Die Protokolle des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland. Band 2: 1947/48 9783666557545, 352555754X, 9783525557549

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Die Protokolle des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland. Band 2: 1947/48
 9783666557545, 352555754X, 9783525557549

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ARBEITEN ZUR KIRCHLICHEN ZEITGESCHICHTE REIHE A: QUELLEN · BAND 6

V&R

ARBEITEN ZUR KIRCHLICHEN ZEITGESCHICHTE Herausgegeben im Auftrag der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für Kirchliche Zeitgeschichte von Joachim Mehlhausen und Leonore Siegele-Wenschkewitz

REIHE A: QUELLEN

Band 6

Carsten Nicolaisen und Nora Andrea Schulze (Bearb.)

Die Protokolle des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland

Ö T T I N G E N • V A N D E N H O E C K & R U P R E C H T · 1997

Die Protokolle des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland Band 2: 1947/48

Im Auftrag der Ev. Arbeitsgemeinschaft für Kirchliche Zeitgeschichte und des Ev. Zentralarchivs in Berlin bearbeitet von C A R S T E N NICOLAISEN und N O R A ANDREA S C H U L Z E

GÖTTINGEN · VANDENHOECK & RUPRECHT · 1 9 9 7

Redaktionelle Betreuung dieses Bandes: Carsten Nicolaisen und Nora Andrea Schulze

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Evangelische Kirche in Deutschland / Rat: Die Protokolle des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland / im Auftr. der Ev. Arbeitsgemeinschaft fur Kirchliche Zeitgeschichte und des Ev. Zentralarchivs in Berlin bearb. Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht Bd. 2. 1947/48 (1997) (Arbeiten zur kirchlichen Zeitgeschichte: Reihe A, Quellen; Bd. 6) ISBN 3-525-55754-X

© 1997 Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen Printed in Germany. - Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Satz: Nora Andrea Schulze, München Druck und Bindung: Hubert & Co., Göttingen

INHALTSVERZEICHNIS Einleitung I.

Auf dem Weg zu einer Kirche in zwei Staaten. Zur Tätigkeit des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland in den Entscheidungsjahren 1947/48

Π. Editorische Vorbemerkungen

VII XXIV

Dokumente 10. Sitzung: Treysa, 24. und 25. Januar 1947 II. Sitzung: Frankfurt/Main, 27. und 28. März 1947

1 53

12. Sitzung: Berlin, 12. und 13. Mai 1947

127

13. Sitzung: Treysa, 6. Juni 1947

172

14. Sitzung: Frankfurt/Main, 5. und 6. August 1947

216

15. Sitzung: Darmstadt, 18. November 1947

267

16. Sitzung: Frankfurt/Main, 14. Januar 1948

349

17. Sitzung: Kassel, 9. und 10. März 1948

391

18. Sitzung: Frankfurt/Main, 27. und 28. April 1948

440

19. Sitzung: Eisenach, 14. Juli 1948

517

20. Sitzung: Bethel, 30. September 1948

550

21. Sitzung: Frankfurt/Main, 2. und 3. Dezember 1948

572

Chronologisches Dokumentenverzeichnis

696

Quellen- und Literaturverzeichnis

743

Abkürzungen

762

Personenregister/Biographische Angaben

767

Institutionen-, Orts- und Sachregister

832

Auf dem Weg zu einer Kirche in zwei Staaten. Zur Tätigkeit des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland in den Entscheidungsjahren 1947/48 Knapp zwei Jahre nach der Einsetzung des Rates zum vorläufig einzigen legitimen Leitungsorgan der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) durch die Kirchenversammlung von Treysa im August 19451 fällte der Präsident der Kirchenkanzlei, Hans Asmussen, ein vernichtendes Urteil über die bisherige Arbeit dieses höchst plural zusammengesetzten Gremiums: Es sei kein Geheimnis, daß die Mitglieder des Rates "in verschiedenen grundsätzlichen Dingen eine einheitliche Linie" noch nicht gefunden hätten1, und, schlimmer noch, daß von einer "wirksamen Initiative des Rates selbst" in keiner Weise geredet werden könne3. Nachdem der Rat mittlerweile auch den beiden einzigen Stellen, die seitens der EKD überhaupt noch irgendeine Form von Initiative gezeigt hätten - der Kirchenkanzlei und dem Kirchlichen Außenamt ·, jegliches selbständige Handeln untersagt habe, sei nun vollends ein "ungesunder Zustand" erreicht, der dringend beseitigt werden müsse*. Dieses Urteil traf ein Gremium, das sich im zweiten und dritten Jahr seiner Amtszeit mehr noch als bisher schon außerordentlichen, ja einzigartigen Herausforderungen gegenübersah. Allein die immer drängender werdende Bewältigung der Hauptaufgabe des Rates, den bisher nur vorläufigen Zusammenschluß der deutschen evangelischen Landeskirchen durch die Schaffung einer endgültigen Verfassung in geordnete Zustände zu überführen5, barg aufgrund der konfessionellen Streitigkeiten und der divergierenden Partikularinteressen innerhalb des deutschen Protestantismus eine Reihe von kaum mehr zu bewältigenden Schwierigkeiten. Über die innerkirchlichen Probleme hinaus aber sah sich der Rat jetzt auch mit der drohenden Teilung Deutschlands konfrontiert, die in den Jahren 1947/48 unaufhaltsam Gestalt annahm. Als zu diesem Zeitpunkt neben der katholischen Bischofskonferenz einziges intaktes gesamtdeutsches Gremium konnte er hierzu nicht schweigen. 1

Zur Kirchenversammlung

in Treysa vom 27. bis 31. August 1945 (Treysa I) vgl. F. SÖHLMANN,

Treysa; R. TYRA, Treysa; A. SMITH-VON OSTEN, Treysa, S. 102-140; G. BESIER/H. LUDWIG/ J . THIERFELDER, Kompromiß. 2

Schreiben Asmussens an die Mitglieder des Rates vom 20. Mai 1947 (12E7, S. 161-165; hier: S. 164).

3

Schreiben Asmussens an Dibelius vom 10. August 1947 (14E3, S. 257-263; hier: S. 257).

4

Ebd., S. 258.

5

Zu den Aufgaben des Rates vgl. Abschnitt III der "Vorläufige[n] Ordnung der Evangelischen Kirche in Deutschland" vom 31. August 1945 (C. NICOLAISEN/N.A. SCHULZE, Protokolle Bd. I, S. 14).

VIII

Einleitung

An den Reaktionen des Rates auf die rasch aufeinander folgenden politischen Ereignisse wird allerdings deutlich, daß zu diesem Zeitpunkt weder ein Konsens über ein theologisch fundiertes Konzept bestand, ob und in welcher Weise Kirche im allgemeinen und die EKD im speziellen zu politischen Fragen Stellung nehmen solle, noch geeignete Strukturen bzw. Gremien vorhanden waren, in denen es zu einer reflektierten Meinungsbildung und zur Formulierung von entsprechenden Vorschlägen an den Rat hätte kommen können. Der Rat selbst oder auch einzelne seiner Mitglieder ergriffen das Wort, weil die Situation es einfach erforderte. Dabei erscheinen aus heutiger Sicht die Verfahrensweisen und teilweise auch die Inhalte mancher dieser Stellungnahmen als problematisch. Aufgrund der mangelhaften Einbettung des Rates in geordnete und überschaubare Strukturen geriet gleich seine erste bedeutende Stellungnahme in dem durch umwälzende politische Weichenstellungen geprägten Jahr 1947 zu einem Fiasko. Vom 10. März bis zum 24. April 1947fand in Moskau eine Konferenz der Außenminister der vier Mächte statt, an die sich große Hoffnungen für eine gesamtdeutsche Lösung knüpftenb. Aus diesem Anlaß hatte der Rat auf der 10. Sitzung am 24. und 25. Januar 1947 in Treysa seine Mitglieder Heinrich Held, Oberkirchenrat und später Präses der rheinischen Kirche, und Gustav Heinemann, damals noch Oberbürgermeister von Essen, beauftragt, ein Wort zu entwerfen7, das in der darauffolgenden Sitzung am 27. und 28. März 1947 in Frankfurt/Main dann auch verabschiedet wurdes. Kurz nach der Sitzung stellte sich jedoch heraus, daß der von Held vorgelegte Entwurf, den der Rat nur überarbeitet hatte, bereits am 14. März 1947 von der rheinischen Kirchenleitung verabschiedet und am 25. März 1947 im dortigen Kirchlichen Amtsblatt als Beschlußder rheinischen Kirchenleitung veröffentlicht worden war. Daraufhin suspendierte Asmussen im Einverständnis mit dem Ratsvorsitzenden, dem württembergischen Landesbischof Theophil Wurm, kurzerhand die Beschlüsse zur Moskauer Konferenz9. Auch wenn dieses Vorgehen bei einigen Ratsmitgliedern auf herbe Kritik stieß und schließlich zu einer förmlichen Abmahnung Asmussens führte10, konnte die Stellungnahme zur Moskauer Konferenz dennoch nicht mehr als ein Wort des Rates wirksam werden. Alsdann mit dem Scheitern der Londoner Außenministerkonferenz im Dezember 194711 die Teilung Deutschlands greifbar naherückte, wurden unübersehbar die theologisch begründeten Unsicherheiten deutlich, die angesichts der Verabschie-

6

Zu dieser Konferenz vgl. S. 11, Anm. 44.

7 8

Vgl. S. Uf. Wort des Rates an die Gemeinden zur Friedenskonferenz (11C3, S. 73f.).

9 10

Vgl. dazu S. 58, Anm. 16. Vgl. den Beschluß auf der 12. Sitzung am 12./13. Mai 1947 in Berlin zur Suspension von Ratsbe-

schlüssen (S. 139). 11 Tu dieser Konferenz vgl. S. 291, Anm. 50.

Einleitung

IX

dung einer letztlich politisch motivierten Kundgebung innerhalb des Rates herrschten. Nach dem Abbruch der Londoner Verhandlungen hatte Bischof Otto Dibelius für die berlin-brandenburgische Kirchenleitung den Rat aufgefordert, einen "Kirchentag für ganz Deutschland" einzuberufen, der eine unmißverständliche kirchliche Stellungnahme zur Wiederaufnahme der Verhandlungen über die Einheit Deutschlands verabschieden sollte12. Tatsächlich wurde dann allerdings nur eine außerordentliche Ratssitzung einberufen, was Dibelius als "völlig unzureichend" betrachtete13. Die entscheidende Frage, die von den Ratsmitgliedern auf dieser kurzfristig anberaumten Sitzung am 14. Januar 1948 in Frankfurt/Main kontrovers diskutiert wurde, bestand neben verschiedenen situativ bedingten politischen Erwägungen vor allem darin, ob die Kirche überhaupt den Auftrag besitze, eine Kundgebung wie die zur Einheit Deutschlands zu verabschieden14. Das Wort wurde trotz aller Bedenken schließlich doch noch gemeinsam mit Vertretern von Freikirchen15 am 10. März 1948 in Kassel verabschiedet16; zu der für den Umgang mit zukünftigen Fragen dringend notwendigen Klärung des theologischen Grundsatzproblems kam es dabei freilich nicht. Andere wichtige politische Ereignisse blieben seitens des Rates vollständig unkommentiert. Dazu zählen die Vereinigung der amerikanischen und britischen Besätzungszone zur Bizone im Januar 1947, die Truman-Doktrin vom März 1947, die Münchener Ministerpräsidentenkonferenz vom Juni 1947 und die vom amerikanischen Außenminister Marshall im gleichen Monat angekündigte umfassende wirtschaftliche Hilfe für Europa, der sogenannte "Marshallplan "17. Weitere Maßnahmen wie z.B. die vom Länderrat des amerikanischen Besatzungsgebietes bereits im September 1946 beschlossene Bodenreform und das vom Alliierten Kontrollrat im April 1946 verabschiedete Betriebsrätegesetz, vor allem aber die im Juni 1948 durchgeführte Währungsreform wurden vom Rat nur insofern behandelt, als sie unmittelbar kirchliche Belange berührten, ohne daß es dabei zu einer nennenswerten Reflexion ihrer gesellschaftlichen bzw. politischen Dimensionen gekommen wäre18. Zudem segnete der Rat in solchen Fällen meistens nur rückwirkend Maß-

12 13 14 15 16 17 18

Vgl. das Schreiben der Kirchenkanzlei an die Ratsmitglieder vom 23. Dezember 1947 (16A2, S. 350/.). Schreiben Dibelius' an die Ratsmitglieder vom 27. Dezember 1947 (16A3, S. 3 5 Iff.). 2ur Diskussion im Rat vgl. S. 356, Anrn. 16. Diese Vertreter schlossen sich auf der Sitzung am 9./10. März 1948 in Kassel gemeinsam mit der EKD zur "A rbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland " zusammen (vgl. dazu S. 399). "Wort christlicher Kirchen in Deutschland für einen rechten Frieden und gegen die Zerreissung des deutschen Volkes" (17C4, S. 414ff.). Zu diesen Ereignissen vgl. R. STEININGER, Geschichte, S. 203-243. Zur Bodenreform vgl. das Schreiben Wurms "an das Amt der Militärregierung für Deutschland (U.S.)" vom 11. Januar 1947 (10C2, S. 16-21); zum Betriebsrätegesetz vgl. S. 141, Anm. 48; zur

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nahmen ab, die sein Vorsitzender Wurm bereits von sich aus ergriffen hatte19. Deutlichere Worte zu den wirtschaftlichen Folgen der Währungsreform fand dann allerdings die Kirchenversammlung in Eisenach vom 9. bis 13. Juli 194820, die sich auch kritisch zur Kriegsgefangenen- und Interniertenfrage, zur Aufrechterhaltung der Zonengrenzen und zur Spaltung Deutschlands äußerte21. Als vollends indifferent erscheint das Verhalten des Rates gegenüber den inzwischen wieder gegründeten politischen Parteien. Den Anstoß zu ersten Gesprächen zwischen kirchlichen Persönlichkeiten und Vertretern von SPD und CDU, die im Sommer und Herbst 1947 in Detmold stattfanden, gab der Leiter des Arbeitskreises Evangelische Akademie, Oskar Hammelsbeck22. Dieser Arbeitskreis war zwar in loser Form vom Rat anerkannt, doch wollte sich Wurm in keiner Weise an seine Aktivitäten binden lassen. Auf eine Anfrage des Vorsitzenden der Evangelischen Tagung der CDU in Westfalen, Boelitz, ob die in Detmold mit den Parteien geführten Gespräche als verbindliche Äußerung seitens der EKD zu verstehen seien2i, antwortete Wurm, der Arbeitskreis habe dabei völlig selbständig gehandelt, und auch die Stellungnahmen einzelner damals anwesender Ratsmitglieder seien als rein persönliche Äußerungen zu betrachten24. Die Anfrage Boelitz', die noch eine Reihe von weiteren grundsätzlichen Fragen zur künftigen Wahrnehmung von öffentlicher Verantwortung durch die Kirche enthielt, blieb ansonsten noch weit bis ins Jahr 1949 hinein unbeantwortet. Mit ausgesprochen mangelhafter Koordination reagierte der Rat schließlich auf die Verhandlungen des seit 1. September 1948 in Bonn tagenden Parlamentarischen Rates25. Noch bevor er selbst für die gesamte EKD Stellung nehmen konnte, hatte eine Konferenz der Landeskirchen in der britischen Zone Ende Oktober 1948 in Bethel Vorschläge für den Abschnitt Kirchen und Religionsgemeinschaften in der künftigen Verfassung erarbeitet und an den Parlamentarischen Rat gesandt26. Aus Währungsreform vgl. das Schreiben Wurms an die Leitungen der Landeskirchen in den drei Westzonen vom 5. Juli 1948 (19D1, S. 539ff.). 19 Vgl. die Beschlüsse zur Bodenreform (S. 5) und zur Währungsreform (S. 522). 20

Zu dieser Kirchenversammlung

vgl. ELSENACH 1948; A. SMITH-VON OSTEN, Treysa, S. 364-381;

H . BRUNOTTE, G r a n d o r d n u n g , S. 67-73.

21 22 23 24 25

Vgl. dazu das "Wort der Evangelischen Kirche in Deutschland zur deutschen Not" vom 13. Juli 1948 (19C4.S. 537). Zu diesen Gesprächen vgl. S. 461, Anm. 61. Schreiben der CDU (britische Zone) an den Rat vom 16. Januar 1948 (18D1, S. 461-466). Schreiben Wurms an Boelitz vom 20. Januar 1948 (vgl. dazu S. 442, Anm. 9). Zur Arbeit des Parlamentarischen Rates und zur Entstehung des Grundgesetzes vgl. T. ESCHENBURG, J a h r e , S. 4 8 3 - 5 1 4 .

26

Vorschlag der Konferenz der Kirchen der britischen Zone für das Grundgesetz vom 25. Oktober 1948 (21D13, S. 641ff.); Schreiben der Konferenz an den Parlamentarischen Rat vom 25. Oktober 1948 ( E Z A BERLIN, 2/32).

Einleitung

XI

der Kirchenkanzlei kam daraufhin der Vorschlag, es bei dieser Eingabe zu belassen, da es für weitere Maßnahmen seitens des Rates ohnehin zu spät sei2·7. Der Kirchenpräsident von Hessen-Nassau, Martin Niemöller, kritisierte diese Verfahrensweise zu Recht als "große Panne" 28 ; aufgrund seines und des Protestes weiterer Ratsmitglieder faßte Wurm den Entschluß, sich nun doch noch an den Parlamentarischen Rat zu wenden, "um deutlich zu machen, dass die erwähnte Eingabe [der Konferenz der Landeskirchen in der britischen Zone] nicht erschöpfend die Auffassung der gesamten Evangelischen Kirche in Deutschland zum Ausdruck bringt"29. In seinem Schreiben vom 9. November 1948 wies er den Parlamentarischen Rat besonders darauf hin, daß die Kirche nicht nur an ihrer eigenen "staatsrechtlichen Stellung", sondern auch "auf anderen Gebieten wesentliche Anliegen" vertreten wissen wolle, wozu u.a. die Fragen des Schwangerschaftsabbruchs, der Elternrechte und der Sterilisation zählten30. Zu einer geschlossenen Stellungnahme des Rates, dessen Amtszeit sich nunmehr ihrem Ende zuneigte, kam es trotzdem nicht mehr: Niemöller und Held verzichteten, weil Niemöller in seiner Eigenschaft als Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland gerade eine eigene Eingabe an den Parlamentarischen Rat gerichtet hattetn. Angesichts des oft planlos wirkenden Vorgehens des Rates scheint Asmussens eingangs zitierter Vorwurf, vom Leitungsgremium der EKD gehe keine wirksame Initiative aus, zunächst keineswegs aus der Luft gegriffen zu sein. Es drängt sich ausserdem der Eindruck auf, der Rat habe tatsächlich versäumt, den von Asmussen vehement angeprangerten "Konstruktionsfehler" zu beseitigen, der den Verantwortungsträgem der EKD offenbar immer wieder dabei im Wege stand, geschlossen und zielgerichtet zu handeln32 Der Umstand, daß der Rat in einer Zeit tiefgreifender politischer Umwälzungen bei der Wahrnehmung der mittlerweile als kirchliche Aufgabe erkannten öffentlichen Verantwortung lediglich auf einen einzigen freien politischen Berater in der Person des Freiburger Historikers Gerhard Ritter33 sowie einen kaum in Erscheinung getretenen wirtschafts- und sozialpoliti-

27 Schreiben der Kirchenkanzlei an die Ratsmitglieder vom 26. Oktober 1948 (21D14, S. 643f). 28 Vgl. sein Schreiben an Wurm vom 2. November 1948 (EZA BERLIN, 2/32). 29 Vgl. das Schreiben Wurms an die Ratsmitglieder vom 9. November 1948 (EBD.). 3 0 21E1, S. 686/. 31 Eingabe der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland an den Parlamentarischen Rat vom 8. Dezember 1948 (21E3, S. 688f.); schon vorher hatte sich auch Held für die Leitung der Ev. Kirche der Rheinprovinz am 29. Oktober 1948 an den Parlamentarischen Rat gewandt (vgl. dazu S. 645, Anm. 170). 32 Schreiben Asmussens an Dibelius vom 10. August 1947 (14E3, S. 257-263; hier: S. 258). 33 Zur Tätigkeit Ritters für die EKD vgl. S. 355, Anm. 14; K. NOWAK, Ritter.

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Einleitung

sehen Ausschuß*4 zurückgriff, scheint die These vom "Konstruktionsfehler" ebenfalls beispielhaft zu bestätigen. Die Vorwüfe Asmussens, ursprünglich gedacht zur Verteidigung seines von anderen Ratsmitgliedern als eigenmächtig beurteilten Handelns35, werden der besonderen Lage des ersten Rates jedoch nicht gerecht. Zunächst konnte in den Übergangsjahren von 1945 bis 1948 von einer "Konstruktion" der EKD im eigentlichen Sinne noch keine Rede sein: Die EKD bestand lediglich aus dem Rat selbst und seinen beiden personell, räumlich und materiell äußerst notdürftig ausgestatteten Amtsstellen, der Kirchenkanzlei und dem Kirchlichen Außenamt. Weitere Instrumente standen dem Rat zur Bewältigung seiner vielfältigen Aufgaben nicht zur Verfügung. Die eigentliche "Konstruktion" aber, die verfassungsmäßige Ordnung der zukünftigen EKD und damit auch die Institutionalisierung differenzierter Organe und Gremien sollte er ja gerade erst vorbereiten. Daß er es dabei stets vermeiden mußte, Entscheidungen zu treffen, die die künftige Gestalt der EKD vorwegnehmen oder ihre späteren Organe unnötig binden könnten^, findet in Asmussens Analyse der Mängel in der bisherigen "Notkonstruktion" keine angemessene Berücksichtigung. Weiterhin verdeckt der Vorwurf ungenügender Initiative sowohl den Blick auf die grundsätzliche Position als auch die tatsächlich erbrachten Leistungen des Rates. Prinzipiell hatte der Rat nicht seine eigenen Interessen zu vertreten, sondern stand im Spannungsfeld der divergierenden Interessen seiner Auftraggeber27. Nachdem sich die Kirchenversammlung von Treysa im August 1945 bemüht hatte, ihn für die verschiedenen Richtungen innerhalb der EKD repräsentativ zu besetzen, setzte sich dieses Spannungsfeld auch in seinen eigenen Rethen fort. Diese Konstellation aber machte es unmöglich, im Alleingang "Initiative" zu zeigen, wie es Asmussen forderte und für sich selbst dann auch immer wieder in Anspruch nahm'1. Die Tä-

34 Zur Einsetzung dieses Ausschusses vgl. den Beschluß des Rates auf seiner Ii. Sitzung am 18. November 1947 in Darmstadt (S. 290). 35 Zu den Auseinandersetzungen um die Amtsführung Asmussens und seine Entlassung vgl. G. BESIER, Kirchenversammlung; W. LEHMANN, Asmussen, S. 216-225; vgl. auch 16E1-16E9, S. 381-390. 36 Dementsprechend zeigte der Rat in allen organisatorischen und personellen Fragen große Zurückhaltung (vgl. das Schreiben Asmussens an die Ratsmitglieder vom 31. Januar 1947:11D12, S. 101); so verzichtete er z.B. auf eine Entscheidung über den künftigen Dienstsitz der bisher unter schwierigen Bedingungen in Schwäbisch Gmünd arbeitenden Kirchenkanzlei (vgl. dazu den Beschluß auf der 16. Sitzung am 14. Januar 1948 in Frankfurt/Main: S. 357f) ebenso wie auf eine Neubesetzung der Stelle ihres Leiters nach dem Ausscheiden Asmussens (vgl. den Beschluß auf der 19. Sitzung am 14. Juli 1948 in Eisenach: S. 320). 37 Zur Problematik der "Rechtsträger" der Kirchenversammlung von Treysa im August 194$, die den Rat eingesetzt hatte, vgl. W.-D. HAUSCHILD, Rat, S. XX-XXVIL 38 Vgl. dazu S. XII, Anm. 35.

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tigkeit des Rates ist vielmehr auf andere Weise zu charakterisieren: Er koordinierte, delegierte, setzte vereinzelt gezielte Impulse und fällte die letztlich bindenden Entscheidungen. Dabei wäre es ohne sein Wirken weder zu gesamtkirchlichen Stellungnahmen gegenüber der Öffentlichkeit noch zu einer Eingigung über Verfassung und Gestalt der EKD gekommen. Allerdings schien der Rat zu Beginn des Jahres 1947 bei der Schaffung einer endgültigen Ordnung der EKD ebenso von unkontrollierbaren Entwicklungen überrollt zu werden wie von den politischen Ereignissen. Ganz im Gegensatz zum Lutherrat, der seine Aktivitäten für den Zusammenschluß der lutherischen Landeskirchen zur Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) im Vorjahr massiv vorangetrieben und im September 1946 schließlich den Entwurf einer Verfassung der VELKD und seine Weitergabe an die synodalen Organe der angeschlossenen Kirchen beschlossen hatte*9, konnte der Rat nichts Entsprechendes vorweisen. Hatten die Spannungen zwischen Lutherrat und einigen Ratsmitgliedern sowie die durch den lutherischen Zusammenschluß drohende Gefährdung der Einheit der EKD auf der 7. Sitzung am 21. und 22. Juni 1946 in Speyer noch zur Einsetzung eines Ausschusses geführt, der dem Rat "eine Skizze für den Entwurf der Verfassung der EKD" vorlegen sollte*0, so waren diese Bemühungen mittlerweile wieder aufgegeben worden. Angesichts der kritischen Lage hatte der Rat stattdessen die Einberufung einer "vorläufigen" Kirchenversammlung für das Frühjahr 1947 beschlossen41, um sich auf einer breiteren Basis noch einmal grundsätzlich über die Vorgaben für das weitere Vorgehen zu verständigen. Für eine derartige Versammlung mußte zuerst noch eine rechtliche Basis geschaffen werden. Dazu verabschiedete der Rat auf seiner 10. Sitzung am 24. und 25. Januar 1947 in Treysa die "Verordnung über eine Kirchenversammlung der EKD", die Zusammensetzung, Aufgaben und Möglichkeiten einer Vertretung konfessioneller Interessengruppen regelte*2. Sowohl die Verordnung selbst als auch die weiteren Beschlüsse des Rates zu Zeitpunkt und Tagesordnung der Kirchenversammlung vermitteln allerdings nicht den geringsten Eindruck von den vielfältigen Besprechungen und Aktivitäten zur Klärung der konfessionellen Streitigkeiten, die unumgänglich notwendig waren, damit die Kirchenversammlung erfolgreich zu39 Zu den Beschlüssen des Lutherrates auf seiner Tagung am 12./13. September 1946 in Göttingen vgl. A. SMITH-VON OSTEN, Treysa, S. 216-220; zur Entstehung der VELKD vgl. auch W.-D. HAUSCHILD, L u t h e r r a t .

40 Zu diesem Ausschuß gehörten der hannoversche Oberlandeskirchenrat und spätere Landesbischof Hanns Lilje, der Göttinger Systematiker Hans Joachim Iwand und der ebenfalls in Göttingen tätige Jurist und Kirchenrechtler Rudolf Smend (vgl. dazu C. NICOLAISEN/N. A. SCHULZE, Protokolle Bd. I, S. 584 mit Anm. 29). 41 Vgl. den Beschlußauf der 8. Sitztung am 10./11. Oktober 1946 in Frankfurt/Main (EBD., S. 652) 42 10C9, S. 30ff.; zum Zustandekommen dieser Verordnung vgl. S. 11, Anm. 42. 43 Auf der Sitzung am 12./13. Mai 1947 in Berlin (vgl. dazu 12B, S. 131-135).

XIV

Einleitung

sammentreten konnte. Einen aufschlußreichen Eindruck von der angespannten Situation gibt die auf der Bruderratssitzung am 26. und 27. März 1947 in Darmstadt geäußerte Befürchtung, die EKD gehe "einem zweiten Oeynhausen" entgegen^, was ein erneutes und diesmal vermutlich endgültiges Auseinanderbrechen der Gesamtkirche bedeutet hätte46. In dieser Lage war es einmal mehr der Ratsvorsitzende Wurm, der die Initiative ergriff und die verschiedenen konfessionellen Gruppen zu Gesprächen einlud, um eine Vorklärung der auf der Kirchenversammlung zu verhandelnden Fragen zu erreichen4'7. Eine Einigung konnte dabei freilich nicht erzielt werden. Während sich der Lutherrat weder dazu bewegen ließ, die in den Bekenntnisschriften der Reformationszeit ausgesprochenen Verwerfungen gegen die Reformierten aufzugeben48 noch einen positiven Hinweis auf die Theologische Erklärung von Barmen49 in die künftige Verfassung der VELKD aufzunehmen, betrachtete das Moderamen des Reformierten Bundes gerade die Barmer Erklärung als "unumgängliche theologische Grundlage" der EKD50. Auch die unierten Kirchen maßen Barmen eine grundlegendere Bedeutung zu und lehnten ausdrücklich die Confessio Augustana als Grundlage für die EKD all·1. Einen mittleren Weg versuchten die lutherischen Kirchen außerhalb der VELKD zu beschreiten, die sich bei der Besprechung am 9. und 10. April 1947 zum sog. "Detmolder Kreis" zusammenschlossen52. Der Bruderrat schließlich sah angesichts der vollendeten Tatsachen, die der Lutherrat durch die Verabschiedung des Verfassungsentwurfs der VELKD geschaffen hatte, nicht mehr den geringsten Sinn in den von Wurm vermittelten Gesprächen und verabschiedete seinerseits am 27. März 1947 den Entwurf einer Ordnung der EKD, der für die spätere Grundordnung wegweisend wurde'*. Zu einer Behand-

44 Ζu dieser Sitzung, auf der der Bruderrat den Entwurf einer Ordnung der EKD verabschiedet hatte, vgl. A . SMITH-VON OSTEN, Treysa, S. 247FF. 45 Vgl. dazu das Schreiben Asmussens an Meiser vom 29. März 1947 (11E12, S. 120-124; hier: S. 121); vgl. auch das Schreiben Asmussens an Niemöller vom gleichen Tag (11E13, S. 124-126). 46 Zur 4. Bekenntnissynode der DEK vom 17. bis 22. Februar in Bad Oeynhausen, bei der die Bekennende Kirche in einen bruderrätlichen und einen bischöflichen Flügel zerfiel, vgl. W. NLEMÖLLER, Bekenntnissynode. 47 Vgl. dazu und zum folgenden A. SMITH-VON OSTEN, Treysa, S. 262ff. 48 Tum Gespräch mit dem Lutherratam 14. Februar 1947 vgl. EBD., S. 265-268. 4 9 Zur Barmer Theologischen Erklärung vom 31. Mai 1934 vgl. A . BURGSMÜLLER/R. W E T H , Erk l ä r u n g , S. 32-42; C . NICOLAISEN, W e g .

50 Vgl. die Entschließung "Zum Entwurf der Verfassung der VELKD" vom 14. März 1947 (vgl. dazu A . SMITH-VON OSTEN, Treysa, S. 268f.). 51 Zu den Ergebnissen des Gesprächs mit den unierten Kirchen am 6. Mai 1947 in Stuttgart vgl. EBD., S. 270ff. 52 Zu den Detmolder Beschlüssen vgl. EBD., S. 274ff; H. ASMUSSEN, Bedeutung. 53 Abdruck des Entwurfs bei H. BRUNOTTE, Grundordnung, S. 316-359.

Einleitung

XV

lung der konfessionellen Fragen im Rat selbst ist es bemerkenswerterweise nicht gekommen54. Am 5. und 6. Juni 1947 trat die Kirchenversammlung dann in Treysa zusammen55. Am Ende des ersten Verhandlungstages schien kaum noch Hoffnung auf eine Einigung zu bestehen. Eine Wendung nahmen die Debatten erst durch das Bekanntwerden der vom Lutherrat am 4. Juni 1947 verabschiedeten Erschliessung zum Verfassungsentwurf der VELKD, in der die bisher vermißte Stellungnahme zum Verhältnis der VELKD zur EKD, zur Theologischen Erklärung von Barmen und zur Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft abgegeben wurdeSb. Diese Entschließung bot trotz aller von Seiten des Lutherrats immer noch geäußerten Bedenken gegen die EKD genügend Ansatzpunkte, um zu einem Kompromiß zu kommen. So nahm dann auch die Entschließung der Kirchenversammlung "Zur innerkirchlichen Lage"57, die den Weg zur späteren Grundordnung der EKD freimachte, ausdrücklich Bezug auf die Stellungnahme des Lutherrats. Nachdem bereits am ersten Verhandlungstag Stimmen laut geworden waren, die die rein innerkirchlichen konfessionellen Auseinandersetzungen angesichts der drängenden Nöte der Bevölkerung heftig kritisiert hatten, wurde außerdem eine Entschließung "Zur allgemeinen Lage" verabschiedet, in der sich die Kirchenversammlung u.a. zur Hungersnot, zur Kriegsgefangenen- und Interniertenfrage sowie zu den Vertreibungen äußerte58. Nach Monaten aussichtslos erscheinender konfessioneller Auseinandersetzungen und beklemmender Handlungsunfähigkeit stand der Rat jetzt vor der konkreten Aufgabe, "möglichst bald einer verfassunggebenden Kirchenversammlung den Entwurf einer Ordnung der EKD zur Beschlußfassung vorzulegen" 59 . Mit der Ausarbeitung eines entsprechenden Entwurfs beauftragte er noch auf seiner sich unmittelbar an die Kirchenversammlung anschließenden Sitzung einen aus dem hannoverschen Oberlandeskirchenrat Heinz Brunotte, dem Freiburger Kirchenrechtler Erik Wolf und dem oldenburgischen Oberkirchenrat Hermann Ehlers bestehenden VerfassungsausschußP; auf der folgenden Ratssitzung erhielt der Ausschuß außerdem den Auftrag, eine "Verordnung über die Zusammensetzung und die Zuständigkeiten einer verfassunggebenden Kirchenversammlung vor-

54 Zum Ausbleiben konfessioneller Gespräche im Rat vgl. das Schreiben Asmussens an die Ratsmitglieder vom 20. Mai 1947 (12E7, S. 161-165; hier: S. 163f.). 55 Zu dieser Kirchenversammlung (Treysa II) vgl. die Niederschrift im EZA BERLIN, 2/42; H. BRUNOTTE, Grundordnung, S. 39-51; A. SMITH-VON OSTEN, Treysa, S. 277-293. 56 Abdruck der Entschließung: H. BRUNOTTE, Grundordnung, S. 305ff. 57 13C4, S. 195f. 58 13C1, S. 186f. 59 Ziff. 7 der Entschließung "Zur innerkirchlichen Lage" (S. 196). 60 Vgl. den Beschluß auf der 13. Sitzung am 5. Juni 1947 in Treysa (13B, S. 180).

XVI

Einleitung

zulegen"61. Im August und im September trat der Ausschuß dann zu zwei Sitzungen zusammen62, als deren Ergebnis er sowohl einen Entwurf für eine Grundordnung (den sog. Entwurf als auch einen Entwurf für eine Verordnung über das Zustandekommen der Grundordnung*M präsentieren konnte. Schon auf seiner nächsten Sitzung entschied der Rat, beide Entwürfe den Landeskirchen und dem Bruderrat zur Stellungnahme vorzulegen65. Damit schien der wichtigste Schritt getan. Der zügige Ablauf der Ereignisse vermittelt jedoch ein trügerisches Bild. Asmussens Vermutung, es sei damit zu rechnen, "dass die Schaffung einer gültigen Ordnung der E K D auf grössere Schwierigkeiten stösst, als man es in Treysa an-

nehmen konnte"66, beschrieb die tatsächliche Lage wesentlich treffender. Daß nämlich durch die Treysaer Entschließung die Konflikte keineswegs beigelegt waren, hatte sich schon kurz darauf gezeigt, als die Kirchenkanzlei noch im Juni einen eigenen Entwurf für eine Verordnung über die verfassunggebende Kirchenversammlung vorlegte*'7, der zusammen mit den Hoffnungen auf ein baldiges Zusammentreten der Kirchenversammlung am entschiedenen Widerstand der Lutherrats scheiterte*>*. Diesem Widerstand war es letztlich zu verdanken, daß der Rat dem Verfassungsausschuß auch die Verantwortung für die Verordnung über das Zustandekommen der Grundordnung abtreten mußte69; ein Vorgehen, das Asmussen als Zeichen der "Verlegenheit" des Rates "auf konfessionellem Gebiet" deutete70 und das selbst Wurm zu dem Geständnis veranlaßte, er sei nach der Debatte doch "recht mutlos" gewesen, weil der bayerische Landesbischof Hans Meiser "wieder einmal Prügel in den Weg geworfen"

habf1.

Wie sehr die konfessionellen Auseinandersetzungen auch den Rat selbst zu spalten drohten, zeigte sich dann ausgerechnet auf der Sitzung, in der beschlossen wurde, die Entwürfe des Verfassungsausschusses den Landeskirchen zuzuleiten: Die Debatte konnte nur noch zu einem versöhnlichen Abschluß gebracht werden71, weil 61 Vgl. den Beschlußauf der 14. Sitzung am 5. und 6. August 1947 in Frankfurt/Main (14B, S. 218f.). 62 Zu den Sitzungen des Verfassungsausschusses vom 27. bis 29. August 1947 in Frankfurt/Main und am 21. September 1947 in Berlin vgl. den Vermerk Schwarzhaupts und Benns (15E2, S. 329ff.). 63 15D1.S. 296-306. 64 15D3, S. 307-310. 65 Vgl. die Beschlüsse vom 18. November 1947 (15B, S. 279ff.). 66 Schreiben Asmussens (ohne Adressat) vom 1. August 1947 (14E1, S. 251-254; hier: S. 251). 67 14D2, S. 234-237. 68 Vgl. dazu A. SMITH-VON OSTEN, Treysa, S. 312-316. 69 Zu dem entsprechenden Beschlußvgl. S. XVI, Anm. 61. 70 Schreiben Asmussens an Dibelius vom 10. August 1947 (14E3, S. 257-263; hier: S. 261). 71 Schreiben Wurms an Heinemann vom 30. August 1947 (14E4, S. 263-266; hier: S. 264). 72 Eine kontroverse Aussprache zur Lage hatte Wurm selbst in seinem Schreiben an die Ratsmitglieder vom 11. November 1947 angeregt, in dem er u.a. darauf hingewiesen hatte, daß "seit der er-

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XVII

Wurm die Ratsmitglieder ermahnte, es wäre "furchtbar und hätte die schlimmsten Wirkungen für unsere Stellung in der Öffentlichkeit und der Ökumene, wenn \wir\ die Spannungen, die unter uns sind, zu Gegensätzen werden Hessen, die es uns schließlich nicht mehr erlauben, zusammen zu bleiben" 73 . Zu

einer endgültigen Spaltung ist es freilich niemals gekommen; die Klärung der im Hinblick auf die Grundordnung strittigsten Fragen - inwiefern auf die Barmer Erklärung bezug genommen werden, worauf sich die Einheit der EKD gründen und auf welche Weise das Abendmahlsproblem Berücksichtigung finden sollte fand den schwierigen Gegebenheiten entsprechend im Rat selbst aber nicht mehr statt. Die Klärung dieser Probleme blieb anderen Gremien, allen voran dem Verfassungsausschuß, und letztlich erst der verfassunggebenden Kirchenversammlung selbst überlassen. Wie diese Kirchenversammlung gebildet werden sollte, stand dann im Januar 1948 endgültig fest. Bei der laut Protokoll einstimmigen Beschlußfassung74 zu der vom Verfassungsausschuß vorgelegten "Verordnung über das Zustandekommen einer Grundordnung der Evangelischen Kirche in Deutschland" 75 enthielt sich

Meiser allerdings der Stimme. Das lag ganz auf der Linie, mit der der Lutherrat auch den Entwurf I für eine Grundordnung zu torpedieren versuchte, was im Februar 1947 sogar zu einem eigenen lutherischen Verfassungsentwurffür die EKD führte"'. Kritisch äußerte sich aber auch das Moderamen des Reformierten Bundes, das die Bekenntnisse weniger betont, die Zuständigkeiten der EKD ausgeweitet und die Beschränkungen der Abendmahlsgemeinschaft aufgehoben wissen wollte77 Der Bruderrat erklärte sich weitgehend einverstanden, wünschte zusätzlich jedoch eine Verankerung seiner weiteren Mitverantwortung in der künftigen EKD7i. Der Detmolder Kreis, der sich zwar nicht direkt an den Auseinandersetzungen um die Grundordnung beteiligte, versuchte eine Klärung der strittigen Fragen durch den Eintritt in einen Dialog mit dem Lutherrat zu erreichen79, litt dabei aber zusehends unter den kirchenpolitischen Alleingängen Asmussensso. sten Kirchenversammlung von Treysa [...] in öffentlichen Versammlungen, wie auch auf Synoden und anderen kirchlichen Treffen der unselige Gegensatz aufgerissen worden" sei, der "seit der Synode von Oeynhausen die Kirche spaltete" (15D6, S. 316ff.; bier: S. 316). 73

Zur Debatte im Rat und zum abschließenden Votum Wurms vgl. S. 279, Anm. 19.

74 Am 14. Januar 1948 (16B, S. 360). 75

16C5, S. 368-371.

76

Zum Widerstand des Lutherrats und zum sog. Berliner Entwurf vgl. A. SMITH-VON OSTEN, Treysa, S. 335-341.

77

Zur Stellungnahme des Moderamens des Reformierten Bundes vgl. EBD., S. 333f.

78

Zu den die Grundordnung behandelnden Tagungen des Bruderrates am Ii. und 16. Oktober 1947 sowie am 7. und 8. Januar 1948 in Kassel vgl. EBD., S. 334f.

79

Zu den Aktivitäten und Beschlüssen des Detmolder Kreises vgl. EBD., S. 341-347.

80

Vgl. dazu EBD., S. 347-353; oben S. XII, Anm. 35; vgl. auch S. 346, Anm. 102.

xvm

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Die Stellungnahmen der kirchenpolitischen Interessengruppen und der Landeskirchen^ führten schließlich dazu, daßder Verfassungsausschuß am 8. März 1948 in Kassel einen neuen Entwurf für die Grundordnung erarbeitete. Auf der sich anschließenden gemeinsamen Sitzung des Rates mit dem Verfassungsausschuß am 9. März wurde dieser Entwurf dann nochmals umformulier ft2; Ergebnis der Besprechungen war der "Entwurf II für eine Grundordnung der EKD" 83 , mit dem die Arbeiten am Grundordnungsentwurf jedoch immer noch nicht als abgeschlossen betrachtet werden konnten. Aufgrund der verbliebenen Unklarheiten empfahl der Rat, der Verfassungsausschuß solle in einer gemeinsamen Besprechung "mit Vertretern der verschiedenen massgeblichen Kreise, insbesondere des Lutherrats, des Bruderrats, des Reformierten Moderamens und einem Vertreter einer consensusunierten Kirche" Fühlung nehmen^4. Die Ergebnisse dieser Besprechung, die am 10. und 11. April 1948 in Karlsruhe stattfand®5, übermittelte der Verfassungsausschuß zusammen mit seinen eigenen Empfehlungen dem Rat in einem Schreiben vom 11. April 1948ii; danach betrachtete der Ausschuß "seine Arbeit als abgeschlossen". Die Entscheidung über das weitere Vorgehen lag jetzt wieder vollständig beim Rat. Als daraufhin von Seiten des bayerischen Landessynodalausschusses gefordert wurde, der Verfassungsentwurf müsse vor einer Beschlußfassung durch eine Kirchenversammlung erst noch den Landessynoden zur Stellungnahme vorgelegt werden, beschloß der Rat in seiner Sitzung im April 1948 kurzerhand, den Entwurf sofort fertigzustellen, ihn den Landeskirchen lediglich zur Kenntnisnahme zuzusenden und zur endgültigen Beratung und Beschlußfassung der Kirchenversammlung zu übergeben, die für den 25. und 26. Juni 1948 nach Eisenach einberufen wurde?7; aufgrund der Unwägbarkeiten, die die Währungsreform88 verursachte, mußte der Termin dann auf den 9. bis 13. fuli verschoben werden". Trotz heftig geführter Auseinandersetzungen konnte die Grundordnung der EKD am 13. Juli 1948 von der Kirchenversammlung verabschiedet werden90. Nachdem die Gliedkirchen und der Bruderrat zugestimmt und unterzeichnet hatten, wurde sie

81 Die Stellungnahmen der Landeskirchen sind überliefert im EZA BERLIN, 2/5. 82 Vgl. dazu 17B, S. 394-398. 83 17C1, S. 401-410. 84 17B.S.397. 85 Vgl. dazu S. 448, Anm. 21. 86 Schreiben: 18D9, S. 505/; Empfehlungen: 18D10, S. 506ff. 87 Vgl. die Beschlüsse vom 27V28. April 1948 (18B, S. 448-453); vollständiger Abdruck der der Kirchenversammlung vorgelegten Fassung des Entwurfs: H. BRUNOTTE, Grundordnung, S. 317-361. 88 Vgl. dazu S. 522, Anm. 21. 89 Zur Kirchenversammlung in Eisenach vgl. S. X, Anm. 20. 90 19C1, S. 524-535; vgl. dazu auch den Beschluß des Rates auf seiner Sitzung am 13. Juli 1948 in Eisenach (19B, S. 519).

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XIX

vom Rat auf seiner letzten Sitzung am 2. und 3. Dezember 1948 in Frankfurt/Main verkündet und trat damit in Kraft'31. Dem Rat blieb jetzt nur noch, die erste Tagung der nunmehr verfassungsmäßig verankerten neuen Organe derEKD, der Kirchenkonferenz und der Synode, vorzubereiten92. Damit hatte er seine Hauptaufgabe, die "Vorbereitung einer endgültigen Ordnung der EKD" 93 , erfüllt. So wenig die offiziellen Sitzungsprotokolle einerseits auch über die Kontroversen verraten, die dem Kompromiß von Eisenach und der Verkündung der Grundordnung vorausgingen, so sehr lassen sie andererseits deutlich werden, wieviele Probleme, die über die verfassungsmäßige Ordnung der EKD weit hinausgingen, auf den Rat geradezu einstürmten und was für einen breiten Raum sie dementsprechend auch in seinen Sitzungen einnahmen. Hierher gehören zunächst eine Reihe von persönlichen Einzelfällen, wie z.B. die Vorgänge um den wegen seiner kritischen Auseinandersetzung mit dem Basler Systematiker Karl Barth vom Dienst suspendierten Mainzer Professor Wilhelm Boudriot, der den Rat immer wieder um Fürsprache ersuchte94. Mehrfach verhandelt wurde auch der Fall des badischen Pfarrers Kurt Lehmann, der während des "Kirchenkampfs" zwangspensioniert worden war und jetzt um die Wiedereinsetzung in seine alte Pfarrstelle kämpfte95. Neben diesen und anderen, manchmal zwar konfliktträchtigen, aber durchweg seriösen persönlichen Angelegenheiten96 mußte sich der Rat selbst mit so zweifelhaften Persönlichkeiten wie dem mehrfach verurteilten ehemaligen "Landesbischof" von Bremen, Heinz Weidemann, beschäftigen97. Weiterhin waren ein Reihe von Anfragen kirchlicher Stellen und Gruppierungen zu bewältigen. Dazu gehören vor allem der Übertritt der reformierten Gemeinde in Marburg zum lutherischen Bekenntnis98 sowie die innerkirchlichen Auseinandersetzungen in Kurhessen-Waldeck99 und in Bremen10°. Wiederholt behandelte der Rat auch die Bitte der Kirchlichen Hochschule in Berlin um ihre Anerkennung

91 92 93 94 95 96

97 98 99 100

Vgl. dazu 21B, S. 578. Vgl. dazu 20B, S. 567f; 21B, S. 579-582; zur Tagung der Kirchenkonferenz und der Synode vom 9. bis 13. Januar 1949 in Bethel vgl. BETHEL 1949. Vgl. dazu S. VII, Anm. 5. Vgl. dazu S. 4, Anm. 15; S. 183, Anm. 38; S. 219, Anm. 9; S. 455, Anm. 49. Vgl. dazu S. 140, Anm. 44; S. 181, Anm. 32; S. 285, Anm. 33. Zu den Eingaben des fast erblindeten und mittellosen Professors Cajus Fabricius vgl. das Schreiben Wurms an die Ratsmitglieder vom 31. Juli 1948(20A1, S. 550-555; hier: S. 551ff.);zur Versorgung der Witwe des wegen seiner Beteiligung an der Veröffentlichung der vertraulichen Denkschrift der VKL II an Hitler im KZ Sachsenhausen ermordeten Friedrich Weißler vgl. S. 455. Vgl. dazu S. 182, Anm. 37. Vgl. dazu S. 138f; S. 181f; S. 290. Vgl. dazu S. 136f; S. 179. Vgl. dazu S. 282f; S. 457; S. 578f.

XX

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als Einrichtung der EKD101. Daneben findet sich ein Sammelsurium von Anfragen verschiedenster kirchlicher Provenienz: Die Evangelische Reichsfrauenhilfe wünschte die Einführung eines Frauensonntagsder Ev. Oberkirchenrat Stuttgart fragte an, ob am 1. Mai kirchliche Feiern abgehalten werden sollten103, der Evangelisch-Soziale Kongreß bat um die jährliche Abhaltung eines Friedenssonntagsm, und das Rauhe Haus beantragte die Ausschreibung einer gesamtkirchlichen Kollekte105. Unter der tatsächlich noch weitaus größeren Fülle von Eingaben sind vereinzelt sogar grotesk anmutende Forderungen enthalten106. Entsprechend seiner Alleinvertretung für die EKD sammelte sich beim Rat einfach alles, was auch nur im entferntesten gesamtkirchliche Belange berührte oder für dessen Regelung sich keine landeskirchlichen Stellen finden ließen. Angesichts der immer noch verheerenden Zustände in Deutschland standen naturgemäß immer wieder humanitäre Fragen auf der Tagesordnung, wie z.B. die Lage der Kriegsgefangenen und Internierten107. Über schriftliche Eingaben und Stellungnahmen hinaus läßt die Uberlieferung dabei, wie auf anderen Gebieten auch, kaum erkennen, was der Rat selbst, einzelne seiner Mitglieder oder inoffiziell beauftragte Personen auf alternativen Wegen, etwa durch persönliche Gespräche mit den zuständigen politischen Verantwortungsträgern, geleistet haben. Direkte Hilfe für die notleidende Bevölkerung ging allerdings ohnehin nicht vom Rat oder der Kirchenkanzlei aus, sondern vom Hilfswerk der EKD10g. Dabei stand es um das Verhältnis zwischen Hilfswerk und Rat nicht zum besten: Während der Rat das Hilfswerk als eine ihm untergeordnete Einrichtung der EKD betrachtete, vertrat dessen Leiter, Eugen Gerstenmaier, den Standpunkt, der Rat besitze keine Zuständigkeit für das Hilfswerk; dessen rechtliches Verhältnis zur EKD lasse sich erst dann verbindlich regeln, wenn die EKD eine dauerhafte Verfassung habe109. 101 102 103 104 105 106

Vgl. dazu S. 62f.; S. 175; S. 227f. Vgl. dazu S. 62, Anm. 30. Vgl. dazu S. 66f. Vgl. dazu S. 176f. Vgl. dazu S. 283. Dazu gehört u.a. das auf den 27. März datierte Wort der "Christlichen Sammlung" zu Ostern 1948 (vgl. dazu S. 447, Anm. 19). 107 Vgl. u.a. den Aufrufdes Rates zu einer Gebetswoche für die Kriegsgefangenen auf seiner 13. Sitzung am 6. Juni 1947 in Treysa (13B, S. 177f), die Beschlüsse zur "Deutschefn] Not" auf der 14. Sitzung am 5./6. August 1947 in Frankfurt/Main (14B, S. 223) und das Schreiben Wurms an Clay vom 11. Februar 1948 (15E8, S. 337f), das eine Denkschrift der Lagerseelsorger in der amerikanischen Tone über die Intemiertenfrage enthielt (15E9, S. 338-344). 108 Zu Gründung und Geschichte des Hilfswerks vgl. C. NICOLAISEN/N.A. SCHULZE, Protokolle Bd. I, S. 2, A n m . 4; J . M . WLSCHNATH, Kirche.

109 Vgl. dazu das Schreiben Gerstenmaiers an Asmussen vom 10. Februar 1947 (10E3, S. 36f), den Beschluß auf der 10. Sitzung am 24./25. Januar 1947 in Treysa (10B, S. 7) und die Beschlüsse auf der 11. Sitzung am 27./28. März 1947 in Frankfurt/Main (IIB, S. 70).

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XXI

Dementsprechend standen bei den ratsinternen Debatten über das Hilfswerk auch nicht etwa die Durchführung von Hilfsaktionen, sondern Ordnungsfragen im Mittelpunkt110. Die Auseinandersetzungen konnten letztlich erst mit der Synode in Bethel im Januar 1949 beendet werden, die ein auf zwei Jahre befristetes Kirchengesetz über das Hilfswerk verabschiedetem. Ahnlich gespannt gestaltete sich das Verhältnis zum Evangelischen Preßverband für Deutschland und insbesondere zu dessen Direktor, dem schlesischen Oberkonsistorialrat a.D. Walter Schwarz. Aufgrund seiner umstrittenen kirchenpolitischen Vergangenheit112 wollte ihn der Rat um keinen Preis in einer derart exponierten Stellung duldenm. Als die Mitgliederversammlung des Preßverbandes die Absetzung Schwarz' ablehnteU4, sprach der Rat dem Verband schließlich das Recht ab, "sich als ein offiziöses Organ der EKD zu betrachten"115. Schwierigkeiten hin-

sichtlich der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit gab es aber auch im eigenen Haus: Weil der Rat sich nicht an die umstrittenen Veröffentlichungen der Kirchenkanzlei und ihres Leiters binden lassen wollte, forderte er eine öffentliche Klarstellung über den inoffiziellen Charakter des von der Kirchenkanzlei herausgegebenen Schriftendienstesnb, untersagte die Bildung einer eigenen Pressestelle117 und stellte mit dem Ausscheiden Asmussens umgehend auch die nichtamtliche Ausgabe Β des Amtsblattes einm. Eigene Projekte verfolgte der Rat bei der Neuordnung des kirchlichen Pressewesens allerdings nicht; er trat hauptsächlich vermittelnd ein119 oder unterstützte bereits bestehende Pläne anderer Einrichtungen und Personen120. Wesentlich in der Hand anderer Gremien lagen auch zwei Projekte von erheblicher gesamtkirchlicher Bedeutung, die bereits seit Jahrzehnten in Angriff genommen waren: Die Revision des Textes der Lutherbibelm und die Ausarbeitung eines 110 Zur Entstehung eines Kirchengesetzes über das Hilfswerk vgl. S. 523, Anm. 24; S. 561f; S. 583/. 111 Abdruck des Kirchengesetzes vom 13. Januar 1949: AB1EKD 1949, Heft 3 vom 15. März 1949, Nr. 40, S. 45ff. 112 Vgl. dazu das Schreiben Schwarz' an Wurm vom 19. Februar 1947 (10E7, S. 50f); C. NLCOLAISEN/N.A. SCHULZE, P r o t o k o l l e Bd. I, S. 395, A n m . 44; S. 466f., A n m . 44; S. 725, A n m . 18.

113 Vgl. den Beschluß des Rates auf seiner 10. Sitzung am 24./25. Januar 1947 in Treysa (10B, S. 12) und auf der 11. Sitzung am 27./28. März 1947 in Frankfurt/Main (HB, S. 65). 114 Vgl. dazu das Schreiben des Ev. Preßverbandes für Deutschland an die Kirchenkanzlei vom 19. August 1947 (11E4, S. 108ff.). 115 Vgl. den Beschluß auf der 15. Sitzung am 18. November 1947 in Darmstadt (15B, S. 288). 116 Vgl. dazu S. 9. 117 Vgl. dazu S. 358. 118 Vgl. dazu S. 522. 119 Zu den Ausgleichsbemühungen des Rates angesichts der zwischen verschiedenen evangelischen Presseverbänden aufgetretenen Spannungen vgl. S. 221, Anm. 14. 120 Vgl. die Beschlüsse zu dem von Lilje herausgegebenen "Sonntagsblatt" (14B, S. 221) und zu dem letztlich gescheiterten Projekt eines christlichen Rundfundsenders (20B, S. 564f). 121 Vgl. dazu H. STRATHMANN, Bibelrevision; DERS., Problem.

XXII

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einheitlichen Gesangbuchs, des späteren Evangelischen Kirchengesangbuchs (EKG)122. Für den Abschluß der Bibelrevision hatte der Rat zwar bereits im Oktober 1946 eine Bibelkammer eingesetzt123, die, nachdem sie im Februar 1947 ein einziges Mal getagt hatte, im April 1948 dann aber wieder aufgelöst wurde, weil sich ihre Aufgaben mit denen des inzwischen gegründeten "Verbandes der evangelischen Bibelgesellschaften in Deutschland" überschnitten; der Rat behielt sich jedoch das Recht zur Mitsprache bei der Entscheidung über die Drucklegung vor124. Noch geringer war sein Einfluß auf die Entstehung des EKG: Der Beschluß vom Oktober 1946, das Hilfswerk angesichts des Mangels an Gesangbüchern zu einer Neuauflage des 1. Teils des veralteten "Deutschen Einheitsgesangbuchs" von 1913 zu ermuntern125, erwies sich eher als hinderlich und wurde schließlich als Fehlentscheidung erkanntnb. Die Kirchenversammlung von Treysa im Juni 1947 empfahl in einer entsprechenden Entschließung dann auch den vom Gesangbuchausschuß des "Verbandes evangelischer Kirchenchöre Deutschlands" vorgelegten Entwurf27. Nachdem der Rat es zunächst sogar versäumt hatte, zu der Entschließung der Kirchenversammlung Stellung zu nehmen121, faßte er zum Gesangbuch nur noch einen einzigen, letztlich wirkungslos gebliebenen Beschluß: Der von ihm eingesetzte "Koordinierungsausschuß" trat kaum mehr in Erscheinung, weil sich die federführenden Gremiem bereits im April 1948 auf die Liedauswahl für den Stammteil des EKG geeinigt hatten129. In die letzten beiden Jahre der A mtszeit des Rates fiel schließlich noch die Regelung des Verhältnisses der EKD zur inner• und außerdeutschen Ökumene. Innerhalb Deutschlands kam es nach fast zweijähriger Vorbereitungszeit im März 1948 zur Gründung der bis heute bestehenden "Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland"130. Diesem losen Zusammenschluß, der vor allem der Förderung der Beziehungen zwischen den Mitgliedskirchen und der Vertretung gemeinsamer Anliegen dienen sollte, gehörten außer der EKD hauptsächlich evangelische Freikir-

122 Zur Entstehung und Aufbau des EKG vgl. C. MAHRENHOLZ, Kirchengesangbuch. 123 Vgl. den Beschluß auf der 8. Sitzung am 10./11. Oktober 1946 in Frankfurt/Main (C. NLCOLAIS E N / N . A . SCHULZE, Protokolle Bd. I, S. 655f.). 124 Vgl. dazu S. 173; S. 446; S. m. 125 C. N I C O L A I S E N / N . A . SCHULZE, Protokolle Bd. I, S. 647. 126 Vgl. dazu S. 223, Anm. 26. 127 "Entschließung der Kirchenversammlung zum Gesangbuch" (14D7, S. 248f.). 128 Vgl. das Schreiben Asmussens an die Ratsmitglieder vom 11. Juni 1947 (LKA NÜRNBERG, Meiser 120). 129 Vgl. dazu S. 445 mit Anm. Ii. 130 Zur Entstehung der Arbeitsgemeinschaft vgl. S. 12, Anm. 47; S. 68, Anm. 56; S. 362, Anm. 34; zu ihrer Gründung vgl. den Beschluß vom 9./10. Marz 1948 (17B, S. 399).

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chen anm. Die Wiederaufnahme der Beziehungen zur weltweiten Ökumene war dem Rat bereits im Oktober 1945 mit der Verabschiedung der sog. "Stuttgarter Erklärung" gelungen132. Jetzt galt es, die Vertretung der EKD auf der für den Herbst 1948 in Aussicht genommenen Weltkirchenkonferenz in Amsterdam zu regeln133. Während die eigentliche Vorbereitung auf die Konferenz vom Kirchlichen Außenamt durchgeführt wurde™, bestimmte der Rat dabei hauptsächlich die Zusammensetzung und die Mitglieder der deutschen Delegation135. Daß die EKD schon so bald nach Kriegsende den Anschluß an die Ökumene wiederfinden und schließlich bei der Konstituierung des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) ohne Einschränkungen mitwirken konnte, bleibt ein wesentliches Verdienst des ersten und vorläufigen Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland. Darüber hinaus ist festzuhalten, daß es diesem oft innerlich gelähmt und als Prellbock verschiedenster Interessen erscheinenden Gremium letztlich gelungen ist, die Ordnung der EKD als einer gesamtdeutschen Institution vorzubereiten, während gleichzeitig die politische Teilung Deutschlands besiegelt wurde, die für 40 Jahre bestehen bleiben sollte. Außerdem hat der Rat begonnen, die Wahrnehmung öffentlicher Verantwortung als kirchliche Aufgabe zu erkennen, obwohl sein Vorgehen bei den öffentlichen Stellungnahmen als durchweg problematisch betrachtet werden kann. Schließlich wären ohne seine Tätigkeit auch die meisten der nur auf gesamtkirchlichem Wege sinnvoll zu bewältigenden kirchlichen Aufgaben liegengeblieben. Offen bleibt allerdings die von Asmussen aufgeworfene Frage, von wem dabei eigentlich die Initiative ausgegangen ist. Asmussens eigene Initiative, ausgeübt vor allem in Form von kirchenpolitischen Alleingängen, kostete ihn schließlich seine Stellung und damit auch den direkten Einfluß innerhalb der Gesamtkirche. Und selbst dem stellvertretenden Ratsvorsitzenden Martin Niemöller, damals eine der profiliertesten Persönlichkeiten des deutschen Protestantismus überhaupt, haben seine eigenwilligen politischen und kirchlichen Aktivitäten letztlich so sehr geschadet, daß er von der Synode in Bethel im Januar 1949 nicht einmal mehr zum

131 Zu Aufgaben, Organisation und Mitgliedern der Arbeitsgemeinschaft vgl. die "Richtlinien" vom 10. März 1948 (17C2, S. 410ff.). 132 Abdruck der Erklärung des Rates an die Ökumeme vom 18./19. Oktober 1945: C . NICOLAISEN/ N.A. SCHULZE, Protokolle Bd. I, S. 60f.; zu ihrer Entstehung vgl. EBD., S. 23ff.; M. GRESCHAT, Schuld; DERS., Zeichen; G . BESIER/G. SAUTER, Christen. 133 Zu dieser Konferenz vom 22. August bis 4. September 1948 vgl. W.A. VLSSER 'T HOOFT, Entstehung; DERS., Ursprung; DERS., Vollversammlung; F . LÜPSEN, Dokumente; W . M E N N , Ordnung. 134 Vgl. dazu S. 63, Anm. 34; S. 287, Anm. 40. 135 Vgl. die Beschlüsse vom Ί7./28. März. 1947 (IIB, S. 63f), vom 18. November 1947 (HB, S. 286f.) und vom 9./10. März 1948 (17B, S. 398).

XXIV

Einleitung

Stellvertreter des neuen Ratsvorsitzenden Otto Dibelius gewählt wurde136. Bei einer derartigen Fülle auseinandergehender und kaum zu versöhnender Interessen waren offensichtlich andere Qualitäten gefragt, damit das Ergreifen von "Initiative" auch tatsächlich zu einem Erfolg führen konnte: So dürfte das Gelingen des Zusammenschlusses der deutschen evangelischen Landeskirchen letztlich und wesentlich dem unermüdlichen Einsatz und gleichzeitig den ausgleichenden Fähigkeiten des Vorsitzenden des ersten Rates der EKD, Theophil Wurm, zu verdanken sein. Die Entwicklung von dem noch im nationalsozialistisch beherrschten Deutschland begonnenen Kirchlichen Einigungswerk137 bis zur Konstituierung der einen Evangelischen Kirche in Deutschland, das schon kurz darauf in zwei Staaten zerfiel, wäre ohne seine Initiative und Durchsetzungskraft nicht vorstellbar.

Editorische Vorbemerkungen Die Edition der Protokolle des Rates der EKD bietet in Form einer breit angelegten Dokumentation einen umfassenden Uberblick über die Tätigkeit des Rates der EKD. Der vorliegende 2. Band der Edition enthält die zwölf Sitzungen, die der Rat in den Jahren 1947/48 bis zur Verkündung der Grundordnung abgehalten hat. Grundlage und Ausgangspunkt sind die von der Kirchenkanzlei der EKD angefertigten und in hektographierter Form an die Mitglieder des Rates versandten Beschlußprotokolle™. Verlaufsprotokolle, wie sie im 1. Band noch berücksichtigt werden konnten, sind für den späteren Zeitraum nicht mehr überliefert. Wegen der geringen Aussagekraft der Beschlußprotokolle werden sämtliche Anträge, Anlagen, Einladungsschreiben, Tagesordnungen und Teilnehmerlisten sowie wichtiger Schriftverkehr abgedruckt, um die vielfältigen Aufgabenstellungen des Rates und die Dimensionen der auf den Sitzungen verhandelten Gegenstände deutlicher werden zu lassen. Das einschlägige Quellenmaterial für die Ratssitzungen in den ersten Nachkriegsjahren ist nicht als ein in sich geschlossener Archivbestand über136 Z« den Auseinandersetzungen um die Wahl des stellvertretenden Ratsvorsitzenden vgl. BETHEL 1949, S. 218-224; 244-287.

137 Dieses Einigungswerk hatte Wurm 1941/42 ins Leben gerufen; auf der Basis der 1943 endgültig formulierten 13 Sätze "Auftrag und Dienst der Kirche" wollte er damit die im Kirchenkampf aufgebrochenen Spaltungen überwinden {vgl. dazu]. THIERFELDER, Einigungswerk). 138 Eine Parallele haben die Beschlußprotokolle des Rates in den Kabinettsprotokollen der Bundesregierung. Zu den Besonderheiten der Gattung "Beschlußprotokoll" hinsichtlich Form und Diktion sowie den bei einer Edition zu berücksichtigenden spezifischen Problemen vgl. M.A. KANTHER, Kabinettsprotokolle.

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liefert; deshalb mußten zahlreiche und intensive Recherchen in verschiedenen Archiven vorgenommen werden. Der größte Teil der abgedruckten Dokumente stammt aus dem Bestand 2 des Ev. Zentralarchivs in Berlin, dem Nachlaß Wurm im Landeskirchlichen Archiv Stuttgart, dem archivalisch bisher nicht erschlossenen Nachlaß Smend und dem Nachlaß Meiser im Landeskirchlichen Archiv Nürnberg. Zur Vervollständigung wurden weitere Funde aus dem Nachlaß Heinemann im Archiv der Sozialen Demokratie Bonn, dem Nachlaß Asmussen im Archiv für Christlich-Demokratische Politik St. Augustin, dem Nachlaß Lilje im Landeskirchlichen Archiv Hannover sowie der Sammlung Held im Landeskirchlichen Archiv Düsseldorf herangezogen. Nicht nur die hektographierten Beschlußprotokolle, sondern auch eine große Zahl weiterer Dokumente sind mehrfach überliefert. In diesen Fällen folgt die Edition der Überlieferung im Ev. Zentralarchiv in Berlin als dem für die Akten der EKD zuständigen Archiv. Ersatzweise wird dem Nachlaß des Ratsvorsitzenden Wurm der Vorzug gegenüber anderen Fundorten gegeben. Um die außerordentliche Fülle des abgedruckten Quellenmaterials in möglichst übersichtlicher Form darzubieten, ist die Edition jeder Sitzung in fünf Rubriken aufgeteilt: - Rubrik Α (Vorbereitung der Sitzung): Einladungsschreiben, Tagesordnungen und sonstiger vorbereitender Schriftverkehr. - Rubrik Β (Protokoll). Rubrik C (Anlagen und Beschlußtexte): Texte, die im Protokoll ausdrücklich als Anlagen ausgewiesen, vom Rat beschlossen oder in Auftrag gegeben worden sind. - Rubrik D (Vorlagen und Anträge): von den Ratsmitgliedern und der Kirchenkanzlei bzw. ihren Referenten vorbereitete Berichte und Anträge zur Beschlußfassung, während der Sitzungen erarbeitete Entwürfe sowie Anträge und Eingaben Dritter. - Rubrik Ε (Dokumente): sonstige Dokumente, die im Zusammenhang der Ratssitzungen oder einzelner während der Sitzungen erörterter Sachthemen stehen. Die in den Rubriken C-E abgedruckten Dokumente erscheinen in der Regel in der Reihenfolge, in der sie in den Einladungsschreiben und Protokollen erstmals erwähnt werden. Die Bearbeiter haben ferner jeder Sitzung Informationen zu Tagungsort und -zeit, Teilnehmern und Protokollanten vorangestellt. Eine Vielzahl der abgedruckten Quellen ist hinsichtlich Form, Rechtschreibung und Zeichensetzung uneinheitlich und fehlerhaft. Zwar blieb in der Regel der Lautstand der Vorlage berücksichtigt (z.B. ss stattß, oe statt ö etc.), aber um der besseren Lesbarkeit willen wurden an zahlreichen Stellen die Zeichensetzung und die offensichtlichen Schreibfehler stillschweigend korrigiert. Bei falsch geschriebenen Namen wurde die richtige Schreibweise in eckigen Klammern ergänzt, bei

XXVI

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schwerwiegenden grammatikalischen und sachlichen Fehlern haben die Bearbeiter notwendige Korrekturen oder "sie!" in eckigen Klammern eingefügt. Auslassungen in der Vorlage sind durch drei Punkte gekennzeichnet. Jedem Dokument ist ein Kopfregest vorangestellt, das die Gattung des Dokuments und ggfls. Aussteller und Empfänger bezeichnet sowie Angaben zu Ort und Datum enthält; die Briefköpfe der Vorlagen werden grundsätzlich nicht mit abgedruckt. Ermittelte Daten stehen in eckigen Klammern; Originalüberschriften innerhalb der Kopfregesten sind in Anführungszeichen gesetzt. Im diplomatischen Apparat folgen sodann Angaben zu Fundort (F) und genetischer Form (O = Original, D = Durchschrift139, Η = Hektograph ιε). An dieser Stelle finden sich auch Hinweise auf vorherigen oder anderweitigen A bdruck. Die knappe Diktion der Beschlußprotokolle bringt es mit sich, daß sie für nicht Sachkundige kaum verständlich sind. Darum gehörte es zu den vordringlichsten Aufgaben der Bearbeiter, die in den Besprechungen und Beschlüssen des Rates angesprochenen Probleme und Vorgänge zu identifizieren, in ihren sachlichen und historischen Kontext zu stellen und auf weitere einschlägige Quellen und Literatur hinzuweisen. Eine genaue Rekonstruktion des Sitzungsverlaufs war nicht beabsichtigt. Die umfangreiche Kommentierung der Protokolle dient in erster Linie dazu, die Texte verständlicher zu machen und einzelne Sachbetreffe zu erläutern. Bei den zusätzlich zu den Protokollen abgedruckten Dokumenten beschränkt sie sich auf die notwendigsten Hinweise. Die Bearbeiter haben es bewußt vermieden, in ihre Kommentierung Urteile und Wertungen einfließen zu lassen, auch wenn manche Äußerungen in den Texten aus heutiger Sicht provozierend wirken. Zur Bearbeitung der Protokolle wurde von Fall zu Fall auch die in Form von Mitschriften einzelner Ratsmitglieder vorliegende Gegenüberlieferung (G) herangezogen. In diesen Mitschriften enthaltene wichtige Zusatzinformationen oder von den offiziellen Protokollen abweichende Angaben sind in den Fußnoten berücksichtigt. Darüber hinaus diente die Gegenüberlieferung zur Feststellung von Sitzungsteilnehmern sowie von Sitzungsbeginn und -ende. Insbesondere die Mitschriften Smends und Meisers lassen mehr und bessere Rückschlüsse auf den Verlauf der Sitzungen und den tatsächlichen Gesprächsgang zu als die offiziellen Beschlußprotokolle. Für die meisten Sitzungen liegen Protokollentwürfe der Kirchenkanzlei vor, die bei der Kommentierung berücksichtigt worden sind. Hinweise auf diese Entwürfe finden sich in den Fußnoten. Um die Edition nicht mit einem doppelten Fußnotenapparat zu belasten, wurden sämtliche textkritischen Angaben in die Fußnoten eingearbeitet und den sachlichen Kommentierungen vorangestellt. 139 Hierbei handelt es sich in der Regel um "Durchschläge", die gleichlautend an mehrere Empfänger gerichtet waren oder anstelle von Abschriften Verwendung fanden (zum Terminus "Durchschrift" vgl. F . BECK/E. HENNING, Q u e l l e n , S. 75).

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Bei der Gestaltung des Textes und der Fußnoten haben sich die Bearbeiter nach den für die Arbeiten zur Kirchlichen Zeitgeschichte festgelegten Standards gerichtet: Originaltexte, d.h. sämtliche vollständig abgedruckten Dokumente und Zitate aus Dokumenten erscheinen grundsätzlich steil, die von den Bearbeitern formulierten Texte und Fußnoten hingegen kursiv. Die Kopfregesten und Zwischenüberschriften sind als Gliederungselemente fett gesetzt. Hervorhebungen in den Originaltexten werden nur dann übernommen, wenn sie sachlich relevant sind; sie erscheinen unabhängig von der in der Vorlage verwendeten Hervorhebungsart gesperrt. Hinweise auf Quellen und Literatur innerhalb der Fußnoten sind bei Archiv- und Autorenangaben in Kapitälchen, bei Signaturen und Titeln steil gesetzt. Die Literatur wird lediglich mit Kurztiteln zitiert; die vollständigen bibliographischen Angaben sind im Literaturverzeichnis aufgeführt. Die Fußnoten zu den Protokollen enthalten eine Vielzahl von Querverweisen auf die zusätzlich abgedruckten Dokumente. Die Verweise sind stets nach einem einheitlichen Schema aufgebaut: Auf die Nummer der Sitzung folgen zunächst die Angabe der Rubrik und dann die Nummer des jeweiligen Dokuments; zum Schluß erscheint zusätzlich die Seitenangabe14°. Eine besondere Schwierigkeit für die Bearbeiter war die Identifizierung einer großen Zahl der in den Protokollen und Dokumenten erwähnten Personen. Die biographischen Angaben für die auftretenden Personen wurden in der Regel ins Personenregister integriert. In einigen wenigen Fällen konnte die Identifizierung aufgrund von Fehlangaben, Verwechslungen o.a., die ζ. T. auf Hör- oder Schreibfehler der Protokollanten zurückzuführen sind, jedoch nicht geleistet werden. Der erste Rat der EKD und seine A mtsstellen hatten ihre A rbeit unter den konkreten Bedingungen und Lebensverhältnissen im zerstörten Deutschland der unmittelbaren Nachkriegszeit zu leisten. Die damals bestehenden gravierenden Versorgungsmängel, fehlenden Räumlichkeiten, unzulänglichen Büroausstattungen, Unregelmäßigkeiten im Postverkehr und völlig unzureichenden Verkehrsverbindungen brachten eine Vielzahl von Schwierigkeiten bei der praktischen Arbeit und den verwaltungstechnischen Abläufen mit sich. Diese Bedingungen haben sich im Gesamtzustand und den Einzelheiten der Überlieferung deutlich niedergeschlagen. Ihr besonderer Charakter ist in dieser Edition nicht mehr in vollem Umfang erkennbar. Eine gleichsam photographische Wiedergabe der Dokumente lag nicht in der Intention der Bearbeiter; vielmehr ging es ihnen um die editorische Aufbereitung der Dokumente und ihre Präsentation in einer wissenschaftlichen Ansprüchen angemessenen Form. Grundlage auch für den 2. Band dieser Edition ist die Überlieferung im Ev. Zentralarchiv in Berlin. Wir danken den Mitarbeitern des Zentralarchivs für

140 So bedeutet die Angabe 21C4:21. Sitzung, Rubrik C (Anlagen und Beschlußtexte), Dokument 4.

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die bevorzugte Betreuung bei unseren Archivrecherchen; auch allen anderen Archiven und Persönlichkeiten, die im Quellenverzeichnis (S. 743ff.) einzeln aufgeführt sind, sei für ihre bereitwillige Unterstützung herzlich gedankt. Ebenso danken wir Herrn Prof. Dr. Rudolf Smend DD. in Göttingen, der in großzügiger Weise den Nachlaß seines Vaters für die Arbeit an dieser Edition zur Verfügung gestellt hat. Auch Frau Dr. Doris Asmussen und den Herren Dr. Peter J. Heinemann, Prof. Dr. Manfred Wichelhaus und Prof. D. Helmut Gollwitzer sei für die Genehmigung gedankt, die Nachlässe Asmussens und Heinemanns auswerten zu dürfen. Herr Prof. Dr. Karl Dienst hat in uneigennütziger Weise Dokumente und Informationen aus dem Nachlaß Boudriot zur Verfügung gestellt. Die umfangreichen Schreibarbeiten hat Frau Sarah Samter zuverlässig erledigt; bei der Beschaffung von Literatur hat Herr Paul-Christian Streidl geholfen, bei der Erstellung der Register Frau Betina Heckner und Susanne Nicolaisen. Ihnen allen sei herzlich gedankt. München, im August 1997 Carsten Nicolaisen

Nora Andrea Schulze

10 Treysa, 24. und 25. Januar 1947 Ort:

Anstalten Hephata.

Beginn:

Freitag, 24. Januar 1947 (10.00 Uhr).

Ende:

Sonnabend, 25. Januar 1947 (Uhrzeit unbekannt).

Teilnehmer:

Vom Rat: Asmussen, Dibelius (nur 25.1.), Hagemann (nur 25.1.), Hahn, Heinemann (nur 25.1.), Held (nur 25.1.), Lilje (nur 25.I.)1, Meiser, Niesei, Smend, Wurm Vom Hilfswerk: Berg (nur 24.1.), von Gersdorff (nur 25.1.), Gerstenmaier. Von der Kirchenkanzlei: Fahrenheim (nur 24.1.), Merzyn (nur 25.1.).

Protokollant:

Vermutlich Schwarzhaupt.

10A Vorbereitung der Sitzung 10A1. Schreiben der Kirchenkanzlei an die Mitglieder des Rates. Schwäbisch Gmünd, 14. Dezember 1946 F: LKA Nürnberg, Meiser 125 (D mit Beglaubigungsvermerk).

Die nächste Sitzung des Rates der EKD findet, wie in der letzten Sitzung beschlossen, am Sonnabend und Sonntag den 25. und 26. Jan[uar\ 1947 in Treysa (Bezirk Kassel) im Anschluss an die Besprechung mit den leitenden geistlichen Amtsträgern der Landeskirchen statt. Der Herr Vorsitzende lässt bitten, Dienstag den 21. Jan[«dr] so rechtzeitig in Treysa einzutreffen, dass wir bereits an diesem Tag zum gemeinsamen Abendessen vollzählig zusammen sind. Bettwäsche und Lebensmittelkarten oder entsprechende Abmeldung beim Ernährungsamt müssen mitgebracht werden. Mit Rücksicht auf die inzwischen sehr gross gewordenen Unterbringungs- und Verpflegungsschwierigkeiten und um der Ungestörtheit unserer Besprechung willen wird gebeten, von der Mitnahme von nichtangemeldeten Begleitern Abstand zu nehmen und auch nicht sonstige Persönlichkeiten zur Besprechung von Einzelfragen nach Treysa kommen zu lassen. Als Beratungsgegenstände sind bisher vorgesehen: 1

Nach G 2 war Lilje jedoch auch am 25. Januar nicht anwesend.

2

10. Sitzung Treysa 24. und 25. Januar 1947

1. Ergebnis der Besprechung mit den leitenden geistlichen Amtsträgern der EKD 2. Kirchenversammlung der EKD 3. Stellung und Aufgaben des Finanzbeirates der EKD 4. Haushaltsplan der EKD für das nächste Rechnungsjahr 5. Sperre und Beaufsichtung des kirchlichen Vermögens? 6. Bodenreform 7. Ostpfarrer-Versorgung und Finanzausgleich 8. Wartestands-Versetzung der noch nicht aus dem Wehrdienst zurückgekehrten Geistlichen und Kirchenbeamten 9. Ordination der Nicht-Geistlichen [sie!] Amtsträger der Kirche 10. Kriegsdienst der ordinierten Amtsträger der Kirche 11. Gefallenen-Gedenktag 12. Personalien (Ersatz für Superintendent Hahn im Rat sowie Titel für Dr. Gerstenmaier) 13. Innere Mission und Regeln der Militärregierung für private Wohlfahrtstätigkeit 14. Kammer für gottesdienstliche Fragen 15. Bibelkammer 16. Schulfragen (vergl. Beschluss 4 der letzten Sitzung2) 17. Schulkammer (vergl. Beschluss 12 der letzten Sitzung3) 18. Ökumenischer Arbeitskreis (vergl. Beschluss 12 d[er] letzt[en] S[itzungf) 19. Pressefragen (vergl. Beschluss 6 der letzten Sitzung5) 20. Entnazifizierung (vergl. Beschluss 14d der letzten Sitzung6) 21. Bericht über die Arbeit des Hilfswerks 22. Anberaumung der nächsten Sitzung gez. Asmussen DD.

2

C . N I C O L A I S E N / N . A . SCHULZE, P r o t o k o l l e B d . I, S. 7 2 4 .

3

EBD., S . 7 2 9 .

4

EBD.

5

Richtig: Ziffer 5 des Beschlußprotokolls (EBD., S. 725).

6

EBD., S. 730.

10B Protokoll

3

10B Protokoll F: EZA Berlin, 2/62 (H; den Ratsmitgliedern

mit Schreiben vom 31. Januar 1947 über-

sandt). G: Mitschrift 1. Meiser; 2. Smend.

Beschlüsse aus der Sitzung des Rates der EKD vom 24. und 25.1.47 in Treysa. I. 1.) Sitzung des Rates der EKD am 24.1.47 in Anwesenheit der Herren7: Landesbischof D. Wurm Landesbischof D. Meiser Präsident Asmussen Superintendent Hahn Pastor Niesei Professor Smend. 2.) Gefallenengedenktag. Der Gefallenengedenktag soll mit dem Totensonntag zusammengelegt werden. Uber das Datum des Totensonntags wird noch kein Beschluss gefasst8. 3.) Gültigkeit von Taufen. Der Rat ist der Uberzeugung, dass jede Taufe mit der trinitarischen Formel zu vollziehen sei9. Die Verwendung von Wasser ist notwendig. Taufen unter

7 8

9

Der im EZA BERLIN, 2/59 überlieferte Entwurf für das Beschlußprotokoll (E) ist überschrieben: "Sitzung des Rates der EKD am 24.1.47 nachmittags und abends in Anwesenheit der Herren". Der Rat hatte bereits auf seiner 4. Sitzung am 30./31. Januar 1946 in Frankfurt/Main beschlossen, daß das Gedenken an die Toten des Krieges mit dem allgemeinen Totengedenken zusammengelegt werden solle, wie es in den einzelnen Landeskirchen üblich sei (vgl. C. NICOLAISEN/ N.A. SCHULZE, Protokolle Bd. I, S. 329, bes. Anm. 34). Zu der Anregung, noch im Jahr 1947 zu einer gemeinsamen und einheitlichen Regelung für den Gefallenengedenktag zu kommen, vgl. das Schreiben Stählins an die Kirchenkanzlei vom 2. Dezember 1946 (10D1, S. 33f). Die Kirchenkanzlei teilte den Landeskirchenregierungen mit Rundschreiben vom 12. Februar 1947 diesen Ratsbeschluß vom 24./25. Januar 1947 mit (LKA STUTTGART, Dl/214). Zur Frage der besonders von Pfarrern der Thüringer Richtung der Deutschen Christen von 1933 bis 1945 vollzogenen Taufen ohne Verwendung der trinitarischen Taufformel vgl. C . NLCOLAIS E N / N . A . SCHULZE, Protokolle Bd. I, S. 329, Anm. 35, S. 465, Anm. 41 sowie die Gutachten Middendorfs vom 29. Juni 1946 (EBD., S. 567) und Haugs vom 17. Januar 1947 (EBD. S. 568f.). Weitere Beschlüsse zu dieser Frage hat der erste Rat der EKD nicht mehr gefüllt.

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10. Sitzung Treysa 24. und 25. Januar 1947

dem Namen Jesu müssten10 unter Verwendung der trinitarischen Formel bestätigt werden. Die Ordination ist keine unerlässliche Voraussetzung für die Gültigkeit der Taufe11. 4.) Wort an die Pfarrerschaft. Das anliegende Wort an die Pfarrerschaft wird beschlossen12; es soll mit der Unterschrift: Der Rat der EKD, D. Wurm, veröffentlicht und an die Pressverbände weitergegeben werden13. 5.) Professor Boudriot. Wegen des Falles14 von Professor Boudriot/Mainz, soll die Kanzlei der EKD an die Landeskirchen schreiben15.

10 11 12 13 14 15

E: "sollen". E: "Taufen durch nichtordinierte Personen sind gültig." In Ε endet der Beschluß zum Wort an die Pfarrerschaft an dieser Stelle. 10C1, S. 14-16. E: "Auf den Fall von". Boudriot hatte sich am 14. Februar 1946 - kurz vor seiner Berufung an die theologische Fakultät der Universität Mainz - kritisch mit Karl Barths Schrift "Zur Genesung des deutschen Wesens" (Ein Freundes wort von draußen. Stuttgart 1945) auseinandergesetzt. In seiner Stellungnahme, die als theologische Meinungsäußerung gedacht und ursprünglich auch nicht zur Veröffentlichung bestimmt war, hatte er u.a. Barths These bestritten, daß sich Friedrich der Große, Bismarck, Wilhelm II. und Hitler in eine historische und politische Linie stellen ließen. Boudriot hatte seine Stellungnahme auch der Kirchenkanzlei übersandt, die sie daraußin für Besprechungen in kleineren Kreisen vervielfältigt und dem Rat übergeben hatte. Ende 1946 gelangte sie auf bisher nicht zweifelsfrei geklärtem Weg an die Presse; am 13. Dezember 1946 erschien dann im Rheinischen Merkur (l.fg. Nr. 79 S. l f ) ein Artikel, in dem Boudriot u.a. vorgeworfen wurde, "eine Patrioteske auszuführen, die im Jahre 1946 ihresgleichen sucht". Die Mainzer Universität wurde verdächtigt, "eine Pflanzstätte nationalistischer Bestrebungen" zu sein, sie böte den "Metamorphosen des braunen Untiers" und einem "literarischen Werwolf" Platz. Obwohl Boudriot zunächst erwartet hatte, daß sich die Fakultät vor ihn stellen würde, war er bei einer Besprechung mit Kultusminister Lötz, Prorektor Erler sowie den Dekanen Reatz und Jannasch am 18. Dezember 1946 dann von seinem Dienst als Professor für reformierte Kirchengeschichte suspendiert worden (vgl. dazu K. DIENST, Professor Werwolf; DERS., Fall). Am 29. Dezember 1946 hatte Boudriot seinen Fall in einem Schreiben an Wurm ausführlich dargelegt und darum gebeten, daß "die EKD sich gutachterlich einschalten" wolle, "sei es bei der Universität Mainz, sei es (u.U. telegraphisch) warnend oder Bedenken erhebend bei der Landesregierung Rheinland-Pfalz" (NL BOUDRIOT). Wurm antwortete Boudriot am 3. Januar 1947, "dass wir alles tun werden, um die Rückgängigmachung dieser Massnahme zu erreichen. Es ist schlimm, dass fast die ganze Presse in Händen liegt, die nicht aufbauen, sondern zerstören" (EBD.). Nach einem Aktenvermerk der Kirchenkanzlei von Anfang Januar 1947 waren daraußin seitens der Kirchenkanzlei zunächst Telegramme an den Rektor der Mainzer Universität und den Kultusminister von Rheinland-Pfalz abgegangen. Darin wurde mitgeteilt, Boudriot habe "seit langen Jahren mit hervorragender Treue zur Bekennenden Kirche gestanden", seine Suspension sei

10B Protokoll

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6.) Bodenreform. Der Rat billigt das von Landesbischof Wurm im Namen des Rates ergangene Schreiben über die Bodenreform16.

nach dem Kenntnisstand der Kirchenkanzlei nicht begründet (EZA BERLIN, 2 / 3 6 6 ) . Den Wünschen Boudriots entsprechend hatte Asmussen am 20. Januar 1947 außerdem ein Schreiben an den Regierungspräsidenten in Koblenz aufgesetzt, das nach einem hsl. Vermerk auf dem Konzept dieses Schreibens am 24. Januar 1947 direkt aus Treysa von der Ratssitzung abgesandt wurde (EBD.). Darin kritisierte er scharf die Umstände der Amtsenthebung Boudriots, die in kirchlichen Kreisen weithin mit "ausserordentlichem Befremden" aufgenommen worden sei. In der Kirche bestehe "noch die Freiheit, in sachlicher Weise das Recht von historisch-politischen Urteilen zu prüfen und zu erwägen". Es müsse dem Professor einer Universität wohl erlaubt sein, "einem anderen Professor in sachlicher Form zu antworten". Bei aller Achtung, die Barth in der evangelischen Kirche genieße, hätten "weder seine theologischen noch erst recht seine politisch-historischen Aussagen des Gewicht einer Bekenntniswahrheit". Ein ahnliches Schreiben Asmussens erging am 15. Januar 1947 auch an den Rektor der Universität Mainz (LKA DARMSTADT, 1 9 3 / 6 5 ) . Die Kirchenkanzlei informierte Boudriot über die bisher unternommenen Schritte und die Besprechung im Rat mit Schreiben vom 7. Februar 1947 ( N L BOUDRIOT). Ein Schreiben an die Landeskirchen, wie es hier im Ratsbeschluß erwähnt wird, konnte nicht ermittelt werden. - Zur weiteren Behandlung des Falles durch den Rat vgl. 13B, S. 183; 14B, S. 219. 16 Am 23. September 1946 hatte der Sonderbevollmächtigte für Ernährung und Landwirtschaft beim Länderrat des amerikanischen Besatzungsgebietes Wurm mitgeteilt, daß nach Art. IV, Z i f f . 8 des vom Länderrat am 17. September 1946 beschlossenen "Gesetzes] zur Beschaffung von Siedlungsland und zur Bodenreform" "landwirtschaftlicher Grundbesitz des Staates, der Kirchen und der sonstigen juristischen Personen des öffentlichen Rechts zur Landabgabe für die Zwecke des Gesetzes im gleichen Umfang wie das private Grundeigentum herangezogen werden kann". Für die Durchführung dieser "Kann-Vorschrift" liege es sowohl im Interesse der Siedlungsbehörden als auch der Kirchen, "wenn man sich dabei in erster Linie auf solches Land beschränken könnte, das freiwillig für Siedlungszwecke angeboten wird". Nachdem die Fuldaer Bischofskonferenz für die katholische Kirche bereits die Notwendigkeit der Bodenreform und die Bereitschaft zur Mitwirkung angekündigt habe, wäre es sehr "zu begrüssen, wenn auch vonseiten der evangelischen Kirche eine ähnliche Erklärung über die grundsätzliche Bereitwilligkeit, Land für Siedlungszwecke zur Verfügung zu stellen, abgegeben werden könnte" (Schreiben an Wurm: LKA STUTTGART, D L / 2 1 3 ; Abschrift des Gesetzes: LKA NÜRNBERG, Meiser 123; zu seiner Entstehung vgl. U. ENDERS, Bodenreform, S. 21-41). Daraufhin hatte die Kirchenkanzlei den Landeskirchenregierungen am 11. Dezember 1946 in einem Rundschreiben den ersten Entwurffür ein Antwortschreiben an den Länderrat zur Stellungnahme übersandt und dabei auf die Dringlichkeit der Bearbeitung besonders hingewiesen (Rundschreiben und Entwurf: LKA STUTTGART, D L / 2 1 3 ) . Aus einem Schreiben Merzyns an das Zentralbüro des Hilfswerks vom 14. Januar 1947 geht hervor, daß die Antworten der Landeskirchen jedoch nicht mehr abgewartet werden konnten, weil ein Vertreter von OMCUS bei einer mündlichen Besprechung zur sofortigen Ubersendung der kirchlichen Stellungnahme geraten hatte ( E Z A BERLIN, 2 / 6 9 5 ) . Deswegen hatte Wurm sein Schreiben an den Länderrat und an OMGUS am 11. Januar 1947 (10C2, S. 16-21) ohne vorherigen Ratsbeschluß und ohne vollständige Stellungnahme der Landeskirchen abgehen lassen.

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10. Sitzung Treysa 24. und 25. Januar 1947

7.) Stellung u n d A u f g a b e n des Finanzbeirats der E K D . D e r Rat ist damit einverstanden, w e n n die A u f g a b e n des Finanzbeirats w i e folgt b e s t i m m t w e r d e n 1 7 : 1) Beratung des Rates. 2) Erarbeitung des Vorschlages für d e n Haushalt. 3) P r ü f u n g der R e c h n u n g s f ü h r u n g u n d Erstattung eines Berichts, auf G r u n d dessen der Rat die Entlastung v o r n i m m t 1 8 . Π. Sitzung a m 25.1.47 in A n w e s e n h e i t v o n Landesbischof W u r m , Bischof D i belius, Landesbischof Meiser, Präsident A s m u s s e n 1 9 , Oberkirchenrat H e l d , Oberlandeskirchenrat Lilje, Professor Smend, Professor 2 0 N i e s e i , Superint e n d e n t H a h n , Professor 2 1 H e i n e m a n n , Präsident H a g e m a n n . 8.) Personalien. a) A u f Bitte v o n Superintendent H a h n w i r d die Beschlussfassung über den 2 2 Eintritt eines anderen Mitgliedes an seine Stelle aufgeschoben 2 3 . 17 E: "Der Rat ist damit einverstanden, wenn der Finanzbeirat folgende Aufgaben übernimmt". 18 Die Bildung eines Finanzbeirates der EKD hatte der Rat auf seiner 6. Sitzung am 1./2. Mai 1946 in Treysa beschlossen (zur Bildung und Zusammensetzung dieses Gremiums vgl. C . NICOLAISEN/ N.A. SCHULZE, Protokolle Bd. I, S. 461f. mit Anm. 25). Zur Arbeit des Finanzbeirates vgl. auch das Rundschreiben der Kirchenkanzlei an die Landeskirchenregierungen der amerikanischen, britischen und französischen Zone vom Ii. Januar 1947 ( N L SMEND). - Nach G 1 und G 2 beanstandete Niesei die Zusammensetzung des Finanzbeirats, weil er aus "Herren der alten kirchlichen Verwaltung" bestünde. 19 Asmussen fehlt in E. 20 In Ε wurde "Professor" hsl. zu "Moderator" korrigiert, diese Korrektur bei der Ausfertigung des Protokolls aber übersehen. 21 In Ε wurde "Professor" hsl. zu "Oberbürgermeister" korrigiert, diese Korrektur bei der Ausfertigung aber ebenfalls übersehen. 22 E: "einen". 23 Hahn, damals Pfarrer in Württemberg, war von der sächsischen Kirche als Landesbischof vorgesehen, konnte aber wegen des Widerstandes der deutschen politischen Stellen in Sachsen zunächst nicht dorthin einreisen. Deswegen wollte er auch seinen Sitz im Rat zur Verfügung stellen (vgl. C . N I C O L A I S E N / N . A . SCHULZE, Protokolle Bd. I, S. XXXIf.). Der sächsische Landesbruderrat hatte den Rat in einem Schreiben vom 28. Dezember 1946 gebeten, Hahn trotzdem auch weiterhin als Vertreter Sachsens zu betrachten (10D2, S. 34). Asmussen antwortete Klemm am 28. Januar 1947: "Entsprechend Ihrem Wunsch, Bruder Hahn weiterhin im Rate der EKD mitarbeiten zu lassen, hat der Rat der EKD beschlossen, zunächst eine Aenderung nicht eintreten zu lassen. Die Entwicklung der Dinge wird ja zeigen, ob dieser Zustand auf die Dauer haltbar ist. Vorläufig sehen wir noch keine Veranlassung, dem Wunsch von Bruder Hahn zu entsprechen, ihn für seine Gemeindearbeit ganz freizustellen" (EZA BERLIN, 2/59). Nachdem sich die Haltung der sächsischen Landesverwaltung im Frühjahr 1947 geändert hatte, stand der Wahl

10B Protokoll

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b) Dr. Gerstenmaier soll das Recht zur Führung des Titels Oberkonsistorialrat zuerkannt werden. 9.) Beteiligung der Landeskirchen im Osten. Die Kanzlei wird damit beauftragt, Bischof Dibelius vorzuschlagen, dass zu jeder 2. Sitzung des Rates ein anderer Vertreter der im Osten gelegenen Landeskirchen erscheint24. 10.) Hilfswerk. Im Anschluß an einen Bericht von Dr. Gerstenmaier über das Hilfswerk der EKD 25 wird beschlossen: 1) Den Landeskirchen soll Kenntnis von dem Inhalt der Aussprache gegeben werden26.

Hahns zum Landesbischof durch die Kirchenleitung am 16. Juli 1947 nichts mehr im Wege {vgl. C. NICOLAISEN, Hahn).

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Vgl. dazu den Antrag der Berliner Zweitstelle der Kirchenkanzlei vom 12. November 1946 (10D3, S. 34f). Gegen den Beschluß erhob Dibelius mit Schreiben vom 15. Februar 1947 an Asmussen Einspruch (10E1, S. 35). Aus dem Antwortschreiben Asmussens an Dibelius vom 1. April 1947 geht jedoch hervor, daß Dibelius die Formulierung des Beschlusses offensichtlich mißverstanden hatte (10E2, S. 36).

25 Gerstenmaier war bei einer Besprechung mit Vertretern des württembergischen Ev. Oberkirchenrats am 28. Dezember 1946 nach Struktur, Charakter, Leitung und Geschäftsführung des Hilfswerks befragt worden und hatte dabei darauf hingewiesen, daß das Hilfswerk bereits vor der EKD gegründet worden sei, seine Legitimation von den Landeskirchen herleite und nur über die Person Wurms in seiner Doppeleigenschaft als Ratsvorsitzender und Vorsitzender des Wiederaufbauausschusses eine Verbindung zum Rat besitze {vgl. J.M. WlSCHNATH, Kirche, S. 177). Asmussen hatte Gerstenmaier daraufhin am 8. Januar 1947 schriftlich aufgefordert, die rechtliche Stellung des Hilfswerks gegenüber dem Rat und die Stellung der kirchlichen Hilfswerke gegenüber den Landeskirchen darzulegen, nachdem entsprechende "Unklarheiten aufgetreten" seien (EZA BERLIN, 2/178). In der Sitzung des Rates betonte Gerstenmaier, der Rat könne schon deswegen nicht allein für das Hilfswerk zuständig sein, weil diesem seit neuestem auch Freikirchen angehörten; außerdem werde sich das Verhältnis von EKD und Hilfswerk erst dann endgültig regeln lassen, wenn die EKD eine dauerhafte Verfassung besitze 0.M. WlSCHNATH, S. 178). Gerstenmaier legte seine Auffassung der Kirchenkanzlei ausführlich dann mit Schreiben vom 10. Februar 1947 dar (10E3, S-36f). 26 Die Kirchenkanzlei gab den Landeskirchen keine Kenntnis von der Aussprache, sondern ersuchte die Landeskirchenleitungen mit Schreiben vom 28. Februar 1947 (EZA BERLIN, 2/178) um eine Stellungnahme zum Standpunkt Gerstenmaiers, dessen Schreiben (vgl. Anm. 25) zur Kennntisnahme beigefügt war. Die Kirchenkanzlei bat in ihrem Schreiben ausdrücklich darum, "bei der dortigen Stellungnahme die Beurteilung des Hilfswerk Reich [JIC/J möglichst zu trennen von der Beurteilung der landeskirchlichen Hilfswerke". Am 8. Mai 1947 wurden dann fast sämtliche Landeskirchenregierungen an die bisher offenbar ausgebliebenen Stellungnahmen erinnert (EBD.).

δ

10. Sitzung Treysa 24. und 25. Januar 1947

2) Pastor Niemöller soll möglichst schnell nach Amerika27 eine Nachricht darüber erhalten, ein wie starkes Interesse das Hilfswerk daran hat 28 , dass die deutschen lutherischen Gemeinden in Südamerika den Zusammenhang mit der EKD wahren und sich nicht, wie es dem Vernehmen nach bereits vier 29 Synoden getan haben, der Vereinigten lutherischen Kirche Amerikas anschliessend 11.) Einsegnung der nichtgeistlichen Amtsträger der Kirchenkanzlei. Der Rat ist mit dem vorgelegten Entwurf in der aus der Anlage ersichtlichen Fassung einverstanden, wenn die Einsegnung in dieser Form auf Amtsträger der Kanzlei der EKD beschränkt wird und nur diejenigen Amtsträger umfasst31, bei denen mit einer längeren Zugehörigkeit zur Kanzlei gerechnet werden kann 32 . Zu dem Text soll noch ein Wort über die Teilnahme des Eingesegneten am Gemeindeleben und eine Formulierung des Gebets aufgenommen werden 33 . 12.) Ostpfarrerversorgung und Finanzausgleich. Der Rat ist mit dem aus der Anlage 3 ersichtlichen Vorschlag einverstanden 34 . Die Ziffer üb der ursprünglichen Vorlage35 soll gestrichen werden.

27

Zum Aufenthalt Niemöllers in den Vereinigten Staaten vgl. seinen Reisebericht auf der Kirchenversammlung

in Treysa am Vormittag des 5. Juni 1947 (EZA BERLIN, 2/42); vgl. dazu auch

D. SCHMIDT, Niemöller, S. 189f.; J . BENTLEY, Niemöller, S. 229f. 28

E:"...

29

E: "die".

wie wichtig es auch im Interesse der Arbeit des Hilfswerks ist".

30

Diese Nachricht wurde Niemöller durch Bodensieck zugestellt (vgl. das Schreiben der Kirchenkanzlei an Bodensieck vom 13. Februar 1947 und das Schreiben Bodensiecks an Niemöller vom 3. März 1947: E Z A BERLIN, 2/191). Niemöller nahm in seinem Schreiben vom 13. März 1947 an Asmussen Stellung: "Ich habe nichts von einem Anschluss von 4 Synoden an die United Lutheran Church gehört, auch nicht 'dem Vernehmen nach"'(EBD.). Ohnedies dürften "organisatorischverfassungsmässige Aenderungen nicht gemacht werden können, ehe nicht die Friedensbestimmungen in Kraft treten", in diesem Sinne habe er bereits an die United Lutheran Church geschrieben. Darüber hinaus habe er aufgrund der unzuverlässigen Nachrichtenlage schon seit langer Zeit seine "Fühler ausgestreckt, um eine Einreisegenehmigung fuer Brasilien und Argentinien zu bekommen, um am Ende meines hiesigen Aufenthaltes die Gelegenheit eventuell wahrzunehmen und selber dort nach dem Rechten zu schauen".

31

Ε fährt fort:"...

32

10C3, S. 21ff. - Die Ausarbeitung eines Entwurfs "für eine Einweisungsordnung für nicht ordi-

deren Auftrag als ein dauernder aufgefasst werden kann".

nierte Beamte der Kanzlei der E K D " hatte der Rat auf seiner 9. Sitzung am 26./27.

November

1946 beschlossen (C. NICOLAISEN/N.A. SCHULZE, Protokolle Bd. I, S. 726). 33 34

Nicht ermittelt. 10C4, S. 23ff. - Vgl. dazu auch die Schreiben der Kirchenkanzlei an die

Landeskirchenregierungen

in den drei westlichen Besatzungszonen vom 11. März 1947 und an die

Landeskirchenregierungen

vom 18. März 1947 (beide Schreiben: L K A NÜRNBERG, Meiser 129).

10B Protokoll

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13.) Haushalt. a) Der Rat genehmigt den als Anlage 4 anliegenden Haushaltplan 36 . b) Im Anschluss an eine Aussprache über die Arbeit der Pressestelle37 wird der Kanzlei aufgegeben, eine Form zu finden, um den inoffiziellen Charakter des Schriftendienstes 38 für die Zukunft klar zu stellen. Es soll auch in geeigneter Weise bekannt gegeben werden, dass die Schrift von Präsident Asmussen "Antwort an Karl Barth"39 keine amtliche Äusserung ist40.

35 "Der ursprünglichen Vorlage" fehlt in E. 36 Ε fahrt fort: "Der Einnahmeposten II wird um 50.000,- RM und dem entsprechend der Ausgabeposten insgemein um den gleichen Betrag erhöht." Die hsl. Korrektur von Ε lautete: "Der Einnahmeposten II wird um 50.000,- RM und dementsprechend der Ausgabeposten II, 2 Gesamtkirchl. Notstände und Aufgaben um den gleichen Betrag erhöht." In der Ausfertigung sind diese Passagen dann komplett gestrichen. IOCS; S. 25f. (Anordnung betreffend den Haushalt der EKD für das Rechnungsjahr 1947); 10C6, S. 26ff. (Haushaltplan der EKD für das Rechnungsjahr 1947); 10C7, S. 29 (Umlagebeiträge der Landeskirchen der drei westlichen Zonen für das Rechnungsjahr 1947); 10C8, S. 30 (Stellennachweis). Die Ratsmitglieder hatten mit Schreiben der Kirchenkanzlei vom 10. Januar 1947 (LKA NÜRNBERG, Meiser 125) dazu entsprechende Entwürfe erhalten, die vom Finanzbeirat einmütig gebilligt worden waren (vgl. die textkritischen Anmerkungen zu 10C5-10C6, S. 2528).

37 Die Kirchenkanzlei unterhielt keine Pressestelle im eigentlichen Sinne; gemeint sind hier die vielfältigen und im Rat teilweise umstrittenen Aktivitäten, die von Asmussen selbst und dem Referat für Presseangelegenheiten, das zu diesem Zeitpunkt von Siegel wahrgenommen wurde, ausgingen (zur Pressearbeit der Kirchenkanzlei und ihrer Rolle bei der Neugestaltung der gesamtkirchlichen Pressearbeit vgl. D . ALTMANNSPERGER, R u n d f u n k , S. 52-89).

38 E: "den inoffiziellen Charakter des Schreibens dienstlich". Der "Schriftendienst der Kanzlei der Evangelischen Kirche in Deutschland" wurde von Siegel herausgegeben. Als Nr. 1 dieser Reihe war 1946 Wurms Schrift "Das religiöse Problem in der neueren deutschen Geschichte" erschienen. 39 Asmussens setzte sich in seiner Schrift, die 1946 als Nr. 7 des Schriftendienstes erschienen war, polemisch mit Karl Barths kritischen Äußerungen zu den Entwicklungen im Nachkriegsdeutschland auseinander. - Zur bereits länger andauernden Kontroverse zwischen Asmussen und Barth vgl. G. BESIER, Auseinandersetzung. 40 Zur Kritik am Vorgehen Asmussens vgl. das Schreiben Heinemanns an Asmussen vom 8. Januar 1947, in dem es hieß: "Wenn Sie es schon für geboten halten, Ihren Streit mit Karl Barth öffentlich auszutragen, obwohl solche Dinge nicht zuletzt gerade in den eigenen Gemeinden viel Arger verursachen, so sollte es auf jeden Fall in einer Form geschehen, die den Rat aus dem Spiel läßt. Der 'Schriftendienst der Kanzlei der Evangelischen Kirche in Deutschland' ist doch keine private Schriftenreihe, sondern die Publikation einer amtlichen kirchlichen Stelle, so daß darin nur Dinge erscheinen dürfen, die irgendwie in der Gesamtlinie des Rates liegen. [...] Wenn ich mich auch keinesfalls mit Karl Barth identifiziere, so kann ich mich doch andererseits auch nicht für Ihre Ausführungen in allen Teilen mit Beschlag belegen lassen und lege deshalb Wert darauf, daß Ihre Auseinandersetzung mit Karl Barth auch in der Form und Aufmachung als das erscheint, was sie ist, nämlich als eine private Auseinandersetzung. Ich

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c) Der Rat nimmt Kenntnis von dem Schriftwechsel von Landesbischof Wurm mit Präsident Köchlin [Koechlin] über den Schweizer Pressedienst und billigt diese Behandlung der Angelegenheit 41 .

bitte deshalb sehr darum, daß der Schriftendienst der Kanzlei nicht weiter zu derartigen Veröffentlichungen benutzt wird" (ASD BONN, NL Heinemann, M g . Korr. 4.1.47-30.6.47). Wurm, der über das Verhalten von "Karl Barth und seine[n] engerefn] Freunde[n]", vor allem aber die Veröffentlichungen des Schweizer evangelischen Pressedienstes empört war (vgl. Anm. 41), hatte im Gegensatz zu Heinemann geurteilt, Asmussen habe in seiner "Antwort an Karl Barth" (vgl. Anm. 39) über die "Störungsversuche" von außen "deutlich und würdig geredet" (Zitate aus "Die Entmündigung der Gemeinden" vom 21. Dezember 1946: vgl. dazu S. 44, Anm. 104). Die hier vom Rat geforderte "Bekanntmachung" über den inoffiziellen Charakter des Schriftendienstes und der Schrift Asmussens konnte in den einschlägigen Akten im ETA Berlin nicht ermittelt werden. 41 E: "Präsident Köchlin [Koechlin] soll zur Kenntnis gebracht werden, dass der Schweizer Pressedienst, soweit es sich um seine Stellungnahme zur deutschen Kirche handelt, nicht als eine würdige Vertretung der Schweizer Kirche von uns angesehen werden kann." Der Schweizer Evangelische Pressedienst hatte sich mehrfach kritisch zur Entwicklung innerhalb der EKD geäußert und dabei insbesondere diejenigen Landeskirchen angegriffen, die während des Kirchenkampfes als "intakt" gegolten hatten. In der Ausgabe Nr. 42 vom 23. Oktober 1946 war unter der Uberschrift "Eindrücke aus Süddeutschland" zunächst dem Rat der EKD vorgeworfen worden, "von dieser neuen Kirchenleitung" sei "bis heute keine Erneuerung der Kirche ausgegangen", seine Besetzung sei als "Irrtum von Treysa" zu betrachten. Vor allem aber in den süddeutschen Kirchen mit ihren "autoritären Kirchenleitungen" sei "eine Restauration im schlimmen Sinne einfach eine Tatsache", die Rolle der Kirche bestehe hier in der "Hüterin des Autoritätsgedankens". Man habe in Süddeutschland "die Einsicht noch nicht gewonnen, dass die Kirchen eine Mitverantwortung dafür tragen, dass es in Deutschland nie zu einer demokratischen Entwicklung hat kommen können", weil sowohl die evangelische als auch die katholische Kirche selbst autoritär geordnet gewesen seien. Daneben sei die Erneuerung aber auch eine Personalfrage; dazu warf der Schweizer Pressedienst den süddeutschen Kirchen vor, daß ihre Leitungen noch mit den gleichen Personen besetzt seien "wie ehedem, Leute, die sich mit dem Nationalsozialismus recht gut abgefunden haben". Diese verteidigten jetzt nicht nur "ihre persönliche Position, sondern auch das autoriäre Kirchenregiment". Nach der auszugsweisen Wiedergabe einer Rede Hartensteins zum sog. Heldengedenktag 1941 folgerte der Pressedienst: "Man versteht es, dass Leute, die so im schlimmsten Sinne deutsch-christlich geredet haben, heute nicht in der Lage sind, das deutsche Volk zur Umkehr zu rufen [...] aber man versteht es nicht, dass diese Leute noch im Oberkirchenrat sitzen und Anwärter auf das Bischofsamt sind" imitiert nach der Abschrift im LKA HANNOVER, L 3 Π Nr. 14 Bd. IIb). Vor allem die Angriffe gegen den württembergischen Ev. Oberkirchenrat und insbesondere Hartenstein hatten Wurm schließlich dazu veranlaßt, sich am 4. Dezember 1946 mit einer schriftlichen Beschwerde an Koechlin zu wenden (10E4, S. 38-43). - Vgl. außerdem das Schreiben Nieseis an Wurm vom 31. Januar 1947 (10E5, S. 43-46) und das Schreiben Wurms an Niesei vom 5. Februar 1947 (10E6, S. 46-49).

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14.) Kirchenversammlung. Eine Verordnung über die Kirchenversammlung der EKD wird in der aus der Anlage 5 ersichtlichen Fassung beschlossen42. Landesbischof Meiser betont, dass die Kirchenversammlung keine Synode darstellt. 15.) Bibelkammer. Eine Sitzung der Bibelkammer soll am 13.2. in Stuttgart stattfinden43. 16.) Moskauer Friedenskonferenz44.

42 10C9, S. 30ff. - Bereits zur 8. Sitzung des Rates am 10./11. Oktober 1946 in Frankfurt/Main hatte ein "Entwurf für eine Verordnung über den Kirchentag der EKD" vorgelegen ( C . N I C O L A I S E N / N . A . SCHULZE, Protokolle Bd. I, S. 706-709; zur Kritik Smends an diesem Entwurf vgl. EBD. S. 731, Anm. 42). Smend hatte dann zur 9. Sitzung am 26J27. November 1946 in Frankfurt/Main einen Entwurf für eine "Verordnung über eine Kirchenversammlung der EKD" (EBD., S. 766-769) und einen Kommentar dazu (EBD., S. 769f.) vorgelegt. Daraufhin hatte der Rat dem Entwurf eine neue Fassung gegeben (EBD., S. 735-739) und beschlossen, ihn in der nächsten Sitzung nochmals zu beraten (EBD., S. 731). Mit Schreiben vom 10. Februar 1947 kündigte Asmussen den Landeskirchenregierungen dann das Erscheinen der nunmehr beschlossenen Verordnung im Amtsblatt und das Stattfinden der Kirchenversammlung für Ende Mai an (ΕΖΑ BERLIN, 2/40). Die Landeskirchen wurden gebeten, dazu "möglichst bald die Wahl der von den Synoden entsandten Mitglieder vornehmen zu lassen und uns mitzuteilen, wer als Vertreter der einzelnen Landeskirche zu laden ist". Dabei sollte vermerkt werden, ob die Wahl durch eine ordentliche oder eine vorläufige Synode stattgefunden habe. - Zur Entstehung der "Verordnung über eine Kirchenversammlung der EKD" und den Stellungnahmen der Landeskirchen auf Asmussens Umfrage zur Kirchenversammlung vom 24. Oktober 1946 vgl. den Schriftverkehr EBD. 43 E: "Eine Sitzung der Bibelkammer wird auf den 13.2. in Stuttgart angesetzt." Die Einsetzung einer "Kammer für Fragen der Herstellung und Verbreitung der Hl. Schrift (Bibelkammer)" hatte der Rat auf seiner 8. Sitzung am 10./11. Oktober 1946 in Frankfurt/Main beschlossen; zu ihren Aufgaben gehörte neben herstellungs- und verteilungstechnischen Fragen auch der Abschluß der Bibelrevision (zu Gründung, Aufgaben und Besetzung der Bibelkammer vgl. C . N I C O L A I S E N / N . A . SCHULZE, Protokolle Bd. I, S. 655f.). Bei der Sitzung am 13. Februar 1947 handelte es sich offenbar um die einzige Zusammenkunft der Bibelkammer (vgl. dazu R. STEINER, Weltbund, S. 15). Obwohl ihre Besetzung noch einmal geändert (vgl. 12B, S. 143) und außerdem ein Wechsel im Vorsitz vorgenommen wurde (vgl. 13B, S. 174), löste der Rat die Bibelkammer auf seiner 18. Sitzung am 27./28. April 1948 in Frankfurt/Main wieder auf (vgl. 18B, S. 446). 44 Gemeint ist die Außenministerkonferenz der vier Mächte, die vom 10. März bis 24. April 1947 in Moskau stattfand. Im Verlauf dieser Konferenz kam es zu langwierigen und letztlich ergebnislosen Diskussionen über die deutschen Ost- und Westgrenzen, die Vier-Mächte-Kontrolle über die Ruhr und die Reparationszahlungen. Eine Einigung im Sinne einer gesamtdeutschen Lösung kam dabei nicht einmal annähernd in Sicht (vgl. dazu A.M. BIRKE, Nation, S. 166f.; T. ESCHENBURG, Jahre, S. 372f.; R. STEININGER, Geschichte, S. 222-226).

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Oberkirchenrat Held und Dr. Heinemann erhalten den Auftrag, für die nächste Sitzung ein Wort des Rates der EKD zur Friedenskonferenz zu entwerfen 45 . 17.) Evangelischer Presseverband. Oberkonsistorialrat Schwarz soll mitgeteilt werden, dass der Rat der EKD es nicht für möglich hält, dass er weiterhin Leiter des Evangelischen Pressverbandes bleibt 46 . 18.) Nationalrat der deutschen Kirchen. Die Kanzlei soll Vorverhandlungen mit den Freikirchen über die Bildung eines Nationalrates der deutschen Kirchen, der der Ökumene präsentiert werden kann, einleiten 47 . 19.) Vereinigte ev. luth. Kirche in Deutschland. Landesbischof D. Meiser berichtet über den Stand der Bemühungen um eine Vereinigte ev. luth. Kirche in Deutschland. Den Mitgliedern des Rates soll

45 Entsprechende Aufforderungen erhielten Held und Heinemann mit Schreiben der Kirchenkanzlei vom 10. Februar 1947 (EZA BERLIN, 2/275). - Zum Fortgang vgl. HB, S. 57f. 46 In Ε folgt an dieser Stelle unter Z i f f . 18 der jetzige Beschluß Z i f f . 21. Die Beschlüsse 18-20 der Ausfertigung des Beschlußprotokolls fehlen in E. Zu den Vorwürfen gegen Schwarz vgl. C. NICOLAISEN/N.A. SCHULZE, Protokolle Bd. I, S. 395 mit Aran. 44, S. 466f. mit Aran. 44, S. 725 mit Anm. 18. - Gegen den Beschluß des Rates legte Meiser Protest ein, dem sich Asmussen, Lilje und Wurm anschlossen, woraufhin Wurm den Beschluß bis zur nächsten Ratssitzung sistierte (vgl. das Schreiben Asmussens an die Ratsmitglieder vom 17. Februar 1947: LKA NÜRNBERG, Meiser 125). Schwarz legte in einem Schreiben an Wurm vom 19. Februar 1947 von sich aus ausführlich die Gründe dar, die ihn seine Unterschrift unter die 13 Sätze des Kirchlichen Einigungswerks hatten verweigern lassen (10E7, S. 50f; zu den 13 Sätzen über "Auftrag und Dienst der Kirche" vgl. J. THIERFELDER, Einigungswerk, S. 94109; zum Scheitern des Eingungswerks in Schlesien vgl. EBD., S. 196-199; G. EHRENFORTH, Kirche, S. 180-183). - Zum weiteren Vorgehen des Rates vgl. IIB, S. 65. 47 Das auf eine Anregung Nitschs zurückgehende Vorhaben, einen nationalen Rat der deutschen Kirchen zu bilden, "in dem auch die Freikirchen vertreten sein sollten, die Altlutheraner und die reformierten Freikirchen ebenso wie die pietistischen und methodistischen Kirchen", hatte Asmussen den Ratsmitgliedern erstmals bereits in einem Schreiben vom 26. Juli 1946 unterbreitet (ASD BONN, N L Heinemann, Allg. Korr. 12.4.46-31.12.46). In Ausführung des Ratsbeschlusses fand dann am 21. März 1947 eine erste Besprechung zur Gründung eines Nationalrates der Deutschen Kirchen - der späteren "Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland" - zwischen Vertretern der EKD und der Freikirchen in Stuttgart statt (vgl. dazu S. 68, Anm. 56). - Zur Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland vgl. O. VON HARLING, Arbeitsgemeinschaft; W. KÜPPERS, Anfänge; H. LUCKEY, Arbeitsgemeinschaft.

10B Protokoll

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der vorliegende Entwurf für eine Verfassung dieser Kirche zugesandt werden48. 20.) Zu Punkt 20 des Protokolls über die Beschlüsse des Rates vom 26./27.XI.46 wird ergänzt, dass Prof. Smend nur Mitglied, nicht der Vorsitzende des Kreises sein soll49. 21.) Nächste Sitzung des Rates der EKD. Die nächste Sitzung des Rates der EKD soll vom 27.3. mittags bis zum 28.3. abends in Frankfurt/Main oder Darmstadt stattfinden50.

48 Im Vorfeld der Sitzung hatte Niesei in einem Schreiben an Asmussen vom 7. Januar 1947 gefordert, die Entwicklung zu dem geplanten lutherischen Zusammenschluß zur VELKD auf die Tagesordnung zu setzen: "Ich möchte darum bitten, dass folgender wichtiger Punkt auf die Tagesordnung gesetzt wird: Bericht über die Verfassung und den Stand der Verwirklichung einer lutherischen Kirche Deutschlands. Gleich, nachdem wir neulich uns in Frankfurt voneinander verabschiedet hatten, wurde bekannt, dass der Verfassungsentwurf für die luth. Kirche Deutschlands schon an die Synodalen Bayerns und Hannovers versandt worden, also bereits an die Öffentlichkeit gelangt sei! In der Tat aber ist bis heute der Rat darüber noch nicht informiert! Das ist ein ganz unmögliches Verhalten der führenden Männer des lutherischen Rates" (EZA BERLIN, 2/59). Tatsächlich hatte der Lutherrat auf seiner Sitzung am 12. und 13. September 1946 in Göttingen den bereits seit Mai 1946 vorliegenden Verfassungsentwurf überarbeitet, in letzter Lesung verabschiedet und beschlossen, ihn den Synoden der angeschlossenen Kirchen vorzulegen (vgl. dazu A. SMITH-VON OSTEN, Treysa, S. 216-220; W.-D. HAUSCHILD, Lutherrat, S. 461ff.). Daraufhin hatten die vorläufigen Landessynoden von Hannover und Bayern den Entwurf Ende 1946 begrüßt und dessen gesetzmäßige Verabschiedung durch die noch nicht zusammengetretenen ordentlichen Landesynoden empfohlen. 49 Gemeint ist ein Kreis, der eine endgültige Entschließung zur Frage der Berufung von Professoren auf ordentliche Lehrstühle an den Theologischen Fakultäten der Universitäten ausarbeiten sollte (vgl. dazu C. NICOLAISEN/N.A. SCHULZE, Protokolle Bd. I, S. 649 und 733). 50 Vgl. S. 53-126. - Zur 10. Sitzung vgl. auch die Kritik Nieseis am Beschlußprotokoll (10E8, S. 51f).

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IOC Anlagen und Beschlußtexte 10C1. Wort des Rates "An die evangelische Pfarrerschaft Deutschlands". Treysa, 24. Januar 1947 F: LKA Nürnberg, Meiser 129 (H; den Kirchenleitungen übersandt mit Rundschreiben der Kirchenkanzlei vom 10. Februar 1947fx. Kundgebungen, S. 48/.; KJ1945-1948,

- Abdruck: ABIEKD Nr. 4, 1947; F. Merzyn,

S. 171f.

Liebe Brüder! Um der grossen inneren Not unseres Volkes willen wenden wir uns an Euch, denen das Amt der Verkündigung befohlen ist. Wo immer die Christenheit zusammenkommt, darf sie Gott preisen und ehren für seine Gnade. Wir wollen das tun auch in dieser schweren Zeit. "Gelobt sei Gott und der Vater unseres Herrn Jesu Christi, der uns gesegnet hat mit allerlei geistlichem Segen an himmlischen Gütern durch Christum." 52 50 arm wir geworden sind, wir sind doch reiche Leute. Wir haben das Evangelium, und vielen unter uns ist es neu aufgegangen. Die Welt läuft hundert Lichtern nach, Gott aber hat uns das eine, grosse Licht aufgehen lassen, das alle Finsternis erhellt 53 . Bei unserem Herrn Jesum Christum ist alle Gewalt im Himmel und auf Erden. Nichts ist ausgenommen von seiner Herrschaft: Kein Dunkel der Zukunft und keine Sorge um das Brot, kein Schmerz um einen Menschen, der ferne ist, keine Schuld des eigenen Herzens. Von unserer Schuld haben wir am 18. Oktober 1945 in Stuttgart gesprochen und bleiben bei diesem Wort 5 4 . Aber wir sehen mit Schmerz, dass dies Wort, das von Christen zu Christen gesprochen ist, immer noch nicht das rechte Verständnis findet 55 . Und doch kann ein neuer Anfang christlichen Lebens nicht gemacht werden, wenn wir uns nicht beugen unter die gewaltige Hand Gottes, sein Gericht nicht begreifen, unsere Schuld nicht bekennen und uns nicht am Kreuz von Golgatha die Vergebung Gottes schenken lassen. Lasst uns den gekreuzigten Christus mit neuem Ernst und mit neuer Freudigkeit 51 Im NL Smend ist für dies Wort des Rates ein Entwurf (E) überliefert, der das Datum der Ratssitzung und den Vermerk "Schlußredaktion Dibelius" fragt. 52 Eph 1,3. 53 E: "Die Welt läuft hundert Lichtern nach, uns aber lässt Gott das eine, grosse Licht scheinen, das alle Finsternis erhellt." 54 Gemeint ist die sog. "Stuttgarter Schulderklärung" vom 18./19. Oktober 1945 (vgl. C. NICOLAIS E N / N . A . SCHULZE, P r o t o k o l l e B d . I, S. 3 2 mit A n m . 2 6 ; Abdruck:

EBD., S. 60f.).

55 E: "Aber wir sehen mit Schmerz, dass dies Wort, das von Christen zu Christen gesprochen ist, nicht nur politisch missdeutet wird, sondern auch in der deutschen Christenheit noch immer nicht den rechten inneren Widerhall findet."

IOC Anlagen und Beschlußtexte

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predigen, damit unser Volk bereit werde für das, was Gott ihm in dieser unserer Zeit ins Herz schreiben will! N u n aber sehen wir unser Volk Tag aus Tag ein in neue Anfechtungen geführt. Unter der N o t des Hungers zerbrechen die letzten sittlichen Bindungen. Ungerechter Erwerb, Schwarzhandel, Diebstahl, Raub und Unzucht greifen immmer weiter um sich. Menschen, die die furchtbare Kälte nicht ertragen, fallen über Kohlentransporte her. Familien, die kein menschenwürdiges Obdach finden, lösen sich auf. Kinder verwahrlosen. Das Denunziantentum, durch Bestimmungen der Entnazifizierungsgesetze gefördert, greift wieder um sich. Die Lüge wird zur Gewohnheit. Gehässige Propaganda ertötet Liebe und Ritterlichkeit. Und die Frage, ob das deutsche Volk jemals aus dem bedrückten Leben einer gebrandmarkten Nation entlassen wird, stürzt Millionen in Bitterkeit und Verzweiflung 56 . Wir tragen den Besatzungsmächten diese unsere N o t immer wieder vor und bitten sie, das Ihre zu tun, dass es besser werde 57 . Wirklicher Wandel 58 aber kann nur von innen her kommen. Nur am Evangelium kann unser deutsches Volk genesen! So bitten wir Euch: Sagt es den Gemeinden, dass auch unter den schwersten Anfechtungen dieser unserer Zeit der lebendige Gott am Werke ist! Indem er uns N o t und Leiden schickt, kämpft er um unsere Seele. Er führt den Pflug sehr tief und reisst die Furchen so schmerzhaft, dass wir meinen, zerrissen zu werden; aber er streut auch seine köstliche Saat hinein. Ruft die Gemeinden auf, von Neuem in der heiligen Schrift zu forschen und sich von ihr zeigen zu lassen, wie wunderbar Gott seine Heiligen führt und wie oft gerade in den schwersten Augenblicken des Lebens seine Gnade zu den Menschen kommt! Ruft sie auf, den Einsamen und Flüchtigen zu helfen, für die Gefangenen zu beten und den Hungrigen ihr letztes Stück Brot in Liebe zu brechen, damit durch die Sorge für Andere die eigene Sorge überwunden werde! Tröstet euch untereinander mit dem Trost des Evangeliums, damit ihr imstande seid, andere recht zu trösten! Lehrt die Jugend die Heiligkeit der Gebote Gottes und verkündigt allen, dass der Christ immer eine Hoffnung für dieses und jenes Leben hat 59 , sodass Missglaube und Verzweiflung zu den grossen Schanden und Lastern gehören, vor denen Gott unsere Seele bewah-

56

E : "Und die Aussichtslosigkeit, jemals aus dem bedrückten Leben einer gebrandmarkten Na-

57

E : "Wir haben den Besatzungsmächten diese unsere Nöte von Neuem vorgetragen und sie

58

E : "Entscheidende Abhilfe".

59

E:"[...] dass der Christ eine ewige Hoffnung hat".

tion entlassen zu werden, stürzt Millionen in Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung." gebeten, das Ihre zu tun, dass es besser werde."

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ren möge! Betet zu Gott, dass er die Herzen der Mächtigen lenke und einen Frieden schaffe, in dem Gerechtigkeit und Liebe zu spüren sind! Die Christenheit ist berufen, in diesen dunklen Tagen das Licht der Welt zu sein. So seid dies Licht in der Kraft priesterlicher Fürbitte! Seid es euren Gemeinden! Seid es unserem ganzen, geliebten Volk! "Er aber, unser Herr Jesus Christus, und Gott unser Vater, der uns hat geliebt und uns gegeben einen ewigen Trost und eine gute Hoffnung durch Gnade, der ermahne eure Herzen und stärke euch in allerlei Lehre und gutem Werk!" 60 10C2. Schreiben 'Wurms "an das Amt der Militärregierung für Deutschland (U.S.)". [Stuttgart] 11. Januar 1947 F: EZA Berlin, 2/695 {Konzept mit hsl. Vermerk: "ab durch Büro LB Wurm P. Schaible - an Dr. Arndt am 11.1.") - Abdruck nach anderer Vorlage: F. Merzyn, Kundgebungen, S. 42-46. Betr.: Bodenreform. Der Länderrat des amerikanischen Besatzungsgebiets hat Ihnen ein Gesetz zur Beschaffung von Siedlungsland und zur Bodenreform vorgelegt 61 . Hierzu bitte ich, Ihnen die folgende Stellungnahme der Evangelischen Kirche in Deutschland vortragen zu dürfen: Die Evangelische Kirche in Deutschland kann nur ihr volles Einverständnis mit den in Artikel I dieses Gesetzes genannten Zielen aussprechen. Sie sieht die Verwirklichung dieser Ziele als unerlässlich an für die soziale und wirtschaftliche Gesundung unseres Volkes und sie wird daher alle in ihr zusammengeschlossenen 24 deutschen evang. Landeskirchen bitten, ihre Gemeindeglieder zur tatkräftigen Mithilfe bei der Erfüllung dieser grossen Aufgabe aufzurufen. Zu der Frage, ob und inwieweit auch landwirtschaftlicher Grundbesitz der Kirchen zur Landabgabe für die Zwecke dieses Gesetzes herangezogen werden kann, ist folgendes zu sagen: 1. Die Evangelische Kirche in Deutschland 62 besitzt überhaupt keinen landwirtschaftlichen Grundbesitz und kann daher für eine Landabgabe nicht in Betracht kommen.

60 2 Thess 2, 16f. 61 Vgl. dazu S. 5, Anm. 16. 62 Der erste Entwurf für das Schreiben (E), der an den Sonderbevollmächtigten für Ernährung und Landwirtschaft beim Länderrat des amerikanischen Besatzungsgebietes gerichtet war, hat hier:

IOC Anlagen und Beschlußtexte

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2. Fast das gleiche gilt für die 7 im amerikanischen Besatzungsgebiet liegenden evangelischen Landeskirchen, nämlich a) die Evangelische Landeskirche in Württemberg b) die Evang.-luth. Kirche in Bayern c) die Vereinigte evang.-prot. Landeskirche in Baden d) die Evang. Landeskirche in Kurhessen-Waldeck e) die Evang. Landeskirche in Hessen (Darmstadt) f) die Evang. Landeskirche in Nassau (Wiesbaden) g) die Evang. Landeskirche in Frankfurt/M. Auch diese sieben Landeskirchen besitzen selbst keinen landwirtschaftlichen Grundbesitz, der für eine Landabgabe in Betracht kommen könnte. 3. Der eigentliche sog. kirchliche Grundbesitz im amerikanischen Besatzungsgebiet verteilt sich als Streubesitz auf 4.845 verschiedene Rechtsträger (selbständige Kirchengemeinden, Stiftungen, Fond usw.), nämlich auf a) 689 selbständige Rechtsträger in Württemberg b) 1.690 selbständige Rechtsträger in Bayern c) 244 selbständige Rechtsträger in Baden d) 1.430 selbständige Rechtsträger in Kurhessen-Waldeck e) 457 selbständige Rechtsträger in Hessen f) 325 selbständige Rechtsträger in Nassau g) 10 selbständige Rechtsträger in Frankfurt. Uber die Grösse dieses aus vielen tausenden von kleinen Parzellen bestehenden kirchlichen Grundbesitzes darf man sich keine falschen Vorstellungen machen. Tatsache ist, dass die Kirche gegenüber anderen öffentlich-rechtlichen Körperschaften wie dem Staat und den bürgerlichen Gemeinden nur einen geringfügigen landwirtschaftlichen Grundbesitz hat und dass dieser schon seit Generationen in besonderer Weise im Wege der Parzellen-Verpachtung sozialistisch verwaltet wird. Beispielsweise haben in Bayern 9/10 aller evang. Kirchengemeinden überhaupt keinen Grundbesitz; von den restlichen 93 Kirchengemeinden besitzt jede im Durchschnitt nur insgesamt 1,2 ha. In Württemberg entfällt auf eine Pfarrstelle im Durchschnitt nur eine landwirtschaftliche Fläche von 192 a; von diesen 192 a haben die Pfarrstelleninhaber im Durchschnitt rund 22 a als Hausgarten-Fläche in eigener Bewirtschaftung und Nutzung, während 170 a im Durchschnitt verpachtet sind an insgesamt 5.163 kleine Pächter; landwirtschaftliche kirchliche Grundstücke über 1 ha sind nur einige wenige vorhanden, nie aber solche in einer Grösse "Die Evangelische Kirche in Deutschland, die ein Bund von 24 selbständigen Landeskirchen ist, [...]" (LKA STUTTGART, Dl/213).

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über 4 ha. Im Bereich der evang. Landeskirche Badens aber beträgt der kirchliche Grundbesitz kaum 1 % von der gesamten landwirtschaftlich genutzten Fläche des Landes, während 81 % bäuerliches Eigentum sind, 9,2 % den bürgerlichen Gemeinden gehören, 4,1 % auf den privaten Grossgrundbesitz und 2,5 % auf die Staatsdomänen entfallen. Ahnlich sind die Verhältnisse im Bereich der anderen Landeskirchen gelagert. Insgesamt handelt es sich bei dem sogenannten kirchlichen Grundbesitz um einen Streubesitz, der in den weitaus meisten Fällen unter einer Flächengrösse von 1 ha bleibt und daher schon aus diesem Grund für eine Landabgabe nicht in Betracht kommen kann. 4. Selbstverständlich gilt für die Kirche in besonderem Masse der Grundsatz, dass Eigentum verpflichtet. Das Ziel, das das Gesetz zur Beschaffung von Siedlungsland und zur Bodenreform vor Augen hat, ist ein für das wirtschaftliche und soziale Leben unseres Volkes so entscheidendes, dass selbstverständlich auch die evang. Kirche zu ihrem Teil bereit ist, an der Verwirklichung dieses Gesetzes mitzuhelfen. Soweit indessen kirchliche Rechtsträger als Eigentümer landwirtschaftlichen Grundbesitzes in Betracht kommen, muss berücksichtigt werden, dass dieser als Streubesitz aus vielen tausenden von Einzelparzellen entstandene kirchliche Grundbesitz sich nicht nur auf 4.845 verschiedene Eigentümer verteilt, sondern vor allem auch an 80 bis 100.000 Pächter - kleine Bauern, Arbeiter und Gewerbetreibende - langfristig verpachtet ist; allein im Bereich der kleinen Landeskirche Nassau ist der kirchliche Grundbesitz von den 325 Eigentümern an mehrere 1.000 Pächter, im Bereich der Landeskirche Kurhessen-Waldeck ist er von den 1.430 Eigentümern an mehrere Zehntausende von Pächtern verpachtet; in Württemberg sind es 5.163, in Baden 9.537, in Hessen (Darmstadt) 14.000 und innerhalb der bayerischen evangelischen Landeskirche sogar 30.000 Pächter des kirchlichen Grundbesitzes, die meist schon seit Generationen diesen Besitz bewirtschaften und nutzen. Bei der Kleinheit der Ackerwirtschaften in den meisten Bezirken des amerikanischen Besatzungsgebietes erfüllt gerade dieser in vielen zehntausenden kleinen Einzelparzellen verpachtete kirchliche Grundbesitz die ausserordentlich wichtige soziale Funktion, diese kleinen Wirtschaften erst lebensfähig zu machen und die vielfach kinderreichen Familien der Kleinbauern, Kleingewerbetreibenden und Arbeiter ausreichend zu ernähren. Wenn nun dieser kirchliche Kleinparzellen-Besitz zur Anlage neuer Siedlungen fortgenommen würde, so würden jene kleinen Pächter ganz oder teilweise die Grundlage ihrer wirtschaftlichen Existenz verlieren. Das kann aber nicht der Sinn des neuen Gesetzes sein.

