Die Rechtsschutzzone der Feststellungsklage im Zivil- und Verwaltungsprozeß: Studien zur Fortentwicklung des Rechtsschutzverhältnisses [1 ed.] 9783428441679, 9783428041671

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Die Rechtsschutzzone der Feststellungsklage im Zivil- und Verwaltungsprozeß: Studien zur Fortentwicklung des Rechtsschutzverhältnisses [1 ed.]
 9783428441679, 9783428041671

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CHRISTOPH TRZASKALIK

Die Rechtsschutzzone der Feststellungsklage im Zivil- und Verwaltungsprozeß

Schriften zum Proze88recht

Band 57

Die Rechtsschutzzone der Feststellungsklage im Zivil- und Verwaltungsprozeß Studien zur Fortentwicklung des Rechtsschutzverständnisses

Von

Dr. Christoph Trzaskalik

DUNCKER &

HUMBLOT

IBERLIN

Als Habilitationsschrift auf Empfehlung des Fachbereichs Rechtswissenschaft der Julius-Maximilians-Universität Würzburg gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft

Alle Rechte vorbehalten & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1978 bei Berliner Buchdruckerei Union GmbH., Berlin 61 Printed in Germany

© 1978 Duncker

ISBN 3 428 04167 4

Vorwort Die Arbeit hat im Frühjahr 1977 der Würzburger Juristenfakultät als Habilitationsschrift vorgelegen. Dank schuldet der Verfasser für vielfältige Förderung Prof. Dr. G. Küchenhoff, Prof. Dr. H. Hofmann, Prof. Dr. K. Kuchinke, vor allem aber auch seinem Freund und Kollegen, Privatdozent Dr. H.-M. Müller-Laube, der als Zivilist dem Verfasser, der Öffentlichrechtler ist, während der gesamten Entstehungszeit der Schrift ein hilfreicher Diskussionspartner war. Würzburg, 10. April 1978 C.T.

Inhaltsübersicht Einleitung

11

Erster Teil Das "abstrakte" Redltsverhältnis als Zulässigkeitssdlranke der Feststellungsklage

20

I. Das Begrif!spaar abstrakt/konkret . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . .. . .. . . . ...

20

11. Die praktische Relevanz des Feststellungsstreits ..................

23

111. Arten der Feststellungsklage über "abstrakte" Rechtsverhältnisse ..

26

1. Der generalisierende Feststellungsstreit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27

a) Die identische Rechtsfrage bei gleichartigen Verträgen... ...

27

b) Die Fortsetzungsfeststellungsklage wegen Wiederholungsgefahr ....................................................... 30 2. Die Norminterpretationsklage .................................

32

a) Das Bedürfnis nach Norminterpretation im Widerstreit zu ansprudlsbezogenem Denken .............................. 32 b) Die Offenheit von Rechtsnormen - ein Grund für die Unzulässigkeit von Norminterpretationsklagen? .................. 33 c) Die strukturellen Untersdliede zwischen Norminterpretationsund Rechtsanwendungsstreit ............................... 41 d) Die prinzipielle Offenheit des Feststellungsurteils gegenüber Folgeentwicklungen ........... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 e) Das generalisierende Feststellungsurteil und das Erfordernis der Antragsbestimmtheit .................................. 45 3. Die Feststellungsklage gegen Rechtsnormen .... . . . . . . . . . . . . . . ..

51

IV. Ergebnis ........................................................

57

8

Inhaltsübersicht

ZweiterTeit Die Dimension der Zeit im Feststellungsprozeß: Vergangene, gegenwärtige und zukünftige Rechtsverhältnisse

59

I. Die Verschmelzung vergangener, gegenwärtiger und zukünftiger Elemente im Feststellungsstreit .................................. 59 II. Die Ausrichtung des zivilen Feststellungsstreits auf den materiellen Anspruch .................................................... . .. 60 IH. Das Urteil über "hypothetische" Sachverhalte .......... . .........

68

1. Das Urteil über den "realen" Lebenssachverhalt ..............

68

2. Der Feststellungsprozeß über normative Berechtigungen als Streit über einen "hypothetischen" Sachverhalt ............ . ... 69 3. Die Beurteilungsfähigkeit "hypothetischer" Sachverhalte... . . ..

76

4. Die Bedeutung des Urteils über eine Normsituation . ...... .....

78

IV. Das gegenwärtige Verwaltungsrechtsverhältnis und der Verwaltungsakt ........................................................ 81 1. Klagen auf Feststellung zukünftiger Rechtsverhältnisse und vor-

beugender Rechtsschutz .......................................

84

2. Die Bedeutung des Verwaltungsakts für den Feststellungsstreit 90 V. Der Prozeß: Reaktion auf fremde Rechtsverletzung oder Sicherung eigenen normgemäßen Verhaltens ........ . ..... . ..... . ........... 100 1. Folgerungen aus der gesetzgeberischen Entscheidung für die Zu-

lässigkeit von Präventivklagen .............. . ................. 100

2. Die Klage gegen drohende Verwaltungsakte ...... . ...... .. .... 104 VI. Die Ausbildung materiellrechtlicher Pflichten in Ausrichtung auf den vorbeugenden Rechtsschutz . ......... . ... . . . ........... . .. . .. 108 1. Die Notwendigkeit eines Rückgriffs auf materiellrechtliche

Pflichten ...... . ............ . ...... . .. . ... .. ........ . ...... . .. 108

2. Die unterschiedliche materielle Ausgangslage im Zivil- und Verwaltungsrecht . ........ . .... . ...... . . , ...... . ....... . ... . ... . . 112 3. Grenzen des Anspruchs auf Stellungnahme im Verwaltungsrecht 115

Inhaltsübersicht VII. Der Rechtsstreit vor erfolgter Rechtsverletzung

9 120

1. Präventiver und repressiver Rechtsschutz als Spiegelbilder unterschiedlicher Funktionen des materiellen Rechts ............ 120

2. Die Lösung der traditionellen Fälle vorbeugenden Rechtsschutzes im Verwaltungsrecht ......................................... 123 VIII. Ergebnis ........................................................ 127 Dritter Teil

Rechtsverhältnis und Anspruch

130

I. Das Verhältnis von Teil und Ganzem ............................ 132 1. Die Erfassung von Elementen und Vorfragen .................. 132

2. Die Rechtsprechung zur Elementfeststellung .................. 134 3. Die Prozeßökonomie - Ausschlußgrund für die Elementfeststellung? ........................................................ 147 4. Die Eigenschafts- und Statusfeststellung ...................... 150 11. Das Drittrechtsverhältnis ........................................ 156 1. Das maßgebliche prozessuale Rechtsverhältnis ................. 156

2. Die Bestimmung des entscheidungserheblichen Rechtsverhältnisses in typischen "Drittrechtsstreiten" .................. " ....... 157 a) Der Streit über Nachfolgeklauseln in Gesellschaftsverträgen 157 b) Die Abwehr nachteiliger Vertragswirkungen durch vertragsfremde Personen .......................................... 158 c) Die Kollision gleichartiger Vertragsrechte .................. 161 d) Die Klage auf Feststellung von Pflichten Dritter

164

IH. Ergebnis ........................................................ 166 Vierter Teil

Das Feststellungsinteresse

168

I. Der Einfluß der Lehre vom Rechtsschutzinteresse auf die Bestimmung des Feststellungsinteresses ................................ 168 II. Die Rechtsungewißheit als Rechtsschutzgrund der Feststellungsklage 174

10

Inhaltsübersicht

IH. Das Feststellungsurteil als Mittel zur Beseitigung der Rechtsungewißheit ....................................................... 178 1. Die Eignung des Urteils über eine Normsituation zur Verhal-

tenssteuerung ................................................ 179

a) Die abgeschlossene Bewertung eines realen Lebenssachverhalts im Leistungs- und Gestaltungsurteil .................. 179 b) Die präjudizielle Wirkung des Urteils über die Normsituation 180 c) Der praktische Nutzwert lediglich richtungsweisender Feststellungsurteile .......... ,.................................. 184 2. Das Verhältnis der Normsituation zum Lebenssachverhalt .... 188 a) Die Notwendigkeit strikter Trennung ...................... 188 b) Die Rechtskraftwirkung des Gestaltungsurteils für den Wiederholungsfall ............................................. 192 c) Die Fortsetzungsfeststellungsklage wegen Wiederholungsgefahr ...................................................... 195 3. Der Feststellungsstreit nach einseitiger Rechtsdurchsetzung

196

IV. Ergebnis ........................................................ 202 Literaturverzeicl1nis ................................................... 204

Einleitung Das Prozeßrecht der Gegenwart ist maßgeblich beeinflußt worden durch die mit den Arbeiten Windscheids einsetzende Entwicklung, materielles und prozessuales Recht zu scheiden. Ursprünglich verstand man die Klagbarkeit und Erzwingbarkeit des sachlichen Rechts als Ausfluß oder Eigenschaft des materiellen Rechts selbst. Das Prozeßrecht galt als Teil des materiellen Rechts. Beginnend in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gewann allmählich die heute allein anerkannte Auffassung die Oberhand, daß es ausschließlich Aufgabe des vom materiellen Recht zu trennenden und dem öffentlichen Recht zuzurechnenden Prozeßrechts sei, die Bedingungen zu normieren, unter denen das Gericht angerufen und ein Urteil begehrt werden kann. Mit der Trennung des materiellen vom Prozeßrecht wurde die Prozeßrechtsdogmatik vor die Aufgabe gestellt, materielles und Verfahrensrecht aufeinander abzustimmen. Von dem außerprozessualen Streit über Rechte und Pflichten, welcher zwischen den Rechtsgenossen untereinander oder zwischen dem Bürger und dem Staat bestand, mußte ein Band zum Prozeß geknüpft werden, in dem über diesen Streit entschieden werden sollte. Diese Mittlerfunktion kam dem Klagerecht zu. Der Ansatz, über das Klagerecht die Brücke vom materiellen zum Prozeßrecht zu schlagen, sollte sich als besonders problematisch erweisen, wenn es galt, das Wesen der Feststellungsklage zu erfassen, wurde doch dem Klagerecht von Savigny in einer Zeit Anerkennung verschafft, in der von einer allgemeinen Feststellungsklage, wie sie erstmals § 33 des Kurhessischen Gesetzes vom 28.10.1863 und § 224 des Preußischen Entwurfs einer Zivilprozeßordnung von 1864 vorsahen, noch nicht die Rede sein konnte. Savigny ging zwar von dem materiellen subjektiven Recht des Individuums aus, knüpfte aber für die Rechtsdurchsetzung weiterhin an die römisch-rechtliche actio an. Die actio war für ihn die durch die Verletzung des materiellen subjektiven Rechts entstandene Befugnis des Verletzten, gegen den Schädiger auf Beseitigung der Verletzung zu klagen l . Mit dem Verständnis des Klagerechts, wonach dieses erst durch die erfolgte tatsächliche Rechtsverletzung entstand, war die Feststellungsklage schwer vereinbar, die nicht Reaktion auf eine begangene tatsächliche Rechtsverletzung ist. Kennzeichnend 1

Savigny, System Bd. V., S. 4 ff.

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Einleitung

für die Unsicherheit war, daß z. B. Windscheid die Feststellungsklage nicht zu den Klagen im eigentlichen Sinne rechnete, weil sie nicht aus einer Rechtsverletzung resultierte!. Modifikationen des Klagerechts, wie es Savigny geprägt hatte, waren deshalb mit dem Aufkommen der allgemeinen Feststellungsklage unvermeidbar. Den Feststellungsanspruch, d. h. Anspruch auf Rechtsschutz in der Form des Feststellungsurteils, verstand man teilweise als einen aus dem materiellen Rechtsverhältnis erwachsenden materiellen Anerkennungsanspruch, durch dessen Verletzung das Recht auf Feststellungsklage begründet werden sollte. In enger Verwandtschaft dazu befand sich die Vorstellung, der Feststellungsanspruch sei ein sachlichrechtlicher Anspruch auf Sicherung zukünftigen Rechtsgenusses gegen Bestreiten. Diesen vom materiellen Recht entwickelten Auffassungen stand die Ansicht gegenüber, nach der die Feststellungsklage ein rein prozessuales Institut sein sollte:!. So wertete Wach den Feststellungsanspruch als Unterfall des öffentlichrechtlichen gegen den Staat gerichteten Rechtsschutzanspruchs, der das Recht des Klägers auf ihm günstige Entscheidung zum Inhalt habe4• Der Rechtsschutzanspruch entstand in dieser Sicht auf Grund der das Feststellungsinteresse begründenden Tatsachen6 • Bewertet man die um die Jahrhundertwende entwickelten Deutungsversuche des Feststellungsanspruchs nach dem bleibenden Wert für die Erfassung des der Feststellungsklage eröffneten Rechtsschutzbereichs, so gebührt den Vertretern der prozessualen Theorien der Verdienst, erkannt zu haben, daß mit der Feststellungsklage nicht ein materieller Leistungsanspruch geltend gemacht wird. Mit der Einordnung der Feststellungsklage unter die rein prozessualen Institute waren aber nicht unbedingt Fortschritte auf dem Weg zur Lösung der Frage verbunden, welchen Inhalt der Streit zwischen den verschiedenen Rechtssubjekten haben muß, damit eine Feststellungsklage erhoben werden kann. Da die Parteien über materielle Rechte und Pflichten streiten und die Feststellungsklage dazu dient, materiell-rechtlichen Beziehungen durch das Urteil Anerkennung zu verschaffen, können die Voraussetzungen für die Erhebung der Klage sowie ihr Gegenstand nicht ohne den Blick auf die jeweilige materielle Rechtslage bestimmt werden, über welche die Parteien streiten. Zur näheren Bestimmung des "außerprozessualen Tatbestandes", aus dem nach Wach der Feststellungsanspruch erwachsen Windscheid, Pandekten Bd. I., S.122, Fn.7. Vgl. zu den verschiedenen Theorien die übersicht bei Langheineken, Urteils anspruch, S.127 ff.; Kadel, Feststellungsklage, S. 47 ff. 4 Wach, Feststellungsanspruch, S.24, S.27. 5 Wach, Feststellungsanspruch, S.14, S.32; ders., ZZP Bd.32, S.29. 2

3

Einleitung

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soll, hat die Lehre vom Rechtsschutzanspruch nichts beigetragen. Seine Thesen zu den Fragen, was ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis sei und wann ein Feststellungsinteresse vorliege, entwickelte Wach nicht aus seiner Lehre vom Rechtsschutz- bzw. Feststellungsanspruch. Mit der zutreffenden Erkenntnis, daß die Feststellungsklage ein prozessuales Institut sei, war vielmehr die Gefahr einer überbetonung der prozessualen Aspekte und der Vernachlässigung des funktionalen Bezugs zwischen der materiellen, unter den Parteien streitigen Rechtslage und der Rechtsschutzordnung verbunden. Diese Gefahr zeigt sich z. B. in der Kritik Wachs an der Lehre vom Anerkennungsanspruch, die in mancher Hinsicht einen richtigen Kern hatte. Löst man sich von der Vorstellung, daß die Feststellungsklage eine Klage auf Abgabe einer Willenserklärung - der Anerkennung durch den Gegner - sei, bleibt doch immerhin die nicht so fern liegende Annahme, daß im Feststellungsurteil der Bestand eines Rechtsverhältnisses anerkannt bzw. nicht anerkannt werde6 • Mit der obligatio ad agnoscendum ist ferner die Richtung gewiesen auf eine materiellrechtliche Beziehung zwischen den Parteien. Eine solche Berücksichtigung des materiellen Verhältnisses zwischen den Parteien ist notwendig, weil jeder Prozeß an einen außerprozessualen Sachverhalt anknüpft. Der Kläger begehrt das Urteil, weil er die Beziehung zwischen ihm und dem Beklagten für gestört hält und er die Verantwortung für die Störung dem Beklagten anlastet. Das Urteil gegen den Beklagten kann nur dadurch gerechtfertigt werden, daß dessen real verwirklichtes oder geplantes Verhalten mit dem materiellen Recht nicht vereinbar ist. Der Kläger kann ein solches Urteil durch die Klage nur veranlassen, wenn er durch das Verhalten des Beklagten in rechtlich relevanter Weise betroffen wird. Verbinden Kläger und Beklagten keine materiellrechtlichen Pflichten, liegt also keine Gebundenheit des Beklagten gegenüber dem Kläger vor, kann dessen geplantes oder verwirklichtes Verhalten nie Rechtsgrund für eine Klage sein. Es ist deshalb zutreffend, wenn Wach ausführt, die Verneinung einer Obligation seitens eines beliebigen Dritten sei völlig bedeutungslos; nur der könne die Obligation in einer den Rechtsschutz motivierenden Weise angreifen, der in ihr stehe, oder sie sich selbst anmaße, also leugne, verpflichtet zu sein, oder behaupte, berechtigt zu sein7 •

6 Diese Verbindung hatte Bähr, Die Anerkennung als Verpflichtungsgrund, S. 279 ff., auch mit der Frage im Auge, ob die verweigerte Anerkennung eines Rechtsverhältnisses einen Grund abgebe, auf dessen Feststellung zu klagen. 7 Wach, Feststellungsanspruch,. S. 54.

Einleitung

14

Mit dieser Auffassung Wachs ist seine Kritik an der Anerkennungslehre nicht ohne weiteres vereinbar, soweit er sie damit begründet, der Feststellungsklage könne deshalb nicht der Gedanke eines Anerkennungsanspruchs untergelegt werden, weil dann die Prozeßordnung die Anerkennung selbst in ihrem Wesen, ihrer Form und ihren Wirkungen hätte regeln müssen8 • Der Frage Wachs, wie es möglich sein könne, daß die Zivilprozeßordnung eine "generelle nur an die vagen Voraussetzungen des rechtlichen Interesses geknüpfte Anerkennungspflicht schaffe, ohne sich mit der Zwiespältigkeit des geltenden Zivilrechts über das Wesen der Anerkennung auseinanderzusetzen"9, ist die Frage entgegenzusetzen, wie es möglich ist, die das Feststellungsinteresse begründenden Tatsachen als Entstehungsgrund für das Klagerecht anzusehen, ohne daß dieser das Klagerecht begründende außerprozessuale Tatbestand gesetzlich näher umrissen ist. Die Theorie vom Anerkennungsanspruch hatte insoweit einen richtigen Kern, als ihr die Vorstellung zugrunde lag, daß auch die Feststellungsklage auf einer gestörten materiellrechtlichen Beziehung basiere, wobei die Rechtsgewißheit, die das Feststellungsurteil herbeiführte, der "Anerkennung" durch den Gegner entsprach. Die Relevanz der materiellrechtlichen Beziehung zwischen Kläger und Beklagtem konnte auch Wach nicht leugnen. Er gab dem Feststellungsanspruch eine Ausrichtung gegen den Beklagten, der die dem Kläger günstige Rechtsschutzhandlung - das Urteil zu dulden habe und durch Befriedigung der ihn treffenden sachlichrechtlichen Verpflichtung das Schutzinteresse des Klägers stillen und damit den Entstehungsgrund für den Rechtsschutzanspruch beseitigen könne lO • Diese Erledigung oder Verhinderung des Entstehens des Rechtsschutzanspruchs kann sich nur im Rahmen der zwischen den Parteien vorhandenen materiellrechtlichen Beziehungen vollziehen. Dem prozessualen Rechtsschutzinteresse bezogen auf ein bestimmtes Rechtsverhältnis muß deshalb auf materiellrechtlicher Ebene eine bestimmte Rechts- und Pflichtenbeziehung entsprechen. Die Hinwendung zum materiellrechtlichen Bereich darf nicht dahingehend mißverstanden werden, daß versucht werden müsse, bei jeder Klage und damit auch bei der Feststellungsklage materiellrechtliche Ansprüche nachzuweisen. Der Prozeß dient nicht unbedingt der Durchsetzung von subjektiven Rechten und Ansprüchen, wie auch das materielle Recht nicht lediglich aus einem System von subjektiven Rechten und Ansprüchen zusammengesetzt ist11 • Jedenfalls hat die FeststellungsWach, Feststellungsanspruch, S.7. Wach, Feststellungsanspruch, S.7. 10 Wach, Feststellungsanspruch, S.31. 11 Zeuner, Festschrift für Dölle I, S. 307 f. 8

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Einleitung

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klage die Aufgabe, auf das materielle Recht bezogene Konftiktslagen zwischen den Beteiligten zu bereinigen. Um diese Konfiiktslagen zu erfassen, über die im Feststellungsprozeß gestritten wird, ist eine Berücksichtigung der materiellen Beziehungen unumgänglich. Die Interessen des Feststellungsklägers, die durch das Feststellungsurteil befriedigt werden können und sollen, müssen aus materiellen Interessen gegenüber dem Gegner ableitbar sein. Erfolgt im Feststellungsurteil eine "Anerkennung" der Rechtslage, muß der Kläger diese gerichtliche Anerkennung auch gegenüber dem Beklagten verlangen können. Ohne eine materiellrechtliche Verantwortlichkeit des Beklagten, die nur auf einer Rechtsbeziehung zwischen Kläger und Beklagtem beruhen kann, läßt sich nicht sinnvoll erklären, warum der Kläger berechtigt sein soll, gegenüber dem Beklagten ein Urteil zu erstreben. Ohne materiellrechtliche Substanz ist der Prozeß nicht denkbar. Zwischen materiellem und Prozeßrecht besteht in diesem Sinne keine Verbindung dergestalt, daß aus dem materiellen Rechtsverhältnis ein Klagerecht gleich welcher Art erwachsen würde. Die Beziehung ist funktionaler Art. Die prozessualen Vorschriften über die Feststellungsklage sind lediglich bezogen auf bestimmte materiellrechtliche Störungsfälle. Dieses funktionale Ineinandergreüen macht es möglich, im Hinblick auf prozessuale Institute das materielle Recht um bestimmte Pflichten zu ergänzen, wie es auch denkbar ist, mit Rücksicht auf bestimmte materiellrechtliche Tatbestände prozessuale Regeln zu modifizieren. Beachtet man dieses Abgestimmtsein von materiellem und Prozeßrecht, verbietet sich die Annahme, die Feststellungsklage sei ein rein prozessuales Institut. Nicht geringer waren die Schwierigkeiten, die Feststellungsklage in das System des Verwaltungsprozesses einzufügen, weil sich der Prozeß am Verwaltungsakt orientierte und in der Anfangsphase des Verwaltungsrechtsschutzes das Enumerationsprinzip galt. Wie nach gemeinrechtlicher Vorstellung Klage erst nach erfolgter Rechtsverletzung erhoben werden konnte, so entsprach es auch den Vorstellungen der Zeit, daß die verwaltungsgerichtliche überprüfung erst bei der behördlichen Entscheidung ansetze12 • Ihre Rechtfertigung erfuhr diese Auffassung aus dem Bestreben, die Verwaltungsgerichte nicht unnötig früh zu bemühen; erst sollte sich die Verwaltung mit dem Anliegen des Bürgers befassen13• Mußte schon eine Klage, welche zur Klärung von Rechts12 Loening, VerwArch Bd.7, S.52; Vossen, AöR Bd.24, S. 202 f.; Blüher, Jahrbuch d. sächs. OVG Bd.16, S.6; PreußOVG Bd.23, S.401; BayVGH Bd. 20, S. 65. 13 Fleiner, Institutionen § 16, 5 (S. 267); Jellinek, Verwaltungsrecht § 13 I 2 (S.301).

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Einleitung

fragen diente, die nicht durch den Erlaß eines Verwaltungsakts aufgeworfen wurden, als Fremdkörper in einem auf Kassation angelegten Rechtsschutzsystem empfunden werden, so stieß die Rezeption der Feststellungsklage überdies auf das Hindernis, daß die Gesetze, welche eine Klagemöglichkeit eröffneten, sich vornehmlich auf ein Handeln der Behörden in Form des Verwaltungsaktes bezogen14 • Dem Versuch, die Feststellungsklage auf Grund einer Analogie zu § 256 ZPO in das Verwaltungsstreitverfahren zu übernehmen, konnte unter Hinweis auf das Enumerationsprinzip mit dem Grundsatz "nulla actio sine lege" begegnet werden15• Feststellungsklagen wurden deshalb überwiegend nur für zulässig erachtet, wenn das Gesetz sie ausdrücklich vorschrieb 16 oder der Rechtsweg für Sachgebiete eröffnet war, in denen Gleichordnungsverhältnisse vorherrschtenl7 • Erst und gleichzeitig mit Einführung der verwaltungsgerichtlichen GeneraikiauseP8 erkannte man die Feststellungsklage als "gleichwertige" Rechtsschutzform neben den Leistungs- und Gestaltungsklagen. Wie die ersten gesetzlichen Vorschriften über die Feststellungsklage § 256 ZPO nachgebildet waren, so übernahmen auch Rechtsprechung und Lehre die für den Zivilprozeß entwickelten Grundsätze19 • Versuche, den materiellen Besonderheiten des öffentlichen Rechts auf der Ebene 14 Paradigmatisch Art. 13 des württ. Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege v. 16. 12. 1876, der eine ausschließlich auf behördliche Verfügungen und Entscheidungen normierte Generalklausel enthielt. 15 Friedrichs, VerwArch Bd.6, S.525, Fußn.8; Schultzenstein, Das Recht 1910, Sp. 495. 16 Schultzenstein, Das Recht 1910, Sp. 490 ff.; Reger / Dyroff, S.262, 774; Fleiner, Institutionen § 16, 5 (S.267); Jellinek, Verwaltungsrecht § 13 I 2 (S. 300 f.); eine Ausnahme bildete die Rechtsprechung des BadVGH, der auf Grund § 50 der landesherrlichen VollzugsVerordnung vom 12.7.1864 zum Gesetz über die Organisation der inneren Verwaltung, der für Verwaltungsstreitverfahren die Vorschriften der bürgerlichen Prozeßordnungen für anwendbar erklärte, schon frühzeitig § 256 ZPO entsprechend anwandte, vgl. z. B. Rechtspr. d. BadVGH H, Nr. 102, 124, 224; die Meinung von Seidel, Feststellungsklage, S.4, nach der das Verwaltungsstreitverfahren "ein ganz hervorragendes Anwendungsgebiet" der Feststellungsklage sei, wurde durch die Praxis der Zeit nicht bestätigt; kritisch auch Schultzenstein, VerwArch Bd. 2, S. 571. 17 Hierher sind auch die von Blüher, Jahrb. d. Sächs. OVG, Bd.16, S. 99 ff. angeführten Urteile weitgehend zu rechnen. Ähnlich wurde später im Bereich der süddeutschen VGG teilweise die Ansicht vertreten, eine Feststellungsklage sei zwischen Über- und Untergeordneten unzulässig, vgl. Eyermann I Fröhler, VGG § 24, Anm. I 1 a; dazu Menger, System §§ 59, 62. 18 Die allgemeine Feststellungsklage wurde nach dem Vorbild der ZPO gleichzeitig mit der Einführung der Generalklausei geregelt: Hamburg, Gesetz v. 2. 11. 1921, §§ 9, 20; Bremen: Gesetz v. 6. 1. 1924, §§ 8, 28; wegen des Zusammenhangs vgl. auch Isay, DJZ 1930, Sp.1562; Bergmann, Die Feststellungsklage, S. 35 ff. 19 So schon PreußOVGE Bd.21, S.226; Bd.28, S.218; Blüher, Jahrb. d. Sächs. OVG, Bd. 16, S. 14 ff., S.98.

Einleitung

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des Prozeßrechts Rechnung zu tragen, wurden selten unternommen20 • Zwar erkannte bereits Jellinek den Vorteil der Feststellungsklage darin, daß sie dem Bürger das Abwarten des Verwaltungsaktes erspare 21 • Die gerichtliche Praxis blieb jedoch zurückhaltend. Das Verständnis, daß Verwaltungsrechtsschutz prinzipiell repressiver Natur sei, war zu tief verwurzelt. Rechtspraxis und -lehre der Gegenwart vermitteln den Eindruck, als habe es nie Zweifel über die Kriterien gegeben, anhand derer die der Feststellungsklage eröffnete Rechtsschutzzone zu bestimmen ist. In wohl seltener Einmütigkeit sind in allen Rechtsprechungszweigen eine Handvoll von Grundsätzen anerkannt, deren Berechtigung anscheinend nicht mehr nachgewiesen zu werden braucht. So sollen nur konkrete im Gegensatz zu abstrakten Rechtsverhältnissen feststellungsfähig sein. Ausschließlich über gegenwärtige, nicht aber über zukünftige Rechtsverhältnisse könne der Feststellungsstreit geführt werden. Man sagt, zwar darf der Feststellungsprozeß sich auf den Teil, nicht aber auf ein Element eines Rechtsverhältnisses beziehen, und man ist sich schließlich darin einig, daß es unschädlich ist, wenn das streitige Rechtsverhältnis nicht zwischen den Parteien des Rechtsstreits besteht; maßgeblich soll allein sein, daß der Kläger ein Rechtsschutzinteresse gerade gegenüber dem Beklagten aufweist, welches im Prinzip jedes nach der Lage des Falles anerkennenswerte Interesse sein kann, mag es rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Natur sein. Eine pauschale Kritik des Inhalts, daß die allgemein anerkannten Regeln über die Ausgrenzung der Rechtsschutzzone, welche der Feststellungsklage eröffnet ist, infolge ihres erhöhten Abstraktionsgrades einer akzeptablen Rechtspflege hinderlich wären, läßt sich jedenfalls nicht anhand der veröffentlichten Erkenntnisse der verschiedenen Obergerichte belegen. Da der Bezug zwischen den Rechtsregeln und den für ihre Ausprägung maßgeblichen Wertungsgesichtspunkten verloren gegangen ist, lassen sich die o. a. Grundsätze in ihrer formelhaften Erstarrung fast beliebig einsetzen. Die einzelne Entscheidung wird damit weitgehend vom Rechtsgefühl getragen, welches oft zu "richtigen" Ergebnissen führt. Infolge des mangelnden Rückbezugs zu rational nachvollziehbaren Ableitungszusammenhängen sieht sich auch jeder Versuch der Kritik an der höchstrichterlichen Rechtsprechung leicht in eine 20 Eine Ausnahme bildeten Vossen (AöR Bd.24, S. 202 ff.) und Blüher (Jahrb. d. sächs. OVG, Bd. 16, S. 108 ff.), die schon die Zulässigkeit einer Feststellungsklage in Fällen befürworteten, in denen heute von Fortsetzungsfeststellung die Rede ist. 21 Jellinek, VVDStRL H.2, S. 61 ff.; vgl. auch Naumann, Verhdl. d. 38. Dt. Juristentages, D 32 ff.; ders., Gedächtnisschrift für W. Jellinek, S. 392 ff.

2 TrzaskaUk

18

Einleitung

mehr gefühlsmäßige Reaktion abgedrängt. Hier mag mit ein Grund dafür liegen, daß in den letzten fünfzig Jahren zwar manches Einzelproblem der Feststellungsklage erörtert worden ist, eine umfassende Analyse der Gesichtspunkte, die zur Rechtfertigung der traditionell anerkannten Regeln über die Feststellungsklage dienen könnten, jedoch bislang fehlt. Nur dort, wo Rechenschaft abgelegt wird über die jeweils als maßgeblich erachteten Wertungen, ist über die Diskussion der Weg zu einer konsensfähigen Entscheidung eröffnet. Eher ließe sich sagen, daß gerade die Flexibilität der Regeln über die Feststellungsklage mit dazu beigetragen hat, daß man sich keine ernsthaften Gedanken über die potentiellen Einsatzmöglichkeiten dieser Klageart gemacht hat. Zwar wird heute nicht mehr die Ansicht vertreten, daß die Feststellungsklage ausschließlich zur Vorbereitung einer Leistungsklage diene22, auch ist man endgültig von der Vorstellung abgerückt, daß erst der Verwaltungsakt das konkrete Rechtsverhältnis begründe. Wohl aber wird sich nachweisen lassen, daß die vom Schrifttum gebilligte Spruchpraxis ihre Entscheidungen weitgehend mit Argumentationstopoi begründet, die der Vorstellungswelt des Leistungsbzw. Anfechtungsprozesses entlehnt sind. Diese Denkungsweise hat z. B. zur Folge, daß der Prozeß vornehmlich in der Funktion gesehen wird, drohende Rechtsverletzungen zu verhindern oder verwirklichtes Geschehen im Hinblick auf daraus ableitbare Rechtsfolgen zu beurteilen. Somit bleibt fast zwangsläufig ein immerhin vorstellbarer Betätigungsbereich der Rechtspflegeorgane außerhalb des Blickfeldes: Das materielle Recht soll den einzelnen nicht nur dagegen sichern, daß er in seinen Rechten verletzt wird. Eine wesentliche Aufgabe besteht auch darin, daß der Bürger sein eigenes Verhalten nach dem Gesetz ausrichten kann, damit er selbst nicht in fremde Rechtssphären eindringt. Dieses Anliegen des materiellen Rechts sollte sich auf prozessualer Ebene wiederspiegeln. Der Prozeß, der klären soll, ob der Kläger eigenes geplantes Verhalten verwirklichen darf, weist Eigengesetzlichkeiten auf, die bislang auch nicht annähernd erkannt sind. Das Anliegen dieser Arbeit ist es nicht, alle mit der Feststellungsklage zusammenhängenden Fragen kommentarmäßig abzuhandeln. So wird z. B. weitgehend auf allgemeine rechtstheoretische Ausführungen zum Streitgegenstand des Feststellungsprozesses verzichtet. Auch auf das Verhältnis der Feststellungsklage zu den anderen Klagearten wird nur insoweit eingegangen, als dies erforderlich ist, um die strukturellen Eigenarten der Feststellungsklage zu erhellen. Die Analyse 22 80 aber Weismann, Die Feststellungsklage, 8.153; Rocholl, ZZP Bd.8, 8.345.

Einleitung

19

konzentriert sich stattdessen auf die Frage, welche Rechtsschutzzone der Feststellungsklage im bürgerlichen und öffentlichen Recht eröffnet ist, und mündet damit in die prinzipielle Frage ein, was der Rechtsschutz leisten kann und soll.

Erster Teil

Das "abstrakte" Rechtsverhältnis als Zulässigkeitsschranke der Feststellungsklage Während der Anwendungsbereich der Leistungs- und Gestaltungsklagen weitgehend fest umrissen ist, weil die Klagearten entweder auf den materiellen Anspruch bezogen bzw. ihre Anwendungsfälle gesetzlich aufgezählt sind23', bereitet es einige Schwierigkeiten, die Rechtsschutzzone zu bestimmen, die durch die Feststellungsklage erfaßt werden soll. Der Grund dafür ist, daß das Gesetz als Gegenstand der Klage das Rechtsverhältnis benennt und damit auf einen Begriff von äußerst geringem Bedeutungsgehalt verweist. Rechtsverhältnisse haben rechtliche Beziehungen zum Inhalt. Weitere Aufschlüsse - insbesondere darüber, wie die angesprochenen Rechtsbeziehungen beschaffen sein müssen - lassen sich dem Terminus nicht entnehmen. Um ihn für die Rechtsanwendung aufzubereiten, muß sein Inhalt bestimmt werden. Zu diesem Zweck kann nicht ohne weiteres auf Definitionen zurückgegriffen werden, die für andere Zwecke als die Erfassung des Gegenstands der Feststellungsklage geschaffen worden sind. Denn der Begriff des Rechtsverhältnisses ist fast beliebig einsetzbar, er erhält seine Konturen ausschließlich in dem Sachzusammenhang, in dem er verwandt wird. Haben Rechtsverhältnisse rechtliche Beziehungen zum Inhalt, dann ist der Feststellungsprozeß ein Streit über bestimmte rechtliche Fragen. Daraus folgt aber nicht, daß jedes Rechtsproblem im Feststellungsstreit gelöst werden kann. I. Das Begriffspaar abstrakt/konkret Die grundsätzliche Notwendigkeit, Schranken zu setzen, daß nicht jeder nach seinem Belieben Rechtsfragen dem Gericht unterbreiten kann, ergibt sich schon daraus, daß die Gerichte bestimmte Aufgaben 23 Zu der Frage, ob der Grundsatz vom numerus clausus der Gestaltungsklagen einer analogen Anwendung der Rechtsregeln entgegensteht, die Grundlage richterlicher Gestaltung sind, soll damit nicht Stellung genommen werden; vgl. dazu Schlosser, Gestaltungsklagen und Gestaltungsurteile,

S. 276 ff.

Das Begriffspaar abstrakt/konkret

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erledigen sollen. Erfüllen die Gerichte bestimmte Zwecke, muß dieser Zweck erfaßt und eine funktionswidrige Inanspruchnahme verhindert werden. Da es Aufgabe der Gerichte ist, Rechtsschutz zu gewähren, können sie nur solchen Entscheidungsbitten nachkommen, die vom institutionellen Zweck "Rechtsschutzgewährung" gedeckt sind. Nur solche Rechtsfragen sollen entschieden werden, bei denen über das Urteil Rechtsschutz vermittelt wird. Deshalb sind Regeln vonnöten, anhand derer beurteilt werden kann, ob - allgemein gesprochen das Entscheidungsgesuch eine Rechtsschutzangelegenheit betrifft. Daß es sich bei den Leistungs- und Gestaltungsklagen um solche Rechtsschutzangelegenheiten handelt, zu deren Erledigung die Rechtsschutzorgane berufen sind, unterliegt in der Regel keinem Zweifel. Da das Recht demjenigen, der meint, von einem anderen ein bestimmtes Tun oder Unterlassen verlangen zu können, keine eigenen Zwangsmittel einräumt und ihn stattdessen auf den Rechtsweg - d. h. den Weg zu den Gerichten - verweist, um seinen Anspruch geltend zu machen, ist die Inanspruchnahme der Gerichte zur Durchsetzung von Ansprüchen stets legitim. Nur über die Gerichte erhält der Kläger die Hilfe, deren er bedarf, falls der Verpflichtete nicht freiwillig seine Schuld erfüllt. Der Gestaltungskläger wird schon deshalb in berechtigter Weise um gerichtliche Entscheidung nachsuchen, weil die Gestaltung nur durch Urteil erfolgen kann. Ob es sich bei dem Anliegen desjenigen, der weder eine Gestaltung der Rechtslage begehrt, noch einen Leistungsanspruch geltend macht, sondern lediglich die Feststellung eines rechtlichen Sachverhalts wünscht, um eine Rechtsschutzfrage handelt, ist sehr viel schwieriger zu entscheiden. Das Feststellungsurteil erschöpft sich in einer verbindlichen Auskunft über die Rechtslage. Auskünfte über Rechtsfragen können sich auf die verschiedensten Gegenstände beziehen und aus den unterschiedlichsten Gründen begehrt werden. Die Gerichte sollen aber nur Rechtsschutz gewähren; deshalb gilt es, die Auskünfte zu bestimmen, mit denen Rechtsschutz gegeben wird, und die Voraussetzungen festzulegen, bei deren Vorliegen eine solche Auskunft begehrt werden kann. Die Prozeßgesetze bezeichnen als Voraussetzungen für den Erlaß des Sachurteils im Feststellungsprozeß, daß der Feststellungsstreit über ein Rechtsverhältnis geführt wird, an dessen Feststellung der Kläger ein berechtigtes Interesse hat. Durch diese beiden Erfordernisse soll gesichert werden, daß nur über bestimmte, in Regeln erfaßbare Störungsfälle eine sachliche Entscheidung ergeht. Wegen der Verbundenheit in der gemeinsamen Zweckbestimmung, die Konfliktslagen auszuweisen, die ein Feststellungsurteil rechtfertigen, können die beiden Vorausset-

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Teil 1: Konkrete und abstrakte Rechtsverhältnisse

zungen nicht isoliert gesehen werden. Das Ziel, zu sichern, daß nur über bestimmte Störungsfälle eine Entscheidung ergeht, kann sowohl auf der Ebene der Bestimmung des möglichen Klagegegenstandes wie auch im Bereich des Feststellungsinteresses angesteuert werden!4. Da der Rechtsschutz das vorgegebene Ziel von Klage und Urteil ist, wird das Verständnis der in den Prozeßgesetzen genannten Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Feststellungsklage - Rechtsverhältnis und Feststellungsinteresse - maßgeblich durch die Vorstellungen von den Aufgaben und Funktionen der Rechtsprechungsorgane bestimmt. Das Rechtsschutzverständnis wird von zahlreichen Faktoren geprägt. Es ist wandelbar, und nicht zuletzt fallen rechtspolitische Erwägungen in die Waagschale. Fertigen Definitionen - z. B. des Begriffes des Rechtsverhältnisses -, die scheinbar nur noch im Einzelfall anzuwenden sind, ist deshalb zu mißtrauen. Sie müssen verstanden und eingesetzt werden vor dem Hintergrund des allgemeinen Rechtsschutzverständnisses. Wie auch immer man im einzelnen die Rechtsschutzzone bestimmen wird, jedenfalls läßt sich sagen, daß es nicht Anliegen des Rechtsschutzes ist, Auskünfte über die Lösung lediglich erdachter Rechtsfälle zu geben. Rechtsklarheit über die Rechtslage an sich zu vermitteln, ohne daß die Rechtsauskunft Bezug zum praktischen Verhalten des Auskunftsbegehrenden hätte, ist nicht Aufgabe des Rechtsschutzes. Aus dem Bestreben, die Rechtsschutzorgane davor zu bewahren, funktionswidrig als bloße Auskunfts- oder Gutachterstellen zu wirken, erklärt sich die Ablehnung, "Rechtsfragen nur um ihrer selbst willen rechtstheoretisch zu lösen"25. Die allgemeine Zweckbestimmung des Rechtsschutzes, den Parteien bei der Durchsetzung konkreter Rechte zu dienen, wirkt sich auf das Feststellungsverfahren in der Form aus, daß es nur zulässig sein soll, um rechtliche Auseinandersetzungen zu klären, "die zwischen den Prozeßbeteiligten auf Grund eines bestimmten sie berührenden Sachverhalts in bezug auf die Anwendung der Gesetze auf diesen Sachverhalt entstanden sind"2tI. "Abstrakte Rechtsfragen", die sich auf einen fiktiven oder einen "in seinen tatsächlichen und rechtlichen Auswirkungen" noch nicht übersehbaren Sachverhalt beziehen, sind unzulässig. Verlangt ist das "konkrete" Rechtsverhältnis, Vgl. dazu auch Teil 4 I. BVerwGE 14,S. 236; vgl. auch OVG Hamburg, DVBI 1963, S.304; Bay VGH, BayVBI 1973, S.383; BAG, AP Nr.8 zu § 256 ZPO; BGH, LM Nr.47 zu §256 ZPO. 28 BVerwGE 14, S.236 = DVBI 1962, S.566 = NJW 1962, S. 1690; BVerwG, NJW 1967, S.797; BSGE 25, S.243; BSGE 31, S.226; BAGE 18, S.254; BAG, AP Nr.24 zu § 256 ZPO; RGZ 6, S.385; BGH, NJW 1962, S.1913; BFH, DStR 1973, S.346; BayVGH, BayVB11973, S.383. 24 25

Die praktische Relevanz des Feststellungsstreits

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d. h. eine Beziehung, "die durch die Anwendung einer Rechtsnorm auf einen bestimmten Tatbestand geschaffen ist"27. Ohne zunächst auf Einzelheiten einzugehen, kann man deshalb als Grundanliegen der Gegenüberstellung von konkretem und abstrakten Rechtsverhältnis bezeichnen, daß erdachte Rechtsprobleme, bei denen der Prozeß zum Scheingefecht würde, von den Gerichten femgehalten werden. Gesichert werden soll die funktionsgerechte Inanspruchnahme der Rechtsschutzorgane. Hat man das mit der Unterscheidung verfolgte Ziel vor Augen, so wird mit der Formel von der "Rechtsanwendung auf einen Tatbestand" auf eine Lage hingewiesen, in der das Recht die ihm eigene Aufgabe erfüllt, menschliche Beziehungen zu regeln. Das "abstrakte" Recht wird "konkret", wenn es nicht bloß als ideelles Bedeutungsschema und Regelungswerk gedachter Sachverhalte fungiert, sondern sich in Raum und Zeit als individuelle Handlungsanweisung verwirklicht.

11. Die praktisme Relevanz des Feststellungsstreits Für die Beantwortung der Frage, wann in diesem Sinne Rechtsregeln praktisch bedeutsam werden, bieten sich verschiedene Beurteilungsmaßstäbe an. Denkbar ist es, auf das Verhältnis zwischen Rechtsnorm und Rechtsnormadressat abzustellen und die praktische Relevanz der Rechtsregeln danach zu bestimmen, ob und wann sie das Verhalten des Rechtsnormadressaten beeinflussen. Für eine Berücksichtigung der Regelungswirkungen der Rechtsnormen spricht in erster Linie die Erwägung, daß es der Zielsetzung des materiellen Rechts, Richtschnur für das Verhalten der Rechtsnormadressaten zu sein, am besten entspricht, wenn die Rechtsklarheit durch das Urteil in einem Zeitpunkt herbeigeführt wird, in dem der Rechtsgenosse die Urteilsaussage benötigt, um seine Verhaltensentscheidungen dem Recht gemäß zu treffen. Es ist ein berechtigtes Anliegen des einzelnen, sein Verhalten nach dem Recht ausrichten zu wollen. Vermeidbar werden Rechtsverstöße letztlich aber lediglich dann, wenn die Entscheidung über das, was rechtens ist, bereits im Planungsstadium des Individuums ergeht. Bei einer solchen Betrachtungsweise sind Rechtsfragen verhaltensrelevant, d. h. konkret, wenn ihre Beantwortung Verhaltensentscheidungen beeinflussen kann, die der Kläger treffen will. 27 BVerwG, DÖV 1957, S.426; BVerwGE 14, S.237; BVerwGE 38, S.347; BSGE 28, S.225 = DVBI 1969, S. 510. Die Formulierung des Reichsgerichts: "Beziehungen einer Person zu einer anderen, die als Rechtsfolgen aus einem konkreten Tatbestand fließen" (vgl. z. B. RGZ 107, S.304), bedeutet sachlich nichts anderes. Zu den einzelnen Definitionen: Nachweise bei Müller, Dissertation, S. 7 ff.; Siemer, Normenkontrolle, S. 26 ff.

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Teil!: Konkrete und abstrakte Rechtsverhältnisse

So wünschenswert es auch für den einzelnen sein mag, sein Verhalten nach dem Recht als Sollensordnung auszurichten, zweifelhaft ist es, ob es Aufgabe des Rechtsschutzes sein kann und soll, der Verwirklichung derartiger Interessen zu dienen. Für den einzelnen ist das Recht Verhaltensmaßstab im Hinblick auf seine Beziehungen zu anderen Menschen oder zum Staat. Dem materiellen Recht als interpersonale Ordnung entspricht es, daß der Feststellungsprozeß als Streit über materielle Rechte oder Pflichten zwischen den Personen geführt wird, welche die streitige Rechtsfrage betrifft. Wird der Prozeß aber als Auseinandersetzung zwischen verschiedenen Rechtsträgern über bestimmte, sie berührende Rechtsfragen geführt, kann nicht einseitig auf die Interessen eines der Beteiligten, des Klägers, abgestellt werden. Es muß deshalb ein Grund vorhanden sein, warum ausgerechnet der Beklagte mit dem Verfahren behelligt und gerade ihm gegenüber die den Kläger bewegende Rechtsfrage entschieden werden soll. Hat der Beklagte durch ein reales Handeln die Rechtsgüter des Klägers nach dessen Ansicht verletzt, liegt in der Verletzungshandlung selbst der rechtfertigende Grund für den Rechtsstreit. Berühmt der Beklagte sich eines Anspruchs gegen den Kläger, resultiert das Interesse des Klägers, zu wissen, ob er dem gegnerischen Verlangen nachkommen muß, aus der Anspruchsberühmung. Schwieriger wird es indessen, den Grund aufzufinden, der den Feststellungsstreit auch aus der Sicht des Beklagten gerechtfertigt erscheinen läßt, wenn der Kläger klären will, ob ein bestimmtes, von ihm geplantes Verhalten rechtlich zulässig ist. Dem materiellen Recht scheint eine generelle Pflicht der Rechtsträger, sich dazu zu äußern, ob sie das geplante Verhalten anderer als Eingriff in ihre Rechtssphäre betrachten, fremd zu sein. Enthält das materielle Recht keine derartige Pflicht zur Stellungnahme und muß deshalb jeder das Risiko selbst tragen, möglicherweise rechtswidrig zu handeln, dürfte es jedenfalls auf dem Weg über den Prozeß nicht möglich sein, das Interesse zu befriedigen, sein eigenes geplantes Verhalten nach dem Recht auszurichten. Gibt es keine Pflicht zur Stellungnahme, fehlt auch insoweit ein rechtfertigender Grund, jemanden mit einem Prozeß zu belasten, der ihn zwingt, zu dem geplanten Vorhaben eines anderen Stellung zu nehmen. Ist es wirklich zutreffend, daß ein jeder das Risiko selbst tragen muß, daß ein geplantes Vorhaben sich im Falle der Verwirklichung als rechtswidrig erweist, wäre es auch nicht ohne weiteres einleuchtend, daß die (freiwillige) negative Stellungnahme des von dem geplanten Vorhaben potentiell Betroffenen einen ausreichenden Grund abgeben sollte, gegen ihn ein Urteil zu erstreiten. Die vom materiellen Recht aus gesehen naheliegende überlegung, Rechtsfragen für den einzelnen schon als konkret und entscheidungsbedürftig zu bewerten, wenn sie für ihn verhaltens-

Die praktische Relevanz des Feststellungsstreits

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erheblich sind, stößt deshalb schon auf die Schwierigkeit, daß es in der Person des Beklagten stets eines Grundes bedarf, der es rechtfertigt, gerade gegen ihn ein Urteil zu erstreiten. Die Orientierung an der verhaltensbestimmenden Wirkung der Rechtsnormen hätte zudem zwangsläufig zur Folge, daß der Rechtsstreit weitgehend über noch nicht realisierte und in diesem Sinn hypothetische Sachverhalte geführt würde. Ist bereits gehandelt worden und sind "nur" noch die rechtlichen Konsequenzen dieses Verhaltens zu bestimmen, hat das Recht jedenfalls bereits einmal seinen Zweck verfehlt. Die Konzeption des Prozesses, bei welcher der Rechtsstreit über lediglich geplante Vorhaben geführt würde, wäre zwar geeignet, dieses unerwünschte Ergebnis zu verhindern. Der darin liegende Vorteil könnte aber nur unter Inkaufnahme anderweitiger Nachteile erreicht werden. Ergeht das Urteil über lediglich geplante Vorhaben, so bleibt stets eine Unsicherheit, ob das streitige Verhalten überhaupt oder so wie geplant verwirklicht wird. Diese Unsicherheit kann die praktische Relevanz des Urteils in Frage stellen. Wird das geplante Vorhaben für rechtmäßig befunden und dennoch nicht ausgeführt, erweist sich der Prozeß im nachhinein als überflüssig. Zum Zwecke einer angemessenen Berücksichtigung der schutzwürdigen Belange des Beklagten sowie einer Sicherung der praktischen Urteilsrelevanz könnte es vielleicht vorteilhafter sein, den Feststellungsprozeß auf den Anspruch hin zu konzipieren28 • Dem Rechtsstreit, in dem das materielle Recht lediglich mit dem Ziel untersucht wird, ob die Rechtslage dergestalt ist, daß ein Recht auf ein Tun oder Unterlassen in einem bestimmten Zeitpunkt gegeben ist, dürfte kaum das "konkrete" Gepräge abgesprochen werden können: Der Anspruch ist die Reaktion auf konkrete Verhaltensformen, die im Tatbestand vorformuliert sind, z. B. als Verletzung von Rechtsgütern oder Folge eines Verpflichtungstatbestandes. Die Geltendmachung von Ansprüchen zielt auf eine Veränderung der Lebenswirklichkeit ab, die Entscheidung über geltend gemachte Ansprüche beruht stets auf einer Beurteilung "konkreter" Rechtsfragen21l • Im anspruchsbezogenen Prozeß ist über das Kriterium der mangelnden Erfüllung auch gewährleistet, daß der Beklagte nicht grundlos mit dem Rechtsstreit behelligt wird. 28 Im älteren Schrifttum wurde teilweise das Wesen der Feststellungsklage darin gesehen, daß sie präparatorisch für die Leistungsklage sei; so vor allem Weismann, Feststellungsklage, S.155; ferner die Nachweise bei Langheineken, Urteilsanspruch, S. 88. Zur Bedeutung des materiellen Anspruchs für die Ausgrenzung der der Feststellungsklage eröffneten Rechtsschutzzone vgl. Teil 3 I. 29 Über die Funktion des Anspruchs als Brücke zur Lebenswirklichkeit, vgl. Neussei, Anspruch und Rechtsverhältnis, S.7; Georgiades, Anspruchskonkurrenz, S. 136.

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Teil!: Konkrete und abstrakte Rechtsverhältnisse

Einer Orientierung des Feststellungsstreits am Anspruch sind naturgemäß schon deshalb Grenzen gesetzt, weil für die Durchsetzung von Ansprüchen regelmäßig andere Klagearten vorgesehen sind. Der Bezug zum Anspruch könnte nur in der Form gefordert werden, daß die im Feststellungsprozeß zu entscheidende Rechtsfrage präjudizielle Bedeutung für einen künftigen Anspruch haben müsse. Um das eigentliche Ziel zu erreichen, welcher Grund dafür wäre, den Feststellungsstreit auf den Anspruch auszurichten, müßte der reale Entstehungstatbestand, das Schuldverhältnis, bereits existent sein. Denn nur von dem Boden dieses Rechtsverhältnisses aus ist eine einigermaßen sichere Beurteilung künftiger Ansprüche möglich. Bei einer solchen Ausgrenzung der Rechtsschutzzone würde der Anwendungsbereich der Feststellungsklage zwar wesentlich eingeschränkt, keinesfalls aber die Feststellungsklage durch die anderen Klagearten gänzlich verdrängt. So können z. B. das Entstehen des Rechtsverhältnisses, aus welchem der Anspruch fließt, und der Leistungszeitpunkt derart auseinander fallen, daß an eine Leistungsklage noch nicht zu denken ist. Im Bereich des öffentlichen Rechts setzt auch die Anfechtungsklage, die herkömmlich als Gestaltungsklage verstanden wird, den erlassenen Verwaltungsakt voraus. Anspruchsbezogene Feststellungsklagen wären aber schon denkbar, wenn lediglich der Eingriffstatbestand verwirklicht ist. Würde man von dem Erfordernis absehen, daß der reale Tatbestand verwirklicht sein muß, aus welchem der Anspruch erwachsen kann, könnte sich die Anspruchsbezogenheit lediglich dahingehend auswirken, daß ein Feststellungsinteresse nur dann gegeben ist, wenn die zu entscheidende Rechtsfrage irgendwann für einen beliebigen Anspruch relevant ist. Sieht man das materielle Recht primär unter der Fragestellung, welche Ansprüche es verleiht, könnte auch eine derartige Anspruchsvorbereitung als sinnvolle Aufgabe des Rechtsschutzes verstanden werden. Die Aussage, daß abstrakte Rechtsfragen der urteilsmäßigen Feststellung nicht zugänglich sind, hat als solche keinen Argumentationswert. Entscheidend ist, von was abstrahiert wird. Das Abstrakte kann nur in seiner Relation zum Konkreten gedacht werden, das vorab bestimmt werden muß.

m. Arten der Feststellungsklage über "abstrakte" Rechtsverhältnisse Vergleicht man die gerichtlichen Erkenntnisse, in denen Rechtsverhältnisse, deren Feststellung begehrt worden war, als "abstrakt" eingeordnet wurden, so zeigt sich, daß materiell-rechtliche Konstellationen unterschiedlichster Struktur betroffen werden. Ein einheitliches Ver-

Der generalisierende Feststellungsstreit

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ständnis der für die Bestimmung des allein feststellungsfähigen "konkreten" Rechtsverhältnisses maßgeblichen Faktoren lassen die Urteile nicht erkennen. Die Entscheidung, ob ein Rechtsverhältnis noch abstrakt oder schon konkret ist, wird maßgeblich beeinflußt durch das jeweilige Rechtsanwendungsverständnis, welches in den verschiedenen Gerichtszweigen durchaus unterschiedlich sein kann. Zwar ist es nicht ausgeschlossen, daß unterschiedliche Strukturprinzipien der verschiedenen materiell-rechtlichen Bereiche auch eine differenzierende Behandlung an sich verwandter materiellrechtlicher Konfliktslagen bedingen. Solche Abweichungen sind aber im einzelnen zu begründen und können nicht pauschal unter Hinweis auf Eigenart und Wesen des jeweiligen sachlichen Rechts erklärt werden. Der Versuch, für die teilweise festzustellende unterschiedliche Praxis der verschiedenen Obergerichte tragfähige Erklärungen zu finden, wird höchst selten unternommen. 1. Besonders lehrreich sind in diesem Zusammenhang Rechtsstreitigkeiten, die zwar durch einen "konkreten" Streit veranlaßt sind, in denen aber das eigentliche Interesse des Rechtsschutzsuchenden dahin geht, diese Streitfrage für eine Vielzahl gleichartiger Sachverhalte entschieden zu wissen.

Bei einer zuvörderst an der normativen Regelungswirkung orientierten Denkungsweise ist es selbstverständlich, daß eine einheitliche Entscheidung über mehrere gleichartige Sachverhalte ergehen kann, ordnet doch das Gesetz für gleichartige Sachverhalte dieselben Rechtsfolgen an. Die generelle Feststellung der Rechtslage durch das Urteil entspricht einer Intention des materiellen Rechts. Aus einer mehr dem Anspruchsdenken verpflichteten Sicht wird man demgegenüber dazu neigen, stärker die Einmaligkeit des historischen Ereignisses zu betonen. Der Anspruch beruht stets auf einem realen Entstehungstatbestand und ist inhaltlich individualisiert. Generalisierende Entscheidungen sind mit dem traditionellen Anspruchsdenken kaum vereinbar. a) Beide Betrachtungsweisen finden sich in der Rechtsprechung: In einem dem Reichsgericht unterbreiteten Sachverhalt waren Inhalt und Umfang der Pflicht der Eisenbahn, Güter anzunehmen und zu befördern (§ 453 HGB), streitiWo. Die Klägerin verschickte regelmäßig ihre Ware mit der Bahn und benutzte zur Verpackung stets doppelwandige Pappkartons. Die Güterabfertigungsstelle machte wiederholt die Annahme davon abhängig, daß auf den Frachtbrief der Vermerk gesetzt wurde: "In Pappkartons verpackt, mangelhaft." Die Klägerin begehrte die Feststellung, daß der Reichsbahnfiskus nicht berechtigt sei 30

RGZ 107, S. 303 ff.

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Teil 1 : Konkrete und abstrakte Rechtsverhältnisse

zu verlangen, daß sie den Vermerk auf den Frachtbrief setze, "wofern das von ihr verwandte Verpackungsmaterial einwandfrei sei". Diese Fallgestaltung dürfte im Hinblick auf die Abstraktheit oder Konkretheit der Rechtsbeziehungen vergleichbar sein mit einem vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Sachverhalt, dem das Rechtsschutzbegehren eines anerkannten Schwerbeschädigten zugrunde lag, der sein Recht auf unentgeltliche Beförderung im Nahverkehr (§§ 1, 10 UnbefG) festgestellt wissen wollte, nachdem die Beklagte sich mehrfach geweigert hatte, ihn auf ihren Linien zu befördern31 • Beiden Fallgestaltungen ist gemeinsam, daß gesetzliche Ansprüche - das Recht auf Beförderung nach § 453 HGB bzw. § 1 UnbefG -, auf die sich die Kläger beriefen, gewissermaßen ein Stammrecht gewähren, das im Einzelfall durch den Abschluß eines zivilrechtlichen Vertrages verwirklicht wird. Das Reichsgericht wies den Antrag ab, weil die Beförderungspflicht der Eisenbahn, um die gestritten wurde, nur die Grundlage zukünftiger Rechtsverhältnisse bilde und rein abstrakter Natur sei. Erst wenn es zu einer bestimmten Güterauflieferung komme, erhalte die abstrakte Verpflichtung der Bahn eine konkrete Gestaltung, entwickele sich aus der abstrakten Diskussion um eine allgemeine Rechtsfrage ein Streit um ein konkretes Rechtsverhältnis. - Das Reichsgericht rückte also den einzelnen Beförderungsvertrag in den Vordergrund. Auf diese Weise wurden die gesetzlichen Verpflichtungen aus § 453 HGB und der EVO lediglich zu Rahmenbedingungen, die beim Abschluß des einzelnen Vertrags zu beobachten waren. Dann liegt es allerdings auch nahe, prozessuale Streitigkeiten auf die Fälle zu beschränken, in denen Vertragsabschluß oder -inhalt streitig sind, bildet doch allein der Vertrag die Basis, auf der Ansprüche der Parteien erwachsen. Ob eine derartige Schau der Dinge dem Anliegen der Parteien stets Rechnung trägt, dürfte zweifelhaft sein. Gerade der dem Reichsgericht unterbreitete Sachverhalt zeigt, daß u. U. den Parteien mit der Verweisung auf das einzelne Rechtsgeschäft nicht gedient ist. Die Klägerin begehrte eine Auslegung der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen, um eine Störung ihres Geschäftsbetriebes zu verhindern. Sie wollte grundsätzlich geklärt wissen, welche Rechte ihr das Gesetz einräumte, eine Frage, die in ihrer Bedeutung über den einzelnen Liefervertrag hinausging und für deren Beantwortung es auch eines Rückgriffs auf das einzelne Rechtsgeschäft nicht bedurfte. Der einzelne Beförderungsvertrag war bloß auslösendes Moment für die eigentliche Streitfrage. Sieht man den Rechtsstreit unter dem Aspekt, welche Rechte das Gesetz der Klägerin gewährte, dürfte es keine Schwierigkeiten bereiten, ein einheitliches Rahmenrechtsverhältnis zwischen den Parteien auf Grund 31

DVBlI971, S. 919 ff.; zu ähnlicher Fallgestaltung vgl. BVerwGE 32, S.333.

Der generalisierende Feststellungsstreit

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der für die Beförderungspflicht der Beklagten maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen anzunehmen. Diesen Weg, das Gesetz als Orientierungspunkt für das Rechtsverhältnis zu wählen, geht die Verwaltungsrechtsprechung mit Selbstverständlichkeit32• Das Bundesverwaltungsgericht verwies den Kläger in dem o. a. Sachverhalt nicht darauf, die Rechte aus dem einzelnen Vertragsverhältnis geltend zu machen. Gerade Gründe der Effektivität des Rechtsschutzes waren dafür maßgeblich, über die gesetzliche Pflicht des Beklagten zur unentgeltlichen Beförderung zu befinden, die als Rahmenbeziehung für jeden einzelnen Beförderungsvertrag vorausbestimmend wirkte. Das der Zivilrechtsjudikatur zugrunde liegende Verständnis hat zur Folge, daß auch in zeitlicher Hinsicht das jeweilige Rechtsgeschäft ausschlaggebend wird. Einzelne inhaltlich verwandte Vertragsverhältnisse, die über die Klammer eines übergreifenden gesetzlichen Rahmenrechts zu einer Einheit zusammengefaßt werden könnten, stehen beziehungslos nebeneinander3:!. So unterschied das Reichsgericht in dem obigen Streitfall eine Vielzahl vergangener (konkreter) und eine unbestimmte Zahl zukünftig möglicher (abstrakter) Rechtsverhältnisse. Als Konsequenz ergab sich daraus, daß der Hilfsantrag der Klägerin keinen Erfolg hatte, mit dem sie die Feststellung begehrte, daß die Beklagte nicht befugt gewesen sei, bei der Annahme bestimmter von ihr in der Vergangenheit aufgegebener Güter das Anerkenntnis mangelhafter Verpackung zu verlangen. Als unzulässig erwies sich der Antrag, weil die Klägerin nicht darlegen konnte, welche Rechte ihr noch aus den abgewickelten Vertragsverhältnissen zustanden, und die mögliche Gefahr, bei künftigen Lieferungen wiederum zurückgewiesen zu werden, nach Ansicht des Reichsgerichts nicht die Annahme rechtfertigte, das frühere Rechtsverhältnis sei "Element" eines darauf gestützten gegenwärtigen Anspruchs. Für die öffentlichrechtliche Rechtsprechung stellt sich das Problem, ob die Parteien um ein gegenwärtiges oder zukünftiges Rechtsverhältnis streiten, in diesem Zusammenhang nicht. Das einzelne in der Vergangenheit oder Gegenwart liegende Ereignis rechtfertigt zwar den Prozeß, indem es das Bedürfnis nach Rechtsschutz erkennen läßt. Da aber primär um das gesetzliche Pflichtenverhältnis gestritten wird, das bei allen dem streitauslösenden Ereignis vergleichbaren Sachverhalten an82 Zutreffend z. B. BSG, SozR Nr.43 zu § 55 SGG betreffend regelmäßig wiederkehrender Beitragsfestsetzung, die auf einem Mitgliedschaftsverhältnis beruhte; auch BVerwGE 12, S.261; BVerwGE 32, S.333; BVerwG, NJW 1976, S. 1648. 33 Vgl. zu derartigen Fallgestaltungen ferner BGH, LM Nr. 2 zu § 1542 RVO; BAG, AP Nr. 24 zu § 256 ZPO.

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Teil 1 : Konkrete und abstrakte Rechtsverhältnisse

zutreffen ist, wird nicht über das einzelne "konkrete" Rechtsverhältnis

i. S. der Rechtsprechung der Zivilgerichte, sondern über die allgemeine gesetzliche Pflicht befunden, wie sie in derartigen durch das streitaus-

lösende Ereignis gattungsmäßig repräsentierten Fällen gilt34•

b) Eine Ausnahme scheinen in dieser Hinsicht die sogenannten Fortsetzungsfeststellungsklagen zu bilden, die als Ersatz für nicht (mehr) mögliche Leistungs- oder Gestaltungsklagen dienen. Nach der heutigen Praxis zielen derartige Klagen darauf ab, die Rechtswidrigkeit eines erledigten Verwaltungsaktes oder einer erledigten hoheitlichen Ablehnung eines Leistungsantrags festzustellen 35• Der Urteilsausspruch wird also wie in der zivilprozessualen Praxis auf ein in jeder Hinsicht "konkretes" Ereignis ausgerichtet. Gerade die Fortsetzungsfeststellungsklage bietet aber Anlaß zu überlegen, ob die Begrenzung des Urteilsausspruchs auf den streitauslösenden Verwaltungsakt in dem hier interessierenden Zusammenhang nicht eine bloße falsa demonstratio ist. Wird die Fortsetzungsfeststellungsklage zugelassen, weil Gefahr besteht, daß die Behörde zukünftig einen ähnlichen Verwaltungsakt erläßt, oder zu befürchten ist, daß sie erneut einen ähnlichen Antrag ablehnt, dann ist zu überlegen, ob der erledigte Verwaltungsakt mehr als formaler Anknüpfungspunkt für den Rechtsstreit ist. Wird die Klage wegen der Wiederholungsgefahr zugelassen, muß das begehrte Urteil auch Aussagekraft für den Wiederholungsfall haben. Diesen Sinngehalt gewinnt das Urteil aber nur, wenn in gewisser Weise von dem einmaligen historischen Ereignis abstrahiert wird. Bildet den Gegenstand des Verfahrens allein der konkrete erledigte Verwaltungsakt, kann die Rechtskraft des Urteils sich nicht auf einen gleichartigen Verwaltungsakt erstrecken, der erst noch ergehen soll. Dieses Ergebnis ist unabhängig von jeder Streitgegenstandstheorie und folgt allein aus der in Frage zu stellenden Prämisse, die Feststellungsklage beziehe sich allein auf den "konkreten" erledigten Verwaltungsakt. Sachliche Gleichartigkeit genügt nicht für die Annahme von Rechtskraftwirkungen, erforderlich ist eine Identität des Streitgegenstandes. Wird in der Tat nur über den erledigten Verwaltungsakt entschieden, müßte man ähnlich verfahren wie das Reichsgericht im obigen "Eisenbahnfall": Die Feststellungsklage wäre nur zulässig, wenn der Verwaltungsakt ungeachtet seiner Erledigung noch Rechtswirkungen für den Betroffenen erzeugte. 34 Zu den damit verbundenen Rechtskraftproblemen, die bislang in Rechtsprechung und Schrifttum noch nicht erkannt worden sind, vgl. unten Teil 4 III. I. 85 Vgl. zu derartigen Fallgestaltungen die Nachweise bei Kopp, § 113 VwGO, Bem.8; Eyermann / Fröhler, § 113 VwGO, Rdnr.43. Der Begriff "Fortsetzungsfeststellungsklage" ist mißverständlich für die Fälle, in denen sich der Verwaltungsakt bereits vor Klageerhebung erledigt hat.

Der generalisierende Feststellungsstreit

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Die Praxis im Bereich der Fortsetzungsfeststellungsklage ist also nicht ohne innere Widersprüche, wie sich deutlich an einem vom OVG Lüneburg36 entschiedenen Sachverhalt zeigt. Der Kläger hatte einen Eilbrief aufgegeben, den die Bundespost nur mit der allgemeinen morgendlichen Postzustellung auslieferte. Er wollte festgestellt wissen, daß die Beklagte verpflichtet war, den Eilbrief auch außerhalb der damals üblichen einmaligen Belieferung zum Empfänger zu verbringen. Ausgelöst wurde der Rechtsstreit also durch Meinungsverschiedenheiten über ein konkretes Rechtsverhältnis im Sinne der zivilgerichtlichen Rechtsprechung. Dieses Rechtsverhältnis - die Beförderung des Briefes - war aber nach Ansicht des Gerichts bereits abgewickelt, und es ließ die Klage allein mit Rücksicht auf zukünftige Eilbriefzustellungen zu: Der Kläger sollte sich vor Absendung weiterer Briefe Gewißheit verschaffen können, ob der "Aufwand einer höheren Gebühr die Beklagte zur angestrebten Beschleunigung verpflichte". Das Interesse des Briefempfängers, der sich mit eigener Klage dem Verfahren angeschlossen hatte, ergab sich nach Auffassung des Gerichts daraus, daß er jederzeit wieder Adressat von eiligen Postsendungen sein konnte. Für seine Dispositionen bei der Wahl seines Wohnortes, den Erwerb eines Fernsprechanschlusses oder seiner Zeiteinteilung konnte es von Bedeutung sein, ob die begehrte Feststellung getroffen wurde. Das Feststellungsinteresse muß - wie Wach formulierte - "als Interesse an der Feststellung durch die Feststellung befriedigungsfähig sein"37. Diese Wirkung ist nur über die Rechtskraft des Urteils zu erzielen. Nach allgemeinen Grundsätzen hätte deshalb im Streitfall das rechtliche Interesse an der begehrten Feststellung nur anerkannt werden können, wenn die Rechtskraft des Urteils auch zukünftig vom Kläger zu veranlassende Eilzustellungen erfassen sollte. Folgt man diesen überlegungen, dann wird aber zwangsläufig der Rechtsstreit aus seiner konkreten Gebundenheit gelöst. Er wird zum Anlaß, über einen "abstrakten" im Sinne von "zukünftig möglichen" Fall zu befinden, der artmäßig durch das auslösende Ereignis vorbestimmt ist. Soll sich das Urteil nicht allein in einer allgemeinen Erklärung erschöpfen, die auf das Verhalten der Parteien allenfalls moralische, nicht aber rechtlich verbindliche Wirkung ausübt, dann sind andere Wege schwerlich gangbar: Entweder sieht man wie das Reichsgericht in dem obigen Beispielsfall den Schwerpunkt in dem einzelnen Rechtsgeschäft und weist Klagen ab, wenn aus dem Rechtsgeschäft selbst keine Rechtsfolgen mehr resultieren können. Eine überprüfung der bereits abgewickelten Rechtsgeschäfte mit Rücksicht auf 38 37

DVBI 1972, S. 904.

Feststellungsanspruch, S. 54.

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Teil!: Konkrete und abstrakte Rechtsverhältnisse

eine potentielle Wiederholung ist dann nicht möglich; es handelt sich in der Tat - wie das Reichsgericht ausführte - um verschiedene Rechtsverhältnisse. Oder man bestimmt das Rechtsverhältnis von dem die Einzelfälle verbindenden Element her. Diesen Weg hat die verwaltungsgerichtliche Praxis de facto beschritten. Werden Feststellungsprozesse zugelassen, deren einziger Sinn darin besteht, richtungsweisend für Wiederholungsfälle zu wirken, dann muß sich die Feststellungsklage an einem übergreifenden Rechtsverhältnis orientieren. An dem "Eilbrieffall" dargestellt hieße das, daß in Wirklichkeit nicht überprüft wird, ob die Beklagte bei der einzelnen Postzustellung rechtswidrig gehandelt hat, sondern ob sie ihre Pflichten aus der Postordnung verletzt, wenn sie einen Brief in der beschriebenen Weise befördert38• Ob man den Feststellungsstreit auf die Bewertung eines bestimmten historischen Lebenssachverhalts hin beschränkt oder ob man übergreifende Urteile zuläßt, kann nicht anhand der Gegenüberstellung abstrakter und konkreter Rechtsverhältnisse befunden werden. Praktische Relevanz hat das Urteil in beiden Fällen. Die Entscheidung wird letztlich davon abhängen, welche Tragweite man dem Urteil zusprechen will. Ist es sinnvoll, die Rechtskraft des Urteils auf ein konkretes historisches Ereignis zu beschränken und die diesbezüglich gestellte Rechtsfrage abschließend zu beurteilen? Oder verdient die generalisierende Feststellung den Vorzug, die zwar weit reicht, aber infolge der Abstraktion vom einzelnen Lebenssachverhalt eine größere Unschärfe aufweist39 ? 2. Durch die bisher erörterten Fallgestaltungen ist die Frage aufgeworfen worden, welche Vor- und Nachteile es hat, dem Urteil die Bedeutung eines Rechtsanwendungsakts auf einen realen Lebenssachverhalt oder einen durch das streitauslösende Ereignis artmäßig repräsentierten Sachverhalt zu verleihen. Die Frage kann sich nur stellen, weil die in den materiellen Rechtsnormen enthaltene Rechtsfolgeanordnung ihrem Wesen nach konstant ist und deshalb ein einheitliches Urteil über gleichartige Sachverhalte zuläßt. a) Die in diesem Zusammenhang zu beachtende Eigenschaft der Rechtsnormen, lediglich gedachte und nicht verwirklichte Sachverhalte zu regeln, wirkt sich auch in anderer Hinsicht in der Rechtsprechungspraxis auf die Bestimmung des "konkreten" und damit feststellungsfähigen Rechtsverhältnisses aus. Da die Rechtsnorm nur als möglich vorgestellte, allgemein umschriebene Tatbestände regelt, vollzieht sich 38 38

Vgl. dazu unten Teil 4 III. 1. b. Vgl. dazu hier Teil 2 III., Teil 4 IIr. 1.

Die Norminterpretationsklage

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die Rechtsfindung im Einzelfall in einem analogischen Verfahren. Sie besteht in einem wertenden Angleichen von normativem Tatbestand und Lebenssachverhalt. Die wechselbezügliche Abhängigkeit zwischen der Norm und dem von ihr erfaßten Wirklichkeitsbereich tritt um so stärker zutage, je allgemein gehaltener, offener der gesetzliche Tatbestand ist40 • Mit steigender Abstraktheit der Norm wächst die Einzelfallabhängigkeit der Entscheidung über ihren Anwendungsbereich. Diese Einzelfallabhängigkeit bedeutet nicht, daß dem Gesetz als solchem - losgelöst von seiner Anwendung auf einen realen Lebenssachverhalt - keine brauchbare Aussage entnommen werden könnte. Sie besagt lediglich, daß die Norm in erhöhtem Maß auf den Einzelfall hin konkretisierungsbedürftig ist. Mit wachsender Offenheit der Rechtsnormen vermindert sich die Rechtssicherheit und steigt das Bedürfnis, über das Urteil verbindliche Interpretationshilfe zu erlangen. Die Erschließung des Regelungsgehalts, die von der Norm ausgeht, kann immer nur zu einer allgemein gehaltenen Aussage führen, die u. U. im Einzelfall zu verfeinern ist. Damit stellt sich die Frage, ob es Aufgabe der Rechtsprechung ist, Entscheidungen zu treffen, die "nur" Verhaltensrichtlinien sein können, welche möglicherweise auf den später verwirklichten Lebenssachverhalt nicht zutreffen. - Von einem anspruchsbezogenen Denken aus kann die Frage nur ablehnend beantwortet werden. Der Anspruch ist einzelfallbezogen. Er zielt auf Veränderung der Lebenswirklichkeit ab, die endgültig sein soll. b) Eine solche auf den einzelnen Lebenssachverhalt beschränkte, anspruchsorientierte Betrachtungsweise ist in der Rechtsprechung vornehmlich bei Fallgestaltungen zu notieren, bei denen der Inhalt eines Vertrages oder Gesetzes umstritten ist, die mehrere Verhaltensweisen offen lassen, und deshalb das Interesse des Rechtsschutzsuchenden gerade wegen der Konkretisierungsbedürftigkeit darin besteht, zu wissen, welches Verhalten rechtlich zulässig ist. Auch hier wird das Bestreben deutlich, generalisierende Feststellungen zu versagen, indem eine Auslegung von Verträgen oder Gesetzen allgemein unter Hinweis auf die Abstraktheit des Klagebegehrens für unzulässig erklärt wird41 • Diese Praxis hat zur Folge, daß der Kläger weitgehend auf nachträglichen Rechtsschutz verwiesen wird: Er muß gegen den Vertrag 40 Vgl. dazu allgemein etwa Larenz, Methodenlehre, S. 215 ff.; A. Kaufmann, Analogie und Natur der Sache, S. 22 ff.; Esser, Vorverständnis, S. 45 ff.; für das Verfassungsrecht: Kriele, Theorie der Rechtsgewinnung, S.159 ff.; F. Müller, Juristische Methodik, S. 131 ff. 41 z. B. Stein / Jonas / Schumann / Leipold, § 256 ZPO, Bem. II 1 c, d; Kopp, § 43 VwGO, Bem. 3; BAG, AP Nr. 24 zu § 256 ZPO.

3 Trzaskal1k

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oder das Gesetz verstoßen, um auf diese Weise überhaupt die Möglichkeit zu gewinnen, eine gerichtliche Auskunft über die Rechtmäßigkeit seines Verhaltens einzuholen. Die Konsequenzen zeigen sich in aller Schärfe beispielsweise an dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 13.2.195842 und dem des Landessozialgerichts Essen vom 25.4.1973 43 • In dem zivilrechtlichen Streitfall waren Inhalt und Tragweite einer Konkurrenzklausel zu beurteilen. Der Beklagte hatte sich nach dem Ausscheiden aus dem Betrieb des Klägers verpflichtet, weder ein Unternehmen von der Art, wie es der Kläger besaß, zu betreiben, noch sich an einem solchen zu beteiligen. Nachdem der Beklagte ein neues Angestelltenverhältnis eingegangen war, entstand zwischen den Parteien Streit darüber, ob die Konkurrenzklausel wegen unzumutbarer Beschränkung der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit des Verpflichteten sittenwidrig war. Verbunden waren damit Zweifel, ob die Vertragsbestimmung eine Tätigkeit von der Art, wie sie der Beklagte aufgenommen hatte, überhaupt erfaßte. Den Hauptantrag, mit dem der Kläger festgestellt wissen wollte, ob und in welchem Umfang die Konkurrenzklausel wirksam sei, wies der Bundesgerichtshof mit der Begründung ab, die Parteien erstrebten eine rechtsverbindliche Auslegung der Vertragsbestimmung, ohne daß in diesem Umfang bisher ein konkreter Anhaltspunkt für einen Streit zwischen den Parteien gegeben sei. Das bedeute, daß es sich in diesem Umfang um die Klärung oder Beurteilung einer nur gedachten Rechtsfrage handele, die nicht Gegenstand einer Feststellungsklage sein könne. Das Gericht griff auf den Hilfsantrag zurück, der die Vereinbarkeit der neu aufgenommenen Angestelltentätigkeit mit der Konkurrenzklausel zum Inhalt hatte. - An der Argumentationsweise des Bundesgerichtshofs fällt als erstes auf, daß das streitauslösende Ereignis für die Bestimmung des feststellungsfähigen Rechtsverhältnisses bedeutsam sein soll. Soweit der Senat darauf abstellt, daß der Hauptantrag über den Streitpunkt hinausgehe, der zwischen den Parteien über die Auslegung der Konkurrenzklausel anläßlich der Begründung des Angestelltenverhältnisses durch den Beklagten entstanden sei, dient das Ausmaß des Streits als Bestimmungsfaktor für die Frage, ob ein konkretes Rechtsverhältnis vorliegt: Klageanträge, die weiter reichen als das die Meinungsverschiedenheiten auslösende Ereignis, sollen in dem überschreitenden Maß einen abstrakten Inhalt haben. Bei unbefangener Betrachtungsweise würde man derartige Überlegungen im Zusammenhang mit dem Rechtsschutzinteresse erwarten: besteht keine Meinungsver42 LM Nr.47 zu § 256 ZPO; vgl. auch LM Nr.2 zu § 1542 RVO; BAG, AP Nr. 24 zu § 256 ZPO. 43 NJW 1973, S. 1439 ff.

