Mitglieder jedenfalls insgesamt ursächlich seien.74 Dies folge schon aus dem Wesen jener Entscheidungen.75 In den Fällen der fahrlässigen Körperverletzung im Ledersprayfall – wobei der BGH diese in Form des Unterlassens eines Rückrufbeschlusses annahm – bejahte der BGH eine Kausalität der einzelnen abstimmenden Geschäftsführer folgendermaßen: Die zur Schadensabwendung gebotene Maßnahme komme allein durch das Zusammenwirken mehrerer Abstimmender zustande; somit setze grundsätzlich jeder, der es trotz seiner Abstimmungsbefugnis unterlasse, seinen Beitrag zur Schadensabwendung zu leisten, eine Ursache für das Unterbleiben der Maßnahme.76 Dem wird entgegengehalten, dies gelte allenfalls für Fälle einer gerade noch erreichten Mehrheit, nicht hingegen bei größeren Mehrheiten, da dort die weiteren Stimmen gegen die gebotene Maßnahme nicht ins Gewicht fielen.77 Nach Auffassung von Puppe soll der Fehler der Conditio-sine-qua-non-Formel durch logisch-normative Erwägungen überwunden werden (Lehre von der hinreichenden Mindestbedingung)78. Man bilde eine Mindestbedingung für das Zustandekommen des Beschlusses, in der die Abstimmung, die Ja-Stimme des jeweiligen Mitgliedes sowie die Angabe von so vielen weiteren Ja-Stimmen, wie für das Zustandekommen eines Mehrheitsbeschlusses mindestens nötig sind, vorkommen; die überschüssigen Stimmen dürfen nicht erwähnt werden. Nun könne die Stimme des einzelnen Mitgliedes nicht mehr gestrichen werden, ohne dass der Erfolg entfiele. Dies erscheint kaum angreifbar.79 Freilich entfernt sich diese Auffassung sehr weit von der herkömmlichen Kausalitätsbestimmung,80 was paHilgendorf, NStZ 1994, 561, 564; Schönke/Schröder28-Lenckner/Eisele, Vor §§ 13 ff. Rn. 74 f. 74 BGHSt 37, 106, 128 f.; OLG Stuttgart, JZ 1980, 774, 776. 75 OLG Stuttgart, JZ 1980, 774, 776. 76 BGHSt 37, 106, 131. 77 Schönke/Schröder28-Lenckner/Eisele, Vor §§ 13 ff. Rn. 83a. 78 Puppe, GA 2004, 129, 138 f.; dies., ZIS 2007, 234, 240; zustimmend Hoyer, FS Puppe, 515, 518 ff. (Problem aber auf der Ebene der objektiven Zurechnung); Rodríguez Montañés, FS Roxin I, 307, 313 f. 79 Allerdings macht Greco, ZIS 2011, 674, 685 f., neben dem praktischen Einwand, dass diese Lehre kompliziert und in praxi nur schwer handhabbar ist, dogmatische Einwände geltend: Einmal sei fraglich, ob die Kausalitätsbestimmung stets – wie von Puppe gefordert – die Subsumtion unter ein Naturgesetz erfordere (Stichwort psychische Kausalität), darüber hinaus habe eine auf dieser Prämisse aufbauende Lehre mitunter Schwierigkeiten bei der Lösung scheinbar unproblematischer Fälle. Gegen Puppe zudem Knauer, Kollegialentscheidungen, S. 121 ff. 80 Jäger, AT, Rn. 366. 73

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F. Die Wirkungsweise von Art. 103 II GG im AT

radox erscheint, wenn man sich vor Augen führt, dass Puppe dies den Vertretern der fahrlässigen Mittäterschaft i. R. von Fahrlässigkeit und Mittäterschaft vorwirft81. Andere82 sehen in den Gremienentscheidungen einen Fall von Mehrfachkausalität (bzw. alternativer Kausalität), der über die bekannte Formel gelöst werden müsse: Bei mehreren Handlungen, die zwar alternativ, nicht aber kumulativ hinwegdenkbar sind, ist jede dieser Handlungen kausal für den Erfolg. Hiergegen ist zu erinnern, dass eine solche alternative Kausalität nur bei Handlungen anzunehmen ist, die jeweils für sich den Erfolg bewirken können; Letzteres ist bei den Einzelstimmen einer Kollegialentscheidung gerade nicht der Fall.83 Schließlich wird eine Lösung über die Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung, nach der eine Handlung kausal für den Erfolg ist, wenn sich nach dem Erfahrungswissen eine Gesetzmäßigkeit zwischen der Handlung und dem Erfolg annehmen lässt, vorgeschlagen. Auch bei einer deutlichen Stimmmehrheit bestehe zwischen dem Verhalten des Einzelnen und dem Beschluss eine gesetzmäßige Beziehung.84 Die Begründung ähnelt der Lehre von der hinreichenden Mindestbedingung. Im Ergebnis bleibt zu konstatieren: Ausnahmen von der Äquivalenztheorie finden sich in vielen anderen Problembereichen der Kausalität und sind grundsätzlich einsehbar; ihre Motivation liegt darin, Schwächen, die aus der logischen Angreifbarkeit der Äquivalenztheorie folgen, auszugleichen. Der gesetzliche Rahmen erlaubt zur Bestimmung der „vorpositiven“ Kausalität als Basis jeder Zurechnung naturgemäß vieles. Zu bedenken steht dahingegen, dass Modifikationen an einem derart grundlegenden Begriff wie der Kausalität mehr Folgefragen mit sich bringen können als die Anerkennung der fahrlässigen Mittäterschaft.85 Zweifelhaft erscheint zudem, ob sie dagegen sprechen, weitere (generellere) Wege einer Zurechnung zu suchen.86 Einen solchen bietet die fahrlässige Mittäterschaft. Sie hat insoweit gegenüber den Kausalitätslösungen den Vorteil, für eine Vielzahl von Fällen einheitlich anwendbar zu sein. Ad-hoc-Lösungen („Zauberformeln“ 87) auf Ebene der Kausalität sind dann nicht notwendig.

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Vgl. Puppe, GA 2004, 129, 132. Gropp, GA 2009, 265, 269 f.; Kühl, AT, § 4 Rn. 20b; ferner Beulke/Bachmann, JuS 1992, 737, 743 (parallel zu würdigende Sachverhaltskonstellation). 83 Deutscher/Körner, wistra 1996, 327, 334; Knauer, Kollegialentscheidungen, S. 95; Schönke/Schröder28-Lenckner/Eisele, Vor §§ 13 ff. Rn. 83a. 84 Hilgendorf, NStZ 1994, 561, 565. 85 Greco, ZIS 2011, 674, 686. 86 Gropp, GA 2009, 265, 270; s. a. Sánchez Lázaro, Täterschaft, S. 48 Fn. 149 (Entwicklung der Mittäterschaft sowohl im Vorsatz- wie auch im Fahrlässigkeitsbereich unabhängig von Kausalitätsproblemen zu betrachten). 87 Gropp, GA 2009, 265, 269. 82

II. Fahrlässige Mittäterschaft

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c) Stellungnahme Die Einwände gegen eine mittäterschaftliche Begehung beim Fahrlässigkeitsdelikt auf materieller Ebene erklären sich vielfach dadurch, dass einige der Kritiker terminologisch und gedanklich Kriterien der herkömmlichen vorsätzlichen Mittäterschaft voraussetzen. Die für die Mittäterschaft entwickelten Metanormen sind auf die Fahrlässigkeitsdelikte naturgemäß nicht übertragbar. Der AT im konstruktiven Sinne hat hier eine derart maßgebliche Bedeutung erlangt, dass er für den Rechtsanwender ähnlich begrenzend wie das Gesetz selbst wirkt. Will man über ihn hinausgehen oder ihn ändern, so ist eine eingehende, mühevolle Begründungsleistung im Rahmen des diskursiven Verfahrens nötig. Schon dieser Umstand dokumentiert deutlich die rechtsstaatliche Funktion und Wirkung, die der Präzisierungsleistung des Rechtsanwenders im AT zukommt. Nichtsdestoweniger rechtfertigt, wie gezeigt, weder das Gesetz noch das bislang herausgearbeitete System – das im Bereich der Mittäterschaft auf den Besonderheiten des Vorsatzdelikts aufbaut –, die mittäterschaftliche Begehung beim Fahrlässigkeitsdelikt abzulehnen. Ein Hauptargument für die Existenz einer fahrlässigen Mittäterschaft ist m. E. nach gerade, dass nichts gegen sie spricht; keiner der Kritikpunkte dringt vollends durch. Die alternativ zur fahrlässigen Mittäterschaft vorgeschlagenen Wege zur Überwindung der Problemstellungen speziell auf der Ebene der Kausalität mögen gangbar sein. Allerdings ist neben ihren aufgezeigten Schwächen zu berücksichtigen, dass sie nichts „an der Sinnhaftigkeit der Lösung“ 88 über die Mittäterschaft ändern. Es lassen sich drei weitere Vorteile ins Feld führen: Erstens sei der Hinweis erlaubt, dass die fahrlässige Mittäterschaft praktisch – bei entsprechender Ausgestaltung durch Rechtsprechung und Lehre – leicht handhabbar ist89. Zweitens ist sie für eine Vielzahl von Fällen anwendbar und bietet somit eine breitere Grundlage für die Handhabung von Problemen. Drittens ist sie in der Lage, im Schuldspruch die Gestaltung des Unrechtsgehalts exakter darzustellen. Die Klarstellungsfunktion des Schuldspruchs gewinnt vor allem in der Rechtsprechung des BGH90 zunehmend an Bedeutung. In den in Rede stehenden Fällen wird das gemeinschaftliche Vorgehen der Beteiligten hinsichtlich der Sorgfaltspflichtverletzung genauer abgebildet; die anderen Lösungswege verschleiern dieses. So erscheint es Weißer im Falle der Nebentäterlösung mit Recht „widersprüchlich, wenn nach Feststellung einer Wechselwirkung zwischen dem Verhalten der Beteiligten dennoch die Alleintäterschaft beider festgestellt wird“ 91. 88

MK-Joecks, § 25 Rn. 283. Vgl. Roxin bei Puppe, GA 2004, 129, 142 f.; s. a. Greco, ZIS 2011, 674, 686. 90 BGH NJW 1999, 72, 72; NStZ 2001, 31, 31. Auch MK-Hardtung, § 222 Rn. 71, sieht den genannten klarstellenden Effekt bei der Anwendung von § 25 II StGB auf die Fahrlässigkeitsdelikte. 91 Weißer, JZ 1998, 230, 235; kritisch auch Rengier, AT, § 53 Rn. 8 f. 89

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F. Die Wirkungsweise von Art. 103 II GG im AT

Zuzugeben ist hingegen, dass es als Dilemma anmutet, wenn man Kausalitätsund somit Strafbarkeitslücken zu schließen versucht, indem man das tendenziell weite Fahrlässigkeitsdelikt mit dem im Vergleich dazu (eingedenk des engeren Täterbegriffs der §§ 25 ff. StGB) restriktiveren Mittäterschaftsbegriff ausdehnen will92. Bei näherem Hinsehen verliert das Dilemma indes an Bedeutung: Bereits die Qualifizierung des Fahrlässigkeitsdelikts als „weit“ geht von der petitio principii aus, dieser Deliktsgruppe liege der Einheitstäterbegriff zugrunde; dies jedoch ist, jedenfalls mit Blick auf die Mittäterschaft, gerade zu bestreiten. Zwar hat die Anwendung von § 25 II StGB einen – erwünschten – Effekt, die Strafbarkeit leichter begründen zu können, gleichzeitig sind andernorts aber einschränkende Wirkungen bedenkenswert93. Darüber hinaus wird man angesichts der Offenheit des Gesetzes selbst in den obigen Fällen nicht von einer Strafbarkeitslücke im klassischen Sinne sprechen können; das belegen schon die zahlreichen gesetzlich möglichen, wenn auch im Hinblick auf die Systemkohärenz zweifelhaften Lösungswege. Trotzdem muss es ein Anliegen sein, die Voraussetzungen der fahrlässigen Mittäterschaft so zu konstruieren, dass durch die fahrlässige Mittäterschaft die Strafbarkeit nicht zu weit ausgedehnt wird. Dies ist eine Frage der zu bestimmenden Voraussetzungen der Rechtsfigur, des passenden Analogons zum Tatplan. 3. Die Voraussetzungen der fahrlässigen Mittäterschaft als Beispiel der Herausarbeitung des AT im konstruktiven Sinne Während hinsichtlich der grundsätzlichen Zulässigkeit der fahrlässigen Mittäterschaft unter ihren Befürwortern Konsens herrscht, ist dagegen ihre genaue Begründung und Ausweitung noch weitgehend ungeklärt. Zu diesem Zeitpunkt sind die Präzisierungsbemühungen der Lehre im frühen diskursiven Stadium, es ist noch keine abschließende Präzisierungsleistung erfolgt. Die Herausbildung der Regeln des AT im konstruktiven Sinne, der die Voraussetzungen der Rechtsfigur umschreibt, ist bislang „in vollem Gange“ und daher einer – zumindest skizzenhaften94 und auf einige Stimmen konzentrierten – Beschreibung wert. Es werden zahlreiche, teils erheblich divergierende Modelle vertreten. Eine überwiegende oder gar einheitliche Meinung hat sich noch nicht herausgebildet, was auch dem Umstand geschuldet ist, dass die Rechtsprechung bislang keine – 92

Gropp, GA 2009, 265, 267 f. Nämlich die Straflosigkeit von Teilnahmehandlungen i. R. d. Fahrlässigkeitsdelikte, vgl. Hoyer, FS Puppe, 515, 526 f.; Renzikowski, Täterbegriff, S. 292; erwogen, aber abgelehnt wird dies von Schlehofer, FS Herzberg, 355, 369 ff.; s. a. v. Weezel, Beteiligung, S. 364 ff. 94 Eine eingehende Darstellung mitsamt ausführlicher Kritik der bislang geleisteten Vorschläge zu den Voraussetzungen der fahrlässigen Mittäterschaft bieten Kamm, Fahrlässige Mittäterschaft, S. 113 ff.; Kraatz, Fahrlässige Mittäterschaft, S. 111 ff.; v. Weezel, Beteiligung, S. 133 ff. 93

II. Fahrlässige Mittäterschaft

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positive – Stellungnahme zur Frage abgegeben hat. Einigkeit besteht indessen immerhin dahingehend, dass ein objektives Ineinandergreifen fahrlässiger Tatbeiträge allein nicht ausreicht, um Mittäterschaft anzunehmen. In der Regel95 wird zusätzlich ein subjektives Element der Beteiligten verlangt. a) Modell nach Otto Otto will – jedenfalls bei den Begehungsdelikten – ähnliche Kriterien wie bei der Begründung der objektiven Zurechnung heranziehen. Die arbeitsteilige Begründung oder Erhöhung einer Gefahr, die sich in der Rechtsgutsbeeinträchtigung realisiere, stelle objektiv einen tauglichen Anknüpfungspunkt für die mittäterschaftliche Zurechnung dar; subjektiv müssten sich die Beteiligten ihres arbeitsteiligen, der gemeinsamen Steuerbarkeit unterliegenden Vorgehens bei der Gefahrbegründung bzw. Gefahrerhöhung bewusst sein.96 Dem hat sich Roxin angeschlossen.97 Allerdings ist gegen diese Auffassung einzuwenden, dass eine gemeinsame Gefahrerhöhung ein wichtiger Gesichtspunkt, nicht aber alleiniges Kriterium zur Begründung einer fahrlässigen Mittäterschaft sein kann. Fordert man nur eine solche Gefahrerhöhung und die genannte subjektive Komponente, so geht die dadurch geschaffene Zurechnungsausdehnung zu weit. Eine taugliche Begrenzung der Rechtsfigur wird durch dieses Analogon nicht erreicht: Denn einerseits ist das objektive Erfordernis einer Gefahrerhöhung eine – der notwendigen Präzisierung kaum genügende – Reformulierung eines der Legitimationsgründe der gegenseitigen Zurechnung, ohne dass dabei Erörterungen erfolgen, wann und unter welchen Voraussetzungen eine solche Gefahrerhöhung vorliegt.98 Andererseits reicht das subjektive Erfordernis des Bewusstseins der Gefahrbegründung nicht dazu aus, Solidarität zwischen den Beteiligten anzunehmen, da es für ein solches Bewusstsein ebenso genügt, wenn ohne eine wechselseitige Anerkennung die jeweiligen Beiträge lediglich erkannt werden.99 Es erfolgt keine Abgrenzung vom

95 Anders etwa Knauer, Kollegialentscheidungen, S. 193 ff., 198 f., der auf ein subjektives Element bei der fahrlässigen Mittäterschaft verzichtet, was er daraus folgert, dass der Tatbestand beim Fahrlässigkeitsdelikt allein durch die Lehre von der objektiven Zurechnung ausgefüllt werde; kritisch dazu Kraatz, Fahrlässige Mittäterschaft, S. 120 f. 96 Otto, GK, § 21 Rn. 117; ders., Jura 1990, 47, 49; ders., Jura 1998, 408, 412; kritisch zu Ottos Ansatz Kamm, Fahrlässige Mittäterschaft, S. 134 ff.; Kraatz, Fahrlässige Mittäterschaft, S. 130 ff.; Renzikowski, Täterbegriff, S. 290 f.; v. Weezel, Beteiligung, S. 159 f.; Weißer, Kollegialentscheidungen, S. 153 f. 97 Roxin, AT/II, § 25 Rn. 242; s. a. LK12-Schünemann, § 25 Rn. 217. 98 Vgl. Kamm, Fahrlässige Mittäterschaft, S. 134, 136; ebenfalls ablehnend wegen des Bezugs zur Risikoerhöhungslehre v. Weezel, Beteiligung, S. 160; Weißer, Kollegialentscheidungen, S. 153 f. 99 Vgl. Kamm, Fahrlässige Mittäterschaft, S. 136 f.; Kraatz, Fahrlässige Mittäterschaft, S. 132.

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bloßen (wenn auch bewussten) Ineinandergreifen unterschiedlicher Sorgfaltspflichtverletzungen. b) Modell nach Renzikowski Zunächst fordert Renzikowski100 ein gemeinsames Handlungsprojekt, durch das alle Beteiligten zu gleichberechtigten Partnern würden. Ein solches werde beispielsweise im Lederspray-Fall durch die Herstellung und den Vertrieb des Produkts begründet. Objektiv müssten eine gemeinschaftliche Gefahrbegründung – nicht aber notwendigerweise die Verletzung einer gemeinsamen Sorgfaltspflicht – und das Erbringen von nicht zwangsläufig ursächlichen, im gemeinsamen Plan vorgesehenen Tatbeiträgen gegeben sein. Auf subjektiver Ebene sei notwendig, dass die Gefährlichkeit des Gesamtprojekts für die Beteiligten erkennbar sei. Gegen diese Konzeption fällt ins Gewicht, dass gerade das Kriterium des gemeinsamen Handlungsprojekts relativ konturlos ist. Bei entsprechender Argumentation lässt sich hierunter vieles fassen. Insbesondere verwundert der Verzicht darauf, dass jeder der Beteiligten eine gemeinsame i. S. v. gleichgerichtete Sorgfaltspflicht verletzen muss. Diese stellt den gemeinsamen Bezug zum Fahrlässigkeitstatbestand her. c) Modell nach Weißer Demgegenüber schränkt Weißer101 die Möglichkeit einer fahrlässigen Mittäterschaft durch ihre Begründung weiter ein. Notwendig sei objektiv, dass alle Beteiligten die gleiche Sorgfaltspflicht treffe und gerade diese verletzt werde. Subjektiv erforderlich sei das Bewusstsein gemeinsamen Handelns bzw. Unterlassens sowie das Bewusstsein gleicher Sorgfaltspflicht der Täter. Unterstützt wird diese Ansicht von Pfeiffer102, der weiter einschränkt: Subjektiv müsse ein gemeinsamer „Tatentschluss“ zwischen den Tätern vorliegen. Gegenstand eines solchen gefährlichen Handlungsprojekts müssten die Umstände, die den Sorgfaltspflichtverstoß ausmachen, sein.

