Die Protokolle des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland. Band 5: 1951 9783666557583, 3525557582, 9783525557587

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Die Protokolle des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland. Band 5: 1951
 9783666557583, 3525557582, 9783525557587

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Arbeiten zur Kirchlichen Zeitgeschichte Herausgegeben im Auftrag der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für Kirchliche Zeitgeschichte von Carsten Nicolaisen und Harald Schultze

Reihe A: Quellen Band 8

Vandenhoeck & Ruprecht

Die Protokolle des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland Band 5: 1951

bearbeitet von

Dagmar Pöpping

Vandenhoeck & Ruprecht

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. ISBN 3-525-55758-2

© 2005, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen / www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Hinweis zu § 52a UrhG: Weder das Werk noch seine Teile dürfen ohne vorherige schriftliche Einwilligung des Verlages öffentlich zugänglich gemacht werden. Dies gilt auch bei einer entsprechenden Nutzung für Lehr- und Unterrichtszwecke. Printed in Germany. Satz: Satzspiegel, Nörten-Hardenberg Druck und Bindung: Hubert & Co., Göttingen Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.

Inhalt

Inhalt

INHALT

I. Von der Vergangenheitsbewältigung zur Mitgestaltung der staatlichen Sozialpolitik. Der Weg der EKD in die Bundesrepublik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Editorische Vorbemerkungen

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7 27

Dokumente 19. Sitzung: Potsdam, 11. und 12. Januar 1951 . . . 20. Sitzung: Hannover, 6. März 1951 . . . . . . . 21. Sitzung: Hamburg, 5. April 1951 . . . . . . . 22. Sitzung: Hannover, 24. Mai 1951 . . . . . . . 23. Sitzung: Elbingerode, 16. und 17. Juli 1951 . . . 24. Sitzung: Tutzing, 6. und 7. September 1951 . . . 25. Sitzung: Berlin-Spandau, 25. Oktober 1951 . . . 26. Sitzung: Berlin-Spandau, 7. Dezember 1951 . . . Kirchenkonferenz: Hannover, 7. März 1951 . . . . Kirchenkonferenz: Berlin-Spandau, 6. Dezember 1951

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33 100 174 182 253 328 384 433 504 507

Chronologisches Dokumentenverzeichnis . . . . . . . . . . . .

511

Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . .

539

Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

557

Personenregister/Biographische Angaben . . . . . . . . . . . .

563

Institutionen-, Orts- und Sachregister . . . . . . . . . . . . .

621

Einleitung Einleitung

VON DER VERGANGENHEITSBEWÄLTIGUNG ZUR MITGESTALTUNG DER STAATLICHEN SOZIALPOLITIK. DER WEG DER EKD IN DIE BUNDESREPUBLIK

Der 1949 neu gewählte Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland begann 1951 das dritte Jahr seiner auf sechs Jahre angelegten Amtsperiode_1. Die 179 Tagesordnungspunkte, die auf acht Ratssitzungen im Jahr 1951 von den 12 Ratsmitgliedern verhandelt wurden, umfassen ein großes und disparates Spektrum gesamtkirchlicher Angelegenheiten, angefangen bei Entscheidungen über Personal- und Verwaltungsfragen bis hin zur Präsentation der EKD gegenüber dem Staat, dem Ausland und anderen Kirchen. Entscheidungen über Beihilfegesuche des Posaunenwerkes der EKD standen dabei neben Beschlüssen über offizielle Äußerungen des Rates zu politisch bedeutsamen Themen des Zeitgeschehens. Die folgende Einführung gibt einen Einblick in die dominierenden Themen der Ratssitzungen des Jahres 1951, in denen es um die Wiederbewaffnung, die kirchliche Situation in der DDR, die Auseinandersetzung mit den politischen und sozialen Folgen des Krieges und vor allem die Sozialpolitik ging. Darüber hinaus kommen die schweren konfessionellen Auseinandersetzungen innerhalb der EKD um die deutschen evangelischen Auslandsgemeinden, insbesondere in Italien, zur Sprache. Hatte sich der Rat noch in den beiden ersten Jahren seiner Amtszeit mit zahlreichen organisatorischen Problemen des innerkirchlichen Aufbaus beschäftigt, traten diese Themen 1951 bereits in den Hintergrund. Der personelle Aufbau der Amtsstellen der EKD und die Besetzung der kirchlichen Kammern zur Beratung der leitenden Organe der EKD waren schon im Jahr 1949 weitgehend abgeschlossen_2. Nur für die Arbeit des Rates selbst fehlte noch eine neue Geschäftsordnung, die nach zweijähriger Beratungsphase am 6./7. September 1951 in Tutzing beschlossen wurde_3. Auch die vergangen1 Zur Organisationsgeschichte des Rates der EKD vgl. C. NICOLAISEN/N. A. SCHULZE, Protokolle 1, S. IX–XLIII, und C. NICOLAISEN/N. A. SCHULZE, Protokolle 2, S. VII– XXIV. Die Ratsprotokolle der ersten 1949 einsetzenden Amtsperiode werden durchlaufend nummeriert. In das Jahr 1951 fallen die Sitzungen Nr. 19 bis Nr. 26. 2 Zur Organisationsgeschichte und Besetzung der beratenden Kammern der EKD vgl. vor allem K.-H. FIX, Protokolle 3, 1B6; 2B8. 3 Die neue Geschäftsordnung stärkte die Position der elf Ratsmitglieder gegenüber dem Ratsvorsitzenden, dessen z. T. autoritäre Vollmachten spürbar eingeschränkt wurden. Die Hintergründe dieser Entwicklung sind organisationsgeschichtlich noch nicht aufgehellt; vgl. 24B1; vgl. A. SILOMON, Protokolle 4, 18B9.

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Einleitung

heitspolitischen Zielsetzungen der Vorjahre, wie das Engagement der EKD für die Kriegsverbrecher und Kriegsgefangenen_4, traten in den Verhandlungen des Rates zurück. Hier wirkte sich bereits eine allgemein veränderte Stimmung innerhalb der beiden christlichen Großkirchen in Deutschland nach dem unmittelbaren Ende der Nachkriegsjahre aus_5. Die rückwärtsgewandten Themen verloren gegenüber einer wachsenden Zukunftsorientierung an Bedeutung. Anfang der fünfziger Jahre war der Wille zur Mitarbeit der evangelischen Kirche an der politischen und kulturellen Gestaltung der Bundesrepublik Deutschland unübersehbar. Schon die Häufigkeit, mit der der Rat der EKD 1951 über das Amt seines Bevollmächtigten am Sitz der Bundesrepublik Deutschland, Hermann Kunst, verhandelte, zeigt die große Bedeutung, die der unmittelbaren Verbindung der EKD zu den staatlich-politischen Instanzen beigemessen wurde_6. Kirchliche Vertreter waren bei der Vorbereitung von allen wichtigen Gesetzesvorhaben beteiligt, wie dem 1952 beschlossenen Betriebsverfassungsgesetz_7 oder der schon 1951 erwarteten Wehrgesetzgebung_8. Hinzu kamen informelle Treffen von evangelischen Kirchenführern mit Vertretern der Bundesregierung, wie das Treffen vom 5. November 1951 mit Konrad Adenauer in Königswinter_9. Dem war 1950 ein Treffen zwischen Vertretern der Bekennenden Kirche und SPD-Mitgliedern vorangegangen, das Spekulationen über ein Bündnis von Kreisen der EKD und SPD zum Sturz der Regierung Adenauer genährt hatte_10. Regelmäßig äußerte sich die EKD zu gesellschaftlichen Problemen wie dem geplanten Gesetz zum Lastenausgleich_11 oder zur Frage des Beamteneides_12. Auch im kulturellen Bereich kam bereits ein starker Mitgestaltungswille der EKD zum Ausdruck, wie das große Interesse an den elektronischen Massenmedien zeigt. Die 1951 anlaufenden Vorbereitungen zur Einführung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens in der Bundesrepublik zeugen von einer mehr oder weniger unfreiwilligen Revision des Verhältnisses der EKD zur modernen Sozialkultur_13. Der vom Rat zum Fernsehbeauftragten ernannte Werner Hess äußerte sich sehr kritisch über die „fatalen Folgen“ des Fernsehens in den USA:

4 Vgl. dazu die Einleitung in A. SILOMON, Protokolle 4. 5 Zur Mentalität des deutschen Nachkriegsprotestantismus vgl. A. SCHILDT, Modernisierung, S. 32ff.; DERS., Abendland; D. BUCHHAAS-BIRKHOLZ, Leitbilder, S. 17–33; M. GRESCHAT, Rechristianisierung; D. PÖPPING, Abendland. 6 Vgl. unten S. 22f. 7 Vgl. unten S. 20f. und 23E8. 8 Vgl. unten S. 11f. 9 Vgl. unten S. 10. 10 Vgl. dazu T. SAUER, Westorientierung, S. 89. Zur Vorgeschichte des Dialogs zwischen evangelischer Kirche und SPD vgl. M. MÖLLER, Kirche, S. 141–192. 11 Vgl. unten S. 22. 12 Vgl. dazu 22B21; 23B8; 24B4. 13 Vgl. dazu A. SCHILDT, Modernisierung, S. 33f.

Einleitung

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„Familien gehen heute in USA weniger aus, aber sie sitzen ohne ein Wort den ganzen Abend um das Fernsehgerät. Bücher werden kaum noch gelesen, es gibt kein Gespräch“14. Doch machte Hess gleichzeitig deutlich, wie wichtig deshalb die Wahrnehmung kirchlicher Interessen bei der zukünftigen Programmgestaltung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens sei. Der Vorsitzende der Kammer für Publizistik, Hanns Lilje, bezeichnete die bevorstehende Einführung des Fernsehens im Herbst 1951 als „schweren Schicksalsschlag“, aber auch Lilje begnügte sich nicht mit der Haltung eines kulturpessimistischen Abseitsstehens_15 der Kirche und fügte lakonisch hinzu, dass Christenmenschen trachten müssten, mit solchen Schlägen fertig zu werden_16. Diese pragmatische Haltung setzte sich durch: Auf einer Tagung der Fernsehkommission der EKD zwei Jahre später erklärte Martin Niemöller, dass die Kirche das Fernsehen nicht mehr nur als ein negatives Schicksal wahrnehmen solle, sondern dieses als ernsthafte Aufgabe anfassen müsse_17.

Wiederbewaffnung Das politisch bedeutsamste Thema des Jahres 1951 war wie schon im Jahr zuvor zweifellos die von Konrad Adenauer betriebene Wiederbewaffnung Westdeutschlands. Die Ende des Jahres 1949 einsetzenden öffentlichen Kontroversen um einen Beitrag der Bundesrepublik zur europäischen Verteidigung und die damit verbundene Frage der Westintegration hatten die EKD vor eine ernsthafte Zerreißprobe gestellt. Als Gustav Heinemann, Präses der Synode der EKD und Mitglied des Rates, im Herbst 1950 aus Opposition gegen das Vorgehen Adenauers von seinem Amt als Bundesinnenminister zurücktrat, verschärften sich die Konflikte zwischen den bruderrätlichen Kreisen um Niemöller und Heinemann und ihren Kontrahenten, den mehrheitlich lutherischen Befürwortern einer vorsichtigen Anpassung der EKD an die Politik Adenauers. Niemöller und Heinemann wurden zu Wortführern der gesellschaftlichen Opposition gegen die Politik der Wiederbewaffnung und der damit verbundenen Integration der Bundesrepublik Deutschland in das westliche Verteidigungsbündnis_18. Doch erst als die innerkirchlichen Spannungen durch ein Treffen von Vertretern der Bekennenden Kirche mit Mitgliedern der SPD ihren Höhepunkt erreichten, gab der Rat der EKD auf der Kirchenkonferenz am 17. November 1950 eine Erklärung ab, in der es hieß: 14 15 16 17 18

Vgl. 22D5. Vgl. A. SCHILDT, Modernisierung, S. 33. Vgl. 22B15. Vgl. A. SCHILDT, Modernisierung, S. 33f. Vgl. dazu T. SAUER, Westorientierung, S. 84–91 und A. DOERING-MANTEUFFEL, Blockbildung, S. 35–41.

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Einleitung

„Auch die Frage, ob eine wie immer geartete Wiederaufrüstung unvermeidlich ist, kann im Glauben verschieden beantwortet werden“19. Mit dieser Entschließung hatte der Rat dokumentiert, dass er nicht gewillt war, die Einheit der EKD durch politische Gegensätze zerreißen zu lassen, wie Dibelius rückblickend vor der 1951 in Hamburg abgehaltenen Synode darlegte_20. Außerdem hatte die EKD als gesamtdeutsche Großorganisation auf ihre Gliedkirchen in der DDR Rücksicht zu nehmen. Rat und Synode konnten ihre „Klammerfunktion“ letztlich nur durch den Verzicht auf konkrete politische Verlautbarungen aufrechterhalten_21. So verlief das Jahr 1951 zunächst ohne eine weitere Eskalation des auf politischer und theologischer Ebene geführten innerkirchlichen Streites um die Wiederbewaffnung. In den Protokollen des Rates taucht das Thema erst wieder in einem Beschluss der 23. Ratssitzung am 16./17. Juli 1951 auf, als der Ratsvorsitzende, Otto Dibelius, vom Rat gebeten wurde, sich beim Bundeskanzler über den gegenwärtigen Stand der Pläne zur Wiederbewaffnung der Bundesrepublik zu informieren_22. Ende 1951 eskalierten die politischen Auseinandersetzungen allerdings erneut. Eberhard Müller, der Vorsitzende des Leiterkreises der Evangelischen Akademien, hatte anlässlich eines von ihm organisierten Treffens von evangelischen Kirchenführern mit Adenauer am 5. November 1951 in der Presse verbreitet, die evangelische Kirche stünde geschlossen hinter der Politik Adenauers. Doch auch dieser publizistische Angriff Müllers auf die Gegner der Wiederbewaffnung und der Westintegration innerhalb der EKD, der die Diskussionen des Vorjahres wiederaufleben ließ, bewirkte keine öffentliche Stellungnahme der EKD für oder gegen die Wiederbewaffnung. Der Rat beschloss in seiner Sitzung am 7. Dezember 1951, Dibelius zu bitten, Müller sein Befremden über die Indiskretion und die Einseitigkeit seiner Berichte mitzuteilen_23. Die Auswirkungen der Wiederbewaffnungsdebatte auf die Stimmung innerhalb des Rates der EKD waren jedoch gravierend: In der Ratssitzung vom 24./25. Januar 1952 erklärte der Leiter des Kirchenrechtlichen Instituts, Rudolf Smend, er sehe die EKD vor einer „konfessionellen Spaltung“24. Hätte der Rat die Synode über eine verbindliche Haltung der EKD zur Wiederbewaffnung abstimmen lassen, so befürchtete Smend, wäre es nicht mehr möglich gewesen, die in der Abstimmung unterliegende Minderheit weiterhin in die EKD einzubinden. Smend führte die politischen Auseinandersetzungen auf die in den unterschiedlichen protestantischen Milieus ver19 KJ 1950, S. 223. Vgl. dazu auch das Protokoll der Kirchenkonferenz vom 17. November 1950 und die Einleitung in A. SILOMON, Protokolle 4. 20 HAMBURG 1951, S. 18ff. 21 Vgl. unten S. 13. Vgl. auch D. BUCHHAAS, Gesetzgebung, S. 45. 22 Vgl. 23B17 und 24B2. 23 Vgl. 26B1. 24 Vgl. D. BUCHHAAS-BIRKHOLZ, Leitbilder, S. 141.

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ankerten Haltungen zum Verhältnis von Kirche und Welt zurück: Die Gegner der Wiederbewaffnung aus den Kreisen der Bekennenden Kirche waren beeinflusst von der christologischen Theologie Karl Barths, in der die „Christengemeinde“ als Vorbild für die politische Gemeinschaft gedacht wird_25. Dagegen waren die Verfechter einer vorsichtigen Annäherung an die Politik Adenauers aus den Kreisen des konservativen Luthertums Anhänger der ZweiReiche-Lehre, die der Sphäre des Politischen eine prinzipielle Eigenständigkeit gegenüber Kirche und Religion zubilligte und der Kirche hingegen die Aufgabe zuwies, gegenüber dem Staat allgemeine sittliche Grundsätze geltend zu machen_26. In derselben Ratssitzung im Januar 1952 sprach der hannoversche Landesbischof und stellvertretende Ratsvorsitzende Lilje von einer Rats- und EKD-Verdrossenheit, und Dibelius resümierte, dass er mit seinen Bemühungen, die Gegensätze im Rat zu überbrücken, gescheitert sei_27. Während der Rat sich in Bezug auf die öffentliche Bewertung der Wiederbewaffnung zurückhielt, arbeiteten Gegner und Befürworter der Wiederbewaffnung innerhalb der EKD bereits seit Mai 1950 aktiv an den Vorbereitungen für das erwartete Gesetz zur Wehrpflicht. Bundesinnenminister Gustav Heinemann hatte den zuständigen Referenten der Kirchenkanzlei_28 Hansjürg Ranke schon am 25. Mai 1950 telefonisch um eine Stellungnahme der EKD zu der Ausführungsgesetzgebung des Bundes zu Art. 4, Abs. 3 GG über die Kriegsdienstverweigerung_29 gebeten. Die daraufhin eingeholten Stellungnahmen der westdeutschen Landeskirchen und der Kammer für Öffentliche Verantwortung blieben jedoch ohne greifbares Ergebnis. Erst auf der Tutzinger Ratssitzung am 6./7. September 1951 nahm der Rat die Arbeit an einer Stellungnahme zur Kriegsdienstverweigerung wieder auf. Auf Antrag des Reichsbruderrates_30 wurde eine Kommission berufen, die sich erneut mit der Position der EKD gegenüber der Kriegsdienstverweigerung beschäftigen sollte_31. Doch auch 1951 kam es nicht zu einer offiziellen Stellungnahme des Rates. Der Theologische Referent der Kirchenkanzlei, Edo Osterloh, berichtete auf der Kirchenkonferenz_32 in Berlin-Spandau am 6. Dezember 1951 aus25 Vgl. dazu K. BARTH, Christengemeinde; vgl. auch F. W. GRAF, Königsherrschaft, S. 735. 26 Vgl. D. BUCHHAAS, Gesetzgebung, S. 46. 27 Vgl. die Mitschrift Meisers von der 27. Ratssitzung am 24./25. Januar 1952 (LKA NÜRNBERG, Meiser 142). 28 Zu den Aufgaben der Kirchenkanzlei vgl. Art. 31 der Grundordnung der EKD: ABlEKD 1948, Nr. 7 vom 15. Juli 1948, S. 113. 29 Vgl. dazu A. SILOMON, Protokolle 4, 16B4. In Art. 4, Abs. 3 GG heißt es: „Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz“. 30 Zur Geschichte des Reichsbruderrates vgl. C. NICOLAISEN/N. A. SCHULZE, Protokolle 1, S. XI, XVIIff., XXIVf. 31 Vgl. 24B2; 25B14. 32 Zur Funktion der Kirchenkonferenz vgl. Art. 28 der Grundordnung der EKD: ABlEKD 1948, Nr. 7 vom 15. Juli 1948, S. 112.

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Einleitung

führlich über die Arbeit der Ratskommission zu Fragen der Kriegsdienstverweigerung. Schließlich aber sprach sich die rheinische Landeskirche, unterstützt durch Niemöller, gegen eine öffentliche Stellungnahme der EKD zur Kriegsdienstverweigerung aus. Man befürchtete, dies würde den Eindruck erwecken, die Kirche habe sich mit der „Remilitarisierung“ abgefunden. Daraufhin setzte die Ratskommission ihre Arbeit unter Ausschluss der Öffentlichkeit fort_33. Etwa zur selben Zeit beschäftigte sich die Kirchenkanzlei mit der Gestaltung der zukünftigen Militärseelsorge. Dabei ging es zunächst um den Beitrag der EKD zur Militärseelsorge für die deutschen Arbeitsdiensteinheiten (labor service units), die bei der amerikanischen Besatzungsmacht angestellt waren_34. Für diese etwa 21.000 Deutschen waren zehn Militärseelsorger vorgesehen. Unter der Federführung Osterlohs fanden ab Januar 1951 Verhandlungen der Landeskirchenleitungen in der amerikanischen Besatzungszone mit Arthur Carl Piepkorn statt, der für drei Monate nach Deutschland entsandt worden war, um im Auftrag des Oberkommandos der amerikanischen Besatzungstruppen eine gesetzliche Regelung der Seelsorge in deutschen Arbeitsdiensteinheiten auszuarbeiten. Diese militärähnlich strukturierten Verbände wurden überwiegend für Wachdienste und technische Arbeiten eingesetzt. Die in den Arbeitsdiensteinheiten beschäftigen Deutschen standen zwar unter dem Oberkommando der US-Truppen in Europa, wurden aber von ehemaligen Offizieren der deutschen Wehrmacht angeführt_35. Bei der Marine stand die nach 1945 stattfindende Seelsorge an den Angehörigen des deutschen Minenräumdienstes sogar in ungebrochener Kontinuität zur Wehrmachtsseelsorge des Zweiten Weltkrieges_36. Bereits Ende des Jahres 1951 hatte Osterloh einen Beschluss über den Aufbau der evangelischen Seelsorge in „etwaigen deutschen Einheiten“ vorbereitet, in dem die Grundrisse des am 22. Februar 1957 abgeschlossenen Vertrages zwischen der EKD und der Bundesrepublik Deutschland zur Regelung der evangelischen Militärseelsorge bereits sichtbar wurden_37.

33 34 35 36

Vgl. 26B1 und G 3 zu 26B. Vgl. 20B13. Vgl. J. MÜLLER-KENT, Militärseelsorge, S. 37. Vgl. dazu das Schreiben der Kirchenkanzlei an Friedrich Ronneberger vom 11. Februar 1946, in dem Ronneberger mit der Seelsorge im Bereich des deutschen Minenräumdienstes beauftragt worden war, und das Schreiben Ronnebergers an Dibelius vom 25. Oktober 1951, aus dem hervorgeht, dass die Marineseelsorge seit 1945 ohne Unterbrechung fortgesetzt worden war (beide Schreiben in: EZA BERLIN, 2/4014). Vgl. dazu 19B24. 37 Vgl. EZA BERLIN, 2/2575. Vgl. G 3 zu 26B.

Einleitung

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Die kirchliche Situation in der DDR im Kontext der deutschen Teilung Als gesamtdeutsche Institution erhob die EKD den Anspruch, alle evangelischen Christen in Ost und West zu vertreten, und trat darüber hinaus regelmäßig öffentlich für die staatliche Wiedervereinigung ein. Der Rat hatte sich in seinem 1949 abgegebenen Wort zur politischen Spaltung Deutschlands auf diese Linie festgelegt, an der er dann während der gesamten Zeit des Kalten Krieges festhielt_38. Vor diesem Hintergrund nahm der Rat zuweilen eine Vermittlerposition zwischen den beiden deutschen Regierungen ein. Als Dibelius in der Januarsitzung 1951 von den Bemühungen der sächsischen Landesregierung berichtete, ihn zum Vermittler zwischen Adenauer und Otto Grotewohl zu machen, wurde dies vom Rat ausdrücklich begrüßt_39. Genauere Aufschlüsse über die Inhalte der deutschlandpolitischen Diskussionen im Rat geben die Ratsprotokolle jedoch nicht. Dibelius gab zwar regelmäßig dem Rat „Berichte zur Lage“, doch lassen die Protokolle nicht erkennen, über was berichtet wurde. Nur aus den Nachlässen der beteiligten Ratsmitglieder können an einzelnen Stellen die Inhalte dieser Lageberichte rekonstruiert werden. Auch die Berichte, die Heinrich Grüber, der 1949 zum Bevollmächtigten des Rates der EKD bei der Regierung der DDR in Berlin ernannt worden war, in vier Sitzungen des Rates abgab, schlugen sich nicht in den Protokollen nieder. Die Wiedervereinigung wurde 1951 nur noch in einem Beschluss des Rates in seiner Sitzung am 25. Oktober thematisiert. Darin wurde Dibelius vom Rat gebeten, den beiden deutschen Regierungschefs die Wünsche der EKD zur Frage der Wiedervereinigung vorzutragen. Als Niemöller sich nachträglich genauer nach diesen Wünschen erkundigte, bekam er die Auskunft, der Rat habe eine eingehendere Protokollierung dieses Punktes als nicht wünschenswert betrachtet_40. Ein genaueres Bild vermitteln die Ratsprotokolle dort, wo es um die Sicherung der personellen, finanziellen und rechtlichen Grundlagen der Kirche auf dem Gebiet der DDR ging. Schwere Spannungen entstanden, als Grotewohl forderte, die Leitung der Berlin-Brandenburgischen Kirche in das Gebiet der DDR zu verlegen_41, oder als der Minister des Innern, Karl Steinhoff, verlangte, kirchliche Verordnungen, die das Gebiet der DDR betrafen, der Regierung der DDR zur Genehmigung vorzulegen_42. Diese Konflikte wurden informell durch die Eingaben und Beschwerden von Dibelius oder 38 39 40 41 42

Vgl. K.-H. FIX, Protokolle 3, 8B17; vgl. dazu C. LEPP, Klammer, S. 68. Vgl. 19B4. 25B12. Vgl. 19B4. Vgl. 22B8.

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Einleitung

Grüber bei den zuständigen Behörden behandelt_43. Nur im Falle der Verbote der Zeugen Jehovas und der Pfingstbewegung in der DDR vermerkt das Protokoll der 22. Ratssitzung am 24. Mai 1951 Überlegungen, ob der Rat ein öffentliches Wort zur Glaubens- und Gewissensfreiheit abgeben solle_44. Die EKD ergriff vor allem Maßnahmen gegen die akute Finanznot ihrer östlichen Gliedkirchen. In der 20. Ratssitzung am 6. März 1951 wurde dem Antrag des Sonderausschusses der EKD stattgegeben, in dem die westdeutschen Landeskirchen aufgefordert wurden, sich mit insgesamt 1.000.000,– DM aus Kollektenmitteln an einem „Hilfsplan für die östlichen Gliedkirchen“ zu beteiligen_45. Der Sonderausschuss des Rates war Anfang 1950 gegründet worden, weil die Fortführung der kirchlichen Arbeit im Gebiet der DDR durch die ungünstige Entwicklung der wirtschaftlichen Lage der Landes- und Provinzialkirchen im Osten bedroht war. Ihm gehörten unter der Leitung des Dortmunder Superintendenten Fritz Heuner Vertreter der Kirchenkanzlei, des Hilfswerks und der Inneren Mission an. Der Aufruf des Sonderausschusses diente vor allem der Finanzierung des Religionsunterrichtes, der Förderung des theologischen Nachwuchses, der Sicherung des kirchlichen Grundbesitzes und der Durchführung kirchlicher Bauvorhaben_46. Zu Querelen mit den östlichen Landeskirchen kam es wegen der ostdeutschen Pfarrer, die vom Gebiet der DDR in die Bundesrepublik übergesiedelt waren. Schon in der 1946 verabschiedeten Verordnung des Rates zur Versorgung und Verwendung von Ostpfarrern, in der es um die Regelung von Versorgungsansprüchen von Pfarrern aus den verlorenen Ostgebieten ging, wurden die Pfarrer aus dem Gebiet der russischen Besatzungszone – auch „unechte Ostpfarrer“ genannt – ausdrücklich ausgenommen_47. 1950 hatte der Finanzbeirat der EKD die Heimatkirchen der Pfarrer verpflichtet, den westdeutschen Landeskirchen, die übersiedlungswillige Pfarrer aus der DDR aufnehmen sollten, in genauen Berichten nachzuweisen, dass nicht nur eine politische Gefährdung der Pfarrer vorlag, sondern dass diese einer tatsächlichen politischen Verfolgung ausgesetzt waren_48. Daraufhin tauchten nach der Überprüfung von Einzelfällen bei einigen westlichen Landeskirchen Zweifel auf, ob die Übersiedlung dieser Pfarrer tatsächlich unvermeidlich war. In der Folge stellten diese Landeskirchen und die Kirchenkanzlei in Hannover eigene Nachforschungen über die Gründe der Übersiedlung einzelner Pfarrer an. Die östlichen Gliedkirchen beklagten daraufhin einen „nicht tragbaren Mangel an Vertrauen“ in ihre Integrität_49. Nachdem 43 44 45 46 47 48

Vgl. F. WINTER, Union, S. 31. Vgl. 22B25; 23B9. Vgl. 20B8; 20B9. Vgl. A. SILOMON, Protokolle 4, 10B10. Vgl. C. NICOLAISEN/N. A. SCHULZE, Protokolle 1, 7C1, S. 585. Vgl. die Niederschrift über die Sitzung des Finanzbeirates der Evangelischen Kirche in Deutschland am 20. Oktober 1950 in Königswinter bei Bonn (EZA BERLIN, 2/5751). 49 Vgl. 22B1.

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die Ostpfarrerversorgung durch ein Abkommen zwischen der Bundesrepublik und den beiden großen Kirchen in Deutschland vom 16. April 1951 neu geordnet und finanziell verbessert worden war_50, ermächtigte der Rat die Kirchenkanzlei, die westdeutschen Landeskirchen um die Prüfung der Frage zu bitten, ob sich nicht auch für die „unechten Ostpfarrer“ eine Erhöhung ihrer Bezüge ermöglichen lasse_51. Doch hatten sich die westdeutschen Landeskirchen bereits auf einer gemeinsamen Tagung der Kirchlichen Westkonferenz am 18./19. Mai 1951 gegen eine finanzielle Gleichstellung der „unechten Ostpfarrer“ mit den Pfarrern aus den verlorenen Ostgebieten ausgesprochen und den Standpunkt eingenommen: „Die westlichen Kirchen könnten höhere Bezüge um so weniger gewähren, als schon jetzt, wo die Osthilfebezüge den in Ostdeutschland gezahlten Versorgungsbezügen der Höhe nach entsprechen, ein ununterbrochener Strom kirchlicher Pensionäre aus der Sowjetzone nach Westdeutschland wandert, die nach Ankunft in Westdeutschland alle von den westdeutschen Landeskirchen versorgt werden wollen. Es würde bedeuten, diesen Strom der Übersiedler zu vervielfachen, wenn man den Anreiz, den das Leben in Westdeutschland den Pensionären in der Sowjetzone ohnehin bietet, durch Gewährung höherer Osthilfebezüge verstärken würde“52. Die Ratssitzungen fanden 1951 nur zweimal auf dem Gebiet der DDR statt. Grund dafür dürften die Hindernisse bei der Einreise von Ratsmitgliedern aus der Bundesrepublik seitens der DDR-Behörden gewesen sein_53. Neben dem Ratsvorsitzenden gehörten drei weitere Ratsmitglieder den östlichen Gliedkirchen an: Der Präses der sächsischen Landessynode, Reimer Mager, der Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche Sachsens, Hugo Hahn, und der Präses der Provinzialsynode der Kirchenprovinz Sachsen, Lothar Kreyssig. Von diesen Persönlichkeiten spielte allerdings nur Kreyssig eine aktive Rolle in den Ratssitzungen. Während Hahn bei keinem der 1951 gefassten Beschlüsse des Rates hervortrat, wurde Mager gelegentlich in seiner Funktion als Vorsitzender der Kammer für Soziale Ordnung_54 und als neu gewähltes Mitglied des Diakonischen Beirates genannt_55. Dagegen trat Kreyssig durch die Übernahme vielfältiger Aufgaben für den Rat hervor. Er ergänzte die Lageberichte von Dibelius_56, berichtete als Beauftragter des Rates für die 50 Vgl. dazu 22B1; 22D1–22D3. 51 Vgl. 22B1. 52 Vgl. die Niederschrift über die 3. Kirchliche Westkonferenz am 18./19. Mai 1951 in Königswinter: EZA BERLIN, 4/123. 53 Vgl. die für den 5. Oktober 1950 in Elbingerode geplante Sitzung des Rates, die wegen nicht erteilter Einreiseerlaubnis für die Ratsmitglieder aus der Bundesrepublik kurzfristig nach Berlin-Spandau verlegt worden war: A. SILOMON, Protokolle 4, 17A3; 17A4. 54 Zur Gründung und Funktion der Kammer für Soziale Ordnung vgl. K.-H. FIX, Protokolle 3, 1B6; 2B8. Vgl. auch G. RIEDNER, Kammer, S. 155–170. 55 Vgl. 22B19; 23B2. Zu den Aufgaben des Diakonischen Beirates vgl. 19C3. 56 Vgl. 19B4.

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Evangelischen Akademien_57, wurde zum Verbindungsmann des Rates zum Ostkirchenausschuss und den Hilfskomitees der zerstreuten Heimatkirchen berufen_58 und schließlich zum Vertreter der östlichen Kirchen in die Kommission für das Kriegsdienstverweigerungsgesetz gewählt_59. Anfang der fünfziger Jahre stand die Arbeit der EKD bereits in vielfacher Hinsicht auf dem Boden der finanziellen, rechtlichen und organisatorischen Unterstützung der Bundesregierung. Von einer staatspolitisch neutralen Haltung der EKD ließ sich unter diesen Voraussetzungen nur schwerlich reden. So beschloss der Rat auf seiner 19. Sitzung am 11./12. Januar 1951, dass er damit einverstanden sei, wenn das Kirchliche Außenamt die für deutsche evangelische Auslandsgemeinden angebotenen Finanzmittel der Bundesregierung annehme. Der Leiter des Kirchlichen Außenamtes, Niemöller, hatte zunächst die ihm von der Bundesrepublik angebotene Summe von 20.000,– DM ausgeschlagen, weil das Außenamt von keiner der beiden deutschen Regierungen Gelder entgegen nehmen wolle, solange Deutschland in zwei Staaten aufgeteilt sei_60.

Die Auseinandersetzung mit der politischen Vergangenheit Noch das Jahr 1950 war beherrscht von Personaldebatten, in denen die Versorgungsansprüche ehemaliger Beamter der Deutschen Evangelischen Kirche behandelt worden waren, die im Rahmen der parallel zur Entnazifizierung betriebenen „Selbstreinigung der Kirche“61 nicht mehr in den aktiven Dienst der Kirche übernommen werden sollten_62. In diesen oft kontroversen Personaldebatten ging es um die Verwendung, Wiederanstellung und Versorgung von ehemaligen DEK-Angehörigen. Mit dem am 26. April 1950 verabschiedeten Kirchengesetz über die Rechtsverhältnisse der Beamten der ehemaligen Deutschen Evangelischen Kirche fanden diese Diskussionen einen ersten Abschluss. Das neue Kirchengesetz regelte den Status aller bislang im so genannten Wartestand befindlichen Kirchenbeamten. Dieses Gesetz war bereits in Anlehnung an die von der Bundesregierung betriebenen Vorberei57 Vgl. 20B5. 58 Vgl. 25B10. 59 Vgl. 26B1. Zu der vom Rat mit der Ausarbeitung eines Beitrages der EKD zu dem im Grundgesetz verankerten Recht auf Kriegsdienstverweigerung siehe oben S. 11f. 60 Vgl. 19B12. 61 Vgl. die am 2. Mai 1946 gefasste Entschließung des Rates zur Durchführung der Selbstreinigung der Kirche: C. NICOLAISEN/N. A. SCHULZE, Protokolle 1, 6C4, S. 505f. 62 Vgl. vor allem die sich die Jahre 1949 und 1950 hinziehenden Diskussionen über die Ruhestandsversorgung Heckels, der das von Reichsbischof Müller 1934 konstituierte Kirchliche Außenamt der DEK geleitet hatte; vgl. dazu C. NICOLAISEN/N. A. SCHULZE, Protokolle 1, S. 3 mit Anm. 6.

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tungen zum Ausführungsgesetz von § 131 GG geschaffen worden_63. Die Personaldebatten ließen 1951 sichtbar nach. Mit der Ergänzung zu der am 6./7. September in Tutzing beschlossenen neuen Geschäftsordnung des Rates wurde die Diskussion weiterer Personalfragen einem engeren Ausschuss des Rates überlassen_64. Das Thema Kriegsverbrecher, das durch die „Kriegsverbrecherdenkschrift“ der EKD vom 21. Februar 1950 und das Amnestiegesuch der EKD vom 6. Dezember 1950 während der Ratssitzungen des Vorjahres noch präsent war_65, verschwand nach einer größeren Amnestie von verurteilten Kriegsverbrechern durch die Amerikaner Ende Januar 1951 ganz von der Tagesordnung der Ratssitzungen. Auf seiner 20. Sitzung am 6. März 1951 beschloss der Rat, das Thema nicht mehr öffentlich zu erörtern. Danach wurden die Kriegsverbrecher nur noch im Zusammenhang mit dem 1951 bedrohlich anwachsenden Rechtsradikalismus, wie er in den Wahlerfolgen der rechtsextremen Sozialistischen Reichspartei zum Ausdruck kam, in der Bundesrepublik erwähnt_66. Die Vertreter der EKD brachten diesen Rechtsradikalismus immer wieder mit der „unnachgiebigen Haltung“ der Siegermächte gegenüber den deutschen Kriegsverbrechern in Zusammenhang, wie es Dibelius in einem Schreiben an den britischen Premierminister Winston Churchill zum Ausdruck brachte, in dem er um eine Überprüfung der Urteile über die in Werl als Kriegsverbrecher einsitzenden Deutschen bat_67. Als eine wachsende Anzahl von Soldatenverbänden 1951 eine Reihe international beachteter großer Treffen durchführte_68, reagierte der Rat. Auf seiner 22. Sitzung am 24. Mai 1951 wurde die Kammer für Öffentliche Verantwortung beauftragt, ein Gutachten über die Frage anzufertigen, was die Aufgabe der Kirchen angesichts der Gefahr des politischen Radikalismus sei_69. Selbst in diesem Gutachten, das sich mit der Abgrenzung der Kirche gegen militaristische und rechtsradikale Strömungen beschäftigte, wurde nachdrücklich darauf verwiesen, dass die Kirche auch weiterhin gegen die Diffamierung des 63 Das am 11. Mai 1951 verabschiedete Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Art. 131 GG fallenden Personen erfasste die so genannten verdrängten Angehörigen des öffentlichen Dienstes und Angehörige aufgelöster Dienststellen sowie sonstige Angehörige des öffentlichen Dienstes, die am 8. Mai 1945 in einem Dienst- oder Arbeitsverhältnis gestanden hatten. Das Gesetz sicherte diesem Personenkreis, zu dem etwa 76.000 Beamte und Angestellte und 70.000 ehemalige Wehrmachts- und Arbeitsdienstangehörige zählten, einen klaren Versorgungsanspruch zu. Vgl. dazu A. SILOMON, Protokolle 4, 11B2; 15B4; 17B24, vgl. auch N. FREI, Vergangenheitspolitik, S. 69–100 und U. WENGST, Beamtentum, S. 211–279. 64 Vgl. 25B6. 65 Vgl. A. SILOMON, Protokolle 4, 10B22; 11B21; 18B10. 66 Vgl. H.-P. SCHWARZ, Adenauer, S. 130ff. 67 Vgl. 26B13; 26D9. 68 Vgl. H.-P. SCHWARZ, Adenauer, S. 133. 69 Vgl. 22B14 und 24B2.

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deutschen Soldaten eintreten und sich für „die Anwendung und praktische Durchsetzung des für alle gleichmässig geltenden Rechtes auch in den Gerichtsverfahren, die sich auf die Kriegsereignisse beziehen“, einsetzen werde. Das Gutachten signalisierte jedoch auch, dass die Bereitschaft der EKD zur sozialen Integration rechter Gruppen dort endete, wo es um die Bewahrung des antinationalsozialistischen Grundkonsenses ging_70. Diese Haltung der EKD lässt sich auch in den Auseinandersetzungen mit dem Volksbund für deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V. um die Einführung des Volkstrauertages wiederfinden. Der Volksbund hatte seit 1948 das Ziel verfolgt, einen Gedenktag an die Toten der beiden Weltkriege auf den Sonntag Reminiscere, d. h. den zweiten Sonntag der Passionszeit, zu legen. Doch war dieser Tag diskreditiert, weil die Nationalsozialisten ihn zum „Heldengedenktag“ gemacht hatten_71. Daraufhin hatte eine Anzahl von Pfarrern Gefallenengottesdienste an diesem Tag abgehalten, sodass die EKD gezwungen war, dem Volksbund einen Vorschlag für einen Gedenktag zu unterbreiten, der auch von der Kirche mitgetragen werden konnte. Schließlich setzte sie gemeinsam mit katholischen Kirchenvertretern und Vertretern von Verfolgtenorganisationen durch, dass der 1952 eingeführte Volkstrauertag auf den vorletzten Sonntag im Kirchenjahr verlegt wurde und dass auch der Opfer des Nationalsozialismus gedacht wurde_72.

Die Bewältigung der gesellschaftlichen Kriegsfolgen und der Übergang zur Sozialpolitik Anfang der fünfziger Jahre nahm die Präsenz von staatlichen Instanzen in der Flüchtlingsarbeit zu. Der finanzielle und rechtliche Status der Heimatvertriebenen, von denen 1950 etwa acht Millionen auf dem Gebiet der Bundesrepublik lebten, wurde durch das Soforthilfegesetz von 1949 und das 1952 beschlossene Gesetz zum Lastenausgleich geregelt_73. Die Kirchen, die in der ersten Nachkriegsphase die Versorgung von Flüchtlingen in Ermangelung intakter staatlicher Instanzen weitgehend selbstständig wahrgenommen hatten, gaben immer mehr Zuständigkeiten an den Staat ab. Auch der kircheninterne Bereich der Ostpfarrerversorgung, der wohl bedeutendste materielle Beitrag der EKD zum innerkirchlichen Lastenausgleich und zur Bewältigung des kirchlichen Vertriebenenproblems, wurde der staatlichen Regelung der Beam70 Vgl. 26D9. Vgl. dazu N. FREI, Vergangenheitspolitik, S. 307f. 71 Vgl. C. NICOLAISEN/N. A. SCHULZE, Protokolle 1, 4B15, S. 329 mit Anm. 34; K.-H. FIX, Protokolle 3, 1B8 und A. KAPUST, Volkstrauertag, S. 144–158. 72 Vgl. 22B22; 24B10. 73 Vgl. H. RUDOLPH, Vertriebene 1, S. 14.

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tenversorgung angepasst_74. Das am 16. April 1951 zwischen katholischer Kirche, EKD und der Bundesregierung geschlossene Abkommen sicherte den Kirchen erhebliche finanzielle Unterstützung bei der Ostpfarrerversorgung zu_75. Im Gegenzug verpflichtete sich die EKD, die staatlichen Zuschüsse im Sinne der Vorgaben des Ausführungsgesetzes zu § 131 GG zu verwenden_76. Auch im Bereich der Fürsorge für die „Displaced Persons“77 traten Veränderungen in Richtung einer zunehmenden Verantwortung der Bundesregierung ein. Mit dem Jahr 1951 endete die Zuständigkeit der Internationalen Flüchtlingsorganisation IRO für die „Displaced Persons“ in Deutschland. Danach ging die Verantwortung auf die Bundesregierung und die karitativen Organisationen über. Im Zuge dieser Entwicklung übernahm der „DP-Ausschuss“, der 1949 vom Rat gegründet worden war, die Aufgabe, die Verhandlungen zwischen EKD und IRO zu führen, in denen es um die Übernahme der fürsorgerlichen und seelsorgerlichen Betreuung der in Deutschland verbliebenen „Displaced Persons“ durch die EKD ging_78. In diesem Zusammenhang wurde der Kirchenkanzlei der EKD die Verantwortlichkeit für die evangelischen „Displaced Persons“, die zuvor beim Kirchlichen Außenamt gelegen hatte, übertragen. In fünf von acht Ratssitzungen des Jahres 1951 beschäftigte sich der Rat mit diesen Fragen. Am 12. Januar 1951 beschloss er Richtlinien für die Unterstützung der evangelischen „DP-Pfarrer“ und ihrer Hinterbliebenen, deren Berechnung sich an der Hilfe für die Ostpfarrer orientierte_79. Zugleich bemühte sich der Rat bei der Bundesregierung darum, einen Finanzausgleich unter den Ländern zu erreichen, der es der Kirche ermöglichte, die Unterbringung und Versorgung alter und kranker „Displaced Persons“ zentral zu regeln_80. Im Zuge der staatlichen Regelung der Vertriebenenarbeit Anfang der fünfziger Jahre entwickelten sich nicht-kirchliche Vertriebenenorganisationen, die die kirchliche Vertriebenenarbeit zunehmend an den Rand drängten. Im Januar 1951 beschloss der Rat, die Hauptgeschäftsstellen der 17 östlichen Hilfskomitees, die die Pfarrer und Gemeinden der Kirchen der Vertriebenen bei den Landeskirchen vertraten, nicht über das Haushaltsjahr 1951/52 hinaus aus Mitteln der EKD zu finanzieren_81. Die Folge war, dass sich die kirchlichen

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EBD., S. 379. Siehe oben S. 15. Vgl. 22B1. Vgl. dazu W. JACOBMEYER, Displaced Persons. Vgl. 22B4. Vgl. 19B26; 19C4. Vgl. auch die Richtlinien zur Regelung der den Ostpfarrern und ihren Angehörigen zu gewährenden Versorgungsbezüge vom 1. Dezember 1949: ABlEKD 1949, Nr. 12 vom 15. Dezember 1949, S. 442. Vgl. auch K.-H. FIX, Protokolle 3, 9B11. 80 Vgl. 23B7. 81 Vgl. 19B28. Vgl. dazu H. RUDOLPH, Vertriebene 1, S. 383–389. Zur Geschichte der Hilfskomitees: C. NICOLAISEN/N. A. SCHULZE, Protokolle 1, 8B3, S. 646.

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Hilfskomitees vor die Alternative gestellt sahen, sich den landsmannschaftlichen Verbänden zu unterstellen oder sich ganz aufzulösen_82. Auch die Umstrukturierung des Hilfswerks, mit der sich der Rat auf allen acht Sitzungen des Jahres 1951 beschäftigte, markierte das Ende einer eigenständigen kirchlichen Sozialpolitik, wie sie nur in der ersten Nachkriegsphase möglich gewesen war. Der Gründer und Leiter des Hilfswerks, Eugen Gerstenmaier, hatte noch auf der Synode in Berlin-Weißensee 1950 die Hoffnung ausgesprochen, dass das Hilfswerk auch nach der Erfüllung seines ursprünglichen Auftrags, die unmittelbaren Notstände zu bekämpfen, selbstständig die großen sozialpolitischen Aufgaben, wie die Sesshaftmachung von Heimatlosen und Vertriebenen oder die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, ausführen würde. Doch auch diese Aufgaben gingen in die Kompetenz der staatlichen Fürsorgeeinrichtungen über. Die Beschlüsse des Rates zum Kirchengesetz über den Diakonischen Beirat zielten auf die Zusammenlegung von Hilfswerk und Innerer Mission_83. Zudem war eine Dezentralisierung und engere Anbindung des Hilfswerks an die Landeskirchen geplant. Vor allem aber war die Trennung des Hilfswerks von seinen teilweise wirtschaftsstarken eigenen Betrieben vorgesehen_84. Schon während der Vorbereitungen des neuen Kirchengesetzes zur Ordnung des Hilfswerks der EKD, das am 5. April 1951 auf der Hamburger Synode beschlossen wurde, war deutlich geworden, dass Gerstenmaier mit dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes als Leiter des Hilfswerks zurücktreten würde. Doch auch nach der Verabschiedung des neuen Hilfswerkgesetzes durch die Synode am 5. April 1951 blieben die Ratssitzungen des Jahres 1951 geprägt von den Auseinandersetzungen um den kirchenpolitischen und wirtschaftlichen Einfluss des Hilfswerks. Das Hilfswerk wurde nicht – wie Gerstenmaier es gehofft hatte – zum Instrument einer eigenständigen kirchlichen Sozialpolitik. Das Engagement der EKD verlagerte sich zunehmend auf die politische Einflussnahme bei den großen sozialen Gesetzesvorhaben der Bundesrepublik. Dies wird deutlich an der Mitwirkung der EKD bei den Gesetzesvorbereitungen zum 1951 beschlossenen Mitbestimmungsgesetz, zum Betriebsverfassungsgesetz und zum Lastenausgleichsgesetz, die 1952 verabschiedet wur82 Vgl. 19E8. 83 Vgl. 19C1; 19C3. 84 Vgl. die von Brunotte formulierten Richtlinien für den Entwurf eines Kirchengesetzes zur Neuordnung des Hilfswerks vom 28. November 1950 (J. M. WISCHNATH, Kirche, S. 284). Verstärkt wurde die Stimmung gegen die hilfswerkeigenen Betriebe noch durch die Drohung des Ministerpräsidenten von Württemberg-Baden Reinhold Maier, ein Verfahren wegen Zoll- und Devisenschiebungen gegen das Hilfswerk anzustrengen. Das eingeleitete Ermittlungsverfahren wurde zwar bald eingestellt und das württembergische Staatsministerium und der Rat gaben in der Presse Ehrenerklärungen für das Hilfswerk ab. Aber der Imageschaden für das Hilfswerk war erheblich und beeinflusste vermutlich auch die Stimmung auf der Synode in Hamburg; vgl. 20B7; 21B1; 21E2, 21E3.

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den, sowie zum Bundesvertriebenengesetz von 1953. Hier überschnitten und beeinflussten sich die Planungen innerkirchlicher Regelungen mit der Beteiligung an staatlichen Gesetzesvorhaben. So verliefen z. B. die Bestrebungen der Kirchenkanzlei, eine Regelung von Mitarbeitervertretungen bei den Amtsstellen des Rates zu schaffen, parallel zur kirchlichen Mitarbeit an den Planungen für das Betriebsverfassungsgesetz auf Bundesebene. In einer Besprechung im Bundesarbeitsministerium erreichten Vertreter der EKD zusammen mit Vertretern der katholischen Kirche und der evangelischen Freikirchen unter Berufung auf die verfassungsrechtlich geschützte Autonomie der Kirchen, dass das Betriebsverfassungsgesetz keine Anwendung auf die Beteiligung und Mitbestimmung der Arbeitnehmer der Religionsgesellschaften und ihrer Einrichtungen finden solle_85. Zugleich plante der Rat, eine übergreifende Regelung für Mitarbeitervertretungen bei den Amtsstellen der EKD. Dies kam in den Diskussionen um die Bildung von „Vertrauensräten“ zum Ausdruck, in denen es von kirchlicher Seite vor allem darum ging, die gewerkschaftliche Idee einer Interessenvertretung der Mitarbeiter durch den Begriff einer Interessen übergreifenden „Dienstgemeinschaft“ zu ersetzen. Von gewerkschaftlicher Seite warf man den zuständigen Referenten der Kirchenkanzlei vor, sich mit dem Begriff „Vertrauensräte“ auf das 1934 von den Nationalsozialisten beschlossene „Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit“ zu beziehen_86. Die Bezeichnung „Vertrauensrat“ findet sich allerdings schon im Betriebsrätegesetz von 1920. Während der Zeit des Nationalsozialismus übten die „Vertrauensräte“ keine Funktion mehr im Sinne der Interessenvertretung der Belegschaften aus, sondern fungierten als willfährige Instrumente staatlicher Direktiven_87. Die Entwürfe für eine Regelung der Mitarbeitervertretungen an den Dienststellen der EKD, aber auch Begriffe wie „Dienstgemeinschaft“ zeugen jedoch von einer Kontinuität konservativer Mentalitäten innerhalb der EKD, die bis in die Zeit des Kaiserreiches zurückreicht_88. Auch die Mitarbeit an dem zentralen Punkt der bundesdeutschen Sozialgesetzgebung, der Vorbereitung eines Lastenausgleichsgesetzes, das am 15. Mai 1952 vom Bundestag verabschiedet wurde, beschäftigte den Rat auf zwei 85 Vgl. den vertraulichen Bericht von Harlings über eine Besprechung beim Bundesarbeitsministerium in Bonn am 5. Juni 1951 (23E8) und die Stellungnahme des Kirchenrechtlichen Instituts der EKD zum Entwurf eines Beschlusses des Rates betreffend die Bildung von Vertrauensräten bei seinen Amtsstellen vom 27. Juli 1951 (23E5). Dibelius hatte bereits am 12. Juni 1951 in einem Schreiben an Adenauer verlangt, dass in das Betriebsverfassungsgesetz eine Bestimmung aufgenommen werde, wonach das Gesetz auf die Religionsgesellschaften und ihre Einrichtungen keine Anwendung finden solle (23E9). In einem Antwortschreiben vom 7. Juli 1951 stimmte Adenauer diesem Anliegen zu und versprach, sich bei der Fraktion der CDU/CSU dafür einzusetzen, dass dem Wunsch des Rates der EKD Rechnung getragen werde; vgl. dazu K. ADENAUER, Briefe Nr. 52, S. 77. 86 Vgl. 23E11. 87 Vgl. dazu R. HACHTMANN, Arbeitsverfassung, S. 49. 88 Vgl. EBD., S. 29; vgl. dazu H. MOMMSEN, Schatten.

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seiner Sitzungen_89. In der 20. Ratssitzung am 6. März wurde der Ratsvorsitzende ermächtigt, in einem Schreiben an die Mitglieder des Bundestages und des Bundesrates das am 6. August 1949 beschlossene Wort des Rates der EKD zum Lastenausgleich beizufügen_90. Kurze Zeit später tagten in Bonn Vertreter des Ostkirchenausschusses, der säkularen Vertriebenenverbände und der am Lastenausgleich beteiligten Bundesministerien sowie Vertreter der Sozialschule Friedewald und der Evangelischen Akademie in Bad Boll und forderten den Rat auf, die Kammer für Soziale Ordnung zu beauftragen, ein neues Wort des Rates zum Lastenausgleich zu entwerfen_91. 1949 hatte der Rat nur sehr allgemein zum Lastenausgleich Stellung genommen und lediglich an die Opferbereitschaft und Nächstenliebe gegenüber den deutschen Vertriebenen und Kriegsgeschädigten appelliert. In der 22. Ratssitzung wurde dann beschlossen, dass der Rat ein neues Wort zum Lastenausgleich verabschieden solle_92. Ein von der Kammer für Soziale Ordnung am 16. Mai 1951 erarbeitetes Gutachten bildete die Grundlage für dieses am 5. Juli 1951 veröffentlichte Wort des Rates_93. Im Unterschied zu der 1949 abgegebenen Stellungnahme zu Gesetzentwürfen des Soforthilfegesetzes wurde 1951 eine differenzierte Kritik an den Regierungsentwürfen zum Lastenausgleichsgesetz formuliert_94. Soziale Themen spielten auch auf der Ebene der Bildungsarbeit eine zunehmend wichtigere Rolle für die Arbeit des Rates. Die Bildungsarbeit an Arbeitern war 1951 Gegenstand zweier Ratssitzungen. In der 20. Ratssitzung am 6. März 1951 beantragte Hermann Kunst, der Kuratoriumsvorsitzende der Sozialschule Friedewald, die Anerkennung dieser Anstalt als Einrichtung der EKD. Die 1948/49 gegründete soziale Bildungsstätte hatte das Ziel „Sozialsekretäre“ auszubilden, um die Verbindung der Kirche zur Industriearbeiterschaft herzustellen. Kunst lobte die Bildungsarbeit der Sozialschule als „vorbildliche Arbeiterbewegung“, die der Kirche bislang gefehlt habe. Dagegen kritisierte Kreyssig, der die Verbindung des Rates zu den Evangelischen Akademien aufrecht erhielt, die unverhältnismäßig hohe finanzielle Förderung der Sozialschule, die er auf die aktuelle Konjunktur der „sozialen Frage“ zurückführte_95. Die zunehmende Bedeutung der informellen Kontakte des Rates zu den staatlichen und politischen Instanzen der Bundesrepublik lässt sich an der 89 90 91 92 93 94

Vgl. 20B15; 22B19. Vgl. F. MERZYN, Kundgebungen, S. 71f. und K.-H. FIX, Protokolle 3, 1B11; 1C1. Vgl. das Schreiben Rankes an Dibelius vom 15. März 1951 (20E12). Vgl. 22B19. Vgl. 22E12. Vgl. dazu K.-H. FIX, Protokolle 3, 1C1; vgl. 22E11; 22E12; vgl. dazu G. RIEDNER, Kammer, S. 169f. 95 Vgl. 20E2. In dieselbe Richtung zielte auch der auf der 22. Ratssitzung erteilte Auftrag des Rates an die Kirchenkanzlei, den Ratsmitgliedern eine schriftliche Ausarbeitung darüber vorzulegen, wie die kirchliche Arbeit an Arbeitern und in Betrieben durchgeführt werden könne; vgl. 22B18. Vgl. dazu M. MÖLLER, Kirche, S. 141–187.

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Häufigkeit ablesen, mit der Dibelius dem Rat von seinen Bemühungen berichtete, Hermann Kunst für das Amt des Bevollmächtigten des Rates am Sitz der Regierung der Bundesrepublik Deutschland zurückzugewinnen. Kunst, der Ende des Jahres 1949 die Bevollmächtigtenstelle angetreten hatte, war im Dezember 1950 von diesem Amt zurückgetreten. In den ersten drei Ratssitzungen des Jahres 1951 berichtete Dibelius ausführlich von seinen Erfolgen und Missgeschicken bei den Bemühungen um Kunst. Schließlich gelang es ihm, Kunst dazu zu bewegen, ab 1. Juli 1951 eine halbe Stelle als Bevollmächtigter des Rates in Bonn zu übernehmen_96. In der 24. Sitzung des Rates am 6./7. September 1951 gab Kunst dem Rat erstmals einen politischen Lagebericht_97, was er dann in den kommenden Jahrzehnten regelmäßig fortsetzte.

Theologische Fragen und konfessioneller Streit Eher am Rande beschäftigte sich der Rat mit im engeren Sinne theologischen Themen wie der Koordinierung des Austauschs unter den Landeskirchen bei der Einführung von kirchlichen Lebensordnungen, die das Leben der Gemeinden und die geistlichen Amtshandlungen neu regeln sollten, dem Projekt der Bibelrevision oder der Mitarbeit in der Ökumene_98. Die Lösung kontroverser theologischer Fragen, die die EKD als Ganzes angingen, überließ der Rat dem theologischen Diskurs. In seinem Antwortschreiben auf die Eingabe der Evangelisch-Reformierten Kirche in Nordwestdeutschland, der Rat möge sich verbindlich über das Entmythologisierungsprogramm Rudolf Bultmanns äußern, verwies Dibelius auf die innere Lebendigkeit der evangelischen Theologie in Deutschland, die noch stets die Kräfte hervorgebracht habe, Eingriffe in die Substanz der kirchlichen Lehre zurechtzurücken_99. Schon auf der Synode in Hamburg hatte Dibelius erklärt, der Rat habe keine „Aktiv-Legitimation“, in theologische Diskussionen einzugreifen, wie es hingegen die Kirchenleitungen von Hessen-Nassau und Württemberg getan hatten_100. In seinem Schreiben an die Evangelisch-Reformierte Kirche Nordwestdeutschlands betonte Dibelius aber, dass der Rat sich sehr wohl mit wichtigen theologischen Problemen befasse und verwies in diesem Zusammenhang auf den 1950 getroffenen Ratsbeschluss, das Abendmahlsgespräch 96 Vgl. 19B11; 20B1; 21B6; 22B10; 25B13. 97 Vgl. 24B2. 98 Zur Neugestaltung der kirchlichen Lebensordnung vgl. 24B11. Zur Bibelrevision vgl. 24B12. Zur Vorbereitung der Weltkonferenz von Faith and Order in Lund und zur Einladung der griechisch-orthodoxen Kirche zu den ökumenischen Feiern des Paulusjubiläums in Athen vgl. 19B20; 20B12. 99 Vgl. 22B6; 22E7. 100 Vgl. KJ 1951, S. 213f.

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fortzusetzen_101, sowie auf die Ratssitzung am 24. Mai 1951, auf der sich der Rat mit Spannungen zwischen den Theologischen Fakultäten und den Kirchlichen Hochschulen beschäftigt hatte_102. Darüber hinaus hatte der Rat in einem öffentlichen Schreiben an den Präses der Lippischen Landessynode, Weßel, vom 6. Oktober 1951 eine theologische Stellungnahme zum Eid christlicher Beamter auf die Verfassung eines säkularen Staatswesens abgegeben. Der Anlass der Erklärung waren Eingaben aus den Reihen der Lippischen Pfarrerschaft an das Moderamen des Reformierten Bundes, in denen die Pfarrer eine verbindliche theologische Klärung des Verhältnisses von Kirche und Staat gefordert hatten_103. Der politische Hintergrund dieser Diskussionen waren der Kampf gegen das 1952 beschlossene Schulgesetz in Nordrhein-Westfalen, aber auch die Erfahrungen des Kirchenkampfes und die bevorstehende Frage der Wiederbewaffnung. Nachdem der theologische Referent der Kirchenkanzlei, Osterloh, einen Entwurf für eine Antwort des Rates auf die Eingabe Weßels aus lutherischer Sicht vorgelegt hatte, kündigte der Moderator des Reformierten Bundes, Wilhelm Niesel, einen Gegenentwurf an, der die Haltung der EKD zum Beamteneid aus reformierter Perspektive darstellen sollte_104. Der Rat beauftragte dann in der 24. Ratssitzung am 6./7. September 1951 Brunotte und Niesel, gemeinsam eine Antwort an die Lippische Landessynode zu verfassen. So entstand ein Schreiben des Rates an die Lippische Landessynode, das reformierte und lutherische Positionen miteinander verband. Theologisch blieb es der lutherischen Zwei-ReicheLehre verpflichtet und verwies darauf, dass Christen dem Staat gegenüber niemals einen bedingungslosen Treueid abgeben können_105. Zugleich wandte sich der Rat in dem Schreiben gegen eine willkürliche Instrumentalisierung des Kirchenkampfes und die damit verbundene Gleichsetzung von Nationalsozialismus mit dem neuen demokratischen Staatswesen. Osterloh sprach in diesem Zusammenhang mit Blick auf die reformierte Theologie von der Gefahr eines sich biblisch verstehenden, aber nicht biblisch begründeten Schwärmertums in allen Fragen, die mit dem Staat zusammenhingen. Er warnte vor dem Missbrauch der Erfahrungen der Kirche im Nationalsozialismus, der das richtige Verhältnis von Kirche und Staat zu verkehren drohe_106. Dennoch beklagten einzelne Ratsmitglieder wie Kreyssig die fehlende theologische Auseinandersetzung mit dem Rat. Resigniert stellte Kreyssig fest, dass

101 102 103 104 105 106

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

A. SILOMON, Protokolle 4, 15B26. Zum Fortgang EBD., 17B22 und 18B4. 22B5. 22B21. 23B8. 24B4; 24E9. 24E10.

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der Rat für die entscheidenden Momente der Entwicklung nicht mehr das Organ sei, von welchem man die Entscheidung selbst erwarte_107. Klare theologische Positionen bezog der Rat dann, wenn es sich um die Abgrenzung der EKD von der katholischen Kirche oder zu christlichen Sekten handelte. Die Landeskirchen waren im August 1950 aufgefordert worden, der Kirchenkanzlei laufend über Probleme zu berichten, die das Verhältnis der römisch-katholischen Kirche zu den evangelischen Kirchen betrafen_108. Nach den Jahresberichten der Gliedkirchen war es immer wieder zu „Wiedertaufen“ gekommen, bei denen Konvertiten von katholischen Priestern ein zweites Mal getauft wurden, weil jene die erste protestantische Taufe nicht anerkannten. In diesem Fall wurde Dibelius vom Rat beauftragt, ein Gespräch mit Kardinal Joseph Frings zu führen, um zu erreichen, dass die „Wiedertaufe“ in allen katholischen Bistümern von der Entscheidung des Bischofs abhängig gemacht werde_109. Darüber hinaus entschied der Rat zum wiederholten Mal, die Taufe der anthroposophischen „Christengemeinschaft“ nicht anzuerkennen_110. Im Falle konfessioneller Streitigkeiten innerhalb oder zwischen den Landeskirchen vermittelte der Rat oder nahm sogar – wie im Falle der Reformierten Gemeinde Marburgs, die zum Luthertum übergetreten war – eine Schiedsrichterrolle ein_111. Auch die Integration von Vertriebenen und Flüchtlingen aus den ehemaligen Ostgebieten hatte immer wieder Anlass zu konfessionellem Zwist gegeben. In der 19. Ratssitzung beschäftigte sich der Rat mit der Eingabe der mecklenburgischen Kirchenleitung, die den Rat um eine gutachterliche Stellungnahme in einem Streit zwischen der Landeskirche und Vertretern der Reformierten Kirche Mecklenburgs gebeten hatte. Die Reformierte Kirche hatte die Auffassung vertreten, dass „Umsiedler“ aus den Gebieten der Altpreußischen Union bei ihrer Ankunft in Mecklenburg vor die Entscheidung gestellt werden müssten, ob sie der lutherischen Landeskirche oder der reformierten Kirche angehören wollten_112. Der abnehmende kirchliche Einfluss bei der wirtschaftlichen und sozialen Eingliederung von Vertriebenen führte dazu, dass sich das kirchliche Engagement zunehmend auf den Bereich der konfessionellen Probleme bei der Eingliederung der Heimatvertriebenen konzentrierte_113. In der 20. Ratssitzung nahm sich der Rat einer 107 Diese Vorlage Kreyssigs wurde zwar auf die Tagesordnung der 19. Ratssitzung vom 11./12. Januar (19A3, Punkt 3) gesetzt, aber nicht als Beratungsgegenstand im Sitzungsprotokoll vermerkt; vgl. das Schreiben Kreyssigs an die Ratsmitglieder vom 31. Dezember 1950 (NL SMEND). 108 Vgl. A. SILOMON, Protokolle 4, 16B19. 109 Vgl. 24B33. 110 Vgl. A. SILOMON, Protokolle 4, 16B13; 17B21. 111 Vgl. 19B29. 112 Vgl. 19B7. 113 Vgl. H. RUDOLPH, Vertriebene 1, S. 487–492.

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solchen konfessionellen Problematik an_114. Dies geschah auf Antrag des Ostkirchenausschusses, der bei den Theologen Peter Brunner, Ernst Wolf und Otto Weber ein theologisches Gutachten in Auftrag gegeben hatte, das sich mit der Frage beschäftigen sollte, wie die Eingliederung von Vertriebenen in diejenigen Landeskirchen gefördert werden könne, die in ihrem Konfessionsstand von den Heimatkirchen der Vertriebenen abwichen_115. In ihrem Gutachten forderten die Theologen die aufnehmenden Gemeinden zu brüderlicher Rücksichtnahme gegenüber den Flüchtlingen und Heimatvertriebenen auf. Diese könnten – so hieß es – dabei die eigene landeskirchliche Ordnung nicht durchbrechen, müssten sie aber in „Weisheit und Freiheit“ handhaben. Die noch ungeklärten konfessionellen Differenzen innerhalb der EKD sollten nicht auf dem Rücken der Vertriebenen ausgetragen werden_116. Die zweite Hälfte des Jahres 1951 war überschattet von konfessionellen Auseinandersetzungen im Kontext der Neuregelung des rechtlichen Verhältnisses zu den italienischen Auslandsgemeinden_117. Seit 1950 waren Vorbereitungen für ein Kirchengesetz im Gange, das die Beziehungen der EKD zu den evangelischen Auslandsgemeinden generell neu regeln sollte_118. Die Verhandlungen der vom Rat eingesetzten Kommission über das neue Auslandsgesetz wurden empfindlich gestört, als das Kirchliche Außenamt im Juni 1951 Leitungsansprüche der EKD gegenüber der italienischen Gemeinde in Florenz geltend machte_119. Dies führte zum Eklat mit der Evangelisch-Lutherischen Kirche Italiens, zu der sich die deutschen Auslandsgemeinden bereits 1948 zusammengeschlossen hatten. Die Irritationen in Italien gingen soweit, dass sich der deutsche Botschafter in Rom, Clemens von Brentano, einschaltete und in einem Telegramm an das Auswärtige Amt in Bonn versicherte, dass der Standpunkt der italienischen Instanzen rechtlich vollkommen einwandfrei sei. Da von Brentano fürchtete, dass der Streit nicht nur die Interessen der Kirchen, sondern auch das deutsche Ansehen in Italien beeinträchtigen würde, schlug er vor, das Auswärtige Amt möge Kontakt zum Bevollmächtigen des Rates in Bonn aufnehmen, um zu erreichen, dass der Streit nicht in Italien ausgetragen werde. Zur selben Zeit hatte sich der Dekan der EvangelischLutherischen Kirche Italiens, Erich Dahlgrün, persönlich an den leitenden Bischof der Vereinigten Lutherischen Kirche Deutschlands, Hans Meiser, gewandt und diesen „um Schutz“ vor den Aktionen des Kirchlichen Außen-

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Vgl. 20B6. Vgl. 20D2. Vgl. 20D3; vgl. dazu auch H. RUDOLPH, Vertriebene 1, S. 487–492. Vgl. dazu B. WELLNITZ, Ausland, S. 182–220. Vgl. A. SILOMON, Protokolle 4, 13B2. Dieses Thema nahm den weitaus größten Teil der 23. Ratssitzung in Elbingerode am 16./17. Juli 1951 ein (23B3). Vgl. dazu B. WELLNITZ, Ausland, S. 329–334 und K. HERBERT, Kirche, S. 230–235.

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amtes gebeten_120. In den folgenden Monaten fungierte Meiser als Vermittler in den Vertragsverhandlungen zwischen der ELKI und der EKD, zugleich bekämpfte er das Kirchliche Außenamt. Seit dem Sommer 1951 beschäftigte eine Reihe von Rechtsgutachten des Außenamtes und der VELKD über die Legitimität der Auflösung des „Anschlussverhältnisses“121 der italienischen Gemeinden von der EKD die Ratsmitglieder_122. Dabei wurde deutlich, dass das Kirchliche Außenamt bereits aus der Defensive heraus agierte, denn seine Argumentation stützte sich vor allem auf formale Fehler bei der Kündigung des „Anschlussverhältnisses“ der italienischen Gemeinden. Im Verlaufe der Auseinandersetzungen innerhalb der EKD drohte Meiser mit der Boykottierung des Kirchlichen Außenamtes und kündigte an, ein eigenes Außenamt der VELKD zu schaffen und die Betreuung der Auslandsgemeinden zu übernehmen_123. Das Ansehen Niemöllers in seiner Rolle als Leiter des Kirchlichen Außenamtes wurde durch diese Episode empfindlich geschwächt_124.

Editorische Vorbemerkungen Die Edition der Protokolle des Rates der EKD bietet in Form einer breit angelegten Dokumentation einen umfassenden Überblick über die Tätigkeit des Rates der EKD. Der vorliegende 5. Band der Edition enthält acht Sitzungen, die der Rat 1951 abgehalten hat sowie die zwei Sitzungen der im März und Dezember 1951 abgehaltenen Kirchenkonferenzen, die im Anschluss an die Ratsprotokolle abgedruckt sind. Grundlage und Ausgangspunkt sind die von der Kirchenkanzlei der EKD angefertigten und in hektographierter Form an die Mitglieder des Rates versandten Beschlussprotokolle. Verlaufsprotokolle aus dieser Zeit sind nicht überliefert. Die neue am 6./7. September 1951 beschlossene Geschäftsordnung des Rates sah nur noch die Form des Beschlussprotokolls vor_125. Wegen der geringen Aussagekraft der Beschlussprotokolle werden Anträge, Anlagen, Einladungsschreiben, Tagesordnungen und Teilnehmerlisten sowie wichtiger Schriftverkehr abgedruckt, um die vielfältigen Aufgabenstellungen des Rates und die Dimensionen der auf den Sitzungen verhandelten Gegenstände deut120 Vgl. 23B3. 121 Nach dem Zweiten Weltkrieg war der Begriff „Anschluss“, der ursprünglich eine eigenständige kirchenrechtliche Bezeichnung war, durch die von den Nationalsozialisten betriebenen politischen „Anschlüsse“ im staatlichen Bereich diskreditiert; vgl. dazu B. WELLNITZ, Ausland, S. 204; 210ff. 122 Vgl. dazu 25B16; 26B7. 123 Vgl. 23B3. 124 Vgl. dazu D. BUCHHAAS-BIRKHOLZ, Leitbilder, S. 157. 125 Vgl. § 4 der Geschäftsordnung für den Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland: 24C1.

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licher werden zu lassen. Das einschlägige Quellenmaterial für die Ratssitzungen in den Nachkriegsjahren ist nicht als geschlossener Archivbestand überliefert; deshalb mussten zahlreiche Recherchen in verschiedenen Archiven vorgenommen werden. Der größte Teil der abgedruckten Dokumente stammt aus dem Bestand 2 des Evangelischen Zentralarchivs in Berlin und dem bisher nicht erschlossenen Nachlass Smend. Daneben wurden weitere Funde aus den Beständen 4, 6, 7, 17, 71 und 103 sowie die Nachlässe von Ernst-Victor Benn, Otto Dibelius, Lothar Kreyssig und Hermann Kunst aus dem Evangelischen Zentralarchiv verwendet. Vervollständigt wurden Kommentare und Dokumente durch den Nachlass Lilje und die Akten des Lutherischen Kirchenamtes im Landeskirchlichen Archiv Hannover, die Sammlungen Held, Beckmann, die Handakten Schlingensiepen und die Sachakten des Landeskirchenamtes im Archiv der Evangelischen Kirche im Rheinland in Düsseldorf, die Akten des Zentralbüros des Hilfswerks im Archiv des Diakonischen Werkes in Berlin, die Bestände des Evangelischen Oberkirchenrates in Stuttgart, den Nachlass Karl Hartenstein im Landeskirchlichen Archiv Stuttgart sowie den Bestand Martin Niemöller im Landeskirchenarchiv Darmstadt und den Nachlass Meiser im Landeskirchenarchiv Nürnberg. Nicht nur die hektographierten Beschlussprotokolle, sondern auch eine große Zahl weiterer Dokumente sind an mehreren Orten überliefert. In diesen Fällen folgt die Edition der Überlieferung im Evangelischen Zentralarchiv in Berlin als dem für die Akten der EKD zuständigen Archiv. Um die außerordentliche Fülle des abgedruckten Quellenmaterials in möglichst übersichtlicher Form darzubieten, ist die Edition jeder Sitzung in fünf Rubriken aufgeteilt: – Rubrik A (Vorbereitung der Sitzung): Einladungsschreiben, Tagesordnungen und sonstiger vorbereitender Schriftverkehr. – Rubrik B (Protokoll). – Rubrik C (Anlagen und Beschlusstexte): Texte, die im Protokoll ausdrücklich als Anlagen ausgewiesen, vom Rat beschlossen oder in Auftrag gegeben worden sind. – Rubrik D (Vorlagen und Anträge): von den Ratsmitgliedern und der Kirchenkanzlei bzw. ihren Referenten vorbereitete Berichte und Anträge zur Beschlussfassung, während der Sitzungen erarbeitete Entwürfe sowie Anträge und Eingaben Dritter. – Rubrik E (Dokumente): Sonstige Dokumente, die im Zusammenhang der Ratssitzungen oder einzelner während der Sitzungen erörterter Sachthemen stehen. Die in den Rubriken C–E abgedruckten Dokumente erscheinen in der Regel in der Reihenfolge, in der sie in den Einladungsschreiben und Protokollen erstmals erwähnt werden. Die Bearbeiter haben ferner jeder Sitzung Informationen zu Tagungsort und -zeit, Teilnehmern und Protokollanten vorangestellt. Eine Vielzahl der abgedruckten Quellen ist hinsichtlich Form, Rechtschrei-

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bung und Zeichensetzung uneinheitlich und fehlerhaft. Zwar blieb in der Regel der Lautstand der Vorlage berücksichtigt (z. B. ss statt ß, oe statt ö etc.), aber um der besseren Lesbarkeit willen wurden an zahlreichen Stellen die Zeichensetzung und die offensichtlichen Schreibfehler stillschweigend korrigiert. Bei falsch geschriebenen Namen wurde die richtige Schreibweise in eckigen Klammern ergänzt, bei schwerwiegenden grammatikalischen und sachlichen Fehlern haben die Bearbeiter notwendige Korrekturen oder „sic!“ in eckigen Klammern eingefügt. Auslassungen in der Vorlage sind durch drei Punkte gekennzeichnet. Jedem Dokument ist ein Kopfregest vorangestellt, das die Gattung des Dokuments und gegebenenfalls Aussteller und Empfänger bezeichnet sowie Angaben zu Ort und Datum enthält; die Briefköpfe der Vorlagen werden grundsätzlich nicht mit abgedruckt. Ermittelte Daten stehen in eckigen Klammern; Originalüberschriften innerhalb der Kopfregesten sind in Anführungszeichen gesetzt. Im diplomatischen Apparat folgen sodann Angaben zu Fundort (F) und genetischer Form (O = Original, D = Durchschrift, H = Hektographie). An dieser Stelle finden sich auch Hinweise auf vorherigen oder anderweitigen Abdruck. Die knappe Diktion der Beschlussprotokolle bringt es mit sich, dass sie für nicht Sachkundige kaum verständlich sind. Darum gehörte es zu den vordringlichsten Aufgaben der Bearbeiterin, die in den Besprechungen und Beschlüssen des Rates angesprochenen Probleme und Vorgänge zu identifizieren, in ihren sachlichen und historischen Kontext zu stellen und auf weitere einschlägige Quellen und Literatur hinzuweisen. Eine genaue Rekonstruktion des Sitzungsverlaufs war nicht beabsichtigt. Die umfangreiche Kommentierung der Protokolle dient in erster Linie dazu, die Texte verständlicher zu machen und einzelne Sachbetreffe zu erläutern. Bei den zusätzlich zu den Protokollen abgedruckten Dokumenten beschränkt sie sich auf die notwendigsten Hinweise. Dies gilt auch für die Protokolle der Kirchenkonferenzen, die nur mit einem Kopfregest, das Angaben über Ort, Datum und Teilnehmer enthält sowie mit einem diplomatischen Apparat, jedoch ohne die Rubriken A, C, D und E abgedruckt werden. Die Bearbeiterin hat es bewusst vermieden, in ihre Kommentare Urteile und Wertungen einfließen zu lassen, auch wenn manche Äußerungen in den Texten aus heutiger Sicht provozierend wirken. Zur Bearbeitung wurde von Fall zu Fall auch die in Form von Mitschriften einzelner Ratsmitglieder vorliegende Gegenüberlieferung (G) herangezogen. Sie wird im diplomatischen Apparat der Rubrik B in nummerierter Reihenfolge kenntlich gemacht. Die in diesen Mitschriften enthaltenen wichtigen Zusatzinformationen oder von den offiziellen Protokollen abweichende Angaben sind in den Fußnoten berücksichtigt. Darüber hinaus diente die Gegenüberlieferung zur Feststellung von Sitzungsteilnehmern sowie von Sitzungsbeginn und -ende. Insbesondere die Mitschriften Smends und Meisers lassen mehr und bessere Rückschlüsse auf den Verlauf der Sitzungen und den tatsächlichen Gesprächsgang zu als die offiziellen Beschlussprotokolle.

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Für die meisten Sitzungen liegen Protokollentwürfe der Kirchenkanzlei vor, die bei der Kommentierung berücksichtigt worden sind. Hinweise auf diese Entwürfe finden sich in den Fußnoten. Um die Edition nicht mit einem doppelten Fußnotenapparat zu belasten, wurden sämtliche textkritische Angaben in die Fußnoten eingearbeitet und den sachlichen Kommentierungen vorangestellt. Bei der Gestaltung des Textes und der Fußnoten hat sich die Bearbeiterin nach den für die Arbeiten zur Kirchlichen Zeitgeschichte festgelegten Standards gerichtet: Originaltexte, d. h. sämtliche vollständig abgedruckten Dokumente und Zitate aus Dokumenten erscheinen grundsätzlich steil, die von den Bearbeitern formulierten Texte und Fußnoten hingegen kursiv. Die Kopfregesten und Zwischenüberschriften sind als Gliederungselemente fett gesetzt. Hervorhebungen in den Originaltexten werden nur dann übernommen, wenn sie sachlich relevant sind; sie erscheinen unabhängig von der in der Vorlage verwendeten Hervorhebungsart gesperrt. Hinweise auf Quellen und Literatur innerhalb der Fußnoten sind bei der Angabe des Archivortes und der Autorennamen in Kapitälchen, bei Signaturen und Titeln steil gesetzt. Die Literatur wird lediglich mit Kurztiteln zitiert; die vollständigen bibliographischen Angaben sind im Literaturverzeichnis aufgeführt. Interne Seitenangaben von abgedruckten Dokumenten wurden nicht übernommen. Nur wenn die Dokumente aus Akten stammen, die eine Paginierung durch das Archiv aufweisen, wurden im Text die Seitenwechsel sowie Angaben über Vorder- und Rückseite durch hoch gestellte Ziffern und die Anfangsbuchstaben für recto (= Vorderseite) und verso (= Rückseite) kenntlich gemacht. Die Fußnoten zu den Protokollen enthalten eine Vielzahl von Querverweisen auf die zusätzlich abgedruckten Dokumente. Die Verweise sind stets nach einem einheitlichen Schema aufgebaut: Auf die Nummer der Sitzung folgen zunächst die Angabe der Rubrik und dann die Nummer des jeweiligen Dokumentes, zum Schluss erscheint zusätzlich die Seitenangabe_126. Die Verweise auf die Bände 3 und 4 der Edition beschränken sich auf die Angabe der Sitzungsnummer, der Rubrik und der Nummer des jeweiligen Dokumentes. Eine besondere Schwierigkeit für die Bearbeiter war die Identifizierung einer großen Zahl der in den Protokollen und Dokumenten erwähnten Personen. Die biographischen Angaben für die auftretenden Personen wurden in der Regel ins Personenregister integriert. In einigen Fällen konnte die Identifizierung aufgrund von Fehlangaben, Verwechslungen o. ä., die z. T. auf Hör- oder Schreibfehler der Protokollanten zurückzuführen sind, jedoch nicht geleistet werden. Dieser Band ist im Rahmen eines von Professor Dr. Carsten Nicolaisen sowie Privatdozentin Dr. Claudia Lepp geleiteten und von der DFG geför126 So bedeutet die Angabe 8C4: 8. Sitzung, Rubrik C (Anlagen und Beschlusstexte), Dokument 4.

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derten Editionsprojektes entstanden. Grundlage auch für den 5. Band dieser Edition ist die Überlieferung im Evangelischen Zentralarchiv in Berlin. Daher ist besonders den Mitarbeitern des Zentralarchivs für die bevorzugte Betreuung bei den Archivrecherchen zu danken. Ein besonderer Dank gilt der großen Hilfsbereitschaft von Frau Dr. Stache, der Leiterin des Evangelischen Zentralarchivs Berlin. Auch den Mitarbeitern der anderen Archive, die im Quellenverzeichnis aufgeführt sind, soll für ihre bereitwillige Unterstützung gedankt werden. Hier sind besonders Herr Diplomarchivar Michael Bing vom Landeskirchlichen Archiv Stuttgart, Herr Landeskirchenarchivamtsrat Ulrich Dühr vom Archiv der Evangelischen Kirche im Rheinland, Herr Dr. Michael Häusler, leitender Archivar des Archivs des Diakonischen Werkes der EKD, Herr Landeskirchenarchivoberamtsrat Wolfgang Günther vom Landeskirchlichen Archiv der Evangelischen Kirche von Westfalen, Herr Archivoberrat Werner Jürgensen M. jur. utr. vom Landeskirchlichen Archiv Nürnberg, Herr Dr. Hans Otte, Leitender Archivdirektor des Landeskirchlichen Archivs der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Hannover und Frau Maja Schneider vom Archiv der Lippischen Landeskirche in Detmold hervorzuheben. Dank gilt auch Herrn Prof. Dr. Wolf-Dieter Hauschild, der in großzügiger Weise den Nachlass von Rudolf Smend für die Arbeit an dieser Edition zur Verfügung gestellt hat. Ein herzlicher Dank für die geduldige – auch in schwierigen Zeiten – immer freundliche und sachkundige Hilfe gilt der Leiterin des Editionsprojektes Frau PD Dr. Claudia Lepp. Der stetige Fortschritt der Arbeit verdankt sich in hohem Maße ihrer konstruktiven und umsichtigen Leitung des Projekts und seiner Mitarbeiter. Für die stets kollegiale und freundschaftliche Haltung, die fachliche Hilfe, das Mitdenken, Zuhören und Aufmuntern danke ich meiner Kollegin Dr. Anke Silomon. Ein besonderer Dank gilt der freundlichen und immer hilfsbereiten Auskunftsbereitschaft von Dr. Karl-Heinz Fix. Er hat dieser Edition zudem weit über das zu erwartende Maß hinaus seinen geübten Blick und großen Sachverstand bei den redaktionellen Arbeiten zuteil werden lassen. Für die umfangreichen Schreibarbeiten, die Arbeit an dem Dokumentenverzeichnis und das große Engagement bei der oft schwierigen Ermittlung der zahlreichen Biogramme danke ich Herrn stud. phil. Stefan Roßteuscher. Ein großer Dank gilt auch Frau Nora Andrea Schulze für ihre unermüdliche Bereitschaft, Auskünfte und Hinweise zu geben. München, den 8. März 2004

Dagmar Pöpping

19. Sitzung Potsdam, 11. und 12. Januar 1951

19 Potsdam, 11. und 12. Januar 1951 Ort: Beginn: Ende: Teilnehmer:

Bibelhaus der Brandenburger Frauenhilfe, Bauhofstraße 9. Donnerstag, 11. Januar 1951 (9.00 Uhr). Freitag, 12. Januar 1951 (mittags). Vom Rat: Dibelius, Hahn, Heinemann1, Herntrich, Kreyssig, Meiser, Niemöller, Niesel, Smend. Als Gast: Grüber. Von der Kirchenkanzlei: Benn, Brunotte, Merzyn. Für das Kirchliche Außenamt: Bartelt. Protokollanten: Brunotte, Merzyn. 19A Vo rbereitung

19A Vorbereitung der Sitzung 19A1. Schreiben des Ratsvorsitzenden an die Ratsmitglieder. Berlin, 23. Dezember 1950 F: EZA Berlin, 4/44 (H). Die Herren Mitglieder des Rates lade ich hiermit zur nächsten Sitzung auf Donnerstag, den 11. und Freitag, den 12. Januar 1951 nach Potsdam ein. Die Beratungen sollen am 11. Januar um 9 Uhr beginnen und am 12. Januar mittags beendet sein. Sie finden in dem Bibelhaus der Brandenburgischen Frauenhilfe in Potsdam, Bauhofstraße 9, statt. Dort wird auch für alle auswärtigen Teilnehmer Quartier bereitgehalten. Die Herren Mitglieder bitte ich, dem Leiter der Frauenhilfe, Herrn Pfarrer Schröder in Potsdam, Weinbergstr. 18/19, ihre Quartierwünsche für Sie selbst und etwaige Begleitpersonen möglichst umgehend mitzuteilen. Das Innenministerium der Deutschen Demokratischen Republik hat mitgeteilt, daß der Erteilung der Aufenthaltsgenehmigungen für die Teilnehmer aus Westdeutschland keine Bedenken entgegenstehen. Ich hoffe, daß die Genehmigungen rechtzeitig bei den Herren Mitgliedern eintreffen werde.

1 Ab TOP 18 abwesend.

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19. Sitzung Potsdam, 11. und 12. Januar 1951

Die bisher vorgemerkten Beratungsgegenstände sind umstehend2 angegeben. gez. D. Dr. Dibelius

19A2. Beratungsgegenstände für die Sitzung des Rates der EKD am 11./12. Januar 1951 in Potsdam. Berlin, 23. Dezember 1950 F: EZA Berlin, 4/44 (H; Anlage zu 19A1). 1.) Vorbereitung der Synodaltagung, insbesondere a) Bestimmung des allgemeinen Beratungsthemas, b) Vorbereitung des Kirchengesetzes über das Hilfswerk, c) Vorbereitung des Kirchengesetzes über den Haushaltsplan, d) Einberufung der Kirchenkonferenz zur Beratung der unter b und c genannten Gesetzesentwürfe. 2.) Bericht über die Christengemeinschaft (Prälat Dr. Hartenstein) 3.) Antrag des Reformierten Kirchenausschusses in Marburg 4.) Beendigung des Auftrages des Vizepräsidenten a. D. Dr. Fürle 5.) Verschiedenes.

19A3. Tagesordnung für die Sitzung des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland am 11./12. Januar 1951 in Potsdam. O. O., o. D. F: NL Smend (D). 1.) Vorbereitung der Synodaltagung, insbesondere a) Bestimmung des allgemeinen Beratungsthemas (D. Brunotte) b) Vorbereitung des Kirchengesetzes über das Hilfswerk (D. Herntrich) c) Vorbereitung des Kirchengesetzes über den Haushaltsplan (Dr. Merzyn) d) Einberufung der Kirchenkonferenz zur Beratung der unter b und c genannten Gesetzentwürfe (Vorsitzender) 2.) Allgemeine Aussprache 3.) Antrag des Präses Dr. Kreyssig über die Gestaltung der Arbeit des Rates (Dr. Kreyssig) 4.) Neuordnung der Evangelischen Kirche der APU (Dr. Kreyssig) 5.) Personalfragen 2 „Umstehend“ wurde hsl. geändert in „umseitig“.

19B Protokoll

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a) Beendigung des Auftrags des Vizepräsidenten a. D. Dr. Fürle (D. Brunotte) b) Pension des Oberkonsistorialrats Schönfeld (D. Brunotte) c) Oberkirchenrat Peperkorn, D. Engelke (D. Brunotte, Dr. Benn) d) Büro der Kirchenkanzlei – Berliner Stelle – (Dr. Benn) 6.) Beihilfegesuche (Dr. Merzyn) 7.) Ergänzung der Kammern für öffentliche Verantwortung und soziale Fragen (D. Brunotte) 8.) Richtlinien für die Unterstützung der evangelischen DP-Pfarrer und ihrer Hinterbliebenen (Dr. Merzyn) 9.) Änderung der Satzung des Ostkirchenausschusses (D. Brunotte) 10.) Antrag des Reformierten Kirchenausschusses in Marburg (D. Brunotte) 11.) Eingaben ehemaliger Deutscher Christen (Dr. Benn) 12.) Eingabe der mecklenburgischen Kirchenleitung (Dr. Benn) 13.) Angelegenheit des Pfarrers Lehmann-Aburi (Dr. Benn) 14.) Verschiedenes.

19A4. Schreiben der Kirchenkanzlei – Berliner Stelle – an die westdeutschen Ratsmitglieder. Berlin, 4. Januar 1951 F: EZA Berlin, 4/44 (Konzept mit Paraphe Benns) Betrifft die Ratstagung in Potsdam. Wir erlauben uns darauf hinzuweisen, daß bei einer Einreise in die Ostzone die Reisenden keinerlei Westgeld mit sich führen dürfen. Sofern die Herren Teilnehmer an der Sitzung in Potsdam für einen etwaigen Aufenthalt in Westberlin Westgeld benötigen, sind wir gern bereit, es hier vorschußweise zur Verfügung zu stellen. 19B Protokoll

19B Protokoll F: EZA Berlin, 2/1793 (H; den Ratsmitgliedern mit Schreiben vom 15. Januar 1951 übersandt). G: Mitschriften 1. Meiser (LKA Nürnberg, Meiser 140 [17]); 2. Smend (NL Smend).

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19. Sitzung Potsdam, 11. und 12. Januar 1951

Niederschrift über die 19. Sitzung des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland am 11./12. Januar 1951 in Potsdam. Anwesend:

ausserdem:

Alle Ratsmitglieder ausser Landesbischof D. Dr. Lilje, Prälat Dr. Hartenstein, Synodalpräsident Mager, sowie ab Punkt 18. Dr. Dr. Heinemann, Propst Grüber, Präsident D. Brunotte, Vizepräsident Dr. Benn, Oberkirchenrat Dr. Merzyn, Oberkirchenrat Bartelt.

1. Vorbereitung der nächsten Synodal-Tagung: a) Die nächste Tagung der Synode der EKD soll von Sonntag, den 1. April bis Donnerstag, den 5. April 1951 in Hamburg stattfinden. b) Das allgemeine Beratungsthema soll die Frage des diakonischen Dienstes (genaue Formulierung vorbehalten) sein. Um das Hauptreferat hierfür wurde Oberkirchenrat Prof. D. Dr. Herntrich gebeten3; um ein Korreferat soll nach Möglichkeit eine im Osten verwurzelte Nicht-Theologin (Frau von Sahr?) gebeten werden4. c) Eingeladen werden sollen ausser den Gästen der letzten Synodaltagung5 der Brasilianische Kirchenbund und die Kirchen in Jugoslawien und Spanien6. d) Um die Predigt im Eröffnungsgottesdienst soll Landesbischof Dr. Schöffel gebeten werden, um die Predigt im Schlussgottesdienst der Ratsvorsitzende7. 3 Herntrich hielt neben Hartenstein und Lilje auf der zweiten Sitzung der Synode in Hamburg am Vormittag des 2. April 1951 den ersten von drei Hauptvorträgen (vgl. HAMBURG 1951, S. 42–54). 4 Marianne Sahrer von Sahr stammte aus Sachsen und war seit 1933 Landesleiterin des Christlichen Frauendienstes in Sachsen. 1946–1952 war sie als Vertreterin des Hilfswerks Mitglied der Landessynode der rheinischen Kirche; vgl. E. BECKER, Beginn, S. 274. Der Plan, Frau von Sahr zu einem Korreferat einzuladen, wurde vermutlich auf der 20. Ratssitzung am 6. März 1951 fallen gelassen. Nach G 3 zu 20B beschloss der Rat auf dieser Sitzung, dass auf das Referat von Herntrich nicht – wie ursprünglich vorgesehen – Korreferate folgen sollten, sondern Referate von Hartenstein und Lilje über das Hilfswerk und die Innere Mission (vgl. 20B3). 5 Vgl. BERLIN-WEISSENSEE 1950, S. 19, 62–85. 6 Vgl. HAMBURG 1951, S. 13–17, 39. 7 Die Hamburger Synode wurde am 1. April 1951 mit einem Gottesdienst von Landesbischof Schöffel in der St. Petrikirche eröffnet. In der selben Kirche hielt Bischof Dibelius am Abend des 5. April den Schlussgottesdienst (vgl. HAMBURG 1951, S. 5).

19B Protokoll

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e) Folgende drei Gesetzentwürfe des Rates sollen der Synode vorgelegt werden: Haushaltsgesetz8, Hilfswerksgesetz9, Schiedsgerichtshofsgesetz10. 2. Nächste Tagung der Kirchenkonferenz: Die nächste Tagung der Kirchenkonferenz soll für Mittwoch, den 7. März 1951 nach Hannover-Herrenhausen in das Dienstgebäude der Kirchenkanzlei einberufen werden11. 3. Nächste Sitzungen des Rates: Die nächsten Sitzungen des Rates sollen wie folgt stattfinden: 6. und 7. März in Hannover (am 7. März nach Beendigung der Kirchenkonferenz)12, 24. und 25. Mai in Elbingerode13, 12. und 13. Juli in Saarbrücken14, 6. u. 7. September in Tutzing15, 25. und 26. Oktober in Dessau,16 6. u. 7. Dezember in Frankfurt/M.17 4. Allgemeine Aussprache: Der Rat nahm einen Bericht zur allgemeinen Lage entgegen. Er begrüsst es, dass Bischof D. Dibelius sich zu Vermittlungsdiensten bereit erklärt hat, falls solche erforderlich sein sollten, um eine persönliche Begegnung von Staatsmännern des Westens und des Ostens zustande zu bringen18. 8 Vgl. 19B11. 9 Vgl. 19B8; 19C1. Vgl. dazu die Begründung für das neue Hilfswerksgesetz 19E1. 10 Vgl. 19C2. Das Kirchengesetz über den Vorläufigen Schiedsgerichtshof vom 13. Januar 1949 war bereits in einem Kirchengesetz vom 26. April 1950 bis Ende des Jahres 1950 verlängert worden. In der Begründung für die Verlängerung hieß es, dass sich keine Veranlassung zur Änderung des Schiedsgerichtshofgesetzes ergeben habe. Es sei vielmehr angebracht, eine ausreichende Geltungsdauer vorzusehen, um zu ermöglichen, Erfahrungen in der praktischen Anwendung des Gesetzes zu verwerten. Eine Verlängerung der Geltungsdauer um ein weiteres Jahr sei nicht ausreichend, da die Fälle, in denen der Schiedsgerichtshof tätig werde, überaus selten seien. Deshalb sehe der Entwurf eine Verlängerung um zwei weitere Jahre vor (HAMBURG 1951, S. 324). 11 Vgl. die Niederschrift über die Sitzung der Kirchenkonferenz am 7. März 1951 in Hannover, S. 504–507. 12 Zur 20. Ratssitzung, die am 6. März 1951 in Hannover stattfand, vgl. 20B. 13 Die 21. Ratssitzung fand dann am 5. April 1951 in Hamburg statt (nach Beendigung der 3. Tagung der 1. Synode der EKD); die 22. Ratssitzung am 24. Mai 1951 in Hannover. Vgl. 21B; 22A1; 22B. 14 Die 23. Ratssitzung wurde wegen des Kirchentages, der vom 11.–15. Juli 1951 stattfinden sollte, auf den 16./17. Juli 1951 verschoben (vgl. G 3 zu 20B). Schließlich fand diese Ratssitzung nicht in Saarbrücken, sondern in Elbingerode statt (vgl. 20B4). 15 Zur 24. Ratssitzung am 6. und 7. September 1951 in Tutzing vgl. 24B. 16 Am 25. Oktober 1951 tagte der Rat in Berlin-Spandau. Vgl. 25B. 17 Die 26. Sitzung fand dann am 7. Dezember 1951 in Berlin-Spandau statt. Vgl. 26B. 18 Dibelius berichtete dem Rat, Grotewohl habe von der Berlin-Brandenburgischen Kirchen-

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19. Sitzung Potsdam, 11. und 12. Januar 1951

5. Beendigung des Auftrages des Vizepräsidenten a. D. Dr. Fürle: Die Kirchenkanzlei wurde beauftragt, den Herrn Vizepräsident a. D. Dr. Fürle seinerzeit erteilten Auftrag als mit der Abwicklung des 11. Ostpfarrer-Finanzausgleichs für beendet zu erklären19. 6. Eingabe ehemaliger Deutscher Christen: Der Rat sah keinen Grund, auf die Eingaben ehemaliger Deutscher Christen etwas zu veranlassen. Lediglich bezüglich des Pastors Le Seur wurde der Vorsitzende des Rates gebeten, den Evangelischen Oberkirchenrat in Stuttgart um die Prüfung der Frage zu bitten, ob angeleitung die Übersiedlung in die Ostzone verlangt und einen Ministerratsbeschluss herbeigeführt, nach dem die Staatszuschüsse für die Kirche eingestellt werden sollten, wenn die Kirchenleitung nicht in die DDR übersiedele. Er habe gegenüber Grotewohl deutlich gemacht, dass diese Entscheidung allein von der Berlin-Brandenburgischen Provinzialsynode, die vom 5. bis zum 8. Februar 1951 tage, zu treffen sei (vgl. G 1; vgl. auch die auf der Provinzialsynode Berlin-Brandenburg am 8. Februar angenommene Entschließung, in der diese Forderungen zurückgewiesen wurden: LABB, Synode, Februar 1951). Kreyssig berichtete über den Versuch der sächsischen Landesregierung, durch eine Pfarrerversammlung gegen die Landeskirche zu agitieren (G 1); vgl. den Rechenschaftsbericht Dibelius’ vor der Provinzialsynode Berlin-Brandenburg vom 5. Februar 1951, in dem dieser die Versuche der ostdeutschen Länderchefs, über den Kopf der Kirchenleitungen hinweg „fortschrittliche Pfarrer“ zu sammeln, aus deren Mitte eine neue Kirchenleitung gewählt werden sollte, als gescheitert bezeichnete (LABB, Synode, Februar 1951). Außerdem hatte die sächsische Landesregierung Dibelius über Kreyssig gebeten, anlässlich des Grotewohl-Briefes an Adenauer vom 30. November 1950, in dem dieser die Bildung eines gesamtdeutschen konstituierenden Rates als Grundlage für eine spätere Wiedervereinigung vorgeschlagen hatte, zwischen der DDR und der westdeutschen Regierung zu vermitteln (G 1; vgl. dazu N. WIGGERSHAUS, Potsdam, S. 118). In der auf den Lagebericht Kreyssigs folgenden Diskussion über das Angebot Grotewohls beurteilte Heinemann die in Aussicht gestellte Möglichkeit freier Wahlen in der DDR positiv und befürwortete ein neutrales Gesamtdeutschland unter der Führung der UNO ohne eigenständige Außenpolitik. Dibelius erklärte, dass er fortfahren wolle, seine Bereitschaft zu einer politischen Vermittlung zwischen Ost und West zu bekunden und weiterhin bemüht sein werde, an einer persönlichen Begegnung der Staatsmänner mitzuwirken. Dabei berichtete er von Gesprächen, die er bereits mit Adenauer, Lehr, Heuss und Ehlers zu diesem Thema geführt hatte (G 1; vgl. dazu R. STUPPERICH, Dibelius, S. 488; F. HARTWEG, SED, S. 63f.; DIE SYNODE ENTSCHEIDET FÜR BERLIN, S. 2; ADENAUER UND GROTEWOHL, S. 17; G. BESIER, SED-Staat, S. 86–95; J. VOGEL, Kirche, S. 157–161). 19 Günther Fürle war als früherer Direktor und Vizepräsident der Kirchenkanzlei der DEK zum 1. Juni 1946 in den vorzeitigen Ruhestand versetzt worden. Dabei hatte der Rat sich vorbehalten, Fürle gelegentlich für andere kirchliche Tätigkeiten einzusetzen; vgl. das Schreiben des Rates der EKD an Fürle vom 26. März 1946 (EZA BERLIN, 2/P8). Zur Ruhestandsregelung und Beauftragung Fürles mit der Durchführung des Ostpfarrerfinanzausgleichs durch die Kirchenkanzlei vgl. C. NICOLAISEN/N. A. SCHULZE, Protokolle 1, S. XXIII; 3C4, S. 220; 4B1, S. 328; 5B1, S. 392. Erst am 8. Oktober 1951 teilte Fürle der Kirchenkanzlei mit, dass er die Akten des 11. Ostpfarrerfinanzausgleichs am 2./3. November 1951 übergeben wolle. In einem Schreiben der Kirchenkanzlei an Fürle vom 16. Oktober 1951 hieß es, dass die Beauftragung Fürles nicht um einen weiteren Monat verlängert werden könne (beide Schreiben in: EZA BERLIN, 2/3325).

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sichts des hohen Alters von Pastor Le Seur eine kleine finanzielle Besserstellung ermöglicht werden kann20. 7. Eingabe der Mecklenburgischen Kirchenleitung: Der Rat heisst die von der Mecklenburgischen Kirchenleitung getroffenen Massnahmen gut und rät, sie vollends durchzuführen. Der Rat selbst wird weiterhin bemüht sein, dazu beizutragen, dass die Dinge sich entspannen21. 8. Hilfswerksgesetz: Auf Grund des Berichtes von Oberkirchenrat D. Dr. Herntrich und des Vorschlages des Ständigen Ausschusses der Synode der EKD für 20 Der Thüringer Pfarrer Eduard Le Seur befand sich zu diesem Zeitpunkt bereits im Ruhestand und lebte in Stuttgart. Le Seur hatte 1946 bis 1949 über den Evangelischen Oberkirchenrat Stuttgart Nothilfezahlungen von der Thüringischen Landeskirche erhalten. Nachdem er aufgrund eines Spruchkammerurteils 1949 von der Thüringischen Landeskirche entlassen worden war, hatte er seinen Anspruch auf Zahlungen aus dem Ostpfarrerfinanzausgleich verloren. Am 9. Februar 1950 hatte sich Le Seur mit einer Eingabe an den Ratsvorsitzenden gewandt, in der er gefordert hatte, dass die evangelischen Kirchen in Deutschland durch eine gemeinsame Aktion den ehemaligen DC-Pfarrern helfen sollten; vgl. das Schreiben der Kirchenkanzlei an den Stuttgarter Oberkirchenrat vom 22. Januar 1951. Der Evangelische Oberkirchenrat in Stuttgart signalisierte in einem Schreiben vom 10. Februar 1951 an die Brüderliche Fürsorge der Evangelischen Pfarrerschaft in Württemberg sein Einverständnis mit der Erhöhung der Unterstützung für Pastor Le Seur unter der Voraussetzung, dass die thüringische Landeskirche einen Ersatz anerkenne oder dass künftig die Zahlungen aus dem Ostpfarrerfinanzausgleich erfolgen würden (alle Schreiben in: LKA STUTTGART, A 126, Nr. 565). In einem Schreiben vom 12. Juni 1951 an den Stuttgarter Oberkirchenrat erklärte sich der Thüringer Landesbischof Mitzenheim damit einverstanden, Le Seur ab 1. Juli 1951 ein „jederzeit widerrufliches Gnadengeld in Höhe von 150,– DM zuzuerkennen“. Erst daraufhin bewilligte die Kirchenkanzlei eine Erhöhung der Unterstützung für Le Seur auf 150,– DM monatlich ab dem 1. Juli 1951 (LKA STUTTGART, A 227, Eduard Le Seur). 21 Am 22. April 1950 hatte die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Mecklenburgs in einem Schreiben an die Kirchenkanzlei – Berliner Stelle – den Rat um eine gutachterliche Stellungnahme zu einem Streit zwischen der Landeskirche und Vertretern der Reformierten Kirche in Mecklenburg gebeten (19D1). Die Reformierte Kirche hatte die Auffassung vertreten, dass „Umsiedler“ aus den Gebieten der Altpreußischen Union bei ihrer Ankunft in Mecklenburg vor die Entscheidung gestellt werden müssten, ob sie der Lutherischen Landeskirche oder der Reformierten Kirche angehören wollten. Dagegen hatte der Oberkirchenrat der Mecklenburgischen Landeskirche die Kirchengemeinden der ehemaligen preußischen Ostprovinzen als klar lutherisch eingestuft und dafür plädiert, die Flüchtlinge und Heimatvertriebenen aus diesen Gebieten, gleich in die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Mecklenburgs einzugliedern. Die Kirchenkanzlei – Berliner Stelle – hatte das Schreiben der Mecklenburgischen Landeskirche an den Evangelischen Oberkirchenrat der Altpreußischen Union mit der Bitte um Stellungnahme weitergeleitet. Dieser hatte sich auf die Seite der Mecklenburgischen Landeskirche gestellt. Die Kirchenkanzlei hatte sich der Auffassung des Evangelischen Oberkirchenrates angeschlossen; vgl. die Schreiben der Kirchenkanzlei – Berliner Stelle – an den Evangelischen Oberkirchenrat der APU vom 8. Mai 1950, das Antwortschreiben des Evangelischen Oberkirchenrates an die Kirchenkanzlei vom 24. Mai 1950 und das Schreiben der Kirchenkanzlei – Berliner Stelle – an den Evangelischen Oberkirchenrat in Schwerin vom 9. August 1950: EZA BERLIN, 4/338.

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Fragen des Hilfswerks22 wurden die Entwürfe für ein Kirchengesetz zur Ordnung des Evangelischen Hilfswerks innerhalb der EKD sowie für ein Kirchengesetz über den Diakonischen Beirat der EKD in der hier beiliegenden Fassung als Vorlage für die nächste Tagung der Synode der EKD einmütig beschlossen23. 9. Dr. Gerstenmaier: Angesichts der kommenden Umgestaltung des Hilfswerks und im Hinblick auf die politische Tätigkeit Dr. Gerstenmaiers soll in persönlichen Verhandlungen möglichst bald ein Weg gesucht werden, um die zukünftige Arbeit sowie die finanzielle Versorgung von Dr. Gerstenmaier sicherzustellen24. 22 Vgl. A. SILOMON, Protokolle 4, 18B2. Auf der Synode in Berlin-Weißensee vom 23.–27. April 1950 war ein Synodalausschuss von 14 Personen eingerichtet worden, der ein neues Hilfswerkgesetz erarbeiten sollte, mit dem Ziel, die „Vorläufige Ordnung des Hilfswerks der Evangelischen Kirche in Deutschland. Vom 13. Januar 1949“ (ABlEKD 1949, Nr. 3 vom 15. März 1949, S. 45) zu ersetzen. Brunotte und Röntsch hatten daraufhin die Vorlagen für das Kirchengesetz über den Diakonischen Beirat und das Kirchengesetz zur Ordnung des Evangelischen Hilfswerks innerhalb der EKD erarbeitet. Auf der 3. Sitzung des Synodalausschusses am 9. Januar 1951 war die hier diskutierte Vorlage beschlossen worden; vgl. dazu das Protokoll der Sitzung des Synodalausschusses (19E2). Gerstenmaier protestierte später nachdrücklich gegen die Entscheidung des Synodalausschusses (19E3). Er hatte vergeblich versucht, einen Aufschub der Sitzung des Synodalausschusses zu erwirken; vgl. dazu J. M. WISCHNATH, Kirche, S. 293f. Die hier vom Rat beschlossenen Gesetzentwürfe zur Neuordnung des Hilfswerks wurden auf der Hamburger Synode am 5. April 1951 in veränderter Form angenommen (abgedruckt in: ABlEKD 1951, Nr. 4 vom 15. April 1951, S. 89ff.). 23 Vgl. 19C1 und 19C3. Außerdem ging den Ratsmitgliedern mit Schreiben der Kirchenkanzlei vom 17. Januar 1951 eine Stellungnahme des Zentralbüros des Hilfswerks zur Frage der Trennung der wirtschaftlichen Betriebe vom Hilfswerk zu, in dem vorgeschlagen wurde, die Vermögenswerte der Wirtschaftsbetriebe des Hilfswerks aus steuerlichen Gründen der 1950 als Holding-Gesellschaft gegründeten „Sozialpolitischen Gesellschaft e. V.“ zu übertragen. Mit demselben Schreiben erhielten die Ratsmitglieder eine Stellungnahme des Ordnungsausschusses des Hilfswerks, in der der Rat gebeten wurde, das Hilfswerk anzuweisen, die Geschäftsstellen des Central-Ausschusses der Inneren Mission und des Zentralbüros des Hilfswerks zusammenzulegen; vgl. das Schreiben des Zentralbüros des Hilfswerks an Hartenstein vom 8. Januar 1951 und das Schreiben des Bevollmächtigten des Hilfswerks an Brunotte, die Mitglieder des Synodalausschusses, den Central-Ausschuß der Inneren Mission und das Zentralbüro des Hilfswerks der EKD vom 20. Dezember 1950 (EZA BERLIN, 2/5129). 24 Das neue Hilfswerkgesetz sollte die zentralistische Organisation des Hilfswerks föderal neu ordnen, d. h. den Landeskirchen mehr Mitspracherechte sichern und auf längere Sicht die Arbeit von Hilfswerk und Innerer Mission zusammenlegen. Zugleich sollten die Wirtschaftsbetriebe des Hilfswerks abgestoßen werden. Dies verband sich mit der Kritik an Person und Führungsstil Eugen Gerstenmaiers, dem Gründer und Leiter des Hilfswerks. Meiser notierte: „Der schwierige Punkt ist, daß sich mit der Sachordnung die Frage nach der Person des Leiters verbindet. [. . .] Das bisher von G[erstenmaier] ausgeübte Amt ist so wesentlich verändert, daß G. es kaum mehr als sein Amt annehmen wird.“ (G 1). Gerstenmaier hatte bereits in einem Schreiben vom 4. Dezember 1950 an Dibelius heftig gegen alle Neuentwürfe des Hilfswerkgesetzes protestiert: „Wenn ich z. B. in dem Schreiben des

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10. Berichtung der Niederschrift über die 18. Ratssitzung: In der Niederschrift über die 18. Ratssitzung werden in Ziffer 2.a) folgende Worte gestrichen: „. . . noch vor der Tagung der Synode zu erfolgenden . . .“25. 11. Haushaltsplan: Auf Grund des Vorschlages der beiden Amtsstellen und des Finanzbeirates der EKD wurde der Entwurf für den nächstjährigen Haushaltsplan der EKD in der hier beiliegenden Fassung als Vorlage für die nächste Tagung der Synode einmütig beschlossen26. Präsidenten der Kirchenkanzlei vom 28. November lese, dass das Hilfswerk nach dem Vorschlag des Synodalausschusses als zentralistische Organisation durch die Synode aufgelöst werden soll, so kann ich nur sagen, dieser Beschluss ist gar nicht gefasst worden und ich selbst habe jedenfalls niemals einem solchen Beschluss zugestimmt oder werde ihm zustimmen“ (EZA BERLIN, 2/5125); vgl. J. M. WISCHNATH, Kirche, S. 286–311). 25 Vgl. A. SILOMON, Protokolle 4, 18B2a. 26 In dem Begleitschreiben an die Ratsmitglieder vom 11. Dezember 1950 zu dem von der Kirchenkanzlei, dem Kirchlichen Außenamt und dem Finanzbeirat der EKD erarbeiteten Entwurf zu einem Haushaltsplan für das Rechnungsjahr 1951/52 hatte Brunotte darauf hingewiesen, dass im Vergleich zum vorangehenden Haushaltsjahr die Umlagebeiträge der westdeutschen Gliedkirchen um insgesamt 130.000,– DM herabgesetzt würden. Die Ausgaben der Kirchenkanzlei sollten um 109.000,– DM, die des Kirchlichen Außenamtes um 21.000,– DM gesenkt werden, wobei dem Außenamt ein finanzieller Ausgleich zugebilligt wurde. Die im Vergleich zum Vorjahr geringfügig gestiegenen Ausgabeerhöhungen für Westberlin und das Ostwährungsgebiet sollten durch Einnahmeerhöhungen innerhalb dieser Gebiete ausgeglichen werden, sodass von einer Umlage auf die westdeutschen Landeskirchen abgesehen werden konnte. Der hier beschlossene Entwurf musste am 23. Januar 1951 dem Finanzausschuss der Synode sowie der am 7. März 1951 tagenden Kirchenkonferenz vorgelegt werden, bis er als endgültige Ratsvorlage gedruckt und den Mitgliedern der Synode der EKD zugesandt werden konnte; vgl. das Schreiben Brunottes an die Ratsmitglieder vom 11. Dezember 1950 (NL SMEND). Das von der Synode in Hamburg am 4. April 1951 beschlossene Kirchengesetz über den Haushaltsplan (ABlEKD 1951, Nr. 4 vom 15. April 1951, S. 92–96) kürzte die vom Rat vorgesehenen Umlagebeträge für die westdeutschen Gliedkirchen von 1.330.000,– DM um 20.000,– DM. Zudem wurden die Mittel für die Synode um 5.000,– DM erhöht, die Mittel für den Rat hingegen um 2.000,– DM gekürzt. Auch die beratenden Kammern für Öffentliche Verantwortung, Soziale Ordnung und Erziehung und Unterweisung erhielten jeweils 1.000,– DM weniger als in der vom Rat eingebrachten Vorlage vorgesehen. Die ursprünglich für die Wohnungsbeschaffung des Bevollmächtigten des Rates in Bonn vorgesehenen 33.000,– DM, die in Form eines Darlehens bewilligt werden sollten, wurden von der Synode auf 8.000,– DM gesenkt. Auffällig ist die Umverteilung der Mittel für das Kirchliche Außenamt. Die im Entwurf des Rates vorgesehenen 95.000,– DM für die Vergütung und Löhne der Angestellten und Arbeiter des Kirchlichen Außenamtes wurden auf 76.000,– DM, die für Geschäftsbedürfnisse des Außenamtes vorgesehenen Mittel von 17.000,– DM auf 10.000,– DM gesenkt. Dafür wurde ein neuer Posten für das Wiesbadener Büro von Niemöller eingeführt, für dessen persönliche und sachliche Kosten 24.000,– DM bewilligt wurden. Insgesamt kürzte die Synode die vom Rat beantragten Haushaltsmittel um 19.350,– DM. Während für Westdeutschland 25.000,– DM weniger bewilligt wurden, wurden für Westberlin 5.000,– DM und für das Ostwährungsgebiet 650,– DM mehr bewilligt. Vgl. dazu HAMBURG 1951, S. 295–304.

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a) D. Dr. von Thadden: Der Herrn von Thadden seinerzeit erteilte Auftrag zur Koordinierung der kirchlichen Werke und Verbände sowie die ihm hierfür seinerzeit gemachte Zusage besonderer Bezüge aus Mitteln der EKD bestehen fort27. Für die Dauer seiner Tätigkeit als Präsident des Deutschen Evangelischen Kirchentages erhält Dr. von Thadden seine Bezüge jedoch bis auf weiteres vom Kirchentag28 (vgl. Ziff. 3 der Niederschrift über die 12. Ratssitzung29). Die Kirchenkanzlei wurde ermächtigt, in persönlichen Verhandlungen mit Dr. von Thadden einen Weg zu suchen, um seine spätere Versorgung sicherzustellen30. b) Oberkirchenräte von Harling und Dibelius: Den Oberkirchenräten von Harling und Dibelius soll vom nächsten Haushaltsjahr ab eine Planstelle A 2 b verliehen werden (vgl. Ziff. 25 b) der Niederschrift über die 17. Ratssitzung31). c) Superintendent Kunst: Der Vorsitzende des Rates wurde gebeten, in persönlichen Verhandlungen mit Superintendent Kunst einen Weg zu suchen, um ihn – vorbehaltlich der Bewilligung entsprechender Mittel durch die Synode – auch weiterhin für den Dienst eines Bevollmächtigten des Rates in Bonn zu gewinnen32. 27 Von Thadden war in der Ratssitzung vom 30. September 1948 als Referent in die Kirchenkanzlei berufen worden; vgl. C. NICOLAISEN/N. A. SCHULZE, Protokolle 2, 20B2, S. 560. Als Sonderbeauftragter war er direkt dem Ratsvorsitzenden unterstellt und hatte die Aufgabe, die gesamtkirchlichen Werke auf dem Gebiet der Laienarbeit zu koordinieren und aktivieren (EZA BERLIN, 2/P 39). 28 Von Thadden war von 1949 bis 1964 Präsident des DEKT. Der vorliegende Beschluss beinhaltete, dass von Thadden mit dem Beginn des neuen Haushaltsjahres am 1. April 1951 keine Bezüge mehr von der EKD erhielt; vgl. das Schreiben von Thaddens an die Kirchenkanzlei vom 17. Februar 1951 (EBD.). 29 Vgl. A. SILOMON, Protokolle 4, 12B3. 30 In einem Schreiben vom 12. Mai 1951 teilte Brunotte von Thadden mit, er wolle dem Rat vorschlagen, diesem ein Ruhegehalt zuzusichern, wie es Beamten der EKD der Besoldungsgruppe A 1a zustehe. Da sich aufgrund der überwiegend ehrenamtlichen Tätigkeiten von Thaddens für die Kirche aber kein definitives Besoldungsdienstalter berechnen ließ, beschloss der Rat in seiner Sitzung vom 25. Oktober 1951, ihm für den Versorgungsfall ein monatliches Ruhegehalt von 700,– DM zuzusichern (25B4); vgl. das Schreiben Brunottes an von Thadden vom 16. November 1951 (EZA BERLIN, 2/P39). 31 Vgl. A. SILOMON, Protokolle 4, 17B25b. 32 Kunst war Ende 1950 als Bevollmächtigter der EKD am Sitz der Bundesrepublik Deutschland zurückgetreten und mit Wirkung vom 1. Januar 1951 in sein Amt als Superintendent in Herford zurückgekehrt. Der Posten des Bevollmächtigten in Bonn blieb bis zum 1. Juli 1951 unbesetzt. Danach wurde er von Kunst nebenamtlich wahrgenommen (ELBINGERODE 1952, S. 291). Der Rücktritt Kunsts hatte in Bonner Politikerkreisen großes Bedauern ausgelöst; vgl. dazu die Schreiben von Abgeordneten verschiedener Fraktionen des Bundestages an den Ratsvorsitzenden (EZA BERLIN, 2/2423). Auf den folgenden Sitzungen be-

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12. Mittel der Bundesrepublik Deutschland für deutsche evangelische Auslandsgemeinden: Der Rat ist damit einverstanden, dass das Kirchliche Aussenamt die der EKD für deutsche evangelische Auslandsgemeinden angebotenen Mittel der Bundesrepublik annimmt33. 13. Anschluss der Gemeinde Valdivia (Chile): Auf Vorschlag des Kirchlichen Aussenamtes ist der Rat mit dem Anschluss der Kirchengemeinde Valdivia (Chile) einverstanden, unter der Voraussetzung, dass die Sächsische Landeskirche nicht bis zur nächsten Ratssitzung hiergegen Einspruch erhoben hat34. 14. Pension des Oberkonsistorialrats Dr. Schönfeld: Der Pensionsbeschluss bleibt unverändert35. Das Kirchliche Aussenamt wird beauftragt, den Ratsmitgliedern rechtzeitig vor der nächsten Ratssitzung einen Bericht über die Gesundungsaussichten sowie über die Höhe der bisher an Dr. Schönfeld

schäftigte sich der Rat wiederholt mit Vorschlägen der Kirchenkanzlei, die eine Fortsetzung der Tätigkeit Kunsts in Bonn gewährleisten sollten. Zum Fortgang vgl. 20B1; 21B6; 22B10; 25B13. 33 Die Kirchenkanzlei hatte in einem Schreiben vom 9. September 1950 das Kirchliche Außenamt darüber informiert, dass die Kulturabteilung der Bundesregierung über einen Betrag von 20.000,– DM für deutsche evangelische Auslandsgemeinden verfüge, und gefragt, ob grundsätzliche Bedenken gegen die Annahme staatlicher Gelder für die Auslandsarbeit bestünden. Das Kirchliche Außenamt hatte daraufhin mitgeteilt, dass es unmöglich sei, von einer der beiden deutschen Regierungen Gelder entgegenzunehmen, solange Deutschland in „zwei voneinander unabhängige Republiken“ aufgeteilt sei. In demselben Schreiben war der Antrag Niemöllers übermittelt worden, diese Frage auf der nächsten Ratssitzung zu besprechen; vgl. das Schreiben Stratenwerths an die Kirchenkanzlei vom 27. September 1950 (beide Schreiben in: EZA BERLIN, 2/2191). Im Tätigkeitsbericht des Kirchlichen Außenamtes für das Haushaltsjahr 1951/52 hieß es dann aber über die Auslandsgemeinden: „Die Arbeit an diesen Gliedern unserer Kirche ließe sich nicht tun, wenn nicht die Bundesregierung hierfür Mittel zur Verfügung stellte.“ ELBINGERODE 1952, S. 352. Vgl. dazu B. WELLNITZ, Ausland, S. 189. 34 Der Kirchenvorstand der Evangelischen Gemeinde Valdivia in Chile hatte das Kirchliche Außenamt in einem Schreiben vom 30. September 1950 über seinen Beschluss vom 23. September 1950 informiert, das Kirchliche Außenamt zu bitten, den Anschluss an die EKD zu genehmigen. Am 27. November 1950 hatte die Evangelische Gemeinde Valdivia den Anschluss von der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens gelöst. Am 22. November 1951 bestätigte das Kirchliche Außenamt den Anschluss rückwirkend zum 27. November 1950 auf der Grundlage von § 25 des „Kirchenbundesgesetzes betr. den Anschluss deutscher ev. Kirchengemeinschaften und Gemeinden an den Kirchenbund vom 17. Juni 1924“ (EZA BERLIN, 6/2472). Vgl. dazu B. WELLNITZ, Ausland, S. 299–308. 35 Auf der Ratssitzung am 25. und 26. August 1950 war beschlossen worden, Schönfeld wegen dauernder Dienstunfähigkeit mit Wirkung vom 1. Januar 1951 in den Ruhestand zu versetzen. Zuvor hatte der Rat auf der Ratssitzung am 25. April 1950 ein Gesuch Schönfelds um Versetzung in den Ruhestand um sechs Monate zurückgestellt; vgl. dazu A. SILOMON, Protokolle 4, 13B3; 16B14. Zum Fortgang vgl. 20B11, 22B3.

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gezahlten und der voraussichtlich künftig etwa noch notwendig werdenden Notstandsbeihilfen vorzulegen36. 15. Ruhegehalt des Oberkirchenrats Peperkorn: Der in der 16. Ratssitzung gefasste Beschluss bleibt unverändert und ist nunmehr durchzuführen37. 16. D. Engelke: Der in der 17. Ratssitzung gefasste Beschluss bleibt unverändert38. Die Berliner Stelle der Kirchenkanzlei wurde ermächtigt, ihm eine einmalige Beihilfe bis zur Höhe von 300,– DM zu bewilligen. 17. APU-Umlage-Restschuld: Gegenüber dem von der APU geltend gemachten Anspruch auf Erstattungs-Nachzahlungen der Berliner Stelle der Kirchenkanzlei für das Jahr 194939 soll aufgerechnet werden mit dem der EKD zustehenden Anspruch auf Umlage-Restzahlungen, der hiermit als erledigt betrachtet werden soll. 18. Neuordnung der Evangelischen Kirche der Altpreussischen Union:

36 Die Kirchenkanzlei war in der Ratssitzung am 25. April 1950 beauftragt worden, festzustellen, in welcher Höhe eine Beihilfe für die ärztliche Behandlung Schönfelds erforderlich sein würde (vgl. A. SILOMON, Protokolle 4, 13B3b). Schon 1950 hatte sich gezeigt, dass die für das Kirchliche Außenamt im Haushaltsplan vorgesehenen Beihilfegelder bei weitem nicht ausreichten, um Schönfeld zu unterstützen. In einem Schreiben vom 21. November 1950 hatte Niemöller den Rat darauf hingewiesen, dass das Kirchliche Außenamt im Haushaltsjahr 1950 die Gelder für die Notstandsbeihilfen um 11.000,– DM überschritten habe. Weiterhin hatte Niemöller den Beschluss des Rates vom 25. April 1950 kritisiert, den Antrag Schönfelds auf Versetzung in den Ruhestand auf den 1. Januar 1951 zu verschieben (EZA BERLIN, 2/5215). Zum Fortgang vgl. 20B11; 22B3. 37 Peperkorn hatte seit dem 1. September 1939 dem politischen Führercorps der NSDAP angehört. Am 27. August 1947 war er von der 12. Spruchkammer des Spruchgerichts Hiddesen als „belastet“ eingestuft und zu 3½ Jahren Gefängnis (1945–1948) verurteilt worden. Ein weiterer Spruchkammerbescheid vom 20. September 1949 hatte Peperkorn nur noch als Mitläufer eingestuft, sodass er zunächst Anspruch auf 80 %, dann auf 90 % seines Ruhegehaltes hatte (EZA BERLIN, 2/P 161). Im August 1950 war beschlossen worden, Peperkorn ein Ruhegehalt von 200,– DM nach § 5, Abs. 2 des „Kirchengesetzes über die Rechtsverhältnisse der Beamten der ehemaligen Deutschen Evangelischen Kirche vom 26. April 1950“ zu zahlen (ABlEKD 1950, Nr. 5 vom 15. Mai 1950, S. 108). In der folgenden 17. Ratssitzung vom 5. Oktober 1950 hatte der Rat verfügt, den Beschluss der 16. Ratssitzung noch nicht umzusetzen, sondern zunächst die Einlassungen des von Peperkorn mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragten Rechtsanwaltes Jungclaussen zu überprüfen (vgl. A. SILOMON, Protokolle 4, 16B15; 17B24; alle Dokumente in: EZA BERLIN, 2/P 161. Vgl. auch TOP 12 der Niederschrift über die 27. Sitzung des Rates der EKD am 24./25. Januar 1952 in Hannover: EZA BERLIN, 2/1794). 38 Laut Beschluss des Rates vom 5. Oktober 1950 waren Engelke nach § 5 des Kirchengesetzes über die Rechtsverhältnisse der Beamten der ehemaligen DEK vom 26. April 1950 Versorgungsbezüge in Höhe von einem Drittel seines erdienten Ruhegehaltes zugebilligt worden; vgl. A. SILOMON, Protokolle 4, 17B24c. 39 Dieser Vorgang konnte nicht ermittelt werden.

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Der Rat nahm einen Bericht von Präses Dr. Kreyssig über die Neuordnung entgegen40. 19. Der Rat nahm einen Bericht von Kirchenpräsident D. Niemöller über die Antworten entgegen, die auf die Friedensbotschaft des Rates an die christlichen Kirchen der Welt41 sowie auf die Amnestiegesuche des Rates für deutsche Untersuchungs- und Strafgefangene im Ausland eingegangen sind42. 20. Dritte Weltkonferenz von „Faith and Order“ 1952 in Lund: Die EKD nimmt die Einladung zur Dritten Weltkonferenz von Faith and Order 1952 in Lund an und wird die Delegation im Einverständnis mit ihren Gliedkirchen zusammenstellen43. 40 Vgl. A. SILOMON, Protokolle 4, 10B15. Nach dem Zweiten Weltkrieg stand eine neue Grundordnung der APU schon wegen der großen territorialen Verluste der deutschen Ostprovinzen zur Diskussion. Zudem musste sich die APU nach Bildung der EKD kirchenpolitisch neu definieren. Nach anhaltenden Differenzen zwischen den beiden westlichen Gliedkirchen der APU, Rheinland und Westfalen, und der neuen Leitung der APU unter Dibelius, war in Treysa vereinbart worden, eine neue Grundordnung für die APU zu beschließen (C. NICOLAISEN/N. A. SCHULZE, Protokolle 1, S. X, XXI, 4B2, S. 332ff.). Die neue Grundordnung wurde auf der zweiten Sitzung der außerordentlichen Generalsynode der APU vom 18.–20. Februar 1951 in Berlin angenommen (EZA BERLIN, 7/1166, Bl. 168). Sie trat am 1. August 1951 in Kraft und löste damit die Verfassung der Evangelischen Kirche APU vom 29. September 1922 ab (ABlEKD 1951, Nr. 7 vom 15. Juli 1951, S. 150–153). Die Neuordnung der APU brachte eine weitgehende rechtliche Verselbstständigung ihrer bisherigen Kirchenprovinzen mit sich; vgl. das Schreiben Kreyssigs an die Generalsynode der Evangelischen Kirche der APU am 15. Januar 1951 (EZA BERLIN, 614/112). Kreyssig hatte Dibelius im Vorfeld der Ratssitzung gedrängt, den Rat über die in erster Lesung der außerordentlichen Generalsynode verabschiedete Neuordnung der APU zu unterrichten, um damit eine größere Transparenz des Neuordnungsprozesses für die Landeskirchen herzustellen (EZA BERLIN, 614/112). Zur kirchenpolitischen Diskussion über die Neuordnung der APU vgl. G. BESIER/E. LESSING, Geschichte, S. 603–649; F. HÜBNER, Neuordnung, S. 201ff.; M. PLATHOW, Lehre, S. 26; L. KREYSSIG, Neuordnung, S. 164–173; W. DRESS, Neuordnung, S. 20–26. 41 „Botschaft zum Frieden“ vom 6. Dezember 1950 (abgedruckt in: F. MERZYN, Kundgebungen, S. 131; ABlEKD 1950, Nr. 12 vom 15. Dezember 1950, S. 333). 42 Die Antworten an Niemöller auf das „Amnestiegesuch für deutsche Untersuchungs- und Strafgefangene im Ausland. Anschreiben des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland an die beteiligten Kirchen und Regierungen. Vom 6. Dezember 1950.“ (ABlEKD 1950, Nr. 12 vom 15. Dezember 1950, S. 334f.; F. MERRZYN, Kundgebungen, S. 107ff.) finden sich im EZA BERLIN, 6/165. 43 Die Einladung des Weltkirchenrates zur Konferenz für Glauben und Kirchenverfassung war am 3. November 1950 beim Kirchlichen Außenamt eingegangen. In einem Schreiben an Niemöller vom 4. Januar 1951 hatte Harms darauf hingewiesen, dass der Rat immer noch nicht entschieden habe, ob die EKD an der Konferenz teilnehmen wolle. Harms hatte es als „Unglück“ bezeichnet, wenn der Rat sich gegen eine Teilnahme entschließe (EZA BERLIN, 6/5846, Bl. 7). Die Delegation der EKD wurde vom Kirchlichen Außenamt zusammengestellt und umfasste 20 Abgeordnete von insgesamt 250 Delegierten, davon zehn Lutheraner, sechs Vertreter der Unierten Kirchen und vier Vertreter der Reformierten. Sie wurden auf die drei vorgesehenen Arbeitsausschüsse der Konferenz: „Das Wesen der Kir-

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21. Anschluss-Gesetz: Das Kirchliche Aussenamt wurde beauftragt, seinen Entwurf für ein neues Anschlussgesetz möglichst bald allen Ratsmitgliedern und der Kirchenkanzlei mitzuteilen44. 22. Welt-Gebetstag der Frauen: Die Landeskirchen sollen empfehlend auf den für den 9. Februar 1951 geplanten Welt-Gebetstag der Frauen hingewiesen werden45. 23. Personalien der Berliner Stelle der Kirchenkanzlei: Der Rat erklärte sich damit einverstanden, dass Amtmann Bräunert zum Amtsrat und Sekretär Lange zum Obersekretär befördert werden46. 24. a) Die Kirchenkanzlei wurde ermächtigt, nach Massgabe vorhandener Mittel folgende Beihilfen zu zahlen47: Weimarer Lutherausgabe 3.000,– DM Calvin-Ausgabe 3.000,– DM Forschungsinstitut für Publizistik 3.000,– DM Studiengemeinschaft der Evgl. Akademie48 3.000,– DM

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che“, „Unterschiedliche Gestaltung des Gottesdienstes“ und „Hindernisse der Gemeinschaft am Tische des Herrn“ verteilt; vgl. das Schreiben des Kirchlichen Außenamtes an die Mitglieder der Abordnung der Evangelischen Kirche in Deutschland für die 3. Weltkirchenkonferenz vom 30. August 1951 (EBD.). Mit dem neuen „Anschlussgesetz“ sollte das Kirchenbundesgesetz vom 17. Juli 1924 abgelöst werden, das aufgrund der vielfältig veränderten Beziehungen Deutschlands zum Ausland nach dem Zweiten Weltkrieg erneuerungsbedürftig war. Das Kirchliche Außenamt war in der 11. Ratssitzung vom 7./8. März 1950 mit der Erarbeitung eines Gesetzentwurfes zur Auslandsarbeit beauftragt worden. In der 13. Ratssitzung am 25. April 1950 hatte das Kirchliche Außenamt dem Rat einen ersten Entwurf für ein neues Auslandsdiasporagesetz vorgelegt (vgl. A. SILOMON, Protokolle 4, 11B3; 11B16; 13B2; 15B8). Zum Fortgang vgl. 20B10. Vgl. dazu B. WELLNITZ, Ausland, S. 182–220. Der Weltgebetstag der Frauen war am 9. Februar 1887 eingeführt worden. Christliche Frauen aus 92 Nationen sollten an diesem Tag für den Frieden unter den Völkern und die Wiedervereinigung der getrennten Christenheit beten; vgl. dazu EVANGELISCHE WELT 1951, S. 74. Brunotte hatte ursprünglich gegen die Beförderung Bräunerts votiert. In einem Schreiben an Benn vom 2. November 1950 hatte er erklärt, dass es in der letzten Ratssitzung misslungen sei, von Harling und Dibelius jr. von der Kirchenkanzlei in Hannover zu Oberkirchenräten zu befördern (vgl. A. SILOMON, Protokolle 4, 17B25b). Diese würden es zurecht als Zurücksetzung empfinden, wenn man andere Beamte vor ihnen befördere, die zudem mit ihrem Gehalt dicht an die Stufe der Kirchenräte herankämen (EZA BERLIN, 2/5015). Vgl. das Rundschreiben der Kirchenkanzlei an die Leitungen der deutschen evangelischen Landeskirchen vom 20. Januar 1951, in dem die Landeskirchen über die bewilligten Beihilfen informiert wurden. Auch wurden die Landeskirchen zum wiederholten Mal darauf hingewiesen, dass nur Werke und Arbeiten, die über den Bereich einer Landeskirche hinausgingen, aus Mitteln der EKD gefördert würden (EZA BERLIN, 2/5257). Vgl. das Schreiben Siebecks von der Studiengemeinschaft der Evangelischen Akademien an die Kirchenkanzlei vom 3. Oktober 1950. Die Studiengemeinschaft war 1947 vom Leiterkreis der Evangelischen Akademien mit dem Zweck gegründet worden, die Akademiearbeit zu vertiefen. Ihr gehörten etwa 250 christlich eingestellte Wissenschaftler aller Fakultäten Deutschlands an. Bislang hatte sich die Studiengemeinschaft vollständig aus den Beiträgen

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Christliche Presseakademie Arbeitsgemeinschaft für Volksmission Zeitschrift „Schule und Leben“ Zinzendorf-Gymnasium der Herrnhuter Brüdergemeine in Königsfeld Kirchenrechtliches Seminar, Erlangen Posaunenwerk49

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500,– 500,– 1.000,– 500,– 500,–

DM DM Westmark DM Ostmark DM DM51

Paramentenarbeit50 Dekan Ronneberger für seelsorgerliche Betreuung der Minenräumangehörigen b) Nicht bewilligt wurden folgende Beihilfegesuche: Landesinstitut für Musikforschung – (einmaliger Zuschuss zur Ermöglichung der Vollendung der Neuausgabe des Rhau-Opus)52; – Evangelische Michaelsbruderschaft (für Ordenshaus Assenheim)53; Baltischer christlicher Studentenbund54; –

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der Evangelischen Akademien des Bundesgebietes finanziert. Doch durch die zunehmenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Akademien waren diese Beihilfen nahezu eingestellt worden. Siebeck hatte um eine Beihilfe von 10.000,– DM gebeten, um die Arbeit der Studiengemeinschaft für das nächste Jahr sicherzustellen (EZA BERLIN, 2/2629). Vgl. auch 26B5. Der Antrag des Posaunenwerkes der EKD auf Beihilfe für Lehrgänge war schon am 4. Oktober 1949 gestellt worden; vgl. dazu die Übersicht über die noch unerledigten Beihilfeanträge (EZA BERLIN, 2/5257). Paramenten sind die im Kirchenraum und Gottesdienst verwendeten Textilien, Gewänder, Bekleidung von Altar, Kanzel und Lesepult sowie Wandbehänge und Teppiche mit den Farben und Symbolen des Kirchenjahres. Der Antrag des Klosters Marienberg in Helmstedt auf Beihilfe für die Ausbildung in der Paramentenarbeit stammte vom 27. Januar 1950; vgl. dazu die Übersicht über die noch unerledigten Beihilfeanträge (EZA BERLIN, 2/5257). Ronneberger war 1946 vom Rat der EKD beauftragt worden, die evangelische Seelsorge für die deutschen Soldaten des Minenräumdienstes des amerikanischen Labor Service Unit B in Bremerhaven wahrzunehmen; vgl. das Schreiben Asmussens an Ronneberger vom 11. Februar 1946 (EZA BERLIN, 2/4014, Bl. 93). Die ihm gewährte Beihilfe zur Betreuung der Minenräumangehörigen, mit der er seine Tätigkeit als Militärseelsorger über das Ende des Zweiten Weltkrieges hinaus bruchlos fortsetzte, ermöglichte es ihm, seine Arbeit im Frühjahr wieder aufzunehmen; vgl. das Schreiben Ronnebergers an die Kirchenkanzlei vom 1. Februar 1951 (EBD., Bl. 97). Der hier bewilligte Betrag geht auf einen Antrag Ronnebergers vom 7. Januar 1949 auf Beihilfe der EKD über 1.100,– DM zurück; vgl. dazu die Übersicht über die noch unerledigten Beihilfeanträge (EZA BERLIN, 2/5257). Das Landesinstitut für Musikforschung in Kiel hatte am 15. März 1949 eine Beihilfe von 3.000,– DM für die Ausgabe des Verlagswerkes von Georg Rhau beantragt (EBD.). Vgl. 19E5. Ein Antrag des Baltischen Studentenbundes auf Unterstützung durch die EKD konnte nicht ermittelt werden.