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schiedenheit zwischen den Parteien, hat auch keine von ihnen ein berechtigtes Interesse an gerichtlicher Klärung. Wird der vom Bundesgerichtshof entschiedene Sachverhalt einmal unter diesem Aspekt durchdacht, müßte man wohl zu dem Ergebnis finden, daß ein berechtigtes Interesse an Überprüfung der Wirksamkeit der Vertragsklausel vorhanden war. Schon die Anträge selbst lassen erkennen, daß in dem letztgenannten Punkt die Ansichten der Parteien auseinander gingen. Von der Wirksamkeit der Vertragsbestimmung hing es zudem ab, ob der Beklagte überhaupt verpflichtet war, eine Konkurrenztätigkeit zu unterlassen. Dürfte aber ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Wirksamkeit der Konkurrenzklausel kaum verneint werden können, so verwundert es, daß das Klagebegehren auf Klärung einer "abstrakten Rechtsfrage" gerichtet gewesen sein soll. Die Schwierigkeiten sind hier, daß jedem Vertrag ein gewisses Maß an Abstraktheit zu eigen ist, da er ein artmäßig bestimmtes Verhalten vorschreibt und als normatives Gebilde auf der Sollensebene einzuordnen ist. Jeder Vertrag - wie auch jede Norm - tendiert zum Vollzug, d. h. zu Verwirklichung des "abstrakten" Sollensgebotes auf der Ebene der empirischen Faktizität. Wenn der Bundesgerichtshof meint, eine Vertragsklausel könne nur insoweit in ein Feststellungsverfahren eingeführt werden, als ein Verhalten vorliege, das unter dem Aspekt des Vertragsvollzuges beurteilt werden könne, so erklärt er damit die jedem Vertrag immanente Abstraktheit zum Ausschlußgrund für die Feststellungsklage. Man mag den "abstrakten" Vertrag dem konkreten Vertragsvollzug gegenüberstellen. Diese Unterscheidung kann aber kein Kriterium für die Zulässigkeit der Feststellungsklage sein. Der Vollzug eines Vertrages oder Gesetzes steht erst zur Diskussion, wenn der Berechtigte vom Verpflichteten das geschuldete Verhalten einfordert, d. h. im Leistungsprozeß. Das mehr oder minder große Maß an Vertragsverwirklichung ist ohne Bedeutung für die Frage, wann ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis vorliegt. Deshalb ist auch allgemein anerkannt, daß Verträge selbst Gegenstand eines Feststellungsprozesses sein können44 • - Gerade der letzte Punkt verdient besondere Aufmerksamkeit im Zusammenhang mit der weiteren Argumentation des Bundesgerichtshofs, eine Entscheidung von der Art, wie sie die Parteien mit ihren Hauptanträgen begehrten, könne generell nicht getroffen werden. Da bei der Beurteilung, ob ein Rechtsgeschäft sittenwidrig ist, alle Umstände des konkreten Falles berücksichtigt werden müßten, sei schon ob der mangelnden Bezogenheit auf einen Einzelfall eine allgemeine Entscheidung über die Konkurrenzklausel unmöglich. Sicherlich war die Konkurrenzklausel potentiell bedeutsam für eine 44

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Vgl. z. B. Rosenberg I Schwab, Zivilprozeßrecht, § 94, H. 1, a).

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Vielzahl denkbarer Tätigkeiten. Daraus aber den Schluß zu ziehen, daß die Vertragsklausel abstrakten Inhalt habe und deshalb nicht prüfungsfähig sei, dürfte wohl kaum geboten sein. Die "Einzelfallabhängigkeit" bedeutet nur, daß sich nicht ohne weiteres allgemeine Regeln bilden lassen, die ein abschließendes Urteil für jedes Rechtsgeschäft ermöglichen. Variabilität der jeweils maßgeblichen Gesichtspunkte heißt nicht, daß erst der Einzelfall die Maßstäbe liefert, die zur Beurteilung der Sittenwidrigkeit heranzuziehen sind. Ob ein Rechtsgeschäft gegen die guten Sitten verstößt, muß ex ante - abstrakt - beurteilt werden können. Denn § 138 BGB setzt voraus, daß das Rechtsgeschäft selbst sittenwidrig ist, maßgeblich sind die Tatumstände im Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Dann muß auch ein Urteil möglich sein, sobald der Vertrag vorliegt. Die Bewertung eines Sachverhalts anhand unbestimmt gehaltener Normen (z. B. Generalklauseln), eine durchaus geläufige Erscheinung der Rechtsfindung, erfordert keine qualitativ abweichende Technik der Urteilsbildung, sondern lediglich ein verfeinertes Subsumtionsverfahren. Soweit die Norm, Maßstab der Beurteilung, allgemeiner und damit unbestimmter gefaßt ist, verliert die Deduktion zur Entscheidung - schon wegen des erweiterten Beurteilungsspielraums - an Evidenz und Eindeutigkeit. Deshalb bedarf es in diesem Falle methodisch vorab einer Konkretisierung der Norm in Richtung auf die Individualität des Beurteilungsgegenstandes, um den nur losen Bezug zwischen Norm und Sachverhalt durch Zwischenschaltung abgeleiteter, konkreterer Normen zu verdichten und so die übertragung der allgemeinen Norm auf den Sachverhalt rational zu begründen. Aus der generellen Norm also werden spezielle Rechtssätze abgeleitet, die eine tragfähige Basis für die in rationale Begründungszusammenhänge zu stellende Entscheidung abgeben. Enthält nun ein im Hinblick auf eine Generalklausel (z. B. § 138 BGB) zu bewertender Vertrag nicht eine konkrete Leistungspflicht, sondern die Verpflichtung zu allgemein umschriebenem Verhalten, kann sich die Schwierigkeit für eine einsichtig zu machende Beurteilung kumulieren. Generelle Verhaltensanforderungen sind notwendig unbestimmt, weil in ihnen ein Bündel latenter Aktionen und Tätigkeiten nur allgemein umschrieben zusammengefaßt ist. So liegt der Fall, wenn sich in einer Vertragsklausel der Verpflichtete dem Verbot jeglicher Beteiligung an einem Konkurrenzunternehmen unterworfen hat. Das in der Klausel generell enthaltene Verbot erfaßt notwendig eine unbestimmte Vielzahl denkbarer Tätigkeitsformen, die möglicherweise unter dem Aspekt zulässiger Einschränkung der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit nicht alle gleich zu beurteilen sind. Ist der zur Entscheidung über das Rechtsgeschäft Berufene vor die Frage gestellt, ob durch solche Bindung des Verpflichteten des-

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sen Betätigungsfreiheit in einer Weise beeinträchtigt wird, die unter dem Aspekt der Sittenwidrigkeit nicht hingenommen werden kann, dann müssen zunächst die denkbaren Auswirkungen der Vertragsbindung für den Betroffenen durch Interpretation der Klausel erschlossen werden. Nur um solche Ausdeutung erweitert sich das Rechtsfindungsverfahren im Vergleich zur Beurteilung eines Vertrages, bei dem Gegenstand der Bewertung nicht eine Klausel allgemein, sondern eine konkrete Tätigkeit (ein wirklicher Lebenssachverhalt, z. B. eine im einzelnen bezeichnete Angestelltentätigkeit) bildet. Im Maße zunehmender Unbestimmtheit erhöhen sich die an die Interpretation gestellten Anforderungen, das rechtstechnische Verfahren hingegen bleibt unverändert. Ein vertragliches Klauselwerk kann nun das zulässige Verhalten einer Partei in konkrete Einzelfälle aufschlüsseln oder in generellen Verhaltensnormen festlegen. Folglich sind im Grad der Konkretheit zwischen den Vertragsnormen und den jeweils in Anwendung des Vertrages auf einen bestimmten Lebenssachverhalt entstehenden Tatbeständen unterschiedliche Abstufungen denkbar; solche Stufen finden ihre Parallele auf der Gesetzesebene: Auch die gesetzliche Regelung, die eine Vielzahl gedachter Sachverhalte umschließt, kann - namentlich wenn sie allgemeiner gefaßt wurde - vom konkreten Rechtsverhältnis im Einzelfall (wie es durch den Gesetzesvollzug entsteht) in weiterem Umfang abstrahiert sein. Die darin angelegten Subsumtionsschwierigkeiten sind dann durch Auslegung der Norm zu beheben. Im Bereich gesetzlicher Regeln ist nie bezweifelt worden, daß der unterschiedliche Grad der Abstraktheit zwischen gesetzlich gefaßtem Tatbestand und in der Lebenswirklichkeit auftretendem Sachverhalt keine Bedeutung für die Frage der Eignung zu gerichtlicher überprüfung zukommt; gehört doch die Konkretisierung als Bestandteil der Auslegung gerade zu den vornehmlichen Aufgaben des Gerichts. Gleiches gilt selbstverständlich für die Bewertung anderer normativer Sachverhalte: Das Maß der Konkretheit ist stets nur für die Auslegung relevant, und der Entscheidung darf sich ein Gericht unter Hinweis auf die Auslegungsbedürftigkeit nicht entziehen. Daraus folgt, daß eine Feststellungsklage niemals als unzulässig abgewiesen werden darf mit der Begründung, der Sachverhalt sei nicht "konkretisierungsfähig". Im Beispielsfall hat sich der Bundesgerichtshof durch Zurückweisung der Klage nur der Aufgabe einer notwendigen Konkretisierung der Klausel entzogen und Rechtsschutz verweigert, letztlich mit dem Hinweis auf die Schwierigkeit einer Aufgabe, deren Lösung geradezu den Gerichten übertragen ist. Die Urteilsgründe verdecken nur diesen Befund.

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Offener ausgetragen wurde die Problematik in einem sozialgerichtlichen Verfahren45 : Der Kläger, der als niedergelassener praktischer Arzt an der vertragsärztlichen Versorgung teilnahm, mußte verschiedentlich die Wünsche seiner Patienten nach Behandlung und Medikamentenverordnung ablehnen, weil die entstehenden Kosten im kassenärztlichen Prüfungsverfahren nicht anerkannt wurden. Aus dem Interesse, seine Patienten davon zu überzeugen, daß er die Behandlung in der gewünschten Weise nur aus diesem Grunde versage, resultierte das Anliegen zur Bekanntgabe der Prüfungsunterlagen. Da ihm die kassenärztliche Vereinigung, deren Mitglied er war, die Berechtigung zur Aufdeckung der Unterlagen absprach, klagte er auf Feststellung, daß der Vertragsarzt gegen keine Verpflichtung aus dem Arzt/Ersatzkassenvertrag verstoße, wenn er nach individueller Prüfung die Ergebnisse der Prüfungs gremien sowie die Prüfanträge des Verbandes der Angestelltenkrankenkassen den hierin namentlich genannten Patienten mitteile. Hilfsweise begehrte er eine entsprechende Feststellung bezüglich der Unterrichtung von Patienten, die in einem Honorarbescheid - bezogen auf ein abgelaufenes Quartal - erwähnt waren. Das Landessozialgericht hat die Klage mit beiden Anträgen als unzulässig abgewiesen und als Grund für seine Entscheidung angeführt, die unterbreitete Rechtsfrage ließe sich ex ante nicht beurteilen. Zwei aufeinander bezogene Zonen der Unbestimmtheit sollen nach Ansicht des Senats die Unmöglichkeit abschließender Beurteilung bedingen: Das Fehlen einer speziellen Verbots- oder Berechtigungsnorm über die Bekanntgabe der Prüfungsunterlagen und ferner die im Zeitpunkt der Beurteilung vorhandene Ungewißheit über die Entwicklung des Rechtsverhältnisses. Zum ersten Punkt führt das Gericht aus, wegen der fehlenden positiv-rechtlichen Regelung der Rechtsfrage könne eine Aussage über die streitige Verhaltensweise nur aus Sinn und Zweck des Arzt/Ersatzkassenvertrages unter Berücksichtigung des zwischen Arzt und kassen ärztlicher Vereinigung bestehenden Mitgliedschaftsverhältnisses gewonnen werden. Eine allgemein verbindliche Feststellung über die Berechtigung zur Aufdeckung der Unterlagen lasse sich aber nicht treffen, weil in jedem Einzelfall eine Abwägung erforderlich werde: denn einerseits dürfe dem Arzt nicht verwehrt werden, unberechtigtes Verlangen von Patienten nach Behandlung und Verordnung mit Hilfe der Prüfungsunterlagen gezielt zu entkräften, falls er überzeugt sei, daß er sich nicht auf andere Weise den übertriebenen Anforderungen der Patienten erwehren könne. Andererseits aber gebiete es die aus den vertragsärztlichen Beziehungen abzuleitende Pflicht 45

LSG Essen, NJW 1973, S. 1439 ff.

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der Vertraulichkeit, daß der Arzt auch die Interessen der kassenärztlichen Vereinigung wahre, insbesondere bei den Patienten nicht den Eindruck erwecke, die Kassen würden vom Arzt für notwendig und zweckmäßig gehaltene Behandlung und Verordnung im Prüfungsverfahren verhindern oder erschweren. Da man eine Entscheidung nur unter Berücksichtigung der sich im konkreten Fall widersprechenden Interessen fassen könne, sei die Frage, ob die vom Kläger beabsichtigte Verhaltensweise statthaft sei, nicht generell beantwortbar. Die Argumentation zeigt eine deutliche Parallele zur Begründungstechnik des Bundesgerichtshofs im "Vertreterurteil". Subsumtionsschwierigkeiten in Folge der Offenheit einer Norm sollen zur Unmöglichkeit der abschließenden Beurteilung des Feststellungsbegehrens und damit zur Unzulässigkeit der Feststellungsklage führen. In rechtlicher Hinsicht liegen die Sachverhalte ähnlich: Im Fall des Bundesgerichtshofs war für die Beurteilung des streitigen Vertragsverhältnisses die offene Generalklausel des § 138 BGB heranzuziehen, hier diente das Ergebnis einer generellen Abwägung der Interessen unter wechselseitiger Rücksichtnahme der Parteien - ähnlich der Generalklausei des § 242 BGB (die das Gericht auch hätte zitieren können) als normativer Maßstab für die Entscheidung. Daß aber die Offenheit einer Norm niemals einen zureichenden Grund für die Unmöglichkeit zur Fällung einer Entscheidung abgeben darf, wurde bereits ausgeführt. Gleiches gilt für das Fehlen einer gesetzlichen Regelung, weil die Lücke stets durch Normensetzung nach allgemeineren Maßstäben zu schließen ist. Hinzu kommt aber hier, daß die große Ungewißheit und Unbestimmtheit, auf die das Gericht die Unmöglichkeit einer verbindlichen Entscheidung stützt, überhaupt nicht auf eine fehlende Positivnorm zurückzuführen ist. Dies läßt sich unschwer verdeutlichen, wenn man unterstellt, daß der Arzt/Ersatzkassenvertrag - bei im übrigen unveränderten Inhalt - eine ausdrückliche Bestimmung enthielte, die dem behandelnden Arzt die Befugnis zubilligt, den Patienten die Prüfungsunterlagen bekanntzugeben. Bei einer derartigen Rechtsgrundlage würde auch unter Anlegung der in der Rechtsprechung entwickelten Maßstäbe ein Feststellungsbegehren kaum unzulässig sein, wenn die kassenärztliche Vereinigung die Berechtigung zur Bekanntgabe der Unterlagen bestreitet. Und doch ist zu bezweifeln, daß diese Fallgestaltung durch eine größere "Bestimmtheit" sich auszeichnet. Diese gesetzlich eingeräumte Berechtigung würde nämlich den Arzt weder von seiner Pflicht zur Vertraulichkeit gegenüber der kassenärztlichen Vereinigung entbinden, noch ihn davon befreien, sonstigen berechtigten Belangen des Vertragspartners Rechnung zu tragen. Auch hier wäre die Tragweite der gesetzlichen Ermächtigung vom Einzelfall abhängig.

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Das Landessozialgericht mag erkannt haben, daß der Rekurs auf die fehlende Norm nur einen unzureichenden Grund für die Zurückweisung der Anträge als unzulässige Klage abgeben konnte, denn es stützt seinen Ausgangspunkt, der Sachverhalt sei nicht "subsumtionsfähig" , ergänzend auf die Ungewißheit über die Verhaltensweisen der Beteiligten in Zukunft. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Bekanntgabe der Unterlagen durch den Arzt - so meint das Gericht komme dem Verhalten des Klägers bei der Bekanntgabe und den sich daraus ergebenden Reaktionen der Patienten eine entscheidende Bedeutung zu. Da man die Verhaltensweisen nicht vorhersehen könne, sei eine eindeutige Sachverhaltsabgrenzung zwischen den Fallgestaltungeri berechtigter und unzulässiger Aufdeckung generell überhaupt nicht möglich46 • Mit der Aussage des Gerichts, der Kläger habe einen "nicht voll überschaubaren Sachverhalt" unterbreitet, wird die Rechtsfrage von einem Blickwinkel angesteuert, der die Problematik nur teilweise erfaßt. Sie träfe den Streitgegenstand nur unter dem Aspekt, daß jedwedes im Einzelfall festumrissene zukünftige Verhalten des Arztes letztlich und abschließend bewertet werden müßte. In der Tat könnte hierüber nicht geurteilt werden, da noch nicht bekannt war, wie sich der Kläger bei der Eröffnung der Prüfungsunterlagen im konkreten Fall jeweils verhalten würde. Gerade solche Betrachtungsweise wird aber dem Rechtsschutzbegehren des Klägers nicht gerecht. Er wollte nicht seine zukünftigen Verhaltensweisen in jedem Einzelfall bewertet wissen, sondern begehrte lediglich Klarheit darüber, welche Verhaltensanforderungen generell an ihn gestellt würden und unter welchen Voraussetzungen eine Berechtigung bestünde, die Prüfungsunterlagen seinen Patienten bekanntzugeben. Verlangte der Kläger aber nur eine allgemeine Bewertung des bestehenden Rechtsverhältnisses nach geltendem Recht, so läßt sich kaum sagen, der Sachverhalt sei nicht "überschaubar" , denn sämtliche Kriterien für die Beurteilung des streitigen Rechtsverhältnisses lassen sich dem geltenden Recht entnehmen. Sie mögen zwar im einzelnen schwer aufzufinden sein, sind aber jedenfalls "gegenwärtig" vorhanden, denn der Beurteilungsmaßstab ist nicht von einem - sei es gegenwärtigen oder zukünftigen - Verhalten des Normadressaten abhängig. Aus diesem Grund war das Gericht im Streitfall durchaus in der Lage, Richtlinien für die Fälle berechtigter Bekanntgabe der Prüfungsunterlagen aufzustellen. Die Urteilsgründe ließen sich etwa in dem Tenor zusammenfassen, daß ein Recht zur Eröffnung bestehe, wenn auf andere Weise unbegründete Forderungen von Patienten nicht entkräftet werden könnten und bei der Bekannt48 Zu ähnlicher Argumentationsweise in der zivilrechtlichen Judikatur: z. B. RGZ 84, S. 390; BAG, AP Nr.24 zu § 256 ZPO.

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gabe die Interessen der Kassen (insbesondere an "Klarstellung der Bedeutung des Prüfungsverfahrens") berücksichtigt werden. Die besonderen Umstände des "Einzelfalles" machen es also nicht überhaupt unmöglich, eine Aussage zu treffen, sie bewirken nur, daß sich das Urteil auf eine generalisierende - weil eben die vom Einzelfall abhängigen Momente nicht berücksichtigende - Erkenntnis beschränkt47 . Die erörterten Urteile haben erkennen lassen, daß die Obergerichte die Auslegung von Gesetzen und Verträgen nur dann als ihre Aufgabe betrachten, wenn die Norminterpretation im Zusammenhang mit der Rechtsanwendung auf einen einzelnen realen Lebenssachverhalt erfolgt48. Der Rekurs auf die "Einzelfallabhängigkeit" der Norminterpretation ist jedenfalls insofern keine ausreichende Begründung für eine derartige Beschränkung des Rechtsschutzes, als aus der "Offenheit" der Rechtsnorm eine angebliche Beurteilungsunfähigkeit der gestellten Rechtsfrage abgeleitet wird. Alle Rechtsbegriffe sind mehr oder weniger unbestimmt, bedürfen der Konkretisierung und auslegenden Interpretation und sind dennoch anwendungsfähig. c) Die Erkenntnis, daß zwischen Rechtsnorm und geregeltem Wirklichkeitsausschnitt eine Wechselwirkung vorhanden ist, die bedingt, daß sich die Norm erst in ihrer Anwendung auf den realen Lebenssachverhalt vollendet, spielt für die Rechtsanwendung durch richterliches Urteil hingegen insofern eine maßgebliche Rolle, als entschieden werden muß, ob man Rechtsstreitigkeiten nur über reale Lebens- oder auch hypothetische - weil noch nicht verwirklichte - Sachverhalte zuläßt. Um solche hypothetischen Sachverhalte handelt es sich auch, wenn das Urteil zwar von einem wirklichen Geschehen seinen Ausgang nimmt, die Urteilsaussage aber nicht darauf beschränkt bleibt. Nur wenn der reale Lebenssachverhalt, für welchen die Urteilsaussage gelten soll, noch nicht verwirklicht ist, stellt sich das Problem, ob ein Urteil auch dann sinnvoll ist, wenn alle für eine endgültige Beurteilung des Rechtsfalls relevanten Fakten noch nicht bekannt sind. Das Urteil, welches Handlungsrichtschnur für zukünftiges Verhalten sein soll, ist in gewissem Sinn nie endgültig. Es hat generalisierenden Charakter, weil es möglich ist, daß der real verwirklichte Sachverhalt infolge eines Abweichens vom hypothetischen, über den geurteilt wurde, eine andere Bewertung erfahren muß.

47 Vgl. dazu im einzelnen unten Teil 4 III. 48 Deutlich in diesem Sinne auch: BGH, LM Nr.2 zu § 1542 RVO; BAG, AP Nr. 24 zu § 256 ZPO.

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Die Alternative besteht also zwischen dem Urteil über reales Geschehen, welches ein großes Maß an Endgültigkeit aufweist, und dem Urteil, welches eine normative Aussage über die Rechtmäßigkeit lediglich geplanten Verhaltens enthält, das zu einer mehr grundsätzlichen - im Einzelfall präzisierungsbedürftigen - Beurteilung der Rechtslage führt, welches aber eine sehr weitreichende verhaltensbestimmende Wirkung zur Folge haben kann, weil es nicht ausschließlich auf einen realen, singulären Lebenssachverhalt zugeschnitten ist. An praktischer Relevanz - dem Anliegen der Unterscheidung abstrakter und konkreter Rechtsverhältnisse - stehen sich die beiden Urteilstypen nichts nach. Die abschließende Bewertung eines verwirklichten Verhaltens ist nicht mehr oder weniger praktisch bedeutsam als das zwar Ausnahmen zulassende aber doch grundsätzliche Urteil über die rechtliche Zulässigkeit eines geplanten Verhaltens. Aus dem Umstand, daß "ein voll überschaubarer Sachverhalt" nicht vorliegt, läßt sich deshalb nicht die Unzulässigkeit einer Feststellungsklage schZechthin ableiten, sondern allenfalls die Unmöglichkeit einer Feststellung, die eben für die beantragte konkretere Rechtsfolge den noch nicht überschaubaren Sachverhalt zur Voraussetzung haben würde. Der in Rechtsprechung und Lehre allgemein aufgestellte Satz, die Feststellungsklage könne nur unter der Voraussetzung erhoben werden, daß "die Anwendung einer Rechtsnorm auf einen bestimmten bereits übersehbaren Sachverhalt streitig sei", ist als solcher kaum zwingend. Da sich das Maß der für die Rechtsfindung erforderlichen Tatsachen allein danach richtet, welcher Rechtsfolgeausspruch begehrt wird, verlagert sich das Problem auf die Frage, welche Urteilsaussprüche zulässig sind. Es enthüllt sich dann in der Fragestellung, ob sich das Feststellungsverfahren auf voll entwickelte Rechtsfolgeaussagen beschränken muß, oder ob auch Urteile denkbar sind, die gewissermaßen nur einen Rahmen abstecken und auf diese Weise Raum lassen für weitere Entwicklungen. d) Mit der Entscheidung, neben den Leistungs- und Gestaltungsklagen eine weitere Form der Klage zu gestatten, ist auch jedenfalls darüber befunden worden, die Tätigkeit der Rechtspflegeorgane nicht auf die Beurteilung von Konfliktslagen zu beschränken, welche sich dadurch auszeichnen, daß der Rechtsfrieden nur wiederhergestellt wird, wenn der Beklagte zu einem Tun oder Unterlassen verpflichtet oder rechtliche Beziehungen durch das Gericht unmittelbar gestaltet werden. Ist die Rechtsstörung, die im Feststellungsstreit bereinigt werden soll, mithin eine andere als die, welche Anlaß zur Leistungs- oder Gestaltungsklage gibt, kann man den Anwendungsbereich der Feststellungsklage nicht auf Konfliktslagen beschränken, die typischerweise

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ein Interesse nach Gestaltung der Rechtslage oder nach Zwang zur Leistung hervorrufen. Klammert man den Bereich aus, in dem sich das Interesse des Klägers an der Feststellung der Rechtslage in dem Ausspruch einer Gestaltung der Rechtslage oder Verpflichtung des Beklagten zu einem Tun oder Unterlassen niederschlägt, konzentriert sich die Aufmerksamkeit fast zwangsläufig auf die Streitigkeiten, in denen die Entwicklung entweder noch nicht soweit gediehen ist, daß eine Leistungs- oder Gestaltungsklage erhoben werden könnte, oder das Klärungsinteresse über die Geltendmachung eines Leistungsanspruchs oder Gestaltungsverlangens hinausreicht. In diesem Sinne enthält das Feststellungsurteil stets nur eine Aussage über den Entwicklungszustand rechtlicher Beziehungen im Urteilszeitpunkt41 • So könnten sich denn auch im "Kassenarztfall" trotz eines Feststellungsurteils zugunsten des Arztes nach Abschluß des Verfahrens neue Rechtsstreitigkeiten entwickeln über die Frage, ob in einem nachfolgenden Einzelfall der Arzt bei Bekanntgabe der Unterlagen pflichtwidrig gehandelt hat. Die Zulässigkeit des zweiten Rechtsstreits würde keineswegs an den Regeln über die Bindung an rechtskräftige Vor-Urteile scheitern. Ein Folgestreit über die Unzulässigkeit der Bekanntgabe ärztlicher Unterlagen in einem nachfolgenden Einzelfall läßt materiell durchaus eine rechtliche Neubeurteilung des Falles zu. Auch wenn das Zweiturteil die Erstentscheidung als rechtskräftig festgestelltes materielles Recht über die allgemeinen Rechtsbeziehungen von Arzt zu kassenärztlicher Vereinigung berücksichtigt, könnte die Unzulässigkeit der Bekanntgabe im neuerlich streitig gewordenen Einzelfall ausgesprochen werden. Denn selbst eine gesetzlich verankerte Berechtigung zur Bekanntgabe der Unterlagen, die das Ersturteil für die Rechtsbeziehungen der Parteien festgestellt hat, würde ja keineswegs ausschließen, daß wegen der besonderen Umstände des im nachfolgend streitigen Einzelfall die Bekanntgabe unterbleiben müßte. Das gleiche würde selbstverständlich auch in der von dem Landessozialgericht entschiedenen Fallgestaltung gelten: Bei einem generell ablehnenden Urteil wären nachfolgende Einzelfälle nicht vollständig präjudiziert worden. Die aufgezeigten Folgen sind vom rechtstheoretischen Verständnis des Instituts der Rechtskraft unabhängig. Sieht man die Rechtskraft ausschließlich im Prozeßrecht verankert und ihren Sinn darin, widersprechende Entscheidungen über denselben Streitgegenstand auszuschließen, dann würde gerade mit Rücksicht auf die einzelfallabhängigen Umstände kein Widerspruch zwischen dem Urteil, das eine Berechti41 Aus diesem Grund ist auch der Einwand von Pohle, Anm. zu BAG, AP Nr.24 zu § 256 ZPO, derartige Auslegungsfragen würden die Gerichte "zu Urteilen nötigen, deren Tragweite sie unter Umständen nicht ausreichend überschauen können", nicht überzeugend; unrichtig auch RGZ 84, S.390.

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gung generell bejaht, und einem Urteil, das im konkreten Fall die Handlungsbefugnis einschränkt, bestehen; denn Streitgegenstand war zunächst einmal eine generelle Rechtsbeziehung zwischen den streitenden Parteien, im nachfolgenden Rechtsstreit eine konkrete Einzelfallgestaltung. Wird bei einem materiellrechtlichen Verständnis der Rechtskraft die materielle Rechtslage ab Rechtskraft allein nach dem Urteilsinhalt bestimmt - die Berücksichtigung des Ersturteils bei weiteren Rechtsstreitigkeiten als materielle Rechtsanwendung verstanden - bestehen keine Schwierigkeiten, die generalisierende Urteilsaussage in Folgestreitigkeiten zu präzisieren50 • Trifft es zu, daß Feststellungsurteilen im allgemeinen ein gewisses Maß an Offenheit gegenüber Folgeentwicklungen zu eigen ist51 , dann kann die von der Rechtsprechung herangezogene Gegenüberstellung abstrakter und konkreter Feststellungsbegehren allenfalls in der Form Gewicht für die Entscheidung der Zulässigkeitsfrage gewinnen, daß die rechtliche Beurteilung in der Entwicklungsphase im Einzelfall gerade wegen der Entwicklungsfähigkeit der Rechtsbeziehungen als praktisch wertlos angesehen werden muß52. Die Prozeßrechtswissenschaft hat sich daran gewöhnt, prozessuale Grundprobleme unter dem Blickwinkel der Leistungs- und vielleicht noch der Gestaltungsklagen und -urteile zu lösen. Die dort gewonnenen Ergebnisse werden - mehr oder weniger ungeprüft - auch für die Feststellungsurteile und damit auch für die Feststellungsklage als zutreffend erachtet. Hier mag der Grund dafür liegen, daß bislang unbeachtet blieb, wie sehr sich das Feststellungsurteil in seiner Bestimmtheit oder Konkretheit von den anderen Urteilsarten unterscheidet. Die im Leistungsurteil enthaltene Aussage ist inhaltlich eindeutig fixiert durch die gegenständlich festgelegte Leistung, die aus einem abgeschlossenen Sachverhalt als Rechtsfolge resultiert. Nur ein bestimmter Erfolg wird in den Urteilsausspruch aufgenommen, auf den Erfolg bezogene Handlungsmodalitäten einer Partei für nicht fuderbare künftige Fallgestaltungen sind im Tenor nicht mitumfaßt. Gestaltungsurteile erfahren ihre Bestimmtheit durch das Gestaltungsobjekt oder durch die verfügte Rechtsänderung, die ihrer Idee nach stets nur konkret und speziell sein kann. Beide Urteilsarten bedürfen dieser Bestimmtheit: Leistungsurteile müssen vollstreckungsfähig sein, weil sich der Zweck dieser Urteile in der zwangsweisen Durchsetzung entbindet, und Gestaltungsurteile tragen die Vollstreckung bereits in sich, da sie RechtsZur Rechtskraftsfrage im einzelnen unten Teil 4 IH. 1. Zur ähnlichen Tendenz des Bescheidungsurteils vgl. z. B. BayVGH, BayVBl 1974, S.410. 52 Vgl. dazu weiter hier Teil 2 IH. 50

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verhältnisse unmittelbar verändern. Das Feststellungsurteil hingegen führt nicht zu einer Befriedigung eines Gläubigerinteresses in der Weise, daß der Schuldner einen konkret fixierten Leistungserfolg herbeizuführen hat oder rechtliche Beziehungen endgültig umgestaltet würden. Das Feststellungsurteil dient nicht zur Vollstreckung, enthält nur eine allgemeine Rechtsbeurteilung über ein Rechtsverhältnis in einem bestimmten Zeitpunkt, aus dem später materielle Ansprüche erwachsen können. Das Verhältnis von materiellem Anspruch und Rechtsverhältnis, das die Grundlage für einen Einzelanspruch abgibt, wird dadurch gekennzeichnet, daß sich das Rechtsverhältnis auf einen Anspruch hin verdichten kann. Deshalb enthält die Feststellung des Rechtsverhältnisses in Richtung auf konkret aus ihm resultierende Ansprüche stets eine Zone der Unbestimmtheit, denn festgestellt werden nur Elemente des Anspruchs, wobei bereits ungewiß bleibt, ob jemals aus dem festgestellten Rechtsverhältnis ein Anspruch tatsächlich begründet sein wird. Die der Feststellungsklage immanente Ungewißheit ist geradezu konstitutiv für diese Klageart, weil sie gewissermaßen eine Voraussetzung oder Vorbedingung für den Rückgriff auf diesen Klagetyp bildet: denn lägen alle Voraussetzungen für eine Leistungs- oder Gestaltungsklage vor, wäre die Feststellungsklage als subsidiäre Klageart in dem entsprechenden Umfang schon nicht mehr zulässig. Aus solcher Wesensbestimmung läßt sich zwangsläufig folgendes ableiten: Braucht das Rechtsverhältnis noch nicht in einer Weise konkretisiert sein, daß eine Gestaltungs- oder Leistungsklage erhoben werden könnte, dann kann folgerichtig die Feststellungsklage nicht ohne weiteres unter Hinweis auf eine dadurch bedingte - dem Rechtsverhältnis immanente - Offenheit abgewiesen werden. Solcher Offenheit ist allein im Urteilsausspruch Rechnung zu tragen. e) Die inhaltliche Offenheit eines derartigen Urteils ist auch nicht etwa bedingt durch eine den Prozeßregeln zuwiderlaufende Unbestimmtheit im Klageantrag. Das Bestimmtheitserfordernis hat im Zusammenhang mit der Klage nur den Zweck, es zu ermöglichen, der Dispositionsbefugnis des Klägers Rechnung zu tragen53 • Zur Bestimmung des Streitprogramms ist der Kläger nicht nur berechtigt, ihn trifft auch die Obliegenheit, von dieser Befugnis Gebrauch zu machen: Gibt der Kläger nicht genau an, worüber er eine Entscheidung begehrt, kann das Gericht seine Funktionen nicht sachgerecht ausüben, und dem Beklagten wird die Verteidigung insoweit erschwert, als ihm die Möglichkeit genommen ist, durch Befriedigung oder Anerkennung des klägerischen Anspruchs den Prozeß zu vermeiden oder zu verkürzen54 • 53

Schönke I Kuchinke, S. 191.

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Das Bestimmtheitserfordernis wirkt sich in zweifacher Richtung aus. Der Kläger muß einmal die begehrte Rechtsfolge offenlegen. Der Antrag der Feststellungsklage hat das Rechtsverhältnis, das festgestellt werden soll, in einer Weise zu kennzeichnen, daß es von anderen, nicht streitbefangenen Rechtsverhältnissen unterschieden werden kann. Zum anderen muß der Kläger den Sachverhalt vortragen, der nach seiner Meinung die von ihm angestrebte Rechtsfolge rechtfertigt. Seine Individualisierungspflicht wird nur dann und insoweit aktuell, als verschiedene Klagegründe geeignet sind, die umstrittene Rechtsbehauptung zu rechtfertigen. Das Erfordernis, Gegenstand und Grund des erhobenen Anspruchs genau zu bestimmen, bedeutet also ausschließlich, daß der Kläger verpflichtet ist, den Streitgegenstand eindeutig zu klären. Die Pflicht, den Streitgegenstand abzugrenzen, darf aber nicht verknüpft werden mit der Frage, wie das Rechtsverhältnis inhaltlich beschaffen sein muß, damit es sich zur Feststellung eignet. Das Verlangen, das Rechtsschutzgesuch inhaltlich zu bestimmen, bezweckt ausschließlich, Verwechselungsgefahren vorzubeugen, die darin liegen, daß das Gericht über einen Gegenstand befindet, über den der Kläger eine Entscheidung nicht begehrt. Folgerungen für eine über die Abgegrenztheit zu anderen Streitgegenständen hinausreichende inhaltliche Sol1beschaffenheit des Streitgegenstandes lassen sich aus der Individualisierungspflicht nicht ableiten. Die Tragweite der Bestimmungspflicht zu betonen, scheint gerade in diesem Zusammenhang geboten, weil die Rechtsprechung teilweise dazu neigt, die Beschränkung der im Feststellungsverfahren überprüfbaren Rechtsfragen auf "konkrete" Rechtsverhältnisse unter Hinweis auf das Bestimmtheitserfordernis zu rechtfertigen55• Verständlich wird diese Tendenz, wenn man berücksichtigt, daß prozessuale Grundsätze weitgehend an der Leistungsklage erarbeitet worden sind. Hat man die Leistungsklage vor Augen, ist es selbstverständlich, daß den Anforderungen, die an den Grad der Bestimmtheit zu stellen sind, nur Genüge getan ist, wenn der Kläger den Schuldner, die geforderte Leistung und das schuldbegründende Ereignis in sachlicher und zeitlicher Hinsicht benennt. Eine Leistungsklage, die nur einem dieser Elemente Rechnung trüge, wäre schon ob ihrer Unbestimmtheit unzulässig. 54 Schönke / Kuchinke, S. 191; unzutreffend deshalb z. B. BAG, AP Nr.8 zu § 253 ZPO. Das Gericht hielt eine Klage für nicht hinreichend bestimmt, mit welcher der Kläger eine Anspruchsberechtigung nach einem bestimmten Gesetz festgestellt wissen wollte, weil das Gesetz verschiedene Modalitäten des Anspruchs enthielt. Da diese aber nur für den Umfang des Anspruchs erheblich waren, hätte es möglich sein sollen, das Bezugsrecht als (generelles) Substanzrecht festzustellen; vgl. ferner BAG, AP Nr.24 zu § 256 ZPO. 55 z. B. BAG, AP Nr.24, 44 zu § 256 ZPO; Nr.8 zu § 253 ZPO.

Die Norminterpretationsklage

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Wie sehr die Strukturunterschiede zwischen den einzelnen Klagearten vernachlässigt werden, wenn man unbesehen die Bestimmtheitskriterien, die auf eine Leistungsklage zugeschnitten sind, auf die Feststellungsklage überträgt, belegt ein vor dem Bundesarbeitsgericht geführter Streit um eine tarifliche Leistungspflicht56 • Die Klägerin, ein Bauunternehmen, hatte an ihre italienischen Arbeiter, die nach Beendigung ihrer Tätigkeit in Deutschland in Italien arbeitslos geworden waren, auf Grund tariflicher Regelung Lohnausgleichsgelder bezahlt. Die von ihr vorgeschossenen Beträge wurden von der Beklagten, einer von den Tarifvertragsparteien gebildeten "Lohnausgleichskasse", erstattet. Zweifel an der Anspruchsberechtigung der italienischen Arbeiter bestand nur in einem Punkt: die Beklagte vertrat die Ansicht, daß der Tarifvertrag nur für diejenigen Arbeiter einen Unterstützungsanspruch vorsehe, die im Geltungsbereich des Tarifvertrags arbeitslos geworden seien und sich auch dort während der Unterstützungstage aufgehalten hätten. Die Klägerin begehrte deshalb die Feststellung, "daß die Beklagte nicht berechtigt sei, die der Klägerin erstatteten Unterstützungsbeträge, die sie an Arbeiter italienischer Staatsangehörigkeit unter Beachtung der tarifvertraglichen Voraussetzungen über den Lohnausgleich in der Winterperiode 1956/57 vom 14.9. 1956 zur Auszahlung gebracht hat, zurückzuverlangen, auch wenn die Betreffenden sich während der Unterstützungstage in Italien aufgehalten haben". Mit diesem Antrag trug die Klägerin dem Ausmaß des Streits Rechnung. Zwischen den Parteien herrschte keine Meinungsverschiedenheit über die Höhe der ausgezahlten Beträge, über die Zahl der anspruchsberechtigten Personen ete. Exakter konnte die allein streitige Frage in einem Antrag eigentlich nicht wiedergegeben werden. Der Klagegrund wurde schon hinreichend durch die Angabe des maßgeblichen Tarifvertrages bestimmt, da allein die Auslegung des Tarifvertrags über die streitige Rechtsfrage entscheiden mußte. Es verwundert deshalb, daß das Bundesarbeitsgericht die Klage dennoch unter Hinweis auf § 253 Abs. 2 ZPO abwies. Das Gericht erkannte zwar, daß die Klägerin die Entscheidung der einzigen strittigen Rechtsfrage begehrte, nämlich "ob italienische Bauarbeiter, die nach Beendigung ihrer Arbeit in Deutschland in Italien arbeitslos sind, bei sonst erfüllten Voraussetzungen Anspruch auf Unterstützung haben oder nicht", hatte aber Zweifel, ob der vorgetragene Sachverhalt ausreichend war. Die Zweifel, die das Gericht darauf stützte, daß weder "die von der Klägerin gezahlten Summen, noch die Namen oder auch nur die Zahl der italienischen Arbeiter, an die die Klägerin Unterstützungsbeträge gezahlt hatte, angegeben wor56

AP Nr. 24 zu § 256 ZPO.

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Teil!: Konkrete und abstrakte Rechtsverhältnisse

den waren", vennögen angesichts des gestellten Antrags, für den sie nicht entscheidungserheblich waren, kaum zu überzeugen. Sie machen aber deutlich, daß das Bundesarbeitsgericht die Anforderungen, die an die Bestimmungspflicht des Klägers zu stellen waren, an den Erfordernissen einer Leistungsklage ausrichtete. Weder die Klägerin noch der Beklagte hatten aber behauptet, um einen der Höhe nach bestimmten Zahlungsanspruch zu streiten. Deshalb ist auch das weitere Argument des Bundesarbeitsgerichts, die Klägerin habe etwaige Rückforderungsansprüche nicht substantiiert, jedenfalls nicht geeignet, Zweifel an der Bestimmtheit der Klage zu begründen, über die zu entscheiden war. Weder dem Klageantrag noch der Begründung war zu entnehmen, daß die Klägerin einen "greif- und berechenbaren Anspruch" hatte abwehren wollen. Deshalb waren auch entgegen der Ansicht des Gerichts Ausführungen über Zahl und Höhe venneintlicher Rückforderungsansprüche entbehrlich. Das Denken in den Dimensionen des Leistungsanspruchs verstärkt sich noch an dem Punkt, an dem das Gericht das eigentliche Anliegen, die Unbestimmtheit von Klagegegenstand und -grund darzulegen, nicht mehr weiter verfolgt und die Argumentation unmerklich in eine inhaltliche Bewertung des Klageantrags übergeht. Das Gericht spricht der Klägerin die Berechtigung ab, die im Klageantrag formulierte Rechtsfrage unmittelbar im Feststellungsverfahren überprüfen zu lassen und verweist ausschließlich auf die Möglichkeit der Inzidentprüfung in einem Leistungsprozeß: Die Frage, ob ein italienischer Arbeiter, der nach Beendigung seiner Arbeit in Deutschland in Italien arbeitslos geworden ist, Lohnausgleichsbezüge erhält, müßte nach Auffassung des Gerichts in der Weise geklärt werden, daß entweder ein einzelner Arbeiter, dem die Unterstützung verweigert worden ist, auf Auszahlung klagt, oder Arbeitgeber bzw. Lohnausgleichskasse ein Regreßverfahren provoziert, das allerdings auf einen namentlich genannten Arbeiter ausgerichtet sein müßte. Die Verweisung auf den Leistungsprozeß ist in mehrfacher Hinsicht fragwürdig. Sie hätte nur dann Sinn, wenn über die streitige Rechtsfrage rechtskräftig entschieden werden könnte. Im Leistungsverfahren kann aber die Leistungspflicht nur über eine Inzidentklage festgestellt werden. Ist eine solche zulässig, steht der selbständigen Feststellungsklage allenfalls das Fehlen eines Rechtsschutzinteresses entgegen. Zudem ist zu berücksichtigen, daß sich nur eine für den Leistungsanspruch vorgreifliche Rechtsfrage zur Zwischenfeststellung eignet. Infolge des gerade vom Bundesarbeitsgericht betonten Zuschnitts des Leistungsanspruchs auf den einzelnen Leistungsempfänger konnte die Leistungspflicht selbst auch nur in gleicher Richtung festgestellt werden. Der von der Klägerin gestellte Antrag hatte aber nicht das auf einen bestimmten

Die Norminterpretationsklage

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Empfänger bezogene Leistungsverhältnis, sondern die tarifliche Pflicht des Beklagten zum Inhalt, die auch besteht losgelöst von einem konkreten Zahlungsfall57 • Die Urteilsgründe beziehen sich damit streng genommen auf ein anderes Rechtsverhältnis als das, um welches die Parteien stritten. Nur so ist es auch verständlich, daß das Bundesarbeitsgericht den Rechtsstreit in der Form, wie er durch den Antrag der Klägerin ausgerichtet war, als Diskussion über eine "abstrakte, d. h. nicht auf ein konkret geschildertes Geschehen bezogene Rechtsfrage" wertete. Diese Ansicht ist konsequent, wenn man, wie das Bundesarbeitsgericht im Streitfall, als Rechtsverhältnis nur die potentielle Leistungsbeziehung versteht. Dann erweist sich die generelle gesetzliche Leistungspflicht, wie sie die Klägerin festgestellt wissen wollte, in der Tat als "abstrakt", soweit sie vom einzelnen Leistungsfall losgelöst ist58 • Die generelle gesetzliche Pflicht ist dann - wie es das Bundesarbeitsgericht ausdrückt - bloßes "Element" des speziellen, auf den einzelnen Empfangsadressaten bezogenen Rechtsverhältnisses. Rückt man hingegen - wie im Streitfall die Klägerin - die gesetzliche Zahlungspflicht in den Vordergrund, läßt sich mit dem mangelnden Bezug zum individuellen Leistungsverhältnis nicht die "Abstraktheit" des Rechtsverhältnisses begründen. Denn die generelle Leistungspflicht hängt eben nicht von einem individuellen Leistungsfall ab. Damit erweist sich wiederum, daß die "Abstraktheit" oder "Konkretheit" des Rechtsverhältnisses ein bloß sekundäres Moment ist, welches sich beliebig verändern läßt, indem man unterschiedliche Ansatzpunkte für das Rechtsverhältnis wählt. Zeigt sich schon an den Folgerungen des Bundesarbeitsgerichts aus dem Gebot der Antragsbestimmtheit, daß das Gericht unreflektiert von der Prämisse ausgeht, der Feststellungsstreit unterliege durchgängig denselben Gesetzmäßigkeiten wie der Leistungsprozeß, so gipfelt das 57 Aus diesem Grund war es richtig, daß das Bundesarbeitsgericht nicht auf die Subsidiarität der Feststellungsklage rekurrierte; ein derartiger "Gesamtanspruch" konnte nicht im Wege der Leistungsklage geltend gemacht werden. 58 Die Urteilsgründe könnten allerdings auch in der Richtung verstanden werden, daß der Entscheidung der streitigen Rechtsfrage die Bedeutung einer abstrakten allgemeinverbindlichen Normenkontrolle zuzumessen wäre. In diese Richtung weist die überlegung des Gerichts, die Frage, ob die Arbeitnehmer einen Anspruch auf Unterstützungsgeld hätten, könne nicht in einem Verfahren entschieden werden, "an dem die wahrhaft interessierten und betroffenen italienischen Bauarbeiter gar nicht beteiligt" seien. Beteiligungsrechte könnten aber nur in Betracht kommen, falls das Urteil wie die Entscheidung über eine abstrakte Normenkontrollklage wirken würde. Der Kläger begehrte aber nicht ein Urteil über die Gültigkeit der maßgeblichen Tarifvertragsbestimmungen, sondern die Feststellung, welche Rechte ihm auf Grund des Tarifvertrages zustanden. Die Rechtskraft des Urteils war auf die Parteien beschränkt.

4 Trzaskal1k

Teil 1: Konkrete und abstrakte Rechtsverhältnisse

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Denken in den Kategorien des Leistungsprozesses schließlich darin, daß in Zweifel gezogen wird, ob sich ein Urteil, welches generalisierenden Charakter hat, weil es eine Rechtsfrage entscheidet, die nicht bloß für eine konkrete Anspruchslage erheblich ist, noch in den Grenzen dessen hält, was unter Rechtsprechung zu verstehen ist. So bemerkt das Bundesarbeitsgericht im Zusammenhang mit dem Streitfall über die tarifliche Leistungspflicht59, es bestünde keine Möglichkeit, die "besonderen Umstände eines in Betracht kommenden Einzelfalls zu berücksichtigen", wenn der Unterstützungsanspruch losgelöst vom einzelnen Leistungsfall geprüft werde, und dazu feststellt, daß "alle diese Möglichkeiten einer echten richterlichen Entscheidun~" fehlen würden, falls von dem Gericht die "Lösung einer isolierten Rechtsfrage" begehrt werde. Ähnlich begründete auch das Revisionsgericht in dem gewürdigten sozialrechtlichen Streitfall60 die Abweisung des Hauptantrags, mit dem die Feststellung begehrt wurde, daß der Kassenarzt nicht gegen Pflichten aus dem Arzt/Ersatzkassenvertrag verstoße, wenn er nach individueller Prüfung die Ergebnisse der Prüfungsgremien sowie die Prüfanträge des Verbandes der Angestelltenkrankenkassen den hierin namentlich genannten Patienten mitteile. Das Bundessozialgericht war der Auffassung, eine Feststellung solcher Art beziehe sich auf eine unbestimmte und nicht bestimmbare Anzahl von Fällen und habe einen inhaltlich unbestimmten Gehalt; ihr fehle "mithin die erforderliche Beziehung zu einem konkreten Sachverhalt, der allein in der Lage wäre, ein feststellbares Rechtsverhältnis zu umgrenzen". Weise der Streitgegenstand keine hinreichende Beziehung zu einem konkreten Anwendungsfall der Rechtsnorm auf, handele es sich um eine Normenkontrolle, nicht aber um einen allgemeinen Feststellungsstreit61 • Demgegenüber ist zu betonen, daß jedwedes Urteil über die Berechtigung zu einem bestimmten Verhalten sich auf eine "unbestimmte und nicht bestimmbare Anzahl von Fällen" beziehen kann und dies auch sinnvoller Weise muß. Streiten z. B. Nachbarn über die Benutzung eines zwischen ihren Grundstücken verlaufenden Weges, kann der Rechtsstreit nicht nur über einen räumlich und zeitlich genau bestimmten BenutzungsfaU geführt werden. Die Beurteilung kann auch dahingehend ausgerichtet werden, ob eine bestimmte Benutzungsart zulässig ist. Ein solches Verfahren ist auch sinnvoll, weil nur die generelle Aussage über eine bestimmte Benutzungsart den Parteien Verhaltensrichtschnur für die Zukunft sein kann. Nicht anders stellt sich das Problem im öffentlichen Recht. Nimmt z. B. ein Bürger regelmäßig bestimmte BAG, AP Nr.24 zu § 256 zpo mit zustimmender Anmerkung von Pohle. BSG, SozR 2200 § 368 e RVO, Nr.l; vgI. oben Teil 1 III. 2. b. 61 Zur Abgrenzung der allgemeinen Feststellungsklage von der Normenkontrolle vgI. sogleich sub 3. 59

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Die Feststellungsklage gegen Rechtsnormen

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Handlungen vor, gegen welche die Verwaltung einzuschreiten droht, ist die Feststellung sinnvoll, daß die Behörde nicht berechtigt ist, ein solches Verhalten zu unterbinden, auch wenn sich ergeben sollte, daß unter bestimmten Umständen das streitige Verhalten doch rechtswidrig sein sollte. Das Problem ist lediglich, wo die Grenzen zu ziehen sind: Es muß geklärt werden, welchen Grad an Generalität das Urteil haben darf, damit es noch seinen Sinn erfüllt. Diese Frage läßt sich nur nach eingehender Würdigung der Funktionen des richterlichen Urteils und nicht durch eine pauschale Verweisung auf die herkömmlichen Regeln über die Abgrenzung konkreter und abstrakter Rechtsverhältnisse klären62 • 3. Berücksichtigt man die Alternative, sich entweder an der Regelungswirkung der Rechtsnormen zu orientieren oder dem Gesetz für den Rechtsstreit nur in der Form Bedeutung zuzusprechen, daß es Rechtsgrundlage für den Erlaß von Verwaltungsakten oder für die Geltendmachung von Ansprüchen ist, weisen auch die Klagen keine Besonderheiten auf, welche allein mit der Ungültigkeit derjenigen Rechtsnorm begründet werden, die Basis für die Durchsetzung eines Anspruchs oder den Erlaß eines Verwaltungsaktes gegen den Kläger sein kann. Das Thema, ob und inwieweit Rechtsschutz gegen Normen zulässig ist63 , hat nur deshalb zu einem neuralgischen Punkt werden können, weil die grundsätzliche Fragestellung vernachlässigt worden ist, wie es die beiden in dieser Streitfrage unversöhnlich scheinenden Positionen belegen: In der Rechtsprechung ist eine deutliche Tendenz vorhanden, den Normangriff lediglich inzidenter, d. h. im Zusammenhang mit einem auf der Norm fußenden Verwaltungsakt oder aus ihr abgeleiteten Anspruch zuzulassen. Die Normgültigkeit als solche kann danach nicht alleiniger Gegenstand des Feststellungsstreits sein, weil der Erlaß des Gesetzes nur ein abstraktes, nicht feststellungsfähiges Rechtsverhältnis schaffe6t• Dabei schwingt die Vorstellung mit, als führe das Gesetz für 82 Es ist zwar zutreffend, wenn Bruns, ZZP Bd.64, S. 114, auf die Möglichkeit und Grenzen der Rechtskraft verweist, "die tunlichst nur um konkreter, übersehbarer praktischer Ziele willen eingesetzt werden soll". Gerade wenn man diesen Gedanken weiter entwickelt, wird man - entgegen Bruns - an der Berechtigung der traditionellen Grundsätze über die Ausgrenzung des feststellungsfähigen Rechtsverhältnisses zweifeln müssen. 63 Vgl. dazu z. B. Renck, DOV 1964, S. 651 ff.; ders. JuS 1966, S. 273 ff.; Obermayer, DVBI 1965, S. 624 ff.; Bartlsperger, DVBI 1967, S. 360 ff.; Wilken, DVBI 1969, S. 532 ff.; Umbach, DVBI 1971, S. 741ff.; Erichsen, VerwArch 1977, S. 179 ff.; Maurer, Festschrift für Kern, S. 275 ff.; Siemer, Normenkontrolle durch Feststellungsklage; Engelhardt, Der Rechtsschutz gegen Rechtsnormen. 64 BVerwGE 7, S.32; BVerwG, DOV 1965, S. 169; aber auch BVerwGE 26, S.253; BSG, SozR Nr.l zu § 368 h RVO; BSGE 28, S.225; BSGE 29, S.255; BSG, SozR 2200, § 368 e RVO; OVG Münster, OVGE 23, S.159; ESVGHE 17, S.155.

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Teil 1 : Konkrete und abstrakte Rechtsverhältnisse

sich ein abstraktes Dasein und der konkrete personale Bezug werde erst durch einen besonderen Rechtsanwendungsakt der für den Gesetzesvollzug zuständigen Stelle gegenüber dem Rechtsbetroffenen geschaffen65 • Ein solches Verständnis spiegelt auch die Erläuterung des Begriffs des "Rechtsverhältnisses" i. S. des § 43 VwGO durch das BundesverwaLtungsgericht in seinem Beschluß vom 27.11.1964 wieder: "Ein Rechtsverhältnis liegt nur dann vor, wenn sich aus der Anwendung von Rechtssätzen auf einen Sachverhalt rechtliche Beziehungen zwischen mehreren Personen ergeben. Ohne einen bestimmten in der Wirklichkeit gegebenen Sachverhalt, der den Tatbestand einer Rechtsnorm erfüllt, kann ein Rechtsverhältnis nicht entstehen66 ." Gerade an einem solchen realen Sachverhalt soll es bei dem Streit um die Normgültigkeit nach Ansicht des Gerichts fehlen. In gleicher Weise versteht das Bundessozialgericht als Voraussetzung eines jeden Rechtsstreits, daß "ein bestimmter Sachverhalt eingetreten ist, dessen rechtliche Würdigung Zweifel aufwirft"67. Diese Ausgrenzung des feststellungsfähigen Rechtsverhältnisses wird maßgeblich von dem Blick auf die prinzipalen Normenkontrollverfahren beeinflußt. Ein Feststellungsstreitverfahren, welches es ermögliche, daß die Gültigkeit einer Rechtsnorm losgelöst von der Rechtsanwendung auf einen realen Lebenssachverhalt nachgeprüft 65 Ursprünglich wurde deshalb jeder Rechtsstreit, der nicht einen Verwaltungsakt zum Anknüpfungspunkt hatte, als unzulässig angesehen, weil nicht auf "abstrakte Feststellung" von Rechtsverhältnissen geklagt werden konnte, vgl. Fleiner, Institutionen, S.267, und die dortigen Nachweise. - Sodann entwickelten sich Meinungsverschiedenheiten darüber, ob im Bereich der Eingriffsverwaltung - dem allein Aufmerksamkeit geschenkt wurde Rechtsverhältnisse entstünden, wenn die Voraussetzungen für behördliches Einschreiten erfüllt seien, oder der Hoheitsträger "androhe", gegen den angeblich Pflichtigen vorzugehen. Nach der klassischen Formulierung von Jellinek, VVDStRL Bd. 2, S. 61, entwickelte sich der (abstrakte) Rechtszustand zum konkreten Rechtsverhältnis, "wenn zwischen dem Staat und dem einzelnen Beziehungen bestehen, kraft derer auch nur nach Meinung der Staatsbehörde ein Einschreiten gegen den einzelnen zulässig ist"; dazu Naumann, Gedächtnisschrift für W. Jellinek, S. 400 ff. Vgl. im übrigen zum Meinungsstreit: Fenge, Diss. S. 79; Bergmann, Diss., S. 77 ff.; ders., DÖV 1959, S. 570 ff.; Kreutziger, Diss., S. 83 ff.; Müller, Diss., S. 7 ff.; Eyermann / Fröhler, § 43 VwGO Rdnr.4ff.; BVerwGE 4, S.363; OVG Münster, OVGE 17, S.40; OVG Lüneburg, OVGE 9, S. 372. - Im Grunde unterscheiden sich die einzelnen Ansichten weniger als allgemein angenommen wird. Denn die "Androhung" der Behörde, einen Verwaltungsakt zu erlassen, enthält implizit die Behauptung, daß die tatbestandlichen Voraussetzungen für ein behördliches Handeln erfüllt sind. - Als Grund für die Notwendigkeit, den Prozeß auf "konkrete" Rechtsverhältnisse zu beschränken, wurde angeführt, die Gerichte sollten erst als "letzte Rettung" angerufen werden, so Jellinek, Verwaltungsrecht, S.301, oder die Behörde solle nicht die Möglichkeit haben, durch Hinauszögern ihrer Maßnahmen die Entscheidung auf die Gerichte zu überlagern, so Bergmann, DÖV 1959, S. 573 - vgl. auch OVG Hamburg, DVBI 1963, S.304; BSG, NJW 1971, S.263. 86 DÖV 1965, S. 169. 87 BSGE 28, S. 225; BSG, SozR 2200 § 368 e RVO, Nr.1.

Die Feststellungsklage gegen Rechtsnormen

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werde, sei als "verkapptes" Normenkontrollverfahren zu werten68 • Klagebegehren, die darauf hinausliefen, daß die Normprüfung "der eigentliche Gegenstand" eines Verwaltungsstreitverfahrens werde, seien unzulässig69 • Eine Umgehung der Regeln über die Normenkontrollverfahren soll nicht nur dann vorliegen, wenn mit der Klage "ausdrücklich" die Feststellung der Nichtigkeit der Rechtsnorm beantragt werde, sondern auch dann, "wenn die Gültigkeit der Norm zwar formal nur Vorfrage" sei, "die Hauptfrage - der prozessuale Streitgegenstand jedoch ebenfalls keine Beziehung zu einem konkreten Anwendungsfall der Norm" aufweise 70 • Eine zusätzliche Bestätigung soll diese Abgrenzung der Feststellungsklage von der prinzipalen Normenkontrollklage durch die unterschiedliche Bindungswirkung von Gesetzen und Verwaltungsakten erfahren. Da gegen zwingendes Recht verstoßende Rechtsnormen stets ipso iure nichtig sind und diese Nichtigkeit jederzeit geltend gemacht werden kann, bedürfe der durch die rechtswidrige Norm Verletzte weder einer Anfechtungsklage auf Aufhebung der Rechtsnorm noch einer Klage auf Feststellung ihrer Rechtswidrigkeit oder Ungültigkeit bzw. auf Feststellung, daß sie ihn in seinen Rechten verletze. Seinem Rechtsschutzinteresse werde dadurch Genüge getan, daß er die Ungültigkeit der Norm in jedem Rechtsstreit geltend machen könne und daß jedes Gericht, für dessen Entscheidung es auf die Normgültigkeit ankomme, deren Rechtmäßigkeit uneingeschränkt nachprüfen könne und müsse 71 • Gegen die Beschränkung der Normprüfung im Feststellungsstreit sind Einwände unterschiedlichen Gewichts erhoben worden: Ausgelöst wurde die Reaktion vornehmlich durch die Betrachtung sachbezogener Normen, bei denen die vom Erlaß eines Vollzugsaktes unabhängige Regelungswirkung besonders auffällig ist. In der Existenz der sachbezogenen und sonstigen unmittelbar verhaltensbestimmenden Normen meinte man einen Beweis dafür zu finden, daß schon die Belastung mit der Regelungswirkung der Rechtsnorm den Rechtsstreit rechtfertige. Den Einwand, daß alle Rechtsnormen - auch die sachbezogenen und unmittelbar verhaltensbestimmenden - Rechtsgrundlage eines Vollzugsaktes sein können, meinte man dadurch entkräften zu können, daß das Abwarten des Rechtsanwendungsaktes in Form des Verwaltungs68 So BVerwG, DÖV 1965, S.169; auch OVG Münster, OVGE 23, S.161. Daß bei einem solchen Verständnis die Frage der Rechtsqualität des Hoheitsakts nicht offen bleiben und gleichzeitig die Feststellungsklage allein wegen der "Auswirkungen" des Hoheitsakts zugelassen werden kann - so BVerwG, NJW 1976, S. 1224 = BayVBl 1976, S. 373 -, bemerkt zutreffend Erichsen, VerwArch 1977, S.184. 69 BVerwG, DÖV 1965, S. 169. 70 BSGE 28, S. 225; BSG, SozR 2200, § 368 e RVO, Nr.l. 71 Bettermann, AöR Bd. 86, S. 158.

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akts in den Fällen nicht zumutbar sei, in denen die Norm den Vollzug schon weitgehend in sich trage7!. Die Beobachtung, daß manche Rechtsvorschriften die Pflichten des Normadressaten weitgehend endgültig fixieren, führte zur Einteilung der Normen in vollzugsunfähige (= vollzugswirksame), vollzugsfähige und vollzugsbedürftige Normen, je nachdem, ob und inwieweit die Regelungswirkung einer Rechtsnorm erst durch einen normindividualisierenden Rechtsanwendungsakt vermittelt wird73• Die traditionelle Gegenüberstellung konkreter und abstrakter Rechtsverhältnisse bildet in ihrer Elastizität kein Hindernis für eine solche Differenzierung. über das Kriterium des "konkreten" Rechtsverhältnisses soll letztlich erreicht werden, rein theoretische Rechtsstreitigkeiten von den Gerichten fernzuhalten. Entfalten aber bestimmte Normen ihre Regelungswirkung schon vor Tatbestandserfüllung, ist - so wird gefolgert - der Streit über die Auslegung oder Gültigkeit der Norm vor diesem Zeitpunkt auch schon praktisch bedeutsam und betrifft deshalb ein konkretes Rechtsverhältnis74 • Die Auffassung, nach der das Gesetz lediglich ein abstraktes Rechtsverhältnis begründet, sieht das Gesetz ausschließlich in der Funktion als Rechtsgrundlage behördlicher Vollzugsakte. Eine solche Sicht ist bei allen, auch den sachbezogenen oder unmittelbar verhaltensbestimmenden Normen möglich. Denn auch diese Normen sind der Anwendung in der Form zugänglich, daß bestimmte Rechtsträger berufen sind, eine drohende Mißachtung der Regeln zu verhindern und die erfolgte Übertretung zu sanktionieren. Entschließt man sich überhaupt dazu, auf den Vollzug des Gesetzes über die Ermächtigungsgrundlagen abzustellen, müßte diese Entscheidung auch konsequent für die unmittelbar verhaltensbestimmenden Regeln gelten. Bei ihnen ergeben sich dann auch keine besonderen Probleme. Die unmittelbar verhaltensbestimmenden Normen werden konkret, wenn die Rechtsanwendungsstelle gegen eine drohende oder bereits erfolgte Normübertretung einschreitet. Die Norm bleibt für den Bürger abstrakt, solange die Verwaltung sie ihm gegenüber nicht anwendet, sei es, daß sie in einem bestimmten Verhalten keinen Normverstoß erblickt, sei es, daß sie gegen die Zuwiderhandlung nicht einschreiten will75• Rechtsnormen, die vollzugs72 Maurer, Festschrift für Kern, S. 286; Umbach, DVBI 1971, S.742; Siemer, Normenkontrolle, S. 23, 51; Engelhardt, S. 13. 73 Bartlsperger, DVBI 1967, S.368; Umbach, DVBI 1971, S.743; Maurer, Festschrift für Kern, S.276; Siemer, Normenkontrolle, S.12; Engelhardt, Rechtsschutz gegen Rechtsnormen, S.34; Obermayer, in: Zehn Jahre VwGO, S.144, Fn.ll, bemerkt zu Recht, daß die unmittelbare Wirkung einer Norm ein Phänomen ist, welches sich nicht mit einem normanwendenden Verwaltungsakt vergleichen läßt. 74 Siemer, Normenkontrolle, S.51. 75 Die in diesem Zusammenhang vielfältige Kritik an der Rechtsprechung des BVerfG zur Verfassungsbeschwerde gegen Rechtsnormen (z. B. BVerfG,

Die Feststellungsklage gegen Rechtsnormen

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unfähig sind, gibt es in diesem Sinne nicht. Gesetzesvollzug ist reale Durchsetzung der gesetzlichen Sollensanordnung durch die berufene Stelle. Gesetze haben nie Vollzugswirkung78• Alle Rechtsnormen wirken auch mehr oder weniger unmittelbar, weil der Normadressat ihnen - auch unabhängig vom Vollzugsakt - den potentiellen Anwendungsbereich entnehmen und sein Verhalten danach ausrichten kann und soll. Ist deshalb zwar die Unterscheidung vollzugsunfähiger, vollzugsfähiger und vollzugsbedürftiger Normen schon im Ansatz nicht billigenswert, so verbirgt sich doch dahinter der Versuch, der Regelungswirkung der Rechtsnormen die ihr gebührende Bedeutung für den Rechtsstreit beizumessen. Man muß das Gesetz nicht unbedingt in der Funktion als Rechtsgrundlage behördlicher Akte sehen, man kann auch den Standpunkt des Bürgers einnehmen. Für ihn ist die Frage, ob der behördliche Akt rechtmäßig ist, vielfach sekundärer Natur, jedenfalls dann, wenn der Verwaltungsakt eine Reaktion auf ein angeblich von ihm verwirklichtes rechtswidriges Handeln ist. Das materielle Recht interessiert ihn primär als Richtschnur, nach der er sein Handeln ausrichten will. Diese Funktion kann das Gesetz nur erfüllen, wenn die Entscheidung über die verhaltensbestimmende Wirkung der Rechtsnorm ergeht, bevor er gehandelt hat. Auch aus der Sicht des planenden Bürgers, der Auskunft über den Regelungsgehalt einer Rechtsnorm begehrt, verbietet sich aber eine gesonderte Behandlung sogenannter unmittelbar wirkender Normen oder Vollzugsnormen. Diese Normen zeichnen sich - im Unterschied zu z. B. Ermächtigungsrechtssätzen als vollzugsbedürftigen Normen - allenfalls durch einen erhöhten Grad an Vorausberechenbarkeit aus. Sie sind weniger modifizierungsfähig in ihrer Anwendung auf einen konkreten Lebenssachverhalt. Daß die mehr oder minder große Offenheit der Rechtsnorm auf prozessualer Ebene lediglich im Zusammenhang mit der Rechtskraft des Feststellungsurteils beachtlich ist, wurde bereits dargelegt. DVBI 1971, S.740 und die dortige Anmerkung von Umbach m. w. N.) dürfte kaum begründet sein. Die Rechtsprechung des BVerfG wird vornehmlich getragen durch die Erwägung, den Kläger dazu zu zwingen, erst den Rechtsweg auszuschöpfen (vgl. dazu Bettermann, AöR Bd. 86, S. 129 ff., insbes. S. 147). Erachtet man es als sinnvoll, daß nicht gleich die Verfassungsgerichte angerufen werden, stellt sich nur noch die Frage, ob man den ordentlichen Rechtsschutz so ausgestalten kann, daß der Kläger nicht erst gegen die Norm verstoßen und einen Verwaltungsakt provozieren muß, damit er eine Überprüfung der Norm im Rechtsanwendungsstreit traditionellen Gepräges erreicht. 78 a. A. z. B. Bartlsperger, DVBI 1967, S. 360 ff.; Umbach, DVBI 1971, S.742; der Begriff stammt von Brohm, Rechtsschutz im Bauplanungsrecht, S. 52 ff.; der "unmittelbaren" Wirkung von Rechtsnormen ist nunmehr in § 47 Abs.2 S. 1 VwGO i. d. F. v. 24.8. 1976 (BGBl. I, S.2437) Rechnung getragen.

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Teil 1: Konkrete und abstrakte Rechtsverhältnisse

Entschließt man sich dazu, den Rechtsschutz schon einsetzen zu lassen, sobald sich die Rechtsregeln auf die Verhaltensentscheidungen des einzelnen auswirken, wird der Feststellungsstreit auch nicht unbesehen zu einer prinzipalen Normenkontrollklage. Eine Kollision mit den Regeln über die Normenkontrollverfahren wird vermieden, wenn man den Feststellungsstreit weiterhin als Rechtsanwendungsstreit begreift, der zwischen der zum Normvollzug berufenen Stelle und dem potentiell Betroffenen geführt wird71 • Der Rechtsstreit betrifft dann die Frage, ob die Rechtsnorm dem geplanten Verhalten entgegensteht oder den Rechtsnormadressaten zu einem bestimmten Verhalten verpflichtet. Kann die Normgültigkeit im Feststellungsstreit incidenter im Zusammenhang mit ihrer Anwendung auf einen verwirklichten Lebenssachverhalt geprüft werden, muß die gleiche Beurteilung auch zulässig sein, wenn über die Anwendbarkeit der Rechtsnorm auf das noch nicht verwirklichte Verhalten befunden werden solF8. Das Feststellungsurteil wirkt auch hier - im Gegensatz zur Normenkontrolle - inter partes79 • Die Berücksichtigung der verhaltensbestimmenden Wirkung der Rechtsnorm für die Konzeption des Feststellungsstreits würde maßgeblich aus dem Bestreben gerechtfertigt, den Normadressaten von dem Risiko zu entlasten, rechtswidrig zu handeln80 . Ist eine solche Konzep77 a. A. z. B. Renck, DÖV 1964, S. 655; vgl. demgegenüber Siemer, Normenkontrolle, S. 40 ff. 78 Es ist zwar zutreffend, daß über die Normgültigkeit wegen der Generalität der Norm nur mit Wirkung contra omnes entschieden werden kann (vgl. dazu z. B. Bettermann, AöR Bd. 86, S. 156; Bd. 96, S. 533). Entgegen der Ansicht von Bettermann (a.a.O.) handelt es sich aber bei der Klage auf Feststellung, daß die zur Rechtsanwendung berufene Stelle nicht berechtigt sei, eine bestimmte Rechtsnorm gegen den Kläger anzuwenden, nicht um einen direkten Normangriff. Ist der Prozeß über die Normanwendung kein Normenkontrollstreit, auch wenn allein die Gültigkeit der Norm umstritten ist, die Basis des Rechtsanwendungsaktes ist (vgl. dazu Bettermann, AöR Bd. 96, S.533), gilt gleiches für die Normanwendbarkeit. Man kann auch nicht wie das BVerwG (DÖV 1965, S. 169) und das BSG (BSGE 28, S.225) einen solchen Feststellungsstreit als Normenkontrollverfahren bewerten, wenn die Prüfung der Normgültigkeit den sachlichen Schwerpunkt des Rechtsstreits bildet. Für die Erfassung von Klage und Urteil kommt dem gestellten Antrag entscheidende Bedeutung zu. Wäre es wirklich erheblich, wo der materielle Schwerpunkt des Rechtsstreits liegt, müßte z. B. auch die Anfechtungsklage, die allein mit der Ungültigkeit der Norm begründet wird, die Rechtsgrundlage des Verwaltungsakts sein soll, unzulässig sein. 79 Die praktische Schwierigkeit, die insbesondere bei sachbezogenen Rechtsnormen darin liegen kann, daß der erfolgreiche Kläger im Gegensatz zu allen anderen Personen das Normgebot nicht zu berücksichtigen braucht (vgl. dazu z. B. Maurer, Festschrift für Kern, S. 302 ff.), ergibt sich auch bei jedem Rechtsstreit über den Vollzugsakt selbst. Sie sollte Anlaß geben zu der überlegung, ob die starre Ausgestaltung des Verwaltungsstreitverfahrens als Prozeß zwischen zwei Parteien für alle materiellrechtlichen Konfliktslagen adäquat ist. 80 Es ist deshalb konsequent, daß Bettermann, der ein Rechtsschutzinteresse für den direkten Normangriff verneint (AöR Bd.86, S.158), an anderer

Ergebnis

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tion des Rechtsstreits möglich und sinnvoll, verliert auch das Argument sein Gewicht, die Normungültigkeit könne jederzeit geltend gemacht werden und sei in jedem Rechtsstreit zu überprüfen, in dem die Entscheidung von der Normgültigkeit abhänge. Der Feststellungsstreit über die angebliche Regelungswirkung des Gesetzes für ein bestimmtes Verhalten ist dann auch das richtige Verfahren, um die Zweifel über die Normgültigkeit zu klären. IV. Ergebnis Die Analyse der traditionellen Gegenüberstellung von konkreten und abstrakten Rechtsverhältnissen ergibt:

1. Das Verständnis der in den Prozeßgesetzen genannten Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Feststellungsklage wird maßgeblich durch das allgemeine Rechtsschutzverständnis beeinflußt. 2. Ober die Unterscheidung konkreter und abstrakter Rechtsverhältnisse soll eine funktionsgerechte Inanspruchnahme der Gerichte in der Form gesichert werden, daß das Urteil praktische Relevanz hat. 3. Ohne Rückbesinnung auf die Funktionen, die das richterliche Urteil haben kann und soll, ist die Aussage, daß ein FeststeZlungsstreit über abstrakte Rechtsfragen unzulässig sei, ohne Erkenntniswert. 4. Um einen Bezugspunkt für die Bestimmung des konkreten Rechtsverhältnisses zu gewinnen. kann von dem Gesetz in seiner Eigenschaft als Verhaltensrichtschnur oder als Grundlage von Ansprüchen ausgegangen werden. 5. Die Rechtsprechung läßt keine einheitliche Vorstellung der für das konkrete Rechtsverhältnis konstitutiven Faktoren erkennen. Die Entscheidungen sind geprägt durch ein sich in den Kategorien der Leistungsklage bewegende Betrachtungsweise. Vorherrschend ist das Rechtsschutzverständnis, nach welchem der FeststeZlungsstreit auf die Klärung der Rechtslage in einem bestimmten, real verwirklichten Lebenssachverhalt beschränkt ist. 6. Die für die Feststellungsklage zentrale Frage, ob im FeststeZlungs-

streit ausschließlich eine rechtliche Bewertung eines real verwirklichten Sachverhaltes erfolgen kann oder ob auch eine normative Aussage über die Rechtmäßigkeit lediglich geplanten Verhaltens möglich ist, ist durch die Zulassung des Klagetyps selbst weitgehend vorentschieden.

Stelle (vgl. in: Zehn Jahre VwGO, S. 189) ausführt, der Rechtsinhaber müsse grundsätzlich abwarten, ob und wie sein Recht verletzt werde; vgl. dazu Tei12V.

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Teil!: Konkrete und abstrakte Rechtsverhältnisse

7. Das Feststellungsurteil zeichnet sich im Vergleich zum Leistungsund Gestaltungsurteil durch ein erhöhtes Maß an Offenheit gegenüber Folgeentwicklungen aus. Als normative Aussage, die nicht unbedingt auf einen einzelnen Lebenssachverhalt beschränkt ist, hat das Feststellungsurteil stets generalisierende Tendenz. Die entscheidende Frage, welches Maß an Generalität das Feststellungsurteil haben darf, damit es noch seine praktische, verhaltensbestimmende Wirkung erzielen kann, läßt sich nicht anhand der herkömmlichen Regeln über die Abgrenzung konkreter und abstrakter Rechtsverhältnisse beantworten. Es bedarf dazu einer Klärung der Urteilsfunktionen. 8. Der Feststellungsstreit, in welchem die Normgültigkeit als Frage der Normanwendbarkeit losgelöst von der Rechtsanwendung auf einen realen Lebenssachverhalt nachgeprüft werden soll, weist keine Besonderheiten auf.

