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German Pages [688] Year 2012
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© 2012, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525557693 — ISBN E-Book: 9783647557694
Arbeiten zur Kirchlichen Zeitgeschichte Herausgegeben im Auftrag der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für Kirchliche Zeitgeschichte von Siegfried Hermle und Harry Oelke
Reihe A: Quellen Band 19
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Die Protokolle des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland Band 8: 1954/55
Bearbeitet von
Karl-Heinz Fix
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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-525-55769-3 ISBN 978-3-647-55769-4 (E-Book) © 2012, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen / Vandenhoeck & Ruprecht LLC, Oakville, CT, U.S.A. www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Printed in Germany. Gesamtherstellung: H Hubert & Co, Göttingen Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.
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INHALT
Einleitung I. Verwaltung statt Gestaltung. Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland im letzten Jahr seiner Amtsperiode 1954/55 . . . . . . . . . . . . 7 II. Editorische Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 Dokumente 41. Sitzung: Berlin, 11. Februar 1954 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42. Sitzung: Berlin, 13. März 1954 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43. Sitzung: Berlin, 19. März 1954 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44. Sitzung: Halle/S., 6./7. Mai 1954 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45. Sitzung: München, 24. Juni 1954 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46. Sitzung: Hannover-Herrenhausen, 1. Oktober 1954 . . . . . . . . . . . . . . . 47./48.Sitzung: Berlin, 10./11. November 1954 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49. Sitzung: Hannover, 12./13. Januar 1955 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50. Sitzung: Hannover, 2. Februar 1955 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51. Sitzung: Espelkamp, 7. März 1955 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
47 183 199 210 280 343 391 435 467 526
Kirchenkonferenz: Berlin, 12. Februar 1954 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kirchenkonferenz: Berlin, 11. November 1954 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kirchenkonferenz: Hannover, 3. Februar 1955 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kirchenkonferenz: Espelkamp, 7. März 1955 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
527 530 533 538
Chronologisches Dokumentenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 540 Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 567 Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 581 Personenregister/Biographische Angaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 587 Institutionen-, Orts- und Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 669
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I. VERWALTUNG STATT GESTALTUNG DER RAT DER EVANGELISCHEN KIRCHE IN DEUTSCHLAND IM LETZTEN JAHR SEINER AMTSPERIODE 1954/55 Im Frühjahr 1955 endete die erste reguläre Amtsperiode des Rates der EKD. Sie hatte mit einer Sitzung am 17. und 18. Februar 1949 in Darmstadt1 begonnen und sie endete mit der 51. Sitzung am 7. März 1955 in Espelkamp. In seinen elf Sitzungen seit dem 11. Februar 1954 arbeitete der Rat insgesamt 134 Tagesordnungspunkt mit zahlreichen Unterpunkten ab. Manche Themen hatten den Rat über Jahre hinweg beschäftigt. Seine Arbeit war aber auch durch Konstanten wie die Frage nach Recht und Grenze politischer Stellungnahme, den Konflikt zwischen Hans Meiser und Martin Niemöller oder konfessionelle Übersensibilitäten und Eifersüchteleien2 bestimmt und gehemmt. Besondere Initiativen ergriffen die Ratsmitglieder hingegen nicht, die Protokolle vermitteln eher den Eindruck, dass der Rat reagierte statt agierte. Zum „Bericht zur Lage“ der 44. Ratssitzung notierte der Ratsvorsitzende daher resigniert: „Aussprache über die geistliche Situation in der Kirche im Allgemeinen und im Rat im Besonderen. Die Schuld liegt entscheidend – wenn auch nicht allein – bei dem Verhältnis zwischen Meiser u. Niemöller. Dagegen ist kein Kraut gewachsen. Alle kirchlichen Gremien werden durch solche Gegensätze vergiftet, vollends wenn sie ins politische übergreifen“3. Neben diesen strukturbedingten Konflikten belastete Niemöllers z. T. kleinliche Klage über die Sitzungsprotokolle die Arbeit von Rat und Kirchenkanzlei4. Tatsächliche Mängel im Protokoll wie die durchgehend fehlenden Angaben des Sitzungsendes oder zweifelhafte Angaben zum
1 K.-H. Fix, Protokolle 3, S. 41–102. 2 Vgl. etwa Niemöllers Brief an Bernhard Karnatz vom 20. April 1954, in dem er sich darüber beschwerte, dass eine ihn betreffende Frage (Behandlung von Eingaben an die Synode) viel länger einer Beratung habe harren müssen als Meisers Anliegen zur Bibelrevision und den Angriffen Hermann Strathmanns (EZA Berlin, 4/46). 3 BArch Koblenz, N 1439, Nr. 3. An anderer Stelle notierte Otto Dibelius: „Die VELKDLutheraner sind nicht so stur, wie die Niemöller-Seite immer behauptet. Meiser ist schwierig, und die anderen haben immer das Bedürfnis, ihn nicht im Stich zu lassen“ (Brief an Hermann Kunst vom 30. Oktober 1954, 47/48E5). Er konnte aber auch über die starre Position Meisers klagen (G 2 zu 41B17), 4 45B1, 46B1 und 49B1. 1953 hatte Niemöller an Beschlüssen der Juni-Sitzung Anstoß genommen und um Ergänzung des Protokolls gebeten (D. Pöpping/P. Beier, Protokolle 7, 37B2, S. 303–305).
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Einleitung
Sitzungsbeginn5 blieben dagegen ebenso unbeanstandet wie die unvollständigen Angaben zu Zeit und Teilnehmern der 51. Sitzung. Im Folgenden wird die Arbeit des Rates in vier Themenbereiche gegliedert, die dem Schema Kirchliche und theologische Grundsatzfragen (A), Öffentliche Verantwortung der Kirche (B), Kirchliche und theologische Entwicklungen (C) sowie Verwaltung und Personalia (D) folgen.
A. Kirchliche und theologische Grundsatzfragen 1. Innerprotestantisch-konfessionelle Fragen und das Verhältnis zur römisch-katholischen Kirche Da Dibelius die innerprotestantisch-konfessionelle Frage – also die Machtverhältnisse zwischen der VELKD und den unierten Kirchen sowie die divergierenden Ekklesiologien – als Unruheherd für den Rat identifiziert hatte, strebte er eine Aussprache in der Kirchenkonferenz darüber an. Die Ratsmitglieder überstimmten ihn aber und wollten das Problem zunächst intern diskutieren6. Zugleich sollte die Gelegenheit genutzt werden, Informationen aus VELKD und EKU zu erhalten7. Da das zum Einstieg vorgesehene Referat Martin Haugs über die EKD in der Sicht einer der VELKD nicht angehörenden lutherischen Landeskirche – dies darf man wohl als Zeichen hoher Diplomatie werten – verschoben werden musste, berichtete Meiser am 1. Oktober 1954 über die Arbeit der VELKD. Eine Diskussion unterblieb allerdings ohne Angabe von Gründen8. Im November 1954 konnte Haug dem Rat endlich fünf „besorgte“ und in dieser Zusammenstellung ungewöhnliche „Fragen zum Wege der EKD seit 1948“ stellen. Er thematisierte den Umgang miteinander und die Rolle des Bekenntnisses. Dabei betonte er den Charakter der EKD als Bund bekennntnisverschiedener, aber dennoch eng verbundener Kirchen. An die VELKD richtete er trotz aller Bewunderung des in den zehn Jahren ihres Bestehens Geleisteten die kritische Frage, ob sie nicht zu selbstbewusst agiere. Durch interne politische Differenzen und all’ zu prononcierte Stellungnahmen Einzelner sah Haug die Grenzen kirchlichen Handelns überschritten und die Einheit der EKD gefährdet. Seine letzte Frage zielte auf die Kirchensteuer und die Saturiertheit einer Kirche mit guter finanzieller Ausstattung9.
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43B. 44B3a und c. 44B3b. 46B4. 47/48B3.
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Einleitung
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In dieser konfliktgeladenen Situation ergriff der Ratsvorsitzende eine bemerkenswerte Initiative. Am 20. November 1954 lud er in einem vertraulichen Schreiben Julius Bender, Martin Haug, Gerhard Jacobi, Ludolf Müller und Adolf Wüstemann für den Januar 1955 zu einer längeren Besprechung ein. Gegenstand der Beratungen sollte die Sammlung und Koordination derjenigen Landeskirchen sein, die weder der Evangelischen Konferenz10 – von Dibelius als „Niemöller-Kirchen“ tituliert – noch der VELKD angehörten. Mit Blick auf die kommende Synode sollte ein dritter Block geschaffen werden, um das kirchen- und personalpolitische Feld nicht allein der Evangelischen Konferenz und der VELKD zu überlassen. Als Ratsvorsitzender wollte sich Dibelius im Hintergrund halten und zunächst die Fragen klären, „was wir wollen und ob wir überhaupt etwas wollen“11. Ein anderer Aspekt, der mit diesem Versuch der Etablierung einer neuen Gruppe in der EKD zusammen hing, war die Unzufriedenheit mit der Arbeit der Kirchenkonferenz, die nur zwei Mal im Jahr tagte12. Im Zusammenhang eines Disputs Niemöllers mit Heinz Brunotte über die Protokolle der Kirchenkonferenz hatte der Kirchenpräsident die Aussage von „mindestens“ zwei Kirchenleitern angeführt, die das Protokoll der Kirchenkonferenz vom 11. November 1954 als Beweis ihrer „volle(n) Bedeutungslosigkeit“ werteten, so dass man eigentlich nicht mehr an ihr teilnehmen müsse13. Das Verhältnis zur römisch-katholischen Kirche wurde 1954 von der „Weihe des deutschen Volkes an das Herz der Gottesmutter Maria“ während des Fuldaer Katholikentages erheblich belastet. Dieser Akt setzte die 1942 vollzogene Weihe der Welt an das Unbefleckte Herz Mariens fort. Meisers konfessionell wie deutschlandpolitisch begründeter Protest gegen diesen Akt wurde vom Rat nachträglich gut geheißen14.
2. Reform des Theologiestudiums Eine prominent besetzte Kommission unter Vorsitz Hanns Liljes arbeitete seit 1952 mit reger Diskussionsbegleitung durch die akademische Theologie15 an Richtlinien für das Theologiestudium. Im Juni 1954 konnte sie dem Rat 10 Zur Evangelischen Konferenz vgl. J. Beckmann, Zeitgeschichte, S. 108f. Beckmann betonte besonders die Verantwortlichkeit und den Dienst für die EKD, damit diese nicht der „Aushöhlung und Verflachung“ anheim falle (S. 109). 11 LKA Stuttgart, A 126, Nr. 355, Bl. 284. 12 Vgl. hierzu das die Aufgabe der Dokumentation deutlich übersteigende Urteil von J. Beckmann, Zeitgeschichte, S. 108. 13 Brief Niemöllers an Brunotte vom 13. Dezember 1954 (EZA Berlin, 2/1698). 14 46B3a. 15 Vgl. u. a. W. Hahn/H.-H. Wolf, Reform; E. Käsemann, Kritik; F. Baumgärtel, Reform; H.-H. Wolf, Antwort.
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Einleitung
das Ergebnis ihrer Arbeit vorlegen und beantragen, dass der Rat die Richtlinien billige und sie den Kirchenleitungen, den Theologischen Fakultäten und Kirchlichen Hochschulen nachdrückliche empfehle und diese auffordere, bei den zuständigen staatlichen Stellen dafür zu werben16. Schwerpunkte der Richtlinien17, die noch Züge des Vorläufigen erkennen ließen, waren: 1.) Die Beibehaltung der Anforderungen in den Alten Sprachen. Dazu sollten die Kultusministerien zu einer Verbesserung des altsprachlichen Unterrichts aufgefordert werden, aber auch an den Fakultäten sollten mit Rücksicht auf die Studiendauer die Bemühungen um den altsprachlichen Unterricht verstärkt werden; 2.) Die Aufforderung an die Kirchenleitungen, ein Stipendien- und Förderwesen zu schaffen, das die Studierenden vom Zwang zur Erwerbsarbeit während der Semesterferien befreite; 3.) Die Schaffung von Beratungseinrichtungen, die zu einem eigenverantworteten, strukturierten, nicht verschulten Studium anleiten sollten. In den Prüfungen sollte Wert auf Wahlmöglichkeiten bei Fächern und Themen gelegt werden, die Lehrveranstaltungen sollten, wenn möglich, in ihrer Wochenstundenzahl reduziert und das erste Examen, dem keine Vorprüfungen oder Verkündigungstätigkeit voraus gehen sollten, auf die theologischen Kernfächer beschränkt werden. Die Vita Communis der Studierenden wurde zwar in ihrem Wert betont, jedoch nicht zur Pflicht gemacht und eher im Aufgabenbereich der Kirchlichen Hochschulen lokalisiert. Auch sollten Kirche und Staat engagiert Stellen des sog. Akademischen Mittelbaus erweitern; 4.) Die Bedeutung der Ausbildung nach dem ersten Examen sollte durch entsprechende Dienstverhältnisse und Lehrangebote stärker betont werden; 5.) Hinsichtlich des Frauenstudiums forderte man zwar bessere Arbeitsmöglichkeiten, umging aber die Frage der Frauenordination. Die Beratung der Richtlinien im Rat verzögerte sich dann aber, da die Landeskirchen nicht in dem erhofften Tempo antworteten18 und im November 1954 der Ausschuss umbesetzt werden musste19. Daher konnte der Rat die Richtlinien erst im Juli 1955 billigen und den Landeskirchen zuleiten20.
3. Militärseelsorge Unter zwei Aspekten behandelte der Rat im Jahr 1954 die künftige Militärseelsorge: wie sollte die evangelische Seelsorge in der neuen Armee organisiert sein und wer sollte sie leiten? Als Grundlage diente dem Rat ein um16 17 18 19 20
45B9. 45D7. 46B7. 47/48B5. Protokoll der 4. Ratssitzung vom 7. Juli 1955, Top 4 (EZA Berlin, 2/1798).
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fangreicher schriftlicher und ein mündlicher Zwischenbericht Benders21 über die bisherigen vier Sitzungen des Militärseelsorgeausschusses. Da im Juni 1954 im Rat Unklarheit darüber herrschte, wo der Leiter der evangelischen Militärseelsorge institutionell angesiedelt werden sollte, überließ er die Entscheidung der Kirchenkonferenz. Diese tagte am 11. November 1954, ohne das (westdeutsche) Thema zu beraten. Erst auf der anschließenden Tagung der Westkirchenkonferenz konnte Bender über die Militärseelsorge und die Frage der Leitung berichten. Hier fiel dann eine Mehrheitsentscheidung zugunsten eines nicht der „Wehrmacht“22 angehörenden leitenden Amtsträgers der EKD. Offen ließ man die Frage nach der Beteiligung der Pfarrer am lebenskundlichen Unterricht23 und nach ihrer Zuständigkeit für die Familien der Berufssoldaten24. Direkt im Anschluss an diese Beratungen beschloss der Rat, durch die Hinzuziehung von Jacobi, der für eine ausschließlich zivile Seelsorge an den Soldaten plädierte, der Debatte im Militärseelsorgeausschuss einen neuen Impuls zu geben25. Während Rat und Kirchenkonferenz noch über Grundfragen der Militärseelsorge debattierten, sondierte Dibelius bereits vertraulich Personalia. Als Reaktion auf den Dauerstreit um das Kirchliche Außenamt wollte er dessen unter den Auslandspfarrern unhaltbar gewordenen, im militärischen Bereich aber wohl tragbaren Vizepräsidenten Gerhard Stratenwerth als einen die Geschäfte führenden „Generalvikar“ einsetzen, Lilje sollte als Militärbischof fungieren. Hermann Kunst als intimer Kenner der Bonner Situation und der Militärseelsorge bis 1945 hielt Stratenwerth zwar für das Amt geeignet, er befürchtete jedoch große persönliche Differenzen zwischen dem vermuteten künftigen Verteidigungsminister Blank und Stratenwerth, bei dem Kunst die für das Bischofsamt notwendige menschliche Wärme vermisste26.
21 45E8. 22 An dieser aus der nationalsozialistischen Zeit stammenden, unbedachten Bezeichnung nahm niemand Anstoß. Als dagegen das Hilfswerk für die DDR die Bezeichnung „Mitteldeutschland“ verwandte, beschwerte sich Niemöller beim Ratsvorsitzenden, da diese abwertende Formulierung die Unterstützung durch die DDR u. a. in der Frage der Kriegsgefangenen gefährde (44A3 und 44B2). Niemöller sprach aber selbst auch von der „Regierung in Pankow“ (45D1). 23 Vgl. hierzu J. Müller-Kent, Militärseelsorge, S. 64–69. 24 45B5. 25 47/48B9. 26 47/48E3 und 47/48E4. Vgl. auch unten S. 41.
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4. Innerkirchliche Gesetzgebungsverfahren Kirchengesetz wurden vom Rat sehr unterschiedlich behandelt. Anlass zu Verzögerungen gaben dabei weniger die entstehenden finanziellen Folgen als die Furcht um die gesetzgeberische oder konfessionelle Souveränität der Landeskirchen. Erst im Februar 1954 konnten daher nach letzten Korrekturen die seit 1949 andauernden Beratungen des Kirchenbeamtenrechts der EKD abgeschlossen werden27. Nach einer letzten, von einem Ausschuss der Synode vorgenommenen Überarbeitung des Gesetzestextes ging es um die Frage, ob die EKD berechtigt sei, Gesetze mit Folgen für die Gliedkirchen zu erlassen. Dies bereitete Kunst, wie er schon vor der ersten Ratssitzung 1954 an Lothar Kreyssig schrieb, „wirkliche(n) Kummer“28. Beim geplanten Disziplinargesetz erhob die VELKD aus Gründen des Bekenntnisses „grundsätzliche Bedenken gegen eine gesamtkirchliche Regelung“ durch die EKD. Sie schlug statt dessen vor, dass die angestrebte Regelung nur für die Amtsstellen der EKD gelten sollte. Für den Bereich der VELKD sollte eine eigene, am lutherischen Bekenntnis orientierte Disziplinarordnung geschaffen werden29. Trotz dieser Ablehnung wollte der Rat den Entwurf der Synode vorlegen und ihr die Form der Abstimmung über das Gesetz überlassen. Diesen Plan behielt der Rat auch bei, nachdem die Kirchenkonferenz ein ablehnendes Votum abgegeben hatte30. Die Synode bewertete die Vorlage dann aber nur als „brauchbare Grundlage“, die ein Ausschuss weiter beraten sollte. Zugleich schränkte der Synodalbeschluss den Geltungsbereich auf „den unmittelbaren Bereich der EKD“ und auf „zustimmende Gliedkirchen“ ein31. Zwischen dem Beschluss der Synode, einen Ausschuss einzusetzen und dessen erster Sitzung vergingen sieben Monate32. Der Ausschuss änderte die Ratsvorlage an mehreren Punkten ab, eine Einigung über die Frage, ob das Gesetz nach Artikel 10 der Grundordnung beschlossen werden könne33, war jedoch noch fern. Der Rat beschloss nun, die Entscheidung über den Modus
27 41B13. „Kirchengesetz der Evangelischen Kirche in Deutschland über die Rechtsverhältnisse der Kirchenbeamten (Kirchenbeamtengesetz)“ (ABlEKD 1954, Nr. 4 vom 15. April 1954, S. 100–106). 28 Schreiben Kunst an Kreyssig vom 18. Januar 1954 (EZA Berlin, 614/45). 29 41D23. 30 41B17. 31 Berlin-Spandau 1954, S. 258 und 44B7. 32 46B13. 33 Die Grundordnung sah vor, dass die EKD Gesetze mit Wirkung für die Gliedkirchen erlassen können, wenn a), das Sachgebiet bereits vorher einheitlich geregelt war, oder b), wenn die beteiligten Gliedkirchen zustimmten (ABlEKD 1948, Nr. 5 vom 15. Juli 1948, S. 110).
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der Beschlussfassung der Synode zu überlassen und das Gesetz in der geänderten Form und mit Geltung für die Amtsstellen der EKD sowie die zustimmenden Gliedkirchen einzubringen. In Espelkamp wurde die Frage der Beschlussfassung mit einem Kompromiss gelöst. Neben Artikel 10b sollte auch Artikel 13 der Grundordnung angewandt werden. In ihm war die Abtretung von Rechten der Gliedkirchen an die EKD geregelt34. Nach vier Jahren35 gelangten endlich die Beratungen über das Auslandsdiasporagesetz der EKD zum Abschluss. Auch hier hatte die VELKD darauf gedrungen, dass das Gesetz mit Zustimmung der Gliedkirchen verabschiedet werde36. Keine grundsätzlichen Fragen berührten die Ostpfarrerrichtlinien, so dass der Rat der Erhöhung der Ostpfarrerversorgung ohne größere Debatte zustimmen konnte37. Auch das Gesetz über die Amtszeit und die Besetzung des Vorläufigen Schiedsgerichtshofs38 sowie die Richtlinien für den Dienst der Gemeindehelferinnen passierten den Rat problemlos39. Mit seiner Zustimmung zu den von der Synode beschlossenen Kirchengesetzen über die Umlage des Hilfswerks für das Rechnungsjahr 1955 und über die Änderung des Kirchengesetzes über die Besoldung und Versorgung der Kirchenbeamten der EKD beendete der Rat seine Amtszeit40. Einmütigkeit zwischen dem Rat der EKD und den meisten Landeskirchen herrschte darüber, dass man Verhandlungen mit den Gewerkschaften über Tarifverträge für kirchliche Arbeitnehmer vermeiden wolle41. Angestellte in Amtsstellen der EKD sollten aber analog zu Angestellten des Bundes besoldete werden.
5. Gemeinden und Kirchen im Ausland 5.1 Frankreich Eine schwierige Gemengelage aus französischer Außen- und Innenpolitik, der noch gut erinnerten deutschen Besatzungsherrschaft in Frankreich und aus konfessionellen Empfindlichkeiten bzw. Besitzansprüchen erschwerte das Wiederaufleben einer deutschsprachigen evangelischen Gemeinde in Pa34 49B5. 35 A. Silomon, Protokolle 4, 11B16b, S. 111; 13B2, S. 191 und 15B8, S. 215; D. Pöpping, Protokolle 5, 19B21, S. 46 und 20B10, S. 112f.; D. Pöpping/P. Beier, Protokolle 7, 38B10, S. 440 und 40B7, S. 541. 36 41B16. 37 41B7, 42B6 und 45B4. 38 41B8. 39 45B3. 40 51B1 und 51B2. 41 49B14.
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ris. Nachdem seit 1945 die in Paris lebenden deutschen Protestanten vom Comité Luthérien d’Aide aux Immigrants & aux Refugiés (CLAIR) betreut worden waren, hatte die EKD für den Weihnachtsgottesdienst 1953 und den Neujahrsgottesdienst 1954 einen Pfarrer nach Paris geschickt. Dies hatte CLAIR als Eingriff in seine Arbeit und in den Bekenntnisstand verurteilt und wohl auch unter Lutheranern in Deutschland entsprechend kritisch kommuniziert. Auf der Ratssitzung im März erkundigte sich Meiser daher nach dem Stand der Wiederbesetzung der Pfarrstelle in Paris42. Von Mitte März bis Ende April 1954 sandte das Kirchliche Außenamt den Mainzer Studentenpfarrer Christian Semler nach Paris, um dort die Ostergottesdienste zu feiern und Kinder zu konfirmieren. Darüber wurde auch CLAIR informiert, und das französische Innenministerium hatte zunächst seine Zustimmung avisiert, dann aber nach einer Aktion der Anwohner gegen die Rückkehr der deutschen Gemeinde von dieser abgeraten. Die hannoversche Landeskirche und Lilje nochmals explizit während der Ratssitzung kritisierten jedoch die Wahl Semlers, da er reformiert, die Pariser Christuskirche aber traditionell lutherisch sei und bisher mit Pfarrern aus der hannoverschen Landeskirche besetzt wurde. Das Kirchliche Außenamt erkannte den lutherischen Charakter der Kirche an, betonte aber Semlers Bindung an die CA und verwies auf die deutsche Botschaft, die die Entsendung eines Pfarrers trotz der von Lilje monierten ungeklärten Eigentumsfrage bezüglich der Christuskirche gefordert hatte. Angesichts dieser Sachlage beschloss der Rat, sich vom Kirchlichen Außenamt über die weitere Entwicklung unterrichten zu lassen. Zur selben Zeit traf bei Dibelius eine neuerliche Beschwerde von CLAIR über die mangelnde Kooperationsbereitschaft des Kirchlichen Außenamts ein. Er beruhigte die Lage mit dem Hinweis, dass die jetzige Regelung nur vorläufig sei, aber auf eine konfliktfreie Lösung hoffen lasse.43 Während dessen hatte die Pariser Gemeinde Semlers Osterpredigt jedoch mit abwegigen Argumenten als „reformiert“ identifizieren wollen44. Niemöller nahm schließlich Anstoß daran, dass im Sitzungsprotokoll von einer Beauftragung des Außenamtes die Rede war. Daraufhin wurde die Kirchenkanzlei beauftragt, die bisherige Sprachregelung des Rates gegenüber dem Kirchlichen Außenamt – werde dieses vom Rat beauftragt oder gebeten? – zu prüfen45. Dibelius’ Hoffnung auf eine friedliche Lösung zerschlug sich auf Grund der politischen Entwicklung in Frankreich. Das dortige Innenministerium hatte Semler am 11. Juni ohne Angabe von Gründen ausgewiesen, woraufhin Semler die deutsche Botschaft eingeschaltet hatte. Diese konnte beim 42 43 44 45
42B12. 44B8e. 44E11. 45D1, 45C1.
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Außenministerium erreichen, dass Semler, der seine Tätigkeit in Paris stets als vorübergehend verstanden hatte, weiter amtieren konnte. Hintergrund der Aktion war offenkundig der Versuch des Innenministeriums, in der durch die Niederlage Frankreichs im Indochinakrieg und dem Sturz der Regierung entstandenen Situation die Frage nach der Rückgabe der Christuskirche, also von „Feindeigentum“, die vom Kabinett entschieden werden musste, auf unbestimmte Zeit zu verschieben. Hierzu passt auch Marc Boegners Hinweis, dass das Innenministerium die Entsendung eines anderen deutschen Pfarrers nach Paris unterbinden wollte46. Als Nachfolger Semlers ernannte der Rat den westfälischen Pfarrer Christoph-Wilken Dahlkötter zum Seelsorger der „evangelischen Christen deutscher Herkunft“ in Paris47. Auftragsgemäß sollte er innerhalb von drei Jahren die Gemeinde unter Wahrung des lutherischen Bekenntnisses neu konstituieren. Um den Anspruch der hannoverschen Landeskirche nicht völlig zu ignorieren, sollte ihn der früher in Nizza amtierende Reiseprediger HansHelmut Peters in der Anfangsphase unterstützen48. Ein weiterer Schritt zur Normalisierung der Verhältnisse in Paris war dann der Beschluss des Rates vom Januar 1955, für Dahlkötter in Paris eine Dienstwohnung zu kaufen.49 5.2 Brüssel Die nach dem Krieg wieder entstandene und wachsende deutsche evangelische Gemeinde in Brüssel beschäftigte den Rat zwei Mal. Zunächst ging es um die Umschuldung der von hohen Zinslasten bedrückten Gemeinde. Hier musste zwischen EKD, Kirchlichem Außenamt und rheinischer Landeskirche eine Finanzierung gefunden werden. Im Februar 1955 billigte dann der Rat die Ordnung der neu konstituierten Gemeinde und deren Vertrag mit der EKD vom November 195450. 5.3 Kurkapellen in Italien Ohne Wissen der EKD, die von dem Vorgang nur per Zufall erfahren hatte, hatte der „Verein für Einrichtung deutsch-evangelischer Gottesdienste in Kurorten“ mit den Waldensern in Italien über Eigentum und Nutzungsrechte an den Kurkapellen verhandelt. Da von diesem Schritt die Interessen der VELKD berührt wurden, hatten Dibelius und Meiser das Kirchliche Au46 45B8f und 45E10–11. 47 46B11a. 48 Mit Pfarrer Erich Dahlgrün aus Rom hätte auch der frühere Auslandspfarrer in Paris zur Verfügung gestanden. 49 49B6. 50 44B8 und 50B9.
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ßenamt um Aufklärung gebeten. Kurz vor der März-Sitzung des Rates erläuterte Elisabeth Schwarzhaupt die komplexe Rechtslage dahin gehend, dass der Verein Eigentümer der Kapellen sei, die EKD aber über einen Vertrag aus dem Jahr 1930 an ihnen beteiligt sei und der Vertrag zwischen der Evangelisch-Lutherischen Kirche Italiens (ELKI) und der EKD aus dem Jahr 1952 ein Abkommen zwischen ELKI und Kurkapellenverein vorsehe. Zeitgleich hatte die ELKI, die ebenfalls erst spät von den Verkaufsplänen erfahren hatte, den Ratsvorsitzenden um Hilfe ersucht. Man argumentiert, dass aus den einstigen Kurkapellen zur Urlauberseelsorge feste deutschsprachige lutherische Gemeinden geworden seien. Den baulichen Unterhalt habe seit Jahren nicht der desinteressierte Verein, sondern der Lutherische Weltbund oder die ELKI getragen. In seiner Stellungnahme plädierte der Rat vorsichtig für ein Gespräch des Vereins mit der ELKI und für ein Nutzungsrecht für deutschsprachige evangelische Gottesdienste. Nach einer Inspektionsreise des Vereinsvorsitzenden Franz von Bernus nach Italien schien zunächst eine Entspannung der Lage einzutreten, da der Verein die Kapellen behalten und über Nutzung und Erhalt je nach lokaler Situation entscheiden wollte. Im Gespräch mit Niemöller kündigte von Bernus dann jedoch im Juni 1954 an, dass der Verein den alten Vertrag mit der EKD kündigen und mit den Waldensern über die Kapellen verhandeln werde, die Rechte der lutherischen Gemeinde in Italien sollten jedoch berücksichtigt werden. Obwohl der Vorstand des Kapellenvereins das Vorgehen von Bernus’ bestätigte, legte dieser im Juli einen moderateren Vorschlag über die Neuregelung der Besitzverhältnisse vor. Diese sollten nicht angetastet werden, über die Erhaltung und die Nutzung der Gebäude sollte individuell nach örtlicher Gegebenheit, etwa nach Gemeindegröße, entschieden werden51. 5.4 Brasilien Im Fall des fehlenden Pfarrernachwuchses in Brasilien wirkte das Kirchliche Außenamt als Vermittler zwischen Lutheranern und Unierten52. Da aus den Landeskirchen zu wenig Bewerber kamen, die Ausbildung in Brasilien noch in den Anfängen steckte und das Missionsseminar in Neuendettelsau nicht genügend Kräfte ausbilden konnte, hatte das Kirchliche Außenamt bereits 1953 den Versuch unternommen, Absolventen des Seminars der Rheinischen Mission in Barmen für Brasilien zu gewinnen53. Dies hatte verständlicherweise den freundlich formulierten Widerspruch Neuendettelsaus hervorgerufen, der auch von der Rheinischen Mission sehr ernst genommen wurde, 51 42B12, 44B8g und 44E13. 52 47/48B10. 53 47/48D12.
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obwohl sie zur Ausbildung von Pfarrern für Brasilien im Rahmen einer einvernehmlichen Lösung bereit war54. In Neuendettelsau sah man in der Entsendung unierten Geistlicher aus Barmen eine Gefahr für die lutherische Kirchwerdung in Brasilien, zumal man aus Australien unierter Neigungen verdächtigt wurde55. Der Rat regte daher auf Wunsch der Rheinischen Missionsgesellschaft und vor dem Hintergrund reger Gespräche und Briefwechsel zwischen den Beteiligten an, die Frage durch direkte Verhandlungen zwischen den Missionsseminaren zu klären. Ein Gespräch am 14. Dezember 1954 verlief dann zwar ruhig, aber ohne greifbares Ergebnis, so dass der Rat im Februar 1955 seine Entscheidung über eine finanzielle Unterstützung der Missionsanstalten ebenfalls vertagte56. Die Neuendettelsauer Missionsanstalt hatte kurz zuvor mitgeteilt, dass eine endgültige Entscheidung noch nicht gefallen sei, sich zugleich aber sehr skeptisch über den Einsatz unierter Pfarrer in einer lutherischen Kirche geäußert und die Verpflichtung der brasilianischen Gemeinden zur Heranbildung eines eigenen theologischen Nachwuchses betont. Am 25. Februar teilte die „Gesellschaft für Innere und Äussere Mission im Sinne der lutherischen Kirche“ dem Kirchlichen Außenamt die Ablehnung des Barmer Angebots mit, dennoch beschloss der Rat im April 1955, das Wuppertaler Missionsseminar mit 10.000.– DM zugunsten der Ausbildung von Predigern für Brasilien zu unterstützen57. 5.5 Großbritannien Ein Musterbeispiel für den Kampf zwischen Kirchlichem Außenamt und VELKD um die Oberhoheit über Auslandsgemeinden ist der seit 1953 andauernde Streit um den „Geistlichen Rat für die evangelisch-lutherische Arbeit unter deutschsprachigen evangelischen Christen in Groß-Britannien“. Die Pläne des Geistlichen Rates, die deutschen Auslandsgemeinden in Großbritannien zu einem eigenständigen lutherischen Kirchenwesen zu sammeln und die dabei zu Tage getretene Tendenz, auch Gemeinden nach außen vertreten zu wollen, die an ihrem Anschlussverhältnis zur EKD festhalten wollten bzw. nicht lutherischen Bekenntnisses waren, hatten im Kirchlichen Außenamt für erheblichen Unmut gesorgt. Hinzu kam die Absicht der VELKD, mit dem Geistlichen Rat einen Vertrag zu schließen58. Als der Rat im Februar 1955 über die Angelegenheit sprach, hatte bereits ein Gespräch
54 55 56 57
47/48E6. 47/48D13. 50B6. 50E1–2 und Niederschrift über die 2. Sitzung des Rates der EKD in Berlin (EZA Berlin, 2/1798). 58 50D15.
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zwischen Kirchlichem Außenamt und Geistlichem Rat stattgefunden (Mitte Oktober 1954), das aufgrund der wenig diplomatischen Sitzungsvorbereitung des Geistlichen Rates in einer äußerst angespannten Atmosphäre verlaufen war. Unter diesen Voraussetzungen war dem Rat sehr daran gelegen, durch die Gestaltung der Sitzung – es wurden Kirchliches Außenamt und VELKD mit sehr kontroversen Positionen gehört – und durch die Beschlussfassung die Wogen zu glätten59. In diesem Bemühen wurde er von der Synode von Espelkamp, auf der Johannes Fokken die VELKD wegen des Vertragsplanes scharf angegriffen hatte, unterstützt60, während im Tätigkeitsbericht des Kirchlichen Außenamtes für Espelkamp das Vorgehen des Geistlichen Rates nochmals sehr kritisch dargestellt wurde61.
6. Ökumene 6.1 Zweite Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen in Evanston Nachdem bereits im Jahr 1953 auf zahlreichen Sitzungen des Rats über die 35-köpfige EKD-Delegation für Evanston beraten worden war62, setzte sich dies bis weit in das Jahr 1954 fort. Da bei Absagen der eigentlich vorgesehenen Teilnehmer nicht automatisch deren Stellvertreter herangezogen wurden63, kam es zu Differenzen zwischen Niemöller und Dibelius: Ersterer erkannte in der Auswahl der Teilnehmer eine Ungleichbehandlung der unierten Landeskirchen gegenüber den – wie Niemöller polemisch formulierte – „sogenannten lutherischen“. Zudem seien die westlichen Landeskirchen gegenüber Berlin-Brandenburg im Nachteil. Der Ratsvorsitzende verwies dagegen auf die komplexe Struktur der EKD-Delegation und auf die notwendigen englischen Sprachkenntnisse. Die Spannung zwischen Kirchlichem Außenamt und Kirchenkanzlei bzw. Rat wegen der Entsendung des bayrischen Oberkirchenrats Hans Schmidt an Stelle Meisers blieb aber bestehen64. Der Verlauf von Evanston – Dibelius wurde dort zum Präsidiumsmitglied des ÖRK gewählt – wurde im Rat als wenig aufregend beurteilt, positiv wurden v. a. die persönlichen Kontakte und die Annäherung an die anglikanische Kirche bewertet. Hinter den Kulissen kam es freilich zu einem 59 60 61 62
50B16. Espelkamp 1955, S. 448f. Ebda., S. 595f. D.Pöpping/P. Beier, Protokolle 7, 35B21, S. 164; 36B9, S. 227ff.; 37B12, S. 316; 38B7, S. 436f.; 39B3, S. 489 und 40B8, S. 542, und das Protokoll der Kirchenkonferenz am 10. September 1953 (Ebd., S. 653f.). 63 47B10. Zur endgültigen Zusammensetzung der Delegation vgl. auch 44B8 und 45B8. 64 42B1.
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Streit zwischen Dibelius und dem auf der Sitzung abwesenden Niemöller, da letzterer in Evanston Reinold von Thadden-Trieglaff favorisiert hatte65. Dass der Punkt vom Ratsvorsitzenden unter „Bericht zur Lage“ abgehandelt wurde, zeigt, dass er keinesfalls in die Belange Niemöllers eingreifen wollte. 6.2 Reisen in die UdSSR und in die ČSR Die wichtigste ökumenische Reise fand vom 19. Juni bis zum 6. Juli 1954 statt. In dieser Zeit besuchte eine deutsch-deutsche Gruppe von Geistlichen und Laien auf Grund der Vermittlung Otto Nuschkes und auf Einladung des Patriarchen Alexius von Moskau und ganz Rußland Moskau, Sagorsk, Leningrad, Kiew und Odessa, um die kirchlichen Verhältnisse in der UdSSR kennen zu lernen. Auf östlicher Seite erhoffte man sich, über gute Beziehungen zur EKD dem westlichen Christentum wieder näher zu kommen. Der Rat beschloss hierzu unter dem Tagesordnungspunkt „Bericht zur Lage“66, den Besuch nicht als amtlich zu deklarieren und auch keine eigene Pressemeldung zu veranlassen. Zudem wurde darüber diskutiert, ob künftig „Persönlichkeiten von gesamtkirchlicher Bedeutung“ Pläne für größere Auslandsreisen nicht mit dem Rat oder dem Ratsvorsitzenden melden oder sogar das Auswärtige Amt informieren müssten67. Trotz des „privaten“ Charakters wurde der Rat über die Reise und ihre Ergebnisse genauestens mündlich und schriftlich unterrichtet68. Über Umwege (Botschaft der ČSR – Nuschke – Heinrich Grüber) kam eine Einladung zum Besuch der evangelischen Kirchen in der ČSR an den Rat, die dieser auch prinzipiell annehmen wollte69, doch legte man Wert darauf, dass Einladungen an die EKD zu Besuchen in „Länder des Ostens“ von einer kirchlichen Stelle ausgingen. Dem entsprechend erfolgte die zweite Einladung an die EKD durch den Ökumenischen Rat der Evangelischen Kirchen in der ČSR. Kunst plädierte in diesem Zusammenhang dafür, dass die EKD-Delegation – auch durch das Auswärtige Amt – intensiv auf die politische Lage in der ČSR vorbereitet werde70. Vom 19. bis 30. März 195571 bereiste die neunköpfige Gruppe, in der Josef Hromádka entgegen der eigentlichen Planung unbedingt auch Heinemann und Thadden-Trieglaff vertreten sehen wollte, die ČSR. 65 66 67 68 69 70 71
46B3. 45B2b. Gegen diesen Beschluss protestierte Niemöller zu Protokoll vehement (46B1). 46B3d. 46B3e. 49B7. Dibelius, Gustav Heinemann und von Thadden reisten bereits nach drei Tagen wieder zurück (W. Niesel, Ereignis, S. 208).
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7. Unterstützung der östlichen Gliedkirchen Gewohnt diskret behandelte der Rat seine finanziellen Leistungen an die östlichen Gliedkirchen im Rahmen des kirchlichen Hilfsplans auf der Grundlage ausführlicher Berichte über die angespannte Finanzlage der Landeskirchen in der DDR und die dortige Versorgungssituation72. Besonders kirchliche Mitarbeiter und Ruheständler litten darunter, dass ihrer unterdurchschnittlichen Besoldung überdurchschnittliche Lebenshaltungskosten gegenüber standen, daher schien eine – aus eigenen Mitteln jedoch nicht zu bewältigende – Erhöhung der Bezüge dringend notwendig. Doch bereits jetzt waren die kirchlichen Haushalte bei zurück gehenden Kirchensteuereinnahmen und sinkenden staatlichen Zuwendungen stark mit Personalkosten belastet, so dass für die theologische Arbeit, etwa für die Christenlehre, zu wenig Mittel zur Verfügung standen73. Die wirtschaftliche, seelsorgerliche und theologische Situation in den östlichen Gliedkirchen beschäftigte auch die Synode in Spandau. Ihr Ost-WestAusschuss legte dazu dem Rat einen detaillierten Maßnahmenkatalog vor, den der Rat an die Kirchenkanzlei zur Bearbeitung überwies74. Neben der Förderung theologischer Arbeit wie der Berliner Bibelwochen, ging es um den Ausbau von Besuchsdiensten, Patenschaften und Gemeindebegegnungen, um Erholungsmöglichkeiten für kirchliche Mitarbeiter, um die materielle Unterstützung der Pfarrer in der DDR, u. a. durch ein Solidaritätsopfer ihrer westlichen Kollegen, um die Versorgung mit theologischem Schrifttum, aber auch um die Werbung unter westdeutschen Ärzten und Krankenschwestern, in den Osten überzusiedeln und dem dortigen medizinischen Fachkräftemangel zu begegnen. Für in den Westen geflüchtete Schüler sollte für eine Unterbringung bei Familien gesorgt werden. Den westlichen Gliedkirchen empfahl die Kirchenkanzlei zwei Monate später75, über die Pfarrvereine eine Opferaktion in die Wege zu leiten, mit der die dringendsten materiellen Bedürfnisse der Pfarrer im Osten, aber auch – auf Antrag Wilhelm Niesels – in Österreich, gestillt werden sollten76. Zwischenzeitlich hatte der Rat erneut über den Antrag des Ost-West-Ausschusses verhandelt und die Form der Ausführung konkretisiert. Im Fall der Werbung unter den westlichen Gliedkirchen zur Beteiligung an den Berliner
72 73 74 75 76
41B5. 41E7. 43B3 und 43D1. 43E2. Der wohl eher dem Wunsch der Kirchenkanzlei als dem Wunsch der Landeskirchen entspringende Plan, die Unterstützung der Pfarrer im Osten einheitlich zu regeln (46B16), wurde am 11. November auf der Westkirchenkonferenz beraten und dann am 15. Dezember nach Absprache mit dem Finanzbeirat der EKD, dem Verband der Pfarrvereine und dem Hilfswerk geregelt (46E5).
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Bibelwochen zeigte sich jedoch, dass die innerkirchlichen Mühlen langsam mahlten, und Mitte 1955 musste die Kirchenkanzlei der EKU bekennen, dass die westlichen Gliedkirchen nur ein geringes Interesse an der Berliner Bibelwoche hatten77.
B. Öffentliche Verantwortung der Kirche 1. Stellungnahmen des Rates zur Deutschlandpolitik Im Februar 1954 appellierte der Rat an die vier in Berlin tagenden Außenminister der Siegermächte, sich besonders der deutschen Einheit anzunehmen. Eine dauerhafte Teilung gefährde den Frieden und die Demokratie78. Gegenüber dem Entwurf79 zeichnete sich das Telegramm des Rates durch die Betonung seiner gesamtdeutschen politischen Verantwortung und der „Naturgemäßheit“ der deutschen Einheit aus. Zusammen mit der Kirchenkonferenz verabschiedete der Rat zudem ein Wort zur deutschen Wiedervereinigung, in dem man freie Wahlen in ganz Deutschland forderte und auch die Sicherheitsbedürfnisse der Nachbarn – wenn auch ohne eigenen Lösungsvorschlag – anerkannte80. In einem zweiten Wort forderte der Rat die Freilassung der – innenpolitisch verharmlosend, außenpolitisch provozierend – als „politische(n) Gefangene(n)“ bezeichneten inhaftierten Kriegsverbrecher durch die Besatzungsmächte81. Auf eine unmittelbar vor der Ratssitzung entstandene Anregung des Bruderrats der EKD beschloss der Rat im Mai 1954 unter dem Tagesordnungspunkt „Bericht zur Lage“, zum Atombombentest der USA vom 1. März und dessen Folgen „ein Wort der Verantwortung und des Protestes“ zu erarbeiten82. Dibelius, Lilje und Niemöller sollten, beraten von einem Juristen und einem Physiker, das Votum möglichst schnell und ohne einseitige politische Positionierung formulieren. Dibelius’ Entwurf eines internationalen kirchlichen Appells an die Regierungen83 war sowohl hinsichtlich der Einschätzung des Vernichtungspotenzials und der Langzeitschäden der 77 78 79 80 81
44B4a. 41B1. 41E1. 41C1. 41C2. Vgl. auch unten, S. 27, die Bitte an den Rat, sich für die Kriegsgefangenen einzusetzen. 82 J. Beckmann, Zeitgeschichte, S. 67, monierte wenig später, dass zahlreiche Kirchen wegen der Kernwaffentests vor einem möglichen atomar geführten Krieg gewarnt hätten. „Nur in Deutschland fehlte es zunächst an derartigen Stimmen der Kirche, obwohl hier ganz besondere Anlässe zu einer Stellungnahme vorlagen“. 83 44E2.
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Wasserstoffbomben als auch hinsichtlich der Folgen des aktuellen Tests deutlich realistischer als die verharmlosende und einseitig pro-amerikanische Stellungnahme des Physikers Pascual Jordan. Dieser erregte mit seinem Votum bei Niemöller so große Verärgerung, dass er – erfolglos – die Mitwirkung eines anderen Physikers forderte, gleichzeitig Jordan in einem Brief der Unkenntnis bezichtigte und seine Unterschrift unter den überarbeiteten Text der Erklärung verweigerte84. Niemöllers heftige Wortwahl gegenüber Jordan verärgerte wiederum nicht nur den Physiker, sondern auch Haug erheblich85. Zugleich war das Votum Jordans aber Anlass für Niemöller, sich in Absprache mit den Mitgliedern der Kirchenleitung anlässlich der Jahrestagung der Max-Planck-Gesellschaft in Wiesbaden durch Physiker über die möglichen Folgen eines atomaren Krieges informieren zu lassen. Über Dibelius wollte er auch interessierte Ratsmitglieder zu diesem Treffen einladen86. Begleitet wurde diese Stellungnahme des Rates von einer Vielzahl von Telegrammen, Briefen und Unterschriftenlisten aus Betrieben und Friedensräten sowie von Einzelpersonen aus der DDR. Der zeitlich enge Rahmen der Aktion und die Bezeichnung des Rates als „Kirchentag“ oder „Deutscher Evangelischer Kirchenrat“ lassen jedoch Zweifel an der Authentizität der Aktion aufkommen87. Mit der Unterzeichnung der sog. Pariser Verträge durch die Bundesregierung am 23. Oktober 1954 wurde die Bundesrepublik bei Verzicht auf die Herstellung atomarer, biologischer und chemischer Waffen in die NATO und die Westeuropäische Union aufgenommen. Zugleich wurde das Besatzungsstatut vom Mai 1949 aufgehoben. Diese Entwicklung führte in Deutschland zu heftigen Auseinandersetzungen bis hin zur Gründung der sog. Paulskirchen-Bewegung als von SPD, Gewerkschaften und Teilen der evangelischen Kirche getragenen außerparlamentarischen Initiative, in der Heinemann eine zentrale Rolle spielte88. Den Beteiligten ging es in erster Linie darum zu vermeiden, dass die Wiedervereinigung zugunsten der Westintegration aufgegeben wurde. Neben Heinemann und Helmut Gollwitzer hatten sich auch viele andere Pfarrer und Laien in Wort und Schrift sowie Eingaben an Bundestagsab84 Niemöller kritisierte noch im Dezember 1960 das Vorgehen der EKD öffentlich in einem Vortrag in Saarbrücken und wiederholte seine Polemik gegen Jordan. Zugleich behauptete er, die EKD habe eine Warnung vor der Atom- bzw. Wasserstoffbombe „unterlassen“ (M. Niemöller, Christ, S. 194). 85 44B1, 45B2. 86 Brief an Dibelius vom 1. Juni 1954 (ELAB, 603/B 15). Später wurde Niemöllers Gespräch u. a. mit Carl Friedrich von Weizsäcker und Otto Hahn zum Urdatum seines Pazifismus verklärt (H. Gollwitzer/G. Scharffenorth, Protestantismus, S. 242). 87 EZA Berlin, 4/499. 88 J. Beckmann, Zeitgeschichte, S. 75–85; J. Vogel, Kirche, S. 192–201.
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geordnete89 an der Debatte beteiligt, sich dabei aber „streng auf die aktuelle politische Situation bezogen und sich prinzipieller theologischer und ideologischer Überlegungen“ enthalten90. Auf der Sitzung im Januar 1955 diskutierte der Rat intensiv diese Voten. Da aber keine Einigung zu erzielen war, sollten die Verhandlungen der Westkirchenkonferenz abgewartet werden. Deren Ergebnis war die harmonisierende Mahnung zur Zurückhaltung und die Betonung des Konsenses hinter allem Dissens, des Respekts und der Rücksichtnahme auf andere, widerstreitende politische Positionen. Zugleich wurde mit dem Hinweis auf künftig häufiger durchzuführende Westkirchenkonferenzen ein Kommunikationsdefizit eingestanden91. Aufgrund des Ergebnisses der Westkirchenkonferenz vermochte der Rat in seiner „Ratlosigkeit“92 jedoch noch immer keine einheitliche Antwort auf die Frage nach Recht und Grenze politischer Stellungnahmen durch Pfarrer zu geben. Er gab das Problem daher an die Kirchenkonferenz in Hannover und die Synode von Espelkamp ab93. Die nach langer redaktioneller Bearbeitung zu Stande gekommene Stellungnahme der Kirchenkonferenz, die allen Pfarrern bekannt gemacht werden sollte, zeigte deutlich, dass die EKD zu den Pariser Verträgen und ihren Folgen für den Ost-West-Konflikt keine eindeutige Antwort bieten und daher nur zur Zurückhaltung im politischen Meinungsstreit mahnen konnte94.
2. Begleitung der staatlichen Gesetzgebung 2.1 Ehe- und Familienrecht Seit 1951 begleitete eine Kommission der EKD die Gesetzgebung des Bundestages zum Ehe- und Familienrecht sowie die Diskussion innerhalb der EKD95. Der Kommissionsvorsitzende Friedrich Karl Schumann unterrichtete auf der Februarsitzung den Rat ausführlich über die fünf aktuell beratenen Gesetze zu Ehe und Familie96. Beim Familienrechtsgesetz beließ es der Rat bei seinem Votum von 1952, dies sollte auch der Bundesregierung mit89 Das auf eine Initiative des Geisenheimer Pfarrers Sauer zurück gehende Wort an die Bundestagsabgeordneten zu den Pariser Verträgen vom Dezember 1954 hatte auch Ernst Wilm mit Angabe seines Amtes unterzeichnet. Der Text wurde besonders von der CDU/ CSU-Fraktion wegen seiner Wortwahl und seiner antiwestlichen, aufrüstungskritischen Stoßrichtung scharf kritisiert (A. Permien, Protestantismus, S. 169–171). 90 J. Vogel, Kirche, S. 198. 91 49B8 und 50E3. 92 J. Vogel, Kirche, S. 198. 93 50B13. 94 50C4. 95 D. Pöpping/A. Silomon/K-H. Fix, Protokolle 6, S. 21–24, 96 41B5.
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geteilt werden. Die Synode legte jedoch Wert darauf, dass die Rechte von Mutter und Kind nicht geschmälert waren97. Zum Ehegesetz wollte man sich gegen den Wunsch der Kommission98 erst äußeren, wenn das Gesetz vorlag. Offenkundig lag hier das Interesse des Rates bei der Frage der Ehescheidung. Eine Beratung der Frage, ob die Zivilehe obligatorisch oder fakultativ sei, hielt der Rat dagegen noch für verfrüht99. Als man sich im Oktober 1954 erneut mit Ehefragen befasste, lautete der Tagesordnungspunkt mit deutlicher Schwerpunktverschiebung „Eherechtskommission“. Der Rat nahm sowohl die neue Zusammensetzung des Gremiums als auch des Votum der Ostkirchenkonferenz zum Eherecht in der DDR zustimmend zur Kenntnis100. Aus Zeitmangel hatten Vertreter der Kirchenkanzlei – Berliner Stelle –, landeskirchliche Beauftragte und Vertreter der Eherechtskommission zum Entwurf eines neuen Familienrechts in der DDR ausführlich Stellung genommen. Dieses Votum musste aber vom Rat bestätigt werden101. Nach einleitenden Gedanken zur gesamtdeutschen Verantwortung, die zu einem parallelen Familienrecht in Ost und West verpflichte, und nach der Darlegung des protestantischen Eheverständnisses, das den Schutz des Staates für das Institut Ehe fordere, wurde das DDR-Familiengesetz einer detaillierten Kritik unterzogen. Es sei der Ideologie des atheistischen Materialismus untergeordnet, setze Mann und Frau unterschiedslos gleich und sprenge mit der Vorstellung der Berufstätigkeit beider Ehepartner die der Ehe innewohnende Gemeinschaft. Auf Kritik stießen auch die Zuweisung von Erziehungsaufgaben an die FDJ, die geringen Hindernisse für eine Ehescheidung und die Möglichkeit der Eheleute, verschiedene Namen zu führen. Mit Zustimmung des Rates konnte die Eherechtskommission ihre grundsätzlichen Erwägungen zum Eherecht den Bundestagsabgeordneten vorlegen. Dieser Text empörte die zuvor informierte Schwarzhaupt jedoch so, dass sie kurzzeitig mit einer eigenen Stellungnahme aus der Perspektive der kirchlichen Frauenverbände drohte102. In der Stellungnahme der Eherechtskommission wurden z. T. Positionen aus dem Votum der Ostkirchenkonferenz übernommen (Freiheit von staatlichen Eingriffen, gegen Ehescheidung, einheitlicher Familienname, Berufstätigkeit der Frau, volle Gleichberechtigung der Ehefrau) und für die Rolle der Ehemänner bzw. Väter durch ausführliche theologische Sprachspiele ein dritter Weg zwischen Gleichberechtigung der Frau und dem „überlieferten Patriarchalismus“ definiert, ohne 97 98 99 100 101 102
F. Merzyn, Kundgebungen, S. 130–136; 44B1a. 41D3. Vgl. 42B13. 46B14a und b. 46D9 und 10. 46B14c mit 46E2.
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aber Zweifel an der Vorrangstellung des Mannes aufkommen zu lassen. Zugleich wurde deutlich, dass in der Kommission etwa in der Frage, ob es ein Letztentscheidungsrecht des Mannes gebe, Uneinigkeit herrschte. 2.2 Kriegsdienstverweigerung und Wehrdienst von Geistlichen Im Grundgesetz vom 23. Mai 1949 war das Recht auf Kriegsdienstverweigerung als Grundrecht festgelegt worden (Art. 4, 3). Die rechtliche Grundlage der Wehrpflicht wurde allerdings erst im Wehrpflichtgesetz vom 21. Juli 1956103 geschaffen. Um über den Gesetzgebungsprozess informiert zu sein und um seine eigene Linie abstimmen zu können, sollte Kunst dem Rat nähere Informationen verschaffen104. In einem ersten Bericht105 machte er dem Rat vertrauliche Bonner Interna kund, die der Rat auch schriftlich vorliegen haben wollte. Erst nach der Oktobersitzung des Rates106 konnte Kunst den Ratsmitgliedern streng vertraulich den Gesetzentwurf zukommen lassen, ohne dass freilich noch darüber beraten worden wäre. Nach der Synode von Espelkamp setzte der Rat jedoch auf deren Anregung hin einen Ausschuss ein, der „die politischen Stellen bei der Ausarbeitung eines Gesetzes über den Rechtsschutz für Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen beraten“ sollte107. Bereits im Februar 1952 hatte der Rat mit der Bundesregierung über den Wehrdienst von Geistlichen verhandelt, sich aber im März des Jahres eine endgültige Entscheidung vorbehalten108. Verhandlungsgrundlage sollte sein, dass „prinzipiell alle ordinierten evangelischen Geistlichen von der Wehrdienstplicht befreit werden“109. Im Rahmen der Verhandlungen zwischen dem Militärseelsorgeausschuss der EKD und dem Amt Blank über die Militärseelsorge wurde auch die Befreiung der Geistlichen vom Wehrdienst und die Zurückstellung der Theologiestudenten vom Wehrdienst thematisiert. Die Ausschussmitglieder kamen zu dem einmütigen Ergebnis, dass aus theologischen Gründen ordinierte Pfarrer nicht zum Wehrdienst herangezogen werden sollten. Eine Zurückstellung der Theologiestudenten vom Wehrdienst lehnte man hingegen ab110. In seiner Januar-Sitzung 1955 bestätigte der Rat „mit Mehrheit“ diese Position hinsichtlich der ordinierten Pfarrer,
103 104 105 106 107
BGBl I, 1956, S. 651–661. 44B12. 45B6. 46B9. Niederschrift über die 1. Sitzung des Rates der EKD am 11. März 1955 in Espelkamp (EZA Berlin, 2/1798). 108 D. Pöpping/A. Silomon/K.-H. Fix, Protokolle 6, 28B13, S. 91. 109 Ebd., 28D14, S. 126. 110 45E8.
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da das Amt Blank auf eine endgültige Klärung der Frage durch die Kirchen drängte. Es sollte so die Seelsorge in der Heimat gesichert werden, ohne jedoch in der Umkehrung die Militärseelsorge zu gefährden111. 2.3 Personenstandsgesetz Bereits drei Jahre vor in Kraft Treten des Personenstandsgesetzes versuchte die CDU-Bundestagsfraktion, eine – letzten Endes an der katholischen Kirche gescheiterte – einheitliche Linie der Kirchen beim so genannten Voraustrauungsverbot (§ 67) zu erreichen112. Im Personenstandsgesetz vom 3. November 1937113 war für die Vornahme einer kirchliche Trauung, ohne dass das Paar zuvor vor dem Standesbeamten erklärt hatte, die Ehe eingehen zu wollen, noch eine Geldstrafe bzw. eine Haftstrafe von bis zu fünf Jahren vorgesehen gewesen. Die Strafandrohung sollte nun wegfallen, ohne dass das Verbot davon berührt wurde. Der Rat strebte eine Minderung des Strafmaßes an und betonte zugleich die Beibehaltung der obligatorischen Zivilehe114. In diesem Zusammenhang wurde auch deutlich, dass die Kommunikation zwischen der EKD und der Bundesregierung verbesserungswürdig war und die sich wandelnde Position der EKD in Bonn Irritationen hervor rief115. 2.4 Kontakte zu den Parteien In enger Zusammenarbeit mit der Kammer für Öffentliche Verantwortung bereitete der Rat seit Ende 1953 ein offiziell von Kunst vermitteltes Treffen mit Vertretern der SPD über das Thema „Recht und Grenzen der persönlichen Freiheit“ vor116. Diesem sollte ein Gespräch mit der FDP folgen, die – zumindest aus bayerischer Sicht – aus einem liberal-kirchenkritischen und einem für die Kirche aufgeschlossenen Flügel bestand, zu dem man in Verbindung treten sollte. Martin Blanks Bericht über sein vorbereitendes Gespräch mit Kunst117 zeigt freilich, dass man in der FDP weder über die Personalien in der EKD genau orientiert war, noch über den Sinn des Treffens, das Blank durchgängig als „offizielle Verhandlungen“ definierte. Die harmonisch und konstruktiv verlaufenden Gespräche mit SPD und FDP am 17.
111 49B12, vgl. zur katholischen Position und zur Debatte im Bundestag: G. Assenmacher, Wehrpflichtbefreiung, S. 79–83. 112 42B13, vgl. auch 41B5 mit 41E3. 113 RGBl I, 1937, 1146–1152, 1152. 114 43B4. 115 43E4. 116 41B21, 44B5, 46B6, 50B14. Vgl. auch 47/48B1. 117 44E7.
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bzw. 18. Januar 1955 sollten zugleich ein Treffen mit der CDU vorbereiten, das jedoch im Jahr 1955 nicht mehr zu Stande kam. 2.5 Folgen des Krieges Wie in den Vorjahren musste sich der Rat mit der Bewältigung der Folgen der NS-Herrschaft über Europa und des Krieges befassen, wenn auch mit unterschiedlichen Zielrichtungen und mit differierendem Motivationsgrad: Eine Anregung von außen, sich zugunsten deutscher Kriegsgefangener einzusetzen, behandelte der Rat dilatorisch118, obwohl der Antragsteller allein der Kirche die Chance zusprach, auch mit einer öffentlich vorgetragenen Forderung nach Freilassung Erfolg zu haben. Deutlich weniger erfolgreich als erhofft war der Rat mit seiner Unterstützung der Überlebenden des SSMassakers im französischen Oradour-sur-Glane119. Trotz des den eigentlichen Tatbestand vertuschenden Titels „Spende für französische Waisenkinder“ erreichte das Spendenaufkommen nicht einmal die Hälfte des vorgesehenen Betrages, so dass der Rat die Summe aus Mitteln der EKD aufstockte120. Mit großem Engagement befasste sich der Rat nach anfänglichem Zögern121, dann aber mit Resonanz bis in die entsprechende Bundestagsdebatte hinein, mit der nur sehr schleppend vorangehenden Zahlung von Wiedergutmachungsleistungen durch die deutschen Behörden122. Erst auf Initiative Grübers kam neben dem Schreiben an die Bundesregierung auch ein Schreiben an die Regierung der DDR zustande123. Mit Betroffenen scheint sich – auf Grund seiner früheren Tätigkeit zugunsten rassisch Verfolgter dafür sensibilisiert – nur Grüber verständigt zu haben. 2.6 Berichte zur Lage Die Berichte zur Lage waren 1954 wie schon 1953 zweigeteilt. Neben Kunst und Grüber berichteten auch einzelne Ratsmitglieder, der Ratsvorsitzende kommentierte wiederholt die Weltpolitik. Anders als im Vorjahr war nicht 118 47/48B7. 119 41B11. 120 Erst nach der Ratssitzung rief Wilm die westfälischen Gemeinden dazu auf, in einem Passionsgottesdienst „ein besonderes Opfer“ für Oradour zu bringen (Rundschreiben vom 18. Februar 1954 in: Junge Kirche 1954, S. 144). Annähern zeitgleich mit dem Aufruf erschien in einer Zeitschrift der evangelischen Männerarbeit ein Aufsatz über Oradour und das Gerichtsverfahren gegen die Täter (H. Wilhelmy, „Oradour“). 121 Zur bisher sehr zurückhaltenden Stellung der EKD gegenüber der Wiedergutmachung vgl. C. Goschler, Wiedergutmachung, S. 206ff, und D. Pöpping/P. Beier, Protokolle 7, 38B8, S. 437f. 122 49B9 und 50B15. 123 50C2 und 50C3.
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mehr vom „Bericht über die kirchliche Lage“124 die Rede, aber auch die Überschrift „Bericht zur Lage“ ist nur zum Teil richtig. Neben Informationen zur aktuellen politischen Situation wurden auch Gegenstände beraten, die einen eigenen Tagesordnungspunkt wert gewesen wären. Diese werden in dieser Einleitung im jeweiligen sachlichen Zusammenhang erörtert. Auf der ersten Ratssitzung entstand aus dem Bericht des Vorsitzenden das Wort an die Außenministerkonferenz125, in der Mai-Sitzung126 ging es um Eingaben an den Rat, den Leipziger Kirchentag127, Niemöllers Besuch in Stalinstadt, die Entwicklung der Kirchenmitgliedschaft in der DDR und die dortige religionsfeindliche Propaganda sowie um Dibelius’ Aussage, dass das Vernichtungspotenzial atomarer Waffen die Wahrscheinlichkeit ihres Einsatzes minimiere, aber allein die Evangeliumsverkündigung der Kirche den Weg zum Frieden weise128. Aus Liljes Bericht über die schulpolitischen Lage und das gespannte Verhältnis der Konfessionen in Niedersachsen entwickelte sich ein Gespräch über die Bekenntnisschule129. Im Anschluss daran gab Kunst einen ausführlichen Bericht über den Krieg in Indochina, die deutschlandpolitische Interessenslage in Europa und die deutsche Politik gegenüber Frankreich. Skeptisch äußerte sich Kunst zur möglichen zweiten Amtszeit Theodor Heuß’ als Bundespräsident. Kunst informierte über Spannungen im Verhältnis DDR-UdSSR wegen innen- und deutschlandpolitischer Fragen und über die Belastungen des Staat-Kirche-Verhältnisses. Auf Grübers Bericht reagierte Dibelius ungehalten und zweifelte dessen Kompetenz als Repräsentanten der Kirche an. Hier spielten aber auch aktuelle Differenzen zwischen Dibelius und Grüber über die Haltung zur Atombombe eine gewichtige Rolle. Die Beschlüsse im Anschluss an die Lageberichte lassen erkennen, dass der Rat auch über die Familienpolitik beriet, eine wirre Zuschrift mit Angriffen auf Niemöller zur Kenntnis nahm und einen Konflikt zwischen Grüber und Hermann Ehlers über die Deutschlandpolitik zu dämpfen hatte. Ehlers war über Grübers Reaktion auf seinen Zeitungsartikel über die Perspektiven der deutschen Wiedervereinigung, seine Einschätzung der Politik der Sowjetunion und den Vorwurf der Unwissenheit derart empört, dass er den Rat um Vermittlung ersucht hatte130. 124 D. Pöpping/P. Beier, Protokolle 7, 35B2, S. 146; 36B1, S. 220f.; 37B1, S. 300–303; 38B1, S. 430–432 und 39B1, S. 487f. 125 41B1, vgl. oben, S. 21. 126 Ausnahmsweise wurden in der Sitzungsvorbereitung (44A5) bereits Themen für den Bericht zur Lage genannt. 127 Auch im Juni fiel der Bericht zum Kirchentag in diese Rubrik (45B2d), möglicherweise weil auch die Rolle der staatlichen Stellen thematisiert wurde. 128 Vgl. hierzu INLL 3, 1954, S. 121. 129 44B1. 130 44D2–4, 44E1.
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In der Juni-Sitzung stand neben dem Wort zur Atombombe wiederum die Deutschlandpolitik, nun die geplante Volksabstimmung in der DDR, im Mittelpunkt des Berichts des Ratsvorsitzenden. Dibelius behandelte das Thema unter seelsorgerlichen Aspekten und erläuterte auch den in der Ostkirchenkonferenz entstandenen scharfen Konflikt über die Frage, ob sich die Kirche zum Volksentscheide äußern solle oder nicht. Im Oktober 1954 berichtete Kunst „gegen Ende der Sitzung“ (!) v. a. über die französische Europapolitik, die Affäre um den Verfassungsschutzpräsidenten Otto John und über die Eherechtsberatungen des Bundestages. Dibelius nutzte seinen Bericht über den geplanten Bau einer evangelischen Kirche in Stalinstadt dazu, mögliche Finanzhilfen der EKD hierfür zu sondieren131. Im Januar 1955 übernahm der Ratsvorsitzende den Bericht zur kirchlichen Situation in der DDR, v. a. zur Jugendweihe, Kunst informierte primär über die Lage in Frankreich nach der Ablehnung des EVG-Vertrages und die Bonner Reaktionen auf die innerdeutsche Kritik an den Pariser Verträgen132. 2.7 Verwaltung öffentlicher Verantwortung Nachdem Kunst seine Tätigkeit als Bevollmächtigter des Rates in Bonn seit 1950 nur auf der Grundlage einer vorläufigen Geschäftsordnung hatte führen können, beschloss der Rat nach neunmonatigen Verhandlungen im Herbst 1954 – kurz nach seiner Entscheidung, Kunst nicht für das Amt eines Generalsuperintendenten in Berlin, also der Kirche des Ratsvorsitzenden, freizugeben133 – eine neue Geschäftsordnung, die aber Züge der Vorläufigkeit trug134. Es war von einer Geschäftsordnung für die Bonner Repräsentanten der EKD Kunst und Ranke die Rede und nicht von einer Ordnung für die Einrichtung135. Weiterhin wurden Rankes Betrauung mit „Sonderaufträgen“ genau spezifiziert136, obwohl einige der Aufgaben eindeutig temporärer Natur waren.
131 132 133 134 135 136
46B3. 49B8. 45B10. 46B10. 46C1. Vgl. Punkt 2d der Geschäftsordnung der Bonner Stelle.
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C. Kirchliche und theologische Entwicklungen 1. Revision der Lutherbibel Die Beschäftigung mit Fragen der wissenschaftlichen Theologie bedeutete für den Rat v. a. die unendliche Geschichte der Bibelrevision, gegenüber der alle anderen Themen nur eine nachgeordnete Rolle spielten137. Zu Beginn des Jahres galt es, die durch die Absetzung der bisherigen Kommission zur Bibelrevision eingetretenen Personalproblem zu lösen, d. h. die neue Kommission zu vervollständigen und die dem bisherigen Brauch widersprechenden hohen Honorarforderungen des abgelösten Kommissionsvorsitzenden Hermann Strathmann abzuwehren138. Da dieser aber auf seinen Forderungen beharrte und eine publizistischen Feldzug gegen die von ihm abgelehnte Revision begonnen hatte, verschärften Rat und Kirchenkanzlei ihren Ton gegenüber dem Neutestamentler139. Die Arbeit der neuen Kommission scheint harmonisch und produktiv verlaufen zu sein, auch wenn in der Ratssitzung vom 1. Oktober 1954 die zentrale, in der Kommission aber umstrittene Frage geklärt werden sollte, ob es künftig „Ostern“ oder „Passah“ heißen sollte140. Bemerkenswert ist auch, wie sehr sich der Ratsvorsitzende der Bibelrevision annahm. Er thematisierte sie sogar im „Bericht zur Lage“ der 44. Sitzung141 bzw. referierte den Sachstand im Rat142.
2. Kirchengeschichte, Kirchenrecht und Religionspädagogik Obwohl der Rat bereits 1953143 einen Antrag Kurt Alands auf Förderung seiner Studien zur Kirchengeschichte des 17. Jahrhunderts abgelehnt hatte, musste er sich in der ersten Sitzung des Jahres 1954 nochmals mit der Frage auseinander setzen, da Aland in Ernst Wolf und Rudolf Smend zwei Fürsprecher seiner Pläne gefunden hatte144. Zudem stieß Aland auf den nicht uneigennützigen Widerstand des Archivamtes der EKD. Dort sah man durch eine mögliche Förderung eigene Pläne bedroht. Als Ausweg berief sich der Rat auf das bevorstehende Ende des Haushaltsjahres. Die vertragliche Neuregelung über der Edition der Kirchenordnungen des 16. Jahrhunderts bereitete dem Rat wenig Mühe145. Das im Entstehen 137 138 139 140 141 142 143 144 145
Vgl. hierzu auch D. Pöpping/P. Beier, Protokolle 7, S. 32f. 41B20. 44B6a+b. 46A1. 44B1. 47/48A6. 40B20b. 41B19 46B8.
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begriffene Comenius-Institut, das der Grundlagenforschung und Koordination der Aktivitäten im Bereich der evangelischen Religionspädagogik dienen sollte, unterstützte der Rat durch die Empfehlung an die Gliedkirchen, die Einrichtung finanziell zu fördern146. 20 Jahre Barmer Theologische Erklärung Der zwanzigste Jahrestag der Barmer Theologischen Erklärung vom Mai 1934 wurde in der Kirchenpresse mit zahlreichen Artikeln zur Entstehungsgeschichte, zur kirchengeschichtlichen Relevanz und zur Bedeutung für das aktuelle Verständnis der EKD gewürdigt147. Je nach konfessioneller Ausrichtung überwog die Deutung als Unionsbekenntnis oder als Grundlage zur Sicherung der konfessionellen Identität148. Auf eine Anfrage des Kirchenkreises Barmen hin beschloss der Rat entgegen der Intention der Einladung, nur Niemöller, der ohnehin in Barmen sprechen wollte, zu entsenden. Der Appell an die Landeskirchen, die Gemeinden auf das Jubiläum aufmerksam zu machen, war jedoch nur von geringem Erfolg gekrönt149.
D. Verwaltung und Personalia 1. Die Synoden in Berlin-Spandau und Espelkamp Seit September 1953 bereitete der Rat die Synode vom März 1954 vor150. In der ersten Sitzung des Jahres 1954151 wurden die gottesdienstliche Gestaltung und die Referate zum Schwerpunktthema Familie beschlossen und über hierzu einzuladende Gäste sowie deren Rechte beraten. Politiker sollten „im Hinblick auf die besondere Lage“ nicht eingeladen werden. Problemlos erzielte der Rat auch Einigkeit über die Stellvertreter für drei von ihm zu berufende Synodale, die recht kurzfristige Verlegung der Synode aus Süddeutschland nach Berlin blieb dagegen umstritten. Der Entwurf des Tätigkeitsbericht des Ratsvorsitzenden152 erfuhr zwar allgemeine Billigung, doch darf man die zahlreichen Änderungswünsche153, die Niemöller vorbrachte, nicht nur als Beharren auf seiner Sicht der Dinge 146 46B18. 147 Vgl. hierzu M. Schilling, Wort, S. 122f. 148 Im Mai- und Juniheft der Zeitschrift „Kirche und Mann“ (1954, S. 6f. bzw. S. 5f.) diskutierten zahlreiche Protagonisten des Kirchenkampfes das Thema „Welche Bedeutung hat ‚Barmen‘ für die Kirche heute?“. 149 44B12. 150 D. Pöpping/P. Beier, Protokolle 7, 38B19, S. 447f.; 39B5 und 39B6, S. 490–493. 151 41B3. 152 41D1. 153 41D2.
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deuten, sondern auch als Zeichen seines Engagements, das sich auch in Differenzierung bzw. Klarstellung äußerte. Im Nachgang der Synode hatte sich der Rat gemäß Artikel 26, 4 der Grundordnung154 mit deren Beschlüssen zu befassen. Einwände fanden sich keine. Die Abarbeitung der an die Synode ergangenen Eingaben durch den Rat und die Amtsstellen führte jedoch zu einer erheblichen Missstimmung, da sich Niemöller vom Rat nicht genügend vor Angriffen auf ihn geschützt sah155. Die erste Synodensitzung der neuen Ratsperiode sollte im März 1955 in Eisenach stattfinden und „Die Kirche und die Welt der Arbeit“ zum Thema haben156. Da in Eisenach der thüringischen Landeskirche kein geeignetes Gebäude zur Verfügung stand, hätte man in ein Hotel ausweichen müssen157. Bereits vorher hatten jedoch Brunotte und Meiser die Bedenken der VELKD gegen Eisenach angemeldet158. Da im Zusammenhang mit der Wahl des neuen Rates auch Erörterungen über die politische Position einzelner Kandidaten zu erwarten seien, sei Eisenach ungeeignet. Die Synode solle daher lieber in West-Berlin oder in der Bundesrepublik tagen. Obwohl sich die Kirchenkonferenz mehrheitlich für die Beibehaltung des Ost-West-Turnus der Synode und damit für einen Ort in der DDR aussprach159, setzte die Ratsmehrheit eine Tagung im Westen, in Espelkamp, durch160. Da Niesel sich mit der Entscheidung gegen Eisenach nicht zufrieden geben wollte und angesichts der Passivität anderer Organe die Kirche zum Reden zugunsten der Wiedervereinigung Deutschlands berufen sah161, musste der Rat auf der nächsten Sitzung erneut über den Tagungsort abstimmen. Äußerst knapp fiel die Entscheidung für Espelkamp und gegen Halle/Saale aus. Zugleich ließ der Rat aber ein Wort zur Wiedervereinigung Deutschlands vorbereiten, das er im Anschluss an die Kirchenkonferenz vom 3. Februar 1955 beschloss162. Weitere Beschlüsse des Rates betrafen die einzuladenden Kirchen und Kirchenbünde, ein Besuchs- und Vortragsprogramm, das über die EKD und ihr Wirken informierte, und die Auswahl der Referenten. Hier folgte der
154 155 156 157 158 159 160 161
ABlEKD 1948, Nr. 5 vom 15. Juli 1948, S. 112. 43B1 und 44B4b. Vgl. zum Streit über diesen Vorgang auch 45C1, 45D1, 45E 1 und 2. 46B2. 47/48E1. 47/48A1 und 47/48D1. Das Protokoll schwieg sich hierzu zum Unmut der anhaltinischen Landeskirche aus. 47/48B2. 49D4. Neben Niesel forderte auch der Rat der EKU die Vorbereitung je eines Wortes zur Wiedervereinigung und zum Recht auf Kriegsdienstverweigerung (Brief des Rates der EKU an der Rat der EKD vom 17. Januar 1955, EZA Berlin, 2/1070). 162 50B19.
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Rat z. T. den Wünschen der Evangelischen Aktionsgemeinschaft für Arbeiterfragen163. Mühsam gestaltete sich die Auswahl der vom Rat zu berufenden 20 Synodalen. Auf der 49. Sitzung hatte der Rat aus Zeitmangel eine Kommission eingesetzt, die die Liste der Kirchenkanzlei prüfen sollte. Auf der 50. Sitzung stimmte er der Vorschlagsliste zu. Zugleich sah sich der Rat mit den Forderungen mehrerer kirchlicher Werke und Gruppen konfrontiert, sie bei der Berufung in die Synode zu berücksichtigen. Aber selbst die Forderung der Evangelischen Frauenarbeit, auf der Synode die Rolle der Frauen in der Kirche auch nur annähernd zu würdigen, blieb unbeachtet164. Nicht erwähnt wurde im Protokoll der 49. Sitzung die Ratsdiskussion über die zukünftige Zusammensetzung des Rates unter konfessionellen Gesichtspunkten. Mehrere Parameter legten nahe, dass die reformierten Kirchen einen Sitz im Rat an die unierten Kirchen abgeben sollten. Die Synode von Espelkamp erkannte nach reger Diskussion die Gründe für den neuen Verteilungsschlüssel an, auf der Vorschlagsliste der Kirchenkonferenz wurden aber Niesel und Smend als reformierte Kandidaten genannt. Da aber zugleich nach einem Weg gesucht wurde, Heinemann trotz des Verlusts des Amts des Präses der Synode in den Rat zu wählen, verzichteten die Reformierten auf einen ihrer beiden Sitze zugunsten der Union165. Während der Vorbereitung der Synode von Espelkamp musste der Rat nochmals deutlich seine im Rahmen der Haushaltsberatungen zum Ausdruck gebrachte Position wiederholen166, dass das neue Haushaltsgesetz nicht mehr in die Zuständigkeit des Finanzausschusses der 1. Synode, sondern in die des in Espelkamp neu zu bestimmenden falle167.
2. Haushaltsfragen Der Haushaltsplan für 1954/55, den die Kirchenkanzlei dem Rat nach vorheriger Beratung durch den Finanzbeirat der EKD, den Finanzausschuss der Synode und der Westkirchenkonferenz vorlegte, wurde vom Rat an die Kirchenkonferenz und an die Synode weiter gegeben168. Die Westkirchenkonferenz hatte in ihrem Votum vor einer weiteren Belastung der Landeskirchen durch eine Erhöhung der Umlage gewarnt. 163 164 165 166 167 168
Vgl. aber 50B3g. 49B3, 50B3f. G 1 zur 49. Sitzung; Espelkamp 1955, S. 255f., 259–261, 267. 49B6 (Punkt XV). 50B17. 41B14.
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Dieser „Haushalt der Sparsamkeit“169 war im „Westmark-Ausgaben“Teil geprägt von den Wünschen des Kirchlichen Außenamts um eine Erhöhung seines Etats und seiner Stellen. Während die Personal- und Verwaltungskosten um ca. 21 % wachsen sollten, waren für die eigentliche Auslandsarbeit v. a. wegen der gestiegenen Zuschüsse an Gemeinden für Bauund Personalkosten, wegen neuer Pfarrstellen, wegen der höheren Aufwendungen für Versorgung, Heimaturlaube und Rückreisen der Auslandspfarrer sowie für die verstärkte Ausbildung an den Missionsseminaren etc. um 52 % höhere Ausgaben angesetzt worden. Das Haushaltskapitel „Ökumenische Arbeit“ sollte fast verdoppelt werden, hier waren jedoch die einmaligen Kosten für Evanston (ca. 100.000.– DM) mit eingerechnet. Für die Pressearbeit der Vertriebenen plante die Kirchenkanzlei zur Erhaltung des theologischen und journalistischen Niveaus sowie zur Vermeidung demagogischer und nationalistischer Tendenzen als Folge personeller Veränderungen eine Steigerung in Höhe von 225.000.– ein, die aber noch nicht in den Etat aufgenommen wurde. Im Bereich der Ostmark-Ausgaben170 blieb der Haushalt mit Ausnahme der Kapitel II (Personalkosten), VI und VIII (Ökumenische Arbeit bzw. Dispositionsfonds des Leiters des Kirchlichen Außenamts) konstant. Die Haushaltsberatungen für 1955171 waren geprägt von den erwarteten negativen Auswirkungen der Steuerreform auf die Einnahmen, so dass die erhoffte Stellenvermehrung bzw. Höhergruppierungen in der Kirchenkanzlei verschoben werden sollte, zumal die Landeskirchen deutliche Kritik an diesen Plänen geäußert hatten. Diese Regelung galt prinzipiell auch für das Kirchliche Außenamt. Hier rang man sich aber zu Ausnahmen durch, die zum einen die Forderung der VELKD befriedigen sollte, im „unierten“ Außenamt ebenfalls Angelegenheiten der – lutherischen – Auslandsgemeinden zu bearbeiten, und zum anderen eine Assessorenstelle auf Zeit betrafen. Weiterhin wurden Mittel zur Anschaffung einer Dienstwohnung des neuen deutschen evangelischen Pfarrers in Paris bewilligt. Seit Oktober 1953 musste sich der Rat mit den Forderungen der VELKD auseinander setzen, an den Geldern, mit denen die Bundesregierung die Auslandsarbeit der EKD unterstützte, beteiligt zu werden. Im Rat schien dabei die Meinung vorzuherrschen, dass eine einvernehmliche Lösung durch ein Gespräch zwischen Volkmar Herntrich und Niemöller zu erreichen sei172. Niemöller ließ aber trotz des Drängens von Herntrich keine Verhandlungsbereitschaft über die zu verteilenden 100.000.– DM erkennen, da durch einen Mittelabfluss die gesamte Auslandsarbeit gefährdet sei und diese 169 170 171 172
41D18. 41D20. 49B6. D. Pöpping/P. Beier, Protokolle 7, 39B10, S. 495 und 40B16, S. 550.
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Bundesmittel ohnehin haushaltstechnisch als reguläre statt als zusätzliche Gelder verbucht würden173. Daher blieb dem Rat keine andere Wahl, als die Entscheidung an den Haushaltsausschuss der Synode zu delegieren174. Ende Juli 1954 gab Niemöller dem Drängen der VELKD nach und ließ 30.000.– DM überweisen. Um die Auslandsarbeit nicht in den Verdacht der einseitigen politischen Instrumentalisierung durch die Bundesregierung geraten zu lassen, aber auch weil man eine Erhöhung der Bonner Mittel anstrebte, beauftragte der Rat im Mai 1954 – laut Protokoll – Grüber über Niemöller damit, die Chancen für eine Unterstützung durch die Regierung der DDR auszuloten. Grüber behandelte den Auftrag eher abwartend, zumal er in einer Zeit, in der die Regierung der DDR die Zuschüsse an die Kirche kürzte, für eine weitere Forderung wenig Aussicht auf Erfolg sah175. Niemöller widersprach jedoch dieser Weisung und forderte eine Korrektur des Protokolls, da er Geldforderungen des Kirchlichen Außenamtes an Bonner Stellen ablehne. Falls das Außenamt sich aktiv um Bonner Mittel bemühen solle, stelle dies eine Veränderung der bisherigen Lage dar. Eine gesamtdeutsche EKD müsse sich dann aber um Geld aus Bonn und Berlin bemühen, zumal die staatliche Unterstützung bis 1945 deutlich größer gewesen sei als gegenwärtig176. Zur Vermeidung künftiger Konflikte, sicher aber auch, um Herr des Verfahrens zu bleiben, schlug Niemöller daher vor, dass das Kirchliche Außenamt über die es selbst betreffenden Tagesordnungspunkte ein eigenes Protokoll führe, das dann der offiziellen Niederschrift zu Grunde liege177. Kunst war es dagegen gelungen, das Auswärtige Amt von einer Erhöhung seines Zuschusses für 1955 um 25.000.– DM auf 175.000.– DM zu überzeugen, weitere erhebliche Steigerungen stellte er in Aussicht. Angesichts dieser Meldung wiederholte sich das Schauspiel des Vorjahres: Meiser machte die selbstverständlichen Ansprüche der VELKD auf eine Beteiligung an den Bundesmitteln geltend, der Rat hoffte auf eine interne Lösung zwischen EKD und VELKD, Niemöller verweigerte eine Überweisung an die Lutheraner178.
173 Der Haushaltsausschuss der Synode schloss sich dieser Position an (Berlin-Spandau 1954, S. 234). 174 42B10. Während der Haushaltsberatungen ließ Niemöller die Synodalen seinen Unmut über Minderung der Außenamtsmittel deutlich merken (Ebda., S. 240f.). 175 44B12e und 44E15. 176 45D1 und 45E1. 177 45D1. 178 50B10.
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3. Spätfolgen der Währungsreform Nach langen, zähen Verhandlungen gelang es 1954 endlich, mit der Handelsgesellschaft Theodor A. Maier eine Kompromiss zu schließen. Die Firma hatte in der Folge der Währungsreform die östlichen Gliedkirchen nicht mehr mit Abendmahlswein versorgen können und erhebliche Verluste erlitten. Zudem sah sich die Firma als Spätfolge des geplatzten Geschäfts einer Umsatzsteuernachforderung gegenüber, die ihren Konkurs zur Folge gehabt hätte. Mit einer einmaligen Zahlung in Höhe von 20.000,– DM konnte der Rat, der sich den Billigkeitsgründen der Forderung an die EKD nicht verschloss, die Insolvenz des Vertragspartners vermeiden helfen179. 4. Beihilfen 4.1 Wiederaufbau Helgolands Dass aus der Unterstützung einer Not leidenden Landeskirche eine christologisch-schöpfungstheologische Grundsatzdebatte entstehen konnte, zeigten die Verhandlungen über das Gesuch der schleswig-holsteinischen Landeskirche, die EKD solle einen Teil der Kosten für die Versorgung der deutschen Gemeinden in Nordschleswig und für den kirchlichen Wiederaufbau auf Helgoland übernehmen. In beiden Fällen sollten die westlichen Gliedkirchen bzw. deren Gemeinden um Hilfe gebeten werden. Obwohl auch die Synode der EKD den von Wilhelm Halfmann drängend vorgebrachten Plan unterstützte180, kam es unter den Gliedkirchen zu erheblichen Irritationen, da man das entsprechende Rundschreiben der Kirchenkanzlei falsch verstanden hatte und statt von einer freiwilligen Spende von einer verpflichtenden Umlageleistung ausgegangen war. Den Aufruf an die Landeskirchen und an die Gemeinden deutete Ernst Wilm öffentlich als theologisch unbedachtes Reden über Gottes Schöpfungsund Erhaltungshandeln, das den Wert kirchlicher Stellungnahmen mindere. Auf Wilms christologisch begründete Ablehnung jeder weltlichen Vereinnahmung des Christentums antwortete Halfmann mit der Berufung auf Schrift und Bekenntnis und dem Vorwurf des Politisierens181.
179 46B15. 180 42B7, 43B2. 181 44B12 und 44E14.
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4.2 Beihilfeanträge Bereits auf seiner ersten Sitzung182 beschloss der Rat, für sieben kirchliche Werke im Westwährungsgebiet Beihilfen in Höhe von 13.000.– DM zu deren regulärem Haushalt bereit zu stellen. Die z. T. an einzelne Ratsmitglieder ergangenen Anträge reichten bis weit in das Jahr 1953 zurück. Damals waren sie wegen der nicht kalkulierbaren Höhe der eingehenden Kollekten verschoben worden, am Ende des Haushaltsjahres konnten diese Wünsche nun berücksichtigt werden. Für sechs kirchliche Werke und Veranstaltungen wurden 29.500.– DM an Beihilfen bezahlt. Dieser Finanzbedarf war die Folge fehlender eigener Einnahmen183, höherer Personalkosten184, der DDR-Kirchenpolitik185, wachsenden Handlungsbedarfs in Seelsorge und Bildung, von Baumaßnahmen186, aber auch der leichtfertigen Kalkulation möglicher Einnahmen187. Das Geld diente jedoch auch der allgemeinen Versorgung kirchlicher Stellen mit Büchern. Auf der März-Sitzung konnte der Rat letztmals eine Beihilfe aus dem Ostwährungshaushalt des Jahres 1953/54 gewähren: 100.– DM für die Kirchliche Erziehungskammer-Ost. Die Laien- und Akademiearbeit in den beiden sächsischen Landeskirchen erhielt aus Kollektenmitteln für die Gesamtkirche mit jeweils 3000.– DM-Ost 60 % der beantragten Summe188. Neben der Erledigung alter Anträge standen bereits neue finanzielle Wünsche an die EKD zur Bearbeitung an: so der des Wiener Superintendenten um Unterstützung beim Wiederaufbau der evangelischen Schule und der Brüderunität für die Siedlung Neugnadenfeld. Im ersten Fall gab der Rat den Wunsch an das Gustav-Adolf-Werk weiter, das den Antrag in der vorliegenden Form aber nicht bearbeiten konnte. Der Antrag der Brüderunität wurde vom Rat zur weiteren Beratung zurückgestellt, aber dann von dieser zurück gezogen189, um im Mai 1954 mit einer ausführlichen Darlegung der Finanzsituation der Brüder-Unität in der Bundesrepublik und in der DDR wiederholt zu werden190. Auch die pädagogischen Einrichtungen in Gnadau und in Königsfeld blieben dauerhafte Zuschussempfänger der EKD191. Im weiteren Lauf des Jahres bewilligte der Rat trotz der Kritik der Kirchenkonferenz an der „ständig zunehmende Inanspruchnahme kirchlicher
182 183 184 185 186 187 188 189 190 191
41B12. 41D14. 41D13 und 41D14. 41D13. 41D16. 41B12 und 41D17. 42B3 und 42D1. 42B8 und 42B9 mit 44B12c. 49D6 und 49D7. 45B7a und 45D2.
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Haushaltsmittel für die Finanzierung von freien kirchlichen Werken, Verbänden und Einrichtungen“192 wiederholt, aber nicht automatisch193, Beihilfen für kirchliche Werke, Einrichtungen und Veranstaltungen v. a. der östlichen Gliedkirchen oder dort wirkender West-Berliner Einrichtungen in Höhe von 100.100.– DM-Ost194 bzw. er nahm diese in die viele Bereiche kirchlichen Handels abdeckende Beihilfeplanung mit einem Ausgabevolumen von 225.000.– DM auf, der der Rat im Juni zustimmte195. Über die Unterstützung der biographischen Schriftenreihe Ökumenische Profile kam es zu einem Disput zwischen Niemöller und der Kirchenkanzlei. Während der Rat laut Protokoll den Antrag auf einen Zuschuss für die in den östlichen Gliedkirchen breit rezipierte Reihe in die Liste der möglichen Empfänger überwies196 und dann 1000.– DM bewilligte197, monierte Niemöller dieses Vorgehen. Er glaubte, dass der Rat sofort 1000.– DM bewilligt hatte und diesen Betrag auch 1955 bezahlen werde198. Aus seinem Einspruch gegen das Protokoll entwickelte sich dann ein grundsätzlicher Streit über die Frage, ob die Reihe überhaupt in dieser Form beihilfefähig seien. Für ein Erzeugnis allein für die östlichen Gliedkirchen seien nicht Beihilfemittel, sondern Gelder aus dem „Hilfsplan für die östlichen Gliedkirchen“ zu verwenden. Diesem Standpunkt widersprach Niemöller vehement und drohte mit einer Überprüfung der bisherigen Zahlungen des Heuner-Ausschusses199. Letzten Endes blieb Niemöllers Intervention ergebnislos.
5. Personalangelegenheiten 5.1 Im Bereich der Landeskirchen Ein wichtiger Punkt in den Beziehungen zwischen der EKD und den Landeskirchen war die in Artikel 11 der Grundordnung200 und in den Verfassungen der Landeskirchen geregelte gegenseitige Information bzw. Mitwirkung an der Wahl der Kirchenleitungen. Daher nahm der Rat die Ergebnisse der Bischofswahlen in Pommern und Hamburg zustimmend zur 192 Schreiben der Kirchenkanzlei an den Christophorus-Bund vom 14. Oktober 1953 (EZA Berlin, 2/5370). 193 Der Rat weigerte sich etwa, die 1949 begonnene Beratung über „Kirche und Recht“ erneut zu unterstützen (46B17). 194 44B10b, 45B7b, 46B12, 47/48B8 und 50B18. 195 44B10a, 45B7a und 45D2. 196 44B8l. 197 45B7. 198 45D1. 199 45E1 und 45E2. 200 ABlEKD 1948, Nr. 5 vom 15. Juli 1948, S. 111.
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Kenntnis, an der Wahl des Bischofs und des reformierten Seniors der Kirchenprovinz Sachsen nahmen Dibelius und Smend teil201. 5.2 Gremienbesetzungen Die personellen Veränderungen im Verwaltungsrat des Palästina-Instituts202, des Kirchenrechtlichen Institut203 und im Ostkirchenausschuss nahm der Rat zustimmend zur Kenntnis204. Die Berufung eines 2. stellvertretenden Vorsitzenden des Disziplinarhofs der EKD benötigte nur wegen der geringen Zahl möglicher Kandidaten einige Wochen Zeit205, Neuberufungen in die Disziplinarkammer, in den Disziplinarhof206 oder in den Fachausschuss Rundfunk der Publizistischen Kammer207 erfolgten ebenfalls ohne größere Schwierigkeiten. 5.3 Personalia der Kirchenkanzlei Größere Personalentscheidungen waren im Bereich der Kirchenkanzlei nicht zu treffen. Es galt lediglich, einen auf die Miete anzurechnenden Baukostenzuschuss für Niemeiers Dienstwohnung zu genehmigen208, einen Oberinspektor für die Bonner Stelle zu berufen sowie Hans-Jürgen Behm, Herwig Hafa und Friedrich-Wilhelm von Staa den Titel eines Oberkirchenrates zu verleihen209. Großzügig verhielt sich die Kirchenkanzlei, als das Finanzamt Hannover als Ergebnis einer Steuerprüfung nachträglich Lohnsteuer auf Zahlungen der EKD an Günther Fürle, Theodor Heckel und Anna Paulsen erhob. Das Finanzamt hatte diese Zahlungen als Einkünfte und nicht als Aufwandsentschädigungen eingestuft210.
5.4 Personalia im Kirchlichen Außenamt und in den Auslandsgemeinden Zu den Einzelfällen, in denen das Kirchliche Außenamt finanzielle Hilfe leistete, zählten 1954 wiederum der greise Maler Hans Lietzmann211 und die 201 202 203 204 205 206 207 208 209 210 211
49B4. 41B18. 46B8. 49B11. 41B9. 44B9b. 47/48B6. 45B11. 46B19a bzw. 46B19b–d. 44B11. 41D7, 44B8m, 46B11g.
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drei unversorgten Kinder des im November 1954 in Mexiko verstorbenen Auslandspfarrers Friedrich Fraustadt212. In weiteren Fällen waren z. T. längere Verhandlungen bis zu einer Einigung auf dem Vergleichsweg notwendig: so bei den Kosten für die Rückreise von Pfarrer Werner Kube aus Brasilien nach Deutschland213 und bei der Abfindung an den ehemaligen Auslandspfarrer in Athen Ernst Schäfer. Mit ihm hatte die EKD seit Kriegsende über seinen Status und seine finanzielle Situation gestritten214. Auch die Frage der Beteiligung der EKD an den Überführungskosten für den in den USA tödlich verunglückten Wuppertaler Pfarrer Harmannus Obendiek war unsicher. Es war umstritten, ob der Unfall überhaupt im Zusammenhang mit Obendieks Teilnahme an der Weltkirchenkonferenz in Evanston stand215. Unklarheit herrschte auch bei der Frage, wer die Rückreise des Jerusalemer Propstes Döring bezahlen solle, da die zur Bezahlung verpflichtete Jerusalemstiftung nicht über die entsprechenden Mittel verfügte216. Größeren Diskussionsbedarf und größeres Konfliktpotenzial als die o. g. Themen barg die Personalausstattung des Kirchlichen Außenamtes217. Dessen Personalsituation war durch die Wahl Schwarzhaupts in den Bundestag218 – ihre Stelle wurde seit 1953 teilweise durch einen juristischen Hilfsarbeiter vertreten219 – und die wachsende Auslandsarbeit stark angespannt, so dass Niemöller eine weitere planmäßige Beamtenstelle für einen juristischen Referenten für notwendig erachtete220. Während er beim Rat auf – wenn auch nicht ungeteiltes – Verständnis stieß, blieb Brunotte skeptisch221, die Synode verweigerte dann die neue Stelle222. Der früher als Beamter im Dienst der ApU bzw. der badischen Landeskirche stehende Jurist Georg Krüger-Wittmack musste daher im Kirchlichen Außenamt im Angestelltenverhältnis beschäftigt werden. Dies führte jedoch zu erheblichen Schwierigkeiten bei der Gestaltung seines Arbeitsvertrages und der Regelung seiner Ruhestandsbezüge223. Wie in den Vorjahren wurden alle Personalfragen des Kirchlichen Außenamtes vom Konflikt um dessen konfessionelle Zusammensetzung domi-
212 50B5. 213 41B4. Vgl. auch A. Silomon/D. Pöpping/K-H. Fix, Protokolle 6, 28B11, S. 90; D. Pöpping/P. Beier, Protokolle 7, 39A2, S. 486. 214 44B8d. 215 46B11f. 216 41B12. 217 Vgl. auch oben, S. 34, die Ausführungen zu den Haushaltsberatungen. 218 D. Pöpping/P. Beier, Protokolle 7, 38B14d, S. 445. 219 Zur Verlängerung der Regelung vgl. 44B9c. 220 41D18, 42B2. 221 42E1. 222 Berlin-Spandau 1954, S. 232. 223 42B2, 44B9b.
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niert. Auf der in München stattfindenden 45. Ratssitzung am 24. Juni 1954, an der Niemöller nicht teilnehmen konnte, fragte Meiser nach der Möglichkeit personeller Veränderungen im Außenamt. Dibelius beschied ihm jedoch, dass dies nur auf dem Weg einer frei werdenden Stelle möglich sei. Trotz dieser eindeutigen Antwort wurde das Kirchliche Außenamt um einen Lösungsvorschlag ersucht. In seiner Antwort stimmte Niemöller der Position des Ratsvorsitzenden zu und betonte, dass er angesichts der Stellensituation von sich aus keinen Vorschlag unterbreiten könne. Da aber die VELKD auf einer Veränderung bestehe und auch der entsprechende Passus des Auslandsgesetzes224 auf die VELKD zurückgehe, solle sich diese mit dem Problem konstruktiv auseinander setzen225. Im Auftrag der Kirchenleitung und der Bischofskonferenz der VELKD wiederholte Meiser Anfang November 1954 die Forderung nach einer personellen Veränderung in ultimativer Form, da die EKD in ihrer Entwicklung bedroht sei226. Die VELKD sah sich durch die Position der Synode und sogar der EKU bestärkt. Auf einen natürlichen Stellenwechsel war man nicht mehr bereit zu warten, zumal Niemöller schon im Juni 1952227 seinen Rücktritt in Aussicht gestellt habe. Tatsächliches Ziel des Angriffs war der Vizepräsident des Kirchlichen Außenamtes Stratenwerth. Er sollte entweder mit Hilfe der Bestimmungen des Kirchenbeamtengesetzes (§ 44, 2) in den Dienst einer Gliedkirche oder sogar in den Wartestand versetzt werden. Dies war möglich, wenn zwischen dem Leiter einer Amtsstelle oder seinem Stellvertreter und dem Rat „sachliche Meinungsverschiedenheiten grundlegender Art“ bestanden (§ 47, 2)228. Über eine mögliche Ablösung Stratenwerths, dessen Verhalten zu einem hohen Maß an „Ablehnung, ja Erbitterung“ unter den Auslandspfarrern und an anderer Stelle gegen ihn geführt habe, diskutierte annähernd zeitgleich Dibelius mit Kunst im Zusammenhang mit der Suche nach einem Militärbischof229. Der Ratsvorsitzende sah sich außer Stande, weiterhin an
224 In § 28, 1, Satz 2 des „Kirchengesetz(es) über das Verhältnis der Evangelischen Kirche in Deutschland und ihren Gliedkirchen zu evangelischen Kirchengemeinschaften und Gemeinden, Pfarrern und Gemeindegliedern deutscher Herkunft außerhalb Deutschlands“ (ABlEKD 1954, Nr. 4 vom 15. April 1954, S. 113) hieß es: „Die Ordnung des Kirchlichen Außenamtes hat die bekenntnismäßige Gliederung der Evangelischen Kirche in Deutschland zu berücksichtigen“. 225 45B8e, 45E9. 226 49D1. Auf der Generalsynode der VELKD hatte Meiser in seinem Tätigkeitsbericht die Berechtigung dieser Ansprüche auch damit begründet, dass die „lutherischen Kirchen Deutschlands insgesamt zum Unterhalt des kirchlichen Außenamts mit ihren Mitteln mindestens bis zu 50 %“ beitrügen (Lutherische Generalsynode 1954, S. 35). 227 D. Pöpping/A. Silomon/K-H. Fix, Protokolle 6, 30B5, S. 255f. 228 ABlEKD 1954, Nr. 4 vom 15. April 1954, S. 100–106. S. 104. 229 47/48E3 und 47/48E5. Vgl. auch oben S. 11.
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Stratenwerth festzuhalten, da er dadurch die Auslandsarbeit EKD insgesamt gefährde. Niemöller verweigere aber eine Aussprache. Im Januar 1955 wurde das Problem in „geschlossener Sitzung“ drei Stunden lang mit bescheidenem Ergebnis diskutiert. Eine dreiköpfige Kommission sollte den neuen Rat bei seiner Entscheidung durch ein Gutachten unterstützen230. In den meisten Fällen, in denen Auslandspfarrstellen, v. a. in Südamerika, wieder besetzt werden mussten, beschränkte sich der Rat auf die reine Kenntnisnahme der ihm vorgetragenen zahlreichen Bestätigungen oder Entsendungen231. Doch auch hier konnte schnell der Verdacht auf ein Fehlverhalten des Kirchlichen Außenamts aufkommen232.
230 49B2. 231 44B8b, 45B8a–c, 46B11b–e, 49B14a–c. 232 42B12, 44B8f und 44B8h mit 45C1 und 45D1.
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II. EDITORISCHE VORBEMERKUNGEN Die Edition der Protokolle des Rates der EKD bietet in Form einer breit angelegten Dokumentation einen umfassenden Überblick über die Tätigkeit des Rates der EKD. Der vorliegende 8. Band der Edition enthält elf Sitzungen, die der Rat in den Jahren 1954 und 1955 abhielt sowie vier Mitschriften von Sitzungen der Kirchenkonferenz, die in Berlin, Hannover und Espelkamp tagte. Im Anschluss an die Ratsprotokolle sind die Kirchenkonferenzen abgedruckt. Grundlage und Ausgangspunkt der Edition bilden die von der Kirchenkanzlei der EKD angefertigten und in hektographierter Form an die Mitglieder des Rates versandten Beschlussprotokolle. Verlaufsprotokolle aus dieser Zeit sind nicht überliefert. Die am Ende des Jahres 1951 beschlossene Geschäftsordnung des Rates sah nur noch die Form des Beschlussprotokolls vor233. Wegen deren geringer Aussagekraft werden Anträge, Anlagen, Einladungsschreiben, Tagesordnungen und Teilnehmerlisten sowie wichtiger Schriftverkehr abgedruckt, um die vielfältigen Aufgabenstellungen des Rates und die Dimensionen der auf den Sitzungen verhandelten Gegenstände deutlicher werden zu lassen. Das einschlägige Quellenmaterial für die Ratssitzungen in den Nachkriegsjahren ist aus Gründen, die in der Organisationsstruktur der EKD und ihrer Kirchenkanzlei liegen, nicht als geschlossener Archivbestand überliefert. Deshalb mussten zahlreiche Recherchen in verschiedenen Archiven vorgenommen werden. Der größte Teil der abgedruckten Dokumente stammt aus dem Bestand 2 des Evangelischen Zentralarchivs in Berlin. Daneben wurden die dortigen Bestände 4, 6, 87, 104, Personalakten sowie die Nachlässe von Lothar Kreyssig und Hermann Kunst verwendet. Vervollständigt wurde die Edition durch den Nachlass Heinrich Grüber im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz Berlin, den bei Abschluss des Manuskripts noch nicht erschlossenen Nachlass Rudolf Smend in der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen, durch die Akten des Zentralbüros des Hilfswerks im Archiv des Diakonischen Werkes in Berlin, durch wertvolle Bestände in den landeskirchlichen Archiven in Düsseldorf, Hannover, Kiel, Nürnberg und Stuttgart sowie Material aus den Diakonie- bzw. Missionsarchiven in Rummelsberg und Wuppertal bzw. aus dem Kirchenrechtlichen Institut in Göttingen.
233 § 4 der „Geschäftsordnung für den Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland“ (D. Pöpping, Protokolle 5, 24C1, S. 349ff., 350).
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Nicht nur die hektographierten Beschlussprotokolle, sondern auch eine große Zahl weiterer Dokumente sind an mehreren Orten überliefert. In diesen Fällen folgt die Edition der Überlieferung im Evangelischen Zentralarchiv in Berlin als dem für das Schriftgut der EKD zuständigen Archiv. Um die außerordentliche Fülle des abgedruckten Quellenmaterials in möglichst übersichtlicher Form darzubieten, ist die Edition jeder Sitzung in fünf Rubriken aufgeteilt: – Rubrik A (Vorbereitung der Sitzung): Einladungsschreiben, Tagesordnungen und sonstiger vorbereitender Schriftverkehr. – Rubrik B (Protokoll). – Rubrik C (Anlagen und Beschlusstexte): Texte, die im Protokoll ausdrücklich als Anlagen ausgewiesen, vom Rat beschlossen oder in Auftrag gegeben worden sind. – Rubrik D (Vorlagen und Anträge): von den Ratsmitgliedern und der Kirchenkanzlei bzw. ihren Referenten vorbereitete Berichte und Anträge zur Beschlussfassung, während der Sitzungen erarbeitete Entwürfe sowie Anträge und Eingaben Dritter. – Rubrik E (Dokumente): Sonstige Dokumente, die im Zusammenhang der Ratssitzungen oder einzelner während der Sitzungen erörterter Sachthemen stehen. Die in den Rubriken C–E abgedruckten Dokumente erscheinen in der Regel in der Reihenfolge, in der sie in den Einladungsschreiben und Protokollen erstmals erwähnt werden. Die Bearbeiter haben ferner jeder Sitzung Informationen zu Tagungsort und -zeit, Teilnehmern und Protokollanten vorangestellt. Eine Vielzahl der abgedruckten Quellen ist hinsichtlich Form, Rechtschreibung und Zeichensetzung uneinheitlich und fehlerhaft. Zwar blieb in der Regel der Lautstand der Vorlage berücksichtigt (z. B. ss statt ß, oe statt ö etc.), aber um der besseren Lesbarkeit willen wurden an zahlreichen Stellen die Zeichensetzung und die offensichtlichen Schreibfehler stillschweigend korrigiert. Bei falsch geschriebenen Namen wurde die richtige Schreibweise in eckigen Klammern ergänzt, bei schwerwiegenden grammatikalischen und sachlichen Fehlern haben die Bearbeiter notwendige Korrekturen oder „sic!“ in eckigen Klammern eingefügt. Auslassungen in der Vorlage sind durch drei Punkte gekennzeichnet. Jedem Dokument ist ein Kopfregest vorangestellt, das die Gattung des Dokuments und gegebenenfalls Aussteller und Empfänger bezeichnet sowie Angaben zu Ort und Datum enthält; die Briefköpfe der Vorlagen werden grundsätzlich nicht mit abgedruckt. Ermittelte Daten stehen in eckigen Klammern; Originalüberschriften innerhalb der Kopfregesten sind in Anführungszeichen gesetzt. Im diplomatischen Apparat folgen sodann Angaben zu Fundort (F) und genetischer Form (O = Original, D = Durchschrift, H = Hektographie, A = Abschrift). An dieser Stelle finden sich auch Hinweise auf vorherigen oder anderweitigen Abdruck.
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Die knappe Diktion der Beschlussprotokolle bringt es mit sich, dass sie für nicht Sachkundige kaum verständlich sind. Darum gehörte es zu den vordringlichsten Aufgaben der Bearbeiter, die in den Besprechungen und Beschlüssen des Rates angesprochenen Probleme und Vorgänge zu identifizieren, in ihren sachlichen und historischen Kontext zu stellen und auf weitere einschlägige Quellen und Literatur hinzuweisen. Eine genaue Rekonstruktion des Sitzungsverlaufs war nicht beabsichtigt. Die umfangreiche Kommentierung der Protokolle dient in erster Linie dazu, die Texte verständlicher zu machen und einzelne Sachbetreffe zu erläutern. Bei den zusätzlich zu den Protokollen abgedruckten Dokumenten beschränkt sie sich auf die notwendigsten Hinweise. Dies gilt auch für die Protokolle der Kirchenkonferenzen, die nur mit einem Kopfregest, das Angaben über Ort, Datum und Teilnehmer enthält, sowie mit einem diplomatischen Apparat, jedoch ohne die Rubriken A, C, D und E abgedruckt werden. Sie wurden indes für die Register ausgewertet. Die Bearbeiter haben es bewusst vermieden, in ihre Kommentare Urteile und Wertungen einfließen zu lassen, auch wenn manche Äußerungen in den Texten aus heutiger Sicht provozierend wirken. Zur Bearbeitung wurde von Fall zu Fall auch die in Form von Mitschriften einzelner Ratsmitglieder vorliegende Gegenüberlieferung (G) herangezogen. Sie wird im diplomatischen Apparat der Rubrik B in nummerierter Reihenfolge kenntlich gemacht. Die in diesen Mitschriften enthaltenen wichtigen Zusatzinformationen oder von den offiziellen Protokollen abweichende Angaben sind in den Fußnoten berücksichtigt. Darüber hinaus diente die Gegenüberlieferung zur Feststellung von Sitzungsteilnehmern sowie von Sitzungsbeginn und -ende. Die Mitschriften Haugs, Heinemanns, Meisers, Smends sowie die Aufzeichnungen von Dibelius lassen mehr und bessere Rückschlüsse auf den Verlauf der Sitzungen und den tatsächlichen Gesprächsgang zu als die offiziellen Beschlussprotokolle. Um die Edition nicht mit einem doppelten Fußnotenapparat zu belasten, wurden sämtliche textkritische Angaben in die Fußnoten eingearbeitet und den sachlichen Kommentierungen vorangestellt. Bei der Gestaltung des Textes und der Fußnoten haben sich die Bearbeiter nach den für die „Arbeiten zur Kirchlichen Zeitgeschichte“ festgelegten Standards gerichtet: Originaltexte, d. h. sämtliche vollständig abgedruckten Dokumenten und Zitate aus Dokumente erscheinen grundsätzlich steil, die von den Bearbeitern formulierten Texte und Fußnoten hingegen kursiv. Die Kopfregesten und Zwischenüberschriften sind als Gliederungselemente fett gesetzt. Hervorhebungen in den Originaltexten werden nur dann übernommen, wenn sie sachlich relevant sind; sie erscheinen unabhängig von der in der Vorlage verwendeten Hervorhebungsart gesperrt. Hinweise auf Quellen und Literatur innerhalb der Fußnoten sind bei Archiv- und Autorennamen in Kapitälchen, bei Signaturen und Titeln steil gesetzt. Die Literatur wird lediglich mit Kurzti-
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teln zitiert; die vollständigen bibliographischen Angaben sind im Literaturverzeichnis aufgeführt. Interne Seitenangaben von abgedruckten Dokumenten wurden nicht übernommen. Nur wenn die Dokumente aus Akten stammen, die eine fortlaufende Paginierung aufweisen, wurden im Text die Seitenwechsel sowie Angaben über Vorder- und Rückseite durch hochgestellte Ziffern und die Anfangsbuchstaben für recto (= Vorderseite) und verso (= Rückseite) kenntlich gemacht. Die Fußnoten zu den Protokollen enthalten eine Vielzahl von Querverweisen auf die zusätzlich abgedruckten Dokumente. Die Verweise sind stets nach einem einheitlichen Schema aufgebaut: Auf die Nummer der Sitzung folgen zunächst die Angabe der Rubrik und dann die Nummer des jeweiligen Dokuments, zum Schluss erscheint zusätzlich die Seitenangabe. Eine besondere Schwierigkeit für die Bearbeiter war die Identifizierung einer großen Zahl der in den Protokollen und Dokumenten erwähnten Personen. Die biographischen Angaben für die auftretenden Personen wurden in der Regel ins Personenregister integriert. In einigen Fällen konnte die Identifizierung aufgrund von Fehlangaben, Verwechslungen o. ä., die z. T. auf Hör- oder Schreibfehler der Protokollanten zurückzuführen sind, jedoch nicht geleistet werden. Grundlage auch für den 8. Band dieser Edition ist die Überlieferung im Evangelischen Zentralarchiv in Berlin. Daher ist besonders den Mitarbeitern des Zentralarchivs für die bevorzugte Betreuung bei den Archivrecherchen zu danken. Ein großer Dank gilt den Herren Dr. Peter Beier und Henner Grundhoff vom Evangelischen Zentralarchiv Berlin für ihre kompetente und unermüdliche Unterstützung. Gleichermaßen soll den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der anderen Archive, die im Quellenverzeichnis aufgeführt sind, für ihre Hilfsbereitschaft und ihr Engagement gedankt werden: besonders Herrn Diplomarchivar Michael Bing vom Landeskirchlichen Archiv Stuttgart, Herrn Landeskirchenarchivamtsrat Ulrich Dühr vom Archiv der Evangelischen Kirche im Rheinland und Herrn Dr. Michael Häusler, leitender Archivar des Archivs des Diakonischen Werkes der EKD. Für Auskünfte zu den Biogrammen danke ich den zahlreichen beteiligten Archivmitarbeitern. Mein Dank gilt auch der Leiterin der Forschungsstelle für Kirchliche Zeitgeschichte, Frau PD Dr. Claudia Lepp, die durch ihre Diskussionsbereitschaft und ihre kritische-anregende Lektüre des Manuskripts das Projekt fördernd begleitete. Frau Nora Andrea Schulze ließ mich vielfach an ihren Kenntnissen und Erfahrungen aus der Edition der Protokolle der Jahre 1945 bis 1948 teilhaben. Herrn Prof. Dr. Siegfried Hermle und Herrn Prof. Dr. Harry Oelke danke ich für die Aufnahme des achten Bandes der Ratsprotokolle in die Reihe „Arbeiten zur Kirchlichen Zeitgeschichte“. München, 18. Juli 2011
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Karl-Heinz Fix
41 Berlin, 11. Februar 1954 Ort: Beginn: Ende: Teilnehmer:
Protokollant:
Berrlin-Charlottenburg, Kirchenkanzlei – Berliner Stelle –, Goethestraße 87. Donnerstag, 11. Februar 1954 (9: 30 Uhr). Donnerstag, 11. Februar 1954 (Uhrzeit unbekannt)1. Vom Rat: Dibelius, Heinemann, Lilje, Kreyssig, Mager, Meiser, Niesel, Smend. Von der Kirchenkanzlei: Brunotte, Dibelius jr., von Harling, Karnatz, Merzyn. Vom Kirchlichen Außenamt: Schwarzhaupt, Johannesson. Der Bevollmächtigte der EKD am Sitz der Bundesrepublik Deutschland: Kunst. Als Gast: Schumann. Brunotte. 41A Vorbereitung der Sitzung
41A1. Schreiben des Ratsvorsitzenden an die Ratsmitglieder. Berlin, 25. Januar 1954 F: EZA Berlin, 2/1756 (H). Betrifft: Ratstagung der Evangelischen Kirche in Deutschland am 11. Februar 1954 Gemäß dem Beschluß des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland vom 4. Dezember 19532 lade ich hiermit zu einer Sitzung des Rates am Donnerstag, dem 11. Februar 1954, vorm. 930 Uhr im Konferenzzimmer der Berliner Stelle der Kirchenkanzlei ergebenst ein. Für die Tagesordnung sind als Beratungsgegenstände vorgemerkt: 1. Bericht über die Lage 2. Vorbereitung der Tagung der Synode der EKD 1 Eine weitere Zusammenkunft des Rates, die die Tagesordnungspunkte 3 und 17 zum Gegenstand hatte, fand am 12. Februar 1954, im Anschluss an die Kirchenkonferenz ab 16: 30 Uhr statt. 2 D. Pöpping/P. Beier, Protokolle 7, 40B23, S. 553.
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41. Sitzung Berlin, 11. Februar 1954
3. 4. 5. 6. 7.
Entwurf einer Kirchenbeamtenordnung Entwurf einer kirchlichen Disziplinarordnung Entwurf eines Auslandsdiasporagesetzes Entwurf eines Haushaltsgesetzes Bericht über die Rechnungsprüfung für die Rechnungsjahre 1951 und 1952 8. Gewährung von Beihilfen für die innerkirchliche Arbeit 9. Angelegenheit des Kirchlichen Außenamtes 10. Verschiedenes Da wegen der Außenministerkonferenz die Hotelzimmer weithin belegt sind, wären wir für umgehende Nachricht für etwaige Quartierwünsche dankbar. D. Dr. Dibelius
41B Protokoll F: EZA Berlin, 2/1796 (H, den Ratsmitgliedern mit Schreiben der Kirchenkanzlei vom 17. Februar 1954 übersandt). G: Mitschriften 1. Meiser (LAELKB Nürnberg, Meiser, 162), 2. Dibelius (BArch Koblenz, N 1439, Nr. 3), 3. Haug (LKA Stuttgart, A 126, Nr. 386). Niederschrift über die 41. Sitzung des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland am 11. Februar 1954 in Berlin3 Anwesend:
(nicht anwesend:
Bischof D. Dr. Dibelius Landesbischof D. Dr. Lilje Präses Dr. Dr. Heinemann Präses Dr. Kreyssig Synodalpräsident Mager Landesbischof D. Meiser Moderator D. Niesel Professor D. Dr. Smend Landesbischof D. Hahn Landesbischof D. Dr. Haug
3 Laut Schreiben der Kirchenkanzlei an die Ratsmitglieder vom 17. Februar 1954 (EZA Berlin, 4/46) ist das Protokoll die „Niederschrift über die kurze Sitzung nach Beendigung der Kirchenkonferenz am 12. Februar“ eingearbeitet. Es handelt sich um die Tagesordnungspunkte 3 und 17.
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41B Protokoll
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OKR D. Dr. Herntrich Kirchenpräsident D. Niemöller4) Von den Amtsstellen: Präsident D. Brunotte Geheimrat D. Dr. Karnatz Oberkirchenrat Dr. Merzyn Oberkirchenrat Dibelius Oberkirchenrat von Harling Oberkirchenrätin Dr. Schwarzhaupt Herr Johannesson Prälat D. Kunst 1. Bericht zur Lage: Nachdem der Vorsitzende des Rates einen Bericht über die allgemeine Lage gegeben hatte5, beschloss der Rat, folgendes Telegramm an die zur Zeit in Berlin tagenden vier Aussenminister der Grossmächte6 zu richten: „Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland richtet in Wahrnehmung seiner Verantwortung für Ost und West des deutschen Vaterlandes an die vier Aussenminister den dringenden Appell, nicht auseinanderzugehen, ehe nicht für die Wiedervereinigung Deutschlands ein entscheidender Schritt getan ist. Die Aufspaltung Deutschlands hat sich als ständige Gefährdung des Friedens und als eine Quelle politischer Beun-
4 Vgl. zu Niemöllers Abwesenheit 41E5. 5 G 1: „Gespräch mit Eden und Bidault. Molotow ist bisher nicht bereit[,] zu erkennen zu geben, woran des Interesse der Russen besonders hängt. Unsicherheit, wo man anpacken sollte und welche Konzessionen [man] machen soll, die weiterführen. Ermüdendes Geplänkel. Gestern endlich entwickelte [er] einen Plan. Abgebrochen sind die Verhandlungen bisher nicht, wenn auch alle Hoffnungen stark reduziert sind. Man will noch etwa eine Woche lang verhandeln. Frage, ob man es für angezeigt hält, von seiten der Kirche etwas zu sagen. Es wurde versichert, daß man es ernst nehme, wenn die Kirche etwas sagen würde. Gestern Abend wurde ich von der deutschen Delegation angegangen, wir möchte doch etwas tun. Es sollte klar werden, daß Deutschland selbst ein lebendiges Interesse an der Wiedervereinigung hat. Ich wollte vorschlagen, der Kirchenkonferenz einen Text vorzulegen und unterschreiben [zu] lassen, der dann an die Außenminister geht. Aber es ist vielleicht besser, sofort zu handeln; vielleicht in der Form eines Telegrammes und fragen morgen die KK [Kirchenkonferenz], ob sie der Verlautbarung beitreten will. Vorgeschlagener Text wird verlesen.“ Kunst berichtete über die Deutschlandpolitik, das russisch-chinesische Verhältnis und die Koreafrage (EZA Berlin, 742/1). Auf Ausführungen über die Änderung von Artikel 4, Abs. 3 GG, die auf der 40. Ratssitzung behandelt worden war (D. Pöpping/P. Beier, Protokolle 7, S. 547f.), verzichtete Kunst, da Niemöller nicht anwesend war (Schreiben Kunst an Brunotte vom 18. Februar 1954, EZA Berlin, 2/2576). 6 Vom 25. Januar bis 18. Februar 1954 hatte in Berlin eine Konferenz der Außenminister Großbritanniens, Frankreichs, der USA und der UdSSR über die Wiedervereinigung Deutschlands stattgefunden, vgl. C. Lepp, Tabu, S. 174ff. Die Erklärung des Rates ist abgedruckt bei F. Merzyn, Kundgebungen, S. 170.
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41. Sitzung Berlin, 11. Februar 1954
ruhigung erwiesen. Unser Volk kann die Verweigerung seiner natürlichen Lebensgemeinschaft nicht länger ertragen, ohne schwersten moralischen Schaden zu nehmen.“7 (Im Zusammenhang hiermit ist auf die beiden am 12. Februar von der Kirchenkonferenz beschlossenen Eingaben betr. Wiedervereinigung Deutschlands und betr. Freilassung der politischen Gefangenen zu verweisen.)8 2. Protokoll der 40. Ratssitzung: Das Protokoll der Ratssitzung vom 3. und 4. Dezember in Hannover wurde festgestellt. Der Rat war mit der Änderung der Niederschrift zu Ziffer 99 (Bibelrevision) (Rundschreiben der Kirchenkanzlei vom 6. 1. 1954 – Nr. 6188. I.10 – ) einverstanden. 3. Vorbereitung der Synode der EKD11: a) Der Entwurf für den Tätigkeitsbericht des Rates an die Synode12 wurde im allgemeinen gebilligt. Die Änderungswünsche der Ratsmitglieder Dibelius13 und Niemöller14 sollen aufgenommen werden. b) Die Synode soll am 14. März, 9.30 Uhr, mit einem Eröffnungsgottesdienst in der Kirche des Johannesstiftes beginnen. Um die Predigt soll Kirchenpräsident D. Stempel gebeten werden15. Nach dem Gottesdienst soll eine Eröffnungssitzung stattfinden, bei der Grussworte ausgetauscht werden können. Am Sonntag nachmittag, 15 Uhr, wird der Tätigkeitsbericht des Rates vorgetragen und besprochen werden.
7 Vgl. hierzu auch den Entwurf der Erklärung 41E1 und das zustimmende Votum der Kirchenkonferenz vom 12. Februar 1954, unten S. 528. 8 Vgl. 41C1 und 41C2 sowie das „Konzept“ zu 41C1 = 41E2, in das auch das Votum zu den politischen Gefangenen eingearbeitet war. Vgl. auch 47/48B7. 9 D. Pöpping/P. Beier, Protokolle 7, 40B9, S. 543ff. 10 EZA Berlin, 4/46. 11 Zur Vorgeschichte vgl. D. Pöpping/P. Beier, Protokolle 7, 39B5, S. 490f. und 40B2, S. 538. 12 Diesen Entwurf (41D1) hatte die Kirchenkanzlei am 19. Januar 1954 an die Ratsmitglieder mit der Bitte um Prüfung bzw. Korrektur verschickt (EZA Berlin, 2/1062). 13 Dibelius hatte der Kirchenkanzlei am 5. Februar 1954 mitgeteilt, dass er zum Tätigkeitsbericht „noch eine Reihe von Anmerkungen“ habe. Stilistisches könne „stillschweigend“ erledigt werden, aber wo die „Kirchenkanzlei anderer Meinung“ sei als ihre „Kritiker“, müsse der Rat darüber entscheiden (EZA Berlin, 2/1062). 14 Zu Niemöllers Korrekturwünschen vgl. 41D2. 15 Da die Gottesdienste im Johannesstift nach einer eigenen Liturgie gefeiert wurden, stellte das Stift den Liturgen für den Eröffnungsgottesdienst der Synode. Vgl. den Vermerk Behms vom 15. Februar 1954 und den Brief Grauhedings an die Kirchenkanzlei vom 5. Februar 1954 (EZA Berlin, 2/1051).
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c) Zu den bisher vorgesehenen Referaten von Prof. D. de Quervain16 und Frau Dr. Truhel17 soll ein weiteres Referat von Prof. Dr. SchelskyHamburg18 erbeten werden. Ferner soll Rechtsanwalt Knauth19 [richtig: Knaut] über die gesetzgeberische Lage betr. Familienfürsorge in Ost und West berichten. Die Vorträge sollen nicht länger als ¾ Stunden dauern, der Bericht von Dr. Knauth höchstens eine halbe Stunde. d) Am Montag, den 15. März, soll um 9 Uhr mit der Einbringung der Gesetze und der Bildung der Ausschüsse begonnen werden. Ab 10.30 Uhr folgen die vier Referate nebst Aussprache. e) Zur Vorbereitung der Referate sollen sich die Synodalen Iwand, Künneth und Raiser mit Prof. de Quervain treffen20. Zur Vorbereitung der übrigen Referate sollen ebenfalls nur Synodale bestellt werden. Die Auswahl wird dem Präses der Synode überlassen. f) Mit Rücksicht auf das Hauptthema der Synode sollen die Herren Donath, von Bismarck und Osterloh als Gäste zur Synode eingeladen werden21. Sie können an den Ausschusssitzungen teilnehmen; ob sie das Wort in der Synode ergreifen können, muss die Synode entscheiden22. g) Gegen die Verlegung der Synode von Bad Boll nach Berlin wurden nachträglich Beschwerden vorgebracht, insbesondere aus den süddeutschen Gliedkirchen23. Der Rat beschloss, dass es angesichts der vorgerückten Zeit bei der Verlegung nach Berlin verbleiben solle24.
16 „Die Familie in der modernen Gesellschaft“ (Berlin-Spandau 1954, S. 89–105). 17 „Die Familie in der modernen Gesellschaft“ (Ebd., S. 202–217). 18 Ebd., S. 179–202. Schelsky, dessen Einladung auf ein Votum des Synodal-Ausschusses für Öffentliche Verantwortung und der Kammer für Öffentliche Verantwortung zurückging (vgl. Heinemanns Brief vom 22. Januar 1954 an die Kirchenkanzlei, EZA Berlin, 2/ 1051), sprach über den „langfristigen Wandel der Familie in der modernen Gesellschaft“ und über die „Wandlungen der deutschen Familie in der Gegenwart“. 19 Ebd., S. 165–178. Knaut stellte der Synode die gesetzlichen Bestimmungen vor, „durch welche der Staat seine Sorge für die Familie wahrnimmt“. 20 Von diesem Vorschlag wurde de Quervain am 19. Februar 1954 durch die Kirchenkanzlei informiert, am 24. Februar antwortete er, sich am 13. März mit Iwand, Künneth und Raiser treffen zu wollen (EZA Berlin, 2/1051). 21 Donath sagte seine Teilnahme am 5. März 1954 gegenüber Brunotte wegen anderweitiger Verpflichtungen ab. Er schlug vor, an seiner Stelle den familienpolitisch engagierten Direktor des Central-Ausschusses für die Innere Mission Münchmeyer zu berufen (EZA Berlin, 2/1051). 22 Im Anschluss an Truhels Referat hatte sich Osterloh zu Wort gemeldet, zugleich aber auf die Umstände seiner Einladung hingewiesen und daher um ein Votum der Synode über sein Rederecht gebeten. Nach der Zustimmung der Synodalen sprach er dann zum Thema (Berlin-Spandau 1954, S. 220ff.). 23 Zur Suche nach einem Tagungsort für die Synode vgl. D. Pöpping/P. Beier, Protokolle 7, 39B5, S. 490f. 24 Am 22. Januar 1954 hatte Karnatz die Mitglieder des Rates, der Synode und der Kirchen-
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h) Der Rat beschloss, die freien Stellen unter den vom Rat berufenen Mitgliedern der Synode wie folgt zu besetzen: Nr. 103: als 2. Stellvertreter für Pfarrer Putz = Prof. Frör in Erlangen, Nr. 107: als 1. Stellvertreter für OKR D. Dr. Gerstenmaier = OKR Riedel in München, Nr. 114: als 1. Stellvertreter für Präsident D. Dr. von Thadden = Pfarrer Giesen in Fulda. i) Der Rat beschloss, im Hinblick auf die besondere Lage zu dieser Synode keine politischen Stellen einzuladen. Bei veränderter Lage soll der Präses ermächtigt sein, im Einvernehmen mit dem Ratsvorsitzenden hiervon abweichend zu handeln. 4. Angelegenheiten des Kirchlichen Aussenamtes: a) Oberkirchenrätin Dr. Schwarzhaupt berichtete über die Ansprüche des Pfarrers Kube betr. Erstattung der Kosten seiner Rückreise von Brasilien nach Deutschland25. Das Kirchliche Aussenamt beabsichtigt, einen Vergleichsvorschlag zu machen: Die EKD soll der Synode von Rio Grande 5.300,– DM als Preis für eine Schiffsreise erstatten, damit die Synode den entsprechenden Betrag an Pfarrer Kube zahlen kann. Der Vergleich soll unter der Voraussetzung geschlossen werden, dass Pfarrer Kube weitere Rechtsansprüche nicht erhebt. Der Rat ermächtigt das Kirchliche Aussenamt, in diesem Sinne mit Pfarrer Kube zu verhandeln. b) Der Rat nahm davon Kenntnis, dass Oberkonsistorialrat i. R. Dr. Krüger-Wittmack vom 1. Februar ab zunächst für zwei Monate probeweise mit der Wahrnehmung eines juristischen Referates im Kirchlichen Aussenamt beauftragt ist und seinen Dienst angetreten hat26. 5. Stand der Gesetzgebung betr. Ehe und Familie: Prof. D. Dr. Schumann-Hemer berichtete dem Rat über die zur Zeit in Vorbereitung befindlichen fünf Gesetze betr. Ehe und Familie: 1. Familienrechtsgesetz, 2. Ehegesetz, 3. Gesetz über die religiöse Kindererziekonferenz darüber informiert, dass sich Heinemann „nach Fühlungnahme mit dem Herren Vorsitzenden und mit einigen weiteren Mitgliedern des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland dahin entschieden“ habe, die Synode in Berlin-Spandau stattfinden zu lassen. Die zuvor erwogenen Tagungsorte – neben Bad Boll u. a. auch Tübingen – hätten sich „als ungeeignet oder weniger geeignet erwiesen“ (EZA Berlin, 2/1051). 25 Die finanziellen Forderungen des im Oktober 1951 nach Deutschland zurückgekehrten Pfarrers Kube waren bereits 1952 vom Rat abgelehnt worden (A. Silomon/D. Pöpping/ K-H. Fix, Protokolle 6, 28B11, S. 90), doch hätten sie nach dem Willen des Kirchlichen Außenamtes im Oktober 1953 nochmals vom Rat behandelt werden sollen (D. Pöpping/P. Beier, Protokolle 7, 39A2, S. 486). 26 Vgl. D. Pöpping/P. Beier, Protokolle 7, 40B17, S. 550f.; zum Fortgang vgl. 42B2 und 44B9a.