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5. Ferner ist weiterhin unbekannt, dass der kirchliche Grundbesitz, der sich wie gesagt - allein im amerikanischen Besatzungsgebiet auf 4.845 verschiedene kirchliche Rechtsträger und auf 80 bis 10.000 [muß heißen: 100.000] Kleinpächter verteilt, nicht zur beliebig freien Verfügung jener kirchlichen Rechtsträger steht, sondern zweckgebundenes Vermögen ist. Der kirchliche Grundbesitz ist nämlich, soweit er Pfründegut ist, belastet mit der fortlaufenden Leistung von Beiträgen für die Pfarrerbesoldung und, soweit er nicht zum Pfründegut gehört, belastet mit Beiträgen zur Errichtung und Unterhaltung von Kirchen und Pfarrhäusern in ganz bestimmten Orten. Welche Last gerade diese Verpflichtung heute verursacht, ermisst man nur richtig, wenn man weiss, dass die Wiederherstellung durch den Krieg zerstörter Gebäude in jeder Landeskirche viele Millionen beträgt. Würde nun dieser kirchliche Grundbesitz in einem grösseren Ausmass der Kirche entzogen werden, so wären die wirtschaftlichen Grundlagen für diese der Kirche auferlegten Leistungen entzogen worden. Wohl sieht das erwähnte Gesetz in Artikel VIII Ziff. 4 vor, dass die Ubereignung gegen Entschädigung erfolgt. Diese Entschädigung wird durch Kapitalzahlung oder auch auf Antrag des Abgabepflichtigen in Form einer Rente erfolgen. Es ist nun eine Erfahrung, die in den letzten 25 Jahren leider gemacht werden musste, dass der Wert unseres Geldes nicht beständig ist. Die evangelischen Landeskirchen haben durch die Inflation 1919ff. viele Millionen ihres Kapitalvermögens verloren, und es ist zu befürchten, dass auch jetzt wieder solche Verluste in weitgehendem Masse eintreten werden, besonders weil der nationalsozialistische Staat auch die Kirchen gezwungen hat, ihre Vermögenswerte in Anleihen usw. anzulegen und nicht mehr geduldet hat, dass diese Geldanlagen in Grund und Boden erfolgten. Soweit es überhaupt wertbeständiges Vermögen gibt, steht der Liegenschaftsbesitz immer noch an erster Stelle. Die Kirche ist nun gehalten, ihr Vermögen, das ihr aus jahrhundertealten Stiftungen zugefallen ist und dessen Erträge bestimmt sind, unmittelbar kirchlichen Zwecken zu dienen, um des Auftrages willen, den sie hat, zu erhalten. Sie kann daher, nachdem sie schon seit über 100 Jahren - zuletzt durch Nationalsozialismus und Militarismus - den weitaus grössten Teil ihres Grundbesitzes durch Einziehungen an den Staat verloren hat, einer noch weiteren Enteignung ihres zweckgebundenen kirchlichen Vermögens nicht zustimmen. 6. In diesem Zusammenhang muss noch auf ein anderes hingewiesen werden: Nach Artikel IV Ziff. 8 k a n n nicht nur der kirchliche, sondern auch der staatliche landwirtschaftliche Grundbesitz herangezogen werden. Bei Anwendung dieser Bestimmung darf nicht übersehen werden, dass im staatlichen Grundbesitz in mehr oder weniger grösserem Umfang kirchlicher

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Grundbesitz enthalten ist. Durch hinlänglich bekannte Vorgänge (Säkularisation, Inkamerierung des Kirchenguts), auf die hier nicht einzugehen ist, hat der Staat kirchlichen Grundbesitz in sein Eigentum überführt. Soweit auf diesem Grundbesitz Leistungen für die Pfarrerbesoldung oder Bauunterhaltung für die Kirchenleitung im allgemeinen lagen, haben die Länder in mehr oder weniger zureichender Weise diese Verpflichtungen bisher erfüllt. Ein Zweifel an der Rechtspflicht für diese Leistungen kann nicht bestehen. Wir müssen deshalb von der Kirche her auf diese Tatsachen besonders hinweisen, weil wir es nicht für angängig erachten, dass staatliches Domänengut heute in einem weiteren Ausmass in die Hände von Siedlern und Siedlungsgenossenschaften überführt wird, die an sich nicht in der Lage wären, ganz oder teilweise die auf dem Staatsgrundbesitz ruhenden Lasten zu tragen. 7. Falls der nach Artikel II in erster Linie heranzuziehende Grundbesitz für die Verwirklichung der gesteckten Ziele nicht ausreicht und auch die Bestimmungen in Art. III und IV, soweit sie über die Heranziehungsmöglichkeit von Siedlungsland etwas aussagen, nicht zum Ziel führen sollten, so können neben Staat und Kirche auch die übrigen juristischen Personen des öffentlichen Rechts zur Landabgabe herangezogen werden. U.E. müsste in den Ausführungsbestimmungen klar zum Ausdruck kommen, dass hier in erster Linie die bürgerlichen Gemeinden verpflichtet sind, weithin mit ihrem Grundbesitz zu dienen. Denn das ist eine Aufgabe der kommunalen Körperschaften und Verbände, für gesundes Wohnen und für bodengebundenes Wirtschaften ihrer Bürger zu sorgen. 8. Wenn trotz aller dieser Gründe in einem Ausnahmefall einmal dennoch kirchlicher Grundbesitz benötigt werden sollte, so soll er auch zur Verfügung gestellt werden. Es wäre aber eine Ungerechtigkeit, hier andere Grundeigentümer, denen an sich in erster Linie eine Abgabeverpflichtung nach dem Gesetz zufällt und die sie vielleicht nur deshalb nicht zu erfüllen brauchen, weil ihr Grundbesitz sich für Siedlungszwecke nicht eignet, frei ausgehen zu lassen. Erkennt man an - und wir möchten bitten, dass das geschieht -, dass der kirchliche Grundbesitz um der besonderen Art seiner Aufgabe willen erhalten bleiben muss, dann wird man in Fällen der eben geschilderten Art auch anerkennen müssen, dass die Kirche zwar den benötigten Boden zur Verfügung stellt, dafür aber anderweitig Ersatzgelände von anderen zur Abgabe verpflichteten Grundeigentümern erhält. 9. Abschliessend fasse ich unsere Stellungnahme daher wie folgt zusammen 63 : 63 In Ε folgt hier der Absatz: "Die Evangelische Kirche in Deutschland hätte zunächst erwarten können, dass sie innerhalb des amerikanischen Besatzungsgebietes hinsichtlich der Einbeziehung ihres kirchlichen Grundbesitzes in das Gesetz über die Bodenreform ebenso behandelt worden wäre wie im russischen Besatzungsgebiet, wo die Kirche bekanntlich aus den Be-

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a) Nachdem im amerikanischen Besatzungsgebiet eine Heranziehung auch des kirchlichen Grundbesitzes durch eine Kann-Vorschrift des neuen Gesetzes für möglich erklärt worden ist, muss die Evangelische Kirche in Deutschland erwarten, dass nicht etwa wie zu Zeiten des Nationalsozialismus ohne Anhörung der Kirche über zweckgebundenes kirchliches Vermögen verfügt wird, sondern dass rechtzeitig vor dem Erlass von Ausführungsbestimmungen mit den in Frage kommenden 7 evang. Landeskirchen die Durchführungsmöglichkeiten erörtert werden. b) Die Evang. Kirche in Deutschland muss um ihres Auftrages willen vom Staat die klare Entscheidung erwarten, dass er die Evangeliumsverkündigung durch die Kirche als eine entscheidend wichtige Voraussetzung für die Gesundung unseres Volkes ansieht und dass er deswegen bereit ist, sie sicherzustellen durch die Erhaltung des ihr für diesen Zweck gestifteten und gebundenen kirchlichen Vermögens. c) Die Evang. Kirche in Deutschland sieht ihrerseits die Verwirklichung der im Artikel I des Gesetzes zur Beschaffung von Siedlungsland und zur Bodenreform genannten Ziele als unerlässlich an für die soziale und wirtschaftliche Gesundung unseres Volkes, und alle 24 deutschen evang. Landeskirchen werden ihre Gemeindeglieder zur tatkräftigen Mithilfe bei der Erfüllung dieser grossen Aufgabe aufrufen. gez. D. W u r m

10C3. "Einsegnung von nichtgeistlichen Kirchenbeamten (in der Kanzlei der EKD)". [Treysa, 24./25. Januar 1947] F: EZA Berlin, 2/69 (D mit hsl. Korrekturen Schwarzhaupts und Merzyns und Vermerk Schwarzhaupts: "Anlage 2"). Die Einsegnung findet in einem Gottesdienst statt. Der eigentliche Akt der Einsegnung verläuft wie folgt: Die Einzusegnenden treten vor den Altar. Es ergeht an sie folgende Ansprache: Ihr seid berufen, Gott dem Vater durch seinen hochgelobten Sohn Jesus Christus im Heiligen Geiste an seiner Kirche zu dienen. Es ist eure Aufgabe,

Stimmungen über die Bodenreform ganz herausgelassen worden ist." Die Streichung dieses Absatzes hat offensichtlich ein Mitarbeiter von OMGUS bei einer mündlichen Besprechung vorgeschlagen (vgl. das Schreiben Merzyns an das Zentralbüro des Hilfswerks vom 14. Januar 1947: EZA BERLIN, 2 / 6 9 5 ) .

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daran zu arbeiten, dass die Kirche 64 in Ordnungen stehe, die dem allerheiligsten Glauben gemäss sind. Denn die Kirche ist das Haus Gottes, erbaut auf dem Grund der Apostel und Propheten, da Jesus Christus der Eckstein ist. Zu diesem Werke bedürft ihr des Heiligen Geistes. Es steht nicht in des Menschen Kraft, im Hause Gottes recht zu dienen. Deshalb sind wir heute hier versammelt, euch zu segnen und über euch zu beten, dass Gott euch ausrüste mit Kraft aus der Höhe. Die Schrift spricht Lukas 12, Vers 35-43 ["Lasset eure Lenden umgürtet sein und eure Lichter brennen und seid gleich den Menschen, die auf ihren Herrn warten, wann er aufbrechen wird von der Hochzeit, auf daß, wenn er kommt und anklopft, sie ihm alsbald auftun. Selig sind die Knechte, die der Herr, wenn er kommt, wachend findet. Wahrlich, ich sage euch: Er wird sich aufschürzen und wird sie zu Tisch setzen und zu ihnen treten und ihnen dienen. Und wenn er kommt in der zweiten Wache und in der dritten Wache und wird's so finden: selig sind diese Knechte. Das sollt ihr aber wissen: Wenn ein Hausherr wüßte, zu welcher Stunde der Dieb käme, so ließe er nicht in sein Haus einbrechen. Darum seid auch ihr bereit! Denn des Menschen Sohn kommt zu einer Stunde, da ihr's nicht meinet. Petrus aber sprach zu ihm: Herr, sagst du dies Gleichnis zu uns oder auch zu allen? Der Herr aber sprach: Wer ist denn der treue und kluge Haushalter, welchen der Herr setzt über sein Gesinde, daß er ihnen zu rechter Zeit gebe, was ihnen gebührt? Selig ist der Knecht, welchen sein Herrfindet also tun, wenn er kommt"]; Römer 12, Vers 4-8 ["Denn gleicherweise wie wir an einem Leib viele Glieder haben, aber nicht alle Glieder einerlei Geschäft haben, so sind wir viele ein Leib in Christus, aber untereinander ist einer des anderen Glied, und haben mancherlei Gaben nach der Gnade, die uns gegeben ist. Hat jemand Weissagung, so sei sie dem Glauben gemäß. Hat jemand ein Amt, so warte er des Amtes. Lehrt jemand, so warte er der Lehre. Ermahnt jemand, so warte er des Ermahnens. Gibt jemand, so gebe er mit lauterem Sinn. Regiert jemand, so sei er sorgfältig. Übt jemand Barmherzigkeit, so tue er's mit Lust"]; 1. Korinther 3, Vers 5-9 ["Wer ist nun Apollos? Wer ist Paulus? Diener sind sie, durch welche ihr seid gläubig geworden, und das, wie es der Herr einem jeglichen gegeben hat. Ich habe gepflanzt, Apollos hat begossen; aber Gott hat das Gedeihen gegeben. So ist nun weder der da pflanzt noch der da begießt etwas, sondern Gott, der das Gedeihen gibt. Der aber pflanzt und der da begießt, die sind einer wie der andere. Ein jeglicher aber wird seinen Lohn empfangen nach seiner Arbeit. Denn wir sind Gottes Mitarbeiter; ihr seid Gottes Ackerfeld und Gottes Bau"]. Daraufhin frage ich euch: Seid ihr gewillt, euren Dienst auszurichten, im Glauben gebunden an die Heilige Schrift, in der Liebe unterworfen den Ordnungen der EKD, so sprecht: Ja, ich will es mit Gottes Hilfe 65 . 64 65

Von Merzyn hsl. korrigiert aus: "EKD". Von Schwanhaupt hsl. korrigiert aus:"[...] so sprecht: Ja."

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So verordne ich euch denn im Auftrage der Kirchenleitung zu eurem Dienst 66 in der Kirche unseres Herrn Jesu Christi, dass ihr euer Werk ausrichtet in der Kanzlei der EKD im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes (folgt Segen mit Handauflegung). 10C4. "Richtlinien des Rates der EKD für den Finanzausgleich unter den Landeskirchen hinsichtlich der finanziellen Versorgung der Ostpfarrer". Treysa, 25. Januar 1947 F: ETA Berlin, 2/59 ( H f . - Abdruck: ABlEKD 1947, Nr. 4 vom 1. Februar 1947.

I. Grundsätze. 1. Die Kanzlei der EKD führt einen finanziellen Lastenausgleich unter den Landeskirchen der drei westlichen Besatzungszonen hinsichtlich der Lasten herbei, die bei der Verwendung und Versorgung von Ostpfarrern entstehen. Der Ausgleich erfolgt unter Zugrundelegung des Umlageschlüssels 68 . 2. Das einem Ostpfarrer, der einen Beschäftigungsauftrag erhalten hat, zu zahlende Gehalt, sowie das einem Ostpfarrer nach seiner endgültigen Übernahme in den Kirchendienst 69 zu zahlende reguläre Pfarrgehalt entfällt für den Lastenausgleich. II. Begriffsbestimmung. Ostpfarrer im Sinne dieser Richtlinien sind alle Pfarrer, die selbst oder deren Angehörige aus dem jetzt sowjetisch und polnisch verwalteten Teil 70 des Gebietes der ehemaligen DEK und den Volksdeutschen Kirchen Ost- und Südosteuropas in ein westlich gelegenes Kirchengebiet zugewandert sind. III. Versorgung. 1. Sofern den unter II Genannten eine Betätigung in den bezeichneten Gebieten nach Feststellung der örtlich zuständigen Kirchenleitung - soweit noch vorhanden - nicht mehr möglich ist, werden die Landeskirchen der Westzonen ihre Versorgung im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten übernehmen. Das Gleiche gilt für die bislang von den Kirchen der genannten Gebiete versorgten Ruhestandspfarrer und Pfarrhinterbliebenen sowie die Familien 66 Von Schwarzhaupt hsl. korrigiert aus: "So verordne ich euch denn zu eurem Dienst". 67 Vgl. auch den im NL Smend überlieferten Entwurf (E). 68 Der Umlageschlüssel für die Zahlungen der Gliedkirchen an die EKD war zu diesem Zeitpunkt noch durch die Bestimmungen in § 2 der "Anordnung betreffend den Haushalt der Deutschen Evangelischen Kirche für das Rechnungsjahr 1942" vom 10. Februar 1942 festgelegt (GB1DEK 1942, S. 38; vgl. auch die "Umlageberechnung der Deutschen Evangelischen Kirche für die Zeit vom 1. April 1942 bis 31. März 1943": EBD., S. 40). 69 E: "Das einem Ostpfarrer nach seiner endgültigen Übernahme in den Kirchendienst". 70 E:"[...] aus dem jetzt russisch und polnisch besetzten Teil".

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solcher Ostpfarrer, die noch östlich der Oder-Neisse-Linie und im Sudetengau tätig sind, und die Familien der noch nicht aus der Kriegsgefangenschaft heimgekehrten oder der vermissten Ostpfarrer, sofern die Versorgung nicht anderweitig gesichert werden kann. 2. Die Versorgung erfolgt nach den Regelungen, die in den einzelnen Landeskirchen entsprechend den bestehenden Verhältnissen getroffen sind. Dabei sollen folgende Unterstützungsmindestsätze gelten: a) Aktive Ostpfarrer (d.h. Pfarrer, die zuletzt ein Pfarramt innehatten einschliesslich der von der Bekennenden Kirche eingewiesenen Pfarrer) ohne Beschäftigungsauftrag erhalten, wenn sie verheiratet sind, monatlich 200,RM. Für jedes nach den geltenden Bestimmungen zuschlagsberechtigte Kind wird ein Zuschlag von 20,- RM monatlich gezahlt. Ledige, Verwitwete ohne zuschlagsberechtigte Kinder und Verheiratete, deren Familien noch in den oben genannten Gebieten leben, erhalten monatlich 150,- RM 71 . b) Ruhestandspfarrer erhalten die Sätze nach Ziffer 2a, aber nicht mehr als die früheren Bezüge. c) Pfarrwitwen erhalten monatlich 150,- RM, dazu den Kinderzuschlag. d) Pfarrfamilien erhalten monatlich 150,- RM, dazu den Kinderzuschlag. e) Vollwaisen erhalten monatlich 70,- RM, mehrere Vollwaisen aus der gleichen Familie und im gleichen Haushalt zusammen aber nicht mehr als den Betrag, den eine Pfarrwitwe mit der entsprechenden Anzahl zuschlagsberechtigter Kinder erhalten würde. f) Alleinstehende Kinder, deren Väter noch im Gebiet östlich der OderNeisse-Linie tätig sind, erhalten die Sätze nach Ziffer 2e. g) Sofern für Angehörige von Pfarrern, die östlich der Oder-Neisse-Linie Dienst tun, in einer Landeskirche eine günstigere Regelung besteht, bleibt es dabei; bei dem Finanzausgleich können diese Bezüge jedoch nicht mitberücksichtigt werden. 3. Eine entsprechende Behandlung wie die angeführten Ostpfarrer erfahren die ehemaligen Wehrmachtspfarrer, Hilfsprediger, Kirchenbeamten, Kirchengemeindebeamten, Vereinsgeistlichen, die die Voraussetzungen von II erfüllen. 4. Ostpfarrer, die trotz vorhandener Leistungsfähigkeit die Übernahme einer Dienstleistung ablehnen, scheiden aus dem Kreis der Versorgungsberechtigten aus.

71 In Ε folgte an dieser Stelle ein zusätzlicher Absatz: "Die mit einem Beschäftigungsauftrag versehenen Ostpfarrer erhalten einen Zuschlag von 50,- RM monatlich sowie freie Wohnung oder Mietentschädigung."

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5. Unterstützungen werden nach Prüfungen der Verhältnisse jedesmal für den Einzelfall von der örtlich zuständigen Landeskirche bewilligt und gezahlt, und zwar vom 1. des Monats der Antragsstellung an. Ein Rechtsanspruch wird durch die Zahlung nicht begründet. IV. Inkrafttreten. Diese Richtlinien gelten ab 1. Oktober 1946. Sie treten an die Stelle der entsprechenden Bestimmungen der Ostpfarrer-Verordnung vom 21. Juni 194672. Treysa, den 25. Januar 1947 Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland gez. D. Wurm. 10C5. "Anordnung betreffend den Haushalt der EKD für das Rechnungsjahr 1947". Treysa, 25. Januar 1947 F: ABIEKD 1947, Nr. 4 vom 1. Februar 1947.

Auf Grund des § 3 der Uebergangsordnung der Evangelischen Kirche in Deutschland vom 22. März 194673 (Verordnungs- und Nachrichtenblatt N r . 38/39) 74 wird folgendes bestimmt: §1 (1) Das Rechnungsjahr läuft vom 1. April 1947 bis zum 31. März 1948. (2) Die Kassenführung der Evangelischen Kirche in Deutschland gründet sich im Rechnungsjahr 1947 auf den als Anlage 1 beigefügten Haushaltsplan 75 , der in Einnahme und Ausgabe auf 1.008.736,- RM 76 festgestellt wird. (3) Die bei Kapitel Π und ΠΙ der Einnahme angesetzten Beträge sind Mindestbeträge. Die Landeskirche, die den auf sie nach dem Umlageschlüssel zu errechnenden Anteil durch eine Kollekte nicht erreicht, hat zum Ausgleich den Betrag aus anderen Mitteln aufzubringen. (4) Die für die einzelnen Titel der Ausgabe ausgeworfenen Beträge sind gegenseitig deckungsfähig, mit Ausnahme von Kapitel ΙΠ. 72 Gemeint ist die auf der 7. Sitzung des Rates in Speyer verabschiedete "Verordnung des Rates zur Versorgung und Verwendung von Ostpfarrern" ( C . N I C O L A B E N / N . A . SCHULZE, Protokolle Bd. I, S. 585-589). 73 Der den Ratsmitgliedem mit Schreiben der Kirchenkanzlei vom 10. Januar 1947 zugegangene Entwurf für die Anordnung (E) hat hier das falsche Datum 22. März 1945 ( L K A NÜRNBERG, Meiser 125). 74 Nach diesem Paragraphen hatte der Rat die Leitung und Verwaltung der EKD inne {vgl. auch C . N I C O L A I S E N / N . A . SCHULZE, Protokolle Bd. I, S. 405). 75 10C6, S. 26ff. 76 E: "958.736,- RM".

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§2 (1) Der durch Umlagen der Landeskirchen aufzubringende Finanzbedarf beträgt für das Rechnungsjahr 1947 nach dem Haushaltsplan 693.736,- RM. (2) Dieser Finanzbedarf wird auf die Landeskirchen in der Weise verteilt, daß die im britischen, amerikanischen und französischen Besatzungsgebiet liegenden Landeskirchen 85 % der Umlagebeiträge nach der Anordnung vom 10. Febr. 1942 (Gesetzblatt der DEK 1942 S. 38ff.) zahlen. Wegen der Umlagezahlung der im sowjetischen 77 Besatzungsgebiet liegenden Landeskirchen ergeht besondere Anordnung. (3) Die hiernach auf die einzelnen Landeskirchen in den westlichen Gebieten entfallenden Umlagebeiträge sind in der als Anlage 2 beigefügten Umlageberechnung 78 festgestellt. Die Umlagebeiträge sind vierteljährlich im voraus an die Kasse der Kanzlei der Evangelischen Kirche in Deutschland, Schwäb. Gmünd - Konto bei der Deutschen Bank - zu entrichten. Treysa, den 25. Januar 194779. Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland: gez. D. Wurm. 10C6. Haushaltplan der EKD für das Rechnungsjahr 1947". [Treysa, 25. Januar 1947] F: ABIEKD 1947, Nr. 4 vom 1. Februar 1947 (Anlage 1 zu 10C5).

Einnahme. Kapitel I Kapitel Π Kapitel ΠΙ Kapitel IV

77 78 79 80

Aus Kapitalvermögen Kollekte für gesamtkirchliche Notstände und Aufgaben Kollekte für Gefangenenseelsorge in aller Welt Umlagebeiträge der Landeskirchen der westlichen Besatzungszonen

-,- RM 205.000,- RM 8 0 70.000,- R M 693.736,- RM

E: "russischen". 10C7, S. 29. E: "26. Januar 1947". Der den Ratsmitgliedem vor der Sitzung zugegangene Entwurf für den Haushaltplan (E; vgl. dazu S. 25, Anm. 73) hat hier: "155.000,- RM".

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IOC Anlagen und Beschlußtexte

Kapitel V Kapitel VI

Pressestelle der EKD (insbesondere Amtsblatt und Schriftendienst) Insgemein

40.000,- RM -.-RM 1.008.736,- RM 81

Ausgabe. Kapitel I Titel 1 Titel 2

Kirchenleitung Rat der EKD Beratende Organe und Disziplinargerichte (insb. die Kammern, das kirchenrechtliche Institut in Göttingen)

4.000,- RM

25.000.- RM 29.000,- RM

Kapitel Π Titel 1 Titel 2 Titel 3 Titel 4 Titel 5 Titel Titel Titel Titel Titel

6 7 8 9 10

Kirchenverwaltung Beamtenbesoldung Ruhestands- und Hinterbliebenenversorgung Vergütungen für nichtbeamtete Hilfskräfte Unterstützungen Dienstreisen, Beschaffung und Unterhaltung eines Kraftwagens Geschäftsbedürfnisse Diensträume Pressearbeit Archivarbeit Statistik

Titel 11

Sonstige Verwaltungsausgaben

Kapitel ΠΙ Titel 1

Innerkirchliche Arbeit Gefangenenseelsorge

75.000,- RM 15.000,- RM 150.000,- RM 5.000,- RM 20.000,45.000,30.000,40.000,10.000,6.000,4.000.-

RM RM RM RM RM RM RM

400.000,- RM

70.000,- RM 81 E: "958.736,- RM".

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Titel 2

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Gesamtkirchl. Notstände und Aufgaben

205.000,- RM82 275.000,- RM83

Kapitel IV Titel 1 Titel 2

Auslandsarbeit Personalausgaben für das kirchl. Außenamt Sächliche Ausgaben des KA und seiner Arbeit (Geschäftsbedürfnisse, Dienstreisen usw.)

65.000,- RM

45.000,- RM 110.000,-RM.

Kapitel V Titel 1 Titel 2 Titel 3

Abwicklung der Verbindlichkeiten der vormaligen DEK frühere Gefolgschaftsmitglieder von DEKK und KA frühere Auslandsgeistliche Sonstiges

100.000,- RM 80.000,- RM 1.000.-RM 181.000,- RM

Kapitel VI

Insgemein

13.736.- RM 1.008.736.- RM84

82 E: "155.000,- RM". 83 E: "225.000,- RM". 84 E: "958.736,- RM".

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IOC Anlagen und Beschlußtexte

10C7. "Umlagebeiträge der Landeskirchen der drei westlichen Zonen für das Rechnungsjahr 1947 (in Höhe von 85 % der Umlageberechnung für 1.4.42 31.3.43)". [Treysa, 25. Januar 1947] F: ABIEKD 1947, Nr. 4 vom 1. Februar 1947 (Anlage 2 zu 10C5). Lfd. Nr.

Landeskirche

1.

Evangelische Kirche der Altpreußischen Union für die Westprovinzen 85 Hannover luth. Württemberg Nassau-Hessen Schleswig-Holstein Bayern r[echts] d [ « ] Rhfezns] Hamburg Kurhessen-Waldeck Baden Bremen Pfalz Braunschweig Oldenburg Lübeck Hannover reformiert] Lipp[ische] Landeskirche Schaumburg-Lippe Eutin Bund ev. ref. Kirchen Deutschlands

2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19.

Jahresbeitrag Vierteljahresbeitrag RM RM

175.572,83.744,70.358,61.652,54.964,53.706,48.426,31.526,30.798,19.950,17.902,15.872,10.426,5.638,5.220,4.468,1.298,1.298,918,693.736.-

43.893,20.936,17.589,50 15.413,13.741,13.426,50 12.106,50 7.881,50 7.699,50 4.987,50 4.475,50 3.968,2.606,50 1.490,50 1.305,1.117,324,50 324,50 229.50 173.434.-

85 Originalanmerkung: "Die Unterteilung dieses Betrages auf die Evangelische Kirche des Rheinlandes und auf die Evangelische Kirche Westfalens bleibt diesen beiden Kirchen überlassen."

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10C8. "Stellennachweis zu Ausgabekapitel II Titel 1 des Hauhalts der EKD für das Rechnungsjahr 1947". [Treysa, 25. Januar 1947] F.-ABIEKD 1947, Nr. 4 vom 1. Februar 1947 (Anlage 3 zu 10C5). Kirchenkanzlei (ohne Kirchliches Außenamt) 2 Stellen A 2 b (Oberkirchenrat Dr. Merzyn, Oberkirchenrätin Dr. Schwarzhaupt) 1 Stelle A 2 d (Konsistorial-Amtsrat Hellriegel) 1 Stelle A 4 b 1 (Konsistorial-Oberinspektor Kiesow) 1 Stelle A 4 c 1 (Kircheninspektorin Jahn) 2 Stellen A 5 b (Kirchenobersekretärin Vöhl, Kirchenobersekretärin Walz) Kirchliches Außenamt 1 Stelle A 2 c 2 (Konsistorialrat Dr. Gerstenmaier, z. Zt. zum Hilfswerk beurlaubt ohne Bezüge durch die EKD) 1 Stelle A 2 d (Konsistorialamtsrat Grothe, z. Zt. in der Berliner Stelle der Kanzlei mit Bezügen aus dortigen Mitteln) 10C9. "Verordnung über eine Kirchenversammlung der EKD". Treysa, 24. Januar 1947 F: ABIEKD 1947, Nr. 4 vom 1. Februar 1947. • Wiederabdruck: KJ1945-1948, S. 8 0 f f . Der Rat der EKD hat in seiner Sitzung vom 24.1.1947 folgende Verordnung erlassen: §1 Der Rat ordnet sich eine Kirchenversammlung aus Vertretern der in der EKD zusammengeschlossenen Kirchen bei. §2 Die Kirchenversammlung der EKD besteht aus Vertretern der Kirchenleitungen, aus von den Synoden gewählten Mitgliedern und aus 20 vom Rat der EKD berufenen Persönlichkeiten aus dem kirchlichen Leben. Mitglieder des Rates können die Kirchen nicht als Mitglieder in die Kirchenversammlung entsenden. §3 Jede der in der EKD zusammengeschlossenen Kirchen bestimmt den Vertreter ihrer Kirchenleitung. Die Kirche von Eutin entsendet keinen Vertreter. Die reformierte Kirche Hannovers und die Lippische Kirche entsenden gemeinsam einen leitenden Amtsträger.

IOC Anlagen und Beschlußtexte

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§4 1. Die von den Synoden gewählten Vertreter der Gliedkirchen werden in folgender Anzahl entsandt: 8 Vertreter entsenden: Brandenburg-Berlin, Sachsen (Land). 4 Vertreter entsenden: Sachsen (Provinz), Westfalen, Rheinland, Hannoverlutherisch. 3 Vertreter entsenden: Württemberg, Nassau-Hessen, Bayern Rechts] d[ö] Rh[ews], Thüringen, Schleswig-Holstein. 2 Vertreter entsenden: Pommern, Kurhessen-Waldeck, Hamburg-Mecklenburg, Baden-Pfalz. 1 Vertreter entsenden: Braunschweig, Oldenburg, Anhalt, Bremen, Schlesien, Eutin. Einen gemeinsamen Vertreter entsenden: Hannover reformiert] und Lippe. Schaumburg-Lippe wird durch Hannover-lutherisch, Lübeck durch Eutin mit vertreten. 2. Die Synoden, die eine gerade Zahl von Mitgliedern entsenden, wählen je zur Hälfte Pfarrer und andere Gemeindeglieder, diejenigen, die drei Mitglieder entsenden, mindestens ein Gemeindeglied, das nicht Pfarrer ist. Für jedes entsandte Mitglied ist ein Vertreter zu bestimmen. 3. Wenn eine Kirche ihre Synode nicht einberufen kann, um die Mitglieder zur Kirchenversammlung zu wählen, kann die Kirchenleitung mit Zustimmung der EKD anordnen, daß das synodale Vertretungsorgan (Synodalausschuß, Kirchenleitung) eine vorläufige Wahl bis zum Zusammentritt der Synode vornimmt. 4. In denjenigen Kirchen, die nur vorläufige Synoden haben, wählt die vorläufige Synode die synodalen Mitglieder der Kirchenversammlung. Sobald eine endgültige Synode zusammentritt, entscheidet sie, ob sie die Wahl bestätigt oder andere Mitglieder wählen will. 5. Solange die Kirchen im Land Sachsen, in Nassau-Hessen und in Thüringen noch keine Synode gebildet haben, werden die synodalen Mitglieder für Sachsen von dem Beirat, für Nassau-Hessen von dem Verbindungsausschuß86 und für Thüringen von den gewählten Mitgliedern des erweiterten Landeskirchenrats entsandt. §5 Unter den vom Rat berufenen Mitgliedern darf höchstens die Hälfte Pfarrer sein.

86

Vgl. dazu S. 134, Anm.

18.

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§6 In den Kirchenversammlungen können die Mitglieder gleichen Bekenntnisses oder die Mitglieder aus bekenntnisgleichen Kirchen zu Sonderberatungen zusammentreten. §7 Der Rat der EKD beruft die Kirchenversammlung mindestens einmal im Jahr ein. Der Vorsitzende des Rates führt den Vorsitz in ihren Sitzungen. Er kann die Kirchenversammlung mit Zustimmung des Rates vertagen, schließen und auflösen. §8 Der Rat der EKD nimmt an den Sitzungen der Kirchenversammlung teil. Seine Mitglieder können sich an den Beratungen beteiligen. §9 Die Kirchenversammlung hat das Recht, dem Rat der EKD Vorschläge zu machen und Anregungen zu geben. Auf Fragen des Rates berät sie ihn insbesondere bei der Vorbereitung der endgültigen Ordnung der EKD. Der Rat legt ihr mindestens einmal im Jahr einen Bericht über seine Amtsführung vor. § 10 Erhebt ein Mitglied der Kirchenversammlung Einwendungen gegen eine Vorlage mit der Begründung, daß diese seinem lutherischen, reformierten oder unierten Bekenntnis widerspreche, treten die Mitglieder seiner Bekenntnisgruppe oder die Glieder bekenntnisgleicher Gliedkirchen zu einer Sonderberatung zusammen. Bestätigt der Konvent die erhobenen Bedenken, so kommt kein Beschluß zustande. §11 Die Sitzungen der Kirchenversammlung sind in der Regel öffentlich. Treysa, den 25. Januar 1947. Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland: gez. D. Wurm.

10D Vorlagen und Anträge

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10D Vorlagen und Anträge 10D1. Schreiben Stählins an die Kirchenkanzlei. Oldenburg, 2. Dezember 1946 F: LKA Stuttgart, Dl/213 {vervielfältigte Abschrift mit Vermerk: "Durchschlag zur Kenntnis: An das Evangel. Luther. Landeskirchenamt Hannover. An die Leitung der Evangel. Kirche in Westfalen, Bielefeld. An den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge. Oldenburg i.O."). Wenn noch für das Jahr 1947 eine gemeinsame Regelung für einen Gedenktag der Gefallenen getroffen werden soll, so müsste das jetzt schnellstens in die Wege geleitet werden. Das Evangel.-Luth. Landeskirchenamt in Hannover hat uns um Stellungnahme gebeten; ich fasse die einmütige Meinung unseres Oberkirchenrates, dem vermutlich alle Glieder unserer liturgischen Kammer zustimmen, in wenigen Sätzen zusammen: 1.) So wie im 19. Jahrhundert aus dem Gedächtnistag der Gefallenen der Befreiungskriege mit Notwendigkeit ein allgemeiner "Totensonntag" geworden ist, so ist in diesen Jahren die Grenze zwischen den Gefallenen und all den anderen, die ihr Leben verloren haben, fliessend geworden, und es entspricht dieser Sachlage, wenn nicht neben einem allgemeinen "Totensonntag" ein Gefallenengedenktag gehalten wird. Es soll also nur ein Tag dem "Gedächtnis der Entschlafenen" gewidmet und an ihm auch der Gefallenen der beiden grossen Kriege gedacht werden. 2.) Der von dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge ausgehende Vorschlag, den Sonntag Reminiscere als Volkstrauertag oder "Heldengedenktag" zu halten, beruht auf einem Missverständnis des Wortes Reminiscere und stört in empfindlicher Weise die Reihe der Sonntage in der Passionszeit. Es wäre zu verantworten, in diesem Jahr noch einmal diesen Tag in diesem Sinne zu begehen; aber es wäre nicht zu verantworten, diesen Tag als Gefallenengedenktag auch weiterhin beizubehalten. 3.) Der letzte Sonntag des Kirchenjahres, weiterhin "Totensonntag" (oder höchst geschmacklos "Totenfest") genannt, hat in einer Reihe von Landeskirchen seinen kirchlichen Sinn als Ewigkeits-Sonntag oder besser "Sonntag vom jüngsten Tag" wiedergewonnen. Die Beliebtheit dieses "Totensonntags" darf uns nicht darüber täuschen, dass diese Sitte nicht dem Schluss des Kirchenjahres angemessen ist. 4.) W i r bekennen uns darum von Neuem zu dem Vorschlag, den Totengedenktag an den Anfang des November zu legen. Wir würden es allerdings vorziehen, nicht den "drittletzten Sonntag im Kirchenjahr", sondern den ersten Sonntag im November festzulegen. Dieser vom liturgischen Ausschuss

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der rheinisch-westfälischen Kirche ausgehende Vorschlag ist im Verhältnis zu den Perikopen dieser Sonntage wohl durchdacht. Dieser Sonntag als der 6. Sonntag nach Michaelis hat die Perikope des 24. Sonntags nach Trinitatis. 5.) Diese Regelung würde es notwendig machen, dass das Reformationsfest, da wo es nicht am 31.10. gefeiert werden kann, auf den vorhergehenden statt auf den nachfolgenden Sonntag verlegt wird. 6.) Die Nähe des von uns vorgeschlagenen Sonntags zu dem katholischen Allerseelentag macht es wahrscheinlich, dass es möglich sein wird, diesen Gedenktag gemeinsam mit der katholischen Kirche zu begehen. Ich vermute, dass aus diesem Grund auch der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, dem ich Durchschläge dieses Schreibens übersende, sich diesen Vorschlag gern zu eigen machen wird. gez. D. Stählin 10D2. Schreiben Klemms an den Rat. Dresden, 28. Dezember 1946 F: EZA Berlin, 2/59 (O mit Kopf: "Der Landesbruderrat der Bekennenden ev.-luth. Kirche Sachsens"). Verehrte Herren und Brüder! Im Einvernehmen mit dem Ev. luth. Landeskirchenamt Sachsens bitten wir herzlich darum, doch auch weiterhin Herrn Superintendent Hahn, Stuttgart, als den Vertreter Sachsens anzusehen. Wir werden uns bemühen, seine Arbeit für unsere sächsische Kirche und die gesamte EKD durch Ubersendung von Material und persönliche Fühlungnahme mit ihm zu unterstützen. Mit den herzlichsten Segenswünschen für Ihre Arbeit im neuen Jahre Ihr Ihnen in Fürbitte verbundener Klemm [m.p.] 10D3. Schreiben der Berliner Zweitstelle der Kirchenkanzlei an den Rat. BerlinCharlottenburg, 12. November 1946 F: LKA Hannover, L 3 II Nr. 14 Bd. IIb (D, den Ratsmitgliedern mit Schreiben der Kirchenkanzlei vom 2. Dezember 1946 übersandt). Die Leitungen der östlichen Landes- und Provinzialkirchen waren am 6. d.M. wieder zu einer gemeinsamen Beratung versammelt. Sie haben hierbei folgende Entschliessung gefasst:

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"Die Konferenz der östlichen Kirchenleitungen hat mit Dank davon Kenntnis genommen, dass der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland künftig zu seinen Sitzungen weitere Vertreter der östlichen Kirchen hinzuziehen wird. In dem Wunsch, die Verbindung zwischen den östlichen und den westlichen Kirchen so eng wie möglich zu gestalten, bittet die Konferenz den Rat, seine Sitzungen künftig abwechselnd in der östlichen und in den westlichen Besatzungszonen abzuhalten. Aus dem gleichen Grunde hat die Konferenz der östlichen Kirchenleitungen beschlossen, dass künftig zu ihren eigenen Tagungen sowie zu Tagungen der hier gebildeten Kammern und zu sonstigen gemeinsamen Veranstaltungen regelmässig der Kirchenkanzlei in Schwäbisch Gmünd eine Einladung zugeht. Sie bittet, wenn irgend möglich, diesen Einladungen Folge zu leisten und andererseits zu entsprechenden Tagungen im Westen stets sowohl die östlichen Landes- und Provinzialkirchen wie auch die hiesige Kirchenkanzlei einzuladen." Die Anliegen der östlichen Kirchen entspringen dem Wunsch, unter Uberwindung der bestehenden Schwierigkeiten an der gesamtkirchlichen Arbeit noch regeren Anteil nehmen zu können als bisher. Wir bitten, ihnen Rechnung zu tragen. gez. Dibelius 10E Dokumente 10E1. Schreiben Dibelius' an Asmussen. Berlin, 15. Februar 1947 F: EZA Berlin, 2/53 (hsl. O).

Lieber Bruder Asmussen! Gegen Nr. 9 des Protokolls der letzten Ratssitzung muß ich Einspruch erheben. In meiner Gegenwart ist ein solcher Beschluß jedenfalls nicht gefaßt worden. Entweder ist jemand Mitglied des Rates oder er ist es nicht. Ein Mitglied aber von jeder 2. Ratssitzung auszuschließen, ist unmöglich. Ich muß meine weitere Mitgliedschaft im Rat der EKiD davon abhängig machen, daß dieser Punkt des Protokolls rektifiziert wird. Mit herzlichem Gruß Ihr Dibelius

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10E2. Schreiben Asmussens an Dibelius. Schwäbisch Gmünd, 1. April 1947 F: EZA Berlin, 2/59 (Konzept mit Absendevermerk vom 9. April und Paraphe Asmussens). Lieber Bruder Dibelius! In Punkt 9 des Protokolls über die Ratssitzung vom 24. und 25.1. ist nicht von einem Mitglied des Rats die Rede, sondern von einem Vertreter der im Osten gelegenen Landeskirchen, der, ohne Mitglied des Rats zu sein, zu jeder zweiten Sitzung des Rats erscheinen soll. Sobald anstelle von Superintendent Hahn eine Persönlichkeit aus dem Osten Mitglied des Rates wird, fällt die Beschränkung der Teilnahme auf jede zweite Sitzung selbstverständlich fort. In der Sitzung vom 27. und 28. März wurde noch einmal bestätigt, dass an jeder zweiten Sitzung des Rates ein anderer von Ihnen zu bestimmender Vertreter der im Osten gelegenen Landeskirchen teilnehmen soll. Mit bestem Gruss Ihr 10E3. Schreiben Gerstenmaiers an Asmussen. Stuttgart, 10. Februar 1947 F: ASD Bonn, NL Heinemann, Allg. Korrespondenz 4.1.47-30.6.47(H). - Abdruck: Jahrbuch des Hilfswerks der Evangelischen Kirchefn) in Deutschland 1946/47, S. 5/ (nur teilweise^) Ihre im Schreiben vom 8. Januar 1947 88 aufgeworfene Frage nach dem rechtlichen Verhältnis des Hilfswerks zu den Landeskirchen und zur Evangelischen Kirche in Deutschland ist in der Ratssitzung in Treysa vom 25. Januar ds. Js. bereits mündlich erörtert worden. U m für die Zukunft Unklarheiten in dieser Hinsicht auszuschliessen, präzisiere ich meinen Standpunkt wie folgt: a) Das Hilfswerk der Evangelischen Kirche in Deutschland wurde im August 1945 in Treysa ins Leben gerufen, bevor die "Evangelische Kirche in Deutschland" gegründet wurde. Durch einen einmütigen Beschluss sämtlicher Landeskirchenleitungen wurde zunächst der Wiederaufbau-Ausschuss der Evangelischen Kirche in Deutschland als das nationale Reconstruction Committee im Rahmen der vom Weltrat der Kirchen geschaffenen Organisation ins Leben gerufen in der Weise, dass jede Landeskirche einen Bevollmächtigten in den Wiederaufbau-Ausschuss delegiert. Er ist das Legislativorgan des Hilfswerks.

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Vgl. dazu J.M. WISCHNATH, Kirche, S. 179, Anm. 50.

88

E Z A BERLIN, 2 / 1 7 8 .

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b) Der Wiederaufbau-Ausschuss hat hierauf dem Hilfswerk seine Organisationsform verliehen, indem er zu seinem Präsidenten den Landesbischof D. Wurm und zu seinem Leiter den Unterzeichneten berufen und als Sitz des Zentralbüros Stuttgart sowie als Sitz des Hauptbüros denjenigen der einzelnen Kirchenleitungen bestellt hat. So wurde das Zentralbüro die Exekutive für das Gesamtwerk und jedes einzelne Hauptbüro mit einem Hauptgeschäftsführer die Executive eines jeden landeskirchlichen Hilfswerks. c) Als ständiges Kontrollorgan hat der Wiederaufbau-Ausschuss ein ExecutivKommitee [izc/] eingesetzt, das gleichfalls unter dem Vorsitz von Landesbischof D. Wurm steht und in dem je ein Bevollmächtigter aus jeder der 4 Besatzungszonen Sitz und Stimme hat. d) Infolge der Aufnahme der Freikirchen in das Hilfswerk sind deren Bevollmächtigte als Mitglieder in den Wiederaufbau-Ausschuss eingetreten und dementsprechend auch von ihnen Hauptbüros mit Hauptgeschäftsführern errichtet worden. Hierdurch ist das Hilfswerk praktisch zu einem solchen der Evangelischen Kirchen in Deutschland geworden, ohne dass jedoch hinsichtlich seiner Rechtsnatur bisher eine Änderung eingetreten wäre. e) Aus den Gründungsvorgängen ergibt sich die Folgerung, dass die Landeskirchen bzw. der Wiederaufbau-Ausschuss als die von ihnen eingesetzte Legislative das Hilfswerk in seiner Gesamtheit als ein Organ der Evangelischen Kirche in Deutschland und in seinen Hauptbüros als ein solches der einzelnen Landeskirchen geschaffen haben, jedoch mit der Massgabe, dass hierfür selbständige Legislativ-, Executiv- und Kontroll-Instanzen begründet sind, durch welche allein die Arbeit des Hilfswerks gelenkt und beaufsichtigt wird. Hieraus ergibt sich beispielsweise, dass für das ordnungsgemässe Geschäftsgebaren eines landeskirchlichen Hilfswerks die betreffende Landeskirche verantwortlich ist, da ihr eine Aufsichtspflicht durch den von ihr eingesetzten Bevollmächtigten obliegt. Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland besitzt keine Zuständigkeit für das Hilfswerk, da - wie oben ausgeführt - für dieses durch die Einsetzung des Wiederaufbau-Ausschusses und des Executiv-Komitees Sonderinstanzen vorgesehen sind. gez. Dr. Gerstenmaier Konsistorialrat

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10E4. Schreiben Wurms an Koechlin. Stuttgart, 4. Dezember 1946 F: LKA Hannover L 3 II Nr. 14 Bd. IIb (Abschrift).

Sehr verehrter Herr Präsident! Obgleich ich nicht annehmen kann, dass Sie auf die Mitteilungen des Schweizerischen evang. Pressedienstes in Zürich, herausgegeben von Dr. Arthur Frey, einen amtlichen oder persönlichen Einfluss ausüben, halte ich mich doch für berechtigt und verpflichtet, Ihnen als dem Präsidenten des Schweizerischen Kirchenbundes eine Beschwerde über die Haltung dieser Pressekorrespondenz vorzutragen, sofern sie sich mit den kirchlichen Angelegenheiten in Deutschland beschäftigt. Ich tue dies nicht nur im Einvernehmen mit der württ. Kirchenleitung, sondern auch im Namen des Landeskirchentags der Württ. Ev. Landeskirche. Ich schätze den Nachrichtendienst dieser Korrespondenz um so mehr, als wir in Deutschland ja leider immer noch von der ausländischen Presse abgeschnitten sind. Ich muss aber unserem Bedauern darüber Ausdruck geben, dass diese Korrespondenz über innerkirchliche Verhältnisse in der evangelischen Kirche Deutschlands ganz einseitige, geradezu tendenziöse Berichte veröffentlicht. Die Bedenken, die im vergangenen Frühjahr der Rat der EKD gegen das von der amerikanischen Militärregierung veranlasste Entnazifizierungsgesetz 89 erhoben hat 90 , wurden von dieser Pressekorrespondenz als ein Zeichen dafür bewertet, dass die evangelische Kirche "ein Hort der Reaktion" sei91. Inzwischen haben sich ausländische Autoritäten und deutsche Regierungstellen über die Rechtsauffassung und die Wirkung dieses Gesetzes zum Teil noch schärfer als wir geäussert. In einer späteren Nummer der Korrespondenz wurde der hochverdiente Präsident der Kirchenkanzlei, Pfarrer D. Asmussen, als eine "tragische Figur" in der evang. Kirche Deutschlands bezeichnet 92 . Was aber in Nr. 42 vom 25. Oktober über "Eindrücke aus Süddeutschland" besonders über die Württembergische Evang. Kirche gesagt ist93, schlägt den Tatsachen derart ins Gesicht, dass es nicht unwidersprochen bleiben darf, zumal diese Beurteilung der Haltung dieser und anderer Kirchen einer politischen Denunziation na-

89 "Gesetz zur Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus" vom 5. März 1946 (R. HEMKEN, Sammlung Bd. I; Auszüge bei C. VOLLNHALS, Entnazifizierung, S. 105-110). 90 Gemeint sind die Entschließungen zur Entnazifzierung, die der Rat auf seiner 6. Sitzung am 1./2. Mai 1946 in Treysa verabschiedet hatte (vgl. C. NICOLAISEN/N.A. SCHULZE, Protokolle Bd. I, S. 460; 501-506). 91 Nicht ermittelt. 92 Nicht ermittelt. 93 Richtiges Datum: 23. Oktober. Vgl. dazu S. 10, Anm. 41.

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hekommt und geeignet ist, bei massgeblichen Stellen der Siegermächte Vorstellungen zu erwecken, die ihnen Grund zu einem Vorgehen geben könnte, wozu sie ja von Professor Karl Barth in seinem Vortrag über "Die christlichen Kirchen und die heutige Wirklichkeit" geradezu aufgefordert werden 94 . Ich glaube mich nicht zu täuschen, wenn ich annehme, dass es seine Vertrauensmänner in Deutschland sind, die der Pressekorrespondenz diese tendenziösen Informationen geben und darauf hoffen, dass auf diese Weise die Beseitigung der bisherigen Kirchenleitungen der sog. "intakten" Kirchen durch einen Eingriff von aussen erreicht wird. Was in der erwähnten Nr. 42 des evang. Pressedienstes über die süddeutschen Kirchen, insbesondere über die württembergische Kirche und ihr "autoritäres" Kirchenregiment gesagt wird, sind h o h l e S c h l a g w o r t e . Schon in der monarchischen Zeit hatte die württembergische Kirche synodale Beratungsorgane auf den drei Stufen der Einzelgemeinde, des Dekanatbezirks und der Landeskirche. Nach dem Sturz des landesherrlichen Kirchenregiments gab sich die evangelische Landeskirche im Jahr 1920 selbst eine neue Verfassung95. Darin wurde dem durch allgemeine, gleiche, unmittelbare u. geheime Wahl gewählten Landeskirchentag als der Vertretung der Gesamtheit der Kirchenglieder sehr wesentliche Rechte eingeräumt, so ζ. B. das Gesetzgebungsrecht, die Festsetzung des kirchlichen Haushaltsplans, die Kontrolle der Kirchenleitung u. die Wahl des Kirchenpräsidenten, der mit zwei Drittel der abgegebenen Stimmen gewählt werden muss, aber auch mit der derselben Mehrheit abberufen werden kann und der auch die Amter in der Kirchenleitung und in der Leitung der Sprengel und Bezirke (Prälaten u. Dekane) nur mit Zustimmung eines Ausschusses des Landeskirchentags, die Pfarrstellen nur mit Zustimmung des örtlichen Kirchengemeinderats besetzen kann. Von dem Recht der Abberufung des gegenwärtigen Landesbischofs hat nicht der im Sommer 1933 gewählte und schon lange von den "Deutschen Christen" völlig gesäuberte Landeskirchentag, sondern eine widerrechtlich vom Reichsbischof berufene Synode im Oktober 1934 Gebrauch gemacht: der Landesbischof hat diesen Beschluss ignoriert und die württembergische Regierung musste infolge des Widerstandes der Pfarrer und Gemeinden sich mit der Zurückziehung der damaligen kommissarischen DC-Kirchenregierung u. der Rückkehr des Landesbischofs in sein Amt ab-

94 Dieser Vortrag Barths für den englischen Rundfunk war erstmals 1946 im KIRCHENBLATT FÜR DIE REFORMIERTE SCHWEIZ erschienen (102. Jg. 1946, Nr. 24; Wiederabdruck u.a. in K. BARTH, Götze, S. 101-107). 9 5 Vom 24. Juni 1920 ( F . GIESE/J. HOSEMANN, Verfassungen Bd. I, S . 4 4 7 - 4 5 6 ) .

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finden 96 . Solange der gegenwärtige Landeskirchentag eine grosse Zahl von "Deutschen Christen" zu seinen Mitgliedern zählte, habe ich wichtige kirchliche Fragen mit einem von den Kirchenbezirken gewählten Beirat besprochen. Seit es i.J. 1939 möglich war, die durch das Ausscheiden nationalsozialistischer Funktionäre freigewordenen Sitze mit kirchlich zuverlässigen, von den Kirchenbezirken vorgeschlagenen Persönlichkeiten zu besetzen, wurde der Landeskirchentag wieder regelmässig einberufen. Soeben haben wir ihm unter Aufhebung des Wahlgesetzes vom Jahr 192997 eine neue Wahlordnung98 vorgelegt, die der Wahl des neuen Landeskirchentags zu Grunde gelegt wird. Gegenüber dem ersten Entwurf dieses Gesetzes, das die mittelbare Wahl des Landeskirchentags durch die Mitglieder der Kirchengemeinderäte vorsah, hat sich der Landeskirchentag dazu entschlossen, der Gesamtheit der Kirchenglieder das Wahlrecht einzuräumen (Urwahlen), was auch vom Landesbischof unter Hinweis auf die ausgezeichnete Haltung der bewussten Gemeindeglieder im Kirchenkampf und die Notwendigkeit, die Gemeinden zu grösserer Verantwortlichkeit und Aktivität zu erziehen, befürwortet wurde. Das sieht ja nun nicht gerade nach "Restauration" aus, die von Hermann Diem in seiner vom Pressedienst erwähnten Schrift99 an die Wand gemalt wird. Wenn die vom Pressedienst gerühmte Gruppe, die theologische Sozietät, bisher in Württemberg "nicht zum Zug gekommen" ist, so hat sie dies lediglich ihrer Masslosigkeit in der Kritik an der Kirchenleitung und der offenkundigen Entstellung des Sachverhalts zu verdanken100. Auf ihre Darstellung ist es zurückzuführen, dass auch in den Schriften von Karl Barth die intakten Kirchen eine so üble Rolle spielen. Worauf beruht denn diese Intaktheit? Wer nur die Darstellung von Barth und Diem liest, muss vermuten, dass sie ihren Grund hat in einer grossen Nachgiebigkeit gegen das Hitlerregime 96

2 « den gescheiterten Versuchen, die württembergische Landeskirche unter Ausschaltung ihrer bisherigen Kirchenleitung

der Reichskirche

einzugliedern,

vgl. K. MEIER, Kirchenkampf Bd. I,

S. 4 4 8 - 4 5 5 ; T . WURM, E r i n n e r u n g e n , S. 100-125; G . SCHÄFER, Landeskirche B d . 3, bes. S. 524672.

97

"Kirchliches Gesetz zur Änderung des Wahlgesetzes" vom 24. Mai 1929 (AMTSBLATT DER EVANGELISCHEN LANDESKIRCHE IN WÜRTTEMBERG, 24. B d . 1 9 2 9 / 3 0 , S. 52-59).

98

"Wahlordnung der EV. Landeskirche in Württemberg" vom 29. November 1946 (AMTSBLATT DER EVANGELISCHEN LANDESKIRCHE IN WÜRTTEMBERG, 3 2 . Bd. 1 9 4 5 - 1 9 4 7 , S. 2 4 6 - 2 6 6 ) ; vgl.

auch die "Ausführungsbestimmungen zur Wahlordnung der Ev. Landeskirche in Württemberg" vom 6. Mai 1947 (EBD., S. 267-296).

99

Gemeint ist die Schrift Diems "Restauration oder Neuanfang in der evangelischen Kirche".

100 Die von der dialektischen Theologie geprägte Kirchlich-Theologische Sozietät in Württemberg hatte im "Kirchenkampf" den Kurs des bruderrätlichen Flügels der Bekennenden Kirche vertreten und stand deshalb der Leitung der württembergischen Landeskirche sehr kritisch gegenüber (zu Entstehung und Geschichte der Kirchlich-Theologischen Sozietät in Württemberg vgl. M. WIDMANN, Geschichte).

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und in einer dadurch bedingten schonenderen Behandlung. In Wirklichkeit musste diese Intaktheit erkämpft werden durch den elementaren Widerstand der schwäbischen Gemeinden und ihrer Führung gegen den Vergewaltigungsversuch des Reichsbischofs im Herbst 1934. Seit sich Staat und Partei bei diesem Anlass eine blamable öffentliche Niederlage zugezogen hatten, verging ihnen die Lust, noch einmal einen so direkten Angriff zu versuchen; es blieb bei Beschimpfungen durch Presse und Rundfunk und bei Gewalttätigkeiten auf einzelnen Gebieten, besonders im Presse- und Schulwesen und in der kirchlichen Jugend- und Wohlfahrtspflege. Man weiss natürlich in Württemberg, dass nicht die Pfarrer Diem und Schempp, sondern der Landesbischof Wurm und die Mitglieder des Oberkirchenrats, von denen eines 8 Monate im Konzentrationslager zuzubringen hatte 101 , den Hauptstoss auszuhalten hatten und sich schützend auch vor die bekenntnistreuen Pfarrer gestellt haben, soweit dies möglich war. Das Vertrauen weiterer kirchlicher Kreise, das nötig ist, um in den Landeskirchentag entsendet zu werden, müssen die Vertreter der Sozietät sich erst erwerben. Die württembergische Kirchenleitung ist ihnen dabei nicht im Wege, aber sie muss es allerdings scharf zurückweisen, wenn diese Richtung auf unkirchlichem Weg ähnlich wie die Deutschen Christen, durch den Druck politischer Stellen, sei's der Besatzungsmächte, sei's politischer Parteien in der Kirche "zum Zug kommen" wollen. Um seine Angriffe auf die württembergische Kirchenleitung zu begründen, nimmt der Pressedienst zwei Ausgrabungen vor, die eine aus dem Jahr 1938, die andere aus dem Jahr 1941. Dazu muss etwas Grundsätzliches gesagt werden. Wir haben nie bestritten, dass wir Handlungen und Unterlassungen verschiedener Art, die den Gesichtspunkten der Taktik und nicht dem Glauben entsprungen sind, tief und offen bereuen. Die Welt weiss das seit der Erklärung des Rates der Evangelischen Kirche am 19. Oktober 1945102 und die Sozietät weiss es auch, hat auch in einer Erklärung vom 9. April ds. Js.103 dasselbe, was wir gesagt haben, im Blick auf ihre Mitglieder bekannt. Besteht vom Wort Gottes her und aus dem Geist Jesu Christi eine Verpflichtung, das 101 Gemeint ist der Schulreferent im württembergischen Oberkirchenrat, Sautter, der wegen seiner Aktivitäten gegen den sog. "Weltanschauungsunterricht" von September 1944 bis April 1945 im Lager Welzheim in Gestapo-Haft festgehalten worden war (vgl. dazu T. WURM, Erinnerungen, S. 139; G. SCHÄFER, Landesbischof, S. 107-112). 102 Gemeint ist die Erklärung des Rates an die Ökumene vom 18./19. Oktober 1945 (C. NICOLAIS E N / N . A . SCHULZE, P r o t o k o l l e Bd. I, S. 60f.).

103 "Erklärung der Kirchlich-Theologischen Sozietät in Württemberg vom 9. April 1946" (LKA STUTTGART, A 126/337; auszugsweiser Abdruck bei M. WIDMANN, Geschichte, S. 188ff.); vgl. dazu auch die von Diem herausgegebene Denkschrift der Sozietät "Kirche und Entnazifizierung".

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offene Schuldbekenntnis des Rates als nicht vorhanden zu betrachten und fortgesetzt die schwarze Wäsche der evangelischen Kirche in der Öffentlichkeit zu waschen? Sollen wir mit einer Gegenrechnung aufwarten, unsere Aktivposten den Passivposten der Sozietät gegenüberstellen, der schweizerischen Öffentlichkeit das mitteilen, was in dem Schrifttum der Sozietät verschwiegen wird? Wieviel würdiger wird in dieser Hinsicht innerhalb der katholischen Kirche verfahren! Ich kann wirklich nicht finden, dass es die Aufgabe einer kirchlichen Presse ist, diese retrospektiven Betrachtungen weiterzuführen. Für die Kirche Jesu Christi in Deutschland und im Ausland kommt sicherlich aus diesem Verfahren kein Gewinn heraus. Es ist anzuerkennen, dass die Pressekorrespondenz sich grosse Sorgen macht um die Erneuerung des kirchlichen Lebens in Deutschland. Das ist auch unsere Sorge. Und wir beobachten mit tiefem Schmerz, dass manche guten Anfänge besonders in den Kriegsgefangenen- und Interniertenlagern angesichts der Endlosigkeit und Aussichtslosigkeit der traurigen Zustände seit einiger Zeit wieder in der Rückbildung begriffen sind. Der Pressedienst scheint aber auf eine geistliche Erweckung, auch auf Versuche durch Einrichtungen, wie die evang. Akademie in Bad Boll, neue Wege der Erfassung der Männerwelt zu sehen, weniger Wert zu legen, als darauf, dass die evang. Kirche die politische Demokratie nachahme und fördere, und sie sieht offenbar das geeignete Mittel hierzu in der restlosen Zustimmung zu den gegenwärtigen Methoden der Entnazifizierung. Da wir die Folgen dieser Entnazifizierung vor allem in einer erheblichen Schwächung der Leistungsfähigkeit aller Zweige der öffentlichen Verwaltung und in der Stärkung der Extremisten rechts und links und in vermehrtem Herzeleid vieler sonst schon schwer betroffener Familien - bis hin zum Selbstmord - sehen, da wir es als eine krasse Ungerechtigkeit beurteilen müssen, dass in der Westzone bestraft wird, was in der Ostzone von dem grossen Alliierten der Westmächte gefordert wird, nämlich der Beitritt zu einer vom Staat privilegierten Partei, so können wir leider diesem Wunsch des Pressedienstes nicht entsprechen. Dass Karl Barth und seine Freunde nach dem Osten orientiert sind, dass er der Frage, ob der Sowjetstaat die Merkmale eines echten Rechtsstaates an sich trägt, und ob die orthodoxe Kirche das Wächteramt, das er von der Kirche in Deutschland gefordert hat, gegenüber ihrer Regierung ausübt, geflissentlich ausweicht, das ist uns nicht verborgen geblieben; aber das kann uns nicht hindern, solche Fragen zu stellen. Wir verdanken schweizerischen Theologen Grosses, Adolf Schlatter, Karl Barth, Emil Brunner; aber gerade um dessentwillen, was uns der Theologe Karl Barth zu sagen hatte und noch zu sagen hat, bedauern wir es, dass nachgerade der Politiker den Theologen zu erwürgen droht und das Ineinander politischer und theologischer Gesichtspunkte ihm und seinen Schülern genauso den Blick für die Wirklichkeit zu trüben droht, wie einst den DC.

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Wie kann der Urheber der theologischen Erklärung von Barmen heute verlangen, dass die in Deutschland herrschenden Mächte auch die Kirche in Kuratel nehmen sollen? Muss der alleinige Herr der Kirche nun doch sich in der Herrschaft mit anderen teilen, mit Stalin, Truman und dem englischen König? Ein von der Korrespondenz beifällig erwähnter Theologe bedauert es, dass der kirchliche Schwerpunkt Deutschlands von Berlin nach dem Südwesten verlagert worden ist. Das war die natürliche Folge davon, dass die preussischen Kirchenleitungen von Anfang an die Waffen gestreckt haben und dass es auch auf die Dauer nicht möglich war, einen organisierten Widerstand gegen das Staatskirchenregiment aufrecht zu erhalten. Dass ein Berliner dies beklagt, wundert uns nicht; wann hatte man es in Berlin gerne gesehen, dass die geistige Führung anderswo lag als in Berlin? Nur dies wundert uns, dass ausgerechnet in der Schweiz, wo man doch den Süddeutschen sich von jeher näher fühlte als dem Norden und Osten, diese Verlagerung des kirchlichen Schwerpunktes bedauert wird. Das ist nur verständlich, wenn man weiss, dass das Widerstandszentrum gegen das Hitlerregime auf geistlichem und kulturellem Gebiet in den letzten Kriegsjahren in einer von einem Bischof geleiteten Kirche lag. Ein Bischof kann sich nicht gut gehalten haben, nur ein Bruderrat. Deshalb brauchen die Berichterstatter eines schweizerischen Pressedienstes einen Bischof auch gar nicht aufzusuchen und sich von ihm informieren zu lassen; es genügt, wenn sie sich an einen Mann der theologischen Sozietät wenden. Wobei dann ein schiefes und trübes Bild herauskommt, wie es in Nr. 42 des Pressedienstes gezeichnet ist. Sollte die ökumenische Verbundenheit, die für uns eine so beglückende Wirklichkeit im Verhältnis zu den Kirchen des Auslands ist, nicht ein anderes Verfahren empfehlenswert machen? Entspricht diese Art der Berichterstattung dem Wunsch der kirchlichen Kreise in der Schweiz, deren brüderliche Hilfe von uns so wohltuend empfunden wird? Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mein Schreiben auch weiteren kirchlichen Kreisen zugänglich machen würden. In aufrichtiger Verehrung verbleibe ich Ihr ergebener 10E5. Schreiben Nieseis an Wurm. Schöller bei Dornap, 31. Januar 1947 F: LKA Hannover, L 3 II Nr. 14 Bd. IIb (D mit hsl. Unterschrift Nieseis).

Sehr verehrter, lieber Herr Landesbischof! Kaum war ich von der Ratssitzung nach Hause zurückgekehrt, da erhielt ich eine Zusendung der Kanzlei, in der neben anderen abgezogenen Schriftstük-

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ken auch Ihr Artikel "Die Entmündigung der Gemeinden" enthalten war 104 . Es tut mir leid, dass ich gegen die Versendung dieses Artikels von Seiten der Kirchenkanzlei in aller Form Verwahrung einlegen muss. Schon aus folgenden beiden f o r m a l e n Gründen muss ich dagegen protestieren: 1.) Der Artikel wendet sich gegen Karl Barth und den schweizerischen evang. Pressedienst. Er stellt also einen nicht unbedeutenden Schritt im Rahmen unserer ökumenischen Beziehung dar. Die Sendung der Kanzlei, der Ihr Artikel beigelegt war, ist vier Tage vor unserem Zusammentreten in Treysa aus Schwab. Gmünd abgesandt worden. Wozu treten wir überhaupt noch zusammen, wenn solche wichtigen Angelegenheiten nicht im Kreis des Rates beschlossen werden? Ist dieses Vorkommnis nicht ein Beweis dafür, dass Dr. Frey mit seiner Feststellung nicht so ganz Unrecht hat, dass Bruder Asmussen mit seiner Eigenmächtigkeit den Kurs des Rates massgebend bestimme? Befremdend finde ich es auch, dass bei unserer Aussprache über Asmussens Broschüre und den Schweiz, evang. Pressedienst die Versendung dieses Artikels mit keinem Wort erwähnt wurde. 2.) Ausserdem geht es nicht an, dass ein solcher Schritt, der unsere ökumenischen Beziehungen an einem ganz wichtigen Punkt berührt, unternommen wird ohne Wissen und Zustimmung des Mannes, dem wir die Verantwortung für die ökumenischen Angelegenheiten übertragen haben. Man gewinnt nachgerade den Eindruck, dass der Augenblick der Abreise Bruder Niemöllers nach Amerika benutzt wurde, um einen Grossangriff 104 Mit seiner Schrift "Die Entmündigung der Gemeinden" vom 21. Dezember 1946 (LKA HANNOVER, L 3 II Nr. 14 Bd. IIb), die die Kirchenkanzlei dann als Hektographie vervielfältigte und verbreitete, bezog sich Wurm auf den in Nr. 5 des Schweizer Evangelischen Pressedienstes vom 26. November 1946 unter der Überschrift "Eine kirchliche Hofnachricht" erhobenen Vorwurf, die deutschen evangelischen Landeskirchen, allen voran die sog. intakten Landeskirchen, würden die Gemeinden auch heute noch entmündigen und mit "Hofnachrichten" abspeisen. Wurm warf nun im Gegenzug "Karl Barth und seine[n] engere[n] Freundefn]" vor, wire es bei der Neuordnung der kirchlichen Verhältnisse in Deutschland nach ihnen gegangen, "so hätten die Kirchenleitungen der sog. intakten Kirchen verschwinden und und solchen Bruderräten Platz machen müssen, die ihre Direktiven von Karl Barth beziehen". Alle Äußerungen von Seiten dieser "theologischen und kirchenpolitischen Gruppe" verfolgten die "Absicht, die Landeskirchen möglichst herabzusetzen und sie vor den Augen des Auslandes zu verdächtigen, als ob sie kirchlich und politisch reaktionäre Bestrebungen verfolgen würden und nicht genügend demokratisch eingestellt seien". Für ihre Kritik, in deren Zentrum der Vorwurf einer "Entmündigung der Gemeinden" stehe, habe diese Gruppe niemals die direkte Aussprache gesucht, wie sie "eigentlich unter christlichen Brüdern selbstverständlich sein sollte", sondern stets den Weg der "Presseangriffe". Dabei habe man jedoch "sorgfältig verschwiegen, dass alle diese bösen Kirchenleitungen mit synodalen Organen zusammenarbeiten und von ihnen bestätigt sind". Demgegenüber fehle aber gerade der "kampflustigen theologischen Sozietät in Württemberg" und den meisten Bruderräten der Bekennenden Kirche jegliche Bestätigung durch die Gemeinden.

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gegen Karl Barth zu starten. Ich mache hier noch einmal darauf aufmerksam, was ich schon mündlich hervorgehoben habe, dass die beanstandete Broschüre Karl Barths 105 vor nunmehr einem Jahr erschienen ist. Warum entrüstet man sich erst jetzt über Karl Barths damalige Äusserungen? Warum hat Bruder Asmussen, der wenige Wochen nach dem Erscheinen von Barths Schrift in der Schweiz gewesen ist, nicht eine persönliche Aussprache mit Karl Barth herbeigeführt? Dieses wäre der neutestamentlich gewiesene Weg gewesen. Zum I n h a l t l i c h e n Ihres Artikels muss ich wenigstens folgende Bemerkungen machen: A m Anfang heisst es: "Karl Barth und seine engeren Freunde haben die intakten Landeskirchen zum besonderen Gegenstand ihrer Angriffe gemacht." Wen meinen Sie da neben Karl Barth? Ernst Wolf, Iwand, Dehn, Heinrich Vogel, Georg Eichholz oder mich? Wir alle sind sehr intime Freunde von Barth und werden durch Ihre Ausführungen in der Öffentlichkeit somit angesprochen und zur Rede gestellt. Auf unserer letzten Sitzung habe ich hervorgehoben, dass ich mancherlei gegenüber dem bisherigen Verordnungs- und Nachrichtenblatt auf dem Herzen hätte, aber darauf verzichte, es zur Sprache zu bringen, weil dieses Blatt von nun an nicht mehr als Nachrichtenblatt erscheinen werde. Nachdem die Kanzlei Ihren Artikel veröffentlicht hat, muss ich aber folgende Frage stellen: Spielt in unseren Reihen nicht geradezu eine Titelsucht eine Rolle und hat diese sich in dem Nachrichtenblatt nicht widergespiegelt, und - das hängt damit zusammen - fand sich in dem Nachrichtenblatt nicht immer wieder ein geradezu serviler Ton in der Berichterstattung? Ich muss feststellen, dass wir in dieser Hinsicht Dr. Frey leider Anlass genug zu seinen Angriffen gegeben haben. Dass Sie zum Schluss sagen, dass Hans Asmussen in seiner Antwort an Karl Barth 106 deutlich und würdig geredet hat, bedaure ich ausserordentlich, da offenkundig weiteste Kreise in Deutschland über den Ton der genannten Broschüre tief erschrocken sind. Sofort nach meiner Ankunft hier, ehe ich die Zusendung der Kanzlei erhielt, habe ich Dr. Frey auf Grund unseres Gespräches geschrieben und ihm klarzumachen versucht, dass man heute nicht mehr wie früher zwischen intakten und nicht-intakten Landeskirchen unterscheiden könne und dass die Dinge differenzierter sind, als sie ihm häufig erscheinen. Ich habe ihn gebeten, bei seinen Besuchen in Deutschland sich nicht nur bei der Societät 107 zu informieren, sondern auch andere von uns zu besuchen. Sollte ihm nun Ihr von der Kanzlei versandter 105 K. BARTH, Zur Genesung des deutschen Wesens. Stuttgart 1945. 106 H. ASMUSSEN, Antwort an Karl Barth. Schwäbisch Gmünd o.J. 107 Zur Kirchlich-Theologischen Sozietät in Württemberg vgl. S. 40,Anm. 100.

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Artikel zu Gesicht kommen, wird meine Bemühung völlig vergeblich sein und ihn nur in seiner Auffassung bestärken. Ich schätze es nicht, solche Angelegenheiten schriftlich zur Aussprache zu stellen. Da wir aber in den nächsten Wochen nicht zusammenkommen werden, sehe ich mich genötigt, eine Abschrift dieses Briefes allen Ratsmitgliedern zuzustellen. Mit brüderlichem Gruss! Ihr sehr betrübter Niesei [m.p.] 10E6. Schreiben Wurms an Niesei. [Stuttgart] 5. Februar 1947 F: LKA Hannover, L 3 II Nr. 14 Bd. IIb (Vervielfältigte Abschrift; den Ratsmitgliedern mit Schreiben der Kirchenkanzlei vom 11. Februar 1947 übersandt).

Verehrter, lieber Bruder Niesei! Sehr gerne gebe ich Ihnen und den anderen Ratsmitgliedern Rechenschaft über die Ursache und den Sinn meiner Ausführungen über "die Entmündigung der Gemeinden" 1 0 8 . 1) Seit Frühjahr letzten Jahres, besonders seit unserem Schreiben in der Frage der Entnazifizierung an den Kontrollrat 109 ist die E K D Gegenstand heftiger Angriffe der schweizerischen evang. "Pressekorrespondenz" und gleichzeitig der württembergischen Sozietät 110 . Unsere Beurteilung des Gesetzes Nr. 1 0 4 m , die heute von politischen Stellen wie dem Minister für politische Befreiung in Württemberg und vom Staatssekretär für die französische Zone völlig gebilligt wird, wurde von der Pressekorrespondenz als Beweis dafür gewertet, dass die E K D ein "Hort der politischen Reaktion" sei 112 . Seit dem erschien kaum eine Nummer, in der wir nicht Gegenstand jener schulmeisterlichen Belehrungen waren, in der manche Schweizer Meister sind. Ich hatte zunächst im Sinn zu schweigen, wie ich es gegenüber dem Wipkinger Vortrag von Karl Barth 113 , seinem persönlichen Angriff auf uns Bischöfe in dem vervielfältigten Brief an Niemöller (wenn ein Kirchenregierungsmensch

108 Vgl. dazu S. 44, Anm. 104. 109 Vermutlich die Entschließung des Rates zur Durchführung der Entnazifizierung im deutschen Volk vom 2. Mai 1946 ( C . NICOLAISEN/N.A. SCHULZE, Protokolle Bd. I, S. 502ff.). 110 Zur Kirchlich-Theologischen Sozietät in Württemberg vgl. S. 40, Anm. 100. 111 Gemeint ist das "Gesetz zur Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus" vom y März 1946 (R. HEMKEN, Sammlung, Bd. I). 112 Nicht ermittelt. 113 K. BARTH, Die Evangelische Kirche in Deutschland nach dem Zusammenbruch des deutschen Reiches. Stuttgart 1946.

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in seine Nähe komme, werde es ihm übel114) und den Schriften von Diem (Restauration und Entnazifizierung115) getan hatte. Erst die wahrheitswidrige Darstellung der Zustände in den süddeutschen Kirchen mit dem üblen Angriff auf Prälat Hartenstein 116 schlugen dem Fass den Boden aus. Daraufhin erhob ich Beschwerde bei dem Präsidenten des schweizerischen Kirchenbundes in einem Brief, dessen Abschrift beiliegt117. Ich erhielt von ihm eine freundliche Antwort 118 ; von Herrn Dr. Frey aber erfolgte nichts. Als nun der Artikel mit der läppischen Ueberschrift "eine Hofnachricht" erschien119, habe ich ohne irgendwie von Bruder Asmussen angegangen worden zu sein, meine Erwiderung niedergeschrieben. Es ging mir dabei viel weniger um das Persönliche als um die Zurückweisung der jedes sachlichen Grundes entbehrenden Unterstellung als ob in der EKD und in der württembergischen und der bayrischen Landeskirche autokratisch regiert werde. Im dritten Reich konnte man damit rechnen, dass eine Lüge durch Wiederholung glaubhaft wird; heute sollte es möglich sein, einer offenkundigen Entstellung des Sachverhalts ein Ende zu bereiten. [2.)] Mit der Abwesenheit Bruder Niemöllers hat die ganze Sache nichts zu tun. Glauben Sie, dass ich mich durch seine Anwesenheit hätte bestimmen lassen zu schweigen, wo ich mich zum Reden verpflichtet fühlte? Es liegt mir viel daran, mit ihm verbunden zu bleiben, und Sie dürfen mir glauben, dass ich schon einiges getan habe, um ungünstige Wirkungen seines Auftretens zu beseitigen. In meiner Broschüre über "das religiöse Problem in der neuern deutschen Geschichte" habe ich das auch öffentlich getan120. Aber ich kann 114 Gemeint ist das vervielfältigte Schreiben Barths an Niemöller vom 29. Juni 1946 (D. K.OCH, Briefe, S. 83-94). Nach einer Reihe von Angriffen u.a. auf den Rat hatte Barth sein Schreiben mit der Bemerkung geschlossen: "Von mir sei diesmal nur gemeldet, daß ich mich unter den deutschen Studenten von heute durchaus wohl fühle - unter den Pfarrern: plus-minus - wenn aber ein Kirchenregierungsmensch in meine Nähe kommt, so mutiert meine Stimme, und mein Herz wird unruhig in mir" (EBD., S. 94). 115 Gemeint sind die Schrift Diems "Restauration oder Neuanfang in der evangelischen Kirche" und die von ihm herausgegebene Denkschrift der württembergischen Sozietät "Kirche und Entnazifizierung". 116 Wurm bezieht sich hier auf einen Artikel Freys mit der Überschrift "Eindrücke aus Süddeutschland" (Schweizer Evangelischer Pressedienst Nr. 42 vom 23. Oktober 1946: L K A HANNOVER, L 3 II Nr. 14 Bd. IIb; vgl. dazu S. 10, Anm. 41). 117 Schreiben an Koechlin vom 4. Dezember 1946 (10E4, S. 38-43). 118 Schreiben Koechlins an Wurm vom 20. Dezember 1946 (LKA STUTTGART, D l / 2 3 1 ) ; vgl. dazu auch das Antwortschreiben

Wurms vom 30. Dezember 1946 (EBD.).

119 2 « dem in Nr. 5 des Schweizer Evangelischen Pressedienstes vom 26. November 1946 erschienenen Artikel "Eine kirchliche Hofnachricht" vgl. S. 44, Anm. 104. 120 Wurms Schrift "Das religiöse Problem in der neueren deutschen Geschichte" war 1946 als Nr. 1 des Schriftendienstes der Kirchenkanzlei erschienen.

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mir das Recht zur Zurückweisung solcher Angriffe, wie sie die schweizerische Pressekorrespondenz und die Sozietät auf die EKD und die württembergische Kirche gerichtet haben, von niemand verbieten lassen. Was das Verhältnis zum kirchlichen Ausland betrifft, so darf ich darauf hinweisen, dass mein Schreiben an Präsident Köchlin [Koechlinf21 den Willen zur Erhaltung der guten Beziehungen deutlich bekundet und gerade von dem Bestreben, hier keinen Schaden entstehen zu lassen, diktiert ist. 3) Wer mit den Freunden Karl Barths gemeint ist, geht ja nun aus den bisherigen Ausführungen deutlich hervor: nicht Sie oder einer der von Ihnen Genannten, sondern Dr. Frey in Zürich und die führenden Leute der Sozietät, die an der einseitigen Information von Karl Barth und von Dr. Frey eine wesentliche Schuld tragen. 4) In der Beurteilung der kirchenpolitischen und politischen Stellungnahme von Karl Barth bin ich, wie Sie aus dem Brief an Köchlin [Koechlin] sehen, im wesentlichen mit Bruder Asmussen einig und habe deshalb seine Schrift 122 , die ich vorher nicht kannte, begrüsst. Ist es keine deutliche, würdige Auseinandersetzung, auch wenn man mit ihrem Inhalt nicht einverstanden ist? Will man zu Gunsten Karl Barths einen Majestätsbeleidigungsparagraphen aufstellen? Ich glaube niemand nachzustehen in der Dankbarkeit für das theologische Werk Karl Barths und habe das schon oft bezeugt. Ich kann auch weiterhin mitgehen mit den Folgerungen, die er aus theologischen Voraussetzungen für die Forderungen der Kirche an den Staat zieht, gerade in dem Vortrag über Christengemeinde und Bürgergemeinde123, den er in Stuttgart hielt und den ich trotz seiner ausgesprochenen Abneigung gegen kirchenregimentliche Persönlichkeiten besucht habe, weil ich eingeladen war und weil ich bis zum Ende meines Lebens ein Lernender sein werde. Aber dass er in der Diskussion über diesen Vortrag meiner Frage, ob nach seiner Auffassung der Sowjetstaat die Merkmale eines Rechtsstaats trage und ob die russisch orthodoxe Kirche ein Wächteramt gegenüber diesem Staat ausübe, auswich und die verletzende Antwort gab, eine Kirche, die nicht Busse getan habe, dürfe diese Frage nicht stellen, hat mich allerdings in der Auffassung bestärkt, dass seine Forderung, die Kirche müsse sich für die Demokratie erklären, nicht frei ist von politischem Ressentiment. Dabei sind wir beide, Asmussen und ich, völlig einig in der Meinung, dass die evang. Kirche im Unterschied von ihrer Haltung nach dem ersten Weltkrieg ohne Vorbehalt den demokratischen Staat bejahen und alle rücklaufigen Bestrebungen verneinen müsse. Die Freiheit aber, auch die heutige Demokratie daraufhin zu beobachten, ob sie

121 Vgl. S. 47, Anm. 117. 122 Vgl. S. 45, Anm. 106. 123 Im Druck erschienen in Stuttgart 1946.

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wirkliche Demokratie ist und zu Fragen des öffentlichen Lebens auch kritisch Stellung zu nehmen, wird man ihr nicht verweigern wollen. Dass wir zu dem Entnazifizierungsgesetz kritisch Stellung genommen haben, dafür wird man uns noch danken, man dankt uns schon heute. Die Frage, ob die Besatzungsmächte unsere pflichtgemässe Einstellung in solchen Fragen billigen und ob das kirchliche Ausland zustimmt, wird für uns immer wichtig, aber nicht entscheidend sein dürfen. Sonst fielen wir in die Fehler von 1933 zurück. Also, lieber Bruder Niesei, ich danke Ihnen für das offene Wort und für die Möglichkeit, diesen Schritt, den ich nicht für eine Haupt- und Staatsaktion angesehen habe, zu kommentieren; und wenn ich auch nicht annehmen kann, dass Sie mit meiner Erklärung restlos zufrieden sind, so hoffe ich doch, dass Sie meinen Standpunkt verstehen und in der Verbreitung dieses Artikels keinen heimtückischen Angriff auf Bruder Niemöller sehen. Ich meine, wir müssten zusammenstehen in dem Versuch, das Ausland davon zu überzeugen, dass trotz des argen Unrechts und der schrecklichen Not, die auf unserem Volk lastet, von der Kirche nichts unterstützt wird, was nach militaristischer Reaktion aussieht und dass alle unsere Beschwerden nur von der Absicht eingegeben sind, die Entstehung solcher Reaktionen durch psychologische Missgriffe der Besatzungsmächte zu verhüten. Ich bitte Sie, auch von der beiliegenden Auseinandersetzung mit Pfarrer Diem über das Einigungswerk Kenntnis zu nehmen. Der betreffende Vortrag über die Problematik von Treysa ist ebenfalls in der schweizerischen Pressekorrespondenz erschienen, nachdem er bei der Tagung der Gesellschaft für evang. Theologie in Bad Boll gehalten worden war 124 . In dem Bericht über diese Tagung 1 2 5 war erwähnt, dass der württembergische Pfarrer Schempp, dem die Kirchenleitung die Rechte des geistlichen Standes aberkannt habe 126 , die Predigten und biblischen Ansprachen auf dieser Tagung gehalten habe. Warum diese für uns schmerzliche Disziplinierung erfolgen musste und welche Mühe ich mir gegeben habe, in Verbindung mit der BK diese Massnahme rückgängig zu machen, erfuhr der Leser nicht. Ist eine solche Berichterstattung mit der Pflicht der Wahrhaftigkeit vereinbar? In herzlicher Verbundenheit verbleibe ich Ihr gez.: D. Wurm

124 H. DEM, Die Problematik der Konvention von Treysa. Stuttgart 1947. 125 EVANGELISCHE SELBSTPRÜFUNG. Beiträge und Berichte von der Tagung der Kirchlich-Theologischen Sozietät Württemberg und der Gesellschaft für evangelische Theologie 12.16. Oktober 1946 in Bad Boll. Stuttgart 1947. 126 Zum Fall Schempp vgl. E. BIZER, Kampf.

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10E7. Schreiben Schwarz' an Wurm. Göttingen, 19. Februar 1947 F: EZA Berlin, 2/795

(O).

Hochverehrter Herr Landesbischof! Als ich im November vorigen Jahres in Bad Boll am Ende der Journalistentagung mit Ihnen die Unterredung hatte, in der ich ein Bild der schlesischen Lage und meiner Tätigkeit geben und dabei auch manche gegen mich im Umlauf befindlichen Vorwürfe richtig stellen durfte, reichte die Zeit nicht, um einen Punkt zu klären, den zu erhellen mir ein ernstes Anliegen ist. Es ist die Tatsache, das ich meine Unterschrift zu dem von Ihnen geführten Einigungswerk nicht gegeben habe. Ich bitte in diesem Brief Ihnen meine Stellungnahme zu dem Einigungswerk begründen zu dürfen. 1. Ich habe nicht unterschrieben, obgleich ich, wie ich dem Vorsitzenden des Einigungsausschusses, Superintendent Eberlein, und anderen, auch Vertretern des Naumburger Bruderrats, erklärt habe, mit der letzten mir bekannt gewordenen Fassung nach meiner theologischen Erkenntnis und kirchlichen Haltung durchaus einverstanden war. Ich glaubte, dass durch Taten, nicht durch Unterschriften der Weg vorwärts ginge. 2. Ich habe den Weg der Einigung tatsächlich beschritten. Schon, bevor ich von Ihren Bemühungen erfuhr, und dauernd während der Einigungsverhandlungen. Ich habe die Bildung eines synodalen Beirats durch Wahl, nicht durch Berufung durch die kirchliche Behörde, angeregt und erreicht. Der Naumburger Bruderrat versagte sich. Trotzdem wurden ihm auch nach der Wahl die Tore offen gehalten. In direkten Verhandlungen mit seinen Vertretern habe ich mich bereit erklärt, in nicht leichten Verhandlungen im Konsistorium auch durchgesetzt, dass die Naumburger als Gruppe, was keine andere hatte tun können, und zahlenmässig weit über den ihnen zukommenden Anteil Vertreter in den provinzialkirchlichen Beirat entsenden sollten. Vergeblich!127 Ich habe den Weg der Einigung längst in der Personalpolitik beschritten. 21 Superintendenten sind von mir vorgeschlagen und vom Evangelischen Oberkirchenrat ernannt worden, davon 7 von der Christophoribekenntnissynode, einer von der Naumburger Bekenntnissynode; kein Deutscher Christ unter ihnen. Der Naumburger Bruderrat in Bunzlau hat zwar dem neuen Superintendenten seiner Richtung gratuliert, aber an seiner Einführung nicht teilgenommen.

127 Zum Provinzialkirchlichen Beirat und zu seiner Ablehnung durch die Naumburger Synode vgl. G. EHRENFORTH, Kirche, S. 181ff.

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Ich habe erwirkt, dass die von Naumburg aus erfolgte Ordination anerkannt wurde. Ich habe den Antrag gestellt, dass die Witwen der gefallenen noch nicht festangestellten Naumburger Brüder eine Pension erhalten. Ich begnüge mich mit diesen Hinweisen. 3. Die Einigungsverhandlungen wurden gestört durch die Entsendung des inzwischen verstorbenen Herrn von Arnim, der, von einem Vertreter des Naumburger Bruderrats begleitet, Herrn Konsistorialpräsident D. Hosemann den Bussruf des preussischen Bruderrats in meinem Beisein überbrachte, weil wir die Vikarin Staritz der Gestapo ausgeliefert hätten 128 . Unsere Darstellung über den wahren Sachverhalt - Gestapo und Reichskirchenministerium wussten eher von den Vorgängen als wir - wurde überhaupt nicht aufgenommen. 4. Schwer beschattet waren die Einigungsverhandlungen durch Erfahrungen, die ich mit einem prominenten Mitglied des Naumburger Bruderrats gemacht habe, über die ich auf Wunsch zu berichten bereit bin. Es war nicht zu verkennen, dass die Verhandlungen um das Einigungswerk in Schlesien von den Naumburgern als eine Stufe zur Erringung der Führung benutzt wurde. Aus allen diesen Gründen habe ich mich damals nicht entschliessen können zu unterzeichnen. Es ist mir heute noch leid, dass ich damals nicht, wie ich erwog, zu Ihnen gefahren bin, um Ihnen die Lage in Schlesien von meiner Sicht darzustellen. Ich fühlte mich zu sehr an meinen Arbeitsplatz gebunden. Heute kann ich nur bitten, für eine zurückliegende, nicht eben leicht rekonstruierbare Situation Verständnis zu haben und meine Darlegung gütig aufzunehmen. Ich bin, sehr verehrter Herr Landesbischof, mit angelegentlichen Empfehlungen Ihr sehr ergebener Schwarz [m.p.] 10E8. Schreiben Nieseis an die Kirchenkanzlei. Schöller bei Dornap, 14. Februar 1947 F: EZA Berlin, 2/59 (O).

Betr.: Beschlüsse des Rates vom 24. und 25.1.1947. Zu dem Protokoll der Sitzung des Rates vom 24. und 25. Januar, das uns soeben zugegangen ist, möchte ich folgendes bemerken:

128 Vgl. dazu C. NICOLAISEN/N.A. SCHULZE, Protokolle Bd. I, S. 452, ANM. 146.

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10. Sitzung Treysa 24. und 25. Januar 1947

1.) Am 24. Januar hat keine eigentliche Sitzung des Rates stattgefunden, sondern nur eine Vorbesprechung. Das unter 4) genannte Wort an die Pfarrerschaft ist in der eigentlichen Sitzung am 25.1. beschlossen worden. 2.) Zu Π. Nur die Anmerkung, dass weder ich noch Dr.Dr. Heinemann Professoren sind. Ich bin nach wie vor Pastor. 3.) Zu 9). Ein derartiger Beschluss ist nicht gefasst worden. Es ist vielmehr festgestellt worden, dass dann, wenn ein anderer Sachse anstelle von Bruder Hahn in den Rat eintritt, ja immer zwei Vertreter aus dem Osten anwesend sind. Im übrigen ist nur die Frage aufgeworfen worden, ob D. Dibelius seinen Begleiter, den er mitzubringen pflegt, nicht jeweils wechseln könnte. 4.) Zu 10,2.) Die deutschen Gemeinden in Südamerika sind nicht lutherische Gemeinden, sondern evangelische, die von der evangelischen Kirche der altpreussischen Union betreut wurden. 5.) Zu 11). Es ist beschlossen worden, dass das Gebet dem Rat noch vorgelegt werden soll, ehe die Ordnung in Kraft tritt. 6.) Zu 13,c). Der Rat hat von dem Schriftwechsel Landesbischof Wurms mit Präsident Koechlin keine Kenntnis genommen; denn er ist ihm gar nicht vorgelegt worden. Der Rat hat darum auch diese Verhandlung der Angelegenheit nicht gebilligt, wie es jetzt im Protokoll heisst. 7.) Zu 14). Es fehlt die Feststellung, dass auf der Kirchenversammlung auch die Brüdergemeinde und der Bund freier reformierter Gemeinden vertreten sein müssen, da sie zur EKD gehören. 8.) Zu 17). Nicht Herrn Oberkonsistorialrat Schwarz sollte das Betreffende mitgeteilt werden, sondern dem Evangelischen Pressverband für Deutschland. Mit brüderlichem Gruss! W. Niesei [m.p.']

11 Frankfurt/Main, 27. und 28. März 1947 Ort: Beginn: Ende: Teilnehmer:

Protokollant:

Diakonissenhaus, Schwarzwaldstr. 160. Donnerstag, 27. März 1947 (Uhrzeit unbekannt). Freitag, 28. März 1947 (Uhrzeit unbekannt). Vom Rat: Asmussen, Hahn, Hagemann, Heinemann, Held, Lilje, Niesei, Smend, Wurm. Als Berichterstatter: Kinder, Zimmermann. Als Gäste: Fricke, Lau. Von der Kirchenkanzlei: Fahrenheim, Schwarzhaupt. Schwarzhaupt.

IIA Vorbereitung der Sitzung 11A1. Schreiben der Kirchenkanzlei an die Mitglieder des Rates. Schwäbisch Gmünd, 7. Februar 1947 F: E2A Berlin, 2/59 (Konzept). Die nächste Sitzung des Rates der EKD findet entsprechend dem Beschluss in der letzten Sitzung vom Mittag des 27. bis zum Abend des 28. März 1947 statt. Das Diakonissenhaus in Frankfurt/Main hat sich trotz der inzwischen auch dort sehr gross gewordenen Schwierigkeiten gern bereit erklärt, uns wieder bei sich aufzunehmen. Daher beehre ich mich, im Auftrage des Herrn Vorsitzenden, die Herren Mitglieder des Rates der EKD für die nächste Sitzung wieder nach Frankfurt einzuladen. Der H e r r Vorsitzende lässt bitten, dass alle Mitglieder spätens am Donnerstag den 27. März mittags 12 U h r im Diakonissenhaus zum gemeinsamen Mittagessen anwesend sind. Für den Fall, dass einer der Herren Mitglieder des Rates entweder an der Teilnahme verhindert sein sollte, oder aber einen Kraftwagenführer oder aus besonderen Gründen einen sonstigen Begleiter mit ins Frankfurter Diakonissenhaus zu bringen beabsichtigt, darf ich um baldige kurze Nachricht bitten, weil das Diakonissenhaus ganz genau im Einzelnen vorher wissen muss, für wen es Unterbringung und Verpflegung ermöglichen soll. gez. Asmussen D D .

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11. Sitzung Frankfurt/Main 27. und 28. März 1947

11A2. Schreiben der Kirchenkanzlei an Lau. Schwäbisch Gmünd, 10. März 1947 F: EZA Berlin, 2/59 {Konzept mit Vermerk: "Fricke? Ostkirchenausschuss einladen?").

Im Auftrage und im Namen des Herrn Vorsitzenden des Rates der EKD beehre ich mich Sie einzuladen, als Gast an der nächsten Sitzung des Rates teilzunehmen, die von Donnerstag den 27. März mittags 13 U h r bis Freitag den 28. März abends im Diakonissenhaus in Frankfurt/M.-Niederrad, Schwarzwaldstr. 160 stattfinden soll. 11 A3. Schreiben der Kirchenkanzlei an die Mitglieder des Rates. Schwäbisch Gmünd, 11. März 1947 F: EZA Berlin, 2/59 (H).

Im Auftrage und Namen des Herrn Vorsitzenden des Rates der EKD beehre ich mich, Sie zur nächsten Sitzung des Rates einzuladen, die von Donnerstag, den 27. März mittags 13.00 U h r bis Freitag, den 28. März abends im Diakonissenhaus in Frankfurt/M-Niederrad stattfinden soll. Als Tagesordnung sind bisher folgende Beratungsgegenstände vorgesehen: 1. 2. 3. 4. 5.

Bericht über das konfessionelle Gespräch Eingabe des Bruderrates der EKD betreffend VELKD Die Kirchenversammlung der EKD (Gebet hierfür) Stellungnahme des Rates der EKD zur Friedenskonferenz Die Bekennende Kirche eine Widerstandsbewegung im Sinne des Artikels 39/Π/2 1 ? (Vergleiche Flugblatt des Ev.-luth. Landeskirchenrates in München vom 10. Dez. 19462, sowie Schrift von Dr. Gerstenmaier 5 ). 6. Schulkammer 7. Jugendkammer 8. Gottesdienstliche Kammer 9. Kindergesangbuch und Gesangbuch Hannover 10. Deutscher Evangelischer Missionstag 1 2 3

Vgl. S. 59, Anm. 18. Vgl. S. 59, Anm. 17. Offenbar der 1946 in Frankfurt/Main erschienene Vortrag Gerstenmaiers "Hilfe für Deutschland", den er in der Aula der Frankfurter Universität gehalten und in dem er einige deutsche Bischöfe in Beziehung zum Widerstand gebracht hatte. Gerstenmaier sähst berichtete dazu später, er habe sich wegen seiner Äußerungen die "scharfe Mißbilligung eines standhaften Mannes der Bekennenden Kirche" zugezogen, der ihm vorwarf, die Bekennende Kirche diskreditiert zu haben, "weil sie stets erklärt habe, keine politische, geschweige gar eine militante Opposition gegen die 'Obrigkeit' zu betreiben" (E. GERSTENMAIER, Streit und Friede, S. 144).

IIB Protokoll

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11. Frauensonntag 12. Anerkennung der Kirchlichen Hochschule Berlin 13. Vorbereitung der Welt-Kirchenkonferenz 1948 a) Wahl der für die EKD vorgesehenen 15 Delegierten b) Studienarbeit (Schaffung von 4 Studien-Ausschüssen entsprechend den 4 ökumenischen Studienkommissionen4), Wahl der Vorsitzenden und Sekretäre dieser 4 Ausschüsse. 14. Tätigkeit deutscher Pastoren in England 15. Richtlinien für das Verhalten kirchlicher Stellen, insbesondere der Kanzlei der EKD, gegenüber Beschwerden über Massnahmen der Besatzungsmächte. 16. Personalien: a) Festsetzung der Höhe der Dienstbezüge von Pfarrer Fahrenheim in der Kanzlei der EKD b) Oberkonsistorialrat i.R. Schwarz (EPD) c) Boudriot d) Althaus 17. Anliegen des Ostkirchenausschusses 18. Spruchkammer der EKD 19. Vereinheitlichung kirchlicher Feiertage gez. Asmussen DD. IIB Protokoll F: EZA Berlin, 2/62 (H, den Ratsmitgliedern mit Schreiben vom 9. April 1947 übersandt). G: Mitschrift Smend.

Beschlüsse aus der Sitzung des Rates der EKD vom 27. und 28. März 1947 in Frankfurt am Main An der Sitzung des Rates der EKD nahmen teil: Landesbischof D. Wurm, als Vorsitzender Prüsident Asmussen D.D., Leiter der Kanzlei der EKD Präsident Hagemann Oberlandeskirchenrat D. Lilje Professor Dr. Smend 4

Vgl. S. 63, Anm. 34.

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11. Sitzung Frankfurt/Main 27. und 28. März 1947

Oberbürgermeister D.D. Heinemann Superintendent Hahn Pastor lie. Niesei Oberkirchenrat Held ausserdem waren anwesend die Herren: Superintendent lie. Lau Pastor lie. Kinder Pastor Fricke Oberkirchenrat Zimmermann als Sachbearbeiter der Kanzlei der EKD nahmen teil: Pastor Fahrenheim Fräulein Dr. Schwarzhaupt Die Mitglieder des Rates Bischof D. Dibelius, Bischof D. Meiser und Pastor Niemöller hatten abgesagt. Es wurde festgestellt, dass die Herren Zimmermann und Kinder als Berichterstatter an der Sitzung teilnahmen und dass an jeder zweiten Sitzung des Rates ein anderer von Bischof Dibelius bestimmter Vertreter der östlichen Kirche beteiligt werden soll5. Punkt 1 und 2 der Tagesordnung wurde nicht behandelt mit Rücksicht auf die Erkrankung von Landesbischof Meiser6. Punkt 3 Kirchenversammlung der EKD a) das als Anlage 1 im Entwurf beigefügte Gebet für die Kirchenversammlung soll den Landeskirchen zusammen mit einer einleitenden Abkündigung mit der Bitte um Weitergabe an die Pfarrämter zugeleitet werden7. b) Die Kirchenversammlung soll am 5. und 6. Juni in Treysa, Anstalten Hephata stattfinden; der 4. Juni ist als Anreisetag gedacht8. 5 6 7

Vgl. dazu 10B, S. 7. Nach 11A3, S. 54, sollte ein Bericht über das konfessionelle Gespräch gegeben und eine Eingabe des Bruderrates zum lutherischen Zusammenschluß behandelt werden. Die Kirchenkanzlei übersandte den Kirchenleitungen das Gebet (11C1, S. 71) mit Schreiben vom 14. April 1947 und verband damit die Bitte, "nach den dort vorherrschenden Umständen dem Gebet eine einleitende Abkündigung anzufügen und es so an die Pfarrämter weiterzugeben" ( E Z A BERLIN, 2/40).

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Nach einer telegrafischen Einladung zur Kirchenversammlung an alle Kirchenleitungen sollten deren Vertreter sowie die Synodalmitglieder bis spätestens 5. Mai 1947 namentlich der Kirchenkanzlei mitgeteilt werden (vgl. das undatierte Konzept für dieses Telegramm: EBD.). Diese Aufforderung wiederholte die Kirchenkanzlei in ihrem Einladungsschreiben vom 5. April 1947 an die Landeskirchenregierungen, die Direktion der Brüderunität Bad Boll, Hermhut und Vogtshof, den Bund Evangelisch-Reformierter Kirchen Deutschlands und die Anstalten Hephata in Treysa (EBD.). Die Kirchenkanzlei wies aufgrund der Erfahrungen bei der Kirchenversammlung in Treysa im August

IIB Protokoll

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c) Von den 20 Personen, die nach § 2 der Verordnung über die Kirchenversammlung der EKD9 vom Rat der EKD zu berufen sind, sollen 10 Personen von den östlichen Kirchen und 10 Personen vom Westen vorgeschlagen werden10. Ausserdem sollen fünf geladene Gäste an der Kirchenversammlung teilnehmen. Genannt wurden: Dr. Gerstenmaier, sowie Vertreter von Männerarbeit11, Innerer Mission, Äusserer Mission, Pastor D. Michaelis für die Gemeinschaften. Ausserdem soll der Brüdergemeinde das Recht, einen leitenden Amtsträger, und dem Bund reformierter Gemeinden das Recht, einen Altesten zu entsenden, zugestanden werden. d) Der Rat gibt seine Zustimmung dazu, dass die Kirchen in der Pfalz, im Rheinland, in Westfalen, in Württemberg und in Eutin ihre synodalen Vertreter zur Kirchenversammlung durch ihren Synodalausschuss (bei der Pfalz die Kirchenregierung) wählen lassen12. Punkt 4 Stellungnahme des Rates der EKD zur Friedenskonferenz13 Auf Grund eines Vorschlages von Oberkirchenrat Held wurden das anliegende Bussgebet (Anlage 214) sowie das ebenfalls anliegende Wort des Rates der EKD zur Friedenskonferenz (Anlage 315) beschlossen. Beide Anlagen

1945 ausdrücklich daraufhin, daß aufgrund der Versorgungslage ausschli^lich die 120 Mitglieder der Kirchenversammlung und des Rates der EKD kommen sollten. 9 S. 30. 10 Der im EZA BERLIN, 2/59 überlieferte Entwurf (E) für das Beschlußprotokoll fährt an dieser Stelle fort: "Als Persönlichkeiten aus dem Westen werden in Aussicht genommen: die Herren Walter Bauer, Steltzer, von Thadden, Halfsleben [hsl. Korrektur: 'Hattenbach'], Schlink, Kloppenburg, Otto Weber, Wehr, Brunotte. Ein Nichttheologe soll von Landesbischof Meiser bestimmt werden. Für den Fall, dass von Thadden absagt, soll an seine Stelle Frau Dr. Nopitsch treten. Als geeignete Persönlichkeiten aus dem Osten wurden genannt: Graf York \Yorck\ D. Martin Richter, Pastor [hsl. Korrektur: 'Prof. Vogel'], Vikarin Bourbeck, Hofmann [hsl. ergänzt: 'Magdeburg'], Girgensohn. Weiter sollen fünf geladene Gäste an der Kirchenversammlung teilnehmen". 11 E: "Männerwerk". 12 Diese Regelung war notwendig, weil nicht überall die Synoden zusammentreten konnten, um ihre Vertreter zu bestimmen (vgl. z.B. das Schreiben des Ev.-luth. Landeskirchenamts Kiel an die Kirchenkanzlei vom 23. März 1947: EZA BERLIN, 2/40). Eine dem Ratsbeschluß entsprechende Mitteilung erhielten sämtliche Landeskirchen mit dem Einladungsschreiben der Kirchenkanzlei vom 5. April 1947 (vgl. Anm. 8); gesonderte Mitteilungen und Genehmigungen gingen mit Schreiben der Kirchenkanzlei vom 1. April 1947 u.a. an Rheinland, Westfalen, Württemberg und Eutin, am 9. April 1947 auch an Kurhessen-Waldeck (EZA BERLIN, 2/40). 13 Zur Außenministerkonferenz vom 10. März bis 24. April 1947 in Moskau vgl. S. 11, Anm. 44. 14 11C2, S. 71ff. 15 11C3, S. 73f.

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11. Sitzung Frankfurt/Main 27. und 28. März 1947

sollen den Landeskirchen zur Weitergabe an die Pfarrämter zugeleitet werden 16 .

16 Vor der Beschlußfassung hatte die Kirchenkanzlei hei den Landeskirchen und kirchlichen Werken Stellungnahmen zur Friedenskonferenz erbeten (vgl. die Notiz von Harlings für die Ratssitzung: 11D1, S. 75; alle Anfragen: EZA BERLIN, 2/209). Zur Ratssitzung hatte Held dann einen Entwurf für das Wort des Rates (11D2, S. 76f.) und einen wetteren Entwurf für das Bußgebet vorgelegt (vgl. die textkritischen Anmerkungen zu 11C2, S. 7Iff.). Die Beschlüsse des Rates zur Friedenskonferenz wurden von Asmussen mit Einverständnis Wurms jedoch suspendiert (vgl. das Telegramm Asmussens an Wurm vom 31. März 1947: LKA STUTTGART, Dl/214). In seinem Schreiben vom 31. März 1947 teilte Asmussen den Ratsmitgliedern die Gründe dafür mit: "Sowohl Herr Landesbischof D. Wurm, wie auch ich selber, wie auch meine Mitarbeiter Pfarrer Fahrenheim und Fräulein Dr. Schwartzhaupt [Schwarzhaupt\ haben während der Verhandlungen nicht gehört, dass die uns gemachte Vorlage einen bereits verabschiedeten Beschluss der Rheinischen Kirchenleitung darstellt. Herr Landesbischof D. Wurm und ich halten es nicht für wohlgetan, wenn der Beschluss der Rheinischen Kirchenleitung nunmehr in veränderter Form vom Rat der EKD übernommen wird. Da ich den Beschluss der Rheinischen Kirchenleitung für wesentlich halte, rege ich hiermit an, Bruder Held möchte bei der Rheinischen Kirchenleitung erreichen, dass deren Beschlüsse zur Moskauer Konferenz den Gliedkirchen der EKD als Material zugeleitet werden" (EBD.). Die rheinische Kirchenleitung hatte das Wort tatsächlich bereits in ihrer Sitzung vom 14. März 1947 beschlossen (vgl. das Schreiben Heids an die Kirchenkanzlei vom 25. März 1947: EZA BERLIN, 2/211) und im Amtsblatt veröffentlicht (KAB1 Rheinland Nr. 4, 22. März 1947; der als Beschluß der rheinischen Kirchenleitung abgedruckte Text ist wortgleich mit dem Entwurf Heids für die Ratssitzung). Held nahm in seinem Schreiben an Asmussen vom 3. April 1947 dann "davon Abstand, das Wort den Kirchen als Material zu übergeben" (EZA BERLIN, 2/211). Ganz im Gegenteil sehe er "in der Tatsache, daß die Rheinische Kirchenleitung diesen Entwurf angenommen hat, kein Hindernis, daß der Rat der EKD ihn gleichfalls veröffentlicht", da es ja auch sonst vorkommen könne, "daß eine gute Sache, die eine Kirchenleitung beschlossen hat, vom Rat der EKD übernommen wird". Gegen die Suspendierung des Ratsbeschlusses durch die Kirchenkanzlei legte Dibelius schli^lich Protest ein (vgl. 12B, S. 139). • In Unkenntnis der eingetretenen Sachlage legte auch Gerstenmaier mit Schreiben an Wurm am 1. April 1947 Einspruch ein und forderte eine Suspendierung des Ratsbeschlusses, "da dieses Wort zu der in Moskau tagenden Konferenz tief in das Arbeitsgebiet des Hilfswerks eingreift" (EZA BERLIN, 2/211). - Zu den widersprüchlichen Pressemeldungen über das Wort des Rates vgl. von Heintzes Schreiben an die Kirchenkanzlei vom 6. Mai 1947 und das Antwortschreiben der Kirchenkanzlei an das Hilfswerk der EKD vom 29. Mai 1947 (EZA BERLIN, 2/59). Aus einem Schreiben Heids an Asmussen vom 28. März 1947 (EZA BERLIN, 2/209) geht hervor, daß nach Abschluß der Sitzung am Nachmittag des 28. März die noch verbliebenen Mitglieder des Rates eine Botschaft an die Kirchen der Ökumene verabschiedeten, die zusammen mit dem Wort zur Friedenskonferenz übergeben wurde (11E1, S. 105f).

IIB Protokoll

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Punkt 5 Die Bekennende Kirche eine Widerstandsbewegung17 im Sinne von Artikel 39/Π/2 des Befreiungsgesetzes18? Die Angelegenheit soll in der nächsten Sitzung in Anwesenheit von Landesbischof D. Meiser besprochen werden19. Punkt 6 Schulkammer Es wird festgestellt, dass Pastor Hammelsbeck die Vorschläge für die Bildung einer Schulkammer noch nicht einreichen konnte, da ihm infolge eines Versehens die Aufforderung zu spät zugegangen war20. Punkt 7 Jugendkammer21 [kein

Beschluß]

Punkt 8 Gottesdienstliche Kammer

17 In einem Flugblatt vom 10. Dezember 1946 mit dem Titel "Was war die 'Bekennende Kirche' oder 'Bekenntnisfront' in den Jahren 1934-1945?" hatte der Bayerische Landeskirchenrat (gez. D. Meiser) die Bekennende Kirche als "Kampf- und Widerstandsbewegung der Evangelischen Kirche gegen die nationalsozialistische Weltanschauung und die Bewegung der 'Deutschen Christen'" dargestellt und abschließend aus der Entscheidung des Kassationshofs im Bayerischen Staatsministerium für Sonderaufgaben vom 14. Oktober 1946 zitiert, daß die Bekennende Kirche "als Widerstandsbewegung im Sinne des Artikels 39/Π/2 [vgl. Anm. 18] anerkannt werden muß". Anlaß zur Diskussion im Rat war neben diesem Flugblatt auch ein 1946 veröffentlichter Vortrag Gerstenmaiers "Hilfe für Deutschland" (vgl. dazu S. 54, Anm. 3). 18 Art. 39 des "Gesetz[es] zur Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus" vom 5. März 1946 regelte besondere Umstände bei der Zuweisung von Betroffenen in die Gruppen der Verantwortlichen. Nach Abs. 11.2 sollte die "nachweisbare Zusammenarbeit mit einer Widerstandsbewegung oder mit anderen gegen die nationalsozialistische Gewaltherrschaft gerichteten Bewegungen, wenn dieser Widerstand auf nationalsozialistischen und antimilitaristischen Beweggründen beruhte", zugunsten des Betroffenen berücksichtigt werden (R. HEMKEN, Sammlung, Bd. I). 19 Vgl. 12B, S. 143. 20 Einen entsprechenden Auftrag an Hammelsbeck hatte der Rat auf seiner 9. Sitzung am 16./27. November 1946 in Frankfurt/Main beschlossen (C. NICOLAISEN/N.A. SCHULZE, Protokolle Bd. I, S. 729); zu den früheren Planungen für die Gründung einer Schulkammer der EKD vgl. EBD., S. 35, Anm. 42; S. 48 lf. Die Einsetzung der Schulkammer wurde schließlich auf der 13. Sitzung beschlossen (vgl. 13B, S. 17}). 21 Der Rat hatte die am 15./16. Mai 1946 in Hannover gegründete fugendkammer auf seiner 8. Sitzung am 10./II. Oktober 1946 in Frankfurt/Main als Jugendkammer der EKD bestätigt (vgl. C. NICOLAISEN/N.A. SCHULZE, Protokolle Bd. I, S. 657f.). Ihren Sitz hatte die Jugendkammer in Stuttgart, wo ihr Vorsitzender Manfred Müller seit 1947 als Oberkirchenrat tätig war (vgl. J. JÜRGENSEN, Jünglingsverein, S. 103). Zu ihren ersten Aufgaben gehörte u.a. die Zusammenstellung einer Delegation für die 2. ökumenische Weltjugendkonferenz in Oslo, über die der Rat auf seiner nächsten Sitzung Beschlußfaßte (vgl. 12B, S. 143).

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11. Sitzung Frankfurt/Main 27. und 28. März 1947

V o n vielen Seiten k o m m e n an die Kanzlei F r a g e n , insbes. betreffs Bibellese, o b fernerhin eine lectio p r o p r i a o d e r lectio c o n t i n u a 2 2 durchgeführt w e r d e n soll. A u c h über die Feiertagsfestsetzung erfolgen i m m e r neue A n f r a g e n 2 3 . D e r R a t beschliesst, dass ein kleiner freier Kreis z u s a m m e n t r e t e n soll, der die hier vorliegenden F r a g e n überprüfen soll 2 4 . Z u diesem freien liturgischen Ausschuss soll insbesondere auch P a s t o r Steiner, W u p p e r t a l - B a r m e n ,

Klin-

gelholl 5 4 als V e r t r e t e r des R e f o r m i e r t e n Bundes hinzugezogen w e r d e n 2 5 . P u n k t 9 Kindergesangbuch U b e r das Kindergesangbuch w i r d berichtet, dass in W ü r t t e m b e r g , H a n n o v e r u n d Berlin-Brandenburg neue Jugendgesangbücher m i t einem Liederbestand v o n je 1 6 0 - 1 8 0 L i e d e r n v o r b e r e i t e t w e r d e n . E s besteht die A b s i c h t , aus diesen Jugendgesangbüchern späterhin Gemeindegesangbücher zu entwickeln.

Im

R h e i n l a n d w i r d das alte b e w ä h r t e Zaulecksche Kindergesangbuch 2 6 neu aufgelegt. D e r R a t beschliesst, die für die Bearbeitung dieser Gesangbücher vera n t w o r t l i c h e n M ä n n e r z u s a m m e n z u r u f e n , d a m i t sie darüber beraten, in welc h e r W e i s e die vorliegenden E n t w ü r f e w e i t e r bearbeitet u n d auch aneinander angeglichen w e r d e n k ö n n e n 2 7 .

22 In der Liturgik wird zwischen lectio continua (fortlaufende Lesung eines biblischen Buches von Gottesdienst zu Gottesdienst), lectio semi continua oder "Bahnlese" bzw. Eklogadie (fortlaufende Lesung eines biblischen Buches unter Auslassung weniger "wichtiger" Passagen) und lectio selecta (Lesung ausgewählter Texte) unterschieden (vgl. dazu C. ALBRECHT; Einführung, S. 47-49; R. VOLP, Liturgik, S. 231). 23 Vgl. dazu das Schreiben Asmussens an die Ratsmitglieder vom 28. Januar 1947 (11D3, S. 78). 24 E: "Der Rat beschliesst, dass ein kleiner freier Kreis zusammentreten soll, der etwa unter der Leitung von Professor Trillhaas-Göttingen die hier vorliegenden Fragen überprüfen soll, auch besonders in Bezug auf die Frage, an welcher Stelle etwa ein Eingriff in die Landeskirche vorliegen könnte." 25 Asmussen bat Stählin am 29. April 1947 um eine Stellungnahme; in seinem Schreiben nannte er den im Ratsbeschluß ausdrücklich erwünschten Pastor Steiner als potentielles Mitglied des gottesdienstlichen Ausschusses jedoch nicht (11E2, S. 106f.) 26 Der Bremer Pastor Paul Zauleck (12.3.1849 - 3.6.1917) hatte sich besonders für die Einführung eines deutschen Kindergottesdienstes eingesetzt. Das "Deutsche Kindergesangbuch" hatte er erstmals 1889 herausgegeben. 27 Der Rat hatte auf seiner 8. Sitzung am 10./11. Oktober 1946 in Frankfurt/Main beschlossen, die Kirchenkanzlei solle ihm über die Frage des Kindergesangbuches berichten (vgl. C. NICOLAISEN/ Ν. A. SCHULZE, Protokolle Bd. I, S. 648). Daraufhin hatte sich die Kirchenkanzlei mit der Bitte um Unterrichtung über die Entwicklung in dieser Frage am 10. Januar 1947 an Mahrenholz, am 14. Januar an Söhngen, am 20. Februar an den Bärenreiter-Verlag und am gleichen Tag an Schlatter gewandt (alle Schreiben: EZA BERLIN, 2/682). Der Stand der kurz vor dem Abschluß stehenden Vorarbeiten für ein neues Jugendgesangbuch in Württemberg war bereits hervorgegangen aus dem Schreiben des Ev. Oberkirchenrats Stuttgart an die Dekanatämter vom 23. Juli 1946 (EBD.). Söhngen hatte am 31. Januar 1947 geantwortet, es sei "schon vor längeren Monaten der Kanon

IIB Protokoll

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P u n k t 10 D e u t s c h e r evangelischer Missionstag E s liegt ein A n t r a g v o r , für die L a n d e s k i r c h e n einen Missionstag als feste O r d n u n g einzuführen u n d denselben d u r c h den Blick auf die Ö k u m e n e und die v o n d o r t h e r entstehenden F r a g e n und Aufgaben zu erweitern 2 8 . D e r R a t beschliesst, dass, w i e es in den meisten Landeskirchen bereits üblich ist, der Epiphanientag b z w . der Sonntag n a c h Epiphanias, d e m G e d a n k e n der Mission g e w i d m e t sein soll. E s erscheint d e m R a t nicht ratsam, für den ökumenischen

Gedanken

einen besonderen

Sonntag

einzuführen,

vielmehr

wird

e m p f o h l e n , den ö k u m e n i s c h e n G e d a n k e n zu Pfingsten in den Predigten auszusprechen29.

eines Schulgesangbuchs festgelegt" worden, aus dem später "ein umfassendes Jugendgesangbuch" entstehen solle (EBD.). ES sei zum gegenwärtigen Zeitpunkt allerdings noch nicht entschieden, "ob sämtliche Landes- und Provinzialkirchen des Ostens das Jugendgesangbuch übernehmen". Das Buch solle noch 1947 erscheinen. Mahrenholz hatte der Kirchenkanzlei am 22. Januar 1947 berichtet, für die hannoversche Landeskirche sei "ein kleines Büchlein im Druck, in dem etwa 90 Choralweisen in der jetzt üblichen Fassung wiedergegeben werden, damit die Kinder die richtigen Melodien lernen" (EBD.). An ein eigenes Jugendgesangbuch sei dabei jedoch nicht gedacht: "Uns schwebt vielmehr vor, mit möglichst viel anderen Landeskirchen ein gemeinsames Not-Gesangbuch von etwa 150 Liedern herzustellen, das dann sowohl für den Erwachsenen-Gottesdienst wie auch für den Unterricht und die Jugend brauchbar wäre". Am vom Rat beschlossenen Vorgehen der EKD übte Mahrenholz in seinem Schreiben vom 17. April 1947 an Fahrenheim in mehrfacher Hinsicht Kritik (EBD.). Zunächst sei es ein Irrtum, daß "Hannover ein Jugendgesangbuch von etwa 160-180 Liedern herausgebracht habe oder herausbringen wolle"; vielmehr sei lediglich das bereits geschilderte kleine "Heftchen mit Melodien" in Vorbereitung. Vor allem aber halte er es für fraglich, ob es geraten sei, "gerade in dem gegenwärtigen Augenblick seitens des Rates der EKD bezw. seitens der Kanzlei auf dem Gebiete des Gesangbuches einen Vorstoß zu machen angesichts der Tatsache, daß die vereinigte lutherische Kirche die Gesangbuchfrage mit solcher Betontheit in ihre Verfassung aufgenommen hat". Bislang habe er den Eindruck gehabt, difl "alle Beteiligten damit zufrieden waren, daß der Kirchenchorverband stellvertretend die Arbeit am Gesangbuch besorgte und die ganze Kompetenzfrage angenehm in der Schwebe blieb, bis die Gemüter sich beruhigt haben würden". Es sei um so mehr bedenklich, daß "in diesem Augenblick der Rat die Gesangbuchfrage offiziell aufgreift". - Die Frage des Kindergesangbuchs hat der Rat nicht wieder aufgegriffen; zur Schaffung eines einheitlichen Gesangbuchs für den gesamten Bereich der EKD vgl. 14B, S. 225; 18B, S. 445. 28 Mit Schreiben vom 3. Oktober 1946 an die Kirchenkanzlei hatte der Deutsche Evangelische Missionstag angeregt, "zu erwägen, ob es nicht ratsam sei, mit einem Sonntage in der Festzeit einen Missions-Sonntag unter den Leitgedanken der Ökumene zu stellen, um damit zum Verständnis der Ökumene und zur Fürbitte für sie zu helfen" (EZA BERLIN, 2/332). 29 Die Kirchenkanzlei teilte den Landeskirchenregierungen den Beschluß des Rates mit Rundschreiben vom 29. Juli 1947 mit (EBD.).

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Punkt 11 Frauensonntag V o n der Errichtung eines Frauensonntags soll abgesehen werden 3 0 . Punkt 12 Anerkennung der kirchlichen Hochschule Berlin Es liegt ein Antrag vor, der die Anerkennung der Hochschule durch den Rat der EKD fordert 3 1 . Es ist nicht deutlich, in welcher Weise diese Anerkennung ausgesprochen werden soll 32 . Der Rat beschliesst, den Landeskirchen zu

30 In Ε ist kein ausformulierter Beschluß enthalten. Die Evangelische Reichsfrauenhilfe hatte Asmussen in einem Schreiben vom 5. Februar 1947 über Pläne zur Durchführung eines Frauensonntags am 22. Juni 1947 mit Gottesdiensten und weiteren Veranstaltungen "zu der besonderen Frauennot heute" unterrichtet (EZA BERLIN, 2/336). Sie hatte damit die Bitte verbunden, die Kirchenkanzlei möge den Landeskirchenleitungen nahelegen, "daß der in Aussicht genommene Sonntag im gesamten Gebiet der EKiD von den einzelnen Landeskirchenleitungen zum 'Frauensonntag der Kirche' erklärt wird, und daß die Landeskirchenleitungen den Pfarrämtern empfehlen, die von der Reichsfrauenhilfe vorgeschlagenen Veranstaltungen für den betreffenden Sonntag durchzuführen bezw. die Durchführung zu unterstützen". Das Schreiben Schloß mit der Bitte an Asmussen, "ein Wort der Kirchenkanzlei für das gesamtdeutsche Gebiet zu dem geplanten Frauensonntag [zu] sagen zur Veröffentlichung in der kirchlichen Presse". 31 Vgl. das Schreiben der Kirchlichen Hochschule Berlin an den Rat vom 27. Dezember 1946:11D4, S. 78f. - In einer Aktennotiz vom 21. März 1947 hatte von Harting Asmussen für die Besprechung über die Anerkennung der Kirchlichen Hochschule Ausführungen ihres Kurators, Quaatz, mitgeteilt, in denen es u.a. hieß: "Es wird immer deutlicher, wie sehr die verschiedenen Kirchen im Ostraum aufeinander angewiesen sind. Ein engerer Zusammenschluss wird sich von selbst ergeben; es waere aber verhaengnisvoll, wenn dadurch unser Zusammenhang mit der deutschen Gesamtkirche schwaecher wuerde. Wir muessten hier dann geradezu langsam verkuemmern. Das wuerde wieder das Ganze treffen; denn gerade hier im Osten liegen die groessten Aufgaben der Kirche. Nirgends sind die Gefahren groesser. Man braucht nur an die Rekatholisierung des Ostens zu denken. Erfolgreichen Widerstand kann nur eine lebendige Kirche leisten. Durch solche Zusammenhaenge werden wir im Osten, ob wir wollen oder nicht, in oekumenische Gedankengaenge hineingefuehrt. Hier liegen also auch die besonderen Aufgaben unserer Hochschule" (EZA BERLIN, 2 / 3 6 7 ) . 32 Die Kirchenkanzlei teilte der Kirchlichen Hochschule Berlin den vollständigen Wortlaut des Beschlusses in einem Schreiben vom 14. April 1947 mit. Daraufhin beschloß das Kuratorium der Hochschule in seiner Sitzung vom J. Mai 1947, den Antrag zu stellen, die Hochschule als "akademische Lehr- und Forschungsanstalt der EKiD" anzuerkennen (Anlage zur Niederschrift über die Kuratoriumssitzung vom 5. Mai 1947: EBD.). In einem Schreiben der Hochschule an die Kirchenkanzlei vom 21. Mai 1947 wurden außerdem die Gründe für diesen Antrag ausführlich dargelegt (EBD.). Antrag und Schreiben faßte Fahrenheim dann in einer Vorlage für eine erneute Besprechung im Rat zusammen (13D4, S. 200ff.). - Zum Fortgang vgl. die weiteren Beschlüsse des Rates 13B, S. 175; 14B, S. 227.

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empfehlen, dass bis zu 4 Semester, die auf einer der Kirchlichen Hochschulen zugebracht werden, auf das Studium angerechnet werden33. Punkt 13 Vorbereitung der Weltkirchenkonferenz 194834.

33 Eine entsprechende Empfehlung hatte der Rat bereits auf seiner 8. Sitzung am 10./11. Oktober 1946 in Frankfurt/Main ausgesprochen (C. NICOLAISEN/N.A. SCHULZE, Protokolle Bd. I, S. 649).

34 Der Zweite Weltkrieg hatte die Realisierung der Pläne zur Gründung des Ökumenischen Rates der Kirchen (World Council of Churches) zunächst verhindert. Erst auf der 1. Vollversammlung vom 22. August bis 4. September 1948 in Amsterdam konnte der ÖRK konstituiert, eine Verfassung (Abdruck: W.A. VISSER 'T HOOFT, Vollversammlung, S. 266-271) und eine Geschäftsordnung (EBD., S. 272-286) beschlossen sowie eine Botschaft (EBD., S. 7-10) verabschiedet werden. An der Versammlung nahmen Delegierte von 147 Kirchen aus 44 Ländern teil. Sie stand unter dem Hauptthema "Die Unordnung der Welt und Gottes Heilsplan", das in vier Sektionen erörtert wurde (1. Die Kirche in Gottes Heilsplan 2. Die Kirche bezeugt Gottes Heilsplan 3. Die Kirche und die Auflösung der gesellschaftlichen Ordnung 4. Die Kirche und die internationale Unordnung). Die römisch-katholische und die russisch-orthodoxe Kirche schlossen sich dem ÖRK nicht an. • Zur Entstehung des ÖRK vgl. W.A. VLSSER 'T HOOFT, Entstehung; DERS., Ursprung; zum Verlauf und den Ergebnissen

der Versammlung

vgl. F . LüPSEN, D o k u m e n t e ; W . A . VlSSER 'T HOOFT,

Vollversammlung; zu den deutschen Beiträgen vgl. W. MENN, Ordnung. Zur Vorbereitung eines Ratsbeschlusses hatte Asmussen Fricke in einem Schreiben vom 5. März 1947 um Vorschläge des Kirchlichen Außenamtes für die Auswahl der Vertreter der EKD gebeten (EZA BERLIN, 2/168). Aus der Einladung des Weltkirchenrats zur Konferenz in Amsterdam sei zu ersehen, "daß die EKD mit 15 Vertretern bei weitem die am stärksten vertretene Kirche des Kontinents sein wird". Trotz der bisher ausschließlich von Menn betriebenen sachlichen Vorbereitung der Weltkirchenkonferenz und den Plänen des Außenamtes zur Einberufung einer vorbereitenden Studienkonferenz schlug Asmussen vor, außerdem einen besonderen, vom Rat autorisierten Ausschuß zu bilden, der "entsprechend den 4 Oekumenischen Studienkommissionen in 4 Sonderausschüsse mit je einem Vorsitzenden" gegliedert sein sollte. Fricke bekundete in seinem Antwortschreiben vom 15. März 1947 seine Freude, "dass das kirchliche Aussenamt sich in völliger Ubereinstimmung mit dem Rat der EKD befindet, was die Verantwortlichkeit der EKD gegenüber der Weltkirchenkonferenz betrifft" (EBD.). Auch dem Kirchlichen Außenamt sei daran gelegen, "aus der bisher frei schwebenden und zufälligen Mitarbeit einzelner an den ökumenischen Beziehungen besonders interessierter Kreise herauszukommen und die verantwortliche Mitarbeit der EKD zu organisieren". Dieser Kurs werde jedoch immer wieder von Menn torpediert, der die freie ökumenische Studienarbeit zu fördern versuche, dabei aber keinen direkten Auftrag des Rates besitze (zu Aufgaben und Beauftragung Menns vgl. C. NICOLAISEN/ N.A. SCHULZE, Protokolle Bd. I, S. 722, Anm. 11; 14B, S. 222). Fricke übersandte Asmussen in der Anlage das Einladungsschreiben des Kirchlichen Außenamtes vom 6. März 1947 an die Landeskirchenleitungen bzw. die landeskirchlichen Beauftragten für die ökumenische Arbeit und eine Teilnehmerliste für die geplante Arbeitstagung des Außenamtes zur Vorbereitung der Weltkirchenkonferenz, die dann vom Ii. bis 17. April 1947 in Frankfurt stattfand (EZA BERLIN, 2/168). Für diese Tagung bat das Außenamt in einem Schreiben vom 20. März 1947 an die ökumenischen Referenten der Landeskirchen außerdem um Berichte über die bisher geleistete ökumenische Arbeit auf landeskirchlicher Ebene (EBD.). Weil der Rat sich auf seiner nächsten Sitzung mit der Delegation

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Es wird in Aussicht genommen, dass die deutsche Delegation zur Weltkirchenkonferenz, die aus 15 Personen bestehen wird, folgendermassen zusammengesetzt wird35: 1.) 4 Kirchenführer36 2.) 4 Sachverständige, die in ökumenischen Kommissionen gearbeitet haben 3.) 4 leitende Persönlichkeiten aus der kirchlichen Verwaltung 4.) 3 Vertreter von Freikirchen. Punkt 14 Tätigkeit deutscher Pastoren in England Pastor Fricke kann den von ihm erbetenen Bericht noch nicht erstatten, da die von ihm angeforderten Unterlagen aus England noch nicht eingetroffen sind. Er hofft in der nächsten Sitzung berichten zu können37. Punkt 15 Richtlinien für das Verhalten kirchlicher Stellen gegenüber Beschwerden über Massnahmen der Besatzungsmächte38 Der Rat sieht von dem Erlass von Richtlinien ab.

35

36 37

38

für Amsterdam und der Bildung der Studienausschüsse beschäftigen werde, komme der Tagung "erhöhte und dringliche Bedeutung" zu. Für die Kirchenkanzlei nahm dann von Hurling an der Frankfurter Tagung teil, der Asmussen kurz vor der Ratssitzung in seinem "Reisebericht" vom 22. April 1947 über deren Verlaufund Ergebnisse informierte (11E3, S. 107f). E: "Die deutsche Delegation zur Weltkirchenkonferenz, die aus 15 Personen bestehen, wird, soll folgendermassen zusammengesetzt werden." Die Mitglieder der Delegation beriefder Rat dann auf seiner 15. Sitzungam 18. November 1947 in Darmstadt (vgl. 15B, S. 286f). E: "4 prominente Kirchenführer". Aus einem Schreiben Frickes an Wurm vom 10. Februar 1947 geht hervor, daß Fricke Rieger um einen "ausführlichen Bericht über den Tätigkeitsbereich und die materielle Ausstattung der Dienste der deutschen Brüder in England gebeten" hatte (EZA BERLIN, 2/191). In diesem Schreiben hieß es zu dem geplanten Bericht Frickes für den Rat u.a.: "Der Rat könnte in einer Entschliessung die Wichtigkeit und Bedeutung der Tätigkeit der deutschen Pastoren in England anerkennen. Auf Grund dieser Entschliessung könnten wir dann mit dem British Council of Churches bzw. mit dem Herrn Bischof von Chichester verhandeln und um finanzielle Sicherstellung dieser Arbeit bitten. Ich glaube, wir würden auf diesem Wege dem Anliegen unserer Brüder dort am besten gerecht. Desgleichen könnte ich mir denken, dass auf Grund des Referates der Rat auch ein Wort an die in England in der Emigration lebenden Christen aus Deutschland richten wird." Auf seinen späteren Sitzungen faßte der Rat jedoch keine entsprechenden Beschlüsse. E: "Richtlinien für das Verhalten kirchlicher Stellen". Kirchliche Stellen, insbesondere aber die Kirchenkanzlei, waren von verschiedensten Seiten immer wieder darum gebeten worden, gegen als Unrecht oder besondere Härte empfundene Mißnahmen der Besatzungsmächte zu protestieren. Daraufhin hatte die Kirchenkanzlei den Rat um eine Entscheidung gebeten, ob sie wie bisher von Fall zu Fall entscheiden sollte oder aber der Erlaß von verbindlichen R ichtlinien notwendig sei (vgl. dazu die ausführliche Vorlagefür die Ratssitzung: 11D5, S. 79f).

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Punkt 16 Personalien a) Der Rat der EKD ist damit einverstanden, dass Pastor Fahrenheim als Dirigent der Kanzlei der EKD nach Besoldungsgruppe A 2 b besoldet wird. b) Dem Pressverband soll mitgeteilt werden, dass Oberkonsistorialrat Schwarz auf Grund seiner früheren kirchenpolitischen Gesamthaltung nicht das Vertrauen 39 geniesst, das für die Weiterführung eines so stark hervortretenden Amtes wie der Leitung des Pressverbandes erforderlich ist. Von besonderen Vorwürfen, die ihm wegen seines Verhaltens in einzelnen kirchenpolitischen Fällen in Schlesien gemacht werden, kann dabei abgesehen werden, da das Entscheidende die kirchenpolitische Gesamthaltung von OKR Schwarz ist. Der Pressverband soll deshalb für eine anderweitige Regelung in Bezug auf seine Leitung sorgen 40 . Wenn OKR Schwarz mit der erforderlichen Neuregelung nicht einverstanden ist, wird ihm anheim gestellt, ein Disziplinarverfahren gegen sich zu beantragen oder sich einem Schiedsgericht zu stellen, das aus drei Mitgliedern bestehen soll, von denen eines vom Rat der EKD, eines von Oberkonsistorialrat Schwarz benannt werden und ein drittes neutral sein soll41. c) Wegen des Oberkonsistorialrats Ranke soll eine Unterbringung beim Hilfswerk der EKD angestrebt werden 42 .

39 E: "Vertrauen in kirchlichen Kreisen". 40 Ε fährt fort: "Wenn OKR Schwarz mit der erforderlichen Neuregelung nicht einverstanden ist, wird ihm anheim gestellt, ein Disziplinarverfahren gegen sich zu beantragen oder sich einem Schiedsgericht zu stellen, das aus drei Mitgliedern bestehen soll, von denen eins vom Rat der EKD, eines von Oberkonsistorialrat Schwarz und ein drittes von dem Rat und OKR Schwarz gemeinsam bestellt werden soll. Wenn der Ev. Pressverband auf diese Vorschläge nicht eingeht, müsste ihm in Zukunft das Recht bestritten werden, die Bezeichnung evangelisch in seiner Firma zu fuhren." 41 Zu den Vorwürfen gegen Schwarz vgl. C. NICOLAISEN/N.A. SCHULZE, Protokolle Bd. I, S. 395 mit Anm. 44, S. 466f. mit Anm. 44, S. 725 mit Anm. 18. - Auch der Bruderrat hatte auf seiner Sitzung am 26. März 1947 in Darmstadt beschlossen, "dass Herr Oberkonsistorialrat a.D. Schwarz im Hinblick auf seine grundsätzliche Einstellung gegenüber der Bekennenden Kirche in den vergangenen Jahren als Leiter des Evang. Pressverbandes für Deutschland nicht in Betracht kommt" (LKA STUTTGART, Dl/224). Zur Reaktion des Pressverbandes auf den Ratsbeschluß vgl. das Schreiben an die Kirchenkanzlei vom 19. August 1947 (11E4, S. 108ff.); zur abschließenden Behandlung der Angelegenheit durch den Rat vgl. 15B, S. 288. 42 E: "Wegen des Oberkonsistorialrats Ranke wird eine Unterbringung beim Hilfswerk der EKD in Aussicht genommen." Ranke, seit 1938 Oberkirchenrat in der Kirchenkanzlei der DEK, wurde dann vom 1. Mai bis 31. Dezember 1947für begrenzte Zeit als Mitarbeiter im Kriegsgefangenenreferat in die Kirchenkanzlei berufen (vgl. dazu C. NICOLAISEN/N.A. SCHULZE, Protokolle Bd. I, S. 722, Anm. 7).

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d) Es wird vorgesehen, dass Staatsanwaltschaftsrat Domroi [Dombois] vorbehaltlich seiner Entnazifizierung dem kirchlichen Aussenamt als kirchlicher Hilfsarbeiter für etwa 2 Jahre zur Verfügung43 gestellt wird. Um Mittel für seine Besoldung soll das Hilfswerk gebeten werden. Wenn das Hilfswerk die erforderlichen Mittel nicht zur Verfügung stellt, muss der Rat der EKD neu entscheiden44. Punkt 17 Anliegen des Ostkirchenausschusses45 [kein Beschluß] Punkt 18 Spruchkammer der EKD Der Rat der EKD sieht von der Errichtung einer Spruchkammer der EKD durch Erlass einer Verordnung ab46. Punkt 19 Vereinheitlichung kirchlicher Feiertage Der Rat der EKD beauftragt die Kanzlei47 bei den zuständigen staatlichen Stellen dafür einzutreten, dass als Busstag einheitlich im ganzen Bereich der EKD der Mittwoch vor Totensonntag als gesetzlicher Feiertag geschützt wird. Um den gleichen Schutz soll für den 31.10. als Reformationstag gebeten werden48. An der Verschiedenheit der Termine für den Erntedanktag soll nichts geändert werden. Ob es erwünscht ist, dass die Landeskirchen sich um eine kirchliche Sinngebung für den 1. Mai bemühen, lässt sich nicht für den Osten und den Westen der EKD einheitlich entscheiden. 43 E:"... als kirchlicher Hilfsarbeiter zur Verfügung ...". 44 Asmussen wandte sich deswegen erst am 23. August 1947 an das Zentralbüro des Hilfswerks und erhielt am 29. August 1947 von Krimm die Antwort, daß das Hilfswerk bereit sei, für die Zeit vom 1. Oktober 1947 bis 30. September 1948 eine Beihilfe von 7.000,-RM zu gewähren (EZA BERLIN, 2/90/1028).