Zweiter Teil

Die Dimension der Zeit im Feststellungsprozeß: Vergangene, gegenwärtige und zukünftige Rechtsverhältnisse Da schon über das Erfordernis der Konkretheit gesichert werden soll, daß der Feststellungsstreit nicht über Rechtsfragen geführt wird, die ohne praktische Bedeutung für die Parteien sind, so fragt sich, welchen Sinn die weitere Einschränkung haben soll, daß nur gegenwärtige und nicht zukünftige Rechtsverhältnisse feststellungsfähig seien1 • Er könnte eigentlich nur darin liegen, daß die Rechtsfrage, über die urteilsmäßig entschieden werden soll, schon oder noch für das Verhalten der Parteien erheblich ist. In diese Richtung weist auch die traditionelle Auffassung, nach der vergangene Rechtsverhältnisse nur dann Gegenstand des Feststellungsprozesses sein können, wenn sie über ihre Beendigung hinaus anhaltende Wirkung äußern, bzw. wenn das frühere Bestehen die Grundlage für einen vom Kläger in der Gegenwart verfolgbaren Anspruch bildet2•

I. Die Verschmelzung vergangener, gegenwärtiger und zukünftiger Elemente im FeststeIlungsstreit Die Frage, ob die dem Gericht unterbreitete Rechtsfrage im Urteilszeitpunkt für die Parteien verhaltenserheblich ist, beurteilt sich nach anderen Gesetzen als das Entstehen und der Untergang materiellrechtlicher Rechtsverhältnisse. Eine Abgrenzung der Rechtsschutzzone, die der Feststellungsklage vorbehalten sein soll, nach rein zeitlichen Kriterien scheint schon deshalb unmöglich zu sein, weil der Feststel1 RGZ 64, S. 301; RGZ 92, S.l; RGZ 107, S. 304; RGZ 123, S. 238; RG, GruR 1932, S. 1049; BGH, NJW 1962, S. 1723; BGH, MDR 1960, S.31 = LM Nr.49 zu § 1004 BGB; BVerwGE 14, S.235; BVerwGE 16, S.92; BVerwGE 40, S.325 = DOV 1973, S.200 = BayVBl 1973, S. 273; BSG, NJW 1971, S.263 = MDR 1971, S.430; OVG Münster, DOV 1971, S.393; OVGE 20, S.116; Stein I Jonas I Schumann I Leipold, Bem. II. 4 zu § 256 ZPO; Rosenberg I Schwab, § 94 II 3; Redeker / v. Oertzen, Rdnr. 8 zu § 43 VwGO; Eyermann I Fröhler, Rdnr.5 zu § 43 VwGO; Schunck I De Clerck, Bem. 2 b zu § 43 VwGO; Hübschmann I Hepp I Spitaler, § 41 VwGO, Rdnr.4, 5; Ruckdäschel, DOV 1961, S.679. I RGZ 27, S.204; RG, JW 1927, S.2854; RGZ 107, S.304; BGHZ 27, S.190; BVerwGE 2, S.229; Peters I Sautter I Wolff, Anm. 2 a zu § 55 SGG; Kopp. § 43 VwGO, Anm.5; Eyermann I Fröhler, § 43 VwGO, Rdnr.6; Wieczorek, § 256 ZPO, Bem. B II b.

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Teil 2: Die Dimension der Zeit im Feststellungsprozeß

lungsstreit regelmäßig Bezug zur Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft aufweist. Das vergangene Element bildet stets das streitauslösende Ereignis. Jeder Rechtsstreit hat einen Anlaß, der im Urteilszeitpunkt in der Vergangenheit liegt: Der Kläger wird vortragen, er oder der Gegner im Rechtsstreit habe etwas getan, über dessen Rechtmäßigkeit sie verschiedener Ansicht seien. Denkbar ist auch, daß das Verhalten, um dessen Rechtmäßigkeit gestritten wird, noch nicht verwirklicht ist. Real existent ist dann jedenfalls der Streit als solcher, der irgendwann eingesetzt hat, dessen Anfang also in der Vergangenheit liegt. Man mag im einzelnen darüber streiten, ob der vom Kläger vorgetragene Anlaß die Anrufung des Gerichts rechtfertigt. Nicht leugnen läßt sich aber, daß jeder Prozeß durch ein Ereignis ausgelöst wird, durch welches der Rechtsstreit in der Vergangenheit wurzelt. Eine zukunftsorientierte Ausrichtung erfährt jeder Feststellungsstreit durch das Urteil. Die Parteien begehren ein Urteil über den unterbreiteten Sachverhalt in dem Wissen, daß das Urteil ab Rechtskraft für sie verbindlich ist und ihr zukünftiges Verhalten bestimmt. Mit dem streitauslösenden Ereignis als vergangenem und dem Urteil als zukunftsorientiertem Element ist der Streit als solcher, der dazu führt, daß die Parteien entgegengesetzte Anträge stellen, zu einer Einheit verschmolzen3 •

ll. Die Ausrichtung des zivilen Feststellungsstreits auf den materiellen Anspruch Der Feststellungsstreit spannt also den Bogen von der Vergangenheit in die Zukunft. Diese Komplexität zeigt sich deutlich an dem Urteil des Reichsgerichts vom 5.12.19234 • Streitauslösendes Ereignis war dort, daß die beklagte Reichsbahn die Verpackung der Ware beanstandete, welche die Klägerin befördert wissen wollte, und die Beförderung ablehnte bzw. nur unter der Bedingung durchführen wollte, daß die Klägerin ein Anerkenntnis mangelhafter Verpackung unterschrieb. Die Meinungsverschiedenheiten wiederholten sich ständig, da die Klägerin stets die gleiche Ware in der gleichen Verpackung zur Beförderung bei der Reichsbahn anlieferte. Die Klägerin begehrte deshalb die Feststellung, daß die Reichsbahn verpflichtet sei, die Ware unbeanstandet 3 Diese Verbindung vergangener, gegenwärtiger und zukünftiger Elemente wird auch deutlich in der Kennzeichnung vorbeugender Klagen durch das BVerwG (V'gI. BVerwGE 40, S.325 = DÖV 1973, S.200 = BayVBl1973, S.273): Die vorbeugende Klage werde nicht durch ihren Anlaß, sondern durch ihr Ziel gekennzeichnet. Die Klage könne deshalb von einer bereits geschehenen Rechtsverletzung ihren Ausgang nehmen, um zugleich weitere zukünftige Rechtsverletzungen zu verhindern. 4 RGZ 107, S.303.

Der Einfluß des Anspruchsdenkens im Zivilrecht

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zu befördern. Sieht man den von der Klägerin vorgetragenen Sachverhalt im Zusammenhang mit dem von ihr gestellten Antrag, so läßt sich dieser in verschiedene vergangene, gegenwärtige und zukünftige Elemente aufgliedern. Soweit die Klägerin ein Urteil über die bereits abgewickelten Lieferungen begehrte, bezog sich der Rechtsstreit auf ein vergangenes Rechtsverhältnis; es wäre sogar möglich, verschiedene vergangene Rechtsverhältnisse anzunehmen, wenn man den einzelnen Leistungsfall als Bezugspunkt wählt. Zukunftsgerichtet war die begehrte Feststellung, weil ein Urteil in der von der Klägerin beantragten Form auch alle erst nach dem Urteilszeitpunkt erfolgenden Lieferungen der bezeichneten Art erfaßt hätte. Geradezu allgegenwärtig war das Rechtsverhältnis, wenn man den Akzent auf die aus § 453 HGB resultierende Beförderungspflicht setzt. Es würde sich dann ein stufenloser übergang von der Vergangenheit in die Zukunft ergeben. Das Reichsgericht hat den zeitlichen Einschnitt mit Bezug zum einzelnen Beförderungsvertrag vorgenommen: Die bereits durchgeführten oder abgelehnten Lieferungen betrachtete das Gericht als vergangene Rechtsverhältnisse, über die es eine Entscheidung nur für zulässig hielt, wenn die Klägerin hätte darlegen können, daß ihr aus ihnen in der Gegenwart noch Ansprüche zustanden. Soweit die Klägerin mit ihrem Rechtsschutzbegehren der Gefahr vorbeugen wollte, mit weiteren, noch nicht erfolgten Auflieferungen stets mit derselben Begründung seitens der Reichsbahn zurückgewiesen zu werden, hielt der Senat die Klage für unzulässig, weil sie sich auf noch nicht entstandene, zukünftige Rechtsverhältnisse beziehe. Ungeachtet des Umstands, daß bei allen Lieferungen - ob bereits durchgeführt oder noch nicht erfolgt - stets dieselbe Frage - nämlich Inhalt und Umfang der Beförderungspflicht aus § 453 HGB - erheblich war, verneinte das Gericht ausdrücklich jede "innere rechtliche Beziehung" zwischen den vergangenen und zukünftigen Rechtsverhältnissen. Die bereits erfolgten Lieferungen waren abgewickelt und insoweit vergangen. Es fragt sich aber schon, welchen Sinn diese zeitliche Klassifizierung haben soll, wenn der Feststellungsstreit über vergangene Rechtsverhältnisse dann zulässig sein soll, wenn sie - so das Reichsgericht - "als Element eines darauf gestützten Anspruchs" in Betracht kommen. Sind noch Ansprüche aus dem "vergangenen" Rechtsverhältnis möglich, könnte man mit gleicher Berechtigung gerade wegen der noch ausstehenden Ansprüche das Rechtsverhältnis als "gegenwärtiges" ansehen. Unbeantwortet bleibt auch die Frage, warum nicht die "Gegenwärtigkeit" oder "Vergangenheit" mit Bezug auf die aus dem Rechtsverhältnis noch möglichen Ansprüche festgestellt wird, die allein den

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Teil 2: Die Dimension der Zeit im Feststellungsprozeß

Rechtsstreit über das vergangene Rechtsverhältnis rechtfertigen. Rechtsverhältnisse wären dann gegenwärtige, wenn im Urteilszeitpunkt aus der festzustellenden Rechtsbeziehung für eine der Parteien eine Rechtsfolge abgeleitet werden kann. Diese Orientierung des Rechtsstreits würde den Bestrebungen entsprechen, die in den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen, daß nur ganze Rechtsverhältnisse festgestellt werden können, zum Ausdruck kommen. Vergangene Rechtsverhältnisse, über die allein entschieden wird, weil sie über ihre Beendigung hinaus anhaltende Wirkung in der Gegenwart oder Zukunft äußern, bilden Vorfragen für die gegenwärtigen Rechtsbeziehungen. Streitigkeiten über vergangene Rechtsverhältnisse, bei denen diese Voraussetzung nicht erfüllt ist, betreffen abstrakte Rechtsfragen. Die "Vergangenheit" oder "Gegenwärtigkeit" bildet in Fällen dieser Art kein für die Zulässigkeit der Feststellungsklage selbständiges Entscheidungskriterium. Da Rechtsstreitigkeiten über vergangene Rechtsverhältnisse im o. a. Sinne denselben Regeln folgen, wie der auf ein gegenwärtiges Rechtsverhältnis bezogene Prozeß, wenn und soweit sich aus dem vergangenen Rechtsverhältnis noch Rechtsfolgen in der Gegenwart oder Zukunft ableiten lassen, ist die Rechtslage die gleiche wie bei gegenwärtigen Rechtsverhältnissen: Das erledigte Rechtsverhältnis rechtfertigt den Rechtsstreit nur, soweit das Urteil bezüglich möglicher Fortwirkungen präjudiziell wirkt. Kann der Kläger aus dem Urteil über ein gegenwärtiges Rechtsverhältnis keine Rechtsfolgen ableiten, ist die Klage gleichfalls unzulässig. Möglicherweise läßt sich die vom Reichsgericht vorgenommene zeitliche Einordnung aus der Erwägung verstehen, daß die gesetzliche Beförderungspflicht der Bahn nur im Zusammenhang mit dem einzelnen Beförderungsvertrag relevant wird. Da die gesetzliche Pflicht stets durch den Abschluß eines Vertrages aktualisiert wird, könnte man auch den Rechtsstreit am Vertrag orientieren. Für derartige Gedankengänge des Gerichts spricht die Bemerkung in den Urteilsgründen, die allgemeine Verpflichtung der Eisenbahn, Güter anzunehmen und zu befördern, bilde nur "die Grundlage zu künftigen Rechtsverhältnissen" und sei "rein abstrakter Natur"6. Die Forderung, den Rechtsstreit auf den Tatbestand hin auszurichten, auf den das Gesetz zugeschnitten ist, könnte man für den vom Reichsgericht entschiedenen Streitfall nicht in der Form aufstellen, daß eine Klage nur zulässig sein sollte, wenn der Beförderungsvertrag tatsächlich geschlossen war. Denn nach der Praxis des Reichsgerichts war eine Leistungsklage auf Abschluß eines bestimmten Vertrages zulässig. Dann muß auch eine Feststellungsklage über die Kontrahierungspflicht mög5

Vgl. dazu oben Teill !Ir. 1.

Der Einfluß des Anspruchsdenkens im Zivilrecht

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lich sein, da das Leistungsurteil auch die Feststellung der Pflicht enthält. Kann die Entscheidung des Reichsgerichts im konkreten Fall demnach nur in dem Sinne verstanden werden, daß ein auf den einzelnen Vertragsschluß gerichtetes Verhalten gegeben sein muß, so schließt sich die Frage an, wie dieses Verhalten beschaffen sein soll. Die Bedeutung, die das Reichsgericht dem Vertragsschluß beimaß, legt es nahe, vom Kläger ein tatsächliches oder wörtliches Angebot zu verlangen. Wird das Urteil des Reichsgerichts dahingehend präzisiert, daß erst das einzelne Vertragsangebot die Rechtsbeziehungen in ein gegenwärtiges Rechtsverhältnis umgestaltet, bleibt immer noch die Frage offen, warum es nicht ausreichen sollte, daß die Beklagte früher in ähnlichen Fällen stets das Angebot abgelehnt hatte. Unter zeitlichen Aspekten gleichen sich die beiden Sachverhalte, beide enthalten vergangene, gegenwärtige und zukünftige Elemente: Vergangen ist im Urteilszeitpunkt die Abgabe des Vertragsangebots wie die Ablehnung der Beförderung in früherer Zeit. Gegenwärtig ist die Frage, ob eine Beförderungspflicht - sei es in dem Fall, auf den sich das Vertragsangebot bezog, sei es bei Beförderungsbegehren der Art, wie sie in der Vergangenheit der Beklagten angetragen worden waren - bestand. Zukunftsgerichtet wäre der Rechtsstreit in beiden Fällen auf Grund des Urteils gewesen, welches eine Aussage über das gebotene Verhalten angesichts des jeweiligen Streitfalls getroffen hätte. Unterschiede zwischen den beiden Sachverhalten werden nur erkennbar, wenn man die Tragweite der begehrten Urteilsaussprüche vergleicht. Bezieht man den Prozeß mit dem Reichsgericht auf den einzelnen Vertragsschluß, dann erstreckt sich das Urteil nur auf diesen. Sieht man den Rechtsstreit unter dem Blickwinkel, ob eine Beförderungspflicht bei einem Sachverhalt bestand, wie ihn die Parteien vorgetragen hatten, würde das Urteil aus seiner Gebundenheit an einen sich in Raum und Zeit verwirklichenden Frachtvertrag gelöst. Die Rechtskraft des Urteils würde alle Beförderungsfälle erfassen, die dem festgestellten Sachverhalt entsprechen. Nicht ein historisches Ereignis würde judiziert; dieses wäre nur Anlaß für eine generalisierende Feststellung, wie die Rechtslage in derartigen - d. h. dem historischen Ereignis vergleichbaren - Sachverhalten ist. Es kommt in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob und in welchem Umfang generalisierende Feststellungsurteile zulässig sind. Jedenfalls hängt die Frage, ob das Rechtsverhältnis, d. h. das Beurteilungsobjekt im Feststellungsprozeß, ein gegenwärtiges oder zukünftiges ist, nicht davon ab, ob sich das Klagebegehren und das Urteil auf mehrere gleichartige Sachverhalte beziehen und damit generalisierende Prägung haben, oder ob sie auf ein einmaliges Ereignis zugeschnitten sind und damit individualisierenden Charakter aufweisen. Zwar wird die generalisierende Feststellung auch zukünftige Sachverhalte erfassen, wenn

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Teil 2: Die Dimension der Zeit im Feststellungsprozeß

und weil sich die Urteilsaussage nicht auf einen zeitlich fixierten Wirklichkeitsausschnitt beschränkt. Entsteht z. B. zwischen zwei Grundstücksnachbarn Streit darüber, ob eine bestimmte Nutzungsart des Grundstücks dem Nachbarn zumutbar sei, kann der beschwerte Eigentümer auf Feststellung klagen, daß er eine derartige Nutzung nicht dulden müsse. Das Urteil, das die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit der Nutzung ausspricht, erfaßt alle Benutzungsfälle der Art, wie sie dem Urteil zugrunde liegen, mögen sie sich in der Vergangenheit ereignet haben oder sich erst in Zukunft zutragen. Andererseits könnte der Kläger aber auch sein Begehren in der Weise individualisieren, daß er einen in Vergangenheit oder Zukunft nach Tag und Stunde bestimmten Nutzungsfall herausgreift. Das Urteil hätte dann nicht generalisierenden Charakter, sondern würde sich auf ein einzelnes Ereignis beziehen. - Wenn das Reichsgericht mit der Gegenüberstellung vergangener und zukünftiger Rechtsverhältnisse bezweckt haben sollte, generalisierende Feststellungen zu vermeiden, so hat es dieses Ziel im Streitfall durch die Orientierung des Rechtsstreits auf den einzelnen Beförderungsvertrag zwar erreicht. Die "Zukünftigkeit", die darin begründet war, daß der Abschluß eines einzelnen Beförderungsvertrages nicht bevorstand, würde aber den Ausschluß generalisierender Feststellungen nicht rechtfertigen, weil nicht jede generalisierende Feststellung zukünftige Rechtsverhältnisse erfaßt und ein Rechtsstreit über vergangene Rechtsverhältnisse nicht ohne weiteres nur in der Form denkbar ist, daß über ein einzelnes historisches Ereignis gestritten wird. Die Begriffspaare "gegenwärtig - zukünftig" und "generell - konkret" (individuell) sind nicht austauschbar. Indem das Reichsgericht die durch das Gesetz geschaffene Rechtsbeziehung als "abstraktes" Rechtsverhältnis dem einzelnen Vertrag gegenüberstellte, auf den sich das Gesetz auswirkt, und annahm, erst der Vertrag schaffe ein gegenwärtiges Rechtsverhältnis, setzt es gleich den prozessualen Sachverhalt, welchen die Prozeßordnungen "Rechtsverhältnis" nennen, mit der materiellrechtlichen Beziehung, aus der Ansprüche resultieren. Es ist dies eine Betrachtungsweise, die durch das Verhältnis von Gesetz und Vertrag nahegelegt wird, wie es sich im Zivilrecht darstellt. Die Privatautonomie als Fähigkeit zur Begründung von Rechten und Pflichten hat zur Folge, daß das Gesetz als Beurteilungsmaßstab für rechtsgeschäftliches Verhalten erst auf den Plan tritt, wenn die Parteien von ihrer Autonomie Gebrauch machen. Der Umstand, daß erst die Parteien die rechtsgeschäftliche Bindung begründen, verleitet zu der Annahme, daß das prozessual erhebliche Rechtsverhältnis erst durch den Vertrag begründet wird. Rechtsstreitigkeiten, deren Entscheidung sich auf den Abschluß von Verträgen auswirkt, beziehen sich damit auf ein zukünftiges Rechtsverhältnis, solange der Vertrag

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noch nicht geschlossen ist. Dieses Verhältnis von Gesetz und Vertrag ist aber für die prozessuale Betrachtung nur dann erheblich, wenn der Vertrag als Beurteilungsgegenstand im Prozeß fungiert. Strebt der Kläger nicht eine Auskunft über den Vertrag als Rechtsverhältnis an, sondern will er beurteilt wissen, welche Rechte ihm das Gesetz einräumt, dann soll über das durch das Gesetz begründete Rechtsverhältnis entschieden werden. Dieses Urteil über die aus dem Gesetz resultierende Rechtslage ist nicht davon abhängig, daß der Tatbestand, auf den das Gesetz zugeschnitten ist, bereits in Raum und Zeit verwirklicht ist. Wenn man mit dem Reichsgericht im konkreten Fall eine sachliche Entscheidung wegen des mangelnden Bezugs des Rechtsstreits zu einem einzelnen Beförderungsvertrag für unzulässig hält, obwohl das Gesetz als Beurteilungsmaßstab vorhanden, der Sachverhalt angesichts der von der Klägerin vorgetragenen Fakten eindeutig individualisiert und ein Urteil über erst in Zukunft zu schließende Verträge nicht begehrt worden war, wird man in ähnlicher Weise verfahren müssen, wenn nicht - wie in dem vom Reichsgericht entschiedenen Streitfall - die Auslegung des Gesetzes auf einen bestimmten Sachverhalt, sondern der Anwendungsbereich eines Vertrages umstritten ist. Jeder Vertrag läßt sich unter verschiedenen zeitlichen Dimensionen betrachten. Man könnte einmal auf den Vertragsschluß selbst abstellen, der die Annahme eines gegenwärtigen oder vergangenen Rechtsverhältnisses rechtfertigen würde. Andererseits wäre es auch möglich, den Regelungsgegenstand des Vertrages, der vergangener, gegenwärtiger oder zukünftiger Natur sein kann, in die Betrachtung einzubeziehen. Ein Rechtsstreit über den Vertrag vor dem Zeitpunkt, ab dem die Leistung nach dem Vertrag geschuldet ist, wäre dann ein Rechtsstreit über zukünftige Rechtsbeziehungen. Die Bewertung des Rechtsverhältnisses als gegenwärtiges oder zukünftiges zeigt sich wiederum als eine Folge der Wahl eines bestimmten Standpunktes für die zeitliche Einordnung, die gerechtfertigt werden müßte. Da im Feststellungsverfahren nicht unbedingt Leistungen beansprucht werden, kann der Feststellungsstreit nicht ohne weiteres am Leistungszeitpunkt ausgerichtet werden, der für die prozessuale Betrachtung nur wichtig wird, wenn die Leistung selbst eingeklagt wird6 • 8 Zutreffend deshalb z. B. RGZ 170, S.374: Feststellungsklage des Gesellschafters einer GmbH, daß sein Amt als Geschäftsführer der Gesellschaft nach seinem Tode oder Ausscheiden aus der Gesellschaft auf seinen Sohn übergehe. Auch RGZ 113, S. 207: Feststellungsklage eines Richters, daß ihm die vollen Dienstbezüge weiter zu zahlen seien, wenn er künftig wegen der von ihm angenommenen Unzulässigkeit seiner Versetzung die richterliche Tätigkeit einstelle.

5 Trzaskallk

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Teil 2: Die Dimension der Zeit im Feststellungsprozeß

Von anderen Vorstellungen hat sich der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 31. 1. 1951 7 leiten lassen. Der Bundesgerichtshof hatte den Streit über ein Schadensteilungsabkommen zwischen einer Krankenkasse und einem Haftpfiichtverband zu entscheiden. Der Haftpfiichtverband begehrte die Feststellung, daß die Beklagte einen Anspruch nach Maßgabe des Teilungsabkommens nur in solchen Fällen habe, in denen der Unfall von einem Mitglied des Klägers verursacht worden sei. Der Bundesgerichtshof hielt die Klage für unzulässig, weil sie nicht "auf die Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses gerichtet sei, sondern die Auslegung des Teilungsabkommens für künftige, noch nicht konkret vorliegende Einzeltatbestände zum Gegenstand habe". Das Abkommen sei nur ein Rahmenvertrag zur Regelung erst in Zukunft durch Unfälle entstehender, in ihrer konkreten Ausgestaltung noch nicht bestimmter Rechtsverhältnisse. Da für die Erstattungsansprüche aus künftigen Unfällen noch kein greifbarer Tatbestand vorliege, könne insoweit auch noch nicht von einem der Feststellungsklage zugänglichen Rechtsverhältnis gesprochen werden. Für den Bundesgerichtshof war also der Umstand, daß die Unfälle, zu deren Regelung das streitige Teilungsabkommen diente, sich noch nicht ereignet hatten, Grund dafür, das zwischen den Parteien streitige Rechtsverhältnis als "zukünftiges" zu bewerten. Aus der Tatsache, daß die Unfälle sich noch nicht ereignet hatten, läßt sich aber eigentlich nur der Schluß ziehen, daß der bereits geschlossene und damit gegenwärtige Vertrag ein in der Zukunft liegendes Regelungsobjekt hatte. Daraus ergibt sich nicht ohne weiteres, daß auch das Rechtsverhältnis, über welches die Parteien stritten, erst in der Zukunft entstehen würde. Mit gleicher Berechtigung hätte der Prozeß als Streit über ein gegenwärtiges Rechtsverhältnis verstanden werden können. Denn die Parteien stritten über die Auslegung des im Urteilszeitpunkt vorhandenen Schadensteilungsabkommens. Ansprüche ließen sich zwar aus dem Vertrag erst ableiten, wenn sich Unfälle ereignet hatten und damit Haftpfiichtansprüche entstanden waren. Die Zukünftigkeit betraf also nur das Urteil über den Leistungsanspruch. Daß aus gegenwärtigen - weil geschlossenen - Verträgen unter Umständen erst in der Zukunft Ansprüche erwachsen, verlagert nicht den Vertrag selbst in die Zukunft. Die Streitfrage, welche die Parteien gelöst wissen wollten, betraf den Vertrag und konnte beantwortet werden, ohne daß es konkreter Unfälle bedurfte, für deren Abwicklung der Vertrag gerade die Beurteilungsgrundlage liefern sollte.

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LM Nr.2 zu § 1542 RVO.

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Der Bundesgerichtshof hat die Klage nicht zugelassen, obwohl zwischen den streitenden Parteien auf Grund des Rahmenvertrags rechtliche Beziehungen bestanden.. die zumindest in dem Sinne gegenwärtig waren, daß im Urteilszeitpunkt der Sachverhalt, den die Parteien beurteilt wissen wollten, in Form des Vertrages existierte. Die nicht näher begründete Betrachtung des Rechtsstreits unter dem Blickwinkel der einzelnen noch nicht verwirklichten Zahlungsfälle war maßgeblich für die Abweisung der Klage. Geradezu umgekehrt verfährt die gerichtliche Praxis bei Feststellungsstreitigkeiten über Drittverhältnisse8• Ein solches liegt vor, wenn die materiellrechtliche Beziehung, welche den Klagegegenstand bildet, nicht zwischen Kläger und Beklagten besteht. Sie wird von der Praxis zugelassen, wenn der Kläger ein eigenes Interesse an der Feststellung darlegen kann. So genügt es z. B., daß das zwischen dem Beklagten und einem Dritten bestehende Rechtsverhältnis für den Kläger im Rahmen seiner Verhandlungsführung mit dem am Rechtsstreit nicht beteiligten Dritten erheblich ist, mit dem er in geschäftliche Kontakte treten will. Das Reichsgericht hat deshalb die Klage eines Opernsängers gegen eine Bühnenvereinigung mit dem Inhalt zugelassen, daß die Beklagte nicht berechtigt sei, ihren Mitgliedern - den Bühnen - bestimmte Höchstgrenzen für die zu zahlenden Gagen vorzuschreiben9 • Obwohl das Urteil gegen am Rechtsstreit nicht Beteiligte nicht wirkt, wurde die Klage zugelassen aus der Erwartung, die Bühne würde dem Urteil sich beugen und weil der Kläger ein berechtigtes Interesse daran hatte, zu wissen, ob er bei künftigen Vertragsverhandlungen den angegriffenen Vereinsbeschluß hinnehmen mußte lO • - Wird bei Rechtsverhältnissen, die zwischen den Parteien des Rechtsstreits bestehen, verlangt, daß die Rechtsbeziehungen in einer Weise verdichtet sind, wie es die o. a. Urteile des Reichsgerichts und Bundesgerichtshofes nahelegen, müßte Gleiches bei der Feststellung von Drittrechtsbeziehungen gelten. Resultiert das Interesse des Klägers allein daraus, daß die Urteilsfeststellung für das eigene rechtsgeschäftliche Verhalten gegenüber am Rechtsstreit nicht beteiligten Personen klärend wirkt, dürfte eine Feststellungsklage erst zulässig sein, wenn das Rechtsgeschäft selbst geschlossen ist oder der Abschluß unmittelbar bevorsteht. Genügt aber - wie das Reichsgericht annahm -, daß das Urteil über die Drittrechtsbeziehung Klarheit für die erst zukünftige Verhandlungsposition 8 Vgl. dazu Bauer, Feststellungsklage über Drittrechtsverhältnisse, und die dort (S. 4 ff.) angeführten Beispiele; ferner hier Teil 3 H. 9 RGZ 128, S. 92 ff.; zustimmend z. B. Henckel, Parteilehre und Streitgegenstand, S. 88; Wieser, Das Rechtsschutzinteresse, S. 98 ff. (101). 10 Zur Rechtfertigung des vom Reichsgericht gefundenen Ergebnisses vgl. hier Teil 3 H. 2. b.



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des Klägers schafft, dann dürfte ein solches Interesse auch ausreichen für die Feststellung von Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien, welche zukünftige Rechtsgeschäfte zwischen ihnel! beeinflussen. Denn für den Kläger macht es keinen Unterschied, ob die streitige Rechtsbeziehung, welche sein zukünftiges Verhalten bestimmt, zwischen ihm und dem Beklagten oder zwischen dem Beklagten und einem Dritten besteht.

m.

Das Urteil über "hypothetische" Sachverhalte

1. Sucht man nach Gemeinsamkeiten unter den bisher behandelten Falltypen, so fällt auf, daß das Reichsgericht und der Bundesgerichtshof sich von bestimmten Vorstellungen über die Struktur des Rechtsverhältnisses leiten ließen, über den als Sachverhalt im Feststellungsprozeß entschieden wird. Im "Beförderungsfall" war von Bedeutung, daß die Beförderungsverträge, für welche die begehrte Feststellung erheblich wurde, noch nicht abgeschlossen waren. Im Streitfall über die Auslegung des Schadensteilungsabkommens stellte der Bundesgerichtshof darauf ab, daß sich die Schadensfälle, deren Abwicklung der Vertrag regeln sollte, noch nicht ereignet hatten. Im "Drittrechtsstreit" war die fragliche Rechtsbeziehung - der Vereinsbeschluß hingegen bereits vorhanden. - Diese Praxis scheint dem herkömmlichen Verständnis von Rechtsanwendung zu entstammen, wie sie das Gericht im Prozeß vornimmt: Im Urteil wendet der Richter das Recht auf einen Sachverhalt an, der sich wirklich ereignet hat. Die Anwendung des Rechts auf einen lediglich "angenommenen" Sachverhalt rechtfertigt nicht den richterlichen Spruch; vielmehr bedarf es stets der Feststellung, daß sich der Sachverhalt, so wie vom Kläger vorgetragen, auch wirklich ereignet hat11 • Dieses faktische, dem Beweis zugängliche Element, scheint sowohl im "Beförderungs-" wie auch im "Schadensteilungsvertrags-"Fall zu fehlen: Die Beförderungsverträge bzw. die Schadensfälle, für die das Urteil gelten sollte, lagen noch nicht vor.

Die Gewinnung des juristischen Urteils in Form der Tatsachenfeststellung und die Gleichsetzung (Subsumtion) des wirklichen (realen) Sachverhalts mit dem vom Gesetz gemeinten Fall (Tatbestand), die zum Ausspruch der im Gesetz angeordneten Rechtsfolge führt, entspricht der Methode der Rechtsfindung, wie sie im Leistungsprozeß angewandt wird. Jedes Leistungsurteil setzt etwas Geschehenes und damit Vergangenes voraus, den Verpflichtungstatbestand. Ohne daß im realen Sein die Bedingungen gesetzt sind, aus denen der Leistungsanspruch resultiert, ist der Leistungsprozeß nicht vorstellbar. Diese 11

Vgl. z. B. Larenz, Methodenlehre, S.291.

Der Rechtsstreit über den "hypothetischen" Sachverhalt

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Denkungsweise wird in den erörterten Beispielsfällen unbesehen auf den Feststellungsstreit übertragen, der anderen Gesetzmäßigkeiten unterliegt. 2. Auch jeder Feststellungsstreit nimmt seinen Ausgang von einem realen, in Raum und Zeit einordnungsfähigen Geschehen, und jedes Feststellungsurteil enthält eine Aussage, die reales Verhalten der Parteien regeln soll. Das streitauslösende reale Ereignis muß aber nicht unbedingt identisch sein mit dem Sachverhalt, auf den sich die Urteilsaussage bezieht. Bestreitet z. B. der Beklagte eine bestimmte Handlungsberechtigung des Klägers, so kann der Streit schon durch die bloße Behauptung des Klägers ausgelöst werden, er sei zu dem Verhalten berechtigt, ohne daß das Verhalten selbst schon vollzogen sein müßte. Das Urteil, das die Handlungsberechtigung feststellt oder negiert, ist zwar für ein reales Geschehen - nämlich das, auf welches sich die Berechtigung bezieht - erheblich, setzt aber nicht voraus, daß dieses bereits verwirklicht ist. Das Urteil ergeht also nicht in Anwendung des Gesetzes auf den real verwirklichten und beweisbaren Sachverhalt die widerstreitenden Behauptungen. Entschieden wird über die Handlungsberechtigung angesichts der von den Parteien geschilderten Situation. Wie derartige Sachverhalte, die jedenfalls insoweit hypothetischen Charakter haben, als das Verhalten, über dessen Rechtmäßigkeit gestritten wird, noch nicht verwirklicht sein muß, zeitlich erfaßt und vergangene, gegenwärtige und zukünftige Rechtsverhältnisse unterschieden werden können, ist nicht klar. Das streitauslösende Ereignis liegt stets in der Vergangenheit, das Verhalten, für welches das Urteil maßgeblich ist, mag in der Zukunft liegen. Es ist ein Wesenszug vieler materieller Berechtigungen, daß ihre Ausübung zeitlich nicht gebunden ist und es im Belieben des Berechtigten steht, wann er von ihnen Gebrauch macht. Bei solchen Berechtigungen läßt sich nach materiellem Recht stets der Entstehungszeitpunkt und der Erlöschungstatbestand bestimmen. Aufgabe des Feststellungsstreits ist es aber gerade auch, in der Zwischenphase klärend zu wirken, in der lediglich über das Vorhandensein der Berechtigung befunden werden kann. Für einen solchen Feststellungsstreit über das Vorhandensein der Berechtigung als solcher ist eine zeitliche Fixierung, die nur danach vorgenommen werden könnte, wann von der Berechtigung Gebrauch gemacht worden ist oder werden wird, wenig sinnvoll, weil die Existenz der Berechtigung unabhängig von ihrer realen Ausübung ist. Will der Kläger z. B. festgestellt wissen, daß er Eigentümer einer Sache sei, muß er zwar einen Erwerbstatbestand behaupten und not-

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falls beweisen. Dieser Bezug zu dem in der Vergangenheit liegenden Erwerbstatbestand verflüchtigt sich aber im Urteil. Hat der Kläger seinen Antrag nicht dahingehend festgelegt, daß er sein Eigentum für einen bestimmten Zeitpunkt festzustellen begehrt, befindet das Urteil über die dingliche Rechtslage, wie sie sich im Urteilszeitpunkt darstellt. Der Entstehungszeitpunkt des Rechts ist für die rechtskräftige Aussage des Urteils ohne Belang. Der Urteilszeitpunkt bedeutet insoweit einen Einschnitt in die materiellrechtlichen Beziehungen, als für diesen Zeitpunkt das Urteil endgültig die materielle Rechtslage klärt. Das Urteil wirkt jedoch auch in die Zukunft, da es für die Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien verbindlich ist und es bleibt, bis sich neue Gründe ergeben, die eine von dem Urteilsausspruch abweichende Feststellung rechtfertigen. Das Urteil enthält somit keine endgültige Aussage darüber, ob der Kläger auch in der Zeit nach dem Rechtsstreit Eigentümer bleiben wird. Bindungswirkung für eine zukünftige, neue Beurteilung der Eigentumsverhältnisse entfaltet es aber in dem Sinn, daß es den Beurteilungsmaßstab setzt; nur neue Gründe können eine abweichende Beurteilung rechtfertigen. Diese Dauerwirkung des Feststellungsurteils ist nicht ohne Belang für die Erkenntnis des Wesens der Feststellungsklage. Denkbar wäre es, z. B. die Eigentumsfrage solange als "abstrakte" Rechtsfrage zu bewerten, wie nicht die Sachherrschaft des angeblich Berechtigten tatsächlich beeinträchtigt wird. Das Rechtsverhältnis würde dann erst gegenwärtig und konkret mit dem Eingriff in die Sachherrschaft. Eine solche Abgrenzung der Rechtsschutzzone ist aber nicht sinnvoll, wenn man die zukunftsorientierte Wirkung des Feststellungsurteils in Rechnung stellt. Möglicherweise ist die Eigentumsfrage für den Kläger allein deshalb wichtig, weil er zukünftigen Rech~beeinträchtigungen vorbeugen möchte. Eine solche vorbeugende Funktion kann das Feststellungsurteil aber allein deshalb gewinnen, weil das Urteil Bindungswirkung für das zukünftige Verhalten der Beteiligten hat. Nicht wesentlich anders stellt sich die Problematik dar, wenn z. B. einzelne aus dem Eigentum abgeleitete Handlungsberechtigungen umstritten sind. Denkbar wäre die Annahme, daß diese Berechtigungen mit dem Erwerb des Eigentums entstehen, was zur Folge haben würde, daß der Streit über eine Handlungsberechtigung, welche der Eigentümer erst in ferner Zukunft ausüben will, sich auf ein gegenwärtiges Rechtsverhältnis bezieht12 • Man könnte auch die Frage stellen, ob hinzukom12 Keine überzeugende Lösung wäre es in diesem Fall, die Annahme eines gegenwärtigen Rechtsverhältnisses unter Hinweis auf das bereits vorhandene und damit gegenwärtige Eigentum zu gründen; denn über das Eigentum wird nicht entschieden. In diesem Sinn aber z. B. RGZ 113, S. 207 ff., wo die

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men muß, daß der Eigentümer dem möglicherweise Betroffenen seine Absicht, die Handlungsbefugnis auszuüben, kundtut und dieser die Berechtigung bestreitet. Oder sollte das Rechtsverhältnis gar erst gegenwärtig werden, wenn der Eigentümer die tatsächliche Handlung vornimmt? Derartige Versuche einer zeitlichen Fixierung des Rechtsverhältnisses sind aber wenig fruchtbar, wenn der Streit über die Handlungsberechtigung als solche geführt wird. Der Grund dafür ist allein, daß die Zeit eine Realkategorie ist, in die sich nur reale Geschehen, nicht aber Berechtigungen als Handlungsmöglichkeiten einordnen lassen. Das Urteil über eine Berechtigung oder Verpflichtung gewinnt zwar nur praktische Relevanz, wenn der Tatbestand verwirklicht wird, auf welchen sich die Berechtigung oder Verpflichtung bezieht. Daraus läßt sich aber allenfalls ableiten, daß das Urteil in den Fällen auf eine bloße "theoretische" Rechtsbelehrung hinausläuft, wenn es ausgeschlossen oder sehr unwahrscheinlich ist, daß die rechtliche Bindung jemals in der Lebenswirklichkeit zum Tragen kommt. In der Frage, ob das Urteil in der Zukunft praktische, verhaltensbestimmende Wirkung äußern wird, lassen sich im Urteilszeitpunkt nur Prognosen stellen. Die Einschätzung hängt nicht ausschließlich von zeitlichen Faktoren ab. Je weniger einzelfallabhängig, konstanter die rechtliche Beziehung ist, um so wahrscheinlicher wird es sein, daß das Feststellungsurteil in Zukunft seine praktische Bedeutung beibehalten wird. Eine Differenzierung nach rein zeitlichen Kriterien, wie sie die Gegenüberstellung vergangener, gegenwärtiger und zukünftiger Rechtsverhältnisse erfordert, ist deshalb nicht angebracht. Lediglich die Leistungsklage verlangt nach einer zeitlichen Fixierung, weil der Leistungszeitpunkt bestimmt sein muß. Wird berücksichtigt, daß das Feststellungsurteil über eine gegenwärtige Berechtigung oder Verpflichtung schon deshalb in die Zukunft wirkt, weil die festgestellte Bindungswirkung andauert, bis neue Umstände eine abweichende Feststellung rechtfertigen, ergeben sich auch keine besonderen Schwierigkeiten für den Fall, daß das materielle Recht an einen zeitlich genau feststellbaren Lebenssachverhalt anknüpft, um Rechtsfolgen zu bestimmen, die sich erst in einem Zeitpunkt endgültig verwirklichen sollen, in dem der Lebenssachverhalt, der den Anknüpfungspunkt für die Rechtsfolge bildet, längst der Vergangenheit angehört. Beispiele bietet in diesem Zusammenhang insbesondere Feststellungsklage eines Beamten, daß ihm sein Gehalt auch fortzuzahlen sei, wenn er zukünftig wegen der von ihm angenommenen Unzulässigkeit seiner Versetzung seine Tätigkeit einstellen werde, für zulässig befunden wurde, weil das BeamtenverhäItnis gegenwärtig sei.

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das Familien- und Erbrecht. So ist etwa das Eltern-Kindesverhältnis maßgeblicher Anknüpfungspunkt für Unterhalts- und Erbrechte. Das Rechtsverhältnis zwischen Eltern und Kind entsteht in einem Zeitpunkt, in welchem Unterhaltspflichten und Erbrechte des Kindes möglicherweise noch in ferner Zukunft liegen. Da aber das Eltern-Kindverhältnis eine wesentliche Voraussetzung für die gesetzlichen Unterhalts- und Erbrechte ist, könnte man diese Rechte auch als Teile des Rechtsverhältnisses zwischen Eltern und Kind ansehen. Sie wären dann Ausfluß des mit der Geburt begründeten Rechtsverhältnisses; Streitigkeiten über sie beträfen ab diesem Zeitpunkt ein gegenwärtiges Rechtsverhältnis. Andererseits könnte man auch auf den Zeitpunkt abstellen, in dem nach materiellem Recht der Unterhaltsanspruch bzw. das Erbrecht endgültig entsteht; Streitigkeiten über die betreffenden Rechte vor diesem Zeitpunkt beträfen dann zukünftige Rechtsverhältnisse und wären nach der Unterscheidung gegenwärtiger und zukünftiger Rechtsverhältnisse unzulässig. An keinem dieser beiden Zeitpunkte hat sich zu Recht das Reichsgericht im Zusammenhang mit der Klage einer Verlobten gegen ihren Vater orientiert, mit der sie die Feststellung begehrte, daß ihr Vater im Falle einer Verheiratung verpflichtet sei, ihr eine Aussteuer in bestimmter Höhe zu beschaffen13• Für die Zulässigkeit der Klage sah das Reichsgericht als entscheidend an, daß die Klägerin durch ihre Verlobung einen tatsächlichen Anhaltspunkt für ihre bevorstehende Heirat gegeben und der Vater sich ausdrücklich geweigert hatte, ihr eine Aussteuer zu gewähren. Da die Verlobung keine Voraussetzung für die Ehe und damit für den materiellen Aussteueranspruch unerheblich ist, läßt das materielle Recht keine Regeln erkennen, welche die Annahme rechtfertigen könnten, daß sich ein Rechtsstreit über die Aussteuerpflicht erst und ausschließlich ab dem Verlobungszeitpunkt auf ein gegenwärtiges Rechtsverhältnis beziehe. Neben der Tatsache der Verlobung wäre eine Vielzahl anderer tatsächlicher Faktoren denkbar gewesen, aus denen der gleiche Schluß wie aus der Verlobung hätte abgeleitet werden können. Die Prognose, daß sich das Rechtsverhältnis, auf welches sich das Urteil bezieht, tatsächlich für die Parteien relevant wird, hängt nicht allein von zeitlichen Faktoren ab. Je größer die zeitliche Distanz ist, um so geringer mag zwar die Wahrscheinlichkeit sein, daß sich ein zukünftiges Rechtsverhältnis so wie angenommen verwirklicht. Diese zeitlich bedingte erhöhte Unsicherheit kann aber unter Umständen durch andere tatsächliche Faktoren gemindert werden. Je nach Sachlage ist es denkbar, daß das zeitliche Moment gänzlich in den Hintergrund tritt. Jeden13

RGZ 49, S. 370.

Der Rechtsstreit über den "hypothetischen" Sachverhalt

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falls kann die Prognose, ob die Urteilsaussage für die Parteien praktische Bedeutung gewinnt, nur anhand aller für das Wahrscheinlichkeitsurteil in Frage kommenden Umstände gestellt werden. Eine Präponderanz zeitlicher Gesichtspunkte, wie sie die Gegenüberstellung vergangener, gegenwärtiger und zukünftiger Rechtsverhältnisse nahelegt, ist nicht anzuerkennen. Wenn die zeitliche Einordnung des Rechtsverhältnisses ein eigenständiges Bewertungskriterium für die Zulässigkeit der Feststellungsklage wäre, dürften Streitigkeiten über das gesetzliche Erbrecht nach noch lebenden Personen wohl kaum anders behandelt werden als der zuletzt erörterte Feststellungsprozeß über den Aussteueranspruch vor dem Zeitpunkt der Eheschließung. In beiden Fällen ist das Rechtsverhältnis zwischen Eltern und Kind, welches eine maßgebliche Voraussetzung für das Entstehen des Erbrechts wie für den Aussteueranspruch bildet, in der Vergangenheit begründet worden. Vor dem Tod des Erblassers besteht allenfalls eine tatsächliche Wahrscheinlichkeit, daß das Erbrecht entstehen wird, wie es auch vor dem Zeitpunkt der Eheschließung nie gewiß ist, ob der Aussteueranspruch wird geltend gemacht werden können. Unter allen denkbaren zeitlichen Gesichtspunkten gleichen sich die beiden Sachverhalte und dennoch haben Reichsgericht und Bundesgerichtshof angenommen14 , daß Feststellungsklagen mit dem Ziel, das Erbrecht nach noch lebenden Personen festzustellen, unzulässig seien, weil ein gegenwärtiges Rechtsverhältnis erst mit dem Tode des Erblassers entstehen könne. Allein der Hinweis auf § 1922 BGB dürfte wohl kaum genügen, um die Annahme eines Rechtsverhältnisses zwischen den gesetzlichen oder testamentarischen Erben und dem Erblasser zu dessen Lebzeiten zu verneinen. Der Nachlaß geht zwar erst mit dem Tod des Erblassers auf die Erben über und nur unter der Bedingung, daß der potentielle Erbe zur Zeit des Erbfalls lebt. Eine rechtliche Beziehung besteht aber schon deshalb, weil allein die Eigenschaft, gesetzlicher oder testamentarischer Erbe zu sein, es bewirkt, daß der Nachlaß unter den Voraussetzungen der §§ 1922, 1923 BGB auf die betreffenden Personen übergeht. Gerade weil erst ein neues Testament die Rechtslage ändert, ist es ausgeschlossen, rechtliche Beziehungen zwischen den gesetzlichen bzw. testamentarischen Erben und dem Erblasser zu dessen Lebzeiten zu negieren. Wohl in Erkenntnis dieser Sachlage hat der Bundesgerichtshof die Rechtsprechung des Reichsgerichts dahingehend ausgelegt, daß die Testierfreiheit des Erblassers der entscheidende Gesichtspunkt sei: 14 RGZ 49, S. 372; BGH, NJW 1962, S. 1723 = MDR 1962, S.723 = LM Nr. 74 zu § 256 ZPO mit Anm. von Johannsen; kritisch zu dieser Rechtsprechung auch Wieser, Rechtsschutzinteresse, S.64.

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Die Erbaussicht einer Partei möge zwar - je nach den tatsächlichen Umständen - sehr groß sein. In dem Maße, in dem der Erblasser berechtigt sei, die Rechtslage zu verändern, könne aber kein gegenwärtiges Rechtsverhältnis bejaht werden16 • Unmittelbar bestätigt wird diese Interpretation durch das Urteil des Reichsgerichts vom 10.1.1918. Das Reichsgericht hatte sich mit der Unterhaltsklage eines Sohnes gegen seinen Vater zu befassen, der widerklagend die Feststellung begehrte, daß er berechtigt sei, dem Kläger den Pflichtteil zu entziehen l6 • Das Berufungsgericht hatte - anknüpfend an die Rechtsprechung des Reichsgerichts betreffend erbrechtlicher Beziehungen zu noch lebenden Personen - das Ziel der Widerklage darin gesehen, einen richterlichen Ausspruch über die Frage zu erhalten, ob eine letztwillige, dem Kläger den Pflichtteil entziehende Verfügung wirksam sei. Die Verfügung, mit welcher der Pflichtteil entzogen werde, äußere ihre Wirkung aber erst nach dem Tode des Testators und habe deshalb nur Bedeutung für die zukünftige Entstehung von Rechtsverhältnissen. Es hätte nahegelegen, diese Begründung des Berufungsgerichts allein unter Hinweis auf § 1611 Abs.2 BGB zu entkräften. Nach der damaligen Fassung der Vorschrift konnte der Abkömmling nur den notdürftigen Unterhalt verlangen, wenn er sich einer Verfehlung schuldig machte, die den Unterhaltspflichtigen berechtigte, ihm den Pflichtteil zu entziehen. Das Unterhaltsrecht (§§ 1611 ff. BGB) ist jedenfalls, soweit Unterhalt für die Gegenwart verlangt wird, ein gegenwärtiges Recht. Das Recht, den Pflichtteil entziehen zu können, führt zur Einschränkung dieses gegenwärtigen Rechts und begründet deshalb gleichfalls eine gegenwärtige und keine zukünftige Rechtsbeziehung. - Bei einer derartigen Argumentationsweise ließ sich aber kaum begründen, warum das Pflichtteilsrecht bezüglich seiner Feststellungsfähigkeit generell anders behandelt werden soll als das Erbrecht. Denn auch zu Lebzeiten des Erblassers sind gegenwärtige rechtliche Beziehungen zwischen dem potentiellen Erben und anderen Personen mit Bezug zum Nachlaß möglich, wie sich aus den §§ 312, 1643, 1822 Nr.l BGB ergibt. Nach § 312 Abs.2 sind Verträge zwischen den künftigen gesetzlichen Erben über den gesetzlichen Erbteil oder den Pflichtteil zulässig. Nach § 1822 Nr.1 bedarf der Vormund - nach § 1643 die Eltern - einer vormundschaftlichen Genehmigung zu einem Rechtsgeschäft, durch das der Mündel - bzw. das Kind - zu einer Verfügung über seinen künftigen Erbteil oder seinen künftigen Pflichtteil verpflichtet wird. Das Reichsgericht hat es deshalb auch nicht genügen lassen, daß sowohl zwischen dem Erben wie auch dem Pflichtteilsberechtigten und dem Erblasser schon zu dessen Lebzeiten rechtliche Beziehungen bestehen, sondern darauf abgestellt, daß durch das 15

16

BGH, NJW 1962, 5.1723; auch BGH, NJW 1962, 5.1913. RGZ 92, 5. 1 ff.

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Pflichtteilsrecht - anders als durch das Recht des potentiellen Erbendie Testierfreiheit des Erblassers beschränkt werde. In dieser Beschränkung der Dispositionsfreiheit soll eine gegenwärtige Vorwirkung erbrechtlicher Beziehungen liegen, welche die Annahme eines gegenwärtigen Rechtsverhältnisses rechtfertigt. Aus den gleichen Gründen hat der Bundesgerichtshof angenommen, daß bereits zu Lebzeiten des Erblassers ein gegenwärtiges Rechtsverhältnis zwischen ihm und dem durch eine bindende wechselbezügliche Verfügung des gemeinschaftlichen Testaments eingesetzten Erben oder Vermächtnisnehmer vorhanden sei17 • Mag das Erb- bzw. Pfiichtteilsrecht auf der gesetzlichen Anordnung, einer vertraglichen Regelung oder auf einem gemeinschaftlichen Testament beruhen, in jedem Fall entstehen alle Rechte erst mit dem Tod des Erblassers und können deshalb nach rein zeitlichen Kriterien nicht unterschiedlich behandelt werden l8 • Die differenzierende Beurteilung der Rechtsverhältnisse, die Reichsgericht und Bundesgerichtshof mit der verschiedenen Intensität der rechtlichen Bindung begründet haben, kann nicht auf eine Bewertung anhand zeitlicher Maßstäbe zurückgeführt werden. Nach dem zeitlichen Maßstab kann nur ermittelt werden, ob rechtliche Beziehungen schon vergangen, gegenwärtig sind oder erst zukünftig entstehen. Eine ganz andere Frage ist die, ob die Parteien noch in der Lage sind, vorhandene Rechtsbeziehungen zu verändern. Gegenwärtige Rechtsbande können nicht allein deshalb als erst in Zukunft entstehende angesehen werden, weil ihr Fortbestand davon abhängt, daß die Parteien sie nicht lösen. Das von der Rechtsprechung im Zusammenhang mit dem Feststellungsstreit über das Erbrecht nach lebenden Personen zutreffend hervorgehobene unterschiedliche Ausmaß rechtlicher Bindung ist nicht als Indikator dafür geeignet, ob Rechtsbeziehungen vorhanden und damit gegenwärtig existent sind. Die Gestaltungsfreiheit des Erblassers gewinnt für den Feststellungsstreit in ganz anderer Hinsicht an Gewicht BGH, NJW 1962, S. 1913. Zu welchen Schwierigkeiten diese Praxis führt, belegt das Urteil des Reichsgerichts vom 31. 3. 1942 (RGZ 169, S. 98), in welchem das Reichsgericht eine Klage auf Feststellung des Nichtbestehens eines gesetzlichen Erbrechts zuließ. Die Vorwirkungen der erbrechtlichen Beziehungen begründete das Gericht mit dem Gesetz über die Errichtung von Testamenten und Erbverträgen vom 31. Juli 1938. Nach § 48 Abs.2 dieses Gesetzes war eine Verfügung von Todes wegen nichtig, soweit sie in einer dem gesunden Volksempfinden gröblich widersprechenden Weise gegen Rücksichten verstieß, die ein verantwortungsbewußter Erblasser gegen Familie und Volksgemeinschaft zu nehmen hatte. - Wenn eine derartige Regelung genügt, um die Annahme eines gegenwärtigen Rechtsverhältnisses zu rechtfertigen, ließe sich auch stets unter Hinweis auf § 138 BGB - eine Vorschrüt, die auch im Erbrecht gilt - eine Vorwirkung erb rechtlicher Beziehungen begründen. 17 18

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als der, wann Rechtsverhältnisse entstehen. Wer frei ist, seine Rechtsverhältnisse zu gestalten, unterliegt auch im Rahmen der ihm gewährten Autonomie keiner Rechenschaftspflicht gegenüber anderen Personen. Mit der Testierfreiheit des Erblassers ist der Feststellungsstreit über das Erbrecht nach einer lebenden Person unvereinbar, bei dem das Urteil seine praktische, verhaltensbestimmende Wirkung erst gewinnt, wenn die Gestaltungsfreiheit des Erblassers erloschen ist. Umgekehrt gewendet: Wer mit seinen Erbaussichten spekuliert, muß auf eigenes Risiko handeln, solange und soweit die Testierfreiheit des Erblassers noch uneingeschränkt ist. Der Feststellungsstreit setzt eine aus dem materiellen Recht abgeleitete Verantwortlichkeit des Beklagten gegenüber dem Kläger voraus 19 , die der Erblasser bei uneingeschränkter Testierfreiheit gegenüber den potentiellen Erben nicht trägt. 3. Die Erkenntnis, daß normative Berechtigungen sich oft erst in ungewisser Zukunft aktualisieren, veranlaßt die Überlegung, ob es nicht geboten ist, Feststellungsklagen nur in dem Umfang zuzulassen, in dem das Verhalten, auf welches sich die Berechtigung bezieht, bereits real verwirklicht ist. Eine derartige Ausrichtung hätte den Vorteil, daß gegenwärtige und zukünftige Rechtsverhältnisse leicht gegeneinander abgegrenzt werden könnten. Die Versagung der Klagemöglichkeit in den Fällen, in denen ein in dieser Weise als "zukünftig" eingeordnetes Rechtsverhältnis umstritten ist, würde sich vielleicht aus der überlegung rechtfertigen lassen, daß etwas noch nicht Geschehenes wegen der Unsicherheit, ob es sich in der von den Parteien geschilderten Weise verwirklichen werde, auch nicht rechtskräftig beurteilt werden solle20 • Würde man derartige Anforderungen stellen und verlangen, daß das tatsächliche Verhalten, für welches die Urteilsaussage praktisch relevant wird, erst dann vor Gericht gebracht werden darf, wenn es sich in Raum und Zeit verwirklicht hat, würde das Feststellungsurteil die ihm wesenseigene Funktion schwerlich erfüllen können. Das Anliegen des Feststellungsstreits kann nicht darin gesehen werden, Rechtsklarheit über Rechtsfolgen zu verschaffen, die das materielle Recht an abgeschlossene Tatbestände knüpft; insoweit wird die Schutzzone durch die Leistungs- und Gestaltungsklagen abgedeckt. Zielt der Feststellungsprozeß nicht auf eine Veränderung im realen Sein ab, sei es in der Form der Gestaltung von Rechtsverhältnissen, sei es in Form des über die Vollstreckung ausgeübten Zwangs zu einem Verhalten, weisen auch die rechtlichen Beziehungen, über die im Feststellungsprozeß entschieden wird, eine andere Struktur auf als die im Leistungs- oder 19

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Vgl. dazu Teil 2 VI. So Hellwig, Anspruch und Klagrecht, S. 401.

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Gestaltungsprozeß. Die Rechtsbeziehungen sind entweder noch nicht bis zu einer Gestaltungs- oder Leistungsanspruchslage gediehen oder reichen über eine solche hinaus. Soll im Feststellungsverfahren nicht darüber befunden werden, ob ein Verlangen des Klägers auf unmittelbare Veränderung der Rechtsbeziehungen zum Beklagten oder sein Begehren, den Beklagten zu einem Tun oder Unterlassen zu bewegen, begründet ist, kann das Feststellungsurteil nur zu einer Aussage über den EntwickZungsstand rechtlicher Bezugsverhältnisse führen, deren praktischer Wert darin beruhen soll, daß sie für die weiteren Kontakte zwischen den Streitteilen bestimmend wirkt. Macht man sich von der Vorstellung frei, die Konfliktslage, die dem Feststellungsprozeß zugrunde liegt, gleiche der im Leistungs- oder Gestaltungsprozeß, bestehen auch keine Bedenken unter dem Gesichtspunkt, daß sich nicht über zukünftiges, d. h. noch nicht verwirklichtes Geschehen urteilen läßt. Das Urteil über den Entwicklungszustand eines Rechtsverhältnisses unterscheidet sich prinzipiell von dem Urteil über den Anspruch, in welchen das Rechtsverhältnis einmündet. So hätte in dem vom Reichsgericht entschiedenen "Beförderungsfall" eine Leistungsklage, mit welcher die Kontrahierungspflicht der Reichsbahn geltend gemacht werden sollte, im Hinblick auf eine eventuelle Vollstreckung des Urteils auf sachlich und zeitlich bestimmte Beförderungsvorhaben konkretisiert werden müssen. Daraus den Schluß zu ziehen, daß die Rechtsfrage, ob die beklagte Reichsbahn berechtigt sei, artmäßig bestimmte Waren von der Beförderung auszuschließen, nur im Zusammenhang mit dem einzelnen Beförderungsfall beurteilungsfähig sei, dürfte kaum geboten sein. Das Urteil setzt nur einen Beurteilungsmaßstab und einen zu bewertenden Sachverhalt voraus. Den Beurteilungsmaßstab bildet das Gesetz, das stets "gegenwärtig" ist. Das Gesetz kann auch auf noch nicht in Raum und Zeit verwirklichte, d. h. in diesem Sinne hypothetische Sachverhalte angewandt werden, wie ja das Gesetz selbst stets "gedachte" und nie real verwirklichte Konfliktssituationen regeln soll. Die Aussage, ob ein bestimmtes Verhalten rechtmäßig oder rechtswidrig ist, läßt sich unabhängig davon treffen, ob das Verhalten verwirklicht ist oder nicht. - Daß eine endgültige Entscheidung etwa über die Frage, ob und in welcher Höhe ein Aussteueranspruch entsteht, erst mit dem Zeitpunkt der Eheschließung gefällt werden kann, macht andererseits nicht eine vor diesem Zeitpunkt zu treffende Aussage unmöglich, ob ein Vater seiner Tochter im Falle ihrer Verheiratung eine Aussteuer gewähren muß. Das vorgezogene Feststellungsurteil hat lediglich ein anderes Gewicht: Es basiert auf dem Entwicklungszustand der Rechtsbeziehungen im Urteilszeitpunkt und ist mit allen Unwägbarkeiten belastet, die mit der Entwicklungsfähigkeit des Rechtsverhältnisses bis zum Zeitpunkt des Eheschlusses verbunden sind. - Daß der

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Nachlaß erst mit dem Tode des Erblassers auf den Erbprätendenten übergeht, schließt eine Beurteilung der erbrechtlichen Lage vor diesem Zeitpunkt nicht aus. Es ist somit zwar zutreffend, wenn aus dem Wesen der Rechtskraft gefolgert wird, daß nur gegenwärtige Rechtsverhältnisse feststellungsfähig seien21 • Diese Einsicht ermöglicht indessen keine Rückschlüsse auf die Beschaffenheit des feststellungsfähigen Rechtsverhältnisses. Der Urteilszeitpunkt bildet lediglich den Standpunkt der Betrachtung, der unabhängig davon maßgeblich ist, nach welchen Kriterien das feststellungsfähige Rechtsverhältnis bestimmt wird. 4. Der zweite Einwand gegen die Einbeziehung in Entwicklung befindlicher Rechtsverhältnisse in den Anwendungsbereich der Feststellungsklage, der sich auf die Überlegung stützen würde, daß das Feststellungsurteil im Vergleich zum Leistungs- oder Gestaltungsurteil nur einen vorläufigen Befund darstellt, liegt auf anderer Ebene. Er betrifft nicht die Beurteilungsfähigkeit des Rechtsverhältnisses, sondern den praktischen Nutzwert des Urteils. In der Tat hat es das Feststellungsurteil, welches nicht für sich in Anspruch nehmen kann, den Rechtsfrieden wiederherzustellen, indem es die Rechtsfolgen bestimmt, die sich aus einem verwirklichten, abgeschlossenen Geschehen ergeben, welches lediglich Rechtsklarheit in einem Zeitpunkt schafft, in dem weder etwas "passiert" ist noch reale Veränderungen vorgenommen werden sollen, schwieriger, seine Daseinsberechtigung nachzuweisen, weil es sich weitgehend erst in der Zukunft bewähren soll. Immerhin räumt auch das Urteil über eine in der Entwicklung befindliche Rechtsbeziehung zunächst einmal den Streit als solchen aus der Welt. Sind die Parteien z. B. verschiedener Ansicht über die Berechtigung zu einem bestimmten Verhalten, klärt das Urteil zumindest, ob die Berechtigung besteht; es verliert seinen Sinn nicht ohne weiteres deshalb, weil im Urteilszeitpunkt ungewiß bleibt, ob das Verhalten tatsächlich einmal in der Zukunft vorgenommen wird. Über diesen sich unmittelbar mit der Rechtskraft des Urteils einstellenden Erfolg hinaus spricht für den praktischen Nutzwert des Feststellungsurteils über eine der Entwicklung fähige Rechtsbeziehung entscheidend die Langzeitwirkung des Feststellungsurteils, welche sich gerade deshalb einstellt, weil sich das Urteil nicht in der Bewertung eines vergangenen, keiner Entwicklung mehr zugänglichen Geschehens erschöpft. Da das Rechtsverhältnis, über welches im Feststellungsstreit entschieden wird, nicht die Form einer Anspruchsbeziehung oder Ge11

So Hellwig, Anspruch und Klagrecht. S. 401.

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staltungssituation aufweisen muß, kann die Wirkung des Feststellungsurteils weiterreichen als die des Leistungs- oder Gestaltungsurteils. So entfaltet das Feststellungsurteil über die Berechtigung zu einem Verhalten seine praktische verhaltensbestimmende Wirkung, ohne daß der Rechtsstreit auf eine bestimmte reale Ausübung der Berechtigung ausgerichtet sein müßte. Unabhängig davon, ob die Entwicklung soweit gediehen ist, daß der vertragliche Leistungsanspruch geltend gemacht werden darf, kann über einzelne, für alle Leistungsverhältnisse erhebliche Rechtsfragen entschieden werden. Selbst der Feststellungsstreit über das Erbrecht nach lebenden Personen hat den nicht zu unterschätzenden Vorteil, daß der potentielle Erbe frühzeitig disponieren kann. Allerdings besteht in allen Fällen, in denen das Interesse des Klägers nicht auf die unmittelbare Geltendmachung eines Leistungsanspruch~ oder Gestaltungsverlangens fixiert ist, die Gefahr, daß das Urteil deshalb keine praktische Wirkung äußert, weil die zukünftige Entwicklung einen Verlauf nehmen kann, der das Urteil als wertlos erscheinen läßt: Das Urteil, welches eine Handlungsberechtigung des Klägers feststellt, wird zur bloß theoretischen Rechtsbelehrung, wenn der Kläger die Handlungsberechtigung nicht ausübt. Der Feststellungsstreit über das Erbrecht nach einer lebenden Person erweist sich nachträglich als nutzlos, wenn der potentielle Erbe den Erbfall nicht erlebt. Läßt man aber überhaupt den Feststellungsstreit über der Entwicklung fähige Rechtsbeziehungen zu, sind nur graduelle Unterschiede zu erkennen, ob und inwieweit das Urteil in Zukunft für das praktische Verhalten der Parteien relevant wird. Dieses Wahrscheinlichkeitsurteil hängt von unterschiedlichen Faktoren ab2Z• Die zeitliche Distanz, die zwischen dem 22 Vgl. z. B. BGH, LM Nr.73 zu § 256 ZPO: Unzulässigkeit einer Klage auf Feststellung des Umfangs einer Grunddienstbarkeit für den Fall einer ungewissen, bejahendenfalls aber voraussichtlich in ferner Zeit eintretenden Veränderung in der Benutzung des herrschenden Grundstücks. - Entscheidend für die Bewertung als "zukünftiges" Rechtsverhältnis war nach Ansicht des BGH, daß die Grunddienstbarkeit bezüglich ihrer Ausübung weniger fest umrissen als viele andere Rechte und auf Veränderung angelegt sei. Diese Offenheit des Rechtsinstituts hätte nach Auffassung des Gerichts der sachlichen Entscheidung nicht entgegengestanden, wenn die fragliche Nutzung unmittelbar bevorgestanden hätte. Auch BGH, LM Nr.49 zu § 1004 BGB: Unzulässigkeit der Klage auf Feststellung, daß der Kläger berechtigt sei, künftig in bestimmt bezeichneten Fällen eine ehrenkränkende Behauptung in Wahrnehmung berechtigter Interessen aufzustellen. Allerdings mag in diesem Fall auch eine Rolle gespielt haben, daß über ein stattgebendes Urteil ein materiellrechtlicher Rechtfertigungsgrund funktionswidrig von der Ausnahme zur Regel umgemünzt worden wäre. - Vgl. andererseits BVerwG, DVBI 1974, S. 681: Zulässig ist die Klage eines Testators, daß Ort und Art der Bestattung zulässig sei, wie er sie testamentarisch bestimmt hatte. BVerwG, NJW 1976, S.1648: Zulässig ist die Klage eines EG-Beamten, daß die beklagte Stadt verpflichtet sei, ihn in die jeweiligen Wählerverzeichnisse der künftigen Bundestagswahlen aufzunehmen.

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Urteilszeitpunkt und der möglichen Entwicklung zu einer Anspruchslage liegen mag, kann dabei durchaus eine untergeordnete Rolle spielen. Generell läßt sich sagen: Je abhängiger die im Urteil festgestellte Rechtslage von Faktoren ist, die sich erst in Zukunft einstellen mögen, um so geringer wird der praktische Wert eines Urteils, das entweder alle denkbaren Faktoren berücksichtigen muß und damit zwangsläufig einen erhöhten Grad an Abstraktheit aufweist oder aus der Vielzahl der möglichen Fallgestaltungen nur eine entscheidet. Diese Einzelfallabhängigkeit mag soweit gesteigert sein, daß ein Urteil nur dann sinnvoll ist, wenn sich die normative Berechtigung in einem Leistungsoder Gestaltungstatbestand verwirklicht hat. Daraus, daß bei einigen normativen Konstellationen ein Urteil erst praktikabel erscheint, wenn der Lebenssachverhalt verwirklicht ist, in welchem sich die normative Berechtigung oder Verpflichtung erfüllen soll, läßt sich keinesfalls die Folgerung ableiten, daß ein Feststellungsurteil generell unzulässig sein sollte, das seine Rechtfertigung aus seiner verhaltensbestimmenden Wirkung für die Zukunft schöpft. Wollte man eine Bewertung der in Entwicklung befindlichen Rechtsbeziehungen gänzlich unterbinden, wäre dies gleichbedeutend mit der Versagung des Rechtsschutzes in allen Fällen, in denen die Entwicklung nach Rechtskraft die Aussagekraft des Feststellungsurteils gegenstandslos machen kann. Diese Möglichkeit ist aber bei jedem Feststellungsurteil latent vorhanden. Aus der Sicht des Leistungs- oder Gestaltungsprozesses gesehen ist das Feststellungsurteil stets mit dem " Makel " behaftet, nur ein vorläufiger Befund zu sein. Bei jedem Feststellungsurteil, welches sich nicht auf die Bewertung real verwirklichten Geschehens beschränkt, ist es zweifelhaft, ob das Urteil, abgesehen von der Klarheit, die es für den Streit als solchen schafft, praktische Bedeutung gewinnt. über die Frage, ob das Urteil tatsächlich verhaltensbestimmende Wirkung entfalten wird, kann im Urteilszeitpunkt stets nur eine Prognose gestellt werden23• Unzulässig wird der Feststellungsstreit nur dann, wenn keine Aussicht besteht, daß das Urteil praktische Relevanz hat24 • Starre Grenzen, wie sie die 23 In diesem Sinne stellte das RG in RGZ 113, S.207, allein darauf ab, ob das Urteil nicht nur ideelle, sondern auch praktische Bedeutung hatte. 24 So verfährt z. B. die zivilrechtliche Praxis bei den auf § 844 Abs.2 BGB gestützten Feststellungsklagen vor Schadenseintritt (vgl. z. B. BGH, LM Nr.3, 5, 7 zu § 256 ZPO). Das RG hatte zunächst (vgl. RGZ 84, S. 390 ff.) derartige Klagen unter Hinweis auf die "Zukünftigkeit" des Rechtsverhältnisses für unzulässig gehalten. Diese Rechtsprechung wurde endgültig aufgegeben in RGZ 156, S. 193 ff. (200). - überzeugend ist vor allem die neuere Rechtsprechung zum arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren, die darauf abstellt, ob die erbetene Feststellung geeignet ist, "Unsicherheiten zu beseitigen, insbesondere dem Antragsteller aber auch dem Antragsgegner richtungsweisend für deren künftiges Verhalten zu sein" (vgl. so BAG.

"Gegenwärtiges" Verwaltungsrechtsverhältnis und Verwaltungsakt

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Gegenüberstellung vergangener, gegenwärtiger und zukünftiger Rechtsverhältnisse voraussetzt, lassen sich nicht ziehen. Eine generelle Versagung des Rechtsschutzes in der Form des Feststellungsurteils bei Streitbeziehungen, die deshalb unter die "zukünftigen" Rechtsverhältnisse eingestuft werden könnten, weil die Parteien nicht über die Rechtmäßigkeit real verwirklichten Geschehens, sondern über normative Berechtigungen oder Verpflichtungen streiten, die entwicklungsfähig sind, da sie sich (noch) nicht zu einer Leistungs- oder Gestaltungsklagesituation verfestigt haben, läßt sich keinesfalls rechtfertigen.

IV. Das gegenwärtige Verwaltungsrechtsverhältnis und der Verwaltungsakt Die Frage, ob der Kläger die Feststellung eines gegenwärtigen oder zukünftigen Rechtsverhältnisses begehrt, läßt sich im Verwaltungsprozeßrecht in verschiedener Hinsicht stellen. Man könnte die Forderung erheben, daß eine Feststellungsklage des Bürgers erst zulässig sein soll, wenn er einen Eingriffstatbestand verwirklicht oder - im Bereich der Verpflichtungssachen - die materiellen Anspruchsvoraussetzungen bereits erfüllt habe. Diese Forderung würde den in der Zivilrechtsprechung erkennbar gewordenen Tendenzen entsprechen, daß der Sachverhalt, für den die Urteilsaussage gelten soll, bereits real verwirklicht sein müsse25 • Durch die Bezogenheit von Klage und Urteil auf den real verwirklichten Lebenssachverhalt könnte auch der Ausschluß generalisierender Feststellungen erreicht werden. Als weitere Voraussetzung wäre denkbar, daß das Rechtsverhältnis erst dann gegenwärtig und feststellungsfähig wird, wenn die Behörde dem Bürger auf irgendeine Weise zu erkennen gegeben hat, ob und wie sie gegen ihn vorzugehen gedenke. Durch eine derartige Schranke würde verhindert, daß eine Entscheidung über eine rechtliche Beziehung ergeht, bevor erkannt ist, in welcher Weise der Träger öffentlich-rechtlicher Befugnisse das Verwaltungsrechtsverhältnis zu regeln beabsichtigt. Wie die Zivilrechtsprechung am Anspruch orientiert ist, so hat im öffentlichen Recht das Verwaltungsaktdenken maßgeblich die BestimBB 1975, S. 884). Dies setzt nach Auffassung des BAG voraus, daß "mit gewisser Wahrscheinlichkeit sich wenigstens ähnliche Fälle wiederholen können" (vgl. BAG, a.a.O.). Desgleichen wird das Rechtsschutzinteresse bejaht, wenn die Feststellung - in erster Linie bezogen auf künftige Ereignisse - "der endgültigen Wiederherstellung des Betriebsfriedens dienen kann" (vgl. z. B. BAG, BB 1975, S. 884, SAE 1975, S. 182). Hier macht sich deutlich eine Tendenz zur Loslösung von einer lediglich auf einen real verwirklichten Lebenssachverhalt bezogenen Betrachtungsweise bemerkbar. 25 Vgl. Teil 2 111. 6 Trzaskal1k

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mung des gegenwärtigen im Gegensatz zum nicht feststellungsfähigen zukünftigen Rechtsverhältnis beeinflußt: War man ursprünglich der Auffassung, daß erst der Verwaltungs akt ein gegenwärtiges (konkretes) Rechtsverhältnis begründe 26 , so setzte sich - beginnend mit der gesetzlichen Einführung der Feststellungsklage in den zwanziger Jahren - allmählich die Einsicht durch, daß die Feststellungsklage gerade gegenüber drohenden, noch nicht erlassenen Verwaltungsakten das geeignete Rechtsschutzmittel sein könne27• Nachdem der Verwaltungsakt als alleiniger Bezugspunkt ausgeschieden war, um zu entscheiden, ob ein Urteil über die rechtlichen Beziehungen zwischen Bürger und Verwaltung begehrt werden konnte, wurde es schwieriger, in dem Stadium vor Erlaß des Verwaltungsaktes Kriterien festzulegen, nach denen sich bestimmen ließ, ob eine Beziehung schon "gegenwärtig" und damit feststellungsfähig war. Da für den Bürger das materielle Recht primär aus einem Bündel von Geboten und Verboten sich zusammensetzt, die er bei seinem Verhalten berücksichtigen muß, falls er nicht Gegenreaktionen der Verwaltung heraufbeschwören will, hätte es vielleicht nahegelegen, die zeitliche Einordnung der rechtlichen Beziehungen zwischen Staat und Bürger danach vorzunehmen, ob und wann der Bürger die Gebote und Verbote des materiellen Rechts bei seinen Verhaltensentscheidungen berücksichtigen muß. Dieser Ansatz hätte der Zielvorstellung entsprochen, möglichst die Beachtung der öffentlichrechtlichen Vorschriften durch den Bürger zu sichern. Wenn man diesen Weg nicht alsbald nach Einführung der Feststellungsklage in Erwägung zog, so liegen die Gründe dafür zumindest auch darin, daß man allzusehr gewohnt war, die öffentlichen Rechtsverhältnisse unter dem Gesichtspunkt der Rechtsanwendung durch die Verwaltung zu sehen. Die öffentlichrechtlichen Befugnisträger regelten, was im Einzelfall rechtens sein sollte, und wenn man schon davon abging, den Rechtsschutz ausschließlich am Verwaltungsakt auszurichten, so war es natürlich, das behördliche Handeln im Vorstadium vor Erlaß des Verwaltungsaktes als Bezugspunkt für die Bestimmung des feststellungsfähigen Rechtsverhältnisses zu wählen. Derartige Gedankengänge spiegeln sich auch wieder in der klassischen, von Jellinek stammenden Definition des Rechtsverhältnisses: "Ein Rechtsverhältnis ist im öffentlichen Recht schon dann gegeben, wenn zwischen Staat und einzelnem Beziehungen bestehen, kraft derer auch 28 In der Tendenz so noch OVG Lüneburg, DÖV 1951, S.609; DVBI 1952, S.86; OVG Berlin, DÖV 1953, S.152; vgl. im übrigen dazu R. Naumann, Jellinek-Gedächtnisschrift, S. 397; Ruckdäschel, DÖV 1961, S. 679; Haug, DÖV 1967, S.86. 27 So bereits Jellinek, VVDStRL H.2, S.62; für die Verwaltungsgerichtsgesetze der Nachkriegszeit: Bauer, SJZ 1946, S.151; R. Naumann, JellinekGedächtnisschrift, S. 393.