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hung27, 4. Personenstandsgesetz28, 5. Frage der fakultativen Ziviltrauung. Der Rat nahm den Bericht zur Kenntnis und dankte der Eherechtskommission der EKD für die bisher geleistete Arbeit29. Der Rat beschloss, zum Familienrechtsgesetz nicht erneut Stellung zu nehmen30. Zum Ehegesetz wird der Rat Stellung nehmen, sobald das neue Gesetz vorliegt31. Im Stadium der Vorbereitung soll bereits auf die Beseitigung der Missbräuche beim Scheidungsrecht hingewirkt werden. Die Eherechtskommission wurde gebeten, die übrigen Probleme des Scheidungsrechtes weiter zu verfolgen. Zum Gesetz über die religiöse Kindererziehung (1921) und zum Personenstandsgesetz (1875) nahm der Rat nicht Stellung. In der Frage der fakultativen Ziviltrauung war der Rat der Meinung, dass die Einbringung eines den katholischen Wünschen entsprechenden Gesetzes in der nächsten Zeit noch nicht zu erwarten sei. Der Rat bat die Eherechtskommission, auf der Grundlage der bisherigen gutachtlichen Äusserungen den Entwurf einer Stellungnahme zu erarbeiten und dem Rat vorzulegen32. 6. Rechnungsprüfung 1951 und 1952: Der Rat nahm davon Kenntnis, dass die Jahresrechnungen für 1951 und 1952 vom Oberrechnungsamt und vom Finanzausschuss der Synode geprüft sind und der Synode zur Erteilung der Entlastung zugeleitet werden33. 7. Änderungen der Ostpfarrerrichtlinien: Der Rat nahm Kenntnis von dem Entschluss der westdeutschen Landeskirchen, die Ostpfarrerversorgung zu verbessern34, und beschloss die von
27 „Gesetz über die religiöse Kindererziehung“ (RGBl 1921, S. 939ff.). Vgl. 44B1a. 28 „Gesetz über die Beurkundung des Personenstandes und die Eheschließung“ (RGBl 1875, S. 23–40). Vgl. 42B13. 29 Vgl. auch 41E3. 30 Zu dieser Problematik hatte der Rat am 22. März 1952 ein Schreiben an das Bundesjustizministerium „zu den Fragen der Revision des Ehe- und Familienrechts“ gerichtet (F. Merzyn, Kundgebungen, S. 130–136; A. Silomon/D. Pöpping/K-H. Fix, Protokolle 6, 28B3, S. 82f.). Zum Ganzen vgl. die zeitgenössische Sammlung von Dokumenten und von Darstellungen der protestantischen Position in H. A. Dombois/F. K. Schumann, Familienrechtsreform. 31 41D3. 32 Vgl. 46B14. 33 Der Finanzausschuss der Synode hatte die Jahresrechnungen 1951 und 1952 der EKD auf seiner Sitzung am 26. und 27. Oktober 1953 geprüft (EZA Berlin, 2/1267). Die Entlastung des Rates für seine Haushalts- und Kassenführung erfolgte am 18. März 1954 (Berlin-Spandau 1954, S. 236). 34 Die Mitglieder der Kirchlichen Westkonferenz hatten auf ihrer Sitzung am 21. Januar 1954 in Hannover beschlossen, vom Rat „die mit Rundschreiben der Kirchenkanzlei vom
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den westdeutschen Landeskirchen vorgeschlagene Änderung der Richtlinien zur Regelung der Versorgung der Ostpfarrer und ihrer Angehörigen vom 22. April 195235, wie sie sich aus dem Rundschreiben der Kirchenkanzlei vom 2. Februar 1954 – Nr. 10038. II. (2. Ang.)36 – ergibt37. 8. Kirchengesetz betr. Schiedsgerichtshof der EKD: Der Rat beschloss, der Synode der EKD den mit Rundschreiben der Kirchenkanzlei vom 2. Februar 1954 – Nr. 537. II.38 – vorgeschlagenen Entwurf eines „Vierten Kirchengesetzes über den vorläufigen Schiedsgerichtsgerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland“ vorzulegen39. Der Rat beschloss ferner, Oberkirchenrat i. R. D. Dr. FriedrichHeidelberg zum Vorsitzenden des Schiedsgerichtshofes und den Regierungsdirektor Dr. Konrad Müller zum Mitglied des Schiedsgerichtshofes zu berufen und ihn zum stellvertretenden Vorsitzenden zu ernennen, falls er nicht selbst das Bedenken hat, dass ihm die genügende richterliche Erfahrung fehle40. Für den Fall seiner Verhinderung soll Oberlandesgerichtsrat Dr. Buchholz-Hannover zum Mitglied des Schiedsgerichtshofes berufen werden. Endlich beschloss der Rat, der von der Bremischen Evangelischen Kirche gewünschten gesetzlichen Regelung einer
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9. Januar 1954 – 10.038.II – vorgeschlagene Änderung der Richtlinien des Rates der EKD zur Regelung der Versorgung der Ostpfarrer und ihrer Angehörigen vom 22. April 1952 zu erbeten“ und zwar „mit den vom Finanzbeirat der EKD vorgeschlagenen kleinen Änderungen“ (EZA Berlin, 2/5047, Punkt II. 6 des Protokolls). ABlEKD 1952, Nr. 5 vom 15. Mai 1952, S. 90–93. EZA Berlin, 4/46. Zum Fortgang vgl. 42B6. 41D4. Berlin-Spandau 1954, S. 639. Vgl. unten, S. 529, das Protokoll der Sitzung der Kirchenkonferenz. Am 15. Januar 1954 hatte Brunotte bei Meinzolt angefragt, ob er bereit sei, den Vorsitz des Schiedsgerichtshofs zu übernehmen. Nachdem Meinzolt am 21. Januar 1954 wegen Arbeitsüberlastung abgesagt hatte, hatte sich Merzyn am 30. Januar 1954 an Friedrich gewandt und gefragt, ob dieser als Ruheständler den Vorsitz übernehmen wolle. Merzyn hatte hierbei erklärt: „Ich habe keinen Auftrag Sie zu bitten, möchte aber doch rein persönlich fragen, ob Sie überhaupt in der Lage wären, eine solche Berufung anzunehmen“ (alle Schreiben in EZA Berlin, 2/926). Am 1. Februar hatte sich Friedrich gegenüber Merzyn zur Übernahme des Amtes bereit erklärt. Zwei Tage später hatte Merzyn dann Müller gefragt, ob er Mitglied des vorläufigen Schiedsgerichtshofs werden wolle. Nachdem Müller am 8. Februar zugesagt hatte, erkundigte sich Merzyn am 13., ob Müller „auch eine Berufung zum stellvertretenden Vorsitzenden unseres Schiedsgerichtshofes anzunehmen in der Lage und Willen sei“. Am 17. Februar hatte Müller geantwortet, dass er dazu prinzipiell bereit sei, dass ihm aber „eine praktische Erfahrung auf dem Gebiet der Rechtsprechung, wie sie die Leitung der Verhandlungen wohl erleichtern würde“, fehle. Ein in diesen Dingen erfahrenes Mitglied des Schiedsgerichtshofs sei ihm wohl vorzuziehen. Nachdem die Genehmigung der niedersächsischen Staatskanzlei vorlag, hatte Müller endgültig zugesagt (alle Schreiben EZA Berlin, 2/27).
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Zuständigkeit des Schiedsgerichtshofes der EKD auch für innerkirchliche Streitigkeiten der Bremischen Evangelischen Kirche zuzustimmen41 (vgl. Rundschreiben der Kirchenkanzlei vom 15. Januar 1954 – Nr. 10032. II.42 –). 9. Neubesetzung des Disziplinarhofes der EKD43: Nach Vortrag von OKR Dibelius beschloss der Rat, den Senatspräsidenten Dr. Buhrow in Hamm zum 2. Stellvertreter des Vorsitzenden des Disziplinarhofes zu berufen44. 10. Evanston45: Der Ratsvorsitzende berichtete, dass Dr. Karrenberg seine Beteiligung abgesagt habe46 und dass die rheinische Kirche an seiner Stelle OKR Lic. Dr. Beckmann als stellvertretenden Delegierten vorschlägt47. Der 41 Am 31. Dezember 1953 hatte der Kirchenausschuss der Bremischen Evangelischen Kirche aus Anlass eines Zivilprozesses bei der Kirchenkanzlei angefragt, ob der Rat bereit sei, die geplante kirchengesetzliche Regelung der bremischen Kirche zu akzeptieren, dass bei innerkirchlichen Streitfällen der vorläufige Schiedsgerichtshof der EKD angerufen werden könne. Nachdem am 15. Januar 1954 die Kirchenkanzlei die Ratsmitglieder über diesen Wunsch unterrichtete hatte, hatten Dibelius (am 18. Januar), Niemöller, Niesel und Smend (am 19. Januar) und Meiser (am 29. Januar) ihre Zustimmung gegeben. Der bremische Kirchenausschuss schickte daraufhin am 28. Januar 1954 den Entwurf seines „Vorläufigen Gesetzes über die Verwaltungsgerichtsbarkeit“ „als Unterlage für die Entscheidung des Rates“ an die Kirchenkanzlei (alle Schreiben in EZA Berlin, 2/926). 42 EZA Berlin, 2/926. 43 Am 19. Januar 1954 hatte sich Brunotte an den Präsidenten der Bremischen Evangelischen Kirche Donandt gewandt und aus aktuellem Anlass darauf hingewiesen, dass die beiden Senate des Disziplinarhofs nicht unbeschränkt handlungsfähig seien, wenn es neben dem Vorsitzenden nur einen stellvertretenden Vorsitzenden gebe. Es müsse ein zweiter Stellvertreter gewählt werden. Daher hatte Brunotte Donandt das Amt des 2. Stellvertreters im westlichen Senat angeboten und erklärt, dass Donandt im Falle seiner Zustimmung auf der Ratssitzung vom 11. Februar berufen werde. Da Donandt am 27. Januar 1954 Brunottes Anfrage wegen Arbeitsüberlastung und Fremdheit der Materie abgelehnt hatte, fragte Dibelius jr. am 2. Februar 1954 bei dem Bielefelder Oberkirchenrat Steckelmann an, ob er einen für dieses Amt geeigneten Mann kenne. Damit hatte die Kirchenkanzlei Donandts Vorschlag ignoriert, den Rechtsanwalt Leist zu berufen. Bereits am 6. Februar hatte Buhrow dann an Steckelmann geschrieben, dass er das Amt im Disziplinarhof annehmen wolle. Darüber hatte Steckelmann Dibelius jr. am 8. Februar 1954 informiert (alle Schreiben in EZA Berlin, 2/3438). 44 Mit Schreiben vom 17. Februar 1954 nahm Buhrow die Berufung an (Ebd.). 45 Vgl. zur Vorgeschichte D.Pöpping/P. Beier, Protokolle 7, 35B21, S. 164; 36B9, S. 227ff.; 37B12, S. 316; 38B7, S. 436f.; 39B3, S. 489 und 40B8, S. 542, sowie das Protokoll der Kirchenkonferenz am 10. September 1953 (Ebd., S. 653f.). Vgl. auch 42B11. 46 Vgl. das Schreiben Karrenbergs an das Kirchliche Außenamt vom 7. Januar 1954 (EZA Berlin, 6/5901). 47 Vgl. 41D6 und das vom selben Tag stammende Schreiben der rheinischen Landeskirche an das Kirchliche Außenamt, in dem erklärt wurde, man lege für den Fall, dass der Rat nicht
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Rat beschloss jedoch, diesem Vorschlag nicht zu folgen, sondern das Ratsmitglied Dr. Kreyssig als stellvertretenden Delegierten zu berufen48. Der Rat nahm dabei an, dass die rheinische Kirche OKR Beckmann auch als Visitor entsenden könne. Nachdem auch Kirchenpräsident Stempel von der Reise nach Evanston zurückgetreten ist49, soll an seiner Stelle eine Diakonisse entsandt werden. Der Rat war damit einverstanden, dass diese vom Ratsvorsitzenden bestimmt wird50. 11. Spende für französische Waisenkinder51: Der Rat beschloss, den von den Gliedkirchen aufgebrachten Betrag von ca. 49.000,– DM aus Mitteln der EKD auf 50.000,– DM aufzurunden und seiner Bestimmung zuzuführen52. 12. Beihilfen aus Kap. III.53: OKR von Harling berichtete, dass der Finanzausschuss der Synode abgelehnt habe, die Ausgaben aus Kap. III. zu erhöhen, wenn die Kollekte für die innerkirchlichen Aufgaben der EKD mehr als 102.000,– DM einbringen würde. OKR von Harling schlug vor, den noch vorhandenen Betrag aus Kap. III wie folgt zu verteilen: Jugendarbeit = 2.000,– DM54 Arbeitsgemeinschaft für Kinderpflege = 1.000,– DM55 Konvent der Heimvolkshochschulen = 2.000,– DM56
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auf den Vorschlag Beckmanns eingehe, Wert darauf, dass dieser als zweiter Besucher aus der rheinischen Landeskirche nach Evanston fahre (EZA Berlin, 6/5901). Kreyssig nahm seine Ernennung in einem Schreiben an Dibelius vom 12. Februar 1954 an und schlug zugleich als weitere Delegierte die Oberin des Diakonissenhauses Elbingerode, Elspermann, vor (EZA Berlin, 4/411). Zur Debatte zwischen Niemöller und Dibelius über diesen Beschluss vgl. 41E4–6. Stempel hatte am 10. Februar 1954 per Telegramm auf die Reise nach Evanston „zugunsten eines unierten Laien aus der Ostzone oder Professors Ernst Wolf Goettingen“ verzichtet (EZA Berlin, 4/411). Ernannt wurde dann die Berliner Diakonisse und Studienrätin Gertrud Herrmann. Vgl. zur Vorgeschichte der Spende für die Waisenkinder von Oradour und die Erwartungen des Rates an die Spendenhöhe (100000.– DM) D. Pöpping/P. Beier, Protokolle 7, 35B20, S. 163f. und 36B8, S. 226. Diesen Beschluss teilte Niemöller am 27. Februar 1954 Boegner mit, am 9. März erfolgte die Überweisung (EZA Berlin, 6/177). Vgl. neben den einzelnen Anträgen auch von Harlings Übersicht für den Rat 41D7 mit 41D8. Antrag nicht ermittelt, vgl. aber auch D. Pöpping/P. Beier, Protokolle 7, 37C6, S. 328ff. und 37D17, S. 377ff. Der Antrag war bereits im Sommer 1953 gestellt worden (D. Pöpping/P. Beier, Protokolle 7, 37B11b, S. 314). Darauf hatte die Kirchenkanzlei am 24. Juni 1953 erklärt, wegen der noch unbekannten Höhe des Kollekteneingangs können man von den genehmigten 5000.– DM vorerst nur Abschlagszahlungen in Höhe von 1250.– DM pro Quartal, beginnend am 1. April 1953 leisten (EZA Berlin, 2/5351). Der Konvent der Heimvolkschulen hatte bereits am 18. April 1953 eine Beihilfeantrag ge-
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1.000,– DM57 1.000,– DM58 2.000,– DM59 4.000,– DM60 13.000,– DM Der Rat beschloss demgemäss und erklärte sich damit einverstanden, dass aus den Ostwährungsmitteln von Kap. III des Haushaltsplanes 1953/54 folgende Beihilfen bewilligt werden: 1) Männerarbeit der EKD = 7.000,– DM61 2) Frauenhilfe der EKD = 5.000,– DM62 3) Versorgung kirchlicher Stellen östl. Gliedkirchen m. Schrifttum = 8.000,– DM 4) Sendschriften-Hilfswerk des Martin Luther-Werkes = 2.000,– DM63 5) Evangelische Akademie Berlin = 5.000,– DM64 6) Hainstein-Eisenach = 2000,– DM65 7) Brandenburger Orgeltage = 500,– DM66 = 29.500,– DM67 Konferenz der Strafanstaltspfarrer Arbeitsgemeinschaft für dorfkirchliche Arbeit Arbeitsgemeinschaft evangelischer Schulbünde Aktionsgemeinschaft für Arbeiterfragen
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= = = =
stellt (D. Pöpping/P. Beier, Protokolle 7, 37B11b, S. 314 mit 37C6, S. 328ff.), doch hatte die Kirchenkanzlei am 24. Juni 1953 erklärt, wegen der noch unbekannten Höhe des Kollekteneingangs können man von den genehmigten 4000.– DM vorerst nur eine Abschlagszahlungen in Höhe von 1000.– DM pro Quartal beginnend am 1. April 1953 leisten (EZA Berlin, 2/5359). Den an ihn gerichteten Antrag der Anstaltspfarrer (41D9) hatte Lilje am 13. Januar 1954 an die Kirchenkanzlei weiter geleitet und „dringend“ empfohlen, der Bitte um einen Zuschuss zu entsprechen (EZA Berlin, 2/5364). Auf den Antrag vom 9. Juni 1953 (41D10) hin hatte die Kirchenkanzlei der Arbeitsgemeinschaft für dorfkirchliche Arbeit am 17. Juli 1953 mitgeteilt, dass über die Bitte wegen der Finanzlage der EKD erst Ende des Jahres entschieden werden könne. Am 5. September 1953 hatte sich die Arbeitsgemeinschaft für den Zwischenbescheid bedankt und zugleich ihre Bedeutung, v. a. im Blick auf die katholische Landvolkbewegung betont (alle Schreiben in EZA Berlin, 2/5346). 41D12. Antrag nicht ermittelt. 41D13. 41D14, vgl. auch 47/48B8. 41D15. Vgl. auch D. Pöpping/P. Beier, Protokolle 7, 34B10, S. 65 und 47/48B8,7. Antrag nicht ermittelt, vgl. auch D. Pöpping/P. Beier, Protokolle 7, 34B10, S. 65 und 46B12. 41D16. Vgl. auch D. Pöpping/P. Beier, Protokolle 7, 34B10, S. 65. Schönherrs Antrag vom 20. November 1953 an das Berlin-Brandenburgische Konsistorium (41D17) war am 12. Dezember von dort an die Kirchenkanzlei – Berliner Stelle – weitergeleitet worden. Das Konsistorium hatte 400.– DM aus eigenen Mitteln bewilligt und 500.– DM als Beitrag der Kirchenkanzlei zur Debatte gestellt. Die ebenfalls vom Berliner Konsistorium angefragte Kanzlei der APU monierte in einem Vermerk vom 19. Dezember 1953 an dem Antrag gegenüber der Kirchenkanzlei – Berliner Stelle – trotz der Anerkennung der Bedeutung der Brandenburger Orgeltage: „Mißlich ist, daß die örtlichen Stellen
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Die Rückreise von Propst Döhring-Jerusalem [richtig: Döring] kann nicht aus Kap. III bezahlt werden68. Der Rat überliess es dem Vorsitzenden, ob er, falls er es ermöglichen kann, die Einführung des neuen Propst Weigelt in Jerusalem vornehmen will. Falls er dazu nicht in der Lage ist, soll Propst Döhring [richtig: Döring] seinen Nachfolger einführen69. 13. Entwurf eines Kirchenbeamtengesetzes der EKD70: OKR. von Harling trug den Entwurf eines Kirchenbeamtengesetzes für die Kirchenbeamten der Amtsstellen der EKD vor (Rundschreiben der Kirchenkanzlei vom 1. Februar 1954 – Nr. 10517. V0. –71). Der Rat beschloss, die aus der Anlage72 ersichtlichen Änderungen an dem Entwurf
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anscheinend keinerlei zusätzliche Mittel zur Deckung des Fehlbetrages aufbringen. Es wäre sicherlich auch besser gewesen, wenn man sich rechtzeitig an die beiden Kirchenleitungen gewandt hätte, um von vornherein Klarheit über die Deckung des mit Sicherheit zu erwartenden Fehlbetrages zu schaffen. Auf der anderen Seite ist zuzugeben, daß man mit äußerster Sparsamkeit gewirtschaftet hat“ (EZA Berlin, 4/828). Bevor die Entscheidung dem Rat vorgelegt worden war, hatte Karnatz am 23. Dezember 1953 gegenüber Kracker von Schwartzenfeldt einen Antrag an den Heuner-Ausschuss zur Diskussion gestellt. Vgl. auch 46B12. Vgl. zu den Beihilfen auch 42B3, 45B7b, 46B12, 47/48B8 und 50B18. Am 21. Januar 1954 hatte Döring dem Kirchlichen Außenamt auf dessen Anfrage vom 14. Januar hin mitgeteilt, dass gemäß den Regelungen bei seiner Berufung zum Propst von Jerusalem im Jahr 1938 das Kirchliche Außenamt seine Umzugskosten zu tragen habe. Auf seine Anfrage vom 31. August 1953 hätte das Kirchliche Außenamt erst im Januar 1954 reagiert. Da sein Nachfolger Weigelt bald nach Jerusalem komme, wolle er schnellstens nach Deutschland zurückkehren, der Lutherische Weltbund sei bereit, die Umzugskosten vorzustrecken. Das Kirchliche Außenamt hatte Döring daraufhin am 27. Januar 1954 mitgeteilt, dass man mit dem Kuratorium der Jerusalemstiftung verhandelt habe. Dieses sei zwar zur Kostenübernahme verpflichtet, doch benötige es mangels eigener Mittel eine Beihilfe der EKD, über die auf der Ratssitzung am 11. Februar 1954 beraten werde. Zuversichtlich hatte Schwarzhaupt erklärt: „Sie können damit rechnen, daß Ihnen die erforderlichen Mittel zur Verfügung gestellt werden“. Am selben Tag hatte Schwarzhaupt der Jerusalemstiftung mitgeteilt, dass Döring am 4. März 1954 Jerusalem verlassen werde. Am 4. März 1954 erklärte das Kirchliche Außenamt dem Kuratorium der Jerusalemstiftung, aufgrund der schlechten Finanzlage der Stiftung bleibe nur die Lösung einer Beihilfe an die Stiftung. Das Kirchliche Außenamt könne dies aber nicht leisten, daher solle die Stiftung nochmals an den Rat herantreten. Niemöller wolle das Anliegen im Rat auch selbst vertreten. Das Stiftungskuratorium erklärte daraufhin in seiner Antwort vom 9. März 1954, dass man die Kirchenkanzlei nochmals wegen einer Beihilfe zu den Umzugskosten kontaktieren werde (alle Schreiben in: AEKR Düsseldorf, 1 OB 009 D 63). Vgl. dazu 44B1. Zur Vorgeschichte vgl. K.-H. Fix, Protokolle 3, 6B6, S. 223f. und D. Pöpping/P. Beier, Protokolle 7, 37B10, S. 311ff. und 40B5, S. 539f. Das „Kirchengesetz der Evangelischen Kirche in Deutschland über die Rechtsverhältnisse der Kirchenbeamten (Kirchenbeamtengesetz)“ vom 18. März 1954 ist abgedruckt im ABlEKD 1954, Nr. 4 vom 15. April 1954, S. 100–106. EZA Berlin, 2/3394. 41C3.
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des Ausschusses vorzunehmen. Im übrigen soll es in § 44 dabei verbleiben, dass ein Kirchenbeamter auch gegen seinen Willen in eine Gliedkirche versetzt werden kann, wenn die EKD und die Gliedkirche einverstanden sind. Ein Zusatzantrag von Präsident Mager zu § 273, nach welchem die geistlichen Kirchenbeamten der EKD hinsichtlich der Lehrzucht ihrer Landeskirche unterstellt werden sollten, wurde abgelehnt. § 2 soll aber stilistisch geändert werden (Auflösung der Relativsätze). Im übrigen beschloss der Rat, das Gesetz der Synode vorzulegen74, nachdem die Kirchenkonferenz Stellung genommen hat75. 14. Entwurf eines Haushaltsgesetzes für 1954/55: OKR Dr. Merzyn trug den Haushaltsplan vor, der inzwischen die Billigung des Finanzbeirates der EKD, des Finanzausschusses der Synode und der Westkirchenkonferenz76 gefunden hat, und begründete die bewilligten Erhöhungen. Der Rat beschloss, die Vorlage77 unverändert an die Kirchenkonferenz und danach an die Synode zu geben. Weitere Änderungswünsche des Kirchlichen Aussenamtes sollen in der Synode zur Sprache gebracht werden78. Auf jeden Fall soll die einschränkende Bestimmung bezüglich der Kollekte für die Auslandsarbeit gestrichen werden79. Der Rat nahm davon Kenntnis, dass beabsichtigt ist, vom 1. April 1954 bei der Dienststelle Berlin-Ost eine eigene Kassenverwaltung einzurichten80. Die erforderlichen Mittel stehen in dem Betrage zur Verfügung, der bisher der Evangelischen Kirche der altpreussischen Union zum Ausgleich der von ihr geführten Kassenverwaltung geleistet worden ist. Der Rat erklärte sich damit einverstanden, dass in diesem Ausnahmefall
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Der Antrag Magers scheint nur mündlich vorgetragen worden zu sein. Berlin-Spandau 1954, S. 245–255. Vgl. unten, S. 528 f. und Berlin-Spandau 1954, S. 246. Im Protokoll der Kirchlichen Westkonferenz vom 21. Januar 1954 in Hannover hieß es unter TOP V. 1: „Die Kirchliche Westkonferenz sah sich im Rahmen ihrer Sitzung nicht zu einer Beurteilung der einzelnen Positionen des vorgelegten Haushaltsplan-Entwurfs berufen und imstande; sie bittet die zur Vorbereitung und Entscheidung berufenen Stellen um strenge Prüfung jedes einzelnen Erhöhungswunsches und, zumal jede weitere Mehrbelastung der westdeutschen Landeskirchen auf diesem Gebiet eine Beeinträchtigung des Kirchlichen Hilfsplans zur Folge haben muss. Eine Erhöhung der EKD-Umlage um mehr als äusserstenfalls 450.000.– DM wurde für untragbar erklärt“ (EZA Berlin, 2/5047). 41D18. Berlin-Spandau 1954, S. 234f., 239–242. Diesem Vorschlag folgte die Synode nicht, vgl. den Haushaltsplan im ABlEKD 1954, Nr. 4 vom 15. April 1954, S. 92–96, S. 95. Dies hatte die Kirchenkanzlei – Berliner Stelle – der Kirchenkanzlei der APU am 1. März 1954 mitgeteilt. Den Finanz-Obersekretär i. R. Schneider, für den man bislang an die APU 300.– DM zahle, wolle man übernehmen (EZA Berlin, 4/259).
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von der Vorschrift der Kassen- und Rechnungsordnung vom 7. 2. 1936, I 581, wonach die Kassenverwaltung nur einem Beamten übertragen werden soll, abgesehen wird82. 15. Kirchlicher Hilfsplan83: Konsistorialpräsident Dr. Gefaeller berichtete über die finanzielle Lage der Kirchen im Osten und über die Vereinbarungen des kirchlichen Hilfsplanes84. Der Rat nahm von den geplanten Massnahmen Kenntnis und beauftragte die Kirchenkanzlei, um ihre Durchführung besorgt zu sein. Oberlandeskirchenrat Knospe-Dresden wurde in den Ausschuss für den Hilfsplan berufen85. 16. Entwurf eines Auslandsdiasporagesetzes86: Präsident D. Brunotte trug den vom Ausschuss abgeschlossenen Entwurf eines Auslandsdiasporagesetzes vor87. Der Rat beschloss, in der 81 Gemeint ist die „Ordnung für das Kassen- und Rechnungswesen der Deutschen Evangelischen Kirche“ (AblDEK 1936, Nr. 6–9 vom 7. März 1936, S. 26–29). 82 Vgl. auch 49B6 (XIII). 83 Zum seit 1950 bestehenden, über Umlagen der westlichen Gliedkirchen finanzierten Hilfsplan vgl. A. Silomon, Protokolle 4, 10B10, S. 47 und D. Pöpping, Protokolle 5, 20B9, S. 111. 84 Über die wirtschaftliche Lage der östlichen Gliedkirchen hatte die Kirchenkanzlei – Berliner Stelle – die Kirchenkanzlei am 30. Dezember 1953 informiert und zur Verdeutlichung eine Übersicht über die Eingänge für den Hilfsplan, über die Eingänge für den Betriebsfonds (jeweils Stand 29. Dezember 1953) und einen vertraulichen „Bericht über die wirtschaftliche Lage der östlichen Gliedkirchen“ (41E7) beigelegt. Die Kirchenkanzlei – Berliner Stelle – hatte darum gebeten, „diese Ausführungen in geeignet erscheinender Weise unter Wahrung der Vertraulichkeit den hieran interessierten Stellen zur Vorbereitung der beabsichtigten Besprechungen zuzuleiten“ (EZA Berlin, 4/990). 85 Der Ausschuss hatte auf seiner 12. Sitzung am 15. Januar 1954 unter Punkt VII beschlossen: „In der Erwartung, daß dem Ausschuß entsprechend der von der Kirchenkanzlei – Berliner Stelle – ausgearbeiteten Denkschrift in Zukunft eine erhöhte Verantwortung zugewiesen wird, beschließt der Ausschuß auf Anregung von Vizepräsident Zimmermann, den Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland zu bitten, den Ausschuß durch ein weiteres Mitglied aus einer östlichen Gliedkirche zu erweitern“ (EZA Berlin, 2/1850). Am 26. Januar 1954 hatte Merzyn Niemöller von diesem Beschluss unterrichtet und gebeten, ihm einen Personalvorschlag zu unterbreiten. Der Kandidat solle möglichst aus der größten östlichen Gliedkirche, aus Sachsen kommen. Am 1. Februar hatte Niemöller geantwortet, dass er spontan keinen Vorschlag machen könne. Zudem hatte er auf das Übergewicht von Vertretern aus VELKD-Gliedkirchen in dem Ausschuss hingewiesen (beide Schreiben EZA Berlin, 2/1856). Am 30. Januar 1954 hatte die Kirchenkanzlei – Berliner Stelle – das Protokoll ohne besonderen Hinweis auf die Personalie an die Kirchenkanzlei geschickt (EZA Berlin, 2/1850). 86 Vgl. zur Vorgeschichte A. Silomon, Protokolle 4, 11B16b, S. 111; 13B2, S. 191 und 15B8, S. 215; D. Pöpping, Protokolle 5, 19B21, S. 46 und 20B10, S. 112f.; D. Pöpping/P. Beier, Protokolle 7, 38B10, S. 440 und 40B7, S. 541; B. Wellnitz, Gemeinden, S. 213–217 und den sehr harmonisierenden Beitrag von F. Hübner, Neuordnung.
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Einleitung des Gesetzes die vom Ausschuss vorgeschlagene Klammer: „(mit Zustimmung der Gliedkirchen)“ stehen zu lassen und damit der Synode die Entscheidung zu überlassen, ob dieses Gesetz nach Artikel 10 a oder 10 b der Grundordnung zu erlassen sei88. Die Fassung des Ausschusses zu § 6 Absatz 2 a89 und zu § 9 a90 sowie der Minderheitsvorschlag des Ausschussmitgliedes OKR Dr. Hübner91 fanden nicht die Zustimmung des Rates. Der Rat beschloss auf Antrag von D. Niesel, die §§ 6 Absatz 2 a und 9 a wie folgt zu formulieren: „Die Kirchengemeinschaft (bezw. die Kirchengemeinde) soll sich insbesondere verpflichten, a) die Verantwortung für die kirchliche Versorgung aller in ihrem Bereich lebenden evangelischen Christen deutscher Herkunft zu übernehmen. In welcher Weise dies geschehen soll, wird unter Berücksichtigung des Herkommens der Gemeinden und der örtlichen Verhältnisse im 87 Diesen Entwurf vom 8. Januar 1954 hatte Niemöller zusammen mit einem die Veränderungen gegenüber der bisherigen Rechtslage erläuternden dreiseitigen Schreiben am 23. Januar 1954 an die Ratsmitglieder gesandt (alle Dokumente in EZA Berlin, 6/20). 88 Die Gliedkirchen der VELKD hatten sich im Vorfeld für eine Verabschiedung nach Artikel 10 b der Grundordnung der EKD entschieden (F. Hübner, Neuordnung, S. 196). Artikel 10 b besagte, dass die EKD auch Gesetze mit Geltung für die Gliedkirchen erlassen könne, obwohl deren Gegenstand bislang nicht einheitlich geregelt war, wenn die Gliedkirchen dem zustimmten (ABlEKD 1948, Nr. 5 vom 15. Juli 1948, S. 110). Die Synode beschloss aber, das „Kirchengesetz über das Verhältnis der Evangelischen Kirche in Deutschland und ihren Gliedkirchen zu evangelischen Kirchengemeinschaften und Gemeinden, Pfarrern und Gemeindegliedern deutscher Herkunft außerhalb Deutschlands“ (ABlEKD 1954, Nr. 4 vom 15. April 1954, S. 110–113) nach Artikel 10 a zu verabschieden (BerlinSpandau, S. 269). 89 Im Entwurf hieß es in § 6, 2a: „die Verantwortung für die kirchliche Versorgung aller in ihrem Bereich lebenden evangelischen Christen deutscher Herkunft zu übernehmen, und auch denjenigen unter ihnen, die einem anderen in der Evangelischen Kirche in Deutschland geltenden Bekenntnis angehören als dem des Vertragspartners, alle Rechte der Gemeindeglieder zu gewähren, falls sich nicht eine deutschsprachige Gemeinde des betreffenden Bekenntnisses am Ort befindet;“. Im verkündeteten Gesetz wurde der zweite Abschnitt des § 6 zum § 7! 90 Im Entwurf hieß es in § 9 a: „die Verantwortung für die kirchliche Versorgung aller in ihrem Bereich lebenden evangelischen Christen deutscher Herkunft zu übernehmen und auch denjenigen unter ihnen, die einem anderen in der Evangelischen Kirche in Deutschland geltenden Bekenntnis angehören, alle Rechte ihre Gemeindeglieder zu gewähren, falls sich nicht eine deutschsprachige Gemeinde des betreffenden Bekenntnisses am Ort befindet;“. 91 Hübners Vorschlag zu § 6, 1 a wurde den Ratsmitgliedern von der Kirchenkanzlei am 6. Februar 1954 mitgeteilt (EZA Berlin, 6/20). Er lautete: „Die Verantwortung für die kirchliche Versorgung aller in ihrem Bereich lebenden evangelischen Christen deutscher Herkunft zu übernehmen und auch denjenigen unter ihnen, die einem anderen, in der Evangelischen Kirche in Deutschland geltenden Bekenntnis angehören als dem des Vertragspartners, die Rechte von Gemeindegliedern zu gewähren, soweit seelsorgerliche Verantwortung oder gemeindliche Verhältnisse es gebieten“.
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41. Sitzung Berlin, 11. Februar 1954
Sinne der Grundordnung der Evangelischen Kirche in Deutschland durch den Vertrag geregelt; b) . . ..“ § 26 Absatz 1 Satz 2 soll folgende Formulierung erhalten: „Bei der Zusammensetzung und in der Geschäftsordnung des Kirchlichen Aussenamtes ist die bekenntnismässige Gliederung der EKD zu berücksichtigen.“92 Das Kirchliche Aussenamt wurde beauftragt, die Frage zu klären, ob § 2793 überhaupt noch nötig ist, nachdem in § 16 ein Grundsatz über die Versorgungsansprüche des Pfarrers an die Gliedkirche aufgestellt ist. 17. Entwurf eines kirchlichen Disziplinargesetzes94: OKR Dibelius trug den Entwurf eines Disziplinargesetzes vor, den der hierfür eingesetzte Ausschuss der Synode erarbeitet hat (vgl. Rundschreiben der Kirchenkanzlei vom 28. Januar 1954 – Nr. 10311. VI –95). Die Hauptfrage, ob ein solches Gesetz mit Wirkung für die Gliedkirchen der EKD nach Artikel 10 a oder 10 b der Grundordnung96 erlassen werden könne oder ob das Gesetz nach dem Antrag der 10 Gliedkirchen der VELKD auf die Amtsstellen der EKD zu beschränken sei97, führte zu einer längeren Aussprache. Landesbischof D. Meiser berief sich auf Artikel 5 der Grundordnung und auf die Bekenntnisgebundenheit der Gesetzesmaterie98. Zur Erörterung stand ferner das von Prof. D. Dr. Smend verfasste Gutachten des Instituts für evangelisches Kirchenrecht über die Anwendung von Artikel 10 a der Grundordnung (vgl. Rundschreiben der Kirchenkanzlei vom 3. Februar 1954 – Nr. 10458. VI.99 –). Der Rat beschloss, den vom Ausschuss ausgearbeiteten Gesetzentwurf der Synode vorzulegen100 und zugleich die ablehnende Stellungnahme der in der VELKD zusammengeschlossenen 10 lutherischen Gliedkir92 Im Entwurf hatte es geheißen: „Die Geschäftsordnung des Kirchlichen Außenamtes hat die bekenntnismäßige Gliederung der EKD zu berücksichtigen.“. Im verkündeteten Gesetz wurde § 26, 1, 2 zu § 28, 1, 2! 93 Der ursprüngliche § 27 „Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland erläßt Bestimmungen über die Ruhestands- und Hinterbliebenenversorgung der Auslandspfarrer“ wurde im verkündeten Gesetz zu § 29: „Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland regelt durch Verordnung die Ruhestands- und Hinterbliebenenversorgung der Auslandspfarrer“. 94 Zur Vorgeschichte vgl. D. Pöpping/P. Beier, Protokolle 7, 36B5, S. 224 und 40B6, S. 540f. 95 EZA Berlin, 2/3419. Der Gesetzentwurf findet sich Ebd. 96 ABlEKD 1948, Nr. 5 vom 15. Juli 1948, S. 110. 97 41D23. 98 G 2: „Meiser trägt lauter geistliche, nicht aber bekenntnismäßige Gesichtspunkte an. Mit den Lutheranern ist nichts zu machen“. 99 EZA Berlin, 2/3419. Smends 23-seitiges Gutachten stammte vom 29. Januar 1954. 100 Berlin-Spandau 1954, S. 255–262.
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chen mitzuteilen. Da es sich in der Frage des Artikels 10 um eine grundlegende Frage des Verständnisses der Grundordnung handelt, sah der Rat von einer eigenen Stellungnahme ab; er hielt aber eine Entscheidung über die Anwendbarkeit von Artikel 10 durch die Synode für erforderlich. (Nachdem die Kirchenkonferenz der EKD am 12. Februar nach längerer Aussprache mit 9: 6 Stimmen beschlossen hatte, den Rat zu bitten, die Vorlage des Disziplinargesetzes nicht an die Synode gelangen zu lassen101, beschloss der Rat in einer kurzen Sitzung am 12. Februar, nachmittags 16.30 Uhr, den vorstehenden Beschluss aufrecht zu erhalten, der Synode aber das Votum der Kirchenkonferenz gleichzeitig mitzuteilen.)102 18. Verwaltungsrat des Palästina-Instituts: Anstelle des verstorbenen Prälaten D. Hartenstein wurde Prälat D. Schlatter in Ludwigsburg in den Verwaltungsrat des Deutschen evangelischen Institutes für Altertumswissenschaft des Heiligen Landes entsandt103. 19. Kirchenhistorische Arbeitsstelle in Halle: Nachdem der Rat in seiner 40. Sitzung (Ziffer 20 b) die finanzielle Förderung einer kirchenhistorischen Arbeitsstelle von Prof. D. Aland abgelehnt hatte104, lag nunmehr eine dringende Empfehlung dieser Arbeit von Prof. D. Ernst Wolf in Göttingen vor105. Der Rat beschloss gleichwohl, dieser Frage im alten Rechnungsjahr nicht mehr näher zu treten. 101 Vgl. unten, S. 529 f. 102 Zum weiteren Verlauf vgl. 44B7. 103 Mit Schreiben vom 21. Januar 1954 hatte Niemöller Dibelius darauf aufmerksam gemacht, dass nach dem Tod Hartensteins der Verwaltungsrat des Deutschen Evangelischen Instituts für Altertumswissenschaft des Heiligen Landes nicht mehr vollständig sei. Auf der Sitzung des Verwaltungsrates am 5. Januar 1954 habe man sich auf den Ludwigsburger Prälaten Schlatter als Nachfolger Hartensteins verständigt. Niemöller hatte zudem darum gebeten, das Thema in die Tagesordnung der nächsten Ratssitzung aufzunehmen (EZA Berlin, 2/ 3200). 104 D. Pöpping/P. Beier, Protokolle 7, 40B20b, S. 552. 105 Am 11. Januar 1954 hatte sich Aland an Karnatz gewandt und diesem von seinem Gespräch auf dem Theologentag mit Ernst Wolf berichtet. Demnach hatte Wolf erklärt, dass Alands Antrag „noch nicht endgültig erledigt zu sein“ scheine und dass Smend von ihm – Wolf – ein Gutachten über Alands Pläne erbeten habe, da sich Smend „mit der ablehnenden Entscheidung des Rates nicht zufrieden geben wolle“ (EZA Berlin, 4/834). Demgegenüber hatte Lampe am 27. November 1953 an Brunotte geschrieben, die EKD solle keine Kirchenhistorische Arbeitsstelle für die DDR gründen, da damit der Plan einer Gesamtdeutschen Historischen Kommission gefährdet werde. Lampe wollte diese Kommission in engster Verbindung mit dem Archivamt der EKD wissen. Smend wiederum hatte sich am 4. Januar 1954 an Brunotte gewandt und die Ablehnung des Alandschen Antrags als „schmerzliche Enttäuschung“ bezeichnet. Nun habe er das Schreiben Wolfs (41D24) er-
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20. Bibelrevision106: Der Vorsitzende des Rates berichtete über die neue Einteilung der Arbeit der Bibelrevisionskommission und über deren erste Sitzung am 4. Januar 1954107 in Hannover. Nachdem Prof. Dr. Rudolf Stählin abgesagt hat, soll Prof. D. Peter Brunner um seine Mitwirkung gebeten werden; wenn auch dieser absagt, Vizepräsident Zimmermann in Berlin108. Der Rat beschloss ferner, die Forderung eines Honorars von 1.000,– DM durch Prof. D. Strathmann-Erlangen109 abzulehnen. Die Kirchenkanzlei wurde beauftragt, ein Schreiben zu entwerfen, das der Ratsvorsitzende unterschreiben wird110. 21. Kammer für öffentliche Verantwortung111: Das Protokoll der letzten Sitzung der Kammer für öffentliche Verantwortung soll den Ratsmitgliedern zugehen. Wegen der Benennung der Persönlichkeiten für das Gespräch mit der SPD soll eine schriftliche Abstimmung im Rat erfolgen112.
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halten und er bitte darum, dass es wenigstens Dibelius vorgelegt werde. Dies geschah mit Schreiben Brunottes an Dibelius vom 11. Januar 1954 (alle Schreiben in EZA Berlin, 2/ 963). Zur Vorgeschichte vgl. D. Pöping/P. Beier, Protokolle 7, 40B9, S. 543f. Muss heißen: 29. Dezember 1953, vgl. das Protokoll der Sitzung in EZA Berlin 2/5611, zum Fortgang vgl. 42B1. Entsprechend diesem Beschluss wandte sich die Kirchenkanzlei am 2. März 1954 an Brunner. Dieser erklärte jedoch am 15. März in einem Gespräch gegenüber Dibelius, dass er in keiner Unterkommission mitarbeiten werde, so dass ihm Dibelius am 20. März absagte. Zimmermann sagte dagegen am 14. April bei von Staa telegraphisch seine Mitarbeit zu (alle Schreiben in EZA Berlin, 2/5611). Zu Dibelius’ Haltung zur Berufung Brunners vgl. 41E8. 41D25. 41C4. Zum Fortgang vgl. 44B1, 44B6, 46B5 und 50B2. Vgl. D. Pöpping/P. Beier, Protokolle 7, 34B2d, S. 54; 39B13, S. 497 und 40B11, S. 546f. Gemäß dem Wunsch einiger Ratsmitglieder nach Teilnahme an der nächsten Sitzung der Kammer für Öffentliche Verantwortung hatte die Kirchenkanzlei diesen am 7. Dezember 1953 den Termin der kommenden Sitzung mitgeteilt (EZA Berlin, 2/1349, Bl. 102). Drei Wochen später hatte dann Niemeier von der Kirchenkanzlei Niemöller zur Kammersitzung eingeladen, um „die Einleitung der Aussprache über Punkt 2 der Tagesordnung (Vorbereitung eines Gesprächs mit der SPD) [zu] übernehmen und dabei die Absicht, die den Rat bei dem entsprechenden Beschluß geleitet“ habe, zu erläutern (Ebd., Bl. 87). Niemöller hatte jedoch am 4. Januar 1954 erklärt, dass Kunst diese Aufgabe übernehmen solle, da von ihm auch die Anregung an den Rat stamme (Ebd., Bl. 33). Vom Rat hatten laut Sitzungsprotokoll (Ebd., Bl. 46–41) Kreyysig, Niemöller und Mager an der Zusammenkunft teilgenommen. Die Kammer für Öffentliche Verantwortung hatte am 18. und 19. Januar 1954 in Königswinter getagt und dabei drei Ratsame Empfehlungen an den Rat ausgesprochen. Sie betrafen die Synode (EZA Berlin, 2/1349, Bl. 67), das Gespräch mit der SPD (Ebd., Bl. 66) und die Wiedervereinigung Deutschlands (Ebd., Bl. 65). Zum Gespräch mit der SPD hatte die
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22. Nächste Sitzung: Die nächste Sitzung des Rates findet am Tage vor Beginn der Synode, Sonnabend, den 13. März, 9.30 Uhr in Berlin-Spandau statt. Die Sitzung soll nach Möglichkeit mittags beendet sein. Die übernächste Ratssitzung soll am 6. und 7. Mai 1954 sein, ein Ort für die Sitzung wurde noch nicht festgelegt. gez. D. Brunotte
41C Anlagen und Beschlusstexte 41C1. „Wort des Rates und der Kirchenkonferenz zur deutschen Wiedervereinigung an die Teilnehmer der Berliner Außenministerkonferenz“. Berlin, 12. Februar 1954 F: EZA Berlin, 2/1796 (H) – Abdruck: F. Merzyn, Kundgebungen, S. 171. Die in Berlin versammelten Mitglieder des Rates und der Kirchenkonferenz der Evangelischen Kirche in Deutschland richten in dieser verantwortungsschweren Stunde das folgende Wort an die Aussenminister der vier Großmächte: 1. Die Evangelische Kirche in Deutschland weiß aus ihrer Verbundenheit mit dem deutschen Volke, dass dieses unser Volk in Ost- und Westdeutschland nichts sehnlicher wünscht als die Wiedervereinigung Deutschlands. Wir sind überzeugt, daß der Friede Europas und der Welt Kammer erklärt, dass ihre Mitglieder „die Anknüpfung und Führung eines ständigen Gesprächs zwischen der Kirche und der SPD für erwünscht und erforderlich“ halten. Man bitte auch darum, neben den Ratsmitgliedern weitere Persönlichkeiten hinzu zu ziehen, nämlich: „1. Prof. Dr. Gollwitzer oder Prof. D. Iwand 2. Dr. Krimm (Vertreter Dr. Collmer) 3. Prof. Dr. v. d. Gablentz 4. Dekan Amber [richtig: Ammler] 5. Präses Dr. Wilm 6. OKR Dr. Fricke 7. Propst D. Böhm 8. Dr. v. Thadden 9. Pfarrer Cordes jun. 10. zu gegebener Zeit soll als Fachmann Prof. Müller Armack hinzugezogen werden“. Als vordringliche Themen hatte die Kammer Fragen „der Geistesfreiheit (Verkirchlichung und Entkonfessionalisierung des öffentlichen Lebens“ sowie Fragen „des Wohlfahrtstaates und der persönlichen Verantwortung“ genannt. Das Sitzungsprotokoll und die Ratsamen Empfehlungen wurden den Ratsmitgliedern am 27. Februar von der Kirchenkanzlei zugesandt. Am 18. Februar teilte Kunst dann Niemeier mit, dass die unterlassene Bildung der Gruppe für ein Gespräch mit der SPD „ärgerlich“ sei. Minister Metzger von der SPD habe selbst an der Kammersitzung teilgenommen und werde sich nun über die Verzögerung wundern. Die EKD stehe zudem dadurch unter Druck, dass der Rat auf der nächsten Sitzung kaum zur Beratung dieser Frage kommen werde, die FDP aber auf ihrem bevorstehenden Bundesparteitag beschließen werde, die EKD um ein Gespräch zu bitten. Hierfür dachte Kunst an den selben Kreis wie für das Treffen mit der SPD (alle Schreiben Ebd.). Zum Fortgang vgl. 44B5, 46B6 und 50B14.
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gefährdet ist, solange die deutsche Frage ungelöst bleibt. Mit dem ganzen deutschen Volk bittet die Evangelische Kirche in Deutschland die Herren Außenminister, die Bemühungen um die Wiedervereinigung Deutschlands fortzusetzen, bis ein für unser Volk und die Welt fruchtbares Ergebnis erzielt ist. 2. Die Herren Außenminister haben bei verschiedenen Anlässen erklärt, daß freie Wahlen in Ost- und Westdeutschland die unerlässliche Voraussetzung für die Wiedervereinigung unseres Volks sind. Damit ist grundsätzlich zugestanden, daß die freie politische Willensbildung des deutschen Volkes von entscheidender Bedeutung für die Lösung der Frage ist. Daher müssen die bestehenden Meinungsverschiedenheiten über die Durchführung freier Wahlen überwunden werden. Die Evangelische Kirche in Deutschland bittet die Herren Außenminister, dafür Sorge zu tragen, daß eine solche Willensäußerung ohne Gewissensbedrängung und Furcht geschehen kann. 3. Uns ist bewußt, daß die Wiedervereinigung unseres Volkes mit dem Sicherheitsbedürfnis unserer Nachbarvölker untrennbar verbunden ist. Deshalb bitten wir die Herren Aussenminister dringend, weiter nach konstruktiven Lösungen der Sicherheitsfrage zu suchen. Um des Friedens der ganzen Menschheit willen müssen die Völker in dieser Frage auch zu gegenseitigen Opfern bereit sein. Die Evangelische Kirchen in Deutschland, die ihre Gemeinden zur Fürbitte für das gelingen dieser Konferenz aufgerufen hat, bittet Gott, die Geschicke der Völker so zu lenken, daß der Welt der Friede geschenkt werde. (Unterschriften)
41C2. „Wort des Rates und der Kirchenkonferenz zu Gunsten der politischen Gefangenen“. Berlin, 12. Februar 1954 F: EZA Berlin, 2/1796 (H) – Abdruck: F. Merzyn, Kundgebungen, S. 172. Der Rat und die Kirchenkonferenz der Evangelischen Kirche in Deutschland wenden sich im Zusammenhang mit ihrer Eingabe zur Deutschlandfrage113 an die Herren Aussenminister der vier Mächte mit einer besonders dringlichen Bitte: Es wäre ein sichtbares Zeichen für den Willen, einem vereinten deutschen Volke seine Würde und Freiheit unter allen Völkern wiederzugeben, wenn zuvor, und zwar sofort, die Entlassung der politischen Gefangenen veran113 41C1.
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lasst würde. Es ist ein Moment der Entspannung gewesen, dass die Regierung der UDSSR wenigstens einen Teil der von sowjetischen Militärgerichten verurteilten politischen Gefangenen kurz vor Beginn der Konferenz entlassen hat. Noch aber befinden sich viele Tausende in Gefängnissen und Zuchthäusern, deren Verhaftung und Verurteilung eine Folge der Zerspaltung Deutschlands in zwei Teile und in zwei verschiedenartige politische Systeme ist. Wir bitten daher die vier Aussenminister, den Regierungen ihrer Besatzungsgebiete die vorbehaltlose Entlassung aller politischen Gefangenen auf das dringlichste nahezulegen. (Unterschriften). 41C3. „Änderungen zu dem Entwurf für ein Kirchenbeamtengesetz der Evangelischen Kirche in Deutschland“ F: EZA Berlin, 2/1796 (H). Änderungen zu dem Entwurf für ein Kirchenbeamtengesetz der Evangelischen Kirche in Deutschland Der Rat hat in seiner Sitzung am 11. Februar 1954 folgende Änderungen an dem mit Rundschreiben der Kirchenkanzlei in Hannover – Herrenhausen vom 1. Februar 1954 Nr. 10517114 übersandten Entwurf für ein Kirchenbeamtengesetz der EKD beschlossen: § 2 erhält folgende Fassung: §2 (1) Der Auftrag, den die Kirche von ihrem Herrn Jesus Christus erhalten hat, bestimmt Wesen und Inhalt des Kirchenbeamtenverhältnisses. (2) Der Kirchenbeamte steht zur Evangelischen Kirche in Deutschland in einem öffentlich – rechtlichen Dienst – und Treueverhältnis. 3 Abs. 1 erhält folgende Fassung: §3 (1) In das Kirchenbeamtenverhältnis darf nur berufen werden, wer der Evangelischen Kirche angehört . . . (usw. wie im Entwurf). (2) Der Kirchenbeamte muss bei seiner Ernennung körperlich und geistig . . . (usw. wie im Entwurf).
114 EZA Berlin, 2/3394.
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41. Sitzung Berlin, 11. Februar 1954
Zu § 4 Abs. 2: Streiche „a) die Voraussetzungen gemäss § 3 erfüllt und b)“ ; nach dem Wort „wer“ in Abs. 2 unmittelbar fortfahren „das 27. Lebensjahr vollendet hat“. § 22 Abs. 2 erhält folgende Fassung: (2) In besonderen Fällen kann der Beamte ohne Befristung beurlaubt werden. § 72 Satz 2 letzter Halbsatz erhält folgende Fassung: „auf Antrag erhält der Kirchenbeamte eine Abschrift der Niederschrift.“ 41C4. Entwurf für ein Schreiben Dibelius’ an Strathmann. O. D. F: EZA Berlin, 2/5611 (O). Entwurf für den Brief des Herrn Ratsvorsitzenden an Prof. D. StrathmannErlangen Sehr verehrter und lieber Herr Professor! Unter dem 27. Januar 1954 [sic!] haben Sie mir eine Liquidation über DM 1000.– für Ihre an der Fortführung der Revision der Lutherbibel geleistete geistige Arbeit übersandt. Leider muß ich Ihnen mitteilen, daß der Rat der EKD in seiner Sitzung am 11. Februar 1954 in Berlin einmütig beschlossen hat, diese Forderung abzulehnen. Daß der Rat Ihnen und den anderen Mitgliedern der bisherigen Kommission für Ihre unter einem beträchtlichen Aufwand an Zeit und Kraft geschehene Mühe dankbar ist, durfte ich Ihnen schon nach der entscheidenden Sitzung des Rates im Dezember 1953 zum Ausdruck bringen. Diese Mühe und Arbeit aber zu honorieren, dazu sah der Rat keine Möglichkeit. In der nun schon über 30 Jahre währenden Bibelrevision, an die ausgezeichnete Männer einen Teil Ihrer Lebensarbeit gesetzt haben, ist eine Honorierung noch niemals erbeten worden. Auch auf vielen anderen Gebieten erfreut sich die EKD der Mitarbeit von Professoren und Gelehrten, ohne daß dazu die finanziellen Mittel der EKD in Anspruch genommen würden. So möchte ich wünschen, sehr verehrter Herr Professor, daß ich Ihres Verständnisses für die Stellungnahme des Rates gewiß sein dürfte. Mit herzlicher Begrüßung Ihr aufrichtig ergebener
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41D Vorlagen und Anträge
41D Vorlagen und Anträge 41D1. Entwurf des Rechenschaftsberichts des Rates an die Synode F: EZA Berlin, 2/1062 (D, Anlage zum Schreiben der Kirchenkanzlei an die Ratsmitglieder vom 19. Januar 1954). Vorlage 1
5. Tagung der 1. Synode der EKD März 1954) Rechenschaftsbericht des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland
Vorbemerkung: Auf Grund von Artikel 29 Absatz 1115 wird der Synode der nachstehende Rechenschaftsbericht vorgelegt, der den Zeitraum vom Schluss der 4. Tagung der Synode in Elbingerode, also vom 10. 10. 1952, bis zum 31. 12. 1953 umfasst. Der Bericht ist nach Möglichkeit in Aufbau und Gliederung den früheren Rechenschaftsberichten des Rates angepasst.
1. Rat der EKD.
A. Aufbau der EKD. I. Organe und Amtsstellen. Nachdem die Synode auf ihrer letzten Tagung als Nachfolger für den heimgegangenen Prälaten D. Dr. Hartenstein Herrn Landesbischof D. Dr. Haug in den Rat gewählt hatte, war der Rat in seiner Zusammensetzung wieder vollzählig. In der Berichtszeit fanden 9 Ratssitzungen statt, und zwar wie folgt: 10. 10. 52 in Elbingerode 5. 12. 52 in Berlin 12. u. 13. 2. 53 in Berlin 26. 3. 53 in Berlin 7. u. 8. 5. 53 in Berlin 11. u. 12. 6. 53 in Berlin 11. 9. 53 in Berlin 22. 10. 53 in Dresden 3. u. 4. 12. 53 in Hannover
115 ABlEKD 1948, Nr. 5 vom 15. Juli 1948, S. 112f.
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2. Synode
3. Kirchenkonferenz
4. Amtsstellen
41. Sitzung Berlin, 11. Februar 1954
Eine Reise des Ratsvorsitzenden und der Ratsmitglieder Landesbischof D. Hahn und Landesbischof D. Dr. Lilje nach Moskau auf Einladung des dortigen Patriarchen konnte auf Grund einer im letzten Augenblick erfolgten Absage aus Moskau nicht durchgeführt werden. Im Herbst 1952 unternahm der Ratsvorsitzende eine Reise nach den USA, über deren Verlauf er dem Rat Bericht erstattete. Auf einer Konferenz über die europäische Zusammenarbeit der Kirchen war der Rat durch sein Mitglied Präses Dr. Dr. Heinemann vertreten. Unmittelbar nach dem Abschluss der letzten Tagung der Synode trat der Rat zu einer Sitzung zusammen, in der er beschloss, von Einwendungen gegen die Beschlüsse der Synode gem. Artikel 26 Absatz 4 der Grundordnung116 abzusehen. Die Ausführung der Beschlüsse der Synode wurde vom Rat überwacht.117 Der Antrag einer Gliedkirche, die Synode mit Rücksicht auf die kirchliche Lage kurzfristig einzuberufen, wurde nach Änderung der Lage zurückgezogen. Die Kirchenkonferenz wurde in der Berichtszeit zweimal einberufen. Die erste Tagung fand am 10. September 1953 in Berlin statt. Auf der Tagesordnung standen insbesondere Erörterungen über die Bewilligung von Beihilfen an gesamtkirchliche Werke, die Ostpfarrerversorgung und die Vertretung der EKD auf der Tagung des Oekumenischen Rates in Evanston 1954. Zu der zweiten Tagung in der Berichtszeit ist die Kirchenkonferenz für den 12. Februar 1954 einberufen. Diese Tagung stand bei Abschluss des vorliegenden Berichts noch bevor. Der theologische Referent bei der Kirchenkanzlei, Oberkirchenrat Osterloh, wurde in den Dienst des Bundesinnenministeriums als Ministerialrat übernommen und unter Belassung der Rechte der Rechte des geistlichen Standes zum 31. März 1953 aus dem Dienst der Evangelischen Kirche in Deutschland entlassen. Als
116 Ebd., S. 112. 117 Handschriftlich korrigiert in „Der Rat überzeugte sich von der Ausführung der Beschlüsse der Synode“.
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Nachfolger wurde Pfarrer Dr. Dr. Niemeier, Arnsberg, zum 1. Juli 1953 unter Ernennung zum Oberkirchenrat in die Kirchenkanzlei berufen. In den Dienst der Berliner Stelle der Kirchenkanzlei wurde der bisherige Konsistorialrat Grauheding, Magdeburg, zum 1. 1. 1953 als juristischer Referent mit der Amtsbezeichnung „Oberkirchenrat“ berufen. Er hat seinen Wohnsitz im Ostsektor von Berlin genommen.118 Aus dem Dienst des Kirchlichen Aussenamts ist Oberkirchenrat Dr. Harms zum 30. Juni 1953 ausgeschieden, nachdem er eine Berufung zur Dienstleistung beim Oekumenischen Rat in Genf erhalten hatte. Als Nachfolger für ihn wurde der bisherige Kirchenrat Dr. Krüger, Hannover, auf einen Zeitraum von 3 Jahren zur Dienstleistung beim Kirchlichen Aussenamt mit der Dienstbezeichnung „Oberkirchenrat“ berufen. Nachdem die juristische Referentin beim Kirchlichen Aussenamt, Frau Oberkirchenrätin Dr. Schwarzhaupt, als Abgeordnete der CDU. in den Bundestag gewählt worden war, beschloss der Rat, ihr die Fortführung ihres Referates im Kirchlichen Aussenamt zunächst für die Dauer von 6 Monaten zu genehmigen unter der Voraussetzung, dass sie auf ihre Kosten eine juristische Hilfskraft beschäftigt. Bei Abschluss des vorliegenden Berichts war jedoch119 die weitere120 Vertretung für Oberkirchenrätin Dr. Schwarzhaupt beim Kirchlichen Aussenamt noch nicht befriedigend121 geregelt. Da die Besoldung für die Beamten und Angestellten der EKD bisher grundsätzlich in Übereinstimmung mit der staatlichen Beamtenbesoldung geregelt ist, beschloss der Rat, dass die für die Beamten und Angestellten des Bundes erlassenen Vorschriften über die Gehaltserhöhungen ab 1. 4. 1953 und über die Kinderzuschläge und das Wohnungsgeld auch für die Beamten und Angestellten der EKD Anwendung finden sollen. Andererseits beschloss der Rat, dass die zweite Verordnung über Massnahmen auf dem Gebiete des Beamten118 119 120 121
Nachträglich gestrichen wurde „(und erhält sein Gehalt in Ostwährung)“. Wort nachträglich gestrichen. Wort nachträglich eingefügt. Wort nachträglich gestrichen.
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41. Sitzung Berlin, 11. Februar 1954
rechts vom 9. 10. 1942 (RGBl. I S. 580), die den Versorgungsempfängern Verbesserungen des Ruhegehalts über 75 % der ruhegehaltfähigen Bezüge hinaus gewährte, auch auf die Versorgungsempfänger der EKD nicht mehr angewendet werden soll, nachdem diese Verordnung im staatlichen Bereich aufgehoben ist. 1952 wurden den Angestellten und Beamten der EKD Unterstützungen bezw. Weihnachtszuwendungen in der gleichen Höhe wie den Angestellten und Beamten des Bundes bewilligt. 1953 unterblieb dagegen, ebenso wie bei den Bundesbeamten, die Zahlung von Weihnachtsgratifikationen. Häufig hatte sich der Rat mit Einzelfragen der Versorgung oder der anderweitigen Sicherstellung des Lebensunterhalts für ehemalige Beamte der Deutschen Evangelischen Kirche zu befassen. Auch die Beschaffung von Wohnungen für die Angehörigen der Amtsstellen beschäftigte den Rat wiederholt. Baukostenzuschüsse oder Darlehen zur Beschaffung von Wohnungen wurden bewilligt für Vizepräsident Stratenwerth und Oberkirchenrat Dr. Krüger vom Kirchlichen Aussenamt, an Oberkirchenrat Dr. Dr. Niemeier und Kirchenrat von Staa bei der Kirchenkanzlei in Hannover und Oberkirchenrat Dr. Grauheding bei der Kirchenkanzlei, Berliner Stelle. Für die anlässlich der Verlegung der Kirchenkanzlei von Schwäbisch Gmünd nach Hannover durch die Kirchenkanzlei beschafften Wohnungen beschloss der Rat, dass diese Wohnungen nicht mehr als Dienstwohnungen gelten sollen, sondern dass mit den Wohnungsinhabern Mietverträge abzuschliessen sind. Durch die Mieten bezw. Wohnungsgeldzuschüsse der Wohnungsinhaber sollen die laufenden Ausgaben für diese Wohnungen grundsätzlich gedeckt werden. 5. Bevollmächtigte des Rates in Bonn und Berlin Der bisherige Superintendent D. Kunst, Herford, der das Amt des Bevollmächtigten der Rates am Sitz der Bundesregierung in Bonn nebenamtlich wahr genommen hatte, wurde am 1. Januar 1953 hauptamtlich in diesen Dienst berufen. Er führt für die Dauer dieses Amtes die Amtsbezeichnung „Prälat“. Um für ihn die nötigen Wohn- und Repräsentationsräume in Bonn zur
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Verfügung stellen zu können, wurde das Grundstück Beethovenstr. 44 in Bonn käuflich erworben, und ein Pauschalbeitrag von jährlich 1.200.– DM für die allgemeinen Unkosten der Dienst- und Repräsentationsräume des Bevollmächtigten bewilligt. Die Arbeit des Bevollmächtigten in Bonn erfuhr durch die hauptamtliche Ausübung seines Amtes in allen Bereichen eine wesentliche Intensivierung. Die Verbindung zur Regierung und zu allen Fraktionen des Bundestages blieb bis zum Ende der Legislaturperiode des ersten Bundestages von offenem Vertrauen getragen. Zum Abschluss der Arbeiten des ersten Bundestages hielt der Bevollmächtigte einen Gottesdienst. Die Arbeit des zweiten Bundestages wurde durch einen vom Ratsvorsitzenden gehaltenen Gottesdienst eröffnet. An den Tagen, an denen einen Plenarsitzung stattfindet, wird auch im zweiten Bundestag regelmässig einen Morgenfeier gehalten. Für die Beamten der Ministerien wurde im Zusammenwirken mit der Leitung der Rheinischen Kirche, dem Präsidium des Deutschen Evangelischen Kirchentages, dem Leiterkreis der Evangelischen Akademien und dem Presbyterium in Bonn eine „Evangelische Akademie, Arbeitskreis Bonn“ ins Leben gerufen. Der Kreis kommt unter der Leitung eines Staatssekretär und des Bevollmächtigten zu Wochenendfreizeiten zusammen. Die Arbeit des Bevollmächtigten in Berlin wurde häufig dadurch erschwert, dass viele kirchliche Stellen und auch Einzelpersönlichkeiten mit Regierungsstellen unmittelbar unter Umgehung des Bevollmächtigten und der Berliner Stelle der Kirchenkanzlei verhandelten. Solche Schritte, die oft ohne Kenntnis der Gesamtsituation unternommen werden, haben viel Schaden angerichtet. Zu Beginn der Berichtszeit wurde das Wirken des Bevollmächtigten durch die zunehmende Spannung im Verhältnis zwischen der SED. und den Kirchen beeinträchtigt. Dennoch gelang es dank der verständnisvollen Haltung des Stellvertretenden Ministerpräsidenten Nuschke und seiner Mitarbeiter, in einigen Punkten Zweifelsfragen zu klären und gewisse kirchliche Anliegen geltendzumachen. In der Frage der Gottesdienste im Schutzstreifen konn-
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41. Sitzung Berlin, 11. Februar 1954
te eine endgültige Regelung noch nicht erreicht werden. Dagegen wurde den in Westberlin wohnhaften Angehörigen der auf den kirchlichen Friedhöfen in Stahnsdorf Beigesetzten der Besuch dieser im Bereich der DDR. liegenden Grabstätten ermöglicht. Darüber hinaus konnten in der Zeit von Bußtag bis Totensonntag 1953 mehr als 50000 Westberliner die Gräber ihrer Angehörigen auf den im Randgebiet der DDR. liegenden Friedhöfen besuchen. Ferner wurde teilweise mit Erfolg verhandelt über die Freigabe blockierter Konten kirchlicher Dienststellen in Westberlin, über die Erhöhung der Pflegesätze für die evangelischen Krankenhäuser, über Zugangs- und Aufenthaltsgenehmigung und die Bewilligung von Auslandspässen für kirchliche Amtsträger, über die Einfuhr von Papier, sowie über die Erteilung von Lizenzen für Verlage und Zeitschriften und von Druckgenehmigungen. Unmittelbar nach der Entspannung im Verhältnis zwischen Staat und Kirche nach dem 10. Juni 1953 hat sich der Bevollmächtigte für die Entlassung inhaftierter kirchlicher Amtsträger und Mitarbeiter eingesetzt. Bis zum Abschluss diese Berichts wurden 24 Amtsträger aus Untersuchungshaft entlassen, 3 durch Gerichtsurteil freigesprochen, 2 begnadigt und 8 erhielten bedingte Strafaussetzung. Wegen der Entlassung der noch in Haft Verbliebenen laufen die Verhandlungen noch. In enger Verbindung mit der Hilfsstelle für Kriegsgefangene beim Evang. Hilfswerk in Berlin wurde teilweise mit Erfolg über die Begnadigung und Entlassung von in der Sowjetunion verurteilten Kriegs- und politischen Gefangenen verhandelt. – Im übrigen können über die Arbeit beider Bevollmächtigter in Bonn wie Berlin die wichtigsten Vorgänge mit Rücksicht auf Zweck und Art ihrer Tätigkeit nicht publiziert werden. – Die beiden Bevollmächtigten in Bonn und Berlin wurden regelmässig zu den Sitzungen des Rates eingeladen, um eine enge Zusammenarbeit zwischen dem Rat und den Bevollmächtigen zu gewährleisten. Wiederholt erstatteten sie dem Rat über ihre Tätigkeit Bericht.
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6. Gerichte, beratende Kammern und ähnliche Organe der EKD a) Die Disziplinargerichte der EKD wurden nach Ablauf der Amtszeit, wie folgt, neu besetzt: Disziplinarhof a) Westlicher Senat: Vorsitzender: Präsident D. Bührke, Kiel
Geistlicher Beisitzer: Landessuperintendent D. Laasch, Hannover Geistlicher Beisitzer: Oberkirchenrat Boué, Düsseldorf Rechtskundiger Beisitzer: Professor Dr. Köttgen, Göttingen Rechtskundiger Beisitzer: Oberkirchenrat Dr. Steckelmann, Bielefeld Beisitzer für Beamte des höheren Dienstes: Oberkirchenrat Dr. Pietzcker, Hamburg Beisitzer für Beamter des mittleren Dienstes: Landeskirchenoberinspektor Sogemeier, Bielefeld b) Östlicher Senat: Vorsitzender: Kammergerichtsrat Altmann, Berlin-Lichterfelde
Stellvertreter: Oberkirchenrat i. R. D. Dr. Friedrich, Heidelberg Stellvertreter: Prälat D. Kunst, Bonn Stellvertreter: Pastor Münchmeyer, Bethel Stellvertreter: Oberkirchenrat Dr. Hahn, Speyer Stellvertreter: Oberkirchenrat Dr. Elß, Darmstadt Stellvertreter: Direktor Dr. Weeber, Stuttgart Stellvertreter: Konsistorialoberinspektor Havemann, Frankfurt/M. Stellvertreter: a) Oberkonsistorialrat Dr. Kracker von Schwartzenfeldt, Berlin-Charlottenburg
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b) Oberkonsistorialrat Dr. Grünbaum, Berlin Geistlicher Beisitzer: Stellvertreter: a) Missionsdirektor i. R. Prof. D. a) Propst ZuckKnak, Berlin-Lichterfelde schwerdt, Magdeb) Vizepräsident Pastor D. Braune, burg Lobetal bei Bernau b) Konsistorialrat Dr. Wiese, BerlinNikolassee c) Oberkonsistorialrat Schwartzkopff, Berlin d) Superintendent Tecklenburg, Berlin-Lichterfelde e) Superintendent Frädrich, Ueckermünde f) Superintendent Figur, BerlinKöpenick Rechtskundige Beisitzer: Stellvertreter: a) Regierungsrat a. D. Dr a) Rechtsanwalt Dr. Dryander, Halle/Saale Koch, Mühlhausen b) Verwaltungsgerichtsdirektor b) Oberkonsistovon Hagenow, Berlin-Steglitz rialrat Wendlandt, Berlin-Lichterfelde c) Oberkonsistorialrat Schaeper, Magdeburg d) Konsistorialrat Dr. Rudloff, Berlin-Wannsee e) Konsistorialrat Rudolph, Rossla Beisitzer für Beamte des höheren Stellvertreter: Dienstes: Oberkonsistorialrat Sternsdorff, a) OberkonsistorialMagdeburg rat Heyer, Berlin-Zehlendorf b) Konsistorialrat Noeske,
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Greifswald Beisitzer für Beamte des gehobe- Stellvertreter: nen und mittleren Dienstes: Konsistorialoberinspektor Schäfer a) KonsistorialoberII, Magdeburg inspektor Freitag, Berlin-Pankow b) Konsistorialoberinspektor Seidel, Berlin-Charlottenburg Beisitzer für Beamte des Stellvertreter: einfachen Dienstes: Amtsmeister Lehmann, a) Amtsgehilfe Berlin-Neukölln Albert Bierig, Magdeburg b) Amtsmeister Schmalisch, Berlin-Neukölln Beisitzer für Beamte des inneren Stellvertreter: Dienstes der Kirchengemeinden: Kirchenmusikdirektor Gotthold a) Oberrentmeister Richter, Berlin-Zehlendorf Lemke, Berlin-Pankow b) Diakon Weigt, Berlin-Friedenau c) Rendant Weise, Berlin-Weißensee Disziplinarkammer Vorsitzender: Stellvertreter: Vizepräsident Dr. Jung, Kassel a) Präsident Dr. Wagenmann, Hannover b) Konsistorialpräsident Hofmann, Magdeburg Geistlicher Beisitzer: Stellvertreter Oberkirchenrat Schlingensiepen, a) Oberkirchenrat Düsseldorf Bezzel, München b) Oberkonsistorialrat Schwartzkopff, Berlin Rechtskundiger Beisitzer: Stellvertreter:
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Oberkirchenrat i. R. D. Dr. Friedrich, Heidelberg
a) Direktor Weeber, Stuttgart b) Oberkonsistorialrat Pettelkau, Greifswald Beisitzer für Beamte des höheren Stellvertreter: Dienstes: Oberlandeskirchenrat Mahner, a) Vizepräsident Dr. Hannover Thümmel, Bielefeld b) Oberkonsistorialrat Jörn, Schwerin Beisitzer für Beamte des mittleren Stellvertreter: Dienstes: Konsistorialamtsrat Hellriegel, a) Konsistorialober Hannover inspektor Poppe, Frankfurt/M. b) Konsistorialoberinspektor Pietsch, Berlin Beim Disziplinarhof sind im Berichtszeitraum zwei Verfahren anhängig geworden, die bei Abschluss des Berichts noch nicht beendet waren. Bei der Disziplinarkammer sind im Berichtszeitraum keine Disziplinarverfahren anhängig geworden. b) Der Vorläufige Schiedsgerichtshof ist einmal angerufen worden, und zwar von der Evangelisch-Reformierten Kirche in Nordwestdeutschland, die folgende Feststellung beantragt hat: „Die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Hannovers hat nach der Grundordnung der EKD122 nicht das Recht, bei dem Land Niedersachsen Anträge auf Genehmigung der Neubildung von Kirchengemeinden im Bereich der ostfriesischen Union zu stellen, durch die der bisherige Unionsstand aufgehoben werden soll.“ Diese Verfahren ist noch anhängig.
122 ABlEKD 1948, Nr. 5 vom 15. Juli 1948, S. 111.
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Von der Möglichkeit, den Schiedsgerichtshof als Rechtsmittelinstanz für Streitigkeiten innerhalb der Gliedkirchen vorzusehen, hat bisher noch keine Gliedkirche Gebrauch gemacht. c) Für die Tätigkeit der beratenden Kammern stellte der Rat fest, dass eine nach Artikel 22 Absatz 2 der Grundordnung123 gebildete Kammer zusammentreten kann, wenn der Rat der Kammer einen Auftrag gegeben hat, oder wenn der Vorsitzende der Kammer die Genehmigung einer Sitzung beim Rat oder in eiligen Fällen beim Vorsitzenden des Rates beantragt hat. Die Kammer für öffentliche Verantwortung wurde um die von der Synode auf ihrer letzten Tagung in Elbingerode vorgeschlagenen Mitglieder erweitert. Ausserdem berief der Rat den früheren Oberkirchenrat Ministerialrat Osterloh in die Kammer. Diese besteht nunmehr aus folgenden 20 Mitgliedern: 1. Bundesminister Dr. Tillmanns 2. Ministerialdirektor Dr. Bleibtreu 3. Professor Dr. Hammelsbeck 4. Konsistorialpräsident Hofmann 5. Generalsuperintendent Lic. Jacob 6. Professor D. Dr. Künneth 7. Staatsrat Dr. Meinzolt 8. Minister Metzger 9. Oberkirchenrat Dr. Müller 10. Professor D. Dr. Ritter 11. Kirchenpräsident D. Stempel 12. Präsident D. Dr. von Thadden-Trieglaff 13. Superintendent Klemm 14. Dr. v. d. Gablentz 15. Professor Dr. Raiser 16. Dr. Walter Bauer 17. Professor D. Iwand 18. Frau Pastor Baden 19. Dekan Putz 20. Ministerialrat Osterloh Die Kammer trat in der Berichtszeit zweimal zu Beratungen zusammen. Die erste Tagung fand in Berlin am 25. und 26. 11. 1952 statt und hatte das Ziel, die Klärung
123 Ebd., S. 112.
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und Aktivierung der evangelischen Urteilsbildung über die grundsätzlichen und praktischen Probleme des gegenwärtigen staatlichen und gesellschaftlichen Lebens herbeizuführen und zu fördern. Eine Auswertung der Ergebnisse dieser Tagung ist bisher noch nicht erfolgt. Die zweite Tagung fand am 29. und 30. 6. 1953 in Berlin statt und befasste sich mit der Situation der Kirche in der Spannung zwischen West und Ost im zwischen der Vorgänge vom 10. und 17. Juni 1953 und mit den daraus erwachsenen kirchlichen Aufgaben in Fürbitte, Besuchsdienst und materieller Hilfe. Die Kammer für soziale Ordnung trat zweimal zusammen, und zwar am 15. und 16. 12. 1952 in Mülheim und am 9. und 10. 10. 1953 in Bad Boll. Das Ergebnis der ersten Tagung war ein Gutachten, durch das dem Rat empfohlen wurde, an die zuständigen Stellen der Bundesregierung in Bonn drei Schreiben in Angelegenheiten der Familienpolitik zu richten. In diesen Schreiben handelte es sich um die Fragen der Kinderbeihilfen, der Beseitigung des Anreizes zur Führung wilder Ehen durch geeignete Maßnahmen auf versorgungsrechtlichem Gebiet und um die Hilfe für kinderreiche Familien. Der Rat beschloss auf Grund dieses Gutachtens entsprechende Schreiben an die zuständigen Stellen in Bonn zu leiten. In der zweiten Sitzung befasste sich die Kammer mit dem Verhältnis der evangelischen Christen zu den Einheitsgewerkschaften und dem Problem der christlichen Gewerkschaften. Die Kammer erstattete zu diesen Fragen dem Rat ein Gutachten, in welchem sie den Rat bat, den Gliedkirchen die Vermehrung der Zahl kirchlicher Kräfte im sozialen Dienst zu empfehlen. In einem weiteren Gutachten machte die Kammer Vorschläge für die Vorbildung der Theologen in sozialen Fragen. Der Rat beschloss, beide Gutachten den Gliedkirchen zuzuleiten. Die Kammer für Erziehung und Unterweisung hielt ihre Jahrestagung im September 1953 in Detmold. Zur Beratung stand das Problem „Bekenntnisschule und Gemeinschaftsschule“. Die Kammer beabsichtigt, hierzu ein ratsames Gutachten zu erarbeiten, sobald eine für Februar 1954 einberufene Konferenz der landeskirchlichen Schulreferenten ihrerseits dazu Stellung ge-
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nommen hat. Der frühere Oberkirchenrat Ministerialrat Osterloh wurde in die Kammer für Erziehung und Unterweisung berufen. Die Kammer für publizistische Arbeit in der EKD gab Anregungen für die Heranbildung eines geeigneten Wachwuchses für die publizistische Arbeit der Kirche, die den Gliedkirchen mit einer Empfehlung des Rates zugeleitet wurden. Die Kammer hielt Jahrestagungen im November 1952 in Hannover und im Dezember 1953 in Frankfurt/M. Der Tätigkeitsbericht der Jugendkammer ist als Anlage beigefügt.124 d) der Diakonische Beirat hat bisher nur einmal eine Sitzung abgehalten, nämlich am 20. Januar 1953, in der er Herrn Oberkirchenrat D. Dr. Herntrich zu seinem Vorsitzenden gewählt und folgenden Beschluss gefasst hat: „Ein Ausschuss des Diakonischen Beirates, bestehend aus seinen vier Mitgliedern Herntrich, Held, Riedel und von Brück, wird beauftragt, bis zum 10. Mai 1953 einen Entwurf für eine Zusammenlegung des Zentralbüros des Hilfswerks mit dem Centralausschuss für die Innere Mission und für die Schaffung eines einheitlichen diakonischen Werkes der EKD zu erarbeiten und allen Mitgliedern des Diakonischen Beirates vorzulegen.“ Dieser Beschluss ist bisher nicht ausgeführt worden, Der Finanzbeirat der Evangelischen Kirche in Deutschland ist im laufenden Haushaltsjahr zu 3 Sitzungen zusammengekommen, in denen er die finanziellen Hilfsaktionen der westdeutschen Landeskirchen, alle mit der Ostpfarrer- und DP-Pfarrer-Versorgung zusammenhängenden Fragen, die Fragen kirchlicher Stipendien, die finanziellen Anliegen des Hilfswerks der EKD einschliesslich seiner Gemeinnützigen Siedlungsgesellschaft sowie der Evangelischen Aktionsgemeinschaft für Arbeiterfragen, den Entwurf des neuen Haushaltsgesetzes der EKD und die Frage einer einheitlichen Ge-
124 Satz nachträglich von Hand eingefügt. Der Bericht findet sich in: Berlin-Spandau, S. 392–395.
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staltung des kirchlichen Besoldungs- und Versorgungsrechtes beraten hat. f) Über die Arbeit des Kirchenrechtlichen Instituts im Berichtszeitraum wird ein besonderer Bericht als Anlage beigefügt125. II. Verhältnis zu den Gliedkirchen. 1. Sonderhilfsplan Die westlichen Gliedkirchen brachten auch weiterhin erhebliche Mittel zur Hilfe für die östlichen Gliedkirchen126 auf. Diese Mittel werden durch einen besonderen Ausschuss zentral verwaltet, um Fehlleitungen zu vermeiden. 2. Bischofswahlen Die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsens nahm wegen der Wahl ihres neuen Landesbischofs nach Artikel 11 der Grundordnung127 mit dem Rat Fühlung. An der Einführung des neugewählten Landesbischofs Lic. Noth am 21. Oktober 1953 in Meissen nahm der Rat geschlossen teil, der aus diesem Anlass die Ratssitzung am 22. Oktober und 23. Oktober 1953 nach Dresden gelegt hatte. Der Rat befasst sich ferner mit dem Bischofsgesetz der Evangelischen Kirche von Berlin-Brandenburg128, welches die Teilnahme des Ratsvorsitzenden oder eines anderen Ratsmitgliedes in dem Wahlkollegium vorsieht, das den Bischof zu wählen hat. Der Rat sah sich veranlasst, darauf hinzuweisen, dass diese Regelung allein noch129 nicht genügt, um der Bestimmung in Artikel 11 der Grundordnung zu entsprechen, da nach dieser Bestimmung mit dem Rat in seiner Gesamtheit und nicht nur mit dem Vorsitzenden oder einem einzelnen Ratsmitglied Fühlung zu nehmen ist. 3. Angelegenheit einzelner Gliedkirchen In einigen Fällen wurde die Hilfe des Rates zur Überwindung von Schwierigkeiten in einzelnen Gliedkirchen in Anspruch genommen. Auf Grund eines Beschlusses des bremischen Kirchentages vom 25. 6. 1952 125 126 127 128 129
Berlin-Spandau, S. 396f. Ersetzt durch „für den kirchlichen Hilfsplan“. ABlEKD 1948, Nr. 5 vom 15. Juli 1948, S. 111. ABlEKD 1952, Nr. 8 vom 15. August 1952, S. 190. Wort nachträglich gestrichen.
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über die Ratifizierung der Grundordnung der EKD sah sich der Rat veranlasst, erneut Verhandlungen über die Stellung der Bremischen Evangelischen Kirche zur Grundordnung der EKD einzuleiten. Der Beschluss hatte folgenden Wortlaut: „1. Der Kirchentag stellt zur Klarstellung der Glaubensgrundlage der Bremischen Evangelischen Kirche folgendes fest: Die Bremische Evangelische Kirche als historische gewordene Einheit reformierter, lutherischer, unierter und sich evangelisch nennender Gemeinden ist im Jahr 1933 mit Zustimmung aller bremischen Gemeinden der Deutschen Evangelischen Kirche beigetreten und hat damit auch die in Art. 1 der Verfassung der Deutschen Evangelischen Kirche vom 11. Juli 1933130 festgestellte Glaubensgrundlage für sich als verbindlich anerkannt. Durch die mit grosser Mehrheit erfolgten Beschlussfassungen auf den Kirchentagen vom 3. Oktober und 27. November 1946 hat die Bremische Evangelische Kirche diese Erklärung als Vorspruch ihrer Verfassung131 vorangestellt und damit ausdrückliche bestätigt, dass das Evangelium von Jesus Christus, wie es in der Heiligen Schrift bezeugt und in der Reformation neue ans Licht getreten ist, ihre unantastbare Grundlage bildet. Die Bestimmung des § 1 Abs. 2 Satz 1 der Verfassung der Bremischen Evangelischen Kirche, wonach die Glaubens-, Gewissens- und Lehrfreiheit der Gemeinden unbeschränkt bleibt, meint nicht eine Freiheit von der Bindung an des Evangelium, sondern will sagen, dass die verschiedenartigen Gemeinden in der Freiheit des Verständnisses des Evangeliums und seiner Verkündigung nicht durch Massnahmen und Entschliessungen der Bremischen Evangelischen Kirche und ihrer Organe beeinträchtigt werden dürfen. 2. Die Bremische Evangelische Kirche stimmt der Grundordnung der Evangelischen Kirche in Deutschland zu und stellt dazu auf Grund des Art. 1 Abs. 1 Satz 2 der Grundordnung132 fest, dass für die Bremi-
130 GBlDEK 1933, Nr. 1 vom 7. Oktober 1933, S. 2. 131 F. Giese/J. Hosemann, Verfassungen 2, S. 899–905. 132 ABlEKD 1948, Nr. 5 vom 15. Juli 1948, S. 109.
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sche Kirche und ihre Gemeinden in allen Fragen des Bekenntnisses allein ihre Verfassung und die Bremischen Gemeindeordnungen massgebend sind.“ Obwohl die Verhandlungen eine völlige Klärung und Übereinstimmung in der Sache nicht erbringen konnten, hat der Rat sich entschlossen, die Erklärung des Kirchenausschusses vom 5. 7. 1952, in welcher dem Rat von dem Beschluss des Bremischen Kirchentages vom 25. 6. 1952 Mitteilung gemacht wurde133, als nachträgliche Zustimmungserklärung im Sinne von § 10 Abs. 3 der Verordnung über das Zustandekommen einer Grundordnung der EKD vom 14. 1. 1948134 anzuerkennen mit der Wirkung, dass die Grundordnung der EKD für den Bereich der Bremischen Evangelischen Kirche mit dem 1. 4. 1953 wirksam wurde. Hiernach fasste der Rat einen Beschluss zur Ergänzung der Bestimmung über die Verteilung der von den Gliedkirchen zu wählenden Mitglieder der ersten Synode der EKD, wonach die Bremische Evangelische Kirche zur 1. Synode der EKD ein Mitglied zu wählen hat. In der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Oldenburg waren im Zusammenhang mit der Wahl des neuen Bischofs Schwierigkeiten entstanden. Die oldenburgische Synode bat den Rat, eins seiner Mitglieder mit der Übernahme des Vorsitzes in einem Ausschuss zu beauftragen, der diese Vorgänge klären sollte. Der Rat bat sein Mitglied, Landesbischof D. Dr. Haug, diesen Dienst zu übernehmen. Dieser erstattete dem Rat nach Abschluss der Arbeit des Ausschusses über seine Tätigkeit Bericht. Eine Gemeinde der Evangelischen Kirche im Rheinland beantragte, dass der Rat feststellen möge, dass die Präambel der neuen Kirchenordnung der Evangelischen Kirche im Rheinland135 eine Veränderung ihres Bekenntnisstandes bedeute. Der Rat musste jedoch feststellen, dass die Grundordnung ihm nicht die Möglichkeit zu136 einer Entscheidung über diese Frage gebe. 133 Schreiben des Kirchenausschusses der BEK vom 5. Juli 1954 an den Ratsvorsitzenden mit einem Bericht über den Beschluss vom 25. Juni 1954 (EZA Berlin, 2/2116). 134 ABlEKD 1948, Nr. 3 vom 1. Februar 1948, Sp. 5–8, 8. 135 KABl Rheinland 1952, Nr. 11 vom 19. Juli 1952, S. 52–84. 136 Wort nachträglich gestrichen.
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III. Verhältnis zu den Auslandsgemeinden. Die Arbeit des vom Rat gebildeten Ausschusses zur Erarbeitung eines Entwurfes für eine neues Gesetz zur Regelung des Bekenntnisses137 zwischen der EKD und den Auslandsgemeinden war bei Abschluss des Berichtes noch nicht beendet. Der Rat liess sich über den Fortgang der Arbeit des Ausschusses mehrfach berichten. 2. Angelegenheiten einzelner Auslandsgemeinden Mit dem Deutschen Archäologischen Institut in Rom wurden Mietverträge abgeschlossen. Der Rat nahm davon Kenntnis, dass in Schweden eine gesetzliche Regelung geplant wird, nach der schwedische Staatsangehörige deutscher Abstammung künftig nicht mehr Glieder der deutschen St. Gertrudgemeinde in Stockholm sein könnten. Der Ratsvorsitzende wurde gebeten, in dieser Angelegenheit bei dem Primas von Schweden vorstellig zu werden. Für den Bau eines Pfarrhauses in Bad Gastein wurde der Evangelischen Kirche in Österreich eine Abfindungssumme zur Verfügung gestellt und der Kirchengemeinde die kostenlose Benutzung des Pfarrhauses auf 30 Jahre zugestanden. Danach soll eine Miete gezahlt werden. Wegen der Eigentumsverhältnisse an Kirche und Pfarrhaus sind neue Verhandlungen in Aussicht genommen. 3. Personalangelegenheiten In zahlreichen Fällen hatte der Rat sich mit den Personalangelegenheiten von Auslandspfarrern und ihrer Versorgung zu befassen. Als Nachfolger von Dekan Rieger, der als Superintendent nach Berlin-Schöneberg ging, wurde Pfarrer Bethge, Berlin, als Pfarrer der St. Georgengemeinde in London gewählt. Durch eine Spaltung in der Gemeinde Bradford ergab sich die Notwendigkeit, die Stelle in Bradford neu zu besetzen, während Pastor Hansen Pfarrer von Liverpool und Manchester blieb. Zur Versehung der Stelle in Bradford wurde nach Zustimmung des Rates vom Aussenamt Pfarrer Neubauer entsandt. 1. Allgemeines
137 Nachträglich korrigiert in „Verhältnisses“.
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Pfarrer Möckel aus Westfalen wurde nach Athen berufen. Für die Gemeinde in Meran wurde Pfarrer Brauer gewählt, nachdem Pfarrer Giese am 1. Oktober 1953 in den Ruhestand getreten ist. Studentenpfarrer Weigelt, Erlangen, soll138 im Einvernehmen zwischen dem Rat und dem Jerusalemsverein als Missionspfarrer des Jerusalemsvereins und als Hilfsprediger an die Erlöserkirche zu Jerusalem berufen werden139. Es ist in Aussicht genommen, ihm zum Propst an der Erlöserkirche zu Jerusalem zu ernennen, wenn die Stelle wieder zu besetzten ist. Auf Grund einer von britischen Militärstellen an Vikar Berndt in Benghasi gerichtete Bitte wurde der Diakon Uber, Karlshöhe, zum 1. Oktober 1953 zur Dienstleistung bei der britischen Armee als Welfare Officer entsandt. 4. Bundesmittel für die Auslandsarbeit Die Bundesregierung stellt Mittel für die kirchliche Auslandsarbeit zur Verfügung. Auf Wunsch der lutherischen Gliedkirchen sind Untersuchungen darüber eingeleitet worden, in welchem Umfang an diesen Bundesmitteln die lutherischen Gliedkirchen für ihre eigenen Auslandsarbeit zu beteiligen sind. IV. Rechtsetzung der EKD. Der Rat gab Richtlinien für die Verwaltung des kirchlichen land- und forstwirtschaftlichen Grundbesitzes, die von der Grundstückskommission der EKD ausgearbeitet worden waren und im Amtsblatt der EKD 1953 Nr. 87 veröffentlicht worden sind. Der vom Rat gebildete Ausschuss für Neuordnung des kirchlichen Beamtenrechts legte dem Rat einen Entwurf für ein Kirchenbeamtengesetz der EKD140 vor, der den Gliedkirchen zur Stellungnahme zugeleitet und danach noch einmal zur Überarbeitung an den Ausschuss zurückgegeben wurde. Die Arbeit des Ausschusses war bei Abschluss des Berichtszeitraums noch
138 Wort nachträglich ersetzt durch „ist“. 139 Wort nachträglich ersetzt durch „worden“. 140 ABlEKD 1954, Nr. 4 vom 15. April 1954, S. 100–106.
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nicht abgeschlossen, ebenso wenig wie die des Synodalausschusses für die Disziplinarordnung der EKD. Über die Vorarbeiten für ein Gesetz zur Neuregelung des Verhältnisses zwischen der EKD und den Auslandsgemeinden wurde bereits im vorigen Abschnitt berichtet. V. Finanzen der EKD. Die Finanzreferenten der Gliedkirchen hatten angeregt, von einem Nachtragsetat für 1953/54 abzusehen und die notwendigen Änderungen des Haushaltsplans einer im Herbst 1953 zusammentretenden Synode vorzubehalten. Auch der Finanzausschuss der Synode bat den Rat, einen Nachtragsetat auf dem Wege einer Verordnung nur dann zu erlassen, wenn mit Sicherheit zu erwarten sie, dass die Synode im Herbst nicht tagen werde. Der Rat hielt es jedoch nicht für tragbar, die Einberufung der Synode von der Rücksicht auf Haushaltserwägungen abhängig zu machen. Der Rat beschloss daher nach Anhörung der Kirchenkonferenz, unter Beibehaltung des von der Synode auf ihrer 4. Tagung in Elbingerode erlassenen „Kirchengesetzes über den Haushaltsplan und die Umlage“141 einen Nachtragsetat für die das Rechnungsjahr 1953/54 aufzustellen, der im einzelnen mit dem Finanzausschuss der Synode beraten wurde. Der Rat erliess daraufhin eine Verordnung über einen Nachtrag zum Haushaltsplan und über den Umlageverteilungs-Maßstab der EKD für das Rechnungsjahr 1953 vom 26. 3. 1953 (Abl.EKD 1953 Nr. 79). B. Innerkirchliches Leben. I. Kirchliche Versorgung der Umsiedler und Heimkehrer. Zur Aufbringung der Mittel für die kirchliche Betreuung der Displaced Persons im Bereich der Bundesrepublik wurden Richtlinien für einen Finanzausgleich unter den westlichen Gliedkirchen beschlossen. Für die kirchliche Betreuung der Dobrudscha-Deutschen ist ein Hilfskomitee gebildet worden, das im Ein-
141 ABlEKD 1952, Nr. 10 vom 15. Oktober 1952, S. 233–238.
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vernehmen mit dem Zentralbüro des Evangelischen Hilfswerks in Stuttgart vom Rat ausdrücklich anerkannt wurde. Der Präsident des Deutschen Evangelischen Kirchentags wurde durch den Ratsvorsitzenden gebeten, von dem Aufbau einer selbständigen diakonischen Aktion des Kirchentages, insbesondere142 für die Flüchtlinge in Berlin abzusehen, um alles zu vermeiden, was die Eigenschaft des Kirchentags als gesamtdeutsche evangelische Einrichtung beeinträchtigen könnte. Es wurde empfohlen, dass die durch Initiative des Kirchentags etwa aufkommenden Mittel für derartige Zwecke im Rahmen der gesamtkirchlichen Flüchtlingsarbeit verwendet werden möchten. Für Oberschüler, die als Mitglieder der143 Jungen Gemeinde aus politischen Gründen144 ihre bisherige Schule verlassen mussten, wurde bei der Kirchenkanzlei in Hannover eine Leitstelle eingerichtet, um für diese Schüler die Aufnahme in Internatsschulen oder bei Pflegeeltern, bei denen sie Gelegenheit zum Besuch einer Oberschule haben, zu vermitteln. II. Die Ämter der Kirche. Nach der Entspannung der kirchlichen Lage im Bereich der DDR wurden Pfarrer, die ohne Genehmigung ihrer Kirchenleitung ihre Gemeinde verlassen hatten, aufgefordert, unverzüglich in ihre Heimat zurückzukehren. Die westlichen Gliedkirchen wurden gebeten, Pfarrer, die die Rückkehr ablehnen, obwohl die Möglichkeit dazu bestünde, grundsätzlich nicht mehr zu unterstützen und Ausnahmen nur im Einvernehmen mit der heimatlichen Gliedkirchenleitung zu machen. Der vom Rat gebildete Ausschuss für die Neuordnung der Gemeindehelferinnen erarbeitete einen Entwurf für Richtlinien, die der Rat den Gliedkirchenleitungen zur Stellungnahme zuleiten liess. Auf Grund dieser Stellungnahme wurde eine Tagung mit den zuständigen Referenten der Gliedkirchenleitungen einberufen und
142 Wort nachträglich gestrichen. 143 Die letzten drei Worte nachträglich ersetzt durch „wegen Zugehörigkeit zur“. 144 Die letzten drei Worte nachträglich gestrichen.
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durchgeführt. Auf dieser Konferenz wurde es für erforderlich befunden, mit den Bibelschulleitungen Fühlung aufzunehmen. Zu diesem Zweck wurde ein Ausschuss gebildet, der seine Aufgabe bei Abschluss des Berichts noch nicht erfüllt hatte. III. Theologisches Studium. Der vom Rat eingesetzte Ausschuss für die Fragen des theologischen Studiums, der sich unter Vorsitz von Landesbischof D. Dr. Lilje aus Vertretern der Theologischen Fakultäten und der Kirchlichen Hochschulen zusammensetzt, konnte schon145 in der zunächst beratenen Frage des Trienniums keine Einigung erzielen. Zur Erarbeitung der gemeinsamen Formulierung eines dem Rat der EKD zu erstattenden Gutachtens sind weitere Beratungen, ggf. unter Erweiterung des Ausschusses durch Vertreter der landeskirchlichen Ausbildungsreferenten, erforderlich. IV. Kirchliche Werke. 1. Diakonischer Beirat
2. Hilfswerk
Der Rat wählte Herrn Landesbischof D. Haug als drittes Ratsmitglied für den Diakonischen Beirat. Wegen der Tätigkeit des Diakonischen Beirats siehe oben Abschnitt A I Ziffer 6 d. Zum Stellvertreter des Vorsitzenden im Hilfswerksausschuss (§ 6 Abs. 2 Ziffer 2 des Hilfswerksgesetzes vom 5. 4. 1951146) und im Verwaltungsrat des Hilfswerks wählte des Rat Herrn Landesbischof D. Haug, Stuttgart. Zwischen dem Leiter des Zentralbüros des Hilfswerks und dem Vorsitzenden des Deutschen Nationalkomitee des Lutherischen Weltbundes wurde eine Vereinbarung über die Zusammenarbeit zwischen dem Evangelischen Hilfswerk und dem Lutherischen Weltdienst in Deutschland getroffen, die der Rat bestätigte. Nach Zustimmung des Finanzausschusses der Synode beschloss der Rat eine Verordnung über die Umlage des Hilfswerks für das Rechnungsjahr 1953 vom 26. März 1953 (ABl.EKD 1953 Nr. 45).
145 Wort nachträglich gestrichen. 146 ABlEKD 1951, Nr. 4 vom 15. April 1951, S. 89ff.
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3. Sonstige Werke Auf Vorschlag des Kuratoriums der Evangelischen Jerusalemsstiftung wurde anstelle des verstorbenen Geh. Regierungsrat von Zastrow Konsistorialpräsident Dr. von Arnim, Berlin, zum Mitglied des Kuratoriums ernannt. Wegen der Berufung von Studentenpfarrer Weigelt als Missionspfarrer des Jerusalemsvereins und als Hilfsprediger an der Erlöserkirche zu Jerusalem siehe oben Abschnitt A III Ziffer 3. Nachdem das Kuratorium der Wartburg-Stiftung als einer staatlichen Stiftungsverwaltung neugebildet worden ist, beschloss der Rat, dafür einzutreten, dass wieder ein Vertreter der evangelischen Kirche Mitglied des Kuratoriums wird. Ausserdem wurde Herr Landesbischof D. Mitzenheim gebeten, die Interessen der evangelischen Kirch in baulichen Fragen wahrzunehmen. 4. Beihilfen Auf der letzten Tagung der Synode war der Wunsch geäussert worden, dass kirchliche Werke und Einrichtungen von gesamtkirchlicher Bedeutung künftig grundsätzlich nur durch die Evangelische Kirche in Deutschland und nicht mehr durch die Gliedkirchen Beihilfe bekommen sollten. Andererseits sollten die Haushaltsmittel der EKD für Beihilfe möglichst ausschliesslich für gesamtkirchliche Werke und Einrichtungen vorbehalten bleiben. Die Verwirklichung dieses Grundsatzes erwies sich jedoch praktisch als sehr schwierige, da die Auffassungen über den gesamtkirchlichen Charakter vieler Werke und Einrichtungen weit auseinandergehen. Eine starre Abgrenzung dürfte überhaupt kaum möglich sein, zumal da die Haushaltsmittel der EKD nicht ausreichen, um alle Werke und Einrichtungen, die mit mehr oder weniger anzuerkennenden Gründen als gesamtkirchlich bezeichnet werden, in ausreichendem Maße mit Beihilfe zu versehen. Nach Fühlungnahme mit den Gliedkirchenleitungen wurde daher ein Katalog der mehr oder weniger regelmässig zu unterstützenden Werke und Einrichtungen aufgestellt und eine Unterteilung in zwei Kategorien vorgenommen, von denen die erste primär und die zweite nur subsidiär mit den Beihilfemitteln der EKD gefördert werden soll. Über die Frage, ob in Zukunft in einer Anlage zum Haushaltsplan der EKD von vornherein festgelegt werden soll, welche Werke und Einrichtun-
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gen im einzelnen Beihilfe erhalten sollen, wird im Rahmen der Entschliessung über den neuen Haushaltsplan zu entscheiden sein. V. Einzelfragen des kirchlichen Lebens. 1. Abendmahlsgespräch
2. Bibelrevision
Die vom Rat berufene Kommission für das Abendmahlsgespräch setzte ihre Arbeit auf einer Tagung im Oktober 1952 in Hannover fort. Von einer Veröffentlichung der bisherigen Arbeitsergebnisse hat die Kommission mit Rücksicht auf den vorläufigen Stand ihrer Arbeit bisher abgesehen und sie einem späteren Zeitpunkt vorbehalten. Die Arbeit der Kommission soll im März 1954 mit einem Gespräch über die lutherische und reformierte Lehre vom Heiligen Abendmahl fortgesetzt werden. Die vom Rat der EKD und den Bibelgesellschaften im Januar 1952 eingesetzte neutestamentliche Kommission für die Revision der Lutherbibel kam in der Berichtszeit zu zwei längeren Arbeitstagungen zusammen: im Oktober 1952 in Hann.-Münden und im Oktober 1953 in Schwäbisch Hall. Dazwischen lagen eingehende Verhandlungen über die Schwierigkeiten der Sachproblematik und die von der Kommission zu beachtenden Arbeitsgrundsätze. Mit der Arbeit der Kommission hat sich der Rat der EKD in seiner Sitzung im Dezember 1953 ausführlich beschäftigt. Er konnte bei aller aufrichtigen147 Dankbarkeit für den Fleiss148 der Kommission und trotz aller prinzipiellen Übereinstimmung149 das Ergebnis der bisherigen Arbeit weder mit dem der Kommission gegebenen Auftrag noch mit den Grundsätzen von 1928 in Einklang bringen. So erklärte er die Arbeit der Kommission für beendet und beauftragte seinen Vorsitzenden, sich mit den Bibelgesellschaften über eine neue Kommission zu verständigen, in der der Ratsvorsitzende selbst den Vorsitz führen soll.
147 Wort nachträglich gestrichen. 148 Worte nachträglich ersetzt durch „die Bemühungen“. 149 Gestrichen ist „und trotz aller prinzipiellen Übereinstimmung“.
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4. Publizistik
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Der Rat bildete einen Ausschuss, bestehend aus je zwei Vertretern der Vereinigten Evang.-Luth. Kirche Deutschlands, der Evangelischen Kirche der Union und der Reformierten Kirchen, um zu prüfen, ob eine einheitliche Behandlung der Frage einer Trauung Geschiedener in den kirchlichen Lebensordnungen aller Gliedkirchen der EKD zu erreichen ist. Der Ausschuss trat im November 1953 zu einer ersten Sitzung zusammen, in der die neutestamentlichen Aussagen über Ehe, Ehebruch und Ehescheidung erörtert und die Frage geprüft wurde, ob und inwieweit eine einheitliche Regelung noch erreichbar erscheint. Die Arbeit des Ausschusses wird noch fortgesetzt. Bei der Berliner Stelle der Kirchenkanzlei wurde gemeinsam mit der Evangelischen Kirche von BerlinBrandenburg eine Rundfunkkammer eingerichtet. Im übrigen vergleiche Abschnitt A I Ziffer 6 c (Vorschläge der Kammer für publizistische Arbeit für die Heranbildung eines geeigneten Nachwuchses für die publizistische Arbeit der Kirche).
C. Teilnahme an Vorgängen des öffentlichen Lebens. 1. Politische Entwicklungen Im Bereich der DDR waren in der ersten Hälfte des Jahres 1953 zunehmende Schwierigkeiten im Verhältnis zwischen Kirche und Staat entstanden. Der Rat führte mit der Regierung der DDR Verhandlungen, die schliesslich am 10. Juni 1953 zu einer Entspannung der Lage führten. Über das Ergebnis der Verhandlungen gab der Rat eine Presseerklärung150 und ein Wort an die Gemeinde151 heraus. Es wurde darin betont, dass keinesfalls von einem „Sieg der Kirche“ geredet werden dürfe, sondern nur von einem Wunder Gottes. Zur Lebensmittelpaketaktion in Berlin äusserte sich der Rat durch seine Bevollmächtigten bei den zuständigen staatlichen Stellen der DDR und der Bundesrepublik. Die Gliedkirchenleitungen im Westen wurden gebeten, durch ihre Hilfswerke darauf hinzuwirken, dass unab-
150 F. Merzyn, Kundgebungen, S. 161f. 151 F. Merzyn, Kundgebungen, S. 160f.
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hängig von dieser Aktion die Paketversendung aus den christlichen Gemeinden weiter geführt werde. Nach den Bundestagswahlen in Westdeutschland liess der Rat sich eingehend über die Lage unterrichten und beschloss, ein Gespräch mit der SPD und dem DBG in Gang zu bringen. Mit den Vorbereitungen hierfür wurde die Kammer für öffentliche Verantwortung beauftragt. In besonderem Maße liess der Rat sich die Frage der Wiedervereinigung Deutschlands angelegen sein. Die Kammer für öffentliche Verantwortung wurde gebeten, sich mit diesem Problem zu befassen und dem Rat Vorschläge für eine weitere Behandlung zu machen. Im Dezember 1953 wurden die Gliedkirchenleitungen gebeten, aus Anlass des bevorstehenden Weihnachtsfestes die Gemeinden erneut zum Gebet für den Frieden der Welt und die Wiedervereinigung Deutschlands anzuhalten152. Im besonderen hat sich der Rat auch um die Aufhebung des Interzonenpasszwanges bemüht. 2. Soziale Fragen Der Rat beauftragte die Kirchenkanzlei, sich bei den zuständigen Stellen der Bundesregierung in Bonn dafür einzusetzen, dass aus dem Fonds von 50 Millionen DMark, der nach dem Haager Vertragswerk zur Wiedergutmachung für die nicht dem jüdischen Glauben angehörigen Rassenverfolgten des nationalsozialistischen Regimes bestimmt ist, den caritativen Einrichtungen zur Betreuung dieser Personengruppe Mittel zur Errichtung und Unterhaltung von Altersheimen und sonstigen gemeinnützigen Einrichtungen zur Verfügung gestellt werden. Die Verhandlungen hierüber sind noch im Gange. Wegen der Vorschläge der Kammer für soziale Ordnung, die der Rat den Gliedkirchenleitungen zuleiten liess, siehe oben Abschnitt A I Ziffer 6 c. 3. EVG-Verträge153 Im Zusammenhang mit den Vorbereitungen154 der Bundesregierung für die etwaige Aufstellung deutscher Einheiten im Rahmen der EVG-Verträge155 wurden 152 Schreiben der Kirchenkanzlei an die Leitungen der deutschen evangelischen Landeskirchen betr. Gebet für den Frieden vom 11. Dezember 1953 (EZA Berlin, 2/2565). 153 Nachträglich ersetzt durch „Seelsorge in etwaigen deutschen Streitkräften“. 154 Nachträglich geändert in „Vorarbeiten“. 155 Nachträglich gestrichen ist „im Rahmen der EVG-Verträge“.
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Verhandlungen über die Seelsorge in solchen künftigen Einheiten aufgenommen. Der Rat berief einen Ausschuss zur Prüfung der grundsätzlichen organisatorischen und personellen Fragen, die hiermit zusammenhängen. Der Ausschuss besteht aus Landesbischof D. Bender als Vorsitzenden, Dekan Dr. Schuster, Fulda, Pfarrer Münchmeyer, Bethel, Studentenpfarrer Weymann, Tübingen, Dekan Putz, Fürth, Pfarrer Grau, Heidelberg. Der Bevollmächtigte des Rates in Bonn, Prälat D. Kunst, wurde beauftragt, die Verhandlungen mit der Dienststelle Blank über diese Fragen in Verbindung mit der Kirchenkanzlei zu führen. Der Rat befasste sich auch mit den Problemen des Rechtsschutzes für Kriegsdienstverweigerer. Er sah es nicht als Aufgabe der Kirche an, Gesetzesformulierungen vorzuschlagen. Der Rat sah auch davon ab, in der Öffentlichkeit zu diesen Problemen Stellung zu nehmen, beauftragte aber den Bevollmächtigten in Bonn, die Bundesregierung über die Erörterung des Rates zu diesem Problem zu unterrichten. D. Verhältnis zu anderen Kirchen und Religionsgemeinschaften. 1. Katholische Kirche Die Arbeit des evang.-kath. Arbeitskreises, die auf evangelischer Seite unter Führung des Altbischof D. Stählin steht, wurde fortgesetzt. Die Zusammenarbeit in gewissen Fragen öffentlichen Lebens wurde fortgesetzt. Im übrigen haben sich im Berichtszeitraum keine wesentlichen Vorgänge von Bedeutung für das Verhältnis zur katholischen Kirche ereignet. 2. Oekumene An der Tagung des Zentralkomitees des Oekumenischen Rates der Kirchen in Lucknow in Indien, die der Vorbereitung für die Weltkirchenkonferenz in Evanston 1954 diente, nahmen die Ratsmitglieder Landesbischof D. Lilje und Kirchenpräsident D. Niemöller teil. Mit den Vorbereitungen für die Weltkirchenkonferenz in Evanston befasste sich der Rat mehrfach, insbesondere mit der Zusammensetzung der deutschen Delegation für Evanston. Auf Vorschlag des deutschen oekumenischen Studienausschusses wurde das Kirchliche
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Aussenamt beauftragt, eine Studientagung der Delegierten vorzubereiten. Der Rat beschloss, dass die Gebetsvorbereitung für Evanston erst etwa um Pfingsten 1954 beginnen soll. Das Kirchliche Aussenamt wurde beauftragt, zu gegebener Zeit hierfür Vorschläge zu machen. Im September 1953 fand in München ein Kongress der Altkatholiken statt, an dem die Ratsmitglieder Landesbischof D. Meiser und Kirchenpräsident D. Niemöller teilnahmen156.
41D2. Schreiben Niemöllers an die Kirchenkanzlei. Wiesbaden, 27. Januar 1954 F: EZA Berlin, 2/1062 (O). Betr.: Rechenschaftsbericht für die Synode. Durch Schreiben 10290.V. vom 19. Januar 1954157 sind die Ratsmitglieder aufgefordert worden, den Entwurf des Rechenschaftsberichts zu prüfen und möglichst bald mitzuteilen, falls Bedenken gegen einzelne Punkte bestehen. Ich hätte folgende Punkte anzumerken: Seite 1, vorletzter Absatz: Der vorletzte und letzte Absatz müssten zeitlich wohl umgestellt werden (?). Auf jeden Fall aber müsste das Datum angegeben werden, wann die Reise des Ratsvorsitzenden nach Moskau abgesagt wurde. Andernfalls erweckt der Bericht den Anschein, als wäre diese Absage vor dem Herbst 1952, von dem im folgenden Abschnitt die Rede ist, erfolgt. Seite 1, letzter Absatz: Es ist mir nicht erinnerlich, dass Präses Dr. Dr. Heinemann an der Tagung für europäische Zusammenarbeit der Kirchen als Mitglied des Rates teilgenommen hat. Er ist Mitglied dieser Konferenz, was wohl nicht angemerkt zu werden brauchte, da der Konferenz durch eine Einzelbenennung unter allen ökumenischen Tagungen des vergangenen Berichtsjahres damit eine unverhältnismässige Bedeutung zugewiesen würde. Seite 2, zweiter Absatz: Es scheint mir richtig, wenn die Gliedkirche genannt wird, die den Antrag gestellt hat, die Synode mit Rücksicht auf die kirchliche Lage kurzfristig einzuberufen. 156 Absatz nachträglich gestrichen. 157 EZA Berlin, 2/1062.
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Seite 8, letzter Absatz: Sollte nicht bei dem Bericht über die Kammer für öffentliche Verantwortung auch ihre letzte Tagung, die nun immerhin schon zwei Wochen zurückliegt, mit einbezogen werden, zumal sie das besondere Interesse des Rates gefunden hat. Seite 12, dritter Absatz: Ich habe die letzte Sitzung des Ausschusses zur Bearbeitung eines Entwurfs für ein neues Gesetz zur Regelung des Verhältnisses zwischen der EKD und den Auslandsgemeinden so verstanden, dass der Ausschuss seine Tätigkeit beendet hat. Seite 18, fünfter Absatz: Ich weiss nicht, ob es den Tatsachen entspricht, wenn der Eindruck erweckt wird, als ginge die Entspannung der Lage am 10. Juni 1953 auf Verhandlungen der Kirche mit der Regierung der DDR zurück. Das ist meines Wissens nicht der Fall gewesen. Sonst hätte der Ratsvorsitzende kaum am 9. Juni abends erklärt, er würde zu den Verhandlungen nicht mitgehen, da sie doch zwecklos seien. Die Abgesandten der Kirchen der DDR wurden von einer Stellungnahme der DDR-Regierung am 10. Juni überrascht. Es muss also wohl formuliert werden: „Der Rat führte mit der Regierung der DDR Verhandlungen (oder zahlreiche Verhandlungen), bis schliesslich am 10. Juni 1953 eine Entspannung der Lage eintrat.“ Seite 19, erster Absatz: Auf der nächsten Sitzung des Rates werde ich gegen diese Formulierung Widerspruch erheben. Es entspricht einfach nicht den Tatsachen, dass sich der Rat „in besonderem Masse“ die Frage der Wiedervereinigung hat angelegen sein lassen. Man müsste hier wohl sehr viel vorsichtiger und sehr viel bescheidener formulieren. Ebenso befriedigt mich auf Seite 19, im letzten Absatz, die Darstellung nicht in Bezug auf die Tätigkeit des Rates betr. Kriegsdienstverweigerer. Aber ich vermag im Augenblick keinen Vorschlag zu machen. Ich hielt es für richtig, die vorstehenden Anmerkungen gleich zu machen. Mit freundlichen Grüssen M. Niemöller [m. p.]
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41D3. Entwurf Rankes für ein Schreiben der Kirchenkanzlei an den Rat. Bonn, 2. Februar 1954 F: EZA Berlin, 2/4349 (O). Betr.: Eherechtskommission Im Einvernehmen mit der Eherechtskommission der Evangelischen Kirche in Deutschland bitten wir den Rat, er möge die Eherechtskommission damit betrauen, 1. mit der katholischen Kirche in den Fragen der obligatorischen oder fakultativen Zivilehe die Fühlung aufzunehmen. Begründung: Die bisherigen Beratungen in der Eherechtskommission haben gezeigt, dass die endgültige Stellungnahme der Evangelischen Kirche in Deutschland zur Frage der fakultativen Zivilehe weithin davon abhängt, welche gesetzgeberischen Möglichkeiten für die fakultative Zivilehe in Aussicht genommen werden. Da die katholische Kirche ein ausgesprochenes Interesse an der fakultativen Zivilehe besitzt, ist anzunehmen, dass in katholischen Kreisen bereits konkrete Vorstellungen über gesetzgeberische Lösungen vorhanden sind. Es muss der Evangelischen Kirche in Deutschland dringend daran liegen, möglichst frühzeitig diese gesetzgeberischen Tendenzen kennenzulernen. 2. selbst eine oder mehrere Modellösungen für gesetzliche Bestimmungen über die fakultative Zivilehe auszuarbeiten. Begründung: Wenngleich im gegenwärtigen Zeitpunkt mit einer Initiative der Bundesregierung in Richtung der fakultativen Zivilehe zunächst nicht zu rechnen sein dürfte, sollte sich die Evangelische Kirche in Deutschland für den mit einiger Sicherheit in absehbarer Zeit eintretenden Fall einer derartigen Initiative von katholischer Seite nicht allein von dem Gesetz des Handelns auf katholischer Seite (siehe 1) abhängig machen. 3. sich mit der vom Herrn Bundesjustizminister angekündigten Novelle zum Ehegesetz zu befassen. Begründung: Die Novelle zum Ehegesetz ist vom Bundesjustizministerium nur deshalb zurückgestellt worden, weil man mit dieser schwierigen Materie das Familienrechtsgesetz nicht belasten wollte. Es besteht im Bundesjustizministerium die feste Absicht, möglichst bald die Ehegesetzgebung aus dem bisherigen Zustand des Besatzungsrechts in Bundesrecht zu überführen. In diesem Zusammenhang wird es von besonderer Bedeutung sein, von kirchlicher Seite sich in grundsätzlicher Weise mit den sogenannten objektiven Scheidungsgründen bei Zerrüttung der Ehe zu befassen.
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41D4. Schreiben der Kirchenkanzlei an die Ratsmitglieder. Hannover, 2. Februar 1954 F: EZA Berlin, 2/927 (H). Betr.: Vorbereitung der nächsten Ratssitzung, hier: Vorläufiger Schiedsgerichtshof der EKD. I. Die Geltungsdauer des Dritten Kirchengesetzes über den Vorläufigen Schiedsgerichtshof der EKD vom 5. April 1951 (ABl. d. EKD 1951 Nr. 43) läuft am Schluß der bevorstehenden Synodaltagung ab. Deswegen schlagen wir dem Rat die Vorlage eines Kirchengesetz-Entwurfs des aus der Anlage ersichtlichen Inhalts158 vor. II. Der Vorläufige Schiedsgerichtshof der EKD braucht ein neues juristisches Mitglied, weil Landeshauptmann Dr. Hagemann mit Rücksicht auf sein Alter seine Mitgliedschaft niedergelegt hat. Wir schlagen hierfür in erster Linie Regierungsdirektor Dr. Konrad Müller (Sohn des Magdeburger Bischofs) vor (der nach seiner Tätigkeit in Kirchenrechtlichen Institut der EKD nunmehr Regierungsdirektor in der hiesigen Staatskanzlei ist); für den Fall seiner Verhinderung schlagen wir Oberlandesgerichtsrat Dr. Buchholz in Hannover vor (früher im Archivamt der EKD, jetzt im Justizministerium in Hannover tätig; schon seit der Zeit seiner Referendarausbildung im Landeskirchenamt Hannover in bleibender enger Verbindung mit dem kirchlichen Dienst; im Kirchenvorstand seiner Gemeinde, in der Arbeit der Ev. Akademien und des Arbeitskreises evang. und katholischer Akademiker sowie als Mitglied der Disziplinarkammer der Hannoverschen Landeskirche). III.Der Vorläufige Schiedsgerichtshof der EKD braucht einen neuen Vorsitzenden, nachdem der bisherige Vorsitzende, Landeshauptmann Dr. Hagemann, auch den Vorsitz niedergelegt hat. Vorsitzender muss ein juristisches Mitglied des Vorläufigen Schiedsgerichtshofes der EKD sein. Wir schlagen hierfür Oberkirchenrat D. Dr. Friedrich in Heidelberg und als seinen Stellvertreter Regierungsdirektor Dr. Müller vor. IV. Schließlich wiederholen wir die Bitte unseres Schreibens vom 15. Januar 1954 – Nr. 10.032.II.159 – um Zustimmung des Rates der EKD zu der von der Bremischen Evangelischen Kirche beabsichtigten Regelung der Zuständigkeit des Schiedsgerichtshofes der EKD auch für innerkirchliche Streitigkeiten. In Vertretung: gez. Dr. Merzyn. 1 Anlage
158 41D5. 159 EZA Berlin, 2/926.
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41D Vorlagen und Anträge
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41D5. Entwurf für das 4. Kirchengesetz über den Vorläufigen Schiedsgerichtshof der EKD F: EZA Berlin, 2/927 (H; Anlage zu 41D4). Entwurf. Viertes Kirchengesetz über den Vorläufigen Schiedsgerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland. Vom März 1954. Die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland hat folgendes Kirchengesetz beschlossen, das hiermit verkündet wird: §1 Die Geltungsdauer des Kirchengesetzes über die Bildung eines Vorläufigen Schiedgerichtshofes der Evangelischen Kirche in Deutschland vom 13. Januar 1949 (Abl.d.EKD Nr. 19) wird bis zum Schluß der ersten nach Ablauf des Jahres 1956 stattfindenden Synodaltagung verlängert. §2 Dieses Gesetz tritt mit dem Tag seiner Verkündung in Kraft.160 Berlin, den März 1954 Der Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland.
41D6. Schreiben der rheinischen Landeskirche an das Kirchliche Außenamt. Düsseldorf, 16. Januar 1954 F: EZA Berlin, 6/5901 (O). Betr. Weltkirchenkonferenz 1954 in Evanston. Der für Evanston vorgesehene Delegierte Dr. Friedrich Karrenberg aus Velbert/Rheinland hat uns mitgeteilt, dass er leider nicht in der Lage sei, der Berufung Folge zu leisten. Die Leitung der Evangelischen Kirche im Rheinland hat darum in ihrer gestrigen Sitzung beschlossen, den Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland zu bitten, an seiner Stelle den Unterzeichneten zu benennen. Wir bitten Sie, dem Rat auf seiner nächsten Sitzung diesen Wunsch der rheinischen Kirchenleitung vorzutragen und das Anliegen zu unterstützen. gez. Lic. Dr. Beckmann Vorstehende Abschrift übersenden wir mit der Bitte um Kenntnisnahme. Lic. D. Beckmann [m. p.] 160 In der von der Synode beschlossenen Fassung (Berlin-Spandau 1954, S. 639) hieß es dann: „Dieses Gesetz tritt am 20. März 1954 in Kraft“.
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41. Sitzung Berlin, 11. Februar 1954
41D7. Schreiben von Harlings an die Ratsmitglieder. Hannover, 5. Februar 1954 F: EZA Berlin, 2/5258 (H) Betr.: Bezug:
Beihilfen. Unsere Rundschreiben vom 29. 5. 1953 – Nr. 12 464. V.161 – und vom 4. 9. 1953 – Nr. 14 016. V. –. 016. V.–162. Da sich das Haushaltsjahr dem Ende nähert, bitten wir den Rat, in seiner nächsten Sitzung über die restlichen Mittel bei Ausgabekapitel III des Haushaltsplanes zu verfügen. Der Stand bei Kapitel III ist z. Zt. wie folgt: Der Rat hat in der 37. Sitzung vom 11./12. 6. 1953 (Berlin) gemäss besonderer Aufstellung Beihilfen im Gesamtbetrag von 195.000.– DM bewilligt unter dem Vorbehalt, dass im einzelnen begründete Anträge vorgelegt werden. Wir schlagen vor, aus dieser Aufstellung nunmehr die in Aussicht genommenen Beihilfen zu streichen, für die bisher noch kein Antrag eingegangen ist. Es handelt sich um Beträge von insgesamt 8.500.– DM. Dann verbleiben von den bewilligten Beihilfen in Höhe von 195.000.– DM nach Abzug der gestrichenen Beträge von 8.5000.– DM 186.500.– DM gemäss Anlage zum Protokoll der 37. Ratssitzung163: Hierzu kommen weitere Beihilfen, die der Rat einzeln bewilligt hat und zwar: Kirchendienst Ost (35. Sitz. v. 26. 3. 53)164: 9.960.– DM Wiederaufbau des Zinzendorf-Gymnasiums der Brüder-Unität 5.005.– DM (38. Sitz. v. 11. 9. 53165) Archivalisierung der Akten aus dem Kirchenkampf in Berlin 480.– DM (38. Sitz. v. 11. 9. 53166) v. Cantsteinsche [sic!] Bibelges. f. Maler Lietzmann (39. Sitz. v. 22. 10. 53167): 600.– DM 7.000.– DM Heimkehrerbetreuung (39. Sitz. v. 22. 10. 53168): 500.– DM Kirchenrechtslehrertagung (40. Sitz. v. 8. 12. 53169):
161 162 163 164 165 166 167 168 169
EZA Berlin, 2/5258. Ebd. D. Pöpping/P. Beier, Protokolle 7, 37C6, S. 328ff. Ebd., 35B18, S. 161. Ebd., 38B5a, S. 435. Ebd., 38B5b, S. 435. Ebd., 39B9a, S. 494. Ebd., 39B9b, S. 494. Ebd., 40B20a, S. 552.
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Präses D. Stempel f. Frankreichreise (40. Sitz. v. 8. 12. 53170) (ein Teil der Reisekosten ist vom Hilfswerk f. Internierte u. Kriegsgefangene übernommen worden) 2.000.– DM Bisher verfügt insgesamt 212.045.– DM Das Ausgabe-Soll bei Kap. III des Haushaltsplans beträgt: 225.000.– DM Es verbleibt somit ein Restbetrag von: 12.955.– DM über den noch zu verfügen wäre. Nach dem Haushaltsplan sollten von dem Ausgabesoll aus Kollekten-Einnahmen gedeckt werden: 102.000.– DM Tatsächlich betrugen die Einnahmen bei Kapitel III bisher jedoch 117. 840. 34 DM, und es sind noch weitere Eingänge zu erwarten, die nach den vorjährigen Erträgen in den betr. Gliedkirchen auf insgesamt rund 11. 000. 00 DM geschätzt werden können. Bei einer Gesamteinnahme in Kapitel III a von: 128. 840. 34 DM ergibt sich ein Mehrertrag gegenüber dem Soll von: 26. 840. 54 DM Wir haben beim Finanzausschuss der Synode die Genehmigung beantragt, das Ausgabe-Soll bei Kapitel III um den Mehrertrag der Kollekten für die innerkirchliche Arbeit zu überschreiten. Es ist anzunehmen, dass diese Genehmigung bis zur nächsten Ratssitzung vorliegen wird. Dann würden insgesamt bei Ausgabe Kapitel III noch rund 40. 000. 00 DM zur Verfügung stehen. Wir fügen eine Aufstellung der bisher nur teilweise erledigten oder noch unerledigten (später eingegangenen) Anträge bei171 und schlagen vor, die in der Aufstellung angegebenen Beträge zu bewilligen unter dem Vorbehalt, dass die noch eingehenden Kollektenrückstände den veranschlagten Gesamtbetrag erreichen. In Vertretung: gez. von Harling 1 Anlage
170 Ebd., 40B20c, S. 552. 171 41D8.
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41D8. Anlage zum Schreiben von Harlings an die Ratsmitglieder F: EZA Berlin, 2/5258 (H). Liste der nur teilweise erledigten oder noch unerledigten Beihilfeanträge 1953/54 (Stand 15. 1. 54) A) Durch frühere Bewilligungen nur teilweise erledigt + Lfd. Antragsteller Nr.: 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13
Unerledigter Teilantrag:
Frauenarbeit der EKD Deutscher evang. Frauenbund Jugendarbeit der EKD Evang. Studentengemeinde Arbeitsgemeinsch. f. evang. Kinderpflege Arbeitsgemeinsch. f. Gehörlosenseelsorge Evang. Sozialakademie Friedewald Konfessionskundl. Institut Bensheim Studiengemeinsch. d. evang. Akademien Konvent der Heimvolkshochschulen Verband evang. Büchereien Christophorus-Stift Hemer Brüder-Unität (Zinzendorf-Gymnasium) Summe A:
Vorschlag Weiterhin d. K. Kzl.: bewilligt:
2.500.– 5.000.– 17.000.– 35.000.– 7.000.–
1.000.– 1.000.– 3.000.– – 1.000.–
2.000.–
–
10.000.– 11.750.– 8.000.– 4000.– 4.000.– 9.000.– 25.000.–
– 5.000,– – 2.000.– – 5.000.– 10.000.–
140.250.–
28.000.–
B) Noch unerledigte Anträge: Lfd. Antragsteller: Nr.:
Beantragt:
1 2 3 4 5
2.5000.– 2.000.– 2.000.– 2.500.– Ermessen
6 7
Konferenz der Strafanstaltspfarrer Bauverein d. Gedächtniskirche Speyer Arbeitsgem. f. dorfkirchl. Arbeit Arbeitsgem. Evang. Schulbünde Alters- u. Pflegeheim f. Judenchristen in Scherfelde Arbeitsausschuss d. ev. Kirchenbautage Tagung f. Offiziere des Labour Service in Tutzing 1954
Vorschlag Bewilligt: d. K. Kzl. 1.000.– – 1.000.– 2.000.– –
2.000.– – 800.– Zurückstellen f. 1954!
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41D Vorlagen und Anträge 8 9 10 11 12 13 14
Evang. Aktionsgem. f. Arbeiterfragen Verein z. Errich. ev. Krankenhäuser Theol. Stift Göttingen Kästorfer Anstalten (f. Aufnahme v. Heimkehrern) Werkwoche „Junge Kunst“ Vandenhoeck u. Ruprecht f. Handbuch d. dtsch. ev. Kirchenmusik Kirchenrechtl. Instit. (Sehling’sche Kirchenordnungen)
10.000.– 6.000.– Ermessen Ermessen
6.000.– – – 2.000.–
Ermessen 8.000.–
– –
Summe B:
5000.– Zurückstellen f. 1954! 40.800.–
12.000.–
Zusammenstellung: Summe A: Summe B:
140.250.– 40.800.–
28.000.– 12.000.–
181.050.–
40.000.–
(+ Wegen der insgesamt beantragten und der früher bewilligten Beträge vgl. Rdschrb. d. K. Kzl. v. 29. 5. 53– Nr. 12 464. V172 – und Anlage zum Protokoll der 37. Ratssitzung v. 11./12. 6. 53173 (Berlin).
41D9. Schreiben Knodts an Lilje. Berlin, 6. Januar 1954 F: EZA 2/5364 (O). Hochwürdiger Herr Landesbischof! Gestatten Sie mir bitte, dass ich mich noch einmal an Sie wende wegen der Bewilligung einer grösseren finanziellen Unterstützung an unsere Konferenz Evang. Strafanstaltspfarrer Deutschlands durch die Kirchenkanzlei in Hannover-Herrenhausen. Die Angelegenheit ist Ihnen ja hinreichend bekannt durch persönlichen Vortrag und durch schriftliche Eingaben. Wir haben an die Kirchenkanzlei verschiedene Eingaben gemacht. Und ich habe auch wiederholt an H. Oberkirchenrat v. Harling und an H. Kirchenrat v. Staa, den Dezernenten für Strafanstaltsseelsorge geschrieben. Zudem war Herr v. Staa persönlich auf unserer letzten Konferenz. 172 EZA Berlin, 2/5258. 173 D. Pöpping/P. Beier, Protokolle 7, 37C6, S. 328ff.
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41. Sitzung Berlin, 11. Februar 1954
Nun wird die neue Konferenz für den 7. und 8. April in Hofgeismar vorbereit, und mein Nachfolger, Herr Pfarrer Jürgensmeyer-Frankfurt/M.Preungesheim, Homburgerlandstraße 143, ist in grosser Sorge wegen der Finanzierung. Ich habe zwar im Ruhestande bei allen Konferenzmitgliedern um Beiträge gebeten, aber das will alles in keiner Weise reichen. Und darum bitte ich Sie, hochverehrter Herr Landesbischof, helfen Sie uns gütigst, soweit Sie irgend vermögen, bei Ihrem grossen Einfluß, Ihrer umfangreichen Sachkenntnis und Ihrem großen Wohlwollen unserer Sache gegenüber, daß für unsere Konferenz wirklich etwas getan wird. Ich höre, dass in dieser Zeit die Gaben verteilt werden. So dürfte unsere Angelegenheit eilig sein. Ich weiss, dass Sie diese meine Bitte wohl verstehen. Ich möchte Ihnen gern noch viel schreiben, möchte Ihnen herzlich danken für so vieles Große und Bedeutsame, was wir von Ihnen lesen und hören dürfen, möchte Ihnen danken auch für Ihre aufrüttelnde und erschütternde Heimkehrerfeier in der Neujahrsnacht. Aber ich darf Ihre kostbare Zeit nicht länger in Anspruch nehmen. Ich danke Ihnen schlicht und einfach für alles, alles! Und ich bin der Zuversicht, daß Sie uns auch jetzt helfen wollen und können. In aufrichtiger Verehrung bin ich mit herzlicher Begrüßung und mit tieferfüllte Wünschen für Sie, Hochwürdiger Herr Landesbischof, für das begonnene neue Jahr Ihr sehr ergebener dankbarer E. Knodt [m. p.] Oberpfarrer i. R.
41D10. Schreiben der Arbeitsgemeinschaft für dorfkirchlichen Dienst an die Kirchenkanzlei. Himmelpforten, 9. Juni 1953 F: EZA Berlin, 2/5346 (O). 1. Der dorfkirchliche Arbeitsausschuss tagte am 7. und 8. Mai im Volkshochschulheim zu Fürsteneck. Er nahm einen Arbeitsbericht über des Jahr 1952 entgegen und besprach die notwendigen Ausgaben für 1953. In diesem Zusammenhang stellte er Richtlinien seiner Arbeit auf, die wir hierneben zur dortigen Kenntnis174 beifügen. 2. Der Ausbau unserer Zeitschrift zu „Kirche im Dorf“ hat ein erfreuliches Echo gefunden und unserer gesamten dorfkirchlichen Arbeit neues Vertrauen erworben. Wir wären dankbar, wenn auch die Evangelische Kir174 Anlage nicht ermittelt.
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che in Deutschland für sie als evangelische Fachzeitschrift für dorfkirchliche Arbeit mit eintreten könnte. Das Heft dieses Jahrgangs legen wir bei175. 3. Der 3. Deutsche Dorfkirchentag wird für die Zeit vom 5. bis 8. Oktober 1953 in Willingen/Waldeck vorbereitet. Es stehen folgende Verhandlungsthemen im Vordergrund: „Unser Dienst am Aufbau der Familie“ und „Unser Dienst am Bau der Gemeinde.“ Auch dieses geben wir hiermit zur Kenntnis und wären für eine Beteiligung der Kirchenkanzlei dankbar. 4. Der Vorsitzende des Arbeitsausschusses fand Gelegenheit, auf einer Geschäftsführerkonferenz des Centralausschusses für Innere Mission [sic!] über die dorfkirchliche Arbeit zu referieren und eine Denkschrift „Neue Wege zur Dorfgemeinschaft“ vorzubereiten, die über den Centralausschuß demnächst weitergereicht werden wird. 5. Der Arbeitsausschuß nahm auch die Abnahme der vorgelegten Rechnungen für 1952 mit einer Einnahme von 8.185,54 und einer Ausgabe von 1.658,14 DM vor, nach dem diese von dem Herrn Dekan Gerhardt in Heilbronn geprüft war. Aus ihr ergibt sich, daß ein Betrag von 1330.– DM aus Mitteln der Landeskirchen vereinnahmt werden konnten. Wir waren im vorigen Jahr bereits von mehreren Landeskirchen darauf aufmerksam gemacht worden, daß die Evangelische Kirche in Deutschland den für uns benötigten Zuschuß, ganz oder teilweise, zu tragen habe. Nunmehr bittet der Arbeitsausschuß auf Grund seiner Sitzung vom 8. Mai die Evangelische Kirche um einen Zuschuß von 2000,– DM, wobei wir einen ebensolchen Betrag von den einzelnen Landeskirchen erwarten. Ohne diese kirchlichen Beihilfen sieht sich der Arbeitsausschuß nicht in der Lage, seinen erhöhten Aufgaben, wie sie sich aus den Richtlinien ergeben, verantwortlich nachzukommen. Erstmalig können wir auch mit Zuschüssen aus bäuerlichen Verbänden, z. B. dem „Deutschen Bauernverband in Bonn“ rechnen; worauf wir besonders aufmerksam machen. Als Anlage legen wir den in Fürsteneck aufgestellten Voranschlag unserer Arbeit176 bei. Für den Arbeitsausschuß: Schomerus. [m. p.]
175 Anlage fehlt. 176 41D11.
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41D11. Haushaltsvoranschlag für 1953. Fürsteneck, 8. Mai 1953 F: EZA Berlin, 2/5346 (O; Anlage zu 41D10). Voranschlag 1953 Einnahmen: 1. Aus den einzelnen Landeskirchen 2. Von der Evang. Kirche in Deutschland 3. Aus Verbänden usw. 4. Aus dem Schrifttum Einnahmen insgesamt = Ausgaben: 1. Büro und Bürobedarf 2. Für Sitzungen und Tagungen 3. Für Beihilfen 4. Für die Zeitschrift Kirche im Dorf 5. Für Werbung 6. Für Sonstiges Ausgaben insgesamt =
2000.– DM 2000.– DM 2000.– DM 6500.– DM 125000.– DM 2000.– DM 1700.– DM 500.– DM 7000.– DM 1000.– DM 300.– DM 12500.– DM
Einnahmen 12500.– DM Ausgaben 12500.– DM Fürsteneck, den 8. Mai 1953 Schomerus [m. p.]