45

Vgl. dazu das Schreiben Asmussens an die Ratsmitglieder vom 4. Februar 1947 (11D6, S. 81), das Schreiben Girgensohns an den Rat vom 14. Februar 1947 (11D7, S. 81f.) und das Memorandum Girgensohns zur Frage der Eingliederung der Ostkirchen (11D8, S. 82-97). • Zum Memorandum Girgensohns vgl. auch H. RUDOLPH, Kirche Bd. I, S. 204ff. 46 Vgl. dazu das Schreiben Asmussens vom 10. März 1947 (11D9, S. 97f.) und den Entwurf für eine Verordnung über die Spruchkammer der EKD (11D10, S. 98f). 47 E: "Kanzlei der EKD". 48 Aus dem Rundschreiben der Kirchenkanzlei an die Landeskirchenleitungen vom 4. September 1947 geht hervor, daß die Kirchenkanzlei selbst nicht bei den staatlichen Stellen tatig geworden ist, sondern stattdessen die Landeskirchen bat, bei den jeweils für sie zuständigen Länderregierungen für eine Anerkennung der kirchlichen Feiertage als gesetzlich geschützte Feiertage einzutreten (11E5, S. UOf.').

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Darüber soll den Landeskirchen eine Mitteilung gemacht werden, in der ihnen frei gestellt ist, je nach ihrer besonderen Situation am 1. Mai gottesdienstliche Veranstaltungen vorzusehen oder von einer kirchlichen Begehung dieses Tages ganz abzusehen. Wo kirchliche Veranstaltungen durchgeführt werden, könnte z.B. die Predigt von wahrer Brüderlichkeit und von der wahren Hoffnung des Christen, ihr Gegenstand sein49. Die Landeskirchen sollen ausserdem gebeten werden, weder den Sonntag Reminiscere noch einen anderen Sonntag in der Passionszeit zum Heldengedenktag50 zu machen. Punkt 20 Unterstützung von Studentenarbeit und von Theologiestudium Zur Unterstützung der kirchlichen Hochschulen [sie!\ in Berlin soll sich der Rat an die kirchlichen Hilfswerke wenden mit der Bitte, den für die Schule erforderlichen Zuschuss von 15.000,- RM zu geben51. Um die zur Finanzierung der neu eingerichteten Studentenarbeit von Pastor Bannach52 erforderlichen Mittel aufzubringen, sollen 10.000,-RM aus der 49 Anloß für diesen Ratsbeschluß war das Schmben des EOK Stuttgart an die Kircbenkanzlei vom 30. Januar 1947, in dem es hieß: "Wie aus einer Mitteilung des Württ. Kultusministeriums hervorgeht, wird der 1. Mai künftighin schulfreier Tag sein. Es legt sich daraus die Frage nahe, ob nicht an diesem Tag eine kirchliche Feier gehalten werden soll. Der Ev. Oberkirchenrat bittet die Kanzlei um Mitteilung von etwaigen diesbezüglichen Vorschlägen und um Veranlassung einer etwaigen gemeinsamen Sinngebung für diesen Tag im Rahmen der EKD" (EZA BERLIN, 2/84/6512).

50 Diese Bezeichnung für den späteren Volkstrauertag war 1934 von den Nationalsozialisten eingeführt worden (vgl. dazu C . N I C O L A I S E N / N . A . SCHULZE, Protokolle Bd. I , S. 3 2 9 mit Anm. 3 4 ; vgl. dazu außerdem den Beschlußder vorherigen Sitzung 10B, S. 3). 51 Auf eine entsprechende Anfrage teilte das Stuttgarter Zentralbüro des Hilfswerks der Kirchenkanzlei in seinem Schreiben vom 9. Mai 1947 mit, der Kirchlichen Hochschule Berlin seien "bereits namhafte Unterstützungen zugegangen" (EZA BERLIN, 2 / 3 6 7 ) . Von diesen Unterstützungen, die sich auf insgesamt 220.000,- RM beliefen, habe der Rat bei seinem Beschluß offenbar keine Kenntnis gehabt. Ein Zuschuß durch einzelne landeskirchliche Hilfswerke sei deshalb nicht nötig. Dennoch bat die Kirchliche Hochschule Berlin bei der Kirchenkanzlei mit zwei weiteren Schreiben vom 7. Juni 1947 und 13. Oktober 1947 erneut um die Bewilligung zusätzlicher Mittel (beide Schreiben: EBD.). Unter Hinweis auf die Stellungnahme des Zentralbüros beantwortete die Kirchenkanzlei diese Bitten mit Schreiben vom 25. November 1947: "Für den Fall, dass trotz dieser Unterstützungen noch ein weiterer Zuschuss für dieses Jahr erforderlich sein sollte, müssen wir anheimgeben, sich deswegen an die zuständige Berliner Stelle der Kanzlei der EKD zu wenden, die sich dann in Ausführung des genannten Ratsbeschlusses an das Zentralbüro-Ost des Hilfswerks der EKD wenden kann" (EBD.). 52 Auf einer gemeinsamen Sitzung der Studentenpfarrerkonferenz und des Vertrauensrates der Ev. Studentengemeinde in Deutschland (ESGJ am 27. April 1946 war eine vorläufige Ordnung für die ESG beschlossen worden (Abdruck.· KJ 1945-1948, S. 229ff.). Horst Bannach, seit 1945 Studentenpfarrer in Hamburg, war 1947 zum Generalsekretär der ESG ernannt worden (zur Neuordnung

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11. Sitzung Frankfurt/Main 27. und 28. März 1947

Kollekte für kirchliche Notstände gegeben werden. Ausserdem soll sich der Rat an die Landeskirchen wenden und von ihnen eine Beihilfe von je 1.000,bis 4.000,- RM53 erbitten54. Punkt 21 Nationalrat der Kirchen in Deutschland Der Rat billigt es, wenn ein loser Zusammenschluss mit den Ev. Kirchen in Deutschland55 geschaffen wird. Der Ausdruck "Rat", der auf eine engere Gemeinschaft schliessen lässt, soll vermieden werden56. Punkt 22 Historische Kommission Der Rat ist damit einverstanden, wenn die Frage der Historischen Kommission zunächst in der Schwebe bleibt57.

der ev. Studentenarbeit in Deutschland nach dem 2. Weltkrieg vgl. E. MÜLLER, Widerstand, S. 56-61; H . C . ROHRBACH, S t u d e n t e n g e m e i n d e ) .

53 E: "Beihilfe von 1.000,- bis 4.000,-". 54 Vgl. dazu das Schreiben der Kirchenkanzlei an die Landeskirchenregierungen vom 30. Mai 1947 (11E6, S. Ulf.). 55 E:"[...] loser Zusammenschluss der Ev. Kirchen in Deutschland". 56 Nachdem der Rat auf seiner 10. Sitzung am 24./2S. Januar 1947 in Treysa beschlossen hatte, die Kirchenkanzlei solle Verhandlungen mit den Freikirchen zur Bildung eines Nationalrates der deutschen Kirchen einleiten, hatte am 21. März 1947 in Stuttgart eine erste Besprechung im kleinen Kreis zwischen Siegel, von Harting, Sommer, Huber und Schempp stattgefunden (vgl. dazu die "Niederschrift über die Besprechung für die Gründung des Nationalrates der Deutschen Kirchen" vom 21. März 1947: 11E7, S. U3ff.; vgl. außerdem die Notiz von Hartings für die Ratssitzung vom 21. März 1947: 11D11, S. 99f). Siegel teilte den Ratsbeschluß Sommer und Schempp am 9. April 1947 schriftlich mit (EZA BERLIN, 2/183). An den bereits auf der Besprechung im März ins Auge gefaßten Teilnehmerkreis für die künftige Verbindung von evangelischen Kirchen versandte die Kirchenkanzlei ein Schreiben mit Informationen zum geplanten Zusammenschlug und einem Fragenkatalog über das Wesen der angeschriebenen Kirchen (vgl. z.B. das Schreiben der Kirchenkanzlei an die Ev.-Luth. Kirche Altpreußen vom 29. Juli 1947: 11E8, S. 115f). Daneben entwarf die Kirchenkanzlei noch ein weiteres Schreiben an einen größeren Kreis von religiösen Gemeinschaften, das lediglich den Fragenkatalog über deren Wesen enthielt (vgl. das Rundschreiben der Kirchenkanzlei "an die Sekten, Gemeinschaften" vom 28. Juli 1947: EZA BERLIN, 2/185). - Zur Gründung des später dann "Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland" genannten Zusammenschlusses vgl. 16B., S. 362; 17B, S. 399. 57 Die Gründung einer Historischen Kommission hatte erstmals der Archivar der Brandenburgischen Provinzialkirche, Lerche, in zwei Denkschriften von 1934 und 1936 angeregt (vgl. dazu].C. KAISER, Wissenschaftspolitik, S. 129f.). Seine Gedanken waren 1941 von der "Arbeitsgemeinschaft landeskirchlicher Archivare" auf ihrer Jahrestagung auf dem Hainstein bei Eisenach aufgegriffen worden, die seine Vorschläge modifiziert und sich wegen der Gründung einer Historischen Kommission an die Kirchenkanzlei der DEK gewandt hatte (vgl. dazu EBD., S. 131-134; C . N L C O L A I S E N / N . A . SCHULZE, Protokolle Bd. I , S. 730, Anm. 40). Ein Jahr nach Kriegsende hatte dann die Kirchenkanzlei der EKD das Archivamt gebeten, "die Vorarbeiten zur Gründung einer Historischen Kommission der EKD wieder aufzunehmen und im Benehmen mit Herrn Prof.

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Punkt 23 Gesetz vom 14.7.1933 über die Verfassung der EKD [muß heißen:

DEKf8 Bei dem Religionsoffizier bei der amerikanischen Militärregierung in Deutschland soll angefragt werden, ob es richtig ist, dass der Interalliierte Kontrollrat das Wiederinkrafttreten des Gesetzes vom 14.7.1933 über die Verfassung der DEK 5 9 beschlossen hat60.

Dr. Smend und uns fortzuführen" (Schreiben vom 25. April 1946: EZA BERLIN, 2/94). Die vordringlichsten Aufgaben der künftigen Kommission hatte Maurer in seinem Schreiben vom 13. August 1946 an das Archivamt entfaltet (11E9, S. 116ff.); diese gutachterliche Stellungnahme Maurers hatte das Archivamt mit Schreiben vom 21. August 1946 der Kirchenkanzlei zukommen lassen (EZA BERLIN, 2/94). Aus dem Schreiben geht hervor, daß "die Herren des vorbereitenden Ausschusses - die Professoren D. Bornkamm und D.Dr. Smend und D. Ritter" zu einer Stellungnahme aufgefordert worden waren. Am 20./21. Oktober 1946 hatten sich dann Hosemann, Schwarz, Lampe, v. Harling, Smend und Maurer in Marburg getroffen, um über die Aufgaben der Kommission zu verhandeln (vgl. dazu J.C. KAISER, Wissenschaftspolitik, S. 135f.; vgl. auch das Schreiben Smends an Ritter vom 25. Oktober 1946[Datum unsicher]: EZA BERLIN, 2/99). Dabei fehlten Aland, Bornkamm und Ritter. Auf der Sitzung wurden vorwiegend die Vorschläge Maurers und die abweichenden Gedanken Ritters diskutiert. Hosemann brachte außerdem den Vorschlag ein, auch den "Kirchenkampf' als Aufgabe in die Kommissionsarbeit mit einzubeziehen. Die praktische Arbeit der Kommission sollte von einem Sekretär übernommen werden, wofür Maurer vorgeschlagen wurde. Dem Archivamt und der Arbeitsgemeinschaft landeskirchlicher Archivare wurde kein Mitgliedsstatus mehr zugestanden. Der Rat stellte dann die Entscheidung über Organisation und Aufgaben der Historischen Kommission auf seiner 9. Sitzung am 26./27. November 1946 zunächst zurück (vgl. C. NICOLAISEN/N.A. SCHULZE, Protokolle Bd. I, S. 730f.). Über diese Entscheidung zeigte sich Lampe in seinem Schreiben vom 31. Dezember 1946 an Merzyn bestürzt: "Die Frage der 'Historischen Kommission1 ist ja nun leider auf der letzten Ratssitzung durch die Art, wie sich Herr Professor D.Dr. Smend zur Sache gestellt hat, zu Grabe getragen oder zumindest auf Eis gelegt. Dabei hat sich gerade in den letzten Tagen für das Archivamt die dringende Notwendigkeit der Bearbeitung bzw. Inangriffnahme gesamtkirchenhistorischer Dinge ergeben, wie auch damit die Frage der Schaffung einer zentralen Biblbiothek für die EKD zusammenhängt und in ihren Ansätzen nicht länger aufgeschoben werden kann, wenn nicht die Ev. Kirche in all [sie!] derartigen Punkten gegenüber ihren innersten Belangen sich im Rückstände befinden will" (EZA BERLIN, 2/99). Im Vorfeld der erneuten Beschlußfassung durch den Rat hatte Maurer in seinem Schreiben vom 27. Januar 1947 an Merzyn dann um eine offizielle Beauftragung durch den Rat gebeten und erneut seine Vorschläge für die Arbeit der Kommission unterbreitet (11E10, S. 118f). Auch Lampe wies in einem Schreiben an Merzyn vom 3. März 1947 nochmals daraufhin, daß die "Aufgaben für eine solche Kommission [...] immer dringlicher" würden (EZA BERLIN, 2/100). Den Beschluß des Rates, der die Frage weiterhin in der Schwebe Ιίφ, teilten Fahrenheim und Merzyn Maurer in getrennten Schreiben vom 14. und 17. April 1947 mit (EBD.). - Zum Fortgang vgl. den Beschluß des Rates auf seiner 14. Sitzung am 5./6. August 1947 in Frankfurt/Main (14B, S. 225). 58 GB1DEK 1933, S. 9. 59 E: "EKD".

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11. Sitzung Frankfurt/Main 27. und 28. März 1947

P u n k t 2 4 Evangelisches H i l f s w e r k D i e Frage, o b Präsident A s m u s s e n D D . d e m E x e k u t i v k o m m i t e e [sie!] des H i l f s w e r k e s beitreten soll 6 1 , f ü h r t zu einer Aussprache über den gesamten W i r k u n g s k r e i s des H i l f s w e r k e s . D e r R a t k a n n sich die v o n D r . G e r s t e n m a i e r v e r t r e t e n e A n s i c h t , dass er keine Befugnisse ü b e r das H i l f s w e r k habe, nicht aneignen. V i e l m e h r untersteht nach seiner M e i n u n g das H i l f s w e r k d e m Rat der E K D . D e r R a t muss das R e c h t haben, sich in die G e s c h ä f t s f ü h r u n g u n d Planung des H i l f s w e r k e s 6 2 jederzeit einen Einblick zu v e r s c h a f f e n . D e m e n t s p r e c h e n d beschliesst der Rat, D r . G e r s t e n m a i e r mitzuteilen, dass er sich die v o n i h m geltend gemachte A u f f a s s u n g , dass d e r R a t keine Befugnisse über das H i l f s w e r k habe, nicht zu eigen m a c h e n k ö n n e 6 3 .

60 Ein Schreiben mit einer entsprechenden Anfrage richtete Asmussen am 1. April 1947 an Olsen (EZA BERLIN, 2/3). A mdt schrieb daraufhin am 22. April 1947 an Wurm: "This office herewith transmits a copy of the notification of the Allied Control Authority, Control Council, to the effect that the Reich Law concerning the Constitution of the German Evangelical Church of 14 July, 1933, has been repealed together with all supplementary or explanatory laws, ordinances and decrees. Your attention is called particulary to the second article stating that this action is not deemed to affect the constitution of the German Evangelical Church of 11 July, 1933, but that the appropriate German Church Authorities shall be free to maintain or abrogate in whole or in part this Constitution as an internal ecclesiastical matter. The Law came into force on the 20 March, 1947" ( E B D . ) ; ein gleiches Schreiben ging am 19. April 1947 auch an Asmussen ( E B D . ) . Den Wortlaut des Gesetzes teilte Asmussen den Ratsmitgliedem mit Schreiben vom 28. April 1947 mit (11E11, S. 120; vgl. außerdem ABlEKD Nr. 18/19, 1./15. September 1947, S. 131ff., und das Rundschreiben der Kirchenkanzlei an die obersten Kirchenbehörden vom 19. Mai 1947: EZA BERLIN, 2/3). · Das Gerücht um die Wiederinkraftsetzung des Reichsgesetzes entstammte nach G einer Rundfunkmeldung. 61 Wurm hatte Asmussen in einem Schreiben vom 2. Januar 1947 "im Blick auf meine anderen verantwortungsvollen Ämter" darum gebeten, "an meiner Statt den Vorsitz im Exekutiv-Ausschuss des Hilfswerkes zu übernehmen" (EZA BERLIN, 2/178). 62 E:"... sich in die Geschäftsführung des Hilfswerkes". 63 Dieser Beschluß ist die Reaktion des Rates auf die schriftliche Stellungnahme Gerstenmaiers vom 10. Februar 1947 zur Kontroverse mit dem Rat über das rechtliche Verhältnis von Hilfswerk und EKD (10E3, S. 36f; vgl. dazu auch den Beschluß 10B, S. 7). • In einem undatierten Vermerk der Kirchenkanzlei für Asmussen heißt es über den Verlauf der Debatte im Rat: "1. [... Gerstenmaier] hatte die Behauptung aufgestellt, dass die Vorgeschichte des Evang. Hilfswerks einen [sie!] Teil der Geschichte jenes geheimen Deutschlands ist, das man die deutsche Widerstandsbewegung genannt hat. In der darauffolgenden Debatte hat nur Herr Landesbischof D. Wurm dazu Stellung genommen. Er führt aus: Das sachliche Vorgehen Dr. Gerstenmaiers mag schon seinen besonderen Grund haben, aber es liegt keine Veranlassung vor, den kirchlichen Charakter des Hilfswerkes in Zweifel zu ziehen. Der Ursprung des Hilfswerkes liegt einerseits in der Bereitschaft der Kirche der Ökumene, andererseits in der Bereitschaft der Kirchen in Deutschland, mit diesen Kreisen zusammenzugehen. Es ist eindeutig, dass der Ursprung

11C Anlagen und Beschlußtexte

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Die nächste Sitzung des Rates soll am 12. und 13. Mai in Berlin stattfinden und am 12. Mai morgens beginnen. Für die Rückfahrt wird der 13. mittags vorgesehen 64 . 11C

Anlagen und Beschlußtexte 11C1. Gebet für die Kirchenversammlung. Frankfurt/Main, 27.128. März 1947 F:EZA Berlin, 2/40 (H). Beim Gebet für die Kirche ist einzuschieben: Wir bitten Dich, Herr unser Gott, lege Deinen Segen auf die Kirchenversammlung der Evang. Kirche in Deutschland. Gib in Gnaden, dass Dein Volk eins werde, und dass sie alle geheiligt werden in der Wahrheit. Binde die Gewissen an Dein Wort und befreie die Gewissen durch Dein Wort, damit wir Deine Zeugen sind und Deinem Namen die Ehre geben. 11C2. Bußgebet zur Friedenskonferenz. Frankfurt/Main, 27.128. März 1947 F.-EZA Berlin, 2/84/046/1 (H; Anlage 2 zu 11 Bf5. -Abdruck u.a. F. Merzyn, Kundgebungen, S. 50f. 1. Bussgebet und Gnadenverkündigung: a) Gott, der Du uns Verstössen und zerstreut hast und zornig warst, tröste uns wieder! Der Du die Erde bewegt und zerrissen hast, heile ihre Brüche, die so zerschellt ist. Denn Du hast Deinem Volk Hartes erzeigt; Du hast uns einen Trunk Weines gegeben, dass wir taumelten: Du hast aber doch ein Panier gegeben denen, die Dich fürchten, welches sie aufwarfen und das sie sicher machte. Schaffe uns Beistand in der Not; denn Menschenhilfe ist nichts nütze. Herr, erbarme dich über uns!

im Gedanken der christlichen Bruderliebe wurzelt. 2. Einen [sic!\ Beschluß über die ganze Angelegenheit ist hier nicht gefasst. Auch die Feststellung der Westfalen, dass unter den genannten Voraussetzungen Dr. Gerstenmaier als Leiter des Hilfswerks untragbar sei, ist nicht weiter zur Debatte gestellt worden" (EZA BERLIN, 2/178). - Zur späteren Ordnung des Hilfswerks vgl. 20B, S. 561f, 21B, S. 583f. 64 Vgl. S. 127-171. - Zur 11. Sitzung vgl. auch das Schreiben Asmussens an die Ratsmitglieder vom 31. Januar 1947 (11D12, S. 101), die Berichte Asmussens an die bei der Sitzung abwesenden Mitglieder Meiser und Niemöller vom 29. März 1947 (11E12, S. 120-124, und 11E13, S. 124ff.) und den Antrag Dohrmanns an den Rat vom Ii. März 1947 (11D13, S. 101f.). 65 Vgl. auch den von Held zur Sitzung vorgelegten Entwurf (E) für das Bußgebet (u.a. NL SMEND).

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11. Sitzung Frankfurt/Main 27. und 28. März 1947

b) So wahr ich lebe, spricht der Herr, ich habe keinen Gefallen am Tode des Gottlosen, sondern dass sich der Gottlose bekehre von seinem Wesen und lebe66, oder: a) Ο allmächtiger, barmherziger Gott und himmlischer Vater, dessen Barmherzigkeit kein Ende hat, der Du langmütig, gnädig und von grosser Güte und Treue bist, und vergibst Missetat, Übertretung und Sünde: wir haben gesündigt und übel vor dir getan. Aber Herr, gedenke nicht an unsere vorige Missetat, lass bald deine Barmherzigkeit über uns grösser sein, denn wir sind sehr elend geworden. Hilf uns, Gott unseres Heils, erwecke und vergib uns unsere Sünde um Deines lieben Sohnes, unseres Heilandes Jesu Christi willen. Amen. b) So spricht der Herr: Fürchte Dich nicht, liebes Land, sondern sei fröhlich und getrost; denn der Herr kann auch grosse Dinge tun 67 . 2. Einschaltung in das Fürbittengebet: a) Herr, allmächtiger Gott, Du König aller Könige und Herr aller Herren, der Du den Kriegen steuerst in aller Welt, Bogen zerbrichst, Spiesse zerschlägst und Wagen mit Feuer verbrennst: Wir gedenken vor Dir der dunklen Tage und des tiefen Falls unseres Volkes 68 . Wir bitten Dich, tilge unser Volk nicht aus der Reihe der Völker, stosse es nicht in die Nacht der Knechtschaft. Entzieh, ο Herr, den Friedensberatungen der Völker Deinen Segen nicht; schenke den Geist der Weisheit 69 . Lass Recht und Gerechtigkeit unter den Völkern herrschen. Bändige die finsteren Gewalten, die Hass und Vergeltung unter den Völkern wach erhalten. Verleih unserem Lande und der ganzen Welt einen Frieden nach deinem Wohlgefallen. Vereinige Deine ganze Christenheit auf Erden in der beständigen Bitte, dass die Völker und ihre Regierungen das gute Werk des Friedens treiben. Ο Herr, wir sündigen Menschen können dies hohe Werk nicht vollbringen, aber Dein Geist kann Menschenherzen bekehren; darum bitten wir Dich um Deinen heiligen Geist. b) Allmächtiger, barmherziger Gott, der Du stillest das Brausen der Meere und das Toben der Völker, der Du den Kriegen steuerst in aller Welt, wir bitten Dich, Du wollest als der Gott alles Friedens die Herzen der Mächtigen, die über den Frieden der Völker beraten, also lenken 70 , dass sie Deine 66 Ez33,ll. 67 Joel 2, 21. 68 E:"[...] und des tiefen Falls, dass Du uns unter alle Völker gedemütigt und uns Lasten auferlegt hast, bitter und schwer".

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11C Anlagen und Beschlußtexte

Gerechtigkeit fürchten und suchen. Wehre allem bösen Rat, der den Weg der Mässigung und des Friedens nicht kennen will. Gib uns wieder Ruhe unter einem gerechten Regiment und lass Deine Furcht kommen über alle Reiche auf Erden. Mehre Dein Reich, das Du unter uns aufgerichtet hast. Sei uns gnädig, ο Herr Gott, in aller unserer Schuld und Not und erzeige uns Deine Barmherzigkeit.

11C3. Wort des Rates an die Gemeinden zur Friedenskonferenz. Frankfurt/Main, 27.128. März 1947 F: EZA Berlin,

2/84/046/1

S. 5Of.; G. Heidtmann,

(H; Anlage

Hat die Kirche

3 zu IIB). • Abdruck: geschwiegen,

F. Merzyn,

Kundgebungen,

S. 30f.

Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland wendet sich an alle Gemeinden mit folgendem Wort, das am Sonntag, dem 27.4.1947 in allen Gottesdiensten verlesen werden soll: "Gnade sei mit Euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus!" 71 Dieser apostolische Gruss spricht von der Gnade und dem Frieden, die wirklich da sind und uns durch Jesus Christus immer wieder geschenkt werden, wenn wir Glauben halten. Diese Gnade und dieser Friede trösten uns in unserer deutschen Lage, wo wir uns selbst den Siegermächten auf Gnade und Ungnade übergeben haben, wo wir zwischen Krieg und Frieden die Voraussetzungen noch nicht kennen, unter denen wir als Volk künftig werden leben können. Diese Gnade und dieser Friede stehen nicht in Menschenmacht, darum sind und bleiben sie unsere Zuversicht mitten im Chaos des durch unsere Schuld zerstörten deutschen Lebens. Diese Gnade und dieser Friede bewahren uns vor der Verachtung der Menschen und der Verbitterung gegenüber den siegreichen Völkern, die bisher keinen gemeinsamen Weg gefunden haben, unserem deutschen Volk das ihm von Gott geschenkte Leben zu erhalten. In Moskau sind die Siegermächte zusammengetreten und haben über die Grundlinien eines Friedens mit Deutschland die Beratungen begonnen. Diese Verhandlungen entscheiden über Leben oder Tod unseres Volkes. Wir prüfen unsere Hoffnungen und Wünsche, ob sie vor Gott bestehen und vor den Völkern der Welt vertreten werden können. Wir fragen als Christen, die sich selbst unter Gottes Gericht wissen, alle, die es angeht, ob Barmherzigkeit, 69 E:"[...] schenke den Geist der Nüchternheit und der Weisheit, dass Recht und Gerechtigkeit unter den Völkern herrschen". 70 E:"[...] Du wollest als der Gott die Herzen der Mächtigen, die über den Frieden der Völker beraten, also lenken". 71 Rom 1,7.

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11. Sitzung Frankfurt/Main 27. und 28. März 1947

Billigkeit und Mässigung, wenngleich wir selbst sie vielfach verleugnet haben, nicht auch für ein besiegtes Volk ihr geheiligtes Recht haben und die Verheissung, dass so allein Friede bestehen kann zwischen den Völkern. Wir hoffen auf die Freilassung der Millionen Kriegsgefangenen. Sie dürfen nicht länger allein mit ihrer Gesundheit und ihrem Leben die Wiedergutmachung erfüllen, die unserem ganzen Volk gemeinsam zu leisten obliegt. Wir hoffen auf die Zurückerstattung deutschen Landes, das jetzt von fremder Macht verwaltet und von fremder Bevölkerung in Anspruch genommen wird. Unser Volk wird sonst in der Enge seines Landes ersticken und sterben müssen. W i r hoffen auf die Beseitigung der Zonengrenzen, die nicht länger die wirtschaftliche Betätigung, den Wiederaufbau des zerstörten Wohnraumes und den deutschen Warenaustausch lähmen dürfen. Wir werden sonst als die Bettler Europas anderen zur Last fallen, verkommen und verhungern. Wir hoffen, dass wir eine deutsche Obrigkeit haben werden, die in eigener Verantwortung das ihr von Gott aufgetragene Amt erfüllt, dem auf allen Gebieten hereingebrochenen Chaos zu wehren entschlossen ist und in nüchterner Selbstbescheidung den Frieden hält, der unserem Volke nach zwei Kriegen in einer Generation unausweichlich geboten ist. Wir wissen nicht, ob die Beratungen in Moskau zum Abschluss gebracht werden können. Wir wissen nicht, ob ihr Ergebnis unserem Volk eine Hoffnung für die Zukunft gibt. Wir sind auf die Gnade und den Frieden des Herrn angewiesen, der auch die Herzen der Mächtigen lenken kann wie die Wasserbäche, der vom Himmel schaut auf aller Menschen Kinder, dass er sehe, ob jemand klug sei und nach Gott frage. So wollen wir zu dieser Zeit in allen Gemeinden Ihn sonntäglich anrufen im gemeinsamen Bussgebet und in gemeinsamer Fürbitte für den Frieden aller Völker. Dabei dürfen wir uns getragen und gehalten wissen von der Fürbitte der Christenheit in allen Völkern, die gleich uns um den Frieden betet. W i r wollen in allen Gemeinden von heute ab den sonntäglichen Gottesdienst beschliessen mit dem gesungenen Gebete Paul Gerhardts, das uns in den vergangenen Jahren der Not unserer Kirche im Glauben gestärkt und in der Hoffnung fest gemacht hat [:] Mach End, ο Herr 7 2 .

72 EG Nr. 361, Strophe 12.

1 ID Vorlagen und Anträge

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11D Vorlagen und Anträge 11D1. Notiz von Hartings für die Ratssitzung. Schwäbisch Gmünd, 25. März 1948 F: EZA Berlin, 2/209 (O mit Paraphe von Harlings).

Notiz fuer die Ratssitzung vom 27./28.3.47 zu Besprechungspunkt 4: Stellungnahme zur Friedenskonferenz. Uebersicht ueber die eingegangenen Aeusserungen: 1. Muenchen: Einschaltung in das allgemeine Kirchengebet angeordnet. 2. Stuttgart: Fuerbitte in allen Gottesdiensten durch Einschaltungen in das allgemeine Kirchengebet bereits angeordnet. Veranstaltung eines besonderen Betsonntags vorgeschlagen. 3. Hannover (luth.): La. Bi. hat Pastoren woechentlich Betstunden empfohlen und im Wochenbrief darauf hingewiesen, dass auch in Gottesdiensten und Andachten der Moskauer Verhandlungen stets gedacht werden sollte, m[zi] Vorschlag fuer Zusaetze zu Kirchengebeten. Weiter will die Landeskirche nichts veranlassen. 4. Westfalen: Besondere Gebetswoche im Anschluss an Rogate fuer Westfalen beabsichtigt. 5. Schaumburg-Lippe: Einschub ins allgemeine Kirchengebet. Besondere Gebetswoche nicht beabsichtigt. Wort des Rats der EKD mit Aufforderung zur taeglichen Fuerbitte, auch zu Hause, vorgeschlagen. Falls Gebetswoche fuer den Frieden von der EKD beabsichtigt, wird Beteiligung der Oekumene vorgeschlagen. 6. Eutin: Fuerbitte in allen Gottesdiensten und Bibelstunden angeordnet. Dies wird fuer ausreichend gehalten. 7. Maennerwerk: Wort der EKD an Pfarrer, Gemeinden und Oeffentlichkeit und Aufforderung zu besonderem Gebet und Bittgottesdienst vorgeschlagen. 8. Dr. Kurt Ehlers, Wohltorf: Ausfuehrlicher Vorschlag fuer ein Wort der EKD an das deutsche Volk, das fuer wichtiger angesehen wird, als ein Wort an die verhandelnden Maechte; ausserdem besonderer Bittgottesdienst an einem der naechsten Sonntage vorgeschlagen. 9. Lie. Dr. Bunzel, z.Zt. Rheinhausen (ehemals Dekan f[«r] Mittelschlesien): Kanzelabkuendigung nach Vorbild der katholischen Kirche vorgeschlagen.

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11. Sitzung Frankfurt/Main 27. und 28. März 1947

11D2. Entwurf für ein Wort des Rates zur Friedenskonferenz F: NL Smend(H). • Abdruck: KABlRheinland 1947, Nr. 4 vom 22. März 1947(als Beschluß der rheinischen Kirchenleitung). Entwurf I. D e r Rat der Evangelischen in Deutschland wendet sich an alle Gemeinden mit folgendem W o r t , das am Sonntag, dem 20.4.1947 in allen Gottesdiensten verlesen werden soll: "Gnade sei mit Euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus!" 7 3 Dieser apostolische Gruss spricht von der Gnade und dem Frieden, die wirklich da sind und uns durch Jesus Christus immer wieder geschenkt werden, wenn wir Glauben halten. Diese Gnade und dieser Friede trösten uns in unserer deutschen Lage, wo wir uns selbst den Siegermächten auf Gnade und Ungnade übergeben haben, wo wir zwischen Krieg und Frieden die Voraussetzungen noch nicht kennen, unter denen wir als Volk künftig werden leben können. Diese Gnade und dieser Friede stehen nicht in Menschenmacht, darum sind und bleiben sie unsere Zuversicht mitten im Chaos des durch unsere Schuld zerstörten deutschen Lebens. Diese Gnade und dieser Friede bewahren uns vor der Verachtung der Menschen und der Verbitterung gegenüber den siegreichen Völkern, die bisher keinen gemeinsamen Weg gefunden haben, unserem deutschen V o k das ihm von Gott geschenkte Leben zu erhalten. In Moskau sind die Siegermächte zusammengetreten, um über die Grundlinien eines deutschen Friedens die ersten gemeinsamen Beratungen zu beginnen. In diesem Augenblick, der über eine Wende der sich ständig steigernden Lebensnot unseres Volkes entscheidet, prüfen wir unsere Hoffnungen und Wünsche, ob sie vor G o t t und den Völkern der Welt bestehen können. W i r fragen als Christen, die sich mit dieser Frage selbst unter das göttliche Gericht gestellt wissen, alle, die es angeht, ob Barmherzigkeit, Billigkeit und Mässigung, wenngleich wir selbst sie vielfach verleugnet haben, nicht auch für ein besiegtes V o l k ihr geheiligtes Recht haben und die Verheissung, dass so allein Friede bestehen kann zwischen den Völkern. Auch wider manchen Augenschein wollen wir uns an gegebene Zusagen halten, dass wir als V o l k nicht von Menschen gerichtet und ausgetilgt werden sollen. W i r hoffen auf die Freilassung der Millionen Kriegsgefangenen, weil sie nicht länger allein mit ihrer Gesundheit und ihrem Leben die Wiedergutmachung erfüllen dürfen, die unserem ganzen V o l k gemeinsam zu leisten obliegt. W i r hoffen auf die Zurückerstattung deutschen Landes, das jetzt von fremder Macht verwal-

73

Rom 1, 7.

1 ID Vorlagen und Anträge

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tet und von fremder Bevölkerung in Anspruch genommen wird; sonst wird unser Volk in der Enge seines Landes ersticken und sterben müssen. Wir hoffen auf die Beseitigung der Zonengrenzen, die nicht länger die wirtschaftliche Betätigung, den Wiederaufbau des zerstörten Wohnraumes und den deutschen Warenaustausch lahmen dürfen; sonst werden wir als Bettler Europas anderen zur Last fallen, verkommen und verhungern. Wir hoffen auf eine deutsche Obrigkeit, die in eigener Verantwortung das ihr von Gott aufgetragene Amt erfüllt, des auf allen Gebieten hereingebrochenen Chaos zu wehren; die ihre internationalen Verpflichtungen erfüllen kann und in nüchterner Selbstbescheidung den Frieden hält, der unserem Volke nach zwei Katastrophen in einer Generation unausweichlich geboten ist. Wir wissen nicht, ob die Beratungen in Moskau zum Abschluss gebracht werden können. Wir wissen nicht, ob ihr Ergebnis unserem Volk eine Hoffnung für die Zukunft gibt. Wir haben keine Möglichkeit, mit den Mitteln der Selbstbehauptung der Völker uns selbst zu vertreten. Wir sind auf die Gnade und den Frieden unseres Herrn angewiesen, der auch die Herzen der Mächtigen lenken kann wie die Wasserbäche, der vom Himmel schaut auf aller Menschen Kinder, dass er sehe, ob jemand klug sei und nach Gott frage. So wollen wir zu dieser Zeit in allen Gemeinden Ihn sonntäglich anrufen im gemeinsamen Bussgebet und in gemeinsamer Fürbitte für den Frieden aller Völker. Dabei dürfen wir uns getragen und gehalten wissen von der Fürbitte der Christenheit in allen Völkern, die gleich uns um den Frieden betet. Wir wollen in allen Gemeinden von heute ab den sonntäglichen Gottesdienst beschliessen mit dem gesungenen Gebete Luthers, das uns in den vergangenen Jahren der Not unserer Kirche im Glauben gestärkt und in der Hoffnung fest gemacht hat: "Verleih uns Frieden gnädiglich, Herr Gott, zu unseren Zeiten! Es ist ja doch kein anderer nicht, der für uns könnte streiten, denn du, unser Gott, alleine."74

74 EG Nr. 421.

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11. Sitzung Frankfurt/Main 27. und 28. März 1947

11D3. Schreiben Asmussens an die Mitglieder des Rates. Schwäbisch Gmünd, 28. Januar 1947 F: LKA Stuttgart, Dl/214 (O). Sehr verehrte Herren und Brüder! Ich bitte Sie hierdurch, für die nächste Sitzung noch einmal die Frage eines Ausschusses für gottesdienstliche Angelegenheiten ernsthaft zu erwägen. Ich glaube nicht, dass ein solcher Ausschuss die Selbständigkeit der Landeskirchen angreifen muss oder die Kompetenzen des Rates notwendig überschreitet. Es laufen eine solche Fülle von Anfragen ein, die wir von der Kanzlei alle notdürftig beantworten müssen, dass ich für die Schaffung einer Instanz, die die Mitverantwortung meiner Antworten übernimmt, recht dankbar wäre. Gerade, wenn ich das ernst nehme, was gelegentlich der letzten Sitzung wieder durch Herrn Landesbischof Meiser geltend gemacht worden ist, muss ich meine Bitte dringlich aussprechen. Es liegt in gar keiner Weise in meinem Interesse, die Ordnungen, wie sie in den Landeskirchen bestehen, irgendwie anzugreifen. Warum sollten die Ratschläge, die ich von hier aus als Antworten erteile, nicht möglichst in Uebereinstimmung gebracht werden mit dem Brauch, wie er in Bayern besteht? N u r ist der Zustand schwer haltbar, dass ich auf der einen Seite von Pfarrern, Gemeinden und selbst Kirchenregierungen dauernd mit Bitten um Ratschläge bestürmt werde, auf der anderen Seite aber ausser Stande bin, aus Kompetenzgründen solche Ratschläge zu erteilen. Ich denke mir die Lösung dieser Frage so, dass die hängenden Fragen in einem solchen Kreise besprochen werden, der in der Lage ist, die verschiedenen vorhandenen Anliegen zu übersehen und möglichst einander zu koordinieren. F ü r eine Erwägung dieser Angelegenheit wäre ich den Herren sehr dankbar, damit die Arbeit möglichst vorangeht. D e r Präsident: Asmussen [m.p.] 11D4. Schreiben der Kirchlichen Hochschule Berlin an den Rat. Berlin-Zehlendorf, 27. Dezember 1946 F: EZA Berlin, 2/366 (O). Die Kirchliche Hochschule bittet für ihre Verhandlungen wegen der Rechtsstellung der Kirchlichen Hochschule, die hier demnächst gepflogen werden müssen, den Rat der E K i D um Anerkennung der Kirchlichen Hochschule, Berlin. Diese Anerkennung ist praktisch erfolgt in der freundlichen Förderung, deren sich die Kirchliche Hochschule seitens des Rates der E K i D und ihrer Kanzlei hat erfreuen dürfen. Sie ist vorausgesetzt in dem Schreiben vom

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2.11., in dem die Landeskirchenregierungen aufgefordert wurden, den Kirchlichen Hochschulen 4 Semester, statt bisher 2, zur Anrechnung zu bringen 75 . Gleichwohl wird gebeten, eine in aller Form vollzogene Anerkennung der Kirchliche Hochschule auszusprechen. Die Existenz der Kirchlichen Hochschule, Berlin, und ihr weiterer Ausbau ist für den deutschen Osten von entscheidender Bedeutung. Ihre Studentenziffer beträgt z.Zt. 130, dabei sind nicht eingerechnet die Gasthörer. Die mit ihr verbundene Evangelische Studiengemeinschaft wächst ständig. Leider ist der Druck eines Heftes über Wesen und Arbeit der Kirchlichen Hochschule noch nicht abgeschlossen. Das Heft geht aber sofort nach Erscheinen der Kanzlei zu. Wir wären dankbar, wenn die formelle Anerkennung der Kirchlichen Hochschule durch den Rat der EKiD schon vorher ausgesprochen werden könnte. Quaatz [m.p. ] Kurator Fischer [ m . p . ] Leiter der Kanzlei 11D5. Notiz von Hartings für die Ratssitzung. [Schwäbisch Gmünd,] 21. März 1947 F: E2A Berlin, 2/206 (Ο mit Paraphe von Hartings und hsl. Vermerk: "Herrn Präsident für die Ratssitzung").

Notiz fuer die Ratssitzung am 27./28.3.47 Zur Besprechung Punkt 15 Richtlinien fuer das Verhalten gegenueber Beschwerden ueber Massnahmen der Besatzungsmaechte. 1.) Alle kirchlichen Stellen, insbesondere die Kanzlei, werden immer haeufiger um Hilfe gegenueber Massnahmen der Besatzungsbehoerden gebeten, die sich entweder gegen Einzelpersonen oder gegen einen groesseren Personenkreis (z.B. Evakuierung von Stadtteilen oder Orten) richten. Beschwerdegrund ist entweder, dass die betreffenden Massnahmen a) ein offenbares Unrecht darstellen oder b) zwar an sich rechtmaessig sind, aber im Einzelfall eine besondere Haerte darstellen. 2.) Die kirchlichen Stellen haben in solchen Faellen folgende Moeglichkeiten: a) sie koennen unmittelbar bei den zustaendigen Besatzungsbehoerden, von denen die Massnahmen ausgehen, Gegenvorstellungen erheben, 75 Schreiben der Kirchenkanzlei an die Kirchliche Hochschule Berlin: EZA BERLIN, 2/363.

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b) sie koennen sich mit der Bitte um Unterstuetzung an die Religionsoffiziere bei den einzelnen Militaerregierungen wenden, c) sie können die Hilfe der Oekumene in Anspruch nehmen. 3.) Die Kanzlei hat bisher von Fall zu Fall entschieden, ob und in welcher Weise sie sich der vorgebrachten Faelle annehmen sollte. Bei der grossen Zahl derartiger Faelle besteht jedoch die Moeglichkeit, dass der Eindruck entsteht, dass ihren Bemuehungen eine grundsaetzliche Einstellung (Nationalismus, Verkennung der deutschen Schuld, Opposition gegen die Besatzungsmaechte usw.) zu Grunde liege. Ferner ist zu beachten, dass die Kanzlei keine Moeglichkeit hat, die vorgebrachten Behauptungen sachlich nachzupruefen. Erweisen diese sich als unzutreffend oder einseitig gefaerbt, so werden die Bitten der Kanzlei mit einer deutlichen Empfindlichkeit zurückgewiesen, was als eine Blosstellung der Kirche empfunden werden kann. Es zeigt sich dabei haeufig, dass Pfarrer sich aus allgemeinem Mitgefuehl fuer Persoenlichkeiten einsetzen, die dessen nicht wuerdig sind. Andererseits ist die N o t wirklich gross und die Kirche kann sich dem nicht ohne weiteres verschliessen. Sie hat hier zweifellos eine stellvertretende Verantwortung und muss sich hueten, das in sie gesetzte Vertrauen des Volkes zu enttaeuschen, obwohl allerdings dieses Vertrauen vielfach auf einer falschen Auffassung von der eigentlichen Aufgabe der Kirche beruhen duerfte. 4.) Aus diesen Gruenden haelt die Kanzlei es fuer notwendig, dass die Mitglieder des Rats sich zu diesen grundsaetzlichen Erwaegungen und insbesondere zu der Frage aeussern: Koennen und sollen bestimmte Richtlinien fuer das Verhalten der Kanzlei gegenueber solchen Anliegen aufgestellt werden, oder soll die Kanzlei weiterhin nach eigenem Ermessen von Fall zu Fall entscheiden? 5.) Fuer die Aufstellung von Richtlinien kaemen folgende Gesichtspunkte in Betracht: Das Eingreifen der Kanzlei koennte abhaengig gemacht werden a) von der Tragweite der getroffenen Massnahmen im einzelnen Falle, b) von dem Mass des Unrechts oder der besonderen Haerte im einzelnen Falle, c) davon, ob und in welchem Masse im einzelnen Falle Interessen der Kirche unmittelbar beruehrt werden, d) von der Aussicht auf Erfolg eines Eingreifens e) von der Nachpruefbarkeit der vorgebrachten Behauptungen. 6.) Es ist ferner zu erwaehnen, ob der einzuschlagende Weg sich danach richten soll, auf welche Weise man jeweils einen Erfolg erreichen zu koennen glaubt, oder ob auch hier grundsaetzlich ein bestimmtes Verfahren bevorzugt werden soll, z.B. Inanspruchnahme der Vermittlung der Religionsoffiziere in jedem Falle.

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11D6. Schreiben Asmussens an die Mitglieder des Rates. Schwäbisch Gmünd, 4. Februar 1947 F: LKA Stuttgart, Dl/214 (O). Der Ostkirchenausschuss hat in seiner Sitzung vom 15. Januar 194776 folgende Beschlüsse gefasst, die den Mitgliedern des Rates der EKD zur Kenntnisnahme und zur weiteren Beschlussfassung auf der nächsten Ratssitzung bekannt gegeben werden: a) Der Rat der EKD möge erwägen, ob zur Behebung des kirchlichen Notstandes in der russischen Zone die Einführung bzw. Wiedereinführung einer zweijährigen Hilfsdienstpflicht für ordinierte Hilfsprediger vor ihrer Übernahme in ein festes Amt zu bewirken ist, damit diese geistlichen Kräfte, die für den beweglichen pfarramtlichen Dienst in den Notstandsgebieten der russischen Zone geeignet sind, entsprechend abgeordnet werden. b) Dem Rat der EKD wäre vorzuschlagen, dass er sich an die theologischen Fakultäten der westlichen Zonen wendet mit der Bitte, die aus der russischen Zone stammenden Studenten und Kandidaten der Theologie dahingehend zu beeinflussen, dass sie ihre Aufgabe in den Kirchen der russischen Zone suchen. Die Landeskirchenregierungen des Westens sollten um die gleiche Einflussnahme gebeten werden, wenn sich Studenten und Kandidaten aus der russischen Zone bei ihnen melden und Stipendien begehren. Asmussen \m.p.~\ 11D7. Schreiben Girgensohns an den Rat. Bethel, 14. Februar 1947 F: LKA Stuttgart, Dl/214 (D, den Ratsmitgliedern von der Kirchenkanzlei am 6. März übersandt). Der Ostkirchenausschuss überreicht in der Anlage ein von seinem Vorsitzenden, Pastor D.Dr. Girgensohn, verfasstes Memorandum 7 7 , in dem die Lage und gleichzeitig die Aufgaben dargestellt sind, die für die Kirche sich daraus ergeben, dass 14 Millionen von Flüchtlingen aus den evangelischen

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Gemeint ist der im Juli 1946 gegründete "Ausschuß der ehemaligen deutschen Ostkirchen ", den der Rat auf seiner 8. Sitzung am 10./11. Oktober 1946 in Frankfurt/Main anerkannt hatte (vgl. dazu C . N I C O L A I S E N / N . A . SCHULZE, P r o t o k o l l e B d . I, S. 646f.; H . RUDOLPH, K i r c h e B d . I, S. 197-

203); auf der Sitzung des Ostkirchenausschusses vom 15. Januar 1947 war u.a. beschlossen worden, Girgensohn mit der Abfassung eines grundlegenden "Memorandum[s] zur Frage der Eingliederung der Ostkirchen" (11D8, S. 82-98) zu beauftragen (vgl. EBD., S. 204). 77 11D8.S. 82-98.

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Kirchen des Ostens in das Gebiet der westlichen evangelischen Landeskirchen hineingedrängt worden sind. In dem Memorandum ist mit Absicht auf die Darstellung der kirchlich-organisatorischen Form verzichtet worden, in der die Arbeit des Ostkirchenausschusses und der von ihm vertretenen Ostkirchen geschehen soll. Sie muss aus der Arbeit selbst und der Entwicklung der kirchlichen, politischen und kirchenpolitischen Verhältnisse herauswachsen. Man wird an der Tatsache nicht vorbeigehen können, dass die Ostkirchen nicht atomisierte Gebilde sind, sondern Kirchen unter dem Kreuz, die von einem lebendigen kirchlichen Bewusstsein getragen sind. Um einer gesegneten Begegnung der Ostkirche mit den Westkirchen willen ist es notwendig, dass die vertriebenen Kirchenglieder auch durch die Pfarrer ihrer Heimatkirche angesprochen werden. So unwahrscheinlich es ist, dass die riesenhafte Völkerwanderung in das Gebiet der westlichen Landeskirchen hinein deren kirchliche Prägung nicht auch verwandeln sollte, so wenig können der Ostkirchenausschuss und die in ihm zusammengefassten Ostkirchen darauf aus sein, diese Wandlung von sich aus zu bestimmen. Dies alles bleibt dem Herrn der Kirche vorbehalten. Der Ostkirchenausschuss bittet, das Memorandum und dieses Begleitschreiben den Mitgliedern des Rates und den Landeskirchen zur Kenntnis zu bringen und diese Anliegen zum Gegenstand einer Erörterung der nächsten Ratstagung zu machen. Wir bitten, zu dieser Ratstagung 2 Mitglieder des Ostkirchenausschusses hinzuzuziehen. gez. H. Girgensohn. 11D8. Memorandum Girgensohns "zur Frage der Eingliederung der Ostkirchen". o.O., o.D. F: LKA Stuttgart, Dl/214

(D, den Ratsmitgliedern

von der Kirchenlanzlei am 6. März

übersandt; Anlage zu 11D7).

I. Es ist nicht möglich, die Frage der deutschen Ostkirchen und ihrer Existenz oder Nichtexistenz in der Gegenwart zu behandeln ohne die Frage nach dem Gerichte Gottes zu stellen. Denn Gott, der Herr der Geschichte, ist es, der auch im geschichtlichen Leben den Völkern und Staaten und kirchlichen Gebilden ihren Platz und ihre Zeit zuweist, ihnen ihre geschichtliche Aufgabe gibt und ihnen dieses alles wieder nimmt. Er handelt und hat auch an uns gehandelt in seiner absoluten Souveränität. Er macht zu seinen Werkzeugen, wen er will, und wirft diese Werkzeuge wieder weg, wenn sie in seinem Sinn unbrauchbar geworden sind. Er führt auch mit unseren augenblickli-

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chen Gegnern als seinen Werkzeugen seine Geschichte und seine Gerichte durch. Hinter dem deutschen Osten liegt eine tausendjährige deutsche Geschichte, die aus dem Gesamtleben des deutschen Volkes nicht wegzudenken ist, die getragen ist von einem deutschen und christlichen Sendungsbewusstsein. Es ist eine Geschichte, die dem deutschen Volke die Verbindung mit einer grossen Zahl anderer Völker des Ostens gebracht hat, die das Schicksal des Ostraums und das Gesicht dieser Völker und des Ostraums entscheidend mitgeprägt hat. Die gegenwärtige Katastrophe wächst mit aus dieser Geschichte hervor. Sie bedeutet im Augenblick einen Schlusstrich unter diese Geschichte. Eine tausendjährige Geschichte wird annulliert. Es ist dies ein Geschehen, das nicht nur die Bewohner dieser Ostgebiete angeht, die deutsche Bevölkerung und die anderen Völker dieses Raumes; die Geschichte des Ostens ist viel zu sehr mit dem Gesamtschicksal unseres Volkes verknüpft gewesen, als dass sie jetzt von ihm getrennt werden könnte. Es ist nicht möglich, dass der Westen sich von diesem Schicksal distanziert, dass er den Osten einfach abschreibt. In dem ganzen Flüchtlingsstrom ist ihm dieses Schicksal gleichsam auf den Leib gerückt und greift tief in das Schicksal des Westens ein. Wenn die Ostkirchen die Frage ihrer Existenz aufwerfen, so glauben sie damit nicht bloss, ihr eigenes Anliegen zu vertreten, sondern eine Schicksalsfrage des ganzen deutschen Volkes und der ganzen deutschen Kirche. Und diese Schicksalsfrage gilt es vor Gott zu sehen. Die Frage des Gerichts stellen, heisst die Frage nach der menschlichen Schuld stellen. Sie ist mit der menschlichen Geschichte, auch mit unserer deutschen Geschichte, unlösbar verbunden. Die Eindeutigkeit aller in unserer Geschichte wirksamen Parolen hört damit auf. Auch das Sendungsbewusstsein des deutschen Ostens steht unter dem Gerichte Gottes. Gott hat uns die Sendung genommen. Warum? Das ist die Frage, vor der wir stehen. Es ist hier nicht der Ort, den Versuch zu machen, sie zu beantworten und die Irrwege zu zeigen, die in den menschlichen Versuchen, sie zu beantworten, liegen. In der ganzen Grösse wird sie Gott einmal am Endgericht stellen und beantworten. Es bedeutet aber Befreiung für den in der Verstrickung der irdischen Geschichte befindlichen Menschen, wenn er sie anfängt zu sehen und die Vergebung empfängt. Wenn aber die Schuldfrage hier aufgeworfen wird, so hat das einen anderen Sinn. Es bedeutet das Eine, dass der Mensch Gott in seiner Führung Recht gibt. "Wenn du willst Sünde zurechnen, wer kann vor Dir bleiben?" 78 Es ist

78 Ps 130,3.

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das Ja zum Gerichte Gottes, zum Gericht, das er über den deutschen Osten und die Ostkirchen ergehen liess. Es bedeutet das Aufgeben des Hadems mit dem Schicksal und darin mit Gott, das Aufgeben aller Selbstrechtfertigung, das Sich-Stellen auf den Boden, auf den uns Gott augenblicklich gestellt hat. Es bedeutet Geduld und darunter bleiben. Das ist nicht Resignation, auch nicht Verzicht auf alles Handeln, sondern ein Aufnehmen unserer Lebensaufgabe, die Gott uns, den aus dem Feuerofen Geretteten, gibt von dem Punkt aus, auf den uns Gott gestellt hat. Das ist nicht möglich, indem man über die Busse hinweggleitet. Die Busse vor Gott ist aber Einkehr zu dem, der gekommen ist, dass er die Sünde wegnehme, Glaube an den, der uns Vergebung der Sünden, Leben und Seligkeit verheissen und uns auch schon wirklich jetzt schenkt. Wo sie aber geschenkt wird, da wird ein Tragen der mit dem gegenwärtigen Gericht auferlegten ungeheuren Last möglich, da wird Frieden mit Gott mitten in dem Unfrieden der Welt, Leben mitten im Tode, Freude mitten im Leide. Dass die Zerstreuten, die unter dem Gericht stehen, dieses finden, ist die Aufgabe, die Gott uns stellt, ist die Aufgabe der Kirche, die dazu berufen ist, im Namen Jesu zur Busse und zum Glauben zu rufen und die Vergebung zu spenden. Ob Gott den so Gerichteten, denen er ihre geschichtliche Stellung genommen hat, noch einmal eine geschichtliche Aufgabe geben wird, ob eine Vergebung der geschichtlichen Schuld gewährt wird, in dem Sinn, dass eine neue Indienststellung geschenkt wird, - wir dürfen es weder fordern, noch dürfen wir an dem gegenwärtigen Zustand als dem letzten Wort Gottes über unser Schicksal festhalten. Er kann da herausführen, er kann auch noch tiefer in die Not hineinführen. Wir können ihn in der einen oder anderen Richtung nicht binden. Wir sind in einen Zwischenzustand versetzt, der nach menschlichem Ermessen nicht nur für die Flüchtlinge aus dem Osten, sondern auch für unser ganzes deutsches Volk eine irdische Lebensmöglichkeit nicht zu bieten scheint. Das Ja zum Gericht bedeutet auch das Ja zu diesem Zwischenzustand, der als solcher mit aller Vorläufigkeit, Unklarheit und Unstabilität, die einer endgültigen Regelung spottet, hingenommen werden muss, bedeutet das offene Ohr für das Anliegen, das Gott an uns gerade in diesem Stande hat, ohne ihm vorzugreifen, seine Geschichte vorwegnehmen zu wollen in der einen oder anderen Richtung. Dies Anliegen Gottes zu hören und in die konkreten Verhältnisse hinein zu sagen und zu bringen, ist Aufgabe der Kirche. In ihr und durch sie will der lebendige auch unter uns gegenwärtige Herr seine Wirksamkeit ausüben, seinen Weg des Heils und nicht des Unheils mit uns gehen, denn das ist das Evangelium, das uns aufgetragen ist. Und die Entscheidung wird am Evangelium fallen.

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Welche Stellung haben in dieser Situation die Ostkirchen, oder haben sie überhaupt noch eine Stellung? Das ist die Frage, vor die die Vertreter der Ostkirchen sich gestellt sehen. Die Kirchen sind mit in das Gericht hineingezogen worden. Das Gericht über den deutschen Osten ist auch das Gericht über seine Kirchen. Sie haben nicht mehr ihre Existenz, die so wie die kirchenrechtliche Entwicklung seit der Reformation gewesen ist, an das Territorium gebunden war. Da diese Form der Territorialkirche auch im Westen die Gestalt der Kirche bildet, so ist von diesem Gesichtspunkte aus die Frage der Existenz der Ostkirchen eindeutig negativ entschieden. Kirchenrechtlich im heutigen Sinne kann eine Forderung auf Existenzberechtigung der Ostkirchen nicht erhoben werden, sie wird auch nicht erhoben. Würde sie aber erhoben, so geschähe das im Widerspruch der gegenwärtigen Ordnung der Kirche. Positiv würde das die formale Eingliederung ostkirchlicher Pastoren und ihrer Gemeindeglieder in die westlichen Kirchen und ihre Gemeinden bedeuten. Die Ostkirchenfrage wäre damit gelöst, d.h. vom Standpunkt des Kirchenrechts aus. In Wirklichkeit würde das einen Buchungstrick bedeuten, durch den die ganze Frage der Ostflüchtlinge in kirchlicher Beziehung ausgebucht würde, während in der Wirklichkeit unseres Lebens die ungeheure, auch kirchliche, Not dieser Flüchtlinge unter der Decke weiter bliebe. Es ist der Kirche aufgetragen, den Dienst ihres Herrn in der Sünde und Not der Welt zu tun, dahinein das lebenspendende Wort des Evangeliums zu sagen. Es ist immer zugleich das lebenschaffende Wort, das die Gemeinde Jesu Christi baut, ganz gleich in welcher Gestalt. Dieser Dienst ist der jeweiligen Landeskirche, im ganzen der evangelischen Kirche in Deutschland aufgetragen. Es ist die Frage, ob die Landeskirchen diesen Dienst, in dem Schema, in dem sie arbeiten, leisten können, oder ob sie damit nicht sowohl im Punkte der Arbeitsüberlastung, als auch in dem der Aufnahmemöglichkeit der entwurzelten Massen in eine wirkliche Lebensgemeinschaft überfordert werden. Die Ostkirchen aber stehen vor der Frage, ob Gott ihren Dienst auch nach dem Gericht des Zusammenbruchs noch brauchen kann, ob er ihnen eine Möglichkeit und eine Notwendigkeit gibt, auch noch ihre Arbeit mithineinzustellen und zwar entsprechend den Gaben, die sie aus ihrer alten Existenz mitgebracht haben. Die Existenz einer Kirche im Sinne Jesu Christi ist nicht nur durch die kirchenrechtliche Form bedingt, sondern durch den Dienst, den der Herr der Kirche von ihr fordert und den er ihr damit schenkt. Die Frage nach der noch bestehenden Existenz der Ostkirchen ist eine Frage nach der Möglichkeit und Notwendigkeit ihres Hilfsdienstes als Ostkirchen in den gegenwärtigen Verhältnissen.

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Die Ostkirchen glauben diese Frage bejahen zu sollen. Die Kanzlei der EKD hat diese Frage in der Bildung der Hilfskomitees resp. Anerkennung noch bestehender Organe einer Kirchenleitung zur Ausübung dieses Dienstes ebenfalls bejaht 79 . Aber die menschliche Bejahung entscheidet nicht. Wo Not ist, da bietet Jesus Christus die Hilfe an, das ist Dienst. Die Not und der Dienst entsprechen einander. Es wird im Folgenden zu zeigen sein, um welche Not und um welchen Dienst es hier geht. Nur vom Dienst aus, von seiner Möglichkeit und Notwendigkeit im Lichte des Evangeliums, kann die Frage nach der Arbeit der Ostkirchen und ihrer Berechtigung gesehen werden. Die Verschiebung der Frage auf das kirchenrechtliche Gebiet führt zur Stellung der Machtfrage, zur Frage der Herrschaft und nicht des Dienstes. Sie ist die tödliche Gefahr auf beiden Seiten. Sie verwirrt die ganze Problemstellung völlig. Sie rückt den Gesichtspunkt der Leitung in unzulässiger Weise in den Mittelpunkt und führt zu Auseinandersetzungen, die besonders im gegenwärtigen Augenblick die ganze kirchliche Arbeit geradezu tödlich treffen können. Der Dienst aber stellt die Frage der Vollmacht nicht im rechtlichen sondern im geistlichen Sinn. Dieser Not, in der wir stehen, ist überhaupt nicht zu steuern mit Ordnungsmassnahmen der Kirche, so wichtig die auch an ihrem Ort sind. Es geht um mehr, es geht um die Gabe des heiligen Geistes, um die Frage der Liebe Christi, die allein der Sünde, der Schuld und der Not dieser Zeit gewachsen ist. Es ist die Gabe, um die man nur in Demut und Busse aus der Situation heraus, in die man geführt ist, in Gemeinschaft bitten kann, dass Gott sie uns schenke. Denn es ist gemeinsame Not. Es ist die Frage an die Ostkirchen, ob diese Liebe Christi sie also dringet, ob hinter diesem Dienst nicht ein Sich-Anklammern an vergangene Geltung steckt, oder ein Ergriffensein von den Gegensätzen, die das ganze deutsche Volk heute zu zerreissen drohen, ein Flüchtlingsressentiment oder ein volkskirchliches, menschliches Ideal, das zerschlagen worden ist. Es ist die Frage an die Landeskirchen und ihre Gemeinden, ob sie zu diesem Dienst imstande sind, Aufnahmeort für die Ostgemeinden in voller Brüderlichkeit zu werden, denn die völlige Besitzlosigkeit bedeutet völlige Machtlosigkeit. Und völlige Machtlosigkeit auf der einen Seite hat den alten Menschen noch je und je verführt zur Ausnutzung der eigenen Machtposition, zur Vergewaltigung und Ubersehung dessen, was der andere zu seinem Leben, in der Kirche zu seinem geistlichen Leben, braucht.

79 Auf seiner 8. Sitzung am 10./11. Oktober 1946 in Frankfurt/Main hatte der Rat die Hilfskomitees der ehemaligen deutschen Ostkirchen anerkannt ( C . N I C O L A I S E N / N . A . SCHULZE, Protokolle Bd. I, S. 646f.).

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Beide Seiten stehen wahrscheinlich in der gleichen Not vor Gott. Nur aus dieser bussfertigen Gesinnung heraus wird eine Inangriffnahme der Arbeit möglich sein, wo Gott seinen Geist dazu gibt. Mit menschlicher Regelung allein ist nichts gemacht. Wo aber Gott seinen Geist gibt, da werden auch die Grenzen sichtbar, die der einen oder anderen Seite gezogen sind. Wir sind als Menschen auch in der Kirche nicht berufen, überall und in gleicher Weise zu dienen. Der Stand, in den der eine gestellt ist, kann ihm ein Hindernis sein, einem Menschen in einem anderen Stande das befreiende Wort zu sagen. Das zur Liebe befreiende Wort haben beide Seiten, sowohl in ihrer Pastorenschaft als in ihren Gemeinden, gleich nötig. Die Vertreter der Ostkirchen sehen in der Situation, in der sie sich mit ihren Gemeinden befinden, neben aller Not ein Gnadengeschenk Gottes, einen Ruf zu neuem Dienst. "Die Güte Gottes ist, dass wir noch nicht gar aus sind."80 Das Gericht kann auch gnadenvolle Bereitung zum Dienst sein. Eine Kirche, der alle menschlichen Stützen zerschlagen sind, kann, wenn Gott Gnade gibt, auch zu einer Kirche unter dem Kreuz werden mit einem neuen, vertieften Verständnis der Predigt vom Kreuz, der Predigt vom Gericht, unter der alles steht, und der Predigt von der allein rettenden Gnade des Herrn Jesus Christus. Eine Kirche unter dem Kreuz könnte gerade in dieser Gestalt berufen sein, das Evangelium neu zu verkündigen. Die Todesgestalt, in der sie sich befindet, ist für die Christenheit kein Anlass, ihr den Todesstoss zu versetzen, sondern sie vielmehr als ein Zeichen anzusehen, dass Gott in dieser Welt errichtet, ein Zeichen zur Busse, aber auch ein Zeichen, das von der Gnade mitten im Gericht redet. Andererseits gibt die Bewahrung vor dem Gericht der Zerstreuung noch nicht das Recht, sich vor Gott für bevorzugt zu halten für diesen Dienst der Liebe Christi. Gott kann auch in der Ungestörtheit des irdischen Daseins und Wirkens das Herz und den Mund verschliessen für sein Gericht und für seine Gnade. Wir Menschen können nur vor diesen verborgenen Wegen Gottes in Furcht und Zittern stille halten und in Gemeinsamkeit darum bitten, dass diese Wege dennoch zum Segen werden. Die Ostkirchen und ihre Glieder aber haben noch in weiten Teilen ein lebendiges Bewusstsein von ihrer kirchlichen und gemeindlichen Zusammengehörigkeit. Sie haben es aus der Heimat mitgebracht, sie haben es in der Zerstreuung in neuer Form bekommen, als Kirchen auf der Wanderschaft, denen die Heimatlosigkeit eine Hilfe Gottes wird zum Heimischwerden in der zukünftigen Stadt Gottes. Die rechtliche Form ihrer Kirche ist zerschla80 Klgl3, 22.

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gen, ihre Gemeinschaft als solche besteht noch weithin, nicht nur vor Menschen, sondern auch vor Gott; und diese Gemeinschaft ruft und bittet um den besonderen Dienst derer, die mit ihr denselben Weg von Gott geführt worden sind und darum imstande sind, in ihre besondere Lage das Wort zu sagen. Es ist die Befürchtung lebendig, dass in der Besonderung [mc/| der den Ostkirchen noch verbliebenen Aufgaben die Gefahr der Separation liegt und dass der Riss, der ohnehin durch Flüchtlinge und Einheimische geht, dadurch noch verschärft würde. Der Dienst hätte nur Sinn, wenn er wirklich ein In dem Riss-Stehen ist, und das ist vielleicht im eigentlichen Sinne der Dienst, der von uns gefordert wird. Die Einheit der Kirche ist ein grosses Gut, sie ist eine Lebensnotwendigkeit in unserem zerrissenen Volk. Es ist ein Irrtum, dass durch eine blosse formale Eingliederung diese Einheit erreicht wird. Sie trägt als verwaltungstechnische Massnahme die Gefahr in sich, dass dadurch ein Druck ausgeübt wird, dem sich der natürliche Mensch entziehen kann und entziehen wird. Eine formale Eingliederung, um nicht zu sagen Gleichschaltung, kann unter Umständen nicht zur Einheitlichkeit führen, sondern zur Entkirchlichung, nicht Zusammenfassung, sondern Flucht in die Sektiererei werden. Anzeichen dafür sind schon vorhanden. Und die Erfahrung aus den ersten grossen Umsiedlungen unter dem nationalsozialistischen Regime im Osten geben [sie!] da zu denken. Die Sonderung im Dienst kann nur den Sinn haben zur Einsicht im tiefsten Sinn im gemeinsamen Glauben an denselben lebendigen Herrn und von da aus zur Gemeinschaft im Herrn, zur Eingliederung in seine Gemeinde und Kirche und von da aus zur Uberwindung der Gegensätze. Es gibt nur diesen Umweg über den Herrn zur Einheit der Kirche und nicht den direkten Weg der Verwaltungsmassnahmen. Der letztere ist noch immer der Weg der Zerspaltungen gewesen. In dem demütig bussfertigen Sehen der Situation, in der wir stehen, und in der gemeinsamen Bitte um die rechte Verteilung des Dienstes in der Not der Zerrrissenheit unseres Volkes liegt schon der Anfang der Einheit im Geist. II. Die Besonderung [sie.'] des Hilfsdienstes der Ostkirchen aber liegt unseres Erachtens in folgenden Notständen begründet. Dabei darf nicht aus dem Auge verloren werden, dass es nicht um Errichtung von selbständigen Kirchenkörpern geht, sondern um eine Arbeit innerhalb der Landeskirchen und im Einvernehmen mit denselben in Einigkeit des Geistes. 1) Die kirchliche Not. Die Ostflüchtlinge haben nicht nur ihre irdische Heimat verloren, sondern auch ihre Heimatkirche und damit auch zum Teil ihre kirchliche Heimat. Sie haben den ewigen Schatz in einem ihnen vertrauten irdenen Gefäss gehabt,

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das ihnen jetzt zerschlagen ist. Es ist die Gefahr, dass bei der Umfüllung in neue Gefässe ein grosser Teil des Schatzes verschüttet wird, d.h. dass Menschen sich nicht in der neuen Gestalt, in der ihnen die Kirche entgegentritt, zurechtfinden und damit überhaupt nicht mehr in der Kirche zurechtfinden. Das bedeutet fraglos eine Schwäche des Glaubens. Sie vermögen sich in ihrem Glauben an den lebendigen Herrn nicht von der Gestalt der Kirche zu lösen. Der lebendige Herr gilt ihnen weniger als die Gestalt der Kirche. Es ist ein Klebenbleiben an der in der Gestalt der Kirche liegenden Tradition. Dieses Traditionskirchentum ist wahrlich nicht das Kennzeichen der Ostkirchen. Diese Fremdheit in den neuen kirchlichen Verhältnissen aber bedeutet Anfechtung für den schwachen Glauben. Ich glaube nicht, dass die Kirche das Recht hat, sich über diese Anfechtung hinwegzusetzen oder ihr bloss mit einer gesetzlichen Forderung zu begegnen, umso weniger, wenn man die Situation der Gesamtkirche in Deutschland vor Augen hat. Es geht auch hier darum, dass die Schwachen getragen werden, und dieses Tragen kann nur in einer Hilfsstellung der alten Heimatkirche bestehen, die das Wort an die Heimatlosen in einer Weise heranträgt, die ihnen die Kirche wieder heimatlich macht und ihnen gleichzeitig die Eingewöhnug in die neuen Verhältnisse erleichtert. Es geht dabei nicht nur um eine sentimentale Rücksichtnahme auf die Not des Heimwehs, obgleich auch das wirkliche Not ist und es wahrlich keinen Schaden bedeutet, wenn die Kirche sich dieser Not annimmt. Sie würde dadurch zur Mutter, die allein die Not der verlorenen Kinder sieht und deren Mütterlichkeit dankbar empfunden wird. Es geht hier aber um mehr, es geht um die Uberwindung der Fremdheit in der Heranbringung des Wortes des Evangeliums. Es geht um ein Stehen im Riss, der einfach in seiner ganzen Grösse gesehen werden muss. Nicht nur der Pfarrer, sondern auch die einheimische Gemeinde steht dem Flüchtling gegenüber in einer bis ins Letzte und Einzelne hinein anderen Lebenssituation. Man könnte hier mit einem gewissen Recht vom Stande der Flüchtlingsschaft reden. Da kann das Reden aus einer relativ gesicherten Position heraus zu einem Hemmnis werden, besonders, wenn es nicht begleitet ist von einer Liebe, die bereit ist, in die Tiefen der Not des anderen hinabzusteigen. Da sind oft ohne persönliches Verschulden Grenzen gesetzt, unter die man sich demütig beugen muss. Es ist doch als ein Geschenk der Gnade zu betrachten, dass Menschen da sind, die dieselben Tiefen der Not und Anfechtung durchkostet haben und noch jetzt durchkosten. Auch Christus ist hinabgestiegen in die Tiefen der menschlichen Versuchung, des Leidens und Sterbens. "Er ward arm um unseretwillen, auf dass wir durch seine Armut reich würden, er ist versucht allenthalben gleich wie wir." 8 1 Wir können dies 81 Abgewandelt aus 2 Kor 8, 9 und Hebr 4, 15.

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Herabsteigen menschlicherseits voneinander nicht fordern, aber wo Gott es auferlegt hat, wie in der Gemeinschaft des Leidens in der Kriegsnot unter den Kameraden, oder in der Gemeinsamkeit des Flüchtlingsstandes, da werden Wege zu den Herzen geöffnet, die begangen werden müssen. Es ist von unzähligen Ostpastoren dankbar empfunden worden, dass durch die gemeinsame Not Mauern beseitigt wurden, die sonst zwischen dem Seelsorger und dem Gemeindegliede standen, und in dem Tragen der gemeinsamen Not durch Gott eine neue Vollmacht geschenkt wurde, die in der gesicherten Position der Heimatkirche nicht vorhanden war. Aber die Flüchtlinge stellen keine unterschiedslose chaotische Masse dar. Sie bringen aus ihrer Sondergeschichte, die zum Teil ganz andere Wege geführt worden ist als die Geschichte des deutschen Volkes im Reich, ein eigenes Gepräge mit. Auch die Geschichte ihrer Kirchen ist eine eigene gewesen mit vielfach unterschiedlichen Fragen und Aufgaben als denen der Evangelischen Kirche in Deutschland [iic/]. Ich brauche da nur an die eigentümliche, bis zu einem gewissen Grade einzigartige Gestalt der Bauerngemeinden im Süden Russlands zu erinnern, deren Auswanderung seinerzeit aus Opposition gegen die Landeskirchen geschah82. Das Bild ist in dieser Beziehung ein ausserordentlich verschiedenes. Die Frage nach der Existenz der Ostkirche stellt die Frage nach der Berücksichtigung dieser völkischen Sonderart, vor allem nach dem Recht ihrer Berücksichtung auf kirchlichem Gebiet. Wird da die Kirche nicht wieder missbraucht als Mittel zum Zweck des Baus einer Volksgemeinschaft, die Gott unmissverständlich zerschlagen hat, vielleicht gerade weil mit ihr der Kultus der Abgötterei getrieben worden ist? Die Kirche kann und darf nur im Gehorsam gegen ihren Herrn arbeiten und hat sein Werk auszurichten, dessen Ziele über alle menschlichen, geschichtlichen Ziele hinausreichen. Aber die Frage ist die, ob sie in dieser ihrer Arbeit den Menschen als Glied seines Volkes, als Glied auch der besonderen Volksgruppe, der Sondertradition, aus der er kommt, ansprechen darf. Weil sie von dem Kult des Völkischen, oder richtiger gesagt des Rassischen herkommt, begegnet auch dieses schweren Bedenken. Den Gegenpol zu diesem Rassekult stellt die Nivellierung des Menschen dar, seine Vermassung, sein Untergehen und Eingestampftwerden in die unterschiedslose und traditionslose Menge, mit der die grossen Bewegungen als ihrer Armee, einer Armee des Nihilismus operieren. Beide Gegenpole liegen auf der Ebene des Irdisch-Menschlichen, beide unterliegen der Dämonisierung. Erst unter dem Evangelium wird sichtbar, was Volkstum nach dem Willen Gottes in der Geschichte bedeuten kann. Die Kirche hat es einfach stehen zu lassen, hat den Menschen in dem Stande an-

82 Zu den deutschen Einwanderern in Rußland und der Entstehung von Gemeinden und Freikirchen vgl. H.-C. DlEDRICH, Siedler.

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zureden, in dem er sich befindet. Es ist einfach eine Pflicht der christlichen Liebe, dem Gliede einer solchen Volksgruppe in der Vorwegnahme einer noch nicht erfolgten Vermassung nicht das Letzte zu nehmen, was er noch hat. Dasselbe gilt von den kirchlichen Gruppen. Sie sind ja noch bis zu einem gewissen Grade Träger einer kirchlichen, gemeindlichen Tradition, trotz aller menschlichen Sünde Träger eines Lebensstroms, der durch die Jahrhunderte vielen zum Segen geworden ist. Das haben die Kirchen des Westens zum Teil durch das Einströmen der Flüchtlinge in tote Gemeinden vielfach dankbar zu spüren bekommen. Aber nicht der Zusammenhanglose und Einzelne ist dieser Träger, sondern die Gemeinschaft. Der Einzelne, der in der Masse untergeht, verliert sehr bald das überkommene Erbe und zwar meist, ohne damit in die Erbschaft der Landeskirche treten zu können, in die er gespült ist. Er verliert jede Tradition. Es kann nicht die Aufgabe der Kirche sein, diesen Prozess zu fördern, die verschiedenen Ströme des kirchlichen Lebens, die jetzt aus den Landeskirchen des Ostens in die westlichen Kirchen einmünden, zu unterbinden, ihre Geschichte gleichsam abzuschneiden, soweit sie noch wirksam ist, und nur die Geschichte gelten zulassen, die in dem neuen Territorium das Leben geformt hat. Das hat seinerzeit der Nationalsozialismus aus politischen Motiven zur Schaffung eines neuen grossdeutschen Menschentypus getan. Er hat damit mehr vernichtet als gebaut. Es sind politische und nicht kirchliche Motive, die in solch einer Tendenz wirksam sind. Das Evangelium lässt diese Dinge stehen, es tötet den alten Menschen zugunsten des neuen Menschen in Christus, aber nicht einen überkommenen Menschentypus zugunsten eines neuen ebenso irdischen, etwa eines internationalen oder Massentypus, oder eines neuen Stammestypus. Die Kirche hat keinen Anlass, den ungeheuren Vernichtungsprozess, der über unser Volk gekommen ist, noch weiter zu fördern. Sie würde damit nur eine Gegenwehr erreichen und einen Damm aufrichten gegen das wirkliche Hören des Wortes. Was aus dem Menschen unter dem Wort wird, kann sie getrost der geschichtlichen Entwicklung, in Wirklichkeit dem Herrn der Geschichte, überlassen. O b sie Gemeinschaften bleiben, ihr Erbe bewahren und in das Ganze des Lebensgefüges ihres neuen Aufenthaltsortes einbauen werden - so ist es mit den Salzburgern und Hugenotten gewesen83 - oder ob diese Gemeinschaf-

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Zu den im Zuge der Gegenreformation aus dem Erzbistum Salzburg und anderen österreichischen Gebieten vertriebenen lutherischen Christen vgl. C.F. ARNOLD, Ausrottung; G. MECENSEFFY, Geschichte, bes. S. 190-198. - Nach der Außebung des Edikts von Nantes durch das Edikt von Fontainebleau 1685 waren aus Frankreich ca. 200.000 Hugenotten in das protestantische Ausland geflüchtet [vgl. dazu R. v. THADDEN/M. MAGDELAINE, Hugenotten; H. DUCHHARDT, Exodus).

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ten später der Ansatzpunkt zu neuen kirchlichen Gebilden bei einer eventuellen Rückkehr in den Osten oder aber einer Auswanderung werden - wir haben auch hier mit der Vorläufigkeit des augenblicklichen Zwischenzustandes zu rechnen und menschlicherseits nichts vorwegzunehmen. Je mehr das Evangelium die Menschen wirklich erfasst, um so mehr werden sie auch instand gesetzt, in ihrer Umgebung, wo es auch sei, Salz der Erde zu werden und nicht Pestherde. 2) Die soziale Not. Das führt auf die soziale Seite der ganzen Frage. Die Flüchtlingsgruppen sind aus ihrem Lebensgefüge herausgerissen. Ihre Not ist Zerstreuung. Die Gerichtsworte der alttestamentlichen Propheten an das Volk Israel reden von der Zerstreuung. Sie gewinnen heute an unserem Erleben neue Farbe und neues Leben. Zerstreuung bedeutet aber nicht nur Leiden, sondern auch Fluch. Zur Illustrierung dieser Tatsache sei hier ein Stück aus einem Bericht über die Flüchtlingslage eingefügt. Für die Lage der Vertriebenen sind folgende Elemente bezeichnend: a) Besitzlosigkeit. All der Segen, den die göttliche Gabe des Besitzes bedeutet, fehlt. Während früher eigener Besitz geschont und gemehrt wurde, geht man mit dem geliehenen Besitz anderer übel um; er wird aus Nachlässigkeit und Gleichgültigkeit ruiniert. Hausfrauen, die zu Hause vielleicht recht ordentlich waren, lassen schon aus Verbitterung gegen ihren Gastgeber dessen Haus verkommen und pflegen auch die von ihnen bewohnten Räume nicht. In der vielfach fürchterlichen Enge mag es auch gar nicht möglich sein, Ordnung zu halten. Verlausung, Krätze, Zunahme der Tbc und ansteckende Krankheiten sind die weiteren Folgen. b) Haltlosigkeit. Die Folge der Besitzlosigkeit ist der Zusammenbruch innerer Hemmungen gegenüber fremdem Besitz. Nach seiner Ankunft am neuen Ort wartet der Umquartierte auf irgend ein Wunder, das ihm seine frühere Stellung wiedergeben soll. Er sieht sich zunächst nicht nach einer Arbeit um, sondern verbraucht den Rest des noch irgendwie geretteten Vermögens. Man vermag nicht zu begreifen, warum man allein die Folgen des verlorenen Krieges tragen soll, während der Einheimische oft weit besser gestellt ist als etwa 1930/31. Er bekommt alles und kann sich alles erlauben. Da man keine oder nur sehr geringe Hilfe erfährt, beschliesst man, den Weg der Selbsthilfe zu gehen und sich zu nehmen, was man braucht. Uberall wird gestohlen, Vertriebene bestehlen Einheimische und bestehlen dann sogar einander. Unter den Millionen von Vertriebenen leben nur wenige im Gehorsam gegen Gottes Wort und Gebot und lassen sich von diesen in ihrem Handeln bestim-

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men. Im allgemeinen war man in seinem sittlichen Handeln vom Urteil der Umgebung abhängig. Beim Dorfbewohner war es also das Urteil der Dorfgemeinschaft. Nun sind Millionen aus dieser Dorfgemeinschaft herausgerissen worden und darum bindungslos. Denn es werden Jahre vergehen, bis sie innerlich zur dörflichen Gemeinschaft ihres neuen Wohnortes gehören werden. Die Folgen dieser Bindungslosigkeit zeigen sich nicht nur in der Frage des Besitzes, sondern ebenso in der des Zusammenlebens der Geschlechter und anderen sittlichen Grundbeziehungen. Verbitterung, Neid, Hass, Zuchtlosigkeit sind so zu bezeichnenden Merkmalen der Lage geworden, c) Gemeindelosigkeit. Aber auch aus der Bindung der Kirchengemeinde sind die Flüchtlinge völlig herausgelöst. Der Halt, den auch diese Gemeinschaft ihnen gegeben hat, ist zwar in der alten Heimat ein verschiedener gewesen. Es hat Gemeinden gegeben, die nur noch von einer sich immer mehr verflüchtigenden Tradition gelebt haben, andere, denen die lebendige Gemeinschaft der Gemeinde geradezu die Existenzgrundlage geboten hat. In jedem Falle sind diese Gemeinschaften auseinandergerissen, und die atomisierten Glieder stehen vor der Aufgabe, den Weg zur Kirchengemeinde des neuen Aufenthaltsortes zu finden. Eine nüchterne Beobachtung der Wirklichkeit zeigt, dass diese Aufgabe mit Ausnahme von Einzelfällen im allgemeinen nicht gelöst wird. Wir stehen da vor einer Tatsache, für deren Tragweite man zunächst einmal den Blick bekommen muss. Die Folgen dieser Gemeindelosigkeit sind nämlich gar nicht abzusehen. Wie im vorigen Jahrhundert sich Millionen von Arbeitern von der Kirche abwandten, so besteht die Gefahr, dass jetzt Millionen von Vertriebenen das gleiche tun, weil die Kirchen für ihre Not kein Verständnis haben. So wird die Frage der Vertriebenen zur Schicksalsfrage der deutschen Kirche in dieser Stunde. Sie ist eine Schicksalsfrage nicht etwa nur im Sinne, dass der Abfall weiterer Millionen die Kirchen zahlenmässig schwächen und die Zahl ihrer Gegner vermehren müsste, sondern in dem viel wichtigeren Sinn, dass sich hier die Frage nach der inneren Vollmacht der Kirche zu ihrer Verkündigung entscheidet. Der Mann, der unter die Mörder fiel, liegt am Weg der Kirche. Sie wird von Gott gefragt, ob sie es fertig bringt, an ihm vorüberzugehen. Tut sie das, so hilft ihr keine noch so gute Theologie und noch so schriftgemässe Kirchenverfassung. Alle diese Dinge werden ihr nur gegeben, damit sie ihren Dienst an den Gliedern verrichten kann und das stützen, das sterben will. Manche Landeskirchen glaubten der entstehenden Not durch Vermehrung der Zahl der Pfarrstellen und ihre Besetzung durch Ostpastoren begegnen zu können. Sie glaubten also, im Schema der Territorialgemeinde bleiben zu können. Hierbei wird aber übersehen, dass in weiten Gebieten Westdeutsch-

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lands wirkliche Gemeinden kaum mehr vorhanden sind. Ein Gottesdienstbesuch von 1 % und weniger kann nur als Anzeichen des Erstorbenseins des Gemeindelebens angesehen werden. Diese toten Gemeinden können ja nicht die Vertriebenen in ihre Mitte aufnehmen, ihnen den Trost des Evangeliums bezeugen und durch ihre hilfsbereite Liebe ein Zeugnis der Tat für den lebendigen Christus ablegen, weil in ihnen eine Gemeinschaft mit Christus gar nicht vorhanden ist. Was den Flüchtlingen in diesen Gemeinden begegnet, ist eine jedes geistliche Leben tötende Verbindung von unverhüllter Eigensucht und geistiger Anpassung. Kommen die Vertriebenen aus geistlich lebendigen Gemeinden und Gebieten in diese Gemeinden, so können sie an diese Form sich christlich gebender Unkirchlichkeit natürlich keinen Anschluss finden. Aber auch dort, wo kirchliches Leben rege ist, wie in manchen Gebieten des Westens, ist es für die Vertriebenen sehr schwer, den Anschluss an dieses Leben zu finden. Dieses Leben hat eine den Vertriebenen fremde Form. Welch ein Unterschied zwischen Ostpreussen und den erweckten durch den Calvinismus bestimmten Gemeinden des Westens. Das kirchliche Leben wird gerade da, wo es lebendig ist, von der Dorfgemeinschaft getragen, in die der Vertriebene nicht hineingehört und nicht hineingehören kann. Wieder fühlt er sich als Fremder und viele, die den Versuch gemacht haben, sich anzuschliessen, bleiben wieder weg, weil es ihnen nicht gelingen will, diesen Anschluss zu finden. Auch ein blühendes Gemeindeleben von stark ausgeprägter Eigenart ist also keineswegs die Gewähr dafür, dass die Vertriebenen hier eine geistliche Heimstätte finden können. Zusammenfassend kann man die Not auf dem Gebiet des Gemeinschaftslebens dahin präzisieren: Das Flüchtlingsdasein bedeutet ein Herausgerissensein aus jeglichen Formen des Gemeinschaftslebens und ein Stehen vor den Toren eines anderen Gemeinschaftslebens, zu denen keine Zugänge gefunden werden. Das bedeutet nichts anderes als Proletarisierung, und zwar in einem Ausmasse, gegen das die Entstehung des Industrieproletariats vor einem Jahrhundert sowohl nach Art als auch nach Menge nur ein geringes Vorspiel ist. Es ist eine Masse im Entstehen, die schon jetzt fortschreitender Radikalisierung anheimfällt, die von den vorhandenen Kirchgemeinden und sonstigen Gemeinschaftsgebilden einfach nicht mehr erfasst wird, noch auch erfasst werden kann, und die eine Armee des Nihilismus darstellt, die wohl nur auf die Führer und die Parole wartet, um sich mit Gewalt all das zu nehmen, was ihr jetzt vorenthalten wird, und die verschlossenen Türen von der Strasse aus einzurennen. Dass dies das Ende von Kirche und Volk bedeuten würde, ist klar. O b die Gefahr noch abgewendet werden kann, weiß Gott allein. Die, die diese Parolen bereit halten, stehen ja schon vor der Tür.

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Was kann die Kirche hier in dieser Not überhaupt noch tun? Vor allem wohl das eine, dass durch die Art ihrer Arbeit die Auflösung der alten Bindungen nicht noch weiter gefördert wird. Wo diese noch aus der alten Heimat mitgebracht worden sind, stellen sie eine bewahrende Macht dar, ein Katechon, an das wir vom Evangelium aus nicht zu rühren haben. Diejenigen Gruppen, die eine stärkere Tradition mitgebracht haben, sind gegenüber der Radikalisierung in einem ganz anderen Masse gefeit, als diejenigen, in denen diese Bindungen schon in der Heimat aufgelöst waren. Von hier aus wird die Bildung der Hilfskomitees durch das Hilfswerk in das rechte Licht gerückt. Sie stellt den Versuch dar, der restlosen Zerschlagung der alten Bindungen vorzubeugen und in der immer chaotischer werdenden Masse eine Gliederung zu erhalten resp. vorzunehmen, die ungesucht noch vorhanden ist. Aber es geht um mehr. Es geht um das Heranbringen des Evangeliums an diese Massen, und wie die alte Gliederung eine Hilfsstellung in der fürsorgerischen Erfassung der Masse bedeutet, so auch in der seelsorgerischen Betreuung neben der örtlichen kirchlichen Versorgung. Wo aber das Evangelium lebendig wird, da steht der Zerstreuung gegenüber die Sammlung. Da sammelt der gute Hirte seine Herde. Zerstreuung ist hier wirklich Tod, Sammlung Leben; und darum geht es, um die Sammlung zur Gemeinschaft im Geiste Jesu Christi, in der der entwurzelte Mensch wieder Wurzeln fassen kann, wo er wieder zu Hause ist, wo der Wirksamkeit der dämonischen Mächte wieder Einhalt geboten ist, wo er eine neue Lebensluft atmen kann, die ihn entspannt, und in der er zum Frieden mit Gott und Menschen kommt und von da aus den Weg wiederfindet zu den Menschen, von denen ihn jetzt eine Kluft trennt. Wie diese Sammlung zu geschehen hat, ist nicht mit einem Schema zu bezeichnen, hier ist jede Form recht, die die Vertriebenen unter dem Wort Gottes sammelt, sei es durch Flüchtlingsgottesdienste in einer lieben gewohnten Form, sei es durch Bibelstunden, Andachten, Ausspracheabende usw. Es soll dadurch natürlich nicht eine Kirche der Vertriebenen innerhalb der Landeskirche begründet werden, sondern es soll ein Nothaus errichtet werden, das den Vertriebenen möglich macht, im Hause der Landeskirche zu leben. Es muss dies hinführende Arbeit sein, ein Hinführen auf den Herrn Christus, der Inhalt der kirchlichen Verkündigung und des kirchlichen Lebens ist. Wird dies erst erfaßt, dann ist der Weg auch mit den zunächst fremden Formen schon gangbar zu machen. Für diese Arbeit müssen besondere Kräfte angesetzt werden. Manche Landeskirchen haben den Versuch gemacht, Kreisflüchtlingspastoren anzusetzen. Es ist dies fraglos ein wesentlicher Schritt, ein erster Versuch zu improvisieren unter Durchbrechung des Schemas der Territorialgemeinde. Diese Flüchtlingspastoren müssen in besonderem Maße in ihrer Arbeit ge-

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stützt werden. Sie müssen ja Neuland pflügen, und ein Pastor, der Tüchtiges in der Territorialgemeinde leistet und geleistet hat, ist darum noch keineswegs zum Flüchtlingspastor geeignet. In der Territorialgemeinde bestimmt eine jahrhundertealte Tradition die Formen der Ausübung der pfarramtlichen Tätigkeit, in der Flüchtlingsarbeit fehlt jedes Vorbild und es muss improvisiert werden. Der Flüchtlingspfarrer muss eine grosse Aktivität entfalten, muss den Vertriebenen nachgehen, sie sammeln und sie zu einer neuen Gemeinschaft unter dem Wort zusammenzufassen suchen. Er muss sich unter den Vertriebenen Helfer für seine Arbeit suchen, die die Flüchtlingsgruppe zusammenhalten und hat so eine Arbeit, die mehr an die der Apostel der Urchristenheit, als an die eines geordneten Pfarramts erinnert. Es kann im Ergebnis solcher Arbeit die Begründung eines Flüchtlingsbeichtkreises innerhalb der Territorialgemeinde unter einem Ostpastor möglich sein. Die Landeskirche wird nicht nur die damit gegebenen Schwierigkeiten in Kauf nehmen müssen, sondern derartige Erscheinungen als positiven Ertrag der Flüchtlingsarbeit begrüssen, da hierdurch Vertriebene wieder in den Bereich der christlichen Botschaft gebracht werden. Hier ist ein Aufgabengebiet, wo auch heute noch der Dienst der Ostkirchen nicht nur möglich, sondern einfach unentbehrlich ist, ein Dienst, der von den Gliedern der Ostkirchen, Pastoren und Gemeindegliedern, selbst getragen werden muss und kann. Eine Hilfsarbeit an den alten, eigenen Heimatgenossen. Es ist die N o t des Flüchtlingsstandes, dass der Mensch in jeder Beziehung Objekt geworden ist, auch im kirchlichen Leben Objekt der Betreuung. Sie wirkt ertötend, besonders dort, wo die Menschen in der Heimat in reger Mitarbeit das kirchliche Leben getragen haben. Hier wäre die Möglichkeit gegeben, dass der Mensch wieder Subjekt wird. Denn wo eine Gemeinde Jesu entsteht, da wird der Subjekt, und zwar nicht nur für sich, sondern auch in Bezug auf den anderen, der den anderen nicht bloss als Masse anredet, sondern persönlich aus der überschaubaren Gliederung heraus, aus der Kenntnis seiner individuellen Verhältnisse, nicht mehr als Flüchtling im allgemeinen, sondern als den individuellen Menschen, als den, der aus dem alten Lebensgefüge herausgerissen wurde und jetzt in der Masse unterzugehen droht. So sieht ihn der Herr, der ihn als das Verlorene sucht, so hat ihn die Kirche zu sehen. So kann sie ihn zur Busse führen aus seinen individuellen Lebensverhältnissen heraus und den individuellen Führungen der Geschichte seiner Volksgruppe, die ihm meist schwere N o t bereiten. Der diese Geschichte nur von aussen oder gar nicht kennt, kann ihm diesen Dienst nicht leisten, kann mit ihm nicht gemeinsam um die Klärung dieser letzten und tiefsten Schicksalsfragen ringen. Und nur als dieser individuelle Mensch kann er zum Glau-

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ben gelangen. So kann ihm seine Heimatlosigkeit zu einem gottgegebenen Stande werden, der ihm Hinweis wäre auf die zukünftige Stadt, die er sucht. Wir sind hellhörig geworden dafür, dass das Evangelium eine Botschaft an die Heimatlosen ist. Vielleicht wird dann aus diesem Dienst an den Heimatlosen auch einmal durch Gottes Gnade ein Dienst an den zuhausegebliebenen Brüdern in der heimatlosen, weil gottlosen Welt, die sich ihrer Heimatlosigkeit nicht bewusst sind und die noch in Scheinsicherheit verhaftet geblieben sind. Ein Dienst, der nicht in Bitterkeit und Neid erfolgt, sondern in der Liebe, die in der furchtbaren Not, die auf uns allen lastet und vielleicht noch grösser werden wird, den Weg zum Leben finden hilft. 11D9. Schreiben Asmussens an die Mitglieder des Rates. Schwäbisch Gmünd, 10. März 1947 F: LKA Stuttgart, Dl/214

(H).

Betrifft: Spruchkammer der EKD Zur Vorbereitung der nächsten Ratssitzung übersenden wir Ihnen den anliegenden Entwurf für eine Verordnung über eine Spruchkammer der EKD 84 . Anlass zu dem Entwurf geben die Fälle der früheren Landesbischöfe Dietrich, Rönck und Schultz, die in verschiedenen Zusammenhängen an die Kanzlei der EKD herangebracht worden sind 85 . Es ist schwierig, in diesen Fällen zu gerechten und gleichmässigen Entscheidungen unter Anlegung des gleichen Masstabes zu kommen, wenn sie nicht vor eine einheitliche kirchliche Instanz gebracht werden können. Das Verfahren soll nach dem Entwurf nur auf Antrag des betreffenden Amtsträgers oder der Leitung der betreffenden Landeskirche eingeleitet werden. Da die Verordnung die Interessen der Landeskirchen besonders berührt, wäre ihnen der Entwurf vor Erlass der Verordnung vorzulegen. Der Rat sollte die Verordnung nicht erlassen, wenn die Landeskirchen nicht überwiegend einverstanden sind. Ehe die Kanzlei sich mit einer Umfrage an die Landeskirchen wendet, soll der Rat dazu Stellung nehmen, ob er ein Vorgehen im Sinne dieses Vorschla-

HD 10, S. 98f. 85 Die früheren DC-Bischöfe von Nassau-Hessen, Thüringen und Mecklenburg waren von ihren Kirchenleitungen beurlaubt bzw. entlassen worden, hatten diese Entscheidungen aber nicht anerkannt und sich deswegen in verschiedenen Eingaben an die EKD gewandt (vgl. dazu die Unterlagen im 84

E Z A BERLIN, 2 / 9 0 / 1 0 2 8 , 2 / P 172 und

2/91).

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ges überhaupt für wünschenswert hält oder ob Vorschläge für eine anderweitige Lösung der Frage gemacht werden können. gez. Asmussen D D . 11D10. Entwurf für eine Verordnung über die Spruchkammer der EKD F: LKA Stuttgart, Dl/214

(H, Anlage zu 11D9).

§1 1.) Die Spruchkammer der E K D prüft, ob ein leitender Amtsträger der E K D oder einer Landeskirche unter der Herrschaft des Nationalsozialismus seine Bindung an das Bekenntnis und die Ordnung der Kirche verletzt hat. 2.) Die Spruchkammer entscheidet darüber, ob er im Dienst der Kirchen bleiben kann. Sie kann ihm die Rechte des geistlichen Standes entziehen. Die Entscheidung kann auch dahin lauten, dass der Betroffene nur von einem leitenden kirchlichen Amt ausgeschlossen sein soll oder dass ihm für eine Frist von höchstens drei Jahren ein bestimmter Dienst ausserhalb des Pfarramtes auferlegt wird. 3.) Die Spruchkammer kann nach Anhörung des Vertreters der Landeskirche eine Empfehlung über die finanzielle Sicherstellung des Betroffenen aussprechen. §2

Die Spruchkammer der E K D ist ausserdem zuständig als Berufungsinstanz gegen die Entscheidung in landeskirchlichen Verfahren, in denen die kirchliche und politische Haltung kirchlicher Amtsträger während der Herrschaft des Nationalsozialismus nachgeprüft worden ist. §3 Ein Verfahren nach § 1 kann nur auf Antrag des Betroffenen oder der Landeskirche, in der er seinen letzten Dienst vor dem Zusammenbruch des nationalsozialistischen Staates getan hat, eingeleitet werden. Das Verfahren nach § 1 ist ausgeschlossen, wenn ein entsprechendes Verfahren vor einer landeskirchlichen Stelle anhängig ist, oder wenn diese in einem solchen Verfahren entschieden hat. §4 In dem Verfahren gemäss § 2 kann die Spruchkammer die landeskirchliche Entscheidung bestätigen, aufheben oder abändern.

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§5 Ein Vertreter der Landeskirche hat das Recht, an der Verhandlung vor der Spruchkammer teilzunehmen und jederzeit gehört zu werden. §6 1.) Die Spruchkammer besteht aus zwei Geistlichen und einem Juristen. 2.) Der eine der beiden Geistlichen führt den Vorsitz. 3.) Die Mitglieder und ihre Stellvertreter werden vom Rat der E K D berufen. §7 Auf das Verfahren vor der Spruchkammer finden die §§ 53, 56 bis 60 und 66 der Disziplinarordnung der E K D in der Fassung der V O des Rates der E K D vom 2.5.46 86 entsprechende Anwendung. §8

Alle kirchlichen Behörden sind verpflichtet, der Spruchkammer Auskunft zu erteilen und Akten und Schriftstücke zur Einsicht zu überlassen. §9 Der Antrag auf Einleitung eines Verfahrens gemäss § 1 dieser Verordnung muss spätestens am 31.12.1947 gestellt sein. 11D11. Notiz von Hartings für die Ratssitzung: "Bildung eines Nationalrates der Kirchen in Deutschland". [Schwäbisch Gmünd] 21. März 1947 F: EZA Berlin, 2/183 (D mit Paraphe von Hartings und Vermerk: "Herrn Sup. Dr. Siegel m[zi] d[er] Β[itte] um Kenntnisnahme - 1 Abschrift ist Herrn Präsident f[«r] d[ie] Ratssitzung übergeben -"). In Ausfuehrung des Ratsbeschlusses ueber Bildung eines Nationalrates der Kirchen 87 fand am 21.3. eine unverbindliche Vorbesprechung mit Bischof Sommer von der Methodistenkirche und Seminardirektor Dr. Schempp von der Evang. Gemeinschaft statt, bei der man sich ueber folgende Massnahmen einigte: 1.) Der Nationalrat soll zummindesten nicht grundsaetzlich auf evangelische Kirchen beschränkt bleiben, sondern die Möglichkeit des Anschlusses von Katholiken und Orthodoxen offenlassen. 86 Gemeint sind die §§ 5-7 der Verordnung des Rates "über die Aufhebung und Abänderung von Gesetzen der Deutschen Evangelischen Kirche" ( C . N I C O L A I S E N / N . A . S C H U L Z E , Protokolle Bd. I, S. 513), die die eingeschränkte Fortgeltung der Disziplinarordnung der DEK vom 13. April 1939 regelten (GB1DEK 1939, S. 27ff.). 87 Vom 24.Z25. Januar 1947:10B, S. 12.

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2.) Als Benennung wurde vorgesehen "Rat der christlichen Kirchen in Deutschland". 3.) Sekten sollen grundsaetzlich ausgeschlossen bleiben. Der Begriff "Sekte" soll aber nicht grundsaetzlich und dogmatisch festgelegt werden, sondern es soll von Fall zu Fall darueber entschieden werden. 4.) Zunaechst sollen folgende Kirchen beteiligt werden: E K D , Methodisten, Bund freikirchlicher Gemeinden (Baptisten), Evangelische Gemeinschaft, Bund freier Evang. Gemeinden (Kongregationalisten), Mennoniten, Altkatholiken, Lutherfwc^e] Freikirchen, Bruedergemeine, freie reformierte Gemeinden. Weiteren Kirchen soll der Antrag auf Aufnahme freistehen, worueber dann von Fall zu Fall im Rat entschieden werden muesste. Beteiligung der Quaeker und der Heilsarmee muss noch erwogen werden. Wegen der orthodoxen Kirche ist z.Zt. wegen der unklaren Verhältnisse eine Stellungnahme nicht moeglich. O b seitens der E K D eine inoffizielle Fuehlungnahme mit der kathol. Kirche moeglich ist, muss noch erwogen werden. 5.) Folgende Aufgaben kommen fuer den Rat in Betracht: a) Vertretung gemeinsamer Interessen gegenueber weltlichen Stellen (Staat, Besatzungsmacht usw.) und der Oekumene. b) Beratung der angeschlossenen Kirchen untereinander. Eine die Mitgliedskirchen bindende Entscheidungsbefugnis kann der Rat nicht besitzen. 6.) Ueber die Gruendung des Rates soll eine Vorbesprechung unter Beteiligung aller in Ziffer 4.) genannten Kirchen stattfinden. Diese Besprechung erfordert gruendliche Vorbereitung und soll daher nicht vor Mitte Juni stattfinden. 7.) Programm fuer die Besprechung: Andacht, gruendliche Bibelarbeit, Referate je eines Vertreters der E K D und der Freikirchen ueber Wesen und Aufgaben des zu bildenden Rates und Diskussion hierueber und Diskussion ueber den von der Kanzlei der E K D vorzubereitenden Entwurf der Statuten. 8.) In den Statuten könnte vorgesehen werden: a) Wahl eines staendigen Ausschusses, der moeglichst oft zusammenkommen und in staendiger Verbindung bleiben soll, b) Versammlung des Rates mindestens einmal jaehrlich, c) etwa alle 4 Jahre allgemeiner Kirchentag mit dem Zweck, vor der Ö f f e n t lichkeit gemeinsam Zeugnis fuer Christus abzulegen.

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11D12. Schreiben Asmussens an die Mitglieder des Rates. Schwäbisch Gmünd, 31. Januar 1947 F: LKA Nürnberg, Meiser 125 (D). Verehrte Herren und Brüder! Ich bitte Sie herzlich, für die nächste Sitzung in Ihre Erwägungen Nachstehenden aufzunehmen: Infolge seines vorläufigen Charakters hat der Rat bisher davon abgesehen, den Mitgliedern der Kanzlei feste Positionen zu schaffen. Wenn der Rat diese Stellungnahme aufrecht erhält, müsste er andererseits Möglichkeiten schaffen, dass die Mitarbeiter der Kanzlei in irgend einer Weise davor geschützt sind, von anderen kirchlichen Stellen mit sehr lockenden Angeboten angefordert zu werden (Oberkonsistorialrat, Superintendenturen im Berliner Westen u.ä.). Es dürfte angebracht sein, dass wir auf der nächsten Sitzung diese Angelegenheit einmal durchsprechen. Mit herzlicher Begrüssung Ihr ergebener Asmussen [m.p.] 11D13. Schreiben Dohrmanns an den Rat. München, 15. März 1947 F: LKA Nürnberg, Meiser 120 (O; das Schreiben war zu Händen von Asmusssen, Meiser und Wurm gegangen). In der Anlage übersende ich auszugsweise die Abschrift eines an mich gelangten Briefes 88 , der mich zu folgender Eingabe veranlasst: 1.) Ich bitte um die offizielle Feststellung, dass die Wehrmachtspfarrer keine Nazibeamten waren. Wir haben als Exponenten der Evangelischen Kirche unter schwersten Bedingungen gearbeitet als Prediger des Evangeliums. Die Betreuung 89 im nationalsozialistischen Geist lag in den Händen der dafür eingesetzten NS-Führungsoffiziere. 2.) Ich bitte den Rat der Ev. Kirche dafür einzutreten, dass die Gottesdienste in den Gefangenenlagern unter Schutz gestellt werden. 3.) Ich bitte den Rat dafür Sorge zu tragen, dass die Lager entpolitisiert werden, um den Gefangenen ihr Los zu erleichtern.

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11D14, S. 102-105.

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Masch, korrigiert aus: "Die Truppen-Betreuung".

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4.) Ich stelle den Antrag auf Gewährung eines Unterstützungsfonds für die Familien der aktiven Wehrmachtspfarrer, die sich in Gefangenschaft befinden. Für diese Familien wird die Not immer grösser. Die monatlichen Beihilfen, die zudem ohne Rechtsansprüche und widerruflich sind, genügen nicht mehr, wenn Kinder erzogen werden sollen, Krankheit vorliegt und der Verlust des Heims. Es sind noch über 50 aktive Wehrmachtspfarrer in Gefangenschaft. Ihre Frauen arbeiten z.T. als Fabrikarbeiterin, Schneiderin, Heimarbeiterin und Landarbeiterin, weil die Unterstützung nicht ausreicht. Sie sind gesundheitlich am Ende ihrer Kraft und wenden sich in ihrer Not an mich um Hilfe. Ihre Männer erwarten von mir, dass ich mich ihrer Familien annehme und bitten ausdrücklich darum. So halte ich es für meine Ehrenpflicht, für Sie zu bitten, dass man von seiten der Ev. Kirche in Deutschland eine grössere Summe für diese Familien bereitstellt und mir die Vollmacht gibt zu helfen, da ich die Verhältnisse kenne und über eine genaue Personalkenntnis verfüge. Ich bin leider bisher nicht auf dem Laufenden gehalten worden über Verfügungen, die erlassen wurden, und bitte darum, vom Rat der EKiD in Zukunft genauestens informiert zu werden durch die Kanzlei, wo der mir unterstellt gewesene ehemalige Wehrmachtspfarrer Damrath jetzt arbeitet und mir Bericht erstatten kann über alle Vorgänge, was ich als Leiter der ehemaligen Wehrmachtsseelsorge auch erwarten darf. D. Dohrmann [m.p.] 11D14. Auszüge aus einem Schreiben an Dohrmann. o.O., 16. Februar 1947 F: LKA Nürnberg, Meiser 120 (Abschrift; Anlage zu 11D13).

Hochzuverehrender Herr Bischof! Im September vorigen Jahres hatte ich das unwahrscheinliche Glück, aus der russischen Kriegsgefangenschaft nach Deutschland zurückkehren zu dürfen. Getrübt wurde diese Freude über die Heimkehr zu den Meinigen durch die Tatsache, dass ich so viele liebe Kameraden in der Gefangenschaft zurücklassen musste, unter ihnen eine Reihe von Amtsbrüdern, nämlich: Ob[er]pf[^rrer] Link, W[e]hrm[^c^£j]pf[^rrer] Roetig [Roettig\ Kr[ie]gspf[drrer] Clauss, Pf[arrer] Webert und Pf[arrer] Pagel. ... Gesundheitlich ging es den Brüdern zufriedenstellend, wenn sie auch durch die knappe Kost stark abgemagert sind. Schwierig ist ihre Situation dadurch, dass die 1W[ehrmachts]pf[arrer] vom Russen als Nazibeamte angesprochen werden. Sie gelten als die gefährlichen

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Elemente, die den Hitlersoldaten geistig betreuten, um ihn für seine Aufgaben zu erziehen. Es wäre für die Brüder ohne Zweifel von Wert, wenn es möglich wäre, dieses Odium offiziell zu zerstören und zurechtzustellen -, Dass \sici\ gerade die Wehrm[dc£i5]pf[drrer] eine Aufgabe hatten, die von der nationalsozialistischen Richtung scheel angesehen wurde. Im Auftrage der gefangenen Brüder soll ich Herrn Bischof um eine solche Richtigstellung bitten. Die Brüder halten im Lager sonntäglich Gottesdienste, die gut besucht sind. Leider ist die Kommandantur des Lagers O. den Gottesdiensten nicht günstig gesinnt. Im Lager S. wurden wir vom Kommandanten in der Durchführung der Gottesdienste unterstützt. - In O. wird für die Gottesdienste kein Raum zur Verfügung gestellt. Irgendwo auf Treppenfluren, auf Höfen oder in Vorhäusern finden Gottesdienste statt, oft natürlich gestört durch antichristliche Elemente. Auch für die Abendmahlfeiern wird weder Wein noch Weissbrot geliefert. Das geschieht im Gegensatz zu den Anordnungen der Moskauer Regierung. Wohl hauptsächlich dank der feindseligen Einstellung des Lagerkommissars, d.h. der politischen Leitung, die, wenn ich mich nicht sehr irre, in O. unter dem Einfluss Radikallinksstehender [sie/] Kriegsgefangener steht. Im Auftrage der gefangenen Brüder soll ich Sie, hochverehrter Herr Bischof, bitten, ob es nicht möglich ist, auch in diesem Punkt Schritte zu tun, um die Hindernisse aus dem Wege zu räumen. Im Zusammenhang mit dem eben Ausgeführten, bitte ich, auf die grösste Not in den Gefangenenlagern hinweisen zu dürfen. Die grösste Not erwächst den Kriegsgefangenen in den Lagern durch die Aufspaltung in Antifaschisten und solche, die nicht zur antifaschistischen Lagergruppe gehören. In jedem Lager befindet sich eine solche Antifa-Gruppe90, die vom Russen unterstützt, gefördert und exploitiert wird. Es ist, wie mir persönlich ein höherer Politkommissar mitteilte, von der russischen Regierung streng verboten worden, die Kriegsgefangenen zu politisieren. Aber die Antifabewegung unter den Kriegsgefangenen zählt bei den Russen nicht als politischer Faktor. Getarnt unter dem nichtssagenden Begriff Antifaschistische Bewegung wird von russischer Seite durch ihre Mittelsmänner unter den Kriegsgefangenen der verschiedensten Nationalitäten ein dauernder politischer Druck auf die Gefangenen ausgeübt. Die Aktivisten innerhalb der Gruppen stellen meist die Antifaschulen. Eine solche besteht z.B. im Lager K. ... In diesen Schulen werden in mehrmonatlichen Kursen Kriegsgefangene politisch umgeschult. Sie lernen begreifen, dass Stalin und die Diktatur des Proletariats Ideale sind, neben denen alles andere zu nichts verblasst, dass die Los90 Antifa — antifaschistisch

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lösung Ostpreussens, Pommerns und Schlesiens ein Akt der Freundschaft von Seiten der Russischen Regierung ist gegenüber dem deutschen Volk, weil der deutsche Osten von jeher die Wiege des Militarismus, der Reaktion und des Junkertums gewesen sei, dass Friedrich der Gr[oße\ und Bismarck Verbrechergestalten gewesen wären u. ähnlichen Wahnsinn. Leider gibt es unter den jungen Gefangenen eine ganze Reihe (zum grössten Teil handelt es sich gerade um frühere rabiate Nazis), die sich aus taktischen Gründen zu den Russen gemeldet haben und abschliessend [51'c/] den antifaschistischen Eid geleistet haben, in dem sie sich verpflichten, jeden Faschisten aufzuspüren und zu vernichten. ... Diese ehemaligen Antifaschüler halten wie Pech und Schwefel zusammen und arbeiten Hand in Hand mit den Politkommissaren. Der Russe erwartet von ihnen als Beweis echter antifaschistischer Gesinnung Denunziation über anders gesinnte Kameraden - und sieht sich leider in seinen Erwartungen nicht getäuscht. Was in dieser Beziehung geschieht, gehört zu den traurigsten Kapiteln der Kriegsgefangenschaft. Eine Anzahl Stabsoffiziere und auch Generäle geben sich Mühe, den Russen ihren Sozialismus glaubhaft zu machen .... Es unterliegt nicht dem geringsten Zweifel, dass die weit überwiegende Mehrzahl dieser Offiziere der Gruppe nur beigetreten sind, um sich nicht eventuellen Unannehmlichkeiten der Russen auszusetzen. - Die Pfarrer - ich meine die Obengenannten - haben sich geschlossen jeder Politik enthalten - getreu dem Grundsatz, dass Kirche und Politik zwei verschiedene Gebiete sind und dass die Verkündigung des Evangeliums politische Bindung nicht gestattet. Unter schweren Kämpfen und inneren Nöten und in dauernder Abwehr gegen Angriffe von antifaschistischer Seite her, gegen Verdächtigungen und Drohungen haben die Brüder eisern unter der Führung von L. an ihrer christlichen Neutralität festgehalten. Man muss es miterlebt haben, welch eine seelische Belastung für den Gefangenen Drohungen bedeuten, wie die: Wer nicht der Gruppe beitritt, hat natürlich auch keine Aussicht, jemals wieder heimzukehren. Die Tatsachen haben hier allerdings das Gegenteil bewiesen, denn unter den im vorigen Herbst heimgekehrten Offizieren waren viele, die nie in einer Gruppe gehört hatten \sicf\, wie z.B. ich selbst. ... Durch Politisierung wird die Atmosphäre in den Gefangenenlagern vergiftet und die an sich schwere Lage der Kriegsgefangenen um ein Erhebliches erschwert. ... In der Praxis sieht es so aus, dass jeder deutsche Offizier, der Deutsch empfindet, auf Ehre hält und das widerlich verlogene Treiben nicht mitmacht allen, Anfeindungen ausgeliefert ist und mit den schwerwiegendsten Consequenzen für sich rechnen muss, selbst wenn er nie Nazi gewesen ist. Man kann verstehen, wie schwer die Versuchung ist, hier dem Teufel den kleinen Finger zu reichen.

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Hochzuverehrender Herr Bischof, ich habe diesen Punkt deswegen so ausführlich behandelt, weil ich aus eigenster Erfahrung diese seelischen Konflikte seit Sommer 44 genau kenne. Es wäre eine Erlösung für ungezählte unserer besten Männer, wenn sich eine Möglichkeit finden würde, die russische Regierung zu effektiven Massnahmen bewegen zu können gegen diese unpolitische Politisierung der Kriegsgefangenen.... Noch einen letzten Punkt, der mir besonders am Herzen liegt. L.s Familie wohnt in der russ. Zone. Frau L. erhält kirchliche Unterstützung (100,- RM monatlich, die auf meine Bitte auf 150,- RM erhöht wurde!! D.D.), die aber unter den gegenwärtigen Verhältnissen zu gering ist, um den notwendigsten Bedürfnissen zu genügen. Ich stehe mit Frau L. in Briefwechsel und habe ihr auch finanziell etwas helfen können. Aber das ist natürlich ungenügend. Nun schreibt mir Br[uder] L. aus Russland vom 14.1.47: "Lieber Bruder! ... Wir stehen im Amt. Möge die Kirche das nicht vergessen und Frauen und Kinder entsprechend stellen. Weltliche Stellen oft vorbildlicher. Erbitte Hilfe für Sohn C.!" Es kommt L., wie aus seiner Karte hervorgeht, darauf an, dass die Kirche die in Gefangenschaft predigenden Pfarrer als im Amt stehend anerkennt und den Familien derselben entsprechendes Gehalt zahlt. Vermögen Herr Bischof hierin eine grundsätzliche Zustimmung der Kirche [Text verderbt] gehen? In der Hoffnung und Zuversicht, dass Herr Bischof in der Lage sein mögen, die vorgetragenen Bitten der Kriegsgefangenen ehemaligen ~W[ehrmachts]pi[arrer] an geeigneter [Text bricht ab]. 11E Dokumente 11E1. Botschaft des Rates an die Ökumene. Frankfurt/Main, 28. März 1947 F: EZA Berlin, 2/209 (O; Anlage zum Schreiben Heids an Asmussen vom 28. März 1947).

Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland wendet sich mit folgender Botschaft an die in der Oekumene vereinigten christlichen Kirchen: "Die Gnade unseres Herrn Jesu Christi und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit Euch allen."91 Wir rühmen die Gnade unseres Herrn Jesu Christi, dass Ihr unser Stuttgarter Wort vom Oktober 194592 brüderlich aufgenommen habt und viele unter Kor 13, 13.

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Gemeint ist die Erklärung des Rates an die Ökumene vom 18./19. Oktober 1945 (C. NLCOLAIS E N / N . A . SCHULZE, P r o t o k o l l e B d . I , S . 60f.).

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Euch es uns beantwortet haben mit der aufrichtigen Bezeugung brüderlicher Gemeinschaft, die in Busse und Vergebung sich erneuert und bewährt. Unter solchem Segen sind wir gestärkt worden zum Dienst in unserem zerschlagenen und todkranken Volk. Wir preisen die Liebe Gottes, die uns mitten im Gericht nicht verlassen hat und auch in den schweren Nöten Leibes und der Seele sich unser angenommen hat. Durch mancherlei Handreichung, die Ihr durch das grosse Werk der christlichen Bruderhilfe uns beständig tut, haben wir vielen Notleidenden helfen dürfen, die keine irdische Heimat, keine Habe und keine Zuflucht mehr haben. Mancher Verbitterte hat das Danken wieder gelernt, viele hart gewordene Menschen üben wieder Barmherzigkeit und manch Verzweifelter wendet sich wieder zum Glauben. Wir alle haben durch Eure Hilfe in höchster N o t erfahren, dass es eine Christenheit in der Welt gibt. Solche Erfahrung hat uns gestärkt, die eine heilige allgemeine christliche Kirche zu glauben und zu bekennen. Wir bitten Euch in der Gemeinschaft des Heiligen Geistes um Eure brüderliche Fürbitte für den Frieden zwischen den Völkern und den der ganzen Welt. Das Wort, mit dem wir die evangelische Christenheit in Deutschland aus Anlass der Friedensverhandlungen in Moskau zur Fürbitte für den Frieden gerufen haben, legen wir Euch zur brüderlichen Aufnahme bei. Eure Fürbitte wird uns stärken, dass auch wir nicht aufhören, für den Frieden zu beten, der Gott wohlgefällt und uns und allen Völkern zum Segen ist. Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland 11E2. Schreiben Asmussens an Stählin. Schwäbisch Gmünd, 29. April 1947 F: EZA Berlin, 2/47 (Konzept mit Paraphe Asmussens und Absendevermerk

vom 4. Mai).

Betr.: Liturgischer Ausschuss. Hochverehrter Herr Bischof! Der Rat der EKD hat in seiner letzten Sitzung sich eingehend mit den hier eingegangenen mancherlei Anfragen der Feiertagsfestsetzung und der Bibellese beschäftigt. Er hat beschlossen, dass ein kleiner, freier Kreis zusammentreten soll, der über die vorliegenden Fragen der lectio propria und der lectio continua, sowie der Feiertagsfestsetzung berät. Die Dinge sind offensichtlich noch nicht reif genug zur Bildung einer "Gottesdienstlichen Kammer". Im Interesse der Klärung obiger Fragen müssen jetzt die Verbände beteiligt werden. Wir schlagen vor, dass ausser Ihnen und Herrn Oberkirchenrat Lie. Dr. Beckmann-Düsseldorf in diesen Kreis berufen werden die Herren

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Pfarrer Lie. Dr. Schäfer-Osnabrück, Pfarrer Lohmann-Gütersloh, Pfarrer Lie. Herntrich-Hamburg. Ausserdem empfehlen wir, Herrn O L K R Prof. Mahrenholz oder einen von ihm zu benennenden Beauftragten zu berufen. Es ist zu erwägen, ob es geraten erscheint, schon in diesem vorbereitenden Stadium die Reformierten zu beteiligen. Unser Vorschlag geht dahin, dass die "Nicht-Reformierten" zunächst unter sich die Situation klären. Wir bitten um Ihre baldige Stellungnahme und schlagen vor - Ihr Einverständnis vorausgesetzt - die genannten Herren in der dritten Woche des Juni zu einer ersten Besprechung zusammenzubitten. 11E3. Reisebericht von Harlings. Schwäbisch Gmünd, 22. April 1947 F: EZA Berlin, 2/168 (D mit Paraphe von Harlings und masch. Vermerk: "Herrn President Asmussen vorgelegt mit der Bitte um Kenntnisnahme").

Das Aussenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland hatte fuer die Tage vom 15.-17.4.47 eine oekumenische Studientagung nach Frankfurt/Main einberufen, an der Vertreter der Wissenschaft, die sich an der oekumenischen Studienarbeit beteiligen, und die Beauftragten fuer oekumenische Angelegenheiten der Landeskirchen und Freikirchen teilnahmen. Zweck der Tagung war es, die oekumenische Studienarbeit in Deutschland zur Vorbereitung der Weltkirchenkonferenz in Amsterdam 1948 in Gang zu bringen und zu organisieren. Die Arbeit der Weltkirchenkonferenz wird unter dem Sammelthema "Gottes Heilsplan und die Unordnung der Welt" stehen. Vier oekumenische Studienkommissionen bereiten die Arbeit vor, und zwar behandelt die erste Kommission das Thema "Die Kirche in Gottes Heilsplan", die zweite Kommission "Gottes Heilsplan und menschliches Zeugnis", die dritte Kommission "Die Kirche und die Auflösung der gesellschaftlichen Ordnung" und die vierte Kommission "Die Kirche und internationale Ordnung". Ueber diese Planung berichtete der Beauftragte des kirchlichen Aussenamtes fuer die oekumenische Studien- und Schulungsarbeit, Oberkonsistorialrat Dr. Schoenfeld. Sein Mitarbeiter, Lie. Menn, gab einen Ueberblick ueber den Studienplan unter besonderer Beruecksichtigung der deutschen Beteiligung. Einfuehrungen in die Themen der einzelnen Kommissionen gaben Professor Ernst Wolf, Goettingen, (1. Kommission), Prof. Dr. Delekat, Mainz, (2. Kommission), Dr. Ο. H. von der Gablentz, Berlin, (3. Kommission) und Lie. Menn, Andernach, (4. Kommission). Eine weitere oekumenische Kommission arbeitet ueber "Die Autoritaet und Bedeutung der sozialen und politischen Botschaft der Bibel in der Gegen-

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wart", um damit die Grundlagen fuer die Arbeit der Kommissionen eins bis vier zu schaffen. In dieses Thema fuehrte auf der Tagung in Frankfurt ein Referat von Lie. Wiesner, Goettingen, ein. An alle Referate knuepfte sich eine rege Aussprache an. Sodann wurde in einer Sonderbesprechung der wissenschaftlichen Mitarbeiter der oekumenischen Studienarbeit die Bildung von Studiengruppen, entsprechend den oekumenischen Kommissionen, vorbereitet. Ferner wurde in einer Besprechung der landeskirchlichen Beauftragten beschlossen, diese Konferenz als staendige Einrichtung zu konstituieren, die unter dem Vorsitz des Leiters des kirchlichen Aussenamtes stehen und von diesem einberufen wird. Hierdurch soll die Arbeit der Landeskirchen auf oekumenischen Gebiet angeregt und mit den Bestrebungen des kirchlichen Aussenamtes koordiniert werden. Der stellvertretende Leiter des kirchlichen Aussenamtes, Stadtpfarrer Fricke, Frankfurt, wies darauf hin, dass auch die oekumenische Studienarbeit nicht als Privatangelegenheit einzelner dafuer interessierter Persoenlichkeiten angesehen werden duerfe, sondern dass sie einen wichtigen Bestandteil der kirchlichen Arbeit darstelle, fuer den die Verantwortung von den Kirchen als solchen mitgetragen werden muesse. Diese Zielsetzung fand die Zustimmung der Konferenz der landeskirchlichen Beauftragten. Eine besondere Bereicherung erfuhr die Tagung durch die voruebergehende Anwesenheit von Professor Emil Brunner, Schweiz, der eine wertvollen Beitrag zu der Aussprache darbot. 11E4. Schreiben des Ev. Pressverbandes für Deutschland an die Kirchenkanzlei. Göttingen/Leonberg, 19. August 1947 F: LKA Nürnberg, Meiser 125 (vervielfältigte

Abschrift).

Das Schreiben der Kanzlei der Evangelischen Kirche in Deutschland an den Evangelischen Pressverband vom 17. April 1947, das den Beschluss des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland vom 27. und 28. März 1947 mitteilt 93 , ist der Mitgliederversammlung anlässlich ihrer Sitzung vom 10. Juni 1947 in Korntal vorgelegt worden. Gemäss § 1, Ziffer 3, Abs. 2 der Satzung des Evangelischen Pressverbandes steht die Entscheidung über die Entlassung des auf Lebenszeit berufenen Direktors des Evangelischen Pressverbandes der Mitgliederversammlung zu. Sie ist nur bei grober Pflichtwidrigkeit zulässig. Die Mitgliederversammlung hat die gegen den Direktor Walter Schwarz wegen seiner früheren kirchenpolitischen Gesamthaltung geltend gemachten Bedenken eingehend geprüft. Er ist 93 IIB, S. 65.

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der Mitgliederversamlumg durch jahrzehntelange Arbeit bekannt und hat zu jeder Zeit auch in den schwierigsten kirchenpolitischen Lagen das Vertrauen der Mitgliederversammlung gerechtfertigt. Direktor Schwarz hat schon lange vor dem Kirchenkampf und während des Kirchenkampfes die innere Eigenständigkeit der Kirche und ihres Auftrages mit aller grundsätzlichen Klarheit erkannt und in seinem kirchlichen Handeln vertreten. Die geistliche Neufundierung und Durchgestaltung der Kirche war ein Anliegen, das er sich ganz persönlich zu eigen gemacht und in seinem Teil als geistlicher Dirigent des Breslauer Konsistoriums verwirklicht hat. Wir verweisen in diesem Zusammenhang auf seine Arbeiten über August Vilmar 94 , auf die inzwischen von verschiedenen anderen Landeskirchen übernommene "Geistliche Ordnung des Pfarrerlebens" 95 sowie auf das Schreiben des Herrn Bischofs Dibelius anlässlich des Ausscheidens von Direktor Schwarz aus dem Dienst der Evangelischen Kirche der altpreussischen Union vom 15.4.194696. Seine hervorragende sachliche Arbeit im kirchlichen Pressewesen ist stets allseitig anerkannt worden. Ein auch nur annähernd gleichguter Sachkenner ist nicht vorhanden. Er hat sich stets als christliche Persönlichkeit von ausgeprägtem Pflichtbewusstsein, der sein Leben in der Zucht des heiligen Geistes führt, erwiesen. Die Mitgliederversammlung sieht deshalb weder eine Möglichkeit noch einen Grund zu einer Entlassung. Sie hat einstimmig ihrem Direktor das Vertrauen ausgesprochen. Bei dieser Sachlage entfällt auch die Beantragung eines Disziplinarverfahrens oder die Durchführung eines Schiedsverfahrens. Ein Disziplinarverfahren könnte im übrigen bei einem Ruhestandsbeamten nur auf das Ziel der Aberkennung der Rechte des geistlichen Standes gerichtet sein, für dessen Einleitung die tatsächlichen Voraussetzungen fehlen. Ein Schiedsverfahren würde auch deswegen nicht in Betracht kommen, da es an einer neutralen Stelle, die über dem Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland und dem Evangelischen Pressverband steht, fehlt. Endlich ist die sachliche Ueberprüfung der Angelegenheit durch die Mitgliederversammlung nach pflichtmässigem Ermessen und im Bewusstsein ihrer Verantwortung erfolgt. Die Zusammensetzung der Mitgliederversammlung dürfte eine Gewähr für eine objektive Ueberprüfung nach kirchlichen Gesichtspunkten bieten.

94 WALTER SCHWARZ: August Friedrich Christian Vilmar. Ein Leben für Volkstum, Schule und Kirche (Gotteszeugen aus zweitausend Jahren Kirche Jesu Christi Bd. 3). Berlin 1938. 95 Z« dieser im März 1944 fertiggestellten und im August 1944 erstmals in 4.000 Exemplaren gedruckten Ordnung vgl. W. SCHWARZ, Geschichte; G. EHRENFORTH, Kirche, S. 178f.; Ε . SCHWARZ, P r o E c c l e s i a , S. 39. 96

C . N I C O L A I S E N / N . A . SCHULZE, P r o t o k o l l e B d . I, S. 791.

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Die Mitgliederversammlung ist der Ueberzeugung, dass auch in Zukunft eine vertrauensvolle und fruchtbare Zusammenarbeit des Evangelischen Pressverbandes unter der Leitung seines Direktors mit dem Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland zum Segen des grossen gemeinsamen Werkes sich ergeben wird. gez. Dr. Martin Plieninger, Dekan, Leonberg gez. Dr. jur. Dr. med. h.c. Weymann, Oberverwaltungsgerichtsrat i.R., Hullhorst b. Löhne (Westfalen), Vorsitzender des EPD gez. Dr. Jans Jessen, Göttingen gez. Dr. Focko Lüpsen, Bethel-Bielefeld, Herausgeber des "Evang. Pressedienstes" gez. Pfarrer Dr. Hutten, Stuttgart, Leiter des Evang. Pressverbandes für Württemberg gez. Pfarrer i.R. Michaelis, Erlangen [richtig: Göttingen] gez. Pfarrer Dr. Falk, Hersfeld gez. Oberkirchenrat Harney, Düsseldorf gez. Walter Lawrenz, Berlin-Steglitz. 11E5. Rundschreiben der Kirchenkanzlei an die Leitungen der deutschen evangelischen Landeskirchen. Schwäbisch Gmünd, 4. September 1947 F: LKA Stuttgart, Dl/215

(H).

Betrifft: Vereinheitlichung der b e w e g l i c h e n kirchlichen Feiertage. I. Die Antworten die auf unser Rundschreiben vom 7.1.1947 N r . 1434497 eingegangen sind, haben ergeben, dass für Busstag, Reformationsfest und Totensonntag, eine fast e i n h e i t l i c h e U b u n g besteht, die nur von wenigen Landeskirchen durchbrochen wird. Busstag ist fast überall der Mittwoch vor dem letzten Sonntag nach Trinitatis, Totensonntag ist der letzte Sonntag nach Trinitatis. Das Reformationsfest wird mit wenigen Ausnahmen am 31. Oktober gefeiert. Einige Landeskirchen, in denen das Reformationsfest staatlich nicht als gesetzlicher Feiertag anerkannt ist, feiern es am Sonntag nach dem 31.10.

97 In diesem Rundschreiben an die Landeskirchenleitungen hatte die Kirchenkanzlei u.a. darum gebeten "anzugeben, an welchem Tage die nicht allgemein festgelegten Feiertage wie Busstag und Erntedankfest begangen werden. Würde es von Ihnen als erwünscht angesehen werden, wenn wir uns um eine einheitliche Festsetzung der bisher nicht allgemein festgelegten Tage wie Erntedanktag und Busstag bemühten und welches Datum wird für diese Tage vorgeschlagen?" (EZA BERLIN, 2/646).

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Der Rat der EKD bittet die Landeskirchen, als Busstag allgemein den Mittwoch vor dem letzten Sonntag nach Trinitatis, als Reformationsfest allgemein den 31.10. und als Totensonntag allgemein den letzten Sonntag nach Trinitatis zu feiern. Eine Vereinheitlichung des Termins für das Erntedankfest ist schwieriger und nicht erforderlich. Es hängt von den besonderen örtlichen Bedingungen ab, wann in den verschiedenen Gegenden die Ernte eingebracht ist. Es wird gebeten, davon abzusehen, den Sonntag Reminiscere oder einen anderen Sonntag der Passionszeit zum Heldengedenktag zu machen. II. Von Bemühungen bei dem Kontrollrat um eine einheitliche gesetzliche Regelung des s t a a t l i c h e n S c h u t z e s für diese und die übrigen kirchlichen Feiertage haben wir abgesehen. Wir bitten aber die Landeskirchen, bei den für sie zuständigen Länderregierungen dahin vorstellig zu werden, dass Busstag, Reformationsfest und Erntedankfest allgemein an den oben genannten Tagen als gesetzliche Feiertage anerkannt und staatlich geschützt werden und dass dem Busstag und dem Totensonntag ebenso wie dem Karfreitag der besondere Schutz der ernsten Feiertage gewährt wird. Bestimmungen in den einzelnen Ländern, die ausser den herkömmlichen festen Feiertagen (wie Neujahr, Karfreitag, den beiden Oster-, Pfingst- und Weihnachtsfeiertagen, Himmelfahrt) und den oben erwähnten beweglichen Feiertagen noch weitere sogenannte kleine Feiertage kennen, sollen nach Möglichkeit gewahrt bleiben. Im Auftrage: gez. Dr. Schwarzhaupt 11E6. Rundschreiben der Kirchenkanzlei an die Landeskirchenregierungen. Schwäbisch Gmünd, 30. Mai 1947 F: LKA Nürnberg, Meiser 129 (H).

Betrifft: Bitte um Unterstützung der evang. Studentengemeinden an den Universitäten und Hochschulen. Der Rat der EKD hat in seiner Sitzung vom 27. und 28. März 1947 über die Finanzierung der evang. Studentengemeinden folgende Beschlüsse gefasst: "Um die zur Finanzierung der neu eingerichteten Studentenarbeit von Pastor Bannach erforderlichen Mittel aufzubringen, sollen 10.000,- RM aus der Kollekte für kirchliche Notstände gegeben werden, ausserdem soll sich der Rat an die Landeskirchen wenden und von ihnen eine Beihilfe von je 1.000,- [bis] 4.000,-RM erbitten."

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Um einen sachlichen Einblick in die heute an den Universitäten und Hochschulen bestehende Arbeit der evang. Studentengemeinde zu geben, geben wir das Wort einer führenden Persönlichkeit aus dem Altfreundeverband zur Kenntnis: "Die evang. Studentengemeinde in Deutschland stellt die Zusammenfassung aller kirchlichen Kräfte dar, die an den Hochschulen arbeiten. Infolge des starken Ortswechsels der Studenten und in Anbetracht der starken Förderung, die die Studentenarbeit für jeden Studentenpfarrer bedeutet, haben alle Landeskirchen die Notwendigkeit einer engeren Zusammenarbeit der einzelnen Studentengemeinden anerkannt. Vor allem sind an vielen Orten in Deutschland z.Zt. neue Hochschulen oder Akademien in der Bildung begriffen, grossenteils unter Ausbau der bestehenden freien katholischen Fakultäten zu Universitäten. Da über diese Entwicklung die Landeskirchen teilweise gar nicht unmittelbar informiert sind und auch nicht sofort über die nötigen Fachkräfte verfügen, allen Bedürfnissen, die hier entstehen, zu entsprechen, sind heute an den Reisedienst der evang. Studentengemeinde in Deutschland und an ihre Reichsgeschäftsstelle besondere Anforderungen gestellt. Das gilt besonders auch von der Ostzone, die aus anderen Gründen unter besonderen Schwierigkeiten zu leiden hat. Die vertrauensvolle Zusammenarbeit aller deutschen Studentenpfarrer in der Konferenz der evangelischen Studentenpfarrer hat bei dem letzten Treffen im April wieder gezeigt, wie dringend die Studentenpfarrer in ihrer geistlichen Sonderarbeit eine Unterstützung aus der Gesamtheit der Studentengemeinde wünschen. Der Dienst der evang. Studentengemeinde in Deutschland kommt daher unmittelbar den einzelnen Landeskirchen zugut. Deswegen ist es auch begründet, wenn die Landeskirchen für die Arbeit der Studentengemeinde in Deutschland einen besonderen Beitrag gewähren. Es ist anzunehmen, dass dieser Beitrag nur für ein oder wenige Jahre erbeten werden muss, da die Evang Studentengemeinde durch die Sammlung ihrer ehemaligen Mitglieder in Altakademikerkreisen im Laufe der Zeit selbst die nötigen Mittel aufzubringen hofft. Vorläufig aber kann die Hilfe der Landeskirchen nicht entbehrt werden, wenn die gesamte Studentenarbeit in Deutschland nicht schweren Schaden leiden soll." Wir schliessen daran die Bitte, dass die Landeskirchen sich dieser an sie herangetragenen Bitte nicht verschliessen und in ihrem Etat eine entsprechende Summe je nach der Grösse und Leistungsfähigkeit der Landeskirche einsetzen möchten. Die bereitgestellten Gelder werden erbeten auf das Konto: Evang. Studentengemeinde, Dr. Ewald Katzmann, Tübingen, Deutsche Bank Stuttgart 24169. gez. Asmussen DD.