"Gegenwärtiges" Verwaltungsrechtsverhältnis und Verwaltungsakt

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nur nach Meinung der Staatsbehörde ein Einschreiten gegen den einzelnen zulässig ist28 ." Jellinek schied das Rechtsverhältnis und den diesem vorausgehenden Rechtszustand, den er als "Möglichkeit künftiger Rechtsverhältnisse bezogen auf ein Rechtssubjekt" verstand29 • Mit der Jellinekschen Unterscheidung von Rechtsverhältnis und Rechtszustand war die Basis geschaffen für die in der Folgezeit einsetzende Diskussion über die nähere Ausgrenzung der der Feststellungsklage vorbehaltenen Rechtsschutzzone. Feststehender Ausgangspunkt war dabei, daß nicht "jede denkbare Rechtsbeziehung zwischen Bürger und Staat"30 ein Rechtsverhältnis sei und daß nicht die "beziehungslos rein theoretische. Möglichkeit des Einschreitens, die einer unbestimmten Anzahl von Staatsbürgern gegenüber bestehe"3!, schon die Anrufung der Gerichte ermögliche. Als selbstverständlich wurde vorausgesetzt, daß der Bürger jedenfalls einen Sachverhalt verwirklicht haben mußte, der die Behörde zum Einschreiten veranlassen konnte32 ; gestritten wurde lediglich darum, welche Intensität die "Beschäftigung" der Verwaltung mit dem Fall. erreicht haben mußte, ob also das bloß erkennbar werdende Interesse der Verwaltung für eine Sache schon genügte oder ein akut drohendes Einschreiten erforderlich warS 3 • Auskünfte der Verwaltung über lediglich geplante Vorhaben wurden deshalb als Hinweise auf in Zukunft mögliche Rechtsverhältnisse gewertet, welche auch bei einem für den Bürger negativen Ergebnis die Feststellungsklage nicht rechtfertigen konnten". Zur Begründung der Forderung, daß in irgendeiner Weise erkennbar geworden sein müsse, daß der Bürger mit einem gegen ihn gerichteten Vorgehen der Verwaltung zu rechnen habe, wandelte man den von der Zivil rechtsprechung entwickelten Grundsatz ab, daß nur konkrete und nicht abstrakte Rechtsverhältnisse feststellungsfähig seien: Solange noch keine Klarheit bestand, ob und in welcher Weise die Behörde einschreiten werde, lag nur ein abstraktes Rechtsverhältnis vorS 5• VVDStRL H. 2, S. 62. Lehrbuch, s. 192; so auch OVG Lüneburg, OVGE 5, S. 313; OVG Münster, DVBI 1953, S. 772. 30 So R. Naumann, Jellinek-Gedächtnisschrift, S.399; Ruckdäschel, DÖV 1961, S.679, beide im Anschluß an Jellinek, Lehrbuch, S. 191. 31 So Fenge, Dissertation, S.79; ders., DöV 1956, S.392. 32 Vgl. z. B. Jellinek, Verwaltungsrecht, S.192; R. Naumann, JellinekGedächtnisschrift, S.397; Ruckdäschel, DÖV 1961, S.681; Bergmann, DÖV 1959, S.571. 33 Vgl. z. B. die Wiedergabe des Meinungsstands bei Bergmann, DÖV 1959, S. 571 ff., und Müller, Dissertation, S. 13 ff. 34 Vgl. z. B. R. Naumann, Jellinek-Gedächtnisschrift, S.401; Bergmann, DÖV 1959, S.572; Ruckdäschel, DÖV 1961, S.681. 28

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1. In der Rechtspraxis und wissenschaftlichen Diskussion nach Erlaß des SGG, der VwGO und FGO hat die Unterscheidung gegenwärtiger und zukünftiger Rechtsverhältnisse kaum noch eine Rolle gespielt36 . Zwar wird allgemein davon ausgegangen, daß ein Sachverhalt, der erst in Zukunft Rechtswirkung hervorrufen könne, wegen des Erfordernisses der Konkretheit des Rechtsverhältnisses nicht feststellungsfähig sei37 . Auch könnte die generell aufgestellte Voraussetzung, daß ein konkretes Rechtsverhältnis erst vorliege, wenn "die Anwendung einer Rechtsnorm auf einen bestimmten, bereits übersehbaren Sachverhalt streitig"38 sei, dahingehend verstanden werden, daß die Feststellungsklage weiterhin erst zulässig sein solle, wenn der Bürger bereits gehandelt und die Verwaltung bestimmte Maßnahmen gegen ihn angekündigt hat. Jedoch lassen Rechtsprechung und Schrifttum insoweit keine eindeutigen diesbezüglichen Schlüsse zu. Der Grund dafür dürfte teilweise darin zu sehen sein, daß mit der Ableitung der Nichtfeststellbarkeit zukünftiger Rechtsverhältnisse aus dem Erfordernis der Konkretheit des Rechtsverhältnisses immer stärker die allgemeine Zweckbestimmung der Unterscheidung konkreter und abstrakter Rechtsverhältnisse in den Vordergrund rückte, die es nicht unbedingt erforderlich macht, ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im öffentlichen Recht erst dann anzunehmen, wenn der Bürger einen Eingriffstatbestand verwirklicht hat. Beispielhaft ist in diesem Zusammenhang das Urteil des BVerwG vom 8. Juni 196239, in dem sich das Gericht mit der Klage des Inhabers eines Handwerksbetriebes zu befassen hatte, der die Feststellung begehrte, daß er berechtigt sei, in Lehrverträgen längere Lehrzeiten als gesetzlich vorgesehen zu vereinbaren. Der Kläger hatte dieses Recht stets für sich in Anspruch genommen, die Beklagte andererseits ständig die Eintragung von Lehrverträgen mit einer längeren als im Gesetz vorgesehenen Laufzeit in die Lehrlingsrolle abgelehnt. Da im Zeitpunkt der Klageerhebung keine beanstande35 R. Naumann, Jellinek-Gedächtnisschrift, S.399; Menger, System, S.235. Die Unterscheidung konkreter und abstrakter Rechtsverhältnisse war deshalb identisch mit der Jellinekschen Unterscheidung von Rechtszustand und Rechtsverhältnis, vgl. Bergmann, DÖV 1959, S.572; Weckerle, Dissertation, S. 90 ff.; Schenke, AöR 95, S. 253. 36 Soweit ersichtlich wurde lediglich in den Urteilen des BSG vom 7.12. 1970, NJW 1971, S.263, und des OVG Münster vom 28. 10. 1971, DÖV 1971, S. 392, die Klageabweisung mit der Nichtfeststellbarkeit zukünftiger Rechtsverhältnisse begründet; in beiden Fällen wurde aber gleichzeitig auf die Regeln über den vorbeugenden Rechtsschutz zurückgegriffen. 37 z. B. Eyermann / Fröhler, Rdnr.5 zu § 43 VwGO; Redeker /Oertzen. Rdnr.8 zu § 43 VwGO; Peters / Sautter / Wolff, Anm. 2 a zu § 55 SGG; Hübschmann / Hepp / Spitaler, Rdnr. 5 zu § 41 FGO. 38 BVerwGE 14, S.236; ferner z. B. BSGE 28, S. 224; BFH, DStR 1973, S.347; BayVGHE n. F. 24, S.71. 39 BVerwGE 14, S. 235; vgl. zu ähnlichen Fallgestaltungen z. B. ESVGHE 24, S. 205; BayVGH n. F. 24, S.70.

Zukünftiges Rechtsverhältnis und vorbeugende Klage

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ten Lehrverträge liefen und die Klage weder auf bestimmte vergangene, gegenwärtige oder zukünftige Lehrverträge zugeschnitten war, wäre die Abweisung der Klage geboten gewesen, wenn das Bundesverwaltungsgericht auf einer zeitlichen Einordnung des streitigen Rechtsverhältnisses im herkömmlichen Sinn hätte bestehen wollen. Denn eine zeitliche Differenzierung wäre nur in der Form möglich gewesen, daß der Kläger seine Klage auf bestimmte bereits abgeschlossene oder abzuschließende Lehrverträge spezialisiert hätte. Ohne diese konkrete Ausrichtung auf bestimmte Lehrverträge handelte es sich bei der Klage um die Bitte, die einschlägigen Vorschriften des Handwerksrechts für derartige Fälle wie vorgetragen generell auszulegen, wobei die Urteils aussage nicht auf einen zeitlich festlegbaren Sachverhalt beschränkt war. Das Bundesverwaltungsgericht hat dennoch zu Recht - über das Begehren materiell entschieden, indem es mit seinen überlegungen beim Prozeßzweck ansetzte, der es lediglich verbietet, "Rechtsfragen um ihrer selbst willen rechtstheoretisch zu lösen". Beachtet man, daß das Bundesverwaltungsgericht diesen allgemeinen Grundsatz für den Anwendungsbereich der Feststellungsklage im gleichen Atemzug dahingehend erläutert, "daß die Gerichte auch nicht mit einer Feststellungsldage befaßt werden können, mit der lediglich die Klärung einer abstrakten Rechtsfrage auf Grund eines nur erdachten oder eines solchen Sachverhalts erreicht werden soll, dessen Eintritt noch ungewiß, insbesondere von einer in ihren tatsächlichen und rechtlichen Auswirkungen noch nicht übersehbaren künftigen Entwicklung abhängig ist", so muß man zu dem Schluß gelangen, daß es auch nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts für die Zulässigkeit der Feststellungsklage nicht unbedingt erforderlich ist, daß eine Urteilsaussage über ein bereits real verwirklichtes Verhalten begehrt wird. Der "Sachverhalt", den das Gericht anhand rechtlicher Maßstäbe bewertet, erhält auf diese Weise ein besonderes Gepräge. Die Anwendung einer Rechtsnorm auf einen Sachverhalt besteht dann nicht unbedingt darin, daß ein Urteil über die Rechtmäßigkeit realen Geschehens gefällt wird. Beurteilungsfähig sind auch lediglich geplante Vorhaben. Stellt man " erdachte " und "tatsächlich bestehende" Rechtsverhältnisse wie das Bundesverwaltungsgericht im Streitfall gegenüber 40 , liegt ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis schon vor, wenn das Urteil- sei es für die Vergangenheit oder Zukunft - praktische Relevanz hat41 • Entscheidend ist nicht, ob eine konkrete Beziehung in Form BVerwGE 14, S.237. Anhand dieses Maßstabes sind auch die sogen. Fortsetzungsfeststellungsklagen einheitlich zu bewerten. Infolge der noch dominierenden Orientierung am Verwaltungsakt wird die Klage teils als Streit über ein vergangenes Rechtsverhältnis angesehen (vgl. Ruckdäschel, DÖV 1961, S. 680), teils wird die zukunftsorientierte Wirkung des Urteils im Feststellungsstreit mehr 40 41

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der Verwirklichung eines Eingriffs- oder Leistungstatbestandes vorliegt, sondern die Wirkung des begehrten Urteils für das Verhalten der Parteien. "Zukünftig" wären nur solche Rechtsverhältnisse, bei denen der Kläger nicht darlegen kann, daß das Urteil für ihn gegenwärtige Bedeutung hat, die begehrte Urteilsaussage für ihn also allenfalls in ferner, nicht abschätzbarer Zukunft relevant werden kann. Anstatt aus der Erkenntnis, daß die Unterscheidung gegenwärtiger und zukünftiger RechtsverhältnisSe nur einheitlich im Zusammenhang mit der aus dem Prozeßzweck abgeleiteten Gegenüberstellung von konkreten und abstrakten Rechtsverhältnissen gesehen werden kann, die notwendigen Folgerungen zuziehen, haben Rechtsprechung und Lehre - lediglich in neuer Form - die traditionelle Orientierung des Verwaltungsprozesses am Verwaltungsakt auch für den Bereich der Feststellungsklage aufrechterhalten. Zwar wird die Auffassung, daß erst der Verwaltungsaktein Rechtsverhältnis begründe, nicht mehr vertreten. Sie wirkt aber noch insoweit fort, als für Feststellungsklagen, die rechtliche Beziehungen zum Gegenstand haben, über die durch Verwaltungsakt entschieden wird, besondere Regeln gelten sollen: Feststellungsklagen, die darauf abzielen, den Erlaß eines Verwaltungsaktes in Zukunft auszuschließen, sollen nur zulässig sein, wenn der Kläger besondere Gründe dafür vortragen kann, daß es ihm unzumutbar sei, den Erlaß des Verwaltungsaktes abzuwarten4!. Sein Eigengepräge soll betont und die Fortsetzungsfeststellungsklage unter die vorbeugenden Klagen eingeordnet; so Ule, Lehrbuch, 5. AufI.., S.115, vgl. aber anders in VerwArch 1974, S.295, wo er die Fortsetzungsfeststellungsklage nicht unter die vorbeugenden Klagen rechnet, weil die Klage nicht darauf abziele, einen (zukünftigen) Verwaltungsakt zu verhindern. Dazu insgesamt hier Teil 4 IH. 2. 42 Zum vorbeugenden Rechtsschutz im öffentlichen Recht z. B.: BVerwGE 26, S.24; 40, S.325; BVerwG, DVBI 1971, S.746 = BayVBI 1972, S.189 = BauR 1971.S. 100; BSG, NJW 1971, S.263; BFH, BStBI 1973 H, S.535; BFH, DStR 1973, S.346; BayVGH, BaVBI 1974, S.45; OVG Münster, DÖV 1971, S.392; OVG Lüneburg, NJW 1974, S.821; ferner die Rechtsprechungsnachweise bei Ule, VerwArch 1974, S.292, Fn.14, 15; aus dem Schrifttum: Fenge, DÖV 1956, S.392; Kreutziger, Die vorbeugende Feststellungsklage im Verwaltungsprozeß, Diss. Göttingen 1959; Ringe, DVBI 1958, S.378; Rupp, DVBI 1958, S.113; Stephan, Das Rechtsschutzbedürfnis, S. 41 f.; Ruckdäschel, DÖV 1961, S.675; Hoffmann, BayVBI 1962, S.72, S.101; Haug, DÖV 1967, S.86; Weckerle, Vorbeugender Rechtsschutz im Verwaltungsprozeß, Diss. München 1967; Bock, Das Rechtsschutzbedürfnis im Verwaltungsprozeß, Diss. Göttingen 1971, S.166 ff.; Ruppel, FR 1971, S.337; und insbesondere: Schenke, AöR Bd. 95, S. 223; Bettermann, Zehn Jahre VwGO, S.183; Maetzel, DVBI 1974, S.335; Ule, VerwArch. 1974, S.291. Teilweise wird in diesem Zusammenhang ausdrücklich danach unterschieden, ob die Klage unmittelbar (alleinig) oder nur mittelbar darauf abziele, einer zukünftigen Rechtsverletzung vorzubeugen (so Maetzel, DVBI 1974, S.335; Ule, VerwArch 1974, S. 295). Die Unterscheidung verfolgt vornehmlich den Zweck, zu verhindern, daß alle Feststellungsklagen der Kategorie der vorbeugenden Klagen unterfallen, weil jedes Feststellungsurteil - sei es, daß es auf die Berechtigung zum Erlaß eines Verwaltungsaktes bezogen ist, sei es, daß es über die Feststellung eines Basisrechtsverhältnisses Verwaltungsakte präjudiziert -

ZukünftIges RechtsverhäItnis und vorbeugende Klage

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der Rechtsl.ltreit in diesen Fällen dadurch erfahren, daß sich die Klage nicht gegen eine erfolgte Rechtsverletzung richtet, sondern der möglicherweise in dem zukünftigen Verwaltungsakt beschlossenen Rechtsbeeinträchtigung vorbeugt43 • Zusammenhänge zwischen den Regeln über das gegenwärtige Rechtsverhältnis und den Grundsätzen über den vorbeugenden Rechtsschutz werden kaum gesehen". Dabei müßten gerade die Fallgestaltungen, in denen die Zulässigkeit einer vorbeugenden Feststellungsklage befürwortet wird45 , Anlaß geben, darüber nachzudenken, ob ein gegenin die Zukunft wirkt. Wie fragwürdig die Unterscheidung ist, zeigt sich z. B. bei der Bewertung der Fortsetzungsfeststellungsklage: Ule (VerwArch 1974, S. 295) geht davon aus, daß sie nur mittelbare Wirkung für zukünftige Verwaltungsakte habe, weil das Urteil primär auf den erledigten Verwaltungsakt bezogen sei. Maetzel (DVIBI 1974, S.339) bemerkt, daß sich das Feststellungsinteresse in den Fällen, in denen die Fortsetzungsfeststellungsklage wegen Wiederholungsgefahr zugelassen wird, "aus dem Rechtsschutzbedürfnis für vorbeugenden Rechtsschutz" ergebe; Maetzel hat also nicht das streitauslösende Ereignis, sondern die Urteilswirkung für zukünftige Fälle im Auge. 43 z. B. Ule, VerwArch 1974, S.294; Maetzel, DVBI 1974, S.335. Ob die weitere von Bettermann (Zehn Jahre VwGO, S. 186) getroffene Differenzierung der Präventivklagen danach, ob mit der Klage einer materiellen Rechtsverletzung oder einem Prozeß vorgebeugt werden soll, zutreffend ist, mag zweifelhaft sein. Bettermann versteht unter den prozeßvorbeugendenKlagen insbesondere die Klagen auf Feststellung eines Grundverhältnisses, mit der Einzelprozesse sowie einzelne Rechtsfolgen aus demselben präjudiziert werden. Warum ungeachtet dieser präjudiziellen Wirkung lediglich ein prozessuales Verhütungsinteresse an der Feststellung des Grundverhältnisses besteht, welches es rechtfertigen soll, bei den Prozeßverhütungsklagen besonders strenge Anforderungen an ihre Notwendigkeit zu stellen (Bettermann, a.a.O., S. 187), ist fragwürdig. Es liegt ebenso nahe, gerade wegen der umfassenden Bedeutung des Grundverhältnisses an das Rechtsschutzinteresse geringere Anforderungen zu stellen. Diesen Weg hat z. B. das BAG in seinem Beschluß vom 19.11.1974 (SAE 1975, S.182) beschritten, in dem es das Rechtsschutzinteresse an der Feststellung des streitigen betriebsverfassungsrechtlichen Status eines Arbeitnehmers als leitender Angestellter bejahte, obwohl im Entscheidungszeitpunkt kein akuter von der Einordnung als leitender Angestellter abhängiger Streitfall vorlag. Das Rechtsschutzinteresse wurde damit begründet, daß jederzeit ein Streitfall entstehen könne und die Feststellung des Status zu einer endgültigen und abschließenden Klärung aller davon abhängigen Streitfragen führe. 44 Naumann. Jellinek-Gedächtnisschrüt, S. 395, und Ruckdäschel, DÖV 1961, S. 679, betonen zwar, daß mit der vorbeugenden Feststellungsklage nicht die Feststellung eines zukünftigen Rechtsverhältnisses begehrt werde, eine positive Abgrenzung des Geltungsbereichs der verschiedenen Regeln begründen sie aber nicht; nach Eyermann / Fröhler, Rdnr.5 zu § 43 VwGO, sind Klagen auf Feststellung zukünftiger Rechtsverhältnisse und vorbeugende Klagen weitgehend identisch, denn beide sollen mangels Konkretheit des festzustellenden Rechtsverhältnisses unzulässig sein. Im Ansatz richtig Siemer, Normenkontrolle, S.50. Im übrigen wird im neueren Schrüttum und der neueren Rechtsprechung zum vorbeugenden Rechtsschutz die Frage der Abgrenzung gegenwärtiger und zukünftiger Rechtsverhältnisse kaum erwähnt. Wegen der Unsicherheit in dieser Frage vgl. z. B. Schenke, AöR Bd. 95, S. 226. 45 Vgl. dazu allgemein Schenke, AöR Bd.95, S. 250 ff., und Ule, VerwArch 1974, S. 305 ff.

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wärtiges Rechtsverhältnis erst dann vorliegt, wenn der Bürger einen Eingriffstatbestand verwirklicht hat: Wird bei dem mit Straf- und Bußgeldandrohung bewehrten Verwaltungsakt eine vorbeugende Feststellungsklage für zulässig gehalten, weil es dem Bürger nicht zugemutet werden könne, zunächst Ordnungsverfügungen und Strafanzeigen gegen sich ergehen zu lassen, um im Bußgeld- oder Strafverfahren die streitigen Rechtsfragen klären zu lassen48 , muß diese Ansicht auch Konsequenzen für die Frage haben, ab welchem Zeitpunkt in derartigen Fällen ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis vorliegt. Wenn die Ynzumutbarkeit des Abwartens mit dem Makel der Buße oder Strafe begründet wird, hat der vorbeugende Rechtsschutz eigentlich nur dann Sinn, wenn er in einem Zeitpunkt einsetzen kann, in dem das sanktionierte Verhalten noch nicht verwirklicht ist, dem Prozeß also die Funktion zukäme, zu klären, ob ein bestimmtes, noch nicht real verwirklichtes Verhalten als solches strafbar ist. Der Zeitfaktor kann dann allenfalls insofern eine Rolle spielen, daß eine gerichtliche Klärung dann nicht begehrt werden darf, wenn noch nicht abzusehen ist, ob das fragliche Verhalten überhaupt verwirklicht werden wird. - Einer Abstimmung bedürfte es gleichfalls, soweit aus Gründen der Effektivität des Rechtsschutzes eine vorbeugende Feststellungs- oder Unterlassungsklage in den Fällen gewährt wird, in denen der Rechtsschutz im Anfechtungs- oder Verpflichtungsprozeß nicht ausreichen oder zu spät kommen soll: So hat z. B. das Bundesverwaltungsgericht47 die Klage einer politischen Partei zugelassen, daß die beklagte Gemeinde verpflichtet sei, der Klägerin die Benutzung der gemeindlichen Säle für Parteiveranstaltungen zu gestatten. Für zulässig befand das Bundessozialgericht48 die Klage eines Unternehmers, mit der dieser - zwecks zukünftiger Ermäßigung seiner Rentenbeitragslast - die Feststellung beantragte, daß die beklagte Berufsgenossenschaft Renten an einen bestimmten Personenkreis wegen Nichtigkeit der diesen Leistungen zugrunde liegenden Vorschriften nicht zahlen dürfe. Ein Sachurteil fällte der Bundesfinanzhof49 in dem Feststellungsstreit, in dem ein Steuerpflichtiger beantragt hatte, daß für bestimmte, seiner Ansicht nach nicht steuerbaren Umsätze keine Umsatzsteuervorauszahlung zu entrichten sei. - Allen diesen Sachverhalten ist gemeinsam, daß ihnen kein konkreter Anspruchs- oder Eingriffstatbestand zugrunde liegt; 48 Vgl. z. B. BVerwGE 39, S. 249; OVG Münster, OVGE 22, S.284. Gegen die vorbeugende Feststellungsklage im Falle des mit Strafe bewehrten Verwaltungsaktes: Bettermann, Zehn Jahre VwGO, S.199, unter Hinweis auf die mangelnde Präjudizialität des verwaltungsgerichtlichen Urteils für den Strafprozeß; vgl. demgegenüber BayVGH, BayVGHE 24, S.70, der die Gleichwertigkeit der verschiedenen Rechtswege betont. 47 BVerwGE 32, S.333. 48 BSGE 25, S. 243. 49 BFHE 99, S. 185 = BStBL 1970 H, S. 648.

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weder war ein Antrag auf Benutzung der gemeindlichen Einrichtung im Urteils zeitpunkt gestellt, noch richtete sich die Klage gegen eine jahresmäßig festgelegte Beitragsforderung, noch stand eine bestimmte Vorsteueranmeldung im Streit. Für die Zulässigkeit war stets die Wahrscheinlichkeit ausreichend, daß es in Zukunft zu einem Leistungsverhältnis kommen könne. Von einem nach materiellem Recht bestimmbaren Zeitpunkt, ab welchem eine rechtliche Beziehung "gegenwärtig" und feststellungsfähig wird, wurde nicht ausgegangen. In allen diesen Fällen handelt es sich um Rechtslagen, die auch von den Regeln über die traditionelle Abgrenzung gegenwärtiger und zukünftiger Rechtsverhältnisse erfaßt werden, und bemerkenswert ist, daß wesentliche Einwände, die gegen die Zulässigkeit von Präventivklagen formuliert worden sind, gleichermaßen gegen die Feststellungsfähigkeit zukünftiger Rechtsverhältnisse vorgebracht werden könnten. Vorbeugende Klagen werden als "Prozesse auf Verdacht" bewertet, die unerwünscht seien, weil ungewiß sei, wie die befürchtete Rechtsverletzung aussehen werde, und die Aussicht, daß die Rechtsverletzung unterbleibe, offengehalten werden müsse50 • Die Ungewißheit, ob sich der Sachverhalt, so wie ihn der Kläger vorträgt, ereignen wird, und die Gefahr, daß das Urteil keine praktische Relevanz gewinnt, weil die tatsächliche Entwicklung anders als angenommen verläuft, kennzeichnen auch den Feststellungstreit über zukünftige Rechtsverhältnisse. Sowohl im Zusammenhang mit der zeitlichen Einordnung des streitigen Rechtsverhältnisses wie auch in der Diskussion über Möglichkeiten und Grenzen des vorbeugenden Rechtsschutzes kommt dem Problem des Abwartens, bis ein bestimmtes Entwicklungsstadium der materiellen Rechtslage eingetreten ist, erhebliche Bedeutung zu. Zusammenhänge, die zwischen den Regeln über den vorbeugenden Rechtsschutz und die prozessuale Behandlung zukünftiger Rechtsverhältnisse schon deshalb vorhanden sind, weil sie prozessual vergleichbare Sachverhalte betreffen und die vorgetragenen Argumente weitgehend identisch sind, können nicht ohne weiteres zerschnitten werden, indem man vorbeugende Feststellungsklagen nur in den Fällen annimmt, in denen der Tatbestand einer verwaltungsrechtlichen Ermächtigungsnorm erfüllt sein soll, und von einem zukünftigen Rechtsverhältnis nur dann ausgeht, wenn der Kläger vorträgt, daß "ein konkret bestehendes Vorhaben, eine geplante Handlung die Tatbestandsseite eines Rechtssatzes erfüllen und seine Rechtsfolge auslösen" würde s1 • Bei so vorgenommener Abgrenzung wäre zwar eine Kollision der verschiedenen Regeln vermieden. Es müßte aber gerechtfertigt werden, warum die Grenze so und nicht anders zu ziehen ist. Der vorbeugende Rechtsschutz erfaßt 50

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Bettermann, Zehn Jahre VwGO, S.189. Dagegen auch Siemer, Normenkontrolle, S. 50 f.

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die Rechtsschutzzone vor Erlaß des Verwaltungsaktes und nur in diesem Bereich können auch die "zukünftigen" Rechtsverhältnisse angesiedelt sein. Eine Harmonisierung der Regeln über die Nichtfeststellungsfähigkeit zukünftiger Rechtsverhältnisse und dem aus dem Prozeßzweck abgeleiteten Erfordernis eines "konkreten" Rechtsverhältnisses sowie der Grundsätze über den vorbeugenden Rechtsschutz ist unabdingbar. 2. Das Gewicht, welches dem Verwaltungsakt für die Zulässigkeit der Feststellungsklage nach allgemeiner Ansicht zukommen soll, macht es erforderlich, die prozessuale Bedeutung des Verwaltungsaktes für den Feststellungsstreit zu untersuchen. Angesprochen wird damit zuvörderst die Subsidiaritätsregel, welche das Verhältnis der Feststellungsklage zu den anderen Klagearten bestimmt.

Die in § 43 Abs. 2 S. 1 VwGO und § 41 FGO geregelte Subsidiarität der Feststellungs- gegenüber der Leistungs- und Gestaltungsklage beruht auf der Vorstellung, daß der Kläger - bei Gleichheit des Rechtsschutzziels - sich der effektiveren Rechtsschutzformen bedienen soll52. Die Feststellungsklage führt nur zur Rechtsgewißheit, während die Leistungsklage darüberhinaus vollstreckungsfähig ist und die Gestaltungsklage die Rechtslage unmittelbar verändert. Kann der Kläger auf Leistung oder Gestaltung klagen, soll er diesen Weg sofort einschlagen, weil die Feststellungsklage nicht der Gefahr vorbeugen kann, daß der Beklagte nicht die gebotenen Folgerungen aus der festgestellten Rechtslage zieht und deshalb ein zusätzlicher Prozeß unvermeidlich wird. Die effektivere Rechtsschutzform kann der Kläger nur wählen, wenn beide Klagetypen zulässig sind. Das Konkurrenzproblem zwischen Feststellungsklage einerseits und Leistungs- und Gestaltungsklage andererseits stellt sich demnach eigentlich erst, wenn der Verwaltungsakt als Angriffsobjekt vorliegt bzw. die Voraussetzungen des materiellen Leistungsanspruchs erfüllt sind53 • Demgegenüber hat der Bundesfinanzhof in seinem Urteil vom 1. 2. 73 54 der Subsidiaritätsregel unter Berufung auf den Gesetzeswortlaut einen anderen Sinn zugesprochen. Da das Gesetz nicht darauf abstelle, ob der Kläger eine Leistungs- oder Gestaltungsklage erheben, sondern darauf, ob er seine Rechte mittels dieser Klagearten verfolgen könne, soll eine Feststellungsklage schon dann unzulässig sein, wenn "die begehrte Feststellung, soweit sie materiell berechtigt ist, in absehbarer 52 Vgl. dazu: v. Mutius, VerwArch 1972, S. 229 ff.;Maetzel, DVB11974, S.338; Menger, System, 238; BayVGH, BayVBI 1975, 302. 53 Maetzel, DVBI 1974, S. 338; Ule, VerwArch 1974, S.309. M BStBI 1973 II, S. 533.

Die Bedeutung des Verwaltungs akts für den Feststellungsstreit

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Zukunft vom Finanzamt im Rahmen eines Verwaltungsaktes, insbesondere eines Steuerbescheides zu treffen ist". Ergehe der Verwaltungsakt, könne der Kläger seine Rechte durch die Anfechtungsklage verfolgen 55• - Der Ansicht des Bundesfinanzhofs, nach der die erst in Zukunft zulässig werdende Anfechtungsklage die Feststellungsklage ausschließt, kann schon deshalb nicht gefolgt werden, weil es einen Vorrang der noch nicht zulässigen vor der zulässigen Klage nicht geben kann. Wäre die Feststellungsklage ein Rechtsbehelf minderer Qualität der Art, daß ihre Zulässigkeit schon in Frage gestellt wäre, wenn in Zukunft eine andere Klageart zulässig werden kann, wäre ein Anwendungsfall der Feststellungsklage praktisch nicht denkbar. Denn alle verwaltungsrechtlichen Beziehungen zum Bürger sind so angelegt, daß irgendwann auch eine Leistungs- oder Gestaltungsklage zulässig wird. Das Gegenteil wird auch nicht belegt durch die vom Bundesfinanzhof angeführte Entscheidung vom 4.6.1970 66 • Dort hatte das Gericht eine (vorbeugende) Feststellungsklage zugelassen, mit der die Feststellung begehrt wurde, daß für bestimmte, nach Ansicht des Steuerpflichtigen nicht steuerbare Umsätze die Pflicht zur Voranmeldung und zur Leistung von Umsatzsteuervorauszahlung entfalle. Wenn der Bundesfinanzhof die Zulässigkeit der Klage ausschließlich damit begründet, daß die im Zusammenhang mit der Umsatzsteuervorauszahlung bestehenden Pflichten vom Steuerpflichtigen zu erfüllen seien, ohne daß ein Verwaltungsakt ergehe und mithin die Verweisung auf einen späteren Anfechtungsprozeß nicht in Betracht komme, so ist dies nur bedingt zutreffend. Erfüllt der Steuerpflichtige die ihm auf Grund § 13 UStG obliegenden Pflichten nicht, wird !las Finanzamt auf die Pflichtverletzung reagieren, indem sie das Schätzungsverfahren oder die Strafverfolgung einleitet. Kann die Verweisung auf die Anfechtung des Steuerbescheids damit gerechtfertigt sein, daß im Anfechtungsprozeß die Steuerpflicht überprüft wird, wäre es nur konsequent, den Steuerpflichtigen auf die Rechtsbehelfe gegen den Schätzungsbescheid oder im Strafverfahren zu verweisen. Denn in beiden Verfahren sind auch die Fragen zu klären, über die im Feststellungsprozeß entschieden werden müßte57• Der auch im obigen Urteil des Bundesfinanzhofs anklingende Gedanke, der Bürger habe den Verwaltungsakt abzuwarten, durch den 56 Ähnlich auch Hoffmann, BayVBl 1962, S. 75, der den Sinn der Subsidiaritätsregel darin sieht, "feststellende gerichtliche Eingriffe in den Handlungsbereich der Hoheitsgewalt auszuscheiden". 68 BFHE 99, S. 185 = BStBl 70 H, S.648; dazu kritisch Ruppel, FR 1971, S.332. 67 Vgl. auch BFH, DStR 1973, S. 347: Dort bezog sich die Feststellungsklage auf die Befugnis einer Lohnsteuervereinigung, in bestimmter Weise ihren Mitgliedern Hilfe in Lohnsteuersachen zu gewähren. Der Klägerin wurde nicht zugemutet, die Untersagungsverfügung abzuwarten.

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das Rechtsverhältnis geregelt werde, wird in der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit im wesentlichen damit begründet, das geltende Recht verstehe die Verwaltungsgerichtsbarkeit funktionell als nachträgliche Rechtspflege. Präventiver Rechtsschutz sei erst dann geboten, wenn der repressive Rechtsschutz sich als unzulänglich erweise58 • Wenn dann wie in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs von der "Subsidiarität" der vorbeugenden Feststellungsklage die Rede ist, ist nicht das in § 41 FGO und § 43 Abs. 2 S. 1 VwGO geregelte Konkurrenzproblem zwischen zwei Klagetypen angesprochen, welches erst entsteht, wenn beide Klagen zulässig sind, sondern ein angeblicher Nachrang des präventiven gegenüber dem repressiven Rechtsschutzes59 • Bei unbefangener Betrachtungsweise überrascht das Ergebnis, daß der präventive Rechtsschutz nachrangig gegenüber dem repressiven sein soll, wenn man bedenkt, daß sich nach allgemeiner Meinung der präventive Rechtsschutz gegen eine noch nicht erfolgte, sondern erst bevorstehende Rechtsbeeinträchtigung richtet, während der repressive Rechtsschutz die Aufgabe hat, die erfolgte Rechtsverletzung zu beseitigen60 • Man sollte meinen, daß alle Anstrengungen dahin gehen sollten, Rechtsverletzungen zu verhindern, statt sich damit zu begnügen, deren Folgen zu beseitigen. Noch verwunderlicher scheint es, wenn dabei die vorbeugende Feststellungsklage und die Unterlassungsklage in einem Atemzug genannt werden, die von den gleichen Voraussetzungen abhängig sein sollen61 • Unterlassungsklage und Feststellungsklage haben gemeinsam, daß die Urteilsaussage keine erfolgte Rechtsverletzung voraussetzt und zukünftiges Verhalten der Parteien lenken soll. Diese Regeln sind auch im Verwaltungsprozeß für den Fall anerkannt, daß die Klage sich gegen einen Realakt der Behörde richtet. Wenn demnach nur die Rechtsverhältnisse anders behandelt werden sollen, welche durch Verwaltungsakt geregelt werden, so stellt sich die Frage nach dem Grund für die Sonderbehandlung. Die Gründe können nicht in dem allgemeinen Verhältnis von Leistungs- und Gestaltungsklage einerseits und Feststellungsklage 58 BVerwGE 26, S.23 = DVB11968, S.650 = DÖV 1967, S.463 = NJW 1967, S. 996; BVerwGE 40, S.325 = DVB11973, S.34 = DÖV 1973, S.200 = BayVBl 1973, S.273. R. Naumann, Jellinek-Gedächtnisschrift, S. 393; Haug, DÖV 1967, S. 88; Schenke, AöR Bd.95, S. 249; Ruppel, FR 1971, S. 337; Bettermann, Zehn Jahre VwGO, S.185; Maetzel, DVBI 1974, S.338; Lorenz, Rechtsschutz des Bürgers, S. 138 ff. 59 Bettermann, Zehn Jahre VwGO, S.188 ff.; Maetzel, DVBI 1974, S.338; Schenke, AöR Bd. 95, S. 249. 60 me, VerwArch 1974, S.294; Bettermann, Zehn Jahre VwGO, S.186ff.; Maetzel, DVBI 1974, S.335. 61 Vgl. z. B. BVerwG, DVBI 1971, S.747 = BauR 71, S.100; Schenke, AöR Bd.95, S. 223; Ule, VerwArch 74, S.291ff.

Die Bedeutung des Verwaltungsakts für den Feststellungsstreit

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andererseits zu suchen sein. Denn ansonsten wäre es nicht verständlich, warum der Bürger nur den Verwaltungsakt, nicht aber sonstige Formen der Rechtsverletzung abwarten muß, bevor er das Gericht anrufen kann. Ausgehend von der allgemeinen Regel, daß Feststellungs- und Unterlassungsklagen die erfolgte Rechtsverletzung nicht voraussetzen, hat Ule 62 die Besonderheit der Feststellungsklage, mit der einem Verwaltungsakt vorgebeugt werden soll, damit begründet, daß im Zivilrecht die Rechtsbeeinträchtigung, die durch eine unerlaubte Handlung oder Vertragsverletzung bewirkt werde, lediglich einen Wiederherstellungsoder Schadensersatzanspruch begründe. Es gebe keine Klage, welche die unerlaubte Handlung oder Rechtsverletzung selbst aufhebe. Demgegenüber stehe im Verwaltungsprozeß dem Bürger, der durch einen rechtswidrigen Verwaltungsakt verletzt werde, die Anfechtungsklage zu, die zu einer Beseitigung der im Verwaltungsakt liegenden Rechtsverletzung mit Wirkung ex tune führe. Bewertet man den Vergleich zwischen zivilrechtlicher Beseitigungsund Schadensersatzklage und verwaltungsrechtlicher Anfechtungsklage unter der Prämisse, daß die Feststellungsklage nicht notwendigerweise eine Rechtsverletzung voraussetzt, wird man der Auffassung, daß regelmäßig der Erlaß des Verwaltungsaktes abzuwarten sei, nicht ohne weiteres zustimmen können. Denn nach § 42 Abs.2 VwGO ist die Anfechtungsklage zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein. Nach der Gesetzeskonzeption führt also schon der Erlaß eines mit der materiellen Rechtslage nicht im Einklang stehenden Verwaltungsaktes zu einer Rechtsverletzung. Der Grund für diese Konzeption ist es, daß das im Verwaltungsakt enthaltene Gebot auch zu befolgen ist, wenn es nicht vom materiellen Recht gedeckt ist. Die Möglichkeit rückwirkender Aufhebung ändert auch nichts daran, daß der Kläger bis zur gerichtlichen Kassation gehalten ist, das im Verwaltungsakt enthaltene Gebot zu befolgen. Allerdings könnte man darauf hinweisen, daß die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage von der Befolgungspflicht entbindet. Ob man annehmen kann, daß die durch den Erlaß des rechtswidrigen Verwaltungsaktes erfolgte Rechtsverletzung gewissermaßen ungeschehen wird, weil der Betroffene es in der Hand hat, sich durch eigenes Handeln aus der Bindung zu lösen, mag schon zweifelhaft sein, zumal wenn berücksichtigt wird, daß bei manchen Verwaltungsakten die aufschiebende Wirkung entfällt und bei allen Verwaltungsakten die sofortige Vollziehung angeordnet werden kann. Das damit angesprochen Verhältnis von Klage und vorbeugendem Rechtsschutz dürfte jeden82

Ule, VerwArCh 1974, S.304.

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falls für die Frage, ob schon der Verwaltungsakt zur Rechtsverletzung führt, unergiebig sein. Denn beide setzen die Existenz des Verwaltungsaktes voraus. Deshalb wertet auch Ule die Anfechtungsklage als eine die Rechtsverletzung beseitigende Rechtsschutzfonn81 • Der Vergleich zwischen zivil- und öffentlichrechtlicher Lage fällt anders aus, wenn man die Arten der Rechtsstörungen vergleicht, die aus einer unerlaubten Handlung oder Vertragsverletzung und aus einem Verwaltungsakt resultieren. Der belastende Verwaltungsakt enthält die Aufforderung zu einem bestimmten Verhalten des Adressaten. Als öffentlichrechtliche Willenserklärung steht er in vordergründiger Verwandtschaft mit der zivilen Anspruchsberühmung. Sieht man den Verwaltungsakt als Anspruchsberühmung an, gegen die sich der Kläger durch Widerspruch und Klage verteidigen kann, bevor er dem Gebot nachkommen muß, liegt es nahe, eine Klage vor Erlaß des Verwaltungsaktes nicht zuzulassen. Die mit dem Erlaß des Verwaltungsaktes begründete Rechtsverletzung wäre eine prozessuale "quantite negligeable", wenn die eigentliche Rechtsverletzung erst darin bestünde, daß der Bürger auf Grund des Urteils verpflichtet wird, dem Verwaltungsakt Folge zu leisten64 • Bei dieser Betrachtungsweise würde der von Ule angestellte Vergleich zwischen bürgerlich- und öffentlichrechtlicher Lage zutreffen. Auf der Grundlage eines solchen Verständnisses würde auch manches für die allgemein vertretene Ansicht sprechen, daß die Verwaltungsgerichtsbarkeit grundsätzlich repressiven Rechtsschutz gewähre; eine Ansicht, die mit der Ausgestaltung des Klagesystems der VwGO und einer angeblichen Wartepflicht des Rechtsinhabers begründet wird, der das Gericht grundsätzlich erst dann soll anrufen können, wenn sein Recht bereits verletzt ist. Dann wäre auch verständlich, warum für den vorbeugenden Rechtsschutz gegen Real- und Verwaltungsakte der Behörde unterschiedliche Regeln gelten sollen65 • Sicherlich lassen sich zwischen dem Verwaltungsakt und der Anspruchsberühmung des Privaten Parallelen ziehen, wenn man darauf abstellt, daß der Verwaltungsakt durch das in ihm enthaltene Gebot oder Verbot den Adressaten "bloß" zu einem bestimmten Verhalten auffordert. In diesem Sinne enthält der Verwaltungsakt die Kundgabe der behördlichen Auffassung über die Rechtslage angesichts eines beVerwArch 1974, S.304. In diesem Sinne auch Ringe (DVBI 1958, S. 380): "Eine ins Gewicht fallende Gefährdung der Rechte des Staatsbürgers durch den bloßen Erlaß des Verwaltungsaktes ist überhaupt zu leugnen, da es der Betroffene in der Hand hat, die Gefährdung seiner Rechtsgüter durch Rechtsmittel" abzuwehren. 65 Vgl. in diesem Zusammenhang Rupp, DVBI 1958, S.119; Schenke, AöR Bd.95, S.225; Bettermann, Zehn Jahre VwGO, S.193; Maetzel, DVBI 1974, S. 339 ff. 83

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stimmten Sachverhalts. Gleichen sich Anspruchsberühmung des Privaten und Verwaltungsakt darin, daß sie beide Willenserklärungen sind, so bestehen doch entscheidende Unterschiede in der Wirkungsweise der Erklärungen. Berühmt der Private sich eines Anspruchs, kann er diesen nur mit Hilfe der Gerichte durchsetzen, und dies nur dann, wenn der geltend gemachte Anspruch nach materiellem Recht begründet ist. Demgegenüber kommt dem Verwaltungsakt selbst Titelfunktion zu, die er auch gewinnt, wenn die behördliche Erklärung über das, was im Einzelfall rechtens sein soll, nicht vom materiellen Recht gedeckt ist. Diese Unterschiede zwischen der Willenserklärung des Privaten und des hoheitlichen Befugnisträgers, die für die Ausgestaltung des Klagesystems wesentlich sind, kann man nicht nivellieren oder für unerheblich erklären, indem man entweder die besondere Wirkkraft des Verwaltungsaktes überhaupt leugnet, weil man in der unterlassenen Anfechtung trotz Rechtsmittelbelehrung eine Zustimmung des Adressaten zu der im Verwaltungsakt angeordneten Rechtsfolge zu sehen vermeint 66 oder auf die verwaltungsprozessualen Möglichkeiten des vorläufigen Rechtsschutzes verweist67 • - Das Wesen des Verwaltungsaktes als eines verbindlichen Ausspruches läßt sich mit der Erwägung, daß die unmittelbare rechtliche Wirkung des Verwaltungsaktes durch die Anfechtung des Beschwerten über den Suspensiveffekt von Widerspruch und Klage neutralisiert werden kann, ebensowenig bezweifeln wie die Eigenart des erstinstanzlichen Urteils, Vollstreckungstitel zu sein, nicht durch die Rechtsmittelfähigkeit des Urteils in Frage gestellt wird. Unterläßt es der Beschwerte, den Verwaltungsakt anzufechten, wird dieser nicht seines hoheitlichen Charakters entkleidet; der belastende Verwaltungsakt bedarf gerade nicht der Zustimmung des Betroffenen, um seine Wirkungen mit der Bekanntgabe zu entfalten. Die Anfechtung führt zur rechtlichen überprüfung des Aktes, das Unterlassen der Anfechtung bedingt den Verlust der Kontrollmöglichkeit. Eine weitere Bedeutung kommt den Anfechtungsfristen nicht zu. Deshalb ist es nicht gerechtfertigt, den Verwaltungsakt allein wegen des dem Bürger zustehenden Anfechtungsrechts auf eine Stufe mit der zivilrechtlichen Anspruchsberühmung zu stellen68 • Demgegenüber ließe sich aber in die Waagschale werfen, daß die Prozeßordnungen besondere Vorkehrungen dafür getroffen hätten, um die unmittelbare Bindungswirkung von Verwaltungsakten aufzuheben, indem sie Widerspruch und Klage mit Suspensiveffekt ausstatteten. Kommt dem Suspensiveffekt von Widerspruch und Klage die spezifische Martens, DVBI 1968, S. 324. Rupp, DVBI 1958, S.119; Maetzel, DVBI 1974, S.338; Schenke, AöR Bd.95, S.250; und hier Teil 2 IV. 2. 68 So auch Henke, Das subjektive öffentliche Recht, S. 106. 86

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Funktion zu, die Bindungswirkung der Verwaltungsakte zu neutralisieren, liegt die überlegung nahe, den Verwaltungsakt im übrigen nur als Willenserklärung zu behandeln, mit dem ein Anspruch geltend gemacht wird. Von dieser Warte aus gesehen ist es konsequent, Klagen des Bürgers grundsätzlich nicht zuzulassen, bevor sich nicht der Träger öffentlichrechtlicher Befugnisse durch den Verwaltungsakt eines Anspruchs berühmt. Klagen auf Feststellung eines Rechtsverhältnisses, die durch Verwaltungsakte geregelt werden, führen dann zur Umgehung der besonderen Regeln, die für den Rechtsschutz gegen Verwaltungsakte vorgesehen sind". Den in § 80 Abs. 1 VwGO geregelten Suspensiveffekt von Widerspruch und Klage erfaßt man in seinem vollen Sinngehalt nur, wenn man ihn eingebettet in das in § 80 Abs. IV und V geregelte Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes sieht. Aufgabe dieses Verfahrens ist es, einen effektiven Rechtsschutz gegenüber Maßnahmen der Exekutive zu gewährleisten, indem verhindert wird, daß durch die öffentlichen Befugnisträger selbst oder auf Grund ihrer Mitwirkung vollendete Tatsachen geschaffen werden, ehe das Gericht über die Hauptsache entschieden hat. Verliert man den Zweck des Verfahrens nach § 80 VwGO nicht aus dem Auge, irreparable Zustände zu verhindern und den Sachverhalt entscheidbar zu halten, fällt die Beantwortung der Frage nicht schwer, ob die Regeln über den vorläufigen Rechtsschutz die Zulässigkeit einer Klage auf Feststellung eines Rechtsverhältnisses beeinflussen, welches in Zukunft durch Verwaltungsakt geregelt wird. Zwischen der Anfechtungsklage und dem vorläufigen Rechtsschutz nach § 80 VwGO bestehen ähnliche Zusammenhänge wie zwischen der Verpflichtungsklage und der einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO oder der zivilrechtlichen Leistungsklage und der einstweiligen Verfügung: Die Feststellungsklage führt zur Rechtsklarheit über die Rechtslage angesichts eines bestimmten Sachverhalts. Ihre Erhebung hindert die Verwaltung nicht, das streitige Rechtsverhältnis durch Verwaltungsakt zu regeln und diesen zu vollstrecken. Mit der Feststellungsklage kann deshalb der Erfolg, der über den vorläufigen Rechtsschutz erzielt wird, nicht erreicht werden. Umgekehrt kann mit den Mitteln des vorläufigen Rechtsschutzes nie die endgültige Klärung der Rechtslage herbeigeführt werden, die durch das Feststellungsurteil bewirkt wird. Decken sich demnach das Feststellungsverfahren und das Verfahren nach § 80 VwGO weder in den Voraussetzungen noch in den Wirkungen, dürfte es kaum möglich sein, den Kläger, der einen Feststellungsstreit einleiten will, auf das Verfahren nach § 80 VwGO zu verweisen. Die Ansicht, daß präventiver Rechtsschutz erst geboten sei, wenn der 611 Vgl. in diesem Zusammenhang z. B. Maetzel, DVBI 1974, S. 338 f.; Bettermann, Zehn Jahre VwGO, S.194 ff.; Schenke, AöR Bd.95, S.252.

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repressive Rechtsschutz sich als unzulänglich erweise, kann deshalb nicht auf § 80 VwGO gestützt werden70• Zu welchen befremdlichen Ergebnissen diese Auffassung führen muß, zeigt auch die Überlegung von Bettermann, daß dann, wenn man überhaupt ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen dem vorläufigen Rechtsschutz und der (vorbeugenden) Feststellungsklage begründet, man konsequenterweise auch im Rahmen des Feststellungsstreits die in § 80 getroffenen Wertungen berücksichtigen muß71. Danach wären Feststellungsklagen in den Fällen des § 80 Abs. 2 Ziff. 1 - 3 VwGO in der Regel nicht möglich und im übrigen müßte überlegt werden, ob überwiegende Interessen der Klage entgegenstehen. Derartige Abwägungen sind aber im Zusammenhang mit der Klage und dem Urteilsverfahren über die Feststellung eines Rechtsverhältnisses, welches zu einer endgültigen Entscheidung führen soll, fehl am Platz. Die im Verfahren nach § 80 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung ist ausschließlich zugeschnitten auf ein summarisches Verfahren, in dem entschieden werden soll, ob es der Behörde - vorläufig - gestattet wird, den mit dem Verwaltungsakt eingeschlagenen Weg bis zur Hauptsacheentscheidung weiterzubeschreiten oder ob überwiegende Interessen des Betroffenen Einhalt gebieten. Auf seiten des Bürgers spielt dabei insbesondere eine Rolle, ob durch die Vollziehung des Verwaltungsaktes vollendete Tatsachen geschaffen werden, welche die Hauptsacheentscheidung als sinnlos erscheinen lassen, und gerade dieser Aspekt - Verhinderung vollendeter Tatsachen - fällt im Rahmen der Feststellungsklage nicht ins Gewicht, weil die Rechtshängigkeit der Klage die Verwaltung nicht daran hindert, den Verwaltungsakt zu erlassen und zu vollstrecken. Kann demnach die Auffassung, daß Rechtsverhältnisse, die durch Verwaltungsakt geregelt werden, nur unter besonderen, d. h. erschwerten Voraussetzungen dem Rechtsschutz in der Form der Feststellungsklage zugängig sein sollen, nicht mit der Erwägung gerechtfertigt werden, den Rechtsinstituten des vorläufigen Rechtsschutzes käme im Bereich der durch Verwaltungsakt zu regelnden Rechtsverhältnisse die Aufgabe zu, die im übrigen durch die Feststellungsklage gelöst werde, so fragt sich, warum der Bürger in der Regel gehalten sein soll, den Erlaß des Verwaltungsaktes abzuwarten72 • 70 So aber die ständige Rechtsprechung des BVerwG, vgl. z. B. BVerwGE 26, S. 23; BVerwGE 40, S. 325; OVG Münster, DÖV 1971, S. 393; auch Maetzel, DVBl 1974, S.338. 71 Bettermann, Zehn Jahre VwGO, S. 195. 72 Eine andere Frage ist die, ob auch die Mittel des vorläufigen Rechtsschutzes eine vorbeugende Funktion haben; vgl. dazu Bettermann, in: Zehn Jahre VwGO, S.188 ff.; Ule, VerwArch 1974, S.296; für den Bereich des Zivilrechts differenzierend Henckel, AcP Bd. 174, S. 105 ff.

7 Trzaskal1k

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Betrachtet man die Entwicklung des Verwaltungsprozesses, ist die Feststellung zutreffend, daß der Verwaltungsrechtsschutz traditionell repressiver Natur gewesen ist. Da die Verwaltungsrechtspflege zunächst ausschließlich von den Verwaltungsbehörden ausgeübt wurde, konnte die Rechtskontrolle nur in der Form der überprüfung und gegebenenfalls Kassation der erstinstanziellen Entscheidung stattfinden. Aber auch nach der Entwicklung einer echten - d. h. von unabhängigen Gerichten ausgeübten - Verwaltungsrechtsprechung blieb die Vorstellung der Verwaltungsrechtspflege als gerichtliche Korrektur behördlicher Entscheidungen erhalten. Die nach dem Enumerationsprinzip konzipierten Prozeßgesetze orientierten sich weitgehend an der ein Rechtsverhältnis regelnden Verfügung der Behörde, und bis zur Einführung der Feststellungsklage war die Anrufung der Gerichte nicht möglich, falls nicht eine behördliche Entscheidung vorlag. Spätestens seit der Zeit der allgemeinen Einführung der Feststellungsklage in öffentlichrechtlichen Streitigkeiten ist die Ansicht, der Verwaltungsrechtsschutz sei grundsätzlich kassatorischer Natur, fragwürdig geworden73. Nach der Konzeption der VwGO, FGO und des SGG stehen die verschiedenen Klagearten gleichwertig nebeneinander, und ein Vorrang der Leistungs- und Gestaltungsklagen der Art, daß die Zulässigkeit der Feststellungsklage davon beeinflußt würde, ob in einem späteren Zeitpunkt ein am Verwaltungsakt orientierter Rechtsstreit möglich wird, läßt sich den geltenden Prozeßordnungen nicht ohne weiteres entnehmen. Wenn demgegenüber der prinzipielle Vorrang des repressiven Rechtsschutzes damit begründet wird, erst sollten sich die Behörden mit dem "Fall" befassen, nur als "letzte Rettung" sollten die Gerichte eingeschaltet werden74, und die Verwaltungsbehörden dürften nicht die Möglichkeit haben, sich ihrer Entscheidungspflicht durch Zuwarten zu entziehen715, so schwingen verschiedene überlegungen mit. Angesprochen wird das Gewaltenteilungsprinzip, gegen welches ein Urteilsausspruch verstoßen soll, der einem Verwaltungsakt vorbeugt76. Neben dem durch das Gewaltenteilungsprinzip bestimmten Verhältnis von Verwaltung und Gericht spielt zudem der instrumentale Gehalt des Verwaltungsaktes eine Rolle, der es ermöglicht, einseitige Regelungen zu treffen. Der vorbeugende Rechtsschutz soll die Entschließungsfreiheit beeinträchtigen und in den Handlungsbereich der Behörde eingreifen77. 73 So schon R. Naumann, Jellinek-Gedächtnisschrift, S.393. 74 Jellinek, Lehrbuch, S.30l. 76 Bergmann, DÖV 1959, S. 575. 78 So OVG Münster, NJW 1957, S.1251; DVBI 1965, S.275 = DÖV 1965, S. 411; Ringe, DVBI 1958, S. 379; Hoffmann, BayVBl 1962, S.74; Tschira / Schmitt Glaeser, Lehrbuch S.169.

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Die vorbeugende Klage konnte man als Eingriff in die Kompetenzen der Verwaltung ansehen, als die Verwaltungsbehörden noch selbst Rechtsprechung ausübten. Die Bestimmung des nach dem materiellen Recht der Verwaltung eröffneten Handlungsraums durch das Urteil, sei es in der Form, daß ein rechtswidriger Verwaltungsakt aufgehoben, sei es, daß die Rechtswidrigkeit eines zu erwartenden Verwaltungsaktes festgestellt wird, gehört heute nach der prinzipiellen Scheidung von Verwaltung und Rechtsprechung zu den Aufgaben der dritten Gewalt7 8 ; ein Recht der Verwaltung, ungestört einen rechtswidrigen Verwaltungsakt zu erlassen, ist nicht anzuerkennen78• Prinzipielle Einwände gegen den vorbeugenden Rechtsschutz können auch nicht mit der Befürchtung begründet werden, der vorbeugende Rechtsschutz beeinträchtige die Funktionsfähigkeit der Verwaltung. Dient der vorbeugende Rechtsschutz zur Klärung der Frage, ob ein geplantes Verhalten des Bürgers rechtmäßig ist, handelt es sich ausschließlich darum, ob das Interesse des Privaten, rechtmäßig zu handeln, schutzwürdig ist. In diesem Zusammenhang ist zu erörtern, ob eine Vorabentscheidung zu den Aufgaben der Verwaltung gehört. Bejaht man dies, führt der vorbeugende Rechtsschutz nicht zu einer Behelligung der Verwaltung mit Angelegenheiten, die sie nichts angehen. Soll der vorbeugende Rechtsschutz erst eingreifen, wenn der Bürger bereits gehandelt hat und nur noch der Verwaltungsakt aussteht, sind die Maßstäbe festzulegen, welche Überlegungszeit der Verwaltung für den Erlaß des Verwaltungsaktes zugebilligt werden muß. Mit einer undifferenzierten Verweisung auf die Notwendigkeit eines reibungslosen Verwaltungsablaufs ist hier nichts gewonnen, zumal da die Rechtshängigkeit der vorbeugenden Klage die Verwaltung nicht daran hindert, den Verwaltungsakt zu erlassen. 77 Hoffmann, BayVBI 1962, S.102; vgl. dazu auch Weckerle, Vorbeugender Rechtsschutz, S. 115 ff. Soweit auf die Gefahr hingewiesen wird, der vorbeugende Rechtsschutz könne die öffentlichrechtlichen Befugnisträger dazu ermuntern, durch Zuwarten die Entscheidungsverantwortung auf die Gerichte abzuwälzen (so Bergmann, DÖV 1959, S.575), ist die Versagung vorbeugenden Rechtsschutzes kein geeignetes Mittel zur Abhilfe. Die mangelnde Aufgabenerfüllung der Organträger ruft lediglich die verwaltungsinternen Gegenmittel - z. B. die Aufsicht - auf den Plan. 78 Dieser grundsätzliche Befund wird auch nicht durch die heute im Zusammenhang mit dem Rechtsschutz bei unbestimmten Rechtsbegriffen, Ermessen und dem Verhältnis der Verwaltungsgerichtsbarkeit zur planenden Verwaltung geführte Diskussion über den (kontrollfreien) Gestaltungsraum der Verwaltung in Frage gestellt; vgl. dazu Ossenbühl, DVBI 1974, S. 308 ff.; Stüer, DVBI 1974, S. 314 ff.; Hoppe, DVBI 1975, S. 684 ff.; Blümel, DVBI 1975, S. 695 ff. 78 Im Ergebnis so: Rupp, DVBI 1958, S.118 f.; Weckerle, Vorbeugender Rechtsschutz, S.117 ff.; Ule, VerwArch 1974, S.300; Schenke, AöR Bd.95, S.243.

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Der Vorrang der Anfechtungs- vor der Feststellungsklage ergibt sich demnach weder aus dem Verhältnis der Klagearten zueinander, noch folgt er aus allgemeinen überlegungen zur Verwaltungsverantwortlichkeit. Eine Rechtfertigung für die angebliche Pflicht des Bürgers, den Erlaß des Verwaltungsaktes abzuwarten, wäre allerdings vorhanden, wenn ein Rechtssatz des Inhalts anzuerkennen wäre, daß der Rechtsinhaber grundsätzlich abwarten müsse, ob und wie sein Recht verletzt werde. Für die Berechtigung eines solchen Grundsatzes wird angeführt, daß nach erfolgter Rechtsverletzung das Rechtsschutzinteresse in aller Regel evident sei, während vor Eintritt der Rechtsverletzung die Vermutung gegen ein Rechtsschutzbedürfnis spreche, weil Klagen, mit denen einer Rechtsverletzung vorgebeugt werden soll, Eventualklagen seien. Solche Eventualklagen seien unerwünscht, weil es sich um "Prozesse auf Verdacht" handele, da noch nicht gewiß sei, ob es tatsächlich zu einer Rechtsverletzung komme. Die Chance, daß die Rechtsverletzung unterbleibe, müsse offengehalten werden80•

V. Der Prozeß: Reaktion auf fremde Rechtsverletzung oder Sicherung eigenen normgemäßen Verhaltens Die Auffassung, daß das Gericht grundsätzlich erst nach erfolgter Rechtsverletzung angerufen werden könne, ist auf ein bestimmtes Prozeßrechtsverständnis zurückzuführen. Der Grundsatz, daß der Prozeß erst an die erfolgte Rechtsverletzung anknüpfe, beanspruchte noch im gemeinen Recht uneingeschränkte Gültigkeit81 • Ihm kam auch für die Einführung der Feststellungsklage Bedeutung zu. Mit der Feststellungsklage sollte aber gerade dem Bedürfnis Rechnung getragen werden, Rechtsschutz zur Abwendung bevorstehender Rechtsverletzungen zu erlangenS2• 1. Wird über die Feststellungsklage das Stadium vor erfolgter Rechtsverletzung in die rechtsschutzfähige Zone einbezogen, so ist es fragwürdig, die Zulässigkeit der vorbeugenden Feststellungsklage von der Wertung abhängig zu machen, ob dem Rechtsträger die Verweisung auf den repressiven Rechtsschutz zugemutet werden kann. Wer die Zuläs80 So Bettermann, Zehn Jahre VwGO, S.189; in dieser Richtung auch Kellner, Verhdl. des 44. Dt. Juristentages, Sitzungsberichte Bd. II, D 59. 81 Vgl. Windscheid,Actio, S. 221 fi. 82 Vgl. dazu insbesondere schon die Motive zu § 224 des Entwurfs einer Prozeßordnung in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten für den preußischen Staat, S. 49 ff.; zu § 223 des Entwurfs der ZPO vgl. Hahn, Materialien zur Zivilprozeßordnung, Bd. I, S. 255 ff.; ferner Wach, S. 4 ff.; Kadel, Feststellungsklage, S. 44 ff.; auch schon Bähr, Anerkennung, S. 280.

Die Bedeutung der "Rechtsverletzung" für das Prozeßverständnis

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sigkeit der vorbeugenden Feststellungsklage in dieser Weise einschränkt, müßte in gleicher Weise hp.i den vorbeugenden Leistungsklagen (§ 257 bis 259 ZPO) und bei der Unterlassungsklage verfahren: Man mag die §§ 257, 258 ZPO, die für bestimmte Leistungsverlangen eine Verurteilung vor Fälligkeit des Anspruchs vorsehen, noch als Ausnahme von dem Grundsatz werten, daß der Prozeß an die erfolgte Rechtsverletzung anknüpfe. Jedenfalls erklärt aber § 259 ZPO generell die Verurteilung vor Fälligkeit für zulässig, wenn der Schuldner zu erkennen gibt, daß er im Fälligkeitszeitpunkt - aus welchem Grund auch immer - nicht leisten werde. Da eine Leistungspflicht vor Fälligkeit nie in Betracht kommt, ist auch die Leistungsverweigerung bis zu diesem Zeitpunkt stets rechtmäßig. Obwohl der Beklagte im Fall des § 259 ZPO nicht rechtswidrig handelt, rechtfertigt die erklärte Weigerung stets die Klage, ohne daß es darauf ankäme, ob es dem Anspruchsinhaber zugemutet werden könnte, den Fälligkeitszeitpunkt seiner Forderung abzuwarten. In gleicher Weise ist die Zulässigkeit der Unterlassungsklage, der ausschließlich präventive Funktion zukommt, nie von der Prüfung abhängig, ob der Berechtigte etwa auf die Rechtsmittel gegen die erfolgte Rechtsverletzung verwiesen werden kann. So unterschiedlich die Voraussetzungen der genannten Präventivklagen83 auch sein mögen, ihnen ist jedenfalls gemeinsam, daß sie nicht Reaktion auf eine erfolgte Rechtsverletzung sind und es nicht darauf ankommt, ob es dem Kläger zugemutet werden kann, die Rechtsverletzung abzuwarten. Bei allen diesen Klagen treffen die Bedenken, die gegen die vorbeugende Feststellungsklage vorgetragen werden, mehr oder minder zu: Bei der Leistungsklage vor Fälligkeit (§§ 257 - 259 ZPO) besteht allenfalls die Wahrscheinlichkeit, daß der Schuldner nicht leisten werde. Ihm wird durch die vorbeugende Klage die Möglichkeit genommen, seiner Leistungspflicht ohne den Druck durch das Urteil nachzukommen. Denkbar ist es auch, daß sich bis zum Zeitpunkt der Fälligkeit noch Gründe ergeben, die ihn dazu berechtigen, die Leistung zu verweigern. Und schließlich könnte auch stets die Frage gestellt werden, warum es dem Gläubiger nicht zumutbar ist, mit der Klage bis zum Fälligkeitszeitpunkt zu warten. Nicht wesentlich anders ist das Bild bei der Unterlassungsklage. Da die Unterlassungsklage ihre Wirkung nur für zukünftiges pflichtwidriges Verhalten des Beklagten entfalten kann, gehört es zum Wesen des Unterlassungsstreits, daß er über 83 Nach den Ausführungen von Kötz (AcP Bd. 174, S. 154 f.) kennt das anglo-amerikanische Recht eine "generelle Subsidiarität" des vorbeugenden Rechtsschutzes. - Henckel (AcP Bd.174, S.105) unterscheidet zwischen vorbeugendem und vorsorgendem Rechtsschutz, zu dem er die Klagen auf zukünftige Leistung rechnet. Auch nach der Auffassung von Henckel bestehen aber Gemeinsamkeiten zwischen vorbeugendem und vorsorgendem Rechtsschutz, die hier allein interessieren.

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Teil 2: Die Dimension der Zeit im Feststellungsprozeß

einen hypothetischen, weil noch nicht real verwirklichten Sachverhalt geführt wird. Es handelt sich dabei stets um Prozesse auf Verdacht und dies auch dann, wenn der Unterlassungsstreit durch eine bereits erfolgte Rechtsverletzung ausgelöst wird. Denn das Urteil befindet nicht über das bereits verwirklichte pflichtwidrige Verhalten; dieses dient nur als Modell, um dem Pflichtigen ein derartiges Verhalten für die Zukunft unter Strafandrohung zu verbieten. Soweit davon ausgegangen wird, daß nach der Rechtsverletzung das Rechtsschutzinteresse in aller Regel evident sei8', ist diese Auffassung auf den Leistungsprozeß zugeschnitten. Behauptet der Kläger nur, der Beklagte habe seine Rechtssphäre verletzt, und leitet er nicht gleichzeitig aus dieser Rechtsverletzung einen Anspruch ab, wäre die Klage nur zulässig, wenn - wie in allen anderen Fällen der Feststellungsklage - ein berechtigtes Interesse an der gerichtlichen Entscheidung dargelegt würde. Die Tatsache allein, daß eine Rechtsverletzung begangen worden ist, rechtfertigt nie den Prozeß. Eine gerichtliche Entscheidung ergeht über sie nur im Hinblick auf die aus ihr abgeleiteten Rechtsfolgen oder mit Rücksicht auf ein anderweitiges Rechtsschutzinteresse des Klägers. Die Behauptung, einen Anspruch durchsetzen zu wollen, begründet das Rechtsschutzinteresse. Die Leistungsklage ist nicht deshalb zulässig, weil ihr etwa stets eine Rechtsverletzung vorgelagert wäre, sondern weil unser Rechtsschutzsystem auf dem Verbot der Selbsthilfe aufbaut und den Anspruchsinhaber auf den Rechtsweg verweist. Die gerichtliche Geltendmachung eines Anspruchs, mag sich dieser als begründet oder unbegründet erweisen, stellt eine bestimmungsgemäße Inanspruchnahme der Rechtsschutzorgane dar und allein deshalb ist die Klage desjenigen stets zulässig, der behauptet, einen Anspruch durchsetzen zu wollen. Die Auffassung, daß im Leistungsprozeß - im Gegensatz zum Feststellungsprozeß - das Rechtsschutzinteresse nicht begründungsbedürftig sei81, ist deshalb zumindest mißverständlich: Die Behauptung eines Anspruchs enthält die intensivste Darlegung eines berechtigten Interesses an einer gerichtlichen Entscheidung. In den Fällen der §§ 257 - 259 ZPO liegt - mangels Fälligkeit weder ein Anspruch vor, der nach allgemeinen Regeln die Klage rechtfertigen würde, noch hat der Beklagte hinsichtlich der zukünftigen Ansprüche rechtswidrig gehandelt. Ein Bezug ist allein insoweit vorhanden, als das Urteil sich auf einen Anspruch richtet, den der Kläger wahrscheinlich in Zukunft gerichtlich geltend machen müßte, weil Grund für die Annahme besteht, daß der Beklagte der Leistungsaufforderung nicht rechtzeitig nachkommen werde. Bleibt auch stets eine Ungewißheit, ob das Urteil in Zukunft seinen Sinngehalt entfalten U

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Bettermann, Zehn Jahre VwGO, 8. 189. Bettermann, Zehn Jahre VwGO, 8.189.

Die Bedeutung der "Rechtsverletzung" für das Prozeßverständnis

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wird, so ist der vorbeugende Prozeß doch sinnvoll, weil das Urteil unter der Voraussetzung, daß der geltend gemachte Anspruch nach Inhalt und Fälligkeit bereits bestimmbar ist, einen Leistungsprozeß nach Fälligkeit erübrigt. Damit entfallen Bedenken, die daraus hergeleitet werden könnten, daß die Gerichte vorrangig mit den repressiven Rechtsschutzaufgaben befaßt werden sollten88• Die Unsicherheit, ob die Leistung auch wirklich geschuldet bleibt, wird in Kauf genommen mit Rücksicht auf das Interesse, welches entweder bei bestimmten Leistungen (§ 257 ZPO) oder generell (§§ 258, 259 ZPO) auf Grund des Verhaltens des Beklagten berechtigt erscheint87 • Die verbleibende Ungewißheit, ob der Beklagte nicht vielleicht im Fälligkeitszeitpunkt auch ohne Verurteilung seiner Pflicht nachkommt, und die immer vorhandene Möglichkeit, daß das Urteil infolge Wegfall des Leistungsanspruchs keine praktische Bedeutung gewinnt - im nachhinein also reiner Verdachtsprozeß war -, müssen unberücksichtigt bleiben, will man überhaupt vorbeugenden Rechtsschutz gewähren. Den §§ 258 - 259 ZPO läßt sich die Regel entnehmen, daß derjenige, der eine ihn verpflichtende Rechtsbindung ernsthaft in Zweifel zieht, auch dann den Rechtsfrieden in einer die Klage rechtfertigenden Weise stört, wenn die Verpflichtung erst in Zukunft zu erfüllen ist. Die bei den vorbeugenden Leistungsklagen bereits erkennbar werdende friedensstiftende Funktion, die das Urteil auch und gerade dann entfalten kann, wenn noch keine Rechtsverletzung vorliegt, rückt noch mehr bei der Unterlassungsklage in den Vordergrund. Die Unterlassungsklage dient zur Abwehr widerrechtlicher Eingriffe in Rechte oder gesetzlich geschützte Rechtsgüter. Mit der vorbeugenden Klage nach §§ 257 - 259 ZPO weist sie die Gemeinsamkeit auf, daß schon die Wahrscheinlichkeit, der Beklagte werde in die geschützte Rechtssphäre des Klägers eindringen, die Klage rechtfertigt. Wie bei der vorbeugenden Leistungsklage i. S. der §§ 257 ff. ZPO ein bewertbarer Sachverhalt vorliegt, wenn der geltend gemachte Anspruch nach Inhalt und Umfang feststeht, so ist ein Urteil über die vorhandene (gegenwärtige) Unterlassungspflicht sinnvoll, mag sich diese auch erst in Zukunft auswirken. Die vom Beklagten ausgehende Gefährdung des Klägers ist keine Rechtsverletzung im materiellen Sinn, sie rechtfertigt nur, warum das Störungsverbot, welches an sich für jedermann besteht, gerade gegenüber dem Beklagten durch Urteil bekräftigt werden darf und so1l88. Wenn 88 So aber Bettermann, Zehn Jahre VwGO, S. 189, S. 192 ff. 87 Vgl. dazu im einzelnen Hellwig, Anspruch und Klagrecht, S. 368 ff. 88 Denkbar ist es, auch die bloße Gefährdung als Rechtsbeeinträchtigung zu bewerten. Dieser Weg wird neuerdings beschritten, um das Wesen der Beseitigungsklage nach § 1004 Abs.1, S.l BGB zu erfassen; vgl. Picker, Der negatorische Beseitigungsanspruch, insb. S. 81 ff. Auch nach der Ansicht

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man berücksichtigt, daß an die Unterlassungsklage auch unter materiellrechtlichen Gesichtspunkten geringere Anforderungen als an die auf eine Rechtsverletzung reagierende Klage gestellt werden, indem allein die Rechtswidrigkeit des streitigen Verhaltens erheblich ist, wird man wohl einen allgemeinen Grundsatz des Inhalts anerkennen müssen, daß der präventive Rechtsschutz dem repressiven gleichrangig ist und nicht davon abhängt, ob es dem Kläger zugemutet werden kann, die Rechtsverletzung abzuwarten. Dieses Verständnis entspricht den beiden verschiedenen Funktionen des materiellen Rechts, welches nicht nur die Aufgabe hat, die Rechtsfolgen für Rechtsverletzungen festzulegen, sondern auch Vorsorge dafür tragen soll, daß Konfliktsituationen wenn möglich vermieden werden89 • Wer sich einmal zu der - rechtspolitischen - Entscheidung durchringt, daß Rechtsschutz vor erfolgter Rechtsverletzung sinnvoll ist, kann dann nicht in bestimmten Fällen Einwände gegen den vorbeugenden Rechtsschutz erheben, die gegen jede Form des vorbeugenden Rechtsschutzes geltend gemacht werden können. Bei den Bedenken gegen die vorbeugende Feststellungsklage, die damit begründet werden, daß ein Prozeß auf "Verdacht" geführt werde, handelt es sich um solche das Wesen des vorbeugenden Rechtsschutzes kennzeichnende Eigenarten. 2. Aber auch wenn man geneigt ist, grundsätzlich den vorbeugenden mit dem repressiven Rechtsschutz auf eine Stufe zu stellen, ergibt sich für den Bereich der öffentlichrechtlichen Rechtsverhältnisse, die durch Verwaltungsakt geregelt werden können, die Besonderheit, daß es nicht ausgeschlossen scheint, den Anfechtungsprozeß als eine Form vorbeugenden Rechtsschutzes zu verstehen90 • Rechtfertigt sich der Grundsatz, daß die Rechtsverletzung nicht abgewartet zu werden braucht, aus der überlegung, daß der Berechtigte nicht auf die aus der Rechtsverletzung resultierenden Beseitigungs- oder Schadensersatzansprüche verwiesen sein soll, so wird durch den Anfechtungsprozeß den Forderungen dieses Grundsatzes insoweit entsprochen, als vollendete Tatsachen erst durch die Verwirklichung der behördlichen Anordnung geschaffen werden. Stellt man auf den erst durch den Vollzug der behördlichen Anordnung bewirkten tatsächlichen Zustand ab, so hat der von Picker, a.a.O., S.82, dient die Unterlassungsklage lediglich zur Verhinderung künftiger Eingriffe. 89 In diese Richtung weist auch die Bemerkung Henckels, AcP Bd.174, S. 113, der vorbeugende Rechtsschutz sei keine nachträgliche Sanktion, sondern diene der Motivation künftigen Verhaltens. Er mache dem Beklagten die Grenzen seiner Handlungsfreiheit bewußt. 80 Vgl. dazu Lorenz, Rechtsschutz des Bürgers, S.137.

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Rechtsschutz, der sich auf den den Vollzug vorbereitenden Verwaltungsakt bezieht, präventiven Charakter. Abgesehen davon, daß viele Gründe für die Richtigkeit des traditionellen Verständnisses des Anfechtungsprozesses sprechen, wonach die Anfechtungsklage repressiven Charakter hat und ihr nicht bloß die Aufgabe zukommt, den zukünftigen Vollzug des Verwaltungsaktes zu unterbinden, verdient ein weiterer Punkt in diesem Zusammenhang Aufmerksamkeit: Im Anfechtungsprozeß rückt das behördliche Handeln in den Vordergrund. Beurteilt wird die Rechtmäßigkeit des behördlichen Aktes und dessen Auswirkung auf die Rechtsstellung des Klägers. Das Verhalten des Bürgers, welches den Verwaltungsakt veranlaßt hat, kommt demgegenüber nur die Funktion einer Tatbestandsvoraussetzung für den behördlichen Eingriff zu. Diese Wertung ist für den Anfechtungsprozeß zutreffend, weil die Klage nicht nur dann begründet ist, wenn der Adressat des Verwaltungsaktes rechtmäßig gehandelt, die Voraussetzungen des Eingriffstatbestands also nicht verwirklicht hat, sondern auch, wenn der Verwaltungsakt an sonstigen Mängeln leidet. Ist der Verwaltungsakt noch nicht ergangen, sind verschiedene Bezugspunkte für den Prozeß denkbar. Behält man auch im Bereich des vorbeugenden Rechtsschutzes die Ausrichtung auf das behördliche Handeln bei, wird die vorbeugende Klage zu einer antizipierten Anfechtungsklage 91 • Da dann der Rechtsstreit zur Prüfung eines Verwaltungsaktes dient, von dem angenommen wird, daß er in Zukunft ergehen wird, liegt die Forderung nahe, daß die Klage erst dann zulässig ist, wenn der Kläger einen Eingriffstatbestand verwirklicht hat. Denn erst dann kann er befürchten, daß gegen ihn ein Verwaltungsakt ergehen wird, und nur durch den Bezug zu einem bestimmten Eingriffstatbestand läßt sich der Inhalt der behördlichen Anordnung bestimmen, der mit der Klage vorgebeugt werden soll. Die Frage, ob eine Pflicht des Bürgers besteht, den Verwaltungsakt abzuwarten, gewinnt dann auch einen ganz spezifischen Inhalt. Hat der Bürger bereits gehandelt und befürchtet er eine Reaktion der Behörde in Form des Verwaltungsaktes, so hat der vorbeugende Rechtsschutz gegenüber der repressiven Anfechtungsklage für ihn lediglich den Vorteil, daß er infolge der frühe91 So zutreffend Bettermann, Zehn Jahre VwGO, S.194; Maetzel, DVBI 1974, S. 337; - die Auffassung von Kopp, Bem.2 zu § 43 VwGO und Bem.3 zu § 42 VwGO, richtige Klageart sei die Verpflichtungsklage "auf Erlaß eines Va mit der Zusicherung, daß ein Va mit dem vom Klager befürchteten Inhalt nicht ergehen wird", ist abzulehnen, weil die Verpflichtungsklage nur dann eingreift, wenn der Kläger seine Rechtssphäre erweitern will. Die Klage mit der einem belastenden Va vorgebeugt wird, dient aber gerade zur Sicherung des Status quo; ähnlich wie Kopp auch Schenke, AöR Bd.95, S.246, der eine "negative Verpflichtungsklage" annimmt.