100 Renzikowski, Täterbegriff, S. 288 f.; für ein gemeinsames Handlungsprojekt auch Küpper, GA 1998, 519, 527. Kritisch dazu Kraatz, Fahrlässige Mittäterschaft, S. 125 ff.; v. Weezel, Beteiligung, S. 167 f. 101 Weißer, JZ 1998, 230, 236 f.; dies., Kollegialentscheidungen, S. 147, 156; kritisch zu ihrem Konzept C. Becker, Gemeinschaftliches Begehen, S. 178 f.; Haas, Tatherrschaft, S. 142 f.; Kamm, Fahrlässige Mittäterschaft, S. 135 Fn. 229; S.-R. Kim, Analyse, S. 162 ff.; Kraatz, Fahrlässige Mittäterschaft, S. 135 f.; Renzikowski, Täterbegriff, S. 284 Fn. 95 (zu eng); v. Weezel, Beteiligung, S. 169 f. 102 Pfeiffer, Jura 2004, 519, 525; ebenfalls tendenziell für eine gemeinsame Sorgfaltspflicht Greco, ZIS 2011, 674, 688.

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d) Modell nach Kamm Eine der strengsten Auffassungen unter den Vertretern der fahrlässigen Mittäterschaft vertritt Kamm103. Nach ihrem Konzept muss eine objektive Notwendigkeit des Zusammenwirkens der Beteiligten bestehen, einer der Beteiligten darf den Erfolg nicht allein herbeiführen können. Daneben sei subjektiv ein Bewusstsein bezüglich dieser wechselseitigen Abhängigkeit nötig. Außerdem müsse der Sorgfaltspflichtverstoß unabdingbar für eine erfolgreiche Tatbegehung sein. Neben den (wie bei allen subjektiven Elementen) auftretenden Beweisproblemen bezüglich des Bewusstseins der wechselseitigen Abhängigkeit ist aber Folgendes zu bedenken: Die Ansicht von Kamm schränkt den Anwendungsbereich der fahrlässigen Mittäterschaft sehr weit ein. Von einem notwendigen Zusammenwirken wird man in den seltensten Fällen sprechen können. So wäre etwa im Fall der „rollenden Steine“ nach Kamms Auffassung die Anwendung des § 25 II StGB nicht möglich. Hierdurch verliert die Figur einen ihrer wesentlichen Vorzüge. Sie ist nicht mehr geeignet, eine nennenswerte Anzahl verschiedener Fälle zu lösen. Von den diskutierten Fällen läge nach dieser Meinung wohl nur im Lederspray-Fall eine fahrlässige Mittäterschaft vor. 4. Bewertung und Ausblick Die Aufgabe, die sich bei der dogmatischen Konstruktion der Voraussetzungen einer fahrlässigen Mittäterschaft stellt, ist es, die Balance zwischen zulässiger Zurechnungsausdehnung und notwendiger Strafbarkeitsbegrenzung zu halten. Dabei entspricht es dem Präzisierungsgebot allein, klare Kriterien der Rechtsfigur zu schaffen, um diese – auch praktisch – handhabbar zu machen. Zudem müssen die besonderen Wesensmerkmale des Fahrlässigkeitsdelikts und der Figur der Mittäterschaft berücksichtigt werden. Alle vorgestellten Modelle tragen zur Lösung der Frage bei. So kann man Otto zustimmen, dass in der Gefahrerhöhung durch die gemeinsame Sorgfaltspflichtverletzung ein Grund für die Zulässigkeit einer Zurechnungsausdehnung gem. § 25 II StGB liegt. Ferner ist mit Renzikowski jenes subjektive Moment im Hinblick auf die gemeinsame Sorgfaltspflichtverletzung als geistiges Band zwischen den Tätern zu fordern. Allerdings berücksichtigen die von Renzikowski und Otto vertretenen Ansichten nicht ausreichend, dass man von einer gemeinschaftlichen Begehung desselben Fahrlässigkeitsdelikts nur sprechen kann, wenn alle Beteiligten der gleichen Sorgfaltspflicht unterliegen104. Andernfalls liegen unterschiedliche Taten vor. Kamm ist in ihrem Streben nach klaren Konturen und einer Begrenzung der Rechtsfigur zu folgen; hin103 Kamm, Fahrlässige Mittäterschaft, S. 192 ff., 209; kritisch zu Kamms Konzept Bloy, GA 2000, 392, 394 f.; Haas, Tatherrschaft, S. 143; S.-R. Kim, Analyse, S. 170 ff.; Knauer, Kollegialentscheidungen, S. 196 ff.; Kraatz, Fahrlässige Mittäterschaft, S. 134 f.; Schaal, Verantwortung, S. 227 Fn. 244; v. Weezel, Beteiligung, S. 147 ff. 104 Weißer, JZ 1998, 230, 236.

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gegen würde die von ihr vorgeschlagene Restriktion die Rechtsfigur erneut dem Vorwurf aussetzen, überflüssig zu sein. Dagegen hat das von Weißer vorgeschlagene Modell den Vorzug, dass es den Ansatzpunkt für eine ausreichende Einschränkung der fahrlässigen Mittäterschaft bietet, dieser aber noch einen ausreichenden Anwendungsbereich lässt. Namentlich das postulierte Erfordernis der objektiv gleichen respektive gleichgerichteten Sorgfaltspflicht der Täter überzeugt. Nur in diesem Fall kann eine „gemeinschaftliche“ Verletzung der Sorgfaltspflicht vorliegen; der gemeinsame Bezug zum jeweiligen Tatbestand, der bei der vorsätzlichen Mittäterschaft durch den Tatplan begründet wird, kann so ausreichend hergestellt werden. Darüber hinaus muss die Abgrenzung von einem bloß objektiv gemeinsamen Handeln von Nebentätern gewährleistet werden. Diese kann durch das Bewusstsein eines gemeinsamen Handelns bzw. Unterlassens sowie das Bewusstsein der gleichen Sorgfaltspflicht der Täter erreicht werden. Darüber hinaus wird man auch ein voluntatives Element verlangen müssen. Für ein „solidarisches Miteinander“ 105 der Täter, das neben der Gefahrerhöhung den zentralen Grund für die Zurechnungsausdehnung bietet, muss ein gemeinsamer, durch – wenigstens konkludente – Kommunikation geschaffener Entschluss in Bezug auf das gemeinschaftliche sorgfaltswidrige Handeln vorliegen. Somit bedarf es für eine Zurechnung nach § 25 II StGB beim Fahrlässigkeitsdelikt m. E. nach folgender Voraussetzungen: Objektiv erforderlich ist das Vorliegen einer jeweils gleichgerichteten Sorgfaltspflicht aller Beteiligten und einer Verletzung derselben; kognitiv bedarf es des Bewusstseins des gemeinsamen Handelns (bzw. Unterlassens) und der gleichgerichteten Sorgfaltspflicht; voluntativ muss der Entschluss hinsichtlich der Umstände, die die Sorgfaltspflichtverletzung ausmachen, gegeben sein. Naturgemäß sind die Erwägungen, die im vorliegenden Rahmen angebracht werden, allenfalls Ergänzungen zu den vorliegenden umfangreichen Vorarbeiten. Eine weitergehende Bestimmung des Analogons zum Tatplan durch die Lehre ist nach wie vor notwendig, da es sich bei den bislang vertretenen Modellen lediglich um erste Ansätze handelt. Auch hat sich die Rechtsprechung bislang nie eingehend dem Thema zugewandt. Jüngst hat der BGH die Möglichkeit im Falle des Dacheinsturzes der Bad Reichenhaller Eissporthalle als obiter dictum erwähnt, jedoch erneut mangels der „begrenzende[n] Funktion der Zurechnung des Tatplans“ abgelehnt.106 Hier sind die Entwicklungen der nächsten Jahre abzuwarten. Eingedenk der zunehmenden Bedeutung der Fahrlässigkeitstat in einer modernen Industriegesellschaft mit all ihren Arbeitsteilungen107 ist es eine Notwendigkeit, 105

Pfeiffer, Jura 2004, 519, 525; s. a. HK-Ingelfinger, § 25 Rn. 57. BGH NJW 2010, 1087, 1092. 107 Vgl. Schünemann, GS Meurer, 37, 47 f.; s. a. Kraatz, Fahrlässige Mittäterschaft, S. 360; Mitsch, JuS 2001, 105, 109; Utsumi, ZStW 119 (2007), 771, 771; Weißer, JZ 1998, 230, 230. 106

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in angemessener, den Charakter des Strafrechts als ultima ratio wahrender Weise zu reagieren. Die fahrlässige Mittäterschaft bietet einen tauglichen Ansatz, dem Phänomen der Verantwortungsdiffusion gerecht zu werden. Voraussetzung für den dauerhaften Erfolg des Ansatzes ist es allerdings, dass dem aus Art. 103 II GG folgenden Gebot, § 25 II StGB in diese Richtung ausreichend zu präzisieren, genügt wird.

III. Actio libera in causa „Es scheint so, als wenn manche Autoren mangels eigenständiger Gedanken immer wieder von bekannten Streitfragen angezogen werden und sich dabei nur in hergebrachten Bahnen bewegen und alte Einwände wiederholen können . . . Ein beliebtes Objekt oft langatmiger und mehr oder minder gelehrter Ausführungen ist heute in der Strafrechtsdogmatik die actio libera in causa . . .“ 108.

Angesichts der Vielzahl von Beiträgen, die es im strafrechtlichen Schrifttum zur actio libera in causa (im Folgenden auch: alic) gibt, steht jeder weitere zu diesem Thema unter einem gewissen Verdacht, dem genannten Vorwurf Spendels ausgesetzt zu sein. Gleichwohl soll diese Gefahr in Kauf genommen werden. Bei kaum einem Thema des Allgemeinen Teils spitzt sich die Frage der Vereinbarkeit mit dem Nullum-crimen-Satz derart zu wie bei dem, wenn es zu beurteilen steht, ob derjenige, der sich vorsätzlich in einen an sich schuldausschließenden Zustand i. S. d. § 20 StGB versetzt hat und dann wie geplant oder vorhergesehen ein Vorsatzdelikt begeht, tatsächlich aus dem Vorsatzdelikt109 bestraft werden kann – oder doch „nur“ aus § 323a StGB. Der verfassungskonforme Regelungszustand des gesetzlichen AT, die nahezu allenthalben angenommene gesteigerte Strafwürdigkeit110 der genannten Situationen sowie der unabhängig davon entwickelte AT im konstruktiven Sinn bilden zusammen eine Gemengelage, die die alic zur 108 Spendel, FS Hirsch, 379, 379; vgl. auch Zenker, Actio libera in causa, S. 22 (nicht sinnvoll, die Bibliotheken durch die Wiedergabe des bereits Geschriebenen zu füllen). 109 Die Problematik, inwieweit die Grundsätze der alic auch beim Fahrlässigkeitsdelikt von Bedeutung sind, soll hier beiseite gelassen werden; dazu etwa Hettinger, GA 1989, 1 ff.; Sternberg-Lieben, GS Schlüchter, 217 ff. 110 Charakteristisch Deiters, in: Alkohol und Schuldfähigkeit, 121, 121 f.; Frister, AT, Kap. 18 Rn. 17; Hirsch, FS Nishihara, 88, 89 (Straflosigkeit befürwortet niemand, § 323a StGB keine hinreichende Lösung); LK11-Jähnke, § 20 Rn. 76 (es kann nicht rechtens sein, nur aus § 323a StGB zu strafen, s. a. LK12-Schöch, § 20 Rn. 194); Krey/ Esser, AT5, § 21 Rn. 704, 708 (drohende unerträgliche Ergebnisse); Kühl, AT, § 11 Rn. 18 (§ 323a StGB wird der Sache nicht gerecht); Kuhn-Päbst, Problematik, S. 30 (Straflosigkeit kriminalpolitisch unhaltbar); Neumann, ZStW 99 (1987), 567, 575 (man scheut zu Recht die Konsequenz von § 20 StGB); Rengier, AT, § 25 Rn. 1 (unbefriedigende Rechtslage, wenn § 20 StGB greift); Matt/Renzikowski-Safferling, § 20 Rn. 77 (Straflosigkeit kaum zu vermitteln); Th. Schröder, Gesetzesumgehung, S. 72 (Besserstellung nicht ohne Weiteres mit Rechtsgefühl in Einklang zu bringen); s. a. Schönke/ Schröder29-Perron/Weißer, § 20 Rn. 35b; Rath, JuS 1995, 405, 407 (Unbehagen bei Straflosigkeit); Rönnau, JA 1997, 707, 707; zweifelnd zum Strafbedürfnis dagegen HKVerrel/Linke, § 20 Rn. 23.

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„Gretchenfrage“ bei der Geltung des Gesetzlichkeitsprinzips im Allgemeinen Teil werden lässt. Aus diesen Gründen kann in einer Arbeit, die sich mit dem Problem ebenjener Geltung befasst, an der alic nicht ohne einige – notwendigerweise auf die sich hier stellenden Problempunkte reduzierte – Erwägungen vorbeigegangen werden. 1. Actio libera in causa und Art. 103 II GG An scharfsinnigen Vorschlägen zum AT im konstruktiven Sinne hat es, was die actio libera in causa anbelangt, in den seit Hruschkas wegweisendem Aufsatz111 vergangenen 45 Jahren nicht gemangelt. Weniger Beachtung hat lange Zeit der vorrangig zu klärende Gesichtspunkt gefunden, ob der Gesetzgeber die alic ausreichend im Gesetz vorgesehen hat. Hätte er das, so sollte man eigentlich meinen, dass sich nach mehreren Jahrzehnten der „Suche“ inzwischen eines der vertretenen Modelle als gangbar herausgestellt hätte. Ein bloßer Blick in die gängigen Kommentare zeigt indes, dass sich die verschiedenen Positionen nach wie vor unversöhnlich gegenüberstehen und „sich wechselseitig mit dem vernichtendsten Etikett, das im wissenschaftlichen Diskurs denkbar ist, belegen – nämlich dem, daß die je andere Position ,unvertretbar‘ sei . . .“ 112. Durch die im Gegenspiel der Argumente vorgebrachte Kritik ist unterdessen die Situation eingetreten, dass jedem der Modelle gewichtige Einwände entgegengehalten werden können. Im Vorliegenden sind naturgemäß diejenigen von Interesse, die mit Art. 103 II GG in Zusammenhang stehen oder gebracht werden können. Zugestanden wird vielfach, dass die „Grundsätze der alic“ im Gesetz nicht ausdrücklich positiviert sind.113 Dies wäre für sich genommen noch keine unüberwindliche Hürde, wenn sich die Grundsätze der alic aus den – weiten – Regelungen des AT ableiten und in das System des AT im konstruktiven Sinne einfügen ließen. Gerade dies wird bekanntlich bestritten. Zwar hält die überwiegende Meinung – immerhin im Ergebnis ist man sich einig – daran fest, dass der Täter in den meisten der genannten Fällen114 bereits de lege lata verfassungskonform wegen vorsätzlicher Begehung der Tat und nicht nur wegen § 323a StGB gestraft werden kann.115 Die 111 Hruschka, JuS 1968, 554 ff. Vgl. dazu die Einordnung bei Hettinger, Actio libera in causa, S. 357: „Wendepunkt“. 112 Paeffgen, in: Alkohol, Strafrecht und Kriminalität, 49, 53. 113 Geppert, JK 97, StGB § 20/2 Probleme 1 b (nicht spezialgesetzlich verankert); Otto, Jura 1986, 426, 426; Safferling, Vorsatz und Schuld, S. 244; Satzger, Jura 2006, 513, 520 (ungeschriebenes Rechtsinstitut); LK12-Schöch, § 20 Rn. 195. 114 Der Anwendungsbereich der alic variiert freilich je nach dem vertretenen Modell, die eigenhändigen Delikte etwa kann die Variante des Tatbestandsmodells, die sich auf § 25 I Alt. 2 StGB stützt, nicht erfassen, das Ausnahmemodell hingegen vermag dies. 115 U.a.: BGH NStZ 2000, 584, 585; Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 19 Rn. 32 ff.; Deiters, in: Alkohol und Schuldfähigkeit, 121, 137; Dold, GA 2008, 427, 430; Eschenbach, Jura 1992, 637, 640; Fischer, StGB, § 20 Rn. 55; Frister, AT, Kap. 18 Rn. 18 ff.; Heinrich, AT, Rn. 603; Herzberg, FS Spendel, 203, 207 ff., 216 f.; Hirsch, NStZ 1997,

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Zahl derjenigen, die eine Bestrafung des Täters aus der Vorsatztat in den oben genannten Fällen für verfassungswidrig halten, wächst116 und im Gegensatz zu früher ist man kein Exot mehr, wenn man die Grundsätze der alic bestenfalls de lege ferenda für anwendbar hält. a) Ausnahmemodell Dem heftigsten Widerstand sieht sich das sog. Ausnahmemodell ausgesetzt. Nach diesem Lösungsansatz ist in den einschlägigen Alic-Fällen eine offene Ausnahme von § 20 StGB und damit vom Koinzidenzprinzip – u. a. gestützt auf den Gedanken des Rechtsmissbrauchs – angebracht, was es ermöglicht, direkt an die Rauschtat (actio) anzuknüpfen.117 Jene Offenheit der Lösung bringt dem Aus230, 232; ders., FS Nishihara, 88, 95 ff., 104; ders., FS Geppert, 233, 236 ff., 242; Hruschka, JuS 1968, 554, 558 f. (zweifelnd aber bereits ders., JZ 1989, 310, 312; gegen die Gangbarkeit de lege lata dann ders., JZ 1996, 64, 68; ders., JZ 1997, 22, 24); Jäger, AT, Rn. 177; LK11-Jähnke, § 20 Rn. 78; ders., FS BGH, 393, 403 ff.; Jakobs, AT, Ab. 17 Rn. 64 ff.; ders., FS Nishihara, 105, 117 ff.; ders., System, S. 68; Jerouschek, JuS 1997, 385, 388 f.; ders., FS Hirsch, 242, 257 f.; Jescheck/Weigend, AT, § 40 VI 1; Krause, Jura 1980, 169, 172; Krey/Esser, AT5, § 21 Rn. 708 ff.; Kühl, AT, § 11 Rn. 18; Kuhn-Päbst, Problematik, S. 129 ff.; Schönke/Schröder25-Lenckner, § 20 Rn. 35; Otto, Jura 1986, 426, 430 f.; ders., Jura 1999, 217, 217 f.; ders., FS Frisch, 589, 598 f., 607 ff.; Puppe, JuS 1980, 346, 347 ff.; Rengier, AT, § 25 Rn. 15; Roxin, FS Lackner, 307, 311 ff.; ders., AT/I, § 20 Rn. 59 ff., 72; SK8-Rudolphi, § 20 Rn. 28d f.; BK-GGRüping, Art. 103 II Rn. 53; Matt/Renzikowski-Safferling, § 20 Rn. 79; ders., Vorsatz und Schuld, S. 244 ff.; Satzger, Jura 2006, 513, 515; NK4-Schild, § 20 Rn. 112; Schlüchter, FS Hirsch, 345, 354 ff.; Spendel, FS Hirsch, 379, 381 ff., 390; MK-Streng, § 20 Rn. 128 ff.; ders., ZStW 101 (1989), 273, 310 ff.; ders., JZ 2000, 20, 22 f.; ders., in: Alkohol, Strafrecht und Kriminalität, 69, 77 ff.; ders., in: Gesetzlichkeit und Strafrecht, 179, 184 ff.; Wessels/Beulke/Satzger, AT43, Rn. 415; wohl auch Gropp, AT, § 7 Rn. 52, 58; Neumann, FS Arth. Kaufmann, 581, 590 f.; LK12-Schöch, § 20 Rn. 198; Th. Schröder, Gesetzesumgehung, S. 392. 116 Grundlegend Hettinger, Actio libera in causa, S. 449, 459 (s. a. ders., FS Geerds, 623, 654); Paeffgen, ZStW 97 (1985), 513, 516 ff. (s. a. NK4-Paeffgen, Vor § 323a Rn. 29, 66; dens., in: Alkohol, Strafrecht und Kriminalität, 49, 54); ferner Ambos, NJW 1997, 2296, 2297 f.; Baier, GA 1999, 272, 283; Bott/Krell, ZJS 2010, 694, 697; Bringewat, Grundbegriffe, Rn. 514 f.; AnwK-Conen, § 20 Rn. 100 ff.; Satzger/Schluckebier/ Widmaier-Kaspar, § 20 Rn. 102 ff.; ders., Jura 2007, 69, 71; Köhler, AT, S. 397; Kunz, JuS 1996, 39, 40; Rasmussen, Möglichkeit, S. 46 f.; Rath, JuS 1995, 405, 411 f.; Reineke, Trunkenheit, S. 149; Salger/Mutzbauer, NStZ 1993, 561, 565; Schweinberger, JuS 2006, 507, 511; Stühler, Actio libera in causa, S. 112; Übler, Neue Entwicklungen, S. 188, 212; Zenker, Actio libera in causa, S. 198; Zieschang, AT, Rn. 339; wohl auch Brodowski, JuS 2012, 892, 893; BeckOK StGB-Eschelbach, § 20 Rn. 71 ff.; Kindhäuser, AT, § 23 Rn. 20 f. (anders noch ders., Gefährdung, S. 126 ff.); Mitsch, FS Küper, 347, 360 f. (nur fahrlässige Täterschaft; dazu Sternberg-Lieben, GS Schlüchter, 217, 218 f.); Schönke/Schröder29-Perron/Weißer, § 20 Rn. 35b; Rönnau, JA 1997, 707, 714, 716; ders., JuS 2010, 300, 301; MK-Schmitz, § 1 Rn. 14; früher schon (zum Teil) Horn, GA 1969, 289, 305 f. 117 Vgl. die Vertreter in Kap. D. III. 4. a) Fn. 339, 342; darüber hinaus LK11-Jähnke, § 20 Rn. 78; Jescheck bei Dietmeier, ZStW 110 (1998), 393, 401; Jescheck/Weigend, AT, § 40 VI 1; Krey/Esser, AT5, § 21 Rn. 710; Kühl, AT, § 11 Rn. 10, 18 (trotz verfas-