41D12. Schreiben der Arbeitsgemeinschaft Evangelischer Schulbünde an die Kirchenkanzlei. Bethel, 15. Juni 1953 F: EZA Berlin, 2/5348 (O). Im vorigen Jahr haben sich die Evangelischen Schulbünde in Südwestdeutschland, in Nordwestdeutschland und in Bayern, wie auch die Arbeitsgemeinschaft der Schülerheime dort zu einer Arbeitsgemeinschaft Evangelischer Schulbünde zusammengeschlossen, deren Geschäftsstelle im CentralAusschuss für [die] Innere Mission liegt und deren Vorsitzender der Unterzeichnete ist. Dieser Zusammenschluss war arbeitsmässig z. B. angesichts der in den verschiedenen Ländern der Bundesrepublik anlaufenden Privatschulgesetzgebung dringend notwendig, auch deswegen, weil die anderen gemeinnützigen Privatschulverbände sich zu einer Arbeitsgemeinschaft vereinigten (die Hermann-Lietzschulen, die Waldorfschulen, die Kathol. Schu-
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len, die Ordensschulen und die allgemein bildenden Handelsschulen). Hierbei durften die evangelischen Schulen nicht fehlen, da nur dann Aussicht besteht, dass die Anliegen der Privatschulen in den Parlamenten und bei den Staatsbehörden erfolgreich vertreten werden, wenn die Privatschulverbände gemeinsam auftreten. Die Selbständigkeit der einzelnen Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft, zumal in allen inhaltlichen Fragen der Erziehung, ist selbstverständlich gewahrt. Es gibt aber viele Fragen äusserer, rechtlicher und wirtschaftlicher Art, die allen gemeinnützigen Privatschulverbänden gemeinsam sind, wie etwa die Frage der staatlichen Zuschüsse, der Altersversorgung der Lehrkräfte u. a. Schon seit ihrem kurzen Bestehen hat die Arbeitsgemeinschaft ihre Daseinsberechtigung erwiesen. Nur dann aber wird die Arbeitsgemeinschaft Evang. Schulbünde ihre Aufgabe recht erfüllen, wenn Sie selbst gefestigt und in ihren einzelnen Gliedern lebendig ist. Die eigentliche pädagogische und kirchliche Aufgabe wird innerhalb der einzelnen Evgl. Schulbünde geleistet, die die Leiter der ihnen angeschlossenen Anstalten und Heime mindestens einmal im Jahre, in Süddeutschland öfter, zu Konferenzen einberufen. Darüber hinaus ergeben sich aber eine Reihe zentraler Aufgaben. So haben wir z. B. den Eindruck, dass die Leiter der Waldorf- und der Hermann-Lietzschulen auch in wirtschaftlicher Hinsicht viel besser informiert worden sind als es bisher auf unserer Seite der Fall war. Als erste gemeinsame Aufgabe haben wir als Arbeitsgemeinschaft der Evang. Schulbünde eine neue erweiterte und verbesserte Auflage des Verzeichnisses Evgl. Schulen, Alumnate und Internate übernommen. Es hat sich gezeigt, wie wichtig dieser Wegweiser ist, sowohl für die Evgl. Elternschaft, die ihre Kinder aus irgendwelchen Gründen zu Hause nicht erziehen und beschulen kann, als auch für die Behörden und Erziehungsberatungsstellen. Da die evangelischen Schulbünde selbst für ihre Aufgaben finanziell aufkommen müssen, ist es ihnen nicht möglich, die zentrale Geschäftsstelle beim Central-Ausschuss zu finanzieren. Der Central-Ausschuss selbst stellt seinen bürotechnischen Apparat sowie seine Referenten ohne jede Berechnung zur Verfügung. Er ist bei seinen Ihnen bekannten beschränkten Finanzmitteln aber leider nicht in der Lage, auch noch bare Aufwendungen für die Zusammenarbeit der Schulbünde mit den Zentralen (wie Verhandlungen mit zentralen Behörden, Arbeitsbesprechungen) und insbesondere die Kosten für die beabsichtigten Schulverzeichnisse zu tragen. Wir bitten daher, da es um eine kirchliche Angelegenheit geht, und da unsere Tätigkeit sich auf das Gebiet der ganzen evangelischen Kirche in Deutschland bezieht, – die Schülerheime in der sowjetischen Zone können wir aus guten Gründen in dem Verzeichnis erwähnen, fördern wir aber, soweit es möglich ist [sic!] – für unsere Geschäftsstelle um eine Beihilfe von DM 2.500,–, die wir [auf] das Sonderkonto Schulbünde des Central-Aus-
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schusses für die Innere Mission Nr. 617/VI bei der Kreissparkasse Bielefeld überweisen zu lassen beantragen. Engelmann, P. [m. p.] (Vorsitzender)
41D13. Schreiben der Männerarbeit der EKD – Berliner Stelle – an die Kirchenkanzlei – Berliner Stelle –. Berlin, 8. Januar 1954 F: EZA Berlin, 4/369 (O). Betr.: Beihilfe von DM 7.000.– Wegen der Anstellung eines hauptamtlichen Mitarbeiters im Raum der östlichen Gliedkirchen, dessen Gehalt erst etwa ab Sommer 1954 gesichert sein wird, – wegen unvorhergesehener Kosten, die mit der notwendig gewordenen Verlegung der Diensträume verbunden waren – wegen der erhöhten Reisekosten, die durch – auch im neuen Kurs erfolgter – Ablehnung von Druckgenehmigungen für Arbeitsmaterial verbunden sind – bittet die Männerarbeit der EKD – Berliner Stelle – die Kirchenkanzlei der EKD – Berliner Stelle – um eine einmalige Beihilfe von DM 7.000,– Die beiden am 7. 11. 1953 gestellten Gesuche177 sind damit hinfällig geworden. Heidler [m. p.]
41D14. Schreiben der Frauenhilfe der EKD an den Rat. Potsdam, 16. November 1953 F: EZA Berlin, 4/371 (O). Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland hatte die grosse Freundlichkeit, uns am Anfang dieses Jahres eine Beihilfe für unsere Arbeit zu gewähren. Wir erlauben uns heute, erneut und dringend um eine Unterstützung zu bitten und begründen unseren Antrag folgendermassen: In den Vorjahren sind wir an den Kirchenkollekten beteiligt worden. Wie wir erfahren, ist aber mit einer Berücksichtigung aus der Kollekte des 177 Schreiben der Männerarbeit der EKD an die Kirchenkanzlei – Berliner Stelle – (EZA Berlin, 4/368).
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Hamburger Kirchentages nicht zu rechnen, sodass für uns ein empfindlicher Ausfall entsteht. Das ist umso einschneidender, als unser Werk seit 1945 im Kollektenplan nicht mehr erscheint. Ausserdem sind wir zu einer Aufbesserung der Gehälter für unsere Mitarbeiterinnen, die weit unter dem kirchliche Tarif liegen, genötigt. Es hätte schon längst eine Besserstellung erfolgen müssen. Die Mitarbeiterinnen haben aber mit Rücksicht auf die bedrängten Finanzverhältnisse unseres Werkes auf Gesuche in dieser Richtung verzichtet. Nunmehr kann aber mit einer entsprechenden Einstufung nicht mehr gewartet werden. Das bedeutet für uns, dass die Personalkosten sich auf rd. 22700 DM erhöhen würden, während sie bei der jetzigen Unterbesoldung rd. 17200 DM betragen. Es entsteht also ein Differenzbetrag von rd. 5500 DM, für den keine Deckung vorhanden ist. – Wir bemerken noch, dass in den genannten Beträgen das Gehalt einer Vikarin nicht einbezogen ist, da dieser Posten mangels einer geeigneten Persönlichkeit immer noch unbesetzt ist, obwohl die Mitarbeit kaum noch entbehrt werden kann. Wir wären dem Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland ausserordentlich dankbar, wenn er in Anbetracht der vorgenannten Gründe uns zur Aufrechterhaltung und Förderung unseres Werkes eine grössere Beihilfe gewähren würden. Ein Durchschlag unserer Jahresrechnung 1952/53 mit Bilanz und dem Voranschlag für 1953/54 befindet sich bei der Kirchenkanzlei, Berliner Stelle178. FRAUENHILFE DER EKiD Stolte [m. p.] Vedder [m. p.] Leitender Pfarrer Geschäftsführerin
41D15. Schreiben des Sendschriften-Hilfswerks des Martin Luther-Werkes an die Kirchenkanzlei. Berlin, 1. Februar 1954 F: EZA Berlin, 4/281 (O). Betrifft: Antrag auf eine Beihilfe. Das Sendschriften-Hilfswerk des Martin Luther-Werkes hat die Aufgabe, die Pfarrer, kirchliche Mitarbeiter und Katecheten mit theologischer Literatur zu beraten und zu versorgen. Die Dienststelle Ost-Berlin tut das für den Bereich der DDR und die volksdemokratischen Länder sowie Österreich. Infrage kommen vor allem solche Pfarrer und kirchlichen Mitarbeiter, die 178 Beide Schreiben in EZA Berlin, 4/371.
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ihre Bücherei durch Kriegseinwirkungen verloren haben bzw. Studenten der Theologie. Im Einzelnen werden versandt: theologisches Material für die Hand der Pfarrer, Material für die Arbeit in der Gemeinde, Jugend-, Frauen- und Männerarbeit, Bibeln, Gesangbücher, Predigten und Andachtsbücher. Das Jahr 1953 hat neben der anderen Arbeit wieder Ungarn in unser Tätigkeitsfeld einbezogen. An Bischof Vetö sind im Auftrage des Lutherischen Kirchenamtes 100 Exemplare der Lutherischen Bekenntnisschriften abgesandt worden. Das Theologenheim hat eine reichhaltige Auswahl von Büchern für seine Bibliothek erhalten. Außerdem stehen wir mit etwas 25 Pfarrern in Verbindung. Besondere Wünsche dieser Pfarrer, hervorgegangen aus dem Wunsch nach Weiterbildung oder Unterstützung im Pfarramt werden von uns erfüllt. Eine Fülle von Dankesbriefen zeigt uns, wie stark das Echo auf unsere Büchersendungen ais allen Empfängerkreisen ist. Die Sendungen sind nach unseren Feststellungen alle angekommen. Im Hinweis auf diese besondere und wichtige Arbeit erlaube wir uns, der Kirchenkanzlei einen Antrag auf eine Beihilfe von DM 2.000.– vorzulegen. Wir wären sehr dankbar für diese Unterstützung. Naturgemäß ist unser Aufwand an Geldmitteln für diese Arbeit um ein Vielfaches höher. i. V. Rieger (Geschäftsführerin) 41D16. Schreiben der Geschäftsführung des Haus Hainstein an die Kirchenkanzlei – Berliner Stelle –. Eisenach, 20. November 1953 F: EZA Berlin, 4/394 (O). Betr. Antrag auf Beihilfe. In den letzten Jahren ist die Wiederherstellung unseres Hauses gut fortgeschritten. Ausser den Kriegs- und Nachkriegsschäden macht die ständige Mehrbelegung des Hauses auch Veränderungen und Erweiterungen notwendig. Mit Hilfe der schwedischen Freunde konnten wir vor einiger Zeit ein benachbartes Grundstück günstig erwerben und die Gebäude teilweise auch schon gründlich überholen. Es ist noch rückständig das bewohnbare Gartenhaus, der Garten selbst und die Ergänzung der Einrichtung. Aber auch der innere Ausbau des Haupthauses erfordert Neuanschaffung von Inventar und sonstigen Materialien. Im Zuge des weiteren Wiederaufbaus ist für die nächste Zeit vorgesehen:
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DM 1. Umbau des Büros und der Eingangshalle 3800,– 2. Ausbesserung des Gartenhauses im Grundstück Beyer und zusätzliche Einrichtung im grossen [sic!] Wohnhaus 3600,– 3. Umzäunung des Grundstückes Beyer 1680,– 4. Weitere Erneuerung der Dachrinnen, Doppelfenster und Inneneinrichtung des Haupthauses 6320,– Se. 17400,– [sic!] Für die Durchführung dieser ausserordentlichen Arbeiten und Anschaffungen reichen die laufenden Mittel nicht aus, und wir sind genötigt die Hilfe unserer Gesellschafter in Anspruch zu nehmen. Es ist uns vom Lutherischen Kirchenrat [richtig: Kirchenamt] Berlin eine namhafte Beihilfe von etwa 8000,– DM hierzu in Aussicht gestellt, ferner baten wir die Altpreussische Union Kirchenkanzlei Berlin um 3000,– DM und werden die Thüringer Landeskirche um den gleichen Betrag bitten. Wir würden und sehr freuen und zu besonderem Dank verpflichtet sein, wenn die Evangelische Kirche Deutschlands uns ebenfalls mit unterstützen könnte, und bitten um wohlwollende Entscheidung unseres Antrages. Haus Hainstein Haaß [m. p.]
41D17. Schreiben Schönherrs an das Evangelische Konsistorium BerlinBrandenburg. Brandenburg, 20. November 1953 F: EZA Berlin, 4/828 (Abschrift). Unter Hinweis auf die beigefügte Abrechnung der diesjährigen Brandenburger Orgeltage bitte ich das Evangelische Konsistorium um eine Beihilfe. Die Unkosten sind in diesem Jahre darum höher gewesen als im Vorjahr, weil eine größere Zahl von auswärtigen Künstlern hinzugezogen wurde, die natürlich mit vollem Honorar bezahlt werden mußten, während im Vorjahr hiesige Künstler nur einen kleinen Teilbetrag in Anspruch nahmen. Außerdem war die Beteiligung nicht größer als im vergangenen Jahr. Das lag einmal daran, daß durch die Freiberger Sildermanntage [sic!] bereits auf einschlägigem Gebiet kurz vorher viele Organisten angezogen worden war[en]. Sodann konnte diesmal auch keine Fahrpreisermäßigung erreicht werden. Sehr gering war die Beteiligung der Brandenburger Gemeinden. Es wird nötig sein, für etwas noch kommende Orgeltage hier grundlegend Wandel zu schaffen. Das Evangelische Konsistorium wird gebeten, zur Abdeckung des Defizits auch an die Kirchenkanzlei der Evangelischen Kirche der APU
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und der EKiD herantreten zu wollen, da der Kreis der Besucher sich über das ganze Gebiet der DDR erstreckt. gez. Schönherr 1 Anlage Brandenburger Orgeltage 1953 Abrechnung Einnahmen: DM Ausgaben: Tagungsbeiträge 282.– Honorare Eintrittsgeld f. Veranst. Werbung u. Drucksachen u. Kollekten 365,56 Verwaltung Sonstiges 647,56 Einnahmen: 647,56 DM 2.136,25 " Ausgaben: Defizit: 1.488,69 DM
DM 1.432.– 499,19 41,96 163,10 2.136,25
41D18. Schreiben der Kirchenkanzlei an die Ratsmitglieder, nachrichtlich an die Mitglieder des Finanzausschusses, an die Mitglieder der Synode der EKD, an die Mitglieder des Finanzbeirates der EKD und an die Leitungen der Gliedkirchen der EKD. Hannover, 8. Januar 1954 F: EZA Berlin, 2/5895 (H). Betr: Haushaltsplan der EKD für das Jahr 1954/55. – 4 Anlagen – A. Zur Vorbereitung des von der Synode im März 1954 zu beschliessenden neuen Haushaltsgesetzes der EKD, für das der Rat der EKD in seiner Sitzung vom 11. Februar seine Vorlage verabschieden will, legen wir den Entwurf des neuen Haushaltsplans der EKD vor, und zwar zunächst getrennt in folgenden 4 Anlagen: 1. Westmark-Ausgaben-Spalte179, 2. Ostmark-Ausgaben-Spalte180, 3. Einnahmen181, 4. Stellenplan182. 179 180 181 182
41D19. 41D20. 41D21. 41D22.
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Hinsichtlich der Westmark-Ausgaben ist der beiliegende Haushaltsplan-Entwurf für die Ausgabe-Kapitel I bis III und VII bis XI von der Kirchenkanzlei, für die Ausgabe-Kapitel IV bis VI vom Kirchlichen Aussenamt erarbeitet worden. Die Kirchenkanzlei ist bei ihren Vorschlägen davon ausgegangen, dass ein Haushalt der Sparsamkeit vorgelegt werden sollte, der den Gliedkirchen der EKD möglichst keine weiteren Erhöhungen ihrer Umlagezahlungen zumutet, solange sie selbst mit keiner weiteren Erhöhung ihrer Einnahmen, vielmehr wahrscheinlich sogar mit einer gewissen Verminderung zu rechnen haben. Die Kirchenkanzlei hat deswegen bei den ihrer Verwaltung unterliegenden Ausgabe-Kapiteln I bis III und VII bis XI im allgemeinen darauf verzichtet, Erhöhungswünsche geltend zu machen; soweit dieses unvermeidlich erschien, ist durch entsprechende Erhöhung der übrigen Einnahme-Positionen ein Ausgleich herbeigeführt worden. Nicht durch Einnahme-Erhöhungen ausgeglichene Ausgabeerhöhungen hat die Kirchenkanzlei nur erbeten für Bonn 45.000.– DM (davon 21.000.– DM einmalig) Statistik 4.800.– " Berlin 2.000.– " Das Kirchliche Aussenamt hat für die seiner Verwaltung unterliegenden Ausgabe-Kapitel IV bis VI erhebliche Erhöhungswünsche vorgetragen. Hierdurch erklärt sich im beiliegenden ersten Entwurf die unterschiedliche Behandlung der einzelnen Ausgabe-Kapitel, bei denen folgende Erhöhungen vorgesehen sind: Ausgaben-Kapitel I (Kirchenleitung) – DM II (Kirchenkanzlei) 73.500.– " " III (Innerkirchl. Arbeit) – " " IV (Kirchl. Außenamt) 64.000.– " " V (Auslandsarbeit) 349.000.– " " VI (Oekumenische Arbeit) 113.550.– " " VII (Schuldentilgung u. Zins) – " " VIII (Verfügungsbetrag u. dgl.) – " " IX (Betriebsmittel) – " " X (Insgemein) – " XI (Fehlbetrag d. Vorjahres) – " Infolge der von uns vorgesehenen Einführung neuer und Erhöhung bisheriger Einnahme-Kapitel würde eine solche Erhöhung der Ausgaben um 600.050.– DM eine Erhöhung der Umlage der westdeutschen Landeskirchen um 453.900.– DM zur Folge haben. Bei der Festsetzung des endgültigen Haushaltsplans wird zu prüfen sein, welche Erhöhungen zwangsläufig gegeben sind und welche aus kirchlichen Gründen für erforderlich bzw. für erwünscht und für tragbar ge-
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halten werden, sowohl in der innerkirchlichen wie in der Auslandsarbeit. B. Im einzelnen ist zu den Ausgabe-Kapiteln folgendes zu sagen: Ausgabe-Kapitel I (Kirchenleitung): Im Ergebnis ist keine Erhöhung vorgeschlagen; der Gesamtbetrag bleibt 178.500.– DM wie im laufenden Haushaltsjahr. a) Im einzelnen ist eine Erhöhung des Ausgabe-Betrages für den Rat der EKD von 17.000.– DM auf 20.000.– DM vorgeschlagen. b) Eine weitere kleine Erhöhung von jährlich 270.– DM ist für den Schiedsgerichtshof der EKD vorgesehen. c) Eine dritte kleine Erhöhung von jährlich 230.– DM ist vorgeschlagen für die Arbeitsgemeinschaft für öffentliche Verantwortung (Personalkartei) in Bonn. Der Haushaltsplan-Entwurf für diese Arbeitsgemeinschaft hat folgenden Inhalt: Titel 1953/54 1954/55 1. Vergütung des Geschäftsführers 4.800.– DM 4.800.– DM 2. Reisekosten " 1.500.– 3.000.– " 3. Vergütung der Sekretärin (halbtägig) 3.000.– 3.000.– 4. Büromiete 960.– 1.080.– 5. Löhne für Reinigung und Heizung des Büros – 300.– 6. Büromaterial 240.– 300.– 7. Porto 300.– 300.– 8. Fernsprecher 500.– 800.– 9. Heizmaterial u. Beleuchtung 100.– 160.– 10. Erstmalige Büroeinrichtung 1.600.– – 13.000.– DM 13.740.– DM Dieser Haushaltplan-Bedarf von jährlich 13.740.– DM soll auf die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft nach dem bisherigen Schlüssel verteilt werden, nach dem die Kirchenkanzlei einen doppelt so hohen Jahresbetrag aufzubringen hatte wie Zentralbüro des Hilfswerks, Central-Ausschuss für die Innere Mission, Deutscher Evangelischer Kirchentag und Leiterkreis der Evangelischen Akademien. Da diese im nächsten Haushaltsjahr je 2.115.– DM aufbringen sollen, werden von der Kirchenkanzlei 4.230.– DM zu tragen sein, so dass die beiden übrigen Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft (Evangelischer Bund und Kanzlei des Landesbischofs D. Dr. Lilje) zusammen nur 1.040.– DM, also je 520.– DM, im Jahr zu zahlen haben. d) Diese drei kleinen Erhöhungen von insgesamt 3.500.– DM werden ausgeglichen durch den Fortfall von 2.500.– DM für die sogenannte Jugend-Kammer (die stattdessen künftig aus Ausgabe-Kapitel III
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10.000.– DM erhalten soll) sowie durch Ermässigung des AusgabeBetrages für das Kirchenrechtliche Institut der EKD in Göttingen um 1.000.– DM, die dort nach allen bisherigen Erfahrungen nicht unbedingt benötigt werden. Für das Kirchenrechtliche Institut sind weiterhin vorgesehen: 9.700.– DM 5.000.– " 4.500.– "
Bezüge für Dr. Hesse (TO.A. III), Kosten des Büros laufender Zuschuss für die Zeitschrift für evangelisches Kirchenrecht Insgemein
800.– " 20.000.– DM e) Im übrigen sind weder für die Leitenden Organe und Gerichte, noch für die Beratenden Organe der EKD Erhöhungen erbeten worden mit einer Ausnahme: der Ostkirchenausschuss hat eine Erhöhung seines Jahres-Betrages von 32.000.– DM auf 41.020,08 DM erbeten. Der Ostkirchenausschuss hat zur Begründung für diese seine Bitte folgenden Haushaltsplan-Voranschlag vorgelegt: I. Gehälter: a) Geschäftsführer (brutto) 1.140.– DM Versorgungsbeitrag 59,41 " b) neuer publizistischer Sachbearbeiter (brutto) 600.– " Sozialgebühren Arbeitgeberanteil 40,05 " c) Sekretärin (brutto) 348,10 " Sozialgebühren Arbeitgeberanteil 34,92 " d) Bürogehilfin (brutto) 100.– " Sozialgebühren Arbeitgeberanteil 9,– " 2.273,14 DM183 II. Bürokosten: a) Miete b) Reinigung c) Beleuchtung d) Heizung e) Büromaterial f) Porto, Telefon g) Zeitschriften
100.– 30.– 10.– 25.– 90.– 200.– 25.–
" " " " " " "
183 Richtig: 2.331,48.
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480.– DM
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III.Reisekosten: a) des Geschäftsführers b) des Ausschusses
400.– " 200.– "
600.– DM 6,86 DM 3.418,34 DM
IV.Unvorhergesehenes Jahresausgaben: 3.418,34 DM mal 12
41.020,08 DM
Die erbetene Erhöhung hat im wesentlichen ihren Grund in der Bitte, einen publizistischen Sachbearbeiter einstellen zu dürfen. Zur Begründung dieser Bitte weist der Ostkirchenausschuss auf folgendes hin: „1. Die Vertriebenenpresse hat es in den letzten Jahren zu einer beachtlichen Auflagenziffer gebracht. Die Kirchenblätter der Hilfskomitees nehmen dabei einen nicht unbedeutenden Platz ein. Es ist aber dringend notwendig, das Niveau derselben durch Förderung einer guten Zusammenarbeit, durch Anregung und Vermittlung von guten Beiträgen zu heben. 2. Wir beobachten mit Sorge, dass im ganzen der Vertriebenenbewegung die Gefahr eines Niveauschwundes dadurch droht, dass die besten Männer in Regierungsstellen vorrücken. Damit in Verbindung schreitet eine gefährliche und naive Vereinfachung der Probleme um sich, die leicht ins Demagogische und Nationalistische verfällt. Demgegenüber ist es dringend nötig, dass wir gerade für eine gute christliche Publizistik sorgen. Wir tun dies bereits durch eine Reihe von Büchern, die mit unserer Hilfe herauskommen und auch in Ihrer Hand sind. (Silesia sacra, Schlesisches kirchliches Jahrbuch, Deutsches Schicksal in Polen, Die Kirche unserer Väter.) Wir tun es weiter durch eine Schriftenreihe, deren erstes Heft im Februar erscheinen soll und wir tun es drittens durch einen Mitarbeiterrundbrief, den Sie ebenfalls besitzen und der zur Information von etwa 550 engeren Mitarbeitern dient. In viel grösserem Masse als bisher müssten wir noch in die allgemeine Vertriebenenpresse vorstossen. Ich kann dies unmöglich mehr bewältigen, da mich schon die Information der ausgesprochen kirchlichen Presse über meine Kräfte in Anspruch nimmt. Alle diese so dringend notwendige Arbeit ist nur durch die Einstellung eines hier mitarbeitenden Publizisten möglich. 3. Es ist hier schliesslich auch auf die sehr rege publizistische Tätigkeit bewusst katholischer Kreise hinzuweisen, die eine rechte kirchliche Förderung erfahren. Mehrere Persönlichkeiten sind
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hier ausgesprochen für schriftstellerische Tätigkeit freigestellt. Durch diese Tätigkeit entsteht der Eindruck, als ob das ganze Südostdeutschtum, einschliesslich Schlesien, rein katholisch gewesen wäre. Ja selbst für Ostpreussen wird durch einen jetzt erschienenen Kalender des Ermlandbundes dieser Eindruck erweckt. Es muss so auch aus evangelisch-konfessionellen Gründen unsere publizistische Tätigkeit verstärkt werden. Dies kann nur durch eine hauptamtliche Arbeitskraft geschehen.“ Es wird zu prüfen sein, ob dieser Bitte des Ostkirchenausschusses stattgegeben werden kann. In den Entwurf des Haushaltsplans ist die beantragte Erhöhung zunächst nicht aufgenommen. f) Nicht vorgesehen sind Haushaltsmittel der EKD für alle diejenigen Stellen und Einrichtungen und Zusammenkünfte, die nicht von Organen der EKD, sondern von einzelnen Gliedkirchen oder von Gruppen einzelner Gliedkirchen gebildet oder veranlasst werden und deswegen auch von diesen allein zu bezahlen sind. Das gilt z. B. für die Sitzungen der Kirchlichen Westkonferenz ebenso wie für Sitzungen der Kirchlichen Ostkonferenz, für die Rundfunkarbeit der Landeskirchen im Bereich des NWDR ebenso wie für diejenige der südwestdeutschen Landeskirchen und der Rundfunk-Kammer in Berlin, für die Grundstückskommission und die Steuerkommission ebenso wie für das von den westdeutschen Landeskirchen gebildete Gemeinschaftswerk der Evangelischen Presse und für die von den ostdeutschen Landeskirchen gebildete Kammer für evangelisches Schrifttum, die kirchliche Erziehungskammer und kirchliche Jugendkammer. Bei allen diesen Einrichtungen handelt es sich nicht um Organe oder Einrichtungen der EKD, sondern einzelner Gliedkirchen oder von Gruppen einzelner Gliedkirchen, die demgemäss auch von diesen allein zu bezahlen sind. Soweit dabei von ostdeutschen Gliedkirchen für die von ihnen allein gebildeten Einrichtungen auch Westmark-Betrage aufzubringen sind, kommt eine Hilfe der westdeutschen Landeskirchen im Rahmen ihres Hilfsplans, nicht aber auf dem Umwege über den Haushaltsplan der EKD in Frage. C. Ausgabe-Kapitel II (Kirchenkanzlei): a) Für die Arbeit in der Kirchenkanzlei in Hannover ist in den Titeln 1–10 im Ergebnis keine Erhöhung vorgesehen (die lediglich durch Einführung des Bruttoprinzips veranlasste scheinbare Erhöhung des Ausgabe-Titels II 1 um 12.000.– DM wird durch Einführung des neuen Einnahme-Titels V 2 c in gleicher Höhe voll ausgeglichen; 4 kleine Erhöhungen von Einzelpositionen von insgesamt 4.000.– DM werden durch 3 Ermässigungen in Höhe von 5.500.– DM voll ausgeglichen),
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Aus Ausgabe-Kapitel II Titel 1 wird weiterhin das Gehalt folgender Beamten bezahlt: Präsident D. Brunotte (B 7 a) (die Hälfte des Gehalts wird von der VELKD erstattet). Oberkirchenrat Dr. Merzyn (A 1 a) Oberkirchenrat von Harling (A 2 b) Oberkirchenrat Dibelius (A 2 b) Oberkirchenrat Dr. Dr. Niemeier (A 2 b) Kirchenrat von Staa (A 2 c 2) zuzügl. ein. mtl. Ausgleichszulage von 75.– DM Kons.-Rat Pagel (A 2 c 2) Amtsrat Kiesow (A 2 d) Amtsrat Hellriegel (A 2 d) Amtsrat Schalge (A 2 d) (die Hälfte des Gehalts ist bei Titel 14 vorgesehen) Kasseninspektor Westphal (A 4 c 2) Kasseninspektorin Jahn (A 4 c 2) Aus Ausgaben-Kapitel II Titel 2 wird weiterhin die Vergütung folgender Angestellten bezahlt: 9 Angestellte TO.A. VII 4 Angestellte TO.A. VIII 2 Angestellte TO.A. IX, ausserdem Reinemachefrauen. Aus Ausgabe-Kapitel II Titel 3 werden weiterhin Versorgungsbezüge an folgende Versorgungsberechtigte bezahlt: Oberkirchenrat i. R. Peperkorn Oberkonsistorialrat i. R. Lic. Dr. Ellwein Vizepräsident i. R. Dr. Fürle Inspektor i. R. Buttmann Amtsrat i. R. Schildhauer, Frau Oberkirchenrat Zahn, Frau Amtsrat Klages Frau Amtsrat Holtz. b) In der Archivarbeit (Titel 10) sind ausser dem völlig ehrenamtlich tätigen Oberlandeskirchenrat Dr. Lampe bisher 2 Angestellte hauptamtlich beschäftigt: 1 Volljurist (TO.A. III) 1 Büro- und Schreibkraft (TO.A. VII)
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Ob auf die Dauer ein hauptamtlicher Jurist voll für diese Arbeit notwendig sein wird, steht noch nicht fest. Für den neuen Haushaltsplan sind in Titel 10 a die Vergütung für einen Assessor (mtl. etwa 835.– DM) sowie für den bisherigen Büroangestellten (mtl. 504,40 DM) sowie Sozialversicherungsbeiträge vorgesehen. c) Für die Kirchenstatistische Arbeit (Titel 11) ist – nach Bildung eines besonderen Titels 14 für das Oberrechnungsamt – eine Erhöhung der Personalkosten von bisher 30.000.– auf künftig 40.000.– DM, also eine Erhöhung um 10.000.– DM vorgesehen, die in Höhe von 5.200.– DM durch den neuen Einnahme-Titel V 2 c ausgeglichen ist. Insgesamt sind hier künftig nur für kirchenstatistische Arbeiten folgende Personalausgaben vorgesehen: 1. Oberkirchenrat Zieger (A 2 b) zur Hälfte mtl. 707,56 DM 2. wissenschaftliche Hilfsarbei- (mtl. Pauschale 725.– DM zuzügterin Frl. Dr. Burger lich 90.– Dienstaufwandsentschädigung) 3. 1 Angestellter (TO.A. V b) (mtl. 755.– DM) 4. 1 Angestellte (TO.A. VI b) (mtl. 553,60 DM) 5. 1 Angestellte (TO.A. VII) (zur Hälfte, mtl. 236,69 DM) 6. Gelegentliche vorübergehende Aushilfen. Die zu 1. und 5. Genannten sind hier nur mit der Hälfte ihrer Bezüge berücksichtigt, weil sie ständig auch noch im Oberrechnungsamt mitarbeiten, wo deswegen die andere Hälfte ihrer Bezüge verbucht wird. Die zu 2. und 4. Genannten sind hier mit ihren vollen Bezügen berücksichtigt, weil sie ausschliesslich für die kirchenstatistische Arbeit zur Verfügung stehen sollen (unbeschadet der Pflicht jedes Beamten und Angestellten zur vorübergehenden Vertretung und Aushilfe innerhalb seiner eigenen Dienststelle). Für die Sachkosten der statistischen Arbeit (ausser Geschäftsbedürfnissen, Diensträume und Inventar) sind 6.500.– DM vorgesehen. d) Für die in Bonn zu leistende Arbeit muss eine weitere erhebliche Erhöhung der Ausgaben erbeten werden: I. Folgende monatliche Personalausgaben sind in unserem Entwurf vorgesehen: 2.306.– DM für Prälat D. Kunst (Gehalt nach (A 1 a und 125.– Ministerialzulage + 300.– DM Dienstaufwandsentschädigung) 1.747.– " für Oberkirchenrat Ranke (A 1 b) 800.– " für Oberinspektor (A 4 b 1) (neue Stelle anstatt des im lfd. Jahr vorübergehend beschäftigten juristischen Hilfsarbeiters)
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450.– "
für 1 Sekretärin nach TO.A. VII (eine Stelle neu vorgeschlagen) 1.050.– " für 3 Sekretärinnen nach TO.A. VIII 6.353.– DM monatlich = 76.236.– DM jährlich zuzüglich Sozialversicherungsbeiträge. II. Dazu kommen folgende laufende sachliche Jahresausgaben: 1. Dienstgebäude Poppelsdorferalle 96: (Büro einschliesslich Wohnung) 110.– DM städtische Gebühren 3.694.– " Zinsen 16.– " Versicherung 1.180.– " Instandhaltung des Gebäudes sowie Inventar 5.000.– DM 2. Haus Beethovenstrasse 44: (Wohnung Prälat D. Kunst ) 225.– DM städtische Gebühren 7.525.– " Zinsen 40.– " Versicherung 510.– " Instandhaltung 1.200.– " Zuschuss zur Heizung usw. notwendigen Räume. 9.500,– DM 3. Dienstreisen:(einschliesslich Kraftwagenbenutzung D. Kunst sowie Vespa- und Vertragsmietwagen-Benutzung Ranke) 3.500.– DM Kunst 1.500.– " Ranke 5.000.– DM 4. Geschäftsbedürfnisse: a) Heizung b) Beleuchtung, Wasser, Reinigung usw. c) Fernsprech- und Telegrammgebühren d) Porto e) Schreib- und sonstige Bürobedarfsmittel
) ) ) 9.500.– DM ) )
III.Ausserdem sind schliesslich noch 21.000.– DM einmalige Sachkosten für Bonn vorgesehen, und zwar 4.000.– DM für Inventarbeschaffung infolge Vermehrung der Büroräume sowie 17.000.– " für Umzugskosten für OKR Ranke und den neuen Bürobeamten (Umzugskostenbeihilfe für beide Beamte sowie Darlehen und verlorener Zuschuss zur Beschaffung einer neuen Wohnung für Oberkirchenrat Ranke).
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Insgesamt beträgt die von uns für Bonn vorgeschlagene Erhöhung der Ausgaben mithin 15.000.– DM (Personalausgaben) + 9.000.– " (lfd. Sachkosten) + 21.000.– " (einmalige Sachkosten) 45.000.– DM e) Für die Berliner Stelle der Kirchenkanzlei haben wir – ebenso wie für unsere Arbeit in Hannover – grundsätzlich, auf Ausgabe-Erhöhungen verzichtet, mit Ausnahme einer Erhöhung der Ausgaben für Geschäftsbedürfnisse von 14.000.– DM auf 16.000.– DMWest. Die Anregung unserer Berliner Stelle, einen Fonds zur Erneuerung des dortigen Dienstkraftwagens sowie einen Fonds für ein neues Dienstgebäude in Berlin einzurichten, haben wir aus den zu Beginn dieses Rundschreibens dargelegten grundsätzlichen Erwägungen zunächst nicht berücksichtigt. Für Ausgabe-Kapitel II Titel 13 a ist die Zahlung folgender Westmark-Monatsbeträge an Beamte der EKD vorgesehen: Amtsrat Bräunert (A 2 d) 1.126.– DM Obersekretär Lange(A 5 b) 654,18 " Oberkirchenrat Dr. Grauheding (Dienstaufwandsentschädigung) 125.– " Kirchenrat Behm (Dienstaufwandsentschädigung) 125.– " Oberinspektor Stolz (Dienstaufwandsentschädigung) 90.– " 2.100,18 DM Für Ausgabe-Kapitel II Titel 13 b ist die Zahlung folgender Westmark-Monatsbezüge an Angestellte der EKD vorgesehen: 1 Angestellter (Registraturleiter) nach TO.A. VI b 5 Angestellte nach TO.A. VII (Frl. Pilz behält für ihre Person Bezüge nach VI b) 2 Angestellte nach TO.A. VIII 1 Angestellte nach TO.A. IX. Ausserdem werden z. Zt. noch monatlich folgende Westmarkbeträge von unserer Berliner Stelle gezahlt: Geheimrat D. Dr. Karnatz 500.– DM Kons.Rat Riecke [richtig: Rieke] (erhält seine Bezüge nach A III 2 der Besoldungsordnung der APU unter Angleichung an A 2c2 RBO; sein APU-Wartegeld von 497.– DM wird angerechnet) 772.– " Redakteur Schönfeld 485.– "
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Gen. Superintendent Krummacher 125.– " Dr. Eggert 150.– " Dr. Brandes 105.– " Dr. Grünbaum 75.– " Kraftfahrer Brandenburg 45.– " Sekretärin Böse 45.– " Sekretärin Burghardt 45.– " Sekretärin Günther 45.– " Lic. Rose 50.– " Pfarrer Dr. Bartsch 100.– " Dr. Hafa 125.– " OKSR. Dr. Kracker v. Schwartzenfeldt 50.– " APU 1.383.– " (Erstattung eines vollen Referentengehaltes für die teilweise Zurverfügungstellung mehrerer Referenten der Kirchenkanzlei der APU) VELKD 100.– " (Erstattung eines Gehaltsanteiles von Vizepräsident Zimmermann). Weitere Ausgaben für Sonderaufträge und Aushilfen sind im Rahmen des im Ausgabe-Kapitel II, 13 b genehmigten. Betrages zu leisten. Für Ausgabe-Kapitel II Titel 15 c sind Versorgungsbezüge für folgende Versorgungsberechtigte vorgesehen: OKons.Rat i. R. Troschke, OKons.Rat i. R. Dr. Gisevius, Frau Oberkons.Rat Gustavus, Frau Amtsrat Grothe, Frau Amtsrat Müller, Frau Amtsmeister Pries, früherer Angestellter Kietzmann, früherer Angestellter Reinelt. f) Für das Oberrechnungsamt der EKD ist jetzt erstmalig ein besonderer Ausgabe-Titel vorgesehen (Kapitel II Titel 14); folgende Personalkosten sind hier vorgesehen: Oberkirchenrat Dr. Zieger (A 2 b) (halbes Gehalt = 707,59 DM) Amtsrat Schalge (A 2 d) (halbes Gehalt = 596,75 DM) Angestellte Feise (TO.A. VII.) (halbes Gehalt = 236,69 DM) insgesamt (einschliesslich Aushilfen zur Prüfung des Hilfswerkes der EKD und für Sonderaufträge 22.000,– DM
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Für Sachkosten (ausser Geschäftsbedürfnissen, Diensträumen und Inventar) sind insgesamt 3.600.– DM vorgesehen. Die hier eingetretene Erhöhung der Ausgaben sind durch den neuen Einnahme-Titel V 2 d voll ausgeglichen. g) Die Aufgaben für Dienst- und Mietwohnungen, sind um 2.000.– DM gesenkt und werden voll ausgeglichen durch einen entsprechenden besonderen Einnahmetitel. D. Ausgabe-Kapitel III (Innerkirchliche Arbeit) Keine Erhöhungswünsche. Der Titel 1 des Ausgabe-Kapitels III kommt nur für die Förderung innerkirchlicher gesamtkirchlicher Arbeiten im Bereich der 19 westdeutschen Landeskirchen in Betracht, während für die Förderung innerkirchlicher gesamtkirchlicher Arbeiten im Bereich der 8 ostdeutschen Landeskirchen und West-Berlins der im Titel 2 dieses Kapitels vorgesehene Ostmark-Betrag sowie vor allem die im Hilfsplan vorgesehenen erheblichen Westmarkbeträge bestimmt sind. Da zu Titel 1 des Ausgabe-Kapitels III der Finanzausschuss der Synode den Wunsch zum Ausdruck gebracht hat, dass er Einblick in die beabsichtigte Aufteilung dieses Gesamtbetrages haben möge, teilen wir nachstehend den Vorschlag mit, den die Kirchenkanzlei dem Rat der EKD für eine Verteilung dieser Mittel im Jahre 1954 zu machen gedenkt: Bedarfsträger
Vorschlag der Kirchenkanzlei DM
1
Männerarbeit der EKD (einschl. Seelsorge in kasernierten Einheiten und Lagern)
12.000.–
2
Frauenarbeit der EKD (einschl. Dtsch. ev. Frauenbund, Frauenhilfe)
12.000.–
3
Jugendarbeit der EKD (sog. Jugendkammer der EKD)
10.000.–
4
Studentengemeinde
15.000.–
5
Centralausschuss f. d. Innere Mission, Bethel
28.000.–
6
Konfessionskundl. Institut, Bensheim
25.000.–
7
Ev.-Sozialakademie, Friedewald
40.000.–
8
Studiengemeinschaft Ev. Akademien
10.000.–
9
Christophorus Stift Hemer
6.000.–
10
Konvent d. Heimvolkshochschulen
6.000.–
11
Verband ev. Büchereien
4.000.–
12
Evgl. Bibliotheksschule, Göttingen
3.000.–
13
Zentralstelle f. evgl. Kirchenmusik (einschl. Posaunenwerk u. Verbd. ev. Kirchenchöre)
2.000.–
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14
Evang. Aktionsgemeinschaft für Arbeiterfragen
6.000.–
15
Arbeitsgemeinschaft f. ev. Kinderpflege
6.000.–
16
Verband für Kindergottesdienste
1.000.–
17
Arbeitsgemeinschaft f. ev. Schulbünde
18
Vereinigung ev. Eltern und Erzieher (einschl. Eltern u. Erziehertag)
2.000.–
19
Ausschuss Film und Bild
1.000.–
20
Arbeitsgem. f. Gehörlosenseelsorge
1.000.–
21
Arbeitsgem. f. dorfkirchl. Dienst
1.000.–
22
Konferenz d. Strafanstaltspfarrer
1.000.–
23
Arbeitsgemeinschaft f. Volksmission
3.000.–
24
Auswandererfürsorge
2.000.–
25
Johann Walter-Gesamtausgabe
2.000.–
26
Sonstige innerkirchliche, insbesondere publizistische, Arbeit im Bereich der 19 westdeutschen Landeskirchen (nach Verfügung des Rates der EKD)
23.000.–
insgesamt
225.000.–
30.000.–
E. Ausgabe-Kapitel IV (Kirchliches Aussenamt) Das Kirchliche Aussenamt erbittet eine Erhöhung der Ausgaben dieses Kapitels von bisher 302.100.– auf künftig 366.100.– DM, also eine Erhöhung um 64.000.– DM. Diese Erhöhung betrifft folgende Titel: Titel 1 Besoldung der Beamten Erhöhung um 22.000.– DM Titel 2 Vergütung der Angestellten " " 12.500.– " Titel 5 Dienstreisen " " 14.500.– " Titel 7 d Dienstgebäude " " " 14.000.– " Titel 9 Umzugskosten 1.000.– " " " " Diese Erhöhungswünsche werden vom Kirchlichen Aussenamt wie folgt begründet: a) Titel 1 (Besoldung der Beamten): Aus diesem Titel werden bisher die Gehälter folgender Beamter des Kirchlichen Aussenamtes gezahlt: Vpr. Stratenwerth (A 1 a) monatl. 1.949,00 DM OKR. Dr. Schwarzhaupt (A 1 b) 1.543,68 " " OKR. Bartelt (A 2 b) 1.684,68 " " OKR. Dr. Krüger (A 2 b) 1.319,34 " " OInspektor Poppe (A 4 b 1) 935,68 " " OInspektor Havemann (A 4 b 1) 772,34 " " monatl. insgesamt 8.204,72 " jährlich 98.456,64 " "
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Das Kirchliche Aussenamt macht für seine Erhöhungswünsche geltend: Da Frau Oberkirchenrätin Dr. Schwarzhaupt in den nächsten 4 Jahren infolge ihres Mandats als Bundestagsabgeordnete ihr Referat im Kirchlichen Aussenamt nicht voll wahrnehmen kann, muss eine Aushilfe geschaffen werden. Unabhängig hiervon hält das Kirchliche Aussenamt eine Erweiterung seines Stellenplans um eine zweite hauptamtliche Juristenstelle sowieso für notwendig; künftig soll von den beiden hauptamtlichen Juristen der eine in erster Linie Vertragsangelegenheiten, der andere die Personalangelegenheiten der Auslandspfarrer auf der juristischen Ebene bearbeiten. (Auch hier wird zu prüfen sein, ob eine solche Vergrösserung des Mitarbeiterstabes, falls sie zur Zeit notwendig sein sollte, sogleich eine Erweiterung des Stellenplanes der Beamtenstellen der EKD erfordert.) b) Titel 2 (Vergütung der Angestellten): Aus diesem Titel werden bisher die Vergütungen folgender Angestellten des Kirchlichen Aussenamtes bezahlt: 2 Angestellte Johannesson mit mtl. 1.240,40 DM nach TO.A. III. Frl. Dr. Schaeder mit mtl. 1.102,40 " 1 Angestellter Stadtinspektor z. Wv. Weigle nach TO.A. V b mit mtl. 797,80 " 3 Sekretärinnen Hentzel mit monatlich 518.– " nach TO.A. VI b Rabe 518.– " " " Schmeer 518.– " " " 2 Angestellte Glum 511,50 " " " nach TO.A. VII Lauenstein " 435,70 " " 4 Angestellte Gratz erhält seine Bezüge nach nach TO.A. VIII TO.A. VII mtl. 460,60 " Klamroth erhält seine Bezüge nach TO.A. VII mtl. 435,70 " Bielefeld 447,50 " " Wiese 437,70 " " 2 Angestellte Hauswart Paff mit mtl. 443,80 " nach TO.A. IX 1 Stelle unbesetzt 443,80 " zusammen monatlich 8.211,90 DM + Arbeitgeberanteile zu den 665.– " Sozialversicherungsbeiträgen 8.876,90 DM zusammen jährlich 106.522,80 " c) Titel 5 (Dienstreisen): Hierfür sind im laufenden Haushaltsjahr insgesamt 15.000.– DM bewilligt. Das Kirchliche Aussenamt erbittet für das nächste Haushaltsjahr eine Erhöhung auf 29.500.– DM und führt zur Begründung an,
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dass es für die laufenden Dienstreisen im In- und Ausland 18.000.– DM benötige, dazu weitere 6.000.– DM für den Besuch der deutschen evangelischen Gemeinden in Südamerika durch einen Referenten des Kirchlichen Aussenamtes, sowie weitere 5.500.– DM dafür, dass zur Versammlung des Weltrats der Kirchen in Evanston auf Kosten der EKD nicht nur die 36 Delegierten einschliesslich des Leiters des Kirchlichen Aussenamts (vergl. Ausgabekapitel VI Titel 7) und der Leiter der Oekumenischen Centrale in Frankfurt/M. (vergl. Ausgabe-Kapitel IV Titel 5), sondern auch der Oekumenische Referent des Kirchlichen Aussenamtes, Oberkirchenrat Dr. Krüger, sowie Vizepräsident Stratenwerth als Consultants fahren können. d) Titel 7 (Dienstgebäude): Hier erbittet das Kirchliche Aussenamt eine Erhöhung der Ausgaben um 14.000.– DM für einmalige Aufwendungen für das Verputzen des Hauses und Reparatur der Regenrinne. Zur Begründung führt das Kirchliche Aussenamt folgendes an: Da der Eigentümer des Hauses, das Land Hessen, den Mietvertrag nicht mehr verlängert und infolge der Kriegsschäden nur noch eine Nutzungsentschädigung verlangt (25 % Nachlass), gehen die Reparaturkosten zu Lasten des Kirchlichen Aussenamtes. Um das Haus in einen angemessenen Zustand zu versetzen, ist das Verputzen der Aussenwände notwendig, für das ein Betrag von 11.000.– DM erbeten wird. Die notwendige Reparatur der stark beschädigten Regenrinne erfordert einen Kostenaufwand von 3.000.– DM. e) Titel 9 (Umzugskosten): Hier erbittet das Kirchliche Aussenamt eine Erhöhung von 2.000.– auf 5.000.– DM, indem es für den Umzug von Vpr. Stratenwerth 1000.– DM und für den Umzug des neu erbetenen zweiten Juristen vorsorglich 2.000.– DM vorsieht. f ) Titel 10 (Wiesbadener Büro) Hier hat das Kirchliche Aussenamt denselben Betrag wie im laufenden Haushaltsjahr eingesetzt in der Annahme, dass die seit dem 1. Juli 1953 vakante Stelle eines persönlichen Referenten für den Leiter Kirchlichen Aussenamtes wieder besetzt wird. F. Ausgabe-Kapitel V (Auslandsarbeit): I. Für dieses Ausgabe-Kapitel wird vom Kirchlichen Aussenamt eine Erhöhung um 349.000.– DM erbeten. Diese Erhöhungswünsche betreffen folgende Titel: Erhöhung um DM Titel 1 a Zuschüsse an die deutschen evangelischen Kirchengemeinschaften, Gemeinden und
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Geistlichen im Ausland Titel 1 b Zuschüsse für Instandhaltung kirchlichen Eigentums im Ausland Titel 2 Ausbildung von geistlichen Kräften Titel 3 Urlaub von Auslandsgeistlichen Fortbildung der in Europa befindlichen Geistl. Titel 5 Ruhestands- und Hinterbliebenenversorgung von Auslandsgeistlichen im Ausland Titel 6 Ruhestands- und Hinterbliebenenversorgung von Auslandsgeistlichen im Inland Titel 7 Unterstützungen und Beihilfen der Auslandsgemeinden und Auslandspfarrer insgesamt
127 80.000.– 62.500.– 21.000.– 50.000.– 83.000.– 42.500.– 10.000.– 349.000.–
II. Zur Begründung für diese Erhöhungswünsche wird vom Kirchlichen Aussenamt folgendes ausgeführt: a) Titel 1 a (Zuschüsse an die deutschen evangelischen Kirchengemeinschaften, Gemeinden und Geistlichen im Ausland): Die Erhöhung von bisher 120.000.– DM auf 200.000.– DM wird wie folgt begründet: „Die Verbreiterung unserer Arbeit in den letzten Jahren (Istanbul, Amsterdam, Brüssel, Bilbao usw.) wird mit der Entsendung eines Pfarrers nach Paris zu einem vorläufigen Abschluss kommen. Die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen ausserdem, dass die Auslandsgemeinden höherer Zuschüsse bedürfen, um sie in den Stand zu setzen, den Pfarrern ein den deutschen Verhältnissen etwa entsprechendes Gehalt zu zahlen.“ b) Titel 1 b (Zuschüsse für Instandhaltung kirchlichen Eigentums im Ausland): Für diesen neu erbetenen Titel werden 62.500.– DM veranschlagt mit folgender Begründung: „Christuskirche in Paris 50.000.– DM Es ist damit zu rechnen, dass der französische Staat die Christuskirche in Paris im kommenden Haushaltsjahr zurückgibt. Die deutsche Gemeinde in Paris ist nicht in der Lage, die erheblichen Kosten der Instandhaltung zu tragen. Der notwendige Aufwand ist noch nicht bekannt. Als erste Rate werden 50.000.– DM erbeten. Kirche in Brüssel 12.500.– " Zur Auslösung der Kirche aus dem Sequester sind 15.000.– DM erforderlich und 5.000.– DM zu ihrer Wiederherstellung, die der jetzt wiedererstandenen evangelischen Gemeinde deutscher Zunge zur Verfügung
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gestellt werden. Die Evangelische Kirche im Rheinland beteiligt sich mit 7.500.– DM.“ c) Titel 2 (Ausbildung von geistlichen Kräften): Die Erhöhung von bisher 4.000.– DM auf künftig 25.000.– DM wird wie folgt begründet: „Ausser für die zwei Stipendiaten wie bisher ist ein Zuschuss von je 10.000.– DM für das Missionsseminar Neuendettelsau und das Missionsseminar Barmen eingesetzt. Die Seminare sind für die Gewinnung von Nachwuchs für die Auslandspfarrer unentbehrlich, da es immer schwieriger wird, bei dem sich abzeichnenden Pfarrermangel Kandidaten und jüngere Pfarrer für den Auslandsdienst freigestellt zu bekommen. An eine Wiedereröffnung des Auslandsdiasporaseminars wird nicht gedacht, an seine Stelle soll die Ausbildung durch Missionsseminare treten.“ d) Titel 3 (Urlaub von Auslandsgeistlichen, Fortbildung der in Europa befindlichen Geistlichen): Wie im vergangenen Jahr beantragt das Kirchliche Aussenamt wiederum 180.000.– DM. An der Begründung des letztjährigen Antrags hat sich im wesentlichen nichts geändert: „In Südamerika amtieren z. Zt. 202 im Anschlussverhältnis zur Evangelischen Kirche in Deutschland stehende Pfarrer. Für sie hat die Evangelische Kirche in Deutschland eine gesetzliche Fürsorgepflicht. Diese schliesst ein, dass den Pfarrern von Zeit zu Zeit ein Heimaturlaub gewährt wird. Die meisten von diesen Pfarrern sind seit 15 bis zu über 20 Jahren nicht in der Heimat gewesen. Sie haben das sehnliche Bedürfnis, die Heimat wiederzusehen, mit ihren Angehörigen wieder zusammen zu sein und neuen Anschluss an das kirchliche Leben der evangelischen Christenheit in Deutschland zu gewinnen. Viele von ihnen leben in grosser Einsamkeit und sind in ihrem anstrengenden Dienst müde geworden; ihre körperlichen Kräfte beginnen zu versagen (Gutachten des Tropeninstituts in Tübingen). Sie hoffen seit Kriegsende auf eine grosszügige Urlaubsregelung. In den beiden letzten Jahren konnten 25 Pfarrer, die die Reisekosten – sei es durch Beteiligung ihrer besonders wohlsituierten Gemeinden oder aus eigenen Mitteln – aufbringen konnten, in Deutschland weilen. Es hat sich bereits herausgestellt, dass sie körperlich erfrischt und geistlich gestärkt mit neuer Freudigkeit und Kraft ihre Arbeit wieder aufgenommen haben. Um auch denjenigen, die weder über eigene Mittel verfügen, noch in wohlhabenden Gemeinden amtieren, einen Heimaturlaub zu ermöglichen, ist in den nächsten 5 Jahren eine besondere Auf-
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wendung der Evangelischen Kirche in Deutschland erforderlich. Der durch den Krieg verursachte Aufstau bezieht sich auf 116 Pastoren in Brasilien und 12 in La Plata- und Chile-Synode. Sieht man notgedrungen davon ab, die Kinder bei der Urlaubsregelung zu berücksichtigen, ergibt sich für den einzelnen Urlaubsfall bei den gegenwärtigen Preisen folgende Berechnung: 2 Passagen Rio–Genua oder Rio–Hamburg und zurück 5.000.– Unterhaltsgeld in Deutschland 1.500.– 500.– ärztliche Versorgung durchschnittlich 7.000.– Mehrkosten bei Passagen aus Argentinien u. Chile 1.000.– zusammen DM 8.000.– Es sind erforderlich: für 116 Pastoren aus Brasilien 812.000.– und für 12 Pastoren aus der La Plata- und Chile-Synode 96.000.– zusammen DM 908.000.– verteilt auf 5 Jahre = 181.600.– DM pro Jahr. Dazu kommen die Pastoren aus Australien, Süd-West-Afrika und andere, für die im Durchschnitt 8.000.– DM pro Jahr einzusetzen sind, so dass eine Erhöhung des Titels 3 in Kapitel V auf 189.000.– DM erforderlich ist. Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass bei dieser Berechnung davon ausgegangen ist, dass die nicht unerheblichen Kosten der Reise bis und von dem Einschiffungshafen sowie Nebenkosten von den Synoden und Gemeinden getragen werden. Ebenso ist davon ausgegangen, dass Passagekosten nur für den Pfarrer und seine Frau, nicht aber für die Kinder, zur Verfügung gestellt werden, was in vielen Fällen eine grosse Härte bedeutet. Will man diese Härte vermeiden, so erhöht sich der Kostenaufwand auf den einzelnen Urlaubsfall umgerechnet durchschnittlich um 2.500.– DM (La Plata- und Chile-Synode um 3.000.– DM), der jährlich erforderliche Betrag auf 254.800.– DM. Eine umfassende Urlaubsregelung kann jetzt fast 8 Jahre nach dem Ruhen der Waffen und 5 Jahre nach der Währungsreform nicht länger hinausgeschoben werden. Ein Sichversagen der Evangelischen Kirche in Deutschland würde nicht nur verheerende Folgen für das Vertrauen zur Evangelischen Kirche in Deutschland und damit zu Deutschland überhaupt haben, es würde auch zu frühzeitigen Pensionierungen infolge Versagens der körperlichen und seelischen Kräfte kommen, welche erhebliche Mehraufwendungen an Pensionen mit sich bringen“. e) Titel 5 (Ruhestands- und Hinterbliebenenversorgung von Auslandsgeistlichen im Ausland):
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Die Erhöhung von bisher 157.000.– auf 240.000.– DM wird damit begründet, dass dieser Betrag den auf rechtlichen Verpflichtungen beruhenden tatsächlichen Ausgaben entspricht. Eine 40%ige Erhöhung des Grundgehalts ist in Rechnung gestellt. Ob ab l. 4. 1954 tatsächlich die Erhöhung gezahlt werden muss, bedarf noch der rechtlichen Prüfung. Gegenwärtig: 171.234,12 DM Für 1954 wird mit einem Zugang gerechnet, also rd. 177.000.– " Bei Angleichung (40%iger Erhöhung des Grundgehaltes) Mehrbedarf rd. 63.000.– " Zusammen: 240.000.– DM Jahresbetrag 1953 Zugänge: Pfr. i. R. Fugmann Pfr. i. R. Giese Pfwwe. Haetinger
7.045.– DM 8.068,40 " 5.451.– " 20.564,40 DM
Abgänge: Pfr. i. R. Striebel (keine Witwe)
3.490,08 " 17.074,32 DM
Pfr. i. R. Blümel, zurück nach Deutschland (erscheint daher in Kapitel V Titel 6) Pfarrwitwe Mater erscheint in V / 6
6.180.– " 10.894,32 DM 2.094.– " 8.800,32DM.
f) Titel 6 (Ruhestands- und Hinterbliebenenversorgung von Auslandsgeistlichen im Inland): Die Erhöhung von 124.700.– DM auf 167.200.– DM entspricht den auf rechtlichen Verpflichtungen beruhenden tatsächlichen Ausgaben. Gegenwärtig: 161.308,80 DM Mehrbetrag bei erhöhtem Wohnungsgeldzuschuss A statt B rd. 5. 881. 20 " 167.190,00 DM rd. 167.200,00 DM Jahresbetrag 1953 Zugänge: Pfarrer I. R. Blümel von V / 5 Pfwwe. Mater von V / 5 Pfwwe. Emde rd.
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7.822,50 DM 4.378,50 " 4.440,00 "
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Pfarrer i. R. Hoffmann jetzt neu gemeldet hat sich Pfwwe. Schultze rd. 29.500,00 Abgänge: Pfr. i. R. Graetsch (keine Witwe)
8.311,50 4.547,50 DM
". "
6.909,60 22.590,40DM.
g) Titel 7 (Unterstützungen und Beihilfen der Auslandsgemeinden und Auslandspfarrer): Hier wird eine Erhöhung von bisher 20.000.– DM auf künftig 30.000.– DM erbeten mit folgender Begründung: „Bei dem Titel 7 handelt es sich um einen gemischten Titel. Er enthält a) Die Ausbildungsbeihilfen für Kinder von Auslandspastoren, b) Die Kosten für den Versand von Bibeln, Gesangbüchern und Literatur an die Auslandsgemeinden, c) Beihilfen an Auslandspastoren auf Grund wirtschaftlicher Notlagen. d) Sonstiges. Zu a): Im Rechnungsjahr 1953 betragen die Auslandsbeihilfen 11.000.– DM Zu b): Im Rechnungsjahr 1953 wird an die Auslandsgemeinden Literatur versandt im Werte von 8.000.– " Zu c): Für die Beihilfen wird ein Betrag von 10.000.– " erforderlich gehalten. Die Ausgaben im Rechnungsjahr 1953 belaufen sich bis zum 1. Oktober auf rd. 5.250.– DM. Zu d): werden für das Rechnungsjahr 1954/55 eingesetzt 1.000.– DM. III.Für die in Titel 1 und 7 genannten Zwecke können die Zuweisungen, die die EKD von dritter Seite für diese Zwecke erhält, mit verwendet werden. Die Höhe dieser Zuweisungen betrug im Rechnungsjahr 1950 40.000.– DM 1951 50.000.– " " " 1952 75.000.– " " " und sie wird im laufenden und im kommenden Rechnungsjahr – wie wir hoffen – jeweils 100.000.– DM betragen. In den Rechnungsjahren 1951 und 1952 sind diese Zuweisungen an die EKD in Höhe von insgesamt 125.000.– DM außerhalb des Haushaltsplans an die Auslandsgemeinden wie folgt verteilt worden:
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Nordschleswigsche Gemeinde Gemeinde Den Haag Gemeinde Rotterdam Gemeinde Genf Gemeinde Meran Gemeinde Mailand Gemeinde Rom Gemeinde Bozen Gemeinde Kairo Gemeinde Istambul Gemeinde Barcelona Gemeinde Madrid Gemeinde Lissabon St. Georgs Gemeinde London Christuskirche London Gemeinde Wistow/England Gemeinde Leicester/England Gemeinde Edinburgh Betreuung der Deutschen in Schottl.
2.000.– DM 4.700.– " 2.700.– " 1.000.– 600.– 2.000.– 1.000.–
1.200.– 3.625.– 3.000.– 3.000.– 2.760.– 1.350.–
2.035.– 2.150.–
1.600.– " 3.000.– 1.000.– 1.000.– 1.000.– 3.000.– 4.000.– 1.200.–
" " " " " " "
4.825.– " 6.000.– " 4.110.– 1.500.– 1.000.– 1.000.– 1.000.–
" " " " "
4.185.– " P. Beaulieu für Betreuung evgl. Deutscher in Frankreich 2.850.– " Kriegsgefangenenbetreuung in Frankreich 23.650.– " Zeitschriften für Fremdarbeiter 1.715.– " Zivilarbeiterbetreuung in Schweden 2.325.– " Deutsche Seemannsmission 3.000.– " Zivilarbeiterbetreuung in der Cyrenaica 3.365.– " Gemeinde Okahandja/SWA 1.000.– " Gemeinde Omaruru/SWA 1.000.– " La Plata-Synode Argent. 6.000.– " Bund der Synoden in Brasilien 12.000.– " Gemeinde Santiago de Chile 1.500.– " Gemeinde Asuncion/Chile 1.500.– " Gemeinde Melbourne 5.000.– " Gemeinde Sidney 5.000.– " zusammen 125.000.–184 DM 184 Richtig: 118725.– DM.
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G. Ausgabe-Kapitel VI (Oekumenische Arbeit): Für dieses Ausgabe-Kapitel wird vom Kirchlichen Aussenamt eine Erhöhung um 113.550– DM erbeten. Hierzu ist folgendes zu sagen: Titel 1 (Mitgliedsbeitrag der Evangelischen Kirche in Deutschland für den Weltrat der Kirchen): Der Mitgliedsbeitrag der EKD für den Weltrat der Kirchen soll durch einen im Juli 1950 in Toronto gefassten Beschluss des Central-Comitees in den nächsten Jähren auf jährlich 60.000.– DM erhöht werden. Nachdem in jenem Jahr 1950 dieser Mitgliedsbeitrag 21.000.– DM betragen hatte und in den Jahren 1951 und 1952 auf 25.000.– DM und im laufenden Jahr 1953 auf 40.000.– DM erhöht worden war, erbittet das Kirchliche Aussenamt nunmehr für das kommende Jahr eine weitere Erhöhung auf 50.000.– DM. Für Titel 2 (Oekumenische Tagungen im Inland) werden 12.000.– DM erbeten. Für Titel 3 (Oekumenische Tagungen im Ausland) werden gleichfalls 12.000.– DM erbeten. Für Titel 4 (Literarische Arbeiten) werden 2.800.– DM erbeten. Für Titel 5 (Zuschuss für die Oekumenische Centrale) wird eine weitere Erhöhung des Zuschusses, der ursprünglich 5.000.– DM betragen hat, auf nunmehr 40.800,00 DM erbeten. Der Haushaltsplan der Oekumenischen Centrale hat folgenden Inhalt: Ausgaben: 1954 1953 DM DM 1.) Gehälter, (Leiter, Sekretärin, wissenschaftliche Hilfsarbeiterin) gemäss den am 1. 4. 53 eingetretene Erhöhungen für Beamte und Angestellte 31.516,28 26.142,60 2.) Hausmiete, Licht und Heizung, Ergänzung des Inventars 3.200,00 3.000,00 3.) Reisen: Allgemein 2.000,00 Reise des Geschäftsführers 2.750,00 4.750,00 2.500.– nach Evanston 4.) Geschäftsbedürfnisse: Post- u. Fernspr.Gebühren 2.000,00 2500.– Bürobedarf 2.000,00 2000.– 1.000,00 5.000,00 1000.– 5.500,00 Bücher und Zeitschriften 5.) Konferenzen 2.350,00 6.000,00 1.283,72 1.857,40 6.) Verschiedenes Insgesamt 48.000,00 45.000,00 Von dem gesamten Haushaltsbedarf von 48.000.– DM soll die EKD 85 % tragen, also 40.8000.– DM.
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Schon im vorigen Jahr hat der Finanzbeirat der EKD von den zuständigen Stellen eine Nachprüfung der Frage erbeten, ob die Weiterführung einer so teuren selbständigen Oekumenischen Centrale für die EKD unabweisbarbar notwendig ist oder ob es nicht möglich ist, diese Arbeit in die oekumenische Arbeit des Kirchlichen Aussenamtes derart einzugliedern, dass diese Arbeit auch weiterhin im Einvernehmen mit der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland, also auch mit den Freikirchen in Deutschland, getan werden kann. Titel 7 (einmalige Ausgaben): Für die Teilnehmer an der Weltkirchenkonferenz in Evanston werden insgesamt folgende Beträge vom Kirchlichen Aussenamt erbeten: a) 99.000.– DM Reisekosten für die 36 Delegierten (je 2.750.– DM) nämlich für Landesbischof D. Dr. Beste, Schwerin, Dr. Christine Bourbeck, Berlin, Missionsdirektor Dr. Brennecke, Berlin, Bischof D. Dr. Dibelius, Berlin, Professor Dr. v. Dietze, Freiburg/Brsg. Präsident des Landeskirchenrats Dr. Fokken, Aurich, Dr. v. d. Gablentz, Berlin, Oberkirchenrat Herden, Gera, Oberkirchenrat D. Herntrich, Hamburg, Oberkirchenrat Dr. Hübner, Hannover, Generalsuperintendent Dr. Jacob, Cottbus, Dr. Karrenberg, Velbert, Professor Dr. Kinder, Münster, Gewerkschaftssekretär Ledig, Bayreuth, Dr. Leitz, Ludwigshafen, Landesbischof D. Dr. Lilje, Hannover, Landesbischof D. Meiser, München, Oberkirchenrat Dr. Metzger, Stuttgart, Missionsdirektor Dr. Meyer, Hamburg, Kirchenpräsident D. Niemöller, Wiesbaden Pastor D. Niesel, Schöller b. Dornap, Frau Lieselotte Nold, Stein b. Nürnberg, Landesbischof Lic. Noth, Dresden, Professor Dr. Obendiek, Wuppertal, Landesjugendpastor Peters, Hannover, Landespfarrer Puffert, Münster, Professor D. Dr. Schlink, Heidelberg, Pastor Spiegel-Schmidt, Hannover, Oberkirchenrätin Dr. Schwarzhaupt, Frankfurt/M.,
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b) c) d) e) f)
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Kirchenpräsident D. Stempel, Speyer, Kirchentagspräsident Dr. v. Thadden-Trieglaff, Fulda, Direktor Dr. Weeber, Stuttgart, Bischof D. Wester, Schleswig, Präses D. Wilm, Bielefeld, Pfarrer Dr. Winterhagen [richtig: Winterhager], Berlin, Vizepräsident Zimmermann, Berlin. 4.500.– DM Beihilfe der EKD an die Jugendkammer zur Entsendung der Jugend-Consultants. 2.750.– " Reisekosten für den Leiter der Oekumenischen Centrale. (vgl. Titel 6) 5.500.– " Reisekosten für 2. Referenten des Kirchlichen Aussenamtes (vgl. Ausgabe – Kapitel IV, Titel 5) 7.500.– " geschätzte Reisekosten einer vorbereitenden Konferenz der Delegierten. 10.000.– " besonderer Verfügungsbetrag des Kirchlichen Aussenamtes für die Weltkonferenz in Evanston 129.250.– DM insgesamt.
I. Ausgabe-Kapitel VII (Schuldentilgung): Hier konnte eine Ermässigung der Ausgaben um 30.000.– DM vorgesehen werden. Die einzige Fremdschuld der EKD besteht in der im Vorjahre zum Zwecke des Ankaufs des Grundstücks in Bonn, Beethovenstrasse 44, eingegangenen Darlehensschuld von 120.000.– DM gegenüber der Altersversorgungskasse des Kaiserswerther Verbandes. Diese Schuld muss im kommenden Haushaltsjahr vertragsgemäss in Höhe von 20.000.– DM getilgt werden. K. Ausgaben-Kapitel VIII (Allgemeiner Verfügungsbetrag): Dieses Ausgaben-Kapitel ist auf Anregung des Finanzausschusses unserer Synode neu gegliedert und erweitert worden, wodurch eine Ausgabe-Ermässigung des vorigen Kapitels voll ausgeglichen ist. Der neue Titel I (Unvorhergesehenes) wird auf Wunsch des Finanzausschusses der Synode zentral von der Kirchenkanzlei verwaltet werden. Für die Inanspruchnahme der im neuen Titel 4 vorgesehenen Verstärkungsmittel, die dem inneren Haushaltsausgleich dienen sollen und die gleichfalls einheitlich von der Kirchenkanzlei verwaltet werden, ist die Zustimmung des Finanzausschusses unserer Synode erforderlich. L. Besonderer Erwähnung bedarf schliesslich noch die Frage, in welcher Weise der Fehlbetrag aus den Vorjahren in Höhe von insgesamt 103.572,22 DM abgedeckt werden kann. Wenn dieser Betrag im Ausgabe-Kapitel XI eingesetzt würde, so würde dadurch eine entsprechende
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41. Sitzung Berlin, 11. Februar 1954
Erhöhung der Umlagezahlungen der westdeutschen Landeskirchen notwendig werden. Da diese Lösung den Landeskirchen unerwünscht sein wird, empfiehlt der Finanzausschuss der Synode, den genannten Fehlbetrag dieses Mal ausnahmsweise einmalig aus den Betriebsmitteln für den westdeutschen Ostpfarrer-Finanzausgleich abzudecken. Hierzu ist folgendes zu sagen: Buchmässig beträgt der bei der Kasse der EKD bestehende Betriebsmittelbestand des westdeutschen Ostpfarrer-Finanzausgleichs (einschl. der Vorschüsse an die zuschussbedürftigen Landeskirchen) z. Zt. 574.415,17 DM). Dieses Geld steht zweckgebunden im gemeinsamen Eigentum der 19 westdeutschen Landeskirchen, die allein befugt sind, über eine von der bisherigen Zweckbestimmung abweichende Verwendung zu beschließen. Deswegen wird die Kirchenkanzlei in der bevorstehenden Sitzung der Kirchlichen Westkonferenz die Entscheidung der 19 westdeutschen Landeskirchen über die erwähnte Empfehlung des Finanzausschusses der Synode erbitten. Die Durchführung der genannten Empfehlung wird nur dann befürwortet werden können, wenn die westdeutschen Landeskirchen den Wunsch haben, dass die in den Ostpfarrer-Richtlinien des Rates der EKD seit langem in Aussicht genommene Zentralversorgungskasse in absehbarer Zeit nicht eingerichtet werden soll; nur dann kann eine Schmälerung der von den westdeutschen Landeskirchen für den Ostpfarrerfinanzausgleich aufgebrachten Betriebsmittel überhaupt in Betracht gezogen werden, da nicht einmal der ungeschmälerte Bestand dieser Betriebsmittel auch nur für die Zahlung einer einzigen Monatsrate der westdeutschen Ostpfarrerversorgung ausreichend sein würde. K. [sic!] Der beiliegende Entwurf185 der Ostmark-Ausgaben-Spalte enthält nur so geringe Erhöhungswünsche, dass er keiner längeren Begründung bedarf. Der Ansatz für die Synode der EKD ist vorsorglich um 2.000.– DM erhöht für den Fall, dass im Haushaltsjahr 1954 ein Zusammentritt der Synode im Ostwährungsgebiet notwendig werden sollte. Der Ansatz für den Rat der EKD ist um 2.000.– DM ermässigt worden. Der Ansatz in Titel II 13 b (Angestellte der Kirchenkanzlei in Ost-Berlin) ist von 40.000.– DM auf 48.000.– DM erhöht worden. Ebenso ist der Ansatz für Titel VI 3 (Oekumenische Arbeit) von 3.500.– DM auf 5.000.– DM erhöht worden, insbesondere zur Vorbereitung und Auswertung der Weltkirchenkonferenz in Evanston.
185 41D20.
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41D Vorlagen und Anträge
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Das Ausgabenkapitel VIII (unvorhergesehenes . . .) ist von 4.000.– DM auf 7.000.– DM erhöht worden, während das Ausgabe-Kapitel X (Insgemein) von 4.600.– DM auf 2.400.– DM ermässigt wurde. gez. D. Brunotte
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e) Kammer für publizistische Arbeit aa) Vollsitzung der Kammer bb) Fachausschuss Presse
Kapitel I Kirchenleitung Titel 1: Leitende Organe a) Synode der EKD b) Kirchenkonferenz der EKD c) Rat der EKD d) Verfügungsbetrag des Ratsvorsitzenden Kap. I, 1 zus. Titel 2: Beratende Organe und Gerichte a) Kammer für öffentliche Verantwortung b) Kammer für soziale Ordnung c) Kammer für Erziehung und Unterweisung d) Jugendkammer
Westmark-Ausgaben
F: EZA Berlin, 2/5895 (H).
2.000.– 2.000.– 2.500.–
1.628,18 1.207,76 2.500.–
500.–
2.000.–
1.495,84
–
62.000.–
33.489,72
5.000.–
17.000.– 4.000.–
18.375,27 4.000.–
3.412,41
40.000.– 1.000.–
1953 (Soll)
10.632,65 481,80
1952 (Ist)
– –
– – –
2.000.– –
2.000.–
2.500.– (künftig bei AusgabeKapitel III berücksichtigt)
–
2.000.–
65.000.– –
– –
– –
–
3.000.– –
– –
gegenüber 1953 mehr weniger
3.000.–
20.000.– 4.000.–
40.000.– 1.000.–
1954 (Soll)
41D19. Anlage 1 zum Schreiben der Kirchenkanzlei: Westmark-Ausgaben- Spalte
138 41. Sitzung Berlin, 11. Februar 1954
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q)
p)
o)
n)
l) m)
k)
g) h) i)
f)
cc) Fachausschuss Schrifttum dd) Fachausschuss Rundfunk ee) Fachausschuss darstellende Kunst ff) Fachausschuss Film Film- u. Fernsehbeauftragter der EKD Pressebeirat der EKD Finanzbeirat der EKD vom Rat erteilte Sonderaufträge Disziplinarkammer der EKD Disziplinarhof der EKD Schiedsgerichtshof der EKD Kirchenrechtliches Institut der EKD Diakonischer Beirat der EKD Arbeitsgemeinschaft f. öffentliche Verantwortg. Ostkirchenausschuss Kapitel I, 2 zusammen Titel 1 Titel 2 Ausgabe-Kapitel I insges. 1.500.–
1.775,27
21.000.– 2.000.– 4.000.– 32.000.– 116.500.– 62.000.– 116.500.– 178.500.–
16.255,57 – – – 71.754,93 33.489,72 71.754,93 105.244,65
1.500.– 500.–
500.–
– 411,35 –
500.– 3.000.– 18.000.–
119.– 2.963,65 20.899,44
1.500.– 17.500.–
500.–
307,50
16.874,28
500.–
–
32.000.– 113.500.– 65.000.– 113.500.– 178.500.–
4.230.–
2.000.–
20.000.–
1.500.– 770.–
500.–
500.– 3.000.– 18.000–
17.500.–
7500.–
1.000.–
–
– 500.– 3.000.– – –
230.–
– 3.500.– – 3.000.– –
–
–
– –
– 270.–
–
–
– – –
– – – –
–
–
–
–
41D Vorlagen und Anträge
139
Kapitel II: Kirchenverwaltung (Kirchenkanzlei) Titel 1: Besoldung der Beamten (soweit 154.491,46 nicht in Titel 10–14) Titel 2: Angestellte, Arbeiter und 69.742,06 Dienstaushilfen (soweit nicht in Titel 10–14) Titel 3: Ruheständler und Hinterblie51.132,39 bene (soweit nicht in Titel 13) Titel 4: Unterstützung und Beihilfen 17.785,95 (soweit nicht in Titel 13) Titel 5: Dienstreisen und Dienstkraftwagen (soweit nicht in Titel 10– 14) a) Dienstreisen 21.313,65 b) Dienstkraftwagen 5.125,99 Titel 6: Geschäftsbedürfnisse (soweit nicht in Titel 10, 12, 13) a) Heizung 4.718,26 b) Beleuchtung, Gas, Wasser, 2.609,55 Reinigung c) Fernsprecher und Tele7.169,45 grammgebühren d) Porto und Fracht 5.327,38 e) Schreib- u. sonstige Büro8.381,83 bedarfsartikel f) Verschiedenes 334,92 Titel 7: Dienstgebäude und Inventar (soweit nicht in Titel 10, 12, 13) a) Miete für Dienstgebäude 9.088,76 58.000.– 11.000.–
15.000.– 5.500.–
5.000.– 2.500.– 7.000.– 5.000.– 7.500.– 1.100.–
10.000.–
9.000.–
15.000.– 5.500.–
5.000.– 2.000.– 7.000.– 4.500.– 7.500.– 1.100.–
10.000.–
88.000.–
90.000.–
60.000.–
187.000.–
175.000.–
– –
– –
–
–
– –
– –
– 500.–
500.– –
– –
– –
– –
2.000.–
–
2.000.–
– (dafür neuer EinnahmeTitel V 2) 2.000.–
12.000.–
140 41. Sitzung Berlin, 11. Februar 1954
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b) Unterhaltung der Dienst2.411,94 1.500.– gebäude c) Inventar 1.713,94 4.000.– Titel 8: Bücherei (soweit nicht in Titel 2.962,26 3.900.– 13) Titel 9: Umzugskosten (soweit nicht in Titel 10–14) a) Umzugskostenvergütung 378,40 und -beihilfen b) Trennungsentschädigungen 2.728,61 c) Darlehen zur Beschaffung 3.000.– von Wohnungen 2.025.– d) Verlorene Zuschüsse zu Be9.635,48 schaffung von Wohnungen Titel 10: Archivarbeit und kirchengeschichtliche Arbeit a) Personalkosten 18.274,69 18.500.– b) Sachkosten einschl. Ge5.337,55 5.500.– schäftsbedürfnisse, Diensträume und Inventar Titel 11: Kirchenstatistische Arbeit –
1.500.– –
–
– –
17.000.– 5.500.–
– –
– 1.000.–
4.000.– 4.900.–
3.000.–
–
–
1.500.–
Anmerkg. zu Tit. 11: Soweit Einnahme-Titel V 20 überschritten wird, darf Ausg.-Tit. II, 11 überschritten werden. Soweit EinnahmeTitel V 20 einen Fehlbetrag aufweist, darf Ausg.-Titel II, 11 nicht voll in Anspruch genommen werden.
41D Vorlagen und Anträge
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a) Personalkosten 28.733,22 b) Sachkosten einschl. Ge5.938,99 schäftsbedürfnisse, Diensträume und Inventar Titel 12: Bonn a) Personalkosten 35.968,45 b) Sachkosten laufend 28.179,24 einmalig 99.430,86 Titel 1–12 zus. 601.940,28 Titel 13: Berliner Stelle der Kirchenkanzlei a) Besoldung der Beamten 62.429,50 b) Angestellte, Arbeiter und 64.922,22 Dienstaushilfen c) Ruheständler und Hinter61.946,52 bliebene d) Unterstützung u. Beihilfen 6.247,43 (Sozialfonds) e) Dienstreisen und Dienst17.624,45 kraftwagen f) Geschäftsbedürfnisse 15.109,54 g) Dienstgebäude und Inven12.948,22 tar h) Bücherei 116,87 i) Umzugskosten – k) Bevollmächtigter des Rates 10.489.– am Sitz der DDR. Titel 13 zus. 251.833,75
40.000.– 6.500.–
80.000.– 29.000.– 21.000.– 615.000.–
25.400.– 115.000. 65.000.– 2.500.– 8.000.– 16.000.– 13.500.– 1.000.– – 11.000.– 258.000.–
30.000.– 6.500.–
65.000.– 20.000.– – 549.500.–
75.000.– 66.000.– 65.000.– 2.500.– 8.000.– 14.000.– 13.500.– 1.000.– – 11.000.– 256.000.–
–
–
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2.000.–
–
– – –
–
–
– – –
–
–
– –
– –
– –
2.000.– –
– – 5.500.–
–
– –
9.000.– 21.000.– 71.000.–
15.000.–
10.000.– –
142 41. Sitzung Berlin, 11. Februar 1954
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im Bereich der 8 ostdeutschen Gliedkirchen Kapitel III zusammen
Kapitel III: Innerkirchliche Arbeit Titel 1: im Bereich der 19 westdeutschen Gliedkirchen
b) Sachkosten (ausschließlich Geschäftsbedürfnisse, Dienst-Räume und Inventar) Titel 15: Dienst- und Mietwohnungen
Titel 14: Oberrechnungsamt a) Personalkosten
225.000.–
– 225.000.–
– 200.265,90
28.000.– 851.100.–
– 870.833,36
200.265,90
1.600.–
16.000.–
1.228,83
15.830,50
225.000.–
–
225.000.–
26.000.– 924.000.–
3.600.–
22.000.–
– Anmerkg. zu Tit. 14: Soweit Einnahme-Titel V 2d überschritten wird, darf Ausg.-Tit. II 14 überschritten werden. Soweit Einn.-Titel V 2d einen Fehlbetrag aufweist, darf Ausg.Tit. II 14 nicht voll in Anspruch genommen werden. –
–
– Anmerk. zu Kapitel III: Soweit Einnahme-Titel IV 1 überschritten wird, darf AusgabeKapitel III überschritten werden.
– 2.000.– 81.000.– 7.500.– Erhöhung um 73.500.–
2.000.–
6.000.–
41D Vorlagen und Anträge
143
Kapitel IV: Kirchenverwaltung (Kirchliches Außenamt) Titel 1: Besoldung der Beamten 79.449.– Titel 2: Vergütung u. Löhne der Ange- 83.973,55 stellten und Arbeiter Titel 3: Versorgung der Ruheständler 30.542,26 und Hinterbliebenen Titel 4: Unterstützung und Beihilfen 6.257,32 Titel 5: Dienstreisen und Dienstkraftwagen a) Dienstreisen im Ausland 6.539,17 b) Dienstreisen im Inland 13.761,29 c) Dienstkraftwagen 2,50 Titel 6: Geschäftsbedürfnisse a) Heizung 2.510,58 b) Beleuchtung, Gas, Wasser, 1.028,67 Reinigung c) Fernsprecher- u. Tele5.802,12 grammgebühren d) Porto und Fracht 6.290,84 e) Schreib- und sonstige Bü7.741,34 robedarfsmittel f) Verschiedenes 1.493,88 Titel 7: Dienstgebäude und Inventar a) Miete für Dienstgebäude 7.447,47 b) Unterhaltung der Dienst3.810,77 räume c) Inventar 4.208,10 d) einmalige Aufwendungen – Titel 8: Bücherei 1.333,05 3.000.–
29.500
25.000.–
8.500.– 4.000.– 5.000.– 14.000.– 1.500.–
15.000.–
25.000.–
8.500.– 4.000.– 5.000.– – 1.500.–
33.000.–
33.000.– 3.000.–
108.000– 105.500.–
86.000.– 93.000.– – –
– –
–
– – – – –
–
– – – – –
14.500.–
– –
22.000– 12.500.–
144 41. Sitzung Berlin, 11. Februar 1954
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Titel 1:
1a Zuschüsse an die deutschen evangelischen Kirchengemeinschaften, Gemeinden und Geistlichen im Ausland 1b Zuschüsse für Instandhaltung kirchlichen Eigentums im Ausland 1c Kurpastoration
Umzugskosten a) Umzugskostenbeihilfen b) Trennungsentschädigungen c) Darlehen zur Beschaffung 871,50 von Wohnungen d) verlorene Zuschüsse zur Beschaffung von Wohnungen Titel 10: Wiesbadener Büro a) Personalkosten 20.655,50 b) Sachkosten 3.959,57 Kapitel IV zusammen 287.642,48 Kapitel V: Auslandsarbeit
Titel 9:
120.000.– – –
– –
20.600.– 5.000.– 366.100
3.000.–
78.981,45 +1.574,29
20.600 5.000.– 302.100.–
2.000.–
–
62.500.–
200.000.–
– – 64.000.–
1.000.–
– –
62.000.– –
Anmerkung zu Ausg.Kapitel V. u. VI: Hiervon sind aus Kollektenmitteln zu bestreiten: im Westwährungsgeb. 102.000 DM im Ostwährungsgebiet 60.000 DM. EinsparungenbeiAusg.Kap. V Tit. 3+4 dürfen ausnahmsweise auf das nächste Rechnungsjahr übertragen werden. 80.000.– –
– –
–
41D Vorlagen und Anträge
145
Titel 7:
Titel 6:
Titel 5:
Titel 4:
Titel 3:
Titel 2:
Ausbildung von geistlichen 1.972.– Kräften Urlaub von Auslandsgeistli54.840,26 chen, Fortbildung der in Europa befindlichen Geistlichen Aussendung und Heimkehr 92.974,13 von Auslandsgeistlichen Ruhestands- und Hinterbliebe- 160.124,57 nenversorgung von Auslandsgeistlichen im Ausland Ruhestands- und Hinterbliebe- 116.306,27 nenversorgung von Auslandsgeistlichen im Inland Unterstützung und Beihilfen 25.750,81 der Auslandsgemeinende und Auslandspfarrer Kapitel V zusammen 530.949,49 30.000.–
994.700.–
654.700.–
167.200.–
240.000.–
90.000.–
180.000.–
25.000.–
20.000.–
124.700.–
157.000.–
90.000.–
130.000.–
4.000.–
349.000.–
10.000.–
42.500.–
– Anmerkung zu Ausgabe-Tit. V 1+7: Soweit Einnahme-Kap. VI. überschritten wird, dürfen Ausgabe-Tit. V 1+7 überschritten werden. Soweit EinnahmeKapitel VI einen Fehlbetrag aufweist, dürfen Ausgabe-Titel 1+7 nicht voll in Anspruch genommen werden.
–
–
–
–
– 83.000.–
–
–
50.000.–
21.000.–
146 41. Sitzung Berlin, 11. Februar 1954
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Kapitel VI: Oekumenische Arbeit Titel 1: Mitgliedsbeitrag der EKD für den Weltrat der Kirchen Titel 2: Oekumenische Tagungen im Inland Titel 3: Oekumenische Tagungen im Ausland Titel 4: Literarische Arbeiten Titel 5: Zuschuß für die Oekumenische Centrale Titel 6: Institut für Altertumswissenschaft im Heiligen Land Titel 7: Einmalige Ausgaben (Vollversammlung Evanston) Kapitel VI zusammen Kapitel VII: Zinsen und Schuldentilgung Kapitel VIII: Titel 1: Unvorhergesehenes Titel 2: Verfügungsbetrag des Leiters der Kirchenkanzlei Titel 3: Verfügungsbetrag des Leiters des Kirchlichen Außenamtes Titel 4: Verstärkungsmittel Kapitel VIII zusammen Kapitel IX: Betriebsmittelsammlung Kapitel X: Insgemein Kapitel XI: Fehlbetrag des Vorjahres 75.050.– – – 115.050.– 50.000.–
28.000.–
28.000.– – 4.900.– –
1.537,38 9.840.– – – 67.978,10 50.150.–
1.378,50
1.378,50 – 700,44 64.772,99
30.000.–
– – –
40.000.– 58.000.– – 4.900.– –
113.550.– –
103.550.–
10.000.–
3.000.–
12.000.– 3.000.–
228.600.– 20.000.–
111.000.–
–
2.800.– 40.800.–
12.000.–
28.928,26
50.000.– 12.000.–
40.000.–
2.672,46
25.000.–
– – –
– 30.000.–
–
–
41D Vorlagen und Anträge
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148
41. Sitzung Berlin, 11. Februar 1954 Zusammenfassung der Westmark-Ausgaben
Kapitel Kapitel Kapitel Kapitel Kapitel Kapitel Kapitel Kapitel Kapitel Kapitel Kapitel
I II III IV V VI VII VIII IX X XI
(Kirchenleitung) (Kirchenkanzlei) (Innerkirchliche Arbeit) (Kirchliches Außenamt) (Auslandsarbeit) (Oekumenische Arbeit) (Zinsen u. Schuldentilgung) (Unvorhergesehenes) (Betriebsmittel) (Insgemein) (Fehlbetrag d. Vorjahres)
1953
1954
(Soll) 178.500.– 851.000.– 225.000.– 302.100.– 645.700.– 115.050.– 50.000.– 28.000.– – 4.900.– – 2. 400. 350.–
(Soll) 178.900.– 924.600.– 225.000.– 366.100.– 994.000.– 228.600.– 20.000.– 58.000.– – 4.900.– – 3. 000. 400
Erhöhung um – 73.500.– 64.000.– 349.000.– 113.550.– –
600.050.–
41D20. Anlage 2 zum Schreiben der Kirchenkanzlei: Ostmark-Ausgaben-Spalte F: EZA Berlin, 2/5895 (H). Ostmark-Ausgaben-Spalte Ausgaben: Kapitel I: Titel 1:
Titel 2:
1954 Kirchenleitung Leitende Organe a) Synode der EKD 5.000.– b) Kirchenkonferenz der EKD 300.– c) Rat der EKD 2.000.– d) Verfügungsbetrag des Ratsvorsit– zenden Beratende Organe und Gerichte der EKD a) Kammer für öffentliche Verant300.– wortung der Kirche b) Kammer für soziale Ordnung 300.– c) Kammer für Erziehung und Un1.000.– terweisung d) Jugendkammer 300.– e) Kammer für publizistische Arbeit 1.500.– (einschl. ihrer 6 Fachausschüsse) sowie Filmbeauftragter und Fernsehkommission f) Pressebeirat der EKD –
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gegenüber 1953 mehr weniger
2.000.– – – –
– – 2.000.– –
–
–
– –
– –
– –
– –
–
–
149
41D Vorlagen und Anträge g) h) i) k) l) m) n) o)
Finanzbeirat der EKD Vom Rat erteilte Sonderaufträge Disziplinarkammer der EKD Disziplinarhof der EKD Schiedsgerichtshof der EKD Kirchenrechtliches Institut Diakonischer Beirat der EKD Arbeitsgemeinschaft für öffentliche Verantwortung p) Ostkirchenausschuss Kapitel I zusammen
– 300.– 100.– 700.– 100.– – – –
– – – – – – – –
– – – – – – – –
– 11.900.–
– 2.000.–
– 2.000.–
–
–
– 8.000.–
– –
– – –
– – –
– – – – –
– – – – –
8.000.–
–
–
–
–
100.000.–
–
–
100.000.–
–
–
–
–
–
– 125.000.–
– –
– –
– 125.000.–
– –
– –
Kapitel II:
(Kirchenverwaltung) Kirchenkanzlei Titel 1 bis 12: – Titel 13: Berliner Stelle der Kirchenkanzlei a) Besoldung der Beamten 45.000.– b) Angestellte, Arbeiter und 48.000.– Dienstaushilfen c) Ruheständler und Hinterbliebene 23.000.– d) Unterstützungen und Beihilfen 4.000.– e) Dienstreisen und Dienstkraftwa- 10.000.– gen f) Geschäftsbedürfnisse 9.000.– g) Dienstgebäude und Inventar 12.000.– h) Bücherei 1.000.– i) Umzugskosten 2.500.– k) Bevollmächtigter des Rates am 16.000.– Sitz der DDR Kapitel II zusammen 170.500.–
Kapitel III: Titel 1: Titel 2:
Kapitel IV:
Innerkirchliche Arbeit im Bereich der 19 westdeutschen Gliedkirchen im Bereich der 8 ostdeutschen Gliedkirchen Kapitel III zusammen Kirchenverwaltung (Kirchliches Außenamt)
Kapitel V: Auslandsarbeit Titel 1–5: Titel 6: Ruhestands- und Hinterbliebenenversorgung von Auslandsgeistlichen im Inland Titel 7: Kapitel V zusammen
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41. Sitzung Berlin, 11. Februar 1954
Kapitel VI: Oekumenische Arbeit Titel 1–6: Kapitel VI zusammen Kapitel VII: Zinsen und Schuldentilgung Kapitel VIII: Titel 1: Unvorhergesehenes Titel 2: Verfügungsbetrag des Leiters der Kirchenkanzlei (Dispositionsfonds) Titel 3: Verfügungsbetrag des Leiters des Kirchlichen Außenamtes Titel 4: Verstärkungsmittel Kapitel VIII zusammen Kapitel IX:
5.000.– 5.000.–
1.500.– 1.500.–
– –
–
–
–
– –
– –
} 3.000.– – } 5.000.– } 7.000.– 3.000.–
– – –
1.000.– } 1.000.– }
Betriebsmittelansammlung
Kapitel X: Insgemein Fehlbetrag des Vorjahres
–
–
–
2.200.–
–
–
–
–
–
41D21. Anlage 3 zum Schreiben der Kirchenkanzlei: Einnahmen F: EZA Berlin, 2/5895 (H). Einnahmen: Kapitel I: Westmarkbeträge Einnahmen a) b) c)
aus Dienst- und Mietwohnungen Mietzinsen Zinsen für Darlehen an Vermieter Rückflüsse von Darlehen an Vermieter d) Vermischte Einnahmen
Kapitel II: Einnahmen aus sonstigen Vermögensbewegungen Titel 1 Vermögenserträge (Zinsen) a) in Hannover b) in Bonn c) in Berlin d) in Frankfurt/M. Titel 2
Rückflüsse von Darlehen (Tilgung)
Ostmarkbeträge 26.000.–
} }
17.000.–
–
2.000.–
1.500.–
}
} } } } } } }
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41D Vorlagen und Anträge Titel 3
Schuldenaufnahme (Darlehen – nicht Kassenkredite)
} }
Titel 4
Entnahme aus Rücklagen
}
Titel 5
Erlöse aus Veräusserungen von Kapitalvermögen, Grundvermögen, Wertpapieren oder sonstigen Vermögen (z. B. Inventar oder Büchern)
} } } }
Kapitel III: Titel 1 –
Titel 2 Titel 3
Einnahmen aus Umlagebeträgen für den Bereich der 19 westdeutschen Gliedkirchen für den Bereich West-Berlins
2. 558. 900.–
– 55.000.–
–
300.000.–
102.000.–
60.000.–
102.000.–
60.000.–
–
–
für den Bereich der 8 ostdeutschen Gliedkirchen
Kapitel IV: Titel 1 Titel 2
Einnahmen aus Kollekten für gesamtkirchliche Notstände und Aufgaben für die oekumenische Arbeit der EKD und die Arbeit der evangelischen Auslandsgemeinden
Kapitel V: Titel 1 Titel 2
Titel 3
Einnahmen aus Verwaltung und Betrieb Gebühren (z. B. der Gerichte und Archivarbeit der EKD) Kostenersatz und verschiedene Einnahmen a) der Gerichte der EKD } b) des Archivamtes der EKD } c) des Statistisches Amtes der EKD d) des Oberrechnungsamtes des EKD e) der übrigen Kirchenkanzlei in Han- } nover f) der Berliner Stelle der Kirchenkanzlei } g) der Bonner Arbeit der EKD } Amtsblatt der EKD (Kostenersatz und } Überschuss)
300.– 5.200.– 9.000.–
12.500.– 7.000.–
Kapitel VI: Zuweisungen von dritter Stelle Kapitel VII: Insgemein
–
100.000.–
–
3.500.– 3. 000. 400.–
100.– 421.600.–
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41. Sitzung Berlin, 11. Februar 1954
41D22. Anlage 4 zum Schreiben der Kirchenkanzlei: Stellenplan F: EZA Berlin, 2/5895 (H). Stellenplan I. Beamten-Stellenplan zu Ausgabe-Kapitel II 1 Präsident
B7a
1 Vizepräsident 1 Bevollmächtigter des Rates in Bonn 1 Referent 2 Referenten 3 Referenten 1 Referent
A1a A1a A1a A1b A2b A2c1
2 Referenten 1 leitender Bürobeamter
A2c2 A2d
2 Kalkulaturbeamte 3 Kalkulatur- u. Rechnungsbeamte
A2d A4b1
1 Registraturleiter
A4c2
2 Kassenbeamte 1 Kanzleiobersekretar
A4c2 A5b
(für den gegenwärtigen Stelleninhaber wird die Hälfte seiner Bezüge durch die VELKD erstattet) (z. Zt. unbesetzt)
(1 in Bonn) (1 in Berlin) (der gegenwärtige Stelleninhaber erhält für seine Person Bezüge nach A 2 b) (1 in Berlin -k. w.) (der gegenwärtige Stelleninhaber behält seine Planstelle A 2 c 2) (1 in Berlin) (1 im Oberrechnungsamt, der gegenwärtige Stelleninhaber behält seine Planstelle A 2 d; 1 in Berlin und 1 in Bonn) (der gegenwärtige Stelleninhaber behält seine Planstelle A 2 d) (in Berlin)
II. Angestellten-Stellenplan zu Ausgabe-Kapitel I und II 2 Referenten TO.A III (1 im Kirchenrechtlichen Institut, 1 im Archivamt) 1 Angestellter TO.A V b (im Kirchenstatistischen Amt) 2 Angestellte TO.A VI b (1 im Kirchenstatistischen Amt, 1 in Berlin) 18 Angestellte TO.A VII (9 in Hannover, 1 im Archivamt, 1 im Kirchenstatistischen Amt, 1 in Bonn, 6 in Berlin – die Inhaberin einer Stelle bezieht für ihre Person Bezüge nach TO.A VI b –)
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41D Vorlagen und Anträge
11 Angestellte 4 Angestellte
153
TO.A VIII (4 in Hannover, 3 in Bonn, 4 in Berlin) TO.A IX (2 in Hannover, 2 in Berlin)
III. Beamten-Stellenplan zu Ausgabe-Kapitel IV Titel 1 1 Präsident B7 (der gegenwärtige Stelleninhaber bezieht seine Bezüge von seiner Landeskirche). 1 Referent (Vizepräsident) A 1 a 1 Referent A1b 2 Referenten A2b 1 Referent A2c2 (der gegenwärtige Stelleninhaber ist beurlaubt und bezieht bis auf weiteres keine Bezüge aus seiner Planstelle -k. w.) 2 Kalkulatur- u. Rechnungsbeamte A4b1 IV. Angestellten-Stellenplan zu Ausgabe-Kapitel IV Titel 2 2 Referenten TO.A III 1 Registraturleiter TO.A V b 3 Angestellte TO.A VI b 2 Angestellte TO.A VII 4 Angestellte TO.A VIII (die gegenwärtigen Inhaber von zwei Stellen beziehen Bezüge nach TO.A VII) 2 Angestellte TO.A IX
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41. Sitzung Berlin, 11. Februar 1954
41D23. Schreiben des Leitenden Bischofs der VELKD an den Ratsvorsitzenden. München, 9. Januar 1954 F: EZA Berlin, 2/3419 (O). Der von der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland eingesetzte Disziplinarordnungsausschuss hat den Entwurf für ein Disziplinargesetz der Evangelischen Kirche in Deutschland erarbeitet, den die Kirchenkanzlei Hannover den Gliedkirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland unter dem 11. Mai 1953 – Tgb.-Nr. 12 136. VI.186 – zur Stellungnahme zugeleitet hat. In der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands ist dieser Gesetzesentwurf wiederholt und eingehend beraten worden. Auf Beschluss der Kirchenleitung der Vereinigten Kirche gebe ich für die 10 in der Vereinigten Kirche zusammengeschlossenen Gliedkirchen: die Evang.-Luth. Kirche in Bayern, die Braunschweigische Evang.-Luth. Landeskirche, die Evang.-Luth. Kirche im Hamburgischen Staate, die Evang.-Luth. Landeskirche Hannovers, die Evang.-Luth. Kirche in Lübeck, die Evang.-Luth. Landeskirche Mecklenburgs, die Evang.-Luth. Landeskirche Sachsens, die Evang.-Luth. Landeskirche von Schaumburg-Lippe, die Evang.-Luth. Landeskirche Schleswig-Holsteins, die Evang.-Luth. Kirche in Thüringen folgende Erklärung zu dem Gesetzesentwurf ab: In mehrfachen eingehenden Beratungen über den Erlass einer Disziplinarordnung durch die Evangelische Kirche in Deutschland wurden von Gliedkirchen der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands aus dem Bekenntnis ernst [sic!] grundsätzliche Bedenken gegen eine gesamtkirchliche Regelung durch die Evangelische Kirche in Deutschland erhoben. Die Kirchenleitung der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands hält diese Bedenken für so schwerwiegend, dass sie an den Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland die Bitte richten muss, von dem Erlass einer gesamtkirchlichen Disziplinarordnung abzusehen und sich auf eine Disziplinarordnung für die Amtsstellen der Evangelischen Kirche in Deutschland zu beschränken. Sie sieht sich damit auch vor die Frage gestellt, innerhalb der Vereinigten Kirche eine Ordnung zu schaffen, die ins-
186 EZA Berlin, 4/596.
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41D Vorlagen und Anträge
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besondere auch vom Bekenntnis her die Amtspflichten, ihre Verletzung und deren Ahndung umfasst. Die Kirchenleitung ist gern bereit, auf Wunsch des Rates ihr Anliegen mündlich näher zu erläutern. D. Meiser D. D. [m. p.]
41D24. Schreiben Wolfs an Smend. Göttingen, 29. Dezember 1953 F: EZA Berlin, 2/963 (O). Sehr verehrter Herr Kollege! Zu meinem Bedauern kann ich erst heute zu Ihrem Brief vom 9. Dezember187 Stellung nehmen. Das von Herrn Kollegen Aland in Halle entwickelte Programm für die wissenschaftliche Bearbeitung der in Halle und Merseburg befindlichen sehr wichtigen Materialien zur Kirchen- und Geistesgeschichte des 17. Jahrhunderts verdient höchste Beachtung. Die Kirchengeschichtsschreibung des 17. Jahrhunderts ist ja bis heute sehr fragmentarisch geblieben und diese mir zum Teil bekannten Materialien bedürfen dringend der Aufnahme und Bearbeitung. Kürzlich hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft ein ähnliches Unternehmen von Herrn Professor Benz in Marburg mit einigen tausend DM unterstützt, das sich allerdings nur auf einen kleinen, zufällig nach dem Westen verschlagenen Teil dieses Materials bezieht, von Herrn Benz aber mit größtem Stimmaufwand in Szene gesetzt worden ist und in seinem Endergebnis wahrscheinlich nicht den Erwartungen und den zugewendeten Mitteln entsprechen wird. Dies hat zum Teil seinen Grund darin, daß sich das viel wichtigere Material nach wie vor in Halle und Merseburg befindet. Herr Kollege Aland ist eine ausgezeichneter Organisator wissenschaftlicher Unternehmungen, nach meinem Dafürhalten auch ein sehr viel besserer Kenner des Stoffes als Herr Benz und fraglos in der Lage, auf Grund von beiden Eigenschaften mit relativ geringen Mitteln eine wirklich befriedigende und umfangreiche Arbeitsleistung herbeizuführen. Es kann jedenfalls gesagt werden, daß das Arbeitsvorhaben von Herrn Kollegen Aland für das 17. Jahrhundert zur Zeit ziemlich konkurrenzlos dasteht, daß es nur im Bereich der DDR wirklich durchgeführt werden kann, und daß seine Durchführung einem dringenden wissenschaftlichen Erfordernis Genüge leisten würde, ganz abgesehen davon, daß für die Schulung und Heranbildung des akademischen Nachwuchses im Bereich der DDR ein größeres 187 Nicht ermittelt.
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41. Sitzung Berlin, 11. Februar 1954
Gemeinschaftsunternehmen einen sammelnden und stärkenden Mittelpunkt darstellen könnten. Nach meinem Dafürhalten müßte dem Arbeitsvorhaben von Kollegen Aland auch seitens der Evangelischen Kirche in Deutschland ein lebhaftes Interesse zugewendet werden und es müsste vor allem durch die finanzielle Unterstützung dieses Vorhabens einmal mit großer Deutlichkeit bekundet werden, daß die EKD sich auch der wissenschaftlichen Arbeit der Theologie in der DDR anzunehmen bereit ist. Man sollte, meine ich, eine so einmalige und so hervorragende Gelegenheit zu wirklicher Hilfe und zu wirksamer Bezeugung der immer wieder ausgesprochenen Verbundenheit sich nicht entgehen lassen, zumal, wie ich nochmals betonen möchte, nicht nur der ins Auge gefasste Arbeitsgegenstand von erheblichem Gewicht ist, sondern auch Herr Kollege Aland alle wünschenswerte Gewähr für eine sachgemäße und planvolle Bewältigung der Aufgabe bietet. Mit angelegentlicher Begrüßung Ihr sehr ergebener E. Wolf [m. p.] Dekan
41D25. Rechnung Strathmanns an die EKD. Erlangen, 19. Januar 1954 F: EZA Berlin, 2/5611 (O). Liquidation. Hierdurch liquidiere ich als Entschädigung für die im Auftrage des Rates der Evang. Kirche in Deutschland in der Zeit vom April 1952 bis zum Dez. 1953 geleistete Arbeit an der Fortführung der Revision der Lutherbibel den Betrag von DM 1000, in Worten eintausend DM. Diesen bitte ich mir bis zum 31. März 1954 auf mein Postscheckkonto Nürnberg 9380 zu überweisen. D. H. Strathmann [m. p.]
41E Dokumente 41E1. Entwurf der Erklärung des Rates F: NL Smend (D). Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland richtet an die vier Außenminister den dringenden Appell, nicht auseinanderzugehen, ehe nicht für die baldige Wiedervereinigung Deutschlands ein entscheidender Schritt
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41E Dokumente
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getan ist. Kein Volk kann die Verweigerung seiner Einheit so lange ertragen, ohne schwersten moralischen Schaden davonzutragen. Gleichzeitig bittet der Rat, die politischen Gefangenen nicht zu vergessen, die ihr schweres Schicksal nie hätten zu erleiden brauchen, wenn nicht die unnatürliche Aufspaltung Deutschlands solange angedauert hätte.
41E2. „Konzept“ des Wortes des Rates und der Kirchenkonferenz an die vier Außenminister. O. D. F: NL Smend (D). In dieser verantwortungsschweren Stunde, in der die Außenminister der vier Großmächte in der Hauptstadt unseres Landes zu Verhandlungen zusammengekommen sind, wenden wir, der Rat und die Kirchenkonferenz der Evangelischen Kirche in Deutschland uns an Sie mit folgendem Anliegen: 1. Die Evangelische Kirche in Deutschland hat das deutsche Volk immer gemahnt, die Folgen des verlorenen Krieges, insbesondere die schmerzliche Teilung als Gericht Gottes aus seiner Hand zu nehmen. Der Zeitpunkt scheint uns aber gekommen, an dem unser Volk das Recht, sich in freier rechtsstaatlicher Willensbildung eine gemeinsame Ordnung zu geben, nicht mehr vorenthalten werden sollte. Aus ihrer Verbundenheit mit dem deutschen Volke weiß die Kirche um die heiße Erwartung von Millionen Menschen Ost- und Westdeutschland, die nichts sehnlicher wünschen, als daß die Einheit unseres Volkes in Frieden und Freiheit wieder hergestellt wird. Unser Volk wünscht diese Einheit mit leidenschaftlichem Herzen nicht nur um seiner selbst willen, sondern auch in der wachsenden Überzeugung, daß es nur politisch vereint dem Frieden der Völker, vor allem dem Frieden mit seinen Nachbarvölkern dienen kann. Es ist eine unbestreitbare Tatsache, daß der Friede unmittelbar gefährdet ist, solange die deutsche Frage ungelöst bleibt. Wir müssen das mit ernster Besorgnis aussprechen. Die Evangelische Kirche in Deutschland bittet daher die Herren Außenminister, ihre Beratungen nicht zu beenden, ehe nicht ein sichtbarer Fortschritt in der Frage der Wiedervereinigung unseres Volkes gemacht ist. Das begonnene Werk der Wiedervereinigung Deutschlands muß fortgesetz werden, bis ein für unser Volk und die Welt tragbares Ziel erreicht worden ist. Die Evangelische Kirche weiß sich mit dieser Bitte als Sprecher des gesamten deutschen Volkes. 2. Die Herren Außenminister haben übereinstimmend erklärt, daß freie Wahlen in Ost- und Westdeutschland die unerläßliche Voraussetzung für die Wiedervereinigung unseres Volks sind. Sie haben damit die freie
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41. Sitzung Berlin, 11. Februar 1954
politische Willensbildung als Faktor der Wiedervereinigung unseres Volkes grundsätzlich zugestanden. Wir sind davon überzeugt, daß die bestehenden Meinungsverschiedenheiten über die Durchführung freier Wahlen nicht unüberwindlich sind. Freilich müssen Gewissensbedrängung und Furcht aufhören und ein zureichender Rechtsschutz für die freie religiöse, weltanschauliche und politische Meinungsäußerung in ganz Deutschland geschaffen werden. Die Evangelische Kirche in Deutschland bittet die Herren Außenminister, dafür Sorge zu tragen, daß eine politische Willensäußerung unseres Volkes ohne Gewissensbedrängung geschehen kann. Wir sind in ernster Besorgnis darüber, dass eine Bedrückung unseres Volkes in dieser Hinsicht zu unheilvollen Taten führen könnte. Es würde ein sichtbares Zeichen des Versöhnungswillens und eine sichtbare Entspannung der Gesamtlage in unserem Volke sein, wenn die vier Mächte die ihnen jeweils nahestehende deutsche Regierung veranlassen würden, in dieser Stunde die politischen Gefangenen freizulassen. Wir bitten um der friedlichen Entwicklung unseres Volkes und um der Betroffenen selbst willen inständig, diesen Schritt jetzt zu tun. 3. Wir verkennen nicht, daß die Wiedervereinigung unseres Volkes mit dem Sicherheitsbedürfnis anderer Völker, insbesondere unserer Nachbarvölker untrennbar verbunden ist. Trotz der in dieser Frage offenbar so starr einander gegenüberstehenden Meinungen sind wir der Überzeugung, daß in der Aussprache die Verständigungsmöglichkeiten über dieses Problem noch nicht erschöpft sind. Wir bitten die Herren Außenminister dringend, notfalls unter Preisgabe verfestigter Ausgangspositionen neue konstruktive Lösungen der Sicherheitsfrage zu suchen. Um des Friedens unseres Volkes und um des Friedens der ganzen Will [sic!] willen bitten wir die Herren Außenminister im Bewusstsein letzter und tiefster Verantwortung, in dieser Frage zu gegenseitigen Opfern bereit sein. Die Evangelische Kirchen in Deutschland hat ihre Gemeinden aufgerufen, in diesen Wochen in den Gottesdiensten für ein gerechtes und friedliches Ergebnis der Konferenz zu beten. Sie weiß, dass Gott der Herr aller Herren allein die Geschicke der Völker lenkt. Sie legt die Zukunft unseres Volkes in Seine gerechte und gnädige Hand.
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41E Dokumente
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41E3. Bericht der Eherechtskommission der EKD an den Rat. Hemer, 1. März 1954 F: EZA Berlin, 2/4349 (H). Bericht über den Stand der Gesetzgebung auf dem Gebiet des Ehe- und Familienrechts, erstattet dem Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland auf einer Sitzung in Berlin am 11. Februar 1954. Es sind fünf Gesetzesmaterien in verschiedenen Stadien der Aktualität, über die zu berichten ist: 1.) der Familienrechtsgesetzentwurf 2.) das Ehegesetz, das das Kontrollratsgesetz vom Jahre 1946188 ablösen soll 3.) das Gesetz über die religiöse Erziehung der Kinder vom Jahre 1921189 4.) das Personenstandsgesetz vom Jahre 1875190 5.) der Komplex der Fragen des Eheschliessungsrechts, insbesondere der Zivilehe. Der hier vorgelegte Bericht trägt nur informatorischen Charakter und soll sowohl die Problemlage wie die gesetzgeberische Lage auf den einzelnen Gebieten in Kürze darstellen. 1. Das Familienrechtsgesetz. Der Gesetzentwurf, den das Bundeskabinett im Herbst 1952, dem Bundestag vorgelegt hat, ist bekanntlich vom Bundestag nicht bis zu dem verfassungsmässig geforderten Termin vom 31. 3. 1953 verabschiedet worden. Daher besteht sei[t] 1. 3. 1953 der sogenannte „gesetzlose Zustand“. Das heisst: Die Übergangszeit, während der nach Art. 117 BGG das bisher geltende Ehe- und Familienrecht noch weiter galt, auch sofern es dem Art 3, 2 widersprach, ist abgelaufen. Der Art. 3, 2 tritt in vollem Umfang in Kraft und bricht alles ihm entgegenstehende Recht. Welche Gesetzesbestimmungen davon betroffen sind, ist in zahlreichen Fällen zweifelhaft. Darüber eben hätte das neue Gesetz zu entscheiden gehabt. Nunmehr aber gibt es keine gesetzgeberische Entscheidung darüber, also kann darüber nur in jeweiligem Fall der Richter entscheiden. Das schafft weithin eine empfindliche Rechtsunsicherheit. Deshalb haben die Oberlandesgerichtspräsidenten auf ihrer letzten Konferenz in einem Schreiben an den Bundesjustizminister gebeten, alles zu tun, was zur Beendigung des gesetzlosen Zustandes führen könne. Das Bundesjustizministerium hat nun für den neuen Bundestag einen neuen Gesetzentwurf ausgearbeitet, der noch vor Ende 1953 unverändert vom Bundeskabinett angenommen worden ist. Dieser Entwurf ist im Gegensatz zu dem früheren nur noch auf den einen Gesichtspunkt der Angleichung an den Gleichberechtigungsgrundsätzen ein188 Kontrollratsgesetz Nr. 16 (Ehegesetz) vom 20. Februar 1946 (R. Hemken, Sammlung). 189 „Gesetz über die religiöse Kindererziehung“ (RGBl 1921, S. 939ff.). 190 „Gesetz über die Beurkundung des Personenstandes und die Eheschließung“ (RGBl 1875, S. 23–40).
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41. Sitzung Berlin, 11. Februar 1954
gestellt. Der zweite Gesichtspunkt des früheren Entwurfs, die Überführung des Kontrollratsehegesetzes von 1946 in innerdeutsches Recht ist fallengelassen worden, da sich hier Schwierigkeiten ergeben hatten; davon nachher unter 2. Andere Eigentümlichkeiten des neuen Entwurfs: a) formal begrüssenswerte Straffung in gesetzestechnischer und sprachlicher Hinsicht. b) material: α) § 1354. Alle gemeinsamen Angelegen- [sic!] der Ehegatten sind in gegenseitigem Einvernehmen zu regeln. Im Konfliktsfall sind die Ehegatten gehalten, sich zu einigen. Können sie sich nicht einigen, so entscheidet der Mann, wobei er auf die Auffassung der Frau Rücksicht zu nehmen hat. Entscheidung des Mannes ist nicht verbindlich für die Frau, wenn sie dem Wohle der Familie widerspricht. (Ein von der FDP vorgelegter Gesetzentwurf sieht ersatzlose Streichung von § 1354 vor.) β) § 1628. (Konflikt bei der Ausübung der elterlichen Gewalt): Bei Meinungsverschiedenheiten müssen die Eltern versuchen, sich zu einigen. Gelingt das nicht, so entscheidet der Vater. Er hat auf die Auffassung der Mutter Rücksicht zu nehmen. Das Vormundschaftsgericht kann der Mutter auf Antrag die Entscheidung einzelner Angelegenheiten übertragen, wenn das Verhalten des Vaters dem Wohl des Kindes widerspricht. γ) § 1629. Die Vertretung des Kindes steht dem Vater zu, der Mutter sofern sie allein die elterliche Gewalt ausübt. δ) Der gesetzliche Güterstand heisst nicht mehr Gütertrennung mit Zugewinnausgleich, (wovor die Kirchen gewarnt hatten) sondern „Zugewinngemeinschaft“. ε) Der alte Gesetzentwurf hatte vorgesehen, dass bei seinem Inkrafttreten die Alt-Ehen in personen- und güterrechtlicher Hinsicht automatisch unter die neuen Bestimmungen treten. Dagegen hatte die Kirchen Einspruch erhoben mit der Begründung, dass damit die Verfügungsgewalt des Staates über die Ehe und Familie zu weit getrieben werde. Dem gegenüber hatte man zunächst darauf verwiesen, dass das bei Inkrafttreten des BGB ebenso gewesen sei. Die Kirchen hatte[n] ihre Bedenken aber aufrecht erhalten und erneut zur Geltung gebracht. Der neue Gesetzentwurf (Art. 8, I Übergangsvorschriften) trägt dem nun wenigstens teilweise Rechnung, und zwar nicht in personenrechtlicher, wohl aber in güterrechtlicher Hinsicht. Zwar wird die Automatik aufrecht erhalten, aber die Möglichkeit geschaffen, dass bei Alt-Ehen durch Erklärung vor dem Amtsgericht innerhalb eines Jahres der bisherige Güterstand erhalten bleiben kann (Beispiel für wirksamen Einfluss der Kirche). Es wäre dringend zu wünschen, daß der neue Gesetzentwurf des Bundeskabinetts bald angenommen und damit der gesetzlose Zustand, der sich übrigens stärker zum Nachteil der Frauen ausgewirkt hat, beendigt würde. Nach Lage der Dinge kann bei weiterer Verzögerung wohl kaum Besseres erreicht werden.
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41E Dokumente
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Anmerkung zu Abschnitt 1.: Ein evangelischer Kreis, der vor kurzem in Mülheim im „Haus der Begegnung“ versammelt war, hat an die Eherechtskommission folgende Anregungen herangebracht: 1.) Dem Rat das Eintreten für ersatzlose Streichung des § 1554 BGB zu empfehlen. 2.) Dem Rat zu empfehlen, über § 1629 des neuen Gesetzentwurfs hinaus sich für die Vertretung des Kindes auch durch die Mutter einzusetzen. 3.) Dem Rat die Anregung zum weiteren Ausbau kirchlicher Eheberatungsstellen zu geben. Die Eherechtskommission legt dazu dem Rat folgende Stellungnahme vor: zu 1.) Sie kann dem Rat nicht empfehlen, über seine bisherige Stellungnahme hinaus, sich erneut und anders als bisher zu § 1354 zu äussern, zumal in dieser Stellungnahme das ersatzlose Wegfallen des § 1354 unter bestimmten Bedingungen als Möglichkeit bereits erwähnt ist. zu 2.) Die Vertretung des Kindes auch durch die Mutter erscheint der Kommission grundsätzlich als möglich und erwägenswert. Es muss der Entscheidung des Rates überlassen bleiben, ob er zu dieser Einzelheit glaubt Stellung nehmen zu sollen. zu 3.) Der weitere Ausbau evangelischer Beratungsstellen erscheint nach den Erfahrungen, die bisher z. B. in Hamburg, Hannover und Düsseldorf gemacht wurden, dringend empfehlenswert. Ein gemeinsamer Bericht der bisher bestehenden Beratungsstellen über ihre Erfahrungen könnte nützlich sein. (Evtl. durch Landgerichtsdirektor Dr. Blötz-Hamburg). 2. Das neue Ehegesetz. Da der Gesichtspunkt der Umwandlung des Kontrollratsgesetzes von 1946 in innerdeutsches Recht bei dem neuen Gesetzentwurf fallengelassen wurde, so ist zu diesem Zweck ein neuer Gesetzentwurf unter diesem Gesichtspunkt nötig geworden und wird z. Zt. vorbereitet. Hierzu wird eine Stellungnahme der Evangelischen Kirche zu gegebener Zeit unbedingt erforderlich sein. Denn es handelt sich dabei um wesentliche Fragen des Ehescheidungsrechtes. Das Kontrollratsgesetz von 1946191 beruht mit relativ geringfügigen Veränderungen auf dem nationalsozialistischen Gesetz von 1938192. Dieses hatte zum erstenmal neben dem Schuldgesichtspunkt bei der Ehescheidung das Zerrüttungsprinzip eingeführt. Dabei hatte zu schwerem Missbrauch (Konsensualscheidung) die Bestimmung geführt, dass eine Ehe als zerrüttet zu unterstellen sei, wenn die Ehegatten drei Jahre getrennt gelebt hatten. Die bedenklichste Vorschrift ist die des § 48/ 191 R. Hemken, Sammlung. 192 „Gesetz zur Vereinheitlichung des Rechts der Eheschließung und der Ehescheidung im Lande Österreich und im übrigen Reichsgebiet“ vom 6. Juli 1938 (RGBl I, 1938, S. 807– 822).
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55 Ehegesetz, wonach das Gericht unter Umständen den Widerspruch des schuldlosen Ehegatten gegen das Scheidungsverlangen des schuldigen Teils übergehen kann. Das Bundesjustizministerium hatte bereits 1952 die Stellungnahme der Eherechtskommission zu einem Entwurf erbeten, der damals schon diese Bestimmung des Kontrollratsgesetzes beseitigen wollte. Dieser Entwurf kam aber im alten Bundestag nicht zum Zug, weil dieser mit dem Familiengesetzentwurf nicht zur Verabschiedung kam. Das Wichtigste für die evangelische Kirche wird die Aufgabe sein, sich schlüssig zu werden, wie sie überhaupt zur Frage der Beibehaltung oder der Ausscheidung des Zerrüttungsprinzips sich stellen soll. Eine Änderung des bisher noch geltenden Rechts in diesem Punkt wird sie auf alle Fälle vertreten müssen. Eine endgültige Urteilsbildung wird erst nach Vorliegen des Gesetzentwurfs möglich sein. 3. Gesetz über die religiöse Erziehung der Kinder von 1921. Ein Entwurf zur Änderung dieses Gesetzes hatte das Justizministerium bereits 1952 ausgearbeitet und der Eherechtskommission zugeleitet mit der Bitte um Stellungnahme. Der Gesetzentwurf wurde jedoch zurückgehalten bezw. dem Bundeskabinett nicht vorgelegt, vermutlich um die Schwierigkeiten für die Annahme des Familienrechtsgesetzentwurfs nicht zu erhöhen. Es ist anzunehmen, dass er auch nicht wieder auftauchen wird, bevor der neue Gesetzentwurf angenommen ist. Man wird mit der Urteilsbildung warten dürfen, bis feststeht, ob zum Gesetz von 1921 der alte Entwurf oder ein neuer vorgelegt werden wird. 4. Änderung des Personenstandsgesetzes von 1875193. Abgesehen von den unter 6 zu behandelnden Fragen des Eheschliessungsrechtes wird bei der Änderung dies Gesetzes in erster Linie auf dessen § 8 zu achten sein. Dieser verlangte in der alten Fassung eine „würdige“ Ausgestaltung der standesamtlichen Eheschließung. Die nationalsozialistische Gesetzgebung hatte den Paragraphen verändert durch die Forderung einer „feierlichen“ Ausgestaltung der standesamtlichen Eheschliessung. Dies hatte in Theorie und Praxis offenkundig die Absicht einer Konkurrenz zur kirchlichen Trauung. Die Eherechtskommission empfiehlt diesen Punkt von vornherein im Auge zu behalten
193 „Gesetz über die Beurkundung des Personenstandes und die Eheschließung“ (RGBl 1875, S. 23–40).
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5. Fragen des Eheschliessungsrechtes, insbesondere der obligatorischen Zivilehe. Hierzu liegen gesetzgeberische Vorarbeiten noch nicht vor. Es ist auch noch nicht zu übersehen, ob dieser Fragenkomplex während der II. Legislaturperiode des Bundestags schon in das gesetzgeberische Stadium eintreten wird. Immerhin muss mit dieser Möglichkeit gerechnet werden. Bei der äusseren Verwickeltheit dieser Fragen kann eine Stellungnahme nicht kurzfristig erarbeitet werden. Deshalb hat die Eherechtskommission auf Grund eines ihr erteilten Auftrags des Rates sich in ihrer letzten vier Sitzungen hauptsächlich mit diesen Fragen befasst und das bisherige Ergebnis ihrer Vorarbeiten in dem Band „Weltliche und Kirchliche Eheschliessung“, „Glaube und Forschung“ Band 6, Freizeiten-Verlag Gladbeck-Westf. vorgelegt. Von katholischer Seite liegen an nicht amtlichen und amtlichen Äusserungen im wesentlichen folgende vor: Professor Dr. Bosch-Bonn hatte in seiner Schrift „Familienrechtsreform“194 bereits 1952 die Forderung erhoben, die derzeitige Ordnung der obligatorischen Zivilehe zu Gunsten einer Wahl zwischen standesamtlicher und kirchlicher Eheschliessung aufzuheben, dafür eine Reihe von Vorschlägen gemacht, und in einer ausgedehnten Vortragstätigkeit propagiert. Neuerdings hat er sogar die Auffassung vertreten, der gesetzlose Zustand gebe jetzt schon die Möglichkeit kirchlicher Eheschliessungen mit bürgerlicher Rechtswirkung. Diese Auffassung hat sich allerdings, soweit ich zu sehen vermag, keine kirchenamtliche Stelle zu eigen gemacht. Die Forderung fakultativer Kirchlicher Eheschliessung ist sodann von dem Vorsitzenden der Fuldaer Bischofskonferenz in Ansprachen mündlich vertreten worden. Anfang letzten Jahres hat Kardinal Frings namens der Fuldaer Bischofs-Konferenz ein Schreiben an den Bundestagspräsidenten gerichtet, in dem das Verlangen der Bischöfe auf Einführung einer fakultativen kirchlichen Eheschliessung ausgedrückt wird. Soweit sich ermitteln liess, denkt man sich auf katholischer Seite den neuen Modus folgendermassen: 1.) Der Standesbeamte prüft in jedem Fall, ob bürgerliche Ehehindernisse (oder solche des internationalen Privatrechts) vorliegen. Im negativen Fall stellt er darüber eine Bescheinigung aus. 2.) Nach Vorlage dieser Bescheinigung vor dem katholischen Pfarramt findet die kirchliche Eheschliessung nach den kanonischen Bestimmungen statt. 3.) Die vollzogene Eheschliessung wird dem Standesbeamten zur Eintragung in das standesamtliche Register mitgeteilt. Die öffentlich-rechtliche Registrierung der Ehen soll also nach wie vor beim Standesbeamten bleiben.
194 F. W. Bosch, Familienrechtsreform.
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4.) Über die vielleicht wichtigste Frage, ob durch die Möglichkeit kirchlicher Eheschliessung zwei Ehetypen mit verschiedenem Rechtsstatus entstehen sollen, ob also die kirchlich geschlossenen Ehen etwa ausschliesslich unter dem Status des kanonischen Rechts stehen sollen, scheint man auf katholischer Seite zu Verhandlungen mit dem Staat bereit zu sein. Offenbar will man in dieser Frage von den Möglichkeit Gebrauch machen, die can. 1016 des codex bietet. („salva competentia civilis potestatis circa mere civiles eiusdem matrimonii effectus“). Die vorliegende, rechts- und kirchengeschichtliche Analyse hat gezeigt, wie aussergewöhnlich verwickelt die Dinge liegen. Es ist für die evangelische Kirche viel schwerer als für die katholische, hier etwa eine Forderung anzumelden. Der katholische Wunsch ist in sich selbst klar: Möglichkeit einer Eheschliessung nach kanonischem Recht. Eine ähnlich klare Forderung liegt auf evangelischer Seite offenbar nicht vor. Man kann geradezu die Gegenfrage formulieren: soll die evangelische Kirche, falls eine kommende Gesetzgebung die Möglichkeit kirchlicher Eheschliessung bringt, davon Gebrauch machen? Diese Frage lediglich unter dem Gesichtspunkt der Parität von vornherein zu bejahen, wäre voreilig. Man wird deshalb eine grundsätzliche Urteilsbildung vorschalten müssen, schon um nicht in Abhängigkeit von den katholischen Wünschen im pro oder contra zu geraten. Man wird also nicht unter taktischen und situationsmässigen Gesichtspunkten einsetzen dürfen: wie hat die obligatorische Zivilehe sich seit ihrem Bestehen ausgewirkt? Welche Folgen könnte ihre etwaige Abschaffung nach sich ziehen? Diese Fragen haben ihr hohes Gewicht an ihrer Stelle. Sie dürfen aber nicht von vornherein herein ausschlaggebend sein. Von dieser Erwägung geleitet, hat die Eherechtskommission in ihrer letzten Sitzung vom 29.–31. Januar 1954 in Fulda versucht, von der historischen Analyse den Übergang zur systematische[n] Urteilsbildung zu gewinnen. Zu diesem Zweck hat sie sich folgende Fragen vorgelegt und zu beantworten gesucht: 1.) Bestehen für die evangelische Kirche theologisch zwingende Gründe, sich gegen die obligatorische Zivilehe zu wenden? Sie müsste dann ihre bisherige tatsächliche Stellung revidieren, die seit 1875 nie grundsätzlich klar war. Die Schwierigkeit besteht darin, dass nicht alles, was Luther zu Ehe und Eheschliessung als „weltlich Ding“ gesagt hat, heute unmittelbar auf das Problem der obligatorischen Zivilehe bezogen werden kann. Dass die Eheschliessung als solche keine Handlung der Kirche ist, hat nicht nur Luther gelehrt, sondern auch die katholische Kirche durch das ganze Mittelalter hindurch, ja bis zum Tridentinum hin anerkannt. Sie hat zwar kirchenrechtlich zunehmend die Eheschliessung vor dem Pfarrer gefordert, damit aber nur verlangt, dass ein weltlicher Rechtsakt, der ursprünglich dem Sippenbereich angehörte, in Personalunion durch den Priester vollzogen würde. (So auch noch die Sicht in Luthers Traubüchlein). Es ist aber zu fragen,
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ob die seit 1875 im Deutschen Reich geltende obligatorische Zivilehe identisch ist mit einer weltlichen Eheschliessung im mittelalterlichen oder reformatorischen Sinn. Die heutige obligatorische Zivilehe ist eben nicht nur „des Landes Sitte und Brauch“, sondern die Forderung des Staates, der damit den Anspruch erhebt, seinerseits ausschließlich die Form der Eheschliessung zu bestimmen. Diesen Anspruch hat erst der moderne Staat erhoben. Die Frage stellt sich also so: Ist theologisch zu urteilen, dass der heutige Staat mit der Forderung der obligatorischen Zivilehe seine Grenzen überschreitet und einen Souveränitätsanspruch erhebt, der ihm nicht zusteht? Die Beantwortung dieser Frage wird nicht davon abhängen, wie man überhaupt den heutigen Staat konkret die Bundesrepublik in dieser Hinsicht beurteilt. Kommt man zu dem Urteil, dass dieser Staat im Wesentlichen noch die Struktur des (virtuell) absoluten Staates hat, so könnte dies ein theologisch zwingender Grund sein, sich gegen die obligatorische Zivilehe zu wenden. Dann muss man allerdings wissen, was man tut, dass man nämlich gegenüber dem heutigen Staat am Punkt der Zivilehe eine Kampfansage erhebt. Betrachtet man die Frage dagegen lediglich als eine Einzelposition, so besteht kaum ein zwingender theologischer Grund, die Abschaffung der obligatorischen Zivilehe zu fordern. (Hier ist noch eine Einzelfrage zu erwägen): Sollte die evangelische Kirche dafür eintreten, dass die bestehende Strafandrohung für den Geistlichen, der ohne Bescheinigung der Zivileheschliessung eine Trauung vollzieht, entweder abgeschafft oder mindestens in eine Ordnungsstrafe verwandelt würde. Die Strafandrohung ist übrigens im Dritten Reich noch erheblich verschärft worden. 2.) ist zu fragen: Bestehen zwingende theologische Gründe, für Beibehaltung der obligatorischen Zivilehe einzutreten? Diese Frage wurde z. B. vom sog. Kulturprotestantismus bejaht, der in der Zivilehe so etwas wie eine Frucht der Reformation sah. Diese Beurteilung wird man sich heute nicht mehr zu eigen machen können. Man wird also von zwingenden theologischen Gründen für die obligatorische Zivilehe nur dann sprechen können, wenn sich zwingende theologische Gründe gegen eine kirchliche Eheschliessung ergeben sollten (s. u.). 3.) Die Frage einer etwaigen Rückkehr zur obligatorischen kirchlichen Eheschliessung, wie vor 1875, ist nicht aktuell, da eine solche weder von der evangelischen, noch von der katholischen Kirche als möglich und wünschenswert betrachtet wird. 4.) Bestehen zwingende theologische Gründe für eine fakultative kirchliche Eheschliessung? Die katholische Kirche bejaht diese Frage dogmatisch auf Grund ihrer Lehre vom Ehesakrament und rechtlich auf Grund des kanonischen Rechts. Eine analoge Bejahung ist auf evangelischer Seite nicht möglich. Aber ist die Frage etwa aus anderweitigen Gründen zu bejahen? Etwa aus Toleranzgründen? Sollen wir in Anerkennung der Tatsache, dass auf
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katholischer Seite zwingende theologische Grunde bestehen, aus Billigkeitsgründen dafür eintreten, dass man ihr zuliebe die Möglichkeit kirchlicher Eheschliessung bietet? Das setzt natürlich voraus, dass man eine solche theologisch für möglich hält. Es ist aber auch zu fragen, ob die evangelische Kirche damit in einer allzu bequemen Toleranz der katholischen Kirche nicht die Bezeugung des reformatorischen Wortes gegen das kanonische Recht schuldig bleibt. Ein theologisch zwingender Grund für kirchliche Eheschliessung bestände nur dann, wenn man sagen könnte: Erst die kirchliche Eheschliessung bringt a) das Wesen der Ehe oder b) das Wesen, der kirchlichen Trauung zum Ausdruck, falls beide durch die obligatorische Zivileheschliessung verdeckt werden. Zu a): Die erste Frage kann nicht bejaht werden: Denn nach dem Neuen Testament ist auch die Ehe von Heiden eine vollgültige Ehe. Ein heidnisches Ehepaar bedarf keiner neuen Eheschliessung, wenn es zur christlichen Kirche übertritt. Dass versteht es allerdings seine Ehe anders [sic!], aber es wird durch dies neue Verständnis der Ehe nicht erst zur Ehe [sic!]. Zu b): Wird das Wesen der kirchlichen Trauung erst dann sichtbar und erfüllt, wenn sie selbst Eheschliessung ist? Nur dürfte es heute nicht leicht sein, innerhalb der evangelischen Kirche eine einheitliche Auffassung vom Wesen der kirchlichen Trauung herbeizuführen. Es ist auch nichts möglich, in diesem Rahmen dies viel umstrittene Problem aufzurollen. Es werden drei Momente zu unterscheiden sein, deren jedes zur Trauung gehört, bei denen aber zu fragen sein wird, welches das Beherrschende ist, das keinesfalls fehlen darf. Stichwortartig: a) benedictio und precatio b) predicatio c) coniunctio d) votum Der Konsensus ist dabei nach geltendem Recht als bei der standesamtlichen Eheschliessung vollzogen, vorausgesetzt. Die Eherechtskommission hat nach längerer Beratung der Auffassung zugeneigt, dass das zentrale Moment bei der kirchlichen Trauung die coniunctio ist. Der Sinn der coniunctio ist durch die liturgische Formel: „ego coniugo vos“ vielfach verdeckt worden, zumal diese in der Zeit der obligatorischen kirchlichen Eheschliessung leicht missverstanden werden konnte. Die coniunctio ist aber nicht der Consensus selbst, sondern schliesst ihn höchstens ein oder nimmt ihn auf. In der coniunctio wird den Ehegatten im Namen Gottes zugesprochen, dass ihre oft allzu menschlich zustande gekommene Ehe für sie die Gnadengabe Gottes ist, die nunmehr über alle menschlichen Bedenken und Bedenklichkeiten hinweg Gottes Setzung und Gabe ist. A posteriori wird ihnen zugesichert, dass in ihrem freien Consensus, bei dem sehr fragwürdige Momente mitgespielt haben mögen, doch Gott sie zusammengefügt hat. Ihre ge-
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schlossene Ehe tritt sozusagen in eine neue Dimension dadurch, dass sie bekennen, sie aus Gottes Hand zu empfangen. Dies wird bezeugt in dem Ineinander von predicatio, precatio und benedictio; darauf bezieht sich das vorum [sic!] der Ehegatten, in dem sie bekennen, die durch ihren Consensus begründete Ehe aus Gottes Hand als ihnen von Gott und nicht nur vom Menschen gesetzte Bindung und Ordnung zu verstehen. Versteht man die kirchliche Trauung etwa so, dann wird man nicht sagen können, dass diese kirchliche Trauung durch eine vorgeschaltete Zivileheschliessung verdeckt und verdunkelt wäre. Steht es aber so, dann besteht kein theologisch zwingender Grund zu der Forderung, die kirchliche Trauung zur kirchlichen Eheschliessung zu machen. 5.) Nun könnten freilich andere als theologisch zwingende Gründe für die evangelische Kirche bestehen, für eine fakultative Zivilehe einzutreten. Diese wären aber nur dann theologisch legitim und vertretbar, wenn eine solche nicht durch zwingende theologische Gründe ausgeschlossen, also theologisch grundsätzlich möglich ist. Ist es also theologisch möglich, auf das Handeln der Kirche an den Eheleuten bürgerliche Rechtswirkung zu gründen oder sie mit diesem Handeln zu verbinden? Man könnte versucht sein, etwa zu sagen: Der rein geistliche Charakter der kirchlichen Trauung wird dadurch gefährdet, dass rechtliche Wirkungen mit ihr verbunden werden. Man wird dann auch die Gegenfrage hören müssen, ob in diesem Urteil nicht eine Spiritualisierung vorliegt, die evangelischer Nüchternheit ermangelt. Es wird dabei sehr wesentlich darauf ankommen, auf welche Weise bei etwaigen Vereinbarungen mit dem Staat die bürgerlichen Rechtswirkungen der kirchlichen Eheschliessung zu Stande kommen. Man wird zunächst beiderseits wohl ohne Schwierigkeiten darin übereinkommen, dass die Vorbereitung der Eheschliessung (Aufgebot) sowohl vom Standesamt wie vom Pfarramt der Gemeinde durchgeführt werden kann. Und ebenso, dass die [sic!] entsprechend dem katholischen Vorschlage, die Prüfung der bürgerlich-rechtlichen Ehehindernisse durch den Standesbeamten geschieht. Für die Verbindung positiver bürgerlicher Rechtsfolgen mit der kirchlichen Handlung kämen etwa folgende Möglichkeiten in Betracht: 1.) Delegierung: Der Staat delegiert generell an sämtliche kirchlichen Amtsträger die Rechte des Standesbeamten. Dann handelt der Pfarrer in Personalunion doppelt: Kraft staatlicher Delegation handelt er bürgerlich-rechtlich, und kraft seines kirchlichen Amtes handelt er geistlich. Bei dieser Konstruktion müsste jedenfalls deutlich markiert werden, wo die Grenze dieser beiden Modi des Handelns liegt. Kirchlich gesehen würde diese Lösung allerdings weniger die Einführung einer kirchlichen Eheschliessung als die Beibehaltung der obligatorischen Zivilehe bedeuten, nur dass diese auch vor dem Pfarrer als Standesbeamten geschlossen werden kann. Grundsätzlich ist die Kirche an einer solchen Lösung daher nicht interessiert, ja es erscheint fraglich, ob sie sie hineinnehmen könnte.