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11E7. "Niederschrift über die Besprechung für die Gründung des Nationalrates der Deutschen Kirchen in Stuttgart am 21.3.1947". Schwäbisch Gmünd, 21. März 1947 F: EZA Berlin, 2/183 (D). Teilnehmer: Bischof Dr. Sommer, Methodistenkirche, Superintendent Huber, Methodistenkirche, Sem. Dir. Dr. Schempp, Evgl. Gemeinschaft, Superintendent Dr. Siegel, Kanzlei der EKD, Assessor v. Harling, Kanzlei der EKD. Superintendent Dr. Siegel eröffnet die Besprechung, indem er mitteilt, dass die Kanzlei der E K D auf Grund eines Ratsbeschlusses die Bildung eines Nationalrates der Deutschen Kirchen anstrebe 98 . Zweck dieses Rates solle in erster Linie die Vertretung gemeinsamer Interessen vor weltlichen Stellen (Staat, Militärregierungen, usw.) und der Oekumene sein. Über den Kreis der zu beteiligenden Kirchen müsse man sich noch verständigen. Die E K D lege auf jeden Fall Wert darauf, dass die Sekten ausgeschlossen bleiben. Man werde sich aber nicht auf eine dogmatische Abgrenzung des Begriffes "Sekte" festlegen, sondern von Fall zu Fall entscheiden. Auf jeden Fall seien nach Auffassung der E K D Gemeinschaften wie die Ernsten Bibelforscher, Adventisten und Neuapostolische als Sekten anzusehen. Hinsichtlich der Altapostolischen könne man Zweifel haben. Wenn der Plan die Zustimmung der Anwesenden finde, so müsse man eine weitere Vorbesprechung in grösserem Rahmen unter Beteiligung aller geeigneten Kirchen in Aussicht nehmen, in der dann über die Satzung, die Abgrenzung und die Aufgaben des Nationalrates Beschluss gefasst oder wenigstens durch eine Diskussion dieser Fragen die Auffassung der einzelnen Kirchen festgestellt werden könne, um auf dieser Grundlage die eigentliche Gründungsversammlung vorbereiten zu können. Alle Anwesenden begrüssen diese Vorschläge und bringen ihre freudige Zustimmung zu der von der E K D ergriffenen Initiative zum Ausdruck. Es ergibt sich Ubereinstimmung darüber, dass man sich nicht auf Evangelische Kirchen beschränken wolle, zumindesten nicht grundsätzlich, und dass dies auch in der zu wählenden Benennung des Rates zum Ausdruck kommen müsse. Man einigte sich darauf, die Bezeichnung "Rat der Christlichen Kirchen in Deutschland" vorzuschlagen.

98 Beschluß vom 24/25. Januar 1947:10B, S. 12.

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Bischof Sommer hält es für zweckmässig, dass zunächst diejenigen Kirchen beteiligt werden, über deren Charakter als "Kirche" kein Zweifel besteht, und dass dann im übrigen anderen Gemeinschaften freigestellt bleiben solle, sich um Aufnahme zu bewerben, über die dann der Rat von Fall zu Fall entscheiden müsse. Man einigte sich dahin, zunächst folgende Kirchen zur Teilnahme einzuladen: Evangl. Kirche in Deutschland, Methodisten, Bund freikirchlicher Gemeinden (Baptisten), Evangl. Gemeinschaft, Bund Freier Evgl. Gemeinden, Mennoniten, Altkatholiken, Lutherische Freikirchen, Brüdergemeinde, Freie ref. Gemeinden. Beteiligung der Quäker und der Heilsarmee muss noch erwogen werden. Wegen der orthodoxen Kirche ist z.Zt. wegen der unklaren Verhältnisse eine Stellungnahme nicht möglich. O b seitens der E K D die inoffizielle Fühlungnahme mit der katholischen Kirche möglich ist, muss noch erwogen werden. Dem Vorschlag der E K D für die Festlegung des Aufgabenkreises stimmen die Anwesenden zu, darüber hinaus wird es für zweckmässig gehalten, dass im Rat auch etwa auftretende Meinungsverschiedenheiten und Interessenkonflikte erörtert und soweit möglich, bereinigt werden. Es besteht jedoch Ubereinstimmung darüber, dass der Rat eine die Mitgliedskirchen bindende Entscheidungsbefugnis nicht haben könne. Superintendent Siegel schlägt vor, in das Programm für die Aufgaben des Rates aufzunehmen: "Beratung der dem Rat angehörigen Kirchen untereinander." Die Vorbesprechung unter Beteiligung aller erwähnten Kirchen soll keinesfalls vor Mitte Juni stattfinden, da Bischof Sommer in der ersten Hälfte des Juni in England sein wird. Ausserdem halten alle Anwesenden eine gründliche Vorbereitung für zweckmässig, damit die Versammlung zu positiven Ergebnissen kommen kann. Einen geeigneten Ort für die Zusammenkunft wird die Kanzlei der E K D ermitteln. Bischof Sommer hält es für notwendig, dass ein Uberblick über die praktischen Aufgaben des zu gründenden Rates vorbereitet wird. Der Rat könne auch dazu helfen, dass in Angelegenheiten von oekumenischer Bedeutung,

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wie z.B. Sonntagsschulwesen, Mission, Studentenbewegung, Schulfrage, die Auffassungen der Freikirchen besser als bisher zu Gehör kommen und ihre Interessen auf diesen Gebieten gewahrt werden. Superintendent Siegel schlägt vor, dass über die Festlegung der Aufgaben des Rates je ein Referat von der E K D und von den Freikirchen vortragen soll [iic/j, und dass dann diese Referate zur Diskussion gestellt werden. Für die Tagung müssen mindestens 2 1/2 Tage vorgesehen werden und zwar 1/2 Tag für die Anreise und 2 Tage für die eigentlichen Besprechungen. Jeder Tag müsse mit einer Andacht und dann mit einer gründlichen Bibelarbeit begonnen werden. Diese Vorschläge finden allgemeine Zustimmung. Zur Vorbereitung der Versammlung soll ferner durch die Kanzlei der EKD ein Statut entworfen werden, das in der Versammlung disputiert werden kann. Es soll angestrebt werden, dass der Rat eine Art von Vorstand oder ständigen Ausschuss bildet, der möglichst oft zusammenkommen und in dauernder Verbindung bleiben soll. Der Rat selbst soll möglichst einmal im Jahr zusammentreten. Ausserdem soll erwogen werden, ob etwa alle 4 Jahre ein allgemeiner Kirchentag einberufen werden könne, auf dem dann vor der Öffentlichkeit ein gemeinsames Zeugnis abgelegt werden soll. Diese Niederschrift soll allen Anwesenden mitgeteilt werden. Es besteht Einverständnis darüber, dass die Anwesenden hier nur ihre persönlichen Auffassungen unverbindlich zum Ausdruck gebracht haben. (Dr. Siegel) 11E8. Schreiben der Kirchenkanzlei an die Ev.-Luth. Kirche Altpreußens. [Schwäbisch Gmünd] 29. Juli 1947 F: EZA Berlin, 2/185 (Konzept mit Paraphe Asmussens und Absendevermerk vom 30. Juli). Betr.: Gespräch zwischen den Evangelischen Landeskirchen und Freikirchen in Deutschland. Der Rat der E K D hat in seinen Sitzungen vom 24./25. Januar 1947 und 27./28. März 1947 sich mit der Frage einer Fühlungnahme und eines loseren Zusammenschlusses der Landeskirchen mit den Freikirchen in Deutschland befasst. Er würde es ausserordentlich begrüssen, wenn ein Gespräch zwischen den evangelischen Kirchen in Deutschland zustande käme. Er ist der Uberzeugung, dass ein Gespräch über die Frage einer Verbindung der evangelischen Kirchen untereinander zum Segen für die gesamte evangelische Christenheit werden kann.

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Wir bitten um Ihre Stellungnahme und fragen an, ob Sie bereit wären, an einer einzuberufenden Tagung teilzunehmen. Gegebenenfalls bitten wir um Mitteilung ihrer Wünsche und Gedanken für ein solches Gespräch. Wir haben uns noch an folgende weitere Kirchen in Deutschland gewandt: 1. Bischöfliche Methodistenkirche, Frankfurt. 2. Bund Evang.-Freikirchlicher Gemeinden, Bad Pyrmont. 3. Evang. Gemeinschaft, Berlin. 4. Bund Freier Evang. Gemeinden, Witten/Ruhr. 5. Evang.-Lutherische Freikirche, Berlin. 6. Vereinigung der Deutschen Mennonitengemeinden, Monsheim. 7. Altkatholische Kirche, Bonn. 8. Selbständige Lutherische Kirche in Hessen und Niedersachsen, Marburg/Lahn. Wir bitten, die Liste zu überprüfen und uns Ergänzungen, die Sie für erforderlich halten, mitzuteilen. Bitte haben Sie die Freundlichkeit, dieses Schreiben, wenn Sie persönlich nicht für die Entscheidung in dieser Frage zuständig sein sollten, an die entsprechende Stelle Ihrer Kirche zu leiten und uns Abgabenachricht mit der genauen Adresse zuzusenden. Ferner wären wir Ihnen zur Vorbereitung des Gespräches sehr dankbar, wenn Sie uns eine kurze Darstellung des Wesens Ihrer Kirche geben könnten, in der vielleicht mit einigen Stichworten insbesondere auf folgende Punkte eingegangen werden könnte: 1.) Historische Entstehung. 2.) Bekenntnisgrundlage. 3.) Verfassung und Gliederung. 4.) Zahl der Gemeinden und Mitglieder. 5.) Hervorhebung besonderer Merkmale, die einerseits die Verwandtschaft, andererseits die Unterschiede gegenüber anderen Kirchen und Freikirchen deutlich machen. 11E9. Schreiben Maurers an das Archivamt der EKD. Caldern, 13. August 1946 F: EZA Berlin, 2/94 (Abschrift; Anlage zum Schreiben des Archivamtes an die Kirchenkanzlei vom 21. August 1946). Für eine neu zu gründende "Historische Kommission der E K D " sehe ich eine dreifache Aufgabe, deren Ausführung dringend notwendig ist und nicht lange auf sich warten lassen darf:

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1. Es muß eine Zentralstelle geschaffen werden, die für gemeinsame Aufgaben der Geschichtsschreibung und -forschung auf dem Boden des Protestantismus Anregungen ausgibt, Aufgaben stellt und durchführt. Die kirchengeschichtliche Forschung wird in zunehmendem Masse auf die Unterstützung der EKiD angewiesen sein, da die Deutsche Forschungsgemeinschaft in der alten Form sicherlich nicht mehr wird arbeiten können. Aufgaben, die bisher staatlichen Kommissionen oblegen haben, fallen nunmehr der Kirche zu. Als wichtigstes Werk ist die Vollendung der Weimarer Lutherausgabe zu nennen, deren bisherige Herausgeber, die Professoren Bebermeyer und Erich Seeberg, ausgefallen sind. Von der "Staatlichen Kommission zur Erforschung der Geschichte von Reformation und Gegenreformation" war seit 1938 unter Leitung des Unterzeichneten die Herausgabe einer "Deutschen Biographie der Reformationszeit" geplant worden, deren Vorbereitung ziemlich weit gediehen ist und deren Anfänge bis in das Jahr 1917 zurückgehen. In einem früheren Stadium der Verhandlungen war der Kommission die Weiterführung des Corpus Reformatorum vorbehalten worden; man dachte an die Herausgabe der Werke von Butzer und Brenz. Auch wenn solche Aufgaben im Augenblick noch nicht angegriffen werden können, so muß eine Stelle geschaffen werden, die mit dem Schweizer Zwingli-Verein über die Beendigung der Zwingli-Ausgabe im Rahmen des C[orpus] R[eformatorum] verhandeln kann. Darüber hinaus wird es notwendig sein, für die jüngeren Forscher eine Publikationsmöglichkeit für Arbeiten aus der Geschichte des Deutschen Protestantismus zu schaffen. Ich denke dabei an eine Monographie-Reihe, in der a) vergleichende Strukturanalysen über Ordnung, Liturgie und Bekenntnisstand verwandter Landeskirchen geliefert, b) Probleme der überlandeskirchlichen Organisation des Deutschen Protestantismus (z.B. Corpus Evangelicorum, Einigungsbestrebungen im 19. Jahrhundert) behandelt würden. 2. Aufgabe der Kommission müßte es fernerhin sein, die landeskirchlichen Publikationsorgane auf gemeinsame Aufgaben kirchengeschichtlicher Forschung hinzulenken. Der Stand der lokalgeschichtl[icAew] Forschung ist in den einzelnen Landeskirchen sehr verschieden. Ein gegenseitiger Austausch der Erfahrungen und eine zielbewußte Ausrichtung aller Kräfte würde hier einen neuen Anfang herbeiführen können. 3. Die kirchliche Lage des deutschen Ostens stellt gegenwärtig besondere kirchengeschichtliche Aufgaben. Die Erhaltung und Erschließung der Quellen zur Geschichte des ostdeutschen Protestantismus ist nur möglich, wenn von einer Zentralstelle aus kirchengeschichtlich geschulte Hilfskräfte mobilisiert werden, die hier fördernd eingreifen. Außerdem müssen die in der Ostdeutschen Kirchengeschichte eingearbeiteten Männer besonders unterstützt und für ihre kirchengeschichtlichen Aufgaben freigemacht werden.

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11. Sitzung F r a n k f u r t / M a i n 27. und 28. M ä r z 1947

Vordringliche Aufgabe für eine Historische Kommission der EKiD wäre also die Begründung eines Kirchengeschichtlichen Institutes, das in jenen drei Aufgabenbereichen tätig zu sein hätte und einem geschäftsführenden Mitglied der Kommission zu unterstellen wäre. In den Vorverhandlungen wurde Marburg als Sitz eines solchen Institutes ins Auge gefasst. Unter den gegenwärtigen Verhältnissen würde diese Ortswahl besonders empfehlenswert sein. Diese bedeutsame geschichtliche Stätte des deutschen Protestantismus ist-unzerstört, besitzt das gegenwärtig reichste reformationsgeschichtliche Archiv, würde in Verbindung mit der Universität, die sich augenblicklich im Schloß eine neue repräsentative Tagungsstätte geschaffen hat, nicht nur für die wissenschaftliche Kleinarbeit den geeigneten Rahmen abgeben, sondern auch für regelmäßige Tagungen offen stehen. Ich würde es nicht für richtig halten, einen hauptamtlichen, besoldeten Sekretär zu bestellen. Bei der gegenwärtigen personellen und finanziellen Lage wäre es richtiger, einige Forschungsstipendien an dem Institut zu schaffen, deren Inhaber unmittelbar an die wissenschaftliche Arbeit gehen können und daneben als Entgelt für ihr Stipendium einzelne Sekretärsfunktionen übernehmen, die ihnen von dem geschäftsführenden Mitglied der Kommission zugewiesen werden. So könnten mit verhältnismäßig geringen Mitteln große Aufgaben angefasst und weitergeführt werden. Ich wäre dankbar, wenn diese meine Anregungen dem Kreis der Herren, die seit Jahren mit der Bildung einer Historischen Kommission der E K i D befaßt sind, zugänglich gemacht werden könnten. Vielleicht wäre es möglich, in einer gemeinsamen Aussprache noch in diesem Herbst eine vorläufige Klärung der Angelegenheit herbeizuführen. Ergebenst gez. Lie. W. Maurer Propst und Professor. 11E10. Schreiben Maurers an Merzyn. Caldern, 27. Januar 1947 F.-EZA

Berlin,

2/100(0).

Sehr geehrter Herr Doktor! Unter Bezugnahme auf unser Gespräch in Hephata möchte ich Ihnen noch einmal meine Ansichten über die Neubildung einer Historischen Kommission der E K i D unterbreiten. Ich bin davon überzeugt, sie wird erst dann zustande kommen, wenn ein praktischer Anfang mit der Arbeit gemacht ist. Wenn der Rat mich damit beauftragen würde, dann würde sich die Zusammensetzung der Kommission von selber regeln. Für mich würde eine solche

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Beauftragung - besonders wenn gar auch eine Uebersiedlung der Kirchenkanzlei nach Marburg im Laufe der Zeit mit verbunden sein würde - ein starkes Bindemittel an meine jetzige Marburger Stellung darstellen. Die Voraussetzungen, unter denen ich mir eine solche Beauftragung denken würde, sind folgende: 1.) Die EKiD bestellt einen fachmännisch ausgebildeten Bibliothekar, der die territorialgeschichtliche Literatur, vor allem auch die des deutschen Ostens, planmässig zusammenstellt und ihre wissenschaftliche Auswertung sichert. Die nötigen Mittel für die Errichtung einer solchen Bibliothek müssten also in den Etat eingestellt werden. 2.) Es wird mir eine qualifizierte Sekretärin zur Verfügung gestellt, die imstande ist, auch wissenschaftliche Texte zu schreiben und Korrekturen zu lesen. 3.) Es werden mindestens zwei Forschungsstipendien von Seiten der EKiD errichtet, die von mir im Einvernehmen mit der Kommission vergeben würden an solche, die, von ihren Landeskirchen oder anderen kirchlichen bezw. wissenschaftlichen Stellen präsentiert, mit kirchengeschichtlichen Arbeiten promovieren wollen. Die Wahl der Themen hätte in der Weise zu erfolgen, dass bestimmte, für die gegenwärtigen Entscheidungen der Kirche wichtige Fragen unter den verschiedensten Gesichtspunkten geklärt würden. Die Stipendien müssten so bemessen sein, dass sie vollen Lebensunterhalt gewähren. Die Stipendiaten hätten als Entgelt einen geringen Teil ihrer Arbeitskraft dem kirchengeschichtlichen Institut der EKiD zur Verfügung zu stellen. Weitere Forderungen hätte ich zunächst nicht zu stellen. Um die Arbeit in Angriff zu nehmen, wäre die Erfüllung der zweiten die wichtigste. Für den Beginn der Arbeit würde die Raumfrage nicht akut sein, da wir sicherlich in den Räumen der Universität, in denen ich bisher die Deutsche Biographie der Reformationszeit bearbeitet habe, unterkommen könnten. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie die Angelegenheit auf der nächsten Ratstagung zur Sprache bringen könnten. Ich habe bisher mit dem Herrn Oberbürgermeister von Marburg in der anderen von uns besprochenen Angelegenheit noch nicht Fühlung nehmen können, werde das aber so bald wie möglich tun und Ihnen dann Nachricht geben. Mit herzlichen Grüssen Ihr sehr ergebener Lie. W. Maurer \m.p.'\ Propst und Professor.

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11. Sitzung Frankfurt/Main 27. und 28. März 1947

11E11. Schreiben Asmussens an die Mitglieder des Rates. 28. April 1947 F: LKA Nürnberg, Meiser 125 (D).

Unter Bezugnahme auf Ziffer 23 des Vermerks über die Beschlüsse der letzten Ratssitzung" teilen wir ihnen mit, dass uns in diesen Tagen der Text eines Kontrollratsgesetzes N r . 49 vom 20.3.1947100 zugegangen ist. Es lautet: Aufhebung des Reichsgesetzes über die Verfassung der Deutschen Evangelischen Kirche vom 14. Juli 1933. Der Kontrollrat erlässt folgendes Gesetz: Artikel I. Das Reichsgesetz über die Verfassung der Deutschen Evangelischen Kirche vom 14. Juli 1933 (RGBl I 471) einschliesslich aller ergänzenden und auslegenden Gesetze, Verordnungen und Erlasse wird hiermit aufgehoben. Artikel II. Die Verfassung der Deutschen Evangelischen Kirche vom 11. Juli 1933101 wird durch die Bestimmung des Artikels I nicht berührt. Es bleibt den zuständigen deutschen Kirchenbehörden überlassen, diese Verfassung als eine innere kirchliche Angelegenheit ganz oder teilweise aufrechtzuerhalten oder aufzuheben. Artikel ΙΠ. Dieses Gesetz tritt mit dem Tage seiner Unterzeichnung in Kraft. Demnach dürfte die Mitteilung, dass das Gesetz vom 14.7.33 wieder in Kraft gesetzt worden sei, unrichtig sein. gez. Asmussen D.D. 11E12. Schreiben Asmussens an Meiser. Schwäbisch Gmünd, 29. März 1947 F: LKA Nürnberg, Meiser 120 (O).

Hochwürdiger H e r r Landesbischof! Lieber Bruder Meiser! Mit grossem Bedauern habe ich gehört, dass Sie erkrankt sind. Von ganzem Herzen wünsche ich Ihre baldige Genesung. Herr Dr. Kinder wird Sie bereits über ein Gespräch unterrichtet haben, dass ich mit ihm hatte. Ich habe ihn recht schätzen gelernt und halte ihn für einen tüchtigen Arbeiter. Wenn es mir erlaubt ist, Sie auf Ihrem Krankenlager mit Dingen des Amtes zu belästigen, so möchte ich Ihnen einiges schreiben über die letzte Bruderratssitzung S. 69. 100 Zu Entstehung und Problematik dieses auf eine Anregung Wurms erlassenen Gesetzes vgl.

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M . ETZEL, A u f h e b u n g , S. 122-126. 101 G B 1 D E K 1933, S. 2-6.

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und die Ratssitzung. Ich selber reiste mit Fieber hier ab, so dass ich nicht ganz in Form war. Trotzdem glaube ich, dass es gut gewesen ist, wenn ich zur Bruderratssitzung und zur Ratssitzung reiste. Auf der Bruderratssitzung wurde ein Verfassungsentwurf besprochen, von dem ich glaube, dass er ein guter Besprechungsbeitrag ist 102 . Ausserdem habe ich auf der Bruderratssitzung von unseren Gesprächen berichtet, was gewiss besser hätte geschehen können, als ich es getan habe. Jedenfalls war der Erfolg eine rechte Erregung innerhalb des Bruderrates, die sich vor allen Dingen darin äusserte, dass von mehreren Seiten die Befürchtung ausgesprochen wurde, wir würden einem zweiten Oeynhausen 103 entgegen gehen. Daraufhin habe ich am zweiten Vormittag noch einmal das Wort genommen und etwa folgendes ausgeführt: Der Ausgangspunkt sei für mich die Barmer Theologische Erklärung, jedoch in dem Verstände, dass sie in Einheit mit den anderen Beschlüssen der Barmer Synode und gemäss dem ausdrücklichen Synodalbeschluss in Einheit mit dem Vortrag genommen werde, der damals zur Begründung der Theologischen Erklärung gehalten wurde 104 . Nun aber muss ich die Lage so beurteilen, dass von links und von rechts der Ertrag der Barmer Erklärung gefährdet sei. Auf der einen Seite gäbe es Kreise in der lutherischen Kirche, welche sich nicht in Uebereinstimmung wüssten mit den Feststellungen, die in Barmen getroffen seien und mit den Verwerfungen, die dort ausgesprochen seien. Auf der anderen Seite hielte ich dafür, dass Barmen gefährdet werde durch die Bekennende Kirche selbst. Dieses geschehe in doppelter Weise. Einmal löse man die Barmer Theologische Erklärung von den anderen Beschlüssen und von ihrer Präambel, ebenso wohl wie von dem sie begründenden Vortrage. Das habe zur Folge, dass man praktisch in gewissen Kreisen der Bekennenden Kirche die Grundstruktur der E K D verändere und auf eine Unionisierung der E K D oder weiter Kreise derselben die Bestrebungen abstelle. Auf der anderen Seite werde jetzt immer häufiger eine Theologie in der Bekennenden Kirche vorgetragen, die mit den Erkenntnissen von Barmen nicht vereinbar sei. Dieses werde am deutlichsten durch die jüngsten Äusserungen Karl Barths, den man in weiten Kreisen der Bekennenden Kirche als den Kirchenlehrer schlechthin betrachte.

102 Der Bruderrat hatte auf seiner Sitzung am 26./27. März 1947 den Entwurf einer Ordnung der EKiD verabschiedet und veröffentlicht (vgl. dazu A. SMITH-VON OSTEN, S. 247ff.). 103 Anspielung auf die 4. Bekenntnissynode der DEK im Februar 1936 in Bad Oeynhausen, nach der die Bekennende Kirche in den bruderrätlichen und den bischöflichen Flügel zerfiel. 104 Vgl. dazu C. NICOLAISEN, Weg, S. 56; EBD. S. 111-139 der Vortrag Asmussens vom 30. Mai 1934.

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11. Sitzung Frankfurt/Main 27. und 28. März 1947

Ich müsse davor warnen, der politischen Theologie Karl Barths anzuhängen und müsse davor protestieren, dass jemand behaupte, er ginge in der Linie von Barmen, wenn er dieser politischen Theologie sich zuordne. Ausserdem sei unverkennbar, dass Karl Barth bestimmte Lehren des lutherischen Bekenntnisses für verderbliche Irrlehren halte, so zum Beispiel die Lehre vom Gesetz und Evangelium, und dass er eine Tauflehre vertrete, welche die Grundstruktur der E K D verändere. Wenn man nun sage, wir würden von neuem einer Situation entgegen gehen, wie sie einmal in Oeynhausen herrschte, so müsste ich der bestimmten Hoffnung Ausdruck geben, dass dieses nicht eintreten würde. Sollte es aber doch eintreten, dann müsse man damit rechnen, dass nicht nur die Lutheraner einem radikalen Flügel der Bekennenden Kirche gegenüberstehen würden. Man müsse noch mit einer dritten Front rechnen, welche diese Scheidung von den Lutheranern nicht mitmachen würde. Diese dritte Front aber müsse man sich als sehr stark vorstellen. Ich schmeichle mir nicht in der Vorstellung, dass ich mich durch diese Rede beliebt gemacht habe. Vor allen Dingen Iwand, der augenblicklich das Feld beherrscht, und die Reformierten waren sehr böse und zum Teil auch sehr ungezogen. Aber immerhin ist das erreicht worden, dass die gesamte Stimmung sehr viel ernüchterter wurde, und der Wille, auf irgend einem Wege den Frieden zu halten, stärker wurde. Die Ratssitzung, für welche Niesei offenbar ein grosses Gespräch mit Ihnen in Aussicht genommen hatte, verlief durch Ihr Fernbleiben sehr ruhig. Der einzig aufregende Punkt war die Besprechung über Schwarz, in welcher Niesei den merkwürdigen Standpunkt einnahm, dass ihm an den einzelnen Fällen, für welche er doch in der Sitzung vorher das Material zu haben vorgab, gar nicht gelegen sei. So sind denn ausser den Beschlüssen zu Moskau, die Ihnen Dr. Kinder bereits unterbreitet haben wird, wesentliche Beschlüsse kaum gefasst worden. Das Ganze hatte mehr den Charakter einer Arbeitsbesprechung. Nun entstehen aber einige sehr wichtige Fragen: 1.) Die Beschlüsse des Reformierten Bundes 105 halte ich für so weitgehend, dass um der Struktur der E K D willen zu ihnen geredet werden muss. Ich halte es nicht für angängig, dass der Reformierte Bund, wenn er Sorge wegen des Verfassungsentwurfes der V E L K D hat, diese Sorge nicht in einem Brief an Sie zum Ausdruck bringt, sondern in einem Beschluss, der ohne Adressa-

105 Das Moderamen des Reformierten Bundes hatte am 14. März 1947 eine Entschließung "Zum Entwurf der Verfassung der VELKD" verabschiedet (vgl. dazu A. SMITH-VON OSTEN, Treysa, S. 268ff.).

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ten ist und also doch wohl so aufgefasst werden soll, dass man ihn urbi et orbi verkünden will. 2.) Ich halte es weiter nicht für tragbar, dass der Reformierte Bund erklärt, er wünsche das angefangene Gespräch nicht über den Vorsitzenden des Rates zu führen, sondern von Kirche zu Kirche gelegentlich der Kirchenversammlung. Ich bin nicht der Meinung, dass eine konfessionelle Besprechung gelegentlich der Kirchenversammlung unmöglich ist; aber das Austragen der konfessionellen Differenzen für den Kirchentag in Aussicht nehmen, das heisst den Kirchentag sprengen. Ich habe ja nicht die Vollmacht als Leiter der Kanzlei, dies dem Reformierten Bund zu schreiben. Aber als Mitglied des Rates werde ich aus dieser meiner Auffassung keinen Hehl machen. Ich würde es aber für gut halten, wenn der Lutherrat hierzu das Wort ergreifen würde. Ich halte es auch nicht für eine unbescheidene Bitte, wenn ich Ihnen nahelege, Sie möchten doch Ihrerseits darauf bestehen, dass das Gespräch zwischen Lutheranern und Reformierten in der angefangenen Weise, auf die Sie so freundlich eingegangen sind, fortgeführt werde. 3.) Ich glaube, dieselbe Bitte aussprechen zu dürfen hinsichtlich des zu führenden Gespräches mit dem Bruderrat. Natürlich steht nichts im Wege, dass die Besprechungen von Neuendettelsau 106 fortgesetzt werden. Aber es liegt im Interesse des Gesamten, dass die jetzt zu führenden konfessionellen Gespräche in einer Hand liegen. Ich kann wohl verstehen, weshalb Bruder Held dies nicht wünscht. Aber ich glaube, ihm darin nicht nachgeben zu sollen, auf die Gefahr hin, dass ich in das Licht gerate, als wollte ich mir selber eine Stellung erringen, die mir nicht zukommt. 4.) Sehr sorgfältige Erwägung bedarf die Frage, was auf dem Kirchentag 107 geschehen soll. Wir werden es nicht umgehen können, dass die konfessionelle Frage zum Gegenstand der Beratungen wird. Dieses aber müsste dann nach sehr gründlicher Vorbesprechung geschehen und so, dass die Betroffenen sich vorher darüber verständigen, wie weit man gelegentlich der Kirchenversammlung dieses Gespräch zu führen gedenkt. Ich hoffe, Ihnen in der nächsten Woche Durchschläge von Briefen, die ich in dieser Sache geschrieben habe, zusenden zu können. Meinen heutigen Brief bitte ich, als vertrauliche Information in Ergänzung meines Gespräches mit Dr. Kinder auffassen zu wollen. Für das heilige Osterfest wünsche ich Ihnen Gottes reichen Segen

106 Gemeint sind die Besprechungen zwischen Bruderrat und Lutherrat, die am 25. Juni und 18. Dezember 1946 in Neuendettelsau stattgefunden hatten {vgl. dazu EBD., S. 205-207; 237-240). 107 D.h. auf der in Aussicht genommenen Kirchenversammlung in Treysa.

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11. Sitzung Frankfurt/Main 27. und 28. März 1947

und grosse Freude in Haus und Amt. Mit den herzlichsten Grüssen von Haus zu Haus Ihr ganz ergebener Hans Asmussen [m.p.~\ 11E13. Schreiben Asmussens an Niemöller. Schwäbisch Gmünd, 29. März 1947 F: EZA Berlin, 2/12 (D mit Paraphe Asmussens). Lieber Martin! Ich komme gerade von der Sitzung des Reichsbruderrates und des Rates zurück und will Dir schnell Bericht erstatten über das, was vorgegangen ist. Was zunächst Deine Existenz angeht, so rechnen wir alle damit, dass Du Anfang Mai zurück bist. Wir werden dann eine Sitzung des Rates möglichst in Berlin abhalten, um dabei die letzten Vorbereitungen für die Kirchenversammlung zu treffen, die Anfang Juni stattfinden soll. Damit antworte ich auch auf das zu Dir gedrungene, wirklich verantwortungslose Gerücht, als ob irgend jemand versuche, die Kirchenversammlung zu sabotieren. Ein Programm für die Kirchenversammlung liegt noch nicht fest. Nach dem, was bisher gesprochen ist, scheint es mir, als solle dort gesprochen werden sowohl über die konfessionelle Frage, wie auch über die Notlage des deutschen Volkes. Doch ist das kein Beschluss, sondern die Wiedergabe meines Eindruckes auf Grund der Gespräche, die wir im Rat gehabt haben. In der Bruderratssitzung ist der Entwurf einer Verfassung durchberaten worden 108 . Dieser Entwurf war aber noch nicht fertiggestellt, als ich von der Bruderratssitzung abfuhr, um in Frankfurt alles für die Sitzung des Rates vorzubereiten. Definitiver kann ich also darüber noch nicht berichten. Ausserdem habe ich gelegentlich der Bruderratssitzung über das konfessionelle Gespräch berichtet. Hierbei wurde sichtbar, wie schwierig die Situation ist. Viele Brüder meinten, wir würden von neuem einer Situation von Oeynhausen 109 entgegen steuern. Ich teile diese Meinung nicht, wenn ich auch deutlich sehe, dass wir mit zwei Flügeln zu rechnen haben, die recht stark sind; einem lutherisch-konfessionellen und einem unierten, der wesentlich durch Karl Barth bestimmt ist und in Deutschland durch Iwand vertreten wird, dem Bruder Held zur Seite steht, und der sich stark an die Reformierten anlehnt. Aber wenn wir auch mit diesen beiden Gruppen rechnen müs-

108 Vgl. S. 121, Anm. 102. 109 Vgl. dazu S. 121, Anm. 103.

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sen, so ist doch die Situation gegenüber Oeynhausen insofern anders, als eine dritte Gruppe da ist, die nicht der Ueberzeugung ist, dass die beiden widerstreitenden Pole nicht mehr zusammenzufassen sind. Zu dieser Gruppe zähle ich mich selber. Theologisch wird diese Gruppe hauptsächlich getragen durch Schlink und Brunner. So wird man also wohl sagen müssen, dass sich neue Fronten konsolidieren. Vielleicht sehen andere die Situation anders. Ich glaube aber, D i r einen Dienst zu tun, wenn ich Dir meine Sicht der Dinge mitteile. Eine Vereinfachung der gesamten Lage sehe ich darin, dass sowohl Marahrens wie auch Fleisch nunmehr aus dem Dienst scheiden, und dass wir, wenn Du zurückkommst, wahrscheinlich einen neuen hannoverschen Bischof haben werden. Wer das sein wird, lässt sich heute noch nicht sagen. Ich möchte aber beinahe meinen, dass man mit Lilje wird rechnen können 110 . Doch ist das auch nur mein persönlicher Eindruck. Sicher ist, dass durch diesen Personalwechsel die Situation auf Seiten der Lutheraner sich sehr wesentlich ändern wird. Die Ratssitzung, die jetzt abgeschlossen ist, hat eine Reihe kleinerer Entscheidungen getroffen, die weniger wichtig sind. Das Bedeutsamste war ein Wort zur Moskauer Konferenz 111 , das ich für sehr ordentlich halte, gegen das aber Gerstenmaier einige Bedenken geäussert hat 112 . O b es möglich ist, diesen Bedenken noch Rechnung zu tragen, halte ich für zweifelhaft. Wir haben eine Ansprache an die Gemeinden beschlossen, die von der Kanzel zu verlesen sein würden, einen Einschub ins Kirchengebet und eine Ansprache an die Oekumene. O b es mir möglich sein wird, Dir die Unterlagen dafür noch rechtzeitig nach Amerika zu senden, kann ich noch nicht übersehen. Ich werde es aber versuchen. Die Ratstagung litt darunter, dass Meiser krank ist, so dass aus dem konfessionellen Gespräch im Rat nichts werden konnte. Dibelius hatte eine Autopanne, so dass er die Ratssitzung nicht erreichen konnte. Damit habe ich D i r einen Bericht zur Lage gegeben, wie ich sie sehe. Ich fürchte, dass Du manche Berichte bekommst, die versuchen, Dich in Deiner Abwesenheit für die eine oder andere Seite einzunehmen. Darauf verzichte ich gerne. Du musst Dir selber ein Bild machen von dem, was ist, wenn Du zurückkommst. Ich spreche kein Geheimnis aus, wenn ich sage, dass ich da110 Lilje wurde dann am 17. April 1947 von der neu gewählten hannoverschen Landessynode einstimmig zum Landesbischof gewählt und am 28. Mai 1947 in einem Gottesdienst in sein Amt eingeführt (vgl. dazu H. LILJE, Memorabilia, S. 42-50; zur Vorgeschichte und zum Ausscheiden Marahrens'vgl. G. BF.SIER, Selbstreinigung, S. 111-158). 111 11C3.S. 73f. 112 Vgl. dazu S. 58, Anm. 16.

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11. Sitzung Frankfurt/Main 27. und 28. März 1947

mit rechne, dass wir beide manche Dinge verschieden sehen. Aber ich halte es für konstitutiv für das brüderliche Zusammensein, dass man Verschiedenheiten der Sicht ohne Bruch der Gemeinschaft ertragen kann. Ich bitte, Deine Frau Gemahlin von uns herzlich zu grüssen und wünsche Dir für die letzte Zeit in Amerika alles Gute. Dein

12 Berlin, 12. und 13. Mai 1947 Ort: Beginn: Ende: Teilnehmer:

Protokollant:

Hospiz, Auguststr. 82. Montag, 12. Mai 1947 (morgens). Dienstag, 13. Mai 1947(11.30 Uhr). Vom Rat: Dibelius, Hagemann, Hahn, Heinemann, Held, Meiser, Niesei, Smend. Als Vertreter der Kirchen in der sowjetischen Besatzungszone: Beste (nur 12.5.). Von der Kirchenkanzlei: Merzyn (zeitweise), Siegel (zeitweise). Von der Berliner Stelle der Kirchenkanzlei: Benn, Zimmermann. Als Gäste: Friedensburg (als Vertreter der Stadt Berlin am Morgen des 13.5.), Jermolajew (nur in der Mittagspause am 12.5.), Tulpanow (nur in der Mittagspause am 12.5.) Schwarzhaupt. 12A

Vorbereitung der Sitzung 12A1. Schreiben der Kirchenkanzlei an Smend. Schwäbisch Gmünd, 27. März 1947 F: NL Smend (O mit Übersetzung in das Englische auf der Rückseite). Die nächste Sitzung des Rates der EKD soll am 12. und 13.5. in Berlin stattfinden. Wir laden Sie zu dieser Sitzung ein und bitten Sie, sich von der für Sie zuständigen Militärregierung den erforderlichen Interzonenpass ausstellen zu lassen. Asmussen [m.p.] Zusatz: Außerdem sind einige Tage für Verhandlungen mit der Universität und der Akademie der Wissenschaften in Berlin erforderlich.

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12. Sitzung Berlin 12. und 13. Mai 1947

12A2. Schreiben der Kirchenkanzlei an Smend. Schwäbisch Gmünd, 31. März 1947

F: NL Smend (O). Die nächste Sitzung des Rates der EKD findet am 12. und 13. Mai 47 in Berlin statt. Sie soll am 12. Mai morgens beginnen. Es ist zu vermuten, dass sich für die beteiligten Herren noch weitere Besprechungen in den nächsten Tagen anschliessen werden. Wir bitten Sie, sich rechtzeitig um die Ausstellung eines Interzonenpasses zu bemühen. Nach unseren Informationen werden für vierzehn Tage gültige Pässe für die russische Zone durch Vermittlung der für Sie zuständigen örtlichen Militärregierung ausgestellt. Im Auftrag Schwarzhaupt [m.p.] 12A3. Schreiben Benns an Asmussen. Berlin, 16. April 1947

F:E2A Berlin, 2/59 (O). Sehr verehrter Herr Präsident! Wie erfreut wir sind, daß der Rat seine nächste Tagung in Berlin abhalten wird, brauche ich nicht zu versichern. Wir werden uns bemühen, alle notwendigen Vorbereitungen zu treffen, um den Aufenthalt in Berlin so angenehm wie möglich zu gestalten. Als Tagungsraum haben wir das christliche Hospiz in der Auguststrasse 82 ausersehen. Das Hospiz liegt zwar in einer weniger schönen Gegend, ist aber zentral gelegen (in der Nähe des Bahnhofs Friedrichsstrasse und des Stettiner Bahnhofs und des U-Bahnhofs Oranienburger Tor) und verfügt über ausreichende Räume. Das Johannesstift wäre wohl in mancher Hinsicht noch geeigneter gewesen, aber die Verbindung zur Stadt ist schwierig und wir halten es auch für richtig, daß der Rat, wenn er zum ersten Male in den Osten kommt, im russischen Sektor Berlins tagt. Im Hospiz in der Auguststrasse können auch alle Teilnehmer, wenn sie wollen, übernachten, und zwar in Einzelzimmern. Wäsche ist vorhanden. Einige Zimmer sind besonders gut ausgestattet. Wir glauben daher, daß es auch für Herrn Landesbischof D. Wurm ein angemessenes Quartier sein würde, werden uns aber bemühen, für ihn eine repräsentablere Unterkunft zu finden. Wir haben die Bitte, daß die Teilnehmer uns rechtzeitig mitteilen möchten, ob sie im Hospiz in der Auguststrasse wohnen wollen, oder ob wir uns um ein anderes Quartier umsehen sollen, oder ob sie sich selbst ein Quartier beschaffen möchten. Ferner bitten wir, uns möglichst genau die Ankunftszeit

12A Vorbereitung

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mitzuteilen, damit wir für eine Abholung von der Bahn sorgen können. Verpflegung werden wir mit Unterstützung des Hilfswerks und der SMA 1 bereitstellen. Es wird, wie wir meinen, richtig sein, den Oberst Tulpanow und Herrn Jermolajew am 1. Sitzungstage zum Mittagessen einzuladen, und zwar so, daß sie eine halbe Stunde früher gebeten werden, damit der Oberst noch einige Worte mit dem Kollegium des Rates wechseln kann. Nach dem Turnus, den der Rat beschlossen hat, würde erst für die übernächste Ratssitzung wieder ein zweiter Vertreter der östlichen Kirchen einzuladen sein. Da der Rat aber diesmal im östlichen Bereich tagt, würden wir es sehr begrüssen, wenn schon zu dieser Sitzung einer der leitenden Geistlichen des Ostens wieder besonders eingeladen würde, und zwar möchten wir die Einladung an Herrn Landesbischof Mitzenheim richten. Dürfen wir dies im Einvernehmen mit Ihnen tun? Wenn Sie Bedenken haben sollten, bitte ich um möglichst telegraphische Nachricht. Endlich wäre ich noch dankbar, wenn uns einige bedeutendere Verhandlungsgegenstände telegraphisch mitgeteilt würden. Die sowjetische Militäradministration ist immer gern über das Programm solcher Tagungen vorher unterrichtet, und wir würden ihr daher gern einige Gegenstände benennen. Irgendeine Festlegung ist mit dieser Mitteilung nicht verbunden. Mit den besten Grössen Ihr sehr ergebener Benn \m.p.'\ 12A4. Schreiben der Kirchenkanzlei an die Mitglieder des Rates. Schwäbisch Gmünd, 22. April 1947 F: ET.Α Berlin, 2/59 (D mit Paraphe Asmussens).

Ich erlaube mir, darauf aufmerksam zu machen, ein wie grosses Gewicht unsere Brüder in Berlin der Ratstagung am 12. und 13. Mai beilegen. Die russische Miltärregierung ist ebenfalls an dieser Tagung auf das Stärkste interessiert. Es ist damit zu rechnen, dass am ersten Tage zwei Herren der Militärregierung den Rat in seiner Sitzung begrüssen werden und am Mittagessen teilnehmen. Herr Oberkonsistorialrat Dr. Benn teilt mir mit, dass als Tagungsraum das Christliche Hospiz in der Auguststrasse 82 in der Nähe des Bahnhofs Friedrichsstrasse und des Stettiner Bahnhofs und des U-Bahnhofs Oranienburger

1

SMA(D) - Sowjetische Militäradministration (für Deutschland).

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12. Sitzung Berlin 12. und 13. Mai 1947

Tor zur Verfügung steht. Alle Ratsmitglieder können auch im Hospiz ein Zimmer bekommen. Weiter teilt Herr Oberkonsistorialrat Dr. Benn mit, dass er sich um die Durchfahrtgenehmigung für den Wagen des Herrn Landesbischof D. Meiser durch die russische Zone bemühe. Ich möchte darum schon an dieser Stelle darauf aufmerksam machen, wieviel Dank wir den Brüdern in Berlin schulden für die überaus liebenswürdige Vorbereitung unserer Sitzung. Auf Wunsch habe ich Herrn Oberkonsistorialrat Dr. Benn als vorläufige Tagesordnung mitgeteilt: "Vorbereitung des Kirchentages. Konfessionelle Frage. Uebertritt einer reformierten Gemeinde zum Luthertum. Druck von Religionsbüchern für die amerikanische Zone." Ich habe geglaubt, angesichts der besonderen Verhältnisse in der Ostzone ohne vorherige Einholung der Genehmigung der Ratsmitglieder auch der Bitte der Brüder im Osten stattgeben zu sollen, dass Bischof Mitzenheim zu der Sitzung hinzugeladen wird. An sich wäre nach unseren Beschlüssen erst in der übernächsten Sitzung wieder ein Platz für eine zweite Persönlichkeit aus den östlichen Gebieten frei. Ich benutze die Gelegenheit, den Herren und Brüdern einen Vorschlag zu unterbreiten für die Kirchenversammlung, um so einen Ausgangspunkt für unsere Besprechungen zu schaffen. Ich schlage als Tagesordnung vor: Donnerstag, den 5. Juni. Eröffnung durch eine Wortverkündigung. Bericht des Rates und Aussprache über den Bericht. Der Bericht und die Aussprache würden bis etwa nachmittags um 4 Uhr dauern. Um 4 Uhr Bericht über den Stand des konfessionellen Gespräches. Anschliessend Stellungnahme der vier in Frage kommenden Gruppen durch je einen Vertreter (VELKD, Kirchen und Gemeinden Augsburgischer Konfession, Konsensus-Unierte und Reformierte). Dieser Bericht und die dazu gehörigen Stellungnahmen dürften alles in allem zwei Stunden in Anspruch nehmen. Die Aussprache über diesen Punkt könnte fortgesetzt werden bis zum nächsten Mittag. Am Nachmittag müsste dann Gegenstand der Beratung die Lage Deutschlands und die Evangelische Kirche sein. Ich schlage vor, hierzu Herrn Oberkonsistorialrat Dr. Gerstenmaier um ein Referat zu bitten. Ich setze das Einverständnis der Ratsmitglieder voraus, wenn ich angesichts der Wichtigkeit der Tagung mich darum bemühe, dass die gesamten Verhandlungen mitstenographiert werden.

12B Protokoll

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12B Protokoll F: EZA Berlin, 2/62 (H; den Ratsmitgliedern

am 19. Mai 1947 übersandt).

G: 1. Meiser; 2. Smend.

Vermerk über die Sitzung des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland am 12. und 13. Mai 1947 in Berlin. Anwesend waren: Bischof D.Dr. Dibelius, der den Vorsitz führte, Landesbischof D. Meiser-München, Oberkirchenrat Held-Düsseldorf, Professor D.Dr. Smend-Göttingen, Landgerichtspräsident Hagemann-Celle, Oberbürgermeister Dr.Dr. Heinemann-Essen, Moderator Lie. Niesel-Schöller b. Dornap, Superintendent Hahn-Stuttgart, Landesbischof Dr. Beste als Vertreter der Kirchen der Ostzone (am 12.5.), Oberkonsistorialrat Dr. Benn-Berlin, als Sachbearbeiter der Berliner Zweitstelle der Kanzlei, Oberkirchenrat Zimmermann-Berlin, als Sachbearbeiter der Berliner Zweitstelle der Kanzlei, Oberkirchenrätin Dr. Schwarzhaupt für die Niederschrift. Teilweise nahmen teil: Oberkirchenrat Dr. Merzyn, Superintendent Dr. Siegel als Sachbearbeiter der Kanzlei der EKD. Punkt 1 der Tagesordnung: Kirchenversammlung. a) Über die Tagesordnung der Kirchenversammlung, die am 5. und 6. Juni d. Js. in Treysa stattfinden soll2, wird folgendes beschlossen: 1. Bericht des Rates über die Lage der EKD 2

Asmussen übersandte den Ratsmitgliedem in seinem Schreiben vom 17. Mai 1947 zunächst eine vorläufige Tagesordnung für die Kirchenversammlung (12E1, S. 150f). Am 23. Mai 1947 teilte er den Ratsmitgliedern in einem weiteren Schreiben mit der Bitte um Zustimmung Änderungen dieser Tagesordnung mit (12E2, S. 151f). Aufgrund der Kritik Nieseis (vgl. sein Schreiben vom 23. Mai 1947 an die Kirchenkanzlei: E Z A B E R L I N , 2/41) verschickte die Kirchenkanzlei mit Schreiben vom 28. Mai 1947 (12E3, S. 152f) eine überabeitete Fassung der Tagesordnung (12E4, S. 153f.) an die Ratsmitglieder. - 2ur Kirchenversammlung in Treysa am 5./6. Juni 1947 (Treysa II) vgl. die Niederschrift im E Z A B E R L I N , 2/42; A . S M I T H - V O N O S T E N , Treysa S . 277-293; H. B R U N O T T E , Grundordnung, S. 39-51.

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12. Sitzung Berlin 12. und 13. Mai 1947

Berichterstatter: Präsident Asmussen D D 3 2. Stand des konfessionellen Problems Berichterstatter: Prof. 4 Vogel 5 , Pastor Obendieck [Obendiek] 6 , Oberkirchenrat Dürr 7 , sowie ein Referent aus den zur VELKD gehörigen lutherischen Kirchen 8 . Ein einleitendes Referat zu diesem Punkt der Tagesordnung wird nicht für nötig gehalten. Die Redezeit für die Vortragenden soll auf eine halbe Stunde beschränkt werden 9 . 3. Die künftige Verfassung der EKD Berichterstatter Professor D.Dr. Smend 10 3

Nach § 9 der "Verordnung über eine Kirchenversammlung der EKD" vom 24. Januar 1947 war vorgesehen, daß der Rat der Kirchenversammlung "mindestens einmal im Jahr einen Bericht über seine Amtsführung" vorlegen sollte (S. 32). Der Bericht Asmussens auf der Kirchenversammlung ist überliefert im EZA BERLIN, 2/42 (vgl. dazu auch A. SMITH-VON OSTEN, T r e y s a , S. 281-284).

4 5

Im Entwurf (E) für das Protokoll hier: "Pastor" (EZA BERLIN, 2/59). Vogel als Vertreter der Lutheraner in der Union hielt sein Referat ebenso wie auch die im folgenden genannten Referenten am Nachmittag des 5. Juni 1947. In der Niederschrift über die Kirchenversammlung (EZA BERLIN, 2/42) fehlt jedoch der Wortlaut des Referats, das er offensichtlich nicht in schriftlicher Form übergehen hat. Noch am 7. Oktober 1947 mahnte die Kirchenkanzlei Vogel, die schriftliche Fassung zu übersenden, da sonst die geplante Drucklegung der Niederschrift nicht möglich sei. - Zu Werdegang und Theologie Vogels vgl. G. BESIER, Vogel; R. KRAMER, Fleischwerdung.

6

Asmussen bat Obendiek mit Schreiben vom 17. Mai 1947 (EZA BERLIN, 2/41) um einen entsprechenden Bericht aus reformierter Sicht (Schriftliche Fassung "Zur Frage der Konfessionen 'vom reformierten Standpunkt aus' von Harmannus Obendiek": EZA BERLIN, 2/42). Im Anschluß an die Ratssitzung holte Asmussen bei Bender und Stempel mit Schreiben vom 17. Mai 1947 zunächst ihr Einverständnis zur Berufung Dürrs ein (EZA BERLIN, 2/41; ebd. auch das positive Antwortschreiben Benders vom 20. Mai 1947). Dürr hielt als Vertreter der Konsensusunierten dann sein Referat "Die Konsensus- und Bekennntnisunierten Kirchen und ihr Anliegen für die Neuordnung der Evang. Kirche in Deutschland" (EZA BERLIN, 2/42.). Asmussens bat Meiser mit Schreiben vom 17. Mai 1947 darum, einen Referenten zu bestimmen (EZA BERLIN, 2/41 );für die lutherischen Kirchen referierte schließlich Kinder in Vertretung für Lilje (Schriftliche Fassung "Kurzreferat zur 'konfessionellen Frage' auf der Kirchenversammlung der EKD in Treysa am 5.6.47 von Lie. Ernst Kinder": EZA BERLIN, 2/42; vgl. dazu auch

7

8

A . SMITH-VON OSTEN, T r e y s a , S. 285ff.).

9 Ε fahrt fort: "eine Aussprache soll sich anschliessen". 10 Auf die schriftliche Bitte Asmussens vom 17. Mai 1947 (EZA BERLIN, 2/41) um ein entsprechendes Referat antwortete Smend am 21. Mai 1947 Schwarzhaupt: "Der Herr Präsident der Kirchenkanzlei fordert mich auf, am 6. Juni über die Verfassungsarbeit der EKD zu berichten. In Berlin hatten wir ja wohl eher eine Aeusserung über die für die vor uns liegende Verfassungsarbeit massgebenden Gesichtspunkte in Aussicht genommen. Darf ich vorschlagen, wenn ich auf der Tagesordnung genannt werden sollte, dann den Gegenstand eher in diesem in Berlin verabschiedeten Sinne zu fassen?" (EZA BERLIN, 2/3). Diesem Anliegen wurde in der überarbei-

12B Protokoll

133

4. Allgemeine Lage in Deutschland Berichterstatter Dr. Gerstenmaier11 Im Anschluß daran soll ein Bericht von Oberkonsistorialrat Dr. Benn über die neuen Länderverfassungen folgen12. b) Die 20 vom Rat zu berufenden Mitglieder der Kirchenversammlung13 werden wie folgt bestimmt: 1) Geistliche: Lie. Kinder-München, Pastor Middendorf, Professor D.Dr. Iwand-Göttingen, Kirchenrat Dr. Wenzel-Berlin, Pastor Freitag [/reytagJ-Hamburg, Prof.14 H. Vogel-Berlin, Kirchenrat Hildebrand-Berlin, Propst Grüber-Berlin, Oberkirchenrat Zimmermann-Berlin, Pastor [richtig: Ingenieur] Scharlach. 2) Laien: Professor Erik Wolf-Freiburg, Vikarin Dr. Bourbeck-Berlin-Spandau, Dr. Antonie Nopitsch-Nürnberg,

11

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13

14

teten Fassung der Tagesordnung entsprochen ( E Z A BERLIN, 2 / 4 1 ) . Der Wortlaut des am Abend des i. Juni gehaltenen Referats Smends ist sowohl separat als auch im Zusammenhang der Niederschrift über die Kirchenversammlung mit den Ergänzungen von Erik Wolf und Künneth überliefert (beide Texte: E Z A BERLIN, 2 / 4 2 ) . Anstelle von Gerstenmaier, der sich zum Zeitpunkt der Kirchenversammlung in Schweden aufhielt, sprach dann Berg am Nachmittag des 6. Juni abweichend von der Themenvorgabe über "Die politische Bedeutung der Arbeit des Hilfswerks heute" (Text· EZA BERLIN, 2/42). Asmussen bat Benn am 17. Mai 1947 schriftlich um diesen Bericht (EZA BERLIN, 2/30). Benn war dann zwar bei der Kirchenversammlung anwesend (vgl. die Anwesenheitsliste: EZA BERLIN, 2/41); aus der Niederschrift über die Kirchenversammlung geht jedoch nicht hervor, ob er das Referat auch tatsächlich in mündlicher Form gehalten hat (EZA BERLIN, 2/42). Die Kirchenkanzlei übersandte seinen schriftlichen "Bericht über die neuen Länderverfassungen" (EZA BERLIN, 2/31) am 7. Juli 1947 mit der Bitte an die Landeskirchenregierungen, "ihn auch den in ihrem Aufsichtsbereich wohnenden Mitgliedern der Kirchenversammlung der EKD zur Kenntnis zu bringen" (Schreiben: EBD.). Vgl. § 2 der Verordnung über die Kirchenversammlung der EKD vom 24. Januar 1947 (S. 30). Vgl. außerdem die mit Schreiben der Kirchenkanzlei vom 16. Mai 1947 an die Landeskirchenregierungen u.a. versandte Liste sämtlicher Mitglieder der Kirchenversammlung (EZA BERLIN, 2/41). E: "Pastor".

12. Sitzung Berlin 12. und 13. Mai 1947

134 Graf Yorck,

O b e r k o n s i s t o r i a l r a t D r . Benn-Berlin, Bürgermeister15 Richter-Dresden, O b e r i n S c h w e d t k e - F r a n k f u r t / M a i n (Vertreterin O b e r i n H o c h b a u m Babelsberg, Oberlinhaus), D r . Halstenbach, Direktor Hammelsbeck, B e r n h a r d G ö r i n g , H a u p t v e r b a n d des F D G B 1 6 . A l s G ä s t e sollen die V e r t r e t e r derjenigen nassau-hessischen Kirchenleitungen geladen w e r d e n , d e r e n V e r t r e t e r nicht gemäss § 3 der V e r o r d n u n g über die Kirchenversammlung17

entsandt w e r d e n 1 8 . A u s s e r d e m sollen der v o n

der

15 E: "Oberbürgermeister". 16 - Freier Deutscher Gewerkschaftsbund. Göring fehlte in Ε; Ε führt an dieser Stelle stattdessen fort: "Ausserdem soll ein Arbeiter berufen werden, dessen Name noch benannt werden soll." Die Genannten wurden mit Schreiben der Kirchenkanzlei vom 17. Mai 1947 zum Mitglied der Kirchenversammlung berufen und zur Teilnahme eingeladen (EZA BERLIN, 2/41). Vgl. auch die Liste mit den Namen aller Teilnehmer an der Kirchenversammlung, die die Kirchenkanzlei mit Rundschreiben vom 16. Mai 1947 an die Landeskirchenregierungen, die Brüder-Unität, den Bund Ev.-ref. Gemeinden Deutschlands und die Anstalten Hephata in Treysa versandte, sowie die hsl. Anwesenheitsliste EBD. 17 E: "der Kirchenordnung". Danach sollte jede Gliedkirche der EKD den Vertreter ihrer Kirchenleitung bestimmen (S. 30). 18 Nach Kriegsende war die erst 1933 gebildete Landeskirche von Nassau-Hessen wieder in die früheren Kirchen von Hessen, Nassau und Frankfurt/Main zerfallen. Neben getrennten vorläufigen Kirchenleitungen für diese Gebiete war am 24. September 1945 aber auch ein " Verbindungsausschuß" unter der Leitung von Friedrich Müller gebildet worden, der u.a. eine endgültige Ordnung für eine geeinte Landeskirche von Hessen und Nassau vorbereiten und die Vertretung der künftigen Landeskirche gegenüber der EKD wahrnehmen sollte (vgl. dazu H. STEITZ, Geschichte, S. 602-608). Die Kirchenkanzlei hatte der vorläufigen Kirchenleitung in Frankfurt/Main auf ihre Anfrage vom 14. April 1947 zur Beschickung der Kirchenversammlung in einem Schreiben vom 28. April 1947 bereits im Vorfeld der Ratssitzung mitgeteilt, daß die drei nassau-hessischen Kirchenleitungen seitens der EKD als Einheit betrachtet würden und ihnen folglich nur ein vom Verbindungsausschuß benannter gemeinsamer Vertreter der Kirchenleitung zustehe; ebenso seien auch die drei synodalen Vertreter vom Verbindungsausschuß zu benennen (EZA BERLIN, 2/40). Auf den Ratsbeschluß trafen in der Kirchenkanzlei zunächst widersprüchliche Anmeldungen ein: Müller telegrafierte am 17. Mai 1947, von der Kirchenleitung würden er selbst als Vertreter, Kortheuer und Goebels beratend, Grein, Heß und Wilhelmi als Synodale teilnehmen; Grein nannte in einem Telegramm vom 23. Mai 1947 Bemus für die Kirchenleitung sowie sich selbst, Heß und Wilhelmi als Synodale (EZA BERLIN, 2/41). Daraufhin telegrafierte die Kirchenkanzlei am 27. Mai 1947 an Fricke und wies auf den Widerspruch hin (EBD.). AUS der hsl. Anwesenheitsliste der Kirchenversammlung geht hervor, daß dann tatsächlich Bemus, Grein, Ηφ und Wilhelmi teilnahmen (EBD.).

12B Protokoll

135

Schlesischen K i r c h e n l e i t u n g vorgeschlagene P . W . K u n t z e [Kunze], s t e n m a i e r u n d O b e r k i r c h e n r a t D ü r r als G a s t

19

D r . Ger-

geladen w e r d e n . 20

3) D i e Kanzlei w i r d e r m ä c h t i g t , die erbetenen G e n e h m i g u n g e n zu erteilen, w e n n L a n d e s k i r c h e n gemäss § 4 A b s . 3 der V e r o r d n u n g 2 1 statt v o n der Syno d e v o n d e m Synodalausschuss o d e r e i n e m entsprechenden O r g a n die W a h l der s y n o d a l e n V e r t r e t e r v o r n e h m e n lassen 2 2 . D a s P r o t o k o l l bei der K i r c h e n v e r s a m m l u n g soll v o n der Kanzlei der E K D geführt w e r d e n 2 3 . E s soll dafür gesorgt w e r d e n , dass die Z u h ö r e r der K i r c h e n v e r s a m m l u n g gesonderte P l ä t z e erhalten. A u s s e r d e m soll für einen gesondert e n P l a t z für die Presse gesorgt w e r d e n 2 4 . P u n k t 2 der T a g e s o r d n u n g : Besetzung des Disziplinarhofs der E K D . D e r R a t ist d a m i t einverstanden, dass die bisher beschlossene Besetzung des Disziplinarhofs 2 5 dahin geändert wird, dass anstelle des zunächst benannten D r . K l e w i t z 2 6 der B ü r g e r m e i s t e r D r . Martius-Halberstadt o d e r für den Fall

19 "Als Gsst" fehlt in E. 20 Vgl. die Einladungsschreiben der Kirchenkanzlei an Gerstenmaier und Dürr vom 17. Mai 1947 (EZA B E R L I N , 2/41). 21 Vgl. S. 31. 22 E: "Die Kanzlei wird ermächtigt, die erbetene Genehmigung zu erteilen, daß gemäß § 4 Abs. 3 der Kirchenordnung anstelle der Synode der Synodalausschuß oder ein entsprechendes Organ die Wahl der synodalen Vertreter vornimmt." Der folgende Absatz fehlt in E. Ein Beispiel für dieses Vorgehen ist u.a. das Schreiben des Oberkirchenrats der Mecklenburgischen Landeskirche vom 10. Mai 1947 an die Kirchenkanzlei, in dem geschildert wurde, daß es nicht mehr möglich sei, die Synode zusammentreten zu lassen, so daß die Synodalvertreter durch den Synoddausschuß berufen werden mieten; die entsprechende Genehmigung erteilte die Kirchenkanzlei mit Schreiben vom 28. Mai 1947 an den Oberkirchenrat (beide Schreiben: E Z A B E R L I N , 2/47). 23

Vgl. die umfangreiche "Niederschrift über die erste Tagung der Kirchenversammlung der EKD am 5. und 6. Juni 1947 in Treysa" im EZA B E R L I N , 2/42. Es wurden sogar Pläne erwogen, das Protokoll in gedruckter Form herauszubringen (vgl. das Schreiben der Kirchenkanzlei an Bachmann vom 13. Juni 1947 und den sonstigen Schriftverkehr zur Ergänzung der Niederschrift mit einzelnen Voten und Referaten: E B D . ) .

24 Als Vertreter der kirchlichen Presse wurden Hutten und Lüpsen von der Kirchenkanzlei mit Schreiben vom 23. Mai 1947 eingeladen, wobei sie aufgefordert wurden, sich selbst um Quartiere zu kümmern; eine erneute schriftliche Einladung durch die Kirchenkanzlei erfolgte am 28. Mai 1947 (alle Schreiben: EZA B E R L I N , 2/41). 25 Die ursprüngliche Besetzung des Disziplinarhofs hatte der Rat auf seiner 8. Sitzung am 10./11. Oktober 1946 in Frankfurt/Main beschlossen (vgl. C . N I C O L A I S E N / N . A . S C H U L Z E , Protokolle Bd. I, S. 653ff.). 26 E: "daß anstelle des stellvertretenden geistlichen Beisitzers Dr. von Klewitz".

12. Sitzung Berlin 12. und 13. Mai 1947

136

seiner V e r h i n d e r u n g , Regierungsrat D r . D r y a n d e r eintritt 2 7 . Anstelle v o n P r o p s t Schapper soll P r o p s t Z u c k s c h w e r d t t r e t e n 2 8 . P u n k t 3 d e r T a g e s o r d n u n g : L a g e r Flossenbürg. D e r A n t r a g auf G e w ä h r u n g eines Beitrages z u m A u s b a u der Kapelle u n d der E r i n n e r u n g s s t ä t t e n i m L a g e r Flossenbürg soll zu den A k t e n geschrieben werden 2 9 . Punkt 4 der Tagesordnung: Kurhessen-Waldeck. D i e L a n d e s k i r c h e K u r h e s s e n - W a l d e c k hat den R a t u m eine Stellungnahme zu d e r F r a g e gebeten, o b die verfassungsrechtliche N e u o r d n u n g der Landeskirc h e 3 0 rechtsgültig 3 1 zustande g e k o m m e n ist 3 2 . O K R D r . B e n n w i r d gebeten,

27

Weil Klewitz zwar ein juristisches Referendarexamen abgelegt hatte, nicht aber die Befähigung zum Richteramt besaß, war an seiner Stelle zunächst Bürgermeister Martius (Halberstadt) berufen worden; vgl. das Schreiben der Kirchenkanzlei an die Ratsmitglieder vom 13. Januar 1947 (LKA NÜRNBERG, Meiser 125) und das Schreiben Klewitz' an die Kirchenkanzlei vom 17. Dezember 1946 (EZA BERLIN, 2/84/572/1). Am 10. März 1947 hatte die Kirchenkanzlei dann den Ratsmitgliedern mitgeteilt, daßdie "Berliner Stelle der Kanzlei der EKD [...] um nochmalige Änderung" gebeten habe: "An Stelle des Bürgermeisters Dr. Martius soll Regierungsrat Dr. Dryander treten" (12D1, S. 145f).

28 Schapper hatte mit Schreiben vom 19. Dezember 1946 aus Gesundheitsgründen seine Berufung abgelehnt (EZA BERLIN, 2/84/572/1). Die Kirchenkanzlei hatteden Ratsmitgliedern am 13. Januar 1947 mitgeteilt, daß die Berliner Zweitstelle der Kirchenkanzlei daraußin Propst Zuckschwerdt (Magdeburg) in den östlichen Senat berufen hatte (LKA NÜRNBERG, Meiser 125). - Den Landeskirchen wurde die Neubesetzung des Disziplinarhofes mit Rundschreiben der Kirchenkanzlei vom 10. September 1947 mitgeteilt (12E5, S. 154ff.). 29 Der Antrag Ιίφ sich nicht ermitteln. Aus den Unterlagen im LKA NÜRNBERG, Meiser 120, geht jedoch hervor, daß Asmussen Meiser mit Schreiben vom 28. April 1947 gebeten hatte, für die am 25. Mai 1947 stattfindende Einweihung von Kapelle und Mausoleum im ehemaligen Konzentrationslager Flossenbürg, in dem u.a. auch Bonhoeffer ermordet worden war, eine Persönlichkeit aus der bayerischen Landeskirche als Vertreter der EKD zu benennen. Meiser hatte mit dieser Aufgabe daraußin das Dekanat Weiden betraut (vgl. das Schreiben Meisers an die Kirchenkanzlei vom 3. Mai 1947: EBD.).

30 Die Kirchenleitung hatte in Kurhessen-Waldeck bis Kriegsende faktisch der 1935 berufene Landeskirchenausschuß unter dem Vorsitz von Happich ausgeübt. Um wieder zu verfassungsmäßigen Organen zu gelangen, hatte Happich den Landeskirchenausschuß um die Mitglieder des Landeskirchenamts sowie einige weitere Persönlichkeiten erweitert und eine Notsynode vorbereitet, die die Neuordnung in Angriff nehmen sollte. Diese Notsynode war vom 24. bis 28. September 1945 in Treysa zusammengetreten und hatte einstimmig Wüstemann zum Landesbischof gewählt, der dann auch von der ordentlichen Landessynode 1947 zum Landesbischof berufen wurde (vgl. K. MEIER, Kirchenkampf Bd. ΠΙ, S. 423; zur Neuordnung der Ev. Kirche von Kurhessen-Waldeck und ihrer Stellung zur EKD sowie zum lutherischen Zusammenschluß vgl. außerdem das Schreiben Wüstemanns an Wurm vom 14. Januar 1947:12E6, S. 156-161). 31 E: "ob die verfassungsrechtliche Neuordnung der landeskirchlichen Rechtsgeltung".

12B Protokoll

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ein Gutachten über diese Frage in Fühlung mit Prof. Dr. Smend und Präsident Hagemann vorzubereiten und dem Rat in der nächsten Sitzung darüber zu berichten 33 . Punkt 5 der Tagesordnung: Schulbücher. Der Rat nimmt Kenntnis davon, dass in einzelnen Fällen der Text von Religionsbüchern beanstandet worden ist; es wurde verlangt, dass die Gegner

32

Wüstemann hatte in seinem Schreiben vom 29. April 1947 an Asmussen nicht um eine Stellungnahme des Rates zur Rechtsgültigkeit des Zustandekommens der Neuordnung gebeten, sondern um den brüderlichen Rat und die Hilfe der Kirchenkanzlei bei der Klärung der Spannungen, die sich aufgrund des Verhaltens von Präsident Lütkemann gegenüber den Entscheidungen der Notsynode ergeben hatten (12D2, S. 146jf.). Der Beschluß des Rates ging also von falschen Voraussetzungen aus. Trotzdem teilte der bei der Sitzung abwesende Asmussen Wüstemann in einem persönlichen Schreiben vom 18. Mai 1947 zunächst noch mit, der Rat habe sich "die Behandlung Ihrer Angelegenheit selbst vorbehalten", worüber ihm demnächst noch eine "amtliche Mitteilung" zugehen werde (EZA BERLIN, 2/132). Tatsächlich erfolgte dann aber schließlich doch keine amtliche Regelung der Angelegenheit seitens des Rates; vielmehr beschieß der Rat auf seiner 13. Sitzung am 6. Juni 1947 in Treysa, Wüstemann entsprechend seiner Bitte durch Asmussen beraten zu lassen (vgl. 13B, S. 179). Schon in seinem Schreiben vom 18. Mai legte Asmussen seinen persönlichen Standpunkt dar: Das Verhalten Lütkemanns sei "in christlicher und rein menschlicher Hinsicht" ganz "unmöglich". Eine weitere Zusammenarbeit von Landesbischof und Präsident sei in Zukunft nicht mehr möglich, solange Lütkemann nicht von seinem bisherigen Verhalten Abstand genommen habe. Dabei sei es völlig unerheblich, ob die sachlichen Bedenken Lütkemanns eine Berechtigung hätten. Es ginge nicht an, daß sich ein kirchlicher Amtsträger ein "Forum ausserhalb der kirchlichen Ordnungen" schaffe, "vor dem er notfalls seine abweichende Meinung zur Geltung bringen kann, um so auf Umwegen einen Druck auf die geordneten kirchlichen Organe auszuueben". Insgesamt stehe man jetzt vor der Frage, ob Lütkemann ein Disziplinarverfahren gegen sich selbst einleiten oder die Landeskirche ihm nahelegen solle, von sich aus das Dienstverhältnis zu lösen.

33 Asmussen teilte Hagemann in seinem Schreiben vom 19. Mai 1947 mit, der Beschluß des Rates zur Erstellung eines Gutachtens über die verfassungsrechtliche Lage in Kurhessen-Waldeck gehe von "irrigen Voraussetzungen aus" (EZA BERLIN, 2/132; vgl. dazu Anm. 32). Er habe geglaubt, "dem Rat der EKD die Sache vortragen zu sollen wegen des Gewichtes, das die Angelegenheit hat", habe dann aber wegen seiner krankheitsbedingten Abwesenheit auf der Sitzung "für eine hinlängliche Unterrichtung des Rates nicht Sorge tragen" können. Nachdem nun nicht die verfassungsmäßige Neuordnung der Landeskirche zur Beurteilung stehe, sollten die durch den Rat Beauftragten ihr Gutachten auf die Spannungen zwischen Wüstemann und Lütkemann abstellen. Sinngemäße Mitteilungen erhielten auch Smend und Benn mit Schreiben vom 19. Mai 1947 (EZA BERLIN, 2/132). Aus einem Schreiben Benns an Asmussen vom 23. Juli 1947 geht hervor, daß Benn das angeforderte Gutachten trotz der veränderten Umstände noch erstellt und an Hagemann, Merzyn und Smend weitergegeben hat (EBD.). Durch die Richtigstellung der Sachlage und den daraus folgenden Beschluß des Rates auf der kommenden Sitzung wurde die weitere Bearbeitung der Angelegenheit durch Benn, Hagemann und Smend jedoch hinfallig (vgl. dazu und zum Fortgang 13B, S. 179).

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12. Sitzung Berlin 12. und 13. Mai 1947

Jesu nicht als Juden, sondern etwa als die "Feinde Jesu" bezeichnet werden34. Die Aussprache ergibt, dass entsprechende Schwierigkeiten in anderen Landeskirchen von der Landeskirchenregierung erledigt worden sind. Es wird empfohlen, dass die Landeskirchen da, wo eine Erledigung in unmittelbaren Verhandlungen nicht möglich ist, die Unterstützung von Professor Bodensieck35 in Anspruch nehmen. Punkt 6 der Tagesordnung: Reformierte Gemeinde in Marburg. Der Reformierte Bund beschwert sich darüber, dass die Vorläufige Kirchenleitung in Kassel den Ubertritt der Reformierten Gemeinde in Marburg zu der dortigen lutherischen Gemeinde bestätigt hat36. Das Gutachten der Herren Dr. Benn, Professor D.Dr. Smend und Präsident Hagemann über die verfassungsrechtliche Lage der Landeskirche Kurhessen-Waldeck soll abgewartet

34 E: "[...], da Gegner Jesu als Juden und nicht in einer allgemeineren Fassung etwa als die Feinde Jesu Christi bezeichnet werden". Aus einem Schreiben der Kirchenkanzlei an die Mitglieder des Rates vom 8. April 1947 (12D3, S. 148) geht hervor, daß die amerikanische Militärregierung einen Index von Schulbüchern herausgegeben hatte, die ohne grundlegende Änderungen nicht neu gedruckt werden durften; dabei wurde auch die Änderung der im Johannesevangelium gebräuchlichen Ausdrucksweise verlangt. 35 Bodensieck war 1946 als einer der ersten amerikanischen kirchlichen Mitarbeiter nach Deutschland gekommen und war verantwortlich für den Kontakt zwischen der US-Militärregierung und den evangelischen Kirchen in Deutschland. 36 Vgl. dazu das Schreiben des Reformierten Bundes für Deutschland an den Rat vom 18. März 1947 (12D4, S. 148f). Auf Nieseis frühere Anfrage an die Landeskirche von Kurhessen-Waldeck hatte Wüstemann am 25. Februar 1947 zu den strittigen Fragen bereits Stellung genommen (EZA BERLIN, 2/84/138/2). Dabei hatte Wüstemann zunächst die Frage aufgeworfen, "wieweit sich unser 'niederhessisch-reformiert' mit Fug und Recht reformiert nennen kann"; das Studium der historischen Zusammenhänge jedenfalls rücke "die niederhessische Bezeichnung 'reformiert' in ein besonderes Licht". Die strittige Besetzung der Marburger Pfarrstelle sei vor über zwei Jahrzehnten völlig zu Recht vorgenommen worden. Außerdem sei der Ubertritt der Gemeinde nicht nur durch einfachen Kirchenvorstandsbeschluß, sondern in Form einer Gemeindeversammlung einstimmig beschlossen worden. Die einzigen zwei Protestschreiben seien zurückgenommen worden, nachdem Abendmahlsgottesdienste einmal im Vierteljahr nach dem alten Ritus durchgeführt würden. Wüstemann resümierte angesichts der Sachlage, er könne einstweilen nicht "erkennen, wo der offensichtliche Rechtsbruch liegen" solle. Zwar stimme er Niesei darin zu, "daß es für die Universitätsstadt Marburg wünschenswert wäre, daß dort auch der reformierte Typus des evangelischen Bekenntnisses vertreten wäre". Das aber sei auch vor dem Zusammenschluß der Marburger Gemeinden nicht der Fall gewesen: "Die Verwaschenheit einer Agende, die die Preußische Unionsagende fast vollständig übernahm, hat es zu einer starken Ausprägung irgendwelcher reformierter Eigentümlichkeiten gar nicht kommen lassen. Hier standen wie vielfach in unserer Landeskirche, wo das niederhessisch-reformierte Bekenntnis gilt - gar keine echten reformierten Partner für das konfessionelle Gespräch bereit".

12B Protokoll

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werden, ehe der Rat zur Sache Stellung nimmt37. Das Landeskirchenamt in Kassel soll gebeten werden, bis zur nächsten Sitzung des Rats keine Schritte zu tun38. Punkt 7 der Tagesordnung: Suspension von Ratsbeschlüssen. Bischof D.Dr. Dibelius soll dem Präsidenten der Kanzlei der EKD schriftlich mitteilen, dass die Kanzlei kein Recht zur Suspension von Ratsbeschlüssen hat39. Die Kanzlei der EKD soll feststellen, woher die in letzter Zeit durch die Presse gegangene Nachricht stammt, dass der Rat in einer Eingabe an den Kontrollrat und an die U N zu der Not des deutschen Ostens Stellung genommen hat40. Punkt 8 der Tagesordnung: Kirchliches Eigentum in Schlesien. Nach einem polnischen Gesetz ist das Eigentum der Schlesischen Evangelischen Kirche östlich der Oder-Neisse-Linie in das Eigentum der Evangelischlutherischen Kirche Polens [sie!] zu überführen41. Dr. Gerstenmaier hat anlässlich einer Konferenz der Kirchlichen Hilfswerke mit den Vertretern der Evangelischen Kirche Polens die Situation besprochen und festgestellt, dass die polnische evangelische Kirche sich nur als Treuhänder des Besitzes der

37

Weil die Anforderung eines Gutachtens zur verfassungsrechtlichen Neuordnung durch den Rat auf falschen Voraussetzungen beruhte (vgl. dazu S. 137, Anm. 33), wurde es hinfallig und spielte somit auch in den Auseinandersetzungen zum Übertritt der reformierten Gemeinde in Marburg keine •weitere Rolle.

38

Vgl. das Schreiben Siegels an das Landeskirchenamt in Kassel vom 23. Mai 1947, das aus einer wörtlichen Wiedergabe dieses Ratesbeschlusses besteht (EZA BERLIN, 2/84/138 Beih.). - Zur weiteren Entwicklung vgl. die Beschlüsse des Rates 13B, S. 181; 15B, S. 290; 18B, S. 455.

39 Asmussen hatte im Anschluß an die vorhergehende Sitzung die Beschlüsse des Rates zur Moskauer Friedenskonferenz suspendiert (vgl. S. 58, Anm. 16), was von Niesei und Held beanstandet wurde (vgl. G 1 und den Antrag Nieseis vom 8. April 1947:12D5, S. 149f.). Dibelius teilte Asmussen den Ratsbeschluß durch Schreiben vom 19. Mai 1947 mit(12Cl, S. 144). - Vgl. dazu auch das Schreiben Asmussens an die Ratsmitglieder vom 20. Mai 1947 (12E7, S. 161-165). 40 Nicht ermittelt. 41 Vgl. die polnische Staatsverordnung vom 19. September 1946, mit der die "altlutherischen, evangelisch-lutherischen Pfarrgemeinden, die in den Westgebieten der Unierten Kirche angehören, und die Pfarrgemeinden der Unierten Kirche in Oberschlesien sowie die evangelischen Pfarrgemeinden augsburgischen und helvetischen Bekenntnisses [...] in die Evangel, augsburgische Kirche der Republik Polen eingegliedert" wurden (Gesetzblatt der Republik Polen Nr. 50 vom 31. Oktober 1946, Pos. 303; Übersetzung: EZA BERLIN, 2/795). Danach ging auch das "bewegliche und unbewegliche Vermögen dieser Kirchengemeinden" in den Besitz der polnischen Evangelisch Augsburgischen Kirche, das übrige Vermögen in das Eigentum des polnischen Staates über (vgl. dazu auch E. HORNIG, Kirche, S. 119; G. BESIER, Kirchengebiete, S. 126).

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12. Sitzung Berlin 12. und 13. Mai 1947

deutschen evangelischen Kirche in Schlesien versteht42. Die Schlesische Kirchenleitung soll von dem Ergebnis dieser Besprechung Mitteilung erhalten43. Punkt 9 der Tagesordnung: Pfarrer Lehmann-Durlach. Professor D.Dr. Smend berichtet über Schwierigkeiten, die zwischen dem halbarischen Pfarrer Lehmann und der badischen Kirchenleitung entstanden sind, als Pfarrer Lehmann aus der Emigration zurückkehrte und wieder um Einweisung in seine bisherige Pfarrstelle in Durlach bat44. Landesbischof

42 E: "Der Rat nimmt Kenntnis von dem Schreiben des Hilfswerks der EKD vom 1.4.1947, nach dem Dr. Gerstenmaier anläßlich einer Konferenz der Kirchlichen Hilfswerke mit den Vertretern der Evangelischen Kirche Polens [sie!] die Situation besprochen hat, die sich durch das polnische Gesetz ergeben hat, nach dem das Eigentum der Schlesischen Evangelischen Kirche östlich der Oder-Neisse-Linie in das Eigentum der Evangelisch-lutherischen Kirche Polens [sie/] zu überführen ist. Die polnische evangelische Kirche hat dazu den Standpunkt eingenommen, daß sie nur treuhänderisch den Besitz der deutschen evangelischen Kirche in Schlesien übernimmt." 43 Nicht ermittelt. 44 Bereits seit 1931 waren von nationalsozialistischer Seite aus Angriffe gegen den badischen Pfarrer Kurt Lehmann ergangen. Lehmann war väterlicherseits jüdischer Abstammung und zahlte sich zu den Religiösen Sozialisten. Im Januar 1935 wollte ihn die badische Kirchenleitung zunächst in eine andere Pfarrei zwangsversetzen, am Ii. Juli 1935 wurde er dann nach zwei Anzeigen beim badischen Oberkirchenrat und der Gestapo pensioniert, weil er die vorgeschriebene Formulierung für ein "Führergebet" im Gottesdienst abgelehnt hatte. Nach seiner Zwangspensionierung wurde er vom Pfarrernotbund finanziell unterstützt. Im November 1938 erfuhr er auf einer Vortragsreise in der Schweiz von den Judenpogromen in Deutschland und blieb daraufhin bis 1946 im Ausland, wo er für die Flüchtlingshilfe in Basel arbeitete (vgl. dazu E . R Ö H M / J . THIERFELDER, Juden, S. 2 4 0 2 4 7 ; vgl. auch W. GERLACH, Zeugen, S. 255). Anfang 1946 hatte Lehmann dann den badischen Oberkirchenrat aufgefordert, ihn wieder in seine alte Pfarrstelle in Durlach einzusetzen. Diese Forderung hatte der Oberkirchenrat im März 1946 mit der Begründung abgelehnt, die Durlacher Pfarrstelle sei längst wieder besetzt, vor allem aber habe bei der damaligen Pensionierung nicht die geringste "Rechtsverletzung" vorgelegen. Obwohl Lehmann gleichzeitig der Wiedereintritt in den Dienst auf einer anderen Pfarrstelle angeboten wurde, ließ sich der Streit nicht schlichten: Lehmann bestand auf einer Erklärung des Oberkirchenrats, "dass er bei den Massnahmen auf Zurruhesetzung unter dem Druck der Organe des Dritten Reiches, also aus kirchlich nicht zu rechtfertigenden Gründen, gehandelt habe"; eine solche Erklärung aber lehnte der Oberkirchenrat strikt ab und blieb bei seiner Darstellung, bei dem damaligen Verfahren "mit der größten Sorgfalt und unter Beachtung des kirchlichen Rechts gehandelt" zu haben (vgl. den Aktenvermerk und die Falldarstellung für Arndt vom 4. Dezember 1946: LKA KARLSRUHE, PA 7252). Nach G 1 mußte sich der Rat mit dieser Auseinandersetzung befassen, weil Lehmann sich auf die Verordnung des Rates "betr. Wiedereingliederung verdrängter Pfarrer in den landeskirchlichen Dienst" vom 21. Juni 1946 berufen hatte, die Regelungen für den Fall vorsah, daß es zu Schwierigkeiten bei der Wiedereinsetzung von Pfarrern kommen sollte, "die während der nationalsozialistischen Herrschaft aus kirchlich nicht zu rechtfertigenden Gründen ihr Amt" hatten "aufgeben müssen" (C. NlCOL A I S E N / N . A . SCHULZE, Protokolle Bd. I, S. 592f.).

12B Protokoll

141

Meiser wird gebeten, bei der Kirchenversammlung in Treysa am 5. und 6. Juni d.Js. mit Landesbischof Bender über die Angelegenheit zu sprechen45. Punkt 10 der Tagesordnung: Betriebsräte in kirchlichen Anstalten und Betrieben. Oberkirchenrat Held wirft die Frage auf, wie sich die kirchlichen Behörden und Anstalten 46 in Bezug auf die Einrichtung von Betriebsräten verhalten sollen 47 . Da Vertreter der Kirchen der britischen Zone gemeinsam mit dem Centraiausschuss ein Memorandum über diese Frage vorbereiten, soll dieses Memorandum abgewartet werden. Pastor Münchmeier [Münchmeyer] soll um baldige Mitteilung des Memorandums gebeten werden48.

45 Vgl. dazu 13B, S. 181. 46 Ε hatte hier nur "kirchlichen Anstalten". 47 Nach dem Kontrollratsgesetz Nr. 22 vom 10. April 1946 ("Betriebsrätegesetz") sollte es allen Arbeitnehmern eines Betriebes erlaubt sein, einen Betriebsrat zu wählen, wobei der Arbeitgeber die Errichtung von Betriebsräten nicht verhindern durfte (R. HEMKEN, Sammlung Bd. 1). Da Gewerkschaftsvertreter verschiedene kirchliche Einrichtungen bereits mehrfach zur Bildung von Betriebsräten aufgefordert hatten, hatte die Leitung der Ev. Kirche der Rheinprovinz mit Schreiben vom 8. Februar 1947 an die Kirchenkanzlei um Behandlung der Angelegenheit im Rat gebeten (12E8, S. 166f.j. 48 E: "Da Vertreter der Kirchen der britischen Zone gemeinsam mit dem Centraiausschuß ein Memorandum über diese Frage vorbereiten, soll Pastor Münchmeier [Münchmeyer] dem Rat dieses Memorandum vorlegen". Eine erste "Besprechung über die Bedeutung des Betriebsrätegesetzes für Kirche und Innere Mission" zwischen Vertretern der Kirchenleitungen der britischen Zone und des Central-Ausschusses für Innere Mission hatte am 23. April 1947 in Bethel stattgefunden; an dieser Besprechung hatte für die EKD auch Merryn teilgenommen (Niederschrift vom 25. April 1947: EZA BERLIN, 2/284). Dabei war zunächst eine enge künftige Zusammenarbeit zwischen Centraiausschuß und Kirchenleitungen der britischen Zone für ein zentrales Vorgehen sowie eine Fühlungnahme mit den Gewerkschaften vereinbart worden. Im Anschluß an eine weitere Besprechung am 1. Mai 1947 hatte der Centraiausschuß mit Schreiben vom 2. Mai 1947 u.a. an Merzyn eine Denkschrift Depuhls über die Auswirkungen des Betriebsrätegesetzes im Raum der Inneren Mission versandt [Schreiben und Denkschrift: EBD.). Nach dieser Denkschrift habe es keine Aussicht auf Erfolg, die Einrichtungen der Inneren Mission von den Bestimmungen des Betriebsrätegesetzes ausnehmen zu wollen: "Da die Einrichtungen der IM keine klosterähnlichen Gebilde sind, können sie sich nicht außerhalb der bestehenden Wirtschaftsordnung stellen." Es stehe außer Zweifel, daß "das Betriebsrätegesetz in erster Linie für die Produktionsbetriebe bestimmt ist und auf demokratischem Wege den Ausbau der Vertretung der Arbeitnehmerinteressen im weitesten Sinne beabsichtigt". Allerdings sei durch die "Einschaltung der Gewerkschaften" in dieses "berechtigte Streben eine Tendenz hineingetragen" worden, "die von vielen als dem kirchlichen Charakter der IM wesensfremd empfunden" werde. Um nun eine Zerstörung des inneren Gefüges "einer diakonischen Gemeinschaft" durch "außerbetriebliche Stellen" zu verhindern, müsse ein besonderer kirchlicher Schutz für die Innere Mission geschaffen werden. Dazu müsse die Zugehörigkeit zur Inneren Mission an klare Mindestbestimmungen geknüpft sein

142

12. Sitzung Berlin 12. und 13. Mai 1947

Punkt 11 der Tagesordnung: Kindergärten. Oberkirchenrat Zimmermann berichtet über die Einrichtungen und Erhaltung evangelischer Kindergärten und über die Ausbildung von Kindergärtnerinnen 49 . Die Entwicklung auf diesem Gebiet soll mit Aufmerksamkeit weiter verfolgt werden. Die Öffentlichkeit soll, soweit möglich, auf die Gefahren aufmerksam gemacht werden, die sich aus einer fortschreitenden Säkularisierung der Erziehung, wie sie sich auch bei der Frage der evangelischen Kindergärten bemerkbar macht, ergeben. Wenn die Kirchenversammlung in und geprüft werden, "ob in der Satzung die Einschaltung oder Zustimmung der Kirche gefordert werden muß, wenn Forderungen an die IM-Einrichtungen gestellt werden, die ihre diakonische Besonderheit zu stören geeignet sind". Die weitere Entwicklung der Auswirkung des Betriebsrategesetzes liege jedoch letztlich hei den Arbeitnehmern der einzelnen Anstalten und sei daher "unberechenbar, wenn es nicht gelingt, zentrale Vereinbarungen zu treffen". Es sei dringend erwünscht, daß die Kirche "für die Anstalten der IM grundsätzlich eine Sonderstellung verlangt", auch wenn diese Forderung im Augenblick Betriebsratswahlen nicht verhindern könne. Nachdem Merzyn noch kurz vor der Ratssitzung Münchmeyer in einem Telegramm vom 5. Mai 1947 dringend um aktuelle Unterrichtung zur Frage der Betriebsräte gebeten hatte, hatte der Centralausschuß in seinem Antwortschreiben vom 8. Mai zunächst das im Ratsbeschluß erwähnte Memorandum und eine weitere Besprechung für den 29. Mai angekündigt (EBD.). Erst am 29. Oktober 1947 versandte der Centralausschuß mit einem Rundschreiben an die Kirchenleitungen der britischen Zone, die Kirchenkarulei, die Landes- und Provinzialverbände der Inneren Mission und den Centralausschuß Ost dann als Ergebnis der Besprechungen den Entwurf für eine "Betriebsvereinbarung" zwischen kirchlichen Dienststellen und Betriebsräten (Schreiben und Entwurf: EBD.). In dem Rundschreiben wurde zunächst festgestellt, daß das Betriebsrätegesetz allgemeine Gültigkeit besitze, "d.h. irgendwelche Ausnahmen von diesem Gesetz für bestimmte Arbeitgebergruppen" seien nicht vorgesehen. Daneben seien jedoch verschiedene deutsche Ausführungsgesetze bereits erlassen oder in Vorbereitung, nach denen bestimmte Personenkreise z.B. in karitativen und religiösen Tätigkeitsbereichen nicht als Arbeitnehmer gelten sollten; auf eine Aufnahme entsprechender Bestimmungen in die Ländergesetze zur Ausführung des Betriebsrätegesetzes sollten die einzelnen Kirchenleitungen bei den Sozialministerien hinwirken. Schließlich solle der Entwurf der Betriebsvereinbarung mit den Spitzenstellen des Deutschen Gewerkschaftsbundes verhandelt werden. Ziel dieser Verhandlungen sollte es sein, "daß der Central-Ausschuß für die Innere Mission, bevollmächtigt durch die Kanzlei der Evangelischen Kirche Deutschlands und durch die Leitungen der Landeskirchen zu einer generellen Betriebsvereinbarung mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund kommt, damit alsdann von den Gewerkschaften für den Kreis der Arbeitnehmer und von den Kirchen bzw. dem Central-Ausschuß für die Innere Mission für alle Träger der Einrichtungen das Ergebnis dieser Verhandlungen bekanntgegeben wird. Auf diesem Wege würde es zu einer einheitlichen Ordnung der arbeitsrechtlichen Beziehungen im Raum der Einrichtungen der Kirche und der Inneren Mission einschließlich des Hilfswerkes kommen". 49 Nach G 1 und G 2 berichtete Zimmermann über die Lage in der sowjetisch besetzten Zone, in der weder kirchliche Kindergärten noch kirchliche Ausbildungsstätten für Kindergärtnerinnen geduldet wurden.

12B Protokoll

143

Treysa ein Wort zur Lage der Kirche im deutschen Volk spricht, soll sie auch diese besonderen Gefahren erwähnen 50 . Punkt 12 der Tagesordnung: Die Bekennende Kirche als Widerstandsbewegung. Moderator Lie. Niesei erhebt Bedenken dagegen, dass die Bekennende Kirche in der Öffentlichkeit als eine Widerstandsbewegung hingestellt wird 51 . Punkt 13 der Tagesordnung: Bibelkammei 52 . Der Rat ist damit einverstanden, dass anstelle von Pfarrer Beck Oberkonsistorialrat Lie. Dr. Söhngen Mitglied der Bibelkammer wird, und dass Pfarrer Krimm als Vertreter des Hilfswerks in die Bibelkammer der EKD eintritt 53 . Punkt 14 der Tagesordnung: Jugendkonferenz in Oslo. Von den 15 Sitzen sollen 5 dem Osten vorbehalten bleiben. 10 Vertreter soll Pastor Manfred Müller als Vorsitzender der Jugendkammer der EKD auswählen 54 . Die nächste Sitzung des Rats soll im Anschluss an die Kirchenversammlung in Treysa am Freitag, den 6. Juni 1947, nachmittags 16 Uhr stattfinden 55 . Die Schulfrage soll auf die Tagesordnung dieser Sitzung gesetzt werden.

50 Dieses Anliegen wurde in die Entschließungen der Kirchenversammlung "Zur allgemeinen Lage" (13C1, S. 186f.) und "Zur innerkirchlichen Lage" (13C4, S. 19Sf.) vom 6. Juni 1947 nicht aufgenommen. 51 Vgl. dazu IIB, S. 59. 52 Ε hat hier den bei der hsl. Korrektur Schwarzhaupts ersatzlos gestrichenen Beschluß "Punkt 13 der Tagesordnung: Ernährungslage. Moderator Lie. Niesei regt an, daß ein Wort über die moralische Verpflichtung der verschiedenen Zonen füreinander einzustehen und insbesondere der Landwirtschaft ihrer Verpflichtung zur Ablieferung strenger zu genügen, gesagt wird. Der Rat beschließt, von einer derartigen Stellungnahme abzusehen, da die wahre Ursache der wirtschaftlichen Schwierigkeiten in Deutschland damit nicht getroffen würde." 53 Zu Aufgaben und Besetzung der vom Rat auf seiner 8. Sitzung am 10./11. Oktober 1946 in Frankfurt/Main eingesetzten Bibelkammer vgl. C. NICOLAISEN/N.A. SCHULZE, Protokolle Bd. I, S. 655f. - Die Bibelkammer hat in der hier beschlossenen neuen Zusammensetzung dann nicht mehr getagt (vgl. dazu S. 11, Anm. 43). 54 Die 2. Weltkonferenz der christlichen Jugend in Oslo fand unter dem Motto "Jesus Christus ist der Herr" vom 22. bis 31. Juli 1947 statt (vgl. I. HOLZAPFEL, Zeitzeugen, S. 26). Dabei wurde die Ev. Jugend in Deutschland, die an der 1. Weltkonferenz in Amsterdam 1939 nicht teilgenommen hatte, offiziell aufgenommen (vgl. J. JORGENSEN, Jünglingswerk, S. 103; hier ist im Gegensatz zum Protokoll der Ratssitzung von einer 18-köpfigen Delegation die Rede). - Zur 2. Weltkonferenz der christlichen Jugend vgl. auch die Unterlagen im EZA BERLIN, 2/342. 5 5 Derfolgende Satz fehlt in E.

144

12. Sitzung Berlin 12. und 13. Mai 1947

12C Anlagen und Beschlußtexte 12C1. Schreiben Dibelius1 an Asmussen. Berlin, 19. Mai 1947 F: EZA Berlin, 2/59

(O).

Mein lieber Herr Präsident! Der Rat der E.K.i.D., bei dessen Sitzung in Berlin ich in Abwesenheit des Vorsitzenden und seines Stellvertreters selbst den Vorsitz führen mußte, hat mich beauftragt, Ihnen folgendes mitzuteilen: Es ist in dem Rat die Frage zur Sprache gebracht worden, ob die telegraphische Sistierung des Beschlusses über eine Verlautbarung zur Moskauer Konferenz in Ordnung war oder nicht 56 . Der Rat hat geglaubt, diese Frage verneinen zu sollen, und hat sich auf folgenden Grundsatz geeinigt: Beschlüsse des Rats können nur von dem Vorsitzenden selbst, nicht aber von der Kirchenkanzlei unter Zustimmumg des Vorsitzenden sistiert werden. Auch eine Sistierung durch den Vorsitzenden ist nur zulässig, wenn nachträglich Tatsachen bekannt werden, die die sachliche Grundlage für die Beschlußfassung wesentlich verändern, oder wenn neue Ereignisse eintreten, die die Ausführung des Beschlusses als abträglich für die evangelische Kirche erscheinen lassen. Der Präsident der Kirchenkanzlei kann seinerseits die Ausführung eines Beschlusses nur dann sistieren, wenn nach seiner Überzeugung diese Ausführung infolge unvorhergesehener Ereignisse eine Gefährdung für die evangelische Kirche mit sich bringen würde. In diesem Fall muß er entweder die Angelegenheit bei der nächsten Ratssitzung erneut zur Beschlußfassung stellen oder sich der Zustimmung nicht nur des Vorsitzenden, sondern mehrerer erreichbarer Mitglieder des Rates vergewissern. Mit der Mitteilung dieser Stellungnahme des Rats verbinde ich den Ausdruck des von allen geteilten Bedauerns, daß Sie auf der Reise erkrankt sind, und darf mich der Hoffnung hingeben, daß diese Erkrankung inzwischen behoben worden ist. Mit herzlicher Begrüßung in alter Verbundenheit Ihr Dibelius [m.p.'] Zur 12. Sitzung vgl. außerdem das Schreiben Asmussens an Meiser vom 27. April 1947 (12E9, S. 167) und das Schreiben Laus an Wurm vom 21 Mai 1947 (12E10, S. 167-171). Zur nächsten Sitzung des Rates vgl. S. 172-215. 56

Vgl. dazu S. 58, Anm. 16.

12D Vorlagen und Anträge

145

12D Vorlagen und Anträge 12D1. Schreiben der Kirchenkanzlei an die Mitglieder des Rates. Schwäbisch Gmünd, 10. März 1947 F: LKA Nürnberg, Meiser 125 (HJ.

Betrifft: 1. Besetzung des Disziplinarhofes der EKD 2. Bildung einer Disziplinarkammer der EKD 1. In unserem Rundschreiben vom 13.1.1947 - 3/47 57 - haben wir Sie um ihre Zustimmung dazu gebeten, dass die in der Oktobersitzung des Rates der EKD beschlossene Besetzung des östlichen Senats des Disziplinarhofes 58 geändert wird. Unter anderem sollte an Stelle von Oberkonsistorialrat Dr. Klewitz der Bürgermeister Dr. Martius in Halberstadt treten. Die Berliner Stelle der Kanzlei der EKD bittet um eine nochmalige Änderung: an Stelle des Bürgermeisters Dr. Martius soll Regierungsrat Dr. Dryander treten. 2. Gemäss § 48 der Disziplinarordnung der EKD ist eine Disziplinarkammer der EKD zu bilden, die als erste Instanz für Verfahren gegen Beamte der EKD zuständig ist 59 . Sie besteht aus einem Vorsitzenden, einem rechtskundigen und einem geistlichen Beisitzer, und deren Stellvertretern. Für die Besetzung der Disziplinarkammer der EKD schlagen wir folgende Herren vor: Westlicher Senat: Vorsitzender: Oberbürgermeister Dr.Dr. Heinemann Rechtskundiger Beisitzer: Oberkirchenrat Dr. Merzyn Stellvertreter: Assessor von Harling Geistlicher Beisitzer: Pastor Damrath Stellvertreter: Superintendent Dr. Siegel Ostlicher Senat:

57

L K A NÜRNBERG, M e i s e r 125.

58

Vgl. C. N I C O L A I S E N / N . A . SCHULZE, P r o t o k o l l e B d . I, S. 654f.

59 Die EKD besaß zu diesem Zeitpunkt keine neue Disziplinarordnung. Nach den §§ 5 und 6 der Verordnung des Rates "über die Aufhebung und Abänderung von Gesetzen der Deutschen Evangelischen Kirche" vom 2. Mai 1946 (EBD., S. 513) standen die Disziplinarordnung der DEK vom 13. April 1939 (GB1DEK 1939, S. 27-43; hier: S. 34) und die "Verordnung zur Abänderung, Ergänzung und Durchführung der Disziplinarordnung der Deutschen Evangelischen Kirche" vom 15. Dezember 1939 "bis zu einer Neuordnung des kirchlichen Disziplinarrechtes" mit Abänderungen auch weiterhin in Geltung.

146

12. Sitzung Berlin 12. und 13. Mai 1947

Vorsitzender: Oberkonsistorialrat Dr. Benn Rechtskundiger Beisitzer: Oberkonsistorialrat Dr. Granzow Geistlicher Beisitzer: Oberkirchenrat Zimmermann Wir bitten um Ihre schriftliche Zustimmung zu dieser Regelung. gez. Asmussen D D . 12D2. Schreiben Wüstemanns an Asmussen. Kassel, 29. April 1947 F: EZA Berlin, 2/132 (OJ.

Sehr verehrter lieber Bruder Asmussen! In einer Angelegenheit, die mich sehr bedrückt, erbitte ich den brüderlichen Rat der Kanzlei der EKD. Es handelt sich um Folgendes: Die von unserer Notsynode getroffene Entscheidung 60 , daß das von ihr beschlossene Gesetz von einer auf Grund dieses Gesetzes zustande kommenden ordentlichen Landessynode zu bestätigen ist 61 , wurde von Herrn Präsidenten Dr. Lütkemann in einer Weise in Zweifel gezogen, die schwere Bedenken hervorrief. Der Rat der Landeskirche, der sich mit der Sache in einer eingehenden Aussprache, bei der auch Herr Dr. Lütkemann voll zu Worte kam, befaßt hat, beschloß in seiner Sitzung am 19. Februar 47 demgemäß Folgendes: "Nachdem der Rat der Landeskirche den Antrag des Präsidenten Dr. Lütkemann auf Bildung eines besonderen Ausschusses aus sachlichen Gründen abgelehnt hat, gibt er einstimmig unter Stimmenthaltung des Herrn Bischofs seiner Uberzeugung Ausdruck, daß die Art und Weise des Vorgehens Dr. Lütkemanns, so wie es zutage getreten ist, mit den Befugnissen und Aufgaben des von ihm übernommenen Amtes unvereinbar ist." Aufgrund dieses Beschlusses hatte Herr Dr. Lütkemann auf meine Anregung hin einen Urlaub von sechs Wochen erbeten, nach dessen Ablauf ich eine Klärung der Situation durch eine von Herrn Dr. Lütkemann zu fällende Entscheidung erwartete. Diese Entscheidung ist jedoch nicht gefällt worden. Das bedeutet eine schwere Belastung für die Leitung unserer Landeskirche und könnte sich bei längerer Dauer des Schwebezustandes zu einer Beunruhi-

60 Gemeint ist das "Kirchengesetz betreffend die Leitung und Verwaltung der Evangelischen Landeskirche von Kurhessen-Waldeck" vom 27. September 1945 (KAB1 Kassel 1945, S. 13-16). 61 Eine solche Bestimmung enthielt § 20 des "Kirchengesetzes betreffend die Leitung und Verwaltung der Evangelischen Landeskirche von Kurhessen-Waldeck" (vgl. S. 146, Anm. 60). Nach Bestätigung durch die Landessynode im Dezember 1947 erschien der überarbeitete Text des Kirchengesetzes im KABl Kassel 1948, S. 16-18.

12D Vorlagen und Anträge

147

gung weiterer Kreise, die die Sache und die Rechtslage nicht durchschauen, auswirken. Andererseits fühle ich mich gehemmt, durch einen jetzt nötigen Entschluß meinerseits die Lage zu klären, da mein Handeln leicht den Eindruck erwecken könnte, als geschähe es pro domo. Unter diesen Umständen habe ich an Herrn Dr. Lütkemann folgendermaßen geschrieben: "Da in Ihrer Angelegenheit eine Klärung durch einen Entschluß Ihrerseits bisher nicht eingetreten ist, habe ich mich entschlossen, den brüderlichen Rat der Leitung der EKD in Anspruch zu nehmen. Demgemäß werde ich veranlassen, daß die durch Ihr Vorgehen entstandenen Differenzen einem von der Kanzlei der EKD zu stellenden juristischen Rat oder einem von ihr zu bestimmenden Kollegium zu meiner Beratung vorgetragen werden, wobei auch Sie noch einmal angehört werden sollen. Ich stelle Ihnen anheim, erneut einen Urlaub bis zu der aufgrund dieses Ratschlages von mir zu treffenden Entscheidung zu beantragen."62 Es ist meine herzliche Bitte, daß Sie eine kleine Abordnung bestellen möchten der Art, wie ich sie in dem an Dr. Lütkemann gerichteten Schreiben gekennzeichnet habe. Dabei wäre eine möglichst umgehende Erledigung des Falles dringend erwünscht. Ich hoffe, daß ich mit den vorstehenden Ausführungen klar zum Ausdruck gebracht habe, daß weder ich noch der Rat der Landeskirche irgendwie die Entscheidung der Notsynode unklar finden oder hinsichtlich der Rechtslage in Zweifel geraten sind. Demgemäß handelt es sich bei dem erbetenen Ratschlag nicht um eine Beurteilung unserer Rechtslage oder des Vorgehens unserer Notsynode, sondern darum, wie gegenüber dem Präsidenten Dr. Lütkemann zu verfahren ist. Selbstverständlich werde ich j e d e η Aufschluß geben, der für die Beurteilung dieses Falles hinsichtlich unserer Rechtslage und der Verfassungsbestimmungen unserer Landeskirche nötig ist. Dafür stehe ich entweder hier in Kassel oder an einem dritten Orte gern zur Verfügung. Ich bemerke noch, daß Dr. Lütkemann zum 1. Januar 1942 vom Landeskirchenausschuß (Präses D. Happich) zum Präsidenten des Landeskirchenamtes unserer Landeskirche ernannt wurde. Mit Zustimmung des Rates der Landeskirche wurde er am 19. Mai 1946 aufgrund des Kirchengesetzes betreffend die Leitung und Verwaltung der Evangelischen Landeskirche von Kurhessen-

62 Im LKA Kassel nicht ermittelt.

148

12. Sitzung Berlin 12. und 13. Mai 1947

Waldeck vom 27.9.1945 63 zum Vizepräsidenten berufen, wobei ihm das Recht zuerkannt wurde, den Titel Präsident weiterzuführen. Mit brüderlichem Gruß Ihr Wüstemann \rn.p.'] 12D3. Schreiben der Kirchenkanzlei an die Mitglieder des Rates. Schwäbisch Gmünd, 8. April 1947 F: LKA Hannover, L 3 II Nr. 14 Bd. IIb (O). Der Bischof der Evang. Landeskirche von Kurhessen-Waldeck übersendet uns einen Auszug aus dem von der amerikanischen Militärregierung herausgebenen Index der Schulbücher. Hierbei werden eine Reihe Schulbücher genannt, die nur dann neu gedruckt werden können, wenn die vorgeschriebenen oder andere grundlegende Änderungen vorgenommen worden sind. Unter den geforderten Streichungen findet sich immer wieder der Hinweis auf die dem Johannesevangelium eigene Ausdrucksweise, dass die Gegner Jesu als "die Juden" bezeichnet werden. Es wird die Forderung aufgestellt, dass diese johanneische Ausdrucksweise zu ändern sei. Ich bitte die Mitglieder des Rates, mir Weisung zukommen zu lassen, was in dieser Angelegenheit zu geschehen habe. Es erscheint mir unbedingt notwendig, dass wir auch in dieser Sache allein gebunden bleiben an den biblischen Bericht, und dass allein die Kirche entscheiden kann, in welcher Weise über diesen Bericht Unterricht erstattet werden kann. Mit ergebenem Gruss Asmussen [m.p.~\ 12D4. Schreiben des Reformierten Bundes für Deutschland an den Rat. Schöller bei Dornap, 18. März 1947 F: E2A Berlin, 2/84/138 Beih. (O). Betr.: Änderung des Bekenntnisstandes der ref. Gemeinde Marburg/Lahn. Nach einer amtlichen Mitteilung im Kirchl. Amtsblatt der evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck ist die evangelisch-reformierte Kirchengemeinde in Marburg/Lahn am 1.12.1946 unter Aufgabe ihres bisherigen Be-

63

Vgl. dazu S. 146, Anm. 60.

12D Vorlagen und Anträge

149

kenntnisstandes mit der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde in Marburg/Lahn vereinigt worden 6 4 . A n dieser nunmehr untergegangenen reformierten Gemeinde hat in einer reformierten Pfarrstelle seit langen Jahren der jetzige Kirchenrat Dr. Karl Bernhard Ritter gewirkt, der schon seit längerer Zeit ein entschiedener Gegner und Bekämpfer des reformierten Bekenntnisses gewesen ist. Dass eine derartige Lage von der Kirchenleitung nicht beanstandet worden ist, beunruhigt viele Kreise in und ausserhalb der kurhessischen Landeskirche. Das bei der Uberführung der Gemeinde zum lutherischen Bekenntnis durchgeführte Verfahren wird nach uns zugegangenen Nachrichten von Beteiligten als rechtlich nicht einwandfrei beanstandet. Wir behalten uns vor, nach näherer Erkundigung auf diese Seite der Frage zurückzukommen. Endlich besteht bei der Kirchenleitung der Kirche von Kurhessen-Waldeck, wie wir erfahren, die Absicht, auf dem hier eingeschlagenen Wege die ganze reformierte Kirche von Niederhessen zu "liquidieren". Das Bekanntwerden dieses Planes in der weiteren kirchlichen Öffentlichkeit würde den gerade in diesem Augenblick so besonders wichtigen und empfindlichen Frieden zwischen den deutschen Bekenntnisgruppen in einer Weise in Frage stellen, dass, wie wir meinen, der Rat der E K D zu einem Eingreifen hier berufen ist. Das Moderamen des Reformierten Bundes für Deutschland: W. Niesei |m.p.] 12D5. Schreiben Nieseis an Asmussen. Schöller b. Dornap, 8. April 1947 F:EZA Berlin, 2/59 (O).

Lieber Bruder Asmussen! Hiermit möchte ich bitten, auf die Tagesordnung der nächsten Ratssitzung folgenden Punkt aufzunehmen: Suspension von Ratsbeschlüssen. Ich halte den Präsidenten der Kanzlei und auch den Vorsitzenden des Rates nicht für befugt, Beschlüsse des Rates zu suspendieren. Wir haben jetzt eine solche Massnahme zweimal hintereinander erlebt. Das vorletzte Mal wurde unser Beschluss in Sachen Schwarz suspendiert und jetzt unser Wort an die Gemeinden zur Moskauer Konferenz.

64 KAB1 Kassel 1946, S. 51.

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12. Sitzung Berlin 12. und 13. Mai 1947

Die letzte Ratssitzung, die wir hatten, ist auf diese Weise ziemlich fruchtlos geblieben. Der Grund für die Suspension des Beschlusses, den Du in Deinem Brief angibst 65 , ist keineswegs stichhaltig. Wir haben in ähnlicher Weise früher vorliegende Voten anderer Gremien verwandt. Ich erinnere nur an das Wort der Kirchenversammlung von Treysa, das den Beschluss der Berliner Synode in veränderter Form übernommen hat 46 . Mit brüderlichem Gruss! Dein W. Niesei [m.p.]

12E Dokumente 12E1. Schreiben Asmussens an die Mitglieder des Rates. Schwäbisch Gmünd, 17. Mai 1947 F: ETA Berlin, 2/59 (O). Sehr verehrte Herren und Brüder! Zunächst habe ich Sie herzlich um Entschuldigung zu bitten, dass ich auf der letzten Ratstagung nicht zugegen war. Ich wurde während der Reise krank, so dass ich nicht einmal mehr Herrn Oberkirchenrat Merzyn erreichen konnte, um mit ihm noch eine letzte Vorbesprechung zu halten. Es ist mir leid, dass dadurch Ihre grosse Bemühung nicht voll zum Tragen kommen konnte. Entsprechend ihren Beschlüssen würde, wenn ich recht sehe, die Tagesordnung des Kirchentages etwa folgendermassen aussehen: Mittwoch, den 4. Juni, abends 20.30 Uhr Eröffnungsgottesdienst Donnerstag, 5. Juni, 8 Uhr Andacht; 8.30 Uhr Bericht Asmussen, anschliessend Aussprache; 12.30 Uhr Mittag; 14.30 Uhr vier Referate zum konfessionellen Problem, anschliessend Aussprache bis zum Abendbrot; χ 20.30 Uhr Referat Dr. Benn über die Verfassung der deutschen Länder; 21.30 Uhr Andacht; 65 Schreiben Asmussens an die Ratsmitglieder vom 31. März 1947 (vgl. dazu S. 58,Anm. 16). 66 Gemeint ist das "Wort an die Gemeinden", das von der Kirchenversammlung in Treysa am 30. August 1945 beschlossen worden war (abgedruckt u.a. bei C. NICOLAISEN/N.A. SCHULZE, Protokolle Bd. I, S. 5ff.); es basierte auf der "Botschaft der Spandauer Synode" vom 31. Juli 1945 (abgedruckt bei F. SÖHLMANN, Treysa, S. 137f.).

12E Dokumente

151

Freitag 8 U h r Andacht; 8.30 U h r Referat Professor Smend über die Entwicklung der Verfassungsfrage; anschliessend Aussprache; 11 U h r Referat Gerstenmaier; 13 U h r Mittag; 15 U h r Ratssitzung. Es ist mir nicht ganz klar geworden, ob der Rat eine Fortsetzung der Besprechung über das Referat Gerstenmaier am Nachmittag des zweiten Tages für wünschenswert hält, so dass dann die Ratssitzung parallel zur Tagung des Kirchentages verlaufen würden. Zweifellos bestände dazu die Möglichkeit. Aber es erschiene mir bei der gedrängten Zeit auch wünschenswert, dass so verfahren würde. Falls die Ratsmitglieder Aenderungen in der Tagesordnung für notwendig halten, bitte ich, mir das gütigst mitteilen zu wollen. Mit freundlicher Begrüssung Ihr ergebener Asmussen [m.p. ] 12E2. Schreiben Asmussens an die Mitglieder des Rates. Schwäbisch Gmünd, 23. Mai 1947 F: LKA Hannover, L 3 II Nr. 14 Bd. IIb (O). Gelegentlich einer Besprechung mit Herrn Landesbischof Wurm während seines Urlaubs sind vom Herrn Vorsitzenden folgende Bestimmungen betreffend die Tagesordnung der Kirchenversammlung getroffen worden, die bisher durch die Ratsbeschlüsse noch nicht geregelt waren. Ich hoffe, dass sie die Zustimmung der Ratsmitglieder finden werden. 1.) Herr Pfarrer Niemöller D D . D D . ist gebeten worden, sofort nach den einleitenden Worten von Herrn Landesbischof Wurm das Wort zu ergreifen, da sicher alle Angehörigen des Kirchentages begierig sein werden, von ihm ein Wort zu hören. 2.) Den Gottesdienst am Abend vor der eigentlichen Tagung soll Herr Bischof Wüstemann halten. 3.) U m die Andacht am ersten Tage des Kirchentages wird hiermit Herr Oberkirchenrat Held gebeten. 4.) Die kirchliche Presse soll gern zum Kirchentage gebeten werden, jedoch wird wegen der technischen Schwierigkeiten nur Pfarrer Lüpsen und Pfarrer Hutten aufgefordert werden. Allerdings müssen diese für ihre Unterkunft selbst Sorge tragen.

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12. Sitzung Berlin 12. und 13. Mai 1947

5.) Es dürfte sich empfehlen, als Gäste des Kirchentages Herrn Guynne [Gwynne], Herrn Olsen oder seinen Vertreter und Herrn Sturm einzuladen, jedoch mit dem Zusatz, diese Herrn möchten für ihre Unterkunft in der Umgebung von Treysa selber Sorge tragen. Herr Landesbischof D. Wurm hält es für unerlässlich, dass wir für die Ratssitzung mindestens noch den Sonnabend Vormittag hinzunehmen. Ich schliesse mich dieser Meinung an und bitte im Namen von Herrn Landesbischof D. Wurm zu erwägen, ob es doch nicht notwendig ist, dass wir bei der Nachmittagssitzung dabei sind und die Sitzung des Rates am Abend und am nächsten Vormittag abhalten. Asmussen [m.p.] 12E3. Schreiben Asmussens an die Mitglieder des Rates. Schwäbisch Gmünd, 28. Mai 1947 F: LKA Hannover, L 3 II Nr. 14 Bd. IIb (O).

In der Anlage übersenden wir Ihnen die Tagesordnung für die Sitzung der Kirchenversammlung am 5. und 6. Juni 194T®. Lie. Niesei hat uns darauf aufmerksam gemacht, dass nach dem Beschluss in der Ratssitzung das Referat von Professor Smend nach den Berichten über die konfessionelle Lage und das Referat von Dr. Benn nach dem Bericht von Dr. Gerstenmaier kommen muss. Da es erforderlich erscheint auf die vier Berichte über die konfessionelle Lage eine Aussprache folgen zu lassen ehe das Referat von Professor Smend auf das verfassungsrechtliche Gebiet weiterführt, schlage ich vor am Freitagvormittag mit dem Referat von Professor Smend zu beginnen. Es erscheint mir erforderlich zu sein, dass die Mitglieder des Rates sich am Abend des 4. Juni nach der Andacht zu einer Vorbesprechung zusammenfinden. In ihr müsste vor allem geklärt werden, ob die Konfessionen in 3 oder 4 Konventen zusammentreten sollen, wenn der Fall des § 10 der Verordnung der Kirchenversammlung der E K D eintreten sollte 68 . Eine schriftliche Einigung über diese Frage war nicht möglich, da die Antworten auf meine Umfrage widerspechend ausgefallen sind. So müssten auch noch einige andere technische Fragen besprochen werden, darunter die, ob mit Rücksicht auf den Zeitmangel auf einen namentlichen

67 68

12E4, S. 153/. S. 32.

153

12E Dokumente

Aufruf der Mitglieder der Kirchenversammlung verzichtet werden kann und ob die Eintragung in eine Anwesenheitsliste genügt. Asmussen [m.p.~\ 12E4. "Tagesordnung zur Kirchenversammlung der EKD" F-.EZA Berlin, 2/41 (D). Mittwoch, den 4. Juni 1947, abends 20.30 Uhr (Landesbischof Wüstemann)

Eröffnungsgottesdienst

Donnerstag, 5. Juni 8.00 Uhr Andacht (Oberkirchenrat Held) 8.30 Uhr Eröffungsansprache von Landesbischof Wurm 9.00 Uhr Bericht von Pfarrer Niemöller 10.00 Uhr Bericht über die Arbeit des Rates der EKD (Berichterstatter Präsident Asmussen D.D.) Aussprache 12.30 Uhr Mittagessen 14.30 Uhr Kurzreferate über den Stand des konfessionellen Problems Berichterstatter: Landesbischof D. Lilje Professor Vogel Pastor Obendieck [Obendiek] Oberkirchenrat Dürr Aussprache über die vier Referate 19.00 Uhr Abendbrot 20.30 Uhr Fortsetzung der Aussprache Schlussgebet Freitag, den 6. Juni 1947 8.00 Uhr Andacht (Landesbischof Meiser) 8.30 Uhr Gesichtspunkte für eine Verfassung der EKD Berichterstatter: Professor Smend Aussprache 11.00 Uhr Allgemeine Lage in Deutschland Berichterstatter: Dr. Gerstenmaier 12.00 Uhr Die deutschen Länderverfassungen Berichterstatter: Oberkonsistorialrat Dr. Benn

154

12. Sitzung Berlin 12. und 13. Mai 1947

13.00 Uhr Mittagessen 14.30 Uhr Aussprache über die beiden Referate Schlussgebet 12E5. Schreiben der Kirchenkanzlei an die Leitungen der deutschen ev. Landeskirchen. Schwäbisch Gmünd, 10. September 1947 F: LKA Stuttgart, Dl/215

(H).

I. Nachprüfungsgericht der EKD. Das Nachprüfungsgericht der E K D gemäss § 2 der Verordnung über die Nachprüfung von Disziplinarmassnahmen vom 2.5.194669 hat folgende Besetzung erhalten: 1.) Verfahren in den westlichen Besatzungszonen: Geistliches Mitglied: Pfarrer Fahrenheim, Altenmünster bei Crailsheim Nicht in der kirchlichen Verwaltung beschäftigter Laie: Studienrat Dr. Lang, Schwäb. Hall Kirchlicher Verwaltungsbeamter, der die Befähigung zum Richteramt hat: Assesssor Dr. Elss, Schw[ayern r[echts] d[es] Rh[eim]

53.706,-

13.426,50

7.

Hamburg

48.426,-

12.106,50

8.

Kurhessen-Waldeck

31.526,-

7.881,50

9.

Baden

30.798,-

7.699,50

10.

Bremen

19.950,-

4.987,50

11.

Pfalz

17.902,-

4.475,50

12.

Braunschweig

15.872,-

3.968,-

13.

Oldenburg

10.426,-

2.606,50

14.

Lübeck

5.638,-

1.490,50

49 E : "40.000,- RM". 50 E: "80.000,- RM". 51 E: "21.736,- RM". 52 E: "944.736,- RM". 53 Originalanmerkung: "Die Unterteilung dieses Betrages auf die Evangelische Kirche des Rheinlandes und auf die Evangelische Kirche Westfalens bleibt diesen beiden Kirchen überlassen."

367

16C Anlagen und Beschlußtexte

15. 16. 17. 18. 19.

Hannover, ref. Lipp[esche] Landeskirche Schaumburg-Lippe Eutin Bund der ev.ref. Kirchen Deutschlands

5.220,4.468,1.298,1.298,-

1.305,1.117,324,50 324,50

918,-

229,50

693.736.-

173.434.-

16C4. "Stellennachweis zu Ausgabekapitel II Titel 1 der EKD (westliche Besatzungszonen) für das Rechnungsjahr 1948". Frankfurt/Main, 14. Januar 1948 F: ABIEKD Nr. 3, 1. Februar 1948.

Kirchenkanzlei (ohne kirchliches Außenamt) 2 Stellen A 1 b54 1 1 1 1

Stelle Stelle Stelle Stelle

A A A A

2d 4b 1 4 c 255 4 c 256

(Oberkirchenrat Dr. Merzyn Oberkirchenrätin Dr. Schwarzhaupt) (Konsistorial-Amtsrat Hellriegel) (Konsistorial-Oberinspektor Kiesow) (Kircheninspektorin Jahn) (1 weiterer Kassenbeamter)

Kirchliches Außenamt 1 Stelle A 2 c 2

(Oberkonsistorialrat Dr. Gerstenmaier, z. Zt. zum Hilfswerk beurlaubt ohne Bezüge durch die EKD)

54 Entwurf (vgl. S. 363, Anm. 40): "A 2 b". 55 Entwurf: "A 4 c 1". 56 Entwurf: "A 4 c 1".

368

16. Sitzung Frankfurt/Main 14. Januar 1948

16C5. "Verordnung über das Zustandekommen einer Grundordnung der Evangelischen Kirche in Deutschland". Frankfurt/Main, 14. Januar 1948 F: ABIEKD Nr. 3, 1. Februar 1948. - Wiederabdruck: H. Brunotte, Grundordnung, S. 309312; KJ1945-1948, S. 91-94; Eisenach 1948, S. 197-200. Auf Grund von Abschnitt ΠΙ f der Vorläufigen Ordnung der Evangelischen Kirche in Deutschland vom 31.8.1945 57 (Verordnungs- und Nachrichtenblatt Nr. 9) wird folgendes verordnet: §1 Es ist eine Kirchenversammlung zu bilden, welche die Aufgabe hat, die Grundorclnung der Evangelischen Kirche in Deutschland zu beschließen. §2 I. Der Kirchenversammlung gehören an: 1. Mitglieder, die von den Leitungen der Gliedkirchen nach § 3 entsandt werden; 2. Mitglieder, die von den Synoden der Gliedkirchen nach § 4 gewählt werden; 3. Mitglieder, die vom Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland nach § 5 berufen werden; 4. die Mitglieder des Rates, soweit sie nicht bereits nach Ziffer 1 bis 3 der Kirchenversammlung angehören. Π. Die Mitglieder der Kirchenversammlung sind an Weisungen nicht gebunden. §4 I. Durch die Synoden der Gliedkirchen sind zu wählen: 1. in der Evang. Kirche der Kirchenprovinz Berlin-Brandenburg in der Evang.-luth. Landeskirche Sachsens in der Ev. Kirche der Kirchenprovinz Sachsen und in der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers je 7 Mitglieder 2. in den Evangelischen Kirchen der Rheinprovinz und von Westfalen, in der Ev.-luth. Kirche in Bayern rechts des Rheins und in der ev. luth. Landeskirche Schleswig-Holsteins je 5 Mitglieder 3. in der Thüringer Ev. Kirche und in der Ev. Landeskirche in Württemberg je 4 Mitglieder 4. in der Ev. Kirche in Hessen und Nassau 3 Mitglieder 5. in der Vereinigten Ev. protestantischen Landeskirche Badens, in der Ev. Landeskirche von Kurhessen-Waldeck, 57

Vgl. C . N I C O L A I S E N / N . A . SCHULZE, P r o t o k o l l e B d . I , S . 14.

16C Anlagen und Beschlußtexte

369

in der Ev. luth. Landeskirche von Mecklenburg und in den Ev. Kirchen von Schlesien und von Pommern je 2 Mitglieder 6. in der Vereinigten Protestantischen Kirche der Pfalz in der Ev.-luth. Kirche im Hamburgischen Staate, in der Braunschweigischen Ev.-luth. Landeskirche, in der Evang.-luth. Kirche in Oldenburg, in der Bremischen Landeskirche, in der Anhaltischen Landeskirche, in der Ev.-ref. Kirche in Nordwestdeutschland in der Lippe'schen Landeskirche, in den Ev.-luth. Kirchen in Lübeck, Schaumburg-Lippe und Eutin je 1 Mitglied Π. Hat eine Synode mehr als ein Mitglied zu wählen, so dürfen nicht mehr als die Hälfte der Gewählten Theologen sein; die übrigen Mitglieder müssen die Befähigung zum Altestenamt besitzen. Die Mitglieder brauchen nicht Synodale zu sein. Die Gliedkirchen, die nur ein Mitglied zu entsenden haben, können entweder einen Theologen oder einen Nichttheologen wählen. ΠΙ. Für jedes Mitglied sind zwei Stellvertreter zu wählen, die auch Ersatzleute sind. IV. Ist die rechtzeitige Einberufung der Synode nichr möglich, so tritt an ihre Stelle dasjenige Organ, das die Aufgaben der Synode wahrnimmt. §5 Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland beruft 25 Mitglieder der Kirchenversammlung, von denen nicht mehr als zehn Theologen sein dürfen. §6 Die Evang. Brüderunität in Deutschland und der Bund freier Ev.-ref. Gemeinden Deutschlands entsenden entsprechend ihrer vereinbarten Rechtsstellung je ein Mitglied mit beratender Stimme in die Kirchenversammlung. §7 I. Die Kirchenversammlung wird durch den Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland einberufen, dessen Vorsitzender sie bis zur Wahl des Präsidiums leitet. Sie prüft die Legitimation ihrer Mitglieder und wählt ihr Präsidium, das aus dem Vorsitzenden, seinen Stellvertretern und den Beisitzern besteht. Sie gibt sich eine Geschäftsordnung. Π. Die Kirchenversammlung ist beschlußfähig, wenn zwei Drittel der Mitglieder anwesend sind. ΙΠ. Die Verhandlungen sind in der Regel öffentlich.

370

16. Sitzung Frankfurt/Main 14. Januar 1948

§8 I. Werden in der Kirchenversammlung gegen Bestimmungen des zur Beratung stehenden Entwurfs einer Grundordnung Bedenken erhoben mit der Begründung, daß sie dem lutherischen, reformierten oder unierten Bekenntnis widersprächen, so können sich die Angehörigen des Bekenntnisses zu einem Konvent versammeln. Π. Die Zugehörigkeit der Mitglieder zu einem Konvent richtet sich nach dem Bekenntnisstand der Gliedkirchen, denen sie angehören. Mitglieder aus unierten Kirchen können entweder dem unierten oder demjenigen Konvent beitreten, der ihrem persönlichem Bekenntnis entspricht. Vor der ersten Sitzung der Kirchenversammlung erklärt jedes Mitglied, welchem Konvent es angehört. ΙΠ. Bestätigt der Konvent in seiner Mehrheit die Bedenken und können sie auch bei nochmaliger Beratung in der Kirchenversammlung nicht behoben werden, so kann die Kirchenversammlung in dieser Frage nicht gegen die Stellungn ahme des Konvents entscheiden. §9 I. Der Entwurf einer Grundordnung wird der Kirchenversammlung vom Rat nach Fühlungnahme mit den Leitungen der Gliedkirchen vorgelegt. Π. Nach Abschluß der Beratungen wird über die Vorlage im ganzen abgestimmt. Zur Annahme bedarf es einer Mehrheit von zwei Dritteln der anwesenden Mitglieder. ΙΠ. Der Rat übergibt die beschlossene Grundordnung den Gliedkirchen und dem Bruderrat der Evangelischen Kirche in Deutschland zur Stellungnahme. Diese können sich zu der Grundordnung nur im ganzen erklären. Die Kirchenversammlung kann für die Erklärung eine Frist setzen. § 10 I. Stimmen alle Gliedkirchen und der Bruderrat der Evangelischen Kirche in Deutschland der Grundordnung zu, so wird sie von ihnen unterzeichnet und vom Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland verkündet. Π. Stimmen nicht alle Gliedkirchen zu, so ist die Kirchenversammlung zu einer erneuten Beratung einzuberufen. Sie beschließt darüber, ob die Grundordnung für den Bereich derjenigen Gliedkirche, die ihr zugestimmt haben, in Kraft gesetzt werden soll. § 9, Absatz Π, Satz 2 und § 10, Absatz I gelten entsprechend. III. Die Landeskirchen, die nicht zugestimmt haben, können ihre Zustimmung nachträglich erteilen mit der Wirkung, daß die Grundordnung auch für ihren Bereich wirksam wird.

16D Vorlagen und Anträge

371

§11 Diese Verordnung tritt mit der Vollziehung in Kraft. Frankfurt/Main, den 14. Januar 1948 Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland gez. D . Wurm 16D Vorlagen und Anträge 16D1. Schreiben Kochs an die Mitglieder des Rates. Bielefeld, 3. Januar 1948 F: EZA Berlin, 2/660 (O). Es liegt mir daran, Ihre Aufmerksamkeit auf die Vorgänge um den Münchener Christlichen] Ν[achrichten] D[ienst] zu lenken, die ich in der letzten Zeit nicht ohne Sorge für die Sache unserer eigenen kirchlichen Presse verfolge. Sie kennen die neueste Kontroverse Asmussen-Diem. Es überrascht nicht, dass Diems Brief im Schweizerischen Evangelischen Pressedienst erscheint 58 . D . Asmussen hat seine Antwort an Diem in einem Rundschreiben den Landeskirchenregierungen zur Kenntnis gegeben; ob die Antwort auch über diesen Kreis hinaus verbreitet ist, kann ich im Augenblick nicht feststellen". Die Evangelische Presse hat von dieser Kontroverse bisher keine Notiz genommen. Da finde ich es nun unerträglich, dass der katholische Münchener C N D den Streit Asmussen-Diem aufgreift und zum Gegenstand einer sensationellen Berichterstattung macht. In der Ausgabe seines Pressedienstes vom 13. Dezember bringt er unter der auffallenden Uberschrift '"Gesinnungsterror' Karl Barths gegen deutsche Theologen" eine in ihrer Kürze unzureichende Darstellung des Briefwechsels, die offensichtlich darauf angelegt ist, eine interne Auseinandersetzung im evangelischen Lager in das Blickfeld der Öffentlichkeit zu ziehen 60 .

58

59

Gemeint ist das Schreiben der Kirchlich-Theologischen Sozietät in Württemberg (gez. Diem) an Asmussen vom 18. November 1947 ( L K A S T U T T G A R T , A 1 2 6 / 3 3 7 ) . Danach hatte sich die Kritik Diems vor allem am Flensburger Vortrag Asmussens entzündet (vgl. S. 361, Anm. 32). Vgl. das Schreiben Asmussens an Diem vom 1. Dezember 1947 ( A C D P S T . A U G U S T I N , 3 1 - 3 9 8 Nr. VIT), das er mit Rundschreiben vom selben Tag an die Mitglieder des Rates, des Bruderrats und des Theologischen Ausschusses verschickt hatte ( L K A S T U T T G A R T , A 1 2 6 / 3 8 7 ) . Vgl. außerdem das Schreiben Asmussens an die Ratsmitglieder ("Herren und Brüder") vom 1. Dezember 1947, in dem er sich ebenfalls kritisch mit Diem und Barth auseinandersetzte ( E Z A B E R L I N , 6/85/2329).

60 Nicht ermittelt.

372

16. Sitzung F r a n k f u r t / M a i n 14. Januar 1948

Dieser Vorgang ist ein Glied in einer längeren Kette von Meldungen des C N D , die man nicht anders als tendenziöse Berichterstattung bezeichnen kann. Die oben erwähnte Veröffentlichung des C N D zeigt, wohin es führt, wenn Pressestellen, die im evangelischen Raum keine Verantwortung tragen, über interne Vorgänge unseres kirchlichen Lebens berichten und Dinge an die Öffentlichkeit bringen, die zunächst besser behutsam im eigenen Kreis behandelt würden. U m s o unbegreiflicher ist es, dass das unter dem Patronat des Hilfswerks stehende und unter Mitwirkung der Kirchenkanzlei begründete Evangelische Verlagswerk 61 in Stuttgart, wie mir berichtet wird, in den letzten Monaten ernsthafte Verhandlungen mit dem katholischen C N D über die Herstellung einer engen Arbeitsgemeinschaft geführt hat 62 . Auch wenn eine solche Arbeitsgemeinschaft nicht zustande kommen sollte, so würde ich auch eine lose Verbindung mit dem C N D , wie sie immer noch angestrebt zu werden scheint, als überflüssig, zumindest als nicht vordringlich ansehen. Das Evangelische Verlagswerk sollte stark genug sein, seinen Weg ohne Anlehnung an ein katholisches Pressunternehmen zu gehen. Wenn das Evangelische Verlagswerk die Förderer-Gesellschaft sein will, als die es vor einigen Wochen angekündigt wurde, dann sollte es darin seine Hauptaufgabe sehen, zunächst einmal seine Arbeit mit der im evangelischen Bereich schon bestehenden Pressearbeit zu koordinieren. Es sollte dabei vermeiden, Doubletten zu schon bestehenden Pressewerken zu schaffen und, wie es in der Ankündigung heisst, nur da aktiv werden, wo noch nichts vorhanden ist. Soweit ich die Lage in der britischen Zone zu übersehen vermag, ist hier die kirchliche Pressearbeit in gutem Zuge. Auf dem Gebiet der Gemeinde- und Sonntagsblattpresse haben wir hier einen Vorsprung vor allen anderen Zonen. Dass daneben noch manches zu tun bleibt, ist mir nicht verborgen. Aber es scheint mir notwendig, in dem Stadium, wo das Verlagswerk unter Berufung auf Mitglieder des Rates der E K D eine anscheinend ganz neue Presseplanung einleitet, darauf hinzuweisen, dass die dort neu entstehende Arbeit Rücksicht auf das Bestehende nehmen und ihre Pläne in entsprechender Weise koordinieren muss. Ich fühle mich umso mehr verpflichtet, dieses Anliegen Ihnen zur Kenntnis zu geben, als ich als Vorsitzender des Evangelischen Presseverbandes für

61

Vgl. dazu S. 359, Anm.

62

Vgl. dazu D . ALTMANNSPERGER, Rundfunk, S. 83ff.

25.

16D Vorlagen und Anträge

373

Westfalen eine besondere Verantwortung im Bereich der kirchlichen Pressearbeit trage. D. Koch

[m.p.]a

16D2. Entwurf Dibelius' für ein Wort des Rates zur politischen Lage des deutschen Volkes. o.O. o.D. F: NL Smend (DJ.

Die Ereignisse der letzten Monate haben unser deutsches Volk vor eine Frage von ungeheurem Ernst gestellt. Schon in den letzten Jahren war die Grenze zwischen westlichem und östlichem Okkupationsgebiet mehr und mehr zu einem Hindernis für die innere und äussere Gesundung des deutschen Volkes geworden. Jetzt, nachdem die Konferenz von London gescheitert ist64, deutet alles darauf hin, dass Deutschland auf die Dauer in verschiedene Staaten von ungleicher wirtschaftlicher, sozialer und geistiger Struktur auseinandergerissen wird. Hier droht eine Gefahr, die uns nötigt, warnend, bittend und mahnend unsere Stimme zu erheben. Die evangelische Kirche mischt sich nicht in die Auseinandersetzung politischer Mächte ein. Sie optiert weder für den Westen noch für den Osten. Aber wenn es um den Frieden geht, dann weiss sie sich gerufen. Gott hat die Völker nicht dazu geschaffen, dass sie immer aufs neue übereinander herfallen und Millionen von Toten auf den Schlachtfeldern lassen. Und unsere Kirche wäre nicht Kirche Jesu Christi, wenn sie nicht angesichts des unermesslichen Jammers, den der letzte Krieg über die Menschheit gebracht hat, alles tun würde, was in ihren Kräften steht, damit endlich Frieden werde. Sie mahnt ihr eigenes Volk, falschen Machtidealen abzusagen, echte Friedensgesinnung zu bewähren und dadurch wieder gutzumachen, was an Schuld auf ihm liegt. Sie mahnt und bittet aber auch die, in deren Händen die Entscheidung über unsere Zukunft liegt: Lasst endlich Frieden werden!