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– Freizeit für ehemalige Lagerpfarrer (23.–28. April in Espelkamp, geplant von Dozent D. Friedrich, Pastor Birger Forell und Dekan Dr. Rieger)55. 25. Lehmann-Aburi: Der Rat sieht sich ausserstande, die Kirchenkanzlei anzuweisen, Herrn Lehmann-Aburi, der kein Pfarrer ist, in den Ostpfarrer-Finanzausgleich aufzunehmen56. 26. Richtlinien für die Unterstützung der evangelischen DP-Pfarrer und ihrer Hinterbliebenen57: Der Rat beschloss einmütig Richtlinien in der Fassung, wie sie mit dem Rundschreiben der Kirchenkanzlei vom 15. Dezember 1950, Nr. 13233.VI., mitgeteilt sind58, mit der Massgabe, dass am Schluss von

55 Nähere Informationen zur Freizeit ehemaliger Lagerpfarrer konnten nicht ermittelt werden. 56 Der ehemalige Pfarrer Johannes Lehmann nannte sich mit Künstlernamen Lehmann-Aburi, weil er 1891 als Sohn eines Missionars im westafrikanischen Aburi geboren war. Als Pfarrer der Kirchengemeinde Frauenwald in der Kirchenprovinz Sachsen hatte er sich 1941 zum Neuheidentum bekannt und zum 1. Juli 1941 auf die Rechte des geistlichen Standes verzichtet. Das Konsistorium in Magdeburg hatte mit Erfolg beim Evangelischen Oberkirchenrat in Berlin beantragt, Lehmann-Aburi ab dem 1. Juli 1941 ein Jahrgeld zu zahlen, das etwa dem Ruhestandsgehalt eines Pfarrers entsprach. Seit 1945 blieb das Jahrgeld für Lehmann-Aburi jedoch aus. Nachdem dieser 1948 wieder in die Kirche eingetreten war, hatte er die Wiederaufnahme der Zahlungen seines Jahrgeldes vor dem Disziplinarhof des Oberkirchenrates eingeklagt und war als empfangsberechtigt nach dem Ostpfarrerfinanzausgleich anerkannt worden. Als Kirchenkanzlei und Rat jedoch weitere Zahlungen an LehmannAburi verweigerten, beantragte die Kirchenleitung der APU am 21. März 1951 ein Rechtsgutachten beim vorläufigen Schiedsgerichtshof der EKD. Im Laufe des Jahres 1951 setzte sich die Kirchenkanzlei mit ihrer Position gegen die Disziplinarkammer des Evangelischen Oberkirchenrates durch. Am 16. April 1952 zog die APU ihre Bitte um ein Rechtsgutachten beim Schiedsgerichtshof zurück (EZA BERLIN, 2/937). Vgl. dazu die Schreiben der Kirchenleitung der APU und der Kirchenkanzlei an den Schiedsgerichtshof der EKD: 19E6; 19E7. 57 Vgl. den Beschluss auf der 17. Ratssitzung am 5. Oktober 1950 zur Unterstützung der DP-Pfarrer (A. SILOMON, Protokolle 4, 17C1). 58 Vgl. 19C4. Brunotte hatte in seinem Begleitschreiben an die westdeutschen Landeskirchen den Entwurf für die hier beschlossenen Richtlinien in Bezug zum Beschluss der Ratssitzung vom 5. Oktober 1950 gesetzt. Der neue Richtlinienbeschluss konkretisierte den vorangehenden Beschluss zur Unterstützung der DP-Pfarrer durch die Punkte 2a)–g) und die Punkte 3, 5 und 6 (vgl. A. SILOMON, Protokolle 4, 17C1). Brunotte hatte den in diesem Schreiben vorgelegten Richtlinienentwurf wie folgt erläutert: „Von den westdeutschen Landeskirchen haben die Kirchen von Baden, Bremen, Eutin, Hannover, Hessen-Nassau, KurhessenWaldeck, Lippe, Lübeck, Oldenburg, der Pfalz, Rheinland und Württemberg dem Vorschlag der Kirchenkanzlei grundsätzlich zugestimmt. Die Kirchen von Braunschweig und Schleswig-Holstein haben mitgeteilt, dass sie nicht beabsichtigen bzw. finanziell in der Lage seien, einer gemeinsamen Regelung zur Unterstützung der DP-Pfarrer beizutreten. Bezüglich des Termins für den Beginn des vorgesehenen Finanzausgleichs wünschen annähernd gleich viele Landeskirchen den 1. 7. 1950 und den 1. 1. 1951 als An-

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Ziffer 1. folgender Satz noch zugefügt wird: „Soweit evangelische DP-Pfarrer zur Versorgung von Deutschen beschäftigt werden, findet wegen ihrer Vergütung kein Finanzausgleich statt.“59 27. Änderung der Geschäftsordnung des Ostkirchenausschusses: Der Rat fasste folgenden Beschluss: „Beschluss des Rates der EKD zur Änderung der Geschäftsordnung des Ostkirchenausschusses vom 1. 7. 1949 Vom 12. Januar 1951. § 2 der Geschäftsordnung des Ostkirchenausschusses vom 1. 7. 1949 (Amtsblatt der EKD vom 15. 7. 1949 S. 138f.) 60 erhält folgende Fassung: § 2 Zu den evangelischen Ostvertriebenen gehören insbesondere: a) die verdrängten deutschen Glieder der evangelischen Kirchen und die Gemeinden in Polen, Galizien, Estland und Lettland, Litauen, Sudetenland, Slowakei, Bessarabien und Dobrudscha, Bukowina, Siebenbürgen und Banat, Ungarn, Jugoslawien, Russland; b) die verdrängten Glieder der östlich der Oder-Neisse-Linie gelegenen Teile der Evangelischen Kirche der altpreussischen Union.“ 28. Finanzierung der Hauptgeschäftsstellen der Hilfskomitees61: Der Rat fasste einmütig folgenden Beschluss: „1. Auf Grund des Antrages des Ostkirchenausschusses vom 1. 12. 195062 und des Ergebnisses der Rundfrage der Kirchenkanzlei Nr. 13128.VI. vom 2. 12. 195063 werden die Landeskirchen gebeten, sich im Rechnungs-

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fangsdatum. Bei der Wahl des 1. 10. 1950 als Ausgleichsbeginn dürften die Interessen aller westlichen Landeskirchen in gleicher Weise berücksichtigt werden. Der Finanzbeirat ist mit der hier vorgeschlagenen Regelung vollinhaltlich einverstanden.“ Vgl. ABlEKD 1951, Anhang vom 15. April 1951, S. 109. Im § 2 der Geschäftsordnung des Ostkirchenausschusses in der Fassung vom 1. Juli 1949 wurden die Vertriebenen als die „verdrängten deutschen Glieder der evangelischen Kirchen“ bezeichnet (ABlEKD 1949, Nr. 7 vom 15. Juli 1949, S. 138f.). Zur Entstehung der Hilfskomitees vgl. C. NICOLAISEN/N. A. SCHULZE, Protokolle 1, 8B3, S. 646. Dieser Antrag des Ostkirchenausschusses (19D2; 19D3) war Teil einer gemeinsamen Resolution von Vertretern westdeutscher Landeskirchen, der Kirchenkanzlei, des Hilfswerks, des Ostkirchenausschusses sowie des ÖRK und des LWB, die auf der vom 19. bis 21. September 1950 in Königswinter stattfindenden Flüchtlingstagung verabschiedet worden war; vgl. die Resolutionen der Flüchtlingstagung vom 19.–21. September 1950 (ADW BERLIN, ZB 1025). Vgl. auch das Schreiben Girgensohns an das Zentralbüro des Hilfswerks vom 16. November 1950, in dem dieser dargelegt hatte, dass durch die Einstellung der Zahlungen des Hilfswerks die Hilfskomitees der zerstreuten evangelischen Heimatkirchen jede bisherige rechtliche und finanzielle Grundlage verlieren würden (EBD.). Die an die westdeutschen Landeskirchen gerichtete Rundfrage der Kirchenkanzlei vom 2. Dezember 1950 hatte bereits eine Stellungnahme der Kirchenkanzlei zum Antrag des Ostkirchenausschusses enthalten (EZA BERLIN, 17/94). Die Kirchenkanzlei hatte dem Antrag des Ostkirchenausschusses, die Hauptgeschäftsstellen finanziell durch die EKD unter-

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jahr 1951 mit einem nach dem neuesten Verteilungsschlüssel umzulegenden Gesamtbetrag von 72.000,– DM an der Finanzierung der Hauptgeschäftsstellen der Hilfskomitees zu beteiligen. 2. Vom Rechnungsjahr 1952 an werden von den Landeskirchen – abgesehen von einer geringfügigen Erhöhung der im Haushalt der EKD für den Ostkirchenausschuss vorgesehenen Ausgabe – keine Aufwendungen zur Finanzierung der Hauptgeschäftsstellen der Hilfskomitees erbeten werden.“ 29. Antrag des Reformierten Ausschusses in Marburg: Da der Tatbestand des § 29 Abs. 1 der Disziplinarordnung der Deutschen Evangelischen Kirche im vorliegenden Falle nicht gegeben ist, kann dem Antrag des Reformierten Ausschusses in gez. D. Brunotte Marburg nicht stattgegeben werden64. gez. Dr. Merzyn stützen zu lassen, zugestimmt (vgl. 19D2). Die Finanzierung sollte durch eine Umlage auf alle Landeskirchen aufgebracht werden. Dabei war geplant, die Hauptgeschäftsstellen nach Ablauf des Haushaltsjahres 1951/52 aufzulösen und die weitere Flüchtlingsarbeit den einzelnen Landeskirchen zu überlassen. Die Kirchenkanzlei hatte den Landeskirchen vorgeschlagen, ihre bislang nur ungeordnet geleisteten Zahlungen an den Ostkirchenausschuss und an das Zentralbüro des Hilfswerks nunmehr geordnet in einer einmaligen Sonderumlage von insgesamt 72.000,– DM an die EKD zu zahlen (EZA BERLIN, 17/94). Die Landeskirchen hatten den Vorschlägen der Kirchenkanzlei zugestimmt. Im Schreiben der Kirchenkanzlei vom 24. Januar 1951, das den Ostkirchenausschuss über den Ratsbeschluss informierte, wurde diesem allerdings die Stellungnahme des Evangelisch-Lutherischen Kirchenamtes in Kiel zugesandt, da die Kirchenkanzlei die grundsätzliche Kritik des Kirchenamtes an den Hilfskomitees für bedeutsam hielt (vgl. 19E8). Vgl. dazu H. RUDOLPH, Vertriebene 1, S. 383–389. 64 Der Antrag des Reformierten Ausschusses (19D4; 19E9) ging auf einen seit 1946 schwelenden Rechtsstreit in der Landeskirche von Kurhessen-Waldeck zurück, der entstanden war, weil die reformierte Gemeinde Marburgs unter dem Einfluss der Berneuchener Bewegung 1946 zum lutherischen Bekenntnis übergetreten war. Der Rat hatte sich 1947 und 1948 bereits mit dem Thema beschäftigt. Seine Bemühungen um eine schiedsrichterliche Entscheidung eines durch ihn ernannten Gremiums waren jedoch am Widerstand der Landeskirche gescheitert (C. NICOLAISEN/N. A. SCHULZE, Protokolle 2, 12B6, S. 138f.; 13B21, S. 181f.; 15B16, S. 290; 15E7, S. 336f., 18B13, S. 455). Seitdem hatte der Reformierte Ausschuss mit zahlreichen Eingaben an die Kirchenleitung die Zurücknahme der Verfügung der Landeskirche vom 12. November 1946, mit der die Landeskirchenleitung den Übertritt der Marburger Gemeinde zum Luthertum anerkannt hatte, gefordert. Der Antrag der reformierten Gemeinde bezog sich auf einen Passus der Disziplinarordnung der DEK vom 13. April 1939, nach dem die Kirchenkanzlei als oberste Dienststelle gegen die Landeskirchen ein förmliches Disziplinarverfahren einleiten konnte; vgl. die Disziplinarordnung der DEK vom 13. April 1939 (GBlDEK, Nr. 7. vom 17. April 1939, S. 27–43, hier: S. 31). Brunotte hatte schon bei der Vorbereitung dieser Ratssitzung im Dezember 1950 signalisiert, dass er den Antrag des Reformierten Ausschusses ablehne; vgl. dazu die hsl. Notizen Merzyns und Brunottes auf dem Schreiben Wüstemanns an die Kirchenkanzlei vom 27. November 1950. Auf die Frage Merzyns, ob der Antrag der reformierten Gemeinde Marburgs auf die Tagesordnung der nächsten Ratssitzung gesetzt werden solle, hatte Brunotte geantwortet: „Ja, da an die Stelle des Leiters der KK [Kirchenkanzlei] in § 29 Diszl. O. der Rat der EKD

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19C Anlagen und Beschlusstexte 19C1. Beschluss über einen Entwurf für ein Kirchengesetz zur Ordnung des Evangelischen Hilfswerks innerhalb der Evangelischen Kirche in Deutschland [Potsdam, 11. Januar 1951] F: EZA Berlin, 2/1793 (H; Anlage 2 zu 19B). – Abdruck: ABlEKD 1951, Nr. 4, 15. April 1951, S. 89ff. Nach Artikel 15 Absatz 3 der Grundordnung der Evangelischen Kirche in Deutschland wird das Evangelische Hilfswerk getragen von der Evangelischen Kirche in Deutschland, den Gliedkirchen und ihren Gemeinden65. Es dient dem kirchlichen Wiederaufbau sowie der Linderung und Behebung der Notstände der Zeit. Das Hilfswerk ist eine Einrichtung der Kirche in der Erfüllung ihres diakonischen Auftrags, wie er in Artikel 15 Absatz 1 der Grundordnung umschrieben ist66. Zur Ordnung des Hilfswerks hat die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland das folgende Gesetz erlassen: §1 (1) Die Durchführung der Arbeit des Evangelischen Hilfswerks liegt in erster Linie den Gliedkirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland und ihren Gemeinden ob. (2) Die Hilfswerke der Gliedkirchen unterstehen der Leitung und Aufsicht ihrer Gliedkirche. Diese trifft eine gesetzliche Regelung über die Zuordnung ihres Hilfswerks zur Kirchenleitung und zur Inneren Mission. Rechtsträger des gliedkirchlichen Hilfswerks ist die Gliedkirche, sofern in der gesetzlichen Regelung nicht anderes bestimmt wird. Vor dem Erlass einer gesetzlichen Regelung ist der Diakonische Beirat zu hören; bereits geltende gesetzliche Bestimmungen sollen auf seinen getreten ist; aber doch wohl mit dem Ziel, daß der Rat von dieser Kann-Vorschrift keinen Gebrauch macht“ (EZA BERLIN, 2/2093). Vgl. dazu § 3 der Verordnung des Rates über die Aufhebung und Abänderung von Gesetzen der DEK vom 2. Mai 1946 (C. NICOLAISEN/N. A. SCHULZE, Protokolle 1, 6C8, S. 512ff., hier: S. 512). Wüstemann hatte auf einen von der Landessynode am 9. Dezember 1949 eingesetzten paritätischen Untersuchungsausschuss verwiesen, der schon am 13. Februar 1950 zu dem Ergebnis gelangt sei, dass kein formaler Fehler beim Übertritt der Marburger Gemeinde zum lutherischen Bekenntnis vorgelegen habe; vgl. das Schreiben Wüstemanns an die Kirchenkanzlei vom 27. November 1950 (EZA BERLIN, 2/2093). 65 ABlEKD 1948, Nr. 7 vom 15. Juli 1948, S. 111. 66 EBD.

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Antrag überprüft werden. Der Diakonische Beirat kann Anregungen für eine gesetzliche Regelung geben. (3) Die Abgrenzung der Aufgaben des Hilfswerks von denen anderer kirchlicher Organe und Werke erfolgt in den Gliedkirchen durch deren kirchenleitende Organe. (4) Die zur Durchführung der Tätigkeit der gliedkirchlichen Hilfswerke nötigen Mittel werden in den Gliedkirchen nach näherer Bestimmung der kirchenleitenden Organe durch Haushaltsmittel, Sammlungen, Opfer und Spenden der Gemeindeglieder aufgebracht. (5) Hilfswerke der Gliedkirchen führen die Bezeichnung „Evangelisches Hilfswerk“ unter Hinzufügung des Namens der Gliedkirche. §2 (1) Im Gesamtbereich der Evangelischen Kirche in Deutschland sind die Hilfswerke der Gliedkirchen zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammengefasst. Diese führt die Bezeichnung „Hilfswerk der Evangelischen Kirche in Deutschland“. Sie ist der Evangelischen Kirche in Deutschland zugeordnet und tritt an die Stelle des bisherigen Hilfswerks der Evangelischen Kirche in Deutschland. (2) Wenn die Verhältnisse es erfordern, können für einzelne Teile der Evangelischen Kirche in Deutschland besondere Arbeitsgemeinschaften des Hilfswerks gebildet werden. Das Nähere bestimmt der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland. (3) Die Organe des Hilfswerks der Evangelischen Kirche in Deutschland sind: der Hilfswerkausschuss, der Verwaltungsrat, das Zentralbüro. §3 (1) Das Hilfswerk der Evangelischen Kirche in Deutschland hat die Aufgabe, 1. den gliedkirchlichen Hilfswerken Anregungen für ihre Arbeit zu geben, den Austausch von Erfahrungen zu fördern und Arbeitsmaterial, insbesondere für die gemeinsame Werbung, zusammenzustellen; 2. die gemeinsamen Anliegen der gliedkirchlichen Hilfswerke im Inland bei Verhandlungen mit Organen des Staates, öffentlich-rechtlichen Körperschaften oder Verbänden zu vertreten, deren Zuständigkeit über den Bereich der einzelnen Länder hinausreicht; 3. die Hilfsarbeit der Gliedkirchen im Ausland, insbesondere gegen-

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über dem Weltrat der Kirchen, zu vertreten und die von dort einkommenden Spenden bestimmungsgemäss zu verteilen; 4. auf Beschluss des Hilfswerkausschusses Aufgaben zu bearbeiten, die über das Gebiet eines gliedkirchlichen Hilfswerks hinausgehen. (2) Die gliedkirchlichen Hilfswerke oder einzelne von ihnen können dem Hilfswerk der Evangelischen Kirche in Deutschland mit Zustimmung des Diakonischen Beirates einzelne Aufgaben übertragen, sofern deren finanzielle Durchführung gesichert ist. §4 (1) Das Hilfswerk der Evangelischen Kirche in Deutschland unterhält keine eigenen Anstalten, Heime oder Ausbildungsstätten, sofern nicht der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland für besondere Fälle eine Ermächtigung erteilt. (2) Das Hilfswerk der Evangelischen Kirche in Deutschland unterhält keine eigenen wirtschaftlichen Unternehmungen. (3) Eine Beteiligung des Hilfswerks an anderen wirtschaftlichen Unternehmungen ist nur mit Genehmigung des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland möglich. §5 (1) Der Hilfswerkausschuss fördert in gemeinsamer Beratung, gegebenenfalls durch Erlass von Richtlinien, die Durchführung der in § 3 Absatz 1 gestellten Aufgaben des Hilfswerks. Er beschliesst über die Aufbringung der für die Arbeit des Hilfswerks erforderlichen Mittel. In jeder Sitzung erstattet der Leiter des Zentralbüros einen Bericht über den Stand der Arbeit. (2) Dem Hilfswerkausschuss gehören als stimmberechtigte Mitglieder an: 1. Der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland als Präsident, 2. die beiden Mitglieder des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, welche dem Diakonischen Beirat angehören; sie sind in der vom Rat zu bestimmenden Reihenfolge die ständigen Stellvertreter des Präsidenten, 3. je ein Vertreter der gliedkirchlichen Hilfswerke, der von deren zuständigem Organ entsandt wird, 4. der Leiter des Zentralbüros, 5. ein Vertreter des Ostkirchenausschusses, der von diesem bestimmt wird, 6. zwei von der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland für die Dauer von zwei Jahren gewählte Laienvertreter, die wirtschafts-

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und finanzsachverständig sein sollen und für die die Synode gleichzeitig zwei ständige Stellvertreter wählt, 7. eine Vertreterin der evangelischen Frauenarbeit, die vom Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland berufen wird und für die ebenfalls eine ständige Stellvertreterin zu bestellen ist, 8. der Präsident des Centralausschusses für die Innere Mission der Deutschen Evangelischen Kirche oder ein von ihm beauftragter Vertreter. (3) An den Sitzungen des Hilfswerkausschusses nehmen der Leiter der Kirchenkanzlei und der Leiter des Kirchlichen Aussenamtes mit beratender Stimme teil; sie können sich durch einen Referenten vertreten lassen. (4) Der Hilfswerkausschuss wird nach Bedarf von seinem Präsidenten, im Falle seiner Behinderung von einem der Stellvertreter einberufen. Die Einberufung muss erfolgen, wenn die Vertreter von wenigstens 5 gliedkirchlichen Hilfswerken oder der Diakonische Beirat oder der Leiter des Zentralbüros es beantragen. Der Einladung ist eine Tagesordnung beizufügen. (5) Der Hilfswerkausschuss ist beschlussfähig, wenn wenigstens 20 Mitglieder versammelt sind. Beschlüsse werden mit einfacher Mehrheit gefasst; bei Stimmengleichheit gibt der Präsident den Ausschlag. (6) Die Reisekosten für die Teilnehmer an den Sitzungen des Hilfswerkausschusses tragen die entsendenden Stellen. Für die Teilnehmer zu Absatz 2 Ziffer 1, 2 und 6 trägt die Evangelische Kirche in Deutschland die Kosten. (7) Der Hilfswerkausschuss kann sich eine Geschäftsordnung geben. §6 (1) Der Verwaltungsrat überwacht die Geschäftsführung des Hilfswerks der Evangelischen Kirche in Deutschland. Er führt die Aufsicht über das Zentralbüro. Er kann jederzeit einen Bericht des Leiters des Zentralbüros verlangen, die Bücher und sonstige schriftliche Unterlagen einsehen und den Vermögensstand überprüfen. Er kann hiermit einzelne Mitglieder oder besondere Sachverständige beauftragen. (2) Dem Verwaltungsrat gehören an: 1. der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland als Vorsitzender; 2. seine beiden Stellvertreter im Hilfswerkausschuss als stellvertretende Vorsitzende, 3. drei im Hilfswerkausschuss gewählte Bevollmächtigte der gliedkirchlichen Hilfswerke,

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4. die beiden von der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland gewählten Mitglieder des Hilfswerkausschusses, 5. die Vertreterin der evangelischen Frauenarbeit im Hilfswerkausschuss. (3) Der Leiter des Zentralbüros und der Leiter der Kirchenkanzlei nehmen mit beratender Stimme an den Sitzungen des Verwaltungsrates teil. (4) Der Verwaltungsrat wird nach Bedarf von seinem Vorsitzenden, im Falle seiner Behinderung von einem der Stellvertreter einberufen. Die Einberufung muss erfolgen, wenn wenigstens drei Mitglieder es beantragen. Der Einladung ist eine Tagesordnung beizufügen. (5) Der Verwaltungsrat ist beschlussfähig, wenn wenigstens 5 Mitglieder versammelt sind. Beschlüsse werden mit einfacher Mehrheit gefasst; bei Stimmengleichheit gibt der Vorsitzende den Ausschlag. Bei schriftlicher Abstimmung sind alle Mitglieder des Verwaltungsrates zu befragen. (6) Ausser den an anderer Stelle dieses Kirchengesetzes vorgesehenen oder sonst durch Beschlüsse des Hilfswerkausschusses noch zu bestimmenden Fällen bedarf der Leiter des Zentralbüros der Zustimmung des Verwaltungsrates zur Vornahme folgender Geschäfte: 1. Erwerb, Veräusserung, Belastung, Mietung oder Vermietung, Pachtung oder Verpachtung von Grundstücken oder grundstücksgleichen Rechten, 2. die Aufnahme von Anleihen, die nicht aus Mitteln des laufenden oder des folgenden Rechnungsjahres zurückerstattet werden können, und die Übernahme von Sicherheitsleistungen hierfür, 3. die Bewilligung ausserplanmässiger Mittel, 4. die Bestimmung der Abschlussprüfer, 5. die Entlastung des Vermögensverwalters. (7) Beschlüsse zu Absatz 6 Ziffer 2 können nicht gegen die Stimme des Vorsitzenden oder des stellvertretenden Vorsitzenden gefasst werden. §7 (1) Das Zentralbüro führt die laufenden Geschäfte des Hilfswerks der Evangelischen Kirche in Deutschland im Rahmen des § 3 dieses Kirchengesetzes selbständig nach den kirchlichen Ordnungen, den Beschlüssen des Hilfswerkausschusses und den Richtlinien des Diakonischen Beirates. (2) Der Leiter des Zentralbüros wird vom Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland nach Anhörung des Hilfswerkausschusses berufen. Er vertritt das Hilfswerk gerichtlich und aussergerichtlich. (3) Die ständigen Sachbearbeiter werden vom Leiter des Zentralbüros mit Zustimmung des Verwaltungsrates berufen. Soll ausnahmsweise ein

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Mitarbeiter des Zentralbüros im Beamtenverhältnis angestellt werden, so ist die Ernennung dem Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland vorbehalten. Zur Anstellung nichtständiger Sachbearbeiter und des Büropersonals ist der Leiter des Zentralbüros im Rahmen des Haushaltsplanes berechtigt. (4) Urkunden, die Dritten gegenüber eine Verpflichtung des Hilfswerks oder die eine Vollmacht enthalten, sind namens des Zentralbüros vom Leiter, im Falle seiner Behinderung von seinem ständigen Vertreter, zu vollziehen und von dem ständigen juristischen Sachbearbeiter, im Behinderungsfalle von dessen ständigem Stellvertreter, gegenzuzeichnen. Sie sind mit dem Dienstsiegel zu versehen. §8 (1) Die Einnahmen und Ausgaben des Zentralbüros sind für je ein Kalenderjahr auf einen Haushaltsplan zu bringen, dem ein Stellenplan beizufügen ist. Haushaltsplan und Stellenplan setzt der Verwaltungsrat fest. (2) Ausgaben des Haushaltsplanes, die durch andere Einnahmen nicht zu decken sind, werden von den gliedkirchlichen Hilfswerken durch Umlagen aufgebracht. (3) Über Einnahmen und Ausgaben, über Vermögen und Schulden wird nach den Grundsätzen der doppelten Buchführung Rechnung gelegt. Die Rechnungslegung wird durch einen Ausschuss geprüft, den der Verwaltungsrat einsetzt. (4) Das Vermögen des Hilfswerks der Evangelischen Kirche in Deutschland ist ein Sondervermögen der Evangelischen Kirche in Deutschland. Es dient ausschliesslich und unmittelbar kirchlichen, sozialen, mildtätigen und gemeinnützigen Zwecken. §9 (1) Hilfswerke kirchlicher Gemeinschaften, die dem Weltrat der Kirchen angehören oder angehören können, haben die Möglichkeit, in eine diakonische Gemeinschaft mit dem Hilfswerk der Evangelischen Kirche in Deutschland einzutreten. Die hierüber getroffenen Vereinbarungen bedürfen der Zustimmung des Hilfswerkausschusses und der Bestätigung durch den Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland. Bereits rechtswirksam geschlossene Vereinbarungen bleiben in Geltung. (2) Die Hilfswerke der Freikirchen sind berechtigt, je einen Vertreter in den Hilfswerkausschuss und gemeinsam einen Vertreter in den Verwaltungsrat zu entsenden.

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§ 10 Im Falle der Auflösung des Hilfswerks der Evangelischen Kirche in Deutschland wird das Vermögen anteilmässig auf die gliedkirchlichen Hilfswerke verteilt, die es ausschliesslich kirchlichen, mildtätigen oder gemeinnützigen Zwecken zuzuführen haben. § 11 (1) Dieses Gesetz tritt mit dem heutigen Tag in Kraft. Das Kirchengesetz zur vorläufigen Ordnung des Hilfswerks der Evangelischen Kirche in Deutschland vom 13. Januar 1949 (Amtsblatt der Evangelischen Kirche in Deutschland Nr. 40)67 tritt ausser Kraft. (2) Die Verhältnisse der bestehenden Wirtschaftsunternehmungen des Hilfswerks kann der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland nach Klärung ihrer rechtlichen und wirtschaftlichen Lage im Benehmen mit dem Verwaltungsrat und mit dem Diakonischen Beirat durch Verordnung regeln. Der Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland

19C2. Beschluss über den Entwurf eines dritten Kirchengesetzes über den Vorläufigen Schiedsgerichtshof der EKD. [Potsdam, 11. Januar 1951] F: Hamburg 1951, S. 323f. Die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland hat folgendes Kirchengesetz beschlossen, das hiermit verkündet wird: §1 Die Geltungsdauer des Kirchengesetzes über die Bildung eines Vorläufigen Schiedsgerichtshofes der Evangelischen Kirche in Deutschland vom 13. Januar 1949 (Amtsblatt der EKD Nr. 19) wird bis zum Schluß der ersten nach Ablauf des Jahres 1952 stattfindenden Synodaltagung verlängert. §2 Dieses Gesetz tritt mit dem Tage der Verkündigung in Kraft. Der Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland 67 ABlEKD 1949, Nr. 3 vom 15. März 1949, S. 45.

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19C3. Beschluss über den Entwurf eines Kirchengesetzes über den Diakonischen Beirat der Evangelischen Kirche in Deutschland. [Potsdam, 11. Januar 1951] F: EZA Berlin, 2/1793 (H; Anlage 1 zu 19B). – Abdruck: ABlEKD 1951, Nr. 4, 15. April 1951, S. 91f. Die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland hat folgendes Kirchengesetz beschlossen, das hiermit verkündet wird: §1 Zur Förderung der in Artikel 15 der Grundordnung umschriebenen diakonischen Aufgaben und zur Zusammenfassung des mannigfach gegliederten Diakonates der Kirche wird ein Diakonischer Beirat gebildet. §2 Der Diakonische Beirat hat die Aufgabe, die in der christlichen Liebestätigkeit arbeitenden Werke der Kirche untereinander und mit den Organen der Kirchenleitung in einer freien Arbeitsgemeinschaft zusammenzuführen, gemeinsame Planungen aufzustellen, Arbeitsgebiete abzugrenzen, Anregungen an die diakonischen Werke und an die Gliedkirchen zu geben, Erfahrungen auszutauschen und auf jede Weise mitzuhelfen, dass in allen Gemeinden Christi Liebe in Wort und Tat verkündigt und geübt wird. §3 (1) Die Mitwirkung des Diakonischen Beirates bei Angelegenheiten des Hilfswerks der Evangelischen Kirche in Deutschland regelt das „Kirchengesetz zur Ordnung des Evangelischen Hilfswerks innerhalb der Evangelischen Kirche in Deutschland“ vom . . . 195168. (2) Andere diakonische Werke können ihm nach Bedarf geeignete Aufgaben übertragen. §4 Der Diakonische Beirat ist der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland für seine Tätigkeit verantwortlich. Bei jeder Tagung der Synode legt er einen Bericht über den Stand der diakonischen Arbeit innerhalb der Evangelischen Kirche in Deutschland vor. Er kann gemein68 Vgl. 19C1.

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same Sitzungen mit einem von der Synode gebildeten Ausschuss für Fragen der Diakonie halten. §5 (1) Dem Diakonischen Beirat gehören an: a) Der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, b) zwei weitere Mitglieder des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, c) je 6 Vertreter der Inneren Mission und des Hilfswerks der Evangelischen Kirche in Deutschland. (2) Die in Absatz 1 unter b) genannten Mitglieder werden vom Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland berufen. (3) Die in Absatz 1 unter c) genannten Vertreter der Inneren Mission werden vom Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland auf Vorschlag des Centralausschusses für die Innere Mission berufen. Von den Vertretern der Inneren Mission sind mindestens 3 aus der praktischen Arbeit der Inneren Mission in den Gliedkirchen zu entnehmen. Ferner soll ein Direktor des Centralausschusses für die Innere Mission berufen werden. Vonseiten des Hilfswerks gehören dem Diakonischen Beirat an die drei in den Verwaltungsrat entsandten Bevollmächtigten der gliedkirchlichen Hilfswerke, sowie der Leiter des Zentralbüros. Ausserdem beruft der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland auf Vorschlag des Hilfswerkausschusses zwei mit den Aufgaben des Hilfswerks besonders vertraute Persönlichkeiten. Sämtliche Berufungen gelten für die Dauer von 6 Jahren. (4) Der Diakonische Beirat wählt aus seiner Mitte den Vorsitzenden und zwei stellvertretende Vorsitzende. (5) An den Sitzungen des Diakonischen Beirates nimmt der Leiter der Kirchenkanzlei oder ein von ihm beauftragter Referent ohne Stimmrecht teil. (6) Der Diakonische Beirat kann nach Bedarf zu seinen Sitzungen Vertreter anderer kirchlicher Werke hinzuziehen. §6 (1) Die Sitzungen des Diakonischen Beirates werden vom Vorsitzenden, im Falle seiner Behinderung von einem seiner Stellvertreter nach Bedarf einberufen. Der Diakonische Beirat muss einberufen werden, wenn wenigstens 6 Mitglieder es verlangen. (2) Die Mitglieder des Diakonischen Beirates sind gehalten, an den Sitzungen persönlich teilzunehmen. Stellvertreter werden nicht berufen.

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(3) Die Kosten für die Sitzungen des Diakonischen Beirates trägt die Evangelische Kirche in Deutschland. §7 (1) Dieses Gesetz tritt mit der Verkündigung in Kraft. Die zu seiner Durchführung und Ergänzung erforderlichen Bestimmungen erlässt der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland. (2) Über den Inhalt des Gesetzes hat gemäss Artikel 15 Absatz 2 der Grundordnung69 der Evangelischen Kirche in Deutschland eine Vereinbarung mit dem Centralausschuss für die Innere Mission stattgefunden. Der Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland 19C4. Beschluss über die Richtlinien des Rates der EKD für die Unterstützung der evangelischen DP-Pfarrer und ihrer Hinterbliebenen. [Potsdam, 12. Januar 1951] F: EZA Berlin, 2/6632 (H). – Abdruck: ABlEKD 1951, Nr. 4 vom 15. April 1951, S. 109. 1. Die Aufwendungen der Landeskirchen für die Unterstützung der evangelischen DP-Pfarrer und ihrer Hinterbliebenen werden in einem Finanzausgleich nach Art des Ostpfarrer-Finanzausgleichs unter den Landeskirchen ausgeglichen. 2. Die Landeskirchen werden gebeten, die Unterstützungen, die den evangelischen DP-Pfarrern – besonders den beschäftigten – und ihren Hinterbliebenen gezahlt werden, der Höhe nach soweit wie möglich den Sätzen der Ostpfarrerhilfe anzugleichen. Ausgleichsfähig sind jedoch nur die folgenden Unterstützungssätze: a) Verheiratete beschäftigte DP-Pfarrer und soweit erforderlich, freie Wohnung oder Wohnungsgeld: 250,– DM b) Alleinstehende beschäftigte DP-Pfarrer und soweit erforderlich, freie Wohnung oder Wohnungsgeld: 200,– DM c) Verheiratete unbeschäftigte DP-Pfarrer: 200,– DM d) Alleinstehende unbeschäftigte DP-Pfarrer: 150,– DM e) Witwen von DP-Pfarrern und Ehefrauen von abwesenden DP-Pfarrern: 150,– DM f) Unterstützungsempfänger zu a) e) für jedes zuschlagberechtigte Kind: 20,– DM 69 ABlEKD 1948, Nr. 7 vom 15. Juli 1948, S. 111.

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g) Vollwaisen und allein stehende Kinder von abwesenden DP-Pfarrern soweit die für die landeskirchlichen Geistlichen geltenden Vorschriften über die Zahlung von Vollwaisengeld bzw. Kinderzuschlag erfüllt werden; mehrere Vollwaisen und allein stehende Kinder aus der gleichen Familie und im gleichen Haushalt zusammen aber nicht mehr als den Betrag, den eine Witwe mit der entsprechenden Anzahl zuschlagberechtigter Kinder erhalten würde: 70,– DM 3. Als DP-Pfarrer im Sinne dieser Richtlinien gelten nur Geistliche mit abgeschlossener theologischer Ausbildung. 4. Als beschäftigt im Sinne dieser Richtlinien gilt ein evangelischer DPPfarrer dann, wenn er etwa 1.000 Gemeindeglieder versorgt. Wohnen die Glieder einer DP-Kirche sehr zerstreut, genügt auch eine geringere Zahl. Will ein evangelischer DP-Pfarrer, der weniger als 1.000 Gemeindeglieder versorgt, die Unterstützung für einen beschäftigten DP-Pfarrer erhalten, so hat er dies über die Landeskirche seines Wohnortes bei der Kirchenkanzlei zu beantragen. 5. Soweit die DP-Pfarrer und ihre Hinterbliebenen von dritter Seite Unterstützung erhalten, werden diese auf die Unterstützung der EKD angerechnet. 6. Der Ausgleich der für die evangelischen DP-Pfarrer und ihre Hinterbliebenen aufgewendeten Unterstützungen beginnt mit dem 1. Oktober 1950. 19D Vo rlagen und Anträge

19D Vorlagen und Anträge 19D1. Schreiben der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburgs an die Kirchenkanzlei – Berliner Stelle –. Schwerin, 22. April 1950 F: EZA Berlin, 4/338 (O). Betrifft das Verhältnis zur Reformierten Kirche in Mecklenburg. Zwischen der Reformierten Kirche in Mecklenburg und der EvangelischLutherischen Landeskirche Mecklenburgs sind dadurch Schwierigkeiten entstanden, daß die Reformierte Kirche die Auffassung vertritt, alle Umsiedler aus den Gebieten der Evangelischen Kirche der Altpreußischen Union seien konfessionell „uniert“ bezw. konfessionell unbestimmt und müßten bei der Verlegung ihres Wohnsitzes nach Mecklenburg vor die Entscheidung gestellt werden, ob sie der Lutherischen Landeskirche oder der Reformierten Kirche zugehören wollten. Zum wenigsten habe die Re-

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formierte Kirche in Mecklenburg das Recht, auf Wunsch solcher Gemeindeglieder Amtshandlungen an ihnen ohne weiteres zu vollziehen und unter ihnen für die Reformierte Kirche zu werben. Der Oberkirchenrat steht seinerseits auf dem Standpunkt, daß die Kirchengemeinden der ehemaligen preußischen Ostprovinzen einen klaren lutherischen Bekenntnisstand hatten, sofern es sich nicht um besondere, als solche deutlich gekennzeichnete, Reformierte Gemeinden handelte. Er meint daher das gute Recht zu haben, Glieder dieser Kirchengemeinden von vornherein als Angehörige der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburgs zu betrachten, wenn sie sich nicht ausdrücklich zur Reformierten Kirche bekennen. In der Gewährung kirchlicher Amtshandlungen an solche Gemeindeglieder durch die Reformierte Kirche ohne die Forderung einer ausdrücklichen Erklärung reformierten Bekenntnisstandes und dauernder Zugehörigkeit zur Reformierten Kirche sieht er eine ernste Gefährdung der gegenwärtig schon so bedrohten kirchlichen Ordnung und eine untragbare Durchkreuzung der bescheidenen Versuche zur Durchführung der Kirchenzucht. Da die Besprechungen mit der Reformierten Kirche in Mecklenburg nicht zu einer Einigung in diesem entscheidendem Punkt geführt haben, wäre der Oberkirchenrat für eine gutachtliche Stellungnahme der Kirchenkanzlei bezw. des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland dankbar. Der Oberkirchenrat Lic. de Boor [m. p.]

19D2. Schreiben des Ostkirchenausschusses an den Rat der EKD. Hannover, 1. Dezember 1950 F: EZA Berlin, 17/94 (Abschrift). Zur Wahrnehmung der besonderen diakonischen Aufgaben an den Vertriebenen wurden im Rahmen des Hilfswerks der Evangelischen Kirche in Deutschland 17 Hilfskomitees gegründet. Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland hat diese Komitees als kirchliche Vertreter der Pfarrer und Gemeinden der entsprechenden Heimatkirchen anerkannt und ihnen den Auftrag erteilt, diese gegenüber den Landeskirchen zu vertreten und im Einvernehmen mit denselben kirchlich zu versorgen. Bis zum Ende des vorigen Jahres wurden die Bedürfnisse der Hilfskomitees in grosszügiger Weise vom Hilfswerk gedeckt, so dass diese den notwendigsten Arbeitsapparat aufbauen und damit ohne wesentliche Mehrkosten auch ihre seelsorgerliche Arbeit tun konnten.

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Bereits mit dem Ende des vorigen Jahres teilte uns das Hilfswerk mit, dass es für die Bedürfnisse der Hilfskomitees nicht mehr wie bisher aufkommen könnte. Es wurde damals der Versuch gemacht, durch eine Zusammenfassung der Hilfskomitees zu Arbeitsgemeinschaften die Arbeit zu rationalisieren. Wir haben darüber hinaus versucht, diese Arbeitsgemeinschaften auch mit den mittlerweile ins Leben gerufenen landeskirchlichen Arbeitsgemeinschaften der Hilfskomitees zu verbinden und so durch eine Reihe von Personalunionen die Kosten weiter herabzusetzen und die Leistungen einzelner Landeskirchen für ihre landeseigene Hilfskomiteearbeit auch für die Hauptgeschäftsstellen fruchtbar zu machen. Nachdem die Kosten dieses nun äusserst eingeschränkten Apparates zur Hälfte für das laufende Rechnungsjahr noch vom Hilfswerk übernommen wurden, baten wir die Landeskirchen für die andere Hälfte der Kosten aufzukommen. Der grösste Teil der Landeskirchen ist dieser Bitte bereitwillig nachgekommen. Von den Landeskirchen werden aber zwei Dinge gewünscht: 1.) Eine saubere Trennung des Bedarfs der Hauptgeschäftsstellen, die eine gesamtkirchliche Arbeit tun, von der landeskirchlichen Arbeit der Hilfskomitees. 2.) Die genaue Aufschlüsselung dieser Beträge nach dem gültigen Schlüssel der Evangelischen Kirche in Deutschland, nach Möglichkeit Aufnahme derselben in die Umlage der EKD. Es taucht hier freilich die Frage auf, warum denn neben der landeskirchlichen Arbeit der Hilfskomitees noch die besonders im gesamtkirchlichen Bereich wirkenden Hauptgeschäftsstellen notwendig sind. Allerdings wurde die ganze Organisation der Hilfskomitees in einer Zeit geschaffen, in der man im stillen voraussetzte, dass die Landeskirchen sich in einer einheitlichen Evangelischen Kirche in Deutschland und nicht in einem Kirchenbund eine gemeinsame Form geben werden. Durch diese Entwicklung im Bereich der Evangelischen Kirche in Deutschland und durch die davon mitbestimmte Einschränkung der zentralen Vollmachten des Hilfswerks, sind nun freilich auch die Hilfskomitees betroffen. Trotzdem ist es nicht möglich diese Organisation, ohne die auch die landeskirchliche Vertriebenenarbeit heute nicht mehr denkbar ist, einfach aufzulösen. Ein Eingehen der Hauptgeschäftsstellen in die landeskirchliche Arbeit hat sich als nur sehr beschränkt möglich herausgestellt. Wenn von der Hilfskomiteeorganisation nur die landeskirchliche Arbeit bliebe und die Hauptgeschäftsstellen verschwinden würden, dann würde gerade das wesentliche Moment, nämlich das Weiterwirken der Heimatkirche, die ihre Glieder behutsam in die neuen kirchlichen Verhältnisse hinüberführt, wegfallen. Die landeskirchlichen Arbeitsgemeinschaften, die sich dann nicht mehr auf ihre übergreifenden Hilfskomitees stützen könn-

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ten, würden zu allgemeinen Vertriebenenvertretungen und müssten den Charakter der Pfleger und Erhalter letzter Bindungen verlieren. Praktisch wird diese Aufgabe von den Hauptgeschäftsstellen durch ihre Mitteilungsblätter, durch Besprechungen und einen ständigen Briefwechsel mit den Mitarbeitern in den Landeskirchen wahrgenommen. Dazu kommen besondere Aufgaben, die immer wieder auftreten und nicht innerhalb einer Landeskirche, sondern nur noch einer gesamtkirchlichen Stelle wahrgenommen werden können. Solche sind z. B.: – Fragen der Familienzusammenführung aus dem Ausland (Siebenbürgen, Ungarn, Polen); – Wahrung des kirchlichen Einflusses auf die landsmannschaftlichen Vertretungen, planmässige Ausgleichung der katholischen Beeinflussung einzelner Flüchtlingsgruppen (Schlesien); – Schaffung von geistlichen Zentren (Ostpreussen in Beienrode, Balten, Ungarndeutsche Siedlung in Darmstadt). Weiter gehört zu den Aufgaben der Hauptgeschäftsstellen die Wahrnehmung der Aufgaben an denen, die noch hinter dem eisernen Vorhang sind. Und die Arbeit in all den Landeskirchen, in denen das einzelne Hilfskomitee keine besondere Vertretung hat. Schliesslich ist ein wesentlicher Grund, der für die vorläufige Beibehaltung der Hilfskomitees spricht, das grosse Interesse der Ökumene für die Flüchtlingsarbeit der Evangelischen Kirche in Deutschland. Auf die Ökumene würde es einen sehr merkwürdigen Eindruck machen, wenn dieselbe Kirche, die dauernd um ihrer Flüchtlinge willen ihre Hilfe in Anspruch nimmt, ihre eigene Hilfsorganisation für die Vertriebenen auflösen würde. Die Tagung der Flüchtlingsreferenten der Landeskirchen und der Vertreter der Vertriebenen, der Kanzlei und des Hilfswerks der Evangelischen Kirche in Deutschland in Gemeinschaft mit dem Weltrat der Kirchen und dem Lutherischen Weltbund in Königswinter hat daher in ihrer Resolution IV folgende Entschliessung angenommen: „Nach sorgfältiger Prüfung haben wir festgestellt, dass die bestehenden 17 Hilfskomitees als Ergänzung und zur Unterstützung der landeskirchlichen Vertriebenenarbeit für die nächste Zeit weiter notwendig sind. Wir bitten den Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland ab sofort, die notwendigen Haushaltsmittel zur Verfügung zu stellen oder – so weit solche in ausreichender Höhe nicht bereitstehen – durch eine für diesen Zweck von den Landeskirchen aufzubringende Sonderumlage die notwendigen Mittel zu beschaffen. Gleicherweise bitten wir das Hilfswerk der Evangelischen Kirche in Deutschland, die für den diakonischen Dienst der Hilfskomitees gleicherweise notwendigen Beihilfen weiterhin zur Verfügung zu stellen.

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Wir bitten den Ostkirchenausschuss für eine rationelle und saubere Verwendung der Mittel Sorge zu tragen und die Zuschüsse für die einzelnen Hilfskomitees je nach ihrer Besonderheit und dem Umfang ihrer Arbeit zu bemessen. Vor der endgültigen Festsetzung der Zuschüsse sind die Hilfskomitees zu hören.“ Für das kommende Rechnungsjahr sind die Landeskirchen nur mehr auf eine solche Weise bereit, Beiträge zu leisten. Das Hilfswerk erklärte uns demgegenüber, dass es im kommenden Rechnungsjahr zu einer ständigen Finanzierung der Organisation der Hilfskomitees nicht mehr imstande sei und nur noch einzelne Arbeitsvorhaben unterstützen könne. Das Hilfswerk vertritt dabei die Auffassung, dass die Hilfskomitees sich aus Spenden ihrer kirchlichen Angehörigen finanzieren müssten. Es vertritt weiter die Auffassung, dass es nur noch für die noch verbliebenen diakonischen Aufgaben zuständig sei, die durch die Entwicklung der Dinge immer stärker in den Vordergrund tretenden seelsorgerlichen Aufgaben aber nicht mehr decken kann. Demgegenüber müssen wir darauf hinweisen, dass die erheblichen Anstrengungen der Hilfskomitees in den beiden letzten Jahren, sich selbst zu finanzieren, deutlich bewiesen haben, dass dies nicht möglich ist. Es kann wohl durch ein erhebliches Spendenaufkommen Vieles, was gearbeitet wird, gedeckt werden, der notwendigste organisatorische Aufbau muss aber von diesem unzulänglichen Spendenaufkommen unabhängig finanziert werden. Wenn die Hilfskomitees gezwungen werden, sich selbst zu finanzieren, so würde dies zu einer Sonderbesteuerung der Vertriebenen, zu einer Verbitterung derselben gegenüber den Landeskirchen, denen ihre Kirchensteuern zufallen, und damit zu einer ungeheuren Erschwerung des Zieles unserer Arbeit, nämlich der rechten Eingemeindung der Vertriebenen, führen. Umgekehrt würden dadurch die Hilfskomitees gezwungen, sich vereinsmässig zu organisieren, bzw. in den Landsmannschaften aufzugehen und den kirchlichen Charakter zu verlieren. Dieser Weg muss daher als gefährlich und ungerecht vermieden werden. Dagegen ist der Standpunkt des Hilfswerkes richtig, dass die Inanspruchnahme der Hilfskomitees durch ihre besonderen seelsorgerlichen Aufgaben gegenüber den zurückgehenden diakonischen in den letzten Jahren dauernd gestiegen ist. Der Ostkirchenausschuss hat das Hilfswerk darauf hingewiesen, dass die Einstellung seiner Zuwendungen so aufgefasst werden müsste, als betrachte das Hilfswerk die Hilfskomitees nicht mehr als seine Organe, und es aus diesem Grunde gebeten, dass es von sich aus den Rat bitten möge, die Arbeit und Unterhaltung der Hilfskomitees auf eine neue Grundlage zu stellen. Leider hat das Hilfswerk bisher in dieser Richtung keinen Schritt getan. Wir bitten daher nun den Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland,

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zu veranlassen, dass der Mindestbedarf der Hilfskomitees, der aufgrund der beiliegenden Kostenaufstellung mit rd. 72.000,– DM jährlich berechnet ist, in einen gesamtkirchlichen Etat aufgenommen oder durch eine Sonderumlage der EKD aufgebracht werde. Im vorigen Jahre betrug der insgesamt gebetene Betrag 76.800,– DM, monatlich 6.400,– DM, wovon bisher monatlich durchschnittlich 5.525,– DM tatsächlich eingegangen sind. Wir hoffen, dass der ausgefallene Betrag dank des im Auftrag des Rates ausgesandten Schreibens der Kirchenkanzlei ebenfalls zum Teil noch eingehen wird. Daraus ergibt sich, dass es sich tatsächlich nicht um einen neu aufzubringenden Betrag, sondern um eine von allen Seiten gewünschte Neuordnung eines schon bisher teils übers Hilfswerk, teils direkt gezahlten Betrages handelt. Zur Erläuterung der beiliegenden Kostenaufführung70 ist zu bemerken: Der jeweils in der oberen Zeile eingetragene Betrag ist für die normale Geschäftsführung insgesamt notwendig. Der jeweils in der unteren Zeile eingetragene Betrag ist der durch das Mindestaufkommen von 72.000,– DM ermöglichte Betrag. Dabei muss damit gerechnet werden, dass die Hilfskomitees alle anderen Kosten aus eigenen Ausgaben decken. Weiter wird aus den Anmerkungen ersichtlich, dass alle Möglichkeiten einer Teilfinanzierung von anderen Stellen einbezogen sind. Eine weitere Kürzung dieses Mindestbetrages ist daher keinesfalls möglich und müsste die Konsequenz der Auflösung der Hilfskomitees nach sich ziehen. Dann muss aber unbedingt die Frage beantwortet werden, auf welche Weise die unerlässliche Arbeit der Hilfskomitees weiter getan werden kann, wenn nicht die Entkirchlichung der Vertriebenen ein erschreckendes und nicht mehr gut zu machendes Ausmass annehmen soll. Im Auftrage des Ostkirchenausschusses gez. Spiegel-Schmidt, Pastor, Geschäftsführer

70 19D3.

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19D4. Schreiben des Reformierten Kirchenausschusses Marburg/Lahn an Brunotte. Marburg, 28. Oktober 1950 F: EZA Berlin, 2/2093 (O). Da die Disziplinarkammer der evangelischen Landeskirche in Kurhessen und Waldeck auf unseren beifolgenden Antrag vom 27. 11. 195071 [muss heißen 27. 9. 1950] überhaupt nicht geantwortet hat und wir schon vier Jahre durch absichtliche Verzögerungen im Kampf um unser Recht hingehalten wurden, legen wir ihn der Deutschen evangelischen Kirchenkanzlei mit der Bitte vor, die oberste Dienststelle unserer Landeskirche aufzufordern, ein förmliches Disziplinarverfahren einzuleiten und zu veranlassen. Sollte die hessische Landeskirche binnen einer kurz bemessenen Frist ein Disziplinarverfahren nicht einleiten, so bitten wir gemäß § 29 der Disziplinarverordnung der D.E.K. den Leiter der D.E.K.-Kanzlei [sic!], selbst das Verfahren einzuleiten und bei offensichtlicher und unbegründeter Verzögerung einen Untersuchungsführer zu bestellen. Die Disziplinarverordnung der D.E.K. ist laut Verfügung vom 2. 1. 1946 in unserer Landeskirche auch jetzt noch gültig. Im Auftrage des „Reformierten Ausschusses“ in Marburg. Mit vorzüglicher Hochachtung Prof. Kürschner, Studienrat a. D. [m. p.]

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19E Dokumente 19E1. Begründung der Kirchenkanzlei für den Entwurf eines neuen Hilfswerkgesetzes. O. O., o. D. F: EZA Berlin, 2/5125 (D). – Abdruck: Hamburg 1951, S. 313–317. Nach § 15 des vorläufigen Hilfswerksgesetzes vom 13. Januar 1949 (Amtsblatt der EKD Nr. 3 Seite 45) tritt das vorläufige Hilfswerksgesetz mit Beendigung der Synode der EKD 1951 außer Kraft. Die Synode in Berlin-Weißensee hat daher einen Ausschuß eingesetzt, der die Vorbereitungen für ein neues Hilfswerksgesetz treffen sollte. Dem Ausschuß gehörten an: 71 Vgl. das Schreiben des Reformierten Ausschusses in Marburg an die Disziplinarkammer der evangelischen Landeskirche in Kurhessen und Waldeck vom 27. September 1950 (EZA BERLIN, 2/2093).

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für das Hilfswerk: 1.) Oberkirchenrat D. Dr. Herntrich – Hamburg 2.) Dr. Walter Bauer – Heilbronn 3.) Pfarrer Berg – Berlin für die Innere Mission: 4.) Pastor D. Ohl – Langenberg 5.) Kirchenrat Wenzel – Berlin-Nikolassee 6.) Pfarrer Dr. Ziegler – Karlsruhe für die Amtsstellen: 7.) Oberkonsistorialrat Dr. Gerstenmaier – Stuttgart 8.) Direktor Pastor Münchmeyer – Bethel 9.) Präsident D. Brunotte – Hannover für den Rat und die Kirchenleitungen: 10.) Landesbischof D. Dr. Lilje – Hannover 11.) Landesbischof D. Meiser – München 12.) Präses D. Held – Düsseldorf 13.) Prälat D. Hartenstein – Stuttgart 14.) Präses Jürges – Detmold Der Synodalausschuß hat im Laufe des Jahres 1950/51 drei Sitzungen gehalten: am 23. Juni 1950 in Ansbach, am 7. Oktober 1950 und am 9. Januar 1951 in Hannover. In der Sitzung vom 7. Oktober wurden Grundlinien aufgestellt, nach denen die Kirchenkanzlei den Entwurf eines neuen Hilfswerksgesetzes erarbeitete. Daneben wurde ein erster Entwurf für ein Kirchengesetz über den Diakonischen Beirat vorgelegt. Beide Entwürfe konnten bereits am 31. Oktober 1950 in einer Sitzung des Verwaltungsrates des Hilfswerks in Aschaffenburg besprochen werden. Die Vertreter des Zentralbüros des Hilfswerks schlugen einige Abänderungen vor. Gleichzeitig setzte der Wiederaufbauausschuß des Hilfswerks einen eigenen vierköpfigen Ordnungsausschuß ein. Die verschiedenen Entwürfe und Vorschläge wurden in der dritten Sitzung des Synodalausschusses am 9. Januar 1951 in Hannover abschließend beraten. Die 10 anwesenden Mitglieder des Synodalausschusses einigten sich auf eine Vorlage an den Rat der EKD. Diese Vorlage entsprach auch im wesentlichen den Beschlüssen des Ordnungsausschusses des Hilfswerks. Der Rat der EKD hat sich die Vorlage des Synodalausschusses mit einigen geringfügigen Abweichungen in seiner Sitzung vom 11. und 12. Januar 1951 zu eigen gemacht. Auf Beschluß des Rates sind nunmehr der Synode der EKD vorgelegt worden:

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a) der Entwurf eines Kirchengesetzes über den Diakonischen Beirat der EKD. b) der Entwurf eines Kirchengesetzes zur Ordnung des Evangelischen Hilfswerks innerhalb der EKD. Der Entwurf eines Kirchengesetzes über den D i a k o n i s c h e n B e i r a t geht davon aus, daß die Synode 1950 in Berlin-Weißensee die Notwendigkeit empfand, nicht nur die Angelegenheiten des Evangelischen Hilfswerks neu zu ordnen, sondern auch den Versuch zu machen, gemäß Artikel 15 der Grundordnung die verschiedenen diakonischen Werke in eine nähere Beziehung zu bringen. In fast allen Gliedkirchen der EKD sind in den letzten Jahren kirchengesetzliche Ordnungen erlassen worden, die zum Teil ein enges Arbeitsverhältnis zwischen Landeskirche, Innerer Mission und Hilfswerk begründeten. Es hat sich in den Gliedkirchen seit langem herausgestellt, daß es unmöglich ist, zwei Organisationen für die christliche Liebestätigkeit bis in die Gemeinden hinein durchzuführen. Die gliedkirchlichen Ordnungen unterscheiden sich zwar im einzelnen erheblich, lassen aber überall den ernsten Willen erkennen, die diakonische Arbeit als Arbeit der Kirche und ihrer Gemeinden verantwortlich zu tragen. Der Synodalausschuß kam zu dem Ergebnis, daß eine enge Verbindung von Kirche, Innerer Mission und Hilfswerk, wie sie in den Gliedkirchen durchweg besteht, im Bereich der EKD noch nicht möglich sein würde. Daher befürwortete der Synodalausschuß die Bildung eines Diakonischen Beirates, der keine Anordnungsbefugnisse hat, aber doch eine fruchtbare Zusammenarbeit des Hilfswerks und der Inneren Mission mit dem Rat der EKD gewährleisten soll. Die Befugnisse des Diakonischen Beirates sind in § 2 des Kirchengesetzes umschrieben. Außerdem werden dem Diakonischen Beirat durch verschiedene Bestimmungen des neuen Hilfswerksgesetzes Befugnisse im Rahmen des Hilfswerks eingeräumt. Die Zusammensetzung des Diakonischen Beirates ergibt sich aus § 5 des Kirchengesetzes: – 6 Vertreter des Hilfswerks, – 6 Vertreter der Inneren Mission und – 3 Mitglieder des Rates der EKD. Das Kirchengesetz enthält im übrigen Bestimmungen über den Vorsitzenden (§ 5 Absatz 4) sowie über die Einberufung von Sitzungen (§ 6). § 6 Absatz 2 bestimmt, daß die Mitglieder des Diakonischen Beirates persönlich anwesend sein müssen. Es gibt keine Stellvertreter. Die Bestimmung des § 7 Absatz 2 ist notwendig, da nach der Grundordnung Artikel 15 die Evangelische Kirche in Deutschland zwar g e s e t z l i c h e Regelungen für das Hilfswerk treffen kann, für die Innere Mission aber auf V e r e i n b a r u n g e n 72 angewiesen ist.

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D e r E n t w u r f e i n e s K i r c h e n g e s e t ze s z u r O r d n u n g d e s E v a n g e l i s c h e n H i l f s w e r k s i n n e r h a l b d e r E K D beruht auf folgenden Gesichtspunkten: 1. Die gesetzliche Regelung der Verhältnisse des Hilfswerks mußte stärker als im vorläufigen Hilfswerksgesetz mit der Grundordnung der EKD in Einklang gebracht werden. Nach § 1 der Vorlage liegt daher das Schwergewicht in der gesetzlichen Ordnung künftig bei den Gliedkirchen und ihren Gemeinden. Das Hilfswerk der EKD wird in dem neuen Gesetz nicht so zentralistisch organisiert wie im vorläufigen Hilfswerkgesetz. Gleichwohl bleibt die im Hilfswerk bestehende Gemeinschaft in § 2 der Vorlage enthalten, und auch die Bezeichnung „Hilfswerk der Evangelischen Kirche in Deutschland“ wird fortgeführt. 2. Dieser Ansatzpunkt entspricht nicht nur der Grundordnung der EKD Artikel 1 Absatz 1 und 2 sondern auch den tatsächlichen Verhältnissen, wie sie sich in den letzten Jahren entwickelt haben. Das Schwergewicht der Hilfswerkarbeit liegt seit langem tatsächlich bei den Gliedkirchen und ihren Hauptbüros. Seit längerer Zeit besteht die Hilfswerkarbeit nicht nur in der Vermittlung und Verteilung von Auslandsspenden sondern in der Verlebendigung der gemeindlichen Liebestätigkeit und der zunehmenden Weckung des Opferwillens unserer Kirchengemeinden. 3. Aus diesen beiden Gründen ist die Stellung des Zentralbüros gegenüber dem vorläufigen Hilfswerksgesetz etwas begrenzt worden, ohne daß dadurch der Initiative des Zentralbüros irgend etwas abgebrochen werden soll. 4. Der Abbau eines früher vorhandenen und in den ersten Nachkriegsjahren wirksamen Zentralismus zeigt sich vor allem darin, daß es in dem neuen Gesetz einen „Leiter des Hilfswerks“ nicht mehr gibt sondern einen „Leiter des Zentralbüros“ (§ 7 Absatz 2). 5. Der Synodalausschuß und der Rat der EKD sind der Meinung, daß die mit dem bisherigen Hilfswerk verbundenen wirtschaftlichen Unternehmungen und Tochtergesellschaften usw. einer Überprüfung und Einschränkung bedürfen. Es wird nicht bestritten, daß in den Jahren vor der Währungsreform die „Veredlungswirtschaft“ ein glücklicher Gedanke zur Verwendung ausländischer Rohstoffe war. Die Veränderungen im heutigen Wirtschaftsleben lassen es aber angezeigt erscheinen, das finanzielle und moralische Risiko, das die gesamte Evangelische Kirche in Deutschland mittragen muß, zu verringern. § 4 Absatz 2 des Gesetzes sieht daher vor, daß das Hilfswerk in Zukunft keine eigenen wirtschaftlichen Unternehmungen unterhält. § 4 Absatz 3 bestimmt, daß eine Beteiligung an fremden Wirtschaftsunternehmungen der Genehmigung des Rates unterliegt. Die Ablösung der bestehenden Wirtschaftsunternehmungen kann der Rat nach § 11 Absatz 2 im Benehmen mit dem Verwaltungsrat des 72 „Vereinbarungen“ wurde nachträglich hsl. unterstrichen.

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Hilfswerks und dem Diakonischen Beirat durch Verordnung regeln. Mit diesen Bestimmungen tritt die Evangelische Kirche in Deutschland stärker in die Verantwortung für die wirtschaftlichen Angelegenheiten ein. 6. Die Organe des Hilfswerks sind in § 2 Absatz 3 aufgeführt73. Die Funktionen der einzelnen Organe werden in den §§ 5, 6 und 7 dargestellt. Die Zusammensetzung der einzelnen Organe entspricht ungefähr den Bestimmungen des vorläufigen Hilfswerksgesetzes, jedoch geht das Bemühen des neuen Gesetzes dahin, die Mitgliederzahl der Organe etwas niedriger zu halten als bisher. So gehören zum Beispiel die Hilfskomitees dem Hilfswerksausschuß (bisher Wiederaufbauausschuß) nicht mehr an; an ihre Stelle ist ein Vertreter des Ostkirchenausschusses getreten. Auch die Laienvertreter der Synode und der Evangelischen Frauenarbeit (§ 5 Absatz 2 Ziffer 6 und 7) sind vermindert worden. 7. Der Anregung des Leiters des Hilfswerks, das Zentralbüro in Stuttgart in ein „Diakonisches Amt“ umzuwandeln, das neben der Kirchenkanzlei und dem Kirchlichen Außenamt eine dritte Amtsstelle der EKD sein würde, ist vom Synodalausschuß wie vom Rat der EKD nicht stattgegeben worden. Die Mitarbeiter im Zentralbüro sollen nach § 7 Absatz 3 in der Regel im Angestelltenverhältnis beschäftigt werden. Die Anstellung einer größeren Zahl von Kirchenbeamten im Zentralbüro erscheint weder zweckmäßig im Hinblick auf die zeitgebundenen Aufgaben des Hilfswerks, noch auch sachgemäß im Hinblick auf den Charakter der freien kirchlichen Liebestätigkeit. 8. Die Bestimmungen der §§ 8, 9 und 10 sind im wesentlichen aus dem vorläufigen Hilfswerksgesetz übernommen. 9. Das berechtigte Anliegen des Hilfswerks, das in den Veröffentlichungen des Hilfswerks seit Jahren immer wieder betont wird: die Gliedkirchen und ihre Gemeinden möchten ihre Verantwortung für den Diakonat der Kirche stärker erkennen und bestätigen, glaubt der Rat der EKD nicht im eigentlichen Hilfswerksgesetz verwirklichen zu können; er schlägt der Synode hierfür den Entwurf eines Kirchengesetzes über den Diakonischen Beirat vor. Dieser Beirat soll der erste Schritt auf dem Wege zu einer stärkeren Gemeinsamkeit der evangelischen Liebestätigkeit werden. Jedenfalls erwies es sich als unmöglich, einfach die Organisation des bisherigen Hilfswerks zum Diakonat der Kirche zu erklären. Der Begriff „Diakonat der Kirche“, wie er in Artikel 15 der Grundordnung gebraucht ist, umfaßt in loser Form alles, was an Liebestätigkeit innerhalb der evangelischen Kirche geschieht, gleichviel in welcher Organisationsform.

73 Hsl. geändert aus „aufgestellt“.

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19E2. Protokoll der Sitzung des Synodalausschusses für die Fragen des Hilfswerks. Hannover, 9. Januar 1951 F: NL Smend (H). Anwesend: Landesbischof D. Lilje, Landesbischof D. Meiser, Präses D. Held, Oberkirchenrat D. Dr. Herntrich, Präses Jürges, Kirchenrat Wenzel, Pfarrer D. Ohl, Pfarrer Dr. Ziegler, Pfarrer Münchmeyer, Präsident D. Brunotte, Oberkirchenrat Dr. Merzyn. (Verhindert: Prälat D. Hartenstein, Oberkonsistorialrat Dr. Gerstenmaier, Dr. Bauer, Pfarrer Berg). Die Sitzung wurde 10.15 Uhr von Landesbischof D. Lilje eröffnet. Zunächst fand eine Aussprache über die Einladung zur Sitzung statt. Der Ausschuß stellte fest, daß, obwohl einige Mitglieder aus zwingenden Gründen nicht erscheinen konnten, eine ordentliche Sitzung des von der Synode bestellten Ausschusses zustande gekommen sei. Der Ausschuß berücksichtigte hierbei, daß er von der Synode der EKD den Auftrag hat, für die nächste Synodaltagung nicht nur einen Vorschlag für die Zusammenarbeit der Inneren Mission und des Hilfswerks zu machen, sondern auch ein neues Hilfswerkgesetz vorzulegen. Wenn der Entwurf eines solchen Gesetzes rechtzeitig durch Kirchenkonferenz und Synode verabschiedet werden solle, müsse in der Ratssitzung am 11. und 12. Januar dem Rat der EKD ein Vorschlag des Synodalausschusses vorgelegt werden. Der Kirchenkanzlei könne kein Vorwurf gemacht werden, wenn sie bestrebt war, zur Innehaltung dieser Termine beizutragen. Auf Vorschlag von Herrn Landesbischof D. Lilje trat der Ausschuß zunächst in die Beratung des Entwurfes C ein, der mit den aus der Anlage ersichtlichen Abänderungen in § 5 angenommen wurde. Der Begriff „Diakonischer Beirat“ soll beibehalten werden. Auch der Begriff „Diakonat“ in § 1, der alle Werke christlicher Liebestätigkeit umfaßt, soll im Hinblick auf Artikel 15 der Grundordnung stehenbleiben. Hiernach wurden die Entwürfe A und B für ein neues Hilfswerkgesetz besprochen. Der Ausschuß entschied sich einmütig dafür, den Entwurf A zugrunde zu legen, zumal auch der Ordnungsausschuß des Hilfswerks, der in Aschaffenburg eingesetzt wurde und über dessen Tätigkeit Pfarrer Dr. Ziegler berichtete, den Entwurf A angenommen hat. Nach eingehender Beratung wurde der Entwurf mit einigen Änderungen angenommen. (Vergl. Anlage). Die Änderungen bezogen sich auf § 1 Absatz 2, § 1 Absatz 5, § 4 Absatz 1 und 2, unter Hinzufügung eines neuen Absatzes 3. Der Hauptteil von § 4 Absatz 2 über die bisherigen Wirtschaftsunternehmungen soll aus dem Gesetz entfernt und als besonderer Synodalbeschluß formuliert werden. (Vergl. Anhang I des Gesetzentwurfes). Ebenso soll der bisherige § 9 über die Freikirchen aus dem Gesetz herausgenommen und als besonderer Synodalbeschluß gefaßt werden. (Vergl. Anhang II).

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19. Sitzung Potsdam, 11. und 12. Januar 1951

Der Synodalausschuß beschloß, die beiden Entwürfe A und C in der von ihm veränderten Fassung dem Rat der EKD in seiner Sitzung am 11. und 12. Januar in Potsdam zur Annahme zu empfehlen. Es soll dabei zum Ausdruck gebracht werden, daß der Synodalausschuß eine sachliche Lösung der Hilfswerkfragen für notwendig hält. Er bittet aber ebenso den Rat, einen Weg zu suchen, um die zukünftige Arbeit des um das Hilfswerk hochverdienten bisherigen Leiters in persönlichen Verhandlungen mit diesem sicherzustellen. Falls eine weitere Sitzung des Synodalausschusses nötig werden sollte, soll Herr Prälat D. Hartenstein gebeten werden, den Vorsitz zu führen. In eiligen Fällen soll über Ort und Zeit einer Sitzung eine Verständigung zwischen dem stellvertretenden Ratsvorsitzenden und dem Präsidenten der Kirchenkanzlei in Hannover stattfinden. Für die Niederschrift: (gez.) D. Brunotte

19E3. Schreiben Gerstenmaiers an die Ratsmitglieder, an die Mitglieder des Synodalausschusses für die Fragen des Hilfswerks und der Inneren Mission und an die Landeskirchenleitungen. Stuttgart, 29. Januar 1951 F: EZA Berlin, 2/5125 (H). Betrifft: Hilfswerkgesetz Das von der Kirchenkanzlei am 18. Januar erlassene Rundschreiben Nr. 281/1 gibt mir Veranlassung auf folgendes hinzuweisen: 1. Entgegen meiner dringenden, wohlbegründeten Bitte hat sich der Herr Präsident der Kirchenkanzlei nicht entschlossen, die Sitzung des Synodalausschusses um kurze Zeit zu vertagen. Die Beratungen und der Beschluss des Synodalausschusses vom 9. 1. 51, die zur Vorlage eines Gesetzentwurfs für die Neuordnung des Hilfswerks an den Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland geführt haben, sind keineswegs mit der weitgehenden Übereinstimmung aller in der Vorarbeit beteiligten Stellen gefasst, sondern in Abwesenheit und ohne die Möglichkeit der Beteiligung des Leiters des Hilfswerks und der im besonderen auch seitens des Rates mit den Fragen des Hilfswerks (Gesamtwerk) befassten Persönlichkeiten entschieden worden. Ganz dahingestellt lasse ich, ob der Synodalausschuss, der für die Fragen der Koordination des Hilfswerks und der Inneren Mission bestellt worden ist, ermächtigt und geeignet ist, einen Gesetzentwurf für das Hilfswerk vorzulegen.

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2. Die vorgelegten Entwürfe übergehen folgende, wie ich meine, entscheidenden Fragen: a) Die Synode hat zu entscheiden, ob das Hilfswerk der Evangelischen Kirchen in Deutschland ein Organ oder eine sonstige Funktion der Evangelischen Kirche in Deutschland darstellt. Die vorgelegten Entwürfe bejahen diese Frage, indem sie das Recht der gesetzgeberischen Ordnung einschliesslich sämtlicher Kontrollen durch die Synode voraussetzen. Beide Entwürfe unterlassen es aber, in irgendeiner Weise verbindlich festzustellen, dass die Evangelische Kirche in Deutschland nicht nur das Recht hat, ihr Hilfswerk zu ordnen, sondern dass sie damit auch die unabweisbare Pflicht übernimmt, den Zentralorganen des Hilfswerks die erforderlichen Mittel zu gewähren bezw. durch Ausfallgarantien die kontinuierliche Durchführung der den Hilfswerkorganen übertragenen Aufgaben sicherzustellen. Es ist unmöglich, dass ein gesetzgebendes Organ der Kirche ausschliesslich Rechte beansprucht, ohne die jedem gesetzgebenden Organ damit auch zufallende Pflicht der finanziellen Sicherung mitzuübernehmen. Beide Entwürfe sind Scheinlösungen; wenn sie diese Frage nicht aufnehmen und in einer befriedigenden, gesetzlich verankerten Weise lösen. b) Gegen beide Entwürfe habe ich unter Berufung auf die Grundordnung der Evangelischen Kirche in Deutschland den Einwand zu erheben, dass sie hinter dieser Grundordnung zurückbleiben. Das Bekenntnis jeder einzelnen Gliedkirche der Evangelischen Kirche in Deutschland verpflichtet jede Kirche übereinstimmend zur wirksamen diakonischen Zusammenarbeit. Es ist auch deshalb nicht einzusehen, warum in dem Gesetz der EKD über ihr Hilfswerk der blosse Zweckbegriff der Arbeitsgemeinschaft an die Stelle der Grunddefinition der EKD als eines „Bundes lutherischer, reformierter und unierter Kirchen“ treten soll (Art. I). Die Bekenntnisse aller christlichen Kirchen verweisen zumindest im Gebiet des Diakonischen zwingend auf Einheit und Gemeinsamkeit. Warum soll ausgerechnet in diesem Gebiet nunmehr eine Distanzierung im Bereich der EKD erfolgen, die weder theologischkirchlich, noch organisatorisch-technisch sachgerecht begründet werden kann? Die Behauptung des Präsidenten der Kirchenkanzlei, dass das seitherige Hilfswerkgesetz den „tatsächlichen Verhältnissen rechtlich“ angepasst werden müsse, ist weder im Blick darauf noch im Blick auf Artikel 6 der Grundordnung haltbar. An die Stelle einer echten föderalistischen Gliederung, wie sie die seitherige Ordnung des Hilfswerks darstellt, soll offensichtlich ein leistungsunfähiger Scheinzusammenhang gesetzt werden, der weder sachgemäss funktionieren noch gesamtkirchlich vertreten werden kann. c) Die Entwürfe in ihrer vorliegenden Gestalt geben jedenfalls zu erkennen, dass einstweilen nicht nur wesentliche innerkirchliche Vo-

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raussetzungen für die endgültige Regelung des Hilfswerks fehlen, sondern dass auch über die diakonischen Aufgaben und Möglichkeiten des deutschen Protestantismus weder zureichende Einsicht noch Übereinstimmung bestehen. Im Blick auf die unserer Gesamtkirche heute und morgen nach wie vor gestellten diakonischen und sozialen Aufgaben vermag ich die innere Berechtigung zu einem Vorgehen, wie es die Entwürfe empfehlen, nicht anzuerkennen. Während gerade in diesen Monaten andere Werke und Institutionen – wie z. B. die Römische Kirche es soeben durch die Schaffung ihres zentralen „Kirchlichen Hilfswerks“ getan hat – ihre Gliederungen und Kräfte energisch zusammenfassen, um mindestens auf Bundesebene als möglichst starke Partner wirksam zu werden, scheint es in den vorliegenden Entwürfen darauf anzukommen, gerade das Organ, das seinen Aufgaben nach auf Einheit und wirkungsvolle Zusammenarbeit angewiesen ist, weiter zu parzellieren und inaktiv zu machen. d) Wenn den bestehenden Grunderfordernissen eines Hilfswerks der EKD von Seiten der gesamtkirchlichen Organe nicht sachgemässer Rechnung getragen werden sollte, halte ich mich für verpflichtet, darauf hinzuweisen, dass es dann besser und gerechter wäre, das Hilfswerk der Evangelischen Kirchen in Deutschland auf der nächsten Synode zur Auflösung zu bringen. Es müsste dann freien Kräften überlassen bleiben, innerhalb der Gesamtkirche die aktuellen und zukünftigen Aufgaben des Hilfswerks etwa im Rahmen eines Evangelischen Hilfswerks e. V. aufzugreifen und weiterzuführen. Damit wäre dann allerdings der in einer ernsten Stunde der deutschen Geschichte und Kirchengeschichte unternommene Versuch, den diakonischen Dienst der Kirche in einer notvollen Welt auf der Linie Wicherns und Löhes zu gestalten, wiederum gescheitert. Auf keinen Fall vermöchte ich meinerseits Massnahmen zuzustimmen, die dieses Scheitern mit einer Scheinlösung besiegeln und vertuschen würden. 3. Für sachlich unvertretbar muss gehalten werden der dem Entwurf A des Synodalausschusses angefügte Entwurf I für einen Synodalbeschluss über die Loslösung der wirtschaftlichen Unternehmungen des Hilfswerks. Die Leitung des Hilfswerks hat zwar nicht aus zwingenden sachlichen Erfordernissen, wohl aber um dem Wunsch innerhalb des Rates und anderer kirchlicher Gremien entgegenzukommen, einer Loslösung der wirtschaftlichen Unternehmungen unter der Voraussetzung zugestimmt, dass dafür eine zweckmässige Form gefunden werden kann, die die Erträgnisse dieser Unternehmungen unbeeinträchtigt von steuerlichen Vorschriften dem Hilfswerk weiterhin zugute kommen lässt. Die Vorlage des Rates schafft dafür diskutable Voraussetzungen. Allerdings bedarf die vorliegende Fassung noch einer weiteren Präzisierung.

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4. Ich bedaure, dass das dem Synodalausschuss nach meiner Erinnerung von der Synode eigentlich gestellte Thema, nämlich die Vorbereitung und Schaffung einer durchgreifenden Koordination zwischen Innerer Mission und Hilfswerk, zu keinem überzeugenderen Ergebnis geführt hat als es der dem Schreiben der Kirchenkanzlei weiter beigefügte Entwurf eines Gesetzes über den Diakonischen Beirat darstellt. So wie die Dinge nunmehr stehen, ist der Diakonische Rat – schon im Namen als „Beirat“ disqualifiziert – nicht mehr als ein Gremium, in dem ganz ungleiche Partner zu letztlich unverbindlichen oder im Zweifelsfall nur das Hilfswerk bindenden Gesprächen zusammentreten. Solange nicht die rechtlichen Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass auch die Werke der Inneren Mission, insbesondere der Centralausschuss für die Innere Mission der Deutschen Evangelischen Kirche die Beschlüsse dieses Gremiums bindend anerkennen, bleibt auch dieser Versuch einer planvollen Kooperation eine Scheinlösung. Ich bedaure, dass der mit überwiegender Mehrheit von Seiten der Inneren Mission besetzte Synodalausschuss in seiner letzten Sitzung sich nicht mit dieser Kernfrage der Neugestaltung der diakonischen Arbeit im Gesamtbereich unserer Kirche weiter befasst hat, sondern sich statt dessen für kompetent gehalten hat, seinen Entwurf eines Hilfswerkgesetzes vorzulegen, ohne auch nur die Anhörung der Leitung des Hilfswerks zu ermöglichen. 5. Ungeachtet dieser grossen Erschwerungen halte ich mich für verpflichtet, auf eine sachgerechte Lösung hinzuarbeiten. Die Leitung des Hilfswerks wird deshalb folgendes unverzüglich veranlassen: a) Dem Finanzausschuss des Hilfswerks wird in seiner Sitzung am 5. Februar ein Rahmenplan über die Ausgliederung der sogenannten wirtschaftlichen Unternehmungen vorgelegt werden. Davon betroffen sind: 1. die Veredelungswirtschaft GmbH, 2. die Gemeinnützige Siedlungsgesellschaft des Hilfswerks der Evangelischen Kirchen mit ihrer Beteiligung an 3. den Sozialwerken GmbH, 4. die Aufbaugemeinschaft Espelkamp GmbH, 5. die Matthias-Film-GmbH, 6. die Evangelische Verlagswerk GmbH b) diesem Schreiben wird beigefügt der Entwurf eines Gesetzes über die Neuordnung des Hilfswerks der Evangelischen Kirchen in Deutschland, wie er nach sorgfältiger Überprüfung der sachlichen Notwendigkeiten von hier vertreten wird74. Der Entwurf geht mit einer Rah-

74 Vgl. 19E4.

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meninformation gleichzeitig an die Herren Bevollmächtigten und Hauptgeschäftsführer des Hilfswerks. c) Zwischen dem Herrn Vorsitzenden des Rates, dem Herrn stellvertretenden Vorsitzenden des Verwaltungsrats des Hilfswerks und dem Leiter des Hilfswerks ist eine Besprechung der Fragen für Mitte Februar vereinbart. d) Von der Einladung des Herrn Vorsitzenden des Rates zur Teilnahme an der Anfang März stattfindenden Kirchenkonferenz werde ich Gebrauch machen und dort die von meinen Mitarbeitern und mir niedergelegten Vorschläge zur Neugestaltung des Hilfswerks vertreten. gez. Dr. Gerstenmaier

19E4. Entwurf des Zentralbüros des Hilfswerks für ein Kirchengesetz zur Ordnung des Hilfswerks der EKD. [Stuttgart, 29. Januar 1951] F: EZA Berlin, 2/5125 (H; Anlage zu 19E3). Nach Artikel 15 Absatz 3 der Grundordnung der Evangelischen Kirche in Deutschland wird das Hilfswerk der Evangelischen Kirche in Deutschland getragen von der Evangelischen Kirche in Deutschland, den Gliedkirchen und ihren Gemeinden. Es dient dem kirchlichen Wiederaufbau sowie der Linderung und Behebung der Notstände der Zeit. Das Hilfswerk ist eine Einrichtung der Kirche in der Erfüllung ihres diakonischen Auftrags, wie er in Artikel 15 Absatz 1 der Grundordnung umschrieben ist. Es ist in allen Organen berechtigt, das Hilfswerkszeichen zu führen. Zur Ordnung des Hilfswerks hat die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland das folgende Gesetz erlassen: §1 (1) Die Leitung des Hilfswerks im Bereich der einzelnen Gliedkirche obliegt der zuständigen Kirchenleitung. Vor dem Erlass einer gesetzlichen Regelung ist der diakonische Rat zu hören; bereits geltende gesetzliche Bestimmungen sollen auf seinen Antrag überprüft werden. Der Diakonische Rat kann Richtlinien für eine gesetzliche Regelung aufstellen. (2) Die Abgrenzung der Aufgaben des Hilfswerks von denen anderer kirchlicher Organe und Werke erfolgt in den Gliedkirchen durch deren kirchenleitendes Organ. (3) Die zur Durchführung der Tätigkeit der gliedkirchlichen Hilfswerke nötigen Mittel werden in den Gliedkirchen nach näherer Bestimmung

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der kirchenleitenden Organe durch Kirchensteuern, Sammlungen, Opfer und Spenden der Gemeindemitglieder aufgebracht. (4) Die Hilfswerke der Gliedkirchen führen die Bezeichnung „Hilfswerk . . .“ mit einem auf den Namen der Gliedkirche deutenden Zusatz. §2 (1) Im Gesamtbereich der Evangelischen Kirche in Deutschland sind die Hilfswerke der Gliedkirchen und die Hilfskomitees der verdrängten Ostkirchen unter dem Namen „Das Hilfswerk der Evangelischen Kirche in Deutschland“ zusammengefasst. (2) Wenn die Verhältnisse es erfordern, können für einzelne Teile der Evangelischen Kirche in Deutschland besondere Arbeitsgemeinschaften des Hilfswerks gebildet werden. (3) Die Organe des Hilfswerks der Evangelischen Kirche in Deutschland sind: der Hilfswerkausschuss der Verwaltungsrat der Konvent der Hilfskomitees das Zentralbüro. §3 (1) Das Hilfswerk der Evangelischen Kirche in Deutschland hat die ausschliessliche Zuständigkeit dafür, 1. bei allen Notständen in und ausserhalb Deutschlands, soweit eine Hilfeleistung der Kirche in Betracht kommt, Hilfsaktionen zu planen und nach den Beschlüssen der zuständigen Organe ins Werk zu setzen; 2. den gliedkirchlichen Hilfswerken unmittelbar Anregungen für ihre Arbeit zu geben, den Austausch von Erfahrungen zu fördern und Arbeitsmaterial, insbesondere für die gemeinsame Werbung, zusammenzustellen, um auf diese Weise zugleich der Festigung und Vertiefung der Gemeinschaft unter den Gliedkirchen zu dienen; 3. die gemeinsamen Anliegen der gliedkirchlichen Hilfswerke im Inland bei Verhandlungen mit Organen des Staates, öffentlich-rechtlichen Körperschaften oder Verbänden zu vertreten, deren Zuständigkeit über den Bereich der einzelnen Länder hinausreicht; 4. die Evangelische Kirche in Deutschland und ihre Gliedkirchen gegenüber ausländischen Kirchen, namentlich gegenüber dem Weltrat der Kirchen, in allen Fragen der Diakonie zu vertreten und sich nach den Beschlüssen der zuständigen Organe an den dabei geplanten übernationalen Hilfsaktionen zu beteiligen.

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5. Aufgaben zu bearbeiten, die über das Gebiet eines gliedkirchlichen Hilfswerks hinausgehen. (2) Die gliedkirchlichen Hilfswerke oder einzelne von ihnen können dem Hilfswerk der Evangelischen Kirche in Deutschland mit Zustimmung des diakonischen Rates einzelne Aufgaben übertragen, sofern deren finanzielle Durchführung gesichert ist. §4 (1) Das Hilfswerk der Evangelischen Kirche in Deutschland unterhält keine eigenen Anstalten und Heime. (2) Eine Beteiligung des Hilfswerks an wirtschaftlichen Unternehmungen bedarf der Genehmigung des Verwaltungsrates. §5 (1) Der Hilfswerkausschuss fördert in gemeinsamer Beratung, gegebenenfalls durch Erlass von Richtlinien, die Durchführung der in § 3 Absatz 1 gestellten Aufgaben des Hilfswerks. Er beschliesst über die Aufbringung der für die Arbeit des Hilfswerks erforderlichen Mittel, insbesondere über die Höhe der gliedkirchlichen Umlagen (§ 8 Absatz 1), im Rahmen eines Haushaltsplanes. In jeder Sitzung erstattet der Leiter des Zentralbüros einen Bericht über den Stand der Arbeit. (2) Dem Hilfswerkausschuss gehören als stimmberechtigte Mitglieder an: 1. der Vorsitzende des Rats der Evangelischen Kirche in Deutschland als Präsident, 2. eines der beiden Mitglieder des Rats der Evangelischen Kirche in Deutschland, welche dem Diakonischen Rat angehören, als ständiger Stellvertreter, 3. die Bevollmächtigten der Gliedkirchen für die gliedkirchlichen Hilfswerke, welche Mitglieder der Leitung der Gliedkirchen sein sollen, 4. der Leiter des Zentralbüros, 5. der Präsident des Centralausschusses für die Innere Mission der Deutschen Evangelischen Kirche oder ein von ihm beauftragter Vertreter, 6. zwei von der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland für die Dauer von zwei Jahren gewählte Laienvertreter, die wirtschaftsund finanzsachverständig sein sollen und für die die Synode gleichzeitig zwei ständige Stellvertreter wählt, 7. ein Mitglied des Konvents der Vorsitzenden und Hauptgeschäftsführer der Hilfskomitees des Hilfswerks der Evangelischen Kirche in Deutschland, das dieser Konvent bestimmt.

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(3) An den Sitzungen des Hilfswerkausschusses nehmen der Leiter der Kirchenkanzlei und der Leiter des Kirchlichen Aussenamtes mit beratender Stimme teil; sie können sich vertreten lassen. (4) Der Hilfswerkausschuss wird nach Bedarf, mindestens jedoch einmal im Jahr, von seinem Präsidenten, im Falle seiner Behinderung von seinem Stellvertreter, einberufen. Die Einberufung muss erfolgen, wenn die Vertreter von wenigstens fünf gliedkirchlichen Hilfswerken oder der Diakonische Rat oder der Leiter des Zentralbüros es beantragen. Der Einladung ist eine Tagesordnung beizufügen. (5) Der Hilfswerkausschuss ist beschlussfähig, wenn wenigstens 20 Mitglieder versammelt sind. Beschlüsse werden mit einfacher Mehrheit gefasst; bei Stimmengleichheit gibt der Präsident den Ausschlag. (6) Die Reisekosten für die Teilnehmer an den Sitzungen des Hilfswerkausschusses tragen die entsendenden Stellen. Für die Teilnehmer zu Absatz 2 Ziffer 1, 2 und 6 trägt die Kosten die Kasse der Evangelischen Kirche in Deutschland. (7) Der Hilfswerkausschuss soll sich eine Geschäftsordnung geben. §6 (1) Der Verwaltungsrat überwacht die Geschäftsführung des Hilfswerks der Evangelischen Kirche in Deutschland. Er führt die Aufsicht über die Geschäftsführung des Zentralbüros, genehmigt den Haushaltsplan und erteilt die Entlastung über die Jahresrechnung. Er kann jederzeit einen Bericht des Leiters des Zentralbüros verlangen, die Bücher und sonstigen schriftlichen Unterlagen einsehen und den Vermögensstand überprüfen. Er kann hiermit einzelne Mitglieder oder besondere Sachverständige beauftragen. (2) Dem Verwaltungsrat gehören an: 1. der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland als Vorsitzender, 2. sein ständiger Stellvertreter im Hilfswerkausschuss als stellvertretender Vorsitzender, 3. drei vom Hilfswerkausschuss gewählte Bevollmächtigte der gliedkirchlichen Hilfswerke, 4. die beiden von der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland gewählten Mitglieder des Hilfswerkausschusses. (3) Der Leiter des Zentralbüros und der Leiter der Kirchenkanzlei nehmen mit beratender Stimme an den Sitzungen des Verwaltungsrates teil. (4) Der Verwaltungsrat wird nach Bedarf, mindestens jedoch drei Mal im Jahr, von seinem Vorsitzenden, im Falle seiner Behinderung von seinem Stellvertreter, einberufen. Die Einberufung muss erfolgen, wenn

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wenigstens drei Mitglieder es beantragen. Der Einladung ist eine Tagesordnung beizufügen. (5) Der Verwaltungsrat ist beschlussfähig, wenn wenigstens fünf Mitglieder versammelt sind. Beschlüsse werden mit einfacher Mehrheit gefasst; bei Stimmengleichheit gibt der Vorsitzende den Ausschlag. Bei schriftlicher Abstimmung sind alle Mitglieder des Verwaltungsrates zu befragen. (6) Ausser den an anderer Stelle dieses Gesetzes vorgesehenen oder sonst durch Beschlüsse des Hilfswerkausschusses noch zu bestimmenden Fällen bedarf der Leiter des Zentralbüros der Zustimmung des Verwaltungsrates zur Vornahme folgender Geschäfte: 1. zu Erwerb, Veräusserung, Belastung, Mietung oder Vermietung, Pachtung oder Verpachtung von Grundstücken oder grundstücksgleichen Rechten, 2. zur Aufnahme von Anleihen, die nicht aus Mitteln des laufenden oder des folgenden Rechnungsjahres zurückerstattet werden können, und die Uebernahme von Sicherheitsleistungen hierfür, 3. zur Bewilligung ausserplanmässiger Mittel, 4. zur Bestimmung der Abschlussprüfer. §7 (1) Der Leiter des Zentralbüros führt die Geschäfte des Hilfswerks der Evangelischen Kirche in Deutschland im Rahmen des § 3 dieses Gesetzes nach den kirchlichen Ordnungen, den Beschlüssen des Hilfswerkausschusses und den Richtlinien des Diakonischen Rates. (2) Der Leiter des Zentralbüros wird vom Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland auf Vorschlag des Hilfswerkausschusses berufen. Er vertritt das Hilfswerk gerichtlich und aussergerichtlich. (3) Die leitenden Mitarbeiter werden vom Leiter des Zentralbüros mit Zustimmung des Verwaltungsrates berufen. Ihre Berufung in ein Beamtenverhältnis erfolgt auf Vorschlag des Leiters nach Zustimmung des Verwaltungsrates durch den Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland. Zur Anstellung nichtständiger Sachbearbeiter und des Büropersonals ist der Leiter des Zentralbüros im Rahmen des Haushaltsplanes berechtigt. (4) Urkunden, die Dritten gegenüber eine Verpflichtung des Hilfswerks oder die eine Vollmacht enthalten, sind namens des Zentralbüros von dessen Leiter, im Falle seiner Behinderung von seinem ständigen Stellvertreter zu vollziehen. Sie sind ausserdem mit dem Dienstsiegel zu versehen. Damit wird festgestellt, dass der zugrundeliegende Beschluss den gesetzlichen Bestimmungen gemäss gefasst ist.

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§8 (1) Ausgaben des Haushaltsplans, die durch andere Einnahmen nicht zu decken sind, werden von den gliedkirchlichen Hilfswerken durch Umlagen aufgebracht. Zur Deckung des etwaigen Umlagefehlbetrags eines gliedkirchlichen Hilfswerks ist die betreffende Gliedkirche verpflichtet und soweit diese keine Zahlungen leistet die Evangelische Kirche in Deutschland. (2) Ueber Einnahmen und Ausgaben, über Vermögen und Schulden, wird nach den Grundsätzen der doppelten Buchführung Rechnung gelegt. Die Rechnungslegung wird durch einen Ausschuss geprüft, den der Verwaltungsrat einsetzt. (3) Das Vermögen des Hilfswerks der Evangelischen Kirche in Deutschland ist ein Sondervermögen der Evangelischen Kirche in Deutschland. Es dient ausschliesslich und unmittelbar kirchlichen, sozialen, mildtätigen und gemeinnützigen Zwecken. §9 (1) Hilfswerke kirchlicher Gemeinschaften, die dem Weltrat der Kirchen angehören oder angehören können, haben die Möglichkeit, in eine diakonische Gemeinschaft mit dem Hilfswerk der Evangelischen Kirche in Deutschland einzutreten. Die hierüber getroffenen Vereinbarungen bedürfen der Zustimmung des Hilfswerkausschusses und der Bestätigung durch den Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland. (2) Die Hilfswerke der Freikirchen sind berechtigt, je einen Vertreter in den Hilfswerkausschuss und gemeinsam einen Vertreter in den Verwaltungsrat zu entsenden. § 10 Dieses Gesetz tritt mit dem heutigen Tage in Kraft. Das Kirchengesetz zur vorläufigen Ordnung des Hilfswerks der Evangelischen Kirche in Deutschland vom 13. Januar 1949 (Amtsblatt der Evangelischen Kirche in Deutschland Nr. 40) tritt ausser Kraft. Der Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland

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19E5. Vertrauliches Schreiben Unckels an Merzyn. Marburg, 8. Januar 1951 F: EZA Berlin, 2/3321 (O). Ich komme heute zu Beginn des neuen Jahres zunächst mit sehr herzlichen Wünschen für Euch und Euer Haus. Dabei erinnere ich mich dankbar, daß Ihr der Bruderschaft schon einmal für die Arbeit des Ordenshauses Assenheim durch einen Zuschuß von RM 5.000,–, den Ihr aus Mitteln der E.K.i.D. bereit stelltet, einen unschätzbaren Dienst erwiesen habt. Bei dieser Gelegenheit möchte ich ganz bescheiden anfragen, ob die EkiD in der Lage wäre, uns nach dem Währungsschnitte, der ja auch unsere Mittel auf ein Minimum zusammenschrumpfen ließ, für die Arbeit im Ordenshaus einen Beitrag wieder leisten könnte, wie sie das schon in dankenswerter Weise wiederholt getan hat. Ich bitte Euch aber sehr brüderlich, diese Bitte nicht als Bettelei von uns aufzufassen, sondern dies zu verstehen als einen wirklichen Notruf, den ich in meiner Eigenschaft als Schatzmeister und Diakon der Bruderschaft vorzutragen wage. Wir haben uns zwar in den letzten Jahren nach der Währungsreform schlecht und recht durchgeschlagen, sind aber nun doch in eine betrübliche Enge gekommen. Die Vollübernahme der Wirtschaft des Ordenshauses, die bis zum 31. 12. 1949, wie Euch ja bekannt ist, vom Evang. Hilfswerk zum Teil getragen wurde, hat an unsere finanzielle Kraft erhebliche Anforderungen gestellt. Dazu kommt, dass der Rektor des Hauses, Bruder Schumann, durch seinen Gesundheitszustand genötigt war, eine ständige Hilfe für die Arbeit in der ihm zugewiesenen Gemeinde Bönstadt in Anspruch zu nehmen. Wenn wir auch das hauptamtliche Rektoramt für das Ordenshaus zum 30. Sept. d. J. zunächst aufheben wollen, so bleibt doch für uns die Verpflichtung gegenüber Bruder Schumann bestehen; es bleibt nun die große Frage, ob wir das Ordenshaus überhaupt weiter durchhalten können. Hierüber soll in der Ratstagung vom 27.–28. d. Mts. in Assenheim Beschluss gefasst werden. Wenn die Möglichkeit bestehen würde, daß Ihr uns einen ähnlichen Zuschuß wie im Jahr 1947/48 geben könntet, wären wir in der Lage, bei äußersten Einsparungen das Ordenshaus wenigstens weiter zu führen, bis sich die Verhältnisse mehr stabilisiert haben. Mir scheint es in der gegenwärtigen Situation für die Bruderschaft dringend notwendig, daß wir das Ordenshaus, wenn auch im beschränkten Umfang weiter führen. Und ich wage deshalb, die Bitte um eine finanzielle Beihilfe an Euch weiterzugeben. Ich brauche Euch wohl nicht darauf hinzuweisen, daß ich die Lage nur Euch gegenüber so offen behandele, und auf der anderen Seite um vertrauliche Behandlung bitte. Ich würde gern einen entsprechenden Antrag nach Eurem Vorschlag an die E.K.i.D. über Euch weiterleiten, wenn Ihr dies für richtig und

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notwendig haltet. Da der Termin der Ratstagung in allernächste Nähe gerückt ist, wäre ich Euch dankbar, Eure Antwort für bald erwarten zu dürfen. Mit sehr herzlichen Grüßen und in treuer Verbundenheit bin ich Euer Heinrich Unckel [m. p.]

19E6. Schreiben der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche der Altpreußischen Union an den Vorläufigen Schiedsgerichtshof der EKD. Berlin, 21. März 1951 F: EZA Berlin, 2/937 (O). Betrifft: Bitte um Begutachtung einer Rechtsfrage. Gemäss Artikel 32 der Grundordnung der Evangelischen Kirche in Deutschland bitten wir um Begutachtung der sich aus folgender Darstellung ergebenden Rechtsfrage: Der am 19. März 1891 geborene ehemalige Pfarrer Johannes Lehmann Aburi, jetzt in Erlenbach (Main), Lindenstr. 16, war bis zum 1. Juli 1941 fest angestellter Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde Frauenwald, Kirchenkreis Schleusingen, in der Kirchenprovinz Sachsen der Evangelischen Kirche der altpreussischen Union. Zu diesem Zeitpunkt hat er zur Vermeidung eines Lehrbeanstandungsverfahrens auf Grund des altpreussischen Kirchengesetzes betreffend das Verfahren bei Beanstandung der Lehre von Geistlichen vom 16. März 1910 (KGVBl. S. 37) (Lehrbeanstandungsgesetz) auf die Rechte des geistlichen Standes verzichtet und ist nach Annahme des Verzichtes durch den Evangelischen Oberkirchenrat in Berlin aus seinem Amt ausgeschieden. Vom Zeitpunkt seines Ausscheidens, also vom 1. Juli 1941 ab hat ihm der Evangelische Oberkirchenrat auf Grund der Bestimmungen des Lehrbeanstandungsgesetzes (§§ 17,15) ein Jahrgeld in Höhe des Betrages gewährt, der ihm im Falle einer zu diesem Zeitpunkte stattfindenden Versetzung in den Ruhestand zugestanden hätte. Auf die Zahlung dieses Jahrgeldes hat Lehmann-Aburi nach den angeführten Bestimmungen einen Rechtsanspruch. Dieser Anspruch richtet sich gegen die Evangelische Kirche der altpreussischen Union, nachdem die im § 15 des Lehrbeanstandungsgesetzes genannten Pfarrerversorgungskassen nach der Inflation im Jahre 1923 stillgelegt worden sind und die Erfüllung der sie treffenden Verpflichtungen von den an den Kassen beteiligten Landeskirchen übernommen worden ist. Am 25. August 1941 ist Lehmann-Aburi in Verfolg der weltanschaulichen

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Haltung, die ihn zum Verzicht auf die Rechte des geistlichen Standes bewogen hatte, aus der Kirche ausgetreten. Trotz Kenntnis dieses Sachverhalts hat ihm der damalige Evangelische Oberkirchenrat das Jahrgeld nicht entzogen. Es ist bis zum staatlichen Zusammenbruch im Jahre 1945 weiter an ihn gezahlt worden. Damals wohnte Lehmann-Aburi schon in Erlenbach. Er hat sich in Unkenntnis der Bestimmungen nicht in die Ostpfarrerversorgung der westlichen Gliedkirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland aufnehmen lassen, sondern geglaubt, den Anspruch auf das Jahrgeld weiterhin bei dem Evangelischen Oberkirchenrat in Berlin oder dem Evangelischen Konsistorium in Magdeburg geltend machen zu müssen. Unter dem 13. September 1948 richtete er ein Gesuch um Wiederaufnahme der Jahrgeldzahlungen an den Evangelischen Oberkirchenrat. Bei den hierauf angestellten Ermittlungen wurde sein Kirchenaustritt erneut festgestellt. Dies führte zur Prüfung der Frage, ob ihm das Jahrgeld nunmehr entzogen werden müsse. Bevor eine endgültige Entscheidung hierüber ergehen konnte, teilte Lehmann-Aburi jedoch mit, dass er wieder in die Kirche eingetreten sei. Die zur Entscheidung über die Entziehung des Jahrgeldes zuständige Disziplinarkammer beim Evangelischen Oberkirchenrat hat daraufhin entschieden, dass das Jahrgeld nicht zu entziehen ist. In der Anlage überreichen wir eine Abschrift der Entscheidung der Disziplinarkammer beim Evangelischen Oberkirchenrat vom 30. November 1949. Auf ihren Inhalt nehmen wir Bezug. Die Entscheidung ist rechtskräftig, weil nach dem in der Evangelischen Kirche der altpreussischen Union geltenden Recht ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung der Disziplinarkammer beim Evangelischen Oberkirchenrat über die Entziehung des Jahrgeldes nicht gegeben ist (§ 15 Abs. 5 des Lehrbeanstandungsgesetzes, Art. 158, Abs. 2 Ziff. 1 der Verfassungsurkunde für die Evangelische Kirche der altpreussischen Union vom 29. September 1922, § 2 der Verordnung zur Regelung der den Rechtsausschüssen zugewiesenen Befugnisse vom 17. Mai 1939 – Gesetzblatt der Deutschen Evangelischen Kirche, S. 64). Auf Grund der rechtskräftigen Entscheidung steht fest, dass LehmannAburi nach wie vor einen gesetzlichen Anspruch auf Zahlung des Jahrgeldes gegen die Evangelische Kirche der altpreussischen Union hat. Der Anspruch ist seiner rechtlichen Natur nach ein Versorgungsanspruch. Lehmann-Aburi gehört also zu den Versorgungsberechtigten der Evangelischen Kirche der altpreussischen Union. Als Versorgungsberechtigter ehemaliger Geistlicher in der jetzigen Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen, die Gliedkirche der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Evangelischen Kirche der altpreussischen Union ist, gehört Lehmann-Aburi nach unserer Auffassung zu den „Versorgungsempfängern aus Landeskirchen der Sowjetzone“, die in die Ostpfarrer-Versorgung der westlichen Gliedkirchen der EKD auf-

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genommen sind, und die nach den Richtlinien der Kirchenkanzlei vom 1. Dezember 1949 – Abl. EKD, Heft 12, Nr. 218 (Ziff. I 1) – in Verbindung mit den Richtlinien des Rates der EKD vom 6. September 1948 zu versorgen sind. Der Bayerische Pfarrerverein in Nürnberg, der im Bereich der für Lehmann Aburi zuständigen Bayerischen Landeskirche die Ostpfarrerversorgung übernommen hat, ist bereit, die entsprechenden Zahlungen an Lehmann-Aburi zu leisten, falls die Kirchenkanzlei in Hannover Zustimmung zur Aufnahme Lehmann-Aburis in den zwischen den westlichen Gliedkirchen bestehenden Finanzausgleich erteilt. Die Kirchenkanzlei hat diese Zustimmung jedoch nach wiederholter Einholung der Stellungnahme des Finanzbeirats der Evangelischen Kirche in Deutschland nicht gegeben. Sie steht auf dem Standpunkt, dass Lehmann-Aburi nicht unter die Ostpfarrerrichtlinien falle, weil er infolge des Verlustes der Rechte des geistlichen Standes nicht mehr Pfarrer sei. Nachdem auch der Rat der EKD davon abgesehen hat, auf Grund der von ihm erlassenen Ostpfarrerrichtlinien die Kirchenkanzlei anzuweisen, der Aufnahme Lehmann-Aburis in die Ostpfarrerversorgung der westlichen Gliedkirchen zuzustimmen, sehen wir uns genötigt, den vorläufigen Schiedsgerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland um die Begutachtung der Rechtsfrage zu bitten, ob Lehmann-Aburi unter die genannten Richtlinien des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland fällt und dementsprechend zu versorgen ist. Zur Begründung unserer Auffassung, dass Lehmann-Aburi in die Ostpfarrerversorgung der westlichen Gliedkirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland aufzunehmen ist, verweisen wir darauf, dass er aktiver Pfarrer in der Kirchenprovinz Sachsen gewesen ist und aus diesem Amt als ehemaliger Pfarrer der Evangelischen Kirche der altpreussischen Union den in Form der Zahlung eines Jahrgeldes zu erfüllenden Versorgungsanspruch gegen die Evangelische Kirche der altpreussischen Union erworben hat. Auch Geistliche im Ruhestande, die zweifellos nach den Ostpfarrerrichtlinien zu versorgen sind, sind dem Wortlaut nach nicht mehr Pfarrer gemäss § 1 der Ostpfarrerrichtlinien vom 6. September 1948. Sie haben nur die Rechte des geistlichen Standes behalten, während Lehmann-Aburi diese Rechte durch seinen Verzicht im Sinne des § 17 des Lehrbeanstandungsgesetzes verloren hat. Hierauf kann es aber nach dem Sinn und Zweck der Ostpfarrerichtlinien nicht ankommen, weil dieser Zweck darin zu finden ist, dass die Betreuung aller aus einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Kirche versorgungsberechtigten Personen aus dem Osten sichergestellt werden sollte. Dass Fälle wie der vorliegende nicht besonders erwähnt sind, liegt daran, dass sie ausserordentlich selten sind. Es ist die offenkundige Absicht des Lehrbeanstandungsgesetzes, Geistliche, welche im Rahmen dieses Gesetzes aus dem Pfarramt ausscheiden, zwar von der Betätigung im geistlichen Amte auszuschliessen, sie aber

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nicht den ehemaligen Geistlichen gleichzustellen, welche im Disziplinarverfahren ohne Versorgungsanspruch aus dem Dienst entfernt worden sind oder ohne Versorgungsanspruch auf die Rechte des geistlichen Standes verzichtet haben. Das Jahrgeld, das auf Grund der §§ 15 und 17 des Gesetzes den wegen Lehrabweichung ausgeschiedenen Geistlichen zu gewähren ist, hat den Charakter einer Ruhestandsversorgung, nicht den einer gnadenweise gewährten Demeritenhilfe. Dass die Ostpfarrerrichtlinien nicht einen begrenzten Kreis von Versorgungsberechtigten, sondern alle Versorgungsempfänger im Sinne der obigen Ausführungen erfassen wollen, und dass dies von der Kirchenkanzlei selbst so aufgefasst worden ist, ergibt sich im übrigen aus Ziffer I 1 der Richtlinien vom 1. Dezember 1949, wo schlechthin von Versorgungsempfängern die Rede ist. Die ablehnende Stellungnahme der Kirchenkanzlei bedeutet überdies, dass eine rechtskräftige Entscheidung der Disziplinarkammer beim Evangelischen Oberkirchenrat als des zuständigen Kirchengerichts unserer Kirche von der Kirchenkanzlei nicht als verbindlich behandelt wird. Eine solche Nichtanerkennung ist auch aus allgemeinen Erwägungen nicht tragbar. Auf die von den westlichen Gliedkirchen im Rahmen der Ostpfarrerversorgung gegebenen Unterstützungen haben die Empfänger zwar keinen rechtlich begründeten Anspruch. Die Gewährung der Unterstützungen unterliegt aber doch nicht dem freien Ermessen im Einzelfalle. In der Form der von ihnen angenommenen Ostpfarrerrichtlinien haben sich die westlichen Gliedkirchen selbst eine Ordnung und die Grundsätze gegeben, nach denen die Unterstützungen zu zahlen sind. An diese Grundsätze sind die westlichen Gliedkirchen und vor allem auch die Kirchenkanzlei gebunden. Es handelt sich nicht um eine gesetzliche Bindung, weil die Ostpfarrerrichtlinien kein Kirchengesetz sind, aber doch um eine rechtliche Bindung, weil die Ostpfarrerversorgung auf Vereinbarungen beruht, die die westlichen Gliedkirchen unter Beteiligung der Evangelischen Kirche in Deutschland untereinander getroffen haben und denen durch die Ostpfarrerichtlinien Inhalt und Ordnung gegeben worden ist. Das führt dazu, dass jede Ausserachtlassung der Richtlinien im Einzelfalle aufseiten des Empfängers als Unbilligkeit empfunden werden muss. Im übrigen ist die Hilfe, die die westlichen Gliedkirchen durch die Ostpfarrerversorgung leisten, nicht nur zu Gunsten der Empfänger der gewährten Unterstützungen, sondern auch zu Gunsten der Kirchen, aus denen sie stammen und gegen die sie einen Versorgungsanspruch haben, bestimmt. gez. D. Dr. Dibelius

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19E7. Schreiben der Kirchenkanzlei an den Vorsitzenden des Schiedsgerichtshofs der EKD. Hannover, 12. Mai 1951 F: EZA Berlin, 2/937 (Abschrift). Betr.: Antrag der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche der Altpreußischen Union auf Erstattung eines Rechtsgutachtens in Sachen LehmannAburi. Zu dem vorgenannten Antrag der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche der Altpreussischen Union nehmen wir wie folgt Stellung: 1. Nach § 5 Absatz 1 Sch.G.H.-Ges. vom 13. 1. 1949 (Abl. vom 15. 2. 1941 S. 25f.) kann der vorläufige Schiedsgerichtshof nur durch verbindlichen Schiedsspruch entscheiden. Nur wenn es sich um eine Frage des Bekenntnisses handelt, ist ein Schiedsspruch ausgeschlossen und statt dessen auf Antrag beider Parteien die Erstattung eines Rechtsgutachtens zulässig (§ 5 Absatz 2 Sch.G.H.-Ges.). Dieser Fall liegt hier nicht vor. Der Antrag der Altpreussischen Kirchenleitung ist daher als unzulässig zu verwerfen. 2. Voraussetzung für die Gewährung einer Ostpfarrerunterstützung ist, dass der Bewerber P f a r r e r , K i r c h e n b e a m t e r o d e r K i r c h e n g e m e i n d e b e a m t e r ist. Dass nur dieser Personenkreis für die Gewährung einer Ostpfarrerunterstützung in Frage kommt, ergibt sich schon aus der Entstehungsgeschichte der Ostpfarrerhilfe. Die Ostpfarrerhilfe ist eine Massnahme amtsbrüderlicher Nothilfe. Sie ist von den westlichen Landeskirchen ins Leben gerufen worden, um den durch den Krieg und seine Folgen unverschuldet in Not geratenen Pfarrern und Kirchenbeamten zunächst nur aus den abgetrennten Ostgebieten und seit 1948 auch aus den Gliedkirchen in der sowjetischen Besatzungszone zu helfen. Eine Ausdehnung der Ostpfarrerhilfe auf weitere Personen, die früher in einem Arbeitsverhältnis zur Kirche gestanden haben, ist von Anfang an abgelehnt worden. Die Ausdehnung des Personenkreises m u s s t e abgelehnt werden, weil sie die westlichen Kirchen vor Aufgaben gestellt hätte, denen diese finanziell nicht gewachsen waren. Die Begrenzung des Kreises der Osthilfe-Berechtigten auf Pfarrer und Kirchenbeamte kommt im Sprachgebrauch der Ostpfarrer-Bestimmungen auch unmissverständlich zum Ausdruck. Die Hilfe der westlichen Landeskirchen zugunsten der kirchlichen Mitarbeiter aus dem Osten ist stets O s t p f a r r e r -Betreuung, O s t p f a r r e r -Versorgung, O s t p f a r r e r -Hilfe genannt worden. Bereits die Ostpfarrer-Verordnung des Rates der EKD vom 21. 6. 1946 (Abl. vom 22. 7. 46 und 11. 12. 46 Ziffer 10) beginnt in Ziffer 1 mit einer Begriffsbestimmung der Bezeichnung „Ostpfarrer“, die – in Verbindung mit Ziffer 8 – die vorgesehene Verordnung

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ausdrücklich auf Pfarrer und Kirchenbeamte beschränkt. Die Richtlinien des Rates der EKD für den Finanzausgleich unter den Landeskirchen hinsichtlich der finanziellen Versorgung der Ostpfarrer vom 25. 1. 1947 (Abl. vom 1. 2. 1947 S. 7f.) begrenzen in den Ziffern II und III 3 den Kreis der Berechtigten ebenfalls auf Pfarrer und Kirchenbeamte. Endlich umreissen die Richtlinien des Raten der EKD zur Regelung der rechtlichen Verhältnisse der Ostpfarrer und ihrer Angehörigen vom 6. 9. 1948 (Abl. vom 31. 8. 1948 S. 133ff.) in § 1 den Kreis der Osthilfe-Berechtigten abschliessend wie folgt: „1. ‚Ostpfarrer‘ im Sinne dieser Richtlinien sind alle Pfarrer einschliesslich der von der Bekennenden Kirche eingewiesenen Pfarrer und Hilfsprediger (nicht festangestellte Geistliche nach bestandenem II. Examen), der Vereins- und Anstaltsgeistlichen, der Strafanstaltsgeistlichen usw., die vor dem Zusammenbruch zuletzt östlich der Oder-Neisse-Linie oder in einer volksdeutschen Kirche Ost- und Südosteuropas im aktiven kirchlichen Dienst standen, und die ihre bisherige Stellung im kirchlichen Dienst ohne ihre Versorgungsansprüche durch den Krieg und seine Folgen verloren haben. ... 3. Die Bestimmungen dieser Richtlinien über Ostpfarrer sind auf Kirchenbeamte und Kirchengemeindebeamte entsprechend anzuwenden.“ Nur die Richtlinien zur Regelung der den Ostpfarrern und ihren Angehörigen zu gewährenden Versorgungsbezüge vom 1. 12. 1949 (Abl. vom 15. 12. 1949 S. 242) sprechen an einer Stelle – und zwar in der Parenthese in Ziffer I 1 – von „in die Ostpfarrer-Betreuung aufgenommenen Versorgungsempfängern aus Landeskirchen der Sowjetzone“. Mit diesem Ausdruck ist der Kreis der Osthilfe-Berechtigten nicht erweitert worden. Das ergibt sich schon daraus, dass die Richtlinien vom 1. 12. 1949 von dem Gesamtbereich der Ostpfarrer-Versorgung lediglich das Teilgebiet der Höhe und Berechnungsweise der Ostpfarrer-Bezüge regeln, während sie die Richtlinien vom 6. 9. 1948 und damit die Definition des Ostpfarrer-Begriffes nicht berühren und somit unverändert lassen. Dass in Ziffer I 1 der Richtlinien vom 1. 12. 1949 nicht schlechthin alle in Westdeutschland lebenden Versorgungsberechtigten aus Gliedkirchen in der Sowjetzone gemeint sind, ergibt sich ferner daraus, dass vor dem Ausdruck „Versorgungsempfänger“ die Worte „in die Ostpfarrer-Betreuung aufgenommenen“ eingefügt sind. Endlich lässt eine Betrachtung der Ziffer I 1 in ihrer Gesamtheit ohne weiteres erkennen, dass hier mit dem Ausdruck „Versorgungsempfänger“ nicht ein neues Begriffsmerkmal geschaffen, sondern lediglich eine Wiederholung der Worte „unter die Ostpfarrer-Richtlinien fallenden Empfänger von Ostpfarrerversorgung“ vermieden werden sollte. L e h m a n n - A b u r i hat seinerzeit auf die Rechte des geistlichen Standes

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verzichtet. Er ist nicht mehr Pfarrer. Die Voraussetzungen der Ostpfarrer-Richtlinien sind somit in seinem Falle nicht erfüllt. Der Hinweis der Altpreussischen Kirchenleitung darauf, dass auch die Ruhestandsgeistlichen nicht mehr Pfarrer seien, greift nicht durch. Die Ruhestandsgeistlichen sind immerhin „Pfarrer i. R.“, während LehmannAburi überhaupt nicht die Rechte des geistlichen Standes besitzt. Lehmann-Aburi kann daher nicht in die Ostpfarrerhilfe aufgenommen werden. Eine gegenteilige Entscheidung würde dazu verpflichten, anderen Personen, die die Voraussetzung der Ostpfarrer-Richtlinien nicht erfüllen – z. B. früheren kirchlichen Angestellten aus den Ostgebieten –, ebenfalls eine Unterstützung zu gewähren. Ein solches Verfahren ist von den Landeskirchen nicht beabsichtigt. Selbst wenn Lehmann-Aburi die Voraussetzungen der Ostpfarrer-Richtlinien erfüllen würde, wären die westlichen Landeskirchen nicht verpflichtet, ihn in die Ostpfarrerhilfe aufzunehmen. Es trifft zu, dass die Ostpfarrer-Bestimmungen den Zweck haben, die Gewährung der Ostpfarrer-Unterstützungen zu ordnen und sicherzustellen, dass gleichliegende Fälle gleichmässig behandelt werden. Den Ostpfarrer-Bestimmungen ist aber bewusst die Form von R i c h t l i n i e n gegeben worden. Die Landeskirchen wollten sich auf diese Weise die Möglichkeit offenhalten, in einzelnen Fällen oder in bestimmten Gruppen von Fällen oder in allen Bedarfsfällen ihres Bereichs von den Bestimmungen abzuweichen. Diese Absicht der Landeskirchen ist, da es sich bei der Ostpfarrerhilfe um eine caritative Massnahme handelt, als berechtigt anzuerkennen. Sie ist dadurch, dass die Ostpfarrer-Bestimmungen in Form von Richtlinien erlassen worden sind, auch erreicht. Die Landeskirchen sind somit berechtigt, einzelne Bewerber von der Aufnahme in ihre Betreuung auszuschliessen. Bei der Prüfung der Aufnahmegesuche sind die Landeskirchen frei. Sie sind an Ermittlungen und Feststellungen, die von anderen Dienststellen und Instanzen in Bezug auf den Bewerber getroffen worden sind, nicht gebunden. Im vorliegenden Falle hat die Landeskirche aus der Entscheidung der Disziplinarkammer beim EOK Berlin vom 30. 11. 1949, obwohl diese Entscheidung zu einem für den Beschuldigten günstigen Ergebnis gelangt ist, den Eindruck gewonnen, dass Lehmann-Aburi der Gewährung einer Ostpfarrerunterstützung nicht würdig ist. Die Landeskirchen lehnen daher die Aufnahme Lehmann-Aburis in die Ostpfarrerhilfe ab. In Vertretung: gez. Dibelius [jr.]

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19E8. Schreiben des Landeskirchenamtes Kiel an die Kirchenkanzlei. Kiel, 5. Januar 1951 F: EZA Berlin, 17/94 (Abschrift). Die Frage der Hauptgeschäftsstellen der Hilfskomitees ist hier längere Zeit überlegt worden. Sie musste der Vollsitzung vorgetragen werden, so dass wir erst heute antworten. Wir bitten dieserhalb um Nachsicht. Unseres Erachtens ist die Lage der Hauptgeschäftsstellen dadurch grundlegend verändert, dass einerseits die säkulare Arbeit an den Heimatvertriebenen, andererseits die eigene landeskirchliche Flüchtlingsarbeit sie stark in den Hintergrund gedrängt haben. Das Übergewicht der säkularen Arbeit, das eine weitgehende bedenkliche Politisierung der Ostvertriebenen nicht hat verhindern können, obwohl die Landsmannschaften ihrerseits immer ihre parteipolitische Neutralität verkündigt haben, ist keine gesunde Entwicklung. Es ist zu bedauern, dass es dem Evangelischen Hilfswerk nicht möglich gewesen ist, die Hilfskomitees wirtschaftlich lebens- und leistungsfähig zu erhalten. Damit hat die Kirche die Führung in der gesamten Arbeit an den Heimatvertriebenen, die sie zunächst inne hatte, verloren. Durch die bereits beschlossene Liquidierung der Hauptgeschäftsstellen der Hilfskomitees tritt sie gänzlich zurück und überlässt die grossen Entscheidungen auf diesem Gebiet den säkularen und politischen Gewalten. Auch ein etwas erweiterter Ostkirchenausschuss wird das nicht hindern können, da der Weg zu den Heimatvertriebenen unstreitig über ihre alten Bindungen geht; die landeskirchliche Arbeit hat ihre eigenen Gesetze und natürliche Grenzen und wird in die grossen Entscheidungen auf diesem Gebiet nicht hinübergreifen. Das Schreiben der Kirchenkanzlei stellt die Landeskirchen vor die Frage, ob die Hauptgeschäftsstellen der Hilfskomitees während ihrer Liquidation, die in dem neuen Rechnungsjahre erfolgen soll, noch einen letzten Zuschuss erhalten sollen. Wir fürchten, dass nicht alle Kirchenleitungen einer solchen Vorlage zustimmen werden. Da die für die einzelnen Hilfskomitees vom Ostkirchenausschuss eingesetzten Minimalbeträge eine noch weitere Kürzung nicht vertragen würde, [würde] der Ausfall auch nur weniger Landeskirchen diese ganze Sonderumlage zwecklos machen. Es ist bekannt, dass Schleswig-Holstein die grösste Zahl der Heimatvertriebenen beherbergt, dass die Landeskirche aber wirtschaftlich schwer zu tragen hat. Unsere Landessynode hat sich der Arbeit an den Heimatvertriebenen angenommen, und gerade die Schwächung der Hilfskomitees hat sie veranlasst, eine eigene landeskirchliche Arbeit an den Heimatvertriebenen aufzubauen. Das Interesse der Landeskirche hat sich stark dieser eigenen landeskirchlichen Arbeit zugewandt. Sie ist natürgemäss eine seel-

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sorgerliche und bemüht sich um den Einzelnen. Ihre Aufgaben waren besonders durch die Umsiedlung, die Heimkehrer, die Lage in den Lagern, die besonderen wirtschaftlichen Nöte in unserm Lande bestimmt. Auf dem grossen Lebens- und Tätigkeitsbereich der Heimatvertriebenen hat sich für unsere Gemeinden und ihr Blickfeld die säkulare und politische Bewegung derart vorgedrängt, dass unsere Gemeinden für eine besondere Umlage zugunsten der Hauptgeschäftsstellen, noch dazu auf dem Wege zu ihrer Auflösung kaum ansprechbar wären. Wir würden bei einer Verhandlung in der Landessynode vor die Frage gestellt werden, aus welchen Gründen die beschlossene Auflösung nicht schon zum 1. April 1951 erfolgt und welchen Sinn die Aufrechterhaltung einer Arbeit, die doch eingestellt werden soll, für ein Jahr noch haben kann und ob man einen positiven Ertrag sich von ihr unter diesen Voraussetzungen versprechen könnte. Unseres Erachtens ist der ganzen Angelegenheit mit einer negativen Stellungnahme nicht gedient. An der Tatsache, dass die Arbeit an den Heimatvertriebenen sich vor allem auf das landsmannschaftliche Gebiet verlagert hat, kann nicht vorübergegangen werden. Es ist nicht mehr möglich, eine kirchliche Arbeit neben der weltlichen zu erhalten. Darum erscheint es dringend an der Zeit, die kirchliche Arbeit in die der landsmannschaftlichen Verbände einzugliedern. Die Hilfskomitees müssten ihre Hauptgeschäftsstellen, ihre Kräfte und ihre Aufgaben den Landsmannschaften nahebringen etwa in der Form, dass sie als Arbeitsgebiete im Rahmen der landsmannschaftlichen Tätigkeit fortgesetzt und erhalten bleiben. Noch würde auf Seiten der Landsmannschaften eine freudige Bereitschaft für ein solches Miteinander bestehen. Noch könnten wir einer völligen Säkularisierung wehren. Noch könnten die Hilfskomitees eine mittragende Kraft darstellen. Es ist zu befürchten, dass eine noch mehr dezimierte kirchliche Arbeit bald keinen Wert mehr für die säkularen Verbände darstellt. So ist es unsere Meinung, in dieser Richtung einem völligen Erliegen der gesamtkirchlichen Arbeit an den Heimatvertriebenen zu wehren, und schon jetzt die Hauptgeschäftsstellen der Hilfskomitees für die Arbeit der Landsmannschaften und umgekehrt zu öffnen, zumal diese für die Zukunft auf eine nicht geringe Unterstützung der öffentlichen Hand wird rechnen können. Eine Mitverantwortung an den Dingen der Landsmannschaften erscheint uns wesentlicher als eine von ihnen gesonderte kirchliche Arbeit in Hauptgeschäftsstellen, die nicht leben können und sowieso bald sterben sollen. Im Auftrage:

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19E9. Schreiben des Reformierten Kirchenausschusses Marburg/Lahn an den Rat der EKD. Marburg, 20. November 1950 F: EZA Berlin, 2/2093 (D). Sehr geehrter Herr Oberkirchenrat! Auf Ihr Anheimgeben, unsere Beschwerden und Anklagen im einzelnen zu spezialisieren, antworten wir hiermit: 1. Herr K i r c h e n r a t D r . R i t t e r hat bald nach seiner Einführung und Verpflichtung als r e f o r m i e r t e r Pfarrer mit katholischen Berneuchener Bräuchen angefangen trotz dem Verbot des reformierten Kirchenvorstandes vor 1933. Nach 1933 hat er öffentlich und im Kreise von etwa 50, später 100, höchstens mal 150 Anhängern seiner Berneuchener Privatgemeinde seine, der reformierten Kirchenordnung und Agende widersprechenden Gottesdienste, von einem fast nur aus seinen Anhängern bestehendem Kirchenvorstand nicht gehindert, weiter ausgebaut. Statt persönlich zum Luthertum überzutreten und sich an eine nicht reformierte Kirche versetzen zu lassen, hat er bald nach dem Einrücken der Amerikaner auch mit Messelesen, Totenmessen, Feiern von Heiligentagen und Bruderschaften begonnen. Ohne der Anregung des ersten in Treysa abgehaltenen deutschen Kirchentages zu folgen und die ref. Gemeinde in eine evangelische (natürlich mit ihrem alten Bekenntnis und Brauch!) umzuwandeln, hat er 1946 seinen Kirchenvorstand durch unrichtige Angaben über einen angeblich drohenden Verlust der lutherischen Elisabethkirche an den Katholizismus zum Übertritt zum orthodoxen Luthertum bewogen, trotzdem die Präambel der kurhessischen Kirchenordnung ausdrücklich sagt, daß bei Vereinigung von Gemeinden die Bekenntnisse unberührt bleiben. Die Abstimmung des damaligen Kirchenvorstandes ist auch ungültig nach § 15 der obigen Kirchenordnung, wonach die neu eintretenden Mitglieder des Kirchenvorstandes geloben müssen, ihr Amt nach dem Wort Gottes und der Ordnung d i e s e r (reformierten) Gemeinde zu führen, also ohne katholische Bräuche! Weiter hat Herr Pfarrer Dr. Ritter in einer von nur etwa 30 Mitgliedern (bei 7.000! Reformierten der ref. Gemeinde Marburg) besuchten Gemeindeversammlung auch den drohenden Verlust der Elisabethkirche zur Begründung angeführt und trotz Widerspruch von 3 Mitgliedern keine abgezählte Abstimmung vorgenommen, kein Protokoll machen, verlesen, annehmen und unterschreiben lassen. Damit hat Pfarrer Dr. Ritter die 300 Jahre alte ref. Gemeinde an der Universitätskirche in Marburg zerstört, ohne daß die Kirchenregierung ihn gehindert hätte. 2. Der D e k a n D r . S c h i m m e l p f e n g , lutherisch, hat im luth. Kirchenvorstand ebenfalls die unwahre Behauptung des drohenden Verlustes der

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Elisabethkirche gebraucht und in einer langen Aussprache mit dem unterzeichneten Ref. Ausschuß sich darauf herausgeredet, er hätte dabei an Gefahren von kommunistischer Seite gedacht. Diese war nach Einrücken der Amerikaner nicht vorhanden und daß zwei so kluge Männer denselben abwegigen Grund zur Erreichung ihrer Zwecke ohne Verabredung zu gemeinsamem Vorgehen brauchen, wird – falls wir noch das weltliche Gericht mit eidlicher Vernehmung von Angeklagten und Zeugen anrufen müssen, auch der harmloseste Staatsanwalt nicht glauben. Ferner hat der damalige Herr Pfarrer Dr. Schimmelpfeng laut Mitteilung des Amtsgerichtes Marburg vom 12. 6. 50 den reformierten Anteil an dem gemeinsam erbauten Philippshaus (Gemeindehaus) 1946 auf die lutherische Gemeinde überschreiben lassen und statt des uns vom Bischof versprochenen niederhessischen (reformierten) Pfarrers einen luth. Pfarrer (Frommhold) mit der Betreuung der Reformierten beauftragt, auch angeordnet, daß die Reformierten statt in ihre alte Kirche in die luth. Elisabethkirche zum hl. Abendmahl gehen sollten. Der luth. Kirchenvorstand hat unter Vorsitz des damaligen Pfr. Dr. Schimmelpfeng die Bitte, einen der vielen Räume des Philippshauses der sich unter dem vom Reformierten Bund uns zur Hilfe geschickten Herrn Pfarrer Graeber aus Essen, sich neu bildenden ref. Gemeinde, zu einer Adventsfeier abgeschlagen, angeblich einstimmig. Dagegen bekamen die Katholiken wegen Instandsetzung ihrer Kirche die lutherische Pfarrkirche wochenlang. Der luth. Kirchenvorstand hat auch unter Superintendent Schmidmann, später Dekan Dr. Schimmelpfeng, der ref. Gemeinde die Kirche, 2 Pfarrhäuser, den Anteil am Philippshaus und den damaligen Barbestand von 150.000,– RM weggenommen, sich also unter Vorspiegelung falscher Tatsachen (angeblicher Gefahr des Verlustes der Elisabethkirche) erhebliche Vermögensvorteile (mehrerer 100.000,– DM) verschafft. Herr P r o p s t P r o f . D . M a u r e r , lutherisch, hat trotz unseres Einspruches mündlich und schriftlich erklärt, die ref. Gemeinde sei so zerstört, daß [eine] neue Kirchenvorstandswahl nicht möglich sei. Diese unwahre Behauptung hat Propst Maurer offenbar auch dem Bischof vorgetragen, sonst hätte er die ref. Gemeinde nie auflösen dürfen. Noch heute nach vierjähriger Unterdrückung hat sie ca. 3.000 Mitglieder. Wohin die an der Zahl von 7.000 im Jahre 1945 fehlenden 4.000 gekommen sind, müßte vom Rat der Ev. Kirche in Deutschland oder im Notfall vom Staatsanwalt und Untersuchungsrichter ebenfalls gründlich untersucht werden. So viele Reformierte sind bestimmt nicht zum Luthertum übergetreten. In einem Fall wurde Widerspruch zwischen Personenstandsbogen und einem amtlichen Schreiben in der Konfessionsbezeichnung gefunden und die betreffende Stelle von uns vor „Urkundenfälschung“ gewarnt.

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Ferner hat Herr Propst Maurer sein bald nach der Zerstörung der ref. Gemeinde gegebenes Versprechen, viermal im Jahr reformiertes Abendmahl halten zu lassen, nicht eingehalten, trotzdem er schriftlich und mündlich auf diesen Bruch seines Versprechens aufmerksam gemacht wurde. Das schwere Dienstvergehen des lutherischen Herrn B i s c h o f D . W ü s t e m a n n sehen wir darin, daß er es nicht für nötig gehalten hat, die schwer glaublichen Behauptungen der oben genannten 3 Personen nachzuprüfen, daß er in genauer Kenntnis des der ref. Gemeinde angetanen Unrechts (s. Offener Brief an Bischof und Synode in der Kasseler Zeitung am 12. 11. 1949) noch nichts getan hat, uns unser Recht zu schaffen, daß er das in langer Aussprache mit dem ref. Ausschuß von ihm selbst gemachte Anerbieten, Herrn Kirchenrat Dr. Ritter als Pfarrer an der Universitätskirche abzuberufen und ihm einen anderen Auftrag zu geben, nicht gehalten hat, ebenso wenig das Versprechen, uns einen niederhessischen (ref.) Pfarrer zu geben, sondern den lutherischen Pfarrer Frommhold. Der Herr Bischof hat dann dem Herrn Prof. Smend in Göttingen gesagt, e r h a b e n i c h t g e w u ß t , daß Herr Pfr. Frommhold lutherisch sei. Endlich hat der Herr Bischof Artikel der politischen Verfassung des Landes Hessen, denen auch ein Bischof, Pröpste, Kirchenpräsident unterworfen sind, dauernd verletzt, besonders die Artikel 11 (Pressezensurverbot), 48; 136; 147, 150. Artikel 11 lautet: „Jedermann hat das Recht, seine Meinung frei und öffentlich zu äußern. Dieses Recht darf auch durch ein Dienstverhältnis nicht beschränkt werden und niemand darf ein Nachteil widerfahren, wenn er es ausübt.“ Art. 147:75 „Pressezensur ist unstatthaft“ (Kasseler Redakteure, Sonntagsblätter, Marburger Presse: „Widerstand gegen verfassungswidrig ausgeübte Gewalt (Fälle Pfr. Wessel, Rose und Studentenpfarrer Dr. Kohleik)76 ist jedermanns Recht und Pflicht.“ Wir haben vor Monaten Herrn Prälat Müller-Osten als Vertreter der erkrankten Herrn Bischof gewarnt, mit den laufenden Rechtsbrüchen der „Verfassung des Landes Hessen“ fortzufahren, wir müßten sonst den Schutz des Staates anrufen. Der Herr Bischof hat auch unter bedenklichen Maßnahmen (s. Beschwerde von Herrn Jakob Brunnet) der „Gleichschaltung und Umschaltung“ der ref. Hugenottengemeinde in Cappel-Frauenberg, sowie der gefährdeten, wenn nicht schon zerstörten ref. Hugenottengemeinden in Wetter, Todenhausen, Münchhausen, Wiesenfeld gegen den Willen der Gemeinde und ihrer Kirchenvorstände tatlos zugesehen. Herr Kirchenpräsident D r . J u n g ist beteiligt an der Zwangspensionierung von Herrn Pfarrer Wessel und der Mißbilligung von Herrn 75 „Art. 147“ wurde hsl. gestrichen. 76 Hsl. hinzugefügt wurde: „ist jedermanns Recht und Pflicht“.

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Pfarrer Rose wegen eines Artikels in der Reformierten Kirchenzeitung. Beide Herren haben der ref. Gemeinde in Marburg, die nach ihrer Zerstörung von allen, auch der dazu verpflichteten Kirchenregierung im Stich gelassen war, geholfen. Die Juristen im Landeskirchenamt müssen sicher, wie jeder Beamte, bei ihrem Dienstantritt einen Eid oder ein Gelübde ablegen. Das muß aber neutral sein, darf ihnen nicht das Recht geben in Fällen, wo der Bischof irrt, nach nationalsozialistischer Weise dem „Führer“ hier dem Bischof, gegen das Recht Gefolgschaft zu leisten und die klaren Artikel der politischen Verfassung des Landes Hessen zu mißachten. Früher ging Reichsrecht vor Landesrecht, also jetzt Landesrecht vor Kirchenrecht, besonders wenn die Kirchenregierung eine Konfession gegenüber der anderen so offensichtlich bevorzugt und z. B. statt der früher demokratischen Wahl der Superintendenten, heute Dekane, ihre autoritäre, diktatorische Ernennung durch den Bischof einführt. (S. Art. 150 der „Verfassung des Landes Hessen“) Art. 1 der Verfassung sagt, daß alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind. Das gilt nicht nur für Staatsanwälte und Richter, sondern auch für Kirchenjuristen, die, wenn ein Dekan oder Bischof in Rechtsfragen und in rechtlichem Denken nicht kapitelfest sind, genau so Einspruch zu erheben haben wie bei einem Pfr. (Wessel), zumal wenn dieser seinen ganzen Kirchenvorstand hinter sich hat und sich auf § 11 der Verfassung berufen kann. Die hessische ev. Kirche hat schon mehr als genug von der alten Anhänglichkeit und dem Respekt des Kirchenvolkes eingebüßt. Werden weiterhin Kirchengemeinden und Pfarrer, die treu an ihrem Bekenntnis und Gelübde hängen, ungerecht behandelt, so geht die hessische Kirche infolge Eitelkeit, Ehrgeiz und Machtsucht von Geistlichen höheren und niederen Grades verloren. Wie in der ev. Kirche in der Ostzone vor 50 Jahren der Kirchenbesuch, im Gegensatz zu Hessen, überaus kläglich war und vor der treu- und gewissenlosen Massenflucht von Pfarrern wird in weiteren 25 Jahren die evangelische Kirche ganz zerstört sein. Aber in Hessen wird man dann die jetzt regierende Klicke Berneuchener und logenähnlicher geheimnisvoller Michaelsbrüder als T o t e n g r ä b e r der alten hessischen Landeskirche und ihres Rechts bezeichnen müssen. Im Auftrage des „Reformierten Ausschusses“ mit vorzüglicher Hochachtung Josef Kürschner [m. p.]

20. Sitzung Hannover, 6. März 1951

20 Hannover, 6. März 1951 Ort: Beginn: Ende: Teilnehmer:

Dienstgebäude der Kirchenkanzlei, Böttcherstraße 7. Dienstag, 6. März 1951 (9.00 Uhr). Dienstag, 6. März 1951 (abends). Vom Rat: Dibelius, Hahn, Hartenstein, Heinemann, Herntrich, Kreyssig, Lilje, Mager, Meiser, Niemöller, Niesel, Smend. Von der Kirchenkanzlei: Benn, Merzyn, von Harling. Für das Kirchliche Außenamt: Schwarzhaupt. Für das Evangelische Hilfswerk: Gerstenmaier und Krimm1. Der Bevollmächtigte der EKD am Sitz der Bundesrepublik Deutschland Kunst_2. Protokollanten: Benn, Merzyn. 20A Vorbereitung der Sitzung

20A Vorbereitung der Sitzung 20A1. Schreiben des Ratsvorsitzenden an die Ratsmitglieder und die Mitglieder der Kirchenkonferenz. Berlin, 17. Januar 1951 F: EZA Berlin, 4/44 (H). Hiermit lade ich die Kirchenkonferenz a u f M i t t w o c h , d e n 7 . M ä r z 1 9 5 1 in das Dienstgebäude der Kirchenkanzlei in HannoverHerrenhausen, Böttcherstraße 7, ergebenst ein. Die Beratungen sollen morgens 9.30 Uhr beginnen. Gegenstand der Beratungen sollen in erster Linie die Gesetzentwürfe sein, welche der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland der Synode vorzulegen gedenkt, insbesondere 1 Anwesend nur bei TOP 7. Vgl. das Einladungsschreiben der Kirchenkanzlei an Krimm vom 24. Februar 1951. Krimm war für Dienstag, den 6. März 1951 ab 16.00 Uhr, eingeladen. Laut Tagesordnung sollte der ganze Nachmittag und Abend Fragen über die Neugestaltung des Hilfswerks vorbehalten sein (ADW BERLIN, ZB 56). 2 Ab Punkt 2 (11.00 Uhr) anwesend. Kunst sollte den Rat über die Art der Tätigkeit des Bevollmächtigten der EKD am Sitz der Bundesrepublik in Bonn unterrichten; vgl. das Schreiben Merzyns an Kunst vom 24. Februar 1951 (EZA BERLIN, 2/3206). Darüber hinaus war Kunst in seiner Funktion als Kuratoriumsvorsitzender der Evangelischen Sozialschule Friedewald eingeladen worden; vgl. das Schreiben Osterlohs an Merzyn vom 19. Februar 1951 (EBD.); vgl. auch 20B5.

20A Vorbereitung der Sitzung

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a) der Entwurf eines Kirchengesetzes über das Hilfswerk, b) der Entwurf eines Kirchengesetzes über den Haushaltsplan der Evangelischen Kirche in Deutschland für das Rechnungsjahr 1951. Falls die Erörterung weiterer Fragen gewünscht wird, bitte ich, der Berliner Stelle der Kirchenkanzlei möglichst bald hiervon Mitteilung zu machen. Wegen etwaiger Quartierwünsche bitte ich, mit der Kirchenkanzlei in Hannover in Verbindung zu treten. Wie verabredet, soll der Kirchenkonferenz am vorhergehenden Tage, also am D i e n s t a g , d e m 6 . M ä r z d . J s . , eine Sitzung des Rates vorangehen, zu der ich hiermit die Herren Mitglieder des Rates einlade. Die Beratungen sollen am 6. März um 9 Uhr beginnen und ebenfalls im Dienstgebäude der Kirchenkanzlei Hannover-Herrenhausen, Böttcherstr. 7, stattfinden. Am Abend des 7. März wird der Rat nach Beendigung der Kirchenkonferenz noch einmal zusammentreten müssen. Die Tagesordnung für die Sitzung des Rates werde ich mir erlauben noch mitzuteilen. gez. D. Dr. Dibelius.

20A2. Schreiben der Kirchenkanzlei an die Ratsmitglieder und die Mitglieder der Kirchenkonferenz. Hannover, 7. Februar 1951 F: NL Smend (H). Betr.: Nächste Tagungen des Rates und der Kirchenkonferenz. Bezug: Unser Rundschreiben Nr. 193.II (2. Ang.) vom 26. Januar 19513. I. Für die nächste Tagung des Rates (6. März und Abend des 7. März) sowie für die nächste Tagung der Kirchenkonferenz (7. März), die in unserem Dienstgebäude in Hannover stattfinden sollen, haben wir die aus der Anlage4 ersichtlichen Anmeldungen erhalten und entsprechend den uns mitgeteilten Wünschen die gleichfalls aus der Anlage ersichtlichen Hotelunterkünfte (nur Einzelzimmer) vermittelt. Für die Herren Mitglieder des Rates werden die Unterkünfte wie stets von uns unmittelbar bezahlt werden. 3 In dem Rundschreiben der Kirchenkanzlei an die Leitungen der deutschen evangelischen Landeskirchen vom 26. Januar 1951 waren die Teilnehmer der Kirchenkonferenz dazu aufgefordert worden, der Kirchenkanzlei ihre Quartierwünsche mitzuteilen (EZA BERLIN, 2/1707). 4 NL SMEND.

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Für die Herren Mitglieder der Kirchenkonferenz können wir wie bisher nur als Vermittler auftreten und die Unterkünfte nur in ihrem Namen und auf ihre Rechnung bestellen. Etwaige Abänderungs- oder Ergänzungswünsche bitten wir, uns unverzüglich mitzuteilen. II. Für die nächste Tagung der Synode und die damit im Zusammenhang stehenden Sitzungen des Rates und der Kirchenkonferenz in Hamburg bitten wir die Herren Mitglieder des Rates und der Kirchenkonferenz, schon jetzt ihre Quartierwünsche an das Landeskirchliche Amt für Gemeindedienst in Hamburg, Trostbrücke 4 (Fernruf 33 29 51), mitzuteilen, und zwar unter genauer Angabe der Namen der Tagungsteilnehmer, für die eine Quartiervermittlung erbeten wird, und der Nächte, für die ein Quartier besorgt werden soll, sowie etwaiger Unterkunftswünsche für Kraftführer und Kraftwagen. In Vertretung: gez. Dr. Merzyn Oberkirchenrat

20A3. Schreiben der Kirchenkanzlei an die Ratsmitglieder. Hannover, 8. Februar 1951 F: NL Smend (H). Betr.: Vorlagen für die Synode. I. Der Synode werden vom Rat folgende Vorlagen zu machen sein: 1) Rechenschaftsbericht des Rates gemäß Artikel 29 der Grund-Ordnung5, 2) Entwurf eines Kirchengesetzes über den Haushaltsplan und die Umlage6, 3) Entwurf eines Kirchengesetzes zur Ordnung des Evangelischen Hilfswerks innerhalb der Evangelischen Kirche in Deutschland7, 4) Entwurf eines Kirchengesetzes über den Diakonischen Beirat der Evangelischen Kirche in Deutschland8, 5) Entwurf eines Kirchengesetzes über den Vorläufigen Schiedsgerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland9, 5 6 7 8 9

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

HAMBURG 1951, S. 231–242. EBD., S. 293–305. EBD., S. 307–313. EBD., S. 319ff. EBD., S. 323f.