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ren Einleitung des Rechtsstreits möglicherweise eher eine gerichtliche Entscheidung erhält. Ob allein dieser Beschleunigungseffekt genügt, um die vorbeugende Klage als sinnvoll erscheinen zu lassen, dürfte zweifelhaft sein, vor allem wenn man berücksichtigt, daß die vorbeugende Klage in diesem Sinn die Verwaltung nur zwingt, schnell zu entscheiden. Der Vorschrift des § 75 VwGO, die für bestimmte Sachverhalte die Frage regelt, in welcher Zeit sich die Verwaltung zu einer Entscheidung entschließen muß, wird man die allgemeine Regel entnehmen können, daß der Verwaltung stets eine der jeweiligen Sache angemessene Überlegungszeit zusteht. Da eine Verzögerung des belastenden Verwaltungsaktes in der Regel von Vorteil ist, käme eine vorbeugende Klage nur dann in Betracht, wenn von der behördlichen Entschließung weitere Dispositionen des Betroffenen abhängen. Das allgemeine Interesse, zu wissen, ob und welchen Inhalts ein belastender Verwaltungsakt ergeht, rechtfertigt die vorbeugende Klage nicht, weil der Betroffene hinsichtlich der bereits verwirklichten Tatbestände sein Verhalten ohnehin nicht mehr rückgängig machen kann. Ein gänzlich anderes Bild ergibt sich, wenn man den vorbeugenden Rechtsschutz nicht primär unter der Fragestellung beurteilt, ob und wie die Behörde angesichts eines bestimmten, real verwirklichten Sachverhalts reagieren wird, sondern die Betrachtung bei dem den Verwaltungsakt auslösenden Verhalten des Bürgers ansetzt. Gerade eine solche Sicht liegt für den Bereich des vorbeugenden Rechtsschutzes nahe, der nach allgemeiner Ansicht die Aufgabe haben soll, Rechtsverletzungen zu verhindern. Setzt man den vorbeugenden Rechtsschutz erst dann an, wenn der Bürger bereits gehandelt hat und nur noch die Bewertung seines Verhaltens durch die Verwaltung aussteht, dann kann man nur noch die potentiellen Rechtsverletzungen verhindern, die in einer fehlerhaften Beurteilung des Sachverhaltes durch die Verwaltung beruhen. Die Aufgabe, zu verhindern, daß dem Bürger kein Unrecht geschieht, d. h. keine vom materiellen Recht nicht gedeckten Sanktionen gegen ihn verhängt werden, ist zweifellos ein Anliegen der Rechtsschutzorgane. Vorbeugend wird der Rechtsschutz aber eigentlich erst dann, wenn er dem Bürger ein rechtmäßiges Handeln ermöglicht, wenn er also nicht bloß die rechtswidrige Reaktion der Verwaltung, sondern schon die rechtswidrige Aktion des Bürgers verhindert, die erst das behördliche Einschreiten veranlaßt. Beschränkt man den Rechtsschutz darauf, nur den zukünftigen rechtswidrigen Verwaltungsakt zu unterbinden, vereitelt man nur die Gefahr einer weiteren Rechtsverletzung, trifft aber keine Vorsorge dafür, daß das materielle Recht möglichst beachtet wird9!. Wer die Forderung aufstellt, daß vorbeugender Rechts02 Auf der Anerkennung eines solchen Planungsinteresses beruht auch das Urteil des BVerwG, DVBI 1974, S.681: Der Kläger wollte festgestellt

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schutz nur in der Form möglich ist, daß einer unrichtigen Bewertung eines verwirklichten Sachverhalts durch die Verwaltung vorgebeugt wird, zwingt den Bürger dazu, das Risiko eigenen rechtswidrigen Handelns in Kauf zu nehmen93 • Nur auf dem Boden einer derartigen Auffassung können überhaupt überlegungen des Inhalts angestellt werden, ob es dem Bürger zugemutet werden kann, den Erlaß des Verwaltungsaktes abzuwarten94 • Soll der Rechtsschutz hingegen schon eingreifen, bevor der Bürger gehandelt hat, lautet die Frage allein, ob es ihm zuzumuten ist, das Risiko rechtswidrigen Handeins in Kauf zu nehmen. Die vom Beklagten ausgehende Rechtsgefährdung, die für die Unterlassungsklagen und vorbeugenden Leistungsklagen von besonderer Bedeutung ist, wird sekundär; in den Vordergrund rückt das Interesse des Bürgers, sich rechtmäßig zu verhaltenes. Die vorbeugende Feststellungsklage füllt damit vornehmlich Lücken in den Bereichen, in denen das materielle öffentliche Recht nicht schon durch spezielle Erlaubnis- und Bewilligungsverfahren Planungsinteressen des Bürgers stillt96 • wissen, daß Ort und Art der Bestattung, wie er sie testamentarisch bestimmt hatte, rechtlich zulässig seien. Das BVerwG ließ die Klage zu, weil es dem Kläger unzumutbar gewesen sei, im Ungewissen darüber zu bleiben, ob sein Bestattungswunsch aus Rechtsgründen scheitere. 113 Der Gedanke, den Handlungswilligen von dem Risiko, rechtswidrig zu agieren, zu entlasten, klingt auch in dem Urteil des Bad-Württ. VGH, ESVGHE 24, S.204 an: Eine Gemeinde hatte die Feststellung begehrt, daß auf einen infolge Umgliederung eines Teils des Ortsgebiets vakant gewordenen Gemeinderatssitz ein Ersatzmann nachrücke; von dieser streitigen Frage hing die Ordnungsmäßigkeit der künftig zu fassenden Beschlüsse ab. Der VGH ließ die Klage zu, ohne daß ein Gemeinderatsbeschluß unter Mitwirkung des Ersatzmanns gefaßt worden war. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Klägerin sei dies nicht zuzumuten, da sie "in erster Linie selbst für Gesetzmäßigkeit ihres Handeins verantwortlich sei und daher nicht, nur um den Weg für eine bestimmte prozeßrechtlich vorgesehene Verfahrensart zu eröffnen, zu einem Verhalten angehalten werden könne, demgegenüber die Rechtsaufsichtsbehörde bereits mit Nachdruck Bedenken angemeldet habe". - Warum diese Überlegungen nur zwischen verschiedenen Hoheitsträgern gelten sollen, ist schwer verständlich. 84 Lediglich von der Vorstellung aus, daß dem Verwaltungsakt vorgebeugt werden soll, der sich auf einen verwirklichten Sachverhalt bezieht, gewinnt auch das Argument Gewicht, daß die Anfechtungsklage an Bedeutung verlieren werde, wenn man uneingeschränkt vorbeugende Klagen zuließe; vgl. z. B. Schenke, AöR Bd. 95, S. 249. 115 Aus dieser Perspektive läßt sich auch nicht der Bemerkung Bettermanns (Zehn Jahre VwGO, S.189) zustimmen, solange die Verwaltungsgerichte kaum in der Lage seien, den verfassungsrechtlich garantierten repressiven Rechtsschutz rechtzeitig und effektiv zu gewährleisten, sollten sie nicht zum präventiven Rechtsschutz drängen, da dieser in der Dringlichkeitsfolge offensichtlich hinter dem repressiven Rechtsschutz rangiere. - Da der Rechtsschutz im Planungsstadiurn repressiven Rechtsschutz, d. h. solchen, der sich auf verwirklichtes Handeln bezieht, entbehrlich macht, indem er rechtmäßiges Verhalten ermöglicht, ließe sich mit gleicher Berechtigung ein Vorrang des präventiven Rechtsschutzes postulieren. 116 Zu den diesbezüglichen Zusammenhängen vgl. sogleich sub VI. 3.

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VI. Die Ausbildung materiellrechtlicher Pflichten in Ausrichtung auf den vorbeugenden Rechtsschutz 1. Gegen die Inanspruchnahme von Rechtsschutzorganen zur Klärung der Frage, ob ein geplantes Verhalten des Bürgers rechtmäßig ist, spricht nicht schon die Erwägung, daß es sich dabei um hypothetische, weil noch nicht real verwirklichte und damit nicht beurteilungsfähige Sachverhalte handeln würde. Denn das Gesetz als Beurteilungsmaßstab ist vorhanden und an ihm können auch im obigen Sinn hypothetische Sachverhalte gemessen werden. Da der Kläger das geplante Vorhaben genau umreißen kann, besteht auch nicht die Gefahr, daß das Urteil für ihn keine praktische Bedeutung gewinnt. Viel zweifelhafter könnte es indessen sein, ob es überhaupt zu den Aufgaben des Gerichts gehört, dem Kläger darüber Auskunft zu erteilen, ob sein geplantes Verhalten rechtmäßig ist. Das Interesse des Klägers, sich rechtmäßig zu verhalten, ist als solches stets anerkennenswert. Nur fragt sich, warum das Gericht und vor allem der Beklagte mit diesem Auskunftsbegehren behelligt werden sollen. Zwar begehrt der Kläger in jedem Rechtsstreit eine Auskunft über die Rechtslage, stets ist aber ein Grund für die Prozeßbeteiligung des Beklagten ersichtlich, sei es, daß er durch den geltend gemachten Anspruch verpflichtet, sei es, daß er - wie im Gestaltungsverfahren - durch die Änderung der Rechtslage durch das Urteil betroffen wird oder für sie - wie im verwaltungsgerichtlichen Anfechtungsverfahren - verantwortlich ist. Grundlos erfolgt auch nicht die Bestimmung des Beklagten im Unterlassungs- und Feststellungsstreit. Regelmäßig geht dabei eine Rechtsgefährdung vom Beklagten aus, die durch das Urteil unterbunden werden soll. Für die Beantwortung der Frage, ob Rechtsschutz auch schon dann möglich ist, wenn der Bürger noch nicht gehandelt hat und infolgedessen die Voraussetzungen für ein behördliches Vorgehen nicht erfüllt sind, genügt nicht die überlegung, daß ein den Rechtsstreit rechtfertigender Grund auch schon dann gegeben sein kann, wenn über einen vom Kläger oder Beklagten noch nicht verwirklichten Sachverhalt gestritten wird. Hat z. B. die Verwaltung zu erkennen gegeben, daß sie gegen ein bestimmtes vom Bürger geplantes Vorhaben einschreiten werde, so wäre es zwar wenig sinnvoll, von diesem zu verlangen, er solle das Vorhaben ungeachtet der behördlichen Androhung verwirklichen. Wer die für den Bürger negative Stellungnahme als ausreichenden Grund für die Zulässigkeit der Klage ansieht, muß aber auch berücksichtigen, welche Konsequenzen sich damit für eine Erklärung der Behörde ergeben, sie halte das geplante Vorhaben für unbedenklich. Es ist zudem nicht möglich, der Behörde Freiheit in der Frage zu gewähren, ob sie überhaupt Auskunft gewährt und lediglich bei einer für den Bürger negativen Stellung-

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nahme den Rechtsweg zu eröffnen97• Abgesehen davon, daß eine solche absolute Entschließungsfreiheit sich schlecht mit dem Wesen behördlichen HandeIns verträgt und es nicht im Ermessen der Behörde stehen kann, ob sie dem Planungsinteresse des Bürgers durch eine Auskunft entgegenkommt bzw. über die negative Stellungnahme die Klage ermöglicht, würde sich auch die Frage vorbeugenden Rechtsschutzes im Planungsstadium des Bürgers durch eine allgemeine ministerielle Weisung erledigen, keine Auskunft zu erteilen. Ist das Planungsinteresse überhaupt wichtig genug, um - jedenfalls im Falle negativer Auskunft - vorbeugenden Rechtsschutz rechtfertigen zu können, der zu einer verbindlichen Klärung der Rechtslage führt, muß man diesem Bedürfnis nach Rechtsklarheit in gleicher Weise Rechnung tragen, wenn die Behörde das geplante Vorhaben für unbedenklich hält oder sich überhaupt nicht äußert. Denn die Klagemöglichkeit soll ja nicht eröffnet werden, um dem Auskunftsverlangen Genüge zu tun, sondern um den Bürger von dem Risiko zu entlasten, rechtswidrig zu handeln. Rechtfertigt die Auskunft der Behörde, sie sei mit dem geplanten Verhalten nicht einverstanden, die Klage und soll das erklärte Einverständnis den Prozeß entbehrlich machen, muß deshalb die positive Auskunft für den Bürger weitgehend das gleiche Gewicht haben wie das gerichtliche Urteil. Die Unbedenklichkeitserklärung der Behörde kann nur dann die Versagung des Rechtsschutzes rechtfertigen, wenn sie dem Bürger annähernd die gleiche Rechtssicherheit gewährt wie das Urteil. Umgekehrt kann die Auskunft der Verwaltung, sie werde gegen das geplante Vorhaben einschreiten, nur dann die Zulässigkeit der Klage begründen, wenn überhaupt ein Anspruch des Bürgers besteht, daß die Behörde sich vorab, d. h. bevor der Bürger gehandelt hat, bindet. Ist ein solcher Anspruch nicht anzuerkennen, d. h. muß der Bürger in allen Fällen abwarten, bis er gehandelt hat, ist auch die Reaktion der Behörde vor diesem Zeitpunkt prozessual unerheblich. Denn jede sachliche Prüfung des Gerichts, ob das nur geplante Vorhaben rechtmäßig ist, setzt voraus, daß überhaupt ein solcher Vorabentscheidungsanspruch des Bürgers besteht, weil jedenfalls der Prozeß die Behörde zu einer eindeutigen Stellungnahme zwingt. Hätte der Bürger 97 Paradigmatisch ist in diesem Zusammenhang der Sachverhalt der Entscheidung des BVerwG vom 26. 8. 1966 (BVerwGE 24, S.355 = DVBl 1966, S.864 = NJW 1967, S. 72): Eine Klage auf Feststellung, daß ein gescheiterter Promotionsversuch der Zulässigkeit eines weiteren Promotionsversuchs nicht entgegensteht, muß zulässig sein, bevor mit der Arbeit begonnen wird, auch wenn die einschlägige Promotionsordnung die formelle Zulassung erst bei Abgabe der Arbeit vorsieht. Dem aus dem materiellen Recht ableitbaren Planungsinteresse kann man nur gerecht werden, wenn man einen "Auskunftsanspruch" bejaht. Ansonsten würde die Klärung der Rechtsfrage von dem "Zufall" abhängen, ob der Fachbereich bereit ist, sich zu dem Auskunftsersuchen materiell zu äußern und auf diese Weise den Weg zur gerichtlichen Entscheidung zu eröffnen.

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die Entscheidung der Behörde im Verwaltungsakt über den verwirklichten Sachverhalt abzuwarten, könnte auch vor diesem Zeitpunkt eine Klage nicht zulässig sein. Die Notwendigkeit, einheitlich zu entscheiden, ob ein solcher Anspruch auf Vorabentscheidung des Bürgers anzuerkennen ist, zeigt sich nicht nur darin, daß es widersprüchlich wäre, bei einer für den Bürger negativen Auskunft die Klage zuzulassen, ohne gleichzeitig der ihm günstigen Erklärung Bindungswirkung zuzumessen, sie wird insbesondere auch dann deutlich, wenn man die dritte Reaktionsmöglichkeit der Behörde in die Betrachtung einbezieht, nämlich die, daß sie ihre Meinung über das geplante Vorhaben nicht äußert oder sich in der Frage der Rechtmäßigkeit nicht festlegt. Zeigt die Unbedenklichkeitsbescheinigung Bindungswirkung und eröffnet die negative Auskunft die Klagemöglichkeit, kann die Behörde sich auch nicht ohne Rechtsfolgen einer Stellungnahme entziehen. Erkennt man einen Anspruch auf Klärung der Rechtslage erst dann an, wenn gehandelt worden ist, ist die Versagung einer Stellungnahme bis zu diesem Zeitpunkt legitim. Eine Klage des Bürgers könnte auch dann nicht vor diesem Zeitpunkt zugelassen werden, weil der Prozeß die Behörde zu einer eindeutigen Stellungnahme zwingt bzw. diese durch das Urteil entbehrlich macht. Ob Rechtsschutz schon in einem Stadium möglich ist, in dem der Bürger noch nicht gehandelt hat und in welchem nur die Rechtmäßigkeit geplanter Vorhaben beurteilt werden kann, läßt sich deshalb nur sinnvoll entscheiden, wenn geklärt wird, ob der Bürger in diesem Stadium einen Anspruch auf Stellungnahme hat, welcher die Behörde verpflichtet, sich zu dem geplanten Vorhaben zu äußern. Ohne den Rückgriff auf einen solchen Anspruch läßt sich weder begründen, warum die Auskunft der Behörde, sie halte das geplante Vorhaben für rechtswidrig und werde gegen es einschreiten, die Klagemöglichkeit eröffnen soll, noch läßt sich erklären, warum die behördliche Unbedenklichkeitserklärung den Rechtsschutz entbehrlich macht. Berührungspunkte zwischen der behördlichen Auskunft und der Feststellungsklage hat auch der Bundesfinanzhof in seinem Urteil vom 1. 2. 197398 gesehen, in dem er - abgesehen von der von ihm befürworteten Auslegung der Subsidiaritätsregel - als wesentlichen Grund für die Unzulässigkeit der vorbeugenden Feststellungsklage anführt, daß die Finanzbehörden grundsätzlich nicht verpflichtet seien, außerhalb des Steuerfestsetzungsverfahrens Auskünfte oder Zusagen zu erteilen, falls das Gesetz nicht ausdrücklich - wie z. B. in § 56 LStDV, § 23 ZollG - einen diesbezüglichen Anspruch des Steuerpflichtigen 18

BStBI 1973 H, S. 533 ff.

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vorsehe. Da eine vorbeugende Klage die gleichen Rechtswirkungen auslöse, die einträten, wenn das Finanzamt durch Klage zu Erteilung von Auskünften verpflichtet werden könnte, würden die Regeln über die Auskunft unterlaufen, "wenn trotz eines bevorstehenden Steuerfestsetzungsverfahrens die steuerliche Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts Gegenstand einer Feststellungsklage sein könnte"99. Der Argumentation des Bundesfinanzhofs hat Kellner entgegengesetzt, daß ein Anspruch auf Zusage, also verbindliche Auskunft, in den Fällen anzuerkennen sei, in denen eine entsprechende Feststellungsklage zulässig sepoo. Man kann dem Bundesfinanzhof darin zustimmen, daß das Feststellungsurteil als Auskunft über die Rechtslage die gleichen Interessen befriedigt, denen auch mit einem Auskunftsanspruch Genüge getan wird. Da die Möglichkeit, eine Feststellungsklage zu erheben, gesetzlich abgesichert ist, kann man die Zulässigkeit der Feststellungsklage aber nicht allein deshalb in Zweifel ziehen, weil man einen allgemeinen Anspruch auf Auskunft nicht anerkenntto1 • Auch erscheint es sinnvoll, ein Recht des Bürgers auf Auskunft und eine Pflicht der Behörde zur Stellungnahme in dem Rahmen zu bejahen, in dem eine Feststellungsklage zulässig ist. Denn der Prozeß zwingt die Behörde zur Stellungnahme bzw. macht die Auskunft durch das Urteil überflüssig. Muß der Beklagte sich unter bestimmten Voraussetzungen darauf einlassen, daß eine gerichtliche Klärung der Rechtslage herbeigeführt wird, müssen auch die Bedingungen feststehen, unter denen er dem Begehren des Klägers auf außerprozessualem Wege gerecht werden kann und muß. Jeder Rechtsstreit wird über materiellrechtliche Bezugsverhältnisse geführt. Trägt die vorbeugende Klage dem Informationsbedürfnis des Klägers unter bestimmten Voraussetzungen Rechnung, müssen auch dem materiellen Recht diesbezügliche Rechte und Pflichten der Beteiligten zu entnehmen sein. Da über das Feststellungsurteil Rechtsklarheit in einer bestimmten Frage zwischen Kläger und Beklagtem herbeigeführt werden soll, muß es auch Mitwirkungspflichten des Beklagten geben. Wäre der Beklagte nach materiellem Recht nicht zur Stellungnahme, zur Auskunft, d. h. zur Kundgabe seiner Meinung über den vom potentiellen Kläger vorgetragenen Sachverhalt verpflichtet, wäre es nicht verständlich, warum der Kläger ihm gegenüber sollte ein Urteil erstreiten können, welches die Rechtsklärung bewirkt. Es han99 So auch schon Ruppel, FR 1971, S. 340. Verhdl. des 44. Dt. Juristentages, Sitzungsberichte Bd. H, D 60; ähnlich Kopp, Bem.3 zu § 38 VwVfG. 101 z. B. BVerwG, DVBI 1965, S. 648; BFHE 73, S.813; dazu ferner Pfander, Die Zusage im öffentlichen Recht, S. 282 H.; Krieger, Das Recht des Bürgers auf behördliche Auskunft, S. 49 H. m. w. N. 100

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delt sich deshalb im folgenden nicht darum, einen isolierten allgemeinen Auskunftsanspruch zu erörtern102 • Vielmehr sollen die Konsequenzen aus der Erkenntnis gezogen werden, daß das Feststellungsurteil eine Auskunft enthält, die das Gericht nur erteilen kann, wenn ein entsprechender vom materiellen Recht her zu bestimmender rechtsschutzfähiger Tatbestand gegeben ist. Mit dem "Auskunftsanspruch" ist deshalb der dem Feststellungsprozeß vorgelagerte sachlichrechtliche Tatbestand gekennzeichnet, bei dessen Vorliegen der Bürger berechtigt ist, von der Behörde eine Stellungnahme zu dem von ihm unterbreiteten Sachverhalt zu verlangen. Stellt die Auskunft ihn nicht zufrieden oder wird sie ihm versagt, kann er die gerichtliche Beurteilung des Sachverhalts begehren. Auskunftsrecht und -pflicht sind damit auf den Feststellungsprozeß hin konzipiert. Es geht um die Abstimmung des materiellen und des Prozeßrechts103• Der prozessualen Möglichkeit, eine verbindliche Auskunft über die Rechtslage auf dem Wege des Feststellungsurteils zu erhalten, muß eine materiellrechtliche Beziehung von Rechten und Pflichten vorgelagert sein, aus der sich der Feststellungsprozeß entwickeln kann104• Auf materiellrechtlicher Ebene kommt in diesem Zusammenhang auch der für das prozessuale Geschehen gewonnenen Erkenntnis Bedeutung zu, daß die Rechtsschutzorgane nicht als bloße Auskunfts- oder Gutachterstellen angerufen werden können, indem sie über Rechtsfragen entscheiden sollen, die für den Kläger ohne praktische Relevanz sind. Auch die Verwaltungsbehörden - geschweige die Privatpersonen - sind nicht verpflichtet, jedwede begehrte Auskunft zu erteilen. 2. Das Bedürfnis nach Auskunft über die Rechtslage resultiert nicht daraus, daß der Bürger Störungen abwenden möchte, die von einem anderen ausgehen, sondern selbst in bestimmter Weise handeln will und befürchten muß, daß dieses sein Verhalten rechtlich nicht gebilligt wird. Der Wunsch, sich vorab abzusichern, kann sich für den Rechtsgenossen in gleicher Weise im Zivilrecht wie im öffentlichen Recht ergeben, jedoch sind die materiellen Ausgangslagen grundsätzlich verschieden. 102 Vgl. dazu neben den in Fn.101 genannten z. B. Zeidler, Gutachten, Verhdl. des 44. Dt. Juristentages, Bd. I, Teil 2 sowie die Referate von Hartz und Kellner daselbst; ferner die Nachweise bei Hübschmann / Hepp / Spitaler, Rdnr.1 vor § 204 AO 1977; Paulick, Lehrbuch, vor Rdnr.350. 103 Das Problem wurde bereits von Bähr, Anerkennungsklage, S. 288 ff., erkannt. Um ähnliche Fragen handelt es sich beim Unterlassungsstreit, vgl. dazu z. B. Zeuner, Gedanken zur Unterlassungs- und negativen Feststellungsklage, Festschrift für Dölle Bd. I, S. 301 ff.; Henckel, AcP Bd.174, S. 97 ff. 104 Für den Bereich des Zivilrechts bemerkt Henckel, AcP Bd.174, S.114, zutreffend, daß der vorbeugende Rechtsschutz nicht den Pflichtenkreis erweitern, sondern bestehende Pflichten bewußt machen will.

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Das Privatrecht geht von dem Individuum aus, das seine Angelegenheiten selbstverantwortlich regelt. Der Privatautonomie entspricht der Rechtsschutz, der zur Wahrung von Eigeninteressen gewährt wird. Individualrechtsschutz ist im Zivilrecht identisch mit der Absicherung subjektiver Rechte gegen die Angriffe Dritter. Vorbeugender Rechtsschutz wird deshalb gewährt, soweit er erforderlich ist, um die Rechtssphäre des einzelnen gegen Störungen von außen abzusichern. Er ist vornehmlich abwehrender Natur, weil er sich gegen das Verhalten Dritter richtet, welches die eigene Rechtssphäre tangiert. Präventiver Rechtsschutz mit dem Inhalt, daß die Klage dem Individuum die Möglichkeit eröffnet, sich dagegen abzusichern, daß es selbst in die Rechtssphäre eines anderen eindringt, erscheint nicht so dringlich. Folge der Autonomie ist es zudem, daß sich die vorsichtige Privatperson, die die Rechtslage vorab geklärt wissen möchte, mit der Freiheit des "Gegners" konfrontiert sieht, keine Stellungnahme abzugeben; grundsätzlich ist niemand verpflichtet, sich dazu zu äußern, ob er das geplante Verhalten eines anderen als Eingriff in seine Rechte betrachtet. Auf Einwilligung und Verzicht besteht kein Anspruch, die verbale Negation der Berechtigung durch den potentiellen Gegner rechtfertigt die Klage nur als Störung der Rechtsausübung des vermeintlich Berechtigten. Die Selbstverantwortlichkeit des Individuums im Privatrechtsverkehr, die mit der Freiheit wesensmäßig verbunden ist, hat zur Folge, daß das Risiko, rechtswidrig zu handeln, nicht abgewälzt werden kann. Private Einigung über einen Interessenausgleich ist möglich, es besteht aber auch die Freiheit, sich mit fremden Vorhaben - ja, selbst mit den eigenen Angelegenheiten - nicht beschäftigen zu wollen105• Während im Privatrecht das Planungsinteresse des Individuums in der Regel seine Schranken findet an der Freiheit eines jeden, sich nicht zu verpflichten, nicht mit fremden Angelegenheiten behelligt zu werden, wird das öffentliche Recht nicht durch eine solche Konkurrenz der Eigeninteressen und Freiheiten bestimmt. Wie das Zivilrecht durch den Autonomiegedanken geprägt wird, so herrscht im öffentlichen Recht das Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, welches für Autonomie im eigentlichen Sinn keinen Raum läßt. Die Verwaltung hat 105 Vielleicht liegt hier der Grund, daß im Zivilrecht die Möglichkeit kaum erörtert wird, die Feststellungsklage zu dem Zweck einzusetzen, die Rechtmäßigkeit eigenen Verhaltens abzusichern. Der Prozeß wird fast ausschließlich unter dem Aspekt der Abwendung fremder Rechtsstörung gesehen. So findet z. B. die Feststellungsklage bei Henckel (AcP Bd.174, S. 97 ff., insb. S. 109 f.) keinerlei Berücksichtigung unter den Instituten des vorbeugenden Rechtsschutzes. - Der materiellrechtlichen Frage, inwieweit auch Rechtsverhältnisse zwischen Privaten eine Mitverantwortung begründen können, die zu verbindlicher Stellungnahme zu den Planungsabsichten des "Gegners" verpflichtet, kann hier nicht weiter nachgegangen werden; es wird sich jedenfalls nur um Ausnahmefälle handeln.

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keine Eigeninteressen, keine Rechte, die sie bestmöglich ausnützen dürfte, die vom Bürger verletzt werden könnten. Ansprüche in der Form von Eingriffsermächtigungen sind ihr nicht gewährt zum Ausgleich einer erlittenen rechtswidrigen Schädigung. Sie dienen ausschließlich dazu, die Beachtung der Schranken zu erzwingen, die dem Bürger im Allgemeininteresse gesetzt sind. Nicht voller Ausgleich erlittener Beeinträchtigungen, sondern Wiederherstellung des gesetzmäßigen Zustandes bei Mindestbeeinträchtigung des Bürgers steht im Vordergrund. Die Behörde kann sich nicht auf den Standpunkt stellen, daß die Vorhaben des Bürgers sie nichts angingen. Ihr obliegt die Aufgabe, dafür zu sorgen, daß die öffentlichrechtlichen Vorschriften beachtet werden. Mit dieser Aufgabe verträgt es sich nicht, wenn sie ihre Entschließung zurückhält, bis der Bürger gehandelt hat. Das Anliegen des Bürgers, rechtmäßig zu handeln, ist stets Teil des öffentlichen Interesses, das die Behörde wahrzunehmen hat. Wer sein geplantes Vorhaben oder Verhalten der Behörde anzeigt und um Auskunft bittet, ob dieses rechtmäßig ist, versucht im höchsten Maße, sich gesetzes treu zu verhalten. Ermöglicht man es der Behörde, sich dem Auskunftsverlangen zu entziehen, zwingt man den Bürger, auf eigene Faust zu handeln. Wem die Einhaltung der öffentlichrechtlichen Vorschriften am Herzen liegt, der muß auch Vorsorge dafür treffen, daß der Bürger sich darüber vergewissern kann, welches Verhalten rechtens ist. Im öffentlichen Interesse kann es nie liegen, dem Bürger eine Auskunft über die Rechtmäßigkeit des von ihm geplanten Vorhabens zu versagen und ihn möglicherweise anschließend zu dessen Beseitigung zu zwingen. Abgesehen davon, daß derartige Fehlinvestitionen wohl kaum durch das Allgemeininteresse gerechtfertigt werden können, sprechen auch keine sonstigen Gründe gegen eine Vorabklärung der Rechtslage, die gewichtig genug wären, den Bürger das Risiko rechtswidrigen Handelns tragen zu lassen: Die Entscheidung, ob ein vom Bürger geplantes Verhalten rechtmäßig oder rechtswidrig ist, gleicht qualitativ der, welche die Behörde zu treffen hat, wenn sie sich darüber klar werden muß, ob das verwirklichte Verhalten oder Vorhaben ihr Einschreiten veranlaßt. Die Wahrscheinlichkeit, daß eine Auskunft nicht im Einklang mit dem materiellen Recht steht, ist nicht geringer oder größer als die, daß der Verwaltungsakt, der sich auf einen verwirklichten Lebenssachverhalt bezieht, rechtswidrig ist. Unterschiede ergeben sich lediglich insoweit, als die Auskunft, das geplante Vorhaben sei unbedenklich, Bindungswirkung haben muß, während der Entschluß der Behörde, gegen ein rechtswidriges Vorhaben nicht einzuschreiten, reversibel ist. Der damit mögliche Konflikt zwischen dem Vertrauensschutz des Bürgers und dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung ist eine zwangs-

Fflichten zur Stellungnahme und vorbeugender Rechtsschutz

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läufige Folge der Einschaltung der Behörde im Planungsstadium. Der Bürger, der sein Vorhaben im Hinblick auf dessen Rechtmäßigkeit durch die Behörde überprüfen läßt, kann auf die Unbedenklichkeitserklärung vertrauen, wenn er mit Rücksicht auf die Auskunft sein Vorhaben verwirklicht. Gegen die Bindungswirkung der Auskunft, mit der zu Unrecht ein Vorhaben nicht beanstandet wird, bestehen keine größeren Bedenken als gegen die eingeschränkte Rücknehmbarkeit rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakte. Entsprechend der Zweckbestimmung der Stellungnahme der Behörde im Planungsstadium entfällt die Bindungswirkung für die Zukunft nach dem Grundgedanken der §§ 48, 38 VwVfG in der Regel, wenn der Bürger noch nicht im Vertrauen auf die behördliche Auskunft das geplante Vorhaben verwirklicht hat. Die behördliche Stellungnahme hat nicht den Sinn, auf Dauer von der gesetzlichen Bindung freizustellen. Dispositionsinteressen werden nach Maßgabe des § 48 Abs. 2, 3 VwVfG in Rechnung gestellt. Ist die fragliche Berechtigung bereits ausgeübt worden, dürfte die Behörde gebunden bleiben, falls nicht die Voraussetzungen des § 48 Abs. 2 S. 3 VwVfG erfüllt sind. 3. Mögen zwar keine prinzipiellen Bedenken dagegen angemeldet werden, daß es möglich und sinnvoll ist, dem Bürger Rechtsklarheit in einem Zeitpunkt zu gewähren, in dem diese für ihn am wichtigsten ist, d. h. bevor er gehandelt hat, so bleiben aber gewisse Folgeerscheinungen zu erörtern, die mancher in Rechnung stellen wird, bevor er bereit ist, das Bedürfnis, rechtmäßig zu handeln, zu befriedigen. Würde man einen Anspruch auf Stellungnahme anerkennen, so könnte jeder Bürger alle seine Angelegenheiten, bei denen er meint, mit den Gesetzen in Konflikt kommen zu können, zum Zwecke der Klärung vor die zuständige Behörde bringen. Die Pflicht zur Stellungnahme und die an die Auskunftserteilung oder -versagung geknüpften Rechtsfolgen würden ein Ermittlungs- und Entscheidungsverfahren bedingen, welches mit gleicher Sorgfalt durchgeführt werden müßte wie das Verfahren, welches zum Erlaß eines Verwaltungsaktes führt. Überlegenswert ist ferner, ob nicht die Chance, eine verbindliche Klärung der Rechtslage zu erhalten, geradezu anreizen könnte, die Verwaltung mit allen erdenklichen und ausgedachten Konfliktsituationen zu beschäftigen. Vorstellbar wäre es vielleicht auch, durch Unterbreitung von Alternativplänen gewissermaßen die Eingriffsschwelle der Verwaltung abzutasten. Wer die Dinge so sieht, schreckt vor dem Bild der vor den Toren der Verwaltungsbehörden wartenden Bürgerscharen, die Auskunft erheischen, zurück.

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Abgesehen davon, daß die Erfahrungen mit den gesetzlich geregelten Auskunftsansprüchen wohl kaum die Vermutung bestätigen, der Bürger mache von ihr in erheblichem Umfang Gebrauch, enthält auch das materielle Verwaltungsrecht genügend Vorkehrungen, die eine unsachgerechte oder übermäßige Inanspruchnahme des Auskunftsrechts verhindern: Bei den meisten wirtschaftlich erheblichen Vorhaben, bei denen gerade wegen der Gefahr zweckverfehlter Investitionen regelmäßig ein Bedürfnis besteht, vor Durchführung des Vorhabens Klarheit über dessen Rechtmäßigkeit zu gewinnen, schafft das materielle Verwaltungsrecht durch Erlaubnis- und Bewilligungsverfahren Abhilfe. Erlaubnisse, Teilgenehmigungen und Bewilligungen, die vor Durchführung eines Vorhabens ausgesprochen werden, sind auch verbindliche Auskünfte über die Rechtmäßigkeit der geplanten Vorhaben. Berücksichtigt man den durch Erlaubnis- oder Bewilligungserfordernisse abgedeckten Bereich, verkleinert sich das Anwendungsfeld für die allgemeine Auskunft schon erheblich. Soweit dann überhaupt ein Auskunftsanspruch in Betracht kommt, wird den Auskunftsbegehren, die sich auf ein bloß erdachtes Vorhaben beziehen, schon eine Schranke durch den in § 42 Abs. 2 VwGO enthaltenen Rechtsgedanken gesetzt, der auch im Zusammenhang mit dem Auskunftsanspruch zu berücksichtigen ist. Der Grundsatz, daß die Klage nur zulässig ist, wenn der Kläger in eigenen Rechten betroffen ist, ist für den Auskunftsanspruch insoweit bedeutsam, als dieser nur in eigenen Angelegenheiten besteht und nur dann, wenn überhaupt eine Rechtsverletzung denkbar ist. Im Planungsstadium ist zwar stets nur ein Wahrscheinlichkeitsurteil möglich, ob der Auskunftsuchende ernsthaft vorhat, seine vorgetragene Planungsabsicht zu verwirklichen - nur dann kann Gefahr bestehen, in Kollision mit öffentlichrechtlichen Vorschriften zu kommen, jedenfalls werden aber über die Darlegungspflicht des Auskunftsuchenden, warum die Auskunft für ihn wichtig ist, die Fälle weitgehend ausgeschaltet werden können, in denen bloße Rechtsfragen geklärt werden sollen und der Auskunft keine verhaltensbestimmende Wirkung zukommt. Die verbleibende Freiheit des Bürgers, das geplante Vorhaben nicht zu verwirklichen, und die damit verbundene Möglichkeit, daß sich die Auskunft im nachhinein vielleicht als überflüssig erweist, rechtfertigt nicht die generelle Versagung des Auskunftsanspruchs, wie ja auch nicht der Sinn von Erlaubnis- und Bewilligungsverfahren in Zweifel gezogen wird, weil kein Zwang besteht, die erteilte Erlaubnis oder Bewilligung zu verwerten106 • 106 Die Gefahren der potentiell überflüssigen Auskunft dürften auch schon ausgeglichen werden durch die Entlastung der Verwaltung auf dem Eingriffs-

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Schließlich ist auch noch zu bedenken, daß die Auskunft in dem hier verstandenen Sinn eine Amtshandlung i. S. der Verwaltungskostengesetze ist, für die Gebühren anfallen. Kann der Bürger darlegen, daß er ein bestimmtes Vorhaben ernsthaft plant oder ein Verhalten beabsichtigt, für welches die Auskunft erheblich ist, und ist er bereit, die durch die Auskunft veranlaßten Gebühren zu zahlen, dürften kaum Gefahren bestehen, daß der Auskunftsanspruch zur Befriedigung bloßer Wißbegierde mißbraucht wird107• Mit der Rechtfertigung des Auskunftsanspruchs, für die im wesentlichen das Interesse des Bürgers, sich rechtmäßig zu verhalten, und die Verantwortung der Verwaltung, für die Einhaltung der öffentlichrechtlichen Vorschrift zu sorgen, sprechen, werden gleichzeitig die Grenzen erkennbar, die dem Auskunftsanspruch gesetzt sind. Abgesehen davon, daß er nur in den Fällen in Betracht kommt, in denen das materielle Verwaltungsrecht bzw. Verwaltungsverfahrensrecht keine besonderen Vorkehrungen - z. B. in Form von Genehmigungsverfahren - getroffen hat, um das Rechtsklarheitsbedürfnis zu befriedigen, ergeben sich weitere Schranken aus der Gestaltungsfunktion öffentlichrechtlicher Vorschriften. Vom Regelungsgehalt öffentlichrechtlicher Normen her gesehen ist es in der Regel wünschenswert, daß der Bürger Klarheit darüber hat, welches Verhalten zulässig, welches rechtswidrig ist. Im öffentlichen Interesse kann es nicht liegen, daß der Bürger erst handelt und durch Verwaltungsakt gezwungen wird, sein Verhalten oder dessen Folgen rückgängig zu machen. In der Frage, ob ein Verhalten rechtmäßig ist, kann man deshalb von einer Koinzidenz von Individual- und Allgemeininteresse sprechen, welches die Auskunft über die Rechtmäßigkeit eines geplanten Vorhabens rechtfertigt. Das Planungsinteresse des Bürgers geht indessen weiter. Es ist nicht darauf beschränkt, ob ein Verhalten rechtmäßig oder rechtswidrig ist, sondern drängt nach der optimalen Ausnutzung der vom Recht gewährten Freiheiten. Freiheit bedeutet auch Verantwortung, und von der Verantwortung, selbst zu entscheiden, wie die gewährte Freiheit zu nutzen ist, kann das Individuum auch nicht über den Weg der Auskunft entbunden werden. Wo das öffentliche Recht nicht lenkend eingreift, keine Schranken setzt, kann deshalb keine Auskunft darüber eingeholt werden, welcher Weg sektor, die zu erwarten ist, weil der Bürger sich nach der erteilten Auskunft richten kann. 107 Die Anerkennung eines Anspruchs auf verbindliche, kostenpflichtige Auskunft würde auch nicht die Tätigkeit der rechtsberatenden Berufe beeinträchtigen, da infolge der Bedeutung der Auskunft es wahrscheinlich wäre, daß die Rechtsanwälte usw. bereits für das Auskunftsverfahren eingeschaltet würden.

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Teil 2: Die Dimension der Zeit im Feststellungsprozeß

für den Privaten am günstigsten ist. Beispielhaft zu nennen ist in diesem Zusammenhang das Steuerrecht, welches dem Bürger die Entfaltungsmöglichkeit in den zivilrechtlichen Geschäften beläßt. Den bürgerlichen Rechtsgeschäften, welchen das Steuerrecht keine Schranken setzt, kommt nur die Funktion von Tatbestandsmerkmalen zu, an die das Steuerrecht bestimmte Rechtsfolgen knüpft. Da es dem Bürger unbenommen bleibt, die zur Verwirklichung seiner Interessen - auch in steuerlicher Hinsicht - günstigste Gestaltungsform auszuwählen, kann er andererseits auch keinen behördlichen Rat erwarten, welche Gestaltung sich für ihn steuerlich am vorteilhaftesten auswirkt. Die Abstinenz des Steuerrechts, in die zivilrechtlichen Geschäfte regelnd einzugreüen, begründet auch die Versagung eines Anspruchs auf Auskunft über die steuerlichen Folgen eines Rechtsgeschäftes. Die Auskunft stünde in diesem Fall im Widerspruch zum Regelungsanliegen der Steuergesetze, welches vornehmlich darin besteht, dem Gemeinwesen Einkünfte zu sichern. Aufgabe der Steuerbehörden kann es deshalb grundsätzlich auch nicht sein, durch Auskünfte dem Bürger möglichst zu Steuerersparungen zu verhelfen. Das Kalkulationsinteresse des Bürgers stößt hier auf ein gegenläufiges, aus dem normativen Anliegen der Steuergesetze abgeleitetes Interesse der Steuerbehörden, welches eine Vorabklärung des steuerrechtlichen Tatbestandes vor dessen Verwirklichung nicht gestattet. So ist z. B. eine vorbeugende Klage auf Feststellung, daß eine stille Beteiligung minderjähriger Kinder am Komplementäranteil ihres Vaters an einer Kommanditgesellschaft einkommensteuerlich "anzuerkennen" sei, unzulässig, das Feststellungsbegehren einer Vereinigung der Lohnsteuerzahler, ob eine bestimmte Art und Weise der Hilfe in Lohnsteuersachen vom Steuerberatungsgesetz gedeckt sei, hingegen nicht zu beanstanden108• Generell läßt sich sagen: Ein Anspruch auf Auskunft ist prinzipiell anzuerkennen, soweit der Bürger Zweifel daran hat, ob ein von ihm geplantes Verhalten oder Vorhaben nach den öffentlichrechtlichen Vorschriften durchführbar ist. In diesem Umfang ist die Befriedigung des individuellen Planungsinteresses Aufgabe der öffentlichen Amtsträger, die für die Einhaltung öffentlichrechtlicher Vorschriften durch den Bürger Sorge zu tragen haben und es ihm deshalb auch ermöglichen müssen, rechtmäßig zu handeln. Hingegen besteht ein Auskunftsanspruch des Bürgers in den Bereichen nicht, in denen das öffentliche Recht nicht gestaltend eingreüt und das Individuum allein die Verantwortung trifft, wie es seine Angelegenheiten regelt, und folglich über die Auskunft lediglich behördliche Entscheidungshilfe zur bestmöglichen 108 So im Ergebnis in beiden Fällen der BFH, allerdings ohne überzeugende Begründung für die Differenzierung; vgl. BFH, BStBl 1973 II, S.533; DStR 1973, S. 347; dazu auch oben Teil 2 IV. 2, Teil 2 VI.

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Nutzung individueller Freiheit gewährt würde. Stets ist erforderlich, daß die Vorab entscheidung - d. h. die Entscheidung der verhaltensbestimmenden Rechtsfrage vor Verwirklichung des gesetzlichen Eingriffs- oder Leistungstatbestands - mit dem Regelungsanliegen der Normen vereinbar ist, anhand derer der vorgetragene Sachverhalt zu beurteilen istiOD. Ist man nicht bereit, dem Bürger über den Auskunftsanspruch und die vorbeugende Feststellungsklage, die zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit lediglich geplanter Vorhaben führen, von dem Risiko zu entlasten, rechtswidrig zu handeln, muß man konsequenterweise jede Form vorbeugenden Rechtsschutzes ablehnen. Um Prozesse über hypothetische Sachverhalte handelt es sich bei der verwaltungsgerichtlichen Klage auch dann, wenn der Bürger zwar gehandelt hat, aber die Reaktion der Verwaltung noch aussteht. Berücksichtigt man, daß das Gesetz die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Eingriffs fest umreißt, hingegen Eingriffsmöglichkeiten und -modalitäten oft dem Ermessen der Verwaltung anheimstellt, dürfte es sich bei dem Prozeß, mit dem lediglich dem Verwaltungsakt vorgebeugt wird, in nicht minderem Maße um einen Rechtsstreit auf Verdacht handeln. Der Rechtsschutz des Bürgers im Planungsstadium bezieht sich zuvörderst auf die Frage, ob das Vorhaben rechtmäßig ist, dessen Durchführung er beabsichtigt, und sie ist mit gleicher Eindeutigkeit aus dem Gesetz zu beantworten, gleichgültig, ob das Vorhaben bereits ausgeführt oder lediglich geplant ist. Hat der Bürger bereits gehandelt und wendet sich die Klage gegen die von der Behörde zu bestimmende Rechtsfolge, ergeben sich erhebliche Unsicherheitsfaktoren, weil die öffentlichrechtlichen Gesetze der Behörde in der Wahl der Mittel, mit denen sie gegen eine Störung einschreitet, in erhöhtem Maße Entscheidungsfreiheit gewährt. Stets bleibt ihr die Freiheit, ob sie überhaupt eingreifen wird, und diese Ungewißheit besteht fort, bis sie tatsächlich den Verwaltungsakt erläßt. Erklärt das Gericht eine bestimmte Eingriffsform für unzulässig, mag eine andere rechtmäßig sein. Läßt sich demnach schon nicht sagen, daß das Urteil, mit dem einem Verwaltungsakt vorgebeugt wird, nachdem der Bürger bereits gehandelt hat, sich durch eine größere praktische Relevanz gegenüber dem 109 Im Ergebnis dürfte es deshalb zutreffend sein, eine Klage auf Feststellung, daß eine Wochenschrill eine politische Zeitschrift i. S. von § 7 S.2 GjS sei, nicht zuzulassen, solange noch kein Indizierungsantrag vorliegt, so OVG Münster, OVGE 20, S. 166 ff. Die Feststellungsklage würde in diesem Fall die Entschließungsfreiheit der antragsberechtigten Stellen überspielen und der Verfahrensausgestaltung des GjS widersprechen. - Eine solche Unvereinbarkeit der Vorabentscheidung mit dem gesetzlichen Regelungsanliegen wird indessen nur in Ausnahmefällen anzunehmen sein.

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Urteil auszeichnet, welches sich auf das geplante Verhalten des Bürgers bezieht, so fällt darüber hinaus entscheidend ins Gewicht, daß dem Bürger erst recht das Abwarten des Verwaltungsaktes zugemutet werden kann, wenn man es schon nicht für gerechtfertigt hält, ihn von dem Risiko rechtswidrigen Handeins zu entlasten. Begehrt der Bürger über die Klage Auskunft über die Rechtmäßigkeit der zu erwartenden Reaktion der Verwaltung auf sein Handeln, erhält er lediglich früher Rechtsgewißheit, als wenn er den Verwaltungsakt abwarten würde. Die Verkürzung der Wartezeit kann nur im Hinblick auf Dispositionen gerechtfertigt werden, die von der Kenntnis und von dem Bestand der behördlichen Maßnahmen abhängen, da es kaum der Sinn vorbeugender Klage sein kann, dem Bürger lediglich Gewißheit über die ihn treffende Reaktion zu verschaffen, wenn keine zwischenzeitlich zu treffenden Verhaltensentscheidungen davon abhängen110 • Ist das Planungsinteresse schutzwürdig, soweit die behördliche Bewertung vollzogenen Verhaltens des Bürgers dessen weiteres Handeln beeinflußt, muß ihm gleichermaßen Rechnung getragen werden für die bevorstehende Ausführung eines Vorhabens. Das Interesse des Bürgers, mit seinem Verhalten nicht in Kollision mit dem Gesetz zu kommen, dürfte zumindest dem Interesse gleichstehen, möglichst schnell Klarheit über die Rechtmäßigkeit der behördlichen Stellungnahme zu einem durchgeführten Vorhaben zu erhalten. VB. Der Rechtsstreit vor erfolgter Rechtsverletzung 1. Präventiver und repressiver Rechtsschutz stillen recht unterschiedliche Bedürfnisse. Repressiver Rechtsschutz sieht den Kläger in der Rolle des Verletzten, der auf fremdes Unrecht reagiert, oder des in seiner Rechtssphäre Bedrohten, der einem drohenden Eingriff vorbeugen möchte. Mit der Präventivklage - speziell der vorbeugenden Feststellungsklage - wird der Kläger nicht primär abwehrend tätig, er will eigenes rechtmäßiges Handeln vorbereiten. Das Prozeßrecht greift hier unterschiedliche Funktionen des materiellen Rechts auf: Das sachliche Recht ordnet einerseits Rechtsfolgen für Rechtsverstöße an, dient aber auch als Handlungsanweisung, bei deren Befolgung das Entstehen von Konfliktslagen verhindert wird. Ganz in diesem Sinne kann die Klage Reaktion auf erfolgte oder bevorstehende Rechtsverletzung wie auch Mittel zur Sicherung eigenen normgemäßen Verhaltens sein. In dem Fall, in dem die Feststellungsklage nicht auf die Abwehr fremder Rechtsverletzung gerichtet ist, sondern den Zweck hat, Rechtsfragen zu 110 Das Dispositionsinteresse des Bürgers berücksichtigen auch Schenke (AöR Bd.95, S.252) und Ule (VerwArch 1974, S. 307 f.), die allerdings von Zumutbarkeitserwägungen ausgehen.

Der Rechtsstreit vor erfolgter Rechtsverletzung

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klären, deren Beantwortung dem Kläger dazu verhelfen soll, nicht in fremde Rechtssphären einzudringen, verlagert sich der Akzent von der erfolgten oder bevorstehenden Rechtsverletzung durch den Beklagten auf dessen Pflicht, zu dem geplanten Vorhaben des Klägers Stellung zu nehmen. Ein solcher Rechtsstreit hat vorwiegend verbalen Charakter, es ist der Streit der Meinungen, der Rechtsauffassungen zu einem bestimmten Sachverhalt. Er wird dem Bedürfnis des Bürgers gerecht, in einem Zeitpunkt Rechtsklarheit zu gewinnen, in dem dies für ihn am wichtigsten ist, nämlich bevor er gehandelt hat. Es ist nicht nur natürlich, sich Gedanken über die Rechtslage zu machen, bevor man zur Aktion schreitet. Die Schlichtung der widerstreitenden Rechtsauffassungen bevor etwas "passiert" ist, entspricht auch der Entwicklung in den Kulturstaaten der Gegenwart zu einem ständigen Abbau der Selbsthilfe als Mittel der Rechtswahrung durch die Einrichtung eines umfassenden Rechtsschutzes über staatliche Gerichte. Walter Jellinek hielt noch die Selbsthilfe des einzelnen gegen den Staat in Form des Ungehorsams gegenüber einem ungesetzlichen obrigkeitlichen Gebot oder des körperlichen Widerstandes gegen staatliche Eingriffe tatsächlicher Art für eine "vollendete Rechtsschutzeinrichtung", weil über die Zulässigkeit des Ungehorsams nachträglich die Gerichte entschiedenl11 • Dieses Verständnis der Selbsthilfe lag nahe in einer Zeit, da es noch keine Generalklausel gab. Ermöglicht man die Anrufung der Gerichte, bevor der potentielle Gegner gehandelt und die Rechtssphäre des zukünftigen Klägers verletzt hat oder man selbst durch sein eigenes Handeln gegen das Gesetz verstößt, bleibt für die Selbsthilfe kaum noch Raum. J ellinek bemerkte deshalb schon im Nachtrag zur letzten Auflage seines Verwaltungsrechts, die "Selbsthilfe des einzelnen gegenüber der Staatsgewalt wird immer seltener werden, je mehr sich der vorbeugende gerichtliche Rechtsschutz verbessert"112. - Wer hingegen verlangt, daß der Bürger Rechtsschutz erst erlangen soll, wenn er gehandelt und möglicherweise einen Eingriffstatbestand verwirklicht hat, bürdet ihm das Risiko auf, rechtswidrig zu handeln, zwingt ihn auf diese Weise zum Ungehorsam. Die Auskunft über die Rechtmäßigkeit eines lediglich geplanten Vorhabens oder Verhaltens ist die positive Konsequenz aus dem grundsätzlichen Verbot der Selbsthilfe. Aus der Entscheidung für Rechtsschutz in einem Stadium, bevor das streitige Verhalten verwirklicht worden ist, und der damit verbundenen Anerkennung des Bedürfnisses des Bürgers, sich von dem Risiko zu entlasten, rechtswidrig zu handeln, ergeben sich Konsequenzen für 111 Jellinek, Verwaltungsrecht, S.292. 112 Jellinek, Nachtrag zur dritten Auflage des Verwaltungsrechts, S.21.

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die Frage, wann das Rechtsverhältnis "gegenwärtig" und damit feststellungsfähig ist: Der Zeitfaktor hat für die rechtliche Beziehung, über welche als Sachverhalt im Feststellungsurteil entschieden wird, eine andere Bedeutung als für das materielle Rechtsverhältnis, aus welchem Ansprüche erwachsen. Es geht weniger darum, daß der Kläger eine ihm drohende Rechtsverletzung durch den Beklagten dartut. Entscheidend ist, ob er einen anhand rechtlicher Maßstäbe bewertbaren Sachverhalt vorträgt113 und darlegen kann, daß die begehrte Entscheidung für ihn aktuelle verhaltensbestimmende Wirkung äußertla. Daß der vorbeugenden Feststellungsklage, mit welcher der Kläger eigenes rechtmäßiges Verhalten vorbereiten will, im öffentlichen Recht breiterer Anwendungsraum eröffnet ist als im Zivilrecht, beruht ausschließlich darauf, daß die Verwaltung gewissermaßen mitverantwortlich für rechtmäßiges Verhalten des Bürgers ist, während die Privaten Eigeninteressen verfolgen und sich untereinander in der Regel keine Rechenschaft schulden1u1• Das oft berufene verfassungsrechtliche Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) hilft demgegenüber wenig, weil es bei der Frage, ob Rechtsschutz schon im Planungsstadium des Bürgers sinnvoll ist oder ob der Rechtsschutz ausschließlich auf den Verwaltungsakt hin konzipiert werden sollte, nicht um die Vermittlung des verfassungsrechtlich gewährleisteten Mindestrechtsschutzes geht118. Will der Kläger wissen, ob ein von ihm geplantes Vorhaben rechtmäßig ist, läßt sich zudem die heute übliche Frage, ob er den Verwaltungsakt abwarten muß, nicht sinnvoll stellen; solange der Kläger sein Vorhaben nicht in die Tat umsetzt, wird er vergeblich auf den Verwaltungsakt warten, gegen den er vorgehen könnte. Im übrigen zeigen gerade die Fallgruppen117 , in denen man es dem Bürger ersparen will, den Ver113

Vgl. dazu Teil 1 IH. 1.,2; Teil 2 IH. 3., 4, ferner ausführlich Teil 4 IH.

114 Mit der herrschenden, am Verwaltungshandeln orientierten Betrach-

tungsweise läßt sich z. B. kaum angemessen ein Sachverhalt beurteilen, wie er der Entscheidung des BVerwG vom 26.6.1974 (DVBI1974, S.681) zugrunde lag: Dort hatte der Kläger die Feststellung begehrt, daß Ort und Art der Bestattung, wie er sie testamentarisch bestimmt hatte, rechtlich zulässig seien. - Vom Regelungsanliegen des einschlägigen Gesetzes über die Feuerbestattung aus gesehen war es geradezu geboten, daß eine Klärung der Rechtslage erfolgte, bevor die Bestattung anstand. Denn das Gesetz beschränkt vornehmlich die Persönlichkeitsinteressen des Lebenden, der bestimmen kann, wie mit seinem Leichnam verfahren wird. Versucht man hingegen, darauf abzustellen, ob das Abwarten des Verwaltungsaktes zumutbar ist, kommt man wohl kaum zu eindeutigen Lösungen. 115 Dazu Teil 2 VI. 2. 118 Vgl. in diesem Zusammenhang aber Lorenz, Der Rechtsschutz des Bürgers und die Rechtsweggarantie, S. 138 ff.; Bettermann, Zehn Jahre VwGO, S.185; Maetzel, DVBI 1974, S. 335; Ule, VerwArch 1974, S. 299 f. 117 Vgl. dazu z. B. Schenke, AöR Bd.95, S. 250 ff.; Ule, VerwArch 1974, S. 305 ff.

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waltungsakt abzuwarten, daß bei solchem Ansatz mannigfache Wertungswidersprüche unausgeräumt bleiben und mehr zufällig die Probleme gelöst werden, die man zu lösen meint: 2. Folgt man der hier vertretenen Auffassung, daß es dem Bürger ermöglicht werden muß, sich rechtmäßig zu verhalten, bietet der mit StTafandTohung bewehTte VeTwaltungsakt keinerlei Besonderheiten. Stellt man hingegen darauf ab, "daß es dem Staatsbürger nicht zugemutet werden könne, zunächst Ordnungsverfügungen und Strafanzeigen gegen sich ergehen zu lassen, um dann im Bußgeldverfahren oder Strafverfahren die strittigen Rechtsfragen zu klären"u8, so fragt sich, warum es dann im übrigen dem Bürger zumutbar sein soll, zunächst zu handeln und sich dann im Verwaltungsakt sein rechtswidriges Vorgehen bescheinigen zu lassen. Die Differenzierung beruht auf einer Bewertung der Folgen, die sich für den Staatsbürger bei Fehleinschätzung der Rechtslage ergeben; die Belastung mit Bußgeld oder Strafe wird als gravierender angesehen als die beschwerende Wirkung sonstiger Verwaltungsakte. Eine Unterscheidung nach Art und Maß der Beschwer mag im Bereich des vorläufigen Rechtsschutzes angebracht sein, nicht aber in einem Urteilsverfahren. Der allgemeine Grundsatz, daß die Zulässigkeit einer Klage nicht von der Gewichtigkeit der auf dem Spiel stehenden Interessen der Beteiligten abhängt, beansprucht auch für den vorbeugenden Rechtsschutz GeltungUtI. Ausgehend von der Prämisse, daß es entscheidend darauf ankommt, ob dem Bürger das Abwarten des Verwaltungsaktes zumutbar ist, dürfte auch die Fallgestaltung des sich kUTzfTistig eTledigenden VeTwaltungsaktes keine Sonderbehandlung erfahren, liegt doch hier ein Verwaltungsakt als Angriffsobjekt vor. Wird die vorbeugende Klage - im Ergebnis zu Recht - im Hinblick darauf zugelassen, daß der Bürger beabsichtigen könne, sich erneut in der Weise zu verhalten, wie es die Behörde zuvor bereits einmal beanstandet hatte - soll der vorbeugende Rechtsschutz also seine Rechtfertigung aus der Rechtskraftwirkung für den Wiederholungsfall erfahren -, spielt das Zeitmoment bei dem sich kurzfristig erledigenden Verwaltungsakt keine andere Rolle als bei allen sonstigen Verwaltungsakten. Warum derjenige, der Investitionen für ein langfristig zu nutzendes Vorhaben getroffen hat oder ein Verhalten ständig vornehmen will, mit der Durchführung bis So OVG Münster, OVGE 22, S.291. Ungelöst bleibt allerdings der Fall, daß die Strafe nicht an einen Verwaltungsakt anknüpft, sondern die alleinige Sanktion des pflichtwidrigen Verhaltens ist. Das Strafverfahrensrecht bietet keine Möglichkeit, sich vorab dagegen abzusichern, daß ein bestimmtes Verhalten nicht strafbar ist. Dies ist aber keine Rechtfertigung dafür, den vorbeugenden Rechtsschutz auch in allen anderen Bereichen einzuschränken. 118

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Teil :/,: Die Dimension der Zeit im Feststellungsprozeß

zum Erlaß des Urteils im Anfechtungsprozeß zuwarten soll, und nur demjenigen eine Vorabklärung zugebilligt wird, der eine zeitlich eng gebundene Veranstaltung plant, ist nicht einzusehen. Die Schwierigkeiten, die daraus resultieren, daß bis zur Entscheidung im Anfechtungsprozeß Zeit verstreicht und der Kläger solange das Vorhaben nicht oder infolge Zeitablaufs überhaupt nicht mehr durchführen kann, betreffen alle Urteilsverfahren. Man kann sie deshalb auch nicht durch einen übergang vom Anfechtungs- zum Feststellungs- oder Unterlassungsverfahren beheben. Dem Bürger wird aus dem Dilemma, daß er den Verwaltungsakt bis zur gegenteiligen Entscheidung des Gerichts befolgen muß, nur mit Mitteln des vorläufigen Rechtsschutzes geholfen. Dies gilt auch und gerade in den Fällen des sich kurzfristig erledigenden Verwaltungsaktes. Die Feststellungsklage ist in den Fällen, in denen sich der Verwaltungsakt kurzfristig erledigt, aber eine Wiederholung eines gleichartigen Sachverhalts möglich erscheint, nicht deshalb zulässig, weil aus verfassungsrechtlichen Gründen eine Verweisung auf den Anfechtungsstreit nicht zumutbar wäre, sondern weil es auch und gerade Aufgabe der Feststellungsklage ist, dem Staatsbürger Rechtsklarheit über die Rechtmäßigkeit zukünftigen Verhaltens zu verschaffen. Im Falle vorbeugenden Rechtsschutzes, der sich an einen kurzfristig erledigten Verwaltungsakt anschließt, hat der erledigte Verwaltungsakt nicht die Bedeutung einer Rechtsverletzung, der durch das Urteil begegnet werden könnte, er dient lediglich als Modellfall, anhand dessen dargelegt werden kann, welche für zukünftiges Verhalten des Klägers relevante Streitfrage vorhanden ist120• Wird damit nicht über den erledigten Verwaltungsakt judiziert, sondern allein Rechtsschutz für zukünftige Sachverhalte gewährt, ist es konsequent, gänzlich von dem Erfordernis der durch Verwaltungsakt drohenden Rechtsverletzung abzusehen. Warum im Falle der erstmaligen Gefahr einer Rechtsverletzung dessen Verwirklichung abgewartet werden muß und bei weiteren Störungsfällen nicht, bleibt unverständlich. Daß es nicht sinnvoll sein kann, die Zulässigkeit vorbeugenden Rechtsschutzes danach zu bestimmen, ob für den Betroffenen das Abwarten des Verwaltungsaktes tragbar ist, zeigt sich auch bei der dritten hier zu behandelnden Fallgruppe, bei der Rechtsprechung und Schrifttum die vorbeugende Klage zulassen, nämlich der, daß der Verwaltungsakt trotz der gegen ihn erhobenen Anfechtungsklage vollendete Tatsachen schaffen würde, Es ist schon nicht erkennbar, nach welchen Maßstäben entschieden werden könnte, ob die vom Beklagten ausgehende Verwirklichung der durch den Verwaltungsakt bestimmten Rechtslage "vollendete Tat120

Ähnlich schon BVerwG, DÖV 1957, S. 426; vgl. dazu ausführlich Teil 4 III.

Der Rechtsstreit vor erfolgter Rechtsverletzung

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sachen" schafft, welche die vorbeugende Klage rechtfertigen würden. Jeder Verwaltungsakt kann vollzogen bzw. - im Falle der Nachbarklage - durch den Begünstigten ausgenutzt werden, und jeder belastende Verwaltungsakt, bei dem die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage nicht eingreift, schafft für den Pflichtigen jedenfalls insoweit irreparable Folgen, weil er das im Verwaltungsakt enthaltene Gebot bis zur rechtskräftigen Entscheidung befolgen muß. Die Aufgabe, sicherzustellen, daß vor Unanfechtbarkeit eines belastenden Verwaltungs aktes keine vollendeten Tatsachen geschaffen oder Rechte nicht beeinträchtigt werden, ohne daß dem Betroffenen wirksamer Rechtsschutz eingeräumt würde, kommt allein dem vorläufigen Rechtsschutz zu, der die Hauptsache entscheidbar halten soll. Macht man die Zulässigkeit der vorbeugenden Klage ausschließlich davon abhängig, ob vor Rechtskraft des Anfechtungsurteils vollendete Tatsachen eingetreten sein können, mißachtet man die in § 80 VwGO getroffene gesetzgeberische Entscheidung, nach der die Herbeiführung "vollendeter Tatsachen" geradezu geboten sein kann121 • Statt dessen sollen die angeblichen Nachteile des Anfechtungsverfahrens, daß unter Umständen irreparable Zustände einer Sinnentfaltung des Anfechtungsurteils entgegen stehen, durch Einführung eines weiteren Urteilsverfahrens ausgeglichen werden. Dabei vermögen weder Feststellungsnoch Unterlassungsklagen den gewünschten Erfolg herbeizuführen. Denn die Rechtshängigkeit dieser Klagen hindert die öffentlichrechtlichen Befugnisträger nicht daran, den Verwaltungsakt zu erlassen. Geht man zudem bei einem alle Instanzen durchlaufenden Rechtsstreit von einem Zeitraum von drei bis fünf Jahren bis zum Erlaß des rechtskräftigen Urteils aus, widerspricht es der Lebenserfahrung, daß das Urteil im Feststellungs- oder Unterlassungsstreit rechtskräftig ist, bevor der befürchtete Verwaltungsakt erlassen ist, welcher verhindert werden soll. Die Klagen, die in der Praxis unter Hinweis auf die angebliche Notwendigkeit zugelassen wurden, "vollendete Tatsachen" zu verhindern, hätten deshalb auch problemlos auf andere Weise gerechtfertigt werden können. Dies zeigt sich z. B. an dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 16.4.1971: Das Bundesverwaltungsgericht hatte über die Unterlassungsklage des Inhabers eines nach § 16 GewO (jetzt § 4 BlmSchG) im Außenbereich genehmigten Gewerbebetriebs zu befinden, der vor allem mit der Begründung, daß ein nach Errichtung seines Gewerbebetriebs beschlossener Bebauungsplan nichtig sei, eine geplante Wohnbebauung in der Nähe seines Betriebsgebäudes zu verhindern 121 Zum Verhältnis von vorbeugender Klage und einstweiligem Rechtsschutz vgl. oben in Teil 2 IV. 2.

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Teil 2: Die Dimension der Zeit im Feststellungsprozeß

suchte, weil diese ihn mit erheblichen finanziellen Aufwendungen für Schutzmaßnahmen belastet hätte. Zu diesem Zweck focht er die bereits erteilte Baugenehmigung an und klagte in weiteren Fällen auf Unterlassen der Genehmigungserteilung1tt• Die Tatsache, daß in den Fällen, auf welche sich die Unterlassungsklage bezog, noch keine Bauanträge gestellt und deshalb die konkreten Vorstellungen über die beabsichtigten Bauvorhaben noch nicht bekannt waren, sah das Bundesverwaltungsgericht zu Recht nicht als hinderlich für eine Entscheidung des Rechtsstreits an, da feststand, daß jedenfalls Genehmigungen für Wohnbauten beantragt werden würden, die der Kläger wegen der Nichtigkeit des Bebauungsplans für unzulässig hielt. Bemerkenswert ist aber die Begründung, warum nach Auffassung des Gerichts dem Kläger die Gefahr drohte, mit vollendeten Tatsachen konfrontiert zu werden. Der Senat sah sie darin, daß dem Kläger vorläufiger Rechtsschutz versagt worden war und erfahrungsgemäß mit baldigem Baubeginn nach Genehmigungserteilung gerechnet werden müsse. Da der Senat selbst betont, daß es "üblich" sei, alsbald nach Erteilung der Baugenehmigung mit Ausführung der Bauarbeiten zu beginnen, und er im gleichen Atemzug ausführt, es sei "einem Grundstückseigentümer regelmäßig zuzumuten, eine von ihm befürchtete Baugenehmigung zugunsten eines Nachbarn abzuwarten", konnte der zu erwartende Baubeginn gerade kein Grund sein, der ein Abweichen von der allgemeinen Regel gestattet hätte. Übrig bleibt also als Rechtfertigungsgrund für die vorbeugende Klage die Erfolglosigkeit des Klägers in den einstweiligen Rechtsschutzverfahren. Gerade wenn man aus der vom Bundesverwaltungsgericht angeführten Erwägung die vorbeugende Klage zuläßt, negiert man die im Verfahren nach § 80 oder § 123 VwGO getroffene Entscheidung. Zudem stellen sich sofort weitere Fragen auf Grund der angeblichen Abhängigkeit von vorläufigem und vorbeugendem Rechtsschutz. Würde man mit dem Bundesverwaltungsgericht davon ausgehen, daß der vorbeugende Rechtsschutz in der Form der Feststellungs- oder Unterlassungsklage überhaupt geeignet ist, der Gefahr vollendeter Tatsachen zu begegnen, müßte man diese Klage auch neben dem rechtshängigen Anfechtungsverfahren bei gleichzeitigem erfolglosen Eilverfahren zulassen, da das Anfechtungsverfahren nicht geeignet ist, irreparable Zustände zu verhindern. Ferner wäre es auch konsequent, bei erfolgreichem Eilverfahren den vorbeugenden Rechtsschutz grundsätzlich zu versagen. Schließlich müßte auch überlegt werden, ob die vorbeugende Klage nur dann zulässig ist, wenn vorab das Verfahren nach § 80 oder § 123 VwGO durchgeführt worden ist. Alle diese durch die angebliche Abhängigkeit von vorbeu1H

DVBI 1971, S.747 = BauR 1971, S. 100 = BayVBI 1972, S. 189.

Ergebnis

127

gendem und vorläufigem Rechtsschutz provozierten Gedanken führen indessen nicht weiter, weil eben die Klage nicht dazu bestimmt und geeignet ist, die Nachteile für den Betroffenen zu verhindern, die aus der sofortigen Verwirklichung der durch den Verwaltungsakt geschaffenen Rechtslage entstehen. Das vom Bundesverwaltungsgericht gefundene Ergebnis würde sich durch das hier entwickelte Verständnis der Feststellungsklage zwanglos rechtfertigen lassen: Nachdem der Feststellungsstreit nicht mehr eine erfolgte tatsächliche Rechtsverletzung voraussetzt, ist es für die Zulässigkeit der Feststellungsklage allein erheblich, daß der Kläger einen rechtlich bewertbaren Sachverhalt vorträgt und darlegt, warum das Urteil für ihn verhaltensbestimmende Wirkung haben kann. Ein bewertbarer Sachverhalt hat nicht zur Voraussetzung, daß das Vorhaben oder Verhalten, über dessen Rechtmäßigkeit gestritten werden soll, bereits tatsächlich verwirklicht ist. So konnte auch in dem dem Bundesverwaltungsgericht unterbreiteten Streitfall über die Zulässigkeit der zu erwartenden Wohnbebauung befunden werden. weil die Entscheidung allein von der Frage abhing, ob der Bebauungsplan nichtig und welche Rechtsfolgen aus § 35 BBauG für eine Wohnbebauung in der Nähe des klägerischen Unternehmens abzuleiten waren; für diese Frage war es nicht erheblich, wie das einzelne Vorhaben aussehen würde. Praktische verhaltensbestimmende Wirkung hatte das Urteil für den Kläger schon deshalb, weil die Errichtung von Wohnbauten seine Betriebsführung erheblich beeinflußte.

vm. Ergebnis 1. Die Zivilrechtsjudikatur neigt dazu, das Rechtsverhältnis, über welches als Sachverhalt im Feststellungsprozeß gestritten wird, erst dann als gegenwärtig und feststellungsfähig anzusehen, wenn die zu entscheidende Streitfrage einen einzelnen, bereits bestimmbaren Leistungsanspruch betrifft. In der öffentlichrechtlichen Praxis beeinfiußt das Verwaltungsaktsdenken maßgeblich die Abgrenzung gegenwärtiger und zukünftiger Rechtsverhältnisse. 2. Jeder Feststellungsstreit hat Bezug zur Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Das streitauslösende Ereignis, welches stets in der Vergangenheit liegt, muß nicht identisch sein mit dem Sachverhalt, für welchen die Urteilsaussage verhaltenssteuernde Wirkung ausüben soll. Für die Frage, ob über rechtliche Beziehungen im Feststellungsstreit entschieden werden kann, ist die zeitliche Distanz zwischen dem Urteilszeitpunkt und dem Zeitpunkt, ab welchem

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Tei12: Die Dimension der Zeit im Feststeliungsprozeß

materielle Rechte in Form von LeistungsanspTÜchen geltend gemacht werden können, weitgehend unerheblich. 3. Das Feststellungsurteil erfüllt seine Funktion, den Parteien Verhaltensrichtschnur zu sein, in vollem Umfang erst dann, wenn der Feststellungsstreit über einen Sachverhalt geführt wird, der insofern hypothetischen Charakter aufweist, als das Verhalten, für welches die Urteilsaussage gelten soll, noch nicht real verwirklicht ist.

4. Urteile über solche hypothetische Sachverhalte sind möglich und sinnvoll. In der Frage, ob das Urteil für die Zukunft verhaZtensbestimmende Wirkung äußern kann, ist im Urteilszeitpunkt nur eine Prognose möglich. Die Einschätzung hängt nicht ausschließlich von zeitlichen Faktoren ab. Starre Grenzen, wie sie die traditionelle Gegenüberstellung vergangener, gegenwärtiger und zukünftiger Rechtsverhältnisse vermuten läßt, gibt es nicht. 5. Die Regeln über die Unzulässigkeit des Feststellungsstreits über

zukünftige Rechtsverhältnisse und die Grundsätze des vorbeugenden Rechtsschutzes müssen aufeinander abgestimmt werden.

6. Der Rechtsschutz wird herkömmlich fast ausschließlich in seiner abwehrenden Funktion gesehen; über das Urteil soll fremdem rechtswidrigem Verhalten begegnet werden. Vernachlässigt wird allgemein, daß das Feststellungsurteil auch die Aufgabe haben kann, dem Kläger eigenes rechtmäßiges Handeln zu ermöglichen. 7. In der vornehmlich im Zusammenhang mit der Eingriffsverwaltung geführten Diskussion über die Möglichkeiten und Grenzen des vorbeugenden Rechtsschutzes werden die Unterschiede übersehen, die daraus resultieren, daß der Prozeß sowohl der Abwehr von Reaktionen der öffentlich rechtlichen Befugnisträger auf angeblich rechtswidriges Verhalten des einzelnen wie auch der Entlastung des Bürgers von dem Risiko, rechtswidrig zu handeln, dienen kann. 8. Ob Rechtsschutz im Planungsstadium des Bürgers gewährt wird, hängt maßgeblich von der Entscheidung ab, ob man ihm die Mög-

lichkeit einräumen will, sich rechtmäßig zu verhalten.

9. Die Möglichkeiten und Grenzen des Feststellungsstreits über die Rechtmäßigkeit lediglich geplanter Vorhaben können nur unter BeTÜcksichtigung der materiellrechtlichen Pflichtenlage bestimmt werden. Allein die materiellrechtlichen Beziehungen geben Aufschluß darüber, ob eine Pflicht des potentiellen Gegners im Rechtsstreit vorhanden ist, sich zur Rechtmäßigkeit des geplanten Vorhabens oder Verhaltens zu äußern. Der Bezug zu einer solchen

Ergebnis

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Pflicht muß heTgestellt weTden, weil deT FeststellungsstTeit ZUT Stellungnahme zwingt odeT sie dUTch das UTteil entbehTlich macht. 10. PTäventiveT und TepTessiveT Rechtsschutz sind gleichTangig. Die beiden RechtsschutzfoTmen entspTechen den veTschiedenen Funktionen des mateTiellen Rechts, welches nicht nUT die Aufgabe hat, Rechtsfolgen fÜT RechtsveTletzungen anzuoTdnen, sondern auch VOTsoTge dafüT tTeffen soll, daß Konfliktsituationen möglichst veTmieden weTden.

9 Trzaskalik

Dritter Teil

Rechtsverhältnis und Anspruch Liegt eine wesentliche Aufgabe der Feststellungsklage darin, den Parteien Rechtsklarheit für ihr zukünftiges Verhalten zu vermitteln, dürfte es kaum angebracht sein, das Wesen des Feststellungsstreits darin zu sehen, daß er die Grundlage für einen Leistungsanspruch schaffel. Vom Anspruch aus gesehen ist die Rechtsordnung lediglich in ihrer Eigenschaft als Zwangsordnung erheblich. Die Frage, ob ein Anspruch gegeben ist, zielt auf die Prüfung ab, ob die Rechtslage dergestalt ist, daß ein Rechtsträger den anderen zu einem bestimmten realen Verhalten mit Hilfe der Gerichte zwingen kann. Dem Feststelstellungsurteil fehlt der unmittelbare Bezug zur zwangsweisen Rechtsdurchsetzung; es ist nicht vollstreclrungsfähig. Aufgabe des Feststellungsstreits ist es eher, den Rechtszwang entbehrlich zu machen, indem die Urteilsaussage den Parteien hilft, reale Konfliktslagen, aus denen Ansprüche resultieren, zu verhindern2 • Bedeutet es schon eine Verfälschung des Feststellungsstreits, würde man im Feststellungsurteil lediglich eine Vorabklärung von Fragen sehen, die für einen Leistungsprozeß erheblich sind, so kommt hinzu, daß die Frage, ob und inwieweit das Feststellungsurteil präjudiziell 1 So auch heute die allgemeine Meinung, vgl. z. B. Stein / Jonas I Schumann / Leipold, Bem. H, 2, b vor § 253 ZPO, Bem. 1. 3 zu § 256 ZPO; StolI, in Festschrift für Bötticher, S. 348 ff.; Bauer, Dissertation, S. 15 f. Allerdings fehlt eine überzeugende Begründung. Die Verweisung auf RGZ 74, S.294 und RGZ 92, S. 1 ff. (z. B. in BGH, LM Nr.5 zu § 2100 BGB) ist der Erörterung des Problems wenig dienlich. Das RG entschied dort lediglich, daß das festzustellende Rechtsverhältnis nicht unbedingt präjudiziell für einen Leistungsanspruch des Klägers sein muß. Für die Frage, ob der Feststellungsstreit seine praktische Relevanz aus der Bedeutung der zu entscheidenden Rechtsfrage für eine potentielle Anspruchslage erfährt, sind die Urteilsgründe nicht ergiebig. Soweit z. B. der Forderungsprätendentenstreit und der Feststellungsstreit über Drittrechtsverhältnisse als Argumente für die mangelnde Anspruchsbezogenheit des Feststellungsprozesses angeführt werden (so z. B. Neuner, Privatrecht und Prozeßrecht, S.71; Stoll, in Festschrift für Bötticher, S. 349 ff.), ist die Beweisführung nicht überzeugend; vgl. dazu hier Teil 3 H. 2. c. 2 Der Kläger kann auch ein Interesse daran haben, gerade die Nichtigkeit des Rechtsverhältnisses festgestellt zu wissen, aus dem für ihn ein Anspruch resultieren könnte, vgl. dazu BGH, LM Nr.34 zu § 256 ZPO; ablehnend Wieser, Rechtsschutzinteresse, S.94.

Teil 3: Rechtsverhältnis und Anspruch

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wirkt, erst in Zusammenhang mit einem geltend gemachten Leistungsanspruch beantwortet werden kann. Das Feststellungsurteil kann je nach Eigenart des festgestellten Rechtsverhältnisses für eine Vielzahl verschiedener Ansprüche präjudiziell wirken. Sollte das Feststellungsurteil durch den Bezug zu einem Anspruch maßgeblich geprägt werden, wäre es erforderlich, daß bereits im Urteilszeitpunkt feststünde, um welchen Anspruch es sich handelt. Denkbar ist indessen, daß das Feststellungsurteil in der Folgezeit für ganz andere Bezüge Bedeutung gewinnt, als es nach dem streitauslösenden Ereignis zu vermuten war. Ein Grund, diese Breitenwirkung des Feststellungsurteils zu beschränken, ist nicht ersichtlich. Der materielle Anspruch hat für den Feststellungsprozeß lediglich insoweit Bedeutung, als die präjudizielle Wirkung des Urteils für einen zu erwartenden Anspruch das Feststellungsinteresse rechtfertigt. In der Rechtspraxis kommt dem Anspruch eine recht unklare Funktion für den Feststellungsstreit zu. Vielleicht liegt es an der vordergründigen, praktischen Bedeutung des Anspruchs, daß man leicht dazu neigt, rechtliche Beziehungen lediglich im Hinblick auf Ansprüche zu ordnen. Dieser Versuchung scheint man erlegen zu sein, soweit nur Rechtsverhältnisse und nicht Elemente bzw. Vorfragen für feststellungsfähig erachtet werden. Vom geltend gemachten Anspruch aus läßt sich leicht bestimmen, welche Rechtsfragen Elemente bzw. Vorfragen für den begründeten Anspruch sind. Wie sich ohne Bezug zum materiellen Anspruch feststellungsfähige Einheiten (= Rechtsverhältnis) und nicht feststellungsfähige Teile (= Element) unterscheiden lassen, ist nicht ohne weiteres verständlich. Läßt die Gegenüberstellung von Rechtsverhältnis und Elementen bzw. Vorfragen eine starke Orientierung am Anspruch vermuten, so wandelt sich das Bild gänzlich, wenn der Anspruch als Verbindung zwischen Berechtigtem und Verpflichtetem angesprochen ist. Soll der Feststellungsstreit seinen Sinn aus der präjudiziellen Wirkung für einen Anspruch erfahren, müßte der Feststellungsprozeß auch stets zwischen den Personen geführt werden, die sich als anspruchsberechtigt oder -verpflichtet gegenüber stehen. Demgegenüber ist es nach fast allgemeiner Meinung nicht erforderlich, daß das Rechtsverhältnis die Parteien des Rechtsstreits miteinander verbindet3; insbesondere braucht es nicht geeignet zu sein, einen Leistungsanspruch gegen den Beklagten zu begründen oder vorzubereiten.

3

a. A. heute lediglich Wieczorek, Anm. B. III. a zu § 256 ZPO.