63 Asmussen antwortete Koch in einem Schreiben vom 16. März 1948: "Ihre Eingabe an den Rat vom 3. Januar bezüglich des C N D hat mich mit ernster Sorge erfüllt. Da der Rat bisher keine Gelegenheit hatte, sich mit dieser Sache zu befassen, habe ich zunächst mit Vertretern des C N D eine lange und ernste Besprechung gehabt, in der ich diesen die Sorgen vorgetragen habe, die Sie äusserten. Ich fand bei den evangelischen Mitgliedern des C N D viel Verständnis für Ihre Sorgen. Sie haben mir zugesagt, dass sie sich Mühe geben würden, Ihrem Anliegen gerecht zu werden, und sind dankbar, wenn wir dem C N D alle Anstände, die wir haben, offen sagen. Man hat mir versichert, dass dem C N D ernsthaft und ehrlich an einer paritätischen Nachrichtenübermittlung gelegen sei" (EZA BERLIN, 2/660). 64

Vgl. dazu S. 291, Anm. 50; S. 336, Anm. 16.

374

16. Sitzung Frankfurt/Main 14. Januar 1948

Dauernder Friede kann nur da sein, wo die Völker die Verhältnisse, unter denen sie: leben, als gerecht und gesund oder wenigstens als erträglich empfinden. Klein Volk der Erde aber wird es jemals ertragen, dass mitten durch sein Land eine Grenze gezogen wird, nicht auf Grund natürlicher Verschiedenheiten, nicht auf Grund allmählicher Entwicklung, sondern durch willkürliches; Diktat auswärtiger Mächte. Die Mutter will zu ihrem Sohn und die Tochter will zu ihrem Vater im anderen Teil des Vaterlandes. Das Volk, das e i n e Sprache spricht, das e i n e Geschichte und e i n e Kultur hat, will freien Austausch haben mit allen seinen Gliedern. Und die Kirche, die in West und Ost dieselben Choräle singt, dasselbe Bekenntnis und dieselbe Art des Gottesdienstes hat, will in ihrer jahrhundertealten, gesegneten Gemeinschaft geistlichen Lebens bleiben. Wird das verwehrt, wird die Gemeinschaft durch Trennungsmauern zerrissen, so kann daraus nichts anderes entstehen als die bittere Empfindung, gewaltsam unter unnatürlichen Verhältnissen gehalten zu werden. Und alle Mahnungen zu friedlicher Gesinnung müssen abprallen an dem leidenschaftlichem Willen eines ganzen Volkes, die zerstörte Einheit wiederzuerlangen. So kommt Europa nicht zur Ruhe. So wird nicht Friede. Es geht der Kirche noch um ein Zweites. Unnatürliche Verhältnisse wirken sich unheilvoll aus auf die sittliche Haltung der Menschen. Gewaltsame Aufspaltung, verbunden mit verschiedener Währung, verschiedenen Wirtschaftsformen und verschiedener politischer Orientierung führt dazu, dass jeden Tag Gesetze übertreten und neue Mittel ersonnen werden, um die Verbindung mit der anderen Seite zu gewinnen. Schleichhandel und schwarzer Markt sind die Folge. Die Autorität des Staates wird untergraben. Und alle Bemühungen, den sittlichen Zustand des Volkes zu heben, sind vergeblich. Schon jetzt sinkt das moralische Niveau der deutschen Bevölkerung infolge des unnatürlichen Zwanges, unter dem es leben muss, immer weiter ab. Eine Aufspaltung Deutschlands würde alle Versuche, Ehrlichkeit und Wahrhaftigkeit wiederzugewinnen, hoffnungslos machen. Auch das religiöse Leben müsste darunter auf das schwerste leiden. Eine innere Neugeburt des deutschen Volkes ist nur vom christlichen Glauben her möglich. Wie aber sollen die Kräfte des Glaubens zur Auswirkung kommen, wenn clie Kirche, selber in zwei Teile zerrissen, sich einem Volk gegenübersieht, das sich an unnatürlichen Verhältnissen wund reibt und in seiner Verbitterung nur den einen Gedanken hat, wie und wann diese Verhältnisse geändert werden können? Echter Friede kann nur werden, wenn im Mittelpunkt Europas die natürlichen Lebensverhältnisse wieder hergestellt werden. Dazu gehört, dass Deutschland eine Einheit ist, und zwar eine Einheit, in der 65 Millionen

16D Vorlagen und Anträge

375

Menschen sich selbst erhalten und ernähren können, was ohne die landwirtschaftlichen Gebiete östlich der Oder und ohne das von deutschem Fleiss entwickelte Gebiet an der Saar nun einmal nicht möglich ist. Wir scheuen uns nicht davor, arm zu bleiben. Aber wir verlangen nach der Einheit. Um die Wiederherstellung dieser Einheit bitten wir um des Friedens willen und um der sittlichen Gesundung unseres Volkes willen. Unser deutsches Volk aber mahnen wir, sich trotz allem, was geschieht, nicht in Verbitterung und Hoffnungslosigkeit zu verlieren, sondern sich auch durch Unfreiheit und untragbare Verhältnisse nicht irremachen zu lassen in dem Willen zu redlicher Arbeit, zu sittlicher Zucht und zu ehrlicher Friedensgesinnung. Gott ist der Herr der Geschichte. Er hat auch unseres Volkes Zukunft in seiner Hand. Diese Hand kann zwar sehr hart sein im Gericht, aber sie ist immer auch voll Gnade über die, die ihn fürchten. Ihm vertrauen wir. Ihn preisen wir durch unseren Herrn Jesus Christus auch in der dunkelsten Zeit! 16D3. Schreiben Asmussens an die Mitglieder des Rates. Schwäbisch Gmünd, 25. November 1947 F: LKA Stuttgart, Dl/215

(O).

Nachdem durch den Weggang von Herrn Superintendent Dr. Siegel die Presseabteilung der Kanzlei der EKD ohne Sachbearbeiter ist, habe ich nach Rücksprache mit Herrn Landesbischof D. Wurm zunächst auf Widerruf den Verleger Otto H. Fleischer mit der Wahrnehmung der in diesem Gebiet anfallenden Arbeit beauftragt. Da ich am Montag nach Amerika fahre, kann ich die Angelegenheit nur noch brieflich zur Kenntnis des Rates bringen. Herr Fleischer hat vor dem Zusammenbruch einen grossen Verlag in Breslau geleitet und steht, seit dem er sich in Württemberg aufhält, in engster Arbeitsgemeinschaft mit der Akademie in Bad Boll. Er hat sich hier im Laufe eines Jahres die ausgesprochene Hochachtung aller Beteiligten erworben und gilt im Presse- und Verlagswesen als eine befähigte Kraft. Er hat in Deutschland und in Amerika Theologie studiert und seine Abschlussprüfung als Magister gemacht. Seine Arbeiten auf dem Gebiet der Akademie und des Volkshochschulwesens sowie seine früheren Arbeiten als Verleger haben ihm einen grossen Bekanntenkreis erschlossen, der weit über die Grenzen Deutschlands hinausgeht.

376

16. Sitzung Frankfurt/Main 14. Januar 1948

Das im Zusammenhang mit Herrn Landesbischof D. Lilje, dem Hilfswerk, der Akademie und der Kanzlei ins Leben gerufene Verlagswerk 65 beabsichtigt, Herrn Fleischer an einen führenden Posten zu stellen. Die Verhandlungen darüber sind jedoch nicht abgeschlossen. Es ist aber wahrscheinlich, dass Herr Fleischer in ein immer engeres Arbeitsverhältnis zum Verlagswerk treten wird, und zwar besonders dort, wo dieses sich mit der Arbeit der Kanzlei berührt. Es versteht sich, dass Herr Fleischer in einem sehr lockeren Arbeitsverhältnis steht. Es musste zunächst daran gelegen sein, ihn so oder so für die kirchliche Arbeit zu sichern. Asmussen [m.p.] 16D4. Entwurf eines Vertrages "betr. Geschäftsanteil von Präsident D.D. Asmussen im Evangelischen Verlagswerk G.m.b.H.". Stuttgart, 18. Dezember 1947 F: EZA Berlin, 2/660 (H).

Zur Vertretung der evangelischen Belange in der Oeffentlichkeit haben neben anderen Gesellschaftern die Kanzlei der Evangelischen Kirche in Deutschland und das Hilfswerk der Evangelischen Kirchen in Deutschland das Evangelische Verlagswerk G.m.b.H. gegründet. Um innerhalb dieses Verlagswerks eine enge Zusammenarbeit und den entscheidenden Einfluss der beiden Aemter der Evangelischen Kirche in Deutschland sicherzustellen, wird folgende Vereinbarung getroffen: 1. Das Hilfswerk der Evangelischen Kirchen in Deutschland gewährt Herrn Präsident D.D. Asmussen ein Darlehen in Höhe von 60.000,- RM (i.W. Sechzigtausend Reichsmark) zum Zwecke der Einzahlung des auf seinen Anteil entfallenden Gesellschaftskapitals. Dieses Darlehen erhält Herr Präsident D.D. Asmussen als Treuhänder des Rates der Evangelischen Kirchen [jtc/J in Deutschland, und zwar in seiner Eigenschaft als Leiter der Kanzlei der Evangelischen Kirche in Deutschland, Schwäb. Gmünd. 2. Herr Präsident D.D. Asmussen verpflichtet sich, für den Fall, dass er aus den vorgenannten Aemtern ausscheidet, den Gesellschaftsanteil an seinen Nachfolger im Amt abzutreten und diesen aufzufordern, in die sich aus diesem Darlehensvertrag ergebenden Verpflichtungen einzutreten. Nimmt der Nachfolger im Amt die Abtretung des Gesellschaftsanteils nicht entgegen und tritt er in die Verpflichtung aus dem Darlehensvertrage nicht ein, so ist

65 Vgl. da::u S. 359, Anm. 25.

16D Vorlagen und Anträge

377

der Gesellschaftsanteil an den Leiter des Hilfswerks der Evangelischen Kirchen in Deutschland gegen Übernahme der Darlehensschuld abzutreten. 3. Herr Präsident D.D. Asmussen, als Leiter der Kanzlei der Evangelischen Kirche in Deutschland, und Herr Oberkonsistorialrat Dr. Eugen Gerstenmaier, als Leiter des Hilfswerks der Evangelischen Kirchen in Deutschland, bzw. deren Nachfolger im Amt, verpflichten sich, in allen grundsätzlichen Fragen, zu denen auch die Entscheidung über die höhere Personalbesetzung des Verlagswerks gehört, vor wichtigen Beschlüssen in Gesellschaftsversammlungen, Aufsichtsrat pp. in einen Gedankenaustausch einzutreten, um ein einheitliches Vorgehen sicherzustellen. 4. Dieses Darlehen kann beiderseits nur mit einjähriger Frist zur Rückzahlung gekündigt werden, und zwar erstmalig am 31. Dezember 1950 zum 31. Dezember 1951. Auch im Falle der Kündigung oder Rückzahlung bleiben die Bestimmungen der Ziff. 2 hinsichtlich der Verpflichtung zur Abtretung des Gesellschaftsanteils bestehen. 16D5. Schreiben der Kirchenkanzlei an die Mitglieder des Rates. Schwäbisch Gmünd, 13. Dezember 1947 F: LKA Stuttgart, Dl/215

(D).

Betrifft: Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland. Zu Ihrer Unterrichtung und zur Vorbereitung der nächsten Sitzung des Rates beehren wir uns folgendes mitzuteilen: Unter Leitung von Herrn Kirchenpräsident D. Martin Niemöller D.D. D.D. hat am 2. Dezember 1947 eine erneute Zusammenkunft derjenigen Kirchen und Freikirchen stattgefunden, die bereit sind, sich zur "Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland" zusammenzufinden. Hierbei ist nach mehrmaliger Lesung und Überarbeitung ein Satzungsentwurf verabschiedet worden, von dem wir Ihnen einen Abdruck in der Anlage übersenden66. Dieser Satzungsentwurf soll so bald wie möglich den gesetzgebenden Organen der beteiligten Kirchengemeinschaften vorgelegt und, wenn alle zugestimmt haben, in der nächsten Zusammenkunft der Arbeitsgemeinschaft am 10. Februar 1948 unterschrieben werden. Das würde dann die offizielle Gründung der "Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland" bedeuten. Demgemäss schlagen wir vor, dass der Rat der EKD in seiner nächsten Sitzung folgende 3 Fragen entscheidet: 66 16D6, S. 378ff.

378

16. Sitzung Frankfurt/Main 14. Januar 1948

1. Billigt der Rat den beiliegenden Entwurf einer Satzung der "Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland"? 2. Welche 5 Vertreter der EKD will der Rat zu den Zusammenkünften der Arbeitsgemeinschaft entsenden? (Nach § 5 des Satzungsentwurfes soll die EKD zu den Zusammenkünften der Arbeitsgemeinschaft 5 Vertreter entsenden. In der Zahl der Vertreter soll nicht die zahlenmässige Stärke, sondern die geistli che Struktur der Mitgliedskirchen zum Ausdruck kommen. Auf die Stimmenzahl als solche kommt es nicht entscheidend an, da man in der Arbeitsgemeinschaft keinesfalls durch Mehrheitsbeschlüsse einzelne Mitglieder majorisieren kann. Unter den Vertretern der EKD müsste also wohl ein ausgesprochen lutherischer, ein reformierter und ein unierter Vertreter sein, ferner der Leiter des Kirchlichen Aussenamtes und ein Vertreter der Bekennenden Kirche. Es werden sich zwischen diesen Gruppen naturgemäss Personalunionen ergeben, aber man wollte in der Satzung solche nicht unveränderlichen Personalunionen nicht als Grundlage für die richtige Vertretung ansehen). 3. Welche Weisungen will der Rat seinen 5 Vertretern mitgeben für ihr Verhalten bei der für den 10. Februar 1948 vorgesehenen Wahl des Vorsitzenden und des stellvertretenden Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft? 16D6. Entwurf für eine "Satzung der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland". o.O. [2. Dezember 1947] F: LKA Stuttgart, Dl/215

(Druck).

§ 1. Grundlage. In der "Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland" schließen sich kirchliche Gemeinschaften zusammen, welche Jesus Christus als Gott und Heiland anerkennen. § 2. Mitgliedschaft. Mitglieder der "Arbeitsgemeinschaft" sind die unterzeichneten kirchlichen Gemeinschaften. Ueber die Aufnahme weiterer Mitglieder entscheidet die "Arbeitsgemeinschaft" von Fall zu Fall. Voraussetzung der Mitgliedschaft ist in jedem Fall die Anerkennung der in § 1 bestimmten Grundlage. Es sollen grundsätzlich nur solche kirchliche Gemeinschaften aufgenommen werden, die Rechtsfähigkeit besitzen. § 3. Verhältnis der Mitglieder zur Arbeitsgemeinschaft und untereinander. Die Mitglieder behalten ihre volle Unabhängigkeit in Bekenntnis und Lehre, in Gottesdienst und rechtlicher Ordnung, sowie in der Wahrnehmung ihrer

16D Vorlagen und Anträge

379

eigenen Interessen. Sie wollen jedoch hierbei auf berechtigte Anliegen der anderen Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft brüderliche Rücksicht nehmen. § 4. Aufgaben. Die Arbeitsgemeinschaft will der Erfüllung folgender Aufgaben dienen: 1. Förderung ökumenischer Beziehungen und der ökumenischen Arbeit unter ihren Mitgliedern. 2. Förderung des theologischen Gespräches unter den Mitgliedern mit dem Ziel der Klärung und Verständigung. 3. Beratung und Vermittlung bei Meinungsverschiedenheiten zwischen einzelnen Mitgliedern. 4. Vertretung besonderer Anliegen einzelner Mitglieder auf deren Antrag. 5. Vertretung gemeinsamer Anliegen nach außen und in der Oeffentlichkeit. § 5. Vertretung der Mitglieder in der Arbeitsgemeinschaft. Zu den Zusammenkünften der Arbeitsgemeinschaft entsenden die Evangelische Kirche in Deutschland fünf, der Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden in Deutschland zwei und die übrigen Mitglieder je einen Vertreter. Ueber die Zahl der Vertreter, die von neuaufzunehmenden Mitgliedern entsandt werden sollen, wird bei deren Aufnahme besonders beschlossen. Wenn der Vorsitzende und Geschäftsführer (vergl. §§ 6 und 7) Vertreter von Mitgliedern der Arbeitsgemeinschaft sind, die nicht mehr als zwei Vertreter haben, so können an ihrer Stelle von diesen Mitgliedern andere Vertreter entsandt werden. § 6. Der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft. Die Vertreter der Mitglieder wählen den Vorsitzenden und den stellvertretenden Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft jeweils auf die Dauer von zwei Jahren. Der Vorsitzende leitet die Zusammenkünfte und führt die laufenden Geschäfte. Zur laufenden Geschäftsführung gehört insbesondere die Vorbereitung der Beratung und die Ausführung von Beschlüssen der Arbeitsgemeinschaft. § 7. Der Geschäftsführer. Der Vorsitzende kann zu seiner Unterstützung einen Geschäftsführer berufen. Die Berufung bedarf der Bestätigung durch die Arbeitsgemeinschaft. § 8. Kosten. Alle durch die Tätigkeit der Arbeitsgemeinschaft entstehenden Kosten werden gemeinsam getragen. Das Nähere wird durch besonderen Beschluß der Arbeitsgemeinschaft geregelt.

380

16. Sitzung Frankfurt/Main 14. Januar 1948

Diese Satzung ist durch die nachstehend genannten kirchlichen Gemeinschaften gebilligt und damit in Kraft getreten: Evangelische Kirche in Deutschland Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden in Deutschland Methodistenkirche in Deutschland Alt-Katholische Kirche in Deutschland Vereinigung der Deutschen Mennonitengemeinden Bund freier evangelischer Gemeinden in Deutschland 16D7. Schreiben des Arbeitsausschusses der Deutschen Vereinigung des Weltbundes für Freundschaftsarbeit der Kirchen an die Kirchenkanzlei. o.O., 3. November 1947 F: LKA Nürnberg, Meiser 120 (D; an die Ratsmitglieder übersandt mit Schreiben der Kirchenkanzlei vom 22. November 1947).

Der Arbeitsausschuss der Deutschen Vereinigung des Weltbundes für Freundschaftsarbeit der Kirchen bittet die Evangelische Kirche in Deutschland um eine klare und verbindliche Aeusserung über die künftige Ausgestaltung der ökumenischen Arbeit in Deutschland, insbesondere mit Rücksicht auf das Verhältnis des Oekumenischen Rates und seines behördlichen Aufbaues zur Deutschen Vereinigung des Weltbundes für Freundschaftsarbeit der Kirchen. Der Arbeitsausschuss ist der Meinung, dass in Zukunft die wesentliche Aufgabe der Deutschen Vereinigung des Weltbundes für Freundschaftsarbeit der Kirchen in der Eingliederung von Einzelpersonen, Gemeinden und Synoden in die ökumenische Arbeit in lebendiger Beziehung zu den von den Kirchenregierungen beauftragten Vertretern für den ökumenischen Dienst bestehen solle. Die Deutsche Vereinigung des Weltbundes hat ferner in ihrem Arbeitsausschuss die Vertreter der meisten ökumenisch interessierten kirchlichen Arbeitszweige zu gemeinsamer Beratung zu vereinigen gesucht und ebenso Vertreter der Landeskirchen wie der Freikirchen und verwandter Gemeinschaften wie Quäker und Heilsarmee.

16E Dokumente

381

Es ist fraglich, was an diese Stelle treten sollte, wenn der Weltbund für Freundschaftsarbeit der Kirchen sich auflösen sollte67 oder seinen organisatorischen Wiederaufbau unterlassen möchte, um nicht den auf konfessionellen Linien sich vollziehenden organisatorischen Bestrebungen mit ökumenischer Tendenz ins Gehege zu kommen und seinem Wunsche, lediglich zu dienen, untreu zu werden. Es ist die Frage, wie das ökumenische Anliegen in Deutschland nicht nur Sache einiger Kreise oder Personen, sondern der Kirchen selbst und ihrer Gemeinden werden kann. Dem Arbeitsausschuss liegt daran, dass die mannigfaltigen ökumenischen Bestrebungen in Deutschland sich gegenseitig fördern und zu einheitlicher Haltung sich zusammenfinden. 16E Dokumente 16E1. Schreiben Asmussens an die Mitglieder des Rates. Schwäbisch Gmünd, 29. Januar 1948 F: LKA Stuttgart, Dl/216 (O).

Bei meiner Rückkehr aus Amerika höre ich, dass 7 Tage vor meiner Ankunft eine Ratstagung stattgefunden hat. Einen Bericht über den Verlauf der Tagung habe ich noch nicht bekommen. Wohl aber steht fest, dass der Rat bei mindestens zwei Besprechungspunkten durch den Berichterstatter falsch informiert war. Das gilt sowohl hinsichtlich der Anstellung des Herrn Fleischer wie auch hinsichtlich des Verlagswerks. Herr Fleischer ist, wie Herrn Dr. Merzyn bekannt war, η i c h t in der Kanzlei angestellt. Mit Herrn Dr. Gerstenmaier haben von meiner Seite noch nicht einmal Verhandlungen stattgefunden. Es entzieht sich meiner Kenntnis, was für ein Schriftstück dem Rate bei seiner Sitzung vorgelegt worden ist. Ich bedauere es, dass der Rat bei seiner letzten Sitzung über meine Amtsführung eine Reihe von Beschlüssen gefasst hat, ohne mich zu hören. Ein Grund für die Eile ist nicht ersichtlich. Bezüglich der Schwierigkeiten der Kanzlei sind offenbar die Ermittlungen nicht weiter gediehen. Ich erkläre, dass ich auf einer restlosen Klärung der Angelegenheiten bestehe. Ich erinnere daran, dass ich eine Anzeige beim Rat erstattet habe, die seit Monaten läuft und seit Ende November auch schrift-

67 Der Weltbund für Freundschaßsarbeit für Kirchen wurde dann im Zusammenhang der Konstituierung des ÖRK am 30. Juni 1948formell aufgelöst (vgl. dazu S. 202, Anm. 55).

382

16. Sitzung Frankfurt/Main 14. Januar 1948

lieh vorliegt 68 . Demgegenüber weiss ich bis heute noch nicht, was mir tatsächlich 2;um Vorwurf gemacht wird. Hans Asrnussen [m.p. ] 16E2. Schreiben Asmussens an die Mitglieder des Rates. Schwäbisch Gmünd, 4. Februar 1948 F: LKA Stuttgart, Dl/216 (O). Ich erhebe hiermit Einspruch gegen verschiedene Punkte des Protokolls der letzten Ratssitzung. zu 2a betr. Wohnraum der Kanzlei 69 . Beschluss kann unmöglich so gefasst sein, da die Abmachungen mit dem Herrn stell [vertretenden] Vorsitzenden nicht berücksichtigt sind. zu 2c betr. Beförderung von Frl. Dr. Schwarzhaupt und Dr. Merzyn 70 . Der Beschluss berücksichtigt in der vorliegenden Fassung nicht, dass gegen beide Beamte der Kanzlei zur Zeit des Beschlusses eine schriftliche Anzeige ihres Dienstvorgesetzten vorlag 71 . Es ist ausgeschlossen, dass der Rat in ein schwebendes Verfahren eingreift. zu bc [2b\ betr. Pressearbeit der Kanzlei 72 . Der Beschluss lässt nicht erkennen, ob die vorhandene Arbeit, also etwa die Ausgabe Β des Amtsblattes eingehen soll und die Angestellten entlassen werden sollen, zu 3 betr. Herrn Fleischer 73 . Der Beschluss in seiner vorliegenden Fassung ist nur erklärlich, wenn dem Rat die Tatsache nicht bekannt war, dass bereits Anfang Dezember H e r r Fleischer Herrn Dr. Merzyn ausdrücklich erklärte, dass ein Dienstverhältnis zwischen der Kanzlei und ihm nicht bestände, zu 4 betr. grundsätzlich die Frage der Anstellung 74 . Der Beschluss lässt nicht erkennen, ob er sich auf alle Organe der EKD bezieht. zu 9 betr. Abstandnehmen von meinem Flensburger Vortragt 5 . Der Beschluss in seiner gegenwärtigen Fassung würde eine unmögliche Ungerechtigkeit 68 Vgl. das Schreiben Asmussens an Lempp vom 27. November 1947 (LKA STUTTGART, D23/7.1); vgl. dazu auch das von Asrnussen verfaßte, undatierte "Vertrauliche Memorandum über die Vorgänge in der Kanzlei" (EBD.). 69 S.357/. 70 S.358. 71 Vgl. dazu S. 382, Anm. 68. 72 S. 358. 73 5.358/. 74 5.359. 75 S. 361.

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darstellen, da er a) in Abwesenheit des Betroffenen gefasst worden ist, b) keine Rücksicht auf ähnliche Vorkommnisse und das vom Rat sonst geübte Verhalten nimmt. zu 10 betr. Aussprache mit Bischof Wurm 76 . Ich erhebe vorsorglich Einspruch, da ich den Sinn des Beschlusses nicht in Erfahrung bringen kann. Asmussen [m.p.~\

16E3. Schreiben Schwarzhaupts an Wurm. Schwäbisch Gmünd, 13. Februar 1948 F: LKA Stuttgart, Dl/216 (O).

Hochwürdiger Herr Landesbischof! Nachdem Ihr Schreiben vom 11.2.194877 bei Herrn Präsident Asmussen eingegangen war, erklärte er uns, dass diese Erklärung nicht ausreiche, denn in Wirklichkeit sei in unserem Namen der Vorwurf eines unsauberen Verhaltens erhoben worden, und er müsse Zurücknahme dieses Vorwurfs verlangen. Wir erklärten uns daraufhin bereit, die bei Ihnen abgegebene Erklärung78 dahin zu ergänzen, dass wir für den Fall, dass in unserem Namen der Vorwurf eines unsauberen Verhaltens gegen ihn erhoben worden sei, bereit sind, diesen zurückzunehmen. Wir haben diese Erklärung ausdrücklich als eine Ergänzung der bei Ihnen abgegebenen Erklärung bezeichnet. Sie ist also nur mit dieser zusammen abgegeben. In aufrichtiger Ehrerbietung E. Schwarzhaupt \m.p.'\

16E4. Schreiben Schwarzhaupts an Wurm. Schwäbisch Gmünd, 16. Februar 1948 F: LKA Stuttgart, Dl/216 (O).

Hochverehrter Herr Landesbischof! Da Sie sich freundlicherweise der Auseinandersetzung zwischen Herrn Präsident Asmussen einerseits und Herrn Dr. Merzyn und mir andererseits angenommen haben, erlaube ich mir, Ihnen von dem Fortgang der Angelegenheit zu berichten. Nachdem wir Ihnen gegenüber eine Erklärung darüber abgegeben haben, dass wir Herrn Präsident Asmussen nicht den Vorwurf eines unsauberen Verhaltens gemacht haben, und nachdem wir auf Wunsch des

76 Ebd. 77 16E8, S. 390. 78 Nicht ermittelt. Vgl. aber 16E5, S. 384f.; 16E6, S. 385f.

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Herrn Präsidenten diese Erklärung noch ergänzt haben 79 , begann Präsident Asmusseri am Samstag den 14.2. eine Unterredung über grundsätzliche Fragen, die 2;wischen uns stehen. Wir versuchten ihm in einer 1 1 / 2 stündigen Unterredung darzustellen, in welchen grundsätzlichen Fragen wir anderer Meinung sind und konnten dabei nur Dinge wiederholen, die wir ihm schon oft vorget ragen hatten. A m Schluss dieser, von Seiten des Herrn Präsidenten nicht ohne Schärfe geführten Unterredung, richtete er an uns die "dienstliche Auffordemng", unsere Einwendungen schriftlich niederzulegen. Wir haben ihm die in Abschrift anliegende Erklärung abgegeben 80 . Eine Abschrift dieses Briefes und seiner Anlage habe ich Herrn Prälaten Hartenstein zugehen lassen. In aufrichtiger Ehrerbietung Ihre E. Schwarzhaupt \m.p.~\ 16E5. Schreiben Merzyns an Asmussen. Schwäbisch Gmünd, 16. Februar 1948 F: LKA Stuttgart, Dl/216

(D).

Sehr verehrter H e r r Präsident! Ihrer Aufforderung entspechend darf ich auch noch einmal schriftlich Ihnen darlegen, worin sich meine Auffassung von den Aufgaben der Kanzlei der EKD und ihres Leiters von Ihrer Auffassung unterscheidet: Die Aufgabe der Kirchenkanzlei kann ich - mindestens in dieser jetzigen Ubergangszeit - nur in einem Vierfachen sehen: Sie soll: 1. die Sitzungen des Rates vorbereiten, 2. die Beschlüsse des Rates ausführen, 3. im Auftrage des Rates die laufenden Geschäfte der EKD führen und 4. sich als Hilfsorgan entwickeln, bei dem die einzelnen Gliedkirchen der EKD jederzeit diejenigen Unterlagen und Hilfeleistungen finden, die sie für ihre eigene Arbeit brauchen. Eine so arbeitende Kanzlei würde dem Rat der EKD und vor allem auch den Gliedkirchen der EKD von Jahr zu Jahr lieber werden, weil sie von ihr für ihre eigene Arbeit einen Nutzen haben. U n d darauf kommt es jetzt an. "Eine Zentrale, die den einzelnen Trägern der Verantwortung unbequem wird, gefährdet die Einheit; eine Zentrale, die sich durch schlichten Dienst für alle

79 Vgl. 161:3, S. 383. 80 16E5, S. 384f.; 16E6, S. 385/.

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unentbehrlich macht, kittet den Gesamtbau unmerklich, aber sicher zusammen." 81 Sie, Herr Präsident, sind darüber hinausgegangen. Sie haben geglaubt, durch starke Initiative und durch eigene Kirchenpolitik das Ganze in Bewegung halten zu sollen. Dass Sie dieses von der Plattform der Kirchenkanzlei getan haben, dass Sie Ihre Initiative als Leiter der Kirchenkanzlei entfaltet und die ganze Kirchenkanzlei und damit die EKD in diese Ihre persönliche Initiative hereingezogen haben, das ist die Ursache für meine sachlichen Bedenken. Ich habe nie behauptet, dass Sie mich gezwungen hätten, bei der Bearbeitung meiner Referate etwas zu tun, was mit meinem Gewissen oder mit dem Willen des Rates nicht vereinbar sei. Aber es bewegt mich, dass Sie, Herr Präsident, nach meinem Urteil die Ihnen als Leiter der Kanzlei durch die Ubergangsordnung der EKD 8 2 und durch die Verordnung über die Kanzlei der EKD 8 3 gesetzten Grenzen - selbstverständlich in bester Absicht - nicht innehalten und sich keineswegs darauf beschränken, ein ausführendes Organ des Rates und ein Hilfsorgan der Gliedkirchen der EKD zu sein. Mit dieser Auffassung glaube ich mich im Einklang zu befinden nicht nur mit dem von mir zitierten Brief von Herrn Bischof D.Dr. Dibelius an Sie84, sondern auch mit der Meinung aller übrigen Mitglieder des Rates und der der Gliedkirchen der EKD. Das aber macht meine Not so gross, denn eine Kirchenkanzlei, die nicht in ν ö 11 i g e m Einvernehmen mit dem Rat der EKD handelt (der ja doch für sie die Verantwortung trägt) und die obendrein noch den Leitungen der Gliedkirchen unnütz oder gar unbequem erscheint, versäumt ihre eigentliche Aufgabe und gefährdet die Einheit der EKD. Ihr Ihnen sehr ergebener 16E6. Erklärung Schwarzhaupts zur Amtsführung Asmussens. o.O., o.D. F: LKA Stuttgart, Dl/216

(D).

Erklärung Auf die dienstliche Aufforderung von Präsident Asmussen, schriftlich niederzulegen, in welcher Beziehung ich Einwendungen gegen seine Amtsführung habe, erwidere ich folgendes: Zitat aus dem Schreiben Dibelius' an Asmussen vom 19. August 1947 ( E Z A BERLIN, 2 / 6 7 ) . Abdruck der Übergangsordnung der EKD vom 22. März 1946: C . N I C O L A I S E N / N . A . SCHULZE, Protokolle Bd. I, S. 405f. 83 Abdruck der Verordnung des Rates über die Kirchenkanzlei der EKD vom 2. Mai 1946: EBD., S. 510ff. 8 4 Vgl. S. 385, Anm. 81. 81

82

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1. Prädident Asmussen hat sich in seiner Amtsführung nicht an die Grenzen gehalten, die dem Leiter der Kirchenkanzlei nach der Verordnung vom 2.5.46 über die Kanzlei85 gesteckt sind. Er betreibt vielmehr eine sehr aktive eigene Kirchenpolitik im Sinn einer bestimmten theologischen und kirchenpolitischen Auffassung. Bei der heutigen Situation der EKD müsste sich der Leiter der Kirchenkanzlei jedoch an den verhältnismässig engen Rahmen dessen halten, was der Rat der EKD als Ganzes decken kann und was die EKD gegenüber a l l e n Landeskirchen verantworten kann. Ich bin überzeugt, dass bei einer zurückhaltenderen und vermittelnden Amtsführung des Leiters der Kirchenkanzlei in den letzten 3 Jahren die Ordnung der EKD heute weiter sein könnte. 2. Demgegenüber sind die Auseinandersetzungen unwichtig, die wir Referenten mehrfach mit Herrn Präsidenten Asmussen hatten, bei denen wir versuchten, ihn von einem nicht ganz korrekten Verfahren in verschiedenen Angelegenheiten abzuraten. Diese Vorfälle sind als einzelne nicht schwerwiegend, hatten aber in ihrer Gesamtheit eine gewisse Störung des Vertrauensverhältnisses zwischen dem Herrn Präsidenten und seinen Mitarbeitern zur Folge. gez. Dr. Schwarzhaupt 16E7. Schreiben Asmussens an die Mitglieder des Rates. Schwäbisch Gmünd, 21. Februar 1948 F: LKA Stuttgart, Dl/216

(O).

In der Angelegenheit der Kanzlei habe ich den Herren Ratsmitgliedern Nachstehendes zu berichten: Bevor ich nach Amerika reiste, war Herr Prälat Lempp beauftragt worden, die Angelegenheit der Kanzlei zu untersuchen. Dies geschah durch Schreiben des Vorsitzenden des Rates vom 21.11.4786. Ich selber habe demgemäss dem Prälaten Lempp als dem mit der Untersuchung Beauftragten unter dem 27.11.47 eine förmliche Anzeige gegen die 85 Nach § 1 dieser Verordnung sollte die Kirchenkanzlei im Auftrag des Rates die laufenden Geschäfte der EKD führen, die Verhandlungen des Rates vorbereiten und dessen Beschlüsse ausführen (C. NICOLAISEN/N.A. SCHULZE, P r o t o k o l l e Bd. I, S. 510).

86 Abschrift des Schreibens Wurms an Lempp vom 21. November 1947: LKA STUTTGART, D23/7.1. In seinem Antwortschreiben an Wurm vom 29. November 1947 nahm Lempp die Berufung zwar zunächst an, äußerte jedoch schwerwiegende Bedenken (LKA STUTTGART, Dl/215); Lempp bat Asmussen schließlich, ihn von seinem Auftrag zu entbinden (vgl. das Schreiben Lehmanns an Hartenstein vom 3. Dezember 1947: LKA STUTTGART, D23/7.1).

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Mitarbeiter der Kanzlei übermittelt 87 , da sie hinlänglich verdächtig waren, eine Haltung eingenommen zu haben, die sich mit dem Amte eines Pfarrers und eines hohen Kirchenbeamten nicht vereinigen lassen. Wie ich höre, hat Prälat Lempp den Auftrag zurückgegeben, da er sich ausserstande sehe, ihn auszuführen. Was sich sonst während meiner Abwesenheit in dieser Sache ereignet hat, entzieht sich meiner Kenntnis. Nach meiner Rückkehr war eine Besprechung in Aussicht genommen zwischen den Referenten und mir im Beisein des Vorsitzenden des Rates, Herrn Prälaten Hartenstein und des Oberkirchenrates Weeber. Diese Besprechung fand nicht statt aus Gründen, die mir unbekannt sind, die aber in einer Besprechung zwischen dem Vorsitzenden des Rates, dem stellvertretenden Vorsitzenden, Herrn Oberkirchenrat Dr. Merzyn und Fräulein Dr. Schwarzhaupt verhandelt sein müssen. Der Vorsitzende des Rates berief dann OKR Merzyn und Frl. Dr. Schwarzhaupt zu einer Besprechung mit ihm und Herrn Prälat Hartenstein, die am 11.2.48 in Stuttgart stattfand. Das Ergebnis wurde mir schriftlich am gleichen Tage mitgeteilt. Es ist diesem Bericht als Anlage l 88 beigefügt. Auf Grund dieses Schreibens habe ich am 13.2.48 OKR Merzyn und Frl. Dr. Schwarzhaupt eröffnet, dass ich den Inhalt dieses Schreibens nicht als Grundlage eines korrekten und persönlich freundlichen Zusammenarbeitens ansehen könne. Nach den mir vorliegenden schriftlichen Äusserungen seien nämlich die persönlichen schweren Beleidigungen auch in ihrem Namen ausgesprochen und als Anzeige dem Rate übermittelt worden 89 . Darauf erklärten OKR Merzyn und Frl. Schwarzhaupt: Falls in unserem Namen der Vorwurf eine unsauberen Verhaltens gemacht worden ist, sind wir bereit, ihn zurückzunehmen. Es ist nun eine Lage entstanden, die noch undurchsichtiger ist, als vorher. Es liegt mir eine schriftliche Äusserung des Herrn Pfarrers Fahrenheim vor, in welcher er angibt, als Sprecher der Referenten zu fungieren und als solcher auch vor dem stellvertretenden Vorsitzenden aufgetreten zu sein. In diesem Schreiben erscheinen die schweren persönlichen Vorwürfe als Vorwürfe aller Referenten. Ich lege in Anlage 290 eine Abschrift der entsprechenden Partie dieses Schreibens bei. Im Widerspruch dazu steht die jüngste Aussage von

87

88

L K A STUTTGART, D 2 3 / 7 . 1 .

16E8.S.390.

89 Nicht ermittelt. 90 16E9.S.390.

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O K R Merzyn und Frl. Dr. Schwarzhaupt. Es ist mit der Möglichkeit zu rechnen, dass Pfarrer Fahrenheim nicht vollkommen im Rahmen seines Auftrages gehandelt hat, sondern ihn nach Ermessen selbständig gestaltete. Dafür sprechen auch andere Anzeichen. Andererseits liegt es im Bereiche des Möglichen, dass O K R Merzyn und Frl. Dr. Scharzhaupt nunmehr von einer Haltung Abstand nehmen, die sie früher eingenommen haben. Angesichts dieser völlig ungeklärten Lage muss ich meine Anzeige aufrecht erhalten, da ich nicht gewillt bin, die schweren Beleidigungen auf mir sitzen zu lassen. Wenn es sich herausstellt, dass Pfarrer Fahrenheim nicht im Auftrage handelte, als er diese Beleidigungen als Anzeige vorbrachte, oder dass O K R Mexzyn und Frl. Dr. Schwarzhaupt sich nun offen in Widerspruch zu ihrer früher eingenommenen Haltung setzen, behalte ich mir für die beiden letztgenannten eine Zurücknahme meiner Anzeige in diesem Punkte vor. Andererseits will ich gerne tun, was an mir ist, zum Frieden zu helfen. Ich habe darum O K R Merzyn und Frl. Dr. Schwarzhaupt aufgefordert, ihre Beschwerden in voller Freiheit auszusprechen und schriftlich niederzulegen. Das ist geschehen in zwei Schreiben, die ich als Anlage 3 und 4 beilege91. Nimmt man diese Schreiben für sich, dann fällt schon auf, dass sie Bedenken enthalten., die nicht substantiiert sind. Es steht in ihnen nicht, inwiefern ich die Grenzen überschritten haben soll, die mir nach Meinung der beiden Referenten mein Amt steckt. Es wäre einfacher, wenn beide ausgesprochen hätten, was sie eigentlich meinen, dass nämlich die sog. Detmolder Aktion 92 und was damit zusammenhängt, ihnen unerwünscht erscheint. Hat doch noch während meiner Abwesenheit Dr. Merzyn Ausgaben für die Detmolder Arbeit nicht bezahlen wollen mit dem Vermerk, das seien meine privaten Angelegenheiten. Und ganz unschwer ist es nachzuweisen, dass die Schwierigkeiten in der Kanzlei untrennbar mit der ganzen Detmolder Arbeit, die offenbar unter allen Umständen unterbrochen werden soll, zusammenhängen. Es wäre auch nicht schwer, gerade im Hinblick auf die Arbeit von Frl. Dr. Schwarzhaupt den Nachweis zu erbringen, dass sie selbst gerade das tut, was sie an mir tadelt, nur mit anderen Vorzeichen und mit anderen Mitteln. Versucht sie doch wie in den Zeiten vor 1945 im Rahmen völlig neutral scheinender Arbeit juristischer Verwaltung eine etwa der Bruderratspolitik entsprechende Linie zum Durchsatz zu bringen. Nun aber kann man beide Schreiben nicht für sich nehmen, sondern muss sie sehen im Zusammenhang mit dem, was in den vergangenen Monaten unternommen wurde. Dann ergibt sich Folgendes: 91 16E5, S. 384f.; 16E6, S. 385f. 92 Vgl. dazu S. 233, Anm. 43.

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Ebenso wie auf dem Gebiet der persönlichen Beleidigungen ist auf dem Gebiet der sachlichen Bedenken ein scharfes Zurückstecken der Pflöcke zu beobachten. Hinterhältiges Verhalten gegenüber dem Rat oder Gewissensbedrückung der Referenten wird nicht mehr erwähnt oder ausdrücklich in Abrede gestellt. Haben Referenten der Kanzlei Beschwerden, wie die hier vorgetragenen, dann beschreiten sie andere Wege als die, die im vorigen Jahre beschritten sind. Man vergegenwärtige sich die Vorgänge: Am 10. Mai "überfällt" ein Referent Herrn Moderator Niesei gelegentlich der Sitzung in Berlin mit Klagen über die Kanzlei. Wer das war und worin die Klagen bestanden, hat Herr Moderator als Material gegen mich in der Novembersitzung benutzt 93 . Am 10.5. wäre die Möglichkeit bereits vorhanden gewesen, eine Bereinigung in die Wege zu leiten. Am 23. und 25. Mai hatten die Referenten Gelegenheit, alle ihre Beschwerden mir in grosser Offenheit vorzutragen. Am 4. Juni beschweren sich nach Aussage in Brief Niemöller vom 20.7.94 die Referenten Damrath, Siegel und Merzyn beim stellvertretenden Vorsitzenden über mich in Treysa. Was sie dort vorgebracht haben, ist mir bis heute nicht gesagt. Am 18. Juni spricht Fahrenheim mit dem stellvertretenden Vorsitzenden in Stuttgart und bringt dort seine Beschwerde an, u.a. soll ich sämtliche Referenten gekündigt haben, ein Vorwurf, den Fahrenheim dann nicht aufrecht erhalten kann. Was aber sonst gesagt ist, weiss ich bis heute so gut wie gar nicht. Diese Besprechung wird einerseits als ein seelsorgerliches Gespräch hingestellt, aber doch wird gewünscht, dass sein Inhalt dem Rate mitgeteilt werde. Auf der Bruderratssitzung am 5. und 6. Juli beschwert sich Fahrenheim über mich bei Niesei. Was dort gesprochen ist, entzieht sich meiner Kenntnis. Am 6. August zwingt mich der Stellv. Vorsitzende gel[e]g[entlich] der Ratssitzung, die Vorwürfe auszusprechen, die man gegen mich hat, sagt aber selbst nicht, worin sie bestehen. Auch Niesei schweigt sich aus. Ich werde also von Anfang an in die Lage eines Angeklagten gebracht, der nicht nur sich gegen den Ankläger verteidigen soll, sondern diese \sic!] auch selbst ermitteln soll. Und dazu halte man die in der Anlage beige-

93

Weder aus dem Protokoll über die 15. Sitzung am 18. November 1947 in Darmstadt (S. 278-292) noch aus der Gegenüberlieferung gebt hervor, welcher Referent sich an Niesei gewandt hatte. Niesei hatte auf dieser Sitzung energisch gegen verschiedene Vorträge Asmussens • u.a. auch den Flensburger Vortrag vom Oktober 1947 (vgl. dazu S. 361, Anm. 32) - protestiert, weil bei einer öffentlichen Rede des Präsidenten der Kirchenkanzlei unverweigerlich der Eindruck entstehen müsse, in seiner Person spreche die EKD selbst. Es gehe aber keinesfalls an, "daß die EKD so durch die Reden des Leiters der Kanzlei festgelegt wird" (G 2 zu 15B).

94 Nicht ermittelt.

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16. Sitzung Frankfurt/Main 14. Januar 1948

fügten Schreiben. Soll ich wirklich glauben, dies sei der Inhalt aller der oben angedeuteten Bemühungen gewesen? Dann hätten die Bemühungen sicher anders ausgesehen. Wenn ich alle die Momente zusammenstelle, die ich mühsam zusammensuchen muss, dann ergibt sich für mich nur die Möglichkeit, in der ganzen Bemühung den kirchenpolitischen Schachzug zu sehen, mich für eine Zeit matt zu setzen. Vorwürfe schwirren durch die Luft: Persönliche Bereicherung?! Unzulässiger Druck auf die Mitarbeiter?! Handeln hinter dem Rücken des Rates?! Und wenn es endlich gelingt, zu zu fassen, bleibt nichts übrig, als eine kirchenpolitische Differenz. Weitere Klärungen der Angelegenheit sind mir bisher nicht möglich gewesen. Asmussen [m.p. ] 16E8. Schreiben Wurms an Asmussen. [Stuttgart, 11. Februar 1948] F: LKA Stuttgart, Dl/216 (Abschrift; Anlage 1 zu 16E7). In der Unterredung, die ich heute unter Teilnahme von Herrn Prälat Dr. Hartenstein mit Herrn Dr. Merzyn und Frau Dr. Schwarzhaupt hatte, haben die beiden Beamten der Kirchenkanzlei zum Ausdruck gebracht, dass sie zwar das Verhalten von Herrn Präsident Asmussen nicht in allen Fällen für korrekt gehalten haben, dass es ihnen aber ferngelegen sei, ihm ein unehrenhafte!! Verhalten vorzuwerfen, und dass es ihr dringender Wunsch sei, mit ihm in sachlich korrekter und persönlich freundlicher Weise zusammenzuarbeiten. Es gehe ihnen nicht um Einzelheiten, sondern um die grundsätzliche Auffassung der Aufgabe der Kanzlei, ihres Leiters und seiner Mitarbeiter. Sie bedauern, dass die Frage des Autos und des Möbelkaufs Gegenstand der Erörterung; in weiteren Kreisen geworden sei. gez. Wurm. 16E9. Au szug aus einem Schreiben Fahrenheims an Asmussen. o.O., 1. Juli 1947 F: LKA Stuttgart, Dl/216 (Abschrift; Anlage 2 zu 16E7). Persönlich meinten wir Ihnen zum Vorwurf machen zu sollen, dass Sie in der Autosache, auch in der Möbelsache, und nun auch, wie wir zuletzt hören, auch in der Angelegenheit des Pfarrbreviers nicht sauber gehandelt haben. Wenn ich Ihnen das in der pflichtmässigen Ausübung meines Amtes im Namen aller Referenten gesagt habe ...

17 Kassel, 9. und 10. März 1948 Ort:

Diakonissenhaus.

Beginn:

Dienstag, 9. März 1948 (9.00 Uhr).

Ende:

Mittwoch, 10. März 1948 (Uhrzeit unbekannt).

Teilnehmer:

Vom Rat: Asmussen, Brunotte, Dibelius, Hahn, Hagemann, Heinemann, Held, Lilje, Meiser, Niemöller, Niesei, Wurm. Vom Verfassungsausschuß: Brunotte (nur 9.3.), Ehlers (nur 9.3.), Erik Wolf (nur 9.3.). Vertreter der Freikirchen: Crous (nur 10.3.), Hartnack (nur 10.3.), Küppers (nur 10.3.), Pieper (nur 10.3.), Schmidt (nur 10.3.), Sommer (nur 10.3.). Von der Kirchenkanzlei: Benn, Merzyn, Ranke (nur 10.3.).

Protokollant:

Asmussen, Schwarzhaupt.

17A Vorbereitung der Sitzung 17A1. Schreiben der Kirchenkanzlei an die Mitglieder des Rates. Schwäbisch Gmünd, 17. Januar 1948 F: EZA Berlin, 2/60 (D).

Betrifft: Sitzung des Rates der EKD. I. In der Anlage übersenden wir eine Abschrift der Niederschrift über die ausserordentliche Sitzung des Rates der EKD vom 14. Januar 19481. Eine Abschrift der 3 Anlagen haben wir nicht beigefügt, weil sowohl die Verordnung über das Zustandekommen einer Grundordnung der EKD 2 als auch die Anordnung über den Haushalt der EKD 3 in der bereits im Druck befindlichen nächsten Nummer des Amtsblattes der EKD veröffentlicht werden, während der von Herrn Bischof D.Dr. Dibelius vorgelegte Entwurf4 schon in Ihrer aller Hände ist. 1 2 3 4

16B, S. 355-363. 16C5, S. 368-371. 16C1, S. 363f. 16D2, S. 373ff.

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17. Sitzung Kassel 9. und 10. März 1948

II. Die nächste Sitzung des Rates der EKD soll am 8., 9. und 10. März 1948 im Kurhessischen Diakonissenhaus in Kassel stattfinden. Wir schlagen folgende Tagesordnung vor: 1.) Am Montag den 8. März 17.00 Uhr pünktlich Beginn der Sitzung zur Erledigung der in der letzten Sitzung unerledigt gebliebenen und noch hinzukommenden laufenden Beratungsgegenstände, insbesondere a) Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland. b) Errichtung einer Theologischen Schule in Espelkamp. c) Ostpfarrer-Versorgung, Finanzausgleich, Zentralversorgungskasse. d) Personalreferenten-Besprechung. e) Pressefragen; Verlagswerk; EPD und Christlicher] Ν[achrichten] D[ienst]. f) Professor Fabricius. g) Disziplinarordung der EKD. h) Besetzung der Disziplinarkammer der EKD. i) Angelegenheit der reformierten Gemeinde in Marburg, k) Weltbund für Freundschaftsarbeit der Kirchen. 1) Eingabe der Bekenntnisgemeinschaft Bremen. m) Wori: der EKD zu dem Flüchtlingselend und zu dem Lastenausgleich zwischen Flüchtlingen und Besitzenden, n) Tag und Ort der nächsten Sitzung des Rates der EKD. 2.) Am Dienstag den 9. März 9.00 Uhr: Beginn der Beratungen über die Grundordnung der EKD (und Entscheidung über die vom Rat zu berufenden Mitglieder der Kirchenversammlung), abends: Beendigung der Beratungen vom Vortage. 3.) Am Mittwoch den 10. März 9.00 Uhr: Beginn der Beratung des Rates über den neuen Entwurf für eine Wort zur Zukunft: Deutschlands5. 12.30 Uhr: Gemeinsames Mittagessen mit den Vertretern der Freikirchen. 14.00 Uhr: Gemeinsame Beratung des Wortes der Kirche zur Zukunft Deutschlands. 20.00 Uhr: Gemeinsame Beratung über die Gründung einer Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland. 5

Vgl. dazu 17B, S. 400.

17A Vorbereitung

393

17A2. Schreiben der Kirchenkanzlei an die Mitglieder des Rates. Schwäbisch Gmünd, 23.. Februar 1948 F: EZA Berlin, 2/60 (Konzept mit Absendevermerk vom 24. Februar).

Die Tagesordnung der nächsten Sitzung gestaltet sich wie folgt: Montag, den 8. März, findet keine Sitzung des Rates statt. Ab Dienstag, den 9. März, 9 Uhr Beginn der Sitzung. Tagesordnung. 1. Protokoll der letzten Sitzung. 2. Kirchentag a) Einberufung der Kirchenversammlung b) Verlängerung der Frist c) Grundordnung der EKD (Punkt 2 im Beisein des Verfassungsausschusses). 3. Wort der Kirche über die Zukunft Deutschlands. 4. Verlagswerk. 5. Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland. 6. Theologische Schule in Espelkamp. 7. Oekumenisches a) Italiengemeinden b) Südamerika c) Uno und Amsterdam d) Weltbund für Freundschaftsarbeit der Kirchen. 8. Kirche und Parteien. 9. Ref. Gemeinde Marburg. 10. Flüchtlingselend und Lastenausgleich. 11. Bremen. 12. Besetzung der Disziplinarkammer. 13. Disziplinarordnung. 14. Fabricius. 15. Nächste Sitzung. Die Sitzung dauert mindestens bis Mittwoch Mittag.

394

17. Sitzung Kassel 9. und 10. März 1948

17B Protokoll F: EZA Berlin, 2/62 (H, den Ratsmitgliedem Kirchenkanzlei zur 18. Sitzung[ISA1]

zusammen mit dem Einladungsschreiben der

übersandt/'.

G: Mitschrift 1. Heinemann; 2. Meiser.

Niederschrift über die Sitzung des Rates der EKD am 9. und 10. März 1948 in Kassel Anwesend waren die Mitglieder des Rates: Landesbischof D. Wurm, der den Vorsitz führte, Kirchenpräsident D. Niemöller DD, DD Landesbischof D. Dr. Lilje DD Landesbischof D. Meiser Bischof I). Dr. Dibelius Oberkirchenrat Held Moderator Lie. Niesei Landesbischof D. Hahn Präsident Asmussen DD Minister Dr. Dr. Heinemann Landeshauptmann i.R. Hagemann Als Referenten der Kirchenkanzlei nahmen teil: Oberkirchenrätin Dr. Schwarzhaupt Oberkirchenrat Dr. Merzyn Oberkon sistorialrat Dr. Benn An der Besprechung zu Punkt 1 der Tagesordnung nahmen die Herren Mitglieder des Verfassungsausschusses Oberlandeskirchenrat Brunotte, Professor Dr. Erik Wolf und Oberkirchenrat Dr. Ehlers, an Punkt 4 nahm Oberkirchenrat Ranke als Referent der Kirchenkanzlei teil. 1. Grundordnung der EKD7

6

Vgl. auch den von Schwarzhaupt unterzeichneten Entwurf (E) für das Protokoll der 17. Sitzung: E Z A BERLIN, 2 / 6 0 .

7

Vor der Diskussion über diesen Tagesordnungspunkt hatte Wurm auf den kommunistischen Staatsstreich in der Tschechoslowakei, auf die Angriffe gegen die Kirche wegen Niemöllers Kritik an der Entnazifizierung und auf die Abneigung der sozialdemokratischen Presse gegen die Kirche hingewiesen (G 1): "Wir stehen auch heute einer feindlichen Welt gegenüber. Darum ist zu wünschen, daß wir in der Neuordnung der EKD endlich vorankommen. Wir stehen nur in einer Atempause" (G 2).

17B Protokoll

395

Der Verfassungsausschuss legt dem Rat einen neu gefassten Entwurf für eine Grundordnung der EKD vor 8 , in dem die inzwischen eingegangenen Stellungnahmen eines Teils der Landeskirchen berücksichtigt sind9. Professor Wolf leitet durch eine Darlegung über die Haltung und die Gedanken ein, aus denen der Entwurf entstanden ist 10 . Oberkirchenrat Dr. Ehlers 8

Zur Ausarbeitung dieses Entwurfs hatte unmittelbar vor der Ratssitzung am 8. März 1948 in Kassel eine Sitzung des Verfassungsausschusses stattgefunden, an der auch Schwarzhaupt und Benn teilnahmen (vgl. dazu A. SMITH-VON OSTEN, Treysa, S. 354; vgl. auch die Einladungsschreiben Schwanhaupts an Brunotte, Ehlers und Wolf vom 19. Januar und 12. Februar 1948: EZA BERLIN, 2/5). Der Entwurf wurde in der gemeinsamen Besprechung mit dem Rat nochmals überarbeitet (vgl. die beschlossene Fassung: 17C1, S. 401-410). • Die neue Fassung erhielten die Ratsmitglieder dann mit Schreiben der Kirchenkanzlei vom 12. März 1948 (EZA BERLIN, 2/5); den Landeskirchen teilte die Kirchenkanzlei lediglich mit, daß im Verlauf der Sitzung "eine Reihe von Änderungen erwogen" worden sei, ohne ihnen jedoch den Entwurf selbst zu übersenden (Schreiben an die Leitungen der deutschen evangelischen Landeskirchen vom IS. März 1948: EBD.).

9

Die Stellungnahmen der Landeskirchen sind überliefert im EZA BERLIN, 2/5; EBD. auch eine Synopse der Kirchenkanzlei vom 4. März 1948 über die bis dahin eingegangenen Stellungnahmen der Landeskirchen.

10 Das Referat Wolfs ist in G 1 und G 2 mit erheblich voneinander abweichenden Einzelheiten wiedergegeben. G 1: "Vier Grundgedanken: 1) GO [Grundordnung] soll dem geistigen Leben von heute Ausdruck geben. Der Mut, heute von 'Kirche' zu reden, muss auch über den Stand der theologischen Diskussion hinaus gefasst werden. Das gemeinsame Bekenntnis fehlt zwar noch. Aber die Tür soll offen sein. Barmen als Ansatz zum Einheitsbekenntnis ist noch umstritten. Schrift, alle Bekenntnisse u. reformatorisches Verständnis (sola fide, sola gratia, sola scriptura) sind gemeinsame Grandlage. Dennoch keine verfrühte Festlegung von Wünschbarkeiten. 2) Die GO soll die Einheit der evangel. Christenheit in D[eu]t[scbland] in ihrer Verschiedenheit ausdrücken. Deshalb Bund bekenntnisbestimmter Kirchen. Dieser Bund ist Wirklichkeit, nicht Vertrag. Das Einigende geht quer durch das Unterscheidende hindurch. Anders Kath[olische] K[irche], zu der Einheit trotz Unterschied besteht. - Rat Synode und Kirchenleiter sind Fortentwicklung von Treysa 1945. Sachliche Funktionsteilung des bündischen u. des individuellen Lebens. - 3) Bündische Zuordnung aller Beteiligten. Deshalb allseitiges Entgegenkommen. In der GO können die Sonderverständnisse keinen Ausdruck finden (Amt, Synode). Keine Bevorzugung einseitiger Auffassungen. Keine Übermächtigung, keine Indifferenz. - 4) GO als Ausdruck des Vertrauens in die Zukunft der EKD. Zeit u. Raum für Veränderung. Weder Reaktion noch Revolution. Keine Überschätzung des positiven Rechtes. Evangel. Kirchenrecht kann nur bekennendes Recht ohne Zwangscharakter kraft Satzung sein. Behutsamkeit, ungesagte Dinge, nur Richtschnur. Geduld, aber auch kein Vergessen des Erlebens in den letzten Jahren." G 2: "Vier Leitgedanken: Die GO soll das vorhandene geistliche Leben der Christenheit zum Ausdruck bringen. Es wird nicht mehr geordnet werden, als vorhanden ist. Es kann keine künftige Gestalt vorweggenommen werden. Auf der anderen Seite muß man den Mut haben, schon jetzt von Kirche zu reden. Alle Gemeinden erhoffen die Einheit. Es ist nicht möglich, dieses Anliegen so zum Ausdruck zu bringen, daß daraus eine echte Unionskirche entstünde. Es müssen aber alle Türen offengehalten werden, damit mehr und mehr die Einheit der

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berichtet über die A n r e g u n g e n der Landeskirchen und begründet die Ä n d e rungen, die daraufhin in den E n t w u r f eingefügt w o r d e n sind. Sodann w i r d d e r E n t w u r f i m einzelnen durchgesprochen. A u f G r u n d der A u s s p r a c h e w e r d e n folgende Ä n d e r u n g e n beschlossen: In A r t i k e l 1, A b s a t z 1 sollte versucht w e r d e n , statt des A u s d r u c k s

"ernst

n e h m e n " eine bessere F o r m u l i e r u n g zu finden. A r t i k e l 3 A b s a t z 1 soll so gefasst w e r d e n , dass das Missverständnis ausgeschaltet w i r d , als u n t e r w e r f e sich die K i r c h e damit jeder staatlichen O r d nung. A r t i k e l 4, A b s a t z 4 erhält folgende Fassung: Evangelische C h r i s t e n sollen in einer G e m e i n d e nicht d a r u m v o n der Teiln a h m e a m Heiligen A b e n d m a h l ausgeschlossen w e r d e n , weil sie einem andeGliedkirchen sich verwirkliche. Eine solche Einheit kann nicht gewonnen werden durch Nichtmehrernstnehmen der ref[ormatorischen] Bekenntnisschriften. Man kann eine solche Einheit auch nicht wirklich [möglicherweise auch: willkürlich] erzeugen oder hervorrufen. Die Grundcrdnung muß zum Ausdruck bringen, daß es eine gemeinsame Grundlage gibt. Sie muß erkennen lassen, daß das Gemeinsame in der Theologischen Erklärung von B[armen] herausgearbeitet worden ist. Es muß aber anerkannt werden, daß es Sonderbekenntnisse gibt, aus denen bestimmte Grundsätze für die Kirchenordnung hervorgehen. Keine verfrühte Festlegung von Wünschbarkeiten! Bestehende Gemeinsamkeit[en]: Auf diese gründet sich die Wortgemeinschaft, die Taufgemeinschaft, die Abendmahlsgemeinschaft. Aus dieser folgt: der Zusammenschluß in einem brüderlichen Bunde. Einheit und Unterschiedenheit. EKD; Bund bekenntnisbestimmter Kirchen. Die Grundordnung ist kein Bundesvertrag. Der Bund ist etwas bereits Bestehendes, weil es ein übergreifendes geistliches Leben in der EKD gibt. Die Einheit der EKD darf auch nicht als Mindestprogramm aufgefaßt werden. Um der Einheit willen erwartet die EKD, daß die Gliedkirchen ihr Bekenntnis ernst nehmen und daß ihre Ordnungen sich gegenseitig durchdringen. Kein Portikus von drei Säulen ohne Dach, vielmehr em gemeinsames Haus mit mehreren Räumen. Anknüpfung an die Kontinuität bestehender Einrichtungen. Zusammenhang mit dem bisherigen Rechtsleben. Fortentwicklung der Konvention von Treysa. Verteilung der Aufgaben der Synode und der Kirchenkonferenz. Bündischer guter Wille soll zum Ausdruck gebracht werden. Entgegenkommen und Verzicht auf bestimmte Ordnungen des eigenen Bekenntnisses. Kompromißbereite, freiwillige Haltung ist eine Frucht des Glaubens. Lösung in der Verwirklichung eines echten Bundes. Gleichheit der Bundesglieder, aber nicht Gleichartigkeit. Vereinigung auf ein Ziel hin. Dieses Ziel kann heute nicht mit dem Wort 'gemeinsames Bekenntnis1 bezeichnet werden, aber mit 'gemeinsames Bekennen'. Grundordnung so einfach wie möglich und so eindeutig wie möglich. Keine versteckten Vorbehalte. Keine Geheimklauseln. Keine starre Festlegung. Die GO läßt Raum für ihre Verbesserung. Keine Zwangsnormen. Die Fortbildung des Werkes soll von der Gliedkirchen ausgehen. Gebotene Behutsamkeit. Nicht genügend theologisch geklärte Dinge sollen ungesagt bleiben. GO - kein Codex Iuris Canonici der evangelischen Kirche. Die Gliedkirchen dürfen in jedem Fall gewiß sein, daß keine einem Zwang irgendwelcher Art ausgesetzt sein wird." - Zu den Grundlinien und Leitgedanken der Grundordnung vgl. auch E. WOLF, Ordnung, S. 710-747.

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ren in der EKD geltenden Bekenntnis angehören. Nähere Bestimmungen hierüber bleiben den Gliedkirchen vorbehalten. In Artikel 10 sollen die Worte "und des Leiters ihrer Verwaltung" sowie der zweite Satz gestrichen werden. In Artikel 11 soll eingefügt werden "gleichzeitig mit der Verkündung"; ausserdem soll der Tatsache Rechnung getragen werden, dass es Fälle gibt, die ein Abwarten auf die Unbedenklichkeitserklärung nicht gestatten. In Artikel 15 soll statt "auch" gesagt werden "ebenso". Artikel 16: Die Bestimmung über die bekenntnismässig gebundenen Vereinigungen sollen in einen besonderen Absatz 3 übernommen werden. Der nicht ganz richtige Ausdruck "ökumenisch" für diese Vereinigungen soll ersetzt werden durch die Worte "innerhalb der Ökumene". Gegen Artikel 17 bestehen völkerrechtliche Bedenken. Zur Zeit kann der Gegenstand noch nicht geregelt werden. Artikel 19: Die Zahl von 4 gesamtkirchlichen Kollekten wird von verschiedenen Seiten als zu hoch angesehen. In Artikel 26 muss berücksichtigt werden, dass man nicht von einem einheitlichen unierten Bekenntnis sprechen kann. Artikel 29: Der Rat soll aus 11 Mitgliedern ausser dem Synodalpräses bestehen. Der Verfassungsausschuss wird gebeten, vor der nächsten Sitzung des Rates mit Vertretern der verschiedenen massgebenden kirchlichen Kreise, insbesondere des Lutherrats, des Bruderrats, des Reformierten Moderamens und einem Vertreter einer consensusunierten Kirche in einer gemeinsamen Besprechung des Entwurfs Fühlung zu nehmen. Es wird in Aussicht genommen, dass diese Besprechung am 10. und 11. April in Karlsruhe stattfindet 11 .

11 Schwarzhaupt lud die dazu vorgesehenen Teilnehmer mit Schreiben vom 15. März 1948 in das Diakonissenhaus nach Karlsruhe-Küppur ein (EZA BERLIN, 2/5). Vom Bruderrat nahmen Niemöller und Mochalski, vom Lutherrat Meiser und Sommerlath, von den reformierten Kirchen Steiner und von den consensusunierten Kirchen Friedrich teil, als Referenten der Kirchenkanzlei außerdem Schwarzhaupt und Benn (vgl. dazu die von Schwarzhaupt am 21. Mai 1948 an die Teilnehmer der Besprechung versandte umfangreiche "Niederschrift über die Sitzung des Verfassungsausschusses mit Vertretern des Bruderrats der EKD, des Lutherrats, der Reformierten und der Unierten am 10. und 11.4.1948 im Diakonissenhaus Karlsruhe-Rüppur": EZA BERLIN, 2/8; vgl. dazu außerdem A. SMITH-VON OSTEN, Treysa, S. 359-363). Der Verfassungsausschuss übersandte das Ergebnis der Besprechung mit Schreiben vom 11. April 1948 an den Rat (18D9, S. M f ; 18D10, S. 506ff.). - Vgl. dazu auch 18B, S. 448-453.

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Die Frist für die Stellungnahme der Landeskirchen soll bis zum 31. März verlängert werden12. Nach Eingang der ausstehenden Antworten soll der Entwurf nochmals beraten werden13. Als Termin für die verfassunggebende Kirchenversammlung werden die Tage vom 25. bis 28.6. festgesetzt. Anreisetag ist der 24.6.48. Ort der Sitzung soll, wie vorgesehen, Eisenach bleiben14. 2. In der Liste für die Delegation für Amsterdam15 sollen die Plätze16 von Landesbischof Meiser und dem Synodalen Eichhorn ausgetauscht werden, sodass Landesbischof Meiser Delegierter, der Synodale Eichhorn Vertreter wird17. 12 Eine derartige Verschiebung des Termins für die Stellungnahmen der Landeskirchen hatte Meiser mit Schreiben vom 30. Januar 1948 an Wurm aufgrund eines Beschlusses des Rates der Ev.-Luth. Kirche Deutschlands auf seiner Sitzung am 28. Januar 1948 in Darmstadt beantragt: "Es handelt sich in der Frage der Stellungnahme zu der Grundordnung und damit zu der künftigen Gestalt der EKD um so grundsätzliche Entscheidungen, daß dieselben in der Kürze der angesetzten Zeitspanne nicht gründlich und gewissenhaft genug gefällt werden können" (EZA BERLIN, 2/5). Wurm hatte daraufhin zunächst die Mitglieder des Rates um eine Stellungnahme gebeten (Schreiben vom 30. Januar 1948: ASD BONN, NL Heinemann, M g . Korr. 1.1.48-31.3.48). Den Landeskirchen wurde die Verschiebung des Termins neben einer erneuten Aufforderung zur Stellungnahme mit Schreiben der Kirchenkanzlei vom 15. März 1948 mitgeteilt ( E Z A BERLIN, 2/5). 13 Die Kirchenkanzlei faßte regelmäßig die Stellungnahmen der Landeskirchen zusammen (Ew.); so u.a. vor der geplanten Sitzung des Verfassungsausschusses am 10./11. April 1948 in KarlsruheRüppur (vgl. dazu S. 448, Anm. 21) die bis zum 26. März 1948 eingegangenen Stellungnahmen am 1. April 1948 in einer 40-seitigen Synopse ( E Z A BERLIN, 2 / 6 ) . 14 Zur Verschiebung des ursprünglich für Mai geplanten Termins für die Kirchenversammlung vgl. S. 360, Anm. 29. Eine Verschiebung des Termins hatte aber auch Meiser in seinem Schreiben an Wurm (vgl. Anm. 12) geordert: Die Kirchenversammlung dürfe nicht stattfinden, die den Landeskirchen nicht der "überarbeitete Entwurf der Grundordnung der EKD zur Kenntnisnahme vorgelegt worden ist und sie Gelegenheit gehabt haben, ihn mit ihren synodalen Organen zu besprechen". Außerdem erachte es der Lutherrat für "dringend geboten, daß v o r der Einberufung der Kirchenversammlung unter den zunächst beteiligten Kreisen ein wenigstens annähernder Consensus erzielt wird". - Den neuen Termin für die Kirchenversammlung teilte die Kirchenkanzlei den Landeskirchenleitungen mit Schreiben vom 15. März 1948 mit (EZA BERLIN, 2/5). Wegen der Durchführung der Währungsreform (vgl. S. $22, Anm. 21) im Juni 1948 wurde der Termin dann nochmals auf den 9. bis 13. Juli 1948 verschoben (vgl. das Schreiben Wurms an die Mitglieder der Kirchenversammlung un die Landeskirchenleitungen vom 18. Juni 1948: LKA STUTTGART, Altreg. Gen. 115b, X).

15 Vgl. m, S. 286f. 16 E: "Auf Bitte von Landesbischof Lilje sollen in der Liste für die Delegation für Amsterdam die Plät;:e". 17 Koch beschwerte sich am 10. März 1948 schriftlich bei Niemöller über die Zusammensetzung der Delegation: "Es erscheint uns nach wie vor nicht angemessen, daß Westfalen als eine der

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3. Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland18. Der beiliegende gedruckte Entwurf einer Satzung der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland wird gebilligt mit der Massgabe, dass a) die Uberschrift heissen soll, "Richtlinien der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland" b) in § 3 die Worte "ihrer eigenen Interessen" ersetzt werden sollen durch "ihrer Anliegen". c) in § 5 das Wort "fünf" ersetzt werden soll durch "zwei" d) im Schlussatz die Worte "Satzung ist" ersetzt werden sollen durch "Richtlinien sind". 4. Espelkamp Der Rat nahm von den Bemühungen der Kanzlei, das Studienmaterial der Theologischen Schule von Norton Camp19 in ein kirchliches Seminar zu überführen, mit wohl wollendem Interesse Kenntnis20. Es ist vorgesehen, dass die YMCA, die ökumenische Kommission für die Pastoration von Kriegsgefangenen, das Hilfswerk und, falls das Seminar in dem Lager Espelkamps1 ergrößten Kirchen in der EKD unter den Mitgliedern und Stellvertretern für Amsterdam überhaupt nicht vorgesehen ist. Es wurde auch darauf hingewiesen, daß man bei der Umlegung der Kosten der EKD sich Westfalens sehr wohl erinnere, welches sicher unter den 3 ersten Umlage-Zahlen rangiert, wenn es nicht überhaupt an der ersten Stelle steht. Auch das ist zu bedenken, daß von Westfalen aus immer eine gesamtkirchliche Linie verfolgt worden ist und alles unterstützt wird, was zur Stärkung der EKD dient, die, wie mir scheint, solch ein williges Mitglied in dem Chor der verschiedenen Kirchen durchaus gut gebrauchen kann" (Abschrift des Schreibens für Wurm: LKA STUTTGART, Dl/226). Der Rat änderte die Liste der Teilnehmer für Amsterdam jedoch nicht mehr (vgl. dazu die Teilnehmerliste bei F. LÜPSEN, Dokumente, S. 279f. und 15B, 5. 286f). 18 Der Entwurf für eine "Satzung der Arbeitsgemeinschaft der christlichen Kirchen in Deutschland" (16D6, S. 378ff.; vgl. auch die verabschiedete Fassung: 17C2, S. 410ff.) war den Ratsmitgliedern und den Landeskirchen bereits im Vorfeld der vorhergehenden Sitzung am 14. Januar 1948 in Frankfurt/Main zugegangen (vgl. S. 362, Anm. 34). Der Rat hatte die Entscheidung über die Satzung auf dieser Sitzung jedoch zunächst noch vertagt (16B, S. 362). Die bisher angegangenen Stellungnahmen der Landeskirchen, der Freikirchen u.a. hatte von Harting für die Besprechung am 10. März 1948 in einem Vermerk vom 4. März zusammengestellt (17D1, S. 416ff.). Auf derfolgenden Sitzung am 27. /28. April 1948 berief der Rat dann die Vertreter der EKD für die Arbeitsgemeinschaft (vgl. 18B, S. 455). 19 Zur Theologischen Schule im englischen Kriegsgefangenenlager Norton Camp vgl. C. NlCOLAlSEN/N.A. SCHULZE, Protokolle Bd. I, S. 577, Anm. 3; S. 611-616.

20 E:"[...] mit Interesse Kenntnis". 21 Im Mai 1947 hatte die britische Dienststelle für religiöse Angelegenheiten dem Ev. Hilfswerk von Westfalen vorläufig erlaubt, das Gelände der ehemaligen Heeres-Munitionsanstalt beim Dorf Espelkamp im ostwestfalischen Kreis Lübbecke für die Betreuung und Unterbringung von Flüchtlingen, Alten und Kranken sowie heimatlosen entlassenen Kriegsgefangenen zu nutzen (zu Entstehung

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richtet wird, die ev. Kirche von Westfalen beteiligt werden. Das Seminar soll in erster Linie Studenten der ersten Semester, die Ergänzungsprüfungen zu machen haben, zusammenfassen. Die Sache soll weiter verfolgt und in einem späteren Zeitpunkt dem Rat erneut vorgelegt werden. Finanzielle Bindungen der EKD sollen nicht eingegangen werden22. 5. Richtlinien über die Wiederaufnahme von Kriegsgefangenen in die Ev. Kirche. Es wurde ein Beschluss des aus der Anlage 2) ersichtlichen Inhalts gefasst23. 6. Gemeinsam mit Vertretern der Freikirchen, die am 10.3. erschienen waren24, wurde das aus Anlage 3 ersichtliche Wort beschlossen25. 7. Die nächste Sitzung des Rates soll am 27. April, möglichst in Frankfurt stattfinden. Die Vollsitzung des Rates soll mittags beginnen. Der geschäftsführende Ausschuss - Landesbischof Wurm, Präsident Niemöller und Präsident Asmussen - soll ab 9.30 Uhr eine Vorbesprechung haben, an der diejenigen Ratsmitglieder, die schon anwesend sind, teilnehmen können.

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und Geschichte der Flüchtlingsstadt Espelkamp vgl. H. PUFFERT, Espelkamp). Der Aufhauplan des westfälischen Hilfswerks vom August 1948 sah neben verschiedenen karitativen Einrichtungen auch Pläne für eine ökumenische Akademie nach dem Vorbild der Theologischen Schule im Lager Norton Camp vor (vgl. EBD., S. 228). Zur Vorbereitung eines Beschlusses hatte die Kirchenkanzlei den Ratsmitgliedern bereits am 30. September 1947 ein Schreiben mit den wichtigsten Fakten zugesandt (17D2, S. 418-424); am 20. Dezember 1947 erhielten die Ratsmitglieder zusätzlich eine aktualisierte Fassung dieses Schreibens (17D3.S. 424-430). 17C3, S. 412ff. - Anweisungen für die Wiederaufnahme von Kriegsgefangenen hatte der Rat bereits auf seiner 5. Sitzung am 21./22. März 1946 beschlossen (vgl. C. N I C O L A I S E N / N . A . S C H U L Z E , Protokolle Bd. I, S. 393; 411-413). Zur Notwendigkeit einer Neufassung dieser Anweisungen vgl. das zur Vorbereitung des Beschlusses versandte Schreiben der Kirchenkanzlei an die Ratsmitglieder vom 4. März 1948 (17D4, S. 430-433). Die Einladung von freikirchlichen Vertretern zur Verabschiedung eines gemeinsamen Wortes hatte der Rat auf seiner vorhergehenden Sitzung am 14. Januar 1948 in Frankfurt/Main beschlossen (vgl. 16B, S. 357). Anwesend waren Crous (Mennoniten), Hartnack (Bund Evang.-freikirchlicher Gemeinden), Küppers (Altkatholiken), Pieper ßvangelische Gemeinschaft), Schmidt (Bund Evang.freikirchiicher Gemeinden) und Sommer (Methodisten). Vgl. dazu die von den Teilnehmern des Gesprächs hsl. ausgefüllte Anwesenheitsliste vom 10. März 1948 ( E Z A B E R L I N , 2 / 1 8 4 ) . Gemeint ist das "Wort christlicher Kirchen in Deutschland für einen rechten Frieden und gegen die Zerreissung des deutschen Volkes" (17C4, S. 414ff.) Vgl. dazu den Beschluß auf der vorhergehenden Sitzung (16B, S. 356f). Merzyn hatte den Ratsmitgliedem am 24. Januar 1948 (vgl. sein Schreiben: E Z A B E R L I N , 2 / 2 1 0 ) einen überarbeiteten EntwurfRitters für das Wort übersandt (17D5, S. 433ff.); mit Schreiben Kleibers vom 12. Februar 1948 hatten die Ratsmitglieder einen Entwurf von Dibelius erhalten (17D6, S. 43 5ff.).

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Für den Fall, dass Landesbischof Meiser am 27.4. verhindert sein sollte, soll die Sitzung auf den 23.4. verschoben werden 26 . gez. Asmussen D D gez. Dr. Schwarzhaupt 17C Anlagen und Beschlußtexte 17C1. "Entwurf II für eine Grundordnung der EKD". Kassel, 9. März 1948 F: EZA Berlin, 2/6 (H mit Vermerk: "Nur für den Dienstgebrauch! Nicht zur Veröffentlichung!").

Grundlage der E K D ist das Evangelium von Jesus Christus, wie es uns in der Heiligen Schrift Alten und Neuen Testaments gegeben ist. Gemeinsam mit der alten Kirche steht die E K D auf dem Boden der altkirchlichen Bekenntnisse. Im reformatorischen Verständnis der Evangeliums wissen sich ihre lutherischen, reformierten und unierten Gliedkirchen und Gemeinden an die für sie geltenden Bekenntnisse gebunden. Damit bekennt die EKD in allen Gemeinden den Einen Herrn der einen heiligen allgemeinen christlichen Kirche. I. Grundbestimmungen Artikel 1 (2) 1. Die Evangelische Kirche in Deutschland ist ein Bund lutherischer, reformierter und unierter Kirchen. Sie achtet die Bekenntnisgrundlagen der Gliedkirchen und Gemeinden und erwartet von ihnen, daß sie ihr Bekenntnis in Lehre, Leben und Ordnung der Kirche wirksam werden lassen. 2. In der Evangelischen Kirche in Deutschland wird die bestehende Gemeinschaft der deutschen evangelischen Christenheit sichtbar. Mit ihren Gliedkirchen bejaht die E K D die von der ersten Bekenntnissynode in Barmen 1934 getroffenen Entscheidungen. Sie weiß' sich verpflichtet, als bekennende Kirche die Erkenntnisse des Kirchenkampfes über Wesen, Auftrag und Ordnung der Kirche zur Auswirkung zu bringen. Sie ruft die verschiedenen Bekenntniskirchen zum Hören auf das Zeugnis der Brüder. Sie hilft ihnen, wo es gefordert wird, zur gemeinsamen Abwehr kirchenzerstörender Irrlehren.

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Vgl. S. 440-516. • Zur 17. Sitzung vgl. auch das Schreiben Nieseis an die Ratsmitglieder vom 12. März 1948 betr. den "Fall Asmussen"(17E1, S. 437ff.).

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Artikel 2 (3) 1. Die Ordungen der EKD und ihrer Gliedkirchen müssen auf der im Vorspruch und in Artikel 1 bezeichneten Grundlage ruhen. 2. Die gesamtkirchlichen Ordnungen dürfen das Bekenntnis der Gliedkirchen nicht verletzen; die Ordnungen der Gliedkirchen dürfen den gesamtkirchlichen Ordungen nicht widersprechen. 3. Die EELD steht in der Ordnung der Ökumene. Artikel 3 (4) 1. Unbeschadet der von allen Staatsbürgern anzuerkennenden Rechtsordnung ist die EKD unabhängig in der Aufstellung ihrer Grundsätze, in der Gestaltung ihrer Einrichtungen, in der Verleihung und Aberkennung ihrer Amter und in der Erfüllung ihrer Aufgaben. 2. Die Regelung ihres Verhältnisses zum Staat bleibt einem Übereinkommen vorbehalten. Artikel 4 (5) 1. Der Dienst am Wort und die Verwaltung der Sakramente geschieht in den Gliedkirchen und Gemeinden nach der Ordnung ihres Bekenntnisses. 2. Der gelegentliche Dienst der Verkündigung soll einem berufenen Diener am Wort in einer Gliedkirche nicht deshalb verwehrt werden, weil er nicht auf ihr Bekenntnis verpflichtet ist. Im übrigen bleiben die geltenden Bestimmungen der Gliedkirchen unberührt. 3. Das Sakrament der Heiligen Taufe wird in allen Gliedkirchen der EKD gegenseitig anerkannt, ebenso die Gültigkeit aller ordnungsgemäßen Amtshandlungen. 4. Evangelische Christen sollen in einer Gemeinde nicht darum von der Teilnahme am Heiligen Abendmahl ausgeschlossen werden, weil sie einem anderen in der EKD geltenden Bekenntnis angehören. Nähere Bestimmungen hierüber bleiben den Gliedkirchen vorbehalten. 5. Vereinbarungen über eine weitergehende Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft bleiben den Gliedkirchen überlassen. Π. Aufgaben. Artikel 5 (4) 1. Die EKD bemüht sich um die Festigung und Vertiefung der Gemeinschaft unter den Gliedkirchen, hilft ihnen bei der Erfüllung ihres Dienstes und fördert den Austausch ihrer Kräfte und Mittel.

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2. Sie wirkt dahin, daß die Gliedkirchen, soweit nicht ihr Bekenntnis entgegensteht, in den wesentlichen Fragen des kirchlichen Lebens und Handelns nach übereinstimmenden Grundsätzen verfahren. Artikel 6 (5) Die EKD fördert und unterstützt Einrichtungen und Arbeiten von gesamtkirchlicher Bedeutung, insbesondere kirchliche Hochschulen und Evangelische Akademien, die wissenschaftliche Forschung auf den Gebieten der Theologie und des Kirchenrechts, die Kirchenmusik, die kirchliche Kunst und die Herausgabe kirchlichen Schrifttums. Artikel 7 (6) Die EKD kann den Gliedkirchen für ihre Arbeit Anregungen geben, insbesondere für die Ordnungen der Gliedkirchen, für die Zuordnung der kirchlichen Werke innerhalb einer Gliedkirche zu deren Leitung und für die Gestaltung der kirchlichen Presse. Artikel 8 (7) Die EKD kann Richtlinien aufstellen: a) für die wissenschaftliche und praktische Ausbildung der Pfarrer und der übrigen kirchlichen Amtsträger, b) für die Rechtsverhältnisse und für die wirtschaftliche Versorgung der Pfarrer und der übrigen kirchlichen Amtsträger, c) für die Erhebung kirchlicher Abgaben, d) für die Verwaltung des kirchlichen Vermögens, e) für die Vereinheitlichung der kirchlichen Amtsbezeichnungen und die Benennung der kirchlichen Amtsstellen, f) für das Archiv- und Kirchenbuchwesen und für die kirchliche Statistik. Artikel 9 (8) Die EKD kann gesetzliche Bestimmungen mit Wirkung für die Gliedkirchen erlassen: a) für Sachgebiete, die im Bereich der EKD bereits einheitlich geregelt waren, b) für andere Sachgebiete, wenn die beteiligten Gliedkirchen damit einverstanden sind. Artikel 10 (9) Die Gliedkirchen nehmen über die Bestellung des Vorsitzenden ihrer Kirchenleitung mit dem Rat der EKD Fühlung. Artikel 11 (10) Kirchengesetze und sonstige Ordnungen mit Gesetzeskraft legen die Gliedkirchen gleichzeitig mit der Verkündung dem Rat der EKD vor. Sie sind ab-

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zuändern,, wenn der Rat mitteilt, daß sie gegen gesamtkirchliche Ordnungen verstoßen. Artikel 12 (11) Alle Gliedkirchen gemeinsam oder einzelne von ihnen können der EKD mit Zustimmung des Rates Aufgaben übertragen oder die Entscheidung in Fragen überlassen, für welche die Gliedkirchen zuständig sind. Artikel 13 (12) Die EKD fördert die Zusammenfassung der der Kirche aufgetragenen Arbeit an den verschiedenen Gruppen von Gliedern der Kirche, insbesondere an den Männern, den Frauen und der Jugend, soweit sie über den Bereich der Gliedkirchen hinausgeht und gesamtkirchlicher Ordnungen oder Organe bedarf. Sie regelt die kirchliche Zuordnung dieser Arbeit so, daß die Mitarbeit freier Kräfte gewährleistet ist. Artikel 14 (13) 1. Die EKD und die Gliedkirchen wissen um die Verpflichtung der Christenheit, daß der Glaube in der Liebe tätig werde. Demgemäß pflegen und fördern sie alle kirchlichen Werke, in denen die Liebe Christi Gestalt gewinnt. Di e diakonischen Werke sind Wesens- und Lebensäußerung der Kirche. 2. Die EKD fördert die in besonderen Rechtsformen im Gesamtbereich der EKD arbeitenden Liebeswerke der Inneren Mission. Sie kann ihnen für ihre Arbeit und ihre Ordnung Richtlinien geben, die die freie Gestaltung der Arbeit und die Verbindung mit der Kirche und der Gemeinde sichern. 3. Das zur Linderung der besonderen Notstände der Zeit und zum kirchlichen Wiederaufbau ins Leben gerufene Hilfswerk der EKD wird von der EKD und den Gliedkirchen getragen. Die Ordnung des Evangelischen Hilfswerks bedarf eines Gesetzes der EKD. Artikel 15 (14) Die EKD und die Gliedkirchen fördern ebenso die anderen kirchlichen Werke, insbesondere auch die missionarischen Werke der Inneren Mission, die äußere Mission, sowie die Einrichtungen zur Unterstützung der kirchlichen Dias;pora innerhalb der Ökumene, soweit sie im Bereich der gesamten EKD ihre Arbeit tun. Die EKD kann ihnen für ihre Arbeit und ihre Ordnung unbeschadet der sachlich erforderlichen Selbständigkeit Richtlinien geben.

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Artikel 16 (15) 1. Die EKD arbeitet in der Ökumene mit. 2. Die Pflege ökumenischer Beziehungen durch kirchliche Werke und Verbände und die Mitarbeit einzelner Persönlichkeiten an ökumenischen Aufgaben wird dadurch nicht beeinträchtigt. Sie soll in Fühlung mit den zuständigen Organen der EKD geschehen. 3. Das gleiche gilt von der selbständigen Vertretung von Gliedkirchen in bekenntnismäßig gebundenen Vereinigungen. Artikel 17 (19) Die EKD vertritt die gesamtkirchlichen Anliegen gegenüber allen Inhabern öffentlicher Gewalt. Sie erstrebt ein einheitliches Handeln ihrer Gliedkirchen auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens. Artikel 18 (20) 1. In Erfüllung ihrer Aufgaben kann die Evangelische Kirche in Deutschland Ansprachen und Kundgebungen ergehen lassen, die leitenden Stellen der Gliedkirchen zu Besprechungen versammeln und von ihnen Auskunft oder Stellungnahme erfordern. 2. Sie kann zur Erfüllung bestimmter Aufgaben Kollekten ausschreiben, die in allen Gliedkirchen einzusammeln sind. Ihre Zahl soll jährlich nicht mehr als drei betragen. Die Erhebung weiterer gesamtkirchlicher Kollekten kann sie den Gliedkirchen empfehlen. ΠΙ. Gliederung. Artikel 19 (21) 1. Gliedkirchen der EKD sind die bestehenden Landes- und Provinzialkirchen. 2. Der Zusammenschluß, die Neubildung und die Auflösung von Gliedkirchen erfolgt im Benehmen mit der EKD. Das gleiche gilt, wenn sich Gliedkirchen ohne Aufgabe ihres rechtlichen Bestandes innerhalb der EKD zusammenschließen. 3. Jede Gliedkirche steht, unbeschadet ihrer Zugehörigkeit zu einer konfessionell oder territorial bestimmten Vereinigung von Gliedkirchen, im unmittelbaren Verhältnis zur Leitung der EKD. 4. Bekenntnisverwandte kirchliche Gemeinschaften können der EKD durch Vereinbarungen angeschlossen werden. Die Vereinbarung bedarf der gesetzlichen Bestätigung.

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IV. Organe und Amtstellen. Artikel 20 (22) 1. Die Organe der EKD sind: die Synode der EKD, die Kirchenkonferenz, der Rat der EKD. 2. Zur Beratung der leitenden Organe sind für bestimmte Sachgebiete kirchliche Kammern aus sachverständigen kirchlichen Persönlichkeiten zu bilden. Artikel 21 (23) 1. Die Synode hat die Aufgabe, der Erhaltung und dem inneren Wachstum der EKD zu dienen. 2. Sie beschließt Kirchengesetze nach Maßgabe des Artikels 24 Abs. 3, erläßt Kundgebungen, bespricht die Arbeit der EKD, erörtert Fragen des kirchlichen Lebens und gibt dem Rat Richtlinien. 3. Sie wählt in Gemeinschaft mit der Kirchenkonferenz den Rat der EKD. Artikel 22 (24) 1. Die Synode besteht aus 100 Mitgliedern, die von den synodalen Organen der Gliedkirchen gewählt werden, und 25 Mitgliedern, die vom Rat berufen werden. Für jeden Synodalen ist ein Stellvertreter zu bestimmen. Von den gewählten und berufenen Synodalen darf nicht mehr als Hälfte Pfarrer sein. 2. Die Verteilung der zu wählenden Synodalen auf die Gliedkirchen wird durch Gesetz geregelt. 3. Unter den vom Rat zu berufenden Synodalen sind besonders Persönlichkeiten zu berücksichtigen, die für das Leben der Gesamtkirche und für die Arbeit der kirchlichen Werke Bedeutung haben. 4. Die Mitglieder der Synode sind an Weisungen nicht gebunden. Artikel 23 (25) 1. Die Amtsdauer der Synode beträgt 6 Jahre. 2. Die Synode tritt in der Regel einmal im Jahr zu einer ordentlichen Tagung zusammen. Sie ist außerdem einzuberufen, wenn der Rat oder 30 Synodale es verlangen. 3. Sie wird mit einem Gottesdienst eröffnet. Ihrer Tagung wird im Gottesdienst aller Gemeinden fürbittend gedacht. Artikel 24 (26) 1. Die Synode wählt für ihre Amtsdauer aus ihrer Mitte ein Präsidium, bestehend aus dem Präses, seinen Stellvertretern und den Beisitzern. Die Mit-

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glieder des Präsidiums bleiben bis zur Wahl ihrer Nachfolger im Amt. Der Vorsitzende des Rates soll nicht gleichzeitig Präses der Synode sein. 2. Die Synode faßt ihre Entschließungen mit Stimmenmehrheit. Sie ist beschlußfähig, wenn zwei Drittel der Synodalen anwesend sind. Sie gibt sich eine Geschäftsordnung. 3. Kirchengesetze bedürfen einer zweimaligen Beratung und Beschlußfassung. Sie werden der Synode, auch wenn sie aus ihrer Mitte eingebracht werden, durch den Rat mit seiner Stellungnahme und mit der Stellungnahme der Kirchenkonferenz vorgelegt. Kirchengesetze, welche die Grundordnung der EKD ändern oder die Beziehungen der Kirche zum Staat oder zu außerdeutschen Kirchen zum Gegenstand haben, bedürfen einer Stimmenmehrheit von zwei Dritteln der anwesenden Mitglieder und der Zustimmung der Kirchenkonferenz. 4. Erhebt der Rat gegen einen Beschluß der Synode Einwendungen, so hat die Synode über den Gegenstand in einer nicht am gleichen Tage stattfindenden Sitzung erneut zu beschließen. Erklären sich zwei Drittel der anwesenden Mitglieder der Synode für die Aufrechterhaltung des Beschlusses, so bleibt er bestehen. Gegen Wahlen durch die Synode kann der Rat Einwendungen nicht erheben. 5. Kirchengesetze sind im Amtsblatt der EKD zu verkünden. Sie treten, wenn nichts anderes bestimmt ist, mit dem 14. Tage nach der Herausgabe des Blattes in Kraft. Artikel 25 (27) 1. Werden in der Synode gegen eine Vorlage Bedenken erhoben mit der Begründung, daß sie dem lutherischen, dem reformierten oder einem unierten Bekenntnis widersprechen, so versammeln sich die Angehörigen des Bekenntnisses zu einem Konvent. 2. Die Zugehörigkeit der Synodalen zu einem Konvent richtet sich nach dem Bekenntnisstand der Gliedkirchen, denen sie angehören. Unierte Gliedkirchen bestimmen, ob die von ihnen entsandten Synodalen dem unierten oder demjenigen Konvent beitreten sollen, der ihrem persönlichen Bekenntnis entspricht. 3. Bestätigt der Konvent in seiner Mehrheit die Bedenken und können sie auch bei nochmaliger Beratung in der Synode nicht behoben werden, so kann die Synode in dieser Frage nicht gegen die Stellungnahme des Konvents entscheiden. Artikel 26 (28) 1. Die Kirchenkonferenz hat die Aufgabe, die Arbeit der EKD und die gemeinsamen Anliegen der Gliedkirchen zu besprechen und Vorlagen oder An-

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regungen an die Synode und den Rat gelangen zu lassen. Sie wirkt bei der Wahl des Rates der EKD und bei der Gesetzgebung nach Maßgabe von Artikel 21 Abs. 3 und 24 Abs. 3 mit. 2. Die Kirchenkonferenz wird von den Kirchenleitungen der Gliedkirchen gebildet. Jede Kirchenleitung entsendet ein Mitglied, das nicht dem Rat der EKD angehören darf. Jede Gliedkirche hat in der Konferenz eine Stimme. Die Mitglieder des Rates nehmen an den Sitzungen ohne Stimmrecht teil. 3. Die Ki.rchenkonferenz wird von dem Vorsitzenden des Rates geleitet. Sie tritt auf Einladung des Vorsitzenden des Rates nach Bedarf zusammen. Auf Verlangen von 3 Gliedkirchen muß sie einberufen werden. Artikel 27 (29) 1. Der Rat hat die Aufgabe, die EKD zu leiten und zu verwalten. Soweit die Befugnisse nicht anderen Organen beigelegt sind, ist er für alle Aufgaben der EKD zuständig. Der Rat vertritt die EKD nach außen. Er legt der Synode auf jeder ordentlichen Tagung einen Rechenschaftsbericht vor, der zu besprechen ist. 2. Gegenstände, die durch Gesetz zu ordnen sind, können ausnahmsweise durch Verordnung des Rates geregelt werden, wenn die Sache keinen Aufschub duldet, die Synode nicht versammelt und ihre Einberufung nicht möglich oder der Bedeutung der Sache nicht entsprechend ist. Die Grundordnung der EKD darf durch Verordnung nicht geändert werden. Verordnungen sind der Synode bei ihrem nächsten Zusammentritt vorzulegen. Die Synode kann sie ändern oder aufheben. Artikel 24 Abs. 5 findet Anwendung. Artikel 28 (30) 1. Der Rat besteht aus 11 von der Synode und der Kirchenkonferenz gemeinsam in geheimer Abstimmung mit einfacher Mehrheit gewählten Mitgliedern. Außerdem gehört der Präses der Synode dem Rate an. Der Leiter der Kirchenkanzlei und der Leiter des Kirchlichen Außenamtes nehmen, wenn sie nicht zu Mitgliedern des Rates gewählt sind, an seinen Sitzungen mit beratender Stimme teil. 2. Bei der Wahl der Mitglieder des Rates soll die bekenntnismäßige und landschaftliche Gliederung der EKD berücksichtigt werden. 3. Die Amtsdauer des Rates beträgt 6 Jahre. Die Mitglieder bleiben bis zur Wahl ihrer Nachfolger im Amt. Nach dem Ausscheiden eines Mitgliedes erfolgt Neuwahl gemäß Abs. 1. 4. Der Rat der EKD tritt nach Bedarf zu Sitzungen zusammen. In den Sitzungen wird mit Stimmenmehrheit entschieden; bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag. Der Rat wählt aus seiner Mitte den Vorsitzenden und dessen Stellvertreter. Er gibt sich eine Geschäftsordnung.

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5. In eiligen Fällen kann der Vorsitzende unter Beteiligung eines weiteren Mitgliedes und des Leiters der Kirchenkanzlei oder des Kirchlichen Außenamtes Entscheidungen treffen, die jedoch der Bestätigung durch den Rat bedürfen. Artikel 29 (31) 1. Amtsstellen des Rates sind die Kirchenkanzlei und das Kirchliche Außenamt. Sie führen die laufenden Geschäfte im Rahmen der kirchlichen Ordnung nach den Weisungen des Rates. 2. Der Leiter der Kirchenkanzlei und der Leiter des Kirchlichen Außenamtes werden auf Vorschlag des Rates von der Synode gewählt. Der Leiter der Kirchenkanzlei soll rechtskundig, der Leiter des Kirchlichen Außenamtes soll Theologe sein. 3. Die erforderliche Zahl von theologischen und rechtskundigen Räten für die Amtsstellen wird vom Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland berufen. Zur Anstellung weiterer Mitarbeiter kann der Rat die Leiter der Amtsstellen ermächtigen. 4. Wenn die Verhältnisse es erfordern, können für einzelne Teile der EKD oder für einzelne Arbeitszweige besondere Amtsstellen eingerichtet werden. Das Nähere bestimmt der Rat. Artikel 30 (32) Zur Entscheidung von Meinungsverschiedenheiten und Streitfragen zwischen der EKD und einer oder mehreren Gliedkirchen sowie zwischen Gliedkirchen untereinander und zur Begutachtung von Rechtsfragen wird ein Schiedsgerichtshof der EKD eingesetzt, der von jedem der Beteiligten angerufen werden kann. Das Nähere wird durch ein Gesetz bestimmt. V. Besondere und Ubergangsbestimmungen. Artikel 31 (33) 1. Die Einnahmen und Ausgaben der EKD sind für ein Jahr oder für mehrere Jahre auf einen Haushaltsplan zu bringen. Ausgaben, die durch eigene Einnahmen nicht gedeckt sind, werden auf die Gliedkirchen umgelegt. 2. Der Haushaltsplan, sowie die Höhe und der Verteilungsmaßstab der Umlage werden von der Synode beschlossen. Das gleiche gilt für Anleihen, die nicht aus Mitteln des laufenden Rechnungsjahres zurückerstattet werden können, und für Sicherheitsleistungen. Art. 27, Abs. 2, Satz I findet Anwendung.

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3. Über die Haushalts- und Kassenführung ist jährlich Rechnung zu legen. Die Rechnung wird von einem hierzu bestimmten Ausschuß der Synode geprüft. Auf Grund seines Berichtes beschließt die Synode über die Entlastung. 4. Das Nähere über das Haushalts-, Umlage- und Kassenwesen wird durch eine Verordnung des Rates geregelt. Artikel 32 (34) Die E K D wird in Rechtsangelegenheiten durch den Rat vertreten. Urkunden, welche sie Dritten gegenüber verpflichten sollen, sind namens des Rates durch den Vorsitzenden oder seinen Stellvertreter und durch den Leiter der Kirchenkanzlei unter Beidrückung des Siegels zu vollziehen; dadurch wird die Gesetzmäßigkeit der Beschlußfassung festgestellt. Artikel 33 1. Die E K D als öffentlich-rechtliche Körperschaft ist Trägerin der Rechte und Verbindlichkeiten des Deutschen Evangelischen Kirchenbundes und der Deutschen Evangelischen Kirche. Die Verfassung der Deutschen Evangelischen Kirche vom 11. Juli 1933 27 wird hiermit aufgehoben. Im übrigen bleibt das gesamtkirchliche Recht in Kraft, soweit es dieser Grundordnung nicht widerspricht. 2. Bis zur Bildung des Rates nach Artikel 28 dieser Grundordnung werden seine Aufgaben durch den bisherigen Rat der EKD wahrgenommen. Dieser verteilt erstmalig die nach Artikel 22 von den Gliedkirchen zu wählenden Mitglieder der Synode und beruft erstmalig die Synode ein; sein Vorsitzender leitet sie bis zur Wahl des Präses. 17C2. "Richtlinien der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland". [Kassel, 10. März 1948] F:ABlEKDNr. 6, 15. März 1948. § 1. Grundlage. In der "Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland" schließen sich kirchliche Gemeinschaften zusammen, welche Jesus Christus als Gott und Heiland anerkennen. § 2. Mitgliedschaft. Mitglieder der "Arbeitsgemeinschaft" sind die unterzeichneten kirchlichen Gemeinschaften. Über die Aufnahme weiterer Mitglieder entscheidet die "Arbeitsgemeinschaft" von Fall zu Fall. Voraussetzung der Mitgliedschaft ist 27

GB1DEK 1933, S. 2-6.

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in jedem Fall die Anerkennung der in § 1 bestimmten Grundlage. Es sollen grundsätzlich nur solche kirchlichen Gemeinschaften aufgenommen werden, die Rechtsfähigkeit besitzen. § 3. Verhältnis der Mitglieder zur Arbeitsgemeinschaft und untereinander. Die Mitglieder behalten ihre volle Unabhängigkeit in Bekenntnis und Lehre, in Gottesdienst und rechtlicher Ordnung, sowie in der Wahrnehmung ihrer Anliegen. Sie wollen jedoch hierbei auf berechtigte Anliegen der anderen Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft brüderlich Rücksicht nehmen. § 4. Aufgaben. Die Arbeitsgemeinschaft will der Erfüllung folgender Aufgaben dienen: 1. Förderung ökumenischer Beziehungen und der ökumenischen Arbeit unter ihren Mitgliedern. 2. Förderung des theologischen Gesprächs unter den Mitgliedern mit dem Ziel der Klärung und Verständigung. 3. Beratung und Vermittlung bei Meinungsverschiedenheiten zwischen einzelnen Mitgliedern. 4. Vertretung besonderer Anliegen einzelner Mitglieder auf deren Antrag. 5. Vertretung gemeinsamer Anliegen nach außen und in der Öffentlichkeit. § 5. Vertretung der Mitglieder in der Arbeitsgemeinschaft. Zu den Zusammenkünften der Arbeitsgemeinschaft entsenden die Evangelische Kirche in Deutschland fünf, der Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden in Deutschland zwei und die übrigen Mitglieder je einen Vertreter. Uber die Zahl der Vertreter, die von neuaufzunehmenden Mitgliedern entsandt werden sollen, wird bei deren Aufnahme besonders beschlossen. Wenn der Vorsitzende und Geschäftsführer (vgl. §§ 6 und 7) Vertreter von Mitgliedern der Arbeitsgemeinschaft sind, die nicht mehr als zwei Vertreter haben, so können an ihrer Stelle von diesen Mitgliedern anderer Vertreter entsandt werden. § 6. Der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft. Die Vertreter der Mitglieder wählen den Vorsitzenden und den stellvertretenden Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft jeweils auf die Dauer von zwei Jahren. Der Vorsitzende leitet die Zusammenkünfte und führt die laufenden Geschäfte. Zur laufenden Geschäftsführung gehört insbesondere die Vorbereitung der Beratungen und die Ausführung von Beschlüssen der Arbeitsgemeinschaft.

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§ 7. Der Geschäftsführer. Der Vorsitzende kann zu seiner Unterstützung einen Geschäftsführer berufen. Die Berufung bedarf der Bestätigung durch die Arbeitsgemeinschaft. § 8. Kosten. Alle durch die Tätigkeit der Arbeitsgemeinschaft entstehenden Kosten werden gemeinsam getragen. Das Nähere wird durch besonderen Beschluß der Arbeitsgemeinschaft geregelt. Diese Richtlinien sind durch die nachstehenden genannten kirchlichen Gemeinschaften bebilligt und damit in Kraft getreten: Evangelische Kirche in Deutschland Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden in Deutschland Evangelische Gemeinschaft in Deutschland Methodistenkirche in Deutschland Alt-Katholische Kirche in Deutschland Vereinigung der Deutschen Mennonitengemeinden 17C3. Richtlinien des Rates über die Wiederaufnahme von Gefangenen in die evangelische Kirche. Kassel, 10. März 1948 F.-ABIEKD Nr. 7, 1. April

1948.

Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland hat bei seiner letzten Sitzung in K assel am 9. und 10.3.1948 eine Änderung der Ziffer 5 und 6 der bisherigen Richtlinien über die Wiederaufnahme von Kriegsgefangenen in die Evangelische Kirche (Rundschreiben der Kanzlei Nr. 6029/46 vom 25.3.46)28 beschlossen. Die Richtlinien haben nach der Neufassung nunmehr folgenden Wortlaut:: Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland erläßt für die Wiederaufnahme von Kriegsgefangenen und politischen Gefangenen, die sich zur Zeit in Lagern befinden, folgende Weisung: 1. In jedem Lager für Kriegsgefangene und politische Gefangene wird im Einvernehmen mit dem Organ der Militärregierung eine Evangelische Lagergemeinde gebildet. 2. Die Leitung der Lagergemeinde liegt in den Händen des Lagerpfarrers oder, falls kein Geistlicher für die Gefangenen vorhanden ist, eines damit

28 Rundschreiben: EZA BERLIN, 2/84/046/l; Abdruck der bisherigen Richdinien: C. NICOLAISEN/ N.A. SCHULZE, Protokolle Bd. I, S. 41l£

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von der Kirche besonders beauftragten und durch die Militärregierung ernannten Laien. 3. Der Lagerpfarrer (Laie) wirkt auf die Bildung eines evangelischen Kirchenrats in seinem Lager hin, der mit ihm gemeinsam die Verantwortung für das Gemeindeleben trägt. 4. Gefangene, die aus der Kirche ausgetreten sind, und die Absicht haben, wieder in die Kirche einzutreten, melden dieses ihrem Lagerpfarrer, der nach dem dafür vorgeschriebenen Formular29 die christliche Anmeldung vornimmt. 5. Die Angemeldeten sollen am Gottesdienst und einer besonderen geistlichen Unterweisung telnehmen. Frühestens nach 6 Monaten führt der Lagerpfarrer ein abschließendes Gespräch mit dem Antragsteller. In der Zwischenzeit ist eine Stellungnahme der nach landeskirchlichem Recht zur Wiederaufnahme in die Heimatgemeinden zuständigen kirchlichen Stelle (Leitung der Heimatgemeinde) herbeizuführen. Im Falle der begründeten Ablehnung ist die endgültige Entscheidung über die Wiederaufnahme der Heimatgemeinde nach Rückkehr des Gefangenen vorzubehalten. In besonderen Notfällen (z.B. in Todesgefahr) bei sonst gegebenen Voraussetzungen kann der Lagerpfarrer ausnahmsweise die Zulassung zum Heiligen Abendmahl und damit die Wiederaufnahme in die Kirche gewähren. 6. Auf Grund eingehender Kenntnis des Gesuchstellers und des Gutachtens der Heimatgemeinde entscheidet der Lagerpfarrer im Einvernehmen mit dem Evang. Kirchenrat des Lagers über die Wiederaufnahme in die evangelische Kirche, die im Gottesdienst vollzogen wird. 7. Uber die erfolgte Wiederaufnahme in die Kirche ist eine Urkunde nach dem dafür vorgeschriebenen Muster30 auszustellen. Die erfolgte Wiederaufnahme ist in das vom Pfarrer zu führende kirchliche Register des Lagers einzutragen. 8. Der Wiederaufgenommene ist dahin zu unterrichten, daß er nach seiner Freilassung dem Pfarrer seines Ortsbezirks die Wiederaufnahmeurkunde vorlegen muß, damit der Orts- bzw. Bezirkspfarrer den Heimatvermerk eintragen kann.

29 EBD., S. 412. 30 Ebd., S. 413.

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Nur wenn dieser Heimatvermerk ausgefüllt ist, ist die Wiederaufnahmeurkunde für den Freigelassenen von Bedeutung. Rat der Evang. Kirche in Deutschland, gez.: D . Wurm 17C4. "Wort christlicher Kirchen in Deutschland für einen rechten Frieden und gegen die Zerreissung des deutschen Volkes". Kassel, 10. März 1948 F: E2A Berlin, 2/60 (D). - Abdruck: ABlEKDNr. 6, Ii. März 1948;F. Merzyn, Kundgebungen, S. 54f.; G. Heidtmann, Hat die Kirche geschwiegen, S. 38ff.;KJ 1945-1948, S. 183ff. Die Ereignisse der letzten Monate haben unser deutsches Volk vor eine Frage von ungeheurem Ernst gestellt. Schon in den letzten Jahren war die Grenze zwischen westlichem und östlichem Besatzungsgebiet mehr und mehr zu einem Hindernis für die äussere und innere Gesundung des deutschen Volkes geworden. Jetzt stehen wir in der Gefahr, dass Deutschland auf Dauer in verschiedene Teile von ungleicher wirtschaftlicher, sozialer und geistiger Gestalt auseinandergerissen wird. Das ist eine Lage, die uns nötigt, mahnend und bittend unsere Stimme zu erheben. Denn hier geht es um den Frieden. Es ist wider den Willen Gottes, wenn die Völker immer aufs neue übereinander herfallen und Millionen von Toten auf den Schlachtfeldern lassen. Und unsere Kirchen wären nicht Kirche Jesu Christi, wenn sie nicht angesichts des unermesslichen Jammers, den der letzte Krieg über die Menschheit gebracht hat, alles tun würden, was in ihren Kräften steht, damit endlich Friede werde. Deshalb mahnen wir unser Volk, den falschen Machtidealen abzusagen und echte Friedensgesinnung zu bewähren. Wir mahnen und bitten aber auch die, bei denen die Entscheidung über unsere äussere Zukunft liegt: lasst Frieden werden! Friede nur kann dort sein, wo die Völker die Verhältnisse, unter denen sie leben, als gerecht und gesund oder wenigstens als erträglich empfinden. Kein Volk der Erde aber kann jemals zur Ruhe kommen, wenn mitten durch sein Land eine willkürliche Grenze gezogen wird durch ein Diktat auswärtiger Mächte. Die Mutter will zu ihrem Sohn und die Tochter will zu ihrem Vater im anderen Teil des Vaterlandes. Ein Volk, das eine gemeinsame Sprache spricht, das gemeinsame Geschichte und Kultur hat, braucht freien Austausch mit allen seinen Gliedern. Unsere Gemeinden, die in West und Ost dieselben Choräle singen, dasselbe Bekenntnis und dieselbe Art des Gottesdienstes haben, wollen in ihrer jahrhundertealten gesegneten Gemeinschaft geistlichen Lebens bleiben. Wird diese Gemeinschaft auseinandergerissen, so

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kann daraus nichts anderes entstehen als die bittere Empfindung, gewaltsam unter unnatürlichen Verhältnissen gehalten zu werden. Die Not unserer Heimatlosen, deren Zahl noch ständig zunimmt, wird dadurch immer weiter vergrössert. Alle Mahnungen zu friedlicher Gesinnung prallen ab an der leidenschaftlichen Sehnsucht eines ganzen Volkes, die zerstörte Gemeinschaft wieder zu erlangen. So kommt Europa nicht zur Ruhe. So wird nicht Friede. Die Geschichte lehrt, dass gewaltsame Teilungen sich immer verhängnisvoll auswirken und echte Befriedung verhindern. Soll die Welt das jetzt von neuem erleben? Es geht uns noch um ein Zweites. Unnatürliche Verhältnisse wirken sich unheilvoll aus auf die sittliche Haltung der Menschen. Gewaltsame Aufspaltung, verbunden mit verschiedenen Wirtschaftsformen, mit verschiedener politischer Orientierung, vielleicht auch mit verschiedener Währung, führt dazu, dass jeden Tag Gesetze übertreten und neue Mittel ersonnen werden, um die Verbindung mit der andern Seite zu gewinnen. Schmuggel und Schleichhandel sind die traurige Folge. Jede Achtung vor den Gesetzen wird untergraben. Alle Bemühungen, den sittlichen Zustand des Volkes zu heben, bleiben vergeblich. Schon jetzt sinkt das moralische Niveau der deutschen Bevölkerung infolge des unnatürlichen Zwanges, unter dem sie leben muss, immer weiter ab. Eine endgültige Teilung Deutschlands würde alle Versuche, Ehrlichkeit und Wahrhaftigkeit wiederzugewinnen, bis zur Unmöglichkeit erschweren. Echter Friede kann nur werden, wenn im Mittelpunkt Europas die natürlichen Lebensverhältnisse wieder hergestellt werden. Der Osten kann den Westen und der Westen den Osten auch wirtschaftlich nicht entbehren. Dass unserem Volk seine natürliche und geschichtliche Gemeinschaft ungeteilt erhalten bleibe, darum bitten wir um des Friedens willen und um der sittlichen Gesundung unseres Volkes willen. Unser deutsches Volk aber mahnen wir, sich trotz allem, was geschehen mag, nicht in Verbitterung und Hoffnungslosigkeit zu verlieren, sondern sich auch durch Unfreiheit und unerträgliche Verhältnisse in dem Willen zu redlicher Arbeit, zu sittlicher Zucht und zu ehrlicher Friedensgesinnung nicht irremachen zu lassen. Unseres Volkes Zukunft steht in Gottes Hand. Diese Hand kann sehr hart sein im Gericht, aber sie ist immer auch voll Gnade für die, die ihn fürchten. Evangelische Kirche in Deutschland: gez. Landesbischof D. Wurm, D. Dibelius, D. Niemöller, Asmussen Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden in Deutschland: gez. Paul Schmidt, Hugo Hartnack Evangelische Gemeinschaft in Deutschland:

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gez. Ernst Pieper Methodistenkirche in Deutschland: gez. J.W. Ernst Sommer Alt-Katholische Kirche in Deutschland: gez. Dr. W. Küppers Vereinigung der Deutschen Mennonitengemeinden: gez. Ernst Crous 17D Vorlagen und Anträge 17D1. Vermerk von Hartings: Arbeitsgemeinschaft [Schwäbisch Gmünd] 4. März 1948

christlicher

Kirchen.

F: EZA Berlin, 2/184 (D mit Paraphe von Harlings).

Vermerk für die Ratssitzung am 10.3.1948 Am 10.3.1948 wird in der Ratssitzung über die Zustimmung zur Satzung der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland beschlossen werden müssen, da unmittelbar anschließend an die Ratssitzung eine Zusammenkunft mit den Vertretern der beteiligten Freikirchen stattfindet, bei der nach Möglichkeit die Satzung unterschrieben werden soll. Der Entwurf ist den Landeskirchen mit unserem Rundschrieben vom 17.12.47, Nr. 12127/47, mitgeteilt worden31. Bisher haben sich darauf geäußert: Zustimmend: Prot. Landeskirchenrat der Pfalz Kirchenaussch[«/?] der Bremischen Ev. Kirche Leitung der Evang. Kirche der Rheinprovinz Ev.-luth. Oberkirchenrat Oldenburg Landeskirchenamt Hannover Brüderunität Landeskirchenrat Anhalt Kirchenleitung für Hessen und Nassau Kirchenleitung der Kirchenprovinz Sachsen Zustimmend mit Änderungsvorschlägen: Landeskirche von Kurhessen-Waldeck Landeskirchenrat Aurich Oberkirchenrat Stuttgart

31

L K A STUTTGART, D L / 2 1 5 .

17D Vorlagen und Anträge

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Ablehnend: Oberkirchenrat Mecklenburg Landeskirchenrat Eisenach Lutherrat Folgende Landeskirchen haben sich noch nicht geäußert: Altpreußen Brandenburg Pommern Schlesien Sachsen Westfalen32 Bayern Schleswig-Holstein Hamburg Baden Braunschweig Lippe Lübeck Schaumburg-Lippe Eutin Bund ref. Gemeinden Die ablehnende Stellungnahme wird von Mecklenburg damit begründet, daß der Abschluß einer Satzung verfrüht sei und daß der vorliegende Entwurf insbesondere eine genaue Festsetzung der Rechte und Pflichten vermissen lasse. Von Thüringen wird eingewendet, daß die Gefahr einer unfruchtbaren Bürokratisierung bestehe, wenn man mit dem Abschluß einer Satzung die Zusammenarbeit beginne. Auch müsse wohl erst die EKD ihre eigene Grundordnung haben, ehe sie sich und die Gliedkirchen an eine solche Satzung binden könne. Der Lutherrat meint, daß den bekenntnisbestimmten Gliedkirchen der EKD durch diesen Entwurf dogmatische Entscheidungen aufgenötigt werden und die Gefahr einer falschen Unionisierung und Verharmlosung der Unterschiede bestehe. Hierzu ist darauf hinzuweisen, daß die Satzung deutlich zum Ausdruck bringt, daß eine bekenntnismäßige Bindung oder "Unionisierung" keinesfalls beabsichtigt sei. Es erscheint notwendig, daß von vornherein die beteiligten Kirchen verantwortlich und bindend zum Ausdruck bringen, wie sie sich die Zusammenarbeit vorstellen und wo die Grenzen der gegenseitigen Bindung 32 Bei einer späteren hsl. Korrektur ist Westfalen an dieser Stelle gestrichen und dafür bei den zustimmenden Landeskirchen eingefügt worden.

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sind, um eine sichere Grundlage zur Gewinnung gegenseitigen Vertrauens zu schaffen. Vielleicht könnte man aber statt der Bezeichnung "Satzung" etwas anderes sagen, z.B. "Grundsätze" oder "Richtlinien"? Wegen der Änderungsvorschläge von Kassel, Aurich und Stuttgart wird auf die beigefügten Vorgänge Bezug genommen33. Die beteiligten Freikirchen haben bereits alle der Satzung zugestimmt mit Ausnahme des "Bundes Freier Evang. Gemeinden in Deutschland". Dieser kann wegen seiner kongregationalistischen Verfassung nicht verbindlich für die Gemeinden eine Zustimmung abgeben, sondern muß die Sache einer allgemeinen Kirchenversammlung vorlegen, auf welcher sich die Gemeinden dazu äußern können. Hierzu bestand bisher noch keine Möglichkeit. Der Ausschuß zur Vorbereitung der Weltkirchenversammlung des Ökumenischen Rates hat beschlossen, daß die Arbeitsgemeinschaft einen besonderen Vertreter als Berater zur Weltkirchenversammlung entsenden kann. In der Zusammenkunft der Arbeitsgemeinschaft wird auch über die Auswahl dieses Vertreters zu beschließen sein. 17D2. Schreiben der Kirchenkanzlei an die Mitglieder des Rates. Schwäbisch Gmünd, 30. September 1947 F: LKA Nürnberg, Meiser 125 (H).

Betr. Theol. Schule in Espelkamp. Zur nächsten Sitzung des Rates. 1. Die englische Regierung hat vor einiger Zeit der Evangelischen Kirche in Deutschland die geschlossene Repatriierung der Evangelischen theologischen 33 Kassel: Wüstemann hatte der Kirchenkanzlei am 14. Januar 1948 geschrieben, prinzipiell seien keine Einwände zu erheben, es "sei aber zu § 1 die Frage gestattet, ob wirklich die wahrscheinlich von der sogen. 'Pariser Basis' übernommene Formulierung 'welche Jesus Christus als Gott und Heiland anerkennen' gut und theologisch haltbar ist. Hat nicht bei der Formulierung der 'Basis' die Abwehr liberalistischer Tendenzen den Sinn zu stark beeinflußt, so daß der betonte Gegensatz zu allen liberalen Jesusbildern zu einer mißverständlichen - fast tritheistischen - Ausdrucksweise geführt hat? Und wäre deshalb nicht jetzt an eine solche Fassung der Grundlage zu denken, die den militärischen Gottesglauben der Christenheit zum Ausdruck brächte?" (EZA BERLIN, 2/184) - Aurich: Der Landeskirchenrat der Ev.-ref. Kirche in Nordweitdeutschland hatte in seinem Schreiben an die EKD vom 21. Januar 1948 ebenfalls prinzipielle Zustimmung, daneben aber auch eine Reihe von Einzelkritikpunkten geäußert. Vor allem hatte er für die Formulierung der Grundlage nicht nur die Anerkennung Jesu Christi als Gott und Heiland, sondern mindestens noch die Anerkennung der Heiligen Schrift, womöglich aber auch der 1. Barmer These geordert (EBD.). - Stuttgart: Der Ev. Oberkirchenrat Stuttgart hatte in seinem Schreiben vom 28. Januar 1948 an die Kirchenkanzlei mehrere kritische Fragen vor allem zum Sitz

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Schule im Lager 380 in Ägypten unter der Voraussetzung angeboten, die Evangelische Kirche in Deutschland übernehme die Garantie, dass diese theologischen Studenten in Ägypten g e s c h l o s s e n in Deutschland an einer Evangelischen theologischen Fakultät oder an einer theologischen Schule weiterstudieren könnten. Schon anlässlich der geschlossenen Repatriierung der Evangelisch-theologischen Schule für Kriegsgefangene von Montpellier und Rimini hatte sich ergeben, dass die Evangelischen theologischen Fakultäten in den amerikanischen, englischen und französischen Besatzungsgebieten nur schwer in der Lage waren, e i n z e l n e der repatriierten Studenten zur Immatrikulation zu bringen. Es war der Kanzlei der Evangelischen Kirche in Deutschland bekannt, dass noch im Herbst dieses Jahres einzelne Studenten der ehemaligen theologischen Schule von Montpellier sich vergeblich bemühten, eine Immatrikulation an einer deutschen Evangelischen theologischen Fakultät oder theologischen Schule zu erreichen. Die Rundfrage, die die Kanzlei nun bei den Evang.-theologischen Schulen in den Westzonen anstellte, ergeben [sici] auch deren Uberfüllung34. (Die Evang.-theologische Schule in Neuendettelsau hatte seinerzeit geschlossen das Evang.-theologische Seminar aus Rimini übernommen^]. Da eine Uberführung der Studenten, die Offiziere gewesen waren, in die Ostzone untunlich schien, mussten die Bemühungen der Kanzlei auf die westlichen Zonen beschränkt bleiben. Ein Ausweg bot sich erst nach langen Verhandlungen in dem mündlichen Angebot der Evang.-theologischen Fakultät in Tübingen, die Studenten in Ägypten zu immatrikulieren, wie Tübingen auch seinerzeit bei der Repatriierung der theol. Schule in Montpellier ohne Anrechnung seines Numerus Clausus allein über 20 Studenten übernommen hatte. Wenn auch die Kanzlei der Evangelischen Kirche in Deutschland daraufhin die gewünschte Gewähr dem War Office gegenüber übernommen und die Repatriierung auf Grund einer Zusage des Hilfswerkes auf der Burg Hohenzollern beantragt hat, so bestehen doch vorläufig noch ungeklärte Schwierigkeiten hinsichtlich der endgültigen wohnungsmässigen Unterbringung der etwa 20 erwarteten Studenten in Tübingen. Nach der Rückführung der Evang.-theol. Schule in Ägypten wird nur noch die bedeutendste und umfangreichste derartige Schule - die Evang.-theol. Schule für deutsche Kriegsgefangene Camp 174 Norton Cuckney nr. Mans-

der Arbeitsgemeinschaft, ihrer Rechtsform, Arbeitsweise und den Voraussetzungen für die Beschlußfabigkeit gestellt (EBD.). 34 Vgl. dazu 14B, S. 227. • Auf die Rundfrage der Kirchenkanzlei vom 20. August 1947 hatte Prof. Weber, Göttingen, am 2. September 1947 allerdings geantwortet, "der Nachwuchs deckt den Bedarf nicht zur Hälfte" (EZA BERLIN, 2/364; EBD. auch die statistische Übersicht des Nordwestdeutschen Hochschultages).

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field Cotts. Great Britain - noch eine Zeit lang fortbestehen. Die nötige Unterlagen über die theologische und kirchliche Arbeit, die an dieser Schule unter ihren bisherigen Leitern Pastor Damrath, Sup. Schnuis und P. Dr. theol. Gerhard Friedrich getan worden ist, sind jeweils den Landeskirchen zugegangen. Eine Reihe von an verantwortlicher Stelle stehenden Gliedern der Evangelischen Kirche in Deutschland hat die Schule aus eigener Anschauung kennen lernen können. Sie erfreute sich im besonderen Mass der Unterstützung des Britischen War Office, der britischen Kirchen und über den Rahmen der mit der Pastoration und Fürsorge der Kriegsgefangenen betrauten ökumenischen Organisationen hinaus von zahlreichen hervorragenden Persönlichkeiten des ökumenischen Lebens in aller Welt. Sie verfügt über eine aus zahlreichen grosszügigen Stiftungen herrührende immerhin ansehnliche theologische Bibliothek. Sie steht in engem Verhältnis zu der Betreuungsarbeit der War Prisoners Aid der YMCA und hat seit geraumer Zeit zwei wertvolle christliche Zeitschriften redigiert, von denen der Monatsbrief eine wertvolle christliche Zeitschrift für die deutschen Kriegsgefangenen ein ganz besonderes, in dieser Art einmaliges Gepräge hat. Nach dem Plan des War Office sollte die Schule von Norton Camp im Laufe des nächsten Frühjahres nach dem Ende des letzten Semesters im April 1947 geschlossen werden. Schon jetzt macht es Schwierigkeiten, das bisher gewährleistete, gute akademische Niveau durchzuhalten. Nachdem P. Damrath, Sup. Schnuis und eine Reihe von Dozenten in die Heimat zurückgeführt sind, ist wegen besonderer familiärer Notlage nun auch P. Dr. Gerhard Friedrich, repatriiert worden. 2. Die geschlossene Rückführung der übrigen theologischen und nun auch der ägyptischen Schule zusammen mit den durch die fortschreitende Repatriierung von Dozenten verursachten Schwierigkeiten hat die Kanzlei der Evangelischen Kirche in Deutschland veranlasst, sich auch um die möglichst baldige Rückführung der Schule von Norton Camp zu bemühen. Sie kann aber diese Bemühungen erst dann den englischen Behörden gegenüber nachdrücklich vertreten, wenn die Fortsetzung des theologischen Studiums für die Studenten von Norton Camp in Deutschland gewährleistet ist. Nach Lage der Verhältnisse würden gegenwärtig bereits Schwierigkeiten entstehen, die etwa noch 70 Vollstudenten der Theologie aus Norton Camp an deutschen Fakultäten bezw. kirchlichen Schulen zur Aufnahme zu bringen. Eine besondere Schwierigkeit aber würde es machen, die etwa 40 Studenten von Norton in Deutschland unterzubringen, die in der festen Absicht, Theologie zu studieren nach der Auswahl der Theol. Schule, sich gegenwärtig in Norton auf das Abitur vorbereiten.

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Davon abgesehen aber scheint es in diesem Zeitpunkt notwendig, darauf hinzuweisen, dass die Evangelische Kirche in Deutschland die Verantwortung dafür trägt, dass das verheissungsvoll begonnene Werk von Norton Camp nun nicht auseinanderläuft und zum Ende kommt. Norton Camp ist für alle, die mit ihm in Berührung gekommen sind, in seiner Eigenart einer durch begnadetes gottesdienstliches Leben geformten Lebens- und Studiengemeinschaft zu einem Ort geworden, an dem das überaus rege geistliche Leben der Lagergemeinden in den Kriegsgefangenenlagern einen besonders kräftigen Ausdruck gefunden hat. Ganz abgesehen von dem theologischen Studienmaterial, das in Norton Camp angesammelt worden ist, schien es auch nötig zu überlegen, wie diese aus dem Boden deutschen lutherischen Kirchentums, aus dem Erlebnis der Theologie der letzten 30 Jahre und des Kirchenkampfes erwachsene Form einer bekennenden Männergemeinde erhalten und fruchtbar gemacht werden könne. Es entstand die Frage, ob nicht, wenn man im Interesse der heimkehrenden Studenten an die Errichtung einer weiteren theologischen kirchlichen Schule denken müsste, es nötig sei, mit einem solchen Plan die Erhaltung der Anstaltsgemeinde von Norton Camp zu verbinden. 3. Die im Zuge solcher Überlegungen vorgenommenen Ermittlungen der Kanzlei der Evangelischen Kirche in Deutschland haben folgendes Ergebnis gehabt: a) Die englische Besatzungsarmee (General Bishop) hat vor kurzer Zeit dem Hilfswerk der Evangelischen Kirchen (P. Pawlowski-Bielefeld) zu kirchlichen Zwecken das riesige Areal einer ehemaligen Munitionsanstalt in Espelkamp, Kirchenkreis Lübbecke/Westfalen zur Verfügung gestellt. In Espelkamp befinden sich Baulichkeiten, die, wenn sie ausgebaut sind, etwa 2.0003.000 Menschen aufnehmen können (massive Steinbaracken, Gesellschaftshäuser, Büroräume und Fabrikhallen). Bisher plante das Hilfswerk dort neben dem Evangelischen Kulturkreis Westfalens (Akademie), neben verschiedenen Schulen Qwim\anistisches\ Gymnasium, Oberschule), neben Präzisionsarbeiterlehrgängen, neben Heimkehrerdienst und Flüchtingsfürsorge eine Industrie aufzubauen. Die Verhandlungen darüber sind mit deutschen Industriellen im Gange. b) An diesen Verhandlungen ist im besonderen Mass P. D. Birger Forell, Boras, Schweden beteiligt, der seinerzeit massgeblich zu dem Entstehen von Norton Camp beigetragen hat 35 . Er verfolgte bisher bei seinen Plänen für Espelkamp im besonderen das Ziel, dort solle des weiteren eine ökumenische Schulungsstätte für Deutschland eingerichtet werden.

35

Vgl. dazu C. NICOLAISEN/N.A. SCHULZE, Protokolle Bd. I, S. 577, ANM. 3.

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c) Das Zentralbüro des Hilfswerkes der Evangelischen Kirchen in Deutschland wäre bereit, mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln des In- und Auslandes die Errichtung einer theologischen Schule in Espelkamp unter der Bedingung zu unterstützen, dass das Interesse der EKD in der Gründung und Erhaltung dieser Schule auch in der Anlage und Organisation seinen Ausdruck findet. d) Pastor Pawlowski vom Evangelischen Hilfswerk in Westfalen, die Synodalbeauftragten des Hilfswerks Westfalen, denen ein dahingehender Plan vorgetragen werden konnte, sowohl als Präses D. Koch und Oberlandeskirchenrat Niemann in Bielefeld würden es begrüssen, wenn die Überführung Norton Camps, einer Evang.-sozialen Schule und einer ökumenischen Schule in den bisher für Espelkamp aufgestellten Plan aufgenommen werden würde. Sie legen zwar aus erklärlichen Gründen Wert darauf, dass in Espelkamp eine organische Einheit und nicht ein Nebeneinander kirchlicher Einrichtungen entsteht, sie glauben deshalb, dass die verwaltungsmässige Leitung des Gesamtwerkes Espelkamp in westfälischen Händen liegen müsse, sie sind aber [zu] aller initiativen sowohl als exekutiven Mitwirkung im Interesse der Evangelischen Kirche in Deutschland offen und bereit, über die Modalitäten einer solchen Mitwirkung zu verhandeln. Es wäre wohl am zweckmässigsten, eine Stiftung ins Leben zu rufen, innerhalb derer der EKD, dem Zentralbüro und den westfälischen Stellen genau umgrenzte Rechte eingeräumt werden müssten. e) Norton Camp ist von seiner Entstehung als theologische Schule ein Brennpunkt ökumenischer Interessen und Beziehungen gewesen. Neben dem zu gleichen Teilen in der schwedischen Kirche, für den ökumenischen Weltrat und für die YMCA tätigen D. Birger Forell sind an Norton das British Council of Churches (mit seinem Kriegsgefangenenreferenten Rev. Burlingham), die einzelnen britischen Kirchen mit verschiedenen massgebenden Vertretern, der Feldbischof im britischen War Office (Rev. Staffchaplain Johnston), die YMCA mit ihren Vertretern in England und Deutschland (Barwick, Harshlager, Lefever u.a.) und die Ökumenische Kommission für die Pastoration von Kriegsgefangenen (Prof. Dr. Courvoisier, Mr. Olivier Beguin, Dr. Visser 't Hooft) stark interessieren [sie/]. Gelegentlich der Gastvorlesungen der Prof. Nygren-Lund, Soe-Kopenhagen, Blanke-Schweiz, Micklem-Oxford, Bring-Lund, Zernov-Oxford und zahlreicher Besuche verantwortlicher kirchlicher Stellen der ökumenischen Welt sind weitere Beziehungen angeknüpft worden. Es erscheint möglich, alle diese Stellen und Persönlichkeiten auch an der Fortführung von Norton Camp in Verbindung mit dem oben geschilderten Projekt in Espelkamp zu interessieren und ihre Hilfe in Anspruch zu neh-

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men. Eine Mitwirkung des englischen Staates sollte angestrebt werden. Er könnte, da die Gefangenenlager nun im Zuge der Repatriierung aufgelöst werden, unter Umständen Einrichtungsgegenstände aus dem Besitz der britischen Armee entweder umsonst oder zu billigem Preis zur Verfügung stellen. f) Wenn es auch wohl im Zuge der Entstehung der neuen Evang.-theologischen Fakultäten in Mainz und später in Hamburg möglich sein wird, einige der Norton-Studenten dort unterzubringen, ja wenn der Kultussenator \muß heißen: Kultursenator] der Stadt Hamburg nicht nur alle Reifeprüfungen, die an der theologischen Schule in Norton abgelegt sind, als Hamburger Reifeprüfung bestätigt hat, sondern neuerdings zusichert, er werde bei der Frage der Immatrikulation von Norton-Studenten an der künftigen Ev. Fakultät Hamburg 36 auch hinsichtlich der Anerkennung der Norton-Semester aufs freundlichste entgegenkommen, so scheint es doch im Blick auf die gesamte Schule in Norton Camp umso notwendiger zu sein, das Projekt ihrer Ubersiedlung nach Espelkamp weiter zu verfolgen, als dort nicht nur der Charakter der Schule von Norton erhalten bleiben, sondern in ein lebensnahes Kulturzentrum eingebaut werden könnte. Wenn auch in Espelkamp das Ziel eine universitas litterarum für die theologische Schule ausfallen müsste, so würde dort in der geplanten Verbindung von theologischer, kirchlicher, ökumenischer, sozialer, wissenschaftlicher und industrieller Arbeit eine neue Universität entstehen können, die zugleich die Stille hätte, ohne die Norton Camp nicht entstanden wäre. g) Eine Schwierigkeit, die bei der Einrichtung jeder theologischen Fakultät und jeder theologischen Schule im gegenwärtigen Deutschland entsteht, würde die Frage der Besetzung der nötigen Lehrstühle der einzelnen theologischen Disziplinen verursachen. Die Dozenten von Norton Camp, Mag. Frey und Dr. Friedrich, sind inzwischen Dozenten an der theologischen Schule in Bethel geworden. Es bestände unter Umständen die Möglichkeit, einige andere Dozenten, die an der theologischen Schule in Norton Camp gewirkt haben und noch wirken, für die Schule in Espelkamp zu gewinnen. Einen weiteren Teil der Dozenten würde die Heimat beisteuern können. Im übrigen müsste man sich so helfen, wie sich in derselben Schwierigkeit Norton Camp geholfen hat. Es hat während der Zeit der Semesterferien an den Universitäten namhafte Universitätsprofessoren aus verschiedenen Ländern nach Norton geholt, die dort in Zyklen von 3-4 Wochen täglich bis zu 4 Stunden alleine Vorlesungen hielten, während in dieser Zeit der übrige Vorlesungsbetrieb ruhte. Auf diese Weise erhielten die Studenten zu-

36 Zur Entstehungsgeschichte der Ev.-Theol. Fakultät der Universität Hamburg vgl. R. HERING, Theologie.

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sätzlich in kurzer Zeit testatfähige Vorlesungen durch hervorragende theologische Lehrkräfte, die der Schule selbst nicht angehörten. Ein solches Verfahren könnte in einem Plan für Espelkamp umso leichter aufgenommen werden, als es seinerseits mit dem Plan einer ökumenischen Schule fruchtbar in Verbindung gebracht werden könnte. 4.) Der unter 3a geschilderte Tatbestand veranlasst die Kanzlei der Evangelischen Kirche in Deutschland zu der Bitte, der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland möge in seiner nächsten Sitzung beschliessen: "Es soll im Benehmen mit der Y M C A , dem War Office, dem British Council of Churches, der ökumenischen Commission für die Pastoration der Kriegsgefangenen und allen übrigen Beteiligten die Uberführung der Evangelischen Theologischen Schule für deutsche Kriegsgefangene in England (Norton Camp) mit allen ihr zur Ausbildung und zur Pastoration der Kriegsgefangenen zur Verfügung stehenden Hilfsmitteln nach Deutschland und die Fortführung ihrer besonders charakterisierten Arbeit in Deutschland angestrebt werden. Zu diesem Zweck soll unter weiterer Beteiligung des Kirchlichen Aussenamtes, der Evangelischen Landeskirche Westfalens und des Hilfswerkes der Evangelischen Kirchen in Deutschland in Espelkamp eine Evangelische Theologische Schule errichtet werden. Diese Entscheidung ergeht vorbehaltlich der später einzuholenden Zustimmung des Rats über eine etwaige finanzielle Beteiligung der Evangelischen Kirche in Deutschland an dieser Schule." gez. Asmussen D D . 17D3. Schreiben der Kirchenkanzlei an die Mitglieder des Rates. Schwäbisch Gmünd, 20. Dezember 1947 F: LKA Nürnberg, Meiser 120 (DJ.