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nahmemodell des Öfteren das Attribut ein, das „ehrlichste“ 118 der angebotenen Modelle zur Begründung der Strafbarkeit aus dem Vorsatzdelikt zu sein. Anders gewendet scheint es zugleich der am deutlichsten mit der Verfassung in Konflikt geratende Ansatz zu sein: Die Phalanx der Gegner dieses Modells hält ihm nahezu einmütig einen Verstoß gegen Art. 103 II GG entgegen.119 Nun muss man sich, die Mahnung Hruschkas120 berücksichtigend, davor hüten, ohne Weiteres von der Verfassungswidrigkeit des Ausnahmemodells an sich zu sprechen. Es ist zu unterscheiden zwischen seiner Anwendbarkeit de lege lata, der nach seinen Grundsätzen erfolgenden Bestrafung eines Täters, sowie seiner Gangbarkeit de lege ferenda, die dem Gesetzgeber künftig eine Lösungsmöglichkeit an die Hand geben könnte. An dieser Stelle soll lediglich Ersteres untersucht und zu Letzterem nichts präjudiziert121 werden. Nur die Anwendbarkeit des Aussungsrechtlicher Bedenken); Lackner/Kühl, § 20 Rn. 25; Schönke/Schröder25-Lenckner, § 20 Rn. 35; Wessels/Beulke/Satzger, AT43, Rn. 415; wohl auch Tiedemann, Anfängerübung, S. 141. 118 Kühl, AT, § 11 Rn. 18; Matt/Renzikowski-Safferling, § 20 Rn. 78; Stühler, Actio libera in causa, S. 100; s. a. Hettinger, FS Geerds, 623, 635 f. (ehrlich, aber nicht akzeptabel); Th. Schröder, Gesetzesumgehung, S. 88. Streng, JZ 2000, 20, 25; ders., in: Alkohol, Strafrecht und Kriminalität, 69, 89; ders., in: Gesetzlichkeit und Strafrecht, 179, 184 ff., nennt das Ausnahmemodell gar den „mutigsten“ Ansatz. 119 s. nur die Stimmen in Kap. D. III. 4. a) Fn. 340; ferner Baier, GA 1999, 272, 282; BeckOK StGB-Eschelbach, § 20 Rn. 71.3; Frister, AT, Kap. 18 Rn. 18; Haft, AT, E IV 2 c ee; Heinrich, AT, Rn. 606; Hilgendorf/Valerius, AT, § 6 Rn. 17; Jäger, AT, Rn. 177; Kaspar, Jura 2007, 69, 71 (klarer Wortlaut); Kuhn-Päbst, Problematik, S. 78 ff., 85 f.; Landgraf, Schuldfähigkeit, S. 39 f.; Murmann, GK, § 26 Rn. 29; Schönke/Schröder29Perron/Weißer, § 20 Rn. 35a; Rasmussen, Möglichkeit, S. 39 ff., 42; Rath, JuS 1995, 405, 410 f.; Reineke, Trunkenheit, S. 137 ff.; Rengier, AT, § 25 Rn. 9; Rönnau, JA 1997, 707, 713; ders., JuS 2010, 300, 301; Matt/Renzikowski-Safferling, § 20 Rn. 78; Salger/Mutzbauer, NStZ 1993, 561, 565 (eindeutiger Wortlaut); Satzger, Jura 2006, 513, 515; Schlüchter, FS Hirsch, 345, 346; LK12-Schöch, § 20 Rn. 199; Th. Schröder, Gesetzesumgehung, S. 359 f.; Schweinberger, JuS 2006, 507, 511; Stühler, Actio libera in causa, S. 101 ff., 111; Übler, Neue Entwicklungen, S. 63 ff., 65, 166 ff.; Zieschang, AT, Rn. 339; in diese Richtung auch Deiters, in: Alkohol und Schuldfähigkeit, 121, 124, 137; Horn, GA 1969, 289, 290 (Entscheidung gegen gesetzlich angeordnete Voraussetzung der Bestrafung); Krause, Jura 1980, 169, 172; Neumann, FS Arth. Kaufmann, 581, 590; Puppe, JuS 1980, 346, 347; SK8-Rudolphi, § 20 Rn. 28b (verblüffend einfach, widerspricht aber dem geltenden Recht); HK-Verrel/Linke, § 20 Rn. 23; Zenker, Actio libera in causa, S. 24 f. Auch einer der maßgeblichen Promotoren des Ausnahmemodells, Hruschka, hält seine Anwendung de lege lata inzwischen nicht mehr für verfassungsgemäß, Hruschka, JZ 1996, 64, 68; ders., JZ 1997, 22, 24. Mancher empfindet diese wiederkehrende Argumentation mit Art. 103 II GG als „steril“ (Herzberg, FS Spendel, 203, 229); indessen ist dies der gewichtigste Einwand, der einer Interpretation des Gesetzes im Strafrecht entgegengehalten werden kann, „rechtsformentheoretisch hat er mehr Belang als alles Wertfühlen“, so treffend NK4-Paeffgen, Vor § 323a Rn. 25. 120 Hruschka, JZ 1996, 64, 67. 121 Eine „inhaltliche“ Auseinandersetzung mit dem Ausnahmemodell findet sich bei Deiters, in: Alkohol und Schuldfähigkeit, 121, 138 f.; Herzberg, FS Spendel, 203, 229 ff., 234 f.; Hirsch, NStZ 1997, 230, 230; ders., FS Nishihara, 88, 91 ff.; ders., FS Geppert, 233, 234 f.; Jakobs, AT, Ab. 17 Rn. 65 Fn. 118; ders., FS Nishihara, 105,

III. Actio libera in causa

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nahmemodells angesichts der momentanen Regelungslage ist hier von Belang, nicht dagegen seine ihm zugrunde liegenden Prämissen. Zwischen den verschiedenen Vertretern, die unter diesem Schlagwort zusammengefasst werden, unterscheiden sich freilich nicht allein die Grundlagen für die Zulässigkeit einer Ausnahme vom Koinzidenzprinzip, sondern auch die rechtstechnischen Herbeiführungen einer solchen. aa) Teleologische Reduktion von § 20 StGB Naheliegend scheint es, eine Ausnahme von § 20 StGB durch eine teleologische Reduktion der Norm zu erreichen.122 Denn an sich liegt, aus Sicht der Vertreter des Ausnahmemodells, die klassische Situation vor, in der jene Art der Rechtsfortbildung am Platze erscheint. Der Wortlaut des Gesetzes (§ 20 StGB) ist zu weit geraten und erfasst, weil er anders als §§ 17 S. 2, 35 I 2 StGB keine Ausnahmeklausel enthält, Fälle, die er dem Sinn nach nicht erfassen sollte. Mit der – was dies betrifft tatsächlich ehrlichen – Bezeichnung als teleologische Reduktion ist das Urteil über den Ansatz jedoch bereits gefällt. Eine solche ist durch das Analogieverbot untersagt. Wie gesehen ist die teleologische Reduktion in ihrer Wirkung für den Täter keinen Deut anders als die Analogie und gleichsam deren umgekehrter Fall: Der Anwendungsbereich einer begünstigenden Norm wird zu Lasten des Täters unter Berufung auf die ratio legis nicht über-, sondern unterschritten. Genauer: Während bei der Analogie aus semantischer Sicht negative Kandidaten in den Anwendungsbereich der täterbelastenden Norm einbezogen werden, schließt man bei der teleologischen Reduktion positive Kandidaten aus dem Anwendungsbereich der täterbegünstigenden Norm aus.123 Von einem solchen positiven Kandidaten scheint man bei § 20 StGB aber auszugehen, wenn man ernstlich glaubt, einer teleologischen Reduktion zur Begründung der Ausnahme zu bedürfen. Ohne weitergehende Argumentation ist in den genannten Situationen ein positiver Kandidat von § 20 StGB anzunehmen, da dieser Norm eine den §§ 17 S. 2, 35 I 2 StGB entsprechende Klausel gerade fehlt124. 108 ff.; Köhler, AT, S. 396; Puppe, JuS 1980, 346, 347; Rönnau, JA 1997, 707, 713; Roxin, AT/I, § 20 Rn. 58; Zenker, Actio libera in causa, S. 26 ff.; zu den verschiedenen Varianten NK4-Paeffgen, Vor § 323a Rn. 15 ff., 21 ff. Verteidigt wird das Ausnahmemodell u. a. von Hruschka, JZ 1989, 310, 313 ff.; ders., JZ 1996, 64, 68; Jerouschek, FS Hirsch, 242, 256 f. 122 Hruschka, JuS 1968, 554, 558; Schönke/Schröder25-Lenckner, § 20 Rn. 35. 123 Etwas ungenau sind die Ausführungen zur teleologischen Reduktion bei Stühler, Actio libera in causa, S. 104 ff., sowie bei Übler, Neue Entwicklungen, S. 167 f.: So hält Stühler mangels ausreichender Abgrenzung der teleologischen Reduktion von der restriktiven Auslegung auch die erstgenannte mit Art. 103 II GG für vereinbar (a. a. O., S. 105). Exakter dagegen Kuhn-Päbst, Problematik, S. 81 f. 124 NK4-Paeffgen, Vor § 323a Rn. 25; ders., ZStW 97 (1985), 513, 522 f.; Rasmussen, Möglichkeit, S. 40 f.; Rönnau, JA 1997, 707, 713; ders., JuS 2010, 300, 301; Salger/Mutzbauer, NStZ 1993, 561, 565; Stühler, Actio libera in causa, S. 101; Zenker, Actio libera in causa, S. 24; s. a. Hruschka, JZ 1996, 64, 68; ders., JZ 1997, 22, 24.

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F. Die Wirkungsweise von Art. 103 II GG im AT

Der Widerspruch mit Art. 103 II GG ist unlösbar. Kein Wort ist darüber hinaus zu der Erwägung nötig, das Analogieverbot gelte im AT nicht oder nur eingeschränkt; dies wurde zuvor ausführlich erörtert, sodass lediglich in Erinnerung zu rufen ist, dass für eine solche Bereichsausnahme, soweit der AT einmal wirksame semantische Grenzen zieht, keine plausiblen Gründe ersichtlich sind (s. o. Kap. C., Kap. D. I. 3., Kap. E. III. 2.). bb) Gewohnheitsrecht, Richterrecht Ergänzend wird mitunter von Anhängern des Ausnahmemodells behauptet, es handele sich bei der gemachten Ausnahme von § 20 StGB immerhin um Gewohnheitsrecht.125 Indessen steht einem solchen, soll ihm strafbegründende Wirkung zukommen, Art. 103 II GG ebenso – auch im AT – entgegen. Vielmehr zeigt sich mit diesem Begründungsversuch erneut der Wert eines vom Analogieverbot autonomen Gewohnheitsrechtsverbots. Es verhindert, dass eine bloße Vielzahl von Verstößen gegen das Analogieverbot (hier in Form der teleologischen Reduktion) als insgesamt legitimierend angesehen werden kann. Die Dauer und die fehlende Beanstandung einer praktizierten verfassungswidrigen Rechtsanwendung müssen unbeachtlich sein. Für vorkonstitutionelles Gewohnheitsrecht gilt dasselbe [s. o. Kap. A. III. 2., Kap. C. II. 1. b)], weil dieses sich gemäß Art. 123 I GG gleichfalls dem durch das Grundgesetz zur Verfassungsnorm erhobenen Gesetzlichkeitsprinzip beugen muss.126 Im Übrigen ist die Annahme von Gewohnheitsrecht, was das Ausnahmemodell angeht, durchaus kühn. In der Lehre herrscht keine Einigkeit über die Begründung der alic,127 zumal die für die Ausbildung von Gewohnheitsrecht im Strafrecht alleine maßgebliche Rechtsprechung der Bundesrepublik das Ausnahmemodell nie vertreten hat.128 125 Hruschka, JuS 1968, 554, 559; Jescheck bei Dietmeier, ZStW 110 (1998), 393, 401; Jescheck/Weigend, AT, § 40 VI 1; Schönke/Schröder25-Lenckner, § 20 Rn. 35. Ebenfalls auf eine gewohnheitsrechtliche Legitimation stellen bei der alic Fischer, StGB, § 20 Rn. 55, und BK-GG-Rüping, Art. 103 II Rn. 53, ab, ohne dies ausdrücklich auf eines der in Rede stehenden Modelle zu beziehen. 126 NK4-Paeffgen, Vor § 323a Rn. 25; a. A. offenbar Stühler, Actio libera in causa, S. 103 f. 127 Hettinger, Actio libera in causa, S. 448; ders., GA 1989, 1, 18; Kuhn-Päbst, Problematik, S. 79; NK4-Paeffgen, Vor § 323a Rn. 27 (keine communis opinio); Rasmussen, Möglichkeit, S. 40; Reineke, Trunkenheit, S. 136; Rönnau, JA 1997, 707, 713; ders., JuS 2010, 300, 301; Schiemann, Schuldfähigkeitsfeststellungen, S. 26; MK-Schmitz, § 1 Rn. 25; Th. Schröder, Gesetzesumgehung, S. 357; Übler, Neue Entwicklungen, S. 66; zweifelnd auch Krause, Jura 1980, 169, 172; Salger/Mutzbauer, NStZ 1993, 561, 565. Fischer, StGB, § 20 Rn. 55, führt ins Feld, immerhin über das Ergebnis bestehe eine derart große Einigkeit, dass die gewohnheitsrechtliche Legitimation keinen durchgreifenden Bedenken begegne. Es steht aber doch stark zu bezweifeln, ob eine bloße Einigkeit über das Ergebnis, die sich aus Strafwürdigkeitserwägungen speist, in Anbetracht des grundlegenden Dissenses in der Begründung überhaupt einen Wert hat und in der Lage ist, die Grundlage für die opinio iuris zu bieten (vgl. Paeffgen, in: Alkohol, Strafrecht und Kriminalität, 49, 53 f.).

III. Actio libera in causa

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Einen ähnlichen, aber im Detail abweichenden Begründungsversuch hat Jähnke vorgebracht. Er will die alic als richterrechtliche Ausnahme vom Koinzidenzprinzip und damit von § 20 StGB begreifen.129 Nur: Warum soll Richterrecht § 20 StGB zumindest teilweise aufheben können, praeter legem wirken? Jähnke selbst nimmt offensichtlich an, dass das von ihm als solches bezeichnete Richterrecht im Rang der Rechtsquellenlehre unter dem Gewohnheitsrecht steht und zu diesem ein aliud ist.130 Wie aber soll eine Rechtsquelle eine gesetzliche Norm in Teilen derogieren dürfen, wenn dies schon der höherrangigen Rechtsquelle qua Verfassung versagt ist? Die Rechtsprechung hat dazu in malam partem schlechterdings keine Befugnis, wenn eine klare Norm entgegensteht; sie darf sich nur innerhalb der Norm bewegen und innerhalb dieser Richterrecht ausbilden, was bei der Konstruktion einer Ausnahme von § 20 StGB gerade nicht der Fall ist.131 Zu Jähnkes jüngerem Argumentationsansatz, den Anwendungsbereich von Art. 103 II GG von Fall zu Fall im Wege der teleologischen Auslegung zu bestimmen und die alic i. E. vom Gesetzlichkeitsprinzip zu dispensieren, wurde bereits ausführlich Stellung bezogen (Kap. C. I. 3.). Aus den dort gegebenen Gründen vermag auch er nicht zu überzeugen. cc) Auslegung Der Konflikt mit Art. 103 II GG ließe sich natürlich vermeiden, wenn es möglich wäre, eine Ausnahme vom Koinzidenzprinzip im Wege der Rechtsanwendung secundum legem in § 20 StGB hineinzulesen. Vereinzelt propagieren Anhänger des Ausnahmemodells, dass es sich um einen schlichten Fall der restriktiven Auslegung handele.132 Sofern diese These einmal begründet wird, verweist man auf den telos der Norm sowie auf den Willen des Gesetzgebers des 2. Strafrechtsreformgesetzes von 1969, der an der alic habe festhalten wollen.133 Den entscheidenden Schritt unterlässt man mit dieser Begründung allerdings. Es wäre darzutun, inwieweit die maßgeblichen semantischen Grenzen von § 20 StGB 128 Vgl. Roxin, FS Lackner, 307, 309; ders., AT/I, § 20 Rn. 58; s. a. Th. Schröder, Gesetzesumgehung, S. 359 f.; Stühler, Actio libera in causa, S. 104. 129 LK11-Jähnke, § 20 Rn. 78. 130 Vgl. LK11-Jähnke, § 20 Rn. 78 Fn. 148: „Weitergehend (Gewohnheitsrecht) . . .“. 131 Hettinger, Actio libera in causa, S. 447; ders., GA 1989, 1, 18 f.; ähnlich kritisch zum Richterrecht BGHSt 42, 235, 241; Neumann, StV 1997, 23, 25; Rasmussen, Möglichkeit, S. 41 f.; Rönnau, JA 1997, 707, 713; Stühler, Actio libera in causa, S. 108 f.; Übler, Neue Entwicklungen, S. 65. Zwar erwidert LK11-Jähnke, § 20 Rn. 78, es sei eine nicht begründbare Behauptung, dass der Sachverhalt für Richterrecht keinen Raum lasse; angesichts der nun einmal existierenden gesetzlichen Vorschrift hätte er aber selbst darlegen müssen, inwieweit „Richterrecht“ eingreifen kann, s. Hettinger, FS Geerds, 623, 636 f.; NK4-Paeffgen, Vor § 323a Rn. 26 (apodiktisch). 132 Vgl. die Nachweise in Kap. D. III. 4. a) Fn. 342; außerdem Krey/Esser, AT5, § 21 Rn. 709 f. 133 Krey/Esser, AT5, § 21 Rn. 709.