132

Teil 3: Rechtsverhältnis und Anspruch

I. Das Verhältnis von Teil und Ganzem Wenn Rechtsprechung und Lehre Elemente und VorJagen weitgehend von der prozessualen Feststellung ausschließen' und sie den allein feststellungsfähigen Rechtsverhältnissen gegenüberstellen, so ist damit das Verhältnis zwischen Teil und Ganzem angesprochen; denn jedes Element eines Rechtsverhältnisses ist zugleich Teil eines solchen. Werden darüber hinaus unselbständige Elemente von selbständigen Teilen geschiedenll, so ist die Frage aufgeworfen, welcher Art die Verbindung zwischen Teil und Ganzem sein muß, daß das Element entweder vom Rechtsverhältnis nicht gelöst oder der gesonderten prozessualen Feststellung zugeführt werden kann. Von Teilen zu sprechen ist nur sinnvoll im Hinblick auf ihr Korrelat, das Ganze. Werden Teile aus dem Bezug zu dem sie bestimmenden Ganzen gelöst, verlieren sie zwangsläufig ihren Teilcharakter und werden selbständig. Im vorliegenden Zusammenhang dient die Unterscheidung von Teil und Ganzem dazu, die Rechtsbeziehungen zu bestimmen, die sich als Klagegegenstand eignen. Zu überlegen ist deshalb, ob rechtliche Beziehungen in der Weise geordnet werden können, daß sie im Hinblick auf ihre Feststellungsfähigkeit Ganzheiten bilden, die allein man als Rechtsverhältnisse bezeichnet. 1. Teile bzw. Elemente und Ganzheiten sind auch im Zusammenhang mit der Leistungsklage zu beachten. Ausdruck gefunden haben sie in der Institution der TeilklageG• Die dort entwickelten Gedanken lassen sich aber nicht erfolgversprechend verwenden, um die für die Feststellungsklage maßgeblichen Probleme zu lösen. Denn sowohl bei der , RGZ 107, S. 303; 144, S. 54; 158, S. 164; BGHZ 22, S.43 = NJW 1957, S.21; BVerwGE 24, S.335 = NJW 1967, S.72 = DVBI 1966, S.864; DVBI 1973, S. 573; BSGE 17, S.128; 4,184; 31, S. 235; BSG SozEntsch Nr. 29 zu § 55 SGG = NJW 1971, S.166 = DB 1970, S.2129 = BB 1970, S.1398; NJW 1971, S.263 = SozEntsch Nr.50 zu § 55 SGG; NJW 1973, S.1440; BAG, AP Nr.24 zu § 256 ZPO; AP Nr. 134 zu § 242 BGB Ruhegehalt; AP Nr.4 zu § 23 a BAT; AP Nr.l zu § 19 BAT; BFH, BStBI 1973, S.532; ESVGH 21, S.222; OVG Hamburg, MDR 1966, S.360; Stein / Jonas / Schumann / Leipold, § 256 ZPO, Bem. H, 1 b; Wieczorek, § 256 ZPO, Anm. B H; Kopp, § 43 VwGO Bem. 3 b; Eyermann / Fröhler, § 43 VwGO Rdnr.3; Schunck / De Clerck, § 43 VwGO, Bem. 2 d; Peters / Sautter / Wolff, § 55 SGG Anm. 2 a, ce; Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 41 FGO Rdnr. 3; Auffarth / SchönheIT, B 46 - 30/17; Ruckdäschel, DÖV 1961, S.680; allein Grunsky, Rdnr. 18 zu § 46 ArbGG, bemerkt, daß "die von der h. M. vertretene Differenzierung zwischen einerseits dem Rechtsverhältnis und andererseits einzelnen Vorfragen und Elementen unhaltbar" sei. 11 Stein / Jonas / Schumann / Leipold, § 256 ZPO, Bem. H, 1 a, c; Kopp. § 43 VwGO Bem. 3 c; Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 41 FGO Rdnr.3; Peters / Sautter / Wolff, § 55 SGG Anm. 2 a; Auffarth / Schönherr, B 46 - 30/20. G Vgl. dazu Wagner, Individualisierungsprobleme der Teilleistungsklage, Diss. Marburg 1972; Lindacher, ZZP Bd.76, S. 451 ff.

Das Verhältnis von Teil und Ganzem

133

Teilklage wie beim Teilurteil steht der· Bezugspunkt, das Ganze, fest. Es handelt sich um den behaupteten materiellen Anspruch, und die Frage, ob eine Teilklage oder ein Teilurteil zulässig ist, beurteilt sich danach, ob nach materiellem Recht die Rechtsfolgeseite, der behauptete Anspruch teilbar ist7. Erschöpft sich die Bedeutung des Verhältnisses von Teil und Ganzem für die Leistungsklage weitgehend in der Frage, welche Ansprüche teilbar sind, liegt im Bereich der Feststellungsklage das Hauptproblem in der Bestimmung des Ganzen. Die Schwierigkeiten finden letztlich ihren Grund darin, daß jede Rechtsbeziehung, die man isoliert als Einheit ansehen kann, als Element einer anderen erscheint, sobald sich der Standpunkt des Betrachters verlagert. So kann ein Vertrag als Ganzes verstanden werden. Man wird zu einer derartigen Betrachtungsweise neigen, wenn die Parteien um die Wirksamkeit desselben streiten. Der Vertrag wird aber zu einem Element, wenn der Kläger sein Interesse an Erfüllungs- oder Ersatzansprüchen aus dem Vertrag in den Vordergrund rückt. Erschöpft sich das Interesse des Klägers in dem Leistungsbegehren, mag es sinnvoll sein, ihn auf die Geltendmachung des Anspruchs zu verweisen. Sind die Anspruche aber allein deshalb zweifelhaft, weil die Wirksamkeit des Vertrages unsicher erscheint, wird es wieder nahe liegen, den Prozeß auf die Wirksamkeit des Vertrages zu konzentrieren. Der Vertrag mag zusätzlich bedeutsam sein als Vorfrage steuerlicher oder sozialversicherungsrechtlicher Pflichten8 • Man kann dann in Erwägung ziehen, den Kläger mit Rücksicht auf die umfassende Vorfragenkompetenz auf einen Rechtsstreit vor den Sozialoder Finanzgerichten zu verweisen. Wie aber ist dann zu verfahren, wenn der Kläger sein Feststellungsinteresse an dem Vertrag mehrfach begründet, z. B. mit Streitigkeiten über bestimmte Leistungsansprüche aus dem Vertrag und über die Pflicht zur Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen und Lohnsteuer? Gerade die Kumulierung der verschiedenen Interessen würde es dann vielleicht sinnvoll erscheinen lassen, den Vertrag als Rechtsverhältnis in den Vordergrund zu rücken und ihn nicht als Element oder Vorfrage des Leistungsanspruchs oder der sozialrechtlichen bzw. steuerlichen Pflichten einzuordnen. So vielfältig die Interessen an Rechtsschutz begründet werden können, so zahlreich scheinen die Möglichkeiten zu sein, Rechtsbeziehungen als Ganzes zu behandeln. Welche Rechtsbeziehung der Kläger auswählt, kann von vielen Gründen abhängen. 7 Lindacher, ZZP Bd.76, S.452; Wagner, Individualisierungsprobleme der Teilleistungsklage, S. 15. 8 Vgl. dazu z. B. BAG, SAE 1967, S. 28 mit Anm. v. Pohle; BAG, AP Nr.48 zu § 256 ZPO mit Anm. von Grunsky.

134

Teil 3: Rechtsverhältnis und Anspruch

Da es dem Kläger freisteht, den Streitgegenstand zu bestimmen, ist grundsätzlich davon auszugehen, daß es auch in seinem Belieben steht, die rechtlichen Beziehungen festzulegen, über die er eine Entscheidung begehrt. Werden bestimmte Rechtsrelationen als nicht feststellungsfähige Elemente oder Vorfragen gekennzeichnet, ist der Ausschluß von der selbständigen prozessualen Feststellung nur zulässig, wenn im Einzelfall Grenzen der Dispositionsfreiheit aufgewiesen oder die Beschränkung durch den Nachweis übergeordneter rechtlicher Prinzipien gerechtfertigt wird. Der allgemeine Satz, daß Elemente und Vorfragen nicht selbständig festgestellt werden können, ist als solcher ohne Erkenntniswert. Was Element eines Rechtsverhältnisses ist, läßt sich leicht feststellen, wenn das Rechtsverhältnis bekannt ist. Diese Situation wird im Prozeß aber nicht relevant. Jedes Urteil über die Zulässigkeit einer Feststellungsklage, gleichgültig, ob das Gericht dazu neigt, den Klagegegenstand als Rechtsverhältnis oder nur als Element eines solchen zu werten, impliziert eine Aussage über das Rechtsverhältnis selbst. Kann aber jedes Rechtsverhältnis in weiteren Bezügen als Element erscheinen, muß jede Aussage über ein Rechtsverhältnis zugleich begründen, warum nicht ein weiterreichendes Rechtsverhältnis gewählt werden muß. Eine derartige Begründung scheint aber kaum möglich, wenn man an dem Prinzip festhält, daß der Kläger den Streitgegenstand und damit auch das maßgebliche Rechtsverhältnis festlegt. 2. Vergleicht man die verschiedenen Fallgestaltungen, in denen in der Praxis die Gegenüberstellung von Element und Rechtsverhältnis eine Rolle spielte, so werden begriffliche Zusammenhänge deutlich, nicht aber einheitliche Regeln, nach denen bestimmt werden könnte, was das Ganze ist, dem das Element als Teil zuzuordnen ist. Die Begründungen erschöpfen sich weitgehend in der Feststellung, daß ein Element oder Rechtsverhältnis vorliegt. Bemerkenswert ist schon, daß sich fast die gesamte Nachkriegsrechtsprechung zur Rechtfertigung des Grundsatzes, daß Elemente und Vorfragen nicht festgestellt werden können, auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs9 beruft, deren Sachverhalt sich kaum dazu eignet, allgemeine Regeln zu entwickeln lO • Der Streitfall wurde dadurch aus9 BGHZ 22, S.43; vgl. dazu BAG, AP Nr.134 zu § 242 BGB Ruhegehalt; AP Nr.24 zu § 256 ZPO; BVerwG, NJW 1967, S.72 = DVBI 1966, S.864; BSG, NJW 1971, S. 166 = SozEntsch Nr.29 zu § 55 SGG; Kopp, § 43 VwGO Bem.3; Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 41 FGO Rdnr.3; Auffarth / Schönherr, B § 46 - 30/22. 10 Von den Entscheidungen, auf die der BGH zur Rechtfertigung des Grundsatzes verweist, daß Vorfragen oder Elemente nicht feststellungsfähig sind,

Die Elementfeststellung

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gelöst, daß der von einer Zwangsimpfung betroffene Kläger den Entschädigungsanspruch, den er festgestellt wissen wollte, zwar insgesamt geltend machte, ihn aber zugleich nach bestimmten Schadensposten (Kosten von Heilbehandlung, Erziehung und Ausbildung, Ausgleich für Erwerbsausfall und verschlechterte Heiratsmöglichkeiten, etc.) aufgliederte. Den Antrag konnte man in verschiedener Weise auslegen. Entweder waren die einzelnen aufgeführten Schadenspositionen nur ein Hinweis an das Gericht, die genannten Posten bei der Berechnung der angemessenen Entschädigung zu berücksichtigen, oder es sollte der Entschädigungsanspruch nach den einzelnen Schäden aufgegliedert werden. Geht man davon aus, daß jeder Kläger seinen Antrag in rechtlich zulässiger Weise formulieren will, so hing die Entscheidung für die eine oder die andere Auslegungsmöglichkeit allein von der Struktur des Aufopferungsanspruchs ab. Auf diese Weise verfuhr auch der Bundesgerichtshof, der den Unterschied zwischen Schadensersatz und Entschädigung für entscheidend hielt. Schadensersatz ist auf Ausgleich aller Schäden in vollem Umfang gerichtet. Ob man von einem Gesamtanspruch ausgeht, für dessen Berechnung die einzelnen Schadensposten Elemente sind, oder ob man beim einzelnen Schaden ansetzt und den Gesamtanspruch durch Addition der einzelnen Schadenspositionen ermittelt, ist im Prinzip gleichgültig, weil der Gesamtanspruch stets identisch mit der Summe der gesondert ermittelbaren Teilansprüche ist. Die Entschädigung soll dem Betroffenen angemessenen Ausgleich gewähren für seine Opfer im Interesse der Allgemeinheit. Alle einzelnen enthält allein das Urteil des RG, LZ 1925, S.210, eine Begründung für die Regel. Das RG war der Ansicht, der Streit über ein Rechtsverhältnis könne nicht in verschiedene Teile aufgespalten werden, weil eine derartige Teilung "zur unzweckmäßigen Häufung von Prozessen führe". Im übrigen weisen die Sachverhalte der Entscheidungen, auf die sich der BGH beruft, keine Gemeinsamkeiten mit dem von ihm zu beurteilenden Fall auf: In RGZ 107, S.303 war zu entscheiden, ob die allgemeine Pflicht der Reichsbahn, Güter zu befördern, und nicht nur der einzelne, die allgemeine Pflicht konkretisierende Beförderungsvertrag als Rechtsverhältnis gewertet werden konnte (vgl. dazu hier Teil 1 III. 1). In dem RGZ 144, S.54 zugrunde liegenden Sachverhalt war nur streitig, ob die rechtliche Natur eines Vertrages mit Rücksicht auf die aus ihm fließenden Einzelansprüche festgestellt werden konnte, oder ob der Kläger auf die Einzelansprüche verwiesen werden mußte. In dem in RGZ 158, S. 164 beurteilten Sachverhalt war allein die Frage zu beantworten, ob der Streit über die Wirksamkeit eines Vertrages auf die Fragestellung reduziert werden durfte, daß der Vollmachtgeber für den Inhalt der vom Bevollmächtigten unterzeichneten Vertragsurkunde verantwortlich war. In zwei weiteren Entscheidungen des RG (LZ 1925, S.21O; WarnRspr 1926, Nr. 139) war maßgeblich, ob statt einem Leistungsanspruch die für seine Berechnung maßgeblichen Berechnungsgrundlagen festgestellt werden konnten; das RG verwies die Kläger zu Recht auf die Leistungsklage. In dem Urteil LM Nr. 2 zu § 1542 RVO, in dem die Auslegung eines Schadensteilungsabkommens zwischen Krankenkasse und Haftpflichtverband streitig war, sah der BGH das Schadensteilungsabkommen nicht als Rechtsverhältnis an; ein solches sollte nur durch den einzelnen Leistungsfall begründet werden.

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Teil 3: Rechtsverhältnis und Anspruch

Gesichtspunkte wie Kosten einer Heilbehandlung, Beihilfen für Erziehung und Ausbildung, Schmerzensgeld, etc. sind zwar bei der Bemessung der Entschädigung zu berücksichtigen. Die Entschädigung kann aber nicht in der Weise ermittelt werden, daß die einzelnen Folgen des Aufopferungseingriffs bewertet und der insgesamt angemessene Betrag im Wege der Addition festgesetzt wird. Es findet stets eine Gesamtbetrachtung statt, weil die Bewertung der einzelnen Faktoren voneinander abhängig ist und sich wechselseitig beeinflußtl l . Diesen überlegungen des Bundesgerichtshofs ließe sich noch hinzufügen, daß die Zusammenfassung zu einer Einheit auch gewährleistet, daß hinsichtlich ein und desselben Schadensereignisses einheitliche Wertvorstellungen über das, was angemessen und billig ist, zum Tragen kommen. Eine derartige einheitliche Bewertung wäre aber gefährdet, wenn man die Aufspaltung des Entschädigungsanspruchs in mehrere Teilklagen zuließet!. Die Aussage des Bundesgerichtshofsurteils, die Bewertung der verschiedenen Folgen eines Aufopferungsanspruchs betreffe nicht - wie bei Schadensersatzansprüchen - Einzelposten mit rechtlicher Selbständigkeit, sondern Vorfragen darüber, was im Einzelfall die angemessene Entschädigung für das erbrachte Opfer bilde, ist also besonders zugeschnitten auf den Aufopferungsanspruch und gilt vielleicht noch für andere Anspruchsgrundlagen, bei denen die Folge ziffernmäßig durch Ermessensausübung des Richters erst "ermittelt" wird. Die Kennzeichnung der einzelnen wertbildenden Faktoren, die als Element des einheitlichen Anspruchs nicht isoliert festgestellt werden können, ist ausschließlich die Folge eines bestimmten materiellrechtlichen Verständnisses des streitigen Anspruchs. Während der Bundesgerichtshof vom Antrag des Klägers ausging, und es für ihn ausschließlich die Frage war, ob der geltend gemachte Gesamtanspruch aufgespalten werden konnte, benutzte das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 26. 8. 196613 die Gegenüberstellung von Rechtsverhältnis und Element unter ausdrücklicher Be11 Nicht im Widerspruch zu dieser Auffassung steht, daß der BGH Teilfeststellungen zuläßt, falls verschiedene Objekte betroffen sind, vgl. z. B. BGHZ 30, S. 388. 12 Die Kritik an der Rechtsprechung des BGH (vgl. z. B. Lindacher, ZZP Bd.76, S. 452; Habscheid, FamRZ 1962, S. 353; Brox, NJW 1962, S. 203; Wagner, Individualisierungsprobleme, S. 15, Fn. 15) ist insoweit nicht unbedingt gerechtfertigt, als sie dem BGH vorwirft, er verwechsle die Begriffe "einheitliches" und "unteilbares" Recht; man kann etwas als Einheit behandeln, gerade um eine Teilung auszuschließen. 13 BVerwGE 24. S.355 = DVB11966. S.864 = NJW 1967, S.72.

Die Elementfeststellung

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rufung auf das Urteil des Bundesgerichtshofs, um das vom Kläger in seinem Antrag festgelegte Klageziel zu verändern. Das Bundesverwaltungsgericht hatte sich mit dem Begehren eines Doktoranden zu befassen, der beantragt hatte, festzustellen, daß die zwischenzeitlich erledigte Verfügung, mit der von ihm der Abbruch seiner Dissertation verlangt worden war, rechtswidrig sei. Die begehrte Feststellung konnte für ihn in mehrfacher Hinsicht bedeutsam sein: als Präjudiz für einen Amtshaftungsprozeß wegen unberechtigter Beendigung des Doktorandenverhältnisses, ferner im Rahmen der Zulassung zu einem weiteren Promotionsversuch bei der beklagten oder einer anderen Universität. Eine unbefangene Betrachtungsweise würde die mehrfache Relevanz der begehrten Entscheidung für andere Rechtsbeziehungen allein unter dem Aspekt sehen, ob sie geeignet war, das Feststellungsinteresse an der begehrten Entscheidung zu rechtfertigen. Weitere Aufmerksamkeit würde man der Möglichkeit sich anschließender Schadensersatz- oder Zulassungsprozesse nicht schenken. Vergleicht man diese überlegungen mit den Urteilsgründen, scheint sich ein anderes Bild zu ergeben. Die Verbindung zwischen Amtshaftungsanspruch und Feststellungsklage knüpft der Senat zwar auch im Bereich des Rechtsschutzinteresses: weil der Kläger bereits ein rechtskräftiges Urteil über einen Teil des behaupteten Amtshaftungsanspruchs erwirkt hatte, sollte an der begehrten Feststellung kein berechtigtes Interesse mehr bestehen. Man mag daran zweifeln, ob die allein in den Gründen des Amtshaftungsurteils getroffene Feststellung diese Schlußfolgerung rechtfertigtl4. Mißt man aber den Urteilsgründen diese Bedeutung zu, 14 Das BVerwG müßte dann auch seine gesamte Rechtsprechung zur Fortsetzungsfeststellungsklage überdenken, soweit das Rechtsschutzinteresse mit Rücksicht auf die Absicht des Klägers, einen nicht aussichtslosen Amtshaftungsprozeß anzustrengen, bejaht wird (vgl. z. B. NJW 1960, S.1363; DVBI 1968, S.220; DVBI 1973, S.365). - Das Urteil über die Teilforderung hat keine Rechtskraftwirkungen für die verbleibende Restforderung. Wird dennoch - wie im Streitfall - das Rechtsschutzinteresse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts mit Rücksicht auf das über die Teilklage ergangene Amtshaftungsurteil verneint, wäre es eigentlich konsequent, stets die Inzidentfeststellung im Amtshaftungsurteil genügen zu lassen. Der wohl entscheidende Grund für die Rechtsprechung des BVerwG dürfte aber nicht in dem Verständnis des Verhältnisses von Leistungs- und Feststellungsklage zu suchen sein, sondern in der praktischen Erwägung liegen, daß der Verwaltungsprozeß billiger ist als das Zivilverfahren und sich der Amtshaftungsprozeß in der Regel erübrigt, sobald die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes festgestellt ist. Unter diesem Aspekt dürfte auch die Kritik an der Rechtsprechung des BVerwG (z. B. Eyermann / Fröhler, § 113 VwGO, Rdnr.41, Bartlsperger, DVBI 1968, S. 221, Schrödter, DVBI 1973, S.366), nach der das Feststellungsinteresse nur zu bejahen ist, falls der Amtshaftungsprozeß nicht aussichtslos ist, wohl unbegründet sein. Gerade wenn man die Gleichwertigkeit aller Rechtswege bejaht und richtigerweise mit Rücksicht auf Art. 19 Abs. 4 GG die Frage der Zulässigkeit des Rechtswegs auf ein Zuständigkeitsproblem reduziert, bedeutet es keinen Eingrüf

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Teil 3: Rechtsverhältnis und Anspruch

so will es konsequent erscheinen, ähnliche Wirkungen des Zivilurteils für ein weiteres Zulassungsverfahren anzuerkennen. Da das Bundesverwaltungsgericht unter Hinweis darauf, daß sich aus den Gründen des Amtshaftungsurteils die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Verfügung ergebe, ein berechtigtes Interesse an verwaltungsgerichtlicher Feststellung der Rechtswidrigkeit der Verfügung versagte, mußte man erwarten, daß die Klage insgesamt als unzulässig angesehen wurde. Diese Schlußfolgerung schien dem Bundesverwaltungsgericht nicht geboten. Das Bundesverwaltungsgericht ordnete die streitige Verfügung in neue Sinnzusammenhänge ein, indem es sie in bezug zum Zulassungsverfahren für eine weitere Promotion setzte. Verändert man - wie das Bundesverwaltungsgericht - den Feststellungsantrag in die Fragestellung, ob das Scheitern des ersten Promotionsversuchs der Zulassung zu einem nochmaligen Versuch entgegensteht, dann wird in der Tat die Rechtmäßigkeit der Verfügung, um die ursprünglich gestritten wurde, zu einem Element der Entscheidung. Diese Bewertung als "Element" läßt sich aber nur rückblickend von dem neuen Antrag aus treffen. Aus der Erwägung, daß der veränderte Antrag sich auf ein Rechtsverhältnis beziehe, in dessen Rahmen das ursprüngliche Begehren ein bloßes Element betreffe, läßt sich sinnvoll nicht rückschließen, daß der ursprüngliche Antrag von vornherein auf die Feststellung eines Elements ausgerichtet gewesen sei. Denn einmal ließ sich die Rechtswidrigkeit der Verfügung mit gleicher Berechtigung als Vorfrage des Schadensersatzprozesses einordnen und es wäre zu fragen, warum nicht der Kläger auf den Regreßprozeß verwiesen wurde. Zum anderen bedürfte es auch einer Begründung, warum nicht die Zulassung zu einem weiteren Promotionsversuch selbst als maßgebliches Rechtsverhältnis angesehen werden muß. Denn der Antrag, daß das Scheitern einem erneuten Promotionsversuch nicht entgegenstehe, bezieht sich auch nur auf einen Teilausschnitt eines neuen Zulassungsverfahrens: der Sachverhalt, der zur Beendigung des ursprünglichen Doktorandenverhältnisses führte, käme als Grund für die Versagung der erneuten Zulassung in Betracht. Mit der Unterscheidung von "Element" und "Rechtsverhältnis" war deshalb für das eigentliche Anliegen, durch Veränderung des Klageziels dem Kläger die Abweisung seines Rechtsschutzbegehrens wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses zu ersparen, nichts gewonnen. Der sachgerechte Weg zu diesem Ziel wäre gewesen, auf die Stellung eines sachdienlichen Antrags hinzuwirken (§ 86 III VwGO), weil für den ursprünglichen Antrag das Rechtsschutzinteresse fehlte. in die "Rechte" des Zivilgerichts, falls das Verwaltungsgericht die Erfolgsaussichten der Amtshaftungsklage im Rahmen des Rechtsschutzbedürfnisses berücksichtigt. Vgl. dazu auch Teil 4 III. 2. c.

Die Elementfeststellung

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Während sich das Bundesverwaltungsgericht der Unterscheidung von Element und Rechtsverhältnis bediente, um das Klageziel auf einen nicht geltend gemachten Anspruch hin zu orientieren und dem Kläger auf diese Weise die Abweisung seiner Klage wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses zu ersparen, eröffnet sich auch die Möglichkeit, eine gesetzliche Rahmenbeziehung, welche die Basis für Leistungsansprüche bildet, als Element des Leistungsanspruchs selbst zu verstehen. In dieser Weise verfuhr das Bundesarbeitsgericht in dem bereits im Zusammenhang mit der Frage, was ein abstraktes Rechtsverhältnis ist, erörterten Urteil über die zwischen einem Unternehmer und einer Lohnausgleichskasse vorhandenen Meinungsverschiedenheiten, ob ausländische Arbeiter im Ausland einen Anspruch auf Schlechtwettergeld haben15• Bemerkenswert ist die Entscheidung schon deshalb, weil das Bundesarbeitsgericht mit Selbstverständlichkeit davon ausgeht, daß ein negativer Feststellungsstreit nur über materielle Ansprüche geführt werden könne. Verengt man den Blickwinkel auf diese Weise, dann liegt es nahe, für die negative Feststellungsklage schon aus Bestimmtheitserfordernissen die Angabe des Anspruchsberechtigten und der Höhe des Zahlungsbetrages zu verlangen16 • Wird das Rechtsverhältnis auf diese Weise fixiert, erscheint selbstverständlich die Frage, ob das Gesetz überhaupt einen Anspruch gewährt, als bloßes Element. Das Bundesarbeitsgericht hat das Verhältnis zwischen dem konkret geltend gemachten Zahlungsanspruch und der ihm zugrunde liegenden Rechtsbeziehung zwar zutreffend gekennzeichnet. Damit ist aber nicht die eigentlich entscheidende Frage beantwortet, ob ein Streit darüber, ob ein Gesetz einer bestimmten Personengruppe Ansprüche bestimmter Art gewährt17, Gegenstand eines Feststellungsprozesses sein kann: 15 AP Nr.24 zu § 256 ZPO; wegen ähnlicher Fallgestaltungen vgl. z. B. BGH, LM Nr.2 zu § 1542 RVO; RGZ 107, S.303; demgegenüber BSGE 25, S.243. 16 Auf dieser Linie liegt die Entscheidung des BAG, AP Nr.8 zu § 253 ZPO. Das Gericht hielt eine Klage für nicht hinreichend bestimmt, mit der eine Anspruchsberechtigung nach einem bestimmten Gesetz festgestellt werden sollte, weil das Gesetz verschiedene Modalitäten des Anspruchs regelte. Da diese nur für den Umfang des Anspruchs erheblich waren, hätte es möglich sein sollen, die Bezugsberechtigung als Substanzrecht festzustellen; vgl. dazu auch hier Teil 1 IH. 2. e. 17 Pohle verneint in seiner zustimmenden Anmerkung zwar nicht ein berechtigtes Interesse des Klägers an der begehrten Feststellung, hält aber derartige Klagen nur für möglich, falls § 256 ZPO dahingehend geändert wird, daß generell konkrete Rechtsfragen festgestellt werden können. Dagegen ist einzuwenden, daß jede Feststellungsklage eine Rechtsfrage enthält und es allein darauf ankommt, wie man das feststellungsfähige Rechtsverhältnis fixiert (vgl. dazu oben Teil 1 1., H.). - Seine Befürchtung, die Entscheidung von bloßen Rechtsfragen würde "nahe an die alten, immer wieder erörterten und auch immer wieder abgelehnten Gedanken eines" Gerichtshofs für bindende Gesetzesauslegung "oder dergleichen heranführen", kann nicht geteilt werden. Die gerichtliche Feststellung bleibt Rechtsprechung,

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Teil 3: Rechtsverhältnis und Anspruch

Bejaht man diese Möglichkeit, könnte die Klage wohl kaum deshalb für unzulässig befunden werden, weil eine andere Klagemöglichkeit - die Geltendmachung des Zahlungsanspruchs durch den Arbeitnehmer - ebenfalls zulässig wäre. Die Verweisung auf den Leistungsprozeß, den der Kläger selbst überhaupt nicht anstrengen konnte und die das Bundesarbeitsgericht folglich auch nicht mit dem Fehlen eines Rechtsschutzinteresses begründete, erscheint um so verwunderlicher, wenn man berücksichtigt, daß gerade nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts Elementfeststellungsklagen dann zulässig sind, wenn die Parteien nur über die Vorfrage streiten und dem Urteil über die Teilbeziehung weiterreichende Wirkung zukommt als der diesbezüglichen Inzidentfeststellung im Leistungsprozeß. Die Anwendung dieser Grundsätze hätte die Abweisung der Klage verhindert: Die Parteien stritten allein darüber, ob ausländische Arbeiter überhaupt anspruchsberechtigt waren. über die Höhe der auszuzahlenden Beträge wie über die Zahl der anspruchsberechtigten Personen bestanden keine Meinungsverschiedenheiten. Die Entscheidung der Rechtsfrage hätte mit Wirkung zwischen den Parteien die für alle einzelnen Leistungsfälle maßgebliche Rechtslage festgestellt. Den Grundsatz, daß ein bloßes Element eines Rechtsverhältnisses ausnahmsweise dann Gegenstand einer Feststellungsklage sein kann, wenn durch die begehrte Feststellung der Streit der Beteiligten im ganzen bereinigt wird, entwickelte das Bundesarbeitsgericht anläßlich der Entscheidung über einen Streit, der zwischen dem Inhaber eines tariflichen Ruhegeldanspruchs und dem Zahlungspflichtigen über die Anrechnung von Zeiten aus der gesetzlichen Rentenversicherung entbrannt warl8 • Das Bundesarbeitsgericht stellte als Element bzw. als ganzes Rechtsverhältnis einen tariflichen Ruhegeldanspruch und die im Tarifvertrag vorgesehene Anrechnung von Zeiten aus der gesetzlichen Rentenversicherung auf den tariflichen Ruhegeldanspruch gegenüber. Es gestattete "ausnahmsweise" die Feststellung, daß nur eine bestimmte Pflichtversicherungszeit anzurechnen sei, und verwies den Kläger nicht auf die Geltendmachung des Ruhegeldanspruchs selbst, weil mit der begehrten Feststellung die Frage der Anrechenbarkeit für alle Fälle der sich wiederholenden Ruhegeldfestsetzungen rechtskräftig entschieden werden könne. Der Kläger hatte aber nicht etwa den Ruhegeldanspruch gleichgültig, ob es sich um abstrakte (besser: generelle) oder konkrete Rechtsverhältnisse handelt. Die Rechtskraft des Feststellungsurteils verhindert schon, daß die Grenzen zur Gesetzgebung verwischt werden. 18 AP Nr. 134 zu § 242 BGB Ruhegehalt mit zustimmender Anm. von Sieg = NJW 1969, S.680; bestätigt durch BAG, AP Nr.143 zu § 242 BGB Ruhegehalt = Betr. 1970, S. 1836.

Die Elementfeststellung

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selbst und zugleich den Feststellungsantrag - etwa als Zwischenfeststellungsklage - geltend gemacht, sondern von vornherein sein Begehren auf die Anrechnung der gesetzlichen Rentenversicherung bezogen. Wenn das Bundesarbeitsgericht demnach dem Leistungsanspruch, bei dessen Geltendmachung die begehrte Feststellung als Element oder Vorfrage entscheidungserheblich geworden wäre, die Bedeutung beimaß, daß er das Rechtsschutzinteresse für die Feststellungsklage beeinflussen konnte, so ist das allgemeine Verhältnis zwischen Leistungs- und Feststellungsklage angesprochen, das dem Grundsatz nach seinen Ausdruck in der Subsidiaritätsregel findet. Diese Regel kann man als Ausformung des Grundsatzes der Prozeßwirtschaftlichkeit ansehen. Ob der weiterreichenden Wirkungen der Leistungs- und Gestaltungsurteile wäre es nicht sinnvoll, eine Feststellungsklage zuzulassen, falls der Kläger das verfolgte Ziel auch mit einer der letztgenannten Klagearten erreichen kann. Es sollen auf diese Weise vor allem Zweitproz~sse verhindert werden, die erforderlich würden, wenn der Beklagte aus der festgestellten Rechtslage nicht die gebotenen Folgerungen zieht. Die Prozeßökonomie gewinnt deshalb über die Subsidiaritätsklausel nur an Einfluß, wenn alle möglichen Klagearten sich mit demselben Streitgegenstand befassen. Das Bundesarbeitsgericht hat folglich zu Recht das Verhältnis von Leistungs- und Feststellungsklage nicht unter dem Gesichtspunkt der Subsidiaritätsregel erörtert. Denn das Feststellungsbegehren - Anrechenbarkeit von Zeiten aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezog sich nicht auf einen Anspruch, der Gegenstand eines Leistungsprozesses hätte sein können. Das Bundesarbeitsgericht verweist stattdessen ausschließlich auf den Grundsatz der Prozeßökonomie, der den Ausschluß von Vorfragen oder Elementen als Gegenstand der Feststellungsklage gebiete, "weil Teilfeststellungen, die den Streit in seiner Gesamtheit nicht bereinigen können, unerwünscht" seienl9 • Abgesehen von der naheliegenden überlegung, ob der Subsidiaritätsgrundsatz nicht abschließend regelt, inwieweit ökonomische Überlegungen das Verhältnis von Leistungs- und Feststellungsklage beeinflussen können, zeigt gerade der vom Bundesarbeitsgericht entschiedene Streitfall, daß sich aus dem Grundsatz der Prozeßwirtschaftlichkeit keine Regeln für die Ausrichtung des Klageantrags ableiten lassen. Ob der Kläger den Ruhegeldanspruch selbst hätte rechtshängig machen sollen oder ob er sich zu Recht auf die Frage der Anrechenbarkeit der Zeiten aus der Rentenversicherung beschränkte, läßt sich nicht nach ökonomischen Gesichtspunkten entscheiden. Beide Klagemöglichkeiten boten unterschied19

So auch Wieczorek, § 256 ZPO Bem. B H.

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Teil 3: Rechtsverhältnis und Anspruch

liche Vorteile. Die Entscheidung über den Ruhegeldanspruch hätte dem Kläger einen vollstreckbaren Titel verschafft und jeden weiteren Streit über den geltend gemachten Zahlungsanspruch ausgeschlossen. Incidenter wäre dabei auch über die Frage der Anrechenbarkeit der Rentenversicherungszeiten befunden worden. Den Vorteil der Vollstreckbarkeit bot die vom Kläger angestrengte Feststellungsklage nicht. Zum Ausgleich konnte sie aber ein für allemal in der Frage der Anrechnung Klarheit schaffen. Die beiden möglichen Klagen hatten ganz verschiedene Gegenstände. Wirtschaftliche überlegungen können aber nur dann zum Tragen kommen, wenn für die Erreichung eines Zieles verschiedene Wege zur Verfügung stehen. Das Bundessozialgericht schließlich übernahm den vom Bundesarbeitsgericht entwickelten, aus der Prozeßökonomie abgeleiteten Grundsatz über die ausnahmsweise Zulässigkeit einer Elementfeststellung und verwandte ihn unter gleichzeitiger Berufung auf die bereits erörterten Urteile 'des Bundesgerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts, obwohl diesen Entscheidungen keine einheitlichen Erwägungen zugrunde liegen und der von ihm zu beurteilende Streitfall Schwierigkeiten ganz eigener Art barg20 : Der Kläger arbeitete in seinem Unternehmen ausschließlich mit "freien Mitarbeitern", die er je nach Bedarf anwarb und in den Betrieben seiner Kunden einsetzte. Das Landesarbeitsamt rügte schriftlich, daß er für seine Tätigkeit keinen Auftrag nach § 54 A VAVG besitze und deshalb strafbare Arbeitsvermittlung betreibe. Das Schreiben enthielt außerdem die mit der Androhung einer Strafanzeige verbundene Aufforderung, die Tätigkeit umgehend einzustellen. Das Schreiben bot mehrere Ansätze für eine Klage. Wäre der Kläger Inhaber eines Auftrags i. S. des § 54 A VAVG21 gewesen oder hätte er einen solchen angestrebt, hätte es nahegelegen, den Angriff gegen die diesbezügliche Äußerung des Arbeitsamtes zu richten. In diesem Verfahren wäre die Frage, ob es sich bei der Tätigkeit des Klägers überhaupt um Arbeitsvermittlung handelte, als Vorfrage zu erörtern gewesen. Bei einem für den Kläger positiven Ausgang des Rechtsstreites hätten sich die Androhung der Strafanzeige wie die Aufforderung, den 20 SozEntsch Nr. 29 zu § 55 SGG = NJW 1971, S. 166 = DB 1970, S. 2129 = BB 1970, S. 1398. Gerade das BSG hätte Anlaß gehabt den Grundsatz, daß Elemente nicht festgestellt werden können, zu überdenken, da das Sozialgerichtsgesetz in § 55 Abs. 1 Nr. 2 (Feststellung des zuständigen Sozialversicherungsträgers) und in Nr. 3 (Feststellung, ob eine Gesundheitsstörung oder der Tod die Folge eines Arbeitsunfalls, einer Berufskrankheit oder einer Schädigung im Sinne des Bundesversorgungsgesetzes ist) ausdrücklich Fälle der Elementfeststellung anspricht. 21 Nunmehr § 23 AFG.

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Betrieb einzustellen, gleichfalls erledigt, weil sowohl eine Untersagungsverfügung wie auch ein Bußgeldbescheid davon abhingen, ob unzulässige Arbeitsvermittlung vorlag. Die verschiedenen durch das Schreiben aufgeworfenen Fragen ließen sich auch in der Feststellung zusammenfassen, daß der Kläger nicht gegen die Bestimmungen des AVAVG verstoße. Ein derartiger Antrag hätte den Vorteil gehabt, daß er alle rechtlichen Gesichtspunkte umschloß, die für die Beurteilung der Zulässigkeit der klägerischen Tätigkeit in Betracht karnen. Eine Ordnung i. S. von Element und Rechtsverhältnis hätte dann nicht ohne weiteres bestanden. Schließlich wäre es denkbar gewesen, das Rechtsschutzbegehren dahingehend zu spezialisieren, daß die streitige Tätigkeit weder unter § 37 Abs. 122 noch unter § 37 Abs. III A VAVG falle. Ein solcher Antrag hätte sich für einen Kläger empfohlen, der keinen Auftrag zur Arbeitsvermittlung hatte und einen solchen auch nicht anstrebte, weil seiner Ansicht nach die von ihm ausgeübte Tätigkeit überhaupt keine Arbeitsvermittlung darstellte, so daß ein Auftrag zur Arbeitsvermittlung (§ 54 A VAVG) nicht in Betracht kam. Bei einer derartigen Ausrichtung des Klageziels hätte man jedenfalls nicht ohne Verletzung der Dispositionsbefugnis des Klägers (unter Hinweis darauf, daß ein Auftrag nach § 54 A VAVG nur erteilt werden könne, falls Arbeitsvermittlung vorliege) die Feststellung, ob der Kläger Arbeitsvermittlung betrieb, zur Vorfrage herab stufen können. Der Kläger vereinigte alle Möglichkeiten und stellte folgende Anträge: festzustellen, (1) daß seine Tätigkeit nicht gegen die Bestimmungen des A VAVG verstoße, (2) daß die Beklagte nicht berechtigt sei, sein Gewerbe zu untersagen, und schließlich (3), daß sein Gewerbe keine Arbeitsvermittlung i. S. des § 37 Abs. 1 A VAVG sei und nicht als Arbeitsvermittlung nach § 37 Abs. 3 A VAVG gelte. Das Bundessozialgericht hatte darüber zu befinden, ob die von dem Erst- und Berufungsgericht getroffene Feststellung, daß das Gewerbe des Klägers keine Arbeitsvermittlung i. S. des § 37 Abs. 1 A VAVG sei, mit der Abweisung der übrigen Klage verbunden werden konnte. Zu diesem Zweck war vorab zu überlegen, ob die verschiedenen Anträge mehrere oder nur ein und dasselbe Klageziel indizierten. Das Bundessozialgericht gelangte zu dem Ergebnis, daß der Kläger allein die Feststellung begehrte, daß sein Gewerbe unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Arbeitsvermittlung sei. Diese Auslegung war zutreffend. Denn dem Kläger kam es allein darauf an, zu wissen, ob das Arbeitsvermittlungsmonopol der Bundesanstalt für Arbeit seiner Tätigkeit entgegenstand. Die einzelnen Anträge enthielten nur verschiedene Formulierungen dieses Klagebegehrens. 22

Nunmehr § 13 AFG.

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TeilS: Rechtsverhältnis und Anspruch

War das Klageziel dahingehend fixiert, ob das Gewerbe des Klägers Arbeitsvermittlung sei, hingen die verschiedenen Entscheidungsmöglichkeiten allein von dem materiellrechtlichen Verständnis der Abs.1 und 3 des § 37 AVAVG ab. Enthielten die beiden Vorschriften verschiedene Normen, war eine Aufspaltung möglich. War § 37 Abs.3 als ergänzende Erläuterung zu § 37 Abs.1 zu verstehen, so daß die beiden Vorschriften zusammen eine Rechtsnorm bildeten, eine Entscheidung also gar nicht isoliert zu einem der beiden "Tatbestände" ergehen konnte, dann war die Klage insgesamt abzuweisen. Das Bundessozialgericht hätte sich also zu der Frage äußern müssen, ob § 37 Abs. 3 A VAVG nur eine Zweifelsfrage klärt, die sich bei der Anwendung des § 37 Abs.1 AVAVG ergeben kann, und auf diese Weise in den Grundtatbestand integriert ist. Für ein derartiges Verständnis könnte die Gesetzesformulierung - "als Arbeitsvermittlung gilt ferner" - sprechen wie auch der Regelungszweck des § 37 AVAVG, der darin besteht, umfassend den Bereich einzugrenzen, der privater Betätigung verschlossen ist. Derartige Überlegungen finden sich aber nicht in den Urteilsgründen. Im Widerspruch zur eigenen Auslegung des Klageantrages beginnt das Bundesarbeitsgericht mit der Feststellung, die Rechtsbeziehung, die nach dem Antrag des Klägers festgestellt werden sollte, sei der Anspruch, dessen sich der Beklagte berühmt habe, daß der Kläger sein Gewerbe nur ausüben dürfe, wenn er einen besonderen Auftrag nach § 54 AVAVG habe. Einen derartigen Auftrag aber hatte der Kläger nicht begehrt. Auch konnte sein Vortrag kaum dahingehend ausgelegt werden. Denn der Kläger ging davon aus, daß seine Tätigkeit überhaupt keine Arbeitsvermittlung war; infolgedessen stellt sich für ihn die Frage eines Auftrages zur Arbeitsvermittlung nicht. Indem das Gericht den Akzent auf die Frage verlagert, ob der Kläger einen besonderen Auftrag zur Arbeitsvermittlung benötigte, wird die eigentlich begehrte Entscheidung - die Feststellung, daß die streitige Tätigkeit keine Arbeitsvermittlung i. S. des § 37 Abs. 1 sei und auch nicht als solche nach § 37 Abs. 3 gelte - als Vorfrage relevant, weil § 54 A VAVG nur generell von Arbeitsvermittlung spricht und nicht nach der in § 37 A VAVG getroffenen Unterscheidung differenziert. Daß bei einer derartigen Auslegung des Klagebegehrens die gerichtliche Feststellung beschränkt werden durfte, ist selbstverständlich. Denn die Klage war dann insgesamt unbegründet, wenn der Kläger überhaupt Arbeitsvermittlung betrieb, gleichgültig, ob diese Bewertung aus § 37 Abs. 1 oder aus § 37 Abs. 3 abgeleitet wurde. Damit war aber nicht ohne weiteres die eigentlich entscheidende Frage gelöst, ob die von den Vorinstanzen vorgenommene Aufspaltung zulässig war. Enthielten § 37 Abs.1 und Abs.3 selbständige Regelungsbereiche, dann hätte wiederum überlegt werden müssen, ob nicht auch

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im Rahmen der Auftragserteilung nach den beiden Typen der Arbeitsvermittlung differenziert werden konnte. Anstatt dem § 54 A VAVG zu entnehmen, daß das Gesetz nur einen Typ der Arbeitsvermittlung kennt, der in den Abs.1 und 3 des § 37 AVAVG umschrieben wird, begründete das Bundessozialgericht seine Entscheidung damit, daß "die gerichtliche Entscheidung bei mehreren zweifelhaften Gesichtspunkten nicht auf einen dieser Gesichtspunkte beschränkt werden" dürfe23 • Gerade die Pflicht zur umfassenden Entscheidung hatten die Vorinstanzen aber nicht verletzt. Indem sie feststellten, daß das Gewerbe keine Arbeitsvermittlung i. S. des § 37 Abs. 1 sei, und die Klage im übrigen abwiesen, entschieden sie auch über die Voraussetzungen des § 37 Abs. 3 A VAVG; allenfalls die Form der Entscheidung - d. h. die Aufspaltung - war fehlerhaft.

Die Unsicherheit über den Maßstab, nach dem bestimmt werden kann, welche Rechtsfrage bloßes Element ist, zeigt sich auch daran, daß das Bundessozialgericht unter ausdrücklicher Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts24 überlegt, ob der von den Vorinstanzen getroffene Ausspruch, der Kläger betreibe keine Arbeitsvermittlung i. S. der § 37 Abs.l AVAVG, die Voraussetzung einer ausnahmsweise zulässigen Elementfeststellung erfülle. Abgesehen davon, daß die Vorinstanzen über alle Streitfragen entschieden hatten, fällt auf, daß das Bundessozialgericht in ganz anderen Sachzusammenhängen auf die "umfassende Streitbereinigung" abstellt als das Bundesarbeits23 Das Gericht beruft sich in diesem Zusammenhang auf das Urteil vom 24.11.1960 (BSGE 13, S.163), das zwar auch auf der Gegenüberstellung von Rechtsverhältnis und Element beruht, dem aber ein anders strukturierter Sachverhalt zugrunde liegt. Es handelte sich um die Anfechtung mehrerer Honorarfestsetzungsbescheide, die nach Auffassung des Klägers alle u. a. schon wegen Ungültigkeit der ihnen zugrunde liegenden Honorarverteilungsrichtlinien fehlerhaft waren. Daß in einem derartigen Fall eine Vorabentscheidung (§ 202 SGG i. V. mit § 280 ZPO) mit dem Inhalt, die Rechtswidrigkeit der Bescheide insoweit festzustellen, "als sie auf der Anwendung der Honorarverteilungsrichtlinien beruhen", nicht ergehen kann, überzeugt. Denn das Feststellungsurteil würde bereits die Rechtswidrigkeit der Bescheide feststellen und sich nicht auf ein für die Entscheidung im Anfechtungsverfahren vorgreifliches Rechtsverhältnis beschränken. Als Bezugspunkt dient in diesem Fall allein die Rechtskraft des im Anfechtungsprozeß ergehenden Urteils, die nach allgemeiner Meinung auch die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts erfaßt. In diesem Fall mag man die Rechtswidrigkeit des Bescheides als Element bezeichnen, das einer isolierten - d. h. losgelöst vom Anfechtungsurteil - Feststellung nicht zugänglich ist. Die Bewertung als Element wird dann aus dem Bezug zur Rechtskraft eines Urteils abgeleitet. Dieser Gedankengang läßt sich aber nicht auf den Sachverhalt übertragen, den das Bundessozialgericht zu entscheiden hatte. Da das Bundessozialgericht die Entscheidung, ob die Tätigkeit des Klägers Arbeitsvermittlung war oder als solche zu gelten hatte, als bloße Vorfrage des Urteils bewertete, ob der Kläger eines Auftrags der Bundesanstalt bedurfte, erfaßte die Rechtskraft des Hauptsacheurteils gerade nicht die ursprünglich begehrte Entscheidung. 24 BAG, AP Nr. 134 zu § 242 BGB Ruhegehalt.

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gericht. Während das Bundessozialgericht betont, daß ein einzelner rechtlicher Gesichtspunkt nicht Streitgegenstand sein könne und eine Entscheidung über ihn nicht in Rechtskraft erwachse, war es das Anliegen des Bundesarbeitsgerichts, gerade unter Hinweis auf die Rechtskraft eines über ein Element befindenden Urteils die Zulässigkeit der Klage zu rechtfertigen. Die beiden Urteile widersprechen sich jedoch nicht, weil zwischen ihnen kaum eine Gemeinsamkeit besteht außer der, daß beide formal mit der gleichen Gegenüberstellung von Element und Rechtsverhältnis arbeiten. Während sich das Bundessozialgericht ihrer bediente, um den Streitgegenstand festzulegen, benutzt das Bundesarbeitsgericht sie, um das Interesse an einer bestimmten Form des Rechtsschutzes zu rechtfertigen. Die praktische Anwendung des Grundsatzes, daß nur Rechtsverhältnisse und nicht Elemente oder Vorfragen eines solchen festgestellt werden können, läßt ernste Zweifel an seiner Berechtigung aufkommen, falls man von einer Rechtsregel verlangt, daß sie im wesentlichen gleichartige Sachverhalte gleichen Rechtsfolgen unterwirft. Die erörterten Fallgestaltungen lassen keine Gemeinsamkeiten erkenen, die geeignet wären, allgemeine Regeln darüber aufzustellen, welche Rechtsbeziehungen der prozessualen Feststellung zugänglich sein sollen. Die Schwierigkeiten resultieren daraus, daß den materiellrechtlichen Beziehungen, über die im Feststellungsprozeß befunden wird, nicht ohne weiteres eine Ordnung vorgegeben ist, wie sie vergleichbarer Weise das materielle Recht im Leistungsprozeß durch den Anspruch erfährt. Ohne einen derartigen festen Bezugspunkt fehlt aber das Koordinatensystem, an Hand dessen sich bestimmen ließe, was Ganzes - d. h. Rechtsverhältnis - und was Element ist. Da rechtliche Beziehungen sich je nach Wahl des Standpunktes für die Betrachtung beliebig ordnen und damit sich auch als Ganzes oder als Element verstehen lassen, kann zwar stets eine Aussage getroffen werden, daß ein Rechtsverhältnis oder Element eines solchen vorliegt. Der Aussage haftet aber stets etwas Willkürliches an, solange nicht begründet wird, warum eine Rechtsbeziehung als Rechtsverhältnis oder als Element zu bewerten ist. Abgesehen davon, daß die Rechtsprechung keine einheitlichen Regeln erkennen läßt, nach denen sich bestimmen könnte, was ein Rechtsverhältnis ist, bleibt auch die Frage nach dem Sinn des Grundsatzes selbst weitgehend unbeantwortet. Da der Ausschluß bestimmter Rechtsrelationen von der selbständigen prozessualen Feststellung über die Bewertung als Elemente die Dispositionsbefugnis des Klägers beschränkt, müssen die Gründe dargelegt werden, die eine derartige Einschränkung rechtfertigen sollen.

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3. Soweit überhaupt der Notwendigkeit Rechnung getragen wird, zu begründen, warum es nicht im Belieben des Klägers stehen darf, die rechtlichen Beziehungen festzulegen, über die er eine Entscheidung begehrt, verweist man auf den Grundsatz der Prozepökonomie, der den Ausschluß von Vorfragen oder Elementen als Gegenstand der Feststellungsklage gebiete, "weil Teilfeststellungen, die den Streit in seiner Gesamtheit nicht bereinigen können, unerwünscht" seien. Andererseits soll es unwirtschaftlich sein, die Parteien zu zwingen, "ein Rechtsverhältnis im ganzen zum Streitgegenstand zu machen, wenn nur in einer einzigen Beziehung Streit besteht"25. Das Gebot zur umfassenden Streitbereinigung bedeutet in diesem Sinn, daß die Parteien gehalten sind, ihre Anträge nicht nach den eigenen Zielvorstellungen, sondern nach anscheinend vorgegebenen Kriterien auszurichten, die eine "rationell optimale" Streiterledigung gewährleisten26 • Ohne zunächst diesen Grundsatz in Zweifel ziehen zu wollen, fällt auf, daß die erörterten Sachverhalte kaum als Anwendungsfälle eines derartigen Grundsatzes gelten können: In der grundlegenden Entscheidung des Bundesgerichtshofs war allein zweifelhaft, ob es nach materiellem Recht möglich ist, den Aufopferungsanspruch hinsichtlich der einzelnen Eingriffsfolgen isoliert festzustellen. Gebietet es - wie der Bundesgerichtshof annahm - das materielle Recht, den Anspruch als Einheit zu behandeln, können prozeßökonomische Gründe keine Rolle mehr spielen. Das Bundessozialgericht hatte im "Arbeitsvermittlungsfall" darüber zu befinden, ob die von den Vorinstanzen getroffene Feststellung, daß das Gewerbe keine Arbeitsvermittlung i. S. des § 37 Abs. 1 A V A VG sei, mit der Abweisung der Klage im übrigen verbunden werden konnte. Im Ergebnis beanstandete das Bundessozialgericht die Form der Entscheidung. Unter dem Aspekt der "umfassenden Streitbereinigung" waren beide in Betracht kommenden Möglichkeiten der Entscheidung gleichwertig. Das Bundesverwaltungsgericht bediente sich im "Doktorandenfall" der Unterscheidung von Rechtsverhältnis und Element, um durch Veränderung des Klageziels dem Rechtsschutzsuchenden die Abweisung seiner Klage wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses zu ersparen. Wirtschaftliche Erwägungen mögen gewichtig sein, wenn das Recht verschiedene Möglichkeiten des Vorgehens zur Verfügung stellt. Müßig erscheinen aber derartige überlegungen, wenn das Prozeßrecht - wie das Bundesverwaltungsgericht annahm - nur 25 So BAG, AP Nr. 134 zu § 242 BGB Ruhegehalt unter Berufung auf Wieczorek, § 256 ZPO, Bem. B II; vgl. auch RG, LZ 1925, S.210; Pohle, Anm. zu BAG, AP Nr.24 zu § 256 ZPO. 26 Völlig unklar bleibt, ob die Prozeßwirtschaftlichkeit von den Interessen des Klägers, des Beklagten oder des Gerichts her beurteilt werden muß, die unter Wirtschaftlichkeitsüberlegungen ganz unterschiedliche Ausrichtungen des Prozesses rechtfertigen können.

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einen Weg zuläßt. Das Bundesarbeitsgericht versagte im "Schlechtwettergeldfall" den Parteien geradezu, ihren Streit umfassend zu bereinigen. Im "Rentenanrechnungsfall" stellte das Gericht zwar entscheidend auf prozeßwirtschaftliche Überlegungen ab. Die Entscheidung aus prozeßökonomischen Gründen war aber gerade zweifelhaft, weil die verschiedenen in Betracht kommenden Klagemöglichkeiten sehr unterschiedliche rechtliche Vorteile botenz7 • Versteht man die Prozeßökonomie im hier interessierenden Sachzusammenhang als Zwang zur umfassenden Streitbereinigung, so stellt sich die Frage, wie die Tragweite des Streits ermittelt werden kann. Das Gericht darf nicht von Amts wegen bestimmen, worüber gestritten wird; die Abgrenzung müßte schon von den Parteien ausgehen. Dem Interesse der Parteien, eine Divergenz zwischen außerprozessualem Streit und Streitgegenstand zu verhindern, sind aber besondere Wege zur Verwirklichung gewiesen. Der Kläger steckt mit seinem Antrag und dem zur Begründung dienenden Sachverhalt den Rahmen ab, innerhalb dessen er den Streit geführt wissen will. Begehrt der Beklagte eine weiterreichende Klärung von Streitfragen, mag er Widerklage erheben. Da der Umfang des Streits der Autonomie der Parteien anheimgestellt ist, kann das Verbot der Element- und Vorfragenfeststellung jedenfalls nicht als Ausfluß einer Pflicht zu umfassender Streitbereinigung verstanden werden. Eine derartige Pflicht ist den geltenden Prozeßordnungen unbekanntZ8 • Sie zu begründen, wäre auch wenig sinnvoll. Haben die Parteien über ihre Anträge kundgetan, worüber sie eine Entscheidung begehren, liefe es auf eine Bevormundung hinaus, ihnen vorzuschreiben, den Streit noch auszudehnen. Aus diesem Grunde ist auch nie an der Zulässigkeit von Teilklagen gezweifelt worden, die sich unter dem Blickwinkel der " umfassenden Streiterledigung" von Elementfeststellungsklagen nicht unterscheiden. 27 Die Rechtsprechung zur Elementfeststellung bestätigt die von Eike Schmidt, Der Zweck des Zivilprozesses und seine Okonomie, S. 114 ff., geübte Kritik an dem Einsatz des Okonomiegedankens in der Rechtsprechung. 28 Sie kann auch nicht aus dem Satz abgeleitet werden, daß der Kläger stets die billigste und einfachste Rechtsschutzform wählen muß. Dieser Grundsatz kommt nur zur Anwendung, wenn verschiedene Rechtsschutzmöglichkeiten zur Verfügung stehen, die sich nur durch Einfachheit, Raschheit und Billigkeit unterscheiden, so Habscheid, NJW 1973, S.376. - Die Ansicht von Grunsky (Anm. zu BAG, AP Nr.48 zu § 256 ZPO), daß unter mehreren Feststellungsklagen nur die weitestgehende zulässig sei, stößt schon auf das Bedenken, daß sich im Urteilszeitpunkt kaum eine Aussage darüber treffen läßt, welche Feststellung "weiterreicht". So würde in dem von Grunsky erörterten Streitfall die Feststellung der Schadensersatzpflicht zwar eine optimale Wirkung für den zukünftigen Schadensersatzanspruch entfalten. Das Urteil würde aber wenig nutzen, wenn zwischen den Parteien weitere Streitigkeiten denkbar sind, deren Schlichtung von der rechtlichen Beurteilung des Vertragsverhältnisses selbst abhängt.

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überdies ließe sich mit den gleichen Erwägungen zur Prozeßökonomie auch die Existenzberechtigung der Feststellungsklage überhaupt in Zweifel ziehen, da sie ja "nur" Elemente oder Vorfragen von Leistungsoder Gestaltungsprozessen erfaßt. Ob man die Parteien zwingen kann, ein Rechtsverhältnis im ganzen zum Streitgegenstand zu machen, ist keine Frage der Prozeßökonomie, sondern der Legitimation, Rechte der Parteien zu beschränken. Während mit der Orientierung an dem Ausmaß des Streits primär Interessen der Parteien in den Vordergrund gerückt werden, gewinnt die Prozeßökonomie einen anderen Inhalt, soweit unter Hinweis auf die umfassende VoTjragenkompetenz des Richters im Leistungs- oder Gestaltungsprozeß die gesonderte Feststellung von Elementen prinzipiell für unzulässig erachtet wird29 • Prozeßwirtschaftliche Überlegungen sprechen nach dieser Ansicht nur dann für die Zulässigkeit einer Elementfeststellungsklage, wenn dieselbe Vorfrage in mehreren anderen Verfahren zu entscheiden wäre, die Feststellungsklage also u. U. mehrere Leistungsprozesse entbehrlich machen könnte. Es erscheint schon nicht unbedingt als sinnvoll, eine in mehrfacher Hinsicht bedeutsame Rechtsfrage als Element zu kennzeichnen. Kann das Element in verschiedene Bezüge eingeordnet werden, ohne daß es seine Wesenheit ändert - allein unter dieser Voraussetzung muß in verschiedenen Prozessen über dieselbe Rechtsfrage entschieden werden -, ist es wohl naheliegender, das angebliche Element gerade ob seiner gleichbleib enden mehrfachen Relevanz als selbständige Grundeinheit zu werten. Die mehrfache Bedeutsamkeit für verschiedene Prozeßverfahren schließt es eigentlich aus, die Rechtsfrage als unlösbares Element der dort zu entscheidenden Rechtsbeziehungen anzusehen. Bedeutsamer ist aber noch, daß das Verhältnis von Leistungs- und Feststellungsklage in der Subsidiaritätsregel erfaßt wird. Diese Regel wird allgemein nicht so verstanden, daß eine Feststellungsklage schon dann ausgeschlossen ist, wenn überhaupt in Zukunft das streitige Rechtsverhältnis im Rahmen eines Leistungsprozesses erheblich werden kann 30• Es erscheint auch als wenig sinnvoll, das Konkurrenz29 So Pohle, Anm. zu AP Nr.12 zu § 256 ZPO; Stein I Jonas I Schumann I Leipold, § 256 ZPO Bem. II 1 b; ähnlich schon Heinsheimer, Anm. zu RG, JW 16, S. 675. 30 Kopp, § 43 VwGO Bem. 8; Eyermann / Fröhler, § 43 VwGO Rdnr. 15; Peters I Sautter I Wolff, § 55 SGG Bem.8; Stein i Jonas I Schumann I Leipold, §256 ZPO Bem.III5b; Hübschmann/Hepp/Spitaler, §41 FGO Rdnr.13; a. A.: BFH, BStBl 1973 II, S.533, der eine Feststellungsklage schon für ausgeschlossen hält, wenn in absehbarer Zeit ein Verwaltungsakt ergehen wird; ähnlich Becker I Riewald I Koch, § 41 FGO Bem.2; Ruppel, FR 1971, S.341.

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problem schon zugunsten der erst zukünftig zulässigen Leistungsklage zu lösen, da die wesentliche Funktion der Feststellungsklage darin liegt, in einem Stadium für Rechtsklarheit zu sorgen, in dem der Kläger noch keine Ansprüche geltend machen kann31 • Ist die Rechtsfrage, welche im Leistungsprozeß Vorfrage für die Begründetheit des Leistungsanspruchs sein kann, als solche - d. h. losgelöst von dem sich zukünftig entwickelnden Leistungsanspruch - für das Verhalten der Parteien erheblich, muß über sie auch ein Feststellungsstreit geführt werden können. Die Feststellungsklage ist nicht deshalb unzulässig, weil die Rechtsfrage, deren Beurteilung begehrt wird, auch in einem späteren Leistungsprozeß erheblich werden könnte. Will man nicht prinzipiell die Rechtsschutzmöglichkeiten auf die Leistungs- und Gestaltungsklagen reduzieren, ist der Versuch abzulehnen, aus der Vorfragenkompetenz des Richters im Leistungs- und Gestaltungsprozeß Rückschlüsse für die Sollbeschaffenheit des "Rechtsverhältnisses" zu gewinnen, über welches als Sachverhalt im Feststellungsprozeß entschieden wird. Ob eine Rechtsfrage zur Vorfrage für einen Leistungsanspruch - über die zudem das Leistungsurteil nicht rechtskräftig befindet - wird, läßt sich erst feststellen, wenn der Leistungsanspruch selbst geltend gemacht wird. 4. Die Gegenüberstellung von Rechtsverhältnis und Elementen eines solchen ist in der Rechtsprechung zu einer Gewohnheit erstarrt, die jede Reflexion über die Berechtigung und den Sinn des Grundsatzes, daß Elemente als solche nicht festgestellt werden können, scheinbar entbehrlich macht. Es verwundert dann nicht, daß mit der Regel über die Elementfeststellung andere in Verbindung gebracht werden, von denen offen bleibt, ob sie den allgemeinen Grundsatz ausformen und ergänzen, oder ob sie sich auf einen eigenen Regelungsbereich beziehen und selbständige Bedeutung haben. Derartige Unklarheiten fallen auf, soweit neben den Elementen eines Rechtsverhältnisses rechtliche Eigenschaften von Personen und Sachen für nicht feststellungsfähig erachtet werdens2 • Eigenschaften sind im Rechtsverkehr erhebliche Sachmerkmale oder persönliche Attribute. Da sie sich in den auf sie bezogenen Rechtsanwendungsakten verwirklichen, können sie auch als Elemente oder Vorfragen des jeweiligen Rechtsgeschäftes selbst verstanden werden. Vgl. dazu oben Teil 2 IV. 2. Kopp, § 43 VwGO Bem. 3; Eyermann / Fröhler, § 43 VwGO Rdnr. 3; Wieczorek, § 256 ZPO Bem. B II b 2; Stein / Jonas / Schumann / Leipold, § 256 ZPO Bem. II 1 b; Hübschmann / Hepp / Spitaler, § 41 FGO Rdnr.3; Peters / Sautter / Wolff, § 55 SGG Bem. 2 a; Ruckdäschel, DÖV 1961, S.680. 31 32

Die Eigenschaftsfeststellung

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Die Eigenschaftsfeststellung als Sonderfall der Elementfeststellung zu werten, wird nahegelegt durch die allgemein vorgenommene Differenzierung, daß Rechtsfolgen aus Eigenschaften im Gegensatz zu den Eigenschaften selbst festgestellt werden können 33• Berücksichtigt man das Wesen des Rechts und die Struktur des Prozesses, scheint eine Unterscheidung zwischen Eigenschaften und den aus ihnen fließenden Rechtsfolgen wenig sinnvoll. Das Recht regelt stets zwischenmenschliche Beziehungen. Mit den rechtlichen Eigenschaften von Personen oder Sachen sind deshalb immer die zwischen verschiedenen Rechtssubjekten vorhandenen Beziehungen im Hinblick auf diese Eigenschaft angesprochen. Jedes Streitverfahren über rechtliche Beziehungen ist auf ein die Parteien bindendes Urteil angelegt. Dem Urteil ist insoweit ein personaler Bezug immanent. Selbst wenn sich also eine Urteilsaussage auf die Feststellung einer Personen- oder Sacheigenschaft beschränken würde, wäre damit stets über die zwischen den Parteien mit Rücksicht auf die Eigenschaft vorhandenen Rechtsbeziehungen entschieden. Die Feststellung, daß z. B. eine Wohnung nicht der Wohnraumbewirtschaftung unterliegt, hat für den Kläger die Bedeutung, daß die Wohnraumbewirtschaftungsbehörde die Wohnung nicht in Anspruch nehmen kann; die Feststellung, daß ein Gewerbetreibender nicht unzuverlässig i. S. des § 35 GewO ist, hindert die Behörde daran, eine Untersagungsverfügung wegen Unzuverlässigkeit (§ 35 GewO) zu erlassen. Die Schwierigkeiten, Eigenschaften von den aus ihnen fließenden Rechtsfolgen zu trennen, lassen Verständnis dafür aufkommen, daß Rechtsprechung und Lehre die Entscheidung, ob der Kläger bloß die Feststellung einer Eigenschaft oder auch deren Rechtsfolgen begehrt, im Ergebnis nicht anhand der Unterscheidung selbst fällen, sondern auf allgemeine Erwägungen stützen, denen ein spezifischer Bezug zur Eigenschaftsfeststellung fehlt. Vorrangig werden die Fälle als unzulässige Begehren auf Feststellung einer Eigenschaft behandelt, in denen der Kläger eine Aussage über Pflichtigkeiten oder Berechtigungen begehrt, die Voraussetzungen bestimmter Rechtsanwendungsakte sind. Der Kläger soll auf die Möglichkeit, den Rechtsanwendungsakt selbst überprüfen zu lassen, verwiesen sein. Die Eigenschaftsfeststellung bildet insoweit eine besondere Ausprägung des allgemeinen Satzes, daß Gerichte nicht berufen sind, "abstrakte Rechtsfragen" zu beantworten34 • Um "abstrakte Rechtsfra33 Eyermann / Fröhler, § 43 VwGO Rdnr. 3; Redeker / v. Oertzen, § 43 VwGO Rdnr.3; Ruckdäschel, DÖV 1961, S.680. 34 Vgl. dazu oben Teil 1 I.

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Teil 3: Rechtsverhältnis undAnsprucll

gen" soll es sich handeln, weil die Eigenschaften erst konkrete Relevanz durch ihre Auswirkungen im Rechtsgeschäft gewinnen35• Steht bei der Gegenüberstellung von abstrakten und konkreten Rechtsverhältnissen das Bestreben im Vordergrund, den Prozeß auf Rechtsanwendungsakte zu konzentrieren, so erscheint auf den ersten Blick die allgemeine Praxis als konsequent, die den Rechtsstreit über die Eigenschaften von Personen und Sachen dann nicht als unzulässige Auseinandersetzung über "theoretische Rechtsfragen" bewertet, sobald kraft Gesetzes oder Verwaltungspraxis die Anerkennung oder Bescheinigung bestimmter Eigenschaften vorgesehen sind38• Sieht das materielle Recht in Form der Anerkennung oder Bescheinigung Rechtsanwendungsakte vor, die sich in der Feststellung bestimmter Eigenschaften erschöpfen, sollen prozessuale Regeln diesbezügliche Rechtsstreitigkeiten nicht ausschließen. Die Frage ist nur, ob und inwieweit sich die Anerkennung oder Bescheinigung einer Eigenschaft, die nach allgemeiner Ansicht urteilsmäßig erzwungen werden können, von der gerichtlichen Feststellung der Eigenschaft unterscheiden, die generell für unzulässig erachtet wird. Die Tatsache, daß das materielle Recht die Anerkennung oder Bescheinigung einer Eigenschaft vorsieht, ändert nichts daran, daß auch die anerkannte oder in der Bescheinigung bestätigte Eigenschaft nur Bedeutung im Zusammenhang mit weiteren Rechtsanwendungsakten findet. Unter dem Gesichtspunkt der Aufspaltung von Rechtsanwendungsakt und vorgelagerter Eigenschaftsfeststellung, der allgemein als maßgeblich für den Ausschluß von selbständigen Eigenschaftsfeststellungen erachtet wird, macht es keinen Unterschied, ob der Ausspruch über eine Verpflichtung zur Anerkennung oder Erteilung einer Bescheinigung oder unmittelbar über eine gerichtliche Feststellung erreicht wird. In ihren Wirkungen gleicht die gerichtliche Erzwingung der Anerkennung oder Bescheinigung einer Eigenschaft der urteilsmäßigen Feststellung der Eigenschaft37• 85 z. B. BSG, NJW 1971, S.263; OVG Lüneburg, OVGE 5, S.312; OVGE 9. S. 369 ff.; OVG Hamburg, MDR 1966, S. 361; OVG Münster, DVBl1953, S.772; DÖV 1971, S. 392; BayVGH, BayVBI 1968, S.68; im Zivilrecht handelt es sich entsprechend darum, daß die rechtliche Eigenschaft nur als Element bestimmter Ansprüche überprüft werden soll, z. B. RAGE 3, S. 288. Vgl. demgegenüber die Rechtsprechung des BAG zum betriebsverfassungsrechtlichen Beschlußverfahren, z. B. BAG, NJW 1975, S.797, wo das Rechtsschutzinteresse zur Feststellung des Rechtsstatus eines Arbeitnehmers als leitender Angestellter auch für den Fall bejaht wird, daß im Entscheidungszeitpunkt kein akuter Streitfall vorliegt; ähnlich BAG, BB 1975, S.884. 38 Zu derartigen Fallgestaltungen: BGH, RzW 1959, S.332; RzW 1965, S.469; BFH, HFR 1962, S.197; BVerwG, ZBR 1969, S.347; BVerwGE 21, S. 332; BVerwG, DVBI 1969, S. 402; BSGE 9, S. 80; BSGE 24, S. 256; BSGE 15, S.228; BayVGH, BayVBI 1967, S.390; OVG Lüneburg, OVGE 9, S.370; VG Bremen, MDR 1971, S. 78.

Die Eigenschaftsfeststellung

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Die im Verwaltungsprozeß noch vorhandene Tendenz, Klagen auf "Anerkennung" als Leistungsklagen zu behandeln, erinnert an die Versuche, die früher im Zivilprozeß unternommen wurden, der Feststellungsklage einen Anerkennungsanspruch zu unterlegen38• Wie spätestens seit Wach39 im zivilprozessualen Schrifttum eingesehen wird, daß ein derartiger Anerkennungsanspruch allein konstruiert wurde, weil man der Ansicht war, daß mit jeder Klage ein Anspruch geltend gemacht werde 40, so sollte man auch im Verwaltungsprozeß Klagen auf "Anerkennung" als Gesuche um Feststellung auslegen. Gegen diese Auffassung spricht nicht, daß das materielle öffentliche Recht teilweise spezielle Anerkennungsverfahren vorsieht. Die Einrichtung derartiger Verfahren begründet keinen vollstreckungsfähigen materiellen Anspruch auf Anerkennung, sie macht nur entbehrlich, daß der Kläger sein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung darzulegen hat; das Verfahren selbst begründet das Rechtsschutzinteresse. Soweit verwaltungsmäßige Bescheinigungen bestimmter Eigenschaften vorgesehen sind, ist die Rechtslage nicht wesentlich anders zu beurteilen. Die Bescheinigung ist eine formalisierte "Anerkennung", d. h. Feststellung einer Eigenschaft41 • Da die Ausstellung der Urkunde nur über die Vollstreckung vom Pflichtigen erzwungen werden kann, wird der Kläger zwar im Wege der Leistungsklage vorgehen müssen. Aus der Möglichkeit, die Bescheinigung über ein Leistungsurteil zu erzwingen, läßt sich aber nicht ableiten, daß Rechtsstreitigkeiten über Eigenschaften nur dann zulässig wären, falls das materielle Recht ihre urkundliche Fixierung vorsieht. Materiell gesehen ist auch der Prozeß über die Ausstellung einer Bescheinigung, die das Vorliegen einer Eigenschaft bestätigt, ein Rechtsstreit über die Eigenschaft selbst, wenn der Beklagte nicht nur die Pflicht zur Ausstellung des Papiers, sondern das Vorliegen der Eigenschaft selbst bestreitet. Sind damit Rechtsstreitigkeiten über Eigenschaften jedenfalls möglich - wenn auch in Form der Leistungsklage -, bestehen keine grundsätzlichen Bedenken, auch die urteilsmäßige Feststellung von Eigenschaften zuzulassen, falls das 37 Zur Rechtskraftwirkung des zur Ausweiserteilung verpflichtenden Urteils nicht unbedingt überzeugend BayVGH, DVBI 1977, S.108. - In der sozialgerichtlichen Praxis wird der Klageantrag in den Fällen des § 55 Abs. 1 Ziff. 3 SGG (Feststellung, ob eine Gesundheitsstörung oder der Tod die Folge eines Arbeitsunfalls, einer Berufskrankheit oder einer Schädigung im Sinne des Bundesversorgungsgesetzes ist) regelmäßig a.uf "Anerkennung" gerichtet. Dennoch bestehen keine Meinungsverschiedenheiten darüber, daß es sich um einen Feststellungsstreit handelt, vgl. BSGE 9, S.22, S.84; 15, S.228; 21, S. 168; Peters / Sautter / Wolff, § 55 SGG Bem.4. 38 Vgl. die Nachweise bei Kadel, Feststellungsklage, S. 52 ff. 3D Feststellungsanspruch, S.7. 40 Vgl. bei Kadel, S. 53 ff. 41 Im Ergebnis deshalb richtig BSGE 24, S. 256.

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Teil 3: Rechtsverhältnis und Anspruch

materielle Recht eine Bescheinigung nicht vorsieht. Aus dem Fehlen einer Regelung, daß eine Bescheinigung erteilt werden kann, folgt nur, daß die Urkunde nicht erzwungen werden kann, nicht aber, daß ein Feststellungsstreit über Eigenschaften ausgeschlossen ist4!. Bedeutet es schon einen Wertungswiderspruch, wenn Klagen auf "Anerkennung" oder Bescheinigung von Eigenschaften möglich, die urteilsmäßige Feststellung von Eigenschaften aber unzulässig sein soll, bedarf die Ausgangsthese der h. L. erst recht der überprüfung, wenn allgemein Statusrechte für feststellungsfähig erachtet werden43 • Jede Rechtsposition, die als Status bezeichnet wird, ist zugleich eine rechtliche Eigenschaft des Statusinhabers44 • Rechtliche Eigenschaften und Statusverhältnisse können deshalb unter dem Aspekt der Feststellungsfähigkeit nicht prinzipiell unterschiedlich behandelt werden, 42 Unzutreffend deshalb OVG Lüneburg, OVGE 9, 5.370; BGH, RzW 1959, 5.332. 43 Kopp, §43 VwGO Bem.3a; Redeker/v.Oertzen, §43 VwGO Rdnr.4; Ruckdäschel, DÖV 1961, 5.680; Bettermann, in: Zehn Jahre VwGO, 5.186; Eyermann / Fröhler, § 43 VwGO Rdnr. 3, die zu Unrecht meinen, daß § 23, S. 2 VGG ausdrücklich die Zulässigkeit der Statusklage geregelt habe. § 23 VGG betraf nur die Aktivlegitimation. 44 Bemerkenswert ist es, daß im modernen Schrifttum die Statusrechte als "abgekürzte Bezeichnung für ein Bündel von Berechtigungen und/oder Verpflichtungen" verstanden werden (vgl. z. B. Kopp, § 43 VwGO Bem.3), während es traditioneller Sicht entspricht, den Status als Inbegriff aller auf einen bestimmten Lebensbereich bezogenen potentiellen Rechte und Pflichten einer Person zu werten (vgl. G. Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, 5.81 ff.). Gerade W. Jellinek, der stets eine Ausweitung des Anwendungsbereichs der Feststellungsklage befürwortete, sah deshalb den Rechtszustand - den er vom Rechtsverhältnis unterschied - als "Möglichkeit künftiger Rechtsverhältnisse bezogen auf ein Rechtssubjekt" als "Eigenschaft" des Rechtssubjekts an. Diese "Eigenschaft" ist nach W. Jellinek ein "Status", vgl. Verwaltungsrecht, S. 192. - Der Unterschied zwischen den beiden Meinungen liegt darin, daß im klassischen Verwaltungsrecht Rechte und Pflichten der Aktualisierung durch einen Verwaltungsakt bedurften, während man heute rechtliche Bindungen anerkennt, die nicht durch Verwaltungsakt vermittelt werden. Die eigentliche Problematik des Statusrechts liegt auf anderer Ebene. Ein und dasselbe Statusrecht (z. B. Beamteneigenschaft) kann in vielfältiger Hinsicht bedeutsam werden. Soweit über die auf dem Status aufbauenden Rechtsbeziehungen entschieden wird, wäre eine Vielzahl "widersprechender" Urteile denkbar, z. B. daß eine Person in einer Hinsicht Beamter ist, in anderer nicht. Diesen Schwierigkeiten kann im materiellen Recht dadurch abgeholfen werden, daß den behördlichen Entscheidungen in Statussachen Verbindlichkeit gegenüber jedermann zugesprochen wird. Soweit besondere Zuständigkeiten für die Anerkennung eines Status vorgesehen sind, wäre auf prozessualer Ebene überlegenswert, ob nicht die Rechtsstreitigkeiten über die Eigenschaft ausschließlich zwischen der zuständigen Behörde und dem Statusinhaber geführt werden sollten. Dieses Verfahren ist aber nur praktikabel, wenn der behördlichen Entscheidung umfassende Tatbestandswirkung zugesprochen wird. In diesem Fall wäre es unschädlich, daß die Rechtskraft des Urteils nur inter partes wirkt (insoweit unrichtig das für die Problematik instruktive Urteil des OVG Hamburg, DÖV 1952, S. 155 ff.). Es ergäbe sich dann insgesamt eine Annäherung zum Gestaltungsurteil.