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6) Entwurf eines Beschlusses zur Änderung der Geschäftsordnung der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland10. II. Für die Vorlage 1.) (Rechenschaftsbericht) werden wir einen Entwurf in Kürze vorlegen. III. Für die Vorlage 2.) (Haushaltsgesetz) legen wir den Entwurf für das Kirchengesetz nebst einer Begründung sowie Erläuterungen zu den einzelnen Titeln des vom Rat bereits verabschiedeten Haushaltsplans hier bei11. IV. Die Vorlagen 3.) und 4.) (betr. Hilfswerk und Diakonischen Beirat) hat der Rat bereits in der endgültigen Fassung verabschiedet12. Den Entwurf einer Begründung hierzu werden wir noch vorlegen13. V. Die Vorlagen 5.) und 6.) legen wir im Entwurf hier bei. VI. Um rechtzeitig die Drucklegung und die Versendung aller Vorlagen an die Synodalen durchführen zu können, bitten wir, das Einverständnis des Rates mit den in der Anlage vorgelegten Fassungen annehmen zu dürfen, soweit wir nicht binnen zwei Wochen im Besitz einer anderen Nachricht sind. In Vertretung: gez. Dr. Merzyn Oberkirchenrat 20A4. Schreiben Dibelius’ an die Ratsmitglieder. Hannover, 22. Februar 1951 F: NL Smend (H). Für die nächste Ratssitzung, die entsprechend unserer Verabredung am Dienstag, den 6. März 1951, vormittags 9.00 Uhr im Dienstgebäude der Kirchenkanzlei in Hannover-Herrenhausen, Böttcherstr. 7 beginnen soll, sind bisher folgende Beratungsgegenstände vorgesehen: A. Vormittags: 1. Vorbereitung der Sitzung der Kirchenkonferenz (Der Vorsitzende) 2. Vorbereitung der Tagung der Synode (Präses Dr. Dr. Heinemann, Oberkirchenrat D. Dr. Herntrich, Oberkirchenrat v. Harling) 3. Der Bevollmächtigte des Rates in Bonn (Der Vorsitzende, Superintendent Kunst als Gast) 10 11 12 13

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

EBD., S. 325f. EBD., S. 287–304. 19C1 und 19C2. 19E1.

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4. Evangelische Sozialschule in Friedewald (Anerkennung ihrer Arbeit durch den Rat? Neuer Name „Evangelische Sozialakademie“ oder „Sozialakademie der Evangelischen Kirche“? Bitte des Rates an die Landeskirchen um finanzielle Zuschüsse?) (Superintendent Kunst als Gast) 5. Verschiedenes: a) Bestimmung eines neuen Zeitpunktes und Ortes für die übernächste Ratssitzung (mit Rücksicht auf die Vorverlegung des Evgl. Kirchentages) auf den 11.–15. Juli 1951 in Berlin) (Der Vorsitzende) b) Hilfsplan für die östlichen Gliedkirchen (vergl. Rundschreiben der Berliner Stelle der Kirchenkanzlei Nr. 601/51 vom 16. 2. 5114) (Dr. Benn) c) Versorgung der östlichen Gliedkirchen mit kirchlichem Schrifttum aus Westdeutschland (z. B. Kirchlichem Jahrbuch) (Dr. Merzyn) d) Berufung eines Kleinen Ausschusses zur Erarbeitung eines Entwurfes für die Neufassung des Anschlussgesetzes (Kirchenpräsident D. Niemöller) e) Notstandsbeihilfe für OKons. Rat i. R. Dr. Schönfeld (Kirchenpräsident D. Niemöller) f) Einladung der EKD nach Athen für Juni 1951 (Der Vorsitzende) B. Nachmittags ab 16.00 Uhr: Hilfswerkfragen (Prälat Dr. Hartenstein, OKons.Rat Dr. Gerstenmaier als Gast) Ich bitte die Herren Mitglieder des Rates, sich die Abende des 6. und 7. März 1951 für die Fortsetzung unserer gemeinsamen Beratungen freizuhalten. gez. D. Dr. Dibelius

14 Vgl. 20D4.

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20B Protokoll F: EZA Berlin, 2/1793 (H; den Ratsmitgliedern mit Schreiben vom 20. März 1951 übersandt). G: Mitschriften 1. Meiser (LKA Nürnberg, Meiser 140 [18]); 2. Smend (NL Smend); 3. Niesel (AEKR Düsseldorf, 6HA 002, Nr. 240 [9f.]). Niederschrift über die 20. Sitzung des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland am 6. März 1951 in Hannover-Herrenhausen. Anwesend:

ausserdem:

Alle Ratsmitglieder sowie Vizepräsident Dr. Benn, Oberkirchenrat Dr. Merzyn, Oberkirchenrat von Harling, Oberkirchenrätin Dr. Schwarzhaupt, Superintendent Kunst ab Punkt 2, sowie Oberkonsistorialrat Dr. Gerstenmaier und Pfarrer Dr. Krimm bei Punkt 7.

1. Der Bevollmächtigte des Rates in Bonn15: Nach eingehender Beratung16 wurde wie folgt beschlossen: a) Der vom Rat der Synode bereits vorgelegte Entwurf eines Kirchengesetzes über den Haushaltsplan der Evangelischen Kirche in Deutschland für das Rechnungsjahr 195117 soll auch hinsichtlich des Ausgabe-Kapitel II, Titel 11 unverändert bleiben; beim Stellenplan soll jedoch noch eine weitere A 1a-Stelle für den Bevollmächtigten des Rates erbeten werden. b) Für den Fall, dass die Synode die notwendigen Geldmittel und die erbetene A 1a-Stelle bewilligt18, will der Rat

15 Nach G 1 war Kunst „grundsätzlich bereit, seinen Dienst in Bonn wieder aufzunehmen“. Zum Fortgang vgl. 21B6, 22B10, 25B13. 16 Vgl. dazu G 2: „Bevollmächtigter der EKD in Bonn. Planstelle: Niemöller dagegen. Heinemann: Gehalt, Titel, Wohnung, Kraftwagen müssen geklärt werden. Dibelius: [. . .] Ministerialgehalt [. . .] verhandelt. Kreyssig: was wird bei Einheitsregierung in Berlin? Dibelius: Grüber ist als Propst untergebracht. Asmussen [sic!]: Bedenken“. 17 HAMBURG 1951, S. 287–307. 18 Die Hamburger Synode bewilligte dann zwei A 1a-Stellen für die Bevollmächtigten des Rates bei den Regierungen in Bonn und Ostberlin. Sie ermächtigte den Rat, zwecks Wohnungsbeschaffung für Kunst ein Darlehen in entsprechender Höhe aufzunehmen (HAMBURG 1951, S. 330).

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1) mit der westfälischen Kirche verhandeln mit dem Ziel, dass diese dem Superintendenten Kunst weiterhin seine Versorgungsansprüche belässt und dass die EKD die notwendigen Beiträge zur dortigen Versorgungskasse so lange zahlt, wie Superintendent Kunst im Dienst der EKD tätig ist; 2) mit Superintendent Kunst sich um eine Lösung bemühen, die ihm die erforderliche Bewegungsfreiheit gibt, deren finanzielle Bedingungen sich aber im Rahmen des von der Synode zu Ausgabe-Kapitel II, Titel 11 bewilligten Planansatzes19 erfüllen lassen und die es ermöglicht, notfalls das Verhältnis ohne Beschwer wieder zu lösen20. 2. Kriegsverbrecherprozesse: Der Rat nahm davon Kenntnis, dass Prälat Dr. Hartenstein dem amerikanischen Hohen Kommissar den Dank des Rates für die ausgesprochenen Begnadigungen zum Ausdruck gebracht hat.21 Dabei soll es sein 19 In einem Schreiben an Merzyn vom 27. März 1951 bat Kunst um Erläuterung dieses Beschlusses. Er hatte festgestellt, dass bei dem vorgesehenen Planansatz von 14.000,– DM nicht einmal die 8.400,– DM für sein Anfangsgehalt übrigbleiben würden. Als weitere Posten, die von der EKD zu zahlen waren, verwies er auf das Kindergeld, das Wohnungsgeld und die Abgaben an die westfälische Versorgungskasse (EZA BERLIN, 2/2423). Darauf antwortete Merzyn in einem Schreiben vom 28. März 1951, dass der bisherige Planansatz 73.000,– DM für beide Bevollmächtigten vorsehe (HAMBURG 1951, S. 296), dass die Kirchenkonferenz jedoch bereits in ihrer Stellungnahme eine Erhöhung um 5.000,– DM gefordert habe (HAMBURG 1951, S. 327). Die Hamburger Synode bewilligte am 4. April 1951 insgesamt 65.500,– DM für die laufenden und einmaligen Ausgaben der beiden Bevollmächtigten des Rates in Bonn und Ostberlin, ermächtigte aber den Rat, für Kunst ein Darlehen für die Beschaffung einer Wohnung aufzunehmen (vgl. ABlEKD 1951, Nr. 4 vom 15. April 1951, S. 94). 20 Kunst bat Merzyn auch um die Erläuterung dieses Satzes: „Es kann ja bei diesem Amte wie bei keinem anderen in der Kirche sehr leicht, besonders in den heutigen verwirrten Verhältnissen, der Fall eintreten, dass ohne Schuld des Rates und des Bevollmächtigten, es um des Dienstes willen notwendig ist, ihn abzulösen. Meint der Rat, ich solle das Risiko, das in diesem Amte liegt, dadurch vollständig allein tragen, dass ich jetzt alles aufgebe, was ich habe, oder will er sich nach der Ablösung des Bevollmächtigten an diesem Risiko beteiligen, und wie sieht diese Beteiligung praktisch aus?“ (EZA BERLIN, 2/2423). Merzyn machte gegenüber Kunst deutlich, dass das Risiko einer Lösung des Amtsverhältnisses mit Kunst keinesfalls von diesem allein getragen werden müsse, sondern dass man nach einer gemeinsamen Lösung suchen wolle, deren Bedingungen vorher mit Kunst schriftlich ausgehandelt werden sollten; vgl. das Schreiben Merzyns an Kunst vom 28. März 1951 (EBD.). 21 Am 31. Januar 1951 hatten HICOG und EUCOM das Ergebnis der Prüfung der Gnadengesuche von insgesamt 102 Landsberger Häftlingen veröffentlicht. Ihre Strafen waren z. T. erheblich gemindert worden. 21 von 28 zum Tode verurteilten Landsberger Häftlingen waren begnadigt worden. Mehr als ein Drittel der Begnadigten hatte Landsberg bereits Anfang Februar 1951 verlassen (vgl. N. FREI, Vergangenheitspolitik, S. 219). Dem waren die „Kriegsverbrecherdenkschrift“ der EKD, die am 21. Februar 1950 dem amerikanischen Hohen Kommissar, McCloy, überreicht worden war, und das von Dibelius und Niemöller an 13 europäische Länder, die Sowjetunion und die USA am 6. Dezember 1950 verschickte Amnestiegesuch vorausgegangen (vgl. dazu A. SILOMON, Protokolle 4, 10B22; 11B21;

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Bewenden behalten; es soll nichts hierüber veröffentlicht werden.22 Der Ratsvorsitzende wurde ermächtigt, gelegentlich mündlich den Dank des Rates nochmals zu wiederholen. 3. Tagung der Synode: a) Am Sonntag, den 1. April 1951 sollen um 10.00 Uhr der Eröffnungsgottesdienst in St. Petri und um 15.00 Uhr die Eröffnungssitzung im Hamburger Rathaus stattfinden23; nach den Eröffnungsformalitäten sollen zunächst die Grussworte der Gäste (höchstens 4)24 und sodann der Bericht des Ratsvorsitzenden entgegengenommen werden, an den sich gegebenenfalls noch eine Aussprache anschliessen kann25. Abends soll ein Empfangsabend stattfinden, falls der Senat der Hansestadt Hamburg dazu einladen sollte. b) Von Montag bis Donnerstag werden morgens um 9.00 Uhr eine Morgenandacht und um 18.30 Uhr Abendandachten mit Abendmahlsfeiern in St. Petri stattfinden. Die Sitzungen sollen täglich um 9.30 c. t. beginnen. c) Am Montag Vormittag soll die Sitzung mit dem Hauptreferat von Oberkirchenrat Professor D. Dr. Herntrich über den diakonischen Dienst beginnen26. Danach soll zunächst Prälat Dr. Hartenstein ein Korreferat27 halten und dabei zugleich den Bericht des Hilfswerkes

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18B10 und ABlEKD 1950, Nr. 12 vom 15. Dezember 1950, S. 334f.). Auch der bayerische Landesbischof Meiser hatte in mehreren Schreiben an McCloy um die Begnadigung der Landsberger Häftlinge gebeten; vgl. die Schreiben Meisers an McCloy vom 13. Dezember 1950 (EZA BERLIN, 2/250) und vom 6. Januar 1951 (Entwurf im: EZA BERLIN, 603/B13). Hartenstein berichtete dem Rat, dass das Amnestiegesuch des Rates vom 6. Dezember 1950 bei McCloy und Handy größte Aufmerksamkeit erregt habe. Auf sein Dankesschreiben (20E1) habe McCloy ihm geantwortet, dass er diese kirchliche Stimme zu seiner Entscheidung besonders dankbar empfinde (vgl. G 3). Damit verhielt sich der Rat entsprechend der Politik Adenauers, der die Öffentlichkeit weitgehend aus seinen Bemühungen um die Freilassung und Strafmilderung der Kriegsverbrecher heraushalten wollte (vgl. N. FREI, Vergangenheitspolitik, S. 197). Hinter dieser Politik stand die von der EKD geteilte Befürchtung, durch eine öffentliche Beschäftigung mit den Kriegsverbrecherprozessen, nationalistische und rechtsextreme Strömungen in der Bevölkerung zu fördern; vgl. dazu das Schreiben Rankes an Wahl vom 14. September 1951 (EZA BERLIN, 2/2492). HAMBURG 1951, S. 5. Nach den Grußworten von Präses Heinemann und des Hamburger Senators Landahl sprachen der Moderator der Generalversammlung der Kirche von Schottland, Prof. Watt, und Pastor Fliedner von der Evangelischen Kirche Spaniens (EBD., S. 9–17). EBD., S. 18–41. Die anschließende Aussprache über den Bericht von Dibelius wurde aus Zeitmangel und um den sonntäglichen Charakter des Tages zu wahren, auf den Vormittag der fünften Sitzung am Mittwoch, den 4. April 1951 (9.30 Uhr bis 13.00 Uhr), verschoben; vgl. EBD., S. 89–136. EBD., S. 43–54. Nach G 3 sollten keine Korreferate gehalten werden, sondern drei Hauptvorträge; vgl. dazu HAMBURG 1951, S. 44.

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sowie die Begründung zu dem vom Rat vorgelegten Entwurf eines Kirchengesetzes zur Ordnung des Evangelischen Hilfswerkes innerhalb der EKD geben28, während Landesbischof D. Dr. Lilje in seinem anschliessenden Korreferat einen Bericht der Inneren Mission sowie die Begründung zu dem vom Rat vorgelegten Entwurf eines Kirchengesetzes über den Diakonischen Beirat der Evangelischen Kirche in Deutschland geben soll29. d) Im übrigen soll der Montag der Aussprache über die Referate sowie der Einsetzung der notwendigen Ausschüsse vorbehalten bleiben30. e) Am Mittwoch müssen die Sitzungen statt im Rathaus im Curio-Haus stattfinden31. f) Der Schlussgottesdienst soll Donnerstag um 20.00 Uhr sein32. g) Eine Liste der Einzuladenden wurde festgestellt. An Stelle von Professor Dr. Ritter wurde Professor Franz Böhm (Frankfurt) zum ersten Stellvertreter und Professor Strasser (Rostock) zum zweiten Stellvertreter von Professor Raiser in die Synode berufen33. 4. Nächste Ratssitzungen: Mit Rücksicht auf die Vorverlegung des Evangelischen Kirchentages34 sollen die nächste Sitzung des Rates am 24./25. Mai in Saarbrücken35 und die übernächste Ratssitzung am 16./17. Juli in Elbingerode stattfinden36. 28 29 30 31 32 33

EBD., S. 54–69. EBD., S. 69–85. EBD., S. 86f. EBD., S. 5. Der Schlussgottesdienst sollte von Dibelius gehalten werden; vgl. G 3. Vgl. dazu das Schreiben Ritters an die Kirchenkanzlei vom 27. Februar 1951 (EZA BERLIN, 2/1038). In einem Schreiben an Dibelius vom 2. März 1951 hatte Ritter ausführlich dargelegt, dass er die Stellvertretung für Raiser in der Synode aus Zeitgründen ablehnen müsse (BArch KOBLENZ, NL Ritter, Nr. 337). 34 Der Evangelische Kirchentag in Berlin sollte zunächst vom 22. bis 26. August 1951 stattfinden und war vorverlegt worden, weil die Stadt Ostberlin keine Einwilligung für diesen Termin gegeben hatte, mit der Begründung, dass die Stadt zu diesem Zeitpunkt noch mit dem Abtransport der zwei Millionen Jugendlichen der vom 5. bis 9. August 1951 stattfindenden Weltjugendfestspiele beschäftigt sein würde. Doch auch Westberlin hatte sich gegen diesen Termin gestellt, weil die Messehallen bereits für den Aufbau der Internationalen Automobilausstellung benötigt wurden; vgl. das Schreiben von Ehlers an Friedrich vom 28. Februar 1951 (EZA BERLIN, 71/86/550); vgl. „Ausschnitt aus“, epd B Nr. 1 vom 4. Januar 1951 (EZA BERLIN, 4/12); vgl. auch den Bericht von Thaddens auf der Kirchenkonferenz vom 7. März 1951; vgl. TOP 5 der Niederschrift über die Sitzung der Kirchenkonferenz am 7. März 1951 in Hannover, S. 504–507. Zur Vorgeschichte des Kirchentages vgl. D. PALM, Brüder. 35 Die nächste Ratssitzung fand dann am 5. April 1951 in Hamburg nach der dritten Tagung der ersten Synode der EKD vom 1.–5. April 1951 statt. Die ursprünglich für Saarbrücken geplante Ratstagung am 24. Mai 1951 fand in Hannover statt; vgl. dazu 22A1. 36 Vgl. 23B.

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5. Sozialschule Friedewald: Auf Grund eines Berichtes von Superintendent Kunst37 wurde der Ratsvorsitzende gebeten, die Sozialschule Friedewald zu besuchen und dem Rat dann auf Grund seines Besuches einen Bericht zu geben38; in der Zwischenzeit soll Präses Dr. Kreyssig die von ihm gewünschte Gelegenheit zur Fühlungnahme mit dem Leiterkreis der Evangelischen Akademien haben39. 6. Kirchliche Eingliederung der Heimatvertriebenen: Die Kirchenkanzlei wurde beauftragt, das ihrem Rundschreiben Nr. 10062.VI. vom 10. Januar 195140 beigefügte theologische Gutachten41 zur Frage der kirchlichen Eingliederung der Ostvertriebenen und Flüchtlinge an die Leitungen der deutschen evangelischen Landeskirchen mit der Bitte um Stellungnahme zu übersenden42.

37 Kunst war Vorsitzender des Kuratoriums der Evangelischen Sozialschule Friedewald. In einem Schreiben an den Rat vom 29. Dezember 1950 hatte er darum gebeten, das finanzielle Defizit der Sozialschule von 80.000,– DM durch Beiträge der westdeutschen Landeskirchen und einen Zuschuss aus gesamtkirchlichen Mitteln auszugleichen (20D1). Kreyssig berichtete, dass Kunst drei Anträge an den Rat gestellt hatte: 1. Die Anerkennung von Friedewald durch die EKD, 2. Die Zustimmung, dass sich die Soziale Schule Friedewald künftig Sozialakademie der EKD oder Evangelische Sozialakademie nennen dürfe, 3. Die Bewilligung gesamtkirchlicher Mittel zum Fortbestand der Sozialschule (vgl. auch 20E2). In einem Schreiben an die Kirchenkanzlei vom 10. Februar 1951 hatte der Leiter der Evangelischen Sozialschule, Schweitzer, die gesamtkirchliche Bedeutung der Sozialschule unterstrichen und die Anerkennung der Sozialschule durch den Rat gefordert, weil die einzelnen Landeskirchen ihre Zusagen für eine finanzielle Unterstützung der Sozialschule von ihrer Anerkennung durch den Rat abhängig gemacht hatten; vgl. dazu auch das Schreiben des Schatzmeisters von Friedewald an die Kirchenkanzlei vom 2. März 1951 (EZA BERLIN, 2/3206). Vgl. dazu R. J. TREIDEL, Akademien, S. 141–144; ARBEITERSCHULE, S. 12; C. HOMRICHHAUSEN, Schule, S. 109. 38 Der Bericht von Dibelius an den Rat konnte nicht ermittelt werden. 39 Kreyssig, der selbst zum Gründerkreis der Evangelischen Akademie in Sachsen gehörte, war vom Rat zum Beauftragten für die Evangelischen Akademien ernannt worden (vgl. K. WEISS, Kreyssig, S. 270, S. HERING/H. LÜTZENKIRCHEN, „Anders werden“, S. 134). Kreyssig schilderte in einem Schreiben an Müller vom 10. März 1951 ausführlich seine Bedenken gegenüber Friedewald (20E2). 40 20D2. 41 20D3. Wegen der z. T. großen konfessionellen Spannungen zwischen den Heimatvertriebenen und den aufnehmenden Gemeinden hatte der Ostkirchenausschuss schon 1950 die führenden Theologen der protestantischen Bekenntnisse, Otto Weber (reformiert), Ernst Wolf (lutherisch) und Peter Brunner (Lutheraner in der Union) beauftragt, ein Gutachten zur Frage der kirchlichen Eingliederung der Ostvertriebenen und Flüchtlinge zu erstellen; vgl. H. RUDOLPH, Vertriebene 1, S. 488–492. 42 Das Rundschreiben an die deutschen evangelischen Landeskirchen vom 8. Mai 1951 entsprach dem Schreiben der Kirchenkanzlei an die Ratsmitglieder vom 10. Januar 1951 (20D2). Es enthielt die Bitte, mitzuteilen, ob es Bedenken gegen das Gutachten gebe. Zudem wurden die Landeskirchen angehalten, entsprechend dem Gutachten zu verfahren.

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7. Hilfswerk: a) Der Rat nahm einen Bericht von Dr. Gerstenmaier zur Kenntnis43. Der Rat bat seinen Vorsitzenden und Prälat Dr. Hartenstein44, nach dem in Aussicht gestellten Abschluss des schwebenden Verfahrens eine kurze Erklärung im Auftrage des Rates der Öffentlichkeit zu übergeben45. b) Der vom Rat der Synode bereits vorgelegte Entwurf eines Kirchengesetzes zur Ordnung des Evangelischen Hilfswerks innerhalb der Evangelischen Kirche in Deutschland soll unverändert bleiben46. Prälat Dr. Hartenstein soll die Freiheit haben, Abänderungen gegenüber 43 Im Februar 1951 war es zwischen Gerstenmaier und dem württemberg-badischen Ministerpräsidenten Maier zu einer öffentlichen Auseinandersetzung gekommen. Der Anlass war eine kränkende Formulierung gegen Adenauer in einer Wahlrede Maiers. In einer Replik auf Maier hatte Gerstenmaier diesem die Befähigung für ein öffentliches Amt abgesprochen. Daraufhin hatte Maier dem Hilfswerk indirekt ein Verfahren wegen Zoll- und Devisenvergehen angedroht. Die südbadische Staatsanwaltschaft und Württemberg-Badens USKommissar Gross, die bereits Ermittlungen gegen das Hilfswerk angestellt hatten, verweigerten aber die Auslieferung der Akten an die württemberg-badische Regierung, sodass das Ermittlungsverfahren eingestellt werden musste (vgl. HILFSWERK, S. 7f.; zur Kontroverse Maier/Gerstenmaier vgl. ANGRIFFE, S. 4–7; ERLEDIGUNG, S. 3f.). Gerstenmaier berichtete in dieser Ratssitzung, dass die Staatsanwaltschaft kein Verfahren gegen das Hilfswerk einleiten würde, dass aber ein Verfahren wegen Ordnungswidrigkeiten gegen Wolf von Gersdorff anstehe (vgl. A. SILOMON, Protokolle 4, 10B17a). Auch über die Höhe des Bußgeldes von 100.000,– DM war Gerstenmaier bereits unterrichtet. Zusätzlich sollte eine Erklärung abgegeben werden, dass der Vorwurf der Ordnungswidrigkeiten nicht Gerstenmaier treffe und dass sich kein Hilfswerkmitarbeiter persönlich bereichert habe (vgl. dazu G 2; vgl. auch J. M. WISCHNATH, Kirche, S. 302). Zum Fortgang vgl. 21B1; 21E2; 21E3. 44 Hartenstein spielte eine zentrale Rolle für das Hilfswerk. Von 1949–1951 war er stellvertretender Präsident des Wiederaufbauausschusses und stellvertretender Vorsitzender des Verwaltungsrates des Hilfswerks (vgl. J. M. WISCHNATH, Kirche, S. 380f.). 45 Vgl. 21E1. 46 Vgl. dazu 19B8, 19C1, 19E3. Gerstenmaier machte dennoch nach dieser Ratssitzung und nach der Kirchenkonferenz vom 7. März 1951 dezidierte Änderungsvorschläge geltend und kündigte an, seine Vorschläge dem von der Synode einzusetzenden Ausschuss zu unterbreiten oder der Synode als förmliche Abänderungsanträge vorzulegen. Er kritisierte vor allem die §§ 1, 2 und 8 der vom Rat beschlossenen Vorlage für das neue Hilfswerksgesetz. So bewertete er den Einfluss, den der Diakonischen Beirat in § 1 der Gesetzesvorlage haben sollte, als zu gering und forderte, dass der Diakonische Beirat die Richtlinien für gesetzliche Regelungen innerhalb des Hilfswerks aufstellen sollte. In § 2 der Gesetzesvorlage stieß Gerstenmaier sich am Begriff der „Arbeitsgemeinschaft“ der landeskirchlichen Hilfswerke, der sich in seinen Augen gegen eine zentrale Organisation des Hilfswerks richtete. § 8 der Gesetzesvorlage sollte nach Gerstenmaier ausdrücklichen Bezug auf die Genehmigung des Haushaltsplanes für das Hilfswerk durch die Synode nehmen. Gerstenmaier begründete dies mit dem Artikel 33 der Grundordnung über den Haushaltsplan; vgl. das Schreiben Gerstenmaiers an die Ratsmitglieder, die Leitungen der evangelischen Landeskirchen, die Mitglieder der Synode der EKD, die Bevollmächtigten und Mitglieder des Verwaltungsrates des Hilfswerks und den Präsidenten der Kirchenkanzlei vom 22. März 1951 (EZA BERLIN, 2/5125). Vgl. dazu J. M. WISCHNATH, Kirche, S. 299f.

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dieser Ratsvorlage selbst anzuregen, wenn er die Vorlage in der Synode begründet47. 8. Versorgung der östlichen Gliedkirchen mit kirchlichem Schrifttum aus Westdeutschland: Der Sonderausschuss der Evangelischen Kirche in Deutschland, der den Hilfsplan für die östlichen Gliedkirchen bearbeitet48, soll gebeten werden, im Rahmen des Möglichen sich auch den Wünschen der östlichen Gliedkirchen um Versorgung mit kirchlichem Schrifttum anzunehmen49. Demgemäss soll auch Oberkirchenrat Lic. Dr. Beckmann hinsichtlich des Kirchlichen Jahrbuches auf diesen Sonderausschuss hingewiesen werden50. 9. Hilfsplan für die östlichen Gliedkirchen: Der Rat nahm den Bericht des Sonderausschusses der Evangelischen Kirche in Deutschland vom 30. Januar 1951 zur Kenntnis51 und beschloss, die westdeutschen Gliedkirchen aufzurufen, sich auch im Rechnungsjahr 1951 an dem Hilfsplan für die östlichen Gliedkirchen in der bisherigen Weise bis zu einem Gesamtbetrage von 1.000.000,– DM zu beteiligen52, den dem Sonderausschuss erteilten Auftrag entsprechend zu verlängern und ihn zu ermächtigen, die Arbeit im bisherigen Sinne fortzusetzen.

47 Nicht Hartenstein, sondern Held begründete als Berichterstatter des Synodalausschusses den Gesetzentwurf zur Ordnung des Hilfswerks auf der sechsten Sitzung der Hamburger Synode am 4. April 1951. Der hier vom Rat beschlossene Gesetzentwurf wies nur geringfügige Änderungen gegenüber der in der Sitzung am 9. Januar 1951 erarbeiteten Vorlage des Synodalausschusses auf. Nach der Ratssitzung wurde dieser Gesetzentwurf abermals vom Synodalausschuss bearbeitet und erst dann der Synode zugeleitet (vgl. HAMBURG 1951, S. 142–154). 48 Der Rat hatte in seiner Sitzung am 17. Januar 1950 einen der Kirchenkanzlei – Berliner Stelle – zugeordneten Sonderausschuss zur Durchführung der Osthilfemaßnahmen gebildet. Dieser Sonderausschuss regelte die Koordinierung der Finanzhilfe der westlichen Landeskirchen, des Evangelischen Hilfswerks und der Inneren Mission, die für die religiöse Erziehung, die Bewirtschaftung kirchlicher Güter und für Kirchenbauten in der DDR benötigt wurde; vgl. A. SILOMON, Protokolle 4, 10B10. 49 Vgl. die geheime Niederschrift über die Besprechung der in Berlin und Umgebung wohnenden Mitglieder des Sonderausschusses der Evangelischen Kirche in Deutschland vom 30. Mai 1951. Dort wurde empfohlen, der Kirchlichen Schrifttumskammer einen Vorschuss von 3.000,– DM aus Mitteln des Hilfsplans zu gewähren. Damit sollten Bücher beschafft werden, die anlässlich des Kirchentages an Pfarrer und Gemeindeglieder der östlichen Gliedkirchen abgegeben werden sollten (EZA BERLIN, 2/1852). Der Vorsitzende des Sonderausschusses Heuner erklärte sich in einem Schreiben an die Kirchenkanzlei – Berliner Stelle – vom 8. Juni 1951 mit dieser Empfehlung einverstanden (EZA BERLIN, 4/989). 50 In einem Schreiben der Kirchenkanzlei vom 16. April 1951 setzte Osterloh Beckmann von diesem Ratsbeschluss in Kenntnis (EZA BERLIN, 2/2476). 51 Vgl. das Schreiben des Sonderausschusses der EKD an die Ratsmitglieder (20D4). 52 Vgl. 20E3.

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10. Neufassung des Anschlussgesetzes53: Der Rat beschloss, einen Ausschuss einzusetzen, der ihm einen Entwurf für die gesetzliche Neuregelung, die an Stelle des bisherigen Anschlussgesetzes zu treten hat, vorlegen soll54. Dieser Sonderausschuss soll aus folgenden Personen bestehen: Vizepräsident Stratenwerth, Präsident D. Brunotte, Hannover, Vizepräsident Dr. Benn, Berlin, Vizepräsident Lücking, Bielefeld, Direktor Dr. Weeber, Stuttgart, Dekan Rieger, London, Oberkirchenrat Dr. Hübner, Hannover, Landesjugendpfarrer Peters, Hannover.

53 Vgl. dazu A. SILOMON, Protokolle 4, 15B8; vgl. auch 19B21. Bereits am 19. Januar 1951 hatte Brunotte an das Kirchliche Außenamt wegen der Reform des „Anschlussgesetzes“ geschrieben. Daraufhin hatte Bartelt einen vorläufigen Entwurf für das neue Gesetz, das das Kirchenbundesgesetz vom 17. Juni 1924 ablösen sollte, mit Ergänzungen Schwarzhaupts angefertigt. Das Kirchliche Außenamt beabsichtigte jedoch, einen Entwurf der lutherischen Gliedkirchen abzuwarten, um eine bessere Diskussionsgrundlage für den neuen Gesetzentwurf zu schaffen; vgl. das Schreiben Schwarzhaupts an Brunotte vom 15. Februar 1951 (alle Schreiben in: EZA BERLIN, 2/2194). Vgl. dazu B. WELLNITZ, Ausland, S. 210–219. 54 Dieser Ausschuss tagte am 6. April 1951 zum ersten Mal in Hamburg und diskutierte einen Entwurf des Kirchlichen Außenamtes für ein Gesetz über die Beziehung der EKD zu evangelischen Kirchengemeinschaften außerhalb Deutschlands. Auf der zweiten Tagung des Ausschusses am 25. Juni 1951 in Frankfurt am Main wurde auf der Grundlage des in der ersten Sitzung diskutierten Entwurfes ein erster Gesetzentwurf für ein neues Auslandsgesetz erarbeitet, den das Kirchliche Außenamt am 9. Juli 1951 dem Rat überreichte (20E4). Die Vertreter der VELKD blieben jedoch der Ausschusssitzung am 25. Juni 1951 wegen des Streites mit dem Kirchlichen Außenamt um die evangelischen Gemeinden in Italien fern (vgl. dazu 23B3; 25B16; 26B7). Auch hatte es grundsätzliche Kritik der VELKD an dem vom Kirchlichen Außenamt auf der Ausschusssitzung am 6. April 1951 in Hamburg vorgelegten Gesetzentwurf gegeben, weil dieser aus der Sicht der Lutheraner eine „Unionisierung“ und „Zentralisierung“ der Auslandsarbeit der EKD Vorschub leistete. Die VELKD erarbeitete am 29. Juni 1951 auf ihrer Sitzung in Bückeburg einen eigenen Entwurf für ein neues Gesetz über die Beziehungen der EKD zu den evangelischen Auslandsgemeinden und leitete diesen dem vom Rat der EKD beauftragten Ausschuss zu. Schließlich überarbeitete der vom Rat eingesetzte Ausschuss auf seiner dritten Sitzung am 20. Dezember 1951 den Gesetzentwurf des Kirchlichen Außenamtes aufgrund des Gegenentwurfes der VELKD neu (EZA BERLIN, 6/16). Die während dieser Sitzung geführten Diskussionen zwischen VELKD und Kirchlichem Außenamt wurden mit großer Schärfe ausgetragen (vgl. dazu 20E5); vgl. dazu die Niederschrift der dritten Sitzung des vom Rat der EKD eingesetzten Ausschusses für die Neuordnung der Rechtsverhältnisse der Auslandspfarrer und Auslandsgemeinden im Kirchlichen Außenamt in Frankfurt am Main (AEKR DÜSSELDORF, 6HA 006, Nr. 153). Das Kirchengesetz über das Verhältnis der EKD und ihrer Gliedkirchen zu evangelischen Kirchengemeinschaften und Gemeinden, Pfarrern und Gemeindegliedern deutscher Herkunft außerhalb Deutschlands trat am 1. Mai 1954 in Kraft (ABlEKD 1954, Nr. 4 vom 15. April 1954, S. 110–113).

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Landesbischof D. Meiser wurde ermächtigt, an Stelle der beiden letztgenannten Ausschussmitglieder andere zu benennen55. 11. Notstandsbeihilfe für Oberkonsistorialrat i. R. D. Dr. Schönfeld: Die Kirchenkanzlei wurde ermächtigt, für die erste Hälfte des Kalenderjahres 1951 noch weitere Notstandsbeihilfen an Oberkonsistorialrat i. R. D. Dr. Schönfeld zu zahlen56. Kirchenpräsident D. Niemöller stellte einen Zuschuss des Ökumenischen Rates der Kirchen hierfür in Aussicht57. 12. Einladung der EKD nach Athen: Der Rat nahm die Einladung des Erzbischofs von Athen58 zur Kenntnis und beschloss, seinen Vorsitzenden, Herrn Kirchenpräsidenten D. Niemöller sowie Herrn Professor Gustav Stählin um die Vertretung der Evangelischen Kirche in Deutschland in Athen zu bitten; dabei wurde dem Ratsvorsitzenden anheimgestellt, sich durch den stellvertretenden Ratsvorsitzenden vertreten zu lassen59. Die notwendigen Reisekosten für die Reise sollen aus Ausgabe-Kapitel VI gezahlt werden. 55 Vgl. 19B21. Meiser wurde in seiner Funktion als Vertreter der VELKD ermächtigt. Er beließ den Ausschuss jedoch in der vom Rat vorgeschlagenen personellen Zusammensetzung (EZA BERLIN, 6/16). In der Vorlage Niemöllers für die Ratssitzung vom 3. März 1951 waren Weeber, Hübner und Peters nicht vorgeschlagen worden (20D6). 56 Vgl. dazu A. SILOMON, Protokolle 4, 13B13; 16B14. Die Anregung für diesen Beschluss war vom Kirchlichen Außenamt aufgrund des Ratsbeschlusses vom 11./12. Januar 1951 (19B14) ausgegangen. Zum weiteren Fortgang vgl. 22B3. 57 In einem Schreiben vom 2. März 1951 hatte das Kirchliche Außenamt den Ratsmitgliedern unter Bezugnahme auf die Vorlage vom 26. Februar 1951 die Abschrift eines Schreibens Bells an Niemöller vom 21. Februar 1951 zugesandt, in dem Bell bekundet hatte, auf die Unterstützung Schönfelds durch den Weltkirchenrat hinwirken zu wollen (20D8). Vgl. dazu 22B3. 58 Die Einladung der Griechisch-orthodoxen Kirche vom 12. Februar 1951 war an den Rat adressiert und Dibelius persönlich von Merzyn übergeben worden (20D9). Vgl. dazu das Schreiben Brunottes an das Kirchliche Außenamt vom 18. April 1951 (EZA BERLIN, 6/6414). Die orthodoxe Kirche Griechenlands hatte, vertreten durch Erzbischof Spiridon von Athen, sämtliche christlichen Kirchen und deren Theologische Fakultäten eingeladen, an den Feierlichkeiten teilzunehmen, die an den Beginn der Missionstätigkeit des Apostels Paulus vor 1.900 Jahren auf dem europäischen Festland erinnern sollten. Vom 15. bis zum 29. Juni 1951 pilgerten 276 überwiegend protestantische Kirchenvertreter aus aller Welt zwei Wochen an Bord eines Schiffes zu den Paulus-Gedenkstätten Griechenlands; vgl. den Bericht Gustav Stählins über die Paulusfeiern in Griechenland für das Kirchliche Außenamt vom 25. September 1951 (EBD.). Als Vertreter der EKD nahmen Dibelius, Lilje und Stählin an den Feierlichkeiten teil. Niemöller sagte seine Teilnahme ab; vgl. das Schreiben Johannessons an Dibelius vom 10. Juli 1951 (EBD.). Vgl. dazu E. BENZ, Paulusjubiläum, S. 580f. 59 Der Rat bewilligte insgesamt 3.000,– DM für die Reise seiner Delegierten nach Griechenland; vgl. das Schreiben Dibelius’ an das Kirchliche Außenamt vom 7. Juli 1951 (EZA BERLIN, 6/6414). Zunächst meldete das Kirchliche Außenamt Niemöller, Dibelius und Stählin als Teilnehmer der Feierlichkeiten bei den Veranstaltern an, etwas später auch Lilje. Dibelius wollte sich offiziell von Lilje vertreten lassen, während er selbst auf eine spezielle Einladung des Athener Patriarchen, nach Griechenland reisen wollte, um die Kasse der EKD

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13. Kirchliche Seelsorge bei deutschen Arbeitsdiensteinheiten im Dienst der amerikanischen Wehrmacht: Der Rat nahm einen Bericht von Kirchenpräsident Niemöller entgegen und stimmte seinen vier Grundsätzen zu, auf deren Grundlage allein verhandelt werden soll60. 14. Fachausschuss Presse: Als weiteres Mitglied in den Fachausschuss Presse wurde Dekan Langenfass, München, berufen61. 15. Lastenausgleich: Der Ratsvorsitzende wurde ermächtigt, ein Wort der Kirche an die Mitglieder des Bundestages und Bundesrates zu richten62 und dabei das frühere Wort des Rates zum Lastenausgleich beizufügen63. nicht zu belasten. Dibelius und Lilje einigten sich darauf, nur für die letzten vier Tage (vom 26. Juni bis 29. Juni 1951) an den Feierlichkeiten teilzunehmen, während Stählin als einziger deutscher Kirchenvertreter von Beginn an teilnahm; vgl. dazu die Schreiben des Kirchlichen Außenamtes an das Festival Commitee in Athen vom 27. April und 8. Mai 1951; das Schreiben Dibelius’ an Johannesson vom 9. Mai 1951 und das Schreiben Dibelius’ an Johannesson vom 29. Mai 1951 (EBD.). Vgl. dazu U. KÜRY, Paulus-Feierlichkeiten, S. 226–237. 60 Niemöller hatte schon in einem Schreiben vom 24. Januar 1951 an die Kirchenkanzlei gefordert, dass der Rat der EKD grundsätzlich zum Problem der Militärseelsorge Stellung nehmen sollte, bevor die EKD Verhandlungen mit den Vertretern der Amerikaner aufnahm (20E7). Die auf dieser Ratssitzung von Niemöller vorgetragenen Grundsätze waren bei einem Treffen der Landeskirchenleitungen von Hannover, Baden, Hessen-Nassau, Bayern und Württemberg am 28. Februar 1951 erarbeitet worden; vgl. dazu 20E8 und 20E11. Schon im Oktober 1950 hatte sich die Kirchenkanzlei mit der Frage der Seelsorge an den deutschen Arbeitsdiensteinheiten, die unter dem Kommando der US-Truppen standen, beschäftigt; vgl. das Schreiben der Kirchenkanzlei an die Landeskirchenleitungen vom 19. Januar 1951, in dem von insgesamt 21.000 deutschen Soldaten die Rede ist (20E6). In einem Rundschreiben der Kirchenkanzlei vom 23. Oktober 1950 hatte sich Brunotte an die Leitungen der deutschen evangelischen Landeskirchen in der amerikanischen Besatzungszone gewandt, um deren Aufmerksamkeit auf dieses Problem zu lenken. Brunotte hatte darauf verwiesen, dass bei den German Civil Labour Organisations in der britischen Zone seit langem in Absprache mit den Landeskirchen Pfarrer als Seelsorger eingesetzt seien. Nach einer von Osterloh geleiteten Besprechung der zuständigen Landeskirchenleitungen am 26. Januar 1951 mit dem von der Leitung der US-Militärseelsorge zu Verhandlungen mit der katholischen und evangelischen Kirche für drei Monate nach Heidelberg entsandten Chaplain Piepkorn über die zukünftige Frage der Seelsorge, hatte sich schnell herausgestellt, dass die Verhandlungen zwischen Landeskirchen und amerikanischen Stellen schwierig werden würden; vgl. dazu auch die Stellungnahme Piepkorns zu den von den Landeskirchen formulierten Grundsätzen (20E9); vgl. auch 22B24. Vgl. dazu H. EHLERT, Interessenausgleich, S. 42ff.; J. MÜLLER-KENT, Militärseelsorge, S. 37–47. 61 Vgl. das Schreiben Osterlohs an Langenfaß vom 30. April 1951 (EZA BERLIN, 2/1667). 62 Ranke wurde beauftragt, den Entwurf auszuarbeiten. Dieser Ratsbeschluss ging auf eine an Lilje gerichtete Eingabe der Arbeitstagung für Flüchtlingsfragen vom 20. Januar 1951 zurück (20D10). Vgl. dazu das Schreiben Merzyns an Ranke vom 13. März 1951 (EZA BERLIN, 2/2140). Außerdem hatte Girgensohn, der Vorsitzende des Ostkirchenausschusses, den Ratsmitgliedern mit einem Schreiben vom 3. März 1951 einen Entwurf für ein Wort des Rates

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16. Christengemeinschaft: Der Rat nahm den Bericht der Sonderkommission für die Verhandlungen mit der Christengemeinschaft vom 24. Februar 1951 nebst seinen Anlagen zur Kenntnis64. Er beauftragte Herrn Prälaten Dr. Hartenstein mit der Neufassung der vorgesehenen Schreiben an die Christengemeinschaft65 und an die Leitungen der Landeskirchen66. 17. Wilde Ehen: Die Kirchenkanzlei wurde beauftragt, dem Rat einen Entwurf zu der Frage vorzulegen, wie dem Überhandnehmen der wilden Ehen begegnet werden kann67.

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der EKD zum Lastenausgleich zukommen lassen, weil er einen Verweis auf das Wort des Rates vom 6. August 1949 zum Lastenausgleich nicht für ausreichend hielt (vgl. 20D11). Am 13. März tagte ein Ausschuss aus Vertretern des Ostkirchenausschusses, der säkularen Vertriebenenverbände, der am Lastenausgleich beteiligten Bundesministerien sowie Vertretern der Sozialschule Friedewald und der Evangelischen Akademie in Bad Boll. Dieser Ausschuss kam zu dem Ergebnis, dass der Vorschlag Dibelius’, das letzte Wort der EKD zum Lastenausgleich wieder in Erinnerung zu bringen, nicht ausreiche und dass eine Sitzung der Kammer für Soziale Ordnung notwendig sei, um ein neues Wort zum Lastenausgleich zu verfassen; vgl. die Niederschrift über die Sitzung des Ausschusses für den Lastenausgleich in Bonn am 13. März 1951 (EZA BERLIN, 2/2140). Vgl. dazu auch 20E12; zum Fortgang vgl. 22B19. Vgl. dazu das Wort des Rates der Evangelischen Kirchen in Deutschland zum Lastenausgleich vom 6. August 1949 (K.-H. FIX, Protokolle 3, 1B11, 1C1). Vgl. F. MERZYN, Kundgebungen, S. 71. Hartenstein berichtete in seiner Funktion als Vorsitzender der Sonderkommission, die in der Ratssitzung vom 29. November 1949 gebildet worden war, um die sogenannten Assenheimer Beschlüsse zu überprüfen (vgl. K.-H. FIX, Protokolle 3, 9B23). Die Kommission, bestehend aus Hartenstein, Stählin und Metzger, hatte sich am 4. Dezember 1950 unter der Leitung Hartensteins in Stuttgart mit den Vertretern der Christengemeinschaft getroffen (vgl. A. SILOMON, Protokolle 4, 16B13; 17B21). Dabei war sie zu dem Ergebnis gekommen, dass die Taufe der Christengemeinschaft von der EKD nicht anerkannt werden könne (vgl. dazu 20D12; 20D13; 20D14). Zur Reaktion der Christengemeinschaft auf den Beschluss des Rates vgl. G 3; E. SCHÜHLE, Stimmen, S. 211–217. Zu den Assenheimer Beschlüssen vgl. K.-H. FIX, Protokolle 3, 5B2. Vgl. dazu W. STÄHLIN, Via Vitae, S. 520–526. Die wichtigsten in der Assenheimer Kommission gehaltenen Referate finden sich in: DERS., Evangelium. Dieser Beschluss ging auf einen Vorschlag der Sonderkommission zurück, der Christengemeinschaft im Namen des Rates zu schreiben (G 2); vgl. dazu das Schreiben Dibelius’ an Bock vom 16. März 1951 (20E14). Vgl. ebd. Eine ausführliche Kommentierung dieses Briefes findet sich in: E. BOCK/G. HUSEMANN, Evangelische Kirche, S. 163–167. Auf der vierten Tagung der ersten Synode der EKD vom 6.–10. Oktober 1952 in Elbingerode wurde die Kammer für Soziale Ordnung beauftragt, Vorschläge zu erarbeiten, wie sich die „Not der sogenannten wilden Ehen“ abstellen lasse. Die steigende Anzahl unverheirateter Paare führte man auf die wirtschaftlichen Nachteile zurück, die Frauen durch den Verlust ihrer Versorgungsansprüche in Kauf nehmen mussten, wenn sie ein zweites Mal heirateten. In diesem Zusammenhang wurde der Rat von der Synode beauftragt, sich in einem offiziellen Schreiben mit Vorschlägen, die auf einem Gutachten der Kammer für

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Für den Präsidenten der Kirchenkanzlei gez. Dr. Benn gez. Dr. Merzyn

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20D Vorlagen und Anträge 20D1. Schreiben Kunsts an die Ratsmitglieder. Friedewald, 29. Dezember 1950 F: EZA Berlin, 2/3206 (O). Das Kuratorium des E. V. „Haus Friedewald“ bittet den Rat der EkiD, die Ev. Sozialschule Friedewald nunmehr als für die gesamte Evangelische Kirche in Deutschland lebenswichtig anzuerkennen und ihr aus gesamtkirchlichen Mitteln einen namhaften Zuschuss zu ihrem Haushaltungsplan 1951/52 zu bewilligen. Die Gründung der Ev. Sozialschule, die 1949 unter wesentlich veränderten Verhältnissen die seit 1933 von der Gestapo unterdrückte Arbeit der Ev. Sozialen Schule in Berlin-Spandau aufnahm, ist bekanntlich in erster Linie durch eine grossherzige Spende amerikanischer Kirchen und einem namhaften Zuschuss seitens des Centralausschusses für Innere Mission-West ermöglicht worden. Der Vertreter der Spenderkirchen sagte bei der feierlichen Einweihung des Hauses am 10. 12. 1949 u. a.: „Es muss wohl seinen Grund haben, dass die Spende der lutherischen Kirchen in Amerika für diese Arbeit in Friedewald nicht unbeträchtlich ist. Und der Grund kann doch nur darin liegen, weil wir glauben, dass die Arbeit, die hier begonnen wird, eine wichtige Arbeit ist, dass hier etwas Positives, etwas Konstruktives geschehen wird. Die Gaben wurden auf Grund des Glaubens gegeben, dass hier etwas geschieht, das unterstützt werden muss. Merkt man doch hier: die Kirche will aus ihrer Enge heraus. Sie unternimmt den Versuch, an die Menschen in ihrer Alltagsarbeit heranzukommen, und zwar an die Fragen, die sie bis zum Rande ihrer Existenz beschäftigen, um dann zu den letzten Möglichkeiten des kirchlichen Lebens durchzustossen. Wir sind der Überzeugung, dass hier Menschen in der Arbeit stehen, die neue Wege für alle Kirchen, nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Ländern, bahnen. Wir Soziale Ordnung basieren sollten, an die Bundesregierung zu wenden; vgl. ELBINGERODE 1952, S. 245. Vgl. dazu das Gutachten der Kammer für Soziale Ordnung über wilde Ehen (EZA BERLIN, 2/1503) und das Schreiben des Rates an den Bundeskanzler, den Bundesminister des Innern, den Bundesminister für Arbeit und den Bundesminister für Finanzen, vom 20. Februar 1953, in: F. MERZYN, Kundgebungen, S. 152f.

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werden mit ernsten Blicken den weiteren Fortschritt dieser Arbeit beobachten und für das, was hier geschieht, Gottes Segen erbitten.“ Inzwischen sind über 1.000 Menschen in Friedewald geschult und gebildet worden, die Mehrzahl Arbeiter aus allen Landeskirchen, in erster Linie natürlich aus dem Bundesgebiet. Eine vorbildliche Arbeiterbewegung, die unserer Kirche bisher gefehlt hat, ist im Entstehen begriffen. Die Beziehungen zwischen Friedewald und dem DGB sind im Laufe der hinter uns liegenden eineinhalb Jahre die denkbar besten geworden. Die bisherigen Leistungen der Schule dürften auch anfängliche Bedenken, die innerhalb des Rates der EkiD vorhanden gewesen sein mögen, zerstreut haben. Nun wird zum 30. 6. 1951 die amerikanische Spende verbraucht sein. Unsere amerikanischen Freunde haben uns wissen lassen, dass sie bereit sind, auch nach diesem Zeitpunkt gewisse, wenn auch nur kleinere Zuschüsse zu gewähren. Sie haben aber an diese Zusage die selbstverständliche Bedingung geknüpft, dass der Rat der EkiD die Ev. Sozialschule Friedewald als zentrale Sozialschule anerkennt. Um das am 1 . 7. 1951 entstehende Defizit von etwa 80.000,– DM für 9 Monate in unserem Haushaltsplan zu decken, wenden wir uns gleichzeitig a n d i e L a n d e s k i r c h e n innerhalb des Bundesgebietes mit der Bitte um einen ihrer Grösse entsprechenden Beitrag. Wir wären dem Rat der EkiD dankbar, wenn er beschliessen würde, auch seinerseits einen namhaften Zuschuss aus gesamtkirchlichen Mitteln zu leisten und zugleich als Zeugnis dafür, dass hier eine für die EkiD unaufgebbare Arbeit geschieht. Sollte es erwünscht sein, so stehen der Unterzeichnete, der Leiter oder einer der Dozenten der Ev. Sozialschule gern zu Rückfragen zur Verfügung. Das Kuratorium Kunst [m. p.] Vorsitzender 20D2. Schreiben der Kirchenkanzlei an die Ratsmitglieder. Hannover, 10. Januar 1951 F: EZA Berlin, 2/4276 (H). Betr.: Kirchliche Eingliederung der Heimatvertriebenen. Den Ostkirchenausschuss beschäftigt seit längerer Zeit die Frage, was geschehen kann, um die kirchliche Eingliederung der Vertriebenen in denjenigen Landeskirchen zu fördern, die in ihrem Konfessionsstand und kirchlichen Brauchtum von den Heimatkirchen der Vertriebenen abweichen.

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Der Ostkirchenausschuss hat im Einvernehmen mit der Kirchenkanzlei die Professoren Ernst Wolf, Otto Weber und Peter Brunner gebeten, sich in dieser Frage um die Bildung einer übereinstimmenden Meinung zu bemühen und diese in einem gemeinsamen Gutachten niederzulegen. Dieses Gutachten ist mit dem aus der Anlage ersichtlichen Inhalt zustandegekommen68. Der Ostkirchenausschuss hat den Wunsch, der Rat der EKD möge das Gutachten an die evangelischen Landeskirchen weitergeben und ihnen die Beachtung des Gutachtens empfehlen. Wir bitten den Rat, in seiner nächsten Sitzung darüber zu beraten, ob das Gutachten sämtlichen evangelischen Landeskirchen übersandt werden und die Landeskirchen gebeten werden sollen, entsprechend dem Gutachten zu verfahren. gez. D. Brunotte

20D3. „Theologisches Gutachten zur Frage der kirchlichen Eingliederung der Ostvertriebenen und Flüchtlinge“. Göttingen und Heidelberg, Dezember 1950 F: EZA Berlin, 2/4276 (H; Anlage zu 20D2). Neben der Not der Ostvertriebenen und Flüchtlinge in ihrem wirtschaftlichen und bürgerlichen Dasein zeichnet sich, nicht ohne Beziehung zu ihr, auch eine tiefgreifende geistliche Not ab. Sie gründet im Verlust der bisherigen kirchlichen Heimat und bringt weithin die wachsende Gefahr mit sich, die Verbindung zur kirchlichen Verkündigung völlig zu verlieren. Dieser Not zu wehren, ist bisher nicht in zureichendem Maße gelungen, auch nicht überall mit hinreichenden Mitteln versucht worden. Sie stellt die Kirchen bezw. Gemeinden in den Aufnahmegebieten vor die zwingende Aufgabe, alles zu tun, um den Vertriebenen den Zugang zu Wortverkündigung, Taufe und Abendmahl offen zu halten und Hemmnisse auszuräumen, die dem entgegenstehen. Die Lösung dieser Aufgabe erfordert die Zusammenarbeit beider Seiten. Ein befriedigendes Ergebnis kann nur erhofft werden, wenn alle Beteiligten sich in brüderlicher Gemeinschaft begegnen und in dieser Gemeinschaft die Gewissensbindung des je anderen Teils in Freiheit anzuerkennen bereit sind. Kirchenregimentlicher Druck darf hier unter keinen Umständen ausgeübt werden. Der Zugang zu Wortverkündigung, Taufe und Abendmahl ist den Vertriebenen vor allem dadurch erschwert, daß sie die Unterschiede zwischen 68 Vgl. 20D3.

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der heimischen Gepflogenheit und den jetzt vorgefundenen landeskirchlichen und gemeindlichen Prägungen notvoll empfinden. Zweifellos enthält das von den Vertriebenen mitgebrachte kirchliche Erbe auch Bestandteile, die kein grundsätzliches Hemmnis für den Anschluß an die Gemeinde des neuen Wohnsitzes darstellen können und daher nicht auf die Dauer konserviert werden sollten. Es enthält aber auch Bestandteile, auf die zu verzichten den Vertriebenen weder jetzt noch auf absehbare Zukunft zugemutet werden sollte. Zu der ersten Gruppe gehören vor allem bestimmte Formen des Gottesdienstes, namentlich bei den Amtshandlungen. Angesichts der großen Bedeutung, die die kirchliche und insbesondere die liturgische Sitte für das Bewußtsein der neuen Gemeindeglieder besitzt, wird die aufnehmende Gemeinde an diesem Punkt zu brüderlicher Rücksichtnahme verpflichtet sein. Sie kann dabei die eigene landeskirchliche Ordnung nicht durchbrechen, muß sie aber in Weisheit und Freiheit handhaben. So kann z. B. bei der Auswahl der Lieder auf das den Vertriebenen geläufige und aus ihrem heimischen Gesangbuch ersichtliche Liedgut weitgehend Bedacht genommen werden. Es wird ferner möglich sein, gewisse den Vertriebenen gewohnte Elemente in die Amtshandlungen aufzunehmen, wenn sie an Vertriebenen vollzogen werden. Ist die Zahl der Vertriebenen dazu hinreichend, so sollten auch besondere Gottesdienste nach deren heimatlicher Ordnung von Zeit zu Zeit gehalten werden; dafür sollte auch, vor allem, wenn die Vertriebenen einen erheblichen Teil der Gottesdienstbesucher bilden, die Zeit des sonntäglichen Hauptgottesdienstes nicht ausgeschlossen sein. Doch dürfte dieser Gottesdienst nicht als „Flüchtlingsgottesdienst“ erscheinen, sondern sollte stets Sache der ganzen Gemeinde sein. Einer rechten Rücksichtnahme auf die kirchlichen Gewohnheiten der Vertriebenen steht bei den Pfarrern und Kirchenvorstehern der aufnehmenden Gemeinden immer noch eine große Unkenntnis dieser Gewohnheiten im Wege. Diesen müßte durch geeignetes, von den Landeskirchen zu verbreitendes Schrifttum entgegengewirkt werden. Die an zweiter Stelle aufgeführte Gruppe hat ihren Mittelpunkt in dem heimatlichen Katechismus. Es handelt sich dabei weit überwiegend um Luthers Kleinen Katechismus. Der Katechismus ist für die, die in ihm erzogen worden sind, das konkrete Wort, in dem ihnen von den Vätern her die Botschaft des Evangeliums übermittelt worden ist. Die Eltern und Paten der Kinder aus Gemeinden mit einem bestimmten Katechismus haben grundsätzlich das Recht und die Verantwortung, daß ihre Kinder auch in diesem Katechismus unterwiesen werden und ihnen mit ihren Kindern eine dadurch bestimmte Verkündigung zugänglich wird. Der verhältnismäßigen Überschaubarkeit des zu respektierenden oder zu bewahrenden kirchlichen Erbes der Flüchtlinge und Ostvertriebenen

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steht nun aber eine große Differenziertheit der entsprechenden Verhältnisse in den aufnehmenden Landeskirchen und Gemeinden gegenüber. Eine allgemeine Formel für die Lösung der hier erwachsenden Aufgabe kann daher nicht gefunden werden. Es gilt vielmehr, verschiedene Möglichkeiten zu erwägen. Nach Lage der Dinge dürfte es in den l u t h e r i s c h bestimmten Landeskirchen und auch in den Gemeinden der Verwaltungsunion, in denen Luthers Kleiner Katechismus ungekürzt im Gebrauch steht, nicht schwer sein, eine Lösung zu finden. Hier bedarf es lediglich der Rücksichtnahme auf die heimatlichen Gebräuche der Flüchtlinge. Der Umstand, daß die Ostvertriebenen überwiegend aus der Evangelischen Kirche der Altpreußischen Union kommen und daher eine Verweigerung der Abendmahlsgemeinschaft gegenüber anderen Unierten und gegenüber Reformierten nicht kennen, wird sich unter den hier zu erwägenden Gesichtspunkten praktisch kaum auswirken. Für die an Zahl weit zurückstehenden reformierten Ostvertriebenen muß in den lutherischen Kirchen und Gemeinden in gleicher Weise gesorgt werden können, wie es sogleich für den umgekehrten Fall zu erörtern ist. In den r e f o r m i e r t e n Landeskirchen wird die Anerkennung der oben aufgestellten Grundsätze dahin führen, daß gegebenenfalls die Möglichkeit zur Bildung b e s o n d e r e r F l ü c h t l i n g s g e m e i n d e n mit Unterweisung in Luthers Katechismus entsprechender Verkündigung eingeräumt wird; auch wird die Landeskirche – in anderen Fällen – Regelungen für eine geordnete Betreuung der aus Vertriebenen sich zusammensetzenden l u t h e r i s c h e n M i n d e r h e i t e n i n d e n G e m e i n d e n treffen und dabei insbesondere eine großzügige Handhabung des Dimissoriale ins Auge fassen müssen. Es wird hierzu der Zusammenarbeit mit der etwa im gleichen Bereich bestehenden lutherischen Landeskirche oder der Mitwirkung einer etwa – wie in Lippe – bestehenden lutherischen Klasse innerhalb der Landeskirche bedürfen. Auch hierbei muß dem Umstande Rechnung getragen werden, daß die Ostvertriebenen größtenteils aus der Evangelischen Kirche der Altpreußischen Union stammen, insoweit also an der Abendmahlsgemeinschaft mit Reformierten nicht gehindert sind. Doch ist es seelsorgerliche Pflicht der örtlichen reformierten Gemeinde wie der reformierten Landeskirche, den Flüchtlingen und Ostvertriebenen mit allen zu Gebote stehenden Mitteln (kirchliche Gebäude und Einrichtungen, gemeinsame kirchliche Veranstaltungen und Gemeindetreffen, u. u. Mitbeteiligung an der gemeindlichen Verwaltung) das Leben in den oben in Aussicht genommenen kirchlichen Verhältnissen dergestalt zu ermöglichen, daß nicht das Bewußtsein kirchlicher Heimatlosigkeit oder die Entfremdung von der Kirche aufkommt. Ähnliches gilt von den r e f o r m i e r t e n G e m e i n d e n innerhalb der U n i o n s k i r c h e n . Es kann, um sowohl den Bekenntnisstand der auf-

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nehmenden Gemeinde als auch die brüderliche Rücksichtnahme auf das überkommene Bekenntnis der Vertriebenen zu wahren, auch hier notwendig werden, den Weg zur Bildung von neuen, aus Vertriebenen bestehenden Gemeinden innerhalb der gleichen Unionskirche freizugeben. Auch wird u. U. eine geeignete Minderheitenbetreuung, die wie im vorigen Falle in der Hand eines Ostpfarrers zu liegen hätte, in Betracht kommen. Für den Fall, daß die Vertriebenen in eine reformierte Gemeinde gekommen sind, die als Diaspora in römisch-katholischer Umgebung lebt, kann es sich ergeben, daß eine etwa sich bildende „Flüchtlingsgemeinde“ mit Luthers Katechismus das zahlenmäßige Übergewicht über die bestehende reformierte Gemeinde hat. In diesem Falle muß von der „Flüchtlingsgemeinde“ erwartet werden, daß sie gegenüber der bestehenden Gemeinde die gleiche brüderliche Rücksicht übt, die ihr selber zukommt. In den k o n s e n s u s - u n i e r t e n Landeskirchen sowie in den konsensus-unierten Gemeinden innerhalb von föderativ-unierten Landeskirchen können sich besondere Schwierigkeiten daraus ergeben, daß dem Grundsatz nach hier beide reformatorische Bekenntnisrichtungen in einer neuen Einheit aufgegangen sind, ein Parochial- oder Aufsichtsrecht lutherischen Bekenntnisses also nicht mehr besteht. Insofern ist hier die für reformierte Landeskirchen mögliche Lösung schwer zu verwirklichen. Andererseits kann es sein, daß der einzelne Pfarrer einer konsensus-unierten Gemeinde persönlich in der Lage ist, die Unterweisung von Kindern nach Luthers Kleinem Katechismus theologisch zu verantworten. Soweit dies der Fall ist und aus dem Kreise der Vertriebenen das Begehren danach erhoben wird, sollte die Landeskirche ohne Änderung des in der Landeskirche bezw. in der Gemeinde bestehenden Katechismus die Erlaubnis zu einer solchen Unterweisung nicht verweigern. Auch könnte seitens der Landeskirche durch Anstellung von Flüchtlingspfarrern, die nach Luthers Katechismus zu unterrichten gewohnt sind, eine Fülle örtlicher Probleme gelöst werden. Das Gleiche würde erforderlichenfalls im Blick auf reformierte Vertriebene zu gelten haben. In allen den genannten Fällen sollte auch die Ermöglichung einer Beteiligung der Flüchtlinge an den besonderen Diensten in der Ortsgemeinde sorgsam geprüft werden. Bei der da und dort durchführbaren Aufnahme von Flüchtlingen in die Körperschaften der Gemeindeleitung sollten sie nicht als „Interessenvertreter“, sondern als Glieder der Ortsgemeinde angesehen werden und wirken. Die hier vorgelegten Erwägungen gehen von der Not der Vertriebenen als unserer Brüder aus. Das damit sich erhebende Problem sollte der Prüfstein dafür sein, ob wir innerhalb der Evangelischen Kirche in Deutschland imstande sind, uns gegenseitig brüderlich zu achten, zu tragen und zu helfen. Die Lösung des weiter greifenden Problems der Konfessionen in der EkiD sollte in keinem Fall auf dem Rücken der Vertriebenen ausgetragen werden. Die hier vorgetragenen Vorschläge wenden

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sich an die bestehenden Landeskirchen und Gemeinden. Sie wollen deren Bekenntnisstand und Ordnung nicht antasten, sind aber von der Überzeugung getragen, daß alle kirchliche Ordnung dienstbaren Charakter hat. Die landeskirchliche Ordnung kann daher ihrem Wesen nach nicht zu einem Hemmnis werden, durch das den Flüchtlingen und Ostvertriebenen der offene Zugang zu Wortverkündigung, Taufe und Abendmahl erschwert würde. Je brüderlicher und verständnisvoller alle Beteiligten daran mitwirken, solche Hemmnisse zu beseitigen, desto weniger wird es dazu kommen, daß die Vertriebenen sich in den Gemeinden ihres neuen Wohnsitzes oder gar von ihnen [sic!] absondern. O. Weber [m. p.] E. Wolf [m. p.] P. Brunner [m. p.]

20D4. Schreiben des Sonderausschusses der EKD an die Ratsmitglieder. Dortmund, 30. Januar 1951 F: EZA Berlin, 2/1852 (Abschrift). Betrifft den Hilfsplan für die östlichen Gliedkirchen. In der Anlage überreichen wir mit der Bitte um Kenntnisnahme die Abschrift unseres Schreibens an die Kirchenleitungen der westlichen Gliedkirchen, mit dem wir einen Bericht über die bisherige Tätigkeit des Ausschusses und die Verteilung der bisher eingegangenen Beiträge der westlichen Gliedkirchen erstattet haben69. Es ergibt sich daraus, daß von dem insgesamt erbetenen und auf die westlichen Gliedkirchen nach dem Umlageverteilungsschlüssel der Evangelischen Kirche in Deutschland umgelegten Betrage von 1.200.000,– DM bis zum 11. Januar 1951 rund 681.000,– DM = rund 57 v. H. der Gesamtsumme eingegangen sind, und daß unter Berücksichtigung eines vorhandenen Bestandes an Erstattungszahlungen der östlichen Gliedkirchen rund 714.400,– DM verteilt werden konnten. Hiervon haben die Kirchenleitungen der östlichen Gliedkirchen unmittelbar 369.950,– DM = 51,7 v. H. erhalten. Weitere 196.000,– DM = 27,5 v. H. sind (einschließlich der Kirchlichen Hochschule in Berlin) für Einrichtungen und Arbeiten bewilligt worden, die an zentraler Stelle zu Gunsten der östlichen Gliedkirchen in ihrer Gesamtheit betrieben werden. Den Rest von 148.750,– DM = 20,8 v. H. hat in der Hauptsache die kirchliche Erziehungskammer Berlin als die 69 Vgl. 20D5.

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Trägerin des kirchlichen Religionsunterrichts in Westberlin als Beihilfe zur Aufbringung der Besoldung der Katecheten erhalten. Wie in dem Schreiben weiter zum Ausdruck gebracht worden ist, ist der Ausschuß einmütig der Auffassung, daß zu einer wirksamen Unterstützung der östlichen Gliedkirchen die Durchführung des Hilfsplanes auch im Rechnungsjahre 1951 notwendig ist, wenn auch nur mit einem Betrage bis zu einer Million DM. Wir bitten den Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland, die westlichen Gliedkirchen aufzurufen, sich im Rechnungsjahre 1951 an dem Hilfsplan in der bisherigen Weise bis zu einem Betrage von 1.000.000,– DM zu beteiligen. Wir bitten ferner, den dem Sonderausschuß erteilten Auftrag entsprechend zu verlängern und ihn zu ermächtigen, die Arbeit im bisherigen Sinne fortzusetzen. gez. Heuner, Superintendent. gez. Dr. Wagenmann, Oberlandeskirchenrat.

20D5. Schreiben des Sonderausschusses der EKD an die Kirchenleitungen der westlichen Gliedkirchen. Dortmund, 30. Januar 1951 F: EZA Berlin, 2/1852 (H; Anlage zu 20D4). Betrifft den Hilfsplan für die östlichen Gliedkirchen. Der bevorstehende Ablauf des Rechnungsjahres 1950 gibt uns die erwünschte Veranlassung, den westlichen Gliedkirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland den warmen Dank des Ausschusses und der östlichen Gliedkirchen für ihre Beteiligung an dem Hilfsplan und für die großzügige und wirksame Hilfe zu übermitteln, die die westlichen Gliedkirchen den östlichen Gliedkirchen mit ihren Beiträgen zum Hilfsplan haben zuteil werden lassen. Der Ausschuß, der in bisher vier Sitzungen entsprechend dem ihm vom Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland erteilten Auftrage die Verteilung der eingegangenen Beiträge auf die von ihm anerkannten Zwecke und auf die einzelnen Gliedkirchen im Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik und in Westberlin vorgenommen hat, konnte in seiner letzten Sitzung vom 14. Dezember 1950 dankbar feststellen, daß von dem erbetenen Betrage von insgesamt 1.200.000,– DM mehr als die Hälfte bei der Kasse der Kirchenkanzlei (Berliner Stelle) eingegangen war. Nach dem Stande vom 11. Januar 1951 beläuft sich die Summe der eingegangenen Zahlungen auf insgesamt 681.000,– DM, das sind rund 57 % des Gesamtbetrages von 1.200.000,– DM. Unter Berücksichtigung des vor-

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handenen Bestandes an Erstattungszahlungen der östlichen Gliedkirchen für ihre im Westen wohnenden und von den westlichen Gliedkirchen betreuten Versorgungsberechtigten konnte der Ausschuß bisher Beihilfen an die östlichen Gliedkirchen im Gesamtbetrage von 714.669,– DM verteilen. Dies ist ein Betrag, der für die östlichen Gliedkirchen bereits eine wesentliche Unterstützung bedeutet hat. Die Zwecke, für die die Beihilfen gewährt worden sind, sind in der ersten Sitzung des Ausschusses vom 20. Februar 1950 festgelegt worden. Es sind dies: 1. Die Christenlehre. Die östlichen Gliedkirchen sind, wie bekannt, durch die staatliche Gesetzgebung im Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik genötigt, den Religionsunterricht selbst in die Hand zu nehmen. Damit haben sie eine neue ausserordentlich wichtige Aufgabe übernommen, deren Erfüllung mit großen Ausgaben verbunden ist. Es handelt sich vor allem um die Besoldung der Katecheten, die den Religionsunterricht erteilen. Für diese Zwecke hat der Ausschuß bisher Beihilfen im Gesamtbetrage von 124.700,– DM an die östlichen Gliedkirchen gewährt. 2. Bauten. Der Ausschuß hat sich auf den Standpunkt gestellt, daß nicht große Instandsetzungsarbeiten oder Bauvorhaben in wenigen Einzelfällen, insbesondere nicht der kostspielige Wiederaufbau repräsentativer Kirchen, durch die Beihilfen aus dem Hilfsplan gefördert werden sollen, sondern möglichst viele kleinere Wiederherstellungsarbeiten an kirchlichen Versammlungsräumen, um die Abhaltung der Gottesdienste und sonstige Zusammenkünfte der Gemeinde zu sichern. Die Ausgaben, die den östlichen Gliedkirchen gerade in dieser Beziehung erwachsen, sind sehr groß. Die Gesamtunterstützung für diese Zwecke, die der Ausschuß aus den Mitteln des Hilfsplanes bisher bewilligt hat, belaufen sich auf 96.750,– DM. 3. Besonders wichtig für die Zukunft der kirchlichen Arbeit in den östlichen Gliedkirchen sind die kirchlichen Vorbildungsstätten und Heime. Hierzu rechnen 12 Schülerheime im Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik sowie das Evangelische Gymnasium und das Schülerheim in Westberlin. Letzteres ermöglicht es z. Zt. rund 100 Kindern aus den östlichen Gliedkirchen, vor allem auch Pfarrerssöhnen, die auf den staatlichen Oberschulen nicht aufgenommen werden, westberliner Schulen oder das Evangelische Gymnasium in Berlin zu besuchen. Beide Institute erfordern erhebliche Aufwendungen, da sie auf Einnahmen in Ostwährung angewiesen sind, ihre Ausgaben jedoch in Westwährung zu bestreiten haben. Die Evangelische Kirche in Westberlin ist wegen ihrer eigenen äußerst schwierigen finanziellen Lage nicht imstande, von sich aus nennenswerte Unterstützung zu gewähren. Die für diese Ausbildungsstätten und Heime zugebilligten Beihilfen belaufen sich auf insgesamt 88.050,– DM.

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4. Die vorstehenden Ausführungen gelten entsprechend auch für die Kirchliche Hochschule in Berlin, die in den Westsektoren von Berlin gelegen ist und vornehmlich von Studenten aus den östlichen Gliedkirchen besucht wird. Die Kirchliche Hochschule hat bisher Beihilfen in Höhe von 64.830,– DM erhalten. 5. Auch in Westberlin mußte die Erteilung des Religionsunterrichts in den Schulen von der Kirche übernommen werden. Die bekannt schwierige Finanzlage der Evangelischen Kirche in Berlin bringt es mit sich, daß die Erziehungskammer Berlin, die die Trägerin des Religionsunterrichts ist, die zur Besoldung der Katecheten erforderlichen Mittel nicht aufbringen kann. Sie bedarf in ganz besonderem Maße der Hilfe. Die von dem Ausschuß für die Behebung dringender Notstände in Westberlin bewilligten Unterstützungsbeträge von insgesamt 148.749,– DM sind daher zum allergrößten Teil der Erziehungskammer Berlin für die Zwecke der Katechetenbesoldung zugeflossen. 6. Für verschiedene Zwecke hat der Ausschuß Beihilfen in Höhe von insgesamt 43.120,– DM bewilligt. Als Empfänger kommen hier hauptsächlich Einrichtungen und Arbeiten in Betracht, die von zentraler Stelle betrieben werden und im wesentlichen den östlichen Gliedkirchen in ihrer Gesamtheit zu gute kommen, so vor allem die Evangelische Schrifttumskammer – Ost, das Burckhardthaus und die Ausbildungsstätten für die Kindergärtnerinnen, die in der Deutschen Demokratischen Republik nicht mehr herangebildet werden können. 7. Besonders eingehend hat sich der Ausschuß in jeder seiner Sitzungen mit der Frage befaßt, ob die von den östlichen Gliedkirchen zur Sicherung und Erhaltung ihres landwirtschaftlichen Grundbesitzes aus Mitteln des Hilfsplans erbetenen Beihilfen gewährt werden könnten. Es tauchte immer wieder das Bedenken auf, ob eine solche Bezuschussung nicht zwecklos sei, weil im Hinblick auf die Entwicklung im Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik doch eines Tages mit dem Verlust des kirchlichen landwirtschaftlichen Grundbesitzes gerechnet werden müsse. Der Ausschuß ist aber nach eingehenden Darlegungen des ihm als Mitglied angehörenden und besonders sachverständigen Vizepräsidenten des Centralausschusses für die Innere Mission Pfarrers D. Braune-Lobetal, zu der Überzeugung gelangt, daß nichts unversucht gelassen werden darf, um die östlichen Gliedkirchen, insbesondere die in dieser Beziehung am meisten Not leidenden Kirchen von Mecklenburg, Pommern und BerlinBrandenburg durch Gewährung von Beihilfen in die Lage zu versetzen, ihren landwirtschaftlichen Grundbesitz zu erhalten und nicht von sich aus aufgeben zu müssen. Nach allen erkennbaren Anzeichen kann nicht angenommen werden, daß es Ziel der staatlichen Politik ist, den Kirchen das Eigentum an ihrem landwirtschaftlichen Grundbesitz, das ihnen bei der Durchführung der Bodenreform ausdrücklich belassen worden ist,

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wieder zu entziehen. Die Notlage, in der sich insbesondere die im Besitz der Kirchen stehenden und von ihnen selbst bewirtschafteten Güter befinden, ist in erster Linie auf den durch den Kriegsausgang bedingten Verlust des notwendigen lebenden und toten Inventars zurückzuführen. Ohne dieses Inventar sind die Güter nicht ertragfähig genug, um die hohen Löhne für die landwirtschaftlichen Arbeitskräfte aufzubringen und das Ablieferungssoll, das sich mit der Größe des Besitzes steigert, zu erfüllen. Nach übereinstimmender Ansicht der Sachverständigen, denen sich der Ausschuß angeschlossen hat, ist aber damit zu rechnen, daß die Ertragsfähigkeit der Güter wieder hergestellt werden kann, wenn das notwendige Inventar zu beschaffen ist. Hierfür sind die Beihilfen in erster Linie erbeten und von dem Ausschuß gewährt worden. Hinzu kommt, daß die von der Kirchenkanzlei geführten Verhandlungen mit den staatlichen Stellen der Deutschen Demokratischen Republik hoffen lassen, daß Löhne und Ablieferungssolls für die kirchlichen Güter auf ein erträgliches Maß festgelegt werden. Es ist also nach dem derzeitigen Stand der Dinge zu erwarten, daß durch die Zuschüsse aus dem Hilfsplan die östlichen Gliedkirchen wieder in die Lage versetzt werden, ihren landwirtschaftlichen Grundbesitz nicht nur vor dem Verlust zu bewahren, sondern wieder Nutzen aus ihm zu ziehen. Dieser Nutzen ist für die Besoldung der Geistlichen und damit für die äußere Sicherung des kirchlichen Dienstes bestimmt. Der Ausschuß hat sich daher entschlossen, auch für den Zweck der Erhaltung und Sicherung des kirchlichen landwirtschaftlichen Grundbesitzes aus Mitteln des Hilfsplans Zuschüsse zu gewähren. Ihre Gesamtsumme beläuft sich auf 148.500,– DM. In seiner letzten Sitzung vom 14. Dezember 1950 hat sich der Ausschuß mit der Frage befaßt, ob der Hilfsplan auch im Rechnungsjahre 1951 fortzuführen ist. Er hat diese Frage bejaht, da, wie die vorstehenden Ausführungen ergeben, die Zwecke, für die die Mittel ausgeworfen sind, auch im kommenden Rechnungsjahre 1951 die Unterstützung der östlichen Gliedkirchen durch die westlichen Gliedkirchen notwendig machen werden. Die Aufwendungen, die die östlichen Gliedkirchen für die genannten Zwecke haben, kehren im kommenden Rechnungsjahre wieder und können nicht aus eigenen Mitteln der östlichen Gliedkirchen gedeckt werden, weil deren Einnahmen im kommenden Rechnungsjahre keinesfalls höher zu veranschlagen sind, als in dem laufenden Rechnungsjahre 1950. Der Ausschuß wird daher den Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland bitten, die westlichen Gliedkirchen auch für das Rechnungsjahr 1951 zur Durchführung des Hilfsplans bis zu einem Betrage von 1.000.000,– DM aufzurufen. Es ergibt sich aber aus dieser Lage die besondere Notwendigkeit, den Hilfsplan 1950 so bald wie möglich abzuwickeln. Dazu ist erforderlich,

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daß die westlichen Gliedkirchen die auf sie entfallenden Beiträge zum Hilfsplan, soweit sie noch nicht abgeführt worden sind, nunmehr möglichst umgehend an die Kasse der Kirchenkanzlei, Berliner Stelle, zahlen. Der Ausschuß bittet die westlichen Gliedkirchen, die mit der Zahlung ihrer Beiträge noch im Rückstande sind, die Überweisungen nunmehr vorzunehmen. Der Umstand, daß einzelne westliche Gliedkirchen für eigene Kirchengebiete zu sorgen haben, die im Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik liegen, darf nach Auffassung des Ausschusses nicht dazu führen, daß – wie es in einem Falle geschehen ist – die Zahlung von Beiträgen zum Hilfsplan ganz verweigert wird. Es kann sich nur darum handeln, wieweit diese Aufwendungen auf die Beiträge der betreffenden Gliedkirchen aufgerechnet werden können. Mit dieser Frage wird sich der Ausschuß in einer seiner nächsten Sitzungen befassen. Er kann das aber nur tun, wenn ihm von der in Betracht kommenden westlichen Gliedkirche zahlenmäßige Unterlagen über ihre Aufwendungen für das im Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik gelegene Kirchengebiet gemacht werden. Zum Schluß sei hervorgehoben, daß sich der Ausschuß durchaus darüber im klaren ist, daß die westlichen Gliedkirchen durch den Hilfsplan in erheblichen Maße selbst belastet und in Anspruch genommen werden. Umso dankbarer sind die geleisteten Beiträge von dem Ausschuß selbst und den bedachten östlichen Gliedkirchen empfangen worden. Die Erkenntnis der starken Inanspruchnahme der westlichen Gliedkirchen durch den Hilfsplan hat auch dazu geführt, daß sich der Ausschuß entschlossen hat, dem Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland vorzuschlagen, den neuen Hilfsplan für das Rechnungsjahr 1951 nur bis zu einem Betrage von 1.000.000,– DM auszuschreiben. Der Ausschuß hat auch bedacht, daß es für die westlichen Gliedkirchen besonders schwierig ist, die Mittel für den Hilfsplan aus Haushaltsmitteln zusätzlich aufzubringen. Deshalb darf in diesem Zusammenhange auf das Beispiel einer der größten westlichen Gliedkirchen hingewiesen werden, die in [sic!] den gesamten auf sie entfallenden, sehr nennenswerten Beitrag ohne Inanspruchnahme von Haushaltsmitteln rein aus Opfern der Gemeindeglieder aufgebracht hat, die zu einer solchen Spende für die östlichen Gliedkirchen durch einen besonders warmherzigen Aufruf der Kirchenleitung aufgerufen worden waren. Wenn es sich auch aus nahe liegenden Gründen nicht empfiehlt, das Bestehen des Hilfsplans gar zu sehr öffentlich bekannt werden zu lassen und durch Kanzelabkündigungen und besonders bezeichnete Kollekten zu Sammlungen für den Hilfsplan aufzurufen, so werden sich doch genügend andere Wege finden lassen, die Opferwilligkeit der Gemeindeglieder für ihre Brüder im Osten anzusprechen und auf solche Weise die für die Durchführung des Hilfs-

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plans erforderlichen Mittel ohne zusätzliche Belastung der Haushalte der westlichen Gliedkirchen zu beschaffen. gez. Heuner, Superintendent. gez. Dr. Wagenmann, Oberlandeskirchenrat.

20D6. Schreiben Niemöllers an den Ratsvorsitzenden. O. O., 3. März 1951 F: EZA Berlin, 6/16 (D). Zu dem von uns vorgeschlagenen Punkt der Tagesordnung des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland „Anschlussgesetz“ haben wir folgende Vorlage zu machen: Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland möge beschliessen, dass eine Kommission unter dem Vorsitz des Vizepräsidenten des Kirchlichen Aussenamtes eingesetzt wird, die über die gesetzliche Neuregelung, die anstelle des bisherigen Anschlussgesetzes treten soll, beraten wird. Diese Kommission soll aus folgenden Personen bestehen: 1. Vizepräsident Dr. Benn, Berlin 2. Präsident Brunotte, zugleich als Vertreter der VELKD, 3. Oberkirchenrat Lücking, Bielefeld, 4. Dekan Rieger, London, 5. Oberkirchenrat Hans Schmidt, München. Im Entwurf gez. D. Niemöller Für die Richtigkeit: (Johannesson).

20D7. Schreiben des Kirchlichen Außenamtes an die Ratsmitglieder. Frankfurt/Main, 26. Februar 1951 F: EZA Berlin, 2/P 33 (O). Betrifft: Oberkonsistorialrat a. D. Dr. Schoenfeld Gemäss der Ratssitzung vom 11. Januar 1951 (Protokoll Ziff. 14)70 berichtet das Kirchliche Aussenamt: 70 19B14.

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1) Im Haushaltsjahr 1950/51 sind von Frau Schoenfeld Rechnungen über die Krankheitskosten ihres Mannes in Hoehe von DM 4.539,73 eingereicht worden. Unter Anwendung der Beihilfebestimmungen hat das Kirchliche Aussenamt einen Betrag von DM 3.525,80 an Frau Schoenfeld gezahlt. Hierin sind 1.000,– DM eingeschlossen, die zunächst nur als Vorschuss gezahlt worden sind, um einer Entscheidung des Rates nicht vorzugreifen. Die erwähnten Kosten beziehen sich auf die Behandlung bis einschliesslich Dezember 1950. 2) Bezüglich der Gesundungsaussichten sind wir an Herrn Prof. Kütemeyer wiederholt herangetreten und haben heute folgende Nachricht erhalten: „Auf Ihre Bitte gebe ich Ihnen einen Bericht über den Zustand von Dr. Schoenfeld, der seit Ende April 1950 von mir behandelt wird. Dr. Schoenfeld leidet an einer schweren Melancholie. Ausserdem an den Folgen eines schweren Herzklappenfehlers. Er wurde trotz seiner Gemütskrankheit in unsere Klinik für innere Erkrankungen aufgenommen. Einmal, um ihm den Aufenthalt in einer geschlossenen (psychiatrischen) Anstalt zu ersparen. Dann aber auch, weil die in solchen Fällen übliche Schocktherapie bei ihm wegen seines schweren Herzleidens als Behandlungsmoeglichkeit ausscheidet. Schliesslich aber spielen die Umstände seines besonderen Lebens für den Ausbruch seiner Krankheit eine so entscheidende Rolle, dass es angezeigt erschien, ihm das Privileg einer Behandlung, wie sie die Psychotherapie in solchem Falle darstellt, zuzubilligen. Man darf wohl sagen, dass der Boden der Klinik Krehls für solch einen Versuch besonders geeignet ist. Jedenfalls hat sich der Leiter, Prof. Siebeck, den vorliegenden Gründen nicht verschlossen, den noetigen Raum zur Verfügung zu stellen, und Prof. v. Weizsäcker hat gerade auch in diesem Fall, wo es noetig war, immer wieder seine Hilfe geboten. Ich habe nun Dr. Schoenfeld, seitdem er bei uns ist, fast ohne Ausnahme jeden Tag gesehen. Ob es dabei gelingen wird, die Bilanz seines Lebens und die sich als noetig erweisende Grundrevision so zu vollziehen, dass die Macht der Erkrankung gebrochen wird, ist immer noch nicht mit Sicherheit zu entscheiden. Nach dem bisherigen Verlauf besteht aber die Hoffnung und so auch die Aussicht, dass Dr. Schoenfeld eines Tages in seine Familie zurückkehren kann. Wenn er auch wegen seines Herzfehlers zu angespannter Arbeit vielleicht nicht mehr fähig sein wird. Man sollte deshalb, so meine ich, die begonnene Behandlung fortsetzen. Voraussichtlich wird dies noch für mindestens ½ Jahr noetig sein. gez.: Kütemeyer“ 3) Die voraussichtlichen künftigen Kosten hängen davon ab, ob dem Vorschlag von Prof. Kütemeyer gefolgt wird und Dr. Schoenfeld weiter in der Ludolf-Krehl-Klinik, Medizinische Universitäts Klinik, Heidelberg, bleibt, oder ob er in eine Anstalt überführt wird. Im ersten Fall belaufen

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sich die Kosten für Verpflegung usw. auf monatlich DM 170,– und auf etwa DM 500,– für ärztliche Behandlung. Bei Ueberführung in eine Anstalt werden die Kosten naturgemäß erheblich geringer sein. Die Pension von Frau Schoenfeld beträgt brutto 660,– DM, sie hat vier Kinder, die sich in der Ausbildung befinden. i. A. Johannesson [m. p.] 20D8. Schreiben Bells an Niemöller. Chichester, 21. Februar 1951 F: EZA Berlin, 2/P 59 (Abschrift den Ratsmitgliedern mit Schreiben Johannessons vom 2. März 1951 zugesandt). My dear Martin, I have just had a letter from Oliver Tomkins, enclosing one to him from Helmut Külme of Hünfeld-Rhön, about our friend Hans Schönfeld. I had not heard of Schönfeld’s progress for some little while. I do indeed know how devotedly he served the ecumenical cause during the war, and I know something of the very harassing time he had after the war, and his physical and psychological condition. I am finding out from Robert Mackie what is the position with regard to the World Council at Geneva. But Pastor Külme says it is a matter of life and death for Schönfeld that he schould remain in the hands of Professor Kütemeyer at Heidelberg. You probably know a good deal more about the situation than Oliver Tomkins knows. But I do just want to send you this line to say how deeply interested I personally am, and how much I hope that anything that can be done may be done – and also to say that I am in touch with Mackie. Yours ever, George Chichester [m. p.] 20D9. Einladungsschreiben des Erzbischofs von Athen an Dibelius. Athen, 12. Februar 1951 F: EZA Berlin, 6/6414 (D mit dem Vermerk: „Translation“). Dear Bishop Dibelius, The Holy Synod of the Church of Greece at the suggestion of the Theological Schools of Athens and Salonica has decided that in the second half of June 1951 the 1900th centenary of the coming of St. Paul the Apostle

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to Greece should71 be celebrated with solemnity and state, albeit within the meagre limits of our capacities. It was a right decision to celebrate this great event in Greece in as much as it was the starting-point for the spreading of the saving message of our most holy faith throughout the countries of Europe. We are sure that this celebration will find an echo throughout the Christian world, which has been at every point indebted to the great exponent of Christian ideology for its saving faith and its great Christian works throughout the nineteen hundred years of its history. We are convinced that a wider celebration of this great event is particularly important in the present period of agitation and confusion of the human conscience and collapse of moral values, in order to elevate the saving principles of our holy faith. We have therefore thought it right to request your most holy Church to take part in this great celebration by sending two or three delegates72. Such a participation by your Church will greatly contribute not only to the splendour of the Festival but also to a new and lively echo from it throughout the faithful of your Church of the holy gospel of Christ and His Apostle. During this celebration the whole Christian world will have the opportunity to hear again the insistant voice of the holy Apostle to guide it into the way of truth and love. On the other hand, it is by no means impossible, when the non-Christian world is faced with the concentrated force of the gospel as it will be preached for the occasion and with the presentation of the saving revelation, that it may result for it in a new Damascus. With the request hat you will gladly accept this humble invitation73, and with the assurance that we will send to you in good time-all the relevant information about the detailed programme of the festival, as well as the individual invitations74 to the officially appointed representatives of your Church, We remain, Your beloved Brother in Christ THE PRESIDENT The Archbishop of Athens Spyridon THE GENERAL SECRETARY Hamilcar S. Alivisatos

71 72 73 74

Die Die Die Die

Passage von „the second half“ bis „should“ wurde hsl. unterstrichen. Passage von „by sending“ bis „delegates“ wurde hsl. unterstrichen. Passage von „you will“ bis „invitation“ wurde hsl. unterstrichen. Worte „individual invitations“ wurden hsl. unterstrichen.

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20D10. Eingabe der Arbeitstagung für Flüchtlingsfragen an Landesbischof Lilje. Kästorf-Anstalten, über Gifhorn, 20. Januar 1951 F: EZA Berlin, 2/2140 (O; Anlage zum Schreiben Merzyns an Ranke vom 13. März 1951). Die auf der Arbeitstagung für Flüchtlingsfragen der ev. Akademie Hermannsburg in Kästorf versammelten Vertreter der Kirche und des Zentralverbandes vertriebener Deutscher sehen mit grosser Sorge den bevorstehenden parlamentarischen Beratungen über den Lastenausgleich entgegen. Wir erinnern uns dankbar des Wortes, das der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland zum Lastenausgleich am 6. August 1949 gesprochen hat. Angesichts der Bedeutung dieser Frage für unser ganzes Volk halten wir es aber für dringend erforderlich, dass die Kirche jetzt, da der Bundestag in die erste Lesung des Gesetzentwurfs eintritt, die Mitglieder des Bundestags und Bundesrats auf den Ernst und die Verantwortung dieser Verhandlungen hinweise. Wir erlauben uns, einen Entwurf dafür Ihnen als zweitem Vorsitzenden des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland in der Anlage zu unterbreiten75. Weiter bitten wir Sie, jetzt schon vorbereitend die Pastoren und Kirchenvorsteher der Landeskirche in einem persönlichen Rundbrief auf die Verantwortung der Kirche, ja jeder Gemeinde, für die willige Durchführung des Lastenausgleichs hinzuweisen und ihnen für ihren Anteil an dieser Aufgabe konkrete Handreichungen zu geben. Einen Entwurf dafür bearbeitet der Ostkirchenausschuss, der diesen demnächst vorlegen wird. Beim Erscheinen des Gesetzes wäre dann ein besonderes Kanzelwort notwendig. Im Vertrauen, dass Sie auch diesen Bitten dasselbe warme Verständnis entgegenbringen werden wie bei früheren Anlässen, bringen wir Ihnen die dankbaren Grüße der Versammlung zum Ausdruck. 20D11. Entwurf Girgensohns für ein Wort der EKD an die Mitglieder des Bundestages und Bundesrates. [Hannover, 3. März 1951] F: EZA Berlin, 2/5812 (O; Anlage zu einem Schreiben Girgensohns an den Rat der EKD vom 3. März 1951). Die Kirche sieht mit grosser Sorge einerseits die steigende Hoffnungslosigkeit und Verbitterung der Vertriebenen und Kriegsgeschädigten, andererseits die zunehmende Verhärtung der noch besitzenden Bevölkerung. Darin offenbart sich die Not unseres Volkes, das den rechten Gemein75 20D11.

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schaftssinn durch seinen jahrelangen Mißbrauch verloren hat und so in nackter Brutalität gegeneinandersteht. Wir wissen, dass Sie ein schweres Amt auf sich nehmen, in dieser Situation ein Gesetz zum Ausgleich der Lasten zu beraten. Die Geschädigten warten auf dies[es] Gesetz als auf ein Zeichen, ob unser Volk und ob Sie als seine Repräsentanten den guten Willen zur Herstellung einer gerechten Sozialordnung aufbringen. Angesichts dieser berechtigten Erwartung müssen wir den Mut haben, dem natürlichen Widerstand jedes Menschen gegen ein von ihm gefordertes Opfer ins Auge zu sehen und dieses Opfer doch zu fordern. Dieses Opfer muss ein solches sein, dass der Verschonte einen für beide fühlbaren Teil der bisher vom Geschädigten allein getragenen Last auf sich nimmt. Weder die Behörden des Staates noch die Seelsorger der Kirche werden sich glaubwürdig für ein Gesetz einsetzen können, das diese fühlbare Entlastung nicht bringt und damit Enttäuschung und Verzweiflung mit all ihren Folgen nur vermehrt. Wir bitten Sie dringend, nicht ohne den ernsten Willen zum Opfer an dieses Gesetz heranzugehen. Vom Beispiel Ihres Mutes und Ihrer Einsicht wird es abhängen, ob unser Volk sich aufrafft, in diesem Opfer einig zu sein. Und es wird Ihnen einmal danken, dass Sie dieses Opfer von ihm gefordert haben, das im wahrsten Sinne ein Opfer für unser aller Frieden und Freiheit, für die Ordnung und Gerechtigkeit in ganz Deutschland ist.

20D12. Schreiben Hartensteins an Brunotte. Stuttgart, 1. März 1951 F: EZA Berlin, 2/2350 (O). Verehrter, lieber Herr Präsident! Lieber Bruder Brunotte! Darf ich mir erlauben, mit diesem Eilbrief noch ein wichtiges Traktandum für die nächste Sitzung des Rates vorzulegen, nämlich die Frage der Taufe der Christengemeinschaft und die Stellung der EKD dazu. Ich übergebe Ihnen 9 Durchschläge, die eine Gemeinschaftsarbeit von Herrn Bischof D. Dr. Stählin, Oberkirchenrat D. Metzger und mir darstellen76. Darf ich bitten, die wichtige Sache noch auf die Tagesordnung zu setzen und wenigstens eine Stunde dafür frei zumachen. Es bedarf einer dringlichen Antwort, nachdem leider in der Januarsitzung durch meine Verhinderung die Sache nicht entschieden werden konnte. Mit sehr herzlichem Gruß und Dank bin ich Ihr Karl Hartenstein [m. p.] 76 20D13.

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20D13. Bericht der Sonderkommission für die Verhandlung mit der Christengemeinschaft an den Rat der EKD. Stuttgart, 24. Februar 1951 F: LKA Stuttgart, NL Hartenstein, D 23, 17,4 (Abschrift). Am Montag, 4. Dezember 1950, hat die vom Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland bestimmte Sonderkommission ein Gespräch mit der Christengemeinschaft durchgeführt. Durch einen Brief vom 14. Oktober 1949 hatte die letztere gegen den Beschluß des Rates vom 31. Mai 1949 betreffs Nichtanerkennung ihrer Taufe protestiert77. An dem dadurch notwendig gewordenen Gespräch nahmen teil: Von Seiten der Evangelischen Kirche in Deutschland: Bischof D. Dr. Stählin, Oberkirchenrat D. Metzger und Prälat Dr. Hartenstein. Von Seiten der Christengemeinschaft: Lic. Bock, Dr. Schühle und Pfarrer Husemann. Das fast dreistündige Gespräch verlief äußerlich in guter Form, obwohl der leidenschaftliche Protest der Christengemeinschaft zum Teil in sehr entschiedener Form zum Ausdruck kam. I. Es erwies sich, daß durch eine Reihe unglücklicher Tatsachen das Gespräch vorbelastet war. Der Zeitpunkt war durch die Erkrankung des ursprünglich vom Rat als Vorsitzenden vorgesehenen Bischof Wüstemann – Kassel peinlich lange verzögert worden. Wichtige Schriftstücke, besonders der Ratsbeschluß vom 31. Mai 1949 selbst und ein wichtiger Brief von Oberkirchenrat D. Metzger vom 7. Juli 1950 haben aus unbekannten Gründen die Christengemeinschaft nicht erreicht. Der Inhalt des Ratsbeschlusses selbst hatte durch die Art und Weise, wie der Schlußbericht der Assenheimer Studienkommission verkürzt worden war, Anstoß erregt. Aus Teil III, „Praktische kirchliche Folgerungen“ war nur 1a und b den Kirchen mitgeteilt worden, nicht aber Ziffer 2 (mögliche Zugehörigkeit der Christengemeinschaft zur Oekumene). Vor allem war aber Teil IV, „Fragen an Kirche und Theologie“ den Landeskirchen nicht zur Kenntnis gebracht worden. Dadurch war nur die Ablehnung der Taufe der Christengemeinschaft und der Doppelmitgliedschaft bekannt geworden, nicht aber die positiven Fragen, die Kirche und Theologie in der Begegnung mit der Christengemeinschaft sich nach der Meinung der Studienkommission zu stellen haben. Endlich hatte die Ablehnung der Taufe eine Verschärfung erhalten, indem an Stelle der Formulierung der Studienkommission „eine Anerken77 Vgl. K.-H. FIX, Protokolle 3, 9B23 und 5B2.

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nung der in der Christengemeinschaft geübten Taufe erscheint uns nicht möglich“ polemisch von einer Nicht-Anerkennung der Taufe der Christengemeinschaft als christlicher Taufe gesprochen wurde. In dieser Form war der Beschluß dann in die Presse und in den Rundfunk gekommen und hatte damit aus einer Aussage über die Stellung der EKD ein Urteil über die Christengemeinschaft gemacht, die sich dadurch als Ganze diffamiert fühlen konnte. Sie erfuhr auch sofort unfreundliche Maßnahmen von Kirchenleitungen auf dem Gebiet des Schulwesens (Baden und Bayern), später auch auf dem Gebiet der Einräumung kirchlicher Räume in der Ostzone unter gleichzeitigem politischem Druck der SED u. a. m. Diese Sachverhalte vermochte die Sonderkommission am 4. Dezember 1950 vor der Christengemeinschaft nicht zu rechtfertigen. Sie bittet den Rat, eine Korrektur seiner Haltung vorzunehmen und legt dafür den Entwurf eines Schreibens an die Christengemeinschaft bei78. Vor allem hält die Sonderkommission es für nötig, allen Kirchenleitungen auch Teil IV des Gutachtens der Studienkommission von Assenheim mitzuteilen. Insbesondere bittet die Sonderkommission den Rat, dafür einzutreten, daß alle Maßnahmen unterlassen werden möchten, welche die notwendige sachliche Auseinandersetzung mit dem Verdacht oder Anschein einer äußeren Unterdrückung belasten könnten; insbesondere in all den Fällen, wo wie in der Ostzone die Wahrung gemeinsamer christlicher Interessen gegenüber nicht-christlichen Mächten auf dem Spiele steht. Wir verweisen ausdrücklich auf den Brief, den Bischof D. Dr. Stählin an Bischof D. Dr. Dibelius geschrieben und in dem er die Bitte vorgetragen hat, nicht durch Versagung kircheneigener Räume die Christengemeinschaft dem verschärften Druck oder dem Verbot seitens der SED preiszugeben. II. Die Vertreter der Christengemeinschaft erklärten zunächst, zu einem Eintritt in ein Gespräch über die Taufe nur bereit zu sein, wenn die Entscheidung des Rates um ihrer unheilvollen Folgen willen grundsätzlich richtig gestellt würde. Sie betonten, daß die Christengemeinschaft nicht um eine Anerkennung ihrer Taufe nachgesucht habe, und erneuerten ihren Protest vor allem gegen die Form der Veröffentlichung des Ratsbeschlusses, der ihnen als eine Proklamation der Nichtchristlichkeit der Christengemeinschaft und als ein Anathema, das in der Kirchengeschichte singulär sei, erschien. Der Hinweis der Sonderkommission, daß doch durch den zweiten Teil von Schlußbericht III der Assenheimer Studienkommission (Offenhaltung einer Aufnahme in die Oekumene) ein modus vivendi auch für Deutschland offen gelassen sei, erschien den Vertretern 78 Vgl. dazu 20E14.

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der Christengemeinschaft angesichts der Nicht-Veröffentlichung dieses Satzes als irrelevant. Auch daß zum Beispiel die Baptisten trotz ihrer Ablehnung der kirchlichen Kindertaufe als voll anerkanntes Glied in der oekumenischen Gemeinschaft stünden, verfing nichts, da es den Baptisten gegenüber nie zu solch einem öffentlichen Verdikt gekommen sei wie es gegenüber der Christengemeinschaft durch die Proklamation des Rates geschehen sei. Unser Einwand, es sei nicht die Christlichkeit des ganzen Werkes oder einzelner Persönlichkeiten, sondern eben nur ihrer Taufe gemeint gewesen, wiege nichts gegenüber der Tatsache, daß die Christengemeinschaft in aller Öffentlichkeit gebrandmarkt worden sei. Die Christengemeinschaft verstehe sich als der ecclesia invisibilis zugehörig. Sie grenze sich nirgends in ihren Ritualen als besondere Gemeinschaft von ihr ab und bezeuge in allem, was sie tue, ihre Verbundenheit mit der gesamten Gemeinde des Christus Jesus. Die Christengemeinschaft hat ihre Forderung auch noch in der Form einer inständigen Bitte nach dem Gespräch am 4. Dezember schriftlich dem Rate unterbreitet (siehe Anlage)79, es möchte die Proklamation des Rates aufgehoben und ungültig gemacht werden. Die Sonderkommission sieht daraus die Notwendigkeit erwachsen, das Unterlassene nachzuholen, Satz 2 des Schlußberichts III von Assenheim (Offenhaltung der Oekumene) ganz ernst zu nehmen und Teil IV von Assenheim den Landeskirchen mitzuteilen. Der Sinn des ersten Teils des Gesprächs war eindeutig der, daß nicht der Christengemeinschaft als ganzer die Christlichkeit abgesprochen werden dürfe, und daß trotz aller Bedenken der Evangelischen Kirche in Deutschland gegenüber Lehre und Gestalt der Christengemeinschaft ein modus vivendi im Nebeneinander zweier Gemeinschaften gefunden werden müsse, die jedenfalls nach ihrem eignen Selbstverständnis beanspruchen, als christlich zu gelten. III. Bei dem inhaltlichen Teil des Gesprächs suchte die Sonderkommission das Nein des Rates zur Christengemeinschaft zu begründen. Sie orientierte sich dabei vor allem an der in der Christengemeinschaft gebrauchten Taufformel. Diese sei zwar triadisch, aber triadische Formeln gebe es in der Welt der Religionen genug, und die Dreiheit einer Formel besage noch nichts über ihre Christlichkeit. In der Christengemeinschaft werde die Trinität vielmehr umgedeutet durch die in der Taufformel gebrauchten, unpersönlichen, naturalistischen Begriffe. Dadurch sei der persönliche Begegnungscharakter des Vorgangs zischen Gott und dem Täufling verwischt. Die Christengemeinschaft habe mit dem Gebrauch dieser Formel 79 20D14.

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die Gemeinsamkeit mit der übrigen Christenheit aufgegeben. Es trete in dieser Taufformel hervor, daß die Christengemeinschaft nicht nur durch das christliche Gedankengut, sondern gleichzeitig ebenso durch eine demselben fremde, synkretistische Weltanschauung (Steiner) bestimmt werde. Im übrigen habe der Rat mit seinem Beschluß an die Taufformel der Christengemeinschaft keine anderen Maßstäbe angelegt, als das jede evangelische Kirchenleitung pflichtmäßig innerhalb der eigenen Kirche tun würde, falls dort eine Taufformel auftreten würde, welche durch ihre Abweichung von der übernommenen und gemeinchristlichen trinitarischen Taufformel irgendwelche Zweifel darüber erweckt, ob die gleiche Wirklichkeit des dreieinigen Gottes damit gemeint sei. Würde die Evangelische Kirche in Deutschland diese Taufformel anerkennen, so würde es zudem fraglich werden, ob die bislang in der Oekumene und auch in der Römisch Katholischen Kirche grundsätzlich anerkannte Taufe der Evangelischen Kirche Deutschlands von den Kirchen noch anerkannt würde. Die Vertreter der Christengemeinschaft ihrerseits bestritten demgegenüber, daß sie sich mit ihrer Taufformel aus der Gemeinsamkeit der Christenheit geschieden hätten. Nur mit Rücksicht auf die geistige Lage des heutigen Menschen gebrauchten sie diese erweiterte Formel. Der persönliche Charakter der Begegnung von Gott und dem Täufling sei nicht verwischt. Die Namen der Dreieinigkeit, Vater, Sohn, Geist, seien in der Formel enthalten. Vor allem sei die Intention ihrer Taufe keine andere als die gemeinchristliche, nämlich die Aufnahme des Täuflings in die Gemeinde des Christus Jesus. Die Sonderkommission sieht keine Möglichkeit, dem Rate zu empfehlen, die ausgesprochene Nicht-Anerkennung der Taufe der Christengemeinschaft aufzuheben. Die Gestalt der Taufformel beruht auf einem dem Neuen Testament fremden Offenbarungsanspruch. Sie gibt dem Rate aber zur Erwägung, ob der endgültigen Mitteilung an die Christengemeinschaft nicht eine solche Fassung gegeben werden könnte, daß die Verfemung der Christengemeinschaft als solcher eindeutig vermieden werde. Sie tut dies vor allem aus dem Gefühl heraus, daß angesichts der Armut unserer Kirche und der dezidierten Problematik der volkskirchlichen Kindertaufe jede Haltung einer Sekuritas fehl am Platze sei, die glaube, daß schon durch den Vollzug der Taufe ihrer Gültigkeit garantiert sei. Die Sonderkommission erlaubt sich, in einem weiteren Schreiben dem Rat den Entwurf eines Schreibens an die Christengemeinschaft80, sowie eines Schreibens an die Kirchenleitungen der EKD beizulegen81. gez. Hartenstein, Stählin, Metzger 80 Vgl. dazu 20E14. 81 20E13.

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20D14. Schreiben der Christengemeinschaft an den Rat der EKD. Stuttgart, 4. Dezember 1950 F: LKA Stuttgart, NL Hartenstein, Nr. 17,4 (O; Anlage zu 20D13). Nach der Besprechung am 4. Dezember 1950, fassen wir unser Anliegen noch einmal zusammen: 1) Die Christengemeinschaft hat die Anerkennung der Taufe seitens der E.K.D. nicht nachgesucht. Sie wird das auch nie tun. Von zahlreichen Laien und Pfarrern der evangelischen Kirche wird die Christlichkeit der Christengemeinschaft in Verkündigung und Leben wie im Kultus als Selbstverständlichkeit miterlebt. Wenn nun von dem Rat der Evangelischen Kirche die Nicht-Christlichkeit unserer Taufe öffentlich herausgestellt wird, so heisst das: den mit dem Assenheimer „freundschaftlichen Gespräch“ eingeleiteten Vorgängen eine Wendung geben, die mit ihrem Ausgangspunkt nichts mehr zu tun hat. Die Proklamation der Nicht-Christlichkeit unserer Taufe muss sich als Anathema in der Öffentlichkeit auswirken. Es hat in Familien, Schulen, Gemeinden und auf den Ämtern die katastrophalste Wirkung gehabt, eine Wirkung, welche der Rat der E.K.D. nicht gewollt haben kann. Gegen die propagandistisch einseitige Art, wie der Schlussbericht der Assenheimer Kommission in die Öffentlichkeit gebracht ist, müssen wir auf das entscheidenste protestieren. 2) In dem Assenheimer Schlussbericht wird die anempfohlene Nichtanerkennung unserer Taufe damit begründet, die Christengemeinschaft weiche in ihrer Tauf-Intention bewusst von der der christlichen Kirchen ab. Dies ist, wie wir immer wieder mit Nachdruck geltend machen müssen, irrig. Die Taufe geschieht zur Eingliederung des Täuflings in die christliche Gemeinde und wird mit Wasser und unter Anrufung der christlich verstandenen Trinität vollzogen. In dem heutigen Gespräch mussten unsere Gesprächspartner zugeben, dass ihre Ablehnung durch den Wortlauf des Rituals hervorgerufen sei. Wir müssen uns aber dagegen verwahren, unserer Taufe die Christlichkeit abzusprechen, weil man die Sprache unseres Rituals als fremdartig empfindet und andere religiöse Inhalte dahinter vermutet, als wir selbst damit verbinden. 3) Herr Prälat Dr. Hartenstein hat in eindrucksvoller Weise von dem Consensus omnium gesprochen, den alle christlichen Kirchen, die Kindertaufe üben, miteinander haben. Die Christengemeinschaft enthält, sofern man ihr die Freiheit zubilligt, in ihrer eigenen Formulierung zu sprechen, nichts, was einen Consensus mit uns ausschlösse. Diese Tatsache begründete den Modus vivendi, den wir bisher miteinander praktiziert haben. Die öffentliche Behauptung des Gegenteiles stellt unserer Taufe in eine Linie mit der Namensweihe der Nationalsozialisten. Die

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Öffentlichkeit macht die Reservate der Theologen nicht mit, nicht einmal das evangelische Pressebüro in Hannover82, wie eindeutig aus seinem Verhalten hervorgeht. 4) Uns wurde versichert, die Absicht der ganzen Klärungsaktion sei, wie es in einem Briefe des württembergischen O.K.R. an uns ausgesprochen worden war, einen Modus vivendi für das Nebeneinander der Evangelischen Kirche und der Christengemeinschaft zu finden. Wir müssen demgegenüber feststellen, dass der faktisch vorhandene Modus vivendi durch den Verlauf der Verhandlungen, Beschlüsse und Veröffentlichungen empfindlich gestört worden ist, und bitten dringend, das entstandene Odium, von dem man uns versichert, dass es nicht beabsichtigt gewesen wäre, aus der Welt zu schaffen. Wir müssen, wenn man unsere Taufe ausdrücklich für nichtchristlich erklärt, dies so auffassen, dass dadurch der Christengemeinschaft im ganzen die Christlichkeit abgesprochen wird. Nach unserer Auffassung ruft die Evangelische Kirche Deutschlands auf sich selbst nur Unheil herab, wenn sie die Instanz zu sein glaubt, die ein solches Verdammungsurteil auszusprechen berechtigt ist. Die Christengemeinschaft Gottfried Husemann, Pfr. [m. p.] Dr. Erwin Schühle [m. p.] Lic. Emil Bock [m. p.]

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20E Dokumente 20E1. Schreiben Hartensteins an McCloy. O. O., 2. Februar 1951 F: LKA Stuttgart, D 23, Nr. 14 (D). Hochgeehrter Herr McCloy! Es sind in wenigen Wochen 12 Monate her, daß ich die Ehre hatte, Ihnen das Memorandum des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland über die Kriegsverbrecher zu übergeben. Sie hatten die große Freundlichkeit, damals Herrn Dr. Weeber, Herrn Dr. Ranke und mich persönlich einzuladen und uns die Gelegenheit eines offenen Gesprächs zwischen der Vertretung der Kirche und Ihnen als dem Hohen Kommissar zu ermöglichen. Wenige Wochen später war ich bei Herrn General Handy und 82 Hier wurde hsl. eingefügt: „gemeint ist die Stelle, die den damaligen Beschluss des Rates der EKD der Öffentlichkeit übergab.“ Vgl. dazu: K.-H. FIX, Protokolle 3, 5B2.

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übergab ihm das Memorandum. Beide Besuche haben auf mich einen starken und nachhaltigen Eindruck gemacht. Ich durfte zwei Männern begegnen, denen es wirklich um die Gerechtigkeit ging, bei denen ich fühlen durfte, daß sie nicht aus irgendwelchen politischen Sentiments oder Ressentiments urteilten, sondern in einer höchsten Verantwortung ein gerechtes Urteil zu finden entschlossen waren. Ich habe in diesem Sinn an Herrn Bischof D. Dibelius-Berlin und den Rat berichtet und gleichzeitig Ihre Bitte hinzugefügt, es möge nun von unserer Seite aus nicht in das schwebende Verfahren eingegriffen werden. Der Rat hat sich streng an diese Linie gehalten. Wir haben von Seiten der offiziellen Vertretung der Evangelischen Kirche in Deutschland nichts mehr öffentlich oder privat unternommen in der Gewißheit, daß die Dinge in Ihren guten Händen liegen, und daß wir uns als Christen und Männer begegnet waren, die auf das Wort des andern zu trauen bereit waren. Ich wußte, daß die Sache etwa ein Jahr gehen würde. Ich wußte vor allem, durch den eingehenden Bericht des Herrn Justiziar von Herrn General Handy, wie kompliziert die Dinge liegen und welch riesenhaftes Material durch Ihre Beauftragten durchgearbeitet werden muß. Aber der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland selbst und ich persönlich waren bereit zu warten. Und wir sind nicht enttäuscht worden. Es war mir in den vergangenen Wochen nicht leicht zu schweigen zahlreichen kirchlichen Versuchen gegenüber, die Sie, Herrn General Handy und die eingesetzten Kommissionen mit allerlei Bitten bestürmten. Ich habe mich daran bewußt nicht beteiligt, weil ich wußte, daß ich mit gutem Grunde warten und schweigen konnte. Und nun möchte ich Ihnen heute persönlich meinen aufrichtigen und herzlichen Dank sagen für das Urteil, das Sie und Herr General Handy gefällt haben. Und ich möchte Ihnen noch mehr danken für die Erklärung, die Sie aus diesem Anlaß abgegeben haben. Ich rede jetzt nicht für irgend eine Organisation sondern aus meinem eigenen christlichen Gewissen und kann nur sagen, daß ich sowohl Ihre Bereitwilligkeit, Gnade vor Recht ergehen zu lassen, wie auch Ihren Sinn für Gerechtigkeit voll und ganz anerkenne und glaube, daß hier ein Urteil gefällt wurde, das in seiner Sachlichkeit, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit geeignet ist, eine entscheidende Hilfe auch zur Verständigung zwischen den Völkern zu geben. Ich stimme mit Ihnen überein in der Frage der völligen Entlassung, in der Frage der Milderung der Strafen, aber auch in der Frage der Aufrechterhaltung des Strafmaßes und der Todesurteile. Ich bin in der Angelegenheit von Ohlendorf immer wieder und von mehreren Seiten angegangen worden, mich zu verwenden und habe dies abgelehnt. Ich halte es nicht für richtig, daß die Gerechtigkeit, welch strenges

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und hartes Antlitz sie immer tragen mag, verletzt werde, dann wenn [sic!] es sich um die Erfüllung des auch in der heiligen Schrift eindeutig gegebenen Gebotes handelt „Wer Menschenblut vergießt, des Blut soll auch durch Menschen vergossen werden, denn Gott hat den Menschen zu seinem Bilde gemacht“. Und eben deswegen, weil das Menschenbild und die Menschenwürde in den KZ und bei den Judenmassenmorden so völlig wie vielleicht noch nie in der Geschichte zerstört wurde, konnte Ihr Urteil nicht anders ausfallen. Ich bitte Sie, dieses Wort als ein Zeichen meiner aufrichtigen Dankbarkeit und Verbundenheit entgegenzunehmen. Ich bin gewiß, daß ich im Namen sehr vieler Menschen und Christen rede, die sich einen Sinn für die Geschichte, für das Furchtbare, was geschehen ist, und für die gerechte Sühne erhalten haben, die, gleichgültig ob nach kurzer oder längerer Zeit geschehen muß, wenn die Gerechtigkeit nicht untergehen soll auf dieser Erde, sei es durch einen falschen ethischen Relativismus, sei es durch eine völlig entleerte terroristische Einstellung. Mit ehrerbietigem Gruß bin ich Ihr (Dr. Karl Hartenstein) Mitglied des Rates der Evang. Kirche in Deutschland

20E2. Schreiben Kreyssigs an Eberhard Müller. Magdeburg, 10. März 1951 F: Evangelische Akademie Sachsen-Anhalt, Bestand Direktion Müller, Az. 2Q (O). Lieber Bruder Müller, in der Ratssitzung vom 6. März kam, vertreten durch Kunst, der offenbar um diesen Dienst gebeten worden war, das Programm der Sozialen Schule Friedewald zur Sprache. Es mündete im ganzen in dreierlei Anträge an den Rat: 1) Die Anerkennung der Einrichtung durch die EkiD, 2) Die Zustimmung, daß sie sich künftig Sozialakademie der EkiD oder doch Evangelische Sozialakademie nenne, 3) Bewilligung gesamtkirchlicher Mittel zu ihrem Fortbestand. Die Entschließung ist aufgeschoben worden. Der Vorsitzende soll sich – auf seinen eigenen Vorschlag – in Friedewald selbst vom Stande der Arbeit überzeugen. Zweitens soll mir die Gelegenheit gegeben werden, im Leiterkreis der Akademie genaueren Aufschluß darüber zu bekommen, inwieweit die Schule nach ihrem personellen Bestand, ihren Arbeitszielen

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und Arbeitsmethoden die gewünschte Förderung verdient oder in welchem Maße sie sie verdient. In der Kirchenkonferenz hat der Vorsitzende mehrfach auf die Soziale Schule als ein Beispiel hingewiesen für die Bedürfnisse der Werke nach gesamtkirchlicher Hilfe, ein wenig auch als ein Beispiel für die Problematik solcher gesamtkirchlicher Maßnahmen. Wer die Aufgabe und unsere Arbeit kennt, sieht sofort, was der Besuch eines kirchlichen Würdenträgers an sachlichen Aufschlüssen über die Ziele und Arbeitsmethoden erbringen kann. Mir war der bisher für die Einrichtung erwähnte Aufwand mehr als erstaunlich. Der Gründungsvorgang war s. Zt. dem Rat nicht so überzeugend, daß er ihn hätte auf seine Verantwortung nehmen mögen. Wie berichtet wurde, sind dann Spendenmittel dafür gegeben und verwendet worden, die, wenn ich recht gehört habe, 180.000,– DM überschreiten. Hätte ich für unsere umfängliche Arbeit ein Fünfzigstel dieses Betrages erhalten, so würde das etwas mehr als die Hälfte des Empfangenen ausmachen. Für die Zukunft, so wurde uns weiter berichtet, sind durch Landeskirchen, welche die Arbeit zu fördern bereit sind, wohl 20 bis 25.000,– DM jährlich bewilligt, weitere 10 bis 20.000,– DM in Aussicht. Ein zweiter theologischer Mitarbeiter soll angestellt werden. Einen Arbeiter oder Gewerkschaftler als Mitarbeiter zu gewinnen, sei noch nicht gelungen. Ich habe sagen müssen, daß mir nicht gehörig deutlich geworden sei, inwieweit der bisherige und der geplante Aufwand im rechten Verhältnis zur Leistung stehen. Die Arbeit an der sozialen Frage trägt nach unserer Erfahrung z. Zt. so stark, daß weder personelle noch methodische Fehler in einigen Jahren deutlich werden, wenn solche astronomischen Summen zur Verfügung stehen. Niemand wird zwar von einem Unternehmen, dessen Hauptaufgabe Lehre ist, in einigen Jahren einen zahlenmässigen Erweis erwarten, was innerhalb eines Trümmerfeldes oder in einer Steppe ausgerichtet worden ist. Doch haben wir in der Akademiearbeit seit Jahren immerhin eine Richtung gefunden und Hinweise bekommen, auf welche Weise in der gehörigen Breite an den Menschen unserer Tage in den Fragen heranzukommen sei, in denen er von [sic!] Gott gestellt ist. So wenig wir in den Ständeakademien dabei wissenschaftliche Ambitionen haben aufkommen lassen, ist doch einfach durch die Sache selbst in Gestalt von Vorlagen an die Kirchenleitung, Broschüren, Gesprächsberichten ein Ertrag auch objektiv faßbar. Selbst aus unserer räumlichen und prinzipiellen Distanz ist der Beitrag, den die Akademie z. B. in der Frage Mitbestimmungsrecht geleistet hat, sehr beträchtlich erschienen. Von Friedewald habe ich weder in diesem noch in anderem Zusammenhang bisher etwas zu sehen oder zu fassen bekommen. Wenn man sagt, daß die Aufgabe heute unverzichtbar sei, so ist mit dieser richtigen Voraussetzung und mit der Feststellung, daß sie ausser Friedewald niemand tut, über die verantwortliche Verwendung solcher Summen,

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die ein Vielfaches der Zuwendungen an unseren Dienst ausmachen, noch nichts gesagt. Das gilt umsomehr, als uns die gesamte Entstehung der Sache s. Zt. im Blick sowohl auf die sachlichen wie persönlichen Voraussetzungen nicht überzeugend war. Fragte mich heute einer, inwiefern sie mir inzwischen überzeugend geworden sei, so vermöchte ich nichts Hinreichendes zu antworten. Ich sitze aber nicht mit dem Auftrag, die deutsche Akademiearbeit zu vertreten, im Rat, wenn ich mich mit dem begnügen soll, was der mit der Arbeit selbst in keiner Weise vertraute Vorsitzende sich in einigen Stunden an Ort und Stelle vorweisen läßt und uns dann zur Beschwichtigung der Geister berichten wird. Bezeichnenderweise sagte er, daß, was die Namensgebung anlangt, er anstelle von Friedewald die Frage sehr rasch dadurch lösen würde, daß er die gewünschte Bezeichnung Evangelische Sozialakademie einfach aufnähme. Das ist die Antwort auf meine höfliche, aber eindringliche Bitte, in der Bezeichnung Akademie etwas Gewachsenes von bestimmter Haltung und einem bestimmten missionarischen Stil zu achten. Ich will mich nun gern belehren lassen, inwiefern ich die Sache unvollständig sehe. Das aber muß geschehen. Ich wäre bereit, im Anschluß an das Abendmahlsgespräch, welches der EkiD-Synode in Hamburg nachfolgt, noch etwa 8 Tage im Westen zu bleiben und dabei auch mit Ihnen oder dem Leiterkreis eine Zusammenkunft zu haben. Vielleicht, daß es Gott gefällt, mir in Seiner Freundlichkeit dafür Raum zu geben mitten in der immer gefährlicher werdenden Vielfalt der Dienste. Bitte geben Sie mir freundlichst eine kurze Nachricht, wie Sie die Lage und die Möglichkeiten sehen. Treuen, herzlichen Gruß Ihr Präses Dr. Kreyssig [m. p.] 20E3. Vertrauliches Schreiben der Kirchenkanzlei – Berliner Stelle – an die Kirchenleitungen der westlichen Gliedkirchen. Berlin, 7. Mai 1951 F: EZA Berlin, 4/989 (Abschrift). Betrifft: Hilfsplan im Rechnungsjahre 1951. Bezug: Schreiben des Sonderausschusses der Evangelischen Kirche in Deutschland vom 30. Januar 195183. Der ihm von dem Sonderausschuß vorgetragenen Bitte entsprechend hat der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland mit Billigung der Kir83 20D4.

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chenkonferenz am 6. März 1951 beschlossen, die westlichen Gliedkirchen aufzurufen, sich auch im Rechnungsjahre 1951 an dem Hilfsplan für die östlichen Gliedkirchen in der bisherigen Weise bis zu einem Gesamtbetrage von 1.000.000,– DM zu beteiligen, den dem Sonderausschuß erteilten Auftrag entsprechend zu verlängern und ihn zu ermächtigen, die Arbeit im bisherigen Sinne fortzuführen. Indem wir den Kirchenleitungen diesen Beschluß des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland ergebenst mitteilen, erlauben wir uns, eine von uns angefertigte Übersicht beizufügen, aus der sich die Höhe der von den einzelnen westlichen Gliedkirchen auf der Grundlage des Umlageverteilungsschlüssels 1951 aufzubringende Beiträgen an der Gesamtsumme von 1.000.000,– DM ergibt. Wir bitten, die hiernach auf die einzelnen westlichen Gliedkirchen entfallenden Zahlungen so bald wie möglich an unsere Kasse zu leisten, damit die Verteilungen von dem Sonderausschuß vorgenommen werden können. Die von den bedachten Gliedkirchen mit größtem Dank entgegengenommene Hilfe ist umso wirksamer, je eher die Mittel an die Empfänger weitergeleitet werden können. Dies gilt nicht nur für die Beihilfen, die für die Zwecke der Katechetenbesoldung (Christenlehre) bestimmt sind, sondern jetzt besonders auch für die Beihilfen für Bauzwecke und für die Sicherung des kirchlichen Grundbesitzes, weil dringende Vorhaben auf diesen Gebieten in den kommenden Monaten verwirklicht werden müssen. Wegen der bisher vorgenommenen Verteilungen und der Grundsätze, nach denen diese Verteilungen vorgenommen worden sind, dürfen wir auf das Schreiben des Sonderausschusses der Evangelischen Kirche in Deutschland vom 30. Januar 1951 Bezug nehmen. In seiner Sitzung vom 3. April 1951 hat der Sonderausschuß inzwischen weitere 304.000,– DM verteilt, so daß bis jetzt insgesamt rund 1.019.000,– DM verteilt worden sind. Das sind mehr als 5/6 der für das Kirchenjahr angeforderten Summe von 1.200.000,– DM. Wir stellen dies mit großem Dank fest, den wir hiermit den Kirchenleitungen der westlichen Gliedkirchen namens der östlichen Gliedkirchen zum Ausdruck bringen. Allerdings sind bei der letzten Verteilung Summen berücksichtigt worden, mit deren Eingang der Sonderausschuß mit Sicherheit rechnen konnte, die aber noch nicht in voller Höhe bei unserer Kasse eingegangen sind. Wir bitten daher diejenigen Gliedkirchen, die die für das Rechnungsjahr 1950 auf sie entfallenden Zahlungen noch nicht voll geleistet haben, baldmöglichst um Überweisung, damit die von dem Sonderausschuß vorgenommenen Verteilungen durchgeführt werden können und damit der Hilfsplan für das Rechnungsjahr 1950 durch eine von dem Sonderausschuß in seiner nächsten Sitzung vorzunehmende Schlußverteilung zum Abschluß gebracht werden kann. Der Vollständigkeit halber bemerken wir noch, daß der Sonderausschuß bei der von ihm zuletzt vorgenommenen Verteilung die Frage der

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sogenannten Erstattungszahlungen der östlichen Gliedkirchen für ihre im Westen wohnenden und von den westlichen Gliedkirchen im Rahmen der Ostpfarrerversorgung betreuten kirchlichen Versorgungsberechtigten erneut erörtert und diese Erstattungszahlungen vorbehaltlich des Ergebnisses noch schwebender Verhandlungen und Feststellungen zunächst in der Weise berücksichtigt hat, daß 10 % der von der Kirchenkanzlei geschätzten Jahressumme an Erstattungszahlungen dem zu verteilenden Betrage hinzugerechnet worden sind. Dieselbe Summe wird dann bei der Auszahlung der bewilligten Beträge in Anrechnung gebracht werden. gez. Dr. Benn Übersicht über die von den Gliedkirchen aufzubringenden Mittel im Rahmen des kirchlichen Hilfsplanes 1951. Landeskirche

%-Satz

Betrag DM

1. Rheinland

14,30

143.000,–

2. Hannover

12,51

125.100,–

3. Württemberg

11,59

115.900,–

4. Westfalen

11,50

115.000,–

5. Hessen und Nassau

9,60

96.000,–

6. Bayern

8,58

85.800,–

7. Schleswig-Holstein

7,60

76.000,–

8. Hamburg

5,09

50.900,–

9. Baden

4,63

46.300,–

10. Kurhessen-Waldeck

3,20

32.000,–

11. Bremen

3,14

31.400,–

12. Braunschweig

2,17

21.700,–

13. Pfalz

2,11

21.100,–

14. Oldenburg

1,37

13.700,–

15. Lippe

0,91

9.100,–

16. Lübeck

0,63

6.300,–

17. Ev.-ref. Kirche in Nordwestdeutschland

0,63

6.300,–

18. Schaumburg-Lippe

0,22

2.200,–

19. Eutin

0,22

2.200,–

100,00

1.000.000,–

Zusammen:

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20E4. Entwurf für ein Gesetz über die Beziehungen der EKD zu evangelischen Kirchen, Synoden, Gemeinden und Pfarrern deutscher Herkunft außerhalb Deutschlands auf Grund der Sitzung vom 25. Juni 51 in Frankfurt am Main. O. O., o. D. F: EZA Berlin, 2/2194 (H; mit Schreiben des Kirchlichen Außenamtes vom 9. Juli 1951 an die Ratsmitglieder übersandt). Die Synode der EKD hat in Ausführung des Art. 17 der Grundordnung der EKD84 folgendes Gesetz beschlossen: I. Ordnung der Beziehungen zu Kirchen, Synoden und Kirchengemeinden. A. Gemeinsame Bestimmungen. §1 (1) Die EKD regelt ihre Beziehungen zu evangelischen Kirchen, Synoden und Kirchengemeinden außerhalb ihres Bereichs, die durch ihre Geschichte oder durch die Herkunft oder Sprache ihrer Glieder in einem kirchlichen Lebenszusammenhang mit der evangelischen Christenheit in Deutschland stehen, aufgrund freien Übereinkommens durch Verträge nach Maßgabe dieses Gesetzes. (2) Voraussetzung für den Vertrag mit einer Kirche, Synode oder Kirchengemeinde nach diesem Gesetz ist: a) daß ihre Ordnungen mit den grundlegenden Bestimmungen der Grundordnung der EKD nicht unvereinbar sind; b) daß sie keine Bindung an eine andere Kirche oder Religionsgemeinschaft eingegangen ist, die mit der vertraglichen Beziehung zur EKD unvereinbar ist. §2 (1) Der Vertrag wird auf Zeit abgeschlossen und endet mit Ablauf der vereinbarten Frist, wenn er nicht verlängert wird. (2) Jedem vertragschließenden Teil muß das Recht eingeräumt werden, den Vertrag vorzeitig zu kündigen, a) wenn der andere Teil sich weigert, die übernommenen Verpflichtungen innerhalb einer angemessenen Frist zu erfüllen, obgleich er dazu im Stande wäre; b) wenn bei dem anderen Teil wesenhafte Voraussetzungen für den 84 ABlEKD 1948, Nr. 7 vom 15. Juli 1948, S. 111.

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Abschluß des Vertrages nicht mehr gegeben sind. Dieser Fall liegt immer vor, wenn die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 weggefallen sind. (3) In dem Vertrag ist die Frist festzulegen, nach deren Ablauf eine vorzeitige Kündigung in Kraft tritt.

B. Verträge mit Kirchen. §3 In Wahrnehmung der Verantwortung, die die EKD durch Abschluß eines Vertrages mit einer Kirche übernimmt, kann sie sich insbesondere verpflichten, a) der Kirche Pfarrer aus der EKD zum Dienst in ihren Gemeinden zu benennen, vorzuschlagen und zu vermitteln; b) die Kirche bei der Ausbildung und Fortbildung ihrer Pfarrer nach Möglichkeit zu unterstützen; c) um einen wechselseitigen Besuchsdienst bemüht zu sein; d) den Austausch theologischen und kirchlichen Schrifttums zu fördern; e) bei besonderen Notständen mit Beratung oder Hilfe zur Seite zu stehen. (1) In dem Vertrag kann der Kirche mit Zustimmung des Präsidiums der Synode der EKD das Recht zugestanden werden, einen Vertreter als Gast oder mit beratender Stimme in die Synode der EKD zu entsenden. §4 Die Kirche soll dagegen folgende Vertragsverpflichtungen übernehmen: a) die Rechtsverhältnisse ihrer Pfarrer im Benehmen mit der EKD zu ordnen; b) die Ordnungen für die dienstlichen Verhältnisse der auf Zeit von der EKD entsandten Pfarrer nur mit Zustimmung der EKD zu erlassen oder zu ändern; c) die EKD über Änderungen ihrer Grundordnung und über Vereinbarungen mit anderen Glaubensgemeinschaften oder kirchlichen Verbänden zu unterrichten.

C. Verträge mit Synoden. §5 Mit Synoden können gleichfalls Verträge gemäß § 3 und § 4 geschlossen werden, auch wenn die Synode die Rechtsverhältnisse ihrer Pfarrer gemäß § 4 a und b nicht selbst ordnen kann.

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D. Verträge mit Kirchengemeinden. §6 In Wahrnehmung der Verantwortung, die die EKD durch Abschluß eines Vertrages mit einer Kirchengemeinde übernimmt, kann sie sich insbesondere zu folgendem verpflichten: a) der Gemeinde bei der Gewinnung von Pfarrern ihres Bekenntnisstandes behilflich zu sein; b) ordnungsmäßig berufenen Pfarrern für die Dauer ihres Dienstes in der Gemeinde die in den § 10ff. geregelte Rechtsstellung einzuräumen; c) das kirchliche Leben der Gemeinde in jeder möglichen Weise zu fördern. §7 Bei Abschluß des Vertrages mit einer Kirchengemeinde ist darauf zu achten, daß a) der Bereich der Kirchengemeinden abgegrenzt ist; b) die Gemeinde eine Ordnung und ordnungsmäßig gebildete Organe hat. §8 In dem Vertrag soll die Kirchengemeinde sich verpflichten, a) ihre Ordnung nur im Einvernehmen mit der EKD zu ordnen; b) eine für den Gottesdienst geeignete Stätte bereitzustellen; c) für ein den örtlichen Verhältnissen angemessenes Einkommen des Pfarrers zu sorgen; d) die gesetzlichen Beiträge zur Ruhestands- und Hinterbliebenenversorgung der EKD für ihren Pfarrer zu übernehmen; e) einen Pfarrer nur im Benehmen mit der EKD zu wählen, zu seiner Berufung ihre Bestätigung einzuholen und ihn nur mit ihrer Zustimmung zu entlassen. §9 (1) Die EKD soll nach Möglichkeit auf die Bildung von Pfarrkonferenzen und auf den Zusammenschluß der Gemeinden, mit denen sie im Vertragsverhältnis steht, zu Verbänden, zu Synoden und gegebenenfalls zu Kirchen hinwirken. (2) Im Hinblick hierauf sind die Kirchengemeinden in dem Vertrag zu verpflichten, die EKD über ihre Teilnahme an entsprechenden Verhandlungen zu unterrichten.

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II. Rechtsverhältnisse der Pfarrer. § 10 Die § 11–19 gelten für die Rechtsstellung eines Pfarrers zur EKD, wenn der Pfarrer in einer Kirche, Synode oder Kirchengemeinde tätig ist, deren Beziehungen zur EKD gemäß diesem Gesetz vertraglich geregelt sind. Sie gelten nicht, wenn der Pfarrer von einer Kirche oder Synode für die Dauer übernommen ist. § 11 Der Pfarrer genießt die Fürsorge der EKD. Die EKD hilft ihm nach Ausscheiden aus dem bisherigen Amt, soweit es erforderlich und möglich ist, zu einem angemessenen Dienst im Inland. § 12 (1) Auf seinen Antrag kann der Pfarrer der Ruhestands- und Hinterbliebenenversorgung gemäß der Verordnung vom 10. 12. 2485 angeschlossen werden. Der Anschluß bedarf der Zustimmung der Kirche, Synode oder Kirchengemeinde, in deren Dienst der Pfarrer steht. (2) Der Pfarrer scheidet aus der Ruhestands- und Hinterbliebenenversorgung der EKD aus, wenn die Voraussetzungen des § 10 wegfallen. § 13 (1) Die Versetzung in den Ruhestand wird von der EKD nach Fühlungnahme mit der Stelle, in deren Dienst der Pfarrer steht und, sofern er gemäß § 15, Abs. 1 oder 2 von einer Gliedkirche beurlaubt oder freigestellt ist, mit Zustimmung der Gliedkirche ausgesprochen. (2) Die Versetzung in den Ruhestand muß ausgesprochen werden, wenn a) der Pfarrer infolge eines körperlichen Gebrechens oder wegen Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte zu Erfüllung seiner Amtspflichten dauernd unfähig ist, oder wenn er b) das 70. Lebensjahr vollendet hat. (3) Die Versetzung in den Ruhestand kann ausgesprochen werden, wenn der Pfarrer das 65. Lebensjahr vollendet hat und er oder die Kirche, in deren Dienst er steht, es beantragt. (4) Im übrigen gilt bis auf weiteres die Verordnung des Kirchenbundes vom 10. 12. 1924. 85 Gemeint ist die vom Deutschen Evangelischen Kirchenbund erlassene Ruhestands- und Hinterbliebenen-Versorgungsordnung für Auslandsgeistliche vom 10. Dezember 1924 (J. HOSEMANN, Kirchenbund, S. 127–136).

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§ 14 (1) Wird die Versetzung in den Ruhestand gemäß § 13 von der EKD ausgesprochen, so zahlt die Gliedkirche an die EKD zu dem Ruhegehalt des Pfarrers einen Beitrag, der dem Anteil seiner Dienstjahre in der Gliedkirche an seinem gesamten Dienstalter entspricht. (2) Wird der Pfarrer nach Rückkehr in den Dienst der Gliedkirche von dieser in den Ruhestand versetzt, so zahlt die EKD der Gliedkirche zu dem Ruhegehalt des Pfarrers einen Betrag, der dem Anteil seiner Auslandsdienstzeit an dem gesamten Dienstalter entspricht. (3) Der Dienst im Ausland im Anschlußverhältnis wird auf das Besoldungs- und Pensionsdienstalter angerechnet. (4) Für die Witwen- und Waisenbezüge gilt das Entsprechende. § 15 (1) Pfarrer einer Gliedkirche, die mit Zustimmung der EKD einen Dienst in einer Kirche, Synode oder Kirchengemeinde übernehmen, die mit der EKD in einem Vertragsverhältnis steht, sollen von ihrer Gliedkirche für den Auslandsdienst für 6–8 Jahre beurlaubt werden. Eine Verlängerung um höchstens 4 Jahre ist in Ausnahmefällen zulässig, wenn das Interesse des Dienstes ein längeres Verbleiben des Pfarrers in seinem Amt dringend erforderlich macht86. Nach Ablauf der Auslandsdienstzeit kehren diese Pfarrer in den Dienst ihrer Gliedkirche zurück (beurlaubte Pfarrer). (2) Ist einer Gliedkirche die Beurlaubung von Pfarrern zum Auslandsdienst rechtlich nicht möglich, so gibt sie sie nach Maßgabe ihres gliedkirchlichen Rechts frei und stellt ihnen nach Ablauf des Auslandsdienstes ihre Hilfe zur Erlangung eines Amtes in ihrem Bereich oder dem der EKD zur Verfügung (freigestellte Pfarrer). (3) Die EKD zahlt dem heimkehrenden Pfarrer von der Beendigung seines Auslandsdienstes an ein Übergangsgeld bis zu dem Zeitpunkt, zu dem er in Deutschland wieder ein ausreichendes Einkommen hat, längstens jedoch 6 Monate. Das Nähere wird in Ausführungsbestimmungen der EKD geregelt. Hat der heimkehrende Pfarrer nach 6 Monaten ohne sein Verschulden noch keinen ihm zumutbaren Dienst übernehmen können, so zahlt ihm die Gliedkirche das Übergangsgeld weiter oder versetzt ihn in den Wartestand. Das Nähere regelt die Gliedkirche. (4) Mit Pfarrern, die vor Antritt ihres Auslandsdienstes nicht im Dienst einer Gliedkirche standen oder mit deren Gliedkirche keine Regelung 86 Der vorangehende Satz von „Eine Verlängerung“ bis „macht“ wurde hsl. in eckige Klammern gesetzt.