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F. Die Wirkungsweise von Art. 103 II GG im AT

Raum für eine solche Ausnahme im Wege restriktiver Auslegung lassen; in den virulenten Fällen müsste es sich um neutrale Kandidaten handeln, deren Zuordnung zum Wortsinn von § 20 StGB unklar ist. Dann und nur dann können Erwägungen über die ratio legis und – soweit man dies anerkennt – den „Willen des Gesetzgebers“ den Ausschlag für eine restriktive Auslegung geben – sprich, den neutralen Kandidaten nicht § 20 StGB zuzuordnen. Ohne weitere semantische Argumentation und Interpretation ist dies nicht begründbar, sondern es ist auf den ersten Blick anzunehmen, dass § 20 StGB in den Alic-Fällen eben keine Ausnahme enthält,134 diese deshalb zu den positiven Kandidaten gehören. Der Weg der restriktiven Auslegung ist im Ergebnis nichts anderes als eine verschleierte Variante der von anderen noch offen eingestandenen teleologischen Reduktion. Zuletzt bleibt von den Anhängern des Ausnahmemodells der Lösungsweg Ottos übrig: Es gehe, wie sonst im AT, nicht um Strafbegründung, sondern um die Entfaltung von Zurechnungsregeln, die der Gesetzgeber zum Teil nur andeute, aber doch voraussetze. Das Schuldprinzip werde von § 20 StGB zwar konkretisiert, jedoch keinesfalls abschließend geregelt, da der Gesetzgeber auch dort die maßgeblichen Zurechnungsregeln als Grundsätze des sozialen Verhaltens schlechthin voraussetze; einen solchen überkommenen Gedanken der Zurechnung bilde der Rechtsmissbrauch, die Zurechnung über die alic sei Ausdruck des „Schändlichkeitsgrundsatzes“.135 Bei der Betrachtung des Präzisierungsgebots wurde im Vorliegenden Otto insoweit recht gegeben, dass sich angesichts der verfassungskonformen „offenen“ Regelungslage des AT die Aufgabe der Systembildung, der Aufdeckung der Zurechnungsgrundsätze stellt (Kap. E. III. 3.). Auf diese Weise kommt der Rechtsanwender dem aus Art. 103 II GG folgenden Präzisierungsgebot nach. Dies kann indes lediglich soweit gehen, als der durch die Regelungslage notwendige Spielraum reicht. Wo der Gesetzgeber hingegen selbst eine eingehende AT-Regelung getroffen hat wie bei § 20 StGB, wo also die an134 Kritisch zur restriktiven Auslegung Landgraf, Schuldfähigkeit, S. 39; Roxin, FS Lackner, 307, 309 f. (Wortlaut ins Gegenteil verkehrende Interpretation ist keine zulässige Auslegung); s. a. Brodowski, JuS 2012, 892, 893 (unmöglich, Ausnahme in § 20 StGB hineinzulesen); Th. Schröder, Gesetzesumgehung, S. 79 f. Fn. 191, 360. Bei Jescheck/Weigend, AT, § 40 VI 2, liest man, dass die Einschränkung zwar sachlich gerechtfertigt, aber mit dem Wortlaut nur schwer zu vereinbaren sei. Dazu prägnant Roxin, FS Lackner, 307, 309: Eine solche Deutung ist mit dem Wortlaut von § 20 StGB nicht schwer, sondern überhaupt nicht zu vereinbaren. 135 Otto, Jura 1986, 426, 430 f.; ders., Jura 1999, 217, 217 f.; ders., FS Frisch, 589, 599, 607 ff. In eine ähnliche Richtung Kindhäuser, Gefährdung, S. 130 Fn. 25, der darauf verweist, dass alle Kriterien der strafrechtlichen Zurechnung gesetzlich nicht fixiert seien. Auch Neumann, FS Arth. Kaufmann, 581, 590 f. (s. a. ders., StV 1997, 23, 25), erwägt einen Rekurs auf das Rechtsmissbrauchsprinzip, wenn Art. 103 II GG so ausgelegt werden könne, dass Prinzipien ebenso als Bestandteile des positiven Rechts aufzufassen seien. Kritisch zu einem dergestalt materiell verstandenen Schuldbegriff angesichts der gesetzlichen Regelungslage Hettinger, Actio libera in causa, S. 446 f. Fn. 36; NK4-Paeffgen, Vor § 323a Rn. 28.

III. Actio libera in causa

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sonsten übliche Offenheit des AT nicht gegeben ist, kann der Rechtsanwender nicht seine eigenen Systemerwägungen an die Stelle dieser Regel setzen.136 Für die Aufdeckung der Zurechnungsregeln gilt mithin, dass diese die Grundpfeiler des gesetzlich Vorgegebenen nicht überwinden kann. Dass § 20 StGB im Hinblick auf die Alic-Fälle nicht abschließend ist und Raum für die Heranziehung eines Rechtsprinzips lässt, wird von Otto zwar postuliert, aber nicht überzeugend aufgezeigt, denn ohne eine weitere Begründung trifft § 20 StGB ohne Ausnahme gerade die in Rede stehenden Situationen. Das Schuldprinzip insgesamt mag durch § 20 StGB nicht abschließend beschrieben sein, für das Koinzidenzprinzip scheint es durchaus so. b) Tatbestandsmodell Unter dem grob zusammenfassenden Begriff des Tatbestandsmodells versammeln sich zahlreiche Varianten. Gemeinsam ist diesen der Versuch, die Zurechnung an den Zeitpunkt anzuknüpfen, bei dem der Täter sich noch nicht im Zustand der Schuldunfähigkeit befand, nämlich an die sog. actio praecedens. Das Berauschen wird als Tathandlung oder zumindest als Teil ebendieser, mithin als tatbestandsmäßig begriffen. aa) Actio praecedens als Tathandlung Zuweilen wird die Defektbegründung als die eigentliche Tathandlung i. S. des jeweiligen gesetzlichen Tatbestandes angesehen, da sie die entscheidende Ursache für das spätere Tun sei.137 Freilich ist diese Argumentation dem Vorwurf ausgesetzt, dass die Tathandlung verkürzt bzw. die später im Rahmen der Defekttat erfolgende eigenständige Handlung ausgeblendet werde.138 Die Verursachung als solche kann nicht dergestalt mit der Tathandlung gleichgesetzt werden.139 Inso136 Schönke/Schröder29-Perron/Weißer, § 20 Rn. 35a; Sternberg-Lieben, GS Schlüchter, 217, 239 (Fn. 137); s. a. Hettinger, Actio libera in causa, S. 449 Fn. 46; Th. Schröder, Gesetzesumgehung, S. 360. Ähnlich zum Gewohnheitsrecht NK4-Paeffgen, Vor § 323a Rn. 25; Rönnau, JA 1997, 707, 713. Auf die unterschiedlichen (belastenden und entlastenden) Aspekte der Zurechnung als Argument gegen Ottos Ansatz verweist Zenker, Actio libera in causa, S. 24 f. 137 s. insbesondere die ältere Rechtsprechung, vgl. etwa BGHSt 17, 333, 334 f.; 21, 381, 381 f.; 34, 29, 33; s. a. Haft, AT, E IV 2 c ee (bei den reinen Erfolgsdelikten); SK8Rudolphi, § 20 Rn. 28d f. 138 Hettinger, Actio libera in causa, S. 437 f.; s. a. Baier, GA 1999, 272, 281 (Erfüllung weiterer, tatunmittelbarer Bedingungen im schuldunfähigen Zustand wird ohne Begründung überspielt); Salger/Mutzbauer, NStZ 1993, 561, 564 (willkürliche Vorverlagerung). 139 Hettinger, Actio libera in causa, S. 438; Hruschka, JuS 1968, 554, 556; ders., JZ 1997, 22, 22; Köhler, AT, S. 396; Kunz, JuS 1996, 39, 40; Otto, Jura 1999, 217, 218. Noch weniger geht es an, die kausale Handlung (Berauschen) als maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung nach § 20 StGB anzusehen, ohne diese auch zur tatbestandsmäßigen Handlung zu erklären, vgl. die Kritik bei MK-Streng, § 20 Rn. 127.

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F. Die Wirkungsweise von Art. 103 II GG im AT

fern entfaltet Art. 103 II GG seine Schutzwirkung, nun aber auf der Ebene des BT: Die dort typisierten Tathandlungen – in jedem Fall solche, die das Gesetz näher beschreibt – der einzelnen Delikte werden schon dem Wortsinn nach durch das Berauschen allein nicht erfüllt, denn wer trinkt, der nimmt nicht weg etc.140 bb) Actio praecedens als Tatbeginn Kann demzufolge in der Herbeiführung des Zustands der Schuldunfähigkeit nicht die Tathandlung als solche erblickt werden, so erscheint es zielführend, nur einen Teil des Unrechts auf den Zeitpunkt der actio praecedens vorzuverlegen. Im Berauschen läge bloß der Beginn der Tathandlung. Entscheidend ist demnach, ob man die Defektbegründung als unmittelbares Ansetzen i. S. v. § 22 StGB, als Überschreiten der Versuchsschwelle qualifizieren kann.141 Dem liegt die Erwägung zugrunde, es reiche für die Bestrafung aus dem Vorsatzdelikt aus, dass die Schuldfähigkeit zum Zeitpunkt des unmittelbaren Ansetzens gegeben und erst später bei der „eigentlichen“ Tat weggefallen sei.142 Für sich genommen, d.h. bei Anwendung der üblichen Regeln, die man zur Bestimmung des Versuchsbeginns i. S. v. § 22 StGB herausgearbeitet hat, fällt es indes schwer, die Defektbegründung stets als einen solchen aufzufassen. Das bloße Berauschen erscheint vielmehr als typische – und daher grundsätzlich straflose – Vorbereitungshandlung.143 Weder besteht in der Regel dann, wenn der Täter das erste Schnapsglas zu sich nimmt, eine unmittelbare Gefährdung des

140 Hruschka, JuS 1968, 554, 556 f.; ders., JZ 1997, 22, 22; s. a. Baier, GA 1999, 272, 281; BeckOK StGB-Eschelbach, § 20 Rn. 71.1; Hettinger, Actio libera in causa, S. 438 f.; dens., in: Reform des Sanktionenrechts, 189, 251; Köhler, AT, S. 396; Paeffgen, ZStW 97 (1985), 513, 516 Fn. 11; ferner Brodowski, JuS 2012, 892, 893; Eser/ Burkhardt, Strafrecht I4, Nr. 17 A Rn. 6; Kuhn-Päbst, Problematik, S. 59 f. 141 Roxin, FS Lackner, 307, 313; ders., AT/I, § 20 Rn. 61 (anders ist Tatbestandsmodell nicht begründbar); vgl. auch Deiters, in: Alkohol und Schuldfähigkeit, 121, 130; Hettinger, Actio libera in causa, S. 439 (§ 22 StGB markiert früheste Grenze der Anknüpfung); Paeffgen, ZStW 97 (1985), 513, 516; Zenker, Actio libera in causa, S. 97; a. A. dagegen Herzberg, FS Spendel, 203, 209 ff. 142 Rengier, AT, § 25 Rn. 12; Roxin, AT/I, § 20 Rn. 61; s. a. Salger/Mutzbauer, NStZ 1993, 561, 563; NK4-Schild, § 20 Rn. 111. 143 Kindhäuser, Gefährdung, S. 126; ders., AT, § 23 Rn. 19; Kühl, AT, § 11 Rn. 13 f.; Salger/Mutzbauer, NStZ 1993, 561, 563; Streng, ZStW 101 (1989), 273, 309; ders., in: Gesetzlichkeit und Strafrecht, 179, 182; Übler, Neue Entwicklungen, S. 72; kritisch zur Annahme eines Versuchsbeginns auch Ambos, NJW 1997, 2296, 2297; Bringewat, Grundbegriffe, Rn. 513; Eser/Burkhardt, Strafrecht I4, Nr. 17 A Rn. 7; Fischer, StGB, § 20 Rn. 52 (Trinken des ersten Glases Schnaps als Beginn der Tötungshandlung zweifelhaft); Herzberg, FS Spendel, 203, 207; Hettinger, Actio libera in causa, S. 440 f., 462; ders., FS Geerds, 623, 628; Jerouschek, JuS 1997, 385, 387; Jescheck/Weigend, AT, § 40 VI 2; Kaspar, Jura 2007, 69, 71; Otto, FS Frisch, 589, 597; Paeffgen, ZStW 97 (1985), 513, 516 f.; Wessels/Beulke/Satzger, AT43, Rn. 415, 419; Zenker, Actio libera in causa, S. 97 f.; Zieschang, AT, Rn. 339.

III. Actio libera in causa

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jeweiligen Rechtsguts nach dem Tatplan des Täters,144 noch ist anzunehmen, dass keine wesentlichen Zwischenakte zur Tatverwirklichung mehr nötig sind.145 Folglich ist der Rechtsanwender in der Begründungspflicht, warum gerade in diesen Fällen der Versuchsbeginn früher als üblich anzusetzen ist. Der AT im konstruktiven Sinne zum unmittelbaren Ansetzen muss insofern entweder abgeändert werden oder es ist aufzuzeigen, dass das Ganze eine schlichte Anwendung von bereits entwickelten Regeln zu Fällen ist, in denen der Versuchsbeginn nach vorne verlagert wird. Letzteres ließe sich vertreten, wenn man die Alic-Fälle als Unterfall146 der mittelbaren Täterschaft i. S. v. § 25 I Alt. 2 StGB einordnen könnte: Bildlich betrachtet benutzt der Täter sich bei der alic sozusagen selbst als Werkzeug, um im Zustand der Schuldunfähigkeit die Tat zu begehen. Mit der Versetzung in den Zustand der Schuldunfähigkeit setzt der Täter, überträgt man in dieser Hinsicht die Grundsätze zur mittelbaren Täterschaft, zur Tat unmittelbar an. – Der Versuchsbeginn bei der mittelbaren Täterschaft wird zwar, wie bekannt ist, nicht einheitlich bestimmt; der Einfachheit halber sei vorausgesetzt, dass bei der mittelbaren Täterschaft der Versuch spätestens beginnt, wenn der mittelbare Täter das Werkzeug aus dem eigenen Herrschaftsbereich entlässt.147 – Fraglich bleibt aber, wie man darüber hinwegkommt, dass § 25 I Alt. 2 StGB erst den Täter nennt und im gleichen Satz von einem „anderen“ spricht. Prima vista fehlt es in den AlicFällen an einer vom Täter verschiedenen, nicht mit ihm identischen Person,

144 LK11-Jähnke, § 20 Rn. 77; Otto, Jura 1986, 426, 428; NK4-Paeffgen, Vor § 323a Rn. 6; Reineke, Trunkenheit, S. 127; Salger/Mutzbauer, NStZ 1993, 561, 563; Satzger, Jura 2006, 513, 515; Schweinberger, JuS 2006, 507, 509; MK-Streng, § 20 Rn. 119; Stühler, Actio libera in causa, S. 55. Rath, JuS 1995, 405, 412, verweist darauf, dass von einem Eingriff in die Freiheitssphäre des Opfers noch gar keine Rede sein könne, was vor allem dann augenfällig werde, wenn der Täter bei Eintritt der Schuldunfähigkeit einschlafe. 145 Ambos, NJW 1997, 2296, 2297; Baier, GA 1999, 272, 281; Hilgendorf/Valerius, AT, § 6 Rn. 21; Jerouschek, FS Hirsch, 242, 246; Kühl, AT, § 11 Rn. 13; Rasmussen, Möglichkeit, S. 12; Rönnau, JuS 2010, 300, 302; MK-Streng, § 20 Rn. 119; ders., JZ 2000, 20, 21; ders., in: Alkohol, Strafrecht und Kriminalität, 69, 73; Stühler, Actio libera in causa, S. 54. 146 So Jakobs, AT, Ab. 17 Rn. 64 ff.; ders., FS Nishihara, 105, 117 ff. (s. a. dens., System, S. 68); ihm folgt Dold, GA 2008, 427, 428 f.; vgl. auch Baumann/Weber/ Mitsch, AT, § 19 Rn. 45 f.; Eschenbach, Jura 1992, 637, 640 Fn. 40; Satzger, Jura 2006, 513, 515 (Sonderfall). Zenker, Actio libera in causa, S. 104 f. Fn. 272, lehnt es gänzlich ab, wie hier bei den Vertretern der Lösung über die mittelbare Täterschaft zwischen denen, die die alic als Unterfall von § 25 I Alt. 2 StGB begreifen, und jenen, die die mittelbare Täterschaft nur vergleichend heranziehen wollen, zu unterscheiden; cum grano salis meint er, dass sich den Quellen nicht immer eindeutig entnehmen lasse, ob die mittelbare Täterschaft direkt oder nur entsprechend herangezogen werden solle. 147 Vgl. nur BGHSt 30, 363, 365; 40, 257, 268 f.; Roxin, AT/I, § 20 Rn. 61; a. A. etwa Kühl, AT, § 11 Rn. 13; Otto, Jura 1986, 426, 428.

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F. Die Wirkungsweise von Art. 103 II GG im AT

sodass Art. 103 II GG entgegenzustehen scheint.148 Jenen Einwand konnten die Vertreter der Lösung über § 25 I Alt. 2 StGB unschwer vorhersehen. Jakobs repliziert darauf, dass man dieses Problem nicht ausräumen könne, wenn man glaube, das Gesetz bezeichne bloße Äußerlichkeiten; seiner Meinung nach müsse dahingegen dem Gesetzgeber unterstellt werden, dass er an solchen Äußerlichkeiten nicht klebengeblieben sei und stattdessen das Sachproblem in der Sache habe regeln wollen.149 Im Falle der mittelbaren Täterschaft bedeutet das für Jakobs: Gemeint sei mit dem „anderen“ i. S. d. § 25 I Alt. 2 StGB „ein Mensch, der sich verhält, aber jedenfalls nicht schuldhaft verhält, der also nach dem Genotyp Natur ist. Unter einem anderen muß . . . ein nicht verantwortlicher Mensch verstanden werden; auf die Identität oder Nicht-Identität der massa carnis etc. kommt es nicht an.“ 150 Damit wird dem Gesetzgeber unverhohlen etwas unterstellt, das eigene normativierende Verständnis wird ihm unter dem Deckmantel 148 Vgl. die Autoren in Kap. D. III. 4. a) Fn. 343; außerdem Baier, GA 1999, 272, 279 f.; Bringewat, Grundbegriffe, Rn. 513; AnwK-Conen, § 20 Rn. 104; Deiters, in: Alkohol und Schuldfähigkeit, 121, 131; BeckOK StGB-Eschelbach, § 20 Rn. 71.1; Herzberg, FS Spendel, 203, 209 (Fiktion); Hettinger, Actio libera in causa, S. 345, 409 f.; Hoyer, GA 2008, 711, 716; Kaspar, Jura 2007, 69, 71; Krey/Esser, AT5, § 21 Rn. 710; Schönke/Schröder25-Lenckner, § 20 Rn. 35; Neumann, FS Arth. Kaufmann, 581, 585; Schönke/Schröder29-Perron/Weißer, § 20 Rn. 35; Rath, JuS 1995, 405, 409; Reineke, Trunkenheit, S. 121; Rönnau, JA 1997, 707, 710; ders., JuS 2010, 300, 302; Matt/Renzikowski-Safferling, § 20 Rn. 81; Schlüchter, FS Hirsch, 345, 353; Schweinberger, JuS 2006, 507, 509; Stühler, Actio libera in causa, S. 79; Übler, Neue Entwicklungen, S. 79, 97, 152. Grundsätzliche Bedenken meldet, ohne diese allerdings näher zu spezifizieren, auch BGHSt 42, 235, 240, an. Der gelegentlich anzutreffende Hinweis, die Umgangssprache kenne Redensarten wie „Er ist ein ganz anderer Mensch.“ (in diese Richtung Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 19 Rn. 46), vernachlässigt, dass der Kontext, in dem ein Wort benutzt wird, Bedeutungen eingrenzt bzw. erweitert [vgl. Kap. D. III. 1. c) Fn. 295, E. III. 1. c) bb) Fn. 185]. Im Fall der besagten Redensart signalisieren beispielsweise die Worte „ganz“ und „Mensch“, dass es auf die Personenverschiedenheit in diesem speziellen Gebrauchsfall nicht ankommt. § 25 I Alt. 2 StGB lassen sich für einen derart weiten Gebrauch aber keine Hinweise entnehmen. 149 Jakobs, FS Nishihara, 105, 119; vgl. dazu Dold, GA 2008, 427, 427 f. Soweit darüber hinaus darauf verwiesen wird, bei einer Verneinung der Tatvorverlagerung im Wege der mittelbaren Täterschaft entstünde dann eben eine Unterlassungshaftung aus Ingerenz, für die „eigene Harmlosigkeit“ (so Jakobs, AT, Ab. 17 Rn. 65 Fn. 118; ders., FS Nishihara, 105, 106 Fn. 3; ebenfalls für eine Unterlassungshaftung Deiters, in: Alkohol und Schuldfähigkeit, 121, 133 ff.), ist dem entgegenzuhalten, dass damit ein positives Tun zweckorientiert in ein Unterlassen umgedeutet würde, so zu Recht Stühler, Actio libera in causa, S. 94 (vgl. auch a. a. O., S. 92 ff.); Kritik am „Unterlassungsargument“ äußern auch Paeffgen, in: Alkohol, Strafrecht und Kriminalität, 49, 58 Fn. 32 (reines Kausieren reicht auch hier nicht); Zenker, Actio libera in causa, S. 118. 150 Jakobs, FS Nishihara, 105, 119. Zustimmend Roxin, AT/I, § 20 Rn. 61 Fn. 167; s. a. Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 19 Rn. 46 (Schuldunfähiger ein ganz anderer Mensch als der vollverantwortlich Handelnde); Dold, GA 2008, 427, 430 (normatives versus naturalistisches Verständnis); Jerouschek, JuS 1997, 385, 387 (aus normativer Perspektive denkbar). Inhaltliche (d.h. über die Argumentation mit Art. 103 II GG hinausgehende) Kritik an dieser Betrachtungsweise äußern Paeffgen, in: Alkohol, Strafrecht und Kriminalität, 49, 56 Fn. 27; Zenker, Actio libera in causa, S. 116 f.