Betr.: Theologische Schule in Espelkamp. Die englische Regierung hat vor einigen Monaten der E K D die geschlossene Repatriierung der evang.-theologischen Schule im Lager 380 in Aegypten angeboten unter der Voraussetzung, daß die Evangelische Kirche in Deutschland die Garantie übernähme, daß die Theologiestudenten aus Aegypten geschlossen in Deutschland an einer evang.-theologischen Fakultät oder an einer theologischen Schule zum Weiterstudium übernommen werden. Schon anläßlich der geschlossenen Repatriierung der evang.-theologischen Schulen für Kriegsgefangene von Montpellier und Rimini hat es sich ergeben, daß die evangelischen theologischen Fakultäten in den westlichen Besatzungsgebieten nur schwer in der Lage waren, einzelne der repatriierten

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Studenten zur Immatrikulation zu bringen. Es ist der Kanzlei der EKD bekannt, daß sich jetzt noch einzelne Studenten der ehemaligen theologischen Schule von Montpellier vergeblich bemühen, eine Immatrikulation an einer deutschen theologischen Fakultät oder theologischen Schule zu erreichen. Die Rundfrage, die die Kanzlei nun bei den evang. theologischen Schulen der Westzonen anstellte, ergab deren Uberfüllung 37 . Da eine Überführung der Studenten, die Offiziere gewesen waren, in die Ostzone untunlich erschien, mußten die Bemühungen der Kanzlei auf die westlichen Zonen beschränkt bleiben. Ein Ausweg bot sich erst nach langen Verhandlungen in dem Angebot der evang.-theologischen Fakultät in Tübingen, die Studenten aus Aegypten zu immatrikulieren, wie auch Tübingen seinerzeit bei der Repatriierung der theologischen Schule aus Montpellier über seinen numerus clausus hinaus allein über zwanzig Studenten übernommen hatte. Wenn wir auf Grund dieser Zusicherung von Tübingen dem War Office gegenüber die gewünschte Gewähr übernommen haben und auf Grund einer Zusage des Hilfswerks der württembergischen Landeskirche die angekündigten Theologiestudenten am Anfang des nächsten Jahres in dem Heim des Hilfswerks in Isny erwarten, so bestehen vorläufig immer noch ungeklärte Schwierigkeiten hinsichtlich der endgültigen wohnungsmäßigen Unterbringung der etwa 20 erwarteten Studenten in Tübingen. Nach der Rückführung der Evang.-theol. Schule in Aegypten wird nun noch die bedeutendste und umfangreichste derartige Schule - die Evang.-theol. Schule für deutsche Kriegsgefangene Camp 174 Norton Cuckney nr. Mansfield Cotts. Great Britain - noch bis zum 1.4.48 fortbestehen. Die nötigen Unterlagen über die theologische und kirchliche Arbeit, die an dieser Schule unter ihren bisherigen Leitern Pastor Damrath, Sup. Schnuis, P. Dr. theol. Gerhard Friedrich und P. Dr. Damman [Dannenmann] getan worden ist, sind jeweils den Landeskirchen zugegangen38. Eine Reihe von an verantwortlicher Stelle stehenden Gliedern der Evangelischen Kirche in Deutschland hat die Schule aus eigener Anschauung kennen lernen können. Sie erfreute sich im besondere Maße der Unterstützung des britischen War Office, der britischen Kirchen und über den Rahmen der mit der Pastoration und Fürsorge der Kriegsgefangenen betrauten ökumenischen Organisationen hinaus von zahlreichen hervorragenden Persönlichkeiten des ökumenischen Lebens in aller Welt. Sie verfügt über eine aus zahlreichen großzügigen Stiftungen herrührende ansehnliche theologische Bibliothek. Sie steht in engem Verhältnis zu der Betreuungsarbeit der War Prisoners Aid der YMCA und hat 37 38

Vgl. S. 419, Anm. 34. Vgl. z.B. das Rundschreiben der Kirchenkanzlei an die Ratsmitglieder und Landeskirchenregierungen 28. Juni 1946 (C. NICOLAISEN/N.A. SCHULZE, Protokolle Bd. I, S. 611-616).

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seit geraumer Zeit zwei wertvolle christliche Zeitschriften redigiert, von denen der Monatsbrief, eine christliche Zeitschrift für die deutschen Kriegsgefangenen, ein ganz besonderes, in dieser Art einmaliges Gepräge hatte. Es ist nun notwendig, Vorbereitungen für die Aufnahme der gegenwärtig in Norton Camp studierenden 65 Studenten, 7 Hospitanten und 12 zum theologischen Studium entschlossenen Abiturienten in Deutschland zu treffen. Davon abgesehen aber scheint es in diesem Zeitpunkt notwendig, darauf hinzuweisen, daß die Evangelische Kirche in Deutschland die Verantwortung dafür trägt, daß das verheißungsvoll begonnene Werk von Norton Camp nun nicht auseinanderläuft und zum Ende kommt. Norton Camp ist für alle, die mit ihm in Berührung gekommen sind, in seiner Eigenart einer durch begnadetes gottesdienstliches Leben geformten Lebens- und Studiengemeinschaft zu einem Ort geworden, an dem das überaus rege geistiche Leben der Lagergemeinden in den Kriegsgefangenenlagern einen besonders kräftigen Ausdruck gefunden hat. Ganz abgesehen von dem theologischen Studienmaterial, das in Norton Camp angesammelt worden ist, scheint es auch nötig, zu überlegen, wie diese aus dem Boden deutschen lutherischen Kirchentums, aus dem Erlebnis der Theologie der letzten 30 Jahre und des Kirchenkampfes erwachsene Form einer bekennenden Männergemeinde erhalten und fruchtbar gemacht werden kann. Es entsteht die Frage, ob 1.) im Interesse der heimkehrenden Studenten an die Errichtung einer weiteren theologischen Schule gedacht werden muß und ob es 2.) nicht richtig ist, mit einem solchen Plan die Erhaltung der Anstaltsgemeinde von Norton Camp zu verbinden. Die im 2^uge solcher Überlegungen vorgenommenen Ermittlungen der Kanzlei der Evangelischen Kirche in Deutschland haben folgendes Ergebnis gehabt: Die englische Besatzungsarmee (General Bishop) hat dem Hilfswerk der Evangelischen Kirchen (P. Pawlowski-Bielefeld) zu kirchlichen Zwecken das Areal einer ehemaligen Munitionsanstalt in Espelkamp, Kirchenkreis Lübbecke/Westfalen zur Verfügung gestellt. In Espelkamp befinden sich Baulichkeiten, die, wenn sie ausgebaut sind, etwa 2.000-3.000 Menschen aufnehmen können (massive Steinbaracken, Gesellschaftshäuser, Büroräume und Fabrikhallen). Bisher plante das Hilfswerk dort neben dem Evangelischen Kulturkreis Westfalens (Akademie), neben verschiedenen Schulen $nxm[anistisches\ Gymnasium, Oberschule), neben Präzisionsarbeiterlehrgängen, neben Heimkehrerdienst und Flüchtlingsfürsorge eine Industrie aufzubauen. Die Verhandlungen darüber waren mit deutschen Industriellen im Gange.

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Gegenwärtig sind hinsichtlich dieser Planung allerdings insofern Schwierigkeiten entstanden, als voraussichtlich auf Grund des Demontagebeschlusses des Viererrates 39 ein erheblicher Teil von Espelkamp zerstört werden muß. Die Engländer sträuben sich selbst gegen die Durchführung dieses Beschlusses. Man bemüht sich darum, die Ausführung des Beschlusses wenigstens teilweise hintan zu halten. Es ist schon jetzt anzunehmen, daß die in Espelkamp befindlichen Steinbaracken nicht zerstört werden. An den Verhandlungen über die Zukunft von Espelkamp ist im besonderen Maß P. D. Birger Forell, Boras, Schweden beteiligt, der seinerzeit maßgeblich zu dem Entstehen von Norton Camp beigetragen hat 40 . Er verfolgte bisher bei seinen Plänen für Espelkamp im besonderen das Ziel, dort solle des weiteren eine ökumenische Schulungsstätte für Deutschland eingerichtet werden. Das Zentralbüro des Hilfswerkes der Evangelischen Kirchen in Deutschland wäre bereit, mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln des In- und Auslandes die Errichtung einer theologischen Schule in Espelkamp unter der Bedingung zu unterstützen, daß das Interesse der EKD in der Gründung und Erhaltung dieser Schule auch in der Anlage und Organisation seinen Ausdruck findet. Pastor Pawlowski von Evangelischen Hilfswerk in Westfalen, die Synodalbeauftragten des Hilfswerks Westfalens, denen ein dahingehender Plan vorgetragen werden konnte, sowohl als Präses D. Koch und Oberlandeskirchenrat Niemann in Bielefeld würden es begrüßen, wenn die Uberführung Norton Camps, einer Evang.-sozialen Schule und einer ökumenischen Schule in den bisher für Espelkamp aufgestellten Plan aufgenommen werden würde. Sie legen zwar aus erklärlichen Gründen Wert darauf, daß in Espelkamp eine organische Einheit und nicht ein Nebeneinander kirchlicher Einrichtungen entsteht, sie glauben deshalb, daß die verwaltungsmäßige Leitung des Gesamtwerkes Espelkamp in westfälischen Händen liegen müßte, sie sind aber aller initiativen sowohl als exekutiven Mitwirkung im Interesse der Evangelischen Kirche in Deutschland offen und bereit, über die Modalitäten einer solchen Mitwirkung zu verhandeln. Nach einem Vorschlag des Hauptbüros Bielefeld des Evangelischen Hilfswerks Westfalens soll auch der Träger der zu bildenden Stiftung der Evangelische Hilfsdienst Westfalen werden, eine Sonderorganisation des Hilfswerks, das seinerseits als "Zweckvermögen der Landeskirche" nicht zuviel übernehmen solle. In dem Gesamtvorstand der Stiftung soll für den Fall, daß die 39 Am 16. Oktober 1947 war eine neue Demontageliste bekannt geworden, nach der noch 682 Betriebe demontiert werden sollten (vgl. dazu T. ESCHENBURG, Jahre, S. 400ff.). 40 Vgl. S. 399, Anm. 19.

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geplanten Projekte durchgeführt werden, außerdem die EKD, das Zentralbüro und unter Umständen die YMCA beeteiligt werden. Unter dem Gesamtvorstand wären nach diesem Vorschlag einzelne Kuratorien für die einzelnen in Espelkamp einzurichtenden Schulen unter besonderer Berücksichtigung des Einzelcharakters dieser Schulen einzurichten, die aber an die generellen Beschlüsse des Gesamtvorstandes zu binden wären. Norton Camp ist seit seiner Entstehung als theologische Schule ein Brennpunkt ökumenischer Interessen und Beziehungen gewesen. Neben dem zu gleichen Teilen in der schwedischen Kirche, für den ökumenischen Weltrat und für die YMCA tägigen D. Birger Forell sind an Norton das British Council of Churches (mit seinem Kriegsgefangenenreferenten Rev. Burlingham), die einzelnen britischen Kirchen mit verschiedenen maßgebenden Vertretern, der Feldbischof im britischen War Office (Rev. Staff-chaplain Johnston), die YMCA mit ihren Vertretern in England und Deutschland, Barwick, Harshlager, Lefever u.a. und die ökumenische Kommission für die Pastoration von Kriegsgefangenen (Prof. Dr. Courvoisier, Mr. Olivier Beguin, Dr. Visser 't Hooft) stark interessiert. Gelegentlich der Gastvorlesung der Prof. Nygren-Lund, Soe-Kopenhagen, Blanke-Schweiz, Micklem-Oxford, Bring-Lund, Zernov-Oxford und zahlreicher Besuche verantwortlicher kirchlicher Stellen der ökumenischen Welt sind weitere Beziehungen angeknüpft worden. Es erscheint möglich, alle diese Stellen und Persönlichkeiten auch an der Fortführung von Norton Camp in Verbindung mit dem oben geschilderten Projekt in Espelkamp zu interessieren und ihre Hilfe in Anspruch zu nehmen. Eine Mitwirkung des englischen Staates sollte angestrebt werden. Er könnte, da die Gefangenenlager nun im Zuge der Repatriierung aufgelöst werden, unter Umständen Einrichtungsgegenstände aus dem Besitz der britischen Armee entweder umsonst oder zu billigem Preise zur Verfügung stellen. Es wird wohl bei der zu erwartenden Repatriierung der Studenten in Norton Camp notwendig sein, diese Studenten, die z.T. noch nie an einer ordentlichen Universität studiert haben und die bis zu 5 Semestern in Norton Camp ausgebildet wurden, an theologischen Fakultäten unterzubringen. Wenn es vielleicht auch im Zuge der Entstehung der neuen theologischen Fakultät in Mainz und unter Umständen in Hamburg möglich sein wird, einige der Norton-Studenten dort aufzunehmen, so scheint uns nach einer Rücksprache mit Professor Trillhaas als dem Vorsitzenden des deutschen evang.-theologischen Fakultätentages notwendig zu sein, daß zur Unterbringung der Norton-Studenten in etwa gleicher Zahl wie der Studentenzahl von Norton Camp Plätze an den deutschen evangelischen Fakultäten freigemacht werden. Es

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trifft sich, daß Professor Trillhaas die Errichtung einer neuen theologischen Schule befürwortet, die ihre Haupttätigkeit auf das Studium derjenigen Studenten richten würde, die ihre Sprachexamina noch nachmachen müssen, die keine gültigen Reifeprüfungen haben und daher in den eigentlichen Lehrbetrieb einer theologischen Fakultät gegenwärtig nicht eingeordnet werden können. Es scheint auf diese Weise möglich zu werden, daß die Studenten aus Norton Camp, die noch Sprachexamina vor sich haben, den Kern der neuen Schule in Espelkamp bilden, wozu die evang.- theologischen Fakultäten weitere Anfangssemester nach Espelkamp abgeben würden. Den Rest der Belegschaft der Schule würden die angehenden Theologiestudenten bilden, die wegen des Fehlens gültiger Reifeprüfungen gegenwärtig noch nicht zum Studium der Theologie zugelassen werden können. Eine Schwierigkeit, die bei der Errichtung jeder theologischen Fakultät und jeder theologischen Schule im gegenwärtigen Deutschland entsteht, würde die Frage der Besetzung der nötigen Lehrstühle der einzelnen Disziplinen verursachen. Die Dozenten von Norton Camp, Mag. Frey und Dr. Friedrich, sind inzwischen Dozenten an der theologischen Schule in Bethel geworden. Es bestände unter Umständen die Möglichkeit, einige andere Dozenten, die an der theologischen Schule in Norton Camp gewirkt haben und noch wirken, für die Schule in Espelkamp zu gewinnen. Einen weiteren Teil der Dozenten würde die Heimat beisteuern können. Im übrigen müßte man sich so helfen, wie sich in derselben Schwierigkeit Norton Camp geholfen hat. Es hat während der Zeit der Semesterferien an den Universitäten namhafte Universitätsprofessoren aus verschiedenen Ländern nach Norton geholt, die dort in Zyklen von 3-4 Wochen täglich bis zu 4 Stunden Vorlesungen hielten, während in dieser Zeit der übrige Vorlesungsbetrieb ruhte. Auf diese Weise erhielten die Studenten zusätzlich in kurzer Zeit testatfähige Vorlesungen durch hervorragende theologische Lehrkräfte, die der Schule selbst nicht angehörten. Ein solches Verfahren könnte in einem Plan für Espelkamp umso leichter aufgenommen werden, als es seinerseits mit dem Plan einer ökumenischen Schule fruchtbar in Verbindung gebracht werden könnte. Der geschilderte Tatbestand veranlaßt wegen der Eilbedürftigkeit der Angelegenheit die Kanzlei der EKD zu der Bitte, der Rat der EKD möge beschließen: "Es soll im Benehmen mit der YMCA, dem War Office, dem British Council of Churches, der ökumenischen Commission für die Pastoration der Kriegsgefangenen und allen übrigen Beteiligten die Überführung der Evangelischen Theologischen Schule für deutsche Kriegsgefangene in England (Norton Camp) mit allen ihr zur Verfügung stehenden Hilfsmitteln nach Deutschland

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und die Fortführung ihrer besonders charakterisierten Arbeit in Deutschland angestrebt werden. Zu diesem Zweck soll unter weiterer Beteilung des Kirchlichen Außenamtes, der Evangelischen Landeskirche Westfalens und des Hilfswerkes der Evangelischen Kirchen in Deutschland in Espelkamp eine Evangelische Theologische Schule errichtet werden. Die Entscheidung der Frage einer etwaigen Beteiligung der EKD an den Kosten dieser Theologischen Schule bleibt vorbehalten; zunächst sollen keine finanziellen Bindungen der E K D eingegangen werden." 17D4. Schreiben der Kirchenkanzlei an die Mitglieder des Rates. Schwäbisch Gmünd, 4. März 1948 F: EZA Berlin, 2/60 (D). Betr.: Richtlinien über die Wiederaufnahme von Kriegsgefangenen in die Evangl. Kirche. Der Rat der E K D wird gebeten zu beschliessen: Die Richtlinien des Rates der Evgl. Kirche in Deutschland über die Wiederaufnahme von Kriegsgefangenen in die Evangelische Kirche vom 25.3.1946 (Rundschreiben] der Kanzlei vom 25.3.46 - 6029/46)41 werden wie folgt abgeändert: Ziffer 5 der Richtlinien erhält folgenden Wortlaut: Die Angemeldeten sollen am Gottesdienst und einer besonderen geistlichen Unterweisung teilnehmen. Frühestens nach 5 Monaten führt der Lagerpfarrer ein abschliessendes Gespräch mit dem Antragsteller. In der Zwischenzeit ist eine Stellungnahme der nach landeskirchlichem Recht zur Wiederaufnahme in die Heimatgemeinde zuständigen kirchlichen Stelle (Leitung der Heimatgemeinde) herbeizuführen. Im Falle deren begründeter Ablehnung ist die endgültige Entscheidung über die Wiederaufnahme der Heimatgemeinde nach Rückkehr des Gefangenen vorzubehalten. In besonderen Notfällen (z.B. in Todesgefahr) bei sonst gegebenen Voraussetzungen kann der Lagerpfarrer ausnahmsweise die Zulassung zum Heiligen Abendmahl und damit die Wiederaufnahme in die Kirche gewähren.

41 Abdruck der Richtlinien: C. NICOLAISEN/N.A. SCHULZE, Protokolle Bd. I, S. 411£; Rundschreiben:

E Z A BERLIN, 2 / 8 4 / 0 4 6 / 1 .

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Ziffer 6 erhält folgenden Wortlaut: Auf Grund eingehender Kenntnis des Gesuchstellers und des Gutachters der Heimatgemeinde entscheidet der Lagerpfarrer im Einvernehmen mit dem Evgl. Kirchenrat des Lagers über die Wiederaufnahme in die evangelische Kirche, die im Gottesdienst vollzogen wird. Begründung. Durch die seinerzeit im Amtsblatt der EKD nicht veröffentlichten Richtlinien der EKD vom 25.3.46 - 6029/46 - wurde eine Notverfassung der Lagerkirchengemeinden statuiert, die neben der Einsetzung von Lagerpfarrern und Lagergemeinde-Kirchenräten auch Bestimmungen für die Wiederaufnahme Ausgetretener vorsah. Nach Ziffer 5 dieser Richtlinien war nach Möglichkeit das Urteil der Heimatgemeinde über den zur Wiederaufnahme Angemeldeten herbeizuführen. Die Bestimmungen der Richtlinien genügten in der Uberzahl der Fälle zur zufriedenstellenden Regelung in den Lagergemeinden und Heimatgemeinden. In einzelnen Fällen, und zwar in den Landeskirchen Hannovers, SchleswigHolsteins, Braunschweigs, Oldenburgs und in der Rheinischen Landeskirche entstanden jedoch dadurch Schwierigkeiten, dass die Lagerpfarrer und Lagergemeindekirchenräte in Unkenntnis der Sachlage Personen wieder in die Kirche aufnahmen, die nach den Gesichtspunkten der Kirchenzucht wegen ihrer kirchenfeindlichen Haltung vor 1945 nach Ansicht der Heimatgemeinden noch nicht hätten aufgenommen werden dürfen. Daraufhin erliess zunächst die Evgl.-luth. Kirche Oldenburgs im Gegensatz zu den Richtlinien der EKD eine neue Ausführungsanweisung für die Handhabung ihrer eigenen Richtlinien für die Wiederaufnahme von ausgetretenen Gemeindegliedern "bei Personen, die ihre Wiederaufnahme in Gefangenenoder Internierungslagern beantragt haben" vom 18.4.47 (GVBlatt für die Evgl.-luth. Kirche in Oldenburg 1947 Nr. 68), in der der Grundsatz, dass Personen, die aus der Evgl. Kirche ausgetreten sind, sich zur Wiederaufnahme bei ihrem zuständigen Pfarrer, d.h. bei der Heimatkirchengemeinde melden müssen, sowie eine doppelt so lange Frist, als sie in den Richtlinien des Rates der EKD vorgesehen war, für die Wiederaufnahme "nicht aufgehoben war". Die Ausführungsanweisung der Evgl.-luth. Kirche in Oldenburg hat darüber hinaus zum Ausdruck gebracht, "wenn entgegen der geltenden kirchlichen Ordnung Lagerpfarrer wiedereintretenden Personen eine Bescheinigung über die erfolgte Wiederaufnahme in die Kirche erteilt haben, so wird diese Wiederaufnahme nicht ohne weiteres anerkannt". Die Pfarrer der Heimatgemeinden haben sich durch persönliche Gespräche und durch Beobachtungen am Leben der Gemeinde während einer Dauer von mindestens 3 Monaten

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davon zu überzeugen, dass die Personen, die im Lager ihre Wiederaufnahme beantragt haben, auch in der Heimatgemeinde bereit sind, ihren kirchlichen Pflichten nachzukommen. Wenn das der Fall sei, könne "... die Wiederaufnahme in die Heimatgemeinde mit Zustimmung des Kirchenrates erfolgen und die vom Lagerpfarrer vorgenommene Aufnahme bestätigt werden." Die Lage hat sich in der Tat seit Erlass der Richtlinien der EKD insofern geändert, als alle Lagergemeinden der Gewahrsamsländer in Deutschland inzwischen die Möglichkeit erhalten hatten, mit ihren Heimatgemeinden zu korrespondieren. Es erschien angebracht, dass nun mindestens in jedem Fall die Stellungnahme der Heimatgemeinde eingeholt werden muss. Dagegen entstanden in der anschliessenden Korrespondenz Unstimmigkeiten darüber, bei welcher Instanz generell die endgültige Wiederaufnahme früher aus der Kirche Ausgetretener liegen solle. Es standen sich zwei Meinungen gegenüber: Die Rheinische Landeskirche vertrat die "grundsätzliche Meinung, dass die Lagergemeinden das Recht haben und haben müssten, Menschen, die in die Evgl. Kirchen aufgenommen werden wollen, eine vollgültige Aufnahme nach ihrem Ermessen zu gewähren". (OKR. Lie. Dr. Beckmann vom 10.10.47 Nr. 4953 Π [5943 Ilf2). Die Lagergemeinden und die Dekane der Kriegsgefangenengemeinden in England und Frankreich selbst standen auf der Seite der Rheinischen Landeskirche. Sie machten insbesondere geltend, die Lagergemeinden sollten prinzipiell ebenso wie Militärgemeinden angesehen werden, die das Recht der Wiederaufnahme gehabt haben. Die Evgl.-luth. Landeskirche Hannovers dagegen vertrat die Ansicht, die endgültige Wiederaufnahme in die Kirche könne nur im Einvernehmen mit der Heimatgemeinde geschehen. Im Falle einer im Lager gegen das ausdrückliche Votum der Heimatgemeinde vorgenommenen Wiederaufnahme müsste die Heimatkirchengemeinde sich vorbehalten, eine solche Wiederaufnahme später nicht anzuerkennen. Die Evgl.-luth. Landeskirche von Oldenburg nahm einen ähnlichen, aber vermittelnden Standpunkt ein. Der Kanzlei der EKD ist es durch den vorstehenden Entwurf im Wesentlichen gelungen, diese Unstimmigkeiten abzugleichen. Es ist anzunehmen, dass die beteiligten Landeskirchen von Oldenburg, Rheinland, Braunschweig und Schleswig-Holstein nach ihrer bisherigen Stellungnahme mit dem vorgelegten Entwurf einverstanden sind. Von den Vorschlägen der Evgl.-luth. Landeskirche Hannovers unterscheidet er sich nur durch die in Ziffer 5, Abs. ΠΙ, Satz 2, vorgesehene Möglichkeit für 42 LKA DÜSSELDORF, Konsistorium Sachakten X I 1 b 12, Bd. 5.

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die Lagerpfarrer, in besonderen Notfällen bei sonst gegebenen Voraussetzungen eine Zulassung zum Heiligen Abendmahl und damit eine Wiederaufnahme in die Kirche ausnahmsweise zu gewähren. Durch die voneinander und von den bisher gültigen Richtlinien abweichenden Regelungen des Tatbestandes in einzelnen Landeskirchen ist eine Lage geschaffen, die auch beim gegenwärtigen Stand der Repatriierung und der Entlassung aus den Internierungslagern noch eine Neufassung der Richtlinien der EKD angezeigt erscheinen lässt. Die Landeskirche von Oldenburg und der Herr Dekan für die Kriegsgefangenen in England haben um sie gebeten. 17D5. [Ritter:] Entwurf einer Kundgebung. o.O. [Januar] 1948 F: EZA Berlin, 2/210 (H; Anlage zum Schreiben der Kirchenkanzlei

an die

Ratsmitglieder

vom 24. Januar 1948).

Die Ereignisse der letzten Monate haben unser deutsches Volk vor eine Frage von ungeheurem Ernst gestellt. Schon in den letzten Jahren war die Grenze zwischen westlichem und östlichem Okkupationsgebiet mehr und mehr zu einem Hindernis für die innere und äussere Gesundung des deutschen Volkes geworden. Jetzt, nachdem die Konferenzen der Grossmächte gescheitert sind, wird die Gefahr brennend, dass Deutschland auf die Dauer in verschiedene Staaten von ungleicher wirtschaftlicher, sozialer und geistiger Struktur auseinandergerissen wird. Das ist eine Lage, die uns nötigt, warnend, bittend und mahnend unsere Stimme zu erheben. Die Evangelische Kirche mischt sich nicht in die Auseinandersetzungen politischer Mächte ein. Sie optiert weder für den Westen noch für den Osten. Es ist auch nicht ihres Amtes, über die äusseren Möglichkeiten, die Formen oder den Zeitpunkt einer Wiederherstellung deutschen Staatslebens zu reden. Sie will erst recht nichts zu tun haben mit parteipolitischen Machtbestrebungen dieser oder jener Art, die sich zum Unheil der Welt und Deutschlands auch in die Erörterung der elementarsten Lebensfragen mischen. Aber wenn es um den Frieden geht, dann weiss sie sich berufen. Gott hat die Völker nicht dazu geschaffen, dass sie immer aufs Neue über einander herfallen und Millionen von Toten auf den Schlachtfeldern lassen. Und unsere Kirche wäre nicht Kirche Jesu Christi, wenn sie nicht angesichts des unermesslichen Jammers, den der letzte Krieg über die Menschheit gebracht hat, alles tun würde, was in ihren Kräften steht, damit endlich Frieden werde. Sie mahnt ihr eigenes Volk, falschen Machtidealen abzusagen, echte Friedensgesinnung zu bewähren und dadurch wieder gutzumachen, was an Schuld auf ihm liegt. Sie mahnt und bittet aber auch die, in deren Händen die Entscheidung über unsere äussere Zukunft liegt: Lasst endlich Frieden werden!

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Dauernder Friede kann nur da sein, wo die Völker die Verhältnisse, unter denen sie leben, als gerecht und gesund oder doch wenigstens als erträglich empfinden. Kein Volk der Erde aber wird es jemals ertragen, dass mitten durch sein Land eine Grenze gezogen wird, nicht auf Grund natürlicher Verschiedenheiten, nicht auf Grund allmählicher Entwicklung, sondern durch willkürliches Diktat auswärtiger Mächte. Die Mutter will zu ihrem Sohn und die Tochter will zu ihrem Vater im anderen Teil des Vaterlandes. Das Volk, das e i η e Sprache spricht, das e i n e Geschichte und e i n e Kultur hat, will freien Austausch haben mit allen seinen Gliedern. Und die Kirche, die in West unci Ost dieselben Choräle singt, dasselbe Bekenntnis und dieselbe Art des Gottesdienstes hat, will in ihrer Jahrhunderte alten, gesegneten Gemeinschaft geistlichen Lebens bleiben. Wird das verwehrt, wird die Gemeinschaft durch Trennungsmauern zerrissen, so kann daraus nichts anderes entstehen als die bittere Empfindung, gewaltsam unter unnatürlichen Verhältnissen gehalten zu werden. Das Elend unserer Ostflüchtlinge, deren Zahl durch Abwanderung immer noch zunimmt, wird dadurch noch weiter vergrössert. Und alle Mahnungen zu friedlicher Gesinnung müssen abprallen an dem leidenschaftlichen Willen eines ganzen Volkes, die zerstörte Gemeinschaft wieder zu erlangen. So kommt Europa nicht zur Ruhe. So wird nicht Friede. Der Fluch der polnischen Teilungen, der auch unsere eigene Geschieht belastet, hat bis in unsere Gegenwart nachgewirkt. Soll er sich in anderer Form und an einem anderen Volkskörper wiederholen? Es geht der Kirche noch um eine Zweites. Unnatürliche Verhältnisse wirken sich unheilvoll aus auf die sittliche Haltung der Menschen. Gewaltsame Aufspaltung, verbunden mit verschiedener Währung, verschiedenen Wirtschaftsformen und verschiedener politischer Orientierung führt dazu, dass jeden Tag Gesetze übertreten und neue Mittel ersonnen werden, um die Verbindung mit der anderen Seite zu gewinnen. Schleich-Handel und schwarzer Markt sind die traurige Folge. Die Autorität des Staates wird untergraben. Und alle Bemühungen, den sittlichen Zustand des Volkes zu heben, sind vergeblich. Schon jetzt sinkt das moralische Niveau der deutschen Bevölkerung infolge des unnatürlichen Zwanges, unter dem sie leben muss, immer weiter ab. Eine Aufspaltung Deutschlands würde - so fürchten wir - alle Versuche, Ehrlichkeit und Wahrhaftigkeit wiederzugewinnen, hoffnungslos machen. Auch das religiöse Leben müsste darunter auf das Schwerste leiden. Eine innere Neugeburt des deutschen Volkes ist nur vom christlichen Glauben her möglich. Wie aber sollen die Kräfte des Glaubens zur Auswirkung kommen, wenn die Kirche, selber in zwei Teile zerrissen, sich einem Volk gegenübersieht, das sich an unnatürlichen Verhältnissen wundreibt und in seiner Ver-

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bitterung nur den einen Gedanken hat, wie und wann diese Verhältnisse geändert werden können? Echter Friede kann nur werden, wenn im Mittelpunkt Europas die natürlichen Lebensverhältnisse wieder hergestellt werden. Von jenseits der Oder und Weichsel bis zur Saar reicht der Raum, den das deutsche Volk als seine Heimat, sein Vaterland, als die in vielen Jahrhunderten seiner Geschichte ihm zugefallene und von ihm entwickelte Stätte seiner Arbeit betrachtet. Der Osten kann den Westen und der Westen den Osten auch wirtschaftlich nicht entbehren. Unserem Volk diese natürliche und geschichtliche Gemeinschaft ungeteilt zu erhalten, darum bitten wir um des Friedens willen und um der sittlichen Gesundung unseres Volkes willen. Unser deutsches Volk aber mahnen wir, sich trotz allem, was geschieht, nicht in Verbitterung und Hoffnungslosigkeit zu verlieren, sondern sich auch durch Unfreiheit und untragbare Verhältnisse nicht irre machen zu lassen in dem Willen zu redlicher Arbeit, zu sittlicher Zucht und zu ehrlicher Friedensgesinnung. Gott ist der Herr der Geschichte. Er hat auch unseres Volkes Zukunft in seiner Hand. Diese Hand kann zwar sehr hart sein im Gericht, aber sie ist immer auch voll Gnade über die, die ihn fürchten. Ihm vertrauen wir. Ihn preisen wir durch unseren Herrn Jesus Christus auch in der dunkelsten Zeit! 17D6. Dibelius: "Entwurf einer Kundgebung". o.O. [Februar] 1948 F: NL Smend (D; den Ratsmitgliedem übersandt mit Schreiben Kleibers vom 12. Februar 1948). - Abdruck nach anderer Vorlage: H. Noormann, Protestantismus Bd. 2, S. 214ff.

Entwurf einer Kundgebung (2. Fassung) Die Ereignisse der letzten Monate haben unser deutsches Volk vor eine Frage von ungeheurem Ernst gestellt. Schon in den letzten Jahren war die Grenze zwischen westlichem und östlichem Okkupationsgebiet mehr und mehr zu einem Hindernis für die innere und äussere Gesundung des deutschen Volkes geworden. Jetzt, nachdem die Konferenzen der Grossmächte gescheitert sind, wird die Gefahr brennend, dass Deutschland auf die Dauer in verschiedene Staaten von ungleicher wirtschaftlicher, sozialer und geistiger Struktur auseinandergerissen wird. Das ist eine Lage, die uns nötigt, warnend, bittend und mahnend unsere Stimme zu erheben. Die evangelische Kirche mischt sich nicht in die Auseinandersetzungen politischer Mächte ein. Sie optiert weder für den Westen noch für den Osten. Es ist auch nicht ihres Amtes, über die Möglichkeiten, die Formen oder den Zeitpunkt einer Wiederherstellung der deutschen Einheit zu reden. Sie will erst recht nichts zu tun haben mit parteipolitischen Bestrebungen dieser oder

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17. Sitzung Kassel 9. und 10. März 1948

jener Art, die sich immer wieder in die Erörterung der elementaren Lebensfragen unseres Volkes mischen. Wohl aber weiss sie sich gerufen, wenn es um den Frieden geht. Es ist nicht Gottes Wille, dass die Völker immer aufs neue übereinander herfallen und Millionen von Toten auf den Schlachtfeldern lassen. Und unsere Kirche wäre nicht Kirche Jesu Christi, wenn sie nicht angesichts des unermesslichen Jammers, den der letzte Krieg über die Menschheit gebracht hat, alles tun würde, was in ihren Kräften steht, damit endlich Frieden werde. Sie mahnt ihr eigenes Volk, falschen Machtidealen abzusagen, echte Friedensgesinnung zu bewähren und dadurch wiedergutzumachen, was an Schuld auf ihm liegt. Sie mahnt aber auch die, in deren Händen die Entscheidung über unsere äussere Zukunft liegt: lasst endlich Frieden werden! Dauernder Friede kann nur da sein, wo die Völker die Verhältnisse, unter denen sie leben, als gerecht und gesund oder doch wenigstens als erträglich empfinden. Kein Volk der Erde aber wird es jemals ertragen, dass mitten durch sein Land eine Grenze gezogen wird, nicht auf Grund natürlicher Verschiedenheiten, nicht auf Grund allmählicher Entwicklung, sondern durch willkürliches Diktat auswärtiger Mächte. Die Mutter will zu ihrem Sohn und die Tocht er will zu ihrem Vater im anderen Teil des Vaterlandes. Das Volk, das e i n « : Sprache spricht, das e i n e Geschichte und e i n e Kultur hat, will freien Austausch haben mit allen seinen Gliedern. Und die Kirche, die in West und Ost dieselben Choräle singt, dasselbe Bekenntnis und dieselbe Art des Gottesdienstes hat, will in ihrer jahrhundertealten, gesegneten Gemeinschaft geistlichen Lebens bleiben. Wird das verwehrt, wird die Gemeinschaft durch Trennungsmauern zerrissen, so kann daraus nichts anderes entstehen als die bittere Empfindung, gewaltsam unter unnatürlichen Verhältnissen gehalten zu werden. Das Elend unserer Ostflüchtlinge, deren Zahl durch Abwanderung immer noch zunimmt, wird dadurch noch weiter vergrössert. Und alle Mahnungen zu friedlicher Gesinnung müssen abprallen an der leidenschaftlichen Sehnsucht eines ganzen Volkes, die zerstörte Gemeinschaft wieder zu erlangen. So kommt Europa nicht zur Ruhe. So wird nicht Friede. Die Geschichte lehrt, dass gewaltsame Teilungen, die der natürlichen Grundlagen entbehrten, sich immer verhängnisvoll auswirken und echte Befriedung verhindern. Soll die Welt das jetzt von neuem erleben? Es geht der Kirche noch um ein Zweites. Unnatürliche Verhältnisse wirken sich unheilvoll aus auf die sittliche Haltung der Menschen. Gewaltsame Aufspaltung, verbunden mit verschiedenen Wirtschaftsformen, mit verschiedener Währung, führt dazu, dass jeden Tag Gesetze übertreten und neue Mittel ersonnen werden, um die Verbindung mit der anderen Seite zu gewinnen. Schleichhandel und Schwarzer Markt sind die traurige Folge.

17E Dokumente

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Die Autorität des Staates wird untergraben. Und alle Bemühungen, den sittlichen Zustand des Volkes zu heben, sind vergeblich. Schon jetzt sinkt das moralische Niveau der deutschen Bevölkerung infolge des unnatürlichen Zwanges, unter dem sie leben muss, immer weiter ab. Eine Aufspaltung Deutschlands würde - so fürchten wir - alle Versuche, Ehrlichkeit und Wahrhaftigkeit wiederzugewinnen, hoffnungslos machen. Auch das religiöse Leben müsste darunter auf das Schwerste leiden. Eine innere Neugeburt des deutschen Volkes ist nur vom christlichen Glauben her möglich. Wie aber sollen die Kräfte des Glaubens zur Auswirkung kommen, wenn die Kirche, selber in zwei Teile zerrissen, sich einem Volke gegenübersieht, das sich an unnatürlichen Verhältnissen wundreibt und in seiner Verbitterung nur den einen Gedanken hat, wie und wann diese Verhältnisse geändert werden können? Echter Friede kann nur werden, wenn im Mittelpunkt Europas die natürlichen Lebensverhältnisse wieder hergestellt werden. Von jenseits der Oder und Weichsel bis zur Saar reicht der Raum, den das deutsche Volk als seine Heimat betrachtet und als die in vielen Jahrhunderten von ihm entwickelte Stätte seiner Arbeit. Der Osten kann den Westen und der Westen den Osten auch wirtschaftlich nicht entbehren. Unserem Volk diese natürliche und geschichtliche Gemeinschaft ungeteilt zu erhalten, darum bitten wir um des Frieden willen und um der sittlichen Gesundung unseres Volkes willen. Unser deutsches Volk aber mahnen wir, sich trotz allem, was geschieht, nicht in Verbitterung und Hoffnungslosigkeit zu verlieren, sondern sich auch durch Unfreiheit und untragbare Verhältnisse nicht irremachen zu lassen in dem Willen zu redlicher Arbeit, zu sittlicher Zucht und zu ehrlicher Friedensgesinnung. Gott ist der Herr der Geschichte. Er hat auch unseres Volkes Zukunft in seiner Hand. Diese Hand kann sehr hart sein im Gericht, aber sie ist immer auch voll Gnade für die, die ihn fürchten. Ihn preisen wir durch unseren Herrn Jesus Christus auch in der dunkelsten Zeit. 17E Dokumente 17E1. Schreiben Nieseis an die Mitglieder des Rates. Schöller b. Dornap, 12. März 1948 F: LKA Stuttgart, Dl/216

(O).

Sehr verehrte Herren und Brüder! Auf unserer jetzigen Sitzung wurden einige Punkte des Protokolls der letzten Ratssitzung besprochen, gegen die Herr Präsident Asmussen am 4. Februar in

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einem Brief an uns Einspruch erhoben hatte 43 . Zu den gegen die Punkte 9 und 10 des Protokolls vorgetragenen Beschwerden wies ich darauf hin, dass der Herr Präsident der Kirchenkanzlei deutlich betont habe, dass er das, was er in seinem Flensburger Vortrage44 und anderswo zum Ausdruck gebracht habe, in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer des Rates getan habe. Dieses wurde von Herrn Präsident Asmussen bestritten. Ich erlaube mir daher, Sie an folgende Abschnitte des Briefes zu erinnern, den der Herr Präsident unter dem 1. E'ezember in Sachen Diem an die Mitglieder des Rates gerichtet hat 45 : Seite 3: "Nun aber geht es ganz einfach um die Frage, ob man innerhalb der Heiligen Schrift und der geltenden Bekenntnisse noch seine Meinung sagen darf, auch wenn sie nicht der Generallinie einer Kirchenpartei entspricht. Es hat schon seinen Sinn, wenn e i n h o h e r K i r c h e n b e a m t e r diesen Einspruch durch sein Beispiel eindeutig erhebt." "Da aber die Barmer Theologische Erklärung für den in Treysa 1945 gemachten Anfang von grundlegender Bedeutung ist, ist es m e i η e s A m t e s, in dieser Sache warnend meine Stimme zu erheben." Seite 5: "Also auch hinsichtlich der persönlichen Vorwürfe und unqualifizierten Diffamierungen, an denen Herr Pfarrer Diem nicht ohne Schuld ist, wenn er jetzt den Antrag stellt, mich von meinem Amte zu entfernen, mache ich den Anspruch, das getan zu haben, w a s m e i n e s A m t e s a l s G e s c h ä f t s f ü h r e r d e s R a t e s w a r u n d i s t." Seite 8: "Und wieder stelle ich die Frage, ob ich v o n a m t s w e g e n v e r p f l i c h t e t w a r u n d b i n , diesen Kampf zu führen." Dass der Herr Prädident der Kirchenkanzlei trotz unseres Beschlusses nicht geneigt ist, sich die gebührende Zurückhaltung aufzuerlegen, wird aus einem Vortrag ersichtlich, den er am 1. Februar in Gmünd unter dem Thema "Was ich in Amerika sah und hörte" gehalten hat46. Er hat in diesem Vortrage wiederum den unbegründeten Vorwurf wiederholt: "dass bei uns in den westlichen Zonen nicht wenige prominente Kirchenleute leben, die zusammen mit prominenten Kirchenmännern der Schweiz der Uberzeugung sind,

43 16E2, S. 382f. 44 Vgl. dazu S. 361, Anm. 32. 45

A C D F ST. AUGUSTIN, 3 1-398 N r . V I I

46 Asmusrens Vortrag, den er am 24. Februar 1948 auch in der Stuttgarter Markuskirche gehalten hatte, fand schließlich noch in hektographierter Form Verbreitung. In der Vervielfiltigung heißt es: "[...] jeder weiss in Amerika, so wie es heute ja in Deutschland auch jeder weiss, dass der Kommunismus des Ostens zu uns kommt als eine Heilslehre. Wir bedauern es darum auf das tiefste, dass deutsche Theologen glauben, einen Weg gefunden zu haben, auf welchem man die Lebren des Marxismus mit der evangelischen Botschaft nicht nur vereinigen, sondern auch vermengen kann" (LKA STUTTGART, Dl/233,1).

17E Dokumente

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wir müssten zum mindesten einmal das Experiment einer Symbiose zwischen Kirche und der östlichen Macht durchmachen". Mit ergebenem Gruss! Ihr Niesei [m.p.']

18 Frankfurt/Main, 27. und 28. April 1948 Ort: Beginn: Ende: Teilnehmer:

Protokollant:

Diakonissenhaus, Schwarzwaldstr. 160. Dienstag, 27. April 1948 (Uhrzeit unbekannt). Mittwoch, 28. April 1948 (Uhrzeit unbekannt). Vom Rat: Asmussen, Dibelius, Hagemann (verspätet), Hahn (verspätet), Heinemann (verspätet)1, Held (verspätet), Meiser, Niemöller, Niesei (verspätet), Smend (verspätet), Wurm. Vom Verfassungsausschuß: Brunotte (zeitweise). Von der Kirchenkanzlei: Benn. Merzyn, Schwarzhaupt. 18A Vorbereitung der Sitzung

18A1. Schreiben der Kirchenkanzlei an die Mitglieder des Rates. Schwäbisch Gmünd, 22. März 1948 F: ETA Berlin, 2/60 (H). Betr.: Nächste Sitzung des Rates der EKD. Gemäss Ziffer 7 des hier abschriftlich beiliegenden Protokolls der letzten Ratssitzung 2 soll die nächste Sitzung des Rates der EKD am 27. und 28. April 1948 im Diakonissenhaus in Frankfurt/Main-Niederrad stattfinden (Herr Landesbischof D . Meiser hat uns wissen lassen, dass er an diesen Tagen nicht verhindert ist). U n d zwar soll die Vollsitzung des Rates am Dienstag, den 27.4., nachmittags 15 U h r pünktlich beginnen und am Mittwoch, den 28.4., nachmittags 18.30 U h r beendet sein.

1

2

Zur Teilnahme Heinemanns vgl. den undatierten Aktenvermerk Schwarzhaupts: "Am 14.7.1948 macht«: mich Oberbürgermeister Dr. Heinemann darauf aufmerksam, dass das Protokoll der letzten Ratssitzung, die vor dem 14.7. stattgefunden hat, insofern berichtigt werden muss, als er auch erst mit Oberkirchenrat Held und Moderator Niesei zusammen kam, also an der Besprechung der ersten Punkte nicht teilgenommen hat". Während Heinemann in der Teilnehmerliste des Konzepts für das Protokoll (vgl. S. 443, Anm. 10) mit dem Vermerk "ab Ziffer 9" genannt wird, erscheint er in der Teilnehmerliste des Protokolls (18B, S. 443) jedoch überhaupt nicht. 17B, S. 394-401.

441

18A Vorbereitung

Der Geschäftsführende Ausschuss soll am Dienstag ab 9.30 Uhr eine Vorbesprechung haben, an der diejenigen Ratsmitglieder, die schon anwesend sind, teilnehmen können. Die in der letzten Sitzung des Rates beschlossenen Richtlinien der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland3, sowie die Richtlinien über die Wiederaufnahme von Kriegsgefangenen in die evangelische Kirche4 und auch das mit den Freikirchen zusammen beschlossene Wort christlicher Kirchen für einen rechten Frieden und gegen die Zerreissung des deutschen Volkes5 werden in der nächsten, bereits im Druck befindlichen Nummer unseres Amtsblattes veröffentlicht werden; wir haben sie daher der beiliegenden Protokollabschrift nicht nochmals beigefügt. gez. Asmussen DD 18A2. Schreiben der Kirchenkanzlei an die Mitglieder des Rates. Schwäbisch Gmünd, 15. April 1948 F: ASD Bonn, NL Heinemann,

Allg. Korr. April-Dezember

1948

(Df.

Betrifft: Nächste Sitzung des Rates der EKD. Vorgang: Unser Schreiben vom 22. März 1948 Nr. 2284/487. I. Wir beehren uns, daran zu erinnern, dass die nächste Sitzung des Rates der EKD - so Gott will - am Dienstag den 27. April und Mittwoch den 28. April im Frankfurter Diakonissenhaus stattfinden soll. Und zwar soll die Sitzung des Geschäftsführenden Ausschusses mit den schon anwesenden weiteren Mitgliedern des Rates am Dienstag um 9.30 Uhr beginnen; die Vollsitzung des Rates soll Dienstag nachmittag 15.00 Uhr pünktlich beginnen und Dienstag abend nach dem Abendbrot fortgesetzt werden und Mittwoch nachmittag 18.30 Uhr beendet sein. II. Folgende Beratungsgegenstände sind bisher vorgesehen: 1. Die Grundordnung der EKD und alle damit zusammenhängenden Fragen, insbesondere auch Bestimmung der vom Rat in die Kirchenversammlung zu berufenden Mitglieder sowie Einspruch von 2 Landeskirchen gegen die ihr zugebilligte Zahl von synodalen Mitgliedern der Kirchenversammlung.

3 4 5 6 7

17C2, S. 410ff. 17C3, S. 412ff. 17C4, S. 414ff. Vgl. auch das auf den 16. April datierte Konzept dieses Schreibens: EZA BERLIN, 2/60. 18A1, S. 440f.

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18. Sitzung Frankfurt/Main 27. und 28. April 1948

2. Wahl der 5 Vertreter der EKD in der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland 3. Abendmahlsgespräch 4. Witteriberger Kirchentag 5. Bremen (Eingabe der Bekenntnisgemeinschaft)8 6. CDU-Eingabe9 7. "Christliche Sammlung" 8. Auslands-Gemeinden (Italien, Brasilien) 9. Entwurf einer neuen Disziplinarordnung der EKD 10. Besetzung der Disziplinarkammer der EKD 11. Grundsätze für die Rechtsstellung der Vikarinnen 12. Kriegsgefangene in Russland und Jugoslawien 13. Gesangbuch 14. Pfarrer Lehmann in Durlach 15. Kirchengemeinde Horn (Lippe) 16. Weltgebetswoche der Evangelischen Allianz. ΙΠ. Wir werden vorschlagen, Ziffer 9 bis 16 bereits Dienstag vormittag zu erledigen, falls keine gegenteiligen Wünsche geäussert werden. Für den Fall, dass eine Ergänzung oder Abänderung der vorgeschlagenen Tagesordnung gewünscht werden sollte, wären wir für eine kurze Nachricht dankbar. Im Auftrage: Dr. Merzyn \m.p.~\

8 9

Hsl. ruichgetragen: "Hagemann, Held". Gemeint das Schreiben Beelitz' an den Rat vom 16. Januar 1948, das die Kirchenkanzlei zur Vorbereitung einer Antwort durch den Rat zur Stellungnahme an die Bischöfe und die im leitenden Amt stehenden Geistlichen der Gliedkirchen der EKD verschickt hatte (18D1, S. 461-466). In einem vorläufigen Antwortschreiben Wurms an Beelitz vom 20. Januar 1948 hi$ es zu dieser Eingabe: 'Ich werde dafür Sorge tragen, dass der Rat sich damit beschäftigt. Auf die Frage in Ziff. 5 kann ich Ihnen schon heute antworten, dass der Arbeitskreis der Akademie zwar vom Rat als eine Institution der evang. Kirche anerkannt ist, dass aber eine spezielle Vollmacht zur Führung dieser Gespräche weder erbeten noch erteilt worden ist, sondern dass in dieser Hinsicht die Akademie selbständig gehandelt hat. Die bei dem Gespräch beteiligten Mitglieder des Rates haben nur für ihre Person gesprochen, nicht im Auftrag des Rates" (LKA STUTTGART, Dl/216). Auch Asmussen sandte Beelitz am 4. Februar 1948 ein vorläufiges und unverbindliches Antwortschreiben (EZA BERLIN, 2/277). Eine offizielle Antwort seitens des Rates lag dann ein Jahr später immer noch nicht vor (vgl. die Schreiben Beelitz' an den Rat vom 29. Januar 1949 und an Dibelius vom 31. Januar 1949: EZA BERLIN, 2/278). Zur schleppenden Behandlung der Angelegenheit durch den Rat vgl. die Unterlagen EBD.

18B Protokoll

443

18B

Protokoll F: EZA Berlin, 2/62

(Of

G: Mitschrift 1. Heinemann;

2. Meiser; 3. Smend.

Niederschrift über die Sitzung des Rates der EKD vom 27./28. April in Frankfurt/Main Anwesend: Landesbischof D. Wurm Kirchenpräsident D. Niemöller DD DD Präsident Asmussen DD Landesbischof D. Meiser Bischof D. Dr. Dibelius Landeshauptmann a.D. Hagemann ab Ziffer 3 Oberkirchenrat Held ab Ziffer 9 Moderator Lie. Niesei ab Ziffer 10 Professor D. Dr. Smend ab Ziffer 10 Landesbischof D. Hahn ab Ziffer 10 sowie Oberlandeskirchenrat Brunotte bei Ziffer 10 Oberkonsistorialrat Dr. Benn Oberkirchenrätin Dr. Schwarzhaupt Oberkirchenrat Dr. Merzyn 1. Entwurf einer neuen Disziplinarordnung der EKD Der den Ratsmitgliedern durch die Kanzlei zugeleitete Entwurf einer neuen Disziplinarordnung der EKD soll den Landeskirchen zur Stellungnahme bis 1. August 1948 mitgeteilt werden zur Vorbereitung einer späteren gesamtkirchlichen Regelung und zur Berücksichtigung bei etwaigen eigenen landeskirchlichen Neuregelungen11.

10 Im EZA BERLIN, 2/60 ist ein von Merzyn und Schwarzhaupt bearbeitetes Konzept für das Protokoll überliefert (E). 11 Das Disziplinarrecht der EKD war durch die §§ 5-7 der vom Rat am 2. Mai 1946 verabschiedeten "Verordnung über die Aufhebung und Abänderung von Gesetzen der Deutschen Evangelischen Kirche" bisher nur vorläufig geregelt (C. NICOLAISEN/N.A. SCHULZE, Protokolle Bd. I, S. 513). Danach standen die Disziplinarordnung der DEK vom 13. April 1939 (GBlDEK 1939, S. 27-43), die "Verordnung zur Abänderung, Ergänzung und Durchführung der Disziplinarordnung der DEK" vom 15. Dezember 1939 (GBlDEK 1939, S. 130f.) und die "Verordnung des Leiters der Deutschen Evangelischen Kirchenkanzlei über den Verlust der Rechte des geistli-

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18. Sitzung Frankfurt/Main 27. und 28. April 1948

2. Besetzung der Disziplinarkammer der EKD Die Disziplinarkammer der EKD soll wie folgt besetzt werden: Vorsitzender: Oberkirchenrat D. Mensing, Düsseldorf Stellvertreter: Landeshauptmann Hagemann, Verden Geistlicher Beisitzer: Oberkirchenrat Held, Düsseldorf Stellvertreter: Dekan Dipper, Nürtingen Rechtskundiger Beisitzer: Oberkirchenrat D. Dr. Friedrich, Karlsr[«&e] Stellvertreter: Oberkirchenrat D. Weeber, Stuttgart Beamtenbeisitzer des höheren Dienstes: Oberlandeskirchenrat Brunotte, Hannover Stellvertreter: Oberkirchenrat D. Wagenmann, Hannov[er] Beamtenbeisitzer des mittleren Dienstes: Amtsrat Hellriegel, Schwäb. Gmünd Stellvertreter: Kons. Oberinsp. Havemann12 3. Grundsätze über die Rechtsstellung der Vikarinnen. Die den Ratsmitgliedern durch die Kanzlei zugeleiteten Grundsätze über die Rechtsstellung der Vikarinnen sollen entsprechend der heutigen Beratung neu gefasst und den Landeskirchen dann als Material für ihre etwaigen Regelungen zur Verfügung gestellt werden13.

12

chen Standes" vom 14. April 1944 (GBlDEK 1944, S. 3ff.) in abgeänderter Form auch weiterhin in Geltung. Die Kirchenkanzlei hatte die Ratsmitglieder im Vorfdd der Sitzung mit Schreiben vom 8. Dezember 1947 (18D2, S. 466f.) über den Stand der Arbeiten für ein neues Disziplinarrecht unterrichtet und ihnen einen Entwurf für eine Disziplinarordnung (18D3, S. 467-495), einen Entwurf für ein Rundschreiben an die Landeskirchen (18D4, S. 496) und eine Ausarbeitung Benns (18D5, S. 496-501) übersandt. Die Landeskirchen erhielten den Verordnungsentwurf zur Stellungnahme mit Rundschreiben der Kirchenkanzlei vom 24. Mai 1948 (LKA S T U T T G A R T , Dl/217). Der Beschluß des Rates zur Besetzung der Disziplinarkammer (vgl. dazu C . N I C O L A I S E N / N.A. S C H U L Z E , Protokolle Bd. I, S . 653, Anm. 65) entspricht weitestgehend dem Vorschlag, den die Kirchenkanzlei den Ratsmitgliedern mit Schreiben vom 11. Februar 1948 mitgeteilt hatte (LKA S T U T T G A R T , Dl/216); anstelle von Havemann hatte dieser Vorschlag Kassensekretär Westphal genannt. Wurm berief die Mitglieder der Disziplinarkammer mit Schreiben vom 7. Mai 1948 ( A C D P ST. AUGUSTIN, 3 1-398 N r . X ) .

13 Die Kirchenkanzlei hatte bereits am 10. Februar 1947 eine Umfrage an die Landeskirchen zur Rechtsstellung von Vikarinnen verschickt, in der es u.a. hieß: "Wir bitten zu unserer Unterrichtung um eine gefl. Mitteilung über die Rechtstellung [sie!] der Vikarinnen im Bereich der dortigen Landeskirche. Falls Einzelheiten, wie Besoldung, Aufgabenbereich, Dienstaufsicht über die Vikarinnen, Befugnisse nicht aus den ergangenen Gesetzen ersichtlich sind, bitten wir um gefl. Mitteilung der ergangenen Erlasse oder um eine Darstellung der derzeitigen Praxis. Ausserdem wären wir dankbar für eine Mitteilung über die Zahl der im Dienst der dortigen Landeskirche und der Kirchengemeinden beschäftigten Vikarinnen, sowie - getrennt davon - um die Zahl der in Werken und Verbänden angestellten Vikarinnen" (LKA N Ü R N B E R G ,

18B Protokoll

445

4. Kriegsgefangene in Russland und Jugoslawien W e g e n der n o c h in Jugoslawien befindlichen Kriegsgefangenen soll die Kirchenkanzlei sich an die Ö k u m e n e w e n d e n und die Presse d e m e n t s p r e c h e n d unterrichten14. 5. G e s a n g b u c h E s w u r d e beschlossen, einen Koordinierungsausschuss zu berufen, der sich z u s a m m e n s e t z e n soll aus: M e t a Diestel Herrn Hanisch O b e r k i r c h e n r a t Lie. D r . Söhngen und Oberlandeskirchenrat Dr. Mahrenholz. D i e s e r Koordinierungsausschuss soll den R a t der E K D laufend über den Stand d e r A r b e i t e n u n t e r r i c h t e n . D i e K i r c h e n k a n z l e i soll die L a n d e s k i r c h e n und das H i l f s w e r k hiervon in K e n n t n i s setzen 1 5 .

Meiser 129). Für die Sitzung waren den Ratsmitgliedern der Entwurf für ein Rundschreiben an die Leitungen der deutschen evangelischen Landeskirchen (entspricht weitgehend dem beschlossenen Text: 18C1, S. 458f.) und ein Entwurf für "Grundsätze für die Rechtsstellung von Vikarinnen" (18D6, S. 501ff.) vorgelegt worden; die Kirchenkanzlei empfahl den Landeskirchen mit Rundschreiben vom 26. Juli 1948 (18C1, S. 458/.J heschlußgemäß schließlich "Richtlinien der EKD für die Rechtsstellung der Vikarinnen" (18C2, S. 459ff.). 14 Die Ausführung dieses Ratsbeschlusses durch die Kirchenkanzlei konnte in den einschlägigen Akten im E7A Berlin nicht ermittelt werden. Nach G 2 war im Verlauf der Diskussion im Rat aber ohnehin festgestellt worden, eine "ausländische Vermittlung" müsse als "aussichtslos" betrachtet werden. Auch für ehemalige Wehrmachtsgeistliche und Stabsoffiziere könne letztlich "nichts Entscheidendes" getan werden. Dibelius hatte außerdem empfohlen, zunächst noch die Einlösung der gegebenen Zusagen zur Freilassung der deutschen Gefangenen im Jahr 1948 abzuwarten. Am 27. September 1948 teilte die Kirchenkanzlei dann mit, die Repatriierung der deutschen Kriegsgefangenen in Jugoslawien solle vom 1. November 1948 bis zum 18. Januar 1949 durchgeführt werden (Rundschreiben an die Leitungen der deutschen evangelischen Landeskirchen: LKA NÜRNBERG, Meiser 130; dieses Schreiben enthält auch den vollständigen Repatriierungsplan). · Zu den Verhältnissen in der Kriegsgefangenschaft vgl. W. BENZ/A. SCHARDT, Kriegsgefangene; A . LEHMANN, Gefangenschaft.

15 Zur Entstehung des Evangelischen Kirchengesangbuchs (EKG) vgl. C. NICOLAISEN/N. A. SCHULZE, Protokolle Bd. I, S. 495, Anm. 143. - Uber die Ausführung dieses Ratsbeschlusses durch die Kirchenkanzlei und darüber, ob der Koordinierungsausschuß angesichts der weit fortgeschrittenen Arbeiten am EKG und der damit bereits seit langem beftßten Gremien überhaupt noch eine selbständige Tätigkeit aufgenommen hat, konnten keine Unterlagen ermittelt werden. Im April 1948 hatten sich auf einer Sitzung in Spandau der bei der Neubearbeitung des Gesangbuchs federführende Gesangbuchausschuß des Verbandes evangelischer Kirchenchöre Deutschlands, der für kurze Zeit konkurrierende Ausschuß der östlichen Landeskirchen und der Kreis der westdeutschen Ge-

446

18. Sitzung Frankfurt/Main 27. und 28. April 1948

6. Bibelkammer Der Rat der EKD erklärt sich einverstanden mit dem Beschluss der Bibelkammer, sich aufzulösen, nachdem der Verband Deutscher Bibelgesellschaften gegründet worden ist; Kirchenpräsident D. Niemöller soll als Verbindungsmann des Rates an den Sitzungen des Verbandes Deutscher Bibelgesellschaften teilnehmen16. Der Text des Probetestamentes - N T - soll dem Rat beschleunigt vorgelegt werden. Der Text des Probetestamentes - AT - soll vor Erteilung des Druckauftrages dem Rat vorgelegt werden17. 7. Weltgebetswoche Der Wunsch ökumenischer Stellen, dass sich auch in der EKD die Gepflogenheit, in der ersten vollen Januar-Woche das Gebet um die Einheit der Kirche laut werden zu lassen, durchsetzen möchte, soll den Landeskirchen vorgelegt werden18.

sangbuchreferenten bereits über die grundsätzliche Liedauswahl des Stammteils geeinigt. Die Landeskirchenleitungen erhielten das Liederverzeichnis dann Ende 1948; die Verhandlungen über Strophenauswahl, Textgestaltung und musikalische Fragen konnten allerdings erst 1949 abgeschlossen werden (vgl. dazu C. MAHRENHOLZ, Kirchengesangbuch, S. 19f.). 16 Der "Verband der Evangelischen Bibelgesellschaften in Deutschland" war am 8. April 1948 in Bethel gegründet worden; am 1. Oktober 1948 wurde dann seine Satzung beschlossen (vgl. dazu R. STEINER, Weltbund, S. 16f.; S. MEURER, Jahre, S. 26ff.). Dem Verband gehörten 36 Bibelgesellschaften aus Ost- und Westdeutschland an. Seine Hauptaufgabe, die Herstellung und Verbreitung der Bibel im In- und Ausland, überschnitt sich mit den ursprünglich vorgesehenen Aufgaben der vom Rat der EKD eingesetzten Bibelkammer (vgl. dazu S. 11, Anm. 43), die deshalb aufgelöst wurde Niemöller, der künftig als Verbindungsmann fungieren sollte, hatte bisher den Vorsitz in der kaum wirksam gewordenen Bibelkammer geführt (vgl. 13B, S. 174). 17 Zum Probetestament vgl. S. 173, Anm. 6; zum Fortgang vgl. 21B, S. 593. 18 Aus einem Rundschreiben der Kirchenkanzlei an die Landeskirchenleitungen vom 16. März 1948 geht hervor, daßdie Landeskirchen bereits längere Zeit vor der Beschlußfassung durch den Rat mit der Einführung der Weltgebetswoche befaßt waren (LKA STUTTGART, Dl/216). Dazu hieß es in diesem Schreiben: "Der Aufruf der World Evangelical Alliance zu einer jährlichen Gebetswoche hat in den verschiedenen Landeskirchen eine ganz verschiedene Wirkung hervorgerufen. Soweit wir aus unserem Aktenmaterial uns ein Bild machen können, überwiegen diejenigen Landeslärchen, die sich grundsätzlich einer solchen Gebetswoche gerne anschliessen möchten. Jedoch stehen meistens technische Schwierigkeiten im Wege. Sei es nun, dass die Kirchen schlecht heizbar sind, oder dass in der von World Alliance angegebenen Woche (4.11. Januar) gemäss örtlicher Gewohnheit andere Veranstaltungen üblich sind. Um an unserem Te il der Angelegenheit Förderung gedeihen zu lassen, bitten wir nun die Landeskirchen freundlichst, sich noch einmal der Mühe zu unterziehen, zu erwägen, ob nach ihrer Meinung ein anderer Termin in Frage kommt."

18B Protokoll

447

8. Christliche Sammlung Der Rat nahm von dem Eingang Kenntnis. Es soll nichts veranlasst werden 19 . 9. Zentralbeschaffungsstelle Der Rat nahm von Kenntnis 20 .

dem Bericht

des Referenten der

Kirchenkanzlei

19 Die "Christliche Sammlung" hatte ein auf den 27. März 1948 datiertes programmatisches Wort zu Ostern 1948 in Umlauf gebracht, das von Rathcke gezeichnet war (EZA BERLIN, 2/210). In diesem Wort wurde zunächst die aus "blindem Hass" und "hemmungsloser Vergeltungssucht" genährte Unterdrückung und Entrechtung des deutschen Volkes durch die Siegermächte beklagt, gegen die jetzt die "Christliche Sammlung" angetreten sei. In ihr fänden sich alle diejenigen zusammen, "die sich nicht ergeben, die den verlorenen Kampf der Waffen mit denen des Geistes forsetzen, die sich gegründet in einem aufrechten Gottesglauben einsetzen für eine volkstumsbewusste eigenständige Politik und einen wahren Sozialismus deutscher Prägung". Noch sei das deutsche Volk von den Rechten eines Kulturvolkes ausgeschlossen, doch es wachse bereits die "Einsicht in die deutsche Sendung". Diese Sendung sei "die Sendung des christlichen Abendlandes", die "Auseinandersetzung mit dem größten Unrecht dieses Jahrhunderts, mit dem Unrecht von Versailles, durch das ein begnadetes und friedfertiges Volk wie das deutsche in seinen leidenschaftlichen Vertretern zum Kriege getrieben wurde". Die Sammlung widerstehe auch "der geistigen und seelischen Verstrickung und Zersetzung unseres Volkes durch politisch missdeutbare und fehlwirkende Schuldbekenntnisse" und lehne "die Verwechslung irdischer Machtübung und fehlsamer Machtjustiz mit einem göttlichen Gericht ab". Bis die "Zeit einer unabhängigen Lebensführung und Politik" für das deutsche Volk gekommen sei, solle nun die "Einigung der Angehörigen sämtlicher christlicher Kirchen in Deutschland für Aufgaben tatkräftigen Christentums", "ein praktisches Christentum, eine brüderliche gegenseitige Hilfe und Einigkeit" unter Absehung von allen Bekenntnisstreitigkeiten erreicht werden. Zu den ab schilpend genannten Forderungen der "Christlichen Sammlung" zahlten u.a. die "eindeutige Ablehnung der deutschen Alleinverantwortlichkeit für den letzten Krieg und seine Folgen", das "Lebensrecht und die Rückgabe jener Ländereien, die wir nutzbar gemacht haben und zu unserer Ernährung brauchen" und eindeutige Erklärungen der deutschen Kirchenvertreter "zu dem an uns und unseren 2.500.000 in Gefangenschaft schmachtenden Brüdern begangenen Nachkriegsunrecht" vor der Weltkirchenkonferenz in Amsterdam. Auf das Wort der "Christlichen Sammlung" hatte Asmussen Rathcke mit Schreiben vom Ii. April 1948 geantwortet· "Ich glaube, dass ich in sehr vielen Punkten mit Ihnen einig gehen würde. Einige Ausdrücke und Formulierungen dieses Umdrucks sind mir allerdings fremd. Ob das nur eine Vokabelverschiedenheit oder aber eine Sachverschiedenheit ist, dass müsste sich bei einem Gespräch zeigen" (EBD.).

20 Die "Zentralbeschaffungsstelle" war bereits 1946 ins Leben gerufen worden; "Um allen Landeskirchen und kirchlichen Anstalten, Werken und Verbänden in Zukunft wirksamer bei der Beschaffung von Abendmahlswein, Kerzen, Leuchtern, Altardecken, Kirchenglocken usw. helfen zu können, haben wir eine Zentral-Beschaffungsstelle der EKD in Hannover errichtet, die von Herrn Werner Karwiese geleitet wird und ihren Dienstsitz zusammen mit unserem Archivamt zunächst im Dienstgebäude des Landeskirchenamtes in Hannover, Ebhardtsr. 7A haben wird" Rundschreiben der Kirchenkanzlei an die Landeskirchenregierungen vom λ Dezem-

448

18. Sitzung Frankfurt/Main 27. und 28. April 1948

10. Grundordnung der EKD Oberlandeskirchenrat Brunotte berichtet über das Ergebnis der Besprechung, die der Verfassungsausschuss am 10. und 11. April in Karlsruhe-Rupürr [Rüppur] mit Vertretern des Lutherrates, des Bruderrates, der unierten und reformierten Kirchen hatte21.

her 1946; LKA NÜRNBERG, Meiser 123). Die Kirchenkanzlei unterrichtete die Ratsmitglieder mit Schreiben vom 26. Februar 1948 über scheinbare Unregelmäßigkeiten Karwieses in der Geschäftsführung (18D7, S. S03f.) und teilte am 1. März 1948 auch den Leitungen der Landeskirchen in einem Rundschreiben mit, sie sei "gezwungen gewesen, den seinerzeit Herrn Werner Karwiese erteilten Auftrag zur Leitung unserer Zentralbeschaffungsstelle in Hannover mit sofortiger Wirkung zu kündigen" (LKA STUTTGART, Dl/216). Die Zentralbeschaffungsstelle sei "nur noch beauftragt und bevollmächtigt, bis zum 31. Mai 1948 die bereits laufenden Geschäfte vollends durchzuführen". Eür die Zukunft sei eine "Zentralbeschaffungsstelle neu ins Leben gerufen, deren Leitung wir Herrn Valtier [...] übertragen haben, der die Aufgaben der Zentralbeschaffungsstelle in engster Zusammenarbeit mit uns und mit den zuständigen staatlichen Stellen erfüllen wird, und zwar unter Aufsicht eines von uns bestellten 'Verwaltungsrates der Zentralbeschaffungsstelle der EKD', der aus 3 hervorragenden evangelischen Kaufleuten, unserem Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, sowie unserem Sachbearbeiter und Vorsitzenden des Finanzbeirates besteht". Die Kirchenkanzlei teilte den Ratsmitgliedem in einem Schreiben vom 15. März 1948 femer mit, die Vertragsfirma von Karwiese habe aufgrund der Kündigung "bei dem Landgericht Hannover einen Rechtsstreit gegen die EKD anhängig gemacht" (18D8, S. S04f). Am 7. Juni 1948 schlug die Kirchenkanzlei den Landeskirchenleitungen der westlichen Besatzungszonen in einem Rundschreiben vor, "dass jede einzelne Landeskirche - oder mehrere kleine Landeskirchen gemeinsam - einen Vertreter in den Verwaltungsrat der Zentralbeschaffungsstelle entsendet", "damit die Landeskirchen in der Lage sind, laufend alle ihre Wünsche und Erfahrungen wirksam geltend zu machen und durchzusetzen und mehr und mehr durch die Zentralbeschaffungsstelle einen wirklichen Nutzen zu haben" (LKA NÜRNBERG, Meiser 130). - Zur aufgrund der Währungsreform schon bald darauf vollzogenen Auflösung der Zentralbeschaffungsstelle und der Klärung der Streitigkeiten mit der Firma Maier vgl. außerdem das Rundschreiben der Kirchenkanzlei an die Landeskirchenleitungen vom 11. November 1948 (18E1, S. SICf.). 21 Diese Besprechung, an der neben den Mitgliedern des Verfassungsausschusses außerdem Schwarzhaupt, Benn, Meiser, Sommerlath, Niemöller, Mochalski, Steiner und Friedrich teilnahmen, hatte der Rat auf seiner 17. Sitzung am 9./10. März 1948 in Kassel angeregt (17B, S. 397). Im Verlauf der Besprechung war es zunächst zu einer grundsätzlichen Erörterung über die Frage gekommen, inwiefern die EKD eine Kirche oder ein Bund von Kirchen sein könne. Anschürend waren die Kasseler Fassung des Entwurfs für eine Grundordnung der EKD vom 9. März 1948 (17C1, S. 401-410) und die Abänderungsvorschläge, die der Lutherrat auf seiner Sitzung am 11./12. März 1948 in Darmstadt beschlossen hatte (vgl. dazu das Schreiben Meisers an die Kirchenkanzlei vom 18. März 1948, mit dem Meiser die "Stellungnahme des Lutherrats zur Grundordnung der Evangelischen Kirche in Deutschland und zugleich Vorschlag für eine Neuformulierung des Entwurfs Π" übersandte: LKA STUTTGART, Dl/216), diskutiert worden (zu den Einzelheiten der Diskussion vgl. die von Schwanhaupt am 21. Mai 1948 an die Teilnehmer der Besprechung versandte umfangreiche "Niederschrift über die Sitzung des Verfassungsausschusses mit Vertre-

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Präsident Asmussen verliest einen Beschluss des Bayrischen LandessynodalAusschusses, der darum bittet, dass der Entwurf für eine Verfassung der E K D den synodalen Organen der Landeskirchen zur Stellungnahme zugeleitet wird, und dass erst in einer zweiten Tagung der Kirchenversammlung der endgültige Entwurf festgestellt wird, dieser soll dann v o n den Landeskirchen nur abgelehnt oder angenommen werden können 2 2 ; f ü r den Fall, dass dieser Weg nicht gangbar ist, bittet der Landessynodal-Ausschuss, v o r Einberufung der Kirchenversammlung eine vorbereitende Beratung der Mitglieder der Kirchenversammlung zu veranstalten, in der der Entwurf der Grundordnung besprochen wird 2 3 . A u f diesen A n t r a g beschliesst der Rat, den Entwurf für die Grundordnung noch in dieser Sitzung fertigzustellen und den Landeskirchen zur Kenntnisnahme zuzusenden. Man geht dabei davon aus, dass bis zum Termin der Kirchenversammlung hinreichend Zeit dafür ist, dass die zuständigen landeskirchlichen Organe 2 4 sich mit dem Entwurf befassen.

tern des Bruderrats der EKD, des Lutherrats, der Reformierten und der Unierten am 10. und 11.4.1948 im Diakonissenhaus Karlsruhe-Rüppur": EZA BERLIN, 2/8; vgl. dazu außerdem A. SMITH-VON OSTEN, Treysa, S. 359-363). Das Ergebnis der Besprechung hatte der Verfassungsausschuß dem Rat dann in einem Schreiben vom 11. April 1948 mitgeteilt (18D9, S. 505f; vgl. auch die Anlage zu diesem Schreiben: 18D10, S. 506ff.). Danach betrachtete der Verfassungsausschuß "mit dieser Stellungnahme seine Arbeit als abgeschlossen". 22 E:"[...] da erst zu einer zweiten Tagung der Kirchenversammlung der landeskirchliche Entwurf festgestellt wird, der von den Landeskirchen nur abgelehnt oder angenommen werden kann". 23 Ein derartiges Verfahren hatte nicht der bayerische Landessynodalausschuß, sondern der Präsident der bayerischen Landessynode, Meinzolt, in Ubereinstimmung mit der bayerischen Kirchenleitung und dem Landessynodalausschuß beantragt. In seinem Schreiben an Wurm vom 27. Februar 1948 hatte Meinzolt unter Hinweis auf das Verfahren bei der Schaffung einer Verfassung der VELKD geordert: "Der vom Rat der EKiD im Benehmen mit den Kirchenleitungen aufgestellte Entwurf der Grundordnung soll in der demnächst einzuberufenden Generalsynode der EKiD behandelt werden. Der auf Grund der Verhandlungen der Generalsynode aufzustellende Entwurf ist den synodalen Organen der Landeskirchen binnen einer nicht zu weit zu erstrekkenden Frist zur Stellungnahme zuzuleiten. Nach Eingang der Stellungnahme der Landessynoden ist in der zweiten einzuberufenden Tagung der Generalsynode der endgültige Entwurf aufzustellen, der dann von den Landeskirchen nur angenommen oder abgelehnt werden kann" (EZA BERLIN, 2/6). Das vom Rat bisher vorgesehene Verfahren, nach dem Abänderungsvorschläge durch die Landessynoden nicht möglich seien, beschränke diese in ihrer sachlichen Stellungnahme und hindere sie bei der Wahrnehmung ihrer "verfassungsmäßigen Verantwortung". Vgl. dazu auch das Antwortschreiben Schwarzhaupts vom 21. April 1948, in dem es u.a. hieß, ein solcher Vorschlag sei "in ähnlicher Weise auch von anderer Seite gemacht worden", das weitere Verfahren müsse jedoch erst in der Ratssitzung besprochen werden (EZA BERLIN, 2/7). 24 E: "Landeskirchen".

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18. Sitzung Frankfurt/Main 27. und 28. April 1948

Der Kirchenversammlung soll eine zweitägige geschlossene Vorbesprechung unter den Synodalen am 25. und 26. Juni in Eisenach vorangehen25. Diese Vorbesprechung wird vom Rat geleitet werden26. Der weitere Antrag des bayrischen Synodalausschusses27, einen anderen Tagungsort als Eisenach zu nehmen, wird abgelehnt. Sodann wird der Entwurf Π28 unter Einbeziehung29 der von dem Lutherrat in Darmstadt30 und von dem Verfassungsausschuss aufgrund der Besprechung in Karlsruhe vorgesehenen Änderungen31 durchgesprochen. An der Kasseler Fassung vom 9. März 194832 sollen folgende Änderungen vorgenommen werden33: Vorspruch: Der Vorspruch erhält folgende in Karlsruhe beschlossene Fassung: Grundlage der EKD ist das Evangelium von Jesus Christus, wie es uns in der Hl. Schrift Alten und Neuen Testamentes gegeben ist. Gemeinsam mit der alten Kirche steht die EKD auf dem Boden der altkirchlichen Bekenntnisse.

25 Diese Vorgespräche fanden tatsächlich am 9. und 10. Juli 1948 statt. Dabei führten nach einer Begrüßung durch Wurm zunächst Brunotte und Ehlers in die Grundordnung und ihre Probleme ein, bevor die anwesenden Vertreter der verschiedenen Richtungen innerhalb der EKD ihre stark divergierenden Positionen äderten. In der vertraulichen Sitzung am 10. Juli, von der keine offiziellen Aufzeichnungen überliefert sind, drohten die Verhandlungen dann vor allem an der Formulierung von dem die Abendmahlsfrage betreffenden Art. 4, Abs. 4 der Grundordnung zu scheitern; obwohl es bei den Vorgesprächen letztlich zu keiner Einigung kam, wurde die Kirchenversammlung am 11. Juli trotzdem eröffnet (zu den Vorgesprächen vgl. H. BRUNOTTE, Grundordnung, S. 68-71; EISENACH 1948, S. 9-59; A . SMITH-VON OSTEN, T r e y s a , S. 369FF.; T . WURM, E r i n n e -

rungen, S. 194). 26 27 28 29 30

E: "Der Rat soll den Vorsitz in dieser Vorbesprechung führen". E: "Der zweite Antrag der Bayrischen Synode". Inder Fassung vom 9. März 1948:17C1, S. 401-410. E: "Berücksichtigung". Der Lutherrat hatte auf seiner Sitzung in Darmstadt am 11./12. März 1948 u.a. den Kasseler Entwurffür eine Grundordnung der EKD vom 9. März 1948 diskutiert (vgl. dazu A. SMITH-VON OSTEN, Treysa, S. 356-358). Im Mittelpunkt der Besprechungen stand vor allem der das Abendmahl betreffende Art. 4 des Entwurfs. Das Ergebnis der Besprechungen hatte Meiser zusammen mit einem überarbeiteten Entwurf der Grundordnung in einem Schreiben vom 18. März 1948 an die Kirchenkanzlei

übersandt

( L K A STUTTGART, D l / 2 1 6 ) .

31 Zur Tagung des Verfassungsausschusses der EKD am 10./11. April 1948 in Karlsruhe-Rüppur vgl. S. 448, Anm. 21. 32 Vgl. Anm. 28. 33 E: "In der Kasseler Fassung vom 9. März 1948 sollen folgende Änderungen eingefügt werden".

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Für das Verständnis der Hl. Schrift und der altkirchlichen Bekenntnisse sind in den lutherischen, reformierten und unierten Gliedkirchen und Gemeinden die für sie geltenden Bekenntnisse der Reformation massgebend. Im Gehorsam gegen den Herrn Jesus Christus als das Haupt seiner Gemeinde gibt sich die EKD folgende Ordnung: Artikel 1 erhält folgende Fassung: 1. Die Evangelische Kirche in Deutschland ist ein Bund lutherischer, reformierter und unierter Kirchen. Sie achtet die Bekenntnisgrundlagen der Gliedkirchen und Gemeinden und setzt voraus, dass sie ihr Bekenntnis in Lehre, Leben und Ordnung der Kirche wirksam werden lassen. 2. In der Evangelischen Kirche in Deutschland wird die bestehende Gemeinschaft der deutschen evangelischen Christenheit sichtbar. Mit ihren Gliedkirchen bejaht die EKD die von der ersten Bekenntnissynode in Barmen 1934 getroffenen Entscheidungen34. Sie weiss sich verpflichtet, als bekennende Kirche die Erkenntnisse des Kirchenkampfes über Wesen, Auftrag und Ordnung der Kirche zur Auswirkung zu bringen. Sie ruft die verschiedenen Bekenntniskirchen zum Hören auf das Zeugnis der Brüder. Sie hilft ihnen, wo es gefordert wird, zur gemeinsamen Abwehr kirchenzerstörender Irrlehre. Landesbischof Meiser stimmt dagegen, dass damit die Kasseler Fassung des Absatzes 2 gegenüber den in Karlsruhe vorgesehenen Abänderungen wieder hergestellt wird35. Artikel 2 erhält die in Karlsruhe beschlossene Fassung: 1. Das Recht der EKD und ihrer Gliedkirchen muss auf der im Vorspruch und im Artikel 1 bezeichneten Grundlage ruhen. 2. Die gesamtkirchliche Rechtsetzung darf das Bekenntnis der Gliedkirchen nicht verletzen; die Rechtsetzung der Gliedkirchen darf dem gesamtkirchlichen Recht nicht widersprechen. 3. Die EKD steht in der Ordnung der Ökumene36. Artikel 3 erhält die in Karlsruhe beschlossene Fassung: 1. Die EKD ist um ihres Auftrages willen unabhängig in der Aufstellung ihrer Grundsätze, in der Ordnung und Verwaltung ihrer Angelegenheiten und in der Verleihung und Aberkennung ihrer Amter. 2. Die Regelung ihres Verhältnisses zum Staat bleibt einem Ubereinkommen vorbehalten37. 34 Dieser Satz wurde in Ε von Schwanhaupt nachgetragen. 35 Vgl. dazu die in Kassel beschlossene Fassung (17C1, S. 401) und die vom Lutherrat vorgeschlagene Formulierung, die der Verfassungsausschuß dem Rat mit seinem Schreiben vom 11. April 1948 mitgeteilt hatte (18D10, S. 507). 36 In Ε ist Satz 3 hsl. von Schwarzhaupt nachgetragen. 37 In Ε ist Satz 2 hsl. von Schwarzhaupt nachgetragen.

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18. Sitzung F r a n k f u r t / M a i n 27. und 28. April 1948

Artikel 4 erhält folgende Fassung: 1. Der Dienst am Wort und die Verwaltung der Sakramente geschieht in den Gliedkirchen und Gemeinden nach der Ordnung ihres Bekenntnisses. Vereinbarungen über Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft bleiben den Gliedkirchen überlassen. 2. Der gelegentliche Dienst der Verkündigung soll einem berufenen Diener am Wort in einer Gliedkirche nicht deshalb verwehrt werden, weil er nicht auf ihr Bekenntnis verpflichtet ist. Die geltenden Bestimmungen der Gliedkirchen bleiben unberührt. 3. Das Sakrament der Hl. Taufe wird in allen Gliedkirchen der EKD gegenseitig anerkannt, ebenso die Gültigkeit aller ordnungsgemässen Amtshandlungen. 4. Zur Feier des Heiligen Abendmahles werden in einigen Gliedkirchen Angehörige eines anderen Bekenntnisses ohne Einschränkung zugelassen. In anderen Gliedkirchen erfolgt die Zulassung nur da, wo seelsorgerliche oder gemeindliche Verhältnisse es nahelegen. Die rechtliche Kirchenzugehörigkeit und die Bestimmungen über Abendmahlszucht bleiben in jedem Fall unberührt. Alle Gliedkirchen sind dabei38 einig in dem Gebet, dass der Herr der Kirche einmal allen ihren Gliedern volle und wahre Abendmahlsgemeinschaft schenken möchte. Artikel 4a Zwischen Artikel 4 und 5 der bisherigen Zählung soll auf Vorschlag von Professor Smend ein neuer Artikel 39 mit folgender Fassung eingeschoben werden: Die Ordnung des Verhältnisses der Gliedkirchen40 zueinander und zur EKD ist eine Ordnung der Brüderlichkeit, Verhandlungen und Auseinandersetzungen sowie die Geltendmachung von Rechten und Pflichten zwischen ihnen sollen in diesem Geiste41 stattfinden. II. Aufgaben Artikel 6: Die Worte "Kirchliche Hochschulen und Evangelische Akademien" sollen gestrichen werden. Artikel 12: Vor das Wort "Aufgaben" soll eingefügt werden "einzelne". 38

E : "daher".

39

Der Entwurf Smends, der auf der Sitzung diskutiert und verändert wurde, lautete zunächst: "Die Ordnung des Verhältnisses der Mitglieder der E K D zueinander und zur E K D ist eine Ordnung der Brüderlichkeit. In deren Geist finden Verhandlungen und Auseinandersetzungen und die Geltendmachung v o n Rechten und Pflichten zwischen ihnen statt" ( N L SMEND, hsl. und masch. Fassung).

40

E : "Gliedkirchen der E K D " .

41

E : "in dieser Weise".

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In Artikel 15 und 16 ist ein Schreibfehler zu verbessern. Die Einfügung der Worte "innerhalb der Ökumene" in Artikel 15 gehört an den Schluss von Artikel 16, Absatz 3. Artikel 19: Am Schluss von Absatz 4 soll es heissen "bedarf der Bestätigung durch Kirchengesetz". Artikel 22: Die Zahl der vom Rat berufenen Mitglieder soll auf 20 herabgesetzt werden. Der Artikel soll einen fünften Absatz mit folgendem Text erhalten: Die Mitglieder der Kirchenkonferenz nehmen an den Beratungen des Kirchentages ohne Stimmrecht teil. Artikel 26 erhält in Absatz 1 den Zusatz: Sie nimmt an den Beratungen des Kirchentages ohne Stimmrecht teil. Absatz 2 Satz 3 wird durch folgenden Satz ersetzt: Die Verteilung der Stimmen wird durch Gesetz geregelt. Artikel 27: In Absatz 1 wird zwischen Satz 3 und Satz 442 folgender Satz eingefügt: Er kann Kundgebungen erlassen, wenn die Synode nicht versammelt ist. Artikel 28: Absatz 5 wird gestrichen. Artikel 29: Absatz 2 erhält folgende Fassung: Der Leiter der Kirchenkanzlei und der Leiter des Kirchlichen Aussenamtes werden nach Anhörung der Kirchenkonferenz vom Rat ernannt. Der Leiter der Kirchenkanzlei soll rechtskundig, der Leiter des Kirchlichen Aussenamtes soll Theologe sein. Artikel 30 soll folgende Fassung erhalten: Zur Entscheidung von Streitfragen innerhalb der EKD und zur Begutachtung von Rechtsfragen wird ein Schiedsgerichtshof der EKD eingesetzt. Das Nähere wird durch Gesetz bestimmt. Artikel 33: Absatz 2 erhält folgenden dritten Satz: Der bisherige Rat regelt ferner bis zum Erlass des in Artikel 26 Absatz 2 vorgesehenen Kirchengesetzes die Verteilung der Stimmen in der Kirchenkonferenz. Der Entwurf soll in dieser Fassung der Kirchenversammlung in Eisenach vorgelegt werden, ohne dass die Mitglieder des Rates bei ihrer Stellungnahme bei der Kirchenversammlung an diesen Vorschlag gebunden wären 43 . Er soll möglichst bald in 500 Exemplaren gedruckt und den Landeskirchen zur Verfügung gestellt werden 44 .

42 E: "wird hinter Satz 3". 43 E: "dass die Mitglieder [...] gebunden wären" von Schwarzhaupt hsl. nachgetragen; die folgenden Ziffern 11-14 und 19 hsl. von Schwarzhaupt, 15-18 hsl. von Merzyn nachgetragen. 44 Mit Rundschreiben der Kirchenkanzlei an die Leitungen der Landeskirchen und den Reichsbruderrat vom 28. April 1948 erhielten die Landeskirchen und der Reichsbruderrat zunächst jeweils

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18. Sitzung Frankfurt/Main 27. und 28. April 1948

11. Folgende Persönlichkeiten sollen nach § 5 der Verordnung vom 14.I.4845 als Mitglieder der Kirchenversammlung berufen werden: a) Theologen Vertreter OKR Breit OKR Lie. Kinder Professor Iwand Professor Schlink P. Stemmler [Staemmler] Professor Vogel P. Albertz P. Middendorf P. zur Nieden P. Joh. Busch P. Rengsdorf [Rengstorf] Prof. Sommerlath Frau Oldach P. Wenzel OKR Gerstenmeyer [Gerstenmaier] Tilmaus [Tillmanns] Kirchenrat D. Happich P. Münchmeyer P. Knak P. Ihmels b) Laien Oberin Z arnack Walter Bauer Martin Richter Dr. Hammelsbeck von Thadden Halstenback [Halstenbach] Dr. Nopitsch OKR Ehlers Prof. Erik Wolf Dr. Knorr Krause Graf York [Yorck] RA Schroeder [Schröder] Oberin E. Schwerdtke [Schwedtke] Theill

[Vertreter] Oberin Coerper Dipl. Ing. Jäger [Götzel] Sekr[eZär] d[er] irz[anzösisch] reformierten] Kirche, Berlin P. Müller Söhlmann LG Dir. Budde, Hamburg M. Weigle Präs. Spangenberg Prof. Ritter Scharlach Nützel, Nürnberg von Gersdorf [Gersdorff] R. Kindt Oberin Denneberg, Dresden Stähler46

ein Exemplar des Entwurfs für die Grundordnung (LKA STUTTGART, DL/216; vollständiger Abdruck der vom Rat hier beschlossenen Fassung der Grundordnung: H. BRUNOTTE, Grundordnung, S. 317-361). Am 18. Mai 1948 verschickte die Kirchenkanzlei dann die Exemplare für die Teilnehmer der Kirchenversammlung zur Weiterleitung an die Kirchenleitungen (EZA BERLIN, 2/8). 45 16C5, S. 369. 46 Beruflingsschreiben des Rates an die Genannten vom 10. Mai 1948: EZA BERLIN, 2/43.

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12. Für die Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland47 werden folgende Vertreter der EKD benannt: Kirchenpräsident D. Niemöller D D D D Landesbischof D. Lilje D D P. Middendorf Sup. Kunst P. Schmitz 13. Auf Vorschlag von Moderator Niesei soll die Angelegenheit der reformierten Gemeinde in Marburg in der nächsten Sitzung des Rates wieder zur Sprache gebracht werden48. 14. Professor Boudriot soll 2.000,- RM für Forschungsarbeiten erhalten49. 15. Der Rat nahm davon Kenntnis, dass Frau Weissler von dem Konsistorium in Magdeburg eine laufende Unterstützung erhält. Er beauftragt die Berliner Stelle der Kanzlei der EKD dafür zu sorgen, dass Frau Weissler bezüglich der Höhe und der Dauer ihrer Bezüge den Witwen der Kirchenbeamten von entsprechender Dienststellung in der Ostzone völlig gleichgestellt wird50. 47 Vgl. dazu 10B, S. 12; IIB, S. 68; 16B, S. 362; 17B, S. 399. 48 Zum Ubertritt der reformierten Gemeinde Marburg zum lutherischen Bekenntnis vgl. die vorherigen Beschlüsse des Rates 12B, S. 138f.; 13B, S. 181f.; 15B, S. 290. - Aus den Unterlagen im EZA BERLIN, 2/84/138 Beih. gebt hervor, daß sich der Rat mit dieser Frage nicht mehr beschäftigt hat. 49 Zum Fall des vom Dienst suspendierten Mainzer Professors Boudriot und der bisherigen Behandlung der Angelegenheit durch den Rat vgl. 10B, S. 4; 13B, S. 183; 14B, S. 219 - Die Forschungsbeihilfe wurde gewährt für eine "Geschichte der reformierten Kirche in Deutschland". Eine solche Geschichte zu schreiben, hatte Niesei in seinem Schreiben vom 10. Dezember 1947 an Boudriot angeregt (NL BOUDRIOT) und auch den entsprechenden Antrag an den Rat gestellt. Für die Gewährung der Forschungsbeihilfe bedankte sich Boudriot in einem Schreiben vom 19. Juni 1948 an Wurm, in dem er atßerdem ausdrücklich darum bat, Wurm möge sich für seine Wiederverwendung einsetzen und bei dem Rektor der Mainzer Universität "um Aufhebung der durch die Landesregierung Rheinland Pfalz über mich verhängten unbegründeten Suspension vorstellig werden" (EBD.). Boudriot erlebte seine Rehabilitierung jedoch nicht mehr: Er verstarb am 23. August 1948 an den Folgen eines Herzinfarkts. Seine Angehörigen wurden von der Mainzer Universität nicht darüber informiert, daß er seine Vorlesungen möglicherweise demnächst wieder hätte aufnehmen können (vgl. dazu K. DIENST, Professor Werwolf, S. 451f.). 50 Eine erste, von Merryn abgeänderte Fassung dieses Beschlusses in Ε stammte von Schwarzhaupt: "Frau Weißler soll eine laufende Unterstützung in der Weise zugesagt werden, daß sie nach Möglichkeit der Witwe eines Kirchenbeamten der EKD gleichstellt. Die Kanzlei in Schwäbisch-Gmünd und die Berliner Stelle sollen sich über die Durchführung verständigen." Der Bruderrat der EKD hatte in einem Schreiben vom 11. Februar 1948 den Rat gebeten, der Witwe Johanna Weißler seitens der EKD eine Pension zu zahlen (18D11, S. 508f). Ihr Mann, Friedrich Weißler, war am 19. Februar 1937 im KZ Sachsenhausen ermordet worden, weil er mit-

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18. Sitzung Frankfurt/Main 27. und 28. April 1948

16. Abendmahlsgespräch51: Nachdem Herr Präsident Asmussen erklärt hat, dass er an den weiteren Abendmahlsgesprächen nicht teilnehmen wird, sieht der Rat von einer Beschlussfassung ab und beauftragt Herrn Moderator Lie. Niesei mit der Erledigung der Angelegenheit entsprechend der erfolgten Aussprache52. 17. Wittenberger Kirchentag53: Der Rat der EKD stellt folgendes fest: 1. Träger der Hundertjahrfeiern kann nur die Innere Mission sein. 2. Der Rat würde es begrüssen, wenn die Innere Mission das Hilfswerk dabei beteiligen würde.

verantwortlich dafür gemacht wurde, daß die vertrauliche Denkschrift der VKL II an Hitler vom 28. Mai 1936 im Ausland veröffentlicht worden war (vgl. dazu M. GRESCHAT, Widerspruch). Zur weiteren Regelung der Versorgungsbezüge durch die Berliner Stelle der Kirchenkanzlei vgl. das Schreiben an die Kirchenkanzlei vom 28. Mai 1948 (18E2, S. 511f); vgl. auch das Schreiben Johanna Weißlers an Merzyn vom 5. April 1948 (EZA BERLIN, 2/92). 51 Das erste offizielle Abendmahlsgespräch im Auftrag der EKD hatte am 30. September/1. Oktober 1947 stattgefunden (vgl. dazu C. NICOLAISEN/N.A. SCHULZE, Protokolle Bd. I, S. 727, ANM. 26).

52 Hier ging es darum, ob Bultmann zu den Abendmahlsgesprächen zugezogen werden sollte, was Niesei, Heinemann und Meiser ablehnten (G 2). Vgl. dazu auch das Schreiben Asmussens an die Ratsmitglieder vom 16. März 1948, in dem es u.a. hieß: "Nachdem das erste Abendmahlsgespräch zwischen Vertretern verschiedener Konfessionen ausgesprochen fruchtbar verlaufen ist, wird nunmehr von verschiedenen Seiten der Wunsch geäussert, den Kreis der Teilnehmer zu erweitern. Vor allen Dingen ging es darum, ob Herr Professor Bultmann aus Marburg zu den Gesprächen hinzuzuziehen sei. Ich selber sehe darin eine Unmöglichkeit und erinnere mich, dass auch das Ratsmitglied Dibelius einer Hinzuziehung von Professor Bultmann seinerzeit sehr ablehnend gegenüberstand. Ich bitte die Ratsmitglieder um eine Meinungsäusserung, ob nach Ihrer Meinung Herr Professor Bultmann hinzuzuziehen sei. Sollte der Rat der Meinung sein, dass dies geschehen müsse, bitte ich, dass gleichzeitig Erwägungen darüber angestellt werden, welches Ratsmitglied an meiner Stelle an dem Gespräch teilnehmen soll" (LKA STUTTGART, Dl/216). Am 6. April hatte Asmussen dann den Ratsmitgliedern in einem weiteren Schreiben mitgeteilt: "Das Ergebnis der Rundfrage betr. das Abendmahlsgespräch kann zu keinem Ergebnis führen, da zwei Ratsmitglieder eine Besprechung gelegentlich der nächsten Sitzung wünschen" (EBD.). 53 Vom 2t. bis 23. September 1848 hatte in Wittenberg der erste deutsche evangelische Kirchentag mit ca. 500 Ddegierten stattgefunden. Er hatte u.a. die Gründung eines Kirchenbundes beschlossen, der dann in dieser Form jedoch nicht zustandekam. Auf die berühmte Rede Wichems vom 22. September hin war die Innere Mission unter die Aufgaben des geplanten Kirchenbundes aufgenommen und die Bildung eines Centraiausschusses für die Innere Mission in Aussicht genommen worden (vgl. dazu W. BAUER, Kirchentag; S. 478; E. BEYREUTHER, Geschichte, S. 105-108; P. STEINACKER, Kirchentage, S. 101f.; W.-D. HAUSCHILD, Kirche, S. 658; H.H. WALZ, Kirchentag, S. 1528f.).

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3. Für eine gesonderte Feier des Hilfswerks liegt keine Veranlassung vor54. - Oberkirchenrat Held hat sich bei der Beschlussfassung der Stimme enthalten 18. Bremen: Der Rat beauftragt seine beiden Mitglieder Oberkirchenrat Held und Präsident Hagemann, sich in Bremen über die dortigen kirchlichen Verhältnisse zu unterrichten und dem Rat darüber zu berichten55.

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Vgl. dazu das Rundschreiben der Kirchenkanzlei an die Leitungen der Landeskirchen vom 4. Februar 1948, in dem es mit der Bitte um Stellungnahme u.a. hieß: "Das Zentralbüro des Hilfswerkes der Evang. Kirchen in Deutschland wendet sich unter dem 29.1. an den Vorsitzenden des Rates der EKD. Es macht darauf aufmerksam, dass das Exekutiv-Kommitee [sie!] den Vorschlag mache, den 100jährigen Gedenktag des Wittenberger Kirchentages von 1848 durch die g a η ζ e EKD begehen zu lassen u[nd] zw[ar] im Rahmen einer Kirchenversammlung in Wittenberg. Das Zentralbüro würde es sich angelegen sein lassen, für die Durchführung dieser Kirchenversammlung alles zu tun, was in seiner Kraft stehe" (LKA NÜRNBERG, Meiser 130). Daneben habe auch der Centraiausschuß der Inneren Mission Pläne, "wonach für die Ostzone in Wittenberg und für die Westzone in Bethel eine Gedenkfeier vorbereitet werden soll" (zu diesen Plänen vgl. das Schreiben Liljes an Wurm vom 7. April 1948: LKA STUTTGART, Dl/216; vgl. außerdem das Schreiben Bergs an Münchmeyer vom 10. April 1948: 18E3, S. 512515). Nach Wurms Meinung schlossen sich beide Pläne jedoch nicht aus, es sei vielmehr "durchaus denkbar, dass ausser einer allgemeinen Kirchenversammlung auch die Innere Mission ihrer besonderen Verbindung mit Wichern gedenke". Link äußerte in seiner Stellungnahme für Meiser vom 22. Februar 1948 die Befürchtung, "daß eine solche 'Kirchenversammlung' kirchenpolitisch im Sinne der Union oder 'Unität' ausgeschlachtet werde" (EBD.). Außerdem liege es "völlig außerhalb des Aufgabengebietes des Hilfswerks, Kirchenversammlungen anzuregen, zu propagieren oder gar durchzuführen. In letzter Zeit scheinen sich mir die Anzeichen dafür zu mehren, daß das Hilfswerk unter geschickter Benutzung der sich mehrenden Bedeutungslosigkeit der Kanzlei der EKD dazu übergeht, auf eigene Faust eine Art inoffizielles Kirchenregiment sich anzumaßen. Unsere Landeskirche sollte sich nicht dazu hergeben, derartige Bestrebungen zu unterstützen". - Zur Annäherung von Hilfswerk und Innerer Mission im Verlauf der dann vom Central-Ausschuß durchgeführten Hundertjahrfeiern vgl. J.M. WLSCHNATH, Kirche, S, 220f.

55 Zu den Auseinandersetzungen zwischen dem bremischen Kirchenausschuß und der dortigen Bekenntnisgemeinschaft über die Bremische evangelische Kirche und ihr Verhältnis zur EKD vgl. 5. 282, Anm. 26 und 27. - Die Bekenntnisgemeinschaft Bremen hatte sich nach der Stellungnahme Asmussens vom 29. April 1947 (vgl. Ebd.) am 16. Dezember 1947 mit einem Schreiben und einer Aktenzusammenstellung an Wurm gewandt und beklagt, daß der 3. Bremer Kirchentag am 9. Mai 1947 "das Zeugnis der Bekenntnisgemeinschaft nicht genügend ernst nahm, weil ja scheinbar der Rat der EKD auf Seiten des Kirchenausschusses stand. Daß es sich nur um eine Stellungnahme des Präsidenten der Kanzlei handelte, war damals nicht zu erkennen" (EZA BERLIN, 2/127). Es stelle eine erneute Anfechtung für die Bekenntnisgemeinschaft dar, daß "die Stellungnahme des Rates der EKD nunmehr in einem privaten Schreiben von Herrn Präsidenten Asmussen an Herrn P. Sprondel [13C2, S. 293f] in Bremen bekanntgegeben" sei, der erst "seit

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19. Die nächste Zusammenkunft des Rates soll im Zusammenhang mit der Kirchenversammlung in Eisenach stattfinden56. gez. Dr. Merzyn gez. Schwarzhaupt 18C Anlagen und Beschlußtexte 18C1. Rundschreiben der Kirchenkanzlei an die Leitungen der deutschen evangelischen Landeskirchen. Schwäbisch Gmünd, 26. Juli 1948 F: LKA Nürnberg, Meiser 130 (H). Betrifft: Äussere Rechtsstellung der Vikarinnen. In den letzten Monaten wurden im Osten und im Westen von verschiedenen Seiten Bemühungen unternommen, um die Frage, die die Mitwirkung der Jahresfrist in Bremen und schon aus diesem Grunde keineswegs mit den Bremischen kirchlichen Verhältnissen vertraut" sei. Darüber hinaus enthalte der Brief eine "völlige Abkehr" von der Stellungnahme Asmussens an den Kirchenausschuß und hätte diesem ebenfalls bekanntgegeben werden müssen. Zum erneuten Protest werde die Bekenntnisgemeinschafi nun durch die "gesami:kirchliche Entwicklung in der EKD" genötigt, da aus dem "Zweckverband Bremische Kirche" nach wie vor keine Kirche geworden sei und somit folglich auch nicht davon die Rede sein könne, die Bremische evangelische Kirche sei "ohne Anerkennung der Artikel 1 und 2 des Entwurfs der 'Grundordnung der Evangelischen Kirche in Deutschland'" Gliedkirche der EKD. Bevor Bremen Vertreter in die Kirchenversammlung entsenden könne, müßten die Bremer Verhältnisse erst von Grund auf geklärt werden, "insbesondere hinsichtlich der 'Glaubens-, Lehrund Gewissensfreiheit'". Abschließend betonte die Bekenntnisgemeinschaft, "daß sich in Bremen eine Anzahl Gemeinden zusammengefunden haben, die als Bekenntnisgemeinschaft gemäß der 'Gmndordnung' die Verbindung zur EKD suchen, da ihnen der Weg über die sog. Bremische Evangelische Kirche bekenntnismäßig nicht möglich ist. Der verfassungsmäßige Versuch, dem 'Zweckverband' einen Weg zur Bekenntniskirche (so wie sie in der Grundordnung vorgesehen ist) [sie!] ist mißlungen, da alle Anträge aufgrund der liberalen Mehrheit des Kirchentages niedergestimmt wurden". - Hagemann kündigte dem Bremer Kirchenausschuß, der sich kurz nach der Sitzung ebenfalls nochmals an den Rat wandte, in seinem Schreiben vom 8. Mai 1948 beschlußgemäß "nähere Feststellungen an Ort und Stelle" an, nachdem dem Rat "Klagen mehrerer der dortigen Gemeinden und sonst aus der Stadt Bremen heraus vorgetragen worden" seien (EZA BERLIN, 2/127; EBD. auch Abschriften des Schreibens an Held und die Kirchenkanzlei). Es verstehe sich dabei wohl von selbst, di$ über diese Klagen nicht verhandelt werden könne, ohne dem Kirchenausschuß "zuvor Gelegenheit zur Äusserung gegeben" worden sei. - Auf seiner 21. Sitzung am 2./3. Dezember 1948 in Frankfurt/Main stellte der Rat die hier beschlossene Prüfung der Verhältnisse in Bremen dann zunächst zurück (vgl. 21B, S. 579). 56 Vgl. S. 517-549. - Zur 18. Sitzung vgl. außerdem das Schreiben Niemöllers an Wurm vom 16. April 1948 (18E4, S. 515f).

18C Anlagen und Beschlußtexte

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theologisch gebildeten Frau am geistlichen Amt betrifft, weiter zu klären. Ein theologischer consensus über diese Frage besteht heute noch nicht. Die Unterschiede in den Auffassungen beruhen nicht nur auf einem verschiedenen Verständnis der Schriftaussagen im Alten und Neuen Testament über die Frau, sondern auch auf einem verschiedenen Verständnis des geistlichen Amtes. Dazu kommt, dass die äusseren Verhältnisse und Bedürfnisse im Osten und im Westen sehr verschieden sind. Die Entwicklung ist zur Zeit noch im Fluss; es ist daher wohl noch nicht an der Zeit, in landeskirchlichen Gesetzen das Vikarinnenamt in Bezug auf seine Einordnung in die Gemeinde und auf sein[en] Aufgabenbereich ausdrücklich festzulegen. Wir halten es aber für nötig, dass da, wo es noch nicht geschehen ist und wo Vikarinnen beschäftigt werden, die äussere Rechtsstellung und die wirtschaftliche Versorgung der Vikarinnen gesetzlich geordnet wird. Dabei kann ohne ausdrückliche Festlegung davon ausgegangen werden, dass in den Landeskirchen, die Vikarinnen beschäftigen, diese als Theologinnen in irgendeiner Weise am Dienst der Wortverkündigung beteiligt sind und einen Auftrag haben, der dem des Pfarrers ähnlicher ist als etwa dem eines Kirchengemeindebeamten oder Angestellten. Die Rechtsstellung der Vikarinnen sollte daher nicht in einen Rahmen eingepresst werden, der zu diesem A m t nicht passt, sondern sie bedarf einer eigenen Gestaltung, die der Eigenart des Dienstes entspricht. Wir empfehlen den Landeskirchen nach den anliegenden Grundsätzen für eine Gestaltung der Rechtsstellung der Vikarinnen 57 , die im Rat der EKD erörtert worden sind, zu verfahren 58 . I.V.: gez. Dr. Merzyn 18C2. "Richtlinien der EKD für die [Frankfurt/Main, 27./28. April 1948]

Rechtsstellung

der Vikarinnen".

F: LKA Nürnberg, Meiser 130 (H; Anlage zu 18C1).

I. Den Landeskirchen wird empfohlen, soweit es noch nicht geschehen ist, eine Liste für die anstellungsfähigen Theologinnen zu eröffnen, in die diejenigen Theologinnen aufgenommen werden, die das zweite theologische Examen bestanden und Aussicht haben, im Dienst der Landeskirche beschäftigt zu werden. 57 18C2, S. 459ff. 58 Entwurf: "Wir stellen den Landeskirchen die anliegenden Grundsätze für eine Gestaltung der Rechtsstellung der Vikarin zur Verfügung" (ASD BONN, NL Heinemann, Teil 1282).

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II. Den Vikarinnen sollte unter bestimmten Voraussetzungen eine lebenslängliche Anstellung gewährt werden. Voraussetzung wäre die Übertragung einer planmässigen Stelle und ein bestimmtes Dienstalter entsprechend der Regelung für die Pfarrer. m. Bei den Landeskirchen wird im allgemeinen das Bedürfnis bestehen, nicht alle Vikaiinnen in feste Stellen in den Gemeinden zu beschäftigen, sondern einige für wechselnde Aufgaben, insbesondere für Vertretungen, zur Verfügung zu haben. Diese Vikarinnen sollten in den unmittelbaren landeskirchlichen Dienst übernommen werden. Es sollte darauf Bedacht genommen werden, dass nicht mehr als 20 % der vorhandenen Vikarinnen in dieser Weise ohne festes Amt beschäftigt werden und dass jede einzelne Vikarin nicht länger als eine angemessene Zeit in diesem wechselnden Dienst steht. IV. Die Dienstaufsicht über die Vikarinnen sollte entsprechend der der Pfarrer geordnet sein. Das würde in der Regel Unterstellung unter den Superintendenten, bei Vikarinnen im unmittelbaren Dienst der Landeskirche unter die landeskirchliche Behörde bedeuten. V. Die Versetzung, Versetzung in den Ruhe- und Wartestand, die Entlassung, die disziplinarischen Verhältnisse, die Besoldung und die Gewährung von Urlaub sollte nach Möglichkeit nach den entsprechenden Bestimmungen für die Pfarrer geregelt werden. VI. Es wird sich in den Landeskirchen, die eine grössere Zahl von Vikarinnen beschäftigen, empfehlen, einen Vikarinnenausschuss zu bilden oder eine Vertrauensvikarin wählen zu lassen. Der Sachbearbeiter der landeskirchlichen Behörde hätte den Ausschuss oder die Vertrauensvikarin vor der Entscheidung allgemeiner Fragen der Vikarinnen und schwierigerer Personalfragen, die Vikarinnen betreffen, zu hören.

18D Vorlagen und Anträge

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vn. Bei Verheiratung wird die Vikarin in der Regel aus dem Dienst ausscheiden. Ihr Verbleiben kann die Landeskirche genehmigen. Bei ihrem Ausscheiden sollte sie eine Abfindung erhalten, die in Anlehnung an § 64 Deutsches] B[e] bes[setzten] Zone, gez. Arnold Fratzscher, Hannover, Generalsekretär der C D U in Niedersachsen, gez. Adolf Cillien, Hannover, Landesoberkirchenrat, M.d.L., gez. Fritz Söhlmann, Oldenburg, M.d.L., gez. Gustav Theill, Remscheid, Fabrikant, M.d.L., veröffentlichten Kundgebung zur "Tötung des keimenden Lebens" vom 7. Oktober 1947 basierte 68 69

(Neue Kirche N r . 17 vom 12. O k t o b e r 1947). Vgl. dazu H . NOORMANN, Protestantismus Bd. 1, S. 252-269. Vgl. die Kundgebung der Westfälischen Provinzialsynode "Ein W o r t zur Neuordnung von Staats- und Wirtschaftsleben" vom Oktober 1946 (KJ 1945-1948, S. 210-214).

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gez. Hellmut Lauffs, Düsseldorf-Benrath, Studiendirektor, Vorsitzender des Evangelischen Arbeitsausschusses in Nordrhein-Westfalen, gez. Dr. h.c. Robert Lehr, Düsseldorf, Oberpräsident a.D., Vorsitzender des Evangelischen Tages der Rheinischen CDU, sx[ell]v[ertretender] Vorsitzender des Landesverbandes Nordrheinprovinz u. stellvertretender] Vors[itzender] des Zonenbeirates, gez. Dipl. Kaufmann Johannes Kunze, Bethel bei Bielefeld, Mitglied d[er] Westfälischen] Prov[inzial] Synode, gez. Dr. Otto Boelitz, Soest, Staatsminister a.D., Vorsitzender der Evangelischen Tagung der CDU in Westfalen. 18D2. Schreiben der Kirchenkanzlei an die Mitglieder des Rates. Schwäbisch Gmünd, 8.. Dezember 1947 F: LKA Nürnberg, Meiser 125 (D).

Ein Arbeitskreis, der aus den Herren Oberkirchenrat Dr. Friedrich, Karlsruhe, Oberlandeskirchenrat Brunotte, Hannover, Oberlandeskirchenrat Dr. Ehlers, Oldenburg, Oberkirchenrat Dr. Mensing, Düsseldorf, Oberkonsistorialrat Dr. Benn, Berlin, Pfarrer Adam, Frankfurt/Main, besteht, hat den anliegenden Entwurf für eine Disziplinarordnung der EKD erarbeitet70. Da sich auch eine Reihe von Landeskirchen mit einer Neuordnung ihres Disziplinarrechtes beschäftigen, haben wir Bedenken, die Bekanntgabe des Entwurfs lange hinauszuziehen und schlagen vor, ihn mit dem als Anlage 2 beigefügten Rundschreiben an die Landeskirchen71 zu versenden. Nach Fertigstellung des Entwurfs in einer Sitzung, an der Herr Dr. Benn nicht beteiligt war, ging die als Anlage 3 beigefügte Ausarbeitung von Herrn Dr. Benn ein72. Sie geht insofern einen anderen Weg als der Entwurf des Ausschusses, als das Verfahren brüderlicher Zucht von dem Disziplinarverfahren ganz getrennt wird. Die Mehrzahl der Ausschussmitglieder hat sich dafür ausgesprochen, dass der Entwurf des Ausschusses mit dem anliegenden Begleitschreiben an die Landeskirchen versandt wird.

70 18D3, S. 467-495. 71 18D4, S. 496. 72 18D5, S. 496-501.

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Antrag: Der Rat möge in seiner nächsten Sitzung beschliessen, dass der Entwurf, Anlage 1, mit dem Begleitschreiben, Anlage 2, an die Landeskirchen versandt wird. Im Auftrag gez. Dr. Schwarzhaupt 18D3. "Entwurf für ein Gesetz über die Verletzung von Amtspflichten der Geistlichen" F: LKA Nürnberg, Meiser 125 (H; Anlage zu 18D2J.

I. Anwendbarkeit und Zuständigkeit §1 1. Wenn ein Pfarrer oder Kirchenbeamter schuldhaft die Pflichten verletzt, die ihm mit seinem Amt übertragen sind, kann gegen ihn ein Verfahren nach diesem Gesetz stattfinden. 2. Uber den Vorwurf, ein Pfarrer sei in seiner Verkündigung von dem Bekenntnis der Kirche abgewichen, wird nicht nach diesem Gesetz entschieden. §2 1. Ein Verfahren gemäss § 1 Absatz 1 kann auch stattfinden, wenn der Pfarrer oder Kirchenbeamte nach der Pflichtverletzung aus dem Dienst der Kirche ausgeschieden, in einen anderen kirchlichen Dienst oder in den Ruhestand oder Wartestand übergegangen ist. 2. Gegen Pfarrer oder Kirchenbeamte im Ruhestand kann ein Verfahren stattfinden, wenn sie gegen die ihnen auch im Ruhestand obliegenden Verpflichtungen Verstössen haben, gegen Pfarrer insbesondere, wenn sie die Verpflichtungen verletzen, die den Rechten des geistlichen Standes entsprechen. §3 1. Pfarrer ist, wer von der Evangelischen Kirche in Deutschland oder einer Landeskirche im geistlichen Dienst auf Lebenszeit angestellt ist. Diesem Gesetz untersteht auch, wer in den Vorbereitungsdienst aufgenommen oder wer widerruflich zum geistlichen Dienst bestellt ist. Das Gleiche gilt von denjenigen, die in einem der kirchlichen Leitung oder Dienstaufsicht unterstehenden geistlichen Dienst tätig sind. 2. Kirchenbeamter ist, wer zur Evangelischen Kirche in Deutschland, zu einer Landeskirche, zu einer Kirchengemeinde oder zu einem kirchlichen Gemeinde- oder Synodalverband in einem Dienstverhältnis steht, das ausdrück-

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lieh als Kirchenbeamtenverhältnis begründet worden ist. Kirchenbeamte sind auch Personen im Dienst von kirchlichen Körperschaften oder Werken, die unter kirchlicher Leitung oder Dienstaufsicht stehen, wenn das Dienstverhältnis von der obersten Dienstaufsichtsbehörde ausdrücklich als Beamtenverhältnis; bestätigt worden ist. 3. Es bleibt dem landeskirchlichen Recht überlassen, diese Ordnung auch auf andere kirchliche Dienste auszudehnen. §4 1. Ob wegen einer Verfehlung einzuschreiten ist, bestimmt die zuständige Dienststelle nach pflichtmässigem Ermessen. Sie hat dabei auch das gesamte dienstliche und ausserdienstliche Verhalten zu berücksichtigen. 2. Zuständige Dienststellen sind: a) für Pfarrer und Kirchenbeamte, die in einem unmittelbaren Dienstverhältnis zu Evangelischen Kirche in Deutschland oder unter der Dienstaufsicht einer Behörde der Evangelischen Kirche in Deutschland stehen, der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland, b) für Pfarrer und Kirchenbeamte, die einem unmittelbaren Dienstverhältnis zu einer Landeskirche oder unter der Dienstaufsicht einer Landeskirchenbehörde stehen, die nach Landeskirchenrecht zuständigen Dienststellen. c) für Pfarrer und Kirchenbeamte im Ruhestand die zuletzt vor Beginn des Ruhestandes zuständig gewesene Dienststelle oder die Stelle, die ihre Befugnisse übernommen hat. II. Ermittlungen §5 l. 73 Werden Tatsachen bekannt, die den Verdacht einer Verfehlung begründen, so veranlasst die zuständige Dienststelle die nötigen Ermittlungen, um den Sachverhalt aufzuklären. Dabei ist der Betroffene zu hören. Es können auch andere Personen gehört werden. Der Betroffene kann auch weitere Ermittlungen anregen. Er ist über das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen zu unterrichten. §6 Ist gegen einen Pfarrer oder Kirchenbeamten öffentliche Klage im strafgerichtlichen Verfahren erhoben, so kann wegen derselben Tatsache ein Verfahren nach diesem Gesetz zwar eingeleitet werden, es soll aber bis zur Beendigung des strafgerichtlichen Verfahrens ausgesetzt werden. Dasselbe gilt,

73 Diese Ziffer ist in der Vorlage offensichtlich irrtümlich gesetzt worden; es folgt keine weitere Ziffer.

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wenn nach Einleitung des kirchlichen Verfahrens wegen derselben Tatsache öffentliche Klage erhoben wird. Die tatsächlichen Feststellungen des strafgerichtlichen Urteils können im kirchlichen Verfahren verwendet werden. §7 Das kirchliche Verfahren kann ausgesetzt werden, wenn es ihm auf die Beurteilung einer Frage ankommt, über die in einem anderen Verfahren entschieden werden soll. Die tatsächlichen Feststellungen des anderen Verfahrens können verwertet werden. §8 Ein Verfahren nach diesem Gesetz kann auch eingeleitet oder fortgesetzt werden, wenn der Betroffene inzwischen geisteskrank oder verhandlungsunfähig geworden ist. Der Betroffene wird durch den Vormund oder einen zu bestellenden Pfleger vertreten. §9 1. Eine Dienststelle, die Ermittlungen nach § 5 veranlasst, kann dem Betroffenen die Ausübung des Dienstes vorläufig untersagen. Eine nicht zuständige Dienststelle kann diese Maßnahme nur in dringenden Fällen treffen. Sie muß unverzüglich die Entscheidung der zuständigen Dienststelle herbeiführen. 2. Die Maßnahme kann jederzeit wieder aufgehoben werden. §10 Ergeben die Ermittlungen keinen Anlass zu einem weiteren Verfahren, so ist dies dem Betroffenen und gegebenenfalls anderen Beteiligten durch Beschluss unter Angabe der Gründe mitzuteilen. ΙΠ. Disziplinarverfügung §11 1. Warnung, Verweis und Geldbusse bis zur Höhe eines Monatsgehalts können die nach § 4 zuständigen Dienststellen verfügen. 2. Die Disziplinarverfügung ergeht schriftlich und ist zu begründen. Sie wird dem Betroffenen zugestellt. 3. Der Betroffene kann binnen zwei Wochen nach der Zustellung Beschwerde erheben. Uber die Beschwerde entscheidet das Kirchengericht durch einen Beschluss. Gegen den Beschluss kann der Betroffene binnen zwei Wochen nach der Zustellung weitere Beschwerden erheben. Uber diese entscheidet der Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland. Keine Dienststelle ist befugt, nach Einlegung der Beschwerde ihre Disziplinarverfügung oder Beschwerdeentscheidung selbst aufzuheben.

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IV. Ordnung brüderlicher Zucht §12 1. Hält die zuständige Dienststelle eine Disziplinarverfügung für nicht ausreichend, so legt sie das Ergebnis ihrer Ermittlungen dem nach § 14 gebildeten Konvent für brüderliche Zucht vor. Ein Bericht des unmittelbaren Dienstvorgesetzten ist beizufügen. In ihm soll auch das gesamte dienstliche und ausserdienstliche Verhalten des Betroffenen dargestellt werden. 2. Der Tatbestand, der zum Gegenstand der Beschuldigung vor dem Konvent gemacht wird, ist schriftlich festzulegen. §13 Das Verfahren vor dem Konvent kann mit Zustimmung der zuständigen Dienststelle ausgesetzt werden, wenn ein anderes Verfahren wegen des gleichen Tatbestandes schwebt. §14 1. Der Konvent besteht aus dem leitenden Geistlichen der Landeskirche oder einem von diesem ernannten Vertreter sowie zwei Pfarrern und zwei nichtgeistlichen Synodalen, von denen einer rechtskundig sein soll. Die Pfarrer und die Synodalen werden von der Landessynode erannnt. Das landeskirchliche Recht kann bestimmen, dass die beiden Pfarrer von der Pfarrerschaft entsandt werden. 2. Bei Kirchenbeamten tritt an Stelle des einen Pfarrers ein Kirchenbeamter aus der gleichen Laufbahn wie der Beschuldigte; diesen bestimmt die Kirchenleitung. §15 1. Der Konvent beauftragt ein Mitglied, mit dem Beschuldigten ein vorbereitendes Gespräch zu führen. 2. Der Beschuldigte wird zu diesem Gespräch mit einer Frist von zwei Wochen und, falls er nicht erscheint, ein zweites Mal mit derselben Frist eingeladen. 3. Erscheint der Beschuldigte auch auf die zweite Einladung nicht, ohne ausreichende Gründe für sein Fernbleiben anzugeben, oder lehnt er es ab, gegenüber dem Konvent eine Erklärung über die Beschuldigung abzugeben, so gibt der Konvent die Akten an die Ermittlungsbehörde zurück. 4. Kommt das Gespräch mit dem Beauftragten des Konvents zustande, so soll mit dem Beschuldigten in offener und brüderlicher Aussprache erörtert werden, was ihm vorgeworfen wird.

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§16 Nach Abschluss des vorbereitenden Gesprächs wird der Beschuldigte zu einer Aussprache mit dem Konvent geladen. §17 Kommt der Konvent in seiner Beratung zu dem Ergebnis, dass eine zu sühnende Verfehlung nicht vorliegt, so teilt er dies der zuständigen Dienststelle unter Rückgabe der Akten mit. §18 1. Gibt der Beschuldigte seine Schuld in dem Umfang zu, in dem der Konvent die Beschuldigung aufrecht erhält, und ist er zur Annahme einer Sühne bereit, die der Konvent für angemessen hält, so ergeht ein Sühnebeschluss. 2. In dem Sühnebeschluss werden die Beschuldigung (§ 12, 2), der anerkannte Tatbestand, die Sühne, der Zeitpunkt, zu dem sie zu leisten ist und die Begründung für ihre Art und Höhe schriftlich festgelegt. Wenn der anerkannte Tatbestand nicht die gesamte Beschuldigung umfasst, ist auch anzugeben, ob der Konvent den nicht anerkannten Teil der Beschuldigung für unwesentlich oder für widerlegt hält. 3. Der Sühnebeschluss ist von dem Beschuldigten und den Mitgliedern des Konvents zu unterzeichnen und mit den Akten der zuständigen Dienststelle zuzuleiten. §19 1. Als Sühne kann festgelegt werden: a) Annahme eines Rates für die Amtsführung. b) Wiedergutmachung eines Unrechts in bestimmter Weise. c) Abgabe einer bestimmten Erklärung vor der Gemeinde. d) Leistung einer Geldbusse. e) Verzicht auf einen Teil des Gehalts für bestimmte Zeit zugunsten eines bestimmten kirchlichen Zwecks. f) Einverständnis mit dem Ubergang in eine andere Stelle. g) Freiwilliges Ausscheiden aus dem Amt. h) Freiwilliges Ausscheiden aus dem Dienst gegebenenfalls unter Belassung der Rechte des geistlichen Standes und unter Zubilligung eines Unterhaltsbeitrags. 2. Auf Ruheständler findet Abs. 1 sinngemäss Anwendung. §20 Jeder Sühnebeschluss bedarf der Bestätigung durch die Kirchenleitung. Mit der Bestätigung erlangt der Beschluss die Wirkung eines rechtskräftigen Urteils. Die Rechtskraftwirkung ist gehemmt, bis die Sühne geleistet ist. Wenn

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die Bestätigung versagt wird, muss ein Verfahren vor dem Kirchengericht eingeleitet werden. Zur Behebung offensichtlicher Mängel des Verfahrens kann die Kirchenleitung die Sache an den Konvent zurückweisen. §21 Ist der Beschuldigte nicht zum Bekenntis einer Schuld oder zur Übernahme der von dem Konvent für angemessen erachteten Sühne bereit, so teilt der Konvent dies der zuständigen Dienststelle mit. Er kann damit eine gutachtliche Äusserung über die Persönlichkeit des Beschuldigten und die Glaubwürdigkeit seiner Angaben verbinden. §22 Die Gespräche und Beratungen mit dem Konvent und dem beauftragten Mitglied des Konvents sind vertraulich und dürfen abgesehen von der Äußerung nach § 21 Satz 2 in dem Verfahren vor dem Kirchengericht nicht verwertet werden. Die Mitglieder des Konvents sind von einer Mitwirkung in dem Verfahren vor dem Kirchengericht ausgeschlossen. §23 Hat das Verfahren vor dem Konvent nicht zu einem Sühnebeschluss geführt 74 , so kann die zuständige Dienststelle das Verfahren einstellen, eine Disziplinarverfügung erlassen oder ein Verfahren vor dem Kirchengericht veranlassen. V. Verfahren vor dem Kirchengericht 1. Dienststrafen §24 1. Im Verfahren vor dem Kirchengericht können folgende Dienststrafen verhängt werden: Warnung Verweis Gehaltskürzung Strenger Verweis Entfernung aus dem Amt Entlassung aus dem Dienst Kürzung des Ruhegehaltes Aberkennung des Ruhegehaltes 2. In dem gleichen Verfahren darf nur eine dieser Strafen verhängt werden.

74 Hsl. Nachtrag: "oder wird es von der Kirchenleitung nicht bestätigt".

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§25 Warnung ist die Missbilligung eines Verhaltens mit der Ankündigung schärferer Massnahmen bei Wiederholung. Verweis ist die scharfe Verurteilung eines Verhaltens mit der gleichen Ankündigung. Mißbilligende Äusserungen (Rügen, Ermahnungen, Zurechtweisungen) einer Dienststelle, die Strafen verhängen kann, sind keine Strafen, wenn sie nicht ausdrücklich als Warnung oder Verweis bezeichnet werden. §26 1) Gehaltskürzung besteht in der bruchteilmässigen Verminderung der jeweiligen Dienstbezüge um höchstens ein Fünftel und auf längstens fünf Jahre. Als Dienstbezüge gelten die auf Grund des Dienstverhältnisses gewährten Geld- und Sachbezüge, die bei der Feststellung, ob und welche Lohnsteuer zu entrichten ist, als Arbeitslohn zugrunde gelegt werden. Wird dem Geistlichen oder Kirchenbeamten freie Wohnung gewährt, so gehört auch der dafür bei der Lohnsteuerberechnung angenommene Wert zu den Dienstbezügen. Hat der Bestrafte aus einem früheren kirchlichen Dienstverhältnis einen Versorgungsanspruch erworben, der von den Dienstbezügen beeinflusst wird, so bleibt bei dessen Regelung die Gehaltskürzung unberücksichtigt. 2) Tritt der Bestrafte in den Warte- oder Ruhestand, so wird das aus den ungekürzten Dienstbezügen errechnete Wartegeld oder das Ruhegehalt in demselben Verhältnis gekürzt wie die Dienstbezüge. 3) Stirbt der Bestrafte, so fällt die Kürzung nach Ablauf des Sterbemonats fort. §27 Der strenge Verweis wird bei Pfarrern und Kirchengemeindebeamten dem Gemeindekirchenrat (Kirchenvorstand, Presbyterium) von dem zuständigen Superintendenten (Dekan) im vollen Wortlaut mitgeteilt. Bei anderen Kirchenbeamten wird der strenge Verweis den Beamten der Dienststelle bekannt gegeben. §28 1. Durch die Entfernung aus dem Amt erlangt der Bestrafte die rechtliche Stellung eines Pfarrers oder Kirchenbeamten im Wartestand. Das Urteil kann die Wiederanstellung von dem Ablauf einer Frist von höchstens zwei Jahren abhängig machen. Der Bestrafte erhält als Wartegeld höchstens vier Fünftel des Betrages, der ihm sonst bei Versetzung in den Wartestand zustehen würde, und die Zeit, die er auf Grund der Entfernung aus dem Amt im Wartestand verbringt, wird auf seine ruhegehaltsfähige Dienstzeit nicht angerechnet. § 26 Abs. 3 gilt sinngemäss.

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2. Wäre gegen einen Pfarrer oder Kirchenbeamten im Wartestand auf Entfernung aus dem Amt zu erkennen, so ist statt dessen auszusprechen, dass die Rechtsfolgen aus dem Amt eintreten. §29 1. Mit der Entlassung aus dem Dienst verliert der Bestrafte auch den Anspruch auf sämtliche Dienstbezüge und auf die Versorgung sowie die Befugnisse, die Amtsbezeichnung zu führen. 2. Die Entlassung aus dem Dienst und ihre Rechtsfolgen erstrecken sich auf alle Amter, die der Bestrafte bei Rechtskraft des Urteils im kirchlichen Dienst bekleidet hat. 3. War der Bestrafte vor dem Dienstverhältnis, das durch die Bestrafung beendet wird, aus einem anderen Dienstverhältnis als Pfarrer oder Kirchenbeamter in den Ruhestand versetzt worden, so verliert er den Anspruch auf das frühere Ruhegehalt und die entsprechende Hinterbliebenenversorgung sowie die Befugnis, die dem früheren Dienstverhältnis entsprechende Amtsbezeichnung mit einem dem Ruhestand entsprechenden Zusatz zu führen, es sei denn, dass sie ihm ausdrücklich belassen werden. §30 1. Die Entlassung aus dem Dienst hat bei Pfarrern und Kirchenbeamten, die ordiniert sind, ohne weiteres den Verlust der Rechte des geistlichen Standes zur Folge, wenn nicht das erkennende Gericht aus besonderen Gründen ausspricht, dass diese Rechte ganz oder teilweise beibehalten werden. 2. Rechte des geistlichen Standes sind das Recht zur öffentlichen Wortverkündigung, zur Verwaltung der Sakramente und zur Vornahme von Amtshandlungen, sowie das Recht, eine geistliche Amtsbezeichnung zu führen und die Amtstracht eines Geistlichen zu tragen. §31 Bei Pfarrern und Kirchenbeamten im Ruhestand treten anstelle von Gehaltskürzung, Entfernung aus dem Amt und Entlassung aus dem Dienst Kürzung und die Aberkennung des Ruhegehalts. Bei Pfarrern im Ruhestande und bei Kirchenbeamten im Ruhestande die als Pfarrer ordiniert sind, hat die Aberkennung des Ruhegehaltes ohne weiteres den Verlust der Rechte des geistlichen Standes zur Folge, wenn nicht das erkennende Gericht aus besonderen Gründen ausspricht, dass diese Rechte beibehalten werden. Im Falle der Kürzung des Ruhegehaltes gelten § 26 Abs. 1 und 3, im Falle der Aberkennung des Ruhegehaltes § 29 sinngemäss. Dabei tritt an die Stelle des Zeitpunktes der Rechtskraft des Urteils (§ 29 Abs. 2) der Zeitpunkt des Eintritts in den Ruhestand und an die Stelle des Dienstverhältnisses, das durch die Bestrafung

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beendet wird (§ 29 Abs. 3), das letzte Dienstverhältnis vor der Versetzung in den Ruhestand. 2. Amtshilfe §32 Alle kirchlichen Dienststellen leisten einander im Verfahren auf Grund dieses Gesetzes Amtshilfe. 3. Formvorschriften §33 1. Uber jede Beweiserhebung ausserhalb der Hauptverhandlung ist eine Niederschrift aufzunehmen, deren Wortlaut verlesen und genehmigt wird. 2. Niederschriften über Aussagen von Personen, die schon in einem anderen gesetzlich geordneten Verfahren vernommen worden sind, können mit Zustimmung aller am Verfahren Beteiligten ohne nochmalige Vernehmung verwertet werden. 3. Schriftliche Auskünfte von Behörden oder sonstigen Dienststellen und Amtspersonen können der Entscheidung zugrunde gelegt werden. 4. Zeugen und Sachverständige sind nur zu vereidigen, wenn der Eid mit Rücksicht auf die Bedeutung der Sache zur Herbeiführung einer wahren Aussage erforderlich erscheint. §34 Die Schriftstücke werden durch Übergabe an den Empfänger gegen Empfangsschein oder nach den staatlichen Bestimmungen für den Strafprozess zugestellt. §35 Die Beschwerden müssen schriftlich binnen zwei Wochen nach Zustellung der angefochtenen Entscheidung bei der Stelle erhoben werden, die die Entscheidung erlassen hat. Die Frist wird gewährt, wenn die Beschwerde rechtzeitig bei der Stelle eingeht, die darüber zu entscheiden hat. 4. Einleitung des Verfahrens vor dem Kirchengericht §36 1. Das Verfahren vor dem Kirchengericht beginnt mit einer Einleitungsverfügung der zuständigen Dienststelle (§ 4). 2. Die Einleitungsverfügung wird dem Beschuldigten zugestellt. Mit der Zustellung wird sie wirksam.

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§37 1. Der Beschuldigte kann sich in jeder Lage des Verfahrens vor dem Kirchengericht eines Verteidigers bedienen. 2. Als Verteidiger sind zugelassen: a) Pfarrer einer zur EKD gehörenden Kirche b) Professoren der ev. Theologie c) evangelische Professoren des Kirchenrechts d) evangelische Rechtsanwälte, die in ihrer Gemeinde das aktive Wahlrecht haben. §38 1. Sind für den Beschuldigten, der mehrere Amter bekleidet hat, verschiedene Dienststellen zuständig, so darf jede das Verfahren erst einleiten, nachem sie sich mit anderen Dienststellen verständigt hat. Wegen desselben Sachverhalts darf nur ein Verfahren eingeleitet werden. 2. Kommt eine Verständigung unter mehreren beteiligten Landeskirchen nicht zustande, so entscheidet der Rat der EKD. §39 Verfahren, die gegen mehrere Beschuldigte wegen desselben Sachverhalts eingeleitet sind, können miteinander verbunden und wieder getrennt werden. § 38, 2 gilt entsprechend. §40 1. Das förmliche Verfahren vor dem Kirchengericht gliedert sich in die Untersuchung und in die Verhandlung vor dem Kirchengericht. 2. Von der Untersuchung kann abgesehen werden, wenn der Sachverhalt hinreichend geklärt ist. Der Beschuldigte ist davon in Kenntnis zu setzen. 5. Die Untersuchung §41 1. In der Einleitungsverfügung wird der Untersuchungsführer bestellt. Die Bestellung ist dem Beschuldigten mitzuteilen. Uber eine Ablehnung entscheidet die Kirchenleitung. Dem Untersuchungsführer dürfen keine Weisungen gegeben werden. §42 Der Untersuchungsführer darf nur aus Gründen abberufen werden, die nicht im Zusammenhang mit der Untersuchung stehen.