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gemäß Abs. 1 oder Abs. 2 getroffen werden konnte, ist ihre Rechtslage für die Zeit nach der Beendigung des Auslandsdienstes durch besondere Vereinbarung zu klären. Hat der Pfarrer nicht die Anstellungsfähigkeit für das inländische geistliche Amt, so muß die EKD sich in der Vereinbarung vorbehalten, ihn auch in den Dienst einer mit der EKD gemäß § 3, 5 oder 6 in vertraglichen Beziehungen stehenden Kirche, Synode oder EKD für ein angemessen befundenes nichtgeistliches inländisches Kirchenamt vermitteln zu können. Wenn der Pfarrer ein angemessenes Angebot ohne hinreichenden Grund ablehnt, wird die EKD von ihrer Verpflichtung zur Zahlung von Übergangsgeld frei. (5) Die Rechtsverhältnisse eines Pfarrers müssen gemäß Abs. 1–4 geregelt sein, ehe er einen Dienst im Ausland antritt. § 16 (1) Die EKD kann den Pfarrer aus erheblichen Gründen, vor allem bei Mängeln in der amtlichen und außeramtlichen Führung aus dem Auslandsdienst zurückrufen. Die Gemeinde soll vorher gehört werden. (2) Die EKD kann den Pfarrer zurückberufen, wenn er länger als 6 Jahre im Auslandsdienst stand. (3) Die EKD kann den Pfarrer zurückberufen, wenn das Vertragsverhältnis mit der Kirche, Synode oder Kirchengemeinde, in deren Dienst er steht, endet. (4) In den Fällen der Abs. 1–3 findet § 15 Abs. 3 und 4 Anwendung. (5) Weigert sich ein Pfarrer ohne zwingenden Grund, der Abberufung nachzukommen, so kann die EKD seine Ansprüche gemäß § 11ff. für erloschen erklären. § 17 (1) Der Pfarrer untersteht der Dienstaufsicht der EKD, sofern nicht in dem Vertrag mit der Kirche, Synode oder Kirchengemeinde abweichende Bestimmungen getroffen worden sind. (2) Die EKD kann für Vergehen eines Pfarrers während der Auslandszeit durch Disziplinarverfügung auf die Dienststrafen der Verwarnung, des Verweises oder der Geldbuße erkennen, soweit sie diese Befugnis nicht der Kirche oder Synode, in deren Dienst der Pfarrer steht, vertraglich übertragen hat. (3) Wenn die EKD eine höhere Dienststrafe für erforderlich hält, beantragt sie bei der zuständigen Gliedkirche die Einleitung eines formalen Disziplinarverfahrens. Sie kann dem Pfarrer bis zu einer Entscheidung des Disziplinargerichts vorläufig die Ausübung seines Amtes untersagen.

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(4) Beanstandungen der Lehre eines Pfarrers werden seiner Gliedkirche mitgeteilt. Auf Antrag der Gliedkirche muß der Pfarrer in solchen Fällen aus dem Auslandsdienst der EKD abberufen werden. Für weitere Maßnahmen ist die Gliedkirche zuständig. § 18 Pfarrer, deren vorgesehene Dienstzeit im Ausland abgelaufen ist, können mit Zustimmung ihrer Gliedkirchen und der anstellenden Kirche endgültig in deren Dienst übergehen, wenn sie auf Wiedereinstellung im heimatlichen Kirchendienst verzichtet. § 19 Pfarrern, die im Dienst an Evangelischen deutscher Sprache im Ausland tätig sind, ohne in einem Anstellungsverhältnis zu einer Kirche, Synode oder Kirchengemeinde mit vertraglichen Beziehungen zur EKD zu stehen, kann in einem Vertrag mit der EKD zugesagt werden, daß die Bestimmungen dieses Abschnitts auf sie Anwendung finden.

III. Zuständigkeit. § 20 (1) Folgende Entscheidungen sind dem Rat der EKD vorbehalten: a) Abschluß und Kündigung von Verträgen mit Kirchen, Synoden und Kirchengemeinden auf Grund dieses Gesetzes; b) die Zurückberufung von Pfarrern gemäß § 16 und vorläufige Untersagung der Amtsausübung gemäß § 17, Abs. 3. (2) In dringenden Fällen kann die Leitung des Kirchlichen Außenamtes einen Pfarrer zurückberufen oder ihm die Amtsausübung vorläufig untersagen. Die Genehmigung des Rates ist unverzüglich einzuholen. (3) Im übrigen ist für Entscheidungen, die nach diesem Gesetz zu treffen sind, das Kirchliche Außenamt zuständig.

IV. Schlußbestimmungen. § 21 (1) Der Rat der EKD erläßt die zur Ausführung dieses Gesetzes erforderlichen Bestimmungen.

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(2) Der Rat der EKD kann neue Bestimmungen über die Ruhestandsund Hinterbliebenenversorgungsordnung der Auslandspfarrer erlassen. § 22 (1) Dieses Gesetz tritt anstelle des Kirchengesetzes betr. den Anschluß deutscher evangelischer Kirchengemeinschaften, Kirchengemeinden und Geistlichen außerhalb Deutschlands an den Kirchenbund vom 17. 6. 192487. (2) Die Beziehungen zu den aufgrund des Gesetzes vom 17. 6. 1924 angeschlossenen Kirchengemeinschaften und Kirchengemeinden werden bis zum Abschluß eines Vertrages auf Grund des vorliegenden Gesetzes oder bis zu einem vom Rat der EKD festgesetzten Termin derart gehandhabt, als beruhe das bisherige durch das Kirchenbundesgesetz vom 17. 6. 1924 bestimmte Anschlußverhältnis auf einem Vertrag entsprechenden Inhalts auf Grund des vorliegenden Gesetzes. (3) Die Rechte der Pfarrer, die nach dem Kirchenbundesgesetz vom 17. 6. 1924 an die EKD angeschlossen sind, bleiben unberührt, bis sie auf Grund eines Vertrages mit der Kirche, Synode oder Kirchengemeinde, in deren Dienst sie stehen, oder durch einen Vertrag mit dem Pfarrer selbst, neu geordnet worden sind. § 23 Dieses Gesetz tritt am . . . in Kraft. Datum Der Präses der Synode der EKD.

20E5. Aktenvermerk Stratenwerths zu den Verhandlungen des Ratsausschusses über das Anschlussgesetz am 20. Dezember 1951. Frankfurt/Main, 4. Januar 1952 F: AEKR Düsseldorf, 6HA 006, Nr. 153 (Abschrift). Bei der Verhandlung über das Anschlußgesetz am 20. Dezember 1951 spielte sich folgender Vorgang ab: Ich führte aus: „Wir befinden uns auf einem sehr schmalen Grat, der uns wenig Bewegungsfreiheit läßt. Auf der einen Seite steht die Drohung der VELKD, ausgesprochen durch OKR Hübner in seinem Aufsatz in der Lutherischen Kirchenzeitung Nr. 21 vom November 1951, die EKD 87 Abdruck des Gesetzes in: J. HOSEMANN, Kirchenbund, S. 105–114.

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zu sprengen, falls nicht das Anschlußgesetz eine Fassung erhalte, die die Wünsche der VELKD erfülle“. Ich fuhr dann fort, auf der anderen Seite bestehe die Gefahr, daß wir ein Gesetz machten, das durch sich selbst die Evangelische Kirche in Deutschland zur Auflösung bringt. In dieser Situation sei ich weder willens noch in der Lage mit eigener Hand zu einer Zerstörung mitzuwirken und zöge es dann vor, die auf der anderen Seite drohenden Gefahren in Kauf zu nehmen. Hier unterbrach Brunotte und erklärte lebhaft, dies sei eine Auslegung der Hübner’schen Ausführungen, die etwas hineintrage, was im Text nicht enthalten sei. Als eine Drohung habe Hübner seine Ausführungen nicht gemeint. Dazu wurde von Hübners Seite bestätigend genickt. Dann ging ich auf den von Hübner angezogenen Artikel 7,5 der Verfassung der VELKD ein. Nachdem OKR Hübner eine Bemerkung gemacht hatte, daß der Artikel 7,5 der Verfassung der VELKD („ihr obliegt die Fürsorge der deutschen evangelischen Diaspora innerhalb und außerhalb Deutschlands“) offenbar in dem Sinne verstanden wissen wollte, wie sich die bayerische Landessynode am 14. 8. 1948 in Ziffer 2 ihrer „Erklärungen“ festgelegt hatte, daß nämlich der Artikel 17 der Grundordnung durch Artikel 1, Absatz 4, begrenzt werde (Aufnahme von Auslandsgemeinden in die VELKD), stellte ich die Frage nach der Bedeutung von Artikel 7,5: „Heißt das, daß die VELKD sich verantwortlich weiß für alle Lutheraner aus Bayern, Hannover, Schleswig-Holstein, Thüringen, Sachsen und Mecklenburg, während die Lutheraner in unierten Kirchen wie Rheinland und Westfalen oder auch lutherische Kirchen außerhalb der VELKD wie Württemberg, Oldenburg und Hessen-Nassau ausschließlich unter der Verantwortung der Kirchenregierung oder EKD stehen? Oder bedeutet es, daß die VELKD sich verantwortlich fühlt und Anspruch erhebt auf alle im lutherischen Katechismus Unterwiesenen, unbeschadet ihrer kirchlichen Zugehörigkeit?“ Schon während der ersten Hälfte des Entweder-Oder protestierte Hübner heftig, um dann zur zweiten Hälfte zu erklären, genau dies, daß die VELKD für alle Lutheraner im In- und Ausland, unbeschadet ihrer kirchlichen Zugehörigkeit, sich verantwortlich wisse, sei in dem Artikel 7,5 der Verfassung der VELKD gemeint. Daraufhin habe ich gedankt und festgestellt, daß ich absichtlich meinerseits diesmal keine Auslegung gegeben, sondern die Auslegung OKR Hübner selbst überlassen hätte. Sie sei mir außerordentlich wertvoll gewesen. gez. Stratenwerth

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20E6. Schreiben der Kirchenkanzlei an Bender, Haug, Meiser, Niemöller und Wüstemann. O. O., 19. Januar 1951 F: EZA Berlin, 2/4039, Bl. 248 (D). 268r

|Betr.: Seelsorge in deutschen Arbeitseinheiten bei den amerikanischen Besatzungstruppen. Bezug: Ohne. Am 18. Januar 1951 besuchte uns nach vorheriger telefonischer Anmeldung aus Heidelberg Herr C h a p l a i n A r t h u r C a r l P i e p k o r n , C h . D i v . , H Q E U C O M A P O 4 0 3 , 0 5 A r m y , H e i d e l b e r g , in der Kirchenkanzlei. Er ist von der obersten Leitung der Militärseelsorge der Vereinigten Staaten für 3 Monate nach Deutschland entsandt, um im Auftrage des Oberkommandos der amerikanischen Besatzungstruppen in Deutschland die Seelsorge in den von den Amerikanern aufgestellten deutschen Arbeitseinheiten zu organisieren. Chaplain Piepkorn hat uns unter der Voraussetzung, daß diese Dinge v e r t r a u l i c h behandelt werden, Einzelheiten über die Aufstellung dieser Einheiten mitgeteilt und seinen Plan der pastoralen Betreuung entwickelt. Es bestehen in den amerikanisch besetzten Teilen Deutschlands, einschl. Berlin und Hamburg, 105 deutsche Einheiten. In diesen Einheiten arbeiten 21.000 Deutsche in Organisationen, die mit dem amerikanischen Heer verbunden sind. Bei der amerikanischen Marine sind es bisher erst 100 Deutsche, hier soll die Zahl demnächst auf 500 und schließlich auf 1.000 erhöht werden. Die Arbeitseinheiten der Luftwaffe zählen gegenwärtig 1.000 Mann, in absehbarer Zeit wahrscheinlich 1.500. Im Ergebnis möchte die amerikanische Militärseelsorge 10 evangelische und 10 katholische Geistliche hauptamtlich als Pastoren in diesen Einheiten einsetzen. Sie drängt darauf, in allernächster Zeit vorerst 4 evangelische Geistliche mit einem entsprechenden Auftrag zu versehen. Diese sollen eingesetzt werden in der Nähe der Städte Stuttgart, München, Frankfurt/M und Wetzlar/Giessen. Chaplain Piepkorn legt Wert darauf, daß insbesondere die von ihm genannten Zahlen und Ortschaften nicht in die Öffentlichkeit dringen. 268v |Die Amerikaner haben inzwischen bereits mit der römisch-katholischen Kirche Fühlung aufgenommen und rechnen offenbar damit, von dieser Seite Zustimmung zu ihren Plänen zu erhalten. Außerdem erwarten sie, daß in kurzer Zeit auch die britische Militärseelsorge sich dem Vorgehen der Amerikaner anschließen wird. Mit Entschiedenheit halten die Amerikaner eine n e b e n a m t l i c h e Seelsorge und pastorale Betreuung dieser Deutschen durch deutsche Ge-

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meindepfarrer für unzureichend. Sie führen beachtliche Gründe dafür an, daß es gerade auch aus kirchlichen Erwägungen heraus geboten erscheine, hauptamtliche Geistliche einzusetzen, die nach ihrer Überzeugung mindestens für ein Jahr aus dem Dienst der betreffenden Landeskirche beurlaubt werden müßten. Sie erstreben junge, für die Arbeit unter Männern in Kasernen und Lagern besonders geeignete, möglichst ledige Geistliche. Diese Geistlichen sollen einen Vertrag mit der amerikanischen Wehrmacht abschließen und ein Monatsgehalt von DM 600,– (entsprechend dem eines amerikanischen Hauptmanns) erhalten. Die Disziplinargewalt und Dienstaufsicht der Landeskirchen soll nach einer ausgearbeiteten Regelung erhalten bleiben. Die Amerikaner verfolgen den Gedanken, als Abschluß der Organisierung der Seelsorge je einen von den 10 evangelischen und katholischen Geistlichen mit den Aufgaben eines „Inspekteurs“ zu betrauen. Chaplain Piepkorn trug diese Dinge in ausgesprochen zurückhaltender Weise als Verhandlungsvorschläge vor. Er legt den größten Wert darauf, mit den zuständigen deutschen Landeskirchen ein Übereinkommen zu erzielen und hat den Wunsch, die Leiter der betreffenden Kirchen oder ihre Vertreter persönlich aufzusuchen, um diese Dinge durchzusprechen. Wir haben uns, nachdem wir auf die bisher seitens der Landeskirchen vertretenen Gesichtspunkte aufmerksam gemacht haben, bereit erklärt, diesen Brief zu schreiben mit der Bitte an die im leitenden geistlichen Amt der Landeskirchen stehenden Persönlichkeiten, Herrn Chaplain Piepkorn zu einer persönlichen Aussprache aufzufordern. Er ist bereit, Sie an einem von Ihnen zu bestimmenden Ort aufzusuchen. Chaplain Piepkorn hat sehr gebeten, wenn es irgendwie möglich sei, dafür einzutreten, daß er von Ihnen bis zum 26. Januar eine Antwort erhalte. Wir möchten unsererseits empfehlen, daß nach Möglichkeit vor den Einzelbesprechungen eine Übereinkunft über gemeinsames Vorgehen unter den beteiligten Landeskirchen der amerikanischen Zone hergestellt 269r|wird. Es würde uns wegen einer möglichen ähnlichen Regelung in der britischen Zone daran liegen, daß der unterzeichnete theologische Referent der Kirchenkanzlei zu gemeinsamen Besprechungen der beteiligten Landeskirchen über diese Fragen hinzugezogen wird. In Vertretung: Osterloh [m. p.]

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20E7. Schreiben Niemöllers an die Kirchenkanzlei. Wiesbaden, 24. Januar 1951 F: EZA Berlin, 2/4039, Bl. 248 (O). Betr.: Seelsorge in deutschen Arbeitsdiensteinheiten bei den amerikanischen Besatzungstruppen Vorgang: Ihr Schreiben vom 19. 1. 195188 Ihr Schreiben vom 19. 1. 51 ist hier eingegangen. Ich muß dazu festhalten, daß ich starke grundsätzliche Bedenken gegen den darin entworfenen Plan zur seelsorgerlichen Betreuung der deutschen Arbeitsdiensteinheiten bei den amerikanischen Besatzungstruppen durch Pfarrer unserer Kirche habe. Ich verweise dazu auf den in Anlage beigefügten Bericht über die bisherigen Verhandlungen in unserer Kirche über diese Angelegenheit89. Pfarrer unserer Kirche in den amerikanischen Militärdienst treten zu lassen, geht nicht an, ohne daß zuvor der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland sich grundsätzlich mit dieser Frage befaßt und eine Entscheidung trifft. Ohne eine solche Weisung durch den Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland bin ich auch nicht gewillt, nun mit einem neuen, angeblich verantwortlichen Chaplain zu verhandeln. Ich mache darauf aufmerksam, daß der Präses der Rheinischen Kirche von der Angelegenheit Kenntnis erhalten müßte, da in dem vorgelegten Plan die Stadt Wetzlar genannt ist, die zur Rheinischen Kirche gehört. Abschrift dieses Schreibens geht an die Herren Landesbischof D. Bender, Karlsruhe, Landesbischof D. Haug, Stuttgart, Landesbischof D. Meiser, München, Bischof D. Wüstemann, Kassel. D. Niemöller [m. p.]

88 20E6. 89 Der Bericht der Kirchenleitung über den Gang der Verhandlungen betr. evangelischer Seelsorger für die Arbeitsdiensteinheiten bei der US-Luftwaffe findet sich in: EZA BERLIN, 2/4039, Bl. 249.

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20E8. „Grundsätze der beteiligten Landeskirchen für den Aufbau der Seelsorge in Deutschen Arbeitslagern bei amerikanischen Heereseinheiten.“ [Stuttgart, 28. Februar 1951] F: EZA Berlin, 2/4039, Bl. 182 (D). Die Vertreter der folgenden Landeskirchen Hannover, Baden, HessenNassau, Bayern, Württemberg haben gemeinsam folgende Grundsätze als Voraussetzung für die Beteiligung der deutschen Kirchen am Aufbau dieser Lagerseelsorge ausgearbeitet: 1) Die hauptamtlichen Geistlichen sollen auch ausserhalb ihrer gottesdienstlichen Funktionen keine Uniform der Arbeitseinheiten, sondern einen schwarzen Anzug als Dienstanzug tragen. 2) Ihre Besoldung soll durch die Landeskirchen, von denen sie gestellt werden, ausbezahlt werden. Das amerikanische Heer zahlt für jeden Geistlichen einen Pauschalbetrag an die betreffende Landeskirche. 3) Die Vorträge über Charakterbildung sollen nach Grundsätzen erfolgen, die sich von politischer Beeinflussung frei halten und von den Geistlichen selbst verantwortet werden müssen. Ein Plan für diese Vorträge soll von den hauptamtlichen Geistlichen in Zusammenarbeit mit dem Liaison Chaplain ausgearbeitet werden. Amerikanische militärische Dienststellen sollen keinen Einfluss auf den Inhalt dieser Vorträge ausüben. 4) Die hauptamtlichen Geistlichen sollen der Leitung des Arbeitsdienstes seitens der Landeskirchenleitungen vorgeschlagen werden. Dabei wird ein Lebenslauf und eine dienstliche Beurteilung vorgelegt. Die Leitung des Arbeitsdienstes erklärt ihr Einverständnis oder lehnt den Vorschlag ab. Im Falle der Ablehnung erfolgt ein neuer Vorschlag durch die Landeskirchenleitung. Die Beauftragung mit dem seelsorgerlichen und pastoralen Dienst in den Arbeitseinheiten erfolgt durch die Landeskirchen. Die Ordnung des Verhältnisses dieser Geistlichen zu den Stäben und Organen des Arbeitsdienstes bedarf einer weiteren Verhandlung. 5) Das amerikanische Hauptquartier wird gebeten, nach Möglichkeit einen lutherischen Amerikaner, der sich in deutscher Sprache verständlich machen kann, als Liaison Chaplain vorzuschlagen und einzusetzen. Die Geistlichen sollen über interne Fragen der Arbeitseinheiten unter Schweigepflicht stehen. In allen Fragen ihres geistlichen Amtes steht ihnen der Berichtsweg an ihre Landeskirchenleitungen offen.

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20E9. Schreiben Piepkorns an den Rat der EKD. Heidelberg, 1. März 1951 F: EZA Berlin, 2/4039, Bl. 190–198 (Übersetzung des englischen Originals)90. 190

|Hochwuerdigste und geehrte Herren:

Wir nehmen Bezug auf die Tagung von Personalreferenten der Landeskirchen Hannover, Baden, Hessen-Nassau, Bayern und Wuerttemberg, die in Stuttgart am 28. Februar 1951 unter dem Vorstand des Herrn Oberkirchenrates Edo Osterloh aus der Kanzlei der Evangelischen Kirche in Deutschland abgehalten wurde, und auf die von den Referenten ausgearbeiteten Grundsaetze als Voraussetzung fuer den Aufbau einer deutschen Lagerseelsorge unter den Einheiten des Army Labor Service91. Ich habe diese Grundsaetze mit dem Chef der Chaplain Division dieses Hauptquartiers wie auch mit dem Chef der Labor Services Division besprochen und ich bin amtlich von ihnen ermaechtigt, Ihnen folgende Antwort auf die Vorschlaege der Stuttgarter Konferenz zu unterbreiten. Dieses Hauptquartier nimmt mit dankbarer Freude das grosszuegige Interesse der Landeskirchenleitungen an diesem Unternehmen, das die seelsorgerliche und moralische Betreuung der deutschen Angestellten des Army Labor Service als Ziel hat, wahr, wie auch den grossen Grad von Einmuetigkeit, der zwischen ihm und den Landeskirchenleitungen ueber die Hauptsachen bei diesem Unternehmen herrscht. 191 |Wir nehmen wieder Bezug auf den Entwurf, welcher der Unterzeichnete Herrn Oberkirchenrat Osterloh am 2. Februar persoenlich vorgelegt hat, und der von Herrn Oberkirchenrat Osterloh den vorhergenannten Landeskirchenleitungen, samt dem Landesbischof von BerlinBrandenburg, unterbreitet wurde92. Die darin enthaltenen Vorschlaege wurden zu gleicher Zeit auch den roemisch-katholischen Bischoefen in der amerikanischen Zone vorgetragen. Bis die letzteren diese Vorschlaege entweder angenommen oder abgelehnt haben, ist dieses Hauptquartier nicht in der Lage, sich ueber andere, beziehungsweise verschiedene, Grundsaetze mit den evangelischen Landeskirchenleitungen zu vereinbaren. In besonderer Beziehung auf die Diensttracht, die von den bei dem Army Labor Service mitarbeitenden Geistlichen zu tragen ist, moechte dieses Hauptquartier seine Meinung wieder aussprechen, dass dem Inte90 Das Originalschreiben Piepkorns datierte auf den 6. März 1951, während die hier abgedruckte Übersetzung auf den 1. März 1951 datiert wurde. Vermutlich handelte es sich um einen Schreibfehler. 91 20E8. 92 Vgl. das Schreiben Osterlohs an die Landeskirchenleitungen in Stuttgart, München und Wiesbaden vom 2. Februar 1951: EZA BERLIN, 2/4039, Bl. 263.

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resse beider, der Angestellten und der Geistlichen, am besten gedient wird, wenn der Geistliche die Uniform des Army Labor Service waehrend seiner Dienstzeit traegt. Gleichzeitig verstehen wir, dass der eine oder andere Geistliche aus Gewissensgruenden oder infolge eines ausdruecklichen Verbotes seiner Landeskirchenleitung gehindert werden koennte, die Uniform des Army Labor Service zu tragen. In solchen Faellen sind wir bereit, dem Geistlichen zu erlauben, einen schwarzen Anzug als Dienstanzug zu tragen. Wo der Geistliche den schwarzen Anzug traegt, muss der Anzug auf Kosten des einzelnen Geistlichen angeschafft und instandgehalten werden. In Beziehung auf die Besoldungsmethode wird die Aufmerksamkeit 192 |wiederum auf den Grundsatz des angefuehrten Entwurfes gerichtet, der feststellt, dass die Besoldungsmethode aller bei den Army Labor Service mitwirkenden Geistlichen gleichmaessig fuer alle beteiligten Kirchen sein soll. Da die Stuttgarter Konferenz vorgeschlagen hat, dass der Army Labor Service fuer jeden Geistlichen an die betreffenden Landeskirchen einen Pauschalbetrag zahlen moechte, haben wir hier die notwendigen Fragen ueber die Moeglichkeit einer solchen besonderen Methode aufgestellt. Obwohl wir auch den Vorschlaegen der Stuttgarter Konferenz entgegenkommen moechten, sind wir leider unterrichtet worden, dass der Status der Angestellten des Army Labor Service von der Militaerregierung Deutschlands auf eine solche Weise entschieden worden ist, der die Ausfuehrung des Vorschlages der Stuttgarter Konferenz unmoeglich macht. Eine Reihe von Military Government Regulations stellen fest, dass der rechtliche Arbeitgeber von den Deutschen, die bei der Besatzungsmacht angestellt sind, das Land ist, wo sie ihren Dienst leisten. Das Land funktioniert durch sein Besatzungsamt in dieser Sache. Die deutschen Behoerden sind letzten Endes verantwortlich fuer das Bereitstellen, das Bearbeiten und die Auszahlung der Gehaelter der Angestellten des Army Labor Service. (Die Feststellung kann vielleicht auch einen gewissen Wert besitzen, um die Glieder Ihres Rates zu beruhigen, die noch irgendwelche Zweifel haben, dass der Army Labor Service wesentlich eine Zivilorganisation ist). Infolge dieser Feststellung wird den Angestellten des Army Labor Service das Gehalt im Namen des Besatzungsamtes des betreffenden Landes 193 |in Bargeld ausgezahlt. Die Summe, welche der betreffende Angestellte bekommt, ist der fuer seinen Dienstgrad festgesetzte Betrag, abzueglich Einkommensteuer, Kirchensteuer, Notopfer Berlin und, wo anwendbar, entweder vorgeschriebene oder freiwillige Sozialversicherungspraemien. Wir schlagen vor, dass vielleicht eine Loesung dieses dornigen Problems darin bestaende, dass jeder Geistliche, der bei dem Army Labor Service angestellt ist, zur Zeit seiner Beurlaubung aus seiner Pfarrei mit seiner Landeskirchenbehoerde vereinbart, dass er jeden Monat sein Gehalt im

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Namen des betreffenden Landesbischofs quittieren wird, dass er weiter den ganzen Nettobetrag an den Schatzmeister der betreffenden Landeskirche schicken wird und dass er zuletzt von diesem als kirchliches Gehalt ein zwischen ihm und der Landeskirchenbehoerde abgemachtes Stipendium bekommen wird. Es koennte moeglicherweise in einem doppelten Steuerabzug auslaufen [sic!], naemlich einmal von dem Gehalt, das ihm im Namen des Besatzungsamtes des betreffenden Landes ausgezahlt wird und noch einmal von dem Gehalt, das dem einzelnen Geistlichen dann wieder von seiner Landeskirche bezahlt wird. Wir glauben in diesem Hauptquartier jedoch, dass die betreffende Landeskirche erfolgreiche Vortraege bei der betreffenden Landesbehoerde machen koennte, um den zweiten Steuerabzug abzuschaffen. Bezueglich der Vortraege ueber Charakterbildung weisen wir wieder auf den Entwurf vom 2. Februar, worin behauptet wird, dass das amerikanische Heer weder den Vorsatz noch den Willen hat, Geistliche, die bei dem Army Labor Service aufgestellt sind, fuer politisch-propagandistische oder Militaerzwecke zu gebrauchen. Tatsaechlich ist es so, dass wenn ein 194|Geistlicher die Zeit, die im Ausbildungsprogramm fuer einen Vortrag ueber Charakterbildung beigesetzt worden ist, fuer politisch-propagandistische Zwecke gebrauchen wuerde, so wuerde man das als Grund ansehen, um seinen Austritt aus dem Labor Service zu fordern. Bei der Ausarbeitung der Richtlinien fuer die Vortraege ueber Charakterbildung, wird den Verbindungsgeistlichen in diesem Hauptquartier vorgeschrieben, die Vorschlaege und Empfehlungen der Zentrumsgeistlichen zu ersuchen und soweit wie moeglich zu beachten. Obwohl jeder Geistliche fuer den Inhalt seiner Vortraege verantwortlich gehalten wird, wird jedoch von keinem Geistlichen gefordert, irgendetwas vorzutragen, das seinem Gewissen widersprechen wuerde. Voruebergehend findet dieses Hauptquartier einen Gegenspruch zwischen nachfolgendem Satz des dritten Absatzes der Stuttgarter Grundsaetze: „Amerikanische militaerische Dienststellen sollen keinen Einfluss auf den Inhalt dieser Vortraege ausueben“ – und dem Vorschlag des fuenften Absatzes, dass der evangelische Verbindungsgeistliche in diesem Hauptquartier ein Amerikaner sei. Einerseits moechten wir aber wieder betonen, dass die Aufstellung der Richtlinien fuer Vortraege ueber Charakterbildung ein weiterer und zwingender Grund fuer einen deutschen evangelischen Verbindungsgeistlichen in diesem Hauptquartier ist. Andererseits geben wir gerne die ausdrueckliche Versicherung, dass amerikanische Militaerdienststellen unter den Einheiten keinen Einfluss auf den Inhalt dieser Vortraege ausueben duerfen. Bezueglich der Methode, Geistliche fuer den Army Labor Service zu gewinnen, wird die von der Stuttgarter Konferenz vorgeschlagene Methode 195|als voellig annehmbar bezeichnet, vorausgesetzt, dass bei der Erwaegung irgendeines Vorschlages, der dem Army Labor Service ge-

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macht wird, eine persoenliche Aussprache mit dem vorgeschlagenen Kandidaten zu einer gegenseitig annehmbaren Zeit und einem gegenseitig annehmbaren Ort stattfindet. Was die Stellung der betreffenden Geistlichen und ihr Verhaeltnis zu den Staeben und den anderen Organen des Army Labor Service betrifft, hat die Chaplain Division vor, der Labor Service Division eine Reihe von Paragraphen betreffs dieser Sache zur Nachpruefung und amtlichen Herausgabe vorzulegen. Ein Entwurf dieser Paragraphen ist zu Ihrer Information beigelegt93; der Inhalt stammt fast wortwoertlich entweder aus dem Entwurf des 2. Februar oder aus den Department of the Army Regulations ueber den Feldgeistlichendienst unseres Heeres, wie sie zur Zeit von der Feldgeistlichenbehoerde, bei welcher der Unterzeichnete Vorsitzender ist, revidiert werden. Diese Vorschlaege werden der Labor Services Division formell vorgelegt, sobald eine oder mehrere Kirchen sich bereit erklaert haben, auf die Vorschlaege in dem Entwurf des 2. Februar einzugehen. Dieses Hauptquartier bedankt sich fuer das grosse Vertrauen, welches uns die Stuttgarter Konferenz widmet, indem sie vorschlaegt, einen Amerikaner – nach Moeglichkeit Lutheraner –, der sich in deutscher Sprache verstaendigen kann, als Verbindungsgeistlichen vorzuschlagen und einzusetzen. Nachdem wir alle in Betracht kommenden Faktoren sorgfaeltig nachgeprueft haben, scheint es fast unbedingt noetig, dass dieser Verbindungsgeistliche ein amerikanischer Wehrmachtspfarrer sein muesste, da wir 196|weder Fonds noch die Macht besitzen, einen amerikanischen Zivilisten fuer diese Stellung anzustellen. Was das Einsetzen eines amerikanischen Wehrmachtspfarrers betrifft, muss leider dieses Hauptquartier feststellen, dass die Entscheidung in dieser Sache von dem Department of the Army in Washington gemacht werden muesste. Die Gruende dafuer sind folgende: a. Die Verantwortlichkeit der amerikanischen Feldgeistlichen erstreckt sich laut den Bestimmungen unseres Heeres nicht auf die nichtamerikanischen Zivilisten, die bei dem Heer angestellt sind. Daher wuerde die dauernde hauptamtliche Einsetzung eines amerikanischen Wehrmachtspfarrers als evangelischer Verbindungsgeistlicher grundsaetzliche Budget- und Personal-Entscheidungen fordern, welche nur das Department of the Army in Washington in der Lage zu machen ist. b. Die Anzahl der lutherischen Wehrmachtspfarrer ist gering, jedoch noch geringer sind diejenigen, die sich in deutscher Sprache verstaendigen koennen. Nicht alle deutsch sprechenden lutherischen Wehrmachtspfarrer sind fuer diese Stellung geeignet, da auch Neigung, militaerischer 93 20E10.

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Rang, Erfahrung und Faehigkeit in Betracht gezogen werden muessen. Im Europaeischen Oberkommando gibt es zur Zeit keinen. Ob es einen in den Vereinigten Staaten gibt, muesste von dem Chef der Wehrmachtspfarrer in Washington festgestellt werden. c. Die Knappheit an Feldgeistlichen in dem amerikanischen Heer ist sehr gross und um dieselbe auszugleichen, muss unsere Regierung zur Zeit Reservegeistliche zum aktiven Dienst heranrufen, selbst wenn sie sich nicht dafuer freiwillig bereit erklaert haben. Da es dem Heer ueberall 197 |schwer faellt, irgendeine genuegende lutherische seelsorgerliche Betreuung zustandezubringen, muss man auch damit rechnen, dass die lutherischen Kirchen Amerikas [gegen] die Zuweisung eines amerikanischen lutherischen Wehrmachtspfarrers zu dieser Stellung protestieren werden. Dieses Hauptquartier ist aber bereit, bis die Sache bei dem Department of the Army in Washington geklaert oder eine sonstige gegenseitige annehmbare Einrichtung getroffen worden ist, die Stellung des evangelischen Verbindungsgeistlichen in diesem Hauptquartier vorlaeufig unbesetzt zu lassen. Waehrend dieser Zeit waere es natuerlich erwartet, dass die evangelischen Geistlichen des Army Labor Service in nichtkirchlichen Sachen solcher Aufsicht, die dem Labor Service verfuegbar ist, unterstehen. Dieses Hauptquartier ist mit der Stuttgarter Konferenz voellig einig in dem Grundsatz, dass die bei dem Army Labor Service dienenden Geistlichen ueber interne Fragen der Arbeitseinheiten unter Schweigepflicht stehen muessen, dass ihnen aber in allen Fragen ihres geistlichen Amtes der Berichtsweg zu ihren Landeskirchen offen steht. Dieses Hauptquartier hofft aufrichtig, dass der Entwurf vom 2. Februar zusammen mit den Erwaegungen, die in den vorangegangenen Paragraphen ausgedrueckt worden sind, eine genuegende Basis bilden werden, damit der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland den einzelnen Landeskirchen empfehlen koennte, mit dem Army Labor Service in dieser Sache mitzuwirken, damit genuegende Vorkehrungen getroffen werden fuer die seelsorgerliche Betreuung der deutschen Angestellten des Army Labor Service. 198 |Indem ich Ihre Sitzung in allen Sachen dem gnaedigen Beistand Gottes des Heiligen Geistes empfehle, verbleibe ich Hochachtungsvoll Ihr Bruder in Christo

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20E10 Entwurf der Chaplain Division des Hauptquartiers der US-Streitkräfte in Europa für eine Regelung des Verhältnisses von Militärseelsorgern zu den Organen des Army Labor Service. [Heidelberg, 1. März 1951] F: EZA Berlin, 2/4039, Bl. 199–203 (Übersetzung des englischen Originals; Anlage zu 20E9). 199 |Arbeitsdienstfeldgeistliche 1. Aufgabe. Die Aufgabe des Feldgeistlichen ist die Religion und die Moral im Army Labor Service zu foerdern. 2. Status. Der Status des Feldgeistlichen im Army Labor Service ist der eines religioesen und geistlichen Fuehrers. Seine Pflichten sind die, welche seinem Amt entsprechen. Ihm koennen weltliche Pflichten nur im hoechsten Notfalle auferlegt werden. Er ist ein Glied von dem Stab des Verbindungsdetachementkommandeurs und er dient dem Kommandeur als Berater und Sachbearbeiter in allen Angelegenheiten, welche das religioese Leben, die Moral und die Stimmung aller Angestellten in den Einheiten, die dem Detachement unterstehen, beruehren. Als Glied des Stabes hilft er dem Kommandeur und den anderen Gliedern des Stabes die Grundsaetze der buergerlichen Tugend und der moralischen Fuehrung in das Ausbildungsprogramm und das ganze Leben der von dem Detachement ueberwachten Einheiten wesentlich einzuflechten. 3. Pflichten der Feldgeistlichen im Verbindungsdetachement bei dem Europaeischen Oberkommando. Unter der Anweisung und der Begutachtung dieses Hauptquartiers fuehrt der roemisch-katholische und der evangelische Verbindungsgeistliche im Labor Service Verbindungsdetachement bei dem Europaeischen Oberkommando neben den gewoehnlichen amtlichen Pflichten, die ihm zuteil werden, folgende weitere Pflichten aus: a. Er erhaelt aufrecht die Verbindung mit den verantwortlichen Koepfen je nach seiner Konfession aller Dioezesen oder Landeskirchen, die im Labor Service von Feldgeistlichen vertreten sind, und, wo noetig und moeglich, mit den verantwortlichen Behoerden der Kirchenkoerperschaften, 200|die im Labor Service durch Angestellte, aber nicht durch Feldgeistliche vertreten sind. b. Er macht Stabsbesuche zu Einheiten und Feldgeistlichen. c. Er ueberprueft die Einrichtungen, die fuer das Personal seiner Konfession gemacht worden sind, um ihnen Zutritt zu Gottesdiensten und zu der seelsorgerlichen Betreuung von Geistlichen der jeweiligen Konfession in Gebieten (areas) und Einheiten, die keinen Feldgeistlichen seiner Konfession besitzen, [zu ermöglichen]. d. Er uebersieht in Verbindung mit seinem Kollegen der anderen Konfession die nichtkirchlichen Aspekte der Arbeit der Labor Service Feldgeistlichen.

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e. In Verbindung mit seinem Kollegen der anderen Konfession bereitet er Richtlinien vor fuer die Vortraege ueber Charakterbildung, die von den Gebiets-(areas) und Zentrumsgeistlichen gehalten werden. f. Er dient als Berater der Labor Service Division und der Chaplain Division dieses Hauptquartiers in Angelegenheiten, worin seine Konfession ein Interesse hat. g. Er haelt Unterredungen und macht Vorschlaege betreffs Kandidaten fuer den Feldgeistlichendienst, die von den kirchlichen Behoerden seiner Konfession empfohlen werden. h. In Verbindung mit seinem Kollegen der anderen Konfession haelt er nach Notwendigkeit Schulungstagungen fuer Feldgeistliche des Army Labor Service ab. 4. Pflichten der Feldgeistlichen der Labor Area Verbindungsdetachements. Neben den ihnen zukommenden gewoehnlichen Pflichten, 201|ueberwachen die Labor-Area-Verbindungsdetachementgeistlichen, unter Leitung und Genehmigung des Labor-Area-Kommandeurs, die nichtkirchlichen Aspekte der Arbeit der Zentrumsgeistlichen. 5. Pflichten der Zentrumsgeistlichen. Die berufsgemaessen Pflichten der Zentrumsgeistlichen sind derselben Art wie die Pflichten, die von Geistlichen in Zivilverhaeltnissen verrichtet werden, mit Abweichungen, die aus den besonderen Bedingungen und Umstaenden des Army Labor Service herauswachsen. Im einzelnen sind folgende Pflichten eingeschlossen: a. Oeffentliche Gottesdienste abzuhalten und Erteilung einzelner religioeser Bedienung und Unterweisung zu erteilen, je nach dem Brauch der jeweiligen Konfession und der eigenen gewissensmaessigen Ueberzeugung der betreffenden Geistlichen. b. Je nach Notwendigkeit und Moeglichkeit zu sichern, dass jeder Angestellte in den von dem Zentrum ueberwachten Einheiten Zutritt zu den Gottesdiensten und der religioesen Bedienung hat, welche die konfessionelle Angehoerigkeit der betreffenden Angestellten fordert. Zu dem Zwecke ersucht er die noetige Mitwirkung faehiger Personen innerhalb des Labor Service wie auch in den benachbarten Ortschaften. c. Dem Zentrumskommandeur und seinem Stabe als Sachbearbeiter fuer religioese und moralische Angelegenheiten zu dienen. d. Die Angestellten und Offiziere der von dem Zentrum ueberwachten Einheiten je nach Verhaeltnissen zu beraten. e. Vortraege ueber Charakterbildung zu halten, mit dem Ziel ein persoenliches moralisches Verantwortlichkeitsgefuehl in dem einzelnen Angestellten zu entwickeln. Im Ausbildungsprogramm einer jeden Einheit wird eine Stunde pro Woche fuer einen von dem Feldgeist-

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lichen gehaltenen Vortrag 202|ueber Charakterbildung vorbehalten. Jeder Angestellte muss diesem Vortrag beiwohnen. f. Im allgemeinen Anteil zu nehmen und mitzuwirken in allen Taetigkeiten, welche die Religion, die Moral und das Wohl der Einheit foerdern. 6. Amtstracht. Dem Feldgeistlichen ist unbedingt gestattet, beim Verrichten von oeffentlichen Gottesdiensten und religioesen Zeremonien irgendwelche Amtstracht, die seine Kirche vorschreibt oder erlaubt, zu tragen. 7. Verantwortlichkeit des Verbindungsdetachementkommandeurs. Verbindungsdetachementkommandeure sind verantwortlich: a. Dass in jeder Kaserne ein passender Platz oder Plaetze beiseite gesetzt werden, wo der Feldgeistliche die verschiedenen Pflichten seines Amtes richtig ausfuehren kann. b. Dass jeder Feldgeistliche einen Assistenten hat, entsprechend des Ranges und der Fachausbildung, die von der zutreffenden Gliederungstabelle (table of distribution) vorgeschrieben sind, der sich durch die Geschicklichkeiten und der Charakterbeschaffenheit, die den Pflichten eines Feldgeistlichen-Assistenten angemessen sind, auszeichnet und der dem zu dienenden Feldgeistlichen annehmbar ist. c. Dass die Kompagnie-Kommandeure den oeffentlichen Gottesdiensten in ihren Einheiten ein solches Mass von Aufmerksamkeit widmen, dass ihre Wirksamkeit gesichert ist. d. Dass die Pflichten und Arbeit an Sonntagen auf die strengste Notwendigkeit vermindert werden; dass sportliche und sich erholende Taetigkeiten, die am Sonntag gehalten werden, so aufgestellt werden, dass sie 203|das Teilnehmen an den Gottesdiensten nicht beeintraechtigen; und dass Angestellte und Offiziere von dem Dienst entschuldigt sind, um dem oeffentlichen Gottesdienst beizuwohnen auch an Wochentagen, welche die kirchliche Pflicht des Sonntags tragen, oder welche als von besonderer religioesen Wichtigkeit anerkannt sind. e. Dass jedem Geistlichen ein passend ausgestattetes Buero zugewiesen ist und dass er auch die noetige Transportmoeglichkeit und sonstige verfuegbare Ausruestungsbequemlichkeiten besitzt, um seine Pflichten erfolgreich erfuellen zu koennen. 8. Vorrechtliche Mitteilungen. a. Die einem Feldgeistlichen irgendeiner Konfession von einem Glied des Army Labor Service gemachte Mitteilung, entweder als ein formeller, religioeser Akt im Verhaeltnis eines Beichtkindes zu seinem Beichtvater, oder aber als Gewissenssache zu einem Feldgeistlichen in seinem Amte als ein Geistlicher, ist eine vorrechtliche Mitteilung und der Feldgeistliche kann nicht gezwungen werden, den Inhalt einer so empfangenen Mitteilung kundzugeben, ausgenommen, dass der

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Betreffende, der die Mitteilung gemacht hat, es ausdruecklich gestattet. b. Mitteilungen zwischen Zentrumsgeistlichen und Verbindungsdetachementfeldgeistlichen hoeherer Staffeln koennen gegenseitig ausgetauscht werden ohne ueber amtliche Dienstwege zu laufen. Solche Mitteilungen werden vorrechtlich gegen Eroeffnung oder Durchsicht behandelt. 9. Berichte. Am ersten Tage eines jeden Monates wird jeder Feldgeistliche auf vorgeschriebenen Dienstwegen und auf dem vorgeschriebenen Formular einen Bericht ueber alle Dienstpflichten, die er im vorigen Monat ausgeuebt hat, erstatten.

20E11. Rundschreiben der Kirchenkanzlei an die evangelischen Landeskirchen der amerikanischen Besatzungszone. Hannover, 8. März 1951 F: EZA Berlin, 2/4039, Bl. 261 (D). 261r

|Betr.: Seelsorge in deutschen Arbeitseinheiten bei den amerikanischen Besatzungstruppen. Bezug: Unser Schreiben vom 23. 2. 51 – 261. III (5. Ang.)94 1.) Herr Kirchenpräsident Martin Niemöller hat auf der Sitzung des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland am 6. 3. 51 in Hannover95 die Grundsätze vorgetragen, die die Referenten der beteiligten Landeskirchenleitungen am 28. Februar 51 auf der Besprechung in Stuttgart als Voraussetzung für die Durchführung der Seelsorge in den Arbeitslagern bei amerikanischen Heereseinheiten ausgearbeitet haben96. Der Rat hat von dieser Übereinkunft der beteiligten Landeskirchenleitungen zustimmend Kenntnis genommen. 2.) Am 7. 3. 51 hat Herr Chaplain Piepkorn persönlich in Hannover in der Kirchenkanzlei das in deutscher Übersetzung anliegende Schreiben mit einer Anlage überreicht (der englische Urtext wird unmittelbar nach Fertigstellung der Abschriften nachgereicht werden)97. Am gleichen Tage hat eine Aussprache zwischen Herrn Piepkorn und Herrn Kirchenpräsident D. Niemöller in der Kirchenkanzlei stattgefunden. Auch der Ratsvorsitzende Bischof Dibelius hat Herrn Piepkorn am 7. 3. 51 in Hannover begrüßt. 94 95 96 97

EZA BERLIN, 2/4039, Bl. 262. 20B13. Vgl. 20E8. 20E9; 20E10.

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3.) Herr Piepkorn hat mitgeteilt, daß die römisch-katholische Kirche seinen Vorschlägen bereits zugestimmt hat und in 3 Fällen schon Persönlichkeiten namhaft macht. 261v |4.) Nach unserem Urteil sind trotz gewisser bleibender Bedenken in Einzelheiten seitens der Amerikaner jetzt im Endergebnis die Voraussetzungen geschaffen worden, die es den Landeskirchenleitungen ermöglichen können, jetzt persönliche Vorschläge für die Seelsorge in den Arbeitslagern zu machen. Wir empfehlen, diese Personalvorschläge nach Möglichkeit noch mit Herrn Piepkorn unmittelbar während seines Aufenthaltes in Deutschland zu besprechen, da er sich sehr intensiv mit den deutschen Gesichtspunkten befaßt hat und weitgehendes Verständnis für die Grundsätze der Landeskirchenleitungen zeigt. Herr Piepkorn muß spätestens in den ersten Apriltagen wieder nach Amerika abreisen. Es wäre also wünschenswert, wenn noch in diesem Monat März die Abmachungen über die infrage kommenden Pfarrer mit Herrn Piepkorn getroffen werden könnten. 5.) Entsprechend einem Vorschlag von Herrn Kirchenpräsidenten D. Niemöller geben wir nachstehend eine Übersicht über die zu besetzenden Stellen. Diese Übersicht ist vertraulich zu behandeln. Wir bitten, ebenfalls auf Anregung von Kirchenpräsident D. Niemöller, sich der Kirchenkanzlei weiterhin seitens der Landeskirchen für die noch erforderlichen Maßnahmen zur Vermittlung zu bedienen. Es handelt sich um folgende Stellen: a) Für Bayern = 2 Stellen, und zwar für München und NürnbergAnsbach, b) Für Hessen-Nassau = 2 Stellen, und zwar für Frankfurt und Gießen, c) Für Württemberg = 1 Stelle, und zwar für Stuttgart, d) Für Hannover = 1 Stelle, und zwar für Bremerhaven, e) Für Berlin-Brandenburg = 1 Stelle, und zwar für Berlin Wir wären dankbar, wenn wir auf jeden Fall von den weiteren Schritten der beteiligten Landeskirchenleitungen in dieser Angelegenheit in Kenntnis gesetzt würden. In Vertretung: Osterloh [m. p.]

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20E12. Schreiben Rankes an Dibelius. Bonn, 15. März 1951 F: EZA Berlin, 2/5812 (O). Hochverehrter Herr Bischof! Gelegentlich der periodisch zusammen mit Vertretern des Ostkirchenausschusses, der saecularen Vertriebenenverbände und der in Betracht kommenden Bundesministerien stattfindenden Bonner Besprechungen über Vertriebenenfragen, an der dieses Mal auch die evangelische Sozialschule in Friedewald und die evangelische Akademie in Bad Boll beteiligt waren, teilte Pfarrer Spiegel-Schmidt gestern Ihren Brief vom 10. 3. 51 an Herrn Pfarrer Girgensohn mit, in dem Sie ihn von dem Beschluss des Rats in der Angelegenheit des Lastenausgleichs in Kenntnis gesetzt haben98. Die Versammlung bat nach einer Beratung der Angelegenheit Herrn SpiegelSchmidt und mich, Ihnen das folgende Telegramm zu übersenden, das ich hiermit bestätigen darf: Bitten Wort zum Lastenausgleich zurückzustellen. Brieffolge. SpiegelSchmidt/Ranke. Die gestern hier zur Beratung von Fragen des künftigen Lastenausgleichs zusammengekommenen Sachverständigen waren der Ansicht, eine vom Rat der EKD vorgenommene Erinnerung der Mitglieder des Bundestags und des Bundesrats an das Wort des Rats der EKD vom 6. 8. 49, Amtsblatt der EKD 1949, Heft 999, sei jetzt nicht zu befürworten. Die Situation habe sich seit dem Jahre 1949 erheblich geändert. Wenn der Rat der EKD noch vor Erlass des Lastenausgleichgesetzes dem Staat gegenüber zur Frage dieses wichtigen Gesetzes Stellung nehmen wolle, so könne dies nicht mehr in so allgemeiner Weise geschehen, wie im Jahr 1949. Es sei dann nötig, ohne in Details zu gehen, wesentlich konkreter zu werden. Die gestrigen Besprechungen haben dagegen unter Ablehnung des dem Rat in seiner letzten Sitzung gemachten Vorschlags des Ostkirchenausschusses die gemeinsame Überzeugung auch der Vertreter des Bundesfinanzministeriums zu Tage gebracht, es sei noch vor Erlass des Lastenausgleichsgesetzes ein derartiges Wort des Rats zu einigen grundsätzlichen Fragen des Gesetzentwurfs zweckmässig. Die Beratungen über das Lastenausgleichgesetz werden nach dem Urteil der Sachverständigen noch 3–4 Monate dauern. Eine Stellungnahme des Rats der EKD im Mai 1951 würde nicht zu spät kommen. 98 Schreiben Dibelius’ an Girgensohn vom 10. März 1951: EZA BERLIN, 2/5812. 99 „Wort des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (Rundschreiben der Kirchenkanzlei Schwäbisch Gmünd, vom 6. August 1949)“: ABlEKD 1949, Nr. 9 vom 15. September 1949, S. 185f.

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Ich plane aus diesem Grund eine Stellungnahme der Kammer für Soziale Ordnung herbeizuführen, die dem Rat einen Entwurf eines derartigen Wortes vorzulegen haben würde. Herr Donath – Bad Boll – hat es übernommen, die nötigen Vorarbeiten für eine derartige Kammersitzung durchzuführen. Er ist dazu u. a. deshalb besonders qualifiziert, weil er vor kurzer Zeit in Bad Boll eine umfassende Tagung über den Lastenausgleich durchgeführt hat und weil er aus der gestrigen Besprechung, insbesondere aus dem Gedankenaustausch mit den Vertretern der Evangelischen Sozialschule Friedewald und des Bundesfinanzministeriums die Probleme am besten übersieht. Herr Dr. Karrenberg hat sich mir gegenüber schriftlich für ein ähnliches Vorgehen ausgesprochen. Ich stehe mit ihm in dauernder Fühlung. Ich beabsichtige, die Kammer für Soziale Ordnung nach Fühlungnahme mit Präsident Mager sofort einzuberufen, wenn ich von der Kirchenkanzlei Nachricht erhalten habe, ob der Rat die von der Kammer im Sommer vergangenen Jahres beantragten Änderungen ihrer Zusammensetzung nun genehmigt hat. Ich werde Sie, sehr verehrter Herr Bischof, über den Fortgang der Angelegenheit auf dem laufenden halten. In aufrichtiger Verehrung Ihr ergebenster Ranke

20E13. Entwurf für ein Schreiben des Rates der EKD an die deutschen evangelischen Landeskirchen. O. O., 6. März 1951 F: EZA Berlin, 2/2350 (D; Anlage zu 20D13). Betr.: Verhältnis der Evangelischen Kirche in Deutschland zur Christengemeinschaft. Die Verlautbarung des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland vom 31. Mai 1949 betr. das Verhältnis zur Christengemeinschaft100 hat infolge der ihr eignenden Kürze bedauerliche Mißverständnisse hervorgerufen, die eine Verdeutlichung notwendig machen. 1. Wir erlauben uns, noch einmal den Wortlaut der Entscheidung des Rates Ihnen mitzuteilen. Er lautet: „Nach gründlicher Aussprache über die Denkschrift, welche die von der Studiengemeinschaft der Evangelischen Akademien ins Leben gerufene Arbeitsgemeinschaft für die Frage ‚Evangelische Kirche und Anthropo100 Vgl. K.-H. FIX, Protokolle 3, 5B2.

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sophie‘ erarbeitet hat101, empfiehlt der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland a) die in der Christengemeinschaft vollzogene Taufe nicht als christliche Taufe anzuerkennen, b) eine Klärung der Abgrenzung der Evangelischen Kirche in Deutschland und ihrer Gliedkirchen von der Christengemeinschaft mit geistlichen und seelsorgerlichen Mitteln herbeizuführen, da eine rechtliche Doppelmitgliedschaft, wie sie heute noch vielfach besteht, nur als Notlösung in einer Übergangszeit tragbar erscheint.“ 2. Diese Entscheidung hat den Protest der Christengemeinschaft hervorgerufen. Eine Sonderkommission des Rates hat demzufolge erneut mit den Vertretern der Christengemeinschaft verhandelt. Bei diesem Gespräch konnten freilich die Zweifel nicht ausgeräumt werden, ob der von der Christengemeinschaft verkündigte Christus mit dem von der Heiligen Schrift, den Oekumenischen Bekenntnissen und dem Zeugnis der Reformation verkündigten Christus wirklich identisch sei. Deshalb vermag der Rat von seiner Entscheidung nicht abzugehen, die Taufe der Christengemeinschaft als eine nichtgültige Taufe zu bezeichnen. Er erklärt aber ausdrücklich, daß er mit der hierdurch gegebenen praktischen Anweisung für das eigene Verhalten nicht verneinen will, daß die Christengemeinschaft nach ihrem Willen und Verständnis ebenfalls glaubt, Christus zu verkündigen. 3. Der Rat empfiehlt den Gliedkirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland die Abgrenzung von der Christengemeinschaft mit geistlichen und seelsorgerlichen Mitteln herbei zu führen und einen modus vivendi zu finden, wie wir ihn vor Gott zu verantworten uns getrauen. 4. Endlich teilt der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland den Gliedkirchen nachstehend den Schlußbericht seiner Assenheimer Studienkommission über „Fragen an Kirche und Theologie“ mit, die sich aus der Begegnung mit der Christengemeinschaft ergeben haben. Er empfiehlt, diese Fragen in der theologischen Arbeit der Kirche ernstlich zu überdenken.

101 Vgl. den Bericht der Studienkommission Kirche und Anthroposophie vom 20. März 1949: K.-H. FIX, Protokolle 3, 5B2.

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20E14. Schreiben Dibelius’ an Bock. Hannover, 16. März 1951 F: EZA Berlin, 2/2350 (Abschrift). Sehr geehrter Herr! Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland hat mit Dankbarkeit von dem Bericht der von ihm eingesetzten Sonderkommission Kenntnis genommen, die mit Ihnen am 4. Dezember 1950 in Stuttgart über die von Ihnen beanstandete Entscheidung des Rates vom 31. Mai 1949 ein eingehendes Gespräch geführt hat102. Der Rat bedauert, daß Ihnen seine Entscheidung vom 31. Mai 1949 nicht zugegangen ist und erlaubt sich, Ihnen dieselbe im Wortlaut mitzuteilen. Sie lautet: „Nach gründlicher Aussprache über die Denkschrift, welche die von der Studiengemeinschaft der Evangelischen Akademien ins Leben gerufene Arbeitsgemeinschaft für die Frage ‚Evangelische Kirche und Anthroposophie‘ erarbeitet hat, empfiehlt der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland a) die in der Christengemeinschaft vollzogene Taufe nicht als christliche Taufe anzuerkennen, b) eine Klärung der Abgrenzung der Evangelischen Kirche in Deutschland und ihrer Gliedkirchen von der Christengemeinschaft mit geistlichen und seelsorgerlichen Mitteln herbeizuführen, da eine rechtliche Doppelmitgliedschaft, wie sie heute noch vielfach besteht, nur als Notlösung in einer Übergangszeit tragbar erscheint.“ Der Rat sieht sich auf Grund des letzten Gesprächs leider nicht in der Lage, von dieser Entscheidung zurückzutreten. Er kann der Christengemeinschaft das subjektiv ernstgemeinte Bemühen nicht absprechen, Christus zu verkündigen. Trotzdem kann der Rat die Zweifel nicht überwinden, ob der von der Christengemeinschaft verkündigte Christus wirklich identisch ist mit dem Jesus Christus der Bibel, wie ihn der gemeinchristliche Konsensus der Kirchen sieht. Wir meinen zu sehen, daß in der Christengemeinschaft neben christlichem Gedankengut entscheidend eine neue Offenbarungsquelle sichtbar wird, die aus der synkretistischen Weltanschauung Rudolf Steiners stammt und auf einem dem Neuen Testament fremden Offenbarungsanspruch beruht. Auch ergab sich in dem Gespräch, daß die Taufe in der Christengemeinschaft nicht einsetzungsgemäß vollzogen wird. So muß es bei der Entscheidung bleiben, daß die Taufe der Christengemeinschaft von der Evangelischen Kirche in Deutschland nicht als gültige Taufe anerkannt werden kann. Doch möchte der Rat damit der 102 20D13.

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Christengemeinschaft als Ganzer das ernste Bemühen nicht absprechen, nach ihrem Verständnis Christus zu verkündigen. Die Assenheimer Studienkommission hatte dem Rat empfohlen, der Christengemeinschaft die Zugehörigkeit zur Oekumene nicht zu verweigern, und die Teilnehmer an dem Stuttgarter Gespräch haben diese Empfehlung erneuert. Der Rat kann dem aber aus dem oben genannten, letztlich entscheidenden Grund nicht zustimmen. Die in der Christengemeinschaft sichtbar werdende eigene Offenbarungsquelle der Steinerschen Anthroposophie verbietet uns zu unserem Schmerz diese Anerkennung. Wir sprechen dies aus nicht in pharisäischem Urteil über ihre religiösen Bemühungen, sondern gewissensmäßig genötigt durch unsere Gebundenheit an das Wort Gottes, an die oekumenischen Bekenntnisse und an das Zeugnis der Reformation. Dies schließt nicht aus, sondern ein, daß wir die Gliedkirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland bitten möchten, einen geordneten modus vivendi zu suchen, und dabei nicht in formal-juristischer, sondern in seelsorgerliche Weise zu verfahren. Die durch Ihre Bemühung ernsthaft aufgeworfenen „Fragen an Kirche und Theologie“ (Teil IV der Assenheimer Studienkommission) werden wir im Wortlaut unseren Kirchen mitteilen103. Wir bekunden damit, daß uns von Ihrer Seite ernsthafte Fragen begegnen, mit denen wir uns auf Grund unserer Bindung an das Wort Gottes und das Zeugnis der Reformation ernstlich auseinanderzusetzen haben. Wir bitten Sie, für die Entscheidung des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland Verständnis zu haben und wünschen, daß zwischen der Evangelischen Kirche in Deutschland einerseits und der Christengemeinschaft andererseits ein Verhältnis gefunden werde, wie wir es beide glauben, vor Gott verantworten zu können. gez. Dibelius

103 Vgl. dazu K.-H. FIX, Protokolle 3, 5B2.

21. Sitzung: Hamburg, 5. April 1951

21 Hamburg, 5. April 1951 Ort: Beginn: Ende: Teilnehmer:

Hotel Alsterhof, Esplanade 12. Donnerstag, 5. April 1951 (Uhrzeit unbekannt). Donnerstag, 5. April 1951 (Uhrzeit unbekannt). Vom Rat: Dibelius, Hahn, Hartenstein, Heinemann, Herntrich, Kreyssig, Lilje, Mager, Meiser, Niemöller, Niesel, Smend. Von der Kirchenkanzlei: Benn, Brunotte, Merzyn. Protokollanten: Brunotte, Merzyn. 21A Vorbereitung der Sitzung

21A Vorbereitung der Sitzung 21A1. Schreiben des Ratsvorsitzenden an die Ratsmitglieder. Hamburg, 4. April 1951 F: EZA Berlin, 2/1755 (Konzept). Hierdurch lade ich die Herren Mitglieder zu einer Ratssitzung auf Donnerstag, den 5. April 1951, in Hamburg, Hotel Alsterhof (Esplanade 12) ein. Die Ratssitzung beginnt sofort nach Beendigung des Schlussgottesdienstes. Gegenstand und Beratung sind die von der Synode verabschiedeten Gesetze. gez. Bischof D. Dibelius

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21B Protokoll F: EZA Berlin, 2/1793 (H; den Ratsmitgliedern mit Schreiben der Kirchenkanzlei vom 21. April 1951 übersandt). Niederschrift über die 21. Sitzung des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland am 5. April 1951 in Hamburg. Anwesend: ausserdem:

Alle Ratsmitglieder, Präsident D. Brunotte, Vizepräsident Dr. Benn, Oberkirchenrat Dr. Merzyn.

1. Beschlüsse der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland: Der Rat beschloss, von dem ihm nach Artikel 26 Abs. 4 der Grundordnung1 zustehenden Recht, gegen einen Beschluss der 3. Tagung der 1. Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland Einwendungen zu erheben, keinen Gebrauch zu machen. Er stellte fest, dass das von der Synode beschlossene Kirchengesetz zur Ordnung des Hilfswerks der Evangelischen Kirche in Deutschland2 seine Rechtsgrundlage in Artikel 15 Abs. 3, Satz 3 hat3. 2. Kammer für soziale Ordnung: Gemäss dem mit Rundschreiben der Kirchenkanzlei Nr. B 395 IV vom 17. 3. 1951 mitgeteilten Vorschlag der Kammer für soziale Ordnung4 beschloss der Rat, die bisherigen Mitglieder dieser Kammer, Prof. D. Dr. von Dietze, Prof. D. Iwand, Superintendent Schultze5 und Prof. Dr. Tiburtius, durch neu zu berufende Mitglieder zu ersetzen, und zwar durch die Herren Martin Donath, Bad Boll, Prof. Dr. Heyde, Köln, Studiendirektor Dr. Cordes, Kloster Loccum (ü. Wunstorf/Hann.), C. von Bismark, Villigst; und folgende stellvertretenden Mitglieder Prof. Dr. Müller-Armack, Köln, 1 ABlEKD 1948, Nr. 7 vom 15. Juli 1948, S. 112. 2 ABlEKD 1951, Nr. 4 vom 15. April 1951, S. 89ff. 3 „Die Ordnung des Hilfswerks bedarf eines Gesetzes der Evangelischen Kirche in Deutschland“; vgl. Art. 15, Abs. 3, Satz 3 der Grundordnung der EKD (ABlEKD 1948, Nr. 7 vom 15. Juli 1948, S. 111). 4 21D1. 5 Gemeint ist Johannes Schulze.

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21. Sitzung: Hamburg, 5. April 1951

Dr. Heilfurth, Friedewald, Pfarrer Dr. Eberhard Müller, Bad Boll, Prof. Gollwitzer, Bonn, Dipl. Kaufmann Suppert, Bielefeld, zu bestimmen. Die Kammer soll dabei die Freiheit haben, Herrn Professor Dr. Müller-Armack, Köln, zum ordentlichen Mitglied an Stelle eines der vier in erster Linie vorgesehenen ordentlichen Mitglieder zu bestimmen6. 3. Besoldungsdienstalter und Versorgungsansprüche der von einer Landeskirche in eine andere Landeskirche übertretenden Pfarrer: Die Kirchenkanzlei wurde beauftragt, dem Rat einen Bericht darüber zu geben, welche Regelung des Besoldungsdienstalters und der Versorgungsansprüche in den einzelnen Gliedkirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland für den Fall vorgesehen ist, dass ein Pfarrer aus dem Dienst einer Gliedkirche in den Dienst einer anderen Gliedkirche übertritt, und zwar unter besonderer Berücksichtigung des Falles, dass ein solcher Übertritt aus dem Bereich der Deutschen Demokratischen Republik in den Bereich der Bundesrepublik Deutschland erfolgt7. 4. Hilfswerk: Der Rat nahm einen Bericht seines Mitgliedes Prälat Dr. Hartenstein über den ergangenen Bussgeld-Bescheid und über den in Aussicht stehenden Abschluss des schwebenden Verfahrens8 entgegen und beauftragte Herrn Prälaten Dr. Hartenstein, namens des Rates und in Übereinstimmung mit dem einstimmigen Beschluss des Verwaltungsrates des Hilfswerks auf eine endgültige Bereinigung der Sache in der vorgesehenen Form hinzuwirken9. Für die kurze Erklärung, die der Ratsvorsit6 Seit 1949 hatte es Überlegungen zur Umbildung der Kammer für Soziale Ordnung wegen mangelnder Präsenz und Sachkenntnis der Kammermitglieder gegeben. Auf der dritten Sitzung der Kammer für Soziale Ordnung am 1. August 1950 war es zu dem Beschluss gekommen, dem Rat nahezulegen, von Dietze, Iwand, Schulze und Tiburtius zu ersetzen; vgl. das Schreiben Rankes an Merzyn vom 10. März 1951 (EZA BERLIN, 2/1503); vgl. dazu G. RIEDNER, Kammer, S. 64. 7 Vgl. dazu das Rundschreiben der Kirchenkanzlei an die Leitungen der deutschen evangelischen Landeskirchen vom 30. Mai 1951, in dem die Landeskirchen aufgefordert wurden, bis zum 1. Juli 1951 einen Bericht über diese Frage abzuliefern. Aus einer Übersicht über die Ergebnisse der Umfrage geht hervor, dass die meisten Kirchen für eine volle Anrechnung des Besoldungsdienstalters votierten (EZA BERLIN, 2/3284). 8 Vgl. 20B7a. Das Oberfinanzpräsidium von Württemberg-Baden hatte gegen den Abteilungsleiter des Hilfswerks, von Gersdorff, einen Bußgeldbescheid über 100.000,– DM verhängt; vgl. dazu 21E1; 21E2. 9 Vgl. 21E1; 21E2. Auf der Verwaltungsratssitzung des Hilfswerks am 17. März 1951 war gegen den Widerspruch Gerstenmaiers beschlossen worden: „1. dass das Hilfswerk der Devisenbehörde gegenüber unverzüglich die Unterwerfung erklären, 2. dass durch Vermittlung von Landesbischof D. Haug von ihm Fühlungnahme mit Dr. Maier gesucht, 3. dass in Uebereinstimmung mit den Beschlüssen der Kirchenkonferenz in Hannover

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zende, der stellvertretende Ratsvorsitzende und das Ratsmitglied Dr. Hartenstein nach Abschluss des Verfahrens im Auftrage des Rates der Öffentlichkeit übergeben sollen, wird Dr. Hartenstein alsbald einen Entwurf vorlegen10. 5. Diakonischer Beirat: a) Die im Kirchengesetz über den Diakonischen Beirat der Evangelischen Kirche in Deutschland vom 5. April 195111 vorgesehene Vereinbarung mit dem Central-Ausschuss für die Innere Mission sowie die Bestellung der Mitglieder des Diakonischen Beirates sollen mit möglichster Beschleunigung erwirkt werden12. b) Das während der dritten Tagung der Synode im Entwurf vorgelegte Wort über die Verantwortung zum diakonischen Dienst13 soll von den Ratsmitgliedern D. Niemöller und D. Lilje überarbeitet und so bald wie möglich im Namen des Rates veröffentlicht werden14. 6. Bevollmächtigter des Rates in Bonn: Der Ratsvorsitzende berichtete über die Schwierigkeit, Superintendent Kunst hauptamtlich für das Amt des Bevollmächtigten des Rates in Bonn zu gewinnen15, und über seine Absicht, Superintendent Kunst für eine nebenamtliche Regelung zu gewinnen16. gez. D. Brunotte gez. Dr. Merzyn

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der Rat der Evangelischen Kirche nach Beendigung des Konfliktes durch Bischof D. Dr. Dibelius eine öffentliche Erklärung abgeben solle“; vgl. dazu das Protokoll der Sitzung des Verwaltungsrates des Hilfswerks der EKD vom 17. März 1951 (EZA BERLIN, 2/5137). 21E3. ABlEKD 1951, Nr. 4 vom 15. April 1951, S. 91; vgl. dazu J. M. WISCHNATH, Kirche, S. 311. Das Gesetz über den Diakonischen Beirat der EKD vom 5. April 1951 trat erst am 16. Juli 1951 in Kraft. In der 23. Ratssitzung am 16. Juli 1951 wurden dann die Mitglieder des Diakonischen Beirates bestellt; vgl. 23B2; 23D2. HAMBURG 1951, S. 213ff. KJ 1951, S. 14ff.; F. MERZYN, Kundgebungen, S. 114ff. Vgl. 19B11, 20B1. In einem Schreiben an Merzyn vom 4. April 1951 hatte Kunst die Bevollmächtigtenstelle abgesagt und dies mit der „beschämenden Liebe“ seiner Pfarrgemeinde in Herford begründet (vgl. dazu EZA BERLIN, 2/2423). Zum Fortgang vgl. 22B10; 25B13. Am 28. April 1951 schrieb Kunst an Brunotte, dass er beabsichtige, für die Dauer eines Jahres nebenamtlich den Dienst des Bevollmächtigten anzutreten. Damit folge er einem Vorschlag von Dibelius, der ihm nahegelegt habe, alle 14 Tage zwei bis drei Tage während der Plenarsitzungen in Bonn zu sein und sich auch außerhalb dieser Zeiten für besondere Gelegenheiten bereitzuhalten (EZA BERLIN, 2/2423).

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21. Sitzung: Hamburg, 5. April 1951 21D Vo rlagen und Anträge

21D Vorlagen und Anträge 21D1. Rundschreiben der Kirchenkanzlei an die Ratsmitglieder. Hannover, 17. März 1951 F: EZA Berlin, 2/1503 (H). Betr. Zusammensetzung der Kammer für Soziale Ordnung Mit Rundschreiben an die Herren Ratsmitglieder vom 27.11.195017 hatten wir den Rat entsprechend des Beschlusses der Kammer für Soziale Ordnung auf ihrer letzen Sitzung am 1.8.195018 gebeten, die Frage der personellen Umordnung der Kammer entsprechend den von ihr gemachten Vorschlägen zum Gegenstand der Besprechung im Rat zu machen. Die Kammer für soziale Ordnung hat auf ihrer letzten Sitzung einstimmig beschlossen, die Herren – Univ.-Prof. D. Dr. von Dietze, – Univ.-Prof. D. Iwand, – Superintendent Schultze [richtig: Schulze], – Univ.-Prof. Dr. Tiburtius, die sich bisher an der Arbeit der Kammer zum Teil wegen anderweitiger Überbelastung nicht oder kaum beteiligt haben, durch neu zu berufende Mitglieder zu ersetzen. Die Kammer beschloss, dem Rat zur Neuberufung die Herren – Martin Donath, Bad Boll, – Prof. Dr. Heyde, Köln, – Pfarrer Cordes jr., Hannover, – C. von Bismarck, Villigst vorzuschlagen. Die Kammer beschloss desweiteren, den Rat zu bitten, als Stellvertreter für in Zukunft etwa an der Teilnahme an Sitzungen verhinderter Kammermitglieder die Herren – Prof. Dr. Müller-Armack, Köln, – Dr. Heilfurth, Friedewald, – Pfarrer Dr. Eberhard Müller, Bad Boll, – Univ.-Prof. Gollwitzer, Bonn, – Dipl.-Kaufm. Suppert, Bielefeld zu bestimmen. 17 Schreiben der Kirchenkanzlei an die Ratsmitglieder vom 27. November 1950 (EZA BERLIN, 2/1502). 18 Vgl. das Protokoll der Kammersitzung vom 1. August 1950 (EZA BERLIN, 2/1503).

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Der Rat der EKD hat seither zu dieser Frage noch nicht Stellung genommen. Da die fortschreitenden Beratungen über das endgültige Lastenausgleichsgesetz nach dem Gutachten eines Sachverständigenausschusses19 von Vertretern des Ostkirchenausschusses, des Bundesfinanzministeriums, der Evangelischen Akademien und der Evangelischen Sozialschule in Schloss Friedewald sowie der säkularen Flüchtlingsorganisationen eine Stellungnahme der Kammer für Soziale Ordnung erforderlich machen, die Kammer aber vor Erledigung ihrer oben bezeichneten Anregungen nicht aktionsfähig ist, bitten wir hiermit, nach Möglichkeit das Einverständnis der einzelnen Herren Ratsmitglieder zu den Vorschlägen der Sozialkammer über ihre personelle Umgestaltung schriftlich an uns mitteilen zu wollen. In Vertretung: gez. Ranke.

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21E Dokumente 21E1. Schreiben Hartensteins an Brunotte. Stuttgart, 17. April 1951 F: EZA Berlin, 2/5129 (O). Im Auftrag von Herrn Prälat Hartenstein übersende ich Ihnen die endgültige Vereinbarung, die am Mittwoch, 18. April mittags 12 Uhr hier in der Presse übergeben werden wird20, sowie das Wort des Rates für die christliche Presse21, das von Herrn Bischof D. Dr. Dibelius telephonisch bestätigt und den Ratsmitgliedern mit gleicher Post zugeleitet wird. Thoma Sekretärin

19 Vgl. dazu 20B15. 20 21E2. 21 21E3.

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21. Sitzung: Hamburg, 5. April 1951

21E2. Erklärung der Pressestelle des Staatsministeriums. [Stuttgart, 18. April 1951] F: EZA Berlin, 2/5129 (O; Anlage zu 21E1). 1. Das Oberfinanzpräsidium Württemberg-Baden hat einem früheren Mitarbeiter des Hilfswerks der Evangelischen Kirche in Deutschland wegen Ordnungswidrigkeiten gegen das Militärregierungsgesetz Nr. 53 eine Busse von DM 100.000,– auferlegt. Die Angelegenheit, welche bereits vor der Übernahme des Justizministeriums durch Ministerpräsident Dr. Maier und vor der Erörterung im Württ. Bad. Landtag anhängig war, ist von den zuständigen Behörden eingehend untersucht worden. Eine persönliche Bereicherung von Mitarbeitern des Hilfswerks ist nicht festgestellt, die Spenden sind vielmehr ausschließlich karitativen Zwecken zugeführt worden. Eine Gefährdung von Wirtschaft und Währung ist nicht erfolgt. Infolgedessen haben die Staatsanwaltschaft und der Verwaltungsrat des Hilfswerkes gegen den Bußgeldbescheid der Finanzbehörde keinen Einspruch eingelegt. Der Bescheid ist rechtskräftig geworden. 2. Zwischen Ministerpräsident Dr. Maier und Bundestagsabgeordneter [sic!] Dr. Gerstenmaier hat nach Abschluß der Untersuchung gegen das Hilfswerk der Evangelischen Kirche in Deutschland eine Aussprache stattgefunden. Dabei konnten die persönlichen Differenzen bereinigt werden.

21E3. Erklärung des Rates der EKD. [Stuttgart, 18. April 1951] F: EZA Berlin, 2/5129 (O; Anlage zu 21E1). Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland hat von der soeben veröffentlichten Erklärung Kenntnis genommen, wonach die Untersuchung gegen das Hilfswerk der Evangelischen Kirche in Deutschland zum Abschluß gekommen ist. Aus der Erklärung geht hervor, daß einem früheren Mitarbeiter des Hilfswerks Ordnungswidrigkeiten zur Last gelegt sind, die jedoch keinen Schatten auf das Hilfswerk fallen lassen. Die auferlegte Buße wird nicht aus Spendenmitteln der Gemeinde bezahlt werden. Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland spricht nach Über-

21E Dokumente

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prüfung der Zusammenhänge dem Hilfswerk seinen Dank dafür aus, daß es als Treuhänder ausländischer Geber sich in den ungeklärten rechtlichen Verhältnissen der Jahre nach dem Zusammenbruch bemüht hat, ungezählten notleidenden Einzelpersonen und Gemeinden ein Höchstmaß von Hilfe widerfahren zu lassen. Der Rat ruft die Gemeinden unserer Kirche auf, den Dienst des Hilfswerks auch weiterhin mit unverminderter Treue zu tragen. gez. D. Dr. Dibelius Der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland.

22. Sitzung Hannover 24. Mai 1951

22 Hannover, 24. Mai 1951 Ort: Beginn: Ende: Teilnehmer:

Protokollant:

Dienstgebäude der Kirchenkanzlei, Böttcherstraße 7. Donnerstag, 24. Mai 1951 (9.00 Uhr). Donnerstag, 24. Mai 1951 (abends). Vom Rat: Dibelius, Hahn, Hartenstein, Heinemann, Herntrich, Kreyssig, Lilje, Mager, Niemöller_1, Niesel, Smend. Von der Kirchenkanzlei: Benn, Brunotte, Dibelius jr., von Harling2, Merzyn. Für das Kirchliche Außenamt: Bartelt, Johannesson. Brunotte, Merzyn. 22A Vorbereitung der Sitzung

22A Vorbereitung der Sitzung 22A1. Schreiben des Ratsvorsitzenden an die Ratsmitglieder. Hannover, 8. Mai 1951 F: EZA Berlin, 4/44 (H). Es hat sich leider als unmöglich erwiesen, die nächste Ratstagung in Saarbrücken stattfinden zu lassen3. Ich lade daher die Herren Mitglieder

1 Abwesend bei TOP 1. 2 Anwesend ab TOP 14. 3 Das Saarland war mit der Verabschiedung seiner Verfassung im Dezember 1946 der Kompetenz des alliierten Kontrollrates entzogen worden und gehörte nicht mehr zu Deutschland. Der Bevollmächtigte der Evangelischen Kirche im Rheinland für das Saarland, Wehr, hatte in einem Schreiben an Dibelius vom 20. April 1951 schwere Bedenken gegen Saarbrücken als Tagungsort des Rates geäußert. Den in der DDR ansässigen Ratsmitgliedern waren die für ihre Einreise ins Saarland benötigten Auslandspässe verweigert worden, weil die DDR das Saarland nicht als Ausland anerkannt hatte, zugleich war es ihnen nicht erlaubt, über die französische Währung des Saarlandes zu verfügen. Wehr hatte außerdem auf eine „gewisse politische Nervosität“ in Frankreich hingewiesen, die er mit der aktuellen Erörterung der Saarfrage in der Bundesrepublik erklärt hatte. Obgleich das Problem der Passbeschaffung durch die Intervention Rankes beim Innenministerium schließlich gelöst werden konnte (vgl. das Schreiben Rankes an Benn vom 4. Mai 1951: EZA BERLIN, 4/44), hatte sich der Rat gegen die Ratssitzung in Saarbrücken entschieden. Vgl. dazu T. ESCHENBURG, Jahre, S. 100ff.; J. FREYMOND, Saar; P. FISCHER, Saar, R. H. SCHMIDT, Saarpolitik und SAAR, S. 6.

22A Vorbereitung der Sitzung

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für Donnerstag, den 24. und Freitag, den 25. Mai d. Js. in das Dienstgebäude der Kirchenkanzlei in Hannover-Herrenhausen, Böttcherstr. 7, hiermit ein. Die Beratungen sollen am 24. Mai um 9 Uhr beginnen. Ich nehme an, daß sie am Mittag des folgenden Tages beendet sein können4. Die bisher vorgemerkten Beratungsgegenstände sind umstehend angegeben5. Die Kirchenkanzlei bittet, ihr etwaige Quartierwünsche umgehend mitzuteilen6. gez. D. Dr. Dibelius 22A2. Schreiben der Kirchenkanzlei an die Ratsmitglieder. Hannover, 8. Mai 1951 F: EZA Berlin, 4/44 (H). Betr.: Nächste Ratssitzung. Wir möchten gern den Herren Mitgliedern des Rates zu einer ihren Wünschen entsprechenden Unterkunft hier gelegentlich der bevorstehenden Sitzung des Rates verhelfen, soweit ihnen unsere Hilfe hierbei erwünscht sein sollte. Deswegen bitten wir, uns etwaige Wünsche möglichst umgehend unter genauer Angabe derjenigen Nächte, für die Unterkunft hier besorgt werden soll, sowie etwaiger Wünsche für Kraftfahrer und Kraftwagen mitzuteilen. Da die hiesigen Hotels aus Anlass der Bundesgartenschau und anderer Tagungen bereits sehr stark in Anspruch genommen sind, liegt eine möglichst schnelle Mitteilung der Quartierwünsche der Herren Mitglieder des Rates in ihrem eigenen Interesse. gez. D. Brunotte

4 Tatsächlich gibt es nur Mitschriften über die Ratssitzung am 24. Mai 1951. 5 22A3; 22A4. 6 Vgl. dazu 22A2.

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22. Sitzung Hannover 24. Mai 1951

22A3. Beratungsgegenstände für die Sitzung des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland am 24. Mai in Hannover. [Hannover, 8. Mai 1951] F: EZA Berlin, 4/44 (H; Anlage zu 22A1). 1. Neuregelung der Ostpfarrer-Versorgung (Bestätigung des Abkommens mit der Bundesregierung) – Oberkirchenrat Dibelius – 2. Sicherstellung der aus dem Kirchlichen Auslandsseminar hervorgegangenen Geistlichen – Oberkirchenrat Bartelt – 3. DP-Angelegenheiten – Oberkirchenrat Osterloh – 4. Verhältnis der theologischen Fakultäten zu den Kirchlichen Hochschulen – Oberkirchenrat Osterloh – 5. Anregung des Landeskirchenrats in Aurich wegen Behandlung theologischer Fragen durch die Evang. Kirche in Deutschland – Präsident D. Brunotte – 6. Entwicklung des Verhältnisses von Kirche und Staat in der DDR – Vorsitzender – 7. Inkraftsetzung des Kirchengesetzes über den Diakonischen Beirat – Präsident D. Brunotte – 8. Bericht über die Regelung der Angelegenheit des Hilfswerks – Prälat Dr. Hartenstein – 9. Wahrnehmung der Aufgaben des Bevollmächtigten in Bonn – Vorsitzender – 10. Personalfragen der Berliner Stelle der Kirchenkanzlei – Vorsitzender – 11. Beschaffung von Wohnungen für die Mitarbeiter des Kirchlichen Aussenamts – Oberkirchenrat Dr. Merzyn – 12. Anbei: allgemeine Mängel der Synode – „zeitliches Optimum“ – Professor D. Dr. Smend7 – 13. Verschiedenes.

22A4. Ergänzung zur Tagesordnung der Ratssitzung am 24. Mai 1951 in Hannover. [Hannover, 8. Mai 1951] F: NL Smend (H; Anlage zu 22A1). 13.) Verschiedenes a) Pfarrer Heß als Beauftragter für das Fernsehwesen kirchlicher Rundfunksender (Präsident Brunotte) b) Beihilfen (Präsident Brunotte) 7 Punkt 12 wurde als hsl. Korrektur anstelle des durchgestrichenen Programmpunktes: „Stellvertretung in der Synode“ eingefügt.

22B Protokoll

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c) Entscheidung der Soz. Kammer zum Lastenausgleich (Präsident Brunotte) d) Übertritt in eine andere Kirche (OKR von Harling) e) Reformiertes Moderamen zum Beamteneid (Moderator D. Niesel) f) Totengedenken und Reminiscere (Brunotte für OKR Osterloh) g) Sprecherziehung für Pfarrer (Brunotte für OKR Osterloh) h) Lagerseelsorge (Brunotte für OKR Osterloh) 22B Protokoll

22B Protokoll F: EZA Berlin, 2/1793 (H; den Ratsmitgliedern mit Schreiben der Kirchenkanzlei vom 25. Mai 1951 übersandt). G: Mitschriften 1. Smend (NL Smend); 2. Niesel (AEKR Düsseldorf, 6HA 002, Nr. 240 [29f.]).8. Niederschrift über die 22. Sitzung des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland am 24. Mai 1951 in Hannover-Herrenhausen. Anwesend:

ausserdem:

Alle Mitglieder des Rates mit Ausnahme von Landesbischof D. Meiser, München, bei Punkt 1 fehlte auch noch Kirchenpräsident D. Niemöller; Präsident D. Brunotte, Vizepräsident Dr. Benn, Oberkirchenrat Dr. Merzyn, Oberkirchenrat Dibelius, Oberkirchenrat von Harling (ab Punkt 14), Oberkirchenrat Bartelt, Herr Johannesson.

1. Neuregelung der Ostpfarrerversorgung: Der Rat nahm den Bericht des Referenten der Kirchenkanzlei zur Frage der Neuregelung der Ostpfarrerversorgung9 zur Kenntnis, bestätigte das 8 Eine Niederschrift über die für den 25. Mai 1951 anberaumte Sitzung des Rates konnte nicht ermittelt werden. 9 Dibelius jr. berichtete vermutlich über die Ergebnisse der Kirchlichen Westkonferenz am 18./19. Mai 1951 in Königswinter, die sich mit der Neuregelung der Ostpfarrerversorgung beschäftigt hatte; vgl. die Niederschrift über die 3. Kirchliche Westkonferenz am 18./19. Mai 1951 in Königswinter (EZA BERLIN, 4/123) und den Richtlinienentwurf der Kirchenkanzlei für die Ostpfarrerversorgung (22E2). Dieser Entwurf wurde dann um einige Übergangsbestimmungen und um die Festsetzung von Mindest- und Pauschalbeträgen für die

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22. Sitzung Hannover 24. Mai 1951

Abkommen mit der Bundesrepublik vom 16. 4. 5010 [muss heißen: 1951] und sprach dem Referenten der Kirchenkanzlei seinen Dank aus. Die Kirchenkanzlei wurde ermächtigt, die Versorgung der Ostpfarrer auf Grund der Stellungnahme der westdeutschen Landeskirchen11 um die Prüfung der Frage zu bitten, ob sich nicht auch für die sog. unechten Ostpfarrer irgendeine Erhöhung ihrer Versorgung ermöglichen lässt12. Die Kirchenkanzlei wurde beauftragt, die westdeutschen Landeskirchen nochmals zu bitten, keine aus dem Bereich der Deutschen Demokratischen Republik stammenden Pfarrer, Kirchenbeamte oder Kirchengemeindebeamte zu beschäftigen oder gar anzustellen, ohne vorher eine Äusserung ihrer bisherigen Heimatkirche auf dem Wege über die Berliner Stelle der Kirchenkanzlei eingeholt zu haben13.

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verschiedenen Gruppen von Ostpfarrern erweitert und trat am 1. August 1951 mit Wirkung vom 1. April 1951 in Kraft („Richtlinien zur Regelung der den Ostpfarrern und ihren Angehörigen zu gewährenden Versorgungsbezüge“: ABlEKD 1951, Nr. 8 vom 15. August 1951, S. 170f.). Vgl. dazu das Abkommen vom 16. April 1951 zwischen der EKD, der katholischen Kirche und der Bundesrepublik Deutschland, in dem sich die Bundesrepublik für die nächsten zehn Jahre zu Leistungen von insgesamt 34,75 Millionen DM an die beiden Großkirchen verpflichtet hatte (22D1); vgl. dazu auch die Schreiben der Kirchenkanzlei an die Ratsmitglieder und die westdeutschen Landeskirchen vom 5. Mai 1951 (22D2; 22D3). Die Kirchenkanzlei hatte erstmals in zwei Schreiben vom 15. Februar und 30. Juni 1950 an den Bundesminister des Innern, den Bundesminister der Finanzen und den Bundesminister für die Angelegenheiten der Vertriebenen beantragt, die Ostpfarrer in die Vorbereitung einer Regelung der rechtlichen Verhältnisse der früheren Angehörigen des öffentlichen Dienstes nach Art. 131 GG einzubeziehen (beide Schreiben in: EZA BERLIN, 7/20097). Vgl. auch die Eingaben der Kirchenkanzlei an die selben Ministerien vom 27. Februar 1951 (EZA BERLIN, 4/605) und vom 10. März 1951 (EZA BERLIN, 2/6602), in dem die Regierung aufgefordert worden war, sich mit 75 % an der Finanzierung der Ostpfarrer zu beteiligen, damit diese nicht wirtschaftlich gegenüber vergleichbaren Gruppen von Staatsbeamten benachteiligt würden. Ähnliche Bemühungen gab es von Seiten der katholischen Kirche; vgl. dazu das Schreiben des Erzbischöflichen Generalvikars David an den Bundesminister des Innern vom 12. Februar 1951 (EZA BERLIN, 2/6601). Vgl. dazu H. RUDOLPH, Vertriebene 1, S. 378; OSTPFARRERVERSORGUNG, S. 7, 71; U. WENGST, Beamtentum, S. 152–253 und N. FREI, Vergangenheitspolitik, S. 69–100. Die westlichen Landeskirchen hatten auf der Kirchlichen Westkonferenz am 18./19. Mai 1951 mehrheitlich die Auffassung vertreten, dass keine völlige finanzielle Gleichstellung von Ostpfarrern mit den staatlichen Beamten hergestellt werden könne. Die Ostpfarrer sollten 75 % der Versorgungsbezüge westdeutscher Pfarrer erhalten, die „unechten Ostpfarrer“ aus der DDR sollten 50 % der Bezüge westdeutscher Pfarrer erhalten. Keine dieser Gruppen sollte einen gesetzlichen Versorgungsanspruch gegen die EKD geltend machen können. Die westdeutschen Landeskirchen hatten sich dafür ausgesprochen, dass die Osthilfebezüge von ehemaligen Pfarrern der DDR nicht höher sein sollten als die von den östlichen Landeskirchen gezahlten Gehälter, um den „Strom von Übersiedlern“ nach Westdeutschland nicht zu vervielfachen; vgl. die Niederschrift über die 3. Kirchliche Westkonferenz am 18./19. Mai 1951 in Königswinter (EZA BERLIN, 4/123). Vgl. 22E3. Vgl. das Schreiben der Kirchenkanzlei an die Leitungen der evangelischen Landeskirchen

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2. Sicherstellung der aus dem Kirchlichen Auslands-Diaspora-Seminar14 hervorgegangenen Geistlichen: Der Rat fasste eine Entschliessung des aus der Anlage ersichtlichen Inhaltes15, stellte aber fest, dass die tatsächliche Befriedigung der genannten Rechtsansprüche im Hinblick auf die finanzielle Lage der EKD und die Devisenvorschriften zurzeit nicht durchführbar ist16. in Westdeutschland vom 5. Juni 1951. In der Erläuterung dieses Schreibens bezog sich die Kirchenkanzlei auf den „Wunsch einiger Gliedkirchen im Bereich der Deutschen Demokratischen Republik“ (EZA BERLIN, 4/605). Die Kirchenkanzlei hatte bereits in einem Schreiben vom 13. April 1950 an die Leitungen der westdeutschen Landeskirchen mit Bezug auf die Finanzreferentenbesprechung in Treysa vom 8./9. Juni 1949 mitgeteilt, dass keine weiteren Unterstützungsfälle in die Ostpfarrerbetreuung aufgenommen würden (EZA BERLIN, 2/3323). Ein weiterer Beschluss des Finanzbeirates vom 20. Oktober 1950 hatte die Kirchenkanzlei dazu veranlasst, die Freigabebescheinigungen, mit denen die östlichen Gliedkirchen ihr Einverständnis mit der Übersiedlung des jeweiligen Pfarrers nach Westdeutschland signalisiert hatten, nicht mehr anzuerkennen und selbst Nachforschungen über die Notwendigkeit der Übersiedlung von Pfarrern nach Westdeutschland anzustellen; vgl. dazu das Schreiben der Kirchenkanzlei an die Kirchenkanzlei – Berliner Stelle – vom 13. November 1950 (EBD.). Die östlichen Gliedkirchen hatten daraufhin die dringende Bitte an die Kirchenkanzlei gerichtet, keine weiteren eigenen Ermittlungen über übersiedlungswillige Pfarrer aus der DDR anzustellen. Die eigenen Ermittlungen der Kirchenkanzlei würden von einem „nicht tragbaren Mangel an Vertrauen“ in die Integrität der östlichen Gliedkirchen zeugen; vgl. dazu das Schreiben der Kirchenkanzlei – Berliner Stelle – vom 8. Januar 1951 an die Kirchenkanzlei (EBD.). Schließlich hatte man sich darauf geeinigt, in Zweifelsfällen die Kirchenkanzlei – Berliner Stelle – einzuschalten; vgl. das Schreiben der Kirchenkanzlei an die Kirchenkanzlei – Berliner Stelle – vom 15. Januar 1951 (EBD.). Zur Vorgeschichte vgl. K.-H. FIX, Protokolle 3, 6B23. 14 Das Evangelische Diasporaseminar in Soest war 1911 vom Evangelischen Oberkirchenrat der APU gegründet worden und bildete Theologen für den Dienst in der Riograndenser Synode aus. Wegen seiner Zugehörigkeit zur Bekennenden Kirche war das Auslandsseminar 1936 auf Betreiben Heckels vom Evangelischen Oberkirchenrat der APU geschlossen worden. Dennoch waren dort in den folgenden Jahren illegal Pfarrer für den Auslandsdienst ausgebildet worden; vgl. F. SANDER, Auslandsseminar; vgl. auch den Tätigkeitsbericht des Kirchlichen Außenamtes: ELBINGERODE 1952, S. 364–367 und B. WELLNITZ, Ausland, S. 285–295. 15 Der Entwurf für diese Entschließung stammte aus dem Kirchlichen Außenamt und war den Ratsmitgliedern mit einem Schreiben Bartelts vom 19. Mai 1951 zugesandt worden. Der vom Rat beschlossene Text (22C1) wies nur geringfügige Änderungen gegenüber dem Entwurf des Außenamtes auf. Dibelius hatte diesen Beschluss angeregt, indem er dem Außenamt ein an ihn gerichtetes Schreiben zur Frage der Sicherstellung der aus dem Landeskirchlichen Auslandsseminar hervorgegangenen Geistlichen mit der Bitte zugesandt hatte, die Angelegenheit „erforderlichenfalls auf einer Ratstagung“ zum Vortrag zu bringen. Niemöller hatte daraufhin beantragt, diesen Punkt auf die Tagesordnung der nächsten Ratssitzung zu setzen, und Bartelt den Auftrag erteilt, vor dem Rat über dieses Thema zu berichten; vgl. das Schreiben Bartelts an die Kirchenkanzlei vom 27. April 1951 (EZA BERLIN, 2/2194). 16 Am 12. Dezember 1950 hatte Schwarzhaupt in einem Schreiben an die Gliedkirchen, die Kirchenkanzlei und den Evangelischen Oberkirchenrat festgestellt, dass die hohen Versorgungsbezüge der Auslandspfarrer, für die sie die bestehende Ruhegehaltsordnung verantwortlich machte, den Haushalt der EKD zu stark belasteten. Schwarzhaupt hatte angekündigt,

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22. Sitzung Hannover 24. Mai 1951

3. Notstandsbeihilfe für Oberkonsistorialrat i. R. Dr. Schönfeld: Das Kirchliche Aussenamt wurde ermächtigt, für weitere drei Monate (1. Juli bis 30. September 1951) für OKon. Rt. i. R. Dr. Schönfeld eine Unterstützung oder Notstandsbeihilfe zu zahlen17. 4. DP-Angelegenheiten: a) Der Rat nahm in Aussicht, den DP-Ausschuss18 um einen Vertreter der in Deutschland verbleibenden DP’s zu erweitern19. Die Kirchenkanzlei wurde beauftragt, den Weltkirchenrat und den Lutherischen Weltbund zu bitten, gemeinsam – nach Fühlungnahme mit den DPKirchenleitungen – eine Persönlichkeit aus den Kreisen der in Deutschland verbleibenden DP’s dem Rat vorzuschlagen20.

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das Kirchliche Außenamt werde der Synode der EKD eine Vorlage für die Neuregelung dieser Versorgungsbezüge machen (EZA BERLIN, 2/2209). Vgl. A. SILOMON, Protokolle 4, 13B13; 16B14; vgl. auch 19B14; 20B11. Niemöller hatte sich in einem Schreiben vom 18. Mai 1951 an Mackie vom ÖRK gewandt und ihn auf die Zusage Bells (20D8) hingewiesen, sich beim ÖRK für die finanzielle Unterstützung Schönfelds einzusetzen. Da Niemöller aber noch keine Antwort erhalten hatte und die Finanzmittel der EKD für Schönfeld nur noch bis Ende Juni 1951 bewilligt waren, hatte Niemöller beim ÖRK nachgefragt, ob der Rat noch mit einer finanziellen Unterstützung Schönfelds rechnen könne. In einem Antwortschreiben an Niemöller vom 24. Mai 1951 hatte Tillmanns in Vertretung Mackies eine finanzielle Unterstützung Schönfelds durch den ÖRK zugesagt, jedoch zunächst ein ärztliches Gutachten über den Zustand Schönfelds und die Kosten der Behandlung verlangt. In einem weiteren Schreiben vom 11. Juli 1951 erneuerte Mackie seine Zusage und schlug vor, die Kosten für die Behandlung Schönfelds zwischen EKD, Hilfswerk und ÖRK aufzuteilen. Schließlich einigte man sich darauf, dass Hilfswerk, Kirchliches Außenamt und ÖRK ab Oktober 1951 monatlich je 150,– DM für die weitere Behandlung Schönfelds zahlen sollten; vgl. das Schreiben Johannessons an den Finanzausschuss der Synode der EKD vom 30. Januar 1952 (alle Schreiben in: EZA BERLIN, 2/P 59). Der DP-Ausschuss war auf Beschluss der Ratssitzung am 11. und 12. Oktober 1949 ins Leben gerufen worden; vgl. dazu K.-H. FIX, Protokolle 3, 8B2. Da die Zuständigkeit des IRO für die DP-Arbeit in Deutschland 1951 endete, war es die Aufgabe des DP-Ausschusses, die Verhandlungen zwischen EKD und IRO zu führen, in denen es um die Übernahme der fürsorgerlichen und seelsorgerlichen Betreuung der in Deutschland verbleibenden Displaced Persons durch die Behörden und karitativen Organisationen ging. Dieser Beschluss kam auf Empfehlung des DP-Ausschusses zustande, der am 25. April 1951 in Frankfurt am Main getagt hatte. Weiterhin war auf dieser Tagung beschlossen worden, den Rat der EKD zu bitten, vier Vertreter der DP-Kirchen, die vom Weltkirchenrat und vom Lutherischen Weltbund vorgeschlagen werden sollten, an den erweiterten Beratungen des DP-Ausschusses teilnehmen zu lassen. Zudem hatte der Ausschuss der Kirchenkanzlei empfohlen, die DP-Fragen gemeinsam mit dem Vertriebenenministerium zu beraten, um der Bundesregierung Vorschläge zu unterbreiten. Dazu sollten je ein Vertreter der Inneren Mission und des Hilfswerks für die Siedlungsfragen sowie gelegentlich Kloppenburg hinzugezogen werden; vgl. die Übersicht über die Beschlüsse des DP-Ausschusses in seiner Sitzung am 25. April 1951 in Frankfurt am Main, die den westdeutschen Landeskirchen mit einem Schreiben der Kirchenkanzlei vom 30. Mai 1951 zugesandt wurde (ADW BERLIN, ZB 1041). Laut Osterloh war der LWB bei den DP-Vertretern, die zu den Beratungen des DP-

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b) Die Frage der Einladung von Vertretern der DP-Kirchen zu gelegentlichen grösseren Tagungen soll die Kirchenkanzlei regeln. c) Auch die Fragen, die mit der geplanten Ratzeburger Tagung zusammenhängen, sollen von der Kirchenkanzlei geregelt werden21. d) Ebenso soll schliesslich auch die Frage einer Tagung der Theologiestudenten aus den DP-Kirchen der Kirchenkanzlei überlassen bleiben22. 5. Verhältnis der Theologischen Fakultäten zu den Kirchlichen Hochschulen: Zu einer Erörterung der schwebenden Probleme23 beschloss der Rat, die Ausschusses hinzugezogen werden sollten, zahlenmäßig zu gering vertreten. Deshalb sollte der LWB in Verhandlungen mit dem ÖRK durchsetzen, dass das zukünftige DP-Ausschussmitglied ein Lutheraner war; vgl. den Aktenvermerk Osterlohs vom 23. Mai 1951 über eine Sitzung bei Pastor Mau über die Flüchtlingstagungen in Ratzeburg und Lübeck (EZA BERLIN, 2/4161). Zum Fortgang vgl. 24B32. 21 Am 13. Juni 1951 lud Osterloh Vertreter aller mit den DP-Fragen beschäftigten Stellen zu einer inoffiziellen Aussprache nach Hannover ein, um die für den 29.–30. August 1951 in Ratzeburg geplante Tagung über Heimatvertriebene und DPs vorzubereiten; vgl. die Niederschrift über den am 25. Juni 1951 von der Kirchenkanzlei der EKD einberufenen Verteilungsausschuss (EZA BERLIN, 2/4161). Ziel der Flüchtlingstagung war es, den LWB, den ÖRK, den Ostkirchenausschuss, kirchliche DP-Vertreter, Vertreter der Ostvertriebenen und die zuständigen landeskirchlichen Referenten zu einem Erfahrungsaustausch zu bringen. Dies wurde mit der Übernahme der Verantwortung der DP-Arbeit durch die Landeskirchen, der wachsenden Bedeutung der säkularen Organisationen in der Vertriebenenarbeit und einer Zuspitzung der sozialen Probleme, die die kirchliche Flüchtlingsarbeit vor eine neue Situation stellte, begründet; vgl. Anlage 7 zum Rundschreiben der Kirchenkanzlei an die Leitungen der evangelischen Landeskirchen in Westdeutschland vom 30. Mai 1951 (EBD.) und das Einladungsschreiben der Kirchenkanzlei vom 17. Juli 1951 für die Arbeitstagung in Ratzeburg (22E4). 22 Osterloh hatte in seinem Dienstreisebericht über die Sitzung des vom Rat der EKD berufenen DP-Ausschusses vom 25. April 1951 festgehalten, dass die Teilnehmer an der Sitzung insgesamt neun Theologiestudenten aus den DP-Kirchen benannt hätten. Diese sollten gelegentlich durch die Kirchenkanzlei zu einer Tagung eingeladen werden, um eine Vermittlerrolle zwischen Landeskirchen und DP-Kirchen wahrzunehmen (EZA BERLIN, 2/4161). Die Kirchenkanzlei stellte nach dem Ratsbeschluss vom 24. Mai 1951 in Zusammenarbeit mit den Studentenpfarrämtern, dem Hilfswerk und der Inneren Mission eine Liste aller evangelischen und orthodoxen DP-Studenten auf. Vom 22.–25. April 1952 kamen dann DP-Studenten der Theologie und der Philologie zur ersten DP-Studententagung der EKD auf Schloss Assenheim zusammen. Die Tagung sollte die Intelligenz unter den DPs mit den kirchlichen, politischen und sozialen Aufgaben der deutschen Gegenwart vertraut machen und klären, wie weit diese sich schon mit der kulturellen und wirtschaftlichen Integration der in Deutschland verbliebenen 130–140.000 DPs beschäftigt hatten; vgl. dazu ELBINGERODE 1952, S. 332. 23 Einige westdeutsche Länderverfassungen hatten das unbeschränkte Recht der Kirche zur Führung eigener wissenschaftlicher Fakultäten anerkannt und die Kirchlichen Hochschulen der universitären Ausbildung gleichgestellt. Der juristische Referent des Fakultätentages der Evangelisch-Theologischen Fakultäten in Deutschland, Weber, hatte die einseitige Preisgabe staatlicher Rechte gegenüber dem Einfluss der Kirchen bei der Theologenausbildung seit 1945 beklagt. Weber hatte darin einen Beweis für die Schwäche des Staates in der

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Vertreter der Theologischen Fakultäten sowie der Kirchlichen Hochschulen zu einem gemeinsamen Gespräch mit dem Rat für Freitag, den 26. und Sonnabend, den 27. Oktober 1951 in das Johannesstift nach Berlin-Spandau einzuladen24. Die für Oktober vorgesehene Ratssitzung soll deswegen am Donnerstag, den 25. Oktober gleichfalls im Johannesstift in Spandau stattfinden25. 6. Anregung des Landeskirchenrates in Aurich wegen Behandlung theologischer Fragen durch die EKD26: Nachkriegszeit gesehen und die Kirchen davor gewarnt, den lebendigen Austausch mit der gesamtakademischen Forschung und Lehre zu verlieren (vgl. W. WEBER, Status, S. 309–326). Osterloh hatte in einem Schreiben vom 12. April 1951 an die westdeutschen evangelischen Landeskirchen und an die Leiter der fünf neuen Kirchlichen Hochschulen den Aufsatz Webers weiterempfohlen (EZA BERLIN, 2/5486); vgl. dazu das Schreiben des Präsidenten des Fakultätentages an die Kirchenkanzlei vom 5. April 1951 (22E5) und an den Vorsitzenden der Rektorenkonferenz vom 6. April 1951 (22E6). Vgl. dazu auch die von Galling unterzeichnete Erklärung des Fakultätentages vom 10. April 1951, in der es hieß: „Die Tatsache, dass die Formulierung der Examensordnung einer westdeutschen Kirche die Möglichkeit zu bieten scheint, das gesamte theologische Studium ausserhalb der Universität zu absolvieren, veranlasst den Fakultätentag zu folgender Erklärung: Nach der weitgehenden Normalisierung der Studienverhältnisse an den Universitäten sieht der Fakultätentag es als das Gegebene an, zu der bisherigen Studienregelung des Staatsvertrages zwischen Staat und Kirche zurückzukehren, nach der innerhalb des ordnungsmässigen Studiums der Theologie 6 Semester an den staatlichen Universitäten abgeleistet werden sollen“ (EZA BERLIN 2/5486). Ähnliche Auseinandersetzungen lassen sich auch auf katholischer Seite nachweisen. Das vom Papst verliehene Promotionsrecht an Theologische Schulen und Fakultäten hatte 1951 ebenfalls zu Konflikten mit den Vertretern der Universitätstheologie geführt; vgl. dazu: H. HÜRTEN, Faulhaber, Dok. 350, S. 625. 24 Osterloh betonte gegenüber dem Präsidenten des Fakultätentages, Galling, dass es wünschenswert sei, die Zusammenkunft mit den Fakultäten und den Kirchlichen Hochschulen zeitlich unmittelbar einer Ratssitzung anzuschließen, da alle Ratsmitglieder den Wunsch hätten, an dieser Aussprache teilzunehmen (vgl. das Schreiben Osterlohs an Galling vom 27. Juni 1951: EZA BERLIN, 2/5486). Die Aussprache zwischen Theologischen Fakultäten, Rat und Kirchlichen Hochschulen kam 1951 nicht mehr zustande, weil die von den Fakultäten an Weber und Elert in Auftrag gegebenen juristischen und theologischen Gutachten erst Anfang Dezember 1951 vorgelegt wurden (EZA BERLIN, 2/5487); vgl. dazu das Gutachten Webers über Rechtsfragen der Kirchlichen Hochschulen und Elerts über Theologische Fakultät und Kirchliche Hochschule (AEKR DÜSSELDORF, 6HA 003/B 101). Die für Oktober 1951 geplante Aussprache fand erst am 14. März 1952 statt. Im Vorfeld dieser Aussprache gab es scharfe Auseinandersetzungen um die vom Fakultätentag bestellten Gutachter Weber und Elert. Wie aus einem Schreiben Beckmanns an die ehemals zur Bekennenden Kirche gehörenden Professoren der Theologie vom 2. Februar 1952 hervorgeht, waren beide Gutachter durch ihre Veröffentlichungen während der Zeit des Nationalsozialismus für die Bekennende Kirche diskreditiert (EBD.). Nicht zuletzt wurden hier aus der NS-Zeit stammende Vorbehalte der Bekennenden Kirche gegen die Gleichschaltung von Theologischen Fakultäten durch den Staat ausgetragen (vgl. dazu F. STENGEL, Fakultäten, S. 59). 25 Vgl. 25B. 26 Das Schreiben des Landeskirchenrates der Evangelisch-Reformierten Kirche in Nordwestdeutschland an den Ratsvorsitzenden vom 23. April 1951 (22D4) hatte vor allem auf eine verbindliche Lehrentscheidung des Rates oder der Synode der EKD zu dem von Bultmann

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Das Schreiben soll mit dem Hinweis auf Ziffer 5 und andere theologische Erörterungen im Rat beantwortet werden27. 7. Inkraftsetzung des Kirchengesetzes über den Diakonischen Beirat28: Die Entscheidung wurde vertagt, da die Vereinbarung mit dem Centralausschuss für die Innere Mission noch nicht abgeschlossen ist. Für die Bestellung der Mitglieder des Diakonischen Beirates gemäss § 4 a) wurden die Ratsmitglieder Dr. Hartenstein, D. Herntrich und Synodalpräsident Mager in Aussicht genommen und gemäss § 4 d) zunächst die Namen von Frau von Sahr, Frau Staeven und Pastor Symanowski genannt29. 8. Entwicklung des Verhältnisses von Kirche und Staat in der DDR. Der Rat nahm einen Bericht seines Vorsitzenden über die Entwicklung des Verhältnisses von Kirche und Staat in der Deutschen Demokratischen Republik entgegen und erklärte es für undiskutabel, dass Gesetze der EKD einer deutschen Staatsregierung zur Genehmigung vorgelegt werden30. 9. Bericht über die Regelung der Angelegenheiten des Hilfswerks: Der Rat nahm einen Bericht von Prälat Dr. Hartenstein entgegen, sprach ihm seinen Dank aus und bat seinen Vorsitzenden, auch Herrn Dr. Walter Bauer den Dank des Rates auszusprechen31. 10. Wahrnehmung der Aufgaben des Bevollmächtigten in Bonn: Der Rat nahm einen Bericht seines Vorsitzenden über die vorläufige Regelung einer vorübergehenden nebenamtlichen Tätigkeit von Herrn Superintendent Kunst entgegen und stimmte dieser vorläufigen Regelung zu32. Für die weiterhin anzustrebende endgültige Regelung wurden

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vertretenen Programm der Entmythologisierung des Neuen Testamentes gezielt. Der Rat hatte sich bereits mehrfach mit der Theologie Bultmanns beschäftigt (vgl. C. NICOLAISEN/N. A. SCHULZE, Protokolle 2, 13B20, S. 181 mit Anm. 33, S. 587 mit Anm. 54). Vgl. 22E7; vgl. auch KJ 1951, S. 212–221. Vgl. 21B5; 23B2; 23D2. Vgl. 23B2. Am 5. April 1951 hatte das Innenministerium der DDR Einspruch gegen die neue Grundordnung der APU erhoben (vgl. 19B18). Dennoch hatte die Kirchenleitung der APU am 8. Mai 1951 beschlossen, die neue Ordnung in Kraft zu setzen. Nach G 1 berichtete Dibelius von der Weigerung des Innenministers der DDR Steinhoff, die neue Grundordnung der APU anzuerkennen und von der Forderung, alle kirchlichen Verordnungen, die das Gebiet der DDR betrafen, der Regierung der DDR zur Genehmigung vorzulegen. In einem Schreiben an Nuschke vom 29. Mai 1951 berief sich Dibelius auf das von der Verfassung der DDR garantierte Recht der Religionsgemeinschaften, ihre Angelegenheiten selbstständig zu regeln (22E8); vgl. dazu G 2; VERHANDLUNGEN, S. 29–33; F. WINTER, Union, S. 28–33. Bauer war am 13. Januar 1949 von der Synode in Bethel als einer von vier wirtschaftsund finanzsachverständigen Laien in den bis 1951 tätigen Wiederaufbauausschuss des Hilfswerks gewählt worden; vgl. dazu K.-H. FIX, Protokolle 3, 2B7b. Vgl. dazu 19B11; 20B1; 21B6. Ranke hatte Brunotte in einem Schreiben vom 2. Mai 1951 auf die Vereinbarung mit Kunst hingewiesen, nach der Kunst nur alle 14 Tage zwei

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zunächst die Namen von Dekan Lindenmeyer (Augsburg) und Pfarrer Puffert (I. M. Westfalen) genannt33. 11. Vizepräsident Dr. Benn: Der Rat beschloss, Herrn Vizepräsident Dr. Benn in den Dienst der EKD zu übernehmen und ihm eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 1a zu verleihen34. Vizepräsident Dr. Benn soll das gleiche Gehalt wie bisher erhalten; der bisher an den EOK in Berlin gezahlte Zuschuss wegen Zurverfügungstellung seiner juristischen Referenten soll künftig gekürzt werden um Beträge, die an Herrn Vizepräsidenten Dr. Benn nunmehr aus Mitteln der EKD zu zahlen sind. Mit der APU soll verhandelt werden wegen einer Beteiligung an der Versorgung von Vizepräsidenten Dr. Benn35.

bis drei Tage in Bonn anwesend sein sollte (vgl. 21B6). Kunst beabsichtige an den betreffenden Tagen regelmäßig abends Gäste zu empfangen und mindestens ein bis zwei Mal im Monat größere Empfänge zu geben. Er hatte zahlreiche Bedingungen gestellt, von denen er die Fortsetzung seiner Tätigkeit abhängig machte. Dazu gehörten das Kilometergeld für den Dienstwagen, ein Standquartier in Bonn, eine Schreibkraft in Herford, ein Vikar in Bonn und eine finanzielle Beteiligung der Kirchenkanzlei an Geschirr und Besteck für die Gesellschaftsabende, die er in Bonn abhalten wollte. Kunst hätte eigentlich seinen Dienst in Bonn am 15. Mai 1951 antreten müssen, war dann aber erkrankt, sodass Ranke befürchtete, Kunst sei nicht mehr in der Lage, die Arbeit als Bevollmächtigter in Bonn fortzusetzen; vgl. das Schreiben Rankes an Brunotte vom 31. Mai 1951 (EZA BERLIN, 2/2423). 33 In einem vertraulichen Schreiben Brunottes an Ranke vom 6. Juni 1951 hieß es dazu: „An die baldige Bestellung eines hauptamtlichen Nachfolgers glaube ich nicht recht. In der Ratssitzung vom 24. Mai sind allerdings einige Namen aus dem Stegreif genannt worden; aber der Rat ist sich in keiner Weise schlüssig, wen er nehmen will. Es wird also voraussichtlich noch monatelang bei dem jetzigen Ratsbeschluß (nebenamtliche Beschäftigung von Kunst) verbleiben. Damit bleibt fürs erste die ganze Arbeitslast bei Ihnen“ (EZA BERLIN, 2/2423). Puffert war vom 1. April 1950 bis zum 30. September 1960 Geschäftsführer des Landesverbandes der Inneren Mission und Hauptgeschäftsführer des Evangelischen Hilfswerks Westfalen. In dieser Eigenschaft hatte er u. a. beim Aufbau der Stadt Espelkamp eng mit Kunst zusammengearbeitet; vgl. dazu H. PUFFERT, Espelkamp, S. 232. 34 Damit trat Benn zum 1. Juli 1951 auch formal in den Dienst der EKD ein (vgl. „Bekanntmachung“: ABlEKD 1951, Nr. 7 vom 15. Juli 1951, S. 156f.). Bisher war Benn als Oberkonsistorialrat im Evangelischen Oberkirchenrat der APU in Berlin tätig gewesen, hatte aber schon seit 1945 die Stelle des stellvertretenden Leiters der Kirchenkanzlei – Berliner Stelle – ausgeübt. Benn war im Juli 1949 offiziell zum Vizepräsidenten der Kirchenkanzlei bestellt und mit der Leitung der Kirchenkanzlei – Berliner Stelle – beauftragt worden; vgl. dazu ABlEKD 1949, Nr. 7 vom 15. Juli 1949, S. 159; vgl. auch das Schreiben Brunottes an den Präsidenten des Evangelischen Oberkirchenrates vom 4. Juni 1951 und die Ernennungsurkunde Benns durch den Rat der EKD vom 1. Juli 1951: EZA BERLIN, 2/P 63. 35 Auf das Schreiben der Kirchenkanzlei vom 4. Juni 1951 antwortete der EOK Berlin am 18. Juni 1951, die Leitung der Evangelischen Kirche der APU habe beschlossen, sich an den späteren Ruhegehalts- und Hinterbliebenenbezügen für Benn zu beteiligen (EZA BERLIN, 2/P 63).

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12. Beschaffung von Wohnungen für die Mitarbeiter des Kirchlichen Aussenamtes: Das Kirchliche Aussenamt wurde ermächtigt, zur Erlangung geeigneter Wohnungen für Mitarbeiter des Kirchlichen Aussenamtes Baukostenzuschüsse bis zur Höhe von insgesamt 35.000,– DM zur Verfügung zu stellen, die jeweils bis zur Hälfte als verlorene Zuschüsse gegeben werden können, im übrigen aber von den betreffenden Mitarbeitern zurückzuzahlen sind36. 13. Drucklegung der Verhandlungen der Synode: a) Die Berliner Stelle der Kirchenkanzlei wurde beauftragt, einen Kostenanschlag für die Drucklegung der Eisenacher Verhandlungen vorzulegen37. b) Ausserdem wurde die Berliner Stelle beauftragt, auf eine Beschleunigung der Drucklegung der auf der Weissenseer Synode stattgehabten Aussprache über die Judenfrage hinzuwirken38. 14. Kammer für öffentliche Verantwortung: Die Kammer für öffentliche Verantwortung wurde beauftragt, dem Rat ein Gutachten und einen Vorschlag zu der Frage zu machen, was die Aufgabe der Kirche angesichts der Gefahr der politischen Radikalisierung ist39. 36 Auf der Ratssitzung am 5./6. Oktober 1950 war die Kirchenkanzlei ermächtigt worden, dem Kirchlichen Außenamt einen Betrag von 35.000,– DM für Wohnungsbeschaffung von fünf Mitarbeitern zur Verfügung zu stellen, der im Rechnungsjahr 1951/52 aus Haushaltsmitteln des Kirchlichen Außenamtes an die Kirchenkanzlei zurückerstattet werden sollte (vgl. A. SILOMON, Protokolle 4, 17B19). Das Kirchliche Außenamt hatte sich auf diesen Beschluss berufen, als es in einem Schreiben vom 19. Februar 1951 an die Kasse der EKD 35.000,– DM Vorschuss beantragt hatte. Doch hatte die Kirchenkanzlei die Zahlung an das Kirchliche Außenamt verweigert, weil der Vorschuss nur für das Haushaltsjahr 1950/51 gewährt worden war; vgl. das Schreiben Merzyns an das Kirchliche Außenamt vom 3. März 1950 (EZA BERLIN, 2/5216). Die Kirchenkanzlei war dennoch bereit, das Geld als außerplanmäßige Ausgabe zu bewilligen (vgl. das Schreiben der Kirchenkanzlei an das Kirchliche Außenamt vom 15. Mai 1951: EZA BERLIN, 2/2203). 37 Vgl. dazu 24B29. 38 Vgl. BERLIN-WEISSENSEE 1950, S. 319–344. 39 Die Kammer für Öffentliche Verantwortung war auf der Ratssitzung vom 22. März 1949 in Wiesbaden auf Vorschlag Heinemanns unter dem Vorsitz Tillmanns gegründet worden (vgl. dazu K.-H. FIX, Protokolle 3, 2B7b). Schon in der ersten Kammersitzung am 26./27. September 1949 hatte der Historiker Gerhard Ritter den Vorschlag gemacht, eine warnende Stellungnahme zur Frage des Nationalismus abzugeben. Zur zweiten Kammersitzung am 3./4. Dezember 1949 hatte Ritter dann eine Vorlage über die Gefahr nationalistischer Strömungen in der Bundesrepublik Deutschland erarbeitet, die jedoch nicht zur Grundlage einer öffentlichen Stellungnahme des Rates gemacht worden war (vgl. dazu K. NOWAK, Gerhard Ritter, S. 245–250). Erst als die nationalsozialistisch orientierte SRP bei den Landtagswahlen in Niedersachsen am 6. Mai 1951 beachtliche Erfolge erzielt hatte – wie Lilje dem Rat berichtete – und öffentliche Äußerungen ehemaliger Wehrmachtsgeneräle bei der französischen Regierung ernsthafte Sorgen hinsichtlich einer erstarkenden NS-

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15. Kirchlicher Beauftragter für das Fernsehwesen: Pfarrer Hess (Frankfurt) wurde zum kirchlichen Beauftragten der EKD für das Fernsehwesen berufen40. 16. Beihilfegesuche: Alle eingegangenen und noch eingehenden Beihilfegesuche sollen ausnahmslos zurückgestellt werden, bis feststeht, welche Geldmittel aus der erbetenen gesamtkirchlichen Kollekte hierfür zur Verfügung stehen sowie welche Beihilfegesuche insgesamt zu berücksichtigen sind. Für ganz besondere, unaufschiebbare Ausnahmefälle wurde die Kirchenkanzlei zu einer Vorschusszahlung in begrenztem Umfang ermächtigt41. 17. Für die Teilnahme von Professor D. Rengstorf am Orientalisten-Kongress wurde ein Zuschuss von 500,– DM bewilligt42.

Generalität ausgelöst hatten, hatte der Rat begonnen, sich mit der Gefahr eines neuen Nationalismus zu beschäftigen. Die Kammer für Öffentliche Verantwortung sollte auch zu den Diskussionen innerhalb der Soldatenverbände und der Generalität über die Bedeutung des Eides auf Hitler im Zusammenhang mit der Beurteilung des Widerstandes des 20. Juli 1944 sowie zu der Frage eines künftigen Fahneneides im Falle der Wiederbewaffnung Stellung nehmen; vgl. dazu G 2. Zum Fortgang vgl. 24B2e; 26B8. Vgl. dazu N. FREI, Vergangenheitspolitik, S. 326–360; D. GENSCHEL, Wehrreform; G. MEYER, Verteidigungsbeitrag, S. 661–671; A. SEARLE, Wehrmacht-Generals. 40 Werner Hess hatte bereits in einem Schreiben vom 30. Dezember 1950 an den Rat um einen förmlichen Auftrag gebeten, ihn mit der Wahrung der kirchlichen Interessen auf dem Gebiet des deutschen Fernsehens zu betrauen, das am 25. Dezember 1952 vom NWDR gestartet wurde (22D5). Hess hatte die Absicht, bei den Vorarbeiten zur Selbstkontrolle des Fernsehens mitzuwirken und hatte sich dabei auf seine Erfahrungen als Mitglied des Hauptausschusses der freiwilligen Selbstkontrolle der deutschen Filmwirtschaft berufen (ebd.). In der Sitzung der Kammer für Publizistik der EKD vom 15.–17. Oktober 1951 wurde aus dem Fachausschuss Rundfunk die Evangelische Fernsehkommission gebildet. Auf dieser Sitzung urteilte der Vorsitzende der Kammer, Lilje: „Ich betrachte die Einführung des Fernsehens in Deutschland als einen schweren Schicksalsschlag. Aber ich bin der Meinung, dass wir Christenmenschen trachten müssen, mit solchen Schlägen fertig zu werden.“ Zitiert nach der Denkschrift Hess’ vom 1. Mai 1952: „Das deutsche Fernsehen und die Kirche“ (EZA BERLIN, 2/1658). Zu den Reaktionen im Fachausschuss Rundfunk auf die Berufung von Hess zum Fernsehbeauftragten des Rates vgl. 22E9. Zur Einführung des Fernsehens in der Bundesrepublik Deutschland vgl. A. SCHILDT, Moderne Zeiten, S. 283ff. 41 Vgl. dazu z. B. das Schreiben der Kirchenkanzlei an die Evangelische Frauenarbeit in Deutschland vom 25. Mai 1951, in dem von Harling mit Bezug auf den Antrag der Evangelischen Frauenarbeit vom 5. März 1951 diesen Ratsbeschluss mitteilte (EZA BERLIN, 2/5382). Erst in der Ratssitzung am 7. Dezember 1951 entschied der Rat über die hier zurückgestellten Beihilfeanträge; vgl. dazu 26B5; 26D6; 26D7. 42 Auf Antrag Niemöllers musste dieser Beschluss in der folgenden Ratssitzung berichtigt werden (23B10), weil das Kirchliche Außenamt nicht nur für Rengstorf, sondern auch für Galling einen Zuschuss von 500,– DM beantragt hatte. Niemöller wies in seinem Schreiben an die Kirchenkanzlei vom 4. Juni 1951 darauf hin, dass nach seinem Verständnis in der Ratssitzung vom 24. Mai auch das Geld für Galling bewilligt worden sei (EZA BERLIN, 2/2666). Vgl. dazu 26D6.

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18. Kirchliche Arbeit an Arbeitern und in Betrieben: Die Kirchenkanzlei wurde beauftragt, den Ratsmitgliedern eine schriftliche Ausarbeitung darüber vorzulegen, wie am besten kirchliche Arbeit an Arbeitern und in Betrieben durchgeführt werden kann43. 19. Lastenausgleich: Auf Vorschlag des Vorsitzenden der Kammer für soziale Ordnung wurde beschlossen, dass der Rat in seiner nächsten Sitzung ein gemeinsames Wort zum Lastenausgleich verabschieden soll. Mit dem Entwurf dieses Wortes wurden Landesbischof D. Dr. Lilje, Kirchenpräsident D. Niemöller und Synodalpräsident Mager beauftragt, die die Angelegenheit vorher mit dem Vorsitzenden des Bundestagsausschusses, Bundestagsabgeordneten Kunze, erörtern und den Ratsmitgliedern vor der nächsten Sitzung einen entsprechenden Entwurf vorlegen wollen44. 20. Übertritt von einer Kirche zu einer anderen Kirche: Die Kirchenkanzlei wurde beauftragt, der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland das Ergebnis der Befragung der Landeskirchen und ihre wesentlichen Gründe mitzuteilen45. 43 Im Tätigkeitsbericht der Kirchenkanzlei für die 4. Tagung der 1. Synode der EKD in Elbingerode 1952 hieß es dazu: „Im Bereich der Männerarbeit wurden die Fragen des Arbeiter- und Arbeiterinnenwerkes, der Betriebskerne und der Jugend im Betrieb in ständiger Fühlungnahme mit dem Arbeiterwerk der Männerarbeit der Evangel. Kirche in Deutschland, den Evang. Arbeitervereinen und der Sozialschule Friedewald bearbeitet“ (ELBINGERODE 1952, S. 326). 44 Vgl. 20B15. Nach einem Bericht Rankes hielten es sowohl die Kammer für Soziale Ordnung als auch der Vorsitzende des Lastenausgleichsausschusses des Bundestages, Kunze, für unzweckmäßig, mit der Absendung des Schreibens an die Regierungsstellen und das Parlament bis nach der nächsten Ratssitzung zu warten. Sie befürchteten, dass der eigene Entwurf bei den Beratungen zum Lastenausgleichsgesetz nicht mehr zum Zuge kommen würde. Nachdem Ranke sich für eine vorzeitige Absendung eingesetzt und mit Einverständnis Niemöllers und Magers einen Entwurf vorgelegt hatte, wurde das Schreiben des Rates am 5. Juli 1951 an 400 Bundestagsabgeordnete und 43 Mitglieder des Bundesrates verschickt; vgl. das Schreiben Rankes an Dibelius vom 27. Juni 1951 (EZA BERLIN, 2/2141). Am 12. Juni 1951 schickte Ranke an Lilje und Niemöller den Entwurf eines Schreibens des Ratsvorsitzenden an die Bonner Regierungsstellen, in dem zu den Fragen des Lastenausgleichs Stellung genommen wurde. Die Stellungnahme war das Ergebnis der Beratungen der Kammer für Soziale Ordnung sowie der Beratungen Rankes mit Kunze (EBD.). Das Ratsame Gutachten, das die Kammer für Soziale Ordnung am 16. Mai 1951 verabschiedet hatte (22E12), ging fast wörtlich in das Wort des Rates vom 5. Juli 1951 ein (vgl. 22E11 und F. MERZYN, Kundgebungen, S. 120); vgl. dazu das nachträglich zum Ratsamen Gutachten eingeholte Gutachten Müller-Armacks vom 17. Mai 1951 (EZA BERLIN, 2/2141). Zu den Hintergründen vgl. auch die Niederschrift der Sitzung der Kammer für Soziale Ordnung am 16. Mai 1951 (22E10). Die von Donath und Spiegel-Schmidt gehaltenen Vorträge vor der Kammer für Soziale Ordnung am 16. Mai 1951 finden sich in: EZA BERLIN, 2/5812. Vgl. dazu G. RIEDNER, Kammer, S. 165–170 und H. RUDOLPH, Vertriebene 1, S. 457f. 45 Die Befragung der Landeskirchen war eingeleitet worden aufgrund eines Schreibens

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21. Stellungnahme des reformierten Moderamens zum Beamteneid: Die Frage soll auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung gesetzt werden46. Die Kirchenkanzlei wurde beauftragt, eine Entschliessung des Rates vorzubereiten und rechtzeitig vor der Sitzung allen Ratsmitgliedern im Entwurf vorzulegen47. Das Moderamen soll gebeten werden, den Tatbestand möglichst genau im einzelnen darzulegen48. 22. Totensonntag und Sonntag Reminiscere: Der Rat stellte erneut fest, dass für die Kirche kein Bedürfnis nach einem besonderen Sonntag für die Opfer des Krieges besteht49. 23. Sprecherziehung der Pfarrer: Die Kirchenkanzlei wurde beauftragt, die Anregung an die Gliedkirchen weiterzuleiten50.

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Niemöllers in seiner Eigenschaft als Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen vom 21. Dezember 1950 an die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft (22E13). Vgl. dazu auch den Entwurf für ein Schreiben der Kirchenkanzlei an die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen vom 25. Mai 1951 (22E14). Niesel hatte in einem Schreiben vom 15. Mai 1951 den Ratsmitgliedern mitgeteilt, dass soeben ein Wort des Moderamens des Reformierten Bundes zur Beamtenvereidigung (22D6) an alle deutschen Regierungen gesandt worden sei. Zugleich hatte Niesel beantragt, der Rat möge seinerseits zu den dort angesprochenen Fragen Stellung nehmen. Grund für das von Herrenbrück im Auftrag Niesels erarbeitete Wort des Moderamens zum Beamteneid (vgl. 22E15) war eine Eingabe Schnittgers von der Lippischen Landessynode an das Moderamen des Reformierten Bundes vom 12. April 1951, in dem die Probleme von evangelischen Lehrern an den Schulen Nordrhein-Westfalens mit dem Beamteneid formuliert worden waren (22E16). Hintergrund dieser Diskussionen war der Kampf um die christliche Bekenntnisschule angesichts der parlamentarischen Verhandlungen über das 1952 beschlossene Schulgesetz von Nordrhein-Westfalen, aber auch die Diskussion um die Wiederbewaffnung. Vgl. auch ELBINGERODE 1952, S. 53 und D. BUCHHAAS, Gesetzgebung, S. 58–178. Zum Fortgang vgl. 23B8 und 24B4. Vgl. 23D7. Mit einem Schreiben vom 20. Juni 1951 sandte Niesel alle für diesen Vorgang relevanten Schreiben der Lippischen Landessynode an Osterloh (alle Dokumente in: EZA BERLIN, 2/2905). Vgl. dazu 22D8. Mit diesem Beschluss reagierte der Rat auf den Konflikt mit dem Volksbund für Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V., der darauf bestanden hatte, den Gedenktag für die Opfer des Krieges am Sonntag Reminiscere zu veranstalten. Dieser Tag war jedoch durch den nationalsozialistischen Heldengedenktag diskreditiert und wurde von den Landeskirchen mehrheitlich abgelehnt. Die Absicht des Rates war es, den Tag zum Gedenken an die Opfer des Kriegs mit dem Totensonntag zusammenzulegen; vgl. den Ratsbeschluss vom 30./31. Januar 1946 (C. NICOLAISEN/N. A. SCHULZE, Protokolle 1, 4B15, S. 329 mit Anm. 34). Dieser Beschluss war 1947, 1949 und zuletzt 1950 bestätigt worden (C. NICOLAISEN/N. A. SCHULZE, Protokolle 2, 10B2, S. 3; 10D1, S. 33f.; 11B19, S. 67; 11E5, S. 111; K.-H. FIX, Protokolle 3, 1B8; A. SILOMON, Protokolle 4, 16B20). Vgl. dazu die Niederschrift des Bundesministeriums des Innern über eine Besprechung zur Festlegung eines Gedenktages für die Opfer des Krieges vom 10. Mai 1951 (22E17). Vgl. auch A. KAPUST, Volkstrauertag, S.144–158. Zum Fortgang vgl. 24B10. Vorgang nicht ermittelt.

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24. Lagerseelsorge und Reisedienst: Der Kirchenkanzlei wurde es überlassen, für die britische Zone sich um eine Koordinierung zu bemühen, deren Kosten die Landeskirchen der britischen Zone aufzubringen haben würden51. 25. Verbot der Ernsten Bibelforscher und der Pfingstbewegung in der DDR: Propst Grueber soll gebeten werden, den Sachverhalt zu klären52. Die 51 In dem auf diesen Ratsbeschluss folgenden Schreiben der Kirchenkanzlei an die Leitungen der Landeskirchen der britischen Besatzungszone vom 19. Juni 1951 hieß es, dass die Lagerseelsorge an deutschen Arbeitsdiensteinheiten in der amerikanischen Besatzungszone bereits vor Monaten geregelt worden sei (vgl. 20B13), dass die Verhältnisse in der französischen Besatzungszone aber andere seien. Die Kirchenkanzlei schlug den Landeskirchen der britischen Besatzungszone mit Bezug auf die Beschlüsse der Kirchlichen Westkonferenz in Königswinter vom 18./19. Mai 1951 vor, versuchsweise für zehn Monate einen nebenamtlichen Reisesekretär zu beauftragen, der selbst zwar keine Lagerseelsorge betreiben, aber die Arbeit der Lagerseelsorger zusammenfassen und intensivieren sollte; vgl. dazu die Ausführungen Janders auf der Kirchlichen Westkonferenz vom 18./19. Mai in Königswinter (22E18). Vgl. auch den Richtlinienentwurf Osterlohs vom 18. Oktober 1951, den Osterloh als Vorlage für die Ratssitzung am 25. Oktober 1951 formulierte (22E19). Vgl. auch die Niederschrift über die Tagung der Kirchenkonferenz der EKD am 6. Dezember 1951 in Berlin-Spandau, S. 507ff. Der für diese Arbeit vorgesehene Jander sollte weiterhin hauptamtlich von seiner Landeskirche besoldet werden. Die Landeskirchen wurden gebeten, zu entscheiden, ob sie eine nach dem gültigen Verteilungsschlüssel errechnete Umlage für die anfallenden Reisekosten Janders von insgesamt ca. 5.000,– DM zahlen wollten. Osterloh hoffte, dass Janders Arbeit die Voraussetzungen dafür schaffen würde, dass schon im Jahr 1952 staatliche Mittel für die seelsorgerliche Arbeit an jungen Männern fließen würden; vgl. das Schreiben Osterlohs an Wilm vom 8. August 1951. Am 6. September 1951 erteilte die Kirchenkanzlei Jander den offiziellen, auf die Zeit vom 15. September 1951 bis zum 31. März 1952 begrenzten Auftrag, „in allen Fragen der gesamtkirchlichen pfarramtlichen Versorgung sowie der kirchlichen Fürsorge für kasernen- lager- und heimmäßig untergebrachte evangelische Männer im Gebiet der britischen Zone laufend zu beraten“; vgl. das Rundschreiben der Kirchenkanzlei an die Leitungen der evangelischen Landeskirchen in der britischen Besatzungszone vom 7. September 1951. Die Landeskirchen stellten dafür insgesamt 2.489,58 DM zur Verfügung; vgl. das Schreiben Osterlohs vom 3. Oktober 1951 an Jander. Die Tätigkeit Janders für die EKD endete im März 1953; vgl. das Rundschreiben der Kirchenkanzlei an die Landeskirchen der britischen Besatzungszone vom 21. März 1953 mit dem Abschlussbericht Janders (alle Schreiben in: EZA BERLIN 2/4044). 52 Die Ernsten Bibelforscher (Zeugen Jehovas) waren am 31. August 1950 in der DDR verboten worden. Dem Verbot war eine Verhaftungs- und Prozesswelle gegen die Zeugen Jehovas gefolgt; vgl. dazu H.-H. DIRKSEN, Verfolgung, S. 286–516. Grüber war von verschiedenen Seiten, vor allem von Niemöller, gebeten worden, sich für die Zeugen Jehovas einzusetzen (G 1), hatte jedoch selbst Vorbehalte gegen diese religiöse Gruppe (22E20). Die Pfingstbewegung war mit einem Schreiben vom Minister des Innern, Steinhoff, an die Hauptverwaltung der Deutschen Volkspolizei vom 24. April 1951 nach einer Reihe von widersprüchlichen und unklaren Maßnahmen seitens der verantwortlichen Stellen in der DDR ebenfalls verboten worden (BARCH BERLIN, DO1/11.0. 860, Bl. 64). Das Ministerium hatte ihr vorgeworfen, dass Art. 9 der am 25. März 1950 beschlossenen neuen Vereinssatzung der Erfurter Geschäftsstelle des Christlichen Gemeinschaftsverbandes der Deutschen Pfingstbewegung sich immer noch auf die alte Satzung von 1938 und 1943 beziehe, in der sich der Gemeinschaftsverband zu den Euthanasiegesetzen und der Rassegesetzgebung

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Frage, ob ein Wort für Glaubens- und Gewissensfreiheit namens der EKD gesagt werden soll, wurde auf die nächste Sitzung des Rates vertagt53. Die Kirchenkanzlei wurde gebeten, rechtzeitig vor der nächsten Sitzung allen Ratsmitgliedern einen entsprechenden Entwurf vorzulegen54. 26. Besatzungsgeschädigte, Entnazifizierungsgeschädigte und Sterilisierungsgeschädigte: Die Frage wurde auf die nächste Sitzung vertagt55. 27. Lage der Evangelischen in Spanien: Die Frage wurde auf die nächste Sitzung vertagt56. 28. Kammer für soziale Ordnung: Auf Vorschlag des Vorsitzenden der Kammer für soziale Ordnung wurde Direktor Leitz, Wiesbaden, zum Mitglied der Kammer berufen57. gez. D. Brunotte gez. Dr. Merzyn

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bekannt hatte (BARCH BERLIN, DO4, 1507); vgl. auch das Schreiben Grünbaums an Grüber vom 18. Juni 1951: EZA BERLIN, 103/26. In der Ratssitzung verwies Grüber darauf, dass die Verhandlungen mit der Regierung noch nicht abgeschlossen seien (G 1). Vgl. auch das Schreiben Grübers an Nuschke vom 9. Juni 1951, in dem Grüber die Pfingstbewegung als durchaus ernst zu nehmende religiöse Gemeinschaft bezeichnete, die sich von aller außerkirchlichen Arbeit und Agitation fern halte (EZA BERLIN, 103/26, Bl. 2), und das Schreiben Grübers an Niemöller vom 11. Juni 1951 (22E20) sowie das Antwortschreiben Niemöllers vom 19. Juni 1951 (22E21). Zum Fortgang vgl. 23B9; vgl. dazu GEMEINSCHAFTSVERBAND, S. 349. Die Überlieferungen der folgenden Ratssitzungen vermerken nichts über eine weitere Behandlung dieser Frage. Ein Entwurf der Kirchenkanzlei zur Glaubens- und Gewissensfreiheit konnte nicht ermittelt werden. Das Thema wurde 1951 nicht wieder aufgenommen. Ein formaler Antrag für diesen Protokollpunkt konnte nicht ermittelt werden. Dieser Tagungsordnungspunkt wurde auf der 23. Ratssitzung am 16./17. Juli 1951 erneut vertagt (23B4) und erst auf der 26. Ratssitzung am 7. Dezember 1951 in Berlin-Spandau behandelt (26B11). Vgl. 21B2. Leitz scheint die Berufung nicht angenommen zu haben.

22C Anlagen und Beschlusstexte

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22C Anlagen und Beschlusstexte 22C1. Beschluss des Rates über die Sicherstellung der aus dem Kirchlichen Auslands-Diaspora-Seminar hervorgegangenen Geistlichen. Hannover, 24. Mai 1951 F: EZA Berlin, 2/1793 (H; Anlage zu 22B2). I. Der Rat stellt fest, dass die auf Grund der Ruhestands- und Hinterbliebenenversorgungs-Ordnung für Auslandsgeistliche vom 10. 12. 192458 an Absolventen des Auslandsdiaspora-Seminars verliehenen Anwartschaften auf Ruhestands- und Hinterbliebenenversorgung bei dem DEK-Bund, der DEK oder EKD nach wie vor bestehen. Er hat davon Kenntnis genommen, dass mit dem Synodalvorstand der Riograndenser Synode und dem Rat des Bundes der Synoden in Brasilien Verhandlungen gepflogen werden, nach denen von einem noch näher zu bestimmenden Stichtag – wahrscheinlich 1. 1. 52 – ab die Pensionskasse der Riograndenser Synode, die zur Pensionskasse des Bundes der Synoden erweitert werden soll, die nach dem Stichtag erdienten Anteile an Ruhestands- und Hinterbliebenenbezügen übernehmen wird. II. Der Rat hat davon Kenntnis genommen, dass zwischen dem Rat des Bundes der Synoden in Brasilien und dem Kirchlichen Aussenamt Einmütigkeit59 besteht, dass allen Geistlichen im Bund der Synoden, die den klaren und begründeten Willen haben, in den Dienst einer Gliedkirche der EKD zurückzukehren60 bzw. überzugehen und die der Rat des Bundes der Synoden bzw. der Synodalvorstand aus dem Dienst der Synoden zu entlassen bereit ist, die Übersiedlung ermöglicht werden sollte. Das Kirchliche Aussenamt wird ihnen bei der Erlangung einer inländischen Pfarrstelle nach Möglichkeit behilflich sein. Der Rat verkennt die Schwierigkeiten nicht, die angesichts des Pfarrbesetzungsrechtes in den westlichen Gliedkirchen der EKD, des von den Absolventen des Auslandsseminars abzulegenden Kolloquiums, des Alters und der erheblichen Anzahl noch nicht übernommener Ostpfarrer bestehen. Er vermag seinerseits aus praktischen und rechtlichen Gründen eine Garantie für die Übernahme durch eine Gliedkirche der EKD nicht zu übernehmen. Er bittet die Leitungen der Gliedkirchen, dem Kirchlichen Aussenamt bei der Unterbringung der aus Brasilien zurückkehrenden Geistlichen, gegebenenfalls zunächst durch Erteilung von Beschäftigungsaufträgen, behilflich zu sein. 58 Abdruck in: J. HOSEMANN, Kirchenbund, S. 127–136. 59 Vgl. EZA BERLIN, 2/2194. 60 EBD.