III. Actio libera in causa

273

der ihm zugeschriebenen Weisheit untergeschoben. Soweit der Gesetzgeber jedoch ein Sachproblem „in der Sache“ regeln will, muss er das schon deutlich und in Worten im Gesetz ausdrücken. Gerade dies verlangt Art. 103 II GG von ihm. Tatsächlich bedeutet jenes Verständnis eine vom Rechtsanwender selbst betriebene Normativierung des „anderen“, die es ermöglicht, die bestehenden semantischen Grenzen zum gleichsam beliebig übergehbaren Faktor herabzusetzen.151 Verständlich ist eine solche Interpretation eigentlich allein vor dem Hintergrund, dass Jakobs das „Generalisierungsverbot“ auf den AT nicht erstreckt [s. o. Kap. C. I. 2. c)]. Denn das Niveau der Generalisierung wird mit diesem Verständnis von § 25 I Alt. 2 StGB nicht gesenkt, sondern aufgrund scheinbar generalisierbarer Wertungen erhöht. Anders wäre die Lage lediglich, wenn beim „anderen“ im Kontext von § 25 I StGB ein klarer, von der Umgangssprache abweichender juristischer Sprachgebrauch festzustellen wäre. Dies ist aber nicht ersichtlich,152 die vorstehenden Erwägungen werden nur vereinzelt von Autoren im Rahmen der Alic-Problematik, nicht aber bei der klassischen Konstellation der mittelbaren Täterschaft im Zwei-Personen-Verhältnis angestellt. Über die Hürde des Analogieverbots hilft es zudem nicht hinweg, darauf zu verweisen, dass die dogmatische Voraussetzung des „anderen“, die Eigenschaft als menschliches Werkzeug, beim Täter selbst erfüllt sein könne.153 Die Voraussetzung des menschlichen Werkzeugs ist eine Definition innerhalb des Begriffs des anderen, ein Teil des AT im konstruktiven Sinne; sie soll den Kreis der vom Täter verschiedenen, im Wege der mittelbaren Täterschaft „benutzbaren“ Personen präzisieren. Unzulässig ist es hingegen, diese einengende Definition bzw. Umschreibung des anderen als Werkzeug verallgemeinernd, generalisierend zu gebrauchen, um sich über das nach den semantischen Grenzen gesteckte Erfordernis einer mit dem Täter nicht identischen Person hinwegzusetzen und den Täter selbst zu erfassen. 151 Paeffgen, in: Alkohol, Strafrecht und Kriminalität, 49, 58 Fn. 32; s. a. Hettinger, in: Reform des Sanktionenrechts, 189, 265 f.; Hoyer, GA 2008, 711, 717; Rönnau, JuS 2010, 300, 302 (stark normative Betrachtungsweise problematisch). Dazu auch die allgemeine Kritik an der Normativierung bei Neumann, ZStW 99 (1987), 567, 573: „Die Normativierung strafrechtsdogmatischer Begriffe führt zu einer Erweiterung strafrechtlicher Argumentationsmöglichkeiten, allerdings auf Kosten der Stärke der Argumentation. Sie erhöht die Flexibilität strafrechtsdogmatischer Regeln, weil sie die Bindung an vorgegebene Begriffsinhalte lockert bzw. kappt; damit werden Restriktionen beseitigt, die einer angemessenen Problemlösung entgegenstehen können. Auf der anderen Seite reduziert sich damit auch die Begründungsleistung: Soweit Begriffe Lösungen nicht verbieten können, vermögen sie auch keine Lösungen zu begründen.“ Ähnlich F.-C. Schroeder, JZ 2011, 187, 194 (normative Auslegung bedarf ihrerseits der Begründung mit Hilfe der klassischen Auslegungsmethoden). 152 Vgl. Hettinger, in: Reform des Sanktionenrechts, 189, 265 Fn. 200; Hoyer, GA 2008, 711, 717 (Sprachgebrauch darf nicht herbeiargumentiert werden). Baier, GA 1999, 272, 279 f., verweist darauf, dass es zu belegen sei, warum der „andere“ im Kontext von § 25 I StGB anders zu verstehen sei als im BT bei § 223 StGB, wo eine vom Täter verschiedene Person gemeint sei; ähnlich Th. Schröder, Gesetzesumgehung, S. 84. 153 So Zenker, Actio libera in causa, S. 107, der allerdings die Lösung über die mittelbare Täterschaft im Ergebnis ebenfalls ablehnt.

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F. Die Wirkungsweise von Art. 103 II GG im AT

Das Analogieverbot verbietet es mithin, die alic als Unterfall von § 25 I Alt. 2 StGB zu begreifen. Die überwiegende Anzahl jener, die die Problematik der alic mit Hilfe der mittelbaren Täterschaft zu lösen versucht, behauptet indes gar nicht, dass ein Unterfall von § 25 I Alt. 2 StGB gegeben sei. Vielfach wird eine Parallele zur mittelbaren Täterschaft154 gezogen, um unter Heranziehung der dort aufzufindenden Begründungsstruktur den Versuchsbeginn festzulegen. Deutlicher noch bezeichnet Hirsch derartige Handlungen des Täters durch sich selbst als Unterfall der unmittelbaren Täterschaft nach § 25 I Alt. 1 StGB.155 Die Annahme einer solchen mittelbaren Tatbegehung in unmittelbarer Täterschaft156 soll es rechtfertigen, die mittelbare Täterschaft vergleichsweise für die Bestimmung des Versuchs zu bemühen und so eine Konformität zum bestehenden dogmatischen System zu erreichen.157 Dagegen werden wiederum Bedenken erhoben, dass es zweifelhaft sei, Rechtskonfigurationen aus der Beteiligungslehre auf den Einzeltäter zu übertragen.158 Fasse man die vorsätzliche alic als Fall von § 25 I Alt. 1 StGB auf, so bedeute dies eine unzulässige Kombination von Rechtsfolgen alleintäterschaftlicher und mittelbarer Begehung zu Ungunsten des Täters, anders gesagt ein elektisches Herausgreifen und Kombinieren einzelner Versatzstücke.159 Sicherlich wäre eine entsprechende Anwendung von Rechtsfolgen, die aus der jeweiligen Norm folgen, eine verbotene Analogie. Bei den „Rechtskonfigurationen“ handelt es sich aber, was beispielsweise die Bestimmung des Versuchsbeginns betrifft, nicht um Rechtsfolgen in der üblichen Lesart, sondern um Teile des zur mittelbaren Täterschaft ausgebildeten AT im konstruktiven Sinne. Die dort entwickelten Regeln zum Versuchsbeginn will man, indem man die Übereinstimmungen der Fälle der mittelbaren Täterschaft und der alic betont, für die weitere, differenzierende Bestimmung des Versuchsbeginns 154

Jäger, AT, Rn. 177; Rengier, AT, § 25 Rn. 15; Roxin, FS Lackner, 307, 314; ders., AT/I, § 20 Rn. 61 (Fn. 167); teilweise Puppe, JuS 1980, 346, 348 (bei gezieltem Berauschen); s. a. Frister, AT, Kap. 18 Rn. 23 (Fn. 47); Gropp, AT, § 7 Rn. 52, 58; Krause, Jura 1980, 169, 169 (bildhaft); NK4-Schild, § 20 Rn. 112 (allgemeine Zurechnungsregeln durch menschliches Werkzeug); LK12-Schöch, § 20 Rn. 198. 155 Hirsch, NStZ 1997, 230, 231 f.; ders., FS Nishihara, 88, 96 ff.; ders., FS Geppert, 233, 237 ff.; ihm folgt Schlüchter, FS Hirsch, 345, 354 f., 360. 156 Stühler, Actio libera in causa, S. 81; s. a. Zenker, Actio libera in causa, S. 106. 157 Hirsch, FS Geppert, 233, 239; ähnlich Schlüchter, FS Hirsch, 345, 360. Übertriebenen Perfektionismus bedeute es dahingegen, wenn man vom Gesetzgeber verlange, auch die Alternative der unmittelbaren Begehung durch sich selbst in § 25 I StGB aufzunehmen, Hirsch, FS Geppert, 233, 237 Fn. 21. 158 Jerouschek, FS Hirsch, 242, 247. Dabei ist aber anzumerken, dass nach der Ansicht einiger Anhänger der Lösung über die mittelbare Täterschaft § 25 I Alt. 2 StGB nur ein Unterfall der Alternative 1 und damit der unmittelbaren Täterschaft ist, vgl. Dold, GA 2008, 427, 427 f., 430 f.; Jakobs, FS Nishihara, 105, 120. 159 Jerouschek, FS Hirsch, 242, 248; ähnlich Stühler, Actio libera in causa, S. 76 f. (Umgehung von § 25 I Alt. 2 StGB), 81 f. S. a. Rath, JuS 1995, 405, 410: Die behauptete Strukturgleichheit zur mittelbaren Täterschaft führe eigentlich zu dem Schluss, dass § 25 I Alt. 1 StGB nicht angewendet werden könne und eine Lücke bestehe.

III. Actio libera in causa

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bei der unmittelbaren Täterschaft fruchtbar machen. Darin liegt allein noch nichts Unzulässiges, wie gesehen ist die Weiterentwicklung des AT im konstruktiven Sinne statthaft und oftmals schlicht notwendig. Im Gegensatz zu gesetzlichen Vorgaben ist der AT im konstruktiven Sinne durchaus abänderbar, solange sich der Rechtsanwender noch im semantisch vorgegebenen Rahmen bewegt. Dementsprechend scheint es bei §§ 25 I Alt. 1, 22 StGB angesichts der offenen gesetzlichen Formulierung nicht von vorneherein ausgeschlossen, den Versuchsbeginn in charakteristischen Sonderfällen wie etwa der Begehung „durch sich selbst“ abweichend vom Normalfall zu bestimmen und die Regeln des AT im konstruktiven Sinne insofern zu präzisieren. Wie immer bei Abänderungen dieser Regeln ist eine derartige Differenzierung in hohem Maße begründungsbedürftig. Die vorsätzliche alic müsste mit der mittelbaren Täterschaft so vergleichbar sein, dass Wertungen, die den dort angenommenen vorgelagerten Versuchsbeginn legitimieren, auf die unmittelbare Täterschaft übertragen werden können. Und ebendies ist nicht der Fall: Die behauptete Vergleichbarkeit der mittelbaren Täterschaft und der alic besteht nicht in einem über das bloße Bild hinausgehenden Maße. Ein großer Teil der Lehre kommt zum gleichen Ergebnis. Einerseits wird darauf hingewiesen, dass es in den Alic-Fällen an der Tatherrschaft des Hintermannes über sein im Rausch handelndes alter ego fehle160, andererseits wird der Unterschied herausgestellt, dass bei der alic der Täter die Handlungsherrschaft161 behalte, das Geschehen nicht aus der Hand gebe. Offenbleiben kann an dieser Stelle, inwieweit beide Begründungen, die in der Zusammenschau etwas widersprüchlich162 wirken, taugen. Denn einen signifikanten Unterschied zwischen der alic und der mittelbaren Täterschaft hat unterdessen Zenker überzeugend herausgearbeitet: Anders als bei der mittelbaren Täterschaft existieren bei der alic der „mittelbare Täter“ und sein Werkzeug niemals gleichzeitig.163 Solange der Täter sich in noch schuldfähigem Zustand berauscht, schafft er sich 160 Otto, Jura 1986, 426, 428; ders., FS Frisch, 589, 598; NK4-Paeffgen, Vor § 323a Rn. 7; ders., ZStW 97 (1985), 513, 518 f.; Rasmussen, Möglichkeit, S. 26; Rönnau, JA 1997, 707, 710; ders., JuS 2010, 300, 302; s. a. Deiters, in: Alkohol und Schuldfähigkeit, 121, 132 (fehlende Herrschaft im Ausführungsstadium wird nicht durch gesteigerten Einfluss auf eigene Motivierbarkeit im noch schuldfähigen Zustand ausgeglichen); Kindhäuser, AT, § 23 Rn. 18; Neumann, FS Arth. Kaufmann, 581, 585; Th. Schröder, Gesetzesumgehung, S. 84 f. Angegriffen wird diese Argumentation u. a. von Dold, GA 2008, 427, 432 f. 161 Ambos, NJW 1997, 2296, 2297; Hettinger, Actio libera in causa, S. 408 f.; ders., in: Reform des Sanktionenrechts, 189, 267 f.; Jerouschek, FS Hirsch, 242, 249 f.; Salger/Mutzbauer, NStZ 1993, 561, 565; Schweinberger, JuS 2006, 507, 509; MK-Streng, § 20 Rn. 123; ders., JZ 2000, 20, 21; ders., in: Alkohol, Strafrecht und Kriminalität, 69, 74; ders., in: Gesetzlichkeit und Strafrecht, 179, 182 f.; Stühler, Actio libera in causa, S. 62 f., 80 f. Kritisch dazu Dold, GA 2008, 427, 431 f.; Roxin, FS Lackner, 307, 314 f. 162 Vgl. die Kritik bei Mitsch, FS Küper, 347, 351, der es aber im Ergebnis für richtig hält, die Vergleichbarkeit abzulehnen (a. a. O., 352). 163 Zenker, Actio libera in causa, S. 112.

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F. Die Wirkungsweise von Art. 103 II GG im AT

gerade erst sein Werkzeug, das aber noch nicht vorhanden ist; sobald das einwirkungstaugliche Werkzeug gegeben ist, befindet sich der „mittelbare“ Täter seinerseits im Zustand der Schuldunfähigkeit, die Einwirkung durch den Handlungsimpuls auf das Werkzeug erfolgt zu spät.164 Dass der Vergleich insgesamt und somit auch die Vorverlegung des Versuchsbeginns verfehlt ist, wird besonders durch die massiven Verwerfungen, die infolge der Parallele an anderen Stellen des dogmatischen Systems erwachsen, indiziert. Beiseite kann der Einwand gelassen werden, das Berauschen könne für die spätere Rauschtat nur mühsam oder überhaupt nicht als kausal nachgewiesen werden.165 Dieser Vorwurf trifft bekanntlich alle Varianten des Tatbestandsmodells und ist keine Besonderheit der Parallele zur mittelbaren Täterschaft. Über ihn mag man durch geschickte Argumentation hinwegkommen. Inkonsistenzen ergeben sich aber bei einer solchen Vorverlagerung des Versuchsbeginns bei der Tatbeteiligung: Wenn man der Gesamtlösung folgt, geraten die anderen Beteiligten bereits mit dem Berauschen des Täters ins Ausführungsstadium, sodass ab diesem Zeitpunkt die Strafbarkeit wegen Versuchs droht.166 Eine vergleichbar bedenkliche Vorverschiebung erfährt auf der Rechtfertigungsebene die Notwehr167, die jetzt an sich schon gegen den möglich wäre, der sich über die Schwelle des

164 Zenker, Actio libera in causa, S. 110 ff. In eine ähnliche Richtung Neumann, FS Arth. Kaufmann, 581, 585; ferner Mitsch, FS Küper, 347, 356 ff. (passiven Vordermann gibt es zu keiner Zeit, da immer am Berauschen beteiligt), 359 Fn. 82. 165 Es sei, da es insoweit an Kausalgesetzen für das die Steuerungsfähigkeit beseitigende Vorverhalten und die Rauschtat mangele, nicht nachweisbar, dass der Täter die Tat nicht auch im Zustand der Schuldfähigkeit begangen hätte, s. Ambos, NJW 1997, 2296, 2297; Hettinger, Actio libera in causa, S. 41 Fn. 376; Hruschka, JZ 1997, 22, 22; Kindhäuser, Gefährdung, S. 124; Neumann, FS Arth. Kaufmann, 581, 584; Otto, Jura 1986, 426, 427; NK4-Paeffgen, Vor § 323a Rn. 6, 31 ff.; Rasmussen, Möglichkeit, S. 14; Rath, JuS 1995, 405, 408; Rönnau, JA 1997, 707, 708; Salger/Mutzbauer, NStZ 1993, 561, 564; MK-Streng, § 20 Rn. 118; ders., JZ 2000, 20, 21; ders., in: Alkohol, Strafrecht und Kriminalität, 69, 72; ders., in: Gesetzlichkeit und Strafrecht, 179, 181; Übler, Neue Entwicklungen, S. 162. Repliken zum Kausalitätseinwand finden sich – mit unterschiedlichen Begründungen – bei Frister, AT, Kap. 18 Rn. 20 f.; Herzberg, FS Spendel, 203, 217; Jakobs, FS Nishihara, 105, 118; Puppe, JuS 1980, 346, 348 (Kausalitätspostulat); Roxin, FS Lackner, 307, 312 f.; ders., AT/I, § 20 Rn. 60 (zumindest Modifikation von Art und Weise der Tatausführung); Satzger, Jura 2006, 513, 514 (jedenfalls mitursächlich); Spendel, FS Hirsch, 379, 385 (unzulässiges Hinzudenken von Ersatzfaktoren); Stühler, Actio libera in causa, S. 50 ff. Hält man mit diesen Autoren die Kausalität für nachweisbar, so stellt sich im Folgenden aber die Frage nach der objektiven Zurechnung, nämlich ob sich die spezifische Gefahr des Betrinkens tatsächlich im Erfolg realisiert hat, vgl. Rönnau, JA 1997, 707, 708; Stühler, Actio libera in causa, S. 52 Fn. 13; Übler, Neue Entwicklungen, S. 164. 166 MK-Streng, § 20 Rn. 119; ders., JZ 2000, 20, 21; ders., in: Alkohol, Strafrecht und Kriminalität, 69, 73. 167 Rönnau, JA 1997, 707, 711; s. a. Heinrich, AT, Rn. 602; Übler, Neue Entwicklungen, S. 165 f.; kritisch dazu auf Basis seines Ex-post-Modells Spendel, FS Hirsch, 379, 389 f.