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§43 Der Untersuchungsführer hat einen Protokollführer hinzuzuziehen, den er zur Verschwiegenheit verpflichtet. §44 1. Der Untersuchungsführer vernimmt den Beschuldigten und erhebt die nötigen Beweise. Ein Vertreter der einleitenden Dienststelle, der Beschuldigte und sein Verteidiger sind zu den Beweiserhebungen zu laden und haben das Recht, Fragen zu stellen. Den Beschuldigten kann der Untersuchungsführer von der Teilnahme ausschliessen, wenn er es mit Rücksicht auf den Untersuchungszweck für nötig hält. In diesem Fall hat er ihn über das Ergebnis zu unterrichten. 2. Der Vertreter der einleitenden Dienststelle kann sich durch Einblick in die Akten jederzeit über den Stand der Untersuchung unterrichten. Dem Beschuldigten und seinem Verteidiger kann der Untersuchungsführer von dem für das Verfahren erheblichen Inhalt der Personalakten Kenntnis geben und Einblick in die sonstigen Akten gewähren. 3. Beweisanträgen des Vertreters der einleitenden Dienststelle muss der Untersuchungsführer stattgeben. Beweisanträgen des Beschuldigten soll er stattgeben, soweit sie für die Schuldfrage, das Strafmass oder die Gewährung eines Unterhaltsbeitrags (§ 70, 3) von Bedeutung sein können. §45 1. Der Vertreter der einleitenden Dienststelle kann beantragen, dass die Untersuchung auf neue Tatsachen erstreckt wird, die den Verdacht eines Dienstvergehens begründen. Der Untersuchungsführer muss dem Antrag stattgeben. Er kann auch von sich aus die Untersuchung auf neue Tatsachen ausdehnen, wenn der Vertreter der Einleitungsbehörde zustimmt. 2. Dem Beschuldigten ist Gelegenheit zu geben, sich auch zu den neuen Anschuldigungen zu äussern. §46 1. Hält der Untersuchungsführer das Ziel der Untersuchung für erreicht, so hat er dem Beschuldigten Gelegenheit zu geben, sich abschliessend zu äussern. 2. Danach legt er der einleitenden Dienststelle die Akten mit einem zusammenfassenden Bericht vor. 3. Der Untersuchungsführer darf nicht Mitglied des erkennenden Gerichts werden.

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§47 1. So lange das Verfahren nicht bei dem Kirchengericht anhängig ist (§ 58), muss die einleitende Dienststelle es einstellen, a) wenn es nicht rechtswirksam eingeleitet oder wenn es unzulässig ist b) wenn der Beschuldigte stirbt c) wenn der Beschuldigte aus der Stellung eines Pfarrers oder Kirchenbeamten im Amt oder im Warte- oder Ruhestand nach dem landeskirchlichen Recht unter Wegfall aller damit verbundenen Ansprüche und Befugnisse ausscheidet oder entlassen wird, ohne dass die Durchführung eines Verfahrens gemäss § 2 Absatz 1 beschlossen wird. 2. Die Einleitungsbehörde kann das Verfahren ferner einstellen, wenn sie es nach dem Ergebnis der Untersuchung für angebracht hält. Sie kann in diesem Fall auch eine Disziplinarverfügung erlassen. 3. Die Einstellungsverfügung ist zu begründen und dem Beschuldigten zuzustellen. 6. Anschuldigungsschrift §48 1. Wird das Verfahren nicht eingestellt, so legt die einleitende Dienststelle dem Kirchengericht eine Anschuldigungsschrift vor. 2. Die Anschuldigungsschrift soll die Tatsachen, in denen die Verfehlung erblickt wird, und die Beweismittel geordnet darstellen. Sie darf die Tatsachen zu Ungunsten des Beschuldigten nur verwerten, soweit er Gelegenheit gehabt hat, sich dazu zu äussern. 7. Kirchengerichte und Kirchengerichtshof §49 1. Kirchengerichte werden gebildet bei der Kanzlei der EKD und bei den Leitungen der Landeskirchen. Die Bildung gemeinsamer Kirchengerichte für den Bereich mehrerer Landeskirchen ist zulässig. 2. Berufungsgericht ist der Kirchengerichtshof der EKD. 3. Die Kirchenrichter führen ihr Amt in Bindung an die Heilige Schrift und das Bekenntnis ihrer Kirche. Sie üben ihr Amt in richterlicher Unabhängigkeit aus. Sie sind nur dem Gesetz unterworfen und an Weisungen nicht gebunden. 4. Die Kirchengerichte entscheiden mit einfacher Mehrheit.

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§50 1. Das Kirchengericht besteht aus einem rechtskundigen Vorsitzenden, 2 geistlichen und zwei nichtgeistlichen Beisitzern. 2. Der Kirchengerichthof ist in der gleichen Weise besetzt. Die geistlichen Beisitzer müssen jeweils dem Bekenntnis des Beschuldigten angehören. 3. Rechtskundig sind Lehrer an deutschen Hochschulen und Personen, die die Befähigung zum Richteramt oder zum höheren Verwaltungsdienst haben. §51 1. Das Kirchengericht bei der Kanzlei der EKD ist zuständig für Verfahren gegen Pfarrer und Kirchenbeamte, die im Dienst der EKD oder einer der Aufsicht der EKD unmittelbar unterstehenden Dienststelle sind. 2. Das Kirchengericht der Landeskirche ist zuständig für Pfarrer und Kirchenbeamte im Dienst der Landeskirche, ihrer Kirchengemeinden und Verbände. §52 1. Die Mitlieder des Kirchengerichts der EKD werden von dem Rat der EKD ernannt. 2. Die Mitglieder des Kirchengerichtshofs ernennt der Rat der EKD aus Vorschlagslisten, die die Landeskirchen getrennt nach Konfessionen einreichen. 3. Wer die Mitglieder der landeskirchlichen Gerichte bestellt, bestimmt das landeskirchliche Recht. §53 Ist der Beschuldigte ein Kirchenbeamter, so tritt bei dem Kirchengericht und bei dem Kirchengerichtshof an die Stelle eines geistlichen Beisitzers ein Kirchenbeamter aus der Laufbahn des Beschuldigten. Wenn eine Landeskirche oder wenn die EKD die Anwendung dieser Ordnung auf andere kirchliche Dienste als die der Pfarrer und Kirchenbeamte ausdehnt, kann sie auch bestimmen, dass ein geistlicher Beisitzer durch einen Beisitzer des betreffenden Dienstes ersetzt wird. §54 1. Die Amtszeit der Mitglieder beträgt drei Jahre. Sie können nach Ablauf der Amtszeit wieder bestellt werden. Scheidet ein Mitglied während der Amtszeit aus, so wird ein Nachfolger für den Rest der Amtszeit bestellt. 2. Vor Beginn ihrer Tätigkeit werden die Vorsitzenden und ihre Stellvertreter durch die Stellen, die sie bestellt haben, die Beisitzer durch den Vorsitzenden verpflichtet, im Bewusstsein ihrer kirchlicher Verantwortung (§ 43, 3) ihr Richteramt gesetzmässig und unparteiisch auszuüben.

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§55 1. Das Amt eines Mitgliedes eines Kirchengerichtes oder des Kirchengerichtshofes erlischt a) bei Austritt aus der Kirche b) wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für die Bestellung wegfallen c) wenn die Kirchenleitung Tatsachen feststellt, die gegen ein Mitglied die Einleitung eines Kirchengerichtsverfahrens oder die vorläufige Untersagung der Amtsausübung rechtfertigen würde. 2. Das Erlöschen wird von der Stelle, die berufen hat, festgestellt. §56 In welcher Reihenfolge die Stellvertreter des Vorsitzenden und der Beisitzer im Falle einer Verhinderung eintreten, wird bei der Bestellung geregelt. Dabei ist auch zu bestimmen, welcher geistliche Beisitzer im Falle des § 53 durch einen anderen Beisitzer ersetzt wird. §57 1. Für jedes Kirchengericht bestellt der Vorsitzende einen Kirchenbeamten als Protokollführer. Dieser hat die Aufgaben der Geschäftstelle zu erledigen und die Niederschrift in den Verhandlungen des Gerichts und bei Beweiserhebung durch beauftragte Richter zu führen. 2. Der Schriftführer ist vor Beginn seiner Tätigkeit durch den Vorsitzenden auf Verschwiegenheit zu verpflichten. 8. Das Verfahren vor dem Kirchengericht §58 1. Mit dem Eingang der Anschuldigungsschrift wird das Verfahren bei dem Kirchengericht anhängig. 2. Der Vorsitzende stellt dem Beschuldigten eine Ausfertigung der Anschuldigungsschrift zu und bestimmt eine Frist, innerhalb derer er sich schriftlich dazu äussern kann. §59 1. Die einleitende Dienststelle kann nachträglich bis zum Beginn der Hauptverhandlung (§ 67) neue Anschuldigungspunkte zum Gegenstand des Verfahrens machen. Teilt sie eine solche Absicht dem Vorsitzenden des Kirchengerichts mit, so hat dieser das Verfahren auszusetzen, bis der Vertreter der einleitenden Dienststelle einen Nachtrag zur Anschuldigungsschrift vorlegt oder die Fortsetzung des Verfahrens beantragt. 2. § 58 Abs. 2 gilt sinngemäss.

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§60 1. Nachdem die Anschuldigungsschrift zugestellt ist, können der Beschuldigte und sein Verteidiger die Akten bei dem Kirchengericht einsehen und Abschriften daraus entnehmen. Ausgenommen sind Personalakten; der Vorsitzende des Kirchengerichts kann ihnen aber Auszüge daraus, soweit sie belastende Angaben enthalten, vorlegen. §61 1. Stellt sich heraus, dass eine Voraussetzung des § 47 Abs. 1 vorliegt, so stellt der Vorsitzende des Kirchengerichts das Verfahren ein. Die Entscheidung ist zu begründen und dem Vertreter der Einleitungsbehörde und dem Beschuldigten zuzustellen. 2. Gegen die Entscheidung ist Beschwerde an den Vorsitzenden des Kirchengerichtshofes zulässig. Der Vorsitzende des Kirchengerichts kann der Beschwerde abhelfen. Sonst entscheidet der Vorsitzende des Kirchengerichtshofes entgültig darüber. Abs. 1 Satz 2 gilt auch hier. §62 Wird das Verfahren nicht eingestellt, so setzt der Vorsitzende des Kirchengerichts, nachdem die Äusserungsfrist nach § 58 Abs. 2 oder § 59 Abs. 2 verstrichen ist, den Termin zur Hauptverhandlung an. Er lädt dazu den Vertreter der einleitenden Dienststelle, den Beschuldigten und seinen Verteidiger. Er lädt die Zeugen und Sachverständigen, deren persönliches Erscheinen er für nötig hält, und ordnet das Herbeischaffen etwaiger Beweismittel an. Die Namen der geladenen Zeugen und Sachverständigen sind in den Ladungen des Vertreters der einleitenden Dienststelle des Beschuldigten und seines Verteidigers anzugeben. Der Beschuldigte kann Zeugen und Sachverständige stellen. Das Gericht beschliesst, ob sie zu vernehmen sind. §63 Die Ladungen sind zuzustellen. Zwischen der Zustellung an den Beschuldigten und der Hauptverhandlung muss mindestens eine Woche liegen, wenn der Beschuldigte nicht auf die Frist verzichtet. Als Verzicht gilt auch, wenn er sich auf die Hauptverhandlung eingelassen hat, ohne zu rügen, dass die Frist nicht eingehalten sei. §64 1. Die Hauptverhandlung findet auch statt, wenn der Beschuldigte nicht erschienen ist. Er kann sich durch einen Verteidiger vertreten lassen. Der Vorsitzende kann aber das persönliche Erscheinen des Beschuldigten anordnen und ihm dabei androhen, dass bei seinem Ausbleiben auch kein Verteidiger zugelassen werde.

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2. Ist der Beschuldigte aus zwingenden Gründen am Erscheinen verhindert und hat er es rechtzeitig mitgeteilt, so ist ein neuer Termin zur Hauptverhandlung anzusetzen. Ist der Beschuldigte vorübergehend verhandlungsunfähig, so kann der Vorsitzende das Verfahren aussetzen und auch eine schon begonnene Hauptverhandlung unterbrechen oder vertagen. 3. Der Vorsitzende hat ferner vor Beginn der Hauptverhandlung den Termin aufzuheben und nach § 61 zu entscheiden, wenn sich herausstellt, dass eine Voraussetzung des § 47 Absatz 1 vorliegt. §65 1. Die Hauptverhandlung ist nicht öffentlich. 2. Der Vorsitzende kann Vertreter kirchlicher Dienststellen sowie andere Personen, die ein berechtigtes Interesse an der Verhandlung haben, zulassen. §66 1. In der Hauptverhandlung trägt der Vorsitzende oder ein von ihm zum Berichterstatter ernannter Beisitzer in Abwesenheit der Zeugen das Ergebnis des bisherigen Verfahrens vor. Axis den Personalakten des Beschuldigten ist vorzutragen, was für eine Gesamtbeurteilung wichtig sein kann. Ist der Beschuldigte erschienen, so wird er gehört. 2. Danach werden die Beweise erhoben, soweit nicht der Beschuldigte und der Vertreter der einleitenden Dienststelle darauf verzichten oder das Gericht sie für unerheblich erklärt. 3. Urkunden und andere als Beweismittel dienende Schriftstücke werden in der Hauptverhandlung verlesen, beruht ein Beweis auf der Wahrnehmung einer Person, so ist diese in der Hauptverhandlung zu vernehmen. Die Vernehmung kann nicht durch Verlesung des über eine frühere Vernehmung aufgenommenen Protokolls oder einer schriftlichen Erklärung ersetzt werden. Das Gericht kann beschliessen, dass ein Protokoll oder Gutachten verlesen wird, wenn der Zeuge oder Sachverständige nicht erscheinen kann oder wenn sein Erscheinen mit Schwierigkeiten verbunden wäre, die in keinem Verhältnis zu der Bedeutung seiner persönlichen Aussage stehen würden. Protokolle über frühere Vernehmungen von Zeugen können zur Unterstützung ihres Gedächtnisses oder zur Aufklärung von Widersprüchen zwischen der Aussage in der Hauptverhandlung zu früheren Aussagen verlesen werden, desgleichen richterliche Protokolle über Erklärungen des Beschuldigten als Beweis für ein früheres Geständnis. Erklärungen des Beschuldigten in dem Verfahren vor dem Konvent dürfen nicht zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht werden. Zeugnisse und Gutachten öffentlicher Behörden und ärztliche Atteste können verlesen werden.

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4. Wenn das Kirchengericht weitere Beweiserhebungen für erforderlich hält, kann es neue Zeugen oder Sachverständige vernehmen oder eines ihrer Mitglieder beauftragen. Dazu ist die Hauptverhandlung zu unterbrechen oder zu vertagen. 5. Nach Schluss der Beweisaufnahme werden der Vertreter der Einleitungsbehörde und dann der Beschuldigte und sein Verteidiger gehört. 6. Der Beschuldigte hat das letzte Wort. §67 1. Gegenstand der Urteilsfindung sind nur die Anschuldigungspunkte, die in der Anschuldigungsschrift und ihren etwaigen Nachträgen dem Beschuldigten zur Last gelegt werden. 2. Uber das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Kirchengericht nach seiner freien Überzeugung. §68 1. Das Urteil kann nur auf Bestrafung, Freispruch oder Einstellung des Verfahrens lauten. Es entscheidet zugleich, wer die Kosten des Verfahrens zu tragen hat. 2. Auf Freispruch ist zu erkennen, wenn kein Dienstvergehen erwiesen ist. 3. Das Verfahren ist einzustellen, wenn eine Voraussetzung des § 47 Abs. 1 vorliegt, das Verfahren gegen einen Pfarrer oder Kirchenbeamten im Ruhestand auch dann, wenn das Kirchengericht zwar ein Dienstvergehen als erwiesen ansieht, eine Kürzung oder die Aberkennung des Ruhegehalts aber nicht für gerechtfertigt hält. §69 1. In einem Urteil, das auf Entfernung aus dem Dienst oder Aberkennung des Ruhegehalts lautet, kann das Kirchengericht dem Verurteilten auf Lebenszeit oder auf bestimmte Zeit einen Unterhaltsbeitrag bewilligen, wenn er dessen bedürftig und nicht unwürdig erscheint. Der Unterhaltsbeitrag darf für längstens fünf Jahre höchstens 75 v.H. und über diesen Zeitraum hinaus höchstens 50 v.H. des Ruhegehalts betragen, das der Verurteilte im Zeitpunkt der Verkündigung des Urteils erdient hätte. 2. Das Kirchengericht kann bestimmen, dass der Unterhaltsbeitrag ganz oder teilweise an Personen gezahlt wird, zu deren Unterhalt der Verurteilte gesetzlich verpflichtet ist. Bestimmt das Urteil darüber nichts, so kann auch die oberste Dienstbehörde des Verurteilten bestimmen. 3. Der Unterhaltsbeitrag wird von dem Zeitpunkt ab gezahlt, an dem die Dienst- oder Versorgungsbezüge wegfallen.

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4. Der Unterhaltsbeitrag wird hinsichtlich seines Wegfalls oder Ruhens und hinsichtlich des Einflusses, den etwaige Bezüge aus einem öffentlichen Dienst darauf haben, wie ein Ruhegehalt behandelt. §70 1. Das Urteil wird durch Verlesen der Urteilsformel und Mitteilung der wesentlichen Urteilsgründe verkündet. Es ist schriftlich abzufassen und mit Gründen zu versehen. Hat das Kirchengericht eine Vernehmung nach § 67 Abs. 2 für unerheblich erklärt, so ist es zu begründen. Dasselbe gilt, wenn ein Unterhaltsbeitrag bewilligt ist. In den Fällen der §§ 30 und 31 müssen die Gründe auch angeben [szc/], weshalb die mit der Ordination erworbenen Rechte des geistlichen Standes beibehalten werden. 2. Die Mitglieder des Kirchengerichts, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, müssen das Urteil unterschreiben. 3. Dem Beschuldigten und der Einleitungsbehörde ist das Urteil zuzustellen. 9. Berufung. §71 1. Gegen das Urteil des Kirchengerichts können der Beschuldigte und die einleitende Dienststelle binnen eines Monats nach Zustellung Berufung an den Kirchengerichtshof einlegen. Der Vorsitzende des Kirchengerichts kann die Berufungsfrist durch eine Verfügung, die zuzustellen ist, angemessen verlängern, wenn es besondere Umstände rechtfertigen. 2. Die Kostenentscheidung allein kann nicht angefochten werden. §72 Die Berufung ist bei dem Kirchengericht schriftlich oder durch schriftlich aufzunehmende Erklärung bei der Geschäftsstelle einzulegen. Die Berufungsfrist wird auch gewahrt, wenn vor ihrem Ablauf die Berufung bei dem Kirchengericht eingeht. §73 1. Binnen zwei Wochen nach Ablauf der Berufungsfrist ist die Berufung zu begründen. Für die Begründung gelten § 72 Abs. 1 Satz 2 und § 73 sinngemäss. 2. In der Begründung soll angegeben werden, inwieweit das Urteil angefochten wird, welche Änderungen beantragt und wie diese Anträge begründet werden.

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3. Neue Tatsachen und Beweismittel, die nach Ablauf der Begründungsfrist vorgebracht werden, braucht der Kirchengerichtshof nur zuzulassen, wenn ihr verspätetes Vorbringen nach seiner Uberzeugung nicht auf einem Verschulden desjenigen beruht, der sie geltend macht. §74 1. Der Vorsitzende des Kirchengerichts verwirft die Berufung als unzulässig, wenn sie sich nur gegen die Kostenentscheidung richtet, oder wenn sie verspätet eingelegt wird oder nicht rechtzeitig begründet worden ist. Die Entscheidung ist zuzustellen. 2. Gegen die Entscheidung ist Beschwerde an den Vorsitzenden des Kirchengerichtshofs zulässig. Der Vorsitzende des Kirchengerichtshofs kann der Beschwerde abhelfen, sonst entscheidet der Vorsitzende des Kirchengerichtshofs endgültig darüber. Absatz 1 Satz 2 gilt auch hier. §75 1. Wird die Berufung nicht als unzulässig verworfen, werden die Berufungsschrift und die Berufungsbegründung der einleitenden Dienststelle in Abschrift zugestellt, wenn der Beschuldigte Berufung eingelegt hat; die Abschrift wird dem Beschuldigten zugestellt, wenn die einleitende Dienststelle Berufung eingelegt hat. 2. Die Berufung kann binnen zwei Wochen nach der Zustellung schriftlich beantwortet werden. Der Vorsitzende des Kirchengerichts kann die Frist durch eine Verfügung, die gleichzeitig mit den Schriftstücken nach Absatz 1 zuzustellen ist, angemessen verlängern, wenn es besondere Umstände rechtfertigen. §76 1. Nach Ablauf der Beantwortungsfrist werden die Akten dem Kirchengerichtshof übersandt. 2. Stellt der Vorsitzende der Kirchengerichts fest, dass eine Voraussetzung des § 47 Absatz 1 vorliegt, so stellt er das Verfahren ein. Die Entscheidung ist zu begründen und der einleitenden Dienststelle und dem Beschuldigten zuzustellen. 3. Stellt der Vorsitzende des Kirchengerichtshofs das Verfahren nicht ein, so leitet er die Akten an einen Berichterstatter weiter, den er aus den Beisitzern bestellt. §77 1. Der Kirchengerichtshof kann das Urteil durch Beschluss aufheben und die Sache zur nochmaligen Verhandlung und Entscheidung an das zuständige Kirchengericht zurückverweisen, wenn er weitere Aufklärungen für erforder-

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lieh hält oder wenn schwere Mängel des Verfahrens vorliegen. Vor der Entscheidung ist, wenn der Beschuldigte Berufung eingelegt hat, der einleitenden Dienststelle, wenn diese Berufung eingelegt hat, dem Beschuldigten Gelegenheit zur Äusserung zu geben. 2. Die Entscheidung ist schriftlich abzufassen und mit Gründen zu versehen. Sie wird der einleitenden Dienststelle und dem Beschuldigten zugestellt. §78 1. Verweist der Kirchengerichtshof die Sache nicht zurück, so setzt der Vorsitzende den Termin zur Hauptversammlung an. 2. Für das weitere Verfahren gelten die Vorschriften für das Verfahren vor dem Kirchengericht (§§ 62-70) sinngemäss mit folgenden Abweichungen: a) Der Termin zur Hauptverhandlung ist in jedem Falle auch der Leitung der EKD und, wenn die einleitende Dienststelle nicht zugleich die höchste landeskirchliche Dienststelle des Beschuldigten ist, auch dieser mitzuteilen. Die höchste landeskirchliche Dienststelle kann einen Vertreter bestimmen, der an die Stelle des bisherigen Vertreters der einleitenden Dienststelle tritt. b) Niederschriften über Beweiserhebungen, die schon in der Hauptverhandlung vor dem Kirchengericht vorgelegen haben, brauchen nicht verlesen werden, wenn der Beschuldigte, sein Verteidiger und der Vertreter der einleitenden Dienststelle oder die oberste landeskirchliche Dienststelle darauf verzichten. c) Der Kirchengerichtshof kann durch Urteil die Berufung als unzulässig verwerfen oder als unbegründet zurückweisen, das Urteil des Kirchengerichts ändern oder es aufheben und in der Sache selbst entscheiden, oder wenn er weitere Aufklärungen für nötig hält oder schwere Mängel des Verfahrens festgestellt hat, die Sache zur nochmaligen Verhandlung und Entscheidung an das zuständige Kirchengericht zurück verweisen. Stellt der Kirchengerichtshof das Verfahren ein, weil eine Voraussetzung des § 47 Abs. 1 vorliegt, so hebt er das Urteil des Kirchengerichts nur dann ausdrücklich auf, wenn die Voraussetzungen schon vor dessen Begründung vorgelegen hat. 3. Der Kirchengerichtshof entscheidet mit einfacher Mehrheit. §79 1. Entscheidungen des Vorsitzenden des Kirchengerichtshofes und Urteile des Kirchengerichts werden mit dem Ablauf der Rechtsmittelfrist rechtskräftig, wenn kein Rechtsmittel eingelegt ist. Wird auf Rechtsmittel verzichtet oder ein Rechtsmittel zurückgenommen, so tritt die Rechtskraft in dem Zeitpunkt ein, in dem die Erklärung dem Kirchengerichtshof zugeht.

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2. Entscheidungen des Vorsitzenden des Kirchengerichtshofes werden mit der Zustellung, Urteile des Kirchengerichtshofes mit der Verkündigung rechtskräftig. §80 1. Die einleitende Dienststelle kann einen Pfarrer oder Kirchenbeamten vorläufig des Dienstes entheben, wenn ein förmliches Verfahren gegen ihn eingeleitet wird oder eingeleitet worden ist. Sie kann gleichzeitig oder später anordnen, dass ihm ein Teil seiner jeweiligen Dienstbezüge (§ 26), höchstens aber die Hälfte einbehalten wird, wenn in dem Verfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Dienst erkannt wird. 2. Bei Pfarrern oder Kirchenbeamten im Warte- oder Ruhestand kann das Einbehalten von höchstens 1/3 des Wartegeldes oder Ruhegehaltes angeordnet werden, wenn voraussichtlich auf Entfernung aus dem Dienst oder bei Pfarrern oder Kirchenbeamten im Ruhestand auf Aberkennung des Ruhegehaltes erkannt werden wird. 3. Ist in einem noch nicht rechtskräftigen Urteil ein Unterhaltsbeitrag bewilligt, so ist dem Beschuldigten mindestens ein dem Betrag des Unterhaltsbeitrages gleichkommender Teil seiner Bezüge zu belassen. §81 Die Massnahmen nach § 80 kann die einleitende Dienststelle jederzeit wieder aufheben. Sie sind mit dem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens beendet. §82 1. Die nach § 80 einbehaltenen Beträge verfallen, wenn rechtskräftig auf Entfernung aus dem Dienst oder auf Aberkennung des Ruhegehaltes erkannt wird oder wenn das Verfahren eingestellt wird, weil ein Umstand eingetreten ist, der den Wegfall aller Dienstbezüge ohnehin zur Folge hat. Das gilt nicht für den Fall, dass der Beschuldigte vor dem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens stirbt. 2. Wenn die einbehaltenen Beträge nicht nach Absatz 1 verfallen, sind sie nachzuzuzahlen, sobald das Verfahren rechtskräftig abgeschlossen ist oder die einleitende Dienststelle es eingestellt hat. Die Kosten des Verfahrens, die der Beschuldigte zu tragen hat, und eine etwa festgesetzte Geldbusse können davon abgezogen werden, wenn rechtskräftig auf Entfernung aus dem Amt erkannt worden ist.

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10. Wiederaufnahme des Verfahrens. §83 1. Jedes rechtskräftig abgeschlossene Verfahren kann auf Antrag wieder aufgenommen werden. 2. Die Wiederaufnahme können beantragen die einleitende Dienststelle, der Verurteilte und sein gesetzlicher Vertreter, nach seinem Tode sein Ehegatte, seine Verwandten auf- und absteigender Linie und seine Geschwister. Wer erst nach dem Tode des Beschuldigten antragsberechtigt ist, kann den Antrag nur stellen, wenn er sich gleichzeitig verpflichtet^] die Kosten des Verfahrens zu tragen, soweit sie ihm auferlegt werden. Im übrigen hat der Antragsteller im Verfahren dieselben Befugnisse, die der Verurteilte haben würde. 3. Der Verurteilte kann sich eines Verteidigers bedienen. §84 Der Wiederaufnahmeantrag muss auf einen gesetzlichen Grund gestützt sein. Ein solcher liegt nur vor, 1. wenn auf eine Strafe erkannt ist, die nach Art oder Höhe gesetzlich unzulässig war, und kein Rechtsmittel gegen das Urteil eingelegt werden konnte, 2. wenn neue Tatsachen oder Beweismittel vorgebracht werden, die geeignet sind, eine andere Entscheidung zu begründen und von denen der Antragsteller glaubhaft macht, dass er sie nicht schon im abgeschlossenen Verfahren rechtzeitig geltend machen konnte, 3. wenn die Entscheidung auf dem Inhalt einer fälschlich angefertigten oder verfälschten Urkunde oder auf einem Zeugnis oder Gutachten beruht, das vorsätzlich oder fahrlässig falsch abgegeben worden ist, 4. wenn ein gerichtliches Urteil, auf dessen tatsächlichen Feststellungen das Disziplinarurteil beruht, durch ein anderes rechtskräftiges Urteil aufgehoben worden ist, 5. wenn der Beschuldigte nachträglich ein Dienstvergehen glaubhaft eingestanden hat, das in dem abgeschlossenen Verfahren nicht festgestellt werden konnte, 6. wenn ein Mitglied des Disziplinargerichts sich in der Sache einer strafbaren Verletzung seiner Amtspflicht schuldig gemacht hat, 7. wenn im Disziplinarhof ein Mitglied bei der Entscheidung mitgewirkt hat, das Kraft Gesetzes ausgeschlossen war, sofern nicht die Gründe für den gesetzlichen Ausschluss schon erfolglos geltend gemacht worden waren. §85 Die Wiederaufnahme auf Grund von § 84 Ziffer 3 und 6 ist nur zulässig, wenn die behauptete Handlung zu einer rechtskräftigen strafgerichtlichen

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Verurteilung geführt hat oder ein strafgerichtliches Verfahren aus anderen Gründen als wegen Mangels an Beweisen nicht eingeleitet oder nicht durchgeführt werden kann. §86 Die Wiederaufnahme ist unzulässig, wenn, nachdem das Urteil ergangen ist, 1. ein strafgerichtliches Urteil ergangen und nicht wieder rechtskräftig aufgehoben ist, das sich auf dieselben Tatsachen gründet und sie ebenso würdigt, 2. der Verurteilte infolge eines strafgerichtlichen Urteils sein Amt oder sein Ruhegehalt verloren hat oder es verloren hätte, wenn er noch im Dienst gewesen wäre oder Ruhegehalt bezogen hätte. Diese Vorschriften gelten nicht, wenn die Wiederaufnahme beantragt ist, weil auf eine gesetzlich unzulässige Strafe erkannt ist. §87 Der Wiederaufnahmeantrag ist schriftlich an das Kirchengericht zu richten, das in erster Linie entschieden hat. Es muss den gesetzlichen Grund der Wiederaufnahme und die Beweismittel bezeichnen. §88 1. Hat in dem abgeschlossenen Verfahren das Kirchengericht endgültig entschieden, so verwirft das Kirchengericht den Wiederaufnahmeantrag durch Beschluss, wenn es die gesetzlichen Voraussetzungen für seine Zulassung nicht als gegeben ansieht oder ihn für offensichtlich unbegründet hält. Es kann dazu nötigenfalls vorher Ermittlungen anstellen. Die Entscheidung ist zu begründen und dem Antragsteller zuzustellen. 2. Gegen die Entscheidung ist Beschwerde an den Kirchengerichtshof zulässig. Das Kirchengericht kann der Beschwerde abhelfen. Geschieht dies nicht, so entscheidet der Kirchengerichtshof endgültig. Absatz 1 Satz 3 gilt auch hier. §89 1. Wird im Falle des § 88 die Wiederaufnahmeantrag nicht verworfen, so beschliesst das Kirchengericht die Wiederaufnahme des Verfahrens. Es teilt das der einleitenden Dienststelle und dem Beschuldigten oder demjenigen, der nach § 83 Absatz 2 an Stelle des Beschuldigten den Antrag gestellt hat oder hätte stellen können, mit und setzt dabei eine angemessene Frist zur Erklärung. 2. Der Vorsitzende oder ein von ihm bestimmter Beisitzer nimmt die nötigen Ermittlungen vor, um den Sachverhalt aufzuklären. Dabei gelten sinngemäss die Vorschriften über die Untersuchung. 3. Die Einleitungsbehörde bestellt eine Vertreter für sich.

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4. Das Urteil im abgeschlossenen Verfahren wird durch die Wiederaufnahmeverfügung nicht berührt. Lautet es nicht auf Entfernung aus dem Amt, auf Entfernung aus dem Dienst oder auf Aberkennung des Ruhegehalts, so werden mit dem Wiederaufnahmeantrag die Massnahmen nach § 9 und mit der Wiederaufnahmeverfügung die Massnahmen nach § 80 zulässig. §90 1. Hat in dem abgeschlossenen Verfahren der Kirchengerichtshof endgültig entschieden, so leitet der Vorsitzende des Kirchengerichts den Wiederaufnahmeantrag an den Kirchengerichtshof. Dabei soll er ein begründetes Gutachten darüber abgeben, ob der Wiederaufnahmeantrag zu verwerfen ist, weil die gesetzlichen Voraussetzungen nicht gegeben sind oder weil er offensichtlich unbegründet ist. 2. Hält der Kirchengerichtshof den Wiederaufnahmeantrag für unzulässig oder für offensichtlich unbegründet, so verwirft er ihn durch Beschluss. 3. Die Entscheidung, durch die der Wiederaufnahmeantrag verworfen wird, ist zu begründen und dem Antragsteller zuzustellen. §91 Beschliesst der Kirchengerichtshof die Wiederaufnahme des Verfahrens, so verweist er die Sache an das Kirchengericht, wenn der Wiederaufnahmegrund schon das abgeschlossene Verfahren vor dem Kirchengericht betrifft. Andernfalls wird das Verfahren vor dem Kirchengerichtshof wieder aufgenommen. § 88 gilt in beiden Fällen sinngemäss. §92 1. Nach Abschluss der Ermittlungen bringt der Vorsitzende des Kirchengerichts die Sache zur Hauptverhandlung. Die Vorschriften für ein erstmalig anhängiges Verfahren gelten sinngemäss. 2. Das Urteil kann die frühere Entscheidung aufrecht erhalten oder sie aufheben und anders entscheiden. 3. War in dem früheren Urteil auf Entfernung aus dem Amt, auf Entfernung aus dem Dienst oder auf Aberkennung des Ruhegehalts erkannt, so ist das wiederaufgenommene Verfahren nicht deshalb einzustellen, weil nach Änderung des Urteils eine der Voraussetzungen des § 47 Absatz lb oder c eingetreten ist. 4. Wenn es die einleitende Dienststelle beantragt, kann das Kirchengericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss auf Freispruch erkennen. Der Beschluss wird mit der Zustellung rechtskräftig.

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§93 1. Wird im wiederaufgenommenen Verfahren ein Urteil aufgehoben, durch das auf Entfernung aus dem Amt, auf Entfernung aus dem Dienst oder auf Aberkennung des Ruhegehalts erkannt war, so wirkt das neue Urteil - oder der Beschluss nach § 92 Abs. 4 - hinsichtlich der Bezüge und der rechtlichen Stellung des Beschuldigten so, wie wenn es im Zeitpunkt des früheren Urteils an dessen Stelle ergangen wäre. 2. Bezüge, auf die der Beschuldigte oder seine Hinterbliebenen danach noch Anspruch haben, sind nachzuzahlen; was auf Grund des früheren Urteils gezahlt worden ist, wird angerechnet. Wäre der Beschuldigte nach dem neuen Urteil noch im Amt, so erhält er die entsprechenden Bezüge, im übrigen aber die rechtliche Stellung eines Pfarrers oder Kirchenbeamten im Wartestand. 3. Sind in der Zwischenzeit Umstände eingetreten, die unabhängig von dem früheren Urteil die Bezüge oder die rechtliche Stellung des Verurteilten verändert hätten, so behalten sie ihren Einfluss. 4. Wird nach dem Urteil im wiederaufgenommenen Verfahren gegen den Beschuldigten ein neues Verfahren mit dem Ziel der Entfernung aus dem Dienst oder der Aberkennung des Ruhegehalts eingeleitet, das in der Zwischenzeit deshalb nicht eingeleitet werden konnte, weil das frühere Urteil das Dienstverhältnis beendet hatte, so können die nachzuzahlenden Bezüge einbehalten werden. Sie verfallen, wenn in dem neuen Verfahren auf Entfernung aus dem Dienst oder auf Aberkennung des Ruhegehalts erkannt wird. §94 1. Das Gesetz betreffend die Entschädigung der im Wiederaufnahmeverfahren freigesprochenen Personen vom 20. Mai 1898, Reichsgesetzblatt Seite 345, gilt sinngemäss. 2. Entschädigungspflichtig ist die Kirche, deren Kirchengericht das aufgehobene Urteil gefällt hat. 3. Der Anspruch kann nur binnen 3 Monaten nach dem rechtskräftigen Abschluss des Wiederaufnahmeverfahrens bei der obersten Dienststelle dieser Kirche geltend gemacht werden. Die darüber ergehende Entscheidung ist zuzustellen. 4. Wird der Anspruch abgelehnt, so kann er nach den Vorschriften über den Rechtsweg für vermögensrechtliche Ansprüche der Beamten weiter verfolgt werden.

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11. Entziehung des Unterhaltsbeitrags §95 1. Einen nach § 68 bewilligten Unterhaltsbeitrag kann das Gericht auf Antrag der einleitenden Dienststelle durch Beschluss entziehen, wenn sich der Verurteilte durch sein Verhalten dessen als unwürdig erweist, oder wenn sich seine wirtschaftlichen Verhältnisse wesentlich gebessert haben. 2. Der Vorsitzende des Kirchengerichts oder ein von ihm bestimmter Beisitzer nimmt die nötigen Ermittlungen vor. Dem Verurteilten ist Gelegenheit zur Äusserung zu geben. 3. Der Beschluss ist dem Verurteilten zuzustellen. Gegen den Beschluss ist Beschwerde an den Kirchengerichtshof zulässig, der endgültig entscheidet. 12. Kosten §96 1. Die Kosten des Verfahrens sind dem Beschuldigten ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn er zu einer Dienststrafe verurteilt wird. Dasselbe gilt, wenn ein Verfahren gegen einen Geistlichen oder Kirchenbeamten im Ruhestand deshalb eingestellt wird, weil die einleitende Dienststelle oder das Kirchengericht zwar ein Dienstvergehen für erwiesen ansieht, aber die Kürzung oder die Aberkennung des Ruhegehalts nicht für gerechtfertigt hält. 2. Endet ein Verfahren mit einem Sühnebeschluss gemäss § 18 bis 20, so können dem Beschuldigten die Kosten ganz oder teilweise auferlegt werden, wenn diese infolge seines Verhaltens gegenüber dem Regelfalle erhöht worden sind. 3. Die einleitende Dienststelle kann dem Beschuldigten die Kosten des förmlichen Verfahrens auch dann ganz oder teilweise auferlegen, wenn sie das Verfahren einstellt oder eine Disziplinarverfügung erlässt. 4. Nicht zu den Kosten des Verfahrens gehören die Kosten zur Besetzung der Kirchengerichte. §97 1. Hat der Beschuldigte ein Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder wieder zurückgenommen, so hat er die durch den Gebrauch des Rechtsmittels entstandenen Kosten zu tragen. Hatte das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so kann das Gericht dem Beschuldigten einen angemessenen Teil der Kosten auferlegen. 2. Für die Kosten, die durch einen Wiederaufnahmeantrag entstehen, gilt Absatz 1 sinngemäss für den Beschuldigten oder denjenigen, der nach dessen Tode an seiner Stelle den Antrag gestellt hat.

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§98 1. Kosten, die nicht dem Beschuldigten oder in einem wieder aufgenommenen Verfahren dem sonstigen Antragsteller auferlegt sind, trägt die Kirche, deren Dienststelle das Verfahren eingeleitet hat. 2. Dieser Kirche können auch die notwendigen Auslagen des Beschuldigten oder des Antragstellers gemäss § 83 Absatz 2 ganz oder teilweise auferlegt werden, wenn der Beschuldigte frei gesprochen oder wenn das Verfahren eingestellt wird, ohne dass dem Beschuldigten Kosten auferlegt werden. Soweit dem Beschuldigten notwendige Auslagen infolge eines Rechtsmittels erwachsen sind, das die einleitende Dienststelle erfolglos eingelegt oder wieder zurückgenommen hat, müssen sie ihr auferlegt werden. §99 1. Die Kosten, die der Beschuldigte oder der Antragsteller gemäss § 83 Absatz 2 zu tragen hat, und die Auslagen, die ihm zu erstatten sind, setzt die Geschäftsstelle des Kirchengerichts fest. Sie erteilt darüber einen Kostenbescheid, der den Beteiligten zuzustellen ist. 2. Gegen den Kostenbescheid ist Beschwerde an den Vorsitzenden des Kirchengerichts und gegen dessen Entscheidung weitere Beschwerde an den Vorsitzenden des Kirchengerichtshofes zulässig. Dieser entscheidet endgültig. Die Beschwerdeentscheidungen sind zuzustellen. §100 1. Die Kosten, die dem Beschuldigten auferlegt sind, können ihm von seinen Dienstbezügen, seinem Wartegeld oder seinem Ruhegehalt abgezogen werden. 2. Die Kosten, die der Beschuldigte oder in einem wieder aufgenommenen Verfahren ein sonstiger Antragsteller zu erstatten hat, fliessen der Kirche zu, der sie erwachsen sind. 13. Vollstreckung und Begnadigung §101 1. Die Entfernung aus dem Amt, die Entfernung aus dem Dienst und die Aberkennung des Ruhegehalts werden mit der Rechtskraft wirksam. Bei der Entfernung aus dem Amt stehen dem Verurteilten für den Monat, in dem das Urteil rechtskräftig wird, noch die bisherigen Bezüge zu; vom Beginn des folgenden Monats ab erhält er das Wartegeld nach § 28. Bei der Entfernung aus dem Dienst und der Aberkennung des Ruhegehalts behält der Verurteilte bis zum Ende des Monats, in dem das Urteil rechtskräftig wird, die bisherigen Bezüge, soweit sie ihm schon ausgezahlt sind.

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2. Tritt ein Verurteilter vor der Rechtskraft des Urteils in den Ruhestand, so wirkt ein Urteil auf Entfernung aus dem Dienst als Urteil auf Aberkennung des Ruhegehalts, ein Urteil auf Gehaltskürzung als Urteil auf Kürzung des Ruhegehalts. Ein Urteil auf Entfernung aus dem Amt bewirkt, dass das Ruhegehalt fünf Jahre nicht höher sein darf als der Betrag, den der Verurteilte als Wartegeld nach § 28 erhalten würde. 3. Gehaltskürzung und Kürzung des Ruhegehalts werden von der nächsten Zahlung nach Rechtskraft des Urteils ab durchgeführt. 4. Warnung und Verweis gelten, wenn sie durch Disziplinarverfügung verhängt sind, mit der Zustellung oder Eröffnung, wenn sie durch Urteil verhängt sind, mit der Rechtskraft als vollstreckt. §102 1. Die Leitung der Evangelischen Kirche in Deutschland und die nach Landeskirchenrecht zuständigen Dienststellen der Landeskirche können Dienststrafen im Gnadenwege mildern oder erlassen. 2. Das gleiche gilt von Massnahmen auf Grund eines Sühnebeschlusses gemäss §§ 18 bis 20. 3. Das Gnadenrecht in Bezug auf Dienststrafen oder Sühnemassnahmen, die in einer [Entscheidung?] des Kirchengerichts der EKD oder des Konvents der EKD angeordnet sind, übt die Leitung der EKD aus. 4. Das Gnadenrecht in Bezug auf Dienststrafen oder Sühnemassnahmen, die in erster Instanz von einem landeskirchlichen Gericht oder einem landeskirchlichen Konvent ausgesprochen worden sind, übt die nach landeskirchlichem Recht zuständige Dienststelle aus. Wenn in zweiter Instanz der Kirchengerichtshof entschieden hat, ist die Zustimmung der Leitung der EKD erforderlich. 14. Entziehung der Rechte des geistlichen Standes §103 1. Einem ordinierten Pfarrer, der nicht zu den in dem § 24 Absatz 3 genannten Personen gehört, können die Rechte des geistlichen Standes entzogen werden, wenn er sich durch sein Verhalten der Achtung, des Ansehens oder des Vertrauens unwürdig zeigt, welche der geistliche Beruf erfordert. 2. Für das Verfahren gilt diese Ordnung entsprechend. §104 Mit dem Verlust oder der Entziehung der Rechte des geistlichen Standes verliert der davon Betroffene das Recht zu Wortverkündigung und Sakramentsverteilung im Gottesdienst der Kirche, das Recht, die Amtstracht eines Pfar-

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rers zu tragen und die Amtsbezeichnung eines Geistlichen zu führen, sowie alle äusseren Rechte eines Pfarrers, insbesondere den ihm etwa zustehenden Anspruch auf Ruhegehalt. 15. Ubergangs- und Schlussbestimmungen §105 1. Diese Ordnung gilt auch für Verfehlungen, die vor ihrem Inkrafttreten begangen sind. Das gilt auch für solche Verfehlungen, die vor dem Inkrafttreten nach dem bisherigen Recht verjährt sind. 2. Gegen Pfarrer und Kirchenbeamte, die vor dem Inkrafttreten dieser Ordnung in den Ruhestand getreten sind, kann wegen Verfehlungen, die sie vor ihrem Inkrafttreten begangen haben, nur vorgangen werden, soweit dies auch nach dem bisherigen Recht zulässig war. §106 Verfahren, die vor dem Inkrafttreten dieser Ordnung eingeleitet waren, werden von dem Inkrafttreten dieser Ordnung ab nach ihr weitergeführt. Abschnitt IV (Ordnung brüderlicher Zucht) findet nur Anwendung, wenn die Anklage noch nicht erhoben ist, oder wenn der Beschuldigte es beantragt. §107 1. Die Wiederaufnahme von Verfahren, die vor dem Inkrafttreten dieser Ordnung rechtskräftig abgeschlossen waren, ist nur zulässig, wenn das frühere Urteil nicht vor dem 1.1.1933 rechtskräftig geworden ist. An die Stelle der früheren Disziplinarbehörden treten die entsprechenden Kirchengerichte dieser Ordnung. 2. Wiederaufnahmeverfahren, die beim Inkrafttreten dieser Ordnung anhängig waren, nach ihren Vorschriften aber unzulässig sind, werden eingestellt. 3. Diese Ordnung tritt an dem auf die Verkündigung folgenden Tage in Kraft. 4. Alle bisherigen Vorschriften der EKD und der Landeskirchen, die den gleichen Gegenstand regeln, werden damit aufgehoben. Wo in Gesetzen und Verordnungen auf solche Vorschriften verwiesen wird, treten die entsprechenden Bestimmungen dieser Ordnung an ihre Stelle. Vorschriften über die Lehrbeanstandung bleiben unberührt.

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18D4. Entwurf für ein Rundschreiben an die Leitungen der deutschen evangelischen Landeskirchen F: LKA Nürnberg, Meiser 125 (D; Anlage 2 zu 18D2). Den anliegenden Entwurf für ein Gesetz über die Verletzungen von Amtspflichten der Geistlichen 75 übersenden wir den Landeskirchen zur gefl. Stellungnahme. Es ist nicht beabsichtigt, diesen Entwurf vor Zusammentreten der verfassungsgebenden Kirchenversammlung von Seiten der EKD in Kraft zu setzen. Bei der derzeitigen vorläufigen Ordnung d[er] Leitung der E K D wäre der Rat nur dann bereit, ein derartiges Gesetz zu erlassen, wenn alle Landeskirchen zustimmten. Dass wir den Landeskirchen trotzdem diesen Entwurf zur Zeit schon zur Kenntnis geben und um Stellungnahme bitten, geschieht, weil wir eine spätere Regelung vorbereiten wollen; zugleich wollen wir den Landeskirchen mit dem Entwurf eine Richtlinie für die Gestaltung ihrer landeskirchlichen Regelungen geben, sofern sie eine solche nicht bis zum Erlass einer Regelung von Seiten der E K D hinausschieben können. 18D5. Ausarbeitung Benns: "Ordnung der Zucht und Disziplin an Pfarrern und Kirchenbeamten" F: LKA Nürnberg, Meiser 125 (H; Anlage 3 zu 18D2). §1 Wenn ein Pfarrer oder Kirchenbeamter schuldhaft die Pflichten verletzt, die ihm mit seinem Amt übertragen sind, kann ihn die Kirche in brüderliche Zucht nehmen oder die Amtsdisziplin gegen ihn anwenden. §2 Für die Übung der Zucht und der Amtsdisziplin gilt diese Ordnung. Über den Vorwurf, ein Pfarrer sei in seiner Verkündigung von Bekenntnis oder Lehre der Kirche abgewichen, wird nicht nach dieser Ordnung entschieden. §3 Pfarrer im Sinne dieser Ordnung ist, wer von der EKD oder einer Landeskirche im geistlichen Dienst auf Lebenszeit angestellt, wer in den Vorbereitungsdienst oder Probedienst aufgenommen oder wer sonst widerruflich zum geistlichen Dienst berufen ist; das gleiche gilt von denjenigen, die in einem der Leitung oder Dienstaufsicht einer Landeskirche unterstehenden geistlichen Dienst bestätigt sind. Kirchenbeamter ist, wer zur Evangelischen Kirche in Deutschland, zu einer Landeskirche, zu einem kirchlichen Gemeinde- oder 75

18D3, S. 467-495.

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Synodalverband in einem Dienstverhältnis steht, das ausdrücklich als Kirchenbeamtenverhältnis begründet oder anerkannt worden ist. Kirchenbeamte sind auch Personen im Dienst von kirchlichen Werken, die unter der Leitung oder Dienstaufsicht der EKD oder einer Landeskirche stehen, wenn das Dienstverhältnis von der obersten Dienstaufsichtsbehörde ausdrücklich als Beamtenverhältnis bestätigt worden ist. Es bleibt den Landeskirchen überlassen, diese Ordnung auch auf andere Gruppen von kirchlichen Amtsträgern auszudehnen. §4 Maßnahmen der Zucht und der Amtsdisziplin können auch gegen Pfarrer und Kirchenbeamte getroffen werden, die aus dem Dienst der Kirche ausgeschieden oder in einen anderen kirchlichen Dienst oder in den Ruhestand oder Wartestand übergegangen sind, wenn die Verfehlung vorher begangen war oder wenn Pflichten verletzt wurden, die auch nach dem Ausscheiden oder dem Ubergang fortbestehen. §5 Kirchenleitung im Sinne dieser Ordnung ist für den Dienstbereich der EKD der Rat der EKD, für den Dienstbereich der Landeskirchen deren Leitung, für Pfarrer und Kirchenbeamte, die sich im Ruhestand befinden oder sonst aus dem Dienst ausgeschieden sind, die zuletzt zuständig gewesene Kirchenleitung oder diejenige Stelle, die deren Aufgaben übernommen hat. Die landeskirchliche Ordnung kann bestimmen, dass statt der Landeskirchenleitung allgemein oder in bestimmten Fällen eine andere landeskirchliche Stelle die Aufgaben zu erfüllen hat, die diese Ordnung der Kirchenleitung auferlegt. A. Ordnung der brüderlichen Zucht. §6 Die brüderliche Zucht hat zum Ziel, einen Pfarrer oder Kirchenbeamten, gegen dessen Lebens- oder Amtsführung Bedenken erhoben werden, durch brüderliche Aussprache zu einer offenen Darlegung des Sachverhalts zu veranlassen, ihn, wenn er sich einer Verfehlung schuldig gemacht hat, zur Einsicht und Umkehr zu führen und ihn dazu zu bewegen, dass er freiwillig eine angemessene Sühne auf sich nimmt. §7 Die brüderliche Zucht an einem Pfarrer zu üben, ist Aufgabe des Konvents, der Amtsbrüder im Kirchenkreis und der leitenden geistlichen Amtsträger.

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Das nähere bestimmt die landeskirchliche Ordnung. Sie regelt auch, wer die Zucht an den kirchlichen Beamten übt. §8

Ob die brüderliche Zucht Platz zu greifen hat, bestimmen die nach § 7 verantwortlichen Amtsträger nach pflichtmässigem Ermessen. Sie haben in eine Prüfung des Sachverhalts und in ein Gespräch mit dem Betroffenen einzutreten, wenn ihnen Umstände bekannt werden, die den Verdacht einer Verfehlung begründen. In schweren Fällen haben sie der Kirchenleitung unverzüglich Mitteilung zu machen. Sind zur Aufklärung des Sachverhalts besondere Ermittlungen notwendig, so haben sie die Kirchenleitung um deren Durchführung zu bitten. In der Frage, wie der Sachverhalt zu beurteilen und welche Sühne für angemessen zu halten ist, sind sie an keine Weisungen anderer Stellen gebunden. §9 Als Sühne können dem Betroffenen im Wege der kirchlichen Zucht mit seiner Einwilligung auferlegt werden 1. Die Entgegennahme und Befolgung eines Rates für die Amtsführung, 2. die Verpflichtung, ein Unrecht in bestimmter Weise wieder gutzumachen, 3. die Abgabe einer bestimmten Erklärung, insbesondere vor der Gemeinde, 4. der Übergang in eine andere Stelle, 5. einer derjenigen Nachteile, die eine Bestrafung im Wege der Amtsdisziplin zur Folge haben kann. §10 Führt der Versuch, die brüderliche Zucht zu üben, nicht zu einem Ergebnis, so ist dies der Kirchenleitung mitzuteilen. Dabei ist anzugeben, welcher Verdacht vorliegt, und ob der Betroffene sich dem brüderlichen Gespräch oder der Übernahme einer Sühne versagt hat. Nimmt der Betroffene eine Sühne auf sich, so ist hierüber eine schriftliche Entschliessung niederzulegen und von dem Betroffenen sowie den verantwortlichen Amtsträgern zu unterzeichnen. Sie bedarf der Bestätigung der Kirchenleitung, die nötigenfalls ihre Durchführung veranlasst. Wird die Bestätigung erteilt, so hat die Entschliessung die rechtliche Bedeutung eines im Disziplinarverfahren ergangenen Urteils. Wird die Bestätigung versagt, so kann die Kirchenleitung, wenn sie eine Weiterverfolgung für notwendig hält, eine Fortführung des Zuchtverfahrens veranlassen oder nach den Grundsätzen der Amtsdisziplin verfahren.

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B. Ordnung der Amtsdisziplin I. Einleitende Bestimmungen SU Die Amtsdisziplin hat zum Ziel, Verfehlungen von Pfarrern und Kirchenbeamten aufzuklären und über sie zu urteilen. §12 O b im Wege der Amtsdisziplin einzuschreiten ist, entscheidet die Kirchenleitung nach pflichtmässigen Ermessen. Sie hat dabei das gesamte dienstliche und ausserdienstliche Verhalten des Amtsträgers zu berücksichtigen. Die Kirchenleitung kann das Verfahren bis zur Abgabe an das Kirchengericht jederzeit auf den Weg der brüderlichen Zucht verweisen. Auch das Kirchengericht kann das Verfahren jederzeit aussetzen, um der brüderlichen Zucht Raum zu geben und zu diesem Zweck die Kirchenleitung um weitere Veranlassung bitten. Π. Ermittlungen §13 Werden der Kirchenleitung Tatsachen bekannt, die den Verdacht einer Verfehlung begründen, so veranlasst sie die nötigen Ermittlungen, um den Sachverhalt aufzuklären. Dabei ist der Betroffene zu hören. Es können auch andere Personen gehört werden. Der Betroffene kann weitere Ermittlungen anregen. Er ist über das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen zu unterrichten. §14 Die Kirchenleitung kann dem Betroffenen gleichzeitig oder im Laufe der Ermittlungen die Ausübung des Dienstes vorläufig untersagen. Eine andere dem Betroffenen vorgeordnete Dienststelle kann diese Massnahme nur in dringenden Fällen treffen und hat auch dazu unverzüglich die Entscheidung der Kirchenleitung herbeizuführen. Die Massnahme kann jederzeit wieder aufgehoben werden. §15 Ergeben die Ermittlungen keinen Anlass zu einem weiteren Verfahren, so ist dies dem Betroffenen und gegebenenfalls anderen Beteiligten unter Angabe der Gründe mitzuteilen. §16 Besteht nach dem Ergebnis der Ermittlungen Anlass zu einem weiteren Verfahren, so unterrichtet die Kirchenleitung hierüber die für die Übung der

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brüderlichen Zucht verantwortlichen Amtsträger. Sie kann bei besonderer Lage des Falles ausnahmsweise hiervon absehen. §17 Wird von der Übung brüderlicher Zucht ausnahmsweise abgesehen oder verläuft sie ohne Ergebnis, so kann die Kirchenleitung, falls sie eine Weiterverfolgung für erforderlich hält, den Betroffenen im Wege der Disziplinarverfügung bestrafen oder das Disziplinarverfahren gegen ihn einleiten. III. Disziplinarstrafen § 18

Im Wege der Amtsdisziplin können folgende Disziplinarstrafen verhängt werden: (weiter wie in § 24 des Entwurfs76) §§ 19-25 (wie §§ 25-31 des Entwurfs77) §26 Warnung, Verweis und Geldbuße können sowohl von der Kirchenleitung im Wege der Disziplinarverfügung wie von den Kirchengerichten durch Urteil, alle anderen Disziplinarstrafen können nur von den Kirchengerichten durch Urteil auf Grund eines Disziplinarverfahrens verhängt werden. IV. Disziplinarverfügung §27 Eine Disziplinarverfügung ergeht schriftlich und ist mit Gründen zu versehen. Sie ist dem Betroffenen zuzustellen oder auszuhändigen. Gegen eine Disziplinarverfügung kann der Beschuldigte binnen zwei Wochen nach der Zustellung oder Aushändigung Beschwerde an das Kirchengericht einlegen. Uber die Beschwerde entscheidet das Kirchengericht durch einen Beschluss, der dem Betroffenen zuzustellen ist. Gegen diesen Beschluss kann der Betroffene binnen zwei Wochen nach der Zustellung eine weitere Beschwerde an den Kirchengerichtshof der EKD einlegen, der darüber gleichfalls durch Beschluss entscheidet. Keine Dienststelle ist befugt, nach Einlegung der Beschwerde ihre Disziplinarverfügung oder Beschwerdeentscheidung selbst aufzuheben. Die Kirchenleitung kann eine Disziplinarverfügung, die sie selbst oder eine ihr nachgeordnete Stelle erlassen hat, innerhalb eines Jahres, nachdem die 76

S.472.

77

S.473ff.

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Verfügung erlassen worden ist, aufheben und in der Sache anders entscheiden oder die Einleitung des förmlichen Disziplinarverfahrens beschliessen. Vorher ist der Betroffene zu hören. V. Disziplinarverfahren 1. Einleitung des Verfahrens §28 Die Einleitung eines Disziplinarverfahrens ist schriftlich zu verfügen. Die Verfügung ist dem Beschuldigten zuzustellen; damit wird sie wirksam. §29 Sind für einen Beschuldigten, der mehrere Amter bekleidet, verschiedene Kirchenleitungen zuständig, so darf jede das Verfahren erst einleiten, nachdem sie sich mit den anderen verständigt hat. Kommt keine Verständigung zustande, so entscheidet der Rat der EKD. Wegen desselben Sachverhalts darf nur ein Verfahren eingeleitet werden. §30 (wie § 39 Abs. 1 des Entwurfs; Abs. 2 entfällt 78 ) §§ 31-35 (wie §§6-8 des

Entwurfs 79 ) Es folgen:

Entwurfs 80

§§ 40-106 des §§ 32-35 des Entwurfs 81

18D6. Entwurf: "Grundsätze für die Rechtsstellung der Vikarinnen". [Schwäbisch Gmünd, April 1948] F: ASD Bonn, NL Heinemann, Teil 1282 (D; Anlage zu einem 18C1 entsprechenden Entwurf eines Rundschreibens an die Leitungen der deutschen evangelischen Landeskirchen). I. Theologinnen, die das 2. theologische Examen bestanden haben und in die Liste der ... Landeskirche für die anstellungsfähigen Theologinnen aufgenommen worden sind, führen die Amtsbezeichnung Vikarin. 78 79

S. 476. S.468f.

80 S. 476-49$. 81 S.475.

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Π. Vikarinnen, denen eine planmässige Vikarinnenstelle in der Landeskirche oder im Dienst einer Kirchengemeinde übertragen worden ist, können nur auf ihren Antrag, auf Grund eines Disziplinarurteils oder gemäss VH[. aus dem Dienst entlassen werden. m. Die Landeskirche kann Vikarinnen im landeskirchlichen Dienst anstellen und ihnen wechselnde Aufgaben, insbesondere Vertretungen in Kirchengemeinden übertragen. Die Zahl dieser Vikarinnen ohne festes Amt darf höchstens 20 % der vorhandenen Vikarinnen betragen. Eine Vikarin soll nicht länger als 6 Jahre in diesem Dienst stehen. IV. Vikarinnen, die im Dienst einer Kirchengemeinde stehen, sind dem Superintendenten, Vikarinnen im Dienst der Landeskirche der zuständigen landeskirchlichen Stelle unterstellt. V. Die Vikarinnen einer Landeskirche wählen eine Vertrauensvikarin, in Landeskirchen mit mehr als 10 Vikarinnen einen Vikarinnenausschuss. Die Stellungnahme der Vertrauensvikarin bezw. des Vikarinnenausschusses ist vor Versetzungen in ein anderes Amt gemäss VI., Versetzungen in den Ruhestand gemäss VII. und Entlassungen gemäss VIII. einzuholen. Die landeskirchliche Behörde soll sich auch in allen übrigen die Vikarinnen betreffenden Fragen mit der Vertrauensvikarin bezw. dem Vikarinnenausschuss in Verbindung halten. VI. Die Landeskirche kann eine Vikarin, der eine planmässige Stelle in einer Gemeinde übertragen worden ist, gegen ihren Willen versetzen, wenn ein dringendes dienstliches Interesse es erfordert. Eine Vikarin soll nicht gegen den Willen der Kirchengemeinde, in deren Dienst sie steht, versetzt werden. vn. Vikarinnen können ohne ihren Antrag in den Ruhestand versetzt werden, wenn sie einer Versetzungsverfügung gemäss VI nicht Folge leisten, wenn sie das 60. Lebensjahr vollendet haben, oder wenn ihre dauernde Dienstunfähigkeit durch ein amtsärztliches Zeugnis nachgewiesen ist.

vm. Mit ihrer Verheiratung scheidet die Vikarin aus dem kirchlichen Dienst aus, wenn nicht die Landeskirche wegen besonderer Umstände ihr vorläufiges

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oder dauerndes Verbleiben im Dienst genehmigt. Sie kann bei ihrem Ausscheiden wählen, ob sie das ihr nach ihrem Dienstalter zustehende Ruhegehalt oder eine Abfindung erhalten will. Wenn sie die Abfindung wählt, werden durch diese alle etwa entstandenen Versorgungsansprüche abgegolten. Die Abfindung beträgt nach vollendetem 2. oder 3. Dienstjahr das zweifache, nach vollendetem 4. oder 5. Dienstjahr das dreifache der Dienstbezüge des letzten Monatsgehalts und steigt vom vollendeten 6. Dienstjahr ab um je einen Monatsbetrag, bis sie nach vollendetem 14. Dienstjahr als Höchstbetrag das 12fache des letzten Monatsbetrages erreicht. IX. Für die Vikarin gilt das Disziplinarrecht für Pfarrer. X. Die Vikarinnen haben Anspruch auf Urlaub nach den Bestimmungen, die für Pfarrer gelten. XI. Die Vikarinnen werden wie die unverheirateten Pfarrer besoldet und haben Anspruch auf die Altersversorgung, die ein unverheirateter Pfarrer nach der gleichen Zahl von Dienstjahren erhält. 18D7. Schreiben der Kirchenkanzlei an die Mitglieder des Rates. Schwäbisch Gmünd, 26. Februar 1948 F: LKA Nürnberg, Meiser 144 (D). Den Herren Mitgliedern des Rates habe ich Nachstehendes mitzuteilen. Es wird gel[e]g[entlich] der nächsten Sitzung Gegenstand der Besprechung sein müssen. Im Dezember 1946 wurde Herr Karwiese mit Wirkung vom 1. Mai 1946 in die Dienste der Zentralbeschaffungsstelle der E K D übenommen. Herr Karwiese hatte bis dahin in gleicher Arbeit für die Hannoversche Landeskirche gearbeitet. Die Uebernahme des Herrn Karwiese erfolgte während meiner Abwesenheit. Zu einem verhältnismässig frühen Zeitpunkt wurde sichtbar, dass die Geschäftsgebahrung [sie/] des Herrn Karwiese zu ernsten Bedenken Anlass gab. Das galt auch für die Firma Maier, mit der Herr Karwiese zusammenarbeitete. Im Herbst 1947 wurde ein Verwaltungsrat der Zentralbeschaffungsstelle ins Leben gerufen, der heute zum ersten Male in Frankfurt tagt. Anfang Dezember 1947 waren die Prüfungen der Bücher so weit fortgeschritten, dass der Wirtschaftsprüfer, Herr Dr. Gutberiet, der Kanzlei die ersten Unterlagen senden konnte. Diese Unterlagen waren eindeutig und spra-

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chen in ungünstigstem Sinne von der Tätigkeit des Herrn Karwiese und der Firma Maier. Am 23.2. dieses Jahres erfuhr ich gel[e]g[entlich] eines Gespräches mit Herrn Dr. Gutberiet von den schweren Vorwürfen, die Herrn Karwiese und der Firma Maier zu machen seien. Am 24. Februar habe ich Herrn Karwiese mit sofortiger Wirkung gekündigt und am gleichen Datum jede Beziehung zur Firma Maier gelöst. Finanzielle Schädigungen irgendwelcher Art sind nach bisherigen Feststellungen der E K D nicht erwachsen. Herr Dr. Gutberiet rät von einer strafrechtlichen Verfolgung ab. Jedoch wird der Rat gel[e]g[entlich] seiner nächsten Sitzung darüber die Entscheidung zu treffen haben. Asmussen [m.p.] 18D8. Schreiben der Kirchenkanzlei an die Mitglieder des Rates. Schwäbisch Gmünd, 15. März 1948 F: LKA Nürnberg, Meiser 126(D).

Betrifft: Zentralbeschaffungsstelle. 1. Aus unserem an die Leitungen der deutschen evangelischen Landeskirchen gesandten Rundschreiben vom 1. März 1948 Nr. 1717/4882 werden Sie ersehen haben, dass wir gezwungen gewesen sind, den seinerzeit Herrn Werner Karwiese erteilten Auftrag zur Leitung unserer Zentralbeschaffungsstelle in Hannover mit sofortiger Wirkung zu kündigen. Gleichzeitig haben wir der Vertragsfirma des Herrn Karwiese, der Firma Maier in Hannover, mitgeteilt, dass wir die Vereinbarungen, die Herr Karwiese in unserem Namen mit ihr getroffen hat, nicht als rechtswirksam anerkennen können. Zu diesem Schritt haben wir uns entschlossen, nachdem die zuständige oberste bizonale Verwaltungsbehörde uns darüber unterrichtet hatte, dass die Firma Maier sich schwere Verfehlungen in der Durchführung des Auftrages der Zentralbeschaffungsstelle hat zuschulden kommen lassen, dass die zuständigen staatlichen Stellen deswegen jede Zusammenarbeit mit ihr ablehnen, und dass daher der E K D eine Geschäftsverbindung mit der Firma Maier weder zumutbar noch überhaupt möglich sei. 2. Die Firma Maier hat daraufhin bei dem Landgericht in Hannover einen Rechtsstreit gegen die E K D anhängig gemacht mit dem Antrag, "festzustellen, dass die Vereinbarungen zwischen den Parteien vom 21.1. und 21.10.1947 83 rechtswirksam getroffen sind"; 82 LKA STUTTGART, D l / 2 1 6 ; vgl. dazu S. 447, Anm. 20. 83 In den einschlägigen Akten im EZA Berlin nicht ermittelt.

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der Herr Vorsitzende des Rates der E K D hat einen vom Landeskirchenamt in Hannover vorgeschlagenen Rechtsanwalt mit der Prozessführung für die E K D beauftragt. 3. Der Verwaltungsrat der Zentralbeschaffungsstelle hat uns gegenüber die Gewähr für eine unbedingt gewissenhafte Abrechnung der Vergangenheit und für eine ebenso gewissenhafte Führung der Geschäfte in der Zukunft übernommen und ausdrücklich festgestellt, dass die Kirchenkanzlei in dem bisherigen Verlaufe sorgfältig gehandelt hat. 4. Der von den Landeskirchen der drei westlichen Besatzungszonen für das Jahr 1948 bestellte Abendmahlswein ist in vollem Umfange bereits für sie sichergestellt und freigegeben. Der von den Landeskirchen der sowjetischen Besatzungszone für das Jahr 1948 bestellte Abendmahlswein ist gleichfalls bereits blockiert; seine Freigabe kann indessen erst nach Abschluss der gesamten Kompensationsverhandlungen zwischen der sowjetischen und französischen Besatzungszone erfolgen. (gez.) Asmussen D D . 18D9. Schreiben des Verfassungsausschusses an den Rat. Karlsruhe-Rüppur, 11. April 1948 F: E2A Berlin, 2/7 (Abschrift).

Der Verfassungsausschuss der Evangelischen Kirche in Deutschland hat am 10. und 11.4.48 in Karlsruhe-Rüppur die vorgesehene Besprechung mit den Herren Landesbischof D. Meiser, Prof. D. Sommerlath, Kirchenpräsident Niemöller DD., Pastor Mochalski, Pastor Steiner, O K R . Dr. Friedrich, gehabt. Der Besprechung lagen die in Kassel am 9.3.48 hergestellte zweite Fassung des Entwurfs einer Grundordnung der E K D und die dazu vom Lutherrat in Darmstadt am 11. und 12.3.48 beschlossenen Abänderungsvorschläge84 zu Grunde. Nach eingehender ernster Beratung wurde Ubereinstimmung über die Fassung von Abs. 3 des Vorspruchs, der Absätze 1 und 2 von Art. 2 und des Abs. 1 von Art. 3 erzielt - siehe Anlage 85 -. Die Vertreter des Lutherrats, Landesbischof D. Meiser und Professor D. Sommerlath, legten darüber hinaus neuformulierte Vorschläge zur Abänderung des Abs. 4 des Vorspruchs, der Abs. 1 und 2 des Art. 1 und des Art. 4 vor - siehe Anlage 86 -. Der Verfassungsausschuss hat sich von diesen Vorschlägen des Lutherrats, die zu Abs. 4 des Vorspruchs und zu den Abs. 1 und 2 des Artikels 1 zu eigen ma84 Vgl. dazu S. 450, Anm. 30. 85 18D10, S. mf. 86 18D10, S. Wf.

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chen können. Er bittet den Rat, die Frage zu prüfen, ob darin eine wesentliche sachliche Abweichung von Satz 4 der Entschliessung der Kirchenversammlung von Treysa vom 6.6.47s7 liegt. Sollte der Rat diese Frage verneinen, so müsste der Verfassungsausschuss vorschlagen, den Abs. 5 des Kasseler Entwurfs88 als letzten Absatz des Art. 4 zu belassen. Die Annahme der Vorschläge des Lutherrats, an die Stelle des Wortes "Synode" die Bezeichnung "Kirchentag" zu setzen und ein Austrittsrecht der Gliedkirchen in der Grundordnung festzulegen, empfiehlt der Verfassungsausschuss nicht. Die Behandlung der übrigen noch vorliegenden Abänderungsvorschläge des Lutherrats und der Gliedkirchen empfiehlt der Verfassungsausschuss, der Beratung der Kirchenversammlung zu überlassen. Der Verfassungsausschuss der EKD sieht mit dieser Stellungnahme seine Arbeit als abgeschlossen an. gez. Prof. Dr. Erik Wolf Brunotte Ehlers 18D10. Vorlage des Verfassungsausschusses. [Karlsruhe-Rüppur, 11. April 1948] F: ETA Berlin, 2/7 (Abschrift; Anlage zu 18D9).

I. Änderungen, die sich der Verfassungsausschuss zu eigen macht. Vorspruch -1-... - 3 - Für das Verständnis der Heiligen Schrift und der altkirchlichen Bekenntnisse sind in den lutherischen, reformierten und unierten Gliedkirchen und Gemeinden die für sie geltenden Bekenntnisse der Reformation massgebend. Artikel 2 - 1 - Das Recht der EKD und ihrer Gliedkirchen muss auf der im Vorspruch und im Artikel 1 bezeichneten Grundlage ruhen. - 2 - Die gesamtkirchliche Rechtsetzung darf das Bekenntnis der Gliedkirchen nicht verletzen; die Rechtsetzung der Gliedkirchen darf dem gesamtkirchlichen Recht nicht widersprechen.

87 S. 196. 88 S.402.

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Artikel 3 - 1 - Die EKD ist um ihres Auftrags willen unabhängig in der Aufstellung ihrer Grundsätze, in der Ordnung und Verwaltung ihrer Angelegenheiten und in der Verleihung und Aberkennung ihrer Amter. - 2 -... Π. Neuformulierte Vorschläge des Lutherrats Vorspruch -1-...

- 4 - Im Gehorsam gegen den Herrn Jesus Christus als das Haupt seiner Gemeinde gibt sich die EKD folgende Ordnung: Artikel 1 - 1 - Die Evangelische Kirche in Deutschland ist ein Bund lutherischer, reformierter und unierter Kirchen. Sie achtet die Bekenntnisgrundlagen der Gliedkirchen und Gemeinden und setzt voraus, dass sie ihr Bekenntnis in Lehre, Leben und Ordnung der Kirche wirksam werden lassen. - 2 - In der Evangelischen Kirche in Deutschland wird die bestehende Gemeinschaft der deutschen evangelischen Christenheit sichtbar. Sie weiss sich verpflichtet, als bekennende Kirche die Erkenntnisse des Kirchenkampfes über Wesen, Auftrag und Ordnung der Kirche zur Auswirkung zu bringen. Sie bleibt damit auf dem von der ersten Bekenntnissynode in Barmen 1934 beschrittenen Wege. Sie ruft die verschiedenen Bekenntniskirchen zum Hören auf das Zeugnis der Brüder. Sie hilft ihnen, wo es gefordert wird, zur gemeinsamen Abwehr kirchenzerstörender Irrlehre. Artikel 4 - 1 - Der Dienst am Wort und die Verwaltung der Sakramente geschieht in den Gliedkirchen und Gemeinden nach der Ordnung ihres Bekenntnisses. Vereinbarungen über Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft bleiben den Gliedkirchen überlassen. - 2 - Jedoch soll der gelegentliche Dienst der Verkündigung einem berufenen Diener am Wort in einer Gliedkirche nicht deshalb verwehrt werden, weil er nicht auf ihr Bekenntnis verpflichtet ist. Die geltenden Bestimmungen der Gliedkirchen bleiben unberührt. - 3 - Die Teilnahme von Angehörigen eines anderen Bekenntnisses an der Feier des Heiligen Abendmahles in einer Gemeinde soll zugelassen werden, wo der Wunsch danach besteht und seelsorgerliche oder gemeindliche Verhältnisse es erfordern; die rechtliche Kirchenzugehörigkeit wird dadurch

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nicht berührt. Die Bestimmungen der Gliedkirchen über Abendmahlszucht bleiben in Kraft. 18D11. Schreiben des Bruderrates der EKD an den Rat. Schwäbisch Gmünd, 11. Februar 1948 F: ETA Berlin, 2/92

(O mit

Vermerk Asmussens:

"Hr. Dr. Merzyn mit der Bitte um

Vorschlag"). Betrifft: Versorgung der Witwe des ermordeten Bürodirektors der Vorläufigen Leitung der Deutschen Evangelischen Kirche, Landgerichtsdirektor Dr. Weissler. Hochwürdiger Herr Landesbischof! Auf Beschluss des geschäftsführenden Ausschusses des Bruderrates erlaube ich mir zu Ihren Händen folgende Bitte an den Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland seitens des Bruderrates der Evangelischen Kirche in Deutschland zu richten. Landgerichtsdirektor Dr. Friedrich Weissler war in den Jahren 1935/36 Bürodirektor der Vorläufigen Leitung der Deutschen Evangelischen Kirche. Zu dieser Zeit war die Vorläufige Leitung noch das von allen der Bekennenden Kirche zugehörigen Landeskirchen herausgestellte Gremium der Leitung der Deutschen Evangelischen Kirche. Es ist bekannt, dass die Vorläufige Leitung als Notkirchenregiment in Verfolg des Dahlemer Synodalbeschlusses das legitime Leitungsorgan der Deutschen Evangelischen Kirche war89. Damit hatte Landgerichtsdirektor Dr. Weissler als Bürodirektor der Vorläufigen Leitung die Stellung eines Leiters der Kirchenkanzlei.

89 Nach dem gewaltsamen Eingreifen der Reichskirchenregierung in die Kirchenleitungen von Kurhessen, Württemberg und Bayern hatte die 2. Bekenntnissynode der DEK am 19./20. Oktober 1934 in Berlin-Dahlem das "kirchliche Notrecht" proklamiert und beschlossen, "neue Organe der Leitung" zu schaffen, die aus einem Bruderrat und einem aus diesem zu wählenden Rat der DEK bestehen sollte {vgl. die "Botschaft der Bekenntnissynode der Deutschen Evangelischen Kirche" vom 20. Oktober 1934: BEKENNTNISSYNODE DAHLEM 1934, S. 44f.). Der Beschluß zu den geplanten Leitungsorganen der DEK ist in dieser Form jedoch nicht umgesetzt worden. Nach der Wiedereinsetzung der legitimen Kirchenleitungen in Württemberg und Bayern Ende Oktober 1934 kam es am 22. November 1934 stattdessen - u.a. zwischen den Leitungen der "intakten" Landeskirchen, dem Bruderrat und dem Lutherischen Rat - zu einer "Vereinbarung über die Bestellung eines vorläufigen Kirchenregiments der Deutschen Evangelischen Kirche", in der explizit auf Dahlem Bezug genommen wurde: "Das rechtmäßige Kirchenregiment der Deutschen Evangelischen Kirche hat die Aufgabe, gemäß den Botschaften der Bekenntnissynoden der Deutschen Evangelischen Kirche von Barmen und Dahlem auf der Grundlage von Bekenntnis und Verfassung die Deutsche Evangelische Kirche zu ordnen und in wahrer Einigkeit aufzubauen" (K.D. SCHMIDT, Bekenntnisse Bd. 2, S. 175).

18D Vorlagen und Anträge

509

Dr. Weissler war massgeblich an der Abfassung der 1936 an Hitler eingereichten Denkschrift beteiligt90. Im Zusammenhang mit dieser Denkschrift wurde er von der Geheimen Staatspolizei in das Konzentrationslager Sachsenhausen verbracht und dort am 19. Februar 1937 ermordet. Da Landgerichtsdirektor Dr. Weissler ein hohes kirchliches Amt in entscheidenden Jahren inne hatte, möchten wir - ganz abgesehen davon, dass er um seines Einsatzes für die Kirche und ihrer Verkündigung willen ermordet wurde - den Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland bitten, seiner Witwe, Frau Weissler, z.Zt. wohnhaft in Salzwedel (russische Zone) seitens der Evangelischen Kirche in Deutschland eine Pension entsprechend der Stellung ihres ermordeten Gatten rückwirkend ab 1. April 1945 zu zahlen. Zur Begründung für diese Bitte möchten wir ausser den oben gemachten Ausführungen über die Stellung von Landgerichtsdirektor Dr. Weissler noch auf zwei Punkte hinweisen, die uns geeignet erscheinen, unsere Bitte zu unterstützen: 1. Unserers Wissens zahlt die Evangelische Kirche in Deutschland hohen kirchlichen Beamten, die in den kirchlichen Auseinandersetzungen der vergangenen Jahre mit dem nationalsozialistischen Staat eine Haltung einnahmen, die die Zerstörung und politische Gleichschaltung der Kirche förderte, noch weiterhin Pension oder einen erheblichen Teil der ihnen normaler Weise zustehenden Pension. 2. Frau Weissler erhielt nach unseren Festellungen seit 1945 zunächst monatlich 120,- RM von dem Provinzialbruderrat Sachsen. Seit der Zahlung einer Rente von monatlich 90,- RM auf Grund völliger Erwerbsunfähigkeit ist die monatliche Beihilfe des Provinzialbruderrates Sachsen weggefallen. Von diesen 90,- RM muss Frau Weissler nicht nur ihren eigenen Lebensunterhalt bestreiten, sondern auch den ihres noch die Schule besuchenden 19-jährigen Sohnes. Mit diesen beiden Hinweisen möchten wir unsere auf Grund der seinerzeitigen Stellung des Landgerichtsdirektors Dr. Weissler ausgesprochene Bitte auf Aussetzung einer Pension für Frau Weissler in Höhe der Witwenpension des leitenden Beamten einer Kirchenbehörde unterstützen. Wir bitten den Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland, unserer Bitte zu entsprechen, damit Frau Weissler die Versorgung erhält, von der wir meinen, dass die Evangelische Kirche in Deutschland sie ihr schuldig ist. In aufrichtiger Verehrung bin ich Euer Hochwürden sehr ergebener Mochalski, Pastor. \m.p.\ 90 Abdruck der Denkschrift der VKL II an Hitler vom 28. Mai 1936 u.a. in: K.D. SCHMIDT, DO-

510

18. Sitzung Frankfurt/Main 27. und 28. April 1948

18E Dokumente 18E1. Schreiben der Kirchenkanzlei an die Leitungen der deutschen evangelischen Landeskirchen. Schwäbisch Gmünd, 11. November 1948 F: LKA Nürnberg, Meiser 130 (H).

Betr.: Zentralbeschaffungsstelle. 1.) Auf Grund der veränderten allgemeinen Wirtschaftslage und der von den meisten Landeskirchen geäusserten Wünsche wird die Zentralbeschaffungsstelle der Evangelischen Kirche in Deutschland mit sofortiger Wirkung aufgelöst. 2.) Alle bei der Zentralbeschaffungsstelle vorgelegten Bedarfsanmeldungen sind damit gegenstandslos geworden, insbesondere die Wünsche nach Lieferung von Abendmahlswein, Kraftfahrzeug- und Fahrradbereifung, Glühbirnen, Paraffin, Papier usw. 3.) Die Firma Theodor A. Maier in Hannover, Podbielskistr. 332, hat sich bisher als Vertragsfirma im Auftrag der Zentralbeschaffungsstelle um die von den Landeskirchen gewünschten Beschaffungen, insbesondere der in Ziffer 2.) genannten Gegenstände bemüht. Sie ist daher über die Bedarfsmeldungen der Landeskirchen bereits durch die Zentralbeschaffungsstelle im Einzelnen genau unterrichtet und wird auf Grund der schon bisher von ihr für die Landeskirchen unternommenen Schritte verhältnismässig bald zur Lieferung der angeforderten Mengen in der Lage sein, wenn sie entsprechende Aufträge von den Landeskirchen im freien Wettbewerb erhält. Da sich diese Firma unter den besonders schwierigen Verhältnissen vor der Währungsreform erfolgreich um die Beschaffung für die kirchlichen Stellen bemüht hat, und da die von verschiedenen Seiten - meist Konkurrenzfirmen - gegen die Firma Maier erhobenen Vorwürfe sich durch die Einstellung des von der Staatsanwaltschaft in Hannover eingeleiteten Ermittlungsverfahrens als haltlos erwiesen haben, bestehen keine Bedenken dagegen, dass die Landeskirchen nunmehr unmittelbar der Firma Maier Aufträge entsprechend ihren noch unerledigten Bedarfsmeldungen und künftig etwa noch auftretendem Bedarf erteilen, soweit sie nicht entsprechend unserem Rundschreiben vom 4.9.48 -Nr. 5983/48

kumente Π, S. 695-719; vgl. dazu auch M. GRESCHAT, Widerspruch.

18E Dokumente

511

Π91- inzwischen bereits durch die Hauptbüros des Hilfswerks ihre Beschaffungswünsche erfüllt bekommen haben. 4.) Wir haben unsererseits mit der Firma Theodor A. Maier eine Vereinbarung dahingehend getroffen, dass diese Firma a) allen kirchlichen Stellen, die vor dem 20.6.48 durch Vermittlung der Zentralbeschaffungsstelle Abendmahlswein zum Preise von 8,55 RM je Flasche bezogen haben, einen Beitrag von 2,- RM = 0,20 DM je Flasche zurückerstattet, b) alle kirchlichen Stellen von allen Ansprüchen, die Firmen oder Personen aus den früheren Geschäften geltend machen können - einschliesslich etwaiger Ansprüche der Finanzämter - freistellt, c) auf alle Ansprüche gegenüber der EKD und deren Gliedkirchen einschliesslich der Rückforderung allen der Firmen Maier gehörigen Leergutes, das im Zusammenhang mit der Abendmahlsweinlieferung nur leihweise zur Verfügung gestellt worden ist und sich noch in kirchlichem Besitz befindet, verzichtet. I.A.: gez.von Harling 18E2. Schreiben der Berliner Stelle der Kirchenkanzlei an die Kirchenkanzlei. Berlin-Charlottenburg, 28. Mai 1948 F: EZA Berlin, 2/92 (O mit Vermerk Merzyns vom 12. Juni: "Urschriftlich unter Rückerbittung zur gefl. Kenntnisnahme Herrn Pfarrer Mochalski").

Betrifft die Versorgung der Witwe des ermordeten Landgerichtsdirektors Dr. Weissler. (Dortiges Schreiben vom 26. Febr. 1948 -No 7691/47/Me/A92-) Der Konsistorialpräsident in Magdeburg berichtet uns auf unsere Anfrage folgendes: "Die Mitteilung des Bruderrates der Evangelischen Kirche in Deutschland vom 11. Februar 194893 über die Bezüge der Witwe des Landgerichtsdirektors Dr. Weissler ist längst überholt. Frau Weissler erhält auf Beschluss unserer Kirchenleitung eine monatliche Nothilfe, wie sie im Bereiche der Evangelischen Kirche der altpreussischen Union in der Ostzone an Witwen von 91 In diesem Rundschreiben hatte die Kirchenkanzlei die Leitungen der Landeskirchen gebeten, sich zur Beschaffung bestimmter Güter "im Bedarfsfall nicht an die Zentralstelle, sondern an die zuständigen Hauptbüros des Hilfswerks zu wenden" (EZA BERLIN, 2 / 7 1 1 ) . 92

E Z A BERLIN, 2 / 9 1 .

93

18Dll,S.mf.

512

18. Sitzung Frankfurt/Main 27. und 28. April 1948

Bischöfen, Generalsuperintendenten und Konsistorialpräsidenten gezahlt wird. Sie erhält nämlich neben dem monatlichen Witwengeld aus der Sozialversicherungskasse von 90,- R M aus der Konsistorialkasse Magdeburg monatlich 237,- R M Nothilfe. Von diesem Betrag wird noch die Lohnsteuer einbehalten. Diese Regelung besteht bereits seit dem 1. August 1947. Im Juli 1947 hat sie von uns 110,- R M zu den 90,- R M der Sozialversicherungskasse erhalten." Hiernach erhält Frau Weissler insgesamt monatlich 327,- RM. Wir haben den Herrn Konsistorialpräsidenten gebeten, noch zu prüfen, ob etwa die Bewilligung eines Halbwaisengeldes und eines Kinderzuschlages für die beiden Söhne der Frau Weissler in Betracht kommt. Die Regelung der Bezüge, wie sie für Frau Weissler getroffen worden ist, entspricht der Regelung, die der hiesige Evangelische Oberkirchenrat hinsichtlich der Ehefrau und der Kinder des Assessors Bunke (vgl. dort. Schreiben vom 1. März 1948 -No 1716/4894-) getroffen hat. Diese erhält für ihre Person monatlich 300,- R M sowie für die drei Kinder 75,- R M Halbwaisengeld und 60,- R M Kinderzuschlag. Wir bemerken noch, dass in der gesamten östlichen Besatzungszone alle kirchlichen Versorgungsberechtigten lediglich Nothilfezahlungen erhalten, auf die den Empfängern ein Rechtsanspruch nicht zusteht. Auch hinsichtlich ihrer Höhe stehen die Bezüge von Frau Weissler und Frau Bunke denjenigen gleich, die die Witwen bezw. Angehörigen entsprechender Beamter der altpreussischen kirchlichen Verwaltung im Osten erhalten. Weder Frau Weissler noch Frau Bunke haben sich beschwert. In Vertretung Benn [m.p.] 18E3. Schreiben Bergs an Münchmeyer. Stuttgart, 10. April 1948 F.-LKA Stuttgart, Dl/216 (D).

Sehr verehrter, lieber Bruder Münchmeyer, darf ich mich heute in einem persönlichen Brief an Sie wenden, um in Abwesenheit von Herrn Dr. Gerstenmaier, der ja noch 5 Wochen bis Mitte Mai in USA weilt, Ihnen meine Sorge bezüglich der Diskussion oder auch der Vorbereitungen zum 100jährigen Jubiläum des Wittenberger Kirchentages 1848 auszusprechen. Für alle, die entweder in der Innern Mission oder im Hilfswerk im verantwortlichen diakonischen Dienst unserer Kirche stehen, ist die Frage der rechten Begehung dieses Tages von entscheidender Bedeutung, be-

94

EZA BERLIN, 7/19113.

18E Dokumente

513

sonders wenn sie, wie sicherlich wir Beide, ein immer stärkeres Zusammenwachsen des alten und des jungen diakonischen Armes der Kirchen erhoffen und auf das Abklingen immer noch vorhandener unnötiger zeit- und kraftraubender Differenzen hinarbeiten. Darf ich Ihnen darum kurz darlegen, in welcher Richtung wir vom Hilfswerk aus ein rechtes, würdiges und fruchtbares Begehen dieses Tages zu sehen meinen. Das Exekutivkomitee des Wiederaufbauausschusses hatte in seiner Sitzung am 15.1.48 in Frankfurt/Main Herrn Kirchenrat Nicol-Rummelsberg gebeten, mit in der Sitzung erörterten Vorschlägen an Sie heranzutreten. Leider ist es offenbar nicht dazu gekommen, und es gingen dann durch die kirchliche Presse sehr bald Nachrichten über vom Zentralausschuss geplante Vorbereitungen für diesen Tag. Unser Vorschlag, den wir dann in einem kurzen Schreiben an den Vorsitzenden des Rats präzisierten, war folgender: Dieser Tag des Wichern-Gedächtnisses gehört der ganzen Kirche. Sie als ganze hat sich des damals zuerst vor der ganzen kirchlichen Oeffentlichkeit neu proklamierten diakonischen Auftrages zu erinnern und sich zu ihm unter den gegenwärtigen Notwendigkeiten neu zu bekennen. Damit ist die Verantwortung des Rats als Repräsentanten der gesamten EKiD gegeben. Er sollte also an diesem Tag einen Kirchentag nach Wittenberg einberufen, und nur im Notfall müsste, wenn es die politische Situation nicht erlaubt, eine Parallelveranstaltung im Westen, und dann natürlich in Bethel, gehalten werden. Die Vorlagen für die auf dem Kirchentag zu erlassenden Kundgebungen, Proklamationen etc. sollte nach unserem Vorschlag ein Gremium erarbeiten, das sich je zur Hälfte aus den führenden Männern der Innern Mission und des Hilfswerks zusammensetzt. Es erschien uns ausserordentlich segensvoll, wenn, durch einen klaren Arbeitsauftrag und eine befristete Zielsetzung veranlasst, dieser Kreis aus beiden diakonischen Werken die gesamten schwebenden Probleme duchzusprechen genötigt wäre. Das von diesem Ausschuss Erarbeitete würde dann auf die Verantwortung der Kirchenversammlung genommen und von ihr proklamiert werden. Im Anschluss an diese Kirchenversammlung könnte dann nach Ermessen sowohl der Zentralausschuss für die Innere Mission wie der Wiederaufbauausschuss der Evangelischen Kirche zu einer Arbeitstagung zusammentreten, um das aus den Grundproklamationen des Jubiläums-Kirchentages sich je für ihren Arbeitsbereich Ergebende zu besprechen und zu konkreten Beschlüssen zu verarbeiten. Ich hoffe, lieber Bruder Münchmeyer, Sie verstehen, woran mir liegt und warum ich Ihnen diese Gedanken so ausführlich darlege. Ich möchte verhindert sehen, dass dieser Tag, der uns sowohl die ganze beispiellose Not unserer Tage vor Augen führen muss wie die Verpflichtungen der Kirche zu unermüdlichem diakonischen Dienst - dass dieser Tag Anlass wird zu einer sich

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18. Sitzung Frankfurt/Main 27. und 28. April 1948

verstärkenden, hässlichen Auseinandersetzung um den Anspruch, rechtmässiger Verwalter des Erbes Wicherns zu sein. Denn, welche Gefahr besteht? Sollte der Jubiläumstag, worauf die wenigen Notizen über die Vorbereitungen hinzudeuten scheinen, von der Inneren Mission allein beansprucht werden, so würde das mit grösster Wahrscheinlichkeit den Wiederaufbauausschuss der Evangelischen Kirchen veranlassen, auf seiner Sitzung am 15. und 16.6.48 in Speyer den Beschluss zu fassen, dass er ebenfalls am 22.9.48 zusammentritt, um sich zu Wichern zu bekennen. Und wenn er der Inneren Mission allerdings unumwunden zugesteht, dass sie als Sohn bzw. Tochter Wicherns spricht, so weiss das Hilfswerk sich als Enkel des grossen Rufers zum diakonischen Dienst unserer Kirche und würde sich keinesfalls von der Mitverwaltung seines Vermächtnisses ausschliessen lassen. Ein wie folgenschwerer Bruderstreit erneut durch diese ition [sie!] in partes entfesselt würde und wie sehr die Hoffnung auf ein Zusammenwachsen der beiden Liebeswerke zerstört würde, brauche ich Ihnen nicht zu schildern. Wir würden für unabsehbare Zeit von einer brüderlichen Verständigung über den uns gemeinsam aufgetragenen Dienst entfernt sein. Ich bitte Sie sehr, diese Stimme der Besorgtheit zu hören und zu prüfen, und das im Bereich Ihrer Verantwortung Liegende zu tun, dass diese zuletzt aufgezeigte Gefahr vermieden wird. Ich glaube auch, dass mein praktischer Vorschlag wirklich dazu angetan ist, alle unechten Ansprüche zurücktreten zu lassen hinter der Aufgabe, die heute und morgen uns gestellt ist und also vor uns liegt; die so gross ist, dass sie die Kraft beider Werke schier übersteigt und nur in lebendigem Vertrauen auf die Stärkung, Kraft und Durchhilfe unseres Herrn übernommen werden kann. Darf ich noch ein Letztes aussprechen. Gemäss einer im Laufe des Jahres 1946 zwischen dem Zentralausschuss und dem Zentralbüro des Hilfswerks erfolgten Verabredung wird jeweils ein Vertreter von Ihnen - Sie haben Herrn D. Ohl-Langenberg benannt - zu den Sitzungen des Wiederaufbauausschusses geladen. Leider ist eine Einladung Herrn Dr. Gerstenmaier oder seinem Vertreter zu den entsprechenden Sitzungen des Zentralausschusses nicht in gleicher Weise zugegangen. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn das in Zukunft zur Herstellung einer ständigen vertrauensvollen Verbindung gemäss der Zusage des Zentralausschusses geschehen würde. Es ist ja erfreulicherweise so, dass eine ganze Reihe von führenden Mitarbeitern des Hilfswerks aus den Hauptbüros auch zu dem Kreis gehören, den Sie auf solchen Konferenzen zusammenrufen, aber es wäre meines Erachtens doch gut, wenn jeweils ein Vertreter des Zentralbüros die Möglichkeit hätte, an diesen Konferenzen teilzunehmen.

18E Dokumente

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Ich hoffe, mit diesem Schreiben ein auch von Ihnen nicht ohne Sorge gesehenes Problem offen ausgesprochen zu haben und Ihre Zustimmung mit meinen Darlegungen zu finden und erlaube mir, Durchschlag dieses Schreibens mit der Bitte um Kenntisnahme zu übersenden an: Herrn Landesbischof D. Wurm Herrn Landesbischof D.Dr. Lilje, DD., Präsident des Zentralausschusses der Inneren Mission Herrn Präsident Asmussen, DD. Herrn Kirchenrat Nicol Ihr Ihnen verbundener Berg. [m.p.] 18E4. Schreiben Niemöllers an Wurm. Büdingen, 16. April 1948 F: LKA Stuttgart, D1/226 (O).

Hochverehrter Herr Landesbischof, lieber Bruder Wurm! Ich höre soeben von der Kirchenführerkonferenz, die die Bischöfe Bender und Wüstemann zusammen mit Meiser bei Ihnen beantragt haben sollen. Ich halte eine solche Aktion im gegenwärtigen Augenblick, ehe der Rat der EKD gehört worden ist und Gelegenheit gehabt hat, sich zu dem Ausgang der Karlsruher Besprechung95 zu äussern, für nicht möglich und dem Sinn der Treysaer Konvention für widersprechend. Ich bitte daher, ohne Beratung mit dem Stellvertretenden Vorsitzenden des Rates hierin keine positive Entscheidung treffen zu wollen. Sollte diese Konferenz jetzt trotzdem einberufen werden, so muß ich nicht nur meinen Widerspruch anmelden, sondern mir auch vorbehalten, daraufhin sofort einen Beschluß des Reichsbruderrates zur Einberufung der Deutschen Bekenntnissynode 96 herbeizuführen und die BK-Mitglieder des Rates aufzufordern, bis nach erfolgter Tagung der Bekenntnissynode ihre Mitarbeit im Rat ruhen zu lassen. Ferner stelle ich hiermit den Antrag, als ersten Punkt der Tagesordnung für die Ratssitzung eine Stellungnahme des Rates zu dem Rundschreiben des Präsidenten der Kanzlei über "die vierte Konfession" vorzusehen, die über den

95 Gemeint ist die gemeinsame Besprechung des Verfassungsausschusses mit Vertretern des Bruderrates, des Lutherrates sowie der reformierten und consensusunierten Kirchen am 10. und 11. April 1948 in Karlsruhe (vgl. S. 448, Anm. 21). 96 Die Bekenntnissynode der DEK hatte zum letzten Mal 1936 in Bad Oeynhausen getagt.

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18. Sitzung Frankfurt/Main 27. und 28. April 1948

Kreis der Ratsmitglieder hinaus verbreitet worden ist97 und einen Bruch des auf Antrag des Kanzleipräsidenten gefassten Beschlusses über die Vertraulichkeit der Ratsbeschlüsse bedeutet. Ich bin mit den anderen BK-Mitgliedern des Rates nicht gewillt, derartige Handlungen des Kanzleipräsidenten weiterhin stillschweigend zu ertragen. Als zweiten Punkt der Tagesordung bitte ich für die nächste Ratssitzung eine Stellungnahme des Rates zu den Entschließungen von Treysa Π herbeizuführen, damit die G e m e i n d e n erfahren, welches die Ziele der jetzt in die Erscheinung tretenden Aktionsgruppen innerhalb der EKD sind. - Es geht nicht länger an, daß innerhalb der evangelischen Christenheit weiterhin Unklarheit über die von den Kirchenleitungen und Theologengruppen getriebene Politik herrscht. Ich selber habe die Karlsruher Besprechung als eine höchst erfreuliche Klärung angesehen, die es dem Rat der EKD ermöglicht, seinerseits absolut klare und eindeutige Beschlüsse zu fassen. Es ist jetzt klar, daß eine Entscheidung fällig ist; aber diese Entscheidung liegt beim Rat und nicht bei irgendwelchen von der EKD nicht verantwortlich zu machenden und von ihr nicht beauftragten Personen. In der Hoffnung, daß Sie diese Zeilen rechtzeitig erreichen, ehe ein nicht wieder gutzumachender Schade entsteht, grüße ich Sie als Ihr Sie hoch verehrender und Ihnen brüderlich verbundener Martin Niemöller [«?./>.]

97 Asmussen hatte sein "Memorandum an den Rat der EKD über die Detmolder Arbeit und die vierte Konfession" am Ii. März 1948 an alle Ratsmitglieder, am 17. März auch an die Mitglieder des Verfassungsausschusses gesandt (vgl. A. SMITH-VON OSTEN, Treysa, S. 349; Abdruck des Memorandums hei G. BESIER, Kirchenversammlung, S. 274-281).

19 Eisenach, 14. Juli 1948 Ort: Beginn: Ende: Teilnehmer: Protokollant:

Tagungsraum unbekannt. Mittwoch, 14. Juli 1948 (Uhrzeit unbekannt). Mittwoch, 14. Juli 1948 (Uhrzeit unbekannt). Dibelius, Hagemann, Hahn, Heinemann, Held, Lilje, Niemöller, Niesei, Smend, Wurm. Merzyn, Schwarzhaupt.

19A Vorbereitung der Sitzung 19A1. Schreiben der Kirchenkanzlei an die Mitglieder des Rates. Schwäbisch Gmünd, 2. Juli 1948 F: EZA Berlin, 2/60 (D mit Absendevermerk vom 2. Juli).

Landesbischof Wurm lädt Sie zu einer Sitzung des Rates auf den 8.7. abends 20,30 Uhr nach Eisenach ein. Für die Sitzung ist ein kurzer Bericht über die Finanzlage der EKD vorgesehen, sodann soll die Angelegenheit von Präsident Asmussen und, soweit es noch erforderlich ist, die Vorbereitung der Kirchenversammlung besprochen werden. Eine Mitteilung über den Raum, in dem diese Sitzung in Eisenach stattfindet, finden Sie bei Ihrer Ankunft in dem Tagungsbüro, Goethestrasse 49 - Fernruf Eisenach 2611 - vor. Ausserdem lässt Herr Landesbischof Wurm Sie bitten, sich den Vormittag des 14. Juli für eine Sitzung des Rates freizuhalten. Im Auftrag gez. Dr. Schwarzhaupt 19A2. Schreiben der Kirchenkanzleri an die Mitglieder des Rates. Schwäbisch Gmünd, 3. Juli 1948 F: EZA Berlin, 2/60 (H mit Absendevermerk vom 3. Juli).

Zu der Einladung vom gestrigen Tage lässt Ihnen Herr Landesbischof Wurm sagen, dass es ihm am 8.7. abends weniger auf eine formelle Sitzung des Rates, als auf eine zwanglose Aussprache ankommt, bei der ein Arbeitsplan

518

19. Sitzung Eisenach 14. Juli 1948

für den Rat aufgestellt und vereinbart werden kann, wann sich der Rat im Laufe der fünf Tage in Eisenach zu einer Sitzung zusammen findet. Im Auftrag gez. Dr. Schwarzhaupt 19B

Protokoll F: EZA Berlin, 2/62 (H; den Ratsmitgliedern G:-

am 20. Juli 1948

übersandt).

Niederschrift über die Sitzung des Rates der EKD am 14.7.1948 in Eisenach/Thürfingen] Anwesend: A l l e Mitglieder des Rates der EKD mit Ausnahme von Landesbischof D. Meiser und Präsident Asmussen D D sowie Oberkirchenrätin Dr. Schwarzhaupt und Oberkirchenrat Dr. Merzyn. 1. Landesbischof D. W u r m dankte Bischof D. Dibelius für die warmen Worte, die er am Vortage im Plenum der Kirchenversammlung 1 über Präsident Asmussen aus Anlass seines Ausscheidens aus dem A m t gefunden hatte 2 .

1

Zur Kirchenversammlung vom 9. bis 13. Juli 1948 in Eisenach vgl. EISENACH 1 9 4 8 ; A . SMITHTreysa, S . 3 6 4 - 3 8 1 ; H . BRUNOTTE, Grundordnung, S . 6 7 - 7 3 . Dieser Absatz Jehlte im später von Merzyn und Schwarzhaupt hsl. überarbeiteten Entwurf (E) für das Beschlußprotokoll ( E Z A BERLIN, 2 / 6 0 ) . Nachdem Dibelius auf der Kirchenversammlung in Eisenach zunächst die Gründe dargelegt hatte, die 1945 zu Asmussens Berufung als Leiter der Kirchenkanzlei geführt hatten, führte er u.a. aus: "Sie haben das Amt alsbald mit der ganzen Lebendigkeit, die wir an Ihnen kennen, erfüllt. Sie haben mit einem ungemeinen Weitblick die Kirchenkanzlei zu einem Beobachtungsposten für alles gemacht, was im Leben unseres Volkes, im Leben der Welt und im Leben der Gesamtkirche Jesu Christi geschah. Sie haben beobachtet, Sie haben informiert, Sie haben Anregungen gegeben. Es wurden auch manchmal scherzhafte Bemerkungen gemacht, daß die Mitteilungen aus der Kirchenkanzlei besondere Aktenschränke und Regale füllten. Dahinter stand aber immer die Hochachtung für die ungeheure Arbeit, die in diesem allen steckte". Durch Asmussen sei die Arbeit der Kirchenkanzlei nicht nur in ganz Deutschland, sondern auch im Ausland bekannt geworden. Wiewohl es dabei "an Widerspruch und Widerwärtigkeit nicht gefehlt" habe, dürfe Asmussen gewiß sein, daß ihn die Dankbarkeit und Freundschaft, von der er bisher umgeben gewesen sei, auch bei seinen neuen Aufgaben begleiten werde (EISENACH 1948, S. 145f.). · Zur Entlassung Asmussens vgl. G. BESIER, Kirchenversammlung; W. LEHMANN, Asmussen, S. 216-225. VON OSTEN,

2

19B Protokoll

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2. Grundordnung der EKD und 1. Synode der EKD. Die am Vortage von der Kirchenversammlung der EKD einstimmig beschlossene Grundordnung soll den Leitungen der Gliedkirchen und dem Bruderrat der EKD mit der Bitte um eine Erklärung hierzu gemäss § 9 Abs. ΠΙ der Verordnung vom 14.1.48 über das Zustandekommen einer Grundordnung der EKD 3 übergeben werden. Entsprechend der Ermächtigung, die die Kirchenversammlung dem Rat erteilt hat4, soll den Gliedkirchen hierfür eine Frist bis zum 30.11.48 gesetzt werden5. Der Rat beabsichtigt, die Sitze der gewählten Mitglieder der 1. Synode der EKD gemäss der anliegenden Liste zu verteilen6. Als Zeitpunkt für die erste Sitzung der I. Synode der EKD wird die Woche zwischen Weihnachten und Neujahr in Aussicht genommen. 3. Wort der EKD zum Frieden. Entsprechend dem am Vortage von der Kirchenversammlung gefassten Beschluss wurde die endgültige Fassung mit dem aus der Anlage ersichtlichen Wortlaut beschlossen7. 4. Wort der EKD zur deutschen Not. Entsprechend dem am Vortage von der Kirchenversammlung gefassten Beschluss wurde die endgültige Fassung mit dem aus der Anlage ersichtlichen Wortlaut beschlossen8. 5. Ruf an die Menschen unserer Tage.

3 4 5

6

7 8

S. 370. Zu dieser Ermächtigung vgl. ElSENACH 1948, S. 179f. Der Rat (gez. D. Wurm) übersandte den Landeskirchenleitungen die Grundordnung (19C1, S. 524535) mit Rundschreiben vom 13. Juli 1948 (LKA NÜRNBERG, Meiser 130). Sie wurde schließlich am 3. Dezember 1948 vom Rat verkündet (vgl. 21B, S. 578). - Zur Einführung der Grundordnung vgl. H. BRUNOTTE, Grundordnung, S. 74-88. 19C2, S. 535f. - Im Rundschreiben des Rates an die Landeskirchenleitungen vom 13. Juli 1948 (vgl. S. 519, Anm. 5) hieß es dazu: "Wir teilen Ihnen diese Liste schon jetzt mit und bitten Sie zu veranlassen, dass die synodalen Organe, - falls die Landeskirche der Grundordnung zustimmt, - auch sogleich die Mitglieder für die erste Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland und je zwei Stellvertreter wählen, damit die erste Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland alsbald nach Inkrafttreten der Grundordnung - in der Woche zwischen Weihnachten und Neujahr - zusammentreten kann." 19C3, S. 536/. 19C4, S. 537.

520

19. Sitzung Eisenach 14. Juli 1948

Das am Vortage von der Kirchenversammlung beschlossene Wort soll zusammen mit den vorstehenden Worten im Amtsblatt der EKD veröffentlicht werden9. 6. Zusammenstellung und Veröffentlichung der Verlautbarungen der EKD. Die Kirchenkanzlei wird beauftragt, eine Zusammenstellung aller bisherigen Verlautbarungen der EKD zu fertigen und zu veröffentlichen10. 7. Kirchenkanzlei. Von einer interimistischen Neubesetzung der Stelle des Leiters der Kirchenkanzlei wird11 Abstand genommen. Oberkirchenrat Dr. Merzyn wird mit der Wahrnehmung der Geschäfte des Leiters der Kirchenkanzlei beauftragt12. 8. Unterstützung des Vorsitzenden des Rates. Der Vorsitzende des Rates der EKD hat die Vollmacht, sich zu seiner Unterstützung einen theologischen oder juristischen Mitarbeiter heranzuziehen; Kosten sollen der EKD hierdurch nicht entstehen13. 9. Gehalt D. Niemöller. Kirchenpräsident D. Niemöller DD. DD. stellt in Aussicht, dass sein Gehalt künftig in vollem Umfange von der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau getragen wird14.

9

19C5, S. 538f. - Die Veröffentlichung sämtlicher Worte der Kirchenversammlung erfolgte im Heft 5 des Amtsblattes der EKD vom Ii. Juli 1948. In seinem Rundschreiben an die Landeskirchenleitungen vom 28. Juli 1948 bat Wurm um eine Verlesung des "Rufes an die Menschen unserer Tage" "von möglichst vielen Kanzeln, vor allem von den städtischen". Auch die beiden anderen Worte der Kirchenversammlung zum Frieden und zur deutschen Not sollten "in geeigneter Weise zur Kenntnis der Gemeinden" kommen. 10 Vgl. dazu die Zusammenstellungen von F. MERZYN, Kundgebungen; G. HEIDTMANN, Hat die Kirche geschwiegen; DERS., Kirche im Kampf der Zeit 11 E: "ist". 12 Zum Leiter der Kirchenkanzlei wurde dann vom neu gewählten Rat auf seiner 3. Sitzung am 19. April 1949 in Frankfurt/Main · noch vorbehaltlich der Zustimmung der Kirchenkonferenz und endgültig auf der 4. Sitzung am 3. Mai 1949 in Hamburg Brunotte ernannt (Niederschriften: E Z A BERLIN, 2 / 6 3 ) .

13 Wurm hat offenbar keine konkreten Schritte mehr unternommen, um eine geeignete Persönlichkeit ausfindig zu machen. Aufgrund seines Gesundheitszustandes nahm er nur noch an einer einzigen Sitzung des Rates teil (zu dieser Sitzung am 30. September 1948 in Bethel vgl. S. 550-571); im Dezember ließ er den Ratsmitgliedern dann mitteilen, er betrachte seine Funktionen als Ratsvorsitzender bis auf weiteres als ruhend (vgl. dazu S. 572, Anm. 1). 14 Niemöller war am 1. Oktober 1947 zum Kirchenpräsidenten der Ev. Kirche in Hessen und Nassau gewählt worden (vgl. dazu und zur Tätigkeit Niemöllers als Kirchenpräsident K. HERBERT, Kirchenpräsident; W. SUCKER, Niemöller).

19B Protokoll

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10. Vizepräsident Stratenwerth. Dem in das Kirchliche Aussenamt der EKD berufenen und mit der Vertretung des Leiters des Kirchlichen Aussenamtes beauftragten Pastor Stratenwerth wird für die Dauer dieser seiner Dienststellung die Dienstbezeichnung "Vizepräsident" verliehen. Obwohl er zunächst nur im Angestelltenverhältnis beschäftigt werden kann, sollen seine Bezüge nach der Besoldungsgruppe A l a der Reichsbesoldungsordnung bemessen werden15. 11. Referenten im Kirchlichen Aussenamt16. Der Rat nahm zustimmend davon Kenntnis, dass folgende 6 Referenten im Kirchlichen Aussenamt beschäftigt werden: a Vizepräsident Stratenwerth b. Gesandter a.D. v. Hentig c. Pfarrer Bartelt d. Oberkonsistorialrat Dr. Schönfeld oder Lie. Menn17 - Dr. Schönfeld soll Pfarrergehalt beziehen e. Superintendent Block f. Fräulein Dr. Schaeder Von der Einstellung weiterer Referenten oder Hilfskräfte muss18 Abstand genommen werden. Die Kirchenkanzlei ist bereit, soweit es erforderlich ist, einen ihrer Juristen zur Verfügung zu stellen19. 12. Referenten in der Kirchenkanzlei. Der Rat nahm zustimmend davon Kenntnis, dass folgende 4 Referenten in der Kirchenkanzlei beschäftigt werden: a. Oberkirchenrat Dr. Merzyn b. Oberkirchenrätin Dr. Schwarzhaupt

15 Entspricht der heutigen Besoldungsgruppe A 16 (für Ministerialräte und leitende Regierungsdirektoren). 16 Zu Arbeitsweise und Aufbau des Kirchlichen Außenamtes am Jahresende 1948 vgl. die Geschäftsordnung vom 15. Dezember 1948 (19E1, S. 547jf.) und den Geschäftsverteilungsplan (vermutlich vom Dezember 1948: EZA BERLIN, 2/193). Neben Niemöller als Leiter und Stratenwerth als stellvertretendem Leiter waren danach als Referenten zuständig Schwarzhaupt für Rechtsangelegenheiten, Schönfdd für die Ökumene, Schaeder für die Ostkirchen, Bartelt und Block für die Auslandsgemeinden, von Hentig für internationale Angelegenheiten sowie Johannesson für die Organisation. 17 E: "anstelle des ausgeschiedenen Pfarrers Dummer Oberkonsistorialrat Dr. Schönfeld oder Lie. Menn". 18 E: "soll". 19 Der letzte Satz fehlt in E.

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19. Sitzung Eisenach 14. Juli 1948

c. Oberkirchenrat Ranke d. v. Harling20 13. Währungsreform21 und Finanzlage der EKD. Der Rat nahm zustimmend von den bisherigen Massnahmen des Rats-Vorsitzenden und der Kirchenkanzlei Kenntnis; insbesondere auch von dem Rundschreiben des Ratsvorsitzenden vom 5.7.48 betr. Finanzlage der EKD und landeskirchliche Umlagen an die EKD. Für den Fall, dass die hierin vorgesehenen stark ermässigten Umlagezahlungen der Landeskirchen nicht ausreichen, müssen erhöhte Umlagezahlungen angefordert werden22. 14. Amtsblatt der EKD. Der Rat nahm zustimmend Kenntnis von der Absicht der Kirchenkanzlei, das Amtsblatt der EKD künftig nur noch in einer amtlichen Ausgabe erscheinen und die bisher nichtamtliche Ausgabe Β des Amtsblattes der EKD sowie das Amtsblatt der Berliner Stelle der Kanzlei der EKD fortfallen zu lassen. Das Amtsblatt der EKD soll künftig alle amtlichen Verlautbarungen der EKD und die wichtigsten Verlautbarungen aller Gliedkirchen enthalten. Es soll mit gleichlautendem Inhalt für den Bereich der Westzonen von der Kirchenkanzlei in Schwäb.-Gmünd und für den Bereich der Ostzone einschliesslich Berlin von der Kirchenkanzlei in Berlin herausgegeben werden23. 20 Nach 20B, S. 561, sollten Ranke und von Harling als Hilfs referenten in der Kirchenkanzlei beschäftigt werden. 21 Am 20. März 1948 war der Alliierte Kontrollrat beschlußunfihig geworden, nachdem ihn der sowjetische Vertreter, Marschall Sokolowski, verlassen hatte. Diese Situation nahmen die Westmächte zum Anlaß, die aus wirtschaftlichen Gründen längst überfällige Währungsreform jetzt zügig in Angriff zu nehmen. Am Abend des IS. Juni wurde dann für die drei westlichen Besatzungszonen die Währungsreform über alle westdeutschen Rundfunksender bekanntgegeben; am Sonntag, den 20. Juni, fanden der Umtausch und die Auszahlung eines "Kopfgeldes" von 40,-DM als erster Rate von insgesamt 60,- DM an alle Bürger statt. Schon kurz darauf, am 23. Juni, führte die sowjetische Militäradministration eine eigene Währungsreform in ihrer Besatzungszone durch (zu Vorgeschichte, Durchführung und Folgen der Währungsrefom vgl. A.M. BIRKE, Nation, S. 132-137; T. ESCHENBURG, Jahre, S. 428-439). 22 In seinem Schreiben an die Leitungen der Landeskirchen in den drei westlichen Besatzungszonen (19D1, S. 539ff.) hatte Wurm die aufgrund der Währungsreform notwendig gewordenen drastischen Sparmaßnahmen bei der EKD geschildert und dringend um pünktliche Überweisung der Umlagebeiträge an die Kasse der EKD gebeten. Wurms Appell hatte jedoch nicht den gewünschten Erfolg: Trotz Mahnung hatten nach einigen Wochen 10 westliche Gliedkirchen überhaupt noch nicht, alle übrigen nur einen geringen Teil der Umlage gezahlt; die Kasse der EKD wies zuletzt einen Minusbetrag auf (vgl. dazu das Schreiben Wurms an die Ratsmitglieder vom 31. Juli 1948: 20Ai, s. 550-555). 23 Das in zwei Ausgaben herausgegebene Amtsblatt der EKD war erst 1947 an die Stelle des 1945/46 erschienenen Verordnungs- und Nachrichtenblattes getreten {vgl. dazu das Referat Siegels für die

19B Protokoll

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15. Ordnung des Hilfswerks der Evangelischen Kirchen in Deutschland. Die Beratung und Beschlussfassung hierüber soll in der nächsten Sitzung erfolgen24. 16. Diakonie-Groschen. Die Beratung und Beschlussfassung hierüber soll in der nächsten Sitzung erfolgen25. 17. Die nächste Sitzung des Rates der EKD soll am 15. und 16. September in Hannover stattfinden26.

9. Ratssitzung am 26./27. November 1946: C . N I C O L A I S E N / N . A . SCHULZE, Protokolle Bd. I, S. 760ff.; vgl. auch das Rundschreiben der Kirchenkanzlei an die Landeskirchenregierungen vom 30. Oktober 1946: L K A STUTTGART, D L / 2 1 3 ) . Den Fortfall der nichtamtlichen Ausgabe und die künftige Konzeption des Amtsblattes teilte die Kirchenkanzlei den Landeskirchenleitungen durch Rundschreiben vom 20. Juli 1948 mit (LKA NÜRNBERG, Meiser 130). Vgl. dazu auch D . ALTMANNSPERGER, R u n d f u n k , S. 86f.

24 Nach dem Bekanntwerden des ersten Entwurfes für eine Grundordnung der EKD (vgl. dazu 15B, S. 279f.) hatte sich das Hilfswerk entschlossen, bei seinen Vorarbeiten für eine Satzung die Vereinbarkeit mit der Grundordnung der EKD zu wahren. Auf Bitte Gerstenmaiers hatte Benn daraufhin am 20. Januar 1948 ein Gutachten über die rechtliche Stellung des Hilfswerks, einen Entwurf für ein Kirchengesetz über das Hilfswerk sowie einen Entwurf für Artikel 15 der Grundordnung vorgelegt (vgl. dazu J.M. WlSCHNATH, Kirche, S. 208-211). Den Entwurf Benns hatte dann das Zentralbüro mit nur geringfügigen Änderungen angenommen und dem Bevollmächtigten des Hilfswerks für die im Juni in Speyer geplante Tagung des Wiederaufbauausschusses übergeben (EBD., S. 211). Nachdem es über diese Vorlage des Zentralbüros zu heftigen Auseinandersetzungen gekommen war (vgl. dazu EBD., S. 212-216), hatte das erweiterte Exekutivkomitee auf seiner Sitzung am 14. Juni 1948 erneut eine größere Zahl von Änderungen vorgenommen, bevor die sog. "Speyrer Ordnung" auf der Sitzung des Wiederaußauausschusses am 15./16. Juni 1948 in Speyer vom Wiederaufbauausschuß verabschiedet werden konnte (vgl. dazu EBD., S. 216f.). Im Auftrag des Wiederaußauausschusses hatte Gerstenmaier die Speyrer "Ordnung des Hilfswerks der Evangelischen Kirchen in Deutschland" (19D2, S. 541-546) dann dem Rat mit der Bitte zugesandt, "sie zu prüfen und sie als geltende Ordnung anzuerkennen" (Schreiben Gerstenmaiers an den Rat vom 18. Juni 1948: E Z A BERLIN, 2 / 1 8 1 ; vgl. auch das Schreiben Schwarzhaupts an die Ratsmitglieder vom 30. Juni 1948: A C D P ST. AUGUSTIN, 3 1-398 Nr. X). Am 26. Juli 1948 erbat die Kirchenkanzlei von den Landeskirchenleitungen "zur Vorbereitung einer Entschliessung des Rates der EKD" eine "möglichst eingehende abschliessende Stellungnahme bis spätestens 1. September 1948" (EZA BERLIN, 2 / 1 8 1 ) . - Zur Beschlußfassung des Rates auf seiner kommenden Sitzung vgl. 20B, S. 561f. 25 Zur Einführung eines monatlich von allen Gemeindegliedem einzusammelnden sog. "Diakoniegroschens", der zur Finanzierung des Hilfswerks beitragen sollte, vgl. S. 562, Anm. 24. 26 Vgl. S. 550-571.

524

19. Sitzung Eisenach 14. Juli 1948 19C Anlagen und Beschlußtexte

19C1. Grundordnung der Evangelischen Kirche in Deutschland. Eisenach, 13. Juli 194827 F: LKA Nürnberg, Meiser 130 (H; Anlage zum Rundschreiben des Rates vom 13. Juli 1948). •Abdruck u.a.: ABIEKD Heft 5, 15. Juli 1948; H. Brunotte, Grundordnung, S. 317-361; KJ 1945-1948, S. 95-l05ffL%. Grundlage der Evangelischen Kirche in Deutschland ist das Evangelium von Jesus Christus, wie es uns in der Heiligen Schrift Alten und Neuen Testaments gegeben ist. Indem sie diese Grundlage anerkennt, bekennt sich die Evangelische Kirche in Deutschland zu dem Einen Herrn der einen heiligen allgemeinen und apostolischen Kirche. Gemeinsam mit der alten Kirche steht die Evangelische Kirche in Deutschland auf dem Boden der altkirchlichen Bekenntnisse. Für das Verständnis der Heiligen Schrift wie auch der altkirchlichen Bekenntnisse sind in den lutherischen, reformierten und unierten Gliedkirchen und Gemeinden die für sie geltenden Bekenntnisse der Reformation massgebend. I. Grundbestimmungen Art. 1 1. Die Evangelische Kirche in Deutschland ist ein Bund lutherischer, reformierter und unierter Kirchen. Sie achtet die Bekenntnisgrundlage der Gliedkirchen und Gemeinden und setzt voraus, dass sie ihr Bekenntnis in Lehre, Leben und Ordnung der Kirche wirksam werden lassen. 2. In der Evangelischen Kirche in Deutschland wird die bestehende Gemeinschaft der deutschen evangelischen Christenheit sichtbar. Mit ihren Gliedkirchen bejaht die Evangelische Kirche in Deutschland die von der ersten Bekenntnissynode in Barmen getroffenen Entscheidungen. Sie weiss sich verpflichtet, als bekennende Kirche die Erkenntnisse des Kirchenkampfes über Wesen, Auftrag und Ordnung der Kirche zur Auswirkung zu bringen. Sie

27 Zur Problematik der Datierung der Grundordnung vgl. H. BRUNOTTE, Grundordnung, S. 96ff. 28 Sowohl die hier wiedergegebene Fassung der Grundordnung als auch ihr Abdruck im ABlEKD Heft 5 vom 15. Juli 1948 und im KJ 1945-1948 enthalten redaktionelle Fehler {vgl. dazu H. BRUNOTTE, Grundordnung, S. 73, Anm. 81). Der korrekte Wortlaut wird im folgenden in textkritischen Anmerkungen angegeben (vollständiger Abdruck des authentischen Textes: ABlEKD 1948, Heft 12 vom 15. Dezember 1948, Nr. 80).

19C Anlagen und Beschlußtexte

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ruft die Gliedkirchen zum Hören auf das Zeugnis der Brüder. Sie hilft ihnen, wo es gefordert wird, zur gemeinsamen Abwehr kirchenzerstörender Irrlehre. Art. 2 1. Das Recht der Evangelischen Kirche in Deutschland und ihrer Gliedkirchen muss auf der im Vorspruch und in Art. 1 bezeichneten Grundlage ruhen. 2. Die gesamtkirchliche Rechtsetzung darf das Bekenntnis der Gliedkirchen nicht verletzen; die Rechtsetzung der Gliedkirchen darf dem gesamtkirchlichen Recht nicht widersprechen. 3. Die Evangelische Kirche in Deutschland steht in der Ordnung der Oekumene. Art. 3 1. Die Evangelische Kirche in Deutschland ist um ihres Auftrages willen unabhängig in der Aufstellung ihrer Grundsätze, in der Ordnung und Verwaltung ihrer Angelegenheiten und in der Verleihung und Aberkennung ihrer Amter. 2. Die Regelung ihres Verhältnisses zum Staat bleibt einem Ubereinkommen vorbehalten. Art. 4 1. Der Dienst am Wort und die Verwaltung der Sakramente geschieht in den Gliedkirchen und Gemeinden nach der Ordnung ihres Bekenntnisses. Vereinbarungen über Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft bleiben Aufgabe der Gliedkirchen. 2. Berufenen Dienern am Wort wird der Dienst der Verkündigung auch in Gemeinden eines anderen Bekenntnisses im Rahmen der geltenden Bestimmungen der Gliedkirchen nicht verwehrt. 3. Der ordnungsgemässe Vollzug der Heiligen Taufe wird in allen Gliedkirchen anerkannt; dasselbe gilt für alle Amtshandlungen. 4. Uber die Zulassung zum Heiligen Abendmahl besteht innerhalb der Evangelischen Kirche in Deutschland keine volle Ubereinstimmung. In vielen Gliedkirchen werden Angehörige eines anderen in der Evangelischen Kirche in Deutschland geltenden Bekenntnisses ohne Einschränkung zugelassen. In keiner Gliedkirche wird einem Angehörigen eines in der Evangelischen Kirche in Deutschland geltenden Bekenntnisses der Zugang zum Tisch des Herrn verwehrt, wo seelsorgerliche Verantwortung oder gemeindliche Verhältnisse die Zulassung gebieten. Die rechtliche Kirchenzugehörigkeit und

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19. Sitzung Eisenach 14. Juli 1948

die Bestimmungen über die allgemeine Kirchenzucht bleiben in jedem Falle unberührt. Art. 5 Die Ordnung des Verhältnisses der Gliedkirchen zueinander und zur Evangelischen Kirche in Deutschland ist eine Ordnung der Brüderlichkeit. Verhandlungen und Auseinandersetzungen sowie die Geltendmachung von Rechten und Pflichten zwischen ihnen sollen in diesem Geiste stattfinden. II. Aufgaben Art. 6 1. Die Evangelische Kirche in Deutschland bemüht sich um die Festigung und Vertiefung der Gemeinschaft unter den Gliedkirchen, hilft ihnen bei der Erfüllung ihres Dienstes und fördert den Austausch ihrer Kräfte und Mittel. 2. Sie wirkt dahin, dass die Gliedkirchen, soweit nicht ihr Bekenntnis entgegensteht, in den wesentlichen Fragen des kirchlichen Lebens und Handelns nach übereinstimmenden Grundsätzen verfahren. Art. 7 Die Evangelische Kirche in Deutschland fördert und unterstützt Einrichtungen und Arbeiten von gesamtkirchlicher Bedeutung, insbesondere die wissenschaftliche Forschung auf den Gebieten der Theologie und des Kirchenrechts, die Kirchenmusik, die kirchliche Kunst und die Herausgabe kirchlichen Schrifttums. Art. 8 Die Evangelische Kirche in Deutschland kann den Gliedkirchen für ihre Arbeit Anregungen geben, insbesondere für die Ordnungen der Gliedkirchen, für die Zuordnung der kirchlichen Werke innerhalb einer Gliedkirche zu deren Leitung und für die Gestaltung der kirchlichen Presse. Art. 9 Die Evangelische Kirche in Deutschland kann Richtlinien aufstellen a) für die wissenschaftliche und praktische Ausbildung der Pfarrer und der übrigen kirchlichen Amtsträger; b) für die Rechtsverhältnisse und für die wirtschaftliche Versorgung der Pfarrer und der übrigen kirchlichen Amtsträger; c) für die Erhebung kirchlicher Abgaben; d) für die Verwaltung des kirchlichen Vermögens; e) für die Vereinheitlichung der kirchlichen Amtsbezeichnungen und Benennung der kirchlichen Amtsstellen;

19C Anlagen und Beschlußtexte

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f) für das Archiv- und Kirchenbuchwesen und für die kirchliche Statistik. Art. 10 Die Evangelische Kirche in Deutschland kann gesetzliche Bestimmungen mit Wirkung für die Gliedkirchen erlassen a) für Sachgebiete, die im Bereich der Evangelischen Kirche in Deutschland bereits einheitlich geregelt waren; b) für andere Sachgebiete, wenn die beteiligten Gliedkirchen damit einverstanden sind. Art. 11 Die Gliedkirchen nehmen über die Bestellung des Vorsitzenden ihrer Kirchenleitung mit dem Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland Fühlung. Art. 12 Kirchengesetze und sonstige Ordnungen mit Gesetzeskraft legen die Gliedkirchen spätestens mit der Verkündigung 29 dem Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland vor. Sie sind abzuändern, wenn der Rat mitteilt, dass sie gegen gesamtkirchliche Ordnungen Verstössen. Art. 13 Alle Gliedkirchen gemeinsam oder einzelne von ihnen können der Evangelischen Kirche in Deutschland mit Zustimmung des Rates einzelne Aufgaben übertragen oder die Entscheidung in Fragen überlassen, für welche die Gliedkirchen zuständig sind. Art. 14 Die Evangelische Kirche in Deutschland fördert die Zusammenfassung der der Kirche aufgetragenen Arbeit an den verschiedenen Gruppen von Gliedern der Kirche, insbesondere an den Männern, den Frauen und der Jugend, soweit sie über den Bereich der Gliedkirchen hinausgeht und gesamtkirchlicher Ordnung 30 oder Organe bedarf. Sie regelt die kirchliche Zuordnung dieser Arbeit so, dass die Mitarbeit freier Kräfte gewährleistet ist. Art. 15 1. Die Evangelische Kirche in Deutschland und die Gliedkirchen sind gerufen, Christi Liebe in Wort und Tat zu verkünden 31 . Diese Liebe verpflichtet alle Glieder der Kirche zum Dienst und gewinnt in besonderer Weise Gestalt

29 Richtig: "Verkündigung" (vgl. S. 524, Anm. 28). 30 Richtig: "Ordnungen" (Ebd.). 31 Richtig: "verkündigen" (Ebd.).

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19. Sitzung Eisenach 14. Juli 1948

im Diakonat der Kirche; demgemäss sind die diakonisch-missionarischen Werke Wesens- und Lebensäusserung der Kirche. 2. Die Evangelische Kirche in Deutschland fördert die in ihrem Gesamtbereich arbeitenden Werke der Inneren Mission, ungeachtet deren Rechtsform. Ihre Verbindung mit der Kirche und den Gemeinden sowie die freie Gestaltung ihrer Arbeit werden in Vereinbarungen und entsprechenden Richtlinien gesichert. 3. Das Hilfswerk der Evangelischen Kirche in Deutschland wird von der Evangelischen Kirche in Deutschland, den Gliedkirchen und ihren Gemeinden getragen. Es dient dem kirchlichen Wiederaufbau sowie der Linderung und Behebung der Notstände der Zeit. Die Ordnung des Hilfswerks bedarf eines Gesetzes der Evangelischen Kiche in Deutschland32. Art. 16 1. Die Evangelische Kirche in Deutschland und die Gliedkirchen wissen, dass die Kirche Christi das Evangelium an die ganze Welt zu bezeugen hat. Im Gehorsam gegen den Sendungsauftrag ihres Herrn treiben sie das Werk der Ausseren Mission 33 . Die Evangelische Kirche in Deutschland fördert die Arbeit der Ausseren Mission in Zusammenarbeit mit der von den Missionsgesellschaften bestellten Vertretung. Sie kann für diese Zusammenarbeit Grundsätze aufstellen. 2. Ebenso weiss sich die Evangelische Kirche in Deutschland zum Dienst an der evangelischen Diaspora gerufen. Sie fördert die zur Erfüllung dieses Dienstes bestehenden Einrichtungen und die anderen kirchlichen Werke, soweit sie im Gesamtbereich der Evangelischen Kirche in Deutschland ihren Dienst tun. Sie kann ihnen unter Wahrung ihrer sachlich erforderten Selbständigkeit für ihre Arbeit und ihre Ordnung Richtlinien geben. Art. 17 Die Evangelische Kirche in Deutschland trägt die Verantwortung für die deutschen evangelischen Kirchengemeinschaften, Gemeinden34, Pfarrer und Gemeindeglieder ausserhalb Deutschlands, insbesondere soweit sie ihr nach Massgabe gesetzlicher Bestimmungen35 angeschlossen sind.

32

Vgl. dazu S. 523, Arm. 24.

33

In der korrekten Fassung der Grundordnung ist Art. 16 Abs. 1 nicht in zwei Absätze unterteilt (vgl. S. 524, Anm. 28).

34 Richtig: "Kirchengemeinschaften und Gemeinden" (Ebd.). 35 Richtig: "nach Massgabe der gesetzlichen Bestimmungen" (Ebd.).

19C Anlagen und Beschlußtexte

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Art. 18 1. Die Evangelische Kirche in Deutschland arbeitet in der ökumenischen Bewegung mit. 2. Die Pflege ökumenischer Beziehungen durch kirchliche Werke und Verbände und die Mitarbeit einzelner Persönlichkeiten an ökumenischen Aufgaben wird dadurch nicht beeinträchtigt. Sie soll in Fühlung mit den zuständigen Organen der Evangelischen Kirche in Deutschland geschehen. 3. Das gleiche gilt von der selbständigen Vertretung von Gliedkirchen in bekenntnismässig gebundenen ökumenischen Vereinigungen. Art. 19 Die Evangelische Kirche in Deutschland vertritt die gesamtkirchlichen Anliegen gegenüber allen Inhabern öffentlicher Gewalt. Sie erstrebt ein einheitliches Handeln ihrer Gliedkirchen auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens. Art. 20 1. In Erfüllung ihrer Aufgaben kann die Evangelische Kirche in Deutschland Ansprachen und Kundgebungen ergehen lassen, die leitenden Stellen der Gliedkirchen zu Besprechungen versammeln und von ihnen Auskunft oder Stellungnahme einholen. 2. Sie kann zur Erfüllung bestimmter Aufgaben Kollekten ausschreiben, die in allen Gliedkirchen einzusammeln sind. Ihre Zahl soll jährlich nicht mehr als drei betragen. Die Erhebung weiterer gesamtkirchlicher Kollekten kann sie den Gliedkirchen empfehlen. III. Gliederung Art. 21 1. Die Gliedkirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland sind die bestehenden Landes- und Provinzialkirchen. 2. Der Zusammenschluss, die Neubildung und die Auflösung von Gliedkirchen erfolgt im Benehmen mit der Evangelischen Kirche in Deutschland. Das gleiche gilt, wenn sich Gliedkirchen ohne Aufgabe ihres rechtlichen Bestandes innerhalb der Evangelischen Kirche in Deutschland zusammenschliessen. 3. Jede Gliedkirche steht, unbeschadet ihrer Zugehörigkeit zu einer konfessionellen oder territorial bestimmten Vereinigung von Gliedkirchen, im unmittelbaren Verhältnis zur Leitung der Evangelischen Kirche in Deutschland. 4. Bekenntisverwandte kirchliche Gemeinschaften können der Evangelischen Kirche in Deutschland durch Vereinbarung angeschlossen werden. Die Vereinbarung bedarf der Bestätigung durch Kirchengesetz.

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IV. Organe und Amtsstellen Art. 22 1. Die Organe der Evangelischen Kirche in Deutschland sind die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland, die Kirchenkonferenz, der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland. 2. Zur Beratung der leitenden Organe sind für bestimmte Sachgebiete kirchliche Kammern aus sachverständigen kirchlichen Persönlichkeiten zu bilden. Art. 23 1. Die Synode hat die Aufgabe, der Erhaltung und dem inneren Wachstum der Evangelischen Kirche zu dienen. 2. Sie beschliesst Kirchengesetze nach Massgabe des Artikels 26 Abs. 3, erlässt Kundgebungen, bespricht die Arbeit der Evangelischen Kirche in Deutschland, erörtert Fragen des kirchlichen Lebens und gibt dem Rat Richtlinien. 3. Sie wählt in Gemeinschaft mit der Kirchenkonferenz gemäss Artikel 30 den Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland. Art. 24 1. Die Synode besteht aus 100 Mitgliedern, die von den synodalen Organen der Gliedkirchen gewählt werden, und 20 Mitgliedern, die vom Rat berufen werden. Für jeden Synodalen sind 2 Stellvertreter zu bestimmen. Von den gewählten und berufenen Synodalen darf nicht mehr als die Hälfte Theologen sein. 2. Die Verteilung der zu wählenden Synodalen auf die Gliedkirchen wird durch Gesetz geregelt. 3. Unter den vom Rat zu berufenden Synodalen sind besonders Persönlichkeiten zu berücksichtigen, die für das Leben der Gesamtkirche und für die Arbeit der kirchlichen Werke Bedeutung haben. 4. Die Mitglieder der Synode sind an Weisungen nicht gebunden. 5. Die Mitglieder der Kirchenkonferenz nehmen an den Beratungen der Synode ohne Stimmrecht teil. Art. 25 1. Die Amtsdauer der Synode beträgt 6 Jahre. 2. Die Synode tritt in der Regel einmal im Jahr zu einer ordentlichen Tagung zusammen. Sie ist ausserdem einzuberufen, wenn der Rat oder 30 Synodale es verlangen.