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III. Der Rat nimmt davon Kenntnis, dass den in den dreissiger Jahren nach Brasilien ausgesandten Geistlichen ein Heimaturlaub in regelmässigem Turnus in Aussicht gestellt worden ist, für den das Kirchliche Aussenamt die Reise- und Aufenthaltskosten in Deutschland zur Verfügung stellen würde. Er hält diese Übung des Heimaturlaubs nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Erholung, sondern auch der theologischen und kirchlichen Verbindung der Pfarrer mit der EKD angesichts der oft grossen Vereinsamung für begrüssenswert. Zu seinem grossen Bedauern lassen aber die finanziellen Verhältnisse der EKD eine grosszügige Urlaubsbezahlung zurzeit nicht zu61. Er nimmt davon Kenntnis, dass das Kirchliche Aussenamt im laufenden Rechnungsjahr 12 Geistlichen, welche die Reisekosten selbst aufbringen können, ein Unterhaltsgeld für einen dreimonatigen Aufenthalt in Deutschland zugesagt und ihre ärztliche Betreuung vorgesehen hat. Er hält es für wünschenswert, dass vom Etatsjahr 1952 ab weitere Mittel zur Verfügung gestellt werden, um darüber hinaus auch Reisebeihilfen für den Heimaturlaub zu gewähren. 22D Vo rlagen und Anträge

22D Vorlagen und Anträge 22D1. Abkommen zwischen der Bundesregierung, den Vertretern der EKD und den Erzbistümern und Bistümern der katholischen Kirche im Bundesgebiet. Bonn, 16. April 1951 F: EZA Berlin, 2/6628 (Abschrift; Anlage zu 22D2). §1 (1) Der Bund zahlt den Kirchen für die Dauer von 10 Jahren einen Zuschuss zur Versorgung der heimatvertriebenen und sonstigen verdrängten versorgungsberechtigten Seelsorger, Kirchenbeamten (einschliesslich Forstbeamten), Kirchenangestellten sowie ihrer Hinterbliebenen. Die Höhe des Zuschusses bemisst sich nach § 2. (2) Die Kirchen übernehmen es, die Versorgung des in Abs. 1 bezeichneten Personenkreises zu regeln und verpflichten sich, den ihnen gewährten Zuschuss in vollem Umfange für diesen Zweck zu verwenden. 61 Im Entwurf lautet der vorangehende Satz: „. . ., bedauert aber, dass die finanziellen Verhältnisse der EKD eine grosszügige Urlaubsbezahlung zurzeit nicht zulassen.“ (EZA BERLIN, 2/2194).

22D Vorlagen und Anträge

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§2 Der Zuschuss beträgt in den Rechnungsjahren von 1951 bis 1953 für die evangelische Kirche je 4,8 Mill. DM und für die katholische Kirche je 1,2 Mill. DM. In den folgenden Jahren beträgt er für die evangelische Kirche

katholische Kirche

3,6 2,8 2,– 1,6 0,8 0,8 0,4

0,9 0,7 0,5 0,4 0,2 0,2 0,1

Mill. Mill. Mill. Mill. Mill. Mill. Mill.

DM DM DM DM DM DM DM

Mill. Mill. Mill. Mill. Mill. Mill. Mill.

DM DM DM DM DM DM DM

§3 Für das Rechnungsjahr 1950 wird übergangsweise ein Betrag in Höhe von 1,4 Mill. DM für die evangelische Kirche und von 0,35 Mill. DM für die katholische Kirche gezahlt. §4 (1) Der Zuschuss wird in vierteljährlichen Vorausraten von 25 v. H. des Jahresbetrages jeweils bis zum Ende des ersten Monats des Kalendervierteljahres gezahlt, die erste Rate für 1951 bis Ende Mai 1951. (2) Die Nachzahlung des Zuschusses für die zurückliegende Zeit erfolgt bis Ende Mai 1951. §5 Das Inkrafttreten dieses Abkommens ist von der Erteilung der Zustimmungen der Bundesregierung, des Haushaltsausschusses und des Ausschusses für Innere Angelegenheiten des Deutschen Bundestages abhängig. Es wird nach Erteilung der Zustimmung mit dem Tag seiner Unterzeichnung rechtswirksam. Für die Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland Der Bundesminister des Innern vertreten durch gez. Dr. Anders, Ministerialrat Der Bundesminister der Finanzen vertreten durch gez. Dr. Vialon, Ministerialrat Die Evangelische Kirche in Deutschland vertreten durch den Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland i. V. gez. Dibelius, Oberkirchenrat Die Erzbistümer und Bistümer der Katholischen [sic!] im Bundesgebiet, vertreten durch den Erzbischof von Köln, gez. Joseph Kardinal Frings, Erzbischof von Köln

202

22. Sitzung Hannover 24. Mai 1951

22D2. Schreiben der Kirchenkanzlei an die Ratsmitglieder. Hannover, 5. Mai 1951 F: EZA Berlin, 2/6628 (H). Betr.: Versorgung der Ostpfarrer. Als Ergebnis unserer Anträge an die Bundesregierung Nr. 1826.VI vom 15. 2. 5062 und Nr. 11196.VI vom 30. 6. 5063, die den Herren Mitgliedern des Rates seinerzeit im Abdruck zugegangen sind, ist am 16. 4. 51 zwischen der Bundesregierung, der EKD und den katholischen Erzbistümern und Bistümern im Bundesgebiet das als Anlage 1 in Abschrift beigefügte Abkommen geschlossen worden64. Auf Grund des Abkommens ist die Versorgung der Ostpfarrer neu zu regeln. Wegen der das Abkommen betreffenden Einzelheiten und wegen der Möglichkeiten, die für eine Neuregelung der Ostpfarrerversorgung bestehen, nehmen wir auf das als Anlage 2 beiliegende Rundschreiben an die Leitungen der evangelischen Landeskirchen in Westdeutschland Bezug65. Wir werden über die Frage der Neuregelung der Ostpfarrerversorgung nach Fühlungnahme mit den Landeskirchen Weiteres berichten. gez. Brunotte

22D3. Schreiben der Kirchenkanzlei an die westdeutschen Landeskirchen. Hannover, 5. Mai 1951 F: EZA Berlin, 2/6628 (Konzept; Anlage zu 22D2). 1. Die Evangelische Kirche in Deutschland und die katholischen Erzbistümer und Bistümer im Bundesgebiet haben am 16. 4. 51 mit der Bundesregierung ein Abkommen über die Gewährung eines Zuschusses des Bundes zu den Kosten der Ostpfarrerversorgung geschlossen. 62 Schreiben der Kirchenkanzlei an den Bundesminister des Inneren, den Bundesminister für die Angelegenheiten der Vertriebenen und den Bundesminister für Finanzen vom 15. Februar 1950 (EZA BERLIN, 7/20097). 63 Schreiben der Kirchenkanzlei an den Bundesminister des Inneren, den Bundesminister für die Angelegenheiten der Vertriebenen und den Bundesminister für Finanzen vom 30. Juni 1950 (EZA BERLIN, 7/20097). 64 22D1. 65 22D3.

22D Vorlagen und Anträge

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In dem Abkommen haben die Kirchen sich verpflichtet, die Versorgung der Ostpfarrer zu regeln. Der Bund hat als Gegenleistung die Verpflichtung übernommen, zur Versorgung der Ostpfarrer an die EKD folgende Zuschüsse zu zahlen:

1950–1960

1,4 Mill. DM 4,8 Mill. DM 4,8 Mill. DM 4,8 Mill. DM 3,6 Mill. DM 2,8 Mill. DM 2,0 Mill. DM 1,6 Mill. DM 0,8 Mill. DM 0,8 Mill. DM 0,4 Mill. DM 27,8 Mill. DM

Die Zuschüsse sind in vierteljährlichen Raten jeweils zum Ende des ersten Monats im Kalendervierteljahr zahlbar. Die Nachzahlung für 1950 und die erste Rate für 1951 sind bis Ende Mai 1951 zu zahlen. Der Bund hatte ursprünglich angeboten, beiden Kirchen zusammen in 5 Jahren einen Zuschuss von insgesamt 18 Mill. DM zu gewähren. Von diesem Zuschuss wäre – bei einer Aufteilung zwischen der evangelischen und der katholischen Kirche im Verhältnis 4/5:1/5 auf die EKD ein Anteil von 14,4 Mill. DM entfallen66. Auf Drängen der Kirchen ist die Vertragsdauer von 5 Jahren auf 10 Jahre verlängert und der Gesamtumfang des Zuschusses von 18 Mill. DM auf 34,75 Mill. DM heraufgesetzt worden. Entsprechend einer Forderung der Kirchen ist ferner der Zuschuss des Bundes nicht auf einen jährlich gleichbleibenden Durchschnittssatz festgesetzt, sondern so bemessen worden, dass die Zahlungen in den Jahren 1951–1955 über dem Durchschnittssatz liegen und dafür in den Jahren 1956–1960 unter den Durchschnittssatz herabsinken. Andererseits war für den Bund Voraussetzung jeder Verhandlungsbereitschaft, dass die Kirchen für die Zeit der Geltung des Abkommens die Pflicht zur Versorgung der Ostpfarrer übernahmen. Der Entschluss zur Übernahme dieser Verpflichtungen wurde den Kirchen dadurch erleichtert, dass das Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Art. 131 GG fallenden Personen in § 61 folgende Bestimmung enthält: 66 Dieser Satz wurde nachträglich hsl. verändert, seine ursprüngliche Fassung lautete: „Der Zuschuss sollte zwischen der evangelischen und der katholischen Kirche im Verhältnis 4/5:1/5 aufgeteilt werden“.

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„Zur Unterbringung und Versorgung von Angehörigen der in § 2 bezeichneten Nichtgebietskörperschaften und Verbände sind die entsprechenden Einrichtungen im Bundesgebiet verpflichtet; zum Ausgleich sind diese von der Verpflichtung nach § 12 ganz oder teilweise zu befreien. Für die Höhe der Bezüge gelten die allgemeinen Angleichungsvorschriften des Bundes.“ Der Bund forderte darüber hinaus, die Kirchen sollten den Bund von allen etwaigen Versorgungsansprüchen der Ostpfarrer freistellen, die der Höhe nach über die in dem Abkommen festgelegen Zuschüsse des Bundes hinausgehen. Es ist den Kirchen gelungen, den Bund zum Verzicht auf diese Forderung zu bewegen. Es ist lediglich in das Protokoll über die Verhandlungen ein Satz des Inhalts aufgenommen worden, dass im Falle einer Inanspruchnahme des Bundes durch die Ostpfarrer eine im Protokoll näher bezeichnete Schiedsstelle im Rahmen der Bestimmungen des Abkommens Vorschläge für die Aufbringung der erforderlichen Mehrleistungen machen soll. In die Verhandlungen mit dem Bund war seitens der EKD Bundestagspräsident Dr. Ehlers, seitens der katholischen Kirche Kardinal Frings eingeschaltet. Der Bundesminister für die Angelegenheiten der Vertriebenen unterstützte die Anliegen der Kirche durch einen Beauftragten. Der Finanzbeirat der EKD, dem die Finanzreferenten der Landeskirchen in der Besprechung vom 14./15. 2. 51 in Hannover für diese Angelegenheit Vollmacht erteilt haben, hat dem Abkommen zugestimmt. Auf Seiten des Bundes bedarf das Abkommen noch der Zustimmung der Bundesregierung und der Bundestagsausschüsse für Haushalts- und innere Angelegenheiten. 2. Es ist in Zusammenarbeit mit dem Finanzbeirat geprüft worden, wieweit die Zuschüsse, die der Bund auf Grund des mit ihm geschlossenen Abkommens zu zahlen hat, eine Verbesserung der Ostpfarrerversorgung gestatten. Als Ergebnis der Prüfung übersenden wir beiliegend einen Entwurf für „Richtlinien zur Regelung der den Ostpfarrern und ihren Angehörigen zu gewährenden Versorgungsbezüge“ (Anl. 1) nebst Begründung (Anl. 2). Im Interesse einer baldigen Verbesserung der Ostpfarrerversorgung bitten wir um Stellungnahme zu dem Entwurf, wenn irgend möglich, nicht später als bis zum 1. 6. 51. Es ist beabsichtigt, auch die Kirchliche Westkonferenz mit der Angelegenheit zu befassen. Die Sitzung der Kirchlichen Westkonferenz soll67 so frühzeitig stattfinden, dass die Frage der Neuregelung der Ostpfarrer67 Hsl. gestrichen wurde an dieser Stelle: „nach Möglichkeit“.

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versorgung in ihr beraten werden kann, bevor die Landeskirchenleitungen ihre Stellungnahme endgültig68 festlegen. Hierüber ergeht noch besonderer Bescheid. 2 Anlagen69

22D4. Schreiben des Landeskirchenrates der Evangelisch-Reformierten Kirche in Nordwestdeutschland an Dibelius. Aurich, 23. April 1951 F: EZA Berlin, 2/978 (Abschrift). Hochzuverehrender Herr Bischof! Bei der letzten Tagung der Synode der Deutschen Evangelischen Kirche [sic!] in Hamburg wurde auch die Frage berührt, ob die Behandlung wichtiger theologischer Probleme in den Rahmen der Tätigkeiten des Rates gehören [sic!]. Unsere Kirchenleitung ist der Meinung, daß wir es durchaus für richtig halten würden, wenn derartige Fragengebiete verantwortlich im Rate bearbeitet würden. Wir meinen, daß z. B. die brennende und namentlich die Gemeinden beunruhigende Frage der sog. Entmythologisierung der Heiligen Schrift notwendig vom Rat, wenn nicht sogar von der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland behandelt werden müßte. Dies könnte um so eher geschehen, als es sich hier offensichtlich nicht um ein spezifisch konfessionelles Thema handelt. (gez.) D. Unterschrift

22D5. Schreiben Hess’ an den Rat der EKD. Frankfurt/Main, 30. Dezember 1950 F: EZA Berlin, 2/1658 (Abschrift). Betr.: Einführung des Fernsehens in Deutschland Die deutschen Sender haben in diesen Monaten begonnen, die ersten Versuche für die Einführung des Fernsehens in Deutschland zu treffen. Ein Dreierkollegium wurde mit den Vorverhandlungen beauftragt: Dr. Nestel vom NWDR für die technischen Fragen, Dr. Hansel vom Südwestfunk für juristische Fragen und Intendant Beckmann, der Intendant des Hessischen Rundfunks für das Programm. 68 Das Wort „endgültig“ wurde nachträglich hsl. eingetragen. 69 Vgl. EZA BERLIN, 2/6628.

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Das schwierigste Problem bildet gegenwärtig die Frage, an welche Fernsehgruppe sich Westdeutschland anschliessen wird. Man unterscheidet hierbei nach Zeilenzahl, in die das gesendete Bild aufgegliedert wird. Amerika hat 525 Zeilen, England 405, während Frankreich mit 819 Zeilen ein ganz neues, sehr weiches Bild entwickelt hat. Alle Ostländer, also in Zukunft auch die Ostzone Deutschlands benutzen 625 Zeilen. Auf dieser Zeilenzahl sind auch die technischen Versuche des NWDR angesetzt. Frankreich versucht gegenwärtig die politische Situation auszunutzen, um durch die Einführung des 819 Zeilensystems uns in Zukunft von Ostdeutschland zu trennen, denn eine spätere Änderung aller FernsehEmpfänger ist derartig kostspielig, dass die jetzige Entscheidung bindend sein wird für alle Zukunft. Schon in diesem Punkt ist die Anteilnahme der Evangelischen Kirche in Deutschland aufgerufen. Aber das kirchliche Interesse gilt weniger den technischen Details, sondern dem zukünftigen Programm. Eine dreimonatige Studienreise durch die USA gab mir wesentliche Einblicke in das gesamte FernsehWesen. Ich wirkte selbst bei Produktionen mit und studierte in mehreren Fernsehstudios die Arbeit des Regisseurs im Kontrollraum. Vor allem waren die zahlreichen Formen von „Religiösen Fernseh-Sendungen“ eines meiner Studiengebiete. Leider wird sich das Fernsehen von Deutschland nicht mehr fernhalten lassen, so wünschenswert dies eigentlich wäre. Sehr eindrücklich waren für mich gewisse soziologische Erscheinungen: Familien gehen heute in USA weniger aus, aber sie sitzen ohne ein Wort den ganzen Abend um das Fernsehgerät. Bücher werden kaum noch gelesen, es gibt kein Gespräch. Kinder versäumen die Schule und ihre Hausarbeiten, sie stehen nachts auf, um irgendeinen Wildwestfilm im Fernsehen zu erleben. Der Film hält Einzug in die Wohnstube der Familie. Aus diesem Grund erscheint es dringend wichtig, bereits jetzt im Ansatz dieser Entwicklung in Deutschland rechtzeitig unsere Wünsche für eine Einschränkung und Begrenzung des Programms geltend zu machen. So wie mich der frühzeitige Auftrag des Rates, die kirchlichen Interessen beim Film zu wahren, instand gesetzt hat, schon bei der Konstruktion der „Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft“ wesentlich unsere Wünsche berücksichtigen zu lassen, so wäre es auch jetzt wichtig, durch eine personelle Beauftragung, Einfluss auf diese ganze Entwicklung zu nehmen. Da ich als Mitglied des Hessischen Rundfunkrates ohnedies häufig in Programmfragen mit dem Intendanten Herrn Beckmann, der auch für die Grundsätze des Fernsehprogramms eingesetzt ist, zusammenarbeiten muss, und da andererseits der Filmproduzent Curt Oertel, mit dem zusammen ich an der „Selbstkontrolle“ arbeite, bisher als Einziger Filme für das Fernsehen produziert, möchte ich dem Rat vorschlagen, mich

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wiederum namentlich mit Wahrung der kirchlichen Interessen auf dem Gebiet des deutschen Fernsehens zu beauftragen. Irgendwelche Unkosten entstehen in diesem Zeitpunkt der Fernsehentwicklung durch eine solche Beauftragung nicht. Später allerdings müsste wohl m. E. wieder ein Ausschuss für dieses Gebiet berufen werden, sowie das Fernsehen auch in Deutschland Wirklichkeit geworden ist. gez.: Werner Hess Pfr. 22D6. Wort des Moderamens des Reformierten Bundes zur Beamtenvereidigung. O. O., o. D. F: EZA Berlin, 2/2905 (D; mit Schreiben Niesels vom 15. Mai 1951 den Ratsmitgliedern übersandt). In einigen Gebieten Deutschlands ist damit begonnen worden, die Beamten auf die geltenden Verfassungen zu vereidigen. Dies gibt dem Moderamen Veranlassung, Folgendes zu erklären: Seit der Zeit des Nationalsozialismus haben viele Menschen, und gerade die gewissenhaften unter ihnen ernste Bedenken gegen alle staatlichen Eidforderungen. Die Kirche kann daran nicht vorübergehen. Zwar wird sie nicht bestreiten, daß der Staat ein Recht hat, sich der Zuverlässigkeit und Treue seiner Beamten in angemessener Weise zu versichern. Sofern jedoch diese Versicherung in Form eines Eidschwurs gefordert wird, hat die Kirche dafür einzutreten, daß mit dem Eid kein Mißbrauch getrieben wird. In der nationalsozialistischen Zeit ist dies insbesondere durch die Erklärung der Vorläufigen Leitung der Deutschen Evangelischen Kirche vom 6. Dezember 1934 geschehen70. Durch den Eid verpflichten wir uns unter Anrufung des Namens Gottes, dem Staat in bestimmten Grenzen Gehorsam zu leisten. Eine unbegrenzte Gehorsamsverpflichtung ist Ungehorsam gegen Gott. Eine Begrenzung erfolgt in der Regel schon durch den Staat selbst, weil der Eid nicht blindlings an den Staat, sondern an die allgemeinen Beamtenpflichten und an die in der Verfassung niedergelegte Ordnung binden will. Vor allem aber wird jede eidlich bekräftigte Treueverpflichtung durch Gott und seine heiligen Gebote begrenzt. Gott ist nicht nur Eideshelfer, sondern Herr des Eides. Indem sein Name angerufen wird, unterwerfen 70 Die Kundgebung der Vorläufigen Leitung der DEK zur Frage des staatlichen Eides begann mit den Worten: „Der unter Anrufung Gottes dem Führer Adolf Hitler geleistete Eid gibt der Treue und Gehorsamsverpflichtung den Ernst der Verantwortung vor Gott und damit ihre rechte Begründung“ (J. GAUGER, Chronik, S. 439).

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wir uns seiner Herrschaft. Jeder Gehorsam, zu dem wir uns im Bereich menschlicher Ordnungen verpflichten, lebt allein aus dem Gehorsam gegen Gott. So gebietet uns Gottes Wort: „Seid untertan aller menschlichen Ordnung um des Herrn willen!“ (1. Petr. 2,13) Die Gefahr des Eidmißbrauchs ist vor allem in totalen Weltanschauungsstaaten bedrängend. Sie ist aber auch in demokratischen Staaten nicht gebannt. Denn jeder, der Macht hat, ist versucht, sie zu mißbrauchen. Darum erinnert das Moderamen die Regierenden und die Regierten an Gottes souveräne Herrschaft auch im Bereich des Staates und seiner Lebensäußerungen. Wir fordern die zum Eide Rufenden auf, sich ihrer Grenzen bewußt zu sein und das Mittel der eidlichen Verpflichtung nur in verantwortlich begründeten Fällen zu gebrauchen. Insbesondere dürfen mit der Eidforderung keine weltanschaulichen, die Gewissen vergewaltigenden Nebenabsichten verbunden werden. Wir fordern die zum Eid Gerufenen auf, eingedenk ihrer Verantwortung vor Gott jeden Eid nur im Gehorsam gegen sein heiliges Wort zu schwören. Mag der Staat den Eid in einer religiösen oder in einer weltlichen Form fordern, mag es auch dem einzelnen freigestellt werden, den Eid in dieser oder in jener Form zu schwören, so gilt für den Christen in jedem Fall die apostolische Mahnung: „Alles, was ihr tut mit Worten oder mit Werken, das tut alles in dem Namen des Herrn Jesu, und danket Gott und dem Vater durch ihn!“ (Kol. 3,12)

22D7. Schreiben Stählins an den Rat der EKD. Oldenburg, 5. Mai 1951 F: EZA Berlin, 2/4416 (O)_71. Die Erfahrungen dieses Jahres haben erneut gezeigt, daß hinsichtlich des „Volkstrauertages“ eine klare und allgemein verbindliche Regelung nicht länger entbehrt werden kann. Dadurch daß mehrere Gliedkirchen ihren Pfarrern, wenn nicht nahelegen, so doch freistellen um derjenigen Menschen willen, die um des „Volkstrauertages“ willen zur Kirche kommen, auch im Gottesdienst der Gefallenen zu gedenken, und in anderen Kirchen trotz eindeutiger Weisungen eine Anzahl von Pfarrern sich für berechtigt oder verpflichtet halten, diesen Weisungen entgegen Gefallenen-Gedächtnisgottesdienste zu halten, geraten diejenigen Kirchenleitungen, die sich bisher loyal an die Stellungnahme des Rates gehalten haben, in eine überaus unerwünschte Situation; sie sehen sich scharfen Angriffen und ernsten Vorwürfen 71 Mit hsl. Vermerk: „Herrn Präsident D. Brunotte für die Ratssitzung“.

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von Seiten derjenigen Kreise ausgesetzt, welche den Volkstrauertag propagieren, und die offenbare Uneinigkeit der Kirche in dieser Frage fügt dem öffentlichen Ansehen der Kirche einen unberechenbaren Schaden zu. Wir bitten den Rat, dem beiliegenden Aufsatz aus dem Berliner Tagesspiegel vom 18. 2. 1951 Aufmerksamkeit zu schenken72. Da dieser Aufsatz, den wir in Abschrift beifügen, von einer maßgebenden Persönlichkeit des Volksbundes Deutscher Kriegsgräberfürsorge uns zugeleitet worden ist, ist anzunehmen, daß er im wesentlichen die Ansichten dieses Volksbundes wiedergibt, mindestens von dieser Seite nicht beanstandet wird. Die darin ausgesprochene Meinung, daß die verschiedene Todesart einen Unterschied unter den Toten, ein verschiedenes Schicksal oder einen verschiedenen Rang im Jenseits begründe, ist mit der elementarsten christlichen Lehre vom göttlichen Gericht unvereinbar. Die Gefahr, daß sich ein isolierter kirchlicher Gedenktag der Gefallenen als eine Einbruchsstelle für unchristliche und widerchristliche Gedanken erweist oder auswirkt, kann nicht ernst genug genommen werden. Es ist, nach den Erfahrungen dieses Jahres, mehr als je unsere Überzeugung, daß sich diese Gefahren, soweit überhaupt möglich, nur dadurch ausschalten lassen, daß der Rat zu seinem dankenswerten ersten Schritt (nämlich der Erklärung, daß der Sonntag Reminiscere als kirchlicher Gedenktag der Gefallenen nicht in Betracht komme) den noch ausstehenden zweiten Schritt hinzufügt und sich mit der römisch katholischen Kirche über einen gemeinsam anzusetzenden Gedenktag aller Toten (einschließlich der Opfer des Krieges) verständigt, und diesen Tag dann dem Volksbund Deutscher Kriegsgräberfürsorge als den auch von der Kirche anerkannten Tag präsentiert, an welchem mit allen Verstorbenen zugleich auch – vielleicht in einer besonderen Weise – der Gefallenen gedacht werden soll. Es ist nach wie vor unsere Überzeugung, daß der letzte Sonntag des Kirchenjahres trotz der Tradition des 19. Jahrhunderts dafür nicht geeignet ist, sondern daß der sorgfältig erwogene Vorschlag der Lutherischen Liturgischen Konferenz, dafür einen bestimmten Sonntag Anfang November zu wählen, weitaus die beste Lösung darstellen würde. Wir richten erneut an den Rat die Bitte, durch eine klare positive Weisung dem peinlichen Zustand ein Ende zu bereiten, der jetzt eingetreten ist und der sich sehr zum Schaden der Kirche auszuwirken begonnen hat. D. Dr. Stählin. [m. p.]

72 Dieser Aufsatz war dem Schreiben nicht beigelegt worden, weil er, wie aus einem masch. Vermerk von Stählins Büro am Ende des Textes hervorgeht, „nicht mehr zur Verfügung“ stand.

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22. Sitzung Hannover 24. Mai 1951

22D8. Beschlussvorlage Osterlohs für Brunotte zur Ratssitzung am 24. Mai 1951. Hannover, 22. Mai 1951 F: EZA Berlin, 2/4416 (O). Betr.: Ratssitzung – Volkstrauertag. Bezug: Schreiben von Bischof D. Dr. Stählin vom 5.5.5173, unser Eingang vom 19.5.51–. M. E. sollte der Rat auch mit Rücksicht auf die Aussprache über diesen Gegenstand innerhalb der letzten Sitzung der Kirchenkonferenz74 noch einmal feststellen, daß 1.) der Sonntag Reminiscere auf keinen Fall von der Evangelischen Kirche als Volkstrauertag begangen werden kann (das ist die Meinung aller beteiligten Kreise mit Ausnahme des Volksbundes), insbesondere sind die Innenministerien aller Länder, der BVN und die Verfolgten Sozialdemokraten sehr mit der Verlegung des bisherigen Datums des Volkstrauertages einverstanden; 2.) es muß nochmals erörtert werden, ob wirklich in absehbarer Zeit keine Verlegung des Totensonntags vorgenommen werden soll. Trotz Stählin würde ich von einer solchen Verlegung dringend abraten; 3.) der Rat sollte überlegen, ob er der Kirchenkanzlei den Auftrag erteilen will, die Initiative für Verhandlungen zu ergreifen, zusammen mit den staatlichen Stellen und den Vertretern der politischen Parteien in diesem Jahr ein Gedenken an die Toten des Krieges am Totensonntag oder an einem anderen Sonntag am Schluß des Kirchenjahres vorzubereiten. Vielleicht wäre es gegenwärtig sogar möglich, den Volksbund zu einer Zustimmung für diese Regelung zu bewegen. Osterloh [m. p.]

73 22D7. 74 Im Protokoll der Kirchenkonferenz vom 7. März 1951 wurde keine Aussprache über den Volkstrauertag festgehalten; vgl. die Niederschrift über die Tagung der Kirchenkonferenz der EKD am 7. März 1951 in Hannover, S. 504–507.

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22E Dokumente 22E1. Schreiben Brunottes an die Kirchenkanzlei – Berliner Stelle –. Hannover, 13. November 1950 F: EZA Berlin, 2/3323 (H)_75. Der Finanzbeirat der EKD hat in seiner letzten Sitzung u. a. die Frage erörtert, nach welchem Maßstabe künftig die Anträge beurteilt werden sollen, in denen Pfarrer und Pfarrer-Hinterbliebene aus Gliedkirchen der Ostzone um Aufnahme in die Ostpfarrer-Betreuung der westlichen Landeskirchen nachsuchen. Der Finanzbeirat hat zu dieser Frage folgenden Beschluss gefasst: „Bei der Neuaufnahme von Ostpfarrern usw. aus dem Gebiet der D.D.R. in die gemeinsame, im Ostpfarrerfinanzausgleich zu berücksichtigende Ostpfarrerversorgung der westdeutschen Landeskirchen soll künftig ein sehr viel strengerer Maßstab insofern zu Grunde gelegt werden, als der Nachweis politischer Gefährdung (z. B. Vernehmungen und dergl.) nicht genügen, sondern der Nachweis politischer Verfolgung verlangt und von den Gliedkirchen im Bereich der D.D.R. ein sehr viel strengerer Maßstab bei der Bescheinigung politischer Verfolgung erbeten werden soll.“ Zur Erläuterung teilen wir folgendes mit: In Zusammenhang mit den Gesuchen von Pfarrern und Pfarrwitwen aus Gliedkirchen der Ostzone um Aufnahme in die Ostpfarrer-Betreuung werden den westdeutschen Landeskirchen und der Kirchenkanzlei in wachsender Zahl „Freigabebescheinigungen“ von östlichen Gliedkirchen vorgelegt. In den Bescheinigungen, die wir häufig auch von aktiven Pfarrern aus der Ostzone erhalten, bringen die östlichen Gliedkirchen ihr Einverständnis damit zum Ausdruck, dass der Empfänger nach Westdeutschland übersiedelt und, wenn es sich um einen aktiven Pfarrer handelt, sich in den westdeutschen Landeskirchen um eine Beschäftigung im kirchlichen Dienst bewirbt. Die betr. Pfarrer und Pfarrwitwen sind der Ansicht, dass mit dieser Freigabeerklärung ihre Übersiedlung nach Westdeutschland ausreichend begründet sei, und dass ihnen nun die Gewährung der Ostpfarrer-Unterstützung nicht versagt werden könne. Werden die Fälle nachgeprüft, so ergibt sich meistens, dass die betr. Pfarrer oder Pfarrer-Hinterbliebenen in der Ostzone nicht stärker gefährdet sind als alle sich zur Kirche haltenden Gemeindeglieder und alle Pfarrer, die gegenwärtig dort Dienst tun. Es stellt sich ferner vielfach 75 Dieses Schreiben ging abschriftlich mit der Bitte um Kenntnisnahme an die Leitungen der westdeutschen Landeskirchen.

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22. Sitzung Hannover 24. Mai 1951

heraus, dass die Heimatkirchen die Übersiedlung dieser Pfarrer und Pfarrer-Hinterbliebenen nach Westdeutschland keineswegs für unvermeidlich halten, und dass sie die Freigabebescheinigung nur ausgestellt haben, weil sie den Bewerbern behilflich sein wollen, und weil sie der Ansicht sind, dass die Antragsteller den in der Ostzone herrschenden Arbeits- und Lebensverhältnissen nicht gewachsen sind. Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die westdeutschen Landeskirchen weder bereit noch in der Lage sind, alle in der Ostzone gefährdeten und von ihren östlichen Heimatkirchen freigegebenen Pfarrer und PfarrerHinterbliebenen in ihre Versorgung zu übernehmen. Handelt es sich um aktive Pfarrer, so werden diese, wenn keine besonderen Umstände vorliegen, in der Regel in den westdeutschen Kirchen auch keine Beschäftigung finden. Die westdeutschen Kirchen können vielmehr aus den dort hinreichend bekannten Gründen ihre Hilfe nur solchen Bewerbern zuteil werden lassen, die in der Ostzone wirklich und unmittelbar politisch verfolgt sind. Dass diese Voraussetzung im konkreten Falle erfüllt ist, müssen die Heimatkirchen jeweils der westdeutschen Landeskirche, die den Übersiedelnden aufgenommen hat, in geeigneter Weise unter genauer Darstellung des Sachverhalts zur Kenntnis bringen. Allein auf Grund von allgemein gehaltenen Freigabeerklärungen und Unbedenklichkeitsbescheinigungen können aktive Pfarrer und Versorgungsberechtigte aus der Ostzone nicht in die Ostpfarrer-Betreuung aufgenommen werden. Wir bitten zu veranlassen, dass die östlichen Gliedkirchen und deren Pfarrer und Pfarrwitwen diesen Sachverhalt erfahren. gez. Brunotte

22E2. Entwurf für die Richtlinien zur Regelung der den Ostpfarrern und ihren Angehörigen zu gewährenden Versorgungsbezüge. O. O., o. D. F: EZA Berlin, 2/6628 (O; Anlage zu 22D2). Wir bitten die Landeskirchenleitungen, die Versorgung der Ostpfarrer und ihrer Angehörigen mit Wirkung vom 1. April 1951 nach folgenden Richtlinien zu regeln: I. Höhe der Versorgungsbezüge. 1. Ostpfarrer im Sinne der Richtlinien des Rates der EKD zur Regelung der rechtlichen Verhältnisse der Ostpfarrer und ihrer Angehörigen vom 6. 9. 48 (Amtsbl. d. EKD vom 31. 8. 48, S. 133ff.) und die ihnen gleichgestellten Personen („Ostpfarrer“) – mit Ausnahme der Pfarrer und ihrer Hinterbliebenen, die einer Gliedkirche im Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik angehören oder zuletzt angehört ha-

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ben – erhalten eine Versorgung in Höhe von 75 v. H. der ihnen gesetzlich zustehenden ungekürzten Versorgungsbezüge. 2. In die Ostpfarrer-Betreuung aufgenommene Pfarrer und deren Angehörige, die einer Gliedkirche im Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik angehören oder zuletzt angehört haben, erhalten eine Versorgung in Höhe von 50 v. H. der ihnen gesetzlich zustehenden ungekürzten Versorgungsbezüge. 3. Unbeschäftigte Ostpfarrer erhalten ein Übergangsgeld in der Höhe, die sich bei entsprechender Anwendung des § 37 des Bundesgesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Artikel 131 des Grundgesetzes fallenden Personen ergibt. 4. Waisengelder und Kinderzuschläge werden in voller Höhe ausgezahlt. 5. Mindestbetrag der Versorgung ohne Waisengeld und Kinderzuschlag ist in jedem Falle der Betrag, der nach den Richtlinien des Rates der EKD für den Finanzausgleich unter den Landeskirchen vom 25. 1. 47 (Amtsbl. d. EKD 1947 Nr. 4 Spalte 7f.) gezahlten Unterstützung, sofern nicht die vollen Versorgungsbezüge unter dem Mindestbetrag liegen. II. Rechtsnatur der Versorgungsbezüge. 6. Die nach diesen Richtlinien zu gewährenden Versorgungszahlungen sind nach ihrer Rechtsnatur freiwillige Leistungen der Landeskirchen. Eine Änderung der Höhe der in Ziff. 1 bis 4 vorgesehenen Versorgungsbezüge bleibt für den Fall, dass die wirtschaftliche Lage der Landeskirchen es gestattet oder erfordert, vorbehalten. III. Berechnungsweise. 7. Gesetzliche Versorgungsbezüge sind die Versorgungsbezüge nach den Versorgungsbestimmungen der Heimatkirche des Ostpfarrers (Ruhegehalt, Witwen- und Waisengeld). 8. Sind für einen Ostpfarrer die Versorgungsbestimmungen der Heimatkirche nicht zuverlässig zu ermitteln, so sind ersatzweise die für die östlichen Gliedkirchen geltenden Bestimmungen der Evangelischen Kirche der altpreussischen Union anzuwenden. 9. Für die Angehörigen von vermissten oder gefangenen Ostpfarrern (Finanzausgleichsgruppe B) sind diejenigen Versorgungsbezüge zu Grunde zu legen, die sie erhalten würden, wenn sie am Tage des Eingangs der letzten Nachricht des vermissten Ostpfarrers bezw. am Tag der Gefangennahme des Ostpfarrers Witwen oder Waisen geworden wären. 10. Kriegsbeschädigtenrenten, Kriegswitwen- und Kriegswaisenrenten werden nicht auf die Ostpfarrerversorgung angerechnet. Für die Anrechnung von Einnahmen aus Arbeit im öffentlichen Dienst gilt § 127

214

22. Sitzung Hannover 24. Mai 1951

DBG. Bei der Anrechnung von anderen Einkünften aus öffentlichen Mitteln sind die Umstände des Falles zu berücksichtigen. 11. Im Falle der Wiederverheiratung einer Ostpfarrerwitwe entfällt das Witwengeld, dagegen werden das Waisengeld und der Kinderzuschlag im Rahmen der dafür geltenden beamtenrechtlichen Bestimmungen weiter gezahlt. IV. Schlussbestimmung. 12. Es treten ausser Kraft: a) Die Richtlinien zur Regelung der den Ostpfarrern und ihren Angehörigen zu gewährenden Versorgungsbezüge vom 1. 12. 49 (Amtsbl. d. EKD vom 15. 12. 49, S. 242); b) Die Richtlinien des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland für den Finanzausgleich unter den Landeskirchen vom 25. 1. 47 (Amtsbl. d. EKD 1947, Nr. 4, Spalte 7f.), soweit sie mit dieser Richtlinie in Widerspruch stehen. 22E3. Schreiben der Kirchenkanzlei an die westdeutschen Landeskirchenleitungen. Hannover, 26. Mai 1951 F: EZA Berlin, 2/2140 (H). Betr.: Ostpfarrerversorgung. Bezug: Rundschrb. d. Kirchenkanzlei Nr. 12098.VI vom 5. 5. 5176. Der Rat der EKD hat in seiner Sitzung vom 24. 5. 51 in Hannover zur Frage der Neuregelung der Ostpfarrerversorgung u. a. Folgendes beschlossen: „Der Rat bittet die Landeskirchenleitungen, die Zuschüsse, die der Bund auf Grund des mit ihm geschlossenen Abkommens zu den Kosten der Ostpfarrerversorgung zu zahlen hat, so zu verwenden, dass auch die Osthilfeempfänger aus Gliedkirchen der Sowjetzone wenigstens in beschränktem Umfange an der Erhöhung der Osthilfebezüge teilnehmen.“ Auf Grund der Bitte des Rates könnten die Osthilfebezüge etwa wie folgt festgesetzt werden:

76 Schreiben der Kirchenkanzlei an die deutschen evangelischen Landeskirchen in Westdeutschland vom 5. Mai 1951 (EZA BERLIN, 4/605). Vgl. 22B1.

215

22E Dokumente

4. Beispiel: a) Die eigentlichen Ostpensionäre erhalten 75 % ihrer Versorgungsbezüge, d. s.

5 299 950,–

b) Die Pensionäre aus Gliedkirchen in der DDR erhalten 55 % ihrer Versorgungsbezüge, d. s. 3 533 333: 100×55 =

1 943 315,–

c)

Zuschlag für Zahlung voller Waisengelder 333 332: 100 × 25 = 166 666: 100 × 45 =

83 325,– 74 970,–

d) Summe:

7 401 560,–

e)

Von diesem Bedarf trägt der Bund

2 780 000,–

f)

Von der Kirche ist somit aufzubringen der Rest von

4 621 560,–

g) Zur Zeit werden von der Kirche aufgebracht

3 944 044,–

h) Es wäre also jährlich zusätzlich aufzubringen die Differenz von in 10 Jahren also insgesamt rd.

677 516,– 6,8 Mill. DM

i)

Der Zeitpunkt für den Termin der zusätzlichen Leistungen der Kirche ergibt sich aus nachstehendem Vergleich:

Tatsächl. Gesamtbeitrag d. Kirche

Gesamtbeitrag d. Kirche nach bisheriger Leistung

Jahr

Bedarf

Beitrag d. Bundes einschl. halber Nachzahl.

Tatsächlicher Jahresbeitrag d. Kirche

1951

7,4

4,9

2,5

2,5

4,–

1952

7,4

4,9

2,5

5,–

8,–

1953

7,4

4,9

2,5

7,5

12,–

1954

7,4

3,7

3,7

11,2

16,–

1955

7,4

2,9

4,5

15,7

20,–

1956

7,4

2,1

5,3

21,–

24,–

1957

7,4

1,7

5,7

26,7

28,–

1958

7,4

0,9

6,5

33,2

32,–

1959

7,4

0,9

6,5

39,7

36,–

1960

7,4

0,5

6,9

46,6

40,–

Die Mehrleistung wäre also in der Zeit von 1958 bis 1960 aufzubringen.

216

22. Sitzung Hannover 24. Mai 1951

5. Beispiel: a) Die eigentlichen Ostpensionäre erhalten 75 % ihrer Versorgungsbezüge, d. s.

5 299 950,–

b) Die Pensionäre aus Gliedkirchen in der DDR erhalten 60 % ihrer Versorgungsbezüge, d. s.

2 119 998,–

c)

Zuschlag für die Zahlung voller Waisengelder 333 332: 100 × 25 = 166 666: 10 × 4 =

83 325,– 66 664,–

d) Summe:

7 569 937,–

e)

Von diesem Bedarf trägt der Bund:

2 780 000,–

f)

Von der Kirche ist somit aufzubringen der Rest von:

4 789 937,–

g) Zur Zeit werden von der Kirche aufgebracht:

3 944 044,–

h) Es wäre also jährlich zusätzlich aufzubringen die Differenz von: in 10 Jahren also insgesamt rd.

845 893,– 8,5 Mill. DM

i)

Der Zeitpunkt für den Beginn der zusätzlichen Leistung ergibt sich aus nachstehendem Vergleich:

Tatsächl. Gesamtbeitrag d. Kirche

Gesamtbeitrag d. Kirche nach bisheriger Leistung

Jahr

Bedarf

Beitrag d. Bundes einschl. halber Nachzahl.

Tatsächlicher Jahresbeitrag d. Kirche

1951

7,6

4,9

2,7

2,7

4,–

1952

7,6

4,9

2,7

5,4

8,–

1953

7,6

4,9

2,7

8,1

12,–

1954

7,6

3,7

3,9

12,–

16,–

1955

7,6

2,9

4,7

16,7

20,–

1956

7,6

2,1

5,5

22,2

24,–

1957

7,6

1,7

5,9

28,7

28,–

1958

7,6

0,9

6,7

34,8

32,–

1959

7,6

0,9

6,7

41,5

36,–

1960

7,6

0,5

7,1

48,6

40,–

Die Mehrleistung wäre also in der Zeit von 1957 bis 1960 aufzubringen.

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217

Im Interesse der Ostpfarrer bitten wir nochmals um möglichst umgehende Stellungnahme zu dem mit unserem Rundschreiben vom 5. 5. 51 übersandten Richtlinien-Entwurf77. gez. D. Brunotte

22E4. Einladungsschreiben der Kirchenkanzlei zur Arbeitstagung für kirchliche Fragen der DPs und der Heimatvertriebenen am 29. und 30. August 1951 in Ratzeburg. Hannover, 17. Juli 1951 F: ADW Berlin, ZB 1046 (O). In Zusammenarbeit mit Vertretern der Ökumene des Lutherischen Weltbundes und des Ostkirchenausschusses laden wir Sie zu einer Arbeitstagung für kirchliche Fragen der DP-s und der Heimatvertriebenen ein, die vom 29.–30. August im kirchlichen Domhof in R a t z e b u r g bei Lübeck stattfinden soll. Die Konferenz soll dazu dienen, die Erfahrungen der Landeskirchen, der Vertreter der DP-s, des Ostkirchenausschusses und der Hilfskomitees in der kirchlichen Vertriebenenarbeit miteinander auszutauschen, die Fortschritte dieser Arbeit seit den Beschlüssen von Imbshausen und Königswinter festzustellen und in den ihr entgegentretenden Schwierigkeiten den rechten Ausweg zu suchen. Die Konferenz hat sich als notwendig herausgestellt, da sowohl auf dem Sektor der D.P.-Arbeit durch ihre inzwischen erfolgte Übernahme in die Verantwortung der Landeskirchen als auch auf dem Sektor der Vertriebenenarbeit durch das Wachsen der säkularen Organisationen und durch die starke Zuspitzung der sozialen Probleme die kirchliche Flüchtlingsarbeit vor neuen Situationen steht, und da weiterhin durch die Einstellung der kirchlichen Unterstützung für die Hilfskomitees am 1. April 1952 über die Weiterführung dieser Arbeit neu verhandelt werden muss. Das vorgesehene Programm der Konferenz ist folgendes: Am 29. 8. 9 Uhr: Morgenandacht und Eröffnung. Anschliessend Referat von Prof. D. Dr. Redeker, Kiel „Die Flüchtlingsfrage im Lichte der christlichen Ethik“. Nachmittags soll ein Rundgespräch über kirchliche Gegenwartsfragen der D.P.-s und Vertriebenengruppen unter Teilnahme massgeblicher Fachleute stattfinden. Abends werden der Konferenz Berichte über die Beschlüsse von Imbshausen und Königswinter und die seitdem erfolgten Schritte vorgelegt. 77 Vgl. 22E2; 22D3.

218

22. Sitzung Hannover 24. Mai 1951

Am 30. 8. werden vormittags die landeskirchlichen Flüchtlingsvertreter, der D.P.-Ausschuss, die Vertreter der D.P.-s sowie die Vertreter des Ostkirchenausschusses und der Hilfskomitees unter sich die notwendigen Anträge beschliessen, über deren Aufnahme in die Resolutionen der Gesamtkonferenz nachmittags das Plenum zu entscheiden hat. Die Kosten für die Vertreter der Landeskirchen und der gesamtkirchlichen Werke tragen die entsendenden Stellen. Für die Kosten der Flüchtlingsvertreter kommt der Lutherische Weltbund dankenswerterweise auf. Als Anreisetag ist der 28. August vorgesehen. Die Abreise soll am 30. 8. abends oder am 31. August vormittags erfolgen. Anmeldungen zu der Tagung bitten wir an uns zu richten. gez. D. Brunotte – Präsident

22E5. Schreiben Gallings an die Kirchenkanzlei. Mainz, 5. April 1951 F: EZA Berlin, 2/5486 (O). Der in Erlangen vom 28.–30. März 1951 tagende Fakultätentag, an dem die Vertreter sämtlicher evangelisch-theologischer Fakultäten in Deutschland teilnahmen, hat sich mit der Frage nach dem Verhältnis zwischen theologischen Fakultäten und Kirchlichen Hochschulen beschäftigt. Nach seiner Ansicht kann diese Frage nur richtig beantwortet werden, wenn der unauflösbare Zusammenhang gesehen und berücksichtigt wird, in dem die theologischen, kirchlichen und wissenschaftstheoretischen Probleme und Aufgaben stehen. Der Fakultätentag kann nicht umhin, festzustellen, dass er die jüngste Entwicklung der Beziehung zwischen Fakultäten und Kirchlichen Hochschulen mit grosser Sorge betrachtet, da bereits eine Reihe von Entscheidungen getroffen wurden, andere geplant werden, bei denen der genannte unauflösbare Zusammenhang nicht genügend berücksichtigt ist. Der Fakultätentag anerkennt durchaus das besondere Anliegen, das zur Gründung von Kirchlichen Hochschulen geführt hat, und die besonderen Aufgaben, die diesen in der Gegenwart gestellt sind. Andererseits besteht gerade angesichts der jüngsten Entwicklung Veranlassung, nachdrücklich darauf hinzuweisen, dass den theologischen Fakultäten in ihrer Verbundenheit mit der universitas literarum von der Universalität des christlichen Wahrheitsanliegens her eine unaufgebbare besondere kirchliche Verantwortung und Aufgabe anvertraut ist, die ihnen durch die Kirchlichen Hochschulen nicht abgenommen werden kann. Die Kirche sollte deshalb alles vermeiden, was den Staat zu der Meinung veranlassen könnte, er

22E Dokumente

219

sei von der Kirche aus jeglicher Verantwortung für die Wahrung einer auch die Theologie einschließenden universitas literarum entlassen. Der Fakultätentag hat sich veranlasst gesehen, einen Teil seiner Bedenken, die sich aus der Stellung der Theologischen Fakultäten im Rechtsverband der Universität ergeben, der hierfür zuständigen Rektorenkonferenz zu unterbreiten (siehe Anlage)78. Weiter hat der Fakultätentag die Ausarbeitung eines theologischen und eines juristischen Gutachtens beschlossen. Dabei liegt ihm besonders daran, dass die grundsätzlichen theologischen Voraussetzungen der vorliegenden Fragen in einer umfassenden Denkschrift geklärt werden. Der Fakultätentag bittet die Kirchenleitungen bis zur Vorlage der genannten Gutachten keine neuen Entscheidungen auf diesem Gebiete zu treffen, die durch Schaffung folgenschwerer Präzedenzfälle die beiderseitige Lage weiter komplizieren würden. Der Fakultätentag hofft und wünscht durch diese Gutachten die Voraussetzung für eine gemeinsame Besprechung und Lösung der schwebenden Fragen zu schaffen.

22E6. Schreiben Gallings an den Vorsitzenden der Rektorenkonferenz. Mainz, 6. April 1951 F: EZA Berlin, 2/5486 (Abschrift; Anlage zu 22E5)_79. Der in Erlangen vom 28.–30. März 1951 tagende Fakultätentag der Evangelisch-Theologischen Fakultäten in Deutschland hat sich erneut mit dem Status der Theologischen Fakultäten und Kirchlichen Hochschulen in Deutschland beschäftigt. Er sieht den Augenblick für gekommen, seiner starken Besorgnis darüber Ausdruck zu geben, dass akademische Titel und Rechte in zunehmendem Masse von Institutionen in Anspruch genommen werden, die nicht zum Rechtsverband der Universitäten gehören. Dies betrifft nicht nur die Verleihung des Professorentitels an die Kirchlichen Hochschulen in Berlin, Hamburg und Neuendettelsau, sondern vor allem das Bestreben, die Kirchlichen Hochschulen mit dem Promotionsrecht auszustatten. Der Fakultätentag würde in einer Verleihung des Promotionsrechtes an Institutionen ausserhalb der Universitäten einen Bruch mit der bisher geltenden Rechtsordnung erblicken. Im Hinblick auf die Tatsache, dass durch Einzelentscheidungen auf dem Gebiet der Titelverleihung bereits folgenschwere Präzedenzfälle ge78 Vgl. 22E6. 79 Die Kirchenkanzlei sandte eine Abschrift dieses Schreiben Gallings an alle fünf Kirchlichen Hochschulen (EZA BERLIN, 2/5486).

220

22. Sitzung Hannover 24. Mai 1951

schaffen wurden, bittet der Fakultätentag die Rektorenkonferenz, bei der Kultusministerkonferenz zu beantragen, dass jede Neuverleihung des Promotionsrechtes der Konferenz der Kultusminister vorbehalten sein möge, und dass keine Einzelentscheidungen getroffen werden, da diese nicht nur zu einer Verwirrung der wissenschaftlichen Tradition in Deutschland, sondern auch zu einer Minderung des internationalen Ansehens des deutschen Doktorgrades führen müssten. Der Fakultätentag ist der Meinung, dass eine Neuverleihung des Promotionsrechtes nur im Einvernehmen mit den bisherigen Trägern des Promotionsrechtes, den Fakultäten und deren Organen, den Dekans- beziehungsweise Fakultätentagen, erfolgen kann. gez. Galling 22E7. Entwurf für ein Schreiben des Ratsvorsitzenden an die Evangelischreformierte Kirche in Nordwestdeutschland. Berlin, 1951 F: EZA Berlin, 2/978 (O)_80. Ihr Schreiben vom 23. April 1951 – Nr. 209881 – haben wir am 24. Mai bei der Ratssitzung in Hannover besprochen. Der Rat ist durchaus der Meinung, daß die Behandlung wichtiger theologischer Probleme zu den Obliegenheiten des Rates gehört. So hat sich z. B. der Rat erst in seiner letzten Sitzung eingehend mit dem Verhältnis der theologischen Fakultäten zu den kirchlichen Hochschulen befaßt und beschlossen, ein Gespräch mit82 den Fakultäten und kirchlichen Hochschulen in einer der nächsten Ratssitzungen zu führen. Der Rat hat auch bereits in der Vergangenheit mehrfach theologische Fragen in den Bereich seiner Beratungen gezogen. Erst vor kurzem hat er beschlossen, das Abendmahlsgespräch fortführen zu lassen83. Allerdings ist der Rat, wie ich schon in meinem Tätigkeitsbericht in Hamburg ausführte, der Meinung, daß die schwierige Frage der Entmythologisierung nicht von ihm oder einem anderen kirchlichen Gremium im Wege einer Lehrentscheidung gelöst werden könnte. Der Rat vertraut in dieser Frage mehr auf die innere Lebendigkeit der evangelischen Theologie in Deutschland, die noch stets die Kräfte hervorgebracht hat, Eingriffe in die Substanz der kirchlichen Lehre zurechtzurücken. Mit brüderlicher Begrüßung Ihr sehr ergebener 80 81 82 83

Der Entwurf wurde Dibelius mit Schreiben Brunottes vom 29. Mai 1951 zugesandt. 22D4. Hsl. korrigiert aus „zwischen“. Vgl. dazu A. SILOMON, Protokolle 4, 15B26.

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22E8. Schreiben Dibelius’ an Nuschke. Berlin, 29. Mai 1951 F: EZA Berlin, 7/1169 (H). – Abdruck: Verhandlungen/APU, S. 34–38_84. Die Kirchenkanzlei der Evangelischen Kirche in Deutschland hat uns Ihr Schreiben vom 28. April d. Js. – Gesch. Nr. 1700a/5185 – zur Kenntnis gegeben, mit dem Sie ihr die Begründung des Einspruchs des Herrn Innenministers übermittelt haben. Wir können nicht verschweigen, dass wir uns angesichts der Einspruchsbegründung ernstlich gefragt haben, ob der Herr Innenminister über die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse unserer Kirche nicht sachgemäss unterrichtet worden ist oder ob er der evangelischen Kirche den schärfsten Kampf ansagen wolle, indem er ihre gesamte Rechtsordnung in ihrem Bestande in Frage stelle und die verfassungsmässige Garantie ihrer Selbständigkeit durch ein System völliger Staatskontrolle zu ersetzen beabsichtigte. Es hat in unserem Kreise nicht an Stimmen gefehlt, die es für notwendig hielten, hiergegen sogleich den schärfsten Widerspruch vor der gesamten kirchlichen Öffentlichkeit zum Ausdruck zu bringen. Wir haben uns entschlossen, solche Schritte jetzt noch nicht zu unternehmen, wollen vielmehr zu den Darlegungen des Herrn Innenministers zunächst folgendes bemerken: Die Begründung, die der Herr Innenminister seinem Einspruch gegeben hat, gliedert sich in drei Punkte: 1. Es wird behauptet, dass die Evangelische Kirche der altpreussischen Union von heute mit der durch die Verfassungsurkunde von 1922 geordneten altpreussischen Kirche nicht mehr identisch sei bezw. nicht als deren Rechtsnachfolgerin gelten könne. Das ergebe sich nicht nur daraus, dass die Grundsätze der Verfassung von 1922 verlassen seien, sondern auch daraus, dass die Gliedkirchen, aus deren Vertretern die ausserordentliche Generalsynode zusammengesetzt gewesen sei, ebenfalls nicht identisch seien mit den früheren Provinzialkirchen und daher auch ihrerseits nicht als Rechtsnachfolgerinnen der früheren Provinzialkirchen angesehen werden könnten. Auf diese letztere Behauptung einzugehen, erübrigt sich u. E. schon deshalb, weil diese Provinzialkirchen, deren alte Ordnungen durch die Eingriffe des nationalsozialistischen Staates weithin zerstört worden waren, ihre unerlässliche Neuordnung grösstenteils schon vor Jahren vollzogen haben und damals die neuen Grundordnungen den zuständigen Regierungsstellen vorgelegt worden sind. Ein Einspruch dagegen ist niemals geltend gemacht worden. Diese Neuordnungen stellen selbst die Identität bezw. Rechtsnachfolgerschaft in bezug auf die früheren Pro84 Im Abdruck dieses Schreibens wurden unwesentliche formale Veränderungen vorgenommen. 85 Abdruck in: VERHANDLUNGEN/APU, S. 28f.

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22. Sitzung Hannover 24. Mai 1951

vinzialkirchen ausser Zweifel. So heisst es z. B. in der Grundordnung für Berlin-Brandenburg: „Die Evangelische Kirche in Berlin-Brandenburg tritt als Rechtskörperschaft an die Stelle des Provinzial-SynodalVerbandes“ (Art. 153). Die Rechtswirksamkeit solcher Bestimmungen kann nicht dadurch erschüttert werden, daß eine staatliche Stelle nach Jahren plötzlich Einwendungen geltend macht. Auch die Evangelische Kirche der altpreußischen Union sah sich genötigt, nachdem ihre alte Ordnung durch die nationalsozialistischen Eingriffe angetastet und durch den Kriegsausgang in Mitleidenschaft gezogen war, zu einer neuen Ordnung zu schreiten. Dabei mußte sie naturgemäß auf die eben erwähnten neuen Ordnungen ihrer Gliedkirchen Rücksicht nehmen. Auch ist es selbstverständlich, dass alles das, was die Kirche in nahezu drei Jahrzehnten erlebt hat, von denen nicht weniger als zwölf Jahre durch das nationalsozialistische Regime bestimmt waren, bei der Neuordnung nicht unberücksichtigt bleiben konnte. Es liegt im Wesen jeder Neuordnung, dass nicht nur eine Restauration vollzogen, sondern wirklich dies und das neu geordnet wird. Über die Art dieser Neuordnung kann nur die Kirche selbst entscheiden. Wenn Art. 43 Abs. 2 der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik überhaupt einen Sinn haben soll, so kann es nur der sein, dass die Kirche darüber, wie sie ihre Körperschaften zusammensetzt, wie sie ihre Ämter bezeichnet und dergleichen, frei und selbständig zu bestimmen hat. Dies Recht der Kirche, das seit der Weimarer Verfassung unbestritten ist, – was auch darin zum Ausdruck kommt, dass die Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik die betreffende Bestimmung aus der Weimarer Verfassung übernommen hat –, ist seinerzeit durch den Staatsvertrag von 1931 lediglich in dem einen Punkt eingeschränkt worden, dass der Minister für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung Einspruch erheben kann, wenn durch neue Bestimmungen eine geordnete Geschäftsführung nicht mehr gewährleistet scheint. Dass das bei der jetzigen Neuordnung der Kirche der altpreussischen Union der Fall sei, hat weder eine der Länderregierungen, denen die neue Ordnung vorgelegt worden ist, noch der Herr Innenminister behauptet. Wir können daher die Frage des Staatsvertrages auch hier auf sich beruhen lassen. Die Kontinuität im Leben der altpreussischen Kirche ist im übrigen niemals unterbrochen gewesen. Weder rechtlich noch tatsächlich haben die Gliedkirchen jemals ihren Zusammenhalt in der Evangelischen Kirche der altpreussischen Union aufgegeben. Sie haben diesen Zusammenhalt zunächst im August 1945 in der bekannten Vereinbarung von Treysa vorläufig umschrieben und nach dieser Vereinbarung bisher gehandelt. Aus dieser vorläufigen Ordnung musste nunmehr der Übergang in eine endgültige Regelung erfolgen, wobei man sich nach Möglichkeit an die alte Verfassungsurkunde angelehnt hat. Dies ist die

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Bedeutung der „Ordnung der Evangelischen Kirche der altpreussischen Union“. Natürlich musste im Jahre 1945 aus der gegebenen Situation heraus gehandelt werden, um aus den Trümmern des nationalsozialistischen Staates wieder arbeitsfähige Gemeinschaften auf deutschem Boden erstehen zu lassen. Das ist im Staate so gewesen und konnte auch in der Kirche nicht anders sein. Der Rechtskontinuität ist dadurch kein Abbruch geschehen. Es ist in Rechtslehre und Rechtssprechung unbestritten, dass auch auf dem Boden eines Notrechts wirksame Rechtsordnungen zu entstehen vermögen. Wenn endlich der Herr Innenminister bemängelt, dass die Grundordnung der Evangelischen Kirche in Deutschland von 1948, auf die die neue Ordnung der Evangelischen Kirche der altpreussischen Union Bezug nimmt, ebenso wie weitere Gesetze der Evangelischen Kirche in Deutschland, der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik nicht vorgelegt worden seien, so ist darauf hinzuweisen, dass durch das Kontrollratsgesetz Nr. 49 die nationalsozialistische Kirchengesetzgebung aufgehoben und dabei bestimmt worden ist, dass die Evangelische Kirche über ihre Verfassung selbst zu bestimmen habe. Bei der Verabschiedung der Grundordnung im Juni 1948 war die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik noch gar nicht im Amt. Auch haben Vertreter der sowjetischen Besatzungsmacht an der damaligen Kirchenversammlung in Eisenach während ihres ganzen Verlaufs teilgenommen, ohne irgend einen Anstand zu ergeben. Damit dürfen die Einwendungen gegen die Rechtskontinuität der Evangelischen Kirche der altpreussischen Union als erledigt gelten. 2. Der Herr Innenminister erhebt auf Grund des Kontrollratsgesetzes Nr. 46 vom 25. 2. 1947 gegen die Bezeichnung unserer Kirche als der Evangelischen Kirche der „altpreussischen“ Union Einspruch. Dieser Name hat mit dem Staat Preussen, wie er bis zum Jahre 1945 bestand, nichts zu tun. Er bezeichnet lediglich den besonderen Bekenntnisstand unserer Kirche, wie er sich in einer Geschichte von 1½ Jahrhunderten auf einem Territorium, das früher einmal Preussen war, entwickelt hat. Schon seit 1866 deckte sich dies Territorium nicht mehr mit dem Gebiet des preussischen Staates. Unsere Kirche bedarf einer Bezeichnung, die sie von den anderen unierten Kirchen im Bereich der Evangelischen Kirche in Deutschland unterscheidet. Sie bedarf einer solchen Bezeichnung umso mehr, als ihr Bekenntnisstand von dem der übrigen unierten Kirchen verschieden ist. Es hat sich bisher eine andere Bezeichnung nicht gefunden als die Bezeichnung „altpreussische Union“, in der die für das Wesen unserer Kirche grundlegende bekenntnis-geschichtliche Tradition zum Ausdruck kommt – wobei wir darauf aufmerksam machen, dass sich das Wort „altpreussisch“ nicht auf den rechtlichen Or-

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ganismus der Kirche, sondern auf die in ihr gewordene Union, also auf einen geistlich-theologischen Tatbestand bezieht. Niemand wird auf den Gedanken kommen, dass in unserer Kirche eine bestimmte Überlieferung gepflegt werden soll. Die westdeutschen Teile unserer Kirche haben schon in früheren Generationen solche Überlieferung nicht zu pflegen gewünscht. Wir dürfen auch darauf hinweisen, dass der bisherige Name unserer Kirche auch nach 1945 in aller Öffentlichkeit gebraucht worden ist und dass weder eine Besatzungsmacht noch eine Regierungsstelle jemals daran Anstoss genommen hat. Was die Namen der Gliedkirchen anlangt, so braucht lediglich festgestellt zu werden, dass die von dem Herrn Innenminister beanstandeten Namen Schlesien und Pommern in der neuen Grundordnung nicht vorkommen. Man kann unmöglich Einspruch gegen eine Ordnung erheben, weil etwas, was man für untragbar hält, in ihr nicht enthalten ist. 3. Der Herr Innenminister bemängelt, dass in der neuen Ordnung der Hinweis fehle, dass sich die Gesetzgebung der Gliedkirchen im Rahmen der „für alle geltenden Gesetze“ zu bewegen habe. Ein solcher Hinweis wäre nicht nur deshalb fehl am Platze, weil die Evangelische Kirche der altpreussischen Union den Gliedkirchen nicht mehr als vorgeordnetes Organ gegenübersteht, das die Gesetzgebung zu beaufsichtigen hätte, sondern auch deshalb, weil in einer statutarischen [sic!] Ordnung nach allgemeinem Grundsatz nur Vorschriften enthalten sein sollen, die in den Verantwortungsbereich der betreffenden Organisation gehören. Wir fragen uns hiernach vergeblich, welchen Zweck der Herr Innenminister mit seinem Einspruch eigentlich verfolgt. Die „Ordnung der Evangelischen Kirche der altpreussischen Union“, gegen die sich der Einspruch richtet, ist so legal wie irgend möglich zustande gekommen und widerstreitet den staatlichen Interessen in keinem Punkt, so dass von hier aus keine Einwendung gegen ihre Inkraftsetzung erhoben werden kann. Unter diesen Umständen liegt die Frage nahe, ob etwa das Schwergewicht der Einspruchsbegründung doch in jenen Darlegungen zu suchen ist, mit denen der Herr Innenminister aus allgemeinen und besonderen Hoheitsrechten des Staates, vor allem aus Art. 43 Abs. 2 der Verfassung weitgehende staatliche Kontrollrechte gegenüber den Kirchen herzuleiten scheint. Nun aber ordnen und verwalten die Religionsgemeinschaften nach diesem Artikel ihre Angelegenheiten selbständig nach Massgabe der für alle geltenden Gesetze. Damit ist festgestellt, dass ein Aufsichtsrecht des Staates über die Religionsgemeinschaften nicht besteht, weder ein Allgemeines noch ein spezielles, unbeschadet etwaiger einzelner Verpflichtungen, wie sie sich etwa aus dem Staatsvertrag des Jahres 1931 für die ehemals preussischen Gebiete in genau bestimmter Begrenzung ergeben

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könnten. Jede Erweiterung dieser Verpflichtungen würde die Bestimmung des Art. 43 Abs. 2 in ihr Gegenteil verkehren; denn dann könnte die Kirche ihre Angelegenheiten eben nicht mehr selbständig ordnen und verwalten. Bisher ist diese Rechtslage auch im Bereich der Deutschen Demokratischen Republik in vollem Umfang anerkannt worden. Sollte etwa der Herr Innenminister hierin eine Änderung herbeizuführen beabsichtigen, müssten die Kirchen dem schon jetzt auf das entschiedenste widersprechen. Sie haben in früheren Jahren einen schweren Kampf gegen jede Bevormundung der Kirche durch den Staat geführt und sind nicht gewillt, jetzt wieder zu einem Zustand zurückzukehren, den sie ihrerseits nur als reaktionär und der Kirche schädlich betrachten müssten. Es handelt sich hier um eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung, über die wir uns mit der Leitung der Evangelischen Kirche in Deutschland in Verbindung gesetzt haben. Mit ihr sind wir völlig einig darin, dass die Kirche zwar die für alle geltenden Gesetze zu achten, dass ihr aber mit dieser Maßgabe die S e l b s t ä n d i g k e i t i n d e r O r d n u n g u n d Verwaltung ihrer Angelegenheiten verfassungsmäßig garantiert ist. Wir sind entschlossen, in dieser Frage, wenn sie ernstlich zur Entscheidung gestellt sein sollte, die Entschliessungen der beteiligten Synoden herbeizuführen. Es darf kein Zweifel darüber obwalten, dass sie den gleichen Standpunkt einnehmen würden, und dass eine öffentliche Erörterung die grösste Beunruhigung in allen Gemeinden und in der gesamten kirchlichen Öffentlichkeit zur Folge haben würde. Das wäre umso mehr zu bedauern, als an der Neuordnung der Evangelischen Kirche der altpreussischen Union auch westdeutsche Kirchen beteiligt sind, in deren Bereich ein Widerspruch aus der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik bei allen Elementen, welche dieser Regierung mit Misstrauen gegenüberstehen, als ein Beweis für die Kirchenfeindschaft der Regierung ausgewertet werden würde. Wir vertrauen darauf, dass das, was der Kirche verfassungsmässig garantiert ist, von keiner staatlichen Stelle angetastet werden wird, und dürfen Sie bitten, sehr verehrter Herr Ministerpräsident, diese Ausführungen zur Kenntnis des Herrn Innenministers zu bringen. gez. D. Dr. Dibelius.

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22E9. Schreiben Knolles an Lilje. Hamburg, 25. Juni 1951 F: LKA Hannover, L 3 III, Nr. 1344 (O). Ew. Hochwürden! Wie ich auf Grund von Meldungen des Schweizer Evangelischen Pressedienstes erfahre, hat der Rat der Evangelischen Kirchen, wohl auf Grund eines Berichtes des Vorsitzenden des Fachausschusses Film, in Aussicht genommen, Herrn Pfarrer Hess mit der Beratung für das Fernsehen zu beauftragen. Ich darf annehmen, daß das noch nicht eine endgültige Lösung ist, da das Fernsehen nach allgemeiner Übung Aufgabe des Rundfunks ist und daher in die Zuständigkeit des Fachausschusses für Rundfunk innerhalb der Publizistischen Kammer gehört. Tatsache ist, daß das Problem des Fernsehens im Verhältnis zur Kirche vom Fachausschuß bereits in Angriff genommen ist. Der theologische Referent des Rates der Rundfunk-Beauftragten, Herr Pastor Dr. Max Loeser, steht in enger Beziehung zu dem Leiter des Fernsehens beim NWDR, Herrn Dr. Pleister. Insbesondere hat er auch die Beziehungen zu dem Leiter des Fernsehstudios, Herrn Dr. Fahrenburg, aufgenommen. Eine hiesige Arbeitsgemeinschaft beschäftigt sich ausdrücklich mit den Fragen des Fernsehens unter Leitung von Pastor Wilken. Für die nächste Tagung des Rates der Rundfunkbeauftragten ist das Fernsehen auf die Tagesordnung gesetzt worden. Der Vorbericht für die Tagung ist bereits allen Kirchenleitungen am 5. 6. 1951 zugegangen.– Es ist also meinerseits alles geschehen, was in dem jetzigen Stadium der Entwicklung an Vorbereitung für die Einstellung der Kirche zum Fernsehen geschehen konnte. Die Verbindung des Fernsehens mit dem Film würde im Widerspruch stehen zu der Sachlage, nach der die Filminteressenten aus wirtschaftlichen Gründen in einer gewissen Gegnerschaft zum Fernsehen stehen und ihrerseits Pläne haben, um das Interesse des Publikums vom Fernsehen abzuziehen, etwa durch die Einrichtung des plastischen Films. Es würde beim Rundfunk kaum verstanden werden, wenn die Kirche durch die Zusammenlegung des Fernsehens mit dem Film eine einseitige Entscheidung zu Gunsten des Films treffen würde. Sofern der Film die Problematik des Fernsehens in seinen Planungen berücksichtigen muß, könnte natürlich das Fernsehen auch innerhalb des Fachausschusses für Film behandelt werden, aber es dürfte kein Zweifel sein, daß die primäre, genuine Stelle für das Fernsehen der Rundfunk ist, und dementsprechend auch der Fachausschuß für den Rundfunk das entscheidende Beratungsorgan in der Kammer für Publizistik in der Evangelischen Kirche sein muß. Da Herr Pfarrer Hess Mitglied auch des Fachausschusses für den Rundfunk ist,

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wäre eine Abstimmung zwischen Rundfunk und Film bei der kirchlichen Beratung innerhalb des Ausschusses jederzeit gegeben. Schließlich sei noch darauf hingewiesen, daß die einzige Stelle, die das Fernsehen ausübt und entwickelt, der NWDR in Hamburg ist. Es würde auch daher geboten sein, daß hier an Ort und Stelle der kirchliche Berater für das Fernsehen die Verbindung mit dem Rundfunk zu pflegen hat. In verehrungsvoller Begrüßung Ew. Hochwürden sehr ergebener D. Knolle

22E10. Niederschrift über die Sitzung der Kammer für Soziale Ordnung der EKD in Königswinter am 16. Mai 1951. O. O., o. D. F: EZA Berlin, 2/2140 (O). Anwesend:

Frau M. Ammann, Königswinter, Dekan Ammler, Schweinfurt, Dipl.-Volksw. M. Donath, Bad Boll, Pfarrer D. Herz, Leipzig, Dr. Karrenberg, Velbert, Prof. Dr. Müller-Armack, Köln, OKR Prater, Kiel, OKR Ranke, Bonn, Frau G. Staewen, Berlin, Dipl.-Kfm. Suppert, Dortmund. Als Gast: Pfarrer Spiegel-Schmidt vom Ostkirchenausschuss, Hannover. Am Kommen verhindert waren die Herren: C. v. Bismarck, Villigst, Pfr. Dr. Cordes, Kloster Loccum, Pfr. Feurich, Dresden, Prof. Gollwitzer, Bonn, Dr. Heilfurth, Schloss Friedewald, Prof. Dr. Heyde, Köln, OKR Klein, Gelsenkirchen, Dr. Eberh. Müller, Bad Boll, Pfarrer Dr. Wildfeuer, Dresden. Die Sitzung wurde durch OKR Prater mit einer Andacht eröffnet. Die Leitung der Sitzung übernahm in Übereinstimmung mit der Kammer auf einen durch OKR Ranke mitgeteilten Wunsch des an der Teilnahme verhinderten Vorsitzenden Präses Mager Herr Dr. Karrenberg.

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22. Sitzung Hannover 24. Mai 1951

OKR Ranke berichtete über die durch den Beschluss des Rats der EKD vom 5. April 1951 vorgenommene personelle Ergänzung der Kammer und darüber, dass mehrere durch den Rat zu stellvertretenden Mitgliedern berufene Herren inzwischen Bedenken geäussert hätten, das Amt eines Stellvertreters anzunehmen. Die Kammer war übereinstimmend der Ansicht, es möge versucht werden, aus ihren eigenen Kreisen die notwendigen Mittel aufzubringen, um jeweils alle Mitglieder und nun auch alle vom Rat der EKD ernannten Stellvertreter zu den Sitzungen einladen zu können. Es bestand Übereinstimmung darüber, die Kammer sollte in Zukunft durch Hinzuziehung der für die Arbeit der verschiedenen Sozialausschüsse der EKD Verantwortlichen eine Zusammenfassung aller auf diesem Gebiet getanen kirchlichen Arbeit zu fördern versuchen. In diesem Zusammenhang beschloss die Kammer, an dem Verfahren festzuhalten, die Kammertagungen durch Vorarbeit von Sachverständigen vorzubereiten. Sie gab einstimmig der Ansicht Ausdruck, die durch Beauftragung und Hinzuziehung von Sachverständigen zu den Sitzungen der Kammer entstandenen Kosten seien aus den haushaltsmässig der Kammer zustehenden Mitteln zu bezahlen. Die Kammer bat die Herren Karrenberg und Donath, sich gemeinsam mit OKR Ranke über eine zusätzliche Finanzierung ihrer Arbeit zu beraten. OKR Ranke berichtete über die Vorgeschichte der Tagung und teilte mit, Herr Bischof Dibelius erwarte von der Kammer ein Votum zu dem gegenwärtigen Stand der Vorbereitungen des Lastenausgleichsgesetzes. Nach den in Bonn im Benehmen mit dem Ostkirchenausschuss, den säkularen Flüchtlingsverbänden und den Vertretern des Finanzministeriums gepflogenen Vorverhandlungen sei ein Schreiben des Rats an die für die Gestaltung des Lastenausgleichsgesetzes verantwortlichen Männer und Dienststellen in Vorschlag gebracht. Anschliessend erstatteten Herr Donath (Ev. Akademie, Bad Boll), und Herr Pfarrer Spiegel-Schmidt (Geschäftsführer des Ostkirchenausschusses) die in der Anlage beigefügten Referate86. Im Anschluss an die Referate verlas OKR Ranke der Kammer das Rundschreiben des Päpstlichen Beauftragten für die Heimatvertriebenen Prälat Dr. Hartz, Fulda, vom 20. Februar 1951. In der anschliessenden kurzen Generaldebatte wies O K R R a n k e darauf hin, dass die soziale Struktur unseres Volkes dadurch gestört sei, dass die in den Kämpfen um das MBR sogenannten Sozialpartner (Arbeitgeber und Arbeitnehmer) mit 120 bzw. 90 % ihres Vorkriegslebens-

86 Vgl. das Referat Donaths: „Christliche Besinnung zum Lastenausgleich“ und das Referat Spiegel-Schmidts: „Was soll die Evangelische Kirche zum Lastenausgleich sagen?“ (EZA BERLIN, 2/5812); vgl. dazu auch M. DONATH, Besinnung, S. 282–298.

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standards dem wirklichen Sozialpartner gegenüberständen, dem ausser den Vertriebenen und Kriegsgeschädigten noch der grosse Kreis der Beamten, Angestellten und Rentenempfänger zugehöre. Es sei für einen wahrhaften Lastenausgleich dringend erforderlich, die auf solche Weise eingetretene Belastung der sozialen Gerechtigkeit zu korrigieren. Jedenfalls aber sei eine Erfassung der umfangreichen Selbstfinanzierung während der letzten Jahre durch den Lastenausgleich zugunsten der oben bezeichneten wahren Sozialpartner dringend erforderlich. P r o f . D r . M ü l l e r - A . verwies auf den Zwiespalt, in dem er sich als Christ und Nationalökonom befinde. In den Referaten habe eine Kritik an dem sozialen Willen des Staates mitgeklungen, der berechtigt sei, jedoch seien die Möglichkeiten des Staates begrenzt. Der Staat habe eine in der Geschichte unerhörte Ausweitung der sozialen Lasten erlebt. Der Lastenausgleich konkurriere mit äusserst umfangreichen anderen sozialen Lasten. Seine wirtschaftlichen Grenzen müssten gesehen werden. Man könne dem Staat nicht vorwerfen, er wolle in seiner Staatswirtschaft soziale Gerechtigkeit in ungenügendem Masse verwirklichen. Er stimme jedoch den Herren Referenten insofern zu, als es auch nach seiner Ansicht falsch sei, wenn man beim Lastenausgleich nur von den Sachwerten ausgehe, ohne daneben auch die Einkommen und das Vermögen zu belasten. Auch die Beamten und die Arbeiter mit auskömmlichen Gehältern seien lastenausgleichspflichtig. Schon bei der bisherigen Soforthilfe sei es jedoch schwierig gewesen, das Prinzip der Gerechtigkeit zu verwirklichen. Die Währungsgeschädigten seien zu kurz gekommen. Es sei nun die Forderung aufzustellen, der Lastenausgleich müsse eine solidarische Leistung aller Volkskreise werden, deren Vermögen und Einkommensbasis intakt geblieben seien. Bei der Erfassung des Sachwertbesitzes beständen besondere Schwierigkeiten. Man müsse auf Gebieten, in denen Preisstopp herrsche, (Mietpreisstopp, Preise für landwirtschaftl. Produkte) dies berücksichtigen und die entsprechenden Sachwerte (Wohngrundstücke und landwirtschaftliche Grundstücke) entsprechend niedriger bewerten als anderen Besitz. Besonders schwierig sei die Erfassung der Selbstfinanzierung. Man könne das durch Selbstfinanzierung hinzugekommene Vermögen nicht realisieren. Es entstehe hier die Frage, ob man Abgaben aus den laufenden Erträgen erheben solle, oder ob man zur Realteilung, evtl. zur Ausgabe von Anteilen an einzelnen Unternehmen schreiten solle. Realteilung sei bei landwirtschaftlichem Besitz ausserordentlich schwierig. Man könne nicht, wenn man eine Geldwirtschaft habe, diese an bestimmten Punkten verlassen. Die von dem Referenten als unzureichend gekennzeichneten Einheitswerte seien nicht völlig überholt. Man dürfe keinesfalls mit übersteigerten Realwerten operieren. Hinsichtlich einer Erfassung des Hausrats bitte er

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zu berücksichtigen, ob nicht die Proportion einer Hausraterfassung mit dem zu erwartenden Erfolg unzureichend sei. Auf’s Ganze gesehen, sei die Frage, ob neu entstandenes Vermögen beim Lastenausgleich mit berücksichtigt werden müsse, ernsthaft zu erwägen. Es sei aber zu berücksichtigen, dass die steigenden Vermögenswerte ohnedies durch die Vermögenssteuer, (freilich nur mit 1 %), erfasst würden. Die Schwierigkeit der E r f a s s u n g der Einkommen und Vermögen bestehe in ihrer Abwälzbarkeit. Im allgemeinen bewege sich nach seiner Ansicht der Regierungsentwurf bei Berücksichtigung aller dieser Einzelheiten in gesunden Grenzen. Wenn gelegentlich darauf hingewiesen werde, dass 4–4½ Milliarden jährlich an fälligen Steuern unterschlagen würden, so müsse im Blick auf den Lastenausgleich hierzu bemerkt werden „Die Nürnberger hängen keinen, ehe denn sie hätten ihn zuvor“. Es sei zweckmässsig, dass augenblickliche Lösungen nicht überlastet würden. Die Belastung der sich ausdehnenden Wirtschaft auf Grund einer allgemeinen Umlage von Vermögen und Einkommen sei wohl zweckdienlich der Zukunft überlassen. Wenn man eine Schuld von vornherein auf 30 Jahre festlegen wolle, müsse die Grundlage festliegen. Er schlage jedenfalls vor, die Bemühungen des Staates um soziale Gerechtigkeit zu würdigen. Er erklärte sich damit einverstanden, dass darauf hingewiesen würde, der Lastenausgleich müsse als eine Aufgabe der Gesamtheit aufgefasst werden und nicht nur als Sache derer, die über Sachwerte verfügen. Er bitte jedoch, diese Frage vorsichtig anzufassen. Man dürfe das Problem der überhöhten Besteuerung nicht ausser Acht lassen. Schliesslich weise er darauf hin, dass die für soziale Zwecke gegebenen Renten und Leistungen wirklich nur an die gehen dürften, die sie nötig hätten. H e r r S u p p e r t bezweifelte, ob man in den Lastenausgleich die Währungsgeschädigten mit aufnehmen könne. Freilich stehe das deutsche Volk in einer Geldwirtschaft. Er sei aber trotzdem der Ansicht, dass der vorliegende Regierungsentwurf die Grenze des Erreichbaren nicht erreicht habe. Der Preisstopp bei der Wohnungswirtschaft und bei der Landwirtschaft sei eine Ausnahme. Grundsätzlich sei davon auszugehen, dass beim Lastenausgleich auch das Vermögen belastet werden müsste. P r o f . D r . M ü l l e r - A . betont noch einmal, Vermögen, auch in Form einer Lebensstellung (Beamtenstellung) sowie Wohnungsbesitz müssten zum Lastenausgleich herangezogen werden. O K R R a n k e kritisiert das Referat Donaths in der Frage der Einheitswerte und der Heranziehung des Hausratsvermögens. Eine Neufestsetzung der Einheitswerte werde sich ohnedies nicht vermeiden lassen. Die Einheitswerte seien keineswegs überall dem heutigen Verkehrswert

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der Grundstücke gegenüber zu gering. In vielen Gegenden Deutschlands sei der heutige Verkehrswert der Grundstücke noch geringer als der Einheitswert. Es sei besser, mit den gegenwärtigen Einheitswerten zu arbeiten als zunächst einen fünf Jahre benötigenden Verwaltungsstab zur Neufestsetzung der Einheitswerte einzusetzen. Eine Heranziehung des Hausratsvermögens werde mit Sicherheit Betrug und Schnüffelei, damit aber einer Erschütterung der öffentlichen Moral Vorschub leisten. Das verflossene Speisekammergesetz mit seinem Einbruch der Staatsautorität in den persönlichsten Bereich habe abschreckend genug gewirkt87. Schliesslich sei darauf hinzuweisen, dass die in Bonn zu Sachverständigenversammlungen zusammen mit dem Ostkirchenausschuss und der Kirchenkanzlei versammelten Vertreter der säkularen Flüchtlingsverbände sich gegen eine Gegenüberstellung etwaiger Wehrbeiträge und des Lastenausgleichsaufkommens gewandt hätten. P f a r r e r D . H e r z wies aus der Sicht der sowjetisch besetzten Zone auf die unendlichen Personenverluste hin, die im Verfolg des letzten Krieges entstanden. Er sei dafür, auch diese Schäden mit in einen Lastenausgleich einzubeziehen. Er berichtete im Anschluss über die aussergewöhnlich günstige Auswirkung der Bodenreform in der Ostzone und bat, die Frage der Bodenreform im Zusammenhang des Lastenausgleichs auch in der Westzone in den Kreis der Überlegungen mit einzubeziehen. Schliesslich warnte er vor einer Bürokratisierung des Lastenausgleichs und befürwortete die Beteiligung möglichst vieler freier Kräfte an dem zu seiner Durchführung notwendigen Apparat. In der anschliessenden Debatte wurde der Gegenstand des Lastenausgleichsgesetzes und damit der Kammerdebatte im Verhältnis zu anderen notwendigen Sozialmassnahmen abgegrenzt. M ü l l e r - A . hob hervor, dass wir in der Bundesrepublik in einer Geldwirtschaft stünden. Der Lastenausgleich dagegen gehe demgegenüber von einem reinen Sachwert-Denken aus. Deshalb sei der vorgelegte Entwurf unzureichend. Eine Vermischung von Sachwert-Denken mit dem geldwirtschaftlichen Denken habe dazu geführt, dass die Sachwerte übersteuert würden. O K R R a n k e betonte, nach den bisherigen Sachverständigenbesprechungen in Bonn erscheine eine Stellungnahme zu den verantwortlichen Sachkundigen-Beratungen über die Entschädigungsseite des Lastenausgleichs nicht erforderlich. Soweit er es übersehen könne, seien auf seiten kirchlicher Kreise zur Entschädigungsseite keine originellen Gedanken 87 Das „Speisekammergesetz“ war am 23. Januar 1948 vom bizonalen Wirtschaftsrat zur Abhilfe der Notlage im Ernährungsbereich erlassen worden. Landwirtschaftliche und gewerbliche Betriebe sowie Privathaushalte hatten ihre Nahrungsmittelbestände offen legen müssen.

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geäussert worden. Die Beratungen der Kammer würden sich wohl im Zusammenhang der gegebenen Anregungen auf die Aufbringungsseite beschränken müssen. H e r r D o n a t h stimmte OKR Ranke zu, meinte aber, es sei doch um der Billigkeit willen zu betonen, dass die vorgesehene Hausratshilfe vollkommen unzulänglich sei. Was die Aufbringungsseite des Lastenausgleichs angehe, so sei die im Regierungsentwurf vorgesehene Heranziehung von etwa DM 80 Millionen aus der Vermögenssteuer zugunsten des Lastenausgleichs viel zu gering. Im übrigen sei die Bezugsgrösse im Gesetzentwurf falsch. Das Volkseinkommen sei seit 1945 dauernd gestiegen. Es sei notwendig, zu diesem wachsenden Volkseinkommen eine Relation zu finden. Gegenüber der durch OKR Ranke mitgeteilten Stellungnahme der säkularen Vertriebenenverbände müsse er mit dem Abgeordneten Kather bitten, dass auch zu dem Wehrbeitrag des Bundes eine richtigere Relation gefunden werde, als sie in dem Lastenausgleichsgesetzentwurf gesetzt sei. Schliesslich sei, mindestens auf dem Gebiete des Wohnungsbaus, die Soforthilfe bisher grösstenteils in die Taschen der Eigentümer geflossen. H e r r K a r r e n b e r g wies darauf hin, der Heranziehung des Vermögens zum Lastenausgleich stehe der Gesichtspunkt entgegen, dass jede Besteuerung vom Vermögen abgewälzt werden könne. Jedenfalls sollte diesem Problem erhöhte Aufmerksamkeit zugewendet werden. Wenn jedoch auf der Vermögensseite eine Besitzangleichung nicht erfolge, werde der Abstand zwischen Besitzenden und Nichtbesitzenden immer tiefer werden. H e r r S u p p e r t betonte, der an und für sich volkswirtschaftlich begrüssenswerte Vorgang der Selbstfinanzierung sei insofern unbillig, als sich in der Tat das zunehmende Vermögen an den Altbesitz ankristallisiert habe. Hier entstehe das umfassende Problem der Marktwirtschaft. Eine Besteuerung des Gewinns sei entgegen der Bemerkung Karrenbergs jedenfalls teilweise nicht abwälzbar. P r o f . D r . M ü l l e r . - A . betonte in Übereinstimmung mit Donath und Suppert, der Lastenausgleich müsse in Bezug zu der von ihm wiederholt vorgeschlagenen sozialen Marktordnung gebracht werden. Ein Lastenausgleich müsse bei falscher Politik hinsichtlich des Gesamtvorganges der Kapitalbildung unzureichend bleiben. Er wies desweiteren darauf hin, dass die kürzlich zwischen den Vertretern der Industrie und der Bonner Regierung vereinbarte Investierung von einer Million DM für die Grundindustrie hier einen Anfang zum Besseren darstelle. Er betonte noch einmal, auf allen Gebieten, auf denen Preisstop vorliege (Landwirtschaftliche Erzeugnisse und Mietstop), könnten die von der Bonner Regierung vorgesehenen Sätze nicht mehr ausgeweitet werden. Er machte darauf aufmerksam, dass aus der Geschichte der Finanzwirtschaft hervorgehe,

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dass echte Vermögensabgaben immer gescheitert sind. Er bat zu berücksichtigen, dass durch sie ein Marktdruck entstehe, wenn die auf solche Weise in Anspruch genommenen Vermögensteile auf den Markt kämen. Die Werte des Hausrats seien vielfach nicht feststellbar. P r o f . D r . M ü l l e r - A . empfahl, durch das Lastenausgleichsgesetz Anreize für reale Ausgleiche zu geben. O K R R a n k e bat, eine Erhöhung der Hausratshilfe nicht durch eine Hausratsabgabe, sondern durch die im übrigen vorgeschlagene Ausweitung der Aufbringung zum Lastenausgleich ins Auge zu fassen. F r a u S t a e v e n betonte hinsichtlich des Verhältnisses von Lastenausgleich und Wehrbeitrag das Vorgehen der Lastenausgleichsleistungen. P f r . S p i e g e l - S c h m i d t wünschte neben einer Erhöhung der Hausratsentschädigung und einer Ausweitung des Aufkommens für den Lastenausgleich eine durchgreifende Wohnraumhilfe. Das Wort „endgültiger Lastenausgleich“ lenke von der Notwendigkeit ab, den Lastenausgleich lediglich als eine Maßnahme in einer Kette von Maßnahmen zu sehen, die ausserhalb des Lastenausgleichs auch in Zukunft noch das Vertriebenenproblem berücksichtigen müssten. Er betonte noch einmal die psychologische Notwendigkeit einer Heranziehung des verbliebenen Hausrats angesichts der Lage der Vertriebenen. Prof. Dr. Müller-Armack betonte, man solle immerhin das Prinzip der „Vorläufigkeit“ des endgültigen Lastenausgleichs nicht zu sehr in den Vordergrund stellen. Die Klugheit gebiete, die Atmosphäre zu entgiften und zu beruhigen. Das Gesetzeswerk selbst müsse endgültig werden und doch dabei Erweiterungen in ganz anderer Form offen lassen. D e k a n A m m l e r bezeichnete Maßnahmen zur Hebung der Steuermoral und zur Verhinderung der Abwälzung des Lastenausgleichs als wünschenswert. O K R R a n k e führte aus, der Kristallisationspunkt für die Selbstfinanzierung seit 1945 seien weithin zweifelhafte Hortungsgewinne gewesen. Dieser Gesichtspunkt erhöhe die Notwendigkeit, die neu erfolgte Kapitalbildung zum Lastenausgleich heranzuziehen. Er regte an, im Anschluss an die Erfahrungen in der Ostzone im Rahmen des Gesamtkomplexes Lastenausgleich sich eingehend mit den Fragen einer Bodenreform zu befassen. P r o f . D r . M ü l l e r - A . meinte dagegen, die Hortungsgewinne seien an dem im Prozess der Marktwirtschaft entstandenen Kapitalzuwachs nur im beschränkten Masse beteiligt gewesen. Die Vermögensneubildung müsse intakt gehalten werden. Das könne durch ein System von Anreizen geschehen. Die Besteuerung sei jetzt schon an ihrer Grenze. Das Problem sei, dass, etwa im Sinne seiner Vorschläge an die Wirtschaftsminister, die Bildung kleineren und mittleren Vermögens gefördert werden könne. (Prämierung von Kleinspa-

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ren, Standardgüter. Ad Hausratshilfe: Massenangebot billiger Möbel). Im Wohnungsbau hätten sich in der Tat Entwicklungen gezeigt, die nicht im Sinne eines Lastenausgleichs lägen. Der Gesetzgeber habe hier schlecht gearbeitet. Auf weitere Fragen von Donath, Suppert und Ranke betonte Prof. Dr. Müller-A., Zwangssparen werde für die Kapitalbildung nicht den nötigen Ertrag liefern. Allerdings aber sei die gegenwärtige Marktwirtschaft nicht ideal. Sie müsse zu einer s o z i a l e n M a r k t w i r t s c h a f t gewandelt werden. Die Erfassung der zusätzlichen Einkommen werde durch erhöhte Umsatzsteuern erfolgen müssen. Man solle sich auch angesichts grosser veröffentlichter Ziffern auf dem Sektor der Selbstfinanzierung nicht verhehlen, dass in diesen Ziffern sehr beträchtliche Kapitalbildung der öffentlichen Hand und über die Banken steckten. Die Beträge ausgewiesener Selbstfinanzierung schätzt er auf 3–4 Milliarden. Angesichts dieser Summe aber sei zu berücksichtigen, dass die Betriebe sie nicht ausschütten könnten. Die in Angriff genommene Erweiterung der Grundstoffindustrie biete im Zusammenhang der obigen vorgeschlagenen Massnahmen wohl die beste Möglichkeit der Kapitalbildung, auch bei den Vertriebenen. Eine zwangsmässige Regulierung der Preise werde nur den Schwarzmarkt und die Illegalität fördern. Die Diskussion wurde daraufhin um 17 Uhr geschlossen. Prof. Dr. Müller-A. musste die Sitzung verlassen. Ein aus den Herren Donath, Spiegel-Schmidt, Suppert und Ranke bestehender Redaktionsausschuss formulierte den Entwurf eines ratsamen Gutachtens, der in der anschliessenden Diskussion die in der Anlage III88 beiliegende Fassung erhielt und in Abwesenheit von Prof. Müller-A. einstimmig angenommen wurde. Die Kammer befasste sich dann mit Arbeiten für die Zukunft und fasste auf Vorschlag von Ranke und Donath ins Auge, sich nächstens bevorzugt zu widmen den Thesen über das Eigentum von OKR Osterloh, die nach Durchberatung und evtl. Änderung zu einem ratsamen Gutachten für den Rat der EKD erhoben werden sollten, der Frage des Baurechts (Baugesetzentwurf von Dittus und in diesem Zusammenhang besonders der Erfassung des Wertzuwachses am Grund und Boden). Diese Frage wird von OKR Ranke in Sachverständigenbesprechungen in Bonn z. Zt. gefördert; der Frage der Familienausgleichskassen, die in diesem Jahr noch das Parlament beschäftigen wird. OKR Ranke wurde gebeten, sich im Arbeitsministerium in diese Frage einzuschalten. Es wurde in Aussicht genommen, die verschiedenen Arbeiten der Arbeitskreise für Sozialfragen (u. a. Müller-A.: Verantwortliche Gesellschaft,

88 Vgl. 22E12.

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Heyde: Sinn der Arbeit) durch Referate ihrer Leiter in der Kammer zusammen zu fassen. OKR Ranke wurde gebeten, sich mit dem Abg. Preller (SPD), der um eine Stellungnahme der EKD zu den von seinem Arbeitskreis über „Staat und soziale Autonomie“ gebeten hat, in Verbindung zu setzen. Die Sitzung wurde um 22.30 durch den von Herrn Dr. Karrenberg gehaltenen Abendsegen geschlossen. gez. Ranke

22E11. Entwurf für ein Schreiben des Ratsvorsitzenden an den Bundeskanzler, den Bundesminister für Finanzen, den Bundesminister für Vertriebene, den Vorsitzenden des Lastenausgleichsausschusses, die Mitglieder des Bundestages und den Präsidenten des Bundesrates. O. O., o. D. F: EZA Berlin, 2/2141 (D). – Abdruck: KJ 1951, S. 182f.; F. Merzyn, Kundgebungen, S. 120f.; Evangelische Welt 5, 1951, S. 510_89. Betrifft: Lastenausgleich. Sehr verehrter Herr Bundeskanzler (Herr Bundesminister pp.)! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Not aller derer, die in unserem Volke bisher stellvertretend über das Maß hinaus an der wirtschaftlichen Last des vergangenen Krieges tragen, veranlaßt uns, zu den Fragen das Wort zu nehmen, die durch das in Vorbereitung befindliche Gesetz über einen allgemeinen Lastenausgleich aufgeworfen worden sind. Wir sind dankbar für die Mühe und Sorgfalt aller, die an verantwortlicher Stelle bisher in den Beratungen über dieses Gesetz gestanden haben. Wir bitten, das Gesetz möglichst rasch zu verabschieden. Die Not, der das Gesetz steuern will, ist unabsehbar und drängend. Es erscheint uns zweifelhaft, ob der Gerechtigkeit mit den bisher im Entwurf vorgesehenen Mitteln Genüge gegeben werden kann. Wir befürchten, daß eine unzureichende Regelung im Lastenausgleichsgesetz zu einer Verschärfung der Gegensätze zwischen den Geschädigten und den Verschonten und damit zu einer weiteren Erschütterung des Vertrauens führen wird. 89 Abgedruckt wurde die wörtliche Wiedergabe dieses Entwurfes mit der Anrede „An den Bundeskanzler, die zuständigen Ministerien und die Bundestagsabgeordneten“; vgl. dazu F. MERZYN, Kundgebungen, S. 120.

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Aus diesem Anlaß bitten wir, die Frage erneut zu prüfen, in welcher Richtung das Aufkommen für den Lastenausgleich ausgeweitet werden kann und ob nicht bei einigen Bereichen, zum Beispiel beim privaten Althausbesitz, eine soziale Überbelastung eintreten wird. Die Solidarität unseres Volkes erfordert fühlbare Opfer von allen seinen Gliedern. Wir halten eine weitgreifende Vermögensumschichtung für unerläßlich. Wir haben uns nicht davon überzeugen können, daß der vorliegende Entwurf eines Lastenausgleichsgesetzes dieser Notwendigkeit genügend Rechnung trägt. Soweit eine Ertragsbelastung in Frage kommt, bitten wir ferner, verantwortlich zu prüfen, in welchem Umfang das w a c h s e n d e Volksvermögen und Volkseinkommen für den Lastenausgleich mit herangezogen werden kann. Dabei bitten wir zu erwägen, ob nicht die Aufbringung der Mittel für den Lastenausgleich, ebenso wie ihre Verteilung, sozial gestaffelt werden sollte. Wir regen an, die Frage der Sicherung der Lastenausgleichsempfänger gegenüber etwaigen Kaufkraftminderungen sorgfältig zu prüfen. Steigerungen des allgemeinen Lebensniveaus dürften nicht einseitig auf die Lastenausgleichsempfänger abgewälzt, sondern müßten unseres Erachtens wie bei den Sozialrentnern und Kriegsopfern aus Mitteln des allgemeinen Haushalts und nicht aus den Vermögensabgaben, die zum Wiederexistenzaufbau allein benutzt werden sollten, genommen werden90. Schließlich bitten wir zu prüfen, wie weit die Aufbringung des Lastenausgleichs durch wirksame Anreize ausgestaltet werden kann, um durch das neu geschaffene Instrument des Wohnungseigentums dem Geschädigten Wohnungseigentum zu beschaffen. Desgleichen sollte die Wohnraumhilfe so ausgestaltet werden, daß der Geschädigte Eigentum an den neugebauten Wohnungen erwerben kann. Wir wären um des guten Gewissens derer willen, die in den vergangenen Jahren ihr Eigentum erhalten haben, dankbar, wenn diese Gedanken bei der Arbeit an dem Gesetz über den Lastenausgleich Berücksichtigung finden würden.

90 Der vorangehende Absatz wurde nicht aus dem Kammergutachten übernommen, sondern entspricht wörtlich einem schriftlichen Änderungsvorschlag Kunzes vom 3. Juni 1951 (EZA BERLIN, 2/2141).

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22E12. „Ratsames Gutachten der Kammer für Soziale Ordnung vom 16. Mai 1951 zu einem Schreiben des Rates der EKD an die Mitglieder des Bundestages und des Bundesrates“. [Königswinter, 16. Mai 1951] F: EZA Berlin, 2/2141 (D). – Abdruck: G. Riedner, Kammer, S. 164f. Um der Würde der Menschen willen, die in unserem Volke stellvertretend über das Maß bisher an der wirtschaftlichen Last des vergangenen Krieges tragen und um des guten Gewissens derer willen, die ihr Eigentum in den vergangenen Jahren erhalten haben, hat sich der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland in seiner Sitzung vom . . . erneut mit den Fragen befasst, die durch das in Vorbereitung befindliche Gesetz über den Lastenausgleich aufgeworfen worden sind. Wir sind dankbar für die Mühe und Sorgfalt aller, die an verantwortlicher Stelle bisher in den Beratungen über dieses Gesetz gestanden haben. Wir bitten, das Gesetz möglichst rasch zu verabschieden. Die Not, der das Gesetz steuern will, ist unabsehbar und drängend. Es erscheint uns zweifelhaft, ob der Gerechtigkeit mit den bisher im Entwurf vorgesehenen Mitteln Genüge gegeben werden kann. Wir befürchten, dass eine unzureichende Regelung im Lastenausgleichsgesetz zu einer Verschärfung der Gegensätze zwischen den Geschädigten und den Verschonten und damit zu einer weiteren Erschütterung des Vertrauens führen wird. Aus diesem Anlass bitten wir, die Frage erneut zu prüfen, in welcher Richtung das Aufkommen für den Lastenausgleich ausgeweitet werden kann. Die Solidarität unseres Volkes erfordert fühlbare Opfer von a l l e n seinen Gliedern. Wir halten eine weitgreifende Vermögensumschichtung für unerlässlich. Wir haben uns nicht davon überzeugen können, dass der vorliegende Entwurf eines Lastenausgleichsgesetzes dieser Notwendigkeit genügend Rechnung trägt. Soweit eine Ertragsbelastung infrage kommt, bitten wir ferner, verantwortlich zu prüfen, in welchem Umfang das w a c h s e n d e Volksvermögen und Volkseinkommen für den Lastenausgleich mit herangezogen werden kann. Dabei bitten wir, zu erwägen, ob nicht die Aufbringung der Mittel für den Lastenausgleich, ebenso wie ihre Verteilung, sozial gestaffelt werden kann. Wir regen an, Sicherungen vorzusehen, durch die im Interesse der Lastenausgleichsempfänger etwaige Kaufkraftminderungen ausgeglichen werden können. Wir bitten, erneut zu prüfen, ob nicht eine sozial gestaffelte Besteuerung erhaltenen Hausratsbesitzes für den Lastenausgleich in Betracht kommt. Schliesslich bitten wir, zu prüfen, wie weit die Wohnraumhilfe zur Beschaffung von Wohnungseigentum der Geschädigten verwandt werden kann.

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22E13. Schreiben Niemöllers an die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland. Hannover, 21. Dezember 1950 F: EZA Berlin, 2/951 (H). Betr.: Regelung des Übertritts von einer Kirche zur andern. Die Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland hat sich seit einiger Zeit mehrfach mit der Frage der kirchlichen Doppelmitgliedschaften befasst. Dabei wurde festgestellt, dass verschiedene Auffassungen darüber vertreten werden, ob eine Beseitigung der Doppelmitgliedschaften angestrebt werden kann und soll. Als besonderes Erschwernis einer Beseitigung von Doppelmitgliedschaften auch da, wo ihre Aufrechterhaltung sachlich nicht gerechtfertigt und allen Beteiligten unerwünscht erscheint, erweist sich oft die Tatsache, dass bei einem Übertritt die rechtlichen Bedingungen gegenüber der bisherigen Kirche nur durch einen förmlichen Austritt durch Erklärung vor weltlichen Behörden gelöst werden können. Es erschien dargebracht, zunächst zu erwägen, ob hier Abhilfe geschaffen werden kann, um eine Klärung der Kirchengliedschaft wenigstens in den Fällen zu ermöglichen, wo dem sachlich nichts entgegensteht. In der letzten Sitzung der Arbeitsgemeinschaft wurde daher folgender Beschluss gefasst: A.) Wir empfinden es in der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland als einen nicht der Sache entsprechenden und unwürdigen Zustand, dass bei einem Übertritt von einer Kirche zur anderen eine Austrittserklärung vor weltlichen Behörden notwendig ist, um den Übertritt nach aussen zu dokumentieren und ihm rechtliche Folgen im Verhältnis zur bisherigen Kirche zu geben. B.) Um diesen Zustand zu beseitigen, schwebt uns eine Regelung etwa nach folgenden Richtlinien vor: 1) Wer aus einer der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland oder dem Oekumenischen Rat der Kirchen angehörenden Kirche oder Freikirche zu einer anderen solchen Kirche oder Freikirche übertreten will, hat bei der Gemeinde, der er zukünftig angehören will, um seine Aufnahme nachzusuchen. Er hat hierbei ausdrücklich zu erklären, ob er den Wunsch hat, im Falle der Aufnahme aus seiner bisherigen Kirche oder Freikirche auszuscheiden. 2) Wenn die Gemeinde, an die das Aufnahmegesuch gerichtet ist, dem Gesuch stattzugeben beabsichtigt, so hat sie der bisherigen Gemeinde des Gesuchstellers hiervon schriftlich Kenntnis zu geben. 3) Die Aufnahme ist frühestens nach Ablauf von 1 Monat nach Absendung dieser Mitteilung an die bisherige Gemeinde zulässig.

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4) Hat der Gesuchsteller erklärt, dass er aus seiner bisherigen Kirche auszuscheiden wünscht, so hat die aufnehmende Gemeinde den Übertritt nach Vollzug der Aufnahme demjenigen Amtsgericht mitzuteilen, das nach den gesetzlichen Bestimmungen für die Entgegennahme einer Austrittserklärung zuständig wäre. 5) Diese Mitteilung an das Amtsgericht hat für das Verhältnis zur bisherigen Kirche des Übertretenden dieselben rechtlichen Folgen wie ein Austritt, wobei dieselben Fristen gelten, wie bei einem vor dem Amtsgericht erklärten Austritt. 6) Die Möglichkeit, den Übertritt durch Erklärung des Austritts gegenüber dem Amtsgericht und Neuanmeldung bei einer anderen Kirche zu vollziehen, wird durch diese Regelung nicht ausgeschlossen. C.) Wir bitten die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland um Prüfung und Stellungnahme, ob ihnen eine solche Regelung erwünscht und durchführbar erscheint, und ob sie bereit sein würden, den staatlichen Stellen gegenüber für eine solche Regelung einzutreten. Nach einem Gutachten des Kirchenrechtlichen Institutes in Göttingen91, das wir zu dieser Frage beschafft haben, erscheint es nicht ausgeschlossen, dass der Staat sich zu einer solchen Regelung bereitfinden könnte, die ja keine Einschränkung des Austrittsrechtes nach den bisherigen Bestimmungen bedeuten, sondern lediglich eine zusätzliche Möglichkeit für diejenigen eröffnen soll, für die gerade der bisher vom Gesetzgeber allein zugelassene Weg zur Lösung der rechtlichen Zugehörigkeit zu einer Kirche gefühlsmässige Hemmungen bereitet. Wir wären dankbar, wenn wir möglichst bald in den Besitz der dortigen Stellungnahme gelangen könnten. gez. D. Niemöller

91 Das Gutachten des Kirchenrechtlichen Instituts vom 27. Juni 1950 findet sich als Anlage zu einem Schreiben von Harlings an die Kirchenkanzlei – Berliner Stelle – vom 27. März 1951 (EZA BERLIN, 2/951).

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22E14. Entwurf für ein Schreiben der Kirchenkanzlei an die Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland. Hannover, 25. Mai 1951 F: EZA Berlin, 2/951 (O). Betr.: Übertritt von einer Kirche zur andern. Bezug: Dort. Schreiben vom 21. 12. 1950 – Nr. 29092. Die Vorschläge im dortigen vorgenannten Schreiben haben wir den Gliedkirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland zur Stellungnahme mitgeteilt. Darauf liegen nunmehr die Äusserungen aller Gliedkirchen vor mit Ausnahme von Sachsen/Provinz, Hannover, Baden, Mecklenburg und Eutin. Zustimmend haben sich folgende Gliedkirchen geäussert: Brandenburg, Schleswig-Holstein, Oldenburg, Anhalt, Bremen, Lippe (Detmold), Lübeck. Ablehnend sind die Äusserungen folgender Gliedkirchen: Pommern, Schlesien, Westfalen, Rheinland, Sachsen/Land, Württemberg, Hessen und Nassau, Bayern, Thüringen, Kurhessen-Waldeck, Hamburg, Pfalz, Braunschweig, Reformierte Kirche in Nordwestd. (Aurich), Schaumburg-Lippe. Die Bedenken dieser Gliedkirchen beruhen in der Hauptsache auf folgenden Gründen: 1.) Man ist der Auffassung, dass derjenige, der ernsthaft und aus guten Gründen zum Übertritt entschlossen ist, sich nicht zu scheuen braucht, diese Absicht zunächst gegenüber dem Pfarrer seiner bisherigen Gemeinde zu erklären. Soweit dies nach staatlichen Gesetzen nicht verlangt werden kann, muss wenigstens eine persönliche Erklärung vor der staatlichen Behörde gefordert werden, um die Bedeutung dieses Schrittes deutlich zu machen. Die im dortigen Schreiben vorgeschlagene Regelung wird demgegenüber als eine Erleichterung des Übertritts angesehen, die nicht der Wichtigkeit einer solchen Entscheidung entspricht. Die Umgehung der bisherigen Gemeinde, die praktisch vor vollendete Tatsachen gestellt werden soll, verleitet den Übertretenden zur Unaufrichtigkeit und ist mit der Gefahr der Proselytenmacherei verbunden. Die Grenzen zwischen Landes- und Freikirchen würden auf diese Weise zu flüssig werden, was nicht einem besseren Einvernehmen dienen, sondern im Gegenteil zu unliebsamen Auseinandersetzungen führen würde. 2.) Einige Gliedkirchen sind der Auffassung, dass, soweit es sich um die innerkirchlichen Wirkungen des Übertritts handelt, nur die Kirche 92 Vgl. 22E13.

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selbst durch ihre berufenen Organe darüber entscheiden kann, ob und wann ein Glied sich von ihr geschieden hat. Mit dieser Auffassung, die z. B. in der Evang.-luth. Kirche in der Verfassung verankert ist, würde die vorgeschlagene Regelung nicht in Einklang zu bringen sein. 3.) Die römisch-katholische Kirche würde sich an einer solchen Regelung keinesfalls beteiligen. Es ist aber kaum anzunehmen, dass sich der staatliche Gesetzgeber auf eine unterschiedliche Regelung des Übertritts je nach den beteiligten Kirchen einlassen würde. 4.) Solange Kirchensteuern erhoben werden, ist eine Mitwirkung des Staates unentbehrlich. Einige Gliedkirchen halten es daher geradezu für notwendig, dass der Aus- und Übertritt nur durch die persönliche Erklärung vor einer staatlichen Behörde bürgerlich rechtliche Wirkungen erlangen kann. Jeder Versuch, an der bestehenden Regelung Änderungen vorzunehmen, könnte dazu führen, dass der Staat aus diesem Anlass seine Mitwirkung überhaupt versagen würde. Dies würde mit Rücksicht auf die nun einmal bestehende rechtliche Struktur der Landeskirchen nach der Auffassung einzelner Gliedkirchen untragbar sein. Die Form der Ablehnung ist bei den meisten Gliedkirchen so entschieden, dass nicht damit gerechnet werden kann, eine Änderung dieser Auffassungen durch Verhandlungen herbeizuführen. Wir halten es daher für ausgeschlossen, dass die Evangelische Kirche in Deutschland der vorgeschlagenen Regelung zustimmen kann. (Präsident D. Brunotte)

22E15. Schreiben Herrenbrücks an Niesel. Leer, 18. April 1951 F: LKA Detmold, Dep. Archiv Ref. Bund, Nr. 347 (O). Lieber Bruder Niesel! Auf Ihre Bitte hin habe ich mir das Eidproblem neu durch den Kopf gehen lassen und bin dabei zu folgendem Ergebnis gekommen: In der Frage des rechten Eidesverständnisses und -verhaltens nutzen wir selbstverständlich die Erfahrungen des Kirchenkampfes aus. Die Grundsätze, von denen wir uns bei der Behandlung der Eidesfrage leiten lassen, sind ausschliesslich die Weisungen der Heiligen Schrift. Jede Erwägung zur Eidesfrage muss darum in der Substanz eine biblisch-theologische sein. Dies habe ich – um der Kürze der Zeit willen allerdings nur sehr flüchtig – in einigen Thesen durchzuführen gesucht (Anlage 193). 93 LKA DETMOLD, Dep. Archiv Ref. Bund, Nr. 347.

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Von diesen Erwägungen her ist zunächst zu dem konkreten Anlass dieser Diskussion Stellung zu nehmen. Darum habe ich weiterhin den Entwurf für eine Antwort an Schnittger skizziert (Anlage 294). Aus diesem Entwurf geht hervor, dass mir eine Erklärung des Moderamens zum Eidproblem erforderlich zu sein scheint. In der Tat können wir nicht früh genug Buhnen bauen, an denen sich drohende Fluten brechen sollen. Ein Entwurf hierfür ist in Anlage 395 beigefügt. Um Nägel mit Köpfen zu machen, müssen wir alsbald diese Erklärung urbi et orbi bekannt geben. Sie muss nicht nur in die kirchliche und möglichst auch in einen Teil der weltlichen Presse lanciert, sondern auch den Ländern und dem Bund formell zur Kenntnis gebracht werden. Ein Anschreiben für letzteres liegt im Entwurf in Anlage 496 vor. Vor allem aber scheint mir notwendig, den Rat der EKD mobil zu machen, seinerseits sich mit dem Problem zu befassen und eine „authentische Interpretation“ herauszubringen, die „ein Ende alles Haders“ macht (Entwurf des Anschreibens hierzu in Anlage 597). Wir sollten uns nicht darauf einlassen, die Eidproblematik zu dramatisieren. Wenn wir gleich zu Beginn des Tumultes mit einer eindeutigen Stellungnahme an die Oeffentlichkeit treten, ersparen wir uns später viel unnützen Aerger. Die mir zugesandten Anlagen sende ich gleichzeitig zurück, damit Sie für die Sitzung nächste Woche das gesamte Material vollständig haben. Mit herzlichen Grüssen! Ihr Walter Herrenbrück [m. p.] 22E16. Eingabe Schnittgers an das Moderamen des Reformierten Bundes. [Detmold, 12. April 1951] F: LKA Detmold, Dep. Archiv Ref. Bund, Nr. 347 (D). Seelsorge und Beamteneid Die Frage des Beamteneides ist in Nordrhein-Westfalen zunächst aus schulpolitischen Gründen brennend geworden. Aber die schulpolitische Not veranlasste eine Anzahl christlicher Lehrer, sich auf die grundsätzliche Bedeutung des Eides zu besinnen. Sie fragen, was die evangelische Kirche 94 95 96 97

EBD. EBD. EBD. EBD.

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auf Grund der Bibel dazu sagt, dass den Beamten befohlen wird, wieder einmal einen Eid auf eine Landesverfassung zu schwören. Diese Fragen haben uns als Seelsorger in Verlegenheit gebracht und wir haben das Moderamen der reformierten Kirche um Rat gebeten. Diese Beratung ist noch nicht erfolgt, weil zunächst eine Aussprache über den Eid in der „Reformierten Kirchenzeitung“ stattfinden sollte. So war in der Nummer vom98 unsere erste Stellungnahme zu lesen und in der Nummer vom 1. 3. 1951 folgten die Beiträge von E. Herlyn und W. Kolfhaus. Unsere Verlegenheit ist aber bis jetzt noch bestehen geblieben. Es ist offenbar von außen her schwer, sich in die Fragestellung unserer Beamten richtig hineinzudenken. Sie haben keine Bedenken, etwa vor Gericht einen Eid für die Wahrheit ihrer Aussagen zu leisten. Der Wahrheitseid wird schwerlich mit Gottes Willen in Konflikt geraten können. Der Beamteneid als Treueid richtet sich aber auf die unbestimmte Zukunft und kann wie eine Blankovollmacht verstanden oder mißverstanden werden. Wir zählen hier die 4 wichtigsten Punkte auf, für die wir gern theologische Beratung hätten: Unsere Gemeindeglieder kommen zu uns mit dem Verdacht, dass es sich bei dem ihnen befohlenen Eid um einen Mißbrauch des Namens Gottes handelt. Da man vorsichtig geworden ist durch die Erfahrungen unter dem Nationalsozialismus, so überlegt man, ob hier der Staat nicht wieder getarnt das Gleiche tut, was schon einst Nebukadnezar nach Daniel Kap. 3 tat, als er ein Bild setzen ließ, vor dem alle niederfallen sollten. Man bezweifelt mit guten Gründen, dass der Staat mit diesem Eid der Ehre des dreieinigen Gottes dienen will. Vielmehr wird vermutet, dass er seine eigene Ehre und die Ehre seiner in der Verfassung verkörperten Ideologie meint. Unsere Gemeindeglieder möchten wissen, wie es zu verstehen ist, dass weder im Alten noch im Neuen Testament von Beamten oder Soldaten ein Eid auf den König oder seine Obrigkeit gefordert wird. Zwang zur Vereidigung und Massenvereidigungen liegen dem biblischen Denken offenbar ganz fern. Ist es nicht nur unsere staatskirchliche Tradition, die die Theologen immer wieder dazu verleitet, mit indirekten Beweisführungen es als schriftgemäß zu erklären, wenn Staaten Beamteneide oder Fahneneide gesetzlich vorschreiben? W. Kolfhaus zeigt, wie im Genf Calvins im Verständnis des Treueides die übereinstimmten, die den Eid forderten und die, die ihn zu leisten hatten. Diese Übereinstimmung über die Würde und die Grenze des Eides, wo ein Befehl Gottes entgegensteht, fehlt aber heute und kann auch wohl

98 An dieser Stelle fehlt eine Angabe.

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bei dem heutigen Selbstverständnis der Staaten nicht bestehen. Unklar erscheint unseren Beamten, was der Eid auf die Verfassung ihnen inhaltlich für Bindungen auferlegt. Fordert er nur die üblichen Tugenden wie Treue, Redlichkeit, Unparteilichkeit, Verschwiegenheit u. a., dann dürfte ein einmaliger Eid bei der Einsetzung als Beamter genügen. Der Beamteneid wäre dann mit der kirchlichen Ordination zu vergleichen. Oder bedeutet der Schwur auf die Verfassung doch eine innere Zustimmung zu ihren Bestimmungen? Der Lehrer fragt genauer, ob er nun eintreten müsse für die Schulartikel der Verfassung, von denen er überzeugt ist, dass sie ein Unglück für die Schule sind. Darf ein Christ wirklich den Namen Gottes anrufen für eine ungeklärte Sache, bei der sich noch jeder denkt, was er will? E. Herlyn gibt den Rat, der christliche Beamte solle dem Staat gegenüber fragen: „Bist du damit einverstanden, wenn ich hiermit erkläre, dass das, was ich aussage, die Wahrheit ist?“ auch ohne Eid. „Wenn die Obrigkeit sich aber nicht einverstanden erklärt, das heißt, faktisch nicht an die Gegenwart Gottes durch dies einfache Zeugnis eines Christenmenschen glaubt, so darf und muß die Herrschaft Jesu Christi durch einen Eid deutlich gemacht werden.“ Wenn wir diesen Rat Herlyn’s unsern Beamten weitergeben, so werden sie uns fragen, ob nun jeder christliche Beamte so bei seiner zuständigen Dienststelle vorstellig werden soll, oder ob nicht vielmehr die Kirche selbst die Pflicht habe, dies grundsätzliche Gespräch mit dem Staate zu führen. Der Beamte wird es auch bezweifeln, ob wirklich die Herrschaft Jesu Christi deutlich gemacht wird, wenn er schließlich doch den Eid auf die Verfassung leistet, oder ob nicht vielmehr die Herrschaft des Staates deutlich wird, der die aus dem Amte bringen kann, die von solchen lästigen Gewissensbedenken geplagt werden. Schnittger

22E17. Niederschrift des Bundesministeriums des Innern „über eine Besprechung am 30. 4.1 951 im Regierungspräsidium Koblenz wegen der Bestimmung eines Gedenktages für die Opfer des Krieges“. Bonn, 10. Mai 1951 F: EZA Berlin, 2/4416 (H). An der Besprechung nahmen teil: – Prälat Dr. Lenné – als Vertreter des Vorsitzenden der Fuldaer Bischofskonferenz S. E. Kardinal Frings – O. K. R. Osterloh – Kirchenkanzlei der Evangelischen Kirche in Deutschland, Hannover

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– v. Lützau – Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, Bundesge-

schäftsstelle Nienburg – v. Béguelin – Beauftragter des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfür-

sorge, Bonn Runge – Arbeitsgemeinschaft verfolgter Sozialdemokraten Dr. Mayer – Bayerisches Staatsministerium des Innern MR. Dr. Ballerstaedt – Innenministerium Nordrhein-Westfalen Senatspräsident Dr. Meyer-Hentschel – Innenministerium RheinlandPfalz – ORR. Breull – Bundesministerium des Innern als Verhandlungsleiter. – – – –

Gegenstand der Besprechung bildete der Beschluß der Arbeitsgemeinschaft der Innenministerien der Bundesländer vom 3. 4. 1951. Ziffer I: „Die Arbeitsgemeinschaft der Innenministerien der Bundesländer bittet das Bundesministerium des Innern, die katholische und die evangelische Kirche, die Verfolgten-Organisationen und den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge zu einer gemeinsamen Aussprache zu bitten, in der versucht werden soll, eine einheitliche Auffassung über die Festlegung eines Sonntags in der stillen Jahreszeit als Gedenktag für die Opfer des Krieges herbeizuführen. Ziffer IV: Die Festlegung des Gedenktages für die Opfer des Krieges soll nach Anhörung der in Ziffer I dieses Beschlusses genannten Organisationen erfolgen. Falls in der gemeinsamen Besprechung keine Einigung erzielt wird, soll die Angelegenheit im Ausschuß des Bundesrates für innere Angelegenheiten zur Entscheidung gestellt werden.“ Nach einer Begrüßung der Teilnehmer an der Besprechung gab ORR. Breull den vorstehenden Beschluß der Arbeitsgemeinschaft bekannt und führte hierzu aus: Die Bemühungen der Bundesregierung und der Länder, einen allgemeinen Gedenktag für die Opfer des Krieges zu schaffen, hätten in der Vergangenheit zu keinem befriedigenden Erfolg geführt. Im vergangenen Jahr habe die Bundesregierung den Versuch unternommen, am „Nationalen Gedenktag des deutschen Volkes“ (7. September) der Opfer des Krieges zu gedenken. Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge habe seine Gedenkfeiern am Sonntag Reminiscere veranstaltet. Bayern habe im vergangenen Jahr am 1. Sonntag im September einen Gedenktag für die Opfer des Krieges begangen. Nach Ansicht der Arbeitsgemeinschaft der Innenministerien der Bundesländer sei es notwendig, eine Verständigung über einen allgemeinen Gedenktag herbeizuführen. Wenn auch Einmütigkeit darüber bestehe, daß dieser Tag nicht konfessionell oder parteipolitisch gebunden sein dürfe, so sei es doch erforderlich, einen Tag zu wählen, der nicht von vornherein den Widerspruch bestimmter Kreise

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hervorrufe. Dies sei beispielsweise von seiten der evangelischen Kirche hinsichtlich des Sonntags Reminiscere der Fall, gegen den auch sonst infolge der Umdeutung durch den Nationalsozialismus als Tag der Wiedereinführung der Wehrmacht Einwendungen erhoben würden. Die Arbeitsgemeinschaft sei daher der Ansicht gewesen, es solle eine Verständigung mit allen an der Bestimmung eines Volkstrauertages interessierten Kreisen gesucht werden. Der Tag solle in die „stille Zeit“ des Jahres gelegt und von den Ländern mit einem besonderen Schutz ausgestattet werden. Der Vertreter des Volksbundes, v. Lützau, wies darauf hin, daß der Volksbund seine Gedenkfeiern seit etwa 30 Jahren am Sonntag Reminiscere begangen habe, wenn er auch zugeben müsse, daß der ursprüngliche Inhalt des Tages zeitweilig zu politischen Zwecken verfälscht worden sei. Die Leitung der evangelischen Kirche habe sich gegen den Sonntag Reminiscere aus liturgischen Gründen gewandt. Die Erfahrung habe jedoch gezeigt, daß bei den Kirchengemeinden diese Bedenken nicht beständen. Er vermöge daher nicht einzusehen, warum man nicht am Sonntag Reminiscere festhalten wolle. O.K.R. Osterloh begründete die ablehnende Stellungnahme der E.K.D. hinsichtlich der Gedenkfeiern am Sonntag Reminiscere. Der evangelischen Kirche sei eine Teilnahme an den Veranstaltungen am Sonntag Reminiscere nicht möglich, da die Kirche nicht auf einen Teil der Verkündung in der Passionszeit verzichten könne. Es sei daher auch nicht anzunehmen, daß der Rat der E.K.D. seinen Beschluß aufgeben würde, nach dem der Sonntag Reminiscere als Gedächtnistag für die Gefallenen ungeeignet sei. Da in einzelnen Gemeinden eine starke persönliche Verbundenheit zwischen der Kirche und den Kreisen des Volksbundes bestehe, sei der Widerstand gegen den Sonntag Reminiscere in einigen Kirchengemeinden nicht so deutlich hervorgetreten. An dem grundsätzlichen Beschluß des Rates der E.K.D., hinter dem alle Landeskirchen und damit alle führenden evangelischen Kreise ständen, ändere sich aber hierdurch nichts. Die E.K.D. bringe dem Anliegen des Volksbundes durchaus Verständnis entgegen, sie bitte jedoch darum, einen Tag zu bestimmen, an dem sie sich unbefangener beteiligen könne als an dem Sonntag Reminiscere. Es sei mit Sicherheit anzunehmen, daß auch die Landgemeinden zufrieden seien, wenn ein solcher Gedächtnistag in der „stillen Zeit“ des Jahres begangen würde. Prälat Dr. Lenné erklärte, daß die endgültige Stellungnahme der katholischen Kirche der Bischofskonferenz vorbehalten bleiben müsse. Die katholische Kirche sei an der Einführung eines Volkstrauertages im Sinne des kirchlichen Lebens nicht interessiert. Sie begehe den Allerseelentag, an dem auch der Opfer des Krieges gedacht werde. Daneben würde eine besondere kirchliche Veranstaltung kaum in Betracht kommen. An einem Sonntag sei jedenfalls eine Feier in schwarz aus liturgischen Gründen

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ausgeschlossen. Die Bestimmung eines Volkstrauertages in der Nähe von Allerseelen sei nicht zweckmäßig. Herr Runge vom Bund der verfolgten Sozialdemokraten wies darauf hin, daß es im Interesse der Verfolgtenorganisationen liege, wenn die Opfer des Nationalsozialismus in die Gedenkfeiern miteinbezogen würden. Wegen der Festlegung des Termins beabsichtige er von sich aus keine Vorschläge zu machen. An die Äußerungen schloß sich eine eingehende Aussprache an, in der MR. Ballerstädt darauf aufmerksam machte, daß die Bestimmung des Gedenktages, wenn sich eine Einigung nicht erzielen lasse, durch den Staat erfolgen werde. Senatspräsident Dr. Meyer-Hentschel schlug vor, als Gedenktag den Totensonntag zu wählen. Sollte eine Verständigung hierüber nicht erzielt werden können, bringe er den Buß- und Bettag in Vorschlag. Die Vertreter des Volksbundes sprachen sich gegen den Totensonntag als Gedächtnistag aus, da dieser Tag zu stark konfessionell bestimmt sei. Diese Bedenken würden gegen den Buß- und Bettag, der als weltlicher Feiertag eingeführt wurde, nicht in dem Umfang bestehen. Von seiten des Vertreters der evangelischen Kirche wurde der Vorschlag, den Totensonntag als Gedenktag zu bestimmen, begrüßt. Die evangelische Kirche würde sich aber auch mit dem Buß- und Bettag einverstanden erklären können. Nach Ansicht von Prälat Dr. Lenné sei anzunehmen, daß bei der grundsätzlichen Einstellung der katholischen Kirche Einwendungen gegen diese Vorschläge nicht erhoben werden, wenn auch die katholische Kirche einem Gedenktag am Totensonntag den Vorzug geben würde. Als Ergebnis der Besprechung kann der Wunsch aller Beteiligten festgestellt werden, in gegenseitiger Rücksichtnahme eine für die Belange des Volksbundes, der Kirchen und der Verfolgtenorganisationen tragbare Lösung zu finden. Hiernach kommt als Gedenktag in erster Linie der Bußund Bettag in Betracht. Die Gedenkfeier soll erstmalig im Jahre 1951 begangen werden. Die anwesenden Vertreter der Kirchen, des Volksbundes und der Verfolgtenorganisationen sagten zu, sich für die Bestimmung des Buß- und Bettages als Volkstrauertag bei den von ihnen vertretenen Körperschaften oder Organisationen einzusetzen. Als übereinstimmende Meinung wurde festgestellt, daß beabsichtigt ist, die Gestaltung des Volkstrauertages dem Volksbund im Zusammenwirken mit den übrigen beteiligten Organisationen zu überlassen. Es wurde in Aussicht genommen, daß das Bundesministerium des Innern den Ländern empfehlen wird, dem Tage einen besonderen Schutz durch Verbot von Tanzlustbarkeiten und dergl. zu verleihen. Auf diese Weise soll mit staatlicher Unterstützung für die Veranstaltung des Volkstrauertages unter Billigung der Kirchen, des Volksbundes und der Verfolgtenorganisationen die breite Basis ge-

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schaffen werden, die der Volksbund bei Einrichtung des Volkstrauertages angestrebt hat. Die anwesenden Vertreter sagten zu, dem Bundesministerium des Innern alsbald eine endgültige Stellungnahme der von ihnen vertretenen Körperschaften oder Organisationen mitzuteilen. gez. Breull

22E18. Mitschrift eines Vortrages Janders über die kirchliche Versorgung lager-, kasernen- oder heimmäßig untergebrachter evangelischer Jungmänner und Männer auf der 3. Kirchlichen Westkonferenz in Königswinter. Königswinter, 18./19. Mai 1951 F: EZA Berlin, 4/123 (H). 1) In dem Dasein dieses Männertypus wird ein menschlicher Sonder-, ja Notbereich gesehen, der sich ergibt aus folgenden Überlegungen: a) Durch d a s F e h l e n d e r F a m i l i e entsteht Isolation vom normalen Leben. b) Durch V e r l e g u n g s f ä h i g k e i t von einem Arbeits- oder Dienstplatz zum anderen wird der Entpersönlichung und Vermassung des Menschen starker Vorschub geleistet. c) Für viele Angehörige dieser Organisationen war und ist der Weg in diese Organisation hinein ein schicksalsbedingter W e g o h n e W a h l . Unbefriedigtsein und Komplexe sind daher oftmals zu beobachten. 2) Insbes. gehören die Angehörigen folgender Organisationen zu diesem Typus: a) German Service Organisation (GSO) im britischen Besatzungsgebiet b) In Labor Service Centers zusammengefasste Labor Service Companies der amerikanischen Besatzungszone c) Aufgestellte oder noch aufzustellende Bereitschaftspolizei (einschl. Polizeischulen) der Länder und des Bundes d) Der gegenwärtig in Verstärkung befindliche Zollgrenzschutz e) Von Landesregierungen oder anderweitig eingerichteter Arbeitsdienst oder aufgebaute Gilden f) Bergarbeiterwohnheime, Jugendwohnheime und ähnliche Heime für ledige Arbeiter. 3) Den Landeskirchenleitungen wird vorgeschlagen zuzustimmen, daß ein Pfarrer als Sekretär und Beauftragter aller westdeutschen Landeskirchen für diese Männerarbeit besonderen Typs berufen wird. Möglicherweise könnte ein bereits von einer Landeskirche mit dieser Arbeit beauftragter

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Pfarrer soweit entlastet werden, daß er die erforderliche Reisetätigkeit, Vortragsarbeit und Beratung der verschiedenen landeskirchlich verantwortlichen Stellen durchführen könnte. Dieser Pfarrer hätte etwa folgende Aufgaben: a) Beschaffung, laufende Ergänzung und Auswertung der Unterlagen aller bereits entstandenen, im Entstehen begriffenen oder zukünftigen Organisationen lager-, kasernen- oder heimmäßig untergebrachter junger Männer und Männer. b) Beratung, Anregung und laufende Berichterstattung über Möglichkeiten oder Stand der Seelsorge bei dieser Organisation selbst. c) Mithilfe zum Ingangkommen dieser Arbeit überhaupt und Mitwirkung bei der Auswahl der seitens der Landeskirchen einzusetzenden haupt- oder nebenamtlichen Geistlichen. Späterhin Einberufung gemeinsamer Konferenzen, Koordinierungsarbeit usw. d) Sicherstellung einer gleichmäßigen geistlichen Versorgung dieses besonderen Typs von Männern in a l l e n Landeskirchen. e) Einschleusung und damit Entisolierung dieser Arbeit in die laufende Öffentlichkeits- und Gesprächsarbeit der Kirche oder der kirchlichen Werke (z. B. Evang. Akademien, Männer-Bibelschulen, CVJM-Kurse usw.). 4) Diesem Pfarrer wäre eine gut qualifizierte Schreibkraft und ein Reiseetat zur Verfügung zu stellen. Die Finanzierung wird so gedacht, daß eine Landeskirche das Pfarrergehalt zu zahlen hätte, die übrigen Landeskirchen aber für einen Reiseetat von voraussichtlich 8.000,– DM jährlich aufkommen müssten. Die Verteilung dieser Kosten müsste nach dem üblichen Schlüssel erfolgen.

22E19. Entwurf Osterlohs für Richtlinien zur pfarramtlichen Versorgung und seelsorgerlichen Betreuung von lager-, kasernen- oder heimmäßig untergebrachten Männern im Bereich der EKD. [Hannover, 18. Oktober 1951] F: EZA Berlin, 2/1755 (O). Der Rat nimmt einen Bericht von Oberkirchenrat Osterloh über diese Arbeit entgegen und gibt seine Zustimmung zu folgenden Richtlinien: 1.) Grundsätzlich soll das örtlich zuständige Pfarramt (Gemeindeverband, Synode, Kirchenkreis) auch verantwortlich sein für die pfarramtliche Versorgung und seelsorgerliche Betreuung von Kasernen, Lagern und Heimen in seinem Bereich. Nur wo das Pfarramt nicht in der Lage ist, diese Aufgabe zu lösen, sollen dafür hauptamtliche Theologen eingesetzt werden. Dabei soll jedoch – abgesehen von besonderen

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Einrichtungen der Inneren Mission und des Ev. Hilfswerks – von der Bildung besonderer eigenständiger Gemeinden für diese Männer abgesehen werden. Vielmehr soll die Zuständigkeit der bestehenden landeskirchlichen Gemeinden (für Amtshandlungen, Kirchenbuchführung, Dimissoriale99 usw.) beachtet werden. 2.) Beauftragungen von hauptamtlichen Theologen mit dieser Spezialaufgabe sollen auf jeden Fall abhängig sein von der Zustimmung der zuständigen Landeskirchenleitung, in deren Bereich das Lager bzw. Heim liegt. 3.) Pfarrer sollen für diesen Spezialdienst grundsätzlich nur für eine begrenzte Zeit von ihrem bisherigen landeskirchlichen Dienst beurlaubt werden. Ihre Kirchenleitung soll disziplinarrechtlich für sie zuständig bleiben. 4.) Pfarrer in diesem Sonderdienst sollen auf keinen Fall unter den Zwang geraten, Uniform zu tragen. Sie sollen nicht nur bei Amtshandlungen die für ihre Landeskirche übliche Amtstracht tragen, sondern auch außerhalb der Amtshandlungen bezüglich ihrer Kleidung keiner anderen Ordnung unterworfen sein, als sie für ihre Landeskirche gilt. 5.) Es ist eine Aufgabe der Kirchenkanzlei, in Zusammenarbeit mit den zuständigen Landeskirchenleitungen diese besondere pfarramtliche Versorgung und seelsorgerliche Betreuung zu beobachten, und für die Zusammenfassung und Auswertung der auf diesem Gebiet kirchlicher Arbeit gemachten Erfahrungen zu sorgen. 6.) Der Rat beauftragt eine Kommission, bestehend aus Oberkirchenrat Herntrich, Pfarrer Münchmeyer, Superintendent Kunst, Propst zur Nieden und einem Theologen der Kirchenkanzlei, mit der Ausarbeitung von Grundsätzen für eine etwaige zukünftige Ausweitung dieser Arbeit.

22E20. Schreiben Grübers an Niemöller. [Berlin], 11. Juni 1951 F: EZA Berlin, 103/26, Bl. 3 (D). Lieber Bruder Niemöller! Die Frage der Zeugen Jehovas und der Pfingstbewegung haben mich sehr bewegt. Ich habe es bisher abgelehnt, irgend etwas für die Zeugen Jehovas zu tun, weil ihr ganzes Auftreten ja denkbar ungeschickt ist, um nicht zu sagen, aufreizend. Aus ihrer Unterstützung durch amerikanische Kreise 99 Entlassungsschein, den der zuständige Pfarrer einem Kirchenglied nach Abmeldung zur Vornahme einer Amtshandlung durch einen nicht zuständigen Pfarrer ausstellt.

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machen sie keinen Hehl. Ihre ganze Propaganda – man kann leider nicht sagen Mission – hat stark militaristische Formen. Ich weiss von der Widerstandskraft, die die Zeugen Jehovas bei den Nazis aufgebracht haben. Vielleicht entsinnen Sie sich noch, dass es in Dachau ein ernster [sic!] Bibelforscher war, der ihr Kalfaktor war und immer Nachrichten von Ihnen überbrachte. Anders liegt die Sache bei der Pfingstbewegung. Es handelt sich ja hier um eine Gemeinschaft, die den Bruch mit der Landeskirche noch nicht vollzogen hat. Ich habe an den Ministerpräsidenten Nuschke geschrieben und ihn gebeten, mir mitzuteilen, welche Gründe zu dem Verbot geführt haben. Irgendwelche Gründe werden ja vorgelegen haben, vielleicht Abhaltung von Andachten und Gottesdiensten in nichtkirchlichen Räumen oder ähnliches. Ich glaube, dass der Rat verpflichtet ist, diese Dinge einer ernsthaften Prüfung zu unterziehen. Mit freundlichen Grüssen von Haus zu Haus verbleibe ich Ihr

22E21. Schreiben Niemöllers an Grüber. Wiesbaden, 19. Juni 1951 F: EZA Berlin, 103/26, Bl. 5 (O). Lieber Bruder Grüber! Haben Sie Dank für Ihren Brief vom 11. Juni, in dem Sie mir zur Frage der Zeugen Jehovas und der Pfingstbewegung schreiben100. Ich bin gerade an den Ernsten Bibelforschern insofern interessiert, als ich es während meines Aufenthaltes in den Vereinigten Staaten erlebte, wie gelegentlich des Welttreffens der Zeugen Jehovas diese sonderbaren Heiligen in der ganzen Presse als Kommunisten und Volksverräter heruntergemacht wurden. Umso mehr überrascht es mich, wenn sie jetzt im Osten wiederum verfolgt werden und wenn sie in dem Ruf stehen, eine militaristische Propaganda zu betreiben. Zugleich aber wäre ich Ihnen – lieber Bruder Grüber – auch sehr dankbar, wenn Sie mir irgendwelche zuverlässigen Unterlagen vermitteln könnten, aus denen sich die Wandlung der Zeugen Jehovas mehr oder weniger einwandfrei ergäbe. Sie waren doch während des Dritten Reiches und auch noch vor einem Jahr in den Vereinigten Staaten absolut kriegsgegnerisch eingestellt, und ich kann mir kaum vorstellen, dass sich das geändert hat. Andererseits bin ich Ihnen sehr dankbar, dass Sie der Frage der Pfingstbewegung nachgehen und deswegen mit Nuschke Rücksprache halten 100 22E20.

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wollen. Wenn Ihre Ermittlungen zu Ende sind, so wäre ich Ihnen auch dankbar, wenn Sie etwa Bruder Dibelius zur nächsten Ratssitzung eine Anregung mitgeben wollten. Auf der Ratssitzung, an der ich zuletzt persönlich teilgenommen habe, hatte ich den Eindruck, dass Bischof Dibelius wenig Neigung hat, in diese Dinge einzusteigen. Dabei halte ich selber das für eine unbedingte Notwendigkeit. Mit freundlichen Grüssen von Haus zu Haus, wie stets Ihr M. Niemöller [m. p.]

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23 Elbingerode, 16. und 17. Juli 1951 Ort: Beginn: Ende:

Diakonissenhaus, Unter den Birken 1. Montag, 16. Juli 1951 (14.00 Uhr). Dienstag, 17. Juli 1951 (abends). Vom Rat: Dibelius, Hartenstein, Heinemann, Herntrich, Kreyssig1, Mager, Meiser, Niemöller, Niesel, Smend. Von der Kirchenkanzlei: Benn, Brunotte, Merzyn. Für das Kirchliche Außenamt: Bartelt, Schwarzhaupt, Stratenwerth. Bevollmächtigter des Rates der EKD bei der Regierung der DDR: Grüber. Protokollanten: Brunotte, Merzyn. 23A Vorbereitung der Sitzung

23A Vorbereitung der Sitzung 23A1. Schreiben der Kirchenkanzlei an das Evangelische Konsistorium Magdeburg. Hannover, 5. Juni 1951 F: EZA Berlin, 4/44 (D). Betr.: Ratstagung in Elbingerode. Bezug: Dortiges Schreiben vom 1. 3.2 und 15. 5. 513 – A-172/51 – II. – Wir bestätigen mit Dank den Eingang der beiden oben angeführten Schreiben und teilen mit, dass die Vorbereitungen zur nächsten Sitzung des Rates in Elbingerode von unserer Berliner Stelle durchgeführt werden. Wir bitten daher, sich mit der Berliner Stelle der Kirchenkanzlei in Verbindung zu setzen. In Vertretung: gez. Oberkirchenrat von Harling. Für den Abgereisten: Ueberschär [m. p.] Sekr.