III. Actio libera in causa

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§ 21 StGB berauscht. Zu den eklatantesten Brüchen kommt es allerdings auf der Versuchsebene selbst, vornehmlich was den Rücktritt anbelangt. Dies wurde in der Vergangenheit des Öfteren deutlich aufgezeigt168 und muss nicht noch einmal in allen Einzelheiten wiederholt werden. Für die hier verfolgten Zwecke genügt ein prägnantes Beispiel aus diesem Zusammenhang: Es steht im Raum, dass dem Täter, wenn man jedenfalls den Versuchsbeginn erst beim letzten Schluck vor Eintritt der Schuldunfähigkeit verortet, stets § 21 StGB zugute kommen müsste, da er dessen Stadium zum Zeitpunkt des Ansetzens sicher erreicht hat.169 Das nötigt manchen Befürworter des Tatbestandsmodells zu der Klarstellung, mit dem letzten Schluck vor Eintritt der Schuldunfähigkeit sei der Versuch schon beendet, der Beginn des Versuchs sei dagegen an der Schwelle zu § 21 StGB zu lozieren, wenn der Täter in noch voll schuldfähigem Zustand seine Schuldfähigkeit mindere.170 Auf diese Weise gerät man indes, was die sich stellenden Probleme betrifft, vom Regen in die Traufe. Nun kommt es auf der Ebene des Rücktritts zu der wenig befriedigenden Situation, dass bei einer derart frühen Versuchsbeendigung die erhöhten Anforderungen von § 24 I 1 Alt. 2 StGB eingreifen; das schlichte Aufgeben der Tat reicht für den Täter eigentlich nicht mehr.171 Aber diese Konsequenz glauben die Befürworter des Tatbestandsmo168 Instruktiv Schweinberger, JuS 2006, 507, 508 ff., 510 f. Beim Rücktritt ergeben sich z. B. Zweifel, ob angesichts der Schuldunfähigkeit des Täters überhaupt noch Freiwilligkeit i. S. v. § 24 I StGB angenommen werden kann, vgl. die Kritik bei Jerouschek, JuS 1997, 385, 387; dems., FS Hirsch, 242, 253 f.; Rönnau, JA 1997, 707, 710; Streng, in: Alkohol, Strafrecht und Kriminalität, 69, 73 f.; Übler, Neue Entwicklungen, S. 159 ff.; Zenker, Actio libera in causa, S. 99 ff.; bejaht wird die Möglichkeit eines „freiwilligen“ Rücktritts u. a. von Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 19 Rn. 50; Roxin, FS Lackner, 307, 318 f.; ders., AT/I, § 20 Rn. 66; Schlüchter, FS Hirsch, 345, 359; Spendel, FS Hirsch, 379, 390. Damit hängt auch die Frage zusammen, ob der Vergleich zur mittelbaren Täterschaft dazu drängt, der Täter müsse zum Rücktritt – wie bei der mittelbaren Täterschaft – auf das „Werkzeug“ einwirken bzw. ihm komme der Rücktritt des „Werkzeugs“ alleine nicht zugute, s. Herzberg, FS Spendel, 203, 208 f.; Neumann, FS Arth. Kaufmann, 581, 585; Schweinberger, JuS 2006, 507, 510. Zumindest für Autoren, die die alic als Unterfall von § 25 I Alt. 2 StGB auffassen, erscheint dies zwingend; dementsprechend verlangt Jakobs, AT, Ab. 17 Rn. 68, dass der Täter sich beim Verlust der Zurechnungsfähigkeit den Rücktritt vorbehalten haben müsse, da das unverantwortliche Rücktrittsverhalten des Zurechnungsunfähigen keine freiwillige Leistung bedeute. 169 Otto, Jura 1986, 426, 428; Rasmussen, Möglichkeit, S. 28; Reineke, Trunkenheit, S. 121 f.; Stühler, Actio libera in causa, S. 61; s. a. Deiters, in: Alkohol und Schuldfähigkeit, 121, 136. 170 Hirsch, FS Nishihara, 88, 99 f.; Roxin, FS Lackner, 307, 318; ders., AT/I, § 20 Rn. 65. 171 Jerouschek, FS Hirsch, 242, 251 f.; Rasmussen, Möglichkeit, S. 17, 29; Rönnau, JA 1997, 707, 710 f.; ders., JuS 2010, 300, 302; Schweinberger, JuS 2006, 507, 510; Zenker, Actio libera in causa, S. 102 f. Kritisch zu jener weiteren Vorverlegung auch Neumann, FS Arth. Kaufmann, 581, 585 („. . . gerät man über den Rand des Spielfelds hinaus.“). Der schuldunfähige Täter wird so ohne ersichtlichen Grund gegenüber dem schuldfähigen Täter schlechter gestellt, vgl. Matt/Renzikowski-Safferling, § 20 Rn. 80; Schweinberger, JuS 2006, 507, 509.

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F. Die Wirkungsweise von Art. 103 II GG im AT

dells offenbar aus Billigkeitsgründen nicht ziehen zu müssen172. Nirgends zeigt sich das ganze Dilemma deutlicher als beim zuletzt genannten Beispiel. Überspitzt ausgedrückt ist der Weg folgender. Um die alic als Anwendungsfall allgemeiner Zurechnungsregeln einordnen zu können, greift man zu einer ersten, zweifelhaften Modifikation des AT im konstruktiven Sinne, das Ansetzen bei der unmittelbaren Täterschaft wird für besondere Fälle entsprechend der mittelbaren Täterschaft vorverlegt. Als Konsequenz „droht“ die Anwendung von § 21 StGB; dies führt, will man eine solche Anwendung vermeiden, zur zweiten Modifikation, der Versuch sei unmittelbar vor der Schwelle zur Schuldunfähigkeit bereits beendet. Auf der Rücktrittsebene folgt daraus, dass der Täter, um strafbefreiend zurückzutreten, den beim beendeten Versuch erhöhten Anforderungen genügen muss. Im Wege einer dritten Modifikation vermeidet man jedoch auch dieses unerwünschte Ergebnis. Diese kleine Skizze zeigt: Es sind derart viele ad hoc erfolgende Modifikationen an den übrigen Stellen des AT im konstruktiven Sinne nötig, um die dort auftretenden Risse zu kitten, dass die Behauptung durchaus berechtigt ist, der Lösungsweg sei in seinem Ansatz verfehlt. cc) Fazit Nach alledem erweist sich das Tatbestandsmodell im Hinblick auf Art. 103 II GG als ebenso problematisch wie das Ausnahmemodell. Den Lösungsansätzen, das reine Berauschen als die Tathandlung selbst anzusehen oder § 25 I Alt. 2 StGB unmittelbar heranzuziehen, steht das Analogieverbot entgegen. Der scheinbare Ausweg, lediglich eine Parallele zur mittelbaren Täterschaft zu ziehen, um den früheren Versuchsbeginn zu legitimieren, setzt sich in Widerspruch zum AT im konstruktiven Sinne. Zwar stellen die Vertreter dieses Modells in Aussicht, dass die virulenten Fälle der alic über eine bloße Anwendung der allgemeinen Zurechnungsregeln gelöst werden können173. Einzulösen vermag man jenes Versprechen angesichts der soeben gesehenen Friktionen aber nicht.174 Diese erscheinen zwangsläufig, will man doch ein Problem, das sich auf der Ebene der Schuld stellt, durch eine Verschiebung auf die Tatbestandsebene lösen.175 Man

172 Vgl. Roxin, AT/I, § 20 Rn. 66; s. a. Kuhn-Päbst, Problematik, S. 65 (denkbarer Sonderfall des beendeten Versuchs, bei dem bloße Tataufgabe reicht). 173 Hirsch, NStZ 1997, 230, 232; ders., FS Nishihara, 88, 104; ders., FS Geppert, 233, 239; s. a. Frister, AT, Kap. 18 Rn. 24 Fn. 51; Puppe, JuS 1980, 346, 347. 174 So auch Hettinger, Actio libera in causa, S. 463; ders., FS Geerds, 623, 632; ähnlich Kindhäuser, Gefährdung, S. 125; s. a. NK4-Paeffgen, Vor § 323a Rn. 4, 6 (äußerste Spannung zur allgemeinen Unrechtsdogmatik); Matt/Renzikowski-Safferling, § 20 Rn. 80 (dogmatische Verwerfungen); Th. Schröder, Gesetzesumgehung, S. 88. Dagegen hält Roxin, FS Lackner, 307, 309, 312; ders., AT/I, § 20 Rn. 59, die konstruktiven Schwierigkeiten für überwindbar. 175 Treffend Neumann, FS Arth. Kaufmann, 581, 583; ähnlich Hettinger bei Dietmeier, ZStW 110 (1998), 393, 402; Rönnau, JA 1997, 707, 708; Schweinberger, JuS

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flüchtet gewissermaßen vor dem eng erscheinenden § 20 StGB in die Weite von tatbestandsmäßiger Handlung, Kausalität und objektiver Zurechnung und erhofft, dort die Lösung für das erwünschte Ergebnis zu finden. Mit Recht wird dem Tatbestandsmodell insgesamt vorgeworfen, sich einer reinen Zweckkonstruktion176 zu bedienen. Zugleich bedeutet dies, dass der Rechtsanwender in praxi dem an ihn gerichteten Präzisierungsgebot nicht genügen würde, wenn er die Parallele zur mittelbaren Täterschaft zöge. Erneut zeigt sich der negative i. S. v. begrenzende Effekt, der mit der Präzisierungsleistung verbunden ist. Mit der erreichten Systembildung im AT werden zu beachtende Regeln und damit Begrenzungen der Rechtsanwendung gesetzt. Für ihre Überwindung wiederum muss man einfordern, dass ein hoher Argumentationsaufwand betrieben wird und sich die partiellen Weiterbildungen in das Gesamtsystem einpassen lassen, ohne dieses an anderen Stellen einzureißen. c) Ausdehnungsmodell Die Brüche, die sich beim Tatbestandsmodell vor allem durch die weite Vorverlagerung des Versuchsbeginns ergeben, ließen sich vermeiden, wenn man aus der Abhängigkeit von Versuchsschwelle und Tatbeginn i. S. v. § 20 StGB de lege lata ausbrechen könnte; die actio praecedens müsste zur Tatbegehung gezählt werden können, ohne gleichzeitig in ihr ein unmittelbares Ansetzen gemäß § 22 StGB erblicken zu müssen. Hinter dem Begriff Ausdehnungsmodell verbergen sich Ansätze, die genau dies bewerkstelligen wollen. Gemeinsam ist ihnen, dass die Begriffskette „bei Begehung der Tat“ in irgendeiner Weise ausdehnend interpretiert wird. aa) Ex-post-Betrachtung Nach Ansicht von Spendel und Herzberg ist in den einschlägigen Alic-Fällen regelmäßig den Anforderungen aus § 20 StGB genügt. Das Berauschen sei zwar grundsätzlich als reine Vorbereitung anzusehen, könne aber trotzdem unter den Begriff der Tatbegehung fallen, wenn es im Fortgang zu einer Rechtsgutsverletzung komme; nachträglich könne sich somit die Vorbereitungshandlung als mögliche Teilausführungshandlung erweisen, wobei eine solche Ex-post-Betrachtung zulässig und gerade in anderen Fällen, in denen sich der Täter eines Werkzeugs bediene, nötig sei.177 Schon de lege lata leite die unterschiedliche Begrifflichkeit von § 20 StGB (Begehung der Tat) und von § 22 StGB (unmittelbares Ansetzen 2006, 507, 507; Stühler, Actio libera in causa, S. 71, 111; Übler, Neue Entwicklungen, S. 75. 176 Hruschka, JZ 1997, 22, 23; s. a. ders., JZ 1996, 64, 64 f. (Zweck, Frage nach § 20 StGB zu vermeiden; Umgehungskonstruktion); LK11-Jähnke, § 20 Rn. 78; Kühl, AT, § 11 Rn. 18; Th. Schröder, Gesetzesumgehung, S. 85 (Ergebnisorientiertheit). 177 Spendel, FS Hirsch, 379, 381, 383; zustimmend Herzberg, FS Spendel, 203, 207.

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F. Die Wirkungsweise von Art. 103 II GG im AT

zur Verwirklichung des Tatbestandes) eher zur sachlichen Unterscheidung zwischen Versuchsbeginn und ex post feststellbarem Beginn der Tatbegehung hin.178 Zur Stützung führt man, neben anderen Fällen, das sog. Bombenbeispiel an: Wenn der Täter eine Bombe installiere – was für sich genommen eine Vorbereitungshandlung sei –, um das Opfer sehr viel später im Wege eines Auslösemechanismus zu töten, komme es nicht mehr darauf an, ob er zum Zeitpunkt der tödlichen Detonation noch Vorsatz habe oder schuldfähig sei, vielmehr sei vollendeter Mord anzunehmen.179 Das zuletzt genannte Beispiel unterscheidet sich in einem wesentlichen Punkt von den in Rede stehenden Rauschfällen: Mit der Einrichtung der Bombe hat der Täter bereits die letzte erfolgsnahe Handlung vorgenommen und das Tötungsverbot verletzt, bei der alic muss er dagegen noch weitere Handlungen vornehmen.180 Überhaupt werden, um die Ex-post-Betrachtung zu begründen, von ihren Vertretern Prämissen und parallele Falllösungen herangezogen, die großen Teilen des konzedierten AT im konstruktiven Sinne widersprechen.181 Abgesehen davon ist jedoch der offensichtlichste Einwand gegen diese Auffassung auch der gewichtigste. Es ist nach wie vor nicht überzeugend dargetan, wie eine bloße Vorbereitungshandlung durch eine spätere Ausführungshandlung oder den reinen Erfolgseintritt nachträglich noch zur Ausführungshandlung werden kann.182 Folgte man der Ex-post-Lösung, so träfe den Täter im Moment des Betrinkens kein strafrechtlicher Normbefehl183, was dann aber nachträglich nicht hindern soll, gleichwohl das Betrinken in den Vorwurf des Normbruchs miteinzubeziehen. 178

Herzberg, FS Spendel, 203, 209 f. Spendel, FS Hirsch, 379, 382; s. a. Herzberg, FS Spendel, 203, 205, 213 f. 180 Hettinger, FS Geerds, 623, 641; Schönke/Schröder29-Perron/Weißer, § 20 Rn. 35; MK-Streng, § 20 Rn. 125; ders., in: Alkohol, Strafrecht und Kriminalität, 69, 75 f.; Stühler, Actio libera in causa, S. 73; Übler, Neue Entwicklungen, S. 169. 181 Vgl. die Aufzählung bei Hettinger, FS Geerds, 623, 641; s. a. Stühler, Actio libera in causa, S. 73. Beispiel: Das Erfordernis bei § 22 StGB, dass für die Versuchsschwelle deren bewusstes Überschreiten notwendig ist, bezeichnet Herzberg, FS Spendel, 203, 212, als fragwürdige Hypothese, als Dogma, das es anlässlich des Falles anzuzweifeln und zu überwinden gelte. Spricht aber § 22 StGB nicht von der Vorstellung des Täters von der Tat? Vgl. dazu die Kritik von Hettinger, FS Geerds, 623, 642. 182 Schönke/Schröder29-Perron/Weißer, § 20 Rn. 35; Schweinberger, JuS 2006, 507, 509; MK-Streng, § 20 Rn. 125; ders., JZ 2000, 20, 21; ders., in: Alkohol, Strafrecht und Kriminalität, 69, 75; ders., in: Gesetzlichkeit und Strafrecht, 179, 183; ähnlich kritisch Hettinger, FS Geerds, 623, 643 (Vorbereitungshandlung mit dolus antecedens plus unmittelbares Ansetzen ohne Vorsatz und Schuld plus Eintritt Folge ergeben keine vollendete Tat); ders., in: Reform des Sanktionenrechts, 189, 264 f.; NK4-Paeffgen, Vor § 323a Rn. 13 (actio dolosa plus Erfolgsverursachung ergeben noch keine zurechenbare Gesamttat); Th. Schröder, Gesetzesumgehung, S. 86; Stühler, Actio libera in causa, S. 74. 183 Schönke/Schröder29-Perron/Weißer, § 20 Rn. 35 (Vorfeld des strafrechtlichen Verbots); Rönnau, JuS 2010, 300, 302 (maßgebliche Verhaltensnorm kann nicht formuliert werden); s. a. Salger/Mutzbauer, NStZ 1993, 561, 564 (strafrechtlich irrelevanter Bereich). 179

III. Actio libera in causa

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Ferner fragt man sich, wo die nachträgliche Umetikettierung von Vorbereitungshandlungen zu Ausführungshandlungen enden soll, ob etwa der Kauf der Tatwaffe herangezogen werden kann.184 Letztendlich birgt der Ansatz die Gefahr, dass der Rechtsanwender den relevanten Sachverhalt im Wege der Ex-post-Betrachtung nahezu beliebig zu erweitern vermag, um die benötigten Elemente zu einer vorsätzlichen, rechtswidrigen und schuldhaften Tat zusammenzusetzen. Welche Wunden schlüge dies einem für die Rechtsgemeinschaft berechenbaren Strafrecht? Im Moment des zu betrachtenden Verhaltens wäre selbst bei Berücksichtigung aller inneren und äußeren Umstände die Beurteilung über die strafrechtliche Relevanz ex ante nicht mehr möglich. bb) „Schuldtatbestand“ – Ausdehnende Interpretation des Tatbegriffs bei § 20 StGB Das Ausdehnungsmodell Strengs ist davon gekennzeichnet, dass zwischen dem üblichen Unrechtstatbestand und dem sog. Schuldtatbestand, der für § 20 StGB maßgeblich sein soll, differenziert wird. Durch eine ausdehnende Interpretation des Begriffs „bei Begehung der Tat“ könne das Vorfeld einer Straftat erfasst werden; auf diese Weise trage man dem Umstand Rechnung, dass Schuld – jedenfalls bei normativem Verständnis – keine zu einem bestimmten Zeitpunkt (etwa zum Zeitpunkt der Tathandlung) auffindbare innere Einstellung sei.185 Es gehe um Verantwortungszuschreibung, die aufgrund einer breiteren Erkenntnis- und 184

Vgl. Hettinger, FS Geerds, 623, 641; ferner Salger/Mutzbauer, NStZ 1993, 561,

564. 185 MK-Streng, § 20 Rn. 128; ders., JZ 2000, 20, 22; ders., in: Alkohol, Strafrecht und Kriminalität, 69, 77 f.; ders., in: Gesetzlichkeit und Strafrecht, 179, 184; ebenfalls in diese Richtung Matt/Renzikowski-Safferling, § 20 Rn. 79; ders., Vorsatz und Schuld, S. 246 f. (Fn. 212); für eine abweichende (hier allerdings als restriktiv bezeichnete) Auslegung des Tatbegriffs auch Kuhn-Päbst, Problematik, S. 128 ff. Eine ähnlich ausdehnende Interpretation nimmt, obgleich an anderer Stelle, Jerouschek vor (s. Jerouschek, JuS 1997, 385, 388; ders., FS Hirsch, 242, 257 f.): Nach seiner Relationstheorie kann der Begriff „bei“ in § 20 StGB im Sinne von „bezüglich“ ausgelegt werden. Ein solchermaßen abstrahierendes Begriffsverständnis sei zulässig, wie der Vergleich zur Beihilfe zeige, wo die Hilfe im Vorfeld der Tat erfolgen könne (Jerouschek, FS Hirsch, 242, 258). Mit Recht wird dagegen erinnert, dass eine derartige Begriffserweiterung vom Konkreten zum Allgemeinen – sprich, eine Generalisierung – mit dem Analogieverbot und damit mit Art. 103 II GG unvereinbar ist, s. Hettinger, in: Reform des Sanktionenrechts, 189, 264; zustimmend Fischer, StGB, § 20 Rn. 53; ferner Schönke/Schröder29-Perron/Weißer, § 20 Rn. 35a; Schlüchter, FS Hirsch, 345, 347 f. (vom Wortsinn vorgegebene strenge Anforderungen nicht gewährleistet); Sternberg-Lieben, GS Schlüchter, 217, 240 f.; MK-Streng, § 20 Rn. 140; ders., JZ 2000, 20, 23; ders., in: Alkohol, Strafrecht und Kriminalität, 69, 81 (Abweichung von der lex scripta); Zenker, Actio libera in causa, S. 92 Fn. 237 (erweiternde Analogie). Der Verweis auf die Bei-hilfe beseitigt diesen Mangel nicht, denn bei der Bestimmung des Wortfeldes respektive der semantischen Grenzen wirkt der Kontext, in dem ein Wort gebraucht wird, bedeutungsbegrenzend; der durch § 20 StGB gebildete Kontext führt dahin, dass sich „bei“ eben doch in einer „konkretistischen Simultaneitätsbedeutung“ erschöpft.