19C Anlagen und Beschlußtexte

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3. Sie wird mit einem Gottesdienst eröffnet. Ihrer Tagung wird im Gottesdienst aller Gemeinden fürbittend gedacht. Art. 26 1. Die Synode wählt für ihre Amtsdauer aus ihrer Mitte ein Präsidium, bestehend aus dem Präses, seinen Stellvertretern und den Beisitzern. Die Mitglieder des Präsidiums bleiben bis zur Wahl ihrer Nachfolger im Amt. Der Vorsitzende des Rates soll nicht gleichzeitig Präses der Synode sein. 2. Die Synode beschliesst mit Stimmenmehrheit. Sie ist beschlussfähig, wenn zwei Drittel der Synodalen anwesend sind. Sie gibt sich eine Geschäftsordnung. 3. Kirchengesetze bedürfen einer zweimaligen Beratung und Beschlussfassung. Sie werden der Synode, auch wenn sie aus ihrer Mitte eingebracht werden, durch den Rat mit seiner Stellungnahme und mit der Stellungnahme der Kirchenkonferenz vorgelegt. Kirchengesetze, welche die Grundordnung der Evangelischen Kirche in Deutschland ändern oder die Beziehungen zum Staat oder zu ausserdeutschen Kirchen zum Gegenstand haben, bedürfen einer Stimmenmehrheit von zwei Dritteln der anwesenden Mitglieder und der Zustimmung der Kirchenkonferenz. 4. Erhebt der Rat gegen einen Beschluss der Synode Einwendungen, so hat die Synode über den Gegenstand in einer nicht am gleichen Tage stattfindenden Sitzung erneut zu beschliessen. Erklären sich zwei Drittel der anwesenden Mitglieder der Synode für die Aufrechterhaltung des Beschlusses, so bleibt er bestehen. Gegen Wahlen durch die Synode kann der Rat Einwendungen nicht erheben. 5. Kirchengesetze sind im Amtsblatt der Evangelischen Kirche in Deutschland zu verkünden. Sie treten, wenn nichts anderes bestimmt ist, mit dem 14. Tage nach der Herausgabe des Blattes in Kraft. Art. 27 1. Werden in der Synode gegen eine Vorlage Bedenken erhoben mit der Begründung, dass sie dem lutherischen, dem reformierten oder einem unierten Bekenntnis widerspreche, und können die Bedenken durch eine Aussprache in der Synode nicht behoben werden, so versammeln sich die Angehörigen des Bekenntnisses zu einem Konvent. 2. Die Zugehörigkeit der Synodalen zu einem Konvent richtet sich nach dem Bekenntnisstand der Gliedkirchen, denen sie angehören. Unierte Gliedkirchen können bestimmen, ob die von ihnen entsandten Synodalen dem unierten oder demjenigen Konvent beitreten sollen, der ihrem persönlichen Bekenntnisstand entspricht.

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3. Bestätigt der Konvent die Bedenken und können sie auch bei nochmaliger Beratung in der Synode nicht behoben werden, so kann die Synode in dieser Frage nicht gegen die Stellungnahme des Konvents entscheiden. Art. 28 1. Die Kirchenkonferenz hat die Aufgabe, über die Arbeit der Evangelischen Kirche in Deutschland und die gemeinsamen Anliegen der Gliedkirchen zu beraten und Vorlagen oder Anregungen an die Synode und den Rat gelangen zu lassen. Sie wirkt bei der Wahl des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland und bei der Gesetzgebung nach Massgabe von Art. 23 Abs. 3 und 26 Abs. 3 mit. 2. Die Kirchenkonferenz wird von den Kirchenleitungen der Gliedkirchen gebildet. Jede Kirchenleitung entsendet ein Mitglied, das nicht dem Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland angehören darf. Die Verteilung der Stimmen in der Kirchenkonferenz wird durch Gesetz geregelt36. Die Mitglieder des Rates nehmen an den Sitzungen ohne Stimmrecht teil. 3. Die Kirchenkonferenz wird von dem Vorsitzenden des Rates geleitet. Sie tritt auf dessen Einladung nach Bedarf zusammen. Auf Verlangen von drei Gliedkirchen muss sie einberufen werden. Art. 29 1. Der Rat hat die Aufgabe, die Evangelische Kirche in Deutschland zu leiten und zu verwalten. Soweit die Befugnisse nicht anderen Organen beigelegt sind, ist er für alle Aufgaben der Evangelischen Kirche in Deutschland zuständig. Der Rat vertritt die Evangelische Kirche in Deutschland nach aussen. Er kann Kundgebungen erlassen, wenn die Synode nicht versammelt ist. Er legt der Synode auf jeder ordentlichen Tagung einen Rechenschaftsbericht vor, der zu besprechen ist. 2. Gegenstände, die durch Gesetz zu ordnen sind, können ausnahmsweise durch Verordnung des Rates geregelt werden, wenn die Sache keinen Aufschub duldet, die Synode nicht versammelt und ihre Einberufung nicht möglich oder der Bedeutung der Sache nicht entsprechend ist. Die Grundordnung der Evangelischen Kirche in Deutschland darf durch Verordnung nicht geändert werden. Verordnungen sind der Synode bei ihrem nächsten Zusammentritt vorzulegen. Die Synode kann sie ändern oder aufheben. Art. 26 Abs. 5 findet Anwendung. Art. 30 1. Der Rat besteht aus zwölf Mitgliedern. Elf Mitglieder werden von der Synode und der Kirchenkonferenz gemeinsam in geheimer Abstimmung mit 36

Vgl. dazu S. 21B, S. 582.

19C Anlagen und Beschlußtexte

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Zweidrittelmehrheit gewählt. Die Kirchenkonferenz kann Vorschläge machen. Als weiteres Mitglied gehört der Präses der Synode dem Rate an. 2. Bei der Wahl der Mitglieder des Rates ist die bekenntnismässige und landschaftliche Gliederung der Evangelischen Kirche in Deutschland zu berücksichtigen. 3. Der Vorsitzende des Rates und sein Stellvertreter werden aus der Mitte der Ratsmitglieder von der Synode und der Kirchenkonferenz gemeinsam in getrennten Wahlgängen mit Zweidrittelmehrheit gewählt. Der Rat kann Vorschläge machen. 4. Die Amtsdauer des Rates beträgt 6 Jahre. Wiederwahl ist zulässig. Die Mitglieder bleiben bis zur Wahl ihrer Nachfolger im Amt. Nach dem Ausscheiden eines Mitglieds erfolgt Neuwahl gemäss Abs. 1 und 3. 5. Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland tritt nach Bedarf zu Sitzungen zusammen. In den Sitzungen wird mit Stimmenmehrheit entschieden; bei Stimmengleichheit gibt der Vorsitzende den Ausschlag. Der Rat gibt sich eine Geschäftsordnung37. Sie kann vorsehen, dass die Erledigung bestimmter Aufgaben einem engeren Ausschuss des Rates übertragen wird. Art. 31 1. Amtsstellen des Rates sind die Kirchenkanzlei und das Kirchliche Aussenamt. Sie führen die laufenden Geschäfte im Rahmen der kirchlichen Ordnungen nach den Weisungen des Rates. 2. Der Leiter der Kirchenkanzlei und der Leiter des Kirchlichen Aussenamtes werden nach Fühlungnahme mit der Kirchenkonferenz vom Rat ernannt. 3. Die erforderliche Zahl von theologischen und rechtskundigen Räten für die Amtsstellen wird vom Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland berufen. Zur Anstellung weiterer Mitarbeiter kann der Rat die Leiter der Amtsstellen ermächtigen. 4. Wenn die Verhältnisse es erfordern, können für einzelne Teile der Evangelischen Kirche in Deutschland oder für einzelne Arbeitszweige besondere Amtsstellen eingerichtet werden. Das Nähere bestimmt der Rat. Art. 32 Zur Entscheidung von Meinungsverschiedenheiten und Streitfragen innerhalb der Evangelischen Kirche in Deutschland und zur Begutachtung von Rechtsfragen wird ein Schiedsgerichtshof der Evangelischen Kirche in

37 Eine neue Geschäftsordnung gab sich der Rat erst auf seiner Sitzung am 6Y7. September 1951 in Tutzing {Niederschrift und "Geschäftsordnung für den Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland" vom 6. September 1951: EZA BERLIN, 2/84/046/193).

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19. Sitzung Eisenach 14. Juli 1948

Deutschland eingesetzt, der von jedem der Beteiligten angerufen werden kann. Das Nähere wird durch Gesetz bestimmt 38 . V. Besondere und Ubergangsbestimmungen Art. 33 1. Einnahmen und Ausgaben der evangelischen Kirche in Deutschland sind für ein Jahr oder für mehrere Jahre auf einen Haushaltsplan zu bringen. Ausgaben, die durch eigene Einnahmen nicht gedeckt sind, werden auf die Gliedkirchen umgelegt. 2. Der Haushaltplan sowie die Höhe und der Verteilungsmasstab der Umlage werden durch Gesetz festgestellt39. Das gleiche gilt für Anleihen und Sicherheitsleistungen, die nicht aus Mitteln des laufenden Rechnungsjahres gedeckt werden können. 3. Uber die Haushalts- und Kassenführung ist jährlich Rechnung zu legen. Die Rechnung wird von einem hierzu bestimmten Ausschuss geprüft. Auf Grund seines Berichtes beschliesst die Synode über die Entlastung. 4. Das Nähere über das Haushalts-, Umlage- und Kassenwesen wird durch Verordnung des Rates geregelt. Art. 34 Die Evangelische Kirche in Deutschland wird in Rechtsangelegenheiten durch den Rat vertreten. Urkunden, welche sie Dritten gegenüber verpflichten sollen, und Vollmachten sind namens des Rates durch den Vorsitzenden oder seinen Stellvertreter und durch den Leiter der Kirchenkanzlei oder seinen geschäftsordnungsmässigen Vertreter unter Beidrückung des Siegels zu vollziehen; dadurch wird die Rechtmässigkeit der Beschlussfassung festgestellt. Art. 35 1. Die Evangelische Kirche in Deutschland als öffentlich-rechtliche Körperschaft ist Trägerin der Rechte und Verbindlichkeiten des Deutschen Evangelischen Kirchenbundes und der Deutschen Evangelischen Kirche. Die Verfassung der Deutschen Evangelischen Kirche vom 11. Juli 193340 wird hiermit aufgehoben. Im übrigen bleibt das gesamtkirchliche Recht in Kraft, soweit es dieser Grundordnung nicht widerspricht. 2. Bis zur Bildung des Rates nach Artikel 30 dieser Grundordnung werden seine Aufgaben durch den bisherigen Rat der Evangelischen Kirche in 38

Vgl. dazu 21B, S.

mff.

39 Richtig: "festgelegt" (vgl. S. 524, Anm. 28). 40

GB1DEK 1933, S. 2-6.

535

19C Anlagen und Beschlußtexte

Deutschland wahrgenommen. Dieser verteilt erstmalig die nach Artikel 24 von den Gliedkirchen zu wählenden Mitglieder der Synode und beruft erstmalig die Synode ein; sein Vorsitzender leitet sie bis zur Wahl des Präses. Der bisherige Rat regelt ferner bis zum Erlass des in Artikel 28 Abs. 2 vorgesehenen Kirchengesetzes die Verteilung der Stimmen in der Kirchenkonferenz 41 . 3. Die von dem bisherigen Rat erlassenen Verordnungen sind der Synode bei ihrem ersten Zusammentritt vorzulegen. 19C2. Liste der Mitglieder der 1. Synode der EKD. [Eisenach, 13. Juli 1948] F: LKA Nürnberg, Meiser 130 (H; Anlage zum Rundschreiben des Rates vom 13. Juli 1948).

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24.

Sachsen-Land Berlin-Brandenburg Sachsen-Provinz Hannover-luth. Westfalen Schleswig-Holstein Rheinprovinz Bayern Thüringen Württemberg Hessen und Nassau Mecklenburg Kurhessen-Waldeck Baden Pommern Hamburg Braunschweig Pfalz Oldenburg Anhalt Bremen Schlesien Lippe Lübeck

Seelenzahlen

Mitglieder

4.800.000 4.435.432 3.500.000 3.500.000 2.552.000 2.476.600 2.400.000 2.332.200 2.000.000 1.895.000 1.671.000 1.200.000 1.172.506 950.000 750.000 600.000 600.000 542.052 505.000 500.000 416.559 223.500 220.000 204.311

10 10 9 9 6 6 6 6 5 5 4 3 3 2 2 2 2 1 1 1 1 1 1 1

41 Entsprechende Regelungen beschieß der Rat auf seiner 21. Sitzung am 1./3. Dezember 1948 (21B, S. 582).

536 25. 26. 27.

19. Sitzung Eisenach 14. Juli 1948

Εν. ref. Kirche in Nordwestdeutschland Eutin Schaumburg-Lippe

196.274 71.000

1 1 1

39.833.434

100

120.000

19C3. "Wort der Evangelischen Kirche in Deutschland zum Frieden". Eisenach, 13. Juli 1948 F: ABlEKD Heft 5, 15. Juli 1948. • Wiederabdruck: F. Merzyn, Kundgebungen, S. 58; G. Heidtmann, Hat die Kirche geschwiegen, S. 52/.; KJ1945-1948, S. 185f.

Drei Jahre nach dem letzten, furchtbaren Krieg wartet nicht nur das deutsche Volk noch vergebens auf den Frieden, sondern ist es in mehr als einem Lande der Welt abermals Krieg und Blutvergießen. Ohne Frieden aber es gibt keinen Wiederaufbau des Völkerlebens, keine sittliche Gesundung der Menschen und keine Möglichkeit, menschliches Leben nach dem Willen Gottes zu gestalten. Es muß das dringlichste Bemühen aller Ernstgesinnten sein, daß endlich Friede werde und Friede bleibe. Das deutsche Volk, seiner Freiheit beraubt und in der Gewalt anderer Mächte, kann wenig dazu beitragen, daß Friede werde. Dies Wenige aber zu tun, geloben wir, eingedenk unserer Verantwortung vor dem heiligen Gott. Wir Christen müssen erklären: für uns ist der Kriegszustand mit den anderen Völkern beendet, auch wenn man uns den Frieden noch nicht gewährt hat. Wir sehen in den Angehörigen einer anderen Nation, welche es auch sei, nicht mehr Feinde, sondern Brüder und Schwestern, mit denen wir gemeinsam vor Gott stehen. Wir bitten und beschwören unsere Volksgenossen, sich vom Geist des Hasses oder der Feindseligkeit gegen andere Nationen freizuhalten. Niemand von uns sollte sich zum Werkzeug einer Propaganda machen lassen, durch die eine Feindschaft zwischen Staaten gefördert oder eine Handlung kriegerischer Gewalt vorbereitet wird. Insbesondere mahnen wir alle Glieder unseres Volkes, nicht dem Wahn zu verfallen, als könne unserer gemeinsamen Not durch einen neuen Krieg abgeholfen werden. Auf der Gewalt liegt kein Segen und Kriege führen nur tiefer in Bitterkeit, Haß, Elend und Verwahrlosung hinein. Die Welt braucht Liebe, nicht Gewalt. Sie braucht Frieden und nicht Krieg. Die Heilige Schrift sagt: "Durch Stillesein und Hoffen werdet ihr stark sein!"42 Und unser Herr Jesus Christus spricht: "Selig sind die Sanftmütigen, denn sie werden das Erd-

42 Jes 30,15.

19C Anlagen und Beschlußtexte

537

reich besitzen. Selig sind die Friedfertigen, denn sie werden Gottes Kinder heißen." 43 19C4. "Wort der Evangelischen Kirche in Deutschland zur deutschen Not". Eisenach, 13. Juli 1948 F: ABIEKD Heft 5, 15.Juli 1948. - Wiederabdruck: F. Merzyn, Kundgebungen, S. 59; G. Heidtmann, Hat die Kirche geschwiegen, S. 54/.; KJ1945-1948, S. 186. Die Versammlung der EKD kann an der gegenwärtigen N o t des deutschen Volkes nicht vorübergehen. U m der Liebe des Herrn Jesus Christus willen fühlt sie sich gedrungen, das Nachfolgende auszusprechen: 1. Drei Jahre nach dem Kriege sind noch immer nicht alle Kriegsgefangenen in die Heimat zurückgekehrt. Tausende werden ohne öffentlichen Richterspruch in Lagern gefangengehalten. Immer wieder werden Menschen unseres Volkes zur Arbeit in anderen Ländern genötigt. Wir bitten, diesem Zustand ein Ende zu machen. 2. Die Aufrechterhaltung der Zonengrenzen und alle Maßnahmen, die auf eine endgültige Aufspaltung Deutschlands hinauslaufen, müssen zu immer weiterer Verelendung und zur Auflösung der sittlichen Bindungen führen. Wir beschwören alle, die es angeht, jedem Versuch einer solchen Aufspaltung entschieden und beharrlich entgegenzutreten und immer wieder darauf zu dringen, daß dem deutschen Volk nicht durch unmögliche Grenzziehungen die Lebensgrundlagen genommen werden. 3. Uber die Nöte, die die Reform der Währung Tausenden von deutschen Familien gebracht hat, darf nicht zur Tagesordnung übergegangen werden. Es muß dafür gesorgt werden, daß die, die keine Arbeit finden oder keine Arbeit tun können, insbesondere auch die, die als völlig arbeitsunfähig der Fürsorge von Staat und Kirche anbefohlen sind, ein menschenwürdiges Dasein führen können. Wenn infolge der Währungsreform zu einer Neuordnung der Besitzverhältnisse und der wirtschaftlichen Gestaltung geschritten wird, so muß alle Aufmerksamkeit darauf gerichtet werden, daß Sauberkeit und Redlichkeit wiederkehren. Bei keiner wirtschaftlichen Maßnahme darf vergessen werden, daß die Wirtschaft um des Menschen willen da ist und nicht umgekehrt. Es geht darum, daß der Mensch Mensch bleibe und nicht zu einer bloßen Sache erniedrigt wird. Laßt den Menschen um Gottes willen Mensch sein und laßt ihn ein Leben führen, das eines Menschen würdig ist.

43

Mt 5, 5 + 9.

538

19. Sitzung Eisenach 14. Juli 1948

19C5. "Ruf an den Menschen unserer Tage". Eisenach, 13. Juli 1948 F:ABlEKDHeft 5,15. Juli 1948. - Wiederabdruck: F. Merzyn, Kundgebungen, S. 56f.; G. Heidtmann, Hat die Kirche geschwiegen, S. 49ff.; KJ1945-1948, S. Wf. Die Evangelische Kirche in Deutschland, die zu Eisenach in ihren berufenen Vertretern versammelt ist, ruft den Menschen unserer Tage unter das Kreuz Christi: Sehet,welch

ein

Mensch!44

Seht den verhöhnten und gefolterten, den erniedrigten und beleidigten Menschen, dem die Menschenrechte abgesprochen sind! Seht das überströmte Angesicht des Menschen, der die Dornenkrone trägt! Seht ihn, der dem Fluch der Unmenschlichkeit und der Gottlosigkeit dieser unserer Welt preisgegeben ist! Seht ihn, der in der Gottverlassenheit des Kreuzes hängt! Er heißt Jesus

Christus.

In ihm ward Gott Mensch und unser Bruder. Er ist der Herr, er allein der Retter der verlorenen Welt. Seht den Menschen, um dessen willen er sein heiliges, teures Blut vergossen hat und den er seinen Bruder nennt! Seht den Menschen, den Gott richtet und dem Gott vergibt! Seht den geringsten seiner Brüder als den Menschen Gottes an, nach Gottes Bild geschaffen und durch Gottes Erbarmen erlöst! Achtet die zertretene und geschändete Würde des Menschen von neuem um Gottes willen! Opfert den Menschen nicht länger den Götzen der Macht und des Geldes! Laßt um Gottes willen davon ab, den Menschen für Eure Zwecke zu erniedrigen! Seht ihn, welcher Rasse oder welchem Volk, welcher Klasse oder Partei er auch angehören mag, zu allererst als Gottes Menschen! Erbarmt euch über sein Elend, seine Not und seine Schuld! Bestehlt und betrügt ihn nicht! Plündert ihn nicht aus! Erbarmt euch des Verschleppten, Heimatlosen, Gefangenen, des Entrechteten und Geknechteten in aller Welt! Gebt ihm das Recht, das der Gott der Gerechtigkeit ihm zuspricht! Gebt ihm die Freiheit, ohne die er nicht Mensch sein kann! Gebt ihm das Brot, das Gottes Güte ihm gönnt!

44 Joh 19, 5.

19D Vorlagen und Anträge

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Gebt ihm die Arbeitsmöglichkeit, ohne die er an Leib und Seele verkommt! Trennt ihn nicht von den Menschen, zu denen er gehört als Glied seiner Familie, als Glied seines Volkes! Hört auf mit dem Vergelten und Richten, mit dem Haß und der Rache! Besudelt eure Hände nicht von neuem mit Menschenblut, mit Bruderblut! Zertretet den Funken des Krieges, ehe er zum neuen Weltbrand wird! Rottet jeden Gedanken an den Krieg als euren Retter in euch aus! Sucht vielmehr miteinander Frieden in dem Gott, der ein Gott des Friedens ist! Seid Menschen, die Gott loben und sich seiner Gnade freuen dürfen! Seid Menschen, die wieder hoffen dürfen! Wir bezeugen und verkünden euch, daß der Mensch noch eine große Zukunft hat, die offenbar werden wird, wenn unser Bruder und Heiland an seinem Tage in seiner Herrlichkeit erscheint! Um dieser Zukunft willen rufen wir euch alle: Seht den Menschen! 19D Vorlagen und Anträge 19D1. Schreiben Wurms an die Leitungen der Landeskirchen in den drei Westzonen. Stuttgart, 5. Juli 1948 F: LKA Stuttgart, Dl/217 (HJ*5.

Betr.: Finanzlage der EKD und landeskirchliche Umlagen an die EKD 1. Alle Landeskirchen in den 3 Westzonen sind ohne Ausnahme durch die Währungsreform in eine außerordentlich große finanzielle Notlage gekommen. Sie werden ungeheure Anstrengungen machen und allergrößte Sparmaßnahmen auf sich nehmen müssen, um ihre gesteigerten Aufgaben erfüllen und um ihren rechtlichen Verpflichtungen nachkommen zu können. 2. Zu diesen ihren Aufgaben und zu diesen rechtlichen Verpflichtungen gehört auch die Finanzierung der Arbeit der EKD. Daß die Kasse der EKD jetzt in der größten Notlage ist, da sie gar kein eigenes Vermögen und gar keine eigenen Einnahmequellen besitzt und lediglich auf die Umlagezahlungen der Landeskirchen angewiesen ist, brauche ich Ihnen nicht zu sagen. 45 Das Schreiben erhielten nachrichtlich auch die Ratsmitglieder, die Mitglieder des Finanzbeirats der EKD, das Kirchliche Außenamt, das Archivamt, das Kirchenstatistische Amt und die Zentralbeschaffungssteile der EKD.

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3. Selbstverständlich hat die EKD in allen ihren Dienststellen unverzüglich ganz drastische Sparmaßnahmen durchgeführt, die sich nicht nur auf den Post- und Fernsprechverkehr, auf Dienstreisen, auf das Abonnement von Zeitungen und Zeitschriften und sonstige Verwaltungskosten, sondern vor allem auch auf starke Einsparung von laufenden Mietzinszahlungen und besonders auf weitgehenden Personalabbau beziehen. Auf diese Weise werden die Verwaltungskosten der EKD auf ein Mindestmaß herabgedrückt werden, um unter allen Umständen gerade jetzt die finanziellen Voraussetzungen für die Durchführung wenigstens der wichtigsten Aufgaben der EKD weiterhin zu gewährleisten. 4. Ich habe deswegen für diese erste besonders schwierige Ubergangszeit den Vorsitzenden des Finanzbeirats der EKD als mir unmittelbar unterstellten Sparkommissar eingesetzt, der bei allen Maßnahmen der EKD, die eine finanzielle Auswirkung haben, zu beteiligen ist und der nach meinen Weisungen die Ausgaben der EKD für die Ubergangszeit vom 21.6.48 - 31.3.49 auf die Hälfte der im Haushaltsplan der EKD vorgesehenen Höhe zu beschränken [sie.'], dabei aber auch eine gerechte Versorgung aller Bediensteten und sonstigen Versorgungsberechtigten der EKD einschl. der früheren Auslandsgeistlichen, Ruheständler, Witwen und Waisen (z.Zt. insgesamt 95 Versorgungsberechtigte!) nach meinen Weisungen zu gewährleisten \sicf\. Das bedeutet, daß die EKD in der genannten Ubergangszeit nicht mit den im Haushaltsplan vorgesehenen Einnahmen von monatlich 85.866,63 DM rechnen darf, sondern mit der Hälfte, also mit 42.933,35 DM auskommen muß. Dieses Mindestmaß von notwendigen Geldmitteln muß aber die EKD auch weiterhin von ihren Landeskirchen erbitten. 5. Solange dieser vorübergehend so drastisch gedrosselte Finanzbedarf der EKD nach dem bisherigen Umlageverteilungsschlüssel46 auf die Landeskirchen der 3 westlichen Zonen verteilt wird, müssen wir für die Ubergangszeit vom 21.6.1948-31.3.1949 (für die wir diese drastische Drosselung vorgesehen haben) folgende monatlichen Umlagezahlungen von den Landeskirchen erbitten: 11.011,36 A P U West (Rheinland und Westfalen) Hannover 5.252,02 Württemberg 4.412,56 Hessen und Nassau 3.866,76 46 Bisher hatten die Landeskirchen nach der Anordnung vom 10. Februar 1942 noch 85 % der Umlagebeiträge zu zahlen (vgl. § 2, Abs. 2 der "Anordnung betreffend den Haushalt der EKD [westliche Besatzungszonen] für das Rechnungsjahr 1948" vom 14. Januar 1948: S. 363f.; vgl. auch die "Umlagebeiträge der Landeskirchen der drei westlichen Zonen für das Rechnungsjahr 1948" vom 14. Januar 1948: S. 366/.).

19D Vorlagen und Anträge

541

Schleswig-Holstein 3.446,06 Bayern 3.368,06 Hamburg 3.037,27 Kurhessen-Waldeck 1.977,09 Baden 1.931,48 Pfalz 1.122,75 Braunschweig 995,43 Bremen 695,21 Oldenburg 653,90 Lübeck 353,62 Ev. ref. Kirche in Nordwestdeutschland 327,31 Lippische Landeskirche 280,23 Schaumburg-Lippe 81,40 Eutin 81,40 Bund ev. ref. Kirchen Deutschlands 38,25 6. Ich bitte herzlich, daß a l l e Landeskirchen ohne Ausnahme diese verminderten Umlagebeträge in der Ubergangszeit vom 21.6.48-31.3.1949 trotz ihrer eigenen Notlage pünktlich (d.h. für die letzte Juni-Dekade sofort und für die kommenden Monate jeweils am 15. j.Mts.) an die Kasse der EKD überweisen. Ich habe dem Finanzreferenten der EKD zur Pflicht gemacht, nicht nur dem Finanzbeirat und dem Rat der EKD, sondern künftig darüberhinaus a l l e n Landeskirchen in gewissen Abständen Rechenschaft zu geben über die Sparmaßnahmen und über die Verwendung aller Geldmittel der EKD. Der erste Rechenschaftsbericht wird Ihnen schon in der bevorstehenden Finanz-Referenten-Besprechung am 3.8.1948 in Treysa gegeben werden. gez.: D. Wurm 19D2. Entwurf für eine "Ordnung des Hilfswerks der Evangelischen Kirchen in Deutschland". [Speyer, 15./16. Juni 1948] F: A CDP St. A ugustin, 31-398 Nr. X(H; A nlage zum Schreiben Schwarzhaupts an die Ratsmitglieder vom 30. Juni 1948). $1· Das Hilfswerk der Evangelischen Kirchen in Deutschland ist eine Einrichtung der Kirche zur Erfüllung ihres diakonischen Auftrages. §2. -1- Das Hilfswerk gliedert sich in das Hilfswerk der Evangelischen Kirchen in Deutschland - Gesamtwerk - und die Hilfswerke der einzelnen Mitgliedskirchen.

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-2- Hilfswerke, deren Trägerkirchen dem Weltrat der Kirchen angehören oder angehören können, haben die Möglichkeit, dem Hilfswerk der Evangelischen Kirchen in Deutschland beizutreten. Sie werden hierdurch nach Massgabe der mit ihnen getroffenen Vereinbarungen Glieder des Hilfswerks mit gleichen Rechten und Pflichten. §3. Der Rechtsträger des Hilfswerks der Evangelischen Kirchen in Deutschland ist die Evangelische Kirche in Deutschland. Das Hilfswerk erfüllt seine Aufgaben selbständig im Rahmen der geordneten kirchlichen Aufsicht. §4. -1- Das Hilfswerk der Evangelischen Kirchen in Deutschland hat dafür zu sorgen, dass die gesamte Arbeit der Hilfswerke planvoll gestaltet und dass die Kräfte und Mittel voll genutzt und in gerechter Weise ausgeglichen werden. -2- Das Gesamtwerk ist dafür zuständig: 1. im Rahmen der Aufgaben des Hilfswerks die Beziehungen zum Ausland, insbesondere zum Weltrat der Kirchen, zu den Kirchen des Auslands und zu ausländischen und internationalen Hilfsorganisationen zu pflegen, 2. die Verteilung ausländischer Spenden durchzuführen, 3. die Anliegen des Hilfswerks bei allen Inhabern öffentlicher Gewalt, deren Zuständigkeit über den Rahmen der einzelnen Länder hinausreicht, zu vertreten. -3- Die Aufnahme unmittelbarer Beziehungen der in Ziff. 1 bezeichneten Tätigkeit seiner gliedkirchlichen Hilfswerke oder sonstiger dem Hilfswerk angeschlossener Einrichtungen darf nur im Benehmen mit dem Zentralbüro erfolgen. §5. In Erfüllung seiner Aufgaben kann das Gesamtwerk 1. den Hilfswerken der Mitgliedskirchen für die Durchführung ihrer Aufgaben verbindliche Richtlinien geben, 2. die ordnungsgemässe Verteilung ausländischer Spenden und die Erfüllung der Spendenwünsche durch Weisungen sicherstellen, 3. in die Tätigkeit der gliedkirchlichen Hilfswerke Einblick nehmen, von ihnen Berichte einfordern und ihre Mitarbeiter zu Besprechungen versammeln. §6. -1- Der Wiederaufbauausschuss der Evangelischen Kirchen in Deutschland ist das leitende Organ des Hilfswerks der Evangelischen Kirchen in Deutsch-

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land. Er trägt die Verantwortung dafür, dass das Hilfswerk die ihm zugewiesenen Aufgaben - §§ 4 und 5 - erfüllt. -2- Der Wiederaufbauausschuss ist zuständig für 1. Vereinbarungen über den Anschluss von Hilfswerken anderer Kirchen - § 2 Abs. 2 2. die Berufung des Leiters des Hilfswerks - Gesamtwerks -, 3. den Erlass von Richtlinien für die Durchführung der Aufgaben des Hilfswerks - § 5 Ziff. 1 - sowie über die Verteilung ausländischer Spenden - § 5 Ziff. 2 4. die Aufnahme von Anleihen, die nicht aus Mitteln des laufenden Rechnungsjahres zurückerstattet werden können, und die Uebernahme von Sicherheitsleistungen, 5. die Entlastung des Leiters und des Vermögensverwalters des Hilfswerks - § 10 Abs. 2 -, 6. die Veranstaltung von Sammlungen, 7. die Festsetzung des Haushaltsplanes, 8. die Bewilligung ausseretatsmässiger Mittel, 9. den Erwerb, die Veräusserung und die dringliche Belastung von Grundeigentum 10. die Gründung von Unternehmungen mit eigener Rechtspersönlichkeit oder Beteiligung hieran. -3- Vor dem Erlass von Kirchengesetzen oder Verordnungen der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Mitgliedskirchen, die das Hilfswerk betreffen, soll dem Leiter des Hilfswerks rechtzeitig Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden, sofern die Interessen des Gesamtwerks hiervon berührt werden. §7. -1- Dem Wiederaufbauausschuss gehören an 1. der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland als Präsident, 2. der Leiter des Hilfswerks, 3. die Bevollmächtigten für die Hilfswerke der Mitgliedskirchen, 4. vier Laienvertreter von Synoden, die einstweilen vom Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland zu entsenden sind. -2- Zu den Sitzungen des Wiederaufbauausschusses sind einzuladen: 1. der Leiter der Kirchenkanzlei, 2. der Leiter des Kirchlichen Aussenamtes, 3. der Präsident des Centraiausschusses für die Innere Mission.

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-3- Der Wiederaufbauausschuss kann beschliessen, dass die Vorsitzenden der Hilfskomitees in den sie betreffenden Angelegenheiten mit beschliessender, im übrigen mit beratender Stimme an seinen Sitzungen teilnehmen. -4- Der Wiederaufbauausschuss gibt sich eine Geschäftsordnung. §8. -1- Der Wiederaufbauausschuss bestellt aus seiner Mitte einen Geschäftsführenden Ausschuss. Diesem gehören an: 1. der Präsident des Wiederaufbauausschusses, 2. der Leiter des Hilfswerks, 3. vier Bevollmächtigte der landeskirchlichen Hilfswerke und ein freikirchliches Mitglied des Wiederaufbauausschusses, 4. zwei synodale Laienmitglieder des Wiederaufbauausschusses. Die in Ziffer 3 und 4 genannten Mitglieder werden vom Wiederaufbauausschuss für die Dauer von zwei Jahren gewählt. Ihre Wiederwahl ist zulässig. Für jedes Mitglied ist ein ständiger Stellvertreter zu wählen. -2- Der Geschäftsführende Ausschuss kann in unaufschiebbaren Fällen die Aufgaben des Wiederaufbauausschusses wahrnehmen, wenn dieser nicht rechtzeitig einberufen werden kann. Beschlüsse in Wahrnehmung dieser Befugnis bedürfen der nachträglichen Genehmigung des Wiederaufbauausschusses. Entscheidungen gemäss § 6 Abs. 2 Ziff. 1-6 bleiben jedoch dem Wiederaufbauausschuss vorbehalten. -3- Dem Geschäftsführenden Ausschuss können die in § 6 Abs. 2 Ziff. 7-10 genannten Aufgaben übertragen werden. §9. -1- Die laufenden Geschäfte des Hilfswerks der Evangelischen Kirchen in Deutschland führt im Rahmen der Entschliessungen des Wiederaufbauausschusses das Zentralbüro des Hilfswerks der Evangelischen Kirchen in Deutschland. Es untersteht dem vom Wiederaufbauausschuss berufenen Leiter - § 13 Abs. 1-. Dieser beruft die weiteren Mitarbeiter. Die Einstellung leitender Mitarbeiter bedarf der Zustimmung des Geschäftsführenden Ausschusses. Ihre Berufung in ein Beamtenverhältnis erfolgt auf Vorschlag des Leiters durch den Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland. -2- In Fällen von besonderer Dringlichkeit, insbesondere zur Abwendung von Gefahren, kann der Leiter des Hilfswerks einstweilige Massnahmen treffen, auch wenn sie dem Geschäftsführenden Ausschuss vorbehalten sind, sofern dieser nicht rechtzeitig einberufen werden kann. Der Leiter des Hilfswerks soll sich vorher mit dem Präsidenten des Wiederaufbauausschusses oder einem Mitglied des Geschäftsführenden Ausschusses verständigen. Die

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nachträgliche Genehmigung des Geschäftsführenden Ausschusses ist bei dessen nächstem Zusammentreten einzuholen. §10.

-1- Die Einnahmen und Ausgaben des Hilfswerks der Evangelischen Kirchen in Deutschland sind für ein Jahr auf einen Haushaltsplan zu bringen. -2- Uber die Haushalts- und Kassenführung ist jährlich Rechnung zu legen. Die Rechnung wird von drei Mitgliedern des Geschäftsführenden Ausschusses geprüft. Auf Grund ihres Berichtes entscheidet der Wiederaufbauausschuss über die Entlastung. §11. -1- Das Vermögen des Hilfswerks der Evangelischen Kirchen in Deutschland ist ein Sondervermögen der Evangelischen Kirche in Deutschland. Es dient ausschliesslich und unmittelbar kirchlichen, sozialen, mildtätigen und gemeinnützigen Zwecken. -2- Das Vermögen wird namens der Evangelischen Kirche in Deutschland von den Organen und Dienststellen des Hilfswerks verwaltet. §12. -1- Zur Vertretung in gerichtlichen und aussergerichtlichen Rechtsangelegenheiten, insbesondere auch zur Vertretung der Evangelischen Kirche in Deutschland in Angelegenheiten des Vermögens des Hilfswerks, ist der Leiter des Hilfswerks ermächtigt. -2- Urkunden, welche Dritten gegenüber eine Verpflichtung oder welche eine Vollmacht enthalten, sind namens der Evangelischen Kirche in Deutschland Hilfswerk - vom Leiter des Hilfswerks zu vollziehen und mit dem Dienstsiegel zu versehen. Damit wird festgestellt, dass der zugrundeliegende Beschluss des zuständigen Organs den gesetzlichen Bestimmungen gemäss gefasst worden ist. § 13. Beschlüsse des Wiederaufbauausschusses bedürfen in den Fällen des § 6 Abs. 2 Ziff. 1 und 2 der Bestätigung durch den Rat der EKD. § 14. Die laufende Aufsicht über das Hilfswerk üben der Präsident des Wiederaufbauausschusses und der Geschäftsführende Ausschuss aus. Sie haben das Recht, in die gesamte Geschäftsführung des Hilfswerks, insbesondere in die Geschäftsleitung und in die Haushalts- und Kassenführung, Einblick zu nehmen. Sie können Gesetz- und Ordnungswidrigkeiten beanstanden und gegebenenfalls hierüber Beschlüsse des Wiederaufbauausschusses herbeiführen.

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§ 15. -1- Die gliedkirchlichen Hilfswerke sind Einrichtungen der Mitgliedskirchen. Sie erfüllen ihre Aufgaben im Rahmen des Gesamtwerks selbständig unter der Aufsicht der Mitgliedskirche. Sie werden durch einen von der Kirchenleitung der Mitgliedskirche berufenen Bevollmächtigten geleitet, welcher der Kirchenleitung angehören soll. Die laufenden Geschäfte führt das Hauptbüro - Landes- oder Provinzialamt - des Hilfswerks. -2- Die Mitgliedskirchen regeln in Uebereinstimmung mit dieser Ordnung die Rechtsstellung und die Ordnung ihrer Werke selbst. §16.

Die Mitarbeit im Hilfswerk soll amtliche Pflicht aller kirchlichen Amtsträger sein. §17. -1- Gegen Massnahmen eines gliedkirchlichen Hilfswerks, welche die Arbeit des Hilfswerks der Evangelischen Kirchen in Deutschland gefährden oder beeinträchtigen, kann der Leiter des Gesamtwerks bei der betreffenden Kirchenleitung Einspruch erheben. Trägt die Kirchenleitung diesem Einspruch nicht Rechnung, so kann ein Schiedsgericht angerufen werden, das endgültig entscheidet. Dieses Schiedsgericht besteht aus je einem Vertreter der betreffenden Mitgliedskirche und des Gesamtwerks. Den Vorsitz des Schiedsgerichts führt ein vom Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland zu benennender Obmann, der die Befähigung zum Richteramt haben muss. -2- Das Entsprechende gilt im Falle von Streitigkeiten zwischen gliedkirchlichen Hilfswerken mit der Massgabe, dass die Beisitzer des Schiedsgerichts von den beiden gliedkirchlichen Hilfswerken ernannt werden. Der Leiter des Hilfswerks ist berechtigt, einen stimmberechtigten Beisitzer in das Schiedsgericht zu entsenden. Bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Obmanns. § 18.

-1- Wird das Hilfswerk der Evangelischen Kirchen in Deutschland aus irgend einem Grunde aufgelöst, so wird der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland das Sondervermögen des Hilfswerks auf Grund des herbeizuführenden Beschlusses des Wiederaufbauausschusses gemäss der §§17 und 18 des Steueranpassungsgesetzes kirchlichen, mildtätigen oder gemeinnützigen Zwecken zuführen. -2- Die Auflösung des Hilfswerks der Evangelischen Kirchen in Deutschland hat nicht die Auflösung der gliedkirchlichen Hilfswerke zur Folge. Ueber dieses entscheiden vielmehr die Mitgliedskirchen selbständig.

19E Dokumente

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19E

Dokumente 19E1. Geschäftsordnung des Kirchlichen Aussenamts. Frankfurt/Main, 15. Dezember 1948 F: EZA Berlin, 2/193 (H; Anlage zum Schreiben des Kirchlichen Aussenamts an die Kirchenkanzlei vom 24. Januar 1949). 1. Geschäftsordnung Die eingehende Post oeffnet Herr Johannesson und zeichnet sie für die Referenten und Korreferenten aus. Er bezeichnet diejenigen Schreiben, von deren Inhalt der Leiter oder der stellvertretende Leiter Kenntnis nehmen soll durch ein + oder //. Die Post wird dann von der Registratur in das Tagebuch eingetragen und dem stellvertretenden Leiter vorgelegt. Dieser überprüft die Auszeichnung auf die Referenten und streicht + oder // durch, falls er die Erledigung der Sache den Referenten überlassen will. Eingänge, die vor der Bearbeitung besprochen werden sollen, werden mit "R." an dem Referentenzeichen gekennzeichnet. Schreiben, die dem Leiter, wenn er beim Eingang von Frankfurt oder Wiesbaden abwesend ist, nach Rückkehr vorgelegt werden sollen, erhalten + . Sodann geht die Post zum Registrator, der etwa geänderte Auszeichnungen im Tagebuch berichtigt und den Referenten die Eingänge unter Beifügung der Vorgänge vorlegt. Der Referent macht für die Erledigung eines jeden auf ihn ausgezeichneten Vorgangs einen schriftlichen Entwurf, bei den mit "R." bezeichneten Eingängen nach Rücksprache mit dem stellvertretenden Leiter. Er legt Konzept oder Durchschlag vor Abgang den Korreferenten zur Mitzeichnung vor. Diese übernehmen mit der Mitzeichnung die Mitverantwortung für den Entwurf. Kann der Referent einer Beanstandung eines Korreferenten nicht entsprechen, so kann dieser seine abweichende Meinung am Rande des Konzepts oder des Durchschlags vermerken. Ist eine Einigung zwischen dem Referenten und dem Korreferenten nicht moeglich, so wird die Sache dem stellvertretenden Leiter vorgelegt. Ergibt sich bei der Bearbeitung, dass das Arbeitsgebiet weiterer Referenten mitbetroffen wird, so ergänzt der Referent die Referatsauszeichnung und beteiligt diese Referenten in der gleichen Weise wie die ursprünglich vorgesehenen Korreferenten. Ist der Eintrag nicht mit + oder // bezeichnet, oder ist das Zeichen durchgestrichen, so erledigt der Referent die Sache selbständig im Sinne der grundsätzlichen Weisungen des Leiters bzw. des stellvertretenden Leiters.

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Schreiben, bei denen + oder // nicht ausgestrichen sind, werden in der gleichen Weise, wie oben dargestellt, von dem Referenten unter Beteiligung der Korreferenten vorbereitet und vor abschliessender Zeichnung dem Leiter bzw. dem stellvertretenden Leiter vorgelegt. Wenn sich bei der Bearbeitung eines nicht mit + oder // bezeichneten Eingangs ergibt, dass die Sache Fragen von grundsätzlicher Bedeutung berührt, legt der Referent sie dem stellvertretenden Leiter von sich aus vor. Der Leiter und der stellvertretende Leiter haben die Wahl, ob sie die ihnen vorgelegten Sachen selbst zeichnen oder ob sie sie nach Mitzeichnung dem Referenten zur abschliessenden Zeichnung zurückgeben wollen. Der Leiter kann eine Sache auch dem stellvertretenden Leiter zur abschliessenden Zeichnung überlassen. Wenn der Leiter oder der stellvertretende Leiter einen Entwurf wesentlich ändern, geben sie nach Moeglichkeit dem Referenten vor Abgang Gelegenheit zur Meinungsäusserung. Alle abschliessend gezeichneten Sachen gehen zur Registratur, die vor Absendung nachprüft, ob alle auf dem Eingang ausgezeichneten Referenten mitgezeichnet haben. Der stellvertretende Leiter zeichnet "i.V.", die Referenten zeichnen "i.A.". Der Referent vermerkt auf dem Konzept, wenn Referenten, die nicht unmittelbar beteiligt sind, deren Unterrichtung über den Vorgang aber erwünscht ist, das Konzept nach Abgang erhalten sollen. Der Referent verfügt auf jedem Eingang oder Durchschlag, ob die Sache nach einer Frist wieder vorgelegt oder zu den Akten genommen werden soll. Rücksprachen sind in der Regel am folgenden Tag zu erledigen, die Mitzeichnung der Korreferenten nicht später als am folgenden Tage. 2. Referentenschriftwechsel Schriftwechsel der Referenten, der dienstliche Angelegenheiten betrifft, ist in den Geschäftsgang zu geben. Sind in Briefen von Referenten dienstliche und persoenliche Angelegenheiten zugleich behandelt, so ist ein Auszug des Abschnittes dienstlichen Inhalts zu den Akten zu geben. Von Schreiben der Referenten, für die der Kopfbogen benutzt wird, sind ausnahmslos Durchschläge in den Geschäftsgang zu geben. 3. Referentenbesprechung Jeden Mittwoch um 9.00 Uhr ist eine Besprechung sämtlicher Referenten beim stellvertretenden Leiter. Referenten, die verhindert sind, teilen dies dem stellvertretenden Leiter so früh wie moeglich mit. In der Besprechung tragen die Referenten aus ihrem Arbeitsgebiet Angelegenheiten von grundsätzlicher Bedeutung oder allgemeinem Interesse vor; die Gegenstände sind Herrn Johannesson vorher anzuzeigen. 4. Dienstreisen und Besprechungen

19E Dokumente

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Dienstreisen müssen von dem stellvertretenden Leiter schriftlich genehmigt werden. Die Reisekostenrechnung ist spätestens 3 Tage nach Rückkehr schriftlich beim Finanzreferenten einzureichen. Ueber dienstliche Besprechungen von groesserer Bedeutung mit Personen ausserhalb des Kirchlichen Aussenamts ist ein Vermerk niederzuschreiben und in den Geschäftsgang zu geben, oder deren wesentlicher Inhalt ist in der Referentenbesprechung vorzutragen. Zu Besprechungen im Hause sind die Korreferenten tunlichst zuzuziehen. Ueber wichtige Besprechungen ist dem stellvertretenden Leiter mündlich zu berichten. Fanden Besprechungern des Leiters mit einem oder mehreren Referenten statt, an denen der stellvertretende Leiter oder der Korreferent nicht teilgenommen hat, so sind diese von dem Inhalt der Besprechung ohne Aufschub zu unterrichten. Melden sich Referenten beim Leiter zum Vortrag an, so ist dem stellvertretenden Leiter rechtzeitig Mitteilung zu machen, um ihm Gelegenheit zur Teilnahme zu geben. 5. Vertretung Der stellvertretende Leiter, Vizepräsident P. Stratenwerth, hat bei Abwesenheit des Leiters die Vollmacht, ihn in allen Aufgaben und Befugnissen als Leiter des Kirchlichen Aussenamts zu vertreten. 6. Finanzen Ueber Ausgaben des Kirchlichen Aussenamts entscheidet der Finanzreferent nach Richtlinien des stellvertretenden Leiters. Glaubt der Finanzreferent, eine Ausgabe ablehnen zu müssen, die ein Referent für Aufgaben seines Referats als unerlässlich hält, entscheidet der stellvertretende Leiter. Kein Referent darf ohne Zustimmung des Finanzreferenten Geldleistungen des Aussenamtes zusagen. Kassenanweisungen werden allein durch Herrn Johannesson verfügt, in seiner Vertretung durch Frl. Dr. Schwarzhaupt. Nähere Bestimmungen enthält die Kassenordnung. 7. Siegel Das Siegel des Kirchlichen Aussenamtes ist stets unter Verschluss zu halten. Mit der Verwendung des Siegels beauftrage ich Herrn Johannesson. Das Reservesiegel verwahrt Herr Dr. von Hentig. 8. Bürobetrieb Für alle Fragen des Geschäftsbetriebs und für die Verteilung der vorhandenen Schreibkräfte ist Herr Johannesson zuständig. gez. Martin Niemoeller

20 Bethel, 30. September 1948 Ort:

Brüderhaus Nazareth.

Beginn: Ende:

Donnerstag, 30. September 1948 (morgens).

Teilnehmer:

Protokollant:

Donnerstag, 30. September 1948 (Uhrzeit unbekannt). Vom Rat: Asmussen (verspätet), Hahn (verspätet), Hagemann (verspätet), Heinemann, Held, Lilje, Niemöller, Niesei, Smend, Wurm. Von der Kirchenkanzlei: Benn, Merzyn, Schwarzhaupt Vom Hilfswerk: Gerstenmaier (zeitweise). Als Berichterstatter: Schmidt (für Meiser). Unbekannt.

20A Vorbereitung der Sitzung 20A1. Schreiben Wurms an die Mitglieder des Rates. Stuttgart, 31. Juli 1948 F: EZA Berlin, 2/60 (D).

Verehrte, liebe Brüder! Da wir uns voraussichtlich erst im September Wiedersehen werden, möchte ich einige Fragen, die mich bewegen, Ihnen heute schriftlich vorlegen: Unsere nächste Rats-Sitzung hatten wir für den 15. und 16. September in Hannover vorgesehen. Da nun die meisten von uns an der Jahrhundertfeier der Inneren Mission in Bethel am 28. September 1 teilnehmen werden, rege ich bei Ihnen an, unsere nächste Rats-Sitzung - um doppelte Reisen uns zu ersparen - am 26. und 27. September oder notfalls am 29. und 30.9. in Bethel stattfinden zu lassen. Als Beratungsgegenstände sind bisher für die nächste Ratssitzung die Ordnung des Hilfswerks, der Diakonie-Groschen, die kirchliche Stellung der evang. theol. Fakultäten und die Errichtung eines christlichen Rundfunksenders vorgesehen. Weitere Wünsche bitte ich, unserer Kirchenkanzlei möglichst bald mitzuteilen. In erster Linie wird uns ja die Vorbereitung der ersten Tagung der 1. Synode der E K D beschäftigen. Für die erste Tagung der 1. Synode der E K D hatten wir die Tage zwischen Weihnachten und Neujahr in Aussicht genommen. Indessen sind mir und 1

Vgl. dazu 18B, S. 456f.

20A Vorbereitung

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auch unseren Brüdern inzwischen starke Bedenken gekommen, ob die Wahl dieser Tage wirklich gut sein würde. Für alle Inhaber eines geistlichen Amtes wird es sehr schwer sein, in dieser für sie besonders arbeitsreichen festlichen Zeit sich für eine so grosse Tagung der Synode freizumachen. Aber auch die übrigen Synodalen würden sicher fast ausnahmslos die Wahl eines anderen Zeitpunktes wünschen. Ich schlage daher vor, dass wir die Tagung entweder in der Woche vor dem 1. Advents-Sonntag oder in der Woche nach dem 1. Advents-Sonntag abhalten. Als Ort für diese Tagung wird diesmal wohl ein Ort in den Westzonen in Frage kommen. Ich schlage Ihnen in erster Linie Marburg und in zweiter Linie Göttingen vor, würde meinerseits aber gern auch mit einem anderen Ort im Westen einverstanden sein und darf Sie daher um baldige Mitteilung Ihrer Wünsche und Vorschläge an unsere Kirchenkanzlei bitten. Ein kleiner Beratungsgegenstand, der schon seit Januar für jede unserer RatsSitzungen vorgesehen war, aber bisher infolge Zeitmangels nie vorgetragen werden konnte, ist der Fall des fast erblindeten Professors D. Cajus Fabricius2. Fabricius hat an mich die Bitte gerichtet, ihm einen Forschungsauftrag für Konfessionskunde zu geben und die von ihm seit mehr als 20 Jahren geleitete und kirchenamtlich geförderte Zentralstelle für Konfessionsforschung als beratendes Organ in die EKD einzuordnen - etwa entsprechend dem Kirchenstatistischen Amt 3 oder dem Kirchenrechtsinstitut4 -; hilfsweise hat er um geldliche Beihilfen gebeten. Wie Sie wissen, habe ich mich mehrfach für Fabricius verwendet, weil er am Anfang des Krieges eine sehr gute Denkschrift gegen die SS-Religion verfasst hat, die ihm KZ-Haft eingetragen hatte5. Im

2 3 4

Vgl. dazu auch 14B, S. 220. Vgl. dazu 20B, S. 565. Der Rat hatte auf Anregung Smends auf seiner 3. Sitzung am 13./14. Dezember 1945 in Frankfurt/Main beschlossen, bei der Abwicklungsstelle der Kirchenkanzlei der DEK in Göttingen eine juristisch-theologische Untersuchungsstelle zur Uberprüfung des gültigen Kirchenrechts einzurichten, aus der dann das Kirchenrechtliche Institut der EKD unter der Leitung Smends erwuchs (vgl.

5

Fabricius, langjähriges Mitglied der NSDAP und ehemals Anhänger der Deutschen Christen, hat wiederholt kritische Eingaben zur nationalsozialistischen Kirchenpolitik verfaßt. In seiner Denkschrift "Innere Rüstung" vom Herbst 1939 wandte er sich dann so scharfgegen die Kirchenfeindschaft und die antichristliche Einstellung der Partei, vor allem aber des SS-Organs "Das Schwarze Korps", daß er am 9. November 1939 verhaftet wurde. Nach einem kurzen Aufenthalt im Polizeigefängnis Breslau wurde er in Schutzhaft genommen, aus der er nur wegen seiner fortschreitenden Erblindung gnadenweise wieder freikommen konnte; am 20. März 1940 wurde er wegen parteischädigenden Verhaltens schließlich aus der NSDAP ausgestoßen (vgl. dazu G. EHREN-

C . NICOLAISEN/N.A. SCHULZE, P r o t o k o l l e Bd. I, S. 122; N . A . SCHULZE, K u r s , S. 448).

552

20. Sitzung Bethel 30. September 1948

übrigen kenne ich seine Wirksamkeit nicht so, dass ich ein Urteil abgeben könnte. Dr. Gerstenmaier schreibt von ihm, "dass er sich seit Jahrzehnten um konfessionskundliche und ökumenische Forschung hohe Verdienste erworben hat und der ganzen älteren Generation der ökumenischen Repräsentanten als prominenter deutscher Vertreter wohlbekannt ist". Fabricius selbst schreibt in seinen Eingaben vom 6.6. und 9.12.19476 u.a. folgendes: "Ich leite seit 1926 die von mir in Berlin gegründete Zentralstelle für Konfessionsforschung, die ich nach ihrer fast völligen Vernichtung in Berlin 1943 nunmehr in Hirschborn neu aufzubauen begonnen habe. Die Zentralstelle für Konfessionsforschung hat die Aufgabe, die Kenntnis und das gegenseitige Verständnis der christlichen Kirchen der Welt zu fördern. Zu diesem Zweck sammelt sie in einer ökumenischen Bibliothek die grundlegende Literatur aller Konfessionen. Sie unterrichtet auf Grund dieses Materials die Öffentlichkeit durch kurze Mitteilungen und Druckschriften. Die Hauptveröffentlichung ist das vielbändige Corpus Confessionum. Die Zentralstelle ist als halbamtlich zu bezeichnen. Sie wurde von Seiten der Kirchenregierung anerkannt und durch finanzielle Beihilfen sowie durch Zuweisung von Mitarbeitern gefördert. Nach 1942 wurden mir im ganzen 3 Vikare zur Verfügung gestellt. Von Oktober 1942 bis zum Zusammenbruch erhielt ich vom Evangelischen Oberkirchenrat in Berlin halbjährlich Beihilfen von je 3.000,- RM zur Erhaltung der Zentralstelle, insbesondere zur Bezahlung persönlicher Hilfskräfte und zur Anschaffung von Büchern. Da zur Zeit eine Förderung seitens der Berliner Kirchenregierung nicht in Frage kommt, bitte ich die Leitung der Evangelischen Kirche in Deutschland, die Sorge für das Institut zu übernehmen." "Nachdem ich, wie bekannt, für die Kirche gegen das antichristliche Neuheidentum Himmlers gekämpft habe, wurden meine staatlichen Bezüge gekürzt. Ich verlor nicht nur seit 1939 meine Freiheit, sondern seit Anfang 1941 die Kolleggeldgarantie und wurde mit Wirkung vom 1.11.1943 als Staatsfeind pensioniert. Seit 1.4.1945 blieb auch das Ruhegehalt aus. Die Darmstädter Regierung weigert sich, Pensionszahlungen vor Abschluss des Spruchkammerverfahrens zu leisten. Wann die Spruchkammerentscheidung erfolgt, ist noch nicht abzusehen. Meine Forderungen an den Staat wegen ausgebliebener Bezüge hat nunmehr eine Höhe von 56.080,- Mark erreicht.

FORTH, K i r c h e , S. 2 0 7 ; K . MEIER, F a k u l t ä t e n , S. 4 2 7 - 4 3 4 ; K . D . SCHMIDT, W i d e r s t a n d , S. 3 6 8 , A n m . 15; vgl. auch die Unterlagen

6

im B A KOBLENZ, R 4 3 11/154).

Im Ε7Λ Berlin und im LKA Stuttgart nicht ermittelt.

20A Vorbereitung

553

Ich befinde mich also heute infolge meines Kampfes für die Kirche gegen Gottlosigkeit und Verbrechen mit meiner Familie in unwürdigster finanzieller Bedürftigkeit... Die Werke, an denen ich zurzeit arbeite, sind folgende: 1. Fortsetzung des Corpus Confessionum. 2. Neuausgabe des ökumenischen Handbuches der christlichen Kirchen. 3. Konfessionskunde in mehreren Bänden. 4. Allgemeine Religions- und Konfessionsstatistik der Erde." Sowohl das Hilfswerk als auch der Rat der EKD haben ihm im vergangenen Jahr eine Beihilfe gegeben. Ausserdem hat die Kirchenkanzlei, da der Rat aus Zeitmangel bisher zu keiner Beratung mit Beschlussfassung kommen konnte, ihm im Einvernehmen mit mir am 19.3.1948 folgendes geschrieben: "Der Rat der EKD hat leider noch keine Möglichkeit gehabt, zu Ihrem Gesuch Stellung zu nehmen. Die Kanzlei aber ist zur Erteilung von Daueraufträgen grundsätzlich nicht in der Lage. Deshalb schlagen wir Ihnen zunächst die Erteilung eines Einzelauftrages vor und bitten Sie, uns ein Gutachten über die rechtliche Bedeutung der verschiedenen lutherischen Bekenntnisschriften in den verschiedenen lutherischen Kirchen Deutschlands freundlichst zu erstatten. Als Anzahlung auf Ihr Honorar haben wir Ihnen heute bereits 500,- RM überwiesen." Ich nehme an, dass wir zunächst nicht in der Lage sind, mehr zu tun, darf Sie aber um Mitteilung Ihrer Ansichten und Vorschläge an unsere Kirchenkanzlei zu bitten [sk!\. Reinhold [ R e i n o l d ] von Thadden wird zu unserer Freude voraussichtlich im September endgültig nach Deutschland zurückkehren. Es ist selbstverständlich, dass ihm eine leitende hauptamtliche kirchliche Arbeit angeboten wird7. Von Thadden hat mich in Stuttgart und Dr. Merzyn in Schwäb. Gmünd besucht. Er hat uns berichtet, dass der Plan erörtert wird, ihn mit einer Koordinierung der kirchlichen Werke und Verbände und der Herstellung einer Verbindung zwischen den Werken und Verbänden und der EKD zu beauftragen. Dr. v. Thadden würde einen solchen Auftrag gern annehmen. Er denkt sich die Arbeit so, dass er auf Grund eines Auftrages der Werke und Verbände eine Koordinierungsstelle einrichtet und dass er zugleich in die leitenden Gremien der Werke und Verbände berufen wird. Er hat gebeten, ihm dabei behilflich zu sein, dass er seinen Wohnsitz zunächst in Schwäb. Gmünd nehmen kann. Die Kirchenkanzlei müsste sich um seine Einreiseerlaubnis nach Deutschland und um die Zuzugsgenehmigung nach Schwäb. Gmünd bemühen. Da die Werke und Verbände durchweg in einer finanziellen Notlage infolge der Währungsreform sind, müssten sie durch Zuschüsse der EKD 7

Vgl. dazu den Beschluß: 20B, S. 560f.

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instand gesetzt werden, der Koordinierungsstelle die erforderlichen Mittel zu geben. Ich bitte Sie um eine möglichst umgehende Stellungnahme zu dieser Frage. Da die Zeit bis zur Rückkehr von D. v. Thadden nach Deutschland nur noch kurz ist, müsste seine Ubersiedlung nach Schwäb. Gmünd schon vor der nächsten Rats-Sitzung vorbereitet werden. Auch über die finanzielle Versorgung von D. v. Thadden müsste umgehend eine Entscheidung getroffen werden. Wir können deshalb nicht bis zu einer Besprechung in der nächsten Rats-Sitzung warten. Die Finanzlage der EKD ist infolge der Währungsreform jetzt so schwierig geworden, dass wir alle uns ihrer ernst annehmen müssen. Da die EKD bekanntlich kein eigenes Vermögen und keine eigenen Einnahmequellen besitzt und lediglich auf die Umlagezahlungen ihrer Gliedkirchen angewiesen ist, müssen wir alle uns jetzt mit dafür verantwortlich wissen, dass diese stark gekürzten Umlagezahlungen nun auch wirklich ausnahmslos vollständig und pünktlich bei der Kasse der EKD eingehen. Trotz meines Rundschreibens v. 5.7.48 8 haben bisher 10 Gliedkirchen des Westens noch keinen einzigen Pfennig, die übrigen Gliedkirchen aber nur Teilbeträge auf die stark gekürzte Monatsumlage gezahlt, sodass die Kasse der EKD trotz drastischer Sparmassnahmen und weiterer Personaleinschränkungen an die 100 Bediensteten und Versorgungsberechtigten der EKD lediglich 1/3 der Juli-Bezüge auszahlen konnte und jetzt nicht nur keinen Pfennig, sondern einen Fehlbetrag von 1.272,90 DM hat. Das ist eine Notlage für die EKD als Ganzes und auch für alle Bediensteten und Versorgungsberechtigten der EKD, die unvergleichlich viel grösser ist als die Notlage in allen Landeskirchen. Gerade jetzt nach Eisenach aber muss die Fortführung der EKD-Arbeit selbstverständlich mit der gebotenen Sparsamkeit und Einschränkung - unter allen Umständen gewährleistet werden. Dazu gehört, dass die EKD wenigstens ihre rechtlichen Verpflichtungen in demselben Mass erfüllen kann, wie ihre Gliedkirchen das tun. Die Gliedkirchen sollten deshalb die Umlagezahlungen an die EKD als zu ihren wichtigsten Aufgaben und zu ihren rechtlichen Verpflichtungen gehörig betrachten. Sie werden sie auch trotz ihrer gegenwärtigen eigenen Notlage in der jetzt so stark gekürzten Höhe ausnahmslos vollständig und pünktlich leisten können, da diese gekürzten Beträge in den Haushalten der Gliedkirchen doch eine verhältnismässig geringe Rolle spielen. Ich bitte daher alle Mitglieder des Rats, die in der Leitung ihrer Landeskirchen stehen, sie möchten sich persönlich dafür verantwortlich wissen, dass 8

19D1, S.

mff.

20A Vorbereitung

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ihre Landeskirchen künftig unter allen Umständen die gekürzten Umlagezahlungen vollständig und pünktlich an die Kasse der EKD abführen. Sie alle aber bitte ich um Mitteilung Ihrer Vorschläge, was wir darüber hinaus noch tun können, um in der gegenwärtig schwierigen Ubergangszeit die Kasse der EKD in die Lage zu versetzen, wenigstens ihre rechtlichen Verpflichtungen und die dringendsten Aufgaben der EKD in demselben Mass zu erfüllen wie die Gliedkirchen. Mit den herzlichsten Segenswünschen gedenke ich jedes Einzelnen von Ihnen und bleibe allezeit Ihr gez. Dr. Wurm. 20A2. Telegramm der Kirchenkanzlei an die Mitglieder des Rates. Schwäbisch Gmünd, 13. August 1948 F: NL Smend (O).

Ratssitzung Donnerstag 30. September und Freitag 1. Oktober Bethel. Brief folgt. 20A3. Schreiben der Kirchenkanzlei an die Mitglieder des Rates. Schwäbisch Gmünd, 13. August 1948 F.-ACDPSt. Augustin, 31-398 Nr.

X(0).

Im Auftrage des Herrn Vorsitzenden des Rates der EKD beehren wir uns im Nachgang zu meinem Rundschreiben vom 31.7.1948 - 5600/489- und in Bestätigung unseres heutigen Telegramms10 ergebenst mitzuteilen, dass der Herr Vorsitzende des Rates der EKD die nächste Rats-Sitzung für Donnerstag, d[en] 30.9. und Freitag d. 1.10.1948 in Bethel anberaumt hat und Sie dazu herzlichst einladen lässt. Gleichzeitig übersenden wir in Abschrift ein von Herrn D. Asmussen an den Herrn Vorsitzenden des Rates gerichtetes Schreiben vom 10. ds. Monats11. I.V. D r . Merzyn [m.p.]

Oberkirchenrat

9

Nicht

10

20A2, S. 555.

ermittelt.

11

20D1, S. 569f.

556

20. Sitzung Bethel 30. September 1948

20A4. Schreiben Merzyns an Meiser. Schwäbisch Gmünd, 11. September 1948 F: LKA Nürnberg, Meiser 144 (Ο; hsl. Vermerk Meisers vom 22. September 1948: "Herrn OKR Hans Schmidt zur Kenntnis").

Hochwürdiger Herr Landesbischof! Mit grossem Bedauern habe ich aus Ihrem gütigen Schreiben vom 9. ds. Mts., für das ich Ihnen gehorsamst danke, entnommen, dass Sie voraussichtlich an der nächsten Sitzung des Rates der EKD nicht teilnehmen können12. Sehr dankbar werden die übrigen Mitglieder des Rates dafür sein, dass Sie einen Berichterstatter zur Sitzung entsenden wollen, der Ihre Stellungnahme zu den wichtigsten Fragen der Tagesordnung mitteilen und Sie über das Ergebnis der Sitzung unterrichten kann; wegen seiner Unterkunft in Bethel ist es gewiss am einfachsten, wenn er sich dort zu dem für Sie, Herr Landesbischof, bereitgestellten Zimmer führen lässt. Die Tagesordnung für die nächste Sitzung des Rates der EKD sieht bisher folgende Beratungsgegenstände vor: 1. Vorbereitung der 1. Tagung der Synode der EKD 2. Ordnung des Hilfswerks 3. Diakonie-Groschen 4. Die kirchliche Stellung der evang. theol. Fakultäten 5. Die Errichtung eines christlichen Rundfunksenders 6. Oekumenische Centrale 7. D. v. Thadden 8. Antrag von D. Asmussen vom 10.8.4813. In steter Ehrerbietung und Treue bleibe ich allezeit Ihr Ihnen sehr ergebener Merzyn \m.p.'\ Oberkirchenrat

12 Meiser mußte seine Teilnahme an der Ratssitzung wegen der Vorverlegung einer Amerika-Reise absagen (vgl. sein Schreiben an Merzyn vom 9. September 1948: LKA NÜRNBERG, Meiser 144). 13 20D1, S. 569f.

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20A Vorbereitung

20A5. Schreiben der Kirchenkanzlei an die Mitglieder des Rates. Schwäbisch Gmünd, 22. September 1948 F: EZA Berlin, 2/60 (Konzept mit Paraphe Merzyns). Im Auftrage des Herrn Vorsitzenden des Rates beehren wir uns, im Nachgang zu unserem Rundschreiben vom 13. August 194814 ergebenst mitzuteilen, dass der Herr Vorsitzende des Rates bittet, die nächste Sitzung des Rates schon am Mittwoch, den 29. September 1948 abends pünktlich 19.30 Uhr beginnen zu lassen, damit Herr Bischof D . Dibelius wenigstens teilweise noch an der Sitzung teilnehmen kann, bevor er Donnerstag früh aus Bethel wieder abreisen muss, um in Havelberg die Festpredigt beim 1000-jährigen Jubiläum des Domes zu halten. Die nächste Sitzung des Rates wird mithin in Bethel, und zwar im Bibliothekszimmer des Brüderhauses Nazareth, am Mittwoch, den 29. September von 19.30 Uhr bis 22.00 Uhr und am Donnerstag, den 30. September von 9.00 bis 22.00 U h r stattfinden. Als Tagesordnung sind folgende Beratungsgegenstände vorgesehen: Um ein einleitendes Referat und einen Vorschlag werden gebeten: 1. 2. 3.

4. 5. 6. 7. 8.

9.

Antrag von D. Asmussen vom 10.8.1948 15 D . von Thadden Vorbereitung der ersten Tagung d[er] Synode der E K D Ordnung des Hilfswerks Diakonie-Groschen Errichtung eines christlichen Rundfunksenders Oekumenische Zentrale Die kirchliche Stellung d[er] evang. theol. Fakultäten Verschiedenes

14 20A3,s. m. 15 20D1, S. 569/.

Mittwochabend Mittwoch abend Donnerstag vormittag

Asmussen und Dibelius Merzyn Schwarzhaupt

Donnerstag nachmittag Donnerstag nachmittag Donnerstag nachmittag

Held Held Schwarzhaupt

Donnerstag abend Donnerstag abend

Donnerstag abend

Niemöller Niesei

558

20. Sitzung Bethel 30. September 1948

Herr Dr. Gerstenmaier ist auf seine Bitte von dem Herrn Vorsitzenden des Rates eingeladen worden, zu den Beratungsgegenständen "Ordnung des Hilfswerks" und "Diakonie-Groschen" die Stellungnahme des Hilfswerks dem Rat vorzutragen. Herr Landesbischof D. Meiser hat mitgeteilt, dass er an der Teilnahme zu seinem Bedauern verhindert ist, da er seine längst geplante Reise nach Amerika mit Rücksicht auf einige Synoden amerikanisch-lutherischer Kirchen vorverlegen musste und deswegen voraussichtlich gerade in den Tagen abreisen muss, die als Sitzungstage vorgesehen sind. Herr Landesbischof D. Meiser wird im Einvernehmen mit dem Herrn Vorsitzenden einen Berichterstatter zu der Sitzung entsenden, der seine Stellungnahme zu den wichtigsten Beratungsgegenständen mitteilen und ihn über das Ergebnis der Sitzung unterrichten wird. Für die Herren Mitglieder des Rates ist Quartier bereitgestellt in dem Grossen Hospiz in Bethel, Königsweg 8; dort wird auch das Morgenfrühstück eingenommen. Die übrigen Mahlzeiten werden die Herren Mitglieder des Rates zusammen mit den übrigen Ehrengästen der 100-Jahrfeier im Mutterhaus Serepta einnehmen. Für gute Verpflegung, Bettwäsche und Handtücher ist gesorgt. Lebensmittelkarten brauchen nicht abgegeben zu werden. Die Herren Mitglieder des Rates werden gebeten, sich bei ihrer Ankunft im Empfangsbüro in Bethel, Königsweg 3 einzufinden, von wo aus sie zu ihrem Quartier geleitet werden und alle näheren Mitteilungen erhalten. 20B

Protokoll F: EZA Berlin, 2/62 (H, den Ratsmitgliedem übersandt mit Schreiben der Kirchenkanzlei vom 5. Oktober 1948:21A1). G: Mitschrift 1. Heinemann; 2. Smend.

Niederschrift über die Sitzung des Rates der EKD am 30. September 1948 in Bethel. Anwesend: Landesbischof D. Wurm Kirchenpräsident D. Niemöller DD DD Landesbischof D. Dr. Lilje DD Moderator Lie. Niesei Professor D. Dr. Smend Oberkirchenrat Sup. Held Oberbürgermeister Dr. Dr. Heinemann

20B Protokoll

559

Landeshauptmann Dr. Hagemann (ab Punkt 2) Landesbischof D. Hahn (ab Punkt 4) Präsident D. Asmussen DD (ab Punkt 4) Sowie: Oberkirchenrat Schmidt (München) als Berichterstatter für Landesbischof D. Meiser Oberkonsistorialrat Dr. Benn Oberkirchenrätin Dr. Schwarzhaupt Oberkirchenrat Dr. Merzyn und Oberkonsistorialrat Dr. Gerstenmaier (vorübergehend bei Punkt 4 u. 5) 1.) Ostzonen-KZ16. Der Vorsitzende des Rates der EKD wurde gebeten, in einem an Herrn Bischof D. Dr. Dibelius zu richtenden Brief mitzuteilen, dass der Rat der EKD davon Kenntnis genommen hat, dass die Leitungen der in der sowjetischen Besatzungszone liegenden Landes- und Provinzialkirchen mit den zuständigen Stellen der Besatzungsmacht in ständigen Verhandlungen stehen mit der Bitte, die briefliche Verbindung zwischen den Inhaftierten und ihren Angehörigen sowie amtliche Nachrichten über alle Todesfälle zu ermöglichen, und dass der Rat die Fortführung und den Erfolg dieser Bemühungen mit grosser Anteilnahme verfolgt17. 16 Z« den Ν Κ WD (-Narodnyj Kommissariat Wnutrennich Del: Volkskommissariat für Innere Angelegenheiten)/MWD (Ministerstwo Wnutrennich Del: Ministerium für Innere Angelegenheiten)Speziallagern in der sowjetischen Besatzungszone vgl. z.B. N . H A A S E / B . OLESCHINSKI, Torgau, S. 135-202. 17 Vgl. dazu etwa das Schreiben Asmussens vom 10. August 1948, in dem er den Antrag gestellt hatte, "der Rat wolle sich in einer öffentlichen Erklärung gegen die Unmenschlichkeit der Ostzone KZ [sic!\ wenden" (20D1, S. S69f.j. Dibelius hatte daraufhin jedoch gebeten, "in dieser Sache vorerst nichts zu unternehmen, jedenfalls nicht als Rat der EKiD", da der Rat "im gegenwärtigen Augenblick eine öffentliche Erklärung gegen die Russen vermeiden" sollte; stattdessen könne Wurm "bei Gelegenheit ein Wort in dieser Sache sagen" (vgl. das Schreiben Merzyns an Wurm vom 24. September 1948: LKA STUTTGART, Dl/217). Asmussen äußerte sich über den Beschluß des Rates unzufrieden: "Aus dem Protokoll der letzten Sitzung ersehe ich, was die östlichen Kichen für die Insassen der K.Z. zu tun willens sind. Das ist mir nicht genug. Die Bruderliebe fordert Einsatz. Ich zweifle nicht, dass das Beschlossene dem Vermögen der Brüder im Osten entspricht. Aber wir im Westen bleiben so ohne den Segen des Einsatzes für andere" (Schreiben an Wurm und Niemöller vom 9. November 1948: ACDP ST. AUGUSTIN, 3 1-398 Nr. X). Uber seinen ursprünglichen Antrag hinaus forderte er jetzt auch eine Aktion für den inhaftierten ungarischen Bischof Ordass (EBD.). Niemöller erklärte sich zwar bereit, beide Angelegenheiten auf der nächsten Ratssitzung zur Sprache zu bringen, bedauerte jedoch, daß die Eingabe Asmussens "wieder mit einem Angriff gegen einen Teil der Reformierten Kirche gekoppelt" sei; er

560

20. Sitzung Bethel 30. September 1948

2.) v. Thadden. Dr. v. Thadden wird als Referent in die Kirchenkanzlei berufen mit dem Auftrag des Rates, dort Angelegenheiten der Evangelischen Akademien, der Evangelischen Studentengemeinde, der Männerarbeit, der Jugendarbeit und der Laienarbeit zu bearbeiten. Die Regelung im Einzelnen bleibt einer besonderen Dienstanweisung vorbehalten18.

werde sich jedenfalls "dagegen sträuben, die Frage der Fürbitte - um die es hier geht - mit einer kirchenpolitischen Nebenabsicht zu koppeln", und sei überzeugt, "dass auch die Reformierte Kirche sich an einer Fürbitte für die leidenden Brüder in Ungarn ohne irgendwelche Hintergedanken beteiligen wird" (Schreiben Niemöllers an Asmussen vom 11. November 1948: EBD.). 18 Zur Berufung von Thadden-Trieglaffs in den Dienst der EKD vgl. die "Niederschrift über eine Besprechung betr. die Vokation von D. Thadden aus Anlass der 3. Tagung der Missourisynode sowie der Arbeitertagung der Evang. Akademie in Bad Boll am 22. Juli 1948" (LKA STUTTGART, Dl/217). Danach hatte Bender zunächst zum Ausdruck gebracht, daß es aufgrund von Thaddens langjähriger kirchlicher Tätigkeit selbstverständlich sei, ihm nach seiner Rückkehr aus Genf "eine leitende kirchliche Aufgabe" zu übertragen. Femer werde es in allen Landeskirchen und vor allem in der EKD "als ein grosser Mangel empfunden, dass die einzelnen kirchlichen Werke ohne wirkliche Koordination" seien: "Aus diesem Grunde müsse von der Evangelischen Kirche in Deutschland ein Amt geschaffen werden, das zwar nicht im Sinn eines behördenmässigen Verwaltungsapparats, aber im Sinne einer geistlichen Koordinierungsstelle zunächst einfach die menschliche und geistliche Verbindung der einzelnen Werke untereinander herstelle". Von Thadden solle nun dieses Amt übernehmen, zumal seine besondere Gabe darin bestehe, "vorhandene geistliche Kräfte in brüderlicher Weise zusammenzufassen". Eine entsprechende Stelle mit den dazu notwendigen Rahmenbedingungen müsse von Seiten der EKD durch den Rat geschaffen werden, "da die Zusammenarbeit der kirchlichen Werke eine der stärksten Klammern" sei, "die die EKD verbinden"; die Werke und Verbände gehörten "zu den wichtigsten Lebensäusserungen ihrer Kirchen". Die Bestrebungen, von Thadden in ein solches Amt zu berufen, unterbreitete Wurm den Ratsmitgliedem dann in seinem Schreiben vom 31. Juli 1948 (20A1, S. 553). Wegen der materiellen Voraussetzungen für eine sinnvolle Arbeit des Amtes wandte sich von Thadden am 9. August 1948 an Merzyn und schlug dazu vor, Visser 't Hooft in Form eines Antrags an den ÖRK um Hilfe zu bitten: "Angesichts der angelsächsischen Mentalität der Oekumene täte man gut, die weitgespannte Idee einer 'spiritual reconstruction of Germany' in den Vordergrund zu stellen und dabei nicht zu vergessen, zu erwähnen, dass die neu geplante Einigungsstelle als 'Klammer' für die Zusammenfassung des deutschen Gesamtprotestantismus eine erhebliche praktische Bedeutung gewinnen soll" (LKA STUTTGART, Dl/217). Um ein positives Echo auf den Antrag zu erreichen, müsse außerdem herausgestellt werden, daß" es genügend wichtige Aufgaben gibt, die über die Landeskirchen hinaus die Gesamtverantwortung der EKD angehen". Diese Ratschläge berücksichtigte Merzyn in seinem Bittschreiben an Visser 't Hooft vom 24. August 1948 (EBD.). Offenbar war die vom Rat dann geschaffene und mit nur unbestimmten Aufgaben versehene Referentenstelle in der Kirchenkanzlei vor allem dazu gedacht, von Thadden überhaupt wieder eine Position in Deutschland zu verschaffen. Von Thadden trat den Dienst in der Kirchenkanzlei nach seiner Rückkehr aus der Schweiz im Dezember 1948 an. Eine Referententätigkeit im eigentlichen Sinne versah er tatsächlich aber nur wenige Wochen; zunehmend widmete er sich hauptsächlich den Plänen für einen Deutschen Evangelischen Kirchentag, der

20B Protokoll

561

Seine Vergütung soll vom Tage des Beginns seines Dienstes in der Kirchenkanzlei an entsprechend der Besoldungsgruppe A l a der Reichsbesoldungsordnung bemessen werden. Seine Berufung in das Beamtenverhältnis soll dem neuen Rat überlassen bleiben. 3.) Ranke und v. Harling. Punkt 12 der Niederschrift der letzten Ratssitzung vom 14. Juli 1948 ist so zu verstehen, dass der Rat die Beschäftigung der Herren Ranke und v. Harling als Hilfsreferenten in der Kirchenkanzlei genehmigt hat19. 4.) Ordnung des Hilfswerks20. I. Zur Ausführung des Artikels 15 Abs. 3 Satz 3 der Grundordnung der EKD 21 soll der ersten Synode der EKD ein Gesetzentwurf über die Ordnung des Hilfswerks vorgelegt werden. Zur Vorbereitung wird ein Ausschuss gebildet, in den berufen werden: a) Oberkirchenrat Held als Vorsitzender b) Dr. Gerstenmaier c) Dr. von Gersdorff d) OKR. Dr. Benn e) OKR. Dr. Merzyn f) Pastor Münchmeyer g) OKR. Brunotte h) Dr. Tillmanns i) Prälat Hartenstein

dann am 31. Juli 1949 in Hannover als Dauereinrichtung konstituiert und dessen erster Präsident er wurde (zur Anstellung und Tätigkeit von Thaddens in der Kirchenkanzlei vgl. W . H ü H N E , Thadden-Trieglaff, S. 203-213). Offensichtlich erwog der Rat anfangs, die Gründung des Kirchentages wieder rückgängig zu machen (vgl. EBD., S. 213). 19 Vgl. 19B, s. m f . 20 Bereits zur vorhergehenden Sitzung hatte Gerstenmaier dem Rat eine vom Wiederaufbauausschuß auf seiner Sitzung am 15./16.Juni 1948 verabschiedete Ordnung des Hilfswerks ("Speyrer Ordnung ") vorgelegt, der Rat hatte seine Beschlußfassung darüber jedoch zunächst vertagt (vgl. dazu S. 523, Anm. 24). Inzwischen hatten auf die Bitte der Kirchenkanzlei um eine Stellungnahme zu dem vorgelegten Entwurf (vgl. das Rundschreiben der Kirchenkanzlei vom 26. Juli 1948: EZA BERLIN, 2/181) einige Landeskirchen ihre Anderungswünsche angemeldet (Stellungnahmen: EBD.). Offensichtlich führten die kritischen Stellungnahmen der Landeskirchen dazu, daß der Rat jetzt heschloß, die Entscheidung über die Ordnung des Hilfswerks der Synode zu überlassen (vgl. dazu J.M. WlSCHNATH, Kirche, S. 218). 21 Nach diesem Artikel bedurfte "die Ordnung des Hilfswerkes [...] eines Gesetzes der Evangelischen Kirche in Deutschland" (S. 528).

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20. Sitzung Bethel 30. September 1948

k) OKR. Riedel 1) Pastor Wagner (Leipzig)22 Π. Der Rat nahm davon Kenntnis, dass der Präsident des Wiederaufbauausschusses sich entschlossen hat, zu seiner Unterstützung sachkundige und unabhängige Persönlichkeiten zu bestellen, um der ihm obliegenden Aufgabe der Kontrolle zu genügen23. 5.) Diakonie-Groschen. Der Rat nahm einen Bericht von Herrn Dr. Gerstenmaier zur Kenntnis24.

22 Die Kirchenkanzlei teilte den Landeskirchenleitungen in einem Rundschreiben vom 4. Oktober 1948 den Ratsbeschluß mit und bat gleichzeitig nochmals "um umgehende Mitteilung einer möglichst eingehenden abschliessenden Stellungnahme" ( E Z A BERLIN, 2 / 1 8 1 ) . Merzyn berief dann die Mitglieder des Ausschusses mit Schreiben vom 26. Oktober 1948 zu einer Sitzung am 2. November 1948 in das Dienstgebäude des Frankfurter Hauptbüros des Hilfswerks ein (EBD.). Im Verlauf dieser Sitzung wurde die "Speyrer Ordnung" des Wiederaußauausschusses (vgl. S. 523, Anm. 24) überarbeitet und auf dieser Grundlage schlifflich ein Entwurffür ein "Kirchengesetz über das Hilfswerk" fertiggestellt. Zu diesem sog. Frankfurter Entwurf (21D10, S. 633-639) äußerte Gerstenmaier heftige Kritik und drohte mit seinem Rücktritt, falls er tatsächlich Gesetzeskraft erlangen sollte (vgl. dazu J.M. WLSCHNATH, Kirche, S. 219). - Auf seiner kommenden Sitzung am 2./3. Dezember 1948 entschied der Rat schließlich, von einer eigenen Gesetzesvorlage ganz abzusehen und der Synode stattdessen eine Vorlagefür Richtlinien und eine Geschäftsordnung des Hilfswerks zu unterbreiten (21B, S. 583f). 23 In seinem Schreiben an Wurm vom 16. Oktober 1948 empfahl Merzyn für diese Aufgabe den Wirtschaftsprüfer Gutberiet, "der Mitglied des Finanzbeirats der EKD ist und seit vielen Jahren in hingebungsvollster Weise der Landeskirche in Nassau und Hessen dient und durch seine Mitarbeit sowohl in der Gesamtkirche, als auch in der Landeskirche, als auch im Hilfswerk und durch seine grosse Sachkunde in Wirtschaftsfragen vorzugsweise geeignet" erscheine (EZA BERLIN, 2 / 1 8 1 ; EBD. auch eine Mitteilung gleichen Datums von Merzyn an Gutberiet über diese Empfehlung). 24 Der Wiederaufbauausschuß des Hilfswerks hatte in seiner Sitzung am 15./16. Juni 1948 in Speyer auf Antrag Heids die Einführung eines "Diakoniegroschens " zur Finanzierung des Hilfswerks beschlossen, weil durch die Währungsreform die Durchführung zahlreicher Hilfsmaßnahmen gefährdet schien (vgl. das Rundschreiben Gerstenmaiers an die Bevollmächtigten des Hilfswerks vom 22. Juni 1948: A D W BERLIN, Z B 519). Der Diakoniegroschen sollte regelmäßig monatlich von allen evangelischen Christen ab dem 14. Lebensjahr eingesammelt werden; 40 % der gesammelten Mittel sollten an die Gemeinden und Bezirke, 35 % an die Hauptbüros und 25 % an das Zentralbüro des Hilfswerks abgeführt werden (vgl. die von Gerstenmaier veifaßten "Tatsachen und Richtlinien zur Einführung des Diakonie-Groschens des Hilfswerks der Evangelischen Kirchen in Deutschland" vom 22. Juni 1948: EBD.). Der Centraiausschuss für die Innere Mission sprach sich in seinem Schreiben an das Hilfswerk vom 30. Juni 1948 vehement gegen die geplante Einführung des Diakoniegroschens aus, weil zwischen den verschiedenen Werken innerhalb der Evangelischen Kirche keine vorherige Absprache stattgefunden habe, das Sammlungswesen aber eines "grundsätzlichen Ubereinkommens aller in Betracht kommender Stellen" bedürfe, weil außerdem die Entscheidung über die Verwendung der gesammelten Beträge ausschlifflich beim

20B Protokoll

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6.) Ö k u m e n i s c h e C e n t r a l e . a) D r . Schönfeld w i r d als Sachbearbeiter für ö k u m e n i s c h e F r a g e n w i e d e r in das K i r c h l i c h e A u s s e n a m t berufen 2 5 . b) D i e Ö k u m e n i s c h e C e n t r a l e w i r d in die E K D , und z w a r in das K i r c h l i c h e A u s s e n a m t r e c h t l i c h 2 6 eingegliedert. A l s Arbeitsausschuss fungiert für die O e k u m e n i s c h e C e n t r a l e 2 7 die Arbeitsgemeinschaft christlicher K i r c h e n in D e u t s c h l a n d , die den Arbeitsplan festlegt, den Haushaltsplan berät u n d v o r schlägt u n d für die A u f b r i n g u n g der nötigen Mittel sorgt 2 8 . c) P f a r r e r Lie. M e n n soll in den Dienst der E K D ü b e r n o m m e n w e r d e n . D i e R h e i n i s c h e K i r c h e n l e i t u n g soll gebeten w e r d e n , Pfarrer M e n n ' s Anschluss an Hilfswerk liege und schließlich die Benutzung des Diakoniebegriffes grundsätzlich der Inneren Mission und der ihr angeschlossenen Werke vorbehalten bleiben müsse (EBD.). Diese Kritik wurde vom geschäftsführenden Ausschuß des Hilfswerks auf seiner Sitzung am 14. Juli 1948 in Kassel jedoch zurückgewiesen; an den Plänen wurde trotzdem festgehalten, wobei jetzt lediglich auf die Einführungfester Richtlinien verzichtet werden sollte {Protokoll: ADW BERLIN, ZB 523; vgl. außerdem das Rundschreiben des Hilfswerks an die Landeskirchenleitungen, Freikirchen und Bevollmächtigten des Hilfswerks vom 22. Juli 1948: ADW BERLIN, ZB 519). Die meisten Landeskirchen führten im Sommer 1948 den Diakoniegroschen dann unter größerem Werbeaufwand ein (vgl. den Aufruf der Evang-Luth. Kirche in Lübeck vom Juli 1948: ADW BERLIN, ZB 523; zur Durchführung des Diakoniegroschens in den einzelnen Landeskirchen vgl. den Aktenvermerk für Berg vom 18. November 1948: EBD.). - Aufgrund der Auseinandersetzungen zwischen Hilfswerk und Centralausschuss hatte die Kirchenkanzlei "zur Vorbereitung eines Vortrage im Rat" in einem Rundschreiben vom 27. Juli 1948 von den Landeskirchenleitungen eine umfassende und abschliessende Stellungnahme zum Diakoniegroschen angefordert (LKA NÜRNBERG, Meiser 130). Daraufhin hatte Berg die von der Kirchenkanzlei vorgenommene Anfrage kritisiert und den Wunsch geäußert, bei einer eventuellen Besprechung im Rat Gerstenmaier persönlich anzuhören (Schreiben an die Kirchenkanzlei vom 20. August 1948: ADW BERLIN, ZB 523). Das Hilfswerk hatte der Kirchenkanzlei mit Schreiben vom 6. September 1948 außerdem mitgeteilt, es seien "ganz irrige Vorstellungen entstanden und dementsprechende Gerüchte in Umlauf gekommen"; so sei der "gänzlich unbegründete Eindruck entstanden, als ob das Hilfswerk die Ergebnisse dieser Sammlungen ausschliesslich für sich in Anspruch nehmen wolle" und als ob der Diakoniegroschen "ohne Zustimmung der Landeskirchenleitungen eingeführt worden sei". Um nun "eine vollständige und objektive Unterrichtung des Rates zu gewährleisten", müsse zunächst eine "Aussprache zwischen den zuständigen Sachbearbeitern der Kirchenkanzlei und des Zentralbüros unter Bekanntgabe des beiderseitigen Materials" stattfinden (EBD.). 25 Schönfeld war bereits seit November 1946für das Kirchliche Außenamt tätig, wohnte bis Oktober 1948 jedoch noch in der Schweiz. Seine Bezahlung hatte 1947/48 vorübergehend der ÖRK als "Gabe an die EKD" übernommen (EZA BERLIN, Ρ 33/Schönfeld). 26 "Rechtlich" hsl. von Merzyn ergänzt. 27 Von Merzyn hsl. korrigiert aus: "Als Arbeitsausschuss fungiert für sie". 28 Zu den Aufgaben der 1946 in Frankfurt/Main als ökumenische Kontaktstelle der deutschen Kirchen gegründeten Ökumenischen Centrale vgl. H. KRÜGER, Centrale. - Der Beschluß wurde auf der nächsten Sitzung des Rates am 2./3. Dezember 1948 in Frankfurt/Main leicht abgeändert (vgl. 21B, S. 591).

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die Ruhestands- und Hinterbliebenenversorgung der Rheinischen Kirche aufrechtzuerhalten; die hierfür notwendigen laufenden Beiträge sollen künftig von der EKD bezahlt werden29. d) Die für die Oekumenische Centrale einschliesslich Pfarrer Lie. Menn notwendigen Geldmittel sollen in den nächsten Jahren aus dem für die Oekumenische Centrale geführten Sonderkonto entnommen werden, über das die Kasse der EKD die Aufsicht führen soll. 7.) Errichtung eines christlichen Rundfunksenders30. Der Rat beruft zu evangelischen Mitgliedern des Kuratoriums: Landesbischof Meiser Bischof Dibelius Landesbischof Lilje Kirchenpräsident Niemöller Moderator Niesei Dr. Gerstenmaier einen Vertreter der Freikirchen31.

29 Menn, für den Dienst in der EKD von der rheinischen Kirchenleitung erstmals zum 1. Dezember 1946 beurlaubt (vgl. C . N I C O L A I S E N / N . A . SCHULZE, Protokolle Bd. I, S. 722, Anm. 11), war auf der 14. Sitzung des Rates am 5./6. August 1947 bis zur Rückkehr Schönfelds aus der Schweiz (vgl. Anm. 25) mit der Leitung der ökumenischen Schulungs- und Studienarbeit beauftragt worden (14B, S. 222). Zum 1. April 1949 wurde er dann zum Leiter der Ökumenischen Zentrale in Frankfurt/Main ernannt (vgl. den Arbeitsvertrag vom 6. März 1950: KA HANNOVER, Pers. Menn). 30 Im Februar 1948 hatten der Bamberger Erzbischof Kolb und die bayerische Landeskirche die Errichtung eines gemeinsamen "Christlichen Senders Bamberg " zunächst noch im bayerischen Alleingang geplant. Um ein einheitliches Vorgehen auf evangelischer Seite zu erreichen, hatte Wurm dann zum 19. März 1948 eine Sitzung aller evangelischen Beteiligten einberufen, in deren Verlauf ein aus Asmussen, Gerstenmaier, Held, Hemtrich, Meiser und Niemöller bestehendes Kuratorium bestellt wurde, das die Verhandlungen mit der katholischen Kirche und der Militärregierung führen sollte. Nach der Unterzeichnung eines von katholischer Seite ausgearbeiteten, lückenhaften Satzungsentwurfs durch Meiser war der Sender am 2. Juni 1948 als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt worden. Er konnte dann jedoch nicht in Betrieb genommen werden, da er weder eine Lizenz noch eine Sendefrequenz erhielt. Obwohl der Rat hier ein evangelisches Kuratorium berief, kam es nicht einmal mehr zu einer gemeinsamen konstituierenden Sitzung der öffentlichrechtlichen Körperschaft "Bamberger Sender" (vgl. dazu D. ALTMANNSPERGER, Rundfunk, S. 214-231). - Zur Vorbereitung der Wahl des Kuratoriums vgl. auch das Schreiben Meisers an den Rat vom 20. Juli 1948:20E1, S. 570f. 31 Am 19. Dezember 1948 wurde der Bischofder deutschen Methodistenkirche, Emst Sommer, für das Kuratorium gewählt (vgl. D. ALTMANNSPERGER, Rundfunk, S. 229; vgl. dazu auch das Schreiben der Vereinigung Evangelischer Freikirchen in Deutschland an die Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland vom 27. Dezember 1948: EZA BERLIN, 2/307).

20B Protokoll

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Die Kirchenkanzlei soll den Berufenen und den Freikirchen sogleich ein entsprechendes Schreiben unter Beifügung des Satzungsentwurfes senden32. 8.) Tagung der Kirchenkonferenz und der Synode der EKD: Die Kirchenkonferenz der EKD soll Sonnabend, den 8. Januar 1949 in Bethel tagen33. Die Synode der EKD soll von Sonntag, den 9. bis Mittwoch, den 13. Januar 1949, in Bethel tagen34. 9.) Nächste Sitzung des Rates der EKD: Die nächste Sitzung des Rates der EKD soll Donnerstag, den 2. Dezember und Freitag, den 3. Dezember in Frankfurt oder in Wiesbaden stattfinden35. 10.) Personalien: I. Die Entscheidung über die Neubesetzung des Amtes des Leiters des Kirchenstatistischen Amtes der EKD soll bis zur nächsten Ratssitzung verschoben werden36. 32 Berufungsschreiben u.a. an Gerstenmaier vom 14. Oktober 1948 und Satzungsentwurf: EBD. 33 Die Grundordnung der EKD vom 13. Juli 1948 sah in Abschnitt IV(Organe und Amtsstellen) neben Rat und Synode die Kirchenkonferenz als ein weiteres Organ der EKD vor (S. 330). Ihre Aufgaben wurden bestimmt durch Art. 28 der Grundordnung der EKD (vgl. S. 332). Danach hatte sie im wesentlichen "die Aufgabe, über die Arbeit der Evangelischen Kirche in Deutschland und die gemeinsamen Anliegen der Gliedkirchen zu beraten und Vorlagen oder Anregungen an die Synode und den Rat gelangen zu lassen". Sie wurde von den Kirchenleitungen der Gliedkirchen gebildet, die jeweils ein Mitglied entsenden durften. Zur Vorbereitung der ersten Tagung der Kirchenkonferenz vgl. 21B, S. 379-582; zur Verteilung der Stimmen in der Kirchenkonferenz vgl. 21B, S. 582. 34 Nach Art. 23 t^er Grundordnung hatte die Synode als weiteres Organ der EKD die Aufgabe, "der Erhaltung und dem inneren Wachstum der Evangelischen Kirche zu dienen" (vgl. S. 530). Sie sollte Kirchengesetze beschließen, Kundgebungen erlassen, die Arbeit der EKD besprechen, Fragen des kirchlichen Lebens erörtern und dem Rat Richtlinien geben, der von ihr gemeinsam mit der Kirchenkonferenz gewählt wurde. Ihre 100 Mitglieder wurden von den synodalen Organen der Gliedkirchen gewählt, wobei 20 Mitglieder vom Rat berufen wurden. Nähere Bestimmungen zu Aufbau und Arbeitsweise der Synode enthalten §§ 24-27 der Grundordnung (S. 530jf.). Ζur ersten Tagung der ersten Synode der EKD vom 9.-13. Januar 1949 in Bethel vgl, BETHEL 1949; zu ihrer Vorbereitung vgl. 21B, S. 579-582, zur Verteilung der Stimmen in der Synode vgl. 21B, S. 582. 35 Vgl. S. 572-695. 36 Der 1946 berufene nebenamtliche Leiter des Kirchenstatistischen Amtes der EKD und Leiter des Statistischen Amtes der Ev. Kirche im Rheinland, Diederichs, hatte dem Rat mit Schreiben vom 18. September 1948 mitgeteilt, daß er auf die Rechte des geistlichen Standes verzichtet habe und deshalb zunächst auch den Auftrag zur Leitung des Kirchenstatistischen Amtes der EKD zurückgeben müsse (EZA BERLIN, 2/113). Zugleich rechnete er jedoch mit einer Zustimmung zur Fortführung seiner Arbeit in der EKD: "Ob die Belassung der Leitung des Amtes im Hinblick auf meinen Verzicht auf die Rechte des geistlichen Standes möglich ist und sie im Interesse der

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Π. D e r R a t n a h m z u s t i m m e n d d a v o n Kenntnis, dass a) F r a u O b e r k i r c h e n r ä t i n D r . S c h w a r z h a u p t mit W i r k u n g v o m 15. O k t o b e r 1 9 4 8 in das K i r c h l i c h e A u s s e n a m t übergeht und das Kirchenkanzlei-Referat " F r a u e n a r b e i t " w e i t e r behält; b) Assessor O t t o Dibelius als Hilfsreferent in die Kirchenkanzlei berufen wird; c) P f a r r e r F r i z als Hilfsreferent in die Kirchenkanzlei berufen ist. EH. D e r V o r s i t z e n d e des R a t e s w i r d e r m ä c h t i g t , einen tüchtigen kirchlichen S c h u l f a c h m a n n auf V o r s c h l a g der Kirchenkanzlei als Hilfsreferenten in die K i r c h e n k a n z l e i einzuberufen; die Kirchenkanzlei soll zu diesem Z w e c k sich zunächst m i t P r o f . D r . H a m m e l s b e c k in Verbindung setzen, u m möglichst v o n i h m einen geeigneten V o r s c h l a g zu b e k o m m e n 3 7 .

Kirchenstatistik als wünschenswert angesehen wird, muß lediglich der Entscheidung des Rates vorbehalten bleiben" (EZA BERLIN, 2/113). Auch in einem persönlichen Schreiben an Merzyn vom gleichen Tag hatte Diederichs betont, daß er als Nicht-Geistlicher seine Arbeit im Kirchenstatistischen Amt gerne fortführen würde (EBD.). Merzyn sprach Diederichs dann in einem Schreiben vom 30. Oktober 1948 seinen Dank aus und teilte gleichzeitig mit, άφ er mit seinem Ausscheiden aus dem Amt in der rheinischen Kirche allerdings "zugleich auch aus dem Amt des Leiters des Kirchenstatistischen Amtes der EKD ausscheiden" müsse (EBD.). Aus den weiteren in dieser Akte überlieferten Dokumenten geht hervor, daß das Amt noch Mitte 1949 nicht neu besetzt war und geplant wurde, zukünftig lediglich einen Sachbearbeiter innerhalb der Kirchenkanzlei mit kirchenstatistischen Aufgaben zu betrauen. Das geschah dann auch in der 7. Sitzung des neuen Rates am 6./.7. September 1949 mit der Berufung Ziegers zum Referenten für Kirchenstatistik (vgl. Ziff. ll.d der Niederschrift: EZA BERLIN, 2/63). 37 Merzyn, vom Rat vorläufig mit der Leitung der Kirchenkanzlei betraut, bat Hammeisbeck noch am 30. September 1948 darum, "so schnell wie irgend möglich einen h e r v o r r a g e n d e n , k i r c h l i c h e n Schulfachmann als Sachbearbeiter für die Kirchenkanzlei" vorzuschlagen (EZA BERLIN, 2/69). Dieser solle schon "in der nächsten oder übernächsten Woche zum Dienstantritt oder wenigstens zur Besprechung aller Einzelheiten" in der Kirchenkanzlei erscheinen. Mit Hilfe des neuen Schulrtferenten solle dann auch endlich "die notwendige, unablässige, enge Verbindung" zwischen der Kirchenkanzlei und der Schulkammer Hammelsbecks "gewährleistet und mehr und mehr intensiviert werden können". Aus einem Schreiben der Kirchenkanzlei an die Ratsmitglieder vom 27. Oktober 1948 geht hervor, daß Wurm auf Vorschlag Hammelsbecks dann zunächst den Dozenten Rudolf Michael berief, der voraussichtlich am 15. November 1948 seinen Dienst antreten sollte (EZA BERLIN, 2/67). Trotz der bereits ausgesprochenen Berufung wandte sich Merzyn in seinem Schreiben vom 6. November 1948 mit der Bitte um weitere Vorschläge nochmals an Hammelsbeck: Im Augenblick könne man noch "von der Berufung Michaels wieder herunterkommen. Wir müssten dann nur möglichst schnell eine andere Entscheidung herbeiführen können, um einen noch tüchtigeren Referenten zu gewinnen, der allerdings auch dann möglichst sofort verfügbar sein müsste" (EZA BERLIN, 2/69). Auf Vorschlag Hammelsbecks wandte sich Merzyn dann in einem Schreiben vom 17. November 1948 an den Juristen Fauser in Braunschweig (EBD.). Zur weiteren Suche Merzyns nach einem geeigneten Referenten vgl. den umfangreichen Schriftverkehr im EZA BERLIN, 2/70.

20B Protokoll

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11.) Vorbereitung der Synode. Es wird in Aussicht genommen, dass der Rat die Grundordnung der EKD nach Unterzeichnung durch die Landeskirchen in der für den 2. und 3. Dezember vorgesehenen Ratssitzung verkündet38. Für den Fall, dass dies nicht möglich sein sollte, wird der Vorsitzende des Rates ermächtigt, die Grundordnung im Namen des Rates zu verkünden. In der Kirchenkonferenz soll jede Landeskirche eine Stimme haben. Die Mitglieder der ersten Synode der EKD, die gemäss § 24 Absatz 1 der Grundordnung39 von den synodalen Organen der Gliedkirchen zu wählen sind, werden auf die Gliedkirchen wie folgt verteilt: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27.

Sachsen Land Berlin-Brandenburg Sachsen-Provinz Hannover-luth. Westfalen Schleswig-Holstein Rheinprovinz Bayern Thüringen Württemberg Hessen und Nassau Mecklenburg Kurhessen-Waldeck Baden Pommern Hamburg Braunschweig Pfalz Oldenburg Anhalt Bremen Schlesien Lippe Ev.ref. Kirche in Nordwestdeutschland Lübeck Eutin Schaumburg-Lippe

10 10 9 9 6 6 6 6 5 5 4 3 3 2 2 2 2

38 Die Grundordnung wurde beschlußgemäß auf der kommenden Sitzung des Rates verkündet (21B, S. 578). 39 s. m.

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Die Kirchenkanzlei soll zur nächsten Sitzung des Rates einen Vorschlag für die 20 vom Rat zu berufenden Mitglieder der Synode und einen Vorschlag für die Tagesordnung der Synode vorlegen40; insbes. sollen in der nächsten Ratssitzung die Gesetzentwürfe beraten werden, die der Kirchenkonferenz und der Synode vorzulegen sind. In Aussicht genommen ist bisher ein Gesetz über die Bestätigung der Verordnungen des Rates41 (§ 35, Absatz 3 der Grundordnung), ein Gesetz über das Hilfswerk42, ein Haushaltsgesetz43, ein Gesetz über die Verteilung der Sitze in der Synode und der Stimmen in der Kirchenkonferenz44. Die Kirchenkanzlei soll schliesslich Vorschläge über die weitere Tagesordnung, insbes. über etwa zu haltende Referate vorlegen (Amsterdam? Auslandsarbeit? Laienarbeit? und Evangelisation?)45. 12.) Gustav-Adolf-Stiftung. I. Der Rat der EKD erklärt sich damit einverstanden, dass das Vermögen des Evangelischen Vereins der Gustav-Adolf-Stiftung (mit Sitz in Leipzig), falls dessen Centraivorstand es beantragt, mit allen Aktiven und Passiven unter Wahrung seiner Zweckbestimmung von der Evangelischen Kirche in Deutschland übernommen wird46. 40 41 42 43 44 45 46

Vgl. dazu 21B, S. 580; 596. Vgl. 21B, s. m. Vgl. dazu, S. 561, Anm. 20. Vgl. 21B, S. 582f. Vgl. 21B, S. 582. Vgl. 21B, S. 581f. Der Gustav-Adolf-Verein war am 200. Todestag des Schwedenkönigs Gustav Adolf 1832 in Leipzig zur Unterstützung bedrängter Glaubensgenossen und notleidender protestantischer Gemeinden in und außerhalb Deutschlands gegründet worden. Die Arbeit des Vereins geschah zunächst in Form einer Stiftung über innerprotestantische konfessionelle, landeskirchliche und politische Grenzen hinweg. Unabhängig davon rief der Darmstädter Hofprediger Karl Zimmermann 1841 die Protestanten aller Konfessionen in Deutschland dazu auf, einen Verein zur Unterstützung hilfsbedürftiger protestantischer Gemeinden zu gründen. Im September 1842 kam es dann durch die Verbindung von Stiftung und Vereinsgedanken zur Gründung des "Ev. Vereins der Gustav-Adolf-Stiftung", dessen Satzung am 22. September 1843 in der Frankfurter Paulskirche verabschiedet wurde. Nach dieser Satzung gliederte sich der Verein in aus Einzelmitgliedem bestehende Zweig- und Hauptvereine, seine Leitung nahm der Centraivorstand wahr. Im 19. Jahrhundert wurden überall in Deutschland Gustav-Adolf Vereine gegründet; zum 50jährigen Jubiläum 1882 gab es bereits 44 Haupt- und ca. 1.400 Zweigvereine, bis dahin waren etwa 3.000 Diasporagemeinden mit ca. 17 Millionen Goldmark unterstützt worden. Während der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft kam es auch im Gustav-Adolf Verein weitgehend zur Durchsetzung des Führerprinzips und zu einer faktischen Spaltung in der Bekenntnisfrage; die Annahme einer im September 1935 an die Hauptvereine verschickten und veränderten neuen Satzung, aufgrund derer der Verein auch erstmals den neuen Namen "Gustav-Adolf-Werk " erhielt, verweigerten nur die Hauptvereine in Brandenburg und Westfalen (zur Geschichte des Gustav-

20D Vorlagen und Anträge

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Π. Der Rat bevollmächtigt den Oberkonsistorialrat Dr. Benn in Berlin, namens der Evangelischen Kirche in Deutschland alle rechtsgeschäftlichen Erklärungen abzugeben, die zur Übernahme des Vermögens des Evangelischen Vereins der Gustav-Adolf-Stiftung erforderlich sind. Diese Vollmacht erstreckt sich auch auf die Übernahme des unbeweglichen Vermögens. Sie schliesst die Ermächtigung ein, Untervollmacht zu erteilen47. ΙΠ. Für den Fall einer Auflösung des Gustav-Adolf-Vereins bleibt eine weitere Entschliessung über die Fortführung seiner Arbeit durch die EKD vorbehalten. 20C Anlagen und Beschlußtexte [entfällt]

20D Vorlagen und Anträge 20D1. Schreiben Asmussens an Wurm. Schwäbisch Gmünd, 10. August 1948 F: NL Smend (Abschrift; Anlage zu 20A3).

Hochwürdiger Herr Landesbischof! Hiermit erlaube ich mir, förmlich einen Antrag an den Rat der EKD zu stellen, nachdem Anregungen immer wieder erfolglos blieben. Antrag:

Adolf-Werkes vgl. K. SCHOLDER, Gustav-Adolf-Werk; R. STUPPERICH, Weg). Nach dem 2. Weltkrieg mußte aufgrund der Teilung Deutschlands neben der Zentrale in Leipzig für die westlichen Besatzungszonen eine zweite Geschäftsstelle eingerichtet werden, die sich zunächst in Arnheim, seit 1952 dann in Kassel befand. 1948 schlossen sich die 21 Hauptgruppen im Westen zu einer "Notgemeinschaft" der Gustav-Adolf Stiftung zusammen. Vor allem aber vollzog sich jetzt die Umgestaltung des früher freien Vereins in ein kirchliches Werk. Damit der Gustav-Adolf Verein in den Genuß des von den Siegermächten garantierten Schutzes für kirchliche Einrichtungen gelangen konnte, hatte der Rat bereits Anfang 1946 seine Nähe zur EKD hervorgehoben und ihn als "Gustav-Adolf-Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland" bestätigt (vgl. den Schriftverkehr im LKA STUTTGART, Altreg. Gen. 480, II). - Dieser Beschluß des Rates wurde dem Gustav-Adolf-Werk mit Benns Schreiben vom 13. Oktober 1948 mitgeteilt ( E Z A BERLIN, 2 / 3 4 6 ) . Vgl. dazu auch die Beschlüsse der folgenden Sitzung: 21B, S. 588f 47 Vgl. dazu die Beschlüsse des Centraivorstandes des Evangelischen Vereins der Gustav-Adolf-Stif tung vom 11. November 1948 (21D24, S. 682f).

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20. Sitzung Bethel 30. September 1948

Der Rat der E K D wolle sich in einer öffentlichen Erklärung gegen die Unmenschlichkeit der Ostzone KZ [mc/] wenden. Man wusste bereits seit etwa zwei Jahren, dass in diesen KZ Zustände herrschen, die an die nationalsozialistischen] KZ erinnern. Die Kirche hat bisher dazu geschwiegen. Die Gründe dafür sind bekannt. Nunmehr beginnen die Zeitungen bereits, sich dieser Sache anzunehmen, z.B. Stuttgarter Zeitung v. 9.8.48. Es widerspricht den Traditionen der Evangl. Kirche seit 1933, wenn sie dazu schweigt. Sie hat bereits durch ihr bisheriges Schweigen in dieser Sache viel Vertrauen eingebüsst. Es ist ausserdem unmöglich, dass wir uns gegen Zustände in Nürnberg und Dachau wenden, wenn wir nach dem Osten hin schweigen. Mit ergebenem Gruss gez. D. Asmussen 20E

Dokumente 20E1. Schreiben Meisers an den Rat. München, 20. Juli 1948 F: E2A Berlin, 2/307(0). Betreff: Christlicher Sender Die Vorbereitungen für den geplanten christlichen Sender sind soweit gediehen, daß nach Errichtung einer Körperschaft des öffentlichen Rechts für den Sender ein Kuratorium gebildet werden soll, das an die Spitze der Körperschaft tritt. Der Erzbischof von Bamberg schlägt vor, in dieses Kuratorium je 7 Personen von jeder Seite zu berufen. Auf katholischer Seite ist daran gedacht, das Kuratorium mit 5 Vertretern des höheren Episkopats (u.a. Kardinal Frings, Köln) und 2 führenden katholischen Laien zu besetzen. Es wird der Wunsch ausgesprochen, daß auch unsererseits in ähnlicher Weise verfahren wird. Die konstituierende Sitzung soll in der Woche nach dem 3. Oktober in Bamberg stattfinden. Ich möchte meinerseits für das Kuratorium vorschlagen außer mir, der ich als führender Vertreter der evangelischen Seite ihm angehören müßte, je einen führenden Geistlichen einer lutherischen, unierten und reformierten Kirche des Westens zu berufen, dazu den Leiter des Evang. Hilfswerks, Dr. Gerstenmaier, und 2 Laien. Bei der Berufung bitte ich zu berücksichtigen, daß Hauptpastor Oberkirchenrat Dr. Knolle in Hamburg bereits als

20E Dokumente

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Vertrauensmann für Rundfunkangelegenheiten für den Nordwestdeutschen Raum tätig ist und kaum übergangen werden kann. Als Laien möchte ich meinerseits den Direktor der MAN Nürnberg, Dr. Wellhausen, benennen, der führendes Mitglied des Landesverbands für Innere Mission in Bayern ist. Vor einem endgültigen Abschluß der Liste bitte ich noch einmal Fühlung mit mir zu nehmen. D. Meiser \m.p.~\

21 F r a n k f u r t / M a i n , 2. u n d 3. D e z e m b e r 1948 Ort:

Diakonissenbaus, Schwarzwaldstr.

Beginn:

Donnerstag, 2. Dezember 1948 (morgens).

Ende:

Freitag, 3. Dezember 1948 (Uhrzeit

Teilnehmer:

Vom Rat: Asmussen (nur zeitweise am 2.12.), Dibelius, Hagemann, Hahn, Heinemann,

160. unbekannt).

Held, Lilje, Meiser,

Niemöller, Niesei, Smend (vorzeitig abgereist Von der Kirchenkanzlei:

Benn.

Für das Hilfswerk: Bauer (nur zeitweise am 2.12.), Gerstenmaier (nur zeitweise am 2.12.). Protokollant:

von Harting, Merzyn,

Niemöller.

21A V o r b e r e i t u n g der S i t z u n g 21A1. Schreiben der Kirchenkanzlei an die Mitglieder des Rates. Schwäbisch G m ü n d , 5. Oktober 1948 F: EZA Berlin, 2/60 (O). 1. I n d e r A n l a g e b e e h r e n w i r u n s , das P r o t o k o l l ü b e r d i e l e t z t e S i t z u n g des Rates der E K D zu übersenden2. 2. D i e n ä c h s t e S i t z u n g des R a t e s soll D o n n e r s t a g d e n 2. u n d F r e i t a g d e n 3. D e z e m b e r 1948 i m F r a n k f u r t e r D i a k o n i s s e n h a u s s t a t t f i n d e n . D a dieses v o r a u s s i c h t l i c h d i e l e t z t e S i t z u n g des b i s h e r i g e n R a t e s d e r E K D sein w i r d , w ä r e d e r H e r r V o r s i t z e n d e des R a t e s b e s o n d e r s d a n k b a r , w e n n alle 1

Wurm konnte aus Gesundheitsgründen an der letzten Sitzung des ersten Rates nicht mehr teilnehmen; auch zur Synode in Bethel konnte er nicht anreisen. Am 24. Dezember 1948 teilte Merzyn den Ratsmitgliedem mit, Wurm wolle "mit Rücksicht auf seinen Gesundheitszustand seine Funktionen als Vorsitzender des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland bis auf weiteres als ruhend betrachten" (LKA NÜRNBERG, Meiser 144). Deshalb habe er den stellvertretenden Vorsitzenden des Rates, Niemöller, mit der Wahrnehmung der Amtsgeschäfte des Ratsvorsitzenden und mit der Vorbereitung und Leitung der bevorstehenden Tagungen von Kirchenkonferenz und Synode beauftragt Zu Wurms Erkrankung und seinen letzten Monaten im Amt des Ratsvorsitzenden und württembergischen

2

Landesbischofs

vgl. T . WURM, E r i n n e r u n g e n , S. 193-20Z ·

Zum

Vorsitzenden des neuen Rates wählte die erste Synode der EKD in der Nacht vom 12. zum U.Januar 1949 Dibelius (vgl. dazu BETHEL 1949, S. 192-217); zum stellvertretenden Vorsitzenden wurdeam 13. Januar Lilje gewählt (EBD., S. 287). 20B, S. 558-569.

21A Vorbereitung

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Mitglieder des Rates sich dieses Mal vollzählig schon am Mittwoch, den 1. Dezember zum Abendbrot im Frankfurter Diakonissenhaus einfinden und bis zum Ende der Ratssitzung dort bleiben könnten. 3. In Ausführung von Punkt 11 des Protokolls der letzten Ratssitzung3 erbitten wir zur Vorbereitung der nächsten Ratssitzung von allen Mitgliedern des Rates Vorschläge für die Tagesordnung der ersten Tagung der Synode sowie Vorschläge für die 20 vom Rat zu berufenden Mitglieder der Synode. 4. Das Amtsblatt der EKD wird den Herren Mitgliedern des Rates der EKD selbstverständlich weiterhin kostenlos zugehen, ohne dass es einer besonderen Bestellung oder Bezahlung bedarf. Dr. Merzyn

\m.p.~\

21A2. Schreiben der Kirchenkanzlei an die Mitglieder des Rates. Schwäbisch Gmünd, 9. November 1948 F: ΕZA Berlin, 2/60 (Konzept mit Paraphe Merzyns und Absendevermerk vom 9. November 1948).

Betr.: Vorbereitung der nächsten Rats-Sitzung. Unter Bezugnahme auf Punkt II 4 des Protokolls der letzten Rats-Sitzung sowie auf Ziffer 3 unseres Schreibens vom 5.10.1948 - 7153/485 - erbitten wir nochmals zur Vorbereitung der nächsten Rats-Sitzung von allen Mitgliedern des Rates Vorschläge für die Tagesordnung der ersten Tagung der Synode sowie Vorschläge für die 20 vom Rat zu berufenden Mitglieder der Synode. Gleichzeitig übersenden wir auf Veranlassung des Herrn Rats-Vorsitzenden die beiliegende Abschrift eines Schreibens des Landesbischofs der Badischen Landeskirche betr. Bultmann's Entmythologisierung des Christentums vom 8.5.1948 zu gefl. Kenntnisnahme6. Der Herr Vorsitzende des Rates hat diese Frage auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung gesetzt, die am Mittwoch d[era] 1. Dezember 1948 abends im Frankfurter Diakonissenhaus beginnen soll. Wir bemühen uns, den Herren Mitgliedern des Rates vorher noch zu

3 4 5 6

5; 567f. Ebd. 21Al, S. 572f. 21D17, S. 647.

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dieser Frage die vom Bruderrat angekündigte Schrift des heimgegangenen Prof. Schniewind 7 übersenden zu können. (Dr. Merzyn) Oberkirchenrat 21A3. Schreiben der Kirchenkanzlei an die Mitglieder des Rates. Schwäbisch Gmünd, 23. November 1948 F: LKA Stuttgart, Dl/217

(D)

I. Im Auftrage des Herrn Vorsitzenden des Rates der EKD beehren wir uns, nochmals mitzuteilen, dass die nächste Sitzung des Rates am Donnerstag d[en] 2. und Freitag den 3. Dezember im Frankfurter Diakonissenhaus stattfinden soll und dass der Herr Vorsitzende des Rates es sehr begrüssen würde, wenn die Mitglieder des Rates schon Mittwoch Abend zum gemeinsamen Abendessen im Frankfurter Diakonissenhaus sein könnten, um den Abend vor der letzten Rats-Sitzung im persönlichen Gespräch miteinander zu verleben. II. Als Tagesordnung für die Sitzung sind folgende Beratungsgegenstände vorgesehen: 1. Verkündung der Grundordnung der EKD 2. Vorbereitung der 1. Tagung der Kirchenkonferenz und der Synode der EKD a) Ort der Tagung b) Teilnehmer und Gäste c) Bestimmung der vom Rat zu berufenden Mitglieder der Synode d) Tagesordnung für die Sitzung der Kirchenkonferenz e) Tagesordnung für die Sitzung der Synode f) Geschäftsordnung für die Kirchenkonferenz g) Geschäftsordnung für die Synode 3. Verordnung betreffend die Verteilung der Sitze in der Synode der EKD 4. Verordnung betreffend die Verteilung der Stimmen in der Kirchenkonferenz 5. Gesetz betreffend den Haushalt der EKD für das Jahr 1949/50 6. Gesetz für die Bestätigung der vom Rat der EKD bisher erlassenen Verordnungen 7. Kirchengesetz über das Evangelische Hilfswerk 7

J. SCHNIEWIND, Anwort. - Zur damaligen theologischen Diskussion um das Problem der Entmythologisierung vgl. H.W. BARTSCH, Kerygma.

21A Vorbereitung

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8. Vertrag mit der Brüderunität 9. Anliegen der Kirche bezüglich der Staatsverfassungen 10. Kirchliche Stellung der deutschen evangelisch-theologischen Fakultäten 11. "Deutscher Bund für freies Christentum" 12. Bultmann's "Entmythologisierung des Christentums" 13. Kirche und Kriegsdienstverweigerung 14. Kirche und Lastenausgleich 15. Ergänzung des Kuratoriums der Evangelischen Jerusalem-Stiftung 16. Gustav-Adolf-Werk 17. St. Michaelshaus in Hamburg 18. Rechtsstellung von ausserehelichen, während der Ehe geborenen Kindern 19. Verbindung zwischen EKD und Arbeitsgemeinschaft für Volksmission 20. Personalien der Kirchenkanzlei m. Zu Ziffer 1 (Grundordnung der EKD) und 2 übersenden wir Ihnen beiliegende Referenten-Vermerke zu Ihrer Unterrichtung8 zu Ziffer 3+4 legen wir je einen Entwurf hier bei9 zu Ziffer 5 übersenden wir den Entwurf eines Haushalts- und Stellenplanes10 zu Ziffer 6+7 fügen wir einen Gesetzentwurf bei11; den Entwurf für ein Kirchengesetz über das Evangelische Hilfswerk hat der vom Rat hierfür eingesetzte Ausschuss in Frankfurt erarbeitet12; der Herr Vorsitzende hat auf Wunsch des geschäftsführenden Ausschusses des Hilfswerks Herrn Dr. Gerstenmaier und Herrn Dr. Walter Bauer eingeladen, das Anliegen des Hilfswerks zu diesem Beratungsgegenstand in der nächsten Rats-Sitzung am Freitag d. 3.12. vormittags 11 Uhr vorzutragen zu Ziffer 10 legen wir nochmals das Gutachten des Fakultätentages der deutschen evangelisch-theologischen Fakultäten über deren kirchliche Stellung bei13 zu Ziffer 13 übersenden wir eine Resolution, die von dem Männertag der Evangel. Kirche in Wetzlar einmütig gefasst und uns von dem Evangel. Kon-

8 9 10 11 12 13

21D1, S. 617-620; 21D3, S. 622ff. 21D6, S. 626f.; 21D5, S. 625. 21D7, S. 627-630; 21D8, S. 630f. 21D9, S. 63 Iff.; 21D10, S. 633-639. Vgl. dazu 21B, S. 583f. 21D16, S. 645ff.

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sistorium der Rheinprovinz mit der Bitte, sie zur weiteren Verhandlung dem Rat vorzulegen, übersandt worden ist14 zu Ziffer 15 übersenden wir abschriftlich ein Schreiben von D.Dr. Karnatz an den Vorsitzenden des Rates15 zu Ziffer 11 ("Deutscher Bund für freies Christentum") dürfen wir auf das Rundschreiben dieses Bundes v. 5.10.48 Bezug nehmen16 zu Ziffer 12 (Bultmann) dürfen wir auf unser Rundschreiben v. 9.11.48 verweisen17. Dr. Merzyn [m.p.] Oberkirchenrat 21A4. Schreiben Niemöllers an Merzyn. Wiesbaden, 26. November 1948 F: EZA Berlin, 2/60 (O).

Lieber Bruder Merzyn! Ich erwarte Sie also zu einer Besprechung für die Ratssitzung am 1. Dezember (Mittwoch) ab 13 Uhr, in der Brentanostrasse 3. Kurz nach unserem gestrigen Telefongespräch erhielt ich auch das Rundschreiben an die Mitglieder des Rates vom 23. November18, mit dem für die Sitzung erforderlichen Material. Soweit ich sehen kann, bin ich über alles ziemlich im Bilde bezw. mit Unterlagen versehen, bis auf Ziffer 11: "Deutscher Bund für freies Christentum". Das in ihrem Brief erwähnte Rundschreiben dieses Bundes vom 5. Oktober 1948 besitze ich nach Angabe meines Sekretariats nicht19. Es ist auch durchaus möglich, dass Pfarrer Meyer/Frankfurt mich grundsätzlich bei der Zusendung ausgeschlossen hat. - Vielleicht bringen Sie ein solches Rundschreiben mit; andernfalls wird es auch nicht viel schaden. Sodann möchte ich Sie wissen lassen, dass Landesbischof D. Wurm mir unter dem 23. November noch einen Antrag für die Ratssitzung zugeschickt hat, in dem er darum bittet, dass der Rat seinen bezw. Eberhard Müllers Plan, eine Tageszeitung von Rang zu gründen, prüfen und beim Reconstruction Departement wegen einer grossen finanziellen Beihilfe befürworten möchte20. 14 15 16 17 18 19 20

21D18, S. 648. 21D22, S. 680f. Vgl. dazu S. 587, Anm. 53. 21A2, S. m f . 21A3, S. m f f . Vgl. dazu 21B.S.586/. Vgl. dazu 21B,S.593f.

2IB Protokoll

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Nach meinem Dafürhalten täten wir richtig und gut (und so habe ich es D. Wurm auch geschrieben), wenn wir Pfarrer Eberhard Müller zu der Ratssitzung zu irgend einer Stunde am zweiten Tag einladen würden. - Wollen Sie das freundlichst übernehmen? Mit herzlichen Grüssen Ihr D. Niemöller [m.p.] 21B

Protokoll F: EZA Berlin, 2/62 (H, den Ratsmitgliedern übersandt mit Schreiben der Kirchenkanzlei vom 12. Dezember

1948f\

G: Mitschrift Smend.

Niederschrift über die Sitzung des Rates der EKD am 2. und 3. Dezember 1948 in Frankfurt/Main. Anwesend: Kirchenpräsident D. Niemöller DD., DD. Landesbischof D. Dr. Lilje DD., DD. Landesbischof D. Meiser Landesbischof D. Hahn Bischof D. Dr. Dibelius Moderator D. Niesei Präses Held Landgerichtspräsident Hagemann Oberbürgermeister Dr. Dr. Heinemann Professor D. Dr. Smend D. Asmussen DD. (nur 2.12. vormittags) sowie: Oberkonsistorialrat Dr. Benn Oberkirchenrat Dr. Merzyn von Harling und vorübergehend bei Punkt 7: Oberkonsistorialrat Dr. Gerstenmaier Dr. Walter Bauer

21

Vgl. auch das im EZA BERLIN (2/60) überlieferte Konzept für das Beschlußprotokoll.

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1.) Verkündung der Grundordnung der EKD 22 . Nachdem die Gliedkirchen und der Bruderrat der EKD der von der Kirchenversammlung der EKD am 13. Juli 1948 in Eisenach beschlossenen Grundordnung zugestimmt und sie unterzeichnet haben, wurde die Grundordnung auf Grund von § 10 Abs. I der Verordnung vom 14. Januar 194823 durch Beschluss vom 3. Dezember 1948 (Anlage 1) verkündet24. Dieser Beschluss soll mit dem axis der Anlage ersichtlichen Wortlaut mit sofortiger Wirkung in Kraft treten, im Amtsblatt der EKD veröffentlicht25 und den Gliedkirchen mit einem Anschreiben26 mitgeteilt werden, in dem dargelegt werden soll, dass die Bremische Evangelische Kirche aus den in ihrer Eingabe an den Rat vom 25.11.48 dargelegten Gründen nach ihrer eigenen Darstellung bisher noch η i c h t als "Gliedkirche" im Sinne der Grundordnung angesehen werden kann und dass daher das Fehlen ihrer Zustimmung zur Grundordnung nicht als Anlass zur erneuten Einberufung der Kirchenversammlung nach § 10 Absatz 2 der Verordnung über das Zustandekommen einer Grundordnung der EKD 2 7 angesehen werden kann, zumal da auch die Kirchenversammlung an der gegenwärtig bestehenden verfassungsrechtlichen Situation in Bremen nichts ändern und die in dieser Situation begründeten Hindernisse nicht beseitigen könnte 28 . Die Entschliessung darüber, ob und in welcher Weise die Bremische Evangelische Kirche sich trotzdem in der Synode der EKD - etwa mit beratender Stimme - vertreten lassen könne, soll der Synode vorbehalten bleiben; ebenso

22 Vgl. dazu die Vorlage der Kirchenkanzlei (21D1, S. 617-620). 23 Danach sollte die Grundordnung, wie in diesem Beschluß formuliert, nach Zustimmung und Unterzeichnung durch alle Gliedkirchen und den Bruderrat vom Rat verkündet werden (vgl. S. 370). 24 Vgl. den fast wortgleichen Text der Anlage: HCl, S. 594. Damit trat die Grundordnung am 3. Dezember 1948 in Kraft. 25 AB1EK.D, Heft 12 vom 15. Dezember 1948. 26 21C2,S.594f. 27 Danach mußte die Kirchenversammlung zu einer erneuten Beratung einberufen werden, wenn nicht alle Gliedkirchen der Grundordnung zustimmten (vgl. S. 370). 28 Zu den Auseinandersetzungen zwischen Bremer Kirchenausschuß und Bekenntnisgemeinschaft über den Status der Bremischen Evangelischen Kirche und ihr Verhältnis zur EKD vgl. S. 282, Anm. 26 und 27; S. 457, Anm. 55. - Für eine Stellungnahme der bremischen Kirche zur Grundordnung hatte der dortige Kirchenausschuß eine Vorbesprechung der Pastoren und Bauherren sowie den Kirchentag einberufen (vgl. das Einladungsschreiben vom 6. Oktober 1948 an die Bauherren bzw. Kirchenvorsteher und Pastoren: EZA BERLIN, 2/8). Der Kirchenausschuß hatte dann am 26. November 1948 der Kirchenkanzlei zunächst telegrafisch mitgeteilt, daß eine "Unterschrift Grundordnung zur Zeit leider nicht möglich" sei (EBD.). Ausführlich hatte er seinen Standpunkt schliφlich in einer Eingabe an den Rat vom 25. November 1948 dargelegt (21D2, S. 620ff.).

2 IB Protokoll

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auch die Bestimmung über den zunächst frei gebliebenen Sitz der Bremischen Evangelischen Kirche in der Synode29. Die vom Rat schon früher beschlossene Prüfung der Verhältnisse in der Bremischen Evangelischen Kirche durch beauftragte Mitglieder des Rates soll bis auf weiteres zurückgestellt werden. 2.) Vorbereitung der ersten Tagung der Kirchenkonferenz und der Synode der EKD 3 0 . a) Ort der Tagung: Es wurde beschlossen, dass die Tagung in Bethel stattfinden soll. b) Teilnehmer und Gäste: Die Tagung der Synode soll Sonntag, den 9.1.49, um 17.00 Uhr, mit einem Gottesdienst in der Zionskirche in Bethel beginnen. Um die Predigt soll in erster Linie Herr Landesbischof D. Wurm und, wenn dieser absagen sollte, Herr Präses Wilm gebeten werden31. Um 20.15 Uhr soll ein Begrüssungsabend stattfinden, der mit einer Begrüssungsansprache des Vorsitzenden des Rates beginnen soll; ferner sollen Grussworte in Aussicht genommen werden von Herrn Präses D. Koch und je einem Vertreter der zuständigen Besatzungsmacht und der weltlichen Obrigkeit, sowie ein Referat über Bethel; schliesslich soll auch der Bethel-Chor um zwei Chorgesänge gebeten werden. Als Gäste sollen hierzu eingeladen werden: die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen, der zuständige Regierungspräsident und Oberbürgermeister, die westfälische Kirchenleitung, die theologische Fakultät Münster, die

29 Der bremische Kirchenausschuß berief auf eine mündliche Mitteilung Niemöllers, der Rat wolle die bremische Kirche als Gast nach Bethel einladen, Pastor Urban als Vertreter Bremens und bat die Kirchenkanzlei, ihm eine entsprechende Einladung zugehen zu lassen (Schreiben an die Kirchenkanzlei vom 21. Dezember 1948: EZA BERLIN, 2/45). Diese Einladung sprach die Kirchenkanzlei mit Schreiben vom 3. Januar 1949 an den Kirchenausschuß aus (EBD.). Niemöller berichtete dann der Synode über die Entscheidungen des Rates gegenüber der bremischen Kirche am Vormittag des 10. Januar 1949 (vgl. BETHEL 1949, S. 23-26). Auf den Bericht Niemöllers gab Urban eine Erklärung für den Kirchenausschuß, in der er noch einmal die besondere Lage der bremischen Kirche darlegte, "um das rechte brüderliche Verständnis für ihre besondere Lage" bat und schließlich den Willen der bremischen Kirche bekundete, "auch in der Zwischenzeit die Fühlung mit der Gesamtkirche und ihren Gliedern zu erhalten" (EBD., S. 29ff.). 30 Vgl. dazu die Vorlage der Kirchenkanzlei (21D3, S. 622ff.). 31 Nachdem Wurm aufgrund seiner Erkrankung absagen mußte (vgl. dazu S. 572, Anm. 1 und das "Abschiedswort" Wurms an die Synode und die Kirchenkonferenz der EKD: AB1EKD 1949, Heft 1 vom 15. Januar 1949 Nr. 2), hielt schließlich Wilm die Predigt zum Eröffnungsgottesdienst am 9. Januar 1949 in der Zionskirche in Bethel über Joh 1,35-42 (Wortlaut abgedruckt in: BETHEL 1949, S. 9-14).

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kirchliche Hochschule Bethel, die Religionsabteilungen der amerikanischen, britischen, französischen und sowjetischen Militärregierungen, der Leiter der Anstalten in Bethel, die Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland, Herr Präses D. Koch und der Ökumenische Rat der Kirchen; die Einladung an diesen soll an Propst Högsbro übermittelt werden, dem dabei mitgeteilt werden soll, dass der Rat der EKD seine Teilnahme und die des Generalsekretärs des Weltkirchenrats, Dr. Visser 't Hooft, besonders dankbar begrüssen würde. c) Bestimmung der vom Rat zu berufenden Mitglieder der Synode: Es wurde beschlossen, die in der Liste, Anlage 2, genannten Persönlichkeiten als Mitglieder in die Synode zu berufen 32 . d) Tagesordnung für die Tagung der Kirchenkonferenz 33 : Folgende Verhandlungsgegenstände wurden für die Kirchenkonferenz in Aussicht genommen: 1. Annahme einer Geschäftsordnung. 2. Vorschlag für die Bildung des Rates der EKD. 3. Stellungnahme zu den Vorlagen an die Synode a) über die Verteilung der Stimmen in der Kirchenkonferenz, b) über den Haushaltsplan und die Umlage, c) über das Hilfswerk, d) über die Schiedsgerichtsbarkeit der EKD. 4. Im Verlauf der Synode: a) Teilnahme an der Wahl des Rates sowie des Vorsitzenden und des stellvertretenden Vorsitzenden des Rates. b) Fühlungnahme des Rates mit der Kirchenkonferenz über die Besetzung der Stellen des Leiters der Kirchenkanzlei und des Leiters des Kirchlichen Aussenamtes gemäss Art. 31 Abs. 2 Gr[und\0\rdnung^*.

32 21C3, S. 596; Vgl. dazu auch die Teilnehmer- und Quartierliste vom 12. Dezember 1948 (EZA BERLIN, 2/44). · Schwarzhaupt hatte Smend im Auftrag der Evangelischen Frauenarbeit in Deutschland in einem Schreiben vom 20. November 1948 darum gebeten, dafür Sorge zu tragen, daß in der Synode hinreichend Frauen vertreten seien und dafür das Berufungsrecht des Rates in Anspruch zu nehmen (21D4, S. 624f). 33 Die Kirchenkanzlei übersandte den Landeskirchenleitungen die Tagesordnung für die Kirchenkonferenz zugleich mit der Einladung mit Rundschreiben vom 5. Dezember 1948 (EZA BERLIN, 2/52). Mit einem weiteren Rundschreiben der Kirchenkanzlei vom 28. Dezember 1948 erhielten die Landeskirchenleitungen dann außerdem eine vollständige Liste der erwarteten Teilnehmer und eine nochmalige Einladung auf"Sonnabend den 8.1.1949 vormittags 9 Uhr im Assapheum in Bethel" (LKA STUTTGART, Dl/218,2). 3 4 S. 533.

2 IB Protokoll

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e) Tagesordnung für die Tagung der Synode der EKD35: Für die Synode der EKD wurden folgende Verhandlungsgegenstände in Aussicht genommen: 1. Wahl des Präsidiums (Art. 26 Abs. 1 Gr.O.) 2. Annahme einer Geschäftsordnung (Art. 26 Abs. 2 S[atz] 3 Gr.O.) 3. Prüfung der Legitimation der Mitglieder 4. Allgemeiner Bericht des bisherigen Rates (Art. 29 Abs. 1, Satz 5 Gr.O.) 5. Vorlage der Verordnungen des bisherigen Rates (Art. 35 Abs. 3 Gr.O.) 6. Wahl des neuen Rates (Art. 23 Abs. 3 Gr.O.) 7. Wahl des Vorsitzenden und stellvertretenden Vorsitzenden des neuen Rates (Art. 30 Abs. 3 Gr.O.) 8. "Recht und Gerechtigkeit" (Vortrag und Aussprache) 9. Ordnung des Hilfswerks 10. Erlass von Kirchengesetzen (Art. 23 Abs. 2, Art. 26 Abs. 3 Gr.O.): a) über die Schiedsgerichtsbarkeit in der EKD (Art. 32 Gr.O.) b) über die Verteilung der Stimmen in der Kirchenkonferenz (Art. 28 Abs. 2 Gr.O.) c) über den Haushaltsplan und die Umlage (Art. 33 Abs. 2 Gr.O.) d) über den Vertrag mit der Evangelischen Brüderunität (Art. 21 Abs. 4 Gr.O.) 11. Bildung eines Ausschusses zur Beratung über eine neue Disziplinarordnung der EKD 12. Bildung eines Ausschusses zur Prüfung der Rechnungen der EKD (Art. 33 Abs. 3 Gr.O.) 13. Bildung von Kammern zur Beratung der leitenden Organe der EKD (Art. 22 Abs. 2 Gr.O.) 14. Bildung eines Schiedsgerichtshofes der EKD (Art. 32 Gr.O.)36 35 Die Kirchenkanzlei versandte die vorläufige Tagesordnung mit Rundschreiben vom 4. Dezember 1948 an die Mitglieder der Synode (EZA BERLIN, 2/44). 36 Die Themenauswahl der Tagesordnung für die Synode stieß auf die heftige Kritik Hammelsbecks, der in einem Schreiben vom 28. Dezember 1948 hervorhob, ά