Die Ei,genschaftsfeststellung

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zumal im verwaltungsrechtlichen Schrifttum keinerlei Klarheit darüber herrscht, welche Qualifikationsmerkmale bloße "Eigenschaften" bilden und welche einen "Status" begründen. Die als Statusrechte allgemein anerkannten Eigenschaften45 lassen zwar vielfach die Eigenart erkennen, daß es sich um relativ konstante, invariable Tatbestände handelt, während viele rechtliche Eigenschaften46. einem stetigen Wandel und damit wechselnder rechtlieher Beurteilung zugänglich sein können. Eine Prognose, für welchen Zeitraum die einmal getroffene Feststellung zutreffend ist, läßt sich aber weder bei Statusrechten noch bei sonstigen Eigenschaften treffen. Der steuerrechtlichen Praxis, die nicht zwischen Statusrechten und rechtlichen Eigenschaften unterscheidet, ist in diesem Punkt zuzustimmen. Allerdings überzeugt sie nicht, soweit sie gerade unter Hinweis auf die Variabilität rechtlicher Eigenschaften ihre überprüfung ausschließlich in das periodisch stattfindende Veranlagungsverfahren und in den anschließenden auf den Steuerbescheid bezogenen Prozeß verweist47 • Das Urteil über den Verwaltungsakt, dessen Rechtmäßigkeit durch das Vorliegen der Eigenschaften bedingt ist, zeichnet sich durch ein höheres Maß an Endgültigkeit aus als das Feststellungsurteil über die Eigenschaft, weil das Gestaltungsurteil über das Vorliegen der Eigenschaft in der Vergangenheit befindet, während die Rechtskraft des Feststellungsurteils Bedeutung für die Zukunft haben soll und die festgestellte Rechtslage entwicklungsfähig ist. Jedes Feststellungsurteil spiegelt nur die Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung wider und ist offen für Veränderungen. Es ist stets denkbar, daß sich die Umstände in einer Weise wandeln, daß die Rechtskraft des Feststellungsurteils einer abweichenden Entscheidung nicht entgegensteht. Es mögen Sachverhalte denkbar sein, deren Beurteilung derart zeitgebunden ist, daß dem Feststellungsurteil praktisch keine präjudizielle Bedeutung zukommen kann48• Ist B. Eigenschaft als Beamter, Flüchtling, politisch Verfolgter. z. B. Zuverlässigkeit einer Person, Gemeinnützigkeit eines Vereins. 47 Hübschmann / Hepp / Spitaler, Rdnr.10 vor § 51 AO 1977; Paulick, StB 1967, S. 24; Tipke / Kruse, Rdnr.3 vor § 51 AO 1977; a. A. zum Teil v. WallisList, § 41 FGO Rdnr.3. 48 In ähnlicher Weise könnte auch erklärt werden, daß z. B. im Zivilprozeß die Geschäftsfähigkeit einer Person als bloße "Eigenschaft" für nicht feststellungsfähig erachtet wird (vgl. z. B. Stein / Jonas / Schumann / Leipold, § 256 ZPO Bem. III 1 b), während man im öffentlichen Recht z. B. Klagen auf Feststellung der Eigenschaft als Gemeindebürger für zulässig hält (vgl. Eyermann / Fröhler, § 43 VwGO Rdnr.3). Die unterschiedliche Behandlung ließe sich mit der überlegung begründen, daß die GeSchäftsfähigkeit in Prozessen mit beliebig vielen Personen relevant werden kann, das Urteil über die Geschäftsfähigkeit also nicht weiter führen würde als der Prozeß über das Rechtsgeschäft selbst. Demgegenüber ist der Partner des durch das Bürgerrecht begründeten Verhältnisses eindeutig fixiert, das Prozeßergebnis hat größere praktische Bedeutung. Zur Rechtskraftfrage vgl. unten Teil 4 IIr. 45 Z. 48

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Teil 3: Rechtsverhältnis und Anspruch

im Einzelfall eine derartige Prognose gerechtfertigt, mag ein begründetes Interesse an Rechtsschutz nicht vorhanden sein. Die Möglichkeit, daß die Beurteilung von Rechtsverhältnissen oder rechtlichen Eigenschaften sich wandeln kann, ist aber kein prinzipieller Einwand gegen die urteilsmäßige Feststellung, weil das Feststellungsurteil als solches sich durch eine im Vergleich zum Leistungs- oder Gestaltungsurteil erhöhte Offenheit auszeichnet49 • Der Wandlungsfähigkeit von Rechtsverhältnissen ist bei der Bestimmung der Rechtskraft des Feststellungsurteils Rechnung zu tragen. Insgesamt ist deshalb festzustellen: Aus der Bedeutung der zur Entscheidung gestellten Rechtsfrage für einen nicht geltend gemachten Leistungsanspruch lassen sich keine Rückschlüsse auf die Sollbeschaffenheit des Klagegegenstandes ziehen. Die Befugnis des Klägers, das Klageziel zu bestimmen, stößt nur auf die Schranke, daß die Rechtsfrage, über die eine Entscheidung begehrt wird, nach materiellem Recht selbständig beurteilungsfähig sein und die Urteilsaussage als solche für das Verhalten der Parteien praktische Relevanz haben muß. Nur wenn die begehrte Urteilsaussage nicht geeignet ist, den Parteien Richtschnur für ihr weiteres Verhalten zu sein, und sie deshalb auch keine Folgestreitigkeiten verhindern kann, erfüllt das Urteil seine Aufgabe nicht. Eine Klage, mit der ein solches Ziel angestrebt wird, ist unzulässig.

11. Das Drittrechtsverhältnis 1. Das Feststellungsurteil soll bindende Verhaltensrichtschnur für die rechtlichen Beziehungen der Prozeßparteien zueinander sein. Diese Aufgabe kann das Feststellungsurteil nur erfüllen, wenn die rechtliche Beziehung, über welche als Sachverhalt im Feststellungsprozeß entschieden wird, gerade Kläger und Beklagten miteinander verbindet. Materiellrechtliche Pflichten oder Rechte des Klägers oder Beklagten zu einer am Prozeß nicht beteiligten Person wie auch Rechtsverhältnisse, an denen weder der Kläger noch der Beklagte beteiligt ist, können als Vorfragen für das Verhältnis der Streitteile zueinander von Gewicht sein. Streiten die Parteien über solche vorgreiflichen Rechtsverhältnisse, so bedeutet dies nicht, daß das Feststellungsurteil über Rechtsbeziehungen zu einer nicht prozeßbeteiligten Person befindet. Entschieden wird stets über eine für die Beziehung der Parteien zueinander erhebliche Rechtsfrage, mag diese auch Wirkungen für dritte, prozeßfremde Personen enthalten. Der Dritte wird in der Regel durch das Urteil nicht verpflichtet. Für ihn kann das Urteil praktisch wichtig sein, es bindet ihn aber nicht. Ausgeschlossen scheint deshalb, daß der 48

Vgl. dazu oben Teil 2 III. 4.

Das Drittrechtsverhältnis

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Feststellungsprozeß seine Rechtfertigung lediglich daraus erfährt, daß die Urteilsaussage für die Rechtsbeziehungen des Klägers oder Beklagten zu einer prozeßfremden Person praktisch wichtig ist. 2. Wenn demgegenüber in Rechtsprechung und Lehre der Gegenwart allgemein angenommen wird, das festzustellende Rechtsverhältnis brauche nicht zwischen den Parteien des Rechtsstreits zu bestehen, erforderlich sei nur, daß der Kläger gerade gegenüber dem Beklagten ein Rechtsschutzinteresse habe 50, so werden die Zusammenhänge zwischen dem festzustellenden Rechtsverhältnis und dem Feststellungsinteresse nicht hinreichend berücksichtigt: a) Schon das Reichsgericht beurteilte die Klage eines geschäftsführenden Gesellschafters einer GmbH auf Feststellung, daß nach seinem Tod oder Ausscheiden aus der beklagten Gesellschaft das Geschäftsführeramt seinem Sohn zukomme, als Feststellungsstreit über ein Drittrechtsverhältnis 51 • Den Kläger allein deshalb als nur "mittelbar Betroffenen" - so das Reichsgericht - anzusehen, weil der Sohn von der Nachfolgeklausel begünstigt wurde, dürfte kawn angebracht sein. Zwar mag man der Auffassung sein, daß dem Kläger durch die Nachfolgeklausel nicht die Position eines Anspruchsberechtigten eingeräumt wurde. Immerhin war aber die gesellschaftsvertragliche Regelung der Nachfolgeklausel für seine eigenen Beziehungen zu der Gesellschaft von Bedeutung. Seine Entscheidung, ob und wann er aus der Gesellschaft ausscheiden und wie er sich bei einer eventuellen Bestellung einer anderen Person als seines Sohnes zum Geschäftsführer verhalten sollte, konnte von dem Urteil über die Nachfolgeklausel abhängen. Der Sohn des Klägers mochte von der gerichtlichen Entscheidung faktisch begünstigt werden. Aber selbst wenn die Klage ausschließlich aus der Motivation erhoben worden wäre, die Rechtsposition des Sohnes des Klägers abzusichern, würde dies nicht die Annahme rechtfertigen, es sei über die rechtlichen Beziehungen zwischen der beklagten Gesellschaft und dem Sohn des Klägers entschieden worden. Als Rechtsverhältnis, welches den Streitgegenstand des Feststellungsprozesses bildet, kann man nur die rechtliche Beziehung ansehen, über die rechtskräftig ent50 Vgl. z. B. RGZ 41, S. 345 ff.; 128, S. 92 ff.; 170, S. 358 ff.; BGH, LM Nr.25, 34, 59, 90 zu § 256 ZPO; BGH, LM Nr.5 zu § 2100 BGB; BAG, AP Nr.42 zu § 256 ZPO; BFH, DStR 1973, S. 346; BVerwG, NJW 1970, S. 2260; BVerwGE 50, S.60; ESVGHE Bd.24, S. 204 ff.; Stein I Jonas / Schumann / Leipold, Bem. H, 3 zu § 256 ZPO; Eyermann / Fröhler, Rdnr.7 zu § 43 VwGO; Kopp, Bem.4 zu § 43 VwGO; Tipke / Kruse, Rdnr.2 zu § 41 FGO; Peters / Sautter / Wolff. Anm. 2 a zu § 55 SGG; Grunsky. Rdnr.19 zu § 46 ArbGG; vgl. ferner die Nachweise bei Bauer. Dissertation, S. 3 ff.; a. A. allein Wieczorek. Anm. B 111 a 1 zu § 256 ZPO. 51 RGZ 170, S. 358 ff.

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schieden wird. Diese Beziehung verbindet stets die Parteien des Rechtsstreits. Daß sich das Urteil möglicherweise faktisch auch noch auf andere Personen als die Prozeßbeteiligten auswirkt, ist eine Nebenwirkung des Urteils, die allein den Rechtsstreit nicht rechtfertigt und aus der er auch nicht seinen Sinn erfährt. Könnte der Rechtsstreit seinen Sinngehalt aus der faktischen Bedeutung des Urteils für Personen gewinnen, die nicht durch die Rechtskraft gebunden sind, müßte der Prozeß auch anderen Zwecken dienen als dem, zu einem verbindlichen Ausspruch über die Rechtslage zu führen. b) Da die Rechtsprechung nicht berücksichtigt, daß das prozessuale Rechtsverhältnis, welches den Streitgegenstand des Feststellungsprozesses bildet, nicht unbedingt identisch ist mit der materiellrechtlichen Beziehung, über welche die Parteien vordergründig streiten, werden auch die entscheidenden Gesichtspunkte in den Fällen nicht erkannt, in denen sich der Kläger gegen ihn belastende Verträge wendet, an denen er nicht als Vertragspartei beteiligt ist. Verträge knüpfen in der Regel nur ein Band zwischen den Parteien des Vertragsverhältnisses. Sie können aber inhaltlich so ausgerichtet sein, daß sie Dritten zum Nachteil gereichen. Auf Grund einer solchen Zwecksetzung ist es möglich, daß Verträge die Rechtsbeziehungen zu Personen beeinflussen, die zwar keine Ansprüche aus dem Vertrag geltend machen, wohl aber durch den Vertrag in eigenen Rechten verletzt sein können. Beantragt der Dritte die Feststellung der Nichtigkeit des angeblich in seine geschützte Rechtssphäre eingreifenden Vertrages, ist Streitgegenstand des Feststellungsprozesses nicht der fragliche Vertrag, sondern die Verletzung der Rechte des Klägers durch den Vertrag. Der Kläger begehrt die Feststellung eigener Rechte. Demgegenüber hat das Reichsgericht z. B. angenommen, daß sich die Klage eines Opernsängers gegen eine Bühnenvereinigung auf Feststellung, daß die Vereinigung nicht berechtigt sei, den ihr als Mitglieder angeschlossenen Bühnen zu verbieten, bei Abschluß von Verträgen mit Sängern ein bestimmtes Gagenlimit zu überschreiten, auf die Rechtsbeziehung zwischen der Bühnenvereinigung und den einzelnen Bühnen beziehe52 • Das Feststellungsinteresse begründete das Reichsgericht mit den wirtschaftlichen Interessen des Klägers, im Rahmen der Vertragsverhandlungen mit den Bühnen nicht durch die Berufung der einzelnen Bühne auf den sie bindenden Vereinsbeschluß behindert zu werden. - Ein solches Verständnis war aus verschiedenen Gründen den prozeßrechtlichen Verhältnissen nicht angemessen. Der Streit konnte nicht die Rechtsbeziehungen zwischen der Bühnenvereinigung und ihren 52

RGZ 128, S. 92 ff.; ähnlich BGH, LM Nr.34 zu § 256 ZPO.

Das Drittrechtsverhältnis

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Mitgliedern betreffen, weil dieses Verhältnis den Kläger nichts anging. Für die Befriedigung seines eigenen Interesses, eine möglichst hohe Gage auszuhandeln, war die beklagte Bühnenvereinigung nicht zuständig, da sie als Vertragspartner nicht in Betracht kam. Die Erwartung, daß die einzelne Bühne die Entscheidung in dem Rechtsstreit zwischen dem Kläger und der beklagten Bühnenvereinigung respektieren werde, war - entgegen der Ansicht des Reichsgerichts - keine ausreichende Legitimation für den Rechtsstreit, der gegen die Bühnenvereinigung geführt wurde 53 • Die noch so begründete Hoffnung, daß eine am Rechtsstreit nicht beteiligte Person die durch das Urteil festgestellte Rechtslage beachten werde, ist kein Ersatz dafür, daß gerade in der Person des Beklagten ein Grund dafür vorhanden sein muß, gegen ihn ein Urteil zu erstreben. Diese Verantwortlichkeit des Beklagten kann nur aus den materiellrechtlichen Beziehungen der Parteien untereinander erwachsen. Ein Interesse des Klägers, gerade gegenüber dem Beklagten ein Urteil zu erlangen, kann nur vorhanden sein, wenn das Urteil für ihre Beziehungen zueinander erheblich ist. In dem vom Reichsgericht entschiedenen Bühnenfall erfuhr der Rechtsstreit deshalb auch seine Rechtfertigung ausschließlich aus der Erwägung, daß die beklagte Bühnenvereinigung durch ihr Verhalten gegenüber ihren Mitgliedern den Kläger möglicherweise sittenwidrig schädigte. Streitgegenstand war also die rechtliche Beziehung zwischen den Prozeßparteien. Daß der Kläger sein Interesse an der begehrten Feststellung lediglich damit motiviert hatte, seine Verhandlungsposition gegenüber den einzelnen Bühnen festigen zu wollen, und er nicht primär das Ziel verfolgte, mit dem Feststellungsstreit die Basis für Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte zu schaffen, war für die Zulässigkeit der Feststellungsklage unerheblich. Das Feststellungsinteresse kann nur an der Wirkung der begehrten Feststellung auf die Beziehungen der Parteien zueinander beurteilt werden. Verhaltensbestimmende Wirkung 53 Der Auffassung des RG zustimmend: z. B. Blomeyer, Lehrbuch, § 37 III (S.182); Stein / Jonas / Schumann / Leipold, Bem. III.1. b; Wieser, Rechtsschutzinteresse, S. 98. Die Begründung des Feststellungsinteresses aus der Erwartung, daß Dritte dem Urteil Folge leisten werden, hat insbesondere Bedeutung gewonnen im Zusammenhang mit der Entscheidung über zivilrechtliche Rechtsverhältnisse, die Vorfragen für öffentlichrechtliche Ansprüche bilden; vgl. z. B. BGHZ 27, S.195; BAG, AP Nr.48 zu § 256 ZPO mit Anm. von Grunsky. - Das Problem besteht in diesem Fall - entgegen Wieser, Rechtsschutzinteresse, S. 100, 130 f. und Grunsky, Anm. zu BAG, AP Nr.48 zu § 256 ZPO - nicht darin, daß die öffentlichrechtlichen Befugnisträger zur selbständigen Prüfung der Rechtslage berufen sind. Diese Pflicht hat nur zur Folge, daß den Behörden materielle Rechte nicht zur freien Disposition anheimgegeben sind. Die Anerkennung einer gerichtlichen Entscheidung soll hingegen nicht unterbunden werden. - Die Erklärung der nicht am Prozeß beteiligten Person, sie werde sich dem Urteil beugen, ist für die prozessuale Beziehung zwischen Kläger und Beklagtem bedeutungslos; sie gewinnt lediglich zwischen Versprechensgeber und -empfänger Gewicht.

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~il3:

Rechtsverhältnis und Anspruch

kann das Urteil auch dann haben, wenn der Kläger im Urteilszeitpunkt Leistungsansprüche nicht erheben kann. Seine Rechtfertigung erfährt das Urteil dann daraus, daß es in einem Zeitpunkt die Rechtslage vorbeugend klärt, bevor Ansprüche geltend gemacht werden können. Die objektiv vorhandene Möglichkeit, daß die Urteilsfeststellung in der Zukunft Relevanz für einen Anspruch gewinnen kann, indiziert, daß das Urteil praktische Relevanz hat. Ist eine solche Anspruchslage ausgeschlossen, muß nach anderen Gründen gesucht werden, welche die Annahme rechtfertigen, daß der Feststellungsprozeß nicht um eine lediglich abstrakte, d. h. für das praktische Verhalten der Parteien unmaßgebliche Rechtsfrage geführt wird. In welcher Weise der Kläger das ihm günstige Urteil letztlich einsetzen will und kann, ist für das Rechtsschutzinteresse in der Regel unerheblich. Wäre die Annahme zutreffend, daß das streitige Rechtsverhältnis nicht zwischen den Parteien des Rechtsstreits bestehen muß und das wirtschaftliche Interesse des Klägers an Beziehungen zu prozeßfremden Personen für die Beurteilung des Rechtsschutzinteresses Bedeutung gewinnen kann, so dürfte die Entscheidung des Reichsgerichts vom 8. 8. 193254 kaum zu rechtfertigen sein. Wie im obigen Bühnenvereinsfall wandte sich dort der Kläger gegen eine materielle Beziehung, an der er nicht beteiligt war, und sein Feststellungsinteresse begründete er mit dem wirtschaftlichen Wert des Urteils für das Verhalten gegenüber einer nicht am Rechtsstreit beteiligten Person: Der klagende Unternehmer hatte die Feststellung der Nichtigkeit von Verträgen eines konkurrierenden Unternehmens beantragt, in denen dieses sich das alleinige Belieferungsrecht von den jeweiligen Endabnehmern hatte einräumen lassen. Als im Streit befindliches Rechtsverhältnis bezeichnete das Reichsgericht die von dem beklagten Unternehmer geschlossenen Verträge. Das Reichsgericht verneinte aus zwei Gründen das Interesse des Klägers an der beantragten Feststellung. Als maßgeblich sah es den Umstand an, daß der Kläger noch keine eigenen Lieferungsverträge mit den vertraglich an den Beklagten gebundenen Endabnehmern geschlossen hatte. Entscheidend war ferner nach Ansicht des Gerichts, daß der Kläger seinen Antrag nicht auf bestimmte vom Beklagten geschlossenen Verträge konkretisiert, sondern eine Entscheidung über alle vom Beklagten nach einem bestimmten Muster geschlossenen Verträge verlangt hatte. Stellt man mit dem Reichsgericht allein auf den konkreten Lieferungsvertrag und die aus ihm resultierenden Ansprüche ab, handelt es sich - so das Reichsgericht - in der Tat um eine "Popularklage". Die Verwirklichung eigener Lieferungsansprüche des Klägers hatte der 54

RG. GRuR 1932, S. 1149.

Das Drittrechtsverhältnis

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Beklagte nicht vereitelt und an den Verträgen zwischen dem Beklagten und den Endabnehmern war er nicht beteiligt; sie gingen ihn deshalb nichts an. Sieht man die Bedeutung von Verträgen für den Feststellungsstreit allein in ihrer Relevanz für einen bestimmten Leistungsanspruch, ist auch ein Feststellungsstreit über Verträge eines bestimmten Typus nicht möglich. Es handelt sich dann - wie das Reichsgericht bemerkt - um "abstrakte Rechtsfragen". - Anders verfuhr das Reichsgericht aber im obigen Bühnenvereinigungsfall. Dort war es angeblich unerheblich, daß der Kläger seine Klage nicht auf eine bestimmte, von dem Verbot betroffene Bühne spezialisierte und nicht vorgetragen hatte, daß ein bestimmtes Engagement wegen des Verbots nicht zustande gekommen sei. Eine andere Betrachtungsweise wäre auch hier in dem wettbewerbsrechtlichen Sachverhalt geboten gewesen: Streitgegenstand waren nicht die vom Beklagten mit dessen Endabnehmern geschlossenen Verträge. Das maßgebliche Rechtsverhältnis, welches der Kläger beurteilt wissen wollte, war die wettbewerbsrechtliche Beziehung zwischen ihm und dem Beklagten. Deshalb hat das Reichsgericht auch sachlich über den vom Kläger gestellten Hilfsantrag entschieden, mit dem er das Ziel verfolgte, den Beklagten zur Unterlassung zu verpflichten, ein ausschließliches Belieferungsrecht mit den Endabnehmern zu vereinbaren. Für die Frage, ob der Beklagte sich durch die vertragliche Sicherung des ausschließlichen Belieferungsrechts gegenüber dem Kläger wettbewerbswidrig verhielt, war es nicht entscheidend, daß der Kläger selbst in keinen vertraglichen Beziehungen zu den von dem Beklagten belieferten Endabnehmern stand. Auch konnte die streitige Frage für alle vom Beklagten geschlossenen Musterverträge einheitlich beurteilt werden, da als Streitgegenstand des Feststellungsprozesses die Rechtsfrage anzusehen war, ob ein derartiges Verhalten wettbewerbsrechtlich zulässig war. Dabei handelte es sich nicht um eine "abstrakte" Rechtsfrage, weil das begehrte Urteil für das weitere Verhalten der Streitteile praktisch bedeutsam war. c) Das Denken in den Bahnen des materiellen Leistungsverhältnisses kennzeichnet auch die Rechtsprechung, soweit der Feststellungsstreit dadurch veranlaßt ist, daß verschiedenen Personen gleichartige Vertragsrechte eingeräumt worden sind, die miteinander kollidieren. Eine solche Konstellation lag dem vom Reichsgericht mit Urteil vom 27.6. 1924 entschiedenen Sachverhalt zugrunde55• Der Beklagte hatte Ländereien gepachtet. Der Verpächter nahm an, daß das Pachtverhältnis des Beklagten durch Kündigung aufgelöst worden sei, und verpachtete das Gelände an den Kläger. Da der Be55

RG, Gruchot Bd. 68, S. 333.

11 Trzaskalik

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Teil 3: Rechtsverhältnis und Anspruch

klagte sich weiterhin als Pächter betrachtete und dem Kläger verbot, Besitzhandlungen auf den Pachtgrundstücken vorzunehmen, klagte dieser auf die Feststellung, daß der Pachtvertrag des Beklagten hinsichtlich der ihm verpachteten Grundstücke beendet sei. Das Reichsgericht sah als das entscheidungserhebliche Rechtsverhältnis den von dem Beklagten geschlossenen Pachtvertrag an. Mit der Beantwortung der Frage, ob der von dem Beklagten geschlossene Pachtvertrag noch wirksam war, ließen sich aber die zwischen den Parteien vorhandenen Schwierigkeiten u. U. kaum lösen. Hätte sich z. B. herausgestellt, daß der vom Beklagten geschlossene Pachtvertrag wirksam war, wäre damit noch nicht entschieden gewesen, daß das von ihm beanspruchte Besitzrecht auch gegenüber dem Kläger bestand. Ohne daß der Beklagte Besitz von der Pachtsache ergriffen hätte, wäre der Kläger im Falle der Inbesitznahme der Pachtgrundstücke durch das bessere Besitzrecht ausgewiesen gewesen. Stellte sich heraus, daß der Pachtvertrag des Beklagten durch die Kündigung aufgelöst worden war, so blieb immer noch die Frage, ob der vom Kläger geschlossene Vertrag wirksam war. Bei Nichtigkeit dieses Vertrages wäre der sich im Besitz befindliche Beklagte berechtigt gewesen, den Kläger von den fraglichen Grundstücken zu verweisen. Über den von dem Beklagten geschlossenen Pachtvertrag konnte nur im Zusammenhang mit der die Parteien im Streit verbindenden Besitzlage entschieden werden. Das Interesse desjenigen, der seinen eigenen Vertrag erfüllt wissen will, rechtfertigt entgegen der Auffassung des Reichsgerichts nicht als solches den Feststellungsstreit über einen fremden, sich auf den gleichen Gegenstand beziehenden Vertrag. Wegen dieses Erfüllungsinteresses muß der Berechtigte sich an seinen Vertragspartner wenden. Über den fremden Vertrag kann nur dann entschieden werden, wenn der Gegner daraus gegenüber dem konkurrierenden Inhaber Rechte ableitet. Streitgegenstand ist dann dieses die Parteien verbindende Rechtsverhältnis. Wird berücksichtigt, daß das Rechtsverhältnis, welches den Streitgegenstand des Feststellungsprozesses bildet, stets eine die Parteien des Rechtsstreits verbindende Rechtsbeziehung ist, kann im Rechtsstreit über kollidierende Rechte die vom Kläger prätendierte Rechtsposition nicht vernachlässigt werden. Es ist nicht möglich, das Augenmerk ausschließlich auf die vordergründig streitige Rechtsposition des Beklagten zu lenken. In solcher Weise verfährt aber die Praxis, wenn sie Drittrechtsverhältnisse für feststellungsfähig erachtet, weil dann lediglich die Rechtsbeziehung zwischen dem Kläger bzw. dem Beklagten und dem Dritten in den Vordergrund rückt. So hat der Bundesgerichtshof in einem Feststellungsstreit zwischen zwei Zessionaren, denen das gleiche Recht nacheinander abgetreten

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worden war, über die Wirksamkeit der ersten Zession für das Rechtsschutzinteresse des Klägers es als ausreichend erachtet, daß der Kläger, an den das Recht zeitlich später zediert worden sein sollte, sich lediglich des Eigenerwerbs berühmteS6• Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs hätte es selbst genügt, wenn der Kläger nur beabsichtigte, das fragliche Recht zu erwerben57• Ist das Recht von dem ursprünglichen Inhaber zum zweiten Male abgetreten worden, gewinnt der Rechtsstreit zwischen den Forderungsprätendenten seinen Gehalt allein daraus, daß der Schuldner u. U. an den Nichtberechtigten leistet. Seine praktische Relevanz erfährt der Rechtsstreit zwischen den Forderungsprätendenten aus der Möglichkeit, daß jeder gegen den anderen im Falle der Einziehung der Forderung Ansprüche aus § 816 Abs.2 BGB geltend machen kann. über die Zuständigkeit an der Forderung ist ein Feststellungsstreit schon zulässig, wenn auch noch nicht abzusehen ist, wann der Schuldner leisten und der Anspruch aus § 816 Abs.2 BGB entstehen wird, weil der Feststellungsstreit nicht anspruchsbezogen ist. Über die Forderungszuständigkeit, die für den bereicherungs rechtlichen Anspruch lediglich eine Vorfrage ist, kann selbständig entschieden werden. Die Entscheidung über sie hat auch als solche - d. h. losgelöst von dem bereicherungsrechtlichen Anspruch - für die Parteien verhaltensbestimmende Wirkung, weil sie den Parteien Klarheit verschafft, wie sie angesichts der streitigen Forderung disponieren können58 • Ist die zweite Zession lediglich beabsichtigt, verändert sich die prozessuale Lage allein insoweit, als sich die Frage stellt, ob die Planungsinteressen des potentiellen Erwerbers einen ausreichenden Grund für eine Klage gegen die Person abgeben, der das fragliche Recht bereits zediert worden ist. Naheliegend ist dabei die überlegung, daß derjenige, der ein Recht erwerben will, welches dem Zedenten möglicherweise nicht mehr zusteht, sich bei seinem Vertragspartner gegen Fehlinvestitionen absichern muß. Man könnte also der Ansicht sein, daß es nicht Aufgabe des Zessionars ist, die Planungsinteressen des potentiellen Erwerbers des bereits an ihn abgetretenen Rechts zu befriedigen. Wie auch immer man sich in dieser Frage entscheidet, jedenfalls würde der Feststellungsstreit über die streitige Forderung im Hinblick auf die aus der Forderungszuständigkeit resultierende Rechtsbeziehung der Parteien untereinander geführt. Der Rechtsstreit bekommt nicht deshalb eine andere Ausrichtung, weil 66 BGH, LM Nr.90 zu § 256 ZPO = NJW 1969, S. 136 = MDR 1969, S.206 = BB 1968, S. 1455. 57 Demgegenüber aber BGH, LM Nr. 25 zu § 256 ZPO. 58 Der Prätendentenstreit ist deshalb kein Argument dafür, daß das Rechtsverhältnis, welches den Streitgegenstand des Feststellungsprozesses bildet, nicht die Prozeßparteien verbindet; vgl. demgegenüber aber Bauer, Dissertation, S. 91 ff. und die Nachweise dort S.46, Fn. 18l.

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Teil 3: Rechtsverhältnis und Anspruch

der Kläger das streitige Recht noch nicht erworben hat, sondern dessen Erwerb lediglich plant. Wenn der Bundesgerichtshof demgegenüber den Grundsatz der Prozeßökonomie bemüht, dem es in solchen Fällen widersprechen soll, "schon im Feststellungsprozeß gegen den Beklagten eine - möglicherweise eine umfangreiche Beweisaufnahme erfordernde - abschließende Klärung des Rechtsverhältnisses des Klägers zu dem Dritten und damit über Fragen herbeizuführen, die im Verhältnis dieser beiden Teile später möglicherweise keine Rolle spielen und die durch das Urteil des Feststellungsprozesses - zwischen anderen Parteien gegenüber dem Dritten doch nicht bindend geklärt werden" könnten, so belegt das Gericht anschaulich die Fragwürdigkeit der Ansicht, daß Elemente nicht feststellungsfähig seien59 • Gerade die vom Bundesgerichtshof angestellte Erwägung, daß es den Parteien überlassen sein müsse, den Rechtsstreit auf die sie bewegenden Fragen zu konzentrieren, spricht gegen die Annahme eines angeblich vorgegebenen Rechtsschutzziels, von dem aus allein unterschieden werden kann, ob die gestellte Rechtsfrage ein Rechtsverhältnis oder bloßes Element eines solchen ist. Die Prozeßökonomie kann hingegen kein Argument dafür liefern, von dem Erfordernis abzusehen, daß der Kläger entweder vortragen muß, er befürchte eine Verletzung seiner Rechte durch den Beklagten, oder behauptet, der Beklagte habe die Pflicht, zu der Frage Stellung zu nehmen, ob in seiner Person rechtliche Hinderungsgründe für die Verwirklichung der Pläne des Klägers vorhanden sind. d) Die Vernachlässigung der zwischen den Parteien des Rechtsstreits vorhandenen Rechtsbeziehungen wirkt sich fast zwangsläufig auf den Kreis der klageberechtigten Personen aus. Braucht das streitige Rechtsverhältnis nicht zwischen Kläger und Beklagtem zu bestehen und genügt es, daß der Kläger mittelbar von dem streitigen Rechtsverhältnis betroffen wird 60 , vergrößert sich die Reichweite der Feststellungsklage um ein Vielfaches. Personen könnten über den Feststellungsprozeß zur Rechenschaft gezogen werden, die gegenüber dem Kläger keinerlei aus dem materiellen Recht ableitbare Verantwortung haben. Diese Tendenz wird bemerkbar, wenn das Interesse des Klägers an fremder Schuld59 Das prozeßwirtschaftliche Argument mutet gerade im Streitfall eigenartig an: Genügt es tatsächlich, daß der Kläger nur beabsichtigt, das an den Beklagten zedierte Recht zu erwerben, kann man dem Beklagten ein gleiches Recht wohl nicht absprechen. Wird also festgestellt, daß der Beklagte das Recht nicht erworben hat, kann der Beklagte mit der Begründung, er plane einen erneuten Erwerb des Rechts, auf Feststellung klagen, daß die Zession an den Kläger des Erstprozesses unwirksam sei. Die vom BGH im Streitfall praktizierte Ansicht muß also gerade nicht zu einer endgültigen Streitbereinigung führen und könnte deshalb als unwirtschaftlich angesehen werden. Zur Prozeßökonomie vgl. ferner hier Teil 3 I. 3. 80 So aber die ständige Rechtsprechung, vgl. z. B. RGZ 170, S. 358 ff.; BGH, LM Nr. 59 zu § 256 ZPO.

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erfüllung daraus resultiert, daß der Kläger im Falle der Nichtleistung eines Dritten u. U. selbst leistungspflichtig wird. So erachtete z. B. der Bundesgerichtshof als ausreichend für das Feststellungsinteresse, daß der Kläger zur Verminderung seiner eigenen Besoldungslast gegenüber einer am Rechtsstreit nicht beteiligten Person auf Feststellung klagte, daß der Beklagte verpflichtet sei, an den Dritten einen Zuschuß zur Besoldung zu erbringen61 • Klagebefugt soll nach Ansicht des Bundesgerichtshofs ebenfalls der potentielle Rückgriffsschuldner gegenüber dem Gläubiger sein, der sich eines Anspruchs gegen den Schuldner berühmt62 • In beiden Fällen bestand keine unmittelbare Rechtsbeziehung zwischen den Streitteilen63 • Die Zulässigkeit der Feststellungsklage wurde allein aus dem Interesse des Klägers begründet, Klarheit darüber zu gewinnen, ob und in welcher Höhe er Leistungen an den Dritten erbringen mußte. Ein solches wirtschaftliches Interesse kann den Rechtsstreit nicht rechtfertigen. Ist der Schuldner der Auffassung, er werde zu Unrecht auf Leistung in Anspruch genommen, mag er sich an seinen Gläubiger wenden, demgegenüber er seine Leistungspflicht feststellen lassen kann. Gegen einen weiteren Schuldner seines Gläubigers kann er nur dann mittels Klage vorgehen, wenn ihn sein Gläubiger dazu ermächtigt. Klagt der Schuldner aus eigenem Recht gegen den weiteren Schuldner auf Feststellung der Verpflichtung gegenüber dem Gläubiger, ist das Urteil auch nicht geeignet, das Interesse zu befriedigen, welches den Rechtsstreit rechtfertigen soll. Der Gläubiger ist an das Urteil nicht gebunden, und das Rechtsverhältnis zwischen Schuldner und Gläubiger ist nicht Streitgegenstand des Feststellungsprozesses. Eine Bestimmung des Rechtsschutzinteresses des Klägers ohne Berücksichtigung der materiellen Rechte des Klägers gegenüber dem Beklagten ist nicht möglich64 • BGH, LM Nr.59 zu § 256 ZPO. BGH, MDR 1971, S.1000 = NJW 1971, S.1749 = LM Nr. 99 zu § 256 ZPO. 63 Anders ist die Rechtslage bei Gesamtschuldner (§ 426 BGB). 84 Aus diesem Grund ist im öffentlichen Recht auch für den Bereich der Feststellungsklage daran festzuhalten, daß der zu erwartende Verwaltungsakt eigene Rechte des Klägers verletzen muß, wenn die Feststellungsklage zulässig sein soll. Vgl. dazu für den Fall der Drittrechtsfeststellung OVG Koblenz, NJW 1976, S. 1163 ff. - Nur von solchem Ansatz aus ist der Entscheidung des BVerwG vom 18.12.1975 (BVerwGE 50, S. 60 ff.) zuzustimmen: Der Kläger (Vermieter), dem gegen einen Kriegsbeschädigten (Mieter) ein Anspruch auf Erstattung von Kosten für Schönheitsreparaturen zustand, klagte gegen den -Träger der Kriegsopferfürsorge auf Feststellung, daß dem Beschädigten eine diese Kosten deckende ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt zustehe. Das BVerwG wies die Klage ab, weil mit dem Feststellungsurteil dem Beschädigten die - nur auf Antrag zu gewährende _ Hilfe nicht aufgezwungen werden dürfe; da auch ein der Klage stattgebendes Urteil das Antragserfordernis nicht ersetze, gehe die begehrte Feststellung "ins Leere". - Entgegen der Auffassung des BVerwG wäre die Klage mangels eigener Rechte des Klägers gegenüber dem Beklagten 61

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Teil 3: Rechtsverhältnis und Anspruch

Die These, daß das festzustellende Rechtsverhältnis nicht zwischen den Parteien des Rechtsstreits bestehen müsse, kann schließlich auch nicht in der Form begründet werden, daß man zwischen dem Recht, welches Objekt des Rechtsschutzes ist, und dem Recht, welches festgestellt werden soll, unterscheidet. Diese Auffassung beruht maßgeblich auf der Erwägung, daß die Feststellung fremder Rechte dem Schutz eigener Rechte dienen kann6s • Wird berücksichtigt, daß es allein sinnvoll ist, diejenige Rechtsbeziehung als festzustellendes Rechtsverhältnis zu bezeichnen, welche den Streitgegenstand des Feststellungsprozesses bildet, kann das Rechtsverhältnis auch nur in der Beziehung zwischen Kläger und Beklagtem angesiedelt sein. Denn allein über diese Beziehung wird rechtskräftig entschieden. Ausschließlich aus der Bedeutung des Urteils für diese Beziehung kann das Feststellungsinteresse bestimmt werden. Daß zwischen den Parteien auch Rechtsbeziehungen streitig sein können, an denen Dritte beteiligt sind, rechtfertigt nicht die Gegenüberstellung von festzustellendem und zu schützendem Recht. über diese Rechtsbeziehung zu Dritten kann nur im Hinblick auf ihre Bedeutung für die Beziehung der Parteien untereinander entschieden werden. Das "Drittrechtsverhältnis" ist also dem Rechtsverhältnis, welches den Streitgegenstand des Feststellungsprozesses bildet, integriert. Der Feststellungsstreit betrifft auch in einem solchen Fall die Rechtsbeziehung zwischen Kläger und Beklagtem. Ein Feststellungsprozeß über fremde Rechte ist nur im Wege der Prozeßstandschaft möglich66 • 111. Ergebnis

1. Jede Rechtsfrage, die man isoliert als Einheit ansehen kann, erscheint in weiteren Bezügen als Element oder Vortrage einer anderen. 2. Die Rechtsprechung neigt dazu, die Rechtsfrage, über welche die Parteien eine Entscheidung begehren, auch dann im Hinblick auf ihre Bedeutung für Leistungsansprnche zu ordnen, wenn der Leiauch dann unzulässig gewesen, wenn der Beigeladene den Unterstützungsantrag bei dem Beklagten gestellt hätte. 65 So Henckel, Parteilehre und Streitgegenstand, S. 88 f.; Stein / Jonas / Schumann / Leipold, Bem. 11. 3 zu § 256 ZPO, Bem. 11. 7 vor § 50 ZPO; Bauer, Dissertation, insb. S. 102 ff. 68 Entgegen der Ansicht von Stein / Jonas / Schumann / Leipold, Bem. 11. 7 vor § 50 ZPO, läßt sich deshalb auch aus der Zulässigkeit des Feststellungsstreits über "Drittrechtsverhältnisse" kein Argument für die Zulässigkeit der gewillkürten Prozeßstandschaft ableiten, bei der es im Gegensatz zum Feststellungsstreit über Drittrechtsverhältnisse um den Schutz fremder Rechte geht.

Ergebnis

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stungsanspruch selbst gar nicht geltend gemacht ist. Zum "Element" werden dann solche Rechtsfragen, deren isolierte - d. h. vom Leistungsanspruch losgelöste - Beurteilung prozeßunwirtschaftlich sein soll. 3. Ob eine Rechtsfrage bloßes Element oder selbständiges "Rechtsverhältnis" ist, läßt sich nicht aus ihrer Bedeutung für einen nicht geltend gemachten Anspruch erschließen. Für die Bestimmung des Sachverhalts, über welchen als Rechtsverhältnis im Feststellungsprozeß entschieden werden kann, ist die umfassende Vorfragenkompetenz des Richters im Leistungs- oder Gestaltungsprozeß unerheblich, die erst mit Rechtshängigkeit der Leistungs- oder Gestaltungsklage zum Tragen kommt. Prozeßökonomische Vberlegungen bieten keine Handhabe, das Recht des Klägers zu beschränken, das Klageziel festzulegen.

4. Eigenschaften von Personen und Sachen sind auch dann selbständig feststeZZungsfähig, wenn ein besonderes Verfahren zur Anerkennung der Eigenschaft nicht vorgesehen ist. 5. Ist eine die Rechtsbeziehungen der Parteien zueinander betreffende Rechtsfrage nach materiellem Recht selbständig beurteilungsfähig und hat ihre urteilsmäßige Feststellung als solche für das Verhalten der Parteien praktische Relevanz, liegt ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis vor. 6. Der FeststeZZungsprozeß erfährt seinen Sinn nicht aus der unmittelbaren Vorbereitung eines Leistungs- oder Gestaltungsprozesses. Der materielle Anspruch hat für den Prozeß lediglich insoweit Bedeutung, als die präjudizielle Wirkung des Feststellungsurteils für einen zu erwartenden Anspruch das Feststellungsinteresse rechtfertigt. Auf die Wirkung des Urteils für potentielle Anspruchslagen zwischen den Parteien kann als Kriterium für die praktische verhaltensbestimmende Wirkung des Feststellungsurteils nicht verzichtet werden. 7. Das Rechtsverhältnis, welches den Streitgegenstand des Feststellungsprozesses bilden soll, muß stets zwischen den Prozeßparteien bestehen.

Vierter Teil

Das Feststellungsinteresse I. Der Einfluß der Lehre vom Rechtsschutzinteresse auf die Bestimmung des Feststellungsinteresses Während die bisher erörterten Regeln über die Abgrenzung des feststellungsfähigen Rechtsverhältnisses in Rechtsprechung und Lehre kaum diskutiert werden und ihnen scheinbar ein feststehender Bedeutungsgehalt zugeschrieben wird, haben sich die wissenschaftlichen Bemühungen der Gegenwart verstärkt der näheren Erfassung des Rechtsschutzinteresses zugewandt, als dessen besondere Ausprägung das Feststellungsinteresse verstanden wird. Erwartet man von einer Lehre, die sich mit den Aufgaben und Grenzen des Rechtsschutzes befaßt, daß sie wesentliche Erkenntnisse über die der Feststellungsklage eröffnete Rechtsschutzzone liefert, so ist die Lehre vom Rechtsschutzinteresset bislang diesen Ansprüchen noch nicht gerecht geworden. Die Ortung des Rechtsschutzinteresses als allgemeine Rechtsschutzgewährungsvoraussetzung hat die Diskussion auf eine erhöhte Ebene verlagert, auf der sich füglich streiten läßt. Meinungsverschiedenheiten werden vor allem über den Geltungsgrund des Rechtsschutzinteresses ausgetragen. So wird teilweise die Notwendigkeit eines Rechtsschutzinteresses aus dem Prozeßzweck selbst abgeleitet, wobei in unterschiedlichem Maße der Schutz rechtlicher Belange des einzelnen oder die Bewahrung des objektiven Rechts und die Sicherung des Rechtsfriedens akzentuiert werden2 • Ob es gegenüber dieser von Schönke begründeten Lehre3 wirklich einen Fortschritt bedeutet, wenn man die Fälle fehlenden Rechtsschutzinteresses als Erscheinungsformen institutionellen 1 Vgl. dazu für das Zivilrecht: Schönke, Das Rechtsschutzbedürfnis, 1950; Allorio, ZZP Bd.67, S. 321 ff.; Pohle, Festschrift für Lent, S. 195 ff.; Wieser, Das Rechtsschutzinteresse des Klägers im Zivilprozeß, 1971; für das öffentliche Recht: Bergmann, VerwArch Bd.49, S. 333 ff.; Stephan, Das Rechtsschutzbedürfnis, 1967; Bock, Das Rechtsschutzbedürfnis im Verwaltungsprozeß, 1971. 2 Zum Meinungsstand über den Prozeßzweck vgl. Gaul, AcP Bd.168, S. 27 ff.; E. Schmidt, Der Zweck des Zivilprozesses und seine Ökonomie, S. 9 ff. 3 So zuerst in AcP Bd.150, S. 216 ff.; dann in erweiterter Form in: Das Rechtsschutzbedürfnis, S. 22 ff.; die letztgenannte Abhandlung wird im fol~enden allein zitiert.

Der Einfluß der Lehre vom Rechtsschutzinteresse

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Mißbrauchs charakterisiert4, dürfte bezweifelt werden können. Man mag gegen die Formel, daß die Verfolgung prozeßfremder Zwecke die Schutzwürdigkeit ausschließe, einwenden, daß es "eine Generalklausel ohne feste Begrenzung" sei6 • Diesem Einwand dürfte aber auch jede prozessuale Mißbrauchslehre ausgesetzt sein. Von der Verfehlung des Prozeßzwecks über den institutionellen Mißbrauch ist es nur ein kleiner Schritt zu der Auffassung, daß das Rechtsschutzgesuch auf ein "objektiv bestimmungsgemäßes" Urteil gerichtet sein müsse6 • Begründet man aus einer Pflicht des Gerichts zu zweckmäßiger Arbeit die Notwendigkeit, Rechtsschutzgesuche nur bei Nachweis eines Bedürfnisses nach Rechtsschutz zuzulassen, dürfte es selbst möglich sein, eine Verbindung zwischen dem Erfordernis des Rechtsschutzinteresses und dem Grundsatz der Prozeßökonomie herzustellen 7 • Lenkt man den Blick auf die praktischen Ergebnisse der Lehre vom Rechtsschutzinteresse, so zeigt sich, daß es eine "Lehre von den Ausnahmen" ists. über eine Typologie der Erscheinungsformen fehlenden Rechtsschutzinteresses sollen die allgemeinen, für ein jedes Rechtsschutzgesuch zu beachtenden Schranken aufgewiesen werden. Jede Lehre über die Ausnahmen, in denen dem Kläger ein sachliches Urteil versagt wird, setzt klare Vorstellungen über die Bedingungen voraus, unter welchen grundsätzlich Rechtsschutz gewährt werden soll. Die Leistungs- und Gestaltungsklagen bergen insoweit keine Schwierigkeiten, liegt doch bei ihnen in der Regel ein Rechtsschutzinteresse vor, weil der Kläger nur über die Gerichte die Hilfe erlangen kann, deren er bedarf, falls der Pflichtige seine Schuld nicht erfüllt, bzw. weil die Gestaltung nur durch Urteil erfolgen kann. Ist die Inanspruchnahme der Gerichte zur Durchsetzung von Leistungsansprüchen prinzipiell legitim, kann sich die Lehre vom Rechtsschutzinteresse in der Tat auf die Analyse der Fallgestaltungen beschränken, in denen ausnahmsweise Rechtsschutz zu versagen ist. Anders scheinen die Probleme bei der Feststellungsklage gelagert zu sein. So selbstverständlich es ist, daß derjenige ein vom Rechtsschutzzweck gedecktes Anliegen verfolgt, der die Erfüllung einer Schuld oder die Gestaltung eines Rechtsverhältnisses begehrt, so zweifelhaft mutet es an, ob derjenige ein legitimes 4 So Zeiss, Die arglistige Prozeßpartei, S. 160 ff.; ihm folgend Bock, Rechtsschutzbedürfnis, S. 27 ff. 5 Zeiss, Die arglistige Prozeßpartei, S. 162. 6 So Wieser, Rechtsschutzinteresse, S. 55 ff., 237 ff., der die Notwendigkeit eines Rechtsschutzinteresses für Leistungs- und Gestaltungsklagen aus einer Analogie zu § 256 ZPO folgert. 7 Dazu die Nachweise bei Stephan, Das Rechtsschutzbedürfnis, S.19 ff.; Bock, Das Rechtsschutzbedürfnis, S; 27 ff. S So die Formulierung von Stephan, Das Rechtsschutzbedürfnis, S. 28 im Anschluß an die Ausführungen von Pohle, Festschrift für Lent, S. 204.

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Teil 4: Das Feststellungsinteresse

Bedürfnis nach Rechtsschutz hat, der lediglich eine verbindliche Auskunft über die Rechtslage anstrebt. In dieser Unsicherheit, ob der Feststellungsprozeß im Einzelfall im Rechtsschutzbereich angesiedelt ist, soll der Grund dafür zu finden sein, daß das Gesetz zur Frage des Rechtsschutzbedürfnisses bei der Leistungs- und Gestaltungsklage schweigt, während für die Feststellungsklage ausdrücklich angeordnet ist, daß der Kläger ein Rechtsschutzinteresse an der beantragten Feststellung haben muß9. Allein deshalb wird teilweise auch das Feststellungsinteresse als positive Prozeßvoraussetzung angesehen, während das Rechtsschutzinteresse im übrigen eine negative Prozeßvoraussetzung sein so1l10. Eine Bestandsaufnahme der gerichtlichen Praxis würde wahrscheinlich die Vermutung bestätigen, daß die Feststellungsklage häufiger als die Leistungs- oder die Gestaltungsklage nicht vom Prozeßzweck gedeckt ist. Welche dogmatischen Konsequenzen aus diesem Befund zu ziehen sind, ist jedoch eine gesonderte Frage. Aus der - faktisch häufigen - Zweckverfehlung der Feststellungsklage ein generelles Mißtrauen gegenüber dieser Klageart abzuleiten, welches sich etwa darin äußern würde, "besondere" Anforderungen an das Rechtsschutzinteresse bei der Feststellungsklage zu stellen, ist nicht gerechtfertigt11. Mit der gesetzlichen Zulassung der Klageart gehört die verbindliche Feststellung eines Rechtsverhältnisses gleichrangig neben der Durchsetzung von Leistungs- und Gestaltungsverlangen zu den Aufgaben des Rechtsschutzes. In diesem Punkt ist Allorio darin zuzustimmen, daß "das Werturteil über die Existenz des ,Interesses' mit der Tatsache der Zulassung des ,Schutzes' selbst schon ausgesprochen" ist. Die einzelnen Formen richterlichen Schutzes hat der Gesetzgeber gerade deshalb gewährt, "weil er von vornherein ein Interesse, diesen Schutz zu erlangen, als vorhanden angesehen" hati2• - So gesehen beruhen die Probleme der Feststellungsklage ausschließlich darin, daß mit der Verweisung auf das festzustellende Rechtsverhältnis nicht annähernd exakt die Konfliktslage umrissen ist, die durch das richterliche Urteil bereinigt werden soll. Ist der als das festzustellende Rechtsverhältnis bezeichnete rechtsschutzfähige Tatbestand bestimmt, gelten für das Rechtsschutzinteresse des Klägers im Feststellungsprozeß keine anderen Regeln als bei den übrigen Klagearten: Es fehlt nur dann, wenn - allgemein gesprochen - ein Mißbrauch der Rechtspflege vorliegt. 8 z. B. Grunsky, Grundlagen, 5.397; Bock, Das Rechtsschutzbedürfnis, 5.43, 5.177. 10 Pohle, Festschrüt für Lent, 5.209; Rosenberg 15chwab, § 93 IV. 1; für den Bereich des vorbeugenden Rechtsschutzes Bettermann, Zehn Jahre VwGO, 5. 189. 11 .50 aber die verwaltungsgerichtliche Praxis zur vorbeugenden Feststellungsklage, vgl. dazu hier Teil 2 IV., V. 12 Allorio, ZZP Bd.67, 5.324.

Der Einfluß der Lehre vom Rechtsschutzinteresse

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Gegen diese starke Betonung des feststellungsfähigen Rechtsverhältnisses wird man einwenden können, es handle sich um eine dem Belieben anheimgestellte technische Ordnungsfrage ohne sachliche Konsequenzen, ob man die Sicherung, daß die Feststellungsklage nur zu einer aufgabengemäßen Inanspruchnahme der Rechtsschutzorgane führt, über bestimmte Strukturanforderungen an die vom Kläger vorgetragene Rechtsfrage oder über eine spezifische Ausformung des Feststellungsinteresses anstrebe. Dieser Einwand hat insofern einen berechtigten Kern, als es gleichgültig ist, ob man dem Kläger eine sachliche Entscheidung versagt, weil sein Rechtsschutzgesuch kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis zum Inhalt hat oder ihm das Rechtsschutzinteresse fehlt. Man könnte gar jede beliebige Rechtsfrage als Rechtsverhältnis erachten. Dann müßten aber sämtliche Wertungsgesichtspunkte, die in der Rechtsprechung dazu geführt haben, z. B. konkrete und abstrakte, gegenwärtige und zukünftige Rechtsverhältnisse sowie Rechtsverhältnisse und Elemente eines solchen zu unterscheiden, in den Begriff des Rechtsschutzinteresses verlagert werden. Sieht man einmal von der solchermaßen bedingten überfrachtung des Begriffs des Rechtsschutzinteresses ab, bleibt aber entscheidend zu berücksichtigen, daß das Rechtsschutzinteresse nicht losgelöst von seinem Gegenstand beurteilt werden kann. Diesen Gegenstand bildet nicht das Urteil als solches. Denn an der Rechtsklarheit, die das rechtskräftige Urteil herbeiführt, besteht stets ein berechtigtes Interesse. Das Interesse, welches der Kläger an der beantragten Feststellung haben muß, ist an den Wirkungen des Urteils auf den vom Kläger vorgetragenen Störungsfall zu lllessen l3• Dabei hat es keinen Sinn, aus der unterschiedlichen Formulierung der Prozeßgesetze folgern zu wollen, für das zivilrechtliche Streitverfahren sei ein rechtliches Interesse erforderlich, während in öffentlichrechtlichen Feststellungsstreitigkeiten ein berechtigtes Interesse genüge l4 • Die Begriffe liegen auf verschiedenen Ebenen. Das Interesse muß stets ein rechtliches und zugleich ein berechtigtes sein. Betrachtet man das Rechtsschutzinteresse losgelöst von seinem Gegenstand, kann das eigentliche Anliegen einer jeden Lehre vom Rechtsschutzinteresse, welches nur darin erblickt werden kann, Kriterien dafür herauszubilden, ob der einzelne Rechtsstreit im Einklang mit 13 So schon Wach, Feststellungsanspruch, S.54; Hellwig, Anspruch und Klagrecht, S.427. 14 Mit der Entscheidung für den Begriff des "berechtigten" Interesses in den verwaltungsrechtlichen Prozeßordnungen im Gegensatz zum "rechtlichen" Interesse sollte klargestellt werden, daß wirtschaftliche Interessen, die zwar "berechtigt", aber nicht "rechtlicher" Art sein könnten, ein ausreichender Grund für die Feststellungsklage seien; vgl. dazu insbesondere BSGE 8, S.1 unter Hinweis auf die Regierungsbegründung zu § 55 SGG; ferner BFH, BB 1975, S.1328; Redeker I v. Oertzen, Rdnr.20 zu § 43 VwGO; Eyermann I Fröhler, Rdnr.l1 zu § 43 VwGO; Kopp, Bem.7 zu § 43 VwGO.

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Teil 4: Das Feststellungsinteresse

dem Prozeßzweck steht - objektiv bestimmungsgemäß ist -, kaum verwirklicht werden. Ist man sich darüber einig, daß die Geltendmachung eines Leistungsanspruchs bzw. das Verlangen nach richterlicher Gestaltung eines Rechtsverhältnisses grundsätzlich vom Rechtsschutzzweck gedeckt ist, kann die Suche nur darauf gerichtet sein, wie der Tatbestand beschaffen ist, der gleichermaßen ohne weiteres die Bitte um Feststellung der Rechtslage rechtfertigt. Solange nicht die der Feststellungsklage prinzipiell eröffnete Rechtsschutzzone erfaßt wird, ist der Boden nicht aufbereitet, von dem aus erörtert werden könnte, wann die Feststellungsklage im Einzelfall nicht vom Prozeßzweck getragen, rechtsmißbräuchlich oder objektiv zweckverfehlt ist. Die Lehre vom Rechtsschutzinteresse, die sich in ihren verschiedenen Ausformungen fast ausschließlich darauf beschränkt, wann ausnahmsweise das Rechtsschutzinteresse fehlt, liefert deshalb auch keine substantiellen Aussagen über die Frage, wie der Störungsfall beschaffen ist, der das Gesuch um ein Feststellungsurteil rechtfertigt: So ist z. B. die Ausscheidung der "abstrakten" Rechtsverhältnisse ein maßgeblich vom Rechtsschutzverständnis geprägtes Korrektiv zur Sicherung der funktionsgerechten Inanspruchnahme der Gerichte; gesichert werden soll, daß das Urteil praktische Relevanz hatl5 • Zu der mit der Unterscheidung konkreter und abstrakter Rechtsverhältnisse verbundenen Problematik, die gerade ein Prüfstein jeder Lehre vom Rechtsschutzinteresse - verstanden als Versuch, Wesen und Grenzen des Rechtsschutzes aufzuweisen - sein müßte, findet sich in den Beiträgen zum Rechtsschutzinteresse lediglich die beiläufige Bemerkung, es fehle "der Wunsch nach dem (beantragten) Urteil", wenn der Kläger "einen fingierten Fall vortrage, um eine abstrakte juristische Streitfrage klären zu lassen oder die Ansicht eines bestimmten Spruchkörpers kennenzulernen"16. Daß auch die an sich richtige überlegung, das Rechtsschutzinteresse habe die Aufgabe, unnütze Prozesse zu verhindern l7 , nicht wesentlich förderlich ist, solange nicht der Bezugspunkt für die Bestimmung des "konkreten" und damit feststellungs fähigen Rechtsverhältnisses ermittelt wird, dürfte selbstverständlich sein. Auch aus der Aufgabe des Rechtsschutzinteresses, eine rechtlich mißbilligte Benachteiligung des Beklagten zu verhindern und eine funktionsfähige Gerichtsbarkeit zu sichern, lassen sich allenfalls allgemeine Leitprinzipien gewinnen, an denen sich zwar die Auslegung der Prozeßgesetze orientieren muß, die aber viel Spielraum gewähren. Bei einer solchen Funktionsbestimmung des Rechtsschutzinteresses werden zudem leicht Dazu oben Teil! l. Wieser, Rechtsschutzinteresse, S.47. 17 Hahn, Motive, S. 257; zu Recht kritisch in diesem Zusammenhang Wieser, Rechtsschutzinteresse, S. 26 f. 15

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Der Einfluß der Lehre vom Rechtsschutzinteresse

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die Interessen des Klägers vernachlässigt, um deren Erfassung es sich gerade bei der Frage handelt, wann der Kläger ein berechtigtes Interesse an der gerichtlichen Feststellung einer Rechtslage hat. Die Interessen der am Prozeß Beteiligten dürfen nicht isoliert gesehen werden. Es kann sich nur darum handeln, einen sinnvollen Kompromiß zu finden. Wie sich die zur Rechtfertigung des Ergebnisses, daß das Erfordernis des Rechtsschutzinteresses ausschließlich dem Schutz der Rechtsprechungsorgane diene, vorgebrachte Formel, die Gerichte sollten keiner Arbeitsbelastung ausgesetzt werden, die nicht im Interesse der Durchsetzung individueller Belange des Klägers geboten seP8, mit gleicher Berechtigung umgekehrt gewendet und die dienende Funktion der Rechtsprechung betont werden könnte, so untauglich sind die Versuche, die Gewichtigkeit der Belange von Kläger und Beklagtem generell unterschiedlich zu bemessen. Da die Parteirolle weitgehend vom Zufall abhängt, wie es sich sinnfällig am Beispiel der anspruchsabwehrenden negativen Feststellungsklage zeigt, kann die Schutzwürdigkeit der individuellen Interessen des einzelnen nicht davon abhängen, ob er als Kläger oder Beklagter auftritt. Ein gegenteiliges Ergebnis läßt sich auch nicht aus § 93 ZPO gewinnen. Diese Vorschrift ist ausschließlich im Zusammenhang mit § 91 ZPO zu sehen: § 93 ZPO ist nur anwendbar, wenn der Beklagte auf Grund seines Anerkenntnisses verurteilt wird. Für diesen Fall enthält die Vorschrift eine Ausnahme zu dem in § 91 ZPO geregelten Grundsatz. Die mit dem Unterliegen normalerweise verbundene Kostenpflicht (§ 91 ZPO) ist nach der gesetzlichen Wertung dann nicht gerechtfertigt, wenn der unterlegene Beklagte die Kosten weder vor noch im Rechtsstreit veranlaßt hat. Der Vorschrift des § 93 ZPO entnehmen zu wollen, daß es nur von Bedeutung für die Kostentragungspflicht sei, wenn der Beklagte in einen Prozeß hereingezogen werde, ohne dazu durch sein Verhalten Anlaß gegeben zu haben, dürfte kaum zutreffend sein1g . Die auf § 93 ZPO beruhende Kostenpflicht des Klägers kommt nur dann in Betracht, wenn der Beklagte den gegen ihn geltend gemachten Anspruch anerkennt und auf Grund seines Anerkenntnisses verurteilt wird. Er wird sich aber gerade hüten, den Anspruch anzuerkennen, wenn er der Auffassung ist, die Klage sei wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses abweisungsreif. Eine ganz andere, von § 93 ZPO als Kostenvorschrift nicht erfaßte Frage ist die, ob der Beklagte trotz fehlenden Rechtsschutzinteresses verurteilt werden darf, wenn die Klage sachlich begründet ist. Diese Möglichkeit würde sich in der Tat eröffnen, wenn man der Ansicht ist, das Rechtsschutzinteresse diene nur dem Schutz der Gerichte, die keiner un18 So zuerst Schönke, Rechtsschutzinteresse, S.13. 19 So aber Wieser, Rechtsschutzinteresse, S.212; Grunsky, Grundlagen, S.392; ders., Anm. zu BAG, AP Nr.48 zu § 256 ZPO.

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Teil 4: Das Feststellungsinteresse

nötigen Arbeitsbelastung ausgesetzt werden sollten. Abgesehen davon, daß der Gedanke der Arbeitsersparnis nur dann zum Tragen käme, wenn das Rechtsschutzinteresse schwieriger zu beurteilen ist als die sachliche Rechtslage, wird man die Möglichkeit einer dem Kläger günstigen Sachentscheidung trotz fehlenden Rechtsschutzinteresses ohnehin ausschließen müssen20. Man wird schon daran zweifeln können, ob es überhaupt prozessuale Regeln gibt, die einseitig und ausschließlich den Interessen eines Beteiligten dienen; es dürfte wohl eher stets die Frage sein, wie im Einzelfall die verschiedenen Belange aufeinander abzustimmen sind. Seiner Wirkung nach verhindert das Erfordernis des Rechtsschutzinteresses jedenfalls eine dem Kläger günstige Sachentscheidung. Wer dem Rechtsschutzinteresse keine Bedeutung beimißt, wenn die vom Kläger beantragte Feststellung begründet ist, läßt den Feststellungsstreit praktisch voraussetzungslos zu. Eine solche Lösung ist nicht tragbar, weil sie es jedem ermöglichen würde, einen anderen ohne Grund in den Rechtsstreit zu zwingen. Aus dieser Erwägung geht man auch allgemein davon aus, daß der Kläger ein Rechtsschutzinteresse gegenüber dem Beklagten haben muß21. Aufgabe des Rechtsschutzinteresses ist es jedenfalls auch, zu verhindern, daß der Beklagte vor die Alternative gestellt wird, entweder den gegnerischen Anspruch anzuerkennen oder sich auf den Rechtsstreit einzulassen. Es sind genügend Fälle vorstellbar - man denke an manche Beispiele sogenannter Drittrechtsfeststellungsklagen - in denen sich der Beklagte mit Recht auf den Standpunkt stellen kann, er wolle sich mit dem Kläger überhaupt nicht auseinandersetzen, weil er ihm gegenüber keine Rechtsungewißheit veranlaßt habe oder ihm aus sonstigen Gründen keine Rechenschaft schuldig sei2\? 11. Die Rechtsungewißheit als Rechtsschutzgrund der Feststellungsklage Da die Lehre vom Rechtsschutzinteresse sich in dem Versuch erschöpft, die für ein jedes Rechtsschutzgesuch geltenden Schranken aufzuspüren, haben sich die Regeln zur Bestimmung des Feststellungsinteresses - ungeachtet des Umstandes, daß das Feststellungsinteresse als das nach §§ 256 ZPO, 43 VwGO geforderte Rechtsschutzinteresse für die Feststellungsklage verstanden wird - weitgehend unbeeinflußt von konkreten überlegungen zu der Frage entwickelt, was der Rechtsschutz leisten kann und soll. 20 a. A. die h. M., vgl. die Nachweise bei Wieser, Rechtsschutzinteresse, S. 212 und Grunsky, Grundlagen, S.392. 21 So schon Wach, S.53; vgl. ferner die Nachweise hier Teil 3 Ir. 2, Fn.50. 22 Auch beim Versäumnisurteil dürfte die h. M. Schwierigkeiten bereiten.

Die Rechtsungewißheit als Rechtsschutzgrund

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Wendet man das Augenmerk auf den Rechtsschutzgrund der Feststellungsklage - d. h. den Tatbestand, aus welchem das Interesse des Klägers an der gerichtlichen Feststellung erwächst -, so wird die Schutzbedürftigkeit des Klägers traditionell mit einer ihn gefährdenden Rechtsunsicherheit begründet, wobei die Gefährdung aus einem (drohenden) Angriff des Beklagten auf Rechtsgüter des Klägers resultiert23• Wenn gegenüber der von Wach in den Mittelpunkt seiner Ausführungen zum Feststellungsinteresse gestellten überlegung, Verletzung und Gefährdung seien die beiden einzigen Formen, in denen Rechtsgüter angegriffen und durch die der Rechtsschutz begründet werden könne24 , teilweise ausschließlich auf die vom Beklagten hervorgerufene, den Kläger gefährdende Rechtsunsicherheit abgestellt wird, so geschieht dies nicht, um den Rechtsschutzgrund der Feststellungsklage anders abzugrenzen. Es soll vielmehr klargestellt werden, daß bestimmte Störungsverhalten, die man nicht als materielle Rechtsverletzung wertet - z. B. die Rechtsberühmung des Beklagten, die dem Kläger noch keinen materiellen Schaden zufügt -, den Rechtsschutz in Form der Feststellungsklage rechtfertigen25• Da das Feststellungsurteil den Parteien ausschließlich Rechtsgewißheit verschafft, ist der Rückschluß zutreffend, daß der Feststellungsstreit eine zu bereinigende Ungewißheit über die Rechtslage voraussetzt. In ihrer Allgemeinheit läßt sich die Formel aber fast beliebig einsetzen, wenn man nicht stets den Sinnzusammenhang zwischen dem Interesse an der Feststellung und der Konfliktslage, aus welchem es erwächst, sowie dem Urteil in seiner Eignung zur Befriedigung des klägerischen Interesses im Auge behält. Wer z. B. Rechtsfragen generalisierenden Charakters nicht als taugliches Objekt für den Feststellungsstreit ansieht26 , wird auch die Unsicherheit in einer Rechtsfrage, die für eine Vielzahl einzelner Lebenssachverhalte erheblich ist, nicht als schutzwürdig erachten. Wird berücksichtigt, daß das materielle Recht nicht nur die Aufgabe hat, Rechtsfolgen für Rechtsverletzungen anzuordnen, sondern auch Vorsorge dafür trifft, daß Konfliktssituationen möglichst vermieden werden, wird man eher die Ungewißheit des Klägers, ob die Verwirklichung des von ihm geplanten Vorhabens aus Rechtsgründen scheitert, als ausreichenden Grund für den Feststellungsprozeß anerkennen27 • Geht man hingegen von einem Grundsatz des 23 z. B. Neuner, Privatrecht und Prozeßrecht, S. 73 ff.; Stephan, Rechtsschutzinteresse, S. 82; Bergmann, VerwArch Bd.45, S.334. 24 Rechtsschutzanspruch, S. 52 ff. 25 So deutlich: Hellwig, Anspruch und Klagrecht, S.429; ders., System, Teil I, S. 283 f.; Blomeyer, Zivilprozeßrecht, S. 181; Bruns, Zivilprozeßrecht, S.199. 28 Vgl. dazu hier Teil 1 UI. 1. 27 Dazu oben Teil 2 VI.

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Teil 4: Das Feststellungsinteresse

Inhalts aus, daß der einzelne abwarten müsse, ob und wie sein Recht verletzt werde, ist es konsequent, für die vorbeugende Feststellungsklage ein besonderes Rechtsschutzinteresse zu verlangen. Welcher Art die Rechtsungewißheit sein muß, die das Feststellungsinteresse begründet, hängt damit maßgeblich von der komplexen Entscheidung ab, welche Störungsfälle man als im Feststellungsprozeß bereinigungsfähig anerkennt. Den damit insbesondere aufgegebenen Fragen, ob der Feststellungsstreit beschränkt sein soll auf die rechtliche Bewertung real verwirklichter Lebenssachverhalte oder ob er auch über noch nicht verwirklichte und in diesem Sinn hypothetische Sachverhalte geführt werden kann, bzw. ob er ausschließlich zur Abwehr fremder Rechtsstörung oder auch der Ermöglichung eigenen rechtmäßigen Verhaltens dient, kann man nicht ausweichen, indem man mit Wieser auf die "objektiv bestimmungsgemäße" Wirkung des Urteils abstellt und das Feststellungsinteresse davon abhängig macht, ob das klagestattgebende Urteil "nach rechtlicher Wertung möglich, notwendig und gerechtfertigt ist"28. Gewiß läßt sich sagen, daß das Begehren des Klägers nach einem Urteil über die Rechtslage nur anerkannt wird, wenn die Rechtsordnung wenigstens eine Wirkung des vom Kläger beantragten Urteils erstrebt. Auch ist es zutreffend, daß diese Voraussetzung dann erfüllt ist, wenn die Urteilswirkung nach rechtlicher Wertung möglich, notwendig und gerechtfertigt erscheint29 • Die Untersuchung der Frage, ob das vom Kläger angestrebte Urteil objektiv bestimmungs gemäß wirkt, setzt aber voraus, daß der Störungsfall artmäßig bestimmt ist, welchen das Urteil bereinigen soll. Allein aus den möglichen Wirkungen des beantragten Urteils lassen sich keine ausreichenden Rückschlüsse für die Präzisierung des Feststellungsinteresses gewinnen. Dies zeigt sich auch, wenn anhand der von Wieser aufgestellten Kriterien versucht wird, die der Feststellungsklage eröffnete Rechtsschutzzone zu erfassen: Eine bestimmungsgemäße Wirkung des beantragten Feststellungsurteils zugunsten des Klägers und zu Lasten des Beklagten erkennt Wieser beispielsweise darin, daß durch die materielle Rechtskraft des Feststellungsurteils das Vermögen des Klägers geschützt wird. Seiner Ansicht nach ist der Vermögensschutz durch das Feststellungsurteil möglich, notwendig und gerechtfertigt, wenn "die festzustellende Rechtslage Vermögenswert für den Kläger hat, es praktisch möglich ist, daß die festzustellende Rechtslage in einem anderen Prozeß der Parteien verneint werden wird, in dem die materielle Rechtskraft der beantragten Feststellung beachtlich wäre, ohne daß der Vermögensnachteil noch auf weiteren selbständigen Gründen beruht, mit deren Wegfall 28 Wieser, Feststellungsinteresse, S. 54 f., S. 238 ff. 29 Wieser, Feststellungsinteresse, S. 55, S. 238.

Die Rechtsungewißheit als Rechtsschutzgrund

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nicht zu rechnen ist"30. - Einen Schutz ihres Vermögens strebte z. B. die Klägerin in dem oben erörterten Beförderungsfall an, in welchem sie über das Feststellungsurteil die Klärung einer Streitfrage anstrebte, die für eine Vielzahl gleichartiger Vertragsverhältnisse mit der Beklagten erheblich werden konnteSI. Die festzustellende Rechtslage hatte für die Klägerin in jedem Fall Vermögenswert, gleichgültig, ob man der Ansicht des Reichsgerichts folgt, der Feststellungsstreit müsse auf ein konkretes Vertragsverhältnis ausgerichtet werden, oder ob man eine übergreifende, generalisierende Feststellung zuläßt. Mit der jeweiligen Ausgrenzung des feststellungsfähigen Rechtsverhältnisses wird eine Entscheidung gefällt, ob ein Schutz von Vermögensinteressen "möglich, notwendig und gerechtfertigt" ist. Der Ansicht, daß Vermögensinteressen stets schutzwürdig seien, kann nicht zugestimmt werden3!. Die Ausführungen von Wieser zum Feststellungsinteresse sind nur dann zutreffend, wenn man die von Wieser nicht erörterte Voraussetzung mit in die Überlegung einbezieht, daß der vom Kläger vorgetragene Streitfall seiner Art nach dem Konfliktsmodell entspricht, auf welches die Feststellungsklage zugeschnitten ist. Nicht anders fällt die Beurteilung aus, soweit Wieser eine bestimmungsmäßige Rechtskraftwirkung der beantragten Feststellung zugunsten des Klägers und zu Lasten des Beklagten darin sieht, daß "durch die materielle Rechtskraft der beantragten Feststellung eine Ungewißheit beseitigt wird, welche die Entscheidungsfreiheit des Klägers beeinträchtigt"33. - Plant der Kläger z. B. ein Vorhaben, dessen Verwirklichung der Beklagte als Eingriff in seine Rechtssphäre bzw. die Behörde als unvereinbar mit öffentlichrechtlichen Vorschriften ansieht, so läßt sich das Feststellungsinteresse wohl kaum mit der Überlegung begründen, der Rechtsordnung könne es nicht gleichgültig sein, daß "die Entscheidungsfreiheit eines Rechtsgenossen durch die Ungewißheit über die künftige gerichtliche Beurteilung einer Rechtslage beeinträchtigt wird"34. Insbesondere kann Art. 2 Abs.1 GG nicht entnommen werden, in welchem Umfang Planungsinteressen über die Feststellungsklage abgesichert werden können35• Gerade im Zusammenhang mit dem Schutz von Planungsabsichten ist zu berücksichtigen, daß erst die Analyse der jeweiligen materiellrechtlichen Beziehung Aufschluß darüber Wieser, Feststellungsinteresse, S. 68. Dazu oben Teill III. 1. a. 32 Der Tendenz nach so aber Wieser, Feststellungsinteresse, S.67. 33 Wieser, Feststellungsinteresse, S. 75; Hervorhebung vom Verf. 34 Wieser, Feststellungsinteresse, S. 78. 35 Wieser, Feststellungsinteresse, S. 79 f. rekurriert auf Art.2 Abs. 1 GG, um die Beschaffenheit der Handlung zu bestimmen, hinsichtlich deren Verwirklichung sich der Kläger durch das Feststellungsurteil absichern will. 30

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12 Trzaskalik

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Teil 4 : Das Feststel1un.gsinteresse

geben kann, ob nicht der Kläger das Risiko, rechtswidrig zu handeln, selbst tragen muß3i8. Für den Bereich des Privatrechts läßt sich Art. 2 Abs. 1 GG schon deshalb keine generelle Interessenbewertung entnehmen, weil dem Beklagten der gleiche Grundrechtsschutz zusteht wie dem Kläger. Im Rahmen der Beziehungen zwischen Bürger und Verwaltung fällt in die Waagschale, daß die allgemeine Handlungsfreiheit von vornherein nur unter dem Vorbehalt der verfassungsmäßigen Ordnung gewährleistet ist. Eine Auslegung der Prozeßgesetze, die - wie sie z. B. die verwaltungsgerichtliche Praxis im Bereich des vorbeugenden Rechtsschutzes befürwortet - den Planungsinteressen des Individuums nur geringes Gewicht beimißt, ist jedenfalls im Hinblick auf das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG nicht zu beanstanden. 111. Das Feststellungsurteil als Mittel zur Beseitigung der Rechtsungewißheit

Wie das berechtigte Interesse an der beantragten Feststellung nur aus einer Konfliktslage bestimmter Art erwächst, die man als feststellungsfähiges Rechtsverhältnis bezeichnet, so setzt die Anerkennung eines berechtigten Interesses weiterhin voraus, daß das Urteil geeignet ist, diesen Störungsfall zu bereinigen. Klage und Urteil sind aufeinander abgestimmt. Das Urteil soll einem legitimen Anliegen des Klägers gerecht werden. Der Kläger kann nur ein solches Begehren an das Gericht herantragen, welches auch durch das Urteil bestimmungsgemäß befriedigt werden soll. Ist es die Aufgabe der Feststellungsklage, eine zwischen den Parteien aufgekommene Rechtsfrage zu klären, so resultieren daraus im wesentlichen drei Fragen, von deren Beantwortung es abhängt, ob das Feststellungsurteil das geeignete Mittel zur Abhilfe ist: Die rechtskräftige Entscheidung soll den Streit zwischen den Parteien endgültig klären. Der Grundsatz der Einmaligkeit des Rechtsschutzes, welcher in dem Institut der Rechtskraft verkörpert ist37, bereitet im Bereich der Feststellungsklagen gewisse Schwierigkeiten. Eine endgültige und unabänderliche Entscheidung ist eigentlich nur dann sinnvoll, wenn real verwirklichtes Verhalten rechtlich bewertet werden soll. Der Feststellungsstreit dient seiner Konzeption nach aber wesentlich auch zur Klärung der Frage, ob der Kläger oder Beklagte zu einem bestimmten Verhalten berechtigt ist. Das Urteil über die Handlungsberechtigung weist im Vergleich zum Urteil über die Rechtmäßigkeit 38 Vgl. in diesem Zusammenhang die Ausführungen zum vorbeugenden Rechtsschutz, Teil 2 VI. 37 Stein / Jonas / Schumann / Leipold, Bem. IX. 1. a zu § 322 ZPO.

Das Urteil über die Normsituation

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verwirklichten Geschehens stets einen generalisierenden Charakter auf. Es gilt deshalb zu bestimmen, welches Maß an inhaltlicher Offenheit das Feststellungsurteil verträgt (1). Eng damit verbunden ist das Problem, wie sich der vergangenheitsbezogene Feststellungsstreit zu dem Prozeß über die Handlungsberechtigung verhält, sind doch überschneidungen in der Form denkbar, daß der Kläger die Klärung einer Rechtsfrage anstrebt, die für die rechtliche Bewertung eines abgeschlossenen Lebenssachverhalts wichtig ist, von der aber auch sein zukünftiges Handeln abhängt (2). Während im Zusammenhang mit der beschränkten Eignung des Feststellungsurteils zur endgültigen Streitbereinigung die präjudizielle Wirkung des Feststellungsurteils als Rechtfertigungsgrund für den Feststellungsstreit angesprochen ist, wird im übrigen noch zu klären sein, ob der Kläger auch dann ein berechtigtes Interesse an der urteilsmäßigen Klärung der Rechtslage haben kann, wenn das Rechtsschutzgesuch nicht von dem Bestreben getragen ist, über das Urteil Rechtsgewißheit in einer für die weiteren Beziehungen der Parteien zueinander erheblichen Frage zu erhalten (3). 1. Jeder Rechtsstreit wird über einen Sachverhalt geführt, aus dem der Kläger die im Antrag bezeichnete Rechtsfolge ableitet. Ziel des Prozesses ist nicht die Feststellung von Tatsachen, Rechtsfolgen sollen bestimmt werden. Da aber Rechtsfolgen nur im Hinblick auf einen bestimmten Sachverhalt ermittelt werden können, sind für den Umfang der Rechtskraft Klagegrund und Rechtsfolgeausspruch gleichermaßen wichtiWS. Infolge der wechselseitigen Bezogenheit von Sachverhalt und Rechtsfolge kann in einem neuen Prozeß die rechtskräftig ausgesprochene Rechtsfolge auch nicht unter Berufung auf solche Tatsachen in Zweifel gezogen werden, die bereits im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor Erlaß des rechtskräftigen Urteils vorhanden waren. Daraus resultiert das allgemeine Problem, die Grenzen des rechtserheblichen Sachverhalts zu erfassen, auf welchen sich das Urteil bezieht.

a) Leistungs- und Gestaltungsurteil sind regelmäßig vergangenheitsbezogen. Der Kläger macht die Rechtsfolge eines verwirklichten Verpflichtungs- oder Eingriffstatbestandes geltend oder strebt nach unmittelbarer Veränderung eines Rechtsverhältnisses, weil er einen Gestaltungsgrund als gegeben ansieht. Der Rechtsstreit wird mit dem Ziel geführt, den vergangenen Vorfall, der den Streit hervorgerufen 38

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Vgl. dazu Habscheid, Streitgegenstand, S. 191 ff.