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F. Die Wirkungsweise von Art. 103 II GG im AT

Wertungsbasis getroffen werden müsse, weshalb die Tatbegehung bei § 20 StGB nicht i. S. v. Tatbestandsverwirklichung zu verstehen sei; darüber hinaus sei auch das Vorverschulden zur Tat in diesem Sinne, zum Schuldtatbestand zu zählen, weshalb das Vorfeldverhalten ausschließlich für die Schuldwertung bedeutsam werde.186 Jene Auslegung des Tatbegriffs bei § 20 StGB sieht Streng in Teilen als vom Gesetz vorgegeben: § 17 StGB sei insofern die Grundnorm und maßgebliche Regel, als in ihm die Berücksichtigung von Vorverschulden und damit der weite Schuldtatbestand angelegt seien, was der Gesetzgeber durch den die Frage ignorierenden § 20 StGB nicht relativiert sehen wollte; für diese Sicht spreche die entsprechende Regelung in § 35 II StGB, der den allgemeinen Charakter des weiteren Schuldtatbestandes ausdrücklich bekräftige.187 Dem wird immer wieder entgegengehalten, dass es nicht einzusehen sei, warum der Begriff der Tat bei § 20 StGB eine andere Interpretation erfahren solle als bei §§ 8, 16, 17 StGB, wo unstreitig mit der Tat der Unrechtstatbestand gemeint sei.188 Die ausdehnende Interpretation des Tatbegriffs sei mit der Wortlautgrenze unvereinbar und verstoße gegen Art. 103 II GG.189 Indes erscheint der Begriff der Tat für sich genommen, d.h. unabhängig von seinem Regelungskontext und bei Beachtung aller möglichen umgangssprachlichen Bedeutungen, recht weit. Ausgeschlossen ist es nicht, den Tatbegriff entsprechend seiner Regelungsaufgabe von Norm zu Norm verschieden zu bestimmen.190 Allerdings wird ganz 186 MK-Streng, § 20 Rn. 133; ders., JZ 2000, 20, 23; ders., in: Alkohol, Strafrecht und Kriminalität, 69, 81 f.; vgl. ders., ZStW 101 (1989), 273, 311; ders., in: Gesetzlichkeit und Strafrecht, 179, 184 f. Das hält Streng auch denen entgegen, die ihm vorwerfen, seine extensive Interpretation der Tat führe letztlich zu einer Ausdehnung des Tatunrechts, da jedenfalls klar sei, dass es bei der Tat i. S. des § 20 StGB um das gehe, was dem Täter vorgeworfen werde, nicht jedoch darum, weshalb ihm etwas vorzuwerfen sei (so Neumann, FS Arth. Kaufmann, 581, 588; s. a. Hettinger, FS Geerds, 623, 648; Hirsch, FS Geppert, 233, 236; Rasmussen, Möglichkeit, S. 35; Zenker, Actio libera in causa, S. 89, 91). 187 MK-Streng, § 20 Rn. 130; ders., JZ 2000, 20, 22; ders., in: Alkohol, Strafrecht und Kriminalität, 69, 78 ff.; s. a. Matt/Renzikowski-Safferling, § 20 Rn. 73, 79; ders., Vorsatz und Schuld, S. 246 (§ 17 StGB als Grundnorm). 188 BGHSt 42, 235, 240; Bringewat, Grundbegriffe, Rn. 513; AnwK-Conen, § 20 Rn. 104; Gropp, AT, § 7 Rn. 54 (zudem kaum Sachverhalte vorstellbar, bei denen Täter nicht zu irgendeinem Zeitpunkt schuldfähig war); Hilgendorf/Valerius, AT, § 6 Rn. 19; Kaspar, Jura 2007, 69, 71; Rengier, AT, § 25 Rn. 11; Rönnau, JuS 2010, 300, 302; Th. Schröder, Gesetzesumgehung, S. 86 f.; Zenker, Actio libera in causa, S. 91 f. 189 BeckOK StGB-Eschelbach, § 20 Rn. 73.2; Frister, AT, Kap. 18 Rn. 18; Heinrich, AT, Rn. 604; Hettinger, Actio libera in causa, S. 463 f.; ders., FS Geerds, 623, 653 f.; Hirsch, NStZ 1997, 230, 230; ders., FS Nishihara, 88, 90 f.; ders., FS Geppert, 233, 235 f.; Schlüchter, FS Hirsch, 345, 346; Sternberg-Lieben, GS Schlüchter, 217, 240 f.; s. a. Roxin, AT/I, § 20 Rn. 70 (terminologischer Trick); Satzger, Jura 2006, 513, 515 (entfernt sich weit vom Wortlaut des § 20 StGB); Zieschang, AT, Rn. 339. 190 MK-Streng, § 20 Rn. 134; ders., ZStW 101 (1989), 273, 312; ders., JZ 2000, 20, 23; ders., in: Alkohol, Strafrecht und Kriminalität, 69, 84; ähnlich Kuhn-Päbst, Problematik, S. 129 f.; Stühler, Actio libera in causa, S. 96.

III. Actio libera in causa

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überwiegend bei § 20 StGB der Tatbegriff im Sinne des Unrechtstatbestandes aufgefasst. Darin könnte eine fachsprachliche Konvention zu erblicken sein, die gegenüber den allgemeinen umgangssprachlichen Regeln die semantischen Grenzen enger zieht. Besonders auffällig ist, dass bei der „Generalnorm“ § 17 StGB die Tat ebenfalls im Sinne von Tatunrecht verstanden wird, was für den ebenfalls die Schuld betreffenden § 20 StGB eine parallele Behandlung nahelegt. Aber diesen Schluss glaubt Streng nicht ziehen zu müssen. Bei § 17 StGB sei das Vorverschulden eben separat erfasst, weswegen als Funktion des Tatbegriffs nur der Verweis auf den Unrechtstatbestand als Bezugspunkt des Schuldtatbestandes übrig bleibe; da eine Vorverschuldensregelung bei § 20 StGB fehle, könne der Tatbegriff dort weit ausgelegt werden.191 Spätestens192 an diesem Punkt scheint die Argumentation über § 17 StGB auf recht tönernen Füßen zu stehen. Die dem Gesetz beigelegte Regelungsabfolge, § 17 StGB als die jene ausdehnende Interpretation legitimierende Grundnorm zu sehen, erweist sich als nicht stichhaltig. Wenn § 17 StGB die Grundregel ist, die den weiten Schuldtatbestand vorgibt, und es aus diesem Grunde unschädlich ist, dass er in § 20 StGB keine Erwähnung findet, fragt sich sodann, warum es überhaupt nötig ist, dass § 35 II StGB den allgemeinen Charakter des Schuldtatbestandes erneut – mit den Worten Strengs – „bekräftigt“. Letzteres erschiene doch, wäre das Verständnis richtig, als überflüssige Wiederholung. Auch bei § 35 II StGB würde es ausreichen, die Wertung der Grundnorm heranzuziehen. Ein anderer Schluss aus der Zusammenschau von §§ 17, 20, 35 StGB ist dagegen viel offensichtlicher und ohne derartige Verrenkungen zu ziehen: §§ 17, 35 StGB enthalten gerade Regelungen, die es erlauben, das Vorfeld bzw. Vorverschulden miteinzubeziehen, während es bei § 20 StGB an Ähnlichem mangelt.193 Folglich legt das Gesetz es nahe, dass allein bei ausdrücklicher Regelung ein Vorverschulden einbezogen werden kann und ein solches nicht zur „Tat“ i. S. v. § 20 StGB gehört, ohne zum Unrechtstatbestand zu zählen. Darauf repliziert Streng zweierlei. Einerseits könne die in § 20 StGB fehlende Regel nicht eingewandt werden, da der Gesetz191 MK-Streng, § 20 Rn. 135; ders., JZ 2000, 20, 23 f.; ders., in: Alkohol, Strafrecht und Kriminalität, 69, 84 f.; ders., in: Gesetzlichkeit und Strafrecht, 179, 185. 192 Die Wertung von § 17 StGB wird durchaus unterschiedlich beurteilt; kritisch zur Annahme der Verwandtschaft von §§ 17, 20 StGB etwa Paeffgen, in: Alkohol, Strafrecht und Kriminalität, 49, 53 Fn. 18; Roxin, FS Lackner, 307, 310 f. (Replik auf Roxin bei Safferling, Vorsatz und Schuld, S. 246 Fn. 211; MK-Streng, § 20 Rn. 131); gegen die Heranziehung von § 17 StGB als Vergleichsbasis generell Herzberg, FS Spendel, 203, 234 f. (Fremdkörper im System); Zenker, Actio libera in causa, S. 90 f. Fn. 234 (§ 17 S. 2 StGB ist verfassungswidrig). 193 AnwK-Conen, § 20 Rn. 104; Hruschka, JZ 1996, 64, 68; ders., JZ 1997, 22, 24; NK4-Paeffgen, Vor § 323a Rn. 25; ders., ZStW 97 (1985), 513, 521 f., 523; ders., in: Alkohol, Strafrecht und Kriminalität, 49, 53 Fn. 18; Rönnau, JA 1997, 707, 713; Sternberg-Lieben, GS Schlüchter, 217, 240; Stühler, Actio libera in causa, S. 98 f.; s. a. Hettinger, FS Geerds, 623, 648 f.; Schönke/Schröder28-Perron, § 20 Rn. 35a; Reineke, Trunkenheit, S. 141 f.; Th. Schröder, Gesetzesumgehung, S. 87.

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F. Die Wirkungsweise von Art. 103 II GG im AT

geber angenommen habe, angesichts der gefestigten Alic-Lehre keinen Anlass zu einer Vorverschuldensregel in § 20 StGB zu haben, um diese anzuerkennen.194 Andererseits fehle die lex scripta wegen der partiellen Überschneidung von §§ 17, 20 StGB nur für das Vorverschulden, das zum Verlust der Steuerungsfähigkeit führe; jenes könne aber zu dem Vorverschulden, das den Verlust der Unrechtseinsicht bedinge, schwerlich unterschiedlich zu behandeln sein.195 Zunächst zum letztgenannten Punkt: Gesteht man zu, dass es an einer lex scripta fehlt, während man gleichzeitig eine Gleichbehandlung des geregelten und des ungeregelten Falles verlangt, so beschreibt man damit ziemlich genau die Voraussetzungen der (verbotenen) Analogie. Zwar soll dies alles noch von einer ausdehnenden Interpretation des Tatbegriffs getragen werden; nichtsdestoweniger zeigt der letzte Satz, dass im Ergebnis zielorientiert die durch die Fachsprache gesetzten semantischen Grenzen überschritten werden sollen. Darüber hilft die salvatorisch anmutende Forderung nicht hinweg, man solle sich in einem zurückhaltenden Umgang mit dem Analogieverbot üben.196 Selten genug ist es der Fall, dass im AT die semantischen Grenzen wirksam werden. Wenn man in diesen seltenen Fällen noch einen wie auch immer gearteten zurückhaltenden Gebrauch des Analogieverbots einfordert, so dispensiert man durch die Hintertür den AT vom Gebot der Rechtsfindung lege stricta. Die Befürchtung, dass der Wissenschaft übermäßige Ketten angelegt werden, ist unbegründet; es steht lediglich zu akzeptieren, dass mancher Lösungsvorschlag de lege lata keinen Eingang in die Rechtspraxis finden kann. Dem erstgenannten Einwand, der auf den Willen oder die Vorstellung des Gesetzgebers rekurriert, ist zu antworten: Der Wille oder die Vorstellung des Gesetzgebers alleine vermag im Strafrecht keine Norm zu schaffen, sondern nur sein Wort.197 Gesetzt den Fall, der Gesetzgeber glaubte und wollte tatsächlich all das, was ihm beigelegt wird – z. B. die alic nicht regeln zu müssen und legitimerweise der Rechtsprechung überlassen zu

194 MK-Streng, § 20 Rn. 130, 132, 135; ders., JZ 2000, 20, 22; ders., in: Alkohol, Strafrecht und Kriminalität, 69, 79, 85. Auf die Vorstellung bzw. den Willen des Gesetzgebers verweisen ergänzend auch Anhänger anderer Modelle, vgl. etwa Hirsch, FS Nishihara, 88, 97; LK11-Jähnke, § 20 Rn. 78; Krey/Esser, AT5, § 21 Rn. 709; Wessels/ Beulke/Satzger, AT43, Rn. 415. 195 MK-Streng, § 20 Rn. 132; ders., JZ 2000, 20, 23; ders., in: Alkohol, Strafrecht und Kriminalität, 69, 80 (etwas anders ders., in: Gesetzlichkeit und Strafrecht, 179, 186: lex scripta „Begehung der Tat“); ähnlich Safferling, Vorsatz und Schuld, S. 246. 196 Streng, in: Gesetzlichkeit und Strafrecht, 179, 191 ff. (ähnlich, wenngleich in anderem Zusammenhang, ders., FS Küper, 629, 639 ff.); vor einem allzu schnellen Bemühen der „Guillotine“ des Analogieverbots warnt auch Küper, JZ 1997, 229, 231. 197 Vgl. insoweit (im Zusammenhang mit dem Ausnahmemodell) BGHSt 42, 235, 242; Hettinger, Actio libera in causa, S. 448 f.; ders., FS Geerds, 623, 637 Fn. 81; Rönnau, JA 1997, 707, 713; Th. Schröder, Gesetzesumgehung, S. 79 f. Fn. 191, 360; Stühler, Actio libera in causa, S. 109; Zenker, Actio libera in causa, S. 23; s. a. Eschenbach, Jura 1992, 637, 639 f.; Kaspar, Jura 2007, 69, 71; Reineke, Trunkenheit, S. 141.

III. Actio libera in causa

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können –,198 befand er sich insoweit im (unbeachtlichen) Irrtum über seine eigene Pflicht. Genauso wenig, wie der Wille des Gesetzgebers die Bestrafung nach den Grundsätzen der alic legitimieren kann, kann er die dem Gesetz zuwiderlaufende Wirkung der „Grundnorm“ des § 17 StGB auf die Auslegung von § 20 StGB rechtfertigen. 2. Resümee De lege lata kann der Täter in den Fallkonstellationen der alic nur wegen § 323a StGB gestraft werden, eine Strafe aus dem Vorsatzdelikt ist verfassungswidrig. Der Konflikt mit Art. 103 II GG bleibt ungelöst und ist in Anbetracht der momentanen Regelung von § 20 StGB nicht zu lösen. Die wiederkehrende Aktivierung von Gewohnheitsrechtsverbot, Analogieverbot und Präzisierungsgebot zeigt, dass sich das Gesetz und das in ihm angelegte System gegen die Anwendung der Grundsätze der alic sperren. Da es somit die momentane Regelungslage ist, die sich entgegenstellt, ist offensichtlich das Handeln des Gesetzgebers gefragt. In seltener Einmütigkeit rufen sowohl die Befürworter als auch die Gegner der alic199 nach seiner Intervention. Vom Gesetzgeber ist dabei nicht mehr und nicht weniger als ein positives Bekenntnis zur alic zu verlangen, wenn er dem Bestimmtheitsgebot genügen will. Sein bloßes Schweigen reicht selbst eingedenk der im AT deutlich gesenkten Anforderungen an die gesetzliche Bestimmtheit keinesfalls. Die Sicherung des Entscheidungsprogramms verlangt nach einer gesetzlichen Verankerung, an der es, denkt man an die stark divergierenden Begründungsmodelle, bislang mangelt. Allerdings gilt natürlich desgleichen im Fall der alic: Irgendwie geregelt ist nicht zwangsläufig gut geregelt. Der Gesetzgeber muss es auf sich nehmen, die vorgetragenen Vorschläge200 zu prüfen und sich für den am besten in das Gesamtsystem einfügenden zu entscheiden. Selten würde das berüchtigte Wort des Gesetzgebers in derartigem Umfang das bereits Geschriebene zum Teil obsolet 198 Sternberg-Lieben, GS Schlüchter, 217, 239 f., hält den Willen des Gesetzgebers zur actio libera in causa stattdessen für ambivalent. 199 s. Ambos, NJW 1997, 2296, 2298; Bott/Krell, ZJS 2010, 694, 697; Bringewat, Grundbegriffe, Rn. 515; Eser/Burkhardt, Strafrecht I4, Nr. 17 A Rn. 12; Hettinger, in: Reform des Sanktionenrechts, 189, 272 ff., 290 f.; Hruschka, JZ 1996, 64, 68; dens., JZ 1997, 22, 24; Kaspar, Jura 2007, 69, 71; Kindhäuser, AT, § 23 Rn. 21; Mitsch, FS Küper, 347, 361; Neumann, StV 1997, 23, 25; NK4-Paeffgen, Vor § 323a Rn. 66; Rönnau, JuS 2010, 300, 302; Salger/Mutzbauer, NStZ 1993, 561, 565; Schweinberger, JuS 2006, 507, 511; MK-Streng, § 20 Rn. 160; ders., JZ 2000, 20, 26 (anders ders., in: Alkohol, Strafrecht und Kriminalität, 69, 81); HK-Verrel/Linke, § 20 Rn. 23; Wessels/Beulke/ Satzger, AT43, Rn. 415, 416a. 200 Vorschläge finden sich u. a. bei Ambos, NJW 1997, 2296, 2298; Hruschka, JZ 1996, 64, 69 ff.; Rasmussen, Möglichkeit, S. 139; Streng, JZ 2000, 20, 26 ff.; Stühler, Actio libera in causa, S. 139 ff.; Übler, Neue Entwicklungen, S. 189 ff.; kritisch Zenker, Actio libera in causa, S. 172 ff., 198.

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F. Die Wirkungsweise von Art. 103 II GG im AT

machen – und wohl in gleichem Umfang dem nunmehr zu Schreibenden den Boden bereiten. Was aber verbleibt bis zu diesem Zeitpunkt? Der Gesetzgeber kennt das Problem schon seit geraumer Zeit und konnte sich dennoch trotz gelegentlicher Anläufe nicht zu einer Regelung entschließen. Man mag beschwichtigend darauf verweisen, dass die Alic-Fälle praktisch selten201 sind und ihre Aufmerksamkeit zuvörderst der umfassenden und prominent besetzten wissenschaftlichen Auseinandersetzung verdanken. Das hilft jedoch dem Rechtsanwender, der sich in praxi mit einem solchen Einzelfall befassen muss, wenig. Denkbar wäre Folgendes: Würde der Täter vom jeweiligen Gericht in Anwendung des Tatbestandsmodells wegen der Vorsatztat verurteilt, stünde ihm der Weg zum Bundesverfassungsgericht nach Ausschöpfung des Rechtsweges offen. Will man sich nun nicht mit dem Schmerz der Strafbarkeitslücke abfinden, so erscheint es erwägenswert, ob über die Aburteilung nach den Grundsätzen der alic lediglich das Urteil der Unvereinbarkeit gefällt werden kann. Unvereinbar mit dem Grundgesetz wären das Gewohnheitsrecht (im Ergebnis der Strafbarkeit sind sich weite Teile der Literatur und vor allem der Rechtsprechung einig)202 bzw. die Auslegungspraxis – die Systembildung – in einfacher oder doppelter Analogie zur sonstigen Unvereinbarkeitserklärung bei Gesetzen; gleichzeitig wäre die Setzung einer Frist durch das Bundesverfassungsgericht denkbar, die den Gesetzgeber mit dem nötigen Nachdruck zum Handeln auffordert. Ob dieses Gedankenspiel rechtlich angezeigt wäre, steht dahingegen auf einem anderen Blatt. Selbst wenn man beiseite lässt, ob die Unvereinbarkeitserklärung über Gesetze hinaus entsprechend angewendet werden kann, erscheint es zweifelhaft, ob der Zustand, der eintritt, wenn man den Täter „nur“ nach § 323a StGB straft, tatsächlich noch „verfassungswidriger“ wäre als jener, der bei seiner vom Gesetz losgelösten Bestrafung aus dem Vorsatzdelikt besteht. Allein das Rechtsgefühl und bloße Strafwürdigkeitserwägungen sind keine schützenswerten Verfassungsgüter.