1 Abwesend ab TOP 4. 2 EZA BERLIN, 4/44. 3 EBD.

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23. Sitzung Elbingerode, 16. und 17. Juli 1951

23A2. Schreiben der Kirchenkanzlei – Berliner Stelle – an die Kirchenleitung der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen. Berlin, 8. Juni 1951 F: EZA Berlin, 4/44 (O mit Paraphe Benns). Die nächste Sitzung des Rates der EKD soll am 16. und 17. 7. d. J. im Diakonissenhaus in Elbingerode stattfinden. Wir bitten annehmen zu dürfen, dass die Kirchenleitung oder das Büro des Herrn Präses Dr. Kreyssig sich dieserhalb mit dem Diakonissenhaus in Elbingerode in Verbindung setzen und die äussere Vorbereitung der Tagung in die Hand nehmen wird. Wegen der Aufenthaltsgenehmigung für die Teilnehmer aus Westdeutschland ist Herr Propst D. Grüber bei den zuständigen Zentralstellen hier vorstellig geworden. Für die etwa notwendigen Verhandlungen mit den örtlichen Stellen übersenden wir in der Anlage ein Verzeichnis der aus Westdeutschland zu erwartenden Teilnehmer mit den erforderlichen Personalangaben4. Eine etwaige Ergänzung des Verzeichnisses dürfen wir uns vorbehalten. 23A3. Schreiben des Ratsvorsitzenden an die Ratsmitglieder. Berlin, 19. Juni 1951 F: EZA Berlin, 4/44 (H). Hiermit lade ich die Herren Mitglieder des Rates zur nächsten Sitzung auf Montag den 16. und Dienstag den 17. Juli d. Js. in das Diakonissenhaus in Elbingerode/Harz ein. Da der Deutsche Evangelische Kirchentag in Berlin erst am 15. 7. endet, sollen die Beratungen am 16. Juli um 14 Uhr beginnen. Ich bitte, sich darauf einzurichten, daß die Sitzung den folgenden Tag noch voll in Anspruch nehmen wird. Die bisher vorgemerkten Beratungsgegenstände sind nachstehend angegeben5. gez. D. Dr. Dibelius.

4 EBD. 5 23A4.

23A Vorbereitung der Sitzung

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23A4. Beratungsgegenstände für die Sitzung des Rates der EKD am 16. und 17. Juli 1951. [Berlin, 19. Juni 1951] F: EZA Berlin, 4/44 (H; Anlage zu 23A3). 1. Inkraftsetzung des Kirchengesetzes über den Diakonischen Beirat und Bildung des Diakonischen Beirats. 2. Lage der Evangelischen in Spanien. 3. Lage der deutschen evangelischen Gemeinden in Italien. 4. Stellungnahme zur Frage des Beamteneides. 5. Ernste Bibelforscher und Pfingstbewegung. 6. Neuordnung der Frauenhilfsarbeit in den östlichen Gliedkirchen. 7. Verschiedenes.

23A5. Schreiben von Harlings an Benn. Hannover, 19. Juni 1951 F: EZA Berlin, 4/44 (O). Betr.: Tagesordnung für die nächste Ratssitzung. Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Der Ordnung halber bestätige ich Ihnen noch einmal unser heutiges Telefongespräch, in welchem ich Ihnen folgende Vorschläge der Kirchenkanzlei für die Tagesordnung der nächsten Ratssitzung im Auftrage des Herrn Präsidenten mitgeteilt habe: 1.) Inkraftsetzung des Kirchengesetzes über den Diakonischen Beirat. Vgl. hierzu Rundschreiben der Kirchenkanzlei an die Mitglieder des Rates vom 14. 6. 1951 – Nr. 4039. II. –. Vorschläge für die Vertreter des Hilfswerks liegen noch nicht vor. Im übrigen gehören 4 Vertreter des Hilfswerks dem Diakonischen Beirat kraft Amtes an und die übrigen 2 Vertreter müssen vom Hilfswerksausschuss benannt werden, der bisher noch nicht zusammengetreten ist. Die Berufung dieser beiden Mitglieder wird daher ohnehin erst später erfolgen können. 2.) Wort des Rates zum Lastenausgleich. Es ist anzunehmen, dass Herr Oberkirchenrat Ranke dafür sorgen wird, dass dem Herrn Vorsitzenden des Rates ein Entwurf noch vor der Ratssitzung vorgelegt wird. 3.) Stellungnahme zum Beamteneid. Vorlage hierfür erfolgt gesondert. 4.) Berufungen in die Synode. Vergl. Hierzu Rundschreiben der Kirchenkanzlei an die Mitglieder des Rates vom 17. 4. 1951 – Nr. 11874. V. – .

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23. Sitzung Elbingerode, 16. und 17. Juli 1951

5.) Gespräch mit Vertretern der Vereinigten Grossloge der Freimaurer von Deutschland. Die Vereinigte Grossloge der Freimaurer in Deutschland hat sich an Herrn Landesbischof D. Dr. Lilje gewandt mit der Bitte, die Frage der Stellung der evangelischen Kirche zur Freimaurerei in einem Gespräch zu klären. Dabei ist der Wunsch geäussert worden, dass Herr Bischof Dr. Stählin von Seiten der Evangelischen Kirche in Deutschland an diesem Gespräch teilnehmen möchte. Herr Landesbischof D. Dr. Lilje hat die Angelegenheit an die Kirchenkanzlei abgegeben. Es wird einer Entscheidung des Rates bedürfen, ob ein solches Gespräch geführt werden soll und wer dabei die Vertreter der evangelischen Kirche sein sollen. 6.) Lage der Evangelischen in Spanien. Siehe Protokoll der letzten Sitzung, Ziffer 276. 7.) Angelegenheiten der ev.-luth. Gemeinden in Italien. Dieser Punkt sollte nach Ihrer Mitteilung auf den Wunsch des Herrn Vorsitzenden des Rates in die Tagesordnung aufgenommen werden. In ergebenster Empfehlung! In Vertretung: v. Harling [m. p.] 23A6. Schreiben der Kirchenkanzlei – Berliner Stelle – an die Kirchenkanzlei. Berlin, 21. Juni 1951 F: EZA Berlin, 4/44 (D mit Paraphe Benns). Betrifft: Ratssitzung in Elbingerode. Bezug: Dortiges Schreiben vom 18. Juni 1951 – Tgb. Nr. 4200.II–7. Wir nehmen Bezug auf unser Schreiben vom 1. Juni d. J. – K. B. 2432/51–8. Mit diesem Schreiben hatten wir die in Westdeutschland wohnenden Mitglieder des Rates um Angabe der Personalien ihrer Begleitpersonen gebeten. Diese Angaben sind inzwischen eingegangen. Bereits am 8. Juni d. J. haben wir der Kirchenleitung in Magdeburg alle erforderlichen Personalien mitgeteilt und diese Mitteilung durch die verspätet eingehenden Angaben hinsichtlich der Begleitpersonen laufend ergänzt. Entsprechende Mitteilung 6 22B27. 7 Schreiben von Harlings an die Kirchenkanzlei – Berliner Stelle – vom 18. Juni 1951 (EZA BERLIN, 4/44). 8 Schreiben der Kirchenkanzlei – Berliner Stelle – an die Kirchenkanzlei und die in Westdeutschland wohnenden Ratsmitglieder vom 1. Juni 1951 (EBD.).

23A Vorbereitung der Sitzung

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ist unmittelbar der Zentrale der Volkspolizei in Berlin zugegangen. Diese hat, wie wir erfahren haben, inzwischen das Innenministerium in Halle angewiesen, die Aufenthaltsgenehmigungen zu erteilen. Wir hoffen hiernach, daß keine Schwierigkeiten entstehen werden.

23A7. „Tagesordnung für die Sitzung des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland am 16. und 17. Juli 1951 in Elbingerode“. O. O., o. D. F: EZA Berlin, 4/44 (H). 1.) Inkraftsetzung des Kirchengesetzes über den Diakonischen Beirat und Bildung des Diakonischen Beirats (D. Brunotte) 2.) Lage der Evangelischen in Spanien (Kirchliches Aussenamt) 3.) Lage der deutschen evangelischen Gemeinden in Italien (Kirchliches Aussenamt) 4.) Anregung betr. die Schaffung einer deutschen kirchlichen Vertretung in den USA (LB D. Meiser) 5.) DP-Angelegenheiten (D. Brunotte) 6.) Bildung eines deutschen Komitees für die Lieux de Genève (Dr. Benn) 7.) Berufung von Angestellten des Zentralbüros des Hilfswerks in ein Beamtenverhältnis (Prälat Dr. Hartenstein) 8.) Firmierung des Hilfswerks bei Rechtsakten (D. Brunotte) 9.) Stellungnahme zur Frage des Beamteneides (D. Brunotte) 10.) Ernste Bibelforscher und Pfingstbewegung (Propst D. Grüber) 11.) Eingabe der Evang. Frauenarbeit in Deutschland über das Amt der Gemeindehelferin (Dr. Schwarzhaupt) 12.) Neuordnung der Frauenhilfsarbeit in den östlichen Gliedkirchen (Dr. Benn) 13.) Berufungen in die Synode (D. Brunotte) 14.) Angelegenheiten der Dienststellen a) Personalfragen der Kirchenkanzlei (D. Brunotte)9 b) Verlegung der Diensträume der Berliner Stelle (Dr. Benn) c) Bildung von Vertrauensräten bei den Dienststellen der EKD (D. Brunotte) 15.) Verschiedenes Bisher ist vorgemerkt: a) Mitteilung über das „Wort zum Lastenausgleich“ (Vorsitzender) b) Gespräch mit Vertretern der Vereinigten Grossloge der Freimaurer (D. Brunotte)10 9 Vgl. 25B3. 10 Vgl. 24B27.

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23. Sitzung Elbingerode, 16. und 17. Juli 1951

c) Beteiligung des Rates an der Tagung des Internationalen Komitees für Annäherung zwischen Juden und Christen in Hemer vom 21.– 25. Juli 1951 (D. Brunotte) d) Hilfe für Lic. Anna Paulsen (OKiR Prof. D. Herntrich) e) Unterstützung der Weimarer Lutherausgabe (Dr. Merzyn)11 f) Protokollberichtigung (22. Ratstagung Nr. 17) (D. Brunotte)12

23A8. Schreiben des Evangelischen Konsistoriums der Kirchenprovinz Sachsen an die Kirchenkanzlei – Berliner Stelle –. Magdeburg, 2. Juli 1951 F: EZA Berlin, 4/44 (O). Betr.: Ratstagung in Elbingerode. Bezug: Dortiges Schreiben vom 29. Juni 1951 – K B 2669/51 – III –13. Indem wir den Eingang des Bezugsschreibens bestätigen, teilen wir mit, dass wir den Antrag auf Ausstellung der Aufenthaltsgenehmigungen beim Rat der Gemeinde Elbingerode sofort gestellt haben. Wir verhehlen jedoch unsere Zweifel nicht, ob eine fristgerechte Ausstellung der Genehmigungen noch möglich sein wird. Das im Bezugsschreiben erwähnte dortige Schreiben vom 18. Juni 1951 – K B 2669/51 – II –14 ist bei uns nicht eingegangen. Wir stellen die Übersendung einer Abschrift anheim, sofern der Inhalt nicht durch den Zeitablauf überholt ist. Siebert [m. p.]

23A9. Schreiben Kreyssigs an Dibelius. O. O., 2. Juli 1951 F: EZA Berlin, 4/44 (D)15. Hochwürdigster Bischof, verehrter Bruder Dibelius, anläßlich der Ratstagung wird Landesbischof D. Lilje in der Dorfkirche von Elbingerode predigen. Das ist, wie ich vom Diakonissenmutterhaus 11 Nach G 2 wurde dieser Punkt vertagt. 12 22B17. 13 Schreiben der Kirchenkanzlei – Berliner Stelle – an die Kirchenleitung der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen vom 29. Juni 1951 (EZA BERLIN, 4/44). 14 Schreiben der Kirchenkanzlei – Berliner Stelle – an die Kirchenleitung der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen vom 18. Juni 1951 (EBD.). 15 Mit hsl. Vermerk: „Z. H. H. Präs. Br. Benn mit der Bitte um Kenntnisnahme. Kreyssig“.

23A Vorbereitung der Sitzung

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höre, fest vereinbart. Da Lilje bei dieser Gelegenheit in sein Eigentum kommt, das wir ihm sonst mitverwalten, wird das auch gut sein. Nun bat mich gestern Pfarrer Breutel, der Hausvater von Neuvandsburg, daß der Rat auch im Diakonissenmutterhaus selbst noch ein geistliches Gastgeschenk in Gestalt einer Predigt darreichen solle. Bei der weitreichenden missionarischen Bedeutung des Hauses und unseren überaus freundschaftlichen Beziehungen zu ihm, möchte ich ihm die Erfüllung der Bitte dringend wünschen. Durch Ihren Dienst, hochwürdigster Bischof, würde sich das Haus besonders ausgezeichnet wissen. Ihn erbittet es in erster Linie. Um aber nicht unbescheiden zu sein, bittet das Haus, falls Sie verhindert sind, um die Predigt eines Ratsmitgliedes. In der Befürchtung, daß am 2. Verhandlungstag abends die Reihen bereits gelichtet sind und die Auswahl gering sein würde, habe ich Montag, den 16., abends für diesen Hausgottesdienst im großen, akustisch ausgezeichneten Saale des Mutterhauses vorgeschlagen. Dementsprechend soll der von Lilje bediente Gottesdienst im Dorfe am Dienstag Abend sein. Zweck meines Schreibens ist, Sie, hochwürdigster Bischof, um Entscheidung und baldgefällige Mitteilung nach Elbingerode zu bitten. Bruder Breutel wäre dankbar, womöglich bis zum 7. abends im Besitz der Nachricht zu sein, damit er rechtzeitig vorsorgen könne. Für die kommende Sitzung muß ich das erste Mal seit Beginn meines Dienstes im Rat um teilweisen Urlaub bitten, falls ich den beantragten Interzonenpaß für die 18. in Bad Boll beginnende europäische Laientagung des ökumenischen Rates erhalte. Weil ich dem Steering Komitee angehöre und eine Bibelgruppe leiten soll, muß ich am 17. 7. 17 Uhr in Bad Boll sein. Das ist technisch unmöglich, wenn ich nicht spätestens am 16. abends von Elbingerode abreise und entweder mit dem Wagen unmittelbar bis Boll fahre oder in Saalfeld nachts 11 Uhr 30 in den Interzonenzug steige. Auf diese etwas mühselige Weise könnte ich wenigstens am Nachmittag des Montag noch mittun, was mir der Wirtspflichten unserer Kirche wegen und darum lieb wäre, weil ich auf der Tagesordnung die Erörterung der Spanienangelegenheit veranlaßt habe. Das schreibe ich, als ob nicht zwischen heute und Elbingerode der Gaurisankar des Kirchentages läge. Aber seinethalben steht die Zeit nicht still. So werden wir auch das Gebirge hinter uns bringen. Nun, Sie werden vor dieser Bergbesteigung die Seele über Thessalien und der Aegaeis mit den Gestalten klassischer Walpurgisnacht gefüllt haben, sofern sich nicht die technische Veranstaltung von Faustens Zaubermantel zum Flugzeug der Pan America Airways als allzu unbeschaulich erwiesen hat. Verehrungsvollen herzlichen Gruß Ihr

260

23. Sitzung Elbingerode, 16. und 17. Juli 1951

23A10. Schreiben Hartensteins an Dibelius. Stuttgart, 3. Juli 1951 F: EZA Berlin, 4/44 (D mit Paraphe Hartensteins). Hoch verehrter, lieber Herr Bischof! Darf ich mir erlauben, für die Tagesordnung der Ratssitzung in Elbingerode anzumelden: Frage der Berufung von Angestellten des Zentralbüros in ein Beamtenverhältnis nach § 8 Ziff. 3 des Kirchengesetzes vom 5. 4. 5116. Ich werde die notwendigen Unterlagen mitbringen. Dr. Krimm wird heute oder morgen mit der Frage an Sie herantreten, ob noch vor August eine Sitzung stattfinden kann in Stuttgart oder Frankfurt zur Entgegennahme und Genehmigung der Ausgliederungsverträge der Wirtschaftsbetriebe aus dem Hilfswerk. Sie sind überraschenderweise nun doch jetzt schon so weit gediehen, daß wir sie genehmigen können. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie zwischen 22. und 25. Juli noch zu einer Sitzung nach Stuttgart kommen könnten. Darf ich endlich noch herzlich bitten, nach Elbingerode auf irgend eine Weise mitgenommen zu werden, da ich in Berlin kein Vehikel habe. Ich komme mit Flugzeug zum Kirchentag am 11. an und fliege am 18. nach Stuttgart zurück. Mit der Eisenbahn wird es ja wohl nach Elbingerode sehr schwierig zu kommen sein. Mit ehrerbietigem Gruß bin ich Ihr

23B Protokoll

23B Protokoll F: EZA Berlin, 2/1793 (H; den Ratsmitgliedern mit Schreiben der Kirchenkanzlei vom 19. Juli 1951 übersandt). G: Mitschriften 1. Meiser (LKA Nürnberg, Meiser 140 [19]); 2. Smend (NL Smend). Niederschrift über die 23. Sitzung des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland am 16./17. Juli in Elbingerode (Harz). Anwesend:

Alle Ratsmitglieder ausser Landesbischof D. Dr. Lilje,

16 ABlEKD 1951, Nr. 4 vom 15. April 1951, S. 90.

23B Protokoll

ausserdem:

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Landesbischof D. Hahn und Präses Dr. Kreyssig (ab Ziffer 4); Präsident D. Brunotte, Vizepräsident Dr. Benn, Oberkirchenrat Dr. Merzyn, Vizepräsident Stratenwerth, Oberkirchenrätin Dr. Schwarzhaupt, Oberkirchenrat Bartelt, Propst D. Grüber.

1. Inkraftsetzung des Kirchengesetzes über den Diakonischen Beirat der Evangelischen Kirche in Deutschland vom 5. April 195117: Nachdem die in Artikel 15 Absatz 2 der Grundordnung18 vorgesehene Vereinbarung mit dem Centralausschuss für die Innere Mission getroffen ist, bestimmte der Rat gemäss § 7 des Gesetzes19, dass das Kirchengesetz über den Diakonischen Beirat der Evangelischen Kirche in Deutschland vom 5. 4. 1951 am 16. Juli 1951 in Kraft tritt20. 2. Mitglieder des Diakonischen Beirates der EKD21: a) Zu Mitgliedern gemäss § 4 Absatz 1 a des Kirchengesetzes22 wurden folgende 3 Mitglieder des Rates der EKD für die Dauer ihrer Amtszeit bestimmt: Prälat Dr. Hartenstein, Oberkirchenrat D. Herntrich, Synodalpräsident Mager. b) Zu Mitgliedern gemäss § 4 Absatz 1 b des Kirchengesetzes23 wurden auf Vorschlag des Centralausschusses für die Innere Mission berufen: Oberkirchenrat Ulrich von Brück, Dresden, Frau Oberin Martha Coerper, Detmold, Pastor Rudolf Hardt, Bethel, Pastor Friedrich Münchmeyer, Bethel, Kirchenrat D. Dr. Theodor Wenzel, Berlin, Pfarrer Wilhelm Ziegler, Karlsruhe.

17 Vgl. dazu 21B5; 23D1. 18 „Die Evangelische Kirche in Deutschland fördert die in ihrem Gesamtbereich arbeitenden Werke der Inneren Mission, ungeachtet deren Rechtsform. Ihre Verbindung mit der Kirche und den Gemeinden sowie die freie Gestaltung ihrer Arbeit werden in Vereinbarungen und entsprechenden Richtlinien gesichert“ (ABlEKD 1948, Nr. 7 vom 15. Juli 1948, S. 111). 19 Vgl. 19C3. 20 Abdruck in: ABlEKD 1951, Nr. 4 vom 15. April 1951, S. 91f. 21 Vgl. dazu das Schreiben Liljes an die Ratsmitglieder vom 1. Juni 1951 (23D2). 22 Vgl. dazu 19C3. ABlEKD 1951, Nr. 4 vom 15. April 1951, S. 91. 23 EBD.

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23. Sitzung Elbingerode, 16. und 17. Juli 1951

c) Zu Mitgliedern gemäss § 4 Absatz 1 d24 wurden berufen: Frau Marie Krueger, Dortmund-Bodelschwingh, Schloss, Presbyter Willi Hennes, Wuppertal-Elberfeld, Vogelsangstr. 135, Paul Schäfer, Medingen (Bez. Dresden)25. 3. Lage der deutschen evangelischen Gemeinden in Italien: a) Der Rat nahm einen Bericht des Kirchlichen Aussenamtes über die Lage der deutschen evangelischen Gemeinden in Italien entgegen26. 24 EBD. 25 Die im Gesetz vorgesehenen Vertreter des Hilfswerks wurden auf dieser Ratssitzung nicht ernannt. Nach § 4 c des Kirchengesetzes über den Diakonischen Beirat der EKD waren als Vertreter des Hilfswerks vorgesehen: die drei in den Verwaltungsrat entsandten Bevollmächtigten der gliedkirchlichen Hilfswerke, die Leiter des Zentralbüros sowie zwei vom Rat auf Vorschlag des Hilfswerkausschusses berufene Persönlichkeiten. Diese Persönlichkeiten wurden erst nach Inkrafttreten des Hilfswerksgesetzes am 1. Oktober 1951 in der Ratssitzung am 25. und 26. Oktober 1951 in Berlin-Spandau berufen (25B20). Am 14. September 1951 wurden auf der Sitzung des Wiederaufbauausschusses Held, Riedel und Rautenberg in den Verwaltungsrat des Hilfswerks gewählt; sie gehörten damit auch dem Diakonischen Beirat an. Auf derselben Sitzung wurden auch Grüber und Gerstenmaier in den Diakonischen Beirat gewählt; vgl. das Protokoll über die Tagung des Wiederaufbauausschusses am 14. September 1951 in Berlin-Spandau: ADW BERLIN, ZB 914. 26 Fünf evangelische Gemeinden Italiens, die bis dahin durch das Kirchenbundesgesetz vom 17. Juni 1924 an den Deutschen Evangelischen Kirchenbund und seine Rechtsnachfolger gebunden waren, hatten am 11. Oktober 1948 ihr „Anschlussverhältnis“ zur EKD gelöst, das Kirchliche Außenamt über ihren Zusammenschluss unterrichtet und ihre Absicht bekundet, in ein engeres Verhältnis zum LWB zu treten. Wie Stratenwerth dem Rat berichtete, hatte das Kirchliche Außenamt die Kündigung des „Anschlussverhältnisses“ formal jedoch nie anerkannt; vgl. G 2. Sachlich hatte das Kirchliche Außenamt jedoch die Trennung der italienischen Gemeinden von der EKD schon länger akzeptiert; vgl. dazu die Aufzeichnung Salats vom 21. Dezember 1950 über ein Gespräch mit Schwarzhaupt am 20. Dezember 1950: PA AA, B 90, Bd. 459, Fiche 90ff. und den Tätigkeitsbericht des Kirchlichen Außenamtes: ELBINGERODE 1952, S. 359. Im Anschluss an den Bericht des Kirchlichen Außenamtes verlas Meiser ein Rechtsgutachten, in dem begründet wurde, warum die Kündigung des „Anschlussverhältnisses“ der italienischen Gemeinden von 1948 rechtswirksam sei. Meiser argumentierte mit der „clausula rebus sic stantibus“. Die italienischen Gemeinden waren nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges davon ausgegangen, dass sie keine finanzielle Unterstützung durch die EKD mehr zu erwarten hatten und waren deshalb dem LWB beigetreten, obgleich die Gemeinden mehrheitlich nicht lutherisch waren (EZA BERLIN, 2/2230, Bl. 1–9; vgl. auch H. E. RADBRUCH, 50 Jahre, S. 12 u. 16). Das Gutachten Meisers antwortete bereits auf ein Memorandum des Kirchlichen Außenamtes, das dem Lutherischen Kirchenamt vorgelegen hatte; vgl. das Schreiben Neumanns an Katterfeld vom 9. Juli 1951 (LKA HANNOVER, 15 VI, Nr. 219, Bd. 2). Laut eines Aktenvermerks vom 26. Juni 1951 über eine Sitzung des Landeskirchenrates der bayerischen Landeskirche hatte Dekan Dahlgrün aus Rom wenige Tage zuvor bei Meiser persönlich vorgesprochen und um Schutz vor den Aktionen des Kirchlichen Außenamtes gebeten; vgl. auch das Schreiben Dahlgrüns an Meiser vom 11. Juni 1951: LKA HANNOVER, D 15 VI, 219, Bd. 2. Dahlgrün hatte darüber hinaus eine Beschwerde des Konsistoriums der ELKI beim Rat der EKD eingereicht (23D3). Vgl. dazu auch den gemeinsamen Vorschlag des Kirchlichen Außenamtes und des Konsistoriums der ELKI vom 9. Juli 1951 (23D4). Im Verlaufe der Auseinandersetzungen mit dem Kirchlichen Außenamt hatte Meiser damit gedroht, die Anteile der Zahlungen der

23B Protokoll

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b) Der Rat erklärte, dass er das Vorgehen des Oberkirchenrats Bartelt in Florenz nicht zu billigen vermag und dass er insbesondere das Wort von der Vorspiegelung falscher Tatsachen zu missbilligen sich genötigt sieht27. c) Der Rat der EKD beauftragte das Kirchliche Aussenamt, auf Grund folgender Richtlinien mit der Evgl.-Luth. Kirche in Italien (ELKI) über eine Neuordnung ihres Verhältnisses zur Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) zu verhandeln: 1.) Die EKD unterstützt wie in anderen Ländern so auch in Italien die Bemühungen der deutschsprachigen evangelischen Christenheit um Festigung ihres Zusammenschlusses und um Entwicklung innerer und wirtschaftlicher Selbständigkeit. 2.) Die Beziehungen zwischen der ELKI und der EKD werden durch einen Vertrag geregelt, der an die Stelle der Rechtsbeziehungen zwischen der EKD und einzelnen Gemeinden bzw. Pfarrern tritt28. bayerischen Landeskirche an die EKD, die an das Kirchliche Außenamt abgeführt wurden, zu sperren; vgl. die Protokollnotiz zur Sitzung des bayerischen Landeskirchenrates vom 10. Juli 1951 (LKA Nürnberg, XIII/1561). Meiser hatte in diesem Zusammenhang sogar erwogen, ein eigenes Außenamt der VELKD zu errichten; vgl. den Aktenvermerk vom 26. Juni 1951 über eine Sitzung des bayerischen Landeskirchenrates (EBD.). Zum Fortgang vgl. 25B16 und 26B7; vgl. dazu B. WELLNITZ, Ausland, S. 182–220, 329–334. 27 Bartelt hatte vom 8.–10. Juni 1951 die evangelisch-lutherische Gemeinde in Florenz besucht und sich dort als Dienstvorgesetzter des dortigen Pfarrverwesers, Paeseler, ausgegeben. Dabei hatte er die ELKI als „rechtswidrige Gründung“ bezeichnet; vgl. den Tätigkeitsbericht des Kirchlichen Außenamtes (ELBINGERODE 1952, S. 359ff.). Am 2. Juli 1951 hatte sich Stratenwerth während eines Aufenthaltes in Rom schriftlich vor der ELKI für die Erklärungen Bartelts entschuldigen müssen, weil Vertreter der ELKI signalisiert hatten, unter keinen Umständen mit einer deutschen Kirchenbehörde zu verhandeln, die Kirchenleitung und Pfarrer in Italien für Lügner halte; vgl. die Entschuldigungserklärung Stratenwerths vom 2. Juli 1951 (LKA HANNOVER, D 15 VI, Nr. 219, Bd. 2). Auch Dibelius hatte in seiner Funktion als Ratsvorsitzender in einem Schreiben vom 2. Juli 1951 an Dahlgrün die Erklärung abgegeben, dass Bartelt zu seinen Äußerungen nicht befugt gewesen sei, dass er diese Äußerungen missbillige und dass er alle Herren, die sich dadurch beschwert fühlten, im Namen des Rates um Entschuldigung bitte (EZA BERLIN, 6/894, Bl. 171). 28 Der deutsche Botschafter in Rom, Clemens von Brentano, hatte sich bereits eingeschaltet und angeregt, das Auswärtige Amt in Bonn möge Kontakt zu Kunst zwecks Verhandlungen mit dem Rat der EKD aufnehmen, um zu erreichen, dass der Streitfall nicht in Italien ausgetragen werde, da er befürchtet hatte, dass die „Austragung des Streitfalles vor der Öffentlichkeit nicht nur die Interessen der Kirche, sondern auch in schwerwiegendem Masse das deutsche Ansehen in Italien beeinträchtigen würde“, vgl. die undatierte Abschrift eines Telegramms von Brentanos an das Auswärtige Amt in Bonn (ELKI-ARCHIV, Dekanat Rom, Mappe 336). Bis zu der Annahme eines neuen Vertrages zwischen EKD und ELKI auf der Ratssitzung vom 8. Mai 1952, der die deutschen evangelischen Gemeinden Italiens aus dem Anschlussverhältnis zur EKD entließ und der ELKI den Status einer selbstständigen Kirche zuerkannte, sah das Kirchliche Außenamt das Kirchenbundesgesetz vom 17. Juni 1924 als verbindlichen Vertrag zwischen EKD und ELKI an (vgl. TOP 4

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23. Sitzung Elbingerode, 16. und 17. Juli 1951

3.) Die EKD ist bereit, in dem in Ziffer 2 in Aussicht genommenen Vertrag die Aufgaben und Verpflichtungen zu übernehmen, die in § 1 des Anschlussgesetzes für das Rechtsverhältnis zwischen angeschlossenen Kirchen und Kirchengemeinschaften vorgesehen sind, auch wenn die ELKI nicht alle Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 des Anschlussgesetzes erfüllen sollte29. Im einzelnen werden die gegenseitigen Verpflichtungen in dem Vertrag geregelt werden. 4.) Der Zugehörigkeit der ELKI zu Zusammenschlüssen lutherischer Kirchen innerhalb der Oekumene stehen keine Bedenken entgegen. 5.) Der Rat der EKD stellte fest, dass nach dem bestehenden Zustand auch Angehörige eines anderen reformatorischen Bekenntnisses die volle Mitgliedschaft in den Gemeinden der ELKI erwerben können (s. Abs. 3 des Vorspruches der von der Synode der ELKI beschlossenen Verfassung)30 und betrachtet diese Tatsache als eine der Grundlagen für den abzuschliessenden Vertrag. 6.) Der Vertrag wird keine Bestimmungen enthalten, die mit der Eigenschaft der ELKI als italienischer Körperschaft öffentlich in Widerspruch stehen könnten. 7.) Das Verhältnis der ELKI zum italienischen Staat wird von der ELKI selbst geregelt werden. 8.) Mit Rücksicht darauf, dass nach Ziffer 2 der neue Vertrag an die Stelle der bisher bestehenden Anschlussverhältnisse treten soll, hält der Rat die Zustimmung der vormals angeschlossenen Gemeinden zu dem Vertrag für erforderlich31. Der Rat der EKD hofft, dass der Vertrag, der auf Grund dieser Richtlinien geschlossen werden soll, die Grundlage für eine brüderliche und lebendige Verbindung zwischen der ELKI und der deutschen Heimatkirche schaffen und den Weg für eine brüderliche Lösung aller noch schwebenden Einzelfragen freimachen des Protokolls der 29. Ratssitzung am 8. und 9. Mai 1952: EZA BERLIN, 2/1794; vgl. auch ELBINGERODE 1952, S. 361 und B. WELLNITZ, Ausland, S. 331ff.). 29 Vgl. 19B21; 20B10; 20E4. 30 Vgl. die auf der Synode in Florenz am 16. Oktober 1949 beschlossene Verfassung der ELKI. Der Absatz in der Präambel, auf den hier Bezug genommen wurde, lautet wie folgt: „Der Bekenntnisstand der Kirche schließt Mitgliedschaft von Christen reformierten Bekenntnisses nicht aus“ (EZA BERLIN, 6/893, Bl. 326). Vgl. dazu B. WELLNITZ, Ausland, S. 332. 31 Vgl. dazu aber das Schreiben Brunottes an die Ratsmitglieder vom 31. Juli 1951, in dem es hieß: „Auf Wunsch des Kirchlichen Aussenamtes bitten wir, die Niederschrift über die 23. Sitzung des Rates dahin zu berichtigen, dass im Punkt 3, Abs. c), Ziffer 8.) an Stelle der ‚Zustimmung der vormals angeschlossenen Gemeinden‘ die ‚Zustimmung der beteiligten Gemeinden‘ gesetzt wird“ (EZA BERLIN, 4/44).

23B Protokoll

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wird32. (Anmerkung: Zwei Mitglieder des Rates, Landesbischof D. Meiser und Oberkirchenrat D. Herntrich, haben der Ziffer 5 nicht zugestimmt.) d) Vizepräsident Stratenwerth33 soll Dekan Dahlgrün und das Landeskirchenamt in Düsseldorf darüber unterrichten, dass es dem Rat richtig erscheint, wenn die Beauftragung des Hilfspredigers Dr. Paeseler nicht über den 1. Oktober 1951 verlängert wird; ausserdem soll dem Konsistorium in Rom geraten werden, die Suspendierung Paeselers in einen Urlaub umzuwandeln34. 4. Lage der Evangelischen in Spanien: Dieser Punkt der Tagesordnung wurde wegen der Abwesenheit von Präses Dr. Kreyssig vertagt35. 5. Bildung eines deutschen Komitees für die Lieux de Genève: Der Rat nahm einen Bericht von Vizepräsident Dr. Benn über die Bildung eines deutschen Komitees für die Lieux de Genève zustimmend zur Kenntnis36 und erklärte sich damit einverstanden, dass Vi32 Vgl. das Schreiben des Kirchlichen Außenamtes an das Konsistorium der ELKI in Rom vom 23. Juli 1951, in dem diesem die in Elbingerode beschlossenen Richtlinien des Rates für die künftigen Verhandlungen zwischen ELKI und Kirchlichem Außenamt mitgeteilt wurden (LKA HANNOVER, D 15 VI, Nr. 219a). 33 Vgl. 24B24. Das Protokoll wurde hier nachträglich geändert. Auf Wunsch Niemöllers sollten an Stelle von „Vizepräsident Stratenwerth“ die Worte „das Kirchliche Aussenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland“ stehen; vgl. das Schreiben Brunottes an die Ratsmitglieder vom 7. August 1951 (EZA BERLIN, 4/44). 34 Vgl. das Schreiben des Kirchlichen Außenamtes an das Landeskirchenamt der Evangelischen Kirche im Rheinland vom 8. Oktober 1951 (LKA HANNOVER, L 3 III, Nr. 1341), vgl. dazu auch 25B16. In seinem Schreiben an das Konsistorium der ELKI vom 23. Juli 1951 bot Stratenwerth an, dass der Rat der Evangelischen Kirche im Rheinland vorschlagen wolle, den Urlaub Paeselers nicht über den 1. Oktober 1951 hinaus zu verlängern, wenn das Konsistorium in Rom die Suspendierung Paeselers in eine Beurlaubung umwandele (LKA HANNOVER, D 15 VI, Nr. 219a). Die Evangelische Kirche im Rheinland hob mit Bezug auf dieses Schreiben die Beurlaubung Paeselers zum 1. Oktober 1951 auf; vgl. das Schreiben der Evangelische Kirche im Rheinland an Paeseler vom 22. August 1951 (ELKI-Archiv, Dekanat ROM, Mappe 336). Dahlgrün hatte die rheinische Landeskirche bereits in einem Schreiben vom 26. Juni 1951 gebeten, Paeseler aus Florenz zurückzuziehen. Da Paeseler durch eine Erklärung Bartelts dem Kirchlichen Außenamt unterstellt worden sei, sei dessen Dienstverhältnis zur ELKI erloschen. Paeseler habe es unterlassen, die ELKI von seiner beabsichtigten Unterstellung unter die Dienstaufsicht des Kirchlichen Außenamtes der EKD unverzüglich zu informieren, was seitens der ELKI als Vertrauensbruch empfunden worden sei. Das Konsistorium der ELKI habe daher die Beauftragung Paeselers mit der kommissarischen Wahrnehmung des Pfarramtes in Florenz mit sofortiger Wirkung zurückgenommen (EZA BERLIN, 6/948, Bl. 97). 35 Vgl. dazu 26B11. 36 Die Deutsche Vereinigung für die Lieux des Genève knüpfte an die Ideen des französischen Generalarztes George Saint-Paul an. Dieser hatte 1931 in Paris die Association des Lieux de Genève gegründet. Die sogenannten Lieux bezeichneten Schutzzonen für die Zivilbevölkerung während eines bewaffneten Konfliktes. Auf Einladung des Berliner Völkerrechtlers

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23. Sitzung Elbingerode, 16. und 17. Juli 1951

zepräsident Dr. Benn und Pfarrer Dr. Berg vorläufig in dem vorbereitenden Komitee mitarbeiten37. 6. DP-Angelegenheiten: Die Kirchenkanzlei wurde ermächtigt, die Bundesregierung zu bitten, sich um einen Ausgleich zwischen den Ländern in der Frage der Unterbringung alter und kranker DP’s in Heimen zu bemühen38. 7. DP-Ausschuss: Die Federführung im DP-Ausschuss soll ungeteilt bei der Kirchenkanzlei verbleiben39; soweit ökumenische Stellen zu beteiligen sind, Schwenn hatte sich am 9. Juli 1951 in Berlin ein 6-köpfiges Gründungskomitee für die deutsche Vereinigung der Lieux de Genève konstituiert; vgl. den Entwurf für die Errichtung und Arbeit eines vorbereitenden Gründungskomitees für die Deutsche Vereinigung für die Lieux de Genève vom 16. Juni 1951 (EZA BERLIN, 601/72). Ziel dieser Gründung war es, im Sinne der vierten Genfer Konvention über den Schutz von Zivilpersonen in Kriegszeiten die verwaltungstechnische Beteiligung Deutschlands bei der Errichtung und Unterhaltung internationaler Schutzzonen für die Zivilbevölkerung in Regionen kriegerischer Auseinandersetzungen zu gewährleisten; vgl. dazu den Entwurf Schwenns zur Organisation und Aufgabe der Deutschen Vereinigung für die Lieux de Genève vom 6. Juli 1951 (EBD.). Zu den Zielen und Problemen der Deutschen Vereinigung für die Lieux de Genève vgl. 23E1 und 23E2; vgl. auch TOP 13 des Protokolls der 34. Ratssitzung am 12. und 13. Februar 1953 (EZA BERLIN, 2/1795). 37 Benn als Leiter der Kirchenkanzlei – Berliner Stelle – und Berg als Generalsekretär des Zentralbüros Ost des Hilfswerks waren die Repräsentanten der EKD. Benn war bereits auf der konstituierenden Sitzung am 9. Juli 1951 zum Vorsitzenden der nächsten Sitzung des Komitees gewählt worden; vgl. den Entwurf Schwenns vom 10. Juli 1951 für ein Beschlussprotokoll der ersten Sitzung des vorbereitenden Gründungskomitees für die Deutsche Vereinigung der Lieux de Genève am 9. Juli 1951 (EZA BERLIN, 601/72). 38 Vgl. 23D5. Vgl. dazu den Bericht Osterlohs vom 4. Mai 1951 über eine Sitzung des vom Rat der EKD berufenen DP-Ausschusses in Frankfurt am Main vom 25. April 1951, in dem es hieß: „In Niedersachsen besteht die Gefahr, daß zwei Altersheime geschlossen werden, während Schleswig-Holstein beim Bund den Antrag stellt, Mittel für die Errichtung eines neuen Altersheims zu bekommen. Es soll der Versuch gemacht werden, durch den Bund einen gerechten Ausgleich unter den Ländern in der britischen Zone zu erreichen. In dieser Angelegenheit soll der Centralausschuß der inneren Mission in Zusammenarbeit mit OKR Ranke in Bonn tätig werden“ (EZA BERLIN, 2/4161). Geplant war eine Finanzierung der Altersheime durch den Bund zu 85 % und durch die Länder zu 15 %. Ranke hatte vorgeschlagen, den Anteil der Länder an eine Bundeskasse abzuführen, damit der Bund die Unterbringung der DPs zentral regeln könne; vgl. das Schreiben Rankes an Osterloh vom 8. Juni 1951 (EBD). Vgl. das Schreiben Brunottes vom 23. Juli 1951 an das Bundesministerium für Vertriebene. Darin hieß es: „Es erscheint dem Rat angemessen, daß alle westdeutschen Länder sich finanziell an dieser Sache beteiligen. Ein derartiger Ausgleich würde auch zu einer besseren Versorgung der DPs beitragen“ (ADW BERLIN, ZB 1046). Zum Fortgang vgl. 24B32; 25B22. 39 Vgl. dazu K.-H. FIX, Protokolle 3, 8B2; A. SILOMON, Protokolle 4, 17B2. Dieser Beschluss ging auf ein Schreiben Schwarzhaupts vom 15. März 1951 an die Kirchenkanzlei zurück. Darin hatte sie berichtet, wiederholt von ausländischen Kirchenvertretern über den Stand der Eingliederung der DPs angesprochen worden zu sein. Schwarzhaupt hatte beklagt, dass dem Kirchlichen Außenamt der Überblick zum Thema fehle, seitdem die Kirchenkanzlei

23B Protokoll

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soll die Kirchenkanzlei das Kirchliche Aussenamt im Abdruckverfahren unterrichten, in grundsätzlichen Fragen aber möglichst schon vorher mit dem Kirchlichen Aussenamt Fühlung nehmen. 8. Stellungnahme zur Frage des Beamteneides40: Moderator D. Niesel wurde gebeten, rechtzeitig vor der nächsten Ratssitzung allen Ratsmitgliedern und der Kirchenkanzlei einen neuen Entwurf vorzulegen41. Diese Frage soll erneut auf die Tagesordnung der nächsten Ratssitzung gesetzt werden42. 9. Ernste Bibelforscher und Pfingstbewegung43: Der Rat nahm einen Bericht von Propst Grüber entgegen und bat sowohl seinen Vorsitzenden als auch Propst Grüber, eine Gelegenheit zu suchen, um der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik zum Ausdruck zu bringen, dass der Rat durch die Verfolgung religiöser Gemeinschaften – auch der Ernsten Bibelforscher – bedrückt ist44.

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die Verantwortung für die DPs übernommen habe. Sie hatte einen Bericht der Kirchenkanzlei zum aktuellen Stand eingefordert und eine Sitzung des DP-Ausschusses angeregt. In einem Antwortschreiben an Schwarzhaupt vom 22. März 1951 hatte Osterloh darauf hingewiesen, dass sich gegenwärtig kein zuverlässiger Überblick erarbeiten lasse und dass er die Einberufung des DP-Ausschusses nur dann für sinnvoll halte, wenn davon praktische Anregungen für die Weiterarbeit ausgehen würden (beide Schreiben in: EZA BERLIN, 2/4160). Vgl. dazu 22B21. Den Ratsmitgliedern lag zu dieser Sitzung ein Schreiben des Präses der Lippischen Landessynode, Weßel, vor, in dem dieser um eine theologische Lehrentscheidung des Rates zur Frage des Beamteneides gebeten hatte (23D6). Niesel beabsichtigte einen Gegenentwurf zu dem von Osterloh vorgelegten Entwurf für eine Antwort des Rates auf den Antrag der Lippischen Landessynode zu schreiben; vgl. die hsl. Notiz Brunottes auf dem Entwurf der Kirchenkanzlei vom 19. Juli 1951 (23D7). Zum Fortgang vgl. 24B4. Vgl. 22B25. Nach G 1 schlug Dibelius vor, der Rat solle gegenüber der Regierung der DDR zum Ausdruck bringen, dass er gegen jede Verfolgung religiöser Gemeinschaften (Bibelforscher, Quäker, Pfingstler und Heilsarmee) sei; vgl. dazu das Schreiben Grübers an Nuschke vom 20. Juli 1951 (23E3). Der Antrag Nuschkes auf Wiederzulassung des Christlichen Gemeinschaftsverbandes der Deutschen Pfingstbewegung e. V. beim Ministerium des Innern der DDR vom 25. Juli 1951 wurde von diesem abschlägig beschieden; vgl. das Schreiben Warnkes an Nuschke vom 22. August 1951 (EZA BERLIN, 103/26, Bl. 20). Über die Gründe des Verbotes der Pfingstbewegung vgl. auch den Bericht Grübers an das Sekretariat Niemöllers vom 12. Oktober 1951 (23E4). Das Ministerium des Innern verwahrte sich vor allem dagegen, die von der Pfingstbewegung immer wieder beschworene enge Verbindung zur EKD anzuerkennen. Dies richtete sich gegen Bemühungen seitens der EKD, die Pfingstbewegung als selbstständige Werke der Landeskirchen anerkennen zu lassen, was den Landeskirchen erleichtert hätte, Ansprüche auf die beschlagnahmten Kirchenbauten der Pfingstbewegung zu erheben; vgl. die Schreiben der Kirchenkanzlei – Berliner Stelle – an die Kirchenleitungen der östlichen Gliedkirchen vom 18. September und 15. Oktober 1951 (EZA BERLIN, 4/444). Die östlichen Landeskirchen zeigten allerdings keine Bereitschaft,

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10. Berichtigung des Protokolls der 22. Ratssitzung: Ziffer 17 der Niederschrift über die 22. Sitzung des Rates wird wie folgt berichtigt: „Für die Teilnahme von Professor D. Rengstorf-Münster und Professor Dr. Galling am Orientalisten-Kongress in Istanbul vom 15.– 22. 9. 51 wurden Beihilfen von je 500,– DM bewilligt.“45 11. Beihilfe für die Weimarer Lutherausgabe: Dieser Punkt der Tagesordnung wurde vertagt mit Rücksicht auf den in der 22. Ratssitzung gefassten grundsätzlichen Beschluss über die Vertagung aller Beihilfegesuche46. 12. Lic. Anna Paulsen: Die Kirchenkanzlei wurde ermächtigt, die Vikarin Lic. Anna Paulsen für die Dauer von 4 Jahren zur vorübergehenden Dienstleistung als Referentin in der Kirchenkanzlei einzuberufen; ihre Vergütung soll nach TO.A. erfolgen und die Höhe der Vergütung einer Vikarin erreichen. Hinsichtlich ihrer Versorgung soll die Kirchenkanzlei für die Dauer ihrer Dienstleistung – längstens jedoch bis zu ihrem 60. Lebensjahr – die Beiträge zur Versorgungskasse der Inneren Mission weiterzahlen, der sie bereits angeschlossen ist47. 13. Geschäftsordnung des Rates: Die Kirchenkanzlei soll einen Entwurf für eine neue Geschäftsordnung des Rates vorlegen48.

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die Pfingstbewegung als kirchliche Werke anzuerkennen. Am 9. Januar 1952 beschloss die Kirchliche Ostkonferenz, dass die Landeskirchen nur in vermögensrechtlicher Hinsicht dem verbotenen Gemeinschaftsverband der Pfingstler helfen sollten. Darüber hinaus sollten sich die Landeskirchen nur um einzelne Mitglieder der Pfingstbewegung kümmern; vgl. dazu den TOP 7 des Protokolls über die 27. Kirchliche Ostkonferenz am 9. Januar 1952 in Berlin (EZA BERLIN, 2/5049). Vgl. dazu 22B17. Vgl. dazu 19B24; 22B16. Vgl. dazu den Antrag Meisers an den Rat der EKD vom 26. Juni 1951 (23D8). Der Rat gewährte in seiner 26. Sitzung am 7. Dezember 1951 die von Meiser beantragten 3.000,– DM in zwei Raten; vgl. dazu 26B5; 26D5; 26D6; 26D7. Vgl. dazu A. SILOMON, Protokolle 4, 18B6. In einem Schreiben vom 27. Juni 1951 an Dibelius hatte Schwarzhaupt darum gebeten, Paulsen mit Auftragsarbeiten aus Mitteln der EKD zu versorgen (23D9). Herntrich hatte das Anliegen Schwarzhaupts in einem Begleitschreiben vom 2. Juli 1951 energisch unterstützt und Paulsen als theologisch qualifizierteste Frau der Gegenwart bezeichnet; vgl. das Schreiben Herntrichs an Dibelius vom 2. Juli 1951 (EZA BERLIN, 2/P 158). Dibelius aber hatte bezweifelt, dass der Rat der Bitte Schwarzhaupts und Herntrichs folgen würde und darauf verwiesen, dass dies schon einmal abgelehnt worden war; vgl. das Schreiben Dibelius’ an Herntrich vom 2. Juli 1951 (EBD.). Der vorliegende Beschluss ging auf einen Vorschlag Brunottes zurück; vgl. das Schreiben Brunottes an Herntrich vom 4. Juli 1951 (EBD.). Paulsen wurde seit dem 1. Dezember 1951 von der Kirchenkanzlei als freie Mitarbeiterin geführt; vgl. das Schreiben der Kirchenkanzlei an das Finanzamt Schleswig vom 2. Juni 1954 (EZA BERLIN, 2/P 158); vgl. dazu A. BIELER, Konstruktion, S. 142. Zum Fortgang vgl. 25B5. Die Ausarbeitung einer neuen Geschäftsordnung hatte bereits auf der Tagesordnung der

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14. Berufung von Angestellten des Zentralbüros des Hilfswerks in ein Beamtenverhältnis: Prälat Hartenstein wurde gebeten, rechtzeitig vor der nächsten Ratssitzung allen Mitgliedern des Rates und der Kirchenkanzlei einen vom Verwaltungsrat des Hilfswerks aufgestellten Entwurf für einen Haushalts- und Stellenplan des Zentralbüros zuzuleiten; zur Berufung von Angestellten des Zentralbüros in ein Beamtenverhältnis kann sich der Rat bis auf weiteres nicht entschliessen49. 15. Firmierung des Hilfswerks bei Rechtsakten: Prälat Hartenstein wurde gebeten, die Frage der Firmierung des Hilfswerks bei Rechtsakten zu regeln und die Kirchenkanzlei von der getroffenen Regelung zu unterrichten50. 16. Deutsche Schule in Barcelona51:

Ratssitzung vom 17. und 18. Februar 1949 gestanden, war aber nicht besprochen worden. Vgl. dazu K.-H. FIX, Protokolle 3, 1A2. Die neue Geschäftsordnung wurde auf der Sitzung am 6./7. September 1951 beschlossen, vgl. dazu A. SILOMON, Protokolle 4, 18B9. Zum Fortgang vgl. 24B1, 24C1, 24D1; 24E1–24E3 und 25B6. 49 Die Kirchenkanzlei hatte bereits in einem Schreiben vom 23. Mai 1951 an das Zentralbüro des Hilfswerks um die Klärung der Frage gebeten, ob die Tätigkeit im Zentralbüro als öffentlicher Dienst anzusehen sei oder nicht (EZA BERLIN, 2/5130). Die Verhandlung dieses Tagungsordnungspunktes war von Hartenstein in einem Schreiben vom 3. Juli 1951 an den Ratsvorsitzenden beantragt worden (23A10). In einem Schreiben an Benn vom 9. Juli 1951 hatte Brunotte dargelegt, er erwarte, dass jetzt sehr schnell Anträge des Hilfswerks auf Übernahme seiner Angestellten ins Beamtenverhältnis erfolgen würden. Brunotte hatte die Hoffnung geäußert, in der Ratssitzung am 16./17. Juli 1951 allzu weitreichende Wünsche des Hilfswerks vereiteln zu können. Für Brunotte lag der Antrag des Hilfswerks auf einer Linie mit der von Gerstenmaier verfolgten Politik, das Hilfswerk zum Diakonat der Kirche zu erheben (EZA BERLIN, 4/44). 50 Da das Hilfswerk der EKD keine eigenständige Rechtsperson war, sondern ein unselbstständiges Werk der EKD, war der Abschluss von Verträgen des Hilfswerks im Namen der EKD problematisch, da laut Artikel 34 der Grundordnung der EKD nur der Vorsitzende oder der Präsident der Kirchenkanzlei und deren jeweilige Stellvertreter zum Abschluss von Verträgen, die die EKD Dritten gegenüber verpflichteten, berechtigt waren. In diesem Zusammenhang hatte Brunotte das Geschäftsgebaren der Gemeinnützigen Siedlungsgesellschaft des Hilfswerks kritisiert und beantragt, die Frage nach der Rechtsperson des Hilfswerks auf die Tagesordnung zu setzen; vgl. das Schreiben Brunottes an Benn vom 9. Juli 1951 (EZA BERLIN, 4/44). Zum Fortgang vgl. 24B5; 25B19; 26B12. 51 Die folgenden Beschlüsse entsprechen fast wörtlich einem Antrag des Kirchlichen Außenamtes (23D10). – Die Deutsche Schule in Barcelona war 1894 von der deutschen evangelischen Gemeinde Barcelonas gegründet worden. Ihr Träger war von 1896 bis 1946 ein überkonfessioneller deutscher Schulverein. Ziel der Schulgründung war es, den Zusammenhalt der deutschen Kolonie zu fördern und zugleich kulturelle Verbindungen mit den Spaniern zu schaffen. Nach dem Zweiten Weltkrieg hatten katholische Lehrkräfte eine neue Schule, das Colegio Miramar, unter Ausschluss der Protestanten gegründet. Im Gegenzug hatten die Protestanten das Colegio La Salud gegründet, um die überkonfessionelle Tradition der Deutschen Schule in Barcelona fortzusetzen. Den Lehrern beider Schulen war es dann gelungen, eine Fusion der Schulen zum 1. Oktober 1950 zu erreichen. Doch waren die

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Das Kirchliche Aussenamt wurde ermächtigt, sich im Namen des Rates – wenn nötig, unter Beteiligung von evangelischen Abgeordneten – dafür einzusetzen, a) dass das Auswärtige Amt die Schule „Alberto Magno“ in Barcelona als deutsche Auslandsschule anerkennt und unterstützt52, b) dass das Auswärtige Amt darauf hinwirkt, dass diese Schule (entsprechend dem Willen der Eltern) als eine paritätische Schule mit evangelischen und katholischen Lehrern errichtet wird, selbst wenn dies nur in der Form einer Privatschule möglich ist53, c) dass das Auswärtige Amt die Bestrebungen katholischer Kreise in Spanien, insbesondere des katholischen Bischofs, aus der Schule eine katholische Schule zu machen, in keiner Weise unterstützt54. 17. Remilitarisierung: Der Rat bat seinen Vorsitzenden, in einem Gespräch mit dem Bundeskanzler sich über den gegenwärtigen Stand der Frage zu unterrichten und dem Rat in der nächsten Sitzung darüber zu berichten55.

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Bemühungen, die neu gegründete Schule, Alberto Magno, vom deutschen Auswärtigen Amt anerkennen zu lassen, bislang gescheitert. Nachdem der Bischof von Barcelona die Ernennung eines Priesters für den katholischen Religionsunterricht verweigert hatte, hatte die Schule die Anerkennung als öffentliche Höhere Schule Spaniens verloren; vgl. die Denkschrift über die augenblickliche Lage der Deutschen Schule in Barcelona (EZA BERLIN, 6/311, Bl. 112–117). Den Lehrkräften von Alberto Magno war bereits zum 1. Oktober 1951 gekündigt worden, da der Fortbestand der Schule als unsicher galt. Nur eine deutsche diplomatische Vertretung in Spanien hätte die Zustimmung der spanischen Behörden zu einer unabhängigen deutschen Schule in Barcelona bewirken können. Da aber eine deutsche diplomatische Vertretung in Spanien noch fehlte, sollte das Auswärtige Amt die deutsche Schule anerkennen und damit die Zustimmung der spanischen Behörden für eine unabhängige deutsche Schule erwirken, vgl. das Schreiben Karigs von der deutschen Evangelischen Gemeinde Barcelona an das Kirchliche Außenamt vom 9. Juli 1951 (EBD., Bl. 131). Dies entsprach einem Kompromissvorschlag, der in den Verhandlungen über die Fusion der Schulen Miramar und Alberto Magno vom 28. und 29. April 1951 zwischen dem Auswärtigen Amt, dem Bischof von Barcelona, Kardinal Frings und den Schulvorständen erarbeitet worden war; vgl. die Denkschrift über die augenblickliche Lage der Deutschen Schule in Barcelona (EBD., Bl. 112f.). Dieser Beschluss bezog sich auf den katholischen Kulturreferenten des Auswärtigen Amtes, Salat, dem man in evangelischen Kreisen Barcelonas unterstellte, im Sinne des katholischen Bischofs von Barcelona zu handeln (EBD., Bl. 114). Das Kirchliche Außenamt hatte deshalb Gerstenmaier gedrängt, in seinen Verhandlungen mit dem Auswärtigen Amt die Anerkennung der Deutschen Schule durch das Auswärtige Amt nicht von den Bedingungen des spanischen Bischofs abhängig zu machen; vgl. das Schreiben Schwarzhaupts an Gerstenmaier vom 11. Juli 1951 (EZA BERLIN, 6/1260, Bl. 291); vgl. auch das Schreiben Gerstenmaiers an Karig vom 18. Juni 1951 (EBD., Bl. 289). Nach G 1 forderte Niesel Dibelius auf, mit Adenauer über das Thema der Wiederbewaffnung zu reden. Darüber hinaus forderte er, dass der Bevollmächtigte des Rates am Sitz der Bundesregierung, Kunst, den Bundeskanzler wissen lassen solle, dass der Rat auch weiterhin zu seinem anlässlich des Essener Kirchentages am 27. August 1950 abgegebenen Wort zum

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18. Gemeindehelferinnen: Der Rat beschloss, einen Ausschuss einzusetzen, der dem Rat einen Entwurf für Richtlinien zur Ordnung des Amtes der Gemeindehelferin vorlegen soll56. Dem Ausschuss sollen angehören Prälat Dr. Hartenstein, Oberkirchenrat D. Dr. Herntrich, Fräulein M. Weigelt [Weigle] (Nürnberg), Fräulein Schlenk (Freiburg), Fräulein Rudolph (Frankfurt). Die Kirchenkanzlei wurde ermächtigt, den Ausschuss notfalls durch ein oder zwei weitere Mitglieder zu ergänzen57. 19. Neuordnung der Frauenhilfsarbeit in den östlichen Gliedkirchen: Der Rat erklärte sich damit einverstanden, dass im Bereich der östlichen Gliedkirchen die EKD als Rechtsträger die Arbeit fortführt, die bisher durch die Evangelische Frauenhilfe in Deutschland e. V. durchgeführt worden ist, und dass die EKD treuhänderisch das in diesem Bereich vorhandene Vereinsvermögen übernimmt. Er beaufFrieden stehe (KJ 1950, S. 165f.). Da Adenauer jedoch zu dieser Zeit Urlaub machte, führte Dibelius stattdessen ein Gespräch mit McCloy, „um zu hören, was die Amerikaner von Deutschland verlangen“ (vgl. G 1 zu 24B). In der folgenden Ratssitzung am 6./7. September 1951 berichteten Dibelius und Kunst dann über die Vorstellungen McCloys über einen deutschen Wehrbeitrag im Rahmen einer europäischen Armee unter US-Befehl (vgl. dazu 24B2 sowie G 3 zu 24B). 56 Vgl. die Eingabe der Evangelischen Frauenarbeit in Deutschland (23D11). Seit Anfang 1949 hatte sich die Kirchenkanzlei darum bemüht, für alle Landeskirchen gültige Richtlinien für eine Ordnung des Amtes und der Rechtsstellung der Gemeindehelferinnen zu entwickeln. Problematisch war schon die Frage, wer überhaupt unter die Amtsbezeichnung Gemeindehelferin fiel. Zudem waren Besoldung und Altersversorgung von Gemeindehelferinnen in den einzelnen Gemeinden oft sehr unterschiedlich; vgl. dazu das Schreiben der Kirchenkanzlei an die Leitungen der evangelischen Landeskirchen vom 18. Januar 1949 und das Schreiben Herntrichs an Osterloh vom 12. Juni 1950 (EZA BERLIN, 2/3345). Der hier vom Rat eingesetzte Ausschuss tagte dann zum ersten Mal am 12. Mai 1952 in Hannover; vgl. ELBINGERODE 1952, S. 325; vgl. auch die Richtlinien zur Ordnung des Dienstes der Gemeindehelferin vom 24. Juni 1954 (ABlEKD 1954, Nr. 9 vom 15. September 1954, S. 257f.). 57 Benn interpretierte den Beschluss dahingehend, dass der Ausschuss in jedem Fall durch zwei weitere Mitglieder zu ergänzen sei, die von der Kirchenkanzlei – Berliner Stelle – benannt werden sollten; vgl. das Schreiben Benns an die Kirchenkanzlei vom 30. Juli 1951. In dem Antwortschreiben Merzyns vom 2. August 1951 hieß es, dass Punkt 18 wörtlich die von dem Ratsvorsitzenden Dibelius getroffene abschließende Feststellung wiedergebe. Man werde selbstverständlich bei der Einberufung des Ausschusses die Wünsche der Kirchenkanzlei – Berliner Stelle – berücksichtigen. Allerdings fügte Merzyn hinzu, dass die Kirchenkanzlei dem Ausschuss keine wesentliche Bedeutung beimesse, weil die zu beratenden Fragen bereits eingehend geprüft und mit allen Landeskirchen erörtert worden seien (beide Schreiben: EZA BERLIN, 4/44).

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tragt die Kirchenkanzlei (Berliner Stelle), in der nächsten Sitzung den Entwurf einer Ordnung für die Frauenarbeit der EKD im Osten vorzulegen und bis dahin etwa notwendige Massnahmen ihrerseits zu treffen58. 20. Kollekte für Korea: Der Rat beschloss, die Landeskirchen zu bitten, sobald die Verhältnisse in Korea es gestatten – etwa bei Eintritt der Waffenruhe – die Gemeinden aufzurufen, als Zeichen des Dankes für die ihnen in schwerer Notzeit gewährte Hilfe nun ihrerseits Gaben für die notleidende Bevölkerung Koreas zu sammeln59. 58 In einem Schreiben vom 23. Juli 1951 teilte Benn der Evangelischen Frauenhilfe den Ratsbeschluss mit und bat diese ihrerseits um definitive Vorschläge zur Neuordnung der Evangelischen Frauenhilfe in Deutschland (EZA BERLIN, 4/371). Die Notwendigkeit, die Frauenhilfsarbeit im Osten neu zu regeln, hatte sich schon 1949 abgezeichnet. Zwar war es kirchlichen Institutionen in Einzelfällen von den Behörden der DDR konzediert worden, die Rechtsform eines Vereins zur Sicherung von Vermögen und Grundeigentum beizubehalten, doch hatten Regierungskreise der DDR schon 1949 empfohlen, das Eigentum dieser Vereine auf die EKD zu überschreiben; vgl. den Vermerk Krummachers über eine Besprechung mit dem Präsidenten der Verwaltung des Inneren für die sowjetische Besatzungszone in Berlin-Wilhelmsruh am 28. März 1949; vgl. dazu auch das Schreiben des Evangelischen Konsistoriums der Kirchenprovinz Sachsen an die Kirchenkanzlei – Berliner Stelle – vom 10. Januar 1951, in dem von der drohenden Auflösung der Evangelischen Frauenhilfe durch den Rat der Stadt Aschersleben berichtet worden war (beide Dokumente: EBD.). Die Evangelische Frauenhilfe in Deutschland hatte am 11. Juli 1951 den Antrag an die Kirchenkanzlei gerichtet, einen Entwurf für eine Vorläufige Ordnung auf der nächsten Ratssitzung am 16./17. Juli 1951 zu beraten. Dieser Entwurf war von Benn unter Einbeziehung geringfügiger Änderungen, die sich aus einer Besprechung mit dem Arbeitsausschuss der Evangelischen Frauenhilfe in Deutschland und der Stellungnahme einiger Landeskirchen ergeben hatten, erarbeitet worden; vgl. TOP 8 des Protokolls über die 25. Kirchliche Ostkonferenz in Berlin am 19. Juni 1951 (EZA BERLIN, 2/5049). Dem Antragsschreiben der Evangelischen Frauenhilfe war außerdem ein Auszug eines Protokolls der Hauptvorstandssitzung der Evangelischen Frauenhilfe vom 11. Juli 1951 beigefügt, auf der über die zu erwartende Neuordnung des Verhältnisses zwischen der Evangelischen Frauenhilfe in der DDR zur EKD beraten worden war. Die Vertreter der Frauenhilfsarbeit aus dem Gebiet der DDR hatten in diesem Zusammenhang dem Entwurf Benns zugestimmt und ihre Absicht bekundet, aus dem Verein der Evangelischen Frauenhilfe auszutreten, sobald die neue Regelung erfolgt sei. Darüber hinaus war beschlossen worden, den Rat der EKD zu bitten, allen Landesfrauenhilfen Gelegenheit zur weiteren Stellungnahme zu geben. Nach der Neuregelung einer Vorläufigen Ordnung sollte das Vermögen der Evangelischen Frauenhilfe auf dem Gebiet der DDR der EKD überschrieben werden; vgl. das Schreiben des Hauptvorstandes der Evangelischen Frauenhilfe in Deutschland an Benn vom 11. Juli 1951 (EZA BERLIN, 4/371). Zum Fortgang vgl. 25B24; 25C1. 59 Im Februar 1951 hatte Hartenstein beim Zentralbüro des Hilfswerks nachgefragt, ob dieses in der Lage sei, Spenden für Südkorea weiterzuleiten. Anlass dieser Anfrage war der in evangelischen Frauenkreisen laut gewordene Wunsch, Spenden für Südkorea zu sammeln; vgl. die Aktennotiz Röntschs vom 19. Februar 1951 (ADW BERLIN, ZB 355). Das Zentralbüro hatte daraufhin sein Einverständnis signalisiert und die westdeutschen Hilfswerke zur Entgegennahme von Spenden für Südkorea ermächtigt. Krimm hatte vor allem den symbolischen

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21. Bildung von Vertrauensräten bei den Dienststellen der EKD60: Professor Smend wurde gebeten, der Kirchenkanzlei seine Verbesserungsvorschläge möglichst bald mitzuteilen61. Die Kirchenkanzlei wurde beauftragt, auf Grund der Stellungnahme der Landeskirchen und der Verbesserungsvorschläge von Professor Smend die bisherigen Entwürfe zu überarbeiten und dem Rat rechtzeitig vor der nächsten Sitzung erneut vorzulegen62. Charakter einer Sammlung für Südkorea hervorgehoben und auf die große positive Wirkung einer solchen Geste außerhalb Deutschlands verwiesen. Es war geplant, die eintreffenden Spenden an die Abteilung für Zwischenkirchliche Hilfe des ÖRK weiterzuleiten; vgl. das Schreiben Krimms an die Hauptgeschäftsführer des Hilfswerks der evangelischen Landeskirchen in Westdeutschland vom 22. Februar 1951 (EBD.). Anfang Juli hatte Krimm Hartenstein darum gebeten, sich für einen Beschluss des Rates im Sinne eines offiziellen Aufrufs der EKD an die Landeskirchen für die Spendenaktion einzusetzen (23D12). Daraufhin empfahl die Kirchenkanzlei in einem Rundschreiben vom 9. August 1951 den Landeskirchen, Sammelaktionen für Korea in Zusammenarbeit mit den Einrichtungen des Hilfswerks durchzuführen. Gleichzeitig sollte das Zentralbüro des Hilfswerks die Landeskirchenleitungen in dieser Angelegenheit beraten und unterstützen (EBD.). Zum Fortgang vgl. 26B6. 60 Vom 6.–8. Juni 1951 hatte die Kirchenkanzlei in Königswinter eine Tagung über arbeitsrechtliche Fragen im Bereich der Kirche organisiert, bei der die Landeskirchenleitungen und ihre bereits bestehenden Mitarbeitervertretungen Vorschläge zur künftigen Organisation von kirchlichen Angestellten machen sollten. Im Anschluss an diese Tagung waren dem Rat ein Entwurf für einen Beschluss über die Bildung von „Vertrauensräten“ sowie ein Entwurf für eine Wahlordnung von der Kirchenkanzlei vorgelegt worden (23D13–23D15). Schon im Februar 1951 hatte die Kirchenkanzlei nachdrücklich zur Zusammenarbeit der Landeskirchen auf diesem Gebiet aufgefordert, um „kirchenfremden Einflüssen“ rechtzeitig begegnen zu können. Dies beinhaltete, dass die Mitarbeitervertretungen sich nicht in erster Linie als gewerkschaftliche Interessenverbände verstehen sollten, sondern als kirchliche „Dienstgemeinschaft“, die sich von Betriebsräten „im säkularen Sinne mit Rücksicht auf die Besonderheit des kirchlichen Dienstes“ u. a. dadurch unterscheiden sollte, dass sie alle Kategorien von kirchlichen Bediensteten umfasste; vgl. das Schreiben der Kirchenkanzlei an die westdeutschen Landeskirchenleitungen, den Centralausschuss der Inneren Mission und das Zentralbüro des Hilfswerks der EKD vom 19. Februar 1951 (LKA HANNOVER, L 3 III, Nr. 1304). In Königswinter hatte man sich für eine Anpassung an die in den ostdeutschen Gliedkirchen bereits getroffenen Regelungen ausgesprochen, weil die Kirchen in der DDR sich damit erfolgreich gegen staatliche und gewerkschaftliche Eingriffe gewehrt hatten; vgl. das Rundschreiben der Kirchenkanzlei vom 16. Juni 1951 (23E7) und den vertraulichen Bericht von Harlings über eine Besprechung beim Bundesarbeitsministerium in Bonn vom 5. Juni 1951 (23E8) sowie das Schreiben Dibelius’ an Adenauer vom 12. Juni 1951 (23E9). Vgl. dazu auch R. HACHTMANN, Arbeitsverfassung und W. FUCHS-STRATMANN, Mitarbeitervertretungen, S. 178. 61 Vgl. die Stellungnahme Smends zum Entwurf der Kirchenkanzlei für einen Beschluss des Rates zur Bildung von Vertrauensräten bei den Amtsstellen der EKD (23E5) und den eigenen Entwurf Smends für einen diesbezüglichen Ratsbeschluss (23E6). 62 Auf der 24. Ratssitzung am 6./7. September 1951 wurde die Frage der Mitarbeitervertretungen bei den Amtsstellen des Rates der EKD vertagt, weil die Kirchenkanzlei noch nicht im Besitz der Stellungnahme der Gewerkschaft ÖTV (vgl. 23E11) zum hier vorliegenden Entwurf der Kirchenkanzlei war (23D14). Das Gutachten der ÖTV ging von Harling, der für den Entwurf der Kirchenkanzlei verantwortlich war, mit einem Schreiben Schulz’ von

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22. Lastenausgleich: Der Rat nahm eine Mitteilung seines Vorsitzenden über das „Wort zum Lastenausgleich“ entgegen63. 23. Nächste Ratssitzung: Die nächste Sitzung soll am Donnerstag, den 6. September 1951 vormittags 10.00 Uhr pünktlich beginnen und am Freitag, den 7. September mittags 13.00 Uhr beendet werden64. gez. D. Brunotte gez. Dr. Merzyn

23D Vo rlagen und Anträge

23D Vorlagen und Anträge 23D1. Schreiben Brunottes an die Ratsmitglieder. Hannover, 14. Juni 1951 F: NL Smend (H). Betr.: Kirchengesetz über den Diakonischen Beirat. Vom Centralausschuss für die Innere Mission ist das in Abschrift beigefügte Schreiben vom 1. 6. 195165 eingegangen, in welchem das Einverständnis des Centralausschusses mit dem unverzüglichen Inkrafttreten des Kirchengesetzes über den Diakonischen Beirat erklärt wird. Der Centralausschuss betrachtet damit die gemäss Artikel 15 Absatz 2 der Grundordnung66 der Evangelischen Kirche in Deutschland vorgesehene Vereinbarung als abgeschlossen. Hiernach dürfte der Inkraftsetzung des Kirchengesetzes über den Diakonischen Beirat gemäss § 7 nichts mehr im Wege stehen. Der Centralausschuss hat gleichzeitig die nach § 4 Absatz 1 b67 zu bestellenden 6 Vertreter der Inneren Mission für den Diakonischen Beirat

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der Vereinigung von Bedienstetenvertretungen evangelischer Landeskirchen vom 13. September 1951 zu. In seinem Schreiben an von Harling betonte Schulz, dass es sich hier um eine interne Bearbeitung des ÖTV-Betriebsräte-Sekretariats handele. Schulz bat von Harling, diese Stellungnahme vertraulich zu behandeln, da er sonst große Unannehmlichkeiten zu erwarten habe (EZA BERLIN, 2/2549). Von Harling arbeitete einzelne Kritikpunkte der ÖTV in seinen neuen Entwurf ein; vgl. dazu das Schreiben von Harlings an Brunotte vom 24. September 1951 (23E10). Vgl. 20B5; 22E10; 22E11; 22E12. Vgl. 24B. 23D2. Vgl. ABlEKD 1948, Nr. 7 vom 15. Juli 1948, S. 111. Vgl. ABlEKD 1951, Nr. 4 vom 15. April 1951, S. 91.

23D Vorlagen und Anträge

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namhaft gemacht, die nach § 4 Absatz 2 b68 auf Vorschlag des Centralausschusses vom Rat zu berufen sind. Für die Bestellung von 3 Mitgliedern des Rates, die dem Diakonischen Beirat nach § 4 Absatz 1 a69 angehören sollen, waren in der letzten Sitzung des Rates bereits die Herren Prälat Dr. Hartenstein, Oberkirchenrat D. Herntrich und Synodalpräsident Mager in Aussicht genommen worden. Für die Berufung von 3 in diakonischer Arbeit bewährten Gemeindemitgliedern gemäss § 4 Absatz 1 d70 waren zunächst die Namen von Frau von Sahr, Frau Staeven und Pastor Symanowski genannt worden. Wir schlagen vor, in der nächsten Sitzung des Rates die erforderlichen Beschlüsse zu fassen, damit das Kirchengesetz über den Diakonischen Beirat sobald wie möglich in Kraft treten kann. gez. D. Brunotte

23D2. Schreiben Liljes an die Ratsmitglieder. Bethel bei Bielefeld, 1. Juni 1951 F: NL Smend (H; Anlage zu 23D1). Bezug: Schreiben der Kirchenkanzlei vom 8. Mai 195171. Tgb.Nr. 1553.II. Betr.: Kirchengesetz über den Diakonischen Beirat der Evangelischen Kirche in Deutschland. Dem hochwürdigen Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland teile ich hierdurch mit, daß der Central-Ausschuß durch Vorstandsbeschluß vom 28. Mai dieses Jahres sich mit dem unverzüglichen Inkrafttreten des am 5. April 1951 verkündeten Kirchengesetzes über den Diakonischen Beirat der Evangelischen Kirche in Deutschland einverstanden erklärt, und dass [sic!] er mit dieser seiner dem Rat gegenüber abgegebenen Einverständniserklärung die gemäß Artikel 15 Absatz 272 der Grundordnung vorgesehene Vereinbarung als getroffen ansieht. Als Vertreter der Inneren Mission für den Diakonischen Beirat sind unter Berücksichtigung der Bestimmungen § 4 Abs. 1 b und Abs. 2 b73 des Kir68 69 70 71 72 73

EBD. EBD. EBD. Schreiben der Kirchenkanzlei an den CA der IM vom 8. Mai 1951 (EZA BERLIN, 2/5157. Vgl. ABlEKD 1948, Nr. 7 vom 15. Juli 1948, S. 111. Vgl. ABlEKD 1951, Nr. 4 vom 15. April 1951, S. 91.

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chengesetzes über den Diakonischen Beirat in der gleichen Vorstandssitzung des Central-Ausschusses folgende Persönlichkeiten ausgewählt worden, die hiermit dem Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland zur Berufung vorgeschlagen werden: Oberkirchenrat Ulrich von Brück, Dresden, Frau Oberin Martha Coerper, Detmold, Pastor Rudolf Hardt, Bethel, Pastor Friedrich Münchmeyer, Bethel, Kirchenrat D. Dr. Theodor Wenzel, Berlin, Pfarrer Wilhelm Ziegler, Karlsruhe. gez. Lilje

23D3. Schreiben des Konsistoriums der evangelisch-lutherischen Kirche in Italien an den Rat der EKD. Rom, 24. Juni 1951 F: LKA Hannover, D 15 VI, Nr. 219, Bd. 2., Bl. 113ff. (D). 113

|Am 8. Juni war der Oberkirchenrat im Aussenamt der EKID, Herr J. Bartelt, bei dem Pfarrverweser der Ev.-luth. Kirchengemeinde in Florenz erschienen und hatte im Pfarrhaus der Gemeinde Wohnung genommen. Von dem Dekan der Ev. luth. Kirche in Italien, welcher die Kirchengemeinde in Florenz angehört, um den Grund seines Kommens befragt, berief er sich auf amtliche Entsendung und bezeichnete sich als den Dienstvorgesetzten des Pfarrverwesers in Florenz, Herrn Hilfspredigers Dr. Wilhelm Paeseler, zu dessen Besuch er erschienen sei. Auf eine Gegenerklärung des Dekans, wonach die Ev.-luth. Kirche in Italien es sei, auf deren Veranlassung und in deren Auftrage der Hilfsgeistliche Dr. Päseler [sic!] in Italien amtiere, nachdem er auf Antrag des Ev.-luth. Konsistoriums in Italien durch das Rheinische Konsistorium für den Dienst in Florenz beurlaubt worden sei, antwortete Oberkirchenrat Bartelt, das Rheinische Konsistorium als die Behörde des Hilfsgeistlichen Dr. Päseler [sic!] habe diesen der Dienstaufsicht des Außenamtes der EKID unterstellt. Im Gottesdienste des 10. Juni richtete Oberkirchenrat Bartelt eine Ansprache an die Gemeinde, wozu der Hilfsgeistliche Dr. Päseler [sic!] ihm die Gelegenheit gab. Er redete die Gemeinde als eine solche der EKID an, erinnerte an empfangene Wohltaten und ermahnte zu[r] Treue. Davon, daß die Gemeinde durch Beschluss ihrer verfassungsmäßigen Organe mit den anderen Gemeinden in Italien zur Bildung der Ev.-luth. Kirche in Italien zusammengetreten ist, ihr laut § 2 des Anschlußgesetzes von 1924 bestehendes Anschlussverhältnis zur Heimatkirche ordnungsgemäß

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gekündigt und gleichzeitig erklärt hat, dass die innere Verbindung mit der Heimatkirche ihr als unlösbar gelte; ferner davon, dass die Gemeinde „der Ev.-luth. Kirche in Italien“ Fortdauer ihres Bestandes, Hilfe bei Entsequestrierung ihres Besitzes und geistliche Bedienung verdankt, erwähnte Oberkirchenrat Bartelt nichts. 114 |Als Dekan Dahlgrün in unmittelbarem Anschluss an den Gottesdienst pflichtmässig die Einheit der „Ev.-luth. Kirche in Italien“ zu wahren suchte und die Gemeinde für ein Glied dieser erklärte, wurde er durch heftige Gegenrufe des Hilfsgeistlichen am Weiterreden gehindert. Aufgefordert an einer auf dem Gottesdienst folgenden Gemeindeversammlung das Wort zu nehmen, verzichtete er auf Teilnahme an einer solchen, von einem fremden Kirchenregiment geleiteten Versammlung und verliess, um sich nicht dem Vorwurf, einen Tumult erregt zu haben, auszusetzen, mit der Erklärung, dass die Entscheidung über das Vorgefallene an anderer Stätte fallen werde, dass Gotteshaus. Warum hat das Rheinische Konsistorium seine Absicht, den Hilfsgeistlichen Paeseler der Dienstaufsicht des Aussenamtes der EKID zu unterstellen, dem Konsistorium der „Ev.-luth. Kirche in Italien“ n i c h t , wie es sich gebührt hätte, bekannt gegeben? Ignorierte es die Ev.-luth. Kirche in Italien oder gab es sich dazu her, sie irre zu führen? Der Hilfsgeistliche Dr. Paeseler hat, indem er es geflissentlich unterliess, die genannte Unterstellung dem Ev.-luth. Konsistorium in Italien zu melden, einen so schweren Vertrauensbruch gegen die Kirche, von der er berufen worden war, begangen, dass er für diese fortan untragbar ist. Ihm wurde der ihm erteilte Auftrag kommissarischer Wahrnehmung des Ev.luth. Pfarramtes in Florenz mit sofortiger Wirkung entzogen. Als die in äusserster Existenzbedrohung befindlichen deutschen evangelischen Kirchengemeinden in Italien und in Triest im Jahre 1948 zur Selbsthilfe schritten und zu einer unabhängigen Ev.-lutherischen Kirchengemeinschaft sich zusammenschlossen, war Voraussetzung dieser der Erhaltungspflicht geschuldeten Massnahme eine Herstellung von R e c h t s g l e i c h h e i t der Gemeinden, von denen ein Teil an die EKID angeschlossen, ein anderer Teil nicht angeschlossen war. Aus diesem Grunde und weil als weitere Schutzmassnahme eine Ordnung des Rechtsverhältnisses zum Gastlande sowie eine Erwerbung von Körperschaftscharakter geboten waren, blieb dem erstgenannten Teil der Gemeinden, um zur Gleichheit und Einheit mit den nicht angeschlossenen Gemeinden zu gelangen, kein anderer Weg als der einer Kündigung des Anschlusses. Wenn die Gemeinden die Kündigung mit der obenerwähnten feierlichen Erklärung begleiteten, wonach die innere Verbindung mit der Heimatkirche von ihnen als unlösbar angesehen werde [sic!], so sind sie und mit ihnen die gesamte Ev.-lutherische Kirche in Italien nach wie vor entschlossen, zu dieser Versicherung zu stehen, verhehlen aber nicht, dass ihnen dies durch einen Zugriff wie den in Florenz geschehenen

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– es bestand die Absicht des Kirchlichen Aussenamtes, ihn auch auf die Evangelisch-lutherische Kirchengemeinde in Venedig auszudehnen – überaus erschwert wird. Die gesamtkirchliche Verantwortung wird dadurch aufgerufen, dass durch das Aussenamt der EKID störend, sprengend, Hader erregend in eine Kirche eingedrungen wird, die schwer um Bestand und Aufbau ringt. Sie hat nichts so nötig, als inneren und äusseren Frieden, 115|sollen im Kriege geschlagene Wunden geheilt, die Gemeinden geistlich erneuert und rechtlich geordnet werden. Wird die ev.-luth. Diaspora in Italien und in Triest durch das Aussenamt der EKID zum Gegenstand und Ziele einer Machtprobe gemacht, so wird es bald umsonst gewesen sein, dass diese Diaspora als die einzige in einem kriegführenden Lande durch das letzte schwere Jahrzehnt bis heute völlig intakt bewahrt geblieben ist. In dem wir uns zur Abwendung von Schaden und zum Schutze des Evangelischen Namens vor Gemeinden stellen, die uns erst kürzlich auf ihrer Synode ihr Vertrauen bekundet haben, v e r w a h r e n w i r u n s i n aller Form dagegen, dass von einer Seite, die in Bezug auf die Gemeinden keine Zuständigkeit hat, kirchenamtlich im Namen der EKID in die Ev.-luth. Kirche in Italien eingegriffen werde, und bitten den Rat der EKID, entsprechende Weisung zu erlassen. Für das Konsistorium der Ev.-luth. Kirche in Italien: gez. Prof. Dr. Leo BRUHNS Präses der Synode gez. Dekan E. DAHLGRÜN

23D4. „Gemeinsamer Vorschlag des Kirchlichen Außenamtes und des Konsistoriums der Lutherischen Kirche Italiens zur Regelung der Beziehungen der ELKI zur EKD.“ Frankfurt/Main, 9. Juli 1951 F: EZA Berlin, 6/895, Bl. 186f. (H)_74. 187 |Das Kirchliche Außenamt hat gemeinsam mit den Vertretern des Konsistoriums der ELKI folgenden Vorschlag ausgearbeitet, der den weiteren Verhandlungen über eine Regelung der Beziehungen zwischen der EKD und der ELKI zugrunde gelegt werden soll. Der Rat der EKD wird gebeten, diesem Vorschlag seine Zustimmung zu geben.

74 Mit Vermerk: „Vorgelegt zur Sitzung des Rates der EKD am 16. und 17. 7. 1951 in Elbingerode“.

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1. Die EKD unterstützt wie in anderen Ländern so auch in Italien die Bemühungen der deutsch-sprachigen evangelischen Christenheit um Festigung ihres Zusammenschlusses und um Erwerb innerer und wirtschaftlicher Selbständigkeit. 2. Die Beziehungen zwischen der ELKI und der EKD sollen durch einen freien gegenseitigen Vertrag geregelt werden. Der Anschluß der Gemeinden Rom, Florenz, Genua, Venedig, Triest und Bozen an die EKD soll gelöst werden. 3. Damit die unter 2) genannten Gemeinden ihr Anschlußverhältnis rechtswirksam kündigen können, ist es erforderlich, daß sie durch ordnungsmäßige Beschlüsse ihrer Gemeindeversammlungen die Bestimmungen ihrer Satzungen über den Anschluß an die EKD aufheben und diese Satzungsänderung der EKD zur Genehmigung vorlegen. Die EKD wird diese Genehmigung erteilen, so daß die Gemeinden den Anschluß gemäß § 15, Abs. 2 des Anschlußgesetzes75 rechtswirksam kündigen können. 4. Nach Auffassung der EKD steht ein formal z. Zt. aber noch bestehendes Anschlußverhältnis der unter 2) genannten Gemeinden nicht im Widerspruch zu der Eigenschaft der ELKI als einer 186|Ente Morale des italienischen Rechts. Für den Fall, daß maßgebliche italienische Stellen eine andere Auffassung vertreten sollten, verzichtet die EKD auf die Ausübung aller Rechte, die etwa mit der Eigenschaft der ELKI als einer Ente Morale nicht vereinbar sein sollten. 5. Die EKD ist bereit, in dem in Ziff. 2 vorgesehenen Vertrag die Aufgaben und Verpflichtungen zu übernehmen, die in § 1 des Anschlußgesetzes76 für das Rechtsverhältnis zu angeschlossenen Kirchen und Kirchengemeinschaften vorgesehen sind. Die EKD wird keine Einwendungen daraus herleiten, daß die ELKI nicht alle Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 des Anschlußgesetzes erfüllt. Im einzelnen werden die gegenseitigen Verpflichtungen in dem Vertrag geregelt werden. Der Zugehörigkeit der ELKI zu Zusammenschlüssen lutherischer Kirchen innerhalb der Ökumene wird kein Hindernis entgegengestellt werden. Der Vertrag wird keine Bestimmungen enthalten, die mit der Eigenschaft der ELKI als Ente Morale italienischen Rechts in Widerspruch stehen könnten. Die Beteiligten hoffen, daß hiermit die Grundlage für eine brüderliche und lebendige Verbindung zwischen der ELKI und der deutschen Heimatkirche geschaffen wird und daß der Weg frei gemacht wird für eine friedliche Lösung aller noch schwebenden Einzelfragen.

75 Vgl. J. HOSEMANN, Kirchenbund, S. 105–114. 76 EBD.

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23D5. Schreiben Brunottes an die Ratsmitglieder. Hannover, 3. Juli 1951 F: NL Smend (H). Betr.: Fürsorge für die in Deutschland verbleibenden alten und kranken DP’s. In einer Besprechung sämtlicher an der kirchlichen Fürsorge für die in Deutschland verbleibenden DP’s beteiligten innerdeutschen und oekumenischen Stellen am 21. Juni in Hannover kam die Tatsache zur Sprache, daß Fürsorgeverpflichtungen des Staates nur von den Ländern der Bundesrepublik übernommen werden, in deren Bereich sich zufällig ein Heim für alte DP’s befindet. Die übrigen Länder, z. B. Nordrhein-Westfalen, sind nicht bereit, Fürsorgeleistungen für diese DP’s mitzutragen. In der Sitzung am 21. 6. 1951 wurde daher beschlossen, der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland möge die Bundesregierung bitten, sich um einen Ausgleich zwischen den Ländern in der Frage der Unterbringung alter und kranker DP’s in Heimen zu bemühen. Wir werden die Angelegenheit in der nächsten Ratssitzung zur Sprache bringen. gez. D. Brunotte

23D6. Schreiben Weßels an den Rat der EKD. Reelkirchen, 2. Juli 1951 F: EZA Berlin, 2/2905 (O). Evangelische Beamte in Lippe meinen es als Christen nicht verantworten zu können, wieder einmal auf eine Staatsverfassung einen Eid zu leisten, nachdem sie in ihrem Leben schon gezwungen waren, auf die einander widersprechendsten Verfassungen zu schwören. Diese Beamten berufen sich auf das Gebot 2. Mose 20,7. Dies Gebot sei bei einem Eid auch dann zutreffend, wenn der Name Gottes nicht ausdrücklich genannt würde. An der Beamtentreue dieser Männer und Frauen ist nicht zu zweifeln. Sie möchten aber auch den Anschein vermeiden, jetzt erneut auf eine bestimmte Welt- und Staatsauffassung innerlich festgelegt zu werden. Wenn dies aber nicht von der Regierung gemeint sei, so müsse der einmal geleistete Beamteneid genügen. Der Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen hat erklärt, daß diese Gewissensbedenken nicht berücksichtigt werden könnten und daß die Konsequenzen zu ziehen seien. Lippische Pfarrer vertreten den Standpunkt, daß der Beamteneid und der Fahneneid ihren Ursprung im kaiserlichen Rom hätten und daß diesen

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Eiden eine biblische Begründung nur mit indirekten Schlüssen gegeben sei. In der Bibel sei nichts darüber zu finden, daß Beamte oder Soldaten zu einem Treueid auf den König oder eine Obrigkeit gezwungen wurden. Die Bejahung solcher Eide durch die Kirche in den vergangenen Jahrhunderten beruhe nur auf der staatskirchlichen Tradition. Die Landessynode hat beschlossen, den Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland um eine Beratung in dieser Frage zu bitten. In der Zeit des Nationalsozialismus wurde es schon unverkennbar, daß über die Bedeutung des Eides eine heillose Verwirrung besteht. Die Erkenntnisse des Kirchenkampfes in dieser Frage sind aber kaum bis zu denen gedrungen, die den Eid fordern und zu denen, die ihn leisten sollen. Es ist beabsichtigt, die Regierung von Nordrhein-Westfalen zu bitten, von einer zwangsweisen Wiederholung des Beamteneides so lange abzusehen, bis der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland gesprochen hat. Weßel [m. p.]

23D7. Entwurf der Kirchenkanzlei für ein Schreiben an den Präses der Lippischen Landessynode. [Elbingerode, 16. Juli 1951] F: EZA Berlin, 2/2905 (H). Betr.: Vereidigung der Beamten im Lande Nordrhein-Westfalen auf die Verfassung Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland hat mit Bewegung77 davon Kenntnis genommen, dass in Lippe78 christliche Staatsbeamte erste Gewissensbedenken gegen eine vom Lande Nordrhein-Westfalen angeordnete Vereidigung auf die Verfassung haben. Der Rat versteht, dass diese Bedenken ihren Grund in dem mehrfachen Wechsel der Staatsform und der dadurch bedingten Wiederholung des Treueides haben und dass sie noch verstärkt werden durch den gottlosen79 Missbrauch, den das „Dritte Reich“ mit dem Eid getrieben hat. Nachdem aber die Lippische Landessynode den Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland um eine Beratung in dieser Frage gebeten hat, um ihrerseits den Menschen, die in Gewissensnot geraten sind, seelsorgerlich helfen zu können, kann der Rat nicht umhin, die Pfarrer und Gemein77 „Mit Bewegung“ hsl. von Heinemann gestrichen. 78 „In Lippe“ hsl. von Heinemann gestrichen. 79 „Gottlosen“ hsl. von Heinemann gestrichen.

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deglieder in Lippe zu bitten, sorgsam zu prüfen, was die evangelische Kirche in dieser Angelegenheit auf Grund von Gottes Wort lehrt, damit nicht Entscheidungen getroffen werden, die in Wirklichkeit einer schwärmerischen Verkehrung der evangelischen Lehre verfallen würden. Die Bekenntnisschriften der lutherischen wie der Reformierten Kirche (Confessio Augustana, Art. XVI, dazu Apologie XVI und Form. Conc. XII, 4; ebenso Confessio Helvetica posterior „Von der Obrigkeit“) lehren eindeutig, dass es unter vielen anderen Dingen des öffentlichen Lebens dem Christen erlaubt, ja geboten ist, Eide zu schwören, die die Obrigkeit fordert. Die reformatorischen Väter haben entgegen allen schwärmerischen Anwendungen80 ihrer Zeit daran festgehalten, dass Eide notwendig sind, weil wir in einer Welt der Sünde leben, in der Wahrheit und Treue auf andere Weise nicht zu bekräftigen sind. Unsere Väter haben zugestanden, dass die Obrigkeit, auch die81 nichtchristliche, eine gute Ordnung Gottes sei, in die der Christ sich82 einfügen soll, um der Ehre Gottes und um der Liebe zum Nächsten willen. Zu den Rechten der Obrigkeit gehört es, den Zeugeneid vor Gericht und den Huldigungseid (Treueid) gegenüber der obrigkeitlichen Ordnung zu fordern. Es wäre ein falscher Biblizismus zu sagen, dass in der Heiligen Schrift die Vereidigung von Beamten und Soldaten nirgends geboten oder zugelassen sei. Die reformatorische Lehre über den Eid beruht nicht auf der staatskirchlichen Tradition der evangelischen Kirche, sondern auf ihrer biblisch-theologisch begründeten Lehre von der Obrigkeit und dem Verhalten des Christen im Stand der Obrigkeit und gegenüber der Obrigkeit. Es wäre ein Ausweichen vor dem Ernst der Fragestellung zu meinen, der Staat sollte sich mit einem „Versprechen“ der Beamten zufrieden geben, auf einen vor Gottes Angesicht zu schwörenden Eid aber verzichten. Auch steht es nicht in der Macht des Christen oder der Kirche zu entscheiden, ob nicht der einmal bei der Anstellung geleistete Beamteneid genüge. Die Entscheidung darüber, ob ein früherer Eid genüge oder ob nicht gerade wegen des Missbrauchs des Eides vor 1945 und um des Zusammenbruchs aller bisherigen Ordnungen willen eine Vereidigung auf die jetzt bestehende Ordnung erfolgen müsse, kommt dem Staate zu. Der Staat soll aber hierbei wissen, was er tut und wem er verantwortlich ist, wenn er Menschen unter Berufung auf Gott in eine Ordnung bindet. Die reformatorische Lehre vom Eid setzt immer voraus, dass die Obrigkeit, die den Eid abnimmt, dazu berechtigt ist und ihre Verantwortung kennt. Notfalls muss die christliche Gemeinde der Obrigkeit diese Verantwortung offen bezeugen und sie vor Missbrauch des Eides warnen. 80 „Anwendungen“ hsl. von Heinemann durch „Anwandlungen“ ersetzt. 81 „Die“ hsl. von Heinemann durch „eine“ ersetzt. 82 Hier wurde hsl. von Heinemann „grundsätzlich“ eingefügt.

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Die Obrigkeit muss wissen, dass es für den Christen niemals einen b e d i n g u n g s l o s e n Treueid gibt und dass der Gehorsam gegen den Staat nur so weit gilt, als der Staat nicht befiehlt, Sünde zu tun oder sich an sündhaftem Handeln mitschuldig zu machen. Der Gehorsam gegen den Staat hat seine selbstverständliche Grenze in dem Apostelwort: „Man muss Gott mehr gehorchen denn den Menschen (Apg. 5,29)“. Diese Grenze ist so selbstverständlich, dass sie nicht einmal bei jeder Eidesleistung ausdrücklich aufgezeigt werden muss. Es entspricht der reformatorischen Ethik, dass der einzelne Christ auch als Staatsbürger im konkreten Einzelfall zu entscheiden hat, wo für ihn diese Grenze gegeben ist. Die Möglichkeit, jemals an eine solche Grenze zu kommen, entbindet ihn aber nicht von der Pflicht der Eidesleistung. Es wäre unevangelisch, den Eid grundsätzlich zu verweigern, weil die M ö g l i c h k e i t eines Missbrauchs bestehen könnte. Unter diesen Gesichtspunkten scheint dem Rat, dass die vom Land Nordrhein-Westfalen aufgestellte Eidesformel „Ich schwöre, dass ich das mir übertragene Amt nach bestem Wissen und Können verwalten, Verfassung und Gesetze befolgen und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe. (Der letzte Satz kann auf Wunsch weggelassen werden)“ nicht zu beanstanden ist. Es ist sachgemäss, dass die Beamten Verfassung und Gesetz nicht nur, wie alle Staatsbürger „befolgen“, sondern selbst vertreten, schützen und notfalls „verteidigen“ müssen. Das bedeutet keineswegs, dass der Beamte allen Einzelbestimmungen der Verfassung innerlich zustimmen müsse, bevor er den Eid ablegen kann. Unter der gegenwärtigen Staatsform hat er, wie jeder Staatsbürger, die Möglichkeit auf die Abänderung von Bestimmungen mit legalen Mitteln hinzuarbeiten. Glaubt er, grundsätzlich den Sinn der Verfassung verwerfen zu müssen, so wird ihm allerdings nur übrig bleiben, die Konsequenzen daraus zu ziehen und nicht im Dienst des Staates zu bleiben. Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland bittet die Lippische Landessynode, diese seine Ausführungen ernsthaft zu überlegen, sie an der Heiligen Schrift und den Bekenntnissen der Reformation zu prüfen und, wenn sie sie für richtig befindet, zum Trost und zur Schärfung der Gewissen in der seelsorgerlichen Beratung anzuwenden.

23D8. Schreiben Meisers an den Rat der EKD. München, 26. Juni 1951 F: LKA Hannover, D 15 VI, Nr. 183 (D). Nachdem der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland im vergangenen Rechnungsjahr dankenswerter Weise die Arbeit der Kommission zur Herausgabe der Werke Luthers unterstützt hatte, wenden wir uns auch in

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diesem Jahr wieder an den Rat mit der Bitte, der Weimarer Lutherausgabe eine weitere Hilfe angedeihen zu lassen. Die Tatsache, dass die Arbeit an der Weimarer Lutherausgabe durch den Krieg entscheidend gehemmt und unterbrochen war und dass sie jetzt unbedingt so bald wie möglich zuende geführt werden muss, rechtfertigt ohne Zweifel eine solche neuerliche Bitte. Die Lutherischen Gliedkirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland stehen voll und ganz hinter dieser Bitte und über sie hinaus haben das ganze deutsche Luthertum, ebenso wie das Weltluthertum und der Weltprotestantismus, ein dringendes Interesse an der Vollendung dieser Ausgabe. Es wird versucht, für die Finanzierung der Arbeit der Kommission auch andere kirchliche und staatliche Quellen zu erschließen. Es wird aber keine einzelne Stelle in der Lage sein, durch ihren Beitrag allein die Weiterarbeit und den Abschluss des Werkes zu sichern. Indem wir den Rat um eine Beihilfe in Höhe von 3.000,– DM für die genannte Aufgabe bitten, übersenden wir in der Anlage einen Bericht von Professor D. Hanns Rückert, dem Vorsitzenden der Kommission, über den gegenwärtigen Stand der Arbeiten an der Weimarer Lutherausgabe, der alles Wissenswerte enthält.83 D. Meiser [m. p.]

23D9. Schreiben Schwarzhaupts an Dibelius. Frankfurt/Main, 27. Juni 1951 F: EZA Berlin, 2/P 158 (O). Hochverehrter Herr Bischof! Wir wären Ihnen herzlich dankbar, wenn auf der Ratssitzung in Elbingerode die nachstehende Angelegenheit zur Sprache gebracht werden könnte: Frau Vikarin Dr. theol. Anna Paulsen, deren Name über die Evangelische Kirche in Deutschland hinaus bekannt ist, befindet sich z. Zt. in einer sehr schwierigen wirtschaftlichen Lage. Sie lebte in den letzten Jahren mit einem kleinen festen Einkommen von DM 150,– monatlich im Haushalt ihrer Mutter. Obgleich sie durch schriftstellerische Arbeiten hinzuverdiente, konnte sie nur dadurch einigermassen existieren, dass sich das Leben für sie durch Zusammensein mit der Mutter, die eine Pension bezog, billiger gestaltete. Nun ist die Mutter vor kurzem gestorben. Hinzu kommt, dass auch das Gehalt von DM 150,–, das sie für ihre Mitarbeit in der Bibelschule des Burckhardthauses in Hademarschen-Hanerau er83 Vgl. LKA Hannover D 15 VI, Nr. 183.

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hielt, vom Herbst dieses Jahres an fortfallen wird, da die Schule nach Gelnhausen verlegt wird. Damit wird Frau Dr. Paulsen ohne jede feste Existenzgrundlage sein. Das alles trifft einen Menschen, dessen wissenschaftlich-theologische Bedeutung allgemein anerkannt ist. Frau Dr. Paulsen wurde vor Jahren durch ihr Buch über die Frau „Mutter und Magd“, das seither durch ein evangelisches Buch gleichen Inhalts noch nicht überboten wurde, bekannt. Seitdem ist eine Reihe weiterer Bücher und Schriften von ihr erschienen, die z. T. über den Rahmen des rein Theologischen hinausgehen. Zu den Büchern letzterer Art gehören: eine Anthologie „Der Glaube kann nicht schweigen“ und ein Werk über Kierkegaard, das in Kürze erscheinen wird; zu den theologischen Schriften „Ich habe dich bei deinem Namen gerufen“ und u. a. „Hiob. Ein Buch der Bibel für unsere Zeit gedeutet“. Darüber hinaus hat Frau Dr. Paulsen laufend an Zeitschriften mitgearbeitet. Vor 1945 war Frau Dr. Paulsen Leiterin der Bibelschule des Burckhardthauses in Berlin. Sie hat diese Schule zusammen mit Herrn Pastor Thiele im Jahre 1926 gegründet, die Lehrpläne entworfen und ihr durch Jahre hindurch ihre Gestalt gegeben. Dem Burckhardthaus ist es nicht möglich, Frau Vikarin Paulsen eine dauernde Sicherung ihrer Existenz zu geben. Es steht wie alle Institutionen der Jugendarbeit immer wieder vor der Situation, älter gewordene, hochverdiente Mitarbeiterinnen, vor allem solche, deren Aufgabe der unmittelbare Umgang mit der Jugend war und die schliesslich den Kontakt mit den jungen Mädchen nicht mehr in der nötigen Breite finden können, nicht mehr beschäftigen, aber auch finanziell nicht mehr tragen zu können. Die vorhandenen Mittel reichen kaum dazu aus, die Menschen, die die Arbeit in vollem Umfange tun können, sehr bescheiden zu bezahlen, so dass nicht, wie es bei kirchlichen Einrichtungen grösseren Umfangs immerhin möglich ist, eine Reihe von Mitarbeitern mit durchgetragen werden kann, die nur noch in begrenztem Masse einzusetzen sind. Frau Dr. Paulsen ist aber – abgesehen von einer einseitigen Verwendung in der Jugendarbeit – noch voll leistungsfähig. Sie kann einen wesentlichen und unentbehrlichen Beitrag zu den theologischen Gegenwartsfragen, vor allem, soweit sie die Frau in Ehe und Beruf betreffen, aber auch über diesen Rahmen hinaus, geben in einer Weise wie es unseres Wissens niemand sonst vermag. Es müsste deshalb Verpflichtung der Gesamtkirche sein, einer Frau von diesem geistigen und theologischen Rang eine Aufgabe zu erteilen, in der sie ihre besonderen und einmaligen Gaben fruchtbar werden lassen kann. Wir sähen eine Möglich[keit] darin, ihr einen gesamtkirchlichen Auftrag zu geben in der Form, dass sie den Evangelischen Akademien für ihre Frauentagungen und für die Bearbeitung theologischer und auch soziologischer Einzelprobleme, wie sie z. B. im Rahmen der Eherechtsre-

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form oder innerhalb der Studiengemeinschaft über Fragen der berufstätigen Frau gegeben sind, grundsätzlich zur Verfügung stände. Es wäre dann sicher gerechtfertigt, wenn Frau Dr. Paulsen für diese Arbeit ein Jahresbetrag von DM 3.000,– aus Mitteln der EKD gezahlt würde. Mit dieser Summe als Grundlage und dem, was sie durch ihre schriftstellerische Arbeit hinzuverdienen kann, würde sie etwa so leben können, wie sie es als Voraussetzung für ihre Arbeit braucht. Wir bitten den Rat der EKD, diesem Antrag stattzugeben. In aufrichtiger Verehrung bin ich Ihre Elisabeth Schwarzhaupt [m. p.]

23D10. Schreiben des Kirchlichen Außenamtes an den Rat der EKD. Frankfurt/Main, 13. Juli 1951 F: EZA Berlin, 6/311, Bl. 122–120 (D). 122

|I. Antrag an den Rat der EKD: Das Kirchliche Außenamt soll ermächtigt werden, sich, wenn nötig unter Beteiligung von evangelischen Abgeordneten, dafür einzusetzen, dass das Auswärtige Amt 1. die Schule „Alberto Magno“ in Barcelona als deutsche Auslandsschule anerkennt und unterstützt; 2. dass es darauf hinwirkt, dass diese Schule entsprechend dem Willen der Eltern als eine paritätische Schule mit evangelischen und katholischen Schülern errichtet wird, selbst wenn dies nur in der Form einer Privatschule möglich ist; 3. dass das Auswärtige Amt die Bestrebungen katholischer Kreise in Spanien, insbesondere des katholischen Bischofs, aus der Schule eine katholische Schule zu machen, in keiner Weise unterstützt. II. Begründung: Nach dem Kriege entstanden zunächst 2 Schulen in Barcelona, von denen die eine betont katholisch war; die andere war paritätisch und hatte evangelische Schüler und Lehrer. Beide Schulen kamen in einen Gegensatz. Um diesen Gegensatz zu überbrücken, wurde vom 1. 9. 50 ab eine dritte Schule, „Alberto Magno“ gegründet, die sämtliche Schüler der paritätischen und einen Teil der Lehrer und fast alle deutschen Schüler aus der katholischen aufnahm. Z. Zt. ist das Zahlenverhältnis so, dass die Schule „Alberto Magno“ 250 deutsche und 100 spanische Kinder umfaßt, während die daneben weiterbestehende katholische

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Schule „Miramar“ etwa 80 121|Schüler, darunter nur noch 17 deutsche, im übrigen nur spanische Kinder hat. Das Auswärtige Amt hatte, offenbar in Verkennung der Sachlage und durch gefärbte Berichte von katholischer Seite beeinflußt, die katholische Schule „Miramar“ begünstigt. Dem Antrag der Schule „Alberto Magno“, diese als die weitaus größere und paritätisch aufgebaute deutsche Auslandsschule in Barcelona anzuerkennen, hat es bis jetzt nicht stattgegeben. Verhandlungen, die Dr. Salat, der katholische Leiter der Kulturabteilung des Auswärtigen Amtes und Kardinal Frings mit dem Bischof von Barcelona und den Schulvorständen der beiden Schulen führten, hatten eine Begünstigung von Bemühungen, die Schule „Alberto Magno“ mehr oder weniger zu einer katholischen Schule zu machen, zur Folge. Das Auswärtige Amt bestand darauf, daß die Schule „Alberto Magno“ eine Fusion mit dem Rest der katholischen Schule einging und sich einer Reihe von Bedingungen, die der spanische Bischof stellte, unterwerfen sollte. Die Bedingungen, die z. Z. gestellt werden, sind folgende: 1. In den 3 Grundschuljahren sind katholische und evangelische Schüler voneinander getrennt zu unterrichten. Bei den katholischen Schülern dürfen nur katholische Lehrer beschäftigt werden. 2. In den höheren Klassen dürfen die spanischen katholischen Schüler in den Hauptfächern nur von katholischen Lehrern unterrichtet werden. Wieweit die gleiche Forderung auch für die deutschen katholischen Kinder gestellt wird, ist nicht ganz klar, da der katholische Bischof auch den Standpunkt vertritt, dass er auch für die deutschen Katholiken in Spanien verantwortlich sei. Das Auswärtige Amt besteht darauf, daß den spanischen Kindern das Verbleiben in der deutschen Schule möglich gemacht wird. Dies bedeutet praktisch, daß man entweder von der Grundschule bis zur Oberprima einen evangelischen und einen katholischen Zug durchführt, also praktisch 120|zwei Konfessionsschulen unter einem Dach errichtet, oder daß man auch die evangelischen Schüler der Forderung unterwirft, in Hauptfächern nur von katholischen Lehrern unterrichtet zu werden. Die andere Möglichkeit wäre die, daß man den paritätischen Charakter der Schule wahrt, also deutsche katholische und evangelische Kinder zusammen unterrichten läßt von katholischen und evangelischen Lehrern, die in ihrer Zusammensetzung etwa der Zusammensetzung der Schülerzahl entsprechen; daß man evangelischen und katholischen Religionsunterricht erteilen läßt und auf die Beteiligung der spanischen Kinder verzichtet. Wahrscheinlich würde die Schule in dieser Form wegen des Einspruchs des spanischen Bischofs nicht als öffentliche Schule anerkannt werden. Sie könnte dann aber als Privatschule (academia) bestehen, wenn

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sie von Deutschland anerkannt wird und finanzielle Unterstützung erhält. Wahrscheinlich würde sich die Mehrzahl der Eltern und des Schulvorstandes für diesen letzten Weg entscheiden, wenn das Auswärtige Amt seinen Einfluß nicht zugunsten der katholischen Schule geltend macht. Es ist unbestreitbar der Wunsch des ganz überwiegenden Teils der Elternschaft, eine deutsche paritätische Schule zu haben. Das Argument des Auswärtigen Amts, daß man die spanischen Schüler nur durch Eingehen auf die Forderungen des spanischen Bischofs erhalten könne, scheint nicht ganz überzeugend. Es muß zwar ein gewisses Interesse an der Beteiligung spanischer Schüler aus kulturpolitischen, politischen und wirtschaftspolitischen Gründen anerkannt werden. Diesen sollte aber das Interesse an einer Gestaltung der Schule nach den Notwendigkeiten und Bedürfnissen der Kinder der deutschen Kolonie vorangehen.

23D11. Schreiben der Evangelischen Frauenarbeit an die Ratsmitglieder. Frankfurt/Main, 10. Juli 1951 F: EZA Berlin, 2/3345 (H). Der vorliegende Antrag beruht auf einer Fülle von Material: auf der Stellungnahme von 13 Gliedkirchen zu einer Umfrage der Kirchenkanzlei vom 23. 6. 5084, auf den Berichten kirchlicher Werke, den Äußerungen von Ausbildungsstätten, von Einzelpersonen, die die Lage von Gemeindehelferinnen in ganzen Bezirken übersehen, und von Gemeindehelferinnen selbst. Aus den Berichten ergibt sich Einhelligkeit darüber, daß den Gemeinden diese Form des Dienstes, nach dem sie einschließlich ihrer Pastoren verlangen, erhalten werden muß. Aus den Stellungnahmen der Gliedkirchen geht hervor, daß sie die Notwendigkeit sehen, manche Mißstände, die z. Zt. diese Form der Mitarbeit in den Gemeinden gefährden, zu beheben. Manche von ihnen haben bereits viel gebessert. Einige Gliedkirchen fanden schon vor Jahren eine feste Regelung für dieses Amt. Die älteste Ordnung hat die badische Kirche. Sie stammt aus dem Jahre 1940 und hat sich im wesentlichen so bewährt, daß sie in vielen Stücken Vorbild sein kann. Viele Gemeindehelferinnen stehen mit großer Freude in ihrem Beruf. Sie möchten mit niemandem tauschen. Pfarrer und Gemeinde können sie aus dem Gemeindeleben nicht wegdenken. Das gilt auch für einen Teil 84 Schreiben der Kirchenkanzlei an die Leitungen der deutschen evangelischen Landeskirchen vom 23. Juni 1950 (EZA BERLIN, 2/3345).

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der älteren, schon über 50 und über 60 Jahre alten Gemeindehelferinnen. Daneben aber lebt eine große Gruppe in einer wirtschaftlichen Knappheit und unter Arbeitsbedingungen (s. Anlagen!)85, die das Gewissen der Gemeinde mehr belasten sollten, als es geschieht. Gewiß haben die Gemeindehelferinnen manche ihrer Nöte mit anderen Berufsgruppen mit geringem Einkommen und entsprechender Notlage in Krankheitszeiten und im Alter gemeinsam. Doch ist ein Unterschied, ob ein Mensch ohne Beruf von DM 70,– Wohlfahrtsunterstützung lebt oder ob eine Gemeindehelferin in einem Diasporagebiet DM 80,– im Monat bekommt, täglich weite Wege mit dem Rad zurücklegen muß und in der Woche und am Sonntag einen vollbesetzten, langen Arbeitstag hat. Es ist auch ein Unterschied, ob ein junges Mädchen, das Stenographie und Maschinenschreiben gelernt hat, mit 25 Jahren nach TOA VIII DM 178,30 verdient und dabei einen geregelten Achtstundentag und freie Sonn- und Feiertage hat, die es ihr erlauben, ihre persönlichen Dinge in Ruhe zu besorgen und regelmäßig zu leben, oder ob ein Mensch mit dem gleichen Einkommen von einem Dienst zum anderen hetzt, oft nur schnell zwischendurch ein Butterbrot essen kann, abends todmüde nach Hause kommt und dann noch für Wäsche, Kleidung etc. sorgen soll. Die Arbeitsleistung, der Kräfteaufwand und damit die Gefahr, krank zu werden und vorzeitig verbraucht zu sein, ist hier viel grösser als bei den Menschengruppen, an die der Gesetzgeber bei Schaffung der TOA dachte. Der Gemeindehelferin fehlt es neben der Begrenzung ihres Arbeitstages weithin auch an den übrigen Voraussetzungen für eine geordnete Lebensführung, wie sie dem Pfarrer in Heim und Familie, der Gemeindeschwester mit ihrer Station und häufig im Zusammenleben mit einer zweiten Schwester oder einer Kindergärtnerin gegeben sind. Die Gemeindehelferin muß meist ohne Rückhalt der Familie menschlich einsam leben. Häufig steht sie zwischen Pfarrer und Gemeinde, oft auch zwischen den Pastoren. Es wird von ihr schon als jungem Menschen verlangt, daß sie viel in sich hinein verschließen und sich mit dem nötigen Takt durch alle Schwierigkeiten hindurchfinden kann. Sie ist oft so sehr von dem ihr vorgesetzten Pfarrer abhängig, daß sie keinerlei selbständige Arbeit hat, oft bleibt sie zu sehr ihrer eigenen Initiative überlassen, oft ist sie allzusehr gebunden durch die persönliche Arbeitsweise ihres Vorgesetzten. Ein Pfarrerwechsel bedeutet immer wieder eine schwere Krise für die Gemeindehelferin, die nicht selten zu ihrer Entlassung führt. Die größte Schwierigkeit aber ist wohl die, daß sie im Krankheitsfall und wenn sie älter wird, nicht gegen Entlassung geschützt ist. – Insgesamt sind die Notstände in folgenden 6 Punkten zusammenzufassen:

85 EBD.

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1. Es fehlt eine verbindliche Ordnung, die den Gemeindehelferinnen eine ihrer Vorbildung, ihrer Leistung und ihren berechtigten Bedürfnissen entsprechende Bezahlung, eine Regelung ihres Urlaubs, ihrer Freizeit, ihres Kündigungsschutzes usw. garantiert. 2. Es fehlt eine der arbeitgebenden Gemeinde und ihrem Pfarrer übergeordnete Stelle, die den Schutz und die Betreuung, im Notfalle auch die Vertretung der Ansprüche der Gemeindehelferin gegenüber der Gemeinde übernimmt. 3. Es fehlt an einer Umreissung ihres Aufgabengebietes, die einerseits so weit ist, daß auch Frauen im höheren Alter voll eingesetzt werden können, andererseits so abgegrenzt, daß es nicht zu unbilliger Überforderung kommen kann. Es fehlt an einer Ausbildung, die diesen Ansprüchen voll genügt. 4. Es fehlt an einer genügenden Altersversorgung, die der Gemeindehelferin die Angst vor dem Alter nimmt. 5. Es fehlt an einem Schutz und einer Begrenzung des Amtes gegenüber der Konkurrenz durch unausgebildete Kräfte, die u. U. unter gleichen, ja günstigeren Bedingungen eingestellt werden und auch die Berufsbezeichnung „Gemeindehelferin“ führen. 6. Es fehlt bei allen guten Ansätzen weithin auch das volle Erfassen der Verantwortung, die die Kirche bzw. die anstellende Gemeinde für den Menschen trägt, dessen ganze Kraft in einem solchen Maße für ihren Dienst beansprucht wird, wie das bei der Gemeindehelferin geschieht. Es muß leider gesagt werden, daß mit den Kräften der Gemeindehelferinnen oft ein Raubbau getrieben wird, der in der Kirche nicht zu verantworten ist, und der in der „Welt“ nicht geduldet werden würde. Aus der bisherigen Zusammenarbeit aller beteiligten Stellen mit dem Ziel einer durchgreifenden Neuordnung ergeben sich dazu folgende Vorschläge, die z. T. Maßnahmen enthalten, die in einzelnen Gliedkirchen bereits durchgeführt sind: 1. O r d n u n g f ü r d a s A m t d e r G e m e i n d e h e l f e r i n . Wir treten für Richtlinien der EKD ein, nach denen die Gliedkirchen untereinander möglichst gleiche Ordnungen erlassen. Vorbild könnte in vielen Punkten die Regelung sein, die die Badische Kirche in ihrer Gemeindehelferinnenordnung von 1940 gefunden hat. D i e E i n s t e l l u n g u n d V e r s e t z u n g s o l l t e i n d e r H a n d d e r G l i e d k i r c h e l i e g e n . Nur so ist der Schutz gegeben, den gerade dieses Amt ohne feste Tradition braucht. Für die G e h a l t s r e g e l u n g schlagen wir vor: TOA VII für den Normalfall, Gruppe VIII für die drei ersten Dienstjahre und Schaffung von Aufstiegstellen nach Gruppe VI b. Wir sind uns klar darüber, daß diese Regelung von einigen Gliedkirchen mit großen Diasporagebieten und bedrängter finanzieller Lage nicht in vollem Umfange durchgeführt werden kann.

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Im übrigen müßten die Bestimmungen der TOA über K ü n d i g u n g s s c h u t z übernommen und eine erweiterte K r a n k h e i t s f ü r s o r g e eingeführt werden, solange die Gemeindehelferin beruflich so weitgehend wie bis jetzt über das Arbeitsmaß hinaus belastet wird, das bei der TOA vorausgesetzt ist. Für die Altersversorgung schlagen wir die württembergische Lösung vor. Hier trägt die Gemeindehelferin zwei Anteile einer Zusatzversicherung. Die Arbeitgeberanteile erhöhen sich bei der Gemeindehelferin, die über 30 Jahre alt ist, auf vier, der über 40 jährigen auf sechs bis acht. – Württemberg hat die Versorgungskasse der Inneren Mission gewählt. Ähnliche Regelungen könnten aber auch mit anderen Versorgungskassen, etwa der Zusatzversicherung des Reichs und der Länder, Camberg/ Bayern, eingegangen werden. Es wäre auch zu prüfen, ob nicht in den Gliedkirchen, die eine Pfarrerversorgungskasse haben, die Altersversorgung der Gemeindehelferinnen an diese Kasse angeschlossen werden könnte. F r e i z e i t u n d U r l a u b müssen besonders geregelt werden, da die Bestimmungen der Tarifordnungen für den öffentlichen Dienst, die von dem Achtstundentag und den freien Feiertagen ausgehen, nicht übernommen werden können. Die Gemeindehelferin braucht, um ihre Leistungsfähigkeit zu erhalten und ihre persönlichen Angelegenheiten in Ruhe ordnen zu können, ein bestimmtes Maß an Freizeit. Wir schlagen vor, daß ihr ein freier Nachmittag mit daran anschließendem Abend in der Woche und ein freier Tag im Monat, der möglichst ein Sonntag sein soll, garantiert wird. Außerdem schlagen wir für alle Altersstufen eine Urlaubszeit von etwa vier Wochen vor. Diese Zeit braucht jede, auch die jüngere Gemeindehelferin, um den nötigen Abstand von ihrer Arbeit zu gewinnen und sich wirklich erholen zu können. Wir glauben, daß diese Regelung von Freizeit und Urlaub letzten Endes der Gemeinde zugute kommt und dazu hilft, daß die Erkrankungen der Gemeindehelferinnen zurückgehen. 2. B e t r e u u n g d e r G e m e i n d e h e l f e r i n n e n . Wir schlagen vor, in jeder Gliedkirche eine Frau, die über eine lange Berufserfahrung als Gemeindehelferin oder in einem ähnlichen Kirchendienst verfügt, die seelsorgerlich begabt ist und das Vertrauen der Gemeindehelferinnen besitzt, damit zu beauftragen, den Gemeindehelferinnen zu raten und zu helfen und ihnen in jeder Weise seelsorgerlich beizustehen. Sie müßte insbesondere da zugezogen werden, wo Schwierigkeiten entstanden sind und evtl. eine Versetzung nötig wird. Da, wo ein solches Amt sich bereits herausgebildet hat oder Ansätze dazu vorliegen, ist darauf zu achten, daß nicht durch die Tendenz zur Vereinheitlichung Gewachsenes zerstört wird. Die Frage, ob eine Schwesternschaft, ein Verband oder ein Mutterhaus für Gemeindehelferinnen zu schaffen sei, muß von den Gemeindehelferinnen selbst entschieden werden. Man dürfte ihnen hier auf

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keinen Fall Zwang auferlegen. Es würde Aufgabe der Referentin für die Gemeindehelferinnen sein, dem nachzuhelfen, was sich etwa aus eigener Initiative der Gemeindehelferinnen entwickelt. 3. A u f g a b e n g e b i e t u n d A u s b i l d u n g d e r G e m e i n d e h e l f e r i n n e n . Wir schlagen vor, das A u f g a b e n g e b i e t für die Gemeindehelferin in ähnlicher Weise zu umreissen, wie es in der badischen Ordnung von 1940 geschieht, die folgende Aufgaben aufzählt: a) Hausbesuche bei Neuzugezogenen, bei weiblichen Alten, Kranken und Jugendlichen, Besuche, die der Aufrechterhaltung der kirchlichen Ordnung dienen, seelsorgerliche und fürsorgerische Besuche aller Art, Betreuung des evangelischen Teils in konfessionsverschiedenen Ehen b) Mithilfe in den gemeindlichen und übergemeindlichen Vereinen c) Jugendarbeit – Gemeindejugendarbeit, Jungschararbeit, Kindergottesdienst d) Mithilfe in den Frauen- und Mütterkreisen e) Karteiarbeit und andere notwendige Verwaltungsdienste f) Religionsunterricht bis zu 8 Wochenstunden g) Bei entsprechender Vorbildung Organistendienst. Es ist überaus wichtig, daß die vier Aufgabengebiete: Besuchsdienst – Mitarbeit in den Gemeindekreisen – Büroarbeit – Religionsunterricht gleichwertig behandelt werden. Das Amt der Gemeindehelferin leidet bis jetzt weithin sehr darunter, daß die Jugendarbeit einseitig im Mittelpunkt steht und die Gemeindehelferin deshalb auch nur so lange sinnvoll eingesetzt werden kann als sie für diesen Teil ihrer Arbeit noch selber jung genug ist. Wir schlagen vor, auch die Ausbildung von vornherein so zu gestalten, daß sie für den vollen Gemeindedienst und damit für einen Lebensberuf vorbereitet und Lehrplan und Prüfungsordnung darauf abzustellen. Es ist in keiner Weise tragbar, die Ausbildung so anzulegen, daß nach kürzerem oder längerem Einsatz als Gemeindehelferin ein Berufswechsel vorgesehen wird. Bei keinem anderen Beruf mit gleichwertiger Ausbildung und ähnlichen fachlichen und menschlichen Ansprüchen ist an einen solchen Wechsel gedacht, der den Beruf in den Augen der Eltern, deren Töchter vor der Berufswahl stehen, von vornherein diskreditieren, die Gemeindehelferinnen selbst schwer belasten müßte, und zudem praktisch undurchführbar sein würde. Die geistigen Voraussetzungen müßten in der Regel durch die Zeugnisse einer höheren oder Mittelschule oder durch Ablegung einer schulwissenschaftlichen Nachprüfung nachgewiesen werden. Die Grundlage der Fachausbildung muß die Einführung in die Bibel bleiben, bei der es weniger auf eine Fülle von Stoff als darauf ankommt, daß die Voraussetzungen zu eigenem Leben und selbständigem Arbeiten mit der Bibel geschaffen werden. Daneben ist eine gründliche methodische Ausbil-

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dung für alle Altersstufen nötig und eine Einführung auch in die Stoffgebiete, die über den Rahmen des biblischen und des Katechismusunterrichts hinausgehen. Auch eine Einführung in die wichtigsten sozialen Gesetze und die Grundfragen der Psychologie ist erforderlich. Da es unmöglich sein wird, in den 1½ Jahren theoretischer Ausbildung auf all das vorzubereiten, was nachher in der Praxis gefordert wird, schlagen wir jährliche Fortbildungslehrgänge von 8–10 Tagen Dauer vor und als weiteres Ziel ½ jährige Aufbaukurse im dritten Jahr nach dem Examen einzurichten, in denen in Anknüpfung an die praktische Berufserfahrung das vermittelt wird, was sich als fehlend erwies. Die Vertretung müßte dann während des halben Jahres von Schulpraktikantinnen übernommen werden. Wir schlagen vor, die Gemeindehelferinnen zu ihrem ersten Dienst von einem Vertreter der Landeskirche einsegnen zu lassen und eine Einführung in die jeweilige Gemeinde vorzusehen. Wir schlagen vor, den Gliedkirchen Richtlinien zu geben im Blick auf die älteren Gemeindehelferinnen, deren Weiterverwendung am bisherigen Platz im Augenblick in Frage steht, damit sie die Gemeinden in ihrem Verantwortungsgefühl stärken gegenüber den Menschen, die durch Jahre hindurch ihre ganze Kraft in dem Beruf verausgabten und selbst, wo ein Wechsel unerläßlich wird, für einen anderen Arbeitsplatz im Bereich der Landeskirche sorgen. Umschulungskurse für ältere Gemeindehelferinnen halten wir für undurchführbar. 4. S c h u t z d e s A m t e s d e r G e m e i n d e h e l f e r i n . Wir schlagen vor, die Bezeichnung „Gemeindehelferin“ und die Gültigkeit einer Ordnung den vollausgebildeten Kräften mit zweijährigem Besuch einer kirchlich anerkannten Ausbildungsstätte mit kirchlichem Abschlußexamen vorzubehalten. Unausgebildete oder kurzfristig ausgebildete Hilfskräfte sollten „Pfarrhelferin“ oder „Pfarrgehilfin“ genannt werden. Auf die Gemeindehelferinnen des Ostens, für die das bisher Gesagte gleicherweise zutrifft, bitten wir unsere Vorschläge sinngemäß anzuwenden. gez. Dr. Elisabeth Schwarzhaupt

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23D12. Schreiben Krimms an Hartenstein. O. O., 9. Juli 1951 F: ADW Berlin, ZB 355 (D mit Paraphe Krimms). Hilfe für Korea Hochverehrter Herr Prälat! Ehe Sie zur Ratssitzung abfahren, möchte ich eine Angelegenheit zur Sprache bringen, die vielleicht schon bei dieser Ratssitzung erörtert werden muss. Gestern haben die Waffenstillstandsverhandlungen in Korea begonnen. Man wird damit rechnen können, dass sie zu einem positiven Erfolg führen und nach einjährigem Kampf die Waffen in Korea ruhen werden. Dieses Land ist durch das mehrfache Hin und Her des Krieges in ein Elend gestürzt worden, das den Vergleich mit dem Zustand unseres Landes im Jahre 1945 nicht nur aushalten kann, sondern ihn vielleicht sogar noch zugunsten von Korea ausfallen lässt. Ich weiss von den Genfer Sitzungen her, dass der Weltrat der Kirchen mehrfach mit der Frage einer Hilfeleistung für Korea befasst war und diese zunächst nur zurückgestellt hat, weil im Lauf der Kampfhandlungen die Gelegenheit zu einer Hilfsaktion noch nicht gegeben war. Ich muss aber annehmen, dass der Waffenstillstand zugleich den Start für eine grosse oekumenische Hilfeleistung bringen wird, ähnlich wie der Waffenstillstand vom Mai 1945 zugleich das Startzeichen für die grosse oekumenische Deutschlandhilfe gewesen ist. In unserem Kreis ist der Gedanke aufgetaucht, ob dies nicht der gegebene Zeitpunkt wäre, auch einen deutschen Beitrag für diese Hilfsaktion zu leisten. Man wird in oekumenischen Kreisen, wie ich vermuten möchte, jetzt die Frage aufwerfen, ob die Christen in Deutschland nicht so weit sind, dass sie sich an einer Hilfeleistung in einem anderen Erdteil beteiligen können. Niemand wird von uns einen grossen Beitrag erwarten und jeder wird uns zum voraus die noch keineswegs behobene Not im eigenen Land zugute halten. Diese Not dürfte aber nie ein ausreichender Grund dafür sein, sich überhaupt von jeder Mitwirkung zurückzuhalten. In diesem Gedanken bin ich bestärkt worden durch die Nachrichten der Presse und des Rundfunks, nach denen gerade in diesen Tagen zwar nicht ein Friedensvertrag, aber eine öffentliche Erklärung über die Beendigung des Kriegszustandes mit Deutschland von den Westmächten zu erwarten ist. Auch das sollte für uns ein Anlass dafür sein, zum erstenmal auch eine aktive Beteiligung an einer oekumenischen Hilfsaktion in Erwägung zu ziehen. Unter dieser Voraussetzung möchte ich mir die Frage erlauben, ob es nicht richtig wäre, etwa im Lauf des August oder September in ganz

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Deutschland, mindestens in ganz Westdeutschland, eine Sonntags-Kollekte für Korea auszuschreiben. Eine Sammlung von Kleidern und Lebensmitteln wird bei den grossen Entfernungen und bei der Verschiedenheit der Lebensverhältnisse nicht viel Sinn haben. Der Ertrag einer Geldsammlung aber könnte in Gebrauchsgegenstände, Rohstoffe oder geeignete Lebensmittel umgesetzt werden, wobei es unter den Pflichtenkreis des Hilfswerks fiele, dafür zu sorgen, dass die in allen Landeskirchen erhobene Kollekte auf dem Wege über den Weltrat der Kirchen in Genf ihrem Zweck zugeführt werden kann. Man soll eine solche Aktion gewiss nicht um des Effektes willen angreifen; ich glaube aber doch, darauf hinweisen zu müssen, dass es uns im oekumenischen Bereich sehr hoch angerechnet würde, wenn wir an diesem Punkt ohne äusseren Anstoss Entschlusskraft und Verantwortungsgefühl zeigen. Ich glaube weiter, dass an diesem Punkt die innerprotestantische Konfessionsfrage nicht aufbrechen sollte. Der Lutherische Weltbund arbeitet gerade im Blick auf Korea in enger Zusammenarbeit mit dem Weltrat der Kirchen, und wir würden auf keinerlei Schwierigkeiten stossen, wenn wir in Genf die Bitte aussprechen würden, dass mit Rücksicht auf den überwiegend lutherischen Charakter des deutschen Protestantismus die Gaben in möglichst engem Einvernehmen mit dem Lutherischen Weltbund verwendet werden sollen. Unabhängig davon sollte aber gerade diese erste Notaktion, die dem unmittelbaren menschlichen Elend in erster Linie zu dienen hat, keinen besonderen konfessionellen Stempel tragen. Wäre der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland geneigt, ein solches einmaliges Opfer für Korea auszuschreiben, so würde ich unter Hinweis darauf auch den deutschen Freikirchen die Beteiligung an dieser Aktion nahe legen und ihnen eine Sammlung zum gleichen Datum empfehlen, womit das Hilfswerk der Evangelischen Kirchen in Deutschland in einem konkreten Punkt aktiviert wäre. Ich erlaube mir den Vorschlag, dass Sie, verehrter Herr Prälat, diesen Gedanken anlässlich der nächsten Sitzung des Rates äussern und halte mich zur Verfügung, im Sinne des Ratsbeschlusses weiter zu verfahren. Mit den besten Empfehlungen Ihr sehr ergebener Krimm

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23D13. Schreiben der Kirchenkanzlei an die Ratsmitglieder. Hannover, 10. Juli 1951 F: EZA Berlin, 2/2549 (H). Betr.: Vertretung der Mitarbeiter bei den Amtsstellen der Evangelischen Kirche in Deutschland. Vom 6.–8. Juni 1951 fand in Königswinter eine Tagung über arbeitsrechtliche Fragen statt, bei der nach getrennten Vorbesprechungen der Vertreter der Kirchenleitungen einerseits und der Mitarbeitervertreter andererseits mit voller Einmütigkeit der Wunsch ausgesprochen wurde, dass möglichst bald bei allen kirchlichen Dienststellen und Betrieben Mitarbeitervertretungen geschaffen werden möchten. Diese sollen keine gewerkschaftlichen Verbände darstellen und nicht einseitig die Standesinteressen einzelner Gruppen vertreten, sondern alle Kategorien von Mitarbeitern im Geiste einer kirchlichen Dienstgemeinschaft umfassen. Ihre Aufgabe soll vor allem die Stärkung des Bewusstseins der Besonderheit des kirchlichen Dienstes und die Förderung einer brüderlichen Zusammenarbeit sein. Im übrigen sollen ihre Aufgaben etwa denen von Betriebsräten entsprechen. Im Bereich der östlichen Gliedkirchen bestehen schon seit längerer Zeit solche Mitarbeitervertretungen, die sich zu allgemeiner Zufriedenheit bewährt haben. Es würde nicht nur eine wesentliche Hilfe für die Gliedkirchen im Osten sein, sondern auch die kirchliche Position in Verhandlungen mit staatlichen Stellen und Gewerkschaften stärken, wenn eine solche kirchliche Gestaltung der Betriebsverfassung als gemeinsames Gut der ganzen Evangelischen Kirche in Deutschland dargestellt und vertreten werden könnte. Es bestand allerdings Einverständnis darüber, dass es den Gliedkirchenleitungen überlassen bleiben muss, die für ihren Bereich in Frage kommende Rechtsgrundlage für die Bildung und Wirksamkeit der Mitarbeitervertretungen zu schaffen. Es wurde aber betont, dass es erwünscht sein würde, sich dabei sachlich nach Möglichkeit nach dem Vorbild der in den östlichen Gliedkirchen bereits geschaffenen Ordnungen zu richten. Die Voraussetzung für eine solche Regelung ist die Wahrung der kirchlichen Autonomie nach Art. 140 GG. in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 der Weimarer Verfassung, die allerdings nur „innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes“ garantiert ist. In einer Besprechung beim Bundesarbeitsministerium unter Beteiligung der Bundesministerien des Inneren, der Justiz und für gesamtdeutsche Fragen einerseits und von Vertretern der Kirchenkanzlei, des Centralausschusses für Innere Mission, der Römisch-Katholischen Kirche und der Freikirchen andererseits haben daher die Vertreter der Kirchen übereinstimmend die Auffassung vertre-

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ten, dass das staatliche Betriebsverfassungsrecht auf die Kirchen keine Anwendung finden dürfe. Die Regierungsvertreter haben diese Auffassung grundsätzlich anerkannt, und das Bundesarbeitsministerium hat daraufhin dem Kabinett einen neuen Entwurf für das Betriebsverfassungsgesetz vorgelegt, in dem Kirchen und Religionsgesellschaften ausdrücklich ausgeklammert werden sollen. Es wäre nun sehr wünschenswert, wenn erreicht werden könnte, dass auch die Gewerkschaften sich mit einer solchen Regelung abfinden. Diesen kommt es dabei weniger auf die grundsätzliche Frage an, ob die Vertretung der Mitarbeiter im kirchlichen Bereich durch staatliche oder kirchliche Rechtssetzung geregelt wird, als vielmehr darauf, dass die zu treffende Regelung praktisch den sozialen Erfordernissen im Sinne der Gewerkschaften entspricht. Die Gewerkschaft für Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr, die über die Ergebnisse der Verhandlungen in Bonn und Königswinter bereits ausgezeichnet unterrichtet war, hat daher bereits den Anspruch auf Einschaltung geltend gemacht. Wir haben demgegenüber darauf hingewiesen, dass die Kirchenkanzlei nicht berechtigt ist, in dieser Angelegenheit im Namen der Landeskirchen zu verhandeln und Abmachungen zu treffen. Daraufhin wurde uns vorgeschlagen, uns wenigstens über die Regelung der Mitarbeitervertretung im eigenen Zuständigkeitsbereich der EKD., also bei den Amtsstellen, mit der Gewerkschaft ins Einvernehmen zu setzen. Dieser Weg erscheint uns gangbar und zweckmässig. Auf diese Weise könnten Schwierigkeiten mit der Gewerkschaft von vornherein ausgeschaltet werden, ohne das Recht der Kirche preiszugeben, die Vertretung der Mitarbeiter im eigenen Bereich auf Grund der verfassungsmässig garantierten Autonomie durch eigene Rechtssetzung zu ordnen. Es ist ferner zu hoffen, dass auf diese Weise die Gewerkschaften daran gehindert werden könnten, sich der angestrebten Ausklammerung der Kirchen aus dem Betriebsverfassungsgesetz zu widersetzen. Wir legen daher je einen Entwurf für a) einen Beschluss betr. die Bildung von Vertrauensräten bei den Amtsstellen des Rates86 und b) eine Wahlordnung87 hierzu vor mit der Bitte, die Kirchenkanzlei zu ermächtigen, sich über diese Entwürfe zunächst mit den Leitern der betroffenen Amtsstellen ins Einvernehmen zu setzen und sodann der Gewerkschaft Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

86 23D14. 87 23D15.

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Wir wären dankbar, wenn die Entscheidung über diesen Vorschlag noch in die Tagesordnung für die nächste Ratssitzung aufgenommen werden könnte. 2 Anlagen gez. D. Brunotte

23D14. Entwurf für einen Beschluss des Rates zur Bildung von Vertrauensräten bei den Amtsstellen des Rates der EKD. Elbingerode, 16. Juli 1951 F: EZA Berlin, 2/2549 (H; Anlage zu 23D13). Jeder kirchliche Dienst geschieht allein im Gehorsam gegen Jesus Christus, den Herrn der Kirche. Die Eigenart dieses Dienstes erfordert in besonderem Masse ein brüderliches und vertrauensvolles Zusammenarbeiten der Mitarbeiter in allen kirchlichen Einrichtungen. Daher wird folgendes bestimmt: § 1. (1) Bei den Amtsstellen des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland – der Kirchenkanzlei Hannover, der Kirchenkanzlei/Berliner Stelle und dem Kirchlichen Aussenamt – sind Vertrauensräte als Vertretung der Mitarbeiter zu wählen. (2) Die Vertrauensräte bestehen je aus einem Vorsitzenden und drei weiteren Mitgliedern, die in geheimer Abstimmung bei gleichem Wahlrecht für jeden Wahlberechtigten erstmalig für die Zeit bis zum 31. Dezember 1953 und künftig jeweils auf die Dauer von zwei Jahren zu wählen sind. Wiederwahl ist zulässig. (3) Je zwei Mitarbeiter des Vertrauensrates sollen folgenden Gruppen von Mitarbeitern angehören: Gruppe I: Theologische und juristische Räte und sonstige Beamte; Gruppe II: Angestellte und Lohnempfänger. Eins der aus Gruppe I zu wählenden Mitglieder soll nach Möglichkeit ein Beamter des höheren Dienstes sein. § 2. (1) Wahlberechtigt sind die mindestens 18 Jahre alten männlichen und weiblichen Mitarbeiter. Wählbar sind die mindestens 21 Jahre alten Wahlberechtigten, die

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nicht mehr in der Berufsausbildung stehen und mindestens 1 Jahr bei ihrer jetzigen Dienststelle tätig sind. § 3. (1) Der Vertrauensrat soll unter den Mitarbeitern das Bewusstsein der Besonderheit des kirchlichen Dienstes stärken, eine gute und brüderliche Zusammenarbeit fördern und für die beruflichen, wirtschaftlichen und sozialen Interessen aller Mitarbeiter eintreten. (2) Bei der Einstellung und Entlassung von Angestellten und Lohnempfängern mit Ausnahme von Referenten ist der Vertrauensrat anzuhören. (3) Zu den Aufgaben des Vertrauensrates gehört ferner seine Mitberatung bei a) der Anwendung von Tarifbestimmungen, Regelung der Lohn- und Vergütungsfragen und des Urlaubs; b) Errichtung und Verwaltung von Wohlfahrtseinrichtungen; c) Überprüfung der Möglichkeiten technischer und organisatorischer Verbesserungen; der Entscheidung über Beschwerden; d) Schlichtungsversuchen in arbeitsrechtlichen Streitfällen; e) Erlass einer Arbeitsordnung. § 4. (1) Der Vertrauensrat ist berechtigt, jederzeit mit Vorstellungen, Beschwerden und Wünschen an den Leiter heranzutreten und im Rahmen seiner Aufgaben Auskünfte einzuholen. (2) Der Vertrauensrat hat das Recht, notwendige Versammlungen der Mitarbeiter im Einvernehmen mit dem Leiter der Dienststelle während der Arbeitszeit in den Diensträumen anzusetzen. (3) Den Mitgliedern des Vertrauensrates dürfen durch die Ausübung ihrer Tätigkeit keinerlei Nachteile erwachsen. Die für ihre Tätigkeit notwendige Zeit ist ihnen innerhalb der Dienstzeit ohne Abzug vom Arbeitsentgelt zu gewähren. (4) Die Mitglieder des Vertrauensrates sind zur Verschwiegenheit über die ihnen im Rahmen ihrer Tätigkeit mitgeteilten oder bekannt gewordenen Tatsachen verpflichtet. § 5. (1) Mitarbeiter im Sinne dieser Bestimmungen sind die theologischen und juristischen Räte, die Beamten, Angestellten und Lohnempfänger bei den Amtsstellen des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland.

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Die Dienststellenleiter gelten nicht als Mitarbeiter im Sinne dieser Bestimmungen. (2) Diakone und Diakonissen gelten als Mitarbeiter, sofern sie eine entsprechende Tätigkeit bei den Amtsstellen des Rates ausüben. § 6. Die Wahlen für die Vertrauensräte bei den Amtsstellen des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland sind erstmalig bis zum 31. August 1951 durchzuführen. § 7. Die zur Durchführung dieser Vorschriften erforderlichen Anordnungen treffen die Leiter der Amtsstellen, vorbehaltlich der vom Rat zu erlassenden Wahlordnung. Der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland

23D15. Entwurf für eine Ordnung für die Wahl von Vertrauensräten bei den Amtsstellen des Rates der EKD. Elbingerode, 16. Juli 1951 F: EZA Berlin, 2/2549 (H; Anlage zu 23D13). In Durchführung des Beschlusses vom 16. 7. 1951, betreffend die Bildung von Vertrauensräten bei den Amtsstellen des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland wird folgende Wahlordnung erlassen: § 1. (1) Die Durchführung der Wahl des Vertrauensrates ist Aufgabe des Wahlausschusses, der dafür verantwortlich ist, dass die Bestimmungen des Beschlusses betr. die Wahl von Vertrauensräten vom 16. 7. 1951 und dieser Wahlordnung beachtet werden. (2) Der Wahlausschuss besteht aus drei Mitgliedern, die vor jeder Wahl durch eine Versammlung der Mitarbeiter mit einfacher Stimmenmehrheit bestimmt werden. (3) Der Wahlausschuss wählt aus seiner Mitte einen Vorsitzenden. § 2. Für jede Wahl des Vertrauensrates ist eine Liste der Wahlberechtigten (Wählerliste) aufzustellen und zur Einsichtnahme auszulegen.

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§ 3. (1) Der Wahlausschuss hat spätestens 14 Tage vor dem letzten Tag der Stimmabgabe ein Wahlausschreiben zu erlassen, das allen Mitarbeitern auszuhändigen oder in geeigneter Weise bis zum letzten Tag der Stimmabgabe auszuhängen ist. (2) Im Wahlausschreiben ist anzugeben, wo die Wählerliste ausliegt, dass Einsprüche gegen sie binnen einer Woche nach dem Erlass des Wahlausschreibens vorzubringen sind, sowie wann und wo die Stimmabgabe erfolgt. § 4. Über Einsprüche gegen die Wählerliste hat der Wahlausschuss binnen drei Tagen zu entscheiden. Wird der Einspruch für begründet erachtet, so ist die Wählerliste zu berichtigen. § 5. Die Wahl wird nach den Grundsätzen der Mehrheitswahl durchgeführt. Diejenigen vier Mitarbeiter, die die meisten Stimmen erhalten, sind als Mitglieder des Vertrauensrates gewählt. § 6. Die Stimmabgabe erfolgt mittels Stimmzettel. Der Stimmzettel erhält am Kopf die Aufschrift: „Wahl des Vertrauensrates bei . . . (Bezeichnung der Dienststelle). Aus dieser Liste sind vier Mitglieder des Vertrauensrates zu wählen, und zwar aus den Gruppen Ia und Ib je ein Mitglied und aus Gruppe II zwei Mitglieder. Die Gewählten sind durch Kreuze hinter den Namen zu bezeichnen“. Darunter sind als Gruppe Ia) die theologischen und juristischen Räte und die Beamten des höheren Dienstes, als Gruppe 1b) die sonstigen Beamten und als Gruppe II die Angestellten und Lohnempfänger namentlich in alphabetischer Reihenfolge aufzuführen, soweit sie wählbar sind. § 7. Stimmzettel, auf denen in Gruppe I a und b zusammen oder in Gruppe II mehr als zwei Kandidaten bezeichnet sind, sind ungültig. § 8. Der Wähler hat seinen Stimmzettel in einem Wahlumschlag abzugeben. Die Wahlumschläge müssen genau gleiche Farbe, Beschriftung und Grösse

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haben. Jedem Wahlberechtigten ist vor der Stimmabgabe im Wahlraum ein Stimmzettel und ein Wahlumschlag auszuhändigen. Für die unbeobachtete Bezeichnung der Stimmzettel sind Vorkehrungen zu treffen. Eine ordnungsmässige Wahlurne ist bereitzustellen. § 9. (1) Der Wahlausschuss hat das Wahlergebnis unverzüglich nach Ablauf der Frist für die Stimmabgabe festzustellen und durch zweiwöchigen Aushang in der Dienststelle bekanntzugeben. (2) Über die Feststellung des Wahlergebnisses ist eine Niederschrift anzufertigen und vom Wahlausschuss zu unterschreiben. Die Niederschrift ist zu den Akten zu nehmen. § 10. Der Vorsitzende des Wahlausschusses benachrichtigt die Gewählten von der auf sie gefallenen Wahl. Erklärt der Gewählte nicht innerhalb von drei Tagen, dass er die Wahl ablehnt, so gilt die Wahl als angenommen. Lehnt ein Gewählter die Wahl ab, so rückt derjenige Mitarbeiter, für den die nächstgrösste Zahl von Stimmen abgegeben worden ist, an seine Stelle. § 11. Sind bei der Wahl für weniger als vier Kandidaten Stimmen abgegeben worden, so sind die fehlenden Mitglieder des Vertrauensrates in einem besonderen Wahlakt zu wählen. § 12. Sobald das Ergebnis der Wahl endgültig feststeht, ist der Vorsitzende des Vertrauensrates durch eine Versammlung der Mitarbeiter zu wählen. Hierfür sind Stimmzettel bereitzuhalten, auf denen die Namen der gewählten Mitglieder des Vertrauensrates anzugeben sind. Der Wähler hat den Namen des Mitgliedes, für das er seine Stimme abgeben will, durch ein Kreuz zu bezeichnen. Die Stimmzettel können gefaltet ohne Umschlag abgegeben werden. Im übrigen finden die § 9 und 10 entsprechende Anwendung. Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland

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23E Dokumente 23E1. Schreiben Schwenns an Benn. Berlin, 23. Oktober 1951 F: EZA Berlin, 601/72 (O). Lieber Herr Dr. Benn! Nach sorgfältigem Überdenken der Ergebnisse der gestrigen Sitzung unseres Comités88 stelle ich das Vorliegen einer veränderten Situation fest, die im nachfolgenden ich versuche zu analysieren [sic!]. Unsere Anfangskonzeption über die Taktik des Durchsetzens unserer Vereinigung bestand in ihrem Kernstück doch darin, dass wir nach erfolgter Gründung mit einer Delegation nach Genf gehen wollten, um mit den zuständigen und wirksamen Organisationen eine Coordination von Zielen mit praktischen Arbeiten her[zu]stellen, uns von diesen den einschlägigen ausl. Regierungsvertretungen (Dipl. Vertretungen) präsentieren [zu lassen] und von Genf aus für unsere internationale und nationale Publicität Sorge tragen wollten. Wir wollten damit vermeiden, dass unsere Absichten durch von uns nicht zu steuernde deutsche innenpolitische Gespräche zerredet werden, und ferner um zu gewinnen eine unantastbare gesamtdeutsche überlegene Position und Handlungsfreiheit.– Von dieser gewonnenen Position wollte die Vereinigung dann die Parlamente ansprechen, um sie in einer Gesetzesinitiative zu veranlassen, welche die Anerkenntnis, die Arbeit und die Etablierung unserer Vereinigung legalisieren sollte. Die von uns einzuberufende Expertenkonferenz Gesamtdeutschlands sollte dann die Magna Charta des Schutzes der deutschen Civilbevölkerung und die Methode seiner Verwirklichung erarbeiten.– Wir haben gestern diesen Weg verlassen und beabsichtigen, mit dem DRK u. anderen politischen Gremien Westdeutschlands über die künftige Anerkenntnis u. w. Zusammenarbeit zu verhandeln. Mit anderen Worten wir bitten um „gut Wetter“ für eine von uns beabsichtigte Gründung und legen unaufgefordert unsere Karten auf den Tisch des DRK, ohne dass dieses ein ähnliches vollzieht; wir müssen es tun, um überhaupt ins Gespräch zu kommen. Besteht verhandlungstaktisch nicht die Gefahr für uns, in ähnliche Lage zu kommen wie Herr Dr. Kindermann uns gegenüber? – 88 Gemeint ist die fünfte Sitzung des vorbereitenden Gründungskomitees der Lieux de Genève am 22. Oktober 1951 in Berlin.

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Wer ist das derzeitige DRK? Abgesehen von der rein repräsentativen Spitze besteht das Praesidium aus der Elite der westdeutschen Parteichefs mit Herrn Carlo Schmid als Vizepräsident u. s. w.; dieses hat in Herrn Dr. Hartmann als Generalsekretär eine qualifizierte Bürokraft, welche die technische Durchführung der Beschlüsse veranlässt bzw. vollzieht. Unabhängig von seinem offiziellen Aufgabenkreis ist das DRK eine Verbreiterung der schmalen Parteienbasis, welche das Bonner Staatssystem trägt. Unser Gespräch wird voraussichtlich auf einen festgefügten Machtwillen stossen. Ich bin überzeugt, dass das DRK den Schutz der Civilbevölkerung als seine ausschliessliche Domäne verteidigen wird, trotz Fehlens aller Voraussetzungen dazu. Die herrschende Bonner Politik, von der das DRK ein Organ ist, wehrt grundsätzlich jede Erörterung geschweige denn Organisation gesamtdeutscher Aufgaben ab, besonders wenn sie noch im Status nascendi sich befinden und dann: sie wird des ungeheuren propagandistischen Effektes des Schutzes der Civilbevölkerung sich niemals freiwillig begeben, wenn sie die Möglichkeit hat oder sieht, solche Versuche im Keime zu ersticken. Die das DRK tragenden Parteien, besonders die SPD wird auch versuchen, mit allen Mitteln dem Mitgliederkreis unserer Vereinigung die Berechtigung zu bestreiten, civile Schutzmassnahmen grossen Stils aufzubauen. Ich befürchte, dass man versuchen wird, die Kirchen in ein innerpolitisches Streitgespräch zu ziehen, um damit jeden Impuls zur Gründung unserer Vereinigung zu zerschlagen. Dieses Streitgespräch o. ä. wird in Ostdeutschland in dem einen oder anderen Sinne Reaktionen haben, die unserer Sache niemals förderlich sein können. Man wird auch unsere Vorstellungen mit der leichtfertig anmutenden These des Herrn von Jenner begegnen, dass die Russen die Konvention unterschrieben haben, sie daher gezwungen sind, westliche Massnahmen entsprechend zu respektieren. Man wird uns in viele Gespräche u. Ä. versuchen zu verwickeln, um unseren Willen zur Gründung zu zerreden und damit unsere überlegene Konzeption zu zerbrechen.– Ich fühlte mich körperlich gestern so elend, dass ich nicht die nötige Kraft besass, unsere Ursprungsthese wirksam zu vertreten – vielleicht sehe ich auch für den Erfolg unseres Schrittes zu schwarz ebenfalls aus körperlichem Unwohlsein, jedoch halte ich mich für verpflichtet, meine Befürchtung Ihnen mitzuteilen, damit wir sie gemeinsam betrachten und verhindern, dass unserer Konzeption und den Menschen, die sie tragen, Schaden geschieht. Am Mi. werde ich mir erlauben, Sie anzurufen. Immer Ihr Helmut Schwenn

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23E2. Internes Papier Benns zu den Zielen der „Deutschen Vereinigung für die Lieux de Genève, Gesellschaft zum Schutze der Zivilbevölkerung in Kriegszeiten“. Berlin, 30. Oktober 1951 F: EZA Berlin, 601/72 (D). I Während sich seit Jahrzehnten das Rote Kreuz aufgrund der bekannten drei Genfer Konventionen der Angehörigen der kämpfenden Truppe (zu Land, in der Luft und zur See) und der Kriegsgefangenen annimmt, fehlte es bis vor kurzem an einer völkerrechtlich anerkannten Organisation für den Schutz der Zivilbevölkerung in Kriegszeiten. Seit etwa 20 Jahren sind Bestrebungen im Gange, diese Lücke zu schließen, die sich angesichts der Totalität und Brutalität des modernen Krieges als immer verhängnisvoller erwiesen hat. Es ist in erster Linie zwei Franzosen, dem Generalarzt Georg Saint-Paul und dem Pater Jacquinot, zu danken, daß sich der Plan, Schutzbereiche für die Zivilbevölkerung89 einzurichten, im spanischen Bürgerkrieg und im japanisch-chinesischen Krieg in gewissem Umfang90 verwirklichen ließ. Für diese Schutzbereiche ist die Bezeichnung „Lieux de Genève“ gebräuchlich geworden. In Frankreich entstand auch die erste nationale Vereinigung für die Lieux de Genève, und von hier ging die Initiative für die Gründung der „Association internationale pour les Lieux de Genève“ aus, die heute in Genf ihren Sitz hat. Als im August 1949 die drei Genfer Konventionen über die Tätigkeit des Roten Kreuzes neugefaßt wurden, unterzeichneten die Signatarmächte zugleich eine Konvention Nr. IV über den Schutz der Zivilbevölkerung. Einige von ihnen haben diese Konvention inzwischen ratifiziert, darunter Frankreich; andere (darunter USA, England und die Sowjetunion) sollen die Ratifizierung angekündigt haben. Die Durchführung der Konvention IV betrachtet die Association internationale pour les Lieux de Genève als ihre Aufgabe; sie wünscht, sich dabei auf entsprechende nationale91 Vereinigungen stützen zu können.

II In Deutschland ist der Gedanke der Schutzbereiche noch weithin unbekannt. Die „Association“ in Genf hat zwar einen Vertreter in Überlingen 89 „Schutzbereiche für die Zivilbevölkerung“ wurde hsl. unterstrichen. 90 „In gewissem Umfang“ wurde nachträglich hsl. eingefügt. 91 Hsl. geändert aus „internationale“.

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a. See92, dessen Tätigkeit aber über einige gutgemeinte Versuche93 nicht hinausgekommen ist. Das westdeutsche Rote Kreuz hat zwar in einigen Verlautbarungen sein Interesse für den Schutz der Zivilbevölkerung bekundet, ist jedoch nach den internationalen Abmachungen nicht unmittelbar legitimiert, diese Aufgabe an sich zu ziehen. Vor allem aber ist es für den Bereich der DDR nicht anerkannt. Angesichts der politischen Lage Deutschlands läßt sich aber ein Schutz für die Zivilbevölkerung nur von einer Organisation durchführen, die in beiden Teilen Deutschlands Anerkennung genießt und damit rechnen kann, daß ihre Vorschläge und Maßnahmen von allen Konfliktparteien respektiert werden. Aus diesen Erwägungen ist vor einiger Zeit in Berlin ein Kreis interessierter Persönlichkeiten zusammengetreten, um die Möglichkeit der Bildung einer gesamtdeutschen Vereinigung für die Lieux de Genève zu prüfen. Die Initiative ging von Herrn94 Helmut Schwenn in Berlin-Charlottenburg aus, der im letzten Jahr des Zweiten Weltkriegs selbst den – leider vergeblichen Versuch unternommen hatte, in Frankreich Schutzbereiche für die Zivilbevölkerung einzurichten. Er setzte sich mit den beiden grossen Kirchen in Verbindung, die er mit Recht im Hinblick sowohl auf den gesamtdeutschen wie den caritativen Charakter der Aufgabe in besonderer Weise für berufen hielt, sich der Verwirklichung der95 Idee anzunehmen. Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland ermächtigte den Leiter d. K K (B. St.), Vpr.96 Dr. Benn und den Leiter der Zentrale vor Ort97 Pfarrer Berg, in einem vorbereitenden Gründungskomitee mitzuarbeiten, in welches die katholische Kirche ihrerseits mehrere Vertreter, den Generalvikar des Bistums Berlin Puchowski und zwei weitere Geistliche entsandte. Das vorbereitende Gründungskomitee hat die beiliegende Satzung erarbeitet und empfiehlt nunmehr den beiden Kirchen und den an diesen Arbeiten beteiligten Persönlichkeiten eine „Deutsche Vereinigung für die Lieux de Genève, Gesellschaft zum Schutze der Zivilbevölkerung in Kriegszeiten“ mit dem Sitz in Berlin zu gründen98. In dem Präsidium der Vereinigung, das bis zu 18 Mitglieder umfassen kann, sollen die beiden Kirchen durch je 5 Personen vertreten sein. (ferner soll die Evangelische 92 93 94 95 96 97 98

Der Name „Dr. Kindermann“ wurde an dieser Stelle hsl. gestrichen. Hsl. geändert aus „Propagandaversuche“. An dieser Stelle hsl. gestrichen: „Dr.“. Hsl. geändert aus „seiner“. Hsl. geändert aus „Unterzeichneten“. Hsl. geändert aus „Generalsekretär des Hilfswerks“. Hsl. geändert aus „Das vorbereitende Gründungskomitee hat die beiliegende Satzung erarbeitet und wird nunmehr den beiden Kirchen und dem Kreise um Dr. Schwenn empfehlen, eine ‚Deutsche Vereinigung für die Lieux de Genève, Gesellschaft zum Schutze der Zivilbevölkerung in Kriegszeiten‘ zu gründen.“

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Kirche den ersten Präsidenten stellen.) Bevor die Gründung vollzogen wird, sollen noch informatorische Besprechungen mit dem Bonner Roten Kreuz und mit Dr. Kindermann-Überlingen stattfinden, damit nach diesen Seiten hin eine reibungslose Zusammenarbeit Platz greift.

III Die ersten Aufgaben dieser99 Vereinigung werden sein: 1. die offizielle Verbindung mit der Association in Genf aufzunehmen, den internationalen Stellen100; 2. eine101 Anerkennung durch die deutschen Regierungsstellen102 zu erreichen; 3. in Zusammenarbeit mit namhaften Sachkennern diejenigen Einzelmaßnahmen zu ermitteln, die für den Schutz der deutschen Zivilbevölkerung103 in einem etwaigen Konfliktfall ergriffen werden müßten und könnten; 4. diese Maßnahmen vorzubereiten und mit den in Betracht kommenden104 Faktoren abzustimmen. gez. Dr. Benn

23E3. Schreiben Grübers an Nuschke. O. O., 20. Juli 1951 F: EZA Berlin, 103/26, Bl. 15 (D mit Paraphe Grübers). Betr.: Pfingstbewegung. Sehr geehrter Herr Präsident Nuschke! Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland hat mich auf seiner Tagung in Elbingerode beauftragt, Sie, sehr verehrter Herr Präsident Nuschke, noch einmal zu ersuchen, sich nachdrücklich für die Aufhebung des Verbotes der Pfingstgemeinschaft einzusetzen. Die Begründung des Verbotes mit den Satzungen, die nie in Kraft getreten sind, ist ja wohl 99 Hsl. geändert aus „der“. 100 „Den internationalen Stellen“ wurde hsl. anstelle von „die über die beabsichtigte Gründung bereits brieflich und durch einen Besuch von Pfarrer Berg unterrichtet worden ist“ gesetzt. 101 Hsl. geändert aus „die“. 102 Hsl. geändert aus „durch die beiden deutschen Regierungen“. 103 Hsl. geändert aus „der Zivilbevölkerung“. 104 Hsl. geändert aus „politischen“.

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kaum zu rechtfertigen. Wenn in den Satzungen ein gewisser Antijudaismus (Gegnerschaft gegen das Judentum als Religionsgemeinschaft) zum Ausdruck kommt, dann ist das ganz etwas anderes als Antisemitismus (Gegnerschaft gegen das Judentum als Rasse- und Volksgemeinschaft). Es ist für jeden, der die Geschichte der Pfingstbewegung kennt, offenkundig, dass dieselbe nie die antisemitischen Ausschreitungen des Hitlertums gebilligt hat. Keiner der jetzt im Dienst der Gemeinschaft stehenden Prediger hat der Partei angehört. Wenn die Gemeinschaft wirklich faschistische Tendenzen gehabt hätte, dann wäre es selbstverständlich gewesen, dass wenigstens einer ihrer führenden Männer sich der Nazibewegung angeschlossen hätte. Ich selbst habe mit einem der führenden Prediger der Bewegung – Prediger Siefer – jahrelang im Konzentrationslager in Dachau gesessen und bin über die ganze Stellung der Pfingstbewegung während des Hitlerregimes unterrichtet. Der Rat protestiert ferner dagegen, dass nun kirchliches Eigentum, darum handelt es sich ja auch bei dem Eigentum der Pfingstgemeinschaft, durch die Volkspolizei beschlagnahmt und in staatlichen Besitz überführt wird. Ich wäre Ihnen, sehr verehrter Herr Präsident Nuschke, sehr dankbar, wenn Sie mich über das Ergebnis der Verhandlung informieren würden, da der Rat von mir den Bericht zu seiner nächsten Sitzung angefordert hat. Mit hochachtungsvoller Begrüssung, verbleibe ich Ihr sehr ergebener

23E4. Bericht Grübers an das Sekretariat Niemöllers. Berlin, 12. Oktober 1951 F: EZA Berlin, 103/26, Bl. 24 (D). Betr.: Pfingstbewegung. Ich habe wegen der Pfingstbewegung mehrere Verhandlungen im Innenministerium und auch mit dem Stellvertreter des Ministerpräsidenten, Herr Otto Nuschke [sic!], gehabt. Die Schwierigkeit liegt darin, dass die Pfingstbewegung kein einheitliches Gesicht hat, weder in Deutschland noch sonst in der Welt, und dass viele Bindungen und Strömungen nebeneinanderlaufen. Soweit ich erkenne, liegen die Bedenken gegen die Pfingstbewegung vor allen Dingen auf dem Gebiet der Handauflegung, d. h. der Krankenheilung durch Gebet ohne Hinzuziehung des Arztes. Wo die Handauflegung neben der ärztlichen Konsultation durchgeführt wird, hat man keine Bedenken, aber in vielen Fällen ist den Kranken geraten worden, einen Arzt nicht hinzuzuziehen. Die Verhandlungen sind äusserst schwierig, da man für diese cha-

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rismatische Art im Innenministerium kein Verständnis hat. Ich habe auch mit den führenden Männern der Pfingstbewegung fortlaufend Fühlung. Wir versuchen jetzt zuerst einmal das Eigentum zu retten und die Weiterarbeit durch stärkere Angliederung an die Landeskirche zu ermöglichen. Die leitenden Brüder der Pfingstbewegung haben den Antrag gestellt, sich „Landeskirchliche Pfingstbewegung“ nennen zu dürfen. Ich habe einen entsprechenden Antrag auch an die Kirchenkanzlei gerichtet. Mit freundlicher Begrüssung! 23E5. Stellungnahme des Kirchenrechtlichen Instituts der EKD zum Entwurf eines Beschlusses des Rates betreffend die Bildung von Vertrauensräten bei seinen Amtsstellen. Göttingen, 27. Juli 1951 F: EZA Berlin, 2/2549 (O). 1. Der vorgelegte Entwurf105 lehnt sich an die im Wortlaut übereinstimmende Regelung an, die in Form von Kirchengesetzen, Verordnungen der Kirchenleitung oder Anordnungen des Konsistoriums in allen Gliedkirchen in der DDR – mit Ausnahme von Schlesien – ergangen ist. Er übernimmt weiterhin deren Wortlaut, ändert ihn aber auch an anderen Stellen, wobei die Änderungen meist gesetzestechnisch Verbesserungen sind. Die entscheidende grundsätzliche Frage ist die, ob die für die Dienststellen der EKD zu treffende Regelung enger an die der Gliedkirchen in der DDR angelehnt werden soll oder nicht. Unseres Erachtens sollte die Anlehnung aus folgendem Grunde so eng als irgend möglich sein, die im Bereich der DDR getroffene kirchliche Regelung ist dort z. T. von staatlichen wie auch von Stellen des FDGB beanstandet worden. Es bedeutet deshalb eine Stärkung der Position der Gliedkirchen in den [sic!] DDR, wenn sie darauf hinweisen könnten, dass das bei ihnen geltende Recht ein Stück gesamtdeutschen evangelischen Kirchenrechts ist. Ein erster Schritt in dieser gesamtdeutschen Richtung könnte die Anordnung für die Dienststellen des Rates der EKD sein. Deshalb sollte diese nicht ohne zwingenden Grund von der übereinstimmenden Regelung der Gliedkirchen in den [sic!] DDR abweichen und sich bis in den Aufbau des Beschlusses und seinen Wortlaut im Einzelnen enger als geschehen an das Vorbild anlehnen und dabei unbedenklich auch einige seiner technischen Mängel übernehmen. 105 23D14.

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Unter Berücksichtigung dieses Grundsatzes ist der anliegende Gegenentwurf angefertigt, durch den sich ein Eingehen auf unwesentliche Einzelheiten erübrigt. 2. Eine Einzelheit bedarf einer besonderen Stellungnahme: Der § 1 Abs. 3 des vorgelegten Entwurfs ist eine Neuerung, für die es an einer entsprechenden Vorschrift in den Regelungen in der DDR fehlt. Sie sollte u. E. auf jeden Fall beseitigt werden, weil sie den Entwurf unnötigen Vorwürfen aussetzen muss, etwa dem, dass gerade aus § 1 Abs. 3 deutlich werde, dass es hier der Kirchenleitung darauf ankomme, die Vertrauensräte „in der Zange zu haben“. Die Klassifizierung in die Gruppe I: Theologische und juristische Räte und sonstige Beamte einerseits, sowie Gruppe II: Angestellte und Lohnempfänger andererseits würde selbst bei gutgesinnten Beamten des gehobenen, mittleren und einfachen Dienstes, bei Angestellten und Arbeitern Verärgerung hervorrufen. Es würde daraus geschlossen werden, dass damit bezweckt werde, den Beamten unter besonderer Bevorzugung der höheren Beamten von vornherein das Übergewicht zu geben. Dazu kommt, dass § 1 Abs. 3 letzter Satz im Hinblick auf § 6 der Wahlordnung106 als Unehrlichkeit wirken muss. Denn was in der ersten Vorschrift als Sollvorschrift erscheint, wird durch letztere zu einem „Muss“ umgestaltet. Die Kirche darf aber nicht den Eindruck erwecken, als ob sie Gruppen ihrer Mitarbeiter von vornherein benachteiligen wolle, sondern aus ihren gesetzlichen Regelungen muss deutlich werden, dass es ihr mit der [sic!] in dem Vorspruch berufenen „brüderlichen und vertrauensvollen Zusammenarbeiten der Mitarbeiter“ voller Ernst ist. Wenn die Mitarbeitervertretung ein Vertrauensrat sein soll, dann gehören in sie nur diejenigen Mitarbeitervertreter hinein, die das Vertrauen der Mehrheit aller Mitarbeiter haben. Die Berufsgruppe sollte dabei von sekundärer Bedeutung sein. Die wünschenswerte gemischte Zusammensetzung ist durch die Vorschrift § 1 Abs. 7 der Regelung in der DDR genügend gesichert: „Bei der Zusammensetzung der Vertretung sollen die verschiedenen Berufsgruppen der an der Dienststelle Beschäftigten nach Möglichkeit berücksichtigt werden“. 3. Da uns die Regierungsvorlage der Bundesregierung für das Betriebsverfassungsgesetz nicht vorliegt, ist bei der vorstehenden Kritik dieses nicht berücksichtigt worden. U. E. ist es dringend erforderlich, dass dem Rat vor der Beschlussfassung darüber Gewissheit verschafft wird, dass die kirchlichen Vertrauensräte, soweit das irgend mit den kirchlichen Belangen zu vereinbaren ist, nicht weniger Rechte haben als die des weltlichen Bereichs. Bei der Wahrnehmung ihrer Autonomie gerade im sozialen Bereich müsste die Kirche endlich einmal beginnen, dem Staate 106 23D15.

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voranzugehen, und zwar nicht nur zeitlich. Es wäre deshalb u. E. sorgsam zu erwägen, inwieweit den Vertrauensräten über die blosse „Anhörung“ und „Mitberatung“ hinaus für bestimmte Angelegenheiten auch entscheidende Mitwirkung einzuräumen wäre. 4. Entsprechend den oben dargelegten Grundsätzen sollte auch der Entwurf der Wahlordnung im Rahmen des sachlich Gebotenen den Wahlordnungen in den Gliedkirchen der DDR angeglichen werden. An Einzelheiten betr. die Wahlordnung wird hier nur folgende Fassung des Satzes 2 des § 6 bzw. der Ziffer III 2 der östlichen Wahlordnung vorgeschlagen. Der Stimmzettel enthält die Liste der Vorgeschlagenen bzw. der wählbaren Wahlberechtigten und als Kopf die Aufschrift usw. 5. Zu den Entwürfen sollte nicht nur der Gewerkschaft ÖTV, sondern zumindest gleichzeitig auch den kirchlichen Bedienstetenvertretungen in Hagen und Hamburg Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden. 6. Es sollte schon jetzt trotz verschiedener in Königswinter geäusserter Ansichten erwogen werden, ob nicht nach erfolgter Einführung der Regelung im Amtsbereich der EKD den Gliedkirchen empfohlen werden sollte, möglichst übereinstimmende Regelungen in ihrem Bereich einzuführen oder ob eine verbesserte gesamtkirchliche Regelung der EKD gemäss Art. 10 Ziffer b) der GO107 angestrebt werden sollte. Im Entwurf gezeichnet: Smend.

23E6. Entwurf Smends für einen Beschluss des Rates zur Bildung von Vertrauensräten bei den Dienststellen der EKD. [Göttingen, 27. Juli 1951] F: EZA Berlin2/2549 (O; Anlage zu 23E5). Jeder kirchliche Dienst geschieht allein im Gehorsam gegen Jesus Christus, den Herrn der Kirche. Die Eigenart dieses Dienstes erfordert in besonderem Masse ein brüderliches und vertrauensvolles Zusammenarbeiten der Mitarbeiter in allen kirchlichen Einrichtungen. Daher wird folgendes bestimmt: §1 1) In allen Dienststellen des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland sind Vertretungen der Mitarbeiter (Vertrauensräte) zu bilden. 2) Der Vertrauensrat besteht in Dienststellen bis zu 20 Beschäftigten aus 107 ABlEKD 1948, Nr. 7 vom 15. Juli 1948, S. 110.

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3 Mitgliedern. Die Zahl der Mitglieder erhöht sich um je 1 für je weitere angefangene 20 Beschäftigte. 3) Dienststellen im Sinne dieses Beschlusses sind die Kirchenkanzlei in Hannover, die Kirchenkanzlei Berliner Stelle und das Kirchliche Aussenamt. 4) Wahlberechtigt sind die mindestens 18 Jahre alten männlichen und weiblichen Beschäftigten, die der evangelischen Kirche angehören und im Besitz der bürgerlichen Ehrenrechte sind. Wählbar sind die mindestens 21 Jahre alten Wahlberechtigten, die nicht mehr in Berufsausbildung stehen und am Wahltage mindestens 6 Monate der Dienststelle sowie mindestens 3 Jahre dem Berufszweig angehören, in dem sie tätig sind. 5) Der Vertrauensrat wird in geheimer Abstimmung bei gleichem Wahlrecht für jeden Wahlberechtigten mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen auf die Dauer eines Jahres gewählt. Wiederwahl ist zulässig. 6) Die Wahlvorschläge werden aus den Kreisen der an der Dienststelle Wahlberechtigten gemacht. 7) Bei der Zusammensetzung des Vertrauensrats sollen die verschiedenen Berufsgruppen der an der Dienststelle Beschäftigten nach Möglichkeit berücksichtigt werden. §2 Der Vertrauensrat wählt aus seiner Mitte einen Vorsitzenden, der ihn nach aussen vertritt. Er fasst seine Beschlüsse mit einfacher Stimmenmehrheit. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag. §3 1) Der Vertrauensrat hat die beruflichen, wirtschaftlichen und sozialen Interessen aller Beschäftigten zu fördern und das Bewusstsein für die Besonderheit des kirchlichen Dienstes zu stärken, sowie für den Arbeitsfrieden und ein gutes Zusammenarbeiten aller Beschäftigten miteinander einzutreten. 2) Bei der Einstellung und Entlassung von Arbeitern und Angestellten mit Ausnahme des leitenden Personals ist die Vertretung anzuhören; der Anhörung bedarf es nicht bei der Einstellung und Entlassung von Beamten und Beamtenanwärtern. 3) Zum Aufgabenbereich des Vertrauensrates gehört ferner insbesondere seine Mitberatung bei a) Anwendung von Tarifbestimmungen, Regelung der Lohn- und Vergütungsfragen und des Urlaubs, b) Errichtung und Verwaltung von Wohlfahrtseinrichtungen, c) Schaffung von Arbeitsplätzen für Arbeitsbehinderte,

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d) der fachlichen Schulung und Weiterbildung der Arbeiter, Angestellten und Lehrlinge, e) Überprüfung der Möglichkeiten technischer und organisatorischer Verbesserungen, f) Schlichtungsversuchen vor Erhebung arbeitsgerichtlicher Klagen, g) Erlass einer Arbeitsordnung, h) Entscheidung über Beschwerden. 4) Die Regelung der Befugnisse und Arbeitsweise des Vertrauensrates im einzelnen im Rahmen des vorstehend angegebenen Aufgabenbereichs kann zwischen dem Leiter der Dienststelle und dem Vertrauensrat vereinbart werden. Das gilt insbesondere für das Zusammenarbeiten zwischen dem Leiter der Dienststelle und dem Vertrauensrat sowie für die Behandlung von Beschwerden der Beschäftigten. §4 Der Vertrauensrat hat bei dem Leiter der Dienststelle auf Unfallverhütung, Verbesserung der Arbeitsverhältnisse und Arbeitshygiene hinzuwirken. §5 Zur Durchführung der Aufgabe des Vertrauensrats wird folgendes bestimmt: a) Der Vertrauensrat ist berechtigt, im Rahmen seines Aufgabengebietes von dem Leiter der Dienststelle Auskünfte einzuholen und jederzeit mit Vorstellungen, Beschwerden und Wünschen an ihn heranzutreten. b) Den Mitgliedern des Vertrauensrats dürfen durch die Ausübung ihrer Tätigkeit keinerlei Nachteile erwachsen. Die für ihre Tätigkeit notwendige Zeit ist ihnen innerhalb der Arbeitszeit ohne Abzug vom Arbeitsentgelt zu gewähren. c) Der Vertrauensrat hat das Recht, notwendige Sitzungen und Versammlungen der Mitarbeiter im Einvernehmen mit dem Leiter der Dienststelle während der Arbeitszeit in den Diensträumen anzusetzen. d) Die Mitglieder des Vertrauensrats sind zur Verschwiegenheit über die ihnen im Rahmen ihrer Tätigkeit mitgeteilten oder bekannt gewordenen Tatsachen verpflichtet. §6 Die Schlichtung und Entscheidung von Streitigkeiten, die sich aus der Zusammenarbeit zwischen dem Leiter der Dienststelle und dem Vertrauensrat ergeben, erfolgt durch den Rat, der seinen Vorsitzenden oder ein anderes Mitglied mit der Erledigung einzelner Fälle beauftragen kann.

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§7 Die zur Durchführung dieser Ordnung erforderlichen Vorschriften erlassen die Leiter der Dienststellen. 23E7. Schreiben Brunottes an die Leitungen der deutschen evangelischen Landeskirchen, das Kirchliche Aussenamt, die Brüderunität, die Evangelische Akademie Bad Boll, den Bund evangelisch-reformierter Kirchen in Göttingen, den Centralausschuss für die Innere Mission, das Zentralbüro des Hilfswerks der EKD und die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland. Hannover, 16. Juni 1951 F: LKA Hannover, L 3 III, Nr. 1304 (H). Betr. Vertretung der Mitarbeiter in den kirchlichen Dienststellen. An der Tagung über arbeitsrechtliche Fragen im Bereich der Kirche in Königswinter am 6./8. 6. 1951 haben Vertreter der Kirchenleitungen und teilweise auch der kirchlichen Bediensteten aus den Bereichen folgender Landeskirchen teilgenommen: Sachsen, Ld., Brandenburg, Provinz Sachsen, Hannover, Westfalen, Rheinland, Schleswig-Holstein, Bayern, Württemberg, Hessen und Nassau, Mecklenburg, Baden, Hamburg, Kurhessen-Waldeck, Braunschweig, Pfalz, Oldenburg, Anhalt, Lippe, Lübeck, Eutin, Bremen. Ferner waren das Zentralbüro des Hilfswerks und der Centralausschuss für die Innere Mission Ost und West vertreten. Nach getrennten Vorbesprechungen der Vertreter einerseits der Kirchenleitungen und andererseits der kirchlichen Bediensteten ergab sich in der gemeinsamen Sitzung volle Übereinstimmung über folgende in der Vorbesprechung der Kirchenleitungsvertreter formulierten Grundsätze: Die im Westen wie im Osten Deutschlands verfassungsmässig anerkannte Autonomie der Evangelischen Kirche gewährleistet ihr die Freiheit, ihre Einrichtungen, insbesondere ihr Gemeinschaftsleben gemäss ihrer Eigenart von ihrem christlichen Glauben her zu ordnen. Dies bedeutet, dass jeder Mitarbeiter im Dienst der Kirche und ihrer diakonischen und caritativen Einrichtungen bereit und willens sein muss, sein ganzes Leben vom christlichen Glauben her zu gestalten, und dass auch für die Gestaltung des kirchlichen Arbeitsrechts diese Grundlage massgebend sein muss. Bei der Gestaltung des Gemeinschaftslebens sollen alle in dieser Gemeinschaft stehenden Mitarbeiter durch geordnete Mitarbeitervertretungen beteiligt werden. Wo solche Mitarbeitervertretungen noch nicht vorhanden sind, sollten sie alsbald gebildet werden. Die Bestimmungen des Gemeinschaftslebens vom christlichen Glauben

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her muss [sic!] gleichzeitig dem kirchlichen Mitarbeiter die soziale und gerechte Bemessung seiner Vergütung sichern. Das kirchliche Arbeitsvertragsrecht soll unter Beteiligung der hiervon jeweils betroffenen kirchlichen Mitarbeiter weiter gebildet werden. In der Aussprache ergab sich volles Einverständnis darüber, dass hierbei unter Mitarbeitervertretungen nicht tarifvertragsfähige Partner zu verstehen sind, sondern innerbetriebliche Vertretungen, die sich jedoch von Betriebsräten im säkularen Sinne mit Rücksicht auf die Besonderheit des kirchlichen Dienstes vor allem dadurch unterscheiden sollten, dass sie alle Kategorien von kirchlichen Bediensteten, also auch geistliche Mitarbeiter bei den Dienststellen, ferner Kirchenbeamte, Diakonissen, Gemeindehelferinnen usw. ebenso wie die Angestellten und Lohnempfänger umfassen sollten. Die rechtliche Gestaltung solcher Mitarbeitervertretungen muss den Landeskirchen überlassen bleiben. Es wäre allerdings erwünscht, wenn dabei eine möglichst weitgehende Anpassung an die in den ostdeutschen Gliedkirchen bereits getroffenen Regelungen angestrebt werden könnte. Wir verweisen hierzu auf die im Amtsblatt der Evangelischen Kirche in Deutschland in beiden Ausgaben abgedruckten Kirchengesetze und Erlasse über die Mitarbeitervertretungen in den kirchlichen Dienststellen in Thüringen (Abl. d. EKD 1949, Heft 11, Nr. 215), Prov. Sachsen (Abl. d. EKD 1950, Heft 1, Nr. 4), Land Sachsen (Abl. d. EKD 1950, Heft 4, Nr. 66), Berlin-Brandenburg (Abl. d. EKD, Heft 4, Nr. 67/68.) Das Recht der Kirche zu eigener Gestaltung auf diesem Gebiet, unabhängig von den Vorschriften der staatlichen Gesetzgebung auf dem Gebiet des Betriebsverfassungsrechts, ergibt sich aus der verfassungsrechtlich geschützten Autonomie der Kirche108. Wir haben diese Auffassung auch gegenüber den zuständigen Stellen des Bundes in Bonn vertreten, ebenso wie dies auch für den Bereich der Deutschen Demokratischen Republik schon früher mit Erfolg vertreten worden ist. Wir haben hierfür in einer Besprechung beim Bundesarbeitsministerium, an der auch Vertreter der Ministerien des Innern, der Justiz und für gesamtdeutsche Fragen einerseits und der römisch-katholischen Kirche, der evangelischen Freikirchen und der altkatholischen Kirche andererseits beteiligt waren, weitgehend Verständnis gefunden109. Es würde der Geltendmachung der k i r c h l i c h e n A u t o n o m i e a u f d e m G e b i e t d e s A r b e i t s r e c h t s wesentlichen Nachdruck verleihen, wenn möglichst bald entsprechend den oben dargelegten Grundsätzen in allen Gliedkirchen Mitarbeitervertretungen geschaffen werden könnten,

108 Vgl. Art. 4, Abs. 1 GG. 109 Vgl. dazu 23E8.

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um den Nachweis zu erbringen, dass die Kirchen auch tatsächlich um eine ihrem Wesen und ihrer Aufgabe entsprechende Gestaltung der arbeitsrechtlichen Verhältnisse im Rahmen ihrer Autonomie bemüht sind. Wir bitten daher die Kirchenleitungen der Gliedkirchen, möglichst bald die erforderlichen Massnahmen im Sinne dieser Empfehlung zu treffen und uns von dem Ergebnis zu unterrichten. Ein Protokoll über die Tagung in Königswinter wird nach Fertigstellung den Gliedkirchen noch übersandt werden. gez. Brunotte

23E8. Vertraulicher Bericht von Harlings über eine Besprechung beim Bundesarbeitsministerium in Bonn am 5. Juni 1951. O. O., o. D. F: LKA Hannover, L 3 III, Nr. 1304 (H). Auf Grund einer Anregung der Kirchenkanzlei hatte das Bundesarbeitsministerium die Kirchen und bedeutenderen Religionsgemeinschaften zu einer Besprechung über die Bedeutung der kirchlichen Autonomie auf dem Gebiet des Arbeitsrechts eingeladen. Die Besprechung fand am Dienstag, den 5. 6. 1951, nachmittags in Bonn statt. Die Teilnehmer waren: A) Vertreter der Ministerien: Ministerialrat Dr. Steinmann, Bundesarbeitsministerium, Regierungsdirektor Dr. Fitting, desgl., Dr. Geiger, Verfassungsreferent im Bundesjustizministerium, Dr. Gussone, Bundesinnenministerium, Dr. Döllinghaus, Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen. B) Vertreter der Kirchen und Freikirchen: Röm.-Katholische Kirche: Domkapitular Prälat Rohde, Paderborn, Ordinariatsrat Dr. Westhoff, Köln, Justitiar Dr. Lohmann, Aachen, Justitiar Freitag, Münster/Westfalen. Evangelische Kirche in Deutschland: Oberkirchenrat Ranke, Kirchenkanzlei, Bonn, Oberkirchenrat von Harling, Kirchenkanzlei, Hannover, Oberkonsistorialrat Dr. Granzow, Kirchenkanzlei, Berlin, Dr. Scheffer, Centralausschuss für die Innere Mission, Berlin. Evang. Brüderunität/West: Finanzdirektor Marx, Bad Boll. Evang. Freikirchen: Superintendent Hoffmann, Frankfurt, Methodistenkirchen, Amtsrat

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Vogel, Bonn, Bund ev.-freikirchl. Gemeinden, Dr. Simons, Köln, Bund Freier evang. Gemeinden. Bistum der Altkatholiken: Professor Dr. Küppers, Bonn. Die Israelitische Kultgemeinschaft und die Freikirche Evangelischer Gemeinschaft waren eingeladen, hatten aber keine Vertreter entsandt. In einer Vorbesprechung der Vertreter der Kirchen, die unmittelbar zuvor unter vollzähliger Beteiligung der oben unter B) genannten Teilnehmer auf Einladung der Kirchenkanzlei stattgefunden hatte, war volle Übereinstimmung über die gemeinsam zu vertretenden Anliegen erzielt worden. Die Besprechung beim Bundesarbeitsministerium wurde von Ministerialrat Dr. Steinmann eröffnet und geleitet. Dieser zeigte sich zunächst wenig geneigt, ein Recht der Kirchen auf Geltendmachung ihrer Autonomie gegenüber der Sozialgesetzgebung grundsätzlich anzuerkennen. Dabei kam es ihm offenbar besonders darauf an, ob und inwiefern von kirchlicher Seite Vorbehalte gegenüber dem von ihm bearbeiteten Kündigungsschutzgesetz beansprucht wurden. OKR v. Harling legte daraufhin den Standpunkt der Evangelischen Kirche in Deutschland zur Frage der kirchlichen Autonomie auf dem Gebiet des Arbeitsrechts im Sinne des Gutachtens des Kirchenrechtlichen Instituts Göttingen (Rundschreiben der Kirchenkanzlei vom 29. 3. 51 – Nr. 11162.V. –) dar. Wahrscheinlich würden die Kirchen von diesem Standpunkt aus das Kündigungsschutzgesetz als „im Rahmen des für alle geltenden Gesetzes“ die Autonomie der Kirchen einschränkendes Recht anerkennen. Denn es handle sich hier nicht um einen Eingriff in die wesengemäss „eigenen Angelegenheiten“ der Kirchen, sondern um den Schutz sozialer Interessen, der Aufgabe und im Interesse der Gesamtnation unabdingbares Recht der staatlichen Organe sei. Dagegen befasse sich der Entwurf für das Betriebsverfassungsgesetz mit Angelegenheiten, deren Ordnung den Kirchen selbst in ihrem Bereich, entsprechend der Besonderheit des kirchlichen Dienstes, überlassen bleiben müsse. Die Vorbehalte in den § 4 Abs. 2b), 98 und 106 des Entwurfs seien nicht ausreichend, um diese verfassungsrechtlich garantierte Freiheit der Kirchen zu wahren. Regierungsdirektor Dr. Fitting, der den Entwurf für das Betriebsverfassungsgesetz innerhalb des Bundesarbeitsministeriums bearbeitet hatte, wies demgegenüber auf die zu erwartenden Einwendungen gegen den kirchlichen Standpunkt hin, ohne sich mit diesen Einwendungen zu identifizieren. Insbesondere stellte er die Frage, ob man von einer Besonderheit des kirchlichen Dienstes auch bei solchen Arbeitsverhältnissen sprechen könne, bei denen es sich nur um einfache und mechanische Verrichtungen handle (Schreibkräfte, Heizer, Reinigungspersonal usw.).

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Hierdurch wurden den übrigen Vertretern der Kirchen Gelegenheit gegeben, die kirchliche Auffassung näher zu erläutern und zu begründen. Dabei machte die volle Übereinstimmung aller vertretenen Kirchen offensichtlich einen starken Eindruck. Oberkons. Rat Dr. Granzow und Dr. Scheffer wiesen dabei besonders darauf hin, dass die Frage der Mitarbeitervertretung in den östlichen Gliedkirchen bereits geregelt sei, und dass diese Regelung bisher mit Erfolg von allen staatlichen und gewerkschaftlichen Eingriffen freigehalten worden sei. Keinesfalls dürfe diese Position vom Westen her erschüttert werden. Die Vertreter der Bundesministerien des Innern, der Justiz und für gesamtdeutsche Fragen erkannten den Standpunkt der Kirchen voll und ganz als berechtigt an. Ausschlaggebend wirkte das Votum des Verfassungsreferenten im Bundesjustizministerium, Dr. Geiger, der sehr nachdrücklich betonte, dass die Ordnung des kirchlichen Dienstes ohne Rücksicht auf die Art der Dienstleistung im einzelnen den Kirchen überlassen bleiben müsse, und dass gesetzliche Bestimmungen, die eine grundsätzliche Beschränkung dieser Freiheit darstellen würden, verfassungswidrig sein würden. Die Vertreter des Bundesarbeitsministeriums erklärten sich daraufhin bereit, sich für folgende Änderungen in dem Entwurf für das Betriebsverfassungsgesetz einzusetzen, die von den Vertretern der Kirchen als Ergebnis ihrer Vorbesprechung vorgeschlagen wurden: 1.) In § 98 des Entwurfs soll das Wort „konfessionellen“ gestrichen werden; 2.) In § 106 soll hinter Abs. 1 folgender Absatz eingefügt werden: „Das Gesetz findet ferner keine Anwendung auf die Beteiligung und Mitbestimmung der Arbeitnehmer der Religionsgesellschaften und ihrer Einrichtungen, die kirchlichen, gemeinnützigen oder mildtätigen Zwecken dienen, unbeschadet ihrer Rechtsform.“ Da der Entwurf bereits dem Bundestagsausschuss für Arbeit- und Sozialwesen vorliegt, wurde empfohlen, Mitglieder dieses Ausschusses, die den Kirchen nahestehen, auf geeignetem Wege von der Auffassung der Kirchen zu unterrichten und dafür zu gewinnen, die obigen Änderungsvorschläge im Ausschuss zu vertreten. Ausserdem wurden übereinstimmende Eingaben der Kirchen an den Bundeskanzler und den Bundesminister für Arbeit zur Geltendmachung dieser Anliegen empfohlen. Nach Schluss der gemeinsamen Besprechung wurde nach Vereinbarung mit den Vertretern der Kirchen in kleinerem Kreise ein Entwurf für die Eingaben an den Bundeskanzler und den Bundesminister für Arbeit fertiggestellt (siehe Anlage). Hierbei wirkten mit: – Ordinariatsrat Dr. Westhoff, – Oberkirchenrat Ranke, – Oberkirchenrat v. Harling, – Oberkonsistorialrat Dr. Granzow,

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– Dr. Scheffer, – Professor Dr. Küppers, – Dr. Simons

Es wurde ferner im einzelnen verabredet, auf welche Weise die weiteren Schritte koordiniert werden sollen. gez. von Harling

23E9. Schreiben des Ratsvorsitzenden an den Bundeskanzler und den Bundesminister für Arbeit. O. O., 12. Juni 1951 F: EZA Berlin, 2/2546 (Abschrift). Betr. Entwurf zum Betriebsverfassungsgesetz. Auf Grund einer gemeinsamen Beratung von Vertretern des Bundesministeriums für Arbeit unter Beteiligung der Bundesministerien des Innern, der Justiz und für gesamtdeutsche Fragen mit Vertretern der Kirchen110 bitten wir sie, Herr Bundeskanzler, sich in den bevorstehenden Beratungen über den Entwurf des Betriebsverfassungsgesetzes dafür einzusetzen, dass in dem Regierungsentwurf dieses Gesetzes in § 106 hinter Abs. 1 folgender Absatz eingefügt wird: „Das Gesetz findet ferner keine Anwendung auf die Beteiligung und Mitbestimmung der Arbeitnehmer der Religionsgesellschaften und ihrer Einrichtungen, die kirchlichen gemeinnützigen oder mildtätigen Zwecken dienen, unbeschadet ihrer Rechtsform.“ Wir bitten im Zuge dieser Änderung desweiteren, in § 98 des Entwurfs das Wort „konfessionellen“ zu streichen. Wir begründen dies folgendermassen: Nach Artikel 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Absatz 3 der Weimarer Verfassung ist den Religionsgesellschaften innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes eine weitgehende und grundsätzliche Autonomie zugestanden. In der angezogenen Bestimmung der Weimarer Verfassung ist insbesondere zum Ausdruck gebracht, dass die Religionsgesellschaften ihre Ämter ohne Mitwirkung des Staates oder der Gemeinden verleihen. Nach den Erfahrungen der nationalsozialistischen Zeit und angesichts der Gefahren, die den räumlich über das Gebiet der Bundesrepublik hinausreichenden Religionsgesellschaften von totalitären Staaten drohen können, muss die Kirche auf dem uneingeschränkten Recht, den kirchli110 Vgl. 23E8.

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chen Dienst in freier, ihren Wesensgesetzen entsprechender Selbstverantwortung regeln zu können, unbedingt bestehen. Das geplante Betriebsverfassungsgesetz ist ein Gesetz, das nicht alle Staatsbürger erfassen wird, sondern das in seiner Struktur im wesentlichen auf Regelung der Arbeitsverhältnisse in wirtschaftlichen Betrieben abgestellt ist. Die Religionsgesellschaften unterscheiden sich grundsätzlich von wirtschaftlichen Betrieben. Jede Dienstleistung in der Kirche und in kirchlichen Einrichtungen ist daher anders geartet, als die in einem wirtschaftlichen Betriebe. Die Religionsgesellschaften bejahen die sozialpolitische Tendenz, die dem Gesetzentwurf für das Betriebsverfassungsgesetz zugrunde liegt. Sie befürchten daher von einer Anwendung auch nur von Teilen dieses Gesetzes auf den kirchlichen Dienst eine Einwirkung kirchenfremder Gesichtspunkte in die Sphäre, die den Kirchen um ihres besonderen Auftrags willen vorbehalten bleiben muss. Wir betonen, dass die vorstehenden Erwägungen in ebendemselben Masse wie für die Arbeitsverhältnisse der Religionsgesellschaften auch für die Dienste in den gemeinnützigen und mildtätigen Werken der Kirchen Geltung haben. gez.: D. Dibelius

23E10. Schreiben von Harlings an Brunotte. Hannover, 24. September 1951 F: EZA Berlin, 2/2549 (O). Zu unserem Entwurf, den wir den Ratsmitgliedern mit Rundschreiben vom 10. 7. 51 – Nr. 13005.V111 – mitgeteilt haben, hat Herr Professor D. Dr. Smend ausführlich Stellung genommen112. Ausserdem habe ich durch Herrn Schulz in Hamburg vertraulich Kenntnis von einer internen gewerkschaftlichen Stellungnahme zu diesem Entwurf erhalten113. Beide Stellungnahmen sind beigefügt. Hiernach werden wir zumindest im Rahmen der Vorschläge von Prof. D. Smend der Gewerkschaft entgegenkommen müssen, wenn wir Wert darauf legen, zu einem Einvernehmen mit der Gewerkschaft in dieser Angelegenheit zu kommen. Ich habe unter Berücksichtigung beider Stellungnahmen einen dritten Entwurf114 gefertigt, den ich in der Anlage vorlege mit der Bitte um Entscheidung, ob bei den künftigen Verhandlungen mit der Gewerkschaft dieser Entwurf als Grundlage für das äusserste 111 112 113 114

23D13. 23E5. 23E11. EZA BERLIN, 2/2549.

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Mass von Entgegenkommen gelten kann. Der Entwurf unterscheidet sich sachlich vor allem in folgenden Punkten von unserem ersten Entwurf: 1.) Die Fassung ist entsprechend dem Vorschlag von Prof. D. Smend wesentlich enger den ostzonalen Ordnungen angepasst. 2.) In der Präambel ist die Formulierung „wird bestimmt“ vermieden. 3.) Die für die Gewerkschaft anstössige Bezeichnung „Vertrauensrat“ ist ebenfalls vermieden. 4.) Die Mitgliederzahl der Vertretung ist nicht absolut bestimmt, sondern soll sich nach der Zahl der Beschäftigten richten. 5.) Die Berufsgruppen, aus denen die einzelnen Mitglieder zu wählen sind, sind nicht zwingend vorgeschrieben. 6.) Der Vorsitzende der Vertretung wird, wie in den Regelungen der Ostzone und in den Betriebsrätegesetzen von der Vertretung selbst gewählt. 7.) Das Mitbestimmungsrecht der Vertretung ist wesentlich verstärkt, insbesondere hinsichtlich der Einstellung und Entlassung von Arbeitnehmern und der Arbeitsordnung. Dies entspricht Grundsätzen des Betriebsverfassungsrechts, die so allgemein anerkannt sind, dass die Kirche sich schwerlich dem widersetzen kann. Ich vermute, dass es sich hier überhaupt um den entscheidenden Punkt in den Verhandlungen mit den Gewerkschaften handeln wird. v. Harling [m. p.]

23E11. Stellungnahme des Referates für Betriebsräte- und Mitbestimmungsrecht im öffentlichen Dienst zum Entwurf des Rates der EKD betreffend die Bildung von Vertrauensräten bei den Amtsstellen des Rates der EKD vom 16. Juli 1951. Stuttgart, 7. September 1951 F: EZA Berlin, 2/2549 (D; Anlage zu 23E9)115. I. Art. 137 Abs. 3 der Weimarer Reichsverfassung (WRV), der durch Art. 140 Bonner Grundgesetz (BGG) wortwörtlich Bestandteil dieses Grundgesetzes geworden ist, räumt den Religionsgesellschaften eine „begrenzte Autonomie“ für ihre eigenen Angelegenheiten, jedoch nur innerhalb des für alle geltenden Gesetzes ein. Art. 137 Abs. 3 Weimarer Reichsverfassung hat folgenden Wortlaut: „Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten 115 Überschrieben mit dem hsl. Vermerk „streng vertraulich“.

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selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes. Sie verleiht ihre Ämter ohne Mitwirkung des Staates oder der bürgerlichen Gemeinde.“

II. Bei allen Entscheidungen und Massnahmen der Religionsgesellschaften ist deshalb zu prüfen, ob sie 1) im Rahmen der ihnen gewährten Autonomie bleiben und 2) nicht etwa Gesetze, die für alle, d. h. die Gesamtheit der Staatsbürger gelten, verletzen. Die Vereinigte Protestantische Landeskirche Baden hat nach 1945 in 2 Fällen Massnahmen getroffen, ohne hierbei die für alle geltenden Gesetze zu beachten. In beiden Fällen sind ihre Massnahmen (Rückgruppierung, Kündigung) durch Landesarbeitsgerichtsurteil bzw. Bescheid einer höheren Landesarbeitsbehörde für rechtsunwirksam erklärt worden. In dem einen Falle handelte es sich um die Herabsetzung der Vergütungsgruppe eines Angestellten, ohne die hierfür erforderliche Zustimmung der Arbeitsbehörde gemäss § 2 [des] Lohnstopaufhebungsgesetzes vom 3. 11. 48 einzuholen; im anderen Falle lehnt der Präsident des Landesarbeitsamtes Württemberg-Baden gemäss § 13 des Schwerbeschädigtengesetzes vom 12. 1. 1923 die Zustimmung zur Änderungskündigung der Arbeitsverhältnisse mehrerer schwerbeschädigter Angestellter der Landeskirche ab. In beiden Fällen ist durch die Entscheidungen dokumentiert, dass die Kirchenverwaltung die Grenzen ihrer Autonomie überschritten und das für alle geltende Gesetzesrecht verletzt hat. Ein von dem bekannten Staats- und Kirchenrechtler Prof. D. Dr. Smend, Göttingen, vom 6. 2. 1951 eingeholtes „Rechtsgutachten116 betreffend kirchliche Autonomie und kirchliches Dienstrecht und ihr Verhältnis zu einigen Vorschriften des staatlichen Arbeitsrechts“ bestätigt die vorgenannten Entscheidungen. Auch nach Prof. Smend sind Lohnstopaufhebungsgesetz und Schwerbeschädigtengesetz sogenannte „unentbehrliche“ Gesetze, die für alle ohne Ausnahme gelten. Art. 20 Abs. 1 Grundgesetz sagt: „Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Staat“. Dieser Zielsetzung unserer Verfassung, nämlich einen sozialen Staat zu schaffen, darf sich niemand entziehen, am wenigsten jedoch die Kirche mit ihren Anstalten und Einrichtungen. Lohnstopaufhebungsgesetz und Schwerbeschädigtengesetz sind demnach Gesetze aus dem Bereich des Arbeitsrechts, die die Autonomie der Kirche einschränken. 116 EZA BERLIN, 2/2549.

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III. Im vorliegenden Falle gilt es zu untersuchen, ob die zur Zeit geltenden Betriebsrätegesetze (Kontrollratsgesetz Nr. 22 und die Betriebsrätegesetze der Länder) zu der Kategorie der für alle geltenden Gesetze gehören und demzufolge die Autonomie der Kirche beschränken. Diese Frage ist ohne lange Erörterungen zu bejahen. Die Betriebsrätegesetze wenden sich an jedermann und sie gelten auch für jedermann. Es handelt sich um allgemein gültige Gesetze. Wenn die Kirche glaubt, auf Grund ihrer Autonomie betriebsverfassungsrechtliche Angelegenheiten regeln zu müssen, dann kann sie das nur unter Beachtung des zur Zeit geltenden Betriebsräterechts tun. Betriebsräterecht ist zwingendes Recht und kann nicht zu Ungunsten der Arbeitnehmer und der von ihnen gewählten Betriebsräte geändert oder ergänzt werden. Wie ich in meinem Aufsatz: „Betriebsräte und Mitbestimmung der karitativen Anstalten“ (Funktionär 1951 Nr. 7, S. 26) bereits dargelegt habe, ist in allen Ländern der Deutschen Bundesrepublik die Bildung und Errichtung von Betriebsräten in Betrieben, die konfessionellen, karitativen oder ähnlichen Bestrebungen dienen, gesetzlich geregelt, und zwar in den acht Ländern mit eigenen Betriebsrätegesetzen durch positive gesetzliche Bestimmungen. Der Wortlaut der einzelnen Bestimmungen ist in dem erwähnten Aufsatz abgedruckt. Aber auch in den wenigen Ländern, in denen noch das Kontrollratsgesetz Nr. 22 gilt, ist die Bildung von Betriebsräten in solchen Betrieben gestattet. Irgendwelche Sonderbestimmungen für die Kirchen und deren Einrichtungen sind im Kontrollratsgesetz Nr. 22 nicht enthalten. Wenn der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland in seinem Schreiben an den Bundeskanzler vom 12. Juni 1951117 ausführt, dass das geplante Betriebsverfassungsgesetz nicht alle Staatsbürger erfassen wird, sondern nach seiner Struktur im wesentlichen auf Regelung der Arbeitsverhältnisse in wirtschaftlichen Betrieben abstellt, so ist diese Auffassung irrig. Das Betriebsverfassungsgesetz erfasst alle Betriebe, auch solche, die keinen erwerbswirtschaftlichen Zwecken dienen, wie die Betriebe und Verwaltungen der öffentlichen Hand, gemeinnützigen Einrichtungen und Anstalten, wie Bibliotheken, Museen, Krankenhäuser, Heil- und Pflegeanstalten, Badeanstalten, Forschungsinstitute usw. Das Betriebsverfassungsgesetz ist kein Spezialgesetz für eine bestimmte Gruppe, sondern es geht alle an, Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Das Lohnstopaufhebungsgesetz betrifft nur Lohn- und Gehaltsempfänger; das Schwerbeschädigtengesetz nur Schwerbeschädigte, trotzdem hat auch 117 23E9.

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Prof. Smend beide Gesetz für allumfassende erklärt, die die kirchliche Autonomie beschränken. Das gleiche gilt logischerweise auch für die Betriebsrätegesetze.

IV. Beschlüsse der einzelnen evangelischen Landeskirchen im Bereiche der Bundesrepublik sowie des Rates der Evangelischen Kirche, die eine autonome Regelung der Betriebsvertretungen zum Inhalt haben, würden die zur Zeit geltenden Betriebsrätegesetze verletzen. Es müssten also das Kontrollratsgesetz Nr. 22 und die übrigen Betriebsrätegesetze der Länder im Gesetzgebungswege geändert werden, was wohl nicht zu erwarten ist. Aus diesem Grunde halte ich es– im Gegensatz zu der Auffassung von Oberkirchenrat v. Harling (Ziff. II/4 seines Schreibens vom 1. 8. 51118) – für unzweckmässig, doch zunächst die bundesgesetzliche Regelung des Betriebsverfassungsrechts abzuwarten. Anderenfalls muss damit gerechnet werden, daß Regelungen auf kirchengesetzlicher Basis rechtsunwirksam sind.

V. Eine Anlehnung an die Verhältnisse in der Sowjetzone ist nicht möglich und auch nicht nötig. In der Bundesrepublik gibt es keine totalitären Bestrebungen, gegen die man sich schützen muss. Die Kirchen sind im Westen durch die Verfassung geschützt. Selbst wenn nach der Verfassung der DDR die Bildung von Mitarbeitervertretungen auf Grund kirchlicher Autonomie zulässig ist, so ist es nach den gesetzlichen Regelungen in der Bundesrepublik nicht möglich. Wenn eine einheitliche Regelung für beide Teile Deutschlands, für Ost und West auch erwünscht ist, so kann dies doch nur unter Beachtung der in Westdeutschland geltenden Gesetze geschehen.

VI. Eine weitere Frage ist die, ob es nicht sinnvoll wäre, die Gestaltung der Betriebsvertretungen im Bereiche der Kirche auf Grund des § 1 Tarifver118 Vgl. das Schreiben von Harlings an die Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr vom 1. August 1951 (EZA BERLIN, 2/2549).

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tragsgesetz vom 9. 4. 1949 durch die tariffähigen Partner (Kirche und Gewerkschaften) im Wege tarifvertraglicher Vereinbarungen zu regeln. Nach § 1 TVG haben die Tarifvertragsparteien das Recht, auch betriebsverfassungsrechtliche Angelegenheiten zu ordnen. Die Sonderstellung, die die Kirche nun einmal einnimmt und die durchaus anerkannt werden soll, drängt eine tarifvertragliche Regelung geradezu auf. In den Länderbetriebsrätegesetzen wie auch im Entwurf eines Bundesbetriebsverfassungsgesetzes verzichtet der Gesetzgeber bewusst darauf, genau abzugrenzen, in welchen Fällen bei den Religionsgesellschaften und ihren Einrichtungen ein Mitbestimmungsrecht gegeben sein soll und wann nicht. Das kann nicht gesetzlich festgelegt werden, sondern nur von Fall zu Fall unter Berücksichtigung aller Besonderheiten durch tarifvertragliche Vereinbarung geregelt werden. Wenn im vorliegenden Falle die Gewerkschaften nur angehört werden sollen, die Kirchenbehörden aber durch Kirchengesetz einseitig und autoritär die Rechtsverhältnisse ihrer Betriebsvertretungen regeln, dann geben sich die Gewerkschaften selbst auf. Sie sägen den Ast ab, auf dem sie sitzen und verzichten auf ihr vornehmstes Recht, auf Grund des Tarifvertragsgesetzes autonomes und kollektives Arbeits- und Betriebsverfassungsrecht zu schaffen. Das müssen wir aus gewerkschaftspolitischen Gründen und in unserem wohlverstandenen eigenen Interesse verhüten.

VII. Zu dem vorliegenden Referentenentwurf119 wäre im einzelnen folgendes zu sagen: Zur Präambel: Die Präambel ist in ihrem Wortlaut widerspruchsvoll. Man kann nicht das brüderliche und vertrauensvolle Zusammenarbeiten betonen und dann sagen: „Daher wird folgendes bestimmt“. Das ist ein Gemenge von demokratischem und autoritärem Denken. Es liesse sich m. E. unschwer ein anderer Wortlaut finden. Dieser Satz könnte auch ganz verschwinden. Zu § 1: Es ist nicht einzusehen, aus welchem Grunde die dem 3. Reich entliehene Bezeichnung: „Vertrauensräte“ im Bereiche der Kirchenverwaltung eingeführt werden soll. Wenn in einem städt. oder privaten Krankenhaus die Betriebsvertretungen „Betriebsräte“ genannt werden, so kann dies doch 119 23D14.

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ohne Weiteres auch in einem Krankenhaus der Inneren Mission geschehen. Aus diesen beabsichtigten Umbennungen – man spricht in kirchlichen Kreisen auch von Mitarbeitervertretungen – klingt eine Animosität gegen den Betriebsräte- und letztlich auch gegen den Gewerkschaftsgedanken an, die durch nichts begründet ist. Aus dem mir vorliegenden Aufsatz des Herrn Fritz Telchow in der Zeitschrift „Unterwegs“ (Heft 3 Jg. 5 S. 161) ein kurzes Zitat, das die Mentalität retardierender Kreise in der evangelischen Kirche wiedergibt: „Betriebsräte sind für die Kirche eine innere Unmöglichkeit, weil sie nicht vom Evangelium herkommen, sondern ein politisches Kampfmittel sind.“ Die Beschränkung der Mitgliederzahl der Vertretung auf vier Personen ist zu schematisch und widerspricht dem in allen Betriebsrätegesetzen üblichen Grundsatz, die Zahl der Betriebsräte von der Zahl der Betriebsangehörigen abhängig zu machen. Ausserdem würde die Gruppe I (theol. und jur. Räte und sonstige Beamte), die wahrscheinlich eine Minderheit sind, gegenüber der anderen Gruppe II (Angestellte und Lohnempfänger) bevorzugt werden. Die Gewerkschaften befürworten den Minderheitenschutz im Betrieb, sie lehnen aber die Privilegierung von Minderheiten ab, weil dies demokratischen Grundsätzen widersprechen würde. Zu § 2: Nach dem alten Betriebsrätegesetz von 1920 und nach dem geltenden Recht genügt für die Wahl zum Betriebsrat eine sechsmonatige Betriebszugehörigkeit. Im Regierungsentwurf eines Betriebsverfassungsgesetzes ist eine einjährige Betriebszugehörigkeit vorgesehen. Der DGB hat vorgeschlagen, wieder den alten Zustand einer sechsmonatigen Betriebszugehörigkeit herzustellen. Wir halten eine sechsmonatige Betriebszugehörigkeit auch für ausreichend. Zu § 3: In § 3 Abs. 2 ist in bezug auf die Einstellung und Entlassung nur ein schwaches Anhörungsrecht vorgesehen, im nächsten Absatz nur die Mitberatung. Also sehr bescheidene Mitwirkungsrechte. Bei Einstellung und Entlassung müsste m. E. eine gleichberechtigte Mitwirkung der Betriebsvertretung erreicht werden, was praktisch einem echten Mitbestimmungsrecht gleichkommt. Eine Einstellung und Entlassung wird im letzten Falle nur rechtswirksam, wenn das Einvernehmen beider Teile hergestellt ist. Zu § 7: Der Erlass einer Wahlordnung kann nicht einseitig Aufgabe des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland sein, zumal der Entwurf nur wenige Bestimmungen über die Bildung und Errichtung der Betriebsräte enthält.

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Im jüngsten Betriebsrätegesetz, dem Bayerischen Betriebsrätegesetz, ist die Bildung der Betriebsräte in den § 11–19 ausführlich geregelt. In § 20 heisst es dann: „Die näheren Bestimmungen über das Wahlverfahren werden durch eine von der Staatsregierung nach Anhörung der Gewerkschaften und Beamtenorganisationen mit Zustimmung des Landtags zu erlassende Wahlordnung getroffen.“ Im vorliegenden Falle wäre es zweckmässig, wenn auch die Wahlordnung zwischen dem Rat der Evangelischen Kirche und der Gewerkschaft ÖTV vereinbart wird.

24. Sitzung Tutzing, 6. und 7. September 1951

24 Tutzing, 6. und 7. September 1951 Ort: Beginn: Ende: Teilnehmer:

Evangelische Akademie, Schloss Tutzing. Donnerstag, 6. September 1951 (10.00 Uhr). Freitag, 7. September 1951 (13.00 Uhr). Vom Rat: Dibelius, Hahn, Hartenstein, Heinemann, Herntrich, Kreyssig, Lilje, Mager, Meiser, Niemöller, Niesel, Smend. Von der Kirchenkanzlei: Benn, Brunotte, Merzyn. Der Bevollmächtigte der EKD am Sitz der Bundesrepublik Deutschland: Kunst. Für das Hilfswerk: Gerstenmaier1, Preuß, Röntsch. Protokollanten: Brunotte, Merzyn. 24A Vorbereitung der Sitzung

24A Vorbereitung der Sitzung 24A1. Entwurf eines Schreibens Brunottes an Benn. Hannover, 19. Juli 1951 F: EZA Berlin, 4/44 (O). 1.) Bei dem tumultarischen Ende der letzten Ratssitzung sind eine Reihe von Punkten nicht mehr zur Beratung gekommen. Da ich demnächst auf Urlaub fahre (8. August), möchte ich schon jetzt die Punkte nennen, die wir auf die nächste Tagesordnung haben möchten: a) Berufungen in die Synode, b) Personalfragen der Kirchenkanzlei und des Kirchlichen Außenamtes, c) Verlegung der Diensträume der Berliner Stelle, d) Bildung von Vertrauensräten bei den Amtsstellen der EKD, e) Gespräch mit Vertretern der Vereinigten Großloge der Freimaurer, f) Entschliessung betr. Eingliederung von Heimatvertriebenen auf dem Lande (hierzu ist den Ratsmitgliedern ein für Elbingerode vorbereitetes Schreiben nachträglich zugesandt worden),

1 Anwesend bei 24B5.

24A Vorbereitung der Sitzung

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g) Gespräch mit den Theologischen Fakultäten und den Kirchlichen Hochschulen. Ausserdem werden natürlich die Fragen des Hilfswerks wieder auf der Tagesordnung stehen müssen, nachdem der Verwaltungsrat am 23. Juli in Stuttgart getagt hat. Auch die Zusammensetzung des Diakonischen Beirats bedarf noch eines Beschlusses hinsichtlich der Vertreter des Hilfswerks. Den Punkt 4 der Tagesordnung von Elbingerode möchte ich gerne unter den Tisch fallen lassen. Setzen Sie ihn, bitte, nicht wieder auf die Tagesordnung. Wir können abwarten, ob Landesbischof D. Meiser noch einmal darauf zurückkommen wird2. Wie Sie aus dem Schreiben an die Ratsmitglieder ersehen haben, ist der Vorschlag von Pressel ein ziemlicher Unfug. Es würde nur wieder unnötige Weiterungen mit dem Kirchlichen Aussenamt geben. 2.) Eine Sache, die mir Herr von Harling für Elbingerode mitgegeben hatte und die auch nicht mehr zur Hebung gekommen ist, ist die Frage einer Beteiligung des Rates an der Tagung des International Committee on the Christian Approach to the Jews in Hemer vom 21.–25. Juli. Ich möchte vorschlagen, daß der Herr Ratsvorsitzende das beiliegende Schreiben absendet und daß von einer persönlichen Teilnahme eines Ratsmitgliedes abgesehen wird. Darf ich bitten, das Schreiben unmittelbar an Herrn Professor D. Rengstorf in Münster zu senden, da die Zeit drängt. 24A2. Schreiben Dibelius’ an die Ratsmitglieder. Berlin, 31. Juli 1951 F: EZA Berlin, 4/44 (H). Die Herren Mitglieder des Rates lade ich hiermit zur nächsten Sitzung auf Donnerstag, den 6. und Freitag, den 7. September 1951 in das Gebäude der Evangelischen Akademie in Tutzing bei München ergebenst ein. Gemäß der Vereinbarung in der letzten Sitzung sollen die Beratungen am 6. September um 10 Uhr pünktlich beginnen und am folgenden Tage um 13 Uhr beendet sein. Die Tagesordnung wird so bald wie möglich folgen. gez. D. Dr. Dibelius

2 Vgl. 25B4. Die Lage der Evangelischen in Spanien wurde dann aber auf der Ratssitzung am 7. Dezember 1951 behandelt (26B11).

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24. Sitzung Tutzing, 6. und 7. September 1951

24A3. Schreiben Merzyns an Benn. Hannover, 2. August 1951 F: EZA Berlin, 4/44 (O). Lieber Herr Benn! Für die Tagesordnung der nächsten Ratssitzung bitten wir aufzunehmen: „Bitte des Furcheverlages um Bürgschaft der EKD.“ Zur Erläuterung darf ich Ihnen kurz mitteilen, dass sowohl der Furcheverlag selbst, als auch Eberhard Müller und Dr. von Thadden in an den Rat gerichteten Eingaben gebeten haben, die EKD möchte die Bürgschaft für ein fünfjähriges 60.000,– DM-Darlehen übernehmen3 Unser Präsident und die hiesigen Referenten haben sehr nachdrückliche Bedenken gegen die Erfüllung eines solchen Wunsches, u. a. vor allem deswegen, weil dann mit demselben Recht noch eine ganze Reihe anderer notleidender Verlage usw. mit ähnlichen Bitten an die EKD herantreten könnten und würden. Ich möchte Sie nur wenigstens andeutungsweise hiervon schon unterrichtet haben für den Fall, dass auch der Herr Ratsvorsitzende unmittelbar schon jetzt mit diesem Anliegen befasst werden sollte. Mit herzlichem Gruss! Stets Ihr Merzyn

24A4. Beratungsgegenstände für die Ratssitzung am 6./7. September 1951 in Tutzing. [Berlin, 14. August 1951] F: EZA Berlin, 4/44 (H). 1.) Erlass einer Geschäftsordnung für den Rat (Entwurf der Kanzlei liegt bei) 2.) Allgemeine Lage (Vorsitzender) 3.) Stellungnahme zur Frage des Beamteneides 4.) Fragen des Hilfswerks 5.) Endgültige Zusammensetzung des Diakonischen Beirats 6.) Entschliessung betr. Eingliederung von Heimatvertriebenen auf dem Lande 7.) Ordnung der Frauenhilfsarbeit im Osten 8.) Berufungen in die Synode 9.) Personalfragen der Kirchenkanzlei und des Kirchlichen Aussenamtes 10.) Verlegung der Diensträume der Berliner Stelle 3 Vgl. 24D7.

24A Vorbereitung der Sitzung

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11.) Bildung von Vertrauensräten bei den Amtsstellen der Evangelischen Kirche in Deutschland 12.) Verschiedenes; hierzu ist bisher vermerkt: a) Gespräch mit Vertretern der Vereinigten Grossloge der Freimaurer b) Antrag der Kirche von Lübeck betr. Stiftung von Fenstern für die St. Marienkirche c) Bitte des Furche-Verlages um Uebernahme einer Bürgschaft durch die EKD d) Uebernahme von Anteilen der Hainstein GmbH e) Drucklegung der Verhandlungen der Eisenacher Kirchenversammlung

24A5. Tagesordnung für die Ratssitzung am 6./7. September 1951 in Tutzing. O. O., o. D. F: EZA Berlin, 4/44 (H). 1.) Erlaß einer Geschäftsordnung für den Rat (Entwurf der Kirchenkanzlei übersandt) (D. Brunotte) 2.) Allgemeine Lage (Vorsitzender) 3.) Einberufung der Kirchenkonferenz (Vorsitzender) 4.) Stellungnahme zur Frage des Beamteneides (D. Brunotte, D. Niesel) 5.) Fragen des Hilfswerks (Dr. Hartenstein, Dr. Gerstenmayer) 6.) Anträge die westfälische Kirche betreffend a) die Beziehung von Schrift und Bekenntnis zur Einheit der Kirche, b) Fürbitte um Erhaltung und Vertiefung der Einheit der evangelischen Christenheit in Deutschland (Osterloh) 7.) Gebetswoche für die Gefangenen (D. Brunotte) 8.) Gedenken für die Opfer des Krieges (Osterloh) 9.) Aussprache unter den Landeskirchen über die Neugestaltung der Ordnungen des kirchlichen Lebens (Dr. Kreyssig) 10.) Stand der Bibelrevision (D. Brunotte) 11.) Entschließung betr. Eingliederung von Heimatvertriebenen auf dem Lande (D. Brunotte) 12.) Ordnung der Frauenhilfsarbeit im Osten (Entwurf liegt bei) (Dr. Benn) 13.) Antrag auf Verlegung der Besprechung mit den theologischen Fakultäten und kirchlichen Hochschulen (Osterloh) 14.) Berufungen in die Synode (v. Harling) 15.) Personalfragen der Kirchenkanzlei und des Kirchlichen Aussenamtes (D. Brunotte, D. Niemöller) 16.) Verlegung der Diensträume der Berliner Stelle (Dr. Benn)

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24. Sitzung Tutzing, 6. und 7. September 1951

17.) Bildung von Vertrauensräten bei den Amtsstellen der Evangelischen Kirche in Deutschland (v. Harling) 18.) Ergänzung der Beratenden Kammern für Erziehung und Unterweisung und für öffentliche Verantwortung (Osterloh) 19.) Verschiedenes, hierzu ist vorgemerkt: a) Gespräch mit Vertretern der Vereinigten Großloge der Freimaurer (D. Brunotte) b) Antrag der Kirche von Lübeck betr. Stiftung von Fenstern für die St. Marienkirche (Dr. Merzyn) c) Bitte des Furche-Verlages um Übernahme einer Bürgschaft durch die EKD (Dr. Merzyn) d) Übernahme von Anteilen der Hainstein GmbH (Dr. Benn) e) Drucklegung der Verhandlungen der Eisenacher Kirchenversammlung (Dr. Benn) f) Mitteilung der Wiederherstellung der Grundsteuerfreiheit der Pfarrhäuser und Pfarrgrundstücke (Dr. Merzyn)

24B Protokoll

24B Protokoll

F: EZA Berlin, 2/1793 (H; den Ratsmitgliedern mit Schreiben vom 10. September 1951 übersandt). G: Mitschriften 1. Meiser (LKA Nürnberg, Meiser 140 [20]); 2. Smend (NL Smend); 3. Lilje (LKA Hannover, L 3 III, Nr. 336); 4. Niesel (AEKR Düsseldorf, 6HA 02/240 [4–8]). Niederschrift über die 24. Sitzung des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland am 6./7. September 1951 in Tutzing. Anwesend:

ausserdem

Alle Ratsmitglieder sowie Präsident D. Brunotte, Vizepräsident Dr. Benn, Oberkirchenrat Dr. Merzyn, Superintendent Kunst, bei Punkt 5: Dr. Gerstenmaier mit Kirchenrechtsrat a. D. Röntsch und Pfarrer Preuss.

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1. Geschäftsordnung für den Rat: Der Rat gab sich gemäss Art. 30 Abs. 5 Satz 3 der Grundordnung der EKD4 eine Geschäftsordnung des aus der Anlage ersichtlichen Inhaltes5. 2. Allgemeine Lage: Der Rat nahm einen Bericht seines Vorsitzenden entgegen, an den sich eine Aussprache anschloss6, in deren Verlauf Kirchenpräsident D. Nie4 ABlEKD 1948, Nr. 7 vom 15. Juli 1948, S. 113. 5 24C1. Vgl. dazu K.-H. FIX, Protokolle 3, 1A2 und 23B13. Zu dieser Ratssitzung lag den Ratsmitgliedern der Entwurf Benns für eine neue Geschäftsordnung vor (24D1). Im Vergleich zur bislang gültigen Geschäftsordnung von 1946 schränkte die neue Geschäftsordnung den Handlungsspielraum des Ratsvorsitzenden ein, während sie die Stellung der Ratsmitglieder stärkte. Vgl. dazu die Geschäftsordnung des Rates der EKD vom 2. Mai 1946: VONBl 1946, Nr. 16, Mai 1946; vgl. auch: C. NICOLAISEN/N. A. SCHULZE, Protokolle 1, 6C6, S. 508ff. Eine Stellungnahme von Harlings zum Entwurf Benns und der Gegenentwurf von Harlings für eine Geschäftsordnung (vgl. 24E1–24E3) waren den Ratsmitgliedern nicht mehr vorgelegt worden und hatten deshalb keinen entscheidenden Einfluss auf den hier erfolgten Beschluss über die neue Geschäftsordnung; vgl. dazu das Schreiben von Harlings an Smend vom 28. August 1951 (EZA BERLIN, 2/1785). Von Harling hatte das Ziel, „gewisse Zweifel“ zu beseitigen, die in der Praxis bei der Auslegung von Artikel 34 der Grundordnung aufgetaucht waren. Dieser Artikel legte fest, dass alle Geschäfte der EKD durch den Ratsvorsitzenden und den Leiter der Kirchenkanzlei bzw. ihre jeweiligen Stellvertreter zu vollziehen seien. Von Harling befürchtete, diese Bestimmung könne die Geschäfte der laufenden Verwaltung unnötig erschweren. Deshalb hatte er ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben, das nach zahlreichen Vergleichen mit dem säkularen Kommunalrecht zu dem Schluss gekommen war, dass alle Geschäfte der laufenden Verwaltung von der Vorschrift in Art. 34 GO ausgenommen werden müssten; vgl. dazu das Schreiben von Harlings an das Kirchenrechtliche Institut vom 11. August 1951 und das Gutachten des Kirchenrechtlichen Instituts zu Artikel 34, Abs. 2 der Grundordnung der EKD vom 17. August 1951 (EZA BERLIN, 2/904). Von Harling hatte die Empfehlung des Gutachtens in § 8 seines Entwurfes für eine Geschäftsordnung aufgenommen, doch nahm der Rat diese Regelung erst mit einem Beschluss in seiner 27. Sitzung am 24./25. Januar 1952 auf; vgl. dazu TOP 4 der Niederschrift über die 27. Sitzung des Rates der EKD am 24./25. Januar 1952 in Hannover (EZA BERLIN, 2/1794). Zum Fortgang vgl. auch 25B6. 6 Dibelius berichtete hier über den Deutschen Evangelischen Kirchentag (DEKT), der unmittelbar vor dem „Reichsjugendsportfest“ [gemeint sind die „Weltjugendfestspiele“] vom 11.–15. Juli 1951 in Berlin stattgefunden hatte. Er stellte fest, dass sich der DEKT im Vergleich zum Sportfest, das von starker Polizeipräsenz geprägt gewesen sei, positiv abgehoben habe. Nach dem Ende des Kirchentages hätten die Behörden der DDR die Einschränkungen der Bewegungsfreiheit für kirchliche Veranstaltungen sowie die kommunistische Propaganda in den Schulen verstärkt. Daraufhin sprach Dibelius über die Wiederbewaffnung und den Beitrag der Bundesrepublik zu einer europäischen Verteidigungsarmee (vgl. G 1; G 3). Er berichtete von seinem Gespräch mit McCloy (vgl. dazu 23B17; 24E8). Zuletzt wies Dibelius darauf hin, dass eine Wiederbewaffnung das Verhältnis zum Ostteil Deutschlands weiter erschweren werde (G 1). Ergänzend zum Vortrag Dibelius’ berichtete Kunst über das Junktim Adenauers, die Beteiligung der Bundesrepublik an der Europaarmee an eine Auflösung des Besatzungsstatuts durch „zweiseitige Verträge“ zu binden; vgl. die Notizen Kunsts für seinen Bericht vor dem Rat am 6. September 1951 (EZA BERLIN, 742/1). Kunst verwies auf den parteiübergreifenden Konsens innerhalb der Bundesrepublik für einen Verteidigungsbeitrag und gegen eine pazifistische Politik. Bislang ungelöst seien

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24. Sitzung Tutzing, 6. und 7. September 1951

möller über die bevorstehende, von der Bundesregierung angeregte informatorische Besprechung mit der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland7 berichtete und zwei an den Rat der EKD gerichtete Schreiben des Bruderrates8 überreichte, die zum Gegenstand der Beratung gemacht wurden. Der Rat beschloss: a) Der Vorsitzende des Rates wird gebeten, die Gliedkirchen und durch sie die Gemeindeblätter und kirchlichen Zeitschriften aufzufordern, das von der Synode der EKD im April 1950 in Weissensee beschlossene Wort zum Frieden aufs neue allen Gemeinden bekanntzugeben9. b) Eine Kommission, bestehend aus den Herren Niemöller, Herntrich, Smend, Kunst, Grüber und Osterloh (letzterer federführend)10, wird beauftragt, einen Beitrag der Kirche zu dem im Grundgesetz der

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noch die Fragen nach der Kommandogewalt in einer Europaarmee, der Pfarrereinsatz im Krieg, die Kriegsdienstverweigerung und die „Wehrmachtseelsorge“ (EBD.); vgl. dazu R. STUPPERICH, Dibelius, S. 487f. Die Sitzung der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland fand am 8. September 1951 im Bonner Büro von Kunst statt. Besprochen wurde die Stellungnahme der Arbeitsgemeinschaft zu den Problemen eines künftigen Wehrgesetzes. Am Nachmittag fand eine gemeinsame Besprechung mit den Vertretern der „Dienststelle Blank“, Baudissin und von Fabeck statt. Zur Diskussion standen die Themen „Vereidigung“, „Gewissensgründe für Kriegsdienstverweigerung“, „Ersatzdienst“ und „Wehrmachtseelsorge“. Ziel dieser Sitzung war es, „bei Wahrung der verschiedenen Standpunkte nach Möglichkeit eine gewisse einheitliche Linie für die Verhandlungen mit den staatlichen Stellen zu gewinnen und die gemeinsamen Anliegen deutlich zu machen“; vgl. dazu das Rundschreiben von Harlings an die Vertreter der Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft vom 14. August 1951 und das Protokoll der Sitzung der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland vom 8. September 1951 (beide Dokumente in: EZA BERLIN, 2/2180). Vgl. die beiden Schreiben des Bruderrates an den Rat der EKD vom 5. September 1951 (24D2; 24D3). Der hier protokollierte Beschluss des Rates bezog sich auf das Schreiben des Bruderrates, in dem es um den Rechtsschutz für Kriegsdienstverweigerer in einem zukünftigen Wehrgesetz ging (vgl. 24D2). In dem zweiten Schreiben an den Rat der EKD (24D3) hatte der Bruderrat gefordert, eine Kirchenkonferenz einzuberufen, die sich mit der Frage des Kriegsdienstes der Pfarrer beschäftigen sollte. Schon in der folgenden Ratssitzung am 25. Oktober 1951 beschloss der Rat die Geistlichen in einem „etwaigen zukünftigen Wehrgesetz“ von der allgemeinen Wehrpflicht auszunehmen (25B15). Vgl. das Schreiben Dibelius’ an die Landeskirchen vom 18. September 1951 (24E4). Vgl. dazu „Was kann die Kirche für den Frieden tun? Berlin-Weißensee, den 27. April 1950“ (F. MERZYN, Kundgebungen, S. 94–97). Die Kammer für Öffentliche Verantwortung hatte bereits in ihrer Sitzung vom 30. Oktober 1950 in Speyer über Kriegsdienstverweigerung verhandelt, war aber in ihrem Ratsamen Gutachten zu keinem einheitlichen Ergebnis gekommen. So gab es Sondervoten von Ritter und Schwarzhaupt sowie ein Sondervotum Bleibtreus (EZA BERLIN, 2/2574); vgl. dazu auch das Schreiben Niemöllers an Osterloh vom 8. Oktober 1951, in dem Niemöller ein vernichtendes Urteil über Scheuner fällte (24E5). Scheuner hatte auf der Kammertagung in Speyer das juristische Korreferat zum theologischen Referat Künneths gehalten; vgl. auch das Schreiben Osterlohs an Kunst vom 16. August 1951 (24E7). Zur Vorgeschichte der Kammertagung vom 30. Oktober 1950 vgl. A. SILOMON, Protokolle 4, 16B4.

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Bundesrepublik in Art. 4, 3 vorgesehenen Bundesgesetz11 vorzubereiten und dabei u. a. folgende Fragen zu klären: 1.) Was heisst „Kriegsdienstverweigerung um des Gewissens willen?“ 2.) Welchen Schutz gewährt die Gesetzgebung anderer Länder? 3.) Welchen Rechtsschutz erwartet die Kirche für den Kriegsdienstverweigerer um des Gewissens willen? Auf Grund der Arbeit dieser Kommission soll OKR Osterloh dann ein abschliessendes Referat in der nächsten Sitzung des Rates und der Kirchenkonferenz halten12. c) Der Vorsitzende des Rates wird gebeten, darauf hinzuwirken, dass in der Deutschen Demokratischen Republik in gleicher Weise wie in der Bundesrepublik ein Rechtsschutz für diejenigen gewährt wird, die um des Gewissens willen den Kriegsdienst verweigern13. d) Für den Fall, dass dem Bundestag ein Gesetzentwurf über die Einführung der Wehrdienstpflicht oder die Bildung von Freiwilligenverbänden zugeleitet wird oder in der Deutschen Demokratischen Republik eine ähnliche Massnahme getroffen wird, soll unverzüglich eine ausserordentliche Sitzung des Rates der EKD einberufen werden14. e) Der Auftrag, den der Rat in seiner Sitzung vom 24. Mai an die „Kammer für öffentliche Verantwortung der Kirche“ zur Frage der Gefahr der politischen Radikalisierung erteilt hat15, wird dahin ergänzt, dass die Kammer in ihrem dem Rat zu erstattenden Gutachten und Vor11 In Art. 4, Abs. 3 GG heißt es: „Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden. Das nähere regelt ein Bundesgesetz.“ 12 Die Kommission tagte am 17. Oktober 1951. Osterloh hielt sein Referat dann auf der Ratssitzung am 25. Oktober 1951. Da der Rat mit den Ergebnissen nicht zufrieden war, wurde das Thema an die Kommission zurückverwiesen; vgl. 25B14. Daraufhin tagte die Kommission ein zweites Mal am 28. November 1951 und erarbeitete die Vorlage für die Kirchenkonferenz am 6. Dezember 1951, die auch als Vorlage für die Ratssitzung am 7. Dezember 1951 diente; vgl. dazu 24E7 und 26B1; 26D1. 13 Dieser Beschluss wurde nicht umgesetzt. Vgl. das Schreiben Kreyssigs an die Kirchenkanzlei – Berliner Stelle – vom 28. Dezember 1951: „Über den Vollzug dieses Beschlusses vermeine ich in den nachfolgenden Ratssitzungen nichts vernommen zu haben. Da der Ratsvorsitzende letzthin in Spandau aber beiläufig die Meinung äusserte, daß diese Sache den Osten nichts angehe, befürchte ich, daß der Beschluß wirklich noch unvollzogen ist. Ich beabsichtige, auf der Ostkonferenz im Januar nach dem Sachstand zu fragen“. Darunter findet sich ein hsl. Vermerk Benns vom 12. Januar 1952, in dem es heißt: „Ich habe H. Präses Dr. Kreyssig mitgeteilt, dass der H. Bischof eine Erörterung in der Ostkonf. nicht für tunlich hält, u. ihm anheimgegeben, persönlich mit d. H. Bischof zu sprechen“ (EZA BERLIN, 4/44). 14 Der Bruderrat hatte allerdings für den Fall eines neuen Wehrgesetzes in der Bundesrepublik oder der DDR die Einberufung einer außerordentlichen Synode der EKD gefordert; vgl. 24D2. 15 22B14.

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schlag auch auf die Fragen eingehen soll, die mit dem Wiederaufleben der Krieger- und Soldatenverbände zusammenhängen, und auf die Aufgaben, die die Evangelische Kirche ihnen gegenüber hat16. 3. Kirchenkonferenz: Die Kirchenkonferenz der EKD soll für Freitag, den 26. Oktober 1951 vormittags 9.30 Uhr nach Berlin-Spandau in das Johannesstift einberufen werden17. In dieser Sitzung soll u. a. die Frage des Kriegsdienstes kirchlicher Amtsträger beraten werden18. 4. Stellungnahme zur Frage des Beamteneides: Der Vorsitzende des Rates wurde gebeten, das Schreiben der Lippischen Landessynode19 entsprechend der im Rat erfolgten Aussprache zu beantworten20; Präsident D. Brunotte und Moderator D. Niesel wurden gebeten, dem Ratsvorsitzenden einen Entwurf für dieses Antwortschreiben vorzulegen21. 5. Fragen des Hilfswerks: Der Rat nahm Berichte seines Mitgliedes Prälat Dr. Hartenstein22 sowie des bisherigen Leiters des Hilfswerkes Dr. Gerstenmaier entgegen, an 16 Vgl. dazu 26B8; 26D9. 17 Die Kirchenkonferenz fand dann erst am 6. Dezember 1951 in Berlin-Spandau statt; vgl. die Niederschrift über die Tagung der Kirchenkonferenz der EKD am 6. Dezember 1951 in Berlin-Spandau, S. 507ff. Die Kirchenkonferenz wurde verschoben, weil die Kirchenleitungen von Westfalen und Rheinland mitgeteilt hatten, dass in beiden Gliedkirchen gleichzeitig eine Tagung der Landessynode stattfinden würde. Ebenso hatten die Kirchenleitungen von Baden, Lippe und Schaumburg-Lippe sowie Niemöller um die Verlegung der Kirchenkonferenz gebeten; vgl. das Schreiben der Kirchenkanzlei an die Mitglieder der Kirchenkonferenz und die Ratsmitglieder vom 1. Oktober 1951: AEKR DÜSSELDORF, 10B0 017/11-1-10. 18 Vgl. dazu das Schreiben des Bruderrates der EKD vom 5. September 1951 (24D3). Vgl. auch die Niederschrift über die Tagung der Kirchenkonferenz der EKD am 6. Dezember 1951 in Berlin-Spandau, S. 507ff. 19 Vgl. dazu 22B21 und 23B8. Vgl. das Schreiben des Lippischen Landeskirchenamtes an die Ratsmitglieder vom 11. August 1951 (24D4). 20 Vgl. das Antwortschreiben des Rates des EKD an den Präses der Lippischen Landessynode zur Frage des Beamteneides vom 6. Oktober 1951, das Osterloh aufgrund eines Entwurfes von Herrenbrück verfasst hatte (24E9). 21 Vgl. den Entwurf Osterlohs vom 19. Juli 1951 für ein Antwortschreiben des Rates der EKD an den Präses der Lippischen Landessynode zur Frage des Beamteneides, den Osterloh aufgrund einer Vorlage Herrenbrücks erstellt hatte (EZA BERLIN, 2/2905). Vgl. dazu auch das Schreiben Osterlohs an Niesel vom 21. Juli 1951 (24E10). 22 Nach G 3 berichtete Hartenstein, dass Gerstenmaier zum ersten und letzten Mal vor den Rat trete. Darüber hinaus erläuterte er den Plan des Hilfswerks, mit der Sozialpolitischen Gesellschaft eine Instanz zu schaffen, die das Vermögen der aus dem Hilfswerk auszugliedernden Betriebe treuhänderisch verwalten sollte. Hartenstein schätzte das Vermögen des Hilfswerks auf 2,5 Millionen DM. Zuletzt schlug er Krimm für die Nachfolge Gerstenmaiers als Leiter des Hilfswerks vor. Im Unterschied zu Hartenstein schätzte Gerstenmaier das Hilfswerkvermögen auf 5 Millionen DM und bekundete schließlich, dass er die Leitung des Hilfswerks aus Resignation abgebe.

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die sich eine Aussprache anschloss23. Der Rat beschloss: a) Präsident Dr. Thümmel soll gebeten werden, dem Rat einen Bericht über den gegenwärtigen Vermögensbestand des Hilfswerks vorzulegen24, aus dem sich insbesondere auch alle diejenigen Werte ergeben sollen, mit denen das Hilfswerk an eigenen oder fremden Unternehmungen beteiligt ist oder die es bisher solchen Unternehmungen, z. B. der Zeitschrift „Christ und Welt“ hat zukommen lassen25. Der Bericht soll ausserdem ein Votum darüber enthalten, ob die in Ausführung des Beschlusses der Hamburger Synode26 für die Ausglie23 Nach G 3 warf Lilje Gerstenmaier vor, unrichtige oder wissentlich falsche Auskünfte über die finanziellen Verhältnisse im Evangelischen Verlagswerk und über „Christ und Welt“ gegeben zu haben. G 3 berichtete außerdem von einem heftigen Streit zwischen Dibelius und Lilje. Lilje forderte eine größere Kontrolle durch den Rat bei der Trennung von den hilfswerkeigenen Betrieben. Herntrich, Heinemann und Meiser schlossen sich Lilje an. Sie hielten den Bericht über das Hilfswerk für undurchsichtig und fürchteten, dass der Rat sich auf unkalkulierbare Verantwortlichkeiten einlasse. Nach G 1 stellte Lilje in dieser Ratssitzung den Antrag, eine außenstehende Persönlichkeit mit der Überprüfung des Hilfswerkvermögens zu beauftragen. 24 Thümmel nahm seine Arbeit am 8. November 1951 auf und übersandte seinen Bericht mit einem Schreiben vom 21. Dezember 1951 an den Rat der EKD; vgl. dazu das Schreiben Thümmels an die Kirchenkanzlei vom 10. November 1951 (EZA BERLIN, 2/5130; vgl. auch den Bericht Thümmels vom 20. Dezember 1951: „Feststellung des Hilfswerk-Vermögens und Gutachten über die Ausgliederung der sog. Wirtschaftsbetriebe“: ADW BERLIN, ZB 217). Nachträglich erinnerte sich Thümmel: „Im Herbst 1951 erhielt ich vom Rat der EKD in Hannover den Auftrag, ein Gutachten über die Aufgliederung des Hilfswerks zu erstatten. Das Hilfswerk bestand damals aus einer Reihe selbständiger Vereine. Diese sollten entweder zusammengeschlossen oder ganz abgetrennt, vielleicht auch aufgelöst werden. Man wollte für das Hilfswerk die nötige einheitliche Wirksamkeit nach außen erreichen, ohne daß sich einzelne Teile hierbei störten. Zu diesem Zweck fuhr ich – zusammen mit Verwaltungsdirektor Klöber vom LKA in Bielefeld, der mir bei der Zusammenstellung und Sichtung des Materials half – für ca. 8 Wochen nach Stuttgart, dem Sitz des Hilfswerks, um das Gutachten vorzubereiten“ (G. THÜMMEL, Verwaltung, S. 58). 25 „Christ und Welt“ war zum 1. Oktober 1951 aus dem Evangelischen Verlagswerk GmbH Stuttgart ausgeschieden und auf eine neugegründete GmbH in Stuttgart übertragen worden. Das „Sonntagsblatt“ hatte man bereits am 30. September 1949 aus dem „Evangelischen Verlagswerk“ herausgelöst und in eine GmbH umgewandelt. Das Hilfswerk war mit 18.000,– DM am Evangelischen Verlagswerk beteiligt, das 1947 gegründet worden war. Insgesamt erhielt „Christ und Welt“ in den Jahren 1948 bis 1951 vom Hilfswerk Zuwendungen in Form von Papier im Wert von 368.413,55 DM zuzüglich 46.776,10 DM des geschätzten Wertes für die gespendeten Rohstoffe; „Feststellung des Hilfswerk-Vermögens und Gutachten über die Ausgliederung der sog. Wirtschaftsbetriebe“: ADW BERLIN, ZB 217, S. 22ff. 26 Thümmel stützte sein Gutachten auf die rechtliche Grundlage von § 4 des Hilfswerkgesetztes vom 5. April 1951: „(1) Die Beteiligung (des Hilfswerks der EKD) an wirtschaftlichen Unternehmungen bedarf in jedem Falle der Zustimmung des Verwaltungsrats und der Genehmigung des Rates der EKD. (2) Eigene wirtschaftliche Unternehmungen unterhält

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derung der sogenannten Wirtschaftsbetriebe vom Zentralbüro entworfenen Verträge sachgemäss sind27, insbesondere ob die Übertragung der Verantwortung für die Eigentumswerte an die in Gründung begriffene „Deutsche Sozialpolitische Gesellschaft“ und der Entwurf des Vertrages mit dieser Gesellschaft gebilligt werden können28. Präsident Dr. Thümmel ist ermächtigt, sich hierbei durch einen wirtschaftlichen Sachverständigen beraten zu lassen, soweit er das für nötig hält29. b) Der Ratsvorsitzende und Prälat Dr. Hartenstein wurden gebeten, dahin zu wirken, dass der Wiederaufbau-Ausschuss, der Verwaltungsrat und der Leiter des Hilfswerks keine Beschlüsse fassen, insbesondas Hilfswerk der EKD nicht. (3) Die Hilfswerke der Gliedkirchen werden von diesen Bestimmungen nicht berührt.“ Daraus folgerte Thümmel, dass es dem Hilfswerk der EKD untersagt sein müsse, eigene wirtschaftliche Unternehmungen zu führen, dass es ihm aber gestattet sein müsse, sich an wirtschaftlichen Unternehmungen zu beteiligen, sofern der Verwaltungsrat zustimme und es der Rat der EKD genehmige; vgl. EBD., S. 34f. 27 Die Darlehensverträge mit der Sozialpolitischen Gesellschaft sollten laut Beschluss einer am 17. März 1951 in Frankfurt am Main abgehaltenen Sitzung des Verwaltungsrates am 1. Oktober 1951 unterzeichnet werden. Danach sollten die Verwi, die Gemeinnützige Siedlungsgesellschaft, die Stuttgarter Maschinensetzerei und die Aufbaugemeinschaft Espelkamp aus dem Hilfswerk ausgegliedert werden. Der Vertragsentwurf des Verwaltungsrates ermächtigte den Leiter des Hilfswerks, die Ausgliederung und Übernahme der bisherigen Anteile des Hilfswerks zu Gunsten des Hilfswerks als Gesamtwerk durch eine Verwaltungsgemeinschaft zu bewirken. Die Personalunion zwischen leitenden Mitarbeitern des Hilfswerks sowie Mitgliedern seiner Aufsichtsorgane und leitenden Mitgliedern der Verwaltungsgesellschaft sollte ausgeschlossen werden. Das von dem Wirtschaftsprüfer des Hilfswerks Rapp entwickelte Vertragswerk sah über den Beschluss des Verwaltungsrates hinaus vor, die Matthias-FilmGmbH und die Sozialwerke Berlin nicht auszugliedern und die Studiengesellschaft für Siedlung im Ausland auszugliedern. Zu einer anderen Beurteilung kam die Wirtschaftsprüfung Thümmels: Gesellschaften von geringer finanzieller Bedeutung sollten wegen ihrer finanziellen Bedeutungslosigkeit nicht ausgegliedert werden, so die Matthias-Film-GmbH, die Gemeinnützige Siedlungsgesellschaft für Siedlung im Ausland und die Aufbaugemeinschaft Espelkamp. Bei wirtschaftsstarken Unternehmen wie der Stuttgarter Maschinensetzerei GmbH votierte Thümmel für die Auflösung; vgl. EBD. S. 35–41. 28 Thümmel begründete ausführlich, warum er die Übertragung der Eigentumsrechte des Hilfswerks auf die Sozialpolitische Gesellschaft nicht billigen könne. Erstens sei z. B. die Überwachung der Verwi durch den Vermögensverwalter und einen Wirtschaftsprüfer des Hilfswerks auch ohne die Sozialpolitische Gesellschaft gewährleistet. Zweitens entbinde diese das Hilfswerk nicht von seiner Verantwortung gegenüber ihren ehemaligen Gesellschaften. Drittens zeichneten sich Interessenkollisionen zwischen der Sozialpolitischen Gesellschaft und dem Hilfswerk ab und viertens sei die Bewertung der Geschäftsanteile der gemeinnützigen Gesellschaften, die bei Unterstellung unter die Sozialpolitische Gesellschaft mit nur 1,– DM bewertet würden, nicht gutzuheißen; vgl. EBD., S. 44ff. 29 Vgl. oben Anm. 24. Eine abschließende Stellungnahme zum Gutachten Thümmels erfolgte in der 27. Ratssitzung am 24./25. Januar 1952 in Hannover. Die Entscheidung über die Beteiligung des Hilfswerks an der Verwi wurde auf die 28. Ratssitzung am 13. März 1952 vertagt und abschlägig beschieden; vgl. dazu TOP 9 der Niederschrift über die 27. Sitzung des Rates der EKD am 24. und 25. Januar 1952 in Hannover (EZA BERLIN, 2/1794).

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dere keinen Verträgen zustimmen, in denen über Vermögenswerte der EKD – Sondervermögen Hilfswerk – in irgendeiner Hinsicht verfügt wird, solange der Rat nicht zuvor Gelegenheit zur abschliessenden Stellungnahme gehabt hat30. c) Pfarrer Dr. Krimm wird ab 1. 10. 51 zum kommissarischen Leiter des Zentralbüros des Hilfswerks berufen. 6. Dr. Gerstenmaier: Der Rat beschloss, den Oberkonsistorialrat Dr. Gerstenmaier seinem Wunsch entsprechend weiterhin auf unbestimmte Zeit ohne Bezüge zu beurlauben und ihm für den Versorgungsfall Versorgungsbezüge in der Höhe zu gewähren, wie sie den in die Versorgungsgruppe A 1a eingestuften Beamten der EKD zustehen; bei der Berechnung der Versorgungsbezüge soll die Zeit bis zum 30. 9. 51 als ruhegehaltsfähig angerechnet werden. Die Entscheidung der Frage, ob später etwa noch weitere Zeit nach dem 1. 10. 51 als ruhegehaltsfähig anerkannt werden kann, bleibt vorbehalten31. 7. Beziehung von Schrift und Bekenntnis zur Einheit der Kirche: Die Evangelische Kirche von Westfalen soll um Vorschläge dafür gebeten werden, wie ihrem Antrag entsprochen werden kann32.

30 Laut G 3 ging dieser Beschluss auf einen Antrag Herntrichs zurück. Der Wiederaufbauausschuss tagte zum letzten Mal am 14. September 1951 in Berlin-Spandau. Auf dieser Tagung wurde beschlossen, den Rat zu bitten, die Arbeit der auszugliedernden Wirtschaftsbetriebe des Hilfswerks durch die Sozialpolitische Gesellschaft fortzuführen; vgl. das Protokoll über die Tagung des Wiederaufbauausschusses am 14. September 1951 in Berlin-Spandau (ADW BERLIN, ZB 61). 31 Gerstenmaier sollte für die Berechnung seines Besoldungsdienstalters rückwirkend so eingestuft werden, als wenn er seit Begründung des Hilfswerks 1945 in der Gehaltsgruppe A 1 a gewesen wäre. Da die Gründung des Hilfswerks auf der Kirchenversammlung in Treysa am 27.–31. August 1945 erfolgt war, hatte Brunotte daraus abgeleitet, den 1. September 1945 für die Berechnung des Dienstalters Gerstenmaiers zugrunde zu legen; vgl. die hsl. Notiz Brunottes zu einer Frage der Kirchenkanzlei nach dem Zeitpunkt der rückwirkenden Verleihung der Planstelle A 1 a an Gerstenmaier auf einem internen Schreiben der Kirchenkanzlei an Brunotte vom 20. September 1951 (EZA BERLIN, 2/P 46). 32 Vgl. 22B6. Die westfälische Kirchenleitung hatte die Frage an den Rat gerichtet, ob die Behandlung wichtiger theologischer Probleme zu den Aufgaben des Rates gehöre. Sie hatte dafür plädiert, dass sich der Rat zukünftig auch mit theologischen Problemen beschäftigen solle. Dabei war es um eine gesamtkirchliche Klärung der Bultmannschen Thesen von der Entmythologisierung der Bibel gegangen, die bereits auf der Hamburger Synode 1951 Thema einer Aussprache gewesen war; vgl. das Schreiben des Landeskirchenamtes Bielefeld an den Rat der EKD vom 23. Juni 1951 (EZA BERLIN, 2/978). Vgl. dazu HAMBURG 1951, S. 33f., S. 120ff. Osterloh hatte für den Beschluss des Rates vorgeschlagen, die Arbeitsgemeinschaft über Lehre und Ordnung des Heiligen Abendmahls mit einem Gutachten für den Rat zu beauftragen, das klären sollte, wie das theologische Gespräch über die Beziehung von Schrift und Bekenntnis zur Einheit der Kirche am fruchtbarsten in die Wege geleitet werden könne; vgl. das Schreiben Osterlohs an Brunotte vom 18. August 1951 (EZA BERLIN, 2/978).

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8. Fürbitte um Erhaltung und Vertiefung der Einheit der evangelischen Christenheit in Deutschland: Der Antrag der Evangelischen Kirche von Westfalen soll an die übrigen Gliedkirchen der EKD weitergegeben werden33. 9. Gebetswoche für die Gefangenen: Den Gliedkirchen der EKD soll die bisherige Übung, eine Gebetswoche für die Gefangenen zu halten, in Erinnerung gebracht werden34; dabei soll vorgeschlagen werden, hierfür nach Möglichkeit einheitlich die letzte Woche im Kirchenjahr zu wählen35. 10. Gedenken an die Opfer des Krieges: Die Kirchenkanzlei wurde beauftragt, die Verhandlungen in der bisherigen Richtung weiterzuführen36. 33 Dieser Antrag der westfälischen Landeskirche war ebenfalls in dem Schreiben des Landeskirchenamtes in Bielefeld an den Rat vom 23. Juni 1951 gestellt worden. Am 20. September 1951 erging das Rundschreiben der Kirchenkanzlei an die Leitungen der deutschen evangelischen Landeskirchen: „Der Rat der EKD hat in seiner Sitzung am 6./7. 9. 51 in Tutzing beschlossen, folgenden Antrag der Evangelischen Kirche von Westfalen allen Gliedkirchen der EKD zuzuleiten: ‚Die Landessynode der Evangelischen Kirche von Westfalen bittet den Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland bei allen Gliedkirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland anzuregen, daß in das kirchliche Fürbittegebet die Bitte um die Einheit der evangelischen Christenheit in Deutschland aufgenommen wird‘“ (EZA BERLIN, 4/44). Dieses Rundschreiben führte zu weiteren Nachfragen. So verlangte das Lippische Landeskirchenamt in einem Schreiben vom 6. Oktober 1951 an die Kirchenkanzlei einen konkreten Textvorschlag der Fürbitte von der westfälischen Landeskirche und eine Erklärung darüber, ob hier an die innere oder äußere Zerspaltenheit der evangelischen Kirche gedacht worden sei (EZA BERLIN, 2/978). 34 In ihrem Rundschreiben an die Landeskirchen vom 14. September 1951 forderte die Kirchenkanzlei die Landeskirchen auf, die Gebetswoche für die Gefangenen einheitlich vom 18.–24. November 1951 abzuhalten und verwies in diesem Zusammenhang auf die von Heckel herausgegebenen Informationsblätter des Hilfswerks für Internierte und Kriegsgefangene Erlangen e. V. (EHIK), das regelmäßig Informationen zur Kriegsgefangenenlage verschickte und an die Gebetswoche für die Kriegsgefangenen erinnerte; vgl. dazu das Schreiben Rankes an Merzyn vom 6. September 1951, in dem Ranke die Kirchenkanzlei dazu aufgefordert hatte, sie möge sich der Anregung des EHIK anschließen und auch in diesem Jahr eine Gebetswoche für die Kriegsgefangenen bei den Gliedkirchen anregen (EZA BERLIN, 2/4226). Die bei der Kirchenkanzlei eingegangenen Berichte der Landeskirchen über Umfang und Verlauf der Gebetswoche zeigten aber, dass sich nicht alle Landeskirchen an die zeitliche und inhaltliche Vorgabe der Kirchenkanzlei hielten, mit der diese die „Einmütigkeit der gesamten Evangelischen Kirche“ deutlich machen wollte; vgl. das Rundschreiben der Kirchenkanzlei – Berliner Stelle – an die östlichen Gliedkirchen vom 6. Oktober 1950 (alle Schreiben in: EZA BERLIN, 4/476). 35 Der Passus „die letzte Woche im Kirchenjahr zu wählen“ wurde nachträglich in einem Schreiben Brunottes an die Ratsmitglieder vom 18. September 1951 berichtigt. Brunotte wies darauf hin, dass hier nicht die letzte Woche im Kirchenjahr gemeint war, sondern die Woche vor dem Totensonntag vom 18. bis 24. November 1951. Die letzte Woche des Kirchenjahres wäre die Woche nach dem Totensonntag gewesen (EZA BERLIN, 4/44). 36 Vgl. 22B22. Osterloh sah durch diesen Ratsbeschluss seine bislang zusammen mit Ranke vertretene Linie vollauf bestätigt; vgl. dazu das Schreiben Osterlohs an Ranke vom

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11. Neugestaltung der Ordnungen des kirchlichen Lebens: Die Kirchenkanzlei wurde beauftragt, ihr Augenmerk auf die gegenwärtig in Gang befindlichen Arbeiten an der Neugestaltung der Ordnungen des kirchlichen Lebens zu richten und nach Möglichkeit einen gegenseitigen Austausch unter den Landeskirchen zu vermitteln37. 12. Bibelrevision: Der Rat nahm einen Bericht von Präsident D. Brunotte entgegen38. Die Kirchenkanzlei wurde beauftragt:

14. September 1951 (EZA BERLIN, 2/4416). Nach einem Beschlussentwurf Osterlohs für Brunotte zur Ratssitzung am 6./7. September in Tutzing vom 25. August 1951 sollte die Kirchenkanzlei beauftragt werden, mit dem Bundesinnenministerium zu verhandeln und mit den Landeskirchenleitungen Fühlung zu nehmen. Ziel dieser Verhandlungen war es, den Gedenktag für die Opfer des Krieges in Zukunft auf keinen Fall am Sonntag Reminiscere zu begehen, sondern mit dem Totensonntag zu verbinden. Im Falle der Zustimmung des Volksbundes deutscher Kriegsgräberfürsorge e. V. zu dieser Regelung sollte der Rat im Gegenzug den Landeskirchen die Ausschreibung einer besonderen Kollekte empfehlen und der Einrichtung eines Opfertages für die Pflege und Erhaltung der Gräber der Kriegsopfer zustimmen. 1952 wurde der Volkstrauertag zum Gedenken an die Opfer der beiden Weltkriege und die Opfer des Nationalsozialismus eingeführt. Der Volkstrauertag fiel zwar nicht mit dem Totensonntag zusammen, wie es die EKD gewünscht hatte, wohl aber in unmittelbare Nähe zum Totensonntag auf den zweiten Sonntag vor dem 1. Advent. Vgl. dazu das Schreiben Lehrs an die Innenministerien der Länder der Bundesrepublik Deutschland vom 22. Februar 1952 (EZA BERLIN, 2/4417); vgl. dazu auch 24E11. 37 Die kirchliche Lebensordnung beschreibt und regelt Anregungen, Ratschläge und Empfehlungen für das kirchliche Leben des einzelnen Christen, der kirchlichen Mitarbeiter und der Pfarrer in und mit der Ortsgemeinde und der evangelischen Kirche. Die VELKD hatte nach der ersten Tagung der Leipziger Generalsynode im Januar 1949 den Ausschuss für Fragen des gemeindlichen Lebens, der im Zuge der Gründung der VELKD in Eisenach 1948 geschaffen worden war, mit dem Entwurf einer neuen Lebensordnung beauftragt. Die Arbeiten an der Lebensordnung kamen erst am 27. April 1955 mit der neuen Lebensordnung der VELKD zum Abschluss. Am 6. Mai 1955 gab sich auch die EKU eine neue Lebensordnung; vgl. dazu K.-H. FIX, Protokolle 3, 9B22; M. PLATHOW, Lehre, S. 18ff., W. MAURER, Problematik, S. 225. In dem auf den Ratsbeschluss folgenden Rundschreiben der Kirchenkanzlei an das Lutherische Kirchenamt, den Evangelischen Oberkirchenrat der APU und die Leitungen der deutschen evangelischen Landeskirchen von Württemberg, Hessen und Nassau, Kurhessen-Waldeck, Baden, Pfalz, Oldenburg, Anhalt, Bremen, Lippe, Lübeck und Eutin vom 15. Oktober 1951 wurden die Landeskirchen aufgefordert, jeweils 50, mindestens aber ein Exemplar der dort vorliegenden Entwürfe oder der nach 1945 bereits in Kraft gesetzten Ordnungen des kirchlichen Lebens zur Verfügung zu stellen, um den gewünschten Austausch unter den Landeskirchen herbeizuführen. Noch im Dezember 1951 sollte die Kirchenkanzlei den Landeskirchen einen ersten Überblick über die bisherigen Arbeiten zuschicken (EZA BERLIN, 2/4484). 38 Zur Vorgeschichte vgl. C. NICOLAISEN/N. A. SCHULZE, Protokolle 2, 13B4; 14B16, S. 228f. mit Anm. 33; 18B6; 21B24; K.-H. FIX, Protokolle 3, 5B14. Nach G 4 bereitete die Preußische Hauptbibelgesellschaft einen Druck der im wesentlichen von Präsident Burghart erarbeiteten Bibelrevision vor, von der die Württembergische Bibelgesellschaft trotz Bedenken eine Auflage für den Westen anfertigen wollte. Vgl. dazu auch H. STRATHMANN, Bibelrevision.

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a) Die Bibelgesellschaften wissen zu lassen, dass keines der bisherigen Probetestamente für die Kirche annehmbar sei und b) nach Fühlungnahme mit den Bibelgesellschaften einen Vorschlag für einen kirchenamtlichen Ausschuss für die Bibelrevision vorzulegen39. 13. Eingliederung von Heimatvertriebenen auf dem Lande: Der Rat nahm die ihm vorgelegte Entschliessung zur Kenntnis40. 14. Kirchliche Betreuung der Heimatvertriebenen: Die Kirchenkanzlei wurde beauftragt, den drei Professoren für ihre Arbeit den Dank des Rates auszusprechen41. Weiteres soll nicht veranlasst werden. 15. Ordnung der Frauenhilfsarbeit im Osten: Der Beratungsgegenstand wurde vertagt42. 16. Besprechung des Rates mit den Theologischen Fakultäten und Kirchlichen Hochschulen: Die in Aussicht genommene Besprechung wurde auf die übernächste Ratssitzung (6./7. Dezember) vertagt43. 39 Die Zusammensetzung der vom Rat der EKD und den Bibelgesellschaften berufenen Kommission für die Bibelrevision wurde auf der Ratssitzung am 24./25. Januar 1952 beschlossen; vgl. dazu TOP 8 der Niederschrift über die 27. Sitzung des Rates der EKD am 24. und 25. Januar 1952 in Hannover (EZA BERLIN, 2/1794). 40 Gemeint ist die Entschließung der Arbeitsgemeinschaft zur Eingliederung der Heimatvertriebenen auf dem Lande vom 29. Juni 1951 (24D5). Das dazugehörige Anschreiben an die Ratsmitglieder konnte nicht ermittelt werden. Die Entschließung war das Ergebnis einer Besprechung der Arbeitsgemeinschaft, zu der der Bundesminister für Angelegenheiten der Vertriebenen, Lukaschek, eingeladen hatte (24E12). Der Arbeitsgemeinschaft, die sich am 8. April 1949 erstmals mit dem Appell an die Öffentlichkeit gewandt hatte, mehr für die Eingliederung der heimatvertriebenen Bauern zu tun, gehörten Repräsentanten des Deutschen Bauernverbandes, der beiden Großkirchen, des Bauernverbandes der Vertriebenen und des Landkreistages an; vgl. dazu S. PALMER, Eingliederung, S. 92f. und H.-H. HERLEMANN, Vertriebene Bauern, S. 66. Die von Lukaschek anberaumte Besprechung war wegen terminlicher Verpflichtungen des Kölner Erzbischofs Frings auf den 29. Juni 1951 verschoben worden. Dibelius und Lilje waren aber an diesem Tag verhindert (vgl. 20B12) und hatten sich deshalb von Held vertreten lassen (EZA BERLIN, 2/4276). 41 Vgl. dazu 20B6; 20D3. Im Dankschreiben Osterlohs an Weber, Wolf und Brunner vom 18. September 1951 hieß es: „Wir möchten diese Gelegenheit wahrnehmen, unsererseits zum Ausdruck zu bringen, daß wir in Ihrer Mitarbeit an der Lösung dieser Fragen ein verheißungsvolles Zeichen dafür sehen, daß eine echte Zusammenarbeit von Kirchenleitungen und Gliedern der theologischen Fakultäten fruchtbar zu sein vermag“ (EZA BERLIN, 2/4276). Vgl. auch das Schreiben Osterlohs an Brunotte vom 25. August 1951, in dem Osterloh Brunotte über die Reaktionen der Landeskirchen auf die Anregungen des theologischen Gutachtens von Weber, Wolf und Brunner unterrichtete (24D6). 42 Vgl. dazu 23B19 und 25B24; 25C1. 43 Dieser Termin wurde nicht eingehalten, da die vom Fakultätentag in Auftrag gegebenen Gutachten Webers und Elerts nicht rechtzeitig vorlagen (vgl. dazu 22B5). Die Gutachten gingen dem Fakultätentag in Mainz erst am 7. Dezember 1951 zu. Die Aussprache zwischen

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17. Berufungen in die Synode der EKD: Der Beratungsgegenstand wurde vertagt44. 18. Havemann: Der Rat beschloss, den im Kirchlichen Aussenamt beschäftigten Inspektor Havemann mit Wirkung vom 1.4.1951 zum Oberinspektor zu befördern45. 19. Verlegung der Diensträume der Berliner Stelle der Kirchenkanzlei: Der Rat nahm zustimmend Kenntnis von der Absicht, die Diensträume der Berliner Stelle der Kirchenkanzlei in das Dienstgebäude des Berliner Stadtsynodalverbandes in Berlin-Charlottenburg 2, Goethestrasse 86 zu verlegen46. 20. Bildung von Vertrauensräten bei den Amtsstellen der EKD: Der Beratungsgegenstand wurde vertagt47. 21. Kammer für Erziehung und Unterweisung: Pfarrer Dr. Frör wurde zum Mitglied der Kammer berufen48.

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Rat und Fakultätentag wurde deshalb auf den Tag nach der Ratssitzung am 13. März 1952 vertagt; vgl. das Schreiben Osterlohs an Trillhaas vom 27. November 1951 (EZA BERLIN, 2/5487). Dieser Tagesordnungspunkt wurde erst in der 29. Ratssitzung am 8./9. Mai 1952 in Hannover wieder aufgenommen; vgl. dazu TOP 2 der Niederschrift über die 29. Sitzung des Rates der EKD am 8. und 9. Mai 1952 in Hannover (EZA BERLIN, 2/1794). Vgl. dazu A. SILOMON, Protokolle 4, 18B12. In einem Schreiben an die Kirchenkanzlei vom 15. Juni 1951 hatte Niemöller die Beförderung Havemanns in die Besoldungsgruppe A 4 b 1 (RBO) mit Wirkung vom 1. April 1951 beantragt und diesen Antrag mit dem Dienstalter und den Leistungen Havemanns begründet (EZA BERLIN, 2/P 110). In der folgenden Ratssitzung vom 25. Oktober 1951 berichtigte der Rat den Beschluss dieser Sitzung im Sinne des Antrags Niemöllers; vgl. 25B1. Nach der Zerstörung des früheren Kirchenbundesamtes hatte der Evangelische Oberkirchenrat der APU die Kirchenkanzlei in sein Gebäude in der Jebensstraße aufgenommen. In einem Schreiben an die Kirchenkanzlei – Berliner Stelle – hatte Dibelius in seiner Eigenschaft als Präsident des Evangelischen Oberkirchenrates auf die zunehmende Raumnot verwiesen, die einen Auszug der Kirchenkanzlei – Berliner Stelle – notwendig mache; vgl. das Schreiben Dibelius’ an die Kirchenkanzlei – Berliner Stelle – vom 14. Juni 1951 (EZA BERLIN, 2/5010). Vgl. 23B21. Dieser Beratungsgegenstand wurde vertagt, weil die Kirchenkanzlei bis dahin noch keine Stellungnahme der Gewerkschaft ÖTV zu ihrem Entwurf für die Bildung von Vertrauensräten vom 16. Juni 1951 (23D13) bekommen hatte. Eine interne Stellungnahme des ÖTV-Betriebsräte-Sekretariats vom 7. September 1951 wurde von Harling erst mit einem Schreiben Schulz’ vom 13. September 1951 zugeleitet (23E11). Die Diskussionen über die Mitarbeitervertretungen zogen sich noch bis zur 29. Ratssitzung am 8./9. Mai 1952 in Hannover hin, in der beschlossen wurde, von einer einheitlichen Regelung für die Gliedkirchen abzusehen; vgl. dazu TOP 5 der Niederschrift über die 27. Sitzung des Rates der EKD am 24. und 25. Januar 1952 in Hannover und TOP 12 der Niederschrift über die 29. Sitzung des Rates der EKD am 8. und 9. Mai 1952 in Hannover (beide Protokolle in: EZA BERLIN, 2/1794). Vgl. dazu: W. FUCHS-STRATMANN, Mitarbeitervertretung, S. 173–180. Die mit einem Ratsbeschluss vom 6. Juni 1947 erfolgte Gründung einer 12-köpfigen Kammer

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22. Kammer für öffentliche Verantwortung der Kirche: D. Dr. von Thadden wurde zum Mitglied der Kammer berufen49. Referenten der Amtsstellen sollen nicht Kammermitglieder sein, sondern nach Bedarf zu den Sitzungen der Kammer eingeladen werden50. 23. Bürgschaft für den Furche-Verlag: Die Kirchenkanzlei wurde beauftragt, zunächst die Landeskirchen von Württemberg, Hannover und Hamburg zu bitten, gemeinsam die vom Furche-Verlag erbetene Bürgschaft zu übernehmen51. 24. Hilfsprediger Dr. Paeseler: Der Vorsitzende des Rates wurde gebeten, das Landeskirchenamt in Düsseldorf darüber zu unterrichten, dass es dem Rat richtig erscheint, wenn die Beurlaubung des Hilfspredigers Dr. Paeseler aus dem Dienst der Evangelischen Kirche im Rheinland für den Dienst in der Gemeinde Florenz nicht über den 1. Oktober 1951 verlängert wird52.

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für Erziehung und Unterweisung hatte personell und inhaltlich an die Arbeit der 1936 von der Bekennenden Kirche gegründeten Kammer für Schulfragen angeknüpft. Auf der Betheler Synode vom Januar 1949 war die Kammer endgültig bestätigt worden; vgl. K.-H. FIX, Protokolle 3, 2B8a; vgl. auch den Kurzbericht über die Vorgeschichte der Kammer für Erziehung und Unterweisung (EZA BERLIN, 2/1514). Frör nahm die Berufung durch den Rat an; vgl. das Schreiben Frörs an die Kirchenkanzlei vom 24. September 1951 (EZA BERLIN, 2/1515). Vgl. das Schreiben der Kirchenkanzlei an von Thadden vom 14. September 1951 (EZA BERLIN, 2/1347, Bl. 144). Anlass für die Berufung von Thaddens war ein Antrag der Kammer für Öffentliche Verantwortung, auch Schwarzhaupt und von Thadden zu Mitgliedern der Kammer zu ernennen. Vgl. dazu das Schreiben Rankes an Merzyn vom 26. Juni 1951. Ranke war der Meinung, dass die Berufung von Thaddens und Schwarzhaupts nur versehentlich in keinem Protokoll einer Ratssitzung festgehalten wurde. Anlass dieser Eingabe war ein Schreiben Merzyns an Ranke vom 14. April 1950, in dem Merzyn nachgefragt hatte, durch welchen Ratsbeschluss Mager, Schwarzhaupt und von Thadden in die Kammer berufen worden seien (beide Schreiben in: EZA BERLIN, 2/1346). Der zuständige Referent der Kirchenkanzlei, Osterloh, machte aber Bedenken gegen die Ernennung von Referenten der Dienststellen des Rates zu Kammermitgliedern geltend und wandte sich damit gegen die Berufung Schwarzhaupts in die Kammer für Öffentliche Verantwortung; vgl. dazu die undatierte Notiz Osterlohs (EZA BERLIN, 2/1347, Bl. 150). Vgl. das Schreiben Müllers an den Rat vom 10. Juli 1951 (24D7). Von Thadden-Trieglaff hatte am 10. Juli 1951 in seiner Eigenschaft als Mitglied der Kommanditisten des FurcheVerlags ein im Wortlaut identisches Schreiben an den Rat gerichtet (vgl. 24A3). Der Vorschlag, die Bürgschaftserklärung von den Landeskirchen einzuholen, ging auf Osterloh zurück. Osterloh hatte Merzyn darauf hingewiesen, dass die evangelische Verlagsarbeit sich in einer schweren Krise befinde und es durchaus möglich sei, dass eine solche Bürgschaft eines Tages vollstreckt würde; vgl. dazu die Schreiben Merzyns an den Evangelischen Oberkirchenrat, Stuttgart, das Evangelisch-Lutherische Landeskirchenamt in Hannover, das Evangelisch-Lutherische Landeskirchenamt Hamburg und die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau vom 8. Oktober 1951. Darin erbat Merzyn Bürgschaftserklärungen von insgesamt 60.000,– DM für den Furche-Verlag (alle Schreiben in: EZA BERLIN, 2/4481). Vgl. dazu 23B3. In der folgenden Ratssitzung am 25. Oktober 1951 wurde das Kirchliche

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25. Beflaggung kirchlicher Gebäude: Bei den bisherigen Richtlinien, dass grundsätzlich bei politischen Gedenktagen keine Beflaggung kirchlicher Gebäude erfolgt, soll es auch weiterhin verbleiben53 (z. B. auch am 12. 9. 5154); bei der nächsten Tagung der Kirchenkonferenz soll auch auf diese Frage nochmals hingewiesen werden55. 26. Übernahme von Anteilen der Hainstein G.m.b.H.: Der Rat der EKD erklärte sich mit dem Erwerb von 14 Geschäftsanteilen der Hainstein G.m.b.H. durch die Evangelische Kirche in Deutschland zum Preise von 8.400,– Ostmark einverstanden56 und bevollmächtigte Herrn Generalsuperintendent Dr. Krummacher in Berlin-Weissensee, namens der Evangelischen Kirche in Deutschland

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Außenamt mit der Aufgabe betraut, dem Landeskirchenamt in Düsseldorf mitzuteilen, dass eine weitere Beurlaubung Paeselers zum Dienst in der Gemeinde in Florenz unerwünscht erscheint; vgl. 25B16. In der Ratssitzung vom 1./2. Mai 1946 in Treysa hatte der Rat die Verordnung über das Beflaggen kirchlicher Gebäude vom 9. November 1938 aufgehoben, nach der an kirchlichen Gebäuden nur die Reichs- und Nationalflagge gezeigt werden durfte; vgl. C. NICOLAISEN/N. A. SCHULZE, Protokolle 1, 6C8, S. 514 und DIES., Protokolle 2, 15B13, S. 288. Vgl. dazu die Verordnungen zur Beflaggung kirchlicher Gebäude in: ABlEKD 1948, Nr. 1 vom 1. Januar 1948, Sp. 4. Nach G 3 war dieser Tagesordnungspunkt auf Veranlassung Niemöllers aufgenommen worden; vgl. dazu das Schreiben Schusters vom 26. November 1951 an die Kirchenkanzlei (EZA BERLIN, 2/2662). Niemöller hatte sich geweigert, zum 12. September 1951, dem Nationalen Gedenktag der Bundesrepublik, der anlässlich der Eröffnung des Parlamentes eingeführt worden war, Kirchengebäude beflaggen zu lassen. Niemöllers in diesem Zusammenhang geäußerter Wunsch „Kirchen nur aus Kirchenanlaß“ wurde noch einmal auf der Kirchenkonferenz am 6. Dezember 1951 diskutiert; vgl. dazu die Niederschrift über die Tagung der Kirchenkonferenz der EKD am 6. Dezember 1951 in Berlin-Spandau, S. 507ff. Die Kirchenkonferenz am 6. Dezember 1951 stimmte der Verordnung des Rates vom 18. November 1947 zu; vgl. dazu die Niederschrift über die Tagung der Kirchenkonferenz der EKD am 6. Dezember 1951 in Berlin-Spandau, S. 507ff. Auf dem Gelände des Hainsteins, einem Felsen in unmittelbarer Nachbarschaft zur Wartburg am Rande der Stadt Eisenach, hatte sich ursprünglich ein Sanatorium, später eine Kuranstalt befunden. Als 1922/23 Pläne bekannt geworden waren, dort eine katholische Siedlung zu errichten, hatten der Schwedische Erzbischof D. Söderblom, die deutschen evangelischen Landeskirchen und die Wartburgstiftung das Grundstück gekauft und die Hainstein AG gegründet. Nach Plänen von Le Seur, der 1925 zum Leiter des neu gegründeten Hainsteinwerkes ernannt worden war, sollte der Hainstein zum Zentrum der männlichen evangelischen Jugendbewegung ausgebaut werden; vgl. dazu den Rechenschaftsbericht für die Aktionäre und Aufsichtsratsmitglieder der Hainstein AG (EZA BERLIN, 4/392). Nach 1945 war die Hainstein AG von der thüringischen Landeskirche übernommen worden. Zur Zeit des Ratsbeschlusses befanden sich ein Kinderheim, das deutsche Pfarrhaus-Archiv, ein Katechetenseminar, an das die Thüringische Musikschule angeschlossen war, und ein Hospiz auf dem Gelände des Hainsteins. 1949 war die Hainstein AG in Eisenach zu einer GmbH umgewandelt worden; vgl. das Schreiben Rankes an Merzyn vom 6. Dezember 1950 (EZA BERLIN, 2/3148); vgl. auch den Geschäftsbericht der Hainstein GmbH für das Jahr 1950 (EZA BERLIN, 4/394).

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alle zur Durchführung dieses Erwerbs erforderlichen rechtsgeschäftlichen Erklärungen abzugeben. Diese Vollmacht schliesst auch die Ermächtigung ein, Untervollmacht zu erteilen57. 27. Gespräch mit Vertretern der Vereinigten Grossloge der Freimaurer: OKR Osterloh wurde beauftragt, ein informatorisches Gespräch mit den Vertretern der Freimaurer zu führen58. 28. Stiftung von Fenstern für die St. Marienkirche in Lübeck: Den Gliedkirchen soll die Bitte der Lübecker Kirche übermittelt werden, nach Möglichkeit je ein Fenster zu 3.000,– DM zu stiften59. Nach Massgabe der verfügbaren Mittel in Kap. III soll auch die EKD 3.000,– DM für ein Fenster überweisen60. 29. Drucklegung der Verhandlungen der Eisenacher Kirchenversammlung: Die Drucklegung soll zum veranschlagten Preise von 4.000,– DM erfolgen, nachdem sich ein Druck in der Ostzone als unmöglich erwiesen hat. Die Mittel sollen aus Kap. III entnommen werden61. 57 Anlass dieser Regelung war die Trennung der Wartburgstiftung von der Hainstein GmbH und deren Absicht, ihre 68 Gesellschaftsanteile im Wert von 40.000,– DM zu verkaufen. Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Thüringen hatte treuhänderisch diese Anteile übernommen und sie den Landeskirchen zum Kauf angeboten. Laut Vorschlag des Aufsichtsrates der Hainstein GmbH sollte die EKD 14 Anteile, die VELKD 20, die APU 10, die Evangelisch-Lutherische Kirche Sachsens 10, die Evangelische Kirche der Kirchenprovinz Sachsen 7 und die thüringische Landeskirche 7 Anteile von der Wartburgstiftung kaufen; vgl. dazu das Schreiben Oßwalds vom Landeskirchenrat der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Thüringen an die Kirchenkanzlei – Berliner Stelle – vom 1. August 1951 (EZA BERLIN, 4/394). 58 In einem Schreiben an Lilje vom 17. November 1950 hatte Ehmke von der Landesgroßloge der Freimaurer in Niedersachsen den Wunsch geäußert, die durch Stählin aufgeworfene Frage der Stellung der protestantischen Kirche zur Freimaurerei in einem Gespräch zu klären (EZA BERLIN, 2/2353). An diesem Gespräch sollten Stählin, Erdmann und Lilje selbst teilnehmen. Erst nach dem Ratsbeschluss vom 6./7. September 1951 teilte Osterloh in einem Schreiben vom 15. September 1951 an Ehmke seine Bereitschaft zu einem informatorischen Gespräch mit, an dem auch Brunotte teilnehmen wollte. 59 Der Bischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Lübeck, Pautke, hatte sich an die Leitungen der in der VELKD organisierten Landeskirchen mit der Bitte gewandt, eines oder mehrere der 30 Fenster der Lübecker Marienkirche im Wert von je 3.000,– DM zu stiften. Anlass dieser Bitte waren die Feierlichkeiten zum 700-jährigen Bestehen der Marienkirche Anfang September 1951. Die im Zweiten Weltkrieg weitgehend zerstörte Kirche war bereits durch Mittel der Hansestadt Lübeck, des Landes Schleswig-Holstein und verschiedener Stellen der Bundesregierung instand gesetzt worden. Diese Mittel hatten aber nicht ausgereicht, um auch die Verglasung des unteren Teils der Kirche durchzuführen; vgl. das Schreiben Pautkes an den Hamburger Landesbischof Schöffel vom 21. Juli 1951 (NEK, 32.01/4472 und 42.01/254). 60 Vgl. dazu 26B5; 26D5; 26D6. Vgl. auch den Haushaltsplan der EKD für 1951/52: ABlEKD 1951, Nr. 4 vom 15. April 1951, S. 92–96. 61 Auf der Kirchenversammlung in Eisenach war am 13. Juli 1948 die Grundordnung der EKD verabschiedet worden. Nach einem Ratsbeschluss vom 11. Oktober 1949 sollte die Drucklegung der Protokolle von Eisenach und Bethel möglichst günstig in Ostberlin zu

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30. Wiederherstellung der Grundsteuerfreiheit für Pfarrhäuser und andere kirchliche Grundstücke: Der Rat nahm eine Mitteilung der Kirchenkanzlei entgegen62. 31. Konfessionskundliches Institut des Evangelischen Bundes: Für das Rechnungsjahr 1951 sollen die Landeskirchen gebeten werden, die erforderlichen Mittel aufzubringen63. Bei der Aufstellung des Haushaltsplanes der EKD für 1952 soll geprüft werden, wieweit sich die EKD beteiligen kann. 32. DP.-Ausschuss: Gemäss dem Vorschlag der Kirchenkanzlei wird Pastor Sanders von der lettischen DP-Kirche in den Ausschuss berufen64. Ostmarkpreisen erfolgen. Die mit der Drucklegung beauftragte Kirchenkanzlei – Berliner Stelle – war ihrem Auftrag bis 1951 nicht nachgekommen (vgl. K.-H. FIX, Protokolle 3, 8B6). Benn hatte in einem Schreiben vom 22. Januar 1951 der Kirchenkanzlei in Hannover mitgeteilt, dass der geplanten Drucklegung in Ostberlin finanzielle Schwierigkeiten entgegenstünden, die in absehbarer Zeit nicht zu überwinden seien. Benn hatte darum gebeten, die Manuskripte wieder an die dortige Kanzlei abgeben zu dürfen. In seinem Antwortschreiben vom 27. Januar 1951 hatte Merzyn sich dennoch mit der Bitte um Drucklegung an die Kirchenkanzlei – Berliner Stelle – gewandt, gleichzeitig aber angeboten, bei unüberwindlichen Schwierigkeiten die Drucklegung in Westberlin zu veranlassen und diese aus Mitteln des Haushaltes von 1952 zu finanzieren (EZA BERLIN, 2/1037). Das Protokoll von Eisenach erschien noch 1951 im Westberliner Wichern-Verlag (vgl. EISENACH 1948). Das Betheler Protokoll erschien 1953 im Verlag Vandenhoeck & Ruprecht in Göttingen. In der Ratssitzung am 7. Dezember 1951 bewilligte der Rat dann 4.000,– DM als Beihilfe für den Druck der stenographischen Protokolle der Eisenacher Kirchenversammlung (vgl. 26D5; 26D6). 62 Mit Ausnahme von Bayern waren in den deutschen Ländern die Dienstgrundstücke und Dienstwohnungen der Geistlichen und Kirchendiener bis zum 1. April 1938 von der Grundsteuer befreit gewesen. Danach war der Kirche die Grundsteuerfreiheit entzogen worden. Auf Betreiben der Kirchenkanzlei wurde das Grundsteuergesetz mit Wirkung vom 1. Januar 1952 aufgehoben. An seine Stelle war das Grundsteueränderungsgesetz vom 10. August 1951 getreten, mit dem der alte Rechtszustand von vor 1938 wieder hergestellt wurde; vgl. dazu den Tätigkeitsbericht der Kirchenkanzlei (ELBINGERODE 1952, S. 335). 63 Vgl. dazu 24D8. Das Konfessionskundliche Institut war 1947 auf Initiative von Bornkamm und Sucker gegründet worden. Es widmete sich der wissenschaftlichen Analyse außerprotestantischer Kirchen und konzentrierte sich dabei vor allem auf die Kommentierung von Verlautbarungen der katholischen Kirche. In einem Schreiben vom 18. Januar 1951 an die Kirchenkanzlei hatte das Konfessionskundliche Institut um den Umlagenverteilerschlüssel für die westdeutschen Landeskirchen gebeten, um die Beitragsanteile der Landeskirchen zur Finanzierung des Instituts zu errechnen und von diesen zu erbitten. Nach der Ratssitzung am 24. Mai 1951 hatte die Kirchenkanzlei dem Institut mitteilen lassen, dass der Rat sich nicht für eine zusätzliche Sonderumlage auf die westdeutschen Landeskirchen einsetzen könne. Zwar bestehe die Möglichkeit, ein Beihilfegesuch zu stellen, doch seien laut Ratsbeschluss für die nächsten Monate alle Beihilfegesuche zurückgestellt worden (22B16). Nachdem immer mehr Landeskirchen bei der Kirchenkanzlei für eine Sonderumlage auf die westdeutschen Landeskirchen zur Finanzierung des Konfessionskundlichen Instituts eingetreten waren, hatte die Kirchenkanzlei eingelenkt und dem Institut eine Ausnahmeregelung zugesagt (alle Schreiben in: EZA BERLIN, 2/3181). 64 Vgl. 22B4. Der engere DP-Ausschuss hatte auf der Flüchtlingstagung in Ratzeburg am

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33. Wiedertauf-Praxis der römisch-katholischen Kirche: Der Vorsitzende des Rates wurde gebeten, die Frage nach Möglichkeit mündlich mit Kardinal Frings zu besprechen und darauf hinzuwirken, dass in allen katholischen Bistümern die Priester vor einer Wiederholung der Taufe die Entscheidung des Bischofs herbeizuführen haben65. 34. s. Schreiben vom 26. 8. 5166. 30. August 1951 die Berufung Sanders’ von der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Lettland beschlossen. Dort hatte Osterloh dem Ausschuss eröffnet, dass Sanders im Einverständnis mit dem ÖRK und dem LWB sowie den Vertretern der Exilkirchen nominiert worden sei (ADW BERLIN, ZB 1046); vgl. das Rundschreiben der Kirchenkanzlei vom 10. September 1951 an die westdeutschen Landeskirchen, die Mitglieder des DP-Ausschusses der EKD, die Vertreter der DPs auf der Ratzeburger Tagung, den ÖKR und den LWB (EZA BERLIN, 2/4215). 65 Den Landeskirchen war 1950 nahegelegt worden, der Kirchenkanzlei laufend über Auffälligkeiten im Verhältnis der katholischen Kirche zu den evangelischen Landeskirchen zu berichten (vgl. A. SILOMON, Protokolle 4, 16B19). Dafür sollten die Gliedkirchen jährlich einen Erfahrungsbericht über das Verhältnis zur katholischen Kirche bei der Kirchenkanzlei einreichen, woraufhin die Kirchenkanzlei einen Gesamtbericht über das Verhältnis zur katholischen Kirche für die Gliedkirchen zusammenstellen sollte. Die 1951 bei der Kirchenkanzlei eingehenden Berichte der Landeskirchen hatten übereinstimmend Fälle von Wiedertaufen bei den zum Katholizismus konvertierten Protestanten beklagt (vgl. dazu die Unterlagen in EZA BERLIN, 4/439). In diesen Fällen waren Konvertiten von katholischen Priestern ein zweites Mal getauft worden, weil diese die protestantische Taufe nicht anerkannten; vgl. dazu das Rundschreiben der Kirchenkanzlei an die deutschen evangelischen Landeskirchen vom 8. Januar 1951 (EZA BERLIN, 2/2261). Der hier gefasste Beschluss entsprach einer am 20. August 1951 für die Ratssitzung von Osterloh formulierten Vorlage. Osterlohs Vorschlag bezog sich auf eine Anordnung des Hildesheimer Bischofs, dass vor einer Wiedertaufe die Entscheidung des zuständigen katholischen Bischofs herbeizuführen sei; vgl. das Schreiben Osterlohs an den Evangelischen Oberkirchenrat in Oldenburg vom 20. Juli 1951 (EZA BERLIN, 2/3522). Darüber hinaus hatte Osterloh einen Beschluss gefordert, in dem die Landeskirchenleitungen ermahnt werden sollten, ihren Pfarrern einzuschärfen, die geltenden Bestimmungen für die Taufpraxis einzuhalten, damit erst gar keine Zweifel über den gültigen Vollzug der Taufe auftreten könnten (EBD.); vgl. dazu das Schreiben Stählins an die Kirchenkanzlei vom 17. Juni 1951 (24E13) und das Schreiben der Evangelischen Kirche im Rheinland vom 4. Juli 1951 (24E14). 66 Gemeint ist das Schreiben Brunottes vom 26. September 1951 an die Ratsmitglieder: „Hinter Ziffer 33 der Niederschrift ist folgende Ziffer als Nachtrag zur Niederschrift der 24. Sitzung des Rates in Tutzing einzufügen: 34. Wiederbesetzung der Pfarrstelle in Istanbul. Nachdem Pfarrer Friz im Auftrage des Kirchlichen Aussenamtes die Verhältnisse in Istanbul + Beirut geprüft hat, beauftragt der Rat das Kirchliche Aussenamt, die Wiederbesetzung von Istanbul in die Wege zu leiten. Der dafür notwendige Betrag von ca. 15.000,– DM soll in den Haushaltsplan 1951 eingesetzt werden. Die bisherige Ziffer 34 der Niederschrift wird Ziffer 35“ (EZA BERLIN, 4/44). In dem Schreiben an die westdeutschen Landeskirchen, das über diesen Ratsbeschluss informierte, erläuterte Niemöller die Notwendigkeit dieser Pfarrstelle für die deutschsprachige evangelische Gemeinde in Istanbul mit den „stark auflebenden deutsch-türkischen Handelsbeziehungen“ und dem damit verbundenen Anwachsen der seit 1843 bestehenden Gemeinde. Niemöller verwies auf die großen politischen Spannungen innerhalb der Gemeinde, in der „Emigranten, Nichtarier, ehemalige Nationalsozialisten, Schweizer“ nebeneinander lebten. Der neue

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35. Ratssitzungen im Jahre 1952: Es wurde in Aussicht genommen, die ersten Ratssitzungen des Jahres 1952 am 24./25. Januar67 sowie am 13./14. März 1952 abzuhalten68. gez. D. Brunotte, gez. Dr. Merzyn

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24C1. Geschäftsordnung für den Rat der EKD. Tutzing, 6. September 1951 F: EZA Berlin, 4/44 (H). – Abdruck: ABlEKD 1951, Nr. 9 vom 15. September 1951, S. 185f. Der Rat der EKD gibt sich gemäss Artikel 30 Abs. 5 Satz 3 der Grundordnung69 folgende Geschäftsordnung: §1 (1) Der Rat fasst seine Beschlüsse in Sitzungen. Ausnahmsweise kann der Vorsitzende eine schriftliche Abstimmung herbeiführen. Widerspricht ein Mitglied der schriftlichen Beschlussfassung, so ist sie der nächsten Sitzung vorzubehalten. (2) Kann eine Entscheidung nicht ohne Schaden für die Sache bis zur nächsten Sitzung aufgeschoben oder auf schriftlichem Wege herbeigeführt werden, so kann der Vorsitzende sie treffen und die Amtsstellen anweisen, die Entscheidung sofort durchzuführen. Er soll sich nach Möglichkeit mit dem stellvertretenden Vorsitzenden hierüber verständigen. Die Mitglieder sind über die Entscheidung unverzüglich zu benachrichtigen. Die Entscheidung ist auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung zu setzen. Pfarrer sollte Beziehungen zur Griechisch-orthodoxen Kirche unterhalten, jung und verheiratet sein sowie seine Gemeinde auf längere Sicht dazu erziehen, seinen Lebensunterhalt mitzutragen, da das Leben in Istanbul sehr teuer sei; vgl. das Schreiben Niemöllers an die westdeutschen Gliedkirchen vom 8. Oktober 1951 (EZA BERLIN, 2/2191). 67 Diese Ratssitzung fand in Hannover statt (vgl. dazu das Protokoll der Ratssitzung in: EZA BERLIN, 4/44). 68 Diese Ratssitzung fand dann am 13. März 1952 in Berlin-Spandau statt (vgl. das Protokoll der Ratssitzung: EBD.). 69 ABlEKD 1948, Nr. 7 vom 15. Juli 1948, S. 113.

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§2 (1) Ratssitzungen finden nach Bedarf statt. Auf Verlangen von 4 Mitgliedern muss eine Sitzung einberufen werden. (2) Zu den Sitzungen lädt der Vorsitzende ein, im Falle seiner Behinderung der stellvertretende Vorsitzende; wenn auch dieser verhindert ist, das an Lebensjahren älteste der übrigen Ratsmitglieder. Der Vorsitzende bestimmt Zeit und Ort der Sitzung, soweit sie nicht durch Beschluss des Rates festgelegt sind. Er stellt unter Berücksichtigung der Beschlüsse des Rates sowie der Anträge der Mitglieder und der Vorschläge der Amtsstellen die Tagesordnung auf70. (3) Einladung, Tagesordnung und etwaige Vorlagen sollen möglichst nicht später als eine Woche vor der nächsten Sitzung in der Hand der Mitglieder sein. §3 (1) Der Rat ist beschlussfähig, wenn ausser dem Vorsitzenden oder dem Stellvertreter mindestens die Hälfte der Mitglieder anwesend ist. (2) Kundgebungen dürfen nur verabschiedet werden, wenn ausser dem Vorsitzenden mindestens acht Mitglieder anwesend sind und mindestens 2/3 der Anwesenden zustimmen. (3) Die Leiter der Amtsstellen nehmen an den Sitzungen des Rates mit beratender Stimme teil, sofern nicht der Rat aus besonderen Gründen im Einzelfall etwas anderes bestimmt. Die Sachbearbeiter der Amtsstellen können bei der Erörterung von Angelegenheiten ihres Arbeitsgebietes hinzugezogen werden. Auch kann der Vorsitzende, wenn der Rat nicht widerspricht, andere Personen hinzuziehen. (4) Die Sitzungen sind nicht öffentlich; sie stehen unter dem Gebot der Amtsverschwiegenheit. §4 (1) Über jede Sitzung des Rates ist eine Niederschrift anzufertigen; sie kann sich auf die Wiedergabe der Beschlüsse beschränken. (2) Für die Niederschrift ist der Leiter der Kirchenkanzlei verantwortlich. Er unterzeichnet sie. Zu seiner Unterstützung kann er einen Sachbearbeiter der Kirchenkanzlei hinzuziehen. In besonderen Fällen kann eine andere Regelung getroffen werden. 70 An dieser Stelle wurde hsl. hinzugefügt: „Verhandlungsgegenstände für eine Ratssitzung, die den Ratsmitgliedern erst unmittelbar vor der Sitzung namhaft gemacht werden, sollen in der betreffenden Sitzung nicht zur Beschlußfassung gebracht werden, wenn ein Ratsmitglied dies ausdrücklich wünscht.“

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§5 (1) Die Beschlüsse des Rates sind von den Amtsstellen vorzubereiten und durchzuführen. (2) Die Leiter der Amtsstellen haben den Rat und, wenn er nicht versammelt ist, den Vorsitzenden des Rates über alle wichtigen Geschäfte zu unterrichten. Der Vorsitzende kann von ihnen Berichte anfordern und ihnen im Rahmen des § 1 Abs. 2 Weisungen erteilen. Die Mitglieder des Rates haben das Recht, die Akten der Amtsstellen einzusehen. (3) Auch die Mitglieder sollen den Rat über alle für seine Arbeit bedeutsamen Angelegenheiten auf dem laufenden halten, die ihnen in ihrem eigenen Wirkungsbereich bekannt werden. 24D Vo rlagen und Anträge

24D Vorlagen und Anträge 24D1. Entwurf Benns für eine Geschäftsordnung für den Rat der EKD. O. O., o. D. F: EZA Berlin, 2/1785 (O). Der Rat der EKD gibt sich gemäss Artikel 30 Absatz 5 Satz 3 der Grundordnung71 folgende Geschäftsordnung: §1 (1) Der Rat fasst seine Beschlüsse in Sitzungen. Ausnahmsweise kann der Vorsitzende eine schriftliche Stellungnahme der Mitglieder herbeiführen. Widerspricht ein Mitglied der schriftlichen Beschlussfassung, so ist sie der nächsten Sitzung vorzubehalten. (2) Kann eine Entscheidung nicht ohne Schaden für die Sache bis zur nächsten Sitzung aufgeschoben werden, so kann der Vorsitzende sie treffen und die Amtsstellen anweisen, die Entscheidung sofort durchzuführen. Er soll sich nach Möglichkeit mit den Mitgliedern des engeren Ausschusses (§ 6) oder, wenn die Dringlichkeit dies nicht zulässt, mit dem stellvertretenden Vorsitzenden hierüber verständigen. Die Mitglieder sind über die Entscheidung zu benachrichtigen. §2 (1) Zu den Sitzungen lädt der Vorsitzende ein. Er bestimmt Zeit und Ort der Sitzung, soweit sie nicht durch Beschluss des Rates festgelegt sind. 71 Vgl. ABlEKD 1948, Nr. 7 vom 15. Juli 1948, S. 113.

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Er stellt unter Berücksichtigung der Beschlüsse des Rates sowie der Anträge der Mitglieder und der Amtsstellen die Tagesordnung auf. (2) Einladung, Tagesordnung und etwaige Vorlagen sollen möglichst nicht später als eine Woche vor der Sitzung in der Hand der Mitglieder sein. §3 (1) Der Rat ist beschlussfähig, wenn ausser dem Vorsitzenden mindestens die Hälfte der Mitglieder anwesend ist. Kundgebungen und Verordnungen dürfen nur verabschiedet werden, wenn ausser dem Vorsitzenden mindestens acht Mitglieder anwesend sind. (2) Die Leiter der Amtsstellen nehmen an den Sitzungen des Rates mit beratender Stimme teil, sofern nicht der Rat aus besonderen Gründen im Einzelfall etwas anderes bestimmt. Die Sachbearbeiter der Amtsstellen können bei der Erörterung von Angelegenheiten ihres Arbeitsgebietes hinzugezogen werden. Auch kann der Vorsitzende, wenn der Rat nicht widerspricht, andere Personen hinzuziehen. (3) Die Sitzungen sind nicht öffentlich; sie stehen unter dem Gebot der Amtsverschwiegenheit. §4 (1) Die Beschlüsse des Rates sind von den Amtsstellen vorzubereiten und durchzuführen. (2) Die Leiter der Amtsstellen haben den Rat und, wenn er nicht versammelt ist, den Vorsitzenden des Rates über alle wichtigen Geschäfte zu unterrichten. Der Vorsitzende kann von ihnen Berichte anfordern und ihnen im Rahmen des § 1 Abs. 2 Weisungen erteilen. (3) Auch die Mitglieder sollen den Rat über alle für seine Arbeit bedeutsamen Angelegenheiten auf dem laufenden halten, die ihnen in ihrem eigenen Wirkungsbereich bekannt werden. §5 (1) Über jede Sitzung des Rates ist eine Niederschrift anzufertigen; sie kann sich auf die Wiedergabe der Beschlüsse beschränken. (2) Für die Niederschrift ist der Leiter der Kirchenkanzlei verantwortlich. Er unterzeichnet sie. Zu seiner Unterstützung kann er einen Sachbearbeiter der Kirchenkanzlei hinzuziehen. In besonderen Fällen kann eine andere Regelung getroffen werden. §6 (1) Der Rat bildet aus seiner Mitte einen engeren Ausschuss. Diesem gehören der Vorsitzende und zwei weitere Mitglieder an.

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(2) Der engere Ausschuss erledigt diejenigen Aufgaben, die ihm der Rat allgemein oder im einzelnen Fall überträgt. Seine Beschlüsse gelten als Beschlüsse des Rates. Sie sind schriftlich niederzulegen und allen Mitgliedern des Rates mitzuteilen72. Berlin, den . . . Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland

24D2. Schreiben des Bruderrates der Evangelischen Kirche in Deutschland an den Rat der EKD. Darmstadt, 5. September 1951 F: EZA Berlin, 2/2574 (H). Sehr verehrte, liebe Brüder! Auf unserer heutigen Sitzung haben wir beschlossen, uns mit nachstehenden Bitten und Vorschlägen an Sie zu wenden: I. Die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland in Weissensee hat im April 1950 ein Wort zum Frieden gesprochen73. Seitdem ist unbestreitbar die Gefahr eines Krieges noch drohender und damit die Frage: „Was kann die Kirche für den Frieden tun“ noch dringlicher geworden. Dadurch ist die Verbindlichkeit des Wortes von Weissensee heute sichtbarer denn je. Wir halten es deshalb für notwendig, dass der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland die Geltung jenes Wortes aufs neue bekräftigt und den Gemeinden bewusst macht. Wir bitten daher um folgende Massnahmen: 1. Eine Aufforderung des Rates an die Gliedkirchen, in allen Gemeinden das „Wort zum Frieden“ aufs neue von den Kanzeln verlesen zu lassen und die Pfarrer und Ältesten anzuhalten, dieses Wort in Gemeindeversammlungen auszulegen. 2. Eine Aufforderung des Rates an die Gemeindeblätter und die kirchlichen Zeitschriften, das „Wort zum Frieden“ durch wiederholten Abdruck im Ganzen und einzelnen Abschnitten, sowie durch sachlich damit übereinstimmende Aufsätze den Gemeinden einzuprägen. 72 Der § 6 im Entwurf Benns fiel in der beschlossenen Fassung über die Geschäftsordnung weg (vgl. 24C1), wurde aber in der Sitzung am 25. Oktober 1951 ergänzend in die Geschäftsordnung aufgenommen und konkretisiert (vgl. 25B6). 73 BERLIN-WEISSENSEE 1950, S. 308–313.

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Wir sind überzeugt, dass die Durchführung dieser Anregungen in den Gemeinden ein wirksames Zeugnis der Evangelischen Kirche wäre, das eine rechte Wahrnehmung der öffentlichen Verantwortung der Kirche darstellt. Den im Westen und im Osten durch eine ungehemmte Propaganda ratlos gewordenen Menschen könnte so eine befreiende Hilfe und Beratung zuteil werden.

II. 1. Die Synode in Weissensee hat gesagt: „Wir begrüssen es dankbar und voller Hoffnung, dass Regierungen durch ihre Verfassung denjenigen schützen, der um seines Gewissens willen den Kriegsdienst verweigert.“74 Im Grundgesetz der Bundesrepublik ist unter den Grundrechten Art. 4,3 folgende Bestimmung enthalten: „Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.“ Angesichts der Vorbereitungen eines deutschen Verteidigungsbeitrags gewinnt die Frage der Kriegsdienstverweigerung erhöhte Bedeutung. Wir hören, dass in der Bundesregierung gemäss Art. 4,3 ein Bundesgesetz vorbereitet wird, das nähere Bestimmungen darüber enthält. Damit ist für die Kirche die Stunde gekommen, die Bundesregierung den Worten der Synode entsprechend um einen Rechtsschutz für diejenigen zu bitten, die um des Gewissens willen den Kriegsdienst verweigern. Wir glauben aber auch, dass die Kirche dem Staat in dieser schwerwiegenden Frage den Dienst der Beratung schuldig ist. Wir richten darum an den Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland die Bitte, schon jetzt in einer Zusammenarbeit von Juristen und Theologen einen Beitrag der Kirche zu dem zu erwartenden Gesetz vorzubereiten. Dabei wären u. a. folgende Fragen zu klären: a) was heißt „Kriegsdienstverweigerung um des Gewissens willen?“75 b) welchen Schutz gewährt die Gesetzgebung anderer Länder? c) Welchen Rechtsschutz erwartet die Kirche für den Kriegsdienstverweigerer um des Gewissens willen? 2. In dem Wort der Synode von Weissensee heisst es: „Wir bitten alle Regierungen der Welt, diesen Schutz zu gewähren“76. Wir bitten den Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland darauf hinzuwirken, dass in der Deutschen Demokratischen Republik in glei74 EBD., S. 312. 75 EBD. 76 EBD.

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cher Weise wie in der Bundesrepublik ein Rechtsschutz für diejenigen gewährt wird, die um des Gewissens willen den Kriegsdienst verweigern. 3. Wir bitten den Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland ihre Bevollmächtigten bei den Regierungen in Bonn und Berlin-Pankow zu beauftragen, bei den zuständigen Regierungsstellen alsbald vorstellig zu werden. 4. Der Rat wird gebeten, sich um die Frage, wie ein Kriegsdienstverweigerer um des Gewissens willen in seinem Verfahren die erforderliche Rechtshilfe erhält, zu kümmern. Auf jeden Fall sollte der Rat die Gliedkirchen mit Nachdruck darauf hinweisen, dass die „Unterrichtung des Gewissens“ (Luther) in der Frage des Kriegsdienstes zu den seelsorgerlichen Aufgaben des Predigtamtes gehört. In den Gemeinden sollte das Verständnis dafür geweckt werden, dass die Verweigerung des Kriegsdienstes heute eine ernsthafte Möglichkeit christlicher Entscheidung darstellt und die Gemeinde dem Bruder, der um des Gewissens willen diesen Weg glaubt gehen zu müssen, keinesfalls die Bruderschaft verweigern darf.

III. Für den Fall, dass dem Bundestag ein Gesetzentwurf über die Einführung der Wehrpflicht oder die Bildung von freiwilligen Verbänden zugeleitet wird oder in der Deutschen Demokratischen Republik eine ähnliche Massnahme getroffen wird, bittet der Bruderrat den Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland, alsbald eine ausserordentliche Tagung der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland einberufen zu lassen.

IV. Ferner bitten wir den Rat seine Aufmerksamkeit der Tatsache zuzuwenden, dass auch die Krieger- und Soldatenverbände wieder aufleben und bereits eine einheitliche Organisation betreiben. Die Möglichkeit militaristischen und nationalistischen Missbrauchs dieser umfassenden Sammlungsbewegung und die Aufgabe der evangelischen Kirche ihr gegenüber sollten rechtzeitig erkannt werden. Das Wiederaufleben von Feldgottesdiensten, kirchlicher Fahnenweihen usw. sollte grundsätzlich vermieden werden. Wir bitten daher den Rat, an die Landeskirchen eine Anregung ergehen zu lassen, dass die Veranstaltung von Feldgottesdiensten, Fahnenweihen usw. und die Beteiligung von Pfarrern hieran unerwünscht ist. In solchen Fällen sollte auf die gemeindlichen Gottesdienste verwiesen werden. Wenn es sich auch bei diesen Fragen um Entscheidungen innerhalb

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Deutschlands handelt und die Kirchen in Deutschland gefragt sind, bitten wir den Rat angesichts der Auswirkung solcher Entscheidungen die oekumenische Erörterung hierüber fortzusetzen und insbesondere mit den europäischen Nachbarkirchen in ständiger Fühlungnahme zu stehen. Für den Bruderrat der Evangelischen Kirche in Deutschland gez. Beckmann 24D3. Schreiben des Bruderrates der Evangelischen Kirche in Deutschland an den Rat der EKD. Darmstadt, 5. September 1951 F: LKA Darmstadt, 36/130 (D). In der Frage des Kriegsdienstes der Pfarrer wird auf die Rundfrage der Kanzlei wahrscheinlich eine uneinheitliche Stellungnahme der Kirchenleitungen eingehen. Es sollte aber nichts unversucht gelassen werden, in dieser wichtigen Frage zu einer Übereinstimmung in der Evangelischen Kirche in Deutschland zu kommen. Wir bitten daher den Vorsitzenden des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland um eine Einberufung der Kirchenkonferenz, bei der auf Grund eines theologischen Referates eine gründliche gemeinsame Beratung stattfinden müsste. (Beckmann) 24D4. Schreiben des Lippischen Landeskirchenamtes an die Ratsmitglieder. Detmold, 11. August 1951 F: EZA Berlin, 2/2905 (H). In unseren Lippischen Gemeinden sieht man mit großer Erwartung der Antwort entgegen, die der Rat der EKiD auf die Bitte unserer Landessynode um ein Wort zur Eidesfrage geben wird. In Predigten, in Männerversammlungen, in Pfarrerkonferenzen und in der Presse ist in den letzten Wochen viel über die Eidesfrage gesprochen und geschrieben worden. Man ist sich bewußt, daß die Entscheidung des Rats über Lippe hinaus prinzipielle Bedeutung hat und ist um so gespannter, als die Synode der EKD auf ihrer vorjährigen Tagung in Berlin-Weißensee ein weithin beachtetes Wort für die Kriegsdienstverweigerer gesprochen hat. Einer uns vorgetragenen Anregung folgend, erlauben wir uns, für die erbetene Entscheidung folgende sechs Anliegen den Herren Mitgliedern des Rats zu übermitteln: 1. Wir wären dankbar, wenn der Rat in seiner Erklärung auch auf das eingehen würde, was Prof. D. Strathmann unter dem Titel „Die meta-

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physische Eselsbrücke“ in den „Nachrichten der Evangelisch-lutherischen Landeskirche in Bayern“ 1951 Nr. 9 veröffentlicht hat. Wir machen uns seine Argumente zu eigen. 2. Vielleicht werden schon in nicht zu ferner Zeit Tausende von Deutschen wieder auf dem Kasernenhofe stehen und den Fahneneid leisten sollen. Wir bitten den Rat, schon jetzt die da entstehenden seelsorgerlichen Fragen mit in Betracht zu ziehen. 3. Es wäre gut, wenn die Erklärung des Rats so gefaßt würde, daß sie unmittelbar von den Gemeindegliedern verstanden werden kann. Auch ist den Staatsmännern von Nordrhein-Westfalen zugesagt worden, daß die Entscheidung des Rats ihnen mitgeteilt werden würde. 4. In der Reformierten Kirchenzeitung 1951 Nr. 5 schrieb E. Herlyn: „Heute wissen wir wieder mit den Reformatoren, daß das Bekenntnis nicht letzte Autorität ist, sondern geändert werden kann, sobald aus der Schrift eine bessere Erkenntnis gewonnen wird. Und es ist die Frage, ob das hier heute der Fall ist. Jedenfalls wenn unsere Brüder in Nordrhein-Westfalen (gemeint sind wir Lipper) sich in ihren Briefen nur auf die Schrift stützten (Matth. 5 und 2. Moses 20), dann stellen sie uns die Frage nach der Gültigkeit unserer Bekenntnisse (CA 16 und HK Frage 101)“. Herlyn hat uns richtig verstanden. Wir bezweifeln nicht, daß die Reformatoren noch meinten, den Beamteneid bejahen zu müssen. Wir wollen es nicht als dogmatistisch bezeichnen, wenn man meint, mit Hilfe der reformatorischen Bekenntnisse ihn rechtfertigen zu können. Wir sind aber deshalb keine Biblizisten, weil wir glauben feststellen zu müssen, daß die heutige Institution gesetzlicher Eide bibelfremd ist. 5. Wir bitten uns nicht in die Rubrik der Schwärmer einzuordnen. Wir meinen nämlich nicht, mit unseren Bedenken gegen die Zwangsvereidigungen der Seligkeit näher zu sein, sondern glauben, daß beide, die Eidverteidiger und die Eidverneiner, allein auf die Gnade Gottes angewiesen sind. 6. Wir sehen die Gewissensnot unserer Beamten auf dem Hintergrunde der täglichen Nöte, die uns der Nationalsozialismus bereitete, und der Gewissensnot, unter der unsere Brüder im Osten noch täglich leiden. In beiden Fällen wird der eindeutige Zwang unter die Lüge gestellt, daß alles freiwillig sei. Diese Lüge des freiwilligen Zwanges wird u. E. gefördert, wenn der katholische Moraltheologe Werner Schöllgen im Februar-Heft des „Hochland“ zu den canones 1316–21 des Codex Juris Canonici schreibt: „Größeres Vertrauen kann die Kirche dem Staate nicht schenken, sie kann ihm kein heiligeres Recht zu Diensten lassen, als wenn sie seine Forderung bekräftigt, Menschen zum Eide, zum innerlich bejahten Eide aufrufen zu dürfen; mit ihm Menschen zu zwingen, in seinem Sinne und Dienste zu arbeiten, zu opfern, ja sogar zu sterben ‚um des Gewissens willen‘ (Römer 13.5).“

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Wir bitten deshalb um das seelsorgerliche Wort für die Beamten, die von der Regierung mit der Drohung, ihr Amt zu verlieren, gezwungen werden zum „innerliche bejahten Eide“ und dann „um des Gewissens willen“ auch das tun sollen, was sie vielleicht aus Gewissensgründen nicht tun möchten.

24D5. Entschließung der Arbeitsgemeinschaft zur Eingliederung der Heimatvertriebenen auf dem Lande. Bonn, 29. Juni 1951 F: ADW Berlin, ZB 1026 (H). Wir haben am 8. April 1949 in einem Aufruf die verantwortungsbewußten Kräfte in Stadt und Land gebeten, sich für die Eingliederung des heimatvertriebenen Landvolks einzusetzen. Dieser Anregung ist von vielen Seiten entsprochen worden. Es kam noch in demselben Jahr zur Verabschiedung des Flüchtlingssiedlungsgesetzes, mit dessen Hilfe bisher rund 15.000 heimatvertriebene Landwirte eine neue Existenz auf dem Lande fanden. Der überwiegende Teil des heimatvertriebenen Landvolks lebt jedoch nach wie vor in unbefriedigenden Verhältnissen und wartet auf eine sinnvolle Betätigung und Existenzsicherung im angestammten Beruf. Viele waren schon gezwungen, vom Lande abzuwandern, wie überhaupt die zunehmende Landflucht, besonders zum Schaden unserer Landjugend, eine unserer größten Sorgen ist. Wir appellieren daher erneut an die Hilfsbereitschaft und Einsicht aller Verantwortlichen. Wir bitten, sich die Gefahren vor Augen zu halten, welche die Heimat- und Besitzlosigkeit mit sich bringt. Zu leicht entsteht hieraus Verbitterung und Verzweiflung unter dem heimatvertriebenen Landvolk. Die erfolgreich begonnenen Eingliederungsmaßnahmen sollten darum in verstärktem Umfange fortgeführt werden. Dafür ist insbesondere die Erschließung von bisher ungenügend genutzten Landquellen erforderlich. Wir empfehlen besonders: Verstärkung der mit dem Flüchtlingssiedlungsgesetz eingeleiteten Maßnahmen. Daneben auch Schaffung neuer Siedlerstellen überall dort, wo dies sinnvoll und wirtschaftlich ist; Mitwirkung der Besitzer von Grund und Boden bei der Bereitstellung von Siedlungsland. Freiwillige Landabgaben sollten durch Anreiz gefördert und im Rahmen des kommenden Lastenausgleichs angerechnet werden. Großzügige Inangriffnahme der Erschließung unzureichend bewirtschafteter, aber kultivierungswürdiger Moor- und Ödländereien sowie von Rodungsflächen, bei denen eine landwirtschaftliche Nutzung der Aufforstung vorzuziehen ist;

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Förderung der praktischen Ausbildung und Schulung der bäuerlichen heimatvertriebenen Jugend, ihre Mitarbeit bei der Kultivierung und Siedlung durch Selbsthilfe. Bereitstellung von ausreichenden Mitteln im Haushalt des Bundes und der Länder, von Mitteln aus dem Lastenausgleichsaufkommen, der ECA und anderen ausländischen Quellen. Insbesondere sollte ein größerer Anteil von den öffentlichen Wohnungsbaumitteln für die Errichtung von ländlichen Siedlerstellen gegeben werden, die gleichzeitig Wohnung und Existenz bieten. Wir bitten alle verantwortlichen Persönlichkeiten und Körperschaften, weder Mühe noch Aufwendungen zu scheuen, um alle Wege zur Sesshaftmachung des heimatvertriebenen Landvolks auszunutzen. Jos. Card. Frings Erzbischof von Köln D. Held Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland Dr. Nahm Im Auftrage des Präsidiums des Deutschen Landkreistages Dr. Lukaschek Bundesminister für Vertriebene Dr. Niklas Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Dr. Hermes Reichsminister a. D. Präsident des Deutschen Bauernverbandes E. V.

24D6. Schreiben Osterlohs an Brunotte. Hannover, 25. August 1951 F: EZA Berlin, 2/4276 (O)_77. Betr.: Eingliederung der Heimatvertriebenen. (dazu vorlegen Akte 6454 Beih.) Unser Rundschreiben vom 6. 5. 51 [muss heißen 8. 5. 51] – 12151.VI.78 mit dem theologischen Gutachten zur Frage der kirchlichen Eingliederung der Ostvertriebenen und Flüchtlinge79 ist von einer Anzahl besonders der 77 Mit Vermerk: „vorlegen am 1.9. 51 genau zur Ratssitzung“. 78 Vgl. das Rundschreiben an die Landeskirchen von Anhalt, Baden, Bremen, Hessen-Nassau, Kurhessen-Waldeck, Lippe, Nordwestdeutschland, Oldenburg, Pfalz, Rheinland, Westfalen, Württemberg und die Evangelische Kirche der Altpreußischen Union für die Ostprovinzen vom 8. Mai 1951 (EZA BERLIN, 2/4276). 79 Vgl. 20B6; 20D3.

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größeren Gliedkirchen sehr eingehend beantwortet worden (besonders Hannover, Bayern, aber auch Schleswig-Holstein, eingehend auch von Hessen-Nassau, Hamburg, Kurhessen-Waldeck, ref. Nordwestdeutschland, Oldenburg). Die Äußerungen der Landeskirchenleitungen lassen erkennen, daß die Ausführungen des Gutachtens von den Professoren Weber, Wolf und Brunner Gegenstand eingehender Beratungen gewesen sind. Im großen und ganzen findet die Haltung des Gutachtens Zustimmung, freilich werden fast überall gegenüber bestimmten konkreten Vorschlägen Schwierigkeiten geltend gemacht. Ziemlich negativ äußern sich zu dem Gutachten ref. Aurich und in gewissem Sinne auch Baden. Die Frage, ob der Rat die Landeskirchen bitten soll, entsprechend dem Gutachten zu verfahren, kann jedenfalls nicht als mit einem runden Ja beantwortet gelten. Deshalb schlage ich vor, dem Rat folgenden Beschluß (im Entwurf) zu empfehlen: „Der Rat dankt den Herren Professoren Weber, Wolf und Brunner für die Erstattung des theologischen Gutachtens zur Frage der kirchlichen Eingliederung der Ostvertriebenen und Flüchtlinge. Der Rat hat davon Kenntnis genommen, daß dieses Gutachten in den Gliedkirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland zu einer eingehenden Besinnung über die kirchliche Arbeit auf diesem Gebiet geführt hat und für die zukünftige Entwicklung Anregungen geben konnte. Der Rat sieht keinen Anlaß, gegenwärtig den Landeskirchen weitere Richtlinien für diese Arbeit zu empfehlen.“

24D7. Schreiben Eberhard Müllers an den Rat der EKD. Hannover 10. Juli 1951 F: EZA Berlin, 2/4481 (O). Betr.: Bürgschaftserklärung für den Furche-Verlag. In meiner Eigenschaft als Obmann der Kommanditisten des Furche-Verlags erlaube ich mir, dem Rat folgende Bitte vorzutragen: Der Furche-Verlag gehört zu den Verlagen, die einst trotz des nationalsozialistischen Druckes auf die evangelischen Verleger sich für die Weiterführung ihrer christlichen Produktion entschieden und darum in den letzten Jahren des Hitler-Reiches einem Produktionsverbot unterlagen. Ausserdem hat der Furche-Verlag seine Bücherbestände und sein Büro durch Bombenschäden nahezu restlos verloren und ist aus diesem Grund ohne Kapitalbesitz in die Nachkriegszeit hinübergegangen und

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konnte auch aus dem Nachkriegsgeschäft nur etwa 30.000,– DM über die Währungsreform hinüberretten. Das ist insofern besonders bedauerlich, als der Furche-Verlag früher unter grossen Opfern nahezu die ganze oekumenische Literatur in Deutschland verbreitete. Es wäre zweifellos im grossen kirchlichen Interesse, wenn er wieder voll aktionsfähig würde. Verlegerisch wären dafür die besten Voraussetzungen gegeben, da die beiden Verleger Rennebach und Wittig, die als persönliche haftende Gesellschafter die Geschäftsführung innehaben, zweifellos zu den qualifiziertesten evangelischen Verlegern in Deutschland gehören. Ausserdem stehen eine Reihe kirchlich bedeutsamer Publikationen von führenden Männern der Kirche und der Theologie zur Neuauflage bezw. Neuherausgabe an (Werke von Dibelius, Lilje, Heim etc.). Eine grössere Anzahl dieser Werke stellt zwar absolut sichere Verlagsobjekte dar, bedarf aber zu ihrem Absatz eine Reihe von Jahren. Dies macht eine Vergrösserung des Investitions-Kapitals notwendig. Durch Verhandlungen mit Herrn Bankier Pferdmenges habe ich dessen Zusage erreicht, dass er dem Furche-Verlag zu besonders günstigen Bedingungen ein Darlehen für die Dauer von fünf Jahren gewährt. Da er dieses Geld aber von grossen Versicherungs-Gesellschaften beschafft, die sich mit kleineren Verlagsobjekten nicht beschäftigen können, wünscht er für diesen Betrag, – es handelt sich um 60.000,– DM, – eine kirchliche Bürgschaftserklärung. Durch Verhandlungen mit Herrn Oberkirchenrat Seiz habe ich erreicht, dass er mir versprach, diese Bitte im Finanzausschuss der EKD, falls dieser damit befasst werden muss, zu unterstützen, da es sich beim Furche-Verlag um ein Unternehmen handelt, dessen Arbeit im gesamtkirchlichen Interesse liege. Ich bitte darum den Rat der EKD, die Kanzlei der EKD zu ermächtigen, diese Bürgschaftserklärung vorzunehmen. E. Müller [m. p.]

24D8. Schreiben der Kirchenkanzlei an die Ratsmitglieder. Hannover, 22. August 1951 F: EZA Berlin, 2/3181 (H). Betr.: Konfessionskundliches Institut des Evangelischen Bundes. Der Evangelische Bund hat sich mit einem Rundschreiben vom 30.1. 195180 80 In: EZA BERLIN, 2/3181.

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an die westdeutschen Landeskirchenleitungen gewandt mit der Bitte, durch eine Beihilfe die Fortführung und Ausgestaltung der Arbeit des Konfessionskundlichen Instituts in Bensheim/Bergstraße zu ermöglichen. Dem Antrag war ein Tätigkeitsbericht und ein Haushaltsvorschlag beigefügt und ferner ein Betrag angegeben, der von jeder einzelnen Landeskirche erbeten wurde. Insgesamt sollte auf diese Weise ein Gesamtbetrag von 32.000,– DM aufgebracht werden, wovon z. Zt. ein Betrag von 5.000,– DM dadurch gedeckt ist, dass die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau die Hälfte des Gehalts für den leitenden Theologen in dieser Höhe trägt. Einige Landeskirchenleitungen haben die erbetene Beihilfe ganz oder teilweise bewilligt, aber unter der Voraussetzung, dass sich alle Landeskirchen an der Aufbringung der erforderlichen Mittel nach dem derzeitigen Umlageverteilungsschlüssel beteiligen. Wir sind von diesen Landeskirchenleitungen ausdrücklich darum gebeten worden, uns für eine vollzählige Beteiligung aller Landeskirchen einzusetzen oder auf andere Weise für eine gesamtkirchliche Regelung der Angelegenheit zu sorgen, durch die besondere Beiträge der einzelnen Landeskirchen entbehrlich würden. Dabei müsste allerdings von vornherein auch die Aufbringung der nötigen Mittel in künftigen Jahren in Betracht gezogen werden. Es ist von keiner Seite bezweifelt, sondern von mehreren Landeskirchenleitungen ausdrücklich anerkannt worden, dass die Arbeit des Konfessionskundlichen Instituts von gesamtkirchlicher Bedeutung ist und allen Landeskirchen zugute kommt. Es wäre daher wohl erwünscht, wenn die Evangelische Kirche in Deutschland die notwendige finanzielle Förderung übernehmen könnte. Im laufenden Rechnungsjahr ist das unmöglich, weil die für gesamtkirchliche Notstände und Aufgaben in Kap. III vorgesehenen Haushaltsmittel dafür nicht ausreichen. Auch durch eine Erhöhung dieses Kapitels in künftigen Haushaltsplänen würde eine solche Regelung nicht zu ermöglichen sein, da sich der Ertrag der zur Aufbringung der Beihilfemittel vorgesehenen gesamtkirchlichen Kollekten nicht durch einen höheren Voranschlag willkürlich steigern läßt. Doch käme in Betracht, vom Rechnungsjahr 1952 ab den zum Ausgleich des Haushalts für das Konfessionskundliche Institut erforderlichen Betrag ausserhalb des Kapitels III – etwa unter Ausgabe-Kapitel I Titel 2 – in den Haushaltsplan der EKD einzustellen. Voraussetzung für eine solche Regelung wäre es jedoch unseres Erachtens, dass der EKD ein angemessener Einfluß auf die Arbeit und die Finanzgebarung des Konfessionskundlichen Instituts eingeräumt wird. Hierüber wäre eine Vereinbarung mit dem Evangelischen Bund zu treffen. Für das laufende Rechnungsjahr erscheint uns dagegen lediglich eine Befürwortung der unmittelbar an die Landeskirchenleitungen in Westdeutschland gerichteten Bitte des Evangelischen Bundes um Beihilfen der Landeskirchen als möglich. Wir bitten daher den Rat, die Kirchenkanzlei zu beauftragen:

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a) den Landeskirchenleitungen in Westdeutschland vorzuschlagen, die im laufenden Rechnungsjahr für das Institut erforderlichen Mittel durch die vom Evangelischen Bund erbetenen Beihilfen aufzubringen, b) für das folgende Rechnungsjahr die oben vorgeschlagene Regelung vorzubereiten. In Vertretung: gez. von Harling

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24E Dokumente 24E1. Schreiben von Harlings an Smend. O. O., 22. August 1951 F: EZA Berlin, 2/1785 (Konzept mit Paraphe von Harlings). Herr Präsident D. Brunotte übergab mir als dem Sachbearbeiter bei Antritt seines Urlaubs einen von unserer Berliner Stelle ausgearbeiteten Entwurf für die Geschäftsordnung des Rates zur Stellungnahme. Mir scheint vor allem eine Ergänzung hinsichtlich der Vertretung der EKD nach aussen zweckmässig, um bei dieser Gelegenheit gewisse Zweifel zu beseitigen, die in der Praxis bei der Auslegung von Art. 34 der Grundordnung hier und da aufgekommen waren. Wir haben hierzu ein Gutachten von Ihrem kirchenrechtlichen Institut erbeten und unter dem 17. 8. 1951 – Nr. 081.01 –81 erhalten. Ich möchte nicht versäumen, bei dieser Gelegenheit einen besonderen Dank für die schnelle und gründliche Erfüllung unserer Bitte durch das Institut auszusprechen. Das Gutachten bestärkt mich in der Meinung, dass eine Bestimmung zur praktischen Durchführung und authentischen Auslegung von Art. 34 GO. in die Geschäftsordnung des Rates aufgenommen werden sollte. Inzwischen ist aber der Berliner Entwurf bereits als Entwurf der Kirchenkanzlei zusammen mit der Tagesordnung für die nächste Ratssitzung den Herren Mitgliedern des Rates mitgeteilt worden. Es ist mir hiernach zweifelhaft, ob es tunlich sein wird, seitens der Kirchenkanzlei noch Änderungswünsche geltend zu machen, zumal da ich meine Stellungnahme Herrn Präsident D. Brunotte erst nach Rückkehr aus dem Urlaub, also unmittelbar vor der Ratssitzung vorlegen kann. Ich möchte mir daher erlauben, Ihnen von meiner Stellungnahme Kenntnis zu geben, nachdem Ihr Institut sich mit dem wichtigsten Punkt bereits befasst hat: Ich bitte Sie ergebenst um Prüfung, ob und inwieweit Sie sich diese Vorschläge zu eigen machen und sie Ihrerseits dem Rat 81 Vgl. das Gutachten des Kirchenrechtlichen Instituts der EKD zu Art. 34 Satz 2 der Grundordnung der EKD: EZA BERLIN, 2/904.

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gegenüber geltendmachen und vertreten können. Ich bemerke dazu, dass meine Stellungnahme mit den hiesigen Referenten besprochen ist und ihre Zustimmung gefunden hat. Dabei sind wir von der Voraussetzung ausgegangen, dass der Wunsch nach Einrichtung eines engeren Ausschusses aus dem Kreise der Ratsmitglieder kommt und nicht Gegenstand unserer Stellungnahme sein kann. 1 Anlage Mit ehrerbietiger Begrüssung 24E2. Stellungnahme von Harlings zum Entwurf einer Geschäftsordnung für den Rat der EKD. Hannover, 22. August 1951 F: EZA Berlin, 2/1785 (O; Anlage zu 24E1). 1.) Nach § 1 Abs. 1 des Entwurfs82 soll schriftliche Beschlussfassung nur durch den Vorsitzenden herbeigeführt werden können. Dadurch wird die einfache und schnelle Erledigung von Angelegenheiten mit geringer Bedeutung durch die Amtsstellen durch schriftliche Mitteilung eines Vorschlages an die Ratsmitglieder mit der Bitte um stillschweigendes Einverständnis oder Stellungnahme bis zu einem bestimmten Termin unmöglich. Es dürfte aber zweckmässig sein, eine solche Möglichkeit offen zu lassen, da erfahrungsgemäss derartige Angelegenheiten in den Sitzungen häufig wegen Zeitmangels unerledigt bleiben. 2.) Nach § 3 Abs. 2 des Entwurfs nehmen die Leiter der Amtsstellen an den Sitzungen in der Regel teil. Es wäre zweckmässig, wenn sie das Recht erhielten, im Verhinderungsfall Vertreter zu entsenden, da gerade in diesem Fall oft keine Zeit sein wird, die Hinzuziehung durch den Vorsitzenden nach § 3 Abs. 2 Satz 3 des Entwurfs zu veranlassen. Eine abweichende Bestimmung im Einzelfall bliebe dem Rat ohnehin vorbehalten. 3.) Bestimmungen über die Beschlussfassung fehlen. M. E. könnten die Bestimmungen in § 7 Abs. 2 und 3 der alten Geschäftsordnung vom 2. 5. 1946 hierüber übernommen werden83. Für Kundgebungen sollte eine qualifizierte Mehrheit vorgeschrieben werden. 4.) Empfehlenswert erscheint die Aufnahme einer dem § 10 der Geschäftsordnung vom 2. 5. 1946 entsprechenden Bestimmung über die Akten der Kirchenkanzlei. 82 24D1. 83 VONBl 1946, Nr. 16 vom 2. Mai 1946.

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5.) Da sich hinsichtlich der Vertretung der EKD nach aussen nach Art. 34 der Grundordnung84 in der Praxis wiederholt Zweifel ergeben haben, dürfte es zweckmässig sein, eine erläuternde Bestimmung hierüber in die Geschäftsordnung des Rates aufzunehmen. Dabei wäre von dem Gutachten des kirchenrechtlichen Instituts der EKD vom 17. 8. 195185 – Nr. 081.01 – auszugehen, wonach von dem Formerfordernis des Art. 34 Satz 2 GO86 in entsprechender Anwendung der vom Reichsgericht zu den Vorschriften des säkularen Kommunalrechts entwickelten Grundsätze nach dem immanenten Sinn der Vorschrift die Geschäfte der laufenden Verwaltung als ausgenommen anzusehen sind. Vgl. auch Art. 31 Abs. 2 Satz 2 der Grundordnung87. Ein Gegenentwurf, in dem diesen Erwägungen Rechnung getragen ist, ist beigefügt88. v. Harling [m. p.]

24E3. Entwurf von Harlings für eine Geschäftsordnung des Rates der EKD. O. O., o. D. F: EZA Berlin, 2/900 (D; Anlage zu 24E1). Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland gibt sich gemäss Artikel 30 Abs. 5 Satz 3 der Grundordnung folgende Geschäftsordnung: §1 (1) Der Rat fasst seine Beschlüsse grundsätzlich in Sitzungen, ausnahmsweise durch schriftliche Stellungnahme oder in Angelegenheiten von minderer Bedeutung durch stillschweigende Zustimmung der Mitglieder zu schriftlichen Vorlagen. Auf Verlangen eines Mitgliedes ist die Beschlussfassung in jedem Fall der nächsten Sitzung vorzubehalten. (2) Kann eine Entscheidung nicht ohne Schaden für die Sache bis zur nächsten Sitzung aufgeschoben werden, so kann der Vorsitzende sie treffen und die Amtsstellen anweisen, die Entscheidung sofort durchzuführen. Er soll sich nach Möglichkeit mit den Mitgliedern des engeren Ausschusses (§ 6) oder, wenn die Dringlichkeit dies nicht zu84 85 86 87 88

ABlEKD 1948, Nr. 7 vom 15. Juli 1948, S. 113. Vgl. EZA BERLIN, 2/904. EBD. EBD. 24E3.

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lässt, mit dem stellvertretenden Vorsitzenden hierüber verständigen. Die Mitglieder sind über die Entscheidung zu benachrichtigen. §2 (1) Zu den Sitzungen lädt der Vorsitzende ein. Er bestimmt Zeit und Ort der Sitzung, soweit sie nicht durch Beschluss des Rates festgelegt sind. Er stellt unter Berücksichtigung der Beschlüsse des Rates sowie der Anträge der Mitglieder und der Amtsstellen die Tagesordnung auf. (2) Einladung, Tagesordnung und etwaige Vorlagen sollen möglichst nicht später als eine Woche vor der Sitzung in der Hand der Mitglieder sein. §3 (1) Der Rat ist beschlussfähig, wenn ausser dem Vorsitzenden mindestens die Hälfte der Mitglieder anwesend ist. Kundgebungen und Verordnungen dürfen nur verabschiedet werden, wenn ausser dem Vorsitzenden mindestens acht Mitglieder anwesend sind. (2) Für die Beschlüsse des Rates ist Einmütigkeit zu erstreben. Sind Abstimmungen nötig, so ist bei Stimmengleichheit die Stimme des Vorsitzenden ausschlaggebend. Kundgebungen bedürfen der Zustimmung von mindestens 8 Mitgliedern. §4 (1) Die Leiter der Amtsstellen nehmen an den Sitzungen des Rates teil. Sie können sich im Verhinderungsfall durch ihren ständigen Vertreter oder durch einen besonders beauftragten Sachbearbeiter der Amtsstelle vertreten lassen. Der Rat kann aus besonderen Gründen im Einzelfall etwas anderes bestimmen. (2) Die Sachbearbeiter der Amtsstellen können nach Bedarf hinzugezogen werden. Auch kann der Vorsitzende, wenn der Rat nicht widerspricht, andere Personen hinzuziehen. (3) Die Sitzungen sind nicht öffentlich; sie stehen unter dem Gebot der Amtsverschwiegenheit. §5 (1) Über jede Sitzung des Rates ist eine Niederschrift anzufertigen; sie kann sich auf die Wiedergabe der Beschlüsse beschränken. (2) Für die Niederschrift ist der Leiter der Kirchenkanzlei verantwortlich. Er unterzeichnet sie. Zu seiner Unterstützung kann er einen Sachbe-

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arbeiter der Kirchenkanzlei hinzuziehen. In besonderen Fällen kann eine andere Regelung getroffen werden. §6 (1) Der Rat bildet aus seiner Mitte einen engeren Ausschuss. Diesem gehören der Vorsitzende und zwei weitere Mitglieder an. (2) Der engere Ausschuss erledigt diejenigen Aufgaben, die ihm der Rat allgemein oder im einzelnen Fall überträgt. Seine Beschlüsse gelten als Beschlüsse des Rates. Sie sind schriftlich niederzulegen, unverzüglich zu den Akten der Kirchenkanzlei zu geben und allen Mitgliedern des Rates mitzuteilen. §7 (1) Die Beschlüsse des Rates und des engeren Ausschusses sind von den Amtsstellen vorzubereiten und durchzuführen. (2) Die Leiter der Amtsstellen haben den Rat und, wenn er nicht versammelt ist, den Vorsitzenden des Rates über alle wichtigen Geschäfte zu unterrichten. Der Vorsitzende kann von ihnen Berichte erfordern [sic!] und ihnen im Rahmen des § 1 Abs. 2 Weisungen erteilen. Die Mitglieder des Rates können jederzeit Einsicht in die Akten der Amtsstellen nehmen. (3) Auch die Mitglieder sollen den Rat über alle für seine Arbeit bedeutsamen Angelegenheiten auf dem laufenden halten, die ihnen in ihrem eigenen Wirkungsbereich bekannt werden. §8 (1) Der Vorsitzende vertritt den Rat nach aussen, unbeschadet der Mitwirkung des Leiters der Kirchenkanzlei oder seines geschäftsordnungsmässigen Vertreters nach Artikel 34 der Grundordnung. (2) Bei Rechtsgeschäften der laufenden Verwaltung, die nach Artikel 31 Abs. 1 der Grundordnung im Rahmen der kirchlichen Ordnungen nach den Weisungen des Rates von den Amtsstellen selbständig erledigt werden können, ist die Mitwirkung des Vorsitzenden des Rates oder seines Stellvertreters nach Artikel 34 der Grundordnung nicht erforderlich.

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24E4. Schreiben des Ratsvorsitzenden an die Landeskirchen. Berlin, 18. September 1951 F: EZA Berlin, 4/491 (O). Der Reichsbruderrat hat den Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland gebeten, die Gliedkirchen aufzufordern, das „Wort zum Frieden“ von Weissensee in allen Gemeinden von neuem von den Kanzeln verlesen zu lassen und die Pfarrer und Aeltesten aufzufordern, das Wort in Gemeindeversammlungen auszulegen89. Auf Beschluss des Rats gebe ich diese Bitte hierdurch mit herzlicher Befürwortung weiter. Das Wort von Weissensee ist zwar seinerzeit viel besprochen worden. Trotzdem müssen wir uns darüber klar sein, dass es keineswegs überall durchgedrungen und selbst da, wo man es vor anderthalb Jahren gehört hat, wieder vergessen ist. Es wird daher nicht überflüssig sein, die Gemeinden von neuem daran zu erinnern. Das Wort ist lang und inhaltsreich. Wir haben erlebt, dass jeder dasjenige herausliest, was seiner politischen Einstellung entspricht. Umso wichtiger wird es sein, dass dem Wort eine ausführliche, biblisch begründete und seelsorgerliche Auslegung gegeben wird, damit es in seinem ganzen Inhalt fruchtbar werden kann. Man hat gesagt, dass ein Wort, das vor anderthalb Jahren gesprochen worden ist, die Situation von heute nicht mehr ganz trifft; denn die Entwicklung geht einen schnellen Gang. Das ist sicherlich richtig. Aber es steht in dem Wort von Weissensee doch so vieles, was von allen Zeiten und in allen Situationen gilt. So wird es gewiss noch heute den Gemeinden einen wesentlichen Dienst tun können. Mit herzlicher Begrüssung Dibelius [m. p.]

24E5. Schreiben Niemöllers an Osterloh. Wiesbaden, 8. Oktober 1951 F: EZA Berlin, 2/2574 (O). Im Nachgang zu dem, was ich Ihnen wegen meiner Nichtteilnahme an der Sitzung am 17. Oktober schrieb90, möchte ich Sie noch auf folgendes aufmerksam machen: Zu dem Material, das uns für die Kriegsdienstverweigerungsfrage zu beschäftigen hat, gehört auch der Juristenrundbrief der Evangelischen 89 Vgl. 24D2. 90 Dieses Schreiben konnte nicht ermittelt werden.

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Akademie Nr. 4 vom September 1951, mit einem Artikel von einem Professor Scheuner, Bad Godesberg: „Das Recht der Kriegsdienstverweigerung“91. Ich halte diesen Artikel für ausserordentlich gefährlich und für absolut widersprechend nicht nur dem lutherischen Bekenntnis (Augsburger Konfession: ius-te [sic!] bellare), sondern auch gegenüber unserer gesamtevangelischen Auffassung von dem Gewissen und der gewissensmässigen Entscheidung. – Dieser Prof. Scheuner tut so, als könnte das Gewissen sich mit der „Rechtmässigkeit von Handlungen“ zufrieden geben und hätte nicht nach der Gerechtigkeit von Handlungen zu fragen. Wenn sich die evangelische Kirche auf diese Linie begibt, dann wird es nicht nur eine Spaltung in der EKiD, sondern auch noch im Luthertum geben, und wir werden damit Luther selbst verleugnen, jedenfalls seine Haltung in der Schrift „Ob Kriegsleute auch im seligen Stande sein können“92. Es liegt mir daran, Ihnen das noch ganz kurz und in Strichen zu sagen, ehe ich verreise, damit an dieser Stelle um Himmels willen kein Unglück passiert; es würde ein ganz grosses Unglück werden! Können Sie mich im übrigen noch davon unterrichten, wer dieser Prof. Scheuner in Bad Godesberg ist, und wie dieser Mann mit solchen absolut naturrechtlichen Auffassungen in die Kreise unserer evangelischen Akademien gerät. Freilich wird es mir immer deutlicher, dass diese sogenannten evangelischen Akademien manchmal höchst katholische Akademien sind, jedenfalls aber für katholische Auffassungen in einer völlig unbiblischen Weise Vorspanndienst leisten. Mit freundlichen Brudergrüssen Ihr M. Niemöller [m. p.]

24E6. Schreiben Kunsts an Dibelius. Bonn, 20. Juli 1951 F: EZA Berlin, 2/2574 (D). Hochwürdigster Herr Bischof! Bei meinen ersten Fühlungnahmen mit den Dienststellen der Bundesrepublik in Bonn erfuhr ich, dass der Verteidigungsbeitrag der Bundesrepublik wahrscheinlich im Herbst im Bundestag zur Verhandlung kommen wird. In der Dienststelle des Staatssekretärs Blank im Bundeskanzleramt wird 91 U. SCHEUNER, Kriegsdienstverweigerung, S. 2–6. 92 WA 19, S. 623–662.

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z. Zt. ein Wehrgesetz ausgearbeitet. Es geht von der allgemeinen Dienstpflicht aus. Soweit ich bis jetzt in Erfahrung brachte, ist es wenig wahrscheinlich, dass das Gesetz mit den Stimmen der Opposition verabschiedet wird, trotzdem Dr. Schumacher in der grundsätzlichen Frage eines neuen deutschen Heeres kaum von dem Urteil des Bundeskanzlers abweicht. In jedem Falle scheint es mir wichtig, dass der Rat und die Kirchenkonferenz sich mit dem gesamten Fragenkreis befassen, sobald das Kabinett die Vorlage verabschiedet hat. Dabei brauchte der Skopus der Zusammenkunft nicht eine öffentliche Erklärung zu sein. Einer der Bundesminister oder Staatssekretäre sollte eine präzise Information über die Absichten der Regierung und die politische Situation im Urteil der Regierung geben. Im Unterschied von der bisherigen Übung im deutschen Heer wird bis jetzt geplant, die Wehrbezirkskommandos mit Zivilisten zu besetzen. Auch Ärzte und Veterinäre sollen nicht mehr Offiziere sein. In Friedenszeiten sollen möglichst alle zivilen Arbeiten im Heer auch von Zivilisten bearbeitet werden. Das ist für uns wichtig, weil dann auch die Stellung der Militärgeistlichen neu geregelt werden muss. Es wird erwogen, in den Standorten der Truppen durch die Landeskirchen neue Pfarrstellen schaffen zu lassen, die vom Staate dotiert werden. Die Landeskirchen würden die ihnen unterstellten Geistlichen zum Dienst in der Wehrmachtseelsorge beauftragen. Man beabsichtigt nicht, die Truppen wie noch nach 1933 in starker Streuung über die Städte zu verteilen. Geplant wird der Bau von einer Art Divisionsdörfern. In jedem Falle sollte sich bald ein kleiner Kreis von erfahrenen Männern mit der Frage der Gestaltung der Wehrmachtseelsorge befassen. Für diesen Kreis empfehlen sich von den ehemaligen leitenden Wehrmachtpfarrern neben Herrn Feldbischof D. Dohrmann, München, der frühere Feldgeneralvikar, Dekan Münchmeyer, Bielefeld, und Dekan Schuster, Fulda. Unter den jüngeren ehemaligen Wehrmachtpfarrern sind eine Reihe ausgezeichneter Männer mit wertvollem Rat. Nachdrücklich ventiliert wird die Frage des Eides. Soll der Eid durch ein Gelübde ersetzt werden? Soll der Eid auf die unpersönliche Verfassung oder den Bundespräsidenten geleistet werden? Soll die Eidesleistung unter Anruf des Namens Gottes geschehen? Ich konnte Einsicht nehmen in die Stellungnahmen der Hauptreferenten, die in allen genannten Fragen erheblich voneinander abwichen. Am konservativsten war der Vorschlag des katholischen Ministerialrats Wirmer. Überaus wichtig ist die Regelung der Frage der Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen nach Art. 4, 3 des Grundgesetzes. Sicher werden politische Gründe bei der Verweigerung des Kriegsdienstes nicht als Gewissensgründe anerkannt werden. Es ist in Aussicht genommen, dass zwei Geistliche in jede Prüfungskommission für die Kriegsdienstverweigerer berufen werden. Bis jetzt war der Innenminister in dieser Frage federführend, wahrscheinlich geht die Zuständigkeit in dieser Sache bald auf den

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Bundeskanzler über. Ich habe dem Bundeskanzleramt das bisher im Raume der Evangelischen Kirche in Deutschland erarbeitete Material zur Verfügung gestellt. Die Freikirchen sind bis jetzt noch nicht an den Beratungen beteiligt. Nach meiner Kenntnis ist auch die katholische Kirche noch nicht eingeschaltet. Sie hält sich in dieser Frage überhaupt, wenigstens in ihrem Episkopat, sehr zurück. Ich habe meinerseits erklärt, dass es mir nicht sicher sei, ob die Evangelische Kirche mit der bisherigen Regelung des Waffendienstes für ihre Geistlichen einverstanden sei. Ich könnte mir denken, dass mindestens erwogen wird, ob man nicht den Zustand von vor 1914 anstreben soll. Ich begegnete in dieser Sache einer vollen Offenheit. Das Wehrgesetz ist noch nicht zur Vorlage an das Kabinett fertiggestellt. Ich empfehle aber, mit den Wünschen der Kirche nicht zu warten, bis das Kabinett mit dem Gesetz befasst wird. Einer der Sachbearbeiter ist Herr Graf von Baudissin, ein bewusst evangelischer Mann. Zur Dienststelle des Staatssekretärs Blank darf ich noch bemerken, dass sie intern z. Zt. einer lebhaften Kritik begegnet, besonders auch von den Kreisen des Generalobersten a. D. Guderian. Man wirft ihr vor, dass sie im wesentlichen aus Leuten zusammengesetzt ist, die am 20. Juli beteiligt waren. Alle in diesem Bericht vorgetragenen Dinge sind mir vertraulich zur Kenntnis gebracht worden. Ich wäre dankbar, wenn ich bis zum Ende der Parlamentsferien, also bis Anfang September, mit Weisungen versehen werden könnte, ob und was ich in der Sache tun soll. In der nächsten Woche werde ich eine Unterredung mit Herrn Staatssekretär Blank haben. Sollten sich dabei neue Gesichtspunkte ergeben, werde ich sofort berichten. Mit ehrerbietiger Begrüssung bin ich Ihr gehorsamst ergebener gez. Kunst

24E7. Schreiben Osterlohs an Kunst. O. O., 16. August 1951 F: EZA Berlin, 2/2574 (Abschrift). Betr.: 1.) Verhandlungen über das Gesetz „Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen“, Art. 4,3 GG. Betr.: 2.) Waffendienst der Geistlichen. Betr.: 3.) Wehrmachtseelsorge. Bezug: Ihr Schreiben vom 20. 7. 51 an Herrn Bischof D. Dr. Dibelius DD93. 93 24E6.

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Sehr verehrter, lieber Bruder Kunst! Herr Präsident D. Brunotte hat mir einen Durchschlag Ihres Briefes vom 20. Juli an Herrn Bischof D. Dr. Dibelius zur Kenntnisnahme zugeleitet. Da ich mich mit Ihnen in der Bemühung einig weiss, in allen kirchenamtlichen Äusserungen gegenüber staatlichen Dienststellen ein möglichst hohes Maß inhaltlicher Übereinstimmung und folgerichtiger Beharrlichkeit zu erstreben, bitte ich um die Erlaubnis, Ihnen zu einigen Fragen, die in Ihrem Brief an Herrn Bischof D. Dr. Dibelius angeschnitten sind, folgende Gesichtspunkte vortragen zu dürfen: Zu Betr. 1.) Über die Frage einer kirchlichen Stellungnahme zu einem Gesetz über Kriegsdienstverweigerung aus Gewissens-Gründen hat eine Tagung der Kammer für öffentliche Verantwortung stattgefunden. Die Ergebnisse dieser Tagung sind aus situationsbedingten Ursachen bisher nicht zum Gegenstand einer Beschlußfassung des Rates gemacht worden. In einigen wesentlichen Dingen war aber Übereinstimmung erzielt: a) Es erschien allen Beteiligten als nicht geraten, Geistliche in Prüfungskommissionen für die Kriegsdienstverweigerer berufen zu lassen. Durch eine solche Teilnahme von Geistlichen würde die christliche Erkenntnis von der Bindung des Gewissens an Gottes Wort und Gottes Gebot sowie die Anerkennung des biblischen Satzes: Der Mensch sieht, was vor Augen ist, Gott aber sieht das Herz an94, gefährdet werden. b) Allgemein erschien eine weitgehende Berücksichtigung der bisherigen Erfahrungen auf diesem Gebiet in England und Amerika empfehlenswert. Auch hier sind keine Geistlichen ex officio an den entsprechenden Prozessen beteiligt. c) Für wichtig wurde gehalten, dass die Kirche auf jeden Fall die Möglichkeit eines geordneten Seelsorgedienstes bei den Ersatzdiensten (Zwangsarbeiten usw.), aber auch bei der Strafableistung solcher Kriegsdienstverweigerer, deren Gründe nicht anerkannt werden, die aber bei der Verweigerung beharren, erhält. Über die ganze Materie hat eine ausführliche Besprechung zwischen den Referenten des Bundesinnenministeriums, die an einer diesbezüglichen Gesetzesvorlage arbeiteten, und mir stattgefunden. Zu Betr. 2.) Über den Waffendienst der Geistlichen hat die Kirchenkanzlei auftragsgemäss die anliegende Befragung der Landeskirchen eingeleitet. Nach meinen bisherigen, z. T. sehr ausführlichen Aussprachen mit führenden Geistlichen verschiedener Landeskirchen, halte ich es für erforderlich, dass auf jeden Fall die Äusserungen der Landeskirchen auf dieses Rundschreiben berücksichtigt werden. 94 1 Sam 16,7.

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Zu Betr. 3.) Mehrere Landeskirchen haben bereits ziemlich klar ausgeprägte Vorstellungen über die Form, die eine etwaige Wehrmachtsseelsorge in Zukunft annehmen müsste. Wir halten es für erforderlich, dass diese Überzeugungen der Landeskirchenleitungen bei kirchlichen Verhandlungen berücksichtigt werden. Dazu wird wahrscheinlich eine Aussprache auf der Westkirchenkonferenz erforderlich sein. Wir sind darüber hinaus der Ansicht, dass die inzwischen gesammelten neuen Erfahrungen der von den süddeutschen und jetzt auch von den norddeutschen Kirchen neu geregelten speziellen Seelsorge an kasernenmässig untergebrachten jungen Männern berücksichtigt werden müssen. (Besondere Abmachungen über Pfarrstellen in Arbeitseinheiten bei der amerikanischen Armee – Reisesekretär für diese besondere Arbeit in der britischen und französischen Zone). Aus einem Rundschreiben der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen habe ich ersehen, dass auch dieser Kreis sich mit Fragen grundsätzlicher theologischer Bedeutung im Blick auf eine etwaige zukünftige Wehrgesetzgebung befasst95. Ich würde es sehr begrüssen, wenn es sich ermöglichen liesse, den ganzen Fragenkomplex einmal etwa zwischen dem Herrn Ratsvorsitzenden, seinem Stellvertreter, Ihnen als dem Bevollmächtigten des Rates und einem Vertreter der Kirchenkanzlei zu besprechen. Um die Voraussetzungen für eine geordnete Verfahrensweise in der Zukunft zu schaffen, bitte ich den Präsidenten der Kirchenkanzlei, dem Rat auf seiner nächsten Sitzung in Tutzing am 6./7. 9. 51 folgenden Beschluss vorzuschlagen: Die Kirchenkanzlei in Hannover wird beauftragt, in der Zusammenarbeit mit dem Bevollmächtigten des Rates der EKD am Sitz der Bundesrepublik unter Berücksichtigung der bisherigen Erörterungen in der Kammer für öffentliche Verantwortung einen Überblick über alle Fragen zu erarbeiten, zu denen die Evangelische Kirche im Falle eines kommenden Wehrgesetzes Stellung zu nehmen hat. Insbesondere sollen Vorschläge erarbeitet werden für eine kirchliche Stellungnahme zu den Fragen a) der Gesetzgebung über Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen, b) der Regelung des Verhältnisses der evangelischen Pfarrer zum Waffendienst c) des Aufbaues einer zukünftigen Wehrmachtsseelsorge. Eine Abschrift dieses Briefes übersende ich der Einfachheit halber mit der Bitte um Kenntnisnahme gleichzeitig an den Vorsitzenden des Rates, 95 Vgl. dazu das Schreiben der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland an die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft vom 4. August 1951, das einen von Kunst zusammengestellten Fragenkatalog über die Eidesfrage, die Kriegsdienstverweigerung und die Seelsorge bei den Streitkräften enthielt (EZA BERLIN, 2/2574).

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Herrn Bischof D. Dr. Dibelius, und an Herrn Präsident D. Brunotte, dem der Durchschlag freilich erst nach seiner Rückkehr aus seinem Urlaub am 1. 9. 51 vorgelegt werden kann. In der Verbundenheit der Arbeit mit herzlichen Grüssen Ihr sehr ergebener gez. Edo Osterloh 24E8. Schreiben Dibelius’ an Kunst. O. O., 21. August 1951 F: BArch Koblenz, NL Dibelius, Nr. 8 (D). Mein lieber Bruder Kunst! Herzlichen Dank für Ihren Brief, den ich soeben erhalte96. Mit Mr. McCloy habe ich inzwischen gesprochen. Sein Standpunkt ist folgender: 1. Ein deutscher Beitrag muss sein, weil Europa sonst nicht zu verteidigen ist. 2. Keine besondere deutsche Wehrmacht, sondern lediglich deutsche Divisionen innerhalb der Europa Armee. 3. Ob allgemeine Wehrpflicht oder Freiwilligen-Armee nach dem Muster des Hunderttausend-Mann-Heeres sei den Amerikanern gleich. Er persönlich neige mehr zur allgemeinen Wehrpflicht, weil sie a) in allen anderen Staaten herrsche und b) demokratischer sei als eine gesonderte Kaste. 4. Die Frage der Kriegsdienstverweigerer zu regeln, sei eine deutsche Angelegenheit, in die sich die Amerikaner nicht einmischen würden. Er hielt die amerikanischen Bestimmungen für besser als die englischen. 5. Die 25.000 Mann amerikanischer Fabrikschutz würden wohl, ähnlich wie die Grenzpolizei, ein erhebliches Kontingent zu den deutschen Divisionen stellen. Bisher sei der erstere nur am Gewehr und vielleicht am leichten Maschinengewehr ausgebildet. Die laufenden Kosten veranschlagte McCloy auf 3 Milliarden, die die Priorität vor den 6 Milliarden Besatzungskosten haben würden. Die Kosten für die einmalige Ausrüstung werde Amerika tragen. Mir war das genug. Für den Bundeskanzler ist es bestimmt nichts Neues. Aus dem Gespräch mit McCloy habe ich entnommen, dass seine Handlungsfreiheit etwas grösser ist, als ich vermutet hatte. Ich persönlich bin noch immer für eine Freiwilligen-Armee, die die schwierige Frage der Kriegsdienstverweigerer gegenstandslos machen würde. 96 Vgl. 24E6.

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Die allgemeine Militärpflicht stösst zurzeit noch auf so viel Abneigung, dass die Ausführung von Artikel 4 sehr grosse Schwierigkeiten zu überwinden haben wird. Ich kann natürlich noch nicht sagen, wie der Rat sich entscheiden wird, und gebe Ihnen ganz anheim, ob Sie auf irgendeinem Wege den Bundeskanzler von meinem Gespräch mit Herrn McCloy unterrichten lassen wollen. Alles andere mündlich in Tutzing. Mit herzlichem Gruss Ihr getreuer 24E9. Schreiben des Rates der EKD an den Präses der Lippischen Landessynode. Berlin, 6. Oktober 1951 F: EZA Berlin, 2/2905 (D). – Abdruck: F. Merzyn, Kundgebungen, S. 124ff. Betr.: Vereidigung der Beamten im Lande Nordrhein-Westfalen auf die Verfassung. Sehr geehrter Herr Präses! Die Lippische Landessynode hat den Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland gebeten, zu der kürzlich vom Lande Nordrhein-Westfalen angeordneten Vereidigung der Beamten auf die Verfassung Stellung zu nehmen. Daß nach allen Erfahrungen der letzten Jahrzehnte Bedenken gegen eine solche Maßnahme aufkommen können, ist uns durchaus begreiflich. Darum sind wir zu der erbetenen Hilfe gern bereit. Wir bitten aber zu bedenken, dass die allgemeine Lage des theologischen Gespräches über das Verhältnis von Kirche und Staat, wovon das Eidesproblem ja nur ein Teil ist, zur Behutsamkeit mahnt. Auch wo die Verhältnisse von heute sich gegenüber denen der Reformationszeit geändert zu haben scheinen, halten wir es doch für geboten, bei den von uns heute verlangten Entscheidungen grundsätzlich in der Gemeinsamkeit mit unseren reformatorischen Vätern zu bleiben, solange nicht allgemein anerkannt ist, dass deren Aussagen einer Berichtigung auf Grund besserer Erkenntnis der Heiligen Schrift bedürfen. Sowohl die lutherischen wie die reformatorischen Bekenntnisschriften erkennen an, dass es einen vom Staat rechtmäßig geforderten Eid gibt und also eine Eidesleistung unter bestimmten Voraussetzungen biblisch erlaubt, ja geboten ist. Dies gilt nicht nur für den sogenannten assertorischen (Zeugeneid vor Gericht), sondern auch für den im vorliegenden Fall allein in Frage stehenden promissorischen Eid (Treueverpflichtung).

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Es wird nun zwar gelegentlich eingewandt, ein solcher Treueid setze eine innere Übereinstimmung zwischen dem, der den Eid fordert, und dem, der ihn leistet, voraus; es müsse also eine gemeinsame religiöse Grundlage vorhanden sein. Dies war aber für die Reformatoren keineswegs eine Vorbedingung; auch sie kennen bereits eine nichtchristliche Obrigkeit der Heiden und Türken und machen in der Frage des Eides keinen Unterschied. Sie sehen in der Eidforderung des Staates ein Recht, das ihm als der von Gott eingesetzten oder zugelassenen Obrigkeit zukommt und von der persönlichen Einstellung der jeweiligen Inhaber der Staatsgewalt unabhängig ist. Daß es sich dabei ausschließlich um den Eid unter Anrufung des Namens Gottes handelt, bedarf keiner besonderen Betonung; das Aufkommen nichtreligiöser Eidesformeln ist erst neueren Datums. Gewiß hat der Staat nicht einfach eine freie Verfügung über den Eid. Die Obrigkeit muß wissen, dass es für den Christen niemals einen b e d i n g u n g s l o s e n Treueid gibt und dass der Gehorsam gegen den Staat nur so weit gilt, als der Staat nicht befiehlt, Sünde zu tun oder sich an sündhaftem Handeln mitschuldig zu machen (Apg. 5,29). Gegebenenfalls ist die Kirche Jesu Christi berufen, dem Staat gegenüber Gottes Wort auch in der Frage des Eides zu bezeugen. Wo die Gefahr eines Missbrauchs entsteht, wo der Staat eine inflationistische Entartung des Eides treibt oder ihn in den Dienst gottloser und unsittlicher Nebenabsichten stellt, um seine Macht zu erweitern, da hat die Kirche den Auftrag, ihre Stimme zu erheben und sowohl den Eidfordernden wie auch den zum Eid Geforderten zu ermahnen, zum rechten Gebrauch des Eides zurückzukehren. Wie dies im einzelnen geschehen kann, ist uns aus der Zeit des Kirchenkampfes in Erinnerung. Auch heute ist vor allem darauf hinzuweisen, dass eine allzu häufige Verwendung des Eides den Eid billig und darum zum Mittel echter Treueverpflichtung ungeeignet macht. Der Gebrauch des Eides, der, in welcher Form er auch immer geleistet werden mag, vom Christen vor Gottes Angesicht geschworen wird, ist auf das notwendige Maß zu beschränken. Die Regierungen werden sich heute ernstlich fragen müssen, ob nicht der einmal bei der Anstellung geleistete Beamteneid genügen könnte und ob wirklich eine erneute Vereidigung auf eine Verfassung des Landes oder des Bundes gefordert werden muß. Andererseits sind auch die zur Eidesleistung Geforderten eindringlich zu belehren, dass sie als Christen jeden Eid in letzter Verantwortung vor Gott schwören. Mag der Staat die Wahl zwischen einer religiösen oder einer weltlichen Eidesformel zulassen: der Christ muß wissen, dass ein weltlicher Eid, ja eine einfache Versicherung, ein bloßes Versprechen, vor Gottes Angesicht ebenso bindet wie ein Eid unter Anrufung des Namens Gottes. Darum wäre eine Ersetzung des Eides durch ein einfaches Versprechen keine Lösung des Problems. Der Christ ist ja auch abgesehen

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von allem Versprechen oder Eid verpflichtet, „um des Herrn willen“ die Gesetze und die Verfassung des Staates zu halten, wie er auch die Freiheit hat, im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen gegebenenfalls für deren Abänderung einzutreten. Der Rat der EKD ist der Auffassung, dass unter Beachtung dieser Grundgedanken die Eidesleistung eines christlichen Beamten dem Staat gegenüber heute möglich ist. Wir meinen, dass die heutigen Eidforderungen nicht einfach mit denen der nationalsozialistischen Zeit auf einer Linie zu sehen sind. Wir halten auch die uns mitgeteilte Eidesformel des Landes NordrheinWestfalen im allgemeinen für tragbar. Missverständlich erscheint uns lediglich die Wendung, dass der Beamte verpflichtet sein soll, Verfassung und Gesetze zu befolgen u n d z u v e r t e i d i g e n . Wir würden es daher für empfehlenswert halten, wenn die Lippische Kirchenleitung zusammen mit den Kirchenleitungen von Westfalen und Rheinland an die Regierung von Nordrhein-Westfalen mit der Bitte herantreten würde, die in ihrem Sinngehalt unklaren Worte „und verteidigen“ in der Eidesformel zu streichen oder durch eine deutlichere Formulierung zu ersetzen. Im übrigen wird der Rat der EKD mit den Brüdern in den verschiedensten Landeskirchen die Entwicklung der Eidespraxis in West und Ost aufmerksam verfolgen und im Einzelfall jedem Versuch entgegentreten, den von einem rechten Staat rechtmäßig zu erfordernden Eid missbräuchlich in den Dienst einer Ideologie oder eines Machtstrebens zu stellen und dadurch das christliche Gewissen zu bedrücken. Wir empfehlen der Lippischen Landessynode, in diesem Sinne mit den staatlichen Stellen zu verhandeln und die christlichen Beamten, von denen die Frage ausgegangen ist, zu beraten. Von dem Inhalt dieses Schreibens kann selbstverständlich dabei gern Gebrauch gemacht werden. Mit brüderlicher Begrüßung (gez.) D. Dibelius [m. p.] 24E10. Schreiben Osterlohs an Niesel. O. O., 21. Juli 1951 F: EZA Berlin, 2/2905 (D). Sehr verehrter, lieber Bruder Niesel! Der Rat hat in seiner letzten Sitzung Ihnen aufgegeben, einen Gegenentwurf zu meiner Vorlage betr. Vereidigung zu machen. Mich bewegt diese Angelegenheit, da sie meines Erachtens wirkliche theologische Hintergründe hat. Es kann nicht ganz übersehen werden, daß in dieser Frage das reformierte Urteil vielleicht ein wenig anders ist als das lutherische. Bei der Vorbereitung meiner Vorlage habe ich allerlei Literatur gewälzt. Es war mir dabei eindrücklich,

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daß sowohl die lutherischen wie die reformierten Väter zunächst einmal die Lehre von der Obrigkeit in der bekannten Weise statuieren, wenn es um den Eid geht. Dabei war die Gefahr eines Mißbrauches durch Häufigkeit damals genau so groß wie heute. Wenn irgendwo Untertanen durch Friedensschlüsse oder durch Erbschaft unter einen neuen Landesherren kamen, wurde unbedenklich neu vereidigt. Ich sehe heute die Gefahr eines sich biblisch verstehenden, aber eben nicht biblisch begründeten Schwärmertums in allen Fragen aufkommen, die mit dem Staat zusammenhängen. Wir sind heute in der Gefahr, unter dem Eindruck des Mißbrauches der vergangenen 15 Jahre den rechten Gebrauch zu verkehren. Ich bin daher der Meinung, daß ein Wort des Rates nur dann richtig wäre und von allen Mitgliedern geteilt werden könnte, wenn es beide Aufgaben erfüllte: Einmal muß meines Erachtens der Rat den Beamten gegenüber, die Bedenken geäußert haben, so etwas tun, wie ich es in meinem Entwurf versucht habe, nämlich ihr Gewissen trösten und die rechte Lehre von der Obrigkeit darlegen. Sie wissen selbst, wie heute von allen Seiten dadurch gesündigt wird, daß die Autorität der Obrigkeit herabgesetzt wird. Daneben, aber nur daneben, könnte man dem Staat einiges in der Richtung sagen, wie Sie es wünschten. Im ganzen bitte ich Sie zu bedenken, daß der Rat hier zu einer konkreten und begrenzten Frage reden soll, die ihm von der Lippischen Landessynode gestellt ist. Der Rat soll gar nicht über den Eid im allgemeinen und also auch in diesem Zusammenhang nicht über den Zeugeneid vor Gericht sprechen. Ich halte es immer für falsch, wenn heute in die Öffentlichkeit hinein allgemeine Ausführungen gemacht werden. Hier geht es lediglich darum, ob Staatsbeamte auf eine Verfassung vereidigt werden sollen. Hier wird ja nicht die Bevölkerung vereidigt, wie im Dritten Reich die SA, die HJ, die NSV usw. Unter diesen Gesichtspunkten bitte ich Sie, Ihren Gegenentwurf aufzustellen und mir möglichst noch vor der Ratssitzung zuzusenden, damit wir womöglich zu einer einheitlichen Vorlage kommen. Mit herzlichen Grüßen Ihr

24E11. Schreiben Ehlers’ an Osterloh. Adelboden, 17. August 1951 F: EZA Berlin, 2/4416 (O). Lieber Bruder Osterloh! Herzlichen Dank für Ihre Briefe vom 9. und auch 9.8 [sic!]97. 97 Vgl. das Schreiben Osterlohs an Ehlers vom 9. August 1951 (EZA BERLIN, 2/4416).

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Wegen des Volkstrauertages füge ich meinen letzten Briefwechsel mit Hagemann in Abschrift bei98. Die Vorgestrigkeit dieser Leute ist nicht totzuschlagen. Aber sie existieren ja eigentlich nur dadurch, dass sie offiziell und hintenherum im Landeskirchenamt am Markt alle Unterstützung haben. Und dass auch unsere Pastoren anderwärts solchen Tag nur zu gern feiern, weil er theologisch keine Ansprüche stellt, aber so wunderbar mit dem Gefühl operieren lässt. Ich weiss auch keinen Ausweg mehr – ausser Aussterben lassen! Aber inzwischen hat sich dann dieser neue Volkstrauertag, der sich angesichts der politischen Lage genau so verheerend auswirkt wie der frühere, wieder eingebürgert. Ich frage mich, ob die Kirchen nicht eine Vereinbarung treffen sollten, dass in Verbindung mit dem Totengedenktag offiziell das kirchliche Totengedenken für die Kriegsopfer festgesetzt wird und dass man dann dem Volksbund vorschlägt, unter Verzicht auf den Namen „Volkstrauertag“ einen „Opfertag für die Pflege und Erhaltung der Gräber der Kriegsopfer“ zu veranstalten. Das halte ich für ein berechtigtes Anliegen, dem man notfalls sogar mit einer Kollekte dienen könnte. An Lehr heranzutreten, liegt mir nicht, da ich ihn nachdrücklich ablehne, insbesondere nach seinem Verhalten anlässlich des Kirchentages. Den Aufsatz aus der „Neuen deutschen Schule“ habe ich anfordern lassen und komme darauf zurück. Mit herzlichen Grüssen Ihr Ehlers [m. p.] 24E12. Schreiben des Bundesministers für Vertriebene an den Ratsvorsitzenden. O. O., 21. Mai 1951 F: EZA Berlin, 2/4276 (D). Hochverehrter Herr Bischof! In dankbarer Erinnerung der Mitwirkung seitens des Rates der evangelischen Kirchen in Deutschland bei der Ausarbeitung des Flüchtlingssiedlungsgesetzes darf ich heute erneut die Bitte an Sie richten, sich der Fragen des heimatvertriebenen Landvolkes anzunehmen. Gewiss sind über 13.000 heimatvertriebene Landwirte mit Hilfe der Massnahmen nach den Bestimmungen dieses Gesetzes wieder in die landwirtschaftliche Arbeit eingegliedert worden. Trotzdem bereitet mir die Unterbringung der bisher noch 98 Beide Schreiben in: EZA BERLIN, 2/4416.

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nicht eingegliederten Landwirte-Familien aus dem Osten zunehmend grössere Sorge, da eine gewisse Neigung zur Radikalisierung in diesen Kreisen feststellbar wird. Es sollten sich alle verantwortlichen Kreise über die Bedeutung dieser Entwicklung klar werden und sich erneut überlegen, welche weiteren Massnahmen zu treffen sind. Es ist daher beabsichtigt, am Freitag den 15. Juni 1951 in Bonn im Studentenhaus, Nasse Strasse, die verantwortlichen führenden Persönlichkeiten der Arbeitsgemeinschaft zur Eingliederung der Heimatvertriebenen auf dem Lande zu einer Aussprache zu bitten. Seinerzeit hat der Herr Landesbischof D. Lilje die Vertretung des Rates der Evangelischen Kirchen in Deutschland übernommen. Ich habe mich auch an den Vorsitzenden der Fuldaer Bischofskonferenz, seine Eminenz Kardinal Frings mit der Bitte um Teilnahme gewandt. Zusammen mit dem Vertreter des Berufsstandes des heimatvertriebenen Landvolkes und der an diesen Fragen besonders interessierten Herren Bundesminister soll in einem kleineren Kreise diese Frage behandelt werden. Der Staatssekretär für das Flüchtlingswesen, Herr Prof. Dr. Oberländer, hat sich bereit erklärt, ein Referat als Grundlage zu dieser Aussprache zu halten und zwar über das Thema: „Die Folgerungen aus den gewaltsamen Umänderungen der Landwirtschaft im Sowjetbereich für die deutsche Landwirtschaft und die Eingliederung der heimatvertriebenen Landwirte.“ Ich wäre Ihnen daher sehr dankbar, wenn Sie persönlich oder Ihr Vertreter, Herr Landesbischof Lilje, teilnehmen könnten, um die Bedeutung dieser Frage zu unterstreichen und damit auch die weitere Bereitwilligkeit einer Mitarbeit seitens der Evangelischen Kirche zum Ausdruck zu bringen. Ich füge in der Anlage die besondere Einladung mit der Bitte bei, nach Möglichkeit Bescheid zu erteilen, ob eine Teilnahme von Ihrer Seite möglich ist. Mit vorzüglicher Hochachtung gez. Dr. Lukaschek

24E13. Schreiben Stählins an die Kirchenkanzlei. Oldenburg, 17. Juni 1951 F: EZA Berlin, 2/3522 (O). Betrifft: Wiedertaufen durch die römisch-katholische Kirche. Einer unserer Pfarrer berichtet uns von solchen Fällen, in denen Personen, die als Kinder nach evang.-lutherischem Ritus getauft worden waren, beim Übertritt zur römisch-katholischen Kirche sub conditione wiedergetauft worden sind, und bittet uns, Schritte zu unternehmen, um diesem Verfah-

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ren, das als „ein Akt betonter konfessioneller Feindseligkeit“ und als „eine Verachtung des Taufsakraments“ empfunden wird, entgegenzutreten. Der Unterzeichnete hat aus Anlaß eines ihm genau bekannten Einzelfalles mit dem Bischof von Münster über diese Frage gesprochen und auch im Rahmen der evangelisch-katholischen theologischen Arbeitskonferenzen darauf hingewiesen, wie sehr durch dieses Verfahren das Verhältnis der beiden christlichen Konfessionen belastet wird. Die wiederholt gegebene authentische Auskunft lautet, daß eine wirkliche Wieder-Taufe ein Sakrileg wäre und tatsächlich nie geübt werde, weil die sub conditione vollzogene Taufe eo ipso als nicht vollzogen gilt, wenn eine gültig vollzogene Taufe vorangegangen ist; daß der betreffende Priester verpflichtet ist zu prüfen, ob die in der evangelischen Kirche vollzogene Taufe in gültiger Form vollzogen ist, und nur dann die Taufe sub conditione wiederholen darf, wenn begründete Zweifel an der Gültigkeit der evangelischen Taufe bestehen. Der Bischof von Münster erklärte dem Unterzeichneten ausdrücklich, daß ein römisch-katholischer Priester pflichtwidrig handle, wenn er ohne solche Nachprüfung die Taufe an solchen, die von einer anderen christlichen Kirche übertreten, vollziehe. Die Praxis entspricht offenbar weithin nicht diesem Grundsatz. Die Taufe sub conditione wird in sehr vielen Fällen bei Übertretenden vollzogen, auch dann, wenn eine einigermaßen genaue Nachprüfung zweifellos ergäbe, daß die betreffende Person als Kind rite (auch nach katholischen Vorschriften gültig) getauft ist. Wir können uns indes nichts davon versprechen, wenn die Leitung einer einzelnen Kirche erneut sich an einen der römisch-katholischen Bischöfe wendet, und regen an, daß der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland in solche Verhandlungen eintritt. Der naheliegende Einwand, daß ein solcher Schritt in das jus liturgicum der einzelnen bekenntnismäßig gebundenen Kirchen eingreife, scheint uns nicht zuzutreffen, da es sich hier ja um ein gemeinsames Anliegen aller evangelischen Kirchen, die Anerkennung der von ihnen auf den Namen des dreieinigen Gottes vollzogenen Taufe, handelt. Es wird sich nicht bestreiten lassen, daß in einzelnen Fällen in der Tat Zweifel daran berechtigt sind, ob die Taufe auf den Namen des dreieinigen Gottes, unter Verwendung der überlieferten trinitarischen Taufformel vollzogen worden ist. Dagegen müßte festgestellt werden, ob die römisch-katholische Kirche auch solche Taufen als nicht-gültig vollzogen ansieht, bei welchen die Taufe nicht entsprechend der dort (und in den meisten lutherischen Kirchen) gültigen Vorschrift durch Übergießen, sondern nur durch Besprengung vollzogen worden ist. Jedenfalls kann nur die entschiedenste Klarheit und Strenge hinsichtlich der Tauflehre und Taufpraxis, auch eine entschieden geübte Kirchenzucht hinsichtlich der Gewährung der Taufe und des Patenrechts der evangelischen Kirche die

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24. Sitzung Tutzing, 6. und 7. September 1951

Freiheit und Vollmacht geben, gegen die die Einheit der christlichen Taufe verleugnende Praxis der römisch-katholischen Kirche vorzugehen. D. Dr. Stählin [m. p.]

24E14. Schreiben der Evangelischen Kirche im Rheinland an die Kirchenkanzlei. Düsseldorf, 4. Juli 1951 F: EZA Berlin, 2/2262 (H; Abschrift). Auf das Schreiben vom 8. 1. 1951 – 13579 V –99 betr. Instructio „Ecclesia catholica“, unser Schreiben vom 2. 5. 1951100. Die Jahresberichte der Superintendenten liegen noch nicht geschlossen vor. Die bisher eingegangenen Berichte lassen erkennen, dass das äußere Verhältnis zur röm.–katholischen Kirche in den Kreisgemeinden korrekt, gelegentlich sogar freundlich ist. Auf der anderen Seite wird des öfteren über die zunehmende Verschärfung der Mischehenseelsorge und der Wiedertaufpraxis seitens katholischer Priester berichtet. Bei einer von uns vorgebrachten mündlichen Erörterung der Wiedertaufpraxis beim Erzbischöflichen Generalvikariat in Köln rekurrierte man auf die Zeiten der Deutschen Christen, in denen die Taufe der Kinder auf den Dreieinigen Gott nicht sichergestellt gewesen wäre. Die Vorschriften lauteten dahin, dass in Zweifelsfällen der Priester die bedingte Taufe zu vollziehen habe. Auf unseren Einwand, dass in der Evangelischen Kirche in Deutschland seit 1945 die Taufe in der trinitarischen Form doch wohl nicht mehr zweifelhaft sein könne, zog sich das Generalvikariat auf die „Materia“ der Taufe zurück und erklärte, dass die in der evangelischen Praxis weithin übliche „Netztaufe“ den katholischen Vorschriften, die eine „Gießtaufe“ verlangten, nicht genüge. Es sei zwar in das verantwortliche Ermessen der Priester gestellt, ob sie in gegebenen Fällen eine Taufe wiederholen wollten; es sei aber nicht möglich, sie in der Prüfung der vorhandenen rituellen Bedingungen einer gültigen Taufe zu beeinflussen. Hier käme es weithin auf das tatsächliche Vertrauensverhältnis des katholischen Priesters zu seinen evangelischen Kollegen an. Wo ein solches fehle, könne die Konditionaltaufe als der sichere Weg nicht verwehrt werden. 99 Schreiben der Kirchenkanzlei an die Leitungen der evangelischen Landeskirchen vom 8. Januar 1951 (EZA BERLIN, 2/2261). 100 Schreiben des Landeskirchenamtes der Evangelischen Kirche im Rheinland an die Kirchenkanzlei vom 2. Mai 1951 (EZA BERLIN, 2/2261).

24E Dokumente

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In den Superintendenturberichten wird wenig über die Tätigkeit von Una-sancta-Kreisen berichtet. Man hat den Eindruck, als ob die vorhandene geringfügige Arbeit seit den Instruktionen des Heiligen Stuhles und vollends seit der Dogmatisierung der Himmelfahrt Mariae zum Stillstand gekommen wäre. Doch können wir hierzu keinen abschliessenden Bericht erstatten. Dies muss dem nächstjährigen Bericht vorbehalten bleiben, an dessen Termin die Landeskirchen zu erinnern ratsam sein dürfte.

25. Sitzung Berlin-Spandau, 25. Oktober 1951

25 Berlin-Spandau, 25. Oktober 1951 Ort: Beginn: Ende: Teilnehmer:

Evangelisches Johannesstift, Schönwalder Allee 26. Donnerstag, 25. Oktober 1951 (10.30 Uhr). Donnerstag, 25. Oktober 1951 (abends). Vom Rat: Dibelius, Hahn, Hartenstein, Heinemann, Herntrich, Kreyssig, Lilje, Mager, Meiser, Niesel, Smend. Von der Kirchenkanzlei: Benn, Brunotte, Merzyn. Für das Kirchliche Außenamt: Schwarzhaupt, Stratenwerth. Der Bevollmächtigte der EKD bei der Regierung der DDR: Grüber. Protokollanten: Brunotte, Merzyn. 25A Vorbereitung der Sitzung

25A Vorbereitung der Sitzung 25A1. Schreiben des Ratsvorsitzenden an die Ratsmitglieder und die Mitglieder der Kirchenkonferenz. Berlin, 13. September 1951 F: NL Smend (H). Hiermit lade ich die Kirchenkonferenz auf Freitag, den 26. Oktober 1951 in das Johannesstift in Berlin-Spandau ein. Die Beratungen sollen morgens um 9.30 Uhr beginnen. Gegenstand der Beratungen soll in erster Linie die allgemeine Lage sein. Die Angabe besonderer Beratungsgegenstände darf ich noch vorbehalten und bitten, dass die Herren Mitglieder der Kirchenkonferenz etwaige Wünsche für die Tagesordnung möglichst bald der Berliner Stelle der Kirchenkanzlei mitteilen. Wegen etwaiger Quartierwünsche gebe ich anheim, ebenfalls die Vermittlung der hiesigen Kirchenkanzlei in Anspruch zu nehmen. Gemäss der getroffenen Abrede soll am vorhergehenden Tage, also am Donnerstag, den 25. Oktober d. Js. eine Sitzung des Rates stattfinden, zu der ich hiermit die Herren Mitglieder einlade. Die Sitzung beginnt um 10.30 Uhr und findet ebenfalls im Johannesstift statt. Ich bitte damit zu rechnen, dass der Rat nach Beendigung der Kirchenkonferenz noch einmal zu einer kurzen Sitzung wird zusammentreten müssen. Die Tagesordnung für die Ratssitzung werde ich mir erlauben, noch mitzuteilen. gez. D. Dr. Dibelius

25. Sitzung Berlin-Spandau, 25. Oktober 1951

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25A2. Schreiben Brunottes an die Ratsmitglieder, Hannover, 17. Oktober 1951 F: NL Smend (H). Betr.: Tagesordnung der nächsten Ratssitzung. Für die nächste Sitzung des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland sind bisher folgende Beratungsgegenstände vorgemerkt: 1. Personalien der Amtsstellen. 2. Bericht über die Sitzung der Kammer für publizistische Arbeit. 3. Ordnung der Frauen-Hilfs-Arbeit im Osten. 4. Neuordnung des Verhältnisses der Evgl.-Luth. Kirche in Italien zur Evangelischen Kirche in Deutschland. 5. Vereinbarung zwischen der VELKD und der Evgl.-Luth. Kirche in Zürich über die lutherischen Gemeinden in der Schweiz. 6. Fragen der Gesetzgebung über die Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen. 7. Grundsätzliche Fragen einer etwaigen Wehrmachts-Seelsorge. 8. Die rechtliche Stellung des ordinierten Pfarrers in einem etwaigen Wehrgesetz. 9. Antrag auf Erweiterung des DP-Ausschusses. 10. Antrag auf einmalige Bewilligung von Mitteln für den Ausschuss „Film und Bild in der religionspädagogischen Literatur“. 11. Jetziger Stand des Hilfswerks. 12. Berufung des Leiters des Zentralbüros des Hilfswerks der Evangelischen Kirche in Deutschland. 13. Berufung von Mitgliedern des Diakonischen Beirats. 14. Berufung von Mitgliedern der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (vergl. Rundschreiben der Kirchenkanzlei vom 21. September 1951 – 13.899.V). 15. Aussprache über die allgemeine Lage. 16. Wahrnehmung der Aufgaben des Bevollmächtigten in Bonn. 17. Besprechung des Rates mit den Theologischen Fakultäten und Kirchlichen Hochschulen. 18. Sitzung der Kirchenkonferenz (Zeitpunkt, Ort und Tagesordnung). 19. Nächste Ratssitzungen (Zeitpunkt, Ort und Tagesordnung). gez. D. Brunotte

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25B Protokoll 25B Protokoll

25B Protokoll F: EZA Berlin, 2/1794 (H; den Ratsmitgliedern mit Schreiben der Kirchenkanzlei vom 2. November 1951 übersandt). G: Mitschriften 1. Meiser (LKA Nürnberg, Meiser 140 [21]); 2. Smend (NL Smend). Niederschrift über die 25. Sitzung des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland am 25. Oktober 1951 in Berlin-Spandau. Anwesend: ausserdem:

Alle Ratsmitglieder ausser Kirchenpräsident D. Niemöller, Präsident D. Brunotte, Vizepräsident Dr. Benn, Oberkirchenrat Dr. Merzyn, Vizepräsident Stratenwerth, Oberkirchenrätin Dr. Schwarzhaupt, Propst D. Grüber.

1. Havemann: Der in der 24. Ratssitzung gefasste Beschluss1 wurde wie folgt berichtigt: Der im Kirchlichen Aussenamt tätige Konsistorialinspektor Havemann wird zum Konsistorialoberinspektor daselbst unter Einweisung in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 4 b 1 (RBO) ernannt. Die Einweisung in die Planstelle geschieht ausnahmsweise mit Rückwirkung vom 1. 4. 19512. 2. Lic. Hohlwein: Der Rat billigte es, dass die Kirchenkanzlei dem Oberkonsistorialrat i. R. Lic. Dr. Hohlwein die Genehmigung zur Verlegung seines Wohnsitzes aus dem Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland versagt hat, und beauftragt die Kirchenkanzlei, diese Genehmigung auch weiterhin zu versagen und dementsprechend gemäss § 8 des Kirchengesetzes über die Rechtsverhältnisse der Beamten der ehemaligen DEK vom 26. 4. 503 an Hohlwein keine Versorgungsbezüge in Westmark zu zahlen4. 1 Vgl. 24B18. 2 Damit entsprach der Rat dem Antrag Niemöllers vom 15. Juni 1951 (24B18); vgl. dazu auch A. SILOMON, Protokolle 4, 18B12. 3 Nach § 8 dieses Gesetzes hatte ein Versorgungsberechtigter, der ohne Genehmigung der Kirchenkanzlei seinen Wohnsitz von einem Währungsgebiet Deutschlands in ein anderes verlegte, keinen Anspruch auf Zahlung der Versorgungsbezüge in der Währung des neuen Wohnsitzes (ABlEKD 1950, Nr. 5 vom 15. Mai 1950, S. 108). 4 Vgl. dazu C. NICOLAISEN/N. A. SCHULZE, Protokolle 1, 3B2, S. 134 mit Anm. 76 und

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3. Dr. Zieger: Der Rat nahm in Aussicht, bei der Vorlage des nächsten Haushaltsgesetzes eine weitere Beamtenstelle der Versorgungsgruppe A 2 b vorzusehen und – sobald diese weitere Beamtenstelle im Stellenplan der Kirchenkanzlei bewilligt ist – Herrn Dr. Zieger in das Beamtenverhältnis zu berufen und in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 2 b einzuweisen5. 4. D. Dr. von Thadden: Die Kirchenkanzlei wurde beauftragt, Herrn Dr. von Thadden für den Versorgungsfall im Namen der EKD ein Ruhegehalt von monatlich 700,– DM zu versprechen. Dieser Betrag soll auch der Hinterbliebenenversorgung zugrunde gelegt werden6. 5. Dr. Anna Paulsen: Frau Dr. Anna Paulsen in Schleswig wird für die Dauer von 4 Jahren beauftragt, von ihrem Wohnsitz aus bestimmte Aufgaben aus den theologischen Referaten der Kirchenkanzlei wahrzunehmen sowie Sonderaufträge der Kirchenkanzlei zu übernehmen7. Die Festlegung des Umfanges ihrer Dienstleistung obliegt der Kirchenkanzlei. Die Kirchenkanzlei wird ihr für die Dauer ihrer Dienstleistung eine Vergütung in der Höhe zahlen, die einer Vikarin gleichen Dienstalters in der Schleswig-Holsteinischen Landeskirche zustehen würde, abzüglich eines Betrages von monatlich 100,– DM, den das Burckhardt-Haus unmittelbar an Frau Paulsen weiter zu zahlen sich verpflichtet hat. Beiträge für die bei der Inneren Mission abgeschlossene Versicherung sollen von der EKD nicht übernommen werden.

A. SILOMON, Protokolle 4, 15B4. Vgl. auch das Schreiben Kunsts an Beckmann vom 18. Oktober 1951, in dem Kunst sich auf Empfehlung Münchmeyers für eine Verwendung Hohlweins innerhalb der westlichen Landeskirchen eingesetzt hatte. Brunotte hatte Kunst bereits signalisiert, dass die Kanzlei sich nicht „quer legen“ würde, wenn eine westdeutsche Kirche Hohlwein z. B. für eine Arbeit an Berufsschulen berufen würde (EZA BERLIN, 742/328). 5 Vgl. dazu 23A7; 23A10. Zieger hatte in einem Schreiben vom 30. Juni 1951 an den Rat der EKD seine Übernahme in das Beamtenverhältnis mit der Begründung beantragt, er falle unter die wieder zu verwendenden Beamten im Sinne von § 131 GG. Für den Fall, dass Zieger das Angebot, in den Kommunaldienst zu treten, abgelehnt hätte, um weiterhin für die Kirchenkanzlei zu arbeiten, hätte er seinen Anspruch auf Ruhegeld, den er für die Zeit bis zum 8. Mai 1945 erworben hatte, verloren. In einem Schreiben an Dibelius vom 20. Juli 1951 hatte Brunotte den Antrag Ziegers nachdrücklich unterstützt und Dibelius gebeten, Zieger die Übernahme in das Beamtenverhältnis fest zuzusagen, bis der Rat diese Zusage bestätigen werde (beide Schreiben in: EZA BERLIN, 2/P 98). 6 Vgl. dazu 19B11. 7 Vgl. dazu 23B12. Bei der Konstruktion dieses Amtes war z. B. vorgesehen, die Federführung für den vom Rat gebildeten Ausschuss über die Ordnung des Amtes der Gemeindehelferinnen (23B18) von Osterloh auf Paulsen zu übertragen (vgl. das Schreiben Osterlohs an Schwarzhaupt vom 25. Oktober 1951, das Schreiben Paulsens an Osterloh vom 12. Dezember 1951 und das Schreiben Osterlohs an Paulsen vom 15. Dezember 1951: EZA BERLIN, 2/3345).

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6. Engerer Ausschuss des Rates: Die Geschäftsordnung des Rates8 wurde dahin ergänzt, dass die Regelung aller dem Rat obliegenden Personalangelegenheiten der Bediensteten der EKD mit Ausnahme der Ernennung und Beförderung von Referenten in den Amtsstellen der EKD einem engeren Ausschuss des Rates übertragen wird, der aus dem Vorsitzenden des Rates bzw. seinem Stellvertreter, Herrn Landesbischof D. Meiser und Herrn Moderator D. Niesel besteht. Die Entschliessungen dieses Ausschusses sind dem Rat jeweils in seiner nächsten Sitzung zur Bestätigung vorzutragen9. 7. Zweite Theologenstelle in der Kirchenkanzlei: Der Rat nahm einen Bericht des Präsidenten der Kirchenkanzlei über seine Bemühungen, aus dem Bereich der Rheinischen Kirche einen geeigneten zweiten theologischen Referenten für die Kirchenkanzlei zu gewinnen, entgegen und beauftragte ihn, diese Bemühungen fortzusetzen10. 8. Finanzbeirat (Dr. Weeber): Der Rat beschloss, die im Finanzbeirat der EKD freigewordene Mitglied-Stelle [sic!] wieder zu besetzen und Herrn Direktor Dr. Weeber (Stuttgart) zum Mitglied des Finanzbeirates der EKD zu berufen11. 9. Pastor Behm (Rostock): Der Präsident der Kirchenkanzlei wurde ermächtigt, Pastor Behm probeweise zur Tätigkeit in die Berliner Stelle der Kirchenkanzlei einzuberufen; er soll seinen Dienstsitz im Ostsektor von Berlin haben und demgemäss seine Bezüge in Ostmark erhalten. Der Vorsitzende des Rates wurde gebeten, die Kirchliche Ostkonferenz hiervon zu unterrichten12. 8 24C1. 9 Dieser Beschluss nahm § 6 des Entwurfes Benns für eine Geschäftsordnung auf; vgl. dazu 24D1. 10 Osterloh hatte Brunotte davon überzeugt, dass der zweite theologische Beamte in der Kirchenkanzlei aus einer der beiden größten Landeskirchen der APU, der rheinischen oder der westfälischen Landeskirche, stammen sollte; vgl. das Schreiben Osterlohs an Beckmann vom 7. Mai 1951 (EZA BERLIN, 2/1861). Der theologische Referent sollte bei der Kirchenkanzlei – Berliner Stelle – angestellt werden und seinen Wohnsitz möglichst im Ostteil Berlins haben; vgl. das Schreiben Benns an die Kirchenkanzlei Hannover vom 5. Oktober 1951 (EZA BERLIN, 4/44). 11 Vgl. das Schreiben Dibelius’ an Weeber vom 29. Oktober 1951 (EZA BERLIN, 2/5744). 12 Behm trat am 1. Dezember 1951 zunächst probeweise für die Dauer von zwei Monaten als Mitarbeiter in die Kirchenkanzlei ein. Behm sollte das Referat IIIb von Zimmermann bei der Kirchenkanzlei – Berliner Stelle –, unter dessen Mitwirkung bearbeiten; vgl. das Informationsschreiben Benns an die Mitarbeiter der Kirchenkanzlei – Berliner Stelle – vom 1. Dezember 1951 und den Geschäftsverteilungsplan für die Kirchenkanzlei – Berliner Stelle – für 1952 (beide Dokumente in: EZA BERLIN, 4/162). Ein Bericht von Dibelius an die Kirchliche Ostkonferenz konnte nicht ermittelt werden; vgl. das Protokoll über die 27. Kirchliche Ostkonferenz am 9. Januar 1952 in Berlin (EZA BERLIN, 2/5049).

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10. Ostvertriebene: Auf Wunsch des kirchlichen Hilfsausschusses für die Ostvertriebenen (Ostkirchenausschuss), der im Namen der EKD den evangelischen Ostvertriebenen dient, bat der Rat sein Mitglied Dr. Kreyssig, sich nach Möglichkeit für die unmittelbare persönliche Verbindung des Rates zu dem Ostkirchenausschuss und damit auch zu den Hilfskomitees der zerstreuten Heimatkirchen verantwortlich zu wissen13. 11. Kammer für publizistische Arbeit: Der Rat nahm einen Bericht des Vorsitzenden der Kammer für publizistische Arbeit, Landesbischof D. Lilje, über die Tagung dieser beratenden Kammer vom 15.–17. Oktober 195114 entgegen und legte die 4 beiliegenden Entschliessungen der Fachausschüsse Presse, Rundfunk, Film und Buchwesen vor. Der Rat beschloss: a) einen neuen Fachausschuss „Darstellende Kunst“15 zu berufen, der in folgender Weise zusammengesetzt sein soll: 1. Vorsitzender: Pfarrer Wehowsky (Bremen) 2. Stellv. Vorsitzender: Pfr. Waldemar Wilken (Hamburg) 3. Dr. Gutkelch (Bethel) (Evangelische Welt) 4. Dr. Wolfgang Petzet (Krailling b. München) 5. Gerhard Günther (Hamburg) 13 Der Vorsitzende des Konvents der zerstreuten evangelischen Heimatkirchen Hamm hatte am 1. Oktober 1951 einen Antrag an den Rat gerichtet, ein Ratsmitglied zum ständigen Sachreferenten für Vertriebenenfragen zu bestimmen, damit der Kontakt des Konvents zum Rat der EKD gehalten werden könne; vgl. dazu das Schreiben der Kirchenkanzlei an die Ratsmitglieder vom 19. Oktober 1951 (25D1) und das Schreiben der Kirchenkanzlei an den Ostkirchenausschuss vom 11. November 1951, in dem die Ernennung Kreyssigs für die Sicherung der unmittelbaren persönlichen Verbindung des Rates zu den Hilfskomitees der zerstreuten Heimatkirchen mitgeteilt wurde (EZA BERLIN, 17/697); vgl. auch die Aktennotiz über die erste Besprechung zwischen Kreyssig und den Vertretern des Ostkirchenausschusses und des Konvents der zerstreuten evangelischen Heimatkirchen in der Kirchenkanzlei am 23. Januar 1952 (EZA BERLIN, 614/100); vgl. dazu H. RUDOLPH, Vertriebene 1, S. 429. 14 Das Protokoll der Sitzung der Kammer für Publizistische Arbeit vom 15.–17. Oktober 1951 in Hannover konnte nicht ermittelt werden. 15 Vgl. 25D6. Auf der Sitzung des Fachausschusses Film am 15. Oktober 1951 war beschlossen worden, „nachdrücklich auf die Verselbständigung des Fachausschusses ‚Theater‘ zu dringen“. Lilje hatte bereits auf der Sitzung der Kammer für Publizistische Arbeit am 16. Februar 1951 vorgeschlagen, einen Fachausschuss Theater zu gründen. Hess hatte die Vorarbeiten für diesen Ausschuss übernommen; vgl. dazu das Protokoll der Sitzung der Kammer für Publizistische Arbeit vom 16. Februar 1951 (EZA BERLIN, 2/1585). Vgl. auch die Schreiben Merzyns an Wehowsky, Wilken, Gutkelch, Petzet, Günther, Baden, Rutenborn und Hess vom 20. Dezember 1951, in denen den Genannten ihre Berufung in den neuen Fachausschuss mitgeteilt wurde. Nur Baden lehnte die Berufung in den Ausschuss aus Zeitgründen ab; vgl. das Schreiben Badens vom 27. Dezember 1951 an die Kirchenkanzlei (alle Schreiben in: EZA BERLIN, 2/1694).

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6. Pastor Hans Jürgen Baden (Hannover) 7. Pfr. Günther Rutenborn (Berlin) 8. Pfr. Werner Hess (Frankfurt). b) Fachausschuss Film16: 1. Pfr. Rutenborn soll ausscheiden mit Rücksicht auf seine Berufung in den Fachausschuss „Darstellende Kunst“. 2. Herr Dodeshöhner, der Leiter der Evgl. Zentralbildkammer in Witten, wurde in den Fachausschuss „Film“ berufen17. c) Fachausschuss Presse: Pfarrer Stammler wurde auf Wunsch des Deutschen Evangelischen Kirchentages in den Fachausschuss „Presse“ berufen18. d) Die beiliegende Anregung des Fachausschusses „Presse“ soll durch die Kirchenkanzlei an Herrn Superintendent Heuner weitergegeben werden19. e) Die beiliegende Entschliessung des Fachausschusses „Buchwesen“ wurde zur Kenntnis genommen20. f) Die Kirchenkanzlei wurde beauftragt, an die Landeskirchen eine Empfehlung der verschiedenen Evangelischen Filmspiel-Dienste im Sinne von Punkt 3 der Vorlage des Fachausschusses „Film“ zu richten21. g) Die Kirchenkanzlei wurde weiterhin beauftragt, an die Landeskirchen eine Empfehlung der Bewegung Evangelische Film-Gilde im Sinne von Punkt 4 der Vorlage des Fachausschusses Film zu richten22. Das in der gleichen Angelegenheit erbetene Wort an die Öffentlichkeit soll vorerst zurückgestellt werden. 16 Mit dem folgenden Beschluss entsprach der Rat einem Beschluss des Fachausschusses Film vom 15. Oktober 1951; vgl. dazu TOP 4 des Protokolls der Sitzung des Fachausschusses Film in Hannover am 15. Oktober 1951 (EZA BERLIN, 2/1667). 17 Vgl. 25D6. Lüpsen und Hess hatten den Leiter der Evangelischen Zentralbildkammer, Dodeshöhner, zur Wahl vorgeschlagen, weil es bis dahin noch keinen Vertreter des „Stehbildes“ im Filmausschuss gab; vgl. das Schreiben Lüpsens an Plog vom 19. Oktober 1951 und das Schreiben Hess’ an Plog vom 20. Oktober 1951 (EZA BERLIN, 2/1628). 18 Stammler war Beauftragter für publizistische Aufgaben der württembergischen Landeskirchenleitung und 1950 an die Spitze des Presseausschusses für den DEKT getreten. Außerdem war Stammler der Vorsitzende des Publizistischen Arbeitskreises des Kirchentages; vgl. das Schreiben von Thaddens an Haug vom 17. Januar 1951 (EZA BERLIN, 71/86/252). 19 25D3; vgl. dazu das Schreiben der Kirchenkanzlei an Heuner vom 17. November 1951 (EZA BERLIN, 2/1852). 20 25D7. 21 Vgl. 25D6. Vgl. den Entwurf von Hess über eine Empfehlung der Film-Spieldienste, den dieser mit dem Schreiben vom 7. Dezember 1951 der Kirchenkanzlei zusandte (EZA BERLIN, 2/1628). 22 Vgl. den Entwurf von Hess über eine Empfehlung der Evangelischen Filmgilde, dem die erste Verlautbarung der Filmgilde vom 16. Oktober 1951 über ihre Ziele und Arbeitsweise beigelegt war. Die Evangelische Filmgilde hatte es sich zur Aufgabe gemacht, „in breiten Schichten der Evangelischen Kirche das Verständnis für den guten Film zu wecken, ein

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h) Der Vorsitzende des Rates wurde gebeten, die Vorlage des Fachausschusses „Rundfunk“ den Landeskirchen mitzuteilen23. 12. Allgemeine Lage: Der Rat nahm einen Bericht seines Vorsitzenden entgegen24, an den sich eine Aussprache anschloss. Der Rat bat seinen Vorsitzenden, den beiden Chefs der Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik die Wünsche der Evangelischen Kirche in Deutschland zur Frage der Wiedervereinigung Deutschlands vorzutragen25. 13. Wahrnehmung der Aufgaben des Bevollmächtigten des Rates in Bonn: Die Frage des Nachfolgers von Propst Kunst soll auf die Tagesordnung der nächsten Ratssitzung gesetzt werden26. 14. Fragen der Gesetzgebung über die Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen: Die Sache wird an die in der vorigen Sitzung eingesetzte Kommission zurückverwiesen27.

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gesundes Urteilsvermögen heranzubilden und an der Hebung des Publikumsgeschmacks mitzuarbeiten“ (EBD.). Vgl. 25D5. Vgl. das Schreiben der Kirchenkanzlei an die Leitungen der deutschen evangelischen Landeskirchen vom 19. Dezember 1951 (EZA BERLIN, 2/1643). Nach G 1 und G 2 berichtete Dibelius dem Rat über ein Gespräch mit Adenauer, in dem es um den Wehrbeitrag der Bundesrepublik und die Frage der Wiedervereinigung ging. Dabei referierte er die Haltung Adenauers zu den Beschlüssen der Außenministerkonferenz von San Francisco, zur möglichen Truppenstärke im Falle eines Wehrbeitrages der Bundesrepublik und den Angeboten der DDR-Regierung (freie und gesamtdeutsche Wahlen und eine Amnestie für kleinere Vergehen); vgl. dazu auch R. STUPPERICH, Dibelius, S. 489f. Vgl. dazu das Schreiben Niemöllers an die Kirchenkanzlei vom 12. November 1951 (25E1), in dem dieser um nähere Auskunft darüber bat, welche Wünsche der EKD den beiden Regierungen vorgetragen werden sollten. In einem von Merzyn verfassten Antwortschreiben an Niemöller vom 16. November 1951 hieß es dazu: „Über den im Protokoll der letzten Ratssitzung zu Punkt 12 enthaltenen Wortlaut hinaus ist eine Entschliessung des Rates zu diesem Punkt nicht gefasst worden, insbesondere sind die Wünsche, die der Herr Ratsvorsitzende als Wünsche der Evangelischen Kirche in Deutschland den beiden Regierungen zur Kenntnis bringen sollte, durch den Rat nicht beschlussmässig näher festgelegt worden; eine eingehendere Protokollierung dieses Punktes ist vom Rat als nicht erwünscht bezeichnet worden“ (EZA BERLIN, 2/1755). Vgl. dazu 19B11; 20B1; 21B6; 22B10. Die Bemühungen im Sommer 1951, einen geeigneten Nachfolger für Kunst zu finden, galten als gescheitert; zugleich rechnete Dibelius nicht mehr damit, Kunst auf Dauer als Bevollmächtigten in Bonn halten zu können; vgl. das Schreiben Brunottes an Kunst vom 30. Juli 1951 und das Schreiben Rankes an Brunotte vom 29. Oktober 1951 (beide Schreiben in: EZA BERLIN, 2/2423). Vgl. dazu auch G 1: „Bevollmächtigter in Bonn Kunst glaubt, daß im Augenblick ein Personalwechsel mit großen Schwierigkeiten verbunden ist und bittet, die Frage noch eine Zeit hinauszuschieben.“ In der Ratssitzung vom 7. Dezember 1951 wurde die Frage der Nachfolge für Kunst nicht verhandelt. Erst im Januar 1953 wurde Kunst zum hauptamtlich Bevollmächtigten der EKD ernannt, vgl. dazu M. J. INNACKER, Transzendenz, S. 301. Vgl. 24B2. Die in der vorangehenden Ratssitzung berufene Kommission hatte am 17. Ok-

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15. Die rechtliche Stellung des ordinierten Pfarrers in einem etwaigen Wehrgesetz: Der Rat würde es für richtig halten, wenn in einem etwaigen zukünftigen Wehrgesetz die ordinierten Geistlichen von der allgemeinen Wehrpflicht ausgenommen werden. Freiwillige Meldungen von Geistlichen zum Wehrdienst mit der Waffe sollen von der Zustimmung der zuständigen Landeskirchenleitung abhängig sein28. 16. Neuordnung des Verhältnisses der Evgl.-Luth. Kirche in Italien zur Evangelischen Kirche in Deutschland29: a) Der Rat der EKD stellte erneut fest, dass ihm eine Beurlaubung von Pfarrer Paeseler zum Dienst in der deutschen evangelischen Gemeinde in Florenz unerwünscht erscheint. Er beauftragt das Kirchliche Aussenamt, diesen Beschluss dem Landeskirchenamt in Düsseldorf mitzuteilen30. Mit diesem Beschluss beabsichtigt der Rat

tober 1951 getagt und unter der Federführung Osterlohs Vorlagen über den Rechtsschutz und die Definition von Kriegsdienstverweigerern erarbeitet (25E2–25E5). Nach G 2 lehnte der Rat die Vorlagen ab, weil die Kommission sich eher mit den Motiven und dem rechtlichen Schutz von Sektenmitgliedern beschäftigt hatte als mit den Mitgliedern der eigenen Landeskirchen. Die Kommission tagte am 28. November 1951 unter Teilnahme von Smend, Grüber, Niemöller, Brunotte und Osterloh zum zweiten Mal und erarbeitete eine neue Vorlage (vgl. 26B1; 26D1); vgl. dazu TOP 2 der Niederschrift über die Tagung der Kirchenkonferenz der EKD am 6. Dezember 1951 in Berlin-Spandau, S. 507ff. 28 Dieser Beschluss bezog sich auf das Schreiben des Bruderrates der EKD an den Rat vom 5. September 1951 (24D3). Die Formulierung dieses Beschlusses wurde wörtlich einer Vorlage Osterlohs entnommen, die vermutlich nicht an die Ratsmitglieder abgeschickt worden war; vgl. Anlage 2 zu einem Entwurf Osterlohs für ein Schreiben an die Ratsmitglieder vom 18. Oktober 1951 (EZA BERLIN, 2/1755). Nach G 2 hatte eine Rundfrage der Kirchenkanzlei bei den westdeutschen Landeskirchen ergeben, dass die meisten Kirchen die Regelung für evangelische Pfarrer aus der Zeit vor 1914, nach der die evangelischen Pfarrer vom Militärdienst befreit waren, für richtig hielten. Der Rat schloss sich dieser Auffassung an; vgl. dazu das vertrauliche Rundschreiben der Kirchenkanzlei an die westdeutschen evangelischen Landeskirchen vom 9. August 1951 (25E6) und die Stellungnahme der rheinischen Landeskirche (25E7). 29 Vgl. die Stellungnahme Schwarzhaupts (25D8) zu dem von Meiser am 16./17. Juli 1951 in Elbingerode verlesenen Rechtsgutachten (vgl. 23B3). Auf die Stellungnahme Schwarzhaupts war abermals ein Gegengutachten Meisers vom 1. Oktober 1951 gefolgt, in dem dieser betont hatte, dass er keinerlei Veranlassung sehe, das Ergebnis des früheren Rechtsgutachtens auch nur teilweise abzuändern. Dem hatte das Kirchliche Außenamt in einem Schreiben an die Ratsmitglieder vom 17. Oktober 1951 eine weitere Stellungnahme folgen lassen, in dem noch einmal der eigene Standpunkt deutlich gemacht worden war (EZA BERLIN, 6/950). Zum Fortgang vgl. 26B7. 30 Vgl. 23B3. Nach G 2 hatte das Landeskirchenamt in Düsseldorf die Beurlaubung Paeselers vom 30. September 1951 bis zum 20. Oktober 1951 verlängert. Nach G 1 sollte die Freistellung Paeselers nicht über den 31. Oktober 1951 hinaus verlängert werden; vgl. das Schreiben des Kirchlichen Außenamtes an das Landeskirchenamt der Evangelischen Kirche im Rheinland vom 8. Oktober 1951 (LKA HANNOVER, L 3 III, Nr. 1341).

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nicht, in die Rechte der Gemeinde in Florenz und des Konsistoriums in Rom einzugreifen31. b) Es erscheint dem Rat erwünscht, dass Vertreter der VELKD an den Verhandlungen zwischen Kirchlichem Aussenamt und Evgl. Konsistorium in Rom von Anfang an teilnehmen32. 17. Berufung von Mitgliedern der Synode der EKD: Auch dieser Punkt soll auf die Tagesordnung der nächsten Ratssitzung gesetzt werden33. 18. Jetziger Stand des Hilfswerks: Der Rat nahm einen Bericht von Herrn Prälaten Dr. Hartenstein entgegen34. 19. Berufung des Leiters des Zentralbüros des Hilfswerks der Evangelischen Kirche in Deutschland: Gemäss § 8 Abs. 2 des Kirchengesetzes zur Ordnung des Hilfswerks der Evangelischen Kirche in Deutschland vom 5. April 195135 wurde auf Vorschlag des Hilfswerk-Ausschusses Pfarrer Dr. Krimm zum Leiter des Zentralbüros des Hilfswerks der EKD berufen36. 20. Berufung von Mitgliedern des Diakonischen Beirats: Gemäss § 4 Abs. 2c des Kirchengesetzes über den Diakonischen Beirat der Evangelischen Kirche in Deutschland vom 5. April 195137 wurden auf Vorschlag des Hilfswerk-Ausschusses folgende zwei Persönlich31 Dieser Beschluss ging auf einen Antrag Niemöllers zurück; vgl. das Schreiben Niemöllers an die Ratsmitglieder vom 8. Oktober 1951 (25D9). 32 Vgl. 26B7. 33 Dieser Punkt stand zwar auf der Tagesordnung der Ratssitzung vom 7. Dezember 1951 (26A2), wurde aber auch in dieser Sitzung nicht behandelt. Erst in der 29. Ratssitzung am 8./9. Mai 1952 in Hannover berief der Rat drei neue Mitglieder in die Synode; vgl. TOP 2 der Niederschrift über die 29. Sitzung des Rates der EKD am 8. und 9. Mai 1952 in Hannover (EZA BERLIN, 2/1794). 34 Vgl. 19B8; 20B7; 22B9; 23B15. Nach G 1 berichtete Hartenstein, dass der vom Rat bestellte Wirtschaftsgutachter Thümmel (vgl. 24B5) am 7. November 1951 die Überprüfung der wirtschaftlichen Akten des Hilfswerks übernehmen sollte. Darüber hinaus berichtete Hartenstein über die Gehaltsregelung für Gerstenmaier sowie über das Evangelische Verlagswerk und dessen Verschuldung gegenüber dem Hilfswerk. Zuletzt empfahl Hartenstein im Namen des Wiederaufbauausschusses, Krimm als neuen Leiter des Hilfswerks zu berufen. 35 Vgl. ABlEKD 1951, Nr. 4 vom 15. April 1951, S. 90. 36 Vgl. dazu 24B5. Krimm war bereits mit dem Inkrafttreten des neuen Hilfswerkgesetzes am 1. Oktober 1951 vom Rat mit der kommissarischen Leitung des Hilfswerks beauftragt worden; vgl. das vom Zentralbüro des Hilfswerks entworfene Schreiben vom 18. September 1951 (ADW BERLIN, ZB 17); vgl. auch J. M. WISCHNATH, Kirche, S. 312. 37 „Vertreter des Hilfswerkes (Absatz 1c) sind die drei in den Verwaltungsrat entsandten bevollmächtigten Vertreter der gliedkirchlichen Hilfswerke, der Leiter des Zentralbüros sowie zwei vom Rat auf Vorschlag des Hilfswerkausschusses berufene Persönlichkeiten“ (ABlEKD 1951, Nr. 4 vom 15. April 1951, S. 91); vgl. dazu auch die „Bekanntmachung über den Diakonischen Beirat der Evangelischen Kirche in Deutschland. Vom 12. November 1951“ (ABlEKD 1951, Nr. 11 vom 15. November 1951, S. 218); vgl. 21B5.

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keiten als Vertreter des Hilfswerks der EKD in den Diakonischen Beirat berufen: a) Propst D. Grüber b) Oberkonsistorialrat Dr. Gerstenmaier. 21. Bewilligung von Mitteln für den Ausschuss „Film und Bild in der religionspädagogischen Literatur“. Der Rat bewilligte einen einmaligen Zuschuss von 1.000,– DM für die Arbeit des Ausschusses38. 22. DP-Ausschuss: Der Rat nahm einen Bericht von Oberkirchenrat Osterloh über den gegenwärtigen Stand der kirchlichen Arbeit unter den DP’s zur Kenntnis39. Er sieht eine Erweiterung des DP-Ausschusses um einen Vertreter der orthodoxen Exilkirchen vor, sobald diese sich auf einen Vorschlag einigen können. Der Rat hält darüber hinaus eine Hinzuziehung weiterer Persönlichkeiten als Mitglieder des DP-Ausschusses nicht für zweckmässig40. Der Rat bat seinen Vorsitzenden, der IRO (Anschrift: 38 In dem Benachrichtigungsschreiben der Kirchenkanzlei an Frör vom 5. Dezember 1951 hieß es erläuternd, dass die Beihilfe nicht nur zur Erstattung von Reisekosten für die laufenden Sitzungen des Ausschusses gedacht sei, sondern für die sachliche Arbeit (EZA BERLIN, 2/3870). 39 Eine mit dem Wortlaut dieses Beschlusses identische Vorlage Osterlohs war den Ratsmitgliedern mit einem Schreiben Osterlohs vom 18. Oktober 1951 zugesandt worden. Osterloh hatte allerdings seinem Entwurf noch hinzugefügt: „Ebenso soll aus Anlaß der weitgehenden Umstellung der Arbeit in diesen Monaten der Flüchtlingsabteilung des Weltkirchenrates und des Luth. Weltbundes der Dank der Evangelischen Kirche für die Hilfe bei der seelsorgerlichen und fürsorgerischen Betreuung der DPs ausgesprochen werden“ (EZA BERLIN, 2/1755). 40 Vgl. dazu 22B4. Dieser Beschluss ging auf einen Antrag Niemöllers zurück, Kloppenburg und Riedel in den DP-Ausschuss aufzunehmen. Der Rat hatte den Antrag Niemöllers abgelehnt, weil die Vertreter des ÖRK und des LWB darauf bestanden, nur mit amtlichen Institutionen und nicht mit einem Gremium aus berufenen Einzelpersonen zusammenzuarbeiten; vgl. das Schreiben Kloppenburgs an Osterloh vom 18. September 1951 (EZA BERLIN, 2/4215). Dies waren Osterloh für die Kirchenkanzlei, Niemöller für das Kirchliche Außenamt, ein Vertreter der VELKD, Krimm für das Zentralbüro des Hilfswerks, ein Vertreter des Central-Ausschusses der Inneren Mission, ein Vertreter der Freikirchen, Propst Sanders als Vertreter der nichtorthodoxen DPs und ein Vertreter der Orthodoxen; vgl. das Schreiben Krimms an Mackie vom 26. Oktober 1951 (EBD.). Kloppenburg hatte in einem Schreiben an Osterloh vom 1. September 1951 nachdrücklich gefordert, „als Mann der Praxis“ in den DP-Ausschuss aufgenommen zu werden: „Es ist doch einfach grotesk, daß es nicht möglich sein soll, den DP-Ausschuß um 1 bis 2 Leute zu erweitern, wenn es sich dabei u. a. um jemanden handelt, der 3 Jahre in Genf in dieser Arbeit gestanden hat und heute für das größte DP-Heim in Deutschland verantwortlich ist. Ich bin in der peinlichen Lage, das schreiben zu müssen, obwohl es sich um mich selber handelt“ (EBD.). Der engere DP-Ausschuss hatte zuvor beschlossen, Kloppenburg von Fall zu Fall zu den Ausschusssitzungen hinzuzuziehen; vgl. dazu das Sonderprotokoll von Dibelius jr. über die Sitzung des engeren DP-Ausschusses vom 30. August 1951 in Ratzeburg und das Schreiben Stratenwerths an die Kirchenkanzlei vom 2. Oktober 1951 (EBD.).

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Donald Kingsley, Dir. General, IRO H. Q. Palais Wilson, Genf) den Dank der Evangelischen Kirche in Deutschland für die Hilfe bei der Auswanderung von 1 Millionen DP’s aus Deutschland auszusprechen41. 23. Vereinbarung zwischen der VELKD und der Evgl.-Luth. Kirche in Zürich über die lutherischen Gemeinden in der Schweiz42: Auch dieser Punkt soll auf die Tagesordnung der nächsten Ratssitzung gesetzt werden43. 24. Ordnung der Frauenhilfsarbeit im Osten: Die aus der Anlage ersichtliche Vorläufige Ordnung für die „Frauenhilfe der Evangelischen Kirche in Deutschland“ im Bereich der östlichen Gliedkirchen wurde beschlossen44. 25. Wiederverleihung der Rechte des geistlichen Standes an Pastor Martin Sauer45: Gemäss § 4 Absatz 1 Ziffer 1 der Verordnung vom 14. April 1944 (Gbl. d. DEK S. 3f.)46 in Verbindung mit § 95 Absatz 2 Ziffer 2 41 Vgl. den Entwurf eines Dankschreibens an Kingsley (25E8). Die kirchliche DP-Arbeit war bislang teils von der IRO, teils von den ökumenischen Verbänden finanziert worden. Ab dem 1. Januar 1952 wurden die Flüchtlinge der deutschen Gesetzgebung und Verwaltung unterstellt. Die fürsorgerliche Betreuung der DPs ging an nationale und internationale private Hilfsverbände über. Damit fiel die finanzielle Unterstützung der DP-Arbeit durch die IRO vollständig aus; vgl. das Schreiben der Kirchenkanzlei an den Bundesminister für Verkehr vom 19. November 1951 (ADW BERLIN, ZB 1041 und ZB 1046). 42 Anfang Oktober 1951 hatte das Kirchliche Außenamt beantragt, die Vereinbarung zwischen der VELKD und der Evangelisch-lutherischen Kirche in Zürich über die lutherischen Gemeinden in der Schweiz (25E9) auf die Tagesordnung für die Ratssitzung am 25. Oktober 1951 zu setzten; vgl. das Schreiben Schwarzhaupts an die Kirchenkanzlei vom 8. Oktober 1951. Anlass für den Antrag des Außenamtes war ein Schreiben Gellers, dem Vertreter der Lutheraner in der Schweiz, der von dem Abkommen zwischen VELKD und den lutherischen Gemeinden in der Schweiz gehört hatte und sich mit einem „allgemein schweizerischen Leitungsanspruch“ eines deutschen Vertreters der VELKD konfrontiert sah; vgl. das Schreiben Gellers an das Kirchliche Außenamt vom 5. Juni 1951 (EZA BERLIN, 6/1202). 43 Dieser Punkt wurde in der Ratssitzung am 7. Dezember 1951 nicht behandelt. 44 25C1. Zur Entstehungsgeschichte dieser Ordnung vgl. 23B19. 45 Sauer waren am 23. Juni 1944 durch ein Urteil der Disziplinarkammer beim Evangelischen Konsistorium der Kirchenprovinz Schlesien wegen eines „Ehevergehens“ die Rechte des geistlichen Standes aberkannt worden (mündliche Auskunft der Archivreferentin der Evangelischen Kirche der schlesischen Oberlausitz, Beate Puschmann, vom 26. November 2003); vgl. das Schreiben des Konsistoriums der Evangelischen Kirche von Schlesien an die Kirchenkanzlei vom 26. September 1951 (25D10). In einem weiteren Schreiben des Konsistoriums der Evangelischen Kirche von Schlesien an die Kirchenkanzlei die APU vom 8. November 1951 hieß es, dass Sauer seine früheren Verfehlungen in echter Weise bereue. Darüber hinaus bat das Konsistorium, Sauer die Zeit vom 1. November 1941 bis zum 30. September 1947 und vom 1. Juli 1951 bis zum 31. Oktober 1951 auf sein Besoldungsdienstalter anzurechnen (EVANGELISCHE KIRCHE DER SCHLESISCHEN OBERLAUSITZ – ARCHIV, Konsistorium Archiv-Nr.: 03692). 46 Vgl. die Verordnung des Leiters der Deutschen Evangelischen Kirchenkanzlei über den Verlust der Rechte des geistlichen Standes vom 14. April 1944: GBlDEK, Ausgabe B vom 25. April 1944, Nr. 2, S. 4.

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Disziplinarordnung47 und in Verbindung mit § 3 der Verordnung über die Aufhebung und Abänderung von Gesetzen der Deutschen Evangelischen Kirche vom 2. Mai 194648 stimmte der Rat der EKD der vom Evangelischen Konsistorium in Görlitz in Aussicht genommenen Wiederverleihung der Rechte des geistlichen Standes an den früheren Pfarrvikar Martin Sauer, z. Zt. in Gebelzig, Kirchenkreis Niesky, zu, unter der Voraussetzung, dass der Vorsitzende des Östlichen Senats des Disziplinarhofes der Evangelischen Kirche in Deutschland keine Bedenken erhebt. 26. Nächste Tagung der Synode der EKD: Der Rat schlug dem Präses der Synode der EKD vor, die Synode zu ihrer nächsten ordentlichen Tagung für den 6.–10. Oktober 1952 nach Elbingerode einzuberufen49. 27. Nächste Ratssitzungen: Die beiden nächsten Ratssitzungen sollen am 7. Dezember in BerlinSpandau sowie am 24./25. Januar 1952 in Hannover stattfinden50. Die Kirchenkonferenz soll zu ihrer nächsten Sitzung am 6. Dezember nach Berlin-Spandau einberufen werden51. 5 Anlagen gez. D. Brunotte Dr. Merzyn52 47 Wenn die Dienststrafe im förmlichen Disziplinarverfahren verhängt worden war und in erster Instanz die Disziplinarkammer der zuständigen Landeskirche entschieden hatte, war die oberste Dienststelle der Landeskirche zuständig, Dienststrafen zu mildern oder zu erlassen. Wenn aber in zweiter Instanz der Disziplinarhof der DEK entschieden hatte, bedurfte dies der Zustimmung der Kirchenkanzlei; vgl. die Disziplinarordnung der Deutschen Evangelischen Kirche vom 13. April 1939: GBlDEK Ausgabe B vom 17. April 1939, Nr. 7, S. 41. 48 In der Disziplinarordnung von 1939 war das Gnadenrecht dem Zuständigkeitsbereich des Leiters der Kirchenkanzlei zugeordnet (vgl. Anm. 47). Diese Regelung war aber mit den Paragraphen 3 und 4 der Verordnung des Rates über die Aufhebung und Abänderung von Gesetzen der Deutschen Evangelischen Kirche am 2. Mai 1946 aufgehoben worden. Zuständig für Begnadigungen war seitdem der Rat der EKD; vgl. C. NICOLAISEN/N. A. SCHULZE, Protokolle 1, 6C8, S. 512ff. 49 Vgl. den Bericht über die vierte Tagung der ersten Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland vom 6.–10. Oktober 1952 (ELBINGERODE 1952). 50 Vgl. dazu 26B und die Niederschrift über die 27. Sitzung des Rates der EKD am 24. und 25. Januar 1952 in Hannover (EZA BERLIN, 2/1794). 51 Vgl. die Niederschrift über die Tagung der Kirchenkonferenz der EKD am 6. Dezember 1951 in Berlin-Spandau, S. 507ff. 52 Nicht verhandelt wurde in dieser Sitzung eine Eingabe der sächsischen Landeskirche vom 30. August 1951. Darin war die Erklärung des Rates vom 17. Januar 1950 theologisch kritisiert worden, in der sich der Rat indirekt von den Äußerungen Niemöllers über die Westintegration und von den Äußerungen Grübers über die Konzentrationslager in der

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25C Anlagen und Beschlusstexte 25C1. Beschluss des Rates über die vorläufige Ordnung für die Frauenhilfe der Evangelischen Kirche in Deutschland im Bereich der östlichen Gliedkirchen. Berlin, 25. Oktober 1951 F: EZA Berlin, 4/371 (H). – Abdruck: ABlEKD 1951, Nr. 11 vom 15. November 1951, S. 218f. Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland hat auf Grund von Art. 14 der Grundordnung53 nach Fühlungnahme mit der Konferenz der östlichen Kirchenleitungen und im Einvernehmen mit dem Hauptvorstand der Evangelischen Frauenhilfe folgende Ordnung beschlossen: §1 (1) Die Arbeit der bisherigen „Evangelischen Frauenhilfe in Deutschland“ wird der Evangelischen Kirche in Deutschland für den Bereich der östlichen Gliedkirchen als „Frauenhilfe der Evangelischen Kirche in Deutschland“ zugeordnet. Ihr Sitz bleibt Potsdam. Art und Umfang ihrer Aufgaben bleiben unverändert. (2) Die „Frauenhilfe der Evangelischen Kirchen in Deutschland“ (im Folgenden kurz „Evangelische Frauenhilfe“ genannt) führt ihre Arbeit, soweit sich nicht aus dieser Ordnung etwas anderes ergibt, selbständig durch. (3) Rechtsträger der Evangelischen Frauenhilfe ist die Evangelische Kirche in Deutschland. Das Vermögen der Evangelischen Frauenhilfe wird als Sondervermögen der EKD ausschliesslich für Zwecke der FrauenDDR in der Presse distanziert hatte (vgl. A. SILOMON, Protokolle 4, 10B16). Die Einwände der sächsischen Landeskirche hatten sich vor allem gegen die politische Stellungnahme der EKD gegen die DDR gerichtet. Die in der Erklärung verwendeten Begriffe von Würde und Freiheit stünden in einer rein säkularen, naturrechtlichen Tradition. Nach christlichem Verständnis aber seien diese Begriffe keine selbstständigen Bedingungen der menschlichen Existenz, sondern abhängig von der Anerkennung des Evangeliums und der radikalen Hingabe des eigenen Lebens an die Liebe zum Nächsten. In der von Brunotte unterzeichneten Vorlage für die Ratsmitglieder hatte sich dieser gegen die Bitte der sächsischen Landeskirche ausgesprochen, die Eingabe den Landeskirchen zugehen zu lassen, da er fürchtete, eine uferlose Diskussion auszulösen; vgl. das Schreiben der Kirchenkanzlei an die Ratsmitglieder vom 26. September 1951 (EZA BERLIN, 2/2525). Die Eingabe der sächsischen Kirchenleitung wurde am 5. Oktober 1951 von der Kirchenkanzlei als Vorlage für die Sitzung der Kirchenkonferenz an die Mitglieder der Kirchenkonferenz gesandt (EBD.). 53 Vgl. ABlEKD 1948, Nr. 7 vom 15. Juli 1948, S. 111.

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hilfe durch deren Organe im Auftrage der Kirchenkanzlei, Berliner Stelle in Berlin C 2, Bischofstrasse 6/8 verwaltet. (4) Die Selbständigkeit der landeskirchlichen Frauenhilfen bzw. der in den Gliedkirchen bestehenden Werke für kirchliche Frauenarbeit wird von dieser Ordnung nicht berührt. §2 (1) Organe der Evangelischen Frauenhilfe sind: 1. der Arbeitsausschuss, 2. der geschäftsführende Ausschuss. (2) Die Leiterin der Frauenhilfe führt in beiden Organen den Vorsitz. Ihr steht der leitende Pfarrer der Frauenhilfe zur Seite. Di