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Teil 4: Das Feststellungsinteresse

hat, im Hinblick auf die aus ihm abgeleitete und im Antrag bezeichnete Rechtsfolge endgültig zu bereinigen. Eine solche abschließende Streitbereinigung ist im Prinzip im Interesse aller am Rechtsstreit Beteiligten. Die Parteien streben Rechtsgewißheit an, welche ihnen nur gegeben wird, wenn das Urteil nicht ein jederzeit abänderbarer Befund ist. Im Interesse des Gerichts liegt es, daß der einmal von ihm getroffene Spruch nicht wieder in Zweifel gezogen werden kann. Die verbindliche und endgültige Streitbereinigung ist ein solcher Wert, daß die Gefahr eines der materiellen Rechtslage nicht entsprechenden Urteils selbst dann in Kauf genommen wird, wenn der "Fehler" in der Urteilsfindung darauf zurückzuführen ist, daß das Gericht im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung objektiv vorhandene Tatsachen nicht berücksichtigt hat und dies auch nicht konnte, weil sie den Prozeßbeteiligten nicht bekannt waren39 • Diese Endgültigkeit des Urteils verlangt nach klarer Abgrenzung der Tragweite des Urteils. übersehbare Folgen werden Leistungs- und Gestaltungsurteile in aller Regel schon deshalb haben, weil die materielle Rechtskraft beschränkt ist auf die Entscheidung über die aus dem rechtserheblichen in der Vergangenheit liegenden Sachverhalt abgeleitete konkrete Rechtsfolge. Für ähnliche Fälle, die nach materiellem Recht gleichartige Rechtsfolgen haben müßten, gilt das Urteil nicht. Haben die Parteien z. B. mehrere gleichartige Verträge geschlossen oder hat der Beklagte mehrfach in gleicher Weise eine dem Kläger gehörige Sache beschädigt und beschränken die Parteien den Prozeß auf einen der Verträge bzw. eine der Störungshandlungen, werden die übrigen, gleichgelagerten Sachverhalte von der Rechtskraft des Urteils nicht erfaßt. b) Dieses Rechtsschutzziel - Entscheidung über die Rechtsfolgen, die aus einem verwirklichten Geschehen abgeleitet werden können ist nicht vergleichbar mit der Rechtsklärung für die Zukunft, die nur in der Weise erfolgen kann, daß das Gesetz im Hinblick auf hypothetische - weil noch nicht verwirklichte - Sachverhalte ausgelegt und den Parteien eine Verhaltensrichtschnur gegeben wird. Die Andersartigkeit ist auch dann vorhanden, wenn die vergangenen Geschehnisse lediglich im Hinblick auf eine Rechtsfrage beurteilt werden sollen, die zwar durch eine Vielzahl einzelner realer Konfiiktsfälle aufgeworfen worden ist, deren Beantwortung für sich genommen aber noch nicht unbedingt zu einer abschließenden und endgültigen Bereinigung der einzelnen Konfliktsfälle führt, wie dies bei den Leistungs- und Gestaltungsklagen zu beobachten ist. Denkbar ist auch, daß eine Rechtsfrage 39 Zur Präklusionswirkung: Habscheid, AcP Bd.152, 8.169 ff.; ferner die Nachweise bei Otto, Die Präklusion, 1970.

Das Urteil über die Normsituation

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geklärt werden soll, die zwar für vergangene Störungsfälle wichtig ist, deren Lösung aber auch begehrt wird, weil die Parteien ihr zukünftiges Verhalten nach der Urteilsaussage ausrichten wollen. Hat z. B. ein Arbeitnehmer politische Flugblätter im Betrieb verteilt und der Betriebsinhaber sein Verhalten zum Anlaß für eine fristlose Kündigung genommen, kann er sich damit begnügen, auf Feststellung zu klagen, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist (§ 3 KSchG). Ein Feststellungsantrag, daß er berechtigt sei, Flugblätter bestimmten Inhalts und bestimmter Aufmachung im Betrieb zu verteilen, wird sich zusätzlich anbieten, wenn der Arbeitgeber gerade den Inhalt oder die Aufmachung des Flugblattes für unzulässig hielt und der Kläger die Absicht hegt, die beanstandeten Flugblätter in Zukunft weiterhin zu verteilen. Spricht der Prinzipal dem Arbeitnehmer überhaupt das Recht ab, Flugblätter jedweder Art im Betrieb zirkulieren zu lassen, wird das Interesse des Arbeitnehmers dahin gehen, festgestellt zu wissen, daß er berechtigt sei, Flugblätter im Betrieb zu verteilen. Die Eigenart der Feststellungsklagen, die Rechtsklarheit für zukünftiges Verhalten schaffen sollen, ist darin zu sehen, daß die Klage auf die Beurteilung einer Rechtsfrage abzielt, deren Beantwortung zwar für die Parteien wesentlich ist, die aber nie endgültige Rechtsgewißheit für den einzelnen realen Konfliktsfallliefern kann, weil der normative Sachverhalt, über welchen die Entscheidung ergeht, sich immer nur teilweise mit dem realen Lebenssachverhalt deckt. So würde z. B. ein der Klage stattgebendes Urteil, daß der Arbeitnehmer berechtigt sei, politische Flugblätter bestimmten Inhalts und bestimmter Aufmachung im Betrieb zu verteilen, es nicht ausschließen, daß ein derartiges Verhalten doch im Einzelfall als grober Verstoß gegen die Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis gewertet werden und einen Grund für eine fristlose Kündigung abgeben könnte, so z. B. wenn der Arbeitnehmer zum Zwecke der Flugblattverteilung seine Arbeit in einem Zeitpunkt unterbrechen würde, in dem aus betrieblichen Gründen seine Mitwirkung unentbehrlich wäre. Der Prozeß, in dem die Parteien über die Berechtigung zu einem Verhalten streiten, ist gekennzeichnet durch eine Schwerpunktverlagerung von der rechtlichen Bewertung tatsächlichen Geschehens zu der Norminterpretation für eine bestimmte Situation. Der Rechtsstreit orientiert sich dann nur zu geringem Maße an einem realen Lebenssachverhalt. Konkret vorhanden und damit gegenwärtig ist lediglich der Widerstreit der Meinungen über die Gesetzesaussage im Hinblick auf die von den Parteien geschilderte Situation. Im Prinzip kommt es dabei nicht darauf an, ob sich ein Störungsfall bereits ereignet hat. Will der Kläger die Rechtslage für einen derartigen Sachverhalt geklärt wissen, um sein zukünftiges Verhalten nach der Urteilsaussage aus-

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Teil 4: Das Feststellungsinteresse

richten zu können, dient der bereits erfolgte Störungsfall lediglich als Modell, anband dessen er die ihn bewegende Rechtsfrage demonstriert. Verlangt wird nicht eine vorgezogene rechtliche Bewertung des erst zukünftigen Geschehens. Dies wäre auch gar nicht möglich, da nur Vorhandenes beurteilt werden kann. Entschieden werden soll über die allgemeine, prinzipielle Berechtigung zu einem Verhalten oder Vorhaben. Nicht abgeschlossene Lebenssachverhalte, sondern Normsituationen stehen zur Entscheidung. Allgemein läßt sich sagen: Das Urteil über die Frage, ob das Gesetz zu einem bestimmten Verhalten berechtigt, ist in dem Sinne nie endgültig und abschließend, als bei der rechtlichen Beurteilung des verwirklichten Verhaltens immer Gründe denkbar sind, die ein Abweichen von dem Urteil über die aus dem Gesetz abgeleitete Handlungsermächtigung rechtfertigen. Die Offenheit des Gesetzes wirkt sich in einem allgemeinen, lediglich richtungsweisenden Charakter des Urteils aus. Wie zwischen Rechtsnorm und geregeltem Wirklichkeitsausschnitt eine Wechselwirkung dergestalt vorhanden ist, daß sich die Norm erst in ihrer Anwendung auf den Lebenssachverhalt verwirklicht, so ist das Urteil über eine Handlungsberechtigung insofern offen, als das Urteil über das verwirklichte Verhalten nicht vollständig durch das Urteil über die Normsituation präjudiziert ist. Die präjudizielle Wirkung des Urteils über die Normsituation kann nur in der Form ermittelt werden, daß der neue Konfliktsfall und die Normsituation, die dem rechtskräftigen Urteil zugrunde liegt, im Zusammenhang mit den jeweils beantragten Rechtsfolgen verglichen werden. Da es keinen vorgegebenen, sondern nur einen im Hinblick auf Rechtssätze gebildeten Sachverhalt gibt und Sachverhalt und Rechtsfolge durch ihren gemeinsamen Bezug zu den Normen verbunden sind, welche die beantragte Rechtsfolge rechtfertigen sollen, können die Grenzen des rechtserheblichen Sachverhalts auch nur anhand dieser Normen ermittelt werden 40 • Die Parteien begehren nicht eine abstrakte Norminterpretation, sondern die Feststellung des Aussagegehalts des Gesetzes für ihren Streitfall. Deshalb wird durch den Sachverhalt und die beantragte Rechtsfolge, die nicht voneinander gelöst werden können, auch die Auswahl der für die Rechtsanwendung in Betracht kommenden Rechtssätze vorherbestimmt. Daraus folgt, daß der rechtserhebliche Sachverhalt nicht abstrakt von der Rechtsnormseite her erfaßt werden kann. Die Abgrenzung kann zwar auf den normativen Bezug nicht verzichten, sie wird aber mitheeinflußt vom Sachverhalt und der beantragten Rechtsfolge. Sachverhalt und Rechtsfolge sind im normativen Bezugsfeld aufeinander abzustimmen. Für das Feststellungsurteil über eine Normsituation bedeu40 Vgl. in diesem Zusammenhang z. B. Larenz, Methodenlehre, S.265; Schönke / Kuchinke, Zivilprozeßrecht, S. 177.

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tet dies, daß einzelfallbezogene Tatumstände, die nicht geeignet sind, die beantragte Feststellung in ihrer generalisierenden Tendenz als begründet oder unbegründet erscheinen zu lassen - die also lediglich eine Ausnahme von der allgemeinen Regel rechtfertigen - , bei der Beurteilung der Normsituation außer Betracht bleiben. Präkludiert werden die Parteien nur mit solchen Tatsachen, von denen die Beurteilung der beantragten generalisierenden Feststellung abhängt. Ein Abweichen vom Ersturteil ist nach allgemeinen Regeln41 nur auf Grund neuer Tatsachen möglich. Die präjudizielle Wirkung des Ersturteils hindert hingegen das Gericht im Folgerechtsstreit nicht daran, auf Grund einzelfallbezogener Umstände, die nicht zu der Normsituation gehören, über die im Erstprozeß entschieden wurde, ein Verhalten als rechtswidrig zu beurteilen, auch wenn das Urteil über die Normsituation die Berechtigung des Klägers zu dem fraglichen Verhalten festgestellt hatte. Es handelt sich in einem solchen Fall nicht um eine Durchbrechung der Rechtskraft, sondern um eine Konkretisierung der die Normsituation betreffenden Urteilsaussage im Hinblick auf den realen Lebenssachverhalt. Klagt also z. B. eine politische Partei gegen eine Gemeinde auf Feststellung, daß die Beklagte verpflichtet sei, ihr die Benutzung der gemeindlichen Säle für Parteiveranstaltungen zu gestatten4!, so ist auf normativer Ebene die Richtung gewiesen auf diejenigen Rechtsvorschriften, die einen Anspruch des Klägers auf Überlassung der gemeindlichen Säle rechtfertigen können. Die zur Entscheidung gestellte Rechtsfrage läßt sich aber nicht ohne Einbeziehung des Klagegrundes beantworten; auch wenn das Gesetz dem Kläger das von ihm beanspruchte Recht grundsätzlich einräumt, sind vielfältige Konstellationen denkbar, in denen die Gemeinde nicht verpflichtet wäre, ihre gemeindliche Einrichtung zur Verfügung zu stellen. Trägt die Klägerin vor, die Beklagte versage allein ihr die Benutzung der gemeindlichen Säle, während sie sie allen übrigen politischen Parteien zur Verfügung stelle, begrenzt sich der entscheidungserhebliche Sachverhalt auf die Frage, ob der Klägerin allein in ihrer Eigenschaft als bestimmte politische Partei die Benutzung der gemeindlichen Säle versagt werden könne. Sämtliche tatsächlichen Umstände, die außerhalb der so umrissenen Normsituation liegen, werden bei der Urteilsfindung nicht berücksichtigt. Auf sie könnte sich demzufolge auch bei einem der Klage stattgebenden Urteil die Beklagte berufen, um das Begehren auf Überlassung eines gemeindlichen Saales im Einzelfall abzulehnen. Andernfalls würde das Urteil in einem Rahmen Verpflichtungsgrund werden, der selbst nach dem 41 Dazu Zeuner, Objektive Grenzen der Rechtskraft, S. 35 ff.; Habscheid, RdA 1958, S. 99. 42 Vgl. in diesem Zusammenhang BVerwGE 32, S. 333 ff.

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Teil 4: Das FeststeIlungsinteresse

Gesetz nie in rigoroser Weise besteht, sind doch Kontrahierungszwang und Benutzungsrecht stets davon abhängig, daß der Schuldner zur Leistung imstande ist. Das Feststellungsurteil über die Normsituation gibt also der siegreichen Partei nie vollständige Gewißheit darüber, ob der Verwirklichung des Verhaltens, auf welches die Urteilsaussage zugeschnitten ist, keine rechtlichen Hinderungsgründe entgegenstehen. Man versperrt sich den Weg zu einer sachgerechten Behandlung der Feststellungsklage über eine Normsituation, wenn man an sie die gleichen Anforderungen stellt wie an eine Leistungs- oder Gestaltungsklage. Das Urteil, welches den Beklagten verpflichtet, an den Kläger eine bestimmte Leistung zu erbringen, oder rechtliche Bande gestaltet, duldet mit Rücksicht auf die angestrebte Vollstreckung oder Gestaltung keine Offenheit. Leistungs- und Gestaltungsklagen knüpfen deshalb stets an verwirklichte Lebenssachverhalte an, die endgültig und abschließend beurteilt werden. Das Feststellungsurteil, welches nur der ideellen Rechtskraft fähig ist, kann sich damit begnügen, lediglich einen Rahmen abzustecken, weil den Parteien auch dann geholfen ist, wenn das Urteil eine grundsätzliche - d. h. die besonderen Umstände des Einzelfalls nicht erfassende - Stellungnahme zu der sie bewegenden Rechtsfrage enthält. Wer verlangt, daß das Feststellungsurteil in gleichem Maße endgültig sein soll wie ein Leistungs- oder Gestaltungsurteil, muß sich dafür entscheiden, den Feststellungsstreit auf die Beurteilung eines real verwirklichten Lebenssachverhalts zu beschränken. Diese Konsequenzen werden in der vom Schrifttum gebilligten Spruchpraxis der Obergerichte nicht gezogen. Eine solche Einengung des Anwendungsbereichs der Feststellungsklage wäre auch wenig sinnvoll, weil die wesentliche Aufgabe des Feststellungsurteils gerade darin liegt, Rechtsverletzungen zu verhindern. Dieses Ziel kann nur erreicht werden, wenn über Normsituationen entschieden wird und die gerichtliche Stellungnahme den Parteien Verhaltenshilfe für die Zukunft bringt, um reale Konflikte - Rechtsverletzungen - zu vermeiden. c) Im Feststellungsprozeß über die Normsituation wird der Streit der Meinungen über den Inhalt des Gesetzes für die von den Parteien geschilderte Situation geschlichtet. Es geht nicht um den Ausgleich erlittenen Unrechts oder um Zwang zur Pflichterfüllung. Das Gericht fungiert als neutrale Schlichtungsinstanz, die den Parteien durch Norminterpretation dazu hilft, einen Streit zu beenden, den die Parteien selbständig nicht beilegen können. Das Feststellungsurteil über die Normsituation wird dem natürlichen Bestreben gerecht, sich vorab darüber zu vergewissern, was das Gesetz sagt, um nach der Urteilsaussage sein Verhalten ausrichten zu können. Es kann keinen Schutz gegenüber dem Rechtsstörer gewähren, der nicht gewillt ist, sich nach

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dem Gesetz zu richten, der zur Einhaltung des Gesetzes gezwungen werden muß. Für denjenigen, der das Gesetz beachten will, ist es geradezu unentbehrlich, da ihm Normklarheit gegeben werden muß, bevor er handelt. Dieses Bedürfnis, nach dem Gesetz zu handeln, wird auch befriedigt, wenn sich das Urteil in einer allgemein gehaltenen, nicht alle Umstände des einzelnen denkbaren Konfliktsfalls berücksichtigenden Aussage erschöpft. Trotz oder geradezu wegen der vom Einzelfall gelösten rechtlichen Aussage setzt das Urteil den Parteien Maßstäbe, über die sie vorher nicht verfügten und anhand derer sie mit größerer Gewißheit selbst beurteilen können, ob sie rechtmäßig handeln. Versagt man den Parteien derartige offene, im Einzelfall konkretisierungsfähige und -bedürftige Urteile, so zwingt man sie, auf eigene Faust zu handeln und gegen das Gesetz zu verstoßen. Ihnen kann dann zwar im nachhinein abschließend und endgültig bescheinigt werden, daß sie rechtswidrig gehandelt haben. Man negiert dann aber völlig die Funktion des materiellen Rechts, Vorsorge dafür zu treffen, daß Konfliktslagen - Rechtsverletzungen - möglichst vermieden werden. Dieses Anliegen des materiellen Rechts muß sich auf prozessualer Ebene widerspiegeln. Die Aufgabe, den Parteien Hilfestellung zu geben, wie sie sich rechtmäßig verhalten können - nicht, ob sie rechtmäßig gehandelt haben -, kann nur das Feststellungsurteil über die Normsituation erfüllen, welches seinem Wesen nach offen, richtungsweisend ist. Daß den Parteien mit derartigen offenen Urteilen eine wirksame Hilfe gegeben wird, zeigt sich selbst in den Fällen, in denen nach traditionellem Verständnis eine Feststellungsklage deshalb unzulässig ist, weil der zur Entscheidung gestellte Sachverhalt nicht überschaubar und deshalb einer abschließenden Beurteilung unzugänglich ist. Beispielhaft ist in diesem Zusammenhang der sozialgerichtliche Streitfall, in dem der Kläger, der als niedergelassener praktischer Arzt an der vertragsärztlichen Versorgung teilnahm, auf Feststellung gegen die kassenärztliche Vereinigung klagte, daß er gegen keine Verpflichtung aus dem Arzt/Ersatzkassenvertrag verstoße, wenn er nach individueller Prüfung die Ergebnisse der Prüfungsgremien sowie die Prüfanträge des Verbandes der Angestelltenkrankenkassen den hierin namentlich genannten Patienten mitteile'3. Berufungs- und Revisionsgericht hielten diesen Hauptantrag für unzulässig, weil nicht "die Anwendung einer Rechtsnorm auf einen bestimmten bereits übersehbaren Sachverhalt streitig" sei 44 • Die Klage beziehe sich auf "eine unbestimmte und nicht bestimmbare Anzahl von Fällen" und habe einen "unbestimmten inhaltlichen Umfang"; ihr fehle deshalb "die erforderliche Beziehung 43 L8G Essen, NJW 1973, 8.1439 und B8G, 80z 2200 § 368 e RVO, Nr.1; dazu oben Teil 1 III. 2. b. 44 Vgl. LSG Essen, NJW 1973, S. 1440; BSG, Soz 2200 § 368 e RVO, Nr.1.

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Teil 4 : Das FeststelLungsinteresse

zu einem konkreten Sachverhalt, der allein in der Lage wäre, ein feststellbares Rechtsverhältnis zu umgrenzen"45. Diesen Ausführungen wäre zuzustimmen, wenn der Kläger eine abschließende Beurteilung eines jeden einzelnen Falles der Bekanntgabe von Prüfungsunterlagen an Patienten begehrt hätte. Ihm ging es aber allein um die Frage, ob er prinzipiell berechtigt war, die Prüfungsunterlagen Patienten zu eröffnen, deren Wünsche nach Behandlung und Medikamentenverordnung er ohne eigenen Nachteil allein in der Form abwehren konnte, daß er ihnen anhand der Prüfungsunterlagen die Nichtanerkennungsfähigkeit der betreffenden Kosten nachwies. Diese Normsituation war einer allgemeinen Beurteilung zugänglich. So ließen sich die Urteilsgründe des Berufungsurteils etwa in dem Tenor zusammenfassen, daß ein Recht zur Eröffnung anzuerkennen sei, wenn auf andere Weise unbegründete Forderungen von Patienten nicht entkräftet werden können und bei der Bekanntgabe die Interessen der Kassen (insbesondere an "Klarstellung der Bedeutung des Prüfungsverfahrens") berücksichtigt würden, währen das Bundessozialgericht der Sache nach entschied, daß eine Bekanntgabe von Beanstandungen der Prüfungskommission unzulässig sei. Bemerkenswert ist, daß das Bundessozialgericht mit dieser Begründung allein den Hilfsantrag des Klägers sachlich beschied, mit dem er die entsprechende Feststellung bezüglich der Unterrichtung von sieben Patienten begehrte, die in einem Honorarbescheid - bezogen auf ein abgelaufenes Quartal - namentlich genannt waren. Die Abweisung des Hilfsantrags wurde aber nicht etwa unter Hinweis auf die besonderen Umstände des Einzelfalls, sondern allein mit der Erwägung begründet, das Gesetz gestatte generell nicht die Bekanntgabe der Prüfungsunterlagen an die Patienten. Warum dann nicht in gleicher Weise über den Hauptantrag entschieden werden konnte, bleibt unerklärlich. Eine abschließende und endgültige Beurteilung der Rechtsfrage war schließlich auch nicht bei der Beschränkung des Rechtsstreits auf die fragliche Handlungsberechtigung des Klägers in sieben Fällen möglich, war es doch z. B. denkbar, daß die Beklagte ihr Einverständnis zur Bekanntgabe der Prüfungsunterlagen im Einzelfall erklärte. Indem über den vom Kläger gestellten Hauptantrag nicht entschieden wurde, versagte man ihm den möglichen und allein sinnvollen Rechtsschutz. Gerade das Bundessozialgericht begründete im Streitfall das berechtigte Interesse des Klägers an der hilfsweise begehrten Feststellung mit der Erwägung, dem Kläger sei nicht zuzumuten, das Risiko einer disziplinarischen Bestrafung für das von der Beklagten beanstandete Verhalten in Kauf zu nehmen; er müsse sich deshalb Rechtsklarheit mittels der Feststellungsklage verschaffen können, bevor er die 45

So das BSG, Soz 2200 § 368 e RVO. Nr. 1.

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Prüfungsunterlagen den Patienten bekannt gegeben habe. Erkennt man - wie das Bundessozialgericht im Streitfall - einmal an, daß der Feststellungsprozeß nicht auf die rechtliche Bewertung verwirklichten Geschehens beschränkt ist, müssen auch die Konsequenzen daraus gezogen werden, daß sich gesetzliche Handlungsberechtigungen nicht auf "historische Lebenssachverhalte" , sondern auf ein lediglich artmäßig umschriebenes Verhalten beziehen. Allein auf diese Weise kann das Feststellungsurteil auch seine eigentliche praktische Bedeutung gewinnen, die darin liegt, mit seiner generalisierenden, vom Einzelfall losgelösten Aussage für die Zukunft allgemein friedensstiftend zu wirken. So läßt sich wohl füglich bezweifeln, ob das Urteil in dem vom Bundessozialgericht entschiedenen Streitfall noch praktische Relevanz für die sieben im Hilfsantrag genannten Fälle hatte, über den allein das Gericht sachlich entschied. Daß der Kläger etwa noch im Urteilszeitpunkt ein Interesse daran hatte, sich seinen Patienten gegenüber, die ihn vier Jahre zuvor aufgesucht hatten, anhand der Prüfungsberichte dahingehend zu rechtfertigen, daß er allein auf Grund der damaligen Prüfungsunterlagen eine bestimmte Behandlung oder Verordnung abgelehnt hatte, dürfte zumindest sehr zweifelhaft sein. Evident war aber sein Interesse, zu wissen, wie er sich in Zukunft in ähnlichen Situationen verhalten durfte und mußte. Je einzelfallabhängiger die zu beurteilende Rechtsfrage ist, um so fragwürdiger wird allerdings die praktische Bedeutung des vom Einzelfalllosgelösten Urteils. Bei normativ wenig vorgeprägten Tatbeständen mag die Einzelfallabhängigkeit derart gesteigert sein, daß u. U. sogar nur das Urteil möglich ist, die Rechtsfrage könne allgemein weder positiv noch negativ beantwortet werden, die Entscheidung hänge ganz vom Einzelfall ab. Mit einer solchen Rechtslage wird das Gericht selten konfrontiert werden. Das gültige Gesetz muß den Grundsätzen der Normklarheit und Justitiabilität gerecht werden. Ihm selbst müssen deshalb substantielle Aussagen über seinen potentiellen Anwendungsbereich zu entnehmen sein. Wird zudem berücksichtigt, daß das Gericht nicht die Aufgabe hat, den Regelungsgehalt des Gesetzes abstrakt zu ermitteln, sondern gehalten ist, den Gesetzesinhalt im Hinblick auf die von den Parteien geschilderte Normsituation zu ermitteln, dürfte jedenfalls eine offene - weil im Einzelfall konkretisierungsbedürftige Urteilsaussage möglich sein, die den Parteien Maßstäbe setzt, nach denen sie ihr zukünftiges Verhalten einrichten können. Aber selbst das Feststellungsurteil, welches sich in der Aussage erschöpft, daß die Beurteilung der zur Entscheidung gestellten Rechtsfrage vom Einzelfall abhängig sei, kann den Parteien eine wertvolle Hilfe sein, wenn z. B. der Kläger ein Recht für sich uneingeschränkt beansprucht, welches ihm der Beklagte gänzlich abspricht. Der Grad der Offenheit der be-

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gehrten Urteilsaussage kann deshalb nur bedingt ein Grund dafür sein, ein Sachurteil im Feststellungsstreit zu versagen. Entscheidend ist allein, ob den Parteien durch die Urteilsaussage in ihrem Streit geholfen wird. Dies ist schon dann der Fall, wenn das Urteil Maßstäbe setzt, die jedenfalls verhindern, daß der Streit in dem bisherigen Umfang erneut aufflammen kann. 2. Das Feststellungsurteil, welches Auskunft darüber gibt, wie die Rechtslage angesichts einer bestimmten Normsituation ist, hat die Aufgabe, den Parteien den Weg für ihr zukünftiges Verhalten zu weisen. Da ein solches Urteil nicht auf ein räumlich und zeitlich fixiertes Geschehen zugeschnitten ist, stellt sich die Frage, ob es nur in die Zukunft wirkt oder auch verwirklichte Lebenssachverhalte erfassen kann. Der Kläger kann die Vergangenheit miteinbeziehen, indem er die Feststellung beantragt, daß er ab einem bestimmten in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt zu einem Verhalten berechtigt sei oder daß ab diesem Zeitpunkt eine bestimmte Verpflichtung des Beklagten bestehe. Das Feststellungsbegehren reicht dann von der Vergangenheit in die Zukunft. Ist lediglich die Handlungsberechtigung als solche umstritten, ergeben sich keine Besonderheiten. Für welchen Zeitraum die Handlungsberechtigung festgestellt werden soll, macht keinen Unterschied. Das Bild verändert sich, wenn in den Streit über die Berechtigung die Frage eingeflochten ist, ob ein verwirklichtes Verhalten von der Berechtigung gedeckt ist. Der Inhalt des zukunftsgerichteten Feststellungsbegehrens wird bestimmt durch die von den Parteien vorgetragene Normsituation, das vergangenheitsbezogene Urteil ist ausgerichtet auf die Beurteilung des verwirklichten Lebenssachverhaltes. Die Normsituation wird geformt durch die Rechtsfrage, welche der Kläger für die weitere Beziehung zum Beklagten für wesentlich hält. Das Urteil, daß ein vergangenes Geschehen rechtmäßig oder rechtswidrig sei, erfaßt einen Lebenssachverhalt, der in seiner konkreten Ausprägung einmalig und unwiederholbar ist. Soll das Urteil verhaltensbestimmend für die Zukunft wirken und zugleich verwirklichtes Verhalten abschließend beurteilen, verbergen sich hinter dem formal einheitlichen Antrag ganz unterschiedliche Rechtsschutzanliegen.

a) Klagt z. B. ein Behinderter, der zu dem durch das Gesetz über die unentgeltliche Beförderung von Kriegs- und Wehrdienstbeschädigten sowie von anderen Behinderten im Nahverkehr begünstigten Personenkreis gehört, auf Feststellung, daß die beklagte Stadt verpflichtet sei, ihn ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes auf ihren Linien unentgeltlich zu befördern46 , beschränkt sich der Inhalt des zukunfts46

Vgl. dazu BVerwG, DVBI 1971, S.919.

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gerichteten Feststellungsbegehrens auf die Normsituation, ob der Anspruch des Klägers schon mit Inkrafttreten des Gesetzes über die unentgeltliche Beförderung oder erst nach Durchführung eines besonderen Verwaltungsverfahrens entsteht, wenn der Meinungsstreit allein über diese Frage geführt wird. Für die Beurteilung der so umrissenen Normsituation ist es unerheblich, ob dem Anspruch des Klägers auf unentgeltliche Beförderung sonstige Gründe im Einzelfall entgegenstehen können. Die Beklagte entgeht also einer Verurteilung nicht, indem sie sich darauf beruft, sie brauche dem Begehren des Klägers auch für den Fall nicht nachzukommen, daß dieser den nach dem Gesetz erforderlichen Ausweis über seine Behinderteneigenschaft bei Fahrtantritt nicht vorweise oder gegen ihre allgemeinen Beförderungsbedingungen verstoße. Eine solche Beschränkung der zur Entscheidung gestellten Normsituation muß zulässig sein, läßt man überhaupt den Rechtsstreit über Normsituationen zu. Der Kläger begehrt in einem solchen Fall nicht die Ermittlung aller denkbaren Sachverhaltskonstellationen. Sein Interesse ist ausschließlich darauf gerichtet, eine Antwort des Gerichts auf die im Normsachverhalt umrissene Rechtsfrage zu erhalten. Könnte der Beklagte auch mit Einwendungen, die zwar außerhalb der vom Kläger vorgetragenen Normsituation liegen, die aber abstrakt geeignet sind, im Einzelfall den vom Kläger geltend gemachten Anspruch zu entkräften, eine Abweisung der Klage erreichen, wäre ein Urteil im Feststellungsprozeß über eine Normsituation nie möglich, sind doch stets Gründe vorstellbar, daß die Ausübung einer Berechtigung sich im Einzelfall als rechtswidrig erweist oder der Kläger zu einem Verhalten berechtigt wird, obwohl ihm ein solches Verhalten grundsätzlich untersagt ist. Die Beschränkung des Urteils auf die tatsächlichen Umstände, die für die Beurteilung der vom Kläger zur Entscheidung gestellten Normsituation erheblich sind, bedeutet für den Beklagten auch keine unbillige Beschwer, wird er doch auch mit anderen Tatsachen für Folgerechtsstreitigkeiten nicht präkludiert. So würde im Beispielsfall das der Klage stattgebende Urteil den Beklagten nicht daran hindern, in der Folgezeit dem Begehren des Klägers auf unentgeltliche Beförderung mit dem Einwand entgegenzutreten, er führe den nach dem Gesetz erforderlichen Ausweis nicht bei sich oder verstoße aus bestimmten Gründen gegen die allgemeinen Beförderungsbedingungen. Anders sieht die Rechtslage aus, wenn der Kläger in sein Feststellungsbegehren, daß die Beklagte verpflichtet sei, ihn unentgeltlich zu befördern, miteinbezieht, daß er an bestimmten Tagen versucht habe, die Nahverkehrslinien der Beklagten zu benutzen und zurückgewiesen worden sei. Wäre es hier möglich, den Rechtsstreit auf die Frage zu beschränken, ob die Leistungsverweigerung der Beklagten allein deshalb rechtswidrig war, weil der Anspruch des Klägers mit dem Inkraft-

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treten des Gesetzes über die unentgeltliche Beförderung entstand, hätte das Urteil keinen praktischen Nutzwert und würde sich in einer abstrakten Rechtsbelehrung erschöpfen. Für die Vergangenheit können die Parteien ihr Verhalten nicht mehr ändern. Das Interesse an der Norminterpretation bezieht sich allein darauf, ob sie damals rechtmäßig handelten. Ob das verwirklichte Verhalten rechtmäßig war, kann nur unter Berücksichtigung aller damals vorhandenen tatsächlichen Umstände beurteilt werden. Wie der Kläger im Beispielsfall den Rechtsstreit für die Vergangenheit nicht auf die Frage beschränken könnte, daß die Beklagte nicht berechtigt gewesen sei, ihn mit der Begründung zurückzuweisen, daß der Anspruch auf unentgeltliche Beförderung erst nach Durchführung eines besonderen Verwaltungsverfahrens entstehe, so wäre die Beklagte gehalten, alle für die Beurteilung der vergangenen konkreten Konfliktsfälle objektiv vorhandenen Tatsachen vorzutragen. Für die Vergangenheit - d. h. für die Zeit vor der letzten mündlichen Verhandlung - soll das Feststellungsurteil den Streit abschließend und endgültig erledigen. Eine Beschränkung auf eine einzelne Rechtsfrage, die für die Beurteilung des vergangenen Geschehens wesentlich ist, kann nicht zugelassen werden, weil mit der Entscheidung über sie der Streit zwischen den Parteien nicht beendet und über die Aufspaltung in mehrere Rechtsstreitigkeiten die Gefahr heraufbeschworen wird, daß die Prozesse über die einzelnen Rechtsfragen mal von der einen, mal von der anderen Seite gewonnen werden, obwohl es allein entscheidend darauf ankommt, ob das streitige Verhalten im Ergebnis rechtmäßig oder rechtswidrig ist. Wird im Beispielsfall der Kläger in der Frage Recht erhalten, daß sein Anspruch bereits mit Inkrafttreten des Gesetzes über die unentgeltliche Beförderung entstand, die Beklagte sich aber erfolgreich darauf berufen können, der Kläger habe gegen ihre allgemeinen Beförderungsbedingungen verstoßen, würde dem Kläger ein isoliertes Urteil über den Entstehungszeitpunkt seines Anspruchs für die vergangenen Streitfälle nichts nützen. Ihm eine gesonderte Entscheidung über diese Frage zu gewähren wäre auch nicht gerechtfertigt, weil der Beklagte nicht für die Begründung, die er für sein Verhalten gibt, sondern für das Verhalten selbst zur Rechenschaft gezogen werden soll. Das Feststellungsurteil über eine Berechtigung hat also einen verschiedenen Gehalt, je nachdem ob es sich auf die Zukunft oder Vergangenheit bezieht. Der rückblickenden abschließenden Streitbereinigung steht die in die Zukunft weisende generalisierende, im Einzelfall konkretisierungsfähige Urteilsaussage gegenüber. Diese Verschiedenheit schließt es aus, daß das Urteil über die Normsituation die Zeit vor der letzten mündlichen Verhandlung erfaßt, falls der Kläger dies nicht ausdrücklich beantragt. Das Urteil, welches nicht

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verwirklichtes Geschehen zum Gegenstand hat, sondern feststellt, daß der Kläger zu einem bestimmten Verhalten berechtigt sei, soll in dem durch die Normsituation umrissenen Rahmen Rechtsklarheit für die Beziehungen zwischen den Streitteilen schaffen. Theoretisch wäre es denkbar, das Urteil mit seinem allgemeinen Gehalt auch für die Vergangenheit als maßgeblich anzusehen. Die materiellrechtlichen Sinnzusammenhänge mögen sogar eine solche Lösung fordern 47 • Wird im obigen Beispielsfall festgestellt, die Beklagte sei verpflichtet, den Kläger auf ihren Nahverkehrslinien unentgeltlich zu befördern, und würde der Streit im Hinblick auf die Frage geführt, ob der Anspruch des Klägers mit Inkrafttreten des Gesetzes oder erst nach Durchführung eines besonderen Verwaltungsverfahrens entstand, so widerspräche es materiellrechtlicher Wertung, wenn diese Frage nicht einheitlich für die Zeit nach Inkrafttreten des fraglichen Gesetzes entschieden würde. Indessen ist zu berücksichtigen, daß nicht allein die sachlichrechtlichen Sinnzusammenhänge für die objektiven Grenzen der Rechtskraft maßgeblich sind. Der Umfang der Rechtskraft wird danach abgegrenzt, über welchen prozessualen Anspruch der Kläger eine Entscheidung begehrt und mit welchem Inhalt das Gericht über ihn befindet. Für die hier allein interessierenden zeitlichen Grenzen der Rechtskraft bedeutet dies, daß der Kläger bestimmen kann, ob er eine Aussage über die fragliche Berechtigung für die Zukunft oder auch für die Vergangenheit begehrt. Bezieht er die Vergangenheit mit ein in den Streit, wird er mit allen die vergangenen Streitfälle betreffenden Einwendungen des Beklagten konfrontiert. Tut er dies nicht, begehrt er also nur eine verhaltensbestimmende Aussage für die Zukunft, darf ihm nicht allein wegen des materiellrechtlichen Sinnzusammenhangs der Vorteil zufallen, die Rechtsfrage, die den Gegenstand des Feststellungsstreits über die Normsituation bildet, auch für die Vergangenheit entschieden zu wissen. Abgesehen davon, daß die Rechtskraft des Urteils weiter reichen würde als der klägerische Antrag, würde der Grundsatz durchbrochen, daß hinsichtlich der Vergangenheit nicht isoliert über eine für das vergangene Geschehen zwar wesentliche, aber nicht das gesamte Streitverhältnis erfassende Rechtsfrage entschieden werden kann. Selbst wenn in sachlicher Hinsicht der Streit zwischen den Parteien vollständig behoben werden kann, bleibt das Bedenken, daß sich das Urteil auf einen Zeitraum erstreckt, welchen die Parteien in den Streit hätten ein47 Allgemein zu diesem Fragenkreis: Zeuner, Die objektiven Grenzen der Rechtskraft im Rahmen rechtlicher Sinnzusammenhänge, 1959; ders., JuS 1966, S. 147 ff.; zur Kritik an der Auffassung Zeuners, vgl. z. B. Schwab, JZ 1959, S. 786 ff.; Lent, ZZP Bd.73, S. 316 ff.; Brox, JuS 1962, S. 123 ff.; Habscheid, FamRZ 1963, S. 381 f.; Pohle, JZ 1963, S. 323 f.; Peters, ZZP Bd. 76, S. 229 ff.; Bader, Zur Tragweite der Entscheidung, S.81; Rimmelspacher, Materiellrechtlicher Anspruch, S.183 ff.; Stein I Jonas I Schumann I Leipold, § 322 ZPO Bem. IX. 3.

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beziehen können, aber nicht einbezogen haben. Eine Erstreckung der Rechtskraft auf die Vergangenheit kraft Sinnzusammenhangs würde schließlich auch nicht die Erkenntnis berücksichtigen, daß die Rechtsschutzinteressen an der Entscheidung einer Rechtsfrage für die Zukunft oder Vergangenheit ganz verschieden sind. Das zukunftsorientierte Urteil erfährt seine Rechtfertigung daraus, daß es dem Kläger den Weg weist, sein Verhalten nach dem Gesetz auszurichten. Eine solche verhaltensbestimmende Wirkung kann das Urteil für die Vergangenheit nicht entfalten; es bedarf anderer Gründe, die das Urteil rechtfertigen. Von der Notwendigkeit, daß der Kläger auch ein die Vergangenheit betreffendes Rechtsschutzinteresse vorweisen muß, soll das Urteil auch die Vergangenheit erfassen, kann man schlecht deshalb absehen, weil der Kläger darlegt, daß er ein berechtigtes Interesse an der Entscheidung der Rechtsfrage für die Zukunft hat. Erfaßt das Urteil schon kraft Sinnzusammenhangs die Vergangenheit, braucht das Rechtsschutzinteresse nicht mehr begründet zu werden. Im obigen Beispielsfall rechtfertigt z. B. die Gefahr, daß der Kläger weiterhin mit der gleichen Begründung von der unentgeltlichen Beförderung ausgeschlossen wird, die beantragte zukunftsorientierte Feststellung. Um sein Rechtsschutzinteresse für die Zeit vor dem Schluß der letzten mündlichen Verhandlung zu begründen, müßte der Kläger z. B. darlegen, daß er einen Schaden erlitten habe, den er bei der Beklagten liquidieren wolle. Von dem Nachweis eines solchen auf die Vergangenheit bezogenen Rechtsschutzinteresses kann man den Kläger nicht entbinden, indem man das Urteil kraft Sinnzusammenhangs in die Vergangenheit wirken läßt. Wie das zukunftsorientierte Urteil über eine Normsituation nicht dafür bestimmt ist, einzelne für verwirklichte Konfliktsfälle erhebliche Rechtsfragen mit verbindlicher Wirkung zu entscheiden, so wenig ist das Urteil, welches eine abgeschlossene und endgültige Bewertung eines konkreten vergangenen Sachverhalts enthält, dazu geeignet, die Funktion zu erfüllen, verhaltensbestimmend für die Zukunft zu wirken. Das Urteil, welches festellt, daß ein vergangenes Geschehen rechtswidrig ist, wirkt nicht für gleichartige zukünftige Sachverhalte. Es ist lediglich faktisch für ähnlich gelagerte Fälle bedeutsam, weil sich die Parteien wie auch das Gericht an den Wertungen des rechtskräftigen Urteils orientieren können. b) Eine Besonderheit scheint sich lediglich insoweit zu ergeben, als teilweise befürwortet wird, daß das Urteil über bestimmte Gestaltungsoder gestaltungsähnliche48 Klagen präjudiziell für gleichartige Wieder48 Als gestaltungsähnliche Klage ist die Kündigungsschutzklage anzusehen, vgl. in diesem Zusammenhang Schlosser, Gestaltungsklagen, S. 64 ff.; Zeuner,

MDR 1956, S. 260.

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holungsakte wirke 49 • Ohne näheres Eingehen auf die Frage, ob und inwieweit eine Erstreckung der Rechtskraft auf Wiederholungs akte geboten ist, fällt zunächst auf, daß in solchen Fällen die verhaltenssteuernde Wirkung des Urteils für die Zukunft weitgehend vom Zufall abhängig ist und sich schon deshalb kaum dazu eignet, die Feststellungsklage über die Normsituation zu verdrängen. Die Entscheidung, ob ein verwirklichtes Verhalten rechtmäßig ist, wird in der Regel von einer Vielzahl rechtlicher Gesichtspunkte abhängen. Das Gericht kann frei darüber befinden, welche Gesichtspunkte es zur Begründung seiner Entscheidung heranzieht. Den Parteien ist insoweit eine Einflußnahme verwehrt. Die Tragweite der Rechtskraft wird damit maßgeblich davon beeinflußt, auf welche Gründe das Gericht seine Entscheidung stützt50 • Diese Wahlbefugnis des Gerichts hat zur Folge, daß das Urteil, dessen Sinngehalt in jedem Falle erst anhand der Urteils gründe ermittelt werden kann, u. U. gerade nicht die rechtlichen Gesichtspunkte mitumschließt, die für das weitere Verhalten der Parteien erheblich sind. Beispielhaft ist in diesem Zusammenhang die Kassation des Verwaltungsakts wegen eines Formfehlers, während die Parteien allein über die materiellen Eingriffsvoraussetzungen streiten. Das gleiche Bild ergibt sich, wenn die Kündigungsschutzklage allein schon wegen der mangelnden Anhörung des Betriebsrates Erfolg hat und das Urteil sich einer Stellungnahme zu dem angeblichen Kündigungsgrund enthält, die allein die Parteien für die Zukunft interessieren würde. Ihr eigentliches Ziel, Rechtsklarheit darüber zu erhalten, ob in einem solchen Fall die Behörde zum Eingriff bzw. der Arbeitgeber zur Kündigung berechtigt ist, können die Parteien mit Sicherheit nur im Feststellungsstreit über die Normsituation erreichen. Wendet man sich näher der speziellen Problematik der Rechtskrafterstreckung auf Wiederholungsakte im Bereich bestimmter Gestaltungsoder gestaltungsähnlicher Klagen zu, so wird erkennbar, daß mit der Rechtskrafterstreckung auf Wiederholungsakte allein das Anliegen verfolgt wird, dem Kläger oder Beklagten die Macht zu entziehen, das rechtskräftige Gestaltungsurteil einseitig voraussetzungslos zu entkräften51 • Es soll verhindert werden, daß der unterlegene Teil den aufgehobenen Akt in gleicher Form wiederholt und die im ersten Ver49 Zu den unterschiedlichen Lösungsversuchen: vgl. etwa für das Zivilrecht: Schlosser, Gestaltungsklagen, S. 409 ff.; Zeuner, Objektive Grenzen, S. 116 ff.; Bötticher, Festschrift für Herschel, S. 193 ff.; Arens, Streitgegenstand, S. 106 ff.; für das Verwaltungsrecht: Ule, VerwArch 1974, S.295; Teufel, Dissertation, S. 55 ff. m. w. N.; Gorski, Der Streitgegenstand der Anfechtungsklage, S.98 m.w.N. 50 Dazu überzeugend: Zeuner, Die objektiven Grenzen, S. 32 ff. 51 Ähnlich: Zeuner, Die objektiven Grenzen, S. 124; Schlosser, Gestaltungsklagen, S.411.

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fahren siegreiche Partei zu einem weiteren Rechtsstreit mit erneutem Prozeßrisiko zwingt. Man wird einer solchen prozessualen Lösung beipflichten müssen, soweit der Sachverhalt identisch ist, welcher den Akt rechtfertigen soll, über den der Gestaltungsprozeß geführt wird52 • Wird also z. B. die Verfügung, mit welcher dem Kläger die Ausübung seines Gewerbes untersagt worden ist, mit der Begründung aufgehoben, daß die von der Behörde vorgetragenen Tatsachen die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden nicht dartun (§ 35 GewO), so ist die Behörde auf Grund der Rechtskraft des Urteils daran gehindert, eine erneute Untersagungsverfügung auf dieselben, im Erstprozeß geprüften Tatsachen zu stützen. Ebenso kann im Falle der Trotzkündigung das Gericht im Zweitprozeß von der Beurteilung des Erstgerichts nicht abweichen, wenn die erneute fristlose Kündigung ausschließlich mit demselben historischen Vorgang gerechtfertigt wird, in welchem das Erstgericht keinen wichtigen Grund für die Kündigung gesehen hatte53 • Die präjudizielle Wirkung des Urteils ist in solchem Falle durch die überlegung gerechtfertigt, daß der Streit über den Verwaltungsakt oder die Kündigung mit Bezug auf das zur Begründung von den Parteien vorgetragene bzw. vom Gericht ermittelte tatsächliche Geschehen ausgetragen wird. Wie die im Urteilsausspruch enthaltene Rechtsfolge nur im Zusammenhang mit dem Klagegrund erfaßt werden kann, ist die rechtliche Beurteilung eines Verwaltungsaktes oder einer fristlosen Kündigung nur im Hinblick auf den sie rechtfertigenden Sachverhalt möglich. Gestritten und entschieden wird über das von der Behörde bzw. dem Arbeitgeber beanspruchte Recht zur Regelung des Einzelfalles bzw. zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses. Genau dieses durch das Urteil negierte Recht nimmt die Verwaltung bzw. der Arbeitgeber in Anspruch, wenn er unter Berufung auf die tatsächlichen Umstände, die bereits den ersten Akt rechtfertiJzen sollten, wiederholt den Verwaltungsakt erläßt bzw. die Kündigung ausspricht. Eine ganz andere Frage ist die, ob das stattgebende Anfechtungsurteil bzw. die erfolgreiche Kündigungsschutzklage den Beklagten auch daran hindert, erneut in gleicher Form zu reagieren, wenn der Bürger bzw. der Arbeitnehmer das Verhalten fortsetzt, welches Anlaß für den ersten Verwaltungsakt bzw. die erste fristlose Kündigung war. Der Rechtsstreit über den neuen Verwaltungsakt bzw. die zweite Kündigung wäre nur dann durch das Ersturteil präjudiziert, wenn sich das Urteil über 52 Im Schrifttum bleibt weitgehend unklar, unter welchen Voraussetzungen von einem "Wiederholungsakt" die Rede sein kann, welcher durch die Rechtskraft des Ersturteils unterbunden sein soll, vgl. z. B. Zeuner, Die objektiven Grenzen, S. 120 ff.; Schlosser, Gestaltungsklagen, S. 409 ff.; Arens, Streitgegenstand, S. 85, 94 ff.; Teufel, Dissertation, S. 25 ff. 53 Dazu: Zeuner, MDR 1956, S.257; Habscheid, RdA 1958, S.99; Bötticher, Festschrüt für Herschel, S. 194.

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ein räumlich und zeitlich bestimmtes Geschehen hinaus auf gleichartige Sachverhalte beziehen würde. Dann erschöpfte sich das Urteil nicht in der Bewertung vergangener Vorkommnisse, sondern würde eine deutlich zukunftsorientierte Wirkung entfalten. Eine solche Verbindlichkeit des Urteils, welches auf die Beurteilung eines singulären historischen Geschehens zugeschnitten ist, bleibt abzulehnen. Dem Urteil über vergangenes Geschehen fehlt die generalisierende Tendenz der Entscheidung über eine Normsituation. Seine Tragweite wird begrenzt durch den Sachverhalt, in dessen endgültiger Beurteilung es sich erschöpft. Aus diesen Differenzierungen lassen sich zwanglos die Regeln ableiten, welche zu beachten sind, wenn der Kläger sowohl die Rechtsfolgen eines verwirklichten Konfliktsfalles festgestellt wissen wie auch sich Rechtsklarheit für zukünftige, der vergangenen ähnliche Fallgestaltungen verschaffen will. Der Kläger hat dann unterschiedliche Rechtsschutzanliegen, die nur über verschiedene Klagen verwirklicht werden können. Dies zeigt sich am deutlichsten an der verwaltungsgerichtlichen Fortsetzungsfeststellungsklage. c) Hat der Verwaltungsakt sich erledigt und entfällt damit das Anfechtungsverfahren, muß der Kläger besondere Gründe dartun, warum er noch eine feststellende Entscheidung über den erledigten Verwaltungsakt begehrt54 • Soll das Feststellungsinteresse mit der Gefahr begründet werden, daß die Behörde den erledigten Verwaltungsakt wiederholen könne55, ergeben sich folgende Differenzierungen: Die Klage auf Feststellung, daß der betreffende Verwaltungsakt rechtswidrig war, ist nur dann zulässig, wenn eine hinreichend konkrete Ge54 Vgl. dazu auch oben Teil 3 I. 2. mit Fn. 14. Die Kritik an der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts betreffend die Fortsetzungsfeststellungsklage zur Vorbereitung eines Amtshaftungsprozesses hat sich inzwischen auf den Einwand reduziert, daß das Feststellungsinteresse - entgegen der Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts - nicht von den Erfolgsaussichten der Amtshaftungsklage abhängig sei. Zur Begründung wird darauf verwiesen, daß es nicht Aufgabe des Verwaltungsgerichts sei, die Aussichten des Schadensersatzprozesses als Voraussetzung für die Anerkennung eines berechtigten Interesses (§ 113 Abs. 1 S. 4 VwGO) zu überprüfen (so Bartlsperger, Anm. zu BVerwG v. 28.4.1967, DVBI 1968, S.221; Schrödter, Anm. zu BVerwG v. 15.12.1972, DVBI 1973, S.365; Redeker / v. Oertzen, Rdnr.14 zu § 113 VwGO; Eyermann / Fröhler, Rdnr.41 zu § 113 VwGO). Der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist jedoch zuzustimmen. Bejaht man die Zulässigkeit der verwaltungsgerichtlichen Feststellungsklage zur Vorbereitung des Amtshaftungsprozesses, muß das Verwaltungsgericht auch prüfen, ob ein Leistungsanspruch, für welchen das Feststellungsurteil präjudiziell ist, überhaupt in Betracht kommt. Die Prüfung der Voraussetzungen der verwaltungsgerichtlichen Klage kann kein Eingriff in die Kompetenzen des Zivilgerichts sein. Nach der Gegenmeinung bleibt unklar, woraus das Feststellungsinteresse resultieren soll. 55 Vgl. z. B. BVerwGE 28, S.233 = DVBI 1968, S. 746; BVerwGE 32, S.333; BVerwGE 42, S.320; BVerwG, DVBI 1972, S.500.

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Teil 4 : Das Feststellungsinteresse

fahr erkennbar ist, daß die Behörde erneut in gleicher Weise den (historischen) Sachverhalt regeln will, der bereits von der erledigten Verfügung erfaßt wurde. Will der Kläger sich dagegen absichern, daß die Verwaltung in Zukunft nicht in ähnlichen Fällen so, wie bereits einmal geschehen, gegen ihn vorgeht, muß er die mangelnde normative Berechtigung des öffentlichrechtlichen Befugnisträgers feststellen lassen. Insoweit gewährt ihm das Feststellungsurteil über den erledigten Verwaltungsakt auf Grund seiner beschränkten Rechtskraftwirkung keinen Schutz. Ist also z. B. einer politischen Partei die Benutzung des gemeindlichen Saales für eine Parteiveranstaltung versagt worden, während er üblicherweise allen arideren Parteien für die gleichen Zwecke zur Verfügung gestellt wird, kann die Partei das Ziel, ihre zukünftigen Beziehungen zur Gemeinde dahingehend geklärt zu wissen, daß sie nicht allein auf Grund ihrer geistig-ideellen Zielsetzung von der Benutzung der gemeindlichen Einrichtung ausgeschlossen werden darf, nicht durch die Klage auf FeStstellung erreichen, daß die Versagung der Benutzung in einem bestimmten, in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt rechtswidrig war. Sein weiteres Verhalten soll der Kläger nicht nach dem Urteil über das vergangene Ereignis, sondern nach dem Gesetz ausrichten, und eine bindende Interpretation des Gesetzes für die Zukunft gibt allein das Urteil über die normative Berechtigungli8 • 3. Setzt das Feststellungsurteil für die weiteren Beziehungen der Streitteile zueinander rechtliche Maßstäbe, sei es in der Form, daß ein verwirklichtes Geschehen anhand rechtlicher Maßstäbe bewertet wird, aus welchem sich Rechtsfolgen für eine der Parteien gegen die andere ergeben können, sei es, daß Richtlinien bestimmt werden, nach denen die Parteien ihr Verhalten einrichten können, so ist es geeignet, die dem Feststellungsstreit zugewiesene Aufgabe zu erfüllen. Der Feststellungsstreit kann sich auf jedwede Rechtsfrage beziehen; es kann sich um wirtschaftliche, kulturelle oder sonstige Angelegenheiten handeln. Entscheidend ist allein, ob das Feststellungsurteil praktische, verhaltensbestimmende Wirkung äußert, indem es. den Parteien Orientierungspunkte liefert, mit denen für ihre Beziehungen - gleich welcher Art sie sein mögen - ein rechtlicher Rahmen abgesteckt ist, innerhalb dessen sie sich bewegen müssen. Maßgeblich ist also nicht, ob das Interesse 68 In der Rechtskraftfrage so wöhl auch das BVerwG im Beispielsfall, vgI. BVerwGE 32, S. 333 ff.: Das Gericht bemerkt, daß der Tenor des Urteils im Fortsetzungsfeststellungsprozess "auf die Vergangenheit bezogen" sei; vgI. demgegenüber BVerwGE 42, S.320; BVerwG, DVBI 1972, S.500; dort wird das Feststellungsinteresse bejaht, weil sich in Zukunft "vergleichbare Situationen" wiederholen könnten. Das Rechtskraftproblem wird in der Rechtsprechung nicht erörtert. Eine Bindungswirkung des Fortsetzungsfeststellungsurteils für zukünftige Fälle ablehnend: BFH, B8tBl1972II, 8.183.

Feststellungsstreit nach einseitiger Rechtsdurchsetzung

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des Klägers rechtlicher oder wirtschaftlicher bzw. kultureller Art ist51 , sondern ob das Urteil geeignet ist, rechtliche Bindungswirkung für die weiteren Beziehungen der Parteien zueinander zu entfalten58 • Ist die vom Kläger zur Entscheidung gestellte Rechtsfrage ohne Einfluß auf die weiteren Beziehungen der Parteien zueinander, enthüllt sich die Frage nach dem Feststellungsinteresse in der Form, ob der Feststellungsstreit auch noch eine andere Aufgabe haben kann als die Rechtsklärung zum Zweck der Verhaltenssteuerung. Klagt z. B. der Kläger gegen einen Verein auf Feststellung, daß sein Ausschluß aus dem Verein rechtswidrig sei, erfolgt die Inanspruchnahme der Rechtsschutzorgane jedenfalls aus einem berechtigten Grund, wenn der Kläger an der Aufrechterhaltung seiner Mitgliedschaft interessiert ist; in solchem Falle beeinflußt das Urteil über die Rechtmäßigkeit des Vereinsausschlusses die weiteren Beziehungen zwischen den Streitteilen. Hat der Kläger hingegen selbst zeitlich später seinen Austritt aus dem Verein erklärt und auf diese Weise dokumentiert, daß er das Urteil nicht zur Sicherung seiner Mitgliedschaftsrechte begehrt, so ist es zweifelhaft, ob der Feststellungsstreit über den vorgängigen Vereinsausschluß noch zu einer institutionengemäßen Inanspruchnahme der Rechtspflegeorgane führt. Das Reichsgericht ließ derartige Feststellungsklagen im Zusammenhang mit dem Ausschluß aus studentischen Verbindungen in ständiger Rechtsprechung zu, weil der Beschluß über den Ausstoß aus der Verbindung für "die Ehre des Klägers, seine soziale Stellung und die Möglichkeit, anderen Verbindungen beizutreten, von großer Bedeutung" sei59 • - Im öffentlichen Recht ist das Feststellungsurteil, welches seinen Sinngehalt nicht aus der präjudiziellen Wirkung schöpft, praktisch geworden im Feststellungsstreit über erledigte Verwaltungsakte. Infolge der Erledigung 51 Nach der Formulierung des Bundesverwaltungsgerichts ist das berechtigte Interesse "jedes nach der Lage des Falles anzuerkennende schutzwürdige Interesse, sei es rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art"; so BVerwGE 36, S.226, ferner BVerwGE 41, S. 259 f.; BFH, BB 1975, S.1328; BFH, BStBI 1975 H, S.711; zustirnmendz. B. Kopp, Bem.7 zu § 43 VwGO; Eyermann I Fröhler, Rdnr. 11 zu § 43 VwGO; Redeker I v. Oertzen, Rdnr. 20 zu § 43 VwGO. 58 Nach zivilprozessualen Vorstellungen sollen dem Grundgedanken nach wirtschaftliche oder ideelle Interessen im Gegensatz zu rechtlichen Interessen stehen; vgl. dazu z. B. Stein I Jonas I Schumann I Leipold, § 256 ZPO, Bem. HI.2; Blomeyer, Zivilprozeßrecht, S.181; Grunsky, Grundlagen, S.400. Interessen, die zwar wirtschaftlicher Art sein sollen, aber dennoch den Feststellungsstreit rechtfertigen, liegen nach der Rechtsprechung vor, wenn der Störungsfall noch nicht so beschaffen ist, daß dem Kläger ein Leistungsanspruch zusteht, wohl aber bereits eine rechtliche Bindungswirkung vorhanden ist; vgl. z. B. RGZ 23, S.346; RGZ 31, S.30; RGZ 35, S.393; RGZ 73, S.85; RGZ 128, S. 92; BGHZ 37, S.335. 58 So zuerst RG, JW 1905, S. 315; ferner RGZ 78, S. 34; 80, S.191; 122, S.266; OLG Hamm. BB 1976, S. 663.

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stehen Kassationsinteressen, die im Anfechtungsprozeß zu befriedigen wären, nicht mehr auf dem Spiel. Ist es ausgeschlossen, daß sich aus dem erledigten Verwaltungsakt noch Rechtsfolgen für den Kläger ergeben, und soll das Urteil auch nicht dazu dienen, Orientierungsmaßstäbe für künftige, ähnlich gelagerte Sachverhalte zu setzen, kann nach der Praxis der Verwaltungsgerichte dennoch ein berechtigtes Interesse an der isolierten Entscheidung über die Rechtswidrigkeit des erledigten Verwaltungsaktes begründet sein, nämlich dann, wenn der Verwaltungsakt diskriminierende Wirkung hat und die gerichtliche Feststellung, daß das behördliche Vorgehen gegen den Kläger rechtswidrig gewesen sei, geeignet ist, den Kläger zu rehabilitieren60• Das Feststellungsurteil soll in derartigen Fällen dem Schutz von Persönlichkeitsinteressen dienen61 • Auch wenn reale Folgen rechtswidrigen Handeins, die beseitigt werden könnten, nicht vorhanden sind, soll dem Kläger Genugtuung verschafft werden, indem das Gericht verbindlich feststellt, daß das behördliche Handeln rechtswidrig war. Man würde diese Rechtsprechung zum Rehabilitationsinteresse wohl mißverstehen, wenn man in verengter deliktsrechtlicher Sicht davon ausginge, der Einsatz der Feststellungsklage erfolge zum Zweck der Klärung, ob ein bestimmtes Verhalten des Beklagten einen unzulässigen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers darstelle. Die Eigenart der ausschließlich durch Rehabilitationsinteressen motivierten Feststellungsklage ist darin zu sehen, daß der Kläger eine Entscheidung über ein vom Beklagten beanspruchtes Recht begehrt, obwohl sich für ihn aus dem Urteil keine Verbesserung seiner Rechtsposition ergibt, weil der Beklagte sein angebliches Recht bereits verwirklicht hat und handfeste Folgen, die noch beseitigt werden könnten, nicht mehr vorhanden sind bzw. der Kläger die Befugnisse, für welche das Urteil zu seinem Vorteil klärend wirken könnte, nicht ausüben will. Die Rechtsanmaßung des Beklagten, welche darin begründet ist, daß er eine nicht im materiellen Recht begründete Befugnis beansprucht und ausgeübt hat, kann nicht als Eingriff in die Persönlichkeitssphäre des Betroffenen geortet werden, jedenfalls soweit sie sich nach wertender Betrachtung noch im Rahmen der Rechtsausübung bewegt. Es ist selbstverständlich, daß derjenige, der meint, Inhaber eines Rechts zu sein, dieses auch gegen den Pflichtigen geltend machen darf. Erweist sich, daß das vom Inhaber prätendierte Recht nicht besteht, hat er sich über die Rechtslage geirrt, nicht aber Persönlichkeitsrechte des vermeintlich Pflichti60 BVerwGE 12, S.90; BVerwGE 26, S. 168; BVerwG, DVBI 1971, S.277 = BayVBl1970, S. 219; BVerwG, BayVB11976, S.184; OVG Saarlouis, DÖV 1973, S.863; HessVGH, DÖV 1974, S.604; BFH, BStBI 1975 H, S.860; ablehnend BSGE 8, S.l. 81 Deutlich so BVerwGE 26, S.168.

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gen verletzt. Diese Wertung verändert sich nicht, wenn der vermeintlich Berechtigte sein Recht durchsetzt. Wie z. B. die überprüfung des Verwaltungsakts im Anfechtungsprozeß nicht von der Erwägung getragen ist, daß der rechtswidrige, den Kläger in seinen Rechten verletzende Verwaltungsakt wegen der mangelnden Rechtfertigung des Aktes durch das materielle Recht den Betroffenen in seinem Persönlichkeitsrecht tangiere, so wenig kann der Adressat des Verwaltungsaktes als in seiner Ehre oder seinem wirtschaftlichen Ruf verletzt angesehen werden, wenn der Verwaltungsakt vollzogen und eine Rückgängigmachung der Vollziehung nicht möglich ist. Sind die Persönlichkeitsinteressen nicht Rechtsschutzgrund für die Anfechtungsklage gegen den Verwaltungsakt, können sie auch nicht den Feststellungsstreit über den erledigten Verwaltungsakt rechtfertigen. Die Entscheidung im Feststellungsstreit, in welchem die vom Kläger vorgetragene Rechtsfrage für eine Anspruchslage nicht erheblich ist noch ihre Beantwortung bindende Anweisung für zukünftiges Verhalten sein soll, ist zudem in keiner Weise auf die Feststellung von Persönlichkeitsrechtsverletzungen zugeschnitten. Wird z. B. die Rechtswidrigkeit des erledigten Verwaltungsaktes mit formellen Mängeln begründet, kann kaum die Rede davon sein, daß die Kränkung des Klägers ausgeglichen würde, die aus der Art des behördlichen Vorgehens oder aus dem unbegründeten Vorwurf eines anstößigen Verhaltens, welches den Anlaß zum behördlichen Einschreiten bildete, resultierte. Die Suche nach der Persönlichkeitsrechtsverletzung durch den Beklagten, die den Feststellungsstreit rechtfertigen soll, dürfte kaum erfolgreich sein. Die ausschließlich mit Rehabilitationsinteressen begründete Feststellungsklage läßt sich in ihrem Sinngehalt nur erfassen, wenn man die Frage nach den Aufgaben des Rechtsschutzes unter dem Blickwinkel ansteuert, ob einseitige Rechtsdurchsetzung allein deshalb keiner gerichtlichen Kontrolle unterworfen sein soll, weil rechtliche Folgen in Form von Ausgleichsansprüchen oder als Zwang zur Beseitigung eines rechtswidrigen Zustandes nicht mehr in Betracht kommen. So dürfte beispielsweise die rechtlich erhebliche Kränkung dem ausgeschlossenen Vereinsmitglied gerade dadurch erst zugefügt werden, daß es dem Verein gestattet sein soll, ihn auszustoßen, ohne gerichtlicher Kontrolle unterworfen zu sein62 • Die Persönlichkeitsrechte des Klägers werden nicht durch die Rechtshandlung des Beklagten, sondern durch den Verlust der gerichtlichen überprüfung tangiert. Macht man die gerichtliche Entscheidung über den Vereinsausschluß davon abhängig, daß 82 Unter diesem Blickwinkel kann der Kritik von Wieser an der Rechtsprechung des Reichsgerichts zum Vereinsrecht nicht beigepflichtet werden. Wieser wendet ein, die Rehabilitationswirkung könne nur von den Urteilsgründen ausgehen, entscheidend sei jedoch allein die Wirkung der beantragten Entscheidung selbst; vgl. Wieser, Rechtsschutzinteresse, S. 96 ff.

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der Kläger daran interessiert ist, seine Mitgliedschaft aufrechtzuerhalten, trägt man dem elementaren Bedürfnis des Menschen keine Rechnung, wissen zu wollen, ob man rechtmäßig mit ihm verfahren ist8s• Dieses Klärungsbedürfnis hebt sich von der reinen Wißbegierde ab, die den Rechtsstreit nicht rechtfertigen soll. Wir stoßen hier in neue Dimensionen des Rechtsschutzes vor. In seiner traditionellen Ausformung pflegt das Prozeßrecht Rechtsverletzungen nur dann Aufmerksamkeit zu schenken, wenn sich aus ihnen handfeste Rechtsfolgen ergeben. Die Frage, ob Recht oder Unrecht geschehen ist, sollte aber als solche d. h. unabhängig von konkreten Rechtsfolgen - im Prozeß gestellt werden dürfen, wenn Rechtsnachteile, die dem Individuum auf Grund einseitiger Rechtsdurchsetzung eines anderen entstehen, nicht hinnehmbar erscheinen, ohne daß wenigstens nachträglich die Rechtslage geklärt würde. Das Urteil gewährt hier ideelle "Folgenbeseitigung" ; kann schon die Rechtsverletzung als solche nicht verhindert werden, soll wenigstens durch richterlichen Spruch festgestellt werden, daß Unrecht erlitten wurde84 • Die Grenzen mögen schwer zu ziehen seinss. Nur sollte man sich nicht gänzlich der Einsicht verschließen, daß auch die bloße Feststellung, es sei Unrecht geschehen, sinnvolle Aufgabe des Prozesses sein kann. Beispielhaft ist hier die Erledigung des Verwaltungsaktes, wenn die mit dem Verwaltungsakt verbundene rechtliche Beschwer 83 Wach, Feststellungsanspruch, S. 54, sprach sich noch entschieden gegen Feststellungsklagen aus, wenn mit dem Urteil ..lediglich ein Akt der Ehrenrettung" vollzogen werden solle. Die Auffassung Wachs ist nicht logisch widerlegbar; insofern wenig überzeugend die Kritik von Wieser, Rechtsschutzinteresse, S. 99 f. Es ist lediglich zu überdenken, ob die Vorstellungen Wachs unserem heutigen Verständnis von Recht und Rechtsschutz noch entsprechen. 84 So sollte beispielsweise die Kündigungsschutzklage auch dann zugelassen werden, wenn der Arbeitnehmer sich bereits vor Erlaß des Urteils im Kündigungsschutzprozeß bei einem anderen Arbeitgeber verdingt hat. Das Interesse, zu wissen, ob in seiner Person ein Grund für die Kündigung vorlag, dürfte unabhängig davon anzuerkennen sein, ob der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis aufrecht erhalten will. Die heutige Praxis gewährt dem Arbeitnehmer die Klärung nur um den Preis, daß der Arbeitnehmer bei einem Arbeitgeber tätig sein muß, der durch die Kündigung zu erkennen gegeben hat, daß ihm der Arbeitnehmer nicht mehr willkommen ist; vgl. demgegenüber die in § 9 KSchG enthaltene Wertung. 66 Es läßt sich z. B. bezweifeln, ob die Versagung einer günstigen Position durch die Ablehnung des Erlasses eines begünstigenden Verwaltungsaktes, die sich erledigt, sobald der beantragte Verwaltungsakt erlassen wird, dem rechtsschmälernden belastenden Verwaltungsakt gleichzustellen ist. Dagegen dürfte sprechen, daß es der Antragsteller über die Verpftichtungsklage in der Hand hat, zu verhindern, daß der Ablehnungsbescheid aufrecht erhalten bleibt. Verzögerungen, die dennoch eintreten, dürften nicht die Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des ursprünglichen Ablehnungsaktes rechtfertigen, falls keine Ersatzansprüche in Betracht kommen. Im Ergebnis so BSGE 8, S.l, allerdings mit der wenig überzeugenden Begründung, es sei nicht .. Aufgabe des sozialgerichtlichEm Verfahrens, den Ehrenschutz der Beteiligten zu übernehmen".

Feststellungsstreit nacll einseitiger Reclltsdurcllsetzung

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entfällt, weil der Vollzug des Verwaltungs aktes nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Ist der öffentlichrechtliche Befugnisträger der Überzeugung, die Voraussetzungen für ein Einschreiten seien erfüllt, muß er - notfalls auch mit Gewalt - den rechtmäßigen Zustand wiederherstellen. Mit der eigenverantwortlichen Entscheidung des Beamten, ob die Eingriffsvoraussetzungen erfüllt sind, ist stets das Risiko verbunden, die materielle Rechtslage falsch einzuschätzen. Diese Gefahr hat auch der Bürger einzusehen. Er darf sich deshalb nicht in seiner Ehre verletzt fühlen, wenn er von rechtswidrigem Verwaltungshandeln betroffen wird. Hat der Bürger es hinzunehmen, daß Verwaltungsakte gegebenenfalls unmittelbar vollzogen werden und infolge Vollzugs seine materielle Beschwer entfällt, wächst das Gefühl der Ohnmacht, wenn nicht einmal nachträglich mit gerichtlicher Autorität festgestellt werden kann, ob der öffentlichrechtliche Befugnisträger rechtens gehandelt hat. Daß dem einzelnen faktisch oder aus rechtlichen Gründen (§ 80 Abs. 2 VwGO) die Chance genommen wird, über den vorläufigen Rechtsschutz und die Anfechtungsklage eine gerichtliche überprüfung des Verwaltungsaktes vor dem Vollzug zu erreichen, kann im öffentlichen Interesse geboten sein. Als Ausgleich sollte ihm dann aber wenigstens die Möglichkeit eingeräumt werden, eine gerichtliche Überprüfung des vollzogenen Verwaltungsaktes auch dann zu verlangen, wenn der Vollzug nicht mehr rückgängig gemacht werden kann und Schadensersatzansprüche ausscheiden. Eine Konzeption des Rechtsschutzes, welche es zuläßt, daß der öffentlichrechtliche Befugnisträger sein vermeintliches Eingriffsrechtdurchsetzt, und eine durch den Vollzug bedingte Erledigung des Verwaltungsaktes als Grund für die Versagung des Rechtsschutzes anerkennt, führt zu einer doppelten Belastung des Bürgers, anstatt die mit dem sofortigen Vollzug bedingte Härte wenigstens in der Form auszugleichen, daß eine nachträgliche gerichtliche Kontrolle des erledigten Aktes eröffnet bleibt. Verlangt man vom Bürger die Einsicht, daß er der behördlichen Weisung nachkommt, auch wenn er von ihrer Rechtmäßigkeit nicht überzeugt ist, sollte man wenigstens seinem Bedürfnis nach Rechtsklärung Rechnung tragen. Spricht aus der Sicht des Betroffenen manches dafür, den Feststellungsstreit über einseitig durchgesetztes Recht86 nicht davon abhängig zu machen, ob der Kläger Rechtsfolgen aus dem Verhalten des Beklagten ableiten kann oder will, so kommt hinzu, daß ein solcher Rechtsstreit auch keine ungerechtfertigte Belastung für den Beklagten mit 68 Die bloße Reclltsberuhmung ist. in diesem Zusammenhang unbeaclltlicll. Diese Vorstellung dürfte aucll der o. a. Reclltsprecllung zum Rehabilitationsinteresse (vgl. Fn.60) zugrunde liegen; in allen Fällen waren reclltliclle Befugnisse ausgeübt worden.

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Teil 4: Das Feststellungsinteresse

sich bringt. Trägt der Kläger vor, der Beklagte habe sich ihm gegenüber rechtswidrig verhalten, so ist damit eine Verantwortlichkeit des Beklagten begründet, sich vor Gericht zu rechtfertigen. Diese Verantwortlichkeit entfällt nicht allein deshalb, weil der Kläger keine Rechtsfolgen mehr geltend machen kann oder will. Die geschehene Rechtsverletzung ist als solche ein ausreichender Grund dafür, daß sich der Beklagte auf den Rechtsstreit einlassen muß. Auf institutioneller Ebene fällt zudem in die Waagschale, daß dort, wo Rechte ausg~übt und andere von der Rechtsausübung betroffen worden sind, auch eine Rechtskontrolle stattfinden sollte. Wird die richterliche Kontrolltätigkeit auf die Fälle beschränkt, in denen der Kläger im Urteilszeitpunkt noch Rechtsfolgen aus der einseitigen Rechtsdurchsetzung ableiten kann, wären z. B. weite Bereiche polizeilichen Handelns faktisch der gerichtlichen Überprüfung entzogen67 • Das öffentliche Interesse, daß rechtliche Macht nicht unkontrolliert ausgeübt wird, besteht auch dann, wenn Nachteile nicht mehr erkennbar sind, zu deren Beseitigung das Urteil dienen könnte. Neben dem Interesse in den Formen, daß das Urteil über die zur Entscheidung gestellte Rechtsfrage für eine mögliche Anspruchslage zwischen den Parteien erheblich ist oder den Parteien Richtschnur für ihr zukünftiges Verhalten sein kann und soll, ist noch das Feststellungsinteresse in der Ausprägung anzuerkennen, daß der Kläger ein Urteil des Inhalts begehrt, daß der Beklagte einseitig Rechtsmacht gegen ihn ausgeübt und dadurch in seine Rechtssphäre eingegriffen habe.

IV. Ergebnis Zusammenfassend ergibt sich zum Feststellungsinteresse:

1. Die Lehre vom Rechtsschutzinteresse, abgestimmt auf die Erfassung der allgemeinen, für ein jedes Rechtsschutzgesuch geltenden Schranken, liefert keine wesentlichen Erkenntnisse über die der Feststellungsklage eröffnete Rechtsschutzzone. 2. Die Regeln über das Feststellungsinteresse haben sich weitgehend unbeeinflußt von konkreten überlegungen zu der Frage entwickelt, was der Rechtsschutz leisten kann und soll. 3. Die Voraussetzungen des Feststellungsinteresses können nur unter steter Beachtung der Sinnzusammenhänge zwischen der Konfliktslage, aus welchem das Interesse erwächst, und dem Urteil in seiner Eignung zur Bereinigung des Störungsfalles bestimmt werden. Die 67

Diesen Gesichtspunkt betont auch das OVG Hamburg, DVBl 1967, S.424.

Ergebnis

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aus dem jeweiligen Rechtsschutzverständnis abgeleiteten Wertungsgesichtspunkte können sowohl die Ausgrenzung des feststellungsfähigen Rechtsverhältnisses wie auch die Anforderungen an das Feststellungsinteresse beeinflussen. Eine isolierte Betrachtung verbietet sich. 4. Welcher Art die Rechtsungewißheit sein muß, die das Feststellungsinteresse begründet, hängt von der komplexen Entscheidung ab, welche Störungsfälle als im Feststellungsstreit bereinigungsfähig angesehen werden. 5. Die Maßstäbe, nach denen sich bestimmt, ob es sinnvoll ist, das Urteil zum Zwecke der Rechtsklärung einzusetzen, unterscheiden sich, je nachdem, ob der Feststellungsstreit über die Rechtmäßigkeit verwirklichten Geschehens oder über die Berechtigung zu einem noch nicht verwirklichten Verhalten geführt wird. Verschaffung von Rechtsgewißheit in der Beurteilung eines Lebenssachverhalts und verbindliche Gesetzesinterpretation bezogen auf eine Normsituation stehen sich gegenüber. 6. Der Feststellungsstreit über die Rechtmäßigkeit verwirklichten Verhaltens führt nur dann zu einer funktionsgerechten Inanspruchnahme der Rechtspflegeorgane, wenn sich entweder aus dem Lebenssachverhalt Rechtsfolgen für eine Partei gegen die andere ergeben können oder der Kläger eine Entscheidung über eine einseitige, ihn verletzende Rechtsdurchsetzung des Beklagten begehrt. 7. Der Feststellungsstreit über die Normsituation ist zulässig, wenn das Urteil Maßstäbe setzen kann, die es jedenfalls verhindern, daß der Streit zwischen den Parteien erneut im gleichen Umfang entflammt. 8. Die Feststellungsstreite über den Lebenssachverhalt und die Normsituation können nicht in einer Klage verbunden werden. Soweit ein Feststellungsstreit über die Rechtmäßigkeit verwirklichten Verhaltens in Betracht kommt, ist der Feststellungsstreit über die Berechtigung zu dem Verhalten ausgeschlossen. Das Urteil über die Normsituation erfaßt im übrigen nur dann die Zeit vor der letzten mündlichen Verhandlung, falls der Kläger dies ausdrücklich beantragt. 9. Das Urteil, welches feststellt, daß ein vergangenes Geschehen rechtmäßig oder rechtswidrig war, wirkt nicht für gleichartige Konfliktsfälle. Das Interesse, Rechtsgewißheit für zukünftige, dem vergangenen ähnliche Sachverhalte zu gewinnen, kann nur im Feststellungsstreit über die Normsituation befriedigt werden.

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