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2. Substituierung. Hier würde von der Kirche beansprucht, dass sie, historisch gesehen, in langen Zeiträumen Ehe durch ihre Zeugenschaft begründet habe und dass dies auch in der Gegenwart in vielen politischen Bereichen geschehe. Der Staat würde einräumen, dass dies der Fall sei und für ihn zu keinen Unzuträglichkeiten führen müsse. Er würde einverstanden sein, dass dies auch in seinem Bereich geschehe und an Stelle des Standesbeamten der kirchliche Amtsträger substituiert werden könne. Diese Möglichkeit erscheint rein positivistisch-politisch. Der kirchliche Amtsträger würde damit in eine gewisse Analogie zum Notar treten, vor dem Rechtsgeschäfte mit bürgerlicher Wirkung getätigt werden können. Diese Lösung bedeutet keine grundsätzliche Klarheit, kann deswegen praktisch leicht zur Verwirrung und Missdeutung führen, die schwerer zu vermeiden sein wird als bei 1.) 3.) Anerkennung. Diese Möglichkeit geht aus von der vorhin entwickelten Auffassung von der kirchlichen Trauung als conuunctio [sic!]. Diese ist, wie wir sahen, nicht Consensus, schliesst dieser [sic!] aber sozusagen ein; ohne den Consensus zu enthalten ist die coniunctio unmöglich. Auf Grund dieser Auffassung würde der Staat anerkennen, dass in der kirchlichen coniunctio der Consensus involviert ist. Das würde bedeuten: Der Staat hält es nicht für notwendig, dass der Consensus ausdrücklich vor seinem Forum vollzogen wird, da er implizit in der kirchlichen Handlung enthalten ist. Um der Sauberkeit dieser Lösung willen, müsste die Kirche fordern (und nicht nur dem Staat zubilligen), dass die Prüfung bürgerlicher Ehehindernisse durch den Standesbeamten geschieht, das Aufgebot im staatlichen wie im kirchlichen Raum erfolge und die in der Kirche vollzogene implizite Eheschliessung dem Standesbeamten mitgeteilt würde. Es beständen keine Bedenken dagegen, dass die bürgerlichen Rechtswirkungen erst mit der Eintragung in das standesamtliche Register eintreten unter der Voraussetzung, dass diese Eintragung auf Grund der Mitteilung des Pfarrers erfolgt. Diese Lösung könnte nach der Meinung der Eherechtskommission eine theologisch legitime und dem evangelischen Verständnis von Ehe und kirchlicher Trauung gemässe Form sein. Doch soll ausdrücklich hinzugefügt worden, dass dies Urteil als ein vorläufiges betrachtet sein möchte, das noch weiterer Prüfung bedarf. Dieses wird vor allen Dingen auch die Frage nach dem Zusammenhang von Ehe, Trauung und Gemeinde noch stärker als es bisher geschehen konnte, im Auge behalten. Die Eherechtskommission hat sich diese Frage ihrerseits gestellt, aber geglaubt, dass sie mehr am Rande ihrer Obliegenheiten stehe. Auch wird eine endgültige Stellungnahme für die einstweilen noch genügend Zeit zur Verfügung steht, sich an den konkreten Formulierungen orientieren müssen, welche einerseits, die Konkretisierung der katholischen Ziele, andererseits die etwa einsetzende gesetzgeberische Arbeit bringen wird. gez. Friedrich K. Schumann
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41E4. Schreiben Niemöllers an den Ratsvorsitzenden. Wiesbaden, 8. April 1954 F: EZA Berlin, 4/411 (Abschrift). Sehr geehrter Herr Bischof! In der Anlage195 schicke ich Ihnen ein Schreiben zu, das aus irgendwelchen, mir unbekannten Gründen Ende Februar 1954 nicht zur Absendung an Sie gelangt ist. Das Schreiben als solches hat sich inzwischen erledigt; und ich habe leider versäumt, meinen Bemerkungen zu der Frage der Entsendung von Delegierten bezw. der Entsendung von Ersatzdelegierten nach Evanston im Rat den Antrag mitzugeben, meine Bemerkungen in das Protokoll aufzunehmen. Ich will aber wenigstens bei meinen Akten den Tatbestand festgehalten haben, und ich stelle fest: Der Rat der EKD hat den Vorschlag der Ev. Kirche im Rheinland, an Stelle von Herrn Dr. Karrenberg Herrn Oberkirchenrat Beckmann nach Evanston zu entsenden, abgelehnt. Der Rat der EKD hat den Vorschlag des Herrn Bischofs D. Meiser, an seiner Stelle den Oberkirchenrat Schmidt aus München nach Evanston zu schicken, angenommen, und ich möchte zum Dritten auch festgehalten haben, daß der Platz, der durch den Verzicht des Herrn Kirchenpräsidenten D. Stempel auf seine Delegierung nach Evanston für einen Delegierten aus der DDR freigegeben wurde, durch eine in West-Berlin tätige Diakonisse ersetzt worden ist. Ich gedenke, dieses Verhalten des Rates gelegentlich der nächsten Tagung der Evangelischen Konferenz zur Verhandlung zu bringen und hielt mich für verpflichtet. Ihnen dies mitzuteilen Mit freundlichen Grüssen Ihr gez. Niemöller
41E5. Schreiben Niemöllers an den Ratsvorsitzenden. Wiesbaden, 22. Februar 1954 F: EZA Berlin, 4/411 (Abschrift, Anlage zu 41E4). Sehr geehrter Herr Bischof! Infolge Ausfalls der Flugzeuge von Frankfurt nach Berlin in der vorvergangenen Woche ist es mir leider nicht möglich gewesen, zur Ratssitzung rechtzeitig nach Berlin zu kommen. 195 41E5.
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Ich lese jetzt im Protokoll der Ratssitzung, daß zwei Plätze, die westdeutschen Kirchen zugestanden haben, durch den Rat anderweitig und entgegen dem Vorschlag der einen zuständigen Kirche vergeben worden sind. Ich erhebe in aller Form gegen diesen Ratsbeschluß Einspruch. Wenn wir westdeutschen Kirchen nicht mehr Vorschläge machen können, die dann auch vom Rat nicht einfach überstimmt werden, dann sehe ich nicht ein, inwiefern der Rat die lutherischen Vorschläge aus der VELKD einfach passieren läßt. Ich verlange vom Rat, daß er die Kirchen in Deutschland nicht verschieden behandelt und auf die unierten Kirchen mindestens ebenso viel Rücksicht nimmt, wie auf die sogenannten lutherischen. Wenn zu Gunsten der Kirchen innerhalb der DDR Plätze frei gemacht werden sollen, so müßte das in Berlin geschehen, weil die einzige Kirche, die weit über Gebühr und Bedeutung in der Delegation vertreten ist, die berlin-brandenburgische Kirche ist. – Ich werde mir erlauben, in der nächsten Ratssitzung eine entsprechend Erklärung zu Protokoll zu geben. Mit freundlichen Grüssen gez. D. Niemöller
41E6. Schreiben Dibelius’ an Niemöller. [Berlin], 10. April 1954 F: EZA Berlin, 4/411 (D). Mein lieber Bruder Niemöller! Wegen der Delegierung für Evanston möchte ich nicht in eine schriftliche Auseinandersetzung mit Ihnen eintreten. Ich möchte nur auf Ihren Brief196 hin auch meinerseits aktenkundig machen, wie ich die Sache ansehe, damit nicht später Mißverständnisse entstehen. 1. Der Rat hat es den drei in seiner Mitte bestehenden Kirchentypen überlassen, entsprechend ihrem zahlenverhältnis Vorschläge für die amtliche Delegation zu machen. An der Spitze des lutherischen Vorschlages stand D. Meiser. Dieser bat, für den Fall seiner Behinderung ein anderes geistliches Mitglied seines Landeskirchenamtes, nämlich den Oberkirchenrat Schmidt zu entsenden. Dem ist zugestimmt worden. Ein Gleiches wäre ohne Frage bei jedem anderen Mitglied des Central Committee, also auch bei Ihnen und bei mir, wenn dazu die Anregung gegeben worden wäre. 2. Als die Liste feststand, hat Dr. Karrenberg verzichtet. Das Rheinland hat statt seiner Dr. Beckmann vorgeschlagen. Damit aber wurde das sorgfältig ausgehandelte Verhältnis von Theologen und Laien gestört. Wäre Beck196 41E5.
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mann von Anfang an nominiert worden, hätten die unierten Kirchen zweifellos an anderer Stelle statt eines Theologen einen Laien nominiert. Deshalb hat der Rat beschlossen, Dr. Kreyssig zu entsenden. Er durfte annehmen, daß Beckmann auf andere Weise nach Evanston kommen werde. 3. Endlich hat D. Stempel in einem Telegramm197 „zugunsten eines unierten Laien aus Ostzone oder Professors Ernst Wolf“ verzichtet. Da bemängelt worden war, daß überhaupt keine Frau für Evanston vorgesehen sei, beschloß der Rat, eine Diakonisse zu entsenden und überließ die Auswahl dem Ratsvorsitzenden. Dieser bemühte sich ernstlich um eine Diakonisse, die des Englischen mächtig sei. Nachdem andere Anfragen nicht zum Ziel geführt hatten, entscheid er sich für eine Diakonisse, die bisher im Osten gearbeitet hatte, seit kurzem in Westberlin unmittelbar an der Zonengrenze stationiert ist und deren Arbeitsbezirk in die Ostzone hinübergreift. Der Rat ist m. E. bemüht gewesen, bei allen diesen Nominierungen die verschiedenen Kirchentypen gleichmäßig zu behandeln. Mit herzlichem Gruß Ihr getreuer gez. Dibelius
41E7. Vertraulicher „Bericht über die wirtschaftliche Lage der östlichen Gliedkirchen“. O. D. F: EZA Berlin, 4/990 (D) 1. Seit 1945 ist die ungünstige Entwicklung der wirtschaftlichen Lage der östlichen Gliedkirchen wiederholt geschildert worden. Diese Entwicklung beruht einerseits auf der Umstellung der gesamten Lebensverhältnisse in der Deutschen Demokratischen Republik und zum anderen auf der Behandlung, welche die kirchlichen Belange durch die staatlichen Stellen erfahren haben. Diese Tatsachen sind bekannt. Es sei hier nur daran erinnert, daß das gesamte auf Konten ruhende Geldvermögen der Kirche 1945 infolge der Bankenschließung verloren ging und daß im Jahre 1948 neue Krisen durch die Währungsumstellung eintraten. Nach der Bildung der Deutschen Demokratischen Republik und dem politischen Untergang der Länder haben die Gliedkirchen unter mannigfacher finanzieller Bedrückung zu leiden gehabt. Entgegen allen zu Gunsten der Kirche sprechenden Verfassungsbestimmungen liegt es allem Anschein nach im Zuge der „gesellschaftpolitischen Entwicklung“, den wirtschaftlichen Status der Kirche zu verkürzen. Besonders nachteilig war auch die Agrarpolitik für die kirchlichen Interes197 Telegramm vom 10. Februar 1954 (EZA Berlin, 4/411).
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sen hinsichtlich der Pachtländereien und der kirchlichen Eigenwirtschaft. Die Ereignisse des Juni 1953 haben zwar auf Teilgebieten eine vorübergehende Erleichterung gebracht. Zur Zeit ist die finanzielle Lage der östlichen Gliedkirchen aber auch im Ausblick auf das Jahr 1954 so ernst, daß alle Wege geprüft werden müssen, auf denen eine Abhilfe möglich ist. 2. Eine Hauptsorge der kirchlichen Haushalte ist die Besoldung und Versorgung der Amtsträger. Sie ist abhängig von den allgemeinen Preisen. In den vergangenen Jahren war die Besoldung und Versorgung offensichtlich zu gering, um einen hinreichenden wirtschaftlichen Lebensstandard zu gewährleisten. Am 24. Oktober 1953 ist nun in der Deutschen Demokratischen Republik die bisher umfassendste Preissenkung verkündet worden. Demnach ergeben sich folgende Preise für Lebensmittel (in kg): Rindfleisch Schweinefleisch Kalbfleisch 1 Bockwurst 100 gr. Würstchen 1 kg Schinken 1 kg Kaßler 1 Ltr. Milch 1 kg Schmalz Margarine 1 Paar Werkstoffschuhe Gr. 36–39 1 " Damenlederschuhe 1 " Herrenlederschuhe 1 m Anzugstoff, Kammgarn/Zellwolle 1 Herrenanzug/Zellwolle 1 Kinderwagen
10,80 DM 11,20 – 13,50 DM 12,50 – 18.– " 1,25 DM 1,35 " 20,30 " 12,60 " 1,60 " 13.– " 7.– " 58,50 " 80.– – 90.– DM 120.– DM 12,40 DM 106.– " 150.– "
Diese Preise müssen in den HO-Geschäften gezahlt werden. Daneben stehen diejenigen Lebensmittel, die auf Karten bezogen werden können. Der Normalverbraucher erhält monatlich in Ost-Berlin 1300 gr. Fett auf Karten, dies zusammengesetzt aus ⅓ Butter und ⅔ Margarine und Schlachtfett, Preis 4.– DM 1500 gr. Zucker 1,74 " 2000 gr. Fleisch 12.– " 1 Ztr. zugeteilte Kartoffeln 5.– " wobei allerdings zu betonen ist, daß z. Zt. eine außerordentliche Kartoffelknappheit herrscht. 500 gr. Kohl 0,25 " 1 Kopf Blumenkohl 1,20 " 500 gr. Kaffeersatz 0,47 "
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500 gr. Nährmittel 500 gr. Mehl
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0,80 " 0,30 "
Eine vierköpfige Familie würde hiernach rd. 80.– DM zum Bezug der Lebensmittelkarten benötigen. Die Kinder erhalten etwas höhere Rationen, so daß rd. 100.– DM für eine solche Familie angesetzt sind. Jedermann ist aber genötigt, im HO Lebensmittel zusätzlich zu kaufen, so daß eine sehr wesentliche Erhöhung der gesamten Ausgaben allein für die Ernährung eintritt. Um in Ostberlin einigermaßen leben zu können, braucht eine vierköpfige Familie durchschnittlich 550.– – 600.– DM, wobei aber keine größeren Anschaffungen für Textilien oder Schuhe berücksichtigt sind, von Möbeln ganz abgesehen. Der Normalverbraucher in der Deutschen Demokratischen Republik erhält etwas geringere Zuteilungen auf Lebensmittelkarten als wie oben für Ost-Berlin angegeben. Er ist daher in noch größerem Maße genötigt, übermäßig verteuerte Lebensmittel in den HO-Geschäften zu kaufen. Die Textil und Schuhpreise sind für einigermaßen brauchbare Qualitäten weit überhöht. Z. B. müssen für einen Maßanzug 500.– DM, für einen Mantel 600.– eingesetzt werden. Kinderkleider müssen mit 30 bis 50 DM, Kinderstiefel mit 20 bis 50 DM, 1 Bettbezug und 1 Kopfkissen mit 168.– DM bezahlt werden. Diese Beispiele machen deutlich, daß die aktiven Amtsträger der Kirche ebenso wenig wie die Ruheständler und Hinterbliebenen, die zur Zeit in der Regel höchstens 60 % ihrer Bezüge (d. h. der Ruheständler – 300 bis 330 DM, die Witwe – 200 DM) erhalten, in der Lage sind, zu diesen „verbilligten“ Preisen das für ihren Lebensunterhalt Notwendige zu kaufen. Noch in besonderem Grade gilt dies von den geringer besoldeten kirchlichen Angestellten und den Katecheten, die durchschnittlich mit 200,– DM monatlich leben müssen. Die Kirche wird nicht umhin können, die Besoldung dieser Mitarbeiter aufzubessern. Geschieht dies nicht, so wird sich die Abwanderung in andere Berufe fortsetzen. Dadurch ist auch die Christenlehre gefährdet, die zur Zeit mehr als 2 Millionen Kinder von rd. 15000 haupt- und nebenamtlichen Katecheten erteilt wird. Als ein dringendes Bedürfnis erweist es sich aber auch immer mehr, den jüngeren Pfarrerfamilien, die von Anfangsgehältern leben, bei der ersten Einrichtung des Haushalts Hilfe zu leisten. Schließlich muß der nun seit 8 Jahren bestehenden Not der Ruheständler und Hinterbliebenen abgeholfen werden. Der Versuch, die weitergehende Kürzung der Versorgungsleistungen damit zu rechtfertigen, daß der Staat die aus der Zeit vor 1945 stammenden weltlichen Amtsträger noch schlechter behandelte, war niemals überzeugend. Inzwischen ist die Versorgung verschiedener Gruppen des weltlichen öffentlichen Dienstes (vor allem der Volksschullehrer und der sogenannten Intelligenz ganz wesentlich
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– auf 600 bis 800 DM monatlich –) verbessert worden. Es muß daher auch von der Kirche ernstlich geprüft werden, ob sie nicht im nächsten Rechnungsjahr ihre Versorgungszahlungen steigern kann. Eine solche Maßnahme müßte alle Versorgungsberechtigten umfassen. Eine dem staatlichen Verfahren entsprechende Teilung zwischen den alten Pensionären aus der Zeit vor 1945 und den seitdem in den Ruhestand versetzten Amtsträgern ist im Raum der Kirche unmöglich. 3. Die Haushaltspläne der östlichen Gliedkirchen ergeben deutlich, aus welchen Gründen die so dringlich notwendigen Anpassungen der kirchlichen Besoldungs- und Versorgungszahlungen an die geänderten wirtschaftlichen Verhältnisse bisher nicht möglich war. In einer Landeskirche mit einem Gesamtetat von rd. 13 Millionen DM und einem zentral zusammengefaßten Besoldungsaufwand von 7,2 Millionen DM betragen die Ausgaben für die um 50 % bezw. 45 % gekürzte Versorgung der Ruheständler und Hinterbliebenen rd. 1,48 Millionen DM. Daneben müssen 947.000 DM für die Christenlehre aufgebracht werden. (Das Niveau der Pfarrbesoldung liegt in dieser Kirche höher als das in anderen Kirchen übliche, von 4.400 DM bis 7.800 DM steigende Grundgehalt. Die Auszahlungshöhe von 50/55 % entspricht daher etwa 60 % der Versorgung bei Zugrundelegung des sonst üblichen Grundgehalts). In einer anderen Landeskirche mit einem Gesamtetat von 11,2 Millionen DM betragen die Ausgaben für die um 40 % gekürzte Versorgung des Pfarrerstandes rd. 2,8 Millionen DM, der Aufwand für die Christenlehre rd. 2,5 Millionen DM. In einer dritten Landeskirche mit einem Gesamtetat von 6,6 Millionen DM und einem Besoldungsaufwand von 4,7 Millionen DM müssen von dem Gesamtbedarf für die Christenlehre in Höhe von über 1,15 Millionen DM mehr als 600.000 DM aus landeskirchlichen Mitteln aufgebracht werden. Für die Versorgung der Ruheständler und Hinterbliebenen können in dieser Kirche nur Pauschalbeträge von höchstens 250,– DM für die Ruheständler und höchstens 170.– DM für die Hinterbliebenen, insgesamt jährlich 484.000 DM ausgegeben werden. In einer weiteren Landeskirche kostet die gesamte Christenlehre bei 268 Katecheten 584.000 DM, von denen aus Haushaltsmitteln 371.000 DM aufgebracht werden müssen. Schließlich seien noch die Zahlen aus einer Landeskirche mit einem Gesamtetat von 13,9 Millionen DM und einem landeskirchlichen Besoldungsaufkommen von 5,7 Millionen DM genannt. Hier werden für die Versorgung der Ruheständler und Hinterbliebenen bei 50%iger Kürzung der gesetzlichen Bezüge 2,1 Millionen DM ausgegeben. Dagegen kostet die Besoldung der 1282 Katecheten 3,3 Millionen DM, wovon nur 0,5 Millionen aus der Christenlehregebühr aufgebracht werden. Der Rest muß im wesentlichen aus Haushaltsmitteln zur Verfügung gestellt werden, da das Auf-
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kommen aus der früheren Haus- und Straßensammlung in Höhe von 1 Million DM in Zukunft ausfallen wird. Aus diesen Beispielen geht u. E. eindeutig hervor, daß die landeskirchliche Haushaltwirtschaft der östlichen Gliedkirchen durch die früher unbekannte Finanzierung der Christenlehre einseitig überlastet ist. Zu ihren Gunsten sind die Zahlungen an die Versorgungsberechtigten außerordentlich stark gedrosselt worden. Insgesamt betragen die Haushaltausgaben aller Landeskirchen für die Christenlehre mehr als 6,1 Millionen DM jährlich. Das gesamte Ausgabesoll der östlichen Gliedkirchen beträgt zur Zeit 63,3 Millionen DM. Es müssen also etwa 10 % der Haushaltausgaben der Gliedkirchen für die Finanzierung der Christenlehre aufgewendet werden. Die gesamte Christenlehre (persönliche und sächliche Ausgaben) kostet in den östlichen Gliedkirchen nach der bisherigen Ermittlung rd. 12 bis 13 Millionen DM, so daß also die Hälfte aus den Haushaltsplänen der Gliedkirchen aufgebracht wird, während der Rest durch Sammlung, Kollekten und Christenlehregebühren gedeckt wird. 4. Wie hoch ist nun zur Zeit die Versorgungslast der östlichen Gliedkirchen? Die Versorgung des Pfarrerstandes erfordert in den östlichen Gliedkirchen bei den gegenwärtigen Kürzungen nach den bisherigen Ermittlungen rd. 12 Millionen DM, wobei die kleineren Teilgebiete, deren Kirchenleitungen sich im Westen befinden, nicht berücksichtigt sind. Diese Last ist im Verhältnis zu den Gesamtausgaben von 63,3 Millionen DM = 19 % nicht hoch. Bei einer Steigerung der Versorgungszahlungen auf 100 % wäre ein Mehrbedarf von etwa 6 Millionen für alle Versorgungsfälle (Pfarrerstand und Beamte) erforderlich. Das ist der Betrag, der zur Zeit für die Gliedkirchen aufgewendet werden muß. Wenn den östlichen Gliedkirchen also bei der Finanzierung der Christenlehre, und zwar vor allem bei den laufenden Personalausgaben nachhaltig geholfen werden könnte, wären sie in der Lage, die Versorgung mit 100 % zu zahlen. 5. In immer stärkerem Maße wird in vielen Kirchengebieten aber auch darauf hingewiesen, daß die Besoldung der aktiven Amtsträger über 100 % gesteigert werden müsse. Die gesamte Pfarrbesoldung beträgt in den östlichen Gliedkirchen zur Zeit rd. 40 Millionen DM. Eine Steigerung der Besoldung ist sehr dringlich bei den jüngeren, verheirateten Geistlichen. Das Gleiche gilt aber auch für alle jüngeren Mitarbeiter der Kirche, im besonderen für die Katecheten und Angestellten, die zur Zeit etwa 200 DM monatlich erhalten. Nachdrücklich ist auch angeregt worden, die Kinderzuschläge von 20 auf 30 DM zu erhöhen. Für alle östlichen Gliedkirchen würde sich bei einer Erhöhung der aktiven Pfarrerbesoldung von 10 % und der Kinderzuschläge in dem genannten Ausmaß ein Mehrbedarf von 6 Millionen ergeben. Eine entsprechende Erhöhung der Besoldung der Kirchenbeamten, Angestellten und sonstigen kirchlichen Mitarbeiter würde eine Steigerung der ge-
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genwärtigen diesbezüglichen Ausgaben von rd. 20 Millionen DM um 10 % = 2 Millionen DM zur Folge haben. In einigen Kirchengebieten wird eine Hilfe in dieser Richtung als besonders dringlich angesehen; notfalls ist man entschlossen, den vordringlichsten Notständen unter Kürzung anderer Personalausgaben durch einmalige Aktionen abzuhelfen. 6. Die Finanzreferenten der östlichen Gliedkirchen haben in Gemeinschaft mit uns die Frage geprüft, ob ein Teil dieser Beträge durch Sparmaßnahmen oder durch die Umstellung kirchlichen Finanzwirtschaft hereingebracht werden kann. Dabei hat sich folgendes ergeben: Die kirchlichen Haushaltspläne bestehen durchschnittlich zu 80 % aus Personalausgaben. Wesentliche Ersparnisse könne daher nur durch Kürzung dieser Ausgaben oder durch Einsparung von Stellen eintreten. Eine Gehaltssenkung ist bei der oben zu 2) geschilderten Sachlage unmöglich. Eine Einsparung von Stellen ist schon automatisch durch den Pfarrermangel eingetreten, vielfach an Plätzen, die dringend wieder besetzt werden müßten. Wie weit diesem Mangel durch eine Verlagerung von Kräften abgeholfen werden kann, ist Sache der zuständigen Kirchenleitung; finanzielle Einsparungen wird aber eine solche Maßnahme nicht nach sich ziehen. Man hat auch erwogen, die sogenannten Schwierigkeitszulagen zu streichen. Sie entsprechen aber einem sachlichen Bedürfnis und betragen selbst in einer großen Landeskirche mit einem Pfarrbesoldungsbedarf von 9 Millionen DM nur 170.000 DM. Man hat schließlich an die Zusammenlegung von Ausbildungsstellen gedacht. Alle diese Maßnahmenversprechen aber nur geringe finanzielle Ersparnisse und verursachen Nachteile auf anderen Gebieten. Einsparungen bei den sächlichen Ausgaben bringen keinen nachhaltigen Ertrag. Die Bauten sind bereits aufs äußerste eingeschränkt und die Ausgaben dafür schlagen in der Regel nicht zu Buch. Auch notwendige Bauten scheitern häufig schon an dem Materialmangel und werden oft nur mit Hilfe von Spenden durchgeführt. Bei einer Gliedkirche mit einem Haushalt von 7,5 Millionen DM betragen die Bauausgaben 350.000 DM, bei einer anderen mit einem Haushalt von 1,1 Millionen sogar nur 40.000 DM. Andererseits sind einzelne Bauausgaben um der Substanzerhaltung willen unvermeidlich, bestimmte Bauausgaben müßten sogar gesteigert werden. Wir denken hierbei an die Beschaffung kircheneigener Räume für die Erteilung der Christenlehre. Die Erfahrungen aus der Kampfzeit vor dem 10. Juni 1953 haben gezeigt, daß die Gemeinden auf diesem Gebiet von den weltlichen Stellen unabhängig werden müssen. Bisher wird 55 % des Unterrichts in kircheneigenen Räumen erteilt; es erscheint notwendig, den Hundertsatz im nächsten Jahre auf 75 % zu steigern. Das Hilfswerk, da schon bisher auf diesem Gebiet in dankenwerter Weise geholfen hat, will weitere Mittel dafür bereitstellen. Es ist aber unerläßlich, daß sich hieran die östlichen Gliedkirchen auch mit eigenen Mitteln beteiligen.
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7. Eine Umstellung der kirchlichen Finanzwirtschaft kann im übrigen nicht von heute auf morgen veranlaßt werden, sondern bedarf sehr sorgfältiger Erwägung der Kirchenleitungen. Die kirchliche Finanzwirtschaft ist abhängig von der Struktur der Kirche. Die kirchliche Arbeit wird in erster Linie vom Pfarrerstand getragen. Die Besoldung und Versorgung des Pfarrerstandes bilden die Hauptaufgabe der gliedkirchlichen Finanzwirtschaft. Die Kirche kann nicht auf den akademisch gebildeten und entsprechend bezahlten Pfarrerstand verzichten und ohne weiteres zur Einstellung eines geringer besoldeten clerus minor übergehen. Man kann auch nicht die Zahl der festen Pfarrstellen vermindern oder nur gering besoldete „fliegende Kapläne“ anstellen. Zu solchen Notbehelfen wird man erst greifen, wenn gar keine andere Abhilfe mehr möglich ist und die jetzige Notlage zu einem Dauerzustand wird. Zur Zeit sind diese Konsequenzen für die östlichen Gliedkirchen nicht zumutbar. Solche Maßnahmen können erst erwogen werden, wenn jede Hoffnung auf eine Wiedervereinigung schwindet. Es ist auch der Gedanke erwogen worden, ob etwa der Grundsatz der gleichmäßigen Pfarrbesoldung aufgegeben und die Besoldung der aktiven Geistlichen ausschließlich den Gemeinden überlassen werden soll. In Fortführung dieses Gedankens würde sich die Frage ergeben, ob etwa auch die Versorgungszahlungen für die Ruheständler und Hinterbliebenen den Gemeinden oder etwa den Kreissynoden zu übertragen wären. Solche Maßnahmen würden vielleicht zu einer gewissen Entlastung der landeskirchlichen Haushaltspläne führen, aber auf der anderen Seite nach unserer Überzeugung auch in Kürze das landeskirchliche Gefüge lockern, wenn nicht gar auflösen, von den unerfreulichen Folgeerscheinungen, die aus vergangenen Zeiten bekannt sind, ganz abgesehen. Die Kirchenleitungen der östlichen Gliedkirchen stehen in einem unaufhörlichen Kampf um die Erhaltung der bewährten und gewachsenen Formen der kirchlichen Arbeit. Diese können nicht kurzfristig geändert werden, ohne daß die kirchliche Arbeit selbst schweren Schaden leidet. 8. Die gesamte Finanzwirtschaft der östlichen Gliedkirchen beruht auf folgenden wenigen größeren Einnahmeposten: Vermögen – Kirchensteuern – Staatsleistungen – Sammlungen. a) Die Einnahmen aus Vermögen (insgesamt etwa 8 Millionen DM) bestehen fast ausschließlich aus den Pächten des landwirtschaftlichen Grundbesitzes. Sie sind gegenüber dem Jahre 1944 nur in kleineren Bezirken ungefähr gleichgeblieben. In Thüringen ist der Rückgang (von 1,175 Millionen DM auf 1,042 Millionen DM) verhältnismäßig gering. In der Kirchenprovinz Sachsen sind die Pachterträge auf die Hälfte, d. h. auf etwa 2 Millionen DM gesunken; entsprechend in Anhalt von 500.000 DM auf 230.000 DM. In Mecklenburg sind die Erträge von 800.000 auf 120.000 DM vermindert. Die Rentabilität des in kirchlicher Eigenwirtschaft stehenden Grundbesitzes läßt seit Jahren zu wünschen übrig. Bei zahlreichen Hofbetrieben,
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insbesondere solchen, die in devastiertem Zustande aus der Verpachtung in Eigenbetrieb haben übernommen werden müssen, sind die Kirchen durch die zwingenden Ablieferungsbestimmungen und den erforderlichen Aufbau des Betriebes genötigt, erhebliche Zuschüsse zu leisten. Aufs ganze gesehen müssen sich die östlichen Gliedkirchen bei dem gegenwärtigen Stande der staatlichen Agrarpolitik daran genügen lassen, wenn die Substanz des kirchlichen Grundbesitzes in Größe von 188.000 ha (davon 125 Betriebe mit 8800 ha in Eigenwirtschaft der Kirchen) überhaupt erhalten werden kann. Ein Verzicht auf das Eigentum ist nach dem in der Deutschen Demokratischen Republik geltenden Recht nicht möglich. Eine Aufgabe der eigenbewirtschafteten Betriebe durch die Kirche wäre überdies gegenwärtig umso weniger zu verantworten, als begründeter Anhalt dafür besteht, dass der neue agrarpolitische Kurs der Regierung auf eine Stützung und Erhöhung der Rentabilität der Landwirtschaft hinzielt. b) Die Kirchensteuern sind die bedeutendste Einnahmequelle geblieben. Sie sollen zur Zeit jährlich rd. 60 Millionen DM erbringen. Hiervon fließt jedoch nur ein Teil, etwa die Hälfte, in die landeskirchliche Haushaltwirtschaft. Der Betrag ist verschieden je nach dem System der innerkirchlichen Finanzwirtschaft, ob Ortskirchensteuer, zentralisierte Pfarrbesoldung oder andere Regelungen bestehen. Die staatlichen Maßnahmen der letzten Jahre auf dem Gebiet der Kirchensteuer haben das Aufkommen stark reduziert. Durch den Fortfall der staatlichen Mitwirkung bei der Steuererhebung, durch die Schwierigkeiten, die vom Staat bei der Erfassung der Steuerpflichtigen bereitet werden und durch die Versagung staatlicher Hilfe bei der Beitreibung ist der Rechtscharakter einer Steuer weitgehend aufgehoben. Die Kirchensteuer hat im Osten mehr und mehr die Form einer freiwilligen Abgabe angenommen. Die Unkosten der Steuerverwaltung sind wegen des Ausfalls der staatlichen Mitwirkung beunruhigend gestiegen (in den großen Städten auf mehr als 20 %). Für 1954 ist ein weiterer Rückgang des Aufkommens von schätzungsweise 10 % allein wegen der mangelnden Erfassung zu befürchten. Hierzu treten noch die Ausfälle, die die anhaltende Flucht der freien Berufe einschließlich der Großbauern verursacht. Auch die zunehmenden Kirchenaustritte wirken sich spürbar aus. Besonders schmerzlich ist die Entwicklung in Ost-Berlin, wo seit dem 1. Januar 1953 der Lohnabzug gefallen ist. Allein hierdurch ist im laufenden Jahr ein Ausfall von mehr als 5 Millionen DM zu erwarten, so dass einem Mindestbedarf von 10 Millionen DM ein Aufkommen von nur etwa 5 Millionen DM gegenübersteht. Eine Erhöhung des Kirchensteuertarifs ist nach dem einmütigen Urteil der östlichen Gliedkirchen schon aus psychologischen Gründen unmöglich. Sie würde zu unerwünschten Vergleichen mit der staatlicherseits vorgenommenen erheblichen Senkung der Lohnsteuer herausfordern. Sie würde vor allem aber die zur Zeit sehr beachtliche Opferwilligkeit stark beeinträchti-
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gen. Alle kirchlichen Stellen sind jedoch unermüdlich tätig, um durch eine zweckmäßige Erfassung der Steuerpflichtigen – trotz der Behinderung durch den Staat – den Ertrag der Kirchensteuern zu steigern oder wenigstens das bisherige Aufkommen zu erhalten. So ist gegen den staatlichen Widerstand zum Teil mit Erfolg versucht worden, die Empfänger von steuerfreien Renten mit einem bis zu 50 DM gestaffelten Kirchgeld heranzuziehen. Eine Verbesserung des Steueraufkommens wäre ohne weiteres möglich, wenn der Staat die Erfassung der Pflichtigen gestatten oder gar – wie in früheren Zeiten – die Meldeunterlagen und die Besteuerungsmerkmale zur Verfügung stellen wollte. Soeben sind wir aber darüber unterrichtet worden, dass „amtliche Steuerlisten“ – auf Grund deren nach der Verfassung die Kirche zur Erhebung von Kirchensteuern berechtigt ist – mit dem Fortfall der Lohnsteuerkarte für den größten Teil der Werktätigen ab 1. Januar 1954 überhaupt nicht mehr bei dem Staate vorhanden sein werden. So stößt der im Gange befindliche Aufbau eines eigenen, kirchlich geprägten Steuersystems, von dem immerhin einiger Ertrag zu erhoffen ist, wieder und wieder auf Hemmungen. c) Die Staatsleistungen wurden bis zum Juni 1953 überhaupt nicht gezahlt und dann nur mit rd. 30 % Kürzung. Sie sind von einem Soll von 19,9 Millionen DM auf 11,8 Millionen DM abgesunken. Wir sind bereits darüber unterrichtet worden, dass der Staat auch für 1954 nur den gekürzten Betrag zahlen will. Die im Jahre 1953 ausgefallenen Nebenleistungen aus Verträgen, Patronaten usw. in Höhe von 4,5 Millionen DM sind nicht nachgezahlt. Ob die Beträge im nächsten Jahre eingehen werden, ist sehr zweifelhaft, da der vor einiger Zeit ergangene Erlaß des Finanzministeriums über eine Wiederaufnahme dieser Zahlungen bisher nur vereinzelt durchgeführt ist. d) Bei den Sammlungen handelt es sich vor allem um die Einkünfte aus den bis zum Vorjahre üblichen 4 großen zweiwöchigen Haus- und Straßensammlungen. Bei Erlaß des Sammlungsgesetzes im Jahre 1950 war der Kirche zugesichert worden, dass dieses Gesetz wohlwollend unter Berücksichtigung der kirchlichen Interessen durchgeführt werden würde. Tatsächlich ist im Jahre 1953 der Ertrag durch die Reduzierung auf zwei Straßensammlungen unter Verweigerung der ergiebigeren Haussammlungen um mehr als die Hälfte gekürzt worden. Auf diesem Gebiete ergibt sich ein jährlicher Gesamtausfall von mehr als 5 Millionen DM. e) Bei den hauptsächlichen Einnahmen der Gliedkirchen muß also für 1954 mit Ausfällen von insgesamt 22 Millionen DM gerechnet werden. Sie setzten sich nach den vorstehenden Ausführungen zusammen aus mindestens 6 Millionen DM bei der Kirchensteuer in der Deutschen Demokratischen Republik 5 " " bei der Kirchensteuer in Ost-Berlin 6 " " bei den Staatsleistungen
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5 " " bei den Sammlungen 22 Millionen DM Gesamtausfall. Dem gegenüber steht die unbedingte Notwendigkeit, die Ausgaben für die Versorgung der Ruheständler und Hinterbliebenen um 6 Millionen DM zu steigern. Die östlichen Gliedkirchen haben bei aller Würdigung der Schwierigkeit beschlossen, den Versuch zu machen, die bisher im Durchschnitt 40 % ausmachende Kürzung der gesetzlichen Versorgungsleistungen so einzuschränken, dass sie vom 1. April 1954 ab höchstens noch 20 % beträgt. Hierbei ist man von der Annahme ausgegangen, dass die Staatsleistungen im Jahr 1954 mit 100 % ausgezahlt würden. Nachdem diese Hoffnung getrogen hat, ist die Durchführung des gefaßten Beschlusses wenigstens bei einigen Landeskirchen wieder in Frage gestellt. Es muß ferner versucht werden, die Besoldung der aktiven Amtsträger um 10 % zu verbessern. Hierdurch entsteht ein Mehrbedarf von 8 Millionen DM. Insgesamt muß demnach Vorsorge getroffen werden für die Deckung der geschilderten Ausfälle und des errechneten Mehrbedarfs in einer Gesamthöhe von 36 Millionen DM Ost. 9. Die vorstehenden Darlegungen zeigen, dass die östlichen Gliedkirchen auch für das kommende Jahr auf die Hilfe angewiesen sind, die ihnen in den letzten Jahren in so dankenswerter Weise von den westlichen Gliedkirchen gewährt worden ist. Der Hilfsfonds, der im Etatjahr 1953 mit 1,1 Millionen DM gespeist wurde, ist auch weiter unentbehrlich, um die Christenlehre, die Heranbildung des kirchlichen Nachwuchses, die Sondereinrichtung von den Seminaren für den kirchlichen Dienst bis zur Kirchlichen Hochschule, den landwirtschaftlichen Grundbesitz sowie die caritativen Anstalten und Einrichtungen zu stützen. Eine Betriebsmittelhilfe, von der im laufenden Jahre bisher rd. 750.000 DM eingegangen sind, wird auch im kommenden Jahre notwendig sein, wenn die starken Ausfälle in den Einnahmen der landeskirchlichen Kassen wenigstens zum Teil ausgeglichen werden sollen. Auch auf die Sonderhilfe, die den besonders schwer bedrängten Kirchen in Pommern und Schlesien in Höhe von 360.000 DM West zur Sicherung der Besoldungs- und Versorgungszahlungen zugeführt wurde, kann für 1954 nicht verzichtet werden. Unsere Ausführungen erbringen aber, wie wir glauben, gleichzeitig den Beweis, dass es bei den bisherigen Leistungen nicht sein Bewenden haben darf, und dass wir noch einen zusätzlichen Beitrag erbitten müssen, wenn die östlichen Gliedkirchen in der Lage sein sollen, auch nur den dringendsten finanziellen Anforderungen zu genügen. Wenn es den westlichen Gliedkirchen möglich wäre, für 1954/55 einen Betrag von 3 Millionen DM aufzubringen, so meinen wir, dass damit ein erheblicher Teil der Ausfälle aufgefangen würde, und dass der Versuch gewagt werden könnte, die oben geschilderten unumgänglichen Mehrausgaben zu leisten. (Wenn auch bei dem Betrag von 3 Millionen DM nur ein Teil der oben insgesamt errechne-
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ten Fehlbeträge gedeckt werden würde, so hat doch die Erfahrung gelehrt, dass auch durch einmalige Hilfsmaßnahmen die eigene Initiative der betroffenen Gliedkirchen ermuntert und ihnen ein starker Antrieb zur Weiterarbeit gegeben wird. Zur Vereinheitlichung der Hilfsaktion geben wir anheim, von der in diesem Jahre vorgenommenen Trennung der Betriebsmittelhilfe von der Hilfsfondsaktion abzusehen und die Verteilung der gesamten Mittel dem für den Hilfsfonds bestellten Sonderausschuß zu übertragen mit dem Hinweis, dass dabei die durch die staatlichen Maßnahmen entstandenen Ausfälle in den landeskirchlichen Kassen vorweg zu berücksichtigen sein werden. Wir glauben bei diesem Vorschlage davon ausgehen zu dürfen, dass auch die Arbeit des Hilfswerkes den östlichen Gliedkirchen weiter wie bisher zugute kommen wird. Wenn dadurch auch nicht laufende Ausgaben der Landeskirchen gedeckt werden konnten, so ist doch für die Nöte der Bevölkerung und gewiss einmaligen Bedürfnissen durch Geldspenden unmittelbar geholfen worden, so dass dadurch eine spürbare Entlastung eingetreten ist. Besonders möchten wir hierbei auch der Hilfe bei der so dringend notwendigen Motorisierung der Pfarrerschaft gedenken, auch wenn die auf diesem Gebiete getroffenen Maßnahmen wesentlich zurückbleiben hinter dem großzügigeren, umfassenden Plan, den die katholische Kirche auf diesem Gebiete entwickelt hat. Schließlich möchten wir auch darauf hinweisen, dass die Flüchtlingsseelsorge in West-Berlin weiterhin einer Stützung bedürfen wird. Der im Jahre 1953 auf Grund des Appells des Rates aufgebrachte Betrag von rd. 60.000 DM erscheint uns das mindeste, was für diesen außerhalb aller kirchlichen Voranschläge liegenden Zweck bereitgestellt werden sollte.
41E8. Schreiben Dibelius’ an von Staa. Berlin, 6. April 1954 F: EZA Berlin, 2/5611 (O). Lieber Bruder von Staa! Ich habe mich an Professor Brunner nur gewandt, um, da er nun einmal vorgeschlagen war, nicht meinerseits Schwierigkeiten zu machen, habe aber im stillen gehofft, daß er ablehnen werde. Aus der ersten persönlichen Fühlungnahme war sofort zu ersehen, daß seine Mitarbeit den Gang der Arbeit außerordentlich aufhalten würde. Ich habe mit ihm vereinbart, daß wir ihn bei auftretenden exegetischen Schwierigkeiten zu Rate ziehen würden. Ich möchte nur abwarten, ob solche Schwierigkeiten wirklich auftauchen werden. Jedenfalls bitte ich, ihn zu unser[e]m ersten Zusammensein nicht einzuladen. Die Befragung kann ja auch schriftlich geschehen. Wir müssen erst einmal ein wirklich großes Stück vorankommen.
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41. Sitzung Berlin, 11. Februar 1954
Mit Ihren Vorbereitungen für Hannover bin ich ganz einverstanden. Mit herzlichem Gruß Ihr getreuer Dibelius [m. p.]
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42 Berlin, 13. März 1954 Ort: Beginn: Ende: Teilnehmer:
Protokollant:
Berlin-Spandau, Johannes-Stift, Wichernhaus, Schönwalder Allee 26. Samstag, 13. März 1954 (9.30 Uhr). Samstag, 13. März 1954 (Uhrzeit unbekannt). Vom Rat: Dibelius, Haug, Heinemann, Herntrich, Kreyssig, Mager, Meiser, Niemöller, Niesel, Smend. Von der Kirchenkanzlei: Brunotte, Karnatz, Merzyn, Ranke. Der Bevollmächtigte der EKD bei der Regierung der DDR: Grüber. Brunotte.
42A Vorbereitung der Sitzung 42A1. Schreiben des Ratsvorsitzenden an die Ratsmitglieder. Berlin, 2. März 1954 F: EZA Berlin, 2/1756 (H). Betrifft: nächste Ratssitzung. Die Herren Mitglieder des Rates lade ich hiermit zur 42. Sitzung des Rates auf Sonnabend, dem 13. März 1954, 930 Uhr [ein]. Die Sitzung soll im Wichernhaus des Evangelischen Johannesstifts in Berlin-Spandau stattfinden. Unter Voraussetzung des Einverständnisses der beteiligten Herren werden wir dafür Sorge tragen, daß die für die Tagung der Synode vorgesehenen Quartiere bereits vom Abend des 12. März ab bereitgehalten werden. Für die Tagesordnung sind folgende Beratungsgegenstände vorgesehen: Berichterstatter 1.) Vorbesprechung des Ablaufs der Synode der EKD Dr. Dr. Heinemann 2.) Schaffung einer Planstelle für einen zweiten Juristen im Stellenplan des Kirchlichen Außenamtes D. Niemöller DD.
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42. Sitzung Berlin, 13. März 1954
3.) Beihilfen aus Kapitel III des Osthaushalts 4. Verschiedenes D. Dr. Dibelius
D. Dr. Karnatz
42B Protokoll F: EZA Berlin, 2/1796 (H, den Ratsmitgliedern mit Schreiben der Kirchenkanzlei vom 23. März 1954 übersandt). G: Mitschriften 1. Meiser (LAELKB Nürnberg, Meiser, 162), 2. Dibelius (BArch Koblenz, N 1439, Nr. 3), 3. Haug (LKA Stuttgart, A 126, Nr. 386), 4. Smend (NL Smend). Niederschrift über die 42. Sitzung des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland am 13. März 1954, 9.30 Uhr, in Berlin-Spandau. Anwesend:
Bischof D. Dr. Dibelius Landesbischof D. Dr. Haug Präses Dr. Dr. Heinemann (zeitweise) OKR D. Dr. Herntrich Präses Dr. Kreyssig Synodalpräsident Mager Landesbischof D. Meiser Kirchenpräsident D. Niemöller Moderator D. Niesel Professor D. Dr. Smend (nicht anwesend: Landesbischof D. Hahn1 Landesbischof D. Dr. Lilje) Von den Amtsstellen: Präsident D. Brunotte Geheimrat D. Dr. Karnatz Oberkirchenrat Dr. Merzyn Oberkirchenrat Ranke (zeitweise) Propst Grüber 1. Berichtigung der Niederschrift der 41. Ratssitzung In Ziffer 20 (Bibelrevision) muss das Datum heissen: 29. Dezember 1953, nicht: 4. Januar 1954. 1 Hahn hatte sich am 10. März aus Gesundheitsgründen entschuldigen lassen (Schreiben der sächsischen Bischofskanzlei an den Ratsvorsitzenden, EZA Berlin, 4/46).
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42B Protokoll
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2. Planstelle für einen zweiten Juristen im Kirchlichen Aussenamt2 Der Rat sprach sich mit Mehrheit3 dafür aus, beim Finanzausschuss der Synode die Schaffung einer zweiten juristischen Planstelle im Stellenplan des Kirchlichen Aussenamtes zu befürworten4. 3. Beihilfen aus Kap. III5 Der noch verfügbare Rest des Kap. III im Ostwährungshaushalt 1953/ 54 von 100,– DM wurde der Kirchlichen Erziehungskammer-Ost zugewiesen6. Der Gewährung einer Beihilfe von je 3000,– DM-Ost für die Laien- und Akademiearbeit in der Ev.-luth. Landeskirche Sachsen und in der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen aus der Kollekte für gesamtkirchliche Notstände wurde zugestimmt7. 4. Kirchengesetz über die Umlage des Hilfswerks Der Entwurf eines Kirchengesetzes über die Umlage des Hilfswerks der EKD für das Rechnungsjahr 1954/558 wurde nach eingehender Aussprache über die Arbeit und Organisation des Zentralbüros in Stuttgart vom Rat gebilligt und soll der Synode als Vorlage 109 zugehen. 5. Wahlen zum Hilfswerkausschuss Der Rat gab seine Zustimmung dazu, dass die Kirchenkanzlei dem Präses der Synode vorgeschlagen hat, die Synode möge die nach § 6 Abs. 2 Ziffer 7 zu wählenden Persönlichkeiten wiederwählen10.
2 Vgl. 41B14 mit 41D18 und 44B9a. 3 Nach G 1 mit 5: 4 Stimmen. 4 Am 22. Februar 1954 hatte Niemöller dem Ratsvorsitzenden angekündigt, einen entsprechenden Antrag im Rat stellen zu wollen. Er hatte dies damit begründet, dass bereits auf der Sitzung am 11. Februar Johannesson den „Antrag auf Schaffung einer Planstelle für einen zweiten Juristen im Stellenplan des Kirchlichen Außenamtes“ hätte darlegen sollen. Da aber Brunotte mit Bezug auf ein Gespräch mit Schwarzhaupt irrigerweise – so Niemöller – behauptet hatte, dass das Kirchliche Aussenamt den Antrag fallen lasse, war der Punkt nicht verhandelt worden (EZA Berlin, 4/46). Zu Brunottes Antwort vom 3. März 1954 vgl. 42E1. 5 Vgl. 41B12. 6 Ein formaler Antrag scheint nicht gestellt worden zu sein. Vgl. auch 41B12, 45B7b, 46B12, 47/48B8 und 50B18. 7 Vgl. den Antrag Kreyssigs und Magers an die Kirchenkanzlei – Berliner Stelle – vom 12. Februar 1954 (42D1). 8 Der Entwurf (42D2) wurde vom Zentralbüro des Hilfswerks am 3. März 1954 an die Kirchenkanzlei gesandt. 9 Berlin-Spandau 1954, S. 655. Das inhaltlich unveränderte „Kirchengesetz über die Umlage des Hilfswerks der Evangelischen Kirche in Deutschland für das Rechnungsjahr 1954“ vom 18. März 1954 findet sich im ABlEKD 1954, Nr. 4 vom 15. April 1954, S. 99. 10 Zum Antrag des Hilfswerks, von dem die Kirchenkanzlei Heinemann am 8. März 1954
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42. Sitzung Berlin, 13. März 1954
6. Ostpfarrer-Richtlinien11 Gemäß § 39 Satz 2 der Richtlinien zur Regelung der Versorgung der Ostpfarrer und ihrer Angehörigen vom 22. April 195212 bestimmte der Rat der EKD nach Anhörung des Finanzbeirates, dass die Voraussetzung des Satzes 1 dieses Paragraphen in dem z. Zt. bestehenden Umfange noch gegeben ist13. 7. Anträge von Schleswig-Holstein Oberkirchenrat Dr. Merzyn berichtete über zwei Anträge der Ev.-luth. Kirche von Schleswig-Holstein, die unter besonderen Lasten finanziell leidet14: a) Die Versorgung der deutschen Gemeinden in Nordschleswig verursacht jährlich eine Belastung von rund 110.000,– DM. Der Rat sprach sich dafür aus, dass diese Last auf die westdeutschen Gliedkirchen verteilt wird. Da eine Übernahme in den Haushalt der EKD und in den Hilfsplan nicht möglich ist, sollen die übrigen westdeutschen Gliedkirchen gebeten werden, zu prüfen, ob die Versorgung der nordschleswigschen Gemeinden von ihnen anteilmäßig übernommen werden kann. b) Die Wiederbesiedlung der Insel Helgoland erfordert den Bau einer Kirche und eines Pfarrhauses mit Gemeindesaal. Die hierfür nötigen Mittel von 450.000,– DM beabsichtigt Schleswig-Holstein durch den Verkauf einer Bildpostkarte aufzubringen. Die Gliedkirchen sollen gebeten werden, diese Aktion zu unterstützen und darüber hinaus ihre Gemeinden zu einem Opfer für den kirchlichen Wiederaufbau auf Helgoland aufzurufen. Der Rat war damit einverstanden, dass der Vorsitzende des Rates einen öffentlichen Aufruf der Kirchenleitung von Schleswig-Holstein befürwortend unterstützt15.
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unterrichtete (EZA Berlin, 2/5127), vgl. 42D3. Die Wahl erfolgte am 18. März 1954 vormittags (Berlin-Spandau 1954, S. 266). Vgl. 41B7. ABlEKD 1952, Nr. 5 vom 15. Mai 1952, S. 90–93. Zum weiteren Verlauf vgl. 45B4. Die Anträge scheinen informell gestellt worden zu sein, denn erst am 16. März 1954 kündigte das Kieler Landeskirchenamt auf eine telefonische Anfrage Merzyns vom 15. März hin an, „zwei Entwürfe eines Rundschreibens“ für Hilfeleistungen zugunsten Nordschleswigs und Helgolands senden zu wollen. Tatsächlich sandte man aber nur den Entwurf (43E1) für ein Schreiben der EKD an die westlichen Gliedkirchen zugunsten Helgolands. Dieser Entwurf vom 19. März 1954 bildete dann den zweiten Teil eines Rundschreibens der Kirchenkanzlei vom 9. April 1954 an die westlichen Gliedkirchen betreffend die gesamtkirchliche Kollekte (alle Schreiben in EZA Berlin, 2/5859). Dibelius berichtete Halfmann in einem nicht datierbaren Brief – vor dem 3. April 1954 – von seinen Bemühungen zugunsten der Helgoland-Spende und wies darauf hin, dass eine Kollekte wenig Erfolg verspreche. Er halte einen Ausschuss, dem er und Lilje, sowie even-
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8. Wiederaufbau der evangelischen Schule in Wien Oberkirchenrat Dr. Merzyn berichtete, dass der Superintendent in Wien gebeten habe, die EKD möge bei der Aufbringung eines Restbetrages für den Wiederaufbau der evangelischen Schule am Karlsplatz in Wien behilflich sein. Der Rat beschloss, diese Angelegenheit dem GustavAdolf-Werk zu übertragen16. 9. Siedlung Neugnadenfeld Ein Antrag der Brüderunität, die Siedlung Neugnadenfeld im Emsland zu unterstützen17, soll bis zur nächsten Sitzung zurückgestellt werden, um Herrn Landesbischof D. Dr. Lilje Gelegenheit zur Äußerung zu geben18. 10. Verteilung von Mitteln für die Auslandsarbeit Die Verteilung der von besonderer Seite für die Auslandsarbeit zur Verfügung gestellten 100.000,– DM zwischen dem Kirchlichen Außenamt und der VELKD19 soll dem Haushaltsausschuss der Synode überlassen werden20.
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tuell der Ministerpräsident Schleswig-Holsteins angehören sollte, für den besseren Weg. Halfmann teilte diesen Brief am 3. April 1954 der Kirchenkanzlei mit. Er nahm die Idee des Ausschusses zwar auf, betonte aber, dass die Kirchenleitung statt einer Sammlung doch eine Kollekte vorziehe (EZA Berlin, 2/2083). Ein entsprechender Auftrag erging auch von der Synode an den Rat (Berlin-Spandau 1954, S. 265). Vgl. zum Fortgang der Debatte 43B2 und 44B12 und zum Spendeneingang 42E2. Am 2. Februar 1954 hatte sich der Wiener Superintendent Traar an Dibelius gewandt und ihn gebeten, sein Bittschreiben befürwortend dem Rat vorzulegen (42D4). Das Kirchliche Außenamt hatte dann am 24. Februar gegenüber der Kirchenkanzlei – Berliner Stelle – erklärt, über keine Geldmittel für diesen Zweck zu verfügen. Daraufhin hatte die Kirchenkanzlei – Berliner Stelle – den Antrag am 4. März an die Kirchenkanzlei weitergegeben und erklärt, das Thema in der kommenden Ratssitzung besprechen zu lassen. Am 4. April gab das Kirchliche Außenamt den Antrag an das Gustav-Adolf-Werk in Kassel weiter, dort erklärte man aber am 13. Mai, dass man nur Anträge berücksichtigen könne, „die durch die Leitung der zuständigen Hauptgruppe des Gustav-Adolf-Werkes, in diesem Falle des österreichischen Gustav-Adolf-Vereins empfohlen“ seien. Diesen Bescheid teilte das Kirchliche Außenamt Traar am 9. August 1954 mit (alle Schreiben EZA Berlin, 6/ 1108). 42D5. Vgl. zum Fortgang 44B12c und 49B6III. Vgl. zu den Ansprüchen der VELKD auf Mittel für das Kirchliche Außenamt auch D. Pöpping/P. Beier, Protokolle 7, 39B10, S. 495 und unten 50B10. Am 5. März 1954 hatte Herntrich Niemöller daran erinnert, dass man sich „über die Frage der Verteilung der sogenannten Bonner Gelder“ habe verständigen wollen. Dies sei aber noch nicht geschehen und er sei von Dibelius gemahnt worden. Daher wolle er mit Niemöller das Thema vor der Synode besprechen. In seiner Antwort vom 9. März 1954 hatte Niemöller deutlich gemacht, dass eine Verteilung der 100000.– DM zwischen Kirchlichem Außenamt und VELKD für ihn undenkbar sei. Zur Erklärung hatte er ausgeführt, dass der Finanzaus-
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11. Evanston21 Kirchenpräsident D. Niemöller berichtete, dass z. Zt. 27 Besucher und 23 Berater von den ökumenischen Stellen zugelassen worden sind. 19 Namen und ein von Bayern noch zu nennender Student bedurften der nachträglichen Akkreditierung durch den Rat. Diese wurde erteilt. Aus den Mitteln, die von westdeutschen Landeskirchen für die Teilnahme von Vertretern aus den Kirchen der DDR aufgebracht worden sind, soll Synodalpräsident Mager-Dresden nach Evanston fahren. Der Rat stimmte zu, dass OKR Lic. Schmidt-München als Stellvertreter entsandt wird, wenn Landesbischof D. Meiser verhindert sein sollte22. 12. Angelegenheiten der Auslandsarbeit Auf Anfrage von Landesbischof D. Meiser gab Kirchenpräsident D. Niemöller Auskunft: a) über die Besetzung der Pfarrstelle in Paris23, b)
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schuss der Synode die gesamte Summe „auf die Einnahmeseite des Haushaltsplanes 1954 vereinnahmt und voll angerechnet [habe] auf Kapitel V der Ausgaben“, also auf die Auslandsarbeit der EKD. Da dieses Kapitel aber schon stark gekürzt worden sei, werde eine Mittelüberweisung an die VELKD „oder sonstige kirchliche Gruppen“, die „unmittelbare Krise der Arbeit des Kirchlichen Außenamtes und damit auch die unmittelbare Krise der Evangelischen Kirche in Deutschland heraufführen“. Er, Niemöller, habe sich stets gegen die Annahme der Bundesmittel gewehrt, da diese aber nun als reguläre Einnahmen verbucht und Etatmittel der EKD für die Auslandsarbeit gekürzt würden, sehe er keine Möglichkeit, sich auf Verhandlungen über das Geld einzulassen (beide Schreiben in EZA Berlin, 6/10346). Niemöllers Stellungnahme auf der Synode am 18. März zum Haushalt des Kirchlichen Außenamtes ließ ebenfalls seine Vorbehalte gegen das Geld aus Bonn erkennen. Zum Ratsbeschluss erklärte er, dass in dessen Folge und v. a. gegen den Eindruck, den der Haushaltsplan erwecke, ein Teil der Gelder „nicht den deutschen evangelischen Kirchengemeinschaften, Gemeinden und Geistlichen im Ausland“ zukomme (Berlin-Spandau, S. 239f.). Vgl. auch 44E15. Im Haushaltsausschuss der Synode, der am 15., 16. und 17. März tagte, wurde das Thema nicht verhandelt (vgl. das Sitzungsprotokoll in EZA Berlin, 2/1278). Am 29. Juli 1954 überwies das Kirchliche Außenamt 30.000,– DM an die VELKD (EZA Berlin, 6/10346). Zur Vorgeschichte vgl. D. Pöpping/P. Beier, Protokolle 7, 35B21, S. 164; 36B9, S. 227ff.; 37B12, S. 316; 38B7, S. 436 und oben 41B10, S. 55 f. Die bayerische Landeskirche hatte am 8. März 1954 dem Kirchlichen Außenamt mitgeteilt, dass Meiser nicht nach Evanston reisen werde. Darauf hatte das Außenamt am 10. März geantwortet, als nächster Schritt werde es notwendig sein, „daß Herr Landesbischof D. Meiser in der Ratssitzung am 13. März offiziell seinen Entschluß mitteilt und die Benennung eines anderen Delegierten vorschlägt, damit der Rat einen entsprechenden Beschluß faßt“ (EZA Berlin, 6/5902). Am 31. März 1954 wandte sich Meiser dann mit dem Hinweis an Brunotte, dass er – sofern ihn seine Erinnerung nicht trüge – von „der Stellung eines Delegierten in vollem Umfang zurückgetreten“ sei, so dass Schmidt nicht als sein Stellvertreter, sondern als ordentlicher Delegierter nach Evanston reisen solle (NL Meiser, 143). Zur Vorgeschichte der Ende 1953 noch nicht geregelten Wiedereinsetzung eines deutschen evangelischen Pfarrers in Paris, zu den ungeklärten Besitzverhältnissen an der Christuskirche, zur Ablösung der bisher von der CLAIR betreuten Protestanten hin zur deutschen
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über die Angelegenheit der Kurkapellen in Italien24, c) über die Einführung eines Vikars in Goetheborg [sic!]. In dieser Angelegenheit soll noch festgestellt werden, ob sich um eine Ordination gehandelt hat25. Hinsichtlich der Kurkapellen in Italien brachte der Rat zum Ausdruck, dass wenigstens in den Fällen Capri26 und Nervi mit der Evang.-Lutherischen Kirche in Italien Fühlung genommen werden müsste und dass in allen Fällen die Benutzung der Kurkapellen für deutsche evangelische Gottesdienste gesichert werden solle. Über die Besetzung der Pfarrstelle in Paris soll in der nächsten Sitzung weiter berichtet werden27. 13. § 67 des Personenstandsgesetzes28 Oberkirchenrat Ranke trug die Bitte des Fraktionsvorstandes der CDU vor29, der Rat möge ebenso wie die katholische Kirche eine Erklärung abgeben, dass die evangelische Kirche für den Wegfall der Strafbestimmung eintrete30, darin aber keine Änderung der Rechtslage sehe. Der Rat beschloss, vor Abgabe einer solchen Erklärung weitere Ermittlungen anzustellen31.
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Gemeinde und zu den innenpolitischen Implikationen in Frankreich vgl. D. Pöpping/P. Beier, Protokolle 7, 34B8b, S. 62f.; 40A1, S. 534 und 40A2, S. 536 sowie W. von der Recke, Fluctuat, S. 202–211. CLAIR hatte sich am 4. Januar 1954 beim Kirchlichen Außenamt darüber beschwert, dass man erst verspätet davon erfahren hatte, dass das Kirchliche Außenamt für den Weihnachts- und Neujahrsgottesdienst Pfarrer Gerber nach Paris geschickt hatte. Für die Betreuung der Deutschen in Frankreich sei die CLAIR zuständig. Außerdem sei dies nicht der erste Fall gewesen, in dem das Kirchliche Außenamt CLAIR durch die Entsendung eines Pfarrer vor den Kopf gestoßen habe (EZA Berlin, 6/732; zu den Gottesdiensten 1953: Brief Gerbers an Niemöller vom 10. Januar 1954, Ebd.). Kurz vor der Ratssitzung, am 11. März 1954, war das Kirchliche Außenamt von seinem früheren Mitarbeiter Friz darüber informiert worden, dass er von verschiedenen lutherischen Stellen, aus dem Gustav-Adolf-Werk und „einer auch Ihnen bekannten Stelle in München“ auf die Vorgänge in Paris und das „unmögliche(n) Vorgehen(s) dort“ angesprochen worden. Er wisse über den Vorgang zwar nicht Bescheid, er erkennen aber „in manchen Kreisen [. . .] den Standpunkt, dass die Besetzung der dortigen Pfarrstelle Recht der Lutheraner sei“ (EZA Berlin, 6/732). Vgl. 44B8g. Vgl. 44B8f. Vgl. D. Richter, Kurkapelle, S. 34ff. Vgl. 44B8e, 45B8f und 46B11a. § 67 des Personenstandsgesetzes vom 8. August 1957 (BGBl I, 1957, S. 1125–1138) beinhaltete das sog. Voraustrauungsverbot, d. h. die als Ordnungswidrigkeit zu ahndende kirchliche Trauung eines Paares, ohne dass dieses zuvor vor dem Standesamt erklärt hatte, die Ehe miteinander eingehen zu wollen. Ein entsprechendes Schreiben wurde nicht ermittelt. Das Personenstandsgesetz vom 3. November 1937 (RGBl I, 1937, S. 1146–1152) hatte das Vornehmen einer kirchlichen Trauung vor der standesamtlichen Eheschließung mit Geldoder Gefängnisstrafe bis zu fünf Jahren belegt (K. Rasquin, Voraustrauungsverbot, S. 195–203). Zum weiteren Verlauf vgl. 43B4. Vgl. auch 41E3.
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14. Vorbereitung der Synode Präses Dr. Dr. Heinemann schlug vor, die vier Referate über die Familienfragen32 auf Montag und Dienstag zu verteilen. Ebenso nannte er die voraussichtlichen Vorsitzenden der von der Synode zu bildenden Ausschüsse33. 15. Nächste Sitzung Die nächste Sitzung des Rates soll am Schluss der Synode stattfinden34. gez. D. Brunotte 42D Vorlagen und Anträge 42D1. Antrag Kreyssigs und Magers an die Kirchenkanzlei – Berliner Stelle –. Berlin, 12. Februar 1954 F: EZA Berlin, 614/45 (D). Wir bitten, für die Laien- und Akademiearbeit in den beiden größten Gliedkirchen der DDR, Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsens und Evangelische Kirche der Kirchenprovinz Sachsen, aus Kollektenmitteln der EKiD je DM 5000.– zu bewilligen. Eindringliche missionarische Arbeit an den Menschen unseres Bereichs ist nie notwendiger gewesen als heute. Die Laiendienste einschließlich der Arbeit der Akademie dürfen daher neben den anderen Verwendungszwekken angemessene Berücksichtigung erwarten und erbitten. gez. Reimer Mager gez. Dr. L. Kreyssig
42D2. Entwurf für ein Kirchengesetz über die Umlage des Hilfswerkes der EKD. [3. März 1954] F: EZA Berlin, 2/5143 (D). Kirchengesetz über die Umlage des Hilfswerks der Evangelischen Kirche in Deutschland für das Rechnungsjahr 1954/55 vom März 1954. 32 Vgl. 41B3c. 33 Vgl. Berlin-Spandau 1954, S. 88 und S. 668–617. 34 Nach 41B22 war die Sitzung für die Zeit vor der Synode geplant gewesen. Vgl. 43B.
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42D Vorlagen und Anträge
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Die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland hat folgendes Kirchengesetz beschlossen, das hiermit verkündet wird: §1 Der gemäß § 9 Absatz 1 des Kirchengesetzes zur Ordnung des Hilfswerks der Evangelischen Kirche in Deutschland vom 5. 4. 1951 (Amtsbl. der EKD 1951, Nr. 41) durch Umlage der gliedkirchlichen Hilfswerke aufzubringende Finanzbedarf beträgt für das Rechnungsjahr 1954/55 550.000.– DM-West und 200.000.– Ostmark §2 Diesen Finanzbedarf haben die gliedkirchlichen Hilfswerke nach dem für die Umlage der Evangelischen Kirche in Deutschland für das Rechnungsjahr geltenden Verteilungsmaßstab aufzubringen und im voraus an da Zentralbüro des Hilfswerks der Evangelischen Kirche in Deutschland zu entrichten. Berlin-Spandau, am März 1954.
42D3. Schreiben des Zentralbüros des Hilfswerkes an die Kirchenkanzlei. Stuttgart, 3. März 1954 F: EZA Berlin, 2/5127 (O). Betr.: als Wirtschafts- und Finanzsachverständige von der Synode der EKD zu wählenden Mitglieder des Hilfswerk-Ausschusses 1. Nach § 6 Abs. 2 Ziff. 7 des Hilfswerkgesetzes vom 5. 4. 51 (Amtsbl. der EKD 1951, Nr. 41) hat die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland sechs Vertreter in den Hilfswerk-Ausschuss des Hilfswerks der EKiD zu wählen. Darunter befinden sich auch die zwei Wirtschafts- und Finanzsachverständigen des Verwaltungsrats. Die Wahl gilt nur für zwei Jahre. Die Wahlperiode für die zurzeit amtierenden Vertreter läuft demnächst ab. 2. Das Zentralbüro bittet daher, dafür besorgt zu sein, daß die erforderliche Neuwahl durch die im März tagende Synode der EKD erfolgt. 3. Die bisher gewählten Mitglieder des Hilfswerk-Ausschusses sind: Frau Marschner, Dresden A 27, Leipnitzstraße [sic!] 14 Frau Pastor Baden, Eldingen/Krs. Celle (Hannover) Fabrikant Paul Lechler, Stuttgart, Kronenstr. 50A Dr. Franz J. P. Leitz, Ludwigshafen, Wöhlerstr. 18 Dr. Manfred Müller, Stuttgart, Danneckerstr. 19A Senatssyndikus Mestern, Hamburg, Senat, Rathaus Zi. 423 Stellvertreter: Frau Pfarrer Nold, Stein bei Nürnberg
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42. Sitzung Berlin, 13. März 1954
Frau Elisabeth Mayer, Magdeburg-Buckau, Basedowstr 15 Propst Jänicke, Halle/S., Hoher Weg 14 Dr. Strache, Berlin-Lichtenrade, Prinzessinnenstr. 13a Dir. Dr. v. Falkenhausen, Essen-Bredeney, Brachtstr. 21. 4. Nach der bisherigen Zusammenarbeit neigt das Zentralbüro der Auffassung zu, daß eine Wiederwahl angenommen werden würde. Es hat aber, um der Synode in keiner Weise vorzugreifen, von sich aus eine Klärung in dieser Richtung nicht herbeizuführen versucht. In Vertretung Röntsch [m. p.]
42D4. Schreiben des Superintendenten von Wien an den Rat. Wien, 2. Februar 1954 F: EZA Berlin, 6/1108 (O). Hochwürdige und verehrte Herren und Brüder! Im Namen der Evangelischen Schulgemeinde Wien wage ich es, Ihnen, hochwürdige und hochverehrte Herren und Brüder, ein Ansuchen vorzulegen, das an den Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland gerichtet ist. Wie Sie wohl größtenteils durch unseren Markengruß an die evangelischen Kirchenführer Deutschlands wissen, hat sich die evangelische Schulgemeinde zum Wiederaufbau der Evangelischen Schule am Karlsplatz in Wien entschlossen. Eine große Ermutigung war uns eine schon im Jahre 1945 eigentlich überraschend gewährte Gabe der lutherischen Brüder in Nordamerika, die uns 40.000 Dollar für den Wiederaufbau zur Verfügung stellten. Wir konnten freilich damals nicht daran gehen, weil die gesetzlichen Grundlagen für die Wiedererstattung seinerzeit geraubten Besitzes erst geschaffen werden mußten. Es wurde März 1951, bis wir endlich mit den Arbeiten beginnen konnten. Sie sind jetzt, so weit die Gelder reichten, fortgesetzt worden, so daß wir gegenwärtig fast alle baulichen Arbeiten beendet haben. Der größere und teurere Teil der Arbeiten liegt freilich noch vor uns. Wir haben bis jetzt etwas mehr als 2½ Millionen Schillinge verbaut. Ohne die Einrichtung brauchen wir für die Fertigstellung des Hauses, sodaß wir dann tatsächlich nur Tische, Bänke und Tafeln hineinstellen müssen, 3½ Millionen Schillinge. Als unsere Schulgemeinde sich im Jahre 1950 zum Wiederaufbau entschloß, waren wir uns alle darüber klar, daß wir die Mittel für den Bau nur aus zusätzlichen Quellen schaffen können. Wir konnten die notwendigen Gelder nicht auf die üblichen Unterstützungsprogramme entweder der Ökumene oder des Lutherischen Weltbundes setzen, weil diese Gelder – so
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großzügig sie waren – doch nicht für die Fülle der baulichen Erneuerungen und Arbeiten ausreichen. Eine zusätzliche Quelle konnte ich mit Hilfe der Stadt Wien damit erschließen, daß uns im November 1952 eine öffentliche Straßensammlung gewährt wurde, seit der wir den „Baugroschen der Evangelischen Schulgemeinde Wien“ in verschiedenen Größen und Ausfertigungen zu S 1.–, S 5.–, S 100.– und S 1000.– verkaufen. – Eine weitere zusätzliche Quelle erschloß sich uns mit der uns gewährten Sonderpostmarkenreihe, die im November 1953 erschien. Von dem Reinerträgnis, das durch den auf den Nennwert erhobenen Zuschlag gewonnen wird, hoffen wir bei dem Ausverkauf dieser Markenreihe auf 1. 000. 000.–, [sic!] Daneben versuche ich, von den österreichischen Ländern, den Kammern, den Banken, Versicherungsanstalten und Industrien Österreichs kleinere und größere Beiträge und Subventionen zu erhalten. Das ist freilich ein mühsamer, aber nicht vergeblicher Weg, wenngleich wir nur einen Teil der noch fehlenden Bausumme damit decken können. Vielleicht darf ich bei dieser Gelegenheit berichten, daß wir, wie schon das Beispiel der Straßensammlung und der Briefmarken zeigt, in der Öffentlichkeit unseres Landes wirklich freundliches Verständnis und bereitwillige Hilfe finden. Ich habe von Anfang an unser Bauvorhaben neben den Wiener Stephansdom gestellt. Sowohl die Bundesregierung als auch Erzbischof Innitzer haben das durchaus angenommen. Kardinal Innitzer hat ja seinerseits unsere Straßensammlung durch das Wiener katholische Kirchenblatt empfehlen lassen. Jedenfalls empfinden die ja natürlich zumeist katholischen Inhaber, Bankleute und Landeshauptmänner unsere Angelegenheit nicht als eine rein konfessionelle, obwohl es sich um den Wiederaufbau der Evangelischen Schule handelt, sondern mehr als eine öffentliche Angelegenheit, zu der sie ja ihren Beitrag zu leisten haben. Eine besondere Freude war für uns, daß Bundeskanzler Dr. Adenauer uns im November vorigen Jahres mit einer Spende von 20.000.– nicht nur einen erheblichen Beitrag geschenkt, sondern uns vor allem sehr erfreut und ermutigt hat. Im Namen der evangelischen Schulgemeinde Wien bitte ich Sie nun, hochwürdige und hochverehrte Herren und Brüder, in der nächsten Sitzung des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland unser Ansuchen um eine Subvention freundlich zu beraten und, wenn es möglich ist, aufrecht zu erledigen. Selbstverständlich gibt es nicht den geringsten Rechtstitel für uns, aus dem wir eine solche Bitte ableiten könnten. Zu dieser Bitte ermutigt mich einzig die seit jeher gemachte Erfahrung, daß die Evangelischen Kirchen Deutschlands sich der kleinen und armen Diasporakirche in Österreich in brüderlicher Hilfsbereitschaft verbunden fühlen. Der Wiederaufbau der Schule bedeutet nicht nur für die Evangelischen Wiens die Wiederaufnahme einer alten und bewährten Überlieferung – die
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42. Sitzung Berlin, 13. März 1954
Schule am Karlsplatz erfreute sich durch Jahrzehnte bis zu ihrem gewaltsamen Ende eines ausgezeichneten Rufes –, sondern die vor aller Öffentlichkeit wiederholte Bestätigung der Gleichberechtigung der beiden großen Konfessionen. Kaiser Franz Josef hat im Jahre 1860 – unmittelbar vor dem Erlaß des Protestantenpatentes, das den Evangelischen Österreichs die Gleichberechtigung brachte – aus dem kaiserlichen Stadterweiterungsfonds den evangelischen Gemeinden Wiens den wirklich repräsentativen Bauplatz geschenkt, auf dem 1861/62 nach den Plänen des genialen (aus Dänemark stammenden und daher lutherischen) Architekten Theophil von Hansen die Evangelische Schule erbaut wurde. Noch wichtiger ist uns freilich ein anderes: Wir sind durchaus mit der öffentlichen interkonfessionellen Schule in Österreich einverstanden, da wir in ihr das volle Recht des Religionsunterrichts haben, den die Kirche nach ihren Plänen von den Leuten erteilen lässt, denen Sie das Vertrauen und Recht dazu schenkt. Und doch sind wir – schon um des Vermächtnisses unserer Väter willen – der festen Überzeugung, daß wir wenigstens an einigen Stellen evangelische Gemeindeschulen zum Zeichen dafür errichten und führen müßten, da nach reformatorischem Verständnis Kirche und Schule zusammengehören. Gerade dieser Grund ermutigt uns auch, an den Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland heranzutreten. Wir hoffen von Herzen, daß der Rat sich unserer Bitte nicht verschließen wird. Wenn sich der Rat dazu entschließen könnte, uns mit einer Subvention wirklich zu helfen, dann wird die Überweisung sicher auf völlig legalem Wege möglich sein. Für uns am einfachsten wäre, wenn der Betrag auf unser Konto beim Bankhaus Schoeller & Co, Wien 1, Renngasse 3, Kontonummer 4090 „Evangelische Schulgemeinde A. B. Wien, Bauausschuß“ überwiesen werden könnte. Es liegt uns sehr daran, weiterbauen und möglichst bald den Schulbau vollenden zu können. Die technischen Möglichkeiten sind gegeben, es hängt nur von dem Eingehen der erbetenen Gelder ab. Mit aufrichtigem Dank für die vielfach bewährte brüderliche Gesinnung, die mich im Namen der Schulgemeinde zu diesem Brief ermutigt, und mit der Bitte, uns unser „unverschämtes Geilen“ nicht übel nehmen zu wollen, sondern zu all Ihrer eigenen großen Sorgen nun auch noch unsere große Sorge mit aufs Herz zu nehmen, grüßt Sie, hochwürdige und hochverehrte Herren und Brüder, Ihr Ihnen in der Verbundenheit des Glaubens und Dienstes sehr ergebener Georg Traar [m. p.] Superintendent von Wien
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42D Vorlagen und Anträge
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42D5. Antrag der Finanzdirektion der Europäisch-Festländischen Brüderunität an Merzyn. Bad Boll, 26. Januar 1954 F: EZA Berlin, 2/2135 (O). Sehr geehrter Herr Merzyn! In der Angelegenheit der Finanznot der Brüdergemeine hatte ich Gelegenheit mit Ihnen einige Tage vor dem Kirchentag telefonisch zu sprechen, um damals eine Zusammenkunft in Verbindung mit dem Kirchentag vorzuschlagen, die aber dann nicht durchführbar war. Wir hatten vor ca. 2 Jahren schon um eine finanzielle Unterstützung der Herrnhuter Brüdergemeine gebeten35 und hatten damals dankenswerterweise eine völlig freiwillige einmalige Unterstützung der EKiD in Hannover von 25000.– erhalten, die uns eine große Hilfe war. Im Blick auf unsere grossen finanziellen Sorgen, die darin bestehen, dass wir unsere erheblichen Einnahmen aus unserem gewerblichen Vermögen verloren haben, sind wir gezwungen, nach wie vor noch eine lange Reihe von Jahren um Hilfe zu bitten, da wir noch sehr viele Lasten unserer früheren grösseren Vergangenheit durchzuschleppen haben. Wir hatten bei unseren Bitten die Nöte unserer Pensionsleistungen in den Vordergrund gestellt. Durch verschiedene Besprechungen mit einzelnen kirchlichen Stellen ist uns aber klar geworden, dass gerade diese Sondernot nicht geeignet ist, als Grundlage für eine Bitte um Hilfe zu dienen. Wir sind daher zu der Überlegung gekommen, dass es nicht nur zweckmässig, sondern im Grunde genommen auch den wirklichen Verhältnissen entsprechender wäre, wenn wir um Hilfe für eine neuere Arbeit bitten, welche allgemeines Interesse verdient. Deshalb wollten wir uns erlauben, einen grösseren Kreis der evangelischen Kirchen um eine finanzielle Mitarbeit bei unserer bekannten Siedlung in Neugnadenfeld zu bitten. Wir erlauben uns nun den Antrag zu stellen, ob nicht die EKiD in der Lage wäre, die verschiedenen Gliedkirchen um eine finanzielle Hilfe für diese Siedlung Neugnadenfeld zu bitten, deren Verwaltung uns jährlich ca. DM 30000.– kostet. Wir haben lt. beiliegender Anlage36 ein ganz kurzes Exposé über die Angelegenheit gemacht. Falls Sie den Wege sehen, unsere Bitte weiterzuleiten, wären wir selbstverständlich gerne bereit, Ihnen dieses Exposé in einer entsprechenden Anzahl von Exemplaren zur Verfügung zu stellen, würden aber um Ihren Ratschlag bitten, falls Sie eine Änderung oder Ergänzung des Schriftstücks für zweckmäßig hielten. Wir dachten daran, das ebenfalls hier
35 D. Pöpping/P. Beier, Protokolle 7, 38B5a, S. 435. 36 Nicht ermittelt.
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42. Sitzung Berlin, 13. März 1954
beiliegende Faltblatt37 über Neugnadenfeld beizufügen, das denjenigen Stellen, welche Neugnadenfeld noch nicht selbst gesehen haben, einen gewissen Einblick in die Entwicklung und Verhältnisse gibt. Wenn es uns auch schwerfällt, dass wir neben der Bitte um eine Hilfe für den Wideraufbau unseres Zinzendorf-Gymnasiums in Königsfeld, für welches die EKiD uns freundlicherweise DM 25000.– im Herbst zur Verfügung gestellt hat, nun auch noch mit dieser Bitte für Neugnadenfeld zu kommen, so zwingt uns doch unsere Notlage zu diesem Schritt, denn wir wissen tatsächlich nicht, wie wir weiterhin die notwendigen Mittel für die Betreuung für Neugnadenfeld durch die Herrnhuter Brüdergemeine beschaffen sollen. Bei dem sehr starken Mitgefühl, das ich bei all unseren Besprechungen bei Ihnen für die Dinge der Brüdergemeine so dankbar empfinden durfte, habe ich die Hoffnung, dass Sie doch einen Weg finden werden, um unsere Notlage in zweckmässiger Weise an die Gliedkirchen heranzutragen, soweit nicht die EKiD selbst uns dabei helfen kann. Selbstverständlich stehen wir Ihnen jederzeit mit näheren Ausführungen und auch zu orientierenden ergänzenden Besprechungen zur Verfügung. Mit bester Empfehlung bin ich Ihr ergebener K. Marx [m. p.]
42E Dokumente 42E1. Schreiben Brunottes an Niemöller. Hannover, 3. März 1954 F: EZA Berlin, 4/46 (Abschrift). Hochverehrter Herr Kirchenpräsident, lieber Bruder Niemöller! Um die Schaffung einer zweiten Juristenstelle im Stellenplan des Kirchlichen Aussenamtes scheinen sich erhebliche Missverständnisse angesammelt zu haben. Mir persönlich ist kein Zweifel, dass sich auch Herr Johannesson irrt. Ich habe in der Ratssitzung nicht behauptet, dass das Kirchliche Aussenamt seinen Antrag fallen liesse. Mein Petitum ging vielmehr dahin, dass alle Wünsche der Amtsstellen auf Errichtung neuer Planstellen oder auf Beförderung von Stelleninhabern nicht vom Rat, sondern von der Synode entschieden werden möchten. Demgemäss haben wir in der Vorlage bei keiner Amtsstelle eine Erweiterung des Stellenplans vorgebracht, obwohl auch die 37 Nicht ermittelt.
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42E Dokumente
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Berliner Stelle und Hannover einige Wünsche hatten. Alle diese Wünsche, also auch der des Kirchlichen Aussenamtes, können und sollen im Haushaltsausschuss der Synode vorgebracht werden. Ich möchte Sie daher bitten, einen solchen Antrag nicht bei der Ratssitzung am 13. März, sondern erst im Haushaltsausschuss der Synode zu stellen. Der Rat wäre auch gar nicht mehr in der Lage, die bereits gedruckte Vorlage am Tage vor dem Beginn der Synode noch zu ändern. Was das Missverständnis von Herrn Johannesson betrifft, so möchte ich nur bemerken, dass meine persönliche Meinung dahin ging, dass man vor einer Entscheidung des Haushaltsausschusses vielleicht noch einmal darüber sprechen sollte, ob die Einrichtung einer zweiten Juristenstelle im gegenwärtigen Zeltpunkt wirklich im Interesse des Aussenamtes und seiner Mitarbeiten liegt. Vielleicht ist hierzu vor Beginn der Synode noch Gelegenheit. Mit brüderlichen Grüssen Ihr sehr ergebener gez. D. Brunotte
42E2. Vermerk des Landeskirchenamtes Kiel. Kiel, 21. September 1954 F: NEK Kiel, 22.02, Nr. 693 (D). 1) Vermerk: Die Kirchenkanzlei der EKiD hat uns die bei ihr entstanden Vorgänge betreffend Spenden für den Wiederaufbau Helgoland und Umlage für die Nordschleswigsche Gemeinde zur Kenntnisnahme übersandt. Aus diesen Unterlagen ergibt sich folgendes: a) betreffend Nordschleswigsche Gemeinde Es haben gezahlt bzw. in Aussicht gestellt: Eutin 165.– DM Braunschweig 1.000.– " Hessen-Nassau 9.108.– " an Kirchliches Außenamt Hannover abgelehnt Speyer 2.640.– DM zunächst an EKiD gezahlt, mit Schreiben vom 31. August d. J. zurückgezogen zu Gunsten des Kirchlichen Außenamtes Stuttgart abgelehnt Rheinland abgelehnt Bremen 2.200.– DM Lübeck 649.– DM Oldenburg abgelehnt
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42. Sitzung Berlin, 13. März 1954
Lippe 748.– DM Karlsruhe bisher kein Entscheid b) Helgoland: Westfalen Speyer München Hamburg Kurhessen-Waldeck Hannover Rheinland Württemberg Lübeck Lippe Oldenburg
5.000.– DM Sammelaufruf an Gemeinden 2.000.– DM in Aussicht gestellt Aufruf an Gemeinden 1.000.– DM 15.000.– DM Kollekte in Aussicht gestellt abgelehnt Kollekte Kollekte abgelehnt
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43 Berlin, 19. März 1954 Ort: Beginn: Ende: Teilnehmer: Protokollant:
Berlin-Spandau, Johannes-Stift, Schönwalder Allee 26. Freitag, 19. März 1954 (10.301 Uhr). Freitag, 19. März 1954 (Uhrzeit unbekannt). Dibelius, Haug, Heinemann, Herntrich, Kreyssig, Meiser, Niemöller, Niesel, Smend. Von der Kirchenkanzlei: Brunotte, Karnatz. Brunotte.
43B Protokoll F: EZA Berlin, 2/1796 (H, den Ratsmitgliedern mit Schreiben der Kirchenkanzlei vom 23. März 1954 zugesandt). G: Mitschriften 1. Haug (LKA Stuttgart, A 126, Nr. 386). Niederschrift über die 43. Sitzung des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland am 19. März 1954, 10.30 Uhr, in Berlin-Spandau Anwesend:
Bischof D. Dr. Dibelius Landesbischof D. Dr. Haug Präses Dr. Dr. Heinemann OKR D. Dr. Herntrich Präses Dr. Kreyssig Landesbischof D. Meiser Kirchenpräsident D. Niemöller Moderator D. Niesel Professor D. Dr. Smend
1 Die im Protokoll genannte Anfangszeit 10: 30 Uhr ist zweifelhaft, da nach der Mitschrift Meisers über die Synode (LAELKB Nürnberg, Meiser, 162) er selbst und auch Heinemann zu diesem Zeitpunkt noch an der bis 12: 30 Uhr tagenden Synode (Berlin-Spandau 1954, S. 365) teilnahmen.
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43. Sitzung Berlin, 19. März 1954
(nicht anwesend:
Landesbischof D. Hahn Landesbischof D. Dr. Lilje Synodalpräsident Mager) Von den Amtsstellen: Präsident D. Brunotte Geheimrat D. Dr. Karnatz 1. Stellungnahme zu den Beschlüssen der Synode Nach Abschluss der 5. Tagung der 1. Synode der EKD beschloss der Rat, von seiner Befugnis, gegen Beschlüsse der Synode Einwendungen zu erheben (Art. 26 Abs. 4 der Grundordnung2), keinen Gebrauch zu machen. 2. Hilfe für Helgoland Der Rat erörterte nochmals die Angelegenheit einer Hilfe der westdeutschen Gliedkirchen für den kirchlichen Wiederaufbau auf Helgoland (vgl. Niederschrift der 42. Ratssitzung, Ziffer 7)3. 3. Entschliessung des Synodalausschusses Ost-West4 Die Kirchenkanzlei wurde beauftragt, die Einzelheiten der Entschließung des Ost-West-Ausschusses zur Ausführung zu bringen5. 4. § 67 des Personenstandsgesetzes (vgl. Niederschrift zur 42. Sitzung, Ziffer 13) Die Kirchenkanzlei wurde beauftragt, ein Rundschreiben an die Gliedkirchen in Westdeutschland herauszugeben und diesen die augenblickliche Lage und die Stellungnahme des Rates mitzuteilen6. Der Rat würde eine Beseitigung mindestens der vom Nationalsozialismus veranlassten übermäßigen Erhöhung der Strafbestimmungen begrüssen. Für den Fall, dass die Strafbestimmung überhaupt wegfällt, hält der Rat die Einführung einer Vorschrift in das Personenstandsgesetz für erforderlich, nach welcher die bürgerliche Eheschliessung der kirchlichen Trauung weiterhin vorauszugehen hat. Im übrigen nimmt der Rat auf die Beschlüsse der Synode Bezug7.
2 ABlEKD 1948, Nr. 5 vom 15. Juli 1948, S. 112. 3 Noch während der Synode hatte sich der schleswig-holsteinische Bischof Halfmann am 19. März 1954 an die Kirchenkanzlei gewandt und in „Ausführung des Beschlusses der Synode“ den Entwurf eines Briefs des Rates an die Gliedkirchen vorgelegt (43E1). Zum Fortgang vgl. 44B12. 4 Zur Vorgeschichte des Antrages: Berlin-Spandau 1954, S. 289f. 5 Vgl. 43D1 und zur Ausführung 43E2. Zum weiteren Verlauf vgl. 44B4 und 46B16. 6 Dieses Rundschreiben (43C1) wurde von der Kirchenkanzlei auch dem Bundesinnen- und dem Bundesjustizministerium zugesandt. Zur Haltung der katholischen Kirche vgl. Rankes Notiz für die Ratsmitglieder vom 16. März 1954 (43E3). 7 Am 7. April 1954 wandte sich Brunotte an Kunst und machte ihn mit Bezug auf 43C1 dar-
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43C Anlagen und Beschlusstexte
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5. Nächste Sitzung Die nächste Sitzung des Rates soll am 6. und 7. Mai 1954 in Halle stattfinden. gez. D. Brunotte
43C Anlagen und Beschlusstexte 43C1. Schreiben der Kirchenkanzlei an die westlichen Landeskirchen. Hannover, 24. März 1954 F: EZA Berlin, 2/2022 (H). Betr.: Neufassung des Personenstandsgesetzes Wie bekannt sein wird, verhandeln zur Zeit die zuständigen Bundesstellen in Bonn über die Neufassung des Personenstandsgesetzes. Hierbei ist von besonderer Bedeutung die Frage einer Änderung oder eines Wegfalls des § 67 des bisherigen Personenstandsgesetzes. Die Kirchenkanzlei der EKD hat vor einigen Jahren dem Bundesinnenministerium vorgeschlagen8, die Strafbestimmung des § 67 wegfallen zu lassen. Die Kirchenkanzlei ging davon aus, dass diese Strafbestimmung zur Zeit des Kulturkampfes in das Personenstandsgesetz aufgenommen [worden] ist, weil man meinte, die damals umstrittene obligatorische Zivilehe strafrechtlich sichern zu müssen. Als die Kirchenkanzlei sich vor einigen Jahren für den Wegfall des § 67 aussprach, geschah das zu einer Zeit, in welcher eine Diskussion um die obligatorische Zivilehe nicht geführt wurde. Inzwischen ist der Gedanke einer Abschaffung der obligatorischen Zivilehe in manchen Kreisen lebhaft erörtert worden. Hierbei ist es vielfach zu unklaren und missverständlichen Äusserungen gekommen. Die Begründung des Ministeriums zur Neufassung des Personenstandsgesetzes hat diese Missverständnisse leider noch vermehrt. Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland hat daher in seinen Sitzungen vom 12. und 19. März 1954 in Berlin-Spandau davon abgesehen, sich im gegenwärtigen Zeitpunkt für die Evangelische Kirche in Deutschland amtlich zu äussern und etwa die Bitte um einen völligen Wegfall der auf aufmerksam, dass er weitere Schritte in der Sache – die Presse hatte darüber berichtet und Niesel hatte sich empört am 5. April an Brunotte gewandt – zu unterlassen habe. Es sei besser, „dem Bundestag völlig [zu] zu überlassen, zu welchem Ergebnis er kommen will“ (beide Schreiben in EZA Berlin, 742/345). Kunsts Antwort vom 10. April 1954 (43E4) offenbarte die Dissonanz zwischen EKD und Bundesregierung infolge des ungeschickten kirchlichen Vorgehens und der für die Politik schwer durchschaubaren Frage, wer für die EKD verbindlich spreche. 8 Schreiben vom 9. Juli 1952 (EZA Berlin, 2/2021).
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43. Sitzung Berlin, 19. März 1954
Strafbestimmung des § 67 offiziell zu erneuern. Er hält es allerdings für erstrebenswert, dass die vom Nationalsozialismus veranlasste übermässige Erhöhung der Strafbestimmungen auf eine Gefängnisstrafe bis zu 5 Jahren wieder beseitigt wird. Sollten sich die zuständigen Bundesstellen von sich as zu einer völligen Streichung des § 67 entschliessen, so würde der Rat der EKD die Einführung einer Vorschrift in das Personenstandsgesetz für erforderlich halten, nach welcher die bürgerliche Eheschliessung der kirchlichen Trauung weiterhin vorauszugehen hat. Inzwischen hat sich auch die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland, deren Thema die Stellung der Familie in der modernen Gesellschaft war, unter anderem mit der Frage der Eheschliessung befasst. Sie hat folgendes beschlossen: 1. Zur Eheschliessung „Nach evangelischem Verständnis der Ehe unterscheiden sich weltliche Eheschliessung und kirchliche Trauung. Obwohl es möglich wäre, die rechtliche Konsenserklärung der Eheschliessenden mit der kirchlichen Trauung zu verbinden, hält die Synode es für geboten, an dem geltenden Recht der obligatorischen Zivilehe festzuhalten. Sie befürchtet, dass die Einführung der fakultativen Zivilehe zu Gewissenszwang führt, die Rechtseinheit beeinträchtigt und Rechtverwirrung stiftet, was um des Zusammenlebens der Menschen in unserem Volk willen verhindert werden muss.“ Wir bitten die Gliedkirchen, ihre Pfarrer über die Stellungnahme des Rates und der Synode zu unterrichten und sie auch darauf hinzuweisen, dass eine etwa inkraft tretende Streichung der Strafbestimmung des § 67 an der bisherigen Rechtslage nichts ändert, nach welcher eine kirchliche Trauung erst vorgenommen werden kann, wenn die standeamtliche Eheschliessung nachgewiesen ist. gez. D. Brunotte
43D Vorlagen und Anträge 43D1. Schreiben des Synodalausschusses Ost-West an den Rat über Synodalpräses Heinemann. Berlin-Spandau, 18. März 1954 F: EZA Berlin, 4/46 (O). Der Ausschuss Ost-West der 5. Tagung der 1. Synode der EKD hat einstimmig beschlossen, den Rat der EKD zu bitten, das Band zwischen den Gliedkirchen des Ostens und Westens durch nachstehende Massnahmen, die er in Vorschlag bringt, noch mehr zu festigen:
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43D Vorlagen und Anträge
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1. Die Berliner Bibelwochen, die von der Kirche der Union und in ähnlicher Form von den anderen Kirchen abgehalten sind, sollten ausgeweitet werden, und es sollten sich möglichst alle Gliedkirchen der EKD daran beteiligen. Ebenso sollte der Besuchsdienst zwischen Ost und West stärker angeregt und fester geordnet werden unter Berücksichtigung der Patenschaften und der schon geknüpften Verbindungen. Jede Begegnung von Gemeinde zu Gemeinde müssen wir fördern. Zur Verwirklichung dieser Pläne ist eine Fahrgeldhilfe wichtig. Solche Hilfe ist auch nötig für Besuche von Eltern zu Kindern und umgekehrt. 2. Fortsetzung und Ausweitung der diakonischen Hilfe ist dringend erforderlich. U. a. werden Erholungsmöglichkeiten gebraucht, ganz besonders für kirchliche Mitarbeiter, Schwestern und Pfarrer. 3. Die Pfarrhäuser des Ostens sind in besonderer Not. Es fehlt an Kleidung, Schuhen und Haushaltswäsche. Zum Ausgleich des grossen Unterschieds in der Besoldung zwischen Ost- und Westdeutschland sollte von den westlichen ein laufendes Opfer für ihre Brüder im Osten erbeten werden. 4. Die Schriftenhilfe für Pfarrer, Gemeinden und Synodenbüchereien bietet noch viele Möglichkeiten des Ausbaus. Es müsste auch versucht werden, neue Lizenzen für Ostverlage zu beschaffen. 5. Die schwerste Not ist der Mangel an Menschen, Ärzte, Schwestern, Diakone fehlen in steigendem Masse. Es muss versucht werden, sie für den Dienst im Osten zu gewinnen. 6. Besonderes Augenmerk ist zu richten auf die nach Westdeutschland geflohenen Schüler höherer Anstalten. Patenschaften und Ferienplätze für solche Schüler sind notwendig. Jeder Schüler sollte im Westen eine Familie finden, in der er sich zu Hause wissen darf. Der Ausschuss bittet den Rat der EKD, die Kirchenkanzlei in Hannover und die Kirchenkanzlei – Berliner Stelle – mit der Durchführung der Vorschläge unter Heranziehung von Sachverständigen zu beauftragen. Er erlaubt sich als Sachverständiger vorzuschlagen: Frau Baden – Hannover Pfarrer Berg – Berlin Landesinspektor Mütze – Sachsen Präses Rautenberg – Pommern Dr. Wenzel – Berlin Präses Wilm – Bielefeld Pastor Wischmann – Loccum Dr. Rautenberg [m. p.]
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43. Sitzung Berlin, 19. März 1954
43E Dokumente 43E1. Schreiben der schleswig-holsteinischen Kirchenleitung an die Kirchenkanzlei. Kiel, 19. März 1954 F: EZA Berlin, 2/5859 (O). Betr.: Beschluß der Synode der EKiD über eine Sammlung für den kirchlichen Wiederaufbau in Helgoland. Zu der Ausführung des Beschlusses der Synode erlaube ich mir, ergebenst den Entwurf eines Ausschreibens des Rats an die Gliedkirchen vorzulegen. Es wird dabei u. E. eine Vorentscheidung zu treffen sein, ob für die Helgolandsammlung nur die westlichen Gliedkirchen oder alle Gliedkirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland in Anspruch genommenwerden sollen. Diese Vorentscheidung muß wohl dem Herrn Ratsvorsitzenden und der Kanzlei überlassen bleiben. Eine zweite Vorentscheidung wird u. E. nötig sein über die Auslegung des Begriffs „die gesamte evangelische Bevölkerung Deutschlands“. Wir hatten bei Einbringung unseres Antrags nicht daran gedacht, daß eine besondere Sammlung nach Art der Haus- und Straßensammlung veranstaltet werden sollte, weil dadurch der Sammlungskalender für die großen kirchlichen Werke berührt würde. Wir waren der Meinung, es würde genügen, wenn auf eine interne Weise in Gemeinden und Gemeindekreisen ein Opfer gesammelt würde. Wir geben den folgenden Text als einen Entwurf: Die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland hat auf ihrer Tagung in Berlin-Spandau am 18. März 1954 den folgenden, aus der Synode eingebrachten Antrag einstimmig angenommen: „Die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland nimmt von der Wiederbesiedlung Helgolands mit Freude und Dankbarkeit Kenntnis. Sie beauftragt den Rat, geeignete Schritte zu tun, um im Einvernehmen mit den Leitungen der Landeskirchen die gesamte evangelische Bevölkerung Deutschlands zu einem Opfer für die möglichst baldige Errichtung einer Kirche und eines Pfarrhauses in Helgoland aufzurufen.“ Zu diesem Beschluß geben wir die folgende, uns von der SchleswigHolsteinischen Landeskirche zur Verfügung gestellte Erläuterung: Helgoland, durch Luftangriffe während des Krieges, durch gewaltige Sprengungen nach dem Kriege und jahrelange Bombardierung zu Übungszwecken durch die Besatzungsmacht auf schwerste zerstört, soll nach der von ganz Deutschland begrüßten Freigabe wieder aufgebaut werden. Die auf dem Festland zerstreute Bevölkerung darf
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43E Dokumente
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zurückkehren in dem Maße, wie neuer Wohnraum geschaffen wird. Vorgesehen ist eine Besiedlung mit etwa 4–5000 Einwohnern. 20 Häuser sind in der nächsten Zeit fertig; 100 weitere Häuser sollen in diesem Jahre gebaut werden. Die Inselgemeinde gehört zur Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Schleswig-Holsteins. Was an kirchlichen Einrichtungen vorhanden war, ist einschließlich des Friedhofs total zerstört. Zur Zeit ist auf der Insel ein Diakon der Seemannsmission stationiert, der die Arbeitsgruppen seelsorgerisch bedient. Die Wiederbesiedlung und die Wiedereinrichtung des Seebades, das voraussichtlich von zahlreichen Kurgästen aufgesucht werden wird, machen auch die Wiedererrichtung der Kirchengemeinde mit ihren Baulichkeiten nötig. Die Aufräumung der Insel, ihre Herrichtung für menschliche Besiedlung und die Wiederherstellung der Hafen- und Fischereianlagen kann nicht von Lande Schleswig-Holstein allein getragen werden und wird daher unter starkem Einsatz von Bundesmitteln betrieben. Ebenso übersteigt auch die Aufgabe der Wiedereinrichtung der evangelischen Kirchengemeinde die Kraft einer einzelnen Landeskirche und muß von der Gesamtkirche mitgetragen werden. Jeder Stein, jedes Werkzeug, jegliches Baumaterial, dazu alles, was zum Leben notwendig ist, muß vom Festland herbeigebracht werden. Das Bauen auf Helgoland ist um 70 % teurer als auf dem Festland. Für den ersten Anfang ist ein Pastorat mit Gemeindehaus geplant, das etwa 130.000 DM kosten wird. Dazu kommt die Anlage des Friedhofs, und zu einer späteren Zeit der Ausbau des Gemeindehauses zu einer Kirche. Die Gesamtkosten sind auf 490.000 DM veranschlagt. Der kirchliche Wiederaufbau Helgolands soll ein Gemeinschaftswerk der evangelischen Kirche in Deutschland sein. Der Felsen im Meer, von den Wogen benagt, von den Bomben zerschlagen, hat alle Schläge überdauert und zieht wieder neues Leben an sich. Helgoland ist nicht nur ein deutsches Symbol, sondern auch ein Denkmal des göttlichen Schöpfer- und Erhaltungswillens, der in stiller Beharrlichkeit den Vernichtungskräften getrotzt hat und nun erwartet, daß wir ihn dankend erkennen, loben und preisen. Der Name des lebendigen Gottes, der uns geschaffen hat und erhält samt allen Kreaturen, und uns durch Jesus Christus erlöst und zu Kindern des Friedens macht, soll auf der Felseninsel wieder von einer christlichen Gemeinde verkündet und gepriesen werden. „Wenngleich das Meer wütet und wallte und von seinem Ungestüm die Berge einfielen: Dennoch soll die Stadt Gottes fein lustig bleiben mit ihren Brünnlein, da die heiligen Wohnungen des Höchsten sind“ (Ps. 46, 4 u. 5). Die Kirchenleitungen werden gebeten, die Helgolandspende je in der
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43. Sitzung Berlin, 19. März 1954
Weise durchzuführen, wie es ihnen am zweckmäßigsten zu sein scheint, durch Kirchenkollekten, Gaben aus Gemeindekreisen, kirchlichen Körperschaften u. ähnl. Wir bitten darum, daß die Erträge der Kollekte bis zum . . .. . .. mit Angabe der Zweckbestimmung an die Kasse der Evangelischen Kirche in Deutschland in Hannover-Herrenhausen abgeführt werden. D. Halfmann [m. p.] 43E2. Schreiben der Kirchenkanzlei an die westlichen Landeskirchen. Hannover, 24. Mai 1954 F: EZA Berlin, 2/2466 (H). Betr.: Bezug:
Amtsbrüderliche Hilfe Beschluss der Synode von Spandau 1954 und Beschluss des Rates der EKD vom 6. 5. 54 in Halle /Saale. Um dem in den Pfarrhäusern im Gebiet der DDR herrschenden Mangel an Kleidung, Schuhen und Haushaltwäsche zu steuern und durch ein Opfer der westdeutschen Pfarrerschaft für die Amtsbrüder in der DDR einen gewissen Ausgleich des Besoldungsunterschiedes zu erreichen, bittet der Rat der EKD auf Beschluss der Synode von Spandau die Landeskirchenleitungen, auf ihre Pfarrvereine einzuwirken, dass eine Aktion amtsbrüderlicher Hilfe in Gang gebracht oder, wo sie bereits besteht, tatkräftig ausgebaut wird. In diese Aktion sollen die Pfarrer in Österreich eingeschlossen werden. Die Hilfeleistung sollte sich auf diejenigen östlichen Landeskirchen, die auch im übrigen als Patenschaftskirchen einer westlichen Landeskirche gelten, erstrecken. Wir bitten, uns über das Veranlasste und sein Ergebnis zum Zwecke der Berichterstattung an den Rat der EKD bis zum 1. September zu unterrichten. gez. D. Brunotte. 43E3. Notiz Rankes für die Ratsmitglieder. 16. März 1954 F: NL Smend (H). Prälat Boehler teilte mir gestern abend (20,30) mit, der Episkopat habe beschlossen, zu § 67 Personenstandsgesetz keine Erklärung abzugeben. Der Episkopat lasse sich zu einer derartigen Erklärung nicht zwingen. Der Episkopat erwarte freilich, dass § 67 wegfalle. Er werde es bedauern, wenn die Evangelische Kirche sich für die Beibehaltung des § einsetzen werde. Die am Samstag durch ihn gegebene Anregung einer gemeinsamen Erklärung der beiden Kirchen sei damit hinfällig. Ranke 16. 3. 1954
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43E4. Schreiben Kunsts an Brunotte. Bonn, 10. April 1954 F: EZA Berlin, 742/345 (D). Betr.: § 67 des Personenstandsgesetzes. Bezug: Ihr Schreiben vom 7. April 1954 – Nr. 11589. I.9 – Lieber Bruder Brunotte! Am einfachsten mache ich als Antwort auf den Brief von Bruder Niesel10 das Gespräch, das ich mit dem Innenminister Dr. Schröder über den § 67 des Personenstandsgesetzes hatte, aktenkundig. Er bat mich zu sich und hielt mir Pressenachrichten vor, nach denen er eine offizielle Nachricht von Ihnen über unsere Stellungnahme bekommen solle. Ich sagte ihm, dass ich weder von der Absicht noch von dem Inhalt eines solchen Schreibens Kenntnis besässe. Ich übergab ihm meinerseits Beschlüsse der Synode zur Familienfrage. Ihn interessierte in diesem Zusammenhang, dass und warum wir für die obligatorische Zivilehe eintreten. Dr. Schröder erinnerte mich dann an die bekannte Geschichte des § 67. Er hielt mir vor, dass die Evangelische Kirche in Deutschland in zwei offiziellen Schreiben um die Streichung des § 67 gebeten habe. Sein Haus habe beide Male in Aktennotizen seine Bedenken angemeldet. Die Sache wurde dann dem damaligen Justizminister Dr. Dehler weitergegeben. Er empfahl, der Bitte der Kirche zu entsprechen. Erst dann habe sich sein Haus bewegen lassen, zuzustimmen. Er habe den Referentenentwurf dem Kabinett vorgelegt mit der Behauptung, die Streichung des § 67 geschehe auf Grund einer mehrfach vorgetragenen Bitte beider Kirchen. Er müsse die Freiheit für sich in Anspruch nehmen, dem Bundestag von den aktenkundigen Eingaben Kenntnis zu geben. Ich erinnerte ihn an die Veränderungen der Gesamtlage durch Äusserungen, etwa der des Vizepräsidenten Dr. Jaeger im Oktober 1953 über den Bayerischen Rundfunk. Dr. Schröder entgegnete, dass ähnliche Äusserungen von in der katholischen Kirche anerkannten Männern aus einer Zeit vor den Eingaben der Evangelischen Kirche in Deutschland allgemein bekannt gewesen seien. Wenn wir in den verflossenen Jahren häufig ausgesprochen hätten, dass Äusserungen leitender Kirchenmänner nicht als offizielle Stellungnahmen der Kirche anzusehen seien, sei es billig, den Katholiken im Blick auf Herrn Jaeger mit der gleichen Einschränkung zu begegnen. Entscheidend sei, dass die Evangelische Kirche in Deutschland ihre Stellung offenbar ändern wolle, nachdem aus einem hysterischen, konfessionellen Komplex heraus die Presse in einer offenbaren Verdrehung des Gegenstandes und der Absichten der Regierung gegen die geplante Streichung polemi9 EZA Berlin, 742/345. 10 Schreiben Niesels vom 5. April 1954 an Brunotte (EZA Berlin, 742/345).
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43. Sitzung Berlin, 19. März 1954
siere. Es sei in solcher politischen Sache nicht leicht, dass ein Gesprächspartner von einem schriftlich und mündlich mehrfach vorgetragenen Vorschlag zurücktrete, wenn die Sache in die Härte der öffentlichen Auseinandersetzung geriete. Es sei Aufgabe der Referenten in den Ministerien, alle Sonderfragen bei den beteiligten Gruppen jeweils zu klären, dass das Kabinett einen ausgewogenen Entwurf in klarer Kenntnis aller möglichen und wahrscheinlichen Schwierigkeiten bekommen, aber auch gleichzeitig wisse, wessen es sich von den Befürwortern bestimmter Teile der Gesetze zu versehen habe. Nicht ohne einen Anklang von Spott, wenn auch sehr höflich fragte Herr Schröder, wer in der Evangelischen Kirche in Deutschland ermächtigt sei, der Regierung Erklärungen abzugeben, an die sich die Kirche gebunden wisse. Ob ich bevollmächtigt sein, einen neuen Vorschlag zu § 67 zu machen. Das habe ich klar verneint. Die Unterredung hatte darin eine deutliche Caesur. Das Gespräch wandte sich dann der weiteren Behandlung der Gesamtfrage zu. Es trug deutlich den Charakter eines persönlichen Meinungsaustausches, wie ich ihn täglich in zahlreichen Fragen habe. Wir besprachen die Verhandlungen im Bundesrat, die Frage, ob der Entwurf einige Monate liegenbleiben solle usw. In diesem Zusammenhang meinte ich auf seine Frage, die Aufrechterhaltung der nationalsozialistischen Strafbestimmungen schiene mir vollständig unmöglich zu sein. Am meisten leuchte mir die Schweizer Lösung ein. Aber wenn der alte Zustand mit der geringen Strafbestimmung wiederhergestellt würde, käme sicher von der Evangelischen Kirche in Deutschland kein Einspruch. Herr Schroeder sagte mir, dass dies auch seine Meinung darstelle. Ich sprach dies umso unbefangener aus, als mir Herr Ranke nach der Synode genau dies als Meinung des Rates mitgeteilt hatte. Er selber hatte sie, wie sie wissen, drei Tage vor meiner Unterredung mit Herrn Schröder, einem Korrespondenten der „Welt“ mitgeteilt. Von Ihrer Korrektur wusste ich nichts. Wir waren an dem Tage Ihres Anrufes zu keiner Stunde gemeinsam in der Dienststelle. So hatte Herr Ranke keine Gelegenheit gehabt, mich zu informieren. Über das Gespräch mit Doktor Schroeder habe ich keinem Korrespondenten irgend eine Mitteilung gemacht. Wie die „Frankfurter Allgemeine“ an ihre Meldung kommt, weiss ich nicht. Wenige Stunden nach der Unterredung bekam ich die Abschrift Ihres Rundschreibens an die Kirchenleitungen11 und das Ratsprotokoll12. Ich habe daraufhin sofort Doktor Schröder angerufen und ihn von dem Inhalt des Beschlusses des Rates in Kenntnis gesetzt. Ihr Rundschreiben hatte er inzwischen erhalten.
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Zur Sache kann ich nur bemerken, ich sehe nicht, dass ich irgendwie über den formulierten Beschluss des Rates hinausgegangen bin. Es heißt in ihm: „Der Rat würde eine Beseitigung mindestens der vom Nationalsozialismus veranlassten, übermässigen Erhöhung der Strafbestimmungen begrüssen.“ Das Wort „mindestes“ heißt doch, dass der Rat etwas, was über den Fortfall der nationalsozialistischen Strafbestimmungen hinausgeht, erst recht begrüssen würde. Dass Herr Landesbischof Meiser und der Rat die alte Strafbestimmung erhalten wissen wollen, steht nicht im Protokoll, trotzdem dies eine überaus bemerkenswerte Stellungnahme wäre. Sie beinhaltet, dass der Rat eine besondere Strafandrohung für seine Pfarrerschaft will. Ich habe an der Ratstagung nicht teilgenommen, kenne also nicht den Verlauf der Verhandlungen. Ich bin selbstredend von der Überzeugung ausgegangen, die ich freilich Herrn Schröder nicht aussprach, dass die Landeskirchenregimente stark genug sind, die Dienstanweisungen für ihre Pfarrerschaft auch durchzusetzen. Es ist ja wirklich nicht leicht zu begreifen, dass der Staat Pfarrer mit Strafe bedroht, wenn sie eine an sich von Kirche und Staat anerkannte Trauhandlung vollziehen. Will der Staat, dass seine Bürger vor der kirchlichen Trauung vor dem Standesbeamten erscheinen, ist doch das Nächstliegende, dass er die Bürger, die diese Anordnung übertreten, bestraft. In jedem Fall schien mir immer als Erklärung der Kirche für den Staat ausreichend, wir verpflichten unsere Pfarrer, sich vor der kirchlichen Trauung von der vollzogenen standesamtlichen Eheschliessung zu überzeugen. Dass wir nach dem Kirchenkampf und bei den Erfahrungen der Ostzone in irgend einer Sache vom Staat eine besondere Strafandrohung für unsere Pfarrer verlangen könnten, ist nicht in meinen Horizont getreten. Ich lasse den Brief in doppelter Ausfertigung schreiben. Ich gebe Ihnen anheim, das zweite Exemplar Bruder Niesel zu seiner Information zuleiten zu lassen. Mit brüderlichen Grüssen bin ich Ihr gez. D. Kunst
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44 Halle/S., 6./7. Mai 1954 Ort: Beginn: Ende: Teilnehmer:
Protokollant:
Halle/S., Diakonissenhaus, Lafontainestraße 15. Donnerstag, 6. Mai 1954 (9.00 Uhr). Freitag, 7. Mai 1954 (Uhrzeit unbekannt). Dibelius, Hahn, Haug, Heinemann, Herntrich, Lilje, Mager, Meiser, Niemöller, Niesel. Von der Kirchenkanzlei: Karnatz, Dibelius [jr.], von Staa Vom Kirchlichen Außenamt: Johannesson. Der Bevollmächtigte der EKD am Sitz der Bundesrepublik Deutschland: Kunst. Der Bevollmächtigte der EKD bei der Regierung der DDR: Grüber. Dibelius [jr.]. 44A Vorbereitung der Sitzung
44A1. Schreiben der Kirchenkanzlei an die Kirchenkanzlei – Berliner Stelle –. Hannover, 2. April 1954 F: EZA Berlin, 4/46 (D). Betr.: Tagesordnung der nächsten Ratssitzung Für die Tagesordnung der Ratssitzung am 6. und 7. Mai in Halle hat das Kirchliche Außenamt bei uns angemeldet: Anstellungs- und Dienstvertrag mit Oberkonsistorialrat a. D. Krüger-Wittmack. Das Kirchliche Außenamt hat hierzu den Entwurf eines Dienstvertrages beigefügt, von dem wir Abschrift beifügen1. Unseres Erachtens bedarf dieser Vertrag mindestens in Punkt 4, wahrscheinlich aber auch in Punkt 2 und 3, einer Überarbeitung. Wir beabsichtigen, dem Rat einen anderen Entwurf vorzulegen2, den wir noch rechtzeitig mitteilen werden. Im übrigen hätten wir von uns aus folgende Punkte für die Tagesordnung zu nennen: 1 44A2. 2 44D11.
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44A Vorbereitung der Sitzung
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1. Anregung der Kammer für öffentliche Verantwortung betr. Gespräch mit der SPD. 2. Rundschreiben des Hilfswerks – Zentralbüro – vom 9. März 1954 betr. Flüchtlingen aus Mitteldeutschland3 (An diesem Rundschreiben hat Kirchenpräsident D. Niemöller heftige Kritik geübt; Abschrift anbei4) 3. Neuer Beschluß des Rates über die Tätigkeit von Oberkirchenrätin Dr. Schwarzhaupt (vgl. Ratsbeschluß vom 3./4. Dezember 1953 Ziffer 17) 4. Antrag von Vizepräsident D. Dr. Söhngen betr. Beihilfe von 1.000.– DM für den evangelischen Kirchbautag5. 5. Antrag der Brüder-Unität betr. Unterstützung der Siedlung „Neugnadenfeld“. D. Brunotte [m. p.]
44A2. Anlage 1 zum Schreiben der Kirchenkanzlei an die Kirchenkanzlei – Berliner Stelle –. Entwurf eines Dienstvertrages für Krüger-Wittmack F: EZA Berlin, 4/46 (Abschrift). Entwurf Zwischen der Evangelischen Kirche in Deutschland und Oberkonsistorialrat a. D. Dr. Krüger-Wittmack wird folgender Dienstvertrag geschlossen: 1. Oberkonsistorialrat a. D. Dr. Krüger-Wittmack tritt vom 1. 4. 1954 ab als juristischer Mitarbeiter im Kirchlichen Außenamt in den Dienst der EKD. 2. Gehalt und Urlaub werden nach den für Kirchenbeamte der Besoldungsgruppe A 2 b jeweils geltenden Bestimmungen bemessen. 3. Die EKD gewährt Oberkonsistorialrat a. D. Dr. Krüger-Wittmack einen Baukostenzuschuß zur Beschaffung einer geeigneten Wohnung und übernimmt die Kosten für den Umzug von Mosbach nach Frankfurt. 4. Oberkonsistorialrat a. D. Dr. Krüger-Wittmack hat einen Anspruch auf Alters- und Hinterbliebenenversorgung gegenüber der Ev. Kirche der Union Im Falle einer Auflösung dieses Dienstvertrages durch Tod oder durch Kündigung von Seiten der EKD zahlt diese zu der von der APU gezahlten Pension den Unterschied bis zu der vollen Pension eines Beamten des Kirchlichen Außenamtes der Besoldungsgruppe A 2 b hinzu. Dabei ist das von der APU festgesetzte Pensionsdienstalter unter An3 ADW Berlin, ZB 46. 4 44A3. 5 44D12.
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rechnung der nach 1945 im Dienst badischen Landeskirche und der EKD verbrachten Dienstjahre zugrundezulegen. 5. Im übrigen gelten die für Angestellte im öffentlichen Dienst maßgebenden Bestimmungen der TOA und die §§ 1 bis 5 der vorläufigen Arbeitsvertragsordnung für den kirchlichen Dienst vom 12. 10. 1949 (Amtsblatt der EKD 1949, S. 259). Hannover, den . . . Berlin, den . . ... D. Brunotte D. Dibelius Leiter der Kirchenkanzlei Vorsitzender des Rates der EKD der EKD Frankfurt, den . . . D. Martin Niemöller Leiter des KA der EKD 44A3. Anlage 2 zum Schreiben der Kirchenkanzlei an die Kirchenkanzlei – Berliner Stelle –. Schreiben Niemöllers an Dibelius. O. O., 22. März 1954 F: EZA Berlin, 4/46 (Abschrift). Sehr verehrter Herr Bischof! Unter den Papieren, die ich als Synodaler während der Tagung in Spandau erhalten habe, befindet sich auch ein Rundschreiben des Hilfswerks – Zentralbüro – vom 9. März 19546 mit der Überschrift „Betr.: Flüchtlinge aus Mitteldeutschland“. Ich bitte herzlich und dringend darum, daß der Propaganda-Jargon der Bonner Regierung nicht in offiziellem Schrifttum der Evangelischen Kirche in Deutschland benutzt wird. Solange wir einen Bevollmächtigten bei der Regierung der DDR unterhalten, und solange wir uns darum bemühen, die Unterstützung der Männer der DDR in Gefangenenfragen und dergleichen immer wieder in Anspruch zu nehmen, bedeutet jede derartige Äußerung und besonders von Leuten, die dabei nicht das geringste Risiko laufen, eine böswillige Erschwerung des Dienstes derer, die im Namen Jesu Christi menschlich zu helfen versuchen. Ich lasse Durchschrift dieses Schreibens an die Kanzlei in Hannover gehen und leite eine weitere Durchschrift an Herrn Moderator D. Niesel, damit er in der nächsten Ratssitzung die Angelegenheit anschneidet. Mit verbindlichen Grüßen Ihr (gez.) Niemöller 22. 3. 6 ADW Berlin, ZB 46.
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44A4. Schreiben des Ratsvorsitzenden an die Ratsmitglieder. BerlinCharlottenburg, 14. April 1954 F: EZA Berlin, 2/1756 (H). Zur nächsten Sitzung des Rates lade ich gemäß dem Beschluß des Rates vom 19. März 1954 auf Donnerstag, den 6. und Freitag, den 7. Mai 1954 in das Diakonissenhaus in Halle/Saale, Lafontainestraße 15, ergebenst ein. Die Sitzung soll am 6. Mai um 9 Uhr beginnen. Vorsorglich sind beim Diakonissenhaus, das freundlichst für Unterkunft und Verpflegung Sorge tragen will, alle Ratsmitglieder für Mittwochabend, den 5. Mai zur Anreise angemeldet. Die Kirchenkanzlei – Berliner Stelle – bittet um umgehende Mitteilung, ob etwa ein früherer Anreisetermin infrage kommt und ob die Anreise mit oder ohne Kraftwagen erfolgt. Für die Tagesordnung sind bisher folgende Beratungsgegenstände vorgemerkt: Berichterstatter 1. Bericht zur Lage D. Dr. Dibelius 2. Rundschreiben des Zentralbüros des Hilfswerks an die Mitglieder der Synode der EKD vom 9. 3. 1954 betr. Flüchtlinge7 D. Niemöller 3. Kirchenkonferenz und konfessionelle Fragen D. Dr. Dibelius 4. Ausführung von Beschlüssen der Spandauer Synode KiR von Staa 5. Anregung der Kammer für öffentliche Verantwortung bezüglich des Gesprächs mit der SPD " " " 6. Neuere Schreiben von Prof. Strathmann KiR von Staa betr. Bibelrevision8 7. Bildung eines Ausschusses für das Disziplinargesetz OKiR Dibelius 8. Angelegenheiten des Kirchlichen Außenamtes Vpr. Stratenwerth 9. Personalangelegenheiten " " 10. Bewilligung von Beihilfen aus Kap. III des Haushaltes OKiR Dibelius D. Dr. Karnatz 11. Nachträgliche Steuerforderung des Finanzamtes Hannover OKiR Dibelius 12. Verschiedenes. D. Dr. Dibelius.
7 ADW Berlin, ZB 46. 8 44E8–9.
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44A5. Ergänzungen zur Tagesordnung für die Ratssitzung in Halle/ Saale am 6./7. Mai 1954. O. D. F: EZA Berlin, 4/46 (D). Zu 1) Als Material für den Bericht zur Lage werden infrage kommen: a. Ablehnung der Massen vernichtenden Waffen, b. Verschärfung des Kampfes gegen das Christentum, wie er in der Erklärung des Sekretärs des Zentralkomitees des Komsomol A. N. Schelepin angekündigt ist, c. auf innerkirchlichem Gebiet die Frage des Schulgesetzentwurfes für Niedersachsen, zu der evtl. Landesbischof D. Dr. Lilje um eine Äußerung gebeten werden sollte. Zu 4) kommen infrage a. die Anregungen des West-Ost-Ausschusses der Synode, b. die dem Rat überwiesenen Eingaben an die Synode und zwar 1. 3 Eingaben, die sich mit der Not Evangelischer Kirchen im Auslande (Columbien, Spanien und Italien) beschäftigen, 2. 2 Eingaben, eine aus Göttingen, die andere aus Freudenstadt, die auf unerfreuliche Erscheinungsformen in der politischen Auseinandersetzung und auf die anwachsenden katholischen Bestrebungen hinweisen und ein warnendes Wort der Synode erbitten, 3. eine Eingabe von 6 Pfarrern aus Westfalen, in der um Zurückweisung der politischen Angriffe gebeten wird, die die Zeitschrift „Christ und Welt“ in der Nr. vom 14. 1. 1954 gegen K. Präs. D. Niemöller gerichtet hat, 4. eine Eingabe des Prof. Pepping in der Frage der Tantième für Aufführungen neuzeitlicher kirchlicher Musikwerke. Zu 8) Angelegenheiten des Kirchlichen Außenamtes. a. Verwendung des 100.000 DM-Fonds, b. Besetzung der Stelle in Paris, c. Einführung eines Vikars in Göteborg, d. Verkauf der Kurkapellen in Italien an die Waldenser e. Antrag von Pfarrer Dr. Gloede aus Neubukow auf Gewährung eines Zuschusses zu den „Oekumenischen Profilen“, f. Antrag auf Gewährung einer laufenden Unterstützung für den Maler Lietzmann in Arco Zu 12)Verschiedenes. a. Einwendungen von Bischof H. Haug gegen den Aufruf der KKHannover zu Spenden für den kirchlichen Wiederaufbau in Helgoland
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b. Antrag von Prof. D. Niesel auf Unterstützung der Pfarrer in Österreich c. 25. Jubiläum Barmen d. Herrnhuter Siedlung Neugnadenfeld e. Nächste Sitzung am 24./25. Juni 1954 in München.
44B Protokoll F: EZA Berlin, 2/1797 (H, den Ratsmitgliedern mit Schreiben der Kirchenkanzlei vom 17. Mai 1954 zugesandt). Mitschriften: 1. Meiser (LAELKB Nürnberg, Meiser, 162), 2. Dibelius (BArch Koblenz, N 1439, Nr. 3), 3. Haug (LKA Stuttgart, A 126, Nr. 386), 4. Smend (NL Smend). Niederschrift über die 44. Sitzung des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland am 6. Mai 1954 in Halle/Saale. Anwesend: a) Die Mitglieder des Rates ohne Präses Dr. Kreyssig9 und Professor D. Dr. Smend. b) Von den Amtsstellen: Geheimrat D. Dr. Karnatz, Prälat D. Kunst, Propst D. Grüber, Oberkirchenrat Dibelius, Kirchenrat von Staa, Herr Johannesson. 1. Bericht zur Lage. Der Vorsitzende des Rates berichtete über seine Reise zur Einführung von Propst Weigelt nach Jerusalem10 und seine Vortrags- und Predigtreise nach Oslo, über die kirchliche Lage in der DDR11, die Arbeit der 9 Kreyssig nahm an der zeitgleich tagenden Synode der Kirchenprovinz Sachsen teil, vgl. sein Schreiben an Dibelius vom 15. April 1954 (EZA Berlin, 614/45). 10 Die Einführung fand am 28. März 1954 statt, vgl. hierzu O. Dibelius, Anfang; H. W. Hertzberg, Jerusalem, S. 113, und 41B12. 11 G 1: „Eine deutsche Gemeinde existiert eigentlich nicht mehr. Der Propst ist der Superintendent von zwei bis drei arabischen Pfarrern, und der Schulinspektor für die Lehrkräfte der vorhandenen Schulen. Die Arbeit des LWB ist von einer gewissen Großartigkeit. Vor allem hat der WB bisher das Augusta-Viktoria-Haus auf dem Ölberg unterhalten. Zur
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Bibelrevisionskommission12 sowie über verschiedene dem Rat zugegangene Eingaben13. Der Bericht wurde durch Ausführungen von Landesbischof D. Dr. Lilje über die schulpolitische Lage in Niedersachsen14,
Zeit unterhält der WB das Haus als Krankenhaus für arabische Flüchtlinge. Das kostet viel Geld alle Jahre. Der LWB [. . .] kann nicht jedes Jahr eine halbe Million Dollars in das Unternehmen hineinstecken. Was mit dem Haus auf dem Ölberg werden soll, steht noch dahin. Moll will daraus ein ökumenisches Institut machen. [. . .]. Es wird für den Propst alles darauf ankommen, was er für ein Mann ist und ob er die Gabe hat, sich durchzusetzen. Hat er sie, so sind ihm viele Türen offen. [. . .] Oslo [. . .]. Der deutsche Gesandte war überrascht von der Herzlichkeit und Wärme, mit der die Begrüßung erfolgte. Erfolg des nordisch-deutschen Konvents [. . .]. Der deutsche Gesandte bedankte sich, daß die Kirche geholfen habe, in diese Mauer eine Bresche zu [schlagen] [. . .] Osten. Zunahme von Schwierigkeiten. Einerseits Entgegenkommen der DDR in Bezug auf den Leipziger Kirchentag. Auf der anderen Seite muß man aufmerksam werden auf Nachrichten wie aus Chemnitz, wo ein Treffen der Gemeindegruppen verboten wurde mit der Begründung, es sei mit der Kirche vereinbart worden, daß übergemeindliche Veranstaltungen nicht mehr stattfinden sollen. Kreuz in Swinemünde (Militärfried[hof]), auf dem auch nach 1945 noch Kriegsopfer begraben wurden. Es wurde ein Holzkreuz dort errichtet, aber in der Nacht abgesägt. Ein solches Großkreuz sei eine Provokation gegen Polen. Rede über die antireligiöse Erziehung der Jugend von dem Generalsekretär Komsomol. Aufruf zur Verstärkung der antireligiösen Propaganda. Aufregung über das Wort von Dibelius vor auswärtiger Presse. Die Atombombe – Rettung vor dem Krieg, weil niemand als Erster die Atomwaffe anwenden wollte. Ähnliches wurde in England und Rußland gesagt“. 12 Über die erste Zusammenkunft der neuen Kommission am 21. April 1954 in Hannover berichte Dibelius nach G 1: „Große Einmütigkeit. Dibelius und Eichele wiederholt überstimmt. [. . .] Man hofft, im September fertig zu sein. Die Psalmen sollen mit in die Arbeit einbezogen werden. Sachlich ist zu sagen, daß Strathmann in zahlreichen Artikeln seiner Verbitterung Luft gemacht [hat]. [Dibelius] rühmt Prälat Eichele. Er ist eine wesentliche Hilfe“. Vgl. auch 41B20, 44B6a+c, 46B5 und 50B2. 13 Vgl. 44B1b und c. 14 In dem am 1. September 1954 verabschiedeten niedersächsischen Schulgesetz (Niedersächsisches GVBl 1954, S. 89–92) wurde zum Unmut der Katholiken das Recht auf die Errichtung von Konfessionsschulen eingeschränkt und die christliche Gemeinschaftsschule präferiert (K.-H. Grotjahn, Demontage, S. 113–120). G 1: „Neue Schulgesetzgebung nötig. Einfluß radikaler Schulreformer. [. . .] Die evangelische Kirche hat seit langem ihre Meinung formuliert gehabt. Bemühungen um die Lehrerschaft. [. . .] Man will sachlich die Aufgaben der Schule beschreiben. Es soll auch festgestellt werden, was die Christen von der Schule erwarten. Die Diskussion wurde besonders erschwert durch Einflüsse von der katholischen Seite. Eingreifen des Heiligen Stuhles selbst. Berufung auf das Reichskonkordat. Die katholische Kirche ist sehr aggressiv geworden, aber nicht klug. Schweigemarsch von 50–60.000. Der Marsch hatte keinen Effekt. Es wurde nur offenbar, mit welcher Massivität die katholische Kirche ihre Forderungen vertritt. Anwachsen der antikatholischen Stimmen. Auch in den Reihen der katholischen Bevölkerung fühlt man sich nicht wohl. Im Bistum Hildesheim schon bisher 73 % der katholischen Kinder nicht in Bekenntnisschulen. [. . .] Wir sind mit allen Parteien in Fühlung und haben ihnen unsere Stellung klargemacht, aber ohne eigentlichen Erfolg. [. . .] Die CDU wird von der katholischen Kirche sehr stark in Anspruch genommen. Auf Anregung von Ehlers Besprechung von vier Kirchenleitungen. Wir wollen uns auch von der katholischen Kirche nicht sagen lassen, was wir zu tun haben. Unsere Gedanken sind, Ernst zu machen mit dem Gedanken, daß die
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von Kirchenpräsident D. Niemöller über seinen Besuch in Stalinstadt15 und von Synodalpräses Mager über die Vorbereitungen zum Kirchentag in Leipzig ergänzt16. Prälat D. Kunst und Propst D. Grüber schilderten
Schule immer in der Zusammensetzung des Lehrkörpers dem konfessionellen Charakter der Bevölkerung entsprechen soll. Das wird bessere Möglichkeiten für die Minderheiten geben. Diese Regelung hat besondere Vorteile für Braunschweig. Br. ist bisher der weltlichen Schule nach Strich und Faden ausgeliefert gewesen. Wir sind im großen und ganzen mit dem Gesetzentwurf einig. Wir haben an bestimmten Punkten unseren Einspruch geltend gemacht. Niemöller: [. . .] Der Bischof von Mainz hat die Elternschaft aufgerufen, dafür zu sorgen, daß ihre Kinder in katholische Schulen kommen. Tendenz der katholischen Kirche: Man will auf eine klare Scheidung hinaus. Entstehung von Zwergschulen. [. . .] In Mainz haben 80 % der katholischen Eltern ihre Kinder nicht für die katholische Schule angemeldet. Konfessionelle Lehrerbildung mit Nachdruck von der katholischen Kirche gefordert. Lilje: Im Augenblick besitzen wir das Vertrauen der Lehrerschaft. Meiser nimmt Stellung gegen die Behauptung, daß die christliche Gemeinschaftsschule die dem Evangelium gemäße Schule sei“. 15 G 1: „Niemöller berichtet über einen Besuch in Stalinstadt. Die Kulturhalle wurde bereitgestellt. Empfang durch Vertreter des Freundesrates. Der Rat wollte eine gemeinsame Veranstaltung treffen. Der Vorsitzende hat dann bloß zur Begrüßung ein paar Sätze gesprochen. Niemöller sprach über den Glaubenskampf gegen die Angst. Die Schwierigkeiten gegen den Bau von zwei Kirchen in Stalinstadt sind jetzt beseitigt. Mit dem Bau soll bald begonnen werden. Der Vortrag war von 700 Menschen besucht (Platz hätten 800 gehabt). Grüber: Kirchenaustritte sind nicht beängstigend. Der schwierigste Ort ist Chemnitz-Karl-Marx-Stadt. Dibelius: In Ostberlin ist die Zahl der Kirchenaustritte nicht unerheblich gestiegen; ca. 8 500 Austritte in Zusammenhang mit der Einhebung der Kirchensteuern. Die Zahl wird sich noch erhöhen. Von der DDR kommen keine ähnlichen Meldungen. Mager: Seit einigen Jahren in Sachsen steigende Austrittszahlen, bedingt meist durch persönliche Gründe. Ernster zu nehmen die Austritte bei der Polizei. Austritte in geschlossenen Gruppen. Niemöller: In Stalinstadt werden fast alle Kinder getauft.“ Vgl. auch 44B3b und H. Bräuer, Jahrzehnte, S. 101–107. 16 G 1: „Theoretisch ist der Kirchentag in allen Einzelheiten durchdacht und vorbereitet. [. . .] Das haben die Leipziger bisher alles großartig gemacht. Auch die innerliche Vorbereitung des Kirchentages ist sehr ordentlich. Große Freude in den Gemeinden. Auch der hohe Beitrag für den Kirchentag wird die Leute nicht abschrecken, am Kirchentag teilzunehmen. 65000 ständige Teilnehmer. Vorbereitungsarbeit geschieht in voller Öffentlichkeit. Wir können gar nichts beraten, was mit den Grundsätzen der DDR nicht in Übereinstimmung zu bringen ist. Bis in den kleinsten Kreis hinein droht Verrat. [. . .] Für uns ist das Entscheidende, daß es heißen wird: Sie waren beieinander, lobten und priesen Gott. Bis zur Stunde ist noch sehr wenig genehmigt worden, was genehmigt werden muß, wenn der Kirchentag durchführbar sein soll. Gestern [. . .] Besprechungen im Staatssekretariat des Innern. Plakettenverkauf. Lebensmittelbeschaffung. Quartierwerbung für 65 000 Quartiere. Noch keine Papiergenehmigung. Zeltbeschaffungen. Leipziger Messehallen werden 35–40 000 Menschen unterbringen können. Baustoffgenehmigung noch nicht erteilt. [. . .] Lizenz für die Kirchentagszeitung. Die Plakette in Auflage von 1½ Millionen Stück gedruckt. Trotzdem ist zu hoffen, daß der KT stattfindet. Alles ist dem Staatssekretär vorgetragen und auf Entscheidung bis Freitag gedrungen. Das KT-Plakat ist genehmigt [. . .]. Kein Vorbereitungsheft; dafür ein gutes Faltblatt. Unsere Sorge, daß der K.-Tag von Persönlichkeiten beeinflusst wird, die damit persönliche Geschäfte machen wollen (Parteieinflüsse). Die SED-Presse hat bisher in neutraler Weise berichtet.“
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die aussen- und innenpolitische Lage in der Bundesrepublik17 und in der DDR18. 17 G 1: „Es ist vor allem deutlich erkennbar geworden, daß die asiatischen Verhältnisse im Mittelpunkt der Weltpolitik stehen. [. . .] Verlegenheit ist in Frankreich über seine politische Haltung. Verhandlungen über den Austausch der Schwerverwundeten in Indochina. Es wurde kein einziger Verwundeter ausgeliefert. England hat nach Genf gehen wollen ohne eine Drohung. Das sollte aber nicht heißen, daß sie damit für immer den amerikanischen Standpunkt abgelehnt haben. Man wolle vorerst prüfen, ob man vom Fleck käme; erst dann weitere Schritte tun. In Indochina haben sich die Kommunisten den schwächsten Punkt auf der ganzen Welt ausgesucht. Unglaubliche Kolonialmethoden. Sicher wollen die Sozialisten auch Indochina aufgeben. In Bonn bereitet am meisten Sorgen die Unklarheit, was Eisenhower gemeint hat. Es scheint, daß er gesagt hat, man müsse es eben bei einem geteilten Deutschland belassen. Nach wie vor meint man in Bonn, das russische Ziel sei die Verhinderung der EVG. Es scheint ziemlich sicher [zu] sein, daß Frankreich nicht ratifizieren wird. [. . .] Was geschieht, wenn der Vertrag nicht ratifiziert wird und der Russe sein politisches Ziel erreicht hat? Man fragt nach den politischen Folgen im Westen und Amerika, wenn nicht ratifiziert wird. Resignierte Stimmungen. Wirtschaftliche Auswirkungen. Stärkung der Kommunisten in Frankreich und Italien. Das eigentliche Pathos für die EVG: Zweimal hat der Nationalismus die europäischen Völker an den Rand des Verderbens gebracht. Diesem Nationalismus den Todesstoß zu geben, ist patriotische Pflicht. Souveränitätserklärung der Russen. Die Erklärung ist sehr kurz gehalten. [. . .] Die Russen haben sich viele Rechte vorbehalten. Alle Fragen, welche Gesamtdeutschland betreffen, bleiben bei Rußland. [. . .] Es wird für B[erlin] keine besondere Gefahr befürchtet. Es hängt alles an den Gesamtentscheidungen. Die Westmächte sollen gezwungen werden, mit der DDR als Staat zu verhandeln. Die Opposition möchte gern, daß die bestehenden Verbindungen ausgebaut werden. Der Interzonenhandel soll intensiviert werden. Saarfrage. [. . .] Amerika hat in zwei formellen Erklärungen zugesagt, daß es über die Saar nach einem Friedensvertrag nicht verhandeln will. Man sagt in Bonn, die Saar sei am 8. Mai 1945 verloren worden. Gerstenmaier ist es im Europarat gelungen, alle Nationen gegen Frankreich zusammenzubringen. Frankreich ist isoliert. Es lehnt auch den Natoplan vollständig ab. Hauptpunkt der deutschen Politik ist die Verständigung mit Frankreich. Die ist abhängig von der Saarregelung. Ad[enauer] will an dieser Frage die europäische Integration nicht scheitern lassen. [. . .] Bundespräsidentenwahl. [. . .]. Die Stellung der SPD ist noch nicht klar. Sie wird keinen eigenen Kandidaten aufstellen, aber vielleicht proklamiert sie Stimmenthaltung. Es gibt auch Stimmen in Bonn, welche die zweite Wahl nicht ohne Sorge [bedenken]. Heuß ist doch auch älter geworden. [. . .]“. 18 G 1: „Zweispurigkeit der russischen Politik. Die sogenannten Verschärfungen haben sich auf der unteren Ebene abgespielt. Demarche wegen der Zerstörung des Kreuzes auf Usedom. Die Sache soll im Kabinett besprochen werden. Souveränität der DDR. Schwierigkeiten bei Erteilung von Visen. Die Russen wollen mit den Paßangelegenheiten nichts zu tun haben. Es sollen alles die deutschen Stellen machen. Interzonenhandelsgeschäfte. Die Russen sind nicht gewillt, die von ihnen getroffene Anordnung zu bagatellisieren. Die oberen Stellen sagen von sich, sie bemühen sich, legal zu sein. Sie vermissen eine gleiche Stellung auf der kirchlichen Seite. Die Äußerungen von Dibelius und seine Dementis sind im Osten nicht immer auf einen fruchtbaren Boden gefallen. Brief von Dibelius an Grotewohl. Frage, in welcher Eigenschaft Dibelius den Brief geschrieben hat, als Ratsvorsitzender oder als Bischof von Berlin-Brandenburg (Verbot, Unterschriften zu geben). Die letzten Wochen sind für uns, was das Verhältnis zum Staat anlangt, nicht günstig gewesen. Der Staat [. . .] hat kein Interesse, einen Bruch mit der Kirche herbeizuführen“. G 2: „Grübers Bericht zur Lage, wie immer unüberlegt u. unvorbereitet[,] ist diesmal reines Gequas-
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Im Anschluss an die Berichte zur Lage wurden folgende Beschlüsse gefasst: a) Prälat D. Kunst wurde gebeten, bei den zuständigen Stellen der Bundesrepublik zum Ausdruck zu bringen, dass der Rat zur Frage der elterlichen Gewalt an seiner Stellungnahme vom 22. März 195219 festhält, dass aber seitens der Synode der EKD Wert darauf gelegt worden ist, zu betonen, es dürfe bei der zu treffenden Regelung die Mutter nicht übergangen werden und das Kind nicht zu Schaden kommen20. b) Der Rat nahm von einem Brief aus Chemnitz mit Beschwerden über Kirchenpräsident D. Niemöller Kenntnis21. Der Rat bat Geheimrat D. Dr. Karnatz und Propst D. Grüber, wegen der Bereinigung der Angelegenheit das Weitere zu veranlassen22. c) Zu dem Briefwechsel zwischen Propst D. Grüber und Bundestagspräsident Dr. Ehlers23 über den Artikel des Letzteren „Was können wir tun?“ im Sonntagsblatt24 wurde der Vorsitzende des Rates gebeten, Bundestagspräsident Dr. Ehlers zu schreiben, dass der Rat sich in diesen Briefwechsel nicht einmischen wolle, dass aber einige Mitglieder des Rates der Ansicht seien, es würde der Bereinigung dieser sowie anderer Meinungsverschiedenheiten zwischen Bundestagsprä-
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sel. [. . .] zum kirchenpolitischen Repräsentanten hat ihn Gott wahrlich nicht geschaffen. Daß er am letzten Sonntag in der Predigt gegen die Befürworter der Atombombe losgezogen ist, was die Öffentlichkeit als gegen mich gerichtet verstehen mußte u. sollte, ist ein Schulbeispiel für sein illoyales Freibeutertum. Ich verliere kein Wort darüber“. D. Pöpping/A. Silomon/K.-H. Fix, Protokolle 6, 28C2, S. 94–101. Vgl. Berlin-Spandau 1954, S. 328 und v. a. S. 333f. Nach G 1 führte Dibelius aus: „Die Synode kam zu keiner einmütigen Stellung. Es wurde vermieden, auf der Synode Abstimmungen herbeizuführen. Wir sind in einer schwierigen Situation; aber sie ist nicht unlösbar. Wenn wir auch als Synode eine bestimmte Stellungnahme vermieden haben, so könnte der Rat, gestützt auf seinen Eindruck, daß in der Synode eine klare Mehrheit vorhanden ist bestimmte Konsequenzen ziehen und der Regierung mitteilen, daß es bei seinem Schreiben von [1]952 bleibt“. 44D1. Am 23. März hatte die Kirchenkanzlei – Berliner Stelle – den Eingang des Schreibens bestätigt und erklärt, dass der Reichsbruderrat kein kirchenamtliches Organ, sondern eine „Privatorganisation“ sei. Über einen Monat später, am 28. April, betonte Schmuck als Initiator der Aktion gegenüber der Kirchenkanzlei, dass der Protest gegen Niemöller die Synode wegen der langen Postlaufzeit nicht mehr erreicht habe. Man stelle daher den Antrag, den Protest den Ratsmitgliedern vorzulegen (alle Schreiben in EZA Berlin, 4/492). Am 8. Mai teilte die Kirchenkanzlei – Berliner Stelle – Schmuck mit, dass sein ursprüngliches Schreiben allen Ratsmitgliedern zugegangen sei (EZA Berlin, 2/5258). 44D2–4. Im genannten Artikel hatte Ehlers für eine realistische Sicht auf die Möglichkeit der deutschen Wiedervereinigung plädiert und von der deutschen Politik gefordert, die Wiedervereinigung auf internationaler Ebene als Forderung von weltpolitischer Bedeutung darzustellen, die nicht nur nationalen Interessen diene.
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sident Dr. Ehlers und Vertretern der EKD dienen, wenn zwischen den Beteiligten eine Aussprache stattfinden würde25. d) Der Rat beschloss26, zu den Versuchen mit Atom- und Wasserstoffbomben27 noch vor der nächsten Ratssitzung ein Wort der Verantwortung und des Protestes zu veröffentlichen28. Mit der Ausarbeitung dieses Wortes wurden Bischof D. Dr. Dibelius, Landesbischof D. Dr. Lilje und Kirchenpräsident D. Niemöller beauftragt. Der Text des Wortes soll im Benehmen mit den Professoren Pasqual Jordan (Hamburg) und Kaufmann (Bonn) festgelegt werden29. 2. Rundschreiben des Zentralbüros des Hilfswerks an die Mitglieder der Synode der EKD vom 9. 3. 1954 betr. Flüchtlinge30.
25 44E1. 26 Der Beschluss ging auf eine entsprechende Bitte des Bruderrates der EKD an den Rat zurück (44D5). Lilje hatte die Bitte unterstützt, aber die Erarbeitung eines „solchen Wortes im kleineren sachverständigen Ausschuß“ vorgeschlagen (G 1). 27 Am 1. März 1954 hatten die USA auf dem Bikini-Atoll die bis dahin stärkste Wasserstoffbombe gezündet, deren Fallout die Bewohner einer Pazifikinsel und die Besatzung eines weit entfernt fahrenden japanischen Fischerboots verseucht hatte. 28 Vgl. 44C1. 29 Am 8. Mai 1954 sandte Dibelius einen ersten Entwurf (44E2) an Lilje und Niemöller. Darüber hinaus ließ er ihnen Durchschläge seiner Schreiben vom selben Tag an Jordan und Kaufmann zukommen und kündigte an, nach Eingang von deren Voten ihnen den überarbeiteten Entwurf zuzuschicken. An Jordan schrieb Dibelius mit der Bitte, ihn zu informieren, „ob die Erklärung so hinausgehen kann, ob an Formulierungen etwas geändert werden müsse und ob nach Ihrer Meinung noch etwas hinzuzufügen sei“. Dibelius erklärte ergänzend, dass er es nicht für nötig erachte, „so weit in die Details“ zu gehen, wie dies der Papst getan habe. Von Kaufmann erbat Dibelius „irgend einen kleinen Hinweis darauf“, wie sich die Stellungnahme der EKD politisch realisieren ließe. Es dürfe nicht der „Eindruck entstehen, daß die Evangelische Kirche in Deutschland sich zum Vorspann der politischen Propaganda im Osten macht“. Es dürfe aber auch nicht der Anschein erweckt werden, als ob die EKD „das gegenwärtig in Amerika erreichte Entwicklungsstadium als Garanten für den Weltfrieden“ betrachte (ELAB, 603/B 15). Am 10. Mai antwortete Jordan mit einem ausführlichen Brief, in dem er Aussagen Dibelius’ korrigierte bzw. die angesprochenen Gefahren verharmloste (44E3). Am 13. Mai teilte Dibelius den Ratsmitgliedern die Antwort Jordans mit, die er in einen zweiten Entwurf – dieser entsprach der gedruckten Fassung – einfließen lassen werde. Der angefragte Jurist Kaufmann habe sich noch nicht geäußert (NL Smend). Über dessen den Text vorbehaltlos als gelungen bezeichnende Antwort vom 13. Mai unterrichtete Dibelius Lilje und Niemöller am 19. Mai (LKA Hannover, L 3/III, Nr. 1281). Am 21. Mai berichtete Dibelius den Ratsmitgliedern, dass der von ihm und Lilje unterzeichneten Aufruf an die Presse gegangen sei. Niemöller habe den Text nicht mit unterzeichnet, da er das Gutachten Jordans ablehne und ein „Gegenvotum“ eines anderen Physikers wünsche. Dibelius glaubte jedoch, „diesem Wunsch nicht willfahren zu sollen“ (EZA Berlin, 2/2566). Zu Niemöllers Kritik an Dibelius’, die zu seiner Absage führte, vgl. 44E4. 30 ADW Berlin, ZB 60.
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Das unter russischer Besatzung stehende Gebiet Deutschlands ist im dienstlichen Sprachgebrauch der EKD als „Deutsche Demokratische Republik“ zu bezeichnen. 3. Kirchenkonferenz und konfessionelle Fragen. a) In den Sitzungen des Rates soll künftig jeweils ein Ratsmitglied aus wechselnden konfessionellen Gruppen aus der Sicht dieser Gruppe über Fragen der EKD sprechen. Bischof D. Dr. Haug wurde gebeten, für die nächste Ratssitzung das erste dieser Referate zu übernehmen31. b) In den Ratssitzungen soll ferner über besondere Massnahmen in der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche und in der Evangelischen Kirche der Union berichtet werden32. c) Im Zusammenhang mit der für den 30. 9./1. 10. 1954 vorgesehenen übernächsten Ratssitzung soll die Kirchenkonferenz zur Besprechung konfessioneller Fragen einberufen werden33. Wo die übernächste Ratssitzung und die Sitzung der Kirchenkonferenz stattfinden sollen, soll in der nächsten Ratssitzung festgelegt werden34. 4. Ausführung von Beschlüssen der Spandauer Synode a) Zu der an den Rat gerichteten Bitte des Ost-West-Ausschusses der Synode vom 18. 3. 195435 wurden folgende Beschlüsse gefasst36: aa) Die Kirchenkanzlei soll die Gliedkirchen ausserhalb der Evangelischen Kirche der Union um Beteiligung an den Berliner Bibelwochen bitten.37
31 Nach G 4 hatte Dibelius angeregt, dass auf der nächsten Kirchenkonferenz über die konfessionelle Frage „als dem dauernden Ursachenherd für die Spannungen“ im Rat gesprochen werden sollte. Demgegenüber erklärten einige Ratsmitglieder, dass das Problem zuerst intern beraten werden solle. Haug referierte erst auf der Ratssitzung vom 10. und 11. November 1954 (47/48B3). Grund der Verzögerung war, dass Haug auf die Anwesenheit Niemöllers Wert legte, der jedoch in den folgenden Sitzungen fehlte (Brief der Kirchenkanzlei – Berliner Stelle – vom 26. Oktober 1954 an Haug, EZA Berlin, 4/46). Vgl. auch 44E5 und 46B4. 32 Entsprechende Berichte unterblieb bis zum Ende der Ratsperiode. 33 Die Kirchenkonferenz fand erst am 11. November 1954 statt, vgl. unten, S. 531–533. Vgl. auch 45B12a. 34 Vgl. 44B12. 35 43D1. 36 Vgl. hierzu insgesamt das Schreiben der Kirchenkanzlei an die westlichen Gliedkirchen vom 22. Juni 1954 (44E6). 37 Am 20. Juli 1954 nahm die Kirchenkanzlei – Berliner Stelle – den Antrag auf und bat die Kirchenkanzlei der EKU zur Vorbereitung eines „wirksamen Appell[s] zur Beteiligung an diesen guten Begegnungen zwischen Ost und West“ um eine kurze Darstellung der bisherigen Arbeit. Diesem Wunsch kam die EKU am 28. Juli nach, so dass die Kirchenkanzlei –
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bb) Der Besuchsdienst zwischen Ost und West soll die Verbindungen berücksichtigen, die durch die Übernahme von Patenschaften zwischen Kirchengemeinden, Kirchenkreisen, Kirchenchören usw. entstanden sind. Die Kirchenkanzlei soll den westdeutschen Gliedkirchen mitteilen, welche Gebiete der DDR. noch besonders der Versorgung mit Patenschaften und ähnlichen kirchlichen Verbindungen bedürfen. cc) Die Kirchenkanzlei soll die westdeutschen Kirchen bitten, in ihren Erholungsheimen eine bestimmte Zahl von Plätzen für Erholungsbedürftige aus Kirchen in der DDR zur Verfügung zu stellen. dd) Wegen einer Fahrgeldhilfe für Pfarrer aus der DDR. soll mit dem Bund der deutschen Pfarrervereine Verbindung aufgenommen werden. ee) Wegen des Mangels der Pfarrhäuser der DDR. an Kleidung, Schuhen und Haushaltswäsche sowie wegen eines Opfers der westdeutschen Pfarrer zu Gunsten der Pfarrer in der DDR. zum Ausgleich des Unterschiedes in der Besoldung sollen die Kirchenleitungen gebeten werden, auf ihre Pfarrervereine entsprechend einzuwirken. Entsprechend einem Vorschlag von Moderator D. Niesel sollen die Pfarrer in Österreich in diese Bitte einbezogen werden38. ff) Wegen des in der DDR. bestehenden Mangels an Ärzten soll bei der Zentrale der westdeutschen Ärztekammer und bei den Ge-
Berliner Stelle – am 1. Oktober 1954 endlich unter den Landeskirchen für die Teilnahme an der Bibelwoche werben konnte (beide Schreiben: EZA Berlin, 7/3861). In einem Schreiben vom 29. Juni 1955 stimmte die Kirchenkanzlei – Berliner Stelle – der Kirchenkanzlei der EKU aber in deren Urteil zu, dass die Beteiligung aller Gliedkirchen der EKD an der Berliner Bibelwoche „im allgemeinen eine zurückhaltende Aufnahme gefunden“ habe (EZA Berlin, 65/1). 38 Vgl. hierzu Niesels Bitte vom 28. April 1954 an die Kirchenkanzlei, die „Unterstützung der Pfarrer in Österreich“ auf die Tagesordnung der Ratssitzung zu setzen (EZA Berlin, 4/46). Zur Situation der Protestanten in Österreich, v. a. zur Finanzlage: P. F. Barton, Evangelisch, S. 180–183. Bereits am 1. Februar 1954 hatte sich die bayerische Landeskirche an die Dekanate mit der Bitte gewandt, auf den nächsten Pfarrkonferenz auf die Not der protestantischen Pfarrer in Österreich hinzuweisen. Mit Schreiben vom 24. Mai 1954 (43E2) hatte sich die Kirchenkanzlei dann an die westlichen Gliedkirchen mit der Bitte gewandt, eine Hilfsaktion für die Pfarrer in der DDR und in Österreich durch die jeweiligen Pfarrvereine zu initiieren. Auf diesen Brief hin berichtete der bayerische Landeskirchenrat am 24. Juni 1954 der Kirchenkanzlei von dem eigenen Hilfsaufruf vom 1. Februar. In dessen Folge sende man seit April Geld nach Österreich, seit Mai jeweils 6000.– DM monatlich. Man könne daher die Bitte der EKD nicht auch noch an die Pfarrer weitergeben (alle Schreiben in EZA Berlin, 2/2466). Vgl. zum Fortgang 46B16.
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sundheitsministern der westdeutschen Länder Vorstellungen erhoben werden39. gg) Bei der Durchführung der Beschlüsse sollen die von dem OstWest-Ausschuss vorgeschlagenen sachverständigen Berater beteiligt werden. b) Zu den an die Synode gerichteten Eingaben40 wurden, soweit die Eingaben nicht bereits erledigt worden sind oder von den Amtsstellen der EKD bearbeitet werden, folgende Beschlüsse gefasst: aa) Prälat D. Kunst wurde gebeten, die in der Eingabe aus Göttingen vom 11. 3. 54 behandelten Übelstände im öffentlichen und politischen Leben41 bei den zuständigen Stellen zur Sprache zu bringen42. bb) Entsprechend seiner grundsätzlichen Haltung zur Frage der Behandlung von Presseveröffentlichungen über einzelne Ratsmitglieder lehnte der Rat es ab, sich mit der Eingabe aus Herne i. W. vom 12. 3. 54 betr. einen in der Zeitschrift „Christ und Welt“ erschienenen, gegen Kirchenpräsident D. Niemöller gerichteten Artikel43, zu befassen. Zu diesem Beschluss gab Kir-
39 Dies geschah durch ein nicht erhaltenes Schreiben vom 23. Juni 1954. Darauf antwortete das Präsidium des Deutschen Ärztetages am 1. Juli 1954, dass man sich wiederholt mit dieser Frage befasst habe. Am 9. Januar 1954 habe der Vorstand festgestellt, „dass sich die Arbeitsgemeinschaft der Westdeutschen Ärztekammern [. . .] ausserstande“ sehe, „aktiv oder passiv an der Vermittlung von Ärzten aus der Bundesrepublik in die DDR mitzuwirken“. Diese Entscheidung müsse jeder Arzt selbstständig auf Grund der „allgemeinen Unterrichtung der Öffentlichkeit über die Verhältnisse in der Ostzone treffen“. Man sehe sich auch gezwungen, „die Veröffentlichung von Stellenangeboten für das Gebiet der DDR in den ‚Ärztlichen Mitteilungen‘ abzulehnen“. Zur Begründung wurde angeführt, dass in der DDR „die in jedem Rechtsstaat vorhandenen Sicherheiten für die Unantastbarkeit der Person [. . .] nicht gegeben“ seien. Wolle jedoch ein Arzt „in klarer persönlicher Kenntnis der Dinge trotzdem in der DDR tätig“ werden und die dortige Notlage lindern helfen, halte man ihn nicht davon ab. Das Schreiben der Kirchenkanzlei vom 23. Juni wolle man den Landesärztekammern und dem Vorstand zur Kenntnis bringen, „um gegebenenfalls unseren bisher eingenommenen Standpunkt zu überprüfen“. Das Bundesministerium des Innern erklärte der Kirchenkanzlei am 15. Juli, dass für die Vermittlung von Arbeitskräften allein die Arbeitsverwaltung zuständig sei und von einem Bundesministerium für die DDR ausgewählte Ärzte auf erhebliche Schwierigkeiten stoßen würden (alle Schreiben in EZA Berlin, 2/2466). 40 Vgl. Berlin-Spandau 1954, S. 262–265. 41 Göttinger Bürger hatten gegenüber der Synode erklärt, dass das öffentliche Leben „sehr unangenehme Übelstände in der Form der politischen Auseinandersetzung“ bis hin zur „Verketzerung“ zeige. Weiterhin kritisierte man die Verhaftungen im Zusammenhang mit der sog. Vulkan-Spionageaffäre und dass das Amt des Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts nach dem Tod von Höpker-Aschoff – zwei Monate – vakant sei. Dies sei ein„Zeichen der Unsicherheit der öffentlichen Verhältnisse“ (Ebd., S. 262f.). 42 Ein entsprechender Schritt Kunsts wurde nicht ermittelt. 43 Die von 65 Personen – mehrheitlich Pfarrern – unterzeichnete Eingabe vom 12. März
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chenpräsident D. Niemöller zu Protokoll, es werde im Hinblick auf die kurze Behandlung dieser Angelegenheit von ihm zu überlegen sein, ob er der Synode künftig würde empfehlen können, von ihr gefasste Beschlüsse zur Erledigung an den Rat abzugeben44. c) Über die Erledigung sämtlicher Beschlüsse und Eingaben soll der Präses der Synode schriftlich unterrichtet werden45. 5. Anregung der Kammer für öffentliche Verantwortung bzgl. des Gespräches mit der SPD46. a) Zu dem Gespräch soll von dem Bevollmächtigten der EKD am Sitz der Bundesregierung eingeladen werden. b) Der Vorsitz bei dem Gespräch soll abwechseln. c) Es soll über das Thema „Recht und Grenzen der persönlichen Freiheit“ gesprochen werden. d) Das Gespräch soll auf Seiten der EKD von den Herren Landesbischof D. Dr. Lilje, Kirchenpräsident D. Niemöller, Landesbischof D. Dr. Haug und Oberkirchenrat D. Dr. Herntrich geführt werden. Darüber hinaus sollen bis zu zwei weitere Vertreter der EKD, deren Auswahl sich der Rat vorbehält, zu dem Gespräch hinzugezogen werden. e) Das Gespräch soll nach der Tagung in Evanston stattfinden47. f) In möglichst unmittelbarem Anschluss an das Gespräch mit der SPD soll ein entsprechendes Gespräch mit der FDP geführt werden48.
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1954 (EZA Berlin, 2/1064) hatte sich gegen einen in der Wochenzeitung Christ und Welt vom 14. Januar 1954 erschienenen, anonymen Artikel mit der Überschrift „Kann man darüber schweigen?“ gewandt. In dem Text war ein Vortrag Niemöllers in Berlin anlässlich der Außenministerkonferenz (M. Niemöller, Viererkonferenz), seine Stellungnahme gegenüber der ungarischen Nachrichtenagentur zur Aufrüstung und seine Teilnahme an der Tagung des Weltfriedensrates in Wien kritisiert und die baldige Ablösung Niemöllers als Leiter des Kirchlichen Außenamtes gefordert worden, da ein den „Kommunismus begünstigender evangelischer Bischof“ untragbar sei. Am 17. März 1954 waren noch 20 Unterschriften nachgereicht worden. Die Christ-und-Welt-Ausgabe vom 4. Februar 1954 enthielt dann Leserbriefe pro und contra Niemöller. Auf der Synode im März 1954 hatte von Lüpke Niemöller auf den Vorgang angesprochen. Niemöller hatte darauf hin dem Verweis der Frage an den Rat zugestimmt (Berlin-Spandau 1954, S. 264). Vgl. auch 45E1 und 45E2. Ein entsprechendes Schreiben ließ sich nicht nachweisen. Vgl. zum Abschnitt b des Tagesordnungspunktes auch 45C1. Vgl. zur Vorgeschichte 41B21. Zum weiteren Fortgang vgl. 46B6 und 50B14. Bereits am 29. Januar 1954 hatte sich Kunst mit Vertretern der FDP zu einem Vorgespräch getroffen (vgl. seinen Brief an Dehler vom 19. Januar 1954: EZA Berlin, 87/656). Die bayerische Kirchenleitung hatte ihm schon am 18. Januar eine Aktennotiz vom 16. Januar zur Schulpolitik der FDP zukommen lassen. Darin hieß es: „Zum Gesamtbild der FDP in
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6. Bibelrevision49 a) Professor Strathmann soll im Hinblick auf seine in verschiedenen Zeitschriften veröffentlichten Artikel über die Arbeit der Neutestamentlichen Kommission für die Revision der Luther-Bibel50 von dem Vorsitzenden des Rates aufgefordert werden, sich mit kritischen Äusserungen über diese Arbeit zurückzuhalten51, bis der revidierte Text des Neuen Testaments der Öffentlichkeit übergeben wird. Der Vorsitzende wurde ferner gebeten, in einer öffentlichen Stellungnahme zu den Artikeln von Professor Strathmann zu erklären, dass die Grundsätze für die Arbeit der Kommission nicht geändert worden sind52. b) Auf den Brief, in dem Prof. Strathmann seine Forderung auf Zahlung von 1.000,– DM Honorar für seine Mitarbeit in der Kommission aufrechterhält53, soll eine Antwort nicht erteilt werden. c) Die Kosten, die bei der Arbeit der von den Bibelgesellschaften eingesetzten Kommission für die Parallelstellen im Neuen Testament entstehen, werden von der EKD übernommen54. d) Entsprechend einem Auftrag des Verbandes der Evangelischen Bibelgesellschaften soll der Probedruck des Alten Testaments in 400 bis 500 Exemplaren hergestellt werden55. Die Mehrkosten der Erhöhung der Auflage will der Verband tragen.
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Bayern ist zu sagen, daß es nicht einheitlich ist. Neben den ausgesprochen liberalen Strömungen sind die anderen unverkennbar, die für unsere Kirche aufgeschlossen sind. Es liegt uns infolgedessen daran, mit diesen Kreisen in vertrauensvoller Beziehung zu bleiben.“ Zum weiteren Verlauf der Vorbereitungen vgl. den Bericht Blanks für Dehler, den dieser an Mende weitergab (44E7) und 50B14. Zur Vorgeschichte vgl. 41B20, zum weiteren Fortgang 44B1 und 46B6. Vgl. u. a.: H. Strathmann, Bibel; Ders.: Krisis; Ders.: Wendung; Ders.: Bibelrevision; Ders., Trauerspiel; Ders., Noch einmal. Vgl. 44D6. Diese Aufgabe übernahm dann Brunotte, der in einem Zeitschriftenartikel u. a. erklärte: „Weiterführung und Abschluß der bisherigen Revisionsarbeit bedeutete selbstverständlich die weitere Beachtung der Grundsätze von 1928“ (H. Brunotte, Auftrag, S. 378). Der Schritt Brunottes war von Dibelius ausdrücklich gebilligt worden (Brief von Staas an die Kirchenkanzlei – Berliner Stelle – vom 12. Juni 1954, EZA Berlin, 2/5611). 44E8–9. In einem Brief an Dibelius vom 19. März 1954 erklärte Strathmann dann, dass er das geforderte Geld nicht für sich behalten, sondern damit mehrere Fortbildungs- und diakonische Einrichtungen unterstützen wolle (EZA Berlin, 2/5611). Ein Antrag ist nicht nachgewiesen. Er stammte laut Schreiben der Kirchenkanzlei vom 2. Juli 1954 an den Verband der evangelischen Bibelgesellschaften in Deutschland von diesem Verband und datiert auf den 20. April (EZA Berlin, 2/5611). Dies hatte der Verband der evangelischen Bibelgesellschaften in Deutschland der Kirchenkanzlei mit Schreiben vom 13. April 1954 mitgeteilt und damit begründet, dass die ursprünglich geplante Auflage von 150 Exemplaren bei dem zu erwartenden großen Interesse nicht ausreichen werde (EZA Berlin, 2/5631).
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7. Bildung eines Ausschusses für das Disziplinargesetz56. Zu Mitgliedern des Ausschusses zur Überarbeitung des Entwurfs für eine Disziplinarordnung der EKD (ABl. 1954 Nr. 84) wurden bestimmt: Konsistorialpräsident Dr. von Arnim-Berlin, Oberkirchenrat Lic. Dr. Beckmann-Düsseldorf, Propst Dr. Böhm-Berlin, Präsident Dr. Brandis-Hamburg, Dekan Dipper-Nürtingen, Oberkirchenrat Dr. Hübner-Hannover, Oberlandeskirchenrat Dr. Klügel-Hannover, Geheimrat D. Kotte-Dresden, Professor D. Dr. Künneth-Erlangen, Staatsrat Dr. Meinzolt-München, Professor D. Dr. Smend-Göttingen, Oberkirchenrat Dr. Vischer-München57. 8. Angelegenheiten des Kirchlichen Aussenamtes. a) In der Liste der Besucher der Vollversammlung des Oekumenischen Rates in Evanston58 ist Professor D. Dr. Rengstorf (Nr. 21) zu streichen. Der Rat erklärt sich damit einverstanden, dass als Besucher zusätzlich Frau Pastor Freudenberg (Heilsberg) sowie die zur Zeit in Amerika weilenden westfälischen Studenten Hans-Wilhelm Florin, Ortwin Steuernagel und Georg Marquardt an der Vollsammlung teilnehmen59. b) Der Rat bestätigte die Entsendung des Vikars Lübling [richtig: Nübling]60 aus der badischen Landeskirche an die Gemeinde Asuncion (La Plata-Synode) und die Entsendung des Pfarrers Manfred Engelbrecht aus der Evang. Kirche von Berlin-Brandenburg an die Gemeinde in Buenos Aires. c) Der Rat beschloss, für die Übernahme einer an dem Eigentum der Gemeinde in Brüssel bestehenden Hypothek von 20.000,– DM durch die Evang. Kirche im Rheinland die Bürgschaft zu übernehmen61. 56 Zur Vorgeschichte vgl. 41B17. Die Synode von Berlin-Spandau hatte den ihr vorliegenden Entwurf „für eine brauchbare Grundlage“ erklärt, die ein vom Rat zu bestimmender Ausschuss überarbeiten solle. Ein Beschluss solle erst auf der kommenden Synode gefasst werden (Berlin-Spandau 1954, S. 258). 57 Zum Fortgang vgl. 46B13 und 49B5. 58 EZA Berlin, 6/5908. Vgl. D. Pöpping/P. Beier, Protokolle 7, 36B9, S. 227ff.; 38B7, S. 436f. und 39B3, S. 489 sowie 42B11. 59 Zum Antrag der Studenten vgl. 44D7. 60 Vgl. 45C1 und 45E1. 61 Der als Rechtsnachfolger der alten Gemeinde (vgl. 50B9) fungierende Verein hatte wegen
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d) Der Rat genehmigte gemäss einem Votum von Professor D. Dr. Smend62 die vergleichsweise Zahlung einer Abfindung von 1.550,– DM an den früher in Athen beschäftigt gewesenen Pfarrer Schäfer. e) Das Aussenamt wurde beauftragt, den Rat über die Weiterentwicklung der durch die Entsendung des Pfarrers Semmler [richtig: Semler] nach Paris entstandenen Lage63 auf dem Laufenden zu halten64. der Sequestrierung der Kirche Anfang 1954 noch 20.800.– DM Schulden bei einer belgischen Bank, die hohe Zinsen und eine große Tilgungsrate forderte (Aktennotiz über eine Besprechung im Kirchlichen Außenamt mit Steinmann am 6. Januar 1954). Bartelt hatte daher am 6. Februar 1954 bei OKR Pabst in Düsseldorf angefragt, ob „die Rheinische Kirche der Brüsseler Gemeinde den fraglichen Betrag von 20000.– DM entweder als unverzinsliches oder gering verzinsliches Darlehen, das in zehn Jahren mit je 2000.– DM zu amortisieren ist“, leihen könne. Darauf hin hatte dieser am 13. Februar mitgeteilt, dass der Vorsitzende des Finanzausschusses die Anfrage dem Finanzausschuss unter der Voraussetzung vorlegen wolle, dass das Darlehen an das Kirchliche Außenamt gegeben werde und dieses den Schuldendienst übernehme. Die Konditionen sollten denen der Landeskirche an ihre Gemeinden gleichen (5 % Zins bei einer Laufzeit von 10 bis 12 Jahre). Krüger-Wittmack war dann am 8. April 1954 in einem Schreiben an Pabst auf das ursprüngliche Kreditersuchen der Gemeinde zurückgekommen und hatte gefragt „ob es nicht doch möglich ist, das Darlehen in der bezeichneten Höhe von rd. 20.000.– DM an die Ev. Gemeinde in Brüssel zu geben. Wir halten ein solches Vorgehen für durchaus praktisch durchführbar. Die Gemeinde wird mit Sicherheit ihren Verpflichtungen auf Tilgung und Rückzahlung nachkommen. Wir würden dann, wenn es noch dortseits für erforderlich gehalten wird, uns nach Zustimmung des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland als Bürgen zur Verzinsung und Tilgung verpflichten“ (alle Schreiben EZA Berlin, 6/362). Vgl. auch 41D18, Position F. II. b. Zum Antrag an den Rat vgl. 44D8. 62 Schäfer – seit 1936 Pfarrer in Athen – war im Juli 1944 krankheitshalber nach Deutschland gereist und nicht mehr nach Griechenland zurückgekehrt. Auf Wunsch Heckels hatte er im November 1944 das Pfarramt in Osterode übernommen, das er aber September 1945 nach der Rückkehr des Amtsinhabers aus dem Krieg wieder aufgeben musste. Eine landeskirchliche Pfarrstelle hatte er nicht übernommen (Brief Schäfers an die Kirchenkanzlei vom 26. Oktober 1945). Am 18. Mai 1946 hatte er gegenüber dem Außenamt betont, dass er der rechtmäßiger Pfarrer der deutschen Gemeinde in Athen sei. Am 12. September 1946 hatte dieses erklärt, da Schäfer ein Einkommen von der Universität Göttingen habe, könne man angesichts der Finanzlage der EKD keine Zahlungen an ihn leisten, zumal die Ruhestandsversorgung der Auslandspfarrer noch ungeklärt sei. Das Kirchliche Außenamt hatte schließlich am 29. Januar 1954 das Kirchenrechtliche Institut um ein Gutachten darüber gebeten, ob Schäfer „auf Grund seines Dienstes als Pfarrer der deutschen evangelischen Gemeinde in Athen gegenüber der Evangelischen Kirche in Deutschland finanzielle Ansprüche oder eine Anwartschaft auf eine spätere Alters- und Hinterbliebenenversorgung erworben“ habe (alle Schreiben in: EZA Berlin, 6/4261). Vgl. auch 44E10. 63 Vgl. 42B12. Am 9. Februar 1954 hatte Bartelt dem Vizepräsidenten des westfälischen Landeskirchenamtes Lücking mitgeteilt, dass man den Mainzer Studentenpfarrer Semler ab März für sechs bis acht Wochen nach Paris entsenden werde. Man hoffe, dass er dauerhaft dort bleibe. Am 13. März hatte das Kirchliche Außenamt dann Pfarrer Gueutal von der CLAIR davon unterrichtet, dass man Semler vom 16. März an bis Ostern (Mitte April) nach Paris schicken werde. Er solle dort auch konfirmieren. Den Antrag an die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau, Semler für den Dienst in Paris zu beurlauben, stellte man freilich erst am 15. März. Laut Antrag sollte er vom 16. März bis zum 27. April in Pa-
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f) Der Rat nahm davon Kenntnis, dass der Vikar Marschall aus der Evang. Kirche im Rheinland ordiniert und in der Gemeinde in Göteborg eingeführt worden ist65. g) Der Rat nahm davon Kenntnis, dass Pfarrer von Bernus gebeten worden ist, wegen des Verkaufs der Kurkapellen in Italien nichts zu veranlassen, bevor er aus Italien zurückgekehrt ist und mit dem Aussenamt Fühlung genommen hat66. ris amtieren. Am 19. März berichtete Boegner an Niemöller, dass ihm das französische Innenministerium zugesichert habe, dass Semler zwischen dem 18. März und dem 25. April Gottesdienste halten könne. In diese Planungen des Kirchlichen Außenamtes hinein kam aber der Einwand des Landeskirchenamtes Hannover vom 11. März 1954 gegen Semler. Nach dem dortigen Kenntnisstand sei Semler reformiert, die Pariser Christuskirche sei aber stets Augsburgischen Bekenntnisses gewesen. Daraufhin formulierte das Kirchliche Außenamt am 9. April 1954 seine Standpunkt dahin gehend, dass die Christuskirche lutherisch gewesen sei, diese Gemeinde aber untergegangen sei. Bei der Neubildung wolle man die „Fiktion“ aufrecht erhalten, als werde die Gemeinde fortgeführt, sie also lutherisch sei. Semler sei auf die CA ordiniert, er amtiere nach dem Lutherischen Katechismus und sei zudem Pfarrer in Württemberg gewesen (alle Schreiben in EZA Berlin, 6/732). Zur Vorbereitung der Ratssitzung hatte Stratenwerth am 30. April 1954 zudem eine Aktennotiz erstellt, in der es hieß, dass Semlers Entsendung durch ein Schreiben der deutschen Botschaft in Paris vom 10. Oktober 1953 veranlasst worden sei. Die Botschaft hatte die Entsendung eines Pfarrers auch ohne Freigabe der Christuskirche empfohlen. Pfarrer Gerber habe gegenüber Niemöller am 10. Januar 1954 diese Position bestätigt (Ebd.). Zu Semlers Erfahrungen in Paris – hierzu zählte auch eine Unterschriftensammlung unter den Anwohnern gegen die Rückkehr der deutschen Gemeinde in die Christuskirche und der daraus resultierende Rat des Innenministeriums, von dem Plan Abstand zu nehmen: W. von der Recke, Fluctuat, S. 303. Vgl. auch 44E11. 64 G 4: „Eine längere Aussprache entspinnt sich über die Lage der [. . .] Gemeinde in Paris. Lilje erhebt den Vorwurf, daß die Eigentumsverhältnisse an den dortigen Gebäuden nicht rechzeitig geklärt worden seien. Das hätte vor der Entsendung eines Predigers geschehen müssen. Die politische Lage hat sich inzwischen so verschlechtert, daß jetzt keine Aussicht für eine Regelung besteht. Niemöller erwidert darauf, daß die Besitztumsverhältnisse nicht ohne einen Gesetzgebungsakt im Parlament geregelt werden könnten. Präsident Boegner hat seinerzeit abgemahnt, über die deutsche Botschaft in dieser Richtung einen Versuch zu unternehmen. Dagegen sei aus Kreisen der Botschaft ein deutscher Prediger verlangt worden. Der jetzige befinde sich nur aushilfsweise dort. Bei einer endgültigen Besetzung werde man auf die herkömmliche Übung, daß ein Pfarrer aus Hannover früher immer die Gemeinde in Paris versorgt hat, Rücksicht nehmen.“ Am 11. Mai 1954 berichtete Dibelius Pfarrer Gueutal, der sich am 23. März 1954 bei ihm über die mangelnde Kooperationsbereitschaft des Kirchlichen Außenamtes beschwert hatte, dass Niemöller dem Rat Bericht erstattet habe. Man habe diesem entnommen, dass „die Dinge im Augenblick nur vorläufig, aber friedlich geklärt seien“. Daher habe sich der Rat auf die Bitte an das Kirchliche Außenamt beschränkt, über die weitere Entwicklung unterrichtet zu werden. Dibelius bat Gueutal um Verständnis dafür, dass er sich als Ratsvorsitzender nicht in die Angelegenheit einmischen wolle, „solange irgend eine Aussicht auf ein freundschaftliches Einvernehmen aller Beteiligten besteht“ (EZA Berlin, 6/732). Zum weiteren Fortgang vgl. 45B8f, 45C1, 45E1, 45E2 und 46B11a. 65 Vgl. 45C1 und 45E1. 66 Am 16. Januar 1954 hatte Hübner bei von Bernus wegen der Lage in Italien angefragt.
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h) Der Rat bestätigte die Entsendung des Vikars Schlingensiepen an die Gemeinde in Bradford67. i) Der Rat nahm von den Antworten Kenntnis, die das Aussenamt den Einsendern der an die Synode gerichteten Eingaben betr. die Religionsverfolgung in Spanien68 und betr. die Verfolgung der Protestanten in Columbien69 erteilt hat. Man habe gehört, dass ein Waldenserpfarrer sich bei Pfarrer Reinke, Neapel, nach der Kurkapelle erkundigt habe, andere Pfarrer nach den Kapellen in Bordighera, Rapallo und San Remo. Am 25. Januar hatte von Bernus geantwortet, dass der Kapellenverein seit einiger Zeit mit den Waldensern über „Eigentum und Benutzungsrecht“ an den Kapellen verhandele. Er hatte auch versichert, dass die Belange der VELKD Berücksichtigung finden würden. Das Ergebnis der Gespräche hänge vom Zustand der Kapellen ab. Da Meiser bereits wiederholt bei ihm nach den italischen Vorgängen gefragt hatte, hatte Dibelius dann am 26. Februar das Kirchliche Außenamt um Aufklärung gebeten (Aktennotiz Schwarzhaupts vom 1. März 1954). Am 3. März 1954 hatte Schwarzhaupt Dibelius erklärt, die Kapellen seien „Eigentum des Kurkapellenvereins“. Durch einen Vertrag vom Januar 1930 sei die EKD an den Kurkapellen beteiligt (alle Schreiben in EZA Berlin, 6/9491, der Vertrag in EZA Berlin, 5/508). Der Vertrag zwischen der ELKI und der EKD aus dem Jahr 1952 bestimme zudem – § 8 –, dass die ELKI ein Abkommen mit dem Kurkapellenverein anstrebe (AblEKD 1952, Nr. 7 vom 15. Juli 1952, S. 156f., § 8, 2). Daher habe sich das Kirchliche Außenamt bislang zurückgehalten. Am 5. März 1954 hatte Dahlgrün im Namen der ELKI Dibelius um Hilfe gegen die Verkaufspläne des Kapellenvereins ersucht (44E12). Auf diesen Brief hatte von Bernus am 15. März geantwortet, er stehe nach Rücksprache und mit Einverständnis Niemöllers im Begriff nach Italien zu reisen, um die „Kapellen zu besichtigen, die Lage sorgfältig zu prüfen und mit den Vertretern sowohl der Waldenser Kirche als auch der Ev. Luth. Kirche Italiens persönliche Fühlung aufzunehmen“. Nach seiner Rückkehr werde er Dibelius ausführlich über das Problem berichten. Von Bernus legte am 25. Mai dem Vereinsvorstand und Niemöller einen 10-seitigen Reisebericht vor, dessen Quintessenz war: das Eigentum müsse beim Verein bleiben, „über Erhaltung und Verwaltung“ müssten aber „je nach Lage örtlich verschiedene Verträge“ geschlossen werden. Bei einer Besprechung zwischen von Bernus und Niemöller am 19. Juni erklärte von Bernus, man werden den Vertrag zwischen dem Kapellenverein und dem DEKB bzw. der EKD kündigen und neue Verträge mit den Waldensern abschließen. Dabei sollten die „Rechte der lutherischen Gemeinden in Italien Berücksichtigung finden“ (Aktennotiz vom 9. Juli 1954, EZA Berlin, 6/9491). Tatsächlich war der Vertrag bereits mit Schreiben Bernus’ vom 11. Juni an das Kirchliche Außenamt gekündigt worden. Dies hatte Krüger-Wittmack aber erst am 30. Juli dem Ratsvorsitzenden mitgeteilt (beide Schreiben in EZA Berlin, 4/46). Auf der Vorstandssitzung des Kapellenvereins am 5. Juli schlossen sich die Mitglieder dem Vorschlag von Bernus’ an. Dieser schickte dann einen moderateren Vorschlag über die Neuregelung der Besitzverhältnisse an Dibelius, Dahlgrün, die Pfarrer in Italien und an die Waldenser (44E13). Am 17. August 1954 erkundigte sich schließlich auch das Auswärtige Amt beim Kirchlichen Außenamt nach dem Vorgang und betonte das hohe politische Interesse am Verbleib der Kapellen im Vereinsbesitz (EZA Berlin, 6/9491). Vgl. 45C1 und 45E1. 67 Vgl. 45C1 und 45E1. 68 Zur Unterdrückung der evangelischen Gemeinden in Spanien unter Franco vgl. INLL 3, 1954, S. 119. 69 Berlin-Spandau 1954, S. 262, vgl. 44B4b. Nach G 4 hielt es der Rat für unmöglich, vor Evanston Schritte zugunsten der Protestanten in Kolumbien zu unternehmen. Dort hatte die Regierung 1953 die Regierung durch ein Abkommen mit dem Vatikan der katholi-
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k) Der Aufruf des Oekumenischen Rates zu Fürbitte für die Vollversammlung in Evanston soll an die Gliedkirchen weitergegeben werden70. l) Der Antrag des Pfarrers Dr. Gloede aus Neu-Buckow auf Gewährung eines Zuschusses zu den „Oekumenischen Profilen“71 soll in dem Gesamtplan zur Verteilung der Beihilfemittel aus Kapitel III des Haushalts einbezogen werden72. m) Der Rat beschloss, dem Maler Lietzmann in Arco73 eine weitere Unterstützung von viermal 150,– DM zu gewähren74. 9. Personalangelegenheiten. a) Zur Frage der Anstellung des Oberkonsistorialrats Dr. Krüger-Wittmack im Aussenamt75 war der Rat der Ansicht, dass Dr. KrügerWittmack hinsichtlich der Kündbarkeit seines Anstellungsverhältnisses und der Höhe seiner Bezüge nicht schlechter gestellt werden soll, als er in der badischen Landeskirche gestellt gewesen ist, dass aber anteilige Versorgungslasten für diejenige Dienstzeit, die Dr. KrügerWittmack in der badischen Landeskirche abgeleistet hat, nicht von der EKD übernommen werden sollen76.
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schen Kirche in weiten Teilen des Landes das alleinige Recht zur Religionsausübung zugestanden, protestantische Gottesdienste waren gestört, protestantische Schulen waren geschlossen worden (EvW 8, 1954, S. 313 und INLL 3, 1954, S. 119). Vgl. D. Pöpping/P. Beier, Protokolle 7, 40B8a, S. 542. Vgl. 44D9. Am 20. April 1954 hatte Niemöller eine Abschrift des Antrages an Dibelius gesandt, so dass davon auszugehen ist, dass der Antrag ursprünglich an Niemöller, der die Bitte „wärmstens“ unterstützte, gelangt war (EZA Berlin, 4/46). Vgl. 45D1, 45E1–2. Zur Vorgeschichte vgl. D. Pöpping/P. Beier, Protokolle 7, 39B9a, S. 494. Vgl. den Antrag Gieses für Lietzmann 44D10. Am 29. März bestätigte Niemöller den Eingang des Schreibens und erklärte, das Anliegen im Rat so zur Sprache bringen zu wollen, dass er „eine weiterlaufende monatliche Beihilfe von 150.– DM – zunächst auf ein halbes Jahr – über die Evangelische Hauptbibelgesellschaft beantragen werde“ (EZA Berlin, 6/ 992). Zum Fortgang vgl. 46B11g. Vgl. zur Vorgeschichte 41B4a und 42B2. Die Kirchenkanzlei hatte am 22. April 1954 in zwei Schreiben an den Ratsvorsitzenden und an das Kirchliche Außenamt arbeitsrechtliche Bedenken über die Anstellung KrügerWittmacks in der geplanten Form (44A2) zum Ausdruck gebracht. Gegenüber Dibelius betonte Brunotte, dass Krüger-Wittmack nach der Ablehnung einer Beamtenstelle durch die Synode im Angestelltenverhältnis beschäftigt werden müsse. Daher dürften in seinem Dienstvertrag keine Bestimmungen aus dem Beamtenrecht enthalten sein. Bei der Regelung der Versorgungsansprüche hatte die Kirchenkanzlei betont, dass die EKD „nach den arbeitsrechtlichen Bestimmungen schlechterdings nur für die in ihrem Dienst verbrachten Dienstjahre eintreten“ könne, nicht aber für nach 1945 im Dienst der badischen Landeskirche verbrachten Jahre. Die Kirchenkanzlei hatte daher Dibelius einen abgeänderten Entwurf für einen Dienstvertrag vorgelegt (44D11), der auf der Ratssitzung verhandelt werden sollte (EZA Berlin, 4/46). Gegenüber dem Kirchlichen Außenamt betonte die Kirchenkanzlei am 23. April die Verbesserungswürdigkeit der Ruhestandsregelung.
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b) Der Rat bestellte folgende Mitglieder der Disziplinargerichte der EKD: aa) In der Disziplinarkammer: Oberkonsistorialrat Ebsen, Kiel, zum stellvertretenden rechtskundigen Beisitzer. bb) Im Disziplinarhof: Direktor Dr. Weeber, Stuttgart, zum Vorsitzenden des westlichen Senats77; Oberkirchenrat Schuster, Darmstadt, zum stellvertretenden Beisitzer für Beamte, des höheren Dienstes im westlichen Senat; Pastor Scheulen, Lemgo, zum stellvertretenden geistlichen Beisitzer im reformierten Senat. c) Die für Oberkirchenrätin Dr. Schwarzhaupt aus Anlass ihrer Wahl zur Abgeordneten des Bundestages in der Ratssitzung vom 11. 9. 1953 beschlossene vorläufige Beschäftigungsregelung (Ziff. 14 d der Niederschr. üb. d. Sitzung v. 11. 9. 5378) wurde auf die Dauer von 5 Monaten verlängert79. 10. Bewilligung von Beihilfen aus Kapitel III des Haushalts. a) Der Antrag des Evangelischen Kirchenbautages80 soll in den Gesamtplan zur Verteilung der Mittel aus Kapitel III einbezogen werden81.
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Bestimmungen über das Pensionsdienstalter könne nur die APU als früherer Dienstherr Krüger-Wittmacks treffen. Die EKD könne aber eventuell der APU zusagen, einen Betrag erstatten zu wollen, falls diese die bei der EKD verbrachten Dienstjahre auf die Versorgung anrechne. „Die EKD sollte sich natürlich mit allen Mitteln dafür einsetzen, daß eine solche Anrechnung zugesagt wird“. Die bei der badischen Landeskirche verbrachten Dienstjahre können die EKD dagegen nicht übernehmen. Hier müsse versucht werden, entweder die Anrechnung durch die APU zu erreichen oder aber die badische Landskirche dazu zu bewegen, ebenfalls eine anteilige Erstattung an die APU zu übernehmen. Das klarste Rechtsverhältnis würde sich ergeben, wenn die EKD „ein reines Anstellungsverhältnis nach der TO. A.“ durchführe (EZA Berlin, 2/P 130). Vgl. auch 45D1 und 45E1. Das Amt musste nach dem Tod des bisherigen Vorsitzenden Bührke neu besetzt werden. Brunotte hatte daher am 26. Februar 1954 bei Vizepräsident Jung angefragt ob er bereit sei, der Disziplinarkammer vorzustehen. Nachdem Jung am 6. März 1954 wegen großer dienstlicher Belastungen abgelehnt hatte, hatte sich Brunotte am 1. April 1954 an Weeber mit dem gleichen Anliegen gewandt und ihm angeboten im Fall einer Zusage seine anderen Ämter in der Disziplinargerichtsbarkeit abgeben zu können. Da Weeber am 5. April 1954 zögerlich reagiert und eine zu große Zahl von zu behandelnden Fällen vermutet hatte, hatte ihm Brunotte am 9. April 1954 mitgeteilt, dass pro Jahr allenfalls zwei Fälle zu entscheiden seien. Am 24. April hatte Weeber dann erklärt, dass Brunotte ihn dem Rat als möglichen Vorsitzenden des westlichen Senats vorschlagen könne (alle Schreiben in EZA Berlin, 2/3438). D. Pöpping/P. Beier, Protokolle 7, 38B14d, S. 445. Ein formaler Antrag wurde nicht ermittelt. 44D12. 45D2.
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b) Aus Kapitel III (Ostwährung) wurden folgende Beihilfen bewilligt82: aa) für das „Haus der Kirche“ in Berlin-Weissensee 3.600,– DM83 bb) für die Evang. Studentengemeinde in Deutschland mit Sitz in Berlin-C 7.500,– "84 cc) für die Luther-Akademie 500,– "85. c) Oberkirchenrat D. Dr. Herntrich bat den Rat, bei der Beurteilung des Beihilfeantrages der Jugendkammer der EKD86 den grossen Umfang des dieser Kammer zugewachsenen neuen Aufgabenkreises und die besondere Lage der Kammer als Arbeitsgemeinschaft zu berücksichtigen. 11. Nachträgliche Steuerforderung des Finanzamtes Hannover. Der Rat nahm davon Kenntnis, dass die Kirchenkanzlei an das Finanzamt Hannover auf Grund einer von dem Finanzamt durchgeführten Lohnsteueraussenprüfung für verschiedene an Dekan Heckel, Dr. Fürle, Frau Paulsen usw. geleistete Zahlungen Lohnsteuern in Höhe von insgesamt 7.420,70 DM nachzuzahlen gehabt hat87.
82 Vgl. auch 41B12, 42B3, 45B7b, 46B12, 47/48B8 und 50B18. 83 44D13. Vgl. auch D. Pöpping/P. Beier, Protokolle 7, 37B11c, S. 315. 84 44D14. Der Betrag wurde gestückelt an die ESG der DDR ausbezahlt: 4000.– DM im Juni 1954, 1750.– am 1. Oktober und der gleiche Betrag nochmals am 2. Januar 1955 (Auszahlungsanweisung vom 5. Juni 1954, EZA Berlin, 4/756). 85 44D16. 86 Am 5. Mai 1954 hatte sich Manfred Müller an Haug gewandt und an die von ihm beim Rat beantragte Summe von 25000.– DM erinnert, die er als „wahrlich nicht zu wenig für eine der wichtigsten Klammern um die EKD“ bezeichnet hatte. Als weitere Gründe für seine Mahnung hatte Müller die Konkurrenz durch „lutherische(n) Sonderaktionen“ und die nicht wünschenswerte völlige Abhängigkeit von Bundesmitteln angeführt (LKA Stuttgart, A 126, Nr. 376). 87 Die Kirchenkanzlei hatte Paulsen am 10. April 1954 mitgeteilt, dass das Finanzamt Hannover für die seit 1951 von der EKD an Paulsen bezahlten Bezüge Lohnsteuer nachfordere. Daher habe man für sie für das Jahr 1952 799,80 DM Lohnsteuer nachbezahlt. Ein Einspruch der Kirchenkanzlei gegen diese Forderung sei abgewiesen worden, da Paulsen durch die Bezüge von der EKD lohnsteuerpflichtig sei, auch wenn sie durch ihre anderen Tätigkeiten einkommenssteuerpflichtig sei (EZA Berlin, 2/P 159). Bei Heckel hatte das Finanzamt bei einer Prüfung festgestellt, dass der ihm von der EKD „für die Wahrnehmung des Auftrages für die Kriegsgefangenenarbeit“ gezahlte monatliche Beitrag von 100.– DM keine „steuerfreie Aufwandsentschädigung“, sondern ein „steuerpflichtiges Arbeitsentgelt“ sei. Auch hier sei der Einspruch der Kirchenkanzlei erfolglos gewesen. Man habe die vom Finanzamt rückwirkend berechnete Lohnsteuer zu Lasten der EKD übernommen und erbitte zukünftig eine zweite Lohnsteuerkarte von Heckel, deren Fehlen das Finanzamt beanstandet hatte (Schreiben der Kirchenkanzlei vom 23. April 1954 an Heckel, EZA Berlin, 2/P 114). Ein entsprechender Vorgang für Fürle ließ sich nicht ermitteln, er dürfte aber analog zu den beiden geschilderten Fällen liegen.
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12. Verschiedenes. a) Der Rat stellte fest, dass in dem Rundschreiben der Kirchenkanzlei Nr. 1565. II vom 9. 4. 195488, soweit in ihm zu einer Spende für den Wiederaufbau der zerstörten kirchlichen Einrichtungen auf der Insel Helgoland aufgerufen worden ist, die Absicht, die dem betr. Beschluss des Rates vom 13. 3. 1954 (Ziff. 7 b der Niederschrift über die Sitzung vom 13. 3. 195489) zu Grunde lag, nicht zutreffend zum Ausdruck kommt. Das Rundschreiben erweckt den Eindruck, als seien die Kosten für den kirchlichen Wiederaufbau Helgolands von den Landeskirchen anteilig aufzubringen. Dagegen hat der Rat den Gliedkirchen nur empfehlen wollen, für den genannten Zweck einen freiwilligen Beitrag zu leisten90. Die Kirchenkanzlei wurde beauftragt, das Rundschreiben vom 9. 4. 1954 entsprechend zu berichtigen91. b) Da der Vorsitzende des Rates verhindert ist, an der Zwanzigjahrfeier der Barmer Synode teilzunehmen, wurde Kirchenpräsident D. Niemöller gebeten, den Rat bei dieser Feier zu vertreten92. Der Rat soll 88 EZA Berlin, 2/5859. 89 Vgl. 43B2. 90 Im Rundschreiben der Kirchenkanzlei vom 9. April 1954 an die westlichen Gliedkirchen (EZA Berlin, 2/5859) war, nachdem in einem vorhergehenden Absatz über Beschlüsse der Kirchenkonferenz zum Kollektenwesen – v. a. für „gesamtkirchliche Notstände und Aufgaben“ – die Rede gewesen war, in einem eigenen Abschnitt die Helgolandhilfe thematisiert worden. Dort hieß es, angelehnt an die Formulierungen in 1: „Der kirchliche Wiederaufbau Helgolands soll ein Gemeinschaftswerk der Evangelischen Kirche in Deutschland sein. Die Kirchenleitungen werden gebeten, die Helgolandspende je in der Weise durchzuführen, wie es ihnen am zweckmässigsten zu sein scheint: entweder in Form einer besonderen Kollekte oder Sammlung oder durch eine Spende aus sonst verfügbaren Mitteln für besondere Hilfsmassnahmen“. 91 Dies geschah mit Rundschreiben der Kirchenkanzlei vom 24. Mai 1954 und vom 14. Juni (EZA Berlin, 2/5859). Die rheinische Landeskirche erklärte sich daraufhin am 28. Juni 1954 gegenüber der Kirchenkanzlei außer Stande, die Hilfsaktion zu unterstützen. Man halte den Aufruf für „unbrauchbar“ und die Aussage, Helgoland sei ein deutsches Symbol, für „äußerst abwegig“. Man bat daher um eine Änderung des Textes (Ebd.). Die westfälische Landeskirche teilte in zwei Schreiben vom 1. Juli 1954 an die Kirchenkanzlei und an die Ratsmitglieder mit, zwar 5000.– DM für Helgoland spenden zu wollen, den Aufruf aber nicht an die Gemeinden weiter zu geben. An den Rat gerichtet kritisierte man, dass der Wiederaufbau Helgolands zu einer Angelegenheit von gesamtkirchlichem Interesse stilisiert werde, man dies aber etwa bei der Flüchtlingsarbeit nicht tue. Darüber hinaus hegte man massive Bedenken gegen die Formulierung, der Fortbestand Helgolands trotz aller Zerstörungsversuche sei „ein Denkmal des göttlichen Schöpfer- und Erhaltungswillens“ (Ebd.). Dieses Zitat stammte aus dem u. a. von Dibelius, Ehlers, Lilje und Halfmann unterschriebenem Aufruf „Wir bitten für Helgoland“ (Ebd.). Auf diese Kritik reagierte Halfmann am 27. August 1954 mit einem ihre grundsätzlich verschiedenen theologischen Positionen thematisierenden Brief an Wilm (44E14). 92 Zum Gedenken an die Barmer Bekenntnissynode fand am 30. Mai 1954 in Barmen ein sog. „Gemeindetag unter dem Wort“ statt (J. Beckmann, Zeitgeschichte, S. 102). Zur Einladung an den Rat vgl. 44D17.
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ferner die Landeskirchen auf das Jubiläum der Barmer Synode hinweisen und sie bitten, den Gemeinden die Barmer Erklärung in geeigneter Weise in Erinnerung zu bringen93. c) Der Rat nahm davon Kenntnis, dass die Brüderunität ihren Antrag auf Unterstützung der Siedlung Neugnadenfeld zurückgezogen hat94. d) Prälat D. Kunst wurde gebeten, als Grundlage für die weiteren Beratungen des Rates über die Frage der Kriegsdienstverweigerung in der nächsten Sitzung über diese Frage zu berichten95. e) Propst D. Grüber wurde gebeten, vorzufühlen, ob die Regierung der DDR. bereit ist, ebenso wie die Bundesrepublik der EKD einen Zuschuss für die Arbeit des Kirchlichen Aussenamtes zur Verfügung zu stellen96. gez. Dibelius – Oberkirchenrat –
44C Anlagen und Beschlusstexte 44C1. „Appell des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland an alle christlichen Kirchenleitungen wegen der Atom- und Wasserstoffbombe“. 21. Mai 1954 F: F. Merzyn, Kundgebungen, S. 183f. Die Entwicklung der Atomwaffen erfüllt die evangelischen Christen in Deutschland und in anderen Ländern seit geraumer Zeit mit schwerer Sorge. Es werden jetzt Waffen hergestellt, die die Massenvernichtung menschlichen Lebens bezwecken und gegen deren Wirkung sich schließlich niemand 93 Nach G 1 hatte Herntrich vorgeschlagen, „die Erklärung von Barmen in geeigneter Weise in Erinnerung zu bringen“. In der berlin-brandenburgischen Landeskirche wurde das Barmen-Jubiläum durch einen ihre Bedeutung für die Gegenwart betonenden Aufsatz (E. Andler, Zeugnis) und einen Festakt (vgl. den Bericht in Die Kirche 1954, Nr. 23, S. 5) gewürdigt. 94 Vgl. 42B9 und 49B6III mit 49D6–7. 95 Vgl. 45B6. 96 Zur Ausführung des Beschlusses durch Niemöller vgl. 44E15. An diesen Brief vom 31. Mai 1954 erinnerte er Grüber am 14. Juli 1954. Am 21. Dezember 1954 berichtete Grüber Niemöller, dass er „seinerzeit mit Nuschke die Frage vorbesprochen“ habe, eine Antwort aber noch ausstehe. Er habe aber auch große Bedenken, zu einem Zeitpunkt, wo die DDR-Regierung der Kirche die Staatsleistungen um 30 % kürze, um einen kleinen Betrag für die Auslandsarbeit zu bitten. So gerate man in eine „etwas schiefe Situation“ (GStA Berlin, VI. HA, NL Grüber, Nr. 253). Vgl. auch 45C1, 45E1 und 45E2.
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44C Anlagen und Beschlusstexte
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mehr zu schützen vermag. Damit werden kriegerische Auseinandersetzungen zwischen den Völkern zu einem Schauspiel unmenschlicher und grausamer Verwüstungen. In der Erfindung und Erprobung der Wasserstoffbombe hat diese Entwicklung nunmehr einen Höhepunkt erreicht. Die Zerstörungen, die durch diese Bombe hervorgerufen werden, übersteigen alles, was bisher für denkbar gehalten worden war. Möglichkeiten so fürchterlicher Art steigen auf, daß jedes menschliche Herz davor zurückschaudert. Auch wenn man sich von allen Übertreibungen freihält, wie sie in der öffentlichen Erörterung leicht unterlaufen, bleibt der Gedanke an das, was der Menschheit bevorsteht, grauenvoll. In solcher Lage kann die Christenheit nicht stumm und untätig bleiben. Um der Verantwortung willen, die ihr von Gott auferlegt ist, muß sie alle, denen hier Macht und Einfluß gegeben ist, dazu aufrufen, dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten. Es geht nicht darum, der wissenschaftlichen Forschung Schwierigkeiten zu bereiten. Wohl aber gilt es, der elementarsten Rücksicht auf die Menschheit zu ihrem Recht zu helfen. Das ist in der Vergangenheit bei sehr viel geringeren Anlässen geschehen. Es muß auch gegenüber der ungeheuren Gefahr der Atombombe möglich sein. Wir sind uns dessen bewußt, daß hier auch politische Probleme im Spiele sind. Es kann nicht Sache der Kirche sein, für die Lösung dieser Probleme Vorschläge im einzelnen zu machen. Worauf es aber zunächst ankommt, ist das, daß überall in der Welt die Gewissen wach werden und daß der Respekt vor dem menschlichen Leben in allen Völkern den Sieg davonträgt. Darum geht es uns. Wir bitten die Leitungen aller christlichen Kirchen, sich bei den Regierungen der Länder, zu denen sie Zugang haben, mit Nachdruck dafür einzusetzen, daß die internationalen Gespräche über die Verwendung der Atomkraft fortgesetzt werden, daß Vereinbarungen getroffen werden, die die ungeheure Sorge von der Menschheit nehmen, die jetzt auf ihr liegt, und daß Vereinbarungen von allen gehalten werden. Wir bitten sie, sich mit uns in dem Gebet zu vereinigen, daß die jetzige Bedrohung alles menschlichen Lebens und aller menschlichen Zukunft gebannt und daß Frieden werde, bevor es zu spät ist. Im Auftrage des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland D. Dibelius D. Lilje
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44. Sitzung Halle/S., 6./7. Mai 1954
44D Vorlagen und Anträge 44D1. Schreiben Schmucks an die Synode der EKD. Karl-Marx-Stadt, 9. März 1954 F: EZA Berlin, 4/492 (O). PROTEST! Gegen D. Martin Niemöller’s Bek.-Eigenbrödelei in der EKD Der Artikel Niemöllers „Vor der Berliner Konferenz“ in der Evang. Wochenzeitung „Die Kirche“97 gibt Veranlassung auf die Bekennende Kirche selbst zurückzukommen. Niemöller ist der Vorsitzende des Reichsbruderrats der Bek [sic!], die Bek gehört auch der EKD an. Hier soll zugleich die Bezeichnung „E.K.D.“ erläutert werden, denn viele Angehörige der EKD sind der Meinung[,] es handelt sich hier um eine Evangelische Kirche Deutschlands, was jedoch nicht der Fall ist, sondern die EKD ist ein Bund deutscher Evangelischer Kirchen verschiedener Konfession. Der Leiter dieses Bundes ist der Vorsitzende des Reichsbruderrates der EKD, der Berliner Bischoff [sic!] D. Dr. Dibelius. Nun zum Artikel selbst. Den Inhalt desselben werden wohl auch alle Angehörigen der EKD im Osten wie im Westen, gleich welcher Konfession angehörend, begrüßen. Der Protest erstreckt sich nur auf Niemöllers Eigenbrödelei[,] indem derselbe nur für seine von ihm geleitete Bek [sic!] eine Mahnruf an die Kirchen der Siegerstaaten erläßt. Er geht damit über den Kopf des Reichsbruderrates der EKD und dessen Vorsitzenden Dibelius [sic!] hinweg, das muß nicht nur bei den Kirchen der Siegerstaaten einen schlechten Eindruck machen, sondern auch bei allen Angehörigen der EKD im Osten und Westen. Die fehlende Unterschrift von Dibelius weist untrüglich darauf hin, daß im Reichsbruderrat eine Kluft zwischen Dibelius und Niemöller besteht. Ein weiteres Zeichen für das Bestehen einer solchen Kluft beweist die Abhaltung eines Fürbittgottesdienstes durch Dibelius am 24. Januar am Vorabend der Konferenz in der Berliner Marienkirche. Mit seinem Bittgottesdienst hat Dibelius die Hand Gottes ergriffen, seinen Berliner EKD Brüdern und Schwestern Veranlassung gegeben, daß solche dafür beten, Gott möge den Außenministern der vier Siegerstaaten den richtigen Weg zum Frieden und zur Einheit Deutschlands weisen. Die Absendung dieses Protestes verzögerte sich, weil man den Ausgang der Konferenz abwarten wollte. Inzwischen hat nun auch Bischoff [sic!] Dibelius sich
97 Gemeint ist der anonyme Text Vor der Berliner Konferenz im Berliner Sonntagsblatt vom 17. Januar 1954.
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44D Vorlagen und Anträge
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dazu entschloßen [sic!] sich, zum Frieden mahnend, an die vier Außenminister der Siegerstaaten gewendet und zwar im Namen der Glieder der EKD, das ist ein weiteres untrügliches Zeichen einer Kluft zwischen dem Führer der EKD und demselben der Bek. [sic!] – Der Ausgang hat nun gezeigt, daß die vier Außenminister sich von der Kirche nicht beeinflußen [sic!] lassen. Aber Niemöller mit seiner Eigenbrödelei hat der Welt gezeigt, daß in dem starken Kirchenbund der EKD eine Uneinigkeit in der Führung besteht. Luther aber sagt, wo keine Einigkeit, da kein Segen Gottes. Wir aber brauchen Gottessegen für die Führung der EKD, deshalb protestieren wir gegen Niemöller’s Eigenbrödelei! Wir fordern die Veröffentlichung dieses Protestes in der Dibelius-Zeitung „Die Kirche“, sowie Stellungnahme der Synode der EKD 13.–19. März in Berlin Spandau [sic!], welche in erster Linie dazu berufen ist, die immer mehr um sich greifende Spaltung zu verhindern. Dieser Protest findet auch Veröffentlichung in West-Zeitungen. Die Laienbrüder: Richard [Name unleserlich] [m. p.] Richard Schmuck [m. p.] Willy Puhlfürst [m. p.] Paul Vie[unleserlich]eg [m. p.] Max Bitterling [m. p.] Wanda Grönich [m. p.] Max Ebert, Obing [m. p.] Eugenie Funke [m. p.] [Name unleserlich] [m. p.] [Name unleserlich] [m. p.] Karl Vierheller [m. p.] Paul Langner [m. p.]
44D2. Schreiben Ehlers’ an Dibelius. Bonn, 1. Mai 1954 F: ELAB, 603/B 15 (O). Hochverehrter Herr Bischof, lieber Bruder Dibelius! In der Anlage98 übermittle ich Ihnen in Abschrift ein Schreiben des Propstes D. Grüber vom 29. April und mein Antwortschreiben vom heutigen Tage. Da das Schreiben von Propst Grüber in einer sachlich engen Beziehung zu dem Schreiben steht, das er zu den gleichen Problemen vor einiger Zeit an den Lordbischof von Chichester gerichtet hat99, sehe ich mich nicht imstande, diesen Brief als privates Schreiben zur Kenntnis zu nehmen. Ich kann an der Tatsache, daß Propst Grüber Bevollmächtigter des Rates der EKD bei der Regierung der DDR ist, nicht vorübergehen und bitte um eine Stellungnahme des Rates zu diesem Schreiben, umso mehr, als Propst Grü98 44D3–4. 99 Schreiben nicht ermittelt.
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44. Sitzung Halle/S., 6./7. Mai 1954
ber als Berater der deutschen Delegation an der Kirchenkonferenz in Evanston teilnimmt. Mit freundlichem Gruß Ihr Ehlers [m. p.]
44D3. Schreiben Grübers an Ehlers. Berlin, 29. April 1954 F: ELAB, 603/B 15 (Abschrift). Sehr geehrter Herr Ehlers! Ihr Artikel in Nr. 18 des Sonntagsblattes „Was können wir tun?“100 behandelt eine Frage, die uns alle bewegt, die wir unter der Not der Zerrissenheit Deutschlands leiden. Es ist ja für uns, die wir als Christen die Verpflichtung zur Mitarbeit im politischen Raum bejahen und die als Politiker um die Bindungen an Gottes Wort wissen, schmerzhaft zu sehen, wie sich die Kluft immer mehr erweitert, wie wir uns immer mehr auseinander reden und wie sogar im kirchlichen Raum die Gefahr besteht, daß wir mit zwei verschiedenen Sprachen sprechen. Sie lehnen wie ich das Verhalten jener Menschen ab, die den Standpunkt vertreten: wir haben im Westen einen anständigen Lebensstandard erarbeitet, wer weiß, was wird, wenn die Menschen des Ostens dazu kommen. Wir wollen lieber für uns bleiben. Sie werden auch Äusserungen nicht billigen, wie wir sie im zunehmendem Maße im der Presse lesen und im täglichen Verkehr hören: „Wer jetzt noch in der Ostzone bleibt, der ist ein Kollaborateur oder ein korrupter Mensch.“ Daß ich eine andere Beurteilung der Verhandlungen der Berliner Konferenz und ihrer Ergebnisse habe als Sie, bitte ich, zu verstehen. Ihre vereinfachte Darstellung der sowjetischen Politik ist vielleicht einem journalistischen oder propagandistischen Bedürfnis entsprungen, kann aber keinen Anspruch auf Sachkunde machen. Wenn man die Intentionen von Menschen verstehen will, so muß man ein Gespräch mit ihnen wagen und darf sich nicht auf die Informationen von Emigranten oder auf andere unlautere Quellen stützen. Daß die Vereinfachung der innerpolitischen Fragen und Gegensätze: „hie Freiheit, da Unfreiheit“ von jemandem, der den Westen genauso wie dem Osten zu verstehen bemüht ist, abgelehnt werden muß, bitte ich, anzunehmen. Die Simplifizierung aller Dinge ist ja eine Folge des kalten [sic!] Krieges, dem wir alle irgendwie verfallen sind. Der Krieg bleibt nun einmal in jeder Form der große Vereinfacher. Vielleicht haben Sie die 100 H. Ehlers, Was können?
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44D Vorlagen und Anträge
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letzte Rede des Lordbischofs von Chichester im englischen Oberhaus gelesen. Hier finde ich die vorbildliche Haltung eines weisen und frommen Menschen, von der wir alle noch lernen können. Als ein verantwortlicher Politiker des Westens würde ich gerade auch als christlicher Politiker immer nach Möglichkeiten suchen, mit dem „anderen“ ins Gespräch zu kommen. Nur durch ein solches verantwortungsbewußtes Gespräch, das ohne Voraussetzungen, Vorentscheidungen und Voreingenommenheiten geführt werden muß, können wir den anderen zur Verantwortung rufen. Ich fürchte immer, daß die vorschnelle 100%ige Ablehnung des „anderen“ ebenso wenig aus politischer Klugheit als aus christlicher Gesinnung entspringt, sondern aus einer pharisäischen oder ressentimentgefüllten und komplexhaften Haltung kommt. Sie kennen ja auch die neuere deutsche Geschichte aus Ihrer früheren Tätigkeit und wissen wie ich, daß Bismarck sich solchen Stimmungen nie hingegeben hat, sondern daß seine Haltung als Politiker, vielleicht auch als Christ, immer eine ganz andere war, die ihn sehr oft in den Gegensatz zu den militärischen Stellen gebracht hat. Sie sehen eine praktische Aufgabe nun darin, durch eine Fortsetzung oder Steigerung des Ost-Westhandels der Wirtschaft in der Deutschen Demokratischen Republik und damit den Menschen in diesem Raum zu helfen. Ich glaube, daß jeder unbefangene Beurteiler der sehr schwierigen und oft unwahren Verhandlungen den Eindruck hat, daß sie auf beiden Seiten nicht selbstlos und nur unter dem Gesichtspunkt, den anderen zu helfen, geführt werden, aber alle sind sich wohl darüber einig, daß eine Wirtschaft, die einheitlich und organisch gewachsen ist wie die gesamtdeutsche Wirtschaft und die durch die Autarkiebestrebungen des 3. Reiches und die Verlagerung in der Kriegszeit viel stärker ineinander verflochten und aufeinander angewiesen ist als die Wirtschaft anderer Länder, durch eine willkürlich gezogene Demarkationslinie nicht getrennt werden kann und nicht getrennt bleiben darf. Wenn Ihnen an der Existenz und Entwicklung der Wirtschaft in der DDR und an dem Wohle der von dieser Wirtschaft abhängigen Menschen so viel liegt, warum wenden Sie sich dann nicht mit der gewählten Vertretung Ihrer Republik, deren Präsident Sie sind, gegen die Kreise und Kräfte, die durch Sabotage den wirtschaftlichen Aufbau stören und gefährden wollen. Es darf Ihnen wohl bekannt sein, daß die sog. Kampforganisationen eine erhöhte Tätigkeit entfalten, unter verstärktem Einsatz von Mitteln und Menschen werden immer wieder im großen Umfange solche Sabotage-Aktionen versucht. Über den Umfang und die Art dieser verbrecherischen Arbeit steht ausreichendes Material zur Verfügung, das Ihnen jederzeit zugänglich sein dürfte. Es kommt noch dazu, daß diese Organisationen sich für ihre Tätigkeit junger, ungefestigter, oft auch in Not geratener Menschen bedienen, die für
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einen billiges Judaslohn diese Arbeit durchführen sollen. Ich möchte Sie gern einmal zusammenführen mit Eltern, deren „Kinder“ – man kann ja nicht anders sagen – durch Westmarkbestechungen oder durch andere unsaubere Bindungen bewogen wurden, sich zu verkaufen und nun ihren Leichtsinn mit einem schweren Urteil abbüßen müssen. Daß diese ganze Arbeit und die sie bedingenden Abwehrmaßnahmen nicht nur die Wirtschaft stören, sondern die Bevölkerung aufs stärkste beunruhigen und mit Mißtrauen erfüllen, ist selbstverständlich. Ich glaube, es ist allerhöchste Zeit, dieser verbrecherischen Tätigkeit Einhalt zu gebieten und sie nicht weiter zu finanzieren, denn sobald jenen Organisationen das Geld ausgeht, ist ihre Arbeit am Ende. Aus reinem Idealismus arbeitet dort keiner. Dazu kommt noch – das werden Sie in gleicher Weise wie ich in der Vergangenheit erlebt haben –- daß solche Geheimdienste ihren Automatismus haben. Sie wachsen sich zu einer Macht aus, der die geordneten Staatsorgane und die gewählten Vertretungen des Volkes dann machtlos gegenüberstehen. Wollen Sie einer solchen Entwicklung untätig zusehen? In dem Augenblick, wo diesen Organisationen das Handwerk gelegt wird, haben wir einen der ersten und wichtigsten Schritte für die Entgiftung der Atmosphäre und die Wiedervereinigung Deutschlands getan. Es würde dann auch ein freierer und ungehinderter Verkehr zwischen Osten und Westen möglich sein, der ja nicht nur von der Bevölkerung gewünscht wird. Ich weiß, daß die Frage der Wiedervereinigung nicht nur in Deutschland entschieden wird, aber ich weiß auf der anderen Seite, daß an einem starken und ehrlichen Wollen der Deutschen in Ost und West auch die Besatzungsmächte auf die Dauer nicht vorübergehen können. Mit vorzüglicher Hochachtung bin ich Ihr Ihnen sehr ergebener gez. D. Grüber
44D4. Schreiben Ehlers’ an Grüber. Bonn, 1. Mai 1954 F: ELAB, 603/B 15 (D). Sehr geehrter Herr Grüber! Ohne mich in eine Polemik mit Ihnen über Ihren mich in Erstaunen versetzenden Brief vom 29. April einzulassen, möchte ich lediglich einige Richtigstellungen vornehmen. 1. Die Behauptung, daß Sie in zunehmendem Maße in der Presse lesen und im täglichen Verkehr hören, „wer jetzt noch in der Ostzone bleibt, der ist ein Kollaborateur oder ein korrupter Mensch“, müßte von Ihnen bewiesen werden. Sie werden nicht eine einzige Stimme eines in verantwortlicher Stellung in der Bundesrepublik stehenden Mannes anführen
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können, in der etwas Ähnliches auch nur anklingt. Dagegen gibt es zahllose Beispiele, daß die verantwortlichen Männer der Bundesrepublik, insbesondere der Bundeskanzler und der Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen ebenso wie ich immer wiederholt die Bitte und die Mahnung an die Bevölkerung der sowjetisch besetzten Zone ausgesprochen haben, auszuhalten und nicht zu fliehen. Ob ich eine vereinfachte Darstellung der sowjetischen Politik ohne „Anspruch auf Sachkunde aus journalistischem oder propagandistischem Bedürfnis“ vorgenommen habe, braucht zwischen uns nicht erörtert werden, da wir uns darüber nicht verständigen. Ich verbitte mir mit Deutlichkeit den Vorwurf, daß ich mich auf Informationen von Emigranten und andere unlautere Quellen stütze. Sie sind sich darüber klar, daß Sie mit diesen Beleidigungen jede Gesprächsmöglichkeit abschneiden. Wenn Sie sich die Mühe gemacht hätten, das, was ich zur deutschen Frage gesagt und geschrieben habe, zu verfolgen, wäre Ihnen aufgefallen, daß ich mich der Simplifikation „hier Freiheit, dort Unfreiheit“ ständig widersetzt habe. Das bleibt auch richtig, selbst wenn es in Ihre Polemik nicht hineinpaßt. Daß Sie Ihrer ganze Einstellung nach Gespräche zwischen der Bundesrepublik und den Vertretern der sowjetisch besetzten Zone für richtig halten, ist mir bekannt. Daß Sie meine andere Meinung dadurch anzugreifen suchen, daß Sie „von einem christlichen Politiker“ eine andere Haltung erwarten, bringt mich nicht zu einer anderen Überzeugung. Daß Sie das als eine „pharisäische oder ressentimentgefüllte und komplexhafte“ Haltung ansehen, liegt offenbar im Rahmen Ihres Stils, so daß ich diesen Vorwurf nur zur Kenntnis nehmen brauche. Wenn Sie auch die Bemühungen, den Ost-Westhandel zu fördern, mit dem Vorwurf der „sehr schwierigen und oft unwahren Verhandlungen“ belegen, so vermag mich das nicht in der Überzeugung zu erschüttern, daß man auf dem bisherigen Wege weitergehen sollte. Ich habe das in meinem Aufsatz ziemlich deutlich zum Ausdruck gebracht. Vielleicht sehen Sie sich imstande, einmal deutlich zu machen und zu belegen, welche Kräfte „durch Sabotage den wirtschaftlichen Aufbau stören und gefährden“ wollen. Auch Ihnen dürfte bekannt sein, daß ich wiederholt und an maßgeblicher Stelle der Besatzungsmächte gegen Agententätigkeit und insbesondere gegen die Beschäftigung von Jugendlichen dabei Front gemacht habe. Wenn Sie das in dem Ihnen zugänglichen Bereich der anderen Besatzungsmacht mit der gleichen Schärfe getan haben, brauchen wir beide uns keinen Vorwurf zu machen. Ich würde nur dankbar sein für einen Hinweis darauf, welche Belege Sie dafür haben, daß irgend eine Dienststelle der Bundesrepublik derartige Aufträge erteilt oder finanziert hat.
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Wenn Sie das beweisen können, würde ich der letzte sein, der nicht dagegen Front machte. Mit vorzüglicher Hochachtung bin ich Ihr sehr ergebener gez. Ehlers 44D5. Schreiben des Bruderrates der EKD an den Rat. Berlin, 5. Mai 1954 F: EZA Berlin, 4/492 (O). Der Bruderrat der Evangelischen Kirche in Deutschland hat sich in seiner heutigen Sitzung u. a. mit der Frage beschäftigt, ob nicht angesichts der neuen Versuche über die Wirksamkeit der sogen. H-Bombe seitens der Evangelischen Kirche in Deutschland etwas gesagt werden sollte. Einmütig wurde die Frage bejaht und der Unterzeichnete beauftragt, unmittelbar nach der Sitzung des Reichsbruderrates an den Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland die dringende Bitte zu richten, in seiner nächsten Sitzung ein Wort der Evangelischen Kirche zu dieser wichtigen Angelegenheit zu sprechen. Dies ist umso erforderlicher, als die letzten Zeitungsnotizen eine große Verwirrung über diese Frage in die Öffentlichkeit gebracht haben. Lic Dr. Beckmann [m. p.] 44D6. Schreiben des Lutherischen Kirchenamtes der VELKD an die Kirchenkanzlei. Hannover, 22. März 1954 F: EZA Berlin, 2/5611 (O). Betr.: Bibelrevision Prof. Strathmann hat in der Nummer 5 des Deutschen Pfarrerblattes vom 1. März dieses Jahres und in Heft 3/54 der Evang. Theologie einen gleichlautenden Aufsatz unter der Überschrift „Eine verhängnisvolle Wendung – Grundstürzende neue Regeln der Bibelrevision“ veröffentlicht. Dieser Aufsatz enthält in seinem ersten Teil noch einmal eine – sehr verzerrte – Darstellung der bisherigen Arbeit der Bibelrevisionskommission. Der zweite Teil befaßt sich mit „neuen Grundsätzen“, die der Rat für die Weiterführung der Arbeit aufgestellt habe. Prof. Strathmann gibt der Hoffnung Ausdruck, „dass der Rat der EKD sich über die Bedeutung der neu proklamierten Grundsätze überhaupt nicht völlig klar gewesen ist, wie das bei solchen Kollegialbeschlüssen manchmal passiert. Sind sie aber durchdacht und ernst gemeint – und das sollte man ja wohl annehmen – und wird danach verfahren. So bedeuten sie das Ende der Bemühungen, die Lutherbibel
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durch eine wirkliche Revision als das evangelische Volksbuch lebendig zu erhalten“. Nach unseren Informationen sind in letzter Zeit besonders im süddeutschen Raum in der Tagespresse ähnliche Aufsätze über die Bibelrevision anonym erschienen. Man vermutet, daß diese Aufsätze ebenfalls von Prof. Strathmann stammen. Unseres Erachtens kann diese unsachgemäße Einmischung von Prof. Strathmann nicht ohne Widerspruch hingenommen werden. Wir bitten zu erwägen, ob sich nicht der Rat der EKD oder die Kirchenkanzlei, die durch die Darlegungen von Prof. Strathmann in unmißverständlicher Weise verunglimpft werden, zu einer Erklärung veranlaßt sehen. Für eine Information über die dort vorgesehene weitere Behandlung dieser Angelegenheit wären wir dankbar. In Vertretung Wilkens [m. p.]
44D7. Schreiben Marquardts an das Kirchliche Außenamt (KrügerWittmack). Nuttlar/Ruhr, 12. März 1954. F: EZA Berlin, 6/5900 (O). Sehr verehrter Herr Oberkirchenrat! Durch den Ökumenischen Rat der Kirchen in Genf erhielt ich ein Stipendium zum Studium in den U.S.A. für das Studienjahr 1954/55. Man hoffte zunächst in Genf, uns Stipendiaten auch ohne weiteres an der Weltkirchenkonferenz in Evanston teilnehmen lassen zu können. Leider haben sich dabei aber Schwierigkeiten ergeben, da die amerikanischen Stellen, die unsere Stipendien vermitteln, uns in dieser Beziehung nicht helfen können. Herr Oberkirchenrat Dr. H. H. Harms, Genf, hat mir deshalb empfohlen, Ihnen, verehrter Herr Oberkirchenrat, folgende Bitte vorzutragen. Die deutschen Kirchen haben nach Dr. Harms’ Information die ihnen zustehenden Quoten für official visitors noch nicht erreicht. Bestände darum nicht die Möglichkeit, uns Stipendiaten die Chance zu geben, das außergewöhnliche Erlebnis der großen Weltkirchenkonferenz zu haben? Die Begegnungen in diesen Tagen könnten unsere Arbeit im folgenden Studienjahr außerordentlich befruchten. Ein Freund von mir, ebenfalls Stipendiat und ich, wir würden uns vor allem für die Arbeit der Sektion drei: Soziale Fragen, interessieren, da wir uns während des amerikanischen Studiums mit der Sozialarbeit der Kirchen vertraut machen möchten. Der Ökumenische Rat in Genf ist freundlicherweise bereit, unsere Schiffspassagen so frühzeitig zu buchen, das[s] wir den Termin der Konferenz erreichen. Fahrkarten New York – Chicago hoffen wir, falls es nötig
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sein sollte, mit Hilfe unserer amerikanischen Verwandten zu tragen. Wir sind auch gern bereit, während der Konferenz eventuelle H[ilfs]dienste zu übernehmen. Ich spreche im Plural, da ich mir erlaube, auch im Namen zweier Kommilitonen, Ihnen diese Bitte vorzutragen. Wir sind jetzt leider entweder mitten drin, oder nicht fern vom Examen, deshalb übernehme ich diese Korrespondenz. Ich darf Ihnen die Namen der beiden Kommilitonen nennen: Hans Wilhelm Florin, cand. theol. (Sektion 3); Ortwin Steuernagel, stud. theol., beide Münster i. W., Breul 40/41. Referenzen über u[ns] könnte Prof. D. Ernst Kinder, Münster, Lutherstr. geben, über mich ebenfalls Prof. Dr. E. Schlink, Heidelberg. Wir gehören zu der Ev. Landeskirche Westfalen. Wir währen Ihnen allen von Herzen dankbar, wenn Sie uns irgendwie helfen könnten, verehrter Herr Oberkirchenrat. Mit dem Ausdruck vorzüglicher Hochachtung auch im Namen meiner Kommilitonen bin ich ihr sehr ergebener Georg Marquardt. [m. p.]
44D8. Antrag des Kirchlichen Außenamtes für die Ratssitzung am 6./7. Mai F: EZA Berlin, 6/362 (H). Betr.: Evangelische Gemeinde Brüssel. Zum Vortrag in der Ratssitzung am 6./7. Mai 1954 in Halle. Auf dem Eigentum der evang. Gemeinde Brüssel liegt noch eine restliche Schuld von 250.000.– belg. Frs. (1 DM = 12 belg. Frs.), also 20.800.– DM. Nach Rückgabe des Eigentums wird der bisherige Amortisationsvortrag von dem belgischer Kreditinstitut nicht aufrechterhalten. Die alte Hypothek ist als gekündigt anzusehen. Pastor Steinmann hat berichtet, daß die Aufnahme einer neuen Hypothek von 20.000.– DM nur zu Bedingungen von über 9 % erfolgen kann. Auf diese Weise würde in 20 Jahren rund das Doppelte der ursprünglicher Summe bezahlt werden müssen. Wir haben daher unsererseits durch Herrn OKR Bartelt Bemühungen eingesetzt, der Gemeinde zu billigerem Geld zu verhelfen. Die Rheinische Kirche ist bereit, ein Darlehen von 20.000.– DM bei einer Verzinsung von 5 % bei einer Laufzeit von 12 Jahren zu geben. Die jährliche Tilgungssumme soll ca. 11 % der Gesamtsumme, also ca. 2.200.– DM betragen. Ursprünglich war die Rheinische Kirche lediglich bereit, dieses Darlehen dem Kirchlichen Außenamt zu geben. Dieses hat jedoch darauf hinwei-
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sen müssen, daß nach der Rechtslage eine Darlehensaufnahme unter den hier mitgeteilten Bedingungen nicht möglich sei. Das Darlehen möge vielmehr der Brüsseler Gemeinde selbst gegeben werden. Nach der bisherigen Verlautbarung ist die Rheinische Kirche bereit zu dieser Darlehensbewilligung an die Gemeinde Brüssel, wenn die Ev. Kirche in Deutschland eine Bürgschaftsverpflichtung übernimmt (vgl. das anliegend Schreiben des Landeskirchenamtes in Düsseldorf vom 24. 4. 54 – Eingangsnummer KA 3094/54101). Das Kirchliche Außenamt bittet deshalb: Der Rat der Evang. Kirche in Deutschland möge beschließen, daß er bereit ist, gegenüber der Rhein. Kirche die Bürgschaftsverpflichtung für die evang. Gemeinde in Brüssel für eine Darlehensaufnahme von 20.000.– DM mit 5 % jährlich verzinslich und zu rd. 11 % jährlich tilgbar, auf die Zeit von 10 Jahren zu übernehmen.
44D9. Schreiben des Ökumenischen Ausschusses der Kirchen für Berlin, den mittleren und östlichen Raum Deutschlands an den Ratsvorsitzenden. Neubukow, 14. April 1954 F: EZA Berlin, 4/46 (Abschrift). Betr.: Druck-Beihilfe für „Oekumenische Profile“ Hochverehrter Herr Vorsitzender, hochverehrte Mitglieder des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland! Seit einigen Jahren bereits sind unter der wohlwollenden Förderung des Herrn I. Vorsitzenden des Oekumenischen Ausschusses für Berlin, den mittleren und östlichen Raum Deutschlands 16–24 seitige Hefte mit kurzen, allgemeinverständlichen Lebensskizzen von lebenden oder jüngst heimgerufenen Gliedern der weltweiten Bruderschaft der Oekumene erschienen. Ihr Erscheinen wurde seit Anfang an unter Augen und Förderung der führenden Mitglieder des Oekumenischen Rates der Kirchen durchgeführt. Die Hefte erfreuten besonders oekumenische Studienkreise, sowie Studenten, Frauenhilfsschwestern oder Junge Gemeindeglieder im östlichen Raum Deutschlands. Ihre Auflage wurde als Gratisauflage auf die einzelnen Werke und Kirchenprovinzen verteilt. Es erschienen bisher 13 Nummern der insgesamt dreißig Titel. Vier sind druckfertig beim Verlag, von weiteren Heften ist ein Beitrag fertig, sein ergänzender 2. Beitrag in Arbeit. Aus der Abteilung I, die 6 Nr. vorsieht, ist erst 1 Stück herausgekommen; ein zweites Stück über die Waldenser und DOELLINGER, als „Vorläufer“ der heutigen Oekumene, sind die Autoren am Schreiben. 101 EZA Berlin, 6/362.
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Aus der Abteilung II, „Initiatoren der modernen Oekumene“ sind 4 Nr. vorgelegt, 2 stehen noch offen: und zwar die Hefte: II,5: O. DIBELIUS – G. BELL und Heft II,6: OLDHAM – MANIKAM. Die Autorenfrage ist für diese beiden wichtigen Hefte auch bereits geklärt. Aus der Abteilung III: „Beitrag der Orthodoxen und Katholiken“ fehlen die beiden Hefte: III,2: BULGAKOW – FLOROWSKI und III,4: COUTURIER – METZGER, von denen lediglich der Beitrag über Florowski noch nicht vorliegt; die beiden andern Nr. dieser Abteilung, das griechisch- und das russisch-orthodoxe Heft liegen fertig vor. Aus der Abteilung IV: „Nachbarn und Junge Kirchen“ liegen drei Hefte vor; es fehlt noch das in Auftrag stehende Heft VI,3 über die französische evangelische Kirche: BOEGNER – MAURY. Aus der Abteilung V: „Späte Erben Luthers“ fehlt nur noch 1 Heft, während aus der letzten VI. Abteilung „Auswirkungen und Weiterarbeit“ noch keines der 6 Hefte herauskommen konnte. Hier sollen die Generalsekretärs-Arbeit, Hilfswerk, Studienarbeit, Öffentlichkeitsdienst, Frauenund Jugendmitarbeit in der Oekumene ihre Würdigung in einzelnen hervorragenden Vertretern finden. Nachdem ich in den Vorjahren durch großes Verständnis bei einzelnen Persönlichkeiten des Hilfswerks oder befreundeter Männer oekumenischer Kirchenglieder Mittel zum Druck gefunden habe (es spendeten das Hilfswerk, es spendeten die Disciples of Christ, vor allem die Evangelical and Reformed Church, die Kirche von Schweden), bitte ich für die dringliche Weiterarbeit meine Heimatkirche selbst um weitere Mittel zum Weiterdrucken. Ein Heft benötigt 500 DM.W. Lediglich für das nun abgeschlossene „Jugend-Heft“ (BAROT-FRASER – D. T. NILES), das „HilfswerkHeft“ (AD. KELLER – ROB. MACKIE) und das „Studien-Heft“ (E. BRUNNER – HENDR. KRAEMER habe ich noch Mittel in Aussicht. Aber für bereits fertige oder halbfertige dringliche Hefte wie VI,1: VISSER ’T HOOFT – H. LILJE oder II,5: O. DIBELIUS – G. BELL oder III,4: COUTURIER – METZGER (völlig fertig vorliegend) oder IV,3: BOEGNER – MAURY u. a. fehlen die Mittel. Ich bitte ergebenst, der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland wolle dieser Arbeit die Mittel für die fehlenden 14 Hefte, also einen Beitrag von 7000 (siebentausend) Westmark gütigst gewähren. Dr. theol. Günter Gloede als beauftragter Herausgeber. PS. Der Betrag müsste im Falle gütiger Bewilligung direkt an den Verlag z. Hd. Herrn C. Otto, Berlin-Hermsdorf, Brandtstr.30, angewiesen werden: HEIMATDIENST-VERLAG, obige Anschrift. D. O.
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44D10. Schreiben Gieses an den Rat. Meran, 20. März 1954 F: EZA Berlin, 6/992 (O). Nachdem der Kunstmaler Professor Hans Lietzmann in Torbole sein Lebenswerk, 110 farbige Bibelillustrationen[,] der Evangelischen Kirche in Deutschland einschliesslich des Urheberrechtes zur freien Verfügung gestellt hat, bittet er durch meine als seines zuständigen Pfarrers und Freundes Vermittlung um Gewährung einer möglichst laufenden Unterstützung, die seinen Lebensabend sicherstellt. Dazu gebe ich folgende Begründung: 1.) Professor Lietzmann, geboren am 2. 4. 1872 in Berlin, wird am 2. April d. J. 82 Jahre alt. 2.) Sein Augenlicht ist soweit geschwächt, daß er nicht mehr richtig sehen und somit auch nicht malen kann. Was er jetzt noch herstellt, ist unverkäuflich, weil verzeichnet und damit unbrauchbar. 3.) Dazu kommt sein körperlischer [sic!] Zustand überhaupt ziemlicher Erschöpfung und Gebrechlichkeit, besonders sein Herzleiden, dessentwegen er mehrfach durch seinen Arzt in das Hospital in Riva eingeliefert werden mußte, um längere Kuren durchzumachen, die sehr teuer sind. Soeben erst ist er aus einer solchen in sein Heim zurückgekehrt. 4.) An Ersparnissen hat Herr Lietzmann nur eine Rücklage für den Fall seines Todes in Torbole, wo er unbedingt seine letzte Ruhestätte finden möchte. Eine Leibrente der Allianzversicherung von vierteljährlich DM. 281.– hat er seiner mittellosen Nichte, Hildegard Lietzmann in München Schwabing, Wilhelmstr. 11 überlassen. Die Altkonten bei der deutschen [sic!] Bank in Berlin, Lützowstrasse in Höhe von R.M. 30.000.– sind z. Zt. ohne jede Verfügungsmöglichkeit. Auf Grund alles dessen ist er genötigt, aus seinem Lebenswerk die Mittel zu erhalten, die er notwendig zum Leben braucht. Seine Miete ist als Altmiete sehr billig, für Ernährung, Licht, Heizung[,] Bedienung, alles in allem braucht er monatlich etwa Lire 30.000.– = D.M. 200.–. Dazu kommen aber die grossen Auslagen für Arzt, Medikamente und Hospitalaufenthalt, die auch jetzt sein ganzes Budget umgeworfen haben. Bei seiner steigenden Schwäche und Hinfälligkeit dürfte nach Ansicht des Arztes und seiner Umgebung nicht mehr auf lange Zeit seines irdischen Daseins zu rechnen sein. Umsomehr möchte ich, dass er sich, in seinen letzten Lebenstagen keiner Sorge hinzugeben braucht und noch etwas von der Frucht seiner Lebensarbeit erntet. Wenn ich mir einen Vorschlag erlauben darf, möchte ich bitten[,] ab 1. 4. 1954 ihm wenn möglich eine Summe von D.M. 600.– vierteljährlich auszuwerfen, womit er den Sommer über sicher auskommen würde. Ich verpflichte mich gerne[,] ebenso vierteljährlich über das Kirchliche Aussenamt Bericht zu erstatten und wenn nötig um die weitere Zahlung zu bitten. Giese [m. p.] Pfarrer i. R.
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44D11. Entwurf der Kirchenkanzlei für einen Dienstvertrag für KrügerWittmack F: EZA Berlin, 4/46 (D) Zwischen der Evangelischen Kirche in Deutschland und Oberkonsistorialrat a. D. Dr. Krüger-Wittmack wird folgender Dienstvertrag abgeschlossen: 1. Oberkonsistorialrat a. D. Dr. Krüger-Wittmack wird vom 1. April 1954 ab beim Kirchlichen Aussenamt der EKD nach den Bestimmungen der Arbeitsvertragsordnung für den kirchlichen Dienst vom 12. 10. 1949 (Amtsblatt der EKD 1949, S. 259) und der TO. A. beschäftigt. Er wird mit der Wahrnehmung eines juristischen Referates im Kirchlichen Aussenamt beauftragt. 2. Oberkonsistorialrat Dr. Krüger-Wittmack erhält Bezüge nach Gruppe II der TO. A. Ausserdem erhält er eine steuerfrei Dienstaufwandsentschädigung vom 125.– DM monatlich. Ihm stehen jährlich 32 Arbeitstage Urlaub zu. 3. Die Evangelische Kirche in Deutschland übernimmt die tatsächlichen Kosten für den Umzug von Mosbach nach Frankfurt. Sie wird durch Gewährung eines Baukostenzuschusses bei der Beschaffung einer geeigneten Wohnung behilflich sein. 4. Die Evangelische Kirche in Deutschland ist bereit, im Versorgungsfalle für die Jahre, die Oberkonsistorialrat Dr. Krüger-Wittmack im Dienst des Kirchlichen Aussenamtes verbringen wird, an die Evangelische Kirche der Union (APU) den Mehrbetrag zu erstatten, der durch Anrechnung dieser Dienstjahre bei der Berechnung der Versorgungsbezüge entstehen würde. Im übrigen richtet sich der Versorgungsanspruch des OKR Dr. Krüger-Wittmack an die Evangelische Kirche der Union nach den in dieser Kirche geltenden Bestimmungen. Die Evangelische Kirche in Deutschland wird sich bei der Evangelischen Kirche der Union dafür einsetzen, dass diese die bei der EKD verbrachten Dienstjahre und nach Möglichkeit auch die nach 1945 im Dienst der Badischen Landeskirche verbrachten Dienstjahre anrechnet. Hannover, den . . . . . . . . Berlin, den . . . . . . . . D. Brunotte D. Dibelius Leiter der Kirchenkanzlei Vorsitzender des Rates der EKD Frankfurt, den . . . . . . . . D. Martin Niemölller Leiter des KA der EKD.
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44D12. Schreiben Söhngens an Brunotte. Berlin, 30. Januar 1954 F: EZA Berlin, 2/5360 (O). Lieber Herr Brunotte! Darf ich noch einmal auf die Beihilfe zurückkommen, die wir für den Arbeitsausschuß des Evangelischen Kirchbautages beantragt hatten? Sie sagten mir seinerzeit, Sie hofften, diese nicht große Summe – es handelt sich um 1000.– DM gegen Ende des Geschäftsjahres noch abzweigen zu können. Herr von Harling, der wohl der Sachbearbeiter ist, hatte sich ähnlich freundlich geäußert. Wir sind in einer recht schwierigen Situation. Im März d. Js. soll der Arbeitsausschuß erneut zusammentreten, um den Kirchbautag in Erfurt vorzubereiten. Wir können es einfach nicht verantworten, die Einladungen herausgehen zu lassen, ohne denjenigen Mitgliedern, die nicht in eines amtlichen Verhältnis zur Kirche stehen, zuzusichern, daß wir wenigstens für einen Teil der ihnen entstehenden Kosten aufkommen werden. Die Kölner Kirchbautagung hat ein erstaunlich weites und starkes Echo gehabt; daß die Tätigkeit des Arbeitsausschusses nicht ganz unnütz für die Kirche ist, dürfte dadurch bestätigt worden sein. Mit herzlichen Grüßen. In alter Verbundenheit Ihr Oskar Söhngen [m. p.]
44D13. Schreiben Krummachers an die Kirchenkanzlei – Berliner Stelle –. Berlin, 17. Februar 1954 F: EZA Berlin, 4/323 (O). Betr.: Betriebsmittelbedarf Hierdurch bitte ich, im dortigen Haushalt auch für das Rechnungsjahr 1954 einen Betriebsmittelzuschuß für das „Haus der Kirche“ in Höhe von monatlich DM 300.– bereitzustellen. Die Begründung zu dieser Bitte liegt in der gegenüber dem laufenden Haushaltsjahr unveränderten gesamtkirchlichen Aufgabe des „Hauses der Kirche“. Zahlenmäßig wird darüber die Rechnungslegung 1953, abschließend mit dem 31. 3. 54, erschöpfend Aufschluß geben können. Schon jetzt ist aber festzustellen, daß nur durch die in gemeinsamer Beratung am 10. 4. 53 festgelegten Betriebsmittelzuschüsse der beteiligten vier kirchlichen Stellen ein Ausgleich der Jahresrechnung 1953 ohne Ausgabenrest zu ermöglichen ist.
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44. Sitzung Halle/S., 6./7. Mai 1954
Hinsichtlich der bleibenden gesamtkirchlichen Aufgaben des „Hauses der Kirche“ darf ich auf meine Darlegung vom 9. Januar 1953 – Tgb. Nr. 120102 – verweisen und darf mir einen späteren Jahresbericht vorbehalten D. Krummacher [m. p.] 44D14. Schreiben der Evangelischen Studentengemeinde in Deutschland, Geschäftsstelle DDR und Großberlin an die Kirchenkanzlei – Berliner Stelle –. Berlin, 25. Januar 1954 F: EZA Berlin, 141/107 (D). Sehr verehrter Herr Generalsuperintendent! Ich erlaube mir, Ihnen in der Anlage eine Aufstellung in doppelter Ausfertigung zuzusenden103, wie wir sie den Landeskirchenämtern und Konsistorien überreicht haben. (Eine Ausfertigung zu Ihrer persönlichen Information, die zweite als Unterlage für die Beantragung des von der EKiD erbetenen Zuschusses.) Der ausgeführte Etat für 1954 und die Bilanz für 1953 wird Ihnen auf der Sitzung des Beirates vorgelegt werden, die am Donnerstag, dem 1. April, 9 Uhr Kirchliche Hochschule stattfinden wird. Sie wollten so freundlich sein, sich bei dem Rat der EKD dafür einzusetzen, daß in dem Etat der EKD unsere Arbeit durch einen Titel berücksichtigt wird. Ich weiß nicht, ob die in der beigefügten Aufstellung genannten DM 7.500.– der einzusetzende Betrag wären oder ob in Anbetracht der Höhe des verbleibenden Defizites und einer gewissen Lustlosigkeit der Kirchenleitungen uns Geld zu geben, ein höherer Betrag zu erbitten wäre. DM 7.500.– sind eingesetzt, weil der Zuschuß im vergangenen Jahre in dieser Höhe gezahlt wurde. Mit ehrerbietigen Grüßen Ihr
102 EZA Berlin, 4/323. 103 44D15.
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44D15. Aufstellung über Einnahmen und Ausgaben im Jahr 1954 der Evangelischen Studentengemeinde in Deutschland, Geschäftsstelle DDR und Groß-Berlin F: EZA Berlin, 141/107 (D). Wo das Geld bleibt: 1. Es ist notwendig und es lohnt sich, gemeinsam über die Frage nachzudenken und Erfahrungen auszutauschen darüber, wie Jesus Christus den Studenten an den Hochschulen begegnet. a) Darum kommen vor Beginn jedes Semesters die Vertrauensstudenten auf der Konferenz der neuen Vertrauensstudenten zusammen, die für das nächste Semester verantwortlich sind b) Nach Beendigung des Semesters treffen sich die Vertrauensstudenten auf der Konferenz der alten Vertrauensstudenten c) Alle Studenten, die sich dazu besonders aufgerufen wissen und freudig sind, kommen zur Sommerkonferenz 2. Die Studentenpfarrer beraten über die Aufgaben, die sie alle gemeinsam angehen, in jedem Semester einmal auf der Studentenpfarrerkonferenz (Bei 1. und 2. ist berücksichtigt Teilnahme und Rückreise von Gästen aus Westdeutschland.) 3. Dem Zusammenhalt der Studentengemeinden während des Semesters dienen die Besuche der Reisedienste (eine Philologin mit Staatsexamen und ein Theologe (Pastor)) 4. Dieser Reisedienst und eine Schreibkraft in der Geschäftsstelle in Berlin brauchen Gehälter 5. Diese Geschäftsstelle braucht ein Telefon und hat Portoausgaben 6. Zur Informierung braucht sie Zeitungen und Zeitschriften 7. Für Miete, Licht und sonstigen Bürobedarf werden benötigt 8. Zum Ausgleich verschiedener kleiner Ausgaben bleiben
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2.000.–
3.000.–
Woher das Geld kommt: 1. Studenten bringen uns durch ihre Studentengemeinden eine Semesterkollekte 2. An Beiträgen für die Studentenkonferenzen zahlen die Studenten selbst 3. Freunde hin und her im Lande schenken 4. Der Rat der EKiD zahlt einen Zuschuss von
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7.000.–
1.500.–
2.500.–
18.000.– 1.250.– 200.– 400.– 150.– 31.000.– DM 5000.– 4.500.– 500.– 7.500.– 17.500.–
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Um die Deckung des Restbetrages von bitten wir die Landeskirchen sehr herzlich. Sie haben immer wieder bestätigt, dass diese Arbeit nötig ist. Sie haben auf der Ostkirchenkonferenz und auf der Bischofs-Konferenz im Laufe des Jahres 193 sich nachdrücklich hinter die Arbeit gestellt. Sie werden uns helfen wollen, die notwendige Arbeit in dem aufgezeigten Umfange weiter zu tun.
13.500.–
31.000.–
44D16. Antrag Hermanns an die Kirchenkanzlei – Berliner Stelle –. Greifswald, 29. März 1954 F: EZA 4/399 (O). Hochverehrter Herr Geheimrat! Für die Tagung der Luther-Akademie, die vom 20.–27. Juli in Stralsund stattfinden soll und deren Programm104 ich Ihnen gelegentlich meines mündlichen Vortrages am 24. 3. überreichte, erbitte ich auch in diesem Jahre, falls es sich ermöglichen läßt, einen Beitrag in Ostgeld. Die E.K.i.D hatte auch in den vergangenen Jahren die Freundlichkeit, die Tagung der LutherAkademie in der D.D.R. zu unterstützen. Ich erlaube mir gleichzeitig, einen Bericht über den Verlauf der letzten Tagung ein Eisenach105 beizulegen. Mit vorzüglicher Hochachtung Ihr sehr ergebener D. R. Hermann [m. p.]
44D17. Schreiben des Superintendenten des Kirchenkreises Barmen an den Ratsvorsitzenden. Wuppertal-Barmen, 14. April 1954 F: EZA Berlin, 4/46 (O). Hochverehrter Herr Bischof! Am 30. Mai 1954 jährt sich zum 20. Male der Tag, an dem die erste Bekenntnissynode der Deutschen Evangelischen Kirche sich in Barmen versammelte und die Erklärung erliess, die eine weltweite Bedeutung erhalten und eine auch die Gemeinden der Gegenwart noch gestaltenden Kraft erwiesen hat. 104 Nicht ermittelt. 105 Nicht ermittelt.
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Die Gemeinden des Kirchenkreises Barmen haben auf ihrer Synodal-Tagung beschlossen, aus diesem Anlaß einen Gemeindetag „Unter dem Wort“ in der alten Weise zu halten. Der Ruf der Barmer Synode zum Gehorsam gegenüber dem einen Wort, das uns in Jesus Christus gegeben ist, soll da wieder einmal hörbar gemacht werden; denn wir sind der Überzeugung, daß er trotz der veränderten Verhältnisse gerade heute von uns allen neu vernommen werden muß. So ist keineswegs an eine „Jubiläumsfeier“ gedacht, sondern an einen Tag ernster und frohmachender Besinnung. In den Morgen-Gottesdiensten werden Teilnehmer der ersten Bekenntnissynode predigen. Am Nachmittag sollen einige Sätze der Barmer Erklärung – und zwar die 1., 2. und 5. These – in drei Ansprachen an drei verschiedenen Orten der Synode der Gemeinde von Neuem bezeugt werden. Zu diesem Dienst sind die Brüder Kirchenpräsident D. Niemöller, Professor D. Vogel und Professor Dr. Gollwitzer gebeten worden. Darüber hinaus richten wir an den Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland die herzliche Bitte, durch einen Vertreter zu Beginn der Veranstaltungen (d. h. um 15.30h, in den anderen beiden Kirchen im weiteren Verlauf) ein Grußwort ausrichten zu lassen. Es wäre uns eine ganz besondere Ehre und Freude, wenn Sie, hochverehrter Herr Bischof, dieses Grußwort persönlich sagen würden. Aus vielen Gründen läge uns daran, daß gerade in Wuppertal der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland ein wegweisendes Wort an uns richtete. Obwohl ich von der Fülle Ihrer Arbeit weiß, wage ich doch, Sie ausdrücklich im Namen unserer Wuppertaler Gemeinden darum zu bitten. Wegen der notwendigen technischen Vorbereitungen wäre ich für eine baldige Antwort sehr dankbar. Ich bin mit ehrerbietigen Gruß und sehr herzlichen Wünschen für die tägliche Ausrüstung mit einem freudigen Geist in der Erfüllung Ihres Dienstes, Ihr dankbar ergebener Stöver. [m. p.]
44E Dokumente 44E1. Schreiben Dibelius’ an Ehlers. Berlin, 18. Mai 1954 F: ACDP St. Augustin, I 369–06/2 (O). Mein lieber Bruder Ehlers! Die neue Rede von Propst Grüber – die übrigens nicht so schlimm war, wie es nach den Berichten der Westpresse scheint – mahnt mich daran, daß ich
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Ihnen auf Ihren Brief an mich als Ratsvorsitzender noch eine Antwort schuldig bin. Wir haben in der Ratssitzung vom 6. Mai darüber gesprochen. Die letzten zehn Tage waren so mit Arbeit ausgefüllt, daß ich zum Schreiben nicht gekommen bin. Der Rat hat sich davon überzeugt, daß der Brief von Grüber an Sie ein Privatbrief gewesen ist. Er hat sich nicht entschließen können, zu einem solchen Privatbrief Stellung zu nehmen. Er fürchtet, was Sie vielleicht verstehen werden, die Konsequenzen. Nur privatim und freundschaftlich darf ich hinzufügen, daß auch uns die Reden von Grüber fortlaufend Beschwernisse machen – wenigstens der großen Mehrheit der Ratsmitglieder. Grüber selbst hat, als ich einmal im Auftrag des Rats offiziell gegen Äußerungen von ihm Stellung genommen habe, sein Amt zur Verfügung gestellt. Wir haben diesen Rücktritt nicht angenommen, und zwar aus einem doppelten Grunde: weil wir in diesen politisch so erregten Zeiten als ein leitendes Gremium der Kirche unbedingt darauf halten müssen, daß politische Meinungsverschiedenheiten uns nicht aufspalten dürfen. Wir müssen nicht nur Brücke über den Eisernen Vorhang hinweg sein, sondern auch Brücke über Koalition, Opposition und Neutrale. Es ist nicht ganz leicht, die Grenze zu finden, an der die kirchliche Verantwortung auch politisches Handeln fragwürdig macht. Im Zweifelsfalle aber müssen wir in diesem Punkt eher zu weitherzig als zu engherzig sein. Der andere Grund ist der, daß Grüber unserer Kirche eine Fülle von Diensten im einzelnen leistet, auf die wir schwer verzichten können. Sein Charisma besteht darin, von einer politischen Dienststelle zur anderen zu fahren und Dinge voranzutreiben, oft auch in Ordnung zu bringen, die von anderen nur sehr schwer geordnet werden können. An dem Kurs der DDR ändert das natürlich nichts. Aber in 50 % der Fälle führt es doch zu Erleichterungen, für die die Pfarrer und Gemeinden in der DDR dankbar sind. So müssen wir auch andere bitten, Geduld zu haben. Es ist ja Grüber nicht verborgen, wie stark und leidenschaftlich die Opposition gegen sein politisches Auftreten bei der großen Mehrzahl der Pfarrer in der Ostzone ist. Ich nehme noch immer an, dass diese Erfahrung ihn schließlich doch dazu veranlassen wird, sich zurückzuhalten. Was wir bei Martin Niemöller zu beobachten glauben, wird vielleicht auch bei Heinrich Grüber einmal Wirklichkeit werden. Mit herzlichem Gruß Ihr getreuer Dibelius [m. p.]
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44E2. Erster Entwurf des Appells des Rates wegen der Atomwaffen. O. D. F: LKA Hannover, L 3/III, Nr. 326 (D). Die Entwicklung der Atomwaffen erfüllt die evangelischen Christen in Deutschland und in anderen Ländern seit geraumer Zeit mit schwerer Sorge. Durch Waffen, die die Massenvernichtung menschlichen Lebens bezwecken und gegen deren Wirkung sich niemand mehr zu schützen vermag, werden kriegerische Auseinandersetzungen zwischen den Völkern zu einem Schauspiel unmenschlicher und grausamer Verwüstungen. In der Erfindung und Erprobung der Wasserstoffbombe hat diese Entwicklung nunmehr einen Höhepunkt erreicht. Die Zerstörungen, die durch diese Bombe hervorgerufen werden, übersteigen alles, was bisher für denkbar gehalten worden war. Möglichkeiten so fürchterlicher Art steigen auf, daß jedes menschliche Herz davor zurückschaudert. Vor allem aber hat die Erprobung dieser Bombe gezeigt, daß ihre Auswirkungen weit über das hinausgreifen, was Menschen haben berechnen können und was sie zu kontrollieren imstande sind. Es besteht jetzt die Sorge, daß schon durch die Erprobung solcher Bomben Zerstörungen angerichtet werden könnten, unter denen zahllose völlig unbeteiligte Menschen zu leiden haben würden, Zerstörungen nicht nur an Hab und Gut und an Leib und Leben, sondern auch an der Gesundheit, ja an dem ganzen Erbgefüge kommender Geschlechter. In einer solchen Lage kann die Christenheit nicht stumm und untätig bleiben. Um der Verantwortung willen, die ihr von Gott auferlegt ist, muß sie alle, denen hier Macht und Einfluß gegeben ist, dazu aufrufen, dieser Entwicklung Schranken zu setzen. Es geht nicht darum, der wissenschaftlichen Forschung Schwierigkeiten zu bereiten. Wohl aber geht es darum, die grenzen abzustecken, die die elementarste Rücksicht auf die Menschheit erforderlich macht. Das ist bereits in der Vergangenheit bei einzelnen Geschoßarten geschehen. Es muß auch gegenüber der Atombombe mit ihren unerhörten Wirkungsmöglichkeiten geschehen können. Wir sind uns dessen bewußt, daß hier politische Probleme vorliegen und daß es nicht Sache der Kirche sein kann, für die Lösung dieser Probleme Vorschläge im einzelnen zu machen. Worauf es aber zunächst ankommt, ist das, daß die Gewissen aufgerüttelt werden, daß das Verantwortungsbewußtsein für die Menschheit geweckt und der Respekt vor dem Menschenleben wieder hergestellt wird. Wir bitten die Leitungen aller christlichen Kirchen der Welt, sich bei den Regierungen der Länder, zu denen sie Zugang haben, dafür einzusetzen, daß internationale Gespräche über die Herstellung von Atomwaffen aller Art getroffen werden. Wir bitten sie, sich mit uns in dem Gebet zu Gott zu vereinigen, daß die jetzige Bedrohung alles menschlichen Lebens und al-
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ler menschlichen Zukunft gebannt und daß Frieden werde, bevor es zu spät ist. Im Auftrage des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland gez. D. Dibelius gez. D. Lilje gez. D. Niemöller
44E3. Schreiben Jordans an den Ratsvorsitzenden. Hamburg, 10. Mai 1954 F: ELAB, 603/B 15 (O). Hochverehrter Herr Bischof! Haben Sie aufrichtigen Dank für Ihr liebenswürdiges Schreiben vom 8. 5.106 und das mir damit ausgedrückte persönliche Vertrauen. Es verpflichtet mich zu sehr sorgfältiger Prüfung und Beantwortung, sowie auch zur vollkommenen Offenheit in der Erörterung einiger Punkte, in denen ich die ernsten und bewegenden Worte Ihres Entwurfes noch einer gewissen sachlichen Verbesserung für fähig halte. Ich darf mich hierzu umso mutiger äußern, als ich ja damit ausdrücklich Ihrer so freundlichen und ehrenvollen Aufforderung entspreche. Die Punkte, auf die ich eingehen möchte, sind der Reihe nach folgende: 1) Im Absatz 1 die Worte: „gegen deren Wirkung sich niemand mehr zu schützen vermag“. Diese sollten lieber ersetzt werden durch einen Satz etwa des Inhalts, daß es immer schwieriger wird, der bedrohten Bevölkerung ausreichenden Schutz zu gewähren. In der jetzigen Form ist nämlich der Satz zweifellos unrichtig. Die 70000 Toten des Angriffs auf Hiroshima wären bis auf einige wenige Prozente am Leben geblieben, wenn Sie im Augenblick des Angriffs in den Luftschutzkellern gewesen wären – man hatte aber den am frühen Morgen gegebenen Fliegeralarm aufgehoben kurz vor der Katastrophe, weil man von den nur drei herankommenden Flugzeugen nichts Ernstliches erwartete. Die Menschenverluste eines etwaigen Atomkrieges – wenn es Gott gefallen sollte, uns diese Prüfung nicht zu ersparen, werden ganz entscheidend davon abhängen, mit welcher Tatkraft und welcher Sorgfalt vorherige Schutzmaßnahmen getroffen sind. Deshalb wäre es besonders gefährlich, zu diesem Punkte eine nicht genau den wahren Verhältnissen entsprechende Bemerkung auszusprechen und damit zur Verbreitung und Befestigung der falschen Vorstellung beizutragen, daß Schutzmaßnahmen nutzlos und folglich entbehrlich wären. 106 ELAB, 603/B 15.
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2) Der Satz: „Vor allem aber hat die Erprobung dieser Bombe gezeigt, daß ihre Auswirkungen weit über das hinausgreifen, was Menschen haben berechnen können und was sie zu kontrollieren imstande sind.“ kann sich zwar teilweise auf die seinerzeit von amerikanischer Seite gewählte Form der amtlichen Bekanntmachung stützen, enthält aber auch Behauptungen, die darüber weit hinausgehen und sachlich nicht vertretbar sind. (Die amerikanische Verlautbarung war ihrerseits in hohem Grade missverständlich und verwirrend formuliert; vielleicht hat die ganze abwegige Hoffnung, durch sensationelle Gestaltung dieser Mitteilung die Russen erschrecken zu können, bei dieser seltsamen Bekanntgabe mitgewirkt). Der sachliche Tatbestand war meines Wissens der, daß die fragliche Explosion etwa dreimal stärker gewesen ist, als vorausberechnet war. Die überaus große Kompliziertheit der Rechnungen, in denen sehr viele empirische Daten als Unterlagen einbezogen werden, deren ganz genaue Ermittlung nicht nur große Anstrengungen, sondern auch viel Zeit erfordert, macht ohne weiteres verständlich, daß solche Vorausberechnungen einmal ungenau ausfallen können. Natürlich haben sensationshungrige Journalisten in aller Welt hieraus gern abgeleitet, daß mit dieser Explosion Wirkungen entstanden seien, die über alle Möglichkeiten wissenschaftlicher Berechnung hinausgingen und sich für immer aller regelnden Kontrolle entziehen würden. Es dürfte aber umso dringlicher sein, daß der Rat der Evangelischen Kirche sich von solchen unwahren Sensationsnachrichten möglichst deutlich distanziert. Jedenfalls müsste man es wohl sehr sorgfältig vermeiden, unzutreffende (oder weit übertriebene) Aussagen zu wiederholen. 3) „Es besteht jetzt die Sorge, daß schon durch die Erprobung solcher Bomben Zerstörungen angerichtet werden könnten, unter denen zahllose völlig unbeteiligte Menschen zu leiden haben würden, Zerstörungen nicht nur an Hab und Gut und an Leib und Leben, sondern auch an der Gesundheit, ja an dem ganzen Erbgefüge kommender Generationen.“ Im ernsten Bewußtsein meiner Verantwortung als Christ und als Wissenschaftler möchte ich anraten, diesen Satz völlig zu streichen. Er könnte zwar verteidigt werden durch den Hinweis, daß er ja nur das Vorhandensein einer Sorge hervorhebt, und daß diese Sorge – als geistiger oder psychologischer Tatbestand– zweifellos bei manchen Menschen vorhanden ist, sodaß der Satz in diesem Sinn etwas Wahres sagt. Jedoch wäre es nicht vertretbar, auf diese Sorge hinzuweisen, ohne gleichzeitig zu bemerken, daß sie keinerlei sachliche Berechtigung hat. Der bedauerliche Unglücksfall, dem einige japanische Fischer zum Opfer gefallen sind, geht ja nicht hinaus über das Maß von Betriebsunfällen, wie sie in jeder größeren Fabrik gelegentlich erlebt werden. Eine Wiederholung solcher Unfälle bei künftigen Experimenten ist sehr unwahrscheinlich; und eine Schädigung „zahlloser“ Unbeteiligter zu befürchten, gibt es keinen sachlichen Grund.
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(Zu Punkt 2 sei nachgetragen: daß die radioaktive Schädigung so unerwartet weite Entfernungen überbrücken konnte, beruht vermutlich zum wesentlichen Teil darauf, daß die Höhe der Explosionswolke die Vorausberechnungen übertraf und daß die Windverhältnisse dort oben noch nicht genau genug bekannt sind – was sich natürlich bald ändern wird.) 4.) Endlich darf ich nicht verschweigen, daß ich mich frage, ob die entworfene Erklärung genau auf den entscheidenden Punkt zielt, wenn sie verlangt, „daß die Gewissen aufgerüttelt werden, daß das Verantwortungsbewußtsein für die Menschheit geweckt“ wird. Kann man die damit mittelbar gemachte Aussage vertreten, daß die Experimente der Amerikaner Ausdruck eines unentwickelten oder unaufgerüttelten Gewissens und eines mangelnden Verantwortungsbewußtseins seien? Ernst zu nehmende Informationen behaupten, daß die Sowjets während längerer Zeit einen Vorsprung in der Entwicklung der Wasserstoffbombe gehabt haben, der erst jetzt von den Amerikanern ausgeglichen und überholt worden sei. Das konnte ich natürlich nicht kontrollieren. Sicher ist aber wohl, daß Pontecorvo schon vor geraumer Zeit die wichtigsten wissenschaftlichen Voraussetzungen der Wasserstoffbombe den Sowjets bekannt gemacht hat und daß in Sibirien nicht weniger Atombombenexperimente stattfinden als im Pazifik. Die nach den letzten Ereignissen so vielseitig ausgesprochenen Proteste können sicherlich nur die amerikanische Waffenentwicklung behindern, aber die russische nicht, und somit die Sowjets in ihrem Streben nach einem Übergewicht unterstützen. In Ihrer Erklärung ist deutlich und treffend gesagt worden, daß internationale Vereinbarungen zur Begrenzung der Gefahr erstrebt werden sollten. Vielleicht wäre es möglich, die Deutlichkeit dieser Erklärung noch zu erhöhen durch die Betonung, daß nur die sichere Gewähr einer beiderseitigen Eingrenzung der Atomwaffen eine wirkliche Verminderung der Menschheitsgefahr ergeben kann. Mit dem Ausdruck meiner aufrichtigen Verehrung bin ich Ihr ergebener gez. P. Jordan
44E4. Schreiben Niemöllers an den Ratsvorsitzenden. O. O., 21. Mai 1954 F: GStA Berlin, VI. HA, NL Heinrich Grüber, Nr. 251(Abschrift). Sehr verehrter Herr Bischof! Als ich gestern Abend nach Hause kam, wurde mir berichtet, ich müsse sofort bei Ihnen anrufen. Ich habe das getan und hatte leider im Augenblick unseres Gespräche noch keine Kenntnis von der während des Tages hier in Wiesbaden eingegangenen Post.
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Ich habe nun nach unserem Gespräch Ihr Schreiben vom 19. Mai 1954107 gefunden und damit Kenntnis erhalten von der zweiten Fassung des Entwurfs. – Ich möchte nach genauer Durchsicht dieses zweiten Entwurfs feststellen, dass darin tatsächlich sämtliche vier Beschwerdepunkte des Herrn Jordan Berücksichtigung gefunden haben und dass das, was übrig bleibt, nicht einmal dem Wortlaut des Beschlusses (laut Ratsprotokoll) entspricht. Dieser Beschluss lautet: „Der Rat beschloss, zu den Versuchen mit Atom- und Wasserstoffbomben noch vor der nächsten Ratssitzung ein Wort der Verantwortung und des Protestes zu veröffentlichen.“ Schon im ersten Entwurf108 war nur mit einem einzigen Satz auf diesen Gegenstand Bezug genommen. Und dieser Satz ist nach der Kritik des Herrn Jordan völlig fallengelassen worden. Von hier aus muss ich feststellen, dass der übersandte zweite Entwurf109 überhaupt keine Ausführung des Ratsbeschlusses darstellt. Ich vermag ihn schon aus diesem Grunde nicht mit zu zeichnen. Ich möchte Sie das alsbald wissen lassen, zugleich aber meinem Befremden über die Art Ausdruck geben, wie der Ratsbeschluss von Ihnen durchgeführt wird, dass ein Auftrag, der drei Mitglieder des Rates gegeben ist, von Ihnen als Vorsitzendem einfach in der Weise ausgeführt wird, dass Sie Ihre Entscheidung treffen und die beiden vom Rat bestimmten Mitarbeiter vor ein fait accompli stellen und von ihnen binnen eines kurzen Telefongesprächs verlangen, dass sie Ja oder Nein zu Ihren Vorschlägen sagen. Ich bin überzeugt, dass die Evangelische Kirche eine neue Blamage nicht vertragen kann, und weigere mich infolgedessen, meinen Namen unter diesen zweiten Entwurf zu setzen, den ich für namenlos gefährlich halte, weil er absolut nichtssagend ist. Mit herzlichen Grüßen Ihr getreuer
44E5. Brief Dibelius’ an Meiser. Berlin, 26. Mai 1954 F: LAELKB Nürnberg, Meiser 151 (O). Mein lieber Herr Landesbischof! Es war meine Absicht, als ich eine „Aussprache über die konfessionelle Lage“ auf die Tagesordnung setzte, damit gleichzeitig auch die auf der letzten Synode offen gebliebene Frage der Bereinigung näherzubringen. Wenn ich 107 LKA Hannover, L 3/III, Nr. 1281. 108 44E2. 109 44C1.
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mich recht erinnere, habe ich das auch in der Sitzung gesagt. D. Haug hat mein Anliegen, wenn auch in etwas anderer Form aufgenommen. Die Meinung ging aber dann dahin, daß man sich von einer Aussprache innerhalb des Rates nicht recht etwas glaubte versprechen zu können, noch viel weniger von einer Besprechung in der Kirchenkonferenz. Ich habe geglaubt, mich dabei bescheiden zu müssen, will aber gern die Sache noch einmal auf die Tagesordnung zu bringen. Eine andere Form der Erledigung kann ich mir nicht recht vorstellen. Denn es handelt sich doch nicht um persönliche Entgleisungen, die wieder gutgemacht werden müßten, sondern um eine sachliche Differenz. Was das Schreiben Ihres Landeskirchenrats vom 10. März110 angeht, so war ich der Meinung, daß diese Sache durch die Synode vom 14. bis 19. März so erledigt sei, daß es einer besonderen Antwort nicht bedürfe. Selber geben kann ich die Antwort natürlich nicht. Ich werde die Kirchenkanzlei in Hannover daran erinnern, daß nach Ihrer Auffassung diese Angelegenheit bisher unbereinigt geblieben ist. Mit herzlichem Gruß Ihr aufrichtig ergebener Dibelius [m. p.]
44E6. Schreiben der Kirchenkanzlei an die westlichen Gliedkirchen. Hannover, 22. Juni 1954 F: EZA Berlin, 2/2466 (H). Betr.:
Ausführung der Beschlüsse der Synode der EKD in Berlin-Spandau vom 13.–19. 3. 1954. Bezug: Ohne Dem Rat der EKD hat in seiner 44. Sitzung am 6. Mai 1954 in Halle die Eingabe des Ausschusses Ost-West der 5. Tagung der 1. Synode der EKD vorgelegen, die wir in der Anlage111 übersenden. Er hat in der Reihe der Vorschläge dieser Eingabe folgende Beschlüsse gefasst, die der Festigung des Bandes zwischen den östlichen und westlichen Gliedkirchen der EKD dienen sollen: 1. Die Berliner Stelle der Kirchenkanzlei der EKD nimmt die Verbindung mit den Gliedkirchen der EKD auf, um eine Ausweitung in der Beteiligung der Landeskirchen an den von der Kirche der Union veranstalteten 110 EZA Berlin, 2/2077. 111 43D1.
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Berliner Bibelwochen zu erreichen. Wir verweisen dazu auf das entsprechende Schreiben der Berliner Stelle112. Die Ordnung des Besuchsdienstes zwischen Ost und West und die damit verbundene Fahrgeldhilfe stehen in engem Zusammenhang mit einer Koordinierung der Patenschaftsverhältnisse unter Berücksichtigung der in der DDR noch unversorgten Gebiete. Die Kirchenkanzlei wird hierzu nach Erstellung einer genauen Übersicht über die Patenschaften der Landeskirchen, des Hilfswerkes, der Jugend-, Männer- und Frauenarbeit, der Studentengemeinden und der Kirchenchöre Vorschläge unterbreiten. Der Rat der EKD beschloss, die westdeutschen evangelischen Landeskirchen um eine Intensivierung aller Massnahmen zu bitten, die den Erholungsmöglichkeiten für die Pfarrer, Schwestern und kirchlichen Mitarbeiter aus der DDR dienen. Er bittet um vermehrte Einladungen durch die Patengemeinden, durch die Pfarrhäuser, kirchlichen Heime und kirchlichen Krankenhäuser. Zur Not der Pfarrhäuser im Osten verweisen wir auf unser Rundschreiben vom 24. Mai 1954 – 2136. III. –113 Der Rat der EKD bittet die Landeskirchen, die Schriftenhilfe für Pfarrer, Gemeinden und Synodenbüchereien durch einen Ausbau der weithin schon bestehenden Schriftenpatenschaften zu fördern. Er empfiehlt auch hier eine Fühlungnahme von Gemeinde zu Gemeinde, von Kirchenkreis zu Kirchenkreis. Die Berliner Stelle der Kirchenkanzlei, die in dieser Frage enge Verbindung zu dem Zentralbüro des Hilfswerks und dem Büro des Bevollmächtigten des Rates der EKD bei der Regierung der DDR hält, kann über die Buchwünsche aus der DDR Auskunft geben. Um die Gewährung neuer Lizenzen für Ost-Verlage soll sich der Fachausschuss Buchwesen der Kammer für Publizistische Arbeit der EKD bemühen. Über die Behebung der schwersten Not in der DDR, des Mangels an Menschen, hat der Rat ausführlich verhandelt. Die Kirchenkanzlei wird sich wegen des Mangels an Ärzten an die Bundesärztekammer, die Gesundheitsabteilung im Bundesinnenministerium sowie an die Studentengemeinden wenden. Die westdeutschen evangelischen Landeskirchen bittet der Rat, ernsthaft zu bedenken, ob nicht doch eine befristete Entsendung von Hilfspredigern, Diakonen und Schwestern in die Gemeinden der östlichen Gliedkirchen zu erreichen ist, soweit die sehr schwierige Frage der Aufenthaltsgenehmigung bzw. des Zuzuges in Verbindung
112 Schreiben der Kirchenkanzlei – Berliner Stelle – an die Kirchenkanzlei der EKU vom 20. Juli 1954 (EZA Berlin, 7/3861). 113 43E2.
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mit der Berliner Stelle der Kirchenkanzlei zu klären wäre. Auf jeden Fall sollte es ermöglicht werden, dass Brüder aus dem Osten unmittelbar zum theologischen und diakonischen Nachwuchs der westdeutschen evangelischen Gliedkirchen sprechen, um ihn für einen Dienst im Osten zu gewinnen. 6. Für die Unterbringung und Einschulung der aus der DDR verdrängten und geflohenen Oberschüler und -schülerinnen ist schon im vergangenen Jahr im Rahmen der Arbeitsgemeinschaft evangelischer Jugendaufbaudienst ein Arbeitskreis gebildet worden, der sich der bei der Kirchenkanzlei Hannover-Herrenhausen bestehenden zentralen Leitstelle bedient. Eine Unterbringung der Schüler und Schülerinnen in Familien hat sich nicht immer bewährt. Nach den Erfahrungen, die dem Arbeitskreis vorliegen, ist eine Zusammenfassung der Jugendlichen aus der DDR in internatsmässigen Wohngemeinschaften weitaus zweckmässiger, da sie die notwendige Bildung von Sammelklassen und Förderkursen ermöglicht. In die Vermittlung von Ferienplätzen und einer Teilnahme an Lagern und Freizeiten ist die Evangelische Jugend Deutschlands sehr stark eingeschaltet. Wir bitten, uns über das Veranlasste und sein Ergebnis zum Zwecke der Berichterstattung an den Rat der BKD bis zum 1. September 1954 zu unterrichten. 1 Anlage In Vertretung gez. von Staa
44E7. Aufzeichnung Blanks über ein Gespräch mit Kunst. Bonn, 27. Juli 1954 F: Archiv des Liberalismus, Gummersbach, A 31, NL Erich Mende, Nr. 9 (D). Aufzeichnung Betrifft: Beziehungen Evangelische Kirche in Deutschland/FDP Am 23. 7. 1954, 17.00 Uhr, suchte ich nach vorheriger fernmündlicher Vereinbarung den Vertreter der Evangelischen Kirche in Deutschland am Bundessitz, Prälat D. Kunst in seinem Amtszimmer auf. Die Besprechung kam zustande, da ich Wert darauf legte, Herrn Kunst vor seiner am 26. 7. 1954 erfolgten Abreise nach den USA zur Ökumene noch einmal zu sprechen. Aus der letzten Sitzung des Rates der EKiD hat Herr Kunst mir folgendes mitgeteilt: Der Rat der EKiD hat nunmehr einen offiziellen Ausschuss aus seiner Mitte bestimmt, der im Herbst nach der Tagung der Ökumene in den USA
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offizielle Verhandlungen mit der FDP aufnehmen soll. Für diesen Verhandlungsausschuss sind seitens des Rates der EKiD in Aussicht genommen: 1) Landesbischof D. Lilje, Hannover, 2) Landesbischof D. Haug, Stuttgart, 3) Oberpfarrer Herntrich, Hamburg, 4) Mager, Dresden (als Vertreter des Laienelements), 5) Kirchenpräsident Niemöller, Hessen. (Über die Person des Letzteren besteht noch keine endgültige Einigung. Herr Kunst hält es aber für das Richtigste, dass dieser mit unseren hessischen Freunden persönlich bekannte Vertreter der „anderen Richtung“ teilnimmt.) Der Rat der EKiD ist dahin übereingekommen, dass – um alle Formschwierigkeiten zu vermeiden – Herr Kunst als Mitglied des Rates [sic!] einerseits und Vertreter der EKiD am Bundessitz andererseits die Einladung beider Seiten übernimmt. An die FDP ergeht nun der Wunsch, ein etwa gleich starkes Verhandlungsgremium zusammenzustellen. Dabei wird – wie Herr Kunst sich ausdrückte – Wert darauf gelegt, dass von seiten der FDP „entschlossene Liberale“ benannt werden, die bereit sind, ihre Meinung sehr deutlich und ohne Hemmungen vorzutragen. Man scheut sich auf seiten der EKiD in keiner Weise, auch Gegensätze in aller Offenheit zu besprechen. Da massgebende Herren der EKiD erst gegen Ende September von der Ökumene aus den USA zurückkehren, bittet Herr Kunst, dass die Verhandlungen über den Termin der Zusammenkunft unmittelbar nach dem 1. Oktober geführt werden, da mit Rücksicht auf die Termine des Rates der EKiD die Aussprache zweckmässigerweise im Laufe des Monats Oktober, spätestens Anfang November, stattfinden muss. Die EKiD würde es begrüssen, wenn einige Termine innerhalb des angegebenen Zeitraumes zur Auswahl von unserer Seite vorgeschlagen würden. Blank [m. p.]
44E8. Schreiben Strathmanns an Dibelius. Erlangen, 18. März 1954 F: EZA Berlin, 2/5611 (O). Herzlich verehrter Herr Bischof! Es ist mir schwer, Ihnen den beiliegenden Brief114 schicken zu müssen. Aber das ist nun die Not, die eine solche Stellung, wie Sie sie haben, mit sich bringt. Ich sehe Sie in der ganzen Sache als Gefangenen Ihrer Stellung. Hätte ich nur mit Ihnen zu tun gehabt, ich bin überzeugt, wir hätten uns 114 44E9.
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mühelos verständigt. Es ist mir wichtig, zu betonen, daß meine persönlichen Empfindungen Ihnen gegenüber von diesem Konflikt in keiner Weise berührt werden. Aber in der Sache kann ich nicht nachgeben. Der Rat als Ganzes hat die Sache – das ist mein tiefster Ernst – von vorne herein nicht mit dem nötigen Verantwortungsmaß behandelt. Und von wirklicher Sachkunde ist bei all’ seinen Äußerungen ziemlich wenig zu merken. Mein Vertrauen zu ihm ist zutiefst erschüttert. Natürlich habe ich nicht daran gedacht, einen Prozeß zu führen. Doch gedenke ich keinesfalls die Sache hinzunehmen. Bekümmert, aber in aufrichtiger Verehrung Ihr sehr erg. H. Strathmann [m. p.]
44E9. Schreiben Strathmanns an Dibelius. Erlangen, 18. März 1954 F: EZA Berlin, 2/5611 (O, Anlage zu 44E8). Hochgeehrter Herr Vorsitzender! Ihren Brief vom 2. d. M.115 habe ich erhalten. Ungefähr so hatte mir die erwartete Antwort vorgestellt. Ich sehe indessen die Angelegenheit damit keineswegs als erledigt an. Es ist mir bekannt, dass in der bisherigen Geschichte der Bibelrevision niemals ein Honorar gefordert worden ist. Auch ich selbst habe bei Annahme des Auftrags nicht von fern daran gedacht. Aber die Dinge sind auch niemals in so fahrlässiger Weise eingeleitet und behandelt worden wie durch den Rat seit Jan. 52. Ich habe mich streng an den durch Herrn D. Brunotte unter dem 6. 3. 52 erteilten Auftrag gehalten116. Längst Gesagtes brauche ich nicht zu wiederholen. Wie konnte der Rat einen Mann in die Kommission berufen, der von vornherein mit dem festen Willen an die Sache heranging, und sich davon nicht abbringen liess, eine radikale Rückwärtsrevision durchzusetzen? Es war fahrlässig gehandelt, einen Auftrag zu erteilen, über dessen Sinn man sich, wie sich weiterhin zeigte, selbst nicht klar geworden war. Denn was man Anfang Dez. zu wollen beschloss, war etwas völlig anderes, als was mir Herr D. Brunotte am 6. 3. 52 geschrieben hatte. Und die laut Ihrem Brief vom 7. 12.117 beschlossenen Richtlinien bedeuten geradezu eine Rechtfertigung der Bestrebungen des Herrn Dr. Schanze, den man doch gleichzeitig aus der Revisionsarbeit ausgeschaltet hat! Dass der Rat den Mut zur 115 Vgl. 41C4. 116 EZA Berlin, 2/5609. 117 EZA Berlin, 2/5610.
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Klarheit damals immer noch nicht gefunden hat, zeigt sich auch darin, dass er Dr. Eichele dringendst um weitere Mitarbeit gebeten hat, dessen Auffassungen sich doch vollständig mit den meinen decken. Aber ich will hier nicht wiederholen, was ich seit meinem Ihnen bekannten, übrigens nie einer Antwort gewürdigten Brief an Herrn v. Staa (ich kann es verstehen!) vom 27. Nov. 53118 wiederholt ausgeführt habe. Nur durch die Fahrlässigkeit des Rates bin ich in die Lage gekommen, an eine unter diesen Umständen m. E. von vorn herein völlig aussichtslose Sache soviel Zeit und Kraft zu vergeuden, auf die ich mich niemals eingelassen hätte, wenn ich nicht aus Brunottes Brief etwas ganz anderes hätte herauslesen müssen. Ich habe einen moralischen Anspruch auf Genugtuung und betrachte es als einen Beweis von Fairness, dass sich der Rat diesem Anspruch nicht entzieht. In ausgezeichneter Hochachtung Ihr sehr ergebener D. Strathmann [m. p.]
44E10. Gutachten Smends zu den Ansprüchen Schäfers an die EKD. Göttingen, 26. Februar 1954 F: EZA Berlin, 6/4261 (O). Zur Frage der Rechtsansprüche des früheren Pfarrers der deutschen Evangelischen Gemeinde in Athen, Prof Ernst Schäfer, gegen die Evangelische Kirche in Deutschland I. In der Beurteilung der uns gestellten Rechtsfrage stehe ich, was die Interpretation des Anschlußgesetzes119 angeht, auf dem Standpunkt von Frau Oberkirchenrätin Dr. Schwarzhaupt. Ich beschränke mich auf die Ergänzung um einige Gesichtspunkte, die ebenfalls in der Richtung des vom kirchlichen Außenamt vertretenen Rechtsstandpunktes liegen. Es widerspricht dem Sinn des Anschlußgesetzes und damit seiner versorgungsrechtlichen Regelung, die Fälle, in denen das Gesetz einen Rechtsanspruch auf Versorgung gewährt, sozusagen nur als Anwendungsfälle eines allgemein implizierten versorgungsrechtlichen Systems zu sehen. 118 Ebd. 119 J. Hosemann, Kirchenbund, S. 105–114.
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Bei der Schaffung des Gesetzes ging es nicht darum, den Auslandspfarrern eine umfassende Versorgung im Sinne der staatlichen und kirchlichen Beamtengesetze zu gewährleisten, sondern lediglich um eine angemessene Ruhestands- und Hinterbliebenenversorgung, welche sich gerade angesichts der Verhältnisse des Auslandsdienstes als unabweisbares Bedürfnis und wichtige Voraussetzung für die dauernde Gewinnung geeigneter Auslandsgeistlicher erwiesen hatte. Aus dem gleichen Grund erschien es notwendig, den Auslandspfarrern nach Rückkehr von ihrem Auslandsposten nach Möglichkeit eine Anstellung im inneren Kirchendienst zu sichern. Endlich mußten die Auslandsgeistlichen – im Zusammenhang mit ihrer Unterstellung unter ein gewisses Maß an geistlicher Leitung – auch an die Aufsicht und Disziplin des Kirchenbundes gebunden werden, Angesichts der Schwierigkeit und des Zeitaufwands eines Disziplinarverfahrens im Ausland, aber auch im Hinblick auf die Möglichkeit von Lagen, die die beschleunigte Entfernung eines Geistlichen erforderlich machen konnten, erschien es notwendig, nach dem Vorbild des altpreußischen Auslandsgesetzes der Aufsichtsbehörde das Recht der Abberufung in ein anderes Amt und in Verbindung damit der Versetzung in den einstweiligen Ruhestand mit Anspruch auf Wartegeld vorzubehalten. Diese drei leitenden Gesichtspunkte für die Gestaltung des Verhältnisses zwischen dem Kirchenbund und den angeschlossenen Auslandsgeistlichen ergeben sich eindeutig aus der amtlichen Begründung des Anschlußgesetzes. Neben dem Normalfall des § 10 II und dem exzeptionellen Fall der §§ 12, 14 II des Gesetzes war also nicht beabsichtigt, dem Auslandsgeistlichen vermögensrechtliche Ansprüche gegen den Kirchenbund zu gewähren (Deutscher Evangelischer Kirchentag Bethel-Bielefeld 1924 S. 152 ff). Der Rechtsinhalt des Gesetzes entsprach damit den Richtlinien, welche die Vorlage des Dresdener Kirchentages für den Anschluß deutscher evangelischer Organisationen und Geistlichen des Auslands an den Gesamtverband der Landeskirchen aufgestellt hatte (Verhandlungen des 1. Deutschen Evangelischen Kirchentages in Dresden 1919 S. 110 ff. 125 ff.). Daß eine weitergehende Ausgestaltung der Fürsorge des Kirchenbundes nicht bezweckt war, zeigt weiterhin die Einführung des Anschlußgesetzes durch den Vizepräsidenten D. Dr. Kapler auf dem Betheler Kirchentag. Die finanzielle Tragweite des Gesetzes behandelnd betonte der Referent damals ausdrücklich, daß die in Frage kommenden Leistungen des Kirchenbundes einen verschiedenen rechtlichen Charakter trügen: Auf eine festumgrenzte Gruppe von Leistungen könne nach dem Entwurf – unter bestimmten Voraussetzungen ein rechtlicher Anspruch begründet werden, nämlich auf Ruhegehälter, Hinterbliebenenbezüge und Wartegelder. Alle übrigen Leistungen seien lediglich Bedürfniszuschüsse oder Unterstützungen, denen ein rechtlicher Anspruch nicht gegenüberstehe (Kirchentag 1924 a. a. O. S. 164, 166).
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Diese im Jahre 1924 gegebene Rechtslage hat sich bis zur Gegenwart nicht verändert. Die Begründung zur Neufassung des Diasporagesetzes120 vom 25. [richtig: 23.] 1. 1954 (K.A. 301/54)121 hebt es ausdrücklich als Novum des Entwurfs hervor, daß die Rechtsstellung der auf Zeit entsandten Auslandspfarrer, die bei der bisherigen Rechtslage im wesentlichen auf eine freiwillige Hilfeleistung und Fürsorge von Seiten der Heimatkirchen angewiesen gewesen seien, nunmehr dadurch gesichert werde, . . . daß sie auch gegenüber der Evangelischen Kirche in Deutschland Rechtsansprüche erhielten. Man geht also nach wie vor davon aus, daß solche Rechtsansprüche nur in dem eng begrenzten Umfang der §§ 10 II und 12, 14 II des Anschlußgesetzes von 1924 bestehen. Diese Fälle lassen sich ihrem Sinne nach nicht verallgemeinern. § 10 II will nur den im Dienst befindlichen Auslandspfarrer oder seine Hinterbliebenen im Falle der Erreichung der Altersgrenze, der Invalidität oder des Todes sichern, weil die anstellende Auslandsgemeinde eine solche Sicherung regelmäßig nicht übernehmen kann. Mit einer Fürsorgeverpflichtung unter anderen Voraussetzungen hat diese singuläre Regelung nichts zu tun. Im Falle der §§ 12, 14 II dagegen ist die Verpflichtung zur finanziellen Sicherung nur eine notwendige Folge des aufsichtsbehördlichen Eingriffs, den diese Sicherung möglich und tragbar machen soll; § 12 steht also überhaupt nicht unter dem Gesichtspunkt der Fürsorge und ist infolgedessen auch keiner analogen Anwendung unter diesem Gesichtspunkt fähig. Wenn aber die Regelung der Rechtsansprüche auf finanzielle Leistungen in diesen Bestimmungen abschließend gemeint ist, darf § 10 I des Gesetzes nicht im Sinne einer Generalklausel ausgelegt werden, welche dem Auslandspfarrer von seinem Eintritt in den Auslandsdienst an eine lückenlose beamtenrechtliche Sicherung gewährleistet. II. Trotz dieser Beurteilung der Rechtslage erscheinen uns die Aussichten eines möglicherweise gegen Prof. Schäfer zu führenden Rechtsstreits keineswegs sicher. Denn der äußere Wortlaut des Gesetzes und der Ausführungsvorschriften (AV)122 läßt auch eine Interpretation dahin zu, daß der Kirchenbund jedenfalls in Fällen, in denen der Auslandspfarrer den Verlust seines Amtes nicht zu vertreten hat, also namentlich bei einem unfreiwilligen Verlust vor Ablauf der Auslandsdienstzeit, zur finanziellen Sicherung des Geistlichen rechtlich verpflichtet ist. Eine solche ausdehnende Auslegung des § 10 I des Gesetzes legt insbesondere § 14 I AV nahe, der über die präzi-
120 ABlEKD 1954, Nr. 4 vom 15. April 1954, S. 110–113. 121 EZA Berlin, 6/20. 122 J. Hosemann, Kirchenbund, S. 136–144.
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sen Fälle der Versorgung nach § 10 II und §§ 12, 14 II des Gesetzes deutlich hinausgeht. Der Außenstehende, namentlich der ordentliche Richter, muß diese Bestimmung als authentische Interpretation des Gesetzes verstehen. Dies um so eher, als sich hier die Parallele zu der Fürsorgepflicht des Dienstherrn im weltlichen und kirchlichen Beamtenrecht (§ 36 DBG123) aufdrängt1, die gerade in neuerer Zeit von der Rechtsprechung zunehmend extensiv interpretiert wird. Gestützt werden könnte solche Auslegung durch ein scheinbares Argumentum a majore aus §§ 12, 14 II des Gesetzes; man könnte folgern, daß, wenn schon der strafversetzte Geistliche einen Anspruch auf Wartegeld erhalte, dies erst recht für den Pfarrer gelten müsse, der sich keine Fehler habe zuschulden kommen lassen. Endlich kommt im vorliegenden Falle die ganze Ungeklärtheit der Frage der Beendigung des Dienstverhältnisses Prof. Schäfers in Athen hinzu. Es erscheint wohl möglich, daß Prof. Schäfer nach seiner Rückkehr noch längere Zeit Pfarrer von Athen, also auch jener – hier angenommenen – Sicherungen des Anschlußgesetzes teilhaftig geblieben ist. Wie die Weiterzahlung des Gehalts bezw. der Differenz zu dem Pfarrgehalt der Stelle in Osterode durch die DEK zeigt, hat die DEK sich offenbar zu einer solchen Sicherung auch verpflichtet gefühlt. Wann dieser Anspruch untergegangen ist, ist sehr fraglich. Allen diesen Argumenten würde anderseits entgegengehalten werden können, daß die Fürsorgepflicht nur eine Überbrückung auf dem Wege in ein deutsches Pfarramt sein soll, während Prof. Schäfer diesen Weg nur bedingt eingeschlagen hat, immer zugleich auf den endgültigen Übergang in die akademische Laufbahn ausgerichtet, und daß an der Konkurrenz dieser seiner akademischen Betätigung seine pfarramtliche Unterbringung in der Hannoverschen Landeskirche gescheitert ist. Aber eine durchschlagende Wirkung dieses Gegenarguments ist nicht mit Gewißheit zu erwarten. Angesichts dessen halten wir die Aussichten eines Rechtsstreits für zweifelhaft, zumal Prof. Schäfer mit einer sehr entschiedenen Stützung durch Prof. Werner wird rechnen dürfen. Uns erscheint daher ein Vergleich als der auch im Interesse der Evangelischen Kirche in Deutschland sicherste und gebotene Weg zur Erledigung des Streitfalles. Göttingen, den 26. 2. 1954 Im Entwurf gez. Professor D. Dr. Smend 1.) Unter Vernachlässigung des Umstandes, daß damals die Heranziehung des objektiven, keine Ansprüche begründenden Fürsorgebegriffes der Für-
123 „Deutsches Beamtengesetz“ vom 26. Januar 1937 (RGBl I, 1937, S. 39–70, S. 46).
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sorgepflichtverordnung vom 13. 2. 1924124 zur Auslegung des § 14 I der Ausführungsvorschriften näher lag. Auch hier ist aber in der Gegenwart das Gefälle zu einer Anerkennung subjektiver Rechte unverkennbar.
44E11. Aktenvermerk Stratenwerths über eine Besprechung mit Pfarrer Semler. Frankfurt/M., 30. April 1954 F: EZA Berlin, 6/732 (D). Betr.:
Besprechung mit Pfarrer Semler im K. A. am 29. April 1954, nachmittags. Anwesend: Stratenwerth, Dr. Krüger-Wittmack. 1.) Pfarrer Semler erklärt nochmals mit Bestimmtheit, dass er nicht in Paris bleiben werde; es sei nach seiner Meinung notwendig, dass wir uns darum bemühe, möglichst bald eine Lösung der Personalfrage zu finden, damit er fortgehen könne. Er meint, dass erst dann mit einer Konstituierung der Gemeinde gerechnet werden könne. Wir haben dem gegenüber gesagt, dass seine Anwesenheit der Anfang des Kontinuums in Paris sei, das möge er auch in Paris immer wieder betonen. Das personelle Definitivum werde sich wahrscheinlich erst schaffen lassen, wenn wesentliche Vorfragen gelöst seien. (vergl. die Erklärung von Bischof Lilje: „In eine ungeklärte Situation geben wir unsere Leute nicht!“) 2.) In diesem [sic!] Zusammenhang gehört die Frage nach der Christuskirche. Semler stimmt mit der Botschaft in der Auffassung überein, dass wir jetzt zunächst einmal einen Fuss in der Tür haben. Er glaubt auch, dass sich dieser Spalt langsam erweitern lässt, und hält offenbar die in dem persönlichen Schreiben des Herrn v. Walther125 geäusserte Meinung, auch in Bezug auf Wohnung könne in absehbarer Zeit etwas erreicht werden, nicht für abwegig. 3.) Unklare Einflüsse von aussen belasten nach Semlers Bericht die Arbeit. Über seine Osterpredigt hat es im Gemeindevorstand der CLAIR-Gemeinde, zu der man Gräfin Hardenberg nicht eingeladen hatte, eine Belehrung durch den Schatzmeister gegeben, ob nicht aufgefallen sei, dass die Osterpredigt von Semler reformierte Elemente enthalten habe: a) Habe Semler nicht über das Oster-Evangelium oder die Osterepistel gepredigt, wie das in der lutherischen Kirche üblich sei (Anm: Selbst124 RGBl 1924 I, S. 100. 125 Nicht ermittelt.
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verständlich sind Evangelium und Epistel in der Liturgie verlesen worden). b) Er habe in einem von ihm verwandten Bild den Genfer See erwähnt; c) Was er über die Auferstehung gesagt habe, scheine reformierte Elemente enthalten zu haben. Auf die Frage eines Mitglieds des Gemeindekirchenrates, welche Unterschiede denn hier beständen, blieb der Mahner die Antwort schuldig. Zu einem offenbar nur kurzen Besuch ist Prof. Rengstorf in Paris gewesen. Er hatte de Beaulieu aufgesucht und – nach dem Bericht von Beaulieu – diesem gesagt, es sei unverständlich, dass er nicht Pfarrer in Paris würde, da er doch Lutheraner sei. Rengstorf werde darüber einen Bericht an Landesbischof Meiser geben. Zur Frage der Gemeindeordnung habe ich Pfarrer Semler gesagt, dass die Gemeinde selbstverständlich wieder eine Gemeinde Augsburgischer Konfession sein solle, und dass, ähnlich wie in Brüssel, in der Gemeindeordnung der Anspruch sichtbar werden müsste, dass die Kontinuität mit der alten Gemeinde gewahrt sei. Pfarrer Semler trägt nochmals die Gründe vor, die ihm eine Betrauung von de Beaulieu zweckmässig erscheinen lassen. Während dieses Gesprächs kam ein Anruf aus Hannover von Präsident Ahlhorn, jetzt Deutsche Kriegsgräberfürsorge. Herr Ahlhorn teilte mit, dass die Leitung der Deutschen Kriegsgräberfürsorge mit unserer Auffassung völlig übereinstimmt, dass de Beaulieu während des Jahres, wo seine Tätigkeit bei der Deutschen Kriegsgräberfürsorge ausläuft, sein 2. theol. Examen machen und dann nach Deutschland gehen müsste. Wir möchten ihm das doch noch einmal sagen, sie hätten gerade stundenlang mit ihm darüber gesprochen. Ich äusserte Zweifel, ob er uns hören würde, da wir für ihn „böse Menschen“ seien, wie Ahlhorn wohl bekannt sei. Darauf Ahlhorn wörtlich: „Täuschen Sie sich nicht! Wir sind noch böser als Sie; das liegt daran, dass de Beaulieu alle Dinge nur subjektiv sieht und zu einer objektiven Betrachtung unfähig ist.“ Abschliessend hat OKR K.-W. sehr eindringlich Pfarrer Semmler [sic!] gebeten, unbeschadet seines Entschlusses, keineswegs in Paris zu bleiben, doch alle Anstrengungen zu darauf zu richten, die Vorbereitung für die endgültige Lösung zu schaffen. Er dürfe zuversichtlich sein, dass Gott einen solchen beharrlichen und guten Willen nicht ungesegnet lasse. Es wurde verabredet, dass, wenn Herr von Walther zur Besprechung hierher nach Deutschland kommt, Pfarrer Semler ihn begleitet. Semler ist nach wie vor auf das stärkste beunruhigt durch die Verhältnisse in Mainz und glaubt, dass sie durch seine Abwesenheit weiter erschwert werden. Anscheinend gibt es schon jetzt Schwierigkeiten zwischen dem kom. Verwalter der Gemeinde, der im Hause Semler wohnt und den Wunsch geäussert hat, von Frau Semler verpflegt zu werden
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und am Familientisch zu essen, was Frau Semler für unmöglich hält; da der Aussenstehende innere Schwierigkeiten einer fremden Familie nicht beurteilen kann, konnten wir diese Sorgen nur zur Kenntnis nehmen.
44E12. Schreiben Dahlgrüns an den Ratsvorsitzenden. Florenz, 5. März 1954 F: EZA Berlin, 6/9491 (D). Hochwürdiger Herr Bischof, Wenn ich Ihnen nicht schon eher von der nachfolgend dargelegten Angelegenheit Kenntnis gab und Sie um Ihren Beistand anging, so liegt dies daran, dass ich selber darüber nur ungenügend unterrichtet war und lange auf zuverlässige Nachrichten warten musste. Auch hatte ich gehofft, die Beschwernis werde sich, ohne dass ich Sie zu behelligen brauchte, auflösen lassen. Leider hat sich diese Hoffnung nicht erfüllt. Was zunächst nichts als Gerücht und Mutmassung war und mir kaum glaublich erschien, hat sich bewahrheitet; der Ihnen bekannte „Verein für Einrichtung deutsch-evangelischer Gottesdienste in Kurorten“, in der Absicht, sich seines in Italien belegenen Besitzes zu entäussern, hat die Kapellen in Bordighera, Nervi und Capri der Evangelischen Waldenser-Kirche zum Kauf angeboten. So steht es geschrieben in Briefen, die der Vorsitzende des Vereins, Herr Pfarrer v. Bernus aus Wiesbaden-Biebrich, an die Oberkirchenräte D. Oskar Daumiller und Dr. Friedrich Hübner gerichtet hat, wie in einem Briefe, den der Vicemoderator der Waldenserkirche, Pastor Ribet-Milano, mir dieser Tage schrieb. Wir in Italien sind über diese Nachricht betroffen. Unserer Glaubensgenossen, die in den genannten Orten leben und in den Kapellen ihr Gotteshaus erblicken, hat sich geradezu eine Erregung bemächtigt. Man muss nämlich wissen und sollte es beim Urteilen über die Sache keinesfalls ausser Betracht lassen, dass längstens aus Gästen, die in jenen Kurorten ansässig wurden, sich stehende Gemeinde gebildet haben. Diese Tatsache, von der allein Bordighera eine gewisse Ausnahme macht, hat im Bunde mit einer regelmässigen Bedienung dieser Gemeinden durch die angrenzenden Pfarrämter ganz wesentlich dazu beigetragen, dass die Kapellen die Zeit der Wirren und Verluste überdauerten. Haben die Pastoren und Presbyterien von Neapel und Genua sich jener Gemeinden angenommen, so dass sie als zwar der Zahl nach kleine, aber geistlich tätige Kirchengebilde fortbestehen konnten, so hat die Evangelisch-Lutherische Kirche in Italien, der die Pastoren und die Gemeinden seit 1948 angehören, die Kapellen in ihren Gewahrsam und ihre Verwaltung genommen, auch dank der Förderung, die sie durch den Lutherischen Weltbund erfuhr, sie baulich erhalten, oder, wie
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auf Capri, wieder in Stand gesetzt, wogegen der Verein sich völlig untätig verhielt, kein Lebenszeichen uns gegenüber von sich gab, sich nicht einmal nach dem Geschick seines Besitzes erkundigte. So muss es wohl mit Recht befremden, dass der Verein an uns, denen er Verantwortung und Fürsorge für die Kapellen so lange überliess, schweigend vorübergeht, anstatt der Evangelisch-lutherischen Kirche in Italien an erster Stelle den Erwerb der Kapellen anzutragen oder ihr wenigstens sein Vorhaben, hier Veränderungen zu treffen, bekannt zu geben. Hiermit hätte der Verein nur bekundet, dass er auf dem Boden der Evangelischen Christenheit Deutschlands errichtet worden ist und von der Glaubens- und Liebeskraft dieser Christenheit gezehrt hat, deren Interessen in Italien zugestandermassen die hierzuland bestehende Evangelisch-lutherische Kirche wahrnimmt, wie dieser denn auch von der Evangelischen Kirche in Deutschland bei einem Vertragsabschluss im Jahre 1951 ein Zusatzabkommen über den Kapellenbesitz des Vereins in Italien ausdrücklich zugesagt worden ist. Sieht sich der Verein seit Jahren gehindert, dafür zu sorgen, dass die Kapellen ihre Bestimmung erfüllen, verwaltet und erhalten werden, und geht er deshalb mit dem Gedanken um, den Besitz abzustossen, so verstehen wir dies durchaus. Nicht gegen dies Vorhaben, wohl aber gegen jenes Vorgehen des Vereins richtet sich unser Einspruch. Schon seit langem, vollends seit dem Ableben seines letzten Vorsitzenden, des Barons de Neufville (Frankfurt/M.), das etwa vor drei Jahren erfolgte, steht der Verein nur mehr auf dem Papier. Sein Besitz ist überfällig geworden, was indessen weder bedeuten kann noch darf, dass der Dienst, zu dem der Verein sich gesendet wusste, erloschen wäre. Auch abgesehen von den vorhin genannten vorhandenen Gemeinden bedarf die Evangelische Christenheit deutscher Sprache dieser kirchlichen Stätten, mögen auch die Bedingungen, unter denen sie heute ihren Dienst zu leisten haben, gegen früher sich verändert haben. An die Stelle des begüterten Kurgastes von einst, der lange an einem und demselben Orte weilte, auch wohl Besitz erwarb, ist der Tourist von heute getreten. Im Automobil das Land durcheilend, hält er sich nur kurze Zeit am Orte auf. Aber auch er ist evangelischer Christ in der Diaspora und darf erwarten, dass die Kirche an ihm ihre Aufgabe tue. Er ersetzt das, was er an Dauer des Aufenthaltes und an Menge der Geldmittel vermissen lässt, durch seine neuerdings wieder im Ansteigen begriffene Zahl. Haben darum die italienischen Kurorte zwar manches an ihrem Glanze eingebüsst, so sind und bleiben sie doch, namentlich Capri, Nervi und neuerdings Taormina, Centren des Touristenverkehrs, also bedürftig deutschsprachiger Seelsorge und Verkündigung. Aus diesem Grunde hat die Evangelisch-lutherische Kirche in Italien, als sie letztlich die Pfarrämter in Neapel und in Genua zu besetzen hatte, solche
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Pfarrer berufen, die versprechen, den Aufgaben der Kurpastoration zu genügen. Wohl hatte ich bereits erwogen, zu der früher geübten Weise dieser Pastoration zurückzukehren und für San Remo, Capri und Taormina (das neu hinzukommen würde) um zeitweilige Entsendung erholungsbedürftiger Geistlicher zu bitten. Wenn ich den Gedanken wieder fallen liess, so geschah dies nur deshalb, weil die Hotelbesitzer, von erlittenen schweren Ausfällen eben erst sich erholend, der Kirche das Entgegenkommen, auf das sie in diesem Falle angewiesen ist, noch vorenthalten müssen. Um so mehr verdient es u. E. hervorgehoben zu werden, dass die Evangelisch-lutherische Kirche in Italien gerüstet ist, an der ligurischen Küste und auf Capri nicht nur die stehenden Gemeinden zu versorgen, sondern auch denjenigen Aufgaben sich zu widmen, die der kirchliche Dienst an Kurgästen und Touristen stellt. Dass die Bedeutung, die die Kurkapelle für die Evangelische Kirche deutscher und verwandter Zunge haben, wieder zunimmt, leidet keinen Zweifel. Auf Capri teilte am vergangenen Osterfeste Herr Bischof Meiser das heilige Abendmahl an 85 Glaubensgenossen aus; beim Wortgottesdienst vermochte die Kapelle die Zahl der Erschienenen nicht zufassen. In Rapallo predigte am letzten Weihnachtsfeste Herr Oberkirchenrat Daumiller vor 35 Hörern. Indessen, wie auch immer man zu den Aussichten, die sich hier eröffnen, stehen mag, nach so vielen schmerzlichen Verlusten, die unsere Gesamtkirche erlitten hat, sollte dem Vorgehen des Vereins, der diese Verluste unnötigerweise noch vermehren will, mit aller Entschiedenheit entgegengetreten werden, gemäss den Grundsatz, dem wir in Italien zu gehorchen suchten, als wir uns zu einer Kirche zusammenschlossen; dass, zumal in diesem so nahe bei Deutschland gelegenen Lande, kein Ziegelstein evangelischen Kirchenbesitzes deutscher Herkunft preiszugeben sei. Neuerdings will der Verein, auf Erhaltung, Verwaltung und Verwendung der Kapellen durch die Evangelisch-lutherische Kirche in Italien aufmerksam gemacht, sich seinem hieraus folgenden Erfordernissen nicht ganz verschliessen. Er sieht, wie Herr Pfarrer i. R. v. Bernus und wie Vicemoderator Ribet übereinstimmend erklärten, eine Mitbenutzung der Kapellen durch die Evangelisch-lutherische Kirche in Italien vor. Dies klingt freundlich, ist aber sachlich so unbefriedigend, so misslich, dass wir diesen Weg als den letzten, nachdem alles zu Erhoffende verloren ist, und auch dann nur widerstrebend gehen würden. Nach einem von Herrn Pastor C. Reinke-Neapel kürzlich erstatteten Bericht lebt auf Capri ein einziger Waldenser. Die evangelisch-lutherische Gemeinde daselbst zählt 35 Mitglieder an Ansässigen, an Kommenden und Gehenden mehrere Hundert im Laufe des Jahres. Einer gleich günstigen Lage erfreuen die ligurischen Kurgemeinden sich zwar nicht, erfahren aber eine sichtliche Belebung, sodass die Verhältnisse in wenigen Jahren ähnlich
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liegen können. Eine Ausnahme – vielleicht im Blick auf die Zukunft – macht Bordighera. Gemeindemässig überwiegt hier die Waldenser Kirche; sie unterhält in der Nähe ein Heim, das auch zu Tagungen genutzt wird. Darum könnte, wenn ein Opfer unumgänglich ist, es hier gebracht werden. Jedoch nur zur Not. Müsste nicht die Evangelische Kirche in Deutschland, bevor es hierzu kommt, allen Einfluss, alles Gewicht aufbieten, um den „Verein für Errichtung deutsch-evangelischer Gottesdienste in Kurorten“ an seinen Ursprung, seine Bestimmung, seine Verpflichtung zu mahnen und von einem Schritt abzuhalten, über den es bei allen, die „Jerusalem lieben und ihm Glück wünschen“, nur ein Urteil geben kann? Dies Urteil sehe ich mit meinen Mitarbeitern ausgesprochen in einem Wort, das jüngst der Herr Bischof D. Meiser zur Sache gefunden hat: „ Ich hielte es für richtig, Herrn Bernus klar zu machen, dass er nicht einfach Kapellen, die doch aus Spendenmitteln evangelischer Kirchenglieder in Deutschland erbaut sind, an die Waldenser Kirche verkaufen und die evangelisch-lutherischen Gemeinden in Italien auf ein blosses Mitbestimmungsrecht beschränken kann. Wenn der Kurkapllenverein mit der Verwaltung un dem Unterhalt dieser Kapellen nichts mehr zu tun haben will, dann soll er sie der Evangelisch-lutherischen Kirche in Italien übereignen, die dann ihrerseits, wenn es erforderlich sein sollte, den Waldensern die Mitbenutzung gestatten kann. Das ist meine Meinung.“ Ebenso brüderlich, wie die Evangelisch-lutherische Kirche in Italien sich verhalten hat, als die Waldenser Kirche sich mit ihr in das Gotteshaus zu Venedig zu teilen wünschte [sic!], wird sie sich zeigen, wenn es gilt, dieser Kirche eine gottesdienstliche Mitbenutzung der Kapellen einzuräumen. Ich bitte Sie, Hochwürdiger Herr Bischof, inständig, dabei zu helfen, dass ein Weg gebahnt und beschritten werde, der zu d i e s e r Lösung führt. In Ehrerbietung und Verehrung bin ich Ihr ganz ergebener gez. W. Dahlgrün
44E13. Vorschlag von Bernus’ „für eine Neuordnung betr. Erhaltung und Nutzung der Kurkapellen in Italien“. Wiesbaden, 14. Juli 1954 F: EZA Berlin, 88/20 (D). 1. Die Kapellen bleiben Eigentum des Vereins für Einrichtung deutschevangelischer Gottesdienste in Kurorten e. V. Begründung: Einer Übertragung des Eigentums stehen Bedenken von kirchlicher und staatlicher Seite entgegen. Vor allem möchte der Verein selbst sein Eigentumsrecht und damit das Recht auf verantwortliche Mit-
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wirkung an der Erfüllung des Vereinszwecks nicht für immer aus der Hand geben. 2. Über Erhaltung und Nutzung der Kurkapellen werden je nach Lage örtlich verschiedene und befristete Verträge zwischen den in Betracht kommenden Kirchen und Gemeinden einerseits und dem Verein andererseits abgeschlossen. Begründung: Die Lage ist, wie sich dem Vereinsvorsitzenden bei seiner Reise deutlich gezeigt hat, an den vier Orten: Bordighera, Capri, Gardone und Nervi total verschieden. 3. Daher erstrebt der Verein für Bordighera einen (auf fünf Jahre?) befristeten Vertrag mit der Waldenser Kirche, bzw. mit der ihr zugehörigen Gemeinde in Vallecrosia. Diese übernimmt die Instandhaltung der Kapelle in Bordighera und sichert der Luth. Gemeinde Genua-San Remo das Mitbenutzungsrecht mindestens im bisherigen Umfang zu. – Neuregelung bleibt vorbehalten im Falle einer Beschlagnahmung der deutschen Kapelle in San Remo. Begründung: In Bordighera und dem anschließenden Vallecrosia sind die Glieder und Anhänger der Waldenser Kirche in der Überzahl. Die Reparatur der durch Kriegseinwirkung beschädigten Kurkapelle geschah durch die Waldenser. Sie benutzten seit Jahren die Kapelle jeden Sonntag Vormittag zum Haupt- und Kindergottesdienst. Der luth. Pfarrer Lepsien in Genua kann wegen seines ausgedehnten Bezirks nur einmal im Monat zum Nachmittagsgottesdienst nach Bordighera kommen. Der gemachte Vorschlag ändert also nichts an dem gegenwärtigen Zustand. Nur die jetzt übliche Mietzahlung der Waldenser Gemeinde an die Luth. Gemeinde in Genua käme ein in Wegfall, wenn erstere die Instandhaltungspflicht dauernd übernimmt. – Allerdings droht die Beschlagnahmung der deutschen Kapelle in San Remo durch den dortigen Bürgermeister. Dagegen wird sich die Luth. Gemeinde San Remo und mit ihr die ganze Luth. Kirche zur Wehr setzen, wie wir hoffen: Mit Erfolg. Sollte ihr aber der Erfolg nicht beschieden sein, und sie dadurch den ihr gehörigen Gottesdienstraum verlieren, so wäre ein neuer Tatbestand geschaffen, dem sofort durch eine Revision des Vertrages Rechnung getragen werden müsste. 4. Umgekehrt erstrebt der Verein für Capri einen in gleicher Weise befristeten Vertrag mit der E.L.K.I. bzw. mit der ihr zugehörigen Ev. Gemeinde in Neapel. Hier übernimmt nach diesem Vorschlag die Ev. Gemeinde Neapel die Instandhaltung, verpflichtet sich zur regelmässigen Abhaltung deutscher Gottesdienste und erklärt sich bereit, den Waldensern auf Wunsch die Mitbenutzung der Kapelle zur Abhaltung italien. Gottesdienste zu gestatten. Begründung: Auf Capri zählt die Luth. Gemeinde unter den Ansässigen 35 Glieder, während nur eine Familie den Waldensern angehört. An der Kapelle ist durch die E.L.K.I. mit Hilfe des Luth. Weltbundes eine umfangreiche Dachreparatur vorgenommen. Benutzt wird sie zur Zeit nur durch die
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deutsche Ev. Gemeinde in Neapel, welche mindestens einmal im Monat in Capri einen Gottesdienst abhält. Der Luth. Pfarrer Reinke in Neapel hat sich dem Vereinsvorsitzenden gegenüber durchaus bereit erklärt, den Waldensern auf Wunsch die Mitbenutzung zu gestatten. 5. Betr. Gardone beabsichtigt der Verein eine weitläufige Vereinbarung mit der Ev. Gemeinde Meran unter folgenden Gesichtspunkten: Der Verein sorgt für die Instandhaltung und erwägt ab 1955 die Sendung deutschsprachiger Kurprediger während de Reisezeit. Solche könnten evtl. Arco mit versorgen. Die Gemeinde Meran erklärt sich damit einverstanden, dass auf Wunsch auch die Waldenser italien. Gottesdienste in Gardone in der Kurkapelle abhalten. Begründung: Die Ev. Gemeinde Meran gehört der E.L.K.I. nicht an, sondern steht direkt in Verbindung mit der E.K.i.D. und dem Kirchlichen Aussenamt. Gardone gehört zum Sprengel von Meran. Das Ev. Pfarramt in Meran ist nicht in der Lage, auf die Dauer die regelmässige seelsorgerliche Betreuung von Gardone und Arco zu gewährleisten und wäre für die oben skizzierte Zusammenarbeit mit dem Verein dankbar bereit. Der Waldenser Pfarrer in Brescia erklärt, dass für ihn und seine Amtsbrüder zur Zeit nur eine gelegentliche Benutzung der Kapelle in Frage käme. 6. Betreffend Nervi erstrebt der Vereinen einen Vertrag mit der Waldenser Kirche bzw. mit der ihr zugehörigen Gemeinde Genua auf folgender Basis: Die Waldenser Kirche, bzw. die Gemeinde Genua übernimmt die Instandhaltung, verpflichtet sich zur regelmässigen Abhaltung italien. Gottesdienste sichert der Ev. Luth. Gemeinde Genau das Mitbestimmungsrecht zu, mindestens an einem Sonntag im Monat, darüber hinaus nach Bedürfnis dem Verein für Abhaltung Ev. Kurgottesdienste während der Reisezeit. Begründung: Reparaturen an der Kapelle in Nervi sind bisher abwechselnd von der Waldenser und von der Luth. Gemeinde in Genua ausgeführt und bezahlt worden. Ein Jahr lang (von Ostern 1953 bis Ostern 1954) hat überhaupt kein Gottesdienst stattgefunden. In der Luth. Gemeinde Genua war eine Pfarrvakanz. Der neue Pfarrer beabsichtigt einmal im Monat deutschen Gottesdienst in Nervi zu halten. Der Waldenser Pfarrer in Genua empfindet es schon lange als eine dringende Pflicht für seine zahlreiche über die ganze Riviera zerstreuten Gemeindeglieder regelmässig in einem kirchl. Gebäude in Nervi Gottesdienst zu halten, auch für die vielen in Nervi untergebrachten Flüchtlinge besondere Versammlungen zu veranstalten. Für die zahlreichen Kurgäste aus Deutschland ist nach dem von dem Vorsitzenden an Ort und Stelle gewonnenen Eindruck der einmalige Gottesdienst im Monat während der Reisezeit nicht ausreichend. Hier möchte der Verein seine Mithilfe anbieten. 7. Für die praktische Zusammenarbeit an sämtlichen Orten empfehlen wir folgende Richtlinien: a) Alle sich in der Zukunft ergebenden Fragen werden von den verantwortlichen Vertretern der beteiligten Kirchen, Gemeinden
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und Körperschaften von Fall zu Fall in gegenseitigem Vertrauen besprochen. b) Mietforderungen untereinander werden nicht erhoben. c) Steuern und Versicherungen gehen jeweils zu Lasten derjenigen Körperschaft, welcher die Instandhaltungspflicht zufällt. d) Sämtliche Feuerversicherungen sind durch den Verein zu erneuern und auf die heutigen Gebäudewerte umzustellen. 8) Für alle Teile gelte der Grundsatz: Die beteiligten Ev. Kirchen, Gemeinden und Körperschaften betrachten sich als Glieder eines Leibes, verbunden in der Ausrichtung der Verkündigung des Evangeliums. Prestigegründe treten deshalb in den Hintergrund. Im Vordergrund steht der gemeinsame Auftrag und seine Erfüllung. Wiesbaden, 14. Juli 1954 Für den Verein für die Einrichtung deutsch-evangelischer Gottesdienste in Kurorten e. V. der Vorsitzende: Franz von Bernus
44E14. Schreiben Halfmanns an Wilm. Kiel, 27. August 1954 F: NEK Kiel, 11.02, Nr. 112 (Abschrift). Sehr verehrter, lieber Bruder Wilm! Etwas verspätet kommt mir ihr Brief zu Gesicht, den Sie am 1. Juli 1954 an die Mitglieder des Rats der Evangelischen Kirche in Deutschland126 wegen des Aufrufs zu einer Helgolandspende gerichtet haben. Ich fand ihn gedruckt in der „Jungen Kirche“ Nr. 13/14 vom 15. Juli und in „Kirche in der Zeit“ Heft 8. Da ich zu den Unterzeichnern des Aufrufs gehöre, ja selbst im Wesentlichen den Text gemacht habe, fühle ich mich vor anderen veranlasst, auf Ihre Stellungnahme zu antworten. Ich habe Ihre Kritik überdacht und zu verstehen gesucht, ohne aber in Ihren Ausführungen den Punkt finden zu können, wo der eigentliche Grund Ihrer Kritik liegt, der doch theologisch formuliert sein müsste. Ich kann in etwa die Gefühle verstehen, die in Ihrem Schreiben zum Ausdruck kommen. Aber nun gilt doch als entscheidender Maßstab in der evangelischen Kirche die Schrift und davon abgeleitet das Bekenntnis; die Anwendung dieses Massstabes aber vermisse ich. Ihr entscheidender Einwand ist die Erinnerung unserer Städte an die Zerstörung unserer Städte vor zehn Jahren, die Gott zugelassen habe. Sie fragen: „Wo war denn der Schöpfungs- und Erhaltungswille als unsere 126 EZA Berlin, 2/5859.
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Städte starben“? Ich frage: Wodurch unterscheidet sich dieser Einwand von der Frage der Atheisten? So kann ich Ihnen Ihre eigene Frage zurückgeben: „Wie ist es möglich, dass sich die Kirche solche Aussagen zu eigen macht“? Sie führen ausser den kriegszerstörten Städten auch die holländische Flutkatastrophe vom Februar 1953 an. Steht Helgoland nicht aber auch in dieser Reihe? Behauptet unser Aufruf etwa, Helgoland wäre vor den Zerstörungen bewahrt geblieben und sei darum ein Symbol des Schöpfungsund Erhaltungswillens Gottes? Dann hätten wir den Aufruf nicht zu machen brauchen, doch um der Zerstörung Helgolands willen verfasst ist. Ihre In-Frage-Stellung des göttlichen Schöpfer- und Erhaltungswillens klingt fast so, als wäre dieser Glaubensartikel in der Zerstörungszeit suspendiert gewesen und noch heute zu suspendieren, wenigstens in dem Sinne, als sei es der Kirche unter gewissen Umständen nicht erlaubt, von diesem Glaubensartikel Gebrauch zu machen. Ist das wirklich Ihre Meinung? Darf die Kirche zu gewissen Zeiten den trinitarischen Glauben verkürzen? Wenn wir gesagt haben, dass Gott den Sieg der Vernichtungskräfte nicht zugelassen habe, so steht dahinter Klagel. Jer. 3, 22 ff. und viele ähnliche Stellen. Auch die Predigt der Kirche und die christliche Frömmigkeit geht diesen Weg. Haben nicht Christen, wenn sie aus Trümmern und Brand wieder auftauchen, Gott für ihre Errettung gedankt? Haben nicht Sie selbst das auch getan? Soll nicht mehr Luthers Erklärung des 1. Glaubensartikels gelten? Wir haben mit Bedacht formuliert: Gott hat den Sieg der Vernichtungskräfte nicht zugelassen – den Sieg! denn Helgoland sollte nach dem Kriege total vernichtet, also ein Stück Natur – christlich; „Schöpfung“ – ausradiert werden. Der Zerstörungsversuch, bei dem eine grosse Zahl britischer Soldaten umgekommen sein soll, ist misslungen. Kann nun aber unser Satz nicht auch auf die zerstörten Städte angewandt werden? Wird und muss christlicher Glaube nicht die Tatsache, dass überhaupt noch irdisches Leben, Werke und Werte den Vernichtungskräften entronnen sind, als Zeichen der Güte Gottes deuten? Darum – ja darum soll Gottes Name gelobt werden, auf Helgoland und anderswo, und ich kann darin keinen Gegensatz zu dem „dennoch“ in Psalm 46, 5 finden. Ihrer Helgoland-Kritik ist noch ein Nachwort angefügt, in dem Sie Ihre ernste Sorge um das Wort unserer Kirche in die Welt aussprechen. – Ich habe aber auch meine Sorge gegenüber Ihrem Wort. Es ist die Sorge um die paradoxe Erscheinung, dass eine stark zeitlich bezogene Theologie – selbst Ihr kurzes Schreiben enthält sich nicht politischer Anspielungen und der Berufung auf einen Zeitungsartikel – im Namen der Theologia crucis auftritt. Dabei scheint unter das Verdikt „Theologia gloriae“ nach dem ganzen Zusammenhang Ihres Briefes schon eine Aussage zu fallen, die nach meiner Erkenntnis einfach aus dem ersten Glaubensartikel folgt und zum zweiten hinüberführt, so wahr göttliche Schöpfung und Erhaltung es ermöglichen, dass eine „Gemeinde“ (Jesu Christi!) wieder Gottes Namen lebt, wo Ver-
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nichtung siegen wollte, aber nicht gesiegt hat. Ich habe Sorge um das Wort der Kirche, wenn eine Theologia crucis absolut gesetzt wird, die Räume frei lässt, in denen sich andere Geister unkontrolliert ansiedeln. Ich danke Ihnen aber für Ihr Wort, mit dem Sie bitten, dass Ihre Fragen nur so verstanden werden möchten, dass Sie sich selber ganz mit darunter stellen. Seien Sie versichert, dass ich trotz meiner Antikritik Ihre Fragen sehr ernst nehme und dass besonders Ihre Mahnung zur Theologia crucis ein offenes Ohr bei mir findet. Mit brüderlichem Gruss Ihr gez. D. Halfmann
44E15. Schreiben Niemöllers an Grüber. Wiesbaden, 31. Mai 1954 F: GStA Berlin, VI. HA, NL Grüber, Nr. 520 (O). Lieber Bruder Grüber! Von der letzten Ratssitzung her liegt mir noch eine besondere Angelegenheit auf dem Herzen: Bischof Dibelius hat mich gegen Ende der Sitzung daraufhin angezapft, dass sich das Aussenamt doch bemühen sollte, aus Bonn von der Regierung mehr Mittel zu bekommen. Ich habe dagegen zweierlei Einwendungen erhoben, erstens den, dass wir noch niemals bittend an die Bonner Regierung wegen Geld herangetreten seien. Und zweitens, dass für den Fall, dass der Rat dem Kirchlichen Aussenamt einen entsprechenden Auftrag gäbe, dieser Auftrag sich auch auf einen Schritt bei der Regierung der DDR beziehen müsse, weil wir immerhin noch „Evangelische Kirche in Deutschland“ seien. Es wurde dementsprechend beschlossen! So stehe ich vor der Notwendigkeit namens der Evangelischen Kirche in Deutschland, mit der Bitte um Geld an die DDR heranzutreten zwecks Unterstützung der evangelischen Gemeinden deutscher Sprache im Ausland. Ich will das selbstverständlich tun und auch einen entsprechenden Brief an Nuschke schreiben. Ich möchte es aber nicht tun, ohne Dich vorher konsultiert zu haben. Die Bundesrepublik gibt uns jährlich ca. 100.000 DM (wovon ein Teil an den Auslandsdienst der VELKD geht), während sie vor drei Jahren mit 40.000 DM angefangen hat. Der Hinweis von Dibelius bezog sich darauf, dass die Reichsregierung früher 1/4 Million jährlich über das Kirchliche Aussenamt für diese Arbeit zur Verfügung gestellt hat. Was hältst Du von der Angelegenheit; was sollte man Nuschke sagen, und was sollte man ihm nicht sagen? Mit herzlichen Grüssen Dein Martin Niemöller [m. p.]
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45 München, 24. Juni 1954 Ort: Beginn: Ende: Teilnehmer:
Als Referent: Protokollant:
München, Landeskirchenamt, Arcisstraße 13. Donnerstag, 24. Juni 1954 (9.30 Uhr). Donnerstag, 24. Juni 1954 (Uhrzeit unbekannt). Dibelius, Hahn, Haug, Kreyssig, Lilje, Mager, Meiser, Niesel, Smend. Von der Kirchenkanzlei: Brunotte, Karnatz, Niemeier. Vom Kirchlichen Außenamt: Stratenwerth. Der Bevollmächtigte der EKD am Sitz der Bundesrepublik Deutschland: Kunst. Der Bevollmächtigte der EKD bei der Regierung der DDR: Grüber. Bender. Brunotte.
45A Vorbereitung der Sitzung 45A1. Schreiben der Kirchenkanzlei – Berliner Stelle – an die Ratsmitglieder. Berlin, 15. April 1954 F: EZA Berlin, 2/1756 (H). Betrifft: Ratssitzung am 24./25. Juni 1954. Im Auftrage des Herrn Ratsvorsitzenden teilen wir folgendes mit: Nachdem der 24./25. Juni 1954 als Termin für die nächste Ratssitzung bestimmt worden sind, hat die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands beschlossen, am 22. Juni eine Sitzung der Kirchenleitung und am 23. Juni eine Sitzung der Bischofskonferenz abzuhalten. Dabei wurde in Aussicht genommen, diese Sitzung nach längerer Pause in Bayern, und zwar am besten in Südbayern stattfinden zu lassen. Da die Evangelische Akademie Tutzing in den genannten Tagen leider nicht mehr zur Verfügung steht, würde Herr Landesbischof D. Meiser die Kirchenleitung und die Bischofskonferenz der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands gerne nach München einladen. Er würde diese Einladung gerne auch auf den Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland erstrecken und hat des-
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45A Vorbereitung der Sitzung
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halb bei dem Herrn Ratsvorsitzenden angefragt, ob eine Verlegung der Ratssitzung nach Bayern, am besten nach München, möglich sei. Eine baldige Klärung der Frage wäre geboten, weil im Falle der Verlegung der Tagung nach München rechtzeitig Quartiere bestellt werden müßten. Da die nächste Ratssitzung in der Deutschen Demokratischen Republik stattfinden soll und der Rat in Süddeutschland seit längerem nicht getagt hat, glaubt der Herr Ratsvorsitzende, daß nichts im Wege steht, der Einladung von Herrn Landesbischof D. Meiser folgend für die Juni-Sitzung München als Tagungsort in Aussicht zu nehmen. Der Herr Ratsvorsitzende hat uns beauftragt, Herrn Landesbischof D. Meiser und die anderen Herren Ratsmitglieder entsprechend zu verständigen. Da die Quartiere in München in der Hauptverkehrszeit bekanntlich stark belegt sind, wird es sich empfehlen, daß die Herren Ratsmitglieder ihre Quartierwünsche für die Sitzung am 24./25. Juni 1954 alsbald dem Sekretariat des Herrn Landesbischofs D. Meiser in München 2, Arcisstr. 13, mitteilen. D. Dr. Karnatz 45A2. Schreiben von Dibelius jr. an Brunotte. Hannover, 13. Mai 1954 F: EZA Berlin, 2/1756 (O). Betr.: Wehrmachtsseelsorge. Am 10. 5. 54 wurde ich von dem Ratsvorsitzenden unter Bezugnahme auf die Besprechung in der Ratssitzung vom 6. 5. 54 fernmündlich gebeten, zu veranlassen, dass dem Rat in seiner nächsten Sitzung – und zwar am Donnerstag, den 24. 6. 54. – vom Wehrmachtseelsorge-Ausschuss ein Zwischenbericht über den Stand seiner Überlegungen gegeben wird. Diese Bitte ist Herrn Bischof Bender am gleichen Tage von mir mündlich mitgeteilt worden. Ich bitte, den Zwischenbericht von Bischof D. Bender1 auf die Tagesordnung der nächsten Ratssitzung zu setzen und Bischof Bender die ihm mündlich mitgeteilte Bitte des Ratsvorsitzenden zu bestätigen. Dibelius [m. p.]
1 45E8.
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45. Sitzung München, 24. Juni 1954
45A3. Schreiben der Kirchenkanzlei – Berliner Stelle – an die Ratsmitglieder. Berlin, 24. Mai 1954 F: EZA Berlin, 2/1756 (H). Betrifft: Nächste Ratssitzung Im Auftrag des Herrn Vorsitzenden laden wir die Herren Mitglieder des Rates zur 44. Sitzung des Rates zum 24./25. Juni d. Js. ergebenst ein. Die Sitzung soll im Dienstgebäude des Evangelisch-Lutherischen Landeskirchenrats in München 2 BS, Arcisstraße 13, stattfinden und vormittags um 9.30 Uhr beginnen. Die Tagesordnung folgt später2. Wegen der Quartierbeschaffung dürfen wir auf unser Schreiben vom 15. April 1954 – KB I 1063/543 – Bezug nehmen. D. Dr. Karnatz
45A4. Schreiben der Kirchenkanzlei – Berliner Stelle – an die Ratsmitglieder. Berlin, 4. Juni 1954 F: EZA Berlin, 2/1756 (H). Betr.: Nächste Ratssitzung Bezug: Unser Rundschreiben vom 24. Mai 1954 – KB I 1381/54 I –4. Im Auftrag des Herrn Ratsvorsitzenden teilen wir mit, daß für die Tagesordnung der nächsten Ratssitzung am 24./25. Juni d. Js. bisher folgende Beratungsgegenstände vorgemerkt sind: Berichterstatter 1. Feststellung der Niederschrift der letzten Ratssitzung 2. Bericht zur Lage a) äußere Lage D. Dr. Dibelius b) Leipziger Kirchentag Präses Mager c) innere Lage D. Dr. Haug 3. Mitteilungen aus der Arbeit der VELKD und D. Meiser und der EKU Dr. Kreyssig 4. Atombombenresolution des Rates D.Dr. Dibelius 5. Stand der Arbeit im Wehrmachtsseelsorgeausschuss D. Bender 2 45A4. 3 45A1. 4 45A3.
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45A Vorbereitung der Sitzung
6. Kriegsdienstverweigerung 7. Richtlinien betr. Gemeindehelferinnen und D. Dr. Niemeyer [sic!] 8. Änderung der Ostpfarrerrichtlinien 9. Verteilung der Beihilfen aus Kapitel III 10. Einberufung der Kirchenkonferenz 11. Verschiedenes In Vertretung Dr. Grauheding
D. Kunst D. Brunotte D. Brunotte Oberkirchenrat v. Harling D. Dr. Dibelius
45A5. Schreiben Kreyssigs an den Ratsvorsitzenden und an Brunotte. Magdeburg, 9. Juni 1954 F: EZA Berlin, 4/46 (O). Am 19. und 20. Mai habe ich in Königswinter bei Bonn an einer Tagung des Kirchlichen Hilfsausschusses für die Ostvertriebenen teilgenommen, den ich im Rat zu vertreten habe. Die Tagung diente der Vorbereitung der Weltkirchenkonferenz, war von dem ökumenischen Beauftragten Elphen [richtig: Elfan] Rees besucht und von namhaften Referenten bedient. Ich bin gebeten dem Rat zu berichten und bitte, dies in der bevorstehenden Sitzung vom 24./25.Juni vorzusehen. Dr. Kreyssig [m. p.] Präses.
45A6. Schreiben Spiegel-Schmidts an den Rat. O. O., 25. Mai 1954 F: EZA Berlin, 17/706 (D). Betr. Vorbereitung der nächsten Ratssitzung. Die beiliegenden Sätze5 wurden auf der letzten Tagung des Konvents der zerstreuten Ostkirchen in Königswinter am 21. Mai 1954 angenommen. Wir entsprechen einem Wunsch von Herrn Präses Dr. Kreyssig, wenn wir diese Sätze dem Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland vorlegen und ihn bitten, sich das darin ausgesprochene Anliegen zu eigen zu machen. gez. D. Brunotte 5 45A7.
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45. Sitzung München, 24. Juni 1954
45A7. Sätze des Ostkirchenausschusses zur Europafrage F: EZA Berlin, 17/706 (H, Anlage zu 45A6). Der Konvent der zerstreuten evangelischen Ostkirchen hat die auf der Reichenauer Tagung v. 4.–6. Oktober 1953 offen gebliebenen Fragen über unsere Verantwortung für Europa durchgesprochen und ist zu folgenden Sätzen gekommen: 1.) Ohne das Wissen um die allgemeine Schuldverstrickung der Völker gibt es kein geschichtliches Denken und keine echte Verantwortung. Dabei haben wir es mit Gott zu tun und nicht bloss miteinander. Es kommt nicht so sehr auf das Eingeständnis einzelner schuldhafter Taten als auf die Erkenntnis einer falschen Grundhaltung an. Die Geschichte der Schuld Europas kann nicht an willkürlichen Daten begonnen werden, etwa 1517, 1789, 1933, sondern ist so alt wie Europa selbst. Absolut unschuldige Menschen oder Völker gibt es nicht. Nur aus dieser Erkenntnis kommen wir in ein neues Gespräch. 2.) Eine solche falsche Grundhaltung ist die Erhebung des Nationalgeistes zum absoluten Masstab [sic!] staatlichen Handelns. Damit fällt zugleich der Absolutheitsanspruch des souveränen Nationalstaates. Die für ein künftiges Europa notwendigen Grundrechte der Völker sind nur durchführbar, wenn die Angst vor der Irredenta einem neuen gegenseitigen Vertrauen weicht. 3.) Europa und das Christentum stehen in einer besonderen geschichtlich gewachsenen Beziehung zueinander. Die Christenheit kann ihr geistiges Kind Europa, auch wenn sich dessen Weg von ihr getrennt hat, nicht verleugnen. 4.) Die evangelische Haltung zu Europa wird niemals an der Spannung zwischen Tradition und Glaubenswagnis vorbeikommen. Die Tradition bedarf immer wieder der radikalen Infragestellung durch das Wort Gottes, nur das bewahrt sie vor innerer Erstarrung. Unserer Theologie des Wortes bedarf immer wieder der Ehrfurcht vor dem Wirken des Heiligen Geistes in der von den Vätern herkommenden Überlieferung; sonst führt sie zu bilderstürmerischer Destruktion. 5.) Darum bejahen wir Europa. Aber wir halten eine Restauration für unmöglich und unfruchtbar. Wir wollen nicht durch klerikale Beherrschung, sondern durch dienende Liebe Europa helfen, dass es zu einer neuen die Völker befriedigenden Ordnung kommt, die nur in der Verantwortung vor Gott begründet und erhalten wird.
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45B Protokoll
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45B Protokoll F: EZA Berlin, 2/1797 (H; den Ratsmitgliedern mit Schreiben der Kirchenkanzlei vom 30. Juni 1954 übersandt). G: Mitschriften 1. Meiser (LAELKB Nürnberg, Meiser 162), 2. Dibelius (BArch Koblenz, N 1439, Nr. 3), 3. Haug (LKA Stuttgart, A 126, Nr. 386), 4. Smend (NL Smend). Niederschrift über die 45. Sitzung des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland am 24. Juni 1954 in München. Anwesend:
Bischof D. Dr. Dibelius Landesbischof D. Dr. Lilje Landesbischof i. R. D. Hahn Landesbischof D. Dr. Haug Präses Dr. Kreyssig Synodalpräsident Mager Landesbischof D. Meiser Moderator D. Niesel Professor D. Dr. Smend (nicht anwesend Präses Dr. Dr. Heinemann, Oberkirchenrat D. Dr. Herntrich, Kirchenpräsident D. Niemöller6) Von den Amtsstellen: Präsident D. Brunotte Geheimrat D. Dr. Karnatz Oberkirchenrat Dr. Dr. Niemeier Vizepräsident Stratenwerth Prälat D. Kunst Propst D. Grüber 1. Feststellung der Niederschrift Auf Einspruch von Kirchenpräsident D. Niemöller7 wurde die Niederschrift über die 44. Sitzung des Rates am 6. Mai in Halle in der aus der Anlage8 ersichtlichen Form geändert.
6 Niemöller fehlt auf Ratssitzung, da er nach Evanston noch weitere Verpflichtungen in den USA zu erfüllen hatte (Brief an Dibelius vom 6. Juli 1954, EZA Berlin, 6/7339). 7 Zu Niemöllers umfangreicher Kritik am Protokoll der Ratssitzung vgl. 45D1. Obwohl Brunotte auf diesem Schreiben Niemöllers am 26. Mai vermerkt hatte, dass gemäß Ratsbeschluss Protokollbeanstandungen „stets zu Beginn der nächsten Sitzung“ vorzubringen seien und deshalb nichts weiter zu veranlassen sei, hatte Dibelius jr. am 28. Mai 1954 Niemöl-
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45. Sitzung München, 24. Juni 1954
2. Bericht zur Lage a) Erklärung zur Atombombe Der Vorsitzende des Rates berichtete über die Durchführung des Ratsbeschlusses von Halle (Ziffer 1 d)9, ein Wort der Verantwortung und des Protestes zu den Versuchen mit Atom- und Wasserstoffbomben zu veröffentlichen. Der Text, der von Bischof D. Dr. Dibelius und Landesbischof D. Dr. Lilje, nicht jedoch von Kirchenpräsident D. Niemöller unterzeichneten Erklärung10 wurde gemäss dem Ratsbeschluss mit den Professoren Pascual Jordan und Kaufmann besprochen. Der Rat nahm von dem Wort über die Atombombe Kenntnis und erklärte seinen am 6. Mai gegebenen Auftrag hierdurch für erfüllt. Der im Zusammenhang hiermit entstandene Briefwechsel zwischen Kirchenpräsident D. Niemöller und Professor Pascual Jordan11 soll den Ratsmitgliedern zugänglich gemacht werden12.
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ler geantwortet, „mit den meisten der [von Niemöller] für notwendig erachteten Änderungen ohne weiteres einverstanden zu sein“. Über die Arbeit des Kirchlichen Außenamtes sei er ohnehin nur unvollständig informiert. In einigen Fällen beharre er aber auf seinem Protokoll, da er die „Beschlüsse wörtlich und vollständig mitgeschrieben“ habe (EZA Berlin, 2/1756). Zur Verdeutlichung seiner Position hatte Dibelius jr. seinem Schreiben eine Stellungnahme zu Niemöllers Monita beigelegt (45E1). Daraufhin hatte Niemöller am 2. Juni 1954 erneut seine Sicht der Dinge dargelegt (45E2). 45C1. 44B1d. 44C1. G 1: „In seinem Zorn über die Äußerungen Jordans hat Niemöller an Jordan einen Brief geschrieben, er verstünde überhaupt nichts von den Dingen. Der Brief brachte wiederum Jordan in Harnisch“. G 2: „Über Niemöllers Brief an Pascual Jordan entsteht förmliche Aufreg[un]g. Haug schlägt auf den Tisch: Der Rat habe es satt, sich so etwas gefallen zu lassen“. Am 29. Juni 1954 sandte Dibelius den Ratsmitgliedern die Briefe Niemöllers an Jordan vom 21. Mai, Dibelius’ an Niemöller vom 29. Mai und das undatierte Schreiben Jordans an Dibelius als Abschriften zu (LKA Hannover, L 3/III, Nr. 342). Dibelius wies Niemöller u. a. darauf hin, dass die Tonart seiner Briefe auf andere irritierend wirke. Jordan hatte nach der Drohung Niemöllers, den Brief Jordans an Dibelius vom 10. Mai 1954 (44E3) publik zu machen, wenn Jordan dies nicht selbst tue, juristischen Rat eingeholt. Jordan hatte dabei erfahren, dass Niemöllers Drohung zwar nicht juristisch verfolgbar, aber „unanständig“ sei. Dennoch fragte die Kirchenkanzlei am 11. November 1954 bei Niemöller an, ob er seine Unterlagen den anderen Ratsmitglieder zur Verfügung stellen könne, da man selbst nichts unternommen habe. Niemöller antwortete am 14. Dezember 1954 und erklärte, keine entsprechende Anfrage erhalten zu haben. Er glaube aber zu wissen, dass Niesel den Briefwechsel Niemöller-Jordan von Dibelius erhalten habe und darin „nichts irgendwie Überraschendes oder Anstössiges“ gefunden habe (EZA Berlin, 2/2566). Bereits am 5. Juli 1954 hatte Niemöller der Kirchenkanzlei das Protokoll Gollwitzers über ein Gespräch zwischen Dibelius, Niemöller, Otto Hahn, Heisenberg und von Weizsäcker, das am 5. Juni 1954 stattgefunden hatte, geschickt (Ebd.; vgl. zu diesem Gespräch auch W. Wette, Zeit, S. 239. Wette behauptet, S. 238, stark verkürzend, die EKD sei „nicht in der Lage“ gewesen, „eine Erklärung gegen die Atom- und Wasserstoffbomben abzugeben“).
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b) Volksbefragung in der DDR (27.–29. Juni) Der Vorsitzende des Rates berichtete über die in den Gemeinden durch die Formulierung der Frage entstandenen inneren Not13 und über die Verhandlungen in der Ostkirchenkonferenz über eine Stellungnahme der Kirchen in der DDR, unter denen es zu einer Einmütigkeit und zu einem gemeinsamen Vorgehen nicht gekommen ist14. Mehrere Ratsmitglieder brachten zum Ausdruck, dass ein Weg der Verständigung bei der nächsten Ostkirchenkonferenz Mitte Juli gefunden werden möge15, und dass jedenfalls die Differenzen nicht zu einer Niederlegung des Vorsitzes in der Ostkirchenkonferenz durch den Herrn Ratsvorsitzenden führen dürften. c) Moskau-Reise16 Der Ratsvorsitzende und Propst D. Grüber berichteten über den
13 Die Bürger der DDR sollten sich nach dem Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zur Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (27. Mai 1954) zwischen „Sind Sie für einen Friedensvertrag und Abzug der Besatzungstruppen oder für EVG, Generalvertrag und Belassung der Besatzungstruppen auf 50 Jahre“ entscheiden, vgl. hierzu M. Lemke, Einheit, S. 318f. 14 Auf der außerordentlichen Sitzung der Ostkirchenkonferenz am 9. Juni 1954 hatten die Teilnehmer zwar den Volksentscheid abgelehnt, aber keine Einigung über das eigene Verhalten erzielen können. Während Dibelius sich gegen ein Votum ausgesprochen hatte, hatten sich Bischof Müller und Kirchenpräsident Schröter dafür erklärt. Nachdem Dibelius die Sitzung verlassen hatte, beschlossen die noch Anwesenden einen in der Kirchenprovinz Sachsen vorbereiteten Text, den die Vertreter der beiden sächsischen Landeskirchen, Mecklenburgs, Anhalts, des Görlitzer Kirchengebiets und der EKU unterzeichneten. Dibelius hatte dieses Vorgehen in einem Brief vom 10. Juni 1954 an die Mitglieder der Ostkirchenkonferenz scharf kritisiert und ein uneinheitliches Vorgehen als Ende des Gremiums bewertet (EZA Berlin, 4/120). Da die geplante Übergabe des Schreibens an Nuschke gescheitert war, hatte die Leitung der Kirchenprovinz Sachsen den Text an alle Bezirksvorsitzenden gesandt, wodurch er auch der Regierung der DDR bekannt wurde (C. Lepp, Tabu, S. 178f.). Der Text und das Anschreiben Müllers an die Pröpste, Superintendenten und Pfarrer vom 14. Juni 1954 sind abgedruckt in J. Beckmann, Zeitgeschichte, S. 123ff. Vgl. hierzu und zum Unterpunkt c auch das Schreiben von Rabenaus an den Rat (45E3) sowie Grübers und Brunottes Schreiben an Dibelius über das Verhalten der Presse (45E4 und 5). 15 Auf dieser Sitzung wurde das Thema nicht besprochen. Vgl. die Niederschrift über die 41. Kirchliche Ostkonferenz vom 14. Juli 1954 (EZA Berlin, 4/120). 16 Vom 19. Juni bis 6. Juli 1954 hatte eine sechsköpfige deutsche Delegation, der u. a. Heinemann und Schaeder angehörten, Moskau, Sagorsk, Leningrad, Kiew und Odessa besucht. Im Anschluss daran hatten Heinemann und Schaeder zwei ausführliche Berichte verfasst (45E6 und 45E7). Vgl. auch die Berichte von Russisch Orthodoxe Kirche, S. 28; K. Aland, 3 Wochen; G. Heinemann, Moskaureise; Ders., Kirche und H. Schaeder, Besuch. Zu den negativen Folgen, die sich aus der Moskau-Reise für Heinemanns EvanstonAufenthalt ergaben: D. Posser, Entspannungspolitik, S. 23f. Da im November 1952 die geplante Moskaureise des Ratsvorsitzenden wegen der angeblichen Erkrankung des Patriarchen abgesagt worden war (D. Pöpping/A. Silomon/K.-H. Fix, Protokolle 6, 33B1, S. 344), stieß die jetzige Reise im Vorfeld auf Kritik. Vgl. 45E3.
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Verlauf der Einladungsaktion17. Der Plan einer Pressemitteilung, dass es sich bei dieser Reise nicht um eine amtliche Delegation der Evangelischen Kirche in Deutschland handele, wurde fallengelassen. Die einzelnen Mitglieder des Rates haben aber die Freiheit, diese Tatsache auf Anfrage öffentlich zum Ausdruck zu bringen. Der Rat gab erneut seiner Meinung Ausdruck, dass Persönlichkeiten von gesamtkirchlicher Bedeutung sich vor grösseren Auslandsreisen mit dem Rat der EKD, in eiligen Fällen mit dem Ratsvorsitzenden, verständigen müssten18. Dieser Wunsch soll bei der nächsten Kirchenkonferenz besprochen werden19. Darüber hinaus regten einige Mitglieder an, dass leitende kirchliche Persönlichkeiten vor einer wichtigen Auslandsreise mit dem zuständigen Auswärtigen Amt Fühlung aufnehmen möchten20, um sich in politischer Hinsicht ausreichend informieren zu können; diese Anregung wurde jedoch nicht zum Beschluss erhoben. d) Kirchentag in Leipzig21 Synodalpräsident Mager berichtete über die organisatorische und finanzielle Vorbereitung des Kirchentages, die z. Zt. von allen politischen Stellen unterstützt werde (z. B. durch Bewilligung von über 300 t Papier für die Kirchentagszeitung). e) Die äussere Lage Prälat D. Kunst und Propst D. Grüber berichteten dem Rat über die Gesamtlage in ihrem jeweiligen Geschäftsbereich. 3. Richtlinien betr. Gemeindehelferinnen22 Auf Vortrag von Oberkirchenrat Dr. Dr. Niemeier beschloss der Rat die den Ratsmitgliedern durch Schreiben vom 15. 6. 1954 – Nr. 2460 –23 zugegangenen Richtlinien zur Ordnung des Dienstes der Gemeindehelferin. Diese Richtlinien sollen den Gliedkirchen nach Art. 9 a und b der 17 Über Nuschke waren Einladungen an Aland, Elliger, Grüber, Iwand, Niemöller, Noth, Onasch, Rose, Schaeder, Stempel, Wilm und an die „fortschrittliche[n] Pfarrer“ Budgereit [sic!], Rotenberg [richtig wohl: Rodenberg] und Thomas aus der DDR ergangen. Budgereit, Grüber, Elliger, Iwand, Niemöller, Noth, Rose und Rotenberg sagten sofort ab. Daraufhin wurden Braun, Mochalski und eine weitere Person eingeladen. Heinemann hatte sich mit der Nachricht an Dibelius gewandt, dass er die Reise antreten wolle, falls Dibelius keine „durchschlagende[n] Gründe“ dagegen anführen könne, G 1. 18 Vgl. hierzu 46B1. 19 Vgl. unten S. 531–533. 20 Nach G 1 ging dieser Vorschlag auf Voten Kunsts und Liljes zurück. 21 Zum Leipziger Kirchentag vom 7. bis 11. Juli 1954: 44B1 und D. Palm, Brüder, S. 190– 215. 22 D. Pöpping, Protokolle 5, 23B18, S. 271 und D. Pöpping/P. Beier, Protokolle 7, 35B9, S. 154. 23 EZA Berlin, 2/3367.
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Grundordnung zugehen24 und im Amtsblatt der EKD veröffentlicht werden25. 4. Änderung der Ostpfarrerrichtlinien26 Nach Anhörung des Finanzbeirates hat der Rat folgende Änderung der Richtlinien vom 22. April 1952 / 11. Februar 1954 (ABl. der EKD 1954 Nr. 35) beschlossen27: I. In § 41 wird die Zahl „69“ durch die Zahl „80“ ersetzt. II. In § 26 a) bis d) wird die Zahl „230“ durch die Zahl „260“ und die Zahl „170“ durch die Zahl „200“ ersetzt. III. In § 29 e wird die Zahl „180“ durch die Zahl „200“ ersetzt.28 IV. Diese Änderungen der Richtlinien treten am 1. Juli 1954 in Kraft29. 5. Stand der Arbeit im Wehrmachtseelsorgeausschuss30 Landesbischof D. Bender als Vorsitzender des vom Rat eingesetzten Ausschuss erstattete dem Rat persönlichen Bericht über die Tätigkeit des Ausschusses und seine bisherigen Ergebnisse. Das Referat soll den Ratsmitgliedern zugestellt werden31. Über die Frage, ob ein hauptamtlicher Feldbischof als Angehöriger der Wehrmacht oder eine Leitung der Wehrmachtseelsorge durch ein Ratsmitglied vorzuziehen sei, wurde kein Beschluss gefasst. Die Frage soll bei der nächsten Kirchenkonferenz besprochen werden32. In der Frage der Beteiligung der Wehrmachtsgeistlichen am lebenskundlichen Unterricht soll die Entscheidung der 24 Dies geschah mit Rundschreiben vom 17. Juli 1954 (Ebd.). 25 ABlEKD 1954, Nr. 9 vom 15. September 1954, S. 262f. Die abgedruckte Fassung unterschied sich von der dem Rat vorgelegten nur durch die Ersetzung der enthaltenen „ss“ durch „ß“. 26 Vgl. zur Vorgeschichte 41B7 und 42B6. 27 Am 14. Juni 1954 hatte die Kirchenkanzlei den Ratsmitgliedern den Entwurf zum nachstehenden Beschluss zugesandt und erklärt, der „vom Finanzbeirat der EKD erbetene Beschluss des Rates“ solle eine „Verbesserung der Versorgung der sogenannten unechten Ostpfarrer (d. h. der aus dem Bereich der DDR stammenden) und eine entsprechende Erhöhung der Mindestsätze ermöglichen“ (EZA Berlin, 2/6665). 28 Statt „In §“ steht in den Sätzen I–III im Entwurf „Im §“. 29 Zum weiteren Verlauf vgl. 42B6 und 45B4. 30 Vgl. D. Pöpping/P. Beier, Protokolle 7, 38B12a, S. 442f. und 39B2, S. 488 und A. Cremers, Staat, S. 18–46 (des Dokumententeils). 31 Benders Referat (45E8) wurde den Ratsmitgliedern am 10. Juli 1954 von der Kirchenkanzlei zugeschickt (EZA Berlin, 2/4096). 32 Vgl. 47/48B9 und das Protokoll der Kirchenkonferenz unten S. 533. Am 12. Oktober 1954 machte Niemeier Dibelius darauf aufmerksam, dass das Amt Blank auf die Fortschritte bei der Aufstellung deutscher Einheiten hingewiesen habe, so dass der Rat möglichst bald die „Fragen des Aufbaus der Militärseelsorge“ beraten müsse, und zwar 1.) damit, ob es einen eigenständigen Militärbischof geben solle, oder ob ein amtierender Bischof das Amt mit übernehme, 2.) wer Militärbischof und wer Militärpropst werden solle, und 3.) damit, dass
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gesetzgebenden Stellen abgewartet werden. Wenn eine Beteiligung der Pfarrer vorgesehen wird, muss sie im dienstlichen Rahmen erfolgen. Die Frage der Zuständigkeit der Wehrmachtspfarrer für die Familien der langfristig dienenden Wehrmachtsangehörigen bedarf noch der Prüfung33. 6. Kriegsdienstverweigerung34 Prälat D. Kunst berichtete über seine Verhandlungen mit den zuständigen Stellen in Bonn und verlas vier Thesen, die der dortigen Auffassung zugrunde liegen, aber noch nicht veröffentlicht werden können. Der Rat nahm von dem Stand der Angelegenheit Kenntnis. Prälat D. Kunst wurde gebeten, die Freigabe der vier Thesen für eine geheime Mitteilung an die zwölf Ratsmitglieder zu erwirken35. Danach soll die Beratung in der nächsten Ratssitzung festgesetzt werden36. 7. Verteilung der Beihilfen aus Kap. III des Haushaltsplans a) Der von der Kirchenkanzlei in Hannover aufgestellte Verteilungsplan (vgl. Rundschreiben an die Ratsmitglieder vom 2. 6. 1954 – Nr. 12388. V37) wurde mit einigen Abänderungen genehmigt. Abgeändert wurden folgend Ziffern des Verteilungsplans: Nr. 1 a Männerwerk 5.000,– DM (statt 7.000,– DM)38 2.500,– " ( " 3.500,– ") " 1 b Seelsorge in Einheiten 33.000,– " ( " 30.000,– ") " 12 Friedewald (neu eingesetzt!)39 " 37 a Oekumenische Profile 1.000,– " " 38 Reserve zur Verfügung des Rates 9.420,– " (statt 10.420,– DM).
33
34 35 36 37
38 39
der künftige Militärpropst möglichst bald seine Arbeit aufnehmen könne (EZA Berlin, 4/ 46). Im Protokoll der Sitzung des Militärseelsorgeausschusses am 10. Mai 1954 hatte es geheißen: „Hinsichtlich der Frage, wer den Militärgemeinden angehören soll, meint der Ausschuß, daß es bei der früheren Regelung verbleiben könne, der zufolge der Militärgemeinde alle Berufssoldaten mit ihren Familienangehörigen, alle Wehrmachtbeamten mit ihren Familienangehörigen und alle Wehrpflichtigen während der Dauer ihrer Dienstzeit angehörten“ (EZA Berlin, 2/4096). Vgl. zur Vorgeschichte 44B12d. Kunsts Thesen konnten nicht ermittelt werden. Auf der Kirchenkonferenz am 3. Februar 1955 in Hannover verlas er dann neun Thesen (EZA Berlin, 2/2576), unten S. 537. Vgl. 46B9. In dem genannten Schreiben (EZA Berlin, 2/5258) hatte die Kirchenkanzlei die „bisher eingegangenen oder alljährlich zu erwartenden Anträge auf Bewilligung von Beihilfen aus den Haushaltsmitteln der EKD“ aufgelistet (45D2). Vgl. auch 41B12. Vgl. 44B8l.
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b) Auf Vorschlag der Berliner Stelle der Kirchenkanzlei wurden aus Ostwährungsmitteln folgende Beihilfen beschlossen40: Für das Burckhardthaus in der DDR 5.000,– DM41 für das Katechetische Vollseminar in Gnadau 5.000,– "42 für die Bildstelle der Erziehungskammer 2.000,– "43 8. Angelegenheiten des Kirchlichen Aussenamtes a) Bestätigungen in Brasilien Die nachstehend genannten Pfarrer in Gemeinden der Evangelischen Synode von Santa Catarina und Parana werden nach § 28 Abs. 2 b in Verbindung mit § 9 b des Auslandsgesetzes vom 18. März 195444 in ihrem gegenwärtigen Amt bestätigt: Pfarrer Georg Creutzberg, geb. 14. 11. 1899, bisher in Ituporanga in seinem Pfarramt in Trombudo-Central; Pfarrer Rolf Duebbers, geb. 30. 4. 1912, bisher in Ibirama in seinem Pfarramt in Blumenau; Pfarrer Max-Heinrich Flos, geb. 2. 2. 1910, früher Pfarrer in Rio de Janeiro in seinem Pfarramt in Florianopolis; Pfarrer Johannes Müller, geb. 1. 8. 1903, bisher in Campinas in seinem Pfarramt in Curitiba; Pfarrer Edgar Liesenberg, geb. 13. 8. 1918, Absolvent der Theologischen Schule in Sao Leopoldo/Bras. in seinem Pfarramt in Carupa; Pfarrer Harald Roepke, geb. 15. 10. 1923, Absolvent der Theologischen Schule in Sao Leopoldo/Bras. in seinem Pfarramt in Barracao; Pfarrer Martin Johannes Bluemel, geb. 8. 6. 1924, Absolvent der Theologischen Schule in Sao Leopoldo/Bras. in seinem Pfarramt in Santa Isabel. b) Bestätigung in Rio de Janeiro Die Wahl des Pastors Max Herrenkind in Heilbronn zum Pfarrer der deutschen evangelischen Gemeinde in Rio de Janeiro wird bestä-
40 Vgl. auch 41B12, 42B3, 46B12, 47/48B8 und 50B18. 41 Zum Antrag vom 24. Mai 1954 (45D3) notierte Karnatz am 31. Mai 1954: „NB Wenn ich recht sehe, zielt der Antrag nicht auf e. Beihilfe des Sonderausschusses, sondern auf eine Ostmark-Beihilfe nach Kap. III d. Osthaushalts der EKD ab. Das wird schriftlich oder telefonisch klarzustellen sein. Es schiene mir erwünscht, wenn der Antrag durch e. Haushaltsplan des Bu-Hauses-Ost ergänzt werden könnte“(EZA Berlin, 4/375). Vgl. auch 50B18a. 42 Den Antrag vom 17. Mai 1954 (45D4) befürwortete Hafa am 4. Juni 1954 gegenüber Karnatz. Er bezog sich dabei auch auf ein Schreiben der Kirchenkanzlei der EKU an die Kirchenkanzlei – Berliner Stelle –, bei der die Brüder-Unität am 17. Mai ebenfalls um eine Beihilfe nachgesucht hatte (alle Schreiben in EZA Berlin, 104/851). 43 Antrag nicht ermittelt. 44 ABlEKD 1954, Nr. 4 vom 15. April 1954, S. 110–113.
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c)
d)
e)
f)
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tigt. Ihm wird die in den §§ 12 und 21 des Auslandsgesetzes vom 18. März 1954 geregelte Rechtsstellung gewährt. Pastor Rendar in Melbourne Der Rat nahm davon Kenntnis, dass der Pastor Georg Rendar, bisher in Adelaide, für die Zeit vom 1. 7. 1954 bis 30. 9. 1955 zur Aushilfe von der angeschlossenen Gemeinde Melbourne angestellt werden soll. Vier weitere Official Visitors für Evanston45 Folgende seit der letzten Ratssitzung neubenannte Besucher der Vollversammlung in Evanston wurden vom Rat beglaubigt: 1.) Pfarrer Walter Drobnitzky, Münster i. W., Langenstr. 5 2.) Direktor Bernhard Müller, Stuttgart, Zeppelinstr. 95 3.) Vizepräsident Hermann [richtig: Werner Heinrich] Groth, Hamburg 1, Rathaus 4.) Frau Pfarrer Grossmann, Berlin-Charlottenburg 4, Leibnitzstr. 58 Die Gesamtzahl der Besucher beträgt nunmehr 35. Zusammensetzung des Kirchlichen Aussenamtes Auf eine diesbezügliche Anfrage von Landesbischof D. Meiser stellte der Ratsvorsitzende fest, dass Veränderungen im KA nur bei Freiwerden einer Stelle erfolgen können, möglicherweise auch, wenn Pfarrer Menn von der Oekumenischen Zentrale in den Ruhestand tritt. Das KA wurde beauftragt, für die nächste Ratssitzung einen Vorschlag vorzulegen46. Paris47 Vizepräsident Stratenwerth berichtete über die in Paris durch das Innenministerium entstandenen Schwierigkeiten48. Pfarrer Semmler [richtig: Semler] wird aus persönlichen Gründen im Oktober 1954 nach Deutschland zurückkehren49.
45 Vgl. 41B10, 42B11 und 44B8a. 46 Personalia des Kirchlichen Außenamtes wurden erst auf der 49. Ratssitzung verhandelt (49B2 und 49B6[IV2]). Vgl. aber Niemöllers Brief an den Ratsvorsitzenden 45E9. 47 Vgl. 42B12, 44B8e und 46B11a. 48 Zu den innenpolitischen Problemen in Frankreich im Zusammenhang mit der Niederlage von Dien Bien Phu im Indochinakrieg und dem Sturz der Regierung Laniel am 12. Juni 1954, die zum Versuch des Innenministeriums führten, Semler aus Frankreich auszuweisen und das Problem der Rückgabe der Christuskirche zu lösen, vgl. 45E10–11. 49 Am 15. Juni 1954 hatte die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau das Kirchliche Außenamt darauf hingewiesen, Semlers Beurlaubung für Paris können nur dann über den 1. Oktober hinaus verlängert werden, wenn er auf sein Amt als Studentenpfarrer verzichte. Darüber hinaus hatte Semler am 22. Juni 1954 gegenüber Stratenwerth erklärt, aus familiären Gründen nach Deutschland zurückkehren zu wollen (beide Schreiben in EZA Berlin, 6/732). Zum weiteren Verlauf vgl. 46B11a.
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9. Reform des theologischen Studiums50 Die von einer Kommission unter dem Vorsitz von Landesbischof D. Lilje erarbeiteten Richtlinien über die Reform des theologischen Studiums51 sollen den Landeskirchen zur abschliessenden Stellungnahme zugehen52. 10. Personalien Die Bitte der Kirchenleitung von Berlin-Brandenburg, Prälat D. Kunst für die Stelle eines Generalsuperintendenten in Berlin freizugeben, glaubte der Rat im Hinblick auf die Lage in Bonn nicht in Erwägung ziehen zu können53. 11. Baukostenzuschuss Der Rat beschloss, den Baukostenzuschuss für OKR Dr. Dr. Niemeier, der in der Sitzung vom 11. 9. 1953 (Ziffer 14)54 auf 6.264,60 DM festgesetzt war, nachträglich in Höhe von 6.363, 60 DM zu genehmigen55. 12. Termine der nächsten Sitzungen a) Abweichend von dem bisherigen Beschluss56 soll die nächste Ratssitzung nicht am 30. September stattfinden, sondern am Freitag, den 1. Oktober, vormittags 9 Uhr. Sie soll nur einen Tag dauern und in Hannover stattfinden. b) Die übernächste Ratssitzung, die mit einer Kirchenkonferenz verbunden wird, ist für Ostberlin vorgesehen. Am 11. November soll Kirchenkonferenz sein, am 11. November abends und am 12. November Ratssitzung. gez. D. Brunotte
50 Zur Vorgeschichte D. Pöpping/A. Silomon/K.-H. Fix, Protokolle 6, 29B9, S. 162f. 51 Vgl. 45D5–9. Zum weiteren Verlauf: 46B7 und 47/48B5. 52 Am 8. Juni 1954 hatte Ebeling bei Niemeier angefragt, ob die Studienreform auf der Ratssitzung am 24./25. Juni behandelt werde. Falls ja, wolle er gerne selbst vor dem Rat berichten. Die Kirchenkanzlei hatte ihm jedoch am 18. Juni 1954 geantwortet, dass nach Brunottes Meinung die Tagesordnung bereits jetzt überfrachtet sei, weshalb die Ratsmitglieder die Richtlinien schon erhalten sollten und man später darüber beraten werde (EZA Berlin, 2/5426). 53 Nachdem Jacobi am 3. März 1954 zum Bischof der oldenburgischen Landeskirche gewählt und am 7. April 1954 in das Amt eingeführt worden war, musste die Superintendentur Berlin I neu besetzt werden. Die Stelle wurde dann 1955 mit Immanuel Pack besetzt. 54 Vgl. D. Pöpping/P. Beier, Protokolle 7, 38B14a, S. 444f. 55 Antrag nicht ermittelt. 56 Vgl. 44B3c.
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45C Anlagen und Beschlusstexte 45C1. Anlage zum Protokoll der 45. Ratssitzung F: EZA Berlin, 2/1797 (H). Änderung der Niederschrift zur 44. Sitzung des Rates vom 6. Mai 1954 in Halle. Ziff. 4 b–bb (Seite 3) Der zweite Absatz erhält folgenden Wortlaut: „Zu diesen Beschlüssen gab Kirchenpräsident D. Niemöller zu Protokoll, es werde im Hinblick auf die kurze Behandlung dieser Angelegenheiten von ihm zu überlegen sein, ob er der Synode künftig würde empfehlen können, von ihr gefasste Beschlüsse zur Erledigung an den Rat zu geben.“ Ziff. 8 b (Seite 5) Der Name des Vikars muss Nübling heissen, (nicht Lübling). Ziff. 8 e (Seite 5) bleibt vorläufig unverändert. Die Kirchenkanzlei wurde beauftragt, nachzuprüfen, ob die Amtsstellen der EKD in den Niederschriften der letzten Jahre „beauftragt“ oder „gebeten“ wurden. Ziff. 8 f (Seite 5) Der Rat nahm davon Kenntnis, dass der Vikar Marschall aus der Evangelischen Kirche im Rheinland im Auftrage der rheinischen Kirche in Göteborg ordiniert worden ist. Ziff. 8 g (Seite 5) Der Rat nahm davon Kenntnis, dass der Vorsitzende des Kapellenvereins, Pfarrer von Bernus, sich nach Italien begeben hat und vor der Abreise dem Leiter des Aussenamtes erklärt hat, er werde dort wegen des Verkaufs der Kurkapellen nichts unmittelbar veranlassen, sondern sich lediglich über die Lage informieren. Eine Entscheidung werde erst nach seiner Rückkehr gefällt werden. Ziff. 8 h (Seite 5) Der Rat nahm Kenntnis von der Entsendung des Vikars Schlingensiepen an die Gemeinde in Bradford.
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45D Vorlagen und Anträge
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45D Vorlagen und Anträge 45D1. Schreiben Niemöllers an Dibelius jr. Hannover, 24. Mai 1954 F: EZA Berlin, 2/1756 (O). Sehr verehrter, lieber Herr Dibelius, Vorgestern habe ich die Niederschrift über die 44. Sitzung des Rates erhalten. Es tut mir leid, dass ich Ihnen Mühe damit machen muss; aber ich habe eine ganze Reihe von Ausstellungen bzw. Wünschen auf Berichtigung: Auf Seite 3 zu 4b)–bb), 2. Abs: Meine Erklärung zu Protokoll bezog sich keineswegs auf den mich betr. Beschluss wegen der Eingabe bezüglich „Christ und Welt“ allein, sondern auf die ganze Art der Behandlung von Eingaben an die Synode durch den Rat. Ich würde empfehlen, den ganzen Absatz hinter c) als zweiten Absatz zu setzen mit dem Wortlaut: „Zu den Beschlüssen gab Kirchenpräsident D. Niemöller zu Protokoll, er werde im Hinblick auf die Art der Behandlung dieser Angelegenheit einer künftigen Synode erklären müssen, dass die Übergabe von Anträgen zur Erledigung an den Rat gleichbedeutend sei mit der Ablehnung derartiger Anträge.“ Zu Seite 4 unten: 8. Angelegenheiten des Kirchlichen Aussenamtes habe ich eine Reihe von Ausstellungen zu machen: Zu b) Der Vikar heisst Nübling, nicht Lübling. Zu e) Es handelt sich nicht um eine Beauftragung des Außenamtes, die gar nicht nötig war. Der Wortlaut könnte etwa heißen: „Der Leiter des Außenamtes gab Auskunft über den weiteren Gang der Dinge in Paris. Augenblicklich ist nichts Besonderes zu veranlassen; er wird aber den Rat weiterhin über die Entwicklung auf dem Laufenden halten.“ Zu f) Der Vikar Marschall ist nicht in Göteborg „eingeführt“ worden. Der Absatz muss lauten: „Der Rat nahm davon Kenntnis, dass der Vikar Marschall aus der Evangelischen Kirche im Rheinland im Auftrag der rheinischen Kirche in Göteborg ordiniert worden ist.“ Zu g) Ich habe keine Bitte an Pfarrer von Bernus gerichtet, sondern lediglich berichtet. Der Satz könnte lauten: „Der Rat nahm davon Kenntnis, dass der Vorsitzende des Kapellenvereins, Pfarrer von Bernus, sich nach Italien begeben hat und vor der Abreise dem Leiter des Aussenamtes erklärt hat, er werde dort wegen des Verkaufs der Kurkapellen nichts unmittelbares veranlassen, sondern sich lediglich über die Lage informieren.
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Eine Entscheidung werde erst nach seiner Rückkehr aus Italien gefällt werden.“ Zu h) Der Vikar Schlingensiepen ist nicht Pfarrer von Bradford geworden, sondern lediglich dorthin geschickt worden, um in der Vakanz die Pfarrstelle zu versehen. Eine „Bestätigung“ ist also nicht erforderlich. Ich schlage die Fassung vor: „Der Rat nahm Kenntnis von der Entsendung des Vikars Schlingensiepen an die Gemeinde in Bradford.“ Zu l) Hier muss irgendein Erinnerungsfehler vorliegen. Ich habe in meinen Notizen von der Sitzung stehen, dass eine Beihilfe von DM 1000.– bewilligt wurde, und dass ich im nächsten Jahre mit einer gleichhohen Forderung wiederzukommen gedenke. Ich würde deshalb die Fassung vorschlagen: „Der Antrag des Pfarrers Gloede aus Neu-Bukow auf Gewährung eines Zuschusses zu den ‚Oekumenischen Profilen‘ wurde in Höhe von 1.000.– DM-West aus Kapitel III des Haushalts für das laufende Haushaltsjahr genehmigt. Eine weitere Unterstützung im nächsten Haushaltsjahr bleibt vorbehalten.“ Gleichfalls auf Grund meiner mitgeschriebenen Notizen möchte ich noch um eine Ergänzung zu Punkt 9. Personalangelegenheiten, a) Oberkonsistorialrat Dr. Krüger-Wittmack, bitten: Hier bitte ich in der 4. Zeile von unten zwischen „gestellt gewesen ist“ und „dass aber“ einzufügen: . . . „dass er bei der EKD Bezüge nach der RBO A 2b erhält“ . . . Ich habe diesen Punkt sehr genau in Erinnerung, weil ich gefragt habe (Herrn Dr. Karnatz), ob eine solche Fassung „Bezüge nach . . .“ im Blick auf das gemeinte Anstellungsverhältnis richtig und tragbar sei. Diese Frage wurde ausdrücklich bejaht. Schliesslich muss der allerletzte Absatz des gesamten Protokolls anders lauten als er jetzt dort steht. Der Punkt wurde von dem Herrn Vorsitzenden des Rates angerührt, dem ich eine Antwort auf seine Anregung gegeben habe, die ja dahin gehend war, das Kirchliche Aussenamt solle zusehen, von Bonn mehr Geld zu bekommen. Daraufhin habe ich erklärt, dass das Kirchliche Aussenamt noch niemals einen Schritt wegen Geld in Bonn unternommen habe, und dass ich dies auch nicht zu tun gedenke nach meiner bekannten grundsätzlichen Haltung; dass ich aber erwarten müsse, wenn der Rat über seine früheren Beschlüsse hinausgehend verlangt, dass wir nicht nur Geld von Bonn annehmen, sondern auch um Geld von Bonn bitten, dass dann das Kirchliche Außenamt auch entsprechende Schritte bei der Regierung der DDR tun müsse, da wir immer noch eine Evangelische Kirche i n D e u t s c h l a n d seien. Das wurde dann als selbstverständlich erklärt, sodass der Beschluss lauten müsste:
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45D Vorlagen und Anträge
„Das Kirchliche Aussenamt wurde beauftragt, sich um Zuschüsse für die Arbeit an den Auslandsgemeinden sowohl bei der Regierung in Bonn als auch bei der Regierung in Pankow zu bemühen, mit Rücksicht darauf, dass im Dritten Reich die Zuschüsse von staatswegen ein Mehrfaches der heutigen Unterstützung betragen haben.“ Es tut mit leid, dass ich Ihnen soviel Mühe machen muss. Wahrscheinlich wird es sich empfehlen, dass bei der Abfassung des Protokolls der Ratssitzungen auf der ja nun jedesmal ein beträchtlicher Teil von Angelegenheiten des Kirchlichen Aussenamtes verhandelt werden wird seit der Einführung des neuen Disporagesetzes57 ein Entwurf vom Kirchlichen Aussenamt für diesen Teil des Protokolls zugrunde gelegt wird. Ich werde entsprechende Weisung geben, dass ein Beamter aus dem Kirchlichen Aussenamt jeweils in der Ratssitzung für diesen Teil der Verhandlungen eine Niederschrift anfertigt, die wir dann geprüft alsbald der Kirchenkanzlei zur Verfügung stellen werden. Mit freundlichen Grüßen bin ich Ihr D. Niemöller [m. p.] 45D2. „Anträge auf Beihilfen für innerkirchliche Arbeit. Westwährungsgebiet 1954/55“ F: EZA Berlin, 2/5258 (H, Anlage zum Rundschreiben 12388. V). Lfd. B.-Nr. Antragsteller bzw. Ver- 1953/54 1954/55 Nr. d. Antr. wendungszweck Beantragt Bewilligt Beantragt 1./ a) b) 2./
Männerarbeit: Männerwerk Seelsorge in kasernierten Einheiten
Vorschlag
5000,–
8.000,– 4.000,–
7.000,– 3.500,–
Frauenarbeit
a) 12344
Frauenarbeit d. EKD
9.500.–
7.000.–
10.000.–
7.000.–
b) 10817
Deutscher ev. Frauenbund
8.000.–
3.000.–
8.000.–
4.000.–
3./ a)
Jugendarbeit: Jugendkammer
25.000.– 8.000.–+)
57 ABlEKD 1954, Nr. 4 vom 15. April 1954, S. 110–113.
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15.000.–
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b) 10681
Burckhardthaus West einschl. Gemeindehelferinnenschule
c) 854 III
8.000.–
40.000.–
10.000.–
Ev. Studentengemeinde
50.000.–
15.000.–
30.000.–
15.000.–
4
10424
Arbeitsgem. f. Kinderpflege
12.000.–
6.000.–
12.000.–
6.000.–
5
11940
Arbeitsgem. f. Gehörlos.seels.
3.000.–
1.000.–
6
11085
Arbeitsgem. dorfk. Dienst
2.000.–
1.000.–
4.000.–
1.000.–
7
11733
Arbeitsgem. ev. Schulbünde
2.500.–
2.000.–
2.000.–
2.000.–
1.000.–
8
Verein. ev. Eltern u. Erz.
1.000.–
1.000.–
9
Ausschuss „Film und Bild“
1.000.–
1.000.–
2.500.–
1.000.–
1.000.–
10
Konfer. d. Strafanstaltspfr.
11
Ev. Arbeitsgem. f. Arb. Fragen
10.000.–
4.000.–
6.000.–
12
Ev. Sozialakademie Friedewald
50.000.–
40.000.–
30.000.–
13
Konv. d. Heimvolkshochschul.
8.000.–
6.000.–
6.000.–
14
Konfessionskundl. Inst. 31.7000.– Bensheim
20.000.–
25.000.–
Studieng. Ev. Akademien
18.000.–
10.000.–
Sachangaben [sic!] d. Kammer f. publ. Arbeit u. ihr. Fachausschüsse
–
–
8.000.–
10.000.–
1.000.–
4.000.–
–
3.000.–
15
10581
16
18.800.–
10.000.–
17
11479
Christoph.-Stift Hemer
18
11347
Kirchl. Hochschule Wuppertal
19
10539
Theol. Stift Göttingen
Ermessen
20
10978
Biblioth. Schule Göttingen
2.500.–
2.500.–
7350.–
5.000.–
21
12146
Verb. ev. Büchereien
8.000.–
4.000.–
8.000.–
4.000.–
22
15893
Arb.gem. f. Volksmission
3.000.–
3.000.–
3.000.–
3.000.–
–
3.000.– Ermessen
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– –
299
45D Vorlagen und Anträge 23
1778 VII Interkonf. Plakatmission
–
24
Centr. Aussch. f. I. Miss.
25
Auswandererfürsorge
Ermessen "
26
10457
Arbgem. „Friedhof u. Denkmal“
27
10522
Evang. Kirchbautag Zentralst. f. ev. Kirchenmusik
28 29
Posaunenwerk
–
2–3.000.–
2.000.–
25.000.–
25.000.–
2.000.–
2.000.–
500.–
1.000.–
500.–
2.000.–
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1.000.–
1.000.–
3.000.–
500.–
3.000.–
2.000.–
1.000.–
1.000.–
–
1.000.–
30
11824
Kirchenr. Semin. Erlangen
Ermessen
500.– Ermessen
–
31
11968
MBK Württbg. f. geErmessen samtk. Aufgb. (Arb. an Krankenschwestern)
500.– Ermessen
500.–
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10008
Prof. Harder f. Archivalisierung d. BK-Akten
480.–
480.–
480.–
480.–
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13033/ 53
Bärenreiter-Verl. f. Johann-Walter-Ges. Ausg.
2.000.–
2.000.–
2.000.–
2.000.–
34
11804
Vandenh. u. Rupr. f. Handbuch d. deutschen ev. Kirchenmusik
8.000.–
–
8.000.–
–
Präses D. Stempel f. Besuch v. Gefang. i. Frankr., Holland usw.
2.000.– (1.000.–)
1.000.–
1.000.–
35
36
12302
Brüder-Unität f. Wiederaufbau d. Zinzendorf-Gymnasiums
37
12175
v. Cansteinsche Bibelgesellschaft f. Maler Lietzmann
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50.000.–
5.000.–
1.000.–+)
600.–
600.–
Reserve z. Vfg. d. Rates Summe:
10.420.– 190.580.–
225.000.–
+) Dazu aus Kap. I: 2.000.– (entfällt für 1954/55) +) Zur Aufrundung der bisher einschliesslich Beiträgen der Gliedkirchen aufgebrachten Summe von 29.000.– auf eine Beihilfe der gesamten EKD von 30.000.– DM.
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300
45. Sitzung München, 24. Juni 1954
45D3. Antrag des Burckhardthauses in der DDR, Seminar für Kirchlichen Frauendienst, an den Sonderausschuss der EKD. Berlin, 24. Mai 1954 F: EZA Berlin, 4/375 (O). Das Seminar für kirchlichen Frauendienst (Bibelschule des Burckhardthauses) hat im laufenden Jahr 50 Schülerinnen (24 in Unterstufe, 26 in Oberstufe). Es sind damit alle Plätze besetzt, die wir durch den Neuausbau der 2. und 3. Etage gewonnen haben. Nun bitten wir den Sonderausschuß wieder um eine Hilfe für unsere Arbeit in der Bibelschule, besonders für den Freistellenfonds. Es melden sich immer wieder geeignete Jugendliche, die nicht genug Unterstützung von ihren Landeskirchen bekommen können, an deren Ausbildung uns aber sehr gelegen ist. Wir wären froh, wenn wir gerade für diesen Zweck wieder eine Beihilfe von 5000.– DM bekommen könnten. Wir haben im März leider nur 15 Schülerinnen in die Arbeit schicken können, nachdem wir 19 geprüft haben. Einige sind durch anschließende Orgelausbildung, Krankheit und familiäre Verpflichtungen leider für den Dienst noch nicht verfügbar. So haben wir auch in diesem Jahr wieder 80 Anfragen um Gemeindehelferinnen, die besonders für Jugendarbeit erbeten wurden, abschlägig bescheiden müssen. Da wir eine geringe Aussicht haben, auch noch weiter ausbauen zu können und wohl nicht fehlgehen in der Vermutung, daß wir auch noch mehr Mädchen veranlassen können, in unsere Ausbildung zu kommen, hoffen wir, im nächsten Jahr das Seminar noch etwas vergrößern zu können. Der Platz wird auch deshalb dringend benötigt, weil wir jetzt, wie alle anderen katechetischen und GemeindehelferinnenSeminare, unsere Ausbildung von 2 Jahren auf 2½ Jahre erhöhen. Ingeborg Becker [m. p.] Vikarin
45D4. Schreiben der Direktion der Brüder-Unität an die Kirchenkanzlei – Berliner Stelle –. Herrnhut, 17. Mai 1954 F: EZA Berlin, 104/851 (O). Betr.: Katechetisches Vollseminar in Gnadau Sehr geehrte Herren, in der Kuratoriumssitzung des Zinzendorfseminars in Gnadau, die am 24. 3. 1954 stattfand, lag neben dem erfreulichen Bericht des Direktors R.
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45D Vorlagen und Anträge
301
Steinberg auch der Voranschlag für das Jahr 1954 zur Beratung vor. Dieser weist einen Zuschußbedarf von rund DM 53.000.– auf. Es wurden allerlei Streichungen vorgenommen. Trotzdem stellte sich heraus, daß – vorausgesetzt, daß die bisher gewährten Zuschüsse in derselben Höhe erfolgen – immer noch ein ungedeckter Zuschußbedarf von DM 15.000.– vorliegt. Das Kuratorium gibt uns den Rat, Ihnen die Bitte um Erhöhung der Zuschüsse vorzulegen. Wir glauben diesen Rat befolgen zu müssen, haben aber zuerst noch verschiedene Abstriche im Voranschlag gemacht und eine Erhöhung des Unterhalts- und Ausbildungsbetrages der Eltern durchgeführt, sodaß wir hoffen, den oben genannten Betrag noch um weitere ca. DM 7.000.– senken zu können. Es verbleibt dann noch ein Restbetrag von DM 8.000.–, den wir seitens der Direktion der Deutschen Brüder-Unität zu leisten außerstande sind, zumal wir im letzten Jahr außerhalb der Jahresrechnung für Reparaturen die Summe von DM 6.935.– beigesteuert haben. Bei der äußerst angespannten Finanzlage der Deutschen Brüder-Unität sehen wir mit großer Sorge dem Abschluß 1954 entgegen, da die Beschaffung der flüssigen Mittel für das Zinzendorfseminar uns ohnehin schon große Mühe macht. Wir erlauben uns deshalb die höfliche Bitte, bei Ihnen anzufragen, ob es nicht im Bereich Ihrer Möglichkeiten liegt, uns hinsichtlich der finanziellen Sorgen um das Zinzendorfseminar durch Erhöhung Ihres Beitrags zu entlasten. Bei dem überlandeskirchlichen Charakter des Zinzendorfseminars dürfen wir wohl bei Ihnen diese Bitte mit Aussicht auf Erfolg aussprechen und würden uns dankbar freuen, wenn Sie ihr willfahren könnten. In brüderlicher Verbundenheit des Glaubens J. Vogt [m. p.]
45D5. Schreiben der Kirchenkanzlei an die Ratsmitglieder und an die Mitglieder der Kommission zur Reform des theologischen Studiums. Hannover, 12. Juni 1954 F: EZA Berlin, 2/5426 (H). Betr.: Bezug:
Richtlinien für die Reform des theologischen Studiums. Ohne.
Der vom Rat der EKD durch Beschluss vom 8./9. Mai 1952 eingesetzte und durch Hinzuziehung von Vertretern der Landeskirchenleitungen und der Predigerseminare erweiterte Ausschuss für Fragen der theologischen Ausbildung hat in seiner Sitzung vom 2. Juni 1954 (Anwesenheitsliste s. Anl.
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45. Sitzung München, 24. Juni 1954
1)58 in Zusammenfassung der von verschiedenen Gremien und Stellen in den letzten Jahren angestellten Bemühungen um eine Reform der theologischen Ausbildung die in Anlage (s. Anlage 2)59 zur Kenntnis gebrachten Richtlinien erarbeitet und legt sie dem Rat der EKD vor mit der Bitte, sie zu billigen und den Landeskirchenleitungen, Theologischen Fakultäten und Kirchlichen Hochschulen zur Annahme und Veranlassung zu empfehlen (Beschlussentwurf s. Anl. 360). gez. D. Brunotte 3 Anlagen 45D6. Anlage 1 zum Schreiben der Kirchenkanzlei vom 12. Juni 1954 F: EZA Berlin, 2/5426 (H). Ausschuss für Fragen der theologischen Ausbildung 2. Juni 1954 Anwesenheitsliste 1. Bischof D. Dr. Lilje als Vorsitzender Hannover, Calenbergerstr. 43 2. Prof. Dr. G. Ebeling Tübingen, Zeppelinstr. 4 3. Prof. D. Dr. Rost, Bln.-Lichterfelde-West, Margaretenstr. 29c 4. Prof. D. Noth Bonn, Lennéstr. 24 5. Prof. Lic. Fichtner Bethel/Bielefeld, Bethelweg 29 6. Prof. D. Fischer Bln.-Zehlendorf, Heimat 27 7. Prälat Dr. Eichele Ulm/Donau, Parkstr. 1 8. Studiendirektor Dr. Niebergall Hofgeismar, Predigerseminar 9. Prof. OKR Lic. Dr. Beckmann Düsseldorf, Copernicus 9 10. Ephorus Dr. Thimme Brackwede, Kupferhammer 26 11. Studiendirektor Heintze Hildesheim, St. Michael 12. OKR Dr. Dr. Niemeier Hannover Entschuldigt: Generalsuperintendent D. Dr. Krummacher, Berlin
58 45D6. 59 45D7. 60 45D8.
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45D Vorlagen und Anträge
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45D7. Anlage 2 zum Schreiben der Kirchenkanzlei vom 12. Juni 1954. „Richtlinien für die Reform des theologischen Studiums“ F: EZA Berlin, 2/5426 (H). Richtlinien für die Reform des theologischen Studiums 1.) Zur Frage der sprachlichen Ausbildung der Theologiestudenten. Da es für ein fruchtbares theologisches Studium unerlässlich ist, dass die Studenten eine gediegene altsprachliche Basis haben, dürfen die Anforderungen in Bezug auf die griechischen, lateinischen und hebräischen Sprachkenntnisse nicht gesenkt werden. Vielmehr sind Wege zu suchen, um die sprachliche Ausbildung zu verbessern. Dazu bieten sich folgende Möglichkeiten: a) Kirchenleitungen, Theologische Fakultäten und Kirchliche Hochschulen setzen sich bei den zuständigen Stellen des Staates (im Westen: bei der „Ständigen Konferenz der Kultusminister“) und der Länder (im Westen bei den Kultusministerien) für eine Verbesserung des altsprachlichen Unterrichts an den höheren Schulen und für eine den Erfordernissen angemessene Gestaltung und Koordinierung der diesbezüglichen Lehrpläne für die verschiedenen Schultypen ein. Sie verfolgen dabei in sinngemässer Anwendung die von dem Fakultätentag der Evangelischen Theologischen Fakultäten in Deutschland vorgeschlagene Linie (s. Anlage 2a61). Die Einrichtung von fakultativem Unterricht im Hebräischen an humanistischen Gymnasien soll angestrebt werden. b) Zwischen den Kirchenleitungen, den Theologischen Fakultäten und den Kirchlichen Hochschulen sind Vereinbarungen anzustreben hinsichtlich der als ausreichen anzuerkennenden altsprachlichen Vorbildung an den höheren Schulen sowie hinsichtlich der Durchführung sprachlicher Ergänzungskurse an den theologischen Lehrstätten (vgl. Ziffer 3 d der Anlage 2a). c) Soweit die Sprachenausbildung an der Hochschule nachgeholt werden muss, müssen Massnahmen getroffen werden (z. B. Anstellung planmässiger Lektoren innerhalb der Theologischen Fakultäten), die geeignet sind, die sprachliche Ausbildung zu verbessern und so für das Studium fruchtbarer werden zu lassen, damit die für das theologische Studium selbst vorgesehene Zeit nicht zugunsten der Erlernung der Sprachen gekürzt wird. d) Die normale Dauer des theologischen Studiums beträgt acht Semester. Wenn noch Sprachprüfungen abzulegen sind, soll das Studium
61 45D8.
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mindestens sieben sprachfreie Semester umfassen. Von dem Gesamtstudium sollen in der Regel mindestens sechs Semester an deutschen staatlichen Hochschulen verbracht werden. Die Kirchenleitungen werden um die Anerkennung dieses Grundsatzes und eine entsprechende Änderung der kirchlichen Prüfungsordnungen gebeten. Die Anpassung der staatlichen Prüfungsordnungen für Fakultäts-Examina an diesen Grundsatz müssen bei den zuständigen staatlichen Stellen beantragt werden. 2.) Zur Frage der finanziellen Voraussetzungen für das Studium a) Für ein fruchtbares Studium ist es unerlässlich, dass der Student die Semesterferien zu wissenschaftlicher Arbeit verwenden kann. Ein Werkstudium sollte darum spätestens von der Mitte des Studiums an verhindert werden. Die Kirchenleitungen werden um entsprechende Vermehrung der Stipendien gebeten. Die Opferwilligkeit der Gemeinden (Patengemeinden) für diesen Zweck sollte gepflegt und gesteigert werden. Es ist erforderlich, dass die Entscheidung über Stipendienzuteilungen den Antragstellern so rechtzeitig mitgeteilt wird, dass diese wissen, ob sie in den Ferien auf Werkarbeit verzichten können. b) Zur Vermeidung unerlaubter Kumulation von Stipendien ist ein zweckmässiges Benachrichtigungsverfahren unter den beteiligten Stellen zu verabreden. Die Vorlage von Leistungszeugnissen sollte so vereinfacht werden, dass – ähnlich wie bei der Studienstiftung des Deutschen Volkes – nach anfänglicher Bewährung nicht in jedem Semester erneut Zeugnisse vorzulegen sind. Wer sich als zum Studium ungeeignet erweist, soll vom Empfang von Stipendien rechtzeitig ausgeschlossen werden. Es wird vorgeschlagen, bei den kirchlichen Stipendienkommissionen, soweit es nicht schon geschehen ist, Vertreter der Theologischen Fakultäten und der kirchlichen Hochschulen hinzuzuziehen. c) Den Kirchenleitungen wird empfohlen, Mittel bereitzustellen, die unabhängig von der Bedürftigkeit dazu dienen, auf Vorschlag der Fakultäten und der kirchlichen Hochschulen Bücher- und Reisestipendien an besonders befähigte Studenten zu gewähren. 3.) Zur Frage der Gestaltung des Studiums Die folgenden Gesichtspunkte können sich zu einer wirksamen Reform nur durch entsprechende Gestaltung der Prüfungsordnungen auswirken. Die Kirchenleitungen werden gebeten, eine Angleichung der landeskirchlichen Prüfungsordnungen sowohl an diese Vorschläge als auch untereinander anzustreben. a) Den Studenten, zumal in den ersten Semestern, praktische Studienhilfen zu geben, die in persönlicher Beratung wie in der Darbietung eines Studienführers (Vademecum theologicum) bestehen, ist wichtig
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b)
c)
d)
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und notwendig. Die Studenten sollen dahin beraten werden, ihr Studium planmässig zu gestalten, jedoch Vorlesungen und Seminare nicht in einem Übermass zu belegen, dass es ihnen dadurch an Zeit für selbständige Arbeit fehlt. Es darf nicht die Vorstellung erweckt werden, als habe sich der Student für alle Gebiete, über die er sich in der Prüfung ausweisen muss, die notwendigen Kenntnisse allein durch das Hören von Vorlesungen zu erwerben. Innerhalb einer gewissen Mindestzahl an zu belegenden Vorlesungen und Seminaren sollte dem Studenten, freilich unter gleichmässiger Berücksichtigung der Hauptdisziplinen, ein Spielraum eigener Entscheidung bleiben. Die Wichtigkeit eigener intensiver Lektüre muss zu einem wesentlichen Gesichtspunkt bei der Studiengestaltung werden. Entsprechend sollte bei der Prüfung auf die Feststellung Wert gelegt werden, welche Quellenschriften und Monographien durchgearbeitet und welche Seminararbeiten angefertigt worden sind. Das schliesst ein, dass im Examen auf den gegenwärtigen Stand der wissenschaftlichen Forschung und Diskussion eingegangen wird. Es sollte ermöglicht werden, für die Prüfung eine der Hauptdisziplinen als Wahldisziplin (mit stärkerer Bewertung) und innerhalb der übrigen Hauptdisziplinen Wahlgebiete anzugeben, um darin eine besondere Vertiefung nachzuweisen, jedoch sollte man von einem Zwang in dieser Richtung absehen. Die Konzentration auf Wahldisziplinen und Wahlgebiete darf nicht zu einem Verzicht auf die Erwerbung hinreichender Kenntnisse in der Breite der einzelnen Disziplinen und zu einer vorzeitigen Spezialisierung führen. Der pädagogische Sinn der Wahldisziplinen und Wahlgebieten soll vielmehr in der Qualitätssteigerung des Studiums bestehen und sich darum im Ganzen auswirken. Der Student soll an je einer Seminarübung in sämtlichen Hauptdisziplinen teilnehmen. Zu einer sinnvollen Schwerpunktgestaltung wird empfohlen, Oberseminare mit eng begrenzter Teilnehmerzahl probeweise einzuführen. Sie sollen in der Regel zwei Semester umfassen und in ihre Arbeitsplanung die dazwischen liegenden Ferien miteinbeziehen. Wie weit bei den Hauptvorlesungen gewisse Veränderungen nötig und möglich sind, ist eine Frage, die in den einzelnen Disziplinen verschieden gelagert ist und Gegenstand einer Aussprache der Fachvertreter unter sich werden müsste. Es geht hier vor allem um zwei Probleme: Einmal um die Kürzung der vierstündigen Vorlesungen zu dreistündigen und ferner um die Entlastung der Vorlesungen in der Weise, dass die gleichzeitige Durcharbeitung von Lehrbücher vorausgesetzt wird. Damit hängt wieder eine doppelte Schwierigkeit zusammen: Vielfach mangelt es an geeigneten Lehrbüchern; ausser-
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f)
g)
h)
i)
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dem fehlt es den Studenten an den nötigen Mitteln zur Anschaffung von Büchern. Die erste Schwierigkeit müsste ebenfalls im Kreise der einzelnen Fachvertreter zu ernsthafter Erwägung kommen. Die zweite Schwierigkeit muss als wichtiger Gesichtspunkt bei der Zuteilung von Stipendien einkalkuliert werden (s. o. Ziffer 2 a u. c). Das erste theologische Examen sollte sich unbedingt konzentrieren auf die klassischen Grunddisziplinen: Altes Testament, Neues Testament, Kirchen- und Dogmengeschichte, Systematische Theologie und Praktische Theologie, nach Möglichkeit auch Philosophie, Religions- und Missionswissenschaft. Von weiteren Pflichtprüfungsfächern ist abzuraten. Obwohl Bibelkunde nicht als besonderes Studienfach anzusehen ist, soll das erste Examen in geeigneter Weise den Nachweis einer hinreichenden Vertrautheit mit der Lutherbibel erbringen. Die Beschäftigung mit verschiedenen Randgebieten der Theologie während des Studiums ist selbstverständlich erwünscht, sollte aber in die freie Wahl des Studenten gestellt werden. Es wird vorgeschlagen, in der Prüfungsgestaltung diese Möglichkeit in der Weise zu berücksichtigen, dass dem Kandidaten Gelegenheit gegeben wird, sich zu einer zusätzlichen Prüfung in einem Sonderfach zu melden. Grundsätzlich soll die Spezialisierung auf ein Sondergebiet ausserhalb der theologischen Hauptfächer erst nach dem ersten Examen erfolgen. Die Einrichtung von Vorprüfungen ist abzulehnen. Dem begreiflichen Wunsch der Kirchenleitungen, rechtzeitig die Eignung eines Studenten für den späteren kirchlichen Dienst festzustellen, sollte auch nicht durch ein examensähnliches Gespräch der Kirchenleitungen mit den Studenten Rechnung getragen werden. Vor zu frühzeitiger und zu häufiger praktischer kirchlicher Betätigung während des Studiums ist dringend zu warnen. Ein gelegentlicher Dienst in der Gemeinde, wenn er sich in engen Grenzen hält, kann das Studium befruchten. Jedoch sollte ein Student vor dem ersten Examen nicht predigen, ohne – unbeschadet der landeskirchlichen Vorschriften – darüber sich mit einem Lehrer der Praktischen Theologie ins Benehmen zu setzen. Zur Pflege der vita communis erscheinen Errichtung und Unterhaltung von Studienheimen als eine notwendige Aufgabe von Kirchen und Universitäten. Nur ein von der täglichen Andacht her getragenes Gemeinschaftsleben in solchen Studienheimen verdient den Namen einer „vita communis“. In ihnen finden auch die Seelsorge am Studenten und die persönliche Beratung einen besonderen Raum. Der Nachweis einer Teilnahme an solcher „vita communis“ sollte nicht bindend gefordert werden. Stattdessen sind gute Gelegenheiten zu ihrer Pflege zu schaffen, die auf den Studenten anziehend wirken
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und ihrerseits wiederum einen positiven Einfluss nach aussenhin ausstrahlen. In Studienheimen für Theologen sollten nach Möglichkeit auch Nichttheologen mitwohnen. In der Pflege studentischen Gemeinschaftslebens können die Kirchlichen Hochschulen einen besonderen Dienst tun. k) Eine Vermehrung der akademischen Hilfskräfte (Assistenten, Repetenten, Famuli) ist notwendig. Die Kirche muss bereit sein, trotz des herrschenden Pfarrermangels Kandidaten für diesen Dienst zu beurlauben. Der Staat ist an seine Verpflichtung entsprechender Finanzmittel zu erinnern. 4. Zur Frage der Ausbildung nach dem ersten theologischen Examen Die Pläne zu einer Reform des theologischen Studiums dürfen nicht ausser Acht lassen, dass ein wesentlicher Bestandteil der theologischen Ausbildung die Zeit zwischen dem ersten und zweiten Examen ist. Einer der wichtigsten Ansatzpunkte zur Verwirklichung dessen, was unter dem Stichwort „Studienreform“ gefordert wird, ist eine Reform der Ausbildung nach dem ersten Examen. Dafür muss mit allem Nachdruck gefordert werden, dass die Einführung in den praktischen Dienst mit grösster Sorgfalt durch Lehrvikariat, Predigerseminar, katechetische Ausbildung in Schulvikariaten usw. vollzogen wird. Der frühzeitige Verschleiss der Kandidaten der Theologie durch Überforderung ihrer Kräfte verhindert einen organischen Übergang vom Studium in das kirchliche Amt. 5. Zur Frage des Frauen-Studiums Die besonderen Probleme, die in Bezug auf das Frauen-Studium bestehen, hängen vor allem damit zusammen, dass es an einem klar umrissenen Berufsziel der Theologin fehlt. Es ist ein dringendes Erfordernis, dass in Zusammenarbeit aller in Betracht kommenden Stellen die Arbeitsmöglichkeiten der Theologin deutlicher umschrieben und angemessener gestaltet werden, als es bisher der Fall ist.
45D8. „Anlage 2a (zu Anlage 2). Anlage zu den Richtlinien zur Frage der Reform des theologischen Studiums“. F: EZA Berlin, 2/5426 (H). Anlage 2a (Zu Anlage 2) Anlage zu den Richtlinien zur Frage der Reform des theologischen Studiums. Protokoll des Fakultätentages der Ev.-theol. Fakultäten in Deutschland vom 7./8. X. 1953, Ziff. 3: Altsprachliche Vorbildung und Ausbildung der Theologiestudenten.
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Der Fakultätentag empfiehlt den Theologischen Fakultäten, die folgenden Grundsätze und Richtlinien sich zu eigen zu machen und bei den in Betracht kommenden amtlichen Stellen zu vertreten. a) Für ein fruchtbares theologisches Studium ist es unerlässlich, dass die Studenten eine gediegene altsprachliche Basis haben. Darum bietet der altsprachliche Gymnasialtypus die geeignetste sprachliche Vorbildung. Aber aus demselben Grunde sind auch die Bestrebungen zu begrüssen und zu fördern, die z. Zt. dahingehen, an den sog. neusprachlichen Oberschulen (Realgymnasium) wieder das Latein zur Grundsprache zu machen. Die dabei obwaltende Absicht, grundlegende Bildungsgehalte der Antike und zugleich eine gründliche formale Schulung zu vermitteln, verdient volle Bejahung. b) An verschiedenen neusprachlichen Oberschulen (Realgymnasien) sind fakultative griechische Arbeitsgemeinschaften eingerichtet oder ins Auge gefasst worden. Diese Bestrebung ist fördernswert. Aber es muss ein Mindestmass an Kenntnissen gesichert sein. Ein Beispiel für eine befriedigende Lösung ist die Regelung des Hessischen Ministeriums, nach der vier Jahre lang vierstündige Arbeitsgemeinschaften stattfinden und mit einer schriftlichen und mündlichen Prüfung abschliessen. Die hessische Verordnung lautet: „Das Lehrziel der griechischen Arbeitsgemeinschaft soll sein: Sicherheit in der attischen Elementargrammatik, ausreichende Vokabelkenntnis und Verständnis mittelschwerer Texte aus Xenophon und Platon. Eine Ausdehnung der Lektüre auf die Dichtung, in erster Linie auf Homer, ist erwünscht, hängt aber von der Leistungsfähigkeit der Schüler ab. Im Rahmen ihrer Reifeprüfung können die Teilnehmer der griechischen Arbeitsgemeinschaften das Graecum ablegen, indem sie sich einer zusätzlichen schriftlichen Prüfung (Übersetzung eines mittelschweren Prosatextes aus Xenophon, Platon oder einem anderen attischen Autor) und einer obligatorischen mündlichen Prüfung unterziehen, in der sie einen nicht zu schweren Text zu interpretieren haben.“ Die auf die vorgesehene Weise erworbene Reife in Griechisch darf als Äquivalent des als Ergänzungsprüfung bei den Wissenschaftlichen Prüfungsämtern abgelegten Graecum gelten. Der Fakultätentag empfiehlt den Theologischen Fakultäten, in ihrem Bereich eine entsprechende Regelung anzustreben. c) An einer Reihe mathematisch-naturwissenschaftlicher Oberschulen besteht teils fakultativer teils obligatorischer lateinischer Unterricht mit 3–4 Wochenstunden in 3 bis 4 Jahren. Als zureichende sprachliche Basis für das Theologiestudium kann nur ein Unterricht von 4 Wochenstunden während 4 Jahre gelten, sofern er den Schüler befähigt, einen mittelschweren lateinischen Text (z. B. aus Cicero, Livius
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oder Sallust) zu übersetzen und zu interpretieren. Der Fakultätentag empfiehlt den Theologischen Fakultäten zu befürworten und zu erstreben, dass eine entsprechende Regelung an den in ihrem Bereich bestehenden mathematisch-naturwissenschaftlichen Oberschulen durchgeführt wird. d) Der Fakultätentag empfiehlt, dass an allen Theologischen Fakultäten Kurse „Griechisch III“ und „Lateinisch III“ angeboten werden. Obligatorisch sollte der Besuch des Kursus „Griechisch III“ für alle diejenigen sein, die nicht das Reifezeugnis eines Humanistischen Gymnasiums besitzen oder darin für „Griechisch“ keine mindestens genügende Note erreicht haben. Der Besuch des Kursus „Lateinisch III“ sollte entsprechend obligatorisch für alle diejenigen sein, die kein Humanistisches Gymnasium oder Realgymnasium besucht haben oder an diesen Schulen in „Latein“ keine wenigstens genügende Note erreicht haben. Der Besuch der Kurse „Griechisch III“ und „Lateinisch III“ soll spätestens zugleich mit dem neutestamentlichen bezw. kirchengeschichtlichen Proseminar erfolgen und Bedingung der Aufnahme in die entsprechenden Seminare sein. Bei der Aufnahme in dieselben sollen in jedem Fall die altsprachlichen Kenntnisse überprüft werden, sei es, dass dies durch eine Leistungsprüfung am Schluss der Kurse, sei es dass es im Zusammenhang einer Aufnahmeprüfung in das Seminar erfolgt. 45D9. Anlage 3 zum Schreiben der Kirchenkanzlei vom 12. Juni 1954 F: EZA Berlin, 2/5426 (H). Entwurf für einen Beschluss des Rates. Der Rat der EKD billigt die Richtlinien für die Reform des theologischen Studiums, bringt sie den Landeskirchenleitungen, den Theologischen Fakultäten und Kirchlichen Hochschulen mit nachdrücklicher Empfehlung und der Bitte zur Kenntnis, sie sich zu eigen zu machen, zu erproben und bei den in Betracht kommenden Amtsstellen zu vertreten.
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45. Sitzung München, 24. Juni 1954
45E Dokumente 45E1. Stellungnahme von Dibelius jr. zu Niemöllers Kritik am Protokoll der Ratssitzung vom 6. Mai 1954. Hannover, 28. Mai 1954 F: EZA Berlin 2/1756 (O). Stellungnahme zu Eingang Nr. 1228562. 1.) Seite 3 der Niederschrift Ziff. b–bb: Die von Herrn Kirchenpräsident D. Niemöller zu Protokoll gegebene Erklärung ist bzgl. der Konsequenzen, die Herr Kirchenpräsident D. Niemöller angab ziehen zu müssen, von mir wörtlich mitgeschrieben worden. 2.) Seite 5 der Niederschrift Ziff. 8b: Hörfehler des Verfassers. Ziff. 8e: Die abschliessenden Worte des Vorsitzenden waren: „Wir bitten das Aussenamt, den Rat über die Entwicklung der Angelegenheit auf dem Laufenden zu halten.“ Ziff. 8f, g und h: Die gewünschten Änderungen entsprechen den gefassten Beschlüssen. Ziff. 8l: Ein Erinnerungsfehler liegt nicht vor. Der in der Niederschrift wiedergegebene Beschluss ist von mir unmissverständlich aufgenommen und sofort niedergeschrieben worden. Zu diesem Punkt der Niederschrift weist der zuständige Referent der Kirchenkanzlei darauf hin, dass die Mittel bei Kap. III ausschliesslich für die innerkirchliche Arbeit im Bereich der westdeutschen Gliedkirchen bestimmt sind. Der Referent ist der Ansicht, dass eine Bezuschussung der „Oekumenischen Profile“ nur im Rahmen des kirchlichen Hilfsplanes durch den Heuner-Ausschuss möglich ist, da es sich hier um eine Sache handelt, die in erster Linie, wenn nicht gar ausschliesslich, den ostdeutschen Gliedkirchen zugutekommen soll. Ziff. 9a: Der Vorsitzende äusserte sich zusammenfassend dem Sinne nach dahin, dass Oberkonsistorialrat Dr. Krüger-Wittmack durch den 62 45D1.
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45E Dokumente
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abzuschliessenden Vertrag nicht schlechter gestellt werden soll, als er bisher gestellt gewesen ist. Es mag sein, dass ich diese Äusserung zu eng auf Dr. Krüger-Wittmack’s bisherige Stellung in der badischen Kirche bezogen habe, und dass gemeint war, Dr. Krüger-Wittmack solle gehaltlich nicht schlechter gestellt werden, als er zuletzt als Beamter gestellt gewesen ist. 3.) Seite 7 der Niederschrift Ziff. 12e: Dass das Aussenamt beauftragt worden ist, sich auch bei der Regierung in Bonn um Zuschüsse für die Arbeit an den Auslandsdeutschen zu bemühen, habe ich nicht gehört. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass ich einen etwaigen Beschluss dieses Inhalts überhört habe. Dibelius [m. p.]
45E2. Schreiben Niemöllers an Dibelius jr. Wiesbaden, 2. Juni 1954 F: EZA Berlin, 2/1756 (O). Sehr verehrter, lieber Herr Dibelius! Haben Sie freundlichen Dank für Ihren Brief vom 18. [richtig: 28.] Mai 195463 mit Ihrer Stellungnahme zu meinen Vorschlägen zur Änderung des Protokolls von der letzten Ratssitzung. Sie müssen schon entschuldigen, wenn ich noch einmal auf die Dinge zurückkomme, soweit sie mir nicht belanglos erscheinen. 1.) Seite 3 der Niederschrift, Ziffer b)–bb): Ich habe nichts gegen den Text Ihrer Fassung, obgleich ein wörtlicher Beschluss gar nicht gefasst worden ist bzw. von mir eine wörtlich fixierte Protokollerklärung nicht abgegeben wurde. Ich muss indes darauf bestehen, dass diese Erklärung ausgerückt wird, da sie nicht auf die mich betr. Eingabe allein, sondern – wie ich ausdrücklich erklärt habe – auf sämtliche Eingaben und ihre Behandlung durch den Rat bezogen hat. Ich habe dazu einschränkend bemerkt, dass mir diese Bemerkung nicht leicht fiele, weil ja auch eine Eingabe, die mich selbst beträfe, nämlich die wegen „Christ und Welt“ mit zu den Anlässen gehöre. Ich schlage also nochmals vor, es dabei zu belassen, dass dieser ganze Absatz als zweiter Absatz hinter c) zu setzen ist. 2.) Seite 5 der Niederschrift, Ziffer 8e: Hier bitte ich dann zu setzen, „das Aussenamt wurde gebeten, den Rat über die Weiterentwicklung . . . auf dem Laufenden zu halten.“ Jedenfalls hat es sich nicht um einen Auftrag gehandelt. 63 45E1.
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Zu 8 l muss ich bemerken, dass hier nun Aussage gegen Aussage bzw. sofort niedergeschriebene Notiz gegen Notiz steht. Die Sache wird im Rat noch einmal verhandelt werden müssen. Ich habe auf dem Originalbrief von Dr. Gloede die Bemerkung stehen: „1.000 DM, Rat 6. 5. 54 (nächstes Jahr nochmals ?)“ Falls der Beschluss Bedenken bei den Referenten der Kirchenkanzlei gefunden hat, so wären diese Bedenken in der nächsten Ratssitzung vorzubringen und dort entsprechend zu beschliessen. Im übrigen aber weise ich darauf hin, dass die „Oekumenischen Profile“ ebenso stark in Westdeutschland wie auch in der Ostkirche gebraucht werden. Ausserdem enthält die Stellungnahme des Herrn Referenten nach meinem Dafürhalten eine falsche Aufgabenbestimmung des Heuner-Ausschusses, bei dem es sich ja um eine zusätzliche und nicht um eine normale Hilfe zwischen den Kirchen von Westdeutschland und denen von Ostdeutschland handelt. In der früheren Verteilung der Mittel aus Kapitel III ist jedenfalls ein derartiger Einwand niemals erhoben worden, und ich müsste mir vorbehalten, die Verteilungen der vergangenen Jahre einmal zusammenstellen zu lassen. Und schliesslich zu Seite 7 der Niederschrift, Ziffer 12e: Zu dieser Angelegenheit muss ich bemerken, dass der Herr Vorsitzende selber an mich als den Leiter des Kirchlichen Aussenamtes die Frage gerichtet, ob ich nicht dafür sorgen könnte, dass „Bonn mehr Geld gäbe“. Ich habe darauf geantwortet, dass derartige Schritte niemals unternommen worden seien, dass, wenn ich aber den Auftrag bekäme, von Bonn Gelder zu „erbitten“, ich dann auch einen gleichen Auftrag für das Gebiet bzw. die Regierung der DDR haben müsste. Dementsprechend ist beschlossen worden. Und ich bitte, das auch im Protokoll festzuhalten. Vielleicht sind sie so liebenswürdig, die vorstehenden Bemerkungen Herrn Präsident Brunotte, der ja leider bei der Sitzung nicht anwesend sei konnte, auch zu übermitteln. Ich werde sie meinerseits mit unserem Briefwechsel auch den Mitgliedern des Rates zuleiten. Die Angelegenheit mit den „Oekumenischen Profilen“ ist mir insofern besonders peinlich, als ich alsbald nach der Sitzung Herrn Pfarrer Dr. Gloede von dem Ergebnis informiert habe und daraufhin nun bereits die Anfrage bekommen habe, an wen man sich wegen der Übersendung des Geldes an das zutreffende Konto etwa noch wenden solle. (Anfrage von Dr. Winterhager vom 28. 5. 195464). Mit freundlichen Grüssen bin ich Ihr sehr ergebener M. Niemöller. [m. p.]
64 Dokument nicht ermittelt.
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45E3. Schreiben von Rabenaus an den Rat. Berlin, 1. Juni 1954 F: EZA Berlin, 4/46 (Abschrift). Schon lange sind weite Kreise der Westberliner Kirche dadurch beunruhigt, daß Kirchenpräsident Niemöller unsere Kirche nach außen vertritt und daß Propst Grüber der kirchliche Beauftragte bei der „DDR“-Regierung ist. Die öffentlichen Äußerungen sowohl von Kirchenpräsident Niemöller wie von Propst Grüber haben sehr viel Widerspruch und Mißbilligung ausgelöst und tragen zur Entfremdung gegenüber unserer Kirche bei. Neuerdings ist nun in der Presse zu lesen, daß von Kirchenpräsident Niemöller eine zweite Moskau-Reise geplant ist. Die erste Moskau-Reise und Niemöllers Bericht darüber hat viel Ärgernis gegeben durch eine unverständliche Verharmlosung der Sowjetisierungsgefahr. Man mußte sich auch fragen, ob es vor Gott erlaubt ist, mit einer Kirche Freundschaftsbezeugungen auszutauschen, die das Gegenzeugnis gegen eine antichristliche Regierung aufgegeben hat und so die Verantwortung für ihr Volk nicht mehr trägt. Solche Freundschaftsbezeugungen bergen die Gefahr in sich, daß sich die eigene Kirche auf denselben Weg des Ausweichens begibt. Sie sind also weder für die fremde noch für die eigene Kirche ein geistlicher Dienst. Wir erinnern uns daran, daß die Moskau-Reise, die Bischof Dibelius geplant hatte, abgesagt wurde. Ist die zweite Moskau-Reise von Kirchenpräsident Niemöller von dem Rat der EKD geplant und gebilligt oder unternimmt er sie auf eigene Hand? Liegt ein Beschluß der EKD vor, wie sich unsere Kirche grundsätzlich zu dem Weg der östlichen Kirchen stellt? Wird das Wort von Bischof Berggrav auf der Lutherischen Tagung in Hannover65, werden die 12 Thesen der norwegischen Lutheraner über Kirche und Staat66 beachtet? Eine andere bedrängende Frage ist die, wie sich die Gemeinden in der Ostzone diesmal bei der Volksbefragung verhalten werden, die vom 27. bis 29. Juni stattfinden soll. Die Formulierung der Frage: „Friedensvertrag und Abzug der Besatzungstruppen oder EVG-Vertrag und Generalvertrag und Belassung der Besatzungstruppen auf 50 Jahre“ – sowie der die Existenz und die Freiheit bedrohende Druck auf die öffentliche Meinung machen diese Volksbefragung wieder zu einem großen Unrecht. Der Schein einer Zustimmung des Volkes in der Ostzone zu der sogenannten „Friedenspolitik“ des Kommunismus soll mit den bekannten Methoden künstlich erzeugt werden. Die Beteiligung an dieser Volksbefragung in dem von den Machthabern ge65 E. Berggrav, Staat. 66 Norwegisches Nationalkomitee, Thesen.
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wünschten Sinn ist eine Beteiligung an der kommunistischen Propaganda und damit eine Förderung der Sowjetisierung, d. h. der Entchristlichung des Volkes. Besonders bedrängend ist die Vorstellung, daß kurz darauf der Leipziger Kirchentag stattfinden soll, von dem die „DDR“-Regierung erwartet, daß er nichts gegen ihre „Friedenspolitik“ sagt. Ist es geistlich zu rechtfertigen, daß eine große Versammlung von Christen zu einer flagranten Gewissensvergewaltigung schweigt, die ein paar Tage vorher stattgefunden hat? Wird die Kirchenleitung zu dieser Volksbefragung etwas sagen? Wird sie den Christen den Mut stärken, sich an solchen Befragungen nicht zu beteiligen? Auf der Provinzialsynode von Berlin-Brandenburg ist berichtet worden, daß nach einer neuen Verordnung alle Lehrer und Lehrerinnen in der Ostzone zu „Funktionären der Arbeiter- und Bauernmacht“ erklärt worden sind und daß die Schulkinder planmäßig zu Kommunisten gemacht werden sollen und zwar nicht nur durch Belehrung, sondern auch durch Gewissensdruck. Dieser Angriff trifft das Herzstück unserer Kirche, denn ihre erste Missionsaufgabe ist die Taufe und Tauferziehung der deutschen Kinder. Die Eltern geben vor Gott das Versprechen, ihre Kinder christlich zu erziehen und sollen einmal Rechenschaft darüber ablegen. Die Lehrer sind für die Erziehung und Unterweisung der ihnen anvertrauten Kinder an Gottes Gebot gebunden. Es genügt daher nicht, wenn eine Synode eine Resolution faßt, sondern es müßte in den Gemeinden, die die Taufe vollziehen, unter den Eltern, die das Taufversprechen ablegen, unter den Lehrern, die in ihrem Beruf Gott verantwortlich sind, eine Bewegung des Gegenzeugnisses entstehen. Die Verpflichtung dazu muß geweckt, der Mut dazu erbeten werden, denn es geht hier nicht nur um einen Angriff auf den Menschen, sondern auch, und vor allem, auf Jesus Christus als den Herrn und Erlöser. Die Sorge ist nicht unbegründet, daß das Zeugnis mit Ja und Nein infolge von Ermattung auf der einen Seite und nicht genügender Teilnahme auf der anderen Seite, aber auch durch irrige Urteile und Handlungen geschwächt wird. Deshalb der Wunsch, daß die Moskau-Reise von Kirchenpräsident Niemöller unterbleiben und daß die Vertretung der Kirche nach außen in andere Hände gelegt werden möchte. Der Unterzeichnete trägt dem Rat der EKD dieses Anliegen in seiner Verantwortung als Pfarrer und Synodaler (Art. 119 der Berlin-Brandenburger Grundordnung)67 und auf Grund eines Gesprächs in einem Pfarrerbruderkreis vor und kann versichern, daß viele Amtsträger und Laien ebenso denken. v. Rabenau, Pfarrer 67 Grundordnung Berlin-Brandenburg, S. 69.
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45E4. Schreiben Grübers an Dibelius. O. O., o. D. F: GStA Berlin, VI. HA, NL Grüber, Nr. 255 (Abschrift). Sehr verehrter Herr Bischof! Nachdem ich am Freitag abend durch Bekannte gehört hatte, dass der RIAS einen entstellten Bericht über die Münchener Ratstagung gebracht hatte, bat ich Sie und Herrn Geheimrat Karnatz nach Möglichkeit zu einer Richtigstellung beizutragen. Wie Sie aus der Sonnabendpresse gesehen haben werden, hat ein Teil der Zeitungen eine von der DPA verbreitete Nachricht gebracht, die nicht nur völlig entstellt ist, sondern in diesem Augenblick – am Vorabend der Volksbefragung – von der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik nur als ein Akt der Illoyalität angesehen werden kann. Ich hatte ja bei dem Besuch bei dem Herrn Ministerpräsidenten Grotewohl als selbstverständlich vorausgesetzt, dass keine Presseäusserungen über diese Rücksprache erscheinen sollten und hatte ja auch aus diesem Grunde über den Gang der Verhandlungen nur Ihnen einen mündlichen Bericht erstattet. Durch die neuerliche Pressenotiz wird ja nicht nur der Eindruck erweckt, als ob der Rat in München sich mit nichts anderem zu befassen gehabt hätte als mit der Volksbefragung, sondern aus einigen Zeitungsnotizen könnte man schliessen, dass ich der Initiator dieser Aktion gewesen sei. Ich wäre Ihnen, sehr verehrter Herr Bischof, sehr dankbar, wenn es Ihnen gelänge, festzustellen, wer diese unverantwortliche Notiz in die Presse gebracht hat, vor allen Dingen müsste Vorsorge getragen werden, dass alle Presseberichte, die das Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik betreffen, auch von irgendeinem hier tätigen verantwortlichen Menschen mitüberprüft würden. Ich selbst darf darum erneut bitten, dass kirchenamtliche Verlautbarungen, in denen mein Name genannt wird, mir vor Erscheinen vorgelegt werden. Mit hochachtungsvoller Begrüssung bin ich Ihr Ihnen sehr ergebener gez. D. H. Grüber 45E5. Schreiben Brunottes an Dibelius. Hannover. 30. Juni 1954 F: EZA Berlin, 4/46 (Abschrift). Hochwürdigster Herr Bischof! Nach meiner Erinnerung hat Herr Propst D. Grüber in der Ratssitzung nicht ausdrücklich gesagt, dass über sein Gespräch mit Grotewohl nichts in die Presse kommen dürfe. Darf ich mir die Anregung erlauben, dass der Rat künftig jedes Mal am Schluss seiner Sitzung ausdrücklich feststellt, was der
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Presse gesagt werden soll? Am besten wäre es, wenn am Schluss jeder Sitzung ein Kommuniqué wörtlich festgelegt würde. Die Presse dürfte dann nichts anderes gesagt bekommen als eben dieses Kommuniqué. Ich darf noch bemerken, dass die DPA-Nachricht über die Münchner Sitzung nicht von mir formuliert worden ist. Ich habe nur einem Pressevertreter auf seine Fragen geantwortet und meinte, das mit Zurückhaltung getan zu haben, aber die Presse kombiniert immer mehr als man wirklich sagt. Mit ehrerbietigem Gruss Ihr gez. D. Brunotte
45E6. Bericht Heinemanns und Schaeders über die Moskaureise von Gliedern der EKD. 6. Juli 1954 F: EZA Berlin, 6/6204 (H). Vertraulich Bericht über den Besuch im Patriarchat Moskau durch eine inoffizielle Gruppe von Gliedern der Evangelischen Kirche in Deutschland aus Ost- und Westdeutschland. I. Teilnehmer: 1. Aus der Bundesrepublik: Dr. Dr. Heinemann-Essen, Pastor Mochalski-Darmstadt, Dr. Hildegard Schaeder-Kirchliches Außenamt Frankfurt a/Main. 2. Aus der DDR: Professor Aland-Halle, Professor Onasch-Halle, Pfarrer Thomas-Plauen. II.
Aufenthalt: Moskau, 17. bis 25. 6. 1954 mit Abstecher nach Sagorsk (20. 6.), Leningrad, 26.–28. 6. 1954, Moskau, 29. 6.; Kiew 30. 6.; Odessa, 1.–4. 7.; Moskau 5. 7.; Rückflug nach Berlin 6. 7.
III. Reisebegleitung: 1. Ständig ab Berlin Erzbischof Boris und Oberdiakon Lechno. Auf der Rückreise Begleitung nur durch Oberdiakon Lechno. 2. Weitere Begleitung innerhalb der UdSSR insbesondere durch Propst Andrej Rostorgujew, Propst Igor Maljuschizki, Diakon Alexander Wedenski, alle aus Moskau.
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3. Dolmetscher: Strelkowski (überzeugter Kommunist) und Oberdiakon Lechno. Von den Reiseteilnehmern sprach Dr. H. Schaeder russisch. IV. Zweck der Reise: Kennenlernen von kirchlichen Personen und Verhältnissen in der Sowjetunion. V.
Die Reise erfolgte auf Einladung des Patriarchen Alexius von Moskau und ganz Rußland. Alle Teilnehmer betrachteten die Einladung als eine persönliche. Niemand bezeichnete sich als Vertreter der Evangelischen Kirche in Deutschland. Bei allen offiziellen Begegnungen wurde der persönliche Charakter der Reise erneut ausgesprochen. Auch der sowjetische Vorsitzende des „Amtes (-Sowjet) bei dem Ministerrat der Sowjetunion für die Angelegenheiten der russisch-orthodoxen Kirche“ – Präsident Karpow – unterstrich diesen Charakter des Besuches anläßlich des von ihm gegebenen Empfanges (ca. 50 Teilnehmer aus Kirche, Wissenschaft, Kunst usw.) ausdrücklich. Die ADN-Meldungen von einer Delegation „der Evangelischen Kirche in Deutschland“ sind eigene Entstellung.
VI. Betreuung: Unterbringung, Verpflegung udgl. waren von überwältigender Großzügigkeit. Die Anreise bis Moskau wurde von den Teilnehmern bezahlt. Aufenthalt und Rückreise bis Berlin wurden vom Patriarchat getragen. Für persönliche Bedürfnisse wurde jedem Teilnehmer ein großzügiger Rubelbetrag gegeben. Der in Moskau erkrankte Pfarrer Thomas wurde sofort in Hospitalbehandlung genommen, bestens versorgt und im Auftrag des Patriarchats täglich besucht. Für die spätere Rückreise wird ihm besondere sachkundige Begleitung gestellt werden, wie uns der Leiter des Amtes für die kirchlichen Angelegenheit mitteilte, der sich ebenfalls persönlich um ihn kümmerte. VII: Unsere Beobachtungen gründen sich auf folgendes: 1. Teilnahme an 5 Abendgottesdiensten in Moskau, 1 Hauptgottesdienst in Sagorsk (gehalten vom Patriarchen), 3 Hauptgottesdiensten in Leningrad, 1 Abendgottesdienst in Odessa, 2 Klostergottesdiensten in Odessa, darunter ein Gottesdienst in einem Nonnenkloster; 2. Besuch mehrerer Klöster in Sagorsk, Kiew und Odessa, darunter zweier Nonnenklöster; 3. Besuch der Geistlichen Akademien und Seminare in Moskau, Leningrad und Odessa;
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4. Gespräche mit a. dem Patriarchen und den Metropoliten Nikolaus (Moskau); Gregor (Leningrad); Johann (Kiew); Hermogen (New York); Erzbischof Viktor (Peking); Archimandrit Dionysius (Holland); b. anderen Geistlichen wie Erzbischof Boris, Propst Andrej (bis April 1954 Vorsteher der Gemeinde Berlin-Karlshorst und weiterhin mit der Pflege der Beziehungen zu den Christen in Deutschland beauftragt); Propst Igor (Schatzmeister des Patriarchats); Regens Koltschizki; Wedernikow (Schriftleiter der Patriarchatszeitschrift, bis 1947 Dozent für Religionsphilosophie am Moskauer Geistlichen Institut, der späteren Moskauer Geistlichen Akademie); Bujewski (Sekretär des Patriarchen und Mitherausgeber der Patriarchatszeitschrift; Absolvent der Moskauer Geistlichen Akademie) – alle in Moskau; c) Professoren und Lektoren der Geistlichen Akademien und Seminare in Moskau-Sagorsk, Leningrad und Odessa, darunter mehrere deutschsprechende; d) den lutherischerischen Erzbischöfen Turss aus Riga (Lettland) und Kiivit aus Tallin-Reval (Estland) – beide deutschsprechend e) Vertretern der Baptistengemeinden; Shidkow (Vorsitzender des Baptistenverbandes in der Sowjetunion); Levindanto (1. Stellvertreter); Andrejew (2. Stellvertreter); Karow [richtig: Karev] (Generalsekretär); Karpow (Pastor in Moskau); f) Vertretern des „Amtes (Sowjet) bei dem Ministerrat der Sowjetunion für die Angelegenheiten der Russ. Orthodoxen Kirche“ Karpow (Präsident); Bjélyschew (Stellvertreter) u. a.; g) mit Vertretern des Friedensrates: Vizepräsident Gerasimow; Professor Jerussalimenski; – Vertreter des Patriarchats Moskau: Metropolit Nikolaus; h) Vertretern des Roten Kreuzes: Cholodkow (Vorsitzender des Vollzugskomités); Puschkow (Stellvertreter); Tschekassenko (Leiter des Außenamtes); Scharonow, Diwakow, Frau Zwetkow; i) Botschafter der DDR: Appelt, Botschaftsrat Seitz. An diesen Gesprächen waren teils alle, teils nur einige oder einzelne Reiseteilnehmer beteiligt. Sie vollzogen sich nicht nur bei offiziellen Anlässen, sondern auch in sehr lockerer Form bei Hausbesuchen, Spaziergängen, einer ganztägigen Schiffsreise im MoskauWolga-Kanal, Autofahrten und dergl. Viele der Einzelgespräche tauschten die Reiseteilnehmer untereinander aus, um ihre Beobachtungen zu ergänzen.
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5. Besichtigungen, durchweg unter Führung von leitenden Personen des besuchten Instituts oder des Betriebes, erwähnt seien insbesondere: a. Lomonossow-Universität in Moskau (Kolossalbau mit über 40000 Räumen) lediglich für Naturwissenschaften – ohne Medizin, 18000 Studierende, b. Lenin-Bibliothek in Moskau (17000000 Bände) c. Tretjakow-Galerie in Moskau; Eremitage in Leningrad; Kirchen und Sammlungen im Kreml; Historisches Museum in Moskau; d. „Stalinwerk“ (Lastwagen, Autos, Fahrräder) in Moskau; Backwarenfabrik „Bolschewik“ in Moskau (hauptsächlich Frauenarbeit). Besondere Aufmerksamkeit galt den sozialen und kulturellen Einrichtungen; e. Geflügel- und Viehfarm bei Moskau, Kolchosbetrieb bei Odessa; f. Warenhäuser und zahlreiche Geschäfte in Moskau, Leningrad und Odessa. 6. Theaterbesuche in Moskau und Leningrad; Sondervorführung der Kinowochenschau aus den letzten Monaten. VIII.Die besondere Aufmerksamkeit aller Teilnehmer galt den kirchlichen Verhältnissen in der Sowjetunion. Wir glauben folgendes berichten zu können: IX. Orthodoxe Kirche: 1. Allgemeine Lage a. Die für die Orthodoxe Kirche maßgebenden staatlichen und kirchlichen Bestimmungen sind in einer im Auftrag von Bischof Dibelius und dem Außenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland vom Jahre 1951 herausgegebenen Drucksache enthalten68; b. Wesentlich ist folgendes: Die Verfassung der Sowjetunion proklamiert die Trennung der Kirche vom Staat und von der Schule. Die Kirche hat sich jeglicher Einreden in die allgemeinen öffentlichen Dinge zu enthalten. Andererseits will der Staat sich nicht um Glaubensdinge kümmern. In den Schulen findet kein Religionsunterricht statt. Die Kirche darf keine eigenen Schulen einrichten. Auf diese Weise ist auch die frühere kirchliche Ausbildung der Priestertöchter in besonderen Parochialschulen weggefallen (vgl. aber unten über Lehre & Verkündigung).
68 Dokumente zur Ordnung.
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Seit 1943 und 1944 bestehen zwei besondere staatliche Ämter für die kirchlichen Dinge. Das eine widmet sich ausschließlich der Orthodoxen Kirche, das andere allen übrigen Religionsgemeinschaften (Lutheranern in den baltischen Ländern, Katholiken, Baptisten, Mohammedanern, Buddhisten usw.) Beide Behörden sollen den von ihnen betreuten Gemeinschaften eine Hilfe angedeihen lassen und zugleich darüber wachen, daß keine von ihnen den Rahmen ihrer Befugnisse überschreitet. Die Behörden haben ihren Sitz in Moskau. Die Behörde für die Orthodoxe Kirche heißt „Amt (Sowjet) bei dem Ministerrat der Sowjetunion für die Angelegenheiten der Russ. Orthodoxen Kirche“ und besteht aus einem fünfköpfigen Kollegium (Präsident Karpow, Stellvertreter Bjélyschew und drei Mitglieder mit einem kleinen Büroapparat. In den wichtigsten Städten des Landes verfügt die Behörde über hauptamtliche Beauftragte. In diesem Amt gibt es keine Vertreter der Kirche. Jede Kirchengemeinde muß sich bei der Behörde registrieren lassen. Den Priester erhält sie vom Bischof zugewiesen. (In den ersten Jahrzehnten des Sowjetstaates wurden die Priester von den Gemeinden gewählt.) Die Behörde gibt dem Priester einen Ausweis. Ob und inwieweit hier die alten Probleme des Investiturstreites wieder aktuell sind, konnten wir nicht herausfinden. Wir stießen zu spät auf diesen Vorgang. – Die Gemeinden werden von der Behörde für die Angelegenheiten der Orthodoxen Kirche registriert. Kleine Gruppen, z. B. solche unter 30 Personen, können nicht registriert werden und leben ihr religiöses Leben ohne Priester. Sämtliche kirchlichen Angelegenheiten, welche einer Entscheidung durch staatliche Stellen bedürfen, gehen über diese Behörde. Als da sind: Zuweisung von Grundstücken, Gebäuden (insbesondere Kirchen), Baustoffen, Autos, Treibstoffen, Werkzeugen oder Materialien für Klöster, Visa oder Devisen für Auslandsreisen – aber auf eigene kirchliche Kosten – Druckpapier und dergl., Vermittlung zu den staatlichen Bibliotheken und Verlagen. In der Sowjetunion gehört der gesamte Grund und Boden dem Staat. Infolgedessen kann auch die Kirche nirgendwo Grundeigentümer sein. Wenn sie ein Grundstück braucht, muß sie es sich wie jeder andere vom Staat zur Benutzung zuweisen lassen. Das gilt insbesondere für Grundstücke, auf denen aus alter Zeit eine Kirche steht. Die Überlassung von Grundstücken und Kirchen erfolgt ohne Entgelt und unbefristet. Lediglich die Instandhaltung der Kirchen geht zu Lasten der Kirchengemeinde. In das innere kirchliche Leben einschl. Ämterbesetzung und Fi-
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nanzgebarung greift die Behörde nicht ein – jedenfalls nicht offiziell. Deshalb spricht man von freier Kirche. Gegenüber dem Zustand vor der Revolution sind der Kirche untersagt: der Unterricht der Jugend, alle organisierte karitative Betätigung und alle religiöse „Propaganda“. Absolute politische Loyalität gegenüber dem Sowjetstaat ist der Preis für die geschilderte Existenz. c) Diesen Preis der absoluten politischen Loyalität zahlt die Orthodoxe Kirche in aller Bewußtheit. Wir zitieren dafür aus dem Sendschreiben des Patriarchatsverwesers Sergius (des späteren Patriarchen, gest. 1944) vom 29. 7. 1927 folgende charakteristischen Sätze: „. . . Nicht ohne Grund ruft der Apostel uns zu, daß wir ein ruhiges und friedvolles Leben in aller Gottseligkeit führen können nur, wenn wir der gesetzmäßigen Obrigkeit gehorchen (1. Tim. 2, 2), sonst müssen wir das Gemeinwesen räumen. Nur stubengelehrte Träumer können davon träumen, daß eine so gewaltige Gemeinschaft wie unsere rechtgläubige Kirche mit ihrer ganzen Organisation ruhig im Staate existieren könnte, indem sie sich vor der Regierung versteckt. Jetzt, da unser Patriarchat nach dem Willen des verewigten Patriarchen (Tychon † 1925) bestimmt und unwiderruflich den Weg der Loyalität betreten hat, müssen Menschen mit der gekennzeichneten Einstellung (der grundsätzlichen Ablehnung: der Sowjetregierung) entweder sich selbst überwinden, ihre politischen Sympathien daheimlassen und in die Kirche nur ihren Glauben mitbringen und mit uns nur im Namen des Glaubens zusammenarbeiten, oder aber . . . dürfen sie uns auf jeden Fall nicht hindern und müssen sich für einige Zeit von den Dingen fernhalten. Wir sind davon überzeugt, daß sie schon sehr bald zurückkehren werden, um mit uns zusammenzuarbeiten, indem sie sich überzeugt haben, daß nur die Beziehung zur Staatsführung eine andere geworden ist, daß aber der Glaube und das rechtgläubige christliche Leben unerschütterlich bleiben“ (aus „Dokumente der Orthodoxen Kirche“, Heft 1, hg. vom Außenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland, S. 64.) Ob die Aussage zutrifft, daß die Orthodoxe Kirche nach den Jahren der schwersten Verfolgung die frühere absolute Loyalität gegenüber dem Zaren und der feudalen Gesellschaftsordnung lediglich gegen die nunmehrige absolute Loyalität gegenüber dem Sowjetstaat und der marxistischen Gesellschaftsordnung ausgewechselt habe, in den Dingen des Glaubens aber ihr früheres Verständnis unverändert fortführe, kann im Rahmen dieses Berichtes nicht erörtert werden. Auf jeden Fall ist in dem Ver-
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halten der Orthodoxen Kirche zu ihrer Obrigkeit und zu der sie umgebenden Gesellschaftsordnung ein altes theologisches Problem enthalten, daß [sic!] an die lutherische Lehre von den zwei Reichen anklingt. 2. Zahlenangaben: 7 Metropolitensitze: 70 Eparchien (Diözesen), 20000 Kirchen, 40000 Priester (ungerechnet der Diakone). In Moskau 55 Kirchen bei rund 7 Mill. Einwohnern Leningrad 14 " " " 4 " " Kiew 26 " " " 1 " " Odessa 27 " " " 0,6 " " Wichtiger als die Zahl der Kirchen ist deren Größe. Viele der größten Kirchen dienen heute anderen Zwecken. Die von uns besuchten Gottesdienste waren durchweg und allerorts überfüllt (Traditionsgemäß nur Stehplätze) und zwar auch die Abendgottesdienste an Wochentagen. Die Zahl der Taufen ist außerordentlich groß. Ein Bischof gab sie für seine Eparchie mit 90 Prozent an. Ein Priester aus dem Patriarchat beziffert sie mit 80 Prozent aus der Sowjetunion. In einer Moskauer Kirche finden sonntags durchschnittlich 50 bis 60 Taufen statt, in einer Leningrader Kirche 250 Taufen, und zwar in der Form von Gruppentaufen. Diese Zahlen klingen erstaunlich hoch. Immerhin war festzustellen, daß auch unser Dolmetscher, der ein eindeutiger Marxist ist und das Gleiche von seiner Frau bekundete, sein Kind ebenfalls taufen ließ. In Arbeiterwohnungen begegneten uns neben Bildern von Lenin, Stalin, Malenkow, zumeist auch Ikonen. Auflage der Patriarchatszeitschrift (erscheint seit 1943) 25000 Stück, also durchschnittlich auf eine Kirche ein Stück. 3. Finanzierung der Orthodoxen Kirche erfolgt durch a. Verkauf von Kerzen und geweihten Broten; insbesondere der Verkauf von Kerzen spielt eine große Rolle, Mindestpreis 1 Rubel, steigend bei größeren Kerzen bis 10 Rubel. „Der Käufer weiß, daß er einen Überpreis zahlt. Seine Kerze erfüllt einen doppelten Zweck, den der Verehrung und den der Spende.“ b. Kollekte in den Gottesdiensten. c. Freiwillige Stolgebühren für Amtshandlungen und Fürbittegebete für Lebende und Tote. Die Gebühr für eine Taufe beträgt im Regelfall 25 Rubel. Die Zahl der Taufen ist sehr groß (vgl. oben Ziffer 2). Alle Gaben sind freiwillig und „nicht regelmäßig“, d. h. ohne jeden Steuercharakter. Die Gebühren für Amtshandlungen fließen dem Priester zu. Die Einnahmen aus Kerzenverkauf und Kollekten dienen den sonstige Bedürfnissen. Bestimmte Hundertsätze sind von
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der Gemeinde herauf an die jeweils höhere kirchliche Instanz (Eparchie, Metropolie, Patriarchat) abzuführen. Das Patriarchat trägt die Akademien und Seminare, Auslandsarbeit und Druckschriften, insbesondere die Zeitschrift. Es kann Bauhilfen gewähren. Es wurde vielfältig betont, daß die Kirche finanziell nicht nur keine Not leide, sondern „reich“ sei. Die Gaben fließen offenbar gut: Das Mindesteinkommen eines Priesters in Moskau liegt bei 3000 Rubel monatlich. Das Einkommen kann auch 5–8000 Rubel erreichen! Diakone erhalten 3/4 der Priesterbezüge. Vergleichsweise sei erwähnt, daß der Lohn von Facharbeitern bei 1500 bis 3000 Rubel monatlich liegt. (Die durchschnittliche Kaufkraft des Rubels dürfte etwas über derjenigen der Ostmark liegen, etwa 1 WM = 3 R = 4 OM; dagegen für Brot ist sie größer: 1 WM = 2 R; für Luxus (auch Schokolade und Stoffe) erheblich niedriger). 4. Die von uns besuchten Haushaltungen zweier Pröpste machten einen durchaus wohlhabenden Eindruck. Auftreten und Kleidung der großstädtischen Priester und Akademiedozenten waren gut bürgerlich. (Im Haushalt der Pröpste Kühlschrank, Radio, Fernsehapparat; Auto auch bei gewissen Diakonen). Die Amtssitze des Patriarchen in Moskau sowie der Metropoliten in Leningrad und Kiew machten einen guten und gepflegten Eindruck. Der Patriarch besitzt in der Nähe von Odessa eine Sommerresidenz, d. h. ein geräumiges Landhaus und ein besonderes Gästehaus inmitten eines Parkes und Weinberges von ca. 5 ha Größe unmittelbar am Meer. Hervorragende Küche, Bedienung durch ein angrenzendes Klöster. Zum Badestrand führt eine eigene Seilbahn (Funiculare) von der Steilküste hinunter. Im Wasser zwei eigene große Badehäuser. Der Patriarch steht während des Aufenthaltes in seiner Sommerresidenz unter ständigem Polizeischutz. In der Nähe von Moskau besitzt er ebenfalls ein Landhaus, das wir aber nicht kennen lernten. Die Klöster unterhalten sich durch die üblichen Einnahmen (Kerzen, Kollekten, Gebühren) sowie zusätzlich handwerkliche Fertigungen (Brote, Priestergewänder und dergl.) oder Landwirtschaft. Vom Unterricht an Jugendlichen oder Krankenpflege sind ihre Insassen ausgeschlossen. – Priester werden meist nicht zum Militärdienst herangezogen. 5. Zwischenkirchliche Beziehungen: Neben der Pflege der seit dem 16. Jh. ständigen Beziehungen zur anglikanischen und – in geringerem Maße – zur altkatholischen Kirche gilt der Ausbau der zur Zeit noch ganz mangelhaften Beziehungen zu den Reformationskirchen, besonders zur Evangeli-
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schen Kirche in Deutschland, offensichtlich zur Zeit als vordringlich. a. In den Aussprachen wurde von orthodoxen Kirchenführern und Theologen übereinstimmend zum Ausdruck gebracht, daß man auf eine offizielle Fortsetzung unseres inoffiziellen Besuches hoffe. Die Gruppe wurde um eine Förderung dieses Anliegens mehrfach lebhaft gebeten. b. Es wurde der Wunsch geäußert, daß die Beziehungen zwischen der Orthodoxen Kirche in Rußland und der Evangelischen Kirche in Deutschland überhaupt befestigt und vertieft werden möchten. In diesem Zusammenhang fanden wir kein ausgesprochenes Interesse an Kontroversfragen. Wenn von Unterschieden der Kirchen gesprochen wurde, wurde häufig die Bedeutung historischer, also nicht theologischer Faktoren hervorgehoben. Diese sollten aber, so wurde hinzugefügt, eigentlich nicht kirchentrennend wirken. „Jesus Christus rechnet als die Seinen, d. h. als Christen, alle, die an ihn glauben und ihm gehorchen.“ (Patriarch Alexius). Der verantwortliche Herausgeber der Zeitschrift des Moskauer Patriarchats seit Januar 1954 und ehemaliger Dozent für Religionsphilosophie, Wedernikow, betonte das orthodoxe Kirchenverständnis mit dem Satz „Uns rettet die Kirche“ und hoffte, daß die evangelischen Christen durch Rückbesinnung auf die „Alte, Eine Kirche“ den Weg zur Gemeinschaft mit der Orthodoxie finden möchten. Unser Gegenvotum „Uns rettet Jesus Christus“ wurde als Akzentverschiedenheit aufgenommen. Von einer führenden kirchlichen Persönlichkeit aber wurde gesagt, daß man der von uns geschilderten Entwicklung des evangelischen kirchlichen Bewußtseins der letzten Jahrzehnte entsprechend, mit einer Weiterentwicklung der evangelischen Kirchlichkeit, nicht aber mit einer Rückkehr zu einer früheren Einheitsgestalt der christlichen Kirchen rechne. c. Auf die Frage nach dem Unterschied des Verhältnisses der Orthodoxen Kirche und der römisch-katholischen Kirche zur Ökumenischen Bewegung, antwortete der Leiter des Außenamtes des Patriarchats, Metropolit Nikolaus „Die Römische Kirche sagt: wir werden uns niemals an der Ökumenischen Bewegung beteiligen. Das sagen wir nicht. Aber wir sagen, daß wir an der Ökumenischen Bewegung in ihrer gegenwärtigen Gestalt nicht mitarbeiten können. „Deshalb sage ich nicht: Lebt wohl“ sondern: Auf Wiedersehen!“ (Wörtlich so auch schon in der Moskauer Resolution der Orthodoxen Kirchen vom Juli 1948:
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hg. vom Außenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland, Dokumente der Orthodoxen Kirche zur Ökumenischen Frage, Heft 1, Luther Verlag, Witten-Ruhr, 1949). In diesem Zusammenhang waren in der Zeitschrift des Moskauer Patriarchats, Heft 1, 3 und 4 zum Teil scharf formulierte politische und theologische Vorbehalte und Vorwürfe gegen den Ökumenischen Rat der Kirchen angemeldet (Beteiligung der Organisationen des Ök.R.d.K. an der Propaganda gegen die Volksdemokratien, Förderung der Integration der Westmächte und der Aufrüstung von Westdeutschland; theologischer Unionismus ohne bekenntnismäßige Fundamentierung. Im gemeinsamen Gespräch wurde bemerkt, die vorgebrachten orthodoxen Stellungnahmen bedürften einer weiteren Ergänzung und Entwicklung. Alle Personen brachten übereinstimmend ein lebhaftes Interesse an der Ökumenischen Bewegung zum Ausdruck. Der derzeitige Exarch des Patriarchen in USA, Metropolit Hermogen (ehemaliger Rektor der Moskauer Geistlichen Akademie) sprach seine Hoffnung auf positive Ergebnisse von Evanston aus und bat, die evangelischen Vertreter möchten in Evanston für den christlichen Gedanken des Friedens eintreten. d. Die Notwendigkeit und positive Bedeutung persönlicher Kontakte mit der Evangelischen Kirche in Deutschland gegenüber einer nur theoretischen und überdies sehr unzulänglichen gegenseitigen Kenntnis, wurde immer wieder hervorgehoben. Der Anfang einer lebendigen zwischenkirchlichen Beziehung sei durch den Besuch unserer Gruppe gelegt (Patriarch Alexius). Der Wunsch nach baldigen weiteren Schritten wurde wiederholt lebhaft ausgesprochen – wahrscheinlich mit doppelter Ausrichtung: 1. Vordringlich in orthodoxer Sicht dürfte eine intensive zwischenkirchliche Beziehung zwischen dem Moskauer Patriarchat und der Evangelischen Kirche in Deutschland erscheinen. Dabei wurde von orthodoxer theologischer Seite die Meinung ausgesprochen, die auch die betreffende Literatur beherrscht: Die evangelische Christenheit setze sich aus zwei Strömungen zusammen, nämlich aus einer liberalen rationalistischen Richtung (Kulturprotestantismus) und aus einer im Wachsen begriffenen zweiten Richtung, die durch die Sehnsucht nach Heimkehr zur Mutter Kirche bestimmt sei. Maßgebenden theologischen Persönlichkeiten, z. B. dem Schriftleiter der Patriarchatszeitung kam es durch unsere Gespräche zur Kenntnis, daß in den letzten Jahrzehnten ein Wiedererwachen des christlichen Gemeindebewußtseins in-
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nerhalb der evangelischen Christenheit stattgefunden hat, und daß wir uns mit der Mehrheit der evangelischen Christen unserer Zeit dankbar zu der Gegenwart Jesu Christi auch inmitten unserer Evangelischen Kirche bekennen. Als Folge daraus wurde von uns zur Kenntnis gebracht, daß weder mit einer Auflösung unserer evangelischen Gemeinden noch mit einer individuellen oder gar gruppenhaften Konversion in irgendeinem nennenswerten Ausmaß zu rechnen sei, daß aber auf unserer Seite ein aufrichtiges Bedürfnis und Bereitschaft zu wechselseitigen zwischenkirchlichen Berührungen besteht. 2. Darüber hinaus hegt man in der Orthodoxie offenbar die Hoffnung, daß die Evangelische Kirche in Deutschland eine vermittelnde Funktion für die Beziehung des Patriarchats Moskau zur westlichen Christenheit überhaupt erfüllen könnte. Das Entsprechende geschieht schon durch die Anglikanische Kirche und teilweise auch durch die Altkatholische Kirche. Deshalb bestand auch besonderes Interesse für die Beziehungen der Evangelischen Kirche in Deutschland zu diesen beiden Kirchen. e. Ergebnis: Die Tatsache, daß Teilnehmer der Gruppe am Leipziger Kirchentag und z. T. auch an Evanston teilzunehmen gedenken, wurde von uns berichtet, und offensichtlich positiv beurteilt. – So wie der Leipziger Kirchentag räumlich und zeitlich zwischen dem Besuch im Patriarchat Moskau und der 2. Vollversammlung des Ök.R.d.K. in Evanston liegt, dürfte unsere Aufgabe als evangelische Christen in Deutschland in einem Aufgeschlossensein nach beiden Seiten liegen, das es der slawisch-orthodoxen Christenheit und den im Ök.R.d.K. zusammengeschlossenen Christen erleichtert, einander näherzukommen. Wir sind überzeugt, daß eine solche Entwicklung nicht ohne Einwirkung auf die zerrissene Völkerwelt bleiben kann. 6. Bemerkungen: Wir sind uns der Lückenhaftigkeit unserer Beobachtungen vollauf bewußt und können unsere Aussagen nur mit viel Vorbehalt machen. a) Als eine Lücke von besonderer Bedeutung empfinden wir den Umstand, daß wir zwar eine Reihe von Dorfkirchen aus der Ferne gesehen haben, aber nicht Gelegenheit hatten, der Dorfkirche und ihrer Geistlichkeit persönlich zu begegnen. In den großen Städten, und zumal in Moskau, Leningrad und Kiew als Sitzen von Metropoliten sowie in Odessa als Nebenresidenz
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des Patriarchen, arbeitet die Elite der orthodoxen Priesterschaft. Außerdem geben die Geistlichen Akademien (2, seit 1947) und Priesterseminare (insgesamt 10 in der Sowjetunion) dieser Städte jeder Begegnung eine besondere Note. Die Priesterschaft auf dem weiten Lande erfährt überwiegend nur seminaristische Ausbildung und auch diese weithin nur durch Fernkurse. Künftige Besucher werden auf den Besuch auch des flachen Landes Wert legen. Dabei wird man bei allen Beobachtungen auch der oft betonten Tatsache des allmählichen Wiederaufbaues Rechnung tragen müssen. b. In den von uns besuchten Gottediensten beobachteten wir durchweg eine eindrucksvolle christliche Frömmigkeit orthodoxen Gepräges, d. h. mit wirklicher Verehrung von Ikonen und Reliquien. Es gib in der Sowjetunion eine hörende, singende und betende Gemeinde, wie sie weitesten Gebieten des sogen. christlichen Abendlandes nur zu wünschen wäre. c. Zu unserer Überraschung lebt in der Sowjetunion aber auch eine verkündigende Kirche. Infolge der Ausschließung der Orthodoxen Kirche vom Unterricht der Jugend, sowie infolge der innerkirchlichen Auseinandersetzungen der zwanziger Jahre hat die Orthodoxe Kirche begonnen, in ihren Gottesdiensten die biblische Verkündigung durch die Predigt auszubauen und eine neue Form der Schriftunterweisung zu entwickeln. Diese vollzieht sich im Anschluß an die Abendgottesdienste durchaus planvoll in Form von etwa einstündigen Ansprachen (besséda). Ein Priester in Kiew berichtete, daß er auf diese Weise im Laufe des letzten Jahres die Apostelbriefe und den Katechismus behandelt habe, und daß werktäglich 100–150 Personen teilnahmen, sonntags aber mehrere 1000. Über das ganze Ausmaßund den Gehalt dieser Verkündigung sind wir nicht zu ausreichenden Feststellungen gekommen. d. Ist die Orthodoxe Kirche eine freie Kirche? Diese Frage bewegte uns evangelische Christen besonders stark. Wir haben gesehen, daß wir sie nicht einfach mit unseren Maßstäben bewältigen können. Unverkennbar ist das Verhältnis zwischen den kirchlichen und staatlichen Personen gut. Beide Seiten betonen die Reibungslosigkeit ihrer Zusammenarbeit. Natürlich hat der Sowjetstaat die Kirche wie jede Gemeinschaft in seinem Bereich irgendwie in der Hand, aber auch der Sowjetstaat respektiert den Volkswillen. Er kann und will an der Tatsache nicht vorübergehen, daß eine orthodoxe Christenheit da ist und sich in den Gottesdiensten zur Kirche bekennt. Er gibt deshalb dieser Kirche einen Lebensraum. Dieser Raum ist durch Wegfall und Beschrän-
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kung der karitativen und pädagogischen Möglichkeiten enger als vor der Revolution, zugleich aber ist, infolge der Trennung von Kirche und Staat, die geistliche Selbstverwaltung und Gesetzgebung sauberer abgegrenzt. Die zwischen-kirchlichen und außenpolitischen Funktionen, die der Staat der russ. orthodoxen Hierarchie zuweist, dürften größer sein als im 18. und 19. Jh. (Ablösung des Patriarchen von Moskau durch den weltlichen „Oberprokuror“, von 1721 bis 1917), ja vielleicht größer als je zuvor. Im übrigen konnte, nach dem Urteil orthodoxer Persönlichkeiten, die jahrhundertelange Verkoppelung der Orthodoxen Kirche mit dem absoluten Zarentum, Leibeigenschaft und feudaler Ordnung nicht ungestraft bleiben. Ihre weitgehende „Erniedrigung“ wird auch von den orthodoxen Priestern als ein gerechtes Gericht mit dem Ziel der Erneuerung empfunden. Die verantwortlichen Leiter der Orthodoxen Kirche scheinen den veränderten Lebensraum mit kluger Anpassung zu füllen und nur mit jener Zurückhaltung zu erweitern bestrebt zu sein, die den realen Gegebenheiten entspricht. Inwieweit die Führung der Orthodoxen Kirche – wie die andere Kirchen – frei von politisch gelenkten Personen ist, bleibt eine Frage für sich, die für den Außenstehenden meist nicht ganz zu durchschauen ist. Es wird nicht ohne interne Spannungen abgehen. Wie dem auch sei – es lebt auch getroste Zuversicht in der Orthodoxen Kirche. Ein Propst antwortete in einem Gespräch über Basilius d. Großen (4. Jh. nach der Tradition Redaktor der seit annähernd 1500 Jahren gültigen Festtagsliturgie): „und er wird ewig leben!“ X.
Lutherische Kirchen in Lettland und Estland. Jede der beiden Kirchen zählt etwa 100 Pfarrer und etwa 700000 Gemeindeglieder. Seit dem Fortfall der Theologischen Fakultät Dorpat geschieht die Ausbildung in kirchlicher Regie mit Hilfe alter Bibliotheksbestände. Neue Literatur kommt so gut wie nicht herein. Die Umstellung der theologischen Literatur vom Deutschen auf die lettische bezw. die estnische Sprache bereitete viele Schwierigkeiten. Lehrbücher in lettischer bezw. estischer Sprache bestehen nur als Manuskripte in Maschinenschrift. Angestrebt wird die Herausgabe einer Monatsschrift. Bisher erscheinen nur Jahreskalender. Ein neues Gesangbuch in lettischer Sprache konnte soeben erscheinen. (Einige Exemplare stehen beim Außenamt zur Verfügung). Etwa 50 neue Lieder betonen vornehmlich den Friedensgedanken. Die finanzielle Lage auch dieser Kirchen scheint gut zu sein. Betont wurde, daß die Finanzierung aller kirchlichen Bedürfnisse aus freiwil-
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ligen Gaben, bereits alter Gemeindeerziehung entsprach. Auch vor der Revolution waren die lutherischen Kirchen keine Staatskirchen. Kein Konfirmandenunterricht mehr. Die Christenlehre muß durch Elternhaus und Predigt geschehen, insbe[sonders] in den Abendgottesdiensten; zwei bis dreimal im Jahr Unterredung, auf Grund deren Zulassung zur Konfirmation oder Zurückstellung. Die Peterskirche in Riga (Hauptkirche) wird auf Staatskosten restauriert und wahrscheinlich Museum werden. (desgl. die alte orthodoxe Hauptkirche in Moskau auf dem Roten Platz). Bibelarbeit in Privathäusern ohne Pastor ist möglich, nicht dagegen mit Pastor, weil dieser regelmäßige kirchliche Arbeit nur in den Kirchen tun darf. Für biblische Laienarbeit ist also ein großes Feld offen. Diese Arbeit hat aber keine Tradition, so daß viele Gemeindeglieder bei dem Mangel an Pfarrern und der Weiträumigkeit ohne geistliche Versorgung bleiben. Allmähliche Motorisierung der Pfarrer und sommerliche Gemeindetage bilden einen kleinen Ausgleich. Eine Einladung zur Lutherischen Weltbundtagung 1953 in Hannover traf drei Tage zuvor ein – durch wessen Schuld? Man konnte sie so kurzfristig nicht annehmen. Für Evanston liegt keine Einladung vor. Reisekosten würde man unschwer aufbringen. XI. Baptische [sic!] Gemeinden in der Sowjetunion. 1. Zahlen: 5000 Gemeinden, 500000 Getaufte. Seit der Revolution eine Verfünffachung der Zahl der Getauften. Mit dem familiären Anhang beträgt der Personenkreis der Baptisten in der Sowjetunion nach Angabe des Vorsitzenden des Gemeindebundes rund 3 Millionen. Die Zahl der Taufen wurde für 1953 mit 12000 angegeben, davon entfallen auf Moskau 200. Die Zeitschrift „Der Bruderbote“ (russ.) wird in einer Auflage von 5000 (also je Gemeinde 1 Stück) herausgegeben (Belegexemplar beim Außenamt), Bibeln in russischer Sprache wurden zuletzt 1923 und 1926 gedruckt, und zwar in Auflagen von 10000 bezw. 25000 Stück für alle Kirchen zusammen. Maßgebender Text ist die Übersetzung des Synod der Orthodoxen Kirche. 2. In Moskau besteht nur eine Baptistengemeinde. Sie hält 5 Gottesdienste in der Woche. Bei unserem Besuch an einem Dienstag war die Kirche bereits 1 Stunde vor Beginn des Gottesdienstes voll besetzt. Der Gottesdienst dauert von 19 bis 21 Uhr und umfaßt 2 Predigten von je etwa halbstündiger Dauer. Auf die Bemerkung, daß angesichts des Andranges zum Abendgottesdienst anscheinend das Bedürfnis nach weiteren Kirchen bestehe, wurde geantwortet: „Man kann nicht mehr schaffen“.
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Das Verhältnis zur Orthodoxen Kirche wird „seit der Revolution“ als freundlich bezeichnet. Alle „Gläubigen“ sind durch gemeinsame Nöte und durch „Friedensarbeit“ zusammengeführt. Im Flugzeug Moskau-Berlin, den 6. Juli 1954. gez. Heinemann Schaeder.
45E7. „Ergänzung zum Bericht von Dr. Dr. Heinemann und Dr. H. Schaeder über den Besuch im Patriarchat Moskau“. Frankfurt/M., 31. Juli 1954 F: EZA Berlin, 6/6204 (H). Theologischer Nachwuchs und Bücheraustausch. 1. Das Patriarchat Moskau besitzt seit 1947 wieder 2 Geistliche Akademien und insgesamt 10 Priesterseminare, von denen 2 mit den genannten Akademien von Moskau und Leningrad verbunden sind. Die Seminar- sowohl wie die Akademie-Ausbildung dauert je 4 Jahre. In den Seminaren wird die niedere Geistlichkeit ausgebildet, in den Akademien die höhere Geistlichkeit und die Personen der kirchlichen Verwaltung sowie die zukünftigen Dozenten. 2. Beide Institutionen haben außer den Internatsschülern, die durchschnittlich rund 100 betragen, eine z. T. vierfach so große Zahl von Schülern, die durch Fernkurse unterrichtet werden und zu gelegentlichen Besprechungen und zu den Examina in die Institute kommen. Grundsätzlich wird auf die Internats-Ausbildung großes Gewicht gelegt. Das gemeinsame Leben spielt eine entscheidende Rolle und jeder Tag beginnt und schließt mit einem längeren Gottesdienst. 3. Die Studienfächer sind die gleichen wie in der Zarenzeit, es sind die allgemein üblichen theologischen Fächer. Der Liturgik wird wie einst besondere Bedeutung beigelegt. Die klassischen Sprachen sind obligatorisch, ebenfalls Hebräisch für die Akademie, dazu eine moderne Fremdsprache nach Wahl. Die Leningrader Geistliche Akademie beschäftigt außer den Dozenten 2 Lektorinnen für Deutsch und für Englisch (außerdem arbeitet dort eine Bibliothekarin. 4. Kandidaten- und Magisterarbeiten werden maschinenschriftlich vorgelegt und in besonderen Fällen gedruckt. Man ist bemüht, in geduldiger Aufbauarbeit den wissenschaftlichen Stand der Zeit vor den beiden Weltkriegen wieder zu erreichen.
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5. Die theologischen Büchereien. Die öffentlichen Bibliotheken verfügen über keine theologischen Werke. Aber die Geistlichen Institute, insbesondere die Leningrader Geistliche Akademie, sind dankbar, daß ihnen wichtige Bücherschätze erhalten blieben. Die Leningrader Geistliche Akademie besitzt 120 000 Bände, davon 30 000 deutsche Werke, welche zweidrittel der gesamten dort befindlichen auslandischen Literatur ausmachen. Die deutsche theologische Literatur stammt zur Hauptsache aus der Zeit vor 1914. Die anglikanische und römisch-katholische Literatur ist nach 1945 durch größere Sendungen ergänzt worden. Auch ökumenische Literatur, wohl hauptsächlich in englischer Sprache, wird von der Anglikanischen Kirche geliefert. 6. Lebhaft ist allenthalben das Bedürfnis nach Beschaffung deutscher theologischer Literatur der letzten Jahrzehnte. – Es wird in dem Zusammenhang interessieren, daß Karl Barths „Credo“ ins Russische übersetzt wurde. Von seiner „Dogmatik“ liegt aber bisher nur Band 1 und 2 vor. Vordringlich erscheinen Enzyklopädien, theologische Handbücher und Darstellungen der Entwicklung der evangelischen Christenheit in den letzten Jahrzehnten, ferner alle Literatur über zwischenkirchliche Beziehungen. gez. Schaeder Frankfurt a/Main, den 31. Juli 1954 Sd/W.
45E8. Bericht Benders über die Arbeit des Wehrmachtsseelsorgeausschusses F: EZA Berlin, 2/4096 (O). Bericht an den Rat der EKD über die Arbeit des Ausschusses zur Vorbereitung der Wehrmachtseelsorge. In seiner Sitzung am 7./8. Mai 1953 hat der Rat die Bestellung eines Ausschusses beschlossen, der die grundsätzlichen organisatorischen und personellen Fragen einer ev. künftigen Wehrmachtseelsorge prüfen und planen sollte. Ich habe der Bitte, diesen Ausschuss zu leiten, entsprochen und den Ausschuss, bestehend aus Dekan Dr. Schuster-Fulda, Pfarrer MünchmeyerBethel, Studentenpfarrer Weymann-Tübingen, Dekan Putz-Erlangen und Oberkirchenrat Dr. Heidland-Karlsruhe, Oberkirchenrat Niemeier, Oberkirchenrat Dibelius, Prälat Kunst-Bonn, auf 13. Oktober 1953 nach Hannover zu einer ersten Sitzung zusammengerufen. Es folgten weitere Sitzungen
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am 17. Dezember 1953 (Hannover), am 3.–4.Februar 1954 (Herrenalb) am 10. Mai 1954 in Bonn. Der Ausschuss war einmütig der Überzeugung, dass die Kirche im Fall des Zustandekommens einer Wehrmacht die unaufgebbare Pflicht habe, für ihre Glieder in der Wehrmacht Sorge zu tragen. Die erste Frage, die uns beschäftigt hat, galt der Form, in der diese geistliche Fürsorge geschehen könnte. Der Gedanke, die Wehrmachtseelsorge im Unterschied von ihrer bisheriger Form von der Parochie des betreffenden Standortes aus zu üben, wurde als praktisch undurchführbar, erkannt. Zugleich aber war der Ausschuss bemüht, die Verbindung der Wehrmachtseelsorge mit den Landeskirchen und der EKD möglichst kräftig zu machen, um den geistlichen Gefahren zu begegnen, die eine ganz auf sich selbst gestellte Wehrmachtkirche in sich birgt. Diese Verbindung der Wehrmachtseelsorge mit den Landeskirchen kommt nach Meinung des Ausschusses dadurch am besten zum Tragen, dass die Militärpfarrer auch während ihrer Dienstzeit in der Wehrmacht Pfarrer ihrer Landeskirche bleiben, für die als normal angesehene Zeit von 5 Jahren von ihren Landeskirchen beurlaubt, vom Staat auf Vorschlag des leitenden Militärpfarrers-Feldbischof ernannten werden und nach Beendigung ihrer Zeit in den Dienst ihrer Landeskirche zurückkehren. Auf diese Weise steht die Militärseelsorge in einer dauernden Osmose mit den Landeskirchen. Die Militärpfarrer bleiben an den Bekennisstand ihrer Landeskirche und an ihr Ordinationsgelübde gebunden, und durch die Aussicht der sicheren Rückkehr in ihre Heimatkirchen werden sie von einer gewollten oder ungewollten Distanzierung von der Heimatkirche bewahrt. Eben um der inneren und äusseren Entfremdung des Militärpfarrers zu wehren, schlägt der Ausschuss vor, die Dienstzeit des Militärpfarrers, nicht wie zuerst angenommen auf 8, sondern nur auf 5 Jahre zu bemessen. Das geschah auch aus der Erwägung, dass bei einer 5-jährigen Verpflichtung unsere Amtsbrüder sich leichter zur Übernahme eines Militärseelsorgedienstes entschliessen könnten als bei einer 8-jährigen Dienstzeit. Dass gemeindliche Amtserfahrung unerlässlich ist, hat den Ausschuss zu dem Vorschlag bewogen, das Mindestalter der Militärpfarrer auf 30 Jahre festzusetzen. Dass ein höheres Einstellungsalter als 40 Jahre untunlich ist, hängt mit den besonderen Erfordernissen der Militärseelsorge zusammen. Der Ausschuss ist bei seinen Überlegungen immer wieder zu der Erkenntnis gekommen, dass die Militärseelsorge, wie sie auch technisch organisiert werden mag, damit steht und fällt, dass für den Dienst an der soldatischen Jungmannschaft unseres Volkes rechte, innerlich und äusserlich geeignete Pfarrer sich bereit finden und von den Landeskirchen zur Verfügung gestellt werden. Wenn uns gesagt worden ist, dass bei der Dienststelle Blank schon etwa 150 Meldungen von Pfarrern für die künftige
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Militärseelsorge vorliegen, so deutet das nach Meinung des Ausschusses nicht daraufhin, dass das geeignete Leute wären. Der Gedanke an eine organische Verbindung der Militärseelsorge mit den Landeskirchen, resp. der EKiD, hat auch Vorstellungen über die organisatorische Form der Militärseelsorge beherrscht. Einmütigkeit bestand im Ausschuss darüber, dass die Militärseelsorge einer Leitung bedarf, deren Spitze um der Kontinuität der Sach- und Personalkenntnis willen ihr Amt auf Lebenszeit innehaben soll: wir nennen diese Spitze behelfsmässig, und ohne die endgültige Bezeichnung damit vorwegzunehmen, den Feldbischof. Über diesen leitenden Amtsträger der Militärseelsorge hat der Ausschuss folgende Bestimmungen aufgestellt: 1) Der Feldbischof wird auf Vorschlag des Rates der EKD vom Staat auf Lebenszeit ernannt. Der Staat ist nicht befugt, den Vorschlag des Rates abzuweisen. Scheidet der Feldbischof vorzeitig aus seinem Amt, so obliegt der EKD die Sorge für seine Verwendung und Versorgung. 2) Der Feldbischof hat das Recht, unmittelbare Verhandlungen mit den leitenden Stellen des Staates zu führen. 3) Der Feldbischof ist berufenes Mitglied der Synode der EKD und der Kirchenkonferenz (West). 4) Der Feldbischof erstattet dem Rat der EKD auf dessen Wunsch Bericht über die Militärseelsorge, wie er dem Rat in allen Fragen der Militärseelsorge verantwortlich ist. Um die ständige Fühlung zwischen Rat und Feldbischof zu gewährleisten, hat der Feldbischof das Recht des Immediatvortrags beim Rat. 5) Der Feldbischof bedarf zu seiner Amtsführung des Vertrauens der EKD. Dieses Vertrauen gilt als entzogen, wenn eine entsprechende Feststellung vom Rat und von der Kirchenkonferenz mit 2/3 Mehrheit getroffen wird. In diesem Fall soll der Staat sich verpflichten, den Feldbischof abzulösen und auf Vorschlag des Rates einen Nachfolger zu ernennen. 6) Der Feldbischof führt die Dienstaufsicht über die Militärpfarrer aller Wehrmachtteile. Er ist befugt: a) Die Landeskirchenleitungen um Vorschläge für geeignete Pfarrer zu bitten; b) nach Fühlungnahme mit den zuständigen Landeskirchenleitungen Verhandlungen mit den in Aussicht genommenen Pfarrern einzuleiten; c) mit Zustimmung der Landeskirchenleitungen Militärpfarrer zu berufen; d) Militärpfarrer zu versetzen; e) Disziplinarverfügungen zu erlassen; f) Militärpfarrer vom Amt zu suspendieren; g) Die Landeskirchenleitungen um Rückberufung eines Militärpfarrers
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und gegebenenfalls um Einleitung eines Disziplinarverfahrens zu ersuchen. Dem Feldbischof soll ein Feldbischofsamt zur Seite stehen, das von 2 theologischen Referenten im Rang und Gehalt eines Oberkirchenrats und 1 juristischen Referenten im Rang eines Oberregierungsrates gebildet wird. Die theologischen Referenten werden auf 8 Jahre in ihr Amt berufen, wobei die Verlängerung ihrer Amtszeit möglich sein soll. Für ihre Verwendung und Versorgung beim Ausscheiden hätte die zuständige Landeskirche zu sorgen. Der juristische Referent im Feldbischofsamt soll möglichst aus dem Kreis der Kirchenjuristen gewählt werden; bei seinem Ausscheiden obliegt Verwendung und Versorgung der EKD. Die Aufgaben der theologischen Referenten sind: des 1. Referenten: Unterstützung und Vertretung des Feldbischofs bei seinen Verhandlungen mit Staat und Kirchenleitungen; zugleich Personalreferent; des 2. Referenten: Unterstützung und Vertretung des Feldbischofs in der unmittelbaren Ausrichtung der Militärseelsorge (z. B. Abhaltung von Militärseelsorgekonferenzen und Arbeitstagungen). Noch nicht geklärt ist – das sei an dieser Stelle gesagt – der Status der Militärpfarrer. Der Militärpfarrstand stellt auf jeden Fall einen Stand sui generis dar, der sich sowohl vom Offiziersstand wie vom Beamtenstand unterscheiden soll. Sollte aus fiskalischen Gründen die Wehrmacht einen besonderen Status der Militärpfarrer nicht akzeptieren, so wäre die Überführung der Militärpfarrer in den europäischen Angestelltenstatus zu erwägen. Auf jeden Fall aber soll zur Dotierung des Militärpfarrers eine ausreichende Dienstwohnung gehören. Dieser Wunsch steht im Zusammenhang mit der Forderung, die die EKD schon bei der Aufstellung der Streitkräfte erheben muss, dass nämlich für die Familien der verheirateten Wehrmachtsangehörigen, vor allem auch in den Militärlagern, Wohnungen bereitgestellt werden sollen, um die Gefahren längerer Trennung der Familien nicht erst aufkommen zu lassen. Neben dieser Konstruktion der Spitzengliederung der Militärseelsorge wurde vom Ausschuss noch eine zweite erwogen, auf die die Dienststelle Blank wohl unter dem Eindruck des katholischen Vorschlags hingewiesen hat und hinweist. Nach diesem zweiten Vorschlag sollte der leitende Geistliche (Feldbischof) nicht in das militärische Gefüge eingebaut werden, sondern ausserhalb stehen. Es würde dann der Rat einen leitenden Amtsträger der EKD mit dem Feldbischofsamt betrauen, der den militärischen wie den politischen Stellen gegenüber eine grössere Unabhängigkeit hätte wie der leitende Amtsträger der Militärseelsorge innerhalb des militärischen Gefüges. Der Ausschuss macht darauf aufmerksam, dass die SPD und FDP zur Lösung 1) neigt aus der Sorge vor unkontrollierbaren klerikalen Einflüssen
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auf die Wehrmacht. Der Rat sollte möglichst umgehend sich entscheiden, welcher Konstruktion der Leitung der Militärseelsorge er den Vorzug gibt. Dabei ist zu sagen, dass die 2. Lösung der Militärseelsorge vielleicht eine grössere Unabhängigkeit der Leitung verspricht, aber die Gefahr in sich birgt, dem eigentlichen Träger der Verantwortung, dem leitenden Militärpfarrer das Gewicht nimmt, dessen er in der täglichen Auseinandersetzung mit militärischen Dienststellen etwa in der Frage der Versetzung der Militärpfarrer bedarf. Sollte sich der Rat für die Lösung 2) entscheiden, die auf jeden Fall mit der katholischen konform geht, dann wäre es gut, wenn der Bevollmächtigte, Prälat Kunst, alsbald damit beauftragt würde, mit der SPD und FDP Fühlung aufzunehmen und festzustellen, ob diese Parteien mit Lösung 2) einverstanden wären. Auf jeden Fall bittet der Ausschuss den Rat, die Frage des „Feldbischofs“ bezw. Militärgeneralvikars bald zu lösen, damit rechtzeitige Einschaltung in die Vorbereitung der Militärseelsorge bei der Dienststelle Blank mit Gewicht möglich ist und die notwendig werdenden Verhandlungen mit militärischen und politischen Stellen zentral geführt werden. Eine Frage, die den Ausschuss stark bewegt, ist die Frage des sogenannten „lebenskundlichen Unterrichts“. Nach den Ausführungen, die Graf Baudissin von der Dienststelle Blank dem Ausschuss auf seiner letzten Sitzung vom 10 Mai 1954 in Bonn über die innere Struktur einer neuen Wehrmacht gemacht hat, wird die staatsbürgerliche Erziehung neben der eigentlichen militärischen Ausbildung eine gewichtige Rolle spielen. Innerhalb der militärischen Stellen bestehen verschiedene Meinungen darüber, wer diesen „lebenskundlichen Unterricht“ erteilen soll. Manche wollen, dass der militärische Einheitsführer selbst auch diesen Unterricht übernehmen soll im Interesse der Einheitlichkeit der Gesamterziehung des jungen Soldaten; andere meinen, dass die Militärpfarrer daran beteiligt werden können, aber gleichsam unter Verantwortung und Leitung der Einheitsführer. Es gibt aber auch Stimmen, die sagen, dass für den „lebenskundlichen Unterricht“ die meist jungen Einheitsführer einfach nicht ausgerüstet sind, dass es aber auch nicht angehe, dem Militärpfarrer vorzuschreiben, was er sagen soll, sondern dass den Militärpfarrern beider Konfessionen dieser „lebenskundliche Unterricht“ anvertraut werden soll, freilich soll dieser Unterricht für alle Angehörigen einer Einheit gegeben werden ohne Rücksicht auf die Konfession oder Weltanschauung; er solle sich darum auf den Raum des Ethischen beschränken und nicht dogmatisch abgezweckt sein. Der Ausschuss ist sich der Problematik einer Beauftragung mit einem so definierten lebenskundlichen Unterricht durchaus bewusst geworden und weiss, dass die ethische Frucht nicht von ihrer dogmatischen Wurzel gelöst werden kann. Wenn der „lebenskundliche Unterricht“ zu einer Verleug-
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nung des allem Christenleben zu Grunde liegenden Glaubens führen würde, dann müsste auf ihn verzichtet werden. Der Ausschuss war aber mit Ausnahme Br. Münchmeyers der Meinung, dass der Versuch gemacht werden müsste, wie er beim Labour Service und bei den Grenzschutzeinheiten gemacht und positiv bewertet wird. Der Ausschuss glaubt, dass die Frage der Gestaltung des „lebenskundlichen Unterrichts“ in der Praxis leichter ist, als es den Anschein hat. Auf jeden Fall würde der „lebenskundliche Unterricht“ – da die Beteiligung am Gottesdienst völlig freigestellt sein wird – den Militärpfarrern die einzige Möglichkeit geben, zu allen Gliedern ihrer Einheit zu sprechen und auf diesem Weg vielleicht, da und dort einen Entfremdeten locken, im Gottesdienst „mehr von diesem Mann“ zu hören. An Hand praktisch ausgeführter Beispiele des „lebenskundlichen Unterrichts“ will der Ausschuss in seiner nächsten Sitzung sich darüber zu vergewissern suchen, ob ein solcher Unterricht von einem evangelischen Militärpfarrer ohne Gewissensnot verantwortet werden kann. Die letzte Entscheidung in dieser Frage muss die Kirche dann treffen, wenn der Staat sich seinerseits dafür entschieden hat, die Militärpfarrer um diesen Unterricht zu bitten, wenn – das muss im Vertrauen gehört werden – die Dienststelle Blank, d. h. wohl Blank selber, für den lebenskundlichen Unterricht auf „dogmatische Neutralität“ oder Abstinenz drängt, so deshalb, um abzuwehren, dass andere weltanschauliche oder parteipolitische und gewerkschaftliche Kreise den Zutritt zu dem Unterrichtsraum verlangen. Auf keinen Fall sollte nach Meinung des Ausschusses die Kirche von sich aus auch um die Erteilung des „lebenskundlichen Unterrichts“ bemühen, sondern warten, ob man sie darum bittet; dann aber wissen, ob sie diese Bitte erfüllen kann oder ablehnen zu müssen meint. Der Ausschuss ist, wie ich sagte, mit Ausnahme von Br. Münchmeyer der Meinung, dass der „lebenskundliche Unterricht“ gewagt werden solle, wenn er angeboten wird. Dieser Unterricht darf unter keinen Umstanden eine Verlängerung des militärischen Chefunterrichts darstellen, sondern muss ein Teil und Verlängerung der kirchlichen Verkündigung sein. Auf Einzelheiten über die Gliederung der Militärseelsorge, über Gehaltsfragen u. a. kann ich wohl bei meinem Bericht verzichten, vor allem, weil hier auch alles erst in der Planung begriffen ist. Aber eine Reihe von Einzelfragen hat der Ausschuss beraten: die Frage, wer den Militärgemeinden angehören soll, wird vom Ausschuss dahin beantwortet, dass ihr wie früher alle Wehrpflichtigen während der Dauer ihrer Dienstzeit sowie alle Berufssoldaten und Wehrmachtsbeamten mit ihren Familien angehören sollen. Ob die Angehörigen der Militärgemeinden Kirchensteuerfreiheit geniessen sollen, ist von den Mitgliedern des Ausschusses nicht einmütig beantwortet worden; der Ausschuss hat beschlossen, die Konferenz der landeskirchlichen Finanzreferenten um einen Vorschlag über die Handhabung dieser Frage zu bitten.
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Eine andere Einzelfrage ist die Frage, ob der Militärgeistliche Uniform tragen soll oder nicht; auch hierin ist der Ausschuss noch nicht zu einer klaren Einmütigkeit gekommen. Die meisten Mitglieder halten das Uniformtragen des Militärpfarrers aus vielen Gründen für geboten, nur muss sich die Uniform deutlich von der Offiziersuniform unterscheiden. Da in der Dienststelle Blank die Fragen der Befreiung der Geistlichen vom Wehrdienst und die Zurückstellung der Theologiestudenten vom Wehrdienst behandelt und von den Kirchen beantwortet werden sollen, hat der Ausschuss auf seiner Sitzung 3./4. Februar d. Js. auch ohne besonderen Auftrag des Rates diese Fragen in den Kreis seiner Beratungsgegenstände einbeziehen zu sollen geglaubt. Er teilt dem Rat seine einmütige Meinung mit, dass im Interesse der Ausrichtung des Wortes Gottes und des seelsorgerlichen Dienstes von Front und Heimat ordinierte Pfarrer nicht zum Wehrdienst verpflichtet sein sollen, die Militärseelsorge aber von dieser Bestimmung nicht berührt sei, weil die Militärseelsorge nicht als Wehrdienst im eigentlichen Sinne anzusehen ist. Dagegen ist der Ausschuss der Meinung, dass Theologiestudenten wie alle anderen Glieder unseres Volkes zu behandeln seien, und eine Zurückstellung vom Wehrdienst für sie nicht in Betracht komme. Die Frage der gottesdienstlichen Räume scheint bei der Dienststelle Blank zu dem Vorschlag zu führen, aus Gründen der Kostenersparnis den beiden Kirchen simultane gottesdienstliche Räume vorzuschlagender Ausschuss hat dazu zu sagen: Die beste Lösung sind konfessionseigene Gottesdiensträume; wo diese Lösung nicht möglich ist, sollte die Ermietung kirchlicher Räume ins Auge gefasst werden. Die dritte und vermutlich einzige Lösung ist die simultane Benützung besonders zu erstellender gottesdienstlicher Räume. Zwei Fragen hat der Ausschuss als besonders wichtige angesehen: Die Frage der Beteiligung der Freikirchen an der Militärseelsorge und das Verhältnis der Militärseelsorge zu den Werken (CVJM und Männerwerk) mit ihren Bemühungen um die Soldaten. Zur ersten Frage ist der Ausschuss der einmütigen Meinung, dass die Freikirchen nicht unter Berufung auf ihre Zugehörigkeit zur Arbeitsgemeinschaft der christlichen Kirchen den Anspruch erheben können, über ihren prozentualen Anteil an den Wehrmachtsangehörigen an der Militärseelsorge beteiligt zu werden. Pfarrer der Freikirchen sollen nicht in geschlossenen Einheiten, sondern gleichsam als Diasporapfarrer für die Glieder ihrer kirchlichen Gemeinschaften eingesetzt werden. Dabei sollen die Militärseelsorger der Einheiten verpflichtet sein, soweit ihnen Kenntnis von freikirchlichen Soldaten ihrer Einheit geworden ist, diese an die nächste Ortsgemeinde ihrer Kirche zu weisen. Wichtig scheint dem Ausschuss, dass der Rat bald sich mit dem Jungmännerwerk dahin ausspricht, damit eine mögliche Koordinierung aller
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seelsorgerlichen Arbeit angestrebt und ein Neben- oder gar Gegeneinander vermieden wird. Das Jungmännerwerk hat bereits eine Kommission für Militärseelsorge und Kriegsdienstverweigerung eingesetzt unter dem Vorsitz von Pastor Danne[n]mann. Zuletzt noch ein Wort zur rechtlichen Grundlegung der Militärseelsorge. Die Frage, ob die Regelung der Militärseelsorge durch den Rat der EKD, bezw. einen Vertrag der EKD mit dem Staat erfolgen könne, wurde durch ein Gutachten des kirchenrechtlichen Instituts69 dahin beantwortet, dass die Möglichkeit von evangelischen Kirchenverträgen mit ausländischen Staaten und supranationalen Organisationen aus der Gleichartigkeit der rechtlichen Relationen des Staates zur katholischen und zu den evangelischen Landeskirchen zu folgern sei, dass sich die Zuständigkeit der EKD aus Art. 19 Satz 1 der Grundordnung70 ergebe, und dass zuständiges Organ der Rat ist. Diese Rechtslage schliess aber nach Meinung des Ausschusses nicht aus, dass die Westkirchenkonferenz mit den Fragen bekannt gemacht werden muss, die in Sachen der Wehrmachtsseelsorge auf sie zukommen. Wenn auch der Abschluss des Vertrags über die Gestaltung der Wehrmachtseelsorge Sache des Rates ist, so hängt doch die faktische Entwicklung dieser Arbeit von dem geistlichen Verständnis und der inneren Willigkeit der Landeskirchen, ihrer Gemeinden, ganz besonders aber ihrer Pfarrer und Kirchenleitungen ab. Es hat auch im Ausschuss Stimmen gegeben, die gemeint haben, dass man sofort hätte mit der Orientierung vor allem unserer Pfarrer beginnen sollen. Die politische Entwicklung aber hat denen recht gegeben, die hier zum Warten geraten haben. Noch ist politisch alles in der Schwebe, was gestern als unmittelbar bevorstehend angesehen wurde. Es ist Aufgabe des Rates, den Zeitpunkt zu bestimmen, an dem unsere Kirchen, unsere Gemeinden und unsere Pfarrerschaft mit der Aufgabe der Militärseelsorge konfrontiert werden. D. Bender [m. p.]
69 KRI Göttingen, Sammlung von Gutachten, Nr. 67. 70 ABlEKD 1948, Nr. 5 vom 15. Juli 1948, S. 111.
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45E9. Schreiben Niemöllers an den Ratsvorsitzenden. Wiesbaden, 6. Juli 1954 F: EZA Berlin, 4/46 (Abschrift). Sehr verehrter Herr Bischof, lieber Bruder Dibelius! Aus dem Protokoll der letzten Ratssitzung, an der ich nicht teilnehmen konnte, ersehe ich, daß das Kirchliche Außenamt beauftragt wurde, für die nächste Ratssitzung einen Vorschlag vorzulegen, betr. Zusammensetzung des Kirchlichen Außenamtes. Als Leiter des Kirchlichen Außenamtes kann ich dazu nur unterstreichen, was Sie laut Protokoll zu der Angelegenheit ausgeführt haben, und was auch ich früher bereits vertreten habe, daß nämlich eine Veränderung in der Zusammensetzung des Kirchlichen Außenamtes nur erfolgen kann, wenn die Stellen vermehrt werden bezw. wenn eine Stelle frei wird. Da weder mit dem einen noch mit dem anderen in absehbarer Zukunft zu rechnen ist, kann ich vom Kirchlichen Außenamt aus einen Vorschlag nicht machen. Ich erlaube mir aber außerdem darauf hinzuweisen, daß die betr. Bestimmung im Text des Gesetzes71 mir zwar vollkommen genehm ist, und daß ich sie persönlich auch – sowohl in den Ausschuss-Beratungen wie auf der Synode – unterstützt habe, aber die entsprechende Fassung des Gesetzes ist von Seiten der VELKD angeregt, vertreten und gefordert worden; m. E. ist es deshalb auch Aufgabe der VELKD, einen entsprechenden Vorschlag zur Durchführung dessen zu machen, was sie sich bei diesem Vorschlag gedacht hat. Ich erwarte also Ihre weiteren Anweisungen als Ratsvorsitzender, damit ich meinerseits eine entsprechende Vorlage für den Rat zu machen in der Lage bin. Mit freundlichen Grüßen Ihr Niemöller
71 Gemeint ist § 28 des „Kirchengesetzes über das Verhältnis der Evangelischen Kirche in Deutschland und ihren Gliedkirchen zu evangelischen Kirchengemeinschaften und Gemeinden, Pfarrern und Gemeindegliedern deutscher Herkunft außerhalb Deutschlands“ (ABlEKD 1954, Nr. 4 vom 15. April 1954, S. 113): „Die Ordnung des Kirchlichen Außenamtes hat die bekenntnismäßige Gliederung der Evangelischen Kirche in Deutschland zu berücksichtigen“.
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45E10. Vertraulicher Vermerk Krüger-Wittmacks über ein Telefonat mit Pfarrer Semler. Frankfurt/M., 16. Juni 1954 F: EZA Berlin, 6/732 (D). Es ruft gegen 11.00 Uhr Pfarrer Semler, z. Zt. Mainz (Telef. Nr. Mainz 4516), an und teilt folgendes mit: Am Freitag letzter Woche hat ihn Pfarrer Boegner kommen lassen und ihm im Auftrage des franz. Innenministeriums mitgeteilt, er Semler, habe Paris und Frankreich zu verlassen; er möge den Zeitpunkt seiner Abreise und des Verlassens des franz. Bodens amtlich mitteilen. Gründe für diese Massnahme sind nicht gegeben worden. Pfarrer Semler hat sich offenbar mit Pfarrer Boegner sehr offen darüber unterhalten, welchen Eindruck dieser Schritt machen werde, und ob Boegner es verstehe, wenn ohne seine Einschaltung die Deutsche Botschaft von dieser Sache unterrichtet werde und sich für sein Verbleiben verwende. Pfarrer Boegner hat sich dafür durchaus aufgeschlossen gezeigt. Die Deutsche Botschaft hat inzwischen mit dem Quai d’Orsay Fühlung genommen. Im franz. Aussenministerium ist man über die Dinge offensichtlich bestürzt, will die Akten einfordern und bis Freitag Herrn v. Walther Nachricht geben, wie die Bemühungen des Quai d’Orsay wegen des Verbleibens von Pfarrer Semler in Paris ausgegangen sind. Pfarrer Semler ist vom Aussenministerium verpflichtet worden, auch den Gottesdienst am kommenden Sonntag zu halten – die Gemeinde soll von der Ausweisung nichts erfahren. Semler bittet, dass das K. A. am Freitag nachmittag bei Herrn v. Walther in Paris telefonisch nach dem Erfolg der Bemühungen des Quai d’Orsay beim Innenministerium anfragt; er selbst beabsichtigt, am Sonnabend oder spätestens in der Nacht vom Sonnabend zum Sonntag zur Abhaltung des Gottesdienstes nach Paris zurückzukehren. Er befürchtet dabei keine Schwierigkeiten weder an der Grenze noch in Paris – auch nimmt er an, dass sich die ganze Angelegenheit durchaus friedlich beilegen wird. Semler meint, dass der ganze Ausweisungsschritt mit dem in Paris als sicher angenommenen Rücktritt der Regierung zusammenhängt. Besonders der Innenminister wird stark angefeindet. Offenbar wollte er sich wegen der Eigentumsfreigabe den Rücken frei halten. Wie Pfarrer Semler mitteilte (ob er das von Boegner oder dem franz. Aussenministerium hat, weiss ich nicht), ist die Frage der Benutzung der Christuskirche eine solche der Rückgabe von Feindeigentum, die der Beschlussfassung des franz. Kabinetts unterliegt. Boegner hat Semler wissen lassen, dass die Ausweisung gekoppelt ist mit dem Verbot, dass das K. A. künftig einen neuen deutschen Geistlichen nach Paris schickt. Offenbar will man wegen der Regierungskrise auf
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diese Weise jede Möglichkeit inhibieren[,] über die Rückgabe der Christuskirche überhaupt eine Entscheidung zu treffen. Semler rechnet allgemein auch mit weiteren Schwierigkeiten wegen der Freigabe der Christuskirche. Wie er meint, hat man lediglich die Frage der Rückgabe als Grund des Verbots angenommen, um diese will man herumkommen. Die Regierungskrise war dazu der äussere Anlass, die Ausweisung auszusprechen, mit der man am bequemsten um jede weitere Diskussion einer Rückgabe des Feindeigentums herumzukommen hofft. Ich habe Pfarrer Semler von der Notwendigkeit überzeugt, dass sofort Kirchenpräs. D. Niemöller und Vizepräs. Stratenwerth unterrichtet werden müssen. Auch habe ich ihn wissen lassen, dass er nach Maßgabe der Leitung des K. A. für Sonnabendmorgen zu der in Wiesbaden stattfindenden Referentenbesprechung noch gerufen werden wird. gez. Krüger-Wittmack
45E11. Schreiben Semlers an das Kirchliche Außenamt. Mainz, 18. Juni 1954 F: EZA Berlin, 6/732 (O). Betr. Genehmigung der in der Christuskirche-Paris stattfindende Gottesdienste. Am 12. Mai 1954 teilte der Präsident der Féderation Protestante de France, Pfarrer Marc Boegner, dem Unterzeichneten schriftlich mit, dass die Gottesdienste bis Pfingsten genehmigt seien. Pfarrer Semler möge bis Pfingsten „ruhig in Paris bleiben“. Er hoffe, vor dem Sommer dem Kirchlichen Außenamt eine Entscheidung auf längere Sicht mitteilen zu können. Am 11. Juni fragte Pfarrer Boegner Pfarrer Friedrich, ob er mich kenne. Die Gottesdienste in der rue Blanche seien vom Innenministerium nicht mehr genehmigt worden. Pfarrer Semler müsse Paris verlassen. Nachdem Pfarrer Friedrich mir dies mitgeteilt hatte, meldete ich mich sofort bei Herrn Boegner an. Bei meinem Besuch eröffnete er mir, dass das Innenministerium nicht dazu in der Lage sei, die Genehmigung zu verlängern. Der Directeur des Cultes habe ihm bei seiner telefonischen Anfrage geantwortet, dass die weitere Genehmigung der Gottesdienste durch den Innenminister persönlich erteilt werde müsse. Der Innenminister könne sich aber aus naheliegenden Gründen (Regierungskrise) im Augenblick mit dieser Frage nicht befassen. Der Innenminister habe sich die Erteilung der Genehmigung persönlich vorbehalten. Da sie ja schliesslich die Rückgabe eines grösseren Vermögenswertes einleite und da dadurch ein Präzedenzfall geschaffen werden könne, müsse diese Angelegenheit „im Schoss des Kabi-
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netts“ beraten werden. Das sei natürlich augenblicklich nicht möglich. Die Gottesdienste müssten auf jeden Fall sofort eingestellt werden, das Kirchliche Aussenamt dürfe auch keinen anderen Pfarrer schicken. Ich stellte daraufhin drei Fragen: 1.) Ob die Genehmigung nicht auch aus aussenpolitischen Gründen zurückgezogen werde. 2.) Ob nicht am Ende auch kirchliche Interessen zum Entzug der Genehmigung geführt hätten. 3.) Ob es an meiner Person liege. Auf alle drei Fragen wurde mit einem entschiedenen Nein geantwortet. Bei der dritten Antwort fügte Herr Pfarrer Boegner hinzu, dass das Innenministerium mich wohl nur durch seine Bürgschaft kenne und dass er volles Vertrauen zu mir habe. Er bedaure es deshalb auch, dass er mir diese Mitteilung machen müsse. Er hoffe, dass er mich in Paris wiedersehe. Die Gottesdienste würden aber sicher nicht vor dem Herbst genehmigt. Ich sagte ihm, dass sich die Gemeinde am kommenden Sonntag ja nun zum Gottesdienst zusammenfinden werde. Davon wollte er offiziell nichts wissen. Ich bat ihn um Rat, in welcher Form und mit welcher Begründung der Gemeinde die Einstellung der Gottesdienste erklärt werden könne. Er meinte, da wisse er auch keinen Rat; das müsse ich schon selber wissen. Ich fragte ihn, ob er es verstehe, wenn das Kirchliche Aussenamt auf einem anderen Wege die Genehmigung der Gottesdienste zu erreichen versuche. Er meinte, dass dies unsere Pflicht sei und dass wir es jetzt wohl über Bonn versuchen müssten. Er vergewisserte sich noch, wann ich abreisen werde und entliess mich mit guten Wünschen. Herr Botschaftsrat von Walther, dem ich dies alles sofort berichtete, setzte sich sogleich mit dem Quai d’Orsay in Verbindung. Es wurde ihm eine Rückfrage bei dem Innenministerium zugesichert. Ich solle ruhig noch den nächsten Gottesdienst halten und der gemeinde nichts von dem Ablauf der Genehmigung sagen. Nach einigen Tagen werde Herr von Walther eine genaue Auskunft erhalten. Der Gottesdienst des 13. Juni konnte unbehindert, ohne Beobachter, in gewohnter Weise stattfinden. Chr. Semler [m. p.]
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46 Hannover, 1. Oktober 1954 Ort: Beginn: Ende: Teilnehmer:
Protokollant:
Hannover: Kirchenkanzlei der EKD, Böttcherstr. 7. Freitag, 1. Oktober 1954 (9.00 Uhr). Freitag, 1. Oktober 1954 (20.00 Uhr). Dibelius, Hahn, Haug, Heinemann, Herntrich, Lilje, Mager, Meiser, Niesel, Smend. Von der Kirchenkanzlei: Brunotte, Karnatz. Vom Kirchlichen Außenamt: Stratenwerth. Der Bevollmächtigte der EKD am Sitz der Bundesrepublik Deutschland: Kunst. Der Bevollmächtigte der EKD bei der Regierung der DDR: Grüber. Als Referent: Bender. Brunotte.
46A Vorbereitung der Sitzung 46A1. Schreiben des Ratsvorsitzenden an die Ratsmitglieder. Berlin, 2. August 1954 F: NL Smend (D). In unserer nächsten Sitzung wird Oberkirchenrat von Staa einen kurzen Bericht über den Stand der Bibelrevision geben. Er wird dabei eine bestimmte Frage stellen, von der die Revisionskommission wünscht, daß sie vom Rat klar und präzise beantwortet werden möchte. Es handelt sich um die Frage, ob bei der jetzigen Revision der Lutherbibel im Neuen Testament das Wort „Ostern“ stehen bleiben oder durch das Wort „Passah“ ersetzt werden soll. Ein Blick in die Konkordanz genügt, um die Tragweite dieser Entscheidung klarzumachen. Die Kommission war sich nicht einig. Wenn nun der Rat entscheiden soll, wird es unerläßlich sein, daß sich wenigstens einige seiner Mitglieder schon vorher darüber Gedanken gemacht haben. Dies ist der Zweck dieser meiner Mitteilung. gez. Dibelius
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46. Sitzung Hannover, 1. Oktober 1954
46A2. Schreiben der Kirchenkanzlei an die Kirchenkanzlei – Berliner Stelle –. Hannover, 3. August 1954 F: EZA Berlin, 4/46 (O). Betr.: Tagesordnung der Ratssitzung vom 1. Oktober 1954 Unter Bezugnahme auf die Besprechung des Unterzeichneten mit Herrn Geheimrat D. Dr. Karnatz am 22. Juli in Berlin teilen wir mir, daß wir zusätzlich folgende Punkte für die Tagesordnung zu nennen haben: a) Stand der Bibelrevision Ratsvorsitzender b) Entwurf eines Disziplinargesetzes der EKD OKR. Dibelius c) Kirchenrechtliches Institut (Personalie) D. Dr. Smend D. Brunotte [m. p.]
46A3. Schreiben der Kirchenkanzlei – Berliner Stelle – an die Ratsmitglieder. Berlin, 15. September 1954 F: EZA Berlin, 2/1756 (H). Die Herren Mitglieder des Rates laden wir im Auftrage des Herrn Vorsitzenden des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland zu einer Sitzung des Rates auf Freitag, den 1. Oktober 1954 9 Uhr ergebenst ein. Die Sitzung soll im Dienstgebäude der Kirchenkanzlei in Hannover-Herrenhausen, Böttcherstr. 7, stattfinden. Quartierwünsche bitten wir an die Kirchenkanzlei in Hannover zu richten. Für die Tagesordnung sind folgende Beratungsgegenstände vorgesehen: 1.) Feststellung der Niederschrift der 45. Ratssitzung vom 24. Juni 1954 D. Dr. Dibelius 2.) Bericht zur Lage D. Dr. Dibelius 3.) Mitteilungen aus der Arbeit der VELKD und der EKU D. Meiser und Dr. Kreyssig 4.) Bericht über die Bibelrevision OKiR von Staa 5.) Besprechung über Zeit, Ort und Hauptthema der nächsten Synode („Kirche und Arbeiterschaft?“) Präses Dr. Dr. Heinemann Präses Mager 6.) Gespräch mit den politischen Parteien OKiR Niemeier
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46A Vorbereitung der Sitzung
7.) Richtlinien über die Reform des theologischen Studiums 8.) Tagung des Kirchlichen Hilfsausschusses für die Ostvertriebenen 9.) Fortsetzung der Beratung über die Frage der Kriegsdienstverweigerung 10.) Angelegenheiten des Kirchenrechtlichen Instituts 11.) Geschäftsordnung für Bonn 12.) Angelegenheiten des kirchlichen Außenamtes
OKiR Niemeier Dr. Kreyssig
D. Kunst D. Dr. Smend D. Brunotte Vpr. Stratenwerth 13.) Beihilfen aus Kapitel III des Ostwährungshaushaltes D. Dr. Karnatz 14.) Verschiedenes D. Dr. Karnatz 46A4. Ergänzungen zur Tagesordnung F: NL Smend (D). 14.) Verschiedenes a) Personalien der Kirchenkanzlei b) Zusammensetzung des Ausschusses für ein Disziplinargesetz c) Zusammensetzung der Eherechtskommission d) Zentralbeschaffungsstelle e) Amtsbrüderliche Hilfe für den Osten f) Zuschußantrag für den Rechtsausschuß in Hemer
D. Brunotte OKR. Dibelius Dr. Dr. Niemeier von Harling D. Brunotte D. Brunotte
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46. Sitzung Hannover, 1. Oktober 1954
46B Protokoll F: EZA Berlin, 2/1797 (H; den Ratsmitgliedern mit Schreiben der Kirchenkanzlei vom 6. Oktober 1954 übersandt). G: Mitschriften 1. Meiser (LAELKB Nürnberg, Meiser 162), 2. Dibelius (BArch Koblenz, N 1439, Nr. 3), 3. Haug (LKA Stuttgart, A 126, 386), 4. Smend (NL Smend). Niederschrift über die 46. Sitzung des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland am 1. Oktober 1954 in Hannover. Anwesend:
Bischof D. Dr. Dibelius Landesbischof D. Dr. Lilje Landesbischof i. R. D. Hahn Landesbischof D. Dr. Haug Präses Dr. Dr. Heinemann Oberkirchenrat D. Dr. Herntrich Synodalpräsident Mager Landesbischof D. Meiser Moderator D. Niesel Professor D. Dr. Smend (nicht anwesend Präses Dr. Kreyssig, Kirchenpräsident D. Niemöller) Von den Amtsstellen: Präsident D. Brunotte Geheimrat D. Dr. Karnatz Vizepräsident Stratenwerth Prälat D. Kunst Propst D. Grüber sowie die Referenten der Kirchenkanzlei (zeitweise) 1. Feststellung der Niederschrift Die Niederschrift der 45. Ratssitzung vom 24. Juni 1954 in München wurde bestätigt. Das zu Ziffer 2 c) eingegangene Schreiben von Kirchenpräsident D. Niemöller vom 14. 7. 19541 wurde dem Ratsvorsitzenden zur persönlichen Besprechung übergeben.
1 In diesem Schreiben hatte Niemöller dagegen Einspruch erhoben, dass – „solange nicht ein einhelliger Beschluss des Rates vorliegt, wonach sämtliche Ratsmitglieder und sämtliche Kirchenführer in Deutschland jede Auslandsreise mit dem Rat abzustimmen haben [. . .] für Reisen zur Russisch-Orthodoxen Kirche [. . .] oder anderen Kirchen irgendwelche
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46B Protokoll
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2. Synode der EKD 1955 Für die erste Tagung der zweiten Synode der EKD wurde die Zeit vom 6. bis 11. März 1955 in Aussicht genommen. Bei der Kirchenleitung in Thüringen soll angefragt werden, ob die Synode in Eisenach stattfinden kann2. Als Thema wurde vorgeschlagen: „Die Kirche und die Welt der Arbeit“. Eine endgültige Festsetzung des Themas soll aber erst in der nächsten Ratssitzung erfolgen3. 3. Bericht zur Lage a) Der Ratsvorsitzende und Landesbischof D. Meiser berichteten über die beim Katholikentag in Fulda vorgenommene „Weihe des deutschen Volkes an das Herz der Gottesmutter Maria“. Der Rat beschloss, nachstehende Erklärung zu veröffentlichen: „Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland hat in seiner Sitzung vom 1. 10. 1954 davon Kenntnis genommen, dass, während die Mehrzahl der Ratsmitglieder an der Weltkirchenkonferenz in Evanston (USA) teilnahm, beim Deutschen Katholikentag in Fulda eine ‚Weihe des deutschen Volkes an das Herz der Gottesmutter Maria‘ erfolgt ist. Der Rat der EKD begrüsste die von Landesbischof D. Meiser abgegebenen Erklärungen4. Er bedauerte die in Fulda verursachte ernste Störung des konfessionellen Friedens, dessen Erhaltung ihm ein aufrichtiges Anliegen ist.“5
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Ausnahmebestimmungen getroffen werden“. Er werde sich an diesbezügliche Regelungen keinesfalls halten (ELAB, 603/B 15). Dies geschah mit Schreiben der Kirchenkanzlei vom 13. Oktober 1954. In einem Brief an Heinemann, der bereits am 2. Oktober 1954 nach der Möglichkeit einer Synodentagung in Thüringen gefragt hatte, antwortete Mitzenheim am 19. Oktober 1954 (47/48E1), dass in Eisenach kein kircheneigener Raum für eine Plenarsitzung der Synode vorhanden sei. Weiterhin wies er darauf hin, dass die Aufenthaltsgenehmigungen für die westdeutschen Synodalen zentral über die Kirchenkanzlei beantragt werden müssten. Auf der Generalsynode der VELKD in Braunschweig (9.–15. Oktober) habe sich zudem gezeigt, dass der Ort der Synode nochmals vom Rat diskutiert werden müsse (beide Schreiben in: EZA Berlin, 2/ 1070). 47/48B2. Noch vor der Weihe am 4. September hatte Meiser an Kardinal Frings ein Telegramm gerichtet und auf die „Beunruhigung“ der protestantischen Bevölkerung durch die in der katholischen Presse angekündigte Aktion hingewiesen. Über das Telegramm hatte die Frankfurter Allgemeine am 4. September nicht ganz zutreffend berichtet. Nach dem Katholikentag erklärte Meiser mit Bezug auf sein Telegramm, der Wortlaut des Weihespruches beziehe auch die Protestanten mit ein. Die sei „unvereinbar mit Gottes Wort“, dem ein Protestant allein verpflichtet sei. Der „Übergriff“ der katholischen Kirche störe nicht nur den konfessionellen Frieden, sondern auch die deutsche Einheit, da ein Großteil der DDRBevölkerung evangelisch sei (J. Beckmann, Zeitgeschichte, S. 110ff.; zur katholischen Reaktion auf Meiser Telegramm vgl. KNA- Informationsdienst, Nr. 37 vom 11. September 1954, S. 8f., S. 15). Dem Landeskirchenvorstand der Evang.-Reformierten Kirche in Nordwestdeutschland
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46. Sitzung Hannover, 1. Oktober 1954
b) Bischof D. Dibelius berichtete über den geplanten Bau einer Kirche in Stalinstadt6. Die Kirchenleitung von Berlin-Brandenburg hat die Hilfe der EKD erbeten7. Es wurde beschlossen, den Hilfswerkausschuss in Stuttgart zu bitten, von den für Frankfurt/Oder eingehenden Geldern dieses Jahres vorschussweise den ersten Bauabschnitt von ca. 350.000,– DM-Ost zu finanzieren und die hierfür abgezweigten Gelder aus der Sammlung des nächsten Jahres an Frankfurt/Oder zu erstatten8. c) Der Ratsvorsitzende sowie die übrigen Teilnehmer an der Weltkirchenkonferenz in Evanston berichteten über den Verlauf und die Ergebnisse der Konferenz9. Es wurde beschlossen:
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teilte Dibelius am 16. Oktober 1954 mit, dass der Rat auf seiner jüngsten Sitzung entschieden habe, Meisers Votum zuzustimmen, da „inzwischen auch auf katholischer Seite allerlei Bemühungen in Gang gekommen“ seien, sich von der Weihe zu distanzieren, und „daß es die Gesamtlage unseres Volkes nicht ratsam erscheinen“ lasse, die konfessionellen Gegensätze zu verschärfen. Der Rat sei sich aber einig gewesen, „daß der ganze Vorgang die äußerste Wachsamkeit“ evangelischerseits erfordere und dass, „wenn ähnliches sich noch einmal ereignen sollte, eine offizielle Antwort der gesamten evangelischen Kirche nicht länger zu umgehen“ sei (ELAB, 603/B 15). Vgl. 44B1. Weihnachten 1953 hatte Dibelius in einer Gaststätte einen Gottesdienst gefeiert und dabei kritisiert, dass Stalinstadt der einzige Ort Deutschlands sei, wo es für bis zu 8000 Einwohner keinen „kirchlichen Raum“ gebe (B. Moritz, Dibelius). Vor der vom 17. bis 22. Mai 1954 tagenden berlin-brandenburgischen Provinzialsynode hatte Dibelius berichtet, dass in Stalinstadt der Bau einer „Kirchenbaracke“ oder einer Kirche verweigert werde, aber bei Niemöllers Besuch habe Nuschke öffentlich erklärt, dass eine evangelische und eine katholische Kirche gebaut werden können. Dazu erklärte Dibelius: „Der Herr Stellvertretende Ministerpräsident wird es aber verstehen, wenn wir mit dem Ausdruck unserer Genugtuung darüber noch zurückhalten“ (ELAB, Synodalprotokolle, 1954, S. 25). Am 13. Juni meldete das Berliner Sonntagsblatt Die Kirche (Nr. 24, S. 6), dass die Zusage zur Erteilung einer Baugenehmigung vorliege, die Gemeinde sofort eine Baracke als Gottesdienstraum errichten dürfe und ein Bauplatz unter maßgeblicher Beteiligung Grübers gefunden worden sei. Vgl. zum Ganzen: H. Bräuer, Jahrzehnte. Ein formaler Antrag ist nicht nachgewiesen. Die Kirchenkanzlei unterrichtete das Zentralbüro des Hilfswerks am 13. Oktober 1954 von dem Ratsbeschluss und bat um dessen Vorlage im Hilfswerkausschuss. Das Zentralbüro erklärte am 30. Oktober, den Antrag dem Hilfswerkausschuss vorlegen zu wollen, der jedoch frühestens im Januar 1955 tagen werde. Somit sei eine Auszahlung im Jahr 1954 nicht mehr möglich. Das Zentralbüro wies weiterhin auf die juristischen Probleme des Ratsbeschlusses hin: zur Umwidmung der Gelder bedürfe es der Zustimmung der Kirchengemeinde Frankfurt/O. und der Spender. Die Kirchenkanzlei – Berliner Stelle – habe jedoch 100000.– DM-Ost als Darlehen zur Beschaffung von Baumaterial zur Verfügung gestellt (alle Schreiben in EZA Berlin, 2/5103). Am 27. November 1954 richtete Kunst zudem einen Beihilfeantrag über 15000.– bis 20000.– DM zugunsten des Kirchenbaus an das Ministerium für Gesamtdeutsche Fragen (EZA Berlin, 87/617). G 1: „Es hat sich nichts Aufregendes ereignet, weder in bezug auf das Wort von Ev[vanston] an die Kirchen im allgemeinen, noch in Bezug auf das Wort über die christliche Hoffnung im besonderen. Auch in bezug auf die internationalen Probleme kam es zu keiner aufsehenerregenden Erklärung. Der Vorschlag, sich auf eine Koexistenz zwischen
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1) Der Rat begrüsste die Wahl seines Vorsitzenden in das Präsidium des Ökumenischen Rates der Kirchen10. 2) Das Kirchliche Aussenamt wurde beauftragt, den Ratsvorsitzenden für die Dauer seiner Mitgliedschaft im Präsidium des Ökumenischen Rates der Kirchen in besonderer Weise von allen wichtigen Vorgängen zu unterrichten, ihm auf seine Anforderung jederzeit mündlich oder schriftlich Bericht zu erstatten und ihn in seinen Aufgaben im Präsidium auf jede Weise zu unterstützen11. 3) Aus den haushaltsplanmäßigen Mitteln von Kap. IV Titel 10 a (Wiesbadener Büro) wurde ein Betrag zur Verfügung gestellt, aus welchem der Kirche von Berlin-Brandenburg das halbe Gehalt für einen ökumenischen Mitarbeiter beim evangelischen Bischof von Berlin erstattet werden soll12. 4) Die Reisekosten für den Ratsvorsitzenden in Sachen des Präsidiums des Weltrates der Kirchen sollen aus Haushaltsmitteln des Kirchlichen Aussenamtes gezahlt werden. d) Präses Dr. Heinemann berichtete über seine Reise nach Moskau im Juni ds. Jrs13. Der Rat nahm davon Kenntnis, dass der Patriarch von
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Christentum und Kommunismus einzurichten, wurde abgelehnt. Deutliche Resolution zur Rassenfrage. Wesentlich: Persönliche Berührung der leitenden Kirchenmänner. Warme und herzliche Atmosphäre. Zum ersten Male haben nicht nur die protestantischen Kirchen, sondern auch die Kirche von England open communion geübt“. Dibelius war in Evanston zu einem der sechs Präsidenten des ÖRK gewählten worden (Evanston, S. 27). Nach G 1 wollte Niemöller an Dibelius’ statt die Wahl von Thaddens erreichen. Über den dem Rat erstatteten Bericht kam es zwischen Dibelius und dem auf der Sitzung nicht anwesenden Niemöller zu einem Disput. Niemöller hatte sich bei Dibelius darüber beschwert, dass dieser den Rat auch darüber informiert hatte, dass Niemöller in Evanston gegen die „sofortige Vornahme der Präsidentenwahl“ Einspruch erhoben hatte. Obwohl Niemöller noch vor Ort Dibelius erklärt hatte, dass die Aktion nicht gegen ihn gerichtet sei, blieb für Dibelius die Tatsache bestehen, dass „ein Ratsmitglied einen Antrag gestellt“ hatte, „der praktisch darauf hinaus lief, statt des Ratsvorsitzenden einen anderen zum Präsidenten zu wählen“ (Brief Dibelius’ an Niemöller vom 27. Oktober 1954, ELAB, 603/B 15). Nach G 1 sollte Dibelius als ÖRK-Präsident „das Recht haben, den Mitgliedern des Außenamtes in ökumenischen Fragen Weisungen zukommen zu lassen“. Am 26. Oktober 1954 hatte sich Dibelius in einem ausführlichen Schreiben an Winterhagers Gemeinde in Schöneberg gewandt und die Umstände seiner Wahl in das Präsidium des ÖRK – eigentlich habe er aus Altersgründen sich aus der ökumenischen Arbeit zurückziehen wollen – erläutert. Dibelius bat den Gemeindekirchenrat, „selbst zu entscheiden, wann und in welcher Form das jetzige Verhältnis gelöst werden“ könne. Die Gemeinde widersetzte sich jedoch diesem Ansinnen und betonte die enge Verbindung mit ihrem Pfarrer. Die Referentenstelle wurde erst am 1. März 1956 mit Winterhager besetzt (Vermerk vom 26. Januar über die Sitzung des Konsistoriums Berlin-Brandenburg am 19. Januar 1956, ELAB, 15/8274). Vgl. 45B2c.
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Moskau den Vorschlag übermitteln liess, der Rat der EKD möge eine Delegation zum Besuch der orthodoxen Kirche in Rußland entsenden. Die Angelegenheit soll in einer späteren Ratssitzung behandelt werden14. e) Der Ratsvorsitzende berichtete über einen durch den stellvertretenden Ministerpräsidenten Nuschke an Propst D. Grüber gerichteten Brief betr. Einladung zum Besuch der Kirchen in der Tschechoslowakischen Republik15. Der Rat beauftragte Propst D. Grüber, dem stellvertretenden Ministerpräsidenten Nuschke mitzuteilen, dass der Rat bereit sei, eine Einladung der evangelischen Kirchen in der ČSR einzunehmen und Persönlichkeiten für eine Delegation zu benennen16. f) Prälat D. Kunst berichtete gegen Ende der Sitzung über seinen Geschäftsbereich in Bonn17. 4. Mitteilungen aus der Arbeit der VELKD18 Landesbischof D. Meiser berichtete ausführlich über die Arbeit der VELKD und deren Verhältnis zur EKU und EKD. Weitere Berichte
14 Vgl. 50B12. 15 Nuschke hatte Grüber am 18. September 1954 brieflich über eine Mitteilung der Botschaft der ČSR an ihn unterrichtet, nach der auf Initiative Hromádkas „eine Delegation von evangelischen Pfarrern aus Westdeutschland und der DDR“ zu einem Besuch in der ČSR eingeladen werden sollte. Nuschke hatte die Information mit der Bitte verbunden, dass ihm Grüber eine Stellungnahme zu der Einladung und eventuell auch schon eine Namensliste zukommen lasse. Grüber hatte das Schreiben Nuschkes am 27. September an Dibelius weitergeleitet. Am selben Tag hatte er auch Nuschke den Eingang des Briefes bestätigt und betont, er halte es für angebracht, „dass die Einladung der Delegation über den Rat der Evangelischen Kirche“ erfolge (GStA Berlin, VI. HA, NL Grüber, Nr. 255). 16 Am 24. November 1954 teilte Dibelius Grüber mit, dass der Rat auf seiner vorletzten Sitzung beschlossen habe, „eine Einladung in die Länder des Ostens nur dann annehmen“ zu können, wenn diese „von der verantwortlich leitenden kirchlichen Stelle“ ausgesprochen werde. In der Grüber am 29. Oktober 1954 von Nuschke übermittelten Einladung sei dagegen nur von der Botschaft der ČSR in Berlin und vom Außenministerium die Rede (Ebd.). Am 30. November 1954 informierte Grüber Nuschke über die Position des Rates. Vgl. auch 49B7 und 50B11. 17 Kunst Bericht war bestimmt von der Analyse der europäischen Politik nach der Ablehnung des EVGVertrags durch die französische Nationalversammlung. Besonderes Gewicht legte er auf die Erklärung der Dekolonialisierungspolitik von Ministerpräsident Mendès-France zugunsten der französischen Wirtschaft, dessen der Europapolitik Adenauers entgegen gesetztes eigenes Europakonzept und den Gegensatz Frankreich-USA. Weiterhin berichtete Kunst über die Fortschritte des Brüsseler Paktes von 1948 und die deutschen Bemühungen um eine Aufnahme in die NATO. Weitere Themen waren u. a. die Affäre um den Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz John und die parlamentarischen Beratungen zum Eherecht (EZA Berlin, 742/1). 18 Vgl. zur Vorgeschichte 44B3a.
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aus anderen Kirchen sollen folgen. Eine Aussprache wurde auf eine spätere Ratssitzung verschoben19. 5. Stand der Bibelrevision20 Der Ratsvorsitzende berichtete, dass die Kommission für das N. T. ihre Arbeit voraussichtlich zu Beginn des Jahres 1955 beenden wird. Präsident D. Brunotte teilte mit, dass der Probedruck des revidierten A. T. durch die Evangelische Hauptbibelgesellschaft in Berlin fast fertiggestellt sei. 6. Gespräch mit den politischen Parteien Auf einen Bericht von OKR Dr. Niemeier und Prälat D. Kunst beschloss der Rat, dass an dem Gespräch, das zunächst mit der SPD geführt werden soll21, die Ratsmitglieder D. Haug, D. Herntrich, D. Lilje und D. Niemöller teilnehmen sollen; ausserdem Propst D. Böhm22 und Prälat D. Kunst23. Der letztere wurde mit den weiteren Vorbereitungen beauftragt24. 7. Reform des theologischen Studiums25 Die Beratung der geplanten Richtlinien musste verschoben werden, da die Mehrzahl der Gliedkirchen noch nicht Stellung genommen hat. 8. Angelegenheiten des Kirchenrechtlichen Instituts a) Prof. D. Smend teilte mit, dass die juristische Fakultät in Göttingen den Wunsch habe, Dr. Hesse zu übernehmen und auch zu bezahlen. Er wird in beschränktem Umfange beim Institut weiter mitarbeiten. Das Institut hat am 1. September einen neuen Hilfsarbeiter, Ref. Steinwender, eingestellt. Der Rat beschloss eine etwaige Gehaltsdifferenz für Dr. Hesse zu übernehmen. Die monatliche Rückzahlung seines Baukostenzuschusses soll weiterlaufen26.
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Der Bericht unterblieb bis zum Ende der Ratsperiode. Vgl. zur Vorgeschichte 41B20, 44B1 und 44B6. Vgl. 41B21 und 44B5. Böhm hatte sich am 2. Juni 1954 brieflich an Dibelius gewandt und erklärt, im Namen des Reichsbruderrates und der Berliner Kirchenleitung mit der SPD „regelmäßig verantwortliche Gespräche“ zu führen. Er bittet daher zu erwägen, ob er nicht an dem Treffen teilnehmen könne, zumal „ja bekanntlich die SPD in Berlin ihre besonderen Nöte“ habe (EZA Berlin, 2/1349, Bl. 14). Auf der Ratssitzung am 10. November 1954 wurde hier noch Mager hinzu gewählt (47/ 48B1). Zum Fortgang vgl. 50B14. Vgl. 45B9 und 47/48B5. Vgl. D. Pöpping/P. Beier, Protokolle 7, 36B12g, S. 232.
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b) Auf Vortrag von Prof. D. Smend erklärte sich der Rat damit einverstanden, dass das Institut für evangelisches Kirchenrecht in Göttingen die weitere Herausgabe der Sehlingschen Kirchenordnungen übernimmt, ohne dass damit die EKD finanziell belastet wird, und mit dem Verlag J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) in Tübingen einen Verlagsvertrag abschließt27. 9. Fortsetzung der Beratung betr. Kriegsdienstverweigerung28 Prälat D. Kunst teilte mit, dass der Gesetzentwurf noch nicht fertiggestellt sei. Er soll den Ratsmitgliedern nach Fertigstellung streng vertraulich zugesandt werden29. 10. Geschäftsordnung für Bonn30 Der Rat genehmigte eine neue Fassung der Geschäftsordnung für Prälat D. Kunst und OKR Ranke in Bonn vom 1. 10. 195431. 11. Angelegenheiten des Kirchlichen Aussenamtes a) Paris32 Der Rat stimmte der Entsendung des Pastors Christoph Dahlkötter in Bielefeld-Brackwede zur Verwaltung des Pfarramts an der deutschen evangelisch-lutherischen Christuskirche in Paris mit Wirkung vom 1. 10. 1954 zu. P. Dahlkötter hat den Auftrag, von diesem Tage an die evangelischen Christen deutscher Herkunft (jedoch nicht solche aus der elsass-lothringischen Kirche) in Paris zu sammeln und kirchlich zu betreuen, sowie binnen eines Zeitraumes von 3 Jahren die Neukonstituierung der deutschen evang.-luth. Gemeinde in Paris
27 Die Bände 1–5 der Edition „Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts“ hatte in den Jahren 1902 bis 1913 der Verlag Reisland in Leipzig veröffentlicht. Band 6,1 unter der Ägide des Kirchenrechtlichen Instituts der EKD erschien dann 1955 in Tübingen im Verlag Paul Siebeck (J. C. B. Mohr). Einen ersten Entwurf für einen Verlagsvertrag vom 27. Juli 1954 hatte von Harling am 7. August überarbeitet. In einem Schreiben vom 15. September 1954 (46D1) hatte Smend sein Anliegen gegenüber Brunotte erläutert und am nächsten Tag schriftlich ergänzt. Am 18. Oktober 1954 sandte Smend den endgültigen Vertrag an Brunotte (alle Schreiben: EZA Berlin, 2/2052). 28 Vgl. 44B12d und 45B6. 29 Dies erfolgte mit Schreiben Kunst vom 8. Oktober 1954. Darin erklärte der Bevollmächtigte, dass er – falls der Rat Einspruch gegen die geplanten Bestimmungen erheben werde – auf der nächsten Ratssitzung um weitere Weisungen bitten werde (NL Smend). 30 Zur vorläufigen Ordnung der Bonner Stelle vom 7./8. März 1950 vgl. A. Silomon, Protokolle 4, 11B14, S. 109f. und 11C3, S. 121–124. 31 Seit Januar 1954 hatten Kunst und Ranke mit der Kirchenkanzlei über eine Modifikation der Bonner Geschäftsordnung verhandelt. Die Neuordnung (46C1) kam dann auf der Grundlage eines Entwurfs von Merzyn vom April 1954 (EZA Berlin, 2/2391) zu Stande. 32 Vgl. zur Vorgeschichte 42B12, 44B8e und 45B8f.
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unter Wahrung ihrer bekenntnismäßigen Tradition in die Wege zu leiten. Nach einem Jahr soll auf Wunsch sowohl des Kirchlichen Außenamtes wie des Pastors Dahlkötter geprüft werden, ob die Voraussetzungen für eine weitere Tätigkeit P. Dahlkötters für den Rest des auf insgesamt 3 Jahre befristeten Auftrages gegeben sind. P. Dahlkötter wurde die in den §§ 12 und 22 des Gesetzes vom 18. 3. 1954 geregelte Rechtsstellung33 für die Dauer seines Auftrages gewährt. Falls die Evang. Kirche von Westfalen ihm die Anwartschaft auf Ruhestands- und Hinterbliebenenversorgung nicht gewährt, wird der Rat die Aufnahme in die Ruhestands- und Hinterbliebenenversorgung der EKD nach § 24, 2 des genannten Gesetzes beschliessen34. Das Landeskirchenamt in Hannover soll gebeten werden, Pastor Peters für einige Wochen oder Monate nach Paris zu entsenden, um Pastor Dahlkötter mit seinen Erfahrungen behilflich zu sein.35 b) Beirut Der Rat stimmte der Entsendung des derzeitigen Hilfspredigers Pastor Gustav-Adolf Kriener in Bochum zur Übernahme der Verwaltung des Pfarramtes der evangelischen Gemeinde zu Beirut auf ein Jahr vom 1. 11. 1954 ab zu36. Falls P. Kriener innerhalb dieses Jahres zum Pfarrer in Beirut auf Zeit – für die Dauer von sechs Jahren vom 1. 11. 1954 ab – gewählt wird, gilt die Bestätigung der Wahl nach § 28 Abs. 2 b in Verbindung mit § 9 b des Auslandsgesetzes vom 18. 3. 1954 hierdurch als erfolgt. P. Kriener wurde die in den §§ 12 bis 22 des obenangeführten [sic!] Gesetzes geregelte Rechtsstellung für die Dauer seines Dienstes in der evangelischen Gemeinde zu Beirut gewährt. Falls die Evangelische Kirche von Westfalen ihm die Anwartschaft auf Versorgung nicht gewährt, soll ihm diese durch die EKD nach § 24, 2 resp. 22 des Auslandsgesetzes gewährt werden.
33 ABlEKD 1954, Nr. 4 vom 15. April 1954, S. 110–113. 34 Der Ratsbeschluss stimmt bis auf Kleinigkeiten mit einem Vermerk des Kirchlichen Außenamtes vom 30. September 1954 überein. Dieser Vermerk wurde mit „der Rat wolle beschließen“ eingeleitet (EZA Berlin, 6/732). Auf der 49. Ratssitzung wurde der auf die Versorgung bezogene Passus geändert in „Falls die Evangelische Kirche von Westfalen . . . nicht gewährt, beschliesst der Rat die Aufnahme von Pastor P. Dahlkötter in die Ruhestands- und Hinterbliebenenversorgung der EKD nach § 24, 2 des genannten Gesetzes“ (49B1b). 35 Über diesen Ratsbeschluss unterrichtete Stratenwerth am 12. Oktober 1954 Botschaftsrat von Walter in Paris und dankte ihm „für alle wertvolle Hilfe, Beratung und Unterstützung“, die er dem Kirchlichen Außenamt und den Pfarrern Semler bzw. Gerber „in den schwierigen neun Monaten dieses Jahres habe zuteil werden lassen“ (EZA Berlin, 6/732). 36 G 1: „Wiederbesetzung seit zwei Jahren gefordert. P. Schneller kann den Dienst nicht mehr versehen. Es sind auch Aleppo und andere Städte zu bedienen. Der Regierung des Libanon ist klar, daß sie das deutsche Eigentum zurückgeben muß“.
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c) Tokio Der Ostasienmissionar Harald Oehler in Tokio wurde für die Zeit vom 1. 7. 1953 bis 30 6. 1956 als Pfarrer der Deutschen Evangelischen Gemeinde in Tokio bestätigt. Das Kirchliche Aussenamt wurde ermächtigt, der Vereinigten protestantisch-evangelisch-christlichen Kirche der Pfalz zuzusagen, dass die EKD im Versorgungsfall den auf seine Amtswirksamkeit an der Deutschen Evangelischen Gemeinde in Tokio entfallenden Anteil an den Versorgungsbezügen gemäß § 17, 3 Auslandsgesetz erstattet. d) Rio de Janeiro Der Rat nahm davon Kenntnis, dass der Diakon Manfred Kühn als Gemeinde-Diakon in die Deutsche Evangelische Gemeinde Rio de Janeiro ausgesandt werden soll. Seine Rechtsverhältnisse sind durch eine Vereinbarung zwischen ihm und dem Kirchenvorstand in Rio de Janeiro, sowie zwischen dem Kirchlichen Aussenamt und der Diakonenanstalt Rummelsberg37 geregelt worden. e) Südamerika Der Pfarrer Edgar Liesenberg, geboren am 13. 8. 1918, Absolvent der Theologischen Schule in Sao Leopoldo, wurde gemäss § 28 Absatz 2b in Verbindung mit § 9 b des Gesetzes vom 18. 3. 1954 im Pfarramt der Gemeinde Rio do Testo, zu deren Pfarrer er am 28. 2. 1954 gewählt und am 2. 5. 1954 eingeführt wurde, bestätigt. Der Pfarrer Erich Alt wurde nach seiner Berufung in das Pfarramt der Gemeinde Bom Retiro (Riograndenser Synode) gemäss § 28 Abs. 2 b in Verbindung mit § 9 b des Auslandsgesetzes vom 18. 3. 1954 als synodaler Geistlicher der Riograndenser Synode anerkannt. Der Pfarrer Stephan Hartnagel wurde nach seiner Berufung in das Pfarramt der Gemeinde Pato-Branco/Parana (Luth. Synode Brasiliens) gemäss § 28 Abs. 2 b in Verbindung mit § 9 b des Auslandsgesetzes vom 18. 3. 1954 als synodaler Geistlicher der Lutherischen Synode Brasiliens anerkannt. Ihm wurde damit Anwartschaft auf Ruhestandsversorgung seitens der EKD gewährt. Die Wahl und Berufung des Pastors Hans Ulrich Schmitt zum Pfarrer der Deutschen Evangelischen Gemeinde Monte Carlo (Missiones) – La Plata Synode – wurde bestätigt. Ihm wurde die in den §§ 12 bis 22 des Auslandsgesetzes geregelte Rechtsstellung gewährt. Er soll gemäß § 24, 2 in die Ruhestands- und Hinterbliebenenversorgung der EKD aufgenommen werden. Die Wahl und Berufung des Predigers Karl Schwittay zum
37 Die Vereinbarungen vom 17. September 1954 und vom 5. August 1954 finden sich in ARBG Rummelsberg, PA Kühn.
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Pfarrer der Deutschen Evangelischen Gemeinde General Alvear, innerhalb der La Plata-Synode, wurde vorbehaltlich der Zusage der Evangelischen Kirche von Westfalen bestätigt. Ihm wurde die in §§ 12 bis 21 des Auslandsgesetzes geregelte Rechtsstellung gewährt. Er soll gemäß § 24, 2 in die Ruhestands- und Hinterbliebenenversorgung der EKD aufgenommen werden. Die Berufung des Pastors [Hans-]Dieter Bluhm als synodaler Pfarrer der Riograndenser Synode innerhalb des Bundes der Synoden in Brasilien wurde gemäss § 28, 2 b und § 9 b des Auslandsgesetzes vom 18 3. 19 54 bestätigt. Ihm wurde die in den §§ 12 bis 24 o. a. Gesetzes geregelte Rechtsstellung gewährt. Ihm wurde damit Anwartschaft auf Ruhestandsversorgung seitens der EKD verliehen38. f) Pfarrer D. Obendiek Das Kirchliche Aussenamt wurde beauftragt, der Gemeinde in Barmen-Gemarke einen Betrag bis zur Höhe von 3.000,– DM aus Haushaltsplanmitteln für die Überführung des in USA tödlich verunglückten Pfarrers D. Obendiek zu zahlen, soweit nicht die Überführungskosten durch eine Versicherung gedeckt sind39. g) Lietzmann40 Der Rat erklärte sich damit einverstanden, dass das Kirchliche Aussenamt für den Maler Lietzmann in Torbole im August und September 1954 je 150,– DM überwiesen hat; für die Zeit vom 1. 10. 1954 bis 31. 3. 1955 soll ein Betrag von je 200,– DM gezahlt werden41. h) Kollekte für das Palästina-Werk42 Der Rat war damit einverstanden, dass die für das Palästina-Werk
38 Vgl. zur Besetzung der Stelle in Südamerika auch C. Häfner, Heimischwerdung, S. 150 und S. 170. 39 Auf den Antrag der Gemeinde Barmen-Gemarke vom 24. September 1954 – 46D2 – folgte eine längerer Debatte über die Kostenerstattung zwischen dem Kirchlichen Außenamt und der Gemeinde, zumal Merzyn am 28. September 1954 gegenüber Johannesson erklärt hatte, die Fahrt, auf der Obendiek verunglückt sei, sei privater Natur gewesen (EZA Berlin, 2/2161). Letzten Enden beantragte der Barmer Kirchmeister Plutte auf der Grundlage des Ratsbeschlusses am 3. November 1954 die Erstattung von 2911,23 DM beim Kirchlichen Außenamt (AEKR Düsseldorf, 2 LR 045, Nr. 332). 40 Vgl. D. Pöpping/P. Beier, Protokolle 7, 39B9a, S. 494, 44B8m und 45D2. 41 Zum Fortsetzungsantrag Gieses, den das Kirchliche Außenamt am 28. September befürwortend an den Rat weiter geleitet und diesen dabei auch über die Zahlungen für die Monate August und September unterrichtet hatte, vgl. 46D3–4. Eine Aktennotiz des Außenamtes zur Ratssitzung enthielt den Hinweis, dass man versuchen solle, den Rat „zur Bewilligung eines Ehrensoldes von entsprechender Höhe auf Lebenszeit“ zu bewegen. Als Begründung wurde angeführt, dass alle Versuche, Lietzmanns Bibelillustrationen neu herauszubringen, gescheitert seien und sich die EKD der Fortführung der begonnenen Unterstützungszahlungen nicht entziehen könne (EZA Berlin, 6/993). 42 Vgl. 46B11h und D. Pöpping/P. Beier, Protokolle 7, 37B11b, S. 314.
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auszuschreibende Kollekte mit einer Empfehlung des Rates versehen wird43. 12. Beihilfen aus Kapitel III44 Auf Vortrag von Geheimrat D. Dr. Karnatz wurden aus Kap. III des Haushaltsplans (Ostwährungsgebiet) folgende Beihilfen bewilligt: 1) Ev. Deutsche Bahnmission 20.000,– DM Ost45 2) Erziehungskammer der EKD 5.000,– "46 3) Ev. Akademie Berlin 5.000,– "47 4) Arbeitssausschuss für Dorfkirchen-Fragen bis zu 2.000,– "48 5) Arbeitsgemeinschaft für religiöse Volkskunde 300,– "49 6) Brandenburger Orgeltage 200.– "50 zusammen = 32.500,– " verbleibender Bestand = 43.900,– " 13. Ausschuss für das Disziplinargesetz51 Oberkirchenrat Dibelius berichtet, dass die vom Rat für diesen Ausschuss in Aussicht genommenen Herren Prof. D. Künneth und Staatsrat Dr. Meinzolt abgesagt haben. Da der Ausschuss gleichwohl noch aus 10 Personen besteht, war der Rat damit einverstanden, dass Neuberufungen nicht erfolgen sollen. Der Ausschuss wird am 26. 10. seine erste Sitzung halten52. 14. Eherechtskommission53 Oberkirchenrat Ranke berichtete über die Arbeit dieser Kommission54. Folgendes wurde beschlossen: a) Die Kommission soll künftig bestehen aus Prof. D. Schumann, Stiftsrat Dr. Dombois, Prof. D. Rengstorf, Prof. Dr. Greeven, Oberkir-
43 Das Empfehlungsschreiben der Kirchenkanzlei vom 1. November 1954 findet sich in EZA Berlin, 2/5861. 44 Vgl. auch 41B12, 42B3, 45B7b, 47/48B8, 50B18. 45 46D5. 46 46D6. 47 46D7. Dem Antrag ging ein Gespräch zwischen Karnatz und Müller-Gangloff voran (Brief Müller-Gangloffs an Karnatz vom 28. September 1954, EZA Berlin, 4/653). Vgl. auch 41B12. 48 Antrag nicht ermittelt. 49 Antrag nicht ermittelt. 50 46D8. Vgl. auch 41B12. 51 Vgl. zur Vorgeschichte 41B17 und 44B7. 52 Zum Fortgang vgl. 49B5. 53 Vgl. zur Vorgeschichte 41B5. 54 Vgl. Rankes Reisebericht vom 1. Oktober 1954 (46E1).
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chenrätin Dr. Schwarzhaupt und Ministerialdirektor Osterloh55. Bei den Sitzungen der Kommission können bis zu drei Sachverständige zugezogen werden. b) Auf Antrag der Eherechtskommission stimmte der Rat der Stellungnahme der Ostkirchenkonferenz zum Eherecht in der DDR56 ausdrücklich zu. c) Der Rat war damit einverstanden, dass die Kommission eine von ihr neuerdings erarbeitete Stellungnahme zu grundsätzlichen Fragen den Bundestagsabgeordneten in Bonn zur Verfügung stellt57. 15. Zentralbeschaffungsstelle58 Oberkirchenrat von Harling berichtete über den Antrag der Firma Th. A. Maier59, einen Teil der Steuerschuld aus dem Jahre 1948 für diese Firma zu übernehmen. Der Rat beschloss, im Rahmen des von der Fa. Th. A. Maier, Hannover, auf Grund des Abkommens vom 24. 9. 194860 als Abfindung für Reichsmarkinvestitionen der EKD über die normale Währungsumstellungsquote hinaus gezahlten Betrages 20.000,– DM zurückzuzahlen, um eine Regelung der Steuerverbindlichkeiten Maiers zu ermöglichen, vorausgesetzt, dass Maier anerkennt, weder auf diese Zahlung noch sonst irgendeinen Rechtsanspruch gegen die EKD zu ha55 Die Eherechtskommission bestand seit dem Jahr 1951 aus Osterloh, Paulsen, Ranke, Rengstorf, Rudolph und Schumann (D. Pöpping/A. Silomon, K.-H. Fix, Protokolle 6, S. 22). Vgl. auch ebd., 33B7, S. 349. In einem Schreiben an Brunotte vom 28. Juli 1954, in dem er über sein Gespräch mit Schumann und Greeven über die Zukunft der Eherechtskommission berichtet hatte, hatte Ranke in Abstimmung mit Schumann als „Teilnehmer der künftig fest umrissenen Eherechtkommission“ noch 12 Personen genannt (EZA 2/4350). 56 46D9–10. 57 Der Beschluss der Eherechtskommission der EKD vom 24./25. September 1954 (46E2) wurden den Bundestagsabgeordneten von Schumann mit Schreiben vom 26. Oktober zugesandt. Seinem Schreiben legte er auch das Votum der Kirchlichen Ostkonferenz (46D10) bei (alle Schreiben in EZA Berlin, 2/4351). Ein undatierter Entwurf findet sich Ebd. Früher als die Abgeordneten hatte Schwarzhaupt ein Exemplar der Stellungnahme erhalten und dann gegenüber Ranke schwere Bedenken gegen Schumanns Schreiben und den Inhalt des Kommissionsbeschlusses erhoben. Sie überlege, ob sie sich nicht mit einem eigenen Brief an die Mitglieder des Bundestages wenden sollte und ob sich nicht der Rat nochmals mit der Angelegenheit befassen sollte. Sie spekulierte, so Rankes Vermutung, auf die Unterstützung Niesels im Rat (Brief Rankes an Brunotte vom 19. Oktober 1954). In Brunottes Antwort an Ranke vom 21. Oktober 1954 kam zwar zum Ausdruck, dass Schwarzhaupts Empörung nachgelassen hatte, von ihrer Seite aber immer noch die Publikation einer eigenen Stellungnahme der evangelischen Frauenverbände drohe. Brunotte plädierte dafür, Schwarzhaupt damit entgegen zu kommen, dass im Begleitbrief an die Abgeordneten die Rolle des Rates bei der Beschlussfassung der Eherechtsreform geringer gewichtet werden solle (beide Schreiben Ebd.) 58 Zur Vorgeschichte vgl. D. Pöpping/P. Beier, Protokolle 7, 38B6, S. 436. 59 46D11. Vgl. auch 46E3–4. 60 EZA Berlin, 2/712.
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ben61. Dem Rat erschien eine solche Rückzahlung gerechtfertigt angesichts des seinerzeitigen Irrtums beider Vertragspartner über die steuerlichen Konsequenzen und angesichts des einseitig für die Kirche vorteilhaften Ergebnisses dieses geschäftlichen Gesamtkomplexes (wenn auch nicht im Sinne einer „ungerechtfertigten Bereicherung“), angesichts endlich des Umstandes, dass der Schaden der Fa. Maier in der Hauptsache durch die Nichtabnahme der für die östlichen Gliedkirchen beschafften Weinmengen seitens der Kirche (wenn auch infolge höherer Gewalt, nämlich der Blockade Berlins) entstanden ist. Da der von Maier seinerzeit gezahlte Betrag gem. Ratsbeschluss vom 11. 9. 195362 dem Sonderanhang A zugeführt worden ist, muss die Rückzahlung zu Lasten von Sonderanhang A erfolgen. 16. Amtsbrüderliche Hilfe für den Osten63 Präsident D. Brunotte berichtete, dass die Anregung der Synode der EKD, die westlichen Pfarrer zu einer finanziellen Hilfe für die Pfarrhäuser im Osten aufzurufen64, den Wunsch einiger Landeskirchen hervorgerufen hat, diese Frage möglichst einheitlich zu regeln65. Der Rat beschloss, dass die westlichen Gliedkirchen anlässlich der Kirchenkonferenz am 11. November 1954 diesen Punkt beraten sollen66. 17. Zuschussantrag für Hemer67 Ein Antrag des Christophorus-Stiftes in Hemer, die 1949 vom Rat angeregte Beratung über das Wesen des Rechtes in einem neuen Ausschuss
61 Am 13. Oktober 1954 bestätigte die Kirchenkanzlei Maier mündlich und schriftlich, dass die EKD ihm auf Grund des Ratsbeschlusses ein Darlehen in Höhe von 20000.– DM gewähre, das er zur Begleichung seiner Steuerschuld verwenden könne. Das Darlehen sei dann an die EKD zurückzuzahlen, wenn er aus der Abwicklung der Geschäfte einen Gewinn erziele. Maier verzichtete am selben Tag auf Ansprüche an die EKD (beide Schreiben EZA Berlin, 2/4650). 62 D. Pöpping/P. Beier, Protokolle 7, 38B6, S. 436. 63 Vgl. 43B3. 64 Berlin-Spandau 1954, S. 289f., vgl. auch oben 44B4a-ee. 65 Die landeskirchlichen Antworten auf die Umfrage der Kirchenkanzlei vom 22. Juni 1954 finden sich in EZA Berlin, 2/2466. Der Hinweis auf den Wusch nach einer einheitlichen Regelung findet sich in einem Schreiben Brunottes an Bender vom 5. Oktober 1954 (Ebd.). Bender hatte eine Diskussion der Frage auf der Westkirchenkonferenz vorgeschlagen. In den landeskirchlichen Voten findet sich der Wunsch nach einer einheitlichen Regelung nicht! 66 Vgl. unten S. 532f. Zur Bemühung um eine Vereinheitlichung des Verfahren vgl. den Brief der Kirchenkanzlei an die westlichen Gliedkirchen vom 15. Dezember 1954 (46E5). 67 Zur Vorgeschichte vgl. K.-H. Fix, Protokolle 3, 1B7, S. 52f.; 2B1, S. 106; 6B17, S. 228; D. Pöpping/P. Beier, Protokolle 7, 37C6, S. 329, und 45D2.
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fortzusetzen und wenigstens teilweise aus Mitteln der EKD zu finanzieren68, musste aus Mangel an Mitteln abgelehnt werden. 18. Comenius-Institut69 Oberkirchenrat Dr. Niemeier berichtete über den gegenwärtigen Stand der Vorbereitungen70. Der Rat stimmte zu, dass an die noch zögernden Landeskirchen ein empfehlendes Wort des Rates gerichtet werden soll71. 19. Personalien a) Inspektor Schultz Für die von der Synode der EKD bewilligte Stelle eines Oberinspektors in Bonn ist der Inspektor Gerhard Schultz beim Landeskirchenamt in Hamburg in Aussicht genommen72. Der Rat beschloss, Inspektor Schultz zu einer Dienstleistung von drei Monaten auf Probe einzuberufen. Ein Teil dieser Zeit soll in Hannover verbracht werden. Die Kirchenkanzlei wurde beauftragt, mit dem Landeskirchenamt in Hamburg Fühlung aufzunehmen73. b) Kirchenrat Dr. Hafa Der Rat beschloss, dem Kirchenrat Dr. Hafa in Berlin für die Dauer seiner Tätigkeit in der Berliner Stelle der Kirchenkanzlei die Amtsbezeichnung „Oberkirchenrat“ zu verleihen. c) Kirchenrat Behm Der Rat beschloss, dem Kirchenrat Behm in Berlin für die Dauer sei68 Die Kirchenkanzlei hatte dem Christophorus-Bund am 14. Oktober 1953 mitgeteilt dass dessen Antrag vom 26. August 1953 auf eine Beihilfe in Höhe von 10000.– DM abgelehnt worden sei und die Kirchenkonferenz die „ständig zunehmende Inanspruchnahme kirchlicher Haushaltsmittel für die Finanzierung von freien kirchlichen Werken, Verbänden und Einrichtungen als eine ungesunde Entwicklung“ ansehe. Dennoch stellte man 1000.– zur Verfügung. Lücking als Vorsitzender des Kuratoriums des Christophorus-Bundes hatte am 29. März 1954 geantwortet (46D12) und der Argumentation der Kirchenkanzlei widersprochen. Am 29. Juni 1954 teilte die Kirchenkanzlei dem Christophorus-Stift mit, dass der Rat eine Behilfe in Höhe von 4000.– DM in Aussicht genommen habe, von der jedoch zunächst nur die Hälfte ausbezahlt wurde (alle Schreiben in EZA Berlin, 2/5370). 69 Das Comenius-Institut wurde 1954 von evangelischen Lehrer und Erzieherverbänden in Verbindung mit der EKD gegründet und an die Forschungsakademie Christophorusstift in Hemer angelehnt. 70 Vgl. 46D13. 71 EZA Berlin, 2/5515. 72 Nachdem sich Schultz über den Hamburger Landeskirchenrat auf die Stelle beworben hatte, hatte die Kirchenkanzlei im Juni 1954 mit der dortigen Kirchenleitung über die Personalie verhandelt (vgl. den Brief der Kirchenkanzlei an den Landeskirchenrat Hamburg vom 1. Oktober 1954, NEK Kiel, 32. 03. 02, Nr. 1731). 73 Die Berufung erfolgte noch am 1. Oktober durch Schreiben der Kirchenkanzlei an Schultz, der seinen Dienst am 1. Dezember 1954 – zuerst in Hannover zur Einarbeitung – antreten sollte (Ebd.).
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ner Tätigkeit in der Berliner Stelle der Kirchenkanzlei die Amtsbezeichnung „Oberkirchenrat“ zu verleihen. d) Kirchenrat von Staa Der Rat beschloss, dem Kirchenrat von Staa in Hannover für die Dauer seiner Tätigkeit in der Kirchenkanzlei Hannover die Amtsbezeichnung „Oberkirchenrat“ zu verleihen. 20. Nächste Sitzungen Die nächste Sitzung des Rates soll am 12. November 1954 in BerlinWeissensee stattfinden. Sie soll gegebenenfalls schon am 11. November abends beginnen. Am 11. November geht die Tagung der Kirchenkonferenz voraus. gez. D. Brunotte
46C Anlagen und Beschlusstexte 46C1. „Geschäftsordnung für Prälat D. Kunst und Oberkirchenrat Ranke in Bonn“. 1. Oktober 1954. F: EZA Berlin, 2/2391 (H). Geschäftsordnung für Prälat D. Kunst und Oberkirchenrat Ranke in Bonn (vom Rat der EKD am 1. Oktober 1954 beschlossen): 1. Prälat D. Kunst hat die Aufgabe, als „Der Bevollmächtigte des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland am Sitz der Bundesrepublik Deutschland“ ständige Fühlung mit den leitenden Stellen der Bundesregierung, dem Bundestag und den evangelischen Abgeordneten zu halten. Insbesondere hat er die Aufgabe, den Rat der EKD über die politisch Lage und die leitenden Stellen der Bundesrepublik Deutschland über die grundsätzlichen Auffassungen und die aktuellen Anliegen der EKD zu unterrichten; außerdem soll er sich die Seelsorge an den evangelischen Mitgliedern der Bundesorgane und Bundesdienststellen angelegen sein lassen. 2. Oberkirchenrat Ranke hat die Aufgabe, a) im Einvernehmen mit den zuständigen Referenten der Kirchenkanzlei Einzelfragen der Gesetzgebung und Verwaltung in Verbindung mit den zuständigen Organen in Bonn zu bearbeiten. Er wird die Kirchenkanzlei über die in den Ministerien und in den gesetzgebenden Organen der Bundesrepublik vorhandenen Gesetzgebungsplanungen und -vorarbeiten, soweit sie die Kirche betreffen oder
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46C Anlagen und Beschlusstexte
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für die Kirche von besonderem Interesse sind, rechtzeitig unterrichten und den Ministerien sowie den gesetzgebenden Organen die Auffassungen der EKD und der Landeskirchen hierzu mitteilen sowie kirchliche Wünsche und Anregungen bei den Ministerien vortragen. b) Auf Wunsch der übrigen Referenten der Kirchenkanzlei soll er in Einzelfällen die von ihnen erbetene Klärung herbeiführen oder die unmittelbare Fühlungnahme dieser Referenten der Kirchenkanzlei mir den Referenten der Ministerien vorbereiten. c) Auf Wunsch der landeskirchlichen Verwaltungsbehörden oder der Leitungen kirchlicher Werke soll er in Einzelfällen, die in Bonn zur Entscheidung kommen, helfend und unterstützend tätig sein. Angelegenheiten des Hilfswerks und der Inneren Mission gibt er an deren Verbindungsstelle in Bonn ab. d) Darüber hinaus werden Oberkirchenrat Ranke Sonderaufträge von Fall zu Fall erteilt. An Sonderaufträgen bestehen z. Zt. folgende: 1. Geschäftsführung der Kammer für soziale Ordnung, 2. Mitwirkung in den bestehenden Verbänden für Familienpolitik (Familienfürsorge), 3. Bearbeitung des Ehe- und Familienrechts bis zum Abschluß der Bonner Gesetzgebung (Korreferent: OKR Dr. Niemeier), 4. Vertretung der Kirchenkanzlei in der Arbeitsgemeinschaft für öffentliche Verantwortung (Personalkartei), 5. Kriegsverbrechensprozesse in den westlichen Ländern. Prälat D. Kunst und Oberkirchenrat Ranke gehören beamtenrechtlich der Kirchenkanzlei an. Dienstlich untersteht Prälat D. Kunst unmittelbar dem Rat der EKD, OKR Ranke dem Präsidenten der Kirchenkanzlei. Prälat D. Kunst und Oberkirchenrat Ranke werden in Bonn je zwei Sekretärinnen sowie ein gemeinsames Büro mit einem Bürobeamten haben. Bei besonderem Arbeitsanfall besteht für die Sekretärinnen gegenseitige Aushilfspflicht. Hierüber sollen sich Prälat D. Kunst und OKR Ranke verständigen. Prälat D. Kunst wird über Verhandlungen, die er mit Ministerialbeamten über laufende Angelegenheiten zu führen hat, Oberkirchenrat Ranke Mitteilung machen. Ebenso wird Oberkirchenrat Ranke Verhandlungen mit einem Mitglied der Regierung oder einem Fraktionsvorsitzenden nicht führen, ohne Prälat D. Kunst zu beteiligen. Alle amtlichen Eingänge sind mit dem Tagesstempel und Aktenzeichen zu versehen. Alle Schreiben, die eine rein persönliche Anschrift tragen, sind ungeöffnet dem Adressaten vorzulegen, jedoch von ihm unverzüglich in den Geschäftsgang zu geben, soweit sie amtliche Angelegenheiten betreffen. Schreiben, die zweifellos in den Arbeitsbereich anderer Refe-
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renten der Kirchenkanzlei gehören, sind in den Geschäftsgang in Hannover zu geben. 7. Schreiben an Bundesminister, Dienststellen der Besatzungsmacht, zentrale Stellen anderer christlicher Kirchen und Organe der Oekumene sollen, soweit sie allgemeine und grundsätzliche Fragen betreffen, von der Kirchenkanzlei in Hannover ausgehen. Rundschreiben an die Landeskirchen ergehen grundsätzlich nur von der Kirchenkanzlei. 8. Berichte von Prälat D. Kunst an den Vorsitzenden des Rates der EKD werden unmittelbar an diesen gerichtet. Dem Präsidenten der Kirchenkanzlei soll in wichtigen Fällen ein Durchschlag des Schreibens mitgeteilt werden. Prälat D. Kunst benutzt als Briefkopf die Bezeichnung „Der Bevollmächtigte des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland am Sitz der Bundesrepublik Deutschland“ und zeichnet ohne besonderen Zusatz. Oberkirchenrat Ranke benutzt die Briefbogen der Kirchenkanzlei mit einem zusätzlichen Stempel „Referat IV“ unter Angabe der Anschrift in Bonn, er zeichnet „In Vertretung“. 9. Prälat D. Kunst und Oberkirchenrat Ranke werden gemeinsam alle Fragen regeln, die das gemeinsame Büro betreffen (einschl. des Dienstes des gemeinsamen Bürobeamten und der Sekretärinnen). Im Rahmen dieser Regelung ist der Bürobeamte für den äußeren Bürobetrieb, für Dienstgebäude, Inventar und Geschäftsbedürfnisse, für die Registratur und die Verwaltung des Betriebsmittelvorschusses verantwortlich. 10. Oberkirchenrat Ranke erhält durch den Präsidenten der Kirchenkanzlei die Befugnis im Rahmen des Haushaltsgesetzes Ausgabe-Anweisungen an die Kasse der EKD bezüglich Ausgabe-Kapitel II Titel 12 b–e zu erteilen; er trägt insoweit die Verantwortung für die Innehaltung des Haushaltsgesetzes. 11. Über jede einzelne Dienstreise erfolgt eine Abrechnung auf den vorgeschriebenen Formularen bei der Kasse der EKD. Nach Beendigung jeder wichtigeren Dienstreise ist ein schriftlicher Reisebericht in den Geschäftsgang zu geben, sofern das Ergebnis der Dienstreise nicht unmittelbar nach Rückkehr zum Inhalt einer schriftlichen Verfügung gemacht wird. 12. Urlaubsgesuche legt Prälat D. Kunst dem Ratsvorsitzenden unter Mitteilung an den Präsidenten der Kirchenkanzlei vor. Oberkirchenrat Ranke sowie der Bürobeamte und die vier Sekretärinnen beantragen ihren Urlaub bei dem Präsidenten der Kirchenkanzlei, der Bürobeamte und die Sekretärinnen durch OKR Ranke. Dabei sind Urlaubsdauer, Urlaubsanschrift und Urlaubsvertretung schriftlich mitzuteilen.
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46D Vorlagen und Anträge 46D1. Schreiben Smends an Brunotte. Göttingen, 15. September 1954 F: EZA Berlin, 2/2052 (O). Sehr verehrter Herr Präsident! Ihnen und Herrn Oberkirchenrat v. Harling danke ich sehr für Ihre freundliche Überprüfung des Verlagsentwurfs für die Fortsetzung der Herausgabe der Sehlingschen Kirchenordnungen. Geschäftlich liegt es ja wohl so, daß wir in der Ratstagung am 1. Oktober nur allgemein das Ob und das Maß der Beteiligung der Evangelischen Kirche in Deutschland an der Herausgabe zu klären hätten. Erst daraufhin können die Verhandlungen mit Siebeck weitergeführt werden. Ich habe am 14. und 15. Oktober Staatsrechtslehrertagung in Tübingen, es scheint mir unnatürlich, nicht an diesen Tagen die Sache in Tübingen mit Herrn Siebeck zu besprechen, nach vorheriger Mitteilung des Ergebnisses der Ratstagung vom 1. Oktober. Sachlich habe ich den Entwurf noch einmal mit unserem verlagsrechtlichen Spezialisten Prof. de Boor durchsprechen können. Er hat ihm gegenüber aber bei einer ersten Durchsicht Ende Juli keine wesentlichen Bedenken geäußert. Ich werde mit ihm aber in der zweiten Monatshälfte noch einmal über die Sache sprechen. Auch Herrn Ministerialrat Kurt [richtig: Konrad] Müller, der morgen sein neues Referat im Kultusministerium (Kirchen und Stiftungen) antritt, habe ich den Entwurf vorgelegt, und auch er teilt Ihre Bedenken nicht, bis auf die Anregung, bei den beiden Verteilungsschlüsseln (für den laufenden Band einer-, die späteren andererseits) zu versuchen, die Verteilung des Ladenpreises zwischen Verlag und Institut je um 5 % zu Lasten des Verlages und zu Gunsten des Instituts zu verschieben. Im übrigen hält er sachliche Änderungen nicht für notwendig. Auch ich darf dazu bemerken, daß einmal ein großer Unterschied zwischen der Lage des laufenden Bandes besteht, wo die halbe Verlagsarbeit sozusagen schon getan ist, und den künftigen, wo Alles offen ist, Vieles dafür spricht, die billigen Siebeckschen Druckmöglichkeiten auszunutzen, und wo jedenfalls für Herstellung, Preisfestsetzung, Werbung usw. die beim ersten Bande gemachten Erfahrungen abgewartet und allen weiteren Abmachungen zugrundegelegt werden müssen. Dazu kommt die besondere Art des Kommissionsverlages, mit dem ich ja selbst bei der Führung der Geschäfte der Göttinger Akademie der Wissenschaften einige – und meist nicht erfreuliche – Erfahrungen gemacht habe. Ein erfolgreicher Verleger ist am Kommissionsverlagsgeschäft verhältnismäßig wenig interessiert – für Siebeck ist es wohl mehr eine Prestigeangelegenheit. Für uns ist Siebeck die bei weitem günstigs-
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te Unterbringungsangelegenheit, schon wegen seines einzigartigen juristisch-theologischen Werbeapparats – und, und das ist für den Charakter des Vertragsabschlusses nach unserer Auffassung maßgebend, nach vier Jahren der Zusammenarbeit bei der Kirchenrechtszeitschrift ist zwischen uns eine gewisse Vertrauenssituation entstanden, vermöge deren wir beiderseits für alle uns bevorstehenden Fragen und auch für etwaige Schwierigkeiten und Meinungsverschiedenheiten mehr auf die laufende Verständigung als auf jetzt in ihren praktischen Auswirkungen schwer übersehbare Einzelfestlegungen vertrauen möchten. Das schließt natürlich dankbare Benutzung einzelner Anregungen von Herrn Oberkirchenrat v. Harling nicht aus. Aber im ganzen halten wir dem Verlage Siebeck gegenüber eine andere Haltung für möglich und für geboten, als manchen anderen Verlagen gegenüber – vermöge seiner besonderen Art, und vermöge der besonderen Beziehung, in der wir uns zu ihm befinden. Herr Ministerialrat Kurt [sic!] Müller empfiehlt lebhaft, als Vertragspartner das Institut für evangelisches Kirchenrecht einzusetzen. Da der Vertrag keinerlei finanzielle Belastungen für die Evangelische Kirche in Deutschland enthält und da Herr Siebeck mir ernst und nachdrücklich erklärte, er würde etwaige, schwer vorstellbare Schadensersatzansprüche wegen Verschuldens der Herausgeber niemals gegen die Evangelische Kirche in Deutschland geltend machen („das tut ein Verleger einfach nicht“, bestätigt dazu Herr Kurt [sic!] Müller), so scheint mir das doch das am 1. Oktober anzusteuernde Ziel. Dann kämen wir mit meiner Unterschrift, Ihrer Billigung und einer vorherigen Mitteilung an den Rat aus. Mit vielen Wünschen für Ihre hoffentlich recht dauerhafte Erholung an angelegentlichen Grüße Ihr sehr ergebener Smend [m. p.]
46D2. Antrag des Presbyteriums Barmen-Gemarke an die Kirchenkanzlei. Wuppertal, 24. September 1954 F: AKWB Wuppertal, PA Obendiek (D). Sehr verehrter Herr Präsident! Auf dem Rückweg von der Weltkirchenkonferenz in Evanston verunglückte unser Prof. Dr. Obendiek am 14. 9. 1954 in Underwood tötlich [sic!]. Da Pastor Obendiek als Abgeordneter der EKD zur Weltkirchenkonferenz delegiert war, bitten wir um die Übernahme der Überführungskosten nach Wuppertal, die sich auf mehr als DM 6.000.– belaufen, seitens der EKD. Mir ehrerbietigem Gruß Das Presbyterium
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der Evang.-reformierter Gemeinde Barmen-Gemarke I. A. Be[rewinkel] Pastor Präses. 46D3. Schreiben Gieses an den Rat. Meran, 17. September 1954 F: EZA Berlin, 6/993 (O). Im Verfolg meines Gesuches vom 20. März d. Js.74 für den 82 Jahre alten Kunstmaler Hans Lietzmann in Torbole am Gardasee gestatte ich mir ein neues Gesuch um Verlängerung und Erhöhung der Unterstützung vorzulegen. Da der Winter vor der Türe steht und Torbole mit seinen Winden seinem Namen alle Ehre macht, friert der alte Herr viel und muss darum viel heizen. Ausserdem benötigt er infolge seiner Gebrechlichkeit seine Pflegerin andauernd, sodass ihm immer grössere Auslagen entstehen. Nach gründlicher Berechnung komme ich auf meinen Vorschlag vom 20. März d. J. zurück und bitte, daß ihm Lire 30.000.– = DM 200.– als monatliche Beihilfe bewilligt werden möchten. Bei der fortschreitenden Gebrechlichkeit und der Schwäche des Herzens wird sich Herr Lietzmann schwerlich noch lange halten können. Ich möchte ihm aber wünschen, daß er ohne Sorge seinem Ende entgegen gehen darf. Ich wäre sehr dankbar, wenn es sich ermöglichen liesse, mir monatlich DM. 200 ab 1. Oktober ds. Js. zum Besten des alten Herrn zu überweisen. Für alle bisherige Hilfe hat Herr Lietzmann mich beauftragt, dem Rat der Evangelischen Kirche und dem Kirchlichen Aussenamt seinen aufrichtigen und herzlichen Dank zu übermitteln. Giese [m. p.] Pfarrer i. R. 46D4. Vorlage des Kirchlichen Außenamtes für die Ratssitzung am 1. Oktober 1954 F: EZA Berlin, 6/993. Der Rat wolle beschliessen: Professor Lietzmann in Torbole wird eine weitere Unterstützung von monatlich 150.– DM für die Monate August und September 1954 und von monatlich 200.– DM für die Zeit von 1. 10. 54 bis 31. 3. 55 bewilligt. 74 44D10.
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46D5. Schreiben der Evangelischen Deutschen Bahnhofsmission an die Kirchenkanzlei – Berliner Stelle –. Berlin, 24. März 1954 F: EZA Berlin, 4/391 (O). Betr. Antrag auf Sonderbeihilfe in Höhe von 23.000.– DM Ost a) 20.000.– DM für Errichtung neuer Bahnhofsmissionsräume, b) 3.000.– DM " Beihilfen an erholungsbedürftige Bahnhofsmissionarinnen. Begründung Zu a) Errichtung neuer Bahnhofsmissionsräume. Die Bahnhofsmissionen in dem Gebiet der DDR stehen in diesem Jahr vor der Notwendigkeit sehr hoher finanzieller Sonderausgaben. Im vergangenen Jahr 1953 wurde die Arbeit der Bahnhofsmission auf das Empfindlichste behindert. Von März 1953 bis Ende Mai wurden weit über die Hälfte unserer 117 örtlichen Bahnhofsmissionen verboten und ihre bisher von der Reichsbahn gestellten Räume zugunsten des neu aufgezogenen Roten Kreuzes beschlagnahmt. Nach den Vereinbarungen des 10. Juni gelang es allmählich, die Tätigkeit dieser verbotenen Bahnhofsmissionen wieder aufzunehmen. Dagegen war es nicht möglich, auch die Genehmigung zur Benutzung der alten Räume zu erlangen. Nach langwierigen, immer noch andauernden Verhandlungen auf dem Ministerium für Eisenbahnwesen, wurde die Rückgabe von 6 unserer früheren Räume und die Stellung von 8 Ersatzräumen erreicht. Es besteht Hoffnung, daß hierzu noch 7 andere Orte kommen. Außerdem stellte uns die Bahn an 23 Bahnhöfen Platz zur Errichtung neuer eigener Räume zur Verfügung, und für weiter 11 muß diese Erlaubnis noch erwirkt werden. An 4 Orten konnten bereits Baracken neu durch Beihilfen des Evang. Hilfswerkes, der Kirchlichen Frauenarbeit und einer Beihilfe von 15.000.– DM Ost aus Osthilfe-Planmitteln, die uns durch Ihre Stelle im September 1953 bewilligt wurden, beschafft werden. Für rund 30 Orte steht die Errichtung neuer Bahnhofsmissions-Unterkünfte noch aus. Wir haben alle Wege beschritten, um die finanziellen Mittel hierfür zusammen zu bringen. Wir haben damit wenigstens einen erheblichen Anteil zum Bau neuer Räume beitragen können. Daneben aber werden jetzt in weitgehendem Maße auch finanzielle Mittel zur Einrichtung dieser neuen Räume gebraucht. Da das Rote Kreuz und die Volkssolidarität ihre Räume ganz neu herrichten und einrichten ließen, müssen unsere Räume ebenfalls weitaus komfortabler ausgestattet sein als vorher. Die Anschaffung neuer Möbel, Matratzen, Betten und Wäsche, die Einrichtung sanitärer Anlagen, – und gut ausgestatteter Waschräume wird erforderlich. Dazu reichen örtliche Mittel
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und die Beihilfen der Landesstellen, der Inneren Mission und des Hilfswerkes nicht aus, zumal diese Stellen durch Beihilfen zum Bau der neuen Räume bereits übermäßig beansprucht sind. Aber auch unsere Mittel sind erschöpft. Wir wenden uns daher mit der dringenden Bitte einer Sonderbeihilfe erneut an die Evangelische Kirche in Deutschland. Diese Beihilfe kann allerdings angesichts der Notwendigkeit, eine schnelle und wirksame Hilfe zu leisten, nicht klein ausfallen. Es ist ohne weitere Begründung deutlich, daß die Aufrechterhaltung der diakonischen und volksmissionarischen Arbeit unserer Bahnhofsmission und darum ihre gute Fundierung durch die Beschaffung neuer Räume und Einrichtung größter von Wichtigkeit ist. Wir bitten daher, uns eine Beihilfe in Höhe von: 20.000.– DM Ost (in Worten: zwanzigtausend DM Ost) zu gewähren. Zu b: Beihilfen an erholungsbedürftige Bahnhofsmissionarinnen Unsere Bahnhofsmissionarinnen haben im letzten Jahr 1953/54 einen ungewöhnlich schweren und mühsamen Dienst leisten müssen. Durch den Fortfall unserer Räume waren sie gezwungen, nur im Freien ihren Dienst zu verrichten. Das war in den kalten Wintermonaten sehr hart. Dazu kam, daß sie in ihrer eigentlichen Arbeit stark behindert waren und oft dem Roten Kreuz und der VS Zubringerdienste leisten mußten (z. B. Zuweisung von Müttern und Kindern, Kranken, Alten in deren Räume u. a. m.). So erforderte es eine ständige Überwindung, trotz alledem den Dienst zu tun. Wir dürfen sagen, daß dies überall in großer Treue und Hingabe und ohne Klage geschehen ist. Aber gesundheitliche Schädigungen und nervliche Überforderung sind die unausbleibliche Folge dieser Belastung. Wir müssen daher Sorge tragen, daß vielen unserer Mitarbeiterinnen eine zusätzliche, gründliche Erholung gewährt wird. Um sie zu ermöglichen, bitten wir um eine Sonderbeihilfe in Höhe von 3.000.– DM Ost (in Worten: dreitausend DM Ost.) In der Hoffnung, daß unserem Antrag stattgegeben werden möchte Geschäftsführerin L. v. Schierstaedt [m. p.] 46D6. Antrag der Erziehungskammer Ost an die Kirchenkanzlei – Berliner Stelle –. Berlin, 17. September 1954 F: EZA Berlin, 4/141 (O). Betrifft: Beihilfe für die Arbeit der Erziehungskammer. Hierdurch bitten wir die Kirchenkanzlei, um eine Beihilfe für die Arbeit der Erziehungskammer aus Kollektenmitteln in Höhe von 5.000.– DM (Ost).
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Neben der Erledigung aktueller Einzelfragen arbeitet die Erziehungskammer vor allem daran, die Lehrpläne, Schulbücher und pädagogische Fachliteratur ständig zu beobachten und zu prüfen, wie weit kirchliche Belange berührt werden. Wir sind bemüht festzustellen, wie weit die Bildungswelt, in die unsere Jugend eingeführt wird, immer stärker im Sinne des atheistischen Materialismus geprägt wird. Dazu sind laufend Anschaffungen der einschlägigen Literatur notwendig und gelegentlich die nebenamtliche Beschäftigung von Fachkräften für Sonderuntersuchungen. Auf diese Weise werden die Grundlagen für Maßnahmen der Evangelischen Kirche geschaffen. Für diese Arbeit sind der Erziehungskammer aus Kollektenmitteln im Jahre 1951 7.500.– DM und im Jahre 1952 9.000.– DM zur Verfügung gestellt worden. Eine Beihilfe von 5.000.– DM in diesem Jahr würde es uns ermöglichen, diese Arbeit intensiv weiter fortzusetzen. Wir würden bitten, uns die Summe, wenn sie bewilligt wird, auf unser Postscheckkonto Berlin 19314, Erziehungskammer der Evangelischen Kirche in Deutschland – Berliner Stelle –, Berlin-Weißensee, Parkstr. 21, zu überweisen. Im Auftrage Dr. H. Hafa [m. p.] 46D7. Schreiben der Evangelische Akademie Berlin an die Kirchenkanzlei – Berliner Stelle –. Berlin, 28. September 1954 F: EZA Berlin, 4/653 (O). Betr.: Beihilfe für die Evangelische Akademie Berlin Die Evangelische Akademie Berlin hat im vergangenen Jahre eine Beihilfe in Höhe von 5000,– DM von der Kirchenkanzlei der EKiD erhalten, die ihr eine wesentliche Hilfe für die Ausgestaltung ihrer Ostarbeit gewesen ist. Da die Arbeit der Evangelischen Akademie sich in einer ständigen Ausbreitung befindet, erlauben wir uns, für das kommende Jahr um eine Beihilfe von 10000,– DM Ost zu bitten. Wir haben unter anderem die Absicht, in Kürze einen hauptamtlichen Geschäftsführer einzustellen, um die Tagungsarbeit und den Vertrags dienst in den zahlreichen Hauskreisen in der Ostzone koordinieren und weiter ausbauen zu können. Evangelische Akademie Berlin Dr. Müller-Gangloff [m. p.]
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46D8. Schreiben Schönherrs an die Kirchenkanzlei – Berliner Stelle –. Brandenburg/Havel, 2. August 1954 F: EZA Berlin, 4/828 (D). Die Brandenburger Orgeltage 1954, die vom 22. bis 24. Juni hier stattfanden, haben einen wesentlich besseren Besuch aufzuweisen gehabt, als alle früheren. Es scheint so, daß sie sich in dem Bewußtsein unserer Kirchenmusiker eine Platz gesichert haben. Dementsprechend konnte, zumal die Unkosten z. T. erheblich gesenkt worden sind, das Defizit auf 704, 94 DM herabgedrückt werden. Über Einnahmen und Ausgaben gibt die beiliegende Aufstellung75 Auskunft. Wir bitten das Evangelische Konsistorium, den seinerzeit aus Haushaltsmitteln bereitgestellten Betrag von 500.– DM an die Superintendentur Brandenburg Kto. Nr. 8337 bei der Deutschen Notenbank Fil. Brandenburg zu zahlen. Den Rest von 200.– DM erbitten wir von der Kirchenkanzlei Berliner Stelle, die mit Schreiben vom 14. 4. 195476 eine Beihilfe bis zu 250.– DM in Aussicht gestellt hatte. Wir danken ergebenst für die Unterstützung, die von diesen beiden Stellen den Brandenburger Orgeltagen zuteil wird. Schönherr [m. p.]
46D9. Schreiben der Kirchenkanzlei an die Ratsmitglieder. Hannover, 15. September 1954 F: EZA Berlin, 2/4350 (H). Betr.: Entwurf eines neuen Familiengesetzbuches in der Deutschen Demokratischen Republik. In der Anlage77 übersenden wir je ein Exemplar der Stellungnahme der kirchlichen Ostkonferenz vom 1. September d. Js. zu dem Entwurf eines Familiengesetzbuches der Deutschen Demokratischen Republik mit der Bitte um Kenntnisnahme. Die Stellungnahme der kirchlichen Ostkonferenz wurde in einer gemeinsamen Sitzung der Vertreter der Berliner Stelle der Kirchenkanzlei und einiger kirchlicher Beauftragter aus der DDR zusammen mit Vertretern der Eherechtskommission der EKD am 19. August 1954 in Hannover vorbereitet. Wenn die kirchliche Ostkonferenz schon Stellung genommen hat, so entsprach dies der kurzen Frist, welche die Regierung der DDR für die erbetene Stellungnahme der Kirche gesetzt hatte, 75 EZA Berlin, 4/828. 76 Ebd. 77 46D10.
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und dem Umstand, dass während dieser Frist eine Stellungnahme des Rates der EKD nicht zu erreichen war. Um jedoch die verfassungsmässigen Zuständigkeiten des Rates zu wahren und auf eine einheitliche kirchliche Stellungnahme zu den Problemen eines zukünftigen Ehe- und Familienrechts in der Bundesrepublik und in der DDR einzuarbeiten, erscheint es angezeigt, dass der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland gelegentlich seiner nächsten Sitzung die Stellungnahme der kirchlichen Ostkonferenz zu dem Entwurf eines Familiengesetzbuches der Deutschen Demokratischen Republik berät und ihr gegebenenfalls seine Zustimmung erteilt. 1 Anlage gez. D. Brunotte
46D10. „Stellungnahme der Kirchlichen Ostkonferenz zu dem Entwurf eines Familiengesetzbuches der Deutschen Demokratischen Republik“. Berlin, 1. September 1954 F: EZA Berlin, 2/4350 (H, Anlage zu 46D9) – Abdruck: J. Beckmann, Zeitgeschichte, S. 132–135. Stellungnahme der Kirchlichen Ostkonferenz zu dem Entwurf eines Familiengesetzbuches der Deutschen Demokratischen Republik. Berlin, den 1. September 1954 Die Gliedkirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland im Bereich der Deutschen Demokratischen Republik halten es für erforderlich, vor einer Stellungnahme zu dem Entwurf eines Familiengesetzbuches, wie er von dem Ministerium der Justiz vorgelegt ist, folgendes zum Ausdruck zu bringen: Alle Bemühungen um eine zeitgemäße Fortentwicklung des geltenden Rechtes müssen die vom ganzen deutschen Volke ersehnte Wiederherstellung der Einheit Deutschlands im Auge haben. Aus diesem Grunde halten wir es für erforderlich, daß alles getan wird was eine, wenn auch noch nicht gemeinsame, so doch parallele Entwicklung der beiden Hälften des einen Deutschland fördert, und daß alles vermieden wird, was in einheitliche deutsche Kulturzusammenhänge eine künstliche Kluft hineinträgt. Die Evangelische Kirche in Deutschland hat die Fragen der Gestaltung des Ehe- und Familienrechts immer als eine gesamtdeutsche Aufgabe gesehen. Demgemäß hat sie auf ihrer Synode in Berlin-Spandau im März d. J. für Ost und West einheitliche Thesen erarbeitet, die wir als Anlage überreichen. Wir halten eine weitere gesamtdeutsche Bearbeitung der Materie für erforderlich. Der Ausgangspunkt hierfür ist gegeben. Die Grundforderungen für die Weiterentwicklung des Familienrechts; „Gleichberechtigung von Mann und Frau“, „Schutz der Familie“, „Gleichberechtigung des uneheli-
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chen Kindes“, sind in der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik und in dem Grundgesetz der Bundesrepublik fast wörtlich übereinstimmend festgelegt. Familienrechtliche Bindungen bestehen für unzählige deutsche Menschen diesseits und jenseits der Zonengrenze. Wir halten es für unerträglich, daß diese Lebenszusammenhänge durch im Ansatz verschiedene Rechtsordnungen zerrissen werden. Die überwiegende Mehrheit der deutschen Bevölkerung in Ost West gehört einer christlichen Kirche an. Diese Tatsache hat der vorgelegte Entwurf nicht beachtet. Nach evangelischem Verständnis ist die Ehe eine Ordnung des Gemeinschaftslebens der Menschen, die sowohl von den Ehepartnern wie auch vom Staat bei seiner Rechtssetzung als gegeben vorgefunden wird. Die Kirche spricht darum vom „Ehestand“, um zu bekunden, daß die Ehe die von Gott gebotene Form des Zusammenlebens von Mann und Frau innerhalb der menschlichen Gemeinschaft darstellt. Der Staat hat daher die Aufgabe, die Ehe als eine für das Volk lebensnotwendige Institution zu schützen. Nur in dieser Begrenzung kann er Gesetze erlassen, um dem Familienleben die Möglichkeit der freien Entfaltung zu geben und es vor Beeinträchtigung und Zerstörung zu bewahren. Es kann aber nicht Aufgabe des Staates sein, dem Ehe- und Familienleben seiner Bürger bestimmte politische Ziele zu setzen und die Gesetzgebung dementsprechend zu gestalten. Aus diesem Grunde müssen wir eine Legaldefinition der Ehe, wie sie in den beiden ersten Paragraphen des Entwurfs versucht wird, ablehnen; denn damit überschreitet der Staat die Grenzen, die ihm für seine Gesetzgebung gezogen sind. Eine solche Überschreitung wirkt sich zwangsläufig zerstörend auf das Ehe- und Familienleben aus. Als einen Schutz der Ehe bewerten wir die Tatsache, daß Ersatzformen der Ehe wie „Lebenskameradschaft“ u. a. zu Gunsten der Einehe abgelehnt werden. Eine Gefährdung der Ehe liegt aber in den Formulierungen des § 1. Politische Begriffe wie „Demokratie“, „Sozialismus“, „Patriotismus“, „Völkerfreundschaft“ gehöre nicht in ein Familiengesetz. Überdies wird in der heutigen Diskussion das Wort „Sozialismus“ weithin im Sinne des dialektischen Materialismus verstanden. Christen können einem Gesetz, das als Ziel des Ehe- und Familienlebens eine Ordnung im Geiste eines atheistischen Materialismus herausstellt, niemals zustimmen. Die Fragen um die Gleichberechtigung der Frau beschäftigen in Ost und West gleichermaßen die gesetzgebenden Organe, die Kirche und weite Kreise der Bevölkerung. Artikel 7 der Verfassung gibt dem Gesetzgeber auf, die Gleichberechtigung der Frau auch im Familienrecht der Deutschen Demokratischen Republik zur Geltung zu bringen. Dabei darf aber die schöpfungsbedingte physische und psychische Verschiedenheit von Mann und Frau nicht übersehen werden. Die Gleichwertigkeit von Mann und
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Prau ist im Evangelium begründet. Sie darf nicht mit Gleichartigkeit verwechselt werden. Ohne einer patriarchalischen Auffassung vom Wesen der Ehe das Wort zu reden, müssen wir daher vor einer unterschiedslosen Gleichsetzung von Mann und Frau nachdrücklich warnen. Eine solche Gleichsetzung finden wir z. B. in § 39, durch den die elterliche Sorge beiden Eltern gemeinsam übertragen wird. Er läßt entsprechend dem Grundsatz des § 9 völlig die Frage offen, was zu geschehen hat, wenn sich die Eltern in einer konkreten Frage der persönlichen Sorge für das Kind nicht einigen könne. Versuchen, diese Fälle in Analogie zu den §§ 44 und 58 (Entscheidung durch den Rat des Kreises) oder durch Entscheidung einer anderen außerfamiliären Stelle zu lösen, müßten wir mit allem Nachdruck widersprechen. Eine solche staatliche Einflußnahme und Entscheidungsgewalt ist mit dem Wesen der Familie unvereinbar und würde die für Ehe und Familie wesentliche Eigenständigkeit aufheben. Für einen solchen Konfliktfall halten wir es entsprechend einer Stellungnahme des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland für richtig, an einer gewissen Entscheidungsbefugnis des Vaters festzuhalten. Wie der Entwurf klar erkennen läßt, geht er davon aus, daß in der Ehe Mann und Frau beide berufstätig sind, unter Umständen sogar an verschiedenen Orten. Wenn wir auch nicht verkennen, daß bei der derzeitigen Struktur des wirtschaftlichen Lebens eine Berufstätigkeit von Mann und Frau sich nicht immer vermeiden läßt, so sollte das doch nicht als Normalzustand im Gesetz fixiert werden. Wir sehen hier Gefahren für die Ehe und für die Kinder. Zum Wesen der Ehe gehört dauernde Gemeinschaft, die ihren Ausdruck auch in der gemeinsamen Wohnung findet. § 8 Abs. 1 Satz 2 trägt dem nicht Rechnung. Auch die Kinder gedeihen in der häuslichen Gemeinschaft der Familie am besten. Andere Formen der Erziehung vermögen diese Gemeinschaft nie ganz zu ersetzen. Wenn die Sorge um die Kinder ein wesentliches Anliegen des Entwurfes sein soll, dann darf der Gesetzgeber nicht von vornherein die Berufstätigkeit der Frau als selbstverständlich voraussetzen; es muß vielmehr der Erfüllung ihrer Aufgaben in Haus und Familie mehr Raum gelassen werden. Darin liegt ein wesentlicher Teil der Würde der Frau. Die vermögensrechtlichen Sicherungen, die die §§ 17 und 22 der nicht berufstätigen Ehefrau bieten, reichen allein nicht aus. In der Frage der Sorge für die Kinder geht der Entwurf einen Weg, den wir als Kirche nicht bejahen können. Unsere Bedenken richten sich besonders gegen § 4. Auch wir sind der Meinung, daß „die Sorge für die Kinder nicht nur das Recht der Eltern, sondern zugleich auch ihre Pflicht ist“; in dieser Aufgabe erfüllt sich recht eigentlich der Sinn einer Familie. Auch wir betonen, daß es der Sinn der elterlichen Erziehung ist, die Kinder zu verantwortungsbewußten, gemeinschaftsfähigen Menschen heranzubilden. Neben das Elternhaus tritt auch für uns als weiterer Erziehungsträger die Schule. Das enthebt jedoch die Eltern nicht ihrer letzten Verantwortung. Christli-
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che Eltern legen bei der Erziehung ihrer Kinder zugleich auf die Mithilfe der Kirche besonderen Wert. Auch eine Jugendorganisation kann ein Hilfsfaktor bei der Erziehung sein. Aber unannehmbar ist es für uns, wenn der Entwurf neben der Schule „Jugendorganisation“ als gleichberechtigten Erziehungsträger hinstellt. Damit wäre die „Staatsjugend“ gesetzlich proklamiert. Wir fragen: Soll mit § 4 den Eltern die Verpflichtung auferlegt werden, ihre Kinder den Jungen Pionieren bezw. der FDJ zuzuführen? Versäumen sie andernfalls ihre Erziehungspflicht mit den Konsequenzen aus § 44 des Entwurfes? Die Kirche müßte sich dagegen verwahren, daß evangelische Eltern, die die Hilfe der Jugendorganisation der FDJ bei der Erziehung ihrer Kinder nicht in Anspruch nehmen, als verantwortungslos verdächtigt werden. Das Recht auf christliche Erziehung muß gewährleistet bleiben. Auch gegen § 38 Ziff. 2 und 3 tragen wir Bedenken, da hier eine Auslegung des § 4 in einem ganz spezifischen, aus der derzeitigen politischen Situation bedingter Sinn vorliegt. Die Fragen der Ehescheidung sind nach unserem Dafürhalten in § 29 allzu sehr vereinfacht. Auch wenn immer wieder betont wird, man wünsche keine Erleichterung der Ehescheidung, muß der völlige Verzicht auf die Schuldfrage zur Aufhebung des Ernstes der Ehe führen. Wir kennen die Note, die hier entstehen, und den Mißbrauch, der mit der Schuldfrage getrieben werden kann. Die Scheidung der Ehe stellt aber einen so schweren Eingriff dar, daß der Staat nicht von vornherein darauf verzichten kann, in eingehender Untersuchung nach der Schul zu fragen. Wo sie bei einem der Ehepartner festzustellen ist, darf dieser nicht aus seiner Unterhaltspflicht entlassen werden. Auch im Interesse der Kontinuität und der Einheitlichkeit der deutschen Rechtsprechung erscheint uns ein Verzicht auf konkrete Ehescheidungstatbestände nicht vertretbar. Die Beschränkung auf eine Generalklausel verleitet zur ausweitenden Auslegung und ist deshalb abzulehnen. Soll etwa schon eine verschiedene politische Anschauung der beiden Ehegatten das Tatbestandmaterial erfüllen, „daß die Ehe ihren Sinn für die Eheleute, für die Kinder und für die Gesellschaft verloren hat“? Aus diesen grundsätzlichen Darlegungen ergeben sich zugleich gewichtige Bedenken gegen die Regelung von Einzelfragen Dabei möchten wir uns auf einige, uns besonders bedeutsam erscheinnende Fragen beschränken und beispielhaft auf folgende Punkte hinweisen: Bei den in § 7 aufgeführten Ehehindernissen vermissen wir die Eheverbote der §§ 4 und 7 des Ehegesetzes von 194678 (Eheverbot zwischen Personen, von denen die eine mit Eltern, Voreltern oder Abkömmlingen der an-
78 Gemeint ist das Kontrollratsgesetz Nr. 16 vom 20. Februar 1946 (R. Hemken, Sammlung).
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deren Geschlechtsgemeinschaft gepflogen hat, und Eheverbot zwischen Adoptivverhältnissen). Solche Bestimmungen erscheinen uns sittlich geboten. Die in § 10 gegebene Möglichkeit, daß Mann und Frau verschiedene Namen führen, mindert das Zusammengehörigkeitsgefühl und gefährdet die Kontinuität der Familie. Außerdem könnte eine solche Bestimmung zu einer Anonymisierung der Familie und zu Unordnung und Verwirrung führen. Bei der Adoption scheint die Festlegung eines Altersabstandes zwischen Adoptiveltern und Adoptivkind unerläßlich, damit durch die Annahme an Kindes Statt ein Eltern-Kind-Verhältnis geschaffen wird, das natürlichen Verhältnissen entspricht. Gegen den Abschnitt über Vormundschaft und Pflegschaft greifen im wesentlichen die Bedenken Platz, die oben bereits zur Frage der Sorge für die Kinder ausgesprochen sind. Besonders vermissen wir eine Bestimmung, daß der Bekenntnisstand des Mündels bei der Bestellung des Vormunds gebührend zu berücksichtigen ist. Die Evangelische Kirche kann dem Entwurf in wesentlichen Punkten nicht zustimmen. Sie sieht in dem Wortlaut des Entwurfs und in den Verlautbarungen dazu die Tendenz, auch das Ehe- und Familienleben unter politische Kontrolle zu stellen. Das aber muß die Eigenständigkeit der Ehe und Familie vernichten und auf die Dauer zu einer schweren Schädigung der Familie als der Grundlage des Volkes und der Gemeinschaft führen.
46D11. Schreiben der Firma Theodor A. Maier an die Kirchenkanzlei. Hannover, 24. August 1954 F: EZA Berlin, 2/4650 (O). Betr.:
Verlustausgleich bei der Versorgung der sowjetischen Besatzungszone mit Abendmahlswein. Bezug: Die mit Ihnen getroffene Vereinbarung über Abwicklung der von der Zentralbeschaffungsstelle der E.K.i.D. getätigten Geschäfte für Rechnung der Landeskirchen. Nachdem der Bundesfinanzhof in seinem Urteil vom 26. 5. 1954 in der Umsatzsteuer entschieden hat, dass die Notverkäufe der zweckgebundenen Abendmahlsweine umsatzsteuerpflichtig sind, bin ich mit einem Betrage von DM 38.431,30 zur Zahlung belastet worden. Der gesamte Verlust aus der Abwicklung der vorbezeichneten Geschäfte ergibt sich aus nachfolgender Aufstellung: Einnahme: DM 864. 523, 01 Ausgabe: DM 731.364,20
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111.430,76 " 15.118,05 " 6.610,00 " DM 864.523,01 DM 864.523,01 Die Spezifizierung des vorstehenden Betrages ist von der Einkaufszentrale für kirchlichen Bedarf G. m. b. H. unter dem 15. 5. 195379 Ihnen überreicht worden. Folgende Forderung stehen noch offen: 1.) Ansprüche der Einkaufszentrale für kirchlichen Bedarf G. m. b. H. zur Befriedigung mehrerer Gläubiger aus der Abwicklung der Zentralbeschaffungsstelle ca. DM 43.500.– 2.) Gesellschafter Kapital W. Scholz Gesellschafter Kapital M. Maier
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15.000.– 5.000.–
3.) Forderungen der Finanzverwaltung Umsatzsteuer
"
5.000.–
4.) Der unter 1–3 aufgeführte Verlust enthält nicht meine Ansprüche aus Leergut pp. Ich habe der Zentralbeschaffungsstelle rund 220000 Flaschen und 800 Kisten zur Verfügung gestellt und nichts zurück erhalten. Der Gesamtverlust ist dadurch entstanden, dass die auftraggebenden Landeskirchen der Ostzone nicht in der Lage waren, ihre Abnahmeverpflichtung wahrzunehmen, bedingt durch den Währungsunterschied und durch die Blockadeschwierigkeiten. In einzelnen beziehe ich mich auf das Schreiben des Rechtsanwalts Dr. Will vom 1. November 194980 und auf das Schreiben des Konsistoriums Berlin-Brandenburg vom 29. April 194981. Laut beiliegendem Schreiben des Finanzamtes Hannover-Andreaestr. vom 13. August 195482 wurde mein Hausrat gepfändet und ist von befreundeter Seite in Höhe von DM 4.000.– ausgelöst worden. Irgendwelche Vermögenswerte besitze ich nicht mehr. Es stehen mir nur Rechtsansprüche gegen Sie zu, auf die ich verzichten würde, wenn Sie mir im Wege der Beihilfe einen Betrag zur Verfügung stellen könnten, der es mir ermöglicht im Wege eines Vergleichs mit den Gläubigern und dem Finanzamt deren Ansprüche zu befriedigen. Aus idieller [sic!] Einstellung zu den Kirchen habe ich mich verpflichtet gefühlt, die Abwicklung der Geschäfte der Zentralbeschaffungsstelle zu übernehmen, um auf diese Weise den Kirchen zu helfen.
79 80 81 82
EZA Berlin, 2/4650. Ebd. Ebd. Ebd.
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Die gleiche Einstellung veranlasst mich, Sie zu bitten, mir durch Zahlung eines im Verhältnis zum Gesamtverlust stehenden Betrages zu helfen. Meine Familie befindet sich in Not. Den zu zahlenden Betrag bitte ich meinen Söhnen Dr. med. Theodor Maier, St. Andreasberg und cand. jur. Werner Maier, Hannover, je zur Hälfte zur Verfügung zu stellen. Diese werden dann mit den in Frage kommenden Gläubigern die Vergleichsverhandlungen führen. In Anbetracht der Dringlichkeit bitte ich um Ihre baldige Entscheidung. Mit vorzüglicher Hochachtung Th. Maier [m. p.]
46D12. Schreiben Lückings an die Kirchenkanzlei. Bielefeld, 29. März 1954 F: EZA Berlin, 2/5370 (O). Betr.: Beihilfe für das Christophorus-Stift in Hemer. Bezug: Dort. Schreiben vom 14. 10. 53, Tgb. Nr. 13911 V83. Durch das Schreiben der Kirchenkanzlei vom 14. Oktober 1953 war dem Christophorus-Bund mitgeteilt worden, daß sich der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland nicht in der Lage sehe, eine Beihilfe für das Christophorus-Stift zu gewähren. Zur Begründung dieser Ablehnung wurde zunächst darauf hingewiesen, daß das Gesuch des Christophorus-Bundes eingegangen sei, nachdem der Rat bereits im Mai 1953 einen Plan für die Bewilligung von Beihilfen aufgestellt hatte. Wir stellen deshalb jetzt den Antrag rechtzeitig vor Beginn des Rechnungsjahres. Des weiteren wurde als wesentliche Begründung der Ablehnung auf die Stellungnahme der Kirchenkonferenz hingewiesen, in der zum Ausdruck gebracht sei, daß die ständig zunehmende Inanspruchnahme kirchlicher Haushaltsmittel für die Finanzierung von freien kirchlichen Werken, Verbänden und Einrichtungen als ungesunde Entwicklung angesehen werden müsse.84 Insbesondere sei dagegen geltend zu machen, daß in den Gemeinden die Bereitschaft, aus persönlichem Interesse für die Arbeit der Werke, Verbände usw. noch Opfer zu bringen, geschmälert werde. Dies gelte in besonderer Weise für solche Einrichtungen, die in ihrer Arbeit sonst mit Recht auf Freiheit gegenüber der kirchlichen Verwaltung großen Wert legen. 83 EZA Berlin, 2/5370. 84 Vgl. die Niederschrift über die Sitzung der Kirchenkonferenz am 10. September 1953 in Berlin (D. Pöpping/P. Beier, Protokolle 7, S. 651f.)
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Dazu bemerke ich, daß alle hier angeführten Gründe für eine Ablehnung des Gesuchs des Christophorus-Stifts nicht zutreffen. Der ChristophorusBund ist zwar eine freie Vereinigung von Kirchen und Einzelpersönlichkeiten, er kann jedoch in keiner Weise mit den genannten kirchlichen Werken usw. auf eine Ebene gestellt werden, da er nicht wie diese Werke die Möglichkeit hat, sich an die Gemeinden mit der Bitte um freie Gaben durch Kollekten oder Einzelgaben zu wenden. Das ist durch die sachlich bedingte esoterische Arbeit des Christophorus-Stifts gegeben, die nicht so leicht vor allen Gemeindegliedern in ihrer Eigenart und ihrer Notwendigkeit einsichtig gemacht werden kann. Des weiteren darf ich darauf verweisen, daß das Christophorus-Stift niemals auf Freiheit gegenüber der kirchlichen Verwaltung Wert gelegt hat. Nach seiner Satzung gehört auch ein Mitglied des Rates bzw. der Kirchenkanzlei der EKD dem Kuratorium des Bundes an. Die gesamtkirchliche Bedeutung der Arbeit des Christophorus-Bundes dürfte in den letzten Jahren deutlich geworden sein, auf die ich in meinen früheren Eingaben eingehend hingewiesen habe. Ich erachte es nicht für notwendig, darauf noch einmal des weiteren einzugehen und darf auf meine früheren Schriftsätze verweisen. Namens des Kuratoriums des Christophorus-Stifts bitte ich, anhand der von mir vorgebrachten Gesichtspunkte das Gesuch um Beihilfe nochmals zu überprüfen und dem Christophorus-Bund eine Beihilfe aus den Haushalts- oder Kollektenmitteln der Evangelischen Kirche in Deutschland zu bewilligen. Lücking [m. p.]
46D13. Schreiben Niemeiers an die Ratsmitglieder. Hannover, 20. September 1954 F: EZA Berlin, 2/5515 (H). Betr.: Comenius-Institut. Das Gebiet der Erziehung und Bildung befindet sich sowohl in seiner wissenschaftlichen Grundlegung und Durchdringung wie in seinem praktischen Vollzug in einer Krise, deren Gründe vielfältiger Art sind. Es ist die Überzeugung der im Raum der Kirche beheimateten Pädagogen und pädagogisch interessierten Kreise, dass allein vom Evangelium her ein entscheidender Beitrag zur Lösung der erziehungswissenschaftlichen Probleme und der erzieherischen Nöte der Gegenwart geleistet werden könne. Dazu bedarf es nach ihrer Meinung über die bisher geleistete Arbeit hinaus a) einer wissenschaftlich, d. h. sowohl theologisch wie pädagogisch einwandfreien Erforschung der Grundlagen, b) der Erarbeitung der konkreten Gestalt des evangelischen Beitrages und
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c) der Vermittlung der gewonnenen Erkenntnisse und Ergebnisse an die pädagogische Welt. Zur Lösung der damit umrissenen Aufgaben erscheint es notwendig 1. die Kreise und Kräfte innerhalb der Kirche, die sich bisher um diese Dinge bemüht haben, zu gemeinsamer Forschung und Arbeit zusammenzuführen; 2. die gewonnenen Erkenntnisse an eine möglichst breite Schicht evangelischer Erzieher zu vermitteln, um diesen zu helfen, die Pflichten ihres Berufes in evangelischer Verantwortung mit gediegenem Wissen und wissenschaftlich gutem Gewissen erfüllen zu können; 3. besonders geeignete und befähigte evangelische Erzieher heranzuziehen und so zu fördern, dass sie in der Lage sind, die evangelische Lehre von der Erziehung auf akademischer Ebene zu vertreten; 4. in ständiger Fühlungnahme mit dem erziehungswissenschaftlichen, erzieherischen, schulischen und schulpolitischen Geschehen unserer Tage für dieses und in ihm den evangelischen Beitrag zu den wissenschaftlichen und praktischen Erziehungsproblemen als Anregung, Impuls, Hilfe und Kraft wirksam werden zu lassen. Um diese Arbeit in Angriff nehmen zu können, hat der „Arbeitsausschuss der Arbeitsgemeinschaft evangelischer Lehrerverbände“ in seiner Sitzung vom 28. Mai 1954, an der einige landeskirchliche Schulreferenten und der Schulreferent der Kirchenkanzlei teilnahmen, beschlossen, das „ComeniusInstitut, Evangelische Arbeitsstätte für Erziehungswissenschaft“ zu gründen, es an die Forschungsakademie Christophorusstift in Hemer/Westf. anzulehnen, deren Kuratorium und Stiftungsrat ihr Einverständnis zu diesem Plan erklärt haben, und als Leiter einen evangelischen Erziehungswissenschaftler von akademischem Rang zu gewinnen. Ein vorläufiger Vorstand, dem der Schulreferent der Kirchenkanzlei angehört, trifft die notwendigen Vorbereitungen, um die Arbeit des Instituts zum 1. 4. 1955 anlaufen zu lassen. Zur Finanzierung der vorbereitenden Arbeit haben eine Reihe von Landeskirchen sowie Lehrerverbände Mittel zur Verfügung gestellt. Mit den zuständigen Stellen des Staates werden Verhandlungen geführt, um mit Hilfe staatlicher Zuschüsse schon in diesem Jahre einige Forschungsaufträge vergeben zu können, zu deren Übernahme die Bereiterklärungen sachkundiger Autoren vorliegen. Der vorläufige Vorstand hat die Kirchenkanzlei gebeten, dem Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland die Bitte vorzutragen, der Rat wolle den Landeskirchenleitungen die finanzielle Beteiligung am Aufbau des geplanten Instituts empfehlen sowie die kommenden Jahre eine laufende finanzielle Beteiligung der EKD an dessen Personal- und Sachkosten in Aussicht nehmen. In Vertretung: gez. Dr. Dr. Niemeier
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46E Dokumente 46E1. Reisebericht Rankes für Brunotte über die Eherechtskommission. Bonn, 1. Oktober 1954 F: EZA Berlin, 2/4351 (O). Teilnehmer: Prof. Schumann, Dr. Dombois, Oberkirchenrat Wilkens, Universitätsprof. Dr. Reicke, Frau Paulsen, Frau Raiser, Frau Krueger, Frau Dr. Schwarzhaupt, Pfarrer Jordahn, Oberkirchenrat Ranke. Universitätsprofessor D. Dr. Schumann erstattete zu Beginn der Beratung, nachdem Oberkirchenrat Ranke einen kurzen Überblick über die gesetzgeberische Lage gegeben hatte, ein ausführliches Referat über den Stand der Debatte über die Eheschließungsfragen mit besonderem Blick auf die Möglichkeit einer fakultativen Zivilehe. Prof. Schumanns Referat wird voraussichtlich im nächsten Bande, den das Christophorusstift über die Eheschließungsfragen herausgeben wird, zum Abdruck kommen. Sein wesentliches Ergebnis war: Wenn auch die Evangelische Kirche von Schrift und Bekenntnis her weder für oder gegen die fakultative Zivilehe noch für oder gegen die obligatorische Zivilehe Stellung nehmen kann, so hat die obligatorische Zivilehe doch durch Inanspruchnahme einer Zuständigkeit des Staates bei Angelegenheiten, die eigentlich bei der Familie ressortieren, die Gefahr, die Eigenständigkeit der Familie zu verletzen. Demgegenüber führte ich in der Debatte aus, die fakultative Zivilehe biete auch dann, wenn nur der vor dem Altar abgegebene Konsens vom Staat als rechtsgültiger Konsens anerkannt werde, eine Gefahr des Mißverständnisses der kirchlichen Trauung in gesetzlicher (katholischer oder staatlicher) Weise. Anschließend erstattete Dr. Dombois sein schriftlich vorliegendes Referat, über das Wesen der Ehe als Institution. In der Debatte führte ich aus, daß die Schwierigkeit der Problematik hinsichtlich der Eheschließung darauf beruhe, daß wir es nicht nur mit einer Institution in aller ihrer rationalen Unbegreifbarkeit und Lebendigkeit, sondern mit dem Verhältnis dreier derartiger Institutionen, nämlich Ehe, Staat und Kirche zu tun hätten. Auch die Kirche sei eine echte Institution. Wenn man mit Ellul von der Tatsache ausgehe, der Begriff Institution umfasse trotz seiner Irrationalität Rechtsregeln, so sei die weitere Frage, angesichts der Unmöglichkeit der Garantie der Eheschließung auf rechtlichem Gebiet durch die Familie selbst, danach zu stellen, ob die Rechtsregeln für die Eheschließung überwiegend zum staatlichen oder zum kirchlichen Raum tendierten. Auch die Kirche sei ja nicht von vornherein der gegebene Garant der Selbstständigkeit der Institution Familie. In der folgenden Diskussion, die sich im wesentlichen mit den Charakteristika der kirchlichen Trauung befaßte und durch die vorhergehende Auseinandersetzung mit Herrn Oberlandeskirchenrat Dr. Mahrenholz (liturgische Konferenz der
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lutherischen Kirche) bedingt war, gelangte die Kommission zunehmend zu dem Ergebnis, es sei unter den gegenwärtigen Verhältnissen mindestens wohl am besten, kirchliche Trauung und staatliche Eheschließung getrennt zu erhalten. Auf diese Weise werde am ehesten die kirchliche Trauung mit dem ihr zukommenden Sinn neu erfüllt werden können. Pastor Jordahn und Dr. Dombois übernahmen es, neben einem ausführlichen Protokoll, das noch nachgeliefert wird, eine freie Zusammenstellung der in der Debatte über die kirchliche Trauung geltend gemachten Gesichtspunkte zu erarbeiten. Herrn Dr. Dombois kommt es bei dieser Zusammenstellung u. a. darauf an, nachzuweisen, daß das Konsensualprinzip (consensus facit nuptias) die Eheschließung weithin zu einem Mißverständnis im Sinne eines obligatorischen Vertrages geführt habe. Auf Grund der Ausarbeitung von Herrn Jordahn und Herrn Dombois soll dann am 5. November 1954 in Hannover unter Beteiligung der Herren Schumann und Wilkens ein Gespräch mit Herrn Oberlandeskirchenrat Mahrenholz stattfinden, um nach Möglichkeit mit ihm und mit der lutherischen liturgischen Konferenz eine Übereinstimmung zu erzielen. Anschließend ist eine abschließende Bearbeitung des Fragenkomplexes im Rahmen des Christophorusstifts und ein Schlußaufsatz für den 2. Band des Christophorusstifts über das Eheschließungsrecht vorgesehen. Die Eherechtskommission billigte sodann einstimmig die Stellungnahme der kirchlichen Ostkonferenz zu dem Entwurf der DDR für ein Familienrechtsgesetz85. Sie bittet den Rat der EKiD, sich mit dieser Stellungnahme der Ostkonferenz zu identifizieren. In ausführlichen Beratungen arbeitete die Eherechtskommission den von den Herren Professoren Schumann, Greeven und Oberkirchenrat Ranke vorgelegten Entwurf einer gemeinsamen Erklärung über Konsensus und Dissensus in Eherechtsangelegenheiten für die Abgeordneten des Deutschen Bundestages86 um und beschloß, den Rat zu bitten, er möge gestatten, daß die Eherechtskommission diese Erklärung ihrerseits den Abgeordneten in Bonn zugänglich macht. Schließlich beschloß die Kommission, dem Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland vorzuschlagen, die Eherechtskommission in Zukunft wie folgt zusammenzusetzen: 1. Prof. D. Dr. Schumann, 2. Dr. Dombois, 3. Frau Dr. Schwarzhaupt, 4. Herr Prof. Greeven, 5. Herr Prof. Rengstorf, 6. Ministerialdirektor Osterloh. Bei diesem Vorschlag ging die Kommission davon aus, daß für Herrn Osterloh Kosten im Rahmen seiner Tätigkeit für die Eherechtskommission nicht entstehen werden, daß Frau Dr. Schwarzhaupt die Reisen für die Kommission selbst tragen wird und daß wiederum das Christophorusstift die Verpflegungskosten für Herrn Professoren Schumann und Dr. Dom85 46D10. 86 46E2.
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bois übernehmen wird. Sie ging des weiteren davon aus, daß nach der Entscheidung der Kirchenkanzlei und des lutherischen Kirchenamts Referenten der beiden Behörden an den Besprechungen teilnehmen werden. Die Kommission war der Ansicht, es werde sich jedoch nicht vermeiden lassen, zusätzlich zu den ständigen Mitgliedern der Kommission auch in Zukunft – je nach Bedarf – bis zu drei Sachverständige pro Sitzung zu den Beratungen hinzuzuziehen. Die Kommission würde schließlich gerne dem Wunsche der Berliner Stelle der Kirchenkanzlei bzw. der Kanzlei der Altpreußischen Kirche auf Beteiligung ihrer Referenten entsprechen. Ranke 46E2. Beschluss der Eherechtskommission der EKD vom 24./25. September 1954 F: EZA Berlin, 2/4351 (H). Beschluß der Eherechtskommission der Evangelischen Kirche in Deutschland vom 24./25. September 1954. Die Neuregelung des Eherechts hat es zu tun mit einer Institution, die nach christlicher Überzeugung eine Stiftung Gottes ist. Die evangelischen Christen sind also an dieser Frage auf das stärkste beteiligt und haben sich mit ihr in den vergangenen Jahren vielfach nachhaltig befasst. In der Diskussion über die Gleichberechtigung der Frau sind auf evangelischer Seite von Gremien und Einzelpersönlichkeiten verschiedene Stellungnahmen erfolgt. Die Entschliessung der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland vom 19. 3. 1954 hat zur Regelung des väterlichen Entscheidungsrechts über die Kinder in aller Form erklärt, dass eine Einmütigkeit des Urteils nicht erreicht wurde. Umso erfreulicher ist es, feststellen zu können, dass in aller Vielfalt sich ein breites Fundament gemeinsamer Überzeugung als vorhanden erwiesen hat, das uns als evangelischen Christen gerade bei verschiedener Beurteilung von Einzelfragen wertvoll und wichtig sein muss. Die Eherechtskommission der EKiD möchte im Einvernehmen mit dem Rat der EKiD diesen Tatbestand den für die Gesetzgebung Verantwortlichen deutlich machen, indem sie als informatorischen Überblick über die Diskussion innerhalb und ausserhalb der Kommission selbst eine Darstellung des erwähnten Konsensus vorlegt und danach einige der kontroversen Gegenstände mitsamt den jeweiligen Argumenten nennt. Übereinstimmung bestand über den Charakter der Ehe als einer von Gott gestifteten Institution. Einheit, grundsätzliche Unauflöslichkeit und Ausschliesslichkeit sind ihre unabdingbaren Züge. In ihrer rechtlichen Regelung kann nicht von Individualrechten der Partner, sondern nur von der objektiven Ordnung der Ehe ausgegangen werden.
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Deshalb soll etwa der Familienname nicht der freien Wahl der Partner überlassen bleiben. Die Einheit des Wohnsitzes muß gewahrt sein. Die Freiheit beider Partner bei der Gestaltung ihres Lebens wird durch das übergeordnete Interesse der Familie beschränkt. Das gilt auch von dem Recht der Frau auf außerhäusliche Berufstätigkeit. Bei Wahrung dieser Züge der Institution Ehe hat der Christ die Freiheit, ihre rechtliche Ordnung der Wandlung der soziologischen Gegebenheiten anzupassen und damit Spannungen und Unordnung zu vermindern. Diese Anpassung würde niemals einen grundsätzlichen Fortschritt zur Befreiung des Menschen von Not, Zwang und Sünde bedeuten. Das gilt auch von dem Übergang von herrschaftlichen zu genossenschaftlichen Rechtsformen, der sich in unserer Zeit vollzieht. I. In den funktionalen Fragen, die nur einen Ausschnitt aus dem Problemkreis enthalten, aber z. Zt. im Vordergrund der Erörterungen von Gesetzgebungsfragen stehen, bestand Übereinstimmung in folgenden Punkten. a) Mann und Frau sind von Gott so geschaffen, daß jedes für sich einen unvertauschbaren Auftrag in der Ehe hat. Diese Unterschiedenheit ist der Ehe eingestiftet und darf nicht mißachtet werden. Darum sind alle Bestrebungen abzulehnen, die eine Gleichstellung von Mann und Frau unter möglichst weitgehendem Absehen von ihrer Unterschiedenheit zum Ziele haben. b) Mann und Frau stehen trotz ihrer Unterschiedenheit als gleichrangige Geschöpfe vor Gott, von ihm zu seinem Ebenbilde erschaffen und zu seinem Reiche berufen. Wo dies ernstgenommen wird, kommt es trotz aller Unterschiedenheit nicht zu einer verschiedenen Bewertung von Mann und Frau, die ihre Einheit in der Ehe zerstören würde. c) Wenn Christen sich zu Gott als dem „Vater“ Jesu Christi bekennen, so bedeutet dies mehr als die bildhafte Übertragung eines irdisch-menschlichen Verhältnisses auf Gott. Es bedeutet zugleich eine Ermahnung an alle irdischen Väter, ihr Vatersein an dem Vatersein Gottes auszurichten. Das christliche Verständnis des Vaterseins ist deshalb keine Bestätigung eines überlieferten Patriarchalismus; denn dieser bedeutet ein selbstmächtiges Verständnis des Vatertums als Herrschaft, während der Hinweis auf das Vatersein Gottes aller Selbstverherrlichung des Vatertums wehrt. Durch dieses Verständnis des Vaterseins wurde zugleich ein echtes Verständnis des Mutterseins erschlossen, das allerdings durch eine genossenschaftliche Eheauffassung allein ebensowenig gewährleistet würde als es im Patriarchalismus gewährleistet ist. d) „Die Heilige Schrift kennt Weisungen über das Verhältnis, in dem Mann und Frau wie auch Eltern und Kinder im Herrn miteinander leben. Die Einsicht in den geistlichen Charakter dieser Weisungen verbietet es, daraus verbindliche Rechtssätze unmittelbar abzuleiten.“ (Synodalbeschluß Spandau 1954 I) Ebenso wäre es ein gesetzlicher Mißbrauch des Evangeliums, wenn
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man eine genossenschaftliche Eheform zu einem christlichen Prinzip machen würde. Der Staat würde, wo dies geschähe, seine Grenze überschreiten. Überhaupt sollte „das staatliche Recht die innere Ordnung der Ehe möglichst unberührt lassen“ (Synode Spandau I 2, 3). e) „Den Eltern sind ihre Kinder von Gott gegeben und anvertraut. Von daher stammt ihre Verantwortung für die Erziehung der Kinder“. . . Aus der gemeinsamen Verantwortung wird die Forderung abgeleitet, der Gesetzgeber möge „durch seine Ordnung dafür sorgen, daß bei Meinungsverschiedenheiten zwischen den Eltern nicht die Mutter übergangen wird und die Kinder nicht zu Schaden kommen.“ (Beschluß der Synode in Spandau 1954 I 3). f ) Wo im Neuen Testament von der Unterordnung der Frau unter den Mann gesprochen wird, entspricht dieser unabtrennbar die Liebe des Mannes zu seiner Frau. Diese Liebe hat den Charakter der Selbsthingabe und des Opfers; denn sie ist ihrem innersten Wesen nach nichts anderes als die in Christus erschienene Liebe Gottes zu den Menschen – sie verträgt alles, sie glaubt alles, sie hoffet alles, sie duldet alles, 1. Kor. 13, 8. Deshalb gilt für Eheleute unbeschadet aller Rechtsverhältnisse, in denen sie sonst zueinander stehen, „seid untereinander Untertan“. Eph. 5, 21. Gegenüber einem patriarchalischen Mißverständnis der Heiligen Schrift ist damit festgestellt, daß dem Mann in der Ehe kein Herrschaftsrecht gegeben ist. II. 1. Die Meinungsverschiedenheiten setzen ein bei der Beurteilung eines Letztentscheidungsrechts in der Ehe. Sie führen hier jedoch noch nicht zu verschiedenen praktischen Ergebnissen. a) Die eine Ansicht argumentiert wie folgt: Die Bedeutung der apostolischen Mahnungen des Neuen Testaments, in denen die Ehefrauen zur Unterordnung unter die Männer angehalten werden, kann man nur ermessen, wenn man bei ihrer Auslegung beachtet, daß sie auch die sozialen Zustände ihrer Zeit widerspiegeln. Sie können daher nicht unmittelbar als konstitutive Elemente für die Ehe überhaupt verstanden werden. So unaufgebbar und deutlich vielmehr die Unterschiedenheit von Mann und Frau ist (vgl. etwa die unvertauschbare Rolle des Mannes bei der Brautwerbung), so unterliegt doch auch sie einem gewissen Gestaltwandel. Vor allem ist, da geistliches und weltliches Regiment nicht beziehungslos nebeneinander bestehen, die christliche Verkündigung nicht ohne Einfluß geblieben auf das „weltlich Ding“ (Luther) Ehe. Man muß anerkennen, daß die Frau im Vergleich zur alttestamentlichen und unchristlichen Zeit eine andere Stellung hat und diesem Tatbestand ebenso Rechnung tragen, wie die Apostel von Sitte und Brauch ihrer Zeit ausgegangen sind. Die Vertreter dieser Ansicht sind daher dafür, daß das künftige Familienrecht keine Entscheidungsbefugnis des Mannes in der Ehe mehr vorsehen möge.
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b) Für die andere Seite haben die oben genannten apostolischen Mahnungen eine weitergehende Verbindlichkeit auch für die rechtspolitische Situation der Gegenwart. Die Unterordnung der Frau unter den Mann, die sie fordern, berührt ein von der Ehe nicht abtrennbares Geheimnis. Für den Christen wird dieses Geheimnis erhellt durch den Hinweis auf das Verhältnis von Christus zu seiner Gemeinde (Eph. 5). Die Mahnung an die Frau, sich dem Mann unterzuordnen, begründet ihr gegenüber nicht eine Herrschaftsstellung des Mannes, die sie seiner Willkür ausliefert. Wenn die Unterordnung der Frau gegenüber dem Mann dem Verhältnis der Gemeinde zu Christus entspricht, so ist damit ein solches Missverständnis abgewiesen und die Stellung des Mannes der Frau gegenüber als Verpflichtung und besondere Verantwortung gekennzeichnet. Wenn auch der Sinn der Unterordnung der Frau dem Mann gegenüber in der Ehe nur dem Christen deutlich wird, so ist sie doch ein Wesenselement der Ehe überhaupt. Ausserhalb des christlichen Verständnisses ist dieses Geheimnis der Ehe ständig dem Missverständnis und der Verkehrung ausgesetzt. Trotzdem würde der Gesetzgeber um der Wirklichkeit der Ehe willen, wenn er die Entscheidung innerhalb der Ehe überhaupt regelt, nicht von diesem Strukturelement der Ehe absehen dürfen. Wenn dem Gesetzgeber jedoch das Geheimnis dieses Strukturelements bewusst ist, wird er auf eine Regelung des Entscheidungsrechts in der Ehe am besten verzichten. So haben denn auch die Vertreter dieser Ansicht sich mit einem ersatzlosen Wegfall der Bestimmung des § 1354 BGB einverstanden erklärt, die dem Ehemann in den Fragen der Ehe das Letztentscheidungsrecht gab. Dabei sind für sie auch folgende Gründe massgebend: Wenn der Staat glaubt, die inneren Verhältnisse der Ehe durch seine Gesetzgebung regeln zu können, so verfällt er einer Selbsttäuschung. Es ist deshalb für die staatliche Gesetzgebung besser, auf einen solchen Versuch zu verzichten. Dazu kommt, dass in der Praxis gerichtliche Entscheidungen nach dem bisherigen § 1354 BGB so gut wie nicht vorgekommen sind. Schliesslich wird durch den Verzicht auf eine § 1354 BGB entsprechende Regelung am besten der Gefahr der Vergesetzlichung der apostolischen Mahnungen entgegengetreten. 2. Auch die Stellung des Vaters den Kindern gegenüber wird verschieden gedeutet. Hier hat diese verschiedene Deutung zu verschiedenen, praktischen Vorschlägen geführt. a) Gottes Vatersein spiegelt sich in der menschlichen Vaterschaft grundsätzlich nicht anders als in der Mutterschaft. Wie Mann und Weib zusammen den Auftrag bekommen: „Seid fruchtbar und mehret euch!“, so wird den Kindern Ehrfurcht, gegen Vater und Mutter geboten, die Gott als Werkzeug seiner weitergehenden Schöpfung personenhaften Lebens gebraucht. Nirgends, wo es um diese gottgeschuldete Ehrfurcht des Kinds vor seinen Eltern geht, fällt eine unterscheidende Betonung auf den Vater. Dass Gott
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nur ganz gelegentlich mit der Mutter verglichen wird („Ich will euch trösten wie einen seine Mutter tröstet“, Jes. 66, 13), erklärt sich daraus, dass seine Macht und Majestät durch den Vaternamen anschaulicher als durch den der Mutter ausgedrückt war. Das gilt besonders für den antiken Menschen, entspricht aber überhaupt der Beschützerrolle, die dem physisch besser ausgerüsteten Mann in der Verteilung der Aufgaben zufällt. Aber gerade da, wo es um die „inneren“ Fragen der rechten Pflege und Erziehung der Kinder geht, tragen Vater und Mutter gemeinsam die Verantwortung. Die Vertreter dieser Ansicht sind dafür, es möge auch das sog. Recht der Letztentscheidung des Vaters den Kindern gegenüber künftig im Familienrecht wegfallen. Wenn die Eltern sich nicht einigen können und durch das Ausbleiben einer Entscheidung das Wohl des Kindes gefährdet wird, soll jeder Ehegatte die Entscheidung des Vormundschaftsgerichts beantragen können. Der Vormundschaftsrichter soll sich bei seiner Entscheidung im Rahmen der Vorschläge der Eltern halten, soweit es das Wohl des Kindes gestattet. In der Praxis wird bei einer solchen Regelung der Eingriff des Staates nicht in erheblich mehr Einzelfällen aktuell werden, als bei der geplanten Beibehaltung eines eingeschränkten Entscheidungsrechts des Vaters. Der Vorteil dieser Regelung ist, dass nicht von vorneherein der Mutter praktisch die Last des Beweises für den Missbrauch eines Entscheidungsrechts des Vaters aufgebürdet wird und dass nicht in allen Fällen dieser Art sie es ist, die den Ehekonflikt nach aussen tragen muss; dass ferner nicht sofort der Richter bei der heiklen Frage einsetzen muss, ob ein derartiger Missbrauch vorliegt, sondern dass er sich zunächst nur mit der Frage, was das Wohl des Kindes bietet, zu befassen hat. Diese Frage lässt sich leichter mit den Eltern gemeinsam ohne Verschärfung der zwischen ihnen bestehenden Spannungen erörtern, als die Frage nach Schuld und Missbrauch. Im praktischen Verfahren bleibt also der Staatsbeamte mit seiner Entscheidung mehr ausserhalb des Gefüges der Ehe, als bei der Beibehaltung eines Entscheidungsrechts für den Vater. b) Die entgegengesetzte Meinung argumentiert wie folgt: Im Vatersein will etwas Besonderes sichtbar werden, das dem Vatersein Gottes genauer entspricht, als das Muttersein. Nicht umsonst heisst Gott nicht die Mutter, sondern der Vater. In den apostolischen Mahnungen werden daher die Väter angesprochen, wo es um das rechte Verhalten gegenüber den Kindern geht. Die Vertreter dieser Ansicht setzen sich für ein – wenngleich der bisherigen gesetzlichen Regelung gegenüber eingeschränktes – Entscheidungsrecht des Vaters den Kindern gegenüber ein. Sie werden in dieser Ansicht bestärkt, weil sie angesichts totalitärer Gefahren des Zeitgeists befürchten, das innere Gefüge der Familie werde, auch bei Berücksichtigung der unter a) geschilderten Umstände, jedenfalls beim Wegfall des Letztentscheidungsrechts des Mannes staatlichen Eingriffen stärker ausgesetzt sein. Es ist eine Illusion, wenn man annimmt, die Entscheidung eines Vormundschaftsrich-
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ters sei generell in den in Betracht kommenden Fällen objektiver und richtiger als die des Vaters. Eine Entscheidung über die Kinder ist immer ein Wagnis. Dieses Wagnis darf den Eheleuten als ihre eigene Aufgabe ausser in den dringendsten Notfällen nicht abgenommen werden. Sie tragen für sie Gott gegenüber die Verantwortung. Im Gegensatz zu der Entscheidung in der Ehe muss hier nach den praktischen Erfahrungen der Gerichte eine gesetzliche Regelung des Entscheidungsrechts um des Wohls der Kinder willen erfolgen. Die Vertreter dieser Ansicht sind dafür, dass die Mutter gegen einen Missbrauch solchen Entscheidungsrechts des Vaters soweit als möglich gesichert sein sollte. Insbesondere soll schon als Missbrauch des Entscheidungsrechts des Vaters gelten, wenn er ohne Versuch einer gütlichen Einigung sich über die Meinung der Mutter hinwegsetzt. Sie sind der Ansicht, es solle der Mutter in Zukunft auch das Recht der Vertretung der Kinder gegeben werden. Um nach Möglichkeit einen Missbrauch des Entscheidungsrechts des Vaters in zerrütteten Ehen auszuschliessen, solle sobald die Ehegatten dauernd getrennt leben, der Vormundschaftsrichter befugt sein zu, bestimmen, welchem Elternteil die elterliche Gewalt zustehen soll.
46E3. Schreiben der Kirchenkanzlei an die Ratsmitglieder. Hannover, 15. September 1954 F: EZA Berlin, 2/4650 (H). Betr.: Bezug:
Zentralbeschaffungsstelle Unser Rundschreiben an die Herren Ratsmitglieder vom 2. 9. 1953 – Nr. 13 917/53.V.87 – und Beschluss des Rates in der 38. Sitzung vom 11. 9. 1953 (Nr. 6 des Protokolls). In unserem vorgenannten Rundschreiben vom 2. 9. 1953 hatten wir über die Abwicklung der Zentralbeschaffungsstelle auf Grund eines Abkommens mit der Firma Theodor A. Maier, Hannover88, ausführlich berichtet. Der Rat hatte daraufhin in der Sitzung vom 11. 9. 1953 beschlossen, den Restbetrag der von der Firma Maier auf Grund dieses Abkommens an die Kirchenkanzlei geleisteten Zahlung aus den Verwahrgeldern in den Sonderanhang A zum Haushaltsplan zu überführen. Nunmehr hat der Kaufmann Theodor A. Maier den Antrag gestellt89, ihm einen Teil seiner Zahlung zu erstatten, um ihm und seiner Familie in einer Notlage zu helfen, in die er infolge unvorhergesehener Umstände durch die Abwicklung der Zentralbeschaffungsstelle auf Grund des Abkommens 87 EZA Berlin, 2/4651. 88 EZA Berlin, 2/712. 89 46D4.
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vom 24. 9. 194890 geraten sei. Er begründet seinen Antrag im wesentlichen wie folgt: Bei dem Abschluss des Abkommens sei er von der Voraussetzung ausgegangen, dass er auf Grund vorliegender Aufträge die östlichen Gliedkirchen mit Abendmahlswein zu beliefern haben werde. Zu diesem Zweck seien die Weinmengen beschafft worden, über die er durch das Abkommen vom 24. 9. 1948 das Verfügungsrecht erworben habe. Tatsächlich sei aber die Belieferung der östlichen Gliedkirchen durch die Blockade Berlins unmöglich geworden. Hierdurch sei er zu Notverkäufen des Weinbestands genötigt worden, wobei beträchtliche Verluste entstanden seien. Ausserdem seien durch die Notverkäufe im freien Handel Umsatz-Steuerlasten erwachsen, mit denen bei Abschluss des Abkommens vom 24. 9. 1948 beide Partner nicht gerechnet hätten. Es sei nunmehr durch den Bundesfinanzhof in letzter Instanz rechtskräftig entschieden, dass Umsatzsteuern in Höhe von 38.431,30 DM von ihm zu entrichten seien. Wegen dieser Steuerschuld sei sein gesamtes persönliches Vermögen einschliesslich seines Hausrats gepfändet worden. Wir nehmen zu diesem Antrag wie folgt Stellung: Es ist richtig, dass bei Abschluss des Abkommens vom 24. 9. 1948 mit erheblichen Weinlieferungen an die Gliedkirchen in der DDR gerechnet werden konnte, und dass diese Lieferungen infolge der Blockade Berlins unterbleiben mussten. Dies ist auch vom Evangelischen Konsistorium Berlin-Brandenburg in einer Stellungnahme zu dem Antrag Maiers – Abschrift siehe Anlage –91 ausdrücklich bestätigt worden. Es ist ferner richtig, dass bei dem Abschluss des Abkommens nicht mit Steuerlasten von solcher Höhe gerechnet wurde, wie sie durch die Notverkäufe im freien Handel entstanden sind. Die Kirchenkanzlei hatte zur Sicherstellung der Weinbeschaffung für die östlichen Gliedkirchen unmittelbar vor der Währungsreform Zahlungen an Weinlieferanten in Höhe von insgesamt 717.775,76 RM geleistet. Die Mittel dafür waren im wesentlichen aus dem zur Sicherstellung der Besoldung und Versorgung für die Beamten der EKD, ihre Ruhestandsbeamten und deren Hinterbliebene hinterlegten Kapital entnommen worden in der Erwartung, auf diese Weise eine günstige Währungsumstellung zu erreichen. Dies ist tatsächlich gelungen. Denn auf Grund des Abkommens vom 24. 9. 1948 leistete Maier an die EKD zum Ersatz ihrer Aufwendungen für die Weinbeschaffung Zahlungen in Höhe von insgesamt 77.403,32.– DM. Dieser Betrag minderte sich nachträglich um die vom Rat in der Sitzung vom 11. 9. 1953 bewilligte Zahlung an den Wirtschaftsprüfer Dr. Cantrup in Frankfurt a. M. von 3.000,- DM auf 74.403,32 DM, die inzwischen aus den Verwahrgeldern in den Sonderanhang A überführt worden sind.
90 EZA Berlin, 2/712. 91 46E4.
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Wären die Zahlungen der Kirchenkanzlei an die Weinlieferanten vor der Währungsreform unterblieben, so wäre das Kapital auf dem Bankkonto der Kirchenkanzlei geblieben und mit 6,5 % = 46.655,42 DM umgestellt worden. Auf Grund des Abkommens mit Maier ist im Ergebnis ein um 27.747,90 DM höherer Umstellungsbetrag erzielt worden. Es steht für uns ausser Zweifel, dass Maier rechtlich keinerlei Erstattungsansprüche gegen die EKD geltend machen kann. Es erscheint uns aber zweifelhaft, ob die Kirche wohl daran tun würde, einen Währungsgewinn von rund 27.000.– DM festzuhalten, der durch ein Abkommen erzielt wurde, das für den Vertragspartner durch unvorhergesehene und von keinem der Vertragsschliessenden verschuldete Umstände zum völligen Zusammenbruch seiner wirtschaftlichen Existenz geführt hat. In Übereinstimmung mit dem beiliegenden Votum des Evangelischen Konsistoriums Berlin halten wir es aus Billigkeitsgründen für angebracht und vertretbar, einen angemessenen Teil des erzielten Gewinnes dem Kaufmann Maier zu vergüten, und schlagen dafür einen Betrag von 20.000.– DM vor, der aus dem Sonderanhang A wieder zu entnehmen wäre. Wir bitten ergebenst, hierüber in der nächsten Sitzung des Rates einen Beschluss fassen zu wollen. gez. D. Brunotte 46E4. Schreiben des Konsistoriums Berlin-Brandenburg an die Kirchenkanzlei. Berlin, 9. September 1954 F: EZA Berlin, 2/4650 (Abschrift, Anlage zu 46E3). Auf die Anfrage der Kirchenkanzlei vom 25. August92 teilen wir zum Schreiben der Firma Theodor A. Maier vom 24. August93 folgendes mit: Soweit die bei der Abwicklung der ehemaligen Zentralbeschaffungsstelle eingetretenen Verluste aus dem An-und Verkauf der ursprünglich für die Ostzone bestimmten Abendmahlsweine resultieren, muss man der Firma Theodor A. Maier zubilligen, dass diese Verluste nicht auf Verschulden der Firma Theodor A. Maier zurückzuführen sind, sondern in Umständen ihre Ursache, haben, die überaus ungünstig und von niemand zu erwarten waren. Wie aus unseren Akten ersichtlich, waren für die Berlin-Brandenburger Kirche bereits 1947 als Jahresbedarf 60.000 l Abendmahlsweine angemeldet worden. Diese Bedarfsmeldung ist dann auch dem Einkauf durch die Zentralbeschaffungsstelle zu Grunde gelegt worden. Wann der Wein eingekauft worden ist, wissen wir nicht; feststeht aber, dass wir bereits Anfang September 1948 die Abnahme des Weins ablehnen mussten, und zwar zunächst 92 EZA Berlin, 2/4650. 93 Ebd.
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nicht wegen des Preises, der während der Blockade für West-Berlin durchaus tragbar gewesen wäre, sondern wegen der Unmöglichkeit des Transportes. Vom Juni 1948 bis zum Mai 1949 bestand ja die Blockade Berlins und trotz aller Bemühungen haben wir weder von den ostzonalen Stellen eine Einfuhrgenehmigung erhalten noch auch von den englischen Besatzungsstellen die Genehmigung zum Luftbrückentransport bekommen. Bei beiden Stellen sind wir immer wieder ohne Erfolg vorstellig geworden, so dass wir endgültig am 29. April 1949 mit Rücksicht auf die Unmöglichkeit eines Transportes jegliche Abnahme ablehnen mussten. Für die übrigen Kirchen in der DDR, für die unseres Wissens 129000 l eingekauft worden waren, lagen die Verhältnisse nicht anders, da auch hier eine Einfuhrgenehmigung seitens der ostzonalen Stellen verweigert wurde und im übrigen durch das Kursverhältnis zwischen Westmark und Ostmark der Ankauf des Weines indiskutabel war. Wir würden daher befürworten, dass der Firma Theodor A. Maier, soweit es sich um die Abwicklung der vorgenannten Abendmahlsweingeschäfte handelt, eine Hilfe bewilligt wird. gez. Unterschrift. 46E5. Schreiben der Kirchenkanzlei an die westlichen Gliedkirchen. Hannover, 15. Dezember 1954 F: EZA Berlin, 2/2466 (H). Betr.: Amtsbrüderliche Hilfe Bezug: Unser Rundschreiben vom 24. Mai 1954 – Nr. 2136. III –94 Der Finanzbeirat der EKD hat in seiner heutigen Sitzung zusammen mit des Vorsitzendem des Verbandes der Evangelischen Pfarrervereine in Deutschland und Vertretern des Hilfswerks der EKD in Verfolg einer Anregung der Synode der EKD vom März 1954 und in Ausführung des Beschlusses der Westkirchenkonferenz vom 11. November 1954 folgenden Vorschlag zur Durchführung einer gemeinsamen amtsbrüderlichen Hilfe erarbeitet, den wir uns zu eigen machen: 1. Jede westdeutsche Landeskirche sammelt für ihr Hilfswerkpatengebiet. Die Art der Aufbringung wird jeder Landeskirche freigestellt. Die amtsbrüderliche Hilfe soll jedoch nicht durch einen angeordneten Gehaltsabzug, sondern auf freiwilliger Grundlage nach einem Aufruf der Kirchenleitung erfolgen. 2. Der Aufruf der Kirchenleitungen sollte sich an alle hauptamtlichen, in ordentlicher Besoldung stehenden kirchlichen Bediensteten (Pfarrer, Kirchenbeamte und Angestellte) einschliesslich der Inneren Mission und des Hilfs94 43E2.
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werks, sowie an alle Ruheständler und versorgungsberechtigten Hinterbliebenen in den westdeutschen Landeskirchen richten und von ihnen allen ein monatliches Opfer, etwa in Höhe der Hälfte ihrer Kirchensteuerzahlung oder in Höhe des zehnten Teiles der nach dem 31. 3. 1951 infolge der Teuerung erfolgten Aufbesserung ihrer Bezüge, erbitten. 3. In Verhandlungen der Landeskirchen mit den zuständigen Oberfinanzdirektionen und in gleichzeitigen Verhandlungen der Kirchenkanzlei mit dem Bundesfinanzministerium soll eine Vereinbarung das Inhalts angestrebt werden, dass diese Monatsbeiträge ohne Eintragung in die Lohnsteuerkarte steuermindernd berücksichtigt werden dürfen. Solange und soweit eine solche Vereinbarung nicht besteht, sollten Bescheinigungen über den Jahresbetrag der „Spende für amtsbrüderliche Hilfe“ zwecks Eintragung eines lohnsteuerfreien Betrages auf der Lohnsteuerkarte ausgestellt werden. 4. Die Gaben sollen nicht einer allgemeinen schematischen Gehaltsaufbesserung dienten, sondern der Hilfe für besonders notleidende Pfarrer und Kirchenbeamte sowie für besonders niedrig besoldete kirchliche Amtsträger. 5. Alle aufkommenden Gaben sollen jeweils unverzüglich an die Berliner Stelle des Zentralbüros des Hilfswerks der EKD überwiesen worden (Berlin-Zehlendorf, Teltower Damm 93, Postscheckkonto Berlin-West 11128). 6. Bei dieser Stelle wird ein „Ausschuss für amtsbrüderliche Hilfe“ gebildet, bestehend aus Pfarrer Berg, Pastor Dyroff, Präsident Dr. Gefäller, Präsident Hildebrandt, Dr. Rössler, Vizepräsident Zimmermann. Dieser Ausschuss wird gebeten, für die unverzügliche Weiterleitung aller Gaben an die jeweiligen Patengebiete und ausserdem durch einstimmige Beschlüsse sowohl für einen etwa erforderlichen Ausgleich zwischen den einzelnen Patengebieten als auch für eine gemeinsame, von allen westdeutschen Landeskirchen getragene amtsbrüderliche Hilfe zugunsten der Evangelischen Kirche in Österreich Sorge zu tragen und den westdeutschen Landeskirchen jeweils zum 1. Mai und zum 1. November einen Bericht zu geben. 7. Über die Verteilung der aufkommenden Gaben innerhalb der Patengebiete befindet die dortige Kirchenleitung. Wir bitten die westdeutschen Kirchenleitungen herzlich und dringend, nach diesem Vorschlag einheitlich zu verfahren und, wo es noch nicht geschehen ist, die amtsbrüderliche Hilfe sofort, jedenfalls noch Januar 1955, zu beginnen. Möge der Segen dieser gemeinsamen Hilfe allen zuteil werden, die sich daran beteiligen, und möge er allen denen zur Stärkung gereichen, die z. T. unter schwersten Verhältnissen ihren Dienst tun. gez. D. Brunotte
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47 und 48 Berlin, 10./11. November 1954 Ort: Beginn: Ende: Teilnehmer:
Protokollant:
Berlin, Kirchenkanzlei – Berliner Stelle –, Goethestraße 87. Mittwoch, 10. November 1954 (16.00 Uhr). Donnerstag, 11. November 1954 (abends). Hahn, Haug, Heinemann, Herntrich, Kreyssig, Lilje, Mager, Meiser, Niemöller (11. November), Smend. Von der Kirchenkanzlei: Brunotte, Karnatz, Merzyn. Vom Kirchlichen Außenamt: Stratenwerth (11. November). Der Bevollmächtigte der EKD am Sitz der Bundesrepublik Deutschland: Kunst. Der Bevollmächtigte der EKD bei der Regierung der DDR: Grüber. Brunotte.
47/48A Vorbereitung der Sitzung 47/48A1. Schreiben der Kirchenkanzlei an Karnatz. Hannover, 19. Oktober 1954 F: EZA Berlin, 4/46 (O). Betr.: Tagesordnung der Ratssitzung am 12. November 1954 Sehr verehrter, lieber Herr Geheimrat! Für die Tagesordnung der nächsten Ratssitzung hat die Kirchenkanzlei in Hannover zur Zeit nur zwei Punkte zu melden: 1.) Ostpfarrerversorgung – OKR Dr. Merzyn 2.) Gemeinnützige Siedlungsgesellschaft des Hilfswerks der EKD – OKR Dr. Merzyn Außerdem nehme ich an, daß Herr Landesbischof D. Meiser beantragen wird, daß über den Ort der nächsten Synode der EKD noch einmal gesprochen wird. Anläßlich der Generalsynode der VELKD sind verschiedentlich Bedenken dagegen erhoben worden, die Wahl des Rates, die zweifellos zu politisch gefährdeten Erörterungen über einzelne Ratsmitglieder führen könnte, in Eisenach vorzunehmen. Man wünschte mehrfach, daß die Synode nach Westberlin oder an einen anderen westlichen Ort verlegt würde.
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47 und 48. Sitzung Berlin, 10./11. November 1954
Ich kann mich den Bedenken, die im kleinen Kreise in Braunschweig vorgebracht wurden, nicht völlig entziehen. Vielleicht besprechen Sie die Angelegenheit zunächst vertraulich mit dem Herrn Ratsvorsitzenden. Weitere Punkte zur Tagesordnung hätte die Kirchenkanzlei zur Zeit nicht vorzubringen. Sollte bei uns noch etwas in Erscheinung treten, so würden wir es Ihnen baldigst melden. Daß die Punkte 3, 4 und 5 von der Tagesordnung der Kirchenkonferenz auch im Rat zu besprechen sind, nehme ich an Mit herzlichen Grüßen Ihr Brunotte [m. p.] 47/48A2. Schreiben des Ratsvorsitzenden an die Ratsmitglieder. Berlin, 27. Oktober 1954 F: EZA Berlin, 4/46 (H). Betrifft: Ratstagung der Evangelischen Kirche in Deutschland am 12. November 1954 Gemäß dem Beschluß des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland vom 1. Oktober d. J. lade ich hiermit zu einer Sitzung des Rates am Freitag, dem 12. November d. J., vormittags 9: 30 Uhr, im Konferenzzimmer des Berliner Stelle der Kirchenkanzlei ergebenst ein. Für die Tagesordnung sind folgende Beratungsgegenstände vorgemerkt: Berichterstatter 1.) Feststellung der Niederschrift der 46. Ratssitzung 2.) Fragen der EKD aus der Sicht der Ev. Landeskirche in Württemberg (gem. Beschluß des Rates vom 6. Mai 1954, Ziff. 3a) 3.) Mitteilungen aus der Arbeit der EKU 4.) Bericht über die Tagung der Kirchlichen Hilfsausschusses für die Ostvertriebenen 5.) Vorbereitung der Synode der EKD 1955 6.) Stellungnahme zu den Beratungsergebnissen der Kirchenkonferenz vom 11. Nov. 1954, insbes. vorbereitende Maßnahmen für die Seelsorge in der kommenden deutschen Wehrmacht 7.) Bericht über die Arbeiten des Ausschusses für das Disziplinargesetz 8.) Angelegenheiten des Kirchl. Außenamtes
D. Dr. Haug Dr. Kreyssig Dr. Kreyssig Dr. Dr. Heinemann
D. Brunotte D. Niemöller Vpr. Stratenwerth
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47/48A Vorbereitung der Sitzung
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9.) Ostpfarrerversorgung Dr. Merzyn 10.) Gemeinnützige Siedlungsgesellschaft des Hilfswerkes der EKD Dr. Merzyn 11.) Verschiedenes D. Dr. Dibelius 47/48A3. Ergänzung der Tagesordnung vom 27. Oktober 1954 F: NL Smend (D). Die Tagesordnung der Ratssitzung vom 10. November 1954 ist in Ergänzung der Ziffer 11.) „Verschiedenes“ um folgende Punkte zu erweitern: Berichterstatter a) Frage der Jugendarbeit in der EKD D. Dr. Herntrich b) Neubesetzung des Ausschusses für das theologische Studium D. Brunotte c) Veränderung im Fachausschuß „Rundfunk“ D. Brunotte d) Aktion des Rates zugunsten der Kriegsverurteilten D. Brunotte e) Bericht über den Stand der Bibelrevision f) Anträge auf Beihilfe für innerkirchliche Arbeit D. Dr. Karnatz 47/48A4. Schreiben Herntrichs an Brunotte. Hamburg, 28. Oktober 1954 F: EZA Berlin, 2/3068 (O). Lieber Bruder Brunotte! Könnten Sie wohl veranlassen, daß auf die Tagesordnung der nächsten Ratssitzung als ein Punkt an nicht zu später Stelle darauf geschrieben würde: „Fragen der Jugendarbeit in der EKD“, Berichterstatter D. Herntrich Es geht mir bei diesem Punkt darum, den Rat zu verständigen über die Lage, die durch die Gründung der sogenannten „Arbeitsgemeinschaft der Gemeindejugend“ entstanden sind [sic!]. Ich weiss nicht ob und wie weit Sie über diese Dinge im Bilde sind. Diese ganze Problematik ist seit mehreren Jahren vorhanden und liegt irgendwie innerhalb des uns bekannten Gefälles der „Verkirchlichung“. Ein auslösendes Moment war die Tatsache, daß bei der Verteilung der Bundesjugendplangelder für Zentralen nur solche Werke berücksichtigt werden konnten, die auf Bundesebene arbeiten. Das bedeutet, daß die Dienststellen der Landesjugendpfarrer dabei nicht berücksichtigt werden konnten – eine Lösung, die insofern sinnvoll war, als diese Dienststellen durchgängig ja von den Landeskirchen selber besoldet werden.
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47 und 48. Sitzung Berlin, 10./11. November 1954
Aber dies war nur ein auslösendes Moment, denn die Frage eines dritten Werkes, eines „Verbandes der Verbandlosen“ lag seit langem in der Luft. Die Vereinigung „Junge Kirche in der Schweiz“ war hier ein Vorbild, die Verlegung der oekumenischen Zusammenarbeit auf die Kirchen konnte diese Frage verstärken, der Gestaltwandel der Jugendarbeit in den Gemeinden legte vor allen Dingen im norddeutschen Gebiet diese Frage nahe. Nun droht aber durch den gewählten – und zwar meines Erachtens nach sehr unglücklich gewählten Namen „Gemeindejugend“ die Gefahr einer erheblichen Verwirrung. Das Jungmännerwerk hat sich kritisch erhoben. Verschiedene Landeskirchen lehnen ein Mitgehen in dieser Arbeitsgemeinschaft ab. Das Burckhardthaus, das seit Jahrzehnten in einer streng gemeindlichen Form gearbeitet hat, fühlt sich durch diese Gründung in besonderer Weise in Frage gestellt. Seit Jahren sind weibliche Jugendkreise vom Burckhardthaus nie anders als „Gemeindejugendkreise“ angeredet worden. Gehören sie nun zum Burckhardthaus oder zum „dritten Werk“? Ich fürchte, daß die Jugendkammer der EKD nicht die nötige Tragfähigkeit hat, um dieses Problems Herr zu werden. Ich will Sie nicht mit dem Gang der Dinge in den letzten Monaten aufhalten, aber hier zeigen die Erfahrungen, daß die Führung durch Manfred Müller zu schwach ist, und die einzelnen Partner auf dem Boden der Jugendkammer zu dicht beieinander wohnen. Meine Gedanken gehen dahin, daß der Rat in diesem ganzen Problem eine wichtige Frage der EKD erkennt und etwa zwei seiner Mitglieder beauftragt, mit der Führung der Gemeindejugend und den beiden großen Werken sich zusammenzusetzen, um zu erreichen, daß die hier drohende und schon begonnene Verwirrung gebändigt wird. Dies nur zu Ihrer Unterrichtung, damit Sie dem Herrn Ratsvorsitzenden gegenüber diesen Punkt begründen können. Mit herzlichen Grüßen Ihr Herntrich [m. p.]
47/48A5. Schreiben der Kirchenkanzlei – Berliner Stelle – an die Ratsmitglieder. Berlin, 29. Oktober 1954 F: EZA Berlin, 4/46 (H). Betrifft: Die bevorstehende Sitzung des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland. Im Auftrag des Herrn Ratsvorsitzenden teilen wir zu unserem Einladungsschreiben vom 27. d. M. – KB I 259/54 I1 – folgendes mit: 1 47/48A1.
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Es hat sich für [sic!] notwendig erwiesen, daß der Herr Ratsvorsitzende und zwei weitere Ratsmitglieder am Freitag, dem 12. November nachmittags an der Eröffnung der Theologischen Fakultät der Universität Hamburg teilnehmen. Aus diesem Grunde werden die Herren Ratsmitglieder gebeten, sich zur Ratssitzung bereits am Mittwoch, dem 10. November d. J., 16 Uhr, im Konferenzzimmer unserer Dienststelle, Berlin-Charlottenburg 2, Goethestraße 87, einfinden zu wollen. Der Herr Ratsvorsitzende beabsichtigt, die Herren Ratsmitglieder am späten Nachmittag des folgenden Tages zur abschließenden Erledigung der Tagesordnung, insbesondere der Punkte 5 und 6 noch einmal zusammen zu berufen. Da auf diese Weise der Freitag sitzungsfrei ist, wird es sich vielleicht ermöglichen lassen, andere Sitzungen, die für Mittwoch vorgesehen waren, auf den Freitag zu verlegen. Umbestellungen des Quartiers, die etwa durch die Verlegung der Sitzung notwendig werden sollten, bitten wir uns möglichst umgehend mitteilen zu wollen. D. Dr. Karnatz
47/48A6. Schreiben der Kirchenkanzlei an die Kirchenkanzlei – Berliner Stelle –. Hannover, 2. November 1954 F: EZA Berlin, 4/46 (O). Betr.: Tagesordnung der Ratssitzung am 10. November 1954 Oberkirchenrat D. Dr. Herntrich bittet, an nicht zu später Stelle auf die Tagesordnung den Punkt zu setzen „Fragen der Jugendarbeit in der EKD“ (D. Herntrich). Es handelt sich um die Neubildung eines Verbandes der sogenannten Gemeindejugend, mit der die Jugendkammer nicht zurechtkommt. D. Herntrich hält ein Eingreifen des Rates für notwendig. Wir möchten vorschlagen, den Punkt unter „Verschiedenes“ an erster Stelle zu nennen, ihn aber im Laufe der Sitzung zu einer früheren Zeit zu verhandeln. Weitere Punkte für „Verschiedenes“ wären folgende: a) Neubesetzung des Ausschusses für das theologische Studium; b) Veränderung im Fachausschuß „Rundfunk“; c) Aktion des Rates zugunsten der Kriegsverurteilten? d) Bericht über den Stand der Bibelrevision. Für den letzten Punkt ist den Ratsmitgliedern Material zugesandt worden. Wir nehmen an, daß der Herr Ratsvorsitzenden selbst berichten will. Über die Punkte a) bis c) wird der Unterzeichnete selbst referieren. Brunotte [m. p.]
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47 und 48. Sitzung Berlin, 10./11. November 1954
47/48B Protokoll F: EZA Berlin, 2/1797 (H, den Ratsmitgliedern mit Schreiben der Kirchenkanzlei vom 18. November 1954 übersandt). G: 1. Heinemann (AdsD Bonn, NL Heinemann, 2, 0489), 2. Meiser (LAELKB Nürnberg, Meiser 162). Niederschrift über die 47. und 48. Sitzung des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland am 10. und 11. November 1954 in Berlin. Anwesend:
Landesbischof D. Dr. Lilje Landesbischof i. R. D. Hahn Landesbischof D. Dr. Haug Präses Dr. Dr. Heinemann Oberkirchenrat D. Dr. Herntrich Präses Dr. Kreyssig Synodalpräsident Mager Landesbischof D. Meiser Kirchenpräsident D. Niemöller (am 11. 11. 1954) Prof. D. Dr. Smend (nicht anwesend: Bischof D. Dr. Dibelius Moderator D. Niesel2) Von den Amtsstellen: Präsident D. Brunotte Geheimrat D. Dr. Karnatz OKR Dr. Merzyn Vizepräsident Stratenwerth (am 11. 11. 1954) Prälat D. Kunst Propst D. Grüber 1 Feststellung der Niederschrift Die Niederschrift der 46. Ratssitzung vom 1. Oktober 1954 in Hannover wurde bestätigt. Zu Ziffer 6 der Niederschrift wurde beschlossen, dass an dem Gespräch mit den politischen Parteien3 ausser den dort genannten Persönlichkeiten auch Synodalpräsident Mager teilnehmen soll. 2. Synode der EKD 1955 Nachdem gegen den in Aussicht genommenen Ort der Synode (Eise2 Niesel war nach einer Operation noch an das Krankenbett gebunden. 3 41B21, 44B5 und 46B6.
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nach) von verschiedenen Seiten Bedenken erhoben waren4, wurde die Frage des Ortes der Synode sowohl in der Ratssitzung wie auch in der Kirchenkonferenz am 11. November eingehend erörtert5. Die Mehrheit der Kirchenkonferenz sprach sich für einen Tagungsort in der DDR aus, um den seit 1948 nicht unterbrochenen Turnus zwischen West und Ost beizubehalten6. Die Mehrheit des Rates entschied sich in der Abendsitzung am 11. November nach reiflicher Erwägung aller Gründe und Gegengründe dafür, die 1. Tagung der neu konstituierten zweiten Synode der EKD an einem Ort in Westdeutschland zu halten. Hierfür wurde die evangelische Siedlung Espelkamp in Westfalen in Aussicht genommen. Die Kirchenkanzlei wurde beauftragt, Räume und Unterbringungsmöglichkeiten zu prüfen und die entsprechenden Vorbereitungen zu treffen. Falls Espelkamp die Synode nicht aufnehmen kann, soll Bethel gefragt werden. Als Thema wurde die schon am 1. Oktober 1954 vorgeschlagene Formulierung „Die Kirche und die Welt der Arbeit“ beschlossen. Das Thema soll so behandelt werden, dass zunächst ein umfassender, in die Probleme einführender Vortrag gehalten wird. Die Kammer für soziale Ordnung wurde beauftragt, hierfür einen geeigneten Redner zu gewinnen. Landesbischof D. Dr. Lilje erklärte sich bereit, das einleitende Referat gegebenenfalls zu übernehmen. Auf dieses Referat sollen sodann drei Referate folgen, die die praktischen Erfahrungen der kirchlichen Arbeit auf diesem Gebiet darstellen. Als Referenten wurden in Aussicht genommen Klaus von Bismarck, Eberhard Müller und Szymanowski [richtig: Symanowski]. Der Ratsvorsitzende soll gebeten werden, in der letzten Sitzung des Rates vor der Synode einen Überblick darüber zu geben, was er in seinem mündlichen Tätigkeitsbericht über den Verlauf der sechsjährigen Tätigkeit des Rates vorzutragen beabsichtigt7. 3. Fragen der EKD aus der Sicht der Evangelischen Landeskirchen in Württemberg8
4 Vgl. 47/48D1 und den Brief Mitzenheims an Heinemann vom 19. Oktober 1954 (47/ 48E1), der den Ratsmitgliedern von der Kirchenkanzlei am 22. Oktober zugesandt worden war. 5 Vgl. unten S. 532. 6 Der anhaltinische Landeskirchenrat monierte am 5. Januar 1955 in einem Schreiben an die Kirchenkanzlei, dass der Beschluss der Kirchenkonferenz, die Synode im Osten abzuhalten, nicht im Protokoll enthalten sei. Zwar habe ein Beschluss der Kirchenkonferenz keine Gesetzeskraft, er sollte doch aber „in der Niederschrift über einen so wichtigen Verhandlungsgegenstand nicht unter den Tisch fallen“ (EZA Berlin, 2/1698). 7 49B3d. 8 Vgl. 44B3a mit 44E4 und 46B4.
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47 und 48. Sitzung Berlin, 10./11. November 1954
Landesbischof D. Dr. Haug richtete 5 besorgte Fragen zum Wege der EKD seit 1948 an den Rat. Dieser Fragen betrafen 1.) das Ernstnehmen der Bekenntnisgebundenheit der Gliedkirchen, 2.) das Hören auf das Zeugnis der Brüder, 3.) die Stärkung der Gemeinsamkeit gegenüber den Anforderungen von außen, 4.) die politischen Spannungen innerhalb der EKD, 5.) die Frage der Kirchensteuer und der Eigenständigkeit der Kirche9. Das Referat führte zu einer eingehenden Aussprache unter den anwesenden Ratsmitgliedern, in welcher, bei aller Kritik an dem Wege der EKD und auch am Handeln des Rates, allgemein die Notwendigkeit betont wurde, nicht zu resignieren10. 4. Gemeinnützige Siedlungsgesellschaft des Hilfswerks der EKD Oberkirchenrat Dr. Merzyn berichtete über die Entwicklung der Ge-
9 Laut G 1 führte Haug aus: „1.) Quo vadis? Art 6 Satz 1 GO: Festig[un]g der Gemeinschaft. a) nicht Union, sondern Kooperation u. Kom[m]union [. . .] 2) Nehmen wir Bekenntnisgebundenheit unserer Kirchen u. Gemeinden ernst? Luth. K waren stärker als Volkskirche u. Staatskirchentum als Bekenntnis. [. . .] Barmen war Abwehr, nicht positiv. Das verkennt BK 3) Fragen wir uns aufgrund der Schrift? VELKD ist weit gekommen auf dem Weg der Selbstdarstellung. Alle Achtung! Habt Ihr dabei das Zeugnis der anderen gehört? Ist Eure Selbstdarstell[un]g nicht zu einfach? In Württ[em]berg auch andere als luth. Einflüsse (Bengel, Beck, Schlatter, Barth). Das war gut. Selbstentfalt[un]g nur aus luth. Boden ist auch Schranke zugleich. Warum geht Ihr nicht in das ganze Leben der EKD? Längeres Gespräch wäre besser als eilige Selbstdarstellung. Langsame Formierung besser, Zelte besser als stilreine Dome alten Stils. Autarkie der luth. Konfession. 4) Nach aussen sind wir Kirche (EKD). Vom Blick des Volkes her sind wir zur Einheit genötigt. Werke, Akademien, K[irchen]tag, Stud.Gemeinden sprechen für Einheit. Gegenüber Kath.K ist positiv ref. Gemeinschaft geboten. Ebenso gegenüber Freikirchen u. Sekten! 5) Wir wohnen konf. ineinander. 6) Polit. Spannungen gegenwärtig am schwersten. Kirchl. miteinander oder politisch gegeneinander? Niemöller u. Heinemann! Unbussfertigkeit unseres Volkes bedrängt uns alle. Verfallen wir nicht in Politisierung der K? [. . .] Reich Gottes das Wichtigste. [. . .] ‚Stimme der Gemeinde‘ macht sekundäre Fragen zu primären. Falsche Rangordnung! Bisher keine einheitl. Antwort Gottes an uns in der Kirche. Achtung vor Gewissensbindung der anderen! Unterordnung unter Gottesamt des Staates! [. . .] Erbitte Schweigen in polit. Fragen solange andere anders denken. Differenz in der Lehre von den 2 Reichen unsere schwerste Not. Flugblatt aus ‚St. D. G.‘ zur Atombombe: Sacharjas Vers glatte Irrlehre. Das gibt Glaubensspaltung. Ich musste gegen Verbreit[un]g in württbg. Gemeinden feierlich protestieren. Nicht auf Adenauer[,] nicht auf Hei[nemann] getauft! Das darf uns nicht zerreisen. 7) KSteuer, Orden pp. – sind wir nicht wieder auf staatskirchl. Wegen? Ist es richtig, dass westdt Kirchen mit KSt so weiter machen? [. . .]. Volkskirche muss lebendig werden! Gemeinden selbständiger! Auch Geldfragen mit Verkündigung in Verbindung halten! [. . .]“. 10 In der an den Vortrag anschließenden Diskussion betonte u. a. Lilje, dass von der „Resignation“ die größte Gefahr ausgehe, Herntrich wies auf die der VELKD innewohnenden Spannungen hin und Meiser erklärte: „Man lasse uns sein, was wir sind: Lutheraner!“ (G 1).
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meinnützigen Siedlungsgesellschaft. Im Hinblick darauf, dass der Rat 1952 nach § 4 Absatz 1 des Hilfswerkgesetzes11 eine Beteiligung „im bisherigen Umfang“ genehmigt hatte12, die Gemeinnützige Siedlungsgesellschaft aber eine erhebliche Aufstockung des Kapitals wünscht, sah sich der Rat genötigt, die Frage einer weiteren Beteiligung des Hilfswerks der EKD an der Gemeinnützigen Siedlungsgesellschaft zu besprechen. Es wurde beschlossen13: 1.) Der Rat der EKD bittet den Verwaltungsrat des Hilfswerks der EKD, jede Personalunion zwischen Mitgliedern der Gesellschafterversammlung und Mitgliedern des Aufsichtsrates der GSG aufzuheben. Der Rat der EKD schlägt vor, dass der Verwaltungsrat wenigstens einen der beiden Finanzsachverständigen des Verwaltungsrates des Hilfswerks der EKD als Mitglied des weiterhin von D. Dr. Gerstenmaier geleiteten Aufsichtsrates der GSG benennt und dass der Verwaltungsrat ausserdem in der Gesellschaftsversammlung der GSG durch den Vertreter des Hilfswerks der EKD die Wahl der Vertreter der Landeskirchen in den Aufsichtsrat der GSG unterstützt. Für die Wahrnehmung der Rechte des Hilfswerks der EKD in der Gesellschafterversammlung der GSG sollte der Vermögensverwalter des Zentralbüros des Hilfswerks der EKD allein zuständig sein. 2.) Der Rat der EKD hält es für notwendig, dass im Evangelischen Siedlungswerk e. V. – gegebenenfalls unter entsprechender Änderung der Satzung14 – a) die Mitgliedschaft des Hilfswerks der EKD und b) die Berufung eines weiteren, vom Verwaltungsrat des Hilfswerks der EKD vorzuschlagenden Vorstandsmitgliedes erwirkt wird. 3.) Der Rat der EKD bittet den Verwaltungsrat des Hilfswerks der EKD, zunächst weder einer Kapitalaufstockung der GSG durch nichtkirchliche Stellen, noch einer Kapitalaufstockung der GSG aus dem Restvermögen des Hilfswerks der EKD einschliesslich des Vierherrenwaldes zuzustimmen, sondern zunächst dem Rat den Jahresabschluss 1953 der GSG mit dem Prüfungsbericht des Oberrechnungsamtes der EKD sowie den letzten Vierteljahres-Abschluss vorzulegen und konkrete Vorschläge für die Ermöglichung einer Kapitalaufstockung zu machen, durch die das Vermögen des Hilfs-
11 ABlEKD 1951, Nr. 4 vom 15. April 1951, S. 89ff. 12 D. Pöpping/A. Silomon/K.-H. Fix, Protokolle 6, 27B9f, S. 48. 13 Vgl. hierzu das Schreiben der Kirchenkanzlei an die Ratsmitglieder vom 1. November 1954 mit Anlage 47/48D2–3. 14 „Gesellschaftsvertrag der Gemeinnützigen Siedlungsgesellschaft des Hilfswerks der Evangelischen Kirche in Deutschland mit beschränkter Haftung“ (ADW Berlin, ZB 1513).
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werks der EKD nicht geschmälert wird. Ohne derartige Unterlagen könnte der Rat der EKD weder seine nach § 4 des Hilfswerkgesetzes für die Beteiligung des Hilfswerks der EKD an der GSG notwendige Genehmigung aufrechterhalten, noch den Landeskirchen empfehlen, ihre Beteiligung zu erhöhen15. 5. Ausschuss der EKD für das theologische Studium16 Nachdem Prof. D. Maurer-Erlangen als Nachfolger für Prof. D. Ebeling-Tübingen zum Präsidenten des Fakultätentages gewählt worden ist und Prof. D. Noth-Bonn dringend darum gebeten hat, von der Mitarbeit im Ausschuss entbunden zu werden17, beschloss der Rat auf Vorschlag des Fakultätentages, Prof. D. Maurer in seiner Eigenschaft als
15 Von diesem Ratsbeschluss wurden die Mitglieder des Verwaltungsrates des Hilfswerks, das Zentralbüro des Hilfswerks, die Gemeinnützige Siedlungsgesellschaft des Hilfswerks, die Mitglieder des Finanzbeirates der EKD und das Oberrechnungsamt der EKD von der Kirchenkanzlei am 13. November 1954 informiert (EZA Berlin, 2/5170). Am 19. November bestätigte dann Zieger vom Oberrechnungsamt der EKD dem Vorstandsvorsitzenden der GSG Wagner eine telefonische Vereinbarung vom Vortag. Demnach konnte die GSG entgegen der Vermutung des Rates dem Oberrechnungsamt noch keinen testierten Jahresabschluss für 1953 zur Auswertung vorlegen. Die GSG werde dem Oberrechnungsamt aber möglichst bald vorläufige Zahlen zu ihrer Finanzsituation vorlegen. Zur Entspannung der Lage bat Dibelius am 29. November Brunotte, „unter allen Umständen bis zur Synode eine freundschaftliche Atmosphäre zwischen GSG und Hilfswerk einerseits und dem Rat andererseits herzustellen“. Es könne nicht angehen, dass „die Synode große Worte redet, daß der Wohnungsbau zu den großen sozialen Aufgaben der EkiD gehört, und daß wir uns dann mit demjenigen Gremium, das hier in ausgezeichneter Weise tätig ist, so überwerfen, daß bei dem Rat eine eisige Ablehnung und bei der Siedlungsgesellschaft ein steter Zorn vorhanden ist“. Als Grund des Missverständnisses identifizierte der Ratsvorsitzende die Unvereinbarkeit von kameralistischer „Buchführung der Behörden“ und den Regeln der freien Wirtschaft. Die angeforderten Unterlagen scheinen dem Rat weder 1954 noch 1955 vorgelegt worden zu sein (EZA Berlin, 2/5170). Vgl. auch 49B10. Im Zusammenhang mit diesem Ratsbeschluss scheint Gerstenmaier von Krimm entweder falsch informiert worden zu sein oder aber Gerstenmaier hatte Krimms Bericht falsch verstanden. Er hatte dann – so warf ihm Brunotte vor – „schriftlich und mündlich unzutreffende Äusserungen über die Kirchenkanzlei, ihren Leiter und ihren Referenten getan“. Brunotte forderte ihn daher am 26. November 1954 schriftlich auf, diese Aussagen zu korrigieren (vgl. den Entwurf des Briefes in Ebd.). Gerstenmaier antwortete am 8. Dezember 1954 und machte die schlechte Vorbereitung der Ratssitzung durch die Kirchenkanzlei an diesem Punkt für die Missverständnisse verantwortlich. Seine Funktion als Bevollmächtigter des Hilfswerks für die Anteile des Zentralbüros des Hilfswerks an der GSG sei rechtens. Weiterhin kritisierte er das Verbot einer Kapitalaufstockung für die GSG ökonomisch unsinnig und nannte den Vorgang schlimmer als den Devaheim-Skandal der Weimarer Republik. Merzyn notierte auf dem Brief: „Eine weitere schriftliche Erörterung mit Dr. G. verspricht keinen Erfolg. Es ist auch nicht in 1. Linie Sache der KK, den Beschluss des Rates, des Verw. Rats des HW und des Finanzausschusses der Synode zu rechtfertigen“ (Ebd.). 16 Vgl. zur Vorgeschichte 45B9 und 46B7. 17 Schreiben nicht ermittelt.
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Präsident des Fakultätentages in den Ausschuss der EKD zu berufen und anstelle von Prof. D. Noth Prof. D. Ebeling zu berufen18. 6. Fachausschuss „Rundfunk“ in der Publizistischen Kammer Nachdem Pfarrer Praetorius-Düsseldorf wegen Erreichung der Altersgrenze in den Ruhestand getreten und aus dem Fachausschuss ausgeschieden ist, berief der Rat an seiner Stelle OKR. Rößler-Düsseldorf in den Fachausschuss der Publizistischen Kammer der EKD19. 7. Aktion zu Gunsten von Kriegsverurteilten Der Rat beschloss, im gegenwärtigen Augenblick der Anregung von Pfarrer Günther-Oslo nicht zu folgen. Die Angelegenheit der Kriegsverurteilten soll aber im Auge behalten werden20. 8. Beihilfen aus Kap. III des Haushaltsplanes21 Auf Vortrag von Geheimrat D. Dr. Karnatz wurden aus Kap. III des Haushaltsplanes (Ostwährungsgebiet) folgende Beihilfen bewilligt: 1.) Männerarbeit der EKD Hauptgeschäftsstelle Ost 7.000,– DM22 2.) Frauenhilfe der EKD, Potsdam 7.000,– "23 3.) Laienwerk i. d. KiProv. Sachsen 5.000,– "24 4) Landesbruderrat der Bek. Ev.-Luth. Kirche Sachsens für Laienarbeit 5.000,– "25 5.) Hainstein GmbH. 1.000,– "26 18 Auf Bitten des Fakultätentages vom 19. Oktober 1954 hin hatte die Kirchenkanzlei am 27. Oktober 1954 den Ratsmitgliedern die im Wortlaut weithin identische Bitte des Fakultätentages um einen Ratsbeschluss vorgelegt (EZA Berlin, 2/5426). Zum Fortgang vgl. das Protokoll der 4. Ratssitzung vom 7. Juli 1955, Top 4 (EZA Berlin, 2/1798). 19 Den Antrag der rheinischen Landeskirche (47/48D4) hatte der Fachausschuss Rundfunk am 11. Oktober gegenüber der Kirchenkanzlei befürwortet (EZA Berlin, 2/1643). 20 Vgl. hierzu den Brief des Ruhestandspfarrers Günther an Dibelius vom 10. August 1954 (47/48D5). Am 16. September 1954 hatte sich Günther nochmals an Dibelius gewandt, um sein Anliegen zu wiederholen. Er hatte dabei Dibelius einen Brief von Bischof Berggrav vom 10. September 1954 zur Kenntnis gebracht, in dem Berggrav die Motive für Günthers Initiative abgeschwächt bzw. in Zweifel gezogen hatte (ELAB, 603/B 15). 21 Vgl. auch 41B12, 42B3, 45B7b, 46B12 und 50B18. 22 47/48D6. 23 47/48D7, vgl. auch 41B12. Wegen des stetig wachsenden Aufgabenbereichs hatte die Frauenhilfe bereits am 26. März 1954 bei der Kirchenkanzlei – Berliner Stelle – einen Antrag auf Beihilfe in Höhe von 10.000.– DM Ost gestellt (EZA Berlin, 104/433). 24 47/48D8. Vgl. auch 42D1. 25 47/48D8, vgl. auch 42D1 und 50B18a. 26 47/48D9. Die Ausgabeanweisung der Kirchenkanzlei – Berliner Stelle – vom 6. Dezember 1954 enthielt als Betreff „Beihilfe zur Durchführung der laufenden Arbeit“ (EZA Berlin, 4/395).
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47 und 48. Sitzung Berlin, 10./11. November 1954
6.) Schrifttumskammer der EKD 7.) Sendschriftenhilfswerk des Martin-Luther-Werkes verbleibender Bestand
8.000,–
"
3.000,– "27 7.900,– DM
36.000,– DM
9. Seelsorge in einer kommenden deutschen Wehrmacht28 Nachdem die Angelegenheit in der Kirchenkonferenz ausführlich besprochen war29, beschloss der Rat in der Abendsitzung am 11. November, den unter dem Vorsitz von Landesbischof D. Bender arbeitenden Ausschuss zu bitten, Herrn Bischof D. Jacobi in Oldenburg zu der nächsten Sitzung zuzuziehen, um dessen Vorschlag einer rein zivilen Seelsorge an den Wehrmachtsangehörigen im Ausschuss grundsätzlich zu prüfen30. Ferner wurde festgestellt, dass die Mehrheit der Kirchenkonferenz sich dafür ausgesprochen hat, die oberste geistliche Leitung der Wehrmachtseelsorge einem vom Rat zu bestimmenden leitenden geistlichen Amtsträger einer Gliedkirche zu übertragen, unter dessen Oberleitung ein der Wehrmacht angehörender Feldpropst die Arbeit im einzelnen durchführen soll31. Die Landeskirchen sollen gebeten werden, schon jetzt ihr Augenmerk auf die Gewinnung von für die Wehrmachtseelsorge geeigneten Pfarrern zu richten und dem Rat Personalvorschläge für zunächst 10 bis 12 Pfarrer zu machen, die bei den zuerst aufzustellenden Kaderformationen arbeiten sollen und sich gegebenenfalls später als Wehrmachtdekane eignen. 10. Angelegenheiten des Kirchlichen Aussenamtes Vizepräsident Stratenwerth berichtete32 über die Gewinnung von Auslandspfarrern für Brasilien. Da an die Wiedererrichtung eines Seminars der EKD (Ilsenburg) nicht zu denken ist und der Bedarf durch das Missionsseminar in Neuendettelsau nach Meinung des Kirchlichen Aussenamtes nicht voll gedeckt werden kann, hat das Aussenamt auch das Missionsseminar der Rheinischen Mission in Wuppertal-Barmen aufgefordert, Kräfte für Brasilien auszubilden. Die Präsidentenkonferenz in 27 28 29 30
47/48D10. Vgl. auch 41B12,4. Vgl. 45B5. Vgl. unten, S. 533. An der am 25./26. November in Bad Herrenalb stattfindenden Ausschusssitzung konnte Jacobi nicht teilnehmen. Die zehn Thesen des Memorandums (47/48E2) über eine kirchliche Seelsorge an Soldaten statt einer „Wehrmachtsseelsorge“ wurden aber ausführlich diskutiert (Protokoll der Sitzung in EZA Berlin, 2/4097). 31 G 1: „Dibelius schlägt Jakob [richtig Jacobi] als Feldbischof, Stratenw