201 Hettinger, FS Geerds, 623, 625; ders., in: Reform des Sanktionenrechts, 189, 199; Hirsch, FS Geppert, 233, 242; Schönke/Schröder29-Perron/Weißer, § 20 Rn. 33; s. a. Fischer, StGB, § 20 Rn. 50; HK-Verrel/Linke, § 20 Rn. 21 (dogmatischer Aufwand außer Verhältnis zur praktischen Bedeutung). 202 Starke Zweifel bleiben, wie bereits gesehen, ob die Übereinstimmung „im Ergebnis“ Gewohnheitsrecht zu begründen vermag, s. Kap. F. III. 1. a) bb) Fn. 127.

G. Zusammenfassung Die Geltung des Gesetzlichkeitsprinzips im Allgemeinen Teil des StGB wird zumeist nur verstreut respektive anlässlich anderer Fragestellungen angesprochen. Dabei erfreuen sich besonders Aussagen zur Geltung des Analogieverbots und des Gewohnheitsrechtsverbots einer gewissen Beliebtheit. Dies rührt daher, dass beide oft zum bloßen Argument für oder gegen die beim jeweiligen ATProblem präferierte Lösung verkommen. Deshalb nimmt es nicht wunder, dass die grundsätzliche Schwierigkeit, wie sich das Gesetzlichkeitsprinzip im Allgemeinen Teil verwirklichen kann, allenfalls gestreift wird. Die bestehende Regelungslage des AT scheint uns so selbstverständlich geworden zu sein, dass wir sie selten hinterfragen zu müssen glauben. Belegt wird jener Missstand durch die vereinzelt gebliebenen Stellungnahmen zum Phänomen des Allgemeinen Teils an sich. Es hat sich gezeigt, dass kein vernünftiger Grund ersichtlich ist, den Allgemeinen Teil rund heraus von den Anforderungen des Nullum-crimen-Satzes zu dispensieren, was am Beispiel des Analogieverbots demonstriert wurde. Sowohl der historische Rückblick als auch der internationale Überblick sowie die mannigfaltigen „sekundären“ Einschränkungen des Gesetzlichkeitsprinzips seitens erklärter Befürworter seiner Geltung im AT verdeutlichen indes, dass dort das Programm der Postulate, die das Gesetzlichkeitsprinzip beinhaltet, schwerer zu realisieren ist. Folglich ist die entscheidende Frage nicht die nach dem „Ob“ seiner Geltung, sondern jene nach dem „Wie“ bzw. „Inwieweit“. Der maßgebliche Streit, der das „Ausgangsgebot“ der übrigen Verbürgungen betrifft, blieb bislang zu Unrecht im Hintergrund: Bis zu welchem Grad lassen sich die aus dem Bestimmtheitsgebot erwachsenden Anforderungen im AT realisieren und was folgt daraus für das Analogieverbot? Um darauf eine Antwort geben zu können, muss man aufdecken, was die in Rede stehenden zentralen Begriffe bedeuten. Beim AT ist Folgendes zu beachten: Zwar kommt dem gesetzlichen AT, dem AT im logischen Sinne, insofern die bekannte Klammerfunktion zu, als die in ihm enthaltenen Anwendungsregeln jeweils bei einer Vielzahl von Tatbeständen des BT virulent werden können. Darüber hinaus hat die durch den Gesetzgeber getroffene Lozierung im AT aber auch inhaltliche Bedeutung. Denn die Anwendungsregeln des AT (Zurechnungs-, Geltungs- und Vorrangregeln) sind einerseits rechtsgutsblind, andererseits kommt einigen von ihnen (beispielsweise den Regeln zur Schuld) Grundlagencharakter zu. Entgegen einer verbreiteten Meinung sind die Normen des AT aus diesem Grunde nicht beliebig und ohne Weiteres in den BT überführbar. Vom gesetzlichen AT ist wiederum der ihn ergänzende AT

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G. Zusammenfassung

im konstruktiven Sinn zu unterscheiden. Er dient der Axiomatisierung des StGB, indem er analytische Normen, die im Gesetz selbst nicht ausdrücklich oder überhaupt nicht enthalten sind, umfasst. Seine durch die Dogmatik aufgedeckten Regeln sind zum Teil normativ verbindlich. Über die Bedeutung des Bestimmtheitsgebots besteht keine Einigkeit. Das Meinungsspektrum reicht von völliger Ablehnung bis zu strengen, undifferenzierten Anforderungen an jede Form des Gesetzes. M. E. nach beinhaltet es das Gebot der gesetzlichen Bestimmtheit, im Rahmen des sprachlich-gesetzestechnisch Möglichen (exemplarisch: Unvermeidbarkeit vager Begriffe) das Entscheidungsprogramm des demokratisch legitimierten Gesetzgebers durch das Gesetz möglichst genau für den Rechtsanwender vorzugeben und damit Berechenbarkeit zu gewährleisten. Anerkannt ist mithin, dass dem Bestimmtheitsgebot durch das Medium der Sprache Grenzen immanent sind. Traditionell besteht die Gefahr, dies zu ignorieren, da oftmals von Vorstellungen, die im Kern der Aufklärung entstammen, ausgegangen wird, der Gesetzgeber alleine könne die Aufgabe bewältigen und Berechenbarkeit gewährleisten. Derartige Vorstellungen überschätzen die Leistungsfähigkeit des Gesetzes und überfordern den Gesetzgeber. Darum ist es begrüßenswert, wenn neuerdings das Bundesverfassungsgericht anerkennt, dass das Bestimmtheitsgebot sich ebenfalls an den Rechtsanwender richten muss. Das Präzisierungsgebot ist eine notwendige und sinnvolle Ergänzung zum Gebot der gesetzlichen Bestimmtheit. Sein Zweck besteht nicht darin, unbestimmte Gesetze zu bestimmten zu machen, sondern wegen der sprachlichen Hürden zulässig weit geregelte, aber doch bestimmte Gesetze zu präzisieren und so die Berechenbarkeit für die Rechtsgemeinschaft zu mehren. Die besagten sprachlichen Grenzen sind es zudem, die das Analogieverbot in eine Krise gestürzt haben. Soweit man dem Verbot nullum crimen sine lege stricta entnimmt, dass damit die Überschreitung des Wortsinns des Gesetzes untersagt wird, wenden zahlreiche Stimmen die weitgehend beliebige Festsetzung von Bedeutungen eines Wortes ein. Gleichwohl soll im Vorliegenden am traditionellen Verständnis festgehalten werden: Verboten ist jene Auslegung in malam partem, die die semantischen Grenzen, die der gesetzliche Begriff setzt, überschreitet, wobei für die semantischen Grenzen primär die Fachsprache, sekundär die Umgangssprache maßgebend ist. Mit der Begriffsbestimmung ist der Grundstein gelegt, um die immanenten Grenzen, die dem Gesetzlichkeitsprinzip im AT erwachsen, in seine verfassungsrechtliche Natur und Struktur einzubetten. Bei Art. 103 II GG handelt es sich um ein grundrechtsgleiches Recht. Diesem kommt die Besonderheit zu, im Gegensatz zu den meisten übrigen Grundrechten und grundrechtsgleichen Rechten nicht einschränkbar zu sein; Art. 103 II GG ist das zu einer selbstständigen Regel verdichtete Ergebnis der Abwägungsergebnisse einer Vielzahl von Grundrechtsprüfungen. Um nun zu entscheiden, ob diese Regel erfüllt ist oder nicht, muss

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die Regel genau umrissen werden. Grundrechtsdogmatisch bietet sich dafür die sog. Schutzbereichsbegrenzung an. Zwar ist letztgenannte in der verfassungsrechtlichen Lehre umstritten; bei Art. 103 II GG ist sie aus dem erwähnten Grund die einzige Möglichkeit, um die Regel handhabbar zu machen und Konflikte mit den übrigen Verfassungsprinzipien zu vermeiden. Der Gewährleistungsgehalt von Art. 103 II GG ist im Wege der Auslegung zu präzisieren. Demgemäß ergibt sich für das Verhältnis von Allgemeinem Teil und Gesetzlichkeitsprinzip: Das Bestimmtheitsgebot gilt im AT nur abgeschwächt, es genügt, wenn der Gesetzgeber die Grundentscheidung trifft und den Leitgedanken im Gesetz anordnet. Bei den allgemeinen Lehren reicht sogar die implizite Anlage im Gesetz. Dies ist nicht durch historische Gründe oder die „Gerechtigkeitsfunktion“ des AT bedingt, sondern vornehmlich durch die in der Sprache des Gesetzes angelegten Grenzen. Besonders der weite Anwendungsbereich sowie der Grundlagencharakter des AT zwingen den Gesetzgeber zum Gebrauch sehr abstrakter, ggf. vager Begriffe. Gelten für das Bestimmtheitsgebot abgeschwächte Anforderungen, so teilt seine „Verlängerung“, das Analogieverbot, jene Einbußen. Die semantischen Grenzen sind angesichts der zulässig vagen Fassung schwach. Hingegen wird die Entscheidung über die Zuordnung neutraler Kandidaten, die dem Rechtsanwender einen schöpferischen Spielraum lässt, zum Regelfall. Dem Rechtsanwender kommt im AT ein größerer Spielraum als üblich zu. Umso bedeutsamer wird im Allgemeinen Teil das Präzisierungsgebot. Im AT bewegt sich der Gesetzgeber im Rahmen des Zulässigen, wenn er eine abstrakte, z. T. sehr vage Begrifflichkeit wählt, sich mit der Anordnung begnügt. Nichtsdestoweniger ist der AT – auch der Begriff der Fahrlässigkeit (§ 15 StGB) sowie § 13 I StGB – im Sinne von Art. 103 II GG ausreichend gesetzlich bestimmt. Genau in dieser Situation zeigt sich die Leistung des an den Rechtsanwender gerichteten Präzisierungsgebots. Dem AT im konstruktiven Sinne, der weithin das Ergebnis der Vorarbeiten der strafrechtlichen Lehre ist, erwächst, sofern er Eingang in die Rechtsprechung findet, eine dem Gesetz angenäherte Wirkung. Zum einen ist er das Mittel, um die Berechenbarkeit für die Rechtsgemeinschaft zu gewähren und die weite gesetzliche Regelung anwendbar zu machen. Zum anderen bewirkt er durch seine Aufnahme in die Praxis eine Bindung des Rechtsanwenders, da zu seiner Überschreitung ein hoher Begründungsaufwand notwendig ist. Gegen die im Vorliegenden vertretene Lösung mag man Einwände haben. Diese, die die Geltung des Gesetzlichkeitsprinzips im Allgemeinen Teil ohne Abstriche postulieren, werden den Schritt von der sprachlichen Schwierigkeit zu den generell abgeschwächten Anforderungen ablehnen. Jene, die ohnehin dem Nullum-crimen-Satz lediglich eingeschränkte Wirkung im AT zubilligen, werden fragen, was sich hieraus Neues ergibt. Zunächst zu Letzterem: Vertritt man, dass das Bestimmtheitsgebot im AT nur abgeschwächt gilt, ist es eingedenk seiner verfas-

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sungsrechtlichen Absicherung eine vom Grundgesetz schlicht gebotene Notwendigkeit, die gesenkten Anforderungen verfassungsrechtlich zu begründen, selbst wenn man intuitiv das richtige Ergebnis schon kennt. Daran mangelt es bislang. Auf das Erstgenannte ist zu antworten, dass dann, wenn man glaubt, den bestehenden Regelungszustand ablehnen zu dürfen, eine umfassende und überzeugende Konzeption vorgebracht werden muss, die aufzeigt, dass der geltende Zustand unzureichend ist. Eine damit verbundene verstärkte Befassung mit dem Phänomen des AT wäre ausschließlich zu begrüßen. Aus den dargestellten Gründen ist jedoch starke Skepsis angebracht, ob der „Gegenbeweis“ gelingen kann.

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Sachwortverzeichnis Abstrakte Begriffe 22, 82, 131 f., 140, 223 f., 227, 289 Actio libera in causa 28, 47, 70 f., 74 f., 77, 81, 93, 95, 99 f., 110, 197, 217, 261 ff. Allgemeine Lehren 25, 38, 46, 96, 99, 110 f., 125, 230, 232, 235, 289 Allgemeine Lehren des Besonderen Teils 109, 122, 125 Allgemeiner Bestimmtheitsgrundsatz 134 f., 140, 142, 220 Allgemeiner Teil 15, 17, 25 f., 36 f., 40, 43, 46 ff., 51, 55, 69, 71 ff., 83 ff., 104 ff., 144, 160 ff., 171 f., 192, 196 ff., 216 ff., 237, 261, 287 – des Strafrechts 111, 119 – im konstruktiven Sinne 105, 125, 226 f., 230, 234 ff., 237, 242, 244 ff., 256, 261 f., 271, 273, 278, 280, 287 f. – im logischen Sinne 105, 226 f., 230, 235, 287 – im systematischen Sinne 47, 86 f., 105 – Klammerfunktion 17, 86 f., 105 ff., 120, 122 ff., 172, 223, 287 – Rechtsgutsblindheit 120 f., 122 f., 287 Allgemeines Preußisches Landrecht 42 ff., 80 Analogiegestattungsverbot 193 ff. Analogienovelle 52 Analogieverbot 17, 23 f., 27 ff., 30, 40, 42, 45 f., 48, 50, 55, 58, 67, 71, 104, 118, 121, 156, 173 ff., 201, 212, 217, 236, 242, 265, 273, 278, 284, 288 – Adressat 23, 191 ff. – Analogie zugunsten des Täters 24, 68, 174 f. – Erweitertes 188 ff., 195, 232, 243 – im Allgemeinen Teil 15, 27, 83 ff., 196 ff., 231 ff.

– Teleologische Reduktion 24, 28, 68, 95, 97 f., 173, 175, 197 ff., 265 f. – Verhältnis zum Präzisierungsgebot 157, 195 f., 233, 236 – Verhältnis zur gesetzlichen Bestimmtheit 29 f., 191 ff., 196 f. Aufklärung 38, 42, 57, 67, 80, 103, 147, 288 Bayerisches Strafgesetzbuch 46 ff. Berechenbarkeit 56, 63, 65 f., 68, 89, 102, 114, 118, 125, 132, 138, 142, 147, 150, 158, 173, 185, 206, 222, 225, 229, 233, 288 Bestimmtheitsgebot 16, 21 ff., 27, 29 f., 35, 40, 42, 45, 51, 53, 55, 67, 73, 79, 104, 118, 126 ff., 173, 180, 186, 191 ff., 200, 208, 212, 233, 236, 285, 288 – Adressat 21, 33, 137, 154 ff., 288 – im Allgemeinen Teil 70 ff., 74 f., 80 ff., 83, 103, 123, 126, 160 ff., 217 ff., 287, 289 – Je-desto-Formel 23, 136, 140 ff. – Programmsicherung 151 ff., 173, 180, 191, 193, 217, 222, 225, 230, 285, 288 – Relatives 138 Bundesverfassungsgericht 16, 20, 22, 30, 63, 65, 112, 134, 139, 167, 180, 195, 208 – Superrevisionsinstanz 190 – Untreue-Beschluss 16, 137, 155, 189 Conduct rules 115 ff., 123 Decision rules, rules of adjudication 115 ff., 123, 126 Deskriptive Begriffe 22, 127, 132 f., 144, 147 f., 149 Dispositionsbegriffe 225, 227

332

Sachwortverzeichnis

Fachsprache 154, 184 ff., 231, 242, 283, 288 Fahrlässige Mittäterschaft 17, 199, 238 ff. – Gleichgerichtete Sorgfaltspflicht 248, 258, 260 – Tatplanerfordernis 245 ff., 248, 256, 260 Fahrlässigkeit 17, 42 f., 47, 49, 51, 72, 74 f., 77, 99, 112, 121, 124, 160 ff., 171, 196, 219, 226 f., 244, 289 Fehlgeschlagener Versuch 26, 111 Formelle Gerechtigkeit 68, 113, 146, 211, 220 Garantenstellung 70 f., 75, 78, 102, 160, 167 ff., 230, 251 f., 289 Gebot der methodengerechten Auslegung 189 ff., 195, 232, 243 Gefestigte Rechtsprechung 140 f., 154, 158 ff., 168, 233 f. Generalisierungsverbot 91 f., 174, 273 Gewährleistungsgehalt 207, 209, 213, 216 ff., 289 Gewohnheitsrechtsverbot 17, 25 f., 27 ff., 31, 73, 93, 266, 285 – im Allgemeinen Teil 25 f., 51, 55, 76, 81 f., 99 ff., 287 – Täterbegünstigendes Gewohnheitsrecht 25 Grundrecht 18 f., 32, 163, 201, 205 f. – Justizgrundrecht 19, 32 Grundrechtsgleiches Recht 18, 32, 34, 67, 137, 202, 205 ff., 209, 214, 218, 222, 288 Historische Auslegung 30, 86, 89, 177 f., 188, 214, 217 ff. Individualisierung 98 f., 112 ff., 116 f., 120, 124 f., 220 ff. Lederspray-Fall 238, 254, 258 f.

Materielle Gerechtigkeit 68, 112 ff., 137, 145 ff., 208, 220 ff. Normative Begriffe 117, 127, 132 f., 144, 147 f., 149 Poröse Begriffe 129 f., 144, 224, 234 Präzisierungsgebot 154 ff., 166, 189, 193, 195 f., 233 ff., 242, 244, 259, 268, 279, 285, 288 f. Rechtfertigungsgründe 15, 24, 27 f., 94 f., 97 ff., 121, 123 Richterrecht 28, 73, 100, 168, 267 Rolling Stones-Fall 238 f., 248 f., 252, 259 Rücktritt vom erfolgsqualifizierten Delikt 199 Rückwirkungsverbot 17, 20, 26 f., 33, 35, 52, 55, 61, 208 – für Rechtsprechungsänderungen 156 f. – im Allgemeinen Teil 26 f. Schranken 146, 208 ff., 214, 288 Schranken-Schranke 201 ff. Sozialethische Einschränkungen des Notwehrrechts 97, 198 f. Systematische Auslegung 85, 134, 158, 191, 220 ff., 232 Teleologische Auslegung 87 ff., 94 f., 175 ff., 222 ff., 267 Umgangssprache 180, 184 ff., 231, 272 f., 282, 288 Unvereinbarkeitserklärung 164, 286 Vage Begriffe 128 ff., 140, 144, 154, 186, 193, 197, 200, 221, 224 f., 231, 233, 288 – Kandidatenschema 128 ff., 148, 186, 193, 197, 200, 224, 231, 234, 242, 265, 268, 289

Sachwortverzeichnis – Kreativer Anteil des Rechtsanwenders 130, 232 f., 289 Verfassungskonforme Auslegung 132, 165 ff., 170 Verfassungsrechtliches Grundmodell 30 ff. Verschleifungsverbot 157, 189, 195 Versuchte Beihilfe 88, 237 f.

333

Vertrauensschutz 20, 56, 63 ff., 68 f., 88, 94 ff., 118, 126, 177 f., 185 Völkergewohnheitsrechtliche Geltung 80

Wortsinngrenze 29, 76, 102, 178 ff., 188, 194, 196, 231 ff., 237, 242, 